= @ fr a A EEE ER chmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk Lehrbuch der Botanik für höhere Lehranstalten und die Hand des Lehrers, sowie für alle Freunde der Natur Unter besonderer Berücksichtigung biologischer Verhältnisse bearbeitet von Professor Dr. Otto Schmeil Mit 40 farbigen Tafeln und zahlreichen Textbildern Achtundzwanzigste Auflage From the Library of R, B. Thonson 1914 = Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig - Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten > o == [Se) 56) fra) nd —— " Graphisches Institut Julius Klinkhardt, Leipzig. Vorwort zur fünfundzwanzigsten Auflage. Erst wenige Monate sind vergangen, seitdem mein Lehrbuch der Zoologie in fünfundzwanzigster Auflage herausgegeben werden konnte, und heute schon ist es dem weit jüngern Lehrbuche der Botanik vergönnt, das gleiche Jubi- läum zu begehen. Während jenes etwa zehn Jahre brauchte, um sich den „Silberkranz“ zu erringen, vermochte dieses, da ihm beim Eintritt in das Leben seine zoologischen Geschwister bereits den Weg gebahnt hatten, in wenig mehr als sieben Jahren dasselbe Ziel zu erreichen, Die Aufnahme, die es im Frühjahre 1903 fand, war eine so freundliche wie sie nur einem langersehnten Gaste zuteil wird. Da es allem Anscheine nach hielt, was es versprach, nahm es in den Schulen aller Arten, -und zwar weit über die Grenzen des engern Vaterlandes hinaus, fast mühelos bald den gleichen Platz ein, dem sich vor ihm die „Zoologie“ erobert hatte, und so ist es geblieben bis zum heutigen Tage. Wem bekannt ist, wie der botanische Unterricht vor Erscheinen dieser Arbeit in der Mehrzahl unsrer Schulen beschaffen war; wer gesehen hat, mit welcher Freude die Lehrer aller Schularten nach dem neu erschienenen Buche griffen, und wer verfolgt hat, mit welcher Schnelligkeit und geradezu elemen- taren Gewalt fast überall ein Wandel zum Bessern eingetreten ist —- eine Erscheinung, wie sie in der Entwicklung keines andern Unterrichtsfaches bisher beobachtet wurde —:: der kennt auch die ebenso kurze, wie inhaltreiche Lebens- geschichte des vorliegenden Werkes. Da sich diese Vorgänge nun erst innerhalb der letzten Jahre und zwar in vollster Öffentlichkeit abgespielt haben, brauche ich mich an dieser Stelle auch nicht darüber zu äußern, welchen Anteil das Buch mitsamt den andern Gliedern meines „Naturwissenschaftlichen Unterrichtswerkes“ an der so kräftig fortschreitenden Reform des biologischen Unterrichtes gehabt hat. Übrigens wurde dies in dem Vor- worte zur 25. Auflage des Lehrbuches der Zoologie bereits kurz berührt, und zudem redet die Verbreitung meiner Arbeiten*) ja eine so deutliche Sprache, daß sie jeder vernehmen kann, der nur ,.. den guten Willen dazu hat. *) Gegenwärtig liegen, abgesehen von den Ausgaben für österreichische Schulen mit deutscher Unterrichtssprache, die von den Herren Schulrat Prof. Scholz, Prof. Schweitzer und Direktor Zoder bearbeitet worden sind, Übersetzungen vor in bulga- rischer, dänischer, englischer, finnischer, lettischer, italienischer, niederländischer, pol- nischer, russischer, schwedischer, serbischer und tschechischer Sprache. Auch in Blinden- schrift wurden einige Teile übertragen (Wien, Buchhandlung des Israel. Blindeninstituts). IV Vorwort. Es ist also nur nötig, die Veränderungen kurz zu kennzeichnen, durch die sich die Jubiläumsausgabe charakterisiert. Der wichtigste Schritt, den das Buch vorwärts getan hat, erfolgte auf dem Gebiete des ihm zugrunde gelegten Systems. Obgleich meine Absicht, die Einführung in diesen verhältnismäßig schwierigen und spröden Stoff so einfach wie möglich zu gestalten, fast allgemeine Anerkennung fand, mehrten sich doch in neurer Zeit die Stimmen, die eine dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft mehr entsprechende Anordnung forderten. Wiederholte ernstliche Erwägungen mit befreundeten Schulmännern haben mich nun bestimmt, dem Buche auch nach dieser Richtung hin ein durchaus modernes Gepräge zu geben. Schwierig war aber die Entscheidung darüber, welchem Systematiker ich folgen sollte, ohne der Arbeit den Charakter eines Schulbuches zu nehmen. Nach langem Suchen glaube ich in der neusten Auflage des bekannten und weitverbreiteten, für Universitäten bestimmten Lehrbuches von Strasburger*) die für meine Zwecke beste Lösung der Frage gefunden zu haben: Das in diesem Werke be- nutzte System, das dort als „das von Alexander Braun aufgestellte, von Eichler, Engler, Wettstein u. a. weiter ausgebildete natürliche“ bezeichnet wird, erschien mir so geeignet, daß ich es bezüglich der Phanerogamen bis auf einige geringfügige Umstellungen übernehmen konnte. Wenn ich mich hinsicht- lich der Kryptogamen jenem oder einem andern modernen Systeme nicht in allen Stücken auszuschließen vermochte (was bisher auch in keinem andern für Schulzwecke bestimmten Buche jemals versucht worden ist), so wird dies jeder, der die Schule auch nur einigermaßen kennt, ohne weiteres verstehen. Ich bin daher hier bei der alten, einfachen und übersichtlichen Einteilung verblieben. Mehrfachen Wünschen entsprechend haben jedoch die Kapitel über die Algen und Pilze wichtige Erweiterungen erfahren. Um den gleichzeitigen Gebrauch verschiedener Auflagen im Unterrichte trotz dieser Veränderungen nicht zu behindern, sind die einzelnen Abschnitte möglichst unverändert gelassen, so daß es sich in den meisten Fällen nur darum handeln wird, eine andre Seite des Buches aufzuschlagen. Dieses Beibehalten des Textes ist aber selbstverständlich nur so weit erfolgt, als sachliche Gründe nicht im Wege standen. Wie sorgfältig alle Teile aber- mals revidiert worden sind, dürfte schon eine flüchtige Durchsicht des Buches zeigen. Hierbei habe ich mich auch diesmal wieder der Unterstützung zahlreicher befreundeter Herren zu erfreuen gehabt, von denen ich hier nur meinen alten, bewähr- ten Mitarbeiter J. Fitschen-Altona, sowie die Herren Lehrer E. Gramberg- Königsberg, Gymnasiallehrer G. Lehmann-Berlin und Professor Dr. G. Meyer- Görlitz nennen kann, und denen ich wie allen andern auch an dieser Stelle nochmals herzlichen Dank für die uneigennützige Hilfe ausspreche. Abgesehen von den vielen Verbesserungen, Einfügungen, Streichungen u. dgl. möchte ich nur darauf hinweisen, daß die paläontologischen Mitteilungen, wie dies bereits im Lehrbuche der Zoologie geschehen ist, wesentlich erweitert *, Strasburger, Jost, Schenck u. Karsten, Lehrbuch der Botanik für Hoch- schulen. Zehnte umgearbeitete Aufl. Jena 1910. Vorwort. V worden sind. Daß diese Stoffe hier aber bei weitem nicht so stark hervor- treten als in jenem Werke, liegt — wie allgemein bekannt — in sachlichen Verhältnissen begründet. Eine besondere Sorgfalt habe ich weiter darauf verwendet, die mehrfach beanstandete teleologische Ausdrucksweise zu beseitigen, der ich mich des öftern bedient hatte. Wie schon im Vorworte zur ersten Auflage des Lehrbuches der Zoologie ausgesprochen wurde, ist dies jedoch nur im Inter- esse einer einfachen und anschaulichen Darstellung, nicht also etwa deshalb geschehen, um einer bestimmten Forschungsrichtung Ausdruck zu geben; denn es wäre geradezu vermessen, wenn ein Schulbuch in rein wissenschaftlichen Angelegenheiten, die zudem vielfach noch völlig ungeklärt sind, Partei ergreifen wollte. Um kurz den Punkt zu berühren, der hier besonders in Betracht kommt, sei bemerkt, daß ein solches Buch die für ein denkendes Erfassen der Natur so überaus wichtigen Zusammenhänge zwischen Bau und Funktion der Organismen oder ihrer einzelnen Organe sorgfältig aufzudecken hat, daß es aber die Frage nach deren Entstehung um so weniger erörtern kann, als die Ansichten darüber ‘selbst unter den Fachgelehrten weit auseinander gehen, und wir in den meisten Fällen kaum den ersten Schritt zu einer wirklichen Erkennt- nis getan haben. Dem Wunsche, die Kulturgewächse unsrer aufblühenden Kolonien mehr als bisher zu berücksichtigen, habe ich gleichfalls gern Folge geleistet. Vor einem „Zuviel“ in dieser Hinsicht möchte ich aber warnen; denn wir haben es hier ja durchweg mit Objekten zu tun, die der direkten Beobachtung des Schülers zumeist nicht zugänglich sind. Ohne unmittelbare Berührung mit der Natur, ohne sorgfältiges Anschauen und sachgemäßes Experimentieren kann es aber — darüber sind sich alle Sachverständigen bereits seit Baco und Comenius einig — einen naturwissenschaftlichen Unterricht von erziehlichem Werte nicht geben,*) Ferner bin ich dem Ersuchen, die im Texte enthaltenen Fragen, Auf- gaben u. dgl. zu streichen, in weitgehender Weise entgegen gekommen. Es ist wohl kaum nötig zu bemerken, daß diese Einfügungen seinerzeit nur vor- genommen wurden, um bei der Benutzung des Buches auf diesen oder jenen *) Obgleich ich bereits meine Stellung zu den praktischen Schülerübungen im Vorworte zur 25. Auflage des Lehrbuches der Zoologie kurz dargelegt habe, möchte ich die Gelegenheit nicht versäumen, hier noch einmal mit Nachdruck darauf hinzuweisen. Wer — um ein Wort Pestalozzis zu gebrauchen — „die Anschauung als das absolute Fundament aller Erkenntnis“ ansieht, wird auch ohne weiteres zu- geben, daß die naturwissenschaftliche Belehrung stets von .einem bestimmten, der direkten Beobachtung zugänglichen Falle, von einem überzeugenden Versuche oder dgl. auszugehen und soweit als möglich die Selbsttätigkeit des Schülers heranzuziehen hat, wenn sie klare Anschauungen erzeugen soll. Diesem pädagogischen Fundamental- gesetze entsprechend zeigt auch das vorliegende Buch fast das Gepräge eines Prak- tikums. Sache des mit dem Gegenstande vertrauten Lehrers muß es selbstverständ- lich sein, die hier gegebenen Darlegungen in selbsttätige Arbeit des Schülers überzuführen. Mehr, als zu solchen Versuchen anzuspornen, vermag allerdings kein Buch zu leisten, und — wenn es ein Praktikum im üblichen Sinne wäre. VI Vorwort. wichtigen Punkt besonders hinzuweisen. Da mir jedoch von befreundeter Seite wiederholt mitgeteilt worden ist, daß diese Einschaltungen von Unterriehtenden vielfach als eine Beeinträchtigung ihrer durchaus notwendigen Selbständig- keit aufgefaßt würden, habe ich eine Korrektur gern eintreten lassen. Als ein weiterer wesentlicher Fortschritt der vorliegenden Auflage dürften die kurzen etymologischen Erklärungen der botanischen Namen und Fach- ausdrücke anzusehen sein. Schon solange das Buch existiert, ist von vielen Seiten auf die Notwendigkeit einer solchen Ergänzung hingewiesen worden, und ich habe stets auch anerkannt, daß hier — besonders weil das Werk vor- wiegend vom Lehrer gebraucht wird — ein gewisses Bedürfnis vorliegt. Da ich aber ebenso sicher wußte, wie groß für einen Nichtfachmann gerade auf diesem Gebiete die Gefahr des Irrens ist, mußte ich jene Wünsche leider bis ietzt unberücksichtigt lassen. Erst durch die freundliche Unterstützung eines vortrefflichen Alt-Philologen, des Herrn Dr. Lamer-Leipzig, dem ich zu großem Danke verpflichtet bin, war es möglich, diese wichtige Ergänzung zu schaffen. Allgemeine Zustimmung dürfte es finden, daß diese Erklärungen so kurz wie ' möglich gehalten sind, daß von der Verwendung griechischer Schriftzeichen Abstand genommen und in allen Fällen — wie dies bisher bereits im Texte der Fall war — die genaue Betonung kenntlich gemacht ist. Bei Wieder- holung eines Wortes in der Fußnote dagegen wurde die Akzentuierung, weil entbehrlich, nicht abermals angegeben, wohl aber bei dessen Anführung in der Ursprache, bei seiner Auflösung in die einzelnen Bestandteile oder dgl. Einen beträchtlichen Fortschritt hat das Buch endlich auch bezüglich der Illustrierung erfahren. Es konnten nicht nur mehrere ältere Zeichnungen durch bessere ersetzt, sondern auch viele gleichwertige neue eingefügt werden. Unter den letztern dürften in der Zeit der „Naturschutz-Bewegung“ die Abbildungen unsrer wichtigsten Waldbäume, von denen Fichte, Tanne u.a. auch textlich stärker berücksichtigt sind, in erster Linie willkommen sein. Die bisher auf besondre schwarze Tafeln gedruckten, seitengroßen oder zu ganzen Seiten vereinigten Abbildungen wurden dem Texte eingefügt, da die Qualität des verwendeten Papiers eine fast gleich gute Wiedergabe wie Kunstdruckpapier gewährleistete. Gleich den Habitusbildern des Lehrbuches der Zoologie (vgl. Vorwort zur 25. Aufl) sind auch die der vorliegenden Arbeit durchweg Kunstwerke und daher wohl geeignet, der künstlerischen Bildung der Jugend zu dienen, deren hohe erziehliche Bedeutung gegenwärtig erfreulicherweise immer mehr anerkannt wird. Selbst in den einfachen und einfachsten Zeichnungen wird man daher nichts Dilettantenhaftes finden, das sich namentlich in der naturwissenschaftlichen Schulbuchliteratur oft mit großer Wichtigtuerei breit zu machen sucht. Wie man bei nährem Zusehen weiter leicht erkennen wird, sind die Abbildungen und Tafeln ferner nicht ein bloßer Schmuck, sondern ein inte- grierender Bestandteil des Buches selbst. Wort und Bild suchen sich gegenseitig zu unterstützen und zu ergänzen. Daher war für mich auch jene ebenso bequeme, wie alltägliche Praxis ausgeschlossen, den ausführenden Künstlern die Arbeit allein zu überlassen, oder gar bereits vorhandene Abbil- Zu u Vorwort VII dungen aufzunehmen, die zu dem Texte bekanntlich oft so vortrefflich passen daß dieser nach ihnen .. . besonders eingerichtet werden muß! Durch die Verwendung ausschließlich eigner Abbildungen, an deren Herstellung ich vielfach bis zu den unscheinbarsten Details herab beteiligt gewesen bin, war es aber auch nur möglich, dem Buche das durchaus notwendige einheitliche Gepräge zu geben, das es besitzt. Auch bezüglich der verhältnismäßig wenigen Abbildungen, die andern Werken entnommen wurden, prüfte ich in allen Fällen, ob sie sich auch mit Vorteil in das Ganze einordnen ließen. Damit das Buch durch die textlichen Einfügungen und die zahlreichen neuen Illustrationen nicht etwa unhandlich werde, ist ihm ein etwas größeres Format gegeben worden. Auch durch angemessene Verkleinerung mehrerer Abbildungen, unter der die Deutlichkeit der Darstellung aber wohl in keinem Falle gelitten haben dürfte, ist versucht worden, diesem Übelstande erfolg- reich zu begegnen. Hiermit wären etwa die Punkte kurz berührt, durch die sich die „Jubiläums- auflage“ von ihren vierundzwanzig Vorgängerinnen unterscheidet. Ich kann das Werk daher nunmehr entlassen zu einem neuen Fluge durch die Lande, die jetzt wieder einmal das Brautkleid des Frühlings anlegen. Wirke und schaffe weiter, du liebes Buch, bei Jungen und Alten! Leite sie alle, die sich dir vertrauen, hin zu der erhabenen Natur, von der du nur ein schwaches Abbild geben kannst! Das sei mein Reisesegen! Heidelberg, im Frühjahre 1910, Der Verfasser. VII Vorwort. Aus dem Vorworte zur achten Auflage. -...So sehr ich den veralteten, rein „beschreibend-systematischen“ Unter- richt verurteile, so energisch muß ich mich jedoch gegen den Vorwurf wenden, der von gewisser Seite immer wieder erhoben wird, daß nämlich in meinen Arbeiten Systematik und Morphologie vernachlässigt wären. Wie grundlos diese Behauptung ist, habe ich bereits früher mehrfach nachgewiesen und u. a. auch in dem Vorworte zur 1. Auflage dieses Buches kurz dargelegt. Da ich aber annehmen muß, daß meine Beweise von jenen Herren nicht als gelungen angesehen werden, will ich hier auf einige Tatsachen verweisen, die sich durch noch so viele Worte nicht aus der Welt schaffen lassen. Indem ich mich nur auf das vorliegende Buch beschränke, sei bez. der Systematik bemerkt, daß es genau wie jene „musterhaften“ Arbeiten systematisch angelegt ist. Es begnügt sich aber wie diese Bücher nicht etwa damit, die im Unterrichte zu erarbeitenden systematischen Begriffe als etwas längst Feststehendes einfach mitzuteilen, sondern — wie dies eigent- lich gar nicht anders sein kann! — planmäßig zu entwickeln. Man ver- gleiche z. B., wie die Begriffe Phanerogamen und Kryptogamen, Zell- und Ge- fäßpflanzen, Monokotylen und Dikotylen, Angiospermen und Gymnospermen usw. eingeführt sind. Was der Lehrer von diesem reichen systematischen Stoffe im Unterrichte berücksichtigen will, ist — genau wieder wie in jenen Büchern — selbstverständlich seinem Ermessen überlassen. Ebenso haltlos ist der Vorwurf bez. der Morphologie: Es steht nämlich unumstößlich fest, daß die in dem Buche ausführlich betrachteten Objekte, um die es sich hierbei nur handeln kann, in einer Weise. genau „beschrieben“ sind wie in keinem andern Buche, das gleichem Zwecke dient. Man sehe sich z. B. die Darstellung der: vegetativen Verhältnisse der Seerose, des Roggens, der Kiefer, des Weinstockes und jeder beliebigen andern Pflanze an, oder man lese nach, was über die Blüte des Veilchens, der Erbse, der Taub- nessel, der Sonnenblume, der Haselnuß, der Weide oder irgend eines andern eingehend behandelten Objekts gesagt ist! In diesen Beispielen — ich könnte deren leicht hundert anführen — finden sich ohne jeden Zweifel alle die morphologischen Einzelheiten, die in den hochgepriesenen, „alten, guten“ Büchern in trockenster Aneinanderreihung die sogenannten Be- schreibungen ‘bilden. Wer die erwähnte Behauptung auch nach diesen absolut sichern Be- weisen wiederholt, der kennt meine Arbeit entweder nicht, oder — verschließt sich einer bessern Einsicht. ... . Ka Vorwort. IX Aus dem Vorworte zur ersten Auflage. Die Arbeit, die ich hiermit der Schule und ihren Lehrern übergebe, ist ein Seitenstück zu meinem „Lehrbuche der Zoologie“. Bei der Abfassung beider Bücher sind daher auch die gleichen Erwägungen maßgebend gewesen. Da ich nun meine Ansichten über die notwendige Um- und Ausgestaltung des naturgeschichtlichen Unterrichts in einer Broschüre*) ausführlich entwickelt habe, kann ich hier von einer erneuten Darlegung absehen. Ich vermag dies um so eher, als die Schulen aller Gattungen sich immer mehr einem Unter- richte zuwenden, wie er durch den gegenwärtigen Stand der Natur- wissenschaften und der Pädagogik gefordert wird, einem Unterrichte, der dem Schüler ein seiner Fassungskraft entsprechendes Verständnis der Natur zu eröffnen vermag, der ferner den Natursinn der Jugend kräftig und nachhaltig zu beeinflussen imstande ist, und der sich endlich an Bildungs- wert getrost mit jedem andern Unterrichtszweige messen kann. Da sich meine Arbeit nun in den Dienst eines solchen Unterrichts stellen möchte, mußte ich, wie in dem „Lehrbuche der Zoologie“ (und seinen ge- kürzten Ausgaben) mit der veralteten Weise trocknen Beschreibens, die für Schüler wie Lehrer eine gleich große Qual ist, brechen und den morpholo- gischen Stoffen durch Hinzufügung physiologischer Momente einen erhöhten Wert verleihen. Ich mußte, um dies ganz kurz auszudrücken, die Pflanzen wie die Tiere als lebende Wesen darzustellen versuchen. Da die Lebenstätigkeiten der Pflanzen aber weit weniger augenfällig sind als die der Tiere — ein Umstand, der im botanischen Unterrichte außerordentlich zur Geltung kommt —, so war dies auch z.T. ein sehr schwieriges Unternehmen. Auch in dem allgemeinen Teile habe ich, um ein möglichst greifbares Bild „vom Bau und Leben der Pflanze“ zu schaffen, Morphologie und Physio- logie aufs engste zu verschmelzen versucht. Allerdings setzt diese Art der Darstellung auch einen größern Raum voraus, als diesem Stoffe in Schulbüchern gewöhnlich eingeräumt zu werden pflest. Daß ich zu diesem Bilde auch den reichen morphologischen und biologischen Stoff zusammenfassend verwendet habe, der in den Einzelbetrachtungen gewonnen worden ist, dürfte allseitige Zustimmung finden. Im allgemeinen, wie im speziellen Teile des Buches hoffe ich von neuem dargetan zu haben, daß die gebührende Betonung des Lebens auch ohne Vernachlässigung der Morphologie möglich ist. Besonders die Einzel- betrachtungen enthalten so genaue „Beschreibungen“ der Pflanzen, wie sie in Werken rein beschreibenden Inhalts nur selten zu finden sind. Die „biolo- gische Betrachtungsweise“ zwingt Lehrer und Schüler geradezu, wie ich hier . _ *) Über die Reformbestrebungen auf dem Gebiete des naturgeschichtlichen Unter- richts. 8. Aufl, Verlag von Quelle & Meyer, Leipzig. X Vorwort wiederholt betone, erst sorgfältig das Tatsächliche festzustellen, bevor an die Frage nach seiner Bedeutung herangetreten werden kann. Werden über der Erklärung der Tatsachen diese selbst vernachlässigt, dann artet der Unterricht wie in allen andern Fächern (z. B. in Geographie oder Geschichte) allerdings in leeres Geschwätz aus. Dann werden die Bahnen sichern Wissens verlassen, und eine hohle Phantasterei, eine Sucht, alles er- klären zu wollen, macht sich breit. Gerade bei der Beurteilung biologischer Ver- hältnisse aber ist in der Schule die größte Vorsicht geboten. Ist eine Erklärung nicht über jeden Zweifel erhaben, so ist sie ausdrücklich als das zu bezeich- nen, was sie ist: als eine Vermutung oder dgl. Mehrere neuere Forschungs- ergebnisse habe ich aus diesem Grunde gänzlich unberücksichtigt gelassen, wäs man mir wohl kaum zum Vorwurfe machen dürfte. ; Die Systematik, die früher einen der Hauptangelpunkte des botanischen Unterrichtes bildete, hoffe ich auf das ‘ihr gebührende Maß beschränkt zu haben. Daß sie keineswegs vernachlässigt ist, geht schon aus der syste- matischen Anordnung des Stoffes, sowie daraus heıvor, daß ich bei jeder sich irgendwie nur bietenden Gelegenheit das Charakteristische der größern Ab- teilungen herausgestellt und die natürliche Einteilung der Pflanzen planmäßig aus ihrem Bau abgeleitet habe (s. besonders den allgemeinen Teil!). . ... Neben den trocknen, geistlosen Beschreibungen und einem Übermaße von Systematik war es die Terminologie, die ’rüher den Unterricht vielfach gänz- lich. beherrschte und dem Schüler die Natur oft geradezu verleidete. ... Durch die Beschränkung der Terminologie anf das Notwendigste hoffe ich auch hier gangbare Bahnen betreten zu haben. ... Und somit entlasse ich denn das Buch mit den Segenswünschen, mit denen nur ein Vater sein eigen Kind in die Welt senden kann! Möge es Gutes stiften in Schule und Familie! Möge es dem Lehrer die Arbeit leicht machen, der Jugend Sinn und Herz für das Verständnis und die Schönheit der Natur zu öffnen, und möge es alle, die Kleinen und die Großen, hinführen zu dem ewig frischen Quell der Natur, aus dem es selbst geschöpft ist! M., den 20. März 1903. System und Inhaltsverzeichnis. I. Abteilung. Blüten- oder Samenpfl. (Phanerogamae). Seite Pfl., die deutlich sichtbare Blüten besitzen und sich durch Samen fortpflanzen 1 I. Klasse. Bedecktsamige Pfl. (Angiospermae). Pfl., deren Samenknospen in einem Fruchtknoten eingeschlossen sind... . 1 1. Unterklasse. Zweikeimblättrige Pfl. oder Blattkeimer (Dicotyleae). Keimling mit 2 Keimbl.; Laubbl. mit fiederig oder fingerig angeordneten Hauptnerven: Blütenteile meist in der 5- oder 4-Zahl vorhanden... . 1 1. Reihe. Getrenntblumenblättrige Pf]. (Choripetalae). Pfl. in der Regel mit doppelter Blütenhülle (mit Kelch- und aumenblallenn) Blätter der Blumenkrone nicht miteinander verwachsen . . . ee 1 Kamılıe. Birkengew. (Betalaceas)r > 0. mr en ns ete 2: & Beeherfrucht)" (Cupuliteraele Sa. Eee une 1g 3: a Wälnubgew..(Tuglandaceae)e v0 cn er 4. a \Weidensew. (Salleaesae)n..2 on ee 5. = Nesselcems(Urticaceae)s.. 2 er 6. n Hanfsew-- (Cannabinaceae) 2... 2... 2 00 0 u 1.U:8. £ Maulbeer- u. Ulmengew. (Moraceae u. Ulmaceae) . . ...%6 9 E, Nistelgew.-Moranthaceaelt. 0 ve en 829g 108031 & Pfeffer- u. Platanengew. (Piperaceae u. Platanaceae) . . . . 32 12% a Wolfsmilchgew. (Euphorbiaceae). I. A.: Buchsbaum . . . . 33 13. 5 Nelkengew. (GaryophyHaceae) 2... ... 0... 7.2.7200 08% 14. 3 Kalktısfew..Wactaceaelarser rn ee en 48 15. > Kroterieigew. \Polygonaceae) Eur, An 16. a Gänsefußgew. (Chenopodiaceae) . . . 46 17: % Hahnenfußgew. (Ranuneulaceae). I. A.: Tülpenbaum u. Maguoli 48 18. 2 Sauerdorngew. (Berberideae). 1. A.: Mahonie. . . 59 1% 2 Seerosen (Nymphaeaceae). I. A.: Homblatt . . . 2» 2... 61 20. 4 Lorbeergew. (Lauraceae). I. A.: Muskatnußbaum . . . . .66 21. 5 Sonnentaugew. (Droseraceae). I. A.: Kannensträucher . . . 68 22. 5 Osterluzeigew. (Aristolochiaceae). I. A.: Pfeifenkraut, Haselwurz 70 23. & KreuzblutlGrueiterae)ea 2 u nee ee 24. 5 Mohnsey- (Papaverateae]. na. are. nl 25. u. 26. 5 Erdrauch- u. Resedagew. (Fumariaceae u. Resedaceae) . . . 85 27. 5 Meilehengew...(Violaceae)! -.-. ses. 86 28. 5 Hartheugew. (Guttiferae). I. A.: chines. Teestrauch . ... . 9 29. 2 Eindengewiikliliaeesele sn. dd ee 2 30. > Malvengew. (Malvaceae). I. A.: Kakaobaum . . .....8 31. 2 Reiherschnabelgew. (Geraniaceae) . . . 2... er all XII System und Inhaltsverzeichnis. = Seite 32. Familie. Sauerkleegew. (Oxalidaceae). 1]. A.: Springkraut, Garten-Bal- samime:u. Kapuzinerkresses, .. „02 Der. re 33. : Leingew--(Limacese) 2.02%. 2 ar, De 34. e Orangengew. (Rutaceae). I. A.: Mahagonibaum, Cedrelabaum, Götterbaum u; Kreuzblume. -. ...... 20.2. % .. +10 35. A Roßkastaniengew. (Hippocastanaceae). I. A.: rote Kastanie . 108 36. = Ahorngew. (Aceraceae). I. A.: Pfaffenhütlein, Stechpalme, Essigbaum . . . a il: 37. x Weinrebengew. ee) L4.2Baulbaum: =. 22 38. Er Diekhlattgew.. (Crassulaceae) s. 3.2. 8 52.02 Date 2 39. 2 Steinbzrechgew. '(Saxifragaceas), FATSEE „EI ra Were 40. . Rosenartige Gew.:[Rosaceae) ... , “ser a re 4. 5 Schmetterlingsblütl. (Papilionaceae). I. A.: Johannisbrotbaum, Sinnpflanzen, Akazien= ; 1... 2 u en Pe 42, 4 Seidelbastgew. (Thymelaeaceae) . . . 160 43.u.4. a Nachtkerzen- u. Weiderichgew. (Onlagraceas u. y , a ! 45. y Myrtengew. (Myrtaceae). 1. A.: Tausendblatt, Tannenwedel, Granatbaum, Mangrovebäaume . . . 22... ..... 16@ 46. £ Doldengew.. (Umbelliferae) .. =. "= „Te 222 en. elab 47. = Efeugew. (Araliaceae). I. A.: Hartriegelgew. (Comaceae) . . 171 2. Reihe. Verwachsenblumenblättrige Pf]. (Sympetalae). Pfl. mit doppelter Blütenhülle, bei denen die Blumenbl. miteinander ver- WÄäCchSen. Sind”. re RE N IE LER re A 48. Familie. Heidekrautgew. (Ericaceae). I. A.: Wintergrün, Fichtenspargel 174 49. = Schlüsselblumengew. (Primulaceae). I. A.: Guttaperchabaum . 182 50. 2 Grasnelkengew. {Plumbaginäceae) Kar 27182 51.1592, . Ölbaum- u. Enziangew. (Oleaceae u. Beraraseal: T. Ar Immergrün, Oleander, Brechnußbaum . . . .....2..2...18 53: b Windengew..(Convolvulaceae) ;. - 2). us rn pe 54. 2 Rauhblättr. Gew. (Borraginaceae).. . 2 Dur 005 Lippenblütl. (Labiatae). 1. A.: Eisenkraut. . . 201 56. B Rachenblütl. (Scrophulariaceae). IA: er Barerklan 208 DH. ” Wasserschlauchgewächse (Lentibulariaceae) . . . 2 2 .....216 58. 2 Nachtschattengew. (Solanaceae) . . . . 2. 2 2.2... . 2216 59. 5 Wegeriehgew. (Plantaginaceae).. u... 2 I 60. ; Labkrautgew.' (Rubiateae) .'.. „wa, „u wa. ed 61. B Geißblattgew. (Caprifoliaceae) . . ee 62. u. 63. 2 Ballen u. Kardengew. (Valerianacese u. . Dipsaceae) RR or. 64. > Glockenblumengew. (Campanulaceae) . . 2 2 2.2.2.2.28 65. R Kürbisgew. (Cucurbitaceae) . - .. 2... , #55 esse 66. „ Korbblütler :(Compositae) ., 2. 0... 0... 8 Per Se 2. Unterklasse. Einkeimblättrige Pfl. oder Spitzkeimer (Monocotyleae). Keimling mit nur einem Keimbl.; Laubbl. in der Regel mit parallel ver- : laufenden Hauptnerven; Blütenteile meist in der 3-Zahl vorhanden . . . 261 67. Familie.. Gräser (Gramineae) .. 2 7... eu ee (1 Riedgräser (Cyperaceae) . . 286 69.—71. E Froschlöffel-, Froschbiß- u. Teichkrantgen. (Alismaccae, Hydıo- charidaceae u. Potamogetonaceae) . . „287 72. 5 Arongew. (Araceae). un, Wa Le a System und Inhaltsverzeichnis. XIN Seite 73. Familie. Palmen (Palmae). . . I en en I 74. u. 7. ei Rohrkolben- u. Wasserlinsengew. (Typhaceae u. Lemnaceae) . 297 76. n Inliensewx(liliaceae)... 1. Sarnen SE ER 298 A: 5 Binsengew. (Iuncaceae) . . EEE AN RE TEN 7L 78. 5 Narzissengew. (Amaryllidaceae). TFA Ananası. es rel 19. N Sehwertliliengew. (kidaesae): .ı. nme mel. 2... ir ld 80. r Bananengew.; (Musaceae)ags pn u 2 DEE N 282 8. s Knabenkrautgew. (Örchidaceae) NG . 0. 824 Geologisches rk der Bedeckleamsgen Eilanzen. ner dal DI. Klasse. Nacktsamige Pfl. (Gymnospermae). Pfl., deren Samenknospen nicht in einem Fruchtknoten eingeschlossen sind, sondern sich auf dem offenen Frruchtblatte finden -. . . : 2 2 2... ...332 = Hamilier Kieferngew. (Pmaeeae)an..c.e nen ann ae Bl 2, 3 Eibengew. (Taxaceae) . . Et s) I. A.: Palmfarne, Ginkgo, Welwitschie RN ER Geologisches Vorkommen nacktsamiger Pflanzen . . . . . 350 H. Abteilung. Blütenlose oder Sporenpfl. (Kryptogamae). Pfl., die keine Blüten besitzen, und deren Vermehrung (vorwiegend) durch DPOTSIELTOT SA a ee ee Sa ee en DT f. Gruppe. Farnartige Pfl. oder Gefäß-Sporenpfl. (Pteridophyta). Pfl., die in Stengel, Blätter und Wurzeln ee sind und Gefäßbündel enthalten . . . er N ee 1. Klasse. Farne (Filiinae) Rz ER een. Vo 2. Klasse. Schachtelhalme (Equisetinae) . DR a N ee a 3. Klasse. Bärlappgew. (Lycopodinae) . . A RR le: Geologisches Vorkommen der kan en u II. Gruppe. Moose (Bryophyta). Pfl., die in Stengel und Blätter gegliedert sind oder ein laubartiges Gebilde Den denen echte Wurzeln und Gefäßbündel fehlen . . . 366 = R0a33e. 3-Eaubmoosen | Muscle ee Blauen 366 SER 8ser3 Trieben moosea ((Hepalicae)) aan emule ne ni ei Ed III. Gruppe. Lagerpfl. (Thallophyta). Pfl., die nicht in Stengel und Blätter ee sind, also ein sog. ne Herstellen a DE ee ER ee 376 1. Kreis. Algen (Algae). Lagerpfl., die meist im Wasser leben und Blattgrün enthalten . . . . - 376 Beklasser 2 Jochalgen(Conjugatae) ns 2 a ee he a ent. ei 376 Kekilasser Mieselalgeni (Dintomaceae), rl ans 23380 3. Klasse. Grünalgen (Chlorophyceae) . . msn 308.882 4.u.5. Klasse. Braun- u. Rotalgen (Phaeophyceae. u. Rhndophyesae) anLEg EEE 384 6. Klasse. Spaltalgen (Oyanophyceae) . . . u 14222380 I. A.: Armleuchtergew. (Characeae) RE ODART ART GM BET XIV System und Inhaltsverzeichnis. 2. Kreis. Pilze (Fungi). Seite Lagerpfl. ohne Blattgrün; Schmarotzer oder Fäulnisbewohner . A 1. Klasse. Fadenpiüze (Eumycees) . . - ... . :. N nice, 1. Unterkl. Ständerpilze (Basidiomycetee . :. . . =... 2 „u 2288 2. ; Schlauchpilze (Ascomycetes) . . ac), 3.024, 2 Rostpilze (Uredinaceae) u. Brandpilze IDehlkeinneene) 0 Sa 5. a Algenpilze (Phycomyceetes) „ em oe... 22 ee 3.' Klasse. Spaltpilze (Schizomycetes) 215 WE sn. nl 20 Re Ele 3. Klasse. . Schleimpilze (Myxomycetes) . . » » 2 2 se 2 020.02 0. 413 3. Kreis. Flechten (Lichenes). Lagerpfl., die aus Fadenpilzen u. Algen bestehen . . ». . . 2... . 415 Vom Bau und Leben der Pflanze (Morphologie und Physiologie). 1. Abschnitt. Vom Bau und Leben der Zelle . . . . ee A. Vom Wesen u. von der Bedeutung ar Zeile RE NE RE TEE =) B. Der Zellinhalt: 1. Das Protoplasma und seine Teile FE ee = il) 2. Der Zellsaft und die in ihm er Stoffe ge 2! EeDierZellhaut.. 2... wort. Pr : a eh D£Der ;Zellstaat. 27... Eee ee 2. Abschnitt. Vom Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile. Die Grundglieder der Pflanzen; :- ==... -. = Ag Dr 1. Vom Bau u. Leben des Blattes. 1. Blattarten u. Blattstellung . . . 432 2. Das Blatt als Werkzeug der sehn ie enden der Nährstoffe . 438 A. Die Aneignung oder Assimilation der Nährstoffe . . . 2 RAR B. Nur grüne Pflanzen u. Pflanzenteile assimilieren. . . . 2 ....2...2...42 C. Die Assimilation erfolgt nur im Lichte . . u ee A D. Die Assimilation u. der feinere Bau des Taubbialtss ee 2 2446 E. Welche organischen Körper werden bei der Assimilation gebildet? . . 452 F. Die Wanderung, Verwendung u. Aufspeicherung der gebildeten Stoffe . 454 3. Das Blatt als Werkzeug der Atmung und die Atmung der Pflanzen im allgemeinen . . 456 4. Das Blatt als Werkzeug. der Verdunstung des "Wassers (oder der "Transpi- aan) a ee ee ee OH. Vom Bau und Leben der Wurzel. A. Die Aufgaben u. Hauptformen der Wurzel. . . . 2... wu... 22466 B. Die Aufgaben u. der feinere Bau der Wurzel. . .. 468 C. Wie das Wachstum der Wurzel von der Schwerkraft beeinflußt er . 4713 D. Die Befestigung der keimenden Samen am Boden u. der Wurzelzug . . 475 “IH. Vom Bau u. Leben des Stammes. A. Aufgabe, Wachstum u. Formen des Stammes . .» 2.2 2.222. 476 B. Die Richtung der Stämme u. Zweige. . 2... 2. m nee 2. 479 C. Der Bau des Stammes in seinen Grundzügen . . » 2 2 2 2 220. 482 D# Diea@gefaßbundel : '2....*.2% rer re ee ee ae re System und Inhaltsverzeichnis. XV Seite E. Leitungsbahnen im Stamme 489 F. Bekleidung der Stämme RT RE Ah ee 492 Ges BestigkeitzderkSprmimiameage 2 u on en w 2495 IV. Vom Bau u. Leben der Blüte. Au-Dio- Boztpllanzungsu. die Blüte: ".. 02,2 au. ae. 498 BEN ssReilender Blüte. m en, a ee Ag C. Die Blütenstände . . ee RN ee TB RHERE Se 0: D. Die Bestäubung der Be Br u RE et ee oe A 300 E. Die Befruchtung der Blüte . . . . En re Dr A Davom-Bausu Leben der Frucht u..des-Samensis „nn neh. bi Anhang. 1. Über Pflanzensysteme . . Be 2. Über die geographische Verbreitung der Pflanzen . SFR ee a er) el Verzeichnis der Tafeln. Haselnußstrauch (Corylus avellana) Sal- oder Palmweide (Salix caprea) Hopfen (Humulus lupulus) . Sonnen-Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia) . Scharbockskraut (Ficaria verna) . Busch-Windröschen (Anemone nemorosa) Weiße Seerose (Nymphaea alba) Rundblättriger Sonnentau (Drosera Polundifola) ae Fettkraut Pingwenla vulgaris) . a i Österluzei (Aristolochia lea) ? Klatschmohn (Papaver rhoeas) Wohlriechendes Veilchen (Viola sdorataı Winterlinde (Tilia ulmifolia) : Reiherschnabel (Erodium cicutarium) . Lein- oder Flachs (Linum usitatissimum) Roßkastanie (Aesculus hippocastanum) Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre) Birnbaum (Pirus communis) ; Möhre oder Mohrrübe (Daucus Heidekraut (Calluna vulgaris) . Duftende Schlüsselblume (Primula a ; Hopfenseide (Cuscuta europaea) . Schwarzwurz (Symphytum offieinale) . Weiße Taubnessel (Lamium album) Leinkraut oder Frauenflachs (Linaria vulgaris) Echte Königskerze (Verbascum thapsus) . Kartoffel (Solar tuberosum) e Mittlerer Wegerich (Plantago media) . Wald- Geißblatt (Lonicera periclymenum) tundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifola) ß Tulpe (Tulipa) : z Herbstzeitlose (Colchieum nal Maiblume oder Maiglöckchen (Convallaria al) Wasser-Schwe rlilie (Iris pseudacorus) Breitblättriges Knabenkraut oder breitblättrige Orchis (Orehis latifolia) Kiefer (Pinus silvestris) Nah, Wurmfarn (Aspidium filix mas.) . Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense). Wald zur Steinkohlenzeit . Pilze Pilze 1. Abteilung. Blüten- oder Samenpflanzen (Phanerögamae'). Pflanzen, die deutlich sichtbare Blüten besitzen und sich durch Samen fortpflanzen. 1. Klasse. Bedecktsamige Pflanzen (Angiospermae°). Pflanzen, deren Samenknospen in einem Fruchtknoten eingeschlossen sind. 1. Unterklasse. Zweikeimblättrige Pflanzen oder Blattkeimer (Dicotyleae’). Keimling mit zwei Keimblättern (s. Bohne). Laubblätter mit fiederig oder fingerig angeordneten Hauptnerven. Blütenteile meist in der 5- oder 4-Zahl vorhanden. 1. Reihe. Getrenntblumenblättrige Pflanzen (Choripetalae‘). Pflanzen in der Regel mit doppelter Blütenhülle (mit Kelch- und Blumenblättern). Mehrfach fehlt auch die Blütenhülle oder ist nur in der Einzahl vorhanden. Blätter der Blumenkrone nicht miteinander verwachsen. 1. Familie. Birkengewächse (Betuläceae?). Staubblüten in Kätzchen, ohne Blütenhülle, der Kätzchenschuppe angewachsen. Stempelblüten in der Regel gleichfalls zu Kätzchen vereinigt. Fruchtknoten mit zwei Narben. Frucht eine Nuß. Der Haselnußstrauch (Cörylus avelläna°). Taf. 1. A. Der Haselnußstrauch und der Mensch. a) Den Haselnuß- strauch treffen wir zwar häufig in Hecken, an Feldwegen, auf Berg- hängen und an ähnlichen Orten an; zumeist aber tritt er uns als Unter- holz im Laubwalde entgegen. Bei den alten Germanen war er dem Donar geweiht, und auch als das Christentum in den deutschen Gauen siegreichen Einzug gehalten hatte, schrieb man ihm noch lange Zeit Zauber- und Wunderkräfte zu. Daher schnitt man aus seinen Zweigen das „unentbehrliche* Werkzeug der Schatzgräber, die Wünschelrute. Mit ihrer Hilfe meinte man unterirdische Schätze heben, Quellen auffinden, Hexen und Diebe „bannen“ zu können u. dgl. mehr. Obgleich heutzutage dieser Aberglaube zumeist wohl verschwunden ist, so verknüpfen uns doch noch mancherlei Beziehungen mit dem 1) phanerös, sichtbar; gdmos, Ehe: also mit sichtbaren Fortpilanzungsorganen d.h. mit deutlichen Blüten. 2) angeion, Gefäß; sperma, Same. 3) di-, zwei; kotyle, Höhlung (Keimblatt!). 4) chori-, getrennt; petulon, Blatt. 5) von betula, Birke. 6) corylus, Haselnuß; avellana, aus Avella in Süditalien stammend. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 1 2 Birkengewächse. ud unscheinbaren Strauche. Wenn im Februar und März die „Hasel wieder stäubt“, so erfüllt Frühlingshoffen unsre Brust: Mit Eis bedeckt ist noch der See, Noch herrscht im Walde Winters Schweigen. Sieh, da fällt Goldstaub auf den Schnee Von der blühenden Hasel Zweigen. Im Herbste schallt der Wald wieder von den Stimmen Haselnüsse suchender Kinder und im Winter von dem Axtschlage des Holzhauers; denn wie die süßen Nüsse als schmackhaftes Obst gelten, so werden: die biegsamen und zähen Zweige des Strauches vom Korbmacher und Böttcher wohl geschätzt. Beobachten wir die Pflanze ein Jahr ihres Lebens hindurch! B. Der Haselnußstrauch im Vorfrühlinge. 1. Staubblüten. An “den braunen Zweigen des Strauches finden wir bereits seit dem Herbste des Vorjahres neben Knospen, wie sie auch andre Holzgewächse besitzen, langgestreckte Gebilde, die man bekanntlich Kätzchen nennt. Sobald die höher steigende Sonne die Erde etwas mehr erwärmt, und an einigen Tagen wieder lindere Lüfte wehen, erwachen die Kätzchen, die bis jetzt starr und steif nach 'allen Seiten von den Zweigen abstanden, aus dem Winterschlafe: Das dünne, stengelartige Gebilde, von dem sie der Länge nach durchzogen werden, die Achse, beginnt sich zu strecken; infolge- dessen nehmen sie stark an Länge zu, werden weich und biegsam, so daß sie bald wie schwankende Troddeln herabhängen. Reißt man ein Kätzchen quer durch, so sieht man, wie von der Achse nach allen Seiten Blättehen ausstrahlen. Unter jeder dieser Kätzchenschuppen finden sich 2 mit ihnen verwachsene, sehr zarte Blättchen und unter diesen wieder 8 Staubblätter. (Eigentlich sind nur 4 Staubblätter vorhanden, die aber bis zum Grunde geteilt und deren Hälften auseinander gerückt sind. Dies erkennt man besonders daraus, daß jeder Staubbeutel nur ein Fach besitzt, während sie sonst immer 2 haben.) Da sich Staubblätter stets nur in Blüten finden, so haben wir es hier also gleichfalls mit solchen zu tun. Es fehlen ihnen freilich Kelch- und Blumenblätter. Auch von einem Stempel ist keine Spur zu entdecken. In den Haselnußkätzchen haben wir also Blütenstände vor uns, die aus zahlreichen „nackten“ Staubblüten zusammengesetzt sind. 2. Stempelblüten. Hier und da sieht man Knospen, die etwas mehr angeschwollen sind als die andern, und aus deren Spitzen mehrere purpurrote Fädchen hervorragen. Beseitist man die Knospenschuppen, so findet man neben jungen Laubblättern in der Mitte einige schuppen- artige Deckblätter und an deren Grunde je 2 Gebilde, in denen leicht ebensoviele Stempel zu erkennen sind. Jeder von ihnen besteht aus einem kugeligen Fruchtknoten und 2 jener purpurroten Fädchen, in denen wir also die Narben vor uns haben. Umgeben ist der Frucht- knoten von einer zerschlissenen Hülle, die aus meist 3 grünen Blätt- chen gebildet ist und sich später zu der bekannten, blattartigen Frucht- hülle entwickelt. Da nun die Stempel gleich den Staubblättern wichtige Birkengewächse. 3 Blütenteile sind, stellt jeder von ihnen eine sehr einfach gebaute Stempelblüte dar. 3. Bestäubung. Beim Haselnußstrauche sind also Staubblätter und Stempel auf verschiedene Blüten verteilt. Da diese Blüten auf ein und derselben Pflanze stehen oder, bildlich ausgedrückt, ein Haus bewohnen, so haben wir es hier mit einer einhäusigen Pflanze zu tun. Bei einer solehen kann aber niemals Selbstbestäubung stattfinden. Wir müssen uns daher fragen, wer die Übertragung des Blütenstaubes zur Narbe besorgt. Insekten können es nicht sein; denn wenn auf einem Kätzchen auch wirklich einmal eine Blütenstaub naschende Biene anzutreffen ist: das Heer der Insekten liegt zu der Zeit, in der die Pflanze blüht, noch in tiefem Winterschlafe! Den wirklichen Überträger des Blütenstaubes erkennen wir leicht, wenn wir den blühenden Haselnußstrauch an einem sonnigen, aber etwas windigen Tage besuchen. Dann sehen wir, wie der Wind die Äste und „reifen“ Kätzchen schüttelt, wie aus den Kätzchen kleine Wolken gelben Blütenstaubes hervorkommen, wie der Staub verweht wird und sich nach einiger Zeit auf den Erdboden, auf Äste, Zweige und andre Gegen- stände herabsenkt. Dabei kann es nun nicht ausbleiben, daß auch die Narben von einigen Staubkörnern getroffen werden. Der Vermittler der Bestäubung ist also — der Wind, und der Haselnußstrauch eine „windblütige“ Pflanze oder kurz: ein Windblütler. Wenn wir dies im Auge behalten, werden uns leicht zahlreiche Einzelheiten im Blütenbau, sowie andre Verhältnisse klar werden. a) Dem Haselnußstrauche fehlen die Mittel, durch die bei den In- sektenblütlern die Bestäuber angelockt werden, und von denen die leuch- tende Blütenfarbe, der Duft und der Honig an erster Stelle zu nennen sind. Seine Blüten sind im Gegenteil verhältnismäßig unscheinbar, sowie völlig duft- und honiglos. b) Kurz vor Beginn des Stäubens streckt sich — wie wir oben gesehen haben — die Kätzchenachse stark in die Länge, so daß die Schuppen auseinander rücken und das anfänglich starre Kätzchen außerordentlich biegsam wird. Dadurch wird einerseits dem Winde der Zutritt zu den Staubbeuteln geschaffen, und andrerseits ist jetzt schon ein leichter Windhauch imstande, das wie eine Troddel herab- hängende Kätzchen in Schwankungen zu versetzen und den Blütenstaub heraus zu schütteln. c) Die Kätzchen sind um so leichter zu bewegen, als sie sich stets an den Enden kurzer Ästchen finden, die wieder nur von dünnen Zweigen abgehen. - d) Bei stürmischem, kaltem und regnerischem Wetter öffnen sich die Staubbeutel nicht. Selbst die Kätzchen, die zum Stäuben „fertig“ sind, „warten“ damit, bis wieder mildere Witterung eintritt. Heftige Winde und Regen wären für die Bestäubung auch durchaus un- günstig; denn der Blütenstaub würde durch den Sturm nur nach einer 4 Birkengewächse. Seite getragen und durch den Regen aus den Kätzchen gespült, zur Erde geführt und verdorben werden. e) Sehr vorteilhaft ist es auch für den Haselnußstrauch, daß er zu einer Zeit blüht, in der er noch unbelaubt ist; denn der Wind kann jetzt völlig unbehindert zu den Kätzchen und den Narben treten. f) Rieselt der Blütenstaub bei vollkommener Windstille aus den Beuteln hervor, so fällt er nicht zum Erdboden hernieder. Er würde in diesem Falle auch nur selten eine Narbe treffen, zumeist also verloren gehen. Da die Kätzchen wie Troddeln herabhängen, wird er viel- mehr auf der Rückseite der wagerecht stehenden Kätzchen- schuppen abgelagert. Hier bleibt er liegen, bis ihn ein Windhauch „abholt“ und ausstreut. (Der Vorgang läßt sich leicht an Kätzchen beobachten, die man vor Beginn des Stäubens in das Zimmer bringt.) g) Wie oben erwähnt, gelangt der größte Teil des Blütenstaubes nicht an den Ort seiner Bestimmung. Das ist für den Haselnußstrauch aber kein sonderlicher Verlust; denn er erzeugt diesen wichtigen Stoff in sehr großen Mengen. ‚Je mehr Blütenstaub aber vorhanden ist, desto größer ist auch die Möglichkeit, beim Niederfallen eine Narbe zu treffen. h) Während die Insektenblütler in der Regel klebrigen Blütenstaub besitzen, ist er hier staubartig trocken, so daß er leicht verweht werden kann. i) Übrigens braucht er auch nur selten weit getragen zu werden, um eine Narbe zu finden; denn der Haselnußstrauch wächst ja meist in großen Beständen. k) Da die Narben zur Blütezeit aus der Knospe hervortreten, sind sie gleichfalls dem Winde frei ausgesetzt. Der Fruchtknoten dagegen verbleibt im Schutze der Knospenhülle. Dies ist um so wichtiger, als jetzt oft noch recht kalte Tage kommen, und wie schnell ein so überaus zartes Gebilde dem Froste erliegt, können wir an den Obstbäumen nur zu olt beobachten. Andrerseits erlaubt die geschützte Lage des Fruchtknotens dem Haselnußstrauche aber auch, so zeitig im Jahre zu blühen. l) Die Narben können um so leichter Blütenstaub auffangen, als sie verhältnismäßig groß und dicht mit feinen Härchen besetzt sind, also vortreffliche „Staubfänger“ darstellen. Ü. Der Haselnußstrauch im Frühlinge und Sommer. 1. Erst einige Wochen, nachdem die Kätzchen verstäubt haben, öffnen sich die schwel- lenden Knospen. Der zum Vorschein kommende junge Trieb ist anfangs abwärts gerichtet. Seine Blättchen sind in der Mittelrippe gefaltet, dicht Taf. 1. 1. Zweige, vor dem Stäuben der Kätzchen. 2. Stäubende Kätzchen. 3. Teil des Kätzchens, vergr. Der Blütenstaub hat sich z. T. auf der Rückseite der Kätzchen- schuppen abgelagert. 4. Kätzchenschuppe mit „ihren“ Staubblättern (Staubblüte). 5. Knospe mit Stempelblüten. 6. Kätzchenschuppe mit 2 Stempelblüten. 7. Zweig mit herbstlichem Laube und reifen Nüssen. 8. Unreife Nuß, die vom Haselnußbohrer ange- bohrt wird. 9. Unreife Nuß mit einer Larve des Käfers. 10. Zweigstück mit den Kätzchen des nächsten Jahres. Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. Haselnußstrauch (Corylus avellana). Birkengewächse. 5 mit seidenartigen Haaren bedeckt und stehen im Schutze großer, schuppen- artiger Nebenblätter. Je mehr sich die Blätter ausbreiten, desto mehr verschwindet die Haardecke. Kurze Zeit, nachdem der Trieb die bleibende Stellung eingenommen hat, fallen endlich auch die nutzlos gewordenen Nebenblätter ab: alles Erscheinungen, die bei der Betrachtung der Roß- kastanie und der Linde genauer beachtet worden sind. 2. Die ausgebildeten Blätter ändern in der Form vielfach ab (kreis-, ei- oder herzförmig). Sie sind mit zerstreuten Haaren bedeckt und am Rande mit großen Sägezähnen versehen, die wiederum fein gezähnelt sind („doppelt gesägte Blätter“). a) Die Blätter sind verhältnismäßig groß und zart. Infolgedessen fangen sie zahlreiche Lichtstrahlen auf und können selbst noch von schwachem Lichte durchleuchtet werden. Daher vermag der Haselnuß- strauch auch mit dem stark gedämpften Lichte fürlieb zu nehmen, wie es unter den Bäumen des Waldes herrscht. b) An senkrechten Zweigen sind die Blätter in drei Reihen ange- ordnet. An wagerechten oder schräg gerichteten Zweigen, die zumeist viel weniger belichtet sind, und an denen jene Stellung durchaus un- vorteilhaft wäre, drehen sich die Stengelglieder so, daß die Blätter „zwei- zeilig“ gestellt erscheinen. Sie werden also auch dort des Sonnenlichtes genügend teilhaftig. D. Der Haselnußstrauch im Herbste und Winter. 1. Frucht. Nach erfolgter Bestäubung beginnt der Fruchtknoten zu schwellen: Die Fruchtknotenwand wird zu der harten, holzigen „Schale“ und die Samen- knospe zum „Kerne“ der Haselnuß. Gleichzeitig vergrößert sich auch die „zerschlissene Hülle“, die den Fruchtknoten umgibt. a) Da der Kern aus der Samenknospe hervorgeht, stellt er den Samen der Pflanze dar. In der Regel ist nur ein solcher in jeder Nuß vorhanden, der die feste Wand dieser „Schließfrucht“ bei der Keimung auseinander sprengt. b) Der wohlschmeckende Kern, der reich an Stärkemehl und fettem Öle ist, bildet ein vielbegehrtes Nahrungsmittel für zahlreiche Waldtiere. Infolge der festen, holzigen Schale ist er jedoch nur größern Tieren zu- gänglich, von denen Eichhörnchen, Haselmäuse und Häher hier zuerst genannt sein mögen. Diese Tiere leisten aber der Pflanze einen wich- tigen Gegendienst. Wenn sie eine Nuß finden, können sie nämlich den Kern vielfach nicht sofort verzehren; denn die feste Schale muß erst ge- öffnet werden. Während dieser Arbeit verweilen die Tiere aber nicht gern auf dem Erdboden oder in dem Gezweige des Strauches, weil sie dort allen Gefahren schutzlos ausgesetzt sind. Sie suchen im Gegenteil mit ihrer Beute einen Ort zu erreichen, an dem sie in Ruhe das Mahl halten können. Bei dem Verschleppen entfallen den Tieren aber zahl- reiche Nüsse, die auf solche Weise über einen weiten Bezirk ausgesät werden. Ferner ist es bekannt, daß Eichhörnchen und Haselmäuse Wintervorräte aufspeichern, und daß der Häher die Gewohnheit hat, Nüsse (sowie Bucheckern und Eicheln) in den Erdboden zu verstecken. Ver- 6 Birkengewächse. gessen die Tiere die gesammelten Früchte, vermögen sie die Vorräte nicht wieder aufzufinden oder dgl., so helfen sie dadurch gleichfalls den Haselnußstrauch weiter zu verbreiten. Der Haselnußstrauch muß den unfreiwilligen Gehilfen allerdings viele Opfer bringen. Aber tun das die Pflanzen mit saftigen, wohlschmek- kenden Früch- ten nichtauch? Freilich wird bei diesen Früchten der Same nichtmit vernichtet. Wenn wir aber bedenken, daß die Haselnuß (gleich der Buche und Eiche) eine sehr langle- bige Pflanze ist, die alljähr- lich meist eine sroße An- zahl von Früchten er- zeugt, so wird uns dieser Ver- lust nicht zu beträchtlich vorkommen! Selbst wenn sich nur die zehn-oderhun- derttausendste Nuß wieder zu Birken. einem Strauche entwickeln würde, hätte diese seltsame Art der Verbreitung immer noch — eine Ver- mehrung der Pflanze im Gefolge. Neben den genannten Tieren ist es besonders das Wildschwein, das die Haselnüsse gern verzehrt. Es verschleppt sie aber nicht, kann also _— a Birkengewächse. 7 auch nicht als Verbreiter der Pflanze in Betracht kommen. Da es aber den Waldboden mit Rüssel und Hauern gleichsam durchpflügt und somit sicher auch manche Nuß (Buchecker, Eichel) an einen Ort bringt, an dem sie keimen kann, werden wir in ihm nicht ausschließlich einen „Feind“ des Strauches (der Buche und Eiche) erkennen. c) Würden Eichhörnchen, Haselmäuse und Häher die Nüsse bereits vor der Reife verzehren, so könnten sie eine Verbreitung der Pflanze nicht bewirken. Wie die unreifen fleischigen Früchte sind auch die un- reifen Haselnüsse durch schlechten Geschmack dagegen geschützt, vor- zeitig verspeist zu werden, nur mit dem Unterschiede, daß dieser Gre- schmack nicht den Nüssen selbst, sondern der zerschlitzten Hülle eigen ist. Erst bei der Reife löst sich die Nuß aus ihr und fällt zu Boden. Der matte Fleck an der Schale ist die Verwachsungsstelle zwischen der Nuß und der Hülle. d) Findet man in der Schale der Haselnuß ein kreisrundes Loch, so ist auch der Kern zerstört. Beides ist das Werk der Larve des Haselnußbohrers (s. „Lehr- buch der Zoologie‘). 2. Laubfall. Zur Zeit der Fruchtreife fängt das Laub an, sich herbstlich gelb und rot zu färben, und ehe meist noch der Oktober zu Ende gegangen ist, steht der Haselnub- strauch kahl da. 3. Knospen. Das nächste Frühjahr trifft die Pflanze aber nicht unvorbereitet an. Bereits im Juli begannen in den Blattwinkeln die nächstjähri- gen Triebe und die beiderlei Blüten sich zu bil- den. Wenn das Laub abgefallen ist, sind auch die Vorbereitungen abgeschlossen, d.h. die Knos- pen ausgebildet. Während die kurzen jungen Triebe und die winzigen Stempelblüten durch Knospenschuppen gegen die Unbilden des Winters geschützt sind, überwintern die Staubblüten „frei“; denn da sie zu großen, fast völlig ausgebildeten Kätz- chen gehäuft sind, können sie nicht auch von einer Hülle umgeben werden. Sie sind aber trotzdem so vollkommen von der Außenwelt abgeschlossen, dab sie weder durch eindringendes Wasser, noch durch zu starke Verdunstung leiden können. Dies bewirken die Kätzchenschuppen, die eng übereinander liegen und deren äußere, verdickte Abschnitte so gebogen sind, daß sie sich z. T. gegenseitig decken. Durch filzige Haare an den äußern Schuppenteilen wird der Verschluß noch wesentlich dichter und fester. Da die Staubblüten den Winter in fast ausgebildetem Zustande über- dauern, genügen — wie wir oben gesehen haben — im Vorfrühlinge schon einige wärmere, sonnige Tage, um sie zum Stäuben zu bringen, Birke. 1. Zweigstück im Winter (?/, nat. Gr.).». 2. Frucht (10mal vergr.). 8 Birkengewächse. (Vgl. hiermit die Blütezeit ‘der Erle, sowie die der Becherfrüchtler und Weidengewächse!) Andre Birkengewächse. Die Weißbirke (Betula verrucösa'; s. Abb. S. 6 u. 7), gewöhnlich nur Birke genannt, findet sich zumeist im Walde zwischen andern Baumarten eingestreut; in Nordeuropa da- gegen bildet sie selbst ausgedehnte Wälder. Die weiße Borke, die den Stamm mittelgroßer Bäume bedeckt und sich in papierdünnen Fetzen ablöst, sowie die lockere, „duftige“ Krone machen sie zu einem beliebten Schmuckbaume des Parkes. Bei jungen Bäumen stehen die Zweige schräg aufwärts; mit zunehmendem Alter aber bilden sich längere, Schwarzerle. 1. Zweig mit Knospen, Stempelkätzchen (Stp.), Staubkätzchen (Stb.) und Fruchtständen (Fr.), aus denen soeben die Früchte ausfallen. 2. Beblätterter Zweig mit den jungen Kätzchen für das nächste Jahr. rutenförmige Äste, die infolge ihrer Schwere meist hängend werden. Die jungen Blätter sind durch einen Harzüberzug gegen zu starke Wasserdampfabgabe geschützt. Dieses Harz gibt der Birke zur Frühlingszeit einen angenehmen Duft. Darum bringen wir sie auch am lieblichen Pfingstfeste als duftende. „Maie“ in unser Haus. Während die Staubkätzchen wie beim Haselnußstrauche frei überwintern, kommen die weit kleinern Stempelkätzchen erst mit den meist rautenförmigen Blättern aus den Knospen hervor. Die Früchte, die mit den dreilappigen Kätzchenschuppen abfallen, sind federleichte 1) betula, Birke; verrucosus, warzenreich. Birkengewächse. 16) Gebilde, die jederseits zu einem großen Flügel verbreitert sind und daher vom Winde leicht weit verweht werden können. Der kräftige Stamm liefert wertvolles Werk- und Brennholz. Aus dem Reisig stellt man Besen her, und den Birkensaft, den man im Frühjahre durch das Anbohren des Stammes gewinnt, Jäßt man hier und da zu Birken- wein vergären. Die Sehwarzerle (Alnus glutinösa) liebt feuchten Unter- grund, findet sich daher beson- ders an den Ufern der Gewässer und bildet im „Erlenbruche“ oft ausgedehnte Bestände. Sie tritt als Strauch und Baum auf. Ist sie belaubt, so kann man sie leicht an den rundlichen, ab- gestutzten Blättern, ist sie kahl, f dagegen an den Knospen er- \ kennen, die wie bei keinem an- IN dern heimischen Baume gestielt sind. Da sowohl die Staub-, als auch die kleinern Stempelkätz- chen frei überwintern, vermag die Erle gleichedem Haselnuß- strauche bereits im Vorfrühling zu stäuben. Die Stempelkätzchen bilden sich durch Verholzung der bleibenden Schuppen zu rund- lichen, zapfenartigen Frucht- ständen aus. Im Winter oder Vorfrühlinge spreizen die Schup- pen auseinander, so daß die Früchte herausfallen können. Obgleich nur wenig geflügelt, werden sie doch leicht ein Spiel des Windes; denn es sind winzig kleine, plattgedrückte Gebilde. — Die Grauerle (A. incäna?), die häufig in Parkanlagen anzutref- fen ist, besitzt im Gegensatz zur Schwarzerle u.a. zugespitzte, unterseits blaugrüne und kurz- Hainbuche. 1. Zweigstück im Winter, mit zer- haarige Blätter, sowie einen mit zausten Fruchthüllen. 2. Frucht mit unverletzter silbergrauer Rinde bedeckten Fruchthülle. Stamm. Die Weiß- oder Hainbuche (Carpinus betulus?) ist wie die allbekannte Rotbuche ein hoher, glattrindiger Waldbaum. Sie läßt sich von dieser jedoch leicht unterscheiden durch den mehr oder weniger seilartig gedrehten Stamm und die ebenso gebildeten Äste, durch die elliptischen, zugespitzten und doppelt gesägten Blätter (die sich wie die der Buche entfalten), sowie durch die eigentümliche Hülle der Früchte. Diese entsteht aus den drei miteinander verwachsenen Blättchen, in deren Schutze die Stempelblüte steht. Der blattartige, dreilappige Hauptteil der Hülle stellt einen Flügel dar, durch den das an seinem Grunde befindliche Nüßchen oft weithin verweht wird. Das weiße Holz (Weißbuche) ist sehr fest (daher auch Hornbaum‘) und wird deshalb be- sonders von Drechslern und Stellmachern verwendet. 1) alnus, Erle; glutinosus, klebrig (die jungen Blätter). 2) ineanus, ganz grau. 3) carpinus, Hain- buche; betula, Birke. 4) Von Hain- oder Hagebuche auch hahnebüchen, d.h. hagebüchen abgeleitet. 10 Becherfrüchtler, 2. Familie. Becherfrüchtler (Uupuliferae'). Staubblüten in Kätzchen, mit Blütenhülle. Stempelblüten einzeln oder zu mehreren in einer Becherhülle. Fruchtknoten mit drei Narben. Frucht eine Nuß in der Becherhülle. 1. Die Eiche (Quereus’?). Die Eiche, die in unsern Wäldern in zwei Arten auftritt, steht bei uns unter allen>> (er Schuppen und Deck- N blätter, sowie auf der NZ (gleichfalls bleibenden) AN Blütenhülle bemerkt man \ jetzt zahlreiche gelbe Drü- sen. Sie enthalten einen scharf riechenden und sehr Hanf. 1. Zweigstück pitter schmeckenden Stoff, mit Staubblüten. 2. durch den die körnerfres- Einzelne Staubblüte. _ 1% BE 3. Stempelblüte. senden \ ögel vom Ver- zehren der Früchte abge- halten werden. In diesem Hopfenbitter liegt aber auch die Bedeutung der Pflanze für den Menschen: Es gibt dem Biere die eigentümliche Würze, SG SE ei ER . 26 Hanfgewächse. Maulbeergewächse. ad sowie die große Haltbarkeit. Wegen der Verwendung zur Bierbrauerei wird der Hopfen in vielen Gegenden angebaut. Bei völliger Reife lösen sich die einsamigen Früchte los, bleiben aber mit dem Deckblatte im Zu- sammenhange und werden infolgedessen vom Winde leicht weithin verweht. Der Hanf (Cännabis sativa!; s. Abb. S. 25) ist seit uralten Zeiten eine wichtige Ge- spinstpflanze, deren lange, feste Bastfasern besonders zu Bindfaden und Seilen, sowie zu Segeltuch und andern Geweben verarbeitet werden. Die einjährige, zweihäusige Pflanze stammt aus Mittelasien, wird mannshoch und hat wie die Roßkastanie gefingerte Blätter, die aber aus weit schmälern Einzelblättern zusammengesetzt sind. Den grünen Teilen entströmt ein widerlicher Geruch (Schutz gegen Tiere!), der selbst Be- täubung hervorrufen kann. Hierauf beruht auch die Verwendung, die die Blätter in Indien finden: Sie werden als „Haschisch“ wie Opium gegessen oder geraucht, wirken außerordentlich berauschend und untergraben bald die Gesundheit dessen, der dieser Leidenschaft verfallen ist. Die Hanfsamen dienen bei uns besonders als Futter für Stubenvögel, geben aber auch ein fettes Öl, das Ähnlich wie Rüböl verwendet wird. 7.u.8.Familie. Maulbeer- und Ulmengewächse (Moräceae” und Ulmäceae’) 1.Maulbeer- gewächse, Der schwarze Maulbeerbaum (Morus nigra°), der aus dem Mittelmeerge- biete stammt, findet sich hier und da. der schwarzroten Früchte wegen angepflanzt. Diese „Maul- beeren“ sind wie die ähnlich = n G TG — I: Sr u 2 F N G g 3 —M, N = \ S fi = 1 n DD Ai\ N I "SS TEE a gestalteten I \ \ AN Wr INN Himbeeren —— Sammel- früchte. Sie G AN ICH N) h entstehen da- TAN) ) durch, daß die EI) N) - FA m unscheinbaren j Blütenhüllen Schwarzer Maulbeerbaum. 1. Zweig mit Staubblüten. zur Fruchtzeit 2. Blütenstand, aus Stempelblüten bestehend. 3. KFruchtstand. fleischig und saltig werden. Die ungeteilten oder gelappten Blätter eignen sich weniger gut zum Futter für die Seidenraupe als die des weißen Maulbeerbaumes (M. alba*), der weiße Beeren trägt, in Ostasien seine Heimat hat und gleichfalls eine zweihäusige Pflanze ist. Die wohlschmeckenden, süßen Feigen, die zu uns meist getrocknet, zusammengepreßt und auf Bastfäden gereiht oder sorgfältig in Schachteln, 1) cannabis, Hanf; sativus, angebaut. 2) von ulmus, Ulme. 3) morus, Maulbeerbaum; niger, schwarz. 4) albus, weiß. Maulbeergewächse. 27 Körbehen oder dgl. verpackt in den Handel kommen, entstammen dem Feisenbaume (Fieus eäriea'). Er ist schon seit den ältesten Zeiten (Bibel, Homer!) einer der wichtigsten Obstbäume der Mittelmeerländer, liefert aber auch in den nach Süden gelegenen Alpentälern eßbare „Früchte“ und wird selbst noch in den mildern Teilen Süddeutschlands (z. B. im Rhein- und Neckartale) angepflanzt. Der sparrige Baum hat meist fünf- lappige, schöngeschnittene Blätter, enthält in allen Teilen einen weißen Milchsaft und trägt gewöhnlich das ganze Jahr hindurch unreife oder reife „Feigen“. Durchschneidet man eine solche, solange sie noch grün ist, so sieht man deutlich, daß man es hier nicht mit einer Frucht, sondern stand) im Längsschnitte. Der Mündung fliegt eine Feigengallwespe zu. 3. Staubblüte aus der Feige des wilden Baumes. 4. Stempelblüte. Die Stiele der benachbarten Blüten sind angedeutet. (Etwa 4 mal vergr.). mit einem Blütenstande zu tun hat: Auf einem fleischigen Blütenboden stehen ähnlich wie bei der Sonnenblume zahlreiche kleine Blüten. Der Blütenboden ist jedoch nicht flach ausgebreitet wie bei dieser Pflanze, sondern so gebogen, daß ein krug- oder urnenartiges Gebilde von der Form einer Birne entsteht. Stempel und Staubblätter sind auf ver- schiedene Blüten verteilt, und zwar finden sich in den Blütenständen des wilden Feigenbaumes, der keine eßbaren Feigen trägt, Stempel- und Staubblüten, während der angepflanzte Baum nur Stempelblüten ent- wickelt. Als Vermittler der Bestäubung gibt sich ein kleiner Hautflügler, die Feigengallwespe, zu erkennen. Obgleich die Pflanze also ein In- sektenblütler ist, sind ihre Blüten, der versteckten Lage entsprechend, völlig unscheinbar. Die Bestäubung selbst ist ein außerordentlich ver- wickelter Vorgang. Es sei hier nur bemerkt, daß die Gallwespe in den 1) ficus, Feige; caricus, ausKarien, einer Landschaft inKleinasien, wo vortrefil. Feigen wachsen. 28 Maulbeergewächse. ni Feigen des wildwachsenden Stockes ihre Verwandlung durchläuft und, mit Blütenstaub beladen, in die Feigen des angebauten Baumes eindringt. Ist die Bestäubung vollzogen, so werden Blütenboden und Blütenhülle weich und saftig, und aus den Fruchtknoten gehen die senfkornähnlichen Früchte hervor, die als „Kerne“ in dem süßen Fruchtfleische eingelagert erscheinen. Durch die jahrtausendelange Pflege ist der Baum aber auch imstande, ohne Vermittlung der Wespen wohlausgebildete Feigen hervor- zubringen. Zahlreiche Verwandte des Feigenbaumes, die zumeist auf die heiße Zone be- schränkt sind, haben für den Menschen gleichfalls eine große Bedeutung. So liefert der Gummibaum Östindiens (F. elastica'), den wir seiner großen, lederartigen Blätter wegen gern als Zimmerpflanze pflegen, neben mehreren andern Arten Federharz oder Ge) Zweig vom Brot- $ ry In er fruchtbaume. N... # ' Blütenstände: Stb., WISE Feldulme. mit Staub- und Stp. DS N n 1. Zweigstück mit Stempelblüten. : vl im Winter zn F. zwei Frucht- | (2/, Inat:Gr: stände, der untere durchschnitten. Kautschuk (s. S. 36). — Durch den Stich der Gummilack-Schildlaus entstehen an den Zweigen andrer Feigenbäume, die gleichfalls Indien bewohnen, Saftausflüsse. Aus diesen gewinnt man den Schellack, der zur Herstellung von Lacken und Polituren, zu Siegellack und vielen gewerblichen Zwecken verwendet wird. — Zu den Maulbeer- gewächsen gehören auch die Brotfruchtbäume (Artocarpus?), deren mehlreiche, kopf- große Fruchtstände in allen Tropengegenden ein überaus wichtiges Nahrungsmittel bilden. Zwei oder drei der riesigen Bäume vermögen einen Menschen das ganze Jahr hindurch zu ernähren. 1) elasticus, biegsam. 2) drtos, Brot; karpös, Frucht. Ulmengewächse. Mistelgewächse. 2. Ulmen gewächse, DieFeld- ulme oder Rüster (Ulmus cam- pestris!) ist ein stattlicher Baum, der sich in Wäldern und Anlagen häufig findet und in der äußern Erscheinung der Linde in hohem Maße ähnelt. Eine bekannte Abart von ihm zeichnet sich durch leistenartige Korkbildungen der Zweige aus. Die Blätter sind un- symmetrisch, von verschiedener Größe und bilden an wagerechten Zweigen oft die zierlichste Mosaik. Die un- scheinbaren, kurzgestielten Zwitter- blüten entfalten sich lange vor den Blättern und werden durch den Wind bestäubt. Die Frucht ist ein Nüß- chen, das durch einen breiten Flügel- saum flugfähig wird. — Die in allen Stücken ähnliche Flatterrüster (U. effüsa?) besitzt langgestielte Feldulme. 1.Zweigstück mit’zwei Blütenständen. Blüten und Früchte. 2. Einzelne Blüte (vergr.). 3. Fruchtstand. » 9. Familie. Mistelgewächse (Loranthäceae?). Die Mistel (Viseum album‘). 1. Wenn Schwarzpappel und Apfelbaum ihres grünen Blätterschmuckes beraubt sind, findet man hier häufig, dort selten in dem (Gezweige die merkwürdigen, grünen Büsche des Mistelstrauches. Die sonderbare Pflanze siedelt sich gleichfalls gern auf der Edeltanne an, nimmt aber auch mit andern Laub- und Nadelbäumen fürlieb. Die gelbgrünen Stengel entspringen direkt aus den Ästen der Bäume und teilen sich, da ihre Endknospen zu Blütenknospen werden, wiederholt gabelig. Ob- gleich die Stengel sehr brüchig sind, widersteht die Mistel sogar in be- laubtem Zustande den Winterstürmen, die ungeschwächt durch das kahle Gezweig der Bäume fegen. Die lanzettlichen Blätter sind nämlich am Grunde etwas gedreht, so daß ihre einzelnen Teile eine sehr verschiedene Richtung haben. Wird ein Blatt vom Winde getroffen, so wird daher der Luftstrom gleichsam in eine Menge einzelner, schwacher Ströme zer- lest. Da aber nur die senkrecht auftreffenden Ströme eine merkliche Wirkung ausüben, d. h. eine Biegung des Blattes verursachen, so geht ein großer Teil von der Kraft des Windes an der Pflanze vorüber, ohne Schaden angerichtet zu haben. Der Wassermangel ist der zweite Feind, mit dem die Mistel während des Winters zu kämpfen hat; denn sie vermag das Wasser, das sie gebraucht, nur dem Baume zu entnehmen, auf dem sie lebt; dieser kann aber aus dem kalten oder gar gefrorenen Erdboden nur wenig Wasser aufsaugen. Da die Blätter jedoch von lederartiger Be- 1) ulmus, Ulme; campester, auf dem Felde wachsend. 2) effusus, breit (? breit wachsend). 3) Nach der hier nicht erwähnten Gattung Zoränthus. 4) viscum, Mistel; albus, weiß (Frucht!). 30 2 Mistelgewächse. 1. Mistelbüsche aufeinem wilden Apfel- baume. 2. Ein einzelner kleiner Busch; der Ast, auf dem er schmarotzt, ist gespalten, so daß Rindenwurzeln und Senker zu sehen sind. schaffenheit sind, vermag die Mistel selbst eine monate- lange Trocknis leicht auszuhalten, eine Tatsache, auf der auch das lange „Frischbleiben“ ab- geschnittenerZweige beruht. Die Blü- ten der zweihäusi- gen Pflanze sind sehr unscheinbar. Da sie aber angenehm duf- ten und Honig, ent- halten, werden sie trotzdem von Insek- ten besucht, und zwar um so sicherer, als sie sich bereits Mitte März ent- falten, wenn die Bäume noch unbelaubt sind, und wenn in der Natur erst wenige Honigquellen fließen. 2. Gleich dem Stachelbeerstrauche, der Eberesche oder andern Pflanzen mit fleischigen Früchten, die wir nicht selten auf Mauern, Burg- ruinen oder an ähn- lichen, schwer zu- gänglichen Orten an- treffen, ist auch der Mistelstrauch allein durch Vermittelung eines Vogels an seinen Standort gelangt. Die Früchte der Mistel sind nämlich erbsen- große Beeren, die sich infolge der weißen Färbung leicht von dem Grün der Zweige Mistelgewächse. 2] und Blätter abheben, und die besonders von der Misteldrossel, aber auch von andern Drosselarten gern verzehrt werden. Zerdrückt man eine solche Beere zwischen den Fingern, so sieht man, daß das Fruchtfleisch außer- ordentlich klebrig ist. (Aus den Beeren bereitet man Vogelleim!) Daher bleiben die Samen leicht am Schnabel der Vögel haften. Streicht ein solches Tier den beschmutzten Schnabel darauf an einem Aste ab, so leimt es die Samen gleichsam dort an, wo sie sich zu jungen Pflanzen entwickeln können. Auch durch den Kot der Vögel, der sich durch die Beeren in eine klebrige, zu langen Fäden ausziehende Masse verwandelt, werden die harten, unverdaulichen Samen auf die Baumzweige gebracht. Die Keimwurzel, die stets den Ast zu fin- den „weiß“, durchbohrt dessen Rinde und ent- sendet nach allen Seiten Wurzeln, die in der Rinde der „Wirtspflanze“ verlaufen. Aus diesen Rinden- wurzeln gehen nunmehr andre —— rechtwinkelig abzweigende Wurzeln hervor, die alsSenker bezeichnet werden. Sie wachsen gleich der Keimwurzel bis zum Holze vor, ohne aber in dieses einzudringen. Bildet der Ast einen neuen Holzring, so wer- den sie von diesem eingeschlos- sen, und wiederholt sich der Vorgang im Laufe der Jahre, dann erscheint es, als ob sich die Senker immer tiefer in den Holzkörper des Zweiges ein- bohrten. Sie halten jedoch nur, indem sie an ihrer Ursprungs- stelle in die Länge wachsen, mit der fortschreitenden „Um- wallung“ gleichen Schritt. Stirbt die Mistel später ab, und ver- faulen die Senker, so bleiben ebenso viele enge Kanäle im Holze zurück, das daher an Wert wesentlich verliert. 3. Wie schon bemerkt, ist die Mistel genötigt, dem Baume, in dessen Zweigen sie wurzelt, das Wasser zu entnehmen. Mit dem Wasser ent- zieht sie ihm aber auch alle die Nährstoffe, die andre Pflanzen aus dem Erdboden aufsaugen. Sie ist also ein Schmarotzer wie z.B. die Hopfen- seid. Im Gegensatz zu dieser Pflanze besitzt sie jedoch Blattgrün. Sie ist daher auch imstande, aus dem aufgenommenen Wasser, den in ihm gelösten Salzen und der Kohlensäure der Luft selbst alle die Stoffe zu bereiten, derer sie zum Aufbau ihres Körpers bedarf. Ob sie dem Mistel. Zweig mit Früchten (wenig verkl.). BD} Pfeffer- und Platanengewächse. Baume auch fertige Nahrung ent- zieht, ist ungewiß. 4. Die Fähigkeit der Mistel, hoch oben in den Kronen der Bäume zu leben und selbst während des Win- ters grün zu bleiben, sowie die gabelige Verzweigung der Stengel und die eigentümliche Form der Blätter haben der seltsamen Pflanze schon seit undenklichen Zeiten ein hohes Ansehen bei dem Menschen verliehen. In der Götterlehre der alten Völker spielte sie daher eine hervorragende Rolle, und die Ger- manen hielten sie geradezu für ein heiliges Gewächs. Noch heutzutage gilt sie in England am Weihnachts- tage, dem alten Feste der Winter- sonnenwende, für das Sinnbild des te an wieder erwachenden Lebens; sie Pfefferstrauche. nimmt dort also die Stelle unsres Oben 2 Blütenstände, immergrünen „Tannenbaumes“, der unten ein Fruchtstand. Aus den Stengel- Fichte. ein. knoten entspringen Kletterwurzeln (verkl.). ’ 10. u. 11. Familie. Pfeffer- und Platanen- gewächse (Piperäceae' und Platanäceae’). U 1. Pfeffergewächse. Der Pfefferstrauch ? SL (Piper nigrum') liefert uns in dem Pfeffer ein schon HN seit den ältesten Zeiten gebräuchliches, wertvolles X Gewürz. Die wichtige Pflanze wird gegenwärtig in » vielen Tropenländern angebaut, ganz besonders in SE Ostindien und auf den Sundainseln, wo auch ihre | Heimat zu suchen ist. Sie klettert gleich dem Efeu mit Hilfe von Wurzeln an Stämmen und Stützen empor und wird daher meist wie bei uns der Hopfen an Stangen gezogen. Den eiförmigen Blättern gegen- über entspringen die ährenartigen Blütenstände. Aus den unscheinbaren Blüten entwickeln sich rote Beeren, deren Fruchtfleisch je einen hartschaligen Samen umschließt. (Weiche ein „Pfefferkorn“ in Wasser auf und schneide es durch!) Werden die Früchte unreif abgepflückt und getrocknet, dann schrumpft das Fruchtfleisch zusammen, und man erhält den „schwarzen Pfeffer“. Läßt man sie dagegen Zwei Fruchtstände der Platane. vollkommen reif werden und beseitigt das Frucht- Die vom Windelosgelösten Früchte fleisch, dann liefern sie den „weißen Pfeffer“. sind durch je eine Haarkrone flug- — fähig. (Nat Gr.) 1) piper, Pfeffer; niger, schwarz. 2) s. S. 33 Anm. 1. nn « Platanen- und Wolfsmilchgewächse. 33 2. Platanengewächse. Die Platane (Plätanus'), die als Schattenbaum häufig angepflanzt wird, gibt sich leicht durch die ahornartigen Blätter, die kugeligen Blüten- und Fruchtstände, sowie besonders durch die abblätternde Borke zu erkennen. Bei der amerikanischen Pl. (P. oceidentälis®), die in Nordamerika ihre Heimat hat, löst sich die Borke in Schuppen, bei der aus dem Orient stammenden morgenländischen Pl. (P. orientälis?) dagegen in großen Platten ab. 12. Familie. Wolfsmilchgewächse (Euphorbiäceae ‘). Meist Milchsaft enthaltende Pflanzen. Blüten in der Regel einhäusig. Meist sind mehrere Staubblüten (die nur aus je einem gestielten Staubblatte bestehen) und eine Stempelblüte (die von einem gestielten Stempel dargestellt wird) zu einem blüten- ähnlichen Blütenstande vereinigt und von einer gemeinsamen Hülle umgeben. Frucht- knoten 3-fächerig; bei der Reife lösen sich die Kapselwände von einer stehenbleiben- den Mittelsäule ab. Die Sonnen-Wolfsmileh (Euphörbia helioscöpia‘). Taf. 4. 1. Vorkommen und Name. Die einjährige Pflanze ist eines der gemeinsten und lästigsten Unkräuter in Garten und Feld. Verletzt man sie an irgend einem Teile, so dringt aus der Wunde sofort ein weißer Saft hervor, der wegen der Ähnlichkeit mit Tiermilch als Milchsaft be- zeichnet wird. Da er ätzend und giftig ist, wird die Pflanze Wolfs- milch genannt und gleich ihren Verwandten von den Weidetieren sorgsam gemieden. Durch einen geringen Gehalt an Federharz oder Kautschuk (s. w. u.) ist dieser Saft sehr klebrig und gerinnt schnell. Ähnlich wie das gerinnende Blut verschließt er infolgedessen die Wunde, aus der er hervorquillt, und verwehrt Pilzsporen oder andern Schädlingen, in die Pflanze einzudringen. Da diese gleich vielen andern Gewächsen den Blütenstand der Sonne zuwendet, wird sie — zum Unterschiede von andern Arten — als Sonnen-Wolfsmilch bezeichnet. 2. Aussehen. Der etwa spannenhohe Stengel besitzt nur im untern Teile 1 oder 2 Ästehen, die zumeist blütenlos bleiben. Beide, Stengel und Äste, tragen einige Blätter, die sich nach dem Grunde zu keilförmig verschmälern und am abgerundeten obern Teile fein gezähnt sind. An der Spitze des Stengels erheben sich in gleicher Höhe 5 Blüten- zweige, zwischen denen sich eine einzelne „Blüte“ befindet. Jeder Zweig teilt sich in der Weise des Stengels abermals, und diese Teilung kann sich — je nachdem die Pflanze kräftig ist — noch ein oder mehrere Male wiederholen. Am Ende der letzten Verzweigungen steht wie zwischen den Zweigen je eine „Blüte“. Der Blütenstand ist also einer zusammen- gesetzten Dolde sehr ähnlich, und wie bei einer solchen finden wir auch hier unter jeder Teilung eine Hülle, die aus mehreren Blättern gebildet wird. 3. „Blüte“. a) Betrachten wir jetzt das Gebilde, das wir bisher als „Blüte“ bezeichnet haben, genauer! Auf dem Boden einer krug- . 1) plätanos, Platane. 2) occidentalis, abendländisch. 3) orientalis, morgenländisch. 4) euphor- sbia, vielleicht von eu, gut und phorbe, Weide (in ironischem Sinne!); helioscopia: helios, Sonne und kopeo, ich blicke. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 3 34 Wolfsmilchgewächse. förmigen Hülle erhebt sich um einen langgestielten Stempel eine An- zahl von Staubblättern, die auifallenderweise gleichfalls gestielt sind. Da nun obendrein am Grunde der (meisten) Staubblätter noch je ein zer- schlitztes Blättehen zu finden ist, so faßt man jedes Staubblatt als Staub- blüte und den Stempel als Stempelblüte auf. Die „Blüte“ der Wolfs- milch ist demnach ein Blütenstand, der aus zahlreichen Staubblüten und einer Stempelblüte zusammengesetzt und von einer krugförmigen Hülle umgeben ist. Zu dieser Auffassung drängt auch der Vergleich mit verwandten Gattungen, bei denen die sonst gleich gebauten Einzelblüten je eine einfache Blütenhülle besitzen. b) Aus der Hülle wird zuerst der Stempel hervor gestreckt. Er be- steht aus einem dreiteiligen Fruchtknoten und 3 Griffeln mit je 2 Narben. Nach kurzer Zeit vertrocknen die Narben;, der Stiel des Stempels streckt sich stark in die Länge, und der Fruchtknoten neigt sich nach unten. Dadurch wird für die jetzt erst reifenden Staubblätter Platz ge- schaffen. Eins nach dem andern erhebt sich über die Öffnung der Hülle, und die getrennten Staubbeutelfächer bieten den Blütenstaub aus. Selbst- bestäubung ist demnach ausgeschlossen. Die unscheinbar gelbgrüne Färbung der Hülle läßt schon vermuten, daß Insekten, die bunte Farben lieben (Schmetterlinge und Bienen), die Blütenstände nicht besuchen. Fliegen sind vielmehr besonders die Ver- mittler der Bestäubung. Diesen kurzrüsseligen Gästen erreichbar liegt der Honig offen zutage. Er wird von 4 rundlichen Honigdrüsen aus- geschieden, die den Rand der Hülle krönen. Infolge der Lage dieser Drüsen kann es nun wieder nicht ausbleiben, daß die Besucher in jüngern Blüten die Narben, in ältern aber die Staubbeutel berühren, also beim Besuche mehrerer Blüten Fremdbestäubung herbeiführen müssen. 4. Frucht. Bringt man bei beginnender Fruchtreife einige Pflanzen (in einem Glase mit Wasser) in das Zimmer, so kann man den Vorgang der Samenausstreuung leicht beobachten: Von der stehenbleibenden Mittel- säule lösen sich die 3 Fächer des Fruchtknotens mit solcher Kraft los, daß sie oft mehr als '/; m weit fortgeschleudert werden. Dabei reißt die Kapselwand in 2 Stücke, so daß der eingeschlossene Same frei wird. Das Ausstreuen der Samen kann nun um so ungehinderter vonstatten gehen, als sich der Fruchtstiel bereits einige Zeit vorher wieder senkrecht empor gerichtet hat. Der Same ist ein kleines, schwarzes Körnchen. Da er an seiner Oberfläche zahlreiche kleine Vertiefungen zeigt, haftet er fest auf dem feuchten Boden, so daß er ungestört zu keimen vermag. Taf. 4. 1. Blühende Pflanze. 2. Blütenstand mit hervorragender Narbe. 3. Blüten- stand, geöffnet; Fruchtknoten heraus hängend; zwei Staubblätter bieten den Blüten- staub aus. 4. Fruchtstand mit abgelösten Früchten. 5. Frucht a. von außen und b. von innen gesehen. 6. Frucht, geöffnet und herausfallender Same. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 4. Sonnen-Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia). Wolfsmilchgewächse. Andre Wolfsmilchgewächse. An denselben Stellen, an denen die Sonnen-Wolfsmilch gedeiht, findet sich als gleich lästiges Unkraut die sehr ähnliche Garten-W. (Eu. peplus?). Durch die halbmondförmigen Drüsen der Hülle und die 3 Doldenstrahlen ist sie leicht von jener zu unterscheiden. — Auf Sand- boden, an Wegrändern u. dgl. wächst oft in großen Beständen die Zypres- sen-W. (Eu. eyparissias°), auf der die bunten Raupen des schmucken Wolfs- milch-Schwärmers leben. Wie zahlreiche andre Pflanzen der Ödung besitzt sie viele fast nadelförmige Blätter. Im Frühjahre findet man nicht selten Pflan- zen, die ein völlig verändertes Aussehen haben; sie sind blütenlos, unverzweigt und besitzen dicke, rundliche Blätter mit bräunlichen Flecken auf der Unter- seite. Diese Veränderungen hat ein Pilz, der Erbsenrost (s. das.), hervor- gebracht, der seine Entwicklung zum Teil auf der Zypressen-W. durchläuft. — In Norddeutschland wird die Pflanze durch die größere Esels-W. (Eu. esüla‘) Baumartige afrikanische Wolfsmilch vertreten, die etwas breitere Blätter (M,reinhardti), deren Zweige kaktusähnliches besitzt. — Auf Schutthaufen und als Unkraut in Gärten findet sich häufig das einjährige Sehutt-Bingelkraut (Mercuriälis annua®), das keinen Milchsaft enthält. Bei ihm sind Staub- und Stempelblüten auf verschiedene Pflanzen verteilt und besitzen je eine einfache Blütenhülle. Im Gegensatz zu den meist niedrigen Wolfs- milcharten unsrer Breiten beherbergen die heißen Länder zahlreiche strauch- und baumartige Formen von außerordentlicher Vielgestaltigkeit. Diejenigen unter ihnen, die in den Steppen und Wüsten beson- ders von Afrika leben und mit der größten Trocknis zu kämpfen haben, besitzen völlig das Aussehen der ausgeprägtesten Trockenlandpflanzen, der Kaktus- gewächse. — Afrika gilt auch als das Vaterland des weit verbreiteten Wunderbaumes (Rieinus eommünis?). der seiner prächtigen Blätter wegen bei uns vielfach als Zierpflanze gezogen wird. Während er in den Tropen überaus schnell zu einem stattlichen Baume emporwächst (Wunderbaum!), bildet er in unsrer Heimat nur einen etwa 3 m hohen Strauch, der mit dem ersten Froste zugrunde geht. Aus den Samen preßt man das Ricinusöl, das als wichtiges Abführmittel allgemein bekannt ist. — Ein andres Glied der großen Familie, der Maniok- oder Kassavestrauch (Mänihot utilissima®), wird Aussehen haben, Knollen des Maniok- strau- ches. Ze EREN Gewand M. 2) kyparissos, Zypresse. 3) esulus, scharf (?). 4) mercurialis, nach dem sum Er ur, der die Heilkräfte der Pfl. entdeckt haben soll; annwus, einjährig. 5) rieinus, Rieinus communıs, gemein. 6) manıhot brasil. Name; utilissimus, sehr nützlich. 36 Wolfsmilchgewächse. seiner stärkemehlreichen Knollen wegen in allen heißen Ländern als wichtige Nahrungs- pflanze angebaut. In den Wäldern des tropischen Südamerika finden sich mehrere zu den Wolfs- milch-Gewächsen gehörende Bäume, deren Milchsaft weit größere Mengen von Feder- harz oder Kautschuk enthalten als die Wolfsmilcharten unsrer Heimat. Unter ihnen besitzt der echte Federharzbaum (Hevea brasiliensis!) wegen seines Reich- tums an dem wertvollen Stoffe die größte Bedeutung. Er ist im Überschwemmungs- gebiete des Amazonenstromes heimisch, wird gegenwärtig aber in zahlreichen andern feuchten Tropengegenden gleichfalls angebaut. Auch in den deutschen Kolonien hat man mit der Kultur der wichtigen Pflanze be- gonnen. Der wegen __ seinerElastizitätso hoch “ geschätzte Kautschuk, der den Eingeborenen bereits vor ihrer Be- rührung mit Europäern bekannt war, wirdinsehr verschiedener Weise ge- wonnen. Die älteste, aber immer noch viel- fach angewendete Art ist folgende: Man macht Einschnitte in den Baumstamm, fängt den austretenden Milchsaft in Gefäßen auf und bestreicht damit Bretter oder Formen aus ungebranntem Ton. Werden diese Gegenstände sodann über ein rauchendes Feuer gehalten, so trocknet die Flüssigkeit nicht nur sehr schnell, sondern der Kaut- schuk gerinnt auch und bleibt als dünne Schicht zurück. Durch fortgesetztes Eintauchen und Echter Trocknen wird die Lage immer dicker. Schließ- Federharzbaum. lich zerschneidet man die Kautschukmasse, zieht Blühender Zweig. N} die Bretter heraus oder zertrümmert und entfernt f die wertlosen Tonformen. Auch indem man die flüssigen Bestandteile des Milchsaftes verdunsten läßt oder durch Kochen verdampft, oder indem man ihm Säuren und Salzlösungen zusetzt, wird der wertvolle Stoff gewonnen. Lange Zeit diente dieser nur als Radiergummi, zur An- fertigung von Gummibällen u. dgl. Seitdem man aber durch Zusatz von Schwefel (Vulkanisieren) verstanden hat, ihn auch unter 0° elastisch zu erhalten und gegen hohe Temperaturen widerstandsfähig zu machen, ist seine Verwendung ungemein mannigfaltig geworden; man benutzt ihn zur Herstellung von Schläuchen, Gummi- schuhen, wasserdichten Überzeugen und hundert andern Sachen. Vermengt man ihn bis zur Hälfte seines Gewichts innig mit Schwefel, so erhält er fast die Härte von Horn und Fischbein. Man verwendet diesen „Hartgummi“ daher zur Anfertigung von Kämmen, Knöpfen und vielen andern Gegenständen. Außer zahlreichen Wolfsmilchgewächsen liefern auch Glieder andrer Pflanzen- familien Kautschuk. Neben dem bereits früher erwähnten Gummibaume Ostindiens und mehreren andern Feigenarten kommen hierfür besonders die kletternden 1) hevea, nach dem brasil. Namen gebildet; Lrasiliensis, in Brasilien wachsend. ee Nelkengewächse. 37 Landolphia-Lianen (Landölphia!) und der Kiekxia-Baum (Kickxia elastica?) in Be- tracht, die im tropischen Afrika heimisch sind und sich auch in den Urwäldern der deutschen Kolonien finden. Ein entfernter Verwandter der Wolfsmilchgewächse ist der in allen Teilen giftige Buchsbaum (Buxus sempervirens?), der aus dem Orient stammt. Eine Zwerg- form der Pflanze dient zur Einfassung von Gar- tenbeeten u. dgl. Das außerordentlich harte, gelbe Holz wird besonders zur Herstellung von Holz- schnitten verwendet. 13. Familie. Nelkengewächse (Caryophylläceae *). Blüten: 4 oder 5 freie oder verwachsene Kelch- blätter; 4 oder 5 Blumenblätter; Staubblätter in 2 Kreisen, meist 10. Früchte einfächerig, mit meist vielen Samen an einer mittelständigen Säule. 1. Unterfamilie. Eigentliche Nelken (Sileneae?). Kelchblätter zu einer Röhre verwachsen. Die Steinnelke (Diänthus carthusianörum?). Die allbekannte, auch Karthäuser- Nelke®) genannte Pflanze findet sich, wie schon der Name andeutet, auf steini- gem Untergrunde, grasigen Bergabhängen, in Straßengräben und an ähnlichen trocknen und dem Sonnenbrande voll ausgesetzten Stellen. A. Die Steinnelke als Ödlandpflanze. 1. Untersucht man den Boden ihres Stand- ortes im Sommer, wenn es längere Zeit nicht geregnet hat, so wundert man sich, daß auf einem nach unsrer Meinung so „völlig“ ausgetrockneten Grunde noch nicht alles Pflanzenleben erloschen ist. Die Nelke dringt aber mit ihrer starken Haupt- wurzel, in die sich der verzweigte unter- N irdische Stamm fortsetzt, bis zu den tie- Steinnelke. | 3 (CR fern Erdschichten hinab, die selbst wäh- rend der trockensten Jahreszeit etwas Feuchtigkeit besitzen. A Auf Felsuntergrund freilich, der nur mit einer dünnen Schicht 10 Erde überzogen ist, können die Wurzeln nicht tief hinab- 1) nach Landolph, dem Kommandanten der Expedition, von der die erste Art entdeckt wurde. 2) Kickxia, von einem Eigennamen abgeleitet; elasticus, \ "x biegsam. 3) bu@us, Buchsbaum; semper, immer und virens, grünend. 4) karyö- f phylion, Gewürznelke. 5) s. S.40, Anm.5. 6) dianthus: dios, göttlich und änthos, # Blume; carthusianorum, ‚nach den beiden Naturforschern Karthauser, die im Ze 18. Jahrhundert lebten. 38 Nelkengewächse. steigen. Dort müssen sich die Pflanzen, die darum auch außerordentlich dürftig sind, dann mit dem nächtlichen Tau begnügen, der von den oberflächlich liegenden Wurzeln aufgesogen wird. Doch die geringe Menge von Feuchtigkeit genüst der Nelke, wie der Augenschein lehrt, das Leben zu erhalten. 2. Andrerseits geht die Pflanze mit der geringen Wassermenge, die ihr zur Verfügung steht, auch sehr sparsam um. Wir finden bei ihr keine großen Blattflächen, wie sie die Schatten- oder Wasser- pflanzen besitzen, sondern schmale, grasartige Blätter. Und diese Blätter sind — wieder im Gegensatz zu jenen Pflanzen — sehr derb; wenn wir einen Strauß Steinnelken selbst stundenlang in der Hand tragen, so bringen wir ihn doch „frisch“ mit nach Hause, ein Zeichen, daß die Wasserverdunstung durch die Blätter sehr gering ist. — Die Blätter stehen sich paarweis gegenüber und sind am Grunde zu einer kurzen Röhre verwachsen, die den Stengel umschließt. Neben sol- chen Zweigen, die sich in einen hohen, Blüten tragenden Stengel fort- setzen, bildet der unterirdische Stamm (Wurzelstock) stets auch einige Äste mit sehr kurzen Gliedern, die erst im nächsten Jahre blühen (d. s. bei der Gartennelke die sog. Absenker oder Ableger). B. Die Steinnelke als Tagfalterblume. 1. Wie sie die Falter an- lockt. Bunte Tagfalter und träge Widderchen (Zyg&na) besuchen häufig die Blüte der Steinnelke. Je nachdem die Pflanzen, die in der Umgebung der Nelke wachsen, hoch oder niedrig sind, erreichen die blütentragenden Stengel eine sehr verschiedene Höhe, stets jedoch werden sie so hoch, daß die Blüten frei stehen und weithin sichtbar werden. Im Gegen- satz zu den untern, vom Kelche umschlossenen, weißlichen Teilen sind die obern, breiten, am Rande ausgezackten Abschnitte der 5 Blumen- blätter leuchtend karminrot. Die Auffälligkeit wird noch dadurch erhöht, daß die Blüten in Büscheln beieinander stehen, und daß zumeist einige von ihnen gleichzeitig entfaltet sind. 2. Was sie den Faltern bietet. Wie in der bekannten Curt- mannschen Erzählung vom „Storch und Fuchs“ der Fuchs bloß von flachen Tellern, der Storch aber aus langhalsigen Flaschen speisen konnte, so vermögen die kurzrüsseligen Insekten (Fliegen, Käfer) den Honig nur aus flachen „Schalen“ zu lecken, während die langrüsseligen ihn am liebsten tiefen Gefäßen entnehmen. Die Schmetterlinge besitzen nun aber unter allen Insekten den längsten Rüssel. Sie saugen daher den Honig bequem aus langen Blumen- röhren, wie wir eine solche auch bei der Nelke finden. Die Röhre wird hier aus den sehr schmalen untern Ab- schnitten (den sog. Nägeln) der Blumenblätter gebildet. Diese Blüten- teile sind aber von so großer Zartheit, daß sie sich ohne fremde Hilfe nicht aufrecht erhalten können. Sie wird ihnen von dem fünfzipfligen Kelche gewährt, dessen Blätter zu einer steifen Röhre verwachsen sind. % H & 2 Det Blütengrundriß der Steinnelke., Nelkengewächse. 39 Die an sich schon enge Blütenröhre wird durch die Staubblätter und Stempel noch mehr verengt. Darum kann auch nur ein Schmetterlings- rüssel in ihr vordringen. Unnützen Näschern aber ist durch diese Ein- richtung der Weg zum Honig von oben versperrt. Auch von unten ver- mögen die beißkräftigen Hummeln und Bienen, die bei zahlreichen Blumen (bei Taubnessel, Leinkraut u. v. a.) Einbruch verüben, nicht zum Honig zu gelangen; denn die Blüten sind am Grunde von festen, leder- artigen (braunen) Schuppen umgeben. Öffnet man die Röhre, so sieht man, daß der Honig von einem Ringe abgesondert wird, zu dem die untersten Teile der 10 Staubblätter verwachsen sind. . 3. Wie die Bestäubung erfolgt. Die zu 2 Kreisen geordneten Staubblätter und die beiden Narben reifen (wie bei fast allen Gliedern der Unterfamilie) in einer bestimmten Reihenfolge: Zuerst strecken die 5 äußern Staubblätter die Beutel aus der Blütenröhre, bieten den grünblauen Blüten- staub aus und verschrumpfen bald. Ihnen folgen die Staubblätter des innern Kreises, und erst nachdem sie verblüht sind, kommen die Narben hervor. Da die Staubbeutel und Narben vor dem Zugange zum Honig stehen, müssen sie erstlich von den saugenden Schmetterlingen gestreift werden. Und da beide Blütenteile ungleichzeitig reifen, kann es zweitens nicht ausbleiben, daß die Tiere beim Fluge von Blume zu Blume Blütenstaub von jüngern Blüten zu den Narben älterer Blüten tragen. Kurz: die Besucher müssen unfreiwillig Fremdbestäubung vermitteln. C. Frucht und Same der Steinnelke. 1. Der Anzahl der Narben entsprechend ist der Fruchtknoten (die Frucht) aus zwei Fruchtblättern gebildet. In seine Höhlung ragt eine Verlängerung des Blütenstieles, die zahlreiche Samenanlagen trägt. Die reife Kapsel öffnet sich an der Spitze mit vier Zähnen. Da sie auf einem hohen und elastischen Stiele steht, wird sie schon durch einen leichten Windstoß so erschüttert, daß die Samen herausgeschleudert und verstreut werden. Befeuchtet man Samen von Landpflanzen, so beginnen sie bei genügender Wärme meist bald zu keimen; währt die Befeuchtung aber zu lange, so gehen sie durch Fäulnis zu- grunde. Einer dieser beiden Fälle müßte, so sollte man meinen, bei einer nach oben geöffneten Kapsel sehr leicht ne eintreten. Die Nelke schließt jedoch ihre bereits geöffneten SR FE Kapseln wieder, sobald Regenwetter eintritt: die Zähnchen Steimneike, krümmen sich, weil sehr hygroskopisch, nach innen, und die Samen sind dann gegen Befeuchtung vollkommen geschützt. Durch Ein- tauchen in Wasser und nachheriges Trocknen kann man das Schließen und Öffnen der Kapseln beliebig oft wiederholen. 2. Die Samen sind rings von je einer trocknen Haut umgeben, so daß sie flache Scheiben bilden. Sie bieten daher trotz ihrer Kleinheit dem Winde eine verhältnismäßig große Angriffsfläche dar und können infolgedessen weit verweht werden. 40 Nelkengewächse. Andre Nelken. Schon von alters her ist die vielgestaltige @artennelke (D. caryophyllus ), die aus Südeuropa stammt, ein Liebling des Menschen. Der herrliche Duft ihrer Blüten erinnert lebhaft an den der Gewürz-Nelken oder Gewürz-Nägelein (so genannt nach der Ähnlichkeit mit einem Nagel). Daher erhielt die Pflanze (samt ihren nächsten Verwandten) den Namen „Nägelein‘, aus dem durch Verkürzung das Wort „Nelke“ entstanden ist. — An ähnlichen Örtlichkeiten wie die Stein- nelke findet sich die zierliche Heidenelke (D. deltoides?). Ihre einzeln stehenden Blüten sind aber in ein helleres Rot gekleidet, mit weißen Punkten überstreut und oft noch durch einen purpurnen Ring verziert. — Unter der Saat wächst als schöne Feldblume, aber als lästiges Unkraut die Kornrade (Agrostemma githago?). Ihre schwarzen Samen sind schwach giftig. Finden sie sich in Menge unter dem Getreide, so machen sie daher das Mehl für den menschlichen Genuß un- brauchbar. — Einen prächtigen Schmuck feuchter Wiesen bilden im Frühlinge die rosafarbenen Blüten der Kuckucks- nelke (Coronäria flos euculi®). Den Artnamen führt die Pflanze von dem „Kuckucksspeichel“, den man häufig an ihren Stengeln findet, der aber nicht vom Kuckuck, sondern von der Larve der Schaumzirpe herrührt. Die zarten Blüten besitzen zerschlitzte Blumenblätter. Da die Blütenröhre verhältnismäßig kurz ist, vermögen auch langrüsselige Bienen und Fliegen bis zum Honig vorzudringen. — Noch mehr gilt dies von dem be- kannten Taubenkropf (Silene vulgäris®), der auf trocknen Wiesen, an Wegrändern und dgl. häufig anzutreffen ist. Viel- fach suchen Insekten den Blütenhonig dadurch zu erreichen, daß sie den netzadrigen Kelch anbeißen. Da dieser aber kropfartig aufgeblasen ist (Name!), vermögen auf diesem unrechtmäßigen Wege ausnahmsweise nur sehr langrüsselige Hummeln zum Ziele zu gelangen. — Das Seifenkraut (Saponäria officinalis®) dagegen, das an Flußufern, zwischen Gebüsch und dgl. wächst, hat eine so lange Blütenröhre, daß es nur von den langrüsseligsten Schmetterlingen, denSchwärmern, bestäubt werden kam. Die N A Wurzel der Pflanze, die beim Reiben im Wasser wie Seife schäumt (Name!), ist durch einen giftigen Bitterstoff gegen Mäuse und fl andre Nager geschützt. Eine häufige, sehr interessante Pflanze sonniger Hügel und ‚Kornrade. trockner Wälder ist das niekende Leimkraut (Silöne nutans”), Blüte und Frucht das von Nachtschmetterlingen bestäubt wird. Wenn der Abend (verkl.). anbricht, entfaltet es seine Blütensterne, streckt wie die Stein- nelke 5 seiner Staubblätter oder die 3 Narben aus der Blütenröhre hervor und sendet einen köstlichen Duft aus. Wer bedenkt, daß in der Nacht nur die hellsten Blumen sichtbar bleiben, wer ferner jemals Nachtschmetterlinge durch Apfeläther oder 1) 8. S. 37, Anm. 4. 2) delto-eides, dreieckig, wegen der Zeichnung der Blumenblätter. 3) agrostemma: agrös, Acker und stemma, Kranz (weil zum Kranzflechten geeignet); gith Schwarzkümmel (wegen der Ähnlichkeit der Samen), -ag90, Endung. 4) coronarius, zum Kranze gehörig; flos, Blume; cueuli, des Kuckucks. 5) silene nach Stlenös, dem Begleiter des Weingottes Bacchus (?); vulgaris, gemein. 6) sapo, Seife; officinalis, in der Apotheke verwendet. 7) silene, 8. Anm. 5; nutans, nickend. AR, Nelkengewächse. 41 eine ähnliche stark duftende Flüssigkeit „geködert“ hat, und wer endlich weiß, daß zahlreiche dieser Insekten (Schwärmer) beim Saugen des Honigs mit schnellem Flügel- schlage vor den Blüten schweben, der wird leicht erkennen, wie wichtig es für die Pflanze ist, daß ihre tiefgeteilten Blumenblätter von weißer Färbung sind, daß ihren Blüten ein weithin wahrnehmbarer Duft entströmt, und daß sich diese, bevor sie sich völlig entfalten, nach der Seite neigen. Sobald es wieder Tag wird, gehen mit den Blüten in der Regel merkwürdige Veränderungen vor: sie hören auf zu duften; die Blumenblätter schrumpfen zusammen und rollen sich so ein, daß sie die grünliche Rückseite nach außen kehren; kurz, die Blüten erscheinen jetzt wie verwelkt und werden in diesem Zustande von keinem Insekt besucht. Erst wenn die Nachtfalter wieder erwachen, „erwachen“ auch die Blüten wieder, — Gleich den fliegenden Tag- Nickendes Leimkraut (etwas verkl.). Blütenstand 1. während des Tages, 2. während der Nacht. insekten wären aber auch die am Stengel emporsteigenden Kerbtiere unnütze Näscher des Honigs. Diesen ıst jedoch der Zutritt zur Blüte ebenfalls verwehrt, und zwar durch ein Mittel, das auch der Mensch anwendet, um emporkriechende Schädlinge von Wald- und Obstbäumen abzuhalten. Wie wir zu diesem Zwecke Teer- oder Leimringe um die Stämme der Bäume legen, ist der Stengel des Leimkrautes von der Stelle an, an der der erste Blütenzweig entspringt, mit einer stark klebenden Masse überzogen (Name!). An dieser „Leimrute“ kleben die emporkriechenden Insekten fest, so daß sie bald zugrunde gehen. Ist das Blühen vorbei, so verschwindet auch der Klebstoff. Einen noch weit stärkern Leimüberzug finden wir an den Stengeln der (darum so genannten) Pecehnelke (Viscäria vulgärist). Sie wächst an denselben Örtlichkeiten wie das nickende Leimkraut und ist wegen ihrer zahlreichen purpurroten Blüten schon von alters her eine beliebte Gartenzierpflanze. — Eine Nachtfalterblume, die (wenn auch meist nicht mit gleicher Deutlichkeit) alle jene Veränderungen zeigt, die wir beim Leimkraute beobachtet haben, ist die weißblühende Nachtliehtnelke (Melän- dryum album°), die als oft meterhohe Pflanze an Wegrändern u. dgl. wächst. — Ihre nächste Verwandte dagegen, die Taglichtnelke (M. rubrum?°), ist wie alle rotblühenden Nelken eine Tagfalterblume. Sie bewohnt feuchte Gebüsche und Wälder und zählt in vielen Gegenden zu den häufigsten Pflanzen, 1) viscum, Vogelleim; vulgaris, gemein. 2 melandrywm: m£las schwarz und drys Eiche (Bedeutung unbek.); albus, weiß. 3) ruber, rot. 42 Nelkengewächse. N. — 2. Unterfamilie. Mieren (Alsineae'). IN y Bere) - Le; .\ > Ne Kelchblätter nicht verwachsen (frei). a . ET NLZ=z Die Vogelmiere (Stelläria media‘) ist das N gemeinste Unkraut unsrer Gärten und Felder. I) Da sich die schwachen, zum Teil niederliegen- NN den Stengel darmartig verschlingen, so daß meist große Rasen entstehen, führt sie auch die Namen „Hühner- oder Mäusedarm“. „Vo- gel“-Miere heißt 4 sie, weil ihre jun- Mi gen Triebe gern w von Stuben- Y vögeln verzehrt ’ werden. Die ein- 2 jährige Pflanze EN ses blüht vom März seen ze bis zum Spät- herbst, oft sogar bis in den Winter hinein und selbst unter dem Schnee. Die un- scheinbaren Blüten und die Früchte sind im wesent- lichen wie bei der Steinnelke gebaut; der getrenntblättrige Kelch aber erlaubt den kleinen, weißen, tiefgespaltenen Blu- menblättern, sich völlig aus- zubreiten. Infolgedessen ist der Honig selbst den kurz- rüsseligen Insekten zugäng- _ lich. Die rinnenförmigen Stiele der kleinen Blätter sind seit- lich mit Haaren besetzt. Ähn- liche, nur weit längere Haar- leisten ziehen sich (in der Ein- oder Zweizahl) von einem Stengelknoten zum andern herab. Läßt man von oben Wasser auf einen Zweig der Pflanze tropfen, so sieht man, wie sich die Haarleisten voll Wasser saugen, und wie das Wasser, das nicht mehr fest- gehalten werden kann, an ihnen wie an Dochten herab- fließt. Dasselbe geschieht na- türlichauch nach einem Regen; die Blätter werden daher schnell > 1) von alsine, Miere, einer hier nieht erwähnten Pf. 5) stella, Stern (Form der Blüte) -arius, förmig; I. Sternmiere und 2. Acker-Hornkraut (verkl.).. media, mittel (nämlich groß). % \ din 1 Kaktusgewächse. 43 wieder trocken, so daß die Verdunstung des von den Wurzeln aufgenommenen Wassers nur auf sehr kurze Zeit unterbrochen ist. Da nun das aufgesogene Wasser Nahrungs- stoffe enthält, ist die schnelle Trockenlegung der Blätter für das Pflänzchen durchaus: vorteilhaft. — Die Sternmiere (St. holöstea!) ist eine Bewohnerin lichter Wälder und Gebüsche. Sie besitzt weit größere Blüten als die Vogelmiere und einen aufrechten Stengel, an dem die Haarleisten fehlen. — Hinsichtlich der Blüten ähnelt die schöne Frühlingspflanze im hohen Grade dem allbekannten Acker-Hornkraut (Cerästium arvense?), das aber 5 Griffel und seinem Standorte entsprechend (Wegränder und dgl.) weit kleinere und derbere Blätter besitzt. — Auf ödestem Sandboden (Blätter fast nadelförmig!) gedeiht der Aecker-Spark (Spergula arvensis?), der hier und da auch als Futterpflanze angebaut wird. 14. Familie. Die Kaktusgewächse (Cactäceae‘) sind bis auf wenige Ausnahmen im warmen Amerika heimisch. Dort bewohnen sie die weiten Wüsten und Steppen, in denen nur während weniger Monate des Jahres Regen fällt, sonst aber erschreckende Trockenheit herrscht. Da sie jedoch gleich dem bei uns heimischen Mauerpfeffer (s. das.) ausgeprägte Fettpflanzen (Suceulenten) sind, vermögen sie dem Wassermangel, der alle Gewächse gewöhnlicher Form unbe- dingt vernichten würde, leicht zu widerstehen. Sie sind sogar, der größern Dürre entsprechend, mit der sie zu kämpfen haben, in noch weit höherm Grade als das ge- nannte Pflänzchen gegen eine zu starke Verdunstung des aufgenommenen Wassers ge- schützt. Betrachten wir daraufhin z. B. die Kaktusformen, die wir in Blumentöpfen ziehen, so finden wir wie beim Mauerpfeffer einen schleimigen Saft und verhältnis- mäßig wenig Spaltöffnungen, eine sehr dicke, fast wasserdichte Oberhaut und nicht selten ein starkes Haarkleid, das die ganze Pflanze umhüllt und dem Turban und Burnus der Beduinen ver- gleichbar ist. Ähnlich, wie die Mehrzahl unsrer Bäume und Sträucher gegen die „Trocknis“ des Winters dadurch geschützt ist, daß sie im Herbst die Teile abwerfen, die das meiste Wasser verdunsten, näm- lich die Blätter, haben auch die Kaktus- gewächse ihre Blätter zumeist verloren. Dürre Dornen sind die „Überreste“ dieser Organe. Als Wasserspeicher dient der Stamm, der daher zumeist Kugel-, Säulen- oder Zylinderform besitzt (geringe Ober- fläche!), oder in scheibenförmige bezw. blattartige Teile gegliedert ist und den Pflanzen das eigentümliche Aussehen verleiht. Dieser Speicher vermag nun so viel Wasser zu fassen, daß die Kaktus- gewächse weiter grünen, wenn um sie her scheinbar alles Pflanzenleben erloschen ist. An ihrem Safte suchen nun vielfach die Tiere den brennenden Durst zu stillen. Die „Quellen der Wüste“ sind jedoch durch dieStachelblätter vortrefflich ge- schützt; denn aus Verletzungen, die sich Fackeldistel, blattartiges Stengelglied mit die Tiere an diesen nadelspitzen und oft 5 Früchten, die die Größe eines Hühnereies noch mit Widerhaken versehenen Gebilden erreichen (verkl.). 1) holostea: hölos, ganz und osteon, Knochen (Bedeutung unbek.) 2) keras, Horn; arvensis auf dem Acker wachsend. 3) spergula, unerkl; arvensis, s. Anm. 2. 4) von cactus, Kaktus. Kaktusgewächse in einer Wüste des nördlichen Mexico, Bl Rs pe 23 = YYeuhach Migen a ern Yur 1. Riesenkaktus, 2. Fackeldisteln. 3. Melonenkaktus. 4. Schlangenkaktus. Bere" Kaktus- und Knöterichgewächse, 45 zuziehen, entstehen oft gefährliche Wunden. Da der Stamm mit Blattgrün aus- gerüstet ist, vermag er die Arbeit der „verkümmerten“ Blätter zu übernehmen. Während der Regenzeit entfalten die Pflanzen ihre herrlichen, trichterförmigen Blüten, denen oft ein köstlicher Duft entströmt. Der seltsamen, wechselvollen Gestalt und der herrlichen Blüten wegen gehören die Kaktusgewächse zu unsern beliebtesten Gewächshaus- und Zimmerpflanzen, Von Wichtig- keit für den Menschen sind aber nur wenige Formen. Unter diesen ragen besonders einige Arten der Gattung der Fackeldisteln (Opüntia!; s. Abb. S. 43) hervor, die einen aus ovalen, flachgedrückten Gliedern zusammengesetzten Stamm haben. Auf ihnen leben die Coche- nille-Schildläuse, die getrocknet das wertvolle Karmin liefern. Den Namen tragen die Pflanzen von dem Reichtum an Stacheln (Disteln!) und von der Verwendung, den sie in frühern Zeiten in Amerika gefunden haben sollen: Es wird nämlich erzählt, daß man die Stämme dort getrocknet und mit Öl getränkt als Fackeln verwendet habe. Die feigenartigen Früchte („Feigendistel“) werden gegessen. In Südeuropa und Nord- afrika, wohin die Pflanzen eingeführt wurden, dienen sie wie in ihrer Heimat zur Cochenille-Zucht oder zur Herstellung von Hecken und Umzäunungen. — Der Riesen- Kaktus (Cöreus giganteus?) hat einen nur wenig verzweigten Stamm, der eine Höhe von 20 m erreichen kann. — An Schlangen und Melonen erinnern die Stämme andrer Arten (Schlangen- und Melonen-K.), die bei uns gleichfalls häufig gezogen werden. Durch wunderbare, stark duftende Blüten, die nur während einer Nacht vollgeöffnet sind, zeichnet sich die Königin der Nacht (C. grandiflörus?) aus. 15. Familie. Knöterichgewächse (Polygonäceae'‘'). Eine Pflanze, mit deren Hilfe der Mensch selbst den öden Heideäckern noch einen Ertrag abzuringen versteht, ist der Buchweizen oder das Heidekorn (Polygonum fagopyrumt). Das zier- liche, einjährige Pflänzchen stammt wahrscheinlich aus Mittelasien, wird etwa '/; m hoch, hat herzför- mige Blätter und kleine Blüten mit einer einfachen, fünfblättrigen Blütenhülle. Da die weißen oder röt- lichen Blüten aber dicht gehäuft stehen, sehr honig- reich sind und einen angenehmen Duft aushauchen, so erfreuen sie sich doch eines reichen Insekten- besuches. Die kleinen, schwarzbraunen Früchte sind dreikantig wie die der Buche und werden wie die Körner der Getreidearten verwendet (Buchweizen!) — Der Vogel-Knöteriech (P. aviculäre?) ist eines unsrer gemeinsten Unkräuter, das selbst auf hartgetretenen Wegen und zwischen dem Straßenpflaster noch zu gedeihen vermag. — Im Gegensatz zu diesem, dem Boden aufliegenden Pflänzchen klettert der Winden- Knöterieh (P. convölvulus®) gleich der Winde an den Stengeln andrer Pflanzen empor. — Über den Wasserspiegel hebt oft der Wasser-Knöterich (P. amphibium ‘) seine großen, rosafarbenen Blütenähren. Er wurzelt im schlammigen Grunde und läßt seine langgestielten, kahlen Blätter auf dem Wasser schwimmen. Versiegt das Gewässer, so bildet er eine Landform mit kurzgestielten, behaarten und Zweig vom Buchweizen mit viel schmalern Blättern. Blüten und halbreifen Früchten. 1) opös, Pflanzensaft, opöeis, saftreich. 2) cereus, Wachskerze, Kerze; giganteus, riesig. 3) grandi- forus: grändis, groß und flos, Blume. 4) polygonum: poly viel und göny, Knie oder Knoten (weil der Stengel viele Knoten hat); fagopyrum: fagus, Buche und pyrös, Weizen. 5) aviceula, Vögelchen (Samen werden von Vögeln verzehrt). 6) convolwulus, Winde. 7) amphibium, dmpho, beide und bios, Leben (also doppellebig, im Wasser und auf dem Lande lebend). 46 Knöterichgewächse Gänsefußgewächse. Im Gegensatz zum Knöterich sind die zahlreichen Ampferarten (Rumex!) wind- blütige Pflanzen. Es sei hier nur der Sauerampfer (R. acetösa?) genannt, der auf Wiesen und Grasplätzen überaus häufig anzutreffen ist und durch den hohen Gehalt an klee- oder oxal- saurem Kalk gegen Schnecken und andre Pflanzenfresser vor- trefflich geschützt ist. Die Blütenhülle wird zur Zeit der Frucht- reife zu Flügeln für die eingeschlossenen, kleinenFrüchte,die da- her leicht vom Winde verweht werden. — Der als Blattpflanze für Rasenbeete und als Küchengewächs angebaute Rhabarber (Rheum?°) ist aus Mit- telasien zu uns ge- kommen. Aus den fleischigen Wurzeln einer andern Art, die in Tibet und China heimisch ist, wird ein als Rhabarber be- kanntes Abführmittel hergestellt. Stempelblüten. 3. Frucht. 16. Familie. Gänsefußgewächse (Uheno- podiäceae‘). Die Runkelrübe (Beta vulgäris?), Die Runkelrübe erzeugt im ersten Jahre eine dicke, fleischige Wurzel und einen Schopf großer Blätter, die bei freiem Stande der Pflanze eine regelmäßige Rosette bilden. Aus den Stoffen, die in der Wurzel aufge- speichert sind, baut sich im zweiten Jahre ein oft mehr als meterhoher Stengel auf, der nach der Spitze zu mit immer kleiner werdenden Blättern besetzt ist und zahlreiche unansehnliche Blüten trägt. Jede der duftenden Blüten besteht aus einem Stempel, der von einem n A ER 1) rumex, Ampfier. 2) acetum, Essig. 3) rkeum, Runkelrübe. Blühender Zweig. Daneben Rhabarber. 4) s. S.47 Anm.2. 5) beta, Rübe; vul- eine Blüte, von oben gesehen (6 mal vergr.). garis, gemein. Gänsefußgewächse. 47 fleischigen, Honig absondernden Ringe umgeben wird, fünf Staubblättern und einer grünlichen, fünfblättrigen Hülle, die nach dem Verblühen ver- härtet und mit der Frucht verwächst. Da immer mehrere Blüten einen Knäuel bilden und sich auch die Früchte bei der Reife nicht voneinander trennen, gehen aus jedem „Rübenkerne“ mehrere junge Pflanzen hervor. Die Stammform der Runkelrübe ist ein unscheinbares Gewächs, das an den Küsten des Mittelmeeres noch heutzutage wild angetroffen wird. Es besitzt eine zwar verdickte, aber holzige Wurzel und lebt nur einen Sommer hindurch. Daher blüht auch die zweijährige Kulturform manchmal schon im ersten Jahre des Anbaus: sie „schoßt“. Durch die Pflege, die ihr seit Jahrhunderten zuteil wurde, ist vor allen Dingen die Wurzel dicker und fleischiger geworden. Da man stets nur die vortreff- lichsten Pflanzen zur Nachzucht auswählte, sind die zahlreichen Spiel- arten entstanden, die wir im Garten und auf dem Felde bauen. Die Salatrübe, Rotrübe oder Bete liefert in ihren roten, rundlichen Wurzeln dem Menschen eine wertvolle Speise. Von einer andern Form, dem Mangold oder dem römischen Kohl, dessen a Wurzeln nicht verdickt sind, verzehrt man die 07 zarten Blätter als Gemüse. — Die eigentliche N I Runkelrübe, deren Wurzeln verschiedene Formen und Farben zeigen und ein Gewicht von mehr als 10 kg erreichen können, ist eine wichtige Futter- pflanze. Aus einer Sorte der Runkelrübe, der weißen schlesischen Rübe, ist die Zuckerrübe hervorge- gangen, die wegen ihres Reichtums an Rohrzucker in allen fruchtbaren Gegenden der nördlichen ge- mäßigten Zone im großen angebaut wird. Der Gehalt an Zucker ist der Runkelrübe wie zahl- reichen andern Pflanzen von Natur eigen. Durch beständige Auswahl der zuckerreichsten Rüben zur Fortzucht hat es der Mensch aber verstanden, den Zuckergehalt erheblich zu steigern: Als man um das Jahr 1850 mit der Veredelung der Pflanze be- gann, betrug er etwa 7—8°/,, während er jetzt durchschnittlich ungefähr doppelt so groß ist; es sind jedoch bereits bis 26°/, beobachtet worden. Dem mittelländischen Pflanzepreiche ent- stammt auch der Spinat (Spinäcia oleracea!), der als Gemüsepflanze hoch geschätzt wird. — Von A \ ) Salzkr To Ar l (7 04 4 149 N) 7 1% a den vielen einheimischen Verwandten der Runkel- rübe seien nur die zahlreichen Gänsefuß- (Cheno- pödium®) und Melden-Arten (Ätriplex?) genannt, die besonders auf Schutt und in der Nähe menschlicher Ansiedlungen wachsen und vielfach lästige Unkräuter darstellen. — Andre Arten finden sich wieder nur am Meeresstrande und an solchen Stellen des Binnenlandes, deren Boden außerordentlich reich an Salz ist (an Salzquellen, in Salzsteppen und an ähnlichen Orten). Die meisten dieser unscheinbaren Gewächse sind Fettpflanzen (Suceulenten) wie der Mauer- pfeffer, eine Tatsache, die auch für zahlreiche salzliebende Arten andrer Familien aut, 1) spinacia, unerkl.; oleraceus, krautartig. 2) chen, Gans; pödion, Füßchen (die Blätter einiger Arten sollen einem Gänsefuße ähneln). 3) atriplex, Melde. 48 Hahnenfußgewächse. zutrifft. Viele dieser Salzpflanzen haben nun ohne Zweifel mit großer Trockenheit der Luft und des Bodens zu kämpfen, woraus sich ihr sonderbarer Bau leicht erklärt. Die Meerstrandpflanzen dagegen wachsen in feuchter Luft und werden nicht selten sogar zeitweise überflutet. Trotzdem ist auch für sie ein Schutz gegen zu starke Ver- dunstung von größter Wichtigkeit; denn die Pflanzen vermögen aus Salzlösungen nur schwer Wasser zu entnehmen. Das bekannteste dieser seltsamen Gewächse, das Salzkraut (Salicörnia herbäcea!; s. Abb. S. 47), das an den Küsten der Nord- und Ostsee oft weite Strecken überzieht und selten auch im Binnenlande angetroffen wird, hat es sogar wie die Kaktusgewächse (s. das.) bis zum gänzlichen Verluste der Blätter gebracht. 17. Familie. Hahnenfußgewächse (Ranunculäceae’). Blüten mit zahlreichen Staubblättern, mit einfacher oder doppelter Blütenhülle und meist zahlreichen Fruchtknoten, die von je einem Fruchtblatte gebildet werden. 1. Das Scharbockskraut (Ficäria verna?). Taf. 5. A. Blütezeit und Standort. 1. Kaum hat die höhersteigende Sonne den Winterschnee geschmolzen, so sprießt auf nassen Wiesen, besonders aber unter dem Gebüsch als erster Frühlingsbote das Scharbockskraut hervor. Oft schon im März bildet es saftig grüne Teppiche, die mit goldenen Blütensternen überstreut sind. Im Mai aber ist für die Pflanze bereits — der Herbst gekommen: Die Blätter vergilben, vertrocknen und sind bald gänzlich verschwunden. Das Scharbockskraut ist also eine Pflanze des Vorfrühlings, die unter Gebüsch und im Grase gedeiht. 2. Nach dem Verluste der oberirdischen Teile lebt das Scharbocks- kraut in Gestalt kleiner Knollen (s. w. u.) unter der Erde weiter. Den Sommer verbringt es allerdings in völliger Ruhe. Wenn aber der Herbst anbricht, erwacht es bereits wieder: aus einer Knospe, die mit den Knollen in Verbindung steht, entwickelt sich der oberirdische Trieb des nächsten Jahres, der aus dem untern Teile seines Stengels zahlreiche Wurzeln in die Erde sendet. Durch die Winterkälte wird das Wachstum zwar wieder unterbrochen; doch wenn der Boden auftaut, bricht die Pflanze sofort aus ihm hervor, ergrünt und blüht bald. Die Vorratsstoffe, die in den Knollen aufgespeichert sind, liefern ihr in erster Linie das Bau- material. Da das Scharbockskraut also bereits im Herbste aus der Ruhe erwacht und die zu seinem Aufbau notwendigen Stoffe nicht erst zu er- werben braucht, so vermag es auch sehr früh im Jahre zu erscheinen. Pflanzen, deren oberirdische Teile nach der Fruchtbildung absterben, während die unterirdischen ausdauern, bezeichnet man als Stauden.) 1) salicornia : sal, Salz und cörnu, Horn; herbaceus, grasartig. 2) s. S. 51, Anm. 1. 3) von ficus, die Feige (wegen der Form der Knollen oder der Verwendung der Pflanze); vernus, im Frühlinge blühend. Taf. 5. 1. Blühende Pflanze. 2. Pflanze, deren oberirdischer Trieb soeben die Erde durchbrochen hat. 3. Blüte, geöffnet. 4. Blüte, geschlossen. 5. Fruchtstand. 6. Brut- knollen des vorigen Jahres. Während die eine austreibt, hat die andre außer den Blättern bereits zwei Wurzelknollen gebildet. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tately: Scharbockskraut (Ficaria verna). Hahnenfußgewächse. 49 3. Im März und April steht das Gebüsch noch kahl da. Infolge- dessen vermögen die Sonnenstrahlen, ohne die keine grüne Pflanze ge- deihen kann, bis zum Erdboden und zum Scharbockskraute zu gelangen. Im Mai dagegen bilden die Blätter der Büsche ein so dichtes Dach, daß kaum noch ein Lichtstrahl den Boden erreicht. Auf der Wiese ergeht es dem Pflänzchen dann ganz ähnlich: die benachbarten, vordem niedrigen Gräser und Kräuter sind emporgeschossen und rauben ihm das Licht. Da das Scharbockskraut aber so früh im Jahre erscheint und seine Lebensarbeit zum größten Teil beendigt hat, wenn die geschilderten un- günstigen Verhältnisse eintreten, so vermag es diese Örtlichkeiten wohl zu bewohnen. B. Stengel und Blätter. 1. Der junge Trieb hat die ‘Form eines Keiles und ist somit auch befähigt, den Boden zu durchbrechen. Ein Mantel aus häutigen, farblosen (weil im Dunkeln wachsenden) Hüll- blättern schützt die zarten Teile im Innern gegen Verletzungen, die beim Durchbohren des Bodens sonst unvermeidlich wären. Hat der Trieb die Erdoberfläche erreicht, dann stellen die Hüllblätter ihr Wachs- tum ein. Je tiefer die Knollen liegen, desto länger werden daher auch diese Blätter. 2. Das Scharbockskraut wächst auf feuchtem Boden und zu einer Zeit, in der die Luft reich an Wasserdampf ist. Schutzmittel gegen eine zu starke Verdunstung, wie sie die Pflanzen wasserarmer Standorte und die der trocknen Jahreszeit besitzen, finden wir bei ihm daher nicht. Stengel und Blätter sind im Gegenteil fleischig und saftreich. 3. Eine solche Pflanze müßte — so sollte man denken — für zahl- reiche Tiere eine begehrte Nahrung bilden. Dem ist jedoch nicht so. Selbst die gefräßigen Schnecken, die mit dem Scharbockskraut oft in großer Zahl dieselbe Örtlichkeit bewohnen, verschmähen es. Alle seine Teile besitzen nämlich einen scharfen, unangenehmen Geschmack, der von einem schwach giftigen Stoffe herrührt. Daß dieser es ist, der die Pflanze gegen den Angriff der Tiere schützt, lehrt folgender Versuch: Frische Blätter werden selbst von hungernden Schnecken unberührt ge- lassen und kaum benagt. Legt man den Tieren aber Blätter vor, die in Alkohol ausgelaugt, getrocknet, in Wasser ausgewaschen und dann wieder aufgeweicht wurden, so werden sie sofort verzehrt. — Früher benutzte man die Pflanze als Heilmittel gegen den Skorbut oder Schar- bock, d. i. eine Krankheit, die besonders durch andauernden Genuß von Pökelfleisch bei langen Seereisen die Schiffer ergreift. Dieser Verwendung verdankt sie ihren Namen. „Feigwurz“ heißt sie, weil sie gegen gewisse eiternde Geschwüre, die sog. Feigwarzen, gebraucht wurde. 4. Wächst das Scharbockskraut mehr einzeln, so macht ihm bis zu beendigter Blütezeit meist keine andre Pflanze das Licht streitig. Dann erhebt sich sein fleischiger, hohler Stengel vielfach auch nur mit der Spitze vom Boden. Tritt es aber‘truppweise auf, so richten sich die Stengel mehr empor. Schmeil, Lehrbuch der Botanik, 4 50 Hahnenfußgewächse. 5. Unter welchen Verhältnissen das Scharbockskraut auch wächst, immer sind fast aile seine Blätter dem Lichte ausgesetzt; denn sie be- sitzen eine sehr verschiedene Größe. Die großen Blattflächen der untern Blätter sind auf langen Stielen stets so weit vom Stengel abgerückt, daß die kurzgestielten und kleinen obern Blätter in der Nähe des Stengels genügend Platz finden. Die oberseits glänzenden Blattflächen sind herz- förmig gestaltet und am Rande meist eingekerbt. Der untere, scheidenartige Abschnitt der Blattstiele umgibt schützend die jungen, noch zusammen- gm gefalteten Blättchen und später die in den Blatt- achseln sich bildenden Knollen (s. w. u.). 0. Blüte. Ein meist dreiblättriger Kelch, sowie 8 oder mehr Blumenblätter umgeben die zahlreichen Staubblätter und die gleichfalls zahlreichen Stempel. Jeder Stempel besteht aus einem einzigen Fruchtblatte (Hahnenfußblüte!). Die einsamige Frucht öffnet sich bei der Reife nicht (Schließfrucht); erst durch den her- vorbrechenden Keim wird ihre Hülle gesprengt. 1. Die goldgelben, innen zum größten Teil firnisglänzenden Blumen- blätter lassen die Blüte, die sich stets ein Stück über das dunkelgrüne Blattwerk erhebt, wie einen leuchtenden Stern („Sternblümchen‘) er- scheinen, der die wiedererwachenden Insekten zum Besuche einladet. Die Stempel bilden meist den Anflugsplatz, Blütenstaub (zahlreiche Staub- blätter!) und Honig die Kost der Gäste. Der Honig findet sich am Grunde der Blumenblätter in je einer kleinen Grube, die von einer Schuppe schützend bedeckt ist. 2. Mit Beginn der Dunkelheit schließt sich \\ die Blüte: Kelch und Blumenblätter neigen sich \'\ |) zusammen und umhüllen die innern Blütenteile. ill) Auf diese Weise wird die Blüte gegen zu großen Alm) Wärmeverlust und das Blüteninnere gegen Be- 4) feuchtung durch nächtlichen Tau geschützt. Wenn wir bedenken, daß es ohne Wärme kein Pflanzenleben gibt, daß die Blüten sehr Scharbockskraut. zarte Gebilde sind, daß es nachts jetzt oft noch 1 Erucht, senkrecht empfindlich kalt ist, und daß der Blütenstaub 9, ein Eee REDE durch Befeuchtung leicht verdirbt: so wird gesehen. S.Honigschuppe. uns die Wichtigkeit dieser Einrichtung wohl verständlich. Da die Kelchblätter auf der Rück- seite grünlich und die Blumenblätter außen ohne Glanz sind, erscheint die Blüte jetzt ganz unauffällig! Das ist aber durchaus kein Nachteil für die Pflanze; denn die wärmeliebenden Insekten haben sich in sicherm Schlupfwinkel gleichfalls zur Ruhe begeben. Bei unfreundlichem Wetter bleiben die Blüten auch tagsüber geschlossen. D. Knollen. Die Anzahl der blütenbesuchenden Insekten ist im März und April weit geringer als in den wärmern Monaten. Daher Grundriß einer Hahnenfußblüte. Hahnenfußgewächse. 51 unterbleibt beim Scharbockskraut auch vielfach die Bestäubung. Aber auch wenn die Blüten von zahlreichen Insekten besucht werden, setzen sie doch nur selten Früchte an: Die Pflanze rettet sich meist — wie wir bereits oben gesehen haben — mit Hilfe von Knollen in das nächste Jahr hinüber. 1. In den Achseln der Hüllblätter entstehen schon sehr zeitig zahl- reiche Knospen. Während mehrere dieser winzigen Gebilde unverändert bleiben, brechen aus den kurzen Stengeln andrer Nebenwürzelchen hervor, die stark anschwellen und sich zu schmutzig gelben oder braunen, jungen Wurzelknollen umbilden. Da die Knospen von den Knollen an Masse bald übertroffen werden, erscheinen sie nur als ein Teil von diesen. Von den Knospen, die keine Knollen erzeugen, wird eine am stärksten: sie ist es, aus der — wie schon oben bemerkt wurde — der oberirdische Trieb des nächsten Jahres hervorgeht. Wie bereits erwähnt, baut sich dieser Trieb in erster Linie aus den Stoffen auf, die in den Knollen aufgespeichert sind. Zwischen beiden muß daher eine Verbindung vorhanden sein. Eine solche liefert der unterste Abschnitt des Stengels, der im Gegensatz zu den andern oberirdischen Teilen im Mai nicht mit abstirbt. Durch ihn werden die Knollen zu einem Büschel vereinigt. Wird durch irgend einen Zufall eine Knolle von dem Büschel abgelöst, so entwickelt sich auch ihre Knospe weiter. In dem Maße, in dem die Knollen die angesammelten Baustoffe ab- geben, verschrumpfen sie auch. Die letzten wertlosen Reste gehen endlich durch Fäulnis zugrunde. 2. In derselben Weise wie die Wurzelknollen bilden sich auch in den Achseln der Laubblätter Knöllchen, die Weizenkörnern entfernt ähnlich sind. Da aus ihnen im nächsten Jahre gleichfalls Pflänzchen hervorgehen, wer- den sie als Brutknospen oder Brutknollen bezeichnet. Nach dem Absterben des Scharbockskrautes findet man sie vielfach in großen Mengen am Boden liegen („Himmels- Brutknolle tes Sl Getreideregen). Werd se durch des Scharbocks- gerste', Sage vom Getreideregen). Werden sie dure ae. Regengüsse verschwemmt, so verbreiten sie die Pflanze K. Knospe. oft über einen großen Bezirk. Die nächsten Verwandten des Scharbockskrautes haben im wesentlichen den gleichen Blüten- und Fruchtbau. Sie besitzen aber 5 Kelch- und 5 Blumenblätter. In sehr wechselvoller Gestalt und als Bewohnerin der verschiedensten Örtlichkeiten tritt uns die Gattung Hahnenfuß (Ranuünculus!) ent- gegen. Mit Tausenden gelber, leuchtender Blüten überstreut der scharfe Hahnenfuß (R. acer?) im Frühjahre unsre Wiesen. Bei Eintritt der Dunkelheit sind die Blüten aber wie verschwunden: sie haben sich nicht nur wie die des Scharbockskrautes ge- schlossen, sondern sind auch infolge Krümmung ihrer Stiele mehr oder weniger 1) ranunculus, Hahnenfuß, eigentl. Fröschchen, weilin der Nähe der Frösche, d. h. des Wassers wachsend. 2) acer, scharf, nämlich von Geschmack. 52 Hahnenfußgewächse. nickend geworden, eine Erscheinung, die auch bei andern Hahnenfußarten zu be- obachten ist. Durch einen scharfen, giftigen Stoff ist die Pflanze gleich den meisten Hahnenfußgewächsen gegen Tierfraß geschützt. Im Heu dagegen wird sie von den Weidetieren verzehrt, weil der Giftstoff durch Trocknen verloren geht. Durch den runden (ungefurchten) Blütenstiel unterscheidet sich der scharfe Hahnenfuß leicht von den beiden sehr ähnlichen und gleichfalls überall häufigen Arten, dem knolligen und dem kriechenden Hahnenfuß (R. bulbösus! und repens®), die beide gefurchte Blütenstiele besitzen. Wie schon die Namen andeuten, ist erstere Form an der knolligen Anschwellung des Stengelgrundes (Vorratsspeicher!) und letztere an den langen Ausläufern leicht zu erkennen. — An Gewässern und auf feuchten Wiesen findet sich die giftigste Art, der Gifthahnenfuß (R. scelerätus?), eine bis 1 m hohe, stark verzweigte und saftige Pflanze mit vielen kleinen Blüten. — Mehrere Hahnen- fußarten sind auch die Stammeltern der als Gartenzierpflanzen bekannten Gold- knöpfchen. Der Wasserhahnenfuß (Baträchium aquätile*) ist ein bekannter Bewohner unsrer stehenden und langsam fließenden Gewässer. Durch zahlreiche Wurzeln ist er im schlammigen Grunde verankert, und den Wasserspiegel über- streut er oft auf weite Strecken hin mit zar- ten, weißen Blüten- sternen. Seine Stengel, die gleich den Blättern außerhalb des Was- sers kraftlos zusam- menfallen, sind wie die Blatt- und Blüten- stiele der Seerose von Luftkanälen durch- zogen, so daß sie vom Wasser getragen wer- den und sehr lange Seitenzweige ent- wickeln können. Auf der Wasseroberfläche breiten sich meist zarte Schwimmblätter aus, die alle Bigen- schaften der Seerosen- blätter besitzen. Durch die haarförmig zerteil- ten, untergetauchten Blätter, die sich bei zahlreichen andern Wasserpflanzen wiederfinden, unterscheidet sich der Hahnenfuß aber wesentlich von der Seerose. Welche Bedeutung diese eigentümliche Blattform hat, ist leicht ein- 1) bulbosus, knollig. 2) repens, kriechend. 3) sceleratus, verbrecherisch. 4) bätrachos, Frosch; also Froschkraut (s. S. 51, Anm. 1); agquatilis, zum Wasser gehörig. Taf.6. 1. Blühende Pflanze. 2. Blüte, von hinten gesehen. 3. Fruchtstand. 3a. Frucht, längs durchschnitten. 4. Schlafende Blüte. 5. Unterirdischer Stamm: a. im Herbste (des Vorjahres); b. im zeitigen Frühjahre; c. etwas später: der oberirdische Trieb hat die Erde durchbrochen. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 6. Busch-Windröschen (Anemone nemorosa). Hahnenfußgewächse. 53 zusehen, wenn man folgendes beachtet: Schneidet man einen Zweig der Pflanze ab, so wächst er weiter, auch wenn er keine Wurzeln besitzt, ein Zeichen, daß die Nahrungsaufnahme nicht durch diese stattfindet. Sie erfolgt vielmehr durch die zarte Oberhaut der Stengel und Blätter, und zwar um so ausgiebiger, je größer die Oberfläche dieser Teile ist. Ferner herrscht im Wasser ein gedämpftes Licht, und es ist in ihm nur eine geringe Menge von atmosphärischer Luft gelöst, deren Sauerstoff von der Pflanze eingeatmet wird. Je größer aber die Oberfläche der Pflanze ist, desto erfolgreicher kann auf sie das Licht einwirken, und desto lebhafter wird auch die Atmung sein. Da nun stark zerteilte Blätter eine größere Oberfläche besitzen als un- geteilte von gleicher Blattmasse, so leuchtet die Bedeutung dieser Blattform für unter- getauchte Blätter ohne weiteres ein. Endlich wird auch ein solches Blatt durch die Bewegungen des Wassers bei weitem nicht so leicht zerrissen, wie ein ungeteiltes. Die schwimmenden Blätter dagegen, die mit jeder Welle auf- und niederschwanken, bedürfen wie die Seerosenblätter eines derartigen Schutzmittels nicht. — In fließendem Wasser nimmt der Wasserhahnenfuß oft ein verändertes Aussehen an: er bildet ge- wöhnlich keine Schwimmblätter; die Stengel sind lang und riemenförmig und die Blatt- zipfel stark verlängert und fast parallel laufend. Wie diesen Verhältnissen, „weiß“ sich die Pflanze auch denjenigen des festen Untergrundes anzupassen. Versiegt nämlich das Gewässer, in dem sie lebt, so gehen die zarten Blätter meist zugrunde; dafür wachsen aber aus den Blattwinkeln kurze, kräftige Stengel hervor, denen zwar auch zerteilte, jedoch weit dickere und steifere Blätter entsprießen. Eine gleiche Veränderung ist auch an solchen Teilen der Pflanze zu beobachten, die über das Wasser ragen oder auf das Trockne geraten sind. Diese „Landform“ wird von der Winterkälte getötet, während die „Wasserform“ unter der Eisdecke überwintert. 2. Das Buschwindröschen (Anemöne nemorösa!). Taf. 6. 1. Standort und Blütezeit. Die Pflanze bewohnt den laubbedeckten Boden in Busch und Wald, findet sich aber auch auf Wiesen, die dem Walde angrenzen. Sie erscheint wie das Scharbockskraut zeitig im Jahre, blüht im April und Mai („Osterblume“) und zieht sich, wenn der Sommer beginnt, bereits wieder in den Boden zurück. Dadurch wird es ihr möglich, an diesen Örtlichkeiten, an denen sie später nicht mehr das notwendige Sonnenlicht finden würde, zu gedeihen; denn ehe sich über ihr das Laubdach völlig geschlossen hat, oder bis sie (auf der Wiese!) von benachbarten Pflanzen überwuchert wird, hat sie ihre Lebenstätig- keiten der Hauptsache nach abgeschlossen. 2. Unterirdischer Stamm. Das Pflänzchen kann so früh im Jahre erscheinen, weil es wie das Scharbockskraut einem Vorratsspeicher große Mengen von Baustoffen entnimmt. Es ist das sein federkieldicker, brauner unterirdischer Stamm, der wagerecht im Boden liegt und zahlreiche Wur- zeln aussendet. Gräbt man diesen „Wurzelstock“ im Herbste aus, so sieht man, daß er an einem seiner beiden Enden in den — jetzt aller- dings noch sehr kleinen — oberirdischen Trieb übergeht. An der Stelle, an der sich dieses Gebilde erhebt, hat sich in der Achsel eines weißen, schuppenförmigen Blattes eine Knospe gebildet. Untersucht man den Wurzelstock während oder nach der Blütezeit wieder, dann bemerkt man, wie diese Knospe durch fortgesetztes Wachstum den Wurzelstock 1) dnemos, Wind; nemorosus, im Haine wachsend. 54 Hahnenfußgewächse. in seiner bisherigen Richtung über jenen Punkt hinaus verlängert hat: er verjüngt sich auf diese Weise beständig in dem Maße, in dem er am Hinterende abstirbt. Die Pflanze wandert also langsam weiter und ge- langt somit fortgesetzt in einen Boden, dem sie die nährenden Bestand- teile noch nicht entnommen hat. Die schuppenförmigen Blätter, die sich an dem jungen Abschnitte des Stammes bilden, schützen die allmählich vordringende Knospe vor Verletzung. Haben sie ihre Aufgabe erfüllt, dann gehen sie zugrunde und hinterlassen am Wurzelstocke Narben. Durch Knospen, die sich an einem andern Teile des Stammes bilden, entstehen Seitenzweige. Stirbt der Stamm an der Verzweigungsstelle ab, so wird der Zweig selbständig. Die Verzweigung ist hier also ein Mittel der Ver- mehrung, und zwar ein außer- ordentlich wich- tiges, weil die Pflanze wie das Scharbockskraut nur seltenFrüchte hervorbringt. 3. Blüte. Die zarte Blüte, die fast das Aussehen eines Röschens hat und schon beim leisesten Winde hin- und herschaukelt („Windröschen“), steht am Ende eines langen Stieles. Wir finden an ihr, sowie an der Frucht die Verhältnisse des Scharbockskrautes wieder. Sie hat aber eine einfache Blütenhülle, die aus sechs weißen, außen oft röt- lich angehauchten Blättern besteht. Da ihr der Honig fehlt, sind die be- suchenden Insekten allein auf den Blütenstaub angewiesen. Nachts und bei regnerischem Wetter schließt sich . die Blüte wie die des Scharbocks- Leberblume. 1. Blühende Pflanze. Die krautes und neigt sich, indem sich 3 SR WE MStLnn. cr lang - : : . he 5 entwickelten Blätter sind vorjährige; die ihr Stiel krümmt, abwärts. diesjährigen haben noch zusammengelegte Blattflächen. 2. Blüte, längs durchschnitten. 4. Blätter. An dem Blütenstiele 3. Früchte, von der bleibenden, kelchähn- finden sich stets drei mehrfach ge- lichen Blütenhülle umgeben. (Verkl). teilte, grüne Blätter. Untersucht man die Pflanze im Herbste, so sieht man, wie diese noch sehr kleinen und blassen Gebilde die winzige Blüte schützend umhüllen. Man bezeichnet sie daher als Hüllblätter. Das einzige, den Hüllblättern sehr ähnliche eigentliche Laubblatt, das im Hahnenfußgewächse 55 Kuhschelle (wenig verkl.). Die oberirdischen Teile der abge- bildeten Pflanze waren 7 cm hoch; die (hier des Raumes wegen ab- geschnittene) Wurzel dagegen maß 48cm. Daneben: Fruchtstan d. Herbst in der Anlage gleichfalls schon vorhanden ist, entspringt mit einem langen Stiele neben dem Blüten- triebe oder an einer Verzweigung des Wurzelstockes, oder es fehlt auch gänzlich. a) Sind denn aber — so muß man sich fragen — die zarten, zerteilten Blattflächen imstande, den Erd- boden zu durchdringen, ohne sich dabei stark zu verletzen? Sie vermögen eine solche Arbeit nicht zu leisten; wohl aber ihre widerstandsfähigen Stiele, die, solange sie sich im Boden befinden, so gekrümmt sind, daß sie nach unten offene Bogen bilden. Bei fortge- setztem Wachstum heben sie die Erde empor, bis diese schließlich auseinander bricht. b) Pflückt man Windröschen zum Strauße, so welken sie viel schneller als Pflanzen, die auf dem Felde oder gar an öden Stellen wachsen. Diese Erscheinung wird uns leicht verständlich, wenn wir bedenken, daß seine Blätter verhältnismäßig groß, zart, dünn und gleich den Blatt- und Blütenstielen nur schwach behaart sind, also auch schnell viel Wasser verdunsten. Da dem Windröschen im Boden genügend Wasser zur Verfügung steht und die Frühlingsluft reich an Feuchtigkeit ist, so fehlen ihm wie dem Scharbockskraut eben auch alle die Mittel, durch die die Pflanzen wasserarmer Stellen oder die der trocknen Jahreszeit gegen zu starke Verdunstung geschützt sind. Die nächsten Verwandten des Windröschens. In der Gesellschaft des Buschwindröschens findet sich viel- fach das ganz ähnliche gelbblühende Windröschen (A. ranuncu- 56 Hahnenfußgewächse. loides!). — Trocknere Laubwälder als beide bewohnt die freundliche Leberblume (Hepätica triloba?; s. Abb. S. 54). Sie trägt prächtig blaue Blüten, die abends nickend werden und sich schließen. Ihre dreiblättrige Blütenhülle hat ganz die Stellung und das Aussehen eines Kelches. Die stark behaarten, jungen Laubblätter kommen erst während des Blühens hervor. Sie verlieren bald das schützende Haarkleid und werden schließlich so lederartig hart, daß sie die trockne Jahreszeit mit Leichtigkeit überstehen, ja sogar den Winter überdauern, obgleich dann die Wurzeln dem hartgefrorenen Boden kein Wasser entnehmen können. Da sie die Form einer Leber zeigen, wurden sie früher als Heilmittel gegen Leberleiden gebraucht (Leberblume!). — Eine Bewohnerin sonniger Hügel und lichter Kiefernwälder ist die Kuhschelle (Pulsatilla pratensis®; s. Abb. S. 55), die ihres giftigen Saftes wegen (Schutzmittel gegen Weidetiere!) in der Medizin verwendet wird. Infolge N der außerordentlich tiefgehenden Wurzel, vw; der seidenartigen Behaarung und der \ WW N Zerteilung der Blattflächen vermag sie der Wasserarmut ihrer Standorte zu trotzen. Die hängende, dunkelviolette Blüte gleicht einem Glöckchen, worauf auch ihr Name hindeutet. (Statt Kühchen- schelle wird die Pflanze aber irrtümlich We —- . zumeist Küchenschelle genannt!) Da fü Az sich die Griffel nach der Blütezeit zu 1 langen, federartigen Gebilden ent- wickeln, können die Früchte leicht durch den Wind verweht werden. — Dieselbe Flugausrüstung finden wir bei den Früchten der Waldrebe (Clematis vi- talba®). Die Pflanze ist eine der wenigen Lianen unsrer heimatlichen Wälder, fehlt aber im Norden und Osten Deutsch- lands. Als Kletterwerkzeuge dienen ihr die Stiele der gefiederten Blätter, die sich in Form von Schlingen um die Zweige und Äste der Bäume und Sträucher legen. Da die Blattstiele, . | soweit sie der Stütze anliegen, sehr dick werden und verholzen, haftet die Pflanze sicher an den Gewächsen, die sie tragen müssen. Obgleich sie nur kleine, weiße Blüten besitzt, benutzt man sie ihres Klettervermögens wegen gern zur Bekleidung von Lauben u. dgl. Die vielfach an- gepflanzten großblumigen Waldreben stammen aus Südeuropa. Waldrebe. Zwei Frucht- stände und eine vergr. Frucht. 3. Die Sumpfdotterblume (Caltha palustris?). 1. Wie sie grünt. Im Sumpfe, auf feuchten Wiesen, an den Rän- dern von Gräben und Bächen, kurz an wasserreichen Örtlichkeiten ist die allbekannte Dotterblume anzutreffen. Durch zahlreiche strangartige Wurzeln, die von dem kurzen unterirdischen Stamme (Wurzelstocke) nach allen Seiten ausstrahlen, ist sie in dem oft sehr weichen Boden fest verankert. Während die Pflanzen trockner Standorte ihre Wurzeln häufig tief in die Erde hinabsenken, breiten sie sich bei der Dotter- 1) von ranunculus, s. S. 51, Anm. 1, u. -eides, -ides, ähnlich. 2) hepatica von hepatikös, leber artig; friloba: tri-, drei; lobös, Lappen. 3) pulsatilla von pulsäre, schlagen, läuten; pratensis, auf der Wiese wachsend. 4) klematis, kleiner Zweig, der rankt; vilalba: vılis, Rebe und albus, weiß. 5) caltha, unerklärt palustris, im Sumpfe wachsend. Hahnenfußgewächse. 7 blume nur in der obersten Bodenschicht aus, wo sie Wasser bereits zur Grenüge finden. Im weitern Gegensatz zu diesen Pflanzen sind alle ihre grünen Teile saftstrotzend und fleischig. Einrichtungen, durch die sich die Ge- wächse wasserarmer Örtlichkeiten gegen zu starke Verdunstung schützen, Sumpfdotterblume. 1. Wurzelstock und junge Blätter. 2. Blüten. 3. Fruchtstand; 2. einige Früchte sind bereits geöffnet. 4. Ein- zelne, geöffnete Frucht. würde man bei ihr vergeblich suchen. Die nierenförmigen und meist schwach gekerbten Blattflächen werden von sehr verschieden langen Stielen getragen; je weiter oben sie an dem hohlen Stengel stehen, desto kürzer sind sie gestielt. Die längsten Stiele besitzen die großen Blätter, die direkt aus dem Wurzelstocke entspringen. Infolgedessen be- schatten die obern Blätter die untern nicht, so daß alle der belebenden 58 Hahnenfußgewächse. Sonnenstrahlen teilhaftig werden. Die rinnigen Blattstiele sind nach dem Stengel zu stark verbreitert und umfassen ihn wie eine Scheide. Betrachtet man die Pflanze während ihrer Entwicklung, so sieht man, daß die scheidenförmigen Abschnitte der Blattstiele Schutzhüllen für die zarten, jungen Teile sind. 2. Wie sie blüht. a) Zur Frühlingszeit entfaltet die Dotterblume zahlreiche „Hahnenfußblüten“, die gleich der Blüte des Windröschens eine einfache Blütenhülle besitzen. Infolge der Größe und dottergelben Farbe der 5 Blätter (Dotter- oder Butterblume!) leuchten die Blüten weit- hin und locken zahlreiche Insekten zur Bestäubung herbei. Der Honig wird in je einer Vertiefung zu beiden Seiten der zahlreichen Fruchtknoten ab- geschieden. — Die noch grünen Blütenknospen werden in Essig eingelegt und als „deutsche Kapern“ verspeist‘),. b) Ist die Bestäubung vollzogen, so versiegt der Honigquell, und die nutzlos ge- wordenen Blumenblätter fallen ab. Die nun- mehr sich ausbildenden Früchte enthalten gleich denen der nächsten Verwandten (s. w. u.) zahlreiche Samen. Bei der Reife trocknet die Fruchthülle ein und öffnet sich an der Innenseite mit einem Längsriß, so daß die Samen verstreut werden können (Springfrüchte). Keimten die Samen in der Fruchthülle, wie dies bei den bisher be- trachteten Hahnenfußgewächsen geschieht, so würden die jungen Pflänzchen in einem Trupp beisammenstehen und sich gegenseitig Licht, Nahrung und Platz streitig machen. Feldrittersporn. 1. Blüte mit reifen Staubblättern. K. Kelch- Die nächsten Verwandten der Sumpf- blätter. B. Die verwachsenen dotterblume. Blumenblätter. 3. Blüte mit reifer Narbe. 3. Frucht; der Wind hat einige Samen aus- geschüttelt. (Nat. Gr.) Der Feld-Rittersporn (Delphinium consölida ?) zählt zu den bekanntesten Ackerunkräutern, seine azurblaue Blüte aber zu den schönsten Feldblumen. Während zur Erntezeit die Sense fast alle größern Ackerpflanzen tötet, bleibt der Rittersporn am Leben: er treibt aus dem Stumpfe des Stengels von neuem Seitenzweige und blüht bis in den Herbst hinein. Vermöge der langen Pfahlwurzel und der winzigen, zer- teilten Blattflächen vermag er diese trockenste Zeit des Jahres leicht zu überstehen. Die Blumenblätter sind zu einem kleinen, helmartigen Gebilde (B.) verwachsen, das den Blütenstaub gegen Tau und Regen schützt und am Hinterende einen Honigsporn trägt. Die Anlockung der Insekten ist in erster Linie dem weit größern Kelche (K.) übertragen, der gleichfalls bunt gefärbt ist. Sein oberes Blatt ist in einen langen Sporn ausgezogen, der den Honigsporn wie eine Scheide schützend umgibt. Da der Honig tief 1) Die echten Kapern sind die Bliütenknospen des Kapernstrauches (Caparis spinösa), der in Südeuropa und Nordafrika wächst. 2) delphinion, Delphinspflanze, weil die Blütenknospe einem Delphin ähnlich sein soll; consolidäre, festmachen (zuheilen). Sauerdorn- oder Berberitzengewächse. 59 geborgen ist, vermögen nur langrüsselige Insekten bis zu ihm vorzudringen. In jüngern Blüten, in denen die Staubblätter den einzigen vorhandenen Stempel noch gänzlich umhüllen, stehen die Staubbeutel vor der Öffnung des Spornes. In ältern Blüten dagegen nimmt die nunmehr reife und freistehende Narbe diese Stelle ein. Es kann daher nicht ausbleiben, daß das saugende Insekt Blütenstaub jüngerer Blüten zur Narbe älterer trägt, also Fremdbestäubung herbeiführt. Vor allen Dingen ist es die Gartenhummel, die der Pflanze diesen Dienst erweist. — Ganz ähnlich erfolgt die Bestäubung, und zwar gleichfalls ausschließlich durch Hummeln, bei zwei bekannten Gartenpflanzen, der Akelei (Aquilegia vulgaris!) und dem Sturmhut (Aconitum napellus?). Die Akelei, die nach der Form ihrer Blüte fälschlich vielfach als „Glocken- blume“ bezeichnet wird, kommt wild hier und da auch in Wäldern vor. Die Heimat des Sturmhutes, dessen sehr scharfes Gift in der Heilkunde Verwendung findet, sind die Alpen, sowie die Gebirge Süd- und Mitteldeutschlands. — Von dorther stammt auch die vielfach in Gärten angepflanzte schwarze Nieswurz (Hell&borus niger?), so genannt, weil ihre schwarze Wurzel im gepulverten 1. 9 Zustande Niesen erregt. Mitten Blüte 1. von der Akelei, 2 im Winter entfaltet die Pflanze ihre prächtigen, schneeweißen Blüten („Schnee- oder Christrose“), in denen sich ein Kranz zierlichster, tütenförmiger Honigbehälter (d. s. die umgewandelten Blumen- blätter) findet. — Auch die Pfingstrosen (Paeönia‘), die in unsern Gärten meist mit gefüllten Blüten gezogen werden, sind Hahnenfußgewächse. . vom Sturmhut. Glieder einer nahestehenden Familie, die bei uns nicht vertreten ist, sind der Tulpenbaum (Liriodöndron tulipifera°) und die prächtige Magnolie (Magnolia grandi- flöra®), die beide aus Amerika stammen und in Parkanlagen häufig angetroffen werden. 18. Familie. Sauerdorn- oder Berberitzen-Gewächse (Berberideae’). Der Sauerdorn oder die Berberitze (Berberis vulgäris?). 1. Der Sauerdorn findet sich wild in Hecken und Gebüschen und ist einer unsrer beliebtesten Ziersträucher. In der Nähe von Getreide- feldern sollte man ihn aber nicht dulden; denn die rostfarbenen Flecke, die auf der Unterseite seiner Blätter häufig zu beobachten sind, stellen die Sporenlager des sog. Berberitzenrostes dar, eines Pilzes, der mit dem außerordentlich gefährlichen Getreideroste (s. das.) in innigem Zu- sammenhange steht. Neben den gewöhnlichen eiförmigen, scharfge- zähnten Blättern finden sich an den jüngern Zweigen solche, die in drei- bis siebenteilige, scharfe Dornen umgewandelt sind. Sie fallen 1) aquilegus, Wasser sammelnd, weil in den Blattwinkeln oft Wasser zurückbleibt; vulgaris, gemein. 2) akoniton, bei den alten Griechen eine unbekannte Giftpflanze, vielleicht von akönai, Felsen, weil dort wachsend; napellus, Rübehen, wegen der Form des Wurzelstockes. 3) helleborus, Nieswurz; niger, schwarz. 4) Nach Paiön, dem Gotte der Heilkunde benannt. 5) Zöriodendron: leirion, Lilie und dendron, Baum; tulipifera: tulipa, Tulpe und fero, ich trage. 6) magnolia von Magnol, franz. Botaniker. } 1745; grandiflora: grandis, groß und flos, Blume. 7) berberis, in der Berberei (Nordafrika) heimisch (?) vulgaris, gemein. 60 Sauerdorn- oder Berberitzengewächse. im Herbste nicht ab und stehen am Grunde der Winterknospen. Wenn sich nun im Frühjahre aus den Knospen Zweige entwickeln, so bilden die Dornen für sie eine treffliche Schutzwehr gegen Weidetiere, sowie gegen Raupen und Schnecken, die, nach dem zarten Laube lüstern, am Stengel emporsteigen. 2. Die eigentümlich duftenden Blüten stehen in Trauben, werden also trotz ihrer Kleinheit auffällig, und zwar um so mehr, als nicht nur die sechs Blumenblätter, sondern auch die Kelchblätter an der Innenseite gelb gefärbt sind. Die anfänglich aufrecht stehenden Trauben werden später hängend, so daß die Blüten wagerecht oder schräg abwärts gestellt sind. Da zu- dem die Staubbeutel von den umgebogenen Zipfeln der Blü- tenblätter überdeckt werden, ist der Blütenstaub gegen Regen vollkommen geschützt. Berührt „A man eins der sechs > Staubblätter am Grunde mit einer Nadel oder dgl., so schnellt es plötzlich nach innen. Das- selbe geschieht na- türlich auch, wennn._ es an jener Stelle _N von einem Insekt berührt wird. Diese Berührung erfolgt nun entweder zu- fällig, oder — was die Regel ist — beim Saugen des Honigs; denn der süße Saft wird von zwei orangefarbenen An- schwellungen jedes le = een me a Den ee ver uhender Zweig. Aul einigen DIA er ıe »porenlager des Serra RR Berberitzenrostes. 3 Blüte, nach Entfernung der Sr 8 ;) Blütenteile.. Eın Staubblatt hat sich infolge eines Reizes der dem reizbaren Narbe angelegt. 4. Früchte. Grunde des Staub- blattes liegen. Dabei kann es natürlich nicht ausbleiben, daß das Insekt mit Blütenstaub beladen wird. Fliegt das Tier darauf zu andern Blüten, dann werden sicher einige Staubkörnchen an der Narbe dieser oder jener Blüte abgestreift. Seerosen. 6] 3. Der Fruchtknoten entwickelt sich zu einer eßbaren Beere, die mit ihrem leuchtenden Rot Vögel zum Verzehren des saftigen, säuerlichen Fruchtfleisches (Sauerdorn!) einladet. Eine nahe Verwandte ist die Mahonie (Mahönia aquifölium'), die wegen ihrer immergrünen Blätter und goldgelben Blütentrauben häufig in Parkanlagen zu finden ist. Sie stammt aus Nordamerika und ist gleichfalls ein Träger des Berberitzenrostes. 19. Familie. Seerosen (Nymphaeäceae’). Die weiße Seerose (Nympha&a alba’). Taf. 7. Der stille Weiher, der schilfumkränzte Teich, der blinkende See, sie alle erhalten erst durch die Seerose ihre schönste Zier. Die riesigen Blätter, die sich gleich schwimmenden Schilden auf dem Wasserspiegel ausbreiten, und die wunderbar zarten Blüten, die gefüllten Rosen ähneln (See-, Teich- und Wasserrose), erhöhen mächtig den geheimnisvollen Zauber, den das Wasser auf den Menschen ausübt (vgl. Goethes „Fischer“!). Darum ist auch die prächtige Pflanze schon seit uralten Zeiten durch Sage und Märchen verklärt: Auf den Blättern schaukeln sich im Mondenscheine die Elfen und Nymphen (Nymphaea!), und unter ihnen lauert die Nixe, um denjenigen zu sich in die Tiefe zu ziehen, der die herrliche Blüte brechen will („Nixblume“; die Nixe heißt auch „Wassermuhme“, die Pflanze daher „Mummel‘). Während die meisten Pflanzen bald zugrunde gehen, wenn sie längere Zeit überflutet werden, spielt sich das Leben der Seerose mit Ausnahme des Blühens im Wasser ab: sie ist eine Wasserpflanze. 1. Ihr Stamm, ein armdiekes Gebilde, ist mit vielen Blattnarben bedeckt und im schlammigen Grunde eingebettet. Da er durch zahl- reiche Wurzeln, die sich tief in den Boden senken, verankert wird, ver- mag die Seerose nur Seen und Teiche mit lockerem Untergrunde, im Gegensatz zu den nichtwurzelnden Wasserpflanzen, z. B. der Wasserprimel, aber auch langsam fließende Gewässer zu bewohnen. Die Wurzeln sind jedoch auch Werkzeuge der Nahrungsaufnahme. Daher kann die Seerose nur auf schlammigem Untergrunde gedeihen, nicht etwa auch auf einem nahrungsarmen Sand- oder Geröllboden. Am Endteile des Stammes er- heben sich die langgestielten Blüten und Blätter. 2. Blätter. Solange sich die wachsenden Blätter unter Wasser be- finden, sind ihre jetzt noch sehr zarten Blattflächen so von beiden Seiten nach innen gerollt, daß man nur die Unterseite sehen kann. Wären sie ausgebreitet, so würden sie sicher in noch weit höherm Grade der Ge- fahr ausgesetzt sein, durch Wellen und Strömung zerrissen zu werden, als dies jetzt der Fall ist. Sobald die Blätter die Wasseroberfläche er- ‚reicht haben, stellt der Stiel das Wachstum ein, und die großen, am 1) Mahonia, nach dem amerik. Botaniker Mac Mahon; aquwifolius statt acrifolius von dcer, scharf und fölium, Blatt. 2) nymphaea von njmphe, Nymphe; albus, weiß. 62 Seerosen. Grunde tief herzförmigen Blattflächen breiten sich auf dem Wasserspiegel aus, in vollem Genusse von Licht und Luft. Je nach der Tiefe des Wassers sind daher die Stiele von sehr verschiedener Länge. Ins Unge- messene können sie natürlich nieht wachsen; denn der Pflanze steht ja nur eine gewisse Menge von Baustoffen zur Verfügung. Diese Tatsache macht es verständlich, daß die Seerose nur in verhältnismäßig flachen Gewässern oder in der Uferzone tiefer Gewässer lebt. Hat das Wasser seinen höchsten Stand inne, so stehen die Stiele fast senkrecht; sinkt es, so rücken die Blattflächen weiter auseinander, und die Stiele bewegen sich nach außen (etwa wie Stäbe eines Schirmes, den man mit der Spitze auf den Erdboden stellt und öffnet). a) Reißt man einen Blattstiel vom Stamme los, so schwimmt er samt seiner Blattfläche auf dem Wasser. Dies geschieht infolge zahlreicher großer, luftgefüllter Zwischenzellräume, die‘ auf zarten Querschnitten schon mit bloßem Auge deutlich zu sehen sind und wie die Hohlräume eines Schwimmgürtels wirken. Der schwimmenden Blätter wegen zählt die Seerose zu den „Schwimmpflanzen“. Auf den Querschnitten bemerkt man, falls man sie gegen das Licht hält, wie von den Zellwänden der Lufträume sternförmige Haare ausstrahlen, die mit körnigen Rau- hiekeiten versehen sind. In diesen Gebilden glaubt man ein Schutzmittel der Pflanze be- sonders gegen Schnecken zu erkennen; denn wenn den gefräßigen Tieren beim Benagen Querschnitt aus dem Blattstiele der Sale harfen Soitrensmn der weißen Seerose mit gro- = in ee anı 18 Jene ann Pu z Ben Lufträumen und sternför- ‘den weichen Körper dringen —; und das isı migen Haaren (50mal vergr.). unausbleiblich! —, so werden sie das Zer- störungswerk wohl bald aufgeben müssen. Andre Naturforscher halten die Haare für Vorrichtungen, die Luft- räume „auszusteifen“. Da nämlich Stamm und Wurzeln der Seerose in schlammigem Boden eingebettet sind, der meist völlig von Sumpfgas durchtränkt ist, muß ihnen die Atemluft von den Blättern aus zugeleitet werden, und das kann natürlich nur dann geschehen, wenn die Wände der Hohlräume nicht zusammenfallen. Ferner bewirken die Haare, dab das Wasser, das etwa bei Verletzungen in die Stiele eindringt, die Luft- räume nur auf eine ganz kurze Strecke erfüllt. Durch die Sternhaare wird also die notwendige Verbindung zwischen Blatt und Wurzel stetig aufrecht erhalten. b) Da die Last des Blattes vom Wasser getragen wird, erscheint die auffallende Größe der Blattfläche, sowie die Schlaffheit und Bieg- Taf. 7. 1. Blühende Pflanze. 2. Staubblätter, die allmählich in Blumenblätter über- gehen. 3. Frucht, quer durchschnitten. 4. Same. Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. = = = Weiße Seerose (Nymphaea alba). Seerosen. 63 samkeit des Stieles, der bei den Luftpflanzen bekanntlich die Blattfläche und sein eigenes Gewicht zu tragen hat, wohl verständlich. Andrer- seits ist aber auch nur ein soleh seilartiger Stiel imstande, den Be- wegungen der Blattfläche (Wellen, Wind!) leicht und schnell zu folgen. Versiegt das Gewässer, dann sinken freilich die langgestielten Blätter in den Schlamm und gehen zugrunde. Die Seerose stirbt aber nicht, falls nur der Boden feucht bleibt. Sie treibt andre Blätter, deren kurze, kräftige Stiele die kleinern Blattflächen wohl zu tragen vermögen: die Seerose wird zur Landform, führt also gleichsam ein amphibisches Leben. (Häufiger ist allerdings die Landform der gelben Teichrose zu beobachten.) c) Schwimmende Blattflächen haben durch die auf- und absteigenden Wellen mehr oder -minder heftige Erschütterungen auszuhalten und werden von niederfallenden Regentropfen mit voller Kraft getroffen. Die starken, lederartigen Blätter der Seerose indessen widerstehen diesen Angriffen leicht. d) Hält man ein abgeschnittenes Seerosenblatt unter Wasser und bläst durch den Stiel kräftig Luft ein, so sieht man, wie diese von der Oberseite der Blattfläche in Form glänzender Perlen wieder emporsteigt (vgl. Abschn. 2a). Letzteres geschieht durch die Spaltöffnungen. Während diese bei den Blättern der Landpflanzen zumeist an der Unter- seite liegen, finden sie sich hier also auf der Oberseite, die allein von Luft umspült wird. Bei der Seerose ist keines der Mittel vorhanden, die bei zahlreichen Landpflanzen eine allzu starke Ausscheidung von Wasserdampf verhindern; denn da ihr stets Wasser im Überfluß zur Verfügung steht, kann ihr selbst eine sehr reichliche Verdunstung nicht verhängnisvoll werden. Eine solche ist für sie im Gegenteil nur vorteilhaft; denn je mehr Wasser sie verdunstet, um so mehr muß sie wieder aufnehmen, und um so mehr im Wasser gelöste Nahrungsstoffe werden ihr zugeführt. Es wird uns daher auch durchaus verständlich, daß das Seerosenblatt mit sehr vielen (etwa zehn Millionen!) Spaltöffnungen versehen ist, durch die der Wasser- dampf in erster Linie entweicht, und daß es mehrere Einrichtungen besitzt, die eine unbehinderte Verdunstung gewährleisten: Die Oberseite ist erstlich mit einem Wachsüberzuge versehen, so daß das Wasser von ihr abrollt wie von dem eingefetteten Gefieder der Ente oder Gans. Dies geschieht zweitens um so leichter, als die Blättfläche an der Verwachsungs- stelle mit dem Stiele meist etwas erhöht ist, und als drittens der Blatt- rand wellenartige Krümmungen zeigt, also zahlreiche Rinnen für ‘ das abfließende Wasser bildet. In dem Violett der Blattunterseite, das sich zumeist auch in den Blattstielen findet, hat man sogar ein wichtiges Förderungsmittel der Verdunstung erkannt. Wie z. B. unsre Kleidung im Sommer zeigt, wird das Licht von dunklen Farbstoffen auf- gefangen und in Wärme umgesetzt. Dieser Vorgang spielt sich natür- lich auch in den Seerosenblättern ab, wenn deren Flächen durchleuchtet 64 Seerosen. werden. Eine Erhöhung der Temperatur hat aber stets auch eine stärkere Verdunstung im Gefolge. 3. Überwinterung. Auch die Weise, in der die Seerose den Winter übersteht, hängt mit ihrer Natur als Schwimmpflanze innig zusammen. Die auf dem Wasserspiegel schwimmenden Blätter würden durch die Winterkälte um so sicherer zerstört werden, als sich ja das Wasser mit einer Eisdecke überzieht. Die Blätter sterben daher im Herbste ab. Am Grunde der Gewässer dagegen sinkt selbst im kältesten Winter die Temperatur nicht bis auf den Nullpunkt, also so tief, daß sie das dort herrschende Pflanzenleben vernichtete. Dort können demnach Gewächse überwintern, und dort vermagauch derStamm der Seerose seinen „Winterschlaf“ zu hal- . ten. Die Seerose zählt also wie alle Wasser- pflanzen (mit Ausnah- . me einiger Uferbewoh- ner) zu den ausdau- ernden Gewächsen. 4. Die Blüte steht am Ende eines langen Stieles, deralleEigen- schaften der Blattstiele besitzt. Solange sich die Blüte unter Was- ser befindet, bilden die 4 Kelchblätter für das Blüteninnere einen festschließenden Man- tel; an der geöffneten Blüte dagegen stellen siegleichsam kleine, auf dem Wasser schwim- = mende Boote dar. Da Amerikanische Seerose. sie auf der Innenseite weiß sind, helfen sie mit, die Blüte auffällig zu machen. Die zahlreichen schneeweißen Blu- menblätter werden nach innen zu beständig kleiner und gehen all- mählich in Staubblätter über, ein Zeichen, daß diese Blütenteile um- gewandelte Blattgebilde sind. Der Fruchtknoten, der eine strahlig- schildförmige Narbe trägt, ist dem des Mohnes sehr ähnlich. Da ihm die Blumen- und Staubblätter in einer Spirale angeheftet sind, erklären sich die zahlreichen Blattnarben, die an der Außenwand der Frucht zu be- obachten sind. Seerosen. 65 Wenn die Morgensonne am Himmel steht, öffnen sich die weithin leuchtenden, schwach duftenden Blüten. Fliegen und Käfer, die sich aber mit Blütenstaub (zahlreiche Staubblätter!) begnügen müssen, kommen zu ihnen zum Mahle. Gegen Abend schließen sich die Blumen wieder, so daß der leicht verderbende Blütenstaub gegen den Tau der Nacht und die aus den Gewässern aufsteigenden Nebel wohl geschützt ist. 5. Frucht. Nachdem die Blüte bestäubt ist, biegt sich der Blüten- stiel so, daß der schwellende Fruchtknoten wieder in das Wasser taucht. Der Innenraum der beerenartigen Frucht ist wie bei einer Mohnkapsel in mehrere Fächer geteilt. Bei der Reife platzt die verfaulende Frucht- wand, so daß die zahlreichen Samen, die von je einer schwammigen, Indische Seerose (1.) und Lotosblume (2.). schleimigen Hülle umgeben sind, frei werden. Durch diesen Samen- mantel werden die an sich schweren Gebilde spezifisch so leicht, daß sie schwimmen und mithin durch Strömung, Wind und Wellen oft weit- hin verschlagen werden. Ist der „Schwimmgürtel“ durch Fäulnis zerstört, dann sinken die Samen auf den Grund des Gewässers, um dort vielleicht eine neue Pflanze ins Dasein zu rufen. Da der Samenmantel klebrig ist und infolgedessen leicht am Körper der Wasservögel haftet, kann es kaum ausbleiben, daß die Samen zu andern Gewässern getragen werden: die Seerose gibt sich also auch durch die Verbreitung ihrer Samen als eine echte Wasserpflanze zu erkennen. Andre Seerosen. Gleich der weißen Seerose ist die gelbe Teichrose (Nuphar lüteum!) eine bekannte Zierde unsrer Gewässer. Sie stimmt — abgesehen von mehreren Einzelheiten im Bau 1) nuphar, unerkl.; luteus, gelb. 1 Sohmeil, Lehrbuch der Botanik, 5 66 Seerosen. Lorbeergewächse. der Blüte und der Frucht — mit jener in allen Stücken fast vollkommen überein. — An Schönheit werden beide noch von den Seerosen der warmen Gegenden übertroffen. Unter diesen ist wieder der amerikanischen Seerose (Viectöria regia!; s. Abb. S. 64) der Preis zuzuerkennen. Sie bewohnt die großen Ströme des warmen Südamerika. Ihre kreis- runden Blätter, die mit einem erhöhten Rande versehen sind, haben einen Durch- messer bis zu 2 m, und die wohlriechenden, anfangs weißen, später rosafarbenen Blüten einen solchen bis zu 40 cm. — Hohe Berühmtheit hat die ägyptische Seerose oder die Lotosblume (Nymphsa lotus°; s. Abb. S. 65) erlangt. Wenn der Nil das Land überschwemmt. grünt und blüht die herrliche Pflanze bald in allen Gräben und Kanälen; wenn aber das Wasser wieder in seine Ufer zurück- kehrt, verschwindet auch sie wieder. Nur der im Boden ein- gebettete Stamm vermag die lange Zeit der Trocknis zu über- dauern. Gleich dem heiligen Strome selbst galt die Lotos- blume als ein Sinnbild der Fruchtbarkeitund wardenhohen Göttern geweiht. Ihr mehl- reicher Stamm und ihre Samen wurden besonders früher von den Bewohnern des Landes ver- zehrtt. — Häufiger allerdings baute man zu diesem Zwecke die indische Seerose (Nelümbo nucifera°; s. Abb. S. 65) an, die heute noch in einem großen Teile Südasiens eine wert- volle Nahrungspflanze bildet. Das herrliche, von den Indern heilig gehaltene Gewächs hebt die triehterförmigen Blätter und roten Blüten hoch über den Wasserspiegel empor. Anhangsweise sei hier eine Pflanze erwähnt, die den Seerosengewächsen sehr nahesteht. Es ist dies das Hornblatt (Cerato- phyllum®), das völlig untergetaucht im Wasser lebt und wie der Wasserhahnenfuß schwache Stengel und fein zerteilte Blätter besitzt. Da sich die einhäusigen Blüten gleichfalls im Wasser entfalten, wird auch der Blüten- staub durch dieses zu den Narben getragen. Dem Hornblatte fehlen dementsprechend auch alle die Mittel, die bei Luftpflanzen zum Schutze des Blütenstaubes u. dgl. vorhanden sind: die Blüten sind höchst einfach gebaute, unscheinbare Körperchen in den Blattwinkeln. Blühender Lor- beerzweig mit reifen, vorjähri- gen Früchten (verkl.). 20. Familie. Lorbeergewächse (Lauräceae’). Der Lorbeerbaum (Laurus nöbilis?) ist eine Pflanze des Mittelmeergebietes, deren beiderseits zugespitzte, etwas gewellte Blätter lederartig derb sind wie die der Orangen- gewächse (s. das.). Der Lorbeerkranz gilt schon seit dem Altertume als ein Zeichen 1) Nach der Königin Viktoria von England benannt; regius, königlich. 2) Nymphaea, s. S. 61, Anm. 2; lotus, unerkl. 3) nelwmbo, Name der Pflanze auf Ceylon; nueifera: nux, Nuß und fero, ich trage. 4) Aus keras, Horn und phyjllon, Blatt zusammengesetzt. 5) laurus, Lorbeer; nobilis, edel. 2 ur Lorbeergewächse. 67 erworbenen Ruhmes, und gern legen wir ihn auf die Ruhestätte unsrer Verstorbenen, Da sowohl die Blätter, als auch die beerenartigen Früchte ein flüchtiges Öl von an- genehmem Duft enthalten, dienen sie als Gewürz an Speisen. — Ein weit wertvolleres Gewürz, den Zimt, liefern uns andre Lorbeergewächse in der Rinde ihrer Stämme und Zweige. Unter diesen Pflanzen nimmt wieder der Ceylon-Zimtbaum (Cinnamomum ceylänieum!) die erste Stelle ein. Er kommt wild jetzt noch auf den Gebirgen Ceylons vor, wird aber zum Zwecke der Zimtgewinnung als Strauch in Pflanzungen gezogen. Haben die Stämme eine Stärke von etwa 4 cm erreicht, dann schneidet man sie dicht über dem Boden ab, entblättert sie und löst von ihnen und ihren Ästen die Rinde los. Nachdem die äußern, bitter schmeckenden Teile sorgfältig entfernt sind, werden die Fl R/ y /AR, IN FE ll; 2 Muskatnußbaum. Blühender Zweig vom Zimt- N Blühender Zweig mit reifer baum (verkl.). \ Frucht: F. Fruchtfleisch; S.Same; Sm. Samenmantel. Rindenstücke getrocknet. Hierbei rollen sie sich zusammen, nehmen eine rotbraune Farbe an und kommen als Zimt oder Kaneel in den Handel. — Ein Glied derselben Gattung ist der Kampferbaum (C. camphora?), der sich von China und Japan aus über alle wärmern Gebiete verbreitet hat und etwa die Gestalt einer riesigen Schwarzpappel zeigt. Alle Teile des Baumes enthalten Kampfer, der als wichtiges Heilmittel, sowie zum Vertreiben schädlicher Insekten u. dgl. im Gebrauch ist. Einer nahe verwandten Familie gehört der Muskatnußbaum (Myristica fra- grans®) an, der auf den Molukken heimisch ist, aber auch auf den Antillen angebaut wird. Die walnußgroße Frucht ist eine Beere, deren steinharter Same die besonders früher als Gewürz hoch geschätzte Muskatnuß liefert. Umgeben ist dieser von einem karminroten, zerschlitzten Gebilde, dem sog. Samenmantel, der als Macis oder Muskat- blüte in den Handel kommt und gleichfalls ein wichtiges Gewürz bildet. Das harte Fruchtfleisch dagegen, das beide umschließt, dient nur den Eingeborenen als Speise. 3 1) ennamommm, Zimt; ceylanicus von Ceylon. 2) camphora von dem arabischen Worte kam- four. 3) myristica von myristikös, zum Salben, Parfümieren geeignet; fragrans, stark duftend. 68 Sonnentaugewächse. 21. Familie. Sonnentaugewächse (Droseräceae'). Der rundblättrige Sonnentau (Drösera rotundifölia'). Taf. 8. 1. Ein Bewohner des Moores. Die zierlichen Blattrosetten des eigentümlichen Pflänzchens sind dem feuchten Boden des Moores oder den weichen Polstern des Torfmooses (Sphagnum) aufgelagert. Viel- fach finden sie sich auch in dem niedrigen Grase, das den schwanken- den Grund bedeckt. Im Sommer erheben sich aus der Mitte der Rosette einige kaum spannenlange Blütenschäfte. Die weißen, unscheinbaren Blüten entfalten sich aber nur im warmen Sonnenscheine, und zwar je nur auf einige Stunden. Die grünen Blätter tragen auf langen Stielen kreisrunde, schwach muldenförmig gebogene Blattflächen, die auf der Oberseite mit zahlreichen roten, haarartigen Wimpern bedeckt sind. Diese nehmen vom Rande nach der Mitte zu beständig an Größe ab und sind von je einem roten Köpfchen gekrönt. Da die Köpfchen von einer farblosen Flüssigkeit umhüllt sind, glänzen und glitzern sie im Sonnen- scheine wie der Tau in der Morgenfrühe (Sonnentau!) oder wie der Honig in zahlreichen Blüten z. B. der Doldenpflanzen. Die Flüssigkeit verdunstet aber selbst an warmen Tagen nicht und schmeckt auch nicht süß: sie kann also weder Tau, noch Honig sein. Berühren wir sie, so gibt sie sich als eine klebrige, fadenziehende Masse zu erkennen, die von den Köpfchen ausgeschieden wird. Die Köpfchen sind also Drüsen, die auf langen Stielen stehen. Sehr häufig findet man auf den Blättern Panzer von Insekten oder Teile davon. Wie sind diese Tierreste dorthin gelangt? 2. Eine „insektenfressende“* Pflanze. a) Wie die Beute ge- fangen wird. Durch die rote Färbung der Wimpern und die klebrige, wie Honig glänzende Masse der Drüsenköpfehen werden Insekten ange- lockt. Gerät zufällig ein Tierchen auf die Blattfläche, oder läßt sich ein solches darauf nieder, um den vermeintlichen Nektar zu trinken, so fühlt es sich gefangen und sucht zu entfliehen. Einem kleinen Insekt ist dies aber nicht mehr möglich: es wird von den Drüsen, die es berührt, wie von Leimruten festgehalten. Die Köpfchen nehmen jetzt eine dunkelrote Farbe an und scheiden eine größere Menge Flüssigkeit aus; ihre Stiele krümmen sich wie Finger der Mitte der Blattfläche zu; die benachbarten Wimpern krümmen sich gleichfalls und drücken ihre Köpfchen auf die Beute; dasselbe tun die entfernteren Wimpern: und nicht lange währt es, so ist das Insekt wie von hundert und mehr Saugnäpfchen eines 1) droserös, tauig; rotundifolius, rundblätterig. Taf. 8. Rundblättriger Sonnentau: ]. Blühende Pflanze im Torfmoos. 2. Blatt von oben und 3. von der Seite gesehen; alle Wimpern sind ausgebreitet. 4. Blatt mit gefangener Fliege; die Wimpern der linken Seite haben sich niedergebeugt. 5. Dasselbe Blatt; das Tier ist nach der Mitte befördert; alle Wimpern haben sich herab gekrümmt. Fettkraut: 6. Blühende Pflanze. 7. Blatt mit aufgerolltem Blattrande und mehreren gefangenen Insekten. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 8. Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia) und Fettkraut (Pinguicula vulgaris). Sonnentaugewächse. 69 Polypen gepackt, zur Mitte des Blattes befördert und in der ausgeschiede- nen Flüssigkeit ertränkt (erstickt). b) Wie die Beute „verzehrt“ wird. Nach ein paar Tagen finden wir auf dem Sonnentaublatte, dessen Drüsenwimpern sich unterdes wieder aufgerichtet haben, nur noch den Hautpanzer des gefangenen Insektes. Wo sind aber die Weichteile des Tieres so schnell hingekommen? Die Flüssigkeit, die von den Drüsen ausgeschieden wird, enthält einen Stoff, der wie unser Magensaft imstande ist, eiweißhaltige Körper (Fleisch u. dgl.) aufzulösen. Durch seine Einwirkung wurden in der Mulde des Blattes die Weichteile verflüssigt, und indem die Drüsen die ausgeschiedene Flüssig- keit wieder einsogen, nahm die Pflanze die eiweißhaltigen Stoffe des Insektenleibes auf. Mit Recht nennt man daher den Sonnentau eine „in- sektenfressende“ Pflanze. — Ge- nau wie gegen lebende Tiere ver- hält er sich auch gegen andre stick- stoffhaltige Körper (Fleischstückchen, gekochtes Hühnereiweiß, geronnenes Blut u. dgl.). Bringt man dagegen Sandkörnchen, Holz, Zucker oder andre stickstoffreie Körper auf die \WUlED / Blätter, so- stellen sich jene Ver- NULL! änderungen zwar auch ein, aber in einem viel schwächern Grade und ohne daß diese Körper irgendwie verändert oder gar aufgesogen wür- den.. (Wie verhält sich das Blatt, wenn man ihm zwei Speisebrocken gibt? Inwiefern ist die muldenförmige Blattfläche und die Anordnung der >= Blätter zu einer Rosette für die wege Pflanze von Vorteil?) Venus-Fliegenfalle. Daß die aufgesogenen Tierstoffe Neben der ganzen Pflanze ein Blatt, das dem Sonnentau wirklich zur Ernäh- A ee ne et. rung dienen, haben zahlreiche Versuche bewiesen: die mit tierischer Kost „gefütterten“ Pflanzen waren stets kräftiger und erzeugten größere Samen und Winterknospen als die Pflanzen, denen man eiweißhaltige Stoffe vorenthielt. Daher kann der Sonnentau auch mit so dürftig entwickelten Wurzeln auskommen. Und wenn wir erfahren, daß der Moorboden sehr arm an Stickstoff ist, ohne den sich in den grünen Blättern kein Eiweib bilden kann, so werden wir auch die Wichtigkeit des Insektenfanges für die Pflanze als für einen Moorbewohner verstehen. SUN \ IN", U, 5 Va (11V) oO Sonnentaugewächse. Osterluzeigewächse. Verwandte. Wie die Sonnentauarten sind auch die andern Glieder der Familie tierfangende Gewächse. Unter diesen beansprucht die Venus-Fliegenfalle (Dion®a museipula'; s. Abb. S. 69), die auf den Torfmooren Carolinas wächst, besonderes Interesse. Die Blattflächen der Pflanze klappen nämlich, wenn sich ein Insekt auf ihnen nieder- läßt und eine der drei großen, beweglich eingelenkten Borsten berührt, so schnell der Länge nach zusammen, dab das Tier zwischen den beiden Abschnitten festgehalten und getötet wird. Hierauf scheiden Drüsen, genau wie beim Sonnentau, Verdauungssäfte aus, und die Pflanze saugt darauf die nährenden Stoffe ein. Einer nahe stehenden Familie gehören die merk- würdigen Kannensträucher (Nepönthes’) an, die bei uns häufig in Gewächshäusern gezogen werden. Sie be- ‚ wohnen besonders im tropischen Asien sumpfige Urwälder HN und klettern vielfach mit Hilfe von Blattranken an niedrigem 4% esträuch empor. Ihre Blätter sind im ersten Abschnitte / breit und flach, im mittleren strangartig, im Endteile aber zu einer kannenförmigen Fangvorrichtung umgewandelt, die mit einem geöffneten Deckel versehen ist. Wie die Blumen, bedient sich auch die Kanne besonderer Mittel, die Insekten anzulocken: während der Deckel und be- sonders der gewulstete Rand oft mit Honig bedeckt sind, zeigt die Buntfärbung des ganzen Gebildes den Tieren an, daß hier eine Nah- rungsquelle fließt. Der Kannenrand ist aber an der Innenseite ab- schüssig und durch einen Wachsüberzug geglättet. Es kann daher nicht ausbleiben, daß zahlreiche Näscher in die Kanne stürzen, die oit bis zur Hälfte mit Flüssigkeit gefüllt ist Da auch die Innenwand der Kanne durch eine Wachsschicht gleichsam poliert ist und vom Rande oft noch große Zähne nach innen starren, so gibt es für die Gefangenen kein Entkommen. Sie ertrinken; ihre Weichteile werden von dem ausgeschiedenen Verdauungssafte aufgelöst und von der Pflanze aufgesogen. Blatt eines Kannen- 22. Familie. Osterluzeigewächse (Aristolochiäceae?). strauches A . i DE u Do ee Die Osterluzei (Aristolöchia clematitis®). Taf. 9. Beer): Die Osterluzei überwintert mit Hilfe eines unterirdi- schen Stammes. Da sich dieser weithin verzweigt, ist die meterhohe Pflanze in Gärten und Weinbergen oft ein lästiges Un- kraut. Sie tritt uns außer an diesen Orten auch an Feldrainen, in Hecken und Parkanlagen, ja selbst im Walde entgegen, ist aber wahr- scheinlich bei uns nicht heimisch. Ihre herz- oder nierenförmigen, lang- gestielten, zarten Blätter, denen wie allen andern grünen Teilen ein 1) Dionaea, nach der Göttin Dione oder Aphrodite, Venus benannt (?); museipula, Fliegenfänger. 2) nepenthes, ohne Kummer (im Altertume Zaubermittel). 3) aristolochia aus dristos, sehr gut und lochra, Geburt (wegen der Verwendung der Pflanze); elematitis, mit Ranken. Taf. 9. 1. Oberer Teil eines blühenden Stengels. 2. Jüngere Blüte; daraus, stärker > vergr. 3. Griffel mit reifen Narben. 4. Ältere Blüte; daraus, gleichfalls stark vergr. 5. Griffel mit den reifen Staubblättern. 6. Frucht. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 9. Osterluzei (Aristolochia clematitis). nn Österluzeigewächse. zäl widerlicher Geruch entströmt, sind so gestellt, daß sie das Regen- wasser nach außen ableiten. Die Blüten, die in den Blattachseln entspringen, zeigen einen höchst sonderbaren Bau. Die gelbe Blütenhülle stellt eine Röhre dar, die am Grunde zu dem sog. Kessel („Kesselfallenblume“) erweitert und im obern Abschnitte zungenförmig verlängert ist. In den Kessel ragt das obere Ende des Fruchtknotens hinein, der wie ein Teil des Blütenstieles er- scheint, mit mehreren Narben gekrönt und mit den Staubblättern innig verwachsen ist. An der Innenwand des röhrenförmigen Abschnittes finden sich zahlreiche lange Haare, die — wie ein Querschnitt zeigt — gleich- sam eine Reuse bilden. Die eigentümlich gebaute Blüte ist auch nur auf besondere Art -zu bestäuben. Schlitzt man die Hülle einer jüngern Blüte auf, so findet man im Kessel häufig zahlreiche, kaum 2 mm große Fliegen und Mücken, die sich auf dem zungenförmigen Abschnitte der Blütenröhre (Anflugstelle!) niedergelassen hatten und durch die Röhre eingedrungen sind. Hier sind sie nun für einige Tage gefangen; denn die nach innen gerichteten Reusenhaare erlauben ihnen wohl einzudringen, aber nicht heraus zu kriechen. Kommen die Tiere, mit Blütenstaub beladen, bereits aus einer andern (ältern) Blüte, so werden sie diesen leicht an den Narben abstreifen, die jetzt gerade reifen. Die saftigen Wände des Kessels geben den Gefangenen während dieser Zeit genügend Nahrung. Nach etwa zwei Tagen verwelken die Narben. Nun erst lassen die Staubbeutel den mehligen Staub fallen, von dem die Tierchen oft wie eingepudert erscheinen. Gleichzeitig verschrumpfen die Reusenhaare, so daß der Ausgang frei wird. Die Insekten kommen nunmehr aus der Blüte hervor, um gewöhn- lich bald darauf in einer zweiten Einkehr zu halten. Vor den Eingang der erstern, anfangs aufrechten, jetzt aber herabgebogenen Blüte legt sich nun der zungenförmige Teil der Blütenhüllee Daher sind die Bestäuber genötigt, stets nur diejenigen Blüten zu besuchen, in denen sie der Pflanze allein einen Dienst leisten können. Obgleich man sicher in den meisten Blüten Insekten findet, setzt die Pflanze doch nur selten Früchte an. Es sind dies Kapseln von der Form kleiner Birnen, die sehr zahlreiche Samen enthalten. Eine nahe verwandte Pflanze ist das Pfeifenkraut (A. sipho'), das wir seiner großen Blätter wegen gern zur Bekleidung von Lauben verwenden. Der kletternde Strauch, dessen Blüten kleinen Tabakspfeifen ähneln, stammt aus Nordamerika. — Auch die Haselwurz (Äsarum europ&um?°) steht der Osterluzei sehr nahe. Sie findet sich am Boden des Laubwaldes (unter Haselnußsträuchern!), hat derbe, nierenförmige Blätter und bräunliche Blüten, die sich im zeitigen Frühjahre entfalten. 1) siphon, Röhre. 2) dsaron, Haselwurz; europeus, europäisch. 22 Kreuzblütler. 23. Familie. Kreuzblütler (Cruciferae'). Blüten mit 4 Kelchblättern, 4 kreuzweis gestellten Blumenblättern, 2 kürzern und 4 längern Staubblättern und einem Fruchtknoten. Dieser besteht aus 2 Frucht- blättern, die durch eine häutige Scheidewand verbunden sind. Die Frucht ist eine Schote oder ein Schötchen. Der Raps (Brässica napus?). A. Bedeutung. Zerdrückt man einige Samenkörner des Rapses, die als Futter für Stubenvögel allgemein bekannt sind, zwischen Papier, so entsteht ein bleibender Fettfleck. Das Öl, das diesen Fleck verursacht, bezeichnet man (im Gegensatz zu dem flüchtigen Öle; s. Rose) daher als fettes Öl. Dieses sog. „Rüböl“ war bis zur Entdeckung des Steinöls das wichtigste Mittel zur Beleuchtung der Wohn- und Arbeitsräume, der Straßen und dgl. Darum war auch der Raps (samt dem gleichfalls Öl liefernden Rübsen, s. w. u.) für den Menschen bis dahin eine überaus wichtige Pflanze. Heutzutage wird das „Rüböl“ vorwiegend nur noch zum Schmieren von Maschinen, zur Bereitung von Seife und zu andern gewerblichen Zwecken verwendet. Es wird in Ölmühlen durch Zer- stampfen oder Zerquetschen der Samen gewonnen. Die zurückbleibenden festen Bestandteile preßt man zu „Ölkuchen“, die als Viehfutter geschätzt werden. In einigen Gegenden verspeist man auch die jungen Rapsblätter als das erste Gemüse, das der Frühling liefert. B. Anbau. Je nachdem der Landmann Winter- oder Sommer- raps baut, sät er die Samen im Spätsommer oder im Frühlinge aus. Da ohne Wärme ein Wachstum der Pflanzen nicht möglich ist, sind die Pflanzen der erstern Form zu einer Winterruhe genötigt. Ihre Stengel- glieder bleiben so kurz, daß die Blätter fast in derselben Höhe stehen. Wie an der hoch aufstrebenden Rapspflanze zu sehen ist, sind die Blätter am Stengel in einer Spirale angeordnet. Daher müssen sie auch an dem verkürzten Stengel nach allen Seiten ausstrahlen, also eine Rosette bilden. Wenn man bedenkt, daß die ausgebildete Rapspflanze nur ein schwaches Gewächs ist, das im Winter durch die auf ihm lastende Schneemasse unbedingt zerkniekt und vernichtet werden müßte, so wird man die Bedeutung dieser Erscheinung leicht einsehen. C. Stengel. Sobald aber im Frühlinge die höhersteigende Sonne die Erde zu neuem Leben erweckt, setzt auch die Rapspflanze das unter- brochene Wachstum fort: sie treibt gleich dem Sommerraps, der erst jetzt aus Samen hervorgeht, einen Stengel, der eine Höhe von 1,50 m erreicht und im obern Teile etwas verzweigt ist. D. Blätter. 1. Die Blätter nehmen von unten nach oben allmählich an Größe ab. Infolgedessen rauben sie sich gegenseitig nicht das zum Leben notwendige Sonnenlicht. Die obern Blätter sind ganzrandig, die untern dagegen stark eingebuchtet. Da sich die so entstehenden Blatt- 1) Zusammengesetzt aus erur, Kreuz und fero, ich trage. 2) brassica, Kohl; napus, Rübe (eigentlich Senf?). . Kreuzblütler. 73 teile wie die Blättehen gefiederter Blätter gegenüber stehen, nennt man solche Blätter „fiederspaltig“. 2. Von einer Rapspflanze, die man in das Wasser getaucht hat, rollen die Wassertropfen ab wie von dem eingefetteten Federkleide der Ente oder Gans. Dasselbe ist bei einem Regen zu beobachten. Wischt man aber mit dem Finger auf einem Stengel oder Blatte hin und her und taucht die Pflanze von neuem ins Wasser, so findet man, daß die Stelle feucht geworden ist. Durch das Wischen ist nämlich der blaugrüne Anflug entfernt worden, der dem Raps eigen ist und von einer dünnen Wachs- schicht herrührt. In ihr haben wir also ein Schutzmittel gegen Be- feuchtung vor uns: sie verwehrt dem Wasser, die Spaltöffnungen zu verstopfen, die sich auf beiden Seiten der Blätter und am Stengel finden, verhindert also, daß der Luftwechsel unterbrochen wird, der durch jene Öffnungen vorwiegend erfolgt. — Wie genaue Untersuchungen ergeben haben, ist der Wachsüberzug zu- gleich ein Schutzmittel gegen eine zu starke Verdunstung des in den Blättern enthaltenen Wassers. 3. Träufelt man Wasser auf die Blätter, so sieht man, wie es zum Stengel abfließt und schließlich zur Wurzel geleitet wird. Genau das- selbe geschieht mit den Regentropfen, die auf die Blätter fallen. Die Pflanze „begiebt“ sich also selbst. Diese Arbeit vermögen die Blätter vortrefflich zu leisten; denn sie stehen am Stengel schräg aufwärts und bilden in der Regel flache Rinnen; die obern umfassen zudem den Stengel mit herzförmigem Grunde etwa zur Hälfte, und bei den untern undeutlich gestielten zieht sich die Blattfläche in kleinen Lappen beiderseits bis zum Stengel herab, E. Wurzel. Die Rapspflanze leitet also das auf sie fallende Regenwasser nach innen, nach der Mitte zu ab (zentripetal). Dort liegen auch die feinen Saugwurzeln, die das Wasser auf- Blüte des Rapses. 1. Blü- nehmen. Wir finden also beim Raps kein weit- tenstand. Aus den untern verzweigtes Wurzelgeflecht wie z. B. bei einem Plüten sind bereits Früchte Baume, sondern eine möhrenförmige Haupt- hervorgegangen. 2. Be 5 3 . : von der die Kelch- und Blu wurzel, von der sich die Seitenwurzeln nie- e menblätter entfernt sind. mals weit entfernen. 3. Blütengrundriß. 74 Kreuzblütler, F. Blüte. 1. Blütezeit. Das Rapsfeld gleichtim April und Mai (Winter- raps) oder im Juli und August (Sommerraps) einem gelben Blütenmeere. 2. Blütenstand und Blütenbau. Am Hauptstiele entspringen in verschiedener Höhe zahlreiche Blütenstiele, die je eine Blüte tragen, eine Anordnung, die man bekanntlich als Traube bezeichnet. Da die untern Blüten die ältesten sind, öffnen sie sich auch zuerst. Jede Blüte besitzt 4 schmale, aufrechte Kelchblätter, die mit 4 kreuzweis gestellten Blumenblättern abwechseln („Kreuzblüte“). Die untern, schmalen Abschnitte der Blumenblätter bilden mit dem Kelche eine Röhre; die obern, breiten Abschnitte dagegen sind rechtwinklig ab- gebogen. Von den 6 Staubblättern sind 2 (äußerer Kreis) kürzer als die 4 andern (innerer Kreis). Der langgestreckte Fruchtknoten ist von 2 Fruchtblättern gebildet, deren verwachsene Ränder je eine Reihe Samen tragen (im ganzen also 4 Reihen) und durch eine häutige Scheidewand verbunden sind. Oben trägt der Fruchtknoten die knopfförmige Narbe. 3. Bestäubung. Außer den leuchtend goldgelben Blumenblättern trägt auch der Kelch dazu bei, die Insekten anzulocken. Solange er die andern Blütenteile noch schützend umhüllte, war er unscheinbar grün; jetzt aber ist er gelb oder wenigstens gelbgrün. Diese auf- fällige Färbung kommt um so mehr zur Geltung, als die an sich verhältnismäßig kleinen Blüten am Ende des Stengels und seiner Zweige in großer Anzahl beiein- ander stehen. Da ihnen zudem ein weithin wahrnehmbarer Duft entströmt, werden sie um so eher bemerkt, und da sie reich an Honig sind, ist an warmen, sonnigen Tagen das blühende Rapsfeld oft von vielen Tausenden von Insekten besucht. Ganz besonders zahlreich stellt sich die Honigbiene ein. Der süße Saft wird von vier grünen Drüsen am Grunde der Staubblätter in so großen Mengen abgeschieden, daß der Raps für den Bienenzüchter eine der wichtigsten Pflanzen ist. Senkt ein Insekt den Rüssel in die Blüte, um Honig Aufspringende ZU saugen, SO muB es auch eine Bestäubung herbeiführen; FruchtvomRaps. denn vor und in dem Eingange des röhrenförmigen Ab- schnittes haben Staubbeutel und Narbe ihren Platz. — Da der Honig am Grunde einer „Röhre“ geborgen ist, können kurzrüsselige Insekten (Käfer, die meisten Fliegen u. a), die eine Bestäubung nicht vermitteln würden, auch nicht zu ihm gelangen. G. Frucht. Der Fruchtknoten entwickelt sich zu einer sog. Schote von gleichem Bau. Bei der Reife lösen sich die Fruchtblätter wie Klappen von unten nach oben ab, so daß die häutige Scheidewand mit den Samen auf dem Fruchtstiele stehen bleibt. Die Samen sitzen aber so locker auf ihren Stielchen, daß sie schon von einem leisen Winde abge- schüttelt werden. Darum schneidet der Landmann den Raps auch vor Kreuzblütler. 5 Spielarten des Kohls als Beispiel für die Abänderung einer Pflanze durch Veredelung. 1. Kopfkohl. 2. Kohlrabi. 3. Rosenkohl. 4. Blumenkohl. 76 Kreuzblütler. Spielarten des Kohls als Beispiel für die Abänderung einer Pflanze durch Veredelung (Fortsetzung). 1. Braunkohl. 2. Welschkohl. 3. Kohlrübe. Hi Kreuzblütler. ir) völliger Reife der Früchte. Das fette Öl, das die Samen enthalten, dient dem Keimling als Baustoff. Die Gattung „Kohl“ (Brässica'). 1. Wie heutzutage mußten sich auch in grauer Vorzeit die umher- schweifenden Völker mit dem begnügen, was ihnen die Natur zur Nah- rung gerade bot. Diese Quelle floß aber sehr verschieden stark, und es gab sicher auch Zeiten, in denen sie gänzlich versiegtee Der Mensch suchte sich daher von den zufälligen Gaben der Natur unabhängig zu machen: er wurde Viehzüchter und baute die Pflanzen an, die ihm Nah- rung lieferten. Auf diese Weise sind auch die Kohlarten in die Pflege des Menschen gekommen. 2. Nach und nach lernte der Mensch die Verhältnisse kennen, unter denen die Gewächse am besten gedeihen: er pflanzte sie auf den geeig- netsten Boden, den er bearbeitete, düngte, von Unkraut rein hielt und dgl. mehr. Infolgedessen bekamen seine Kohlpflanzen dickere und saft- . reichere Wurzeln und Stengel oder zartere und wohlschmeckendere Blätter oder ölreichere Samen, kurz: es fand eine allmähliche Veredelung der Gewächse statt. Je nachdem der Mensch nun Wurzeln, Stengel, Blätter oder Samen benutzte, verfuhr er auch bei der Fortzucht seiner Pfleglinge: er suchte diejenigen Pflanzen zu vermehren, die ihm die dicksten und saftreichsten Wurzeln und Stengel, die zartesten und wohlschmeckendsten Blätter oder die ölreichsten Samen lieferten. Aus ihren Nachkommen wählte er immer wieder die geeignetsten Pflanzen zur Nachzucht aus: und so sind die zahlreichen Spielarten und Sorten des Kohls entstanden, die wir heute bauen. An ihrer Veredelung arbeitet der Gärtner planmäßig weiter, und fortgesetzt entstehen neue Sorten unter seiner Hand. — Genau auf dieselbe Weise ist auch die Veredelung aller andern Kultur- pflanzen erfolgt, und durch dieselbe planmäßige und bestän- dige Auslese der geeignetsten Pflanzen zur Nachzucht sind aus ihnen die vielen Sorten und Spielarten hervorgegangen, die wir heute besitzen. Die zahlreichen Spielarten des Kohls, die wir im Garten und auf dem Felde an- bauen, und die in den einzelnen Gegenden oft recht verschieden benannt werden, lassen sich auf vier Stammformen zurückführen: a) Der Rapskohl (B. napus!) ist wie die beiden folgenden Arten wahrscheinlich aus Südeuropa zu uns gekommen und tritt in zwei Formen auf: Die eine, den Raps, haben wir oben ausführlich besprochen; die andre ist die Kohlrübe, die eine fleischige, eßbare Rübenwurzel besitzt (S. 76, 3). b) Der Rübenkohl (B. rapa?) ist dem Rapskohl zum Verwechseln ähnlich. Wäh- rend aber bei letzterm die geöffneten Blüten von den Blütenknospen überragt werden, seine Blätter blaugrün sind und nur die untern einzelne Haare tragen, stehen bei ersterem die entfalteten Blüten mit den Blütenknospen in gleicher Höhe oder über- ragen diese noch, und seine untern Blätter sind grasgrün und steifhaarig. 1) 8. S. 72, Anm. 2. 2) rapus, rapa, Rübe („Raps“). 18 Kreuzblütler. Der Rübenkohl tritt uns in drei Formen entgegen: als Rübsen (Sommer- und Winterrübsen), der als Ölfrucht gebaut wird; als weiße Rübe, die vorwiegend als Viehfutter dient, und als Teltower oder märkisches Rübchen, eine Gemüsepflanze, die ihren Namen nach der Stadt Teltow in der „Mark“ Brandenburg führt. c) Den Gemüsekohl (B. oloracea') bauen wir in besonders zahlreichen Spielarten an; die wichtigsten sind: der Kopfkohl mit gewölbten, glatten, grünweißen oder roten Blättern (Weiß- und Rotkohl), die einen festen Kopf bilden und besonders zu „Sauerkohl“ verwendet werden(S.75,1); der Welsch- oder Wirsingkohlmitblasig- faltigen Blättern, die sich zu einem lockern Kopfe vereinigen (S. 76, 2); der Rosenkohl, dessen Seitenknospen rosenartige Köpfchen bil- den (S. 75, 3); der Braun- oder Grünkohl mit krausen, fiederspaltigen Blättern (376, Ar der Kohlrabi, des- sen Stengel über dem Boden stark verdickt ist, und der im Gegensatz zur Kohlrübe daher auch Oberkohlrabi genannt wird (S. 75, 2), und der Blumenkohl, dessen Blütenstiele und obere Blätter zu einer weißen, fleischigen Masse umgebildet und dessen Blüten verkümmert sind (S. 75, 4). d) Der Senfkohl oder schwarze Senf (B. nigra?) ist ein Glied der heimi- schen Flora. Wild kommt I. Ackersenf u. 2. Hederich mit je einer Frucht (verkl.). er hier und da an Fluß- ufern vor; häufig aber wird er seiner schwarzen Samen wegen angebaut (s. w. u.). Von den andern Kohl- arten ist er leicht dadurch zu unterscheiden, daß seine Blätter sämtlich gestielt sind, während bei jenen dies nur für die untern gilt. Andre Kreuzblütler. 1. Kreuzblütler mit Schoten. Eine dem schwarzen Senf sehr ähnliche und gleichfalls vielfach angebaute Pflanze ist der weiße Senf (Sinäpis alba°). Beide enthalten in ihren Samen ein scharfes Öl, 1) oloraceus, gemüseartig. _2) niger, schwarz. 3) sinapis, ägypt. Wort, Senf; albus, weiß. Kreuzblütler 79 dessen Geruch zu Tränen reizt (Schutzmittel gegen körnerfressende Vögel!). Dieses Öles wegen werden die Samen vielfach zu Heil- und Gewürzzwecken benutzt. Die sehr scharfen, schwarzen Samen der erstern Art dienen besonders zur Bereitung von Senfpflaster und Senfspiritus; die mildern, gelblichweißen der letztern dagegen ver- wendet man vorwiegend als Küchengewürz und zur Herstellung von Tafelsenf oder Mostrich. — Der nächste Verwandte des weißen Senfs ist der Ackersenf (S. arvensis'), ein allbekanntes Unkraut, das oft ganze Felder gelb färbt. Fälschlicherweise wird die Pflanze zumeist „Hederich“ genannt. — Der Hederich oder Ackerrettich (Raphanistrum lämpsana°) ist dem Ackersenf zwar sehr ähnlich und gleichfalls ein lästiges Ackerunkraut, unterscheidet sich von ihm aber leicht durch die hellere Blütenfarbe, durch den aufrecht stehenden Kelch und durch die Schote, die perlschnur- artig eingeschnürt ist und bei der Reife in so viel Glieder zerfällt, als „Perlen“ vor- handen sind (Ackersenf: Kelch abstehend, ohne „Gliederschote‘). — Eine ähnliche Schote besitzt der Gartenrettieh (Räphanus sativus°), der aus China stammt und in mehreren Spielarten (Winter- und Sommerrettich, Radieschen) als beliebte Gemüse- pflanze angebaut wird. Gleichfalls Fremdlinge in unsern Gärten sind @oldlaek (Cheiränthus cheiri*), so- wie Sommer- und Winterlevkoie (Matthiola ännua und incana?). Beide stammen aus Südeuropa. Ihre meist gefüllten und sehr mannigfach gefärbten Blüten besitzen einen angenehmen Veilchenduft. Darum nannte der Volksmund den Goldlack früher auch treffend „Gelbveigelein“, und Levkoie heißt in Übersetzung: weißes Veilchen. — Ganz ähnlich ist der Duft, der besonders am Abend den lilafarbenen Blüten der Nachtviole (Hesperis matronälis‘) entströmt. Die Heimat der bekannten Zierpflanze ist Südeuropa, Österreich und das südliche Deutschland. Einen prächtigen Schmuck nasser Wiesen bilden zur Frühjahrszeit die Blütentrauben des Wiesenschaum- krautes (Cardamine pratensis‘). Bei Regenwetter und mit Anbruch des Abendsaber verschwindetder Schmuck: die Blütenachsen krümmen sich, so daß die sich gleichzeitig schließenden, lilafarbenen Blüten nickend werden. Der blüten- tragende Stengel erhebt sich aus einer Blattrosette. Alle Blätter sind gefiedert und, wie bei zahlreichen andern Pflanzen nasser Stellen, saftstrotzend und meist völlig unbehaart. Mit dem Standorte hängt auch die eigentümliche Vermehrungsweise des zierlichen Pflänzchens innig zusammen, die man häufig beobachten kann: Berühren die grundständigen Blätter das Wasser oder den feuchten Boden, so bilden sich an den Ansatzstellen der Fiederblättchen oft Knospen, die sich zu neuen Pflanzen ent- wickeln. Die Schaumklümpchen, die man vielfach am Stengel findet, und in denen sich die Larve der Schaumzirpe versteckt hält, haben der Pflanze mit zu ihrem Namen verholfen. — Die Brunnenkresse (Nastürtium officinäle®) gedeiht an Quellen und in Wassergräben. Sie ist in allen ihren Teilen noch saftstrotzender als das Wiesen- schaumkraut und gleichfalls völlig kahl und glatt. Da ihre Blätter einen schmack- haften Salat liefern, wird die Pflanze hier und da (besonders bei der Blumenstadt Erfurt) im großen angebaut. — Wie die Brunnenkresse als Wasserpflanze, so gibt sich die Knoblauchsrauke (Alliäria offieinälis®) durch die großen, zarten Blätter sofort als Schattengewächs zu erkennen. Sie gedeiht überall häufig unter Gebüsch und zwischen dem Unterholze des Laubwaldes und ist durch einen scharfen Knoblauchsgeruch gegen _ Tr nm Blatt vom Wiesenschaumkraut, aus dem drei junge Pflanzen hervorsprossen. 1) arvensis, auf dem Acker wachsend. 2) raphanis, Rettich ; Fampsiäne, Kraut, unerkl. 3) raphanus, s. Anm. 2; sativus, angebaut. 4) cheiri, arab. Name einer Pfl. mit wohlriechenden Blüten; änthos, Blume. 5) Matthiola, nach dem ital. Botaniker Matthiolus + 1577; dnnuus, einjährig; ineänus, ganz grau. 6) hesperos, Abend; matronalis, für Frauen passend. 7) kardamine, eigentlich Schlammkraut (2); pratensis, auf der Wiese wachsend. 8) nasturtium, Kresse; offieinalis, in der Apotheke verwendet. 9) alliaria von dllium, Knoblauch; officinalis, s. Anm. 8. 80 Kreuzblütler. blütler ver- schiedener Standorte. 1. Brunnen- kresse;2. Knob- lauchsrauke; 3.Schuttkresse; 4. Hungerblüm- chen. (l u. 2 et- was verkl.; 3 u.4 nat. Gr.) Weidetiere geschützt. — Gerade das Gegenteil in der Belaubung zeigen die zahlreichen Kreuzblütler, die trockne Stellen (Schutthaufen, Wegränder und dergl.) bewohnen. Sie müssen mit der geringen Wassermenge, die ihnen der oft ausge- dörrte Boden liefert, sehr sparsam umgehen. Dem- entsprechend sind alle ihre Teile zäh und hart; ihr Blattwerk ist gering entwickelt, und ein dichtes Haarkleid schränkt die Verdunstung nach Möglich- keit ein. Als Beispiel für diese unschönen, sparri- gen, aber ihrem Standorte vortrefflich angepaßten Pflanzen sei hier nur die Besen- oder Schuttkresse (Sisfmbrium söphia!) genannt, die ein vielfach zerteiltes Laub besitzt. Weitere Bei- spiele finden wir unter den Pflanzen, die die andre Gruppe der Kreuzblütler bilden: 1) sisymbrion, unerkl.; sophia, Weisheit, weil. von den weisen Wundärzten verwendet (?). 2 Kreuzblütler. Mohngewächse. 81 9. Kreuzblütler mit Schötchen (d. s. Schoten, die nicht oder nur wenig länger sind als breit). Da ist zunächst die Graukresse (Berteroa incäna!) zu nennen. Sie ist an allen Teilen so dicht mit sternförmigen Haaren bedeckt, daß sie graufilzig erscheint. — Ein andres Beispiel ist das niedliche Hungerblümchen (Eröphila verna?; s. Abb. S. 80), das selbst mit „hungrigstem“ Boden fürlieb nimmt. Kaum ist der Schnee geschmolzen, so entfaltet es seine winzigen Blüten, reift schnell Früchte und Samen, und wenn der trockne Sommer kommt, hat es seine Lebensarbeit bereits abgeschlossen. Seine Blätter sind mehr oder weniger dicht mit gegabelten Haaren bedeckt und zu einer zierlichen Rosette geordnet. — Ein solches „Hungergewächs“ ist auch das nach der Form seiner Früchte benannte Hirtentäschelkraut (Capsella bursa pastöris?), wenn es auf trocknem Boden wächst. Findet es sich aber auf feuchtem, fruchtbarem Ackerlande, dann schießt es so üppig in das Kraut, daß es kaum wiederzu- erkennen ist. — Einen ähnlichen Unterschied im Wachs- tume zeigt auch das Heller- oder Pfennigkraut (Thläspi arvense®), das mit dem Hirtentäschelkraut zu unsern be- kanntesten und lästigsten Unkräutern zählt und seinen Namen gleichfalls nach der Form seiner Früchte trägt. Diese bilden infolge breiter Flügelränder flache Scheiben, die durch den Wind weithin verweht werden können. be ti \ Zu der Gruppe der „Schötchenfrüchtler* gehören Schötchen vom Hirten- auch mehrere Nutzpflanzen. Der Meerrettich (Cochleäria täschel- (1) u. Heller- armoracia?) gibt uns in seinem scharfschmeckenden Wurzel- kraut 2). a) geschlossen, stocke ein beliebtes Gemüse und Küchengewürz. Er stammt ®) Klappen sich ablösend aus Südeuropa, findet sich bei uns aber an Flußufern und (wen. vergr.). dgl. häufig verwildert. Richtiger sollte man ihn wohl Mähr- d. i. Pferde-Rettich nennen; denn der Volksmund verknüpft gern den Namen einer Pflanze, die einer andern ähnlich, aber minderwertiger als diese ist (hier also „Rettich‘“), mit einem Tiernamen. — Als Salatpflanze wird an vielen Orten die Garten- kresse (Lepidium sativum®) angebaut, deren Samen sehr schnell keimen. — Der Leindotter (Camelina sativa’) liefert ein geschätztes Brenn- und Speiseöl. In Thüringen werden aus den getrockneten Stengeln kleine Besen geflochten. 24. Familie. Mohngewächse (Papaveräceae°). Blüten mit zweiblättrigem, abfallendem Kelche, 4 sich kreuzweis gegenüber stehenden Blumenblättern, zahlreichen Staubblättern und einem Fruchtknoten, der aus 2 bis vielen Fruchtblättern gebildet ist. Die Frucht ist eine Kapsel, die mit Löchern auf- springt oder die Gestalt einer Schote hat. Der Klatschmohn (Papäver rha&as?). Taf. 10. 1. Pflanze und Mensch. a) Herrlich leuchten die Blüten des Klatsch- mohns zwischen den hohen Halmen des Roggens hervor, und das grüne Kleefeld übergießen sie oft wie mit feuerrotem Schein! Die Kinder pflücken die prächtigen Blumen gern zum Strauße, machen sich aus den Blüten- knospen Puppen zum Spiel und legen die zarten Blütenblätter auf den 1) Berteroa, nach dem ital. Botaniker Bertero; incanus, ganz grau. 2) erophila: er, Frühling und phile, Freundin; vernus, im Frühling wachsend. 3) capsella, kleine Kapsel; Dursa, Börse; pastoris, des Hirten. 4) thlaspi, Quetschkraut, weil die Samen gequetscht wie Senf gebraucht wurden; arvensis, auf dem Acker wachsend. 5) cochlearia von cöchlear, Löffel, nach den löffelförmigen Grundblättern; armoraeia, unerkl. 6) Zepidion, kleine Schuppe, nach den kleinen Früchten; sativus, angebaut. 7) camelina, unerkl.; sativus, angebaut. 8) papaver, Mohn, lat.; rhoids, Mohn, griech. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 6 82 Mohngewächse. durch Daumen und Zeigefinger gebildeten Ring, schlagen darauf und er- freuen sich an dem klatschenden Schall (Klatschmohn, Klatschrose, Klatschblume). Auch der Gärtner hat sich der schönen Feldblume an- genommen. Seine Kunst schuf gefüllte Blüten von mannigfachster Färbung, die eine Zierde unsrer Gärten bilden. b) Für den Landmann dagegen ist die Pflanze nichts weiter als ein lästiges Unkraut; denn sie nimmt den angebauten Gewächsen Nah- rung und Raum weg. Obgleich der Kampf zwischen ihr und dem Menschen sicher schon solange währt, wie überhaupt Getreidebau ge- trieben wird, so vermochte sie der Mensch doch nicht auszurotten; denn ihr Leben hält mit dem des Getreides, zwischen dem sie am liebsten wächst, gleichen Schritt. Mit dem Getreide sprießt der Mohn im Herbste oder Frühjahre aus dem Boden hervor, und mit dem Getreide reifen auch seine Samen. Wenn nicht schon vorher, so werden sicher bei der Ge- treideernte Tausende von Mohnkörnern über den Acker verstreut, und andre Tausende nimmt der Mensch mit in die Scheuer. Die Mehrzahl der letztern geht freilich beim Reinigen oder durch den Verbrauch der Getreidesamen zugrunde; es bleiben aber immer noch genug übrig, die bei der Aussaat wieder auf den Acker zurückgelangen. So muß der Mensch das Unkraut selbst erhalten und ausbreiten helfen! 2. Wurzel, Stengel, Blatt. a) Die jungen Mohnpflanzen, die im Herbste aus Samen hervorgehen, bilden, wie die des Winterrapses, vor Eintritt des Winters je eine zierliche, dem Boden aufliegende Blatt- rosettee Wenn aber im Frühjahre die Saat zu sprießen beginnt, dann strecken sie sich auch zum Lichte empor: sie treiben je einen bis 1 m hohen Stengel, dessen fiederspaltige, gezähnte Blätter nach oben zu immer kleiner werden. Die Mohnpflanzen dagegen, die erst im Frühlinge aus Samen entstehen, also keine Winterruhe durchzumachen haben, nehmen diese Gestalt sofort an. b) Eine kräftige Pfahlwurzel gibt der Pflanze im Boden festen Halt. Je nachdem aber der Boden für Wasser durchlässig ist, je nach- dem ist auch die Wurzel ausgebildet: Auf durchlässigem Sandboden senkt sich die Wurzel fast unverzweigt tief in den Grund; auf undurchlässigem Lehmboden dagegen breitet sie sich stark verzweigt in der obersten Erd- schicht aus. (Versuch: Fülle Blumentöpfe mit beiden Bodenarten und beobachte, wie sich letztere gegen Wasser verhalten!) c) Stengel, Blütenstiele und Blätter sind mehr oder weniger dicht mit steifen Haaren besetzt. An den jüngsten Blättern findet sich stets eine sehr dichte Behaarung, ein Mittel, durch das die zarten Gebilde wie z. B. die jungen Blätter der Roßkastanie gegen eine zu starke Wasser- abgabe und somit gegen das Vertrocknen geschützt sind. Hier sowohl, wie bei den ausgebildeten Pflanzenteilen sind die Haare zweitens aber Taf. 10. 1. Blühende Pflanze. 2. Stempel und einige Staubblätter. 83. Frucht, quer durchschnitten. 4. Frucht, Samen ausstreuend. 5. Same, vergr. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel Klatschmohn (Papaver rhoeas). 10. Mohngewächse. 83 noch ein Schutzmittel gegen Pflanzenfresser, die — wie die Erfahrung lehrt — rauhhaarige Gewächse gern meiden. d) Ein andres und zwar weit wirksameres Schutzmittel gegen diese Zerstörer besitzt der Mohn in dem weißen, giftigen Milchsafte, der bei Verletzungen aus der Wunde hervordringt. Er verleiht der Pflanze einen bittern Geschmack und einen widerlichen Geruch, durch den sich sicher manches Tier zurückschrecken läßt. 3. Die Blüten stehen am Ende je eines langen Stieles, der die Fort- setzung des Stengels bildet oder aus den Blattwinkeln entspringt. a) Solange sich die Blüte im Knospenzustande befindet, ist sie von 2 kahnförmigen Kelchblättern schützend umhüllt und infolge der Krümmung des Stieles abwärts geneigt. Öffnet sie sich, so streckt sich der Stiel gerade, die nutzlos gewordenen Kelchblätter fallen ab, und die Blumenblätter, die in dem engen Raume nur dadurch Platz fanden, daß sie wie ein Stück Papier zusammengeknittert waren, breiten sich aus. b) Die entfaltete Blüte ist durch die 4 großen, feuerroten, kreuz- weis gestellten Blumenblätter, die im Grunde oft noch einen schwarzen Fleck mit weißem Rande besitzen (Erhöhung der Auffälligkeit!), weithin sichtbar. Sie bietet den besuchenden Insekten nur Blütenstaub zur Nah- rung dar. Da sie aber zahlreiche Staubblätter be- sitzt, und da diese eine große Menge von Blütenstaub erzeugen, so können die Insekten ohne Schaden für die Pflanze davon speisen. Der bei dem Mahle ver- streute Staub wird von den muschelförmigen Blumen- blättern aufgefangen und bis zum Abholen durch andre Insekten aufbewahrt, ein Umstand, der die aufrechte Stellung, sowie die Schalenform der Blüte als durch- aus vorteilhaft für die Pflanze erscheinen läßt. Ver- gleicht man die Mohnblüte mit Blüten, die Honig ent- halten, z.B. mit denen des Veilchens, der Erbse u. v. a., so findet man sie höchst einfach gebaut; denn sie bedarf ja keiner der vielfachen Ein- richtungen, die wir bei jenen Blüten zur Aufbewahrung und zum Schutze des Honigs antreffen. Die Blumenblätter sind von solcher Zartheit, daß sie schwere Insek- ten, die der Blüte einen Besuch abstatten, nicht zu tragen vermögen. Als Anflugsplatz dient den Gästen vielmehr ein andrer Blütenteil: der Stempel, und zwar dessen.schildförmige Narbe, die dem Fruchtknoten aufsitzt. Lassen sich Insekten, die von andern Mohnblüten kommen und oft gänzlich mit Blütenstaub eingepudert sind, auf dem Stempel nieder, so kann es nicht ausbleiben, daß einige Blütenstaubkörnchen an den strahlenförmigen Haarleisten der Narbe abgestrichen werden und Fremd- bestäubung verursachen. 4. Frucht. An einem Querschnitte der Frucht ist leicht zu erkennen, daß der Fruchtknoten aus mehreren Blättern besteht, die an ihren Rän- Blütengrundriß vom Klatschmohn. 84 Mohngewächse. dern so miteinander verwachsen sind, daß sie kulissenartig in die Frucht- knotenhöhle ragen. Die Höhle wird dadurch in mehrere Kammern ge- teilt, die jedoch nicht vollständig voneinander getrennt sind. An den kulissenartigen Wänden sitzen die Samen. Sie lösen sich zur Zeit der Reife von ihren Stielchen und harren der Ausstreuung. Diese wird da- durch ermöglicht, daß sich unter dem gelappten Narbenrande, der jetzt etwas in die Höhe gebogen ist, mehrere kleine Löcher gebildet haben, die den „Mohnkopf“ einer Streusandbüchse ähnlich machen. Biegen wir einen Fruchtstiel zur Seite und lassen ihn sodann zurückschnellen, so sehen wir, wie Samen aus den Öffnungen herausgeschleudert werden. Genau dasselbe geschieht bei heftigen Windstößen, und zwar um so leich- ter, als die Pflanze auffallend lange Blüten-(Frucht-)stiele besitzt, die überdies bei der Reife der Samen fest und elastisch werden. Da sich die Öffnungen oben an der aufrecht stehenden Fruchtkapsel befinden, können die Samen über einen verhältnismäßig großen Raum verstreut werden. Das ist für die Entwicklung der jungen Pflänzchen nicht ohne Bedeutung, die, auf einem engen Raume zusammengedrängt, sich gegen- seitig Licht, Nahrana und : streitig machen würden. D: Same. ne sind aber auch die Samen für diese Art der Ausstreuung geeignet; denn es sind kleine und leichte Gebilde, die daher weit fortgeschleudert werden können. Zu Boden gefallen, werden die Samen bald vom Regen verschwemmt. Da sie nun an der Oberfläche mit zahlreichen Vertiefungen versehen sind, in denen sich Erdteilchen fest- setzen, so werden sie gleichsam mit dem Boden fest verkittet und ver- mögen ungestört zu keimen. Aber wenn auch Tausende von Samen ver- loren gingen: schon eine Pflanze erzeugt deren so viele, daß ihre Nach- kommen bald ein ganzes Feld rot färben könnten! Andre Mohngewächse. Der Schlafmohn (P. somniferum'), der in unsern Gärten mit gefüllten und sehr mannigfach gefärbten Blüten häufig als Zierpflanze gezogen 'wird, entstammt dem Orient. Im großen baut man ihn bei uns nur seiner Samen wegen an, die das wert- volle Mohnöl liefern und zu mancherlei Gebäck verwendet werden. In südlichen Ländern dagegen, besonders in Vorder-, Süd- und Ostasien, ist er eine der wichtigsten Kulturpflanzen; denn er liefert das wertvolle Opium. Um diesen Stoff zu gewinnen, ritzt man die halbreifen Mohnköpfe mit feinen Messern an und schabt nach einiger Zeit den ausgeflossenen und eingetrockneten Milchsaft ab. Das Opium ist gleich dem Morphium, das aus ihm gewonnen wird, ein wichtiges Arzneimittel, das selbst die un- erträglichsten Schmerzen stillt und dem Kranken den ersehnten Schlaf bringt. Dieser Wirkungen wegen dient es aber im Orient auch äls ein Mittel, sich zu berauschen. Der Opiumesser oder -raucher sinkt bald in eine angenehme Betäubung: er glaubt sich den Sorgen und Leiden der Zeit entrückt, und süße Träume umgaukeln seinen Geist. Dem Erwachen folgt jedoch ein entsetzliches Übelbefinden, das meist durch erneuten Opiumgenuß beseitigt wird. Langsam, aber sicher untergräbt der dem Laster Verfallene seine Gesundheit, bis er endlich, an Geist und Körper zerrüttet, vorzeitig in das Grab sinkt. — An Mauern, sowie unter Hecken und Zäunen findet sich häufig 1) somnifer, Schlaf bringend. Erdrauch- und Resedagewächse. 85 das Schellkraut (Chelidönium maius'), das seines gelben Milchsaftes wegen allgemein bekannt ist. Es blüht gelb und hat schotenförmige Früchte. Die schwarzen Samen besitzen einen kammartigen, weißen, fleischigen An- hang, der von Ameisen gern verzehrt wird. Die Tierchen verschleppen daher vielfach die Samen und breiten in- folgedessen die Pflanze unfreiwillig weiter aus Die Blätter sind fiederteilig zerspalten, und zwar trägt die Mehrzahl der Abschnitte nahe der Mittelrippe je einen Lappen, dem ein Ausschnitt des benachbarten Abschnittes genau entspricht, ein interessantes Beispiel dafür, in welcher Weise die Pflanzen den ihnen zur Verfügung stehenden Raum (Belichtung!) ausnützen. 25. u. 26. Familie. Erdrauch- und Reseda- gewächse (Fumariäceae? und Resedäceae’°). 1. Erdrauchgewächse. Der Lerchen- sporn (Corydalis cava‘) ist eine Frühlingspflanze des Laubwaldes und der Gebüsche. Wie zahl- reiche andre Gewächse ihrer Standorte erscheint sie sehr zeitig im Jahre, um bald darauf wieder zu verschwinden. Die Stoffe, aus denen sich die oberirdischen Teile aufbauen, werden einem Wurzelstocke entnommen, der zur Blütezeit die Form einer hohlen Knolle besitzt („Hohlwurz“). Die mehrfach geteilten Blätter sind wie z. B. die des Windröschens (s. das.), das an denselben Stellen lebt und zu gleicher Zeit blüht, groß und zart, so daß sie sehr leicht welken. Die purpurroten oder weißen, zweiseitig-symmetri- schen Blüten stehen in großen, auffallenden Trauben beieinander und hauchen einen zarten Duft aus. Daher fehlt es der Pflanze auch nicht an Gästen. Der Honig wird in einem Sporn geborgen (Lerchensporn!), zu dem das obere der beiden äußern Blumenblätter ausgezogen ist. Blatt vom Schell- kraute, I (1, nat. Gr.) Blüte vom Lerchensporn 1. in der. Ruhe. 2. „Kapuze“ herabgedrückt (vergr.). Die beiden innern Blätter bilden eine kapuzenförmige Schutzhülle für den Blütenstaub, der auf der noch unreifen Narbe abgelagert wird. Läßt sich aber ein größeres Insekt auf der Blüte nieder, dann klappt die Kapuze nach unten, so daß das Tier mit dem Blütenstaube in Berührung kommen muß. Beim Saugen an einer ältern Blüte wird der Staub an der (später reifenden) Narbe ab- gestrichen — und die Bestäubung ist erfolgt. Da jedoch nur langrüsselige Insekten bis zum Honig vordringen können, so vermögen auch sie bloß diese Arbeit zu verrichten. Die Erdhummel beißt in den Sporn häufig 1) chelidönion, Schwalbenkraut, blüht bei Ankunft und stirbt ab beim Wegzug der Schwalben; maius, größer oder groß. 2) s. S.86, Anm.1. 3) s. 8.86, Anm.3. 4) korydalis, Haubenlerche; cwvus, hohl. 86 Erdrauch- und Resedagewächse. Veilchengewächse. ein Loch, um den süßen Saft durch Einbruch zu gewinnen, und die Honig- biene benutzt gern diese Gelegenheit, sich in den Besitz des „unrechten Gutes“ zu bringen. Denselben Blütenbau und infolgedessen auch dieselbe Art der Bestäubung finden wir bei einem allbekannten Unkraute unsrer Gärten und Felder, dem Erdrauch (Fumäria officinälis’), wieder. Die zierliche, einjährige Pflanze gedeiht auf stärker besonntem Boden und besitzt dementsprechend auch weit kleinere und derbere Blattflächen als der Lerchensporn. — Auch die aus China zu uns gekommene Zierpflanze, die man ihrer schönen Blüten wegen „flammendes Herz‘ (Dicentra spectäbilis?) nennt, zeigt im wesentlichen dieselbe Blüteneinrichtung. 2, Reseda- oder Waugewächse. Ein allbekanntes Glied dieser Familie ist die wohlriechende Reseda (Reseda odorata?), die zu unsern geschätztesten Gartenpflanzen zählt. Das unscheinbare Gewächs stammt aus Nordafrika. Statt einer leuchtenden Blumenkrone übernimmt es ein weithin wahrnehmbarer Duft, die Insekten anzulocken. — Eine ganz ähnliche, nur größere und kräftigere Pflanze ist der gelbe Wau (R. lüteat), der an Wegen und ähnlichen trocknen Orten gedeiht. 27. Familie. Veilchengewächse (Violäceae?). Blüten zweiseitig-symmetrisch, mit 5 Kelchblättern, 5 Blumenblättern, von denen das unterste gespornt ist, und 5 Staubblättern. Frucht eine einfächerige Kapsel; Samen in der Mitte der 3 Fruchtblätter. Das wohlriechende Veilchen (Viola odoräta?). Taf. 11. A. Das Veilchen, eine Lieblingspflanze des Menschen. Keine Blume unsrer Heimat begrüßen wir mit so großer Freude wie das erste Veilchen, das wir im jungen Grase des Gartens oder draußen auf dem Wiesenplane, an der Hecke oder am Waldesrande finden: erblicken wir doch in ihm einen untrüglichen Boten des langersehnten Lenzes. Dichter haben das „kleine Blau-Veilchen“ daher besungen, und in zahlreichen Frühlingsliedern ist es verherrlicht. Obgleich durch die zarte Farbe und den köstlichen Duft der Blüte mit hohen Gaben ausgestattet, blüht es doch im Verborgenen. Darum gilt es uns auch als ein Sinnbild der De- mut und Bescheidenheit. Jener Gaben wegen ist es auch von alters her eine der beliebtesten Gartenblumen, und fortgesetzt arbeitet man daran, immer größere, schönere und duftendere Blüten zu erzielen, die sich je nach der Spielart zu jeder gewünschten Jahreszeit entfalten. Der den Blüten entzogene Duftstoff wird zur Herstellung wohlriechender Wässer, Salben, Seifen u. dgl. benutzt. Zumeist verwendet man aber zu diesem Zwecke das ganz ähnlich riechende, künstlich hergestellte und daher weit billigere Jonon. B. Das Veilchen, eine Pflanze des Frühlings. 1. Ginge das Veil- chen in jedem Frühjahre aus Samen hervor, so könnte es unmöglich so zeitig im Jahre grünen und blühen. Es ist aber eine ausdauernde Pflanze, die der Lenz bereits fertig vorfindet. Die Baustoffe für Blätter und Blüten sind in dem Stengel aufgespeichert. Er ist zum größten Teile 1) fiüamus, Rauch, weil einige Arten scheinbar angeräucherte Blätter haben; offieinalis, in der Apotheke verwendet. 2) di-, zwei; kentron, Stachel; spectabilis, ansehnlich. 3) reseda, unerkl. odoratus, wohlriechend. 4) luteus, gelb, 5) viola, Veilchen; odoratus, wohlriechend. Veilchengewächse. 87 im Erdboden geborgen und treibt hier zahlreiche feine Wurzeln. Un- richtigerweise wird der unterirdische Stengelabschnitt meist selbst als Wurzel, und zwar als die stärkste, angesehen. Da er aber zahlreiche Blatt- narben besitzt, früher also mit Blättern besetzt gewesen sein muß, kann er keine Wurzel sein; denn eine solche bringt niemals direkt Blätter hervor. Der oberirdische Teil des Stengels trägt einen Büschel von Blättern. Die vorjährigen Blätter, die sich meist bis zum Frühjahr erhalten, sterben jetzt ab, und über ihnen bildet sich ein Büschel neuer. Der Stengel wächst also in jedem Frühjahre ein Stück nach oben. Am ent- gegengesetzten Ende dagegen verwest er nach und nach. Aber wenn das Fortwachsen und Absterben auch noch so langsam erfolgte, müßte sich der Stengel nicht doch schließlich vollständig aus dem Boden hervorschieben, so daß er auf ihm zu liegen käme. Dies geschieht jedoch nicht! In demselben Maße nämlich, in dem er unten abstirbt, wird er von den Wurzeln in den Boden gezogen. 2. Die hervorsprießenden jungen Blätter sind von beiden Seiten her tütenförmig zusammengerollt.e Welche Bedeutung dies hat, lehrt folgender Versuch: Wir nehmen zwei gleich große Blätter, die jene Zu- sammenrollung zeigen, legen beide, nachdem aber das eine ausgebreitet und vielleicht durch eine Stricknadel oder dgl. beschwert worden ist, an irgend eine Stelle, an der sie von den Sonnenstrahlen getroffen werden. Nach einiger Zeit werden wir beobachten, daß das zusammengerollte Blatt noch ziemlich „frisch“ aussieht, während das andre schon stark ge- welkt ist. Die Tütenform ist also ein Schutzmittel gegen zu starke Wasserabgabe. Der Versuch zeigt uns auch, warum ein solches Schutz- mittel gerade für das junge Blatt von Wichtigkeit ist: an dem künstlich ausgebreiteten Blatte welken und vertrocknen die Teile, die sonst ein- gerollt waren, zuerst. Sie sind sehr zart, geben darum am meisten Wasser in Dampfform ab und gehen daher auch am ersten zugrunde. Nach und nach breitet das junge Blatt seine herzförmige, am Rande gekerbte Fläche aus. Je nachdem das Veilchen in kurzem oder in langem Grase wächst, je nachdem sind auch die Blattstiele von ver- schiedener Länge: stets aber sind sie so lang, daß sie die Blattfläche in den vollen Genuß des Sonnenlichtes setzen. Am Grunde jedes Blattstieles sitzen 2 kleine, lanzettliche Nebenblätter. C. Das Veilchen, eine Pflanze mit mehrfacher Vermehrung. 1. Ausläufer. Aus den Achseln ‘der untern Blätter wachsen Zweige hervor, die an den Stengelknoten Wurzeln schlagen. Die Zweige bleiben aber auf dem Erdboden liegen und treiben im Gegensatz zu dem kurzglied- rigen Stengel (kurzgliedrig, weil die Stengelknoten, an denen die Blätter entspringen, dicht beieinander stehen!) sehr lange Glieder. Infolgedessen entfernt sich die Spitze des „Ausläufers“ weit von der Mutterpflanze. An seinem Ende bildet sich bald ein Blattbüschel, dem im nächsten Jahre Blüten folgen: es ist eine neue Pflanze entstanden, die allerdings mit der Mutterpflanze noch lange im Zusammenhange bleiben kann. 88 Veilchengewächse. 2. Frühlingsblüten. a) Bau. Wie der Körper des Menschen und zahlreicher Tiere kann die Blüte nur durch einen Schnitt in 2 spiegel- bildlich gleiche Teile zerlegt werden: sie ist zweiseitig-symmetrisch. Ein Stiel, der je nach der Höhe der umgebenden Pflanzen verschiedene Länge besitzt und in der Mitte 2 schuppenförmige Blättchen trägt, hebt sie aus dem Grase empor. Die 5 Kelchblätter umschließen anfänglich die innern Blütenteile. Später werden sie von den 4 Qi Blumenblättern auseinander gedrängt, von denen Y - an der entfalteten Blüte je 2 nach oben und nach N @') der Seite gerichtet sind und eins nach unten steht. Ny/ Das untere Blumenblatt verlängert sich in einen Sporn, in den die beiden untern der 5 Staubblätter je einen langen, grünen Fortsatz senden. Wie man sich durch Blütengrundriß vom den Geschmack leicht überzeugen kann, sondern diese Veilchen. Fortsätze Honig ab. Der süße Saft fließt in den Sporn, den man darum treffend auch als „Safthalter“ be- zeichnet. Die sehr kurzen Staubblätter umstehen den Fruchtknoten und besitzen am Vorderende je ein orangefarbenes Anhängsel. Diese Gebilde greifen etwas übereinander und bilden einen kegelförmigen Hohl- raum, dessen Spitze von dem fadenförmigen Griffel durchbrochen wird. Das Ende des Griffels ist die hakenförmig nach unten gekrümmte Narbe. Öffnen sich die Staubbeutel, so fällt der trockne, mehlartige Blüten- staub in diesen Hohlraum. b) Bestäubung. Durch die Farbe der Blumenblätter (violett, Blütenmitte weißlich, unteres Blatt mit dunkelblauem Streifen; selten ganz weiß) und den weithin wahrnehmbaren Duft werden die Bestäuber angelockt. Da der Honig im Sporn geborgen ist, können kurzrüsselige Insekten nicht bis zu ihm gelangen. Bienen und Hummeln sind die Hauptbestäuber. Sie lassen sich entweder auf dem untern Blumen- blatte nieder oder hängen sich an die beiden obern Blätter, wobei sie sich an den Härchen der seitlichen Blätter festhalten. Wie die Bestäubung erfolgt, läßt sich leicht durch folgenden Ver- such feststellen: Man halte eine (junge) Blüte in ihrer natürlichen Stellung so hoch, daß man bequem hineinschauen kann, und führe mit der andern Hand ein zugespitztes Hölzchen (Insektenrüssel!) in den Sporn. Sobald die Narbe, die den Eingang versperrt, getroffen wird, bewegt sich der Griffel ein wenig nach oben. Dadürch weichen die orangefarbenen An- hängsel der Staubblätter auseinander, d. h. der von ihnen gebildete kegel- förmige Hohlraum öffnet sich, so daß etwas Blütenstaub herausfällt. zwei Sommerblüten. Ameisen verschleppen die ausgestreuten Samen. 3. Längs durch- schnittene Blüte, die von einer Honigbiene besucht wird. 4. Eins der beiden untern Staubblätter: F. orangefarbenes Anhängsel; B. Staubbeutel; H. honigabsondernde Ver- längerung. 5. Same, in nat. Gr. u. vergr. Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. Wohlriechendes Veilchen (Viola odorata). Veilchengewächse. 89 Teil des Blütenstaubes fällt dem Tiere auf Rüssel und Kopf. Fliest das Insekt nun zu einer zweiten Blüte, so kann es nicht aus- bleiben, daß einige Körnchen davon an der Narbe, die gerade im Wege zum Honig steht, abgestrichen werden, daß also Fremdbestäubung eintritt. Wie leicht einzusehen, ist diese eigentümliche Art der Bestäubung nur dadurch möglich, daß — wie erwähnt — das Veilchen erstlich trock- nen, mehlartigen Blütenstaub besitzt (klebriger Blütenstaub, wie er bei „insektenblütigen Pflanzen“ in der Regel angetroffen wird, könnte nicht aus dem Hohlraum hervorrieseln!), und daß zweitens die Blüte schräg nach unten geneigt ist (bei einer aufrechtstehenden oder senk- recht herabhängenden Veilchenblüte würde der herausfallende Staub das saugende Insekt nicht treffen!). Diese Stellung erhält die Blüte — wie weiter leicht zu erkennen ist — nun dadurch, daß der Blütenstiel an seinem obern Teile eine eigentümliche Krümmung macht. 3. Sommerblüten. Außer den prächtigen Frühlingshlüten bringt das Veilchen später im Jahre noch andre, aber sehr unscheinbare Blüten hervor. Ihr Kelch bleibt geschlossen; die Blumenblätter färben sich nicht bunt; die Staubblätter und der Stempel aber sind wohl entwickelt, so daß regelmäßig Früchte entstehen. Da diesen „Sommerblüten“ die auffallende Farbe, sowie Duft und Honig fehlen, werden sie auch nicht von Insekten besucht. Die Fruchtbildung beruht bei ihnen also auf „Selbstbestäubung“. 4. Frucht. a) Der Fruchtknoten ist aus 3 Fruchtblättern gebildet, die an ihren Rändern zahlreiche Samen tragen. Die unreifen Frucht- kapseln hängen an gebogenen Stielen, die die oben erwähnte Krümmung der Blütenstiele verloren haben, nach unten oder liegen gar auf dem Bo- den. Die 3 Klappen (d. s. die verwachsenen Hälften je zweier benach- barter Fruchtblätter), durch die sich die reife Frucht öffnet, schrumpfen von der Seite her nach und nach zusammen. Infolgedessen geraten die Samen zwischen die Klappen und werden durch den Druck, der durch das fortschreitende Eintrocknen erzeugt wird, fortgeschnellt, ähnlich wie Kirschkerne, die wir mit den Fingern „fortschnippen“. Da sich die Frucht- stiele jetzt gerade gestreckt und aufgerichtet haben, spielt sich dieser Vor- gang völlig unbehindert ab. Wenn man bedenkt, daß das Veilchen sich kaum über das Gras erhebt und zudem vielfach an geschützten Orten gedeiht, an denen die Samen durch den Wind kaum ausgeschüttelt wer- den können, so wird man diese Art des Aussäens als durchaus vorteil- haft für die Pflanze bezeichnen müssen. 5. Same. Das „Fortschnellen“ der Samen kann nun um so besser geschehen, als sie (gleich den „fortzuschnippenden“ Kirschkernen) sehr glatt sind. Sie besitzen je einen weißen, fleischigen Anhang, der ohne Schaden für die Keimung entfernt werden kann. Da dieses Gebilde von gewissen Ameisenarten gern verzehrt wird, werden die Samen von den Tierchen vielfach in ihre Baue getragen oder sonstwie verschleppt. Da- durch gelangen sie aber nicht selten an Orte, an denen sie keimen können: gewiß eine sehr eigentümliche Art der Verbreitung! 90 Veilchengewächse. Hartheugewächse. Andre Veilchen. Im schattigen Walde, wie auf ödem Sandboden, auf nassen, wie trocknen Wiesen, in der Ebene, wie im Gebirge: überall treten uns Veilchen entgegen, die — weil ge- ruchlos — vom Volksmunde gewöhnlich als „wilde Veilchen“ bezeichnet werden. Sie gehören sehr verschiedenen Arten an, die schwer voneinander zu unterscheiden sind. Sehr häufig ist das Hunds-Veilchen (V. canina!) mit seinem langgliedrigen Stengel und den hellblauen, weißgespornten Blüten. — Am bekanntesten jedoch ist das Stief- mütterchen (V. tricolor?), das auf Feldern und Triften überall zu finden ist. Neben Pflanzen, die große, prächtig blaue oder blau und weiße (gelbe) Blüten besitzen, trifft man auch andre mit unscheinbar kleinen Blüten an, deren Blumenblätter gelblichweiß oder auch blau und gelb erscheinen. Mit dieser Verschiedenheit steht die Art der Bestäubung im innigsten Einklange. Wie bereits aus dem Bau ihrer Griffel hervorgeht, sind die großen, auffallenden Blüten nur durch Fremdbestäubung zu befruchten, während Stiefmütterchen. 1. großblumige, 2. kleinblumige Form. sich die kleinen, unscheinbaren selbst bestäuben. — Die großblumige Form des Feldstief- mütterchens und einige nahe verwandte Arten sind die Stammeltern des Gartenstief- mütterchens (Pensees). Eine planmäßige Veredelung dieser herrlichen Gartenpflanze hat erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts begonnen, und welchen Erfolg diese Arbeit gehabt hat, davon legen die erstaunliche Größe und die wechselvolle Farbenpracht der samtenen Blumen beredtes Zeugnis ab. 28. Familie. Hartheugewächse (Guttiferae?). Das Tüpfel-Hartheu (Hypericum perforätum®) wächst an Wegen und andern trocknen Stellen. Die hohe, sparrige Pflanze hat ihrem Standort entsprechend harte, 1) canina, hundeartig (s. Meerrettich S. 81). 2) tricolor, dreifarbig. 3) gufti oder gummi guttae ist das als wertvolle gelbe Farbe bekannte Gummigutt, das von ostindischen Bäumen der Familie geliefert wird; fero, ich trage. 4) hypericum: hyp-, unter und ereike, Heidekraut oder eine ihm ähn- liche Pil.; perforatus, durchbohrt. Hartheugewächse. 91 saftlose Stengel (Gattungsname!) und kleine Blätter. Zahlreiche helle Öldrüsen lassen die Blätter, gegen das Licht gehalten, wie durchlöchert erscheinen (Artname!). An ihnen sowohl, wie an den 5 Kelch- und Blumenblättern, finden sich viele schwarze Punkte und Striche, die beim Zerreiben einen roten Farbstoff liefern. Das ist das „Johannisblut“, dem man früher wie der ganzen Pflanze, dem „Johanniskraute“, be- sondere Zauberkräfte zuschrieb. Die gelben Blüten enthalten zahlreiche Staubblätter, deren Fäden am Grunde zu 3 Bündeln verwachsen sind. Die dreifächerige Kapsel öffnet sich nur bei trocknem Wetter, um sich — ein häufig zu beobachtendes Schutz- mittel der Samen — bei feuchtem wieder zu schließen. Zu den Hartheugewächsen steht in näherer Verwandtschaft der chinesische Teestrauch (Thea sinensis?). Von dem Teestrauche können wir uns durch die Betrachtung der Kamelie°) (Th. japönica”), die der prächtigen, meist gefüllten Blüten wegen zu unsern beliebtesten Topf- pflanzen zählt, leicht eine Vorstellung ver- schaffen: er ist wie sie eine Pflanze mit elliptischen, immer- grünen, lederartigen Blättern (vgl. mit Orange) und weißen, rosenähnlichen Blüten. Sich selbst überlassen, wächst er zu einem stattlichenBaume heran. In den Pflanzungen dagegen wird er als 1—2 m hoher Strauch gehalten, so daß ein erwachsener Mensch ohne jedes Hilfsmittel leicht bis zum Gipfel reichen kann. Die Heimat der wichtigen Pflanze ist im südlichen China und den an- grenzenden Teilen Hinterindiens, woselbst sie von alters her angebaut wird, zu suchen. Von hier aus hat sich ihre Kultur auf Japan, das ganze Südasien, die Länder am Südabhange des Kaukasus, sowie auf andre tropische und subtropische Gebiete ausgedehnt. Wenn man von dem Tee, wie er zu uns in den Handel kommt, etwas im Wasser aufweicht und vorsichtig auseinander breitet, so sieht man, daß er aus getrockneten und zusammengerollten Blättern besteht. Das Laub, das den Knospen entnommen ist oder das sich soeben entfaltet, liefert die wertvollste Ware; denn es ist am reichsten an dem Zweig des chinesischen Teestrauches. 1) thca, nach dem chines. Namen der Pfl.; sinensis, chinesisch. 2) Nach einem Reisenden Kamell oder Camelli benannt. 3) japonicus, japanisch. 99 Hartheugewächse. Lindengewächse. _ flüchtigen Öle, das dem Tee den bekannten Wohlgeruch verleiht, und an dem Stoffe (Tein), der mit dem Öle die belebende Wirkung des Tee- aufgusses bedingt. Die Verarbeitung der Blätter ist in den einzelnen Ländern sehr verschieden. In China, dem wichtigsten Teelande der Welt, verfährt man in der Regel in folgender Weise: Man nimmt dem Strauche im Jahre ge- wöhnlich dreimal das junge Laub. Die eingesammelten Blätter werden zuerst auf Matten oder Gestellen eine Zeitlang ausgebreitet, hierauf durch Schütteln und Werfen mit der Luft in Berührung gebracht und danach in Haufen aufgestapelt. In diesen Massen tritt bald eine Art Gärung ein, so daß die Blätter eine braune, bis fast schwarze Färbung annehmen, die den „schwarzen Tee“ kennzeichnet. Alsdann werden sie zusammengerollt, in stark erhitzten Pfannen geröstet, nochmals gerollt und schließlich auf Holzgestellen langsam ‚getrocknet. Setzt man die ab- gepflückten Blätter sofort der Einwirkung heißer Wasserdämpfe aus, und trocknet man sie bei größerer Hitze, so bleibt die grüne Färbung mehr oder weniger erhalten, und man gewinnt den „grünen Tee“. Von diesen beiden Teearten unterscheidet man wieder eine große Menge Sorten, deren wertvollste nur im Hofhalte des chinesischen Kaiserhauses verwendet und darum Kaisertee (Imperial) genannt wird. 29. Familie. Lindengewächse (Tiliäceae?). Die Sommer- und die Winterlinde (Tilia platyphyllos u. ulmifolia!). Taf. 12. A. Die Linde, unser Lieblingsbaum. Während die Linde in Ost- europa große Wälder bildet, treffen wir sie bei uns vereinzelt fast nur in der Nähe des Menschen an. Sie ist der Lieblingsbaum des deutschen Volkes. Der schnelle Wuchs in der Jugend, das ehrwürdige Alter (etwa 600 Jahre) und die gewaltige Höhe, die sie erreichen kann (30 m und mehr), die dichte Krone, das zarte Laub und die vielen Tausende von Blüten, die weithin die Luft mit süßem Duft erfüllen, haben ihr diese Stellung in unsern Herzen erobert. Deshalb pflanzen wir sie als Schatten- spenderin an Straßen, als Schmuckbaum auf freie Plätze und vor das Wohnhaus, sowie auf die Gräber unsrer Toten. Deshalb knüpfen sich an sie auch so zahlreiche Sagen und Lieder (z. B. von Siegfried; „Am Brunnen vor dem Tore“), und deshalb verwenden wir sie (neben der Eiche) als Gedenkbaum an große Ereignisse. Unsern Altvordern war sie ein heiliger Baum. Unter der ehrwürdigen Dorflinde berieten die Alten der Gremeinde, und noch heute versammelt sich unter ihr in vielen Gegenden die Jugend zu Lust und Freude. 1) tilia, Linde; platyphyllos: platyjs, breit und phijllon, Blatt; ulmifolia: ülmus, Ulme und fölium, Blatt. Taf. 12. 1.—3. Zweige mit austreibenden Knospen. 4. Blühender Zweig. 5. Blüten- stand. 6. Blüte. 7. Fruchtstand. 2 Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tatel 12, Winterlinde (Tilia ulmifolia). Lindengewächse. 93 Das weiche Holz des Baumes wird vornehmlich zu Schnitzarbeiten benutzt; seine Kohle dient zum Zeichnen und früher besonders zur Be- ‚reitung des Schießpulvers. Aus dem Baste stellt man namentlich in Ruß- land Decken und andre Flechtwerke her. Die Blüten sind für die Bienen eine reiche Honigquelle; getrocknet liefern sie einen schweißtreibenden Tee. B. Die beiden einheimischen Lindenarten. Die Gattung „Linde“ ist bei uns durch zwei Arten vertreten: Die Sommerlinde entfaltet ihr Laub bereits anfangs Mai (Frühlinde) und hat große Blätter (großblättrige Linde), die unterseits mit kurzen Haaren besetzt sind; die andre Art, die Winterlinde, schlägt erst Mitte Mai aus (Spätlinde), und ihre beiderseits kahlen Blätter sind viel kleiner als die jener (klein- blättrige Linde). Sonst aber stimmen beide in allen Stücken fast völlig überein. C. Von den Blättern der Linde. 1. Wenn im Frühjahre der junge Trieb in der Knospe zu wachsen beginnt, drängt er die beiden braunen Knospenschuppen auseinander. Statt des Triebes werden jetzt aber erst grüne oder rötlich re angehauchte, schup- 2005 En penförmige Blätter sichtbar, die sich stark in die Länge strecken und den umhüllten Trieb gegen die Unbil- den der Witterung schützen. Endlich bie- gen auch sie sich aus- einander, und die jungen Blätter treten zwischen ihnen hervor. Nunmehr erkennt man deutlich (noch deut- licher, wenn sich die jungen Stengelglieder bereitsgestreckthaben), daß je 2 dieser „Schup- pen“ am Grunde der Blattstiele stehen. Wir haben es in ihnen also mit Nebenblättern zu tun. Ihrer Aufgabe entsprechend (Schutz- mittel!) haben sie hier aber die Gestalt von Knospenschuppen. Ist der junge Trieb ge- a Hroksah = -=-——= TE A PH y nügend erstarkt, dann hen . fallen die nunmehr 94 Lindengewächse. überflüssig gewordenen braunen Knospenschuppen und die Nebenblätter ab. Die jungen Blätter sind mit langen, seidenartigen Haaren bedeckt, senkrecht gestellt und in der Mitte zusammengefaltet, Schutzeinrichtungen, . die wir bei der Betrachtung der Roßkastanie näher kennen lernen werden. 2. Die Blätter stehen abwechselnd links und rechts, zu zwei „Zeilen“ geordnet, an den Zweigen, so dab die Blattflächen wie an den wage- rechten Zweigen der Roßkastanie meist in eine Ebene fallen. Da diese Flächen zudem von sehr verschiedener Größe sind und auf ungleich langen Stielen stehen, vermögen sich die Blätter leicht so zu stellen, daß sie sich gegenseitig nicht das belebende Sonnenlicht rauben. Die beiden „Hälften“ der herzförmigen und am Rande gekerbten Blattflächen sind ungleich groß, die Blätter also unsymmetrisch. 3. Betrachtet man die Unterseite ausgebildeter Lindenblätter, so entdeckt man ° in den Winkeln der größern Adern eigentümliche Haarbüschel. Die Haare schließen mit der Blattfläche je einen Hohlraum ein, der sich nach der Blattspitze zu öffnet und — wie man mit Hilfe der Lupe leicht weiter feststellen kann — in der Regel von einer grö- ßern Zahl kleiner Milben bewohnt wird. Tags- über verharren die Tierchen meist ruhig in diesen Milbenhäuschen oder Domatien!), die sich am besten mit Strohhütten einfachster Art ver- gleichen lassen. Bei anbrechender Dunkelheit aber kommen sie hervor und laufen schnell über das Blatt dahin. Sorgfältige Untersuchungen machen es wahrscheinlich, daß sie auf diesen Gängen allerlei aufgeflogene Pilzsporen und andre Unreinlichkeiten verzehren, dem Baume für das gewährte Unterkommen also einen wich- tigen Gegendienst erweisen. Unter dem Haar- dache legen die Milben auch ihre Eier ab, und dort entwickeln sich auch die daraus hervor- Milbenhäuschen auf dem gehenden Jungen. Zur Zeit des Laubfalles biegen Lindenblatte. 1. Blatt von der sich die Haare auseinander, und die Bewohner Unterseite. 2. Einzelnes Häuschen der Häuschen suchen in Rindenspalten und ähn- (vergr.). 3. Milbe, aus dem Häus- Jichen Schlupfwinkeln Schutz gegen die Un- chen (20 mal vergr.). bilden des Winters, um im nächsten Frühjahre die hervorbrechenden Blätter wieder zu bevölkern. Auch die Blätter der Haselnuß, der Erle, der Rüster, der Platane, des Spitzahorns und andrer Pflanzen besitzen ähnlich gebaute Milbenhäuschen. D. Von den Blüten der Linde. 1. Blütezeit. In den Winter- knospen der Linde finden sich keine Blütenanlagen. Diese entwickeln sich vielmehr erst an den jungen Trieben, eine Tatsache, die die ver- hältnismäßig späte Blütezeit des Baumes zur Genüge erklärt. Die Blüten gehen aus den Blattachseln hervor, woselbst sich neben ihnen jetzt be- reits die Knospen für das nächste Jahr zu bilden beginnen. 2. Blüte. Von einem Hauptstiele strahlen bei der Sommerlinde ge- wöhnlich 2 oder 3, bei der Winterlinde dagegen 5—7 Nebenstiele aus, die je eine Blüte tragen. Der Hauptstiel ist zum Teil mit einem band- 1) dömus, Haus; domätion, Häuschen. k) ‘ Lindengewächse. Malvengewächse. 95 förmigen, pergamentartigen, bleichen „Deckblatte“ verwachsen, dessen Bedeutung wir später kennen lernen werden. Da die Blüten zumeist nach unten hängen und von den Laub- blättern oft völlig überdacht werden, sind Honig und Blütenstaub vor- trefflich gegen Regen geschützt. Diesem Vorteile steht jedoch der Nach- teil gegenüber, daß die Blüten in ihrem „Verstecke“ den Blicken der Insekten vielfach in hohem Grade entzogen sind. Hierzu kommt noch, daß Keleh und Blumenkrone, die aus je 5 kleinen Blättern bestehen, eine ganz unscheinbare gelbliche Färbung zeigen. Durch einen weithin wahrnehmbaren Duft werden diese für die Befruchtung ungünstigen Verhältnisse jedoch so vollkommen ausgeglichen, daß die blühende Linde oft von Tausenden summender Insekten — besonders von Bienen und Fliegen — umschwärmt ist. Die zahlreichen langen Staubblätter stehen in dichtem Kranze um den Stempel. Sie sind sämtlich nach außen gerichtet, überragen die kleine Blütenhülle und überdecken den Honig, der in großer Menge von den muldenförmigen Kelchblättern abgeschieden wird. Infolgedessen müssen sich die Insekten, die auf der hängenden Blüte Fuß fassen wollen, an ihnen und dem Stempel festklammern. Da nun die Staubbeutel vor der Narbe reifen, kann es kaum ausbleiben, daß Blütenstaub von den jüngern Blüten auf die Narbe der ältern übertragen, also Fremdbestäu- bung herbeigeführt wird. E. Von den Früchten der Linde. Wie ein Querschnitt zeigt, ent- hält der Fruchtknoten 5 Fächer mit je 2 Samenanlagen. Von diesen 10 Anlagen entwickelt sich jedoch gewöhnlich nur eine. Die nußartige Frucht (Lindennüßchen) öffnet sich gleich allen einsamigen Früchten bei der Reife nicht. Im Herbste löst sich der Fruchtstand mit dem flügelartigen Deck- blatte vom Zweige und fällt infolge des Widerstandes, den dieses Blatt in der Luft findet, langsam zur Erde hernieder. Wird er dabei vom Winde erfaßt, so gelangt er oft erst in großer Entfernung vom Baume auf den Boden. Das Deckblatt ist also ein Mittel zur Ausbreitung der Samen und damit zur Weiterverbreitung der ganzen Pflanze. Zu den Lindengewächsen zählt die Jutepflanze (Cörchorus'), die in den Bast- fasern ihrer bis 4 m hohen Stengel einen vortrefflichen Gespinststoff liefert. Diese als Jute bezeichneten Fasern werden besonders zur Herstellung von Säcken und Stricken benutzt. Da die wertvolle Pflanze in ganz Ostindien angebaut wird, nennt man sie auch „Indischen Flachs“, In den deutschen Kolonien versucht man gleichfalls, sie zu kultivieren. 30. Familie. Malvengewächse (Malväceae’). Die Wegmalve (Malva neglecta?). Die Wegmalve findet sich — wie schon der Name andeutet — als eine unsrer gemeinsten Pflanzen an Wegen und in der Nähe der mensch- 1) körchoros, griech. Name für eine unbekannte Pfl. 2) malva, Malve; neglectus, vernachlässigt. 96 Malvengewächse. lichen Wohnungen. Vermöge einer sehr tiefgehenden Wurzel kann sie auf dem festen und oft sehr dürren Boden wohl gedeihen. Macht ihr keine andre Pflanze das Licht streitig, so liegen die schwachen Stengel fast völlig dem Untergrunde auf; im andern Falle aber richten sich diese an den Enden empor. Die rundlichen, 5—7lappigen Blätter sind gleich den Stengeln mehr oder weniger dicht mit sternförmigen Haaren bedeckt (Ver- dunstungsschutz!). In den Blattwinkeln stehen stets mehrere langgestielte Blüten, die unter dem fünfzipfligen Kelche noch je 3 Nebenblättchen be- 1% E NN sitzen. Die 5 rosafarbenen Blumenblät- ter sind am Grunde mit den zahlrei- chen Staub- blättern ver- schmolzen, deren Fäden wieder zu einerdie Grif- fel umschlie- BendenRöhre (zu einem „Bündel“) verwachsen sind. Die Frucht reift, vom Kelche bedeckt, zurückgebogen im Schutze der Blätter und ist einem kleinen Käse nicht un- ähnlich („Käsepappel“). Sie besteht aus einer scheibenför- 8 migen Verlängerung des ebuheneer Fruchtstieles, die von zahl- Zweig. 2. Reife i ” Frucht reichen Fruchtknotenfächern umgeben ist. Die einzelnen Fächer umschließen je einen Samen und lösen sich bei der Reife ab. Sie werden vom Regen verschlämmt und von Menschen oder Tieren mit dem aufgeweichten Boden leicht verschleppt, eine Verbreitung, die mit dem Vorkommen der Pflanze in völligem Einklange steht. Auf feuchten Wiesen, vornehmlich auf Salzboden, findet sich der Eibisch (Alth&a officinälis') als eine mehr denn meterhohe Pflanze, deren grüne Teile mit weißem Filz überzogen sind („Sammetpappel‘). Blätter und Blüten, besonders aber die Wurzeln sind von alters her wegen des Schleimes, den sie beim Kochen liefern, ein wichtiges Heil- mittel. Deshalb baut man die stattliche Pflanze auch im großen an. — Gleiche Heil- wirkung besitzen auch die Blüten der Stockrose (A. rösea®), die aus dem Morgenlande zu uns gekommen und eine bekannte Zierpflanze ist. — Ein Malvengewächs ist auch I) Wegmalve. 1 (althaea von dltho, ich heile; offieinalis, in der Apotheke gebraucht. 2) roseus, rosig. Malvengewächse. 97 die Baumwolle (Gossypium'). 1. Die artenreiche Gattung umfaßt eine Anzahl kraut-, strauch- und baumartiger Pflanzen, die in den heißen Gegenden der alten und neuen Welt heimisch sind. Die Formen, deren Samenhaare wir als wichtigsten Spinnstoff verwenden — kleidet sich doch die Mehrzahl der Menschen in baumwollene Gewebe! — haben sich weit über ihr ursprüngliches Gebiet ver- breitet und selbst ausgedehnte, wär- mere Landstriche der AR Be A, hlily |) gemäßigtenZonener / 7 obert (z.B.Südeuropa RÜNN \\ N) und Nordamerika). IS N 2. Die Pflanzen werden, damit die Früchte leicht zu erreichen sind, in Strauchform gezogen, haben große, drei- bis fünflappige Blätter und (bis auf eine weißblühen- de Art) gelbe Malven- blüten. Die Frucht ist eine Kapsel, aus der bei der Reife ein mächtiger Haarschopf hervorquillt. Die Haare, die bei der wildwachsenden Pflanze der Verbreitung durch den Wind dienen, haben eine Länge bis zu 5 cm und sitzen der Oberfläche der erbsengroßen Samen an. 3. Verwendung. Sobald sich die Kapseln zu öffnen beginnen, sam- melt man sie ein und trennt mit Hilfe von Maschinen die Haare von den Samen. Der größte Teil der gewonnenen Haare wird gesponnen und ent- weder als Garn verwendet (Strick-, Häkelgarn und dgl.), oder zu Zeugen verwebt (Kattun, Barchent, Musselin usw... Auch zur Herstellung von Watte, Schießbaumwolle und andern gewerblichen Erzeugnissen finden die wertvollen Haare Verwendung. Aus den Samen, die man nicht zur Aussaat benutzt, wird Öl gepreßt (Baumwollsaatöl), und die Rückstände IN WEI Zweig der Baumwolle. Daneben eine geöffnete Fruchtkapsel, aus der die langen Samenhaare hervorquellen, und ein Same mit seinem Haarbesatze. 1) gossypium, Baumwolle. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 98 Malvengewächse. dienen noch als nahr- haftes Viehfutter. Zu den Malvengewächsen zählt auch der Affenbrot- baum oder Baobab (Adan- ‚ sonia digitata!), der in den Steppen des heißen Afrika heimisch ist. Er bildet im Alter eine riesige Krone und besitzt dementsprechend einen sehr starken Stamm. In der trocknen Jahreszeit verliert er das Laub und dann hängen die bis 40 cm langen, spindelförmigen Früchte an beweglichen Stie- len gespenstisch von den ge- waltigen Zweigen herab. Die Früchte sind nicht nur für die Affen (Name!), sondern auch für die Menschen ein wichtiges Nahrungsmittel. al u a u 2 4 Ein entfernterer Ver- Affenbrotbaum während der trocknen Jahreszeit. wandter der Malven ist der Kakaobaum (Theobröma cacäo’). Der Kakaobaum hat in den Urwäldern des tropischen Amerika seine Heimat, wird jetzt aber in allen heißen Ländern angebaut, soweit sich hierzu das Klima eignet. Er liebt vor allen Dingen eine große Feuchtig- keit der Luft und gedeiht am besten auf dem „tiefgründigen“ Boden des gerodeten Urwaldes. Da er in hohem Maße des Schattens bedarf, pflanzt man mit ihm schnellwachsende „Schattenbäume“ an, die mit ihren breiten Kronen die junge Pflanze überdachen. Der bis 15 m hohe Baum trägt eiförmige, etwas blasige, immergrüne Blätter. Seine Blüten kommen in Büscheln „aus dem alten Holze“, d. h. aus dem Stamme und den stärkern Zweigen hervor. “Sie entstehen nämlich aus sog. schlafen- den Augen, d. h. aus Anlagen, die sich vor Jahren in den Achseln jetzt längst abgefallener Blätter bildeten. Diese „Stammbürtigkeit“, die übrigens ausnahmsweise auch bei unsern Obstbäumen und vielen andern Bäumen unsrer Gegenden auftritt, ist für die Pflanze sicher von großem Vorteil; denn die schwächern Zweige, an denen bei andern Bäumen die Blüten zu sitzen pflegen, wären gar nicht imstande, die schweren Früchte zu tragen. Die gurkenähnlichen, bis 20 cm langen Gebilde besitzen unter einer derben, gelben oder roten äußern Haut ein säuerliches Frucht- 1) Adansonia, nach dem franz. Botaniker Adanson (f 1806) benannt; digitatus, gefingert (Form der Blätter!). 2) theobroma : theös, Gott und bröma, Speise; cacao, nach einem mexik. Worte. BE Malvengewächse. 99 fleisch und im Innern die wertvollen, bohnenähnlichen Samen, die in 5 Reihen angeordnet sind. Im frischen Zustande sind diese sog. Kakaobohnen überaus bitter und daher für den menschlichen Genuß ungeeignet. Werden sie aber vom Fruchtfleische befreit und einige Tage auf Haufen gelegt oder in Gruben geschüttet, dann verlieren sie infolge eines Gärungsvorganges jene Eigenschaft und nehmen einen angenehmen, milden Geschmack an. In diesem Zustande gelangen sie in die Fabriken, in denen sie verarbeitet werden. Nachdem sie geröstet und von den Samenschalen ZweigdesKakaobaumes mitBlüten und Früchten. Daneben 1. Blüte, 2. geöffnete Frucht, 3. Same („Ka- kaobohne‘). befreit sind, werden sie zerrieben. Da der entstandene Brei aber völlig von Fett durchtränkt ist, muß ihm ein großer Teil davon durch Aus- pressen entzogen werden. Die auf diese Weise gewonnene „Kakao- butter“ ist ein sehr wertvolles Nebenprodukt, das besonders zur Berei- tung feiner Seifen, Salben und Pomaden verwendet wird. Der zurück- bleibende Preßkuchen wird fein gepulvert und liefert das Kakaopulver, wie es in den Handel kommt. Wird die Masse mit Zucker gemischt und durch Vanille gewürzt, so erhält man die Schokolade. Gleich Kaffee und Tee enthält auch der Kakao einen Stoff, das Teobromin, das auf den Menschen eine belebende Wirkung ausübt. Da man aber von den fett- und eiweißhaltigen Kakaobohnen nicht bloß einen Aufguß herstellt, diese, vielmehr selbst genießt, so ist der Kakao nicht nur ein Genub-, sondern auch ein Nahrungsmittel. 100 Storchschnabelgewächse. 31. Familie. Storchschnabelgewächse (Geraniäceae'). Blüten: je 5 freie Kelch- und Blumenblätter; 10 am Grunde verwachsene Staubblätter; Fruchtknoten aus 5 verwachsenen Fruchtblättern zusammengesetzt. Die geschnäbelte Frucht spaltet sich bei der Reife in 5 „begrannte* Teilfrüchte, die sich von der stehenbleibenden Verlängerung des Blütenstieles (Mittelsäule) ablösen. Der Reiherschnabel (Erödium cieutärium?). Taf. 13. 1. Wie er grünt. Der Reiherschnabel ist auf Äckern, an Wegen und Rainen, besonders auf Sandboden häufig anzutreffen. Obgleich die obern Bodenschichten dieser Örtlichkeiten während der Sommermonate fast völlig austrocknen, geht die Pflanze doch nicht zugrunde; denn sie sendet eine sehr lange Pfahlwurzel bis in die Bodenschichten hinab, die stets etwas feucht bleiben. Ein weiteres Schutzmittel gegen das Vertrocknen ist die sehr dichte, graue Behaarung aller grünen Teile bei denjenigen Exemplaren, die auf sehr sonnigem und dürrem Boden stehen. Wachsen die Pflanzen unter günstigeren Bedingungen, so sind sie stets viel geringer, oft nur ganz wenig behaart. Ein drittes Schutzmittel liegt endlich in den zierlich gefiederten Blättern. Je nach dem Standorte erscheinen nämlich ihre Fiedern mehr oder weniger tief eingeschnitten. An den sonnigsten Stellen sind sie sogar bis auf den Grund geteilt, so daß das Blatt eine doppelte Fiederung . zeigt. Je kleiner die Blattflächen aber sind, um so weniger Wasser ver- dunsten sie unter sonst gleichen Verhältnissen selbstverständlich auch. Im Herbste und Winter bilden die Blätter der veränderlichen Pflanze oft außerordentlich regelmäßige, dem Boden aufliegende Rosetten. In- folge dieser Lage kann kein Blatt dem andern auch nur einen Licht- strahl rauben, und so allein vermag auch die winterliche Schneelast dem schwachen Gewächs keinen Schaden zuzufügen. Im Frühjahre setzt die Pflanze das Wachstum fort, das durch die Kälte zum Stillstand gebracht wurde: sie treibt langgliedrige, meist rot angelaufene, beblätterte Stengel. Wächst der Reiherschnabel zwischen andern Pflanzen, die ihm das Licht streitig machen, dann richten sich die Stengel hoch empor; im andern Falle dagegen bleiben sie meist dem Boden angedrückt. 2. Wie er blüht. Mehrere kurzgestielte Blüten, die bei den einzelnen Pflanzen eine sehr verschiedene Größe besitzen, erheben sich am Ende eines gemeinsamen Stieles, der aus einer Blattachsel hervorgeht. Wäh- rend die kleinen Blüten von Insekten wenig beachtet werden und darum 1) Nach der Gattung geranium, s. S. 102. 2) erodiwm von erodiös, Reiher; cicutarium von cicüta, Schierling (Blätter! .. Taf. 13. 1. Stengel mit Blüten und Früchten. a. Reife Frucht; b. u. c. die Teil- früchte lösen sich von der Mittelsäule ab. 2. Blattrosette im Herbste und Winter. 3. Blüte; zwei Blütenblätter sind entfernt. 4. Teilfrucht: a. Fruchtfach, b. kork- zieherartiger und c. gerader Abschnitt der Granne. 5a.—d. Teilfrucht, die sich in die Erde bohrt. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 13: I feubach Reiherschnabel (Erodium cicutarium). nn Storehschnabelgewächse. 101 in der Regel auf Selbstbestäubung angewiesen sind, erfreuen sich die andern eines regen Insektenbesuches. Schon wenige Stunden nach dem Aufblühen verlieren sie die 5 rosafarbenen, oft dunkler gestreiften oder gefleckten und unter sich verschieden großen Blumenblätter, die am Grunde je einen Büschel seitlich gerichteter Härchen tragen. Diese Haare überdecken die 5 Honigedrüsen am Grunde der Staubblätter und ver- wehren somit den Insekten, von unten her zum Honig vorzudringen. Die 10 am Grunde miteinander verwachsenen Staubblätter sind nur zur Hälfte mit Staubbeuteln ausgerüstet. Sie umschließen den Stempel, dessen merkwürdigen Bau uns die reifende Zen Frucht deutlich erkennen läßt. Wir sehen, wie der \ Fruchtknoten nach und nach in 5 Teilfrüchte zerfällt, ( die um eine Verlängerung des Fruchtstieles, eine Mittel- \ 3N N säule, geordnet sind. Lösen wir die noch unreifen, einsamigen Teilfrüchte (eine zweite Samenanlage ge- langt nieht zur Entwicklung!) ab, so sehen wir weiter, Pure wie ihre Hüllen (die 5 Fruchtblätter) in je einen langen Reiherschnabel. Fortsatz, eine „Granne“, ausgezogen sind. Jede Teil- frucht besteht also aus 2 deutlich geschiedenen Abschnitten: aus dem Fruchtfache mit dem Samen und der Granne. Die 5 Grannen bilden mit dem obern Teile der Mittelsäule den Griffel, und ihre obersten Abschnitte stellen die 5 Narben dar. Nach dem Verblühen wächst der Griffel weiter, so daß er samt der Frucht schließlich einem langgeschnäbelten Vogelkopfe ähnelt (Reiherschnabel, Storchschnabel!). Auch der fünfblätt- rige Kelch vergrößert sich noch nach dem Verblühen und umhüllt schützend die sich ausbildende Frucht. 3. Wie er Früchte trägt. a) Bringt man einen reifen Fruchtstand in das geheizte Zimmer, auf den warmen Ofen, oder sorgt man sonstwie dafür, daß er schnell austrocknet, so bemerkt man, wie sich erstlich die Teilfrüchte von der Mittelsäule ablösen, wie sich sodann der untere Teil der Granne korkzieherartig aufrollt, und wie endlich das ganze Ge- bilde ein Stück fortgeschleudert wird. Dasselbe erfolgt natürlich auch im Freien bei warmem, trocknem Wetter, ein Vorgang, durch den die Pflanze über ein großen Bezirk verbreitet wird. b) Befeuchtet man eine Teilfrucht, so streckt sich die Granne: die Windungen werden immer weiter und verschwinden schließlich voll- ständig. Läßt man die Granne wieder austrocknen, so rollt sie sich wieder auf. (Die gegen Feuchtigkeit sehr empfindlichen, hygroskopischen Teilfrüchte werden darum auch zur Herstellung von Feuchtigkeitsmessern oder Hygrometern benutzt.) Wiederholt man denselben Versuch in der Weise, daß man den rechtwinklig abgebogenen, geraden Endteil der Granne festhält, so wird das Fruchtfach in drehende Bewegung versetzt. Stellt man nun endlich eine angefeuchtete Teilfrucht mit der Spitze des Fruchtfaches in Sand oder lockere Erde und dicht daneben ein Stäbchen, das den Endteil der Granne hindert, sich beim Strecken des korkzieher- 102 Storchschnabelgewächse. artigen Abschnittes zu drehen, so muß dasselbe erfolgen: das Fruchtfach wird demnach in den Sand oder die Erde gebohrt. Dieser Vorgang spielt sich natürlich auch im Freien ab, wenn der Endteil der Granne durch Pflanzen oder Unebenheiten des Erdbodens festgehalten wird, und wenn Tau- oder Regentropfen die Granne strecken, und der Sonnenschein sie wieder trocknet. Man findet daher in der Umgebung der Pflanze zur Zeit der Fruchtreife meist auch einige eingebohrte Früchte. Der eigentümliche Bau der Frucht und ihre große Empfindlichkeit gegen Be- feuchtung sind also zugleich ein Mittel, die Samen in den Erdboden, also an den Ort zu bringen, an dem sie zu keimen vermögen. Diese Erkenntnis macht uns weiter folgende Einzelheiten im Bau der Teilfrucht verständlich: 1) Der gerade Endteil der Granne bewirkt, daß die Spitze des Fruchtfaches stets schräg gegen den Erdboden ge- richtet ist. 2) Die als Erdbohrer dienende‘ Spitze des Fruchtfaches ist scharf. 3) Das Fruchtfach ist mit kurzen, steifen Haaren be- setzt, die wie Widerhaken wirken. Rollt sich nämlich die austrocknende Granne auf, so verhindern sie, daß das Fruchtfach wieder aus dem Boden gedreht werde. Da nun das Fruchtfach im Freien abwechselnd feucht ß (Regen, Tau) und wieder trocken wird, so muß es daher mitsamt dem Samen immer tiefer in die Erde eindringen. 4) Die kurzen und langen Haare an dem korkzieher- artigen Grannenteile verhüten ein Ab- springen der Regentropfen. 5) Das Frucht- fach ist vollkommen geschlossen, so daß ein Herausfallen des Samens nicht mög- lich ist. Kurz: wir haben es hier mit einem wahren Wunderwerke der Natur zu tun! Dienächsten Verwandten des interessanten Pflänzchens sind die Storchschnabelarten (Gerä- nium?), die Wald und Feld, trockne und feuchte Örtlichkeiten bewohnen. Wie bei ihnen die Samen- verbreitung erfolgt, mag uns der Wiesen-St. (G. pratense?) lehren, der mit seinen großen, blauen Blumen Wiesen und lichte Gebüsche schmückt. Die sich ablösenden Teilfrüchte schnellen an der sich ’ bogenförmig krümmenden Granne mit ziemlicher Früchte des Wiesenstorch- Gewalt nach oben, bleiben aber an dem obern schnabels. Links: noch unreife Grannenteile mit der Mittelsäule verbunden. Da- Teilfrüchte. Rechts: drei derreifen durch werden sie in ihrer Bewegung aufgehalten, Teilfrüchte haben sich unten von so daß ein heftiger Ruck entsteht. Da nun die der Mittelsäule abgelöst. Von den Fruchtfächer auf der Innenseite einen großen Spalt beiden andern hat die rechte Teil- besitzen, werden die Samen in weitem Bogen frucht ihren Samen bereits fort- fortgeschleudert, etwa wie ein Stein. den man aus geschleudert, während die linke der hohlen Hand mit einem kurzen Ruck des Armes dies soeben tut. fortwirft. Die gleiche Art der Ausstreuung finden wir 1) von geranos, Kranich. 2) pratensis, auf der Wiese wachsend. a Sauerkleegewächse. 103 bei allen großblumigen Storchschnabelarten. Bei den kleinblumigen Arten dagegen lösen sich die Grannen vollständig ab, so daß die Teilfrüchre fortschnellen. Dieser Verbreitungs- weise entspricht, daß die Fruchtfächer wie beim Reiherschnabel völlig geschlossen sind, wodurch ein Herausfallen der Samen verhindert wird. — Als bekanntestes Beispiel dieser Former sei das Ruprechtskraut (G. robertiäanum!) genannt, das an feuchten, schattigen Orten überall vorkommt. Durch den widerlichen Geruch (Schutz gegen Tiere!) und die tiefgeteilten, fiederspaltigen Blätter unterscheidet es sich leicht von dem sonst sehr ähnlichen Reiherschnabel. — Zahlreiche ausländische, meist aus dem Kaplande stammende „G@eranien“ (Pelargönium°) zählen zu unsern beliebtesten Topfpflanzen, 32. Familie. Sauerkleegewächse (Oxalidäceae’). Der Sauerklee (Öxalis acetosella°). Den Sauerklee kennzeichnet die große Zartheit aller Teile schon als einen Bewohner schattiger, feuchter Wälder und Gebüsche Von den kleeartigen Blättern und dem Reichtum an giftigem oxalsaurem Kalk oder Kleesalz (Schutzmittel gegen Tiere!) hat er seinen Namen erhalten. An E\ sonnigen Tagen kann man leicht beobachten, wie dicht beieinander stehende Pflanzen ein sehr verschiedenes Aus- sehen haben: die be- schatteten breiten ihre Blätter so aus, daß die drei herzförmigen Einzel- Blättchen in einer Ebene liegen; die von den Son- nenstrahlen getroffenen dagegen haben die Blätt- chen senkrecht nach un- ten geschlagen und — wiedervorhandeneRaum dies bedingt — in der Mittellinie etwas einge- faltet. In dieser Lage _ lendieBlat Ib 2 Sauerklee. [Die Blätter und die Blüte des linken we sunıe ANBLES® 25 /weiges in Schlafstellung. Daneben Frucht, die soeben verständlich viel weniger einen Samen ausschleudert. besonnt und mithin auch viel weniger erwärmt, als wenn sie ausgebreitet wären. Wenn man bedenkt, wie überaus zart das Pflänzchen ist, wird man in der Bewegungsfähigkeit seiner Blätter leicht eine Einrichtung erkennen, durch die das empfindliche Blattgrün gegen zu grelles Licht und das ganze Schattengewächs gegen zu starke Verdunstung geschützt ist. Nachts nehmen die Blätter die gleiche „Schlafstellung* ein (s. Gemüsebohne). Auch die Blüten, die fünf weiße, 1) nach dem heil. Robert oder Ruprecht benannt. 2) von pelargös, Storch. 3) owalis, Säuer- ling; acetum, Essig, -osella, Wortendung. 104 Sauerklieegewächse. Leingewächse, rot geaderte Blumenblätter besitzen, schließen sich und werden nickend, sobald es Abend wird. An kalten, unfreundlichen und regnerischen Tagen öffnen sie sich gar nicht. Drückt man eine ziemlich reife Frucht ein wenig, so werden die Samen mit großer Heftigkeit ausgeschleudert. Dasselbe ge- schieht bei völliger Reife von selbst: die äußere Schicht der Samenschale reißt an der Außenseite auf und rollt blitzschnell zurück; dadurch erhalten die glatten Samen einen so heftigen Stoß, daß sie durch die Spalten in weitem Bogen aus der Kapsel herausgeworfen werden. Mit dieser Weise, die Samen auszustreuen, hängt auch zusammen, daß sich der kanns Fruchtstiel zur Zeit der Fruchtreife emporrichtet. Glieder nahestehender Familien. An Waldbächen und an andern feuchten Stellen des Waldes gedeiht das Springkraut oder das Kräutchen Rühr mich nicht an (Impätiens noli tängere‘). Es ist, seinem Standorte ent- sprechend, ein überaus saftreiches, zartes Gewächs, dessen heilgrüne Teile von einer bläulichen Wachsschicht über- } zogen sind. Die gelben, trompetenähnlichen Blüten stehen \'.\ unter den Blättern wie unter einem schützenden Regen- !/} dache. Berührt man die schotenähnlichen Früchte, so lösen sich die 5 Klappen von der Mittelsäule ab, rollen sich spiralig zusammen und schleudern die Samen nach allen Seiten. Dasselbe geschieht, wenn der Wind die Pflanze schüttelt, oder wenn ein vorbeistreifendes Tier an die Kapseln stößt. — Eine gleiche Samenverbreitung findet man bei der @arten-Balsamine (I. balsamina?), die aus Ost- asien stammt. — Gespornte Blüten wie das Springkraut haben auch die Kapuzinerkressen (Trop&olum?°), die zu Frucht des Spring- unsern beliebtesten Zierpflanzen zählen. Ihre Heimat ist krautes. 1. geschlossen; Peru. Sie besitzen meist schildförmige Blätter. Die Blüten- 2. aufspringend. knospen und jungen Früchte werden wie Kapern verwendet. 33. Familie. - Leingewächse (Linäceae'). Der Lein oder Flachs (Linum usitatissimum‘). Taf. 14. „Auf, kommt in die Felder und blühenden Au’n, das liebliche Pflänzchen der Mädchen zu schau’n!“ . Die Pflanze selbst. 1. Stengel und Blätter. Einen so präch- tigen ser das blühende Flachsfeld gewährt, einen so bescheidenen Eindruck macht die einzelne Pflanze. Der schwache, aber sehr elastische Stengel, der im obern Teile mehrfach verzweigt ist, wird bis zu 1m hoch. Obgleich die Blätter in großer Zahl vorhanden sind, werden sie alle des Sonnenlichtes teilhaftig; denn sie sind klein und schmal. ei impatiens, ungeduldig; noli, wolle nicht; tangere, anfassen, berühren. 2) von balsamon, Balsamstaude. 3) von tröpaion, Siegeszeichen (schildförmige Blätter), -olum, Verkleinerungssilbe, 4) linum, Lein; usitatissimus, sehr a Taf. 14. 1. en und oberer Teil der Bahnen Pfanne > Blüte nach Entfernung von Kelch und Blumenkrone. 3. Schlafende Blüte. 4. Früchte. 5. Quer durch- schnittene Frucht (vergr.). 6. Frucht, die Samen ausstreuend (vergr.). 7. Einige Zellen einer Flachsfaser (stark vergr.). Tafel 14. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. =, es ent Pe aeg ee imum). 1SS tati inum usi . in oder Flachs (L Le ü Leingewächse, 105 2. Die Blüten stehen an den Zweigenden oder auf langen Stielen und sind aus 5 Kelchblättern, ebensovielen himmelblauen Blumen- und Staubblättern und einem Stempel zusammengesetzt. Da auch die am Grunde verwachsenen Staubblätter, sowie die 5 Griffel mit den Narben prächtig blau gefärbt sind — jedoch nur so weit, als sie von außen gesehen werden können —, treten sie mit in den Dienst der Insekten- anlockung. Aber wenn sich auch kein Insekt einstellt, bleibt die Pflanze doch nicht unfruchtbar: die Blüten, die sich bei den ersten Strahlen der Morgensonne Öffnen, schließen sich bereits am Nachmittage wieder, indem die Blumenblätter die zusammengedrehte Haltung einnehmen, die sie in der Knospe hatten; dabei kommen aber Narben und Staubbeutel in innige Berührung, so daß Selbstbestäubung eintritt. An naßkalten Tagen und bei Regenwetter öffnen sich die Blüten gar nicht. 3. a) Die Frucht wird bis zur Reife vom Kelche umhüllt. Sie ist eine kugelige Kapsel („Flachsknoten“), die in jedem der 5 Fruchtfächer 2 Samen enthält. Die Fächer sind aber durch eine unvollständige Scheidewand nochmals geteilt, so daß scheinbar 10 einsamige Fächer vorhanden sind. Bei der Reife öffnen sich die Kapseln entweder mit einem knackenden Geräusch oder sie bleiben geschlossen, so daß die Samen durch Ausschlagen gewonnen werden müssen. Ersteres ist bei dem kleinern „Klang- oder Springlein“, letzteres beim größern „Schließ- oder Dreschlein® der Fall. Da wildwachsende Pflanzen ihre Samen aus- streuen, ist die zweite Spielart ohne Zweifel eine vom Menschen noch mehr veränderte Form als die erste. b) Befeuchtet man die glatten, bräunlichen Samen, so wird die Oberfläche bald in hohem Grade klebrig.. Bei der Aussaat verkittet infolgedessen der Same mit dem Boden, so daß das Keimen sicher von- statten gehen kann. Des Schleimes wegen benutzt man die Samen auch in der Heilkunde (zu Tee und Umschlägen). Besondere Bedeutung er- halten sie aber durch den großen Reichtum an dem fetten Leinöl, das ausgepreßt zur Herstellung von Ölfarben, Druckerschwärze, Seife u. dgl., besonders aber zur Bereitung der Korkteppiche verwendet wird, die als Linoleum allgemein bekannt sind. B. Der Lein als Gespinstpflanze. 1. Die Flachsfasern. Zerreißt man einen Flachsstengel, so schauen aus den Rißstellen (ähnlich wie beim Durchreißen der Blattstiele des Wegerichs) dünne Fäden hervor. Betrachtet man einen solchen Faden unter dem Mikroskope, so gibt er sich als aus zahlreichen Zellen bestehend zu erkennen. Die Zellen sind sehr lang (bis 4 cm), mit den zugespitzten Enden gleichsam inein- ander gekeilt und so diekwandig, daß ihr Innenraum nur noch als eine dunkle Linie erscheint. Sie bilden daher nicht nur sehr lange, sondern auch sehr feste Stränge, die man als Flachsfasern oder — da sie in dem (zwischen Rinde und Holz befindlichen) Bast eingelagert sind — als Bastfasern bezeichnet. Infolge der Länge und Festigkeit eignen sich die 106 Leingewächse. Fasern vortrefflich zur Herstellung von Geweben und machen den Lein zu einer der wichtigsten Gespinstpflanzen. 2.’Die Gewinnung der Flachsfasern geschieht nun von alters her in folgender Weise: Sobald die Stengel anfangen gelb zu werden, rauft man die Pflanzen aus dem Boden und beseitigt („riffelt“) die Samenkapseln mit Hilfe eiserner Kämme. Bündelweis legt man die Pflanzen sodann in stehendes oder langsam fließendes Wasser, oder man breitet sie auf Feldern und Wiesen aus und überläßt sie einige Wochen dem Regen und Tau. In den durchfeuchteten Pflanzenteilen tritt unter Einwirkung von Spaltpilzen bald eine Gärung ein: die Rinde und die weichen Bastteile werden zerstört, so daß sich die Flachsfasern leicht abziehen lassen. Nachdem dieser Vorgang, der als das „Rösten“ des Flachses bezeichnet wird („Wasser- und Tauröste“), beendigt ist, kommt es noch darauf an, den Holzkörper zu beseitigen. Zu diesem Zwecke werden die Stengel zunächst getrocknet („gedörrt“) und sodann gebrecht, d. h. das mürbe gewordene Holz wird durch besondere Vor- richtungen (Flachsbreche) in kleine Stücke zerbrochen. Die somit frei- gewordenen Flachsfasern, die aber noch netzförmig miteinander verbunden sind, werden nunmehr durch Schlagen mit einem schwertförmigen Holze („Schwingen“) von den anhängenden Holz- und Rindenteilchen befreit und endlich durch die Zähne einer Hechel gezogen. Hierdurch wird das Netzwerk in einzelne Stränge zerrissen; die langen Fasern erhalten eine gleichmäßige Lage und werden von den kurzen Fasern, dem Werg oder der Hede, getrennt. 3. Die Verwendung der Flachsfasern. Schon seit undenklichen Zeiten hat der Mensch verstanden, die Bastfasern des wahrscheinlich aus dem Mittelmeergebiete stammenden Leines zu Garn zu spinnen und Lein- wand daraus zu verfertigen. Jahrtausende hindurch bediente man sich zum Spinnen der Handspindel. Sie mußte dem um das Jahr 1530 er- fundenen Spinnrade weichen, das in der Gegenwart wieder von sinnreich konstruierten Spinnmaschinen fast völlig verdrängt worden ist. Wie diese Maschinen ein billigeres Garn liefern, als es mit Hilfe des Spinnrades möglich ist, so vermag auch der alte Handwebstuhl den Wettbewerb mit den mechanischen Webstühlen der Fabriken nicht auszuhalten. Da die Leinwand der billigern Baumwolle immer mehr Platz macht, so ist auch der Flachsbau stark zurückgegangen, und jetzt schon gibt es weite Be- zirke, in denen das schnurrende Spinnrad und das blaue Flachsfeld nur noch von Hörensagen bekannt sind. — Von den zahlreichen Leinwand- sorten, die man herstellt, seien hier bloß genannt: der Zwillich und der Drillich oder Drell, das sind — wie schon die Namen sagen — Zeuge, die mit 2 bzw. 3 schräg verlaufenden Fäden gewebt sind; sehr feines Leinen nennt man Batist; das stärkste ist das Segeltuch. Das minderwertige Werg verwendet man zur Füllung von Polstern, sowie. zur Herstellung von Stricken und Packleinwand. Aus unbrauch- bar gewordenen Leinengeweben (Lumpen) bereitet man das beste Papier. Orangengewächse. 107 34. Familie. Orangengewächse (Rutäceae'). Aus den Küstenländern und von den Inseln des Mittelmeeres kommen in jedem Jahre riesige Mengen von Zitronen und Orangen zu uns. Die geschätzten Früchte entstammen Bäumen, die sich von dem östlichen Asien aus über alle wärmern Erd- striche verbreitet haben und bei uns gern in Treib- häusern (Orangerien) ge- halten werden. Die Pflanzen besitzen immergrüne Blät- ter, die gleich denen des Efeus von lederartiger Be- schaffenheit sind. Wie der Efeu infolge dieser eigen- artigen Blätter der „Winter- dürre“ unsrer Breiten zu trotzen vermag, so wider- stehen diese Bäume leicht der Trockenheit, die im Mittelmeergebiete fast die ganze warme Jahreszeit hindurch ununterbrochen anhält. Der milde, regne- rische Winter ist für sie keine „Trockenzeit“, Sie können daher im Gegensatz zu den meisten Laubbäumen der weiter nördlich gelege- nenLänder ihreBlätter auch während der kältern Monate Blühender Zweig der Oran ge mit einer noch nicht völlig ent- ohne jede Gefahr behalten. wickelten vorjährigen Frucht. Daneben eine Blüte in nat. Gr. Die Zitrone ist die Frucht des Zitronenbaumes (Citrus medica®), der meist etwa die Größe und das Aussehen eines kleinern Pflaumenbaumes besitzt. Das flüch- tige Öl der Zitronenschale dient besonders als Gewürz. Eine ähn- liche Verwendung findet auch das saure Frucht- fleisch, dessen durststillender Saft namentlich zur Herstellung von Limonade gebraucht wird (die Zitrone heißt italienisch „Limone“). Die kopfgroßen Früchte einer Spielart geben, mit Zucker zubereitet, das Zitronat.— Der Urangen- baum (C. auräntium®) wird besonders in zwei Spielarten angebaut. Die eine liefert die Po- meranze oder bittere Orange, die andre die Apfelsine oder süße Orange. Die Po- meranze wird zur Bereitung von Likören und zur Gewinnung eines wertvollen Öles benutzt, das in der Parfümerie Verwendung findet. Die Apfelsine (d.i. Apfel aus China oder Sina, weil der Baum von dort nach Europa gekommen ist) wird als wohlschmeckendes Obst überall hoch- geschätzt. Aus den weißen, stark duftenden Teil vom Fruchtstande des Götter- baumes. Eine Frucht hat sich ab- gelöst und fällt. da ihre Flügel schwach ß S hraubi dreht sind, wie die Teil- 1) nach einem Gliede der Familie (ruta, Raute) OL ES E Sn Schraul : benannt. 2)eitrus, Zitronenbaum ; medieus,ausMedien frucht des Alıorns in Schraubenwin- stammend. 3) aurantiwm stammt aus dem Indischen. dungen zum Boden herab. 108 Orangengewächse. Roßkastaniengewächse. Blüten beider Spielarten gewinnt man ein flüchtiges Öl, das bei der Herstellung von wohlriechenden Wässern eine sehr wichtige Rolle spielt. — In großen Mengen werden bei uns auch die kleinern, als Mandarinen bezeichneten Früchte eines andern Baumes (C. nobilis!) eingeführt. Glieder nahestehender Familien sind: der Mahagonibaum (Swiet£enia?), der das bekannte wertvolle Holz liefert und sich in den Urwäldern des heißen Amerika findet, der Cedrelabaum (Cedrela?) Brasiliens. aus dessen wohlriechendem Holze man die Zigarren- kisten herstellt, und der Götterbaum (Ailänthus glandulösa®) aus China und Japan, der in unsere Parks eingewandert ist und doppelt geflügelte Früchte besitzt (s. Abb. S. 107). An dieser Stelle wäre auch die zierliche Kreuzblume (Polygala vulgäris’) zu er- wähnen, die häufig an trocknen Stellen vorkommt. Statt der kleinen Blumenkrone, die als Schutzorgan des Stempels und der Staubblätter dient, suchen die großen, blauen, roten oder weißen Kelchblätter, Bestäuber herbei zu locken. 35. Familie. Roßkastaniengewächse (Hippocastanäceae®). Die Roßkastanie (Aesculus hippocästanum®). Taf. 15. A. Die Roßkastanie und der Mensch. Obgleich die Roßkastanie erst vor etwa 300 Jahren ihren Einzug in Europa gehalten hat, weiß man doch nicht genau, woher sie stammt. Die Gebirge Nord-Griechen- lands, in denen man sie in großen Beständen antrifft, können kaum ihre Heimat sein; denn dann wäre sie dem kunstsinnigen Volke der alten Hellenen sicher nicht unbekannt geblieben. Heutzutage findet man den prächtigen Baum, der eine Höhe von mehr als 20 m erreichen kann, bei uns fast überall da, wo Menschen wohnen. Wegen des schnellen Wachstums, des dichten Schattens der mächtigen Krone und der herrlichen Blütensträuße, die wie Weihnachtskerzen in die Frühlingspracht leuchten, pflanzt man ihn hier in Alleen oder in Gärten und Anlagen, dort auf öffentlichen Plätzen und auf dem stillen Friedhofe an. Schneidet man einen Zweig ab, so erkennt man schon, wie weich das Holz des Baumes ist. Es kann daher wie das Lindenholz fast nur zu Schnitzarbeiten verwendet werden. Die bittern Samen (Kastanien) dienen zumeist nur als Winterfutter für die hungernden Hirsche, Rehe und Wildschweine. B. Die Knospen. 1. Wenn im Herbste die Blätter fallen, stehen bereits die Knospen in den Blattwinkeln. Öffnet man eine solche, so hat man zuerst eine Anzahl schuppenförmiger Blätter zu ent- fernen, von denen die äußern pergamentartig hart und braun sind. Das- selbe gilt auch von den innern Blättern, soweit sie sich nicht decken. Alle sind durch eine harzige Masse verklebt und halten um so fester zu- 1) nobilis, edel. 2) nach dem Botaniker Swieten (f 1772) benannt. 3) Aus kedros, Zeder und eläte, Tanne gebildet. 4) ailanthus nach dem auf den Molukken gebräuchlichen Namen ailando; glandulosus, mit Drüsen (Blattrand!). 5) polygala: poly, viel und gdla, Milch (Pfl. soll als Futter viel Milch geben?); vulgaris, gemein. 6) aesculus, eigentl. Wintereiche; hippocastanum: hıppos, Roß und kästanon, Kastanie. reifem Griffel. 7. Blüte mit reifen Staubblättern. 8. Blüte, von einer Hummel besucht. 9. Frucht, ein Stück der Fruchtwand ist herausgeschnitten. kon Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. Roßkastanie (Aesculus hippocastanum). Roßkastaniengewächse. 109 sammen, als sie zum großen Teile mit zottigen Härchen bedeckt sind. Durehschneidet man eine Knospe, so sieht man, eine wie starke und feste Hülle diese „Knospenschuppen“ um den jungen Trieb im Innern der Knospe bilden. Die einzelnen Teile des Triebes sind in dem engen Raume fest zusammengelegt. Bei einiger Vorsicht (und mit Hilfe einer Nadel!) gelingt es aber, sie voneinander zu trennen. Wir haben dann einen winzigen Zweig mit Blättern (Laubknospen) oder mit Blättern und Blüten (Blütenknospen) vor uns, der ganz von seidenartigen Haaren umhüllt ist. Die Natur hat also den jungen Trieb so fest und sicher „verpackt“, wie wir dies mit zerbrechlichen Gegen-tänden tun. a) Der junge Trieb ist ein ungemein zartes Gebilde Da er aber von einer festen Hülle umgeben ist, deren Schuppen zudem noch verklebt sind, so können ihn die Winterstürme nicht zerzausen, und es vermag kein Wasser (Regen, Tau, Reif, Schnee) bis zu ihm vorzudringen oder sich gar zwischen seinen Teilen anzusammeln. Gefrierendes Wasser würde ihn aber unbedingt zerstören. b) Um Rosen- und Weinstöcke gegen das Erfrieren zu schützen, bedecken wir sie zumeist mit schlechten Wärmeleitern (Erde, Stroh, Laub u. dgl). Da in einem strengen Winter der Erdboden selbst in unsern Breiten !/; m und noch tiefer fest gefriert, so kühlen sich auch die „eingeschlagenen“ Pflanzen oft weit unter 0° ab. Trotzdem erfrieren sie aber viel seltener als nieht umhüllte Pflanzen. Diese Tatsache hängt un- zweifelhaft damit zusammen, daß bei ihnen das Gefrieren und Auftauen verhältnismäßig langsam erfolgen. Besonders wichtig erweisen sich solche Hüllen aber für das zeitige Frühjahr, weil dann die Bäume und Sträucher bereits aus dem „Winterschlafe erwacht“ sind, und — wie jeder Weiden- zweig erkennen läßt — die Säfte in ihnen emporzusteigen beginnen. Wenden wir dies auf die Knospen der Roßkastanie an, so müssen wir sagen, daß der in ihnen eingeschlossene junge Trieb bei strenger Kälte trotz Schuppenhülle und Haarkleid sicher unter O° abgekühlt wird, daß diese Mittel aber wohl imstande sind, die Temperaturschwankungen in der Knospe zu verlangsamen und die schwachen Frühjahrsfröste abzuhalten. c) Welche dritte Bedeutung die Hülle hat, lehrt folgender einfache Versuch: Man schneide 2 noch festgeschlossene, gleich große Knospen an der Ansatzstelle ab, entferne von der einen sämtliche Knospenschup- pen und lege beide in ein Zimmer. Ist das Zimmer geheizt, so wird man schon nach wenigen Tagen die Knospe ohne Schuppen vollkommen vertrocknet, die andre aber noch völlig unverändert finden. Dies ist ein deutlicher Beweis dafür, ein wie wichtiges Schutzmittel gegen zu starken Verlust des in der Pflanze enthaltenen Wassers die Hülle ist. Da die Schuppen verklebt und die Außenschuppen zudem pergament- artig sind, ist der Abschluß des jungen Triebes fast luftdicht. Dies ist aber um so wichtiger, als die Wurzeln des Baumes während der Winter- monate nicht imstande sind, aus dem stark abgekühlten oder gar ge- frorenen Boden Wasser aufzusaugen. 110 Roßkastaniengewächse. 2. Ende April oder Anfang Mai beginnt die Knospe sich nach langer Winterruhe zu öffnen. Schon vorher ist sie stark angeschwollen und trieft von Harz. Die innern, grünen Knospenschuppen haben sich mit dem wachsenden Triebe stark in die Länge gestreckt und schützen ihn weiter gegen die Unbilden der Witterung. Endlich brechen sie aus- einander, und wie der Schmetterling aus der Puppenhülle drängt sich der junge Trieb zum Lichte empor. Der Umstand, daß jetzt die harzige Masse in großer Menge ab- geschieden wird, deutet darauf hin, daß sie nicht nur — wie bisher an- genommen — ein Klebmittel ist. Sie überzieht das Ganze wie ein Firnis, schließt den jungen Trieb somit von der Außenwelt ab und schützt ihn infolgedessen gegen eine zu starke und zu schnelle Abgabe des Wassers, oder kurz: gegen das Vertrocknen. Auch wenn sich die Knospe bereits zu öffnen beginnt, sind die stark vergrößerten Knospenschuppen noch nicht bedeutungslos. Sie halten den Anprall des Windes und die austrocknenden Sonnenstrahlen von dem jungen Triebe ab, sind also für das überaus zarte Gebilde Wind- und Sonnenschirm zugleich. Ist der junge Trieb den Schuppen aber „über den Kopf gewachsen“, so haben diese keine Bedeutung mehr: sie fallen ab und lassen am Grunde des Jahrestriebes eine ringförmige Narbe zurück. C. Die Blätter. 1. Das junge Blatt weicht in seinem Aussehen von dem völlıg entwickelten erheblich ab: es ist — wie bereits erwähnt — mit weißen oder gelblichen Haaren bedeckt; seine Einzelblättchen sind in der Mittelrippe zusammengefaltet und treten senkrecht aus der Knospe hervor; dann breiten sie sich aus, hängen aber noch eine Zeitlang schlaff herab. Endlich nimmt das Blatt die Lage der ausgebildeten Blätter ein, und kurze Zeit darauf sind von dem Haarkleide nur noch in den Aderwinkeln an der Unterseite Spuren zu finden. a) Feuchtet man 2 gleich große Schwämme gleich stark an, um- wickelt sodann den einen mit einem Tuche und legt beide endlich an die- selbe Stelle in das Freie oder in das Zimmer, so findet man, daß der in das Tuch geschlagene weit länger feucht bleibt als der andre. Wie geht dies zu? Aus beiden Schwämmen entweicht Wasser in Dampfform, so daß beide bald von einer feuchten Luftschicht umgeben sind. Bei dem eingehüllten Schwamme wird die feuchte Luftschicht zwischen den Fäden des Tuches und den einzelnen Teilen der Fäden gleichsam festgehalten, erneuert sich also nur sehr langsam. Bei dem andern Schwamme da- gegen entweicht der Wasserdampf ungehindert ins Freie; infolgedessen muß die eingesogene Wassermasse auch viel schneller verdunsten als die des eingehüllten Schwammes. (Genau dasselbe findet auch bei 2 sonst gleichen Blättern statt, von denen das eine kahl und das andre mit Haaren bedeckt ist. In der Behaarung der jungen, sehr zarten Kastanien- blätter haben wir also ein Schutzmittel gegen zu starke Wasser- abgabe vor uns. Roßkastaniengewächse. #11 b) Die gefalteten jungen Einzelblätter der Roßkastanie bieten ferner dem Winde eine viel kleinere Verdunstungsfläche dar, als wenn sie ausgebreitet wären. c) Die Sonnenstrahlen (S) treffen zur Mittagszeit — also wenn sie am kräftigsten wirken — das senkrecht aus der Knospe hervortretende (ab) oder später senkrecht nach unten hängende Blatt (ac) unter viel spitzerem Winkel als das vollkommen ausgebildete, das zu den einfallen- den Sonnenstrahlen schräg gestellt ist (ad). Nun wissen wir aber, daß die Sonnenstrahlen einen Körper um so stärker erwärmen, je steiler sie auf ihn fallen. So schmilzt z. B. die Mittagssonne den Schnee auf dem schrägen Dache, während sie ihn auf dem wagerechten Erdboden unverändert läßt. Ein |. senkrecht gestelltes Blatt kann zur Mittagszeit also nicht in dem Grade erwärmt werden wie ein wage- recht oder schräg gestelltes; daher wird es auch nicht soviel Wasser verdunsten wie jenes. Also: alle drei Einrichtungen laufen in erster Linie darauf hinaus, die Wasserdampfabgabe des jungen Blattes möglichst zu beschränken. Wenn wir beden- Er ken, wie leicht junge Blätter welken, werden wir auch e die Bedeutung dieser Schutzeinrichtungen verstehen; denn verwelken bedeutet für das Blatt — den Tod! d) Daß die Behaarung — wie wir oben erkannt haben — außerdem eine zu schnelle Abkühlung der jungen Blätter verhindert, und daß die gefalteten, schlaff herabhängenden Gebilde weit weniger der Gefahr ausgesetzt sind, durch die schweren Tropfen eines Platzregens zer- stört zu werden, als wenn sie ausgebreitet und wagerecht oder schräg abwärts gerichtet wären, ist leicht einzusehen. Je mehr die jungen Blätter erstarken, desto mehr verschwinden auch die nunmehr überflüssig werdenden Schutzmittel. 2. Das ausgebildete Blatt. In unsrer Heimat finden wir, abge- sehen von dem Walnußbaume, keinen zweiten Baum mit so auffallend großen Blättern wie die Roßkastanie. Daher wirft die Krone auch einen so tiefen Schatten, daß unter ältern Bäumen nicht einmal mehr das ge- nügsame Gras gedeiht. a) Die meist nur am Ende beblätterten Zweige drängen sich nach außen, dem Lichte entgegen, so daß eine breite, weitausgreifende Krone entsteht. Besäße der Baum eine hohe, pyramidenförmige Krone wie etwa die „lichte“, locker belaubte, kleinblättrige Birke, dann würden die obern Blätter den untern das zum Leben durchaus notwendige Licht rauben. b) Jedes Blatt ist aus meist 7, am Rande gezähnten Einzelblät- tern zusammengesetzt, durch deren Lücken selbst auf tiefer gestellte Blätter noch ab und zu Lichtstrahlen fallen. Die Einzelblätter stehen am Ende eines langen Stieles wie die Finger an der Hand (gefingertes > # ‚ 112 Roßkastaniengewächse. Blatt) und sind meist etwas schräg nach unten geneigt. Da alle, ohne sich auch nur im mindesten zu decken, rings um das Ende des Blattstieles ausgebreitet sind, und sie sich zudem nach dem Grunde zu keil- förmig verschmälern, machen sie sich gegenseitig nicht das belebende Sonnenlicht streitig. c) Das gleiche ist auch an den Blättern zu beobachten, wenn man sie als Ganzes betrachtet: je 2 stehen sich am Zweige gegenüber; jedes Blattpaar bildet mit dem vorhergehenden und nachfolgenden ein Kreuz; die einzelnen Blattpaare sind meist auseinander gerückt (lange Stengel- glieder), und die Endblätter der Zweige sind stets viel kleiner und viel kürzer gestielt als die weiter unten am Zweige stehenden. Infolge dieser Verhältnisse werden an senkrechten Zweigen — wie deutlich zu sehen ist — sämtliche Blätter belichtet. An wagerechten Zweigen ist die Blattstellung natürlich dieselbe. Biegt man aber einen senkrechten Zweige der Roßkastanie: 1. senkrechter Zweig, von der Seite gesehen; 2. wagerechter Zweig, von oben gesehen (verkl.). Zweig so weit herab, daß er wagerecht zu liegen kommt, so stellen die nach oben gerichteten Blätter die untern in den Schatten, eine Tatsache, die für wagerecht gerichtete Zweige durchaus ungünstig wäre. An ihnen ist die Stellung jedoch in auffallender Weise „korrigiert“: Die Blätter legen sich oft genau in eine Ebene; die von der Zweigspitze entfernteren Blätter rücken ihre Blattflächen auf sehr langen Stielen aus dem Schat- tenbereiche in das Licht, und alle Blätter des Zweiges ordnen sich oft überaus regelmäßig so an, daß keins von dem andern beschattet wird. Die Blätter schräger Zweige nehmen im Vergleich zu denen senkrecht und wagerecht stehender die mannigfachsten Zwischenstellungen. ein; kurz: überall sehen wir, wie sich die Blätter zum Lichte drängen und stets dorthin stellen, wo sie am meisten von den Sonnen- strahlen getroffen werden. (Sehr deutlich sind diese Erscheinungen an Zweigen zu beobachten, die aus einem Baumstumpfe hervorgehen, an sog. „Stockausschlag“.) Roßkastaniengewächse. 113 3. Beim herbstlichen Laubfalle lösen sich die Einzelblätter von den Stielen und diese von den Zweigen. Die Narben, die die Blattstiele an den Zweigen zurücklassen, haben die Form eines Pferdehufes, und die Narben der Gefäßbündel, die sich in die Adern der Einzelblätter fort- setzen, kann man als die Nägel des kleinen Hufes deuten. (Daher trägt der Baum vielleicht den Namen Roßkastanie. Vgl. auch S. 114, E.) D. Die Blüte. 1. Blütezeit. Da an dem jungen, in der Knospe liegenden Triebe die Blüten bereits ausgebildet sind, so wundert es uns nicht, daß die Roßkastanie schon kurz nach dem Entfalten ihrer Blätter in voller Blütenpracht dasteht. 2. Die jungen Blüten verlieren wie die Blätter bald das schützende Haarkleid; nur an den Blütenstielen bleiben Überreste davon zurück. Auch der fünfzipflige Kelch, der vordem die Blüte ganz umschloß, bei ihrem Öffnen aber seine Aufgabe erfüllt hat, fällt meist ab. 3. a) Die entfaltete Blüte macht sich durch die 5 ungleich großen, weißen Blumenblätter, die mit einem anfänglich gelben, später roten Flecke geziert sind, weithin kenntlich. Diese Auffälligkeit wird noch dadurch erhöht, daß die Blüten große, pyramidenförmige Sträuße bilden, die stets an der Außenseite der Krone stehen und sich prächtig von dem grünen Hintergrunde abheben. b) Zwitter- und Staubblüten. Untersucht man die einzelnen Blüten eines Blütenstraußes, so findet man, daß nur wenige von ihnen neben (meist) 7 Staubblättern einen wohl ausgebildeten Stempel be- sitzen (Zwitterblüten). Bei allen andern ist der Stempel verkümmert (Staubblüten).. Wenn man bedenkt, wie groß und schwer die Früchte der Roßkastanie sind, wird man diese Erscheinung leicht verstehen: Würde aus jeder Blüte eine Frucht hervorgehen, so müßten die Zweige unter der Last brechen. Hiermit hängt auch zusammen, daß sich die fruchtbaren Blüten stets nur im untern Teile der Blütenstände finden. c) Bestäubung. Die unfruchtbaren Blüten sind aber nicht etwa ohne Bedeutung: sie helfen den Blütenstand vergrößern und liefern, da sie sich stets zuerst entfalten, Blütenstaub für die Narben der fruchtbaren Blüten. Die Narbe ist das zugespitzte Ende des langen Griffels, der weit aus der Blüte hervorragt. Die erst später reifenden Staubbeutel dieser Blüten sind jetzt noch nach unten geschlagen, werden später aber emporgehoben, so daß sie genau die Stelle der Narbe einnehmen. Da nun beide — die Narbe und die geöffneten Staubbeutel — weit vor der Blütenöffnung stehen, können sie auch nur von größern Insekten beim Saugen des Honigs berührt werden. Besonders Hummeln, die die Griffel und Staubblätter als bequeme „Sitzstangen“ benutzen (vgl. mit dem An- flugbrette am Taubenschlage!), tragen den Blütenstaub an der Unterseite ihres Hinterleibes von einer Blüte zur andern und vermitteln somit die Bestäubung. Alle die Insekten, die den Honig auf andre Weise zu er- langen suchen, sind unnütze Näscher. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 8 114 Robkastaniengewächse. Ahorngewächse. Der Honig wird im obern Teile des Blütengrundes abgeschieden. Er ist durch die wagerechte Stellung der Blüte und den Haarbesatz, der sich an Blumen- und Staubblättern findet, gegen Regen geschützt. E. Die Frucht. Der Fruchtknoten zeigt im Querschnitte 3 Fächer mit je 2 Samenanlagen, von denen sich aber nur eine oder zwei zu Samen entwickeln. Bei der Reife löst sich die Frucht vom Stiele, die grüne, fleischige und mit spitzen Stacheln bedeckte Fruchthülle zer- springt in 3 Stücke und die Samen werden frei. Die großen, „kastanien- braunen“, glänzenden Gebilde besitzen je einen hellen Fleck, d.i. die Stelle, an der sie mit der Fruchthülle verwachsen waren. Wegen der Ähnlichkeit der Samen mit denen der edlen Kastanie heißt unser Baum „Kastanie“. „Roßkastanie” nennt man ihn wahrscheinlich, weil seine Samen für uns ungenießbar sind (s. auch Meerrettich). = \ Eine nahe Verwandte ist die rote Kastanie (A. pavia'), die gleichfalls häu- fig als Zierbaum ange- pflanzt wird. ° Sie stammt aus Nordamerika, hat schmutzig-rote Blüten und unbestachelte Früchte. 36. Familie. Ahorn- gewächse(Aceräceae?). Der Spitzahorn (Acer platanoıdes’?). DerSpitzahorn kommt vereinzelt in den Wal- dungen der Ebenen und Mittelgebirge unse- rer Heimat vor und wird seines festen, zähen Holzes wegen überall hochgeschätzt. Besonders gern aber pflanzt man ihn als Alleebaum an. Den Artnamen führt er von den schön geformten Blättern, deren 5—7 Lappen in feine Spitzen 2 ausgezogen sind, und 3ergahorn. die dadurch denen der 1) pavia, nach dem Botaniker Paw in Leyden benannt (} Mitte des 17. Jahrh.). 2) acer, Ahorn; platanoides: plätanos, Platane und -eides, ähnlich oder -artig. . Ahorngewächse. 1:15 Platane sehr ähnlich werden. Die Blüten sind trotz der unscheinbaren, gelbgrünen Färbung doch auffällig; denn sie öffnen sich vor der Entfal- tung des Laubes und stehen in großen, aufrechten Sträußen beieinander. An dem Fruchtknoten bilden sich nach dem Frucht vom | Spitzahorn. Verblühen 2 kleine Er- Teilfrüchtehen voneinan- | Frucht des linken Frücht- \ chens geöffnet, um den Samen zu zeigen. hebungen, die allmäh- der getrennt, aber noch an i . den Stielchen hängend. lich zu großen Flügeln auswachsen. Bei der Reife spaltet sich die Frucht in 2 Teile, die in dem angeschwollenen innern Abschnitte je einen Samen enthalten. Fallen die Teilfrüchte von dem Baume herab, so geraten sie, wie ein Versuch leicht zeigt, gleich Windmühlenflügeln in kreisende Bewegung und sinken infolgedessen viel langsamer (etwa vier- mal so langsam) zum Erdboden herab als ein gleichgroßer und gleich- schwerer ungeflügelter Körper. Da sie auf diese Weise lange in der Luft schweben, können sie um so eher von einem Wind- stoße erfaßt und verweht wer- den. Infolge der Flugausrüstung werden also die verhältnis- mäßig schweren Samen des Ahorns, die sonst sämtlich unter den Baum fallen würden, über einen großen Bezirk ausgestreut, so daß sıch die Keimpflanzen weder Raum, noch Licht und Nahrung streitig machen. Eine solche Aussaat findet aber nur statt, wenn die Samen aus grö- Berer Höhe herabfallen. Daher ist sie auch nur bei Bäumen zu beobachten. Bei näherer Be- trachtung findet man auch, dab 9 die Flügel ihrer Aufgabe ent- Blätter der bekanntesten Ahornarten: sprechend äußerst „zweckmäßig“ 1. Spitzahorn, 2. Bergahorn, 3. Feldahorn (verkl.). gebaut sind: Sie sind nämlich sehr groß, auffallend leicht und trotz- dem überaus fest. Infolgedessen bieten sie dem Winde erstlich eine große Angriffsfläche dar, können von ihm zweitens leicht weit verweht werden und widerstehen drittens seinen zerstörenden Angriffen. Letzteres 116 Ahorngewächse. verdanken sie besonders einer verstärkten Randleiste, mit der die schraubenförmig sich drehende Frucht die Luft durchschneidet, eine Einrichtung, die sich ähnlich auch beim Vogel-, Insekten- und Wind- mühlenflügel wiederfindet. Der Bergahorn (A. pseudoplätanus!; s. Abb. S. 114) ist, wie schon sein Name sagt, ein Gebirgsbaum. Er bildet in den Alpen größere Bestände und ist in Parkanlagen überall häufig anzutreffen. Sein weißes, festes Holz wird besonders hochgeschätzt. Die 5 Lappen der Blätter sind grob gesägt und enden in stumpfe Spitzen. Die stark duftenden Blüten stehen in hängenden Trauben und öffnen sich erst nach der Laub- entfaltung. — Der Feldahorn (A. campestre?) kommt in Feldgehölzen, in Wald und Gebüsch als Baum und Strauch vor. Seine ver- hältnismäßig kleinen, fünflappigen Blätter sind ganzrandig. — In Anlagen ist sehr häufig eine Ahornart anzutreffen, die wie die Esche gefiederte, zumeist aber weißbunte oder gelbbunte Blätter be- : sitzt. Dieser als Eschen-Ahorn (Negundo negündo) bezeichnete Zierbaum stammt aus Nordamerika. J Glieder nahestehender Familien. Ein weit verbreiteter Strauch der Gebüsche und Hecken ist das Pfaffenhütlein (Evönymus europ&us®). Sein Name rührt von den rosafarbenen Fruchtkapseln her, die geöffnet einıge Ähn- lichkeit mit den viereckigen Hüten der katholischen Geist- lichen haben. Die Auffällig- keit der an sich schon auf- fälligen Früchte wird noch dadurch erhöht, daß die orangefarbenen Samen, an kleinen Fäden hängend, aus den Kapseln hervortreten. Die breiige Hülle des Samens, der Samenmantel, ist für das Rotkehlchen eine beliebte Speise („Rotkehlchenbrot“). Ja, es steht sogar fest, daß die Verbreitung der Pflanze mit der des Vogels genau überein- stimmt. — Die Stechpalme (llex aqui- folia?) ist ein beliebter Zierstrauch unsrer Anlagen, der in den Wäldern an der westlichen Ostseeküste, sowie Pfaffenhütlein, fruchttragender Zweig. an der Nordsee und im Rheingebiete gegenwärtig noch wild angetroffen wird. Ihren Namen hat die schöne Pflanze da- durch erhalten, daß die immergrünen, lederartigen Blätter der untern Zweige in stachelige Spitzen ausgezogen sind, und daß man in den Alpenländern die Äste am Palmsonntage an Stelle von „Palmenzweigen“ verwendet. Die leuchtend roten Beeren heben sich von dem dunklen Laube prächtig ab. Eine andre Art der Gattung liefert den Paraguaytee oder Mat&, der in einem großen Teile von Südamerika 1) pseudoplatanus: pseudo-, täuschend und platanos, Platane. 2) campester, auf dem Felde wachsend. 3) Indischer Name. 4) evonymus: eu (ev), gut und önymus, benannt (der Name wahr- scheinlich wie euphorbia, S 33, Anm.4 zu erklären); europeus, europäisch. 5) lex, die Steineiche, eine Pilanze des Mittelmeergebietes mit ähnlichen Blättern; agqwifolius aus acrifolius entstanden: äcer, scharf und fölium, das Blatt. Weinrebengewächse. 117 Volksgetränk ist. — In Parkanlagen bilden die Essigbäume (Rhus'), deren Blätter im Herbste ein leuchtendes Rot zeigen, einen beliebten Schmuck. Der Milchsaft mehrerer japanischer Arten dient zur Bereitung des berühmten japanischen Lackes. 37. Familie. Weinrebengewächse (Vitäceae?). Der Weinstock (Vitis vinıfera’?). 1. Heimat und Verbreitung. Die Heimat des Weinstockes glaubt man in den Ländern um das Mittelmeer gefunden zu haben. Vollkommen wild soll er heutzutage noch in den Wäldern von Westasien vorkommen, in denen er als üppig wuchernde Schlingpflanze bis zu den Kronen der höchsten Bäume emporsteigt. Auch die Weinstöcke, die man in den Uferwäldern der Donau und des Rheines antrifft, sollen wirklich wilde Pflanzen sein. Verwildert kommt die Rebe in allen Ländern vor, in denen Weinbau getrieben wird. Der köstlichen Früchte wegen hat der Mensch den Weinstock schon seit uralten Zeiten (Noah) in Pflege genommen und über einen großen Teil der Erde verbreitet. Als eine Pflanze wärmerer Gegenden meidet er sowohl den kalten Norden, als auch die heiße Zone. Etwa der 52. Breitengrad bildet in Deutschland die Grenze seines Gedeihens, und zwar vermag er bis zum 51. Grad herab meist nur an der Wand der Häuser, die von den Sonnenstrahlen stark erwärmt wird, seine Trauben zu reifen. Südlich von dieser Linie dagegen, am rebenumkränzten Rhein, an der Mosel und Ahr, am Main und Neckar, in Franken und Baden und an vielen andern Orten, bewohnt er das freie Feld oder den sonnigen Bergeshang. Dort, wo die Sonne kräftiger wirkt, wie in Südtirol, zieht man ihn in Form von Laubengängen; in der lombardischen Tiefebene umschlingt er den Maulbeerbaum, und noch weiter südlich klettert er an der Ulme und Pappel empor. Und wie in Deutschland und dem alten Weinlande Italien reift er seine köstlichen Früchte auch in Frankreich, in Spanien und Portugal, in der Schweiz, in Österreich und Ungarn, in Griechen- land und auf den Inseln des Mittelmeeres, in Rumänien und dem süd- lichen Rußland, in ganz Vorderasien, auf Madeira und im Kaplande, in Nordamerika und an vielen andern Orten der Erde. Ein so weit verbreitetes Gewächs lebt natürlich unter den ver- schiedensten Verhältnissen (Boden, Wärme, Feuchtigkeit, Pflege u. dgl.). Es tritt daher auch in einer großen Zahl von Spielarten oder Sorten auf, die sich besonders durch die Gestalt, Größe und Behaarung der Blätter, sowie durch die Form und Färbung der Beeren und die Größe der Trauben voneinander unterscheiden. 2. Wurzel. In den wärmern Ländern fällt während eines großen Teiles des Jahres und zwar in der Zeit, in der der Weinstock Blüten trägt und Früchte reift, meist kein Regen. Auch in unsern Weinbergen sind in den Spätsommer- und ersten Herbstmonaten die oberflächlichen 1) rhus, Essigbaum. 2) vitis, Weinstock; vinifer, Wein tragend. 11:8 Weinrebengewächse. Erdschichten oft in hohem Grade ausgetrocknet. Da aber die Wurzeln des Weinstockes weit in den Boden dringen, in Spalten festen Gesteines sogar 1—2 m tief hinabsteigen, so vermögen sie selbst während dieser Zeit genügend Wasser zu beschaffen. 3. Stamm und Äste (Reben) sind von einer graubraunen Borke bedeckt, deren abgestorbene Lagen in bandartigen Streifen abgestoßen werden. Wohl kann der Stamm bei hohem Alter baumartige Stärke erreichen, die Reben aber blei- ben stets verhältnis- mäßig schwach. Be- sonders gilt dies für die jüngsten Reben („Lotten*), die im Frühjahre aus braun- beschuppten Knospen hervorbrechen. Da der Jahrestrieb den gan- zen Sommer hindurch fortwächst, erreicht der wildwachsende oder verwilderte Weinstock auch ver- hältnismäßig schnell den besonnten Gipfel des Baumes, an dem er emporklettert. Der angebaute Weinstock hat diese Eigenschaft beibehalten undbildet nicht selten Jahres- triebe von 4 und mehr Meter Länge. Diese Triebe sind aber so | schwach, daß sie Blühende Rebe des Weinstockes. weder die eigene Last, noch die der Früchte zu tragen vermögen. Wir geben daher den baumartigen Stöcken, die wir an Wänden ziehen, ein Spalier, und den strauchartigen der Weinberge Stäbe oder dgl., an denen sie Halt und Stütze finden. Dem wildwachsenden oder verwilderten Weinstocke dagegen läßt niemand eine solche Pflege angedeihen. Er müßte am Boden liegen bleiben und würde bald von den benachbarten Pflanzen überwuchert und erstickt sein, wenn er nicht in den Ranken ein Hilfs- Weinrebengewächse. 119 mittel besäße, sich an andern, stärkern Pflanzen (Bäumen) anzuklammern, um auf diese Weise zum Lichte emporzudringen. 4. Die Ranken sind ihrer Aufgabe entsprechend fadenförmige Ge- bilde. In der Mitte besitzen sie gewöhnlich je ein Blättchen, aus dessen Achsel ein Seitenzweig hervorsproßt. Daher werden sie von dem Wein- oärtner auch als „Gabeln“ bezeichnet. Die Verzweigung kann sich aller- dings noch einmal, ja sogar mehrfach wiederholen. Die Ranken stehen wie die Blätter den Trauben gegenüber und tragen häufig einzelne Beer- chen, ein Zeichen, daß wir es in ihnen mit umgewandelten „Achsen“ von Blütenständen zu tun haben („Stengelranken‘). a) Betrachtet man ein Weinspalier, so findet man, daß alle Ranken sich nach der Wand, also dorthin wenden, wo eine Stütze zu finden ist. Dasselbe beobachtet man auch an jedem Stocke im Weinberge. Die Ranke ist also im Gegensatz zu den lichtliebenden Blättern ein licht- scheues Gebilde. b) Die Rankenäste bewegen sich wie die Uhrzeiger langsam, aber stetig im Kreise. Je mehr sie in die Länge wachsen. desto größer werden die Kreise, und desto größer wird auch die Möglichkeit, eine Stütze zu finden. Die Zeit, in der ein solcher Umlauf vollendet wird, ist je nach der Temperatur verschieden. Bringen wir der kreisenden Ranke ein Holzstäbchen in den Weg, so beobachten wir folgendes: Einige Stunden, nachdem die hakenartige Spitze oder eine andre Stelle des Astes den Stab berührte, hat ihn die Ranke einmal umwunden. Einige Stunden oder auch einen Tag später hat sich der Endteil des Astes weiter in sehr engen Windungen um die Stütze gelegt. Dasselbe erfolgt, wenn die Ranke einen andern Gegenstand, einen Zweig, einen Blattstiel oder dgl. erfaßt. Nach Verlauf einiger Tage hat sich der zwischen Stütze und Rebe ausgespannte Rankenteil korkzieherartig zusammengezogen. In- folgedessen wird die Rebe enger und fester an die Stütze gefesselt, und da die korkzieherartigen Ranken federn, vermag der Wind den Weinstock kaum von seinen Stützen loszureißen. Dies ist übrigens um so weniger möglich, als die anfangs sehr zarten Ranken später nicht nur stärker werden, sondern auch verholzen. Dadurch erhalten sie fast die Festig- keit von Eisendraht. Die Ranken aber, die keine Stütze ergreifen konn- ten, vertrocknen und fallen ab, ein Verlust, der für die Pflanze insofern nicht sonderlich ins Gewicht fällt, als an jeder Rebe eine größere An- zahl von Ranken gebildet wird. Dem untern Rebenteile fehlen die Ranken stets, er vermag sich auch ohne Hilfe dieser „Hände“ dem Lichte entgegen zu strecken. 5. Das Blatt ist von prächtiger Form, so daß es in der Kunst vielfache Verwendung findet. Durch 2 tiefere und 2 flachere Einschnitte ist es in 5 Lappen geteilt, in die je eine Hauptrippe vom Blattgrunde aus eintritt. Der Blattrand ist gesägt. 120 Weinrebengewächse. Obgleich die Blätter verhältnismäßig groß sind, rauben sie sich gegenseitig doch nicht das Licht: Sie stehen abwechselnd an der Rebe und sind in zwei Zeilen angeordnet. Außerdem nehmen sie eine ganz bestimmte Stellung zu den Sonnenstrahlen ein. Dies ist deutlich zu sehen, wenn die Reben angebunden werden. Durch diesen Eingriff wird das gesamte Blattwerk in „Unordnung“ gebracht, so daß der Stock struppig und unschön aussieht. Nach einigen Tagen aber schon ist die alte „Ordnung“ wieder hergestellt: die Blätter haben sich so ge- dreht, daß die Stiele wieder schräg aufwärts gerichtet und die Blatt- flächen schräg abwärts geneigt sind. Infolgedessen werden sie von den Sonnenstrahlen senkrecht getroffen, also unter einem Winkel, unter dem diese ihre größte Wirkung ausüben (s. S 111, e)). 6. Geize. In den Blattwinkeln bildet sich je eine Knospe, aus der noch in demselben Sommer ein Trieb, die sog. Geize, hervorgeht. Da dieser Trieb im Herbste zum Teil abstirbt und bei uns fast niemals „reifes“ Holz entwickelt, das der Winterkälte widerstehen könnte, wird er ent- fernt („geizen“). Auch sonst ist der Weingärtner das ganze Jahr hin- durch aufs eifrigste bestrebt, „jedes Blatt“ in den Vollgenuß von Licht und Luft zu setzen: er schneidet die unfruchtbaren Zweige ab, bindet die blühenden oder fruchttragenden Reben („Lotten“) fest und del. mehr. Am Grunde der Geize entsteht die Winterknospe, aus der im nächsten Jahre eine neue Rebe hervorgeht. 7. Die Blüten sind sehr klein und zu aufrecht stehenden Rispen ver- einigt, die in den Weingegenden „Gescheine“, sonst aber „Trauben“ ge- nannt werden. Solange sie sich im Knospenzustande befinden, erhebt sich über dem napfförmigen, fünfzipfligen Kelche je eine kleine Kappe oder Haube. Sie wird von den verwachsenen Blumenblättern gebildet und überdecktschützend die 5 noch eingebogenen Staubblätter und den flaschenförmigen Stempel, an dessem Grundesichdgelbe Ho- 5 en nigdrüsen vorfinden. 1: 2. 3 4, Öffnet ch Blüte des Weinstocks (vergr.), 1. geschlossen, 2. die B ue De 12 Blumenblätter werden abgeworfen, 3. entfaltet, Blüte, so bleiben die 4. Blütengrundriß. Blumenblätter eigen- tümlicherweiseinihrem obern Teile fest miteinander verbunden. Als Gebilde, die ihre Aufgabe er- füllt haben und für die Bestäubung nur hinderlich sein würden, werden sie jetzt beseitigt: sie lösen sich an der Ursprungsstelle los, werden als flache Hauben von den sich streckenden Staubblättern emporgehoben und schließlich abgeworfen. Übrigens wären die kleinen, grünen Blätter auch gar nicht imstande, die Aufmerksamkeit der Insekten zu erregen. Die Be- stäuber (Käfer, Fliegen und Bienen) werden vielmehr durch einen köstlichen Weinrebengewächse. 121 Duft angelockt. Vielfach fällt auch der Blütenstaub von selbst auf die Narbe derselben Blüte, ja es ist sogar beobachtet worden, daß sich die Staubblätter strecken und krümmen und infolgedessen mit Narben be- nachbarter Blüten in Berührung kommen. 8. Die Frucht des Weinstocks ist eine Beere von gelber, grüner, roter oder blauer Färbung. Sie ist mit einer abwischbaren Wachsschicht wie mit Reif überzogen (Schutz gegen Befeuchtung und damit verbundener Fäulnis, sowie gegen Verdunstung der Fruchtsäfte!) und enthält 1 bis 4 Samen. Durch das Gewicht der Beeren wird der anfänglich aufrechte Traubenstiel abwärts gezogen. a) Verbreitung. Die Pflanzen — und somit auch der Weinstock — erzeugen Samen, damit daraus neue Pflanzen (derselben Art) entstehen. Werden die Weintrauben vom Menschen verspeist oder sonstwie ver- wendet, so gehen die Samen zugrunde, ohne ihre Aufgabe erfüllt zu haben. Anders aber, wenn die Beeren von Staren, Sperlingen, Drosseln oder andern Vögeln verzehrt werden: Während das saftige Fruchtfleisch verdaut wird, können die Samen infolge der steinharten Hülle von den scharfen Verdauungssäften nicht zerstört werden; sie gehen unverletzt durch den Körper des Vogels und werden mit dem Kote wieder ausge- schieden. Geschieht dies nun an einem Orte, an dem die Samen keimen und sich zu neuen Weinstöcken entwickeln können, so ist nicht nur eine Vermehrung, sondern auch eine Weiterverbreitung der Pflanze eingetreten. Durch Hilfe der Vögel werden dieSamen der wildwachsenden Weinstöcke allein verbreitet, und dieverwilderten verdanken nurihnen ihre Entstehung. (Die angebauten Reben vermehrt man ausschließlich durch Stecklinge.) Einer Pflanze aber, die nichts zu bieten vermag, werden die Vögel einen solchen Dienst nicht erweisen. Wie die Insekten die Blumen allein besuchen, weil sie dort Nahrung finden, so stellen sich die Vögel hier auch nur ein, um die süßen, $aftigen und wohlschmeckenden Beeren zu verzehren. Und wie die Blumen ihre Bestäuber durch (Duft und) leuchtende Farben anlocken, so ladet der Weinstock seine Verbreiter durch die Färbung seiner Früchte, die von der des Laubes mehr oder weniger absticht, zum süßen Mahle. Würden die Beeren von den Vögeln bereits verzehrt werden, ehe die Samen reif, d. h. keimfähig sind, so wäre das für den (wildwachsenden) Weinstock ein großer Nachteil. Wir sehen daher, daß die Früchte erst zur Reifezeit wohlschmeckend werden und „Lockfarben* an- nehmen. Vorher sind sie zusammenziehend sauer und somit ungenießbar: auch heben sie sich infolge der grünen Färbung von dem Blattwerke nicht ab. b) Verwendung der Trauben. Die Trauben preisen wir mit Recht als eins der vornehmsten Erzeugnisse der Pflanzenwelt. Frisch genießen wir sie als schmackhaftes Obst, getrocknet als Rosinen und Korinthen. In letzterer Form kommen sie besonders aus dem weinreichen Griechen- land und Kleinasien zu uns. Die Korinthen führen ihren Namen nach der Stadt Korinth, in deren Nähe die kernlose Spielart zuerst angebaut wurde. 122 Weinrebengewächse. Ihre Hauptbedeutung erhalten die Trauben jedoch erst dadurch, daß aus ihnen das edelste Getränk, der Wein, gewonnen wird, der — in kleinen Mengen genossen — den Gesunden erfreut und den Kranken labt, der den „niedergesunkenen Mut emporhebt und den Betrübten er- quickt“. Unmäßiges Weintrinken ist aber, wie der übermäßige Genuß aller -andern alkoholischen Getränke, der Gesundheit des Menschen in hohem Grade nachteilig und eine Quelle vielen Elendes. Für Kinder ist sogar der beste Wein schädlich, selbst wenn er in kleinsten Mengen genossen wird. Zum Zwecke der Weinbereitung werden die Trauben ausgepreßt. Der erhaltene süße Saft (Most) fängt schon nach einigen Stunden an sich zu trüben. Unzählige mikroskopische Wein- hefepilze beginnen näm- lich ihre Arbeit. Die Keime dieser Pflänz- chen ruhen im Boden des Weinberges, wer- den durch den Wind verweht, fallen u. a. auch auf die Schalen und Stiele der Beeren, werden durch Insekten von Frucht zu Frucht verschleppt und gelangen somit beim Auspressen in den Most. Dort vermehren sie sich außer- ordentlich schnell und bringen eine wichtige Änderung hervor, dieman bekanntlich als Gärung bezeichnet. Sie spalten nämlich den Traubenzucker in Alkohol (der daher auch Weingeist u heißt!) und Kohlensäure, die Wilder Wein. 1. Blatt und junge Ranke. unter Brausen und Schäumen 2. Ältere Ranke, die sich an einer Mauer an- entweicht. Durch diesen Vor- geheptet hal. Dita) gang verwandelt sich der süße Saft allmählich in klaren, alkoholreichen Wein. Will man Rotwein bereiten, so läßt man die Schalen blauer und roter Beeren eine Zeitlang mitgären. 9, Die Feinde, die dem edlen Weinstocke Schaden zufügen oder ihn gar zugrunde richten, sind außerordentlich zahlreich. Ein Pilz, der Rebenmeltau (s. das.), über- zieht wie ein weißer Schimmel Blätter und Früchte, denen er durch eingesenkte Fortsätze Nahrung entnimmt. Die Blätter verdorren schließlich, die Beeren zerplatzen und verfaulen, und oft schon hat der winzige Schmarotzer die Weinernte weiter Be- zirke gänzlich vernichtet. Man tötet ihn durch wiederholtes Bestreuen mit Schwefel- Weinrebengewächse. Dickblattgewächse. 123 pulver. Ein ähnlicher Verwüster ist der sog. falsche Rebenmeltau (s. das.), der im Innern der Blätter lebt. Ihm ist nur beizukommen, wenn man seine Sporen ver- nichtet, die durch den Wind auf die Blätter getragen werden. Das wirksamste Mittel hat man in dem Besprengen der Reben mit einer Auflösung von Kupfervitrol und Soda oder Kalk gefunden. — Von den tierischen Feinden seien nur genannt: die Wespen, der Traubenwickler (Heu- und Sauerwurm), der Rebenstecher und das schlimmste Übel von allen, die Reblaus (s. „Lehrbuch der Zoologie“). Ein Verwandter der edlen Rebe ist der sog. wilde Wein (Ampelöpsis quinque- fölia®). Er stammt aus Nordamerika und wird zur Bekleidung von Mauern, Lauben und dgl. allgemein verwendet. Da seine Ranken wesentlich anders als die des Wein- stocks gebaut sind, vermag er selbst an glatten Wänden emporzuklettern. Sie sind mehrfach verästelt und an den Enden hakig ge- krümmt. Kommen sie mit der Wand in Be- rührung, so spreizen die Rankenäste weit voneinander, und ihre Enden schwellen zu kleinen „Haftballen“ an. die einen klebrigen Stoff ausscheiden und sich mit den Haftballen an den Füßen des Laubfrosches verglei- chen lassen. Die schwarzen, für uns ungenießbaren Beeren fallen bei der Reife um so mehr auf, als sich die gefingerten Blätter im Herbst in leuchtendes Rot kleiden. Einer nahe ste- henden Familie ge- hört der Faulbaum (Frangula alnus?) an, der in Gebüschen | feuchter Standorte H häufig vorkommt und an den erst grünen, dann roten und endlich schwarzen Beeren leicht kenntlich ist. Der Genuß der Beeren bewirkt beim Menschen Durchfall, weshalb sie als Abführmittel verwendet werden; Drosseln und andre Vögel verspeisen sie aber ohne Schaden. Faulbaum. Zweig mit Blüten, sowie unreifen und reifen Früchten. ‚38. Familie. Diekblattgewächse (Crassuläceae?). Der scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre‘). Taf. 16. 1. Standort. Das Pflänzlein wächst auf Mauern und an ähnlichen dürren, unfruchtbaren Stellen: in engen Felsspalten, an trocknen Ab- 1) ampelopsis: dämpelos, Weinstock und öpsis, das Aussehen; qwinquefolius: quinque, fünf und fölium, das Blatt. 2) frangula : frängo, ich zerbreche, -ula, Verkleinerungssilbe; alnus, Erle (Form der Blätter). 3) crassus, dick, -ulus, Verkleinerungssilbe, -aceus, -artig. 4) sedum, Hauswurz; acer, scharf. 124 Dickblattgewächse. hängen und auf ödem Sandboden. Es hat in den meisten Fällen also einen sehr ungünstigen Standort; denn von den Mauern und Felsen läuft das Regenwasser schnell ab, und in den Sandboden sickert es fast ebenso schnell ein. Schon wenn eine kurze Zeit kein Regen fällt und die Sonne heiß auf die dürstende Erde herabscheint, brütet über der Pflanze eine heiße, trockne Luft, die die Verdunstung stark befördert. Dem Mauer- pfeffer steht Wasser aber kaum noch zur Verfügung; denn die geringe Erdmenge in den Mauer- und Felsenritzen oder die oberste Schicht des Sandbodens ist gänzlich ausgetrocknet. 2. Wurzeln. Auf lockerm Untergrunde könnte sich der Mauer- pfeffer wie andre Ödlandpflanzen wenigstens noch durch lange Wurzeln helfen, die die belebende Feuchtigkeit aus tiefen Bodenschichten herauf beförderten. Seine Wurzeln sind jedoch verhältnismäßig kurz und faden- förmig. Trotzdem übersteht das zarte Gewächs wochenlange Trocknis mit Leichtigkeit. Selbst aus dem Boden genommen, vermag es weiter zu grünen und sogar seine Blütenknospen zu entfalten, eine Tatsache, die sich an abgeschnittenen Exemplaren im Zimmer leicht beobachten läßt. Diese außerordentliche Lebenszähigkeit verdankt der Mauerpfeffer in erster Linie den eigentümlich gebauten Blättern. 3. Blätter. a) Da sie sehr kleine Gebilde sind, verdunsten sie auch nur verhältnismäßig wenig Wasser. b) Sie liegen dem Stengel meist dicht an und decken sich sogar zum Teil gegenseitig. Infolgedessen können sie von der Luft nicht in dem Maße umspült werden, als wenn sie weit und frei vom Stengel ab- ständen. Je mehr aber ein Gegenstand, z. B. trocknende Wäsche, vom Winde bestrichen wird, desto öfter wird die ihn umgebende Luft, die durch Verdunstung feucht geworden ist, durch andre ersetzt, die ihm gleichfalls Wasser entzieht. c) Die Blätter sind dieke, fleischige Körper, die als Wasser- speicher dienen: Sobald Regen fällt, nehmen sie durch Vermittelung der Wurzeln soviel Wasser als möglich auf, das während der Trockenzeit allmählich verbraucht wird. Sie eignen sich aber nicht nur vortrefflich zur Aufnahme großer Wassermengen, sondern sind infolge ihrer eigen- tümlichen Form auch ein wichtiges Schutzmittel der Pflanze gegen zu schnelle Wasserabgabe. Ein einfacher Versuch wird uns dies leicht ver- ständlich machen: Stellt man aus einer knetbaren Masse (Teig, Ton oder del.) eine kleine, dünne Platte her, die man sodann zu einem festen Stabe von gleicher Länge umformt, so sieht man deutlich, daß dieser Körper eine weit kleinere Oberfläche hat als vordem die Platte. So hat auch ein dünnes, „flächenförmiges“ Blatt eine verhältnismäßig größere Oberfläche als ein dickes, mehr „körperliches“. (Denke dir auch ein dickes Blatt durch Längsschnitte in eine Anzahl dünner Blätter zerlegt!) Taf. 16. 1. Kleiner Rasen der Pflanze. 2. Ein blühender und ein nichtblühender Trieb. 3. Geschlossene Frucht. 4. Frucht, die sich bei feuchtem Wetter geöffnet hat. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre). 16. . a oo. - Dickblattgewächse. 125 Da nun bei sonst gleichem Bau das Blatt um so weniger Wasser ver- dunstet, je kleiner seine Oberfläche ist, so wird der Mauerpfeffer durch seine Blätter das reichlich aufgenommene Wasser auch nur langsam wieder abgeben. Pflanzen mit solchen Blättern bezeichnet man als Fett- pflanzen, Saftpflanzen oder Succulenten. Trotz des Saftreichtums wird der Mauerpfeffer aber von Tieren nicht berührt; denn seine grünen Teile besitzen — wie auch sein Name andeutet — einen pfefferartig scharfen Geschmack. d) Zerschneidet man ein Blatt vorsichtig, so sieht man nicht selten, wie sich der Zellsaft in Fäden auszieht. Dies rührt von dem Reichtum an Schleim her. Pflanzenschleime geben das Wasser aber nur sehr langsam ab. Hiervon kann man sich leicht überzeugen, wenn man einen „blattartigen“ Kaktus oder das Blatt einer andern größern Fettpflanze, z. B. einer Alo& oder Agave, zerbricht. e) Auch infolge der verhältnismäßig dieken Oberhaut und der sehr geringen Zahl von Spaltöffnungen vermag nur wenig Wasser in Dampfform zu entweichen. 4. Stengel. Vorteilhaft für eine langsame Verdunstung ist auch, dab die Stengel sehr niedrig bleiben und der Mauerpfeffer einen dichten Rasen bildet; denn ein Gewächs, das sich dem Boden anschmiegt, wird bei weitem nicht so stark vom Winde umspült als eine größere Pflanze, und die Luftschicht, die sich zwischen den Stengeln und Blättern des Rasens findet und durch die Wasserabgabe der Pflanze feucht geworden ist, wird infolgedessen nicht so oft erneuert, als dies bei größern Pflanzen der Fall sein würde. Die einzelnen (wurzelschlagenden) Triebe des Mauerpfeffers haben ein zweijähriges Leben; im ersten Jahre bleiben sie kurz, sind dicht beblättert und tragen keine Blüten; im zweiten dagegen strecken sie sich, so daß die Blätter weiter auseinander rücken und blühen. So- auene bald die Samen gereift sind, sterben sie ab. 5. Blüte. Durch die sich streckenden Triebe wer- den die Blüten über den Rasen emporgehoben und mit- hin den Insekten sichtbar gemacht. Da sich nun viele Blüten (Rasen!) zugleich entfalten, werden sie, obgleich verhältnismäßig klein, doch weithin bemerkbar. Sie bestehen aus je einem fünfteiligen Kelche, 5 goldgelben Blumenblättern, 10 Staubblättern, die zu 2 Kreisen ge- ordnet sind, und 5 Stempeln. Die großen Fruchtknoten werden aus je einem Fruchtblatte gebildet und endigen in je einer kleinen Narbe. Zwischen den Blumenblättern und den Staubblättern des innern Kreises finden sich die winzigen Honigdrüsen. 6. Frucht. Nach dem Verblühen spreizen die sich vergrößernden Fruchtknoten auseinander und bilden einen fünfstrahligen Stern. Bei trocknem Wetter bleiben die Fruchtfächer geschlossen. Taucht man eine solche Frucht in das Wasser, so öffnet sie sich alsbald. Dasselbe ge- Blütengrundriß des Mauerpfeffers. 126 Dickblattgewächse. Steinbrechgewächse. schieht beim Regen, durch den auch die kleinen, braunen Samen heraus- gespült werden. Weggeschwemmt, gelangen sie leicht in Spalten des Bodens, in Mauerritzen u. dgl., also an Orte, an denen sie sich zu neuen Pflanzen entwickeln können. Hat der Regenguß noch nicht alle Samen ausgewaschen, dann schließen sich die Fruchtfächer wieder, um — wie gleich- falls der Versuch zeigt — sich bei einem zweiten oder dritten Regen abermals zu öffnen. An schwer zugängliche Orte, auf Dächer, Mauerkronen u. del, an denen man das Pflänzchen vielfach antrifft, sind die Samen durch irgendwelchen Zufall ge- tragen. Hierbei spielt der Wind, der die leichten Gebilde mit dem Staube auf- . wirbelt, sicher die Hauptrolle. Verwandte. Auf sonnigen Hügeln und Felsen, sowie in trocknen Wäldern wächst häufig die weit größere Fetthenne (S. maximum!'). Sie besitzt breite und flache, aber gleichfalls sehr fleischige Blätter. Ihre kleinen, grüngelben Blüten sind zu großen Blütenständen gehäuft. — Auf Dächer und Mauern pflanzte man in frühern Zeiten gern die Hauswurz (Sempervivum tectö- rum?) an; denn das Pflänzchen galt als ein Mittel, allerlei Unglück, besonders aber den Blitzstrahl von dem Hause INNE abzuhalten („Dunnerkraut ):; Wild IE kommt es auf Alpenfelsen, sowie am \ Rheine und an der Mosel vor. Die ungestielten Blätter sind an den „Kurztrieben“ so dicht und regelmäßig gestellt, daß sie zierliche Rosetten bilden. Aus den ältesten Rosetten erhebt sich je ein „Langtrieb“, der zahlreiche rosafarbene Blüten trägt und nach der Fruchtreife abstirbt. Die Pflanze vermehrt sich auch durch | Ausläufer, die aus den untern Blatt- Hauswurz (verkl.). Neben zahlreichen jungen winkeln der Rosetten hervorkommen Rosetten eine blühende Pflanze, deren Rosette und wieder Rosetten erzeugen. bereits abgestorben ist. 39. Familie. Steinbrechgewächse (Saxifragäceae°). 1. Der Stachelbeerstrauch (Ribes grossuläria‘) wird seiner wohl- schmeckenden Früchte wegen überall angebaut, kommt aber auch ver- wildert (oder wild?) in Wäldern und Gebüschen vor. Im Schutze schar- fer Stacheln entfaltet er bereits im Vorfrühlinge die gelappten und ein- 1) maximas, sehr groß. 2) sempervivus, immer lebend; fectorum, der Dächer. 3) s. S. 128, Anm. 2, 4) ribes, Stachelbeerstrauch ; grössus, diek; grössulus, eine Art kleiner Feigen, Steinbrechgewächse. 107 gekerbten Blätter. Gleichzeitig kommen auch die unscheinbaren Blüten zum Vorscheine. Sie gleichen hängenden Glöckchen (Schutz des Blüten- staubes!). Fruchtknoten und Kelch sind mit gestielten, klebrigen Drüsen dicht besetzt, die ankriechenden, nach Honig lüsternen Insekten den Zutritt Stachelbeerstrauch. 1. Blühender Zweig; 2. einzelne (vergr.) Blüte und 3. Zweig mit Früchten. zum Blüteninnern erschweren. Die 5 kleinen, weißen Blumenblätter stehen am Rande des glockenförmigen Kelches, dessen zurückgeschlagene 5 Zipfel innen meist rötlich angehaucht sind. Da im zeitigen Frühjahre erst we- nige Blumen Honig ausbieten, stellen sich zahlreiche Gäste ein. Wollen aber die Besucher den süßen Saft im Kelchgrunde lecken, so müssen sie die Narbe oder eines der 5 Staubblätter streifen. Die grüne, gelbe oder rote Frucht ist eine saftige Beere, die gern von Vögeln verzehrt wird. Da die hartschaligen Samen diese Tiere ohne Schaden wieder verlassen, findet man den Stachelbeerstrauch auch häufig verwildert auf altem Gemäuer, in der Gabelung hohler Bäume und an ähn- lichen Orten. Mit der Stachelbeere wird meist auch die Johannisbeere (R. rubrum!) angebaut. Sie reift — wie ihre Name sagt — ihre saftigen, roten oder weißen Früchte um „Johannis“. — Seltener trifft man in Gärten die schwarze Johannisbeere (R. nigrum°) an, deren Blätter en ur Fruchttragender Zweig des 1) ruber, rot. 2) niger, schwarz. Johannisbeerstrauches. 128 Steinbrechgewächse. und schwarze Beeren einen wanzenartigen Geruch haben. — Ein beliebter Zierstrauch ist die (nach ihrer Blütenfarbe benannte) gelbe Johannisbeere (R. aureum!), deren Heimat Nordamerika ist. 2. Auf sonnigen Hügeln, Wiesen u. dgl. wächst häufig der Körner-Steinbrech (Saxifraga granuläta°). „Steinbrech“ heißt die zierliche Pflanze, weil viele ihrer nächsten Verwandten Gebirgsbewohner sind, und man diesen irrtümlicherweise nach- sagt, sie hätten sich die Felsenspalten, in denen sie wurzeln, selbst gebrochen. Den Artnamen hat sie von den rötlichen Brutzwiebeln, die sich in den Winkeln der untersten, zur Blüte- zeit meist schon abgestorbenen Blätter entwickeln und der Erhaltung und Verbreitung der Art dienen. Im untern Teile ist die Pflanze zottig behaart und im obern wie die Blüte der Stachelbeere mit gestielten, roten Drüsen dicht besetzt. Die Blätter sind etwas fleischig und nehmen von unten nach oben an Größe ab. Aus den zarten, weißen Blüten entwickelt sich eine Kapselfrucht, die mit einem Loche zwischen den bleibenden, hörnerartigen Griffeln aufspringt (Verbreitung der Samen durch den Wind!). 3. Im Spätsommer und Herbste erhalten die nassen Wiesen durch das Herzblatt (Parnassia palüstris®) nicht selten einen letzten Schmuck. Auf dem schwanken Stengel, der in der Mitte Körner-Steinbrech. Unterer Sten- ein herzförmiges (Herzblatt!), saftstrotzendes gelteil mit Brutzwiebeln (vergr.). Blatt trägt, erhebt sich ein wunderbar zarter Blütenstern. Innerhalb der weißen Blumenblätter stehen 5 grüngelbe Blättchen, die in mehrere langgestielte Drüsen ausgezogen sind und dadurch dem Fuße des Laubfrosches ähneln. Die Drüsenköpfehen locken durch ihren Glanz Insekten herbei, für die sich an der Innenseite der Blättchen etwas Honig vorfindet. Kleine Insekten sind meist unnütze Näscher, größere aber durchaus notwendige Vermittler der Bestäubung. Betrachtet man nämlich eine Blüte an dem Tage, an dem sie sich öffnet, so sieht man, daß die Beutel der 5 Staubblätter auf den noch unentwickelten Narben liegen. Am nächsten Tage öffnet sich ein Beutel und bietet den Staub aus. Am folgenden Tage biegt sich das Staubblatt zurück, und ein zweiter Beutel öffnet sich, und so kommen nach und nach alle Beutel an die Reihe. Dann erst reifen die Narben. Da diese nun genau die Stelle einnehmen, an der vordem die Beutel standen, muß ein größeres Insekt, das die Blütenmitte als Sitzplatz benutzt, Fremdbestäubung herbeiführen. 4. Der Pfeifenstrauch (Philadelphus coronärius®), so genannt, weil man die schlanken Schosse zu Pfeifenrohren verwendet, findet sich häufig in unsern Anlagen. Er stammt aus Südeuropa. Der stark duftenden, weißen Blüten wegen nennt man ihn auch fälschlich „wilden Jasmin“). 1) aureus, golden. 2) saxifraga: sacwm, der Fels und frag-, brechen; granulatus von gräanum, das Korn (Brutzwiebeln!). 3) Parnassia von Parnassös (Gebirge in Mittelgriechenland); palustris, im Sumpfe wachsend. 4) Philadelphus nach Philadelphus, König von Ägypten (7 246 v. Chr.), einem Freunde der Botanik; coronarius, zum Kranzbinden geeignet. 5) Der echte Jasmin (Jas- manıum grandiflöorwm) ist eine südasiatische Pflanze, die bei uns nicht im Freien wächst. Taf. 17. 1. Frucht des wilden Baumes (nat. Gr). 2. Blühender Zweig. 3. Junges Blatt, quer durchschnitten. 4. Zweig mit a. einer Blattknospe und b. drei Blüten- knospen. 5. Blüte, längs durchschnitten. 6. Frucht, mit der Made des Apfelwicklers. 7. Apfelwickler. Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. Birnbaum (Pirus communis). Rosenartige Gewächse. 129 40. Familie. Rosenartige Gewächse (Rosäceae'). Pflanzen mit Nebenblättern. Blütenboden scheibenförmig, stielförmig verlängert, becher- oder krugförmig; auf seinem Rande stehen (meist) 5 Kelch-, 5 Blumen- und zahlreiche Staubblätter, 1. Unterfamilie. Kernobstgewächse (Pömeae’). Der mehrfächerige Fruchtknoten ist aus 2—5 Fruchtblättern gebildet und mit dem Blütenboden verwachsen. Fruchtknoten und Blütenboden bilden bei der Reife zusammen eine Scheinfrucht. Der Birnbaum (Pirus commünis°). Taf. 17. 1. Vorkommen und Bedeutung. Der Birnbaum ist eine einheimische Pflanze, die wild in Laubwäldern und Feldgehölzen vorkommt. Die klei- nen und herben Früchte, die reich an steinigen Einschlüssen sind und daher „Holzbirnen“ genannt werden, dienten in alten Zeiten dem Men- schen zur Nahrung. (Die Einschlüsse bestehen — wovon man sich mit Hilfe des Mikroskops leicht überzeugen kann — aus sehr dieckwandigen Zellen) Daher ist der Baum auch schon außerordentlich früh in mensch- liche Pflege übergegangen, und durch Jahrtausende lange Zucht ist schließlich unser „edler“ Birn- baum mit seinen großen, saftigsüßen und zart- fleischigen Früchten entstanden, die zu unserm wichtigsten Obste zählen. Wahrscheinlich haben bei dieser sog. Veredelung die Reiser andrer, | aus Asien stammender Arten mit eine Rolle ge- Ein „Stein“ aus dem Frucht- & : : fleische der Birne, aus spielt. Darauf deutet u. a. die Tatsache hin, daß hr iin Ze aus den Samen selbst der edelsten Sorte stets hestehend (stark vergr.). Bäume hervorgehen, deren Früchte mehr oder weniger die Gestalt und den Geschmack der „Holzbirnen“ haben. Alle unsre zahlreichen Sorten lassen sich nur dadurch erhalten, daß man Reiser, d. s. kleine Zweige oder Teile solcher, von ihnen auf Bäume über- trägt, die aus Samen gezogen sind (s. allgem. Teil). 2. Dornen. Solange der wilde Birnbaum jung ist und einen kleinen Strauch bildet, enden die holzigen Zweige in scharfe, stechende Dornen, die eine vortreffliche Schutzwehr gegen Weidetiere bilden. Auch wenn sich der Strauch höher über den Boden erhebt, sind die Zweige etwa so weit, wie die größten Weidetiere, die Rinder, reichen können, stark be- dornt. Darüber hinaus aber werden die Dornen immer seltener, bis sie endlich ganz verschwinden. Ebenso fehlen sie dem Baume, in den der Strauch allmählich übergeht: der Stamm ist durch die harte, rissige Rinde geschützt, und bis zur Krone vermögen die Weidetiere nicht emporzu- reichen. Auch der angebaute Birnbaum ist meist völlig dornenlos. Der Birnbaum verhält sich eben wie der Mensch, der „in der Wildnis die 1) Von rosa, Rose. 2) Von pomus, Obstbaum, 3) pirus, Birnbaum; communis, gemein. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 9 130 Rosenartige Gewächse. Waffen nicht aus der Hand gibt, im sichern Schirm der Städte dagegen sie ablegt.“ 3. Die Knospen werden von schuppenartigen Blättern umhüllt, die entweder ganz oder teilweise pergamentartig sind. Neben kurzen, spitzen Knospen sind größere, dickere vorhanden, ein Unterschied, der besonders im Frühjahre deutlich zu beobachten ist. Aus erstern (Blatt- knospen) gehen lange, beblätterte Zweige oder Langtriebe hervor, wäh- rend sich aus letztern (Blüten- oder Tragknospen) blätter- und blüten- tragende Kurztriebe entwickeln. Da nun dem Obstzüchter daran liegt, möglichst viele Früchte zu erhalten, sucht er den Birnbaum durch sach- semäßes „Beschneiden“ zu zwingen, Kurztriebe oder — wie er sagt — „kurzes oder Fruchtholz“ zu bilden. Blütenknospen treten jedoch erst auf, wenn der-Baum ein gewisses Alter erreicht hat. 4. Die Äste (Langtriebe) sind steil aufwärts gerichtet. Infolgedessen hat die Krone, die bei alten Bäumen eine beträchtliche Größe erreicht, meist die Form einer Pyramide. 5. Blätter. Das junge Blatt tritt senkrecht zwischen den Knospen- schuppen hervor. Es ist nach dem Hauptnerv zu eingerollt, an der Unter- seite mit seidenartigen Härchen bedeckt und am Grunde des Stieles mit 2 fadenförmigen Nebenblättern versehen, alles Erscheinungen, die wir be- reits bei Veilchen, Roßkastanie und Linde kennen gelernt haben. Ist das Blatt genügend erstarkt, so rollt es sich auf, während Nebenblätter und Härchen abfallen. a) Das ausgebildete Blatt steht schräg, so daß es von den Sonnen- strahlen am besten durchleuchtet werden kann (s. S. 111, c). Diese günstige Stellung einzunehmen, wird ihm besonders durch den langen Blattstiel ermöglicht, der der eiförmigen, am Rande gesägten Blattfläche erlaubt, sich zu heben oder zu senken, zu wenden oder zu drehen, ganz wie die Belichtungsverhältnisse es erfordern. b) Wenn ein heftiger Wind weht, zeigt sich, daß der Blattstiel noch eine zweite wichtige Bedeutung hat. Obgleich der Wind Ziegel von den Dächern reißt und andres Unheil anrichtet, spotten die zarten Blätter des Birnbaums (wie die aller andern größern Pflanzen) zumeist seinem Toben: Sobald sie von einem Windstoße getroffen werden, stellen sie sich vermöge der biegsamen Stiele wie eine Wetterfahne in die Rich- tung des Windes, so daß dieser an ihnen vorüberstreicht, ohne eine schädigende Wirkung auszuüben. Ist der Windstoß vorüber, dann kehren sie, da der Stiel zugleich elastisch ist, in die ursprüngliche Lage zurück. Ebenso weichen sie vermöge dieses Stieles dem Anprall schwerer Regen- tropfen leicht aus. Trotzdem bedürfen sie einer gewissen Festigkeit, um von den beiden feindlichen Kräften nicht zerstört zu werden. Diese erlangen sie, wie die Blätter aller andern Landpflanzen, durch das Ge- rüst von Adern oder Nerven, von dem die Blattfläche durchzogen wird, und das sich mit den Stäben eines aufgespannten Schirmes vergleichen läßt. Rosenartige Gewächse. 131 c) Die oben erwähnte Schrägstellung der Blätter ist für den Baum auch npch aus einem andern Grunde vorteilhaft. Werden schräg nach außen gerichtete Blätter vom Regen getroffen, so fließt das Wasser auch nach außen ab, so daß es auf tiefer stehende Blätter fallen muß. Diese leiten es weiter nach außen, und so geht c; fort, bis am Umfange der Krone alles Wasser, das den Baum trifft, wie von einem Dache oder aufgespannten Schirme zur Erde tropft. (Darum flüchten wir, wenn wir im Freien vom Regen überrascht werden, unter einen Baum!) Erst ein heftiger oder anhaltender Regen vermag durch die Krone zu dringen und die Erde unter ihr zu nässen. Gräbt man nun an der Stelle vor- sichtig nach, an der die Traufe niedergeht, so findet man dort stets die feinen Saugwurzeln desBaumes. Sie allein aber vermögen Feuch- tigkeit aus dem Boden aufzunehmen, während die stärkern Wurzeln durch die dicke Rinde daran gehindert sind. Diese Art der Wasserablei- tung bezeichnet man im Gegensatz zu der nach innen gerichteten, der „zentripetalen“, wie sie z. B. beim Raps zu beobachten ist, als „zentri- fugale“. Wir finden sie bei allen Bäumen wieder, und sie erscheint uns überaus zweckentsprechend, wenn wir bedenken, daß diese nur durch ein weit ausgebreitetes Wurzelwerk imstande sind, den Angriffen der Winde auf die schwere Krone zu widerstehen. (Warum gibt der Gärtner der Laub- und Wurzelkrone von Bäumen, die er pflanzen will, gleichen Umfang?) 6. a) Die Blüten stehen in kleinen Gemeinschaften und erscheinen oft in so großer Anzahl, daß der Baum einem riesigen Blütenstrauße gleicht. Da sich die Blätter wesentlich langsamer entwickeln, verdecken sie nichts von dieser Pracht, und da die Blüten duften und honigreich sind, ist der blühende Baum oft von Hunderten naschender Insekten um- schwärmt. (Vgl. W. Müllers „Frühlingsmahl“: Wer hat die weißen Tücher gebreitet über das Land usw.!) Wie notwendig den Blüten übrigens der Besuch dieser Gäste ist, beweist folgende Tatsache: In Australien wollten die Obstbäume trotz aller Mühe der Ansiedler keine Früchte tragen (weil die zur Bestäubung nötigen Insekten fehlten). Da wurden von einem deutschen Imker Bienen eingeführt — und in dem- selben Jahre zeigten die Bäume jener Gegend reichen Fruchtansatz. b) Durchschneiden wir eine einzelne Blüte der Länge nach, so sehen wir, wie der oberste Teil des Blütenstieles, der Blütenboden, an den Seiten empor- gewachsen ist, so daß er einen kleinen Becher bildet. Der Becherrand trägt 5 kleine Kelchblätter, 5 große, weiße Blumenblätter und etwa 20 Staubblätter mit roten Staubbeuteln. (Man sagt daher auch ungenauer- weise, die Staubblätter ständen auf dem Kelchrande.) Aus der Öffnung des Bechers ragen 5 Griffel hervor, die zu dem Fruchtknoten im Grunde des Bechers führen. An einem Querschnitte (s. Blütengrundriß) ist deutlich zu erkennen, daß der fünffächerige Fruchtknoten aus 5 Fruchtblättern Blütengrundriß des Birnbaumes. 132 Rosenartige Gewächse. gebildet wird, und daß er mit dem becherförmigen Blütenboden ver- schmolzen ist. 7. Die Frucht geht aus Fruchtknoten und Blütenboden hervor: Der Fruchtknoten wird zu dem „Kernhause“, dessen 5 Fächer je 2 braune Samen enthalten, und der Blütenboden zu dem Fruchtfleische.e Am obern Ende der Frucht finden wir daher selbst noch zur Reifezeit den ver- trockneten Kelch. Da an der Bildung der Frucht also außer dem Frucht- knoten noch ein andrer Blütenteil beteiligt ist, bezeichnet man sie als „Scheinfrucht“. Sollen sich die Samen (Obstkerne; Kernobst!) zu neuen Pflanzen entwickeln, so muß das Fruchtfleisch samt der Hülle der Fruchtfächer verfaulen, oder ein Vogel muß das Fleisch verzehren, das Kernhaus öffnen, die Kerne aus- streuen oder die mit- verzehrten wieder von sich geben. Beim Durchgange durch den Vogeldarm leiden die Samen keinen Schaden; denn sie sind von einer perga- mentartigen Schale umgeben, die von den Verdauungssäften nicht angegriffen wird. Gleich dem Weinstocke erzeugt Ur der Birnbaum das Mispel; Zweig mit Früchten (verkl.). saftige Frucht- fleisch allein seiner Verbreiter wegen, die er durch leuchtende Färbung (gelb, an der Außen- seite oft noch mit roten „Backen“) und angenehmen Duft der Birnen anzulocken sucht. Solange die Samen noch unreif sind, schützen — wieder wie beim Weinstocke! — saure, zusammenziehende Säfte die un- scheinbar grünen Früchte, vorzeitig verspeist zu werden. 8. Feinde. Der Birnbaum ist gleich seinem nächsten Verwandten, dem Apfel- baume, von einem Heere von Feinden bedroht. Der Maikäfer, sowie die Raupen von Frostspanner, Baumweißling, Goldafter; Ringelspinner zehren von den Blättern; der Apfelblütenstecher vernichtet die Blüten; die Raupe des Weidenbohrers durchwühlt den Stamm und die des Apfelwicklers die saftigen Früchte. Von den schädlichen Pflanzenläusen sei nur die schädlichste, die Blutlaus, genannt, die in einigen Gegen- den an Apfelbäumen fortgesetzt große Verheerungen anrichtet. Pilze bilden auf Blättern und Früchten „Rostflecke* und Schorfe; andre erzeugen in Wundstellen des Stammes den gefürchteten „Krebs“. Rosenartige Gewächhse. 133 Andre Kernobstgewächse. Eine noch weit größere Bedeutung als der Birnbaum hat für uns der Apfelbaum (P. malus'). Er ist gleichfalls ein einheimi- sches Gewächs (Holzäpfel!) und wird in vielen Sorten angebaut. Im Gegensatz zum Birnbaume hat er eine breite, niedrige Krone, und die prächtigen Blüten zeigen außen einen roten Anflug. — Die Quitte (Cydönia vulgäris?), die aus dem Orient stammt, hat gleich der Mispel (Mespilus germänica°), die in Mitteldeutschland heimisch ist, große Blüten, die bereits einzeln stehend die Aufmerksam- keit der Insekten erregen. Die gelben, duften- den Quitten sind nur eingemacht und die Mispeln erst bei beginnender Fäulnis (wenn sie „teigig“ werden) genießbar. — Bei Weißdorn (Crat&#- gus oxyacantha*) und Eberesche oder Vogel- beerbaum (Sorbus aucuparia?) sind die Blüten verhältnismäßig am kleinsten. Wir finden sie dementsprechend gleich den leuchtend roten Früchten auch zu großen, doldenartigen Stän- den gehäuft. Der Weiß- oder Hagedorn wird gern zur Anlage von Hecken benutzt. Seine rotblühende Abart, der Rotdorn, ist in Baum- oder Strauchform eine bekannte Zierpflanze. Die Eberesche (d. i. After-Esche, wegen der eschenartigen Blätter) steigt in den Gebirgen bis zur Baumgrenze empor. Ihre leuchtend roten Früchte bilden für Drosseln und andre Vögel (Vo- gelbeeren) eine beliebte Speise. Sie werden hier und da auch als Winterfutter für Hirsche und Rehe gesammelt. Blütenzweig 1. der Quitte und 2. der Eberesche (etwas verkl.). 2. Unterfamilie. Steinobstgewächse (Prüneae®). Der einfächerige Fruchtknoten ist aus nur einem Fruchtblatte gebildet und nicht mit dem Blütenboden verwachsen. Frucht eine Steinfrucht. Der Süßkirschbaum (Prunus ävium®). 1. Heimat und Bedeutung. Gleich Birn- und Apfelbaum hat der Süßkirschbhaum im mittlern Europa seine Heimat. Er findet sich hier 1) malus, Apfelbaum. 2) Cydonia nach Kydonia, einer Stadt auf Kreta, in der besonders gute Quitten gebaut wurden; vulgaris, gemein. 3) mespilus, Mispel; germanicus, deutsch. 4) erataegus: krat-, hart und aig-, Eiche (?); oxyacantha : oxYs, spitz und dakantha, Stachel oder Dorn; 5) sorbus, Eberesche; aucuparius von aueipium, Vogelstellerei. 6) prumus, Pflaumenbaum; awium, der Vögel. 134 Rosenartige Gewächse. und da in Waldungen und ist der Stammvater der zahlreichen Spielarten, die wir in Gärten, an Straßen und Bergabhängen der veredelten, d. h. größern, fleischigern und wohlschmeckendern Früchte wegen anbauen. 2. Stamm und Krone. Sowohl die wilde, als auch die angebaute Pflanze wächst zu einem stattlichen Baume heran. Die kugelige Krone wird von einem entsprechend starken Stamme getragen, der mit einer glatten, graubraunen Rinde bedeckt ist. Bei Verletzungen lösen sich die obern Rindenschichten in ringförmigen, lederartig-biegsamen Streifen ab. Häufig entquillt dem Stamme ein klebriger Stoff, das Kirschgummi, GR, ul Süßkirschbaum. 7 < : % 1. Blühender und 2. fruchttragender Zweig. 3. Blütengrundriß. 4. Blüte, längs durch- schnitten. Bb. Blütenboden. K. Kelch (vergr.). das in Wasser leicht löslich ist und darum wie das arabische Gummi als Klebmittel verwendet werden kann. — Der Ausfluß von Gummi ist bei allen Steinobstgewächsen zu beobachten und zumeist wohl als Krank- heitserscheinung zu deuten. 3. Blatt. Die jungen Blätter kommen aus Knospen hervor, die von Schuppen umhüllt sind. Zwischen den Schuppen und den Laub- blättern, die am Grunde mit 2 später abfallenden, kleinen Nebenblättern versehen sind, findet ein vollständiger Übergang statt: ein Zeichen, daß wir es in erstern gleichfalls nur mit Blättern zu tun haben. Die Flächen der jungen Blätter sind in der Mittelader gefaltet, senkrecht gestellt und Rosenartige Gewächse. 135 mit einem firnisartigen Überzuge versehen: Einrichtungen, in denen wir bereits früher (s. Roßkastanie) Schutzmittel der zarten Gebilde erkannt haben. Die entwickelten Blätter sind eiförmig und am Rande gesägt. Am obern Ende des langen Blattstieles finden sich 2 meist rote Drüsen, die eine zuckerhaltige Flüssigkeit ausscheiden. Die Bedeutung dieses Stoffes kennt man aber nicht sicher (vgl. mit Zaunwicke)). 4. Blüte. Die rein weißen Blüten kommen im Gegensatz zu denen der Sauerkirsche aus blattlosen Knospen hervor. Sie sind langgestielt, besitzen einen angenehmen Duft und sind im wesentlichen wie die des Birnbaumes gebaut. Nur bezüglich des flaschenförmigen Fruchtknotens macht sich ein srößerer Unterschied geltend: er ist aus nur einem Fruchtblatte gebildet und steht vollkommen frei im Grunde des kelchförmigen Blütenbodens. Nach er- folgter Bestäubung löst sich der Blütenboden samt den Blüten- teilen, die er trägt, am Grunde ab, so daß der Fruchtknoten allein auf dem Blütenstiele zurückbleibt. 5. Frucht. Die von dem Fruchtblatte gebildete Wand des reifenden Fruchtknotens erfährt eine eigentümliche Aus- bildung. Sie spaltet sich in 3 deutlich voneinander getrennte Schichten: eine äußere, abziehbare Haut von auffallender Färbung (gelblich mit roten Backen, heller oder dunkler rot bis fast schwarz), eine saftige, süße, fleischige Mittelschicht und eine steinharte Hülle, die den Samen umschließt. (Stein- frucht; Steinobst). Während die äußere Schicht das Ganze 4 schützend umgibt und vermöge ihrer lebhaften Farben die Vögel anlockt, die die Pflanze verbreiten (besonders sind es Drosseln; „Vogelkirsche“!), dient die mittlere diesen Tieren zur Nahrung und die innere dem Samen als Schutz gegen Kirsche, die scharfen Säfte des Vogeldarmes. In der Regel entwickelt ee sich von den beiden Samenanlagen nur eine. Die Vögel, die das süße Fruchtfleisch nur naschen (Sperlinge, Stare u. a.) oder wie der Kirschkernbeißer gar die Kerne zertrümmern und der Samen berauben, sind Feinde des Baumes. Die Made der Kirschfliege, die in dem Fruchtfleische lebt, macht die wohlschmeckenden Früchte für den Menschen oft ungenießbar. Andre Steinobstgewächse. Die meisten und wichtigsten Steinobstgewächse sind aus Asien zu uns ge- kommen. Aus Vorderasien stammen die Sauerkirsche (P. cerasus'), die von Lukullus aus Kerasus (daher „Kirsche“) zuerst nach Europa gebracht sein soll, und die echte Pflaume oder Zwetsche (P. domestica?). — Die Aprikose (P. armeniaca°) und die Pfirsiche (P. persica‘) haben in Ostasien oder auch — worauf die Namen hinweisen — in Armenien bezw. Persien ihre Heimat. Alle diese Bäume zählen zu unsern wich- tigsten Obstarten und werden in zahlreichen Sorten angebaut. — In Süd- und Mittel- 1) cerasus, Kirschbaum, s. Text. 2) domesticus, zum Hause gehörig. 3) armeniacus, armenisch. 4) persicus, persisch. 136 Rosenartige Gewächse. europa ist wahrscheinlich die Haferpflaume (P. insititia') heimisch, die bei uns be- sonders in 2 Spielarten gezogen wird: mit gelben, kleinen (Mirabelle?) oder grünen, großen Früchten (Reine-claude?). —«Der Mandelbaum (P. commünis‘), der nur noch in den wärmsten Teilen Deutschlands seine Früchte reift, ist für die Länder um das Mittelmeer eine der wichtigsten Pflanzen. Der bei andern Steinobstgewächsen flei- schige Teil der Frucht ist bei ihm lederartig und ungenießbar. Die großen, eßbaren Samen, die Mandeln, haben entweder einen süßen oder einen bittern Geschmack. Letztere sind infolge ihres Gehaltes an blausäurereichem Bittermandelöl giftig. Diese Eigenschaft, die auch den Samen der andern Steinobstgewächse in geringem Grade innewohnt, geht aber durch Kochen, Rösten und Backen verloren. Be) den „Krach- oder Knackmandeln“ ist die Steinschale dünn und zerbrechlich. An Waldrändern, Rainen und ähnlichen Orten bildet die Schlehe (P. spinösa?) oft undurchdringliche Hecken. Wegen der schwarzen Rinde (im Gegensatz zum „Weißdorn“) und der dornigen Äste führt der sehr zeitig im Frühjahre blühende Strauch auch den Namen „Schwarzdorn“. Sein zähes Holz benutzt man zur Anfertigung von Spazierstöcken. Die schwarzen, herben Früchte können erst nach einem Froste verzehrt werden. — In Anlagen findet man häufig die duftende Weichselkirsche® (P. mähaleb ?), die in Süddeutschland wild vorkommt und aus deren Schößlingen man be- sonders Pfeifenrohre anfertigt, sowie die Trauben- oder Ahlkirsche (P. padus?), deren Blüten in großen Trauben stehen. Letztere Pflanze wird hier und da unrechtmäßig auch „Faulbaum“ (s. das.) genannt. Die schwarzen Früchte beider sind für den Menschen nicht genießbar, werden aber von Vögeln gern verzehrt. 3. Unterfamilie. Rosengewächse (Röseae?). Mehrere einfächerige Fruchtknoten, die aus je einem Fruchtblatte gebildet sind und frei auf dem (verschieden geformten) Blütenboden stehen. Die Rose (Rosa?). A. Die Hundsrose (R. canina'°). 1. Rosenhecke. An Waldrändern, in Gebüschen, an Wegen und ähnlichen Orten bildet die wilde oder Hunds-Rose (Gegensatz zur „edlen“ Rose) oft große, undurchdringliche Hecken. Wie kommt eine solche Hecke zustande? Die jungen, weichen Schößlinge, die den Wurzeln entsprießen, kommen senkrecht aus dem Boden hervor. Bald aber verholzen sie und neigen sich in großem Bogen mit der Spitze zur Erde herab. Von der obern Seite der Bogen erheben sich im nächsten Jahre kurze, blüten- tragende Zweige und sehr lange, aufrechte Triebe, die sich wieder bogen- förmig nach unten krümmen und meist an den Enden vertrocknen. Die jungen Bogen legen sich auf die alten und treiben wieder senkrechte Zweige, die sich abermals herabbiegen. So baut sich die Hecke immer höher auf, und so geben sich die sehr langen, aber verhältnismäßig schwachen Stämme gegenseitig Halt und Stütze Auch an Umfang und Dichte nimmt die Hecke stetig zu; denn aus dem Boden kommen all- jährlich neue Schößlinge hervor, die, weil unverzweigt, sich leicht durch das Gewirr der Stämme und Äste hindurch arbeiten können. (Märchen von „Dornröschen ‘“.) 1) insititius, eingefügt, gepfropft, veredelt. 2) Vielleicht aus: mirus, wunderbar und bellus, schön. 3) reine (franz.), Königin; Claude, Claudia (soll nach Claudia, der Gemahlin Franz I., so genannt sein). 4) commumis, gemein. 5) spinosus, dornig. .6) Weichsel vom althochd. wihsela, mittelhochd. wihsel. 7) mahaleb, (arabisch), mit biegsamen Zweigen. 8) padus, unerkl. 9) rosa, Rose. 10) caninus, hundeartig. Rosenartige Gewächse. 137 Sterben die alten Stämme ab, so treten sofort neue an ihre Stelle. Die Rosenhecke verjüngt sich auf diese Weise fortgesetzt und kann daher eine hohes Alter erreichen. Der älteste bekannte Rosenstrauch ist der „tausendjährige Rosenstock“ am Dome in Hildesheim, der aber nachweislich nur ein Alter von etwa 300 Jahren besitzt. 2. Stacheln. Die Undurchdringlichkeit der Rosenhecke wird wesent- lich durch die Stacheln erhöht, die sich in besonders großer Anzahl an den jungen Trieben, aber auch an der Mittelrippe der Blätter und an ) AT Fa n } fe 9 E 2. \ x RN A VG 244 (J ER NN N I / nA WE j = IN AM: 1117 IE N N ZU ER v7 N VADNDRHTZ DEREN N MEPZ N: 9 = N11791 72777075 N FAR); WG Hecke der Hundsrose im Herbste. Die Blätter sind zumeist abgefallen; an den Enden der Zweige zahlreiche Hagebutten. den Blütenstielen finden. Im Gegensatz zu den Dornen, die kurze, stechende Zweige darstellen, sind die Stacheln der Rose Auswüchse der Rinde und daher leicht abzubrechen. (Beurteile hiernach das bekannte Sprichwort: „Keine Rose ohne Dorn“!) Sie sind scharf stechend, haken- förmig herabgebogen und bilden infolgedessen vortreffliche Schutzwaffen: sie wehren Weidetiere und andre Pflanzenfresser ab, von den grünen Teilen zu naschen, und hindern die gefräßigen Schnecken, zu den saftigen Blättern, sowie die Mäuse, zu den wohlschmeckenden Hagebutten empor- zusteigen. (Goethes „Heideröslein“!) Ältern Stämmen, die durch die harte, trockne Rinde genügend geschützt sind, fehlt die Schutzwehr. 3. Das Blatt ist unpaarig gefiedert: es besteht aus 5 oder 7 ei- runden und am Rande scharf gesägten Blättehen. Am Grunde des Blattes finden sich 2 Nebenblätter, die mit der Mittelrippe ihrer ganzen Länge nach verwachsen sind. Welche Bedeutung diese Gebilde haben, ist an wachsenden Zweigen, besonders wenn sie aus den Knospen hervortreten, deutlich zu sehen: die Nebenblätter des äußersten, ältesten Blattes um- 138 Rosenartige Gewächse. fassen wie eine Scheide das nächst jüngere Blatt; zwischen dessen Neben- blättern ist wieder das nächst jüngere Blatt geborgen u. s. f. Auf diese Weise sind alle Blätter des jungen Zweiges gleichsam ineinander geschach- telt und die innersten, sehr zarten Blätter durch die äußern, schon mehr erstarkten geschützt. Die jungen Fiederblätter sind in der Mittelrippe gefaltet und wie die Blätter eines Buches eng zusammengelegt, so daß sie der aus- trocknenden Luft und den Sonnenstrahlen nur eine kleine Fläche darbieten. N N AN Blühender Zweig der Hundsrose. N \ \ In, 2 b< N EN SS An den Zweigen finden sich häufig die wie mit Moos umkleideten Rosen- oder Schlafäpfel. Sie sind durch den Stich der Rosengall- wespe entstanden und beherbergen in mehreren Höhlen die Larven dieses Insektes (s. „Lehrbuch der Zoologie“). 4. Blüte. a) An den Blüten erkennen wir den Bau der Birnblüte mit geringen Abweichungen deutlich wieder. Wir finden einen krug- förmigen Blütenboden, der mit einem gelben, fleischigen Ringe abschließt und 5 Kelchblätter, 5 rosafarbene Blumenblätter, sowie viele Staub- blätter trägt. Die Kelchblätter weichen hinsichtlich ihrer Form stark voneinander ab. Betrachtet man sie an den Knospen, so sieht man, wie sie gerade infolge dieser verschiedenen Gestalt die innern Blütenteile völlig umhüllen. Diese Aufgabe wird später von den Blumenblättern übernommen, die bis zur Entfaltung der Blüte mit ihren Rändern fest übereinander greifen. In der Höhlung des Blüten- bodens finden sich zahl- reiche freie Fruchtkno- ten, deren Griffel durch die Öffnung des „Kru- ges“ ins Freie treten 4 . und dort zu hellgelben Rosenäpfel, 1. von außen, 2. im Durchschnitt gesehen. Narben anschwellen. Rosenartige Gewächse. 139 Jeder Fruchtknoten besteht aus einem Fruchtblatte und enthält nur eine Samenanlage. b) An den einzelnen kleinen Blütenständen ent- falten sich die Blüten stets nacheinander. Vermöge ihrer beträchtlicheren Größe können sie auch einzeln die Aufmerksamkeit der Insekten sehr wohl erregen (vgl. mit andern großblumigen Pflan- zen!). Mit der prächtigen Blütenfarbe wirkt der köstliche Duft als Anlockungsmittel. Die zarten Blumenblätter können großen In- sekten nicht als Anflugsplatz dienen. Ein sol- cher wird vielmehr von den zahlreichen Narben und dem fleischigen Ringe des Blütenbodens ge- bildet. Sind die Tiere bereits mit Blütenstaub behaftet, so werden sie leicht Fremdbestäubung Blüte und Blütengrundriß herbeiführen. der Hundsrose. Die Blüte n n ä 5 ist längs durchschnitten. Den Bestäubern gewährt die Rose nur Blüten- pP}, Rlütenboden. K. Kelch. staub als Gegengabe. Von diesem kostbaren Stoffe (!/, nat. Gr.) vermag die Blüte wohl etwas abzugeben; denn sie enthält ja — wie erwähnt — weit mehr Staubblätter als z. B. die honigreichen Blüten des Birn- und Kirschbaumes. Der beim Mahle verstreute Staub wird wie beim Klatschmohn von den großen, muschelförmigen Blumenblättern aufgefangen. Wenn irgend möglich, folgt die geöffnete Blüte dem / Laufe der Sonne. Gegen Abend schließt sie sich. Die / /YA\ \ Blumenblätter neigen sich zusammen und bilden ein schüt- h} 7: N! zendes Dach für den Blütenstaub, den der nächtliche Tau]; YA) | leicht verderben könnte. ° 5. Frucht. Wie die Frucht vom Birn- und Kirsch- IN baume wird auch die der Rose durch Vögel verbreitet. Dementsprechend färbt sich der schwellende Blütenboden scharlachrot (Anlockung der Vögel!) und wird fleischig und | wohlschmeckend (Nahrung der Verbreiter!). Im Innern des Hagebutte der fleischigen „Kruges“ finden sich die zahlreichen behaarten en St Früchte, die je ein kleines, hartschaliges Nüßchen darstellen a (Schutz gegen Verdauungssäfte!). Die „Hagebutte“ ist also F. Früchte. eine Scheinfrucht wie die Birne und zugleich eine „Sammel- frucht“. — Nach Entfernung der steifhaarigen Früchte wird die Hage- butte auch vom Menschen genossen. B. Die edle Rose. 1. Die edle Rose gilt schon seit dem grauen Altertume als die Kö- nigin unter den Blumen. Der zarte Bau, die Farbenpracht und der köstliche Duft der Blüten haben ihr diesen Rang erobert. Sie ist das 140 Rosenartige Gewächse. Sinnbild der Jugend („Rosenzeit des Lebens“), der Unschuld und Schön- heit. Fast in jedem Garten trifft man sie an, und in zahllosen Liedern wurde sie gefeiert. Mit Rosen schmücken wir uns und unser Heim bei fröhlichem Feste, und Rosen legen wir unsern Lieben auf den stillen Grabhügel. Im Freien blühen bei uns die Rosen vom Juni bis zum November. Während des Winters erhalten wir die herrlichen Blumen aus Treib- häusern, besonders aber aus den wärmern Teilen von Italien und aus dem Süden von Frankreich. 2. Die edle Rose tritt uns in einer außerordentlichen Mannig- faltigkeit entgegen, führen doch die Verzeichnisse der Gärtner gegen- wärtig etwa 4000 Sorten auf, die besonders in Form, Größe und Färbung der Blüten — sie erstrahlen vom zarten Weiß und Gelb bis zum dun- kelsten Rot — voneinander abweichen. Diesen Reichtum brachte uns aber erst das letzte Jahrhundert; denn um das Jahr 1795 waren nur etwa 30 Sorten bekannt. Von den bloß einmal blühenden Sorten werden gegen- wärtig fast nur noch die als Kletter- und Trauerrosen bekannten an- gepflanzt; die andern haben den mehrmals blühenden sog. Remontant- rosen!), sowie den Teerosen (s. w. u.) weichen müssen. Von den ältesten Sorten weiß man zumeist nicht, wie sie entstanden sind. Es ist aber sicher, daß die edle Rose viel mehr ein Erzeugnis menschlicher Kunst als eine „Schöpfung der Natur“ ist. Das beweist schon die Tatsache, daß es keine wilde Rosenart gibt, die wie unsre edle Rose gefüllte Blüten besitzt. Solche Blüten sind entweder da- durch zustande gekommen, daß Staubblätter in Blumenblätter umge- wandelt sind, oder daß eine Vermehrung der Blumenblätter über die Fünfzahl der wilden Formen hinaus erfolgt ist. Für ersteres sprechen die Übergänge, die sich vielfach zwischen Blumen- und Staubblättern finden, für letzteres die zahlreichen Sorten, die wohl eine erhöhte Zahl von Blumenblättern zeigen, zugleich aber die Staubblätter ausgebildet und vollzählig erhalten haben. Die Züchtung der verschiedenen Sorten ist einesteils in derselben Weise wie die aller andern Kulturpflanzen erfolgt: Man pflanzte wilde Rosen- arten (unsre heimatliche Pflanzenwelt weist deren schon eine ganze An- zahl auf, die sich aber sehr stark ähneln) in bessern Boden, ließ ihnen eine sorgsame Pflege angedeihen und wählte stets nur die Pflanzen zur Fortzucht aus, bei denen eine Vermehrung der Blumenblätter oder eine andre dem Menschen besonders wertvolle Veränderung eingetreten war. Andernteils suchte man die Arten untereinander zu „kreuzen“: Man brachte Blütenstaub einer Art auf die Narbe einer andern, und aus den dadurch entstehenden Samen gingen Pflanzen hervor, die die Eigenschaften beider „Eltern“ zeigten. Mit diesen Mischlingen, Hybriden oder Bastarden verfuhr man nun weiter in der zuerst angedeuteten Weise, 1) remonte (franz.), Ersatz (Blüten werden immer wieder durch andre ersetzt). rl Rosenartige Gewächse. 141 und noch heutzutage werden bei der Zucht neuer Sorten genau dieselben Wege eingeschlagen. Eine der ältesten Gartenrosen ist die rotblühende „Zentifolie“'), die aus dem Orient zu uns gekommen ist und große, duftende Blüten trägt. Gleich ihrer schönsten Spielart, der Moosrose, deren Kelch und Blütenstiel mit blattartigen Drüsenborsten wie mit Moos besetzt sind, wird sie bei uns immer seltener. Dasselbe gilt auch von der früher allbekannten weißen Rose, die wahrscheinlich aus Südeuropa stammt. Eine andre alte Sorte ist die Damascener?)-Rose, die aber in unsern Gärten gar nicht mehr zu finden ist. Sie ist vermutlich aus einer zufälligen Kreuzung hervorgegangen, die zwischen der in Mitteldeutschland heimischen Essigrose (R. gällica°) und der Hundsrose oder einer indisch-nordafrikanischen Art, der Moschusrose (R. moschäta®), stattfand. Vom Jahre 1780 ab, in dem eine uralte Gartenrose Chinas, die Bengal-°) oder Monatsrose (R. chinensis®), eingeführt wurde, nahm die Rosenzucht einen ungeahnten Aufschwung. Die Mischlinge aus dieser und der Damascener-Rose sind nämlich die bereits erwähnten Remontantrosen. Ein weiterer wichtiger Schritt erfolgte im Jahre 1825, als die aus China stammende Teerose (R. fragrans’) nach Europa gelangte und mit zahlreichen Sorten der Bengalrose gekreuzt wurde: es gingen daraus unsre herrlichen Teerosen hervor, die ihren Namen nach dem feinen Teegeruch ihrer Blüten führen. Durch weitere Kreuzungen sind zahlreiche andre Sorten und Sorten-Gruppen entstanden, und alljährlich werden neue Spielarten auf den Markt gebracht. Die Vermehrung der Edelrosen erfolgt in sehr verschiedener Weise; doch kommt für den Gartenfreund meist nur das Okulieren (s. das.) in Betracht. Das Edel- reis oder dessen Knospe („Auge“), durch das die Sorte erhalten werden soll, wird in der Regel einem Schößlinge der Hundrose eingepflanzt. 3. Der Duft sowohl der wilden, als auch der edlen Rosen rührt von einem Öle her, das sich leicht verflüchtigt und auf Papier keinen bleibenden Fettfleck zurückläßt (flüchtiges Öl im Gegensatz zu den fetten Ölen). Dieses „Rosenöl“ wird dadurch gewonnen, daß die Blumen- blätter gewisser Sorten mit Wasser destilliert werden. Als Hauptbezugs- quelle dieses wertvollen Stoffes (1 kg kostet 800—900 M.) kommt für uns in erster Linie Bulgarien in Betracht; es wird aber auch in andern Ländern (Ägypten, Kleinasien usw.) gewonnen und zur Herstel- lung wohlriechender Wässer, zum Parfümieren von Seifen, Salben u. dgl. benutzt. Seit einigen Jahren werden auch in der Umgebung von Leipzig Rosen zum Zwecke der Ölgewinnung mit Erfolg angebaut. Andre Rosengewächse. In sonnigen Wäldern und Gebüschen, an Bergabhängen und ähnlichen Orten findet sich die Wald-Erdbeere (Fragäria vesca®) als eine unsrer gemeinsten Pflanzen. Aus den Achseln der dreizähligen Blätter entspringen lange Ausläufer, die wie beim Veilchen zahlreiche junge Pflanzen ins Dasein rufen. Die weißen Blüten sind nachts und bei Regenwetter nickend. Nach erfolgter Bestäubung richten sie sich nicht wieder empor, so daß die reifende „Frucht“ von dem Kelche, zu dem noch ein fünfblättriger „Außenkelch“ tritt, wie von einem Dache überdeckt ist. Der Blütenboden vergrößert 1) d. h. die Hundertblättrige (centum, hundert; fölium, Blatt). 2) nach der Stadt Damaskus benannt. 3) Essigrose: die Blütenblätter wurden zum Parfümieren von feinem Essig benutzt gallica, weil auch in Gallien (Frankreich) wachsend. 4) nach Moschus duftend. 5) nach der in dischen Landschaft Bengalen benannt. 6) aus China stammend. 7) fragrans, duftend. 8) fragum Erdbeere; vescus, eßbar, wohlschmeckend. 142 Rosenartige Gewächse. sich jetzt immer mehr, indem seine äußern Teile zugleich fleischig und saftig werden. In ihm sind die zahlreichen Früchte, die je ein winziges Nüßchen darstellen, zur Hälfte eingesenkt. Die auf diese Weise entstehende „Erdbeere“ ist also wie die Hage- butte eine Schein- und Sammelfrucht. Die scharlachroten, duftenden Beeren erscheinen uns vielfach zwischen dem Laube versteckt; nicht so aber den Vögeln (Drosseln u. a.), “ die sich gern am Boden aufhalten und die Verbreitung der Pflanze besorgen. — Die . Erdbeeren, die wir im Garten bauen, ent- stammen zumeist ausländischen Arten. Sie zeichnen sich durch besondere Größe aus, stehen aber an Duft und Wohlgeschmack („Aroma“) meist hinter den Walderdbeeren zurück. — An feuchten Waldstellen und be- sonders gern auf Waldblößen bildet die it a = Himbeere (Rubus id&us!) oft ausgedehnte l. Erdbeere und 2. Himbeere Bestände (Schößlinge!). Die Stämme sind längsdurchschnitten. Bb. Blütenboden. dicht mit Stacheln besetzt, tragen erst im Fr. Einzelnes Früchtchen. zweiten Jahre Blüten und sterben nach der Fruchtreife ab. Die Blätter sind unterseits meist weißfilzig. Da sich die Blüten am „jungen Holz“ bilden, kommen sie auch ver- hältnismäßig spät zum Vorschein. Aus jedem der zahlreichen Fruchtknoten, die auf dem stielförmig verlängerten Blütenboden stehen, entwickelt sich bei der Reife eine kleine Steinfrucht. Die Gesamtheit der Früchtchen bildet die „Himbeere“, die also eine Sammelfrucht ist. Der wohlschmeckenden, saftigen Früchte wegen zählt die Pflanze zu unsern wichtigsten Beerenobstarten. Sie gehört mit der Brombeere (R. fruticösus?), die von den Botanikern in zahlreiche, schwer zu unterscheidende Arten gespalten ist, zu ein und dersel- ben Gattung. Im Gegen- satz zu den bis- her besproche- nen Rosenge- wächsen haben die folgenden Arten saft- und schmacklose Gemeine Nelkenwurz. Früchte und 1. Blattrosette im Herbste und werden daher Winter (verkl.). 2. Fruchtstand auch nicht (nat. Gr.), a—c im Texte er- durch Vögel klärt (etwas vergr.). verbreitet. Dies sehen wir z. B. deutlich an den Fingerkräutern (Potentilla®), deren Sammelfrüchte genau wie die der Erdbeere gebaut sind, aber vollkommen trocken bleiben. Von den zahlreichen Arten seien nur genannt: das gelbblühende Frühlings-F. (P. verna®), das an trocknen Stellen wächst und zu unsern ersten Frühlingsblumen zählt, und das Gänse-F. (P. anserina?), das sich häufig in der Nähe menschlicher Ansiedlungen findet (auf Gänse- weiden!) und zierlich gefiederte, unterseits silberweiße Blätter, sowie gleichfalls gelbe Blüten besitzt. —- Eine unsrer bekanntesten Pflanzen, die gemeine Nelkenwurz 1) rubus, Brombeere; idaeus von Ida, Name mehrerer Berge iın Mittelmeergebiete. 2) fruti- cosus, buschig. 3) von pötens, mächtig (d. h. heilkräftig) und -illa, Verkleinerungssilbe. 4) vernus, im Frühlinge blühend. 5) anserina von änser, Gans. Rosenartige Gewächse. Schmetterlingsblütler. 143 (G&um urbanum!), wird wie die Möhre durch vorbeistreifende Tiere verbreitet. Dies ge- schieht vermittelst des Griffels, der nach dem Verblühen weiter wächst und schließ- lich verholzt. Indem sich sein oberer Teil-ablöst (Abb. a, b), gestaltet sich der untere zu einem kräftigen Haken um (c). Die Pflanze findet sich unter Gebüsch und besitzt charakteristisch geformte Fiederblätter, die im Herbste und Winter vielfach sehr regel- mäßige Rosetten bilden. Die nelkenartig riechende Wurzel, nach der die Pflanze ihren Namen trägt, wurde vom Volke gegen allerlei Krankheiten angewendet („Heil aller Welt“). — Ihre nächste Verwandte, die Bach-Nelkenwurz (G. riväle?), hat nickende Blüten. Die kleinen, gelben Blumenblätter werden von dem großen, ab- wärts geschlagenen Kelche zum größten Teil verdeckt. Es ist daher auch nicht zu verwundern, daß er gleichfalls bunt (rotbraun) erscheint. Der obere Abschnitt des Griffels fällt bei der Fruchtreife nicht ab. Er dient, da er mit langen Haaren dicht besetzt ist, der Ver- breitung der Samen durch den Wind. — Der gelbblühende Odermennig (Agrimönia eupatöria®), der sich häufig an Hecken und Wegrändern findet, häkelt seine Früchte gleichfalls Tieren an. Hier ist es der Blütenboden, der zahlreiche widerhakige Stacheln trägt. — Mehrere Rosengewächse haben sehr kleine Blüten. Da letztere aber zu großen Blütenständen gehäuft sind, werden sie den Insekten doch auffällig. Das sehen wir Zwei Früchte vom z.B. an den prächtigen Blütensträußen der allbekannten Sumpf- Odermennig Spierstaude oder des Mädesüß (Ulmäria pentapetala®). Die (etwas vergr.). stattliche Pflanze wächst an feuchten Standorten, an denen fast allnächtlich starker Tau fällt. Da die Blätter jedoch auf der Unterseite mit einem dichten Haarkleide bedeckt sind, vermag das Wasser die sich hier allein befindlichen Spaltöffnungen nicht zu verschließen. — Gleiche Blätter sind auch an mehreren andern Pflanzen nasser Stellen zu beobachten, z.B. am Wiesenknopf (Sanguisörba officinälis?), dessen sehr kleine, rotbraune Blüten, wie auch sein Name andeutet, zu Köpfchen vereinigt sind. — Beim Frauenmantel (Alchemilla vulgäris®) werden die unscheinbaren Blüten trotz der Häufung (für uns!) wenig auffällig. Am Morgen findet man im Grunde der Blätter, die einem ausgebreiteten Frauenmantel nicht unähnlich sind, je eine große, glänzende Wasserperle, die aus den zusammengeflossenen Tautröpfehen ent- standen ist. Das Pflänzchen wird daher im Volksmunde treffend als Taubecher bezeichnet (s. auch allgem. Teil). 41. Familie. Schmetterlingsblütler (Papilionäceae’‘). Pflanzen, die „Schmetterlingsblüten“ besitzen (s. S. 151) und deren Frucht eine „Hülse“ ist. 1. Die @emüsebohne (Phaseolus vulgäris°). 1. Heimat und Bedeutung. Die Gemüsebohne hat gleich der Feuer- bohne (Ph. multiflörus®), die vielfach als Schlingpflanze an Lauben u. dgl. gezogen wird, ihre Heimat im tropischen Amerika. Wie schon ihr Art- name andeutet, ist sie eine wertvolle Gemüsepflanze: sowohl die grünen 1) geum, unerkl.; wrbanus, städtisch (weil vielfach in der Nähe der menschlichen Ansiedlungen wachsend). 2) rivalis, amBache wachsend. 3) agrimonia aus argemöne entstanden, wahrscheinlich weil Heilmittel gegen ärgemon, (weißer Fleck auf der Iris oder dem Fingernagel); eupatoria nach Mithra- dates Eupator, König von Pontos (} 64 v. Chr.), der sich u. a. mit Botanik beschäftigte. 4) ulmaria: ülmus, Ulme und -drius, -artig (Blattform); pentapetalus: pente, fünf und petalon, Blatt. 5) sangwi- sorba.: sänguis, Blut und sörbeo, ich schlürfe (früher als blutstillendes Mittel verwendet); offieinalis, in der Apotheke verwendet. 6) alchemilla, nach der Lehre der Alehemisten mit besondern Kräften; vulgaris, gemein. 7) von papilio, Schmetterling. 8) phaseolus, Bohne; vulgaris, gemein. 9) multi- florus, vielblütig. 144 Schmetterlingsblütler. Früchte, als auch die reifen Samen („Bohnen“) dienen uns als nahr- hafte Speise. Wie von allen andern wichtigen Nutzpflanzen hat man auch von ihr eine große Menge von Sorten gezogen, von denen einige, die Zwerg- oder Buschbohnen (Gegensatz: Kletter- oder Stangenbohnen), unter der zwingenden Hand des Menschen sogar eine wichtige Eigen- schaft der Art, das Emporklettern an Stützen, verloren haben. 2. Same. Legen wir einige „Bohnen“ (oder „Feuerbohnen“) etwa 12 Stunden in das Wasser, so läßt sich von ihnen die verschieden ge- färbte, lederartige Haut, die Samenhaut, leicht abziehen. An der Stelle, an der sie zumeist etwas eingebuchtet sind, besitzt die Samenhaut einen matten Fleck, den sog. Nabel, d. i. die Stelle, an der die Bohnen durch je ein Stielchen an der Fruchtwand festsaßen. Nach Entfernung der Samenhaut erblicken wir 2 große, halbnierenförmige Körper, die Keim- blätter (Kotyledonen; zweikeimblättrige‘ Pflanzen, Blattkeimer oder Dikotylen; s. dag. Roggen!). Beseitigen wir eins dieser Gebilde, so erkennen wir deutlich das zukünftige Pflänzchen: Wie sehen einen winzigen Stengel, der unten in ein Würzelchen endigt, der in der Mitte die großen Keimblätter trägt und oben eine kleine Knospe besitzt. Der Same der Bohne ist also die von der Samenhaut umschlossene Anlage oder der Keim der jungen Pflanze. Wenn wir bedenken, wie zart die einzelnen Keimteile sind, so wird uns die Be- deutung der lederartigen Samenhaut als einer Schutzhülle sofort verständ- lich. Der zarteste Keimteil, die Knospe, ist wieder zwischen den derbern Keimblättern geborgen. 3. Keimung. Um die weitere Entwicklung des Keimes zum jungen Pflänzchen, oder kurz die Keimung zu verfolgen, legen wir abermals einige Bohnen in das Wasser. Schon nach einiger Zeit haben sie sich so voll Wasser gesogen, daß sie an Umfang und — wie die Wage zeigt — auch an Gewicht stark zugenommen haben. Schließlich sprengt der sich immer mehr ausdehnende Keim die Samenhaut, und das Würzelchen kommt zum Vorscheine. Legen wir die Bohnen jetzt in lockere Gartenerde (oder in gut durch- feuchtete Sägespäne), so sehen wir, wie die Wurzel abwärts in den Bo- den dringt und bald nach allen Seiten Nebenwurzeln ausschickt. Der Stengelteil unter den Keimblättern beginnt sodann stark in die Länge zu wachsen. Er krümmt sich hakenförmig, durchbricht den Boden und zieht — sich immer mehr streckend — schließlich die nach unten ge- richteten Keimblätter samt der Knospe, die sich unterdes stark vergrößert hat, aus der Erde hervor. Die Keimblätter tun sich jetzt auseinander; das Stengelstück über ihnen wächst in die Länge und streckt sich ge- rade; das erste Blattpaar entfaltet sich; alle oberirdischen Teile ergrünen: und die junge Pflanze steht fertig da. Während der Stengel kräftig weiter wächst und Blatt um Blatt treibt, verschrumpfen die Keimblätter nach und nach und fallen schließlich vom Stengel ab. (Bei der Feuer- bohne, der Erbse und zahlreichen andern zweikeimblättrigen Pflanzen Schmetterlingsblütler. 145 bleiben die Keimblätter unter der Erde.) — Diese Vorgänge geben uns mancherlei zu denken: a) Legen wir Bohnen (oder irgend welche andre Samen) an einen trocknen Ort, so keimen sie niemals. Erst nachdem sie befeuchtet oder in feuchte Erde gelegt werden, geschieht dies. Warum versorgt aber die Mutterpflanze den Keimling nicht gleich mit dem zum Keimen notwendigen Wasser? Die Antwort auf diese Frage gibt uns leicht folgender Versuch: Wir legen an einem kalten Wintertage einige trockne und einige aufgequollene Bohnen mehrere Stunden ins Freie. Bringen wir die Bohnen darauf in Blumentöpfe, die wir in das erwärmte Zimmer stellen, so werden die trocknen Samen bald, die aufgequollenen aber niemals keimen. Letztere sind durch die Kälte zer- stört, sie sind erfroren. Ebenso würde es den Samen ergehen, wenn sie von der Mutterpflanze mit Wasser versehen wären. — Beide Ver- suche zeigen uns auch, daß Wasser und Wär- me es sind, die die im Samen schlafen- de Pflanzenanlage er- wecken. b) Das Würzelchen kommt zuerst aus der 1-3. Die Hälfte der Samenhaut und ein Samenhaut hervor; denn N en Ba . D : R zel; : spe; ohneimBoden befestigt re Keimblatt: N. Nabel: ! we R zu sein, könnte die Teabblatepaar. junge Pflanze die Erde nicht durchbrechen. Da nun die Verlängerung des Würzelchens, die „Hauptwurzel“, nach allen Seiten fast rechtwinklig abgehende Neben- wurzeln aussendet, ist die Verankerung um so sicherer: der Wind kann wehen, aus welcher Richtung er will, das Pflänzchen hält ihm stand. (Denke, die Nebenwurzeln strablten nur nach einer oder nach 2 oder 3 Seiten aus, oder sie stiegen senkrecht in den Boden hinab! Vgl. mit einem Fahnenmaste, der durch Taue befestigt ist!) Die Wurzel hat aber noch eine zweite Aufgabe zu erfüllen, nämlich dem Boden im Wasser gelöste Nährstoffe zu entnehmen, die in den grünen Blättern weiter verarbeitet werden. Da sich die Wurzel nun zuerst entwickelt, kann sie den Blättern, sobald sich diese über den Boden erhoben haben und ergrünt sind, auch sofort Nährstoffe zuführen. Und da von der Hauptwurzel nach allen Seiten Nebenwurzeln ausstrah- len, vermag die Pflanze auch einer weit größern Bodenmenge die Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 10 Keimung der Gemüsebohne., 146 Schmetterlingsblütler. für sie notwendigen Stoffe zu entziehen, als wenn die Nebenwurzeln mit der Hauptwurzel nach unten wüchsen. c) Die Knospe, an der bereits im Samen die ersten Laubblätter deut- lich zu erkennen sind, ist ein ungemein zartes Gebilde. Wenn sie — ihrer Gipfelstellung entsprechend — beim Durchbrechen der Erde voran- gehen würde, müßte sie unbedingt verletzt werden. Diese Arbeit wird jedoch von dem weit festern Stengel geleistet, der sich zu diesem Behufe hakenartig krümmt. Hat er aber die Erde gespalten und die Keimblätter samt der zwischen ihnen geborgenen Knospe aus dem Boden hervor gezogen, so streckt er sich auch sofort gerade. (Welcher Stengel- teil krümmt sich beim Keimen der Feuerbohne und der Erbse?) d) Alle Teile des Keimes sehen, solange sie von der Samenhaut um- hüllt oder von Erde umgeben werden, weiß aus. Die Teile der jungen Pflanze dagegen, die sich über den Boden erheben, ergrünen. Lassen wir aber Bohnen im Finstern keimen (in Blumentöpfen, die wir in einen Schrank stellen), so bleiben die oberirdischen Teile blaß. Stellen wir diese Pflanzen darauf ins Licht, so ergrünen sie gleichfalls. Das Licht be- wirkt also das Ergrünen der Pflanzen. e) Die wachsende Pflanze baut sich aus den Stoffen immer weiter auf, die in den grünen Blättern bereitet werden. Woher nimmt aber der Keimling die zum Wachstum nötigen Stoffe, da er ja noch keine solchen Blätter besitzt? Die Antwort auf diese Frage erhalten wir, wenn wir die Keimblätter genauer beobachten. Die anfangs festen, prallen Gebilde werden immer weicher und schlaffer, bis sie schließlich gänzlich verschrumpft vom Stengel abfallen: die wachsenden Teile haben sich auf Kosten der in den Keimblättern aufgespeicher- ten Stoffe gebildet. Die Mutterpflanze gibt nämlich den Samen, da- mit sie die „ersten Ausgaben“ bestreiten können, Vorratsstoffe mit, die bei der Bohne (wie bei allen Schmetterlingsblütlern, den Kreuzblütlern u.v.a.) in den Keimblättern eingelagert sind. Läßt man Bohnen in aus- geglühtem Sande keimen, und begießt man die jungen Pflanzen nur mit destilliertem Wasser, so können sie dem Boden keine Nährstoffe entneh- men. Trotzdem wachsen sie aber zu beträchtlicher Höhe empor, ehe sie an „Hunger“ zugrunde gehen: ein Zeichen, daß in den Keimblättern große Mengen von Vorratsstoffen enthalten sind. Lassen wir Samen der Erbse, Linse oder eines andern Schmetterlingsblütlers ebenso keimen, so beobachten wir dieselbe Erscheinung, die uns auch den großen Nährwert der „Hülsenfrüchte“ hinreichend erklärt. 4. Stengel. Bei den Zwerg- oder Buschbohnen ist der Stengel so niedrig und kräftig, daß er sich selbst, sowie die ihm ansitzenden Blätter, Blüten und Früchte zu tragen vermag. Die Kletter- oder Stangen- bohnen dagegen besitzen einen so langen und schwachen Stengel, daß sie wie der Weinstock genötigt sind, andre Gegenstände als Stützen zu benutzen. Dieses Emporsteigen geschieht bei der Bohne aber in ganz andrer Weise als bei jener Pflanze. Um es genau verfolgen zu können. Schmetterlingsblütler. 147 lassen wir Samen in Blumentöpfen keimen und stecken neben jede junge Pflanze einen dünnen Stab in den Boden. Anfangs wächst der Stengel gerade empor; dann aber neigt sich die Stengelspitze zur Seite und beginnt langsam kreisende Bewegungen auszuführen. In etwa 1'/;—2 Stunden ist ein Umgang beendet. Der Stengel „sucht“ wie die Ranke der Weinrebe eine Stütze. Hat er sie gefunden, so wird er an der Berührungsstelle festgehalten. Da die Stengelspitze aber weiter kreist, so ist die Stütze bald ein- oder mehrfach locker um- wunden. Der Richtung der kreisenden Stengelspitze entsprechend verlaufen die Windungen fast wage- recht und zwar in der entgegengesetzten Richtung, in der sich der Uhrzeiger bewegt. Man sagt daher: die Bohne ist linkswindend (vgl. dag. Hopfen). Betupft man den Stengel in den wagerechten Windungen an beliebiger Stelle mit Tusche oder Tinte und merkt deren Höhe an der Stütze gleichfalls durch ein Zeichen an, so wird man bald finden, daß das Zeichen am Stengel über das am Stabe gerückt ist: ein Beweis, daß sich der Stengel in den wagerechten Windungen etwas emporgerichtet hat. Er hat näm- lich wie jeder wachsende Stengel das Bestreben, sich gerade nach oben zu strecken. Was die Folge dieses Streckens ist, soll uns ein andrer Versuch lehren: Wir = winden einen Faden locker um einen Stab, halten 1- Linkswindender das untere Fadenende fest und ziehen das andre engel der Bohne m ; N: und 2. (zum Vergleich) kräftig nach oben; dann werden die Windungen des „echtswindender Fadens steiler, und der Faden legt sich fester um Stengel des Hopfens. den Stab. So werden auch die Windungen des sich streckenden Bohnenstengels immer steiler, und die Pflanze schlingt sich immer fester um die Stütze. Da der Stengel mit kurzen, steifen Haaren besetzt ist, vermag sich die Pflanze an der Stütze um so sicherer festzuhalten. Auch daß die Blätter des kreisenden Stengelteiles auffallend klein sind, diesen also nur sehr wenig beschweren, erleichtert der Bohne das Em- porsteigen nicht unwesentlich (vgl. mit andern windenden und mit nicht windenden Pflanzen, z. B. mit der Erbse!). 5. Blätter. a) Die beiden ersten Blätter, die am Stengel der jungen Bohnenpflanze entspringen, sind sehr groß und „einfach“; alle folgenden dagegen sind aus 3 Blättehen zusammengesetzt (dreizählige Blätter). Im Gegensatz zu dem endständigen sind die beiden seitlichen Blätt- chen unsymmetrisch, und zwar findet sich die größere „Hälfte“ auf der dem Endblättchen abgekehrten Seite. Wären die „Hälften“ gleich, so würden sich die Blättchen (ihre jetzige Größe und Stellung voraus- gesetzt) zum Teil decken und somit einander gegenseitig das Sonnenlicht rauben. 148 Schmetterlingsblütler. Am Grunde des langen, gemeinsamen Blattstieles und der kurzen Stiele der Einzelblättehen finden sich winzige Nebenblättchen. Wenn man sieht, wie in der sehr kleinen Gipfelknospe des Stengels die Nebenblätter des ganzen Blattes die zarten, noch zusammengefalteten Blättchen um- hüllen, wird man selbst diesen scheinbar wertlosen Gebilden jegliche Bedeutung für die Pflanze nicht absprechen können. b) Am Tage sind die dreizähligen Blätter, wenn sie nicht direkt von den Sonnenstrahlen getroffen werden, also im „zerstreuten“ Lichte stehen, meist wagerecht ausgebreitet. Bei anbrechender Dunkelheit aber richtet sich der gemeinsame Blattstiel empor, so daß der Winkel, den er mit dem Stengel bildet, kleiner wird; gleichzeitig senken sich auch die 3 Blättchen, bis sie fast lotrecht herabhängen. Indem man diese Erscheinung mit dem Schlafe der Menschen und Tiere vergleicht, sagt man: die Blätter schlafen, sie haben die Nacht- oder Schlafstel- lung eingenommen. Am Morgen senkt sich der Blattstiel, und die Blättchen Blatt der Gemüse- richten sich wieder empor: das Blatt bohne, 1. in Tag- befindet sich jetzt in Tagstellung. Diese stellung, 2.in Nacht- regelmäßig sich wiederholenden Bewegungen Alm erfolgen in dem angeschwollenen Grunde des gemeinsamen Blattstieles und in den gleichfalls verdickten Stielehen der Einzelblätter, in den sog. Gelenken des Blattes. Welche Bedeutung hat diese seltsame Er- scheinung? Wir wissen, daß die Pflanze dem Boden Nährstoffe entnimmt, die, in Wasser gelöst, zu den Blättern empor gehoben werden. Je mehr Wasser also von den Blättern verdunstet wird, desto mehr Nährstoffe müssen auch in die Blätter gelangen und hier verarbeitet werden. Jede Hemmung des Stromes ist für die Pflanze demnach ein Nachteil. Dieser Fall tritt aber ein, wenn die Blätter stark mit Tau bedeckt sind. Nun betauen — wie die Erfahrung lehrt — senkrecht gestellte Blätter viel weniger als wagerecht stehende. Bei erstern ist demnach am Morgen die Verdunstung nicht in dem Grade gehemmt wie bei letztern. c) Werden die Pflanzen aber an warmen Tagen direkt von den Sonnenstrahlen getroffen, so könnten sie leicht mehr Wasser ver- dunsten, als die Wurzeln aufzusaugen vermöchten. Dann drehen sich die Blättehen — besonders die beiden seitlichen — meist so, daß ihre Flächen senkrecht zu stehen kommen. Infolgedessen werden sie von den Sonnenstrahlen unter spitzerm Winkel getroffen und nicht so stark er- wärmt, als wenn sie die eigentliche Tagstellung innebehalten hätten. Sie Schmetterlingsblütler. 149 verdunsten daher jetzt auch weniger Wasser. Auch gegen zu grelles Licht, das das Blattgrün zerstört, sind die Blätter in dieser Lage vortrefflich geschützt. 6. Die Blüte, deren Blumenkrone bei den einzelnen Sorten eine sehr verschiedene Färbung zeigt, ist eine Schmetterlingsblüte, die bis auf geringe Abweichungen ganz wie die der Erbse gebaut ist (s. das.). Ein Gleiches gilt auch von der Frucht. 2. Die Erbse (Pisum sativum!). 1. Die Erbse, eine Nutzpflanze. Die Erbse entstammt den Mittel- meerländern und dient dem Menschen schon seit undenklichen Zeiten als wichtige Gemüsepflanze. Wir verspeisen ihre reifen und halbreifen Samen; von einigen derzahlreichen Sorten wer- den hier und da auch die jungen, noch weichschaligen Früchte ganz verzehrt. 2. Die Erbse, eine rankende Pflanze. Der hohe, vielfach verzweigte, hohle, schwache und saftige Stengel kann sich bei fortschreitendem Wachs- tume nicht aufrecht erhalten. Um die Blätter dem Lichte und der Luft, so- wie die Blüten den Blicken der In- sekten darzubieten, bedient sich die ‚=>>3 Pflanze wie der Weinstock der Hilfe a von Ranken. Diese Gebilde finden sich an den Enden der gefiederten Blätter und umschlingen benachbarte Pflanzen oder Reiser, die wir dem schwachen Gewächs als Stütze dar- bieten. Da sie an der Mittelrippe des Blattes genau wie die Fiederblättchen angeordnet sind (mitunter stehen sich sogar ein Fiederblättehen und eine Ranke gegenüber!), und da sich an Stelle des Endblättchens gleichfalls eine „jühender und Ranke findet, so faßt man sie als Fieder- fruchttragender blättchen auf, deren Blattfläche bis auf Zweig. die Mittelrippe geschwunden ist. Im Gegensatz zu den „Stengelranken“ des Weinstocks sind die Ranken der Erbse (wie aller andern Schmetterlingsblütler) also Blattranken. Gleichsam als Ersatz für die in Ranken umgewandelten Fiederblätter treten sehr große Nebenblätter auf, die den Stengel meist umfassen. Er pisum, Erbse; sativus, angebaut. 150 Schmetterlingsblütler. Anfangs sind sie senkrecht gestellt und umgeben schützend die jungen Blätter, Zweige und Blüten; dann breiten sie sich auseinander, bieten ihre ganze Fläche dem Sonnenlichte dar und verrichten die Arbeiten der eigentlichen Blätter. (Beachte die Faltung der jungen Blätter und den Wachsüberzug aller grünen Teile; vgl. mit Roßkastanie und Raps!) 3. Die Erbse, ein Stickstoffsammler. Gräbt man eine kräftige Erbsenpflanze oder ein andres schmetterlingsblütiges Gewächs (Bohne, Lupine u. dgl.) aus dem Boden, so erblickt man an den Wurzeln zahl- reiche Knöllchen von sehr verschiedener Größe (bei der Lupine werden ‚l sie bis haselnußgroß), deren Wesen und Bedeutung N man erst in jüngerer Zeit erkannt hat: In jedem i Krümchen Ackererde sind Tausende von Spaltpilzen vorhanden. Gewisse Arten dieser winzigen Lebe- SI — IS SI N, 6 EN wesen, die sog. Wurzelbakterien, haben die Gewohn- BIK:; Q heit, in die feinsten Wurzeln der Schmetterlingsblüt- ’ (Ya \ N ler einzudringen, der „Wirtspflanze“ nährende Stoffe I SPAN zu entziehen und sich stark zu vermehren. Ähnlich "Ip jÄa\ wie an dem Eichenblatte, in das die > Eichengallwespe ein Ei gelegt hat, infolge des Reizes eine Wucherung, eine Galle, entsteht, bilden sich hier ‘ durch den von den Spaltpilzen verur- sachten Reiz jene Knöllchen. Die Wur- zelspaltpilze entnehmen der „Wirts- pflanze“ aber nicht sämtliche Stoffe, die zum Aufbau ihres Körpers dienen. Sie besitzen nämlich die wunderbare Kraft, Stickstoff aus der atmosphäri- “ schen Luft des Bodens aufzunehmen und in Stickstoffverbindungen (Eiweiß) Wurzel der Erbse mit Wurzelknöllchen überzuführen, eine Fähigkeit, die allen (nat. Gr.). Daneben: 7. Zelle aus einem andern Pflanzen sonst abgeht. Nach Wurzelknöllchen, dieht mit Spaltpilzen einiger Zeit sterben die Spaltpilze ab, angefüllt (120 mal vergr.). B. Spaltpilze die Knöllehen verwesen. und die stick- ° bei starker (etwa 800 mal.) Vergrößerung. . x 2 " stoffhaltigen Verwesungsprodukte wer- den von der Pflanze aufgesogen. Unterdes haben sich wieder neue Knöllchen gebildet, die abermals zugrunde gehen: so wird den schmetterlings- blütigen Pflanzen durch Vermittlung der Spaltpilze fortgesetzt Stickstoff der Luft zugeführt. Die Pflanze hat also durch den Spalt- pilz, den sie in den Knöllchen beherbergt und zum Teil ernährt, einen großen Vorteil. Beide, Pflanze und Spaltpilz, sind nehmend und gebend zu gleicher Zeit. Sie haben sich zu gegenseitigem Nutzen vergesell- schaftet; sie bilden eine „Pflanzengenossenschaft“ und führen ein „Genossenschaftsleben“ (Symbiose), ähnlich wie wir es zwischen gewissen Tieren, sowie zwischen einigen Tier- und Pflanzenformen finden. Fi Schmetterlingsblütler. 151 Die Tatsache der Stickstoffaufnahme aus der atmosphärischen Luft hat nun für die Landwirtschaft eine ganz außerordentliche Bedeutung: Mit jeder Ernte entnimmt der Landmann dem Felde eine große Menge stickstoffhaltiger Verbindungen (besonders in der Form von Eiweiß). Soll das Feld im nächsten Jahre wieder eine gute Ernte bringen, so muß er dem Acker neue Stickstoffverbindungen zuführen. Dies geschieht bekannt- lich durch die Düngung. Baut der Landmann aber schmetterlingsblütige Pflanzen an, die er nicht aberntet, sondern unterpflügt, so besorgen diese durch Vermittlung der Wurzelbakterien die Düngung des Bodens. Als der beste „Stiekstoffsammler“ hat sich die Lupine bewährt. Da sie eine sehr „genügsame“ Pflanze ist, vermag der Landmann mit ihrer Hilfe selbst dem sandigsten Acker noch einen Ertrag abzu- ringen: er baut sie als Viehfutter an oder pflügt sie als Dünger für „an- spruchsvollere“ Gewächse (Getreide, Rüben usw.) in den Boden. Finden sich in dem Ackerlande keine Wurzelbakterien, so vermögen die Schmet- terlingsblütler ihre segensreiche Tätigkeit auch nicht zu entfalten. 4. Die Erbse, ein Schmetterlingsblütler. Die zweiseitig-symme- trische Blüte hat einige Ähnlichkeit mit einem Schmetterlinge (Familien- name!). Der becherförmige Kelch (der Kopf des Schmetterlings!) ist in 5 Zipfel ausgezogen, ein Zeichen, daß er durch Verwachsung ebenso vieler Blättchen entstanden ist. Die Blumenblätter sind meist sämtlich weiß und unter sich an Größe und Gestalt sehr verschieden. Das obere, aufgerichtete, größte Blatt wird als Fahne bezeichnet; die beiden seitlichen Blätter heißen Flügel, und die beiden untern sind zu einem kahnförmigen Gebilde, dem Schiffchen, verwachsen. Das Schiff- chen umschließt schützend (Regen, Tau, Näscher!) den Stempel und die Staubblätter. Der langgestreckte Fruchtknoten, über dessen Bau uns am besten die ; { Frucht belehrt (s. das.), setzt sich in einen langen een Griffel fort. Unter der Narbe am Griffelende findet | sich ein einseitiger Haarbesatz, den man treffend als Griffelbürste be- zeichnet. Von den Fäden der 10 Staubblätter sind 9 miteinander zu einer oben offenen Röhre verwachsen, die den Fruchtknoten wie eine Scheide umschließt. Den Spalt zwischen den Rändern dieser Röhre be- deckt der Faden: des zehnten (freien) Staubblattes. Der Honig wird von der Innenseite der Staubblätter am Grunde der Röhre abgesondert. Der verwickelte Blütenbau der Erbse, von dem wir in folgendem noch weitere Einzelheiten kennen lernen werden, wird uns (wie der Blütenbau der Schmetterlingsblütler überhaupt) nur verständlich, wenn wir die Bestäubung genau verfolgen: a) Wie bei allen „Insektenblütlern“ werden auch hier die Bestäuber durch die bunten Blumenblätter angelockt, und zwar ist es besonders die Fahne, die die Blüte auffällig macht: sie ist groß, breit und senk- recht emporgerichtet, dient also gleichsam als „Aushängeschild“. — An 152 Schmetterlingsblütler. Blüten, die sich noch nicht geöffnet haben, umhüllt die Fahne die übrigen Teile gleich einer schützenden Decke, wie dies in der Knospe vom Kelche geschah. b) Die Flügel, die das Schiffehen vollkommen überdecken, dienen dem saugenden Insekt als „Sitzbrett“. Sie haben — von andern Un- ebenheiten abgesehen — da, wo sie sich zu verbreitern beginnen, je eine tiefe, nach innen gerichtete Ausbuchtung, die genau in eine entsprechende Vertiefung des Schiffchens eingreift. Hierdurch werden Flügel und Schiffehen fest miteinander verbunden, gleichsam verankert. Drückt man mit einem Stäbchen die Flügel etwas herab, so wird daher auch das Schiffehen nach unten bewegt. Das- selbe erfolgt, wenn sich ein kräf- tiges Insekt auf den Flügeln nieder- läßt, den Kopf in den Blütengrund drängt und zu saugen beginnt. c) Sobald dies aber geschieht, tritt aus der Öffnung an der Spitze des Schiffchens der Griffel hervor. Zuerst berührt die Narbe die Unter- seite des Insekts. Bringt das Tier vom Besuch einer andern Erbsen- blüte an dieser Körperstelle bereits Blütenstaub mit, so ist die Be- stäubung alsbald vollzogen. Dann kommt auch die Griffelbürste mit dem Insekt in Berührung. Da nun N El male die Bürste mit Blütenstaub bedeckt jlüte c ürbse, ın die el : . : ui der Behee, in die emmann Tale ist, so kann es nicht ausbleiben Sch. Schifichen. K. Kelch, von dem der daß ein Teil von ihm im Haar- vordere Teil entfernt ist. kleide des Tieres hängen bleibt. Darunter das Schiffchen (stärker vergr.), d) Vor Entfaltung der Blüte durch Beseitigung der rechten Hälfte g-- haben sich nämlich die (jetzt ver- öffnet. G. Griffel. RSb. die aus den 9 schrumpften!) Beutel der Staub- verwachsenen Staubblättern gebildete Röhre. = ; = : (Von den Staubblättern sind nur 4 zu sehen.) blätter bereits geöffnet und ihren fSh. freies Staubblatt. H. Zugang zum Honig. Staub in den kegelförmigen Hohl- raum der Schiffehenspitze entleert, so daß Narbe und Griffelbürste damit bedeckt sind. (Daher ist auch Selbstbestäubung möglich!) Fliegt das Insekt darnach von dannen, so be- wegen sich Flügel und Schiffehen wieder aufwärts, und der Griffel kehrt in seine Schutzhülle, das Schiffehen, zurück. Bei jedem folgenden In- sektenbesuche fegt er stets von neuem Blütenstaub aus dem Schiffehen hervor, bis der Vorrat schließlich erschöpft ist. Die Ablagerung des Blütenstaubes im vordern Abschnitt des Schiff- chens tritt um so sicherer ein, als die Staubfäden miteinander verwachsen sind, so daß die Staubblätter in ganz bestimmter Lage gehalten werden. Schmetterlingsblütler. 153 e) Da sich der Honig im hintersten Teile der Staubfadenröhre findet, darf die Röhre nicht völlig geschlossen sein. Das Insekt würde ja sonst nicht zu dem süßen Safte gelangen können! Dieser notwendige Zugang zum Honig ist nun dadurch geschaffen, daß ein Staubblatt — wie oben bemerkt — nicht mit in den Verband der andern eintritt. Am Grunde dieses „freien“ Staubblattes findet sich rechts und links je eine Öff- nung, die zum Honig führt. (Eine gleiche Einrichtung treffen wir bei allen andern honighaltigen Schmetterlingsblüten an. Bei denjenigen Blüten aber, die des Honigs entbehren, z. B. beim Besenginster, bei den Ginster- arten, bei Lupine und Hauhechel sind stets alle Staubblätter unterein- ander verwachsen und die Staubfadenröhre dementsprechend geschlossen.) f) Der „hinterste“ Winkel der Blüte ist auch der rechte Ort für den Honig. Diejenigen Insekten, die sich auf der Blüte nicht nieder- lassen (Schwärmer), oder die zu schwach sind (Fliegen, Tagfalter, kleine Käfer u. a.), das Schiffehen niederzudrücken, wären unnütze Näscher. Ihnen ist der Weg zum Honig versperrt. Nur die Bienen vermögen den Verschluß der Schmetterlingsblüte zu öffnen und eine Bestäubung zu vermitteln. Für diese mit mittellangem Rüssel ausgerüsteten Insekten liegt der Honig an jener Stelle aber gerade recht. Kurz, man kann die Schmetterlingsblüte betrachten, wie man will: sie ist in allen Stücken eine vollendete „Bienenblume‘“. Da — wie wir gesehen haben — bei der Erbse Flügel und Schiff- chen sehr fest zusammenhalten, kann ihre Blüte auch nur durch kräftige Bienen geöffnet werden. Solche Bienenarten gibt es wohl in der Heimat der Pflanze, bei uns aber selten. Daher ist die Erbse in nördlicheren Gegenden zumeist auf Selbstbestäubung angewiesen, wie durch Um- hüllung einiger Blüten mit Gaze leicht festgestellt werden kann. Selbst- verständlich ändert dies an dem Wesen der Blüte als einer Bienenblume nicht das geringste; denn wir haben es hier ja mit einer Pflanze zu tun, die der Mensch zwingt, unter ihr völlig fremden Verhältnissen zu leben. Manche Bienen suchen den Honig auch auf „unrecht- mäßige“ Weise durch Anbeißen der Blüte zu erlangen. g) Soll eine Bestäubung wirklich herbeigeführt werden, so ist nötig, daß die einzelnen Blütenteile ihre Lage zu- einander genau innebehalten. Es ist daher von Wichtigkeit, daß die 5 Blättchen, aus denen der Kelch besteht, unter- einander verwachsen sind. Spaltet man den Kelch vor- sichtig an mehreren Stellen, so ist der ganze kunstvolle „Mechanismus“ zerstört. h) Das Insekt vermag den notwendigen Druck auf das Schiffehen um so eher auszuüben, als die Blüte wagerecht gestellt ist. (Denke, sie wäre senkrecht auf- oder abwärts gerichtet! Wie stehen die Erbsenblüten vor dem Blühen? yülse der wie die Fruchtstiele?) Erbse. 154 Schmetterlingsblütler. 5. Die Erbse, ein Hülsenfrüchtler. Wie man an der reifenden Frucht deutlich sehen kann, besteht ihre Hülle aus einem langen Blatte, das in der Mittelrippe derartig „geknifft“ ist, daß die Ränder zusammenstoßen. An den verwachsenen Rändern sitzen in je einer Reihe die Samen, die sog. Erbsen. Eine so gebildete Frucht nennt man „Hülse“ (in einigen Gegenden fälschlich „Schote“; s. Raps). Bei der Reife spaltet sich das Fruchtblatt sowohl an der Verwachsungsstelle, wie an der Mittelrippe, so daß die Hülse mit 2 Klappen aufspringt. — Die „Maden“, die häufig die Samen zerstören, sind meist die Raupen des Erbsenwicklers. Andre Schmetterlingsblütler. Um vielfache Wiederholungen zu vermeiden, seien die Schmetterlingsblütler, denen wir noch kurz unsre Aufmerksamkeit schenken wollen, nach der besondern Weise, in der bei ihnen die Bestäubung erfolgt, zusammengestellt. 1. Blüten mit Bürsteneinrichtung (Griffelbürste wie bei Erbse und Bohne). Als wichtige Futterkräuter bauen wir die Saatwicke und die Pferde- oder Sau- bohne (Vicia sativa und faba!) an. Die großen, grünen Früchte der letztern werden hier und da wie die der Gemüsebohne auch vom Menschen verspeist. Die Blüten beider sind infolge greller Farbenzusammenstellungen besonders auffällig. — Von den zahlreichen wildwachsenden Wickenarten seien nur die beiden häufigsten, die Vogel- und die Zaun- wicke (V. cräcca und sepium?), genannt. Erstere tritt auf Äckern oft als lästiges Un- kraut (Ranken!) auf. Ihre prächtig blauen Blüten sind zu großen Trauben angeordnet, und ihre Samen werden besonders gern von der Feldtaube verzehrt. Die Zaunwicke wächst auf Wiesen, in Gebüsch und an Hecken. Ihre Blütenstände bestehen nur aus wenigen röt- lich-violetten Blüten. Betrachtet man die Pflanze genauer, so findet man vielfach kaum ein Exemplar, das nicht von Ameisen be- völkert wäre. Die Tiere stellen, wie man sich leicht überzeugen kann, dem süßen Safte nach, der von braunen Honigdrüsen auf der Unterseite der Nebenblätter oft in großen, glänzenden Tropfen abgeschieden wird. Bisher - fanden wir den Honig stets nur in Blüten 9 und erkannten in ihm eine Gegengabe der Pflanze an ihre Bestäuber. Eine Abscheidung des süßen Saftes außerhalb der Blüte, wie /) sie auch bei der Saatwicke, der Pferdebohne und mehreren andern Wicken zu beobachten ist, will wie eine Verschwendung erscheinen, eine Annahme, der jedoch ein wichtiges Be- Linse; Zweig mit Hülsen (verkl.). denken gegenübersteht: Schon längst sind Daneben eine Hülse in nat. Gr. nämlich die Ameisen als eifrige Vertilger 1) vieia, Wicke; sativus, angebaut; faba, Bohne. 2) cracca, Vogelwicke; sepiwm (richtiger saepiwm), der Zäune (an den Zäunen wachsend). Schmetterlingsblütler. 155 blattfressender Insekten und derer Larven (Raupen u. a.), sowie als große Freunde von Süßigkeiten allgemein bekannt. Die Pflanzen, die fleißig von Ameisen besucht werden, sind daher vor andern, die diesen Besuch nicht erhalten, im Vorteil; denn sobald sich auf ihnen ein Verwüster ansiedelt, wird er meist alsbald auch eine Beute der bissigen Tiere. Die Ameisen dürften daher für die Wicken bis zu einem gewissen Grade eine Art „Schutz- garde“ bilden, und der Honig wäre dann das Mittel, die streitbaren Helfer anzulocken. Eine gleichfalls sehr häufige Pflanze unsrer Wiesen ist die gelbblühende Wiesen- Platterbse (Läthyrus pratensis'). — Ihre nächste Verwandte, die rankenlose Frühlings- Platterbse (L. vernus?), gibt sich durch die großen, zarten Fiederblätter ohne weiteres als Waldpflanze zu erkennen. — Aus den Mittelmeerländern ist die Linse (Lens escu- lenta°) zu uns gekommen, deren Samen eine nahrungsreiche Speise liefern, und die darum vielfach angebaut wird. — Nordamerika ist die Heimat der Robinie (Robinia pseud- acacia®), die fälschlich allgemein „Akazie“ genannt wird und wegen der zarten Fiederblätter („Kugelakazien“) und der weißen, duftenden Blüten ein allbekannter Zierbaum ge- worden ist. Am Grunde der Blattstiele — ein Zeichen, daß wir es hier mit umge- wandelten Nebenblättern zu tun haben! — finden sich je zwei scharfe Stacheln, die wie eine Schutzwehr unter der Knospe und dem jungen Blatte stehen. Erreicht die Pflanze eine gewisse Höhe, so bilden sich keine Stacheln mehr, eine Erscheinung, wie sie ähnlich an den Dornen des Birnbaumes zu beobachten ist. Die Fiederblätter senken sich nachts herab; in den heißen Mittagsstunden dagegen richten sie sich senkrecht empor, während sie in südlichen Ländern meist vom Morgen bis zum Abend in dieser Stellung verharren. — Der Blasenstrauch (Colütea arborescens?), gleichfalls eine bekannte Parkpflanze, stammt aus Südeuropa. Die blasig aufgetriebene Hülse dient als „Flugausrüstung“ zur Verbreitung der kleinen Samen. 2. Blüten mit einfacher Klappvorrichtung. Diese einfachste Weise der Bestäubung wollen wir am Wiesenklee (Trifolium pratense®) kennen lernen: Drücken wir oder ein Insekt das Schiffehen nieder, so treten Stempel und Staubblätter hervor; hört der Druck auf, dann kehren beide wieder in ihre Schutzhülle zurück. Die roten, duftenden Blüten dieser unsrer wichtigsten , sind wie bei allen andern Kleearten ver- / hältnismäßig klein. Da sie aber zu „Köpfchen“ zusammen- gestellt sind, werden sie doch weithin sichtbar. Die hintern Teile der Blumenblätter sind sowohl unter sich, als auch mit den 9 untern Staubfäden zu einer etwa 9 mm langen Röhre verschmolzen. Daher sind die lJangrüsseligen Hummeln die ausschließlichen Bestäuber der ; » Wiesenklee. 1. Blüte, Sschlö@en und von Pflanze. Vielfach findet man einer Honigbiene angebissen. 2. Blüte, geöffnet. die Blumenröhre von der kurz- 3 Frucht mit der vertrockneten Blumenkrone. rüsseligen Erdhummel oder der 4. Blätter in Schlafstellung. 1) läthyros, bei den Griechen eine schotentragende Pflanze; pratensis, auf dar Wiese wachsend. 2) vernus, im Frühlinge wachsend. 3) lens, Linse; esculentus, eßbar. 4) Robinia nach Robin benannt, einem Gärtner, der die Pil. um 1600 nach Frankreich brachte; pseudacacia ' pseud-, lügnerisch, falsch u. acdeia, Akazie. 5) colutea, Linsenbaum; arborescens, zu einem Baume werdend. 6) trifolium : tri-, drei u. fölium, Blatt; pratensis, s. Anm. 1. 156 Schmetterlingsblütler. Honigbiene angebissen, die beide also „Einbruch verüben“. Da die Hülse von der vertrockneten Blumenkrone umhüllt bleibt, bietet sie dem Winde eine größere Angriffsfläche dar und kann somit leicht ver- weht werden. Die dreizähligen Blätter („Kleeblatt“) nehmen wie die Bohnenblätter abends Schlafstellung ein, richten sich dabei aber (wie bei allen andern Kleearten, sowie beim Stein-, Schnecken- und Hornklee, beim Goldregen, Ginster und zahlreichen andern Schmetterlingsblütlern) senkrecht empor. Wie man in dieser Einrichtung ein Förderungsmittel der Verdunstung erkannt hat, so auch in den weißen Bändern, die sich über die Blattflächen hinwegziehen. Da sich nämlich dunkle Gegenstände schneller abkühlen als helle, so werden weiß- gefleckte Blätter die Wärme auch länger zurückhalten als gleichmäßig grüne Blätter. Erstere werden daher bei Ein- tritt der nächtlichen Kühle noch längere Zeit stark verdunsten. Weißklee (1) und Esparsette mit Fracht (2). Hiermit steht auch im Zusammenhange, daß man bei Kleepflanzen, die auf beschattetem oder feuchtem Grunde wachsen, breitere Bandzeich- nungen findet als bei solchen auf sonnigem, trocknem Boden. Die Neben- blätter sind miteinander verwachsen und können daher die Aufgabe, als Schutzhülle der jungen Blätter zu dienen, vortrefflich erfüllen. Von den zahlreichen andern Kleearten sei nur noch der Weißklee (T. repens') erwähnt. Da er eine weit kürzere Blütenröhre besitzt als der Wiesenklee, kann sein Honigreichtum auch von der Honigbiene ausgebeutet werden. Die kriechende, sehr veränderliche Pflanze hat daher für die Bienenzucht besondere Bedeutung. — Dasselbe gilt von der rotblühenden Esparsette (Onöbrychis sativa?), die gleichfalls eine wichtige 1) repens, kriechend. 2) onobrychis: 0nos, Esel und brijcho, ich knirsche mit den Zähnen, beiße iresse); sativus, angebaut. Schmetterlingsblütler. 157 Futterpflanze ist. — An Wegen und auf Wiesen findet sich häufig der Steinklee (Meli- lötus!), dessen weiße oder gelbe, duftende Blüten in langen Trauben beieinander stehen. — Der Goldregen (Cytisus labürnum?) ist wegen seiner prächtigen, goldgelben Blüten- trauben ein allgemein beliebter, aber in allen seinen Teilen giftiger Zierstrauch. Die anfangs aufrechten Blütenstände werden später hängend. Da die Blütenstiele gleich- zeitig aber je eine Drehung um 360° ausführen, werden die Blüten wieder in die „richtige Lage“ gebracht, so daß die Fahnen nach oben gerichtet sind. Die Blüten sind scheinbar honiglos, und freien Honig besitzen sie auch in der Tat nicht. Trotz- dem sieht man an ihnen aber Insekten saugen. Die Tiere bohren nämlich das zarte Gewebe am Grunde der Fahne an und genießen den erbohrten Saft. 3. Blüten mit Schnell-Vorrichtung. Drückt man in den Blüten des weit verbreiteten Besen- ginsters (Sarothaämnus scopärius?) die Flügel und das Schiff- chen nieder, so schnellen Staubblätter und Stempel, die in ihrer Hülle zum Teil wie gespannte Uhrfedern liegen, her- vor, und die Beutel streuen den Blütenstaub aus. Dasselbe geschieht natürlich auch, wenn eine Hummel oder Biene den Verschluß der Blüte öffnet. Hierbei wird das Tier mit Blüten- staub förmlich überschüttet. Flügelu. Schiff- chen kehren darauf aber nicht wieder in ihre ursprüng- liche Stellung zurück. Die prächtigen, gel- ben Blüten der Pflanze sindho- niglos, enthal- ten aber — der Art der Bestäu- bung entspre- chend — sehr viel und zwar mehlartig trocknen Blü- tenstaub. Da der mannshohe Strauch wie zahlreiche andre Ödland- | x r_ l pflanzen nur 1 Blühender Zweig 4 Luzerne und sehrkleineBlät- 7 vom Besenginster. Ü iunge Frucht. ter besitzt, die auch nur ge- ringe Wassermengen verdunsten, vermag er in sandigen Wäldern, an Wegrändern, auf sonnigen Hängen und an ähnlichen Orten wohl zu gedeihen. Dafür treffen wir aber in der Rinde der kantigen, rutenförmigen Stengel, die vielfach zur Herstellung von Besen benutzt werden, Blattgrün an. Die Hülsen drehen sich im Augenblicke des Öffnens schraubig zusammen, so daß die Samen fortgeschleudert werden, eine Erscheinung, 1) meli, mel, Honig; lotos, wahrscheinlich ein ägypt. Wort. 2) kıjtisos (gr.), Goldregen ; labur- num (lat.), Goldregen. 3) sarothamnus: säros, Besen und thämnos, Strauch ; scoparius, der Auskehrer. 158 Schmetterlingsblütler. die auch bei Platterbse, Hornklee und Lupine zu beobachten ist. — Wie schon die Bezeichnung „Ginster“ andeutet, ist die soeben kurz betrachtete Pflanze mit den Ginsterarten (Genista!) nahe verwandt. Diese zum Teil dornigen Sträucher gedeihen an denselben Örtlichkeiten und besitzen gleichfalls sehr kleine Blätter und grüne £ Stengel. — Blüten mit Schnellvorrichtung haben auch & die zahlreichen kleeartigen Gewächse, die nach den schnecken- oder sichelartig gewundenen Hülsen Schneckenklee (Medicägo?) genannt werden. Eine Art, die aus Asien stammende, blaublühende Luzerne (M. sativa?; s. Abb. S. 157), wird als Futterpflanze im großen angebaut. 4. Blüten mit Pumpen-Einrichtung. Diese Art der Bestäubung zeigt sehr deutlich der Hornklee (Lotus corniculäatus®), der allenthalben auf Wiesen und Grasplätzen seine gelben, meist röt- lich angehauchten Blüten entfaltet. Die Staubbeutel entleeren wie die der Erbse bereits in der Knospe ihren Inhalt in den vordern Abschnitt des Schiffchens, worauf sie verschrumpfen. Fünf Staubfäden dagegen wachsen mit der Blüte weiter und schwellen keulenförmig an. Wird nun das Schiffchen nie- dergedrückt, so pressen sie wie” der Kolben einer Pumpe einen Teil des Staubes als bandartige Masse aus der Schiffchen- spitze hervor. Ist dieBiene, die der Blüte einen Besuch abge- stattet hat, an \') der Bauchseite \ mit dem klebri- Ri a, I, Bee SIÄNIAN) PERLE \ Br Ne, N \) laden, sokehren die Blütenteile wieder in ihre _ ursprüngliche Lage zurück. — Hornklee; blühender Zweig. Sinnpflanze (Mimösa pudica’). Ganz ähnlich Darüber das Schiffchen: Zweig 1. vor, 2. nach der Berührung. erfolgt die Be- 1. in Ruhe: 2. herabgedrückt Bei 2. ohne die kugeligen Blüten- stäubung bei (Pfeil!). stände (etwa !/, nat. Gr.). der Lupine (Lu- pinus lüteus?), die aus Südeuropa stammt, und deren Bedeutung für die Landwirtschaft bereits früher (s. $. 151) gekennzeichnet worden ist; desgleichen bei den Hauhechelarten (Onönis®), jenen allbekannten, zum Teil stark dornigen Pflanzen, die an Wegrändern 1) genista, Ginster. 2) von Media, Medien, einem Reiche in Asien; -ago, Endsilbe. 3) sativus, angebaut. 4) lotos, s. S. 157,1; corniculatus, gehörnt. 5) lupinus, Lupine; luteus, gelb. 6) von 0nos, Esel (Eselfutter!). 7) mimosa, s. S. 160, Anm. 1; pudicus, schamhaft. “ Schmetterlingsblütler. und ähnlichen Orten wachsen. Von den zahlrei- chen ausländischen Schmetterlings- blütlern seien kurz folgende erwähnt: Das Süßholz (Glyeyrrhiza glabra') ist ein Strauch derMittelmeerländer.der aber auch in einigen Gegenden von Mittel- europa angebaut wird. Der eingedickte Saft der süßschmeckenden Wur- zeln ist als Lakritze allgemein bekannt. — Die Indigopflanzen (In- digöfera°) sind Sträu- cher und Kräuter der Tropen, aus deren Blät- tern man den Indigo gewinnt. Man bringt die abgeschnittenen Pflanzen zu diesem Zwecke in ein Bassin, das mit Wasser gefüllt ist. Nachdem das Wasser in- folge Zersetzung der Pflanzenteile eine gelbgrünliche Färbung angenommen hat, leitet man es in ein zweites Bassin und bringt es durch Räder und Schaufeln mit dem Sauerstoff der Luft in innige Berührung. Infolgedessen geht die gelbgrünliche Färbung bald in eine blaue über: es ist der Indigo entstanden, der sich, weil im Wasser nicht löslich, bald alstiefblauerSchlamm absetzt. Dieser für dieZeugfärbereiüber- aus wichtige Farbstoff wird jetzt aber so billig künstlich hergestellt, daß der Anbau der Indigopflanzen immer mehr zurückgeht. In Deutschland wird kaum noch natürlicher Indigo eingeführt, da- für gehen aber riesige Mengen des bei uns fabrizierten Stoffes in alle Welt. Glieder nahe stehender Fa- milien. In den Ländern um das Mittel- meer wächst der Johannisbrotbaum (Ceratönia siliqua°), dessen große Hülsen 1) glyeyrrhiza: glykjs, süß und rhiza, Wurzel; glaber, glatt. 2) indigo, Farbe, die aus Indien stammt; fero, ich trage. 3) ke- ratonia (griech., keras, Horn) und siligqua (lat., eigentl. Hülsenfrucht) bedeuten beide „Johannisbrotbaum“. 4) dealbatus, mit Weiß überzogen (Rückseite der Blätter). 5) von glaucus, grau werdend. 159 1. Junge Aka- zie. Die jüngsten Blätter sind ge- wöhnliche Fie- derblätter; dann 3» MA treten Verbreite- We rungen der Blatt- stiele (Phyllodien) an ihre Stelle. 2. Blühender Zweig einer Art mit Fiederblättern (A. dealba- ta‘). 3. Blühender Zweig einer Art mit ver- breiterten Blattstielen (A. glaueescens?). 160 Schmetterlingsblütler. Seidelbastgewächse. bei uns fast nur als Leckerei für Kinder, in der Heimat der Pflanze dagegen als Nahrung für Menschen und Vieh dienen. — In Gewächshäusern trifft man oft merkwürdige Pflanzen an, die wegen ihrer Empfindlichkeit gegen Berührung den bezeichnenden Namen Sinn- pflanzen (Mimösa!; s. Abb. S. 158) erhalten haben. — Steppen, Wüsten und ähnliche wasserarme Gebiete der warmen Teile der Erde sind die Heimat der Akazien (Acäcia?; s. Abb. S. 159), von denen besonders afrikanische Arten das wertvolle Gummi arabicum liefern. Es sind Bäume und Sträucher, die entweder gefiederte Blätter besitzen, oder denen die Blattflächen völlig fehlen. In letzterm Falle sind die Blattstiele stark verbreitert („Phyllodien‘) und somit geeignet, die Arbeiten der fehlenden Teile zu über- nehmen. Bei starker Belichtung und Verdunstung stellen sich die Fiederblättchen wie bei unsrer Robinie senk- recht, eine Haltung, die die harten, verbrei- terten Blattstiele mehr oder weniger stets ein- nehmen. Die Wichtig- keit dieser Tatsachen können wir leicht er- messen, wenn wir be- denken, in welch über- aus trocknen Gebieten die Akazien zumeist heimisch sind. Die winzigen Blüten sind zu kuge- ligen oder kätzchenförmigen Blütenständen vereinigt. Die Blütenhüllen sind gleichfalls sehr klein; dafür aber übernehmen die zahlreichen buntgefärbten Staubblätter die Aufgabe, die Bestäuber anzulocken. Stehen die anspruchslosen Bäume oder Sträucher in Blüte, so sind sie prachtvolle Er- scheinungen. Sie haben daher an der Küste des Mittelmeeres eine neue Heimat gefunden, von wo aus im Winter große 5» 4% Seidelbast; Mengen blühender Akazienzweige (fälsch- /# 1. blühender, lich meist „Mimosenzweige“ genannt) zu li 2, fruchttragen- uns kommen. Am häufigsten werden ’B der Zweig. Zweige der auf S. 159 abgebildeten austra- lischen Art zum Kaufe angeboten. 42. Familie. Seidelbastgewächse (Thymelaeäceae?). Der Seidelbast oder Kellerhals (Daphne mezereum‘®) ist ein kleiner Strauch der Gebirgswälder, der im zeitigen Frühjahre vor: den lanzettlichen Blättern seine un- gestielten, rosenroten Blüten entfaltet, so daß sie den Blicken der Insekten frei aus- gesetzt sind. Sowohl die roten Früchte, als auch alle andern Teile des Strauches, der gern als Gartenzierpflanze verwendet wird, enthalten ein starkes Gift (Schutz- mittel gegen Tiere!). 1) Von miminmai, ich ahme nach. 2) acacia, Akazie. 3) Nach der hier nicht erwähnten Gat- tung Thymelaca. 4) daphne, eigentl. Lorbeer (weil einige Arten lorbeerähnliche Blätter besitzen); mezereum, soll aus dem Persischen stammen. Nachtkerzen- und Weiderichgewächse. 161 BD 43. u. 44. Familie. Nachtkerzen- u. IR Weiderichgewächse ZIR (Onagräceae! und Lythräceae’). 7 . 1. Nachtkerzen-Gewächse. Das = Wald-Weidenröschen (Epilöbium an- u K SE gustifölium®) findet sich — wie schon N 1} der Artname sagt — auf Waldblößen N azang und an Waldrändern als eine mehr FA S denn meterhohe, prächtige Pflanze. \k Von den sehr zahlreichen weidenblatt- u — artie-schmalen Blättern und den herr- lichen, purpurroten Blüten ist der Gattungsname abgeleitet. Da sich stets mehrere Blüten der langen Traube zugleich entfalten, und da auch der Kelch, der unterständige Fruchtknoten, In der Blütenstiel und der Stengel, wenig- : IR, stens so weit, als er mit Blüten be- ER ae ZN tzt ist, meist lebhaft rot gefärbt I ZÄNND = 2 8 ZEN NDS sind, so wird die Pflanze auf große A > ER N Entfernung hin sichtbar. Die Früchte hl > y W \ j\, U = BEN, Si Zu" GG = |7 0° KA \ II I sind ‚schotenförmige Kapseln. Wenn sich ihre 4 Klappen von der Mittel- ;säule ablösen, werden die zahlreichen Samen frei. Sie breiten ihre Feder- krönchen schnell aus und sind bald ein Spiel der Lüfte. Daher braucht nur irgendwo ein Stück Wald nieder- geschlagen zu werden, so stellt sich auch das Weidenröschen sofort ein. Wenn aber die jungen Bäume empor- schießen und die Pflanze beschatten, und wenn in- folgedessen die 1) von önagros, önager, wilder Esel (Blätt. ähn. Esels- ohren. 2) 3. S.162, 4. 3) epilobium: ept, darüber und löbion, eine kleine Frucht (Blüten stehen über den Früchten, d.h. den unterständigen Fruchtknoten); an- Wald-Weiden- röschen. Daneben reife Frucht, deren Klap- De PIE ; > € gustifolium: angü- pen sich soeben abzulösen beginnen, und stus, eng und fö- Frucht, deren Samen verweht werden. lium, Blatt. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 11 162 Nachtkerzen- und Weiderichgewächse. lichtliebenden Hummeln und Bienen sich immer seltener einstellen, dann verkümmern die Blüten. Dafür treibt das Weidenröschen jetzt aber sehr lange, ausläuferartige Wurzeln, aus denen neue oberirdische Triebe hervorbrechen, ein Mittel, durch das es sich aus dem Schatten an eine besonnte Stelle „zu retten sucht“. Die Nachtkerze (Oenothera biennis!), die aus Nordamerika stammt, wurde bei uns früher als Zierpflanze geschätzt. Sie ist aber längst dem Schutze des Gartens entflohen und gegenwärtig besonders auf Sandboden vielfach in solchen Mengen ver- wildert anzutreffen, daß sie wie ein einheimisches Gewächs erscheint. Im ersten Jahre treibt sie eine Blattrosette, im zweiten dagegen einen hohen Stengel mit zahlreichen großen Blüten, um nach erfolgter Fruchtreife abzusterben. Gleich dem nickenden Leimkraute ist sie eine Nachtfalterblume. Dement- sprechend sind die Blüten auch nur während der Nacht geöffnet, seitlich gerichtet und stark duftend; die Blumenblätter haben eine helle (blaßgelbe) Färbung, und ‘der Honig ist im Grunde einer sehr langen Röhre geborgen. In den Beständen der Nachtkerze treten vielfach Pflanzen auf, die sich in der Größe, in der Art der Belaubung, in der Form der Blätter und in andern Punkten von der Elternpflanze nicht unwesentlich unterscheiden und diese Eigentümlichkeiten auch auf ihre Nachkommen vererben. Durch eine solche „sprunghafte Ent- wicklung“ (Mutation) entstehen Formen, die man — wenn man nicht wüßte, aus welchen Pflanzen sie hervorgegangen wären — geradezu als andre Arten ansprechen würde. — Zu den Nachtkerzengewächsen gehört auch die Wassernuß (Trapa natans?), die in Seen und klaren Teichen wächst. Sie besitzt gleich dem Wasserhahnenfuß ungeteilte schwimmende Blätter, die jedoch einen aufgeblasenen, als Schwimm- werkzeug dienenden Stiel haben. Den stark zer- teilten Wasserblättern jener Pflanze entsprechen zwei blattartige, fiederförmig verzweigte Wurzeln, . die sich gleichfalls im Wasser ausbreiten. Die Blüten des Weiderichs. (Kelch Früchte der immer mehr verschwindenden, weiß- zur Hälfte und Blumenblätter zum blühenden Pflanze sind mit 4 „Hörnern“ (umge- größten Teile entfernt.) a. lang-, wandelte Kelchzipfel) ausgerüstet, durch die sie b.mittel- und c.kurzgriffligeForm. sich im Schlamme, ihrem Keimbette, verankern. Die Linien verbinden die Narben Die nußartigen Samen sind eßbar. — Auch die mit denjenigen Staubblättern, Fuchsien (Füchsia°), die ausSüdamerika stammenund deren Blütenstaub auf ihnen allein wegen ihrer prächtigen Blüten zu unsern beliebtesten volle Fruchtbarkeit bewirkt. Topfpflanzen zählen, sind Nachtkerzengewächse. 2, Weiderich-Gewächse. Zwischen Weidengebüsch und an andern feuchten Stellen ist häufig der Weiderich (Lythrum salicäria*) zu finden. An den ungestielten Blättern und den zahlreichen roten Blüten, die beide quirlartig um den Stengel gestellt sind, ist die mehr als meterhohe Pflanze leicht zu erkennen. Betrachtet man die Blüten genauer, so findet man, daß wie bei der Schlüsselblume ein erheblicher Unter- schied in der Länge der Stempel und Staubblätter obwaltet. Hier sind jedoch diese 1) oenothera: oinos, Wein und therdo, ich jage (Blüten sollen nach Wein riechen?); biennis, zweijährig. 2) trapa nach dem franz. la trappe, Falltür (Früchte ähneln einer Fußangel); natans, schwimmend. 3) Nach dem Botaniker Fuchs (f 1565). 4) Iythrum von Ijthron, Besudlung mit Mordblut (Blütenfarbe!); salicaria von salir, Weide. Be Myrtengewächse. 163 Organe in 3 Höhen angeordnet. Wie bei der Schlüsselblume ist die Bestäubung auch hier nur dann von günstigem Erfolge, wenn Blütenstaub auf eine Narbe gelangt, die mit den betreffenden Staubbeuteln in gleicher Höhe steht. 45. Familie. Myrtengewächse (Myrtäceae'). Eine allbekanntes Glied der großen Familie, die die tropischen und subtropischen Gegenden des Erd- balles bewohnt, ist die „bräutliche“ Myrte (Myrtus commünis!), mit der geschmückt die Jungfrau vor den Traualtar tritt. Sie kommt als Baum oder Strauch vor und trägt wie zahlreiche andre Glieder der dortigen Pflanzen- welt lederartige, immergrüne Blätter (vgl. mit Orange). — Der Gewürznelkenbaum (Eu- genia caryophylläta°) liefert uns in den getrockneten Blüten- knospen die bekannten Gewürz- Nelken oder -Nägelein (s. Garten- nelke), die wegenihres Reichtums an Nelkenöl als vielverwendetes Gewürz dienen. Durchschneidet Gewürznelkenbaum. 1. Blühender Zweig (verkl.). man eine aufgeweichte „Nelke“, 2. Blütenknospe: Bb. Blütenboden. F. Fruchtknoten so kann man die einzelnen mit Samenanlagen. G. Griffel. Sb. Staubblätter. Blütenteile deutlich erkennen. B. Blumenblätter. K. Kelch. (Etwa 5mal nat. Gr.) Die Heimat des Baumes sind die Molukken; jetzt ist er aber über alle Tropen- länder verbreitet. — Die erbsengroßen, nelkenartig riechenden Früchte des Nelken- pfefferbaumes Westindiens (Pimenta offi- einalis?) sind getrocknet als Nelkenpfeffer, Piment oder Neugewürz (weil erst nach der Entdeckung Amerikas bekannt gewor- den!) in Gebrauch. — Zu den Myrten- gewächsen gehören auch die riesigen (bis 150 m hohen) Eukalyptusbäume (Eucalyp- tus*!) Australiens und der benachbarten Inseln. Dem außerordentlich trocknen Klima ihrer Heimat vermögen sie infolge meh- rerer Einrichtungen zu widerstehen, durch die auch bei zahlreichen Pflanzen unsrer Gegenden die Verdunstung wesentlich ein- geschränkt wird: Sie besitzen lederartig steife, sehr schmale oder stielrunde, senk- recht gestellte Blätter, die oft noch mit einer bläulichen Wachsschicht überzogen sind (daher auch „neuholländische Gummi- bäume“). Infolge der Form und Stellung der Blätter geben die Bäume nur sehr wenig Zweig vom Nelkenpfefferbaume. Daneben Früchte (verkl.). 1) myrtus, Myrte; communis, gemein. 2) Eugenia nach Prinz Eugen von Savoyen, einem eifrigen Förderer der Botanik (} 1736); karyöphylion, Gewürznelke (käryon, Nuß und phyjlion, Blatt). 3) pimentum, Farbstoff, Würze; o/fieinalis, in der Apotheke verwendet. 4 von eu, wohl, schön und kalyjpto, ich bedecke (s. Blumenkrone). 164 Myrtengewächse. Schatten, so daß man mit gewissem Recht von „schattenlosen“ Wäldern Australiens redet. Die Eukalyptuszweige, die im Frühjahre bei uns häufig zum Kauf ausgeboten werden und dem sog. blauen Gummibaume (Eu. glöbulus!) entstammen, geben uns auch Gelegenheit, die merkwürdigen Blüten der seltsamen Pflanze kennen zu lernen: Die Blumenblätter sind zu einem grünen, deckelartigen Gebilde verwachsen, das von den sich streckenden zahlreichen Staubblättern wie eine Mütze abgeworfen wird. Diese Zweige erhalten wir aus Südeuropa, wo der mächtige Baum vielfach angepflanzt worden ist. Man glaubte nämlich früher, daß der starke Duft, der allen seinen Teilen entströmt, im- stande wäre, das berüch- tigte Sumpffieber (dieMa- laria) zu beseitigen, das dort in vielen Gegenden große Opfer an Gesund- heit und Leben der Ein- wohner fordert. Diese Annahme ist allerdings unrichtig; denn die ge- fürchtete Krankheit wird — wie neuere Unter- > suchungen ergeben haben ST (s. Lehrb. d. Zoologie) — Blühender Zweig eines Eukalyptusbaumes. Die beiden durch die Fiebermücke obersten Blüten befinden sich noch im Knospenzustande; verbreitet. Aber trotzdem die folgende wirft soeben den Deckel ab, und die drei ist dem stolzen Baume untern sind voll entwickt. eine gewisse Bedeutung Daneben eine Blütenknospe im Längsschnitte. für die gesundheitlichen Verhältnisse jener Länder nicht abzusprechen. Pflanzte man nämlich Eukalyptusbäume in Sumpfgegenden an, so entzogen sie infolge ihres außerordentlich schnellen Wachstums und ihrer gewaltigen Größe dem Boden vielfach so viel Wasser, daß Tümpel und Pfützen versiegten, die vordem von den Larven der Fiebermücke bewohnt waren. Damit verschwanden aber auch die Mücken selbst, so daß an jenen Orten nicht selten ein merkliches Nachlassen der Seuche eintrat. Glieder nahe stehender Familien. An flachen Stellen stehender Gewässer ist häufig das überaus zarte Tausendblatt (Myriophyllum°) zu finden, das wie das früher erwähnte Hornblatt sehr fein zerteilte, quirlförmig angeordnete Blätter hat. Im Gegensatz zu dieser Pflanze hebt es aber seine zierliche Blütenähre über den Wasser- spiegel empor und nimmt zur Bestäubung die Hilfe des Windes in Anspruch. — In der Gesellschaft der zierlichen Pflanze wächst häufig der Tannenwedel (Hippüris vulgäris?), der fast das Aussehen eines Schachtelhalmes hat. Die in den Achseln der ungeteilten Blätter stehenden winzigen Blüten besitzen neben einem Griffel nur ein Staubblatt. Wegen seines dunkelgrünen Laubes und seiner prächtigen, scharlachroten Blüten wird bei uns der «ranatbaum (Pünica granätum‘) gern in Kübeln gezogen. Er stammt aus dem Orient, wird aber schon seit den Zeiten des alten Israel im Mittelmeergebiete 1) globulus, Kügelchen (Form der Blüten). 2) myrioi, unzählig und phrjlion, Blatt. 3) hippuris: hippos, Pferd und ourG, Schwanz (wegen einer entfernten Ähnlichkeit mit einem Pferdeschwanze); vulgaris, gemein. 4) punica vielleicht von puniceus, rot (Farbe der Blüten!); granatus, mit Kör- nern (Frucht!). Myrtengewächse, von Ostindien. e) Mangrovewälder an einer Küst« Myrtengewächse. Doldengewächse. seiner Früchte halber angebaut. Die lederartige Wand eines solchen „Granatapfels“ umschließt zahlreiche Samen, die roten Johannisbeeren nicht unähnlich sind. Die äußern Schichten der Samenschale stellen nämlich ein fast durchsichtiges, säuerliches Fleisch dar, das als erfrischendes Obst geschätzt wird. Die tropischen Küsten erscheinen oft auf viele Meilen hin wie mit einer grünen Mauer umzäunt. Bei näherem Zusehen ergibt sich, daß man es hier mit ausgedehnten Wäldern zu tun hat, die sich über dem salzigen oder brackigen Wasser erheben und aus Frucht des Granat- Bäumen sehr verschiedener Art bestehen. Vorbedingung für das baumes, Auftreten dieser Mangrovebäume (Rhizöphora!u. a.; s. Abb. S. 165) längsdurchschnitten sind möglichst ruhiges Wasser und ein lockerer, schlam- (verkl.). miger Boden, Verhältnisse, die sich besonders in Buchten und Flußmündungen finden. Hier sind die merkwürdigen Pflanzen vor den zerstörenden Wogen des Meeres geschützt, und hier können ihre Wurzeln ge- nügend tief in den Grund eindringen. Sie finden jedoch nur dadurch Halt, daß aus Stamm und Ästen zahlreiche „Stützwurzeln“ hervorgehen, die sich gleichfalls in den Boden senken. Bei Ebbe steht daher der Mangrovewald wie auf unzähligen Stelzen über dem Wasser oder dem schwankenden Sumpfboden, während bei Flut die Kronen der Bäume sich scheinbar direkt aus dem Meere erheben. Besondere „Atemwurzeln‘“, die wie Schlangen auf dem Schlamme dahinkriechen oder knie- und spargelartig daraus hervorragen, führen den im Boden eingesenkten Teilen die nötige Atemluft zu. Den eigentümlichen Verhältnissen entsprechend, unter denen die Pflanzen leben, wächst der Stengel des Keimpflänzchens bereits zu einem dolchartigen Gebilde aus, während die Frucht noch auf dem Baume hängt. Hat der Keimling so eine gewisse Größe erreicht (bis über '/; m), dann löst er sich bei Ebbe los und dringt infolge seiner Schwere wie ein Pfahl in den lockern Boden ein. 46. Familie. Doldengewächse (Umbelliferae’?). Pflanzen mit in der Regel mehrfach zerteilten Blättern. Blüten meist in zusammen- gesetzten Dolden. Je 5 Kelch-, Blumen- und Staubblätter. Fruchtknoten unterständig, auf der Oberfläche mit einer fleischigen Scheibe. Er ist aus 2 Fruchtblättern gebildet, die je einen kurzen Griffel tragen. Bei der Reife trennen sich die beiden Frucht- blätter: es entstehen 2 einsamige Teilfrüchtchen. Die Möhre oder Mohrrübe (Daucus caröta°?). Taf. 18. 1. Standort und Wurzel. a) Wildwachsend findet sich die Möhre auf Wiesen, an Wegrändern und ähnlichen Stellen. Ihre gelbe, „möhren- förmige“ Wurzel senkt sich tief in die Erde, so daß sie selbst auf einem Boden zu leben vermag, der im Sommer stark austrocknet. Die Wurzel wildwachsender Pflanzen ist zäh und holzig. Sät man jedoch ihre Früchte in gut bearbeitetes Garten- oder Ackerland, so ver- liert sich diese Eigenschaft etwas. Streut man die von diesen Pflanzen gewonnenen Früchte wieder aus, und fährt man mit dieser planmäßigen 1) rhiza, Wurzel und phöros, tragend. 2) wmbella, Sonnenschirm (Dolde) und fero, ich trage. 3) daucus, Möhre; carota, Möhre. Taf. 18. 1. Blühende Pflanze. 2. Querschnitt der Wurzel einer wilden Pflanze (nat. Gr.). 3. Dolde in Schlafstellung. 4. Blüte aus dem Innern der Dolde. 5. Randständige Blüte. 6. Blüte des mittelsten Doldenstrahles (oft nicht vorhanden!). 7. Frucht nach der Teilung. N Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. 2 6 Möhre oder Mohrrübe (Daucus carota). Doldengewächse. 167 Veredelung fort, so erhält man schon nach wenigen Jahren eine fleischige, wohlschmeckende Wurzel, wie sie die angebaute Möhre zeigt, die auch als „gelbe Rübe, gelbe Wurzel“ oder kurz nur als „Wurzel“ bezeichnet wird. - Die Wurzel bildet eine wichtige Nahrung für den Menschen und zahl- reiche Haustiere; in einigen Gegenden wird ihr zuckerhaltiger Saft auch zu Syrup eingedickt. — Die Spielart mit kurzen, dieken und sehr zarten Wurzeln nennt man Karotte. b) Pflanzt man im Frühjahre die Wurzel einer angebauten Pflanze, die man an einem frostfreien Orte überwintert hat, so treibt sie einen hohen, beblätterten und blütentragenden Stengel. Untersucht man sie nach einigen Wochen wieder, so erscheint sie wie ausgesogen. Ihr wurden eine Menge von Stoffen entnommen, die zum Aufbau der oberirdischen Teile dienten, so daß sie wesentlich dünner, holzig und zäh geworden ist. Dasselbe ist auch an wildwachsenden Pflanzen zu beobachten. Die Wurzel ist demnach ein Nahrungsspeicher: Im ersten Jahre ihres Lebens treibt die Möhre nur einen kurzen Stengel mit einer Blattrosette und speichert die in den Blättern bereiteten Vorratsstoffe in der sich stark verdicken- den Wurzel auf. Im zweiten Jahre setzt sie das Leben fort, das durch die Winterkälte unterbrochen wurde und in der Erzeugung von Samen (Nachkommen!) seinen Abschluß findet. Darnach stirbt sie samt der aus- gesogenen Wurzel ab. Die Möhre ist also eine zweijährige Pflanze. 2. Stengel und Blätter. Der im zweiten Jahre austreibende Stengel erreicht eine Höhe von fast 1 m; er ist gefurcht, mit steifen Haaren be- setzt, hohl (s. Roggen) und trägt zahlreiche Blätter, die nach oben hin immer kleiner werden. Die untern, großen Blätter sind — ein Merkmal, das sich bei den meisten Doldengewächsen wiederfindet — doppelt ge- fiedert und die Blättchen meist nochmals tief gespalten. Die Blattstiele erweitern sich im untern Teile zu Scheiden, die die zarten, jungen Teile umhüllen und somit gegen Verletzung, Wärmeverlust und zu große Wasserabgabe schützen. . 3. Blüte. a) Blütenstand. Die Blüten sind sehr klein und würden einzeln stehend die Aufmerksamkeit der Insekten wohl kaum erregen. Da sie aber große Gemeinschaften bilden, machen sie sich ihnen weithin auffällig. Der Stengel und seine Zweige enden je in einer Verdiekung, von der eine Anzahl Blütenstiele wie die Stäbe eines aufgespannten Schirmes von dem sie tragenden Ringe ausstrahlen. Einen solchen Blütenstand nennt man eine Dolde („Doldengewächse oder Schirmblütler“). Jeder Dolden- strahl trägt nochmals eine Dolde, die man zum Unterschiede von dem Gesamtblütenstande als Döldehen bezeichnet. Die Möhre hat, wie die meisten andern Doldenpflanzen, also eine zusammengesetzte Dolde. Die Auffälligkeit des Blütenstandes wird noch dadurch erhöht, daß dieBlütenamRandederDolde und besonders deren äußere Blumenblätter stark vergrößert sind. (Einen solchen Blütenstand nennt man „strahlend‘*.) Unter der Dolde findet sich eine Anzahl geteilter Blätter, die als 168 Doldengewächse. Hülle bezeichnet werden. Unter jedem Döldchen steht ein ähnliches Hüllehen. Wenn man sieht, wie die noch unentwickelten Blütenstände von diesen Blättern schützend umhüllt werden, wird man erkennen, daß diese Bezeichnungen wohl berechtist sind. Dolden, deren Blüten sich noch im Knospenzustande befinden oder sich erst kürzlich geöffnet haben, werden gegen Abend durch Krümmung ihrer Stiele niekend. Die Blüten sind dann vor zu großem Wärme- verlust bewahrt und, wenn bereits geöffnet, gegen Regen geschützt. An Dolden mit völlig entwickelten Blüten tritt diese Veränderung nur noch in geringem Grade oder schließlich gar nicht mehr ein. b) Blüte. Der Fruchtknoten trägt alle andern Blütenteile: den Kelch, der nur durch 5 grüne Zähnchen angedeutet ist, die 5 weißen, vielfach etwas eingefalteten oder geteilten Blumenblätter und die 5 Staubblätter. Eine fleischige Scheibe, die dem „unterständigen“ Fruchtknoten aufgelagert ” A ist, sondert eine glänzende Schicht von Honig ab. En, Über ihr erheben sich die beiden Griffel mit den er Wi Narben. Der offenen Lage des Honigs entsprechend, ER Y, werden die Blüten besonders von kurzrüsseligen Insekten < besucht. Fliegen, Käfer und gewisse Bienen stellen Blütengrundriß Sich zahlreich ein. Da nun alle Blüten in einer Ebene der Möhre. liegen, vermögen die Tiere leicht von einer zur andern zu schreiten. Hierbei müssen sie unbedingt Staubbeutel und Narben streifen und somit unfreiwillig Bestäubung vermitteln. Der mittelste Doldenstrahl trägt vielfach nur eine Blüte, die sich aber durch auffallend große, purpurrote bis fast schwarze Blumen- blätter auszeichnet. Welche Bedeutung diese Erscheinung hat, vermochte bisher nicht sicher nachgewiesen zu werden. 6. Frucht. a) Sind die Blüten bestäubt, dann neigen sich die Strahlen des Fruchtstandes wie zu einem Vogelneste zusammen. Auf diese Weise werden die noch nicht keimfähigen Früchte geschützt, von der Mutterpflanze getrennt zu werden. Sobald sie jedoch reif sind und aus- gestreut werden müssen, breiten sich die Strahlen wieder aus, wenn auch nicht so weit wie während des Blühens. Dies geschieht aber nur bei trocknem Wetter; bei feuchtem schließt sich das „Vogelnest“ wieder, ein Vorgang, der sich durch Befeuchten des Fruchtstandes und nachheriges Trocknen noch oft wiederholen kann. b) Der Fruchtknoten wird von 2 Fruchtblättern gebildet, die mit den Samen fest verwachsen. Bei der Reife sondern sie sich jedoch von- einander (Spaltfrucht), und zwar greift diese Trennung auch auf die Ver- längerung des Fruchtstieles, auf den fadenförmigen Fruchtträger über, so daß die beiden Teilfrüchtehen an je einem kleinen Stielchen auf- sehängt sind. Die Oberfläche der Früchtchen ist mit 5 Reihen kurzer und 4 Reihen langer Stacheln besetzt, die oft in einfache oder doppelte oder gar dreifache “Widerhäkchen onden. Infolge dieser Ausrüstung haften die Se Doldengewächse. 169 Früchtehen wie Kletten leicht in dem Haarkleide der Tiere (Hasen, Kaninchen u. a.) und können so weithin verbreitet werden. Die keimenden Samen werden durch die Stacheln am Boden gleichsam verankert. Betrachtet man feine Querschnitte der Teil- früchtehen bei geringer Vergrößerung, so bemerkt man in der Fruchthülle dunkle Stellen, d. s. Kanäl- chen, die mit einem flüchtigen Öle gefüllt sind. Dieses Öl findet sich auch in allen andern Teilen der Pflanze, der darum beim Zerreiben ein eigen- tümlicher, würziger Geruch entströmt. Andre Doldengewächse. Gleich der Möhre liefert die angebaute Pastinake (Pastinaca sativa!) in ihren weißen Wurzeln ein geschätztes Gemüse. Wild findet sich die meterhohe Pflanze, die nur einfach-gefiederte Blätter besitzt, häufig auf Wiesen und an Teilfrüchtchen der Wegen. Die Teilfrüchte bilden flache, große Scheiben, die Möhre, Längsschnitt von einem häutigen Saume umgeben sind und daher leicht (etwa 10 mal nat. Gr.). vom Winde verbreitet werden können. Sie sind dement- Vgl. auch den Blüten- sprechend auch nicht mit Stacheln besetzt. — Aus der grundriß. fleischigen Wurzel des Sellerie (Apium grav6olens?) bereitet man einen schmackhaften Salat. Wild wächst die Pflanze auf salzhaltigen Wiesen, besonders am Ufer von Gräben und Bächen. In Übereinstimmung hiermit besitzt sie saftige Blätter und bedarf angebaut einer hinreichenden Bodenfeuchtigkeit zu ihrem Gedeihen. Wie der Möhre entströmt auch dem Sellerie ein eigentümlicher Geruch, der von einem flüchtigen Öle herrührt und — wie die Erfahrung zeigt — zahlreiche Tiere abhält, die Pflanze zu verzehren. Durch ein gleiches Mittel sind auch viele andre Doldengewächse ge- schützt. Der Ölreichtum macht andrerseits aber auch zahlreiche Arten für uns zu wichtigen Gewürzpflanzen. Als solche seien zuerst Dill (Anethum graveolens?) und Fenchel (Foeniculum ca- pilläceum®) genannt. Beide entstammen dem Mittelmeergebiete und zeichnen sich durch haarförmig feine Blattzipfel und gelb- liche Blüten aus. Das Kraut sowohl, wie die Blütendolden und reifen Früchte finden besonders beim „Einmachen* von Gurken Verwendung. Der Fenchel wird auch zu Heilzwecken benutzt. — Dieselbe Heimat haben auch Anis (Pimpinella anisum’) und Koriander (Coriändrum sativum®), deren Samen vornehmlich in der Bäckerei verwendet werden. — Anisduft hat auch der G@arten- Früchte der Pästi- kerbel (Anthriscus caerefölium”), der gleichfalls aus dem Süden nake. Die rechte stammt und als Gewürzpflanze bei uns angebaut wird. — Der Frucht ist gespalten Kümmel (Carum carvi®) dagegen scheint in Mitteleuropa heimisch (Verkl.). zu sein. Er wird zwar seiner gewürzhaften Samen wegen im großen angebaut, kommt aber auch häufig wild oder verwildert auf Wiesen vor. Leicht zu erkennen ist er daran, daß die fiederteiligen Blättchen an der Hauptrippe des Blattes 1) pastinaca, Pastinake; sativus, angebaut. 2) apiwm, Eppich (vielleicht eigentl. eine Wasser- pfl.); graveolens: gräve, schwer und ölens, riechend. 3) anethum, Dill (duftend?); graveolens, s. Anm. 2. 4) foeniculum, Fenchel; capillaceus, haarähnlich (Blätter!). 5) pimpinella bedeutete bei den Alten eine andre, hier nicht erwähnte Pfl., anisum, Anis. 6) koriannon, Koriander (der wie die köris, Wanze, riecht); sativus, angebaut. 7) anthriskos, eine Kranzblume; caerefolium, Kerbel. 8) carım, Kümmel; carvi (aus dem Arab.), Kümmel. 170 Doldengewächse. ein Kreuz bilden. — Die Petersilie (Petroselinum sativum!) ist wieder aus Südeuropa eingeführt. — Die wichtige Gewürzpflanze wird leicht mit dem giftigen @artenschierling oder der Hundspetersilie (Aethüsa cynapium°) verwechselt, die gern zwischen jener (und dem Kerbel) wächst, und deren Genuß sogar den Tod herbeiführen kann. Darum sollte man nur die krausblättrige Spielart der Petersilie anbauen, die so augenfällig von dem Giftkraute abweicht, daß eine Verwechslung mit ihm nicht gut möglich ist. Sicher zu unterscheiden ist die Hundspetersilie von der Petersilie durch den unangenehmen, knob- lauchartigen Geruch, der beim Zerreiben der Blätter entsteht, durch die glänzenden (daher auch „Gleiße“) und viel schmalern Blättchen, durch die 2 oder 3 langen und einseitig herabhängenden Blätter der Hüllchen, sowie durch die weit dünnern Wurzeln. Letztere erklären sich daraus, daß die Hundspetersilie im Gegensatz zur zweijährigen Petersilie eine einjährige Pflanze ist, die in den Wurzeln keine Vorräte für das nächste 1. Petersilie und 2. Hundspetersilie. Jahr aufspeichert!. — An Zäunen und Gräben, sowie auf Schutthaufen und Gemüse- land findet sich der gefleekte Schierling (Conium maculätum®). Alle Teile sind für den Menschen ein fürchterliches Gift, das aber in der Hand des Arztes zu einer wirk- samen Medizin wird. Der Giftbecher, den Sokrates trinken mußte, war wahrscheinlich mit dem Safte des Schierlings gefüllt. Zu erkennen ist die Pflanze an den hohlen Blattstielen, dem braun gefleckten Stengel, dem mäuseartigen Geruche und den welligen Rippen der Früchte. — Die gefährlichste aller Doldenpflanzen ist der Wasserschier- ling (Cieuta virösa®), der an Gräben und ähnlichen feuchten Stellen gedeiht. Der giftigste Teil, der quergefächerte, sellerieähnliche Wurzelstock, ist zugleich das sicherste Erkennungszeichen der mehr als meterhohen Pflanze. — Durch geringere Giftigkeit ist der betäubende Kälberkropf oder Taumelkerbel (Chaerophyllum temulum°) gegen 1) petroselinum: petra, Stein und selinon, der Eppich; sativus, angebaut. 2) aethusa: aitho, ich brenne, aithusa, die brennende; eynapium: kyon, Hund und dpium, s. S. 169, Anm. 2. 3) köneion, Schierling; maeulatus, gefleckt. 4) eicuta, Schierling; virosus giftig. 5) chaerophylium = caerefolium, s. S. 169, Anm. 7; temulus, Taumeln verursachend. Doldengewächse. Efeugewächse. 7% Tierfraß geschützt. Die kerbelartige Pflanze wächst in Gebüschen, Hecken, an Mauern u. dgl. und hat sehr langgestreckte Früchte. Von den zahlreichen Gliedern der großen Familie, die für den Menschen ge- ringe Bedeutung haben, seien nur folgende genannt: Der Giersch (Aegopödium podagräria!), eine statt- liche, bis 1m hohe Pflanze der Hecken und Wiesen, ist an den dreizähligen Blätternleicht zu erkennen. Da sie unterirdische Aus- läufer treibt, vermag man sie von bebautem Boden nur 21/0 schwer zu entfernen. — u (d b Die Bärenklau (Heraclöum i Br Längsdurchschnittener sphondylium®) ist eine Blühender Zweig und Frucht des Wurzelstock des unsrer größten Dolden- gefleckten Schierlings. Wasserschierlings. pflanzen (bis 1'/; m hoch). Sie wächst auf Wiesen und an lichten Waldstellen und hat einfach gefiederte Blätter mit großen, mehrlappigen Blättchen. — An dürren, sandigen Orten und Wegrändern findet sich die Feld-Männertreu (Eryngium campestre°), die im östlichen Deutschland allerdings nur an wenigen Stellen auftritt. Sie besitzt in den dornigen Blättern eine so vortreffliche Schutzwehr gegen Pfianzenfresser, daß sie auf Viehweiden oft die Oberhand über die nützlichen Gräser gewinnt. Da die Blüten ungestielt und von breiten Hüllblättern umgeben sind, haben die Dolden ganz das Aussehen kleiner Blüten- köpfchen. Die Pflanze ist daher einem Korbblütler, und zwar einer Distel viel ähn- licher als einem Doldengewächs. 47. Familie. Efeugewächse (Araliäceae‘). Der Efeu (Hedera helix?). A. Die Pflanze im Schatten. 1. Stamm. Abgesehen von sehr alten Pflanzen, wie man sie nicht selten an Burgruinen und ähnlichen Bauwerken findet, ist der vielfach verzweigte Stamm des Efeus so schwach, daß er sich selbst nicht zu tragen vermag. Er liegt darum im Walde, wo man die Pflanze nicht selten wildwachsend antrifft, dem Boden auf. Sobald er jedoch einen Baumstamm, eine Felswand oder dergl. erreicht, klettert er daran empor, dem Lichte entgegen. 2. Wurzeln. Hierzu wird er durch zahlreiche kleine Wurzeln be- fähigt, die wie die Zweigenden das Licht fliehen und sich daher stets dem Stamme oder Felsen zuwenden. Sie schmiegen sich allen Uneben- 1) aegopodium: ax, Ziege, gen. aigös und pödion, Füßchen (Blätter sollen Ziegenfüßen ähneln); podagraria von podägra, Fußgicht. 2) Heracleum, von Herakles, der ihre Heilkraft entdeckt haben soll; sphondylium von sphöndylos, Wirbel (wegen der dieken Stengelknoten?). 3) eryngium von eryngano, ich übergebe mich (Mittel, sich zu erbrechen?); campester, auf dem Felde wachsend. 4) nach der amerik. und asiat. Gattung Ardlia. 5) hedera, Efeu; helix, gewunden. 172 Efeugewächse. heiten der Unterlage gleich einer wachsartigen Masse an, so daß die Pflanze wie mit Tausenden von Fingern festgeheftet wird und ein vortreffliches Material zur Bekleidung von Mauern und dgl. abgibt. Da diese Klammer- oder Haftwurzeln nicht in die Unterlage eindringen, der sie übrigens zumeist auch keine Nahrung entziehen könnten, ist — der Efeu kein Schmarotzer wie z. B. die f ir Flachsseide. Er entnimmt vielmehr wie die meisten Pflanzen seine Nahrung dem Boden durch weit längere Saugwurzeln. Schneidet man eine kletternde Efeupflanze dicht über der Erde ab, so geht sie daher zugrunde; sie müßte denn auf ihrem Wege Teil vom Querschnitt durch ein zum Lichte nährendes Erdreich getroffen Be Br und in dieses Saugwurzeln gesandt haben. Rz 5 2 3. Blätter. a) Kühlt sich der Erd- boden stark ab, so stellen die Wurzeln der Pflanzen ihre Tätigkeit (s. S. 175) nach und nach ein, und ist dieser hart gefroren, so sind sie gar nicht mehr imstande, ihm Wasser zu entziehen. Würden sie jetzt durch ihre Blätter noch fortgesetzt Wasserdampf an die Luft abgeben, so müßten sie bald vertrocknen. Die meisten Bäume und Sträucher unsrer Gegend helfen sich über diese für sie durchaus ungünstige Zeit des Jahres be- kanntlich dadurch hinweg, daß sie ihre Blätter einfach abwerfen. Der Efeu dagegen ist immergrün. Soll er während der Winter- monate nicht den Tod des Verdurstens erleiden, so darf die Abgabe von Wasserdampf nur sehr gering sein. Dies ist tatsächlich auch der Fall; denn seine Blätter sind mit einer sehr dicken, für W asser- dampf fast undurch- lässigen Oberhaut ver- sehen. Dieseschützende Decke ist so stark, dab sie den Blättern eine lederartige Beschaf- fenheit verleiht. Infolge seiner immer- grünen Blätter gilt uns der Efeu als ein Sinn- bild der Hoffnung. Mit ihm bepflanzen wir auch daher gern die Grabhügel unsrer Toten. b) Die Blätter 'wei- Efeu: Schattentriebe, dem Waldboden aufliegend, u Blätter bilden eine Mosaik. chen in ihrer Form zum Efeugewächse. 173 Teil stark voneinander ab. Stets sind sie jedoch fünflappig und von so edler Gestalt, daß sie schon seit alten Zeiten in der bildenden Kunst viel- fach verwendet werden. Betrachtet man Efeupflanzen, die z. B. am Waldboden dahinkriechen, oder solche, deren Zweige mehr einzeln stehend an Mauern oder dgl. emporklimmen, so sieht man, daß die Blätter durch- aus nicht regellos gestellt sind. Im Gegenteil läßt sich sehr häufig deutlich beobachten, wie die Lappen des einen Blattes in die Buchten der benach- barten Blätter eingreifen, so daß eine zierliche Blattmosaik herbeigeführt wird. Infolge dieser Anordnung raubt einerseits kein Blatt dem andern das belebende Sonnenlicht, und andrerseits wird die gesamte, spärlich beleuchtete Fläche von der Pflanze auch aufs vollkommenste ausgenutzt. c) Eine solche Stellung ist aber nur bei langgestielten Blättern möglich. Betrachtet man die Stiele genauer, so sieht man, welche vielfachen Drehungen, Wendungen und Streckungen nötig waren, um aus den in 2 Zeilen angeordneten Blättern ein solch kleines Kunstwerk zu schaffen. B. Die Pflanze im Lichte. 1. Sobald der Efeu die Höhe der Mauer oder des Felsens erklommen hat, oder wenn seine Äste sich vom Baum- stamme oder vom Gemäuer abwenden und nun allseitig vom Lichte um- flutet werden, nimmt er ein ganz andres Aussehen an: Während die jetzt sich bildenden Zweige so kräftig sind, daß sie sich ohne jede Stütze frei zu halten vermögen und daher der Haft- wurzeln entbehren, . ordnen sich die Blät- X ter rings um die Stengel und entwickeln nur kurze Stiele. Besonders fremdartig werden diese „Liehttriebe“ aber da- durch, daß sie statt der charakteristischen fünflappigen Blattflä- chen solche von deut- N | lich eiförmigem Umriß Efeu, der die Höhe einer Wand erklommen und einen besitzen. „Lichttrieb“ gebildet hat. Am untern Teile des Sten- 2. Zweige dieser gels noch zwei gelappte Blätter und Klammerwurzeln. Art sind auch allein Daneben in nat. Gr. eine Blüte und eine Frucht. „blühreif“. Die un- scheinbaren, grünlichen Blüten sind denen der Doldengewächse sehr ähnlich gebaut und auch zu einfachen Dolden geordnet. Sie entfalten sich erst in den Monaten August bis November. Da von ihnen ein weit- hin wahrnehmbarer, widerlich süßlicher, unangenehmer Duft ausgeht, werden sie besonders von Fliegen besucht, die solche Gerüche lieben. 174 Efeugewächse. Heidekrautgewächse. 3. Die Früchte sind kleine, schwarze Beeren, deren Samen durch Vögel verbreitet werden. Sie reifen während des Winters und sind für den Menschen giftig. Anhangsweise genannt seien hier einige Glieder einer nahestehenden Familie, der Hartriegelgewächse oder Hornsträucher (Cornäceae'), die — wie ihre Namen besagen — sehr hartes Holz besitzen. Die eine Art, die Kornelkirsche (Cornus mas), KR ist ein bekannter Strauch 2 unsrer Anlagen, kommt je- H doch auch wild in Berg- f wäldern vor. Die gelben ! Blüten sind zu kleinen Dol- | den gehäuft, die sehr dicht EN AR an den Zweigen stehen. Da ra IN sie sich aber vor den Blät- IN Qu tern entfalten, kommen sie 7 RN trotzdem genügend zur Gel- tung. Die eßbaren, kirschen- artigen Früchte, die gern von Vögeln verzehrt werden, sind scharlächrot und leuchten infolgedessen vortrefflich.aus dem Grün des Laubwaldes hervor. — Die andre Form, der rote Hartriegel (C. san- guinea°), ist gleichfalls häu- fig in Anlagen, aber auch Zweiglein mit entfalteten in Laubwäldern und Ge- Konölirsene f und aufbrechenden büschen zu finden. Er blüht (etwa !/, nat. Gr.). Il Blüten. erst nach dem Ausbruche des Laubes. Die kleinen, weißen Blüten sind zu weit größern, doldenartigen Blütenständen vereinigt, die sich an den Enden der Zweige finden. Im Herbste färbt sich das Laub rot und gelb, so daß sich die schwarzen Früchte deutlich von ihm abheben. Wenn der Winter beginnt, nehmen auch die Zweige eine lebhafte Rotfärbung an. 2. Reihe. Verwachsenblumenblättrige Pflanzen (Sympetalae °). Pflanzen mit doppelter Blütenhülle (mit Kelch und Biumenkrone), bei denen die Blumenblätter (wenigstens am Grunde) miteinander verwachsen sind. 48. Familie. Heidekrautgewächse (Fricäceae'‘). 1. Unterfamilie. Eigentliche Heidekräuter (Ericeae‘). Das Heidekraut (Callüna vulgäris?). Taf. 19. A. Verbreitung. Auf trocknem Sandboden, wie auf schwanken- dem Torfmoore, auf sonniger Ebene, wie auf freien Waldstellen, auf niedrigem Hügel, wie auf sturmumbrauster Höhe findet sich das an- spruchslose Heidekraut. Es ist über ganz Europa und darüber hinaus 1) cornus, Kornelkirsche; mas, männlich (weil die meisten Blüten nur Staubblätter besitzen, also männlich sind). 2) sangwineus, blutrot. 3) sym-, zusammen; petalon, Blatt. 4) s. S. 179, Anm. 1. 5) calluna von kallıjno, ich mache schön, fege aus (Verwendung!); vulgaris, gemein. Heidekrautgewächse. 175 verbreitet und bildet stets kleinere oder größere Bestände. In Nord- deutschland besonders bedeckt es zahlreiche, oft viele Quadratmeilen große Gebiete, „Heiden“ genannt, von denen auch die Pflanze ihren Namen erhalten hat. Inmitten der Heide liegen die spärlichen Ansiedelungen der Menschen wie Oasen in der Wüste. Sie sind von Eichen, Buchen und Obstbäumen umstanden und von Äckern und Wiesen umgeben. Außerhalb dieser Gebiete ist die Natur aber von Menschen meist völlig unberührt. Ab- gesehen von einem größern oder kleinern Kiefernwalde, der vielleicht in der Ferne auftaucht, erblickt man, so weit das Auge reicht, fast nichts weiter als Heidekraut. Nur hier und da wird das Einerlei unterbrochen von Wacholder- und Ginsterbüschen, von Birken- und Weidengestrüpp, das sich nur wenig über den Boden erhebt, von stechenden Gräsern, von Flechten- und Moospolstern, vom duftenden Thymian, von Preißelbeere und Johanniskraut oder von andern „Heidepflanzen“. Das „gesellige“ Heidekraut aber ist stets das „herrschende“ Gewächs. B. Trockenlandpflanze. Füllt man einen Blumentopf mit Sand, wie ihn das Heidekraut liebt, so kann man leicht feststellen, daß dieser für Wasser überaus durchlässig ist und daher schnell trocknet. Die anspruchslose Pflanze kommt aber auch, wie schon erwähnt, auf Torf- boden vor, der — wie ein entsprechender Versuch zeigt — sehr viel Wasser einsaugt und es sehr lange festhält. Wie ist dieser scheinbare Widerspruch zu erklären? Kühlt man einen Blumentopf, in dem z. B. eine Zimmerpflanze wächst, durch Eis stark ab, so werden die Blätter bald welk, ein Zeichen, daß die Wurzel jetzt nicht mehr so viel Wasser aufzunehmen vermag, wie die Pflanze verdunstet. Kalter Boden wirkt auf die Pflanze also wie trockner Boden ein. Torfgrund ist nun meist sehr naß; er gibt daher — wie die Nebel zeigen, die von ihm aufsteigen — auch viel Wasser in Dampfform ab. Wie wir z. B. an unserm Körper merken, wenn er mit Schweiß bedeckt ist, wird aber dort, wo Wasser verdunstet, viel Wärme verbraucht. So werden durch die Verdunstung des Wassers auch dem Torfboden fortgesetzt große Wärmemengen ent- zogen: er ist infolgedessen verhältnismäßig kalt. Das Heidekraut, das auf ihm wächst, hat daher wie auf trocknem Boden sicher zeit- weise mit großem Wassermangel zu kämpfen. Außer der Kälte, die für alle Pflanzen feuchter Standorte in Betracht kommt, fällt für den Torfboden (ja sogar für jeden Heide- boden, der reich an Humus, d.h. an verwesenden Pflanzenstoffen ist) noch ein andrer wichtigerer Umstand in die Wagschale. Wie man leicht nachweisen kann (blaues Lackmuspapier färbt sich rot; gewöhnlicher Garten- oder Waldhumus aber reagiert alkalisch!), ist diese Bodenart reich an verschiedenen Säuren, die als „Humussäuren* zusammenge- faßt werden. Um festzustellen, wie Säuren auf die Gewächse einwirken, braucht man nur Topfpflanzen längere Zeit mit Wasser zu begießen, dem 176 Heidekrautgewächse. ein wenig einer solchen zugesetzt wurde: Die Pflanzen beginnen bald zu kränkeln, und an warmen Tagen welken sie sogar, obgleich die Erde ganz feucht ist. Durch die Säure wird die Fähigkeit der Wurzeln, Wasser aufzunehmen, also gleichfalls stark gehemmt. Dasselbe geschieht selbstverständlich auch bei Wurzeln, die sich in saurem Torfboden aus- breiten. Das hier wachsende Heidekraut muß daher mit dem auf- genommenen Wasser überaus haushälterisch umgehen. Sonst droht ihm wie dem Schiffer auf offenem Meere, der sich kein Süßwasser verschaffen kann, der Tod durch Verdursten. Pflanzen, die unter häufigem und oft lange andauerndem Wasser- mangel leiden, bedürfen infolgedessen besonderer Schutzmittel gegen zu starke Verdunstung. Solche Einrichtungen sind daher beim Heidekraute gleichfalls zu finden: 1. Alle seine Teile sind auffallend dürr und trocken, geben somit an die umgebende Luft auch nur wenig Wasser in Dampfform ab. 2. Das Heidekraut ist ein Strauch, der — wie bereits oben bemerkt — in dichten Beständen auftritt und sich meist nur wenig über den Boden erhebt. Infolgedessen wird er auch weit weniger unter den aus- trocknenden Winden zu leiden haben, als wenn jede Pflanze einzeln stände und sich hoch über die Erde erhöbe. Es kann uns daher auch nicht wundernehmen, wenn das Heidekraut auf sturmumtosten Berges- rücken oft nur handhoch wird, im Schutze der Kiefernschonung dagegen eine Höhe von '/;, m und mehr erreicht. 3. Das wichtigste Mittel gegen zu starke Verdunstung ist aber wie beim Mauerpfeffer in dem eigentümlichen Bau der Blätter zu erblicken. a) Es sind dies sehr kleine Gebilde (s. S. 124, a), die in 4 Längs- reihen an den Zweigen sitzen und hinten in 2 Spitzen ausgezogen sind. Letzteres ist besonders deutlich an den Blättern zu sehen, aus deren Achseln junge Zweige hervorgehen. b) Da sie ungestielt und an der den Zweigen zugekehrten (Ober-) N Seite so gebogen sind, daß sie wie ausgehöhlt erscheinen, vermögen sie sich den Zweigen eng anzuschmiegen und z. T. gegenseitig zu decken (s. S. 124, b). c) Stellt man durch ein Blatt dünne Quer- schnitte her, so sieht man, wie die Ränder nach der Unterseite zu so umgebogen sind, daß sie zusammenstoßen. Fin solches „Rollblatt“ Querschnitt aus dem Blatte „iotet der Luft also nur die Oberseite dar, wird des Heidekrautes (250 mal 1 E vergr.). In dem „windstillen daher auch weit weniger Wasser verdunsten, Raume“ 2 Spaltöffnungen. als wenn es ausgebreitet wäre. Taf. 19. 1. Blühende Zweige. 2. Zweigstück mit 2 Blüten. 3. Blüte, geöffnet. 4. Blüte, verblüht. 5. Stempel und zwei Staubblätter, aus denen Blütenstaub herausfällt. 6. Frucht, geöffnet. Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. Heidekraut (Calluna vulgaris). Heidekrautgewächse. 177 Bei Anwendung mikroskopischer Vergrößerung sieht man weiter, daß das Blatt nur auf der Unterseite Spaltöffnungen besitzt, und daß der Zugang zu ihnen durch haarartige Gebilde versperrt ist. Die Spalt- öffnungen, durch die besonders der Wasserdampf aus der Pflanze ent- weicht, münden hier also nicht direkt ins Freie, sondern in einen fast geschlossenen „windstillen Raum“: eine Einrichtung, durch die die Verdunstung gleichfalls stark herabgesetzt wird. Wie schon mehrfach erwähnt, steigen die von der Wurzel aufge- sogenen Nährstoffe in einem Wasserstrome zu den Blättern empor, wo- selbst eine Verdunstung des Wassers erfolgt. Jede Unterbrechung dieses Stromes ist für die Pflanze daher von Nachteil. Eine solche würde aber eintreten, wenn Tau- oder Regentropfen die Spaltöffnungen verschlössen. Da nun bei den Blättern des Heidekrautes die Feuchtigkeit nicht bis zu den Spaltöffnungen vordringen kann, so gibt sich das Rollblatt zugleich auch als ein Mittel zu erkennen, die Bahn für den Wasserdampf frei zu halten. Wenn wir weiter bedenken, daß die Moore regenreiche Ört- lichkeiten sind, daß es auf ihnen fast allnächtlich stark taut, und daß ihnen selbst an klaren Sommerabenden dichte Nebel entsteigen, so werden wir die Bedeutung dieser Einrichtung für die hier wachsenden Heide- krautsträucher leicht erkennen. d) Für diese Pflanzen ist es auch von großer Wichtigkeit, daß sie immergrüne Blätter besitzen: Auf dem kalten Moorboden zieht der Frühling später ein als in den umliegenden Feldern und Wäldern. Wollte das Heidekraut jetzt erst Blätter treiben, so könnte es in den wenigen Monaten, die zwischen diesem Zeitpunkte und dem Herbste liegen, unmöglich Blüten bilden und Früchte reifen. Vermöge der immer- grünen Blätter dagegen ist es beim Eintritt des Frühlings sofort im- stande, die Arbeit aufzunehmen, und selbst während der kältern und kalten Jahreszeit vermag es jeden Sonnenblick auszunützen. Für das Heidekraut, das auf trocknen Stellen wächst, sind solche Blätter gleichfalls von Vorteil. Dort erwärmt sich der Boden im Hoch- sommer außerordentlich stark und wird so trocken, daß er zu Staub zer- fällt. Da heißt es für das Heidekraut, mit der geringen Wassermenge, die es der Erde entnehmen kann, sparsam umzugehen. Je weniger die Pflanzen aber — wie oben bemerkt — Wasser aufsaugen, desto weniger Nährstoffe nehmen sie auch auf. Dafür dehnen sich aber beim Heide- kraut, weil es eben immergrüne Blätter besitzt, die Arbeiten der Nähr- stoffaufnahme und -verarbeitung über einen viel größern Teil des Jahres aus als z. B. bei den Bäumen und Sträuchern, die im Herbste das Laub abwerfen. 4. Da das Heidekraut in hohem Grade gegen zu starke Verdunstung geschützt ist, kann es andrerseits im Gegensatz zu den meisten unsrer Bäume und Sträucher (s. den Abschn. Herbstlicher Laubfall!) während des „trocknen“ Winters seine Blätter behalten. Auch die Schneemassen, von denen es dann bedeckt wird, vermögen ihm nicht zu schaden; denn die Zweige sind so zäh und biegsam, daß sie sich ohne zu brechen Schmeil, Lehrbuch der Botanik, 12 178 Heidekrautgewächse. leicht zu Boden drücken lassen. Nicht der Strauch, sondern die Erde trägt daher die Schneelast. C. Blüte. 1. Im Spätsommer überziehen sich die Bestände des Heide- krautes wie mit einem „rosenroten Schimmer“: an jeder ältern Pflanze sprießen Hunderte von zarten, roten Blüten hervor, so daß das Grün der Blätter fast verschwindet. Die 4 kleinen Blumenblätter, die in der untern Hälfte miteinander verwachsen sind, werden von den 4 größern Kelchblättern fast verdeckt. Dieser Nachteil wird je- doch dadurch ausgeglichen, daß der Kelch gleichfalls bunt ist. Seine Stelle wird von zwei Blattpaaren eingenommen, die sich von den gewöhnlichen Laubblättern durch be- trächtlichere Größe und meist auch durch einen Anflug von Buntfärbung unterscheiden. Aus der Blütenmitte ragt der Griffel mit der Narbe hervor. Er ist von den Beuteln der 8 Staubblätter umgeben, die zusammen einen kleinen, braunroten Kegel bilden und sich an der Spitze mit je 2 Löchern öffnen. Jeder Staubbeutel besitzt am Grunde 2 Anhängsel, die den Weg zum Honig im Blütengrunde versperren und daher von dem saugenden Insekt berührt werden müssen. Sobald dies aber geschieht, werden auch die Staubbeutel erschüttert, so daß aus ihnen der Blütenstaub wie aus einer Streusandbüchse auf das Insekt herabrieselt Stößt das mit Blütenstaub beladene Tier beim Besuche einer zweiten Blüte an die im Blüteneingange stehende Narbe, so hat es Fremdbestäubung vollzogen. Mit dieser Art der Bestäubung hängt es innig zusammen, daß das Heide- kraut im Gegensatz zu den meisten andern „Insekten- blütlern“ trocknen Blütenstaub besitzt, und daß die Staubfäden eine schwanenhalsartige Krümmung zeigen. Infolge dieser Einrichtung werden die Staubfäden näm- lich zu federnden Gebilden, so daß die von ihnen getra- genen Staubbeutel bereits bei der geringsten Erschütterung ins Schwanken geraten. Da, wo das Heidekraut große Bestände bildet, ist Glocken-Heige der Honigreichtum seiner Blüten für die Bienenzucht von (nat. Gr.). größter Bedeutung. In vielen Gegenden bringen die Imker ihre Bienen oft sogar von weither in die blühende Heide. 3. Obgleich die Blüten verhältnismäßig klein sind, ist das blühende Heidekraut doch weithin sichtbar, so daß es sich eines außerordent- lich regen Besuches zu erfreuen hat: Jeder Zweig trägt erstlich zahl- reiche Blüten, die sämtlich nach einer Seite gerichtet sind. (An sehr schattigen und nassen Standorten blüht die Heide jedoch spärlich oder sar nicht.) Zweitens wächst es — wie oben erwähnt — in mehr oder weniger großen Beständen, so daß die blühenden Pflanzen schon auf Heidekrautgewächse. 179 eine größere Entfernung hin wahrzunehmen sind. Drittens endlich ver- lieren seine Blüten — im Gegensatz zu denen der meisten andern Pflanzen — nach dem Verblühen nur wenig von ihrer Auf- fälligkeit. Ein Besuch dieser Blüten wäre je- doch für das Heidekraut nicht allein vollständig V wertlos, sondern sogar von Nachteil; denn die N Insekten würden — sozusagen — damit die BF] N kostbare Zeit nur vertrödeln. Da sich jedoch “ 7 IN E EE 2 KR HN die verblaßten Kelchblätter einwärts krümmen, AR I, wird der Eingang zum Blüteninnern verschlossen, EHAÄN® EN 3 so daß die Insekten genötigt sind, nur den ge- NR öffneten Blüten zu dienen. D. Frucht. Im Schutze des Kelches reift auch die Frucht. Sie ist eine kleine Kapsel, die zur Zeit der Reife mit 4 Klappen (Fruchtblätter!) auf- springt und aus der dann der Wind die winzigen Samen leicht ausstreut. Andre Heidekrautgewächse. Zu den nächsten Verwandten des Heidekrautes zählt die zierliche @locken-Heide (Erica tetralixt), die in Norddeutschland auf Torf- und Moorboden einen herrlichen Schmuck bildet (daher auch Sumpf-H.). Ihre immer- grünen Blätter zeigen sich nur an den Rändern zurückgerollt, Alpen-Heide; blühender dafür aber sind sie wie alle jungen (diesjährigen) Teile mit Zweig (nat. Gr.) und Ausnahme der Blumenkrone dicht mit kurzen einfachen, 2 Blüten (vergr.). sowie mit langen Haaren bedeckt, die je ein Drüsenköpfchen tragen. Am Ende der Stengel stehen wie zier- liche Glöckchen die fleischfarbigen Blüten in einem Büschel. — In den Alpen und an meh- reren Stellen Süd- und Mitteldeutschlands er- scheinen als erste Lenzboten die fleischfarbenen Blüten der Alpen-Heide (E. carnea°), aus denen nicht nur die Narben, sondern auch die großen, dunkelroten Staubbeutel ins Freie ragen — Die zahlreichen Heidearten, die bei uns als Topfpflanzen gezogen werden, entstam- men zumeist dem trocknen Kaplande. 2. Unterfamilie. Heidelbeergewächse (Vaceiniceae®). In lichten» Wäldern bedeckt die Heidelbeere (Vaceinium myrtillus®) den Boden oft auf weite Strecken. Ihre kleinen, eiförmigen Blätter, die ‘sich im Herbste von den grünen Zweigen lösen, sind lederartig hart, eine Eigenschaft, die für die Pflanze an trocknen Standorten (geringe Verdunstung!) sicher von Vorteil ist. Zudem leitet die Heidelbeere — wie folgender einfache Versuch zeigt — fast jeden Blühender Zweig der Heidelbeere (nat. Gr.). 1) ereike, erica, Heidekraut (?); tetralix: tetra-, vier und helirx, gewunden (Stellung der Blätter). 2) carneus, fleischfarben. 3) vaccinium vielleicht eine Verstümmelung von hyäkinthos, Hyazinthe; myrtillus: mijrtus, Myrte, -ilus, Verkleinerungssilbe (Blätter!), 180 Heidekrautgewächse. Regentropfen, der sie trifft, nach der Wurzel ab. Taucht man einen abgeschnittenen Strauch in das Wasser und hält ihn sodann senkrecht frei hin, so wird man bemerken, daß — von wenigen Tropfen abgesehen — das Wasser in einem starken Strome am Stamme abläuft: Die schräg stehenden, rinnigen Blätter lei- ten es über den kurzen, ge- furchten Blattstiel zu dem Zweige, dem sie ansitzen; in einer tiefen Rinne, die sich an ihm von Blatt zu Blatt zieht, fließt es hinab und sammelt sich von sämtlichen Zweigen am Hauptstamme, der es schließ- lich der Wurzel zuführt. Die rot angehauchten Blüten, die denen des Heidekrautes sehr ähnlich gebaut sind, gleichen hängenden Glöckchen. Die blau- schwarzen Früchte dienen dem Preißelbeere. Menschen als willkommene Blühender und frucht- Speise, so daß das Sammeln der TERMIN tragender Zweig wohlschmeckenden Heidel- oder (nat. Gr.). Blaubeeren für viele Gegenden 55 eine wichtige Erwerbsquelle bildet. Bestimmt jedoch sind die Früchte für die Verbreiter der Pflanze, für Drosseln und andre Wald- vögel. — Die Preißelbeere (V. vitis id&a!) teilt mit der Heidelbeere Bedeutung und Standort. Viel- fach überdeckt sie jedoch auch unbewaldete Berg- rücken. Ferner besitzt sie im Gegensatz zu jener Pflanze immergrünes Laub, aus dem die roten Beeren prächtig hervorleuchten. — Letzteres gilt auch für die zierliche Moosbeere (V. oxycöceus?), deren schwache Stämme besonders zwischen Torfmoos dahinkriechen. 3. Unterfamilie Alpenrosengewächse (Rhodöreae). Eine herrliche Zier der Alpenberge bilden die vielbesungenen Alipenrosen (Rhododendron?°), die mit ihren prächtigen Blüten oft weite Flächen mit leuchtendem Rot überkleiden. Vermöge der außer- ordentlich biegsamen Zweige, die sich dem Boden dicht anschmiegen, können die Sträucher den Druck der mächtigen Schneemassen, die alljährlich monate- nl ala ee 1) vitis, Weinstock: idaea, s. S. 142, Anm.1 (also: Rebe von Ida). 2) oryeoccus.! oxys, scharf, sauer und kökkos, Kern. 3) zusammengesetzt aus rhödan, Rose und dendron, Baum. Rostblättrige Alpenrose (Rh, ferrugineum?), 4) ferrugineus, rostlarbig (wie die Unterseite der Blätter), Heidekrautgewächse lang auf ihnen lasten, wohl ertragen. Aber auch wäh- rend des kurzen Sommers, in dem oft die Früchte nicht einmal reifen, werden sie häufig von Nebel und Regen, von Tau oder Reif heimgesucht. Doch da die Alpen- rosen, wie Heidekraut, Preißelbeere u. a., immergrüne Blätter besitzen, deren Spaltöffnungen infolge beson- derer Einrichtungen gegen Verschluß durch Feuchtigkeit geschützt sind, sind sie imstande, selbst unter diesen außerordentlich ungünstigen Verhältnissen zu leben. — Zahlreiche ausländische Alpenrosen zählen gleich den farbenprächtigen Azaleen (Azälea!) zu unsern belieb- testen Topf- und Gartenpflanzen. Den Heidekräutern sehr nahe steht die kleine Familie der Wintergrüngewächse (Pirolaceae), der hier anhangsweise kurz gedacht werden soll: Im Moder des Waldbodens wurzeln die zahlreichen Arten des Wintergrüns (Pirola°). Die zierlichen Pflanzen haben zarte, nickende Blüten und immergrüne, lederartige Blätter. — In ihrer Gesellschaft findet sich zumeist auch der Fichtenspargel oder das Ohnblatt (Monötropa hypöpitys?). Da das seltsame Gewächs kein Blattgrün besitzt, erscheint es in allen Teilen blaß, wachsgelb, so daß — wie auch der erstaufgeführte Name andeutet — die jungen Triebe hervorbrechenden Spargelsprossen nicht unähnlich sind. Infolgedessen vermag es einerseits selbst im tiefsten Waldesschatten zu gedeihen, der von allen grünen Pflanzen gemieden wird, ist aber andrerseits auch genötigt, wie z. B. die Hopfenseide seine Nahrung in „fertiger Form“ aufzunehmen. Man bemerkt jedoch nicht, daß es mit einer andern Pflanze in Verbindung stände. Auch der korallenförmige, brüchige Wurzelstock sitzt nicht der Wurzel einer andern Pflanze auf. Dagegen zeigt das Mikroskop, daß er mit Pilzfäden, die den Wald- boden durchwuchern, in innigster Verbindung steht: ihnen entzieht der Fichtenspargel alle zum Aufbau seines Körpers notwendigen Stoffe. Wir haben es hier also mit einer Blütenpflanze zu tun, die auf Pilzen schmarotzt. Der saftige Stengel des merkwürdigen Ge- wächses, der schuppenförmige, aufrecht stehende Blätter trägt, ist zur Blütezeit am obern Ende abwärts ge- neigt, so daß die Blüten nach unten gerichtet sind. Nach erfolgter Bestäubung aber streckt er sich gerade, wird hart, elastisch und wächst (besonders in dem blüten- tragenden Abschnitte) stark in die Länge, Dadurch werden die Fruchtkapseln nicht allein senkrecht gestellt, sondern auch höher über den Boden gehoben, so daß dem Winde leichter Gelegenheit gegeben ist, die staubförmigen Samen aus den sich öffnenden Kapseln zu blasen. 181 Fichtenspargel. 1. blü- hende Pflanze mit Wurzel- stock und jüngern Trieben, 2. oberirdischer Teil des Stengels z. 7. der Fruchtreife. Der Wind bläst die Samen aus den Kapseln. 1) von azaleos, trocken, dürr (Standort!). 2) von pörus, Birnbaum und -ola,$Verkleinerungs- silbe, nach der Form der Blätter. 3) monotropa von monötropos, für sich allein lebend, Einsiedler huypopitys: hypö, unter und pitys, Fichte. 182 Schlüsselblumengewächse. 49. Familie. Schlüsselblumengewächse (Primuläceae). Alle Blütenteile 5-zählig. Fruchtknoten 1-fächerig mit mittelständigem Samenträger und einfachem Griffel. Frucht eine Kapsel. Die duftende Schlüsselblume (Primula officinälis'). Taf. 20. A. Eine Frühlingspflanze. Wenn die Schlüsselblume draußen auf der Wiese oder im Walde wieder blüht, ist der Frühling endlich da. Die freundliche Blume ist gleichsam der Schlüssel, der den Himmel des Frühlings mit all seiner Herrlichkeit öffnet. Daher wird sie auch treffend Schlüsselblume oder Himmelschlüsselehen genannt. „Primel“ heißt sie, weil sie ein Erstling unter den Blumen ist. 1. Gleich zahlreichen andern Pflanzen vermag die Schlüsselblume so früh im Jahre zu erscheinen; denn sie ist eine ausdauernde Pflanze, die während des Vorjahres in dem unterirdischen Stamme oder Wurzel- stocke reichlich Baustoffe aufgespeichert hat. Es ist dies ein kurzes, dickes, mit zahlreichen Wurzeln und Blattresten besetztes Gebilde, das sich in jedem Jahre am obern Teile um ein Stück verlängert und am entgegengesetzten Ende allmählich abstirbt. Aus den Vorratsstoffen be- streitet die Pflanze die „ersten Ausgaben“ zur Bildung der Blüten und Blätter. 2. Blätter. Die jungen Blätter stehen senkrecht, und ihre Flächen sind nach der Unterseite zu beiderseits eingerollt, Eigentüm- lichkeiten, in denen wir bereits (s. Roßkastanie und Veilchen) Schutz- mittel gegen das Vertrocknen kennen gelernt haben. Eine gleiche Bedeutung hat auch die Runzelung der Blattfläche. Wollen wir Wäsche trocknen, so legen wir sie nicht etwa zusammen- geknittert an irgend einen Ort, sondern hängen sie auf, d. h. wir setzen sie vollkommen ausgebreitet den Sonnenstrahlen und der bewegten Luft aus; denn ein feuchter Körper verliert um so mehr Wasser durch Ver- dunstung, je mehr er von der Sonne erwärmt und von bewegter Luft umspült wird. Da ein gerunzeltes Blatt den Sonnenstrahlen und dem Winde nun eine geringere Fläche darbietet als ein gleich großes, aber vollkommen ausgebreitetes, so wird es unter denselben Verhältnissen auch weniger Wasser verdunsten als dieses. Größer geworden breiten sich die eiförmigen Blattflächen, die an den Blattstielen als Säume. herablaufen, immer mehr aus, die Runzelung verschwindet, und die Blätter ordnen sich — je nach der Höhe der um- gebenden Pflanzen — zu einer mehr oder. weniger deutlichen Rosette. B. Von der Blüte. 1. Blütenstand. Aus der Mitte der Blatt- rosette erhebt sich ein blattloser Stengel, ein sog. Schaft, der am Ende eine Dolde gestielter Blüten trägt. Die Blüten entspringen aus den Achseln winziger Blättehen und sind meist seitwärts oder schräg abwärts geneigt, so daß Blütenstaub und Honig gegen Regen geschützt sind. 1) primula, Verkleinerung von prima, die erste; offieinalis, in der Apotheke verwendet. Schlüsselblumengewächse. 183 2. Einzelblüte. Der röhrenförmige Kelch endet in 5 Zipfel. In der jungen Blütenanlage waren diese 5 Zipfel zuerst vorhanden, später wurden sie von einem röhrenförmigen Walle empor gehoben, der sich am obern Ende des Blütenstieles, auf dem sog. Blütenboden, bildete, so daß der Kelch in seiner jetzigen Form entstand. In derselben Weise hat sich auch die dottergelbe Blumenkrone entwickelt. (Solche Gebilde be- zeichnet man kurz, aber ungenau als „verwachsenblättrig“. „Verwachsen- blumenblättrige Pflanzen“!) Sie hat die Form einer langen Röhre, die sich oben glockenförmig erweitert und in 5 Zipfel gespalten ist. Durch eine kleine, bald in der Mitte, bald im obern Teil der Röhre liegende Erweiterung ist den 5 Staubblättern, die der Innenwand der Röhre zu entspringen scheinen, Platz geschaffen. Da die Staubblätter Blattgebilde Tee sind, die stets aus einem Stengel hervorgehen, so pjütenerundriß der können sie an der Blütenröhre auch nicht ihre Ent- schlüsselblume. stehung haben. Sie bildeten sich — wie dies von allen Staubblättern gilt — auch in der Tat auf dem Blütenboden, wurden aber von dem wachsenden röhrenförmigen Abschnitte der Blumenkrone mit empor gehoben, so daß sie dieser eingefügt erscheinen. Der Stempel besteht aus einem kugeligen Fruchtknoten (s. Frucht), an dessen Grunde der Honig abgesondert wird, einem mehr oder minder langen Griffel und einer knopfförmigen Narbe. 3. Bestäubung. a) Die Bestäuber werden durch den Duft und die leuchtende Farbe der Blüten angelockt. Auf der Innenseite des glocken- förmigen Abschnittes der Blumenkrone finden sich 5 orangefarbene Streifen, die sich nach dem Eingange der Blütenröhre hinziehen. Ähnliche Zeich- nungen finden sich bei zahlreiehen andern Blüten. Ob sie aber wirklich den Insekten den Weg zum Honig zeigen, wie vielfach angenommen wird, und ob sie daher mit Recht als „Honig- oder Saftmale“ bezeichnet werden, ist eine kaum zu entscheidende Frage. b) Da der Honig am Grunde einer langen, engen Blütenröhre abgeschieden wird, sind auch nur die langrüsseligen Hummeln und Falter imstande, bis zu ihm vorzudringen. c) In den Weg, der zum Honig führt, sind die Staubblätter und die Narbe gestellt. Sie müssen von den eindringenden Gästen daher auch gestreift werden, und zwar beladen sich diese um so sicherer mit Blütenstaub, als sich die Staubbeutel nach innen öffnen. d) Wie bereits erwähnt, sind in den einzelnen Blüten die Griffel von verschiedener Länge und die Staubblätter in verschiedener Höhe der Blütenröhre eingefügt. In diesen Verhältnissen herrscht nun nicht etwa der Zufall, sondern eine bestimmte Gesetzmäßigkeit: Neben solchen Pflanzen, deren sämtliche Blüten lange Griffel besitzen, und bei denen sich die Staubblätter in der Mitte der Blumenröhre befinden, tıifft man andre, bei denen die Griffel kurz sind, die Staubblätter dagegen am 184 Schlüsselblumengewächse. obern Ende der Blütenröhre stehen. Man unterscheidet daher eine langgriffelige und eine kurzgriffelige Form der Schlüsselblume. Um die Folgen dieser „Verschiedengriffligkeit“ (Heterostylie) zu er- kennen, brauchen wir nur ein Insekt, z. B. eine Hummel, auf dem Fluge von Blüte zu Blüte etwas genauer zu verfolgen. Saugt die Hummel zuerst an einer langgriffeligen Blüte, so muß sie mit dem Kopfe die gerade im Eingang zur Blütenröhre stehende Narbe, mit der Mitte des Rüssels dagegen die Staubbeutel berühren und sich daselbst mit Blüten- staub beladen. Hält die Hummel darauf bei einer kurzgriffeligen Blüte Einkehr, so berührt sie hier umgekehrt mit dem Kopfe die Staub- blätter, mit der Rüsselmitte dagegen die Narbe. Da sie nun von der ersten Pflanze an derselben Rüsselstelle Blütenstaub mitgebracht hat, so muß sie eine Bestäubung der zweiten Blüte herbeiführen. Fliegt darauf die Hummel, an derem Kopfe Blütenstaub ‘haftet, wieder zu einer lang- griffeligen Blüte, so muß sie diese gleichfalls bestäuben: kurz, sie wird bei fortgesetztem Besuche der Schlüsselblumen den Staub von der langgriffeligen Form zur kurzgriffeligen tragen und umgekehrt, so dab eine Fremd-(Wechsel-)Bestäubung beider Formen herbeigeführt wird. Welche Bedeutung hat nun diese seltsame Einrichtung? Natur- forscher haben durch sorgfältige Versuche die Antwort auf diese Frage gefunden: Brachten sie Blütenstaub auf die Narbe derselben Blütenform, so entwickelten sich nur wenige Samen, aus denen — wenn man sie aussäte — schwächliche Pflanzen hervorgingen; ahmten sie aber die Tätigkeit der Insekten nach, d. h. brachten sie Staub der langgriffeligen Form auf die Narbe der kurzgriffeligen oder umgekehrt, so bildeten sich zahlreiche Samen, aus denen sich kräftige Pflanzen entwickelten. Die Verschiedengriffeligkeit ist also eines jener mannigfaltigen Mittel, derer sich die Natur bedient, um die für die Samenbil- dung günstige . Fremd-(Wechsel-)Bestäubung herbeizuführen. (Wieso ist bei den Blüten der Schlüsselblume Selbstbestäubung nicht völlig ausgeschlossen? Wann kann sie leicht bei der langgriffeligen Form, wann bei der kurzgriffeligen eintreten?) Daß Fremdbestäubung der von der Natur „gewollte“ Vorgang ist, geht auch noch aus einer andern interessanten Tatsache hervor: Wie das Mikroskop zeigt, sind die Blütenstaubkörner der langgriffeligen Form kleiner als die der kurzgriffeligen; umgekehrt aber hat die Narbe der erstern Form größere Rauhigkeiten (Narbenhaare) als die der letztern. Wenn man einerseits bedenkt, daß die kleinen Staubkörner nur einen verhältnismäßig kurzen, die großen dagegen einen langen Keimschlauch bis zu den Samenanlagen im Fruchtknoten zu treiben haben (s. den letzten Taf. 20. 1. Blühende Pflanze; 2. u.3. junge Blätter; 4. langgrifflige und 5. kurz- grifflige Blüte im Längsschnitt; die punktierten Linien verbinden die Staubblätter und Stempel gleicher Höhe. 6. u. 7. dieselben Blüten, geöffnet und von je einer Hummel besucht. 8. Frucht, Querschnitt. 9. Frucht, geöffnet; Kelch z. T. entfernt. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 20. Duftende Schlüsselblume (Primula officinalis). ur Schlüsselblumengewächse. 185 Abschn. des Buches), so wird man es wohl verstehen, daß ihnen die Natur auch eine verschiedene Menge von Baustoff für diese Schläuche gegeben hat. Und wenn man andrer- seits erwägt, daß die Narbenrauhigkeiten der langgriffeligen Form große, die der kurzgriffe- ligen dagegen kleine Staubkörner festzuhalten haben, so wird man auch die Bedeutung dieser Verschiedenheit leicht einsehen. C. Von der Frucht. Die Frucht (Frucht- knoten) ist eine Kapsel, deren Wand aus 5 Fruchtblättern gebildet ist. Durchschneidet man sie senkrecht, so sieht man, daß der SU R zZ lg. F. verlängerte Fruchtstiel in den Hohlraum ragt, Narben und Blütenstaubkörner daselbst kuselie : : d zahl- der Schlüsselblume: aselbst kugelig angeschwollen ist und za Ko Ivo der Kurzgritfeligen, reiche Samen trägt. lg.F. von der langgriffeligen Im Schutze des Kelches, der hart und Form. (Narben etwa 20 mal, derb wird, reift die Frucht heran. Schließlich Blütenstaub 300 mal vergr.) öffnet sie sich an der Spitze mit 10 Zähnen und überläßt es dem Winde, die Samen auszustreuen. Letzteres kann nun insofern mit Erfolg geschehen, als die Blüten-(Frucht-)Stiele sich bereits nach dem Verblühen senkrecht empor gerichtet haben (was würde ge- schehen, wenn sie ihre ursprüngliche Stellung beibehielten?), und gleich dem Schafte zu festen, elastischen Gebilden herangereift sind: der Frucht- stand ist also eine Schleuder einfachster Art geworden. Die nach oben geöffneten Fruchtkapseln schließen sich bei Eintritt feuchter Witterung, indem sich die Zähne einwärts krümmen (vgl. mit Steinnelke). Die kleinen Samen haben eine rauhe Oberfläche und haften daher, wenn sie keimen, fest am Erdboden. Andre Schlüsselblumengewächse. Mit der duftenden Schlüsselblume stimmt die hohe Sch. (P. elatior!) in allen Stücken überein. Sie ist aber etwas größer als jene und besitzt geruchlose, schwefelgelbe Blüten, deren Blumenkronen im obern Abschnitte flach ausgebreitet sind. Von ihr stammt die buntblütige Garten-Primel ab. — Die diekblättrige Garten-Aurikel, die in einer noch viel größern Anzahl von Farben- spielarten gezogen wird, ist der Abkömmling eines Bastards, der durch Kreuzung zweier Alpen-Primeln entstanden ist. — Eine allgemein be- kannte Topfpflanze ist die chinesische Primel (P. sinensis?). — Über den Spiegel stehender Gewässer hebt die Wasserfeder (Hottönia palüstris®) ihre weißen, oft rosenrot angehauchten Blüten empor, die zu weithin sichtbaren Trauben gehäuft und wie die erwähnten Schlüsselblumen-Arten „verschieden-grifflig“* sind. Sie besitzt gleich dem Wasser-Hahnenfuß,.der unter den gleichen Bedingungen ge- 2 deiht, einen schwachen Stengel mit großen Lufträumen und tief- Frucht vom Ackergauch- za AR 1) elatior, hoch. 2) sinensis, chinesisch. 3) Hottonia nach Hotton, einem heil, geöffnet Botaniker des 17. Jahrh. in Leyden; palustris, im Sumpfe wachsend. (vergr.). 186 Schlüsselblumengewächse. Pfennigkraut. geteilte Blätter. Sobald die kalte Jahreszeit eintritt, sinkt das zarte Gewächs in die frostfreie Tiefe; versiegt das Wohngewässer, so bildet es eine Landform mit kurzen Stengelgliedern und steifern Blättern. — Unter der Saat und auf Brachäckern wächst, der Vogelmiere sehr ähnlich („rote Miere“), der Ackergauchheil (Anagällis arvensis'; s. Abb. S. 185). Seine kleinen, meist ziegelroten Blüten schließen sich nachts und werden zugleich nickend. Die Frucht ist eine zierliche, kugelförmige Kapsel, deren obere Hälfte sich bei der Reife wie ein Deckel ablöst. — Auf feuchten Wiesen, in Straßengräben und an ähn- lichen Orten entfaltet das Pfennigkraut (Lysimachia nummuläria?) seine großen, gelben Blüten. Die Blätter stehen sich zu je 2 gegenüber, und je 2 aufeinander folgende Paare bilden ein Kreuz. Da nun der schwache Stengel dem Boden dicht aufliegt, so müßte stets eines von ie 4 Blättern abwärts gerichtet sein. Das ist jedoch nicht der Fall. Das betreffende Stengelglied macht nämlich eine halbe Drehung um seine Längsachse, so daß auch dieses Blatt emporgehoben wird. Übrigens stellen sich auch alle Blatt- stiele senkrecht zum liegenden Stengel, und die rundlichen Blattflächen (Pfennig- kraut!) sind wagerecht gelagert: alles Einrichtungen, die eine möglichst voll- kommene Ausnützung des belebenden Sonnenlichtes herbeiführen. — Der nächste Verwandte des Pflänzchens ist der oft mehr als meterhohe Gilbweiderich (L. vulgäris®), der an Flußufern, in Weiden- beständen und an andern nassen Stellen gedeiht. — Den Wäldern und Matten der Voralpen verleiht das zierliche 1) anagallis vielleicht von: an-, wieder und agallo, ich mache glänzend; arvensis, auf dem Acker wachsend. 2) Lysimachia nach einem Griechen Lysimachos genannt; nıummularia = von nıımmulus, kleine Münze (Form der Blät- Alpenveilchen (etwa !/, nat. Gr.). ter). 3) vulgaris, gemein. Schlüsselblumengewächse, Alpenveilchen (Öyclamen europ&um') einen prächtigen Schmuck. Aus dem scheiben- förmigen Knollenstamme („Erdscheibe“) er- heben sich schöngeformte, weißgefleckte und unterseits rote Blätter (vgl. mit Wiesen- klee und Seerose), sowie zahlreiche nickende, rote Blüten von zierlichem Bau und lieb- lichem Duft. Die bei uns vornehmlich in Töpfen gezogenen Alpenveilchen gehören besonders einer persischen Art an (C. per- sicum?) oder sind Bastarde der kultivier- ten Formen. Glieder einer nahe verwandten Pflanzenfamilie sind die Tropenbäume, die in ihrem Milchsafte die wichtige Gutta- percha liefern und im indisch-malayischen Gebiete heimisch sind. Unter ihnen nimmt der echte Guttaperchabaum (Palaquium gutta°) die erste Stelle ein. In neuerer Zeit ist auch in dem deutschen Teile von Neu-Guinea eine Art ent- deckt worden, die zu guten Hoffnungen be- rechtigt. Die Guttapercha läßt sich wie der ihr sehr ähnliche Kautschuk härten und wird daher auch fast wie dieser verwendet. Da sie ein sehr schlechter Leiter der Elektrizität ist, dient sie besonders zur Umhüllung von Kabeln u. dgl. 50. Familie. Grasnelken (Plumbaginäceae '). Die gemeine Grasnelke (Armeria vulgäris®) ist eine allbekannte Pflanze trockner Grasplätze und andrer der- artiger Stellen. Gleich der Steinnelke, die mit ihr vielfach die gleichen Standorte bewohnt, besitzt sie eine sehr tiefgehende Wurzel (besonders in trocknem Sande!) und schmale, grasartige Blätter. Die kleinen, rosafarbenen Blüten sind zu kugeligen Blütenständen gehäuft, die von je einem hohen Schafte über dıe Umgebung emporgehoben werden. Unterhalb der Blütengemeinschaft stehen einige Hüllblätt- chen, deren obere Abschnitte die Blüten vor dem Entfalten wie ein Kelch schützend umgeben, und deren untere Ab- schnitte zu einer häutigen Scheide verwachsen sind. Unter- sucht man einen jungen Bıütenschaft, so findet man, daß er unter der Scheide noch weich und zart ist, hier also fortgesetzt wachsen und somit den Blütenstand empor- heben kann: die Scheide gibt sich demnach als ein Schutz- gebilde ohne weiteres zu erkennen. Der trichterförmige Kelch bleibt an der Frucht sitzen und bildet einen kleinen Fallschirm, der dem Winde beim Ausstreuen der Früchte eine set Angriffsfläche darbietet. 1) se von eyelus, Kreis oder Scheibe; ewropaeus, euro- päisch. 2) persicus, persisch. 3) Palagwium, Herkunft unbekannt, gutta, der Tropfen (?). 4) nach der Gattung Plumbägo. 5) armeria, Herkunft unbekannt; vulgaris, gemein. Grasnelken, 187 Guttaperchabaum, blühender Zweig. der Gras- Der Wind ver- Fruchtstand nelke. weht einige soeben los- gelöste Früchte. H. Hüll- blättchen, die unten die häutige Scheide S. bilden. (Nat. Gr.) Rechts unten 2 Früchte (vergr.). 158 Ölbaum- und Enziangewächse. 51. u. 52. Familie. Ölbaum- und Enziangewächse (Oleäceae' und Gentianäceae°). 1. Ölbaumgewächse. Der Flieder (Syringa vulgäris”), hier und da fälschlich auch Holunder genannt, wird als Strauch oder Baum in Blühende Zweige der Esche, von denen der eine noch mehrere vorjährige Früchte trägt. Die Blüten enthalten: 1. nur Staub- blätter. 2. Stempel und Staub- blätter. Gärten und Anlagen 2a; überall gern ange- . pflanzt. Während er bei uns genötigt ist, im Herbste die großen, herzförmigen Blätter abzuwerfen, bleibt er in seiner Heimat, ‚dem warmen, südöstlichen Eu- ropa, das ganze Jahr hindurch belaubt. Die lilafarbenen, röt- lichen oder weißen Blüten sind an sich zwar klein; da sie aber zu großen Sträußen gehäuft sind, einen angenehmen Duft besitzen und im untern Teile der engen Blütenröhre oft mehrere Millimeter hoch im Honig angefüllt sind, werden sie trotzdem fleißig von Insekten besucht. An dem durch Saugen klebrig werdenden Rüssel tragen die Besucher den Blütenstaub von Blüte zu Blüte und führen, da die Beutel der 2 Staubblätter und die Narbe im Zugange zum Honig stehen, Fremdbestäubung herbei. Bleibt Insektenbesuch aus, dann fällt der Staub auf die unter den Beuteln stehende Narbe, wodurch Selbstbestäubung eintritt. Die Frucht ist eine Kapsel. Sie öffnet sich bei der Reife mit 2 Klappen, so dab der Wind die Samen ausstreuen und ver- wehen kann. Letzteres geschieht um so eher, als die Samen sehr leichte, flach- sedrückte Gebilde darstellen, die zudem noch von einem Flügelrande umgeben sind. Häufiger jedoch als durch Samen pflanzt sich der Flieder durch Schößlinge fort, die sich meist in großer Zahl aus dem Boden erheben und ein dichtes Gebüsch bilden. 1) s.S$.19.1. 2) s. 8.190, 3. 3) syringa von syrinz, Röhre, Pfeife (weil aus dem Holze Pfeifen geschnitten sein sollen?); vulgaris, gemein. Oliven- und Enziangewächse, 189 Noch stärker tritt diese Art der Vermehrung beim Liguster oder der Rain- weide (Ligüstrum vulgäre') in die Erscheinung, so daß sich die Pflanze vortreff- lich zur Anlage „lebender Hecken“ eignet. Die weidenartigen Blätter (Rainweide!) sind etwas lederartig. Infolgedessen überdauert an jedem Strauche stets eine Anzahl von ihnen selbst den kältesten Winter. Aus den weißen Blüten, die BURRE?? ss ST I Vo l 7A Ölbaum. 1. Aufrechtstehender, blühender Zweig. 2. Hängender, fruchttragender Zweig. 3. Geöffnete Frucht (etwa 1!/; mal nat. Gr.). nach Bau und Häufung denen des Flieders gleichen, entwickeln sich schwarze Beeren, die für zahlreiche Vögel in der kalten ‚Jahreszeit eine willkommene Speise bilden. Die Esehe (Fräxinus excölsior?) findet sich in Wäldern und Anlagen als ein oft über 30m hoher Baum mit mächtiger Krone. Sie besitzt unpaarig gefiederte Blätter, deren Hauptstiel auf der Oberseite eine deutliche Rinne bildet. Nur da, wo die Fieder- blätter entspringen, ist die Rinne geöffnet. Hier tritt das von den Fiederblättern auf- gefangene Regenwasser in die Rinne, woselbst es von haar- und schildförmigen Zell- gruppen aufgesogen wird. Die Bestäubung der Pflanze wird wie bei den meisten Waldbäumen durch den Wind vermittelt. Dementsprechend besitzt die Esche sehr einfach gebaute Blüten, die sich bereits vor der Entfaltung des Laubes öffnen und 1) Zigustrum, vielleicht „in Ligurien wachsend“; vulgaris, gemein, 2) frawinus, Esche; e.ccelsior, erhaben, hoch, 190 Ölbaum- und Enziangewächse, entweder nur einen Stempel, oder 2 Staubblätter, oder beide Blütenteile zugleich ent- halten. Der Wind besorgt auch die Verbreitung der flachen, geflügelten Früchte. Eine Spielart der Esche ist die bekannte Traueresche, die wir als ein Sinnbild der Trauer (hängende Zweige!) gern auf die Ruhestätten der Toten pflanzen. Eines der wichtigsten Gewächse der Mittelmeerländer ist der Ööl- oder Oliven- baum (Olea europ#a'), der besonders in den Küstengegenden oft weite Strecken be- deckt. Er erreicht ein außergewöhnlich hohes Alter und ähnelt mit seinem dann hohlen und vielfach durchbrochenen Stamme, den sparrigen Ästen und schmalen Blättern einem Weidenbaume im hohen Grade. Wie das Laub der Orange zeigen ‘seine immergrünen Blätter lederartige Beschaffenheit. Da sie zudem unterseits dicht mit schuppenförmigen Haaren bedeckt sind, vermag der anspruchslose Baum eine inonatelange Sommerdürre leicht zu ertragen. Gleich der Ölweide (Elaeägnus?), die bei uns vielfach als Ziergehölz angepflanzt wird, erscheint der Ölbaum daher grau belaubt, so daß den Olivenhainen das belebende Grün unsrer Wälder fehlt. Die weißen Blüten sind zu Trauben oder Rispen geordnet und gleichen ganz denen des Ligusters. Die schwarzblauen Steinfrüchte, die etwa die Größe der Schlehe besitzen, sind in allen Teilen überaus ölreich. ‘ Sie liefern das wertvolle Oliven- oder Baumöl. Die bessern Ölsorten, unter denen wieder das Provenceröl hervorragt (so genannt, weil besonders in der Provence gewonnen), erhält man durch gelindes Pressen der entsteinten Früchte. Sie dienen vornehmlich als Speiseöle. Die geringern Sorten, die man durch Auspressen der ganzen Früchte gewinnt, werden zur Herstellung von Seifen oder als Brenn- und Schmieröle verwendet. Auch das feste, schön ge- maserte und politurfähige Olivenholz wird hoch geschätzt (Spazierstöcke und andre Drechslerarbeiten!). Es ist daher nicht zu verwundern, daß der überaus wichtige Baum in den Mittelmeerländern bereits seit dem grauen Altertume (Juden, Griechen) in hohem Ansehen steht. Ein aus seinen Zweigen geflochtener Kranz war der Lohn des Siegers in den Olympischen Spielen, und noch heute gilt der Ölzweig als ein Sinnbild des Friedens (Taube Noahs!). 2. Enziangewächse. Die zahlreichen Enzianarten (Gentiäna”), die zumeist prächtig blaue Röhrenblüten be- sitzen, sind vorwiegend Gebirgspflanzen. Besonders für die Alpenmatten bilden sie eine herrliche Zier. Die- Wurzeln der Arten, die einen wirksamen Bitterstoff enthalten, werden in der Heilkunde und zur Bereitung des Enzian- Branntweins verwendet. — Auf sonnigen, sandigen Triften und an ähnlichen Orten entfaltet das Tausendgüldenkraut (Erythr&a centaurium*) seine rosafarbenen Blüten, die sich abends zum „Schlafe“ schließen. Da alle Teile des zier- lichen Gewächses stark bitter schmecken (Schutzmittel gegen Pflanzenfresser!), finden sie eine ähnliche Verwendung wie die Enzianwurzeln. Glieder nahe verwandter Familien. Am Boden lichter Wälder kriecht das Immergrün (Vinca minor?) da- hin. Das blaublühende Pflänzchen, das auch häufig an schattigen Stellen der Gärten angepflanzt wird, hat wie der Efeu immergrünes, leder- artiges Laub. — Gleiche Blätter finden wir, wie bei zahlreichen andern Gewächsen des Mittelmeergebietes, auch beim @leander (Nerium oleander’). Dieser stattliche Frühlings-Enzian (G., verna®; verkl.). 1) olea, Ölbaum; ewropaeus, europäisch. 2) zusammengesetzt aus elaia, Ölbaum und dgnos Lamm, wegen der Ähnlichkeit mit einem Strauche Südeuropas, in dessen bot. Namen dieses Wort enthalten ist. 3) Enzian. 4) erythraea von erythrös, rot; centaurium: eentum, hundert u. aurum, Gold. 5) vinca von wvıncio, ich binde, schlinge; minor, kleiner. 6) vernus, im Frühlinge blühend, 7) nerium vom nengriech. nerö, Wasser (dort wachsend!); oleander, unerkl, Ölbaum- und Enziangewächse. =”. ge EROPNY x N S\ UN N \R 3 SS ZUR aybau en che 7. IF 77 347). ‘ € S. . (s inien ip en und zwei ss Neben den Gebäuden mehrere Zypre aın. Olivenh 192 Windengewächse. Strauch, der wegen seiner prächtigen Blüten und seines ausdauernden Laubes bei uns gern in Kübeln gezogen wird, enthält in allen Teilen ein scharfes Gift. — Weit stärker allerdings ist das Gift, das aus den Samen des ostindischen Breechnußbaumes (Strych- nos nux vömica!) gewonnen wird. In größern Gaben dient das „Strychnin“ zur Vertilgung von Raubtieren, Mäusen und andern Schädlingen; in kleinen Mengen dagegen ist es ein wichtiges Heilmittel. 53.Familie. Windengewächse ((/onvolvuläceae?). i. Die Ackerwinde (Convölvulus arvensis?). 1. Ein windendes Unkraut. a) Die Acker- winde findet sich als lästiges Unkraut überall auf Äckern und in Gärten, wächst ebenso gern aber auch an Wegen, auf Schutthalden und an ähnlichen Stellen. b) Ihr dünner, weitverzweigter unterirdischer Stamm (Wurzelstock) durchzieht den Boden sehr tief und sendet in noch tiefere Erdschichten lange Br Wurzeln hinab. Infolgedessen vermag die zarte ——- Pflanze selbst auf dürrem Grunde zu leben und ist c) Aus dem Stamme erheben sieh zahlreiche Stengel. Da sie sehr lang und schwach sind, können sie nicht einmal die eigene Last, geschweige denn die der Blätter, Blüten und Früchte tragen. Solange die Winde von Nachbargewächsen nicht beschattet wird (an Wegen und ähnlichen Orten), bleibt der Stengel ohne Nachteil für die Pflanze am Boden liegen. 1) strychnos, eigentl. Nachtschatten. nur, Nuß; vomo, ich er- breche mich (dient als Brechmittel). 2) convolvwulıs, Winde (comvolwvo, ich winde und -ulrs, Verkleinerungssilbe); arvensis, auf dem Acker wachsend. Ackerwinde. 1. Stengel, der sich um eine Getreidepflanze gewunden hat. Die Blüten, die er trägt, befinden sich in Schlafstellung. 2. Stengel, der dem Boden aufliegt. Windengewächse, 193 Sobald dies aber geschieht, sucht sie genau wie die Bohne durch Umwinden fremder Gegenstände zum Lichte emporzudringen. Dann entfaltetsie auf an- gebautem Boden ihre ganze Schädlichkeit: sie umstrickt die Nutzpflanzen, zieht das Getreide zum Boden herab und hindert die Halme, die sich infolge eines heftigen Regengusses „gelagert“ haben, sich wieder aufzurichten. d) Bei allseitiger Belichtung sind die pfeilförmigen Blätter gleich- mäßig um den windenden Stengel geordnet; bei einseitiger dagegen ist die Blattstellung mannigfach gestört. Letzteres ist besonders deutlich an solchen Pflanzen zu beobachten, die dem Boden aufliegen. Da sie nur von oben belichtet werden, haben sich die langen Blattstiele alle senkrecht gestellt, so daß die Blattflächen in einer Ebene ausgebreitet sind. Bringt man den Stengel aus seiner Lage, so ändern auch die Blätter ihre Stellung. 2. Von der Blüte und Frucht. a) Die langen Blütenstiele, die den Blattwinkeln entspringen, machen oft merkwürdige Krümmungen, um die Blüten aus dem Blattgewirr herauszuheben. Sie tragen deren 1—3 und ebensoviele Paare winziger „Hochblätter“, die weit unter dem kurzen. fünfzipfeligen Kelche stehen. Die große, trichterförmigee Blumenkrone, die im Knospenzustande in Falten gelegt und zu- sammengedreht ist, lockt durch bunte Fär- bung (weiß oder hellrosa, mit 5 dunkleren Streifen) und zarten Duft zahlreiche Insekten herbei. Den Besuchern ist jedoch der Honig, der von einem orangefarbenen Polster unter dem Fruchtknoten abgeschieden wird, nicht ohne weiteres zugängig. Die Fäden der 5 Staubblätter sind nämlich am untern Teile, da wo sie mit der Blumenkrone ver- wachsen sind, so stark verbreitert und legen sich weiter oben so dicht an den Griffel, daß nur 5 enge Zugänge zum Honig vorhanden sind. An den zusammenstoßenden Seitenwänden sind sie aber mit kleinen Stacheln besetzt, vor denen die Insekten ihren empfindlichen Rüssel wohl in acht nehmen. Wollen die Tiere Honig saugen, so sind sie mithin genötigt, den Rüssel durch eine jener Öffnungen zu stecken. Dabei muß sich aber wenigstens jedes größere Insekt mit Blüten- staub beladen; denn die violetten Staubbeutel öffnen sich nach außen. Streift das Tier den anhaftenden Staub beim Verlassen der Blüte an einem der beiden großen und weit gespreizten Narbenäste ab, dann er- folgt Selbstbestäubung. Geschieht dies erst beim Besuche einer zweiten Blüte, so tritt Fremdbestäubung ein. Gegen Abend begibt sich die Blüte wie ihre Bestäuber „zur Ruhe“: sie schließt sich, indem sie wieder die Knospenlage einnimmt, und hört auch auf zu duften. Bei Regenwetter öffnet sie sich gar nicht. b) Die Frucht ist eine Kapsel, die sich bei der Reife mit 2 Klappen öffnet. Der Wind schüttelt die Samen aus. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 13 Blüte der Ackerwinde (vergr.). 194 Windengewächse. Verwandte. Die Zaunwinde (C. sepium') umspinnt besonders an feuchten Orten Büsche und Zäune in dichtem Gewirr. Sie ähnelt der Ackerwinde in allen Stücken, ist von dieser u. a. aber leicht durch die großen „Hochblätter“ zu unterscheiden. die unmittelbar unter dem Kelche stehen. Ihr Haupthestäuber ist der schmucke Win- denschwärmer, der mit Eintritt dder Dämmerung zu fliegen be- ginnt. Wie bei allen Falter- blumen (s. Stein- nelke) finden wir auch bei ihr den Honig in einer tiefen Röhre ge- borgen (Blüte wesentlich größer als bei der Acker- winde), und wie bei allen Blüten, die durch Nacht- schmetterlinge bestäubt werden, zeigt ihre Blu- menkrone eine - nk. Färbung (schnee- Batate oder süße Kartoffel. — >= weiß), die selbst im Dunkeln meist noch sichtbar ist. In weiterm Gegensatz zur Ackerwinde ist ihre Blüte — falls nicht tiefste Finsternis herrscht — auch in der Nacht geöffnet. — Die Winde, die wir gern zur Bekleidung von Lauben u. dgl. verwenden, und die uns durch ihre prächtige, wechsel- volle Blütenfarbe erfreut, ist die Purpurwinde (Ipom&a purpürea°). Sie stammt aus Nordamerika. — Ein’ Windengewächs ist auch die Batate oder süße Kartoffel (I. batätas®), deren stärkemehlhaltige Wurzelknollen in allen Tropenländern ein wich- tiges Nahrungsmittel bilden. 2. Die Hopfenseide (Uuscuta europ&a‘). Tafel 21. Das Diekicht, das vom Hopfen, von Weiden und Brennesseln ge- bildet wird, findet man nicht selten wie mit vielen unentwirrbaren, blaß- roten Fäden („Seide“) umsponnen. Bei näherm Zusehen erkennt man, daß diese Fäden Pflanzenstengel sind, die zahlreiche Knäuel kleiner Blüten tragen, aber der Blätter und selbst des Blattgrüns (bis auf geringe Spuren) entbehren. Das ist die seltsame Hopfenseide, die im 1) seprum, richtiger saepium, der Zäune (Genet. plur.) 2) ipomoea, vielleicht zusammengesetzt aus 2ps, Wurm und hömoios, ähnlich; purpwreus, purpurn (Blüte!). 3) batatas, Name der Knollen auf Haiti. 4) cuscuta, unerkl., europaeus, europäisch. Taf. 21. 1. Hopfenseide an einer Brennessel. 2. Blüten. 3. Ein Stück des Stengels, der eine Brennessel umschlungen hat. 4. Stengel an einem Hopfenstengel; 10 mal vergr. 5. Keimung; a. keimender Same; b und c. ältere Keimpflanzen, die eine Wirts- pflanze „suchen“; d. Keimpflanze, die einen Stengel der Brennessel einmal umschlungen hat und am hintern Ende abstirbt. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 21. Hopfenseide (Cuscuta europaea). Windengewächse. - 195 Volksmunde treffend auch „Teufelszwirn“, genannt wird. Nun ist aber das Blattgrün derjenige Körper, in dem unter Einwirkung des Sonnen- lichtes aus Wasser, den aus dem Boden entnommenen Salzen und der Kohlensäure der Luft alle die Stoffe (Stärke, Zucker, Zellstoff usw.) bereitet werden, aus denen sich die Pflanze aufbaut. Da die Hopfenseide — wie erwähnt — kein Blattgrün besitzt, ist sie auch nicht imstande, die zum Aufbau und Leben nötigen Stoffe selbst herzustellen. Sie ist daher ge- nötigt, sie anderswo herzunehmen. Bei genauerem Zusehen finden wir an dem fadenförmigen Stengel zahlreiche kleine Anschwellungen, die sich dem Stengel der „Wirtspflanze“ eng anschmiegen. Aus der Mitte dieser Gebilde erhebt sich je ein kleiner Zapfen, der die Rinde des umschlungenen Stengels durchbricht und bis zu seinem Holzkörper vordringt. Mit Hilfe dieser Saugwärzchen entzieht die Hopfenseide wie mit ebenso vielen Schröpfköpfen den befallenen Pflanzen alle zum Leben und Wachstum nötigen Stoffe: sie nährt sich also auf Kosten andrer Wesen; sie ist ein Sehmarotzer (Parasit). Dieser Lebensweise entsprechend entbehrt sie auch der Wurzeln, wie sie andre Pflanzen besitzen, und fügt den von ihr heimgesuchten Gewächsen großen Schaden zu. Ja, es ist nichts Seltenes, daß sie die Ernte von Hopfen- und Hanffeldern teilweise oder ganz vernichtet. Hat der Schmarotzer bis zum Herbste auf Kosten seines Wirtes gelebt, dann stirbt er ab. Wie aber kommt er im nächsten Jahre wieder auf andre Pflanzen? Die Antwort auf diese Frage erhalten wir leicht, wenn wir im Frühjahre einige im Herbst gesammelte Samen auf feuchtgehaltene Erde aussäen. Schon nach einigen Tagen sehen wir, wie aus der gesprengten, braunen Samenhülle der Keimling hervortritt und ein kleines Stück in den Boden wächst. (Ihm fehlen die bei allen Pflanzen der Unterklasse sonst vor- handenen beiden Keimblätter. Dasselbe gilt auch für die andern Arten der Gattung.) Nach wieder ein paar Tagen hat der Keimling bereits die Samenhülle abgeworfen und ist zu einem fadenförmigen Körper heran- gewachsen, dessen oberes Ende sich wie die windende Stengelspitze der Bohne langsam im Kreise bewegt: der Keimling „sucht“ eine Wirtspflanze. Hat er eine solche gefunden, so ist sie auch alsbald linkswindend um- schlungen. Indem sein unterer Teil nunmehr abstirbt, entwickelt sich der obere zum Schmarotzer, wie wir ihn kennen gelernt haben. Gelingt es dem Keimlinge nicht, eine Wirtspflanze zu ergreifen, dann geht er — da er nicht selbst Baustoffe bereiten kann — nach einiger Zeit zugrunde. Da dieser Fall sicher nun sehr oft eintritt, wird uns auch die außer- ordentlich große Anzahl der Blüten und die noch weit größere Menge der Samen verständlich, die die Hopfenseide hervorbringt; denn je größer die Anzahl der Samen ist, desto größer ist für die Pflanze auch die Möglichkeit, ihre Art zu erhalten (vgl. mit tierischen Schmarotzern, z. B. dem Bandwurm!). 196 Rauhblättrige Gewächse. Die nächsten Verwandten der Hopfenseide sind gleichfalls Schmarotzer. In Klee- und Luzernefeldern richtet die Kleeseide (©. epithymum') oft großen Schaden an, und Flachsfelder werden von der Flachsseide (C. epilinum‘) nicht selten gänzlich verwüstet. Durch Abbrennen oder Abmähen der befallenen Pflanzen, bevor die Schmarotzer noch Samen angesetzt haben, läßt sich dem Übel allein Einhalt tun 54. Familie. Rauhblättrige Gewächse (Borraginäceae?). Meist rauhhaarige Pflanzen. Kelch, Blumenkrone und Staubblätter fünfzählig. Frucht eine in 4 Teilfrüchtchen zerfallende Spaltfrucht. Die Schwarzwurz (Symphytum offieinäle®). Tafel 22. A. Standort und Wurzel. Die Schwarzwurz ist eine stattliche Pflanze (bis 90 cm hoch), die auf nassen Wiesen, besonders aber an den Ufern von Gräben und Bächen überall häufig anzutreffen ist. Der kurze unterirdische Stamm oder Wurzelstock,'d. i. der mit Blättern und Blatt- resten bedeckte obere Teil des meist ungenau als „Wurzel“ bezeichneten Gebildes, setzt sich in eine tiefgehende, spindelförmige Wurzel fort. Bei ältern, großen Exemplaren strahlen an der Stelle, an der beide Teile in- einander übergehen, meist noch starke Seitenwurzeln aus, die ebenfalls ziemlich senkrecht in den Boden hinabsteigen. Gleich den Tauen, die einem im Boden steckenden Fahnenmaste sichern Halt geben, tragen auch sie wesentlich dazu bei, die Pflanze fest in der Erde zu verankern. Die unterirdischen Teile sind — wie schon der Name andeutet — außen schwarz und wurden früher für ein Heilmittel bei Knochenbrüchen gehalten. Dieser Verwendung verdankt die Pflanze auch den Namen „Beinwurz“. B. Stengel und Blätter. Aus dem unterirdischen Stamme erheben sich ein Büschel „grundständiger“ Blätter und ein oder mehrere ver- zweigte Stengel, die gleichfalls Blätter tragen. 1. Belichtung. Obgleich die Stengelglieder nach oben hin immer kürzer werden, die Blätter also näher beieinander stehen als am untern Stengelabschnitte, werden doch sämtliche Blätter des zum Leben not- wendigen Sonnenlichtes teilhaftig; denn sie nehmen erstlich von unten nach oben an Größe allmählich ab. Ferner sind die meist eiförmigen untern Blätter gestielt, während die lanzettlichen obern der Stiele ent- behren, also „sitzend“ sind. Und endlich stehen alle Blätter in einer deutlichen Schraubenlinie, eine Anordnung, die sich leicht nachweisen läßt, wenn man um den Stiel eines der untern Stengelblätter einen Faden bindet und diesen zum zweiten, dritten Blatte usw. führt. 1) epithymum: epi, auf und thrjmon, Thymian, auf dem die Pflanze gleichfalls schmarotzt. 2) epilimum: epi, auf und linon, Flachs. 3) nach der Gattung Borrago, s. S. 200, Anm.6. 4) sym- phytum: sym-, zusammen und phyo, ich mache wachsen (weil die Pflanze das Zuheilen von Wunden befördern soll); offieinalis, in der Apotheke verwendet. Taf. 22. 1. Oberer Teil eines blühenden Zweiges. 2. Oberhaut des Stengels mit Borsten; 70 mal vergr. 3. Blüte, längs durchschnitten. 4. Blüte, die von einer Erd- hummel angebissen wurde, und an der eine Honigbiene saugt. 5. Unreife u. 6. reife, längs durehschnittene Frucht. 7. Teilfrucht. Tafel 22. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Schwarzwurz (Symphytum officinale). Rauhblättrige Gewächse. 197 2. Wasserableitung. Träufelt man auf die Blätter eines abge- schnittenen Stengels Wasser, so fließt es — von wenigen Tropfen ab- gesehen — am untern Stengelende in einem starken Strome ab. Die Wasserableitung ist also wie beim Raps eine nach innen gerichtete, eine „centripetale“, und entspricht der Richtung der mit Saugwurzeln besetzten Wurzel. Bedingt wird diese Art des Wasserabflusses dadurch, daß erstens die Blätter schräg aufwärts gerichtet am Stengel stehen, daß zweitens die Blattflächen sowohl, wie die Blattstiele (soweit vorhanden) die Form von Rinnen besitzen, und daß drittens die Blattflächen als Säume an den Stielen und am Stengel herablaufen, so daß dieser „geflügelt“ er- scheint. Die Säume verhindern das Wasser, von den Blattstielen abzu- springen, und leiten es an dem Stengel hernieder. Bei den grundständigen und untern Stengelblättern ist die äußere Hälfte der Blattfläche meist abwärts gebogen. Die auf diesen Abschnitt fallenden Regentropfen werden daher auch nicht der Wurzel zugeführt. 3. Behaarung. Alle grünen Teile sind dicht mit stacheligen Borsten- haaren bedeckt, so daß sich die Pflanze sehr rauh anfühlt („Rauhblättrige Gewächse“). Diese Gebilde sind mehr oder weniger rückwärts (dem Boden zu) gerichtet und — wie eine schwache mikroskopische Vergrößerung zeigt — von doppelter Form: neben sehr großen, mehr geraden finden sich kleinere von der Gestalt eines Gemshorns. Da die Wände der Borsten reich- lich Kieselerde enthalten, sind sie sehr hart und ihre Spitzen stechend. Greifen wir die Pflanze unsanft an, so dringen die größern Borsten in die Haut unsrer Hände ein. Um wieviel mehr aber würden die Tiere ihre zarte und empfindliche Mundschleimhaut verletzen, wenn sie das rauhe Gewächs verzehren wollten! Die großen Pflanzenfresser lassen sich hierdurch allerdings nicht zurückschrecken; bringt man aber z. B. eine Garten- oder Weinbergschnecke auf den Stengel der Schwarzwurz, so be- wegt sich diese sehr unbeholfen fort und verläßt den gefahrvollen Boden sobald als möglich. Die langen, scharfen Borsten bohren sich wie Lanzen- spitzen in die weiche Kriechsohle des Tieres ein, und die gemshornartigen vermögen sicher schmerzhafte Wunden zu reißen! Legt man den Schnecken die Pflanze als Futter vor, so wird sie nieht angerührt. Schneidet man aber von einem sonst unverletzten Blatte ein Stück ab, dann wird es sofort verzehrt, weil man den Tieren da- durch einen Angriffspunkt geschaffen hat. Dasselbe ist an Blatt- oder Stengelteilen zu beobachten, die vorher in einem Mörser zerrieben wurden: ein deutlicher Beweis, daß nur die Borstenhaare es sind, die die Schnecke abhalten, an der Pflanze emporzukriechen oder sie zu verzehren. In den stechenden Gebilden haben wir also wichtige Schutzwaffen der Schwarz- wurz vor uns. C. Blüte. 1. Blütenstand. Der Hauptblütenstiel, der die zahlreichen kurzgestielten Blüten trägt, ist anfänglich spiralig eingerollt („Wickel“). Daher müssen die Blüten auch alle nach seiner Außenseite gerichtet sein. In dem Maße aber, in dem sich die Blüten entfalten, rollt sich der Haupt- 198 Rauhblättrige Gewächse. blütenstiel auf. Da immer nur wenige Blüten geöffnet sind, währt das Blühen eine lange Zeit. Infolgedessen werden selbst bei ungünstiger Witterung sicher einige von Insekten besucht und bestäubt, und die ober- irdischen Teile sterben im Herbste nicht ab, ohne daß die Pflanze eine Anzahl von Samen (Nachkommen!) gebildet hat. 2. Einzelblüte. a) Die geöffnete Blüte ist nach unten geneigt, so daß der leicht verderbende Blütenstaub gegen Befeuchtung wohl ge- schützt ist. Ein kurzer, fünfzipfeliger und rauhhaariger Kelch umschließt die glockenförmige Blumenkrone, die sich im vordern Abschnitte etwas erweitert. Sie endigt in 5 zurückgebogene, kleine Zipfel und ist bald gelblich-weiß, bald rosa bis fast violett gefärbt. Die bunte Färbung findet sich jedoch nur an der sicht- = baren Außenseite, und‘zwar wieder nur so weit, als Blütengrundriß der Sie nicht vom Kelche verdeckt ist. Schwarzwurz. b) Von der Unterlage des Fruchtknotens wird der Honig abgeschieden. Da der Griffel sehr lang ist, ragt die Narbe weit aus dem FEingange der Blütenglocke hervor. Sie wird daher von einem anfliegenden Insekt auch zuerst berührt (Fremdbestäubung!. Die 5 Staubblätter sind mit der Blumenkrone verwachsen. Ihre Beutel sind nach innen geneigt und bilden einen Kegel, dessen Spitze von dem Griffel durchbrochen wird. Sie öffnen sich bereits in der Knospe, und zwar nach innen, so daß ein Teil des Blütenstaubes in die Spitze des Kegels fällt. c) Würde ein Insekt den Rüssel zwischen den Staubfäden hindurch zum Honig senken, so könnte es sich nicht mit Staub beladen; der Honig würde also nutzlos verloren gehen. Durch eine interessante Einrichtung wird dies jedoch verhindert: An der Stelle, an der sich die Blumenglocke erweitert, springt ihre Wand in Form von 5 Hohlschuppen nach innen vor, die sich wie eine Kuppel als ein zweiter Kegel über die Staubbeutel legen. (Vgl. die Schuppen mit Handschuhfingern! Ihre Öffnungen sind außen an der Blütenröhre als Eindrücke sichtbar.) Da nun die Schuppen- wände mit harten, stacheligen Spitzen besetzt sind (streiche an ihnen mit einer Nadel entlang!), hüten sich die Insekten wohl, diese gefährlichen Gebilde zu berühren, also zwischen den Staubfäden hindurch zum Honig vorzudringen. Sie führen den Rüssel vielmehr an der Spitze der Kuppel ein. Dabei müssen sie aber die Staubbeutel auseinander drängen, so daß ihnen etwas von dem Blütenstaube auf den Kopf fällt. (Ahme die Tätig- keit der Insekten mit Hilfe eines spitzen Bleistiftes nach!) Infolge der Anwesenheit der Schuppen wird also nur langrüsseligen Insekten (ge- wissen Hummeln und Bienen), die der Pflanze einen Gegendienst leisten können, der Honig zugänglich. Mit der Art der Bestäubung hängt es auch innig zusammen, daß die Schwarzwurz trocknen, mehlartigen Blüten- staub und hängende Blüten besitzt. d) Sehr häufig findet man die Blumenkrone von der kurzrüsseligen Rauhblättrige Gewächse. 199 Erdhummel angebissen, die den süßen Saft auf „ungesetzlichem“ Wege zu erreichen sucht. Die Löcher benutzt auch die Honigbiene gern, um zu saugen. D. Frucht. 1. Nach einiger Zeit fällt die Blumenkrone ab. Da sich nun — wie oben bemerkt — der Hauptblütenstiel weiter aufrollt, so hebt er den bleibenden Kelch mit empor. Ist die Blüte aber vorher be- stäubt worden, dann wird der Kelch durch Krümmung seines Stielchens wieder nickend. Gleichzeitig ‚wächst er kräftig weiter, und seine Zipfel legen sich zusammen. Er wird also zu einem Schutzdache für die sich ent- wickelnde Frucht. Ist diese gereift, so daß sie sich von der Mutterpflanze trennen muß, dann biegen sich auch die Kelchzipfel wieder auseinander. 2. Der Fruchtknoten ist bereits zur Blütezeit durch tiefe Spalten in 4 Teile geschieden, aus deren Mitte sich der Griffel erhebt. Indem die Teilung immer vollkommener wird, entwickelt sich die Frucht, die also eine Spaltfrucht darstellt, zu 4 Teilfrüchtchen. Diese enthalten je einen Samen, sind also Schließfrüchte oder Nüßchen. Die glänzend schwarzen Gebilde sind am Grunde ausgehöhlt und besitzen daselbst einen weißen, fleischigen Anhang. Ob der Anhang wie der am Samen des Veilchens von Ameisen verzehrt wird, also der Verbreitung der Pflanze dient, ist mit Sicherheit nicht erwiesen. Andre rauhblättrige Gewächse. Im schattigen Laubwalde erschließt das Lungenkraut (Pulmonaria officinälis '!) als eine der ersten Frühlingspflanzen seine anfänglich roten, später blauen Blüten, die gleich denen der Schlüsselblume verschieden lange Griffel besitzen. Wie zahlreiche andre Waldpflanzen ist das Lungenkraut ein zartes Gewächs mit verhältnismäßig großen Blättern, die, worauf der Name hindeutet, früher als ein Heilmittel gegen Lungenkrankheiten galten. Sie sind oft weißfleckig, eine Erscheinung, in der wir wie beim Wiesenklee ein Förderungsmittel der Ver- dunstung vor uns haben. Daher finden sich solche Blätter besonders an Pflanzen, die an sehr schattigen und somit feuchten Orten wachsen. — Von ähnlicher Zartheit ist das Sumpf-Vergißmeinnicht (Myosötis palüstris?), das Uferränder und andre nasse Stellen bewohnt. Durch die prächtig blauen, mit gelbem Stern geschmückten Blüten hat es sich schon von alters her die Zuneigung der Menschen erworben, die in ihm ein Sinnbild der Treue und Liebe erblicken (Name!). Der „Stern“, der die Auffälligkeit der „teller- förmigen“ Blumenkrone erhöht, wird durch Hohlschuppen = gebildet. Da diese Gebilde den Eingang der kurzen, auf- Blüte vom Sumpf- recht stehenden Blütenröhre stark verengen, so verwehren Vergißmeinnicht; sie den Regentropfen, zu Blütenstaub und Honig vorzu- Längsschnitt (vergr.). dringen und diese wichtigen Stoffe zu verderben. Zugleich nötigen sie die saugenden Insekten, Narbe und Staubbeutel zu berühren. — Die zahlreichen Vergißmeinnicht-Arten, die an trocknen oder gar sandigen Orten wachsen, haben weit kleinere Blätter und sind viel stärker behaart als die Schatten und 1) pulmo, Lunge; pulmonarius, der Lunge heilsam; officinalis, in der Apotheke verwendet. 2) myosotis, eigentl. Mäuseohr; palustris, im Sumpfe wachsend. Rauhblättrige Gewächse. Feuchtigkeit liebenden Formen, ein Zeichen, dab bei ihnen die Behaarung nicht nur ein Schutzmittel gegen Tierfraß, sondern auch gegen zu starke Wasserdampfabgabe ist. — Dasselbe gilt auch von andern Trockenlandbewohnern der Familie. Von ihnen seien nur Ochsenzunge, Natterkopf und Hundszunge genannt, die an Wegen und ähnlichen trocknen Orten häufig anzutreffen sind. Es sind ausdauernde oder zweijährige, hohe Pflanzen, die dementsprechend auch sehr tiefgehende Wurzeln besitzen. Die Ochsenzunge (Anchusa officinalis!) weiß sich den Verhältnissen ihres Standortes insofern vortrefflich anzupassen, als sie auf trocknem Sand- boden schmälere und stärker behaarte Blätter treibt als z. B. im feuchten Talgrunde. Die prächtig blauen Blüten besitzen, wie die des Vergißmeinnichts, in der Mitte einen aus Hohl- schuppen gebildeten, jedoch weißen Stern. — Der allbekannte, PrichiderHimde- stachelhaarige Natterkopf (Echium vulgäre°?) hat gleichfalls zunge in 4 Teilfrücht- blaue Blüten. Sie entbehren aber der Schuppen und zeigen en ngerfällen tea, it dem Kopfe einer Schlange entfernte Ähnlichkeit (Name!). 3 mal vergr.). DBanchen Die weit aus der Blütenröhre hervorragenden Staubblätter 3 ankerartige Stacheln und der Griffel dienen den saugenden Insekten als „Sitz- (stärker vergr.). stangen SE Die braunroten Blüten der Hundszunge (Cyno- glössum officinale?) sind wieder mit Hohlschuppen aus- gerüstet. Während sie nach Honig duften (Insekten!), riechen alle grünen Teile ekelhaft nach Mäusen (Schutzmittel gegen Tierfraß!). Im Gegensatz zu den andern hier erwähnten Gliedern der Familie, wird die stattliche Pflanze durch vor- beistreifende Tiere verbreitet. Ihre großen Teilfrüchtchen sind oberseits mit ankerartigen Stacheln dicht besetzt und drängen den Kelch so weit auseinander, daß sie bei der twife vollkommen frei dastehen und sich sehr leicht vom Blütenboden ablösen. Wie fest diese „Klettfrüchte“ haften, kann man leicht an den eigenen Kleidern beobachten. — Als bekannte Feldunkräuter sind noch zu erwähnen der Ackersteinsame (Lithospermum arvense*) mit kleinen, weißen Blüten und steinähnlichen Samen, sowie der Ackerkrumm- hals (Anchuüsa arvensis?), dessen blaue Blüten wie die der Blüten Ochsenzunge gebaut sind, aber eine gebogene Blütenröhre on Bosetsch besitzen. — Der Boretsch (Borrägo offieinalis®) wird wegen der gurkenartig schmeckenden Blätter, die vielfach als Würze verwendet werden, häufig in Gärten angebaut. Er stammt aus dem Mittelmeergebiete und zeichnet sich durch prächtig blaue Blütensterne aus? 1) anchusa von dncho, ich sehnüre (die Kehle) zu (?); officinalis, in der Apotheke verwendet. 2) echium von echis, Natter (s. Text); vulgaris, gemein. 3) eynoglossum: lıynös, des Hundes und glössa, Zunge; offieinalis, s. Anm. 1. 4) lithospermum: lithos, Stein und sperma, Same; arvensis, auf dem Acker wachsend. 5) s. Anm. 1 u. 4. 6) borago von bord, Fraß oder von borra, steifes Haar und -a90, Endsilbe; offieinalis, s. Anm. 1. Taf. 23. 1. Unter- und oberirdische Teile der Pflanze. 2. Blüte, von vorn gesehen. 3. Blüte, längs durchschnitten. 4. Blüte, von einer Hummel besucht (s. Anm. S. 204). 5. Teilfrüchtehen, von dem geöffneten Kelche umgeben. 6. Ein Teilfrüchtchen, Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 23. Weiße Taubnessel (Lamium album). Lippenblütler. 201 55. Familie. Lippenblütler (Labiätae'). Pflanzen mit vierkantigem Stengel, gegenständigen Blättern und Lippenblüten. Die Blüten besitzen (in der Regel) 2 lange und 2 kurze Staubblätter, sowie einen Frucht- knoten, der bei der Reife in 4 Teilfrüchtchen zerfällt. Die weiße Taubnessel (Lämium älbum°). Taf. 23. Die Taubnessel, die sich an Zäunen und Hecken, an Wegen, Gräben und ähnlichen Orten findet, zählt zu unsern bekanntesten Pflanzen. Gibt es doch wohl kaum ein Kind, das aus ihren weißen Blüten mit den Hummeln und Bienen nicht schon den süßen Honig genascht hätte („weißer Bienensaug‘). Man ist auch genötigt, sich die Pflanze ge- nauer anzusehen; denn sie gleicht, bevor sie blüht, täuschend der Brennessel, vor deren Brennhaaren sich jeder wohl in acht nimmt. Ihr fehlen aber diese giftigen Waffen („Taubnessel“), weshalb sie auch von den meisten Weidetieren gern verzehrt wird. Der unangenehme Geruch, der ihr entströmt, und die kurze, rauhe Behaarung aller grünen Teile sind ihr wenigstens gegen diese Zerstörer kein genügendes Schutzmittel. A. Blätter. 1. Die Ähnlichkeit mit der Brennessel beruht vor allen Dingen in der Form und Stellung der Blätter: sie sind gestielt, eiförmig, am Rande sägezähnig eingeschnitten, stehen sich paarweise gegenüber, und jedes Paar bildet mit dem vorhergehenden oder nachfolgenden Paare ein Kreuz. Infolge dieser Anordnung ist einerseits der Stengel gleichmäßig belastet, und andrerseits können die Blätter trotz der verhältnismäßig großen Breite doch alle von den Sonnenstrahlen getroffen werden. Aus den Achseln besonders der untern Blätter gehen vielfach Seitenzweige her- vor. — Wie wir w. u. sehen werden, sind die Wurzeln weit im Boden verstreut; wir finden an den Blättern dementsprechend auch keine be- sondern Einrichtungen, die eine Ableitung des Regenwassers zu den Wurzeln bewirken könnten. 2. Vergleicht man Taubnesseln, die an schattigen und feuchten Stand- orten wachsen, mit solchen trockner und sonniger Stellen, so findet man, daß jene stets größere und viel zartere Blätter besitzen als diese. Die Verschiedenheit in der Belaubung wird uns sofort verständlich, wenn wir bedenken, daß erstern wie den Pflanzen des feuchten Waldbodens ge- nügend Feuchtigkeit, aber schwaches Licht, letztern dagegen wie allen „Sonnenpflanzen“ wenig Feuchtigkeit, aber ungeschwächtes Licht zur Verfügung stehen. Daß wirklich die derbern und meist etwas ge- runzelten Blätter der letztern weit weniger Feuchtigkeit an die um- gebende Luft abgeben als die Blätter der erstern, läßt sich leicht nach- weisen. Man braucht nur je eine dieser Pflanzen abzuschneiden, dann wird man finden, daß die Schattenpflanze viel früher welk wird als die „Sonnenpflanze“. 1) von ldbium, Lippe. 2) lamium von lamös, Schlund, Höhle (Blütenform); albus, weiß. 202 Lippenblütler. B. Stengel. 1. a) Der oberirdische Stengel hat nicht nur die eigene Last und die der Blätter zu tragen, sondern muß auch gegen den Wind, der die Blätter zur Seite weht und ihn daher selbst biegt, wider- standsfähig sein: er muß Trag- und Biegungsfestigkeit besitzen. Wird er durch einen Windstoß gebogen, so werden die Stengelteile an der Seite, die infolge der Biegung konvex wird, stark ausgedehnt, an der entgegen- gesetzten (konkaven) Seite dagegen zusammengedrückt. Die zwischen den beiden Seiten liegenden Zellen haben unter der Biegung um so weniger zu leiden, je mehr sie der Mitte des Stengels genähert sind. Stellt man nun durch den Stengel einen sehr dünnen Querschnitt her, so sieht man bei schwacher mikroskopischer Vergrößerung, daß die festesten Teile auch in der äußersten Stengelschicht liegen: man erblickt dort vier Stränge, die aus Zellen mit (besonders in den Ecken) stark verdickten Wänden bestehen. Da diese Zellstränge über den Umfang des Stengels etwas her- vortreten, so erscheint dieser vierkantig und zwischen den Kanten rinnig vertieft. b) Wie jeder Baumeister die größte Festigkeit seines Baues mit möglichst wenig Material zu erreichen sucht — man braucht nur an den Bau von eisernen Brücken zu denken! —, so auch die Natur. Sie vermeidet sorgfältig alles Entbehrliche oder gar Überflüssige. Nun haben wir gesehen, daß bei der Biegung des Stengels die im Innern liegenden Teile um so weniger auszuhalten haben, je weiter sie von den Seiten entfernt sind. Die in der Mitte liegen- den werden dabei überhaupt nicht mehr be- ansprucht; sie tragen demnach auch nichts zur Festigung des Ganzen bei und können „ Querschnitt durch einen daher sehr wohl fehlen. Der Stengel ist also Stengel der weißen Taub- F anar ee: umedıe Rokorede ai unbeschadet seiner Festigkeit hohl. zeigen (etwa 40 mal vergr.). c) Wie ein einfacher Versuch zeigt, ist eine lange (Glas-)Röhre weit leichter zu zer- brechen als eine kurze. Dasselbe gilt natürlich auch von röhrenförmigen Stengeln. Für die Taubnessel ist es daher sicher von Vorteil, daß ihr Stengel durch Querwände in mehrere kleine Röhren geteilt ist. Diese Querwände liegen in den Knoten der Stengel, an denen die Blätter entspringen. d) Vielfach — besonders bei hohen Pflanzen — liegt der untere Stengelteil dem Boden auf. Dann brechen aus den Knoten dieses Ab- schnittes zumeist Wurzeln hervor, die das schwankende Gewächs am Boden mit verankern helfen. 2. Gräbt man eine Taubnessel aus der Erde, so sieht man, daß die oberirdischen Stengel aus einem Wurzelstocke hervorgehen. Da dieses Gebilde nichts andres als ein unterirdischer Stengel ist, so finden wir an ihm auch dieselbe Blattstellung und Verzweigung wie am ober- irdischen Stengel. Lippenblütler. 203 a) Die Zweige des unterirdischen Stengels erheben sich entweder über den Boden (gehen also in oberirdische Stengel über) oder sie kriechen wie der Stengel selbst, von dem sie entspringen, wagerecht in die Erde dahin, bilden also unterirdische Ausläufer. Stirbt der: Mutterstock ab, so werden die Ausläufer selbständige. Die Bildung von Ausläufern ist also mit einer Vermehrung der Pflanze gleichbedeutend. Da sich nun die Ausläufer wieder verzweigen, wird uns das truppweise Auftreten der Taubnessel wohl verständlich. b) Die Blätter der unterirdischen Stengel sind schuppenförmig und wie diese bleiche, weißliche oder gelbliche Gebilde. Sie schützen die im Boden vordringenden Enden der Ausläufer und die in ihren Achseln sich bildenden Knospen der Seitenzweige gegen Verletzung. Haben sie diese Aufgabe erfüllt, dann sind sie für die Pflanze ohne Bedeutung und verschrumpfen. c) Aus den Knoten, aber auch von andern Stellen der unterirdischen Stengel entspringen zahlreiche fadenförmige Wurzeln. C. Blüten. 1. Blütenstand. In den Achseln der obern Blätter stehen je 3—7 Blüten, an deren Grunde sich meist noch einige borsten- förmige Blättchen finden. Da die Blüten auch die Stengelseiten, an denen keine Blätter entspringen, meist gänzlich verdecken, so sieht es aus, als ob sie in einem Quirle rings um den Stengel ständen. 2. Lippenblüte. Ein glockenförmiger, fünfzipfeliger Kelch um- schließt die weiße, zweiseitig-symmetrische Blumenkrone. Ihr unterer Teil ist eine knieförmig gebogene Röhre, deren Seitenwände oben zwei in je ein Zähnchen ausgezogene Lappen bilden. Die Hinterwand der Röhre, deren Öffnung man mit dem Maule eines Tieres vergleichen kann, setzt sich in die helmartige Oberlippe, die Vorderwand in die herz- förmig ausgeschnittene Unterlippe fort („Lippenblüte“ ; Familienname!). Unter der Oberlippe finden sich die ER < Beutel der 4 Staubblätter, deren Fäden mit der Meer Röhre z. T. verwachsen sind. Zwischen den Staub- BA enBT NEIL) der Taubnessel. beuteln hat die zweigespaltene Narbe ihren Platz. Der Fruchtknoten (s. Frucht) findet sich im Blütengrunde und ist z. T. von der gelappten, graugelben Honigdrüse umgeben. 3. Hummelblume. Da der Honig am Grunde einer langen Röhre abgeschieden wird, ist er nur langrüsseligen Insekten erreichbar. Die Schmetterlinge jedoch sind, obgleich sie den längsten Rüssel besitzen, wieder ausgeschlossen: schon die großen und steifen Flügel hindern sie, so weit in die Blüte einzudringen, als zum Saugen notwendig wäre. Es bleiben daher nur die großen Hummelarten übrig, die auch leicht als die ausschließlichen Besucher der Taubnesselblüte festzustellen sind. Wenn man das Verhältnis, das hier zwischen Tier und Pflanze besteht, näher verfolgt, dann wird man auch zahlreiche Einzelheiten im Bau der Blüte 204 Lippenblütler. verstehen und die Blüte selbst als eine vollendete Hummelblume erkennen lernen. a) Die blaßgelbe Unterlippe bildet infolge ihrer wagerechten Stellung das „Anflugs- und Sitzbrett“ der Hummel. Grünliche Punkte und Striche, die sich auf ihr und im Eingange zur Blütenröhre finden, werden als „Honigmale“ gedeutet (s. S. 183, 3). b) Die beiden Seitenlappen der Blütenröhre sind genau so weit voneinander entfernt, daß Kopf und Brust der saugenden Hummel zwischen ihnen Platz haben. c) Hat die Hummel die zum Saugen notwendige Stellung ein- genommen, so füllt sie mit der Rückenseite gerade die Höhlung der Oberlippe aus,') oder mit andern Worten: die Entfernung zwischen Unter- und Oberlippe entspricht genau der Größe der Bestäuber, und die Ober- lippe erscheint gleichsam nach dem Hummielrücken „modelliert“. An der Unterseite der Oberlippe haben nun aber die Blütenteile — nämlich Narbe und Staubbeutel — ihren Platz, deren Berührung für die Bestäubung notwendig ist, falls der Besuch des Tieres für die Pflanze nicht wertlos sein soll. Zugleich ist die Oberlippe auch ein vortreffliches Regendach für den leicht verderbenden Blütenstaub. Am Rande ist sie mit wimper- artigen Haaren besetzt, so daß — wie ein Versuch zeigt — die auffallen- den Regentropfen verhindert werden, auf die Unterseit6 überzutreten. d) Da der Blüteneingang seitwärts gerichtet ist, muß die Hummel auch die zur Bestäubung notwendige Stellung einnehmen. e) Dringt sie in die Blüte ein, so wird sie, noch ehe die Staubbeutel berührt sind, den Ast der Narbe streifen, der senkrecht nach unten ge- stellt ist. Bringt das Tier fremden Blütenstaub mit, dann tritt Fremd- bestäubung ein, die für die Fruchtbildung in der Regel von besonderm Vorteil ist. f) Da sich die Staubbeutel nach unten öffnen, muß sich die saugende Hummel mit Blütenstaub beladen, und da alle vier in einer Ebene liegen, werden sie auch sämtlich der Berührung teilhaftig. Der Platz unter der Oberlippe ist allerdings sehr beschränkt. Dementsprechend liegen die Staubbeutel auch nicht alle in einer Reihe, sondern paarweise hinterein- ander: 2 Staubblätter besitzen längere und 2 kürzere Fäden, eine Eigen- tümlichkeit, die wir bei fast allen andern Gliedern der Familie wiederfinden. g) Wie oben erwähnt, ist der Honig wegen der Länge der Blüten- röhre nur langrüsseligen Hummeln zugängig; kurzrüsselige (darunter auch die Honigbiene) suchen ihn wie z. B. aus der Blüte der Schwarzwurz durch Einbruch zu erlangen. h) Nicht weit von ihrem Unterende ist die Blütenröhre plötzlich ver- engt und innen mit einem schräg verlaufenden Ringe feiner Haare 1) Die in Fig. 4 dargestellte Hummel hat sich soeben auf der Unterlippe niedergelassen und ist im Begriff, zum Honig vorzudringen. Erst wenn sie den Kopf noch tiefer in die Blütenröhre senkt, füllt sie die Höhlung der Oberlippe aus. Sie hat an der Rückenseite des Hinterleibes von einer andern Pflanze Blütenstaub mitgebracht, kann somit Fremdbestäubung vermitteln. Lippenblütler. 205 ausgerüstet. Schneidet man sie dicht über dieser Stelle quer durch, so sieht man, daß der Haarring gleichsam eine Reuse darstellt, die den untersten, honiggefüllten Teil der Röhre abschließt. Kleine Insekten, die in der Röhre hinabgekrochen sind, können den Haarzaun nicht durch- dringen: für den Rüssel der kräftigen Hummel dagegen bildet diese „Saft- decke“ kein Hindernis. Kurz: man kann die Tiaubnesselblüte betrachten, wie man will, sie ist in allen Stücken ihren Bestäubern aufs innigste „angepaßt“. D. Frucht. Der Fruchtknoten ist genau wie bei der Schwarzwurz gebaut und zerfällt bei der Reife gleichfalls in 4 Teilfrüchtehen. Da diese von dem fortwachsenden Kelche fest umschlossen werden, platten sie sich gegenseitig ab und steigen, wenn sie sich bei der Reife vom Blütenboden lockern, in der Kelchröhre gleichsam empor. Dann genügt schon ein leiser Wind, sie aus ihrem Behältnis zu schütteln. Es sind olivenfarbene Gebilde mit einem weißen, fleischigen Anhange, über dessen Bedeutung aber wie bei den Nüßchen der Schwarzwurz keine sichern Beobachtungen vorliegen. (Man bekommt die Früchte am leichtesten zu Gesicht, wenn man verblühte Pflanzen in ein Glas mit Wasser stellt.) Andre Lippenblütler. Die Gattung Taubnessel (Lamium?) wird bei uns noch durch drei rotblühende Arten vertreten. Eine überaus stattliche Pflanze ist die gefleckte T. (L. maculätum?), die der weißblühenden Form sehr ähnlich ist. Sie wächst in Laubwäldern und feuch- ten Gebüschen und hat dementsprechend große und zarte Blätter, die zudem häufig noch wie die des Wiesenklees weiß gefleckt sind. Die beiden andern rotblühenden Arten sind weit kleiner und kommen auf bebautem Lande als Unkräuter, sowie an Wegen und Hecken überall häufig vor. Sie lassen sich leicht dadurch voneinander unterscheiden, daß die eine Form, die stengelumfassende T. (L. amplexicaule?), am obern Teile stengelumfassende Blätter besitzt, während bei der andern Art, der roten T. (L. purpüreum®), sämtliche Blätter gestielt sind. An der stengelumfassenden Taub- nessel finden sich häufig unscheinbare Blüten, die sich ähnlich wie die Sommerblüten des Veilchens nie öffnen. — Eine prächtige Frühlingspflanze ist die gelbblühende Goldnessel (Galeöbdolon lüteum?). Sie bewohnt dieselben Örtlichkeiten wie die ge- fleckte Taubnessel und ist gleichfalls ein überaus zartes Gewächs. Auch ihre Blätter sind oft weiß gefleckt. Bereits im April entfaltet der überall häufige Gundermann (Glechöma hederäcea®) seine zarten, blauen Lippenblüten. Nur die blütentragenden Triebe sind kräftig genug, sich aufrecht zu stellen; sonst liegt das Pflänzchen dem Boden auf und schlägt aus allen Stengelknoten Wurzeln. Diese Lage wäre für ein Gewächs, dessen Blätter wie die aller Lippenblütler kreuzweis gestellt sind, aber sehr ungünstig, wenn nicht ein Ausgleich einträte: Die langen Blattstiele stellen sich senkrecht nach oben; die Blattflächen nehmen eine wagerechte Lage ein, und die Blätter, die der Blattstellung entsprechend nach unten wachsen würden, sind durch eine Drehung der Stengelglieder zur Seite gerückt, so daß sie gleichfalls das Licht aufsuchen können. Wie sehr sich die Pflanze den Verhältnissen, unter denen sie gedeiht, anzuschmiegen „versteht“, ist auch aus folgender Tatsache ersichtlich: An schattigen Orten sind die Blätter oft auf- 1) s. S. 201, 2. 2) maculatus, gefleckt. 3) amplexicaule: ampleetor, ich umfasse; cantlis, Stengel. 4) purpureus, purpurn. 5) galeobdolon: galee, Wiesel nnd bdölos, übler Geruch (Blätter riechen zerrieben schlecht); Zuteus, gelb. 6) glechoma von glechon, Minze; hederaceus, efeuartig (Blattform). 206 Lippenblütler. fallend groß und zart, an sonnigen dagegen viel kleiner und derber. — Eine andre bekannte Frühlingspflanze unsrer Wiesen und Laubwälder ist der kriechende Günsel (Aiüga reptans'). Seine leuchtend blauen Blüten besitzen eine so kurze Oberlippe, daß Staubblätter und Narbe weit aus der Röhre hervorragen. Da die „Blütenquirle“ aber nur durch kurze Stengelglieder voneinander getrennt sind, werden die Blüten von den Blättern, in deren Achseln die Blüten des darüber befindlichen „Quirles“ stehen, zum Teil überdeckt, also gegen Regen geschützt. Am untern Teile des aufrechten Stengels entstehen lange Ausläufer (Artname!), an denen dieselbe „Korrek- tur“ der Blattstellung wie beim Gundermann zu beobachten ist. Am Ende der Ausläufer, die im Herbste absterben, bilden sich Blattrosetten, aus denen im nächsten Frühjahre neue Pflanzen her- vorgehen. — Später im Jahre entfaltet an den- selben Örtlichkeiten die Brunelle (Brunella vulgaris?) ihre violetten Blüten. Obgleich sie verhältnismäßig klein sind, erscheinen sie doch ziemlich auffällig; denn sie stehen dicht übereinander, und sowohl ihre Kelche, als auch die Blätter, aus deren’ Achseln die Blüten entspringen, zeigen eine bunte (rotbraune) Färbung. Die Früchte werden bei der Reife weit aus den Kelchen hervorgeschleudert. An Wegen, auf Schutt und an ähnlichen Orten macht sich häufig die Schwarznessel (Ballöta Kriechender Günsel. nigra?) breit. Die der weißen Taubnessel sehr Teil des Blütenstandes. ähnliche Pflanze hat aber schmutzig-rote Blüten. — An denselben Stellen, wie auch als Unkraut unter der Saat findet sich der (gemeine) Hohlzahn (Galeöpsis tetrahit®). Die Unterlippe der roten Blüten besitzt zwei zahnartige Ausstülpungen, durch die die Hummeln genötigt wer- den, den Kopf so in die Blütenöffnung einzuführen, daß die Staubbeutel unbedingt be- rührt werden müssen. — Über Wald und Heide, über Feld und Sumpf, über Berg und Tal sind die zahlreichen Ziestarten (Stachys?) verbreitet. — Die formenreiche Gattung der Minzen (Mentha°), die nur sehr „unvollkommene“ Lippenblüten besitzt, liebt das Wasser; ihre Glieder wachsen daher am Ufer der Bäche und Flüsse, in Sümpfen, auf feuchten Äckern u. dgl. Alle Arten haben einen eigentümlichen Geruch, der wie bei der Rose von einem flüchtigen Öle herrührt. Das Öl wird besonders von der Pfeffer- minze (M. piperita”) gewonnen, die wahrscheinlich aus dem Mittelmeergebiete stammt und hier und da, vorwiegend aber in England und Nordamerika, im großen angebaut wird. — Sehr reich an flüchtigen Ölen und daher wertvolle Gewürz- oder Arznei- pflanzen sind ferner das Bohnen- oder Pfefferkraut (Satur6ia hortensis®), der Majoran (Origanum maioräna°), der Garten-Thymian (Thymus vulgäris’%) und der Garten-Salbei (Sälvia officinälis!!). Die Heimat dieser allgemein bekannten Pflanzen sind die Länder um das Mittelmeer. Das vielfach als Topfgewächs gezogene Basilienkraut (Ocimum basilicum'?) dagegen stammt aus Ostindien. Indem wir uns fragen, welche Bedeutung der große Ölreichtum für die Pflanzen hat, wollen wir uns wieder der Heimat und damit den 1. aiuga, unerkl.; reptans, kriechend. 2) brunella, aus dem deutschen „braun“ gebildet; -ella, Verkleinerungssilbe; vulgaris, gemein. 3) ballota, unerkl.; niger, schwarz. 4) galeopsis: galee, Wiesel und öpsis, Anblick (Blüte soll einem Wieselkopfe ähneln); tetrahit, unerkl. 5) Ähre (Blüten- stand!). 6) Minze. 7) piperita von piper, Pleifer. 8) satwreia, unerkl.; hortensis, im Garten wach- send. 9) origanon: 6ros, Berg und gdnos, Zierde; maiorana, unerkl. 10) tirymos, Thymian; vulgaris, gemein. 11) salvia von sdiwus, gesund (Verwendung!); offieinalis, in der Apotheke verwendet. 12) ocimmm von ökimos, scharf, würzig; basilieum von basil kös, königlich (warum ?). Lippenblütler. 207 beiden letzten hier erwähnten Gliedern der großen und wichtigen Familie zuwenden. Beide sind stark duftende, ausdauernde Pflanzen, die meist an kahlen Berglehnen, auf sandigen Triften, kurz, an trocknen Stellen im heißesten Sonnenbrande wachsen. Während der rotblühende Feld- Thymian (Thymus serpyllum') durch niedrigen, rasenartigen Wuchs und winzige Blätter der Trockenheit seines Standortes vortrefflich angepaßt ist, vermag der Wiesen-Salbei (Sälvia pratensis’) an diesen Stellen zu leben, weil er mit Hilfe sehr langer Wurzeln Feuchtigkeit aus tiefern Bodenschichten erwerben kann und durch seine stark gerunzelten Blätter wesentlich weniger Wasser verdunstet als Pflanzen mit sonst gleichen, aber flach ausgebreiteten Blättern. Ähnliche wasserarme Örtlichkeiten bewohnen nun in ihrer Heimat die oben erwähnten Gewürz- und Arznei- pflanzen (mit Ausnahme der Minzen), eine Tatsache, die für die Beant- wortung der aufgeworfenen Frage nicht unwichtig zu sein scheint. Es. ist nämlich nachgewiesen, daß Luft, die reich an flüchtigen Ölen in Dampfform ist, weit weniger Wärmestrahlen durchgehen läßt, als reine Luft. Da nun die Pflanzen von einer solchen Dufthülle beständig um- geben sind, ist es nicht unwahrscheinlich, daß wir es in dem sich stetig verflüchtigenden Öle gleichfalls mit einem Schutzmittel der Ge- wächse gegen zu hohe Erwärmung und damit gegen zu starke Ver- dunstung zu tun haben. Der Wiesen-Salbei 1 verdient auch noch we- Bestäubung des Wiesen-Salbei. 1. Zwei Blüten, die B E von je einer Hummel besucht werden: a. jüngere Blüte; sel Suı interessanten die Staubbeutelfächer berühren den Rücken des Tieres. Bestäubungsweise b. ältere Blüte; die anfliegende Hummel streift mit der. Beachtung. Von den blütenstaubbehafteten Stelle des Rückens die Narbe. 4 Staubblättern, wie wir 2. Ein Staubblatt, von der Seite, 3. beide Staubblätter, sie bei den Lippenblt- von vorn gesehen. 4. Staubblatt des Feld-Thymians Et, z zum Vergleich. F. Staubfaden. M. Mittelband. B. Staub- lern regelmäßig finden, Penteltacher sind beiihm (wie beiallen Salbeiarten und einigen andern Familiengliedern) nur die beiden vordern vorhanden, die zudem eine sehr merkwürdige Ausbildung erfahren haben: Bei den meisten Pflanzen ist der Teil des Staubblattes, der die beiden Staubbeutelfächer verbindet, sehr kurz. Bei andern, wie bei dem soeben erwähnten Feld-Thymian, ist dieses sog. Mittelband schon breiter, und beim Salbei endlich übertrifft es den Staubfaden sogar wesentlich an Länge. Es hat hier die Form eines langen Bogens und besteht aus 2 un- 1) thymus, s. S. 206, 10; serpyllum von serpo, ich krieche. 2) salvia, s. S. 206, 11; pratensis, auf der Wiese wachsend. 208 Lippenblütler,. Rachenblütler. gleich großen Abschnitten. Der längere Teil trägt ein Staubbeutelfach, das in der Oberlippe der azurblauen Blüte geborgen ist. Dem kürzern Teile dagegen fehlt das Staubbeutelfach. Er bildet vielmehr eine löffel- artige Platte, die mit der des andern Staubblattes den Eingang zur Blütenröhre versperrt. Schickt sich eine Hummel an, die sich auf der Unterlippe einer jungen Blüte niedergelassen hat, Honig zu saugen, so stößt sie — ein Vorgang, der sich mit Hilfe eines Hölzchens leicht nach- ahmen läßt — mit dem Kopfe oder Rüssel gegen die Platten. Da aber die bogenförmigen Mittelbänder mit den kurzen Staubfäden durch ein Gelenk verbunden sind, werden die Platten nach hinten gedrückt. In- folgedessen senkt sich der lange Arm des ungleicharmigen Hebels herab, so daß die geöffneten Staubbeutelfächer auf den Rücken der Hummel schlagen. Fliegt das Tier, mit Blütenstaub beladen, nun zu einer ältern Blüte, in der die Staubblätter zwar schon verstäubt haben, die zwei- gespaltene Narbe sich aber gerade in den Eingang zur Blüte gestellt hat, so muß es die Narbe gleichfalls mit dem Rücken berühren, also Fremd- bestäubung herbeiführen. Diese eigentümliche Art der Bestäubung macht uns auch die verhältnismäßig große Entfernung zwischen Unter- und Oberlippe, die mehr als Hummelstärke beträgt, sowie die auffallende Schmalheit der Oberlippe verständlich. Ein Glied einer nahe verwandten Familie ist das Eisenkraut (Verbena offi- cinalis!), das an Wegrändern und ähnlichen Orten gedeiht. Es trägt kleine, blaue Blüten und ist, seinem Standorte entsprechend, ein sparriges, rutenförmiges Gewächs mit schmalen, eingeschnittenen Blättern und tiefgehender Wurzel. Im Altertume schrieb man der unscheinbaren Pflanze Wunderkraft zu; so sollte — worauf ihr Name hinweist — z. B. Eisen durch nichts so gut gehärtet werden können als durch sie. — Die präch- tigen Verbenen unsrer Gärten sind Abkömmlinge einer südamerikanischen Art. 56. Familie. Rachenblütler (Scrophulariäceae’). Pflanzen mit gegen- oder wechselständigen Blättern; Blüte meist eineRachenblüte (s.w.u.); meist 2 lange und 2 kurze Staubblätter; Frucht stets eine zweifächerige Kapsel. Das Leinkraut oder der Frauenflachs (Linäria vulgäris?). Taf. 24. 1. Auf Sandboden und an andern unfruchtbaren Örtlichkeiten ist die zierliche Pflanze fast überall häufig anzutreffen. Je nachdem sie unter srößerm oder geringerm Wassermangel zu leiden hat, senkt sie den vielverzweigten unterirdischen Stamm (Wurzelstock) samt den Wurzeln, die von ihm ausgehen, mehr oder weniger tief in den Boden. Auch in den schmalen, mit einer Wachsschicht überzogenen Blättern besitzt sie 1) verbena, Kraut; offieinalis, in der Apotheke verwendet. 2) von scrophularia, s. S.210, Anm.2. 3) linaria von linum, Lein, s. Text; vulgaris, gemein. Taf. 24. 1. Stengel mit Blüten. 2. Blüte, von einer Honig saugenden Hummel besucht. 3. Blüte, längs durchschnitten. 4. Blüte mit angebissenem Sporn. 5. Blüte mit einer „Einbruch“ verübenden Honigbiene. 6. Frucht, geöffnet. 7. Frucht, bei Regenwetter geschlossen. 8. Same. Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. u ser Leinkraut oder Frauenflahs (Linaria vulgaris). Rachenblütler. 209 ein wichtiges Schutzmittel gegen zu starken Wasserverlust. Da sich schmale Blätter gegenseitig nur wenig beschatten, können die aufrechten Stengel und deren Zweige auch eine große Anzahl von ihnen tragen. Durch diese zahlreichen schmalen und langen Blätter erhält die Pflanze, bevor sie blüht, eine große Ähnlichkeit mit dem Lein oder Flachs, eine Tatsache, die die oben angegebenen Namen hinreichend erklärt. 2. Aus den Achseln der obern, kleinen Blätter entspringen die kurz- gestielten, zierlichen, gelben Blüten, die zusammen eine weithin sicht- bare Traube bilden. Sie sind denen der Taubnessel außerordentlich ähn- lich und gleichfalls vollendete Hummelblumen. Der mittlere Abschnitt der dreigespaltenen Unterlippe, dessen Orangefarbe als „Saftmal“ gedeutet wird, ist aber kissenförmig angeschwollen und legt sich dicht und fest an die zweispaltige Oberlippe. Während kleinere Insekten diesen Verschluß nicht öffnen, den Honig also nicht erreichen können, ist dies den großen, kräftigen Hummelarten ein leichtes: Sie lassen sich auf der Unterlippe nieder und kriechen soweit als möglich in den sich öffnenden „Blüten- auf rachen“ („Rachenblütler“. Die Pflanze heißt sehr be- Biatensrundriß, vom zeichnend auch „Feld-Löwenmaul“.) Da die Hummeln ers infolge ihrer Größe hierbei die Blütenröhre vollkommen ausfüllen, sind sie auch die gewiesenen Bestäubungsvermittler. Ihnen allein ist daher auch der Honig zugänglich. Er wird von der Unterlage des Fruchtknotens abgeschieden, fließt aber in einen langen Sporn hinab, zu dem der untere Teil der Blütenröhre ausgezogen ist. Wie man leicht sehen kann, wenn man eine Blüte gegen das Licht hält, ist der Sporn oft bis zur Hälfte mit dem süßen Safte angefüllt. Die vom Honiggenuß ausgeschlossenen kurzrüsseligen Haufflügler verüben allerdings sehr häufig „Einbruch“. 3. Hinsichtlich der Frucht dagegen unterscheidet sich das Leinkraut wesentlich von der Taubnessel: Sie ist eine Kapsel, die sich bei der Reife im obern Teile mit 6 unregelmäßigen Zähnen öffnet. Der Wind schüttelt dann die zahlreichen Samen aus. Da sie rings von je einem Hautrande umgeben sind, können sie weit verweht werden. Bei Eintritt feuchter Witterung schließt sich, wie wir dies bereits bei zahlreichen andern Pflanzen kennen gelernt haben, die Kapsel wieder. Andre Rachenblütler. 1. An Felsen und auf altem Mauerwerke siedelt sich gern das efeublättrige Lein- kraut (L. cymbaläria') an, das aus Südeuropa eingewandert ist. Das überaus zier- liche Pflänzchen hat schwache, kriechende Stengel, fünflappige Blätter wie der Efeu und violette Blüten, die von langen Stielen in das Licht gerückt werden. Nach dem Verblühen aber krümmen sich die Blütenstiele abwärts, so daß die reifenden Kapseln der Unterlage zugewendet werden. Infolgedessen gelangen die ausfallenden Samen 1) cymbalaria von cymbalum, ein beckenartiges Musikinstrument (Form der Blätter?). Schmeil, Lehrbuch der Botanik, 14 210 Rachenblütler. in Felsenspalten und Mauerritzen, also an Orte, an denen der Keimling die zum Leben notwendige Erdmenge findet. — Gleichfalls aus Südeuropa ist das Löwen- maul (Anthirrhinum majus!) zu uns gekommen, das in fast zahllosen Farben- spielarten eine unsrer bekanntesten Zierpflanzen ist. — Kurze Röhrenblüten mit kleinen Lippen besitzt die knotige Braunwurz (Scrophuläria nodösa°), die feuchte Stellen liebt und sich in Wäl- dern, Gebüschen und an Hecken findet. Den Verhältnissen ihrer Standorte ent- sprechen die großen und zarten Blätter. Die allbekannte Pflanze trägt ihren Namen nach dem knotigen Wurzel- stocke und nach den braunen Blüten, die vorwiegend von Wespen besucht und bestäubt werden. Der rote Fingerhut (Digitälis pur- pürea®) bewohnt Gebirgsgegenden. Dort schmückt er besonders Waldblößen mit seinen prächtigen, einseitswendigen Blütentrauben. Die großen, purpurroten Blüten stellen hängende Glocken dar. Nachdem die Blumenkrone abgefallen \. ist, riehten sich die Blütenstiele wieder empor, so daß die am obern Teile sich öffnenden Früchte aufrecht gestellt sind. Infolgedessen fallen die zahlreichen kleinen Samen nicht — wie es sonst der Fall sein würde — sämtlich in nächster Nähe der Pflanze zu Boden, sondern können durch Windstöße leicht über einen großen Umkreis verstreut werden. Alle Teile des stolzen Ge- wächses enthalten ein sehr heftiges Gift (Digitalin), das Weidetiere vom Verzehren der grünen Teile abhält, uns aber als wirksames Heilmittel, vorzüg- lich bei Herzkrankheiten, dient. 2. Zahlreiche andre Glieder der formenreichen Familie be- sitzen Blüten, die einige Ähn- lichkeit mit einem Rade haben: Die kurze Blütenröhre (Nabe!) breitet sich in einen Saum aus, der in 4 oder 5 Abschnitte (Spei- chen!) gespalten ist. Blüten dieser Efeublättriges Leinkraut. Art finden wir z. B. bei den 1) antirrhinum: anti, anstatt, ähnlich und rhönes, Nase (Frucht soll einem Kopfe mit einer Nase ähneln !!); maius, größer, groß. 2) scrophularia von scröphulae, Drüsenanschwellungen, Skrofeln, weil dagegen angewendet; nodosus, mit Knoten. 3) digitalis, Fingerhut; purpuwreus, purpurn. Taf. 25. 1. Pflanze im Regen. 2. Blütenstand. 3. Blüte. 4. Frucht, geöffnet. 5. Same. 6. Haarfilz, 50 mal vergr. Dr Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tarel«25: Echte Königskerze (Verbascum thapsus). Rachenblütler. Aal Königskerzen (Verbäscum'), die in zahlreichen Arten zumeist steinige, sonnige Orte bewohnen. Eine der am häufigsten vorkommenden Formen ist die echte K. (V. thapsus’; Taf. 25), die nicht selten eine Höhe von 1'/; m erreicht und gewöhnlich die Gestalt einer regelmäßigen Pyramide aufweist (Belichtung!). Die Spitze der Pyramide wird von dem kerzen- artigen Blütenstande gebildet, der aus zahlreichen leuchtend gelben Blüten zusammengesetzt ist. Da sich die braunen Fruchtkapseln bei der Reife im obern Teile öffnen, vermag der Wind, der den hohen, elastischen Stengel erschüttert (Schleuder!), die vielen kleinen und gefurchten Samen leicht % über einen weiten Bezirk zu verstreuen. Die Rz grünen Teile der stattlichen Pflanze sind so Pre dicht mit Haaren bedeckt, daß sie sich wie er Filz anfühlen („Wollkraut‘). Auf der Schleim- G; haut des Mundes verursachen die Haare ein lästiges Jucken und Kratzen. Darum hüten sich Weidetiere auch, die Pflanze zu berühren. Bei mikroskopischer Betrachtung geben sich die Haare als Gebilde zu erkennen, die wie Tannen- bäumchen verzweigt sind. Sie verhindern daher auch in vortrefflicher Weise. eine zu schnelle Erneuerung der Luftschicht, von der die Pflanze umgeben wird, und damit eine zu starke Verdunstung des Wassers. Dieser Schutz ist um so wichtiger, als die Pflanze auf sehr trocknem Boden wächst. An den besonders schutzbedürftigen, jungen Blät- tern und an denen der Rosette, die den „trocknen“ Winter (s. S. 465) überstehen müssen, ist der Haarüberzug so dick, dab sie wie aus Filz geschnitten erscheinen. Wie außerordentlich wirksam dieser Verdunstungs- schutz ist, geht auch daraus hervor, daß die Pflanze im Gegensatz zu zahlreichen kleinblätt- rigen Gewächsen derselben Standorte geradezu auffallend große Blätter besitzt. Beobachtet man Blütentraube die Königskerze während eines heftigen Regens, des roten so sieht man, wie fast alles Wasser, das auf die 4 Finger- Blätter fällt, nach der Mitte der Pflanze zu ab- ie augen: fließt. Dementsprechend senkt sich auch die 1) verbascum, Königskerze. 2) Vielleicht nach einer Insel oder einem Flusse namens Thapsus. 212 Rachenblütler. kräftige Wurzel fast unverzweigt tief in den Boden. Die Richtung, die die Blätter zum Stengel einnehmen, scheint dieser Art der Wasserableitung aber nur teilweise zu entsprechen. Zwei Drittel der Blattfläche sind aller- dings schräg aufwärts gestellt. Das äußere Drittel aber ist schräg nach unten gerichtet, so daß von ihm das Wasser nach außen abgeleitet wird. Es tropft aber auf das darunter stehende größere Blatt, und zwar auf dessen aufwärts gerichteten Abschnitt. Daher fließt es gleichfalls dem Stengel und damit der Wurzel zu, geht also der Pflanze nicht verloren. Die untersten Blätter können das Wasser selbstver- ständlich nicht auf andre Blätter ableiten. Auch wenn die Pflanze älter und die Blattrichtung viel- Blüten vom Gamander-Ehrenpreis. Die fach gestört wird, ist dieser Vor- Blüte rechts wird soeben durch eine Schweb- gang nicht mehr deutlich zu fliege bestäubt. (Etwa 3mal nat. Gr.) beobachten. Ebenfalls radförmige Blüten, aber nur mit 2 Staubblättern, besitzen die zahl- eichen Arten der Gattung Ehrenpreis (Verönica'), von denen hier nur die verbreitet- sten erwähnt werden können. Auf Wiesen und an ähnlichen Orten wächst der Gamander-E. (V. chamidrys’), der an den zweireihig behaarten Stengeln leicht zu erkennen ist. Träufelt man Wasser auf eins der sitzenden Blätter, so sieht man, wie es von den Haarreihen zum Erdboden abgeleitet wird. Die Haare saugen das Wasser also ähnlich wie das Löschblatt die Tinte ein. Sie sorgen mithin dafür, daß die Blattfläche, wenn, sie von Regen oder Tau benetzt ist, bald wieder trocknet, so daß ihre Arbeiten nicht lange unterbrochen werden. Die prächtig blauen Blüten sind zu Trauben gehäuft, werden daher trotz ihrer Kleinheit weithin sichtbar. Besonders zahlreich stellen sich zierliche Schwebfliegen ein, die zumeist den untern Zipfel des Blumenkronensaumes als Anflugsplatz benutzen. Dabei drücken sie den Griffel herab und ergreifen die drehbaren Staubfäden, so daß auch deren Beutel mit der Unterseite ihres Körpers in Berührung kommen. Da die Blumen- kronen sehr leicht abfallen, hat das Volk dem zierlichen Pflänzlein den Spottnamen „Männertreu“ bei- gelegt. — Im Frühjahre findet sich besonders unter derSaatder Efeu-E. (V. hederifölia?) mit einzeln stehen- den, blaßblauen Blüten und efeu- ähnlichen Blättern. — Ein Be- wohner von Bächen und Gräben dagegen ist der Bachbungen-E. 1) Vielleicht zu Ehren der hl. Vero- = : nica benannt. 2) chamaedırys: chamat, 7 = i er Irys, Eiche (also Pflanze ‘ x : 5 i und auf derErdeunddrys, e, Großer Klap Be topf. 1. Bl ihender N 1 die an der Erde wächst und Blätter wie fruchttragender Stengel. 2. Wurzeln mit Saug- die Eiche besitzt). 3) hederifolia :hedera, wärzchen. 3. Same (verkl.). Efeu und fölkum, Blatt, VIER ENG Rachenblütler. 213 (V. beccabünga'), der seinem Standorte entsprechend dicke, saftstrotzende Blätter wie die Sumpf-Dotterblume besitzt. 3. Die folgenden Rachenblütler haben wieder deutlich zweilippige Blüten wie das Leinkraut und seine nächsten Verwandten, unterscheiden sich von diesen u. a. aber wesentlich dadurch, daß sie ATZE > ; } A TER be RN sämtlich Wurzelschmarotzer sind. Nimmt man z. B. eine HN Pflanze des großen Klappertopfes (Alectorölophus mäior °) EAN vorsichtig aus dem Boden, so staunt man, wie ein Ge- wächs, das bis !/; m hoch wird, mit so gering ent- wickeltem Wurzelwerke „auskommen“ kann. Bei näherm Zusehen findet man aber an den Wurzeln zahlreiche 2 bis 3 mm große Wärzchen, die den Wurzeln der Nachbarpflanzen anliegen und diesen Nahrungsstoffe ent- ziehen. Infolgedessen sieht man häufig auf Wiesen, auf denen der Klappertopf in großen Trupps auftritt, wie (My die Gräser um ihn absterben. us ni u Da er aber grüne Blätter Ka) „) e) [7E 4 N Al MR \ hat, vermag er einen großen Ne Da ı | Teil der zum Leben und SI N) Wachst öti Stoff I Ken j N Ni IN) achstum nc igen olle Non an j\ selbst zu bereiten: er ist nur 0) ein „Halbschmarotzer“. Die gelbe Blüte, deren Oberlippe zwei blaue Zähnchen besitzt, NY) ist von einem blasigen Kelche NA /} umgeben. Er umhüllt auch Wi) die Frucht und dient in erster 177 u Linie als ein Windfang: In- N ') dem er nämlich leicht vom N ANNIE | Winde geschüttelt wird, wer- Sn 31. or den auch die Kapseln hin und Ya wi) ® her bewegt. Dadurch werden N my) rn En) aber die Samen, die in den > ja at Kapseln bei Erschütterungen er klappern (Name!), heraus ge- & 79” schleudert und, weil von einer n) ni Flughaut umgeben, meist lien)‘ weithin verweht. Mit dem Klappertopfe tritt auf näher. Blühende Pflanze. Wiesen und Matten zumeist auch der Augentröst (Euphrasia°) in großen Mengen auf. Er fügt aber dem Landmanne, der ihn hier und da als „Milch- dieb* bezeichnet, gleich den andern Halbschmarotzern sicher nur geringen Schaden 1) beeecabunga wohl aus dem deutschen Worte „Bachbunge“, das unbekannter Herkunft ist, ent- standen. 2) alectorolophus: alektor, Hahn und löphos, Kamm; maior, größer, groß. 3) Frohsinn, wegen der freundlichen Blüten oder weil Heilpflanze. 214 Rachenblütler. zu. Von der zierlichen, weißblühenden Art, dem gemeinen Au. (E. officinälis!), der früher als Heilmittel gegen Augenleiden galt, führt die Gattung den Namen. Der größere rote Au. (E. odontites?) kommt als Unkraut häufig auch auf feuchten Äckern vor. — Auf torfigen Wiesen wächst in mehreren Arten das Läuse- kraut (Pediculäris’) mit zierlich zerteilten Blättern und meist roten Rachenblüten. Die niedliche Pflanze ist zu dem unschönen Namen gekommen, weil man eine Abkochung von ihr früher gegen das Ungeziefer der Haustiere anwendete. — An lichten Stellen der Laubwälder und in Gebüschen findet sich der Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorösum®). Da die Blätter, in deren Achseln die gelben Blüten stehen, wie Blumenblätter bunt und zwar prächtig blau gefärbt sind, wird die Auffälligkeit der schönen Pflanze wesent- lich erhöht. Dem Wiesen-W. (M. pratense’), der auf Waldwiesen und an andern etwas feuchten Stellen der Wälder häufig vorkommt, fehlt die Doppelfärbung. Beide Arten schmarotzen auf den Wurzeln mehrerer Bäume und Sträucher; die letztgenannte Form ist von ihren Wirten sogar so abhängig, daß sie ohne diese nicht zur Blüten- entwicklung gelangt. Die Samen beider Pflanzen werden wie die des Veil- chens gern von Ameisen verschleppt; die weizen- kornähnlichen Gebilde (Name!) haben nämlich einen sackartigen An- hang, der mit Teilen der Samenschale diesen Tieren als willkommene Speise dient. 4. Im Gegensatz zu diesen „Halbschmarot- zern“ besitzt die Schup- penwurz (Lathr&a squa- märia®; s. Abb. S. 213) kein Blattgrün. : Daher ist sie wie die Hopfen- seide genötigt, sich voll- kommen vonandernPflan- zen ernähren zu lassen. Sie lebt unterirdisch auf Blatt der Bärenklau und das Kapitäl einer den Wurzeln zahlreicher korinthischen Säule mit Acanthusblättern. Bäume und Sträucher, Sommerwurz, auf der Wur- zel der Pferde- oder Saubohne schmarotzend (verkl.). 1) offieinalis, in der Apotheke verwendet. 2) odontites, von odıs, Zahn (Gen. odöntos), als Mittel gegen Zahnschmerz verwendet. 3) von pediculus, Laus. 4) melampyrum: melas, schwarz und pyrös, Weizen; nemorosus, im Haine wachsend. 5) pratensis, auf der Wiese wachsend. 6) la- thraea von lathraios, verborgen; squamaria von squdma, Schuppe. besonders der Erle, Buche und Haselnuß, denen sie durch Saugwarzen die zum Leben und Aufbau nötigen Stoffe entzieht. Der knollen- förmige Stamm und seine Zweige sind dicht mit schup- penartigen Blättern (Name!) besetzt, die — wie man auf einem Durchschnitte sehen kann — innen je einen Hohlraum besitzen. Da dieser Raum mit der Außenwelt in Verbindungsteht, und daman in ihm vielfach Reste sehr kleiner Tiere findet, glaubte man früher, daß das seltsame Gewächsnichtnurein Schma- rotzer, sondern auch eine tierfressende Pflanze wie z. B. der Sonnentau sei. Diese Vermutung hat sich jedoch als irrig erwiesen. Im Frühjahre erhebt die Schup- penwurz die mit rötlichen Rachenblütler. 215 Blättern und einseitswen- — — digen, rachenförmigen Blüten dicht besetzten Stengel über -. den Boden. Sind die etwa mohnkorngroßen Samen aus - der sich öffnenden saftigen - Kapsel herausgefallen, dann gehen die oberirdischen Teile zugrunde, so daß sich die Pflanze gleichsam wieder in den Boden zurückzieht. Die Samen sind mit einem flei- schigen Anhange versehen, der von gewissen Ameisen mit Vorliebe verzehrt wird. Indem die Tierchen dieSamen verschleppen, wird der inter- essante Schmarotzer ähnlich wie das Veilchen weiter verbreitet. Ws en. Wasserschlauch. 1. Blühende Pflanze, von der nur ein Zweig vollständig gezeichnet ist (etwa !/, nat.Gr.). 2. Blatt mit Blase (2 mal vergr.). 3. u. 4. Blase von außen und im Durchschnitte (etwa 10 mal vergr.).. In der Blase (Fig. 4) ein bereits stark zersetzter Ruderfußkrebs (Cy- clops), ein Wasserfloh (Daphnia) und ein Aufgußtierchen. Glieder nahestehender Familien. Eine ganz ähnliche Lebensweise wie die Schuppenwurz führt die Sommerwurz (Orobänche!), die in vielen schwer zu unter- scheidenden Arten auf den Wurzeln der verschiedensten Pflanzen schmarotzt (z. B. auf Klee, Hanf, Thymian u. v. a.). Von dem untern, knollenförmigen Teile des unter- irdischen Stammes, der mit schuppenförmigen Blättern besetzt ist, gehen zahlreiche Wurzeln aus, die mit denen der Nährpflanze in Verbindung stehen. Mit Beginn oder während des Sommers (Name!) wächst die Gipfelknospe des Stammes zu einem Stengel aus, der sich über den Boden erhebt und eine Anzahl meist bunter Rachenblüten trägt. 1) Aus örobos, Erbse und dncho, ich erwürge zusammengesetzt, 316 Wasserschlauchgewächse. Nachtschattengewächse. Eine andre, den Rachenblütlern nahe stehende Pflanze ist die echte Bärenklau (Acanthus!; s. Abb. S. 214), die in Südeuropa heimisch ist, bei uns aber öfter als Zier- pflanze angebaut wird. Die tief eingebuchteten, schön geformten Blätter dienen seit den Zeiten der alten Griechen besonders in der Bildhauerkunst als vielbenutztes Vorbild. 57. Familie. Wasserschlauchgewächse (Lentibulariäceae’). Aus dem Wasser der Teiche, Tümpel und Gräben ragen in den Sommermonaten nicht selten die prächtigen, gelben „Lippenblüten“ des Wasserschlauches (Utriculäria vulgäris°; s. Abb. S. 215) hervor. Die Pflanze, die sich durch ihren Blütenbau als nahe Ver- wandte der Rachenblütler zu erkennen gibt, schwebt ohne Wurzeln frei im Wasser, bewohnt daher nur stehende Gewässer und hat wie der Wasserhahnenfuß fein zerteilte Blätter. Einzelne Blattzipfel sind aber zu eigentümlichen Blasen oder kurzen Schläuchen um- gewandelt, nach denen die Pflanze den Namen führt. Sie besitzen etwa die Größe von Pfefferkörnern und stellen Tierfallen dar. In das Innere jeder Blase führt eine Öffnung die durch eine Klappe verschlossen und von zahlreichen kleinen und zwei verzweigten, größern Borsten umstelltist. Da mehrere dieser Borsten Zucker und Schleim ausscheiden, werden Wasserinsekten und niedere Krebse (s. Lehrbuch der Zoologie) angelockt. Stößt einer der Näscher gegen die Klappe, so öffnet sie sich nach innen. Dringen die Tierchen, wie dies vielfach geschieht, in die Blase ein, so können sie diese aber nicht wieder verlassen; denn die Klappe schlägt gegen ein Widerlager, öffnet sich also nicht nach außen. Nach einigen Tagen verenden die Gefangenen; die Verwesungsstoffe aber werden — ähnlich wie beim Sonnentau — von der Pflanze aufgesogen und zum Aufbau ihres Körpers verwendet. Eine andre „insektenfressende Pflanze“ ist das nied- liche Fettkraut (Pinguicula vulgäris!; Taf. 8, 6), das hier und da auf sumpfigen Wiesen, besonders in Gebirgsgegenden, anzutreffen ist. Aus einer dem Boden aufliegenden Rosette, die aus hellgrünen, fleischigen Blättern gebildet wird, erheben sich auf langen Stielen die zierlichen, violetten „Rachen- blüten“. Die Blätter sind an den Seitenrändern etwas auf- gebogen und an der Oberfläche mit zahlreichen gestielten Drüsen bedeckt, die einen klebrigen Saft ausscheiden. Kleine Fettkraut. Teil von einem Blatte (im Durch- schn.), aufdem sich eine Insekten, die auf das Blatt geraten und in den Saft ein- Ameise gefangen hat. sinken, suchen zu entfliehen. Sobald dies aber geschieht, „bekommt das Blatt Leben“: der Blattrand überdeckt das Tier und schiebt es nach der Mitte des Blattes; von den Drüsen wird ein Ver- dauungssalt ausgeschieden, und bald ist die Beute getötet und verzehrt. 58. Familie. Nachtschattengewächse (Solanäceae?). Kelch 4- oder 5-spaltig. Blumenkrone röhren- oder trichterförmig, 4- oder 5-zipfelig. 5 Staubblätter. Fruchtknoten aus 2 Fruchtblättern gebildet, mit dickem Samenträger und zahlreichen Samenknospen. Frucht eine Beere oder Kapsel. Die Kartoffel (Solänum tuberösum?’). Tafel 26. A. Von den Knollen und der Bedeutung der Kartoffel. Die Knollen der Kartoffel zählt man mit den Rüben, Möhren, Zwiebeln usw. 1) Bärenklau. 2) Zusammengesetzt aus lens, Linse (Gen. lentis) und tübulus, Röhrchen, . Schlauch, wegen der rundlichen Schläuche beim Wasserschlauch. 3) utricularia von utriculus, kleiner Schlauch; vulgaris, gemein. 4) pinguieula von pinguis, fett, -ula, Verkleinerungssilbe; vulgaris, gemein. 5) solanum, Nachtschatten; fuberosus, mit Knollen. - Nachtschattengewächse. 217 zu den „Feldfrüchten“; oft werden sie sogar als die „Früchte“ der Kar- toffel selbst bezeichnet. Daß wir es hier aber nicht mit „Früchten“ im botanischen Sinne zu tun haben, zeigt schon ihre Entstehung; denn sie gehen — im Gegensatz zu wirklichen Früchten — ja nicht aus den Fruchtknoten der Pflanze hervor. Fragen wir uns daher: 1. Was ist die Knolle? Eine Antwort auf diese Frage erhalten wir, wenn wir verfolgen, wie sich die Knollen bilden. a) Im Frühjahre fangen die Knollen, die wir im Keller aufbewahren, an zu „keimen“, d. h. aus den „Augen“ gehen beblätterte Stengel hervor. Die Stengel suchen das spärliche Licht auf, das durch das Kellerfenster einfällt, und sind, weil im Dunkeln wachsend, blasse und zarte Gebilde. Genau so treiben — wie wir uns leicht überzeugen können — die „Augen“ der Knollen, die wir auf dem Felde (etwa einen Spatenstich tief) in die Erde legen, zu Stengeln aus. Nehmen wir eine solche junge Pflanze, nachdem sie einige Blätter entwickelt hat, aus dem Boden, so sehen wir, wie an dem unterirdischen Stengelteile schuppenartige Blätt- chen (B.) sitzen, und wie aus deren Achseln faden- förmige Seitenzweige (A.) hervorgehen. Diese „Aus- läufer“ erheben sich unter normalen Verhältnissen nie- mals über den Boden. Sie tragen gleichfalls schuppen- förmige Blättchen und am Ende eine Knospe (E.), genau wie die oberirdischen Stengel und Zweige solche Endknos- pen besitzen. Beides sind Zeichen dafür, daß wir es hier wirklich mit Stengelteilen und nicht mit Wurzeln zu tun haben; denn letztere sind stets unbeblättert. In den Achseln der schuppenförmigen Blätter finden sich ferner ebenso wie an oberirdischen Stengeln Seitenknospen, die vielfach wieder zu Zweigen (Z.) auswachsen. Und an der Stelle endlich, an der die Blätter dem Stengelteile ansitzen (Stengelknoten), brechen Wurzeln hervor, wie dies oft gleichfalls an oberirdischen Stengeln, besonders an solchen, die man auch als Ausläufer bezeichnet, zu beobachten ist. Die schuppenförmigen Blätter sind für die Pflanze bald ohne Bedeutung und gehen zugrunde. b) An den Ausläufern und ihren Seitenzweigen bemerkt man nun am freien Ende je eine kleine Anschwellung (E.). Nimmt man einige Zeit darauf eine zweite „gleichalterige“ Pflanze aus der Erde, so sieht man, wie die Anschwellungen größer geworden sind und sich zu je einer jungen Knolle (K.) ausgebildet haben. Mehrfach ensteht die Anschwellung etwas Bildung der Kartoffel- knollen. (Bezeichnungen sind im Texte erklärt.) 318 Nachtschattengewächse. entfernt vom Ende des Ausläufers, und nicht selten schwillt auch der kurze Stengelteil einer Seitenknospe, ohne zu einem Zweige auszuwachsen, zu einer Knolle (SK.) an. Die Kartoffelknolle ist also ein ver- kürzter und stark angeschwollener Stengelteil. („Stengelknolle“ im Gegensatz zur „Wurzelknolle“; s. Scharbockskraut.) Diese Erkenntnis zeigt uns auch, daß der Landmann wohl tut, die iungen Kartoffelpflanzen zu „behäufeln“, d. h. Erde um die untern Teile der oberirdischen Stengel zu bringen; denn die Zweige, die sich in den mit Erde bedeckten Blattachseln bilden, entwickeln sich oft gleichfalls zu (unterirdisch bleibenden) Ausläufern, wodurch vielfach eine erhöhte Knollenbildung eintritt. (Warum wird der Kartoffelacker „gehackt“, d.h. mit Hilfe der Hacke gelockert und von Unkraut gereinist?) c) Da die Knollen Stengelteile sind, müssen wir an ihnen auch die schuppenförmigen Blätter samt den Knospen in ihren Achseln wieder- finden: es sind dies die sog. Augen, die — wohlgeschützt gegen Ver- letzung — in je einer Vertiefung der Knolle liegen. Somit wird es uns verständlich, wie aus einer Knolle und sogar aus einem Teile einer solchen, falls er nur ein „Auge“ besitzt, eine neue Pflanze hervorgehen kann. Die schuppenförmigen Blätter sind an ganz jungen Knollen noch deutlich sichtbar, an ältern verschrumpfen sie wie an den sich nicht verdicken- den Stengelteilen gleichfalls bald. d) Im Herbste gehen die Ausläufer zugrunde, so daß, wenn die oberirdischen Teile gänzlich abgestorben sind, die Knollen getrennt von der Mutterpflanze im Boden liegen. 2) Welche Bedeutung hat die Knolle für die Pflanze? Schon wenn in einer Frühjahrsnacht das Thermometer auf einige Grad unter Null sinkt, sind am nächsten Morgen die grünen Teile der Kartoffeln gänz- lich erfroren. Die Pflanze könnte demnach die bedeutend niedrigeren Tem- peraturen unsres Winters noch viel weniger ertragen. Sie stirbt im Herbste ab, hinterläßt aber (von den Samen abgesehen) zahlreiche Knollen. Wer- den diese von dem Menschen vor Kälte bewahrt und im nächsten Früh- jahre wieder gepflanzt, so geht aus ihnen je eine neue Pflanze hervor. Etwas ganz Ähnliches findet auch bei der wildwachsenden Kartoffel statt. Die Knollenbildung ist also eine Veranstaltung der Pflanze, die ungünstige Jahreszeit zu überstehen, und zugleich ein Mittel der Vermehrung. b) Bei der wildwachsenden Kartoffel gehen aus den Knollen im nächsten Jahre also zahlreiche junge Pflanzen hervor. Wenn diese auf einem Trupp ständen, so würden sie sich gegenseitig Nahrung, Licht und Luft streitig machen. Es ist daher von größter Wichtigkeit für die Pflanze, daß sich die Knollen (meist) am Ende langer Ausläufer bilden. c) Wenn man die Bedeutung der Knolle im Auge behält, wird man auch leicht ihren Bau verstehen. Nimmt man 2 gleich große Knollen (der- selben Sorte) und legt sie, nachdem man die eine davon geschält hat, an A Nachtschattengewächse, 219 einen warmen Ort, so findet man die geschälte nach einiger Zeit gänzlich verschrumpft, während die andre fast unverändert geblieben ist. Die erstere hat — wie die Wage zeigt sehr viel, die andre dagegen nur wenig von der Flüssigkeit verloren, von der die Knollen durchtränkt sind. Pflanzt man eine solche geschälte, vertrocknete Knolle, die aber alle ihre Augen behalten hat, so geht daraus keine neue Pflanze hervor; denn die Augen sind mit vertroeknet. Die Knospen (Augen) der Knolle sind also durch die Schale gegen das Vertrocknen geschützt. Wenn man bedenkt, daß die Knolle bei uns etwa 7 Monate im Jahre außerhalb der Erde zubringt, wird man die Wichtigkeit eines solchen Mittels leicht ermessen. (Warum bedarf die Pflanze im wilden Zustande gleichfalls dieses Schutzmittels?) Wie uns das Mikroskop an einem feinen Schnitte zeigt, ist die Schale aus mehreren Schichten von Zellen zusammengesetzt, deren Wände aus Kork bestehen. Nun kennen wir diesen Stoff (Flaschenkorke!) aber als ein vortreffliches Mittel, Flüssig- keiten, die wir in Flaschen und Büchsen aufbewahren, gegen Ver- dunstung zu schützen. Die Natur hat der Knolle also eine Hülle aus einem sehr geeigneten Stoffe ge- geben. (Da aber die Knollen während des Winters, auch wenn sie noch keine Stengel ge- trieben haben, etwas : : Mikroskopischer lee aus einer Kartoffelknolle. ee = K. Korkzellen. ‚St. Stärkehaltige Zellen (140 mal vergr.). E l Die würfelförmigen Gebilde sind Eiweißkristalle. Links sie trotz der Korkhülle daneben ein Stärkekorn in 500 facher Vergr. einiges Wasser durch Verdunstung verlieren.) *Auch gegen Verletzungen, sowie gegen das Ein- dringen von Pilzsporen und Spaltpilzen ist der blaue, rote oder weibe * „Korkmantel“ der Knolle ein wichtiges Schutzmittel. d) Die Stengel, die aus der im Keller aufbewahrten Knolle austreiben, können die Stoffe, aus denen sie sich aufbauen, nirgends anders hernehmen als aus der Knolle. Dasselbe gilt auch für die Stengel, die aus einer in die Erde gelegten Knolle hervorbrechen; denn erst nachdem sie grüne Blätter gebildet und Wurzeln geschlagen haben, sind sie imstande, sich selbst zu ernähren. Bis dahin sind sie auf die Knolle angewiesen. Mit dieser beständigen Abgabe von Baustoffen steht die Tatsache im Ein- klange, daß die „alte* Knolle schließlich wie ausgesogen erscheint. Hat sie endlich nichts mehr abzugeben, so ist sie für die junge Pflanze, die sich jetzt selbst ernähren kann, wertlos geworden, und ihre Reste gehen 220 Nachtschattengewächse. . durch Fäulnis zugrunde. Welcher Art sind nun die Bau- und Vorrats- stoffe, die in der Knolle aufgespeichert liegen ? Schneidet man eine Knolle durch und betupft die Schnittfläche mit einer Jodlösung, so tritt sofort starke Blaufärbung ein, ein Zeichen, daß die Knolle sehr reich an Stärke ist. Wenn wir ferner einen sehr dünnen Schnitt aus der Knolle durch das Mikroskop betrachten, können wir uns leicht davon überzeugen, daß in der Tat fast alle Zellen mit Stärke- körnchen gleichsam vollgestopft sind. Und wenn wir endlich einige rohe Knollen zerreiben und den Brei wiederholt in Wasser auswaschen, so bleibt die Stärke als ein weißes Pulver zurück. Der Stärkegehalt der Knollen beträgt durchschnittlich etwa 20°/,. Nur 2°, sind Eiweiß, das sich besonders in den Zellen unter der Korkhaut findet; alles übrige ist — abgesehen von den Stoffen, die in noch geringerer Menge vorhanden sind — Wasser, und zwar etwa 75°/,.. (Wiege eine geschälte Knolle, lege sie auf den warmen Ofen, bis sie gänzlich eingetrocknet ist, und bestimme den Gewichtsverlust!) 3. Welche Bedeutung die Kartoffel für den Menschen hat, geht aus den soeben erwähnten Tatsachen ohne weiteres hervor: a) Wie bekannt, ist die Stärke ein notwendiger Nährstoff, der uns außer von der Kartoffel besonders vom Getreide und von den Hülsen- früchten geliefert wird. Da nun die Knollen sehr reich an Stärke sind, ist die Kartoffel eine unsrer wichtigsten Nährpflanzen. Hiermit ist aber ihre Bedeutung bei weitem noch nicht erschöpft! Da wir nämlich mit ihrer Hilfe von einer Ackerfläche erheblich mehr Nährstoffe gewinnen, als von einer gleich großen, selbst mit Getreide be- stellten Fläche; da sie selbst noch auf magerstem Sandboden und in Höhen (Gebirge!) gedeiht, auf denen kein Getreide mehr wächst; da sie fast alljährlich eine reiche Ernte liefert; da die eingeernteten Knollen ver- hältnismäßig leicht und lange haltbar sind und selbst bei täglichem Genuß gleich dem Brote eine Speise bilden, die uns nie zuwider wird: so ist die Kartoffel nächst dem Getreide unsre wichtigste Volksnahrungs- pflanze. Seit sie auf unsern Feldern gedeiht, hat eine Hungersnot wie vordem unser Land nicht wieder heimsuchen können. b) Wenn wir uns nun weiter vergegenwärtigen, welches fast unersetz- liche Futtermittel die Knollen für die Haustiere sind, wie sie zur Her- stellung von Stärke (Kartoffelstärke oder Kartoffelmehl) dienen, und wie die Stärke zu Stärkezucker und in den Brennereien weiter zu Spiri- tus (Alkohol) verarbeitet wird: dann haben wir etwa ein Bild von der außerordentlichen Bedeutung der unscheinbaren Pflanze. Darum arbeitet man auch unablässig an ihrer Veredelung und ist eifrig bemüht, Sorten zu züchten, deren Knollen einen immer höhern Stärkegehalt aufweisen, Mat 26.1. Unterdche Teile; das dumelkte Gebilde ist die „alte* an . Blü- hender Zweig. 3. Blüte, senkrecht durchschnitten; Blütenstaub Tieselt aus den a beuteln. 4. Früchte. 5. Frucht, im Querschnitt. 6a. Kolorado-Kartoffelkäfer, b. dessen Larve und c. dessen Eier. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 26. Kartoffel (Solanum tuberosum). Nachtschattengewächse. 221 ud c) Da aber die Knollen sehr arm an Eiweiß sind und gar kein Fett enthalten, können sie uns als einzige Nahrungsquelle nicht dienen; denn diese beiden Stoffe sind neben der Stärke (oder-einem andern Kohlen- hydrat, z. B. dem Zucker) für die Erhaltung unsers Körpers unbedingt notwendig. (Näheres hierüber s. „Der Mensch“.) Dasselbe gilt auch für die Tiere. Da die Stärke besonders fettbildend wirkt, wird uns auch die Verwendung der Kartoffel beim Mästen der Haustiere verständlich. B. Von den übrigen Teilen der Kartoffel. 1. Die kantigen Stengel tragen große, rauhhaarige, unpaarig gefiederte Blätter. Da zwischen den größern Fiederblättchen kleinere eingefügt sind, bezeichnet man sie als „unterbrochen“ gefiedert. Durch die Lücken zwischen den Fieder- blättchen kann genügend Licht in die Blättermasse einfallen. Nach dem Blattgrunde zu werden die größern Fiederblättchen allmählich kleiner, so daß sich die Blätter in der Nähe der Stengel, wo Raum und Licht nur in beschränktem Maße vorhanden sind, gegenseitig nicht behindern. 2. Die Blüte besteht aus einem fünfzipfeligen Kelche, einer rad- förmigen Blumenkrone, die am Rande in 5 Ecken ausgezogen ist, 5 Staubblättern, deren große Beutel einen Kegel bilden, und einem Stempel, dessen Griffel den Staubbeutelkegel an der Spitze durchbricht. Obgleich die Blüte durch das Weiß oder Blaßviolett der Blumenkrone, sowie durch das leuchtende Gelb der Staubbeutel ziemlich auffällig ist, wird sie doch nur selten von Insekten (Fliegen) besucht; denn sie besitzt keinen Honig und nur wenig Blütenstaub. Bei mehreren Spielarten der Pflanze tritt regelmäßig Selbstbestäubung ein: der trockne Staub rieselt aus 2 Löchern an der Spitze der Beutel hervor und fällt, da die Blüten - meist schräg oder gar senkrecht nach unten gerichtet Blütensturdeißder sind, auf die darunter befindliche Narbe. Bei andern Kartoffel Kartoffelsorten findet überhaupt keine Bestäubung statt, und bei wieder andern fallen die Blüten sogar ab, bevor sie sich noch geöffnet haben: die Pflanzen sind unter der Hand des Menschen, für den die Blüten und Früchte völlig wertlos sind, entartet. 3. Stellt man durch die Frucht einen Querschnitt her, so sieht man, daß ihre Wand aus 2 Fruchtblättern gebildet ist, die an den Rändern miteinander verwachsen sind und sich als eine Scheidewand quer durch das Fruchtinnere erstrecken. Die Scheidewand ist an beiden Seiten zu halbkugeligen Samenträgern angeschwollen, die dicht mit Samenknospen besetzt sind. Zur Zeit der Reife werden Fruchtblätter und Samenträger fleischig, so daß die grüne, ungenießbare Frucht eine vielsamige, zwei- fächerige Beere darstellt. Auch die Samen haben für uns keine Be- deutung. Die aus ihnen hervorgehenden Pflänzchen bringen zwar gleich- falls Knollen hervor; doch sie sind so klein, daß diese Art der Vermehrung durchaus unwirtschaftlich wäre. DO D 18) Nachtschattengewächse. 4. Alle grünen Teile der Kartoffel enthalten ein Gift (Solanin), so daß sie — von einigen wenigen Insekten abgesehen (s. w. u.) — kaum von einem Pflanzenfresser berührt werden. Wahrscheinlich merken die Tiere, daß sie es hier mit etwas Ungenießbarem zu tun haben, schon an dem eigen- tümlichen Geruch, der der Pflanze entströmt. Besonders giftig sind die Früchte, die jungen Triebe und diejenigen Knollen, die vom Sonnenlichte getroffen wurden und wie andre Stengelteile ergrünt sind. C. Von der Heimat und Verbreitung der Kartoffel. Schon die oben erwähnte Tatsache, daß die grünen Teile der Kartoffel bereits durch einen gelinden Frost getötet werden, weist darauf hin, daß die überaus wichtige Pflanze ein Kind wärmerer Gegenden ist. Erst etwa in der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde sie aus ihrer südamerikanischen Heimat durch Spanier nach Europa gebracht und anfänglich nur als Zierpflanze angebaut. Von Spanien kam sie bald nach Italien. Dort nannte man die Knollen, weil sie fast wie Trüffeln aussahen, „Tartuffoli“. Hieraus ist unsre Bezeichnung „Kar- toffel“ entstanden. Langsam verbreitete sich das unschein- bare Gewächs weiter; seine Knollen galten aber geraume Zeit hindurch nur für einen Lecker- bissen. Erst als im 18. Jahrhundert große Teile von Deutschland durch Mißernten heimgesucht wurden, denen Hungersnot und Teuerung folgten, er- kannte man allmählich den Wert der Pflanze. Der Anbau wurde jetzt all- gemeiner. Vorher aber galt es, in einem langen, hartnäckigen Kampfe den Widerstand zu brechen, der von seiten der Landbevölkerung der Ein- führung des neuen Gewächses entgegen gesetzt wurde. Es war ein Kampf, der vielfach nur durch Anwendung von Gewaltmaßregeln ent- schieden werden konnte, und in dem sich besonders die beiden Preußen- könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große unsterbliche Verdienste erworben haben. Heutzutage ist die Kartoffel über den größten Teil der Erde in zahlreichen Spielarten verbreitet. Nur in den wärmsten Län- dern vermag sie nicht zu gedeihen. Schwarzer Nachtschatten (verkl.). D. Von den Krankheiten und Feinden der Kartoffel. Wie auf allen andern Pflanzen schmarotzen auch auf der Kartoffel zahlreiche niedere Pilze, die verschieden- Nachtschattengewächse. 293 artige Krankheiten hervorrufen. Der gefürchtetste unter ihnen ist der Pilz der eigentlichen Kartoffelkrankheit (s. das.), der besonders in nassen Jahren auftritt. Von den tierischen Feinden seien nur der Engerling und die Erdraupen, die an den Knollen nagen, sowie der Kolorado-Kartoffelkäfer genannt (s. Lehrb. der Zoologie). Der schmucke Käfer ist in Nordamerika heimisch und nährt sich gleich seiner Larve von den Blättern, an die er auch seine Eier ablegt. Das Auftreten des überaus gefährlichen Schädlings in Europa war glücklicherweise stets nur von kurzer Dauer, Andre Nachtschattengewächse. 1. Nachtschattengewächse mit Beerenfrüchten. Wie die Kartoffel enthalten zahlreiche andre Glieder der Familie in allen oder vielen ihrer Teile ein scharfes Gift (Schutzmittel gegen Pflanzenfresser!), das auf den Tollkirsche. 1. Wagerechter Zweig mit Früchten (von oben gesehen und verkl.). 2. Blüte und 3. längsdurchschnittene Frucht in nat. Gr. Menschen je nach seiner Art und je nach der Menge, in der es genossen wird, sehr verschieden einwirkt. Solche Giftgewächse sind die beiden nächsten Verwandten der nützlichen Kartoffel, der schwarze und der bittersüße Nachtschatten (S. nigrum u. dulcamära'). Ersterer kommt auf Schutt, sowie als lästiges Unkraut in Gärten und auf Feldern häufig vor, ist einjährig (schwache Wurzel!) und hat weiße Blüten und schwarze, giftige Beeren; letzterer wächst in Gebüschen, besonders an Flußufern, ist eine aus- dauernde Kletterpflanze (tiefgehende, holzige Wurzel!), hat meist sehr verschieden- gestaltete Blätter, violette Blüten und rote, aber nicht giftige Beeren, die anfangs 1) niger, schwarz; dulcamara: diitleis, süß und amdrus, bitter. 294 Nachtschattengewächse. bitter und nachher süßlich schmecken (Bittersüß!). — Als das gefährlichste Gewächs, das die heimatliche Pflanzenwelt aufzuweisen hat. ist die Tollkirsehe (Atropa belladönna'; s. Abb. S. 223) zu nennen. Die meterhohe Pflanze wächst in schattigen Bergwäldern und be- sitzt dementsprechend große und verhältnismäßig zarte Blätter. Die Blüten bilden bräunliche, hängende Glocken. Die Frucht ist eine glänzend schwarze Beere, die in dem bleibenden Kelche sitzt. Da sie einer Herzkirsche ähnelt, wird sie besonders von Kindern leicht für eine solche gehalten. Sie ist aber mit der Wurzel der giftigste Teil der ganzen Pflanze. Ihr Genuß bewirkt Schwindel, Betäubung und oft sogar den Tod (Gegenmittel: Brechmittel und starker Kaffee!). Da sich bei Vergifteten regelmäßig auch die Pupille stark erweitert, hat das Gift der Pflanze (Atropin) in der Augenheilkunde eine überaus wichtige Verwendung gefunden: In allen Fällen, in denen es auf eine Erweiterung der Pupille ankommt, wird es den Kranken in das Auge ge- träufelt. Früchte von solcher Giftigkeit müßten — sollte man meinen — auch allen Tieren schädlich sein. Drosseln und Amseln jedoch verspeisen das süße, saftige Fruchtfleisch mit sichtlichem Wohlbehagen und besorgen dadurch unfreiwillig die Aus- saat der Samen. Früher benutzte man in Italien die Beeren zum Schminken: daher „bella donna“, d. h. schöne Frau. \ Neben diesen Nachtschattengewächsen gibt es aber auch mehrere andre, die kaum giftig sind und deren Beeren z. T. sogar vom Menschen genossen werden. Als das wichtigste wäre zuerst der Liebesapfel oder die Tomate (Solänum persicum°) zu nennen. Die Pflanze ist der Kartoffel überaus ähnlich, stammt aus Südamerika und wird der prächtig roten Früchte wegen immer mehr angebaut. — Eßbar sind auch die Früchte der bei uns heimischen Judenkirsche (Physalis alkekengi’), die zu- meist aber nur als Zierpflanze bekannt ist. Zur Zeit der Reife sind die roten, kirschen- großen Beeren von dem aufgeblasenen, gleichfalls roten Kelche umhüllt. Da dieser der Kopfbedeckung ähnelt, wie sie im Mittelalter die Judenfrauen trugen, hat der Volksmund der Pflanze den seltsamen Namen beigelegt. — Die roten, schotenähnlichen Früchte der Paprikapflanze oder des spanischen Pfeffers (Capsicum®) sind von sehr scharfem Geschmack und werden wie die des Pfefferstrauches als Gewürz verwendet. Die Pflanze entstammt dem tropischen Amerika und wird u. a. in großer Menge bei Cayenne („wo der Pfeffer wächst‘), aber auch in Südeuropa und besonders in Ungarn angebaut. — Der Teufelszwirn (Lycium bärbarum’), der vielfach zur Bildung von Hecken (Name!) angepflanzt wird, aber auch oft verwildert vorkommt, hat im Mittel- meergebiete seine Heimat. 2, Nachtschattengewächse mit Kapselfrüchten. Nächst der Kartoffel hat kein Nachtschattengewächs eine so große Bedeutung für den Menschen erlangt wie der Tabak (Nicotiäna®). Von seinen zahlreichen Arten werden bei uns besonders zwei angepflanzt: am häufigsten der 1 bis 2 m hohe virginische T. (N. täbacum‘), seltener der kleinere (Höhe nur bis 1 m), aber breitblättrigere Bauern-T. (N. rüstiea°). Beide sind einjährige Pflanzen, die in Amerika ihre Heimat haben. Alle grünen Teile sind dieht mit klebrigen Drüsenhaaren besetzt (Schutz gegen Pflanzenfresser!). Die sehr großen Blätter nehmen nach oben hin allmählich an Größe ab, eine Einrichtung, die bekanntlich von großem Vorteil für die Belichtung ist. Da sich die Blätter — von den obersten 1) dtropos, unwandelbar, unerbittlich (vielleicht weil das Gift unabwendbar den Tod bringt?); belladonna, s. Text. 2) solanum s. S. 216, Anm. 5; persicus, persisch. 3) physaltis, Wasserblase oder Pflanze mit blasenähnlichen Früchten; alkekengi, arab. (unerkl.). 4) von ceapsa oder capsula, Kapsel (wegen der Früchte). 5) Iyeium, Pflanze aus der Landschaft Lykien in Kleinasien; barbarus, jremd. 6) nach dem Franzosen Nicot, der i. J. 1560 den ersten Tabak in Europa pflanzte. 7) taba- cum, Name der Pflanze bei den Indianern. 8) rusticus, Bauer. Nachtschattengewächse. 225 abgesehen — mit der Spitze zum Erdboden herabneigen, so leiten sie das Regenwasser, von dem sie ge- troffen werden, nach außen ab (zentri- fugal). Dementsprechend verlaufen, auch die Seitenwurzeln, die meist & am obern Teile der tiefgehenden Pfahlwurzel entspringen, wagerecht im Boden und gehen samt ihren Ver- zweigungen nicht über den Umkreis der Pflanze hinaus. Der Stengel und seine Zweige tragen am Ende große Sträuße von Röhrenblüten, die beim virginischen T. lang und von roter, beim Bauern-T. wesentlich kürzer und von gelbgrüner Färbung sind. Die Frucht ist eine Kapsel, die sich 3 ? Virginischer Tabak. Blüt ] = url a len; oniwickolt, ; Früchte (verkl.). RE in 2 Klappen aufspringt und zahl- reiche sehr kleine Samen enthält. Haben die Pflanzen ; ihre volle Höhe erreicht, so werden die Blätter ab- gebrochen, auf Schnüre gereiht und unter einem Dache zum Trocknen auf- gehängt. In der Fabrik werden sie wieder an- gefeuchtet und zu großen Haufen aufgeschichtet, in denen sich, durch Spalt- pilze veranlaßt, unter Ent- wicklung hoher Wärme bald eine Gärung einstellt. Sind die Haufen einigemal umgeschichtet, dann sind die Blätter zum Gebrauch fertig, so daß sie nunmehr als Rauch-, Kau- oder Schnupftabak verwen- det werden können. Als die Spanier zu- erst mit den Eingebore- nen von Amerika in Be- Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 15 Zweig vom Bilsenkraute und eine auf- gesprungene Frucht (verkl.). 226 Nachtschattengewächhse. rührung kamen, war unter diesen die Sitte des Tabakrauchens bereits üblich. Es währte nicht lange, so fand sie auch in Europa Eingang. Obgleich der Genuß des Tabaks in mehreren Ländern selbst mit den schwersten Strafen bedroht wurde, breitete er sich doch unaufhaltsam immer weiter aus, und jetzt gibt es.wohl kaum noch ein Land, in dem ihm nicht gehuldigt würde Hand in Hand hiermit ging auch die Ver- breitung der Pflanze selbst, deren Anbau heutzutage in fast allen warmen und gemäßigten Gegenden des Erdballs erfolgt. (Welche Länder liefern den besten Tabak? In welchen Gegenden unsrer Heimat wird besonders Tabakbau getrieben?) Der Tabak enthält ein Gift, das Nikotin, von dem schon ein einziger Tropfen genügt, einen Hund zu töten. Fortgesetzter starker Genuß von Tabak — ganz gleich in weleher Form — ruft daher nicht selten Darm- und Herzerkrankungen hervor, ja er kann sogar eine gänzliche Zerrüttung desKörpersherbeiführen. Für Kinder ist der Tabak selbst in kleinen Mengen ein gefährliches Gift. AufSchutthaufen und anWegen findet sich das Bilsenkraut (Hyoscya- mus niger!; s.Abb.S.225), eine allbekannte, sehr giftige Pflanze von ekel- haftem Geruch mit klebrigen Blättern und schmutziggelben, vio- lett geaderten Blüten, die alle nach einer Seite gerichtet sind. Die vom stachelspitzigen Kelche umhüllte Kapsel springt mit einem Deckel auf. — An denselben Örtlichkeiten wächst auch der gleichfalls sehr giftige Stechapfel (Datura stra- mönium?). Er wird bis im hoch und ist ein übelriechendes Kraut, das sich wiederholt gabelig ver- zweigt. Dieausgebuchteten Blätter sind von sehr verschiedener Größe und bilden meist eine regelmäßige Mosaik. Getrocknet und zerrieben werden sie vielfach als Räuchermittel‘zur Linderung bei Asthmaleiden benutzt. Die Blüte wird von Nachtfaltern bestäubt. Dementsprechend Daneben eine aufgesprun- gene Frucht (verkl.). 1) yoseyamus, Bilsenkraut (eig. Schweinsbohne von Ays, gen. hıyös, Schwein und kyamos, Bohne); niger, schwarz. 2) datura, nach dem Arabischen (unerkl.); stramonium, unerkl. Taf. 27. 1. Blühende und fruchttragende Pflanze mit deutlicher Rosette. 2. Jüngere und 3. ältere Blüte. 4. Staubblatt mit geöffneten Beuteln. 5. Staubblatt, dessen Staubbeutelfächer sich bei feuchter Witterung wieder geschlossen haben. 6. Frucht, geschlossen. 7. Geöffnete Frucht, aus der soeben zwei Samen herausfallen. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 27. Mittlerer Wegerich (Plantago media). Ds 5 e 5 Bu . i 2 . u » j [ i | . \ u 2 ö ü u u . - Wegerichgewächse. 227 besitzt sie wie die des Leimkrautes eine Jange Blütenröhre und weiße Färbung, öffnet sich mit beginnender Dunkelheit und haucht besonders während der Nacht einen starken Duft aus. Die Fruchtkapseln, die mit 4 Klappen aufspringen, sind außen mit vielen spitzen Stacheln besetzt. Sie enthält zahlreiche Samen, die, so giftig sie für uns sind, von mehreren körnerfressenden Vögeln ohne Schaden verzehrt werden. — Als letztes Glied der Familie sei endlich die Petunie (Petunia!) erwähnt, die in zahl- reichen Spielarten unsre Gärten schmückt. Ihre Heimat ist Südamerika, 59. Familie. Wegerichgewächse (Plantaginäceas’?). Der Wegerich (Plantägo’. Tafel 27. 1. Die verbreitetsten Arten. Schon bei einiger Aufmerksamkeit erkennt man, daß der Wegerich in mehreren, wohl unterschiedenen Arten auftritt, von denen die 3 folgenden überall häufig anzutreffen sind: Der Spitzwegerich (P. lanceoläta°®) ist leicht an den lanzettlichen Blättern zu erkennen; der große und der mittlere W. (P. mäior u. media‘) da- gegen besitzen viel breitere Blätter. Während diese jedoch bei ersterm deutlich gestielt sind, verschmälern sich bei letzterm die Blattflächen nur in je einen kurzen, breiten, undeutlichen Blattstiel. Alle drei Wegericharten bewohnen Wiesen, Triften und ähnliche Orte. Vor allen Dingen sind sie — worauf auch der Gattungsname hinweist — regelmäßige Begleiter der Wege; ja, sie siedeln sich sogar zwischen dem Pflaster wenig betretener Straßen an. 2. Wurzeln und Blätter. Wie der Löwenzahn, der sich gleich- falls an diesen Orten findet, haben sie sehr tiefgehende Wurzeln (dem „großen“ Wegerich fehlt aber die Pfahlwurzel der beiden andern Arten!), sowie Blätter, die oberseits mit Rinnen versehen und an trocknen Standorten zu regelmäßigen Rosetten geordnet sind. An Stellen dagegen, an denen die Pflanzen mit andern um das Licht ringen (auf Wiesen u. dgl.), sind auch die ganzrandigen Blätter mehr oder weniger aufwärts gerichtet. 3. Blüte. Auf einem langen Stiele, der aus der Achsel eines Blattes entspringt, erhebt sich die „Blüten- ähre“. Jede Blüte besteht aus einem vierteiligen iütenprundeiß vom Kelche, einer kleinen Blumenkrone mit vierteiligem Wegerich. Saume, vier Staubblättern und einem Stempel. - In der Regel ragt der Griffel mit der behaarten, einem Zylinder- putzer ähnlichen Narbe bereits aus der Blüte hervor, wenn die Staub- blätter noch zurückgebogen sind. Später strecken sich auch diese heraus. Obgleich die Staubbeutel dann vollkommen frei stehen, ist der Blütenstaub doch nicht ohne jeden Schutz. Die Fächer der bereits geöffneten Beutel schließen sich nämlich in taureichen Nächten und beim Eintritt feuchter 1) Brasil. Wort; heißt Tabak, da man Petunie und Tabak wegen der Ähnlichkeit der Blätter verwechselte. 2) von plänta, Fußsohle (Blätter des großen W. gleichen entfernt dem Abdrucke einer Fußsohle). 3) lanceolata von lanceola, kleine Lanze. 4) maior, größer, groß; medius, mittel. ® 228 Wegerichgewächse. Labkrautgewächse. Witterung (Versuch!). Erschüttert man den Blütenstand bei trocknem Wetter, so entweichen aus den Beuteln Wölkchen trocknen Staubes. Dasselbe geschieht natürlich auch, wenn der Wind den langen Schaft hin und her bewegt, und es kann daher nicht ausbleiben, daß auf diese Weise Staub zu den freistehenden Narben gelangt, daß also der Wind die Bestäubung vermittelt. Andrerseits sieht man aber auch, wie die Blüten von Insekten besucht werden, die Blütenstaub verzehren oder „einernten“. Besonders häufig hat sich der „mittlere Wegerich“ eines solchen Besuches zu erfreuen. Seinen Blüten entströmt aber auch ein sehr zarter Duft, und die violetten Staubblätter machen die unscheinbaren Blüten doch weithin bemerkbar. Die beiden andern Arten dagegen haben duftlose Blüten und nur gelbliche oder weiße Staubblätter. Der Wegerich stellt also einen Übergang von den la 7 zu den wind- blütigen Pflanzen dar. 4. Die Frucht ist eine Kapsel, deren a Teil sich bei der Reife ablöst. Da der Blütenstiel nach dem Verblühen hart und elastisch wird, vermag der Wind die kleinen Samen aus ihren Behältern weit herauszu- schleudern. Befeuchtet man die Samen, so wird ihre Oberhaut schleimig und klebrig. Sie haften daher, wenn dies im Freien erfolgt, fest an der Unterlage und vermögen in- folgedessen unbehindertzu keimen. >, 60. Familie. Labkrautgewächse Br (Rubiäceae!). Das Klebkraut (Gälium apa- rine’) ist eine unsrer gemeinsten Pflanzen. Es bewohnt vorwiegend Hecken und Gebüsche und ist wie alle Schattenpflanzen ein über- aus zartes Gewächs. Anfänglich stehen seine Stengel ohne fremde Hilfe aufrecht. Später ist dies den schwach bleibenden, mehrfach ver- zweigten Gebilden, die eine Länge von 2 m erreichen, jedoch nicht mehr möglich: Die Pflanze ist dann nur dadurch imstande, zum Lichte emporzudringen, daß sie sich an ei den Stämmen und Zweigen der Klebkraut. Fruchttragender Zweig Sträucher anhäkelt, unter denen sie (etwas verkl.). dem Boden entsprießt. Befähigt 1) Nach Rubia, s. S. 229. 2) galium von gäla, ‚die Milch; s. Text S. 229; aparine, Klebkraut (vielleicht von apairein, ergreifen). Labkrautgewächse. 229 wird sie hierzu durch rückwärts gerichtete Stacheln, die infolge ihrer Kleinheit und großen Zahl das ganze Gewächs — was bereits sein Name besagt — klebrig erscheinen lassen. Wenn man sieht, wie leicht und fest Zweige des Klebkrautes an unsern Kleidern haften, erkennt man, daß diese Anheftungsweise eine sehr sichere ist. Die Stacheln finden sich an den 4 Kanten des Stengels, sowie an den Rändern und der Mittelrippe der gegenständigen, mit je einem Nebenblattpaare versehenen Blätter. Daß wir es hier wirklich mit Nebenblättern zu tun haben, die mit den Hauptblättern in Form und Größe vollkommen überein- stimmen, geht daraus hervor, daß aus ihren Achseln niemals Zweige entspringen. Fehlen dem Klebkraute fremde Gegenstände zum Anhäkeln, so halten sich die einzelnen Stengel der in großen Trupps wachsenden Pflanze gegenseitig aufrecht: vereinigt werden eben selbst die Schwachen mächtig! Entfernt man von einem solchen Trupp einen Stengel nach dem andern, so sinken die letzten kraftlos um. Aus den kleinen, weißen Blüten entwickeln sich je 2 Teilfrüchtchen, die gleichfalls dicht mit widerhakigen Stacheln bedeckt sind. Infolgedessen bleiben sie leicht an den Haaren vorbeistreifender Tiere hängen und werden auf diese Weise oft über große Bezirke verbreitet. Von den zahlreichen andern Labkrautarten seien hier nur das gelbblühende echte und das weißblühende gemeine L. (G. verum und mollügo!) genannt. Sie be- wohnen trockne, rasige Orte und zeigen dementsprechend auch alle Eigenschaften der Trockenlandpflanzen. Labkräuter heißen sie, weil der Saft mehrerer Arten wie das Lab des Kälbermagens die Milch schnell zum Gerinnen bringt. Dies gilt besonders von der erstgenannten Form (darum „echt!“), die bei den alten Germanen der Freya geweiht war, und von der eine später entstandene Sage erzählt, daß sie das Lager des Christuskindes gebildet habe. Darum heißt sie auch noch heute in manchen Gegenden „Unsrer lieben Frauen Bettstroh“ oder ähnlich. — Besonders in Buchen- wäldern findet sich als ausgeprägte Schattenpflanze der zierliche Waldmeister (Asperula odoräta?). Alle seine Teile enthalten einen scharfriechenden Stoff (Cumarin), durch den Weidetiere abgeschreckt werden, der aber auch die Verwendung der duf- tenden Pflanze als würzende Zutat zum Weine bedingt („Maitrank“). Die Früchte sind „Kletten“ wie die des Klebkrautes. — Reibt man die unterirdischen Stengel (Wurzelstöcke) der Labkraut- und Waldmeisterarten zwischen den Fingern, so sieht man, daß die meisten gelb oder rot färben. In weit höherm Maße ist diese Eigen- schaft aber dem Wurzelstocke der Färberröte oder des Krapp (Rübia tinetörum?) eigen. Die Pflanze stammt aus dem Mittelmeergebiete und ähnelt vollkommen einem Labkraute. Seitdem man versteht, den wertvollen roten Farbstaff, den sie früher allein lieferte, billiger künstlich herzustellen, ist ihr Anbau stark zurückgegangen. Zu der Familie der Labkräuter gehören auch die China- oder Fieberrinden- bäume (Cinchona‘), die auf den südamerikanischen Anden heimisch sind, gegenwärtig aber auch in andern Tropengegenden angebaut werden. Aus der Rinde dieser immer- grünen Gewächse bereitet man ein wichtiges Fiebermittel, das Chinin. — Eine ganz besonders hohe Bedeutung hat für uns ein andres Familienglied erhalten, nämlich: 1) verus, wahr, echt; mollugo von möllis, weich. 2) asperula: äsper, rauh und -ulus, Ver- kleinerungssilbe; odoratus, wohlriechend. 3) rubia, Krapp (von ruber, rot); tinctorum, der Färber (gen. plur.). 4) Eigentlieh Chinchona. Die Gemahlin des spanischen Grafen von Chinchon, Vizekönigs von Peru, wurde 1638 durch Anwendung von Chinarinde vom Wechselfieber geheilt, was zur Verbreitung des Heilmittels viel beitrug. 230 Labkrautgewächse. die Kaffeepflanze (Cöffea aräbica'). 1. Die Kaffeepflanze ist ein kleiner Baum oder ein Strauch, dessen gegenständige, immergrüne Blätter etwa die Form und Größe der Lor- beerblätter besitzen. In den Blattwinkeln stehen Knäuel weißer, kurz- gestielter Röhrenblüten, aus denen die anfangs grünen, dann roten und zuletzt violetten Früchte hervorgehen. Sie sind kleinen Kirschen ähnlich. Das saftige, süße Fruchtfleisch umschließt aber 2 hornartige Samen, die als „Kaffeebohnen“ allgemein bekannt sind, und die nach der Ernte vom Frucht- fleische getrennt werden. .. 2. Das aus den gerösteten und gemahlenen Kaffeebohnen bereitete duftende Getränk, der Kaffee, übt auf uns eine be- lebende Wirkung aus: Gehirn und Nerven werden erregt, das Gefühl der Nüchternheit (Morgenkaffee!), des Durstes und des Hungers wird beseitigt und der Schlaf ver- scheucht. Diese Wirkung ist in erster Linie einem Stoffe, dem Coffein, zuzuschreiben, derin den Bohnen enthalten ist und in den Kaffeeaufguß um so vollständiger übergeht, je feiner diese gemahlen werden. Schon in etwas größerer Menge genossen, ist dieser Stoff aber ein heftiges Gift. Daher er- Zweig der Kaffeepflanze mit Blüten und zeugiiseln starker a iungen Früchten. Daneben eine reife Frucht, klopfen, Blutandrang nach dem von der der obere Teil des Fruchtfleisches abge- Kopfe, Angstgefühl, Muskel- löst ist. F. Fruchtfleisch. S. Samen. (Etw. verkl) zittern und bei fortgesetztem Genusse sogar schwere Nerven- leiden. Irgend welche nährenden Bestandteile enthält der Kaffee nicht: er ist nur ein Reiz- oder Genußmittel wie der Alkohol. In jüngster Zeit hat man gelernt, den Bohnen, ohne daß der Geschmack des Aufgusses wesentlich beeinträchtigt wird, das Gift zum größten Teile 1) coffea aus kd-u-a, dem arab. Namen der Pflanze, entstanden; arabicus, arabisch. Taf. 28. 1. Blühender Zweig. Die Blüten (a) sind am ersten Abend geöffnet. An einer saugt soeben ein Kiefernschwärmer. 2. Blüte am zweiten Abende. 3. Blüte an einem spätern Abende. 4. Fruchtstand. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 28. Ydeısa 72 Wald-Geissblatt (Lonicera periclymenum). Geißblattgewächse. 231 zu entziehen. Solchen eoffeinfreien (richtiger coffeinarmen) Kaffee sollte man mithin nur verwenden. Den Kaffee-Ersatzmitteln (Surrogaten), unter denen Zichorie und Gerste am gebräuchlichsten sind, fehlt das Coffein gänzlich, so daß der Genuß dieser Stoffe auch nicht die Wirkungen des Kaffees im Gefolge hat. 3. Die Heimat der Kaffeepflanze ist wahrscheinlich der gebirgige, öst- liche Teil des heißen Afrika. Sicher ist nur, daß sie zuerst in Süd- Arabien angebaut wurde („Mokka“-Kaffee nach der gleichnamigen Hafen- stadt) und am Ende des 17. Jahrhunderts auf Java eine neue Heimat fand. In der Folgezeit verbreitete sich der Anbau der wichtigen Pflanze über fast ganz Ostindien, ging auf Amerika, besonders auf Brasilien über und hat jüngst auch in den deutschen Schutzgebieten Eingang gefunden. Der Kaffeegenuß ist in Europa erst seit etwa der Mitte des 17. Jahr- hunderts bekannt. 61. Familie. Geißblattgewächse (Caprifoliäceae'). Das Wald-Geißblatt (Lonicera perielymenum?). Tafel 28. 1. Eine Nachtfalterblume. Laubwald und Gebüsch sind im Hoch- sommer oft von dem köstlichen Dufte erfüllt, der den Blüten des Wald- Geißblattes entströmt. Stellt man blühende Zweige der Pflanze in das Zimmer, so erkennt man, daß der Duft besonders abends und nachts sehr stark ist, am Tage dagegen oft gänzlich verschwindet. Diese Tatsache und die lange Röhre der zweilippigen Blüte lassen bereits erkennen, daß wir es hier wie beim nickenden Leimkraute mit einer Nachtfalterblume zu tun haben. Wie bei jener Pflanze öffnen sich die Blüten ferner erst mit Anbruch des Abends, haben eine helle Farbe — sie sind gelblichweiß und außen wie die Knospen oft mit einem rötlichen Anfluge versehen — und stellen sich wagerecht, sobald sie zum Empfange der Besucher bereit sind. Am ersten Abend stehen die 5 Staubblätter vor dem Blüteneingange, während der Griffel mit der Narbe abwärts gebogen ist. Die vor der Blüte schweben- den Schwärmer müssen mit der Unterseite also die Staubbeutel berühren. Am nächsten Abend ist an der Blüte eine merkliche Veränderung ein- getreten: Die Staubblätter sind herabgebogen und die Beutel verschrumpft, während der Griffel mit der Narbe nunmehr ihre Stelle eingenommen hat. Infolgedessen muß jetzt auch die Narbe von dem saugenden Schmetterlinge gestreift werden. Das Tier wird also beim Besuche jüngerer und älterer Blüten unbedingt Fremdbestäubung vermitteln. Die Blüte zeigt am zweiten Abend auch noch andre Veränderungen: Sie ist gedunkelt, und die beiden Lippen haben sich etwas nach hinten aufge- rollt. An den folgenden Tagen nehmen diese Erscheinungen immer mehr 1) Aus capra, Ziege, Geiß und folium, Blatt zusammengesetzt. 2) Lonicera nach dem deutschen Botaniker Lonicer (f 1586); periklymenon bezeichnete bei den Griechen eine rankende Pflanze, vielleicht das Geißblatt. 232 Geißblattgewächse. zu, bis die Blumenkrone schließlich abfällt. Wenn man bedenkt, daß die Blüte durch diese Veränderungen immer unscheinbarer wird, ist auch deren Bedeutung leicht einzusehen: Die anfliegenden Schwärmer werden die hellen, auffälligen Blüten zuerst bemerken, sie also auch zuerst besuchen, um sich danach erst den weniger auffälligen ältern Blüten zuzuwenden. Die Tiere werden beim Besuche der Blüten also (in der Regel) wohl die Reihenfolge innehalten, in der — wie wir oben gesehen haben — allein eine Bestäubung der Pflanze möglich ist. 2. Eine Schlingpflanze. Das Wald-Geißblatt findet man nicht nur seiner duftenden Blüten wegen, sondern weil es sich auch vortreff- lich zur Bekleidung von Lauben eignet, vielfach in Gärten angepflanzt. Es ist nämlich eine Schlingpflanze, eine Liane, die in ihrer Waldheimat mit Hilfe des schwachen, windenden Stammes das Unterholz umschlingt und an niedrigen Bäumen bis in die Kronen.emporsteigt. Im Vollgenusse des Lichtes breitet sie dort die mit einer bläulichen Wachsschicht über- zogenen, elliptischen Blätter aus. Wie im Sommer die Schwärmer, so lockt das Geißblatt im Herbste die Waldvögel herbei: Diese verspeisen die roten, saftigen Beeren und säen deren Samen aus. Nach den Früchten führt die Pflanze wie ihre nächsten Verwandten, von denen zahlreiche meist ausländische Arten in Parkanlagen angepflanzt werden, auch den Namen „Heckenkirsche“. Eine solche außerdeutsche Form ist der bekannte Jelängerjelieber (L. caprifölium!), der in Südeuropa heimisch, bei uns aber vielfach verwildert ist. Wir lieben ihn besonders an der „Geißblattlaube“, die er mit dichtem Grün bekleidet und mit dem herrlichen Dufte seiner Blüten erfüllt. Er ähnelt dem Wald-Geißblatte, das darum auch „Wald- oder deutscher Jelängerjelieber“ genannt wird, in allen Stücken. Als bemerkenswerter Unterschied sei nur hervorge- hoben, daß bei ihm die obern Blätter am Grunde miteinander verschmolzen sind, so daß der Stengel durch sie hindurch gewachsen erscheint. — Die in Laubwäldern und Gebüschen häufigste einheimische Art ist die gemeine Heckenkirsche (L. xylö- steum?). Sie ist im Gegensatz zu den beiden vorher erwähnten Formen keine Schling- pflanze (Stengel verhältnismäßig kräftig!). Da sie weit kürzere Blüten besitzt, wird sie vorwiegend von Hummeln bestäubt und ist eine „Tagblume“. Die leuchtend roten Beeren stehen stets zu zweien dicht beieinander und sind am Grunde verwachsen. — Der Holunder (Sambücus nigra?) war bei den alten Germanen der hohen Göttin Freya oder Holla geweiht, deren Name in dem Worte Holunder (aus Holla und tar, der Baum) wahrscheinlich bis heute erhalten ist. Darum findet sich der Holunder auch noch jetzt fast ausschließlich in der Nähe menschlicher Wohnungen, und viele Sagen, Märchen und Volksbräuche, die bis in die heidnische Vorzeit zurückreichen, knüpfen sich an ihn. Die Zweige, die jung ein sehr dickes Mark haben, tragen unpaarig ge- fiederte Blätter und enden in große Blütenstände, die Trugdolden darstellen. In- folge der beträchtlichen Häufung werden die weißen und stark duftenden Blüten trotz ihrer Kleinheit weithin auffällig. Dasselbe gilt von den kleinen, schwarzen Stein- früchten, die sich von den roten Fruchtstielen und den grünen Blättern deutlich ab- heben und von zahlreichen Vögeln mit Vorliebe verzehrt werden. Diesen Verbreitern verdanken die Holundersträucher, die man nicht selten auf Mauern und an andern unzugänglichen Orten findet, ihre Entstehung. Während die getrockneten Blüten einen 1) s. S. 231, 1. 2) zylostewm: aylon, Holz und osteon, Knochen (wegen der Härte des Holzes). sambucus, Holunder; niger, schwarz. Geißblattgewächse. Baldrian- und Kardengewächse. 233 viel gebrauchten schweißtreibenden Tee liefern, werden die saftigen, ungenau als Beeren bezeichneten Früchte mehrfach in der Küche verwendet. — In feuchten Ge- büschen, an Flußufern und ähnlichen Stellen, sowie als Unterholz in Laubwäldern findet sich der gemeine Schneeball (Vi- bürnum öpulus?!), der an den drei- bis fünflappigen Blättern, an den leuchtend roten Früchten und den eigentümlichen Blütenständen leicht zu erkennen ist. Während die innern Blüten der Trug- dolde nämlich klein und unscheinbar sind, haben die am Umfange stehenden stark vergrößerte Blumenkronen, besitzen aber weder Stempel, noch Staubblätter und bringen demnach auch keine Früchte hervor. Sie sind aber für die Pflanze durchaus nicht bedeutungslos, machen sie doch die von ihnen eingeschlossenen fruchttragenden Blüten für die Besucher auffälliger. Den kugeligen Blütenständen, die wir bei den in Gärten und Parkanlagen angepflanzten Exemplaren zumeist antref- fen, verdankt der Strauch seinen Namen. — In Berg- wäldern Süd- und Mittel- deutschlands ist der wollige Schneeball (V. lantäna?) Schneeball. Blütenstand mit unfrucht- baren Randblüten. heimisch, der gleichfalls \N überall als Zierstrauch an- \ getroffen wird und sich durch _ \N unterseits filzige Blätter \y charakterisiert. Er ist be- sonders dadurch merkwürdig, daß seine jungen Blätter und Blütenstände, ohne in Knos- pen eingeschlossen zu sein, frei überwintern. — Sehr häufig ist in Parkanlagen auch die Schneebeere (Symphoricärpus racemösus®) angepflanzt, die aus 2 Nordamerika stammt. Ihre Früchte bleiben noch lange Wolliger nach dem Laubfalle an den Zweigen hängen und sind 2 Sch BB infolge ihrer weißen Farbe sehr auffällig (Schneebeere!). ? Zweige im Winter mit 4 lungen Blättern und ame B ; Blütenständen. 62. u. 63. Familie. Baldrian- und Karden- 2 ER TER gewächse (Valerianäceae * und Dipsäceae?). | 1. Baldriangewächse. Der echte Baldrian (Valeriäna officinälis‘) liefert uns in seinem Wurzelstocke, dessen Geruch die Katzen lieben (Katzenkraut!), ein wichtiges Heilmittel. Die Pflanze, die fast Manneshöhe erreichen kann, wächst in feuchten Pre 1) viburnum, Schneeball (Pflanze); opulus, wahrscheinl. der Feldahorn (Ähnlichkeit der Blätter). 2) antana aus dem Italienischen. 3) symphoricarpus: symph£ro, ich trage oder häufe zusammen und karpös, Frucht (Früchte gehäuft!); racemosus, mit Trauben. 4) s. Anm. 6. 5) s. S. 234, 4. 6) vale- riana nach einem (unbekannten) Manne namens Valerius; offieinalis, in der Apotheke verwendet. 254 3aldrian- und Kardengewächse. Wäldern, auf Wiesen und an Flußufern, hat gefiederte Blätter und kleine, rötliche Blüten, die aber zu ansehnlichen, doldenartigen Blütenständen gehäuft sind. Die ein- samigen Schließfrüchtchen besitzen je eine „Federkrone“, die der Verbreitung der Elze dient. — Ein handhohes Gewächs ist das Rapünzchen (Valerianella olitöria'), das gern als zeitige Salatpflanze (Feldsalat) angebaut wird. Es entstammt dem mittel- ländischen Pflanzengebiete, ist aber bei uns vollständig heimisch geworden. 2. Die Kardengewächse nähern sich im Blütenbau der großen Familie der Korb- blütler (s. w. u.) in hohem Maße. Wie uns z. B. die Tauben-Skabiose (Scabiösa columbäria® 2) zeigt, die auf trocknen Wiesen und an ähnlichen Orten vielfach vorkommt, sind die kleinen, lilafarbenen oder weißen Blüten zu ansehnlichen, etsahlenden? Köpfchen gehäuft, stehen in den Achseln von „Spreublättern“, werden in ihrer Gesamtheit von einem „Hüllkelche* umgeben und besitzen einen Kelch, der die Schließfrüchtchen wie ein häutiger Saum krönt und wie bei zahlreichen Korbblütlern als Fallschirm in den Dienst der Windverbreitung, tritt. — Ganz ähnlich gebaut sind die meist bläulichen Köpfchen der Acker-Skabiose (Knaütia arvensis®), die auf Feldern, Rainen und trocknen Wiesen sehr häufig anzutreffen ist. — Die Kardendistel (Dipsacus silvestris!) dagegen, die sich an Waldrändern und unbe- bauten Orten findet, hat langgestreckte Blütenköpfe, an denen die stachelspitzigen Spreublätter die rötlichen Blüten und später die Früchte überragen. Da zudem auch die Blätter des Hüllkelches dicht mit Stacheln besetzt sind, stellt das Köpfchen zur Zeit der Fruchtreife ein überaus stacheliges Gebilde dar. Auch die Mittelrippen der Blätter, sowie besonders die Stengel und Zweige sind dicht mit Stacheln bewehrt, so daß das fast mannshohe Gewächs zu 3 vielfach von Pflanzenfressern gemieden wird. Indem die = untern Abschnitte der gegenständigen Blätter miteinander a verwachsen, entstehen merkwürdige Becken, die durch Fruchtstand der Karden- das ablaufende Regenwasser gefüllt werden. Kriechen nun distel (?/, nat. Gr.). Insekten, die dem Honig in den Blüten einen Besuch ab- statten wollen, an dem Stengel empor, so fallen sie in die Behälter und müssen ertrinken, und welche Mengen von Insekten hierdurch ums Leben kommen, ist erstaunlich! Das Wasser erhält infolgedessen eine jaucheartige Beschaffenheit. Ob aber die Pflanze einen Teil dieser „düngenden“ Flüssigkeit auf- saugt, ist noch nicht sicher festgestellt. — Eine nahe verwandte, aus Südeuropa stammende Art, die Weberkarde (D. fullönum°), wurde früher — wie der Name an- deutet — in den Webereien zum Rauhen oder Karden des Tuches verwendet. 1) valerianella, zusammengesetzt aus valeriana (s. S. 233, 6) und der Verkleinerungssilbe -ella; olitorius, gemüseartig. 2) seabiosa von seäbies, Krätze (diente früher gegen die Krätze); columbaria von colıımba, Taube (vielleicht nach der Blütenfarbe oder weil die Tauben die Samen gern verzehren). 3) Knantia nach dem Botaniker Knaut in Halle (7 1716); arvensis, auf dem Acker wachsend. 4) dipsacus von dipsdo, ich dürste (s. Text); silvestris, im Walde wachsend. 5) fullonum ist gen. plur. von fullo, der Walker (besorgt die Appretur des Tuches). Taf. 29. 1. Blühende Pflanze mit möhrenförmiger Wurzel. 2. Pflanze mit langen Ausläufern. 3. Geöffnete Blütenknospe. 4. Etwas ältere Blüte nach Entfernung der Blumenkrone; sie bietet den Blütenstaub aus. 5. Noch ältere Blüte: der Blütenstaub ist bis auf einige Reste abgeholt, und die Narben sind entfaltet. 6. Früchte, geöffnet. 7. Früchte, die sich infolge feuchter Witterung wieder geschlossen haben. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 29. Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia). Glockenblumengewächse. 235 64. Familie. Glockenblumengewächse (Campanuläceae°). Die rundblättrige Glockenblume (Campänula rotundifölia®). Tafel 29. A. Wie sie grünt. Die zierliche, sehr veränderliche Pflanze liebt sonnige Standorte: trockne Wiesen, Wegränder, Bergabhänge, lichte Waldstellen u. dgl. Gräbt man sie aus dem Boden, so sieht man, dab die unterirdischen Teile sehr verschieden ausgebildet sind. Meist trifft man auf eine starke, fast möhrenförmige Wurzel, die wie bei zahl- reichen andern Trockenlandpflanzen tief in den Boden hinabsteigt. Andern Exemplaren dagegen fehlt eine solche Wurzel. Sie bilden zahlreiche meist fadenförmige und mehrfach verzweigte unterirdische Ausläufer, die durch Nebenwurzeln den obern Bodenschichten das notwendige Wasser entziehen. Erheben sich diese langen, bleichen und nur mit schuppenförmigen Blättern besetzten Gebilde über die Erde, so werden sie zu grünenden Trieben. Lösen sich diese später von der Mutterpflanze ab, so stellen sie selbständige Pflanzen dar (Ver- mehrung!. An dem kurzen oberirdischen Stamme bilden sich kurze und lange Zweige. Die nicht blühen- den Kurztriebe tragen langgestielte, rundliche und am Rande meist gekerbte Blätter. Ebenso gestaltete Blätter finden sich am untern Teile der blütentragenden Zweige, die stark in die Länge gestreckt sind. Nach Sr oben hin verschmälern sich die Blätter dieser Lang- Blütengrundriß der triebe aber immer mehr, bis sie endlich fast linien- Glockenblume. förmig und ganzrandig werden. B. Wie sie blüht. 1. Wenn sich die anfangs aufrecht stehenden Blüten öffnen, neigen sie sich in der Regel durch Krümmung ihrer Stiele herab, _— so daß Blütenstaub und Honig vortrefflich gegen Regen geschützt sind. Die meist dunkelblaue Blumenkrone bildet ein zierliches Glöckchen, das sich in 5 zurückgebogene Zipfel spaltet. Die Glockenblume bietet somit die Außenseite ihrer Blüten den Blicken der Insekten dar; sie verhält sich in dieser Hinsicht also umgekehrt wie die meisten andern Pflanzen, eine Tatsache, die auch = die lebhaftere Färbung dieser Seite vollauf ver- Rundblättrige ständlich macht. Der Kelch ist im untern Teile Glockenblume. mit dem Fruchtknoten innig verwachsen, im oben an len Sue 5 BD ; ? schnitt. Fruchtknoten dagegen in 5 fadenförmige Zipfel gespalten, die von „us einer Blütenknospe. der Blumenkrone nichts verdecken. Der Oberfläche Auf der Griffelbürste ist des Fruchtknotens ist die ringförmige, gelbe noch kein Blütenstaub ee abgelagert. H. Honig- 1) campanula, Glöckcehen; rotundifolius: rotundus, rund und drüse, 2. taubblatt aus folium, Blatt. derselben Blüte. wor ARE 236 : Glockenblumengewächse. Honigdrüse aufgelagert. Sie umgibt den Griffel und ist von den stark verbreiterten untern Abschnitten der 5 Staubblätter wie von einem Gewölbe überdacht, so daß nur 5 spaltenförmige Zugänge zum Honig vorhanden sind. Da die Spalten zudem durch Härchen, die von den Rändern der Staubblätter ausstrahlen, versperrt werden, ist kleinen und daher unnützen Blütengästen der Zutritt zum süßen Safte verwehrt. Größere Insekten dagegen können die Haarreusen mit Hilfe des Rüssels leicht durchdringen und bis zum Honig hinabreichen. 2. Um zu erkennen, wie diese Gäste die Bestäubung vermitteln, muß man die Entwicklung der Blüte genauer verfolgen. a) Öffnet man eine noch aufrecht stehende Blütenknospe, deren Blumenkrone sich blau zu färben beginnt, so sieht man, wie der obere Teil des Griffels rings mit Haaren besetzt ist, so daß er einem Zylinderputzer ähnelt. Die Staubbeutel sind noch mit Biütenstaub gefüllt und liegen dem Griffel dicht an. b) Bei einer etwas ältern, aber gleichfalls noch geschlossenen Blüte bemerkt man, wie sich die Staub- beutel nach innen öffnen und den grün- blauen Blütenstaub auf der „Griffel- bürste“ ablagern. Die entleerten Staub- beutel verschrumpfen darauf. Dies gilt auch von den Staubfäden bis auf ihre stark verbreiterten untern Ab- schnitte, die ja — wie erwähnt — als „Saftdecke“ dienen. Während sich der Griffel in die Länge streckt, öffnet sich jetzt die nickend gewordene Blüte, und der Blütenstaub wird von größern Insekten, die zum Honig vordringen, leicht abgestreift. c) Nach einiger Zeit verschwin- den die Haare der Griffelbürste; die Wiesen-Glockenblume. Sarnen dagegen, = Beber re Blüten 1. in Tag- und 2. in Nacht- zusammen lagen, spreizen auseinander, stellung. 3. Geöffnete Frucht. so daß letzt erst eine Bestäubung erfolgen kann. Da nun die Narben- äste in der Blüte dieselbe Stelle einnehmen wie vorher der abgelagerte Blütenstaub, so werden beide, Blütenstaub und Narbe, von den Besuchern auch mit demselben Körperteile gestreift. Dabei müssen die Insekten Blütenstaub jüngerer Blüten auf die Narben älterer tragen, also Fremd- bestäubung vermitteln, die — wie wir schon mehrfach gesehen haben — in der Regel von erhöhter Fruchtbarkeit begleitet ist. Glockenblumengewächse. 237 C. Wie sie Früchte trägt. Der Fruchtknoten, von dem sich die vertrocknete Blumenkrone meist nicht ablöst, entwickelt sich zu einer dreifächerigen Kapsel. Diese hängt wie die Blüte abwärts und öffnet sich an ihrem untern Teile derart, daß drei scharf umgrenzte Stücke der Fruchtwand wie Klappfenster herabschlagen. Aus diesen Öffnungen schüttelt der Wind die kleinen Samen heraus und verstreut sie, da die Kapsel auf einem hohen und elastischen Stengel steht, über einen großen Umkreis. Öffnete sich die Kapsel wie z. B. die von Schlüsselblume und Steinnelke an ihrem obern Teile, so würden die Samen sämtlich in un- mittelbarer Nähe der Mutterpflanze zu Boden fallen und die Keimpflänz- chen sich gegenseitig Licht, Nahrung und Raum streitig machen. Stellt sich feuchte Witterung ein, die den Samen verderblich werden könnte, so schließen sich die „Fensterehen“ wieder. Andre Glockenblumengewächse. Von den zahlreichen andern Glockenblumen, deren blaue Blüten unsre Fluren schmücken, sei nur die häufigste, die Wiesen-&. (C. pätula), er- wähnt. Ihre rotblauen Blüten stehen im Gegensatz zu denen der eingehend betrachteten Art aufrecht, werden aber mit Beginn der Dämmerung und beim Eintritt feuchter Witterung nickend: So finden Blütenstaub und Honig, wenn sie am meisten ge- fährdet sind, doch den Schutz, den sie in hängenden Blüten stets genießen. Auch die Früchte stehen aufrecht. Im Gegensatz zu den Arten mit hängenden Früchten bilden sich dementsprechend auch hier die „Fenster- chen“ am obern Teile der Fruchtkapseln, eine Erscheinung, die auch bei allen andern For- men mit aufrecht stehenden Früchten zu be- m, obachten ist. — Die großblumige, blau oder III weiß blühende &arten-Glockenblume oder Marienglocke (C. medium?°), die häufig als Zierpflanze gezogen wird, stammt aus Südeuropa. Teufelskralle. Neben den Glockenblumen gehören zu der Familie auch einige Pflanzen, _—= die man leicht für Korbblütler halten könnte; denn ihre kleinen Blüten, die erst in großer Anzahl auffällig werden, sind wie bei diesen Gewächsen zu an- sehnlichen Köpfchen gehäuft. Es seien hier genannt: die zierliche, blau blü- hende Schaf-Skabiose (lasione montäna°), die auf sonnigen und sandigen Stellen wächst, sowie die weiß oder violett blühende Teufelskralle (Phyteüma spicatum‘), die auf Bergwiesen und im Schatten des Waldes gedeiht. Oberer Stengelteil mit dem Blüten- stande. 1) patulus, offenstehend, ausgebreitet (Blütenform!). 2) medium von medion, einer unbekannten Pilanze der alten Griechen. 3) iasione von iasis, Heilung; montanus, auf Bergen wachsend. 4) phy- teıuma wie medium, s. Anm. 2; spiedtus von spiea, Ähre. 238 Kürbisgewächse. 65. Familie. Kürbisgewächse (Cucurbitäceae'). Der Kürbis (Cucürbita pepo'). A. Frucht und Verwendung. Den Kürbis baut man in zahlreichen Spielarten vorwiegend seiner Früchte wegen an, die von sehr verschie- dener, oft riesiger Größe und grün, weiß oder bunt gefärbt sind. Sie werden vom Menschen verspeist (Speisekürbisse) oder den Haustieren als Futter vorgelegt. Andre Spielarten dagegen pflanzt man nur zur Zierde (Zierkürbisse): Man erfreut sich an den oft seltsamen Formen der Früchte oder benutzt die kletternde, großblättrige Pflanze zur Bekleidung von Lauben u. dgl. Stellt man durch die unreife Frucht einen Querschnitt her, so sieht man, wie von der ringförmigen Wand meist 3, seltener 4 oder 5 „Zapfen“ in das Innere vorspringen, und wie in diese Zapfen am Grunde mehrere Reihen von Samen eingebettet sind. An der reifen Frucht ist die Wand bis auf die harte Außenschicht („Rinde“) von fleischiger Beschaffenheit, während sich die Zapfen in eine faserige, klebrige Masse verwandelt haben. Welche Bedeutung hat diese eigentümliche Zweiteilung der Fruchtwand? B. Samen und Keimung. 1. Legen wir einige Samen („Kürbis- kerne“), die noch mit Teilchen des klebrigen Fruchtfleisches oder mit dessen 1. Safte behaf- tet sind, auf — — feuchten — = _ 2. > Boden (Blu- gg : mentopf), so verkleben En Aubetı. . f Keimunrg des Kürbis. —= S== sie bald mit Ziffern sind im Texte erklärt. F E N, der Erde. Sorgen wir sodann für die nötige Feuchtigkeit und Wärme, so fangen sie an zu keimen: Aus einem kleinen Loche am zugespitzten Ende (1) tritt zuerst die Haupt- = wurzel hervor. Sie senkt sich sofort in den Boden und verzweigt sich daselbst sehr bald (2): alles Erscheinungen, wie wir sie bereits bei der keimenden Bohne kennen gelernt haben. Nunmehr beginnt sich der Stengelteil, der mit der Wurzel ins Freie getreten ist und sich gleichfalls nach unten gewendet hat, stark in die Länge zu strecken. Da aber die Wurzel im Boden befestigt und die Samenschale mit der Erde verklebt ist, entsteht an dem wachsenden Stengel ein kleiner, nach oben gerichteter Bogen (3). Infolge fortgesetzten Wachstums wird dieser Bogen immer straffer gespannt, bis endlich die Keimblätter aus der Samenschale heraus gezogen werden. Bei dieser Arbeit kommt dem Stengel noch ein kleiner Wulst zu statten, der sich an ihm bildet. Er drückt die untere 1) cuceurbita, Kürbis; pepo von pepon, eine Gurkenart bei den Griechen und Römern. Kürbisgewächse. 239 Hälfte der Schale nach unten und verschwindet wieder, sobald die Keim- blätter aus ihrer Hülle befreit sind. Legen wir neben diese Samen einige andre, von denen wir jede Spur des Fruchtfleisches und seines Saftes sorgfältig entfernt haben, so keimen diese gleichfalls bald. Da sie aber mit der Erde nicht verkleben, so wird dabei die Samenschale wie eine Mütze mit empor gehoben. Die Keimblätter vermögen sich aus ihr nicht oder nur schwer zu befreien, so daß die junge Pflanze verkümmert oder wohl gar zugrunde geht. Diese Tatsache zeigt, wie wichtig es für den Kürbis ist, daß die Samen- schalen mit dem Erdboden verkleben, oder anders ausgedrückt, daß sich Teile der Fruchtwand, die „Zapfen“, bei der Reife in eine klebrige Masse verwandeln. Legen wir nun drittens auch einige Samen in den Boden, so hält die obere Erdschicht die Fruchtschale fest, und die Keimung kann un- ‚gestört erfolgen, ganz gleichgültig, ob noch Fruchtfleisch an den Samen haftet oder nicht. Dieser Fall wird beim wildwachsenden Kürbis aber schwerlich einmal eintreten. Die Samen werden wohl stets auf den Erd- boden zu liegen kommen, und dort bedürfen sie, wie wir gesehen haben, einer besondern Befestigung an das „Keimbett“. 2. Hierbei kommt den Samen ihre Form wesentlich zu statten: Da sie flache, breitgedrückte Gebilde sind, berühren sie den Boden stets mit einer Breitseite, bieten ihm also eine große Befestigungs- oder Klebfläche dar. 3. Die Frucht des Kürbis springt, um die Samen zu entlassen und zu verstreuen, von selbst nicht auf. Bei den angebauten Pflanzen ist hierzu die Hilfe des Menschen, bei wildwachsenden die von Tieren (Wild- schweinen, Hirschen u. a.) nötig. Gleich zahlreichen andern Gewächsen, deren Samen durch Tiere verbreitet werden, besitzt daher auch der Kürbis ein Anlockungsmittel für seine Verbreiter, es ist die Wandschicht der Frucht, die zur Zeit der Reife eine wohlschmeckende, fleischige Masse bildet. Wenn etwa ein Wildschwein eine Frucht verzehrt, wird es sicher auch zahlreiche Samen mit verspeisen. Bei der großen Menge der Samen ist dies für die Pflanze jedoch kein besonderer Verlust. Andrer- seits werden aber dem Tiere auch öfter einige Kürbiskerne an Maul und Füßen kleben bleiben, so daß auf diese Weise die Pflanze über ein weites Gebiet verbreitet werden kann. 4. Hat der Stengel die Keimblätter aus der Samenschale befreit, so streckt er sich gerade, und die ergrünenden Keimblätter biegen sich aus- einander, so daß sie von den Sonnenstrahlen durchleuchtet und durch- wärmt werden können. Mit Eintritt der Dunkelheit dagegen klappen sie wieder zusammen: Sie nehmen Nacht- oder Schlafstellung ein, eine Erscheinung, deren Bedeutung wir bereits früher (S. 148) kennen gelernt haben. Durch die zusammengeneigten Keimblätter wird zugleich die zarte Knospe überdeckt und somit gegen zu starken Wärmeverlust geschützt. 240 Kürbisgewächse. Da es nun ohne Wärme kein Wachstum gibt, ist also auch in dieser Hinsicht die Schlafstellung der Keimblätter für die Pflanze von Vorteil. 5. Ein solcher Schutz ist für die Knospe um so wichtiger, als der Kürbis gegen Wärmeverlust außerordentlich empfindlich ist. Schon der geringste Frost tötet ihn, und seine Samen keimen erst bei einer Wärme von wenigstens 11—16° C. Diese Tatsachen zeigen deut- lich an, daß die Heimat der Pflanze nicht in unsern Gegenden zu suchen ist. Wahrscheinlich ist sie das tropische Amerika. Die Empfind- lichkeit des Kürbis gegen Kälte veranlaßt uns auch, seine Samen (sowie die der Gurke) erst dann ins freie Land zu legen, wenn wir keine Nacht- fröste mehr zu befürchten haben, also etwa Mitte Mai. G. Stengel, Ranken und Blätter. 1. Alle grünen Teile sind mit srößern oder kleinern Stacheln bedeckt, die — nach ähnlichen Er- scheinungen in unsrer Heimat zu schließen — bei der wildwachsenden Pflanze wahrscheinlich ein Schutzmittel gegen Tiere darstellen. An den Blattstielen sind sie besonders stechend. 2. Der fünfkantige, hohle Stengel ist saftreich und nicht imstande, sich empor zu richten oder gar die Last der Blätter und Früchte zu tragen. Er liegt entweder dem Boden auf oder klettert mit Hilfe von Ranken, die neben den Blättern entspringen, an fremden Gegenständen empor. Jede Ranke besteht aus einem Stiele, der am Ende meist sechs Äste trägt. Wie selbst an einem abgeschnittenen Zweigstücke, das man in ein Gefäß mit Wasser stellt, leicht zu beobachten ist, suchen die Rankenäste gleich den Ranken des Weinstockes (s. das.) kreisend eine Stütze. Haben sie eine solche gefunden, dann umschlingen sie diese und ziehen sich — wobei sie die Richtung vielfach ein oder mehrere Male wechseln — korkzieherartig zusammen. 3. Die sehr großen, herzförmigen Blätter besitzen je nach der Spiel- art 5 oder 7 mehr oder weniger tief eingeschnittene Lappen und sind um den Stengel in einer Spirale angeordnet (s. S. 196, 1). Da der Kürbis am Boden liegt oder an andern Gegenständen emporklettert, ist er auch nur von einer Seite belichtet. Dorthin richten sich alle Blätter: indem die Blattstiele die mannigfasten Krümmungen ausführen, heben sie die Blatt- flächen erstlich von der Unterlage (Erdboden, Stütze) ab und stellen diese zweitens abwechselnd rechts und links vom Stengel, so daß sie alle der Sonnenstrahlen teilhaftig werden. Da die Blattflächen zudem diejenige Richtung zu den Sonnenstrahlen einnehmen, in der sie am besten durch- leuchtet werden, ist die Spiralstellung in allen Stücken aufs voll- kommenste „korrigiert“. Große Blätter sind der Gefahr, vom Winde zerrissen zu werden, viel stärker ausgesetzt als kleinere. Bei herzförmigen Blättern, wie sie der Kürbis besitzt, ist nun wieder der Blattgrund am meisten gefährdet. Da jedoch die äußersten großen Seitennerven bis zu ihrer ersten Ver- zweigung sehr stark sind und auf dieser Strecke zugleich den Rand der Blattfläche bilden, sind die Blätter am Grunde gleichsam gesäumt Kürbisgewächse. 241 wie ein Tuch oder dgl. und somit gegen das Einreißen vortrefflich geschützt. D. Blüte und Bestäubung. 1. Die Blüten erheben sich auf kurzen Stielen aus den Blattwinkeln und sind infolge ihrer Größe auch einzeln sehr auffällig. Der Kelch ist bis auf 5 Zipfel vollkommen mit dem untern Teile der gelben, trichterförmigen und gleichfalls fünfzipfeligen Blumenkrone verwachsen, deren Innenseite dicht mit feinen Härchen bedeckt ist. Der Grund der Blüte wird von einer gelben, fleischigen Masse ausgekleidet, in der wir — wie schon der Geschmack erkennen läßt — die Honigdrüse vor uns haben. — Soweit stimmen sämtliche Blüten miteinander überein. Hinsichtlich der Befruchtungswerkzeuge macht sich aber ein sehr bemerkenswerter Unterschied geltend: 2. In der Mehrzahl der Blüten finden sich nur Staubblätter. Diese „Staubblüten“; bringen selbstverständlich auch keine Früchte hervor und werden darum im Volksmunde als „taub“ bezeichnet. Die Staub- beutel sind miteinander zu einer kurzen 'Säule verwachsen, die auf Blüten vom Kürbis und ihre Grundrisse. 1. Staub- und 2. Stempelblüte (verkl.). 3 „Trägern“ ruht, so daß sich das ganze Gebilde wie ein Dreifuß übeı der napfförmigen Honigdrüse erhebt. Wie der Augenschein lehrt, haben wir in den „Trägern“, zwischen denen nur je eine Lücke zum Honig offen bleibt, die Staubfäden vor uns. Da zwei „Träger“ den dritten an Stärke aber weit übertreffen, so ist dies ein Zeichen, daß sie durch Ver- schmelzung je zweier Staubfäden entstanden sind. In der Blüte sind also, den übrigen „fünfzähligen“ Blütenteilen entsprechend, auch 5 Staub- blätter vorhanden. (So sind auch die meist 3 Fruchtfächer durch Ver- schmelzung aus 5 hervorgegangen.) 3. Die andern Blüten besitzen nur je einen Stempel; es sind also Stempel- oder Fruchtblüten. Der unterständige Fruchtknoten, dessen Bau wir bei der Betrachtung der Frucht bereits kennen gelernt haben, ist in einen säulenförmigen Griffel verlängert, der eine große, fünflappige Narbe trägt. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 16 242 Kürbisgewächse. 4, Der Kürbis ist also wie z. B. der Haselnußstrauch eine ein- häusige Pflanze. Wie bei allen Gewächsen dieser Art ist auch bei ihm Selbstbestäubung, die in der Regel eine geringere Fruchtbarkeit im Ge- folge hat, völlig ausgeschlossen. Insekten besorgen die Übertragung des Blütenstaubes. . Andre Kürbisgewächse, Eine weit höhere Bedeutung als der Kürbis hat die ihm in allen Stücken ähn- liche Gurke (Cücumis sativus'), die aus Ostindien zu uns gekommen ist. Sie besitzt aber einfache Ranken und langgestreckte Früchte. — Ostindien ist gleichfalls die Heimat der Zuckermelone (©. melo?). auch kurz „Melone“ genannt. Das gelbliche, würzhafte Spritz- gurke. Ein Zweig mit Blatt und Frucht. Die Frucht hat sich vom Stiele abgelöst, so daß die Samen daraus hervor- spritzen. (Nat. Gr.) FH AILIUTZZ D Weiße Zaunrübe. Stengelende mit Ranken. Fleisch der kürbisähnlichen Früchte wird als wohlschmeckendes und erfrischendes Obst hoch geschätzt. Deshalb ist die Pflanze auch über fast alle warmen und wärmern Länder verbreitet worden. Bei uns gedeiht sie nur in Treibhäusern. — Eine ähnliche jedeutung und Verbreitung hat die Wassermelone (Citrüllus vulgäris?). Sie stammt aus dem heißen Afrika. Ihre grünen, kürbisgroßen Früchte besitzen ein rötliches und sehr saftiges (Name!) Fleisch und schwarze Samen. — Das tropische Asien und Afrika sind die Heimat der Luffapflanze (Luffa eylindrica®), die in neurer Zeit in allen heißen Ländern kultiviert wird. Das feste Gefäßbündelnetz der gurkenartigen Früchte wird zu den bekannten Luffaschwämmen, sowie zu leichten Schuhen u. dgl. verwendet. Mit Hilfe einfacher Ranken, die so empfindlich sind, daß sie sich schon nach einer kurzen Berührung krümmen, klettert die Zaunrübe (Bryönia’) an Zäunen und Ge- 1) cucwmis, Gurke; salivus, angebaut. 2) melo, Name eines Kürbisgewächses bei den Römern, wahrscheinlich der Melone. 3) eitrullus wohl aus dem ital. Worte eitriuölo, Gurke gebildet; vaul- garis, gemein. 4) luffa von luff, dem arab. Namen der Gattung; eylindricus, zylindrisch (Form der Frucht!). 5) von bryein, wuchern. Pe Korbblütler. 243 büschen empor. Sie besitzt — wie gleichfalls in ihrem Namen ausgedrückt liegt — eine rübenförmige, sehr giftige Wurzel und wird durch Vögel verbreitet, denen die saftigen, schwarzen oder roten Beeren zur Nahrung dienen. An dieser Färbung der Früchte lassen sich auch leicht die beiden Arten, die schwarzbeerige und die rotbeerige Z. (B. alba u. dieca!), erkennen. — Eine Pflanze mit sehr merkwürdiger Samenverbrei- tung ist die Spritzgurke (Eebällium elaterium°), die in den Mittelmeerländern heimisch ist und bei uns der eigentümlichen Früchte wegen ab und zu in den Gärten gezogen wird. Die etwa 4cm langen, gurkenähnlichen Gebilde lösen sich bei der Reife von den Stielen, und in demselben Augenblick spritzt aus der entstandenen Öffnung der schleimige Inhalt samt den Samen in kräftigem Strahle hervor. Infolgedessen fallen die Samen mehr oder weniger weit von der Mutterpflanze entfernt zu Boden. Werden nun gar Tiere, die durch Anstreifen die Frucht von den Stielen lösen, von dem „Ge- schosse“ getroffen, so kann die Pflanze infolge dieser Einrichtung über größere Be- zirke verbreitet werden. 66. Familie. Korbblütler (Compositae °). Zahlreiche kleine Blüten sind zu einem köpfehenartigen Blütenstande gehäuft und werden von einer gemeinsamen Hülle umgeben, so daß das Ganze das Aussehen einer einfachen Blume erhält (Blütenkorb). Einzelblüte: Kelch wenig ausgebildet oder in eine Haarkrone (Pappus) umgewandelt; Blumenkrone entweder röhren- oder zungen- förmig; Beutel der 5 Staubblätter zu einer Röhre verwachsen, die den Griffel um- schließt; der unterständige Fruchtknoten entwickelt sich zu einer einsamigen Schließ- frucht (Achäne). 1. Die Sonnenblume oder Sonnenrose (Heliänthus ännuus?). A. Bedeutung. Die Sonnenblume ist eine riesenhafte Sommerpflanze, die aus dem heißen Amerika zu uns gekommen ist. Sie ist wegen der mächtigen, leuchtenden „Blumen“, die sich — wie ihre Namen besagen — mit strahlenden Sonnen vergleichen lassen, eine allgemein beliebte Zierde der Gärten. In einigen Gegenden, namentlich in Süd-Rußland und den Balkanstaaten, wird sie aber auch der Früchte halber angebaut. Man schlägt daraus ein wertvolles Öl, das als Speise- und Brennöl, sowie zur Bereitung feiner Seifen und in der Ölmalerei verwendet wird. B. Stengel. Die Früchte, die man im Frühjahre in die Erde legt, entwickeln sich schnell zu kräftigen Pflanzen, die nicht selten eine Höhe von 3 m und darüber erreichen. Ihr oft armdicker Stengel ist nur im obern Teile verzweigt, wie alle grünen Teile mit steifen Haaren besetzt und bildet eine weite Röhre (s. Roggen), die mit lockerm Marke angefüllt ist. Ü. Blätter. Eine Pflanze von solcher Höhe ist aber den Einwirkungen des Windes in hohem Grade ausgesetzt, zumal sie sehr große Blätter besitzt. Da die Blattflächen aber von langen, beweglichen Stielen ge- tragen werden, können sie dem Anpralle des Windes leicht ausweichen. Auch der am meisten gefährdete herzförmige Blattgrund reißt selbst bei heftigen Stürmen kaum jemals ein; denn die untersten, sehr starken Seitennerven bilden wie beim Kürbisblatte bis zu ihrer ersten Ver- zweigung feste „Säume“. 1) albus, weiß; diveca : di-, zwei und 02kos, Haus. 2) ecballium von ekballo, ich werfe heraus; elaterion, Abführmittel. 3) von compositus, zusammengesetzt (Blütenstand!). 2) helianthus: helios, Sonne und dnthos, Blume; annuus, einjährig. 244 Korbblütler. Die Blätter sind in einer Schraubenlinie angeordnet (s. S. 196,1). Betrachtet man eine noch niedrige Pflanze von oben, so macht es den Eindruck, als bildeten sie eine Rosette: so gleichmäßig sind sie um den Stengel verteilt. Keins raubt dem andern daher das Licht. Da sich die Blatt- spitzen nach unten neigen, werden die Blattflächen von den Sonnenstrahlen ziemlich senkrecht getroffen, also unter einem Winkel, unter dem diese am wirksamsten sind. Die Stellung der Blatt- flächen bedingt auch, daß der auf sie nieder- fallende Regen nach außen abgeleitet wird, eine Tatsache, mit der wieder die Verhältnisse der Wurzel im innig- sten Einklange stehen. D. Wurzel. Die Sonnenblume ist — wie bemerkt — eine hohe Pflanze mit großen Blättern, die infolge- dessen dem Winde stark ausgesetzt ist. Man erwartet daher bei ihr eine tiefgehende Hauptwurzel und weit ausgreifende Seitenwurzeln, die das schwere (Grewächs Sonnenblume. Oberer blühender sicher im Boden ver- 2 Teil der Pflanze. ankern. Gräbt man die u Sonnenblume aber aus, ö so findet man zwar eine Hauptwurzel, die senkrecht in den Boden binabsteigt; die von ihr nach allen Seiten ausstrahlenden Seitenwurzeln dagegen sind auf- fallend kurz. Dafür sind sie aber in sehr großer Zahl vorhanden und verzweigen sich so stark, daß ein dichtes Wurzelgeflecht, ein „Ballen“ entsteht, aus dem die Erde nur schwer durch Klopfen zu entfernen ist. Was den Seitenwurzeln an Länge abgeht, wird eben durch ihre J,ahl und reiche Verzweigung ersetzt. Faßt man die Länge der Seitenwurzeln genau ins Auge, so merkt man, daß sich die entferntesten Wurzelspitzen über den Umfang der Blattkrone (wenn man bei der Sonnenblume überhaupt von einer solchen sprechen kann!) nicht hinaus erstrecken, eine Erscheinung, die wir bei den meisten Pflanzen mit „zentrifugaler“ Wasserableitung wieder finden. Korbblütler. 245 Da die Sonnenblume aber nicht eine dicht geschlossene „Krone“ besitzt, wird der ganze im Bereich der Blätter liegende Bezirk durchnäßt. Die Saugwurzeln finden sich dementsprechend auch nicht nur im Umkreise der Krone, sondern sind über den ganzen Wurzelballen verteilt. Die erwähnte Auflösung der Seitenwurzeln in sehr zahlreiche, immer feiner werdende Zweige, deren Endteile das Wasser aufsaugen, steht also auch mit der Art der Wasserableitung in völligem Einklange. E. Blütenstand. Die kräftigen Stengel und Zweige tragen am Ende ie eine große „Blume“, die sich bei freistehenden Pflanzen gern der Sonne zukehrt (daher auch vielleicht „Sonnenblume“). Sie hat oft einen Durch- messer von 25 cm und darüber und wird infolge der Schwere bald mehr oder weniger nickend. 1. Durchschneiden wir eine solche Blume der Länge nach, so sehen wir, daß auf dem scheibenförmig erweiterten Ende des Stengels, dem Blütenboden, sehr viele kleine, ungestielte Blüten sitzen. Wir haben 2. es hier also a _ nicht mit einer = \ einzelnen Blü- te, sondern mit einer Blüten- genossen- schaft oder einem Blüten- Längsschnitt durch stande zu tun, den Blütenstand der den man nach Sonnenblume, seinerFormals 17 Köpfchen be- 1—4. Röhrenblüten; 1. noch nicht geöffnet; 2. der Blütenstaub ist zeichnet. In- aus der Blütenröhre hervorgeschoben; 3. die Narben spreizen aus- folge dieser einander; 4. verblüht (vgl. die Abb. auf S. 247). Z. Zungenblüten. = HK. Hüllkeleh. Bb. Blütenboden. H. Der mit der Höhlung des Häufung Wer: Stengels in Verbindung stehende Hohlraum im Blütenboden. den die Blüten die Blicke ihrer Bestäuber, der Insekten, unzweifelhaft viel leichter und sicherer auf sich lenken, als wenn sie einzeln ständen. Sämtliche Blüten sind von mehreren großen, grünen Blättern um- geben. Solange sich das Köpfchen im Knospenzustande befindet, werden die Blüten von diesen Blättern vollkommen überdeckt, und auch noch späterhin lassen die derben Gebilde den zarten Blüten einen wirksamen Schutz, besonders gegen ankriechende Tiere (Ameisen, Schnecken u. dgl.) angedeihen. Durch diesen sog. Hüllkelch erhält der Blütenstand das Aussehen eines mit vielen Blüten gefüllten Körbehens. Darum bezeichnet man ein so gebildetes Köpfchen treffend auch als Blütenkörbchen („Korbblütler“). 2. Die Einzelblüten entspringen in den Achseln kleiner, dreizackiger Blätter, die sich besonders bei der Fruchtreife spreuartig trocken anfühlen 346 Korbblütler. und daher Spreublätter genannt werden. Entfernt man die reifen Früchte, so erhält der Blütenboden, den man jetzt als Fruchtboden bezeichnet, durch die Spreublätter fast das Aussehen einer Bienenwabe. Bei den Blüten der äußersten Reihe nehmen die innern Blätter des Hüll- kelchs die Stelle der Spreublätter ein. F. Einzelblüte. Zwischen den Einzelblüten macht sich nun wieder ein großer Unterschied bemerklich: Die in der Mitte der Blumenscheibe stehenden haben eine kleine, gelbbraune, röhrenförmige Blumenkrone, während die am Rande des Körbehens befindlichen eine gelbe Blumen- krone besitzen, die zu einem langen Bande oder einer Zunge ausgezogen ist. Nach der Stellung kann man die Blüten also als Scheiben- und Rand- blüten, nach der Form als Röhren- und Zungenblüten unterscheiden. 1. Röhrenblüte. Der unterständige Fruchtknoten trägt (meist) 2 Blättehen, in denen wir den Kelch vor uns haben. Wenn wir be- denken, daß der Hüllkelch für die Gesamtheit der Blüten die Bedeutung eines Kelches besitzt, so wird uns die geringe Aus- bildung des wirklichen Kelches leicht verständlich. (Bei andern Korbblütlern, z. B. bei der Wucherblume, sind vom Kelche noch viel geringere Spuren zu finden, während er bei wieder andern Arten zu einer „Haar- krone“ umgebildet ist; s. S.251,a). Die Blumenkrone En ist eine enge Röhre, die im untern Teile eine kugel- Röhrenhiste.der förmige Erweiterung zeigt und in 5 Zipfel endet. Am Sonnenblume. Grunde der Erweiterung sind die Fäden der 5 Staub- blätter eingefügt, deren Beutel zu einer den Griffel umgebenden Röhre verwachsen sind. Der Griffel endet in eine Narbe, deren beide Äste aber erst im letzten Zustande der Blütenentwicklung (4) auseinander spreizen. Der Honig wird von einem kleinen Wulst am Grunde des Griffels abgeschieden, und zwar in so großer Menge, daß oft der ganze untere Teil der Blütenröhre damit angefüllt ist. a) Um die Art der Bestäubung kennen zu lernen, müssen wir bereits eine Blüte öffnen, wenn sie sich noch im Knospenzustande befindet (1). Wir sehen, wie die Staubbeutel noch geschlossen sind, wie der Griffel noch nieht bis zu der Staubbeutelröhre empor reicht, und wie die beiden Narbenäste noch eng aneinander liegen. Außen sind diese samt einem Stück des Griffels mit zahlreichen feinen Haaren besetzt, wo- durch das Ganze das Aussehen eines winzigen Zylinderputzers erhält. b) Bei einer etwas ältern Blüte finden wir die Beutel nach innen geöffnet, so daß die Röhre mit Blütenstaub angefüllt wird. Bei einer wieder ältern, aber immer noch geschlossenen Blüte (2) ist der wachsende Griffel wie ein Kolben in der Staubbeutelröhre vorgedrungen. Infolge- dessen schiebt er den Blütenstaub vor sich her und nimmt die etwa zurückbleibenden Körnchen in seinem Haarbesatze mit empor. c) Nunmehr öffnet sich die Blumenkrone (3). Der sich immer mehr streckende Griffel hebt die schwarzbraune Staubbeutelröhre — die Staub- ac Korbblütler. 247 fäden haben sich gleichzeitig stark verlängert — aus der Blüte heraus und drängt zugleich den Blütenstaub in Form eines gelben Häufchens aus der Staubbeutelröhre hervor. Jetzt befindet sich der Staub an der Stelle, an der er von Insekten leicht abgestreift werden kann, und in welch reichlichem Maße dies geschieht, zeigt die oft ganz gelbe Körper- unterseite der saugenden Besucher. d) Ist der Blütenstaub abgeholt, dann erst spreizen die Narben- äste auseinander, so daß ihre allein „belegungsfähigen“ Innenseiten offen daliegen (4). Gewöhnlich dauert es auch nicht lange, so bringen die In- sekten, die von Blüte zu Blüte schreiten, von jüngern Blüten Staub herbei. e) Das ungleichzeitige Reifen der Staubbeutet und Narben in der- selben Blüte hat also meist Fremdbestäubung im Gefolge. Auch wenn die Insekten von andern Pflan- : zen oder von andern Blüten- körben derselben Pflanze keinen Blütenstaub herbeitragen wür- den, erfolgt in der Regel doch 3. ntwicklung. Die einzelnen Entwicklungs- zustände sind im Texte erklärt. Die Blütenröhre ist der Länge nach . halbiert. Sp. Spreublatt. F. Fruchtknoten. H. Honigabsondernde Stelle des Griffels, K. Kelch- blätter. Sf. Staubfäden. G. Griffel. Sb. Staubbeutelröhre (geöffnet). N. Narbe. (Vergr.) die vorteilhaftere Fremdbestäubung; denn die Blüten eines Köpfchens öffnen sich ja nicht alle zu gleicher Zeit. Abgesehen von den ersten und letzten Tagen des Blühens findet man in jedem Körbchen Blüten in allen Entwicklungszuständen, und zwar erfolgt das Aufblühen in einer Spirallinie von außen nach innen. f) Tritt aber infolge ausbleibenden Insektenbesuches Fremdbestäubung nicht ein, so kann sich die Pflanze auch selbst bestäuben. Die Narbenäste rollen sich so weit zurück, daß ihre ÖOberseiten die ver- schrumpften „Fegehaare“ berühren, in denen stets noch einige Blüten- staubkörnchen hängen geblieben sind, 248 Korbblütler. g) Nach erfolgter Bestäubung bleiben die Blütenteile, die auf dem schwellenden Fruchtknoten sitzen, eigentümlicherweise noch lange er- halten. Die Staubbeutel und der sich verkürzende Griffel ver- schwinden aber, ohne zu verschrumpfen, wieder in der Blumenkron- röhre (5). Öffnet man diese, so sieht man, wie sich die Staubfäden in der kugeligen Erweiterung der Röhre — deren Bedeutung hierdurch klar wird — zusammengeknäult und die Staubbeutel infolgedessen herab- gezogen haben. Der Zugang zum Blütengrunde ist jetzt also versperrt. Die Besucher wenden sich daher „ohne Zeitverlust“ sofort den noch un- bestäubten Blüten zu, die Honig und Blütenstaub ausbieten. Entfernt man die ältern, sich nunmehr „strohig“ anfühlenden Blumenkronen, so werden die reifenden Früchte gewöhnlich bald ein Opfer der Singvögel, besonders der Meisen. Infolgedessen krümmt sich vielfach der Blütenboden, Randblüten fallen aus und andre Unregelmäßig- keiten treten ein, die die vollständige Ausbildung aller Früchte erschweren. Durch die haftenbleibenden Blumenkronen werden die Zerstörer aber ab- gehalten, den Fruchtständen solchen Schaden zuzufügen. 2. Zungenblüten. a) Die am Rande des Köpfchens stehenden /Zungenblüten zeigen im wesentlichen den Bau der Scheibenblüten. Ihre sehr kurze Blütenröhre ist jedoch — wie bereits erwähnt — zu einem langen Bande ausgezogen, und Staubblätter sowohl, als einen Griffel sucht man in ihnen vergeblich. Auch ihre Fruchtknoten entwickeln sich nicht zu Früchten. Trotzdem sind sie aber nicht ohne Bedeutung für die Pflanze. Indem die bandförmigen Abschnitte ihrer Blumenkronen nach außen strahlen, erhöhen sie die Auffälligkeit des Blütenkorbes und’ helfen dadurch die Bestäuber der Röhrenblüten herbei- locken. Die Randblüten bezeichnet man daher auch als Strahlenblüten und Blütenköpfe dieser Art als „strahlend“. In den Blütenständen der Sonnenblume (und aller jener andern Korbblütler mit ähnlichen Blüten- körben) ist also eine Arbeitsteilung eingetreten: Die Blüten sind in Frucht- und Lockblüten geschieden. b) Da Rand- und Scheibenblüten außerdem noch von verschiede- ner Färbung sind, werden die Blütenstände um so auffälliger; denn Erben ara ee erhöhen bekanntlich die Auffälligkeit Er eines Gegenstandes; wir brauchen nur an Plakate, Firmen- schilder u. dgl. zu denken. c) Wie wir oben gesehen haben, blühen die Scheiben- blüten nicht alle zugleich, sondern nacheinander, und zwar jede nur eine verhältnismäßig kurze Zeit. Die Fruchtknotender Randblüten dagegen entfalten sich bereits vor den ersten Sonnenblume, und verblühen nach den letzten Scheibenblüten; sie sind geöffnet. daher auch imstande, allen Scheibenblüten zu F. Fruchthülle. . M S. Die gestielte „dienen . ; 5 5 2 Samenknospe G. Frucht. Wie die beiden Narbenäste andeuten, (vergr.). ist die Wand des Fruchtknotens und die daraus hervor- Korbblütler. 2 249 gehende Fruchthülle aus zwei Fruchtblättern gebildet. Vom Grunde er- hebt sich ein Same, der beim Keimen die schwarzgraue Fruchtwand sprengt. Wir haben es hier also mit einer Schließfrucht zu tun. Da nun die pergamentartige Fruchtwand mit der Samenhülle nicht verwächst — ein Fall, wie er bei allen Korbblütlern zu beobachten ist — bezeichnet man die Schließfrucht hier insbesondere als Achäne. Schüttelt der Wind die hohen Sonnenblumen, so streut er die glatten Früchte über ein ver- hältnismäßig großes Gebiet aus. 2. Der Löwenzahn (Taräxacum officinäle'). 1. Bedeutung. Der Löwenzahn ist so recht eine Pflanze der Kinder: Jubelnd pflücken die Kleinen die leuchtend gelben Blütenköpfe zum Strauße („Butterblume“), „schmieden“ die hohlen Blütenstiele zu vergänglichen Kettlein („Kettenblume, Ringelblume“) und fragen die zier- lichen Fruchtstände („Lichter, Lampen“), wie lange sie wohl noch leben („Pustblume“). Die Blätter, die gleich allen andern Teilen einen weißen, klebrigen Milchsaft enthalten, werden von den Weidetieren gern verzehrt („Kuhblume“). Den Verlust der Blätter verwindet die Pflanze jedoch gewöhnlich sehr bald; denn der kurze, dicke (oft verzweigte) Stamm (Wurzelstock) ist im Erdboden geborgen. Er kann daher von den Blatt- räubern nicht mit verletzt werden und beginnt meist bald darauf von neuem zu treiben. Genau so verhält sich der Löwenzahn der Sichel gegenüber: Auf Rasenplätzen ist er — wie der Gärtner sagt — nicht „tot zu bekommen“ und dort daher ein lästiges Unkraut. Die jungen Blätter werden in einigen Gegenden auch als Salat verzehrt. 2. Standort. Der Löwenzahn ist auf Wiesen und Grasplätzen, an Wegen und ähnlichen Stellen überall häufig anzutreffen. Während er hier auf sehr trocknem Boden im stärksten Sonnenbrande wächst, be- wohnt er dort feuchte, schattige Orte; während er hier nur mit niedrigen Gräsern das Gebiet teilt, steht er dort mitten zwischen den hohen Wiesen- pflanzen, die ihn fast zu „erdrücken“ scheinen. Er gedeiht also unter sehr verschiedenen Verhältnissen; allen aber ist er — wie wir sofort sehen werden — vortrefflich „angepaßt“. 3. Wurzel. Da sich der kurze Stamm in eine lange Pfahlwurzel fortsetzt, die bis zu den stets feuchten Bodenschichten hinab steigt, ver- mag der Löwenzahn selbst der Wasserarmut festgetretener Wege zu trotzen. 4. Blätter. a) An diesen Stellen findet man seine Blätter stets zu einer Rosette geordnet, die dem Boden dicht aufliegt, ihn beschattet und mithin vor zu starker Austrocknung schützt. b) Die so geordneten Blätter sind zudem auf der Oberseite mit einer deutlichen Rinne versehen. Infolgedessen leiten sie jeden Regentropfen, 1) taraw-acum: täraxis, eine Augenkrankheit oder Beunruhigung und akeomai, ich heile; officinalis, in der Apotheke verwendet. 250 Korbblütler. von dem sie getroffen werden, der dürstenden Wurzel zu. (Der Richtung der Wurzel entsprechend, ist die Wasserleitung also zentripetal.) c) Infolge der Rosettenstellung der Blätter verdrängt der Löwen- zahn endlich auch die kleinern benachbarten Pflanzen, die ihm Bodenfeuchtigkeit wegnehmen würden: Er bedeckt sie mit seinen Blättern, raubt ihnen also das Licht, und — Licht- mangel ist stets der Tod der grünen Ge- wächse. Dar- um ist er auch wie sein treue- ster Genosse, der Wegerich, an Orten mit niedrigem Pflanzen- wuchse viel- fach die „herr- schende“ Pflanze. Dieses Verhalten des Löwenzahns gegen andre, schwächere Gewächse ist ein deutliches Beispiel von dem erbitter- ten und un- unterbroche- nen Kampfe, der in der scheinbar so Löwenzahn, blühend und fruchttragend (etwas verkl.). friedlichen a. Einzelne Blüte und b. Frucht (vergr.). WeltderPflan- zen herrscht, von einem Kampfe, der sich um Nahrung, Licht, Luft und Raum dreht! d) Steht der Löwenzahn aber zwischen üppig wachsenden Pflanzen, etwa auf einer wohlgepflegten Wiese, so kommt er häufig selbst in die Gefahr, überwuchert zu werden. Dann verlassen die Blätter mehr oder weniger die zierliche Rosettenstellung: Sie richten sich schräg oder gar senkrecht empor, dem belebenden Lichte entgegen. 9 H Korbblütler. 951 e) Hier und an schattigen Stellen befindet sich der Löwenzahn nicht im Vollgenusse des Lichtes. Dann besitzt er jedoch zumeist große und zarte Blätter, die genügend Sonnenstrahlen auffangen und von dem schwachen Lichte auch in ausreichendem Maße durchleuchtet werden. Solche zarten Blätter vertrocknen — wie ein Versuch zeigt — allerdings viel leichter als die derbern von „Sonnenpflanzen“. Da die „Schatten- pflanzen“ aber zumeist auf feuchtem Boden wachsen, ist dies für sie kein Nachteil. f) Auch das gesamte Aussehen der Blätter unterliegt starken Ab- weichungen. Bei Pflanzen trockner oder mäßig feuchter Stellen ist der Blattrand meist in große, rückwärts gerichtete Zähne geteilt, die aber- mals fein gesägt sind. Diesem schrotsägeförmigen Blattrande ver- dankt die Pflanze auch ihren Namen. An feuchten Standorten dagegen sind die Blätter vielfach nur schwach gezähnelt, eine Erscheinung, die gleichfalls auf eine Vergrößerung der Blattfläche hinausläuft. 5. Blüte. a) Die Blütenköpfe stehen einzeln am Ende je eines blattlosen, hohlen Stieles, eines sog. Schaftes, der je nach der Höhe der umgebenden Pflanzen sehr kurz oder auch außerordentlich lang sein kann. ‘Im Blütenköpfehen finden sich nur Zungenblüten. Sie ent- springen nicht in den Achseln von Spreublättern und unterscheiden sich von denen der Sonnenblume besonders dadurch, daß sie wie die Röhren- blüten dieser Pflanze wohlausgebildete Staubblätter und einen eben solchen Stempel besitzen. Auch die Bestäubung erfolgt genau wie bei der Sonnen- blume. Hinsichtlich des Kelches dagegen zeigt sich ein wesentlicher Unterschied: Der Fruchtknoten setzt sich oben in ein kurzes Stielchen fort, das auf seiner Spitze außer der Blumenkrone einen Haarkranz trägt. In ihm haben wir den Kelch vor uns. Er krönt später als Haarkelch (Pappus) die reife Frucht und wird daher auch Haar- oder Federkrone genannt. b) Schon lange bevor sich das Köpfchen öffnet, sind die äußern Blätter des Hüllkelches herabgeschlagen; die innern dagegen stehen aufrecht und umhüllen schützend die zarten Blüten. Dabei schließen sie so eng aneinander, daß es den Eindruck macht, als seien sie in der untern Hälfte miteinander verwachsen. An einem sonnigen Morgen ist end- lich für das Köpfchen die Zeit gekommen, sich zu öffnen. Die Blütchen spreizen weit auseinander, so daß sie eine große, leuchtend gelbe Fläche bilden und die Blätter des Hüllkelches nach außen drängen. Bereits lange vor Anbruch des Abends schließen sich die Köpfchen wieder: Die Blüten kehren in die Knospenlage zurück, werden wieder vom Hüll- kelche umschlossen, und von der frühern Herrlichkeit ist nichts mehr zu sehen. Dieser Vorgang wiederholt sich täglich, bis das Blühen ein Ende erreicht hat. Bei regnerischem und kaltem Wetter öffnen sich die Köpfchen gar nicht! c) So wohl ausgebildet die Blüten sind, und so sorgsam die Köpfehen durch regelmäßiges Öffnen und Schließen jede einzelne gegen die Un- 252 Korbblütler. bilden der Witterung schützen, dennoch scheint — wie in den letzten Jah- ren festgestellt wurde — für den Löwenzahn eine Bestäubung ganz ohne Bedeutung zu sein. Schneidet man nämlich von einem noch geschlossenen Köpfchen mit einem scharfen Messer den obern Teil so ab, daß die noch nicht geöffneten Staubblätter und die noch unbelegten Narben entfernt werden, und bindet man um das verstümmelte Köpfchen eine Hülle aus feiner Gaze, die jede Bestäubung durch Insekten unmöglich macht, so entwickeln sich die Fruchtknoten trotzdem zu wohl ausgebilde- ten und keimfähigen Früchten. Wir haben es hier also mit einem Falle von Jungfernzeugung oder Parthenogenesis zu tun, wie sie im Tier- reiche ziemlich häufig auftritt (s. Lehrbuch der Zoologie) und auch im Pflanzenreiche außer beim Löwenzahn noch bei andern Pflanzen, z.B. bei zahlreichen Habichtskräutern, beim Frauenmantel, beim Bingelkraut usw., beobachtet worden ist. Auch wenn der Löwenzahn bestäubt wird — was bei dem aus- giebigen Insektenbesuche wohl die Regel ist —, scheint nur selten eine Befruchtung der Samenanlagen zu erfolgen. Wie nämlich durch sorgfältige Versuche festgestellt wurde, haben die Blütenstaub- körnchen nur ausnahmsweise noch die Fähigkeit, einen Keimschlauch zu treiben, was zur Befruchtung bekanntlich notwendig ist. 6. Frucht. a) Im Schutze des Hüllkelches reifen die Früchte heran. Die Blumenkrone ist nach dem Verblühen abgefallen; die stielchenartige Verlängerung des Fruchtknotens dagegen hat sich gleich den Haaren der Haarkrone stark in die Länge gestreckt. Sind die Früchte reif und somit verbreitungsfähig geworden, und scheint die Sonne warm herab, dann spreizen die Haare auseinander, während sich die Blätter des Hüllkelches gleichzeitig nach unten schlagen: Es haben sich jene bekannten, kugeligen Fruchtstände gebildet, die an Zierlichkeit ihresgleichen suchen. b) Jetzt „warten“ die Früchte auf einen Windstoß, der sie aus der Nähe der Mutterpflanze hinwegtragen soll. Diesen wichtigen Dienst vermag der Wind der Pflanze wohl zu leisten; denn die Haarkrone liefert ihm eine große Angriffsfläche, so daß er die Frucht leicht vom Fruchtboden ablösen und fortführen kann. Zugleich stellt sie aber auch einen winzigen Fallschirm dar. Wie ein solcher Schirm der Luft einen großen Widerstand entgegen- setzt, so daß der an ihm hängende Luftschiffer nur langsam zur Erde herabschwebt, wird auch durch die Haarkrone ein schnelles Fallen der Früchte verhindert. Die federleichten Gebilde können aber nur dann über ein weites Gebiet verbreitet werden, wenn die „Fallschirme“ die zum Schweben notwendige Stellung längere Zeit beibehalten. Dies er- möglichen die Stielchen, die sich — wie soeben bemerkt — sehr lang ge- streckt haben. Infolgedessen liegt der Schwerpunkt des „Luftschiffes“ ver- hältnismäßig tief, so daß dieses wie ein „Stehauf“ stets senkrecht steht. Eine solche Verbreitung ist aber nur bei trocknem Wetter möglich. Dementsprechend schließen sich die Köpfchen auch bei beginnender Dunkel- heit vielfach wieder, wenn ihre Früchte vom Winde nicht abgeholt wor- er Korbblütler. 953 den sind: die (hygroskopischen) Federkronen legen sich in der feuchten Abendluft zusammen, und alles wird von den Blättern des Hüllkelches wieder eingeschlossen. Am nächsten Tage im warmen Sonnenscheine be- ginnt dann das Spiel von neuem. Bei feuchter Luft dagegen öffnen sich die Fruchtstände überhaupt nicht. c) Ist das „Luftschiff“ gestrandet, dann löst sich die Haarkrone mit dem Stielehen von der Frucht ab. Durch zahlreiche Zähnchen der Fruchtschale ist diese bald sicher am Boden verankert, so daß sie un- gestört zu keimen vermag. Andre Korbblütler. Die Korbblütler stellen mit ihren etwa 12000 Arten die größte aller Pflanzen- familien dar. Sie sind über alle Zonen verbreitet und finden sich bei uns an den ver- schiedensten Standorten. Nach der Bildung der Blumenköpfchen lassen sie sich leicht in folgende drei Gruppen ordnen: 1. Gruppe. Strahlenblütige: Die röhrenförmigen Scheibenblüten werden (wie bei der Sonnenblume) in der Regel von einem Kranze zungenförmiger Rand- oder Strahlenblüten umgeben. Mit der Sonnenblume haben zahlreiche andre Korbblütler Einzug in unsre Gärten gehalten. Von diesen seien nur die beiden wichtigsten, die Garten-Aster (Aster chinensis!) aus China und die Georgine‘) (Dahlia variabilis”) aus Mexiko genannt. Gärtnerische Kunst hat aus ihnen eine unabsehbare Anzahl von Spielarten gezüchtet, die hinsichtlich der gesamten Gestalt (z. B. „Zwergastern‘), . sowie der Größe, Farbe und Form der Blütenköpfe u. dgl. oft beträchtlich voneinander abweichen. Wie man an den wildwachsenden Asterarten unsrer Heimat, sowie an „ein- fachen“ Georginen sehen kann, hatten die Köpfchen dieser Pflanzen wie die der Sonnenblume ursprünglich auch nur einen Kranz von Zungenblüten. Gelegentlich zeigten sich aber auch einige oder mehrere Röhrenblüten der Scheibe zungenförmig umgestaltet. Da dem Menschen solche Blüten- köpfe besonders gefielen, suchte er zur Fortzucht stets nur die Pflanzen aus, bei denen solche abnormen Blüten- bildungen besonders ausgeprägt waren: Auf diese Weise sind im Laufe der Zeit die Formen mit „gefüllten Blüten“ entstanden, die auch an vielen andern Gartenblumen be- sonders geschätzt werden. Wie schnell eine solche „Veredelung“ erfolgen kann, zeigt deutlich eine allbekannte Wiesenpflanze, das freund- liche Gänseblümehen oder Maßliebehen (Bellis perennis'). Man braucht es nur in gute Gartenerde zu pflanzen, so tritt auch alsbald eine Vermehrung der Strahlenblüten ein, und es entsteht das bekannte, weiß- oder rotblühende Tausendschönchen. Die wildwachsende Pflanze blüht fast das ganze Jahr hindurch. Die Köpfchen, die sich auf mehr oder weniger langen Stielen über die zierlichen Blatt- rosetten erheben, schließen sich abends nicht nur wie die des Löwenzahns, sondern werden meist auch nickend. -- 1) aster, Stern; chinensis, chinesisch. 2) nach Georgi, einem Professor in Petersburg benannt. 3) Dahlia nach dem schwedischen Botaniker Dahl (} 1787); variabilis, veränderlich. 4) bellis von bellus, schön; perennis, ausdauernd. Arnika. Korbblütler. In der Gesellschaft des Gänseblümchens findet sich viel- fach die weiße Wucherblume (Chrysänthemum leucän- themum?) mit ganz ähnlichen, nur weit größern Blüten- köpfen. Eine in Ostasien heimische nahe Verwandte der Wucherblume ist die Stammutter der zahlreichen Winter- astern (Chrysanthemum-Formen), die in immer größerer Blütenpracht von den Gärtnern gezogen werden. Aus den Blütenköpfen andrer nahe verwandter Arten bereitet man in Persien, sowie in Dalmatien, Montenegro und der Herzegowina das bekannte Insektenpulver. — Einen präch- tigen Schmuck von Waldwiesen, Triften und grasigen Abhängen bilden die großen, orangefarbenen Blütenstände der Arnika (Ärnica montäna?; s. Abb. S.253). Die stark gewürzhaft riechenden Wurzeln und Blüten standen früher in der Heilkunde in hohem Ansehen (daher auch „Wohlverleih“ genannt). — Sehr kleine, weiße Blütenköpfe besitzt die Schaf- garbe ‘(Achillea millefölium®). Da diese aber zu ansehnlichen Trugdolden ge- häuft sind, werden sie doch weithin sichtbar. Die Pflanze wächst, außer auf trocknen Wiesen, besonders an Wegen und ähnlichen Stellen. Dementsprechend besitzt sie auch wie zahlreiche andre Gewächse dieser Örtlichkeiten sehr tief- gehende unterirdische Teile (Wurzelstock und Wurzeln), überaus zähe Stengel und vielfach geteilte Blattflächen. — Ähnliche ; Verhältnisse finden wir auch beim Rain- farn (Tanac&tum vulgäre'), der den Namen “von seinem Lieblingsstandorte, dem Acker- raine, und den farnwedelartigen Blättern erhalten hat. Die gelben Blütenköpfe besitzen keine Strahlenblüten. An feuchten Stellen, in Gräben, Der Huflattich im zeitigen Frühjahre. an Teichrändern u. dgl., wächst überall Wurzelstock mit blühenden Trieben. häufig der Sumpf-Zweizahn (Bidens tri- (Etwa !/, nat. Gr.) partitus®). Bei ihm verwandeln sich — worauf der Gattungsname hindeutet — die 2—4 Kelchblätter in starre Fortsätze der Frucht. Da diese Gebilde mit zahlreichen Widerhäkchen besetzt sind, bleiben die Früchte („Bettlerläuse‘) im Felle oder Gefieder vorbeistreifender Tiere, sowie in den Kleidern des Menschen leicht hängen und werden auf diese Weise oft weit verschleppt. — An Grabenrändern, auf feuchten Äckern und an ähnlichen Orten entfaltet als eine der Früchte vom ersten Frühlingspflanzen der Huflattich (Tussilägo färfara®) seine Sumpf-Zwei- gelben Blütenkörbe, die sich mit Beginn des Abends schließen und zahn (etwa nickend werden. Nach beendeter Blütezeit streckt sich der von schuppi- 6 mal vergr.). gen Blättern besetzte Blütenschaft stark in die Länge. Infolgedessen 1) chrysanthemum : chrysös, golden und dnthemon, Blume; leucanthemum: leukös, weiß und sleichfalls anthemon. 2) arnica von aren, Gen. arnös, Lamm; montanus, auf dem Berge wachsend. 3) achillea von Achilles, der die Heilkraft der Pflanze entdeckt haben soll; mällefolium: mille, tau- send und fölium, Blatt. 4) tanacetiwm nach dem ital. Worte fanaceto, unsterblich (? Blätter im Winter grün); vulgaris, gemein. 5) bidens: bi- zwei und dens, Zahn; tripartitus: tri-, drei und partitus, geteilt. 6) tussilago vielleieht von tılssis, Husten (Hustenmittel); /arfarus, Huflattieh von /ar, Spelt Dinkel oder dem daraus hergestellten Mehl und fero, ich trage (Unterseite der Blätter!). Korbblütler. 255 wird der Fruchtstand über die Pflanzen der Umgebung, die mit empor geschossen sind, gehoben, so daß der Wind die mit Haarkronen ausgerüsteten Früchte zu verbreiten ver- N mag. Erst nachdem dies geschehen ist, wachsen die sehr N großen, unterseits weißfilzigen Blätter heran. Da sich der VEN Wurzelstock weit im Boden ausbreitet, wird der Huflattich zu N, einem lästigen Unkraute. Von den bekanntesten Ackerunkräutern dieser Gruppe, die aber auch an trocknen Stellen (an Wegen, auf Rainen, auf Schutthaufen u. dgl.) wachsen, wären weiter folgende Arten zu nennen: Überall anzutreffen ist die echte Kamille (Matricäria chamomilla'), deren Blüten in der Heil- kunde mannigfache Verwendung finden. Sie läßt sich durch den starken Duft, die herabgeschlagenen Randblüten und den kegelförmigen, hohlen Blütenboden leicht von der falschen Kamille (M. inodöra?) unterscheiden, die geruchlos ist und einen halbkugeligen, nicht hohlen Blütenboden besitzt. — Zwei andre sehr häufige Unkräuter sind das gemeine und das Frühlings-Kreuzkraut (Senecio vulgaris u. vernälis?). Die erstere Art ist eine beliebte Nahrung der Stubenvögel und hat kleine Blütenköpfe, denen die Strahlenblüten fehlen, Die andre Form dagegen trägt große, gelbe, strahlende Köpfe; sie ist aus Osteuropa zu uns gekommen und verbreitet sich infolge der zahlreichen Früchte, die mit einer wohlausgebil- deten Haarkrone versehen sind, außerordentlich schnell immer weiter nach Westen. — Etwas Ähnliches gilt von dem ka- nadischen Berufskraute (Erigeron canadensis'), das — wie der Artname angibt — aus Kanada stammt und sich bei uns besonders an unbebauten Stellen oft in großen Beständen findet. Viele andre Formen sind ausgeprägte Ödlandpflanzen. Dies gilt z. B. für die zahlreichen Beifußarten (Artemisia°), von denen der gemeine B. (A. vulgäris®) am häufigsten anzutreffen ist. Dem Standorte entsprechend hat die meter- hohe, sparrige Pflanze kleine, tief geteilte und auf der Unterseite weißfilzige Blätter. Die zahlreichen winzigen Blüten- köpfchen sind ganz unscheinbar. Da die Blütchen zudem keinen Honig enthalten, werden sie kaum einmal von einem Insekt besucht. Sie sind daher auf die Bestäubung | durch den Wind angewiesen, der den trocknen Blütenstaub verweht. Die blühenden Zweige werden ; getrocknet als / H u ) - - \ Y EI Küchengewürz \ 7 m: N benutzt. — Ein \y W/ G UNS „Ss feineresGewürz My N 7 UNAN > f SE 7 UT Bi \ dl u 2. liefert der ganz 77 G 1. Echte und 2. falsch ähnliche Estra- Va Kamille. Blütenköpfchen, längs 80n (A. dra- W GE durchschnitten. eüneulus ‘), der N TOLLE, } NIE ? 1)\matricaria von mäter, Mutter (weil gegen Krank- heiten der Frauen angewendet); chamomilla, Kamille. 2).inodorus, geruchlos. 3) senecio von senex, Greis (Frucht- stand !); vulgaris, gemein; vernalis, im Frühjahre wachsend. : ; 4) erigeron: er, Frühling und geron, Greis; canadensis, Zweig des gelm. kanadisch. 5) artemisia nach Artemis, der Sehutzgöttin 3eifußes der Frauen, gegen deren Krankheiten die Pflanze verwendet Inat. Gr.). wurde. 6) vulgaris, gemein. 7) draeunculus, kleiner Drache, ; kleine Schlange (Pil. sollte gegen Giftschlangen schützen). 256 Korbblütler. aus Südrußland stammt. — Der Wermut (A. absinthium!) dagegen, der an unbebauten Orten wächst, bei uns aber wohl nur verwildert ist, enthält einen sehr scharfen Bitterstoff (der sprichwörtlich gewordene „Wermuttropfen“!). Die Pflanze findet daher in der Heil- kunde, aber auch als Zusatz zu Wein und Branntwein vielfache Verwendung. — Ein dichtes, weißes Haarkleid, das Blätter und Stengel überzieht, erlaubt der niedlichen Sand- Strohblume (Helichrysum arenärium?) selbst auf ödestem Sandboden zu wachsen und in der Hitze des Hochsommers zu blühen. Obgleich die Einzelblüten ganz unscheinbar sind, werden sie im Gegensatz zu denen des Beifußes nicht vom Winde bestäubt. Die Anlockung der Insekten erfolgt durch die zahlreichen, meist zitronengelben Blätter des Hüllkelches, die die kleinen Blütenköpfe um so auffälliger machen, als diese dicht gehäuft sind. Da der Hüllkelch strohartig trocken ist (Name!), behalten die abgeschrittenen Köpfchen auch nach der Blütezeit ihr Aussehen („Immerschön, Immortelle“?).. Deshalb verwendet man die zierliche Pflanze auch gern zu Kränzen. Dasselbe gilt von mehreren ausländischen Strohblumen- Arten der Gärten. — Abgesehen von zahlreichen andern filzig behaarten Korb- blütlern unsrer Fluren, sei hier nur noch des freundlichen Edelweiß (Gnaphalium leontopödium) gedacht, das jeder rüstige Alpenwanderer zu pflücken bestrebt ist. Es findet sich auf Triften und Schmalen, oft nur handhreiten Felsvorsprüngen meist dicht unter der Grenze des ewigen Schnees, also an Stellen, die häufig von Winden umbraust und von den Strahlen der Sommersonne außerordentlich stark er- wärmt werden. Obgleich das Pflänzchen oft nur in einer „Handvoll“ Erde wurzelt, die durch Verdunstung bald alles Wasser verliert, vermag es hier doch zu gedeihen; das dichte, dicke Haarkleid — die „Blüten“ Edelweiß (etwas verkl.). sind wie aus Filz geschnitten! — ist ein wirksames Schutzmittel gegen zu starken Wasserverlust, plötzliche Temperaturschwankungen und zu grelles Sonnenlicht. In das Tal oder die Ebene verpflanzt, verliert das Edelweiß die weiche, zarte Behaarung, der es seinen Namen verdankt, fast gänzlich. Obgleich die kleinen Köpfchen dolden- artig gehäuft sind, erlangen sie die notwendige Auffälligkeit (Insekten!) doch erst dadurch, daß sie von einem Kranze weißwolliger Deckblätter sternförmig umgeben werden; das Ganze bildet die sogenannte „Blüte“ des Edelweiß. UN Tea tin 2. Gruppe. Röhrenblütige. Köpfchen bestehen nur aus Röhrenblüten. Obgleich die Kornblume (Centaurea eyanus’) nur ein gemeines Ackerunkraut ist, hat sie doch die größte Zuneigung des Menschen 1) absinthium, Wermut. 2) helichryson, Name einer efeuartigen Pflanze bei den Griechen; heli-, rankend und chrıjsös, Gold (Blütenköpfe!); arenarius, im Sande wachsend. 3) von immortalis, unsterblich. 4) gnaphalium von gndphalon, Wolle; leontopodium : leon, Löwe und pödion, Füßchen. (Blütenstand soll die Form eines Löwenfußes haben!). 5) centawrea, Pflanze, deren Heilkräfte ein Centaur entdeckt haben soll; kyanos, blau; Kornblume. Korbblütler. 257 gefunden; denn gar zu herrlich leuchten ihre prächtig blauen Blütenköpfe zwischen den schlanken Halmen des wogenden Kornfeldes hervor. Sie darf in keinem „Feldblumenstrauße“ fehlen, und wenn die Schnitter die goldenen Ähren zum Erntekranze winden, flechten sie auch „blaue Cyanen“'!) mit ein. Die freundliche Pflanze bewohnt vorwiegend trockne Felder und besitzt dementsprechend nur kleine Blattflächen, die zudem mehr oder weniger dicht behaart sind. An den jungen Teilen, die vor allen Dingen eines solchen Schutzes bedürfen, tritt die Behaarung stets besonders stark auf. Obgleich die Blütenköpfe nur aus Röhrenblüten zusammengesetzt sind (1), macht sich zwischen letztern doch derselbe Unterschied geltend wie zwischen den Blüten der Sonnenblume. Die Randblüten sind nämlich wie bei dieser Pflanze unfruchtbar und gleich- falls in den Dienst der Insektenanlockung getreten. Diese Aufgabe können sie insofern vortrefflich erfüllen, als ihre Blütenröhre im End- teile stark trichterförmig er- weitertt und nach außen gebogen ist (2). Mit der hier- durch eingetretenen Ver- größerung der „Blütenfläche“ hängt es auch zusammen, daß die Röhren der Schei- benblüten um so stärker gebogen sind, je näher sie dem Rande stehen. Führen ih wir in eine junge Scheiben- Kornblume; Blütenbau und Bestäubung: s. Text. blüte (3) ein zugespitztes Hölzchen oder dgl. ein, und berühren wir dabei einen der im Wege stehenden Staubfäden, so quillt aus der Staubbeutelröhre alsbald weißer Blütenstaub hervor. Infolge der Berührung verkürzen sich nämlich die reizbaren Staubfäden sofort, so daß die Staubbeutelröhre herab- gezogen und der in ihr lagernde Blütenstaub durch den Griffel hervor- gedrängt wird (4). Dasselbe erfolgt natürlich auch, wenn die Staub- fäden von einem Insektenrüssel berührt werden. Bis zu diesem Augen- blicke liegt der Blütenstaub wohl geschützt in der Staubbeutelröhre (5); sobald er aber hervortritt, wird er auch schon von dem saugenden Insekt mit der Unterseite abgestreift. Wie bei den andern Korbblütlern spreizen die Narben, unter denen ein Kranz von „Fegehaaren“ sichtbar ist, erst später auseinander (6). Die Früchte tragen eine aus kurzen Haaren bestehende Krone, die für die Verbreitung der Pflanze nur wenig in Betracht kommt. . 1) 8. S. 256, 6. Schmeil, Lehrbuch der Botanik 17 Korbblütler. In ähnlicher Weise erfolgt die Bestäu- bung auch bei der rotblühenden Wiesen- Flockenblume (C. iäcea!). Je nachdem sich die Pflanze auf feuchtern Wiesen oder an dürren Berglehnen und ähnlichen Orten findet, hat sie große, breite und ziemlich wage- recht gestellte, oder schmale, mehr aufgerichtete Blätter von fast grauer Farbe. — Die Blütenköpfe der Di- steln (Cärduus?) undKratzdisteln (Cirsium ?) ent- halten gleichfalls nur Röhrenblü- ten, die abernicht in Frucht- und Lockblüten ge- trenntsind. Beide 12 - nahe verwandte Nickende Distel. 1. Blattrosette im Herbste und Gattungen lassen Winter (verkl.). 2. Frucht (vergr.). sich leicht durch die Haarkrone voneinander un- terscheiden: bei „ den Disteln sind y, die Haare bor- 191072 GE stenförmig, bei WZF- den Kratzdisteln Wr, dagegen gefie- =, ‚dert. Bei allen RR sind sowohl die NS Spitzen derBlatt- zipfel, als auch die an den Sten- geln herablaufen- Fruchtkopf der Klette; daneben den Blatteile und ein Blatt des Hüllkelches. die Blätter des Hüllkelches in lange, starre Stacheln ausgezogen, durch die sicher mancher Pflanzenfresser zurückgeschreckt wird. Von den Disteln sei nur die nickende D. (C. nutans?) ge- nannt, die auf Triften, an Wegen und ähnlichen Orten im Herbst und Winter ihre regelmäßigen Blattrosetten ausbreitet. Im Frühjahre streckt sich der Stengel bis Meterhöhe und trägt zahlreiche große, duftende und nickende rote Blütenköpfe. Als die gemeinste Art der Kratzdisteln ist die Acker-K. (C. arvönse?’) zu nennen, die auf Feldern ein sehr lästiges Unkraut bildet. — Distelartige Blütenstände, aber unbestachelte Blätter besitzen die Kletten (Lappa‘), die an Wegen und auf 1) i{acea, Abstammung unsicher. 2) carduus, Distel, von E cäreo, ich entbehre. 3) eörsium, Pilanze, die gegen die Krank- r Acker-Kratzdistel. heit kirsös, Erweiterung eines Blutgefäßes, hilft. 4) nutans, Blühender Zweig und Frucht. nickend. 5)arvensis, aufdem Acker wachsend. 6)lappa, Rlette. nn Korbblütler. wüsten Plätzen wachsen. 259 Da die Blätter des Hüllkelches in je eine hakenförmig gebogene Spitze endigen, bleiben die Fruchtstände leicht in dem Haarkleide vorbei- streifender Tiere hängen. 3. Gruppe. Zungenblütige. nur aus Zungenblüten. Köpfchen bestehen (wie beim Löwenzahn) Die Glieder dieser Gruppe lassen sich zumeist nur schwer voneinander unter- scheiden. macht von allen hier erwähnten Pflanzen allein die Zichorie (Cichörium intybus!) durch ihre schönen, blauen Blütenköpfe eine Ausnahme. Ihrem Standorte, den wasserarmen Wegrändern entsprechend („Wegwarte“), besitzt sie wie der Löwen- zahn eine tiefgehende Pfahlwurzel, und ihre Blätter sind wie bei jener Pflanze je nach dem Boden, auf dem sie wächst, mehr oder weniger tief eingeschnitten. Im zweiten Jahre baut sich aus den Vorratsstoffen der fleischigen Wurzel ein hoher, sparriger Stengel auf, dessen Blätter nach oben immer kleiner werden. Die großen Blütenköpfe schließen sich je nach Blütezeit und Witterung früher oder später am Tage. Schneidet man die Wurzeln in Stücke, die man sodann röstet und im Mörser zerkleinert, so erhält man ein braunes Pulver, das als Kaffee-,„Ersatz“ allgemein bekannt ist. Die veredelte Pflanze wird daher in manchen Gegenden im großen angebaut. — Die nächste Ver- wandte der Zichorie, die aus den Mittel- meerländern stammende Endivie (Ü. en- divia?), wird bei uns als Salatpflanze ver- wendet. — Eine weit größere Bedeutung kommt als solche aber dem Garten-Salat (Lactüca sativa°) zu. Er hat gleichfalls im Mittelmeergebiete seine Heimat und wird, um möglichst viele zarte Blätter zu ge- winnen, wie mehrere Kohlarten zumeist in „Kopfform“ gezogen. — Eine unschein- bare, aber überaus merkwürdige Pflanze ist der Stachel-Lattieh (L. scariola®), der an unbebauten Orten vielfach in großen Beständen anzutreffen ist. Ist sein Stand- ort schattig und feucht, so streckt er die stacheligen, schrotsägeförmigen Blätter wie andre Pflanzen nach allen Seiten. Steht er aber an sehr sonnigen und trocknen Stellen, so hat er ein ganz verändertes 1) Beide Worte bedeuten Zichorie. 2) en- divia vielleicht aus intybus entstanden (s. An- merkung 1). 3) Zactuca von lac, läctis, Milch (Milchsaft!); sativus, angebaut. 4) scariola, un- erkl., wahrscheinlich ein verstiimmeltes Wort. Sie haben in der Regel gelbe Blüten und wie zahlreiche Wolfsmilcharten in allen Teilen einen weißen Milchsaft. Hinsichtlich des erstgenannten Merkmales SE a en 2 ” aD ® PR BER 2 Bee eher zur Se Er a = = Fr B> ö I nern rn Be = er BE = B — ee BE _ ae: auf trocknem, stark besonntem Boden gewachsen ist; 1. von Süden oder Norden gesehen; 3, dieselbe Pflanze, von Osten oder Westen Stachel-Lattich, der (Kleines Expl., etwa '/, nat. Gr.) gesehen. 260 Korbblütler. Aussehen: Die Blätter sind nicht nur alle senkrecht gerichtet, sondern haben sich auch so gedreht, daß sie die Breitseiten nach Osten und Westen, die Kanten dagegen nach Süden und Norden richten. An dem Lattich kann man daher — die Himmelsgegenden ablesen, so daß man ihn mit Recht als eine „Kompaßpflanze“ bezeichnet. („An- klänge“ an diese Blattstellung sind nicht selten auch beim Gartensalat zu beobachten.) Welche Bedeutung hat nun diese sonderbare Erscheinung? Die senkrechte Stellung der Blätter haben wir bereits öfter als ein Schutzmittel gegen starke Erwärmung und hohe Wasserdampfabgabe kennen gelernt. Auch die Richtung der Blätter nach den Himmelsgegenden läuft auf dasselbe hinaus: Morgens und abends werden die Blatt- flächen von den Sonnenstrahlen senkrecht getroffen; da es zu diesen Zeiten aber ver- hältnismäßig kühl ist, werden sie weder stark erwärmt, noch übermäßig zur Ver- dunstung angeregt. Am heißen Mittag dagegen wirken die Sonnenstrahlen viel kräftiger: Dann aber bieten ihnen die Blätter nur die Schmalseite dar, so daß Erwärmung und Verdunstung gleichfalls nur gering sein können. Die eigentümliche Blattstellung ist also ein Schutzmittel gegen das Vertrocknen und tritt dementsprechend auch nur dann auf, wenn die Pflanze dieser Gefahr ausgesetzt ist, nämlich wenn sie — wie oben erwähnt — auf trocknem, schattenlosem Boden im heißen Sonnenbrande wächst. Von den zahlreichen schwer unterscheidbaren Arten der Gattung Habichtskraut (Hieracium?) sei nur das gemeine H. (H. pilosella°) kurz berücksichtigt. Das zierliche Pflänzchen, das nach allen Seiten lange Ausläufer aussendet (Vermehrung!), ist auf Sandboden und trocknen Grasplätzen überall häufig anzutreffen. Aus einer grund- ständigen Blattrosette erhebt sich auf langem Stiele das gelbe Blütenköpfchen, das sich mit Anbruch des Abends, sowie bei schlechtem Wetter schließt. Wenn es längere Zeit nicht geregnet hat, zeigt die Pflanze eine merkwürdige Veränderung: Die Blätter haben die mit einem Filzüberzuge versehene Unterseite dem Lichte zugewendet, so dab sie jetzt gleichsam wie von einem Sonnen- schirme bedeckt und somit gegen zu starke Besonnung, zu hohe Erwärmung und tödlichen Wasserdampfverlust geschützt sind. — Eine prächtige Pflanze unsrer Wiesen ist der Wiesen- Bocksbart (Tragopögon pratensis?), der seine großen, leuchten- den Blütenköpfe zumeist in den letzten Vormittagsstunden bereits wieder schließt. Die Strahlen der radförmigen Feder- krone sind durch Fiederhärchen untereinander verbunden, eine Einrichtung, durch die der Luftwiderstand wesentlich Frucht vom Wiesen- erhöht wird. Infolgedessen können die verhältnismäßig großen 3ocksbarte (nat. Gr.). und schweren Samen doch weit verbreitet werden. — Eine dem Bocksbarte in allen Stücken ähnliche Pflanze ist die Schwarzwurzel (Scorzon6ra hispanica®). Sie ist aus dem Mittelmeergebiete zu uns gekommen und wird ihrer schmackhaften Wurzel wegen vielfach als Gemüse an- gebaut. — Mit der Erwähnung eines allbekannten Ackerunkrautes, der Acker- Gänsedistel (Sonchus arvönsis?), soll endlich der Abschnitt über die Korbblütler, von denen hier nur wenige kurz betrachtet werden konnten, abgeschlossen sein. 1) von hierax, Habicht. 2) pilosella: pilösus, haarig (Blätter!) und -ella, Verkleinerungssilbe. 3) tragopogon : trägos, Bock und pögon, Bart (Federkrone soll einem Ziegenbarte ähneln!); pratensis, auf der Wiese wachsend. 4) scorzonera aus dem Italienischen: scörza, Rinde und nero, schwarz; hispanieus, spanisch. 5) sonchus, Gänsedistel; arvensis, auf dem Acker wachsend. Gräser. 261 2. Unterklasse. Einkeimblättrige Pflanzen od.Spitzkeimer (Monocotyleae). Keimling mit einem Keimblatte. Laubblätter in der Regel mit parallel verlaufenden, unverzweigten Hauptnerven. Blütenteile meist in der 3-Zahl vorhanden. 67. Familie. Gräser (Gramineae’?). Stengel (Halm) knotig und meist hohl. Blätter zweizeilig, meist mit je einer gespal- tenen Blattscheide und einem Blatthäutchen. Blütenstand eine aus „Ährchen* zu- sammengesetzte Ähre oder Rispe. Blüten im Schutze sog. Spelzen; mit meist 3 Staub- blättern und einem Fruchtknoten mit meist 2 Narben. Frucht eine sog. Grasfrucht. 1. Der Roggen (Secäle cereäle?). A. Die Bedeutung des Roggens. 1. Von den Getreidearten, die in Mittel- und Nordeuropa angebaut werden, hat keine eine so große Wichtigkeit, wie der Roggen. Liefert er doch das Schwarzbrot, das für viele Millionen von Menschen einen großen, vielfach sogar den größten Teil der täglichen Nahrung bildet. Dieses Brot ist zwar etwas weniger nahrhaft als das aus Weizenmehl hergestellte Weißbrot, bleibt aber viel länger schmackhaft als jenes und wird uns nie zum Überdrusse. Zudem gedeiht der Roggen meist auch da noch, wo kein Weizenbau mehr be- trieben werden kann; denn die anspruchslose Pflanze nimmt mit einer geringern Sommerwärme fürlieb als der Weizen und bringt auch auf weniger gutem Boden noch lohnenden Ertrag. Seiner großen Wichtigkeit halber bezeichnet man den Roggen vielfach kurzweg als das Korn, ein Name, mit dem jedes Volk seine Hauptbrotfrucht belegt. So ist z. B. für die Bewohner Frankreichs der Weizen, für die Südeuropäer neben dem Weizen der Mais und für die meisten Völker Asiens der Reis „das Korn“. Diese hohe Bedeutung erlangen die unscheinbaren Getreidegräser bekanntlich durch die Frucht. Wie dies möglich ist, wird uns leicht die genauere Betrachtung des Roggenkormnes zeigen; denn die Früchte aller andern Grasarten sind im wesentlichen genau so gebaut. — Um den Roggen ganz zu würdigen, muß noch des wertvollen Strohes ge- dacht werden, das er uns liefert. Es wird als Streu für das Vieh, als Häcksel für die Pferde, sowie wegen seiner Länge zur Herstellung von Seilen, Strohmatten u. dgl. verwendet. B. Das Roggenkorn ist ein kleines, graugelbes Gebilde mit einer Längsfurche und einer wohl umgrenzten Stelle am zugespitzten (untern) Ende Um den innern Bau kennen zu lernen, führen wir durch ein etwas aufgequollenes Korn einen Längsschnitt, der genau in der Mitte der Furche verläuft. Dann sehen wir, daß es aus 2 deutlich geschiedenen 1) mönos, ein und kotyjle, Höhlung (Keimblatt). 2) von grämen, Gras. 3) secdäle, riehtiger secale, Roggen; cereale, von Ceres, der Göttin des Getreidebaues, geschenkt, 262 Gräser. Teilen besteht, die von einer schützenden „Haut“ (der miteinander ver- wachsenen Frucht- und Samenschale, s. w. u.) umhüllt sind (F. S.). 1. Nehmen wir eine Lupe zur Hand, so erkennen wir in dem untern Abschnitt (K.), der äußerlich jene „wohl umgrenzte Stelle“ bildet, leicht die Anlage der jungen Pflanze, den Keimling: I F.S. Wir sehen die Knospe (Kn) mit den ersten Blättern, ein kurzes Stengelstück (St.) und ein Würzelchen (W.), das vonderWurzelscheide (Ws.) umgeben ist. Der | 3, Stengel steht mit einem Roggenkorn. 1. Von außen; 2. im Längsschnitte verhältnismäßig dicken (etwa 10 mal vergr.); 3. unterer Teil (stärker vergr.). Körper (Sch.), der nach K. Keimling; N. Nährgewebe; F.S. die miteinander ver- seinerForm Schildehen wachsene Frucht- und Samenschale; Sch. Schildchen; genannt wird und sich Kn. Knospe; St. Stengelchen; W. Würzelchen; 4 ß Ws. Wurzelscheide. an den großen obern Abschnitt der Frucht (N.) anlegt, in Verbindung. (Am besten ist die Form des Schildchens zu er- kennen, wenn man von einem gequollenen Korne den ganzen Keimling mit Hilfe einer Nadel ablöst.) Da das Schildchen an der Stelle des Stengels ent- springt, an der sich bei den zweikeimblättrigen Pflanzen die Keimblätter fin- den, betrachtet man es gleichfalls als ein solches(„Einkeimblättrige Pflanzen‘). 2, Stellt man durch den großen obern Abschnitt des Roggenkornes (N.) dünne Querschnitte her, so sieht man bei mikroskopischer Vergröße- rung, daß unter der umhüllenden „Haut“ eine Schicht kürzerer Zellen liegt, die mit feinen Körnchen angefüllt u ua sind. Der von dieser Schicht umschlossene —— F. Raum dagegen wird von längern Zellen ng eingenommen, die wesentlich größere Körner >? ° führen. Bei Zusatz einer Jodlösung färben ‚° K. sich die kleinen Körner gelbbraun, die größern blau, ein Zeichen, daß wir es in erstern mit Eiweiß, in letztern mit Stärke zu tun haben. Während das Eiweiß, hier „Kleber“ genannt, also in den äußersten Zellen angehäuft ist, findet sich die Stärke in den Zellen, die von der „Kleberschicht“ umschlossen sind. FeinererBau des Roggenkornes Eiweiß und Stärke sind nun die Stoffe, (nit ei IOmaheer NET) dio der Keimpflanze zum Aufbau und zur K. Kleberschicht; St. Zellen, mit Nahrung dienen. Während sie bei vielen Stärkekörnern angefüllt. Pflanzen, z. B. bei der Bohne, in den Keim- Gräser. 263 blättern eingelagert sind, finden sie sich hier, von dem Keimlinge voll- ständig getrennt, in einem besondern Abschnitte des Samens, den man als das Sameneiweiß (Endosperm) oder treffender als das Nähr- gewebe (N.) bezeichnet. Da nun das Roggenkorn außerordentlich reich an Eiweiß (11°/,) und Stärke (60°/,) ist, und beide Stoffe unentbehrliche Bestandteile der menschlichen Nahrung bilden, so wird uns die Wichtigkeit des Roggens als Brotfrucht ohne weiteres verständlich. Der Keimling, die umhül- lende „Haut“, sowie die darunter lagernde Kleberschicht werden beim Mahlen des Getreides durch die Rauhigkeit der Mühlsteine von den Körnern abgerieben. Sie liefern die als Viehfutter verwendete Kleie, während das zertrümmerte Nährgewebe ohne die N Kleberschicht das Mehl gibt. Da die Kleberschicht — wie ı wir gesehen haben — sehr reich an Eiweiß ist, so ist auch das Brot, das aus „geschrotenem“ Korne hergestellt wird h g.Dl. (Schrotbrot, Kommißbrot, Pumpernickel u. dgl.), weit nahrhafter, ! allerdings auch viel schwerer zu verdauen, als ein aus reinem Mehle bereitetes Gebäck. — Wenn auch die Stärke, wie z. B. | die der Kartoffelknolle, nicht fabrikmäßig gewonnen wird, so werden die Roggenkörner doch gleichfalls zur Herstel- lung eines stark alkohol- haltigen Getränkes, des Korn- branntweines, verwendet. C. Aussaat, Keimung : | EN und Bestockung. 1. Der Rog- 292 ee: = >S gen wird im Herbst oder = = Frühling gesät (Winter- und Sommerroggen). (Beschreibe, wie der Landmann den Boden für das Saatkorn zubereitet! Gib an, welche Bedeutung die Keimung des Roggenkornes. K. Knospe; Nw. einzelnen Tätigkeiten haben, Nebenwurzeln; Ws. Wurzelscheide; Hw. Haupt- und wie die Aussaat erfolgt!) wurzel; Sch. das scheidenförmige Blatt; g.Bl. das 2. Um die Keimung ge- erste grüne Blatt. nau verfolgen zu können, saen wir Roggenkörner in Blumentöpfe, die mit feuchter Erde an- gefüllt sind. Die Körner quellen bald auf, und im warmen Zimmer sprengt meist schon am nächsten Tage der schwellende Keim die über- deckende Schale. a) Wie bei der keimenden Bohne kommt zuerst das Würzelchen zum Vorscheine (Fig. 1). Es durchbricht die Wurzelscheide, die anfäng- lich mitwächst und das überaus zarte Gebilde gegen Verletzung schützt, und bohrt sich in den Boden ein. Gleichzeitig machen sich an dem ( fr MM 264 Gräser. Stengelchen zwei kleine Anschwellungen bemerklich, die sich gleichfalls zu Wurzeln ausbilden (Fig. 2) und anfänglich auch von Wurzelscheiden um- hüllt sind. Zum Unterschiede von der sich zuerst entwickelnden Haupt- wurzel bezeichnet man diese als Nebenwurzeln. Bald brechen noch weitere Nebenwurzeln aus dem Stengel hervor, und da alle die Haupt- wurzel an Größe und Stärke bald erreichen, so entsteht schließlich ein Büschel gleichartiger Wurzeln (Fig. 3). b) Da die Wurzelscheide mit zahlreichen Härchen besetzt ist, wird das Korn sofort bei Beginn der Keimung im Boden verankert. Diese Befestigung wird um so sicherer, je tiefer sich die Hauptwurzel in die Erde senkt und je mehr Nebenwurzeln, die gleich der Hauptwurzel mit vielen Wurzelhärchen bedeckt sind, sich entwickeln. Fast gleichzeitig mit der Streckung des Würzelchens beginnt auch die Knospe stark in die Länge zu wachsen. Das Stengelchen dagegen bleibt sehr kurz und ist daher nicht imstande, die Erde zu durchbrechen. Diese Arbeit ver- richtet vielmehr die Knospe selbst, und dazu ist sie trotz ihrer Zartheit wohl befähigt. Ihre Blätter bilden nämlich einen Kegel, dessen Mantel von dem scheidenförmigen ersten Blatte gebildet wird. Diese meist röt- lich angelaufene Scheide ist verhältnismäßig fest und widerstandsfähig, so daß sie mit ihrer harten Spitze den Boden wie ein Keil durchbrechen kann. Erst ein Stück über dem Boden öffnet sich die Scheide, um das zweite Blatt (d. i. das erste grüne Blatt) hervortreten zu lassen. c) Das ursprünglich harte Roggenkorn wird mit beginnender Keimung weich, und sein Nährgewebe verwandelt sich nach und nach in eine milchige Masse. Da nun der Inhalt des Nährgewebes dem Keimlinge zur Nahrung und zum Aufbau dient, von diesem aber getrennt ist, muß ein Vermittler zwischen beiden vorhanden sein. Als solcher gibt sich das Schildehen zu erkennen, das — wie wir gesehen haben — mit seiner sanzen Fläche dem Nährgewebe anliegt, auf der andern Seite dagegen mit dem Keimlinge in Verbindung steht. ‚Je mehr sich der Keimling entwickelt, desto mehr leert sich auch der Vorratsspeicher, bis die letzten, für den Keimling wertlosen Reste des Kornes schließlich durch Fäulnis zerfallen. 3. a) Noch bevor sämtliche Vorratsstoffe verbraucht sind, ist die Pflanze imstande, sich selbst Nahrung zu erwerben. Sie sendet — wie man bei sehr vorsichtigem Nachgraben sehen kann — ihre Wurzeln bis in die tiefern, stets feuchten Bodenschichten hinab. Daher vermag der Roggen selbst noch auf trocknem Sandboden zu wachsen. b) Mit den ersten Wurzeln werden auch die ersten grünen Blätter gebildet. Der Sommerroggen „schießt“ nun schnell empor, und nicht lange währt es, so hat er seine volle Größe erreicht. Der Winterroggen dagegen bleibt während der kalten Zeit niedrig. Im andern Falle würde die Schneelast, die auf ihm ruht, seine Stengel zerknicken und ihn somit vernichten. Sinkt das Thermometer bis etwa zum Nullpunkt, so stellt der Roggen das Wachstum ganz ein; denn ohne Wärme gibt es: keinen Pflanzenwuchs. Bei mildem Wetter dagegen wächst er langsam weiter: Gräser. 265 Aus dem untersten Stengelknoten sprießen zahlreiche Zweige hervor, die oft abermals Zweige treiben. Man sagt: der Roggen bestockt sich. Da nun jeder Zweig (Halm) stets in einer Ähre endigt, so ist eine ergiebige Bestockung Vorbedingung für eine ertragreiche Ernte, und da sich der Winterroggen reicher bestockt als der Sommerroggen, wird er auch vor- wiegend angebaut. D. Halm und Blatt. 1. Der Stengel des Roggens (wie der aller Gräser) wird Halm genannt. Obgleich er bis 2 m hoch und nur wenige Millimeter dick wird, vermag er nicht nur das eigene Gewicht, sondern auch das der Blätter und der Ähre zu tragen. Wie gegen diese von oben wirkende Last ist das schwache Gebilde auch gegen seitlichen Druck außerordentlich widerstandsfähig. Biege einen Roggenhalm so stark, daß die Ähre den Boden berührt, und du wirst sehen, wie er losgelassen so- fort wieder in seine ursprüngliche Lage zurückkehrt! Oder beobachte, wenn der Wind über das Kornfeld weht, wie das „Ährenmeer“ wogt und wallt, und wie die Halme sich neigen und biegen, ohne daß auch nur ein einziger geknickt würde! Der Roggenhalm ist also ein Gebilde von großer Trag- und Biegungsfestigkeit. a) Wie bei der Taubnessel (s. S. 202) hat auch beim Roggen die äußerste Schicht des Stengels unter der Biegung am meisten zu leiden. Dementsprechend finden sich seine festesten Teile auch dicht unter der Oberfläche. Es sind dies — wie auf dünnen Schnitten bei schwacher mikroskopischer Vergrößerung leicht zu erkennen ist — Zellen, die sich durch große Widerstandsfähigkeit auszeichnen. Sie haben stark verdickte Wände, sind langgestreckt und mit den zugespitzten Enden fest inein- ander gefügt. Während diese „Stützzellen“ bei der Taubnessel aber 4 „Pfeiler“ bilden, stellen sie hier eine Röhre dar, die durch leisten- artige Vorsprünge verstärkt ist. Die Leisten erscheinen auf der Oberfläche des grünen Halmes als helle Längsstreifen. b) Wie bei der Taubnessel ist auch beim ausgebil- deten Stengel des Roggens das Mark, das bei der Biegung nichts auszuhalten hat, verschwunden: der Halm ist hohl. c) Nur in den Knoten finden sich Querwände, durch die der Halm in eine Anzahl kürzerer Röhren geteilt ist, so daß er eine größere Widerstandsfähigkeit erhält (s. S. 202, ec). Und zwar stehen im untern Halmabschnitte, der am meisten zu tragen und unter dem Winde am | stärksten zu leiden hat, die Knoten viel enger beieinander 3 als im obern. — Wie auf einem Längsschnitte leicht zu Roggenblatt. sehen ist, gehören die äußerlich sichtbaren Anschwellungen Blattscheide u. ‚an den Knoten nicht nur dem Stengel, sondern in erster an Sa > he eil gezeichnet. Linie den Blättern an. s 2. Blätter. Jedes Blatt besteht aus 2 deutlich geschiedenen Ab- schnitten, der Blattscheide und der Blattfläche. Da, wo beide zusammen- stoßen, erhebt sich ein häutiges Gebilde, das Blatthäutchen. 266 Gräser. a) Die Blattscheide entspringt an einem Halmknoten und stellt eine offene Röhre dar, deren Ränder aber fest übereinander greifen. Stellt man durch eine junge Roggenpflanze einen Längsschnitt her, so sieht man, daß sämtliche Blattscheiden einen Hohlraum bilden. In ihm finden sich der Stengel, die Blätter (soweit sie noch nicht ins Freie ragen) und die junge Ähre. Alle diese Gebilde sind aber von außerordentlicher i Zartheit. Schon ein leiser Wind würde sie durch Aneinanderschlagen der Halme vernichten, und die Mittagssonne könnte ihnen leicht so viel Wasser entziehen, daß sie vertrockneten, wenn sie durch die Blattscheiden, die ihnen in der Entwicklung stark „vorauseilen“, nicht den notwendigen Schutz erhielten. Erst nachdem sie gehörig erstarkt sind, wachsen sie nachein- ander aus der schützenden Hülle hervor. (Vgl. mit einem Fernrohre oder mit einer auszieh- baren Angelrute!) Auch später, wenn die Ähre bereits sichtbar geworden, das Wachstum aber noch nicht be- endigt ist, hat die Blattscheide noch eine große Bedeutung für die Pflanze. Entfernt man die Scheide, so findet man, daß das sonst vollkom- men ausgebildete Halmglied unmittelbar über dem Knoten noch zart und weich ist. Hier ist der Halm noch in Streckung begriffen und ermangelt daher der Festigkeit. Schon ein leichter Wind- stoßB würde ihn knicken. Von der Scheide um- hüllt, trotzt er dagegen, wie wir gesehen haben, selbst heftigen Stürmen. Die Blattscheiden, die die zarten Wachstumsstellen wie feste en ebene Röhren umschlieben, verleihen also zwei- der Länge nach durch- tens dem Halme die nötige Festigkeit. — schnitten. Im Schutze der Im Gegensatz zu den meisten andern Pflanzen, Blattscheiden Sch. bildet die nur an der Spitze des Stengels (und der sich der Stengel St. mit Wurzel) fortwachsen, treffen wir beim Roggen wie A nen bei allen Gräsern über jedem Knoten eine Wachs- Blütenstande B. aus. ö tumsstelle an, eine Tatsache, die uns das schnelle Emporschießen der Gräser hinreichend erklärt. (So verlängern sich z. B. die Halme des Bambusrohres während der Zeit des lebhaftesten Wachs- tums in 24 Stunden nicht selten um 1 m.) Wenn sich die Halme vielleicht infolge eines heftigen Gewitterregens „gelagert“ haben, oder wenn sie auf irgend eine Weise umgebrochen sind (Versuch!), wächst die über dem Knoten liegende, verdickte Stelle der Blattscheide an der Unterseite so stark, daß der Halm daselbst eine Knickung erfährt. Dies dauert so lange fort, bis der über dem Knoten Gräser. befindliche Halmabschnitt wieder senkrecht steht. Nun- mehr können die Pflanzen wieder genügend von Licht und Luft umspült und die Blüten durch den Wind be- stäubt werden. Die Blattscheide beseitigt infolge ungleichmäßigen Wachstums also drittens auch die mit der Lagerung oder Knickung der Halme verknüpften Gefahren. (Sehr häufig ist dieses Auf- richten der Halme am Rande der Felder zu sehen, wo Pflanzen durch Mutwillen oder dgl. geknickt und um- getreten sind.) b) Die Blattfläche ist bandartig gestreckt und flattert daher wie eine Fahne mit dem Winde. Infolge- dessen bietet sie ihm auch nur eine geringe Angriffs- fläche dar, ein Umstand, der nicht wenig dazu beiträgt, daß die Pflanze selbst einem Sturme zu trotzen ver- mag. Mit der bandartigen Form steht auch der pa- rallele Verlauf der Blattnerven im innigten Ein- klange, wie er bei den einkeimblättrigen Pflanzen in der Regel zu beobachten ist. c) Das Blatthäutchen liegt dem Halme dicht an. Es verhindert daher, daß die Regentropfen (Versuch!), die von der Blattfläche nach innen abfließen, zwischen Halm und Blattscheide gelangen. Im andern Falle würden die Pflanzenteile durch die dort enstehende Fäulnis dort bald zerstört sein. 267 N---Sch. #-v.Sch. SH: = 206: Längsschnitt durch einen Knoten des Roggenhalmes. aH.ausgewachsener, z.H. zarter Teil eines Halmgliedes; H.K. Halmknoten; Sch. Blattscheide; v.Sch. Verdickte Stelle der Blatt- scheide über dem Halmknoten. 3. Zieht man die Blätter des Roggens (oder andrer Gräser) schnell -durch die Hand, so schneidet man sich an ihnen leicht empfindlich. Dies rührt von der Kieselsäure her, die in großer Menge in den Zell- wänden der Öberhaut eingelagert ist. Glüht man Halmteile auf einem Platinbleche, so bleibt das glasartige „Kieselskelett* zurück. Es ist der Pflanze ein Schutz gegen äußere Verletzungen, hat aber noch eine andre Bedeutung, wie folgender einfache Versuch lehrt: Man lege Garten- oder Weinberg- schnecken Roggenhalme vor, die sich noch im Wachstume befinden. Von einigen Halmen entferne man aber vorher die Blattscheiden, so daß die Tiere zu den jungen Stengelteilen gelangen können, die sich im Schutze der Blattscheiden entwickeln, und deren Oberhaut noch nicht verkieselt ist. Dann wird man an den unverletzten Halmen nur geringe, an den von den Blattscheiden befreiten dagegen bald starke Freßspuren bemerken. Die verkieselten Häute erschweren den Tieren also den An- Knoten Teil eines Roggenhalmes, der sich durch „Knickung* am wieder aufgerichtet griff. Wiederkäuer und Nager vermag der hat, im Durchschnitte. 268 Gräser. Roggen durch dieses Schutzmittel allerdings nicht abzuhalten; wohl aber werden andre Grasarten, z. B. das scharfschneidende Schilf, und in noch höherm Grade zahlreiche Riedgräser infolge ihres hohen Kieselgehaltes von diesen Tieren verschont. In gewissen Gegenden des heißen Afrika ist die Verkieselung der Blätter bei vielen Gräsern sogar so stark, daß sie für unsre Haustiere gänzlich ungenießbar wären. E. Blüte und Frucht. 1. Ähre. Nachdem immer ein Halmglied nach dem andern aus der Scheide des vorhergehenden Blattes hervor- gekommen ist, tritt endlich auch das letzte ins Freie Es trägt den Blütenstand, der im sewöhnlichen Leben als Ähre bezeich- net wird. Entfernen wir die Blüten, so sehen wir, daß der Halmteil, dem sie aufsitzen, breit ist und zwei Reihen klei- ner, treppenförmiger Absätze aufweist. Auf jedem Absatze dieser Achse steht auf einem winzigen Stiele - eine kleine Gruppe von Blü- ten, die ein sog. Ährchen bilden. Der Blütenstand des Roggens ist im botanischen Sinne also eine zusammen-- gesetzte Ähre. 2. Ährehen. Biegen wir die Ähre stark, so läßt sich leicht ein Ährchen loslösen. Wir sehen dann, dab es aus K. Ein Ährehen des Roggens und sein Grundriß. 1. u. 2. die beiden entwickelten Blüten; De Ra ET DI ES = Tarkıı » - . 1 ne Se Blüte A ae zwei wohlgeschiedenen Teilen Ist aber nicht immer so weit vorgeschritten, wie - : e : besteht, in denen wir un- hier dargestellt). K. Kelchspelzen; a.B. äußere a = Blütenspelzen; i.B. innere Blütenspelzen; St, Stiel schwer ebensoviele, von grü- des Ährchens; S. Schwellkörperchen. nen, häutigen Blättern oder „Spelzen“ umhüllte Blüten er- kennen. Zwischen beiden Blüten erhebt sich auf einem fadenförmigen Stielchen ein größeres oder kleineres Gebilde, das den Überrest einer ver- kümmerten, nur ausnahmsweise fruchtbaren Blüte darstellt. 3. Blüte. Zu äußerst am Ährchen sehen wir jederseits ein kleines, kahnförmiges Blatt (K.). Da es zum Ährchen eine ähnliche Stellung ein- nimmt wie bei andern Pflanzen der Kelch, wird es als Kelchspelze be- zeichnet. Darauf folgt je ein größeres Blatt, die sog. äußere Blüten- spelze (a. B.). Der Mittelnerv dieses Blattes tritt nach außen wie ein Gräser. 269 Kiel hervor und ist zu einer „Granne“ verlängert, die beide mit aufwärts stehenden Stacheln besetzt sind. (Daher kann man die Ähre auch nur von unten nach oben durch die Hand ziehen.) Vor und nach der Blüte- zeit nimmt die äußere Blütenspelze ein zweites, kleineres Blatt, d. i. die mit zwei Kielen ausgerüstete innere Blütenspelze (i. B.), fast ganz in sich auf. Beide Blätter bilden also gleichsam eine kleine Schachtel, in der die zarten Blütenteile den notwendigen Schutz finden. Sie vertreten also die fehlende Blütenhülle, eine Tatsache, die ihre Benennung zur (tenüge rechtfertigt. Jede Blüte besteht aus 3 Staubblättern und einem Frucht- knoten, der 2 große, federartige Narben trägt. 4. Bestäubung. Geht man an einem Junimorgen durch die lachende Flur, so sieht man nicht selten aus den wogenden Roggenfeldern dampf- artige Wolken aufsteigen, die der geschäftige Morgenwind weithin ver- weht. Der Roggen „stäubt“. Er ist also ein Windblütler. a) Wie andre Pflanzen, die auf gleiche Weise bestäubt werden, be- sitzt er auch ganz unscheinbare, duft- und honiglose Blüten. b) Eine solche Bestäubung kann aber nur erfolgen, wenn Staub- blätter und Stempel frei dastehen. Die „Schachtel“, in der diese Teile geborgen sind, muß sich daher öffnen, eine Arbeit, die von zwei kleinen, farblosen Gebilden, den sog. Schwellkörperchen geleistet wird. Sie liegen zwischen dem Fruchtknoten und der äußern Blütenspelze, schwellen schnell an und drängen infolgedessen die genannte Spelze nach außen. c) Während dies geschieht, wachsen die Staub- fäden stark in die Länge. Die Staubbeutel werden infolgedessen zwischen den Spelzen hervorgeschoben und hängen bereits nach Verlauf weniger Minuten an langen, dünnen Fäden pendelnd aus der Blüte. Schon ein leiser Windhauch vermag daher, sie zu bewegen und den Blütenstaub aus ihnen zu schütteln. d) Die beiden Staubbeutelfächer öffnen sich am obern, jetzt also dem Erdboden zugekehrtem Ab- schnitte mit je einem Längsriß. Dabei krümmen sie sich so, daß ihre Endteile gleichsam zwei kleine Löffel- chen bilden. Infolgedessen wird der Blütenstaub, der sich dort ablagert, so lange zurückgehalten, bis er von einem Windhauche „abgeholt“ wird. Ist dies ge- s ER ; . BlütedesRoggens; schehen, dann sickert aus dem nicht klaffenden Ab- nach Entfernung der schnitte des Beutels neuer Staub in die „Löffelehen“, (Kelch- und) äußern der abermals verweht wird u. s. f. Sind die Staub- Blütenspelze, von beutel endlich entleert, so fallen sie, nunmehr wertlos außen gesehen. \.B. R : : 3 e innere Blütenspelze; geworden, ab. (Die geschilderten Vorgänge sind am N Narber P. Prucht besten an abgeschnittenen Ähren im Zimmer zu be- knoten: S. Schwell- obachten. Beschleunigen kann man das Aufblühen körperchen. Fruchtähre des Roggens. Gräser. bekanntlich dadurch, daß man eine „blühreife“ Ähre mit ihrem Halmteile in den Mund nimmt.) e) Da der Roggen wie alle andern Windblütler trocknen Blütenstaub besitzt, kann dieser leicht verweht werden, und da- er in großen Mengen erzeugt wird, ist mit Sicherheit zu erwarten, daß der Wind auch einige Körnchen an den Ort ihrer Bestimmung trägt. f) Die Möglichkeit, auf eine der Narben nieder- zufallen, ist um so größer, als diese — wie bereits erwähnt — während des Stäubens völlig freistehen und große, federartige (rebilde, also vortreffliche „Staubfänger“ darstellen. Zudem ist der Weg vom Staubblatt zur Narbe:in der Regel nicht weit; denn der Roggen wächst ja wie die meisten andern Windblütler in großen Beständen, die allerdings vom Menschen geschaffen sind. g) Als für die Bestäubung beachtenswert ist endlich noch zu erwähnen, daß der Halm schon durch einen leichten Wind ins Schwanken gerät, daß die Ähre den höchsten Punkt des Stengels einnimmt, und daß sich die Blüten nur an trocknen, sonnigen Tagen öffnen. 5. Frucht. a) Sobald das Stäuben beendigt ist, schrumpfen die Schwellkörperchen zusammen; die äußere Blütenspelze legt sich wieder wie ein Schachteldeckel über dieinnere, und im Schutze beider reift nun die Frucht heran. Da die Ährchen an der Achse in zwei Reihen stehen, und jedes wieder aus zwei fruchtbaren Blüten zusammengesetzt ist, sind die rei- fen Körner in der Ähre zu vier Längsreihen geordnet. b) Jede Frucht enthält nur einen Samen, dessen sehr dünne Hülle mit der Fruchtknotenwand ver- wächst. Eine so gebildete Frucht findet sich bei den meisten Gräsern. Sie wird daher Grasfrucht (Karyopse) genannt. c) Sind die Körner reif, so lösen sie sich aus den Spelzen und fallen, da sie verhältnismäßig schwer sind, in unmittelbarer Nähe der Mutterpflanze zu Boden. Hierzu läßt es der Landmann natürlich nicht kommen. Er mäht den Roggen vorher ab, bringst ihn in die Scheune und schlägt auf harter Tenne die Körner aus den Ähren. (Beschreibe genauer, wie die Ernte und das Dreschen des Getreides erfolgt!) Aus den Körnern, die beim Ein- ernten ausgefallen sind, entstehen zwar neue Pflanzen; doch deren Nach- Gräser. Ari kommen verschwinden sehr bald wieder, so daß wir trotz des aus- gedehnten Roggenbaues nirgends verwilderten Roggen antreffen. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, daß wir es in dem wichtigen Gewächse mit einem Fremdlinge auf unsern Fluren zu tun haben. Die Stammform des Roggens (S. montänum') hat ihre Heimat vielmehr im Gebiete des Mittelmeeres und den angrenzenden Ländern Asiens. - Fielen beim wildwachsenden Roggen die reifen Körner in unmittel- barer Nähe des Halmes zu Boden, so würden die jungen Pflanzen in einem Trupp beieinander stehen und sich Licht, Nahrung und Raum gegenseitig streitig machen. Dieser Fall tritt auch in der Tat nicht ein: Die Ährenachse zerbricht erstlich bei der Reife, so daß die Ähre in eine große Zahl kleinerer Teile zerfällt. Die Früchte bleiben ferner von den Spelzen umhüllt. Da diese dem Winde eine verhältnismäßig große Angriffsfläche darbieten, werden die kleinen Körner infolgedessen leicht verweht. Durch die äußere Blütenspelze steht die Frucht aber auch mit der Granne im Zusammenhange. Da nun das stachelige Gebilde leicht in dem Pelze oder Gefieder vorbeistreifender Tiere hängen bleibt, kann das Korn endlich auch weit verschleppt werden. Zugleich dient die Granne der keimenden Frucht zur Befestigung an den Erdboden. Diese „Aussäungsvorrichtungen“ des wildwachsenden Roggens wären aber für das Einernten des angebauten Kornes sehr nachteilig. Darum ist der Mensch bestrebt gewesen, sie zu beseitigen, und durch viele Jahrhunderte lange, planmäßige Auslese ist ihm dies auch gelungen: Die Ähre zerfällt nicht mehr in einzelne Teile; das reife Korn bleibt nicht von den Spelzen umhüllt, und die Granne ist brüchig und bedeutungslos geworden. Hand in Hand mit dieser „Veredelung“ ist zugleich eine wesentliche Ver- größerung der Körner gegangen, kurz: Es ist eine von der Stammform in zahlreichen Stücken abweichende Kulturform entstanden. F. Feinde. Von der Aussaat bis zur Ernte ist die überaus wichtige Pflanze von einem Heere von Feinden bedroht: Zahlreiche Unkräuter rauben ihr gleich den andern Getreidearten unsrer Felder Licht, Raum und Nahrung; Schmarotzerpilze, von denen besonders der Getreiderost und der Mutterkornpilz genannt sein mögen, siedeln sich auf Stengel, Blatt oder Blüte an; Engerlinge, Drahtwürmer und andre Insektenlarven zehren an den Wurzeln; Hirsche, Rehe und Kaninchen „äsen“ die junge Saat, und von den Früchten nähren sich Getreidelaufkäfer, Hamster und Feldmaus. Selbst in der sichern Scheune oder auf dem Kornboden stellen sich oft noch allerlei ungebetene Gäste ein, von denen vornehmlich die Mäuse, sowie der weiße und der schwarze Korn- wurm großen Schaden anrichten können. 2. Andre Getreidearten, Zuckerrohr und Bambus. 1. Nächst dem Roggen ist der Weizen (Triticum vulgäre°), dessen Stammpflanze (T. dicocecoides?) vor kurzem in Nord-Palästina und Syrien . D) montanus, auf dem Gebirge wachsend. 2) triticum, Weizen; vulgaris, gemein. 3) dicoccoides: di-, zwei, kökkos, Kern u. -eides, ähnlich. Gräser. > we u II Fruchtähren des Weizens: I. Bartweizen; 2. Kolbenweizen; 3. Spelt. entdeckt wurde, unsre wich- tigste Getreideart. Soweit esBoden und Klima erlauben, wird er in ganz Europa, so- dann aber besonders in Nord- amerika und Ostindien an- gebaut. Er liefert ein sehr feines, weißes Mehl, das, wie bekannt, vornehmlich zu Weißbrot und allerlei feinem Backwerk verwendet wird. Auch gewinnt man aus den Weizenkörnern die Stärke, die u. a. zum Stärken der Wäsche im Gebrauch ist. Von den zahlreichen Spiel- arten der wichtigen Pflanze treffen wir auf unsern Fel- dern am häufigsten den unbegrannten Kolben- und den begranntenBartweizen an. — In Süddeutschland und der Schweiz wird hier und da eine andre Weizen- art, der Spelt, Spelz oder Dinkel (T. spelta') gebaut, der mit weniger gutem Boden und geringerer Sommer- wärme fürlieb nimmt, und bei dem die Ährchen in ver- hältnismäßig großen Zwi- schenräumen an der Achse stehen. Wie beim wilden Roggen zerbricht die Ähren- achse bei der Reife, und die Körner bleiben von den Spelzen (Name!) umhüllt. Das unreife, gedörrte und von den Spelzen befreite Spelz- korn liefert das „Grünkorn“ oder den „Grünkern“ des Handels. 3) spelta, Spelz, wohl ein germa- nisches Wort. Gräser. 213 2. Wie der Roggen stellt die erste (Hor- deum satıvum'), deren Stammform (H. spon- taneum °) im nördlichen Afrika und im Orient aufgefunden wurde, an die Sommerwärme nur geringe Ansprüche. Sie dringt daher gleichfalls weit nach Norden vor. Im Gegensatz zu jener Pflanze und dem Wei- zen stehen bei ihr aber auf jedem Absatze der Ährenachse3einblütige Ährchen. Daher sind auch die Körner bei der Reife in 6 Zeilen geordnet. Deutlich aus- geprägt ist dies jedoch nur bei der sechs- zeiligen G. Greifen die Seitenzeilen inein- ander, so haben wir die Verhältnisse, wie sie die vierzeilige G. zeigt. Bei der zwei- zeiligen G. dagegen ist nur das mittlere der 3 Ährchen fruchtbar. Diese Spielart besitzt daher sehr große, wohl- ausgebildete Früchte, die besonders bei der Bierbrauerei zur Ge- winnung des Malzes verwendet werden (Braugerste!). Ferner dienen die Gersten- körner, die zumeist von den Blütenspelzen um- hüllt aus den Ähren REF Fruchtähre der Gerste. 1) hordeum, Gerste; sativus, © d- 2 zweizeilive- Ger angeb. 2) spontaneus, ursprüng]. L.evger. sung e. ameizeilige Zeiss: Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 18 274 Gräser. _ fallen, zur Herstellung von Graupen und Grieß, und endlich werden sie auch als Futter für die Haustiere hoch geschätzt. 3. Der Hafer (Avena sativa!) unterscheidet sich von den andern Getreidearten wesentlich durch den Blütenstand, der eine Rispe darstellt. Am obern Teile des Hal- mes gehen nämlich von den Knoten zahlreiche Nebenstengel aus, die sich zumeist nochmals ver- zweigen und an denEnden je ein Ährchen tragen. Die von den Spelzen um- hüllt bleibenden Körner dienen besonders als Pferdefutter, werden je- doch auch enthülst und geschroten (Hafergrütze) in Breiform vom Men- schen verzehrt. 4. Das mittlere Asien oder Östindien scheint die Heimat der Hirse (Panicum miliaceum?) zu sein. Ihre Körner sind zwar \ nur klein; dafür bringt aber N die große, einseitig überhän- \ gende Rispe deren sehr viele hervor. Sie werden bei uns besonders als Futter für das Hausgeflügel benutzt, finden aber auch als Speise für den Menschen Verwendung. 5. Der Mais (Zea mais’) ist im tropischen Amerika heimisch, wird jetzt aber in allen warmen Ländern, sowie in den mildern (regenden der gemäßigten ı ps: Zonen angebaut. Die we- Fruchtrispe des Hafers. nigen im Erdboden zur Ausbildung gelangenden Wurzeln, die die oft mehrere Meter hohe Pflanze allein nicht zu halten vermöchten, werden durch seilartige Stützwurzeln vermehrt, die an den untern Knoten des markhaltigen Stengels hervorbrechen, in den Untergrund eindringen und sich daselbst vielfach verzweigen (vgl. mit einem Fahnen- 1) arena, Hafer; sativus angebaut. 2) panicum, Hirse; miliaceus von miälium, ebenfalls Hirse. 3) zea hieß bei den alten Griechen der Spelt; mais ist ein peruanisches Wort. Gräser. 275 maste, der durch Taue gehalten wird). Im Gegensatz zu unsern einheimischen und angebauten Gräsern, die alle Zwitterblüten besitzen, ist der Mais ein einhäusiges Gewächs. Auf dem Gipfel des Stengels erheben sich die zu einer großen Rispe geordneten Staubblüten, während die Stempel- blüten zu dieken Kolben zusammen- gedrängt sind. Die Kolben entspringen aus den Blattwinkeln und sind von zahlreichen Blättern dicht umhüllt, die den zarten Blüten und jungen Früchten einen wirksamen Schutz gewähren. Da aber die Hülle dem Blütenstande entsprechend verhältnis- mäßig groß ist, und die Narben während der Bestäubung dem Winde ausgesetzt sein müssen, sind die fadenförmigen Griffel von außerordentlicher Länge. Sie treten an der Spitze der Hülle in Form eines Büschels ins Freie. Die großen, meist gelben Früchte werden als Futter für die Haustiere hoch ge- schätzt, dienen aber geröstet oder ge- kocht in südlichen Ländern auch dem Menschen zur Speise. Aus dem Mais- mehl bereitet der Italiener seine „Po-. lenta“, einen Brei, der den ärmern Volksschichten meist ausschließlich zur täglichen Nahrung dient. Bei uns kommt das Mehl unter verschiedenen Namen in den Handel und wird vor- nehmlich zur Herstellung süßer Spei- sen verwendet. In Mitteleuropa baut man die hohe, saftige Pflanze be- sonders als Grünfutter an. 6. Der Reis (Oryza sativa'; s. Abb. S. 276) nimmt unter allen Getreide- arten insofern den ersten Rang ein, als sich von seinen Früchten bei weitem die meisten Menschen ernähren. Er Mais. 1. Oberer Teil der blühenden ; : - : Pflanze. Stb. Rispe, aus Staubblüten ist ein Rispengras ee 3 : BEREITEN Benerae:, wie der Hafer, bestehend. Stp. Kolben, aus Stempelblüten 1) öryza, Reis, ein altindisches Wort; sativus, 7usSammengesetzt. 2. 18 nterer Stengelteil angebaut, mit zahlreichen Stützwurzeln. (Verkl.). 276 (Gräser. erreicht eine Höhe von 1,50 m und hat sich von Ostindien aus über alle heißen und warmen Länder verbreitet. Auch im südlichen Europa wird er mit Erfolg angebaut. Da er eine Sumpfpflanze ist, gedeiht er besonders in Niederungen, die regelmäßig überschwemmt werden, dadurch aber auch vielfach Herde der gefürchteten Sumpffieber bilden. Die zu uns in den Handel kommenden Körner sind von den Spelzen befreit und durch ein besonderes Mahlverfahren poliert. Wie aus Kartoffelknollen und Weizen- körnern bereitet man aus ihnen eine vortreffliche Stärke; durch Gärung liefern sie ein alkoholisches Getränk, den Arrak. Im Anschluß an die Getreidearten seien noch 2 Gräser erwähnt, die eleichfalls für den Menschen eine hohe Bedeutung erlangt haben: das Zucker- und das Bambusrohr. 7. Das Zuckerrohr (Säccharum offieinärum'), dessen Heimat wahr- scheinlich in Ostindien zu suchen ist, wird in allen Tropenländern angebaut. Ein Zuckerrohrfeld gleicht einem gewal- tigen Schilfdickichte. Aus dem aus- dauernden Wurzelstocke erheben sich zahlreiche markhaltige Stengel, die bei 2—5 cm Stärke eine Höhe von 6 m erreichen können und je eine end- ständige Blütenrispe tragen. Da die ältern Blätter abfallen und die Blatt- scheiden Narben zurücklassen, erschei- nen die Stengel am untern Teil deut- lich geringelt. Haben die Pflanzen ihre volle Größe erreicht, den Blütenstand aber noch nicht entwickelt, so beginnt die Ernte. Arbeiter schlagen sie mit großen Messern dicht über dem Boden ab und entfernen die Blätter, sowie die wenig Mark enthaltende Spitze. Die so zubereiteten Stengel werden zur Fabrik gebracht und kommen zwischen schwere, eiserne Walzen, die das zuckerhaltige Mark zerquetschen. Der gelbliche Saft, der bis 20°/, Rohrzucker enthält, fließt in große Gefäße, um wie der Saft der Zuckerrübe sodann weiter verarbeitet zu werden. Aus den zuckerreichen Rückständen gewinnt man durch Gärung den Rum. 8. Die Bambusgräser (Bambüseae?; s. Abb. S. 278) sind in zahlreichen Arten über die ganze Tropenzone und die ihr angrenzenden Gebiete verbreitet. Es sind große, vielfach riesige, ausdauernde Gewächse, die eine Höhe von 40 m erreichen können und oft weite Reispflanzen mit fast reifen Körnern. 1) saccharum von dem persisch-indischen Worte sdkchar, Zucker; offieinarum, der Apotheken. 2) von dem portugiesischen, Worte bambos. Gräser. De Ui! D Landstriche mit diehtem Walde bedecken. Ihre Verwendung ist in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Die dieken Halme gebraucht man zum Bau von Häusern, Hütten und Brücken, zur Herstellung von Wasserleitungen, Flößen usw. Die dünnern Stengel werden als Stützen, Stangen und Mastbäume verwendet; man verfertigt aus ihnen Möbel, Musikinstrumente und hunderterlei andre Gegenstände. Schenkelstarke Halm- glieder dienen als Wassereimer, kleinere als Becher, Flaschen u. dgl. Aus den knotigen, zähen Ausläufern stellt man die Spazierstöcke her, die bei uns vielfach im Gebrauch sind; die jungen Triebe liefern ein schmack- haftes Gemüse; kurz: es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, dab das Bambusrohr für viele Er Völker, besonders in Indien —_ und Ostasien, geradezu un- 5 entbehrlich ist. 3. Einheimische «räser. 1.Verbreitung der Gräser. Wo wir uns bei einem Grange durch die heimische Natur auch hinwenden mö- gen, überall begegnen wir Gräsern. Sie be- decken als Getreide einen großen Teil des Feldes; sie bilden die weiten Wiesen- und Weideflächen der Nie- derungen und Bergs- __s hänge; sie bewohnen - I den schwankenden Sumpfboden, wie den hartgetretenen Weg- rand; sie gedeihen im kühlen Waldesschatten, wie auf sonnverbrannter Heide; sie umkränzen in mächtigen Beständen unsre Gewässer und haben auf öder Düne mit Sturm, Sonnenbrand und Dürre einen harten Kampf zu bestehen. Wie bei uns, ist es auch in allen andern Ländern der Erde. Soweit das Auge reicht, erblickt man oft nichts weiter als Gräser. Man denke nur an die schier unermeßlichen Steppengebiete, wie sie sich in allen Erdteilen finden, an die Pußten Ungarns, an die Pampas und Ljanos Südamerikas, an die Prärien Nordamerikas und wie die „Gras- wüsten“ alle heißen mögen. Kurz: Die Gräser sind diejenigen (re- Zuckerrohr. Im Hintergrunde Halme mit Blütenständen. Daneben ein Stück des Halmes, weniger verkl. 278 Gräser. wächse, die von allen Pflanzenfamilien den größten Teil der Erdoberfläche bedecken. 2. Wiesen und Weiden. Abgesehen von den Getreidefeldern treten uns in der heimatlichen Natur die Gräser besonders auf Wiesen und Weiden entgegen. a) Während die(setreidegräser nur ein oder zwei Jahre leben, sind die Wiesengräser, die ja bleibende Bestände bilden, ausdauernde Pflanzen. b) Greht bei den ausdauernden Gräsern die Be- stockung so vor sich, wie wir sie beim Roggen ken- nen gelernt ha- ben, so entste- hen größere oder kleinere „Gras- büsche“ ‚diedurch /,wischenräume voneinander ge- trennt bleiben. Solche „horst- bildenden“ Grä- ser sind also nicht imstande, eine zusammen- hängende Gras- fläche zu erzeu- gen. Wie sich die „rasenbildenden“ Wiesengräser bestocken, zeigt uns deutlich die weiter unten erwähnte Quecke. Aus den untersten Halmknoten brechen zwar gleichfalls Zweige hervor. Sie richten sich jedoch nicht auf, wie dies beim Roggen ge- schieht, sondern kriechen weit unter der Erdoberfläche dahin, verzweigen sich vielfach und nehmen von allen noch freien Räumen im Boden Besitz. Erst an den Knoten dieser Ausläufer bilden sich zahlreiche oberirdische Zweige, die entweder nur Blätter, oder Blätter und Blüten tragen. Auf Bambus an einem indischen Flusse. (vaepdwuoxz] 9uroTy) x -998IOH-Isne N 'F !serdäey [Us 'g »yaoT-PUMEL "G ‘opond "I a "IOSBIOUAIUY (u) ru re) odsor] PqneL | | | > job > J N N IN u 2 { N N j \ Gräser. 280 1. 2. | 3a. Ährenrispengräser. {. Wiesen-Fuchsschwanz. 2. Wiesen-Lieschgras. a) blühend, b) verblüht. 4. 3. Ruehger Ä as: Wie { > enhafer. Wiesenschwinge (li nat. Gr. ) | Gräser, 281 diese Weise entsteht die sog. Grasnarbe, das „Grundgewebe“ des Wiesenteppichs, in das alle andern Pflanzen der Wiese gleichsam ein- geflochten sind. c) Unsre Wiesen werden im Jahre gewöhnlich ein- oder zweimal gemäht (Heu- und Grummeternte), eine Arbeit, die auf den Weiden von den pflanzenfressenden Haustieren gewissermaßen direkt besorgt wird. Außer den Wiesenpflanzen dürfte es wohl nur noch wenige (iewächse geben, die eine solche beständige Verstümmelung zu ertragen vermöchten. Kaum abgemäht, sprießt das Gras aber von neuem hervor. Ja, es er- hält sich zumeist ganz allein durch fortgesetzte Sprossung; denn bevor es noch Samen reifen kann, fällt es gewöhnlich schon der Sense oder den Weidetieren wieder zum Opfer. Die große Widerstandsfähigkeit gegen Verstümmelung und das hohe Sprossungsvermögen der Gräser sind also weitere Vorbedingungen für das Vorhandensein der Wiesen und Weiden. Wie in unsrer Heimat, liefern aber auch in allen andern Ländern die weiten Grasflächen den Haustieren ausschließlich oder vorwiegend die Nahrung. Auf den unscheinbaren Gräsern beruhen also in erster Linie Ackerbau (Getreidegräser!) und Viehzucht, die beide wieder den Anfang und die Grundlage aller menschlichen Kultur bilden. 3. Die wichtigsten und häufigsten Arten. (rehen wir zur Zeit der Gras- blüte durch Wiese, Feld und Wald,.so staunen wir über die große Mannigfaltigkeit, die unter den Gräsern herrscht. Wir können daher hier nur die Formen kurz be- trachten, die uns am häufigsten entgegentreten und als Wiesengräser, Unkräuter u. dgl. für den Menschen von besonderer Bedeutung sind. Der Übersichtlichkeit wegen wollen wir sie wieder in 3 Gruppen ordnen: a) Ährengräser (Ährchen sitzend oder kurz gestielt, zusammengesetzte Ähren bildend). Als eines der bekanntesten, wildwachsenden Gräser sei zuerst die Quecke (Agropyrum repens!) erwähnt, die auf Äckern und Feldern ein überaus lästiges Unkraut bildet, aber auch an Wegen und Hecken überall anzutreffen ist. Die Spitzen der Aus- läufer sind durch starre, schuppenartige Blätter geschützt, so daß sie selbst Kartoffel- knollen, ja sogar starke Baumwurzeln durchbohren können. Die Pflanze vermag mithin auch von hartem Boden Besitz zu ergreifen. Die Ährchen stehen an der wellenförmig gebogenen Achse ziemlich weit voneinander entfernt und wenden ihr die Breitseite zu. — Durch dieses Merkmal ist die Quecke leicht von dem ähnlichen Taumelloleh (Lölium temulentum?) zu unterscheiden, bei dem die Ährchen der Achse die Schmalseite zu- kehren. Die Pflanze findet sich gleichfalls unter dem Getreide. Da sie aber einjährig ist (keine Ausläufer!), richtet sie nur wenig Schaden an. Beachtenswert ist sie jedoch durch ihre Körner, die beim Menschen Vergiftungserscheinungen hervorrufen können (Name!). — Der nächste Verwandte des Lolches ist das englische Raygras (L. perenne °) mit sehr ähnlichen, aber zierlichern Ähren. Da es dichte Rasen bildet, ist es ein wertvolles Futtergras, das auch (namentlich in England; Artname!) gern zur Anlegung von Grasbeeten verwendet wird. — An Wegen und Mauern findet sich häufig ein Gras, das der angebauten Gerste sehr ähnlich ist, die Mäusegerste (Hördeum murinum'). 1) agropyrum: agrös, Acker und pyrös, Weizen; repens, kriechend. 2) lolium, Lolch, eigentl. Schwindel erregende Pfl.; temulentus, berauscht, berauschend. 3) perennis, ausdauernd. 4) hor- deum, Gerste; murinus, mäuseartig (nur für Mäuse als Nahrung dienend?). 282 Gräser, b) Ährenrispengräser (Ährchen zu mehreren auf verästelten Stielen, eine ähren- förmige Rispe bildend. Dies ist meist erst beim Umbiegen des Blütenstandes zu er- kennen!). Der Wiesenfuchsschwanz (Alopectrus pratensis'), der den Gattungsnamen nach dem kurzen, walzenförmigen Blütenstande trägt, ist eines unsrer wichtigsten Wiesengräser, — Dasselbe gilt von dem Wiesenliesch- oder Timotheusgrase (Phl&um pratense?), Sein Blütenstand ist dem der vorigen Art fast gleich, aber länger und dünner, einem kleinen Zylinderputzer ganz ähnlich. — Das Ruchgras (Anthoxänthum odoratum°®) dagegen bildet nur niedrige Rasen. Es verleiht (Name!) dem Heu den würzigen Duft des Waldmeisters, der aber wie bei dieser Pflanze den Weidetieren zuwider ist. Während des Blühens spreizen die Ährchen von der Ährenachse ab, so daß dem Winde ein besserer Zutritt zu den Staubbeuteln und Narben geschaffen wird. Durch das Einatmen des Blütenstaubes dieser Pflanze, aber auch zahlreicher andrer Gräser, entsteht bei dafür empfänglichen Leuten das sog. Heufieber. — An den kamm- artigen Ährchen ist leicht das Kammgras (Cynosürus crista- tus!) zu erkennen. — Eine ungemein wichtige Pflanze für die Bewohner unsrer Meeresküsten ist der Strandhafer (Am- möphila arenaria°), der dem Sande der Dünen Leben verleiht. Obgleich der Boden, dem das Gras entsprießt, außerordent- lich trocken ist, vermag es ihm doch genügend Nahrung und Wasser zu entnehmen; denn es besitzt einen mehrere Meter langen, vielfach verzweigten Wurzelstock, der samt den zahlreichen Wurzeln den Sand nach allen Richtungen hin durchzieht. Hierdurch erhält die lockere Sandmasse einen festen Halt, so daß sie selbst dem heftigsten Angriffe der Stürme und dem donnernden Anpralle der Wogen zu wider- stehen vermag. Die Dünen werden somit gleichsam zu Boll- werken, die die Ansiedelungen und Felder der Menschen schützen, vom Sande bedeckt und von den Fluten vernichtet zu werden. Darum pflanzt auch der Küstenbewohner die wichtige Pflanze vielfach an und behütet sie wie der Binnenländer das Getreide des Feldes, — Die gleiche Be- deutung hat ein zweites, sehr ähnliches Gras, der Strand- roggen (Elymus arenärius®), der auch im Binnenlande an sandigen Stellen vorkommt, dessen Blütenstand aber eine Ähre bildet. (Name! Er hätte also eigentlich bei den Ährengräsern erwähnt werden müssen!) Ist der Boden feucht, so breitet sowohl der Strandroggen seine breiten, hellgrünen, als auch der Strandhafer seine schmalern, dunkelgrünen Blätter flach aus; ist der Sand aber trocken, dann sind Strand- Strand- die Blätter beider Pflanzen zu langen Röhren. zusammen- hafer. roggen. gerollt. Durch tiefe Längsfurchen, wie man solche auch an (Kleine Exemplare.) den Blättern mehrerer andrer Gräser antrifft, sind sie hierzu wohl befähigt. Welche Bedeutung diese Erscheinung hat, zeigt uns ein einfacher Versuch: Schneiden wir von beiden Pflanzen je einen Stengel ab, so rollen sich dessen Blätter nach kurzer Zeit ein. Dadurch verkleinern sie ihre Oberfläche sehr stark, so daß sie nun auch nicht mehr soviel Wasser verdunsten wie vordem. Da sich ferner sämtliche Spaltöffnungen auf der Blattunterseite befinden, 1) alopecurus: alöpex, Fuchs und urd, Schwanz; pratensis, auf der Wiese wachsend. 2) phleum von phleos, strotzend; pratensis, s. Anm. 1. 3) anthoxanthum: anthos, Blume und wanthös, blond, gelb; odoratus, wohlriechend. 4) eynosurus: kyon, gen. kynös, Hund und urd, Schwanz; cristatus, mit einem Kamme (erista) versehen. 5) ammophila: dmmos, Sand und phile, Freundin; arenarius, auf dem Sande wachsend. 6) &’ymos, Hirse, eigentl. Rollpflanze; arenarius, s. Anm. 5. 283 (Gräser, SBISZULTHN Heu. 'SPIOU9AÄSTIUASOT A EMO UEDUNPLLIAY PILY) YTITWYU9SU9SeYH seisgnerng 188) ) 'yeu P/, BAgo UBDSUnpTIggVy PILY) (a seıo[enruy SBIDIANNIZ Gräser. Geög “|, Gräser. 285 jetzt also alle in den windstillen Hohlraum der Röhre münden, wird durch diese Ein- richtung die Verdunstung um so mehr eingeschränkt. Stellt man die Stengel darauf ins Wasser, so daß die Blätter eine solche Ersparnis nicht mehr nötig haben, so breiten sie sich nach kurzer Zeit auch wieder vollkommen aus. Die empfindlichen iungen Blätter beider Pflanzen besitzen stets Röhrenform. c) Rispengräser (Blütenstand wie beim Hafer). Einen wichtigen Bestandteil unsrer Wiesen bildet der Wiesenhafer (Arrhenatherum elätius?), der seine „hafer- ähnlichen“ Rispen oft mehr als meterhoch über den Boden erhebt. Die äußere Blüten- spelze der untern Blüte in jedem Ährchen trägt auf der Außenseite eine lange Granne, die wie die Granne des Reiherschnabels knieförmig gebogen und im untern Teile korkzieherartig aufgerollt ist. Löst sich das Ährchen bei der Reife los, so wird es wie die Teilfrucht jener Pflanze mit Hilfe dieser Einrichtung in den Boden gebohrt. — Gleichfalls haferähnlich sind die Trespen (Bromus?); sie besitzen aber dicke, lanzettliche Ährchen, deren Kelchspelzen im Gegensatz zum Hafer nicht abspreizen. Mehrere Arten, wie die abgebildete taube T. (B. sterilis®), wachsen an unfruchtbaren Stellen. — Durch sehr kleine, meist violett angelaufene Ährchen an haarfeinen Ästen zeichnet sich das Straußgras (Agröstis vulgaris!) aus. Es überzieht auf Wiesen und Triften, sowie an Acker- und Waldrändern vielfach große Strecken wie mit einem zarten Schleier. — Die oft mehr als meterhohe Rasenschmiele (Aira caespitosa°) hat eine ähnliche Rispe. Bei ihr sind die Äste aber zumeist bogenförmig abwärts geneigt. — Das Wiesenrispengras (Poa pratensis®) bildet infolge seiner zahlreichen Ausläufer eine sehr dichte Grasnarbe. Es ist unser häufigstes Wiesengras, das ein vortreffliches Futter liefert. — Aus knäuelartigen Ährchenmassen besteht die einseitige Rispe des Knäuelgrases (Dactylis glomeräta‘). — Auf trocknen Wiesen findet sich häufig das zierliche Zittergras (Briza media®), dessen große, muschelförmige Spelzen wirksame Windfänge für die winzigen Früchte darstellen. — Das Honiggras (Holcus lanatus?) ist wollig behaart und hat sehr reichblütige, meist rötlich oder violett angelaufene Rispen, die wie beim Ruchgrase u. a. während des Blühens stark gespreizt sind. — Dieselbe Erscheinung beobachten wir auch an der einseitswendigen Rispe des Wiesen- schwingels (Festüca elätior !%), der eines unsrer besten Wiesengräser darstellt. Teiche und Seen sind oft von einem weitausgedehnten „Graswalde“ umkränzt, der von dem Schilfe (Phragmites communis!!) gebildet wird. Mit Hilfe langer Ausläufer dringt das hohe Gras vom Ufer aus bis zu jenen Stellen der Gewässer vor, an denen es infolge geringer Tiefe noch zu leben vermag. Weht ein heftiger Wind, so sehen die mächtigen Bestände aus, als wären sie gekämmt. Da die Innenflächen der Blatt- scheiden und die Oberseite des Halmes glatt sind, dreht nämlich der Wind die Blätter und stellt sie wie die Wetterfahne auf dem Dache in die Windrichtung. Infolgedessen streicht er an ihnen vorbei, so daß der Halm trotz seiner Größe (bis 3 m) und der langen, breiten Blätter selbst vom heftigsten Sturme nicht geknickt wird. Zur Zeit der Fruchtreife sind die Ährchenstiele mit langen, seidenartigen Haaren bedeckt. Dann gleicht der Fruchtstand einem großen Federballen. Lösen sich die Ährchen von der Mutterpflanze los, so werden sie ein Spiel der Winde. Daher werden die Früchte leicht über einen weiten Bezirk ausgesät. Bis zur Blütezeit ist von den Haaren nur wenig zu bemerken; sie würden der Bestäubung auch nur hinderlich sein. Die langen und festen abgestorbenen Halme werden zur Bekleidung von Wänden, zum Bedecken der Dächer, zur Herstellung von allerlei Flechtwerk u. dgl. vielfach verwendet. — Ein dem Schilfe sehr ähnliches Gras, das sich gleichfalls häufig am Wasser findet, ist das 1) arrhenatherum: ärrhen, männlich und ather, Granne; elatius, erhabener, groß. 2) Hafer. 3) sterilis, unfruchtbar. 4) agrostis: agrös, Acker und -ostis aus ed-, essen; vulgaris, gemein. 5) aira, Unkraut im Weizen; caespitosa von caespes, gen. ca6spitis, Rasen. 6) poa, Gras, eigentl. saftig. strotzend; pratensis, auf der Wiese wachsend. 7) dactylis, fingerartig; glomeratus, zusammengeballt, gehäuft. 8) briza, bei den Griechen eine Getreideart; medius, mittel. 9) holeus von holkös, das Ziehen, Fortschleppen, das sich lang Hinziehende (Wurzelstock?); lanatus, wollig. 10) festuca, Grashalm, eigentl. Borste, steif emporstarrend; elatior, erhabener, groß. 11 phragmites von phragmös, Zaun; communis, gemein. 286 Riedgräser. Glanzgras (Phaläris arundinacea'). Eine Spielart von ihm mit weiß-grün gestreiften Blättern wird unter dem Namen Bandgras gern als Zierpflanze gezogen. 68. Familie. Riedgräser (Üyperäceae?). Die Riedgräser sind grasartige Pflanzen („Schein- oder Halbgräser“), die sich mit den echten Gräsern besonders auf sumpfigem, moorigem oder sog. saurem Boden („Sauer- gräser“) an der Bildung der Wiesen beteiligen. Da sie aber scharfschneidende Blätter be- sitzen, die von den Weidetieren vielfach verschmäht werden, so liefern „saure Wiesen“ nur ein minderwertiges Futter. Zahlreiche andre Riedgräser lieben wieder den wasser- armen Sandboden. Die Merkmale der Riedgräser wollen wir an den Seggen (Carex°) kennen lernen, einer Gattung, deren zahlreiche, schwer unter- scheidbare Arten überall anzutreffen sind. Wir finden bei ihnen meist einen dreikantigen, knotenlosen Stengel, an dem die Blätter in 3 Zeilen stehen. Die Blattscheiden sind ge- schlossen und ohne Blatthäutchen. Die Ähr- chen setzen sich entweder aus Staub- oder Stempelblüten, oder aus beiden Blütenarten zusammen. Die Blüten sind unscheinbare Gebilde, die durch Vermittelung des Win- des bestäubt werden. Die Stempelblüten, die nur aus einem Fruchtknoten und einem Griffel mit 2 oder 3 Narben bestehen, sind gleich der Frucht von einem schlauchförmigen Blatte schützend umgeben. Zahlreiche Seggen treiben Ausläufer und tragen daher auf Sand- feldern und Dünen zur Bindung des Flug- sandes bei. Dies zeigt z. B. deutlich die Sand-S. (C. arenäria*), deren Wurzelstock meterweit im Boden dahinkriecht. Da er nun hierbei eine gerade Linie einhält, so stehen die aus den Knoten sich erhebenden oberirdischen Triebe so regelmäßig, als wären sie vom Menschen in eine Reihe gepflanzt. 1) phalaris, Gras mit Blütenstand, der wie eine phälara, ein Helmbusch, aussieht; arundina- ceus, rohrähnlich. 2) Von cyperus, s. S.287, Anm. 3. 3) Riedgras. 4) arenarius, m Sande wachsend. Sandsegge. Von einem Ausläufer erheben sich mehrere, zum Teil blühende oberirdische Triebe. Daneben eine Stempelblüte: B. Blatt, in dessen Achsel die Blüte steht; S. das schlauchförmige Blatt, aus dessen Öffnung die beiden Narben N hervortreten. Riedgräser. Froschlöffelgewächse. 287 Die übrigen Glieder der Familie haben im Gegensatz zu den Seggen Blüten, die eines Schlauches entbehren und beiderlei Befruchtungs- werkzeuge einschließen. Dies lassen z. B. die Simsen (Scirpus!) erkennen, die in zahlreichen Formen auf sumpfigen, torfigen Wiesen, an den Ufern der Gewässer und andern feuchten Stellen anzutreffen sind. Sie ähneln bis auf den Bau der Blüte ganz den Binsen, mit denen sie unter gleichen Lebensbedingungen wachsen. — Torfwiesen bewohnt auch das zierliche Woll- gras (Eriöphorum?). Nach der Bestäubung ver- längert sich die aus seidenartigen Haaren be- stehende Blütenhülle, so daß jedes Ährchen Fruchtährchen des Wollgrases, von einen kleinen Wollbüschel darstellt. Zugleich dem der Wind soeben einige Früchte streeken sich auch die Ährchenstiele stark in losgelöst hat (nat. Gr.). die Länge. Daher werden die reifen, winzigen Früchte vom Winde leicht losgerissen und ein Spiel der Lüfte. — Ein Riedgras ist auch die im Altertume so hochberühmte Papierstaude (Cyperus papyrus®), die namentlich in Ägypten angebaut wurde und unserm Papiere den Namen gegeben hat. Sie ist eine Sumpfpflanze, deren 1—3 m hoher Stengel von einem großen, dolden- förmigen Blütensstande gekrönt wird. Zum Zwecke der Papierbereitung schlitzte man den Stengel auf und klebte die einzelnen Häute und Fasern in noch feuchtem Zustande aneinander. >> IIII> 69--71. Familie. Froschlöffel-, Froschbiß- und Laichkrautgewächse MS (Alismäceae*), Hydrocharidäceae’) und Re hi I) Potamogetonäceae®). m. IWuya )) N 1. Froschlöffelgewächse. Diese kleine Familie umfaßt einige Gewächse, die man stets im oder am Wasser antrifft. Von schilfartiger Gestalt ist die stolze Schwanenblume (Bütomus umbellätus‘), die auch Wasserliesch oder Blumenbinse genannt wird. Auf hohem Schafte trägt sie eine Dolde prächtig rosafarbener Blüten, die im Knospenzustande von zahlreichen Hüllblättern schützend bedeckt ist. Haben diese Blätter ihre Aufgabe erfüllt, so werden sie trockenhäutig. Die Früchte sind durch Luft- räume schwimmfähig, eine Einrichtung, die zu dem Standorte der Pflanze in innigster Beziehung steht. — Mit der Schwanenblume heben auch 1) eigentl. Binse. 2) zusammengesetzt aus Erion, Wolle und ph£ero, ich trage. 3) cyperus, Öypergras; pa- pyrus aus dem Ägyptischen. 4) s. S. 288, Anm. 1. 5)s. S. 288, Anm. 3. 6) s. S. 289, Anm.1. 7) butomus: bus, Rind und tömos, Schnitt (Pfl. wird vom Rinde abge- schnitten, verzehrt); wmbellatus, doldenartig. >88 Froschlöffel-, Froschbiß- und Laichkrautgewächse. der allbekannte Froschlöffel (Alisma plantägo!) und das schmucke Pfeilkraut (Sagit- täria sagittifölia®?) ihre Blätter über den Wasserspiegel empor. Steigt das Wasser aber erheblich, so nehmen die sonst löffel- bezw. pfeilförmigen Blätter (Namen!) die Form langer Riemen an. Dann vermögen sie der Strömung des Wassers zu folgen, während sie sonst leicht zerrissen werden könnten. 2. Froschbißgewächse. Der Froschbiß (Hydröcharis morsus ranae?) schwimmt frei im Wasser und kann mithin auch nur in stehenden oder ganz langsam fließenden Gewässern leben. Während sich seine herzförmigen Blätter — auf den Herzausschnitt bezieht sich der Name der zierlichen Pflanze — gleich denen der Seerose auf dem Wasserspiegel ausbreiten, ragen die zarten, weißen Blüten darüber em- por. Da nur selten Fruchtbildung eintritt, wäre der Fortbestand des freundlichen Gewächses gefährdet, wenn es sich nicht auf andre Weise vermehrte, nämlich durch Ausläufer, die sich wagerecht unter der Wasseroberfläche hinziehen und am Ende je eine neue Pflanze bilden. Während des Winters vermag sich aber der Froschbiß in der obersten Wasserschicht, die ja zu Eis er- starrt, nicht zu halten. Er „flüchtet“ wie die Seerose in die frostfreien Tiefen: Mit Beginn des Herbstes hört nämlich die Bildung von Tochter- pflanzen auf. Dann lösen sich die Endknospen der Ausläufer ab und sinken zu Boden. Wenn sich aber das Wasser im Frühjahre wieder erwärmt, füllen sich gewisse Zell- räume dieser „Winterknospen“ mit Luft. Infolgedessen steigen die zar- ten Gebilde, einem Luftballon ver- gleichbar, zur Wasseroberfläche em- por. Hier öffnen sie sich, fangen an zu treiben, und nicht lange währt es, so ist der Wasserspiegel wieder mit den Blättern der inter- essanten Pflanze bedeckt. — Ein andres Wassergewächs ist die eigentümliche Krebs- sehere (Stratiötes aloides*), die ihren Namen nach den stachelig gezähnten, schwert- förmigen Blättern trägt. Die großen, alo&artigen Blattrosetten, die während der wär- mern Jahreszeit oft die ganze Oberfläche von Teichen und Tümpeln überziehen, sinken, um den Winter zu überdauern, im Herbste auf den Grund der Gewässer. — Unsre gemeinste Wasserpflanze, die Wasserpest (Helodea canadensis?), ist erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus Nordamerika bei uns eingewandert. Anfänglich ver- mehrte sie sich in einem solchen Maße (Name!), daß sie an einigen Stellen sogar der Schiffahrt hinderlich wurde. Diese erstaunliche Vermehrung ‘ist um so merkwürdiger, als die Wasserpest in unsern Gewässern niemals Früchte trägt: Die mit Staubblüten ausgerüstete Form der zweihäusigen Pflanze fehlt nämlich bei uns gänzlich. Dafür ist aber schon ein kleines Bruchstück des zarten Gewächses imstande, Knospen und Froschbiß. An dem Ausläufer rechts löst sich soeben eine Winterknospe ab. 1) alisma, griechischer Name einer Wasserpfl.; plantago, Wegerich (Blattform!). 2) sagittarius, pfeilartig; sagittifolia: sagitta, Pfeil und fölium, Blatt. 3) hydrocharis: hıydor, Wasser und chairo, ich freue mich; mörsus, Biß; ränae, des Frosches. 4) stratiötes, Soldat (stachelige Blätter!); aloides: aloe, Alo& und -eides, ähnlich. 5) helodeau von he£los, Sumpf; canadensis, aus Kanada. Laichkrautgewächse. Arongewächse. 289 Wurzeln zu treiben. Gegenwärtig hält sich die Vermehrung des Eindringlings in mäßigen Grenzen, so daß von ihm nichts mehr zu befürchten ist. Wohl aber trägt er, da er die Abfall- stoffe der Tiere zum Aufbau des eigenen Körpers verwendet, gleich allen andern Wasserpflanzen we- sentlich zum Rein- halten der Gewäs- ser bei. 3. Laichkraut- gewächse. Die Laichkräuter (Pota- mogeton'!) sind wie die Froschbiß- gewächse unterge- tauchte oderschwim- mende Wasserpflan- zen. Da sie vom Wasser getragen werden, zeigen Sten- gel und Blätter auch eine auffallende Zart- heit. Die einfachen, in Ähren stehenden Blüten werden über den Wasserspiegel empor gehoben und mit Hilfe des Windes bestäubt. — In der Strand- zone unsrer Meere wächst auf schlammigem oder sandigem Boden das Seegras (Zostöra?), das ge- trocknet als wertvolles Polstermaterial allgemein bekannt ist. Das grasähnliche Gewächs hat lange, riemenförmige Blätter, die leicht mit den Wogen hin und her fluten. Es blüht wie das Hornblatt unsrer Teiche und Seen unter Wasser. = 5 1o -T 3 Seegras (verkl.). B. Blütenstand. 72. Familie. Arongewächse (Aräceae‘). Der Aronstab (Arum maculätum’). 1. Der Aronstab ist ein Bewohner schattiger, feuchter Laubwälder. Bereits im Vorfrühlinge, also zu einer Zeit, in der die Bäume noch 1) pofamogeton: potamös, Fluß und geiton, Nachbar. 7) aus zoster, Gürtel, Riemen entstanden (Blattform!). 3) arum von äron, einem Pflanzennamen der alten Griechen (durch den Gleichklang verführt, brachte man den Kolben mit dem grünenden Stabe des Hohenpriesters Aron in Verbindung. Man nannte die Pflanze darum ohne Berechtigung „Aronstab“); maculatus, geileckt. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 19 290 Arongewächse. unbelaubt sind, und die Sonnenstrahlen ungehindert bis zum Boden hinabdringen, sprießt er zum Lichte empor. Hierzu ist er wohl befähigt; denn er findet die nötigen Baustoffe in einem knollenartigen unter- irdischen Stamme fertig vor. Wenn sich die Laubkronen geschlossen haben, beginnt er bald zu vergilben: alles Erscheinungen, wie wir sie an andern Pflanzen des zeitigen Frühlings kennen gelernt haben. Die pfeilförmigen, meist braungefleckten, langgestielten Blattflächen sind zart und groß, wie solche bei Schattengewächsen häufig angetroffen werden. Da sie deutliche Rinnen bilden und schräg nach innen ge- neigt sind, fließen die auf sie niederfallenden Regentropfen auch dorthin ab. Diese zentripetale Ableitung hat allerdings wohl kaum eine Be- deutung; denn die Pflanze wächst ja im feuchten Waldgrunde und sendet zudem ihre Saugwurzeln in wagerechter Richtung weit in den Boden. An dünnen Querschnitten durch ein Stück der Blätter sieht man bei Anwendung des Mikroskops, daß in den Zellen zahlreiche Nadeln eingelagert sind. Kaut man ein Stück des Blattes, so dringen diese Gebilde, die aus klee- oder oxalsaurem Kalke bestehen, in die Schleim- häute des Mundes ein, und man nimmt zuerst einen süßlichen Geschmack, dann aber ein äußerst schmerzhaftes Brennen wahr. Daher hüten sich die pflanzenfressenden Tiere auch vor der verlockend saftigen Speise, oder sie wenden sich nach dem ersten Anbiß mit allen Zeichen des Un- behagens davon ab. Besonders wichtig ist der Pflanze dieses Schutz- mittel gegen die Schnecken, die den feuchten Waldgrund mit Vorliebe bewohnen. 2. In dem gewöhnlich als „Blüte“ bezeichneten Gebilde erkennen wir bei näherm Zusehen leicht einen Blütenstand, der seiner Form nach als Kolben bezeichnet wird. Er ist zum Teil in einem großen, tüten- förmigen und grünlich-weißen Hüllblatte, einer sog. Blütenscheide, geborgen, die unten kesselartig erweitert und oben weit geöffnet ist. Unter dem meist violett gefärbten, keulenförmigen Abschnitte des Kolbens stehen mehrere Reihen starrer Haare, die bis zur Wand der hier stark verengten Blütenscheide reichen und gleichsam eine Reuse bilden. Der untere Abschnitt des Kolbens ist oben von vielen Staub- blättern und unten von zahlreichen Stempeln rings umgeben. Da sich diese Gebilde nur in Blüten finden, so haben wir in ihnen ebenso viele Staub- bezw. Stempelblüten, in dem Kolben also — wie oben bemerkt — einen Blütenstand vor uns. Den winzigen Blüten fehlen allerdings wie denen zahlreicher andrer Pflanzen die Blütenhüllen. Sie werden jedoch durch die Blütenscheide, die im Knospenzustande voll- kommen geschlossen ist, hinreichend ersetzt. Da sich die Staubbeutel erst öffnen, wenn die Narben bereits ver- - schrumpft sind, ist eine Bestäubung der Blüten nur durch fremde Hilfe möglich. Wer der Pflanze diesen wichtigen Dienst erweist, erkennen wir leicht, wenn wir den untern, kesselförmigen Teil der Blütenscheide aufschlitzen. Dann entweichen daraus zumeist zahlreiche kleine Mücken, Arongewächse, 99] in .denen wir die Bestäuber vor uns haben. Die Tierchen wurden durch die Färbung der Blütenscheide und des obern Kolbenabschnittes, sowie durch den starken Geruch angelockt, der uns zwar widerlich erscheint („Ekelblume“), den Mücken dagegen sicher angenehm ist. Sie ließen sich auf dem keulenförmigen Kolbenteile nieder und krochen in den „Kessel“ hinab. Die höhere Wärme, die hier infolge lebhafterer Atmung der Pflanze herrscht, wird viele von ihnen wohl gleichfalls zur Einkehr veranlaßt haben. Berühren wir den Kolben mit der Zunge, so spüren wir die Erwärmung deutlich, und führen wir ein kleines, empfindliches Thermo- meter in den Kessel ein, so sehen wir, daß die Temperatur dort wie in einem geheizten Zimmer um mehrere Grad höher ist als außen. (Bei aus- ländischen Arten erhöht sich die Innentemperatur sogar um 10—20° C.) Durch das Vorhan- densein der Haarreuse werden die in den Kessel geschlüpften kleinen Gäste für einige Tage zu Ge- fangenen gemacht. Sie 3, 1 könnten die „Kesselfallen- 0 Aronstab. 1. Ganze Pflanze. : 2. Blütenstand: H. Haarreuse; Stb. r une: u I; Staubblätter; St. Stempel. 3. Frucht- chend verlassen; denn die i stand. 4. Zelle mit (N.) Nadeln aus Haarreuse ist selbst für sie kleesaurem: Kalk. keine unüberwindliche Sperrvorrichtung, wie ihr Hineinkriechen beweist. Da die Mücken aber die Gewohnheit haben, dem hellen Ausgange zuzufliegen — ähnlich wie die Insekten, die dem brennenden Lichte zustreben oder die an- gezundete Lampe umflattern —, bleibt ihnen der Rückweg verschlossen. Kamen sie bereits aus einer andern (ältern) Blüte, so werden sie den mitgebrachten Blütenstaub leicht an den Narben abstreifen, die jetzt gerade belegungsfähig sind. Beginnen diese zu schrumpfen, so scheiden sie Honigtröpfehen aus, an denen die Mücken begierig saugen. Einige Tage später entlassen die Staubbeutel eine so große Menge von mehlartigem Blütenstaub, daß die Tierchen wie eingepudert erscheinen und ohne 2923 Arongewächse. Palmen. Schaden für die Pflanze davon speisen können. Jetzt endlich ver- schrumpfen die Haare der Reuse, der Ausgang wird frei, und die mit Blütenstaub beladenen Gäste verlassen den Kessel, um vielfach sofort wieder in eine andre Blütenscheide einzudringen. 3. Die Früchte sind saftige Beeren, die durch leuchtend scharlach- rote Färbung die Waldvögel zum Verspeisen einladen. Verwandte: An sumpfigen Stellen und an den Ufern stehender Gewässer wächst das Sehlangenkraut (Calla palüstris'), so genannt nach dem Wurzelstocke, der wie eine Schlange auf dem Boden dahinkriecht. Der Blütenkolben ist von einer rein weißen Blütenscheide umgeben. — Ganz ähnliche „Blüten“ hat die prächtige Zimmer- pflanze (Zanted6schia aethiöpica?), die unter dem Namen „Calla“ allgemein bekannt ist und in Afrika ihre Heimat hat. — Eine schilfähnliche Sumpfpflanze ist der Kalmus (Äcorus cälamus°). Sein würzhafter Wurzelstock wird vielfach als Heil- mittel verwendet. 73. Familie. Palmen (Palmae ‘). Die Kokospalme (Cocos nucifera?). 1. Die Kokospalme hat sich von ihrer Heimat aus, die wahrscheinlich im tropischen Amerika zu suchen ist, über alle heißen Länder des Erd- balles verbreitet. Besonders am Strande und in der Nähe des Meeres finden sich weit- ausgedehnte Haine des herr- lichen Baumes. Auf einem unverzweigten, säulenartigen Stamme, der eine Höhe von 25 m erreicht, wiegt sich eine Krone mächtiger Fieder- blätter. Da der verhältnis- mäßig dünne Stamm fast die Biegsamkeitdes Roggenhalmes 1) calla, unerkl.; palustris, im Sumpfe wachsend. 2) Zantedeschia nach dem Physiker und Botaniker Zantedeschi in Sn == E: Padua (* 1797); aethiopiceus, äthiopisch. ZUTDE — 3) akoros, Kalmus;- kdtamos, Kalmus, ———— eigentl. Rohr, Schilf. 4) palmae, d.s. Bäume, deren Blätter vielfach wie eine pdlma, d.h. Hand mit ausgestreckten Fingern, aussehen. 5) cocos, unerkl.; Kokospalmen. nucifera: nux, Nuß und fero, ich trage, rt z Palmen. 293 besitzt, und da die bis 4 m langen Blattflächen in zahlreiche Abschnitte gespalten sind, die dem Anpralle des Windes leicht ausweichen, so ver- mag die schlanke Palme selbst dem stärksten Sturme zu trotzen. Ebenso leicht widerstehen die derben, festen Blätter den Regengüssen, die in vielen Tropengegenden mit ganz andrer Heftigkeit zur Erde hernieder rauschen als in unsern Breiten, und die zartes Laub unbedingt zer- fetzen würden. Aus der Achsel eines Blattes entspringt der verzweigte, meterlange Blütenstand, der anfänglich von einer mächtigen Blüten- scheide schützend umgeben ist. Am Grunde seiner Äste stehen einige Stempel-, weiter oben zahlreiche Staubblüten. Beides sind unscheinbare Gebilde, die dementsprechend auf die Bestäubung durch den Wind an- gewiesen sind. 2. Die allgemein bekannte Frucht ist eine fast kopfgroße Nuß von sehr merkwürdigem Bau. Die Fruchtschale besteht ähnlich wie bei der Kirsche aus 3 Schichten: einer dünnen Außen-, einer dicken, faserigen Mittel- und einer steinharten Innenschicht. Sprengen wir letztere auf, so stoßen wir auf den „Kern“ der Nuß, den Samen. Er stellt eine fleischige Hohl- kugel dar, in deren Wand der winzige Keimling eingelagert, und die mit einer milchigen Flüs- sigkeit, der = RR 77 Kokosmilch, an- RN IS N 1/4 gefüllt ist. Die | ur SI Hohlkugel ist das Bau der Kokosnuß. le Geöffnet, um die steinharte Innenschicht Nährgewebe, von der Fruchtschale mit ‚den Keimlöchern zu zeigen. 2. Der Same von der „Steinschicht* St. umgeben (weniger als Fig. 1 verkl.). dem die sich ent- N. Nährgewebe. M. „Milch“. K. Keimling. 3. Keimende Frucht. wickelnde Keim- pflanze zehrt, und die „Milch“, die bei längerm Lagern der Nuß gleich- falls fest wird, dient demselben Zwecke. Die zarte Keimpflanze wäre aber unmöglich imstande, die Frucht- schale zu durchbrechen, wenn nicht die über dem Keimlinge liegende Stelle der „Steinschicht“ verhältnismäßig dünn bliebe. Da die Nuß 3 Samenanlagen besitzt, von denen sich aber nur eine entwickelt, sind auch 3 „Keimlöcher“ vorhanden. Das von der Keimpflanze „benutzte“ Loch ist aber stets am größten und mit der dünnsten „Verschlußplatte“ versehen. Die beiden andern Schichten der Schale kann das junge Pflänzchen um so leichter durchbohren, als Keimling und „Keimloch“ stets am untern Teile der Frucht liegen. Die Keimpflanze dringt daher stets an der Ansatzstelle des Fruchtstieles, also dort, wo diese Schichten am wenigsten widerstandsfähig sind, ins Freie. 294 Palmen. 3. Die schlanke Kokospalme ist für die Tropenländer sowohl, wie für den Welthandel eine der wichtigsten Pflanzen. Der Stamm liefert ein wertvolles Bau- und Nutzholz. Die Blätter dienen zum Bedecken der Dächer, sowie zur Anfertigung von allerlei Flechtarbeiten. Die Gipfel- knospe junger Pflanzen wird als Gemüse („Palmkohl“) verspeist. Durch Abschneiden der Blütenstände gewinnt man einen Saft, aus dem durch Gärung der berauschende „Palmwein“ entsteht. Die Mittelschicht der Fruchtschale liefert den Kokosfaserstoff, der zu Decken, Seilen, Bürsten u. dgl. verwendet wird. Aus der harten Steinschale wer- den in den Tropen Trinkge- schirre u. dgl., bei uns be- sonders Knöpfe hergestellt. Das Nährgewebe ist von haselnußartigem Geschmack; frisch liefert es eine nahr- hafte Speise, getrocknet die Kopra, die in ganzen Schiffs- ladungen zu uns kommt. Durch Auspressen gewinnt man aus ihr ein wertvolles Öl, das zur Herstellung von Seifen und Kerzen dient. Die Preßrückstände werden als Viehfutter hoch ge- schätzt. Den flüssigen Teil des Nährgewebes, die Ko- kosmilch, genießt man in allen Tropenländern als er- frischendes Getränk. Kurz: Es ist kein Teil der Palme, der nicht vom Menschen be- nutzt würde. Andre Palmen. Was für unsre Heimat der Roggen ist, das ist für den weiten Wüstengürtel, der sich von den Küsten des Atlantischen Ozeans quer durch Afrika und über West- 77 ee” 5 _ = asien hinweg bis zum Indus er- ara —— — — Fk I streckt, die Dattelpalme (Phoenix Dattelpalmen am Rande der Oase Biskra. dactylifera®): Sie ist die Brot- fruchtpflanze dieses gewaltigen Ländergebietes. An Gestalt ist sie der Kokospalme sehr ähnlich, hat aber einen etwas dicker, stark mit Blattnarben bedeckten Stamm, der eine Höhe von 30 m erreichen ee en 1) phoenix, Palme; dactylifera: däktyloi, Datteln (eig. Finger, s. S.292, Anm.4) und fero, ich trage. Palmen. kann, und eine kleinere Laubkrone. Ihre Wurzeln senkt sie bis in die tiefern, wasserführenden Bodenschichten hinab. Infolge- dessen vermag sie selbst mitten in der Wüste zu gedeihen, wo nur ein Quell den heißen Sand durchdringt, oder wo ihre Wurzeln das Grundwasser erreichen können. „Sie taucht“, wie der arabische Dichter singt, „den Fuß in das Wasser und das Haupt in das Feuer des Himmels“. Um einen möglichst großen Ertrag zu erzielen, duldet man in den Pflanzungen — die Dattelpalme ist eine zwei- häusige Pflanze — stets nur wenige Bäume mit Staubblüten. Da hierdurch aber die Bestäubung möglichst aller Stempelblüten stark erschwert wird, verrichtet der Mensch die eigentlich dem Winde zukommende Arbeit schon seit uralten Zeiten selbst. Er j} schneidet die aus Staubblüten bestehenden Kolben ab und steckt kleine Zweige davon in die besenartigen Fruchtblütenstände, die er sodann mit einem Faden locker zusammen bindet. Da der Blütenstaub außerordentlich lange seine befruchtende Eigenschaft behält, bildet er in den „Dattelländern“ eine wichtige Handelsware. Die pflaumenähnlichen Früchte, die Datteln, von denen man zahlreiche Sorten unterscheidet, enthalten je einen langgestreckten, steinharten Samen. Die Datteln mit dem süßen, saftigen Frucht- fleische, die sog. Saftdatteln, die bei uns getrocknet als Obst verzehrt werden, haben für die Bewohner jener Wüsten- gebiete einen weit geringern Wert als die Sorten, die trocknes, stärkemehlreiches Fleisch besitzen. Diese N „Lrockendatteln“ lassen sich nämlich jahrelang auf- bewahren und werden in allen nur möglichen Formen als „tägliches Brot“ von Millionen von Menschen verzehrt. Wie vonderKokospalme finden neben denFrüchten auch alle andern Teile des herrlichen Baumes nutz- bringende Verwendung: Die Dattelpalme liefert dem Wüstenbewohner alles zum Leben Nötige; sie macht im Verein mit dem Kamele die Wüste erst bewohnbar. Die mächtigen Blätter gelten schon seit dem grauen Altertume als ein Zeichen des Sieges und des Friedens. Darum legen wir auch gern einen „Palmen- zweig‘ oder „Palmenwedel“ auf die Ruhestätte derer, die den Sieg über das Erdenleben davongetragen und den ewigen Frieden gefunden haben. Wenn auch keine andre Palme den beiden kurz geschilderten Arten an Bedeutung gleich kommt, so sind doch in andern Erd- strichen andre dieser stolzen Bäume für den Menschen eben- fallsvon unschätzbarem Werte, An erster Stelle wäre hier die Ölpalme (El&is guineön- sis) zu nennen, die in den feuchtheißen Küsten- und Flußgebieten Westafrikas hei- misch und besonders für die deutschen Kolonien Togo und Kamerun von größter Wichtig- 1) eleis von elaia, Ölbaum; guineensis, aus Gminea. 295 Fruchtstand der Dattelpalme (verkl.). HIT ano Up g r > LT RETRO ELTERN N, ÜE- 296 Palmen. keit ist. Sie trägt Fruchtstände, die eine große Anzahl pflaumenähnlicher Früchte enthalten. Aus dem orangefarbenen Fruchtfleische wird das „Palmöl“ und aus den Kernen (d. s. die von der harten Innenschicht der Fruchthülle umschlossenen Samen) das feinere „Palmkernöl“ bereitet. Beide Ölsorten werden wie das Kokosöl ver- wendet. — Wie aus den Knollen der Kartoffel und den Körnern des Getreides ge- winnt man aus dem weichen Stamminnern zahlreicher Palmen das aufgespeicherte Stärkemehl. Wird dieser wertvolle Stoff in Pfannen erhitzt, so verkleistert er teil- weise und liefert den Sago des Handels. Die besten Sorten dieses wichtigen Nahrungs- mittels geben die eehten Sagopalmen (Metröxylon rümphi u. laeve'), die auf den Sundainseln und den Molukken heimisch sind. — Die Weinpalme (Raphia?) spendet den Bewohnern von Afrika und den dazu gehörigen Inseln einen beliebten Palmwein. Die Oberhaut und Bastschicht der mäch- tigen Fliederblätter werden bei uns als Raphia-Bast vorwiegend von Gärtnern ver- wendet. Man bereitet daraus aber auch Matten und andre Flechtwerke. — Die IL x dr er N R =N —nN ef I h ' Hu 4 4 W I di u, V, BY = Mr 7 Bes { BR > = = AN; H chi Sagopalme. Zweig der Rotangpalme. B Blütenstände. Elfenbeinpalmen (Phytelephas®), die im tropischen Amerika heimisch sind, geben uns in ihren steinharten Samen, den Steinnüssen, ein wertvolles Material zur Herstellung von Knöpfen. — Die Piassava-Fasern, die vorwiegend zu Besen verarbeitet werden, sind das Fasergeflecht aus den Blattscheiden mehrerer andrer amerikanischer Palmen. — Das spanische Rohr, das bei uns zumeist zu Stöcken, Korbwaren, sowie zum Flechten von Stuhlsitzen verwendet wird, ist der dünne Stamm der Rotangpalmen (Cälamus®), die besonders in Östindien, dem tropischen Australien und auf den 1) metroxylon: metra, Baummark und xylon, Holz; rumphiü nach Rumpf, einem Statthalter in Niederländisch Indien (+ 1702); luevis, glatt. 2) von rhaphe, Naht hergeleitet (Frucht hat eine nadelförmige Spitze?). 2) zusammengesetzt aus phytön, Pflanze und elephas, Elefant oder Elfenbein. 4) von kalamos, Halm, Rohr abgeleitet. Palmen. Rohrkolbengewächse, 297 dazwischen liegendenInseln vorkommen. Es sind Kletterpflanzen der Urwälder, die sich vielfach mit Hilfe bestachelter, peitschenförmiger Fortsätze der Blatt- stiele an den Stämmen und an den Kronen der Bäume festhalten. — Die einzige Palme, die in Europa ihre Heimat hat, ist die Zwergpalme (Chamzrops') des Mittelmeergebietes. Sie besitzt — wie ihr Name sagt — einen strauchartigen Wuchs oder einen niedrigen Stamm und trägt im Gegensatz zu allen andern hier erwähn- ten Arten fächerförmige Blätter (Fieder- und Fächer- palmen!. Neben zahl- reichen andern Palmen wird sie besonders gem als Zimmerpflanze gezogen. 7 Al UE ı Flnhadı, N ‚on Zwergpalme. 74. u. 75. Familie. Rohrkolben- und Wasser- linsengewächse (Typhäceae? und Lemnäceae’). 1. Rohrkolbengewächse. Der Rohrkolben (Typhä?) ist ein Bewohner der Sümpfe und Uferränder. Wie das Schilf, das an denselben Stellen anzutreffen ist, besitzt er eine besondere Einrichtung gegen die Wirkung des Windes, dem er infolge des freien Standortes und hohen Wuchses besonders ausgesetzt ist: Seine Blätter sind in 2 bis 3 Windungen schraubig gedreht. Dadurch wird der an- prallende Wind in mehrere kleine Ströme zerlegt und büßt — da nur die senkrecht auftreffenden eine größere Wirkung ausüben — infolgedessen einen großen Teil seiner Fruchtstand des Kraft ein. Zudem verlängern sich die Windungen der schmalblättrig. „Schraubenblätter“ bei jedem Windstoße, so daß abermals Rohrkolbens Kraft verloren geht: Die Pflanze steht daher selbst nach (verkl. Abb.). dem heftigsten Sturme unverletzt da. Die Blüten sind zu Das Ausstreuender Früchte 2 übereinander stehenden Kolben geordnet, die beim breit- durch den Wind hat soeben Mättrigen R. (T. latifölia?) zusammenstoßen, beim schmal- begonnen. Unterhalb der blättrigen R. (T. angustifolia®) dagegen durch einen nackten verwehten Früchte eine >tengelteil voneinander getrennt bleiben. Der untere Kolben Frucht in etwa3mal. Vergr. min ne St. Stengelteil an dem 1) zusammengesetzt aus chamat, auf der Erde und rhops, Gesträuch. die St bblüt ß 2) typha, eigentlich Rauchpflanze (weil zum Feuern dienlich oder Don. Ba ab: wegen der braunen Farbe der Fruchtkolben?). 3) latifolius, breit- n.St. nackter Stengelteil. blättrig. 4) angustifolius, schmalblättrig. 5) lemna, Wasserlinse. 298 Wasserlinsengewächse. Liliengewächse. enthält nur Stempel-, der obere nur Staubblüten. Beide sind von einfachstem Bau, ein Zeichen, daß die Pflanze bei der Bestäubung auf die Hilfe des Windes angewiesen ist. Nach dem Ausstreuen des Blütenstaubes vertrocknen die Staubblüten und fallen ab, so daß nur der Teil des Stengels, an dem sie standen, als Fortsatz des Fruchtkolbens zurückbleibt. Die Früchte werden, da der Frucht- stiel mit langen Haaren besetzt ist, leicht weit durch den Wind verweht. Einer nahe stehenden Familie gehört der Igels- kolben (Sparganium!) an, der gleichfalls das Wasser liebt und den Namen nach den kugeligen, stacheligen Frucht- ständen trägt. Seine schwimmfähigen Früchte werden durch das Wasser verbreitet. 2. Wasserlinsengewächse. Die Wasserlinsen (Lemna°) sind winzige, schwimmende Pflänzchen, deren blattartiger Stamm in der Regel durch eine oder mehrere senkrecht ins Wasser reichende Wurzeln in wagerechter Lage gehalten wird. Nur selten erzeugen die Wasser- linsen unscheinbare Blütchen. Dafür vermehren sie Gemeine Wasserlinse sich aber durch seitlich hervorwachsende Sprossen, die (Lemnaminor?).DasPflänz- selbständig werden oder mit der Mutterpflanze im Zu- chen rechts mit einer Blüte. sammenhange bleiben. Diese Vermehrung erfolgt oft in Daneben eine Blüte, stärker einem solchen Maße, daß ganze Gewässer in kurzer Zeit vergrößert. wie mit einem grünen Teppiche überzogen werden. IHN MM — HH ' Il | h | | all ya Ni | N | II ıl Il ndgiilot pF Ill 1 N \ ! t Il Ir N] I 1 Ü \ ll II Il |! I " ‚ll | tt et 7 Aa N Ba N UIRURIBILE.- WM | = ! 2 fl A ni! ul 11, Li 1 het Habt. N N\ II INN, = N) WE IN ALU", N ll ı I 76. Familie. Liliengewächse (Liliäceae?). Blütenhülle blumenblattartig und wie die Staubblätter aus 2 dreiblättrigen Kreisen bestehend. Fruchtknoten oberständig, dreifächerig. — Stauden, deren unterirdische Stengel vielfach Zwiebeln oder Knollen darstellen. l. Unterfamilie. Eigentliche Lilien (Lilieae?). Die Gartentulpe (Tülipa gesneriäna®). Taf. 30. A. Die Tulpe, eine Zierpflanze. Es gibt wohl kaum einen Blumen- garten, in dem nicht auch einige Tulpen zu finden wären! Denn wenn der Mensch den Pflanzen auch oft gleichgültig gegenüber steht: ein Beet mit Tulpen und Hyazinthen, mit Schneeglöckchen und Krokus oder andern Frühlingsgewächsen betrachtet jeder mit Wohlgefallen. Die Tulpe ist in den Steppenländern Westasiens heimisch. Zuerst nahmen sie die Türken in ihre Gärten auf. Von dort aus gelangte sie etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts nach Deutschland, und schon nach einigen Jahrzehnten hatte sich die willkommene Frühlingsgabe über alle europäischen Länder verbreitet. Ganz besonders widmeten sich die blumenliebenden Holländer ihrer Pflege, und bald entstanden zahlreiche Spielarten, die während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts z. T. 1) eigentl. Windelehen (weil die Blätter zum Wickeln gebraucht wurden?). 2) lemna, W asser- linse; minor, kleiner. 3) von lilium, Lilie. 4) tulipa, Tulpe, aus dem Persischen, eigentl. Turban; gesneriana, nach Gesner, einem berühmten Botaniker in Zürich (F 1565). Be Liliengewächse. 299 zu ganz unverhältnismäßig hohen Preisen verkauft wurden. So zahlte man z. B. für eine einzige Zwiebel einer besonders seltenen Sorte nicht weniger als 13000 Gulden! B. Die Tulpe, ein Zwiebelgewächs. 1. Wesen der Zwiebel. Durchschneiden wir eine „blühreife“ Tulpenzwiebel, bevor sie „ausgetrieben“ ist, der Länge nach, so sehen wir erstlich, daß ihr unterster Abschnitt von einem scheibenförmigen Körper gebildet wird. Diese Zwiebelscheibe stellt einen kurzen, plattgedrückten Stamm dar, der unten mit einem Kranze faseriger Wurzeln besetzt ist. Ferner erkennen wir, wie sich dieser Stamm in einen Stengel fortsetzt, der einige Laubblätter und eine Blüte trägt, und endlich finden wir, daß sich auf der Zwiebelscheibe rings um den Stengel noch mehrere Blätter, die sog. Zwiebelschalen, erheben. Diese machen die Hauptmasse der Zwiebel aus und sind (Querschnitt!) kreisförmig geschlossen, so daß sie etwa die Form von Hohlkegeln haben. Die äußern braunen Schalen sind trocken und brüchig, die innern weißen dagegen saftig und fleischig,. Da die Zwiebel also vorwiegend aus Blättern besteht, kann sie keine Wurzel sein, wofür sie im gewöhnlichen Leben meist gehalten wird; denn eine Wurzel trägt niemals Blätter. Sie ist vielmehr eine unterirdische Knospe oder ein kurzer, unterirdischer Stamm mit besonders ge- stalteten Blättern. Daß diese Erklärung richtig ist, geht auch daraus hervor, daß die Zwiebel gleich der oberirdischen Knospe in einer Blattachsel ihre Entstehung nimmt. Und zwar bilden sich bei der Tulpe die jungen Zwiebeln stets in der Achsel einer Zwiebelschale. (Bei andern Lilien- Tulpenzwiebel, längs 3% ; 2 durchschnitten. S. Zwiebel- gewächsen entstehen Zwiebeln auch in den scheibe. St. Sten gel.x Sch. Achseln oberirdischer Blätter; s. Abb. S. 304.) Zwiehelechalen BrErsatz. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Knospen, zwiebel. B.ZweiBrutzwiebeln. die mit der Mutterpflanze in der Regel im Zu- sammenhange bleiben, führt die Zwiebel ein selbständiges Leben. Sie ist daher genötigt, dem Boden Nahrung zu entnehmen, oder anders ausgedrückt, Wurzeln zu schlagen. 2. Bedeutung der Zwiebel. Wie oben bemerkt, hat die Tulpe in den Steppenländern Westasiens ihre Heimat. In diesen Gegenden folgt jahraus, jahrein auf eine kurze Regenzeit eine 7—8 Monate wäh- rende Dürre. Dann vertrocknen alle saftigen Gewächse, und der Boden wird oft steinhart. Nur die mit besondern Schutzmitteln ausgerüsteten Pflanzen oder die, deren Pfahlwurzeln bis zu den tiefern, stets feuchten Bodenschichten hinab reichen, vermögen die Trocknis zu überdauern. 300 Liliengewächse. Alle andern Gewächse sind entweder einjährige Pflanzen, die mit Beginn der Regenzeit aus Samen hervorgehen, schnell Blüten und Früchte treiben und mit Eintritt der Dürre absterben, oder „Stauden“, die sich vor den sengenden Strahlen der Sommersonne gleichsam in den Boden flüchten: Ihre oberirdischen Teile sterben ab, während die unterirdischen (Wurzelstöcke, Knollen oder Zwiebeln) am Leben bleiben. So zieht sich auch die Tulpe mit beginnender Trockenheit in den Boden zurück. Wenn endlich nach vielen Wochen wieder heftige Regengüsse auf die sonnen- verbrannte Steppe hernieder rauschen, und das belebende Naß den staub- trocknen Boden erweicht, dann erwacht mit der Tulpe das ganze Heer der Stauden aus dem todähnlichen Schlafe, und schon nach kurzer Zeit sind die weiten Gefilde mit Tausenden und aber Tausenden leuchtender Blüten bedeckt. Die Zwiebel ist also (gleich dem Wurzelstocke und der Knolle) ein Mittel der Pflanzen, ‘die ungünstige Jahreszeit zu überdauern. Die Zwiebelgewächse sind daher die Gepräge-(Charakter-) Pflanzen der Steppe. (Darum werden z. B. in der Bibel auch die „Lilien“ ‘so häufig erwähnt, die noch heute den Steppen Palästinas zur Regenzeit einen wunderbaren Schmuck verleihen.) Auch für die in unsre Gärten eingewanderte Tulpe hat die Zwiebel die gleiche Bedeutung: Die Trocknis des Sommers, sowie die Kälte des Winters würden die Pflanze unbedingt töten, wenn sie sich vor ihnen nicht in die schützende Erde zurückzöge. Diese Erkenntnis macht uns leicht folgende Tatsachen verständlich: a) Wie wir Pflanzen, deren Wurzeln oder unterirdische Stämme nicht vertrocknen sollen, in die Erde „einschlagen“, so ist auch die Zwiebel im Erdboden gegen eine tödlich starke Abgabe von Feuchtigkeit wohl ge- schützt. Welch hohen Grad von Trocknis die Zwiebel übrigens zu er- tragen vermag, geht daraus hervor, daß wir unsre Blumenzwiebeln mit Beginn des Sominers meist aus dem Boden nehmen und bis zum Herbste trocken aufbewahren. Wir müssen aber wohl bedenken, daß sich die Luft unsrer Breiten hinsichtlich der Trockenheit mit der der Steppen- länder nur selten messen kann! b) Wenn wir Gegenstände feucht erhalten wollen, hüllen wir sie in Papier, trockne Tücher u. dgl. ein. Ähnliche Schutzhüllen gegen das Ver- Taf. 36. Hier ist die wohlriechende Tulpe (T. suaveolens!) dargestellt, weil diese sich von allen 'Fulpenarten am leichtesten im Blumentopfe ziehen läßt. Sie ist als „Duc-van Thol-Tulpe“ allgemein bekannt und stimmt mit der Gartentulpe in allen wesentlichen Punkten vollkommen überein. 1. Zwiebel im Herbste; wie in Fig. 3—5 längs durchschnitten mit E, Ersatz- und B. Brutzwiebel. 2. Zwiebel, deren oberirdischer Trieb die Erde durchbricht. 3. Blü- hende Pflanze. 4. Zwiebel nach dem Verblühen. 5. Zwiebel, nachdem die oberirdischen Teile völlig abgestorben sind. 6. Blüte, längs durchschnitten, von einer Honigbiene besucht. 7. Fruchtknoten, Querschnitt. 8. Schlafende Blüte. 9. Geöffnete Frucht mit ausfallenden Samen, 1 suaveolens, wohlriechend. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 30. Tulpe (Tulipa). Liliengewächse. 301 trocknen bilden auch die trockenhäutigen, äußern Schalen der Zwiebel. In dieser aus pergamentartigen, ungenießbaren Blättern ge- bildeten „Kapsel“ besitzt die Zwiebel zugleich ein wichtiges Schutzmittel gegen die Angriffe der im Boden lebenden Tiere, namentlich der ge- fräßigen Nager. Gegen diese Feinde ist die Zwiebel auch noch durch einen Giftstoff geschützt, der beim Menschen Erbrechen erregt. c) Wie wir gesehen haben, reift die Tulpe in ihrer Heimat bereits wenige Monate nach dem Hervorkommen aus der Erde ihre Samen. Hierzu ist sie sehr wohl imstande, weil die Zwiebel einen Vorrats- speicher darstellt, dem sie so lange Baustoffe entnimmt, bis die über dem Erdboden hervorgeschobenen Laubblätter im Sonnenlichte neue Stoffe bilden können. Daher fühlt sich die anfangs feste Zwiebel zur Zeit der Blüte bereits weich an. Daß hier wirklich ein Stoffverbrauch stattfindet, beweist deutlich die bekannte Tatsache, daß aus Tulpen- (Küchen-, Hyazinthen- und andern) Zwiebeln, selbst wenn sie ganz trocken liegen, die grünen Blätter hervorbrechen, die sich doch nur auf Kosten der Zwiebel bilden können. Ja man ist sogar leicht imstande, Tulpen- (Hyazinthen-)Zwiebeln in reinem Wasser bis zum Blühen zu bringen. d) Soll die Zwiebel ihre Aufgabe, die Pflanze über die ungünstige Jahreszeit „hinüber zu retten“, aber wirklich erfüllen, so muß für das absterhende Gebilde Ersatz geschaffen werden: In der Achsel der innersten Zwiebelschale bildet sich eine Knospe, die schnell an Größe zunimmt und zur „Ersatzzwiebel“ für das nächste Jahr wird. Hiermit geht nun ein allmählicher Verfall der „alten“ Zwiebel Hand in Hand: Ihre Schalen werden von der sich immer mehr ver- größernden Ersatzzwiebel nach außen gedrängt, und die anfangs prallen, saftigen Gebilde werden immer welker und trockner. Hat die Ersatz- zwiebel endlich ihre volle Ausbildung erlangt, dann sind die Schalen der alten Zwiebel zu pergamentartigen Häuten verschrumpft, also zur Schutz- hülle der jungen Zwiebel geworden. Die Tulpenzwiebel, die wir im Herbste pflanzen, ist also nicht dieselbe, die im Frühjahre Stengel, Blätter und Blüte getrieben hat, sondern ein Nach- komme, eine Knospe dieser. Öffnet man, nachdem die oberirdischen Teile abgestorben sind, die Ersatzzwiebel, so findet man in ihr Stengel, Blätter und Blüte für das nächste Jahr bereits deutlich ausgebildet. Sogar die nächstjährige Er- satzzwiebel ist als winzige Knospe schon angelegt. Diese Tatsache erklärt uns, wie die Tulpe der Anforderung zu genügen vermag, die die heimat- liche Steppe an sie stellt — nämlich schnell zu ergrünen und zu blühen —, und wie sie eine unsrer ersten Frühlingspflanzen bilden kann. e) Außer der Ersatzzwiebel findet man in den Achseln andrer Zwiebel- schalen zumeist noch weitere Knospen, die sich gleichfalls nach und nach zu Zwiebeln ausbilden. Mit dem Absterben der Zwiebelschalen wandern sie nach außen, und wenn die Schalen endlich verwest sind, werden sie frei und geben je einer neuen Pflanze das Dasein. Diese jungen 302 Liliengewächse. 7/wiebeln bezeichnet man daher treffend als Brutzwiebeln. Die Zwiebel ist für die Tulpe (und die andern Zwiebelgewächse) also nicht nur eine Einrichtung, die ungünstige Jahreszeit zu überdauern, sondern auch ein Mittel der Vermehrung. C. Vom Stengel und von den Blättern der Tulpe. 1. Stengel und Blätter, die aus der oft tief im Boden liegenden Zwiebel hervorgehen, müssen eine dieke und nicht selten sogar feste Erdschicht durch- brechen. Diese Arbeit vermögen die zarten Gebilde wohl zu leisten; denn die Blätter sind zu einem Kegel zusammengelegt, dessen Spitze den Erdboden wie ein Keil durchdringt. Der Mantel des Kegels wird von dem derbern, untersten Blatte gebildet, das die zartern, obern Blätter, sowie den obern Stengelteil mit der Blüte schützend umhüllt, und die Spitze dieses Blattes, die beim Durchbrechen des Bodens voran- geht, ist kapuzenförmig und fast stechend hart. 2. Ist die Erdschicht durchbrochen, so entfalten sich alsbald die Blätter, von denen bei blühenden Pflanzen in der Regel 3 vorhanden sind. Sie sind ungestielt, umfassen den Stengel scheidenartig und be- sitzen parallel verlaufende Hauptnerven. a) Die grünen Teile sind vollkommen kahl. Es fehlt ihnen also jede Spur einer Behaarung, durch die z. B. zahlreiche Sommer- gewächse gegen zu starke Wasserdampfabgabe geschützt sind. Wenn wir aber bedenken, daß die Tulpe in der heimatlichen Steppe nur während der feuchten Jahreszeit und in unsern Gärten während des Frühjahrs grünt, hier wie dort also zu einer Zeit, in der der Boden feucht und die Luft stark mit Wasserdampf erfüllt ist, so werden wir diesen schein- baren Mangel wohl verstehen. b) Die ungestielten Blätter stehen am Stengel schräg aufwärts und haben meist die Gestalt deutlicher Rinnen. Die auf sie fallen- den Regentropfen (Versuch!) rollen daher nach innen (zentripetal) ab und gelangen somit an die Stelle, an der sich die Wurzeln finden. Da Blätter und Stengel mit einer abwischbaren Wachsschicht bedeckt sind, läuft das Wasser von ihnen schnell ab, ohne die Spaltöffnungen verschließen zu können Is. S. 73, 2). D. Von der Blüte der Tulpe. Die Blütenhülle besteht aus 6 Blättern von sehr wechselvoller Färbung. Obwohl diese Blätter zu zwei dreiblättrigen Kreisen geordnet sind, lassen sie sich nicht als Kelch und Blumenkrone voneinander unterscheiden, wie dies bei zahlreichen andern Pflanzen der Fall ist. Man be- (5) zeichnet. die. Blütenhülle! daher ala emtach ur re e& % „Perigon“. Daß die Blätter des äußern Kreises dem (1#) Kelche aber vollkommen entsprechen, geht nicht nur - aus ihrer Stellung, sondern auch daraus hervor, daß sie Narr im Knospenzustande die innern Blätter wie ein Kelch Rlütenerundriß wümhüllen, und daß sie bis kurz vor dem Aufblühen der Tulpe. grün sind, während jene dann schon eine bunte Färbung Liliengewächse, 303 zeigen. Die 6 Staubblätter sind gleichfalls zu 2 Kreisen geordnet. Sie umgeben den Stempel, der aus einem dreifächerigen, säulenartigen Frucht- knoten und einer in 3 abgerundete Lappen gespalteten Narbe besteht. — Indem sich die Staub- und Fruchtblätter zu hlumenblattartigen Gebilden umwandeln, entstehen die „gefüllten“ Tulpen. 1. Die Tulpe bringt alljährlich nur eine einzige Blüte hervor. Da diese aber von auffallender Größe ist, vermag sie die Aufmerksamkeit der Insekten wohl zu erregen. Immerhin wäre es aber höchst unsicher, wenn der Fortbestand der Pflanze nur auf dieser einen Blüte beruhte. Die Tulpe ist auch darauf allein nicht angewiesen; denn außer durch Samen erhält und vermehrt sie sich ja noch — wie wir gesehen haben — durch die Ersatzzwiebel und durch die Brutzwiebeln. 2. Obgleich die Blüte keinen Honig besitzt, wird sie doch von zahlreichen Insekten besucht. Die großen Staubbeutel enthalten so viel Blütenstaub, daß die Besucher ohne Schaden für die Pflanze davon speisen können. Der dabei verstreute Staub wird von den mulden- förmig gebogenen Blättern der Blütenhülle aufgefangen und für spätere Gäste aufbewahrt. 3. Im hellen Sonnenscheine breiten sich die Blätter der Blüten- hülle zu einem leuchtenden Sterne auseinander, so daß die Blüte für die über sie hinweg fliegenden Insekten noch auffälliger wird. Mit Ein- tritt des Abends aber schließt sie sich wieder. Bei trübem und reg- nerischem Wetter öffnet sie sich gar nicht. E. Von der Frucht der Tulpe. Der Fruchtknoten bildet sich zu einer Kapsel aus, die in jedem der 3 Fruchtfächer 2 Reihen Samen enthält, und die sich bei der Reife mit 3 Klappen öffnet. Da der an- fangs saftige und brüchige Stengel jetzt trocken und elastisch geworden ist, vermag der Wind die Samen leicht auszuschütteln (Schleuder!), und da diese leichte, dünne Scheiben darstellen, können sie zugleich weit verweht werden. Andre Lilien. 1. Mit der Gartentulpe hat eine große Anzahl andrer Liliengewächse, die sich alle durch herrlichen Blütenschmuck auszeichnen, Eingang in unsre Gärten gefunden. Da ist zunächst die wohlriechende, gelbblühende wilde Tulpe (T. silvestris?) zu nennen, die aus Südeuropa stammt. Sie hat die Gärten aber vielfach verlassen und sich auf Grasplätzen, in Weinbergen und an ähnlichen Orten angesiedelt. — Als eine der schönsten Frühlingspflanzen gilt mit der Tulpe die Hyazinthe (Hyacinthus orientalis?), die in zahlreichen farbenprächtigen Spielarten gezogen wird, und deren Stammform in Kleinasien, Griechenland und Dalmatien zu finden ist. Sie hat zwar weit kleinere Blüten als die stolze Tulpe; dafür sind diese aber von köstlichem Duft und zu ansehn- lichen Trauben gehäuft, so daß sie sich den Bestäubern doch weithin kenntlich machen. — Bei der niedlichen Bisam-Hyazinthe (Muscäri?) findet gleichfalls eine Häufung der kleinen Blüten statt („Weinträubchen‘). Hier aber dienen die ober Blüten, die weder Stempel, noch Staubblätter enthalten, nur der Insektenanlockung. — 1) silvestris, im Walde wachsend. 2) hyacinthus, Hyazinthe; orientalis, morgenländisch. 3) aus dem arabischen Namen der Pil. muschirumi entstanden. Liliengewächse. Tiefblaue Sterne bilden die Blüten der ebenfalls in unsern Gärten häufig angepflanzten Meerzwiebeln (Seilla®), die zumeist aus Süd- europa stammen. — Mittelasien hat uns die stattliche Kaiserkrone (Fritillaria imperiälis?) geliefert. Ihre großen, gelbroten Blüten stellen hängende Glocken dar, so daß der Blütenstaub und der am Grunde der Blütenhüllblätter reichlich abgeschiedene Honig vom Regen nicht benetzt werden können. Die Zwiebel ist durch ein scharfes Gift gegen Tierfraß geschützt. — Als ein Sinnbild der Reinheit und Unschuld gilt schon seit den ältesten Zeiten die weiße Lilie (Lilium cändidum®). Sie ist in Südeuropa und Westasien heimisch und erfreut uns erst im Hochsommer durch die Pracht ihrer Blüten, mit denen sich nicht einmäl „Salomo in aller seiner Herrlichkeit“ vergleichen konnte. Die blendend weiße Farbe, der abends stärker werdende Duft, sowie die Größe und Stellung der Blüte lassen darauf schließen, daß wir es hier mit einer Nachtfalter- blume zu tun haben. Auch der Mangel einer Anflugstelle für die Blütenstand Besucher, sowie die Stellung und schaukelartige Beweglichkeit der der Bisam- Staubblätter deuten darauf hin. — Die gleichfalls in unsern Gärten Hyazinthe, häufig zu findende Feuerlilie (L. bulbiferum®) dagegen mit ihren L. Lockblüten. gelbroten, duftlosen und aufrecht stehenden Blüten ist eine Tag- falterblume. In den Achseln der obern Blätter bilden sich nicht selten schwarzbraune Brutzwiebeln, eine Erschei- nung, auf die bereits früher hingewiesen ‘wurde. P4 Die stattliche Pflanze, die bei uns heimisch ist, / aber nur sehr selten. auf Gebirgswiesen angetroffen wird, leitet zu unsern wildwachsenden Lilien- gewächsen über. — In Blumentöpfen pflegt man außer andern Zwiebelgewächsen gern die echte Meerzwiebel (Urginea maritima?°), diean den Küsten des Mittelländischen Meeres und des Atlantischen Ozeans ihre Heimat hat (Name!) und eine braune Zwiebel besitzt. Meist bezeichnet man als „Meer- zwiebel“ aber eine ganz andre Topfpflanze mit weißlich-grüner Zwiebel. Sie ist eine nahe Ver- wandte unsers Milchsterns (Ornithögalum caudatum) und stammt aus Südafrika. 2. Wenn uns im Garten Tulpen und Hyazin- then erfreuen, dann blühen draußen in Feld und Wald die Goldsternarten (Gägea‘). Mit Beginn des Abends schließen sich ihre Blüten, und bei regnerischem Wetter öffnen sie sich gar nicht. Dann ist von den goldgelben Blütensternen kaum etwas zu bemerken; denn die Blätter der Blüten- Feuerlilie. Stück des Stengels hülle sind auf der Rückseite grünlich. — Dieselbe mit Brutzwiebeln in den Blatt- Erscheinung ist auch an den weißen, zu einer Dolde achseln (verkl.). Die Blätter, in gehäuften Blüten des Milchsterns (Ormithögalum deren Achseln sich keine Brut- wumbellätum°) zu beobachten. Da die zierliche Pflanze zwiebeln gebildet hatten, sind wie die Goldsternarten keinen Stengel bildet, findet entfernt. sie sich auch nur an solchen Orten, an denen sie 1) seilla, Meerzwiebel. 2) fritillaria von fritillus, Würfelbecher (bezieht sich besonders auf die w. u. erwähnte Art F. meleagris); imperialis, kaiserlich. 3) lilium, Lilie; ecandidus, weiß. 4) bulbiferum: baülbus, Zwiebel und fero, ich trage. 5) urginea, unerkl.; mariimus, am Meere wachsend. 6) ornithogalum: örnis, örnithos, Vogel und gäla, Milch; caudıtus, geschwänzt (?). 7) nach Gage, einem engl. Botaniker des 17. Jahrh. 8) ornithogalum, s. Anm. 6; wumbellatus, doldig Blütenstand). Liliengewächse 305 trotz ihrer Kleinheit zur Geltung kommt, im niedrigen Grase, an Wegrändern u. dgl., und da sie sehr zeitig im Jahre erscheint, ist sie schon verblüht, wenn die Nachbargewächse ihr „über den Kopf wachsen“. —. Letzteres gilt auch von der Die wichtigsten Laucharten: 1. Porree. 2. Schnittlauch. 3. Sommerzwiebel. 4. Knoblauch. 5. Winterzwiebel. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 20 306 Liliengewächse. Sehachblume (Fritilläria meleägris?), die nasse Wiesen mit ihren schachbrettartig gewürfel- ten, hängenden Blütenglocken schmückt. — Der Türkenbund (Lilium märtagon?) dagegen entfaltet seine herrlichen Blüten. erst im Juni und Juli. Dafür überragt er aber auch (Höhe bis !/; m) die niedrigen Pflanzen seiner Umgebung. Zu dieser Zeit trifft man an sonnigen Stellen längst kein Liliengewächs mehr an. Im Schatten des Laubwaldes jedoch findet Blütenstand vom Knob- lauch. H. Häu- tige Scheide. B. der Türkenbund, der auch viel derbere Blätter besitzt als die Frühlingspflanzen, selbst in den heißen Sommertagen noch den notwendigen Schutz. Wie bei der weißen Lilie sind Nachtfalter vorwiegend die Bestäuber der wie ein Turban (Name!) geformten Blüten. — Der Bärenlauch (Älli- um ursinum°), der in feuchten Laubwäldern vorkommt, er- hebt sich, weil stengellos, nur wenig über den Boden. Er ist wie das Windröschen eine Frühlingspflanze mit großen, zarten Blättern. Eine häutige Scheide umgibt schützend die zu einer Dolde geordneten weißen Blüten, bevor sie sich entfalten, und allen Teilen entströmt ein starker Knob- lauchsgeruch (Schutzmittel gegen Tiere!). Beide Merkmale teilt der Bärenlauch mit den zahlreichen Gattungsgenossen, die wir in Garten und Feld anbauen. 3. Küchenpflanzen. Von den wichtigen Lauch- arten (Allium®; s. Abb. S. 305) ist an erster Stelle die Küchen- oder Sommerzwiebel (A. cepa°) zu nennen, die seit den ältesten Zeiten als Würze und als Gemüse verwendet wird. Obgleich die langen, fast senkrecht stehenden Blätter und der unterhalb der Mitte bauchig angeschwollenen Stengel sehr zart sind, vermögen sie doch selbst heftigen Stürmen zu widerstehen: Sie stellen nämlich Röhren dar, die wie alle Röhren (s. Halm des Roggens) eine verhältnismäßig große Biegungsfestigkeit besitzen. Die Zwiebel geht schon bei geringer Kälte zugrunde, ein Zeichen, daß die Heimat der wertvollen Pflanze im Sü- den, wahrscheinlich im Mittel- meergebiete, zu suchen ist. — Im Gegensatz zur „Sommer- zwiebel“ vermag die Winter- zwiebel (A. fistulösum®), die nicht selten gleichfalls zum Küchengebrauch angebaut wird, selbst den Winter bei uns im Freien auszuhalten. Ihre Heimat ist aber auch der Südosten von Sibirien. Durch die überdie ganze Mitte bauchig erweiterten Stengel und Blätter ist die Pflanze leicht von jener zu unterscheiden. — Röhrenför- 1) fritillaria, s. S.’304, Anm. 2; meleagris, Perlhuhn (Farbe der Blumenkrone). 2) lilium, Lilie; martagon, unerkl. 3) allium, Lauch; ursinus von ürsus, Bär (?). 4) S. Drachenbaum. Anm.3.5)cepa,Zwiebel. 6) fistulosus, Sehr altes Exemplar. mit Röhren (Stengel und Blätter!). Liliengewächse. 307 mige Blätter besitzt auch der allbekannte Sehnittlauch (A. schoenöprasum '), der bei uns heimisch ist und ein mehrfaches Abschneiden der Blätter leicht verträgt. — Flache Blätter wie der oben erwähnte Bärenlauch hat der stark riechende Knoblauch (A. sativum ?), dessen Stammpflanze wahrscheinlich in Mittelasien heimisch ist. Er bildet in der Dolde neben wenigen langgestielten, kleinen Blüten zahlreiche kugelige Brutzwiebeln, die aus- gesät sich zu neuen Pflanzen entwickeln. — Mit dem Knoblauch ist wahrscheinlich die Perlzwiebel (A. ophioscörodon?) aus derselben Stammpflanze hervorgegangen. — Gleichfalls eine Kulturform ist der Porree (A. porrum®), der als Gewürzpflanze hoch geschätzt wird und im Mittelmeergebiete seine Heimat hat. 4. Es sind hier endlich noch einige ausländische Pflanzen zu erwähnen, die bei uns im Gewächshause oder im Zimmer häufig gehalten werden. Dahin gehören fi l Yucea. Aloe. vor allen Dingen die Drachenbäume (Drac#na°), die in jugendlichem Zustande am Gipfel des kahlen Stammes einen Büschel schwertförmiger Blätter tragen und daher meist für Palmen angesehen werden. Sie sind in den wärmern Gegenden der alten Welt hei- misch und erreichen zumeist ein außerordentlich hohes, Alter. — Sehr ähnliche Pflanzen sind die Palmlilien (Yucca‘®), die aus dem warmen Amerika stammen. — Die öden Steppen und Wüsten Afrikas, besonders des Kaplandes, werden von den Alo&-Arten (Alo& ‘) 1) schoenoprasus: schoinos, Binse (Blattform!) und präason, Lauch. 2) sativus, angebaut. 3) ophioscorodon: öphis, Schlange (vielleicht wegen der gekrümmten Stengel) und skörodon, Knob- lauch. 4) porrum, Lauch. 5) von drdkon, Schlange (der blutrote Saft des Baumes liefert getrocknet das sog. Drachenblut, das besonders zum Färben von Lacken und Polituren verwendet wird). 6) Einheimischer Name auf S. Domingo. 7) bitter (arabisch). 308 Liliengewächse. bewohnt. Da sie gleich dem Mauerpfeffer und den Kaktusarten ausgeprägte „Fett- pflanzen“ sind, vermögen sie selbst eine monatelange Trocknis leicht zu überdauern. Aus dem bittern Safte der dicken, fleischigen und derben Blätter gewinnt man eine Medizin, die als Abführmittel gebraucht wird. 2. Unterfamilie. Herbstzeitlosen (Melanthieae !). Die Herbstzeitlose (Cölchiecum autumnäle?). Taf. 31. 1. Standort und Blütezeit. Wenn der Herbst seinen Einzug in das Land hält, und auf den Fluren nur noch hier und da ein verspätetes Blümchen anzutreffen ist, erhalten feuchte, fruchtbare Wiesen durch die zarten Blüten der Herbstzeitlose einen letzten Schmuck. Die Pflanze blüht also — wie auch treffend ihr Name andeutet — im Verhältnis zu den meisten andern Gewächsen ganz außer der Zeit. Würde die Zeit- lose mit der Mehrzahl der Wiesenpflanzen ihre Blüten im Mai und Juni entfalten — wenn „die Wiesen blühen“ —, so kämen diese sicher nur in den seltensten Fällen zur Geltung; denn sie werden ja nicht von hohen Stengeln über die Umgebung emporgehoben. Jetzt aber sind die Wiesen bei weitem nicht so dicht mit hohen Gewächsen bestanden wie vor dem „ersten Schnitt“, oder man hat sie gar bereits zum zweiten Male ge- mäht. Abgesehen vom zeitigen Frühjahre (vgl. mit Krokus) ist für die Pflanze also der Herbst die geeignetste Zeit, ihre Blüten zu entfalten. 2. Knolle und Blüte. Woher nimmt aber die Zeitlose, die schon seit Monaten kein grünes Blatt mehr besitzt, die Stoffe zum Aufbau der Blüte? -Sie liegen in einer Knolle aufgespeichert, die wir beim Nach- graben leicht finden. Lösen wir die dunkelbraune Hülle (d. i. die Scheide des ersten vorjährigen, jetzt halb verwesten Laubblattes) ab, so sehen wir, wie sich die junge Pflanze auf einem kurzen Seitentriebe der Knolle erhebt. Sie ist außer von der genannten braunen Hülle noch von einigen farblosen, scheidenartigen Blättern schützend umgeben und besteht aus einem kurzen Stengel, der oben die Blüte trägt, und an dem wir die nächstjährigen Blätter bereits deutlich erkennen. Die Blätter der Blütenhülle sind im untern Teile zu einer sehr langen Röhre verwachsen, so daß sich die bläulichrote Blüte über dem Erdboden entfalten und — je nach Bedarf — mehr oder weniger hoch über ihn erheben kann. Diese Röhre stellt gleich den drei ebenfalls langen Griffeln die Verbindung zwischen den ober- und unterirdischen Teilen her. In allen andern Stücken ist die Blüte ganz ähnlich wie die der Tulpe gebaut; auch schließt sie sich nachts und an kalten, regnerischen Tagen, an denen sich keine Bestäuber einstellen. Ist die Bestäubung 1) Nach der südafrikan. Gattung Melänthium. 2) colehiewm, Zeitlose; eigentl. aus Kolchis am Schwarzen Meere stammend; autwmnalis, herbstlich. Taf. 31. 1. Blühende Pflanze. 2. Unterer Teil, längs durchschnitten. 3. Geöffnete Blüte. 4. Schlafende Blüte. 5. Blätter und Frucht. 6. Reife Frucht, geöffnet. 7. Same, nat. Gr. und $mal vergr. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel Herbstzeitlose (Colchicum autumnale). 31. Liliengewächse. 309 vollzogen, so stirbt die Blüte ab. Die zarten Samenknospen aber ruhen, vor dem tödlichen Froste geschützt, tief im Schoße der Erde. Die Knollen» liegen nämlich stets so tief im Boden, daß die Winterkälte nicht bis zu ihnen vorzudringen vermag, je nach der Gegend also verschieden tief. 3. Blätter und Früchte. Sollen die Samen der Herbstzeitlose ihre Aufgabe erfüllen — nämlich die, die Pflanze weiter zu verbreiten —, so müssen sie oberirdisch ausgestreut werden. Im kommenden Frühjahre streckt sich darum der bisher sehr kurze Stengel stark in die Länge und hebt die Blätter, sowie den schwellenden Fruchtknoten zum Lichte empor. Die drei „tulpenartigen“ Laubblätter bereiten im Sonnen- scheine nunmehr Nahrung für die reifende Frucht und neue Vorrats- stoffe, die sich in dem kurz bleibenden Stengelgliede zwischen dem ersten und zweiten Laubblatte anhäufen. Infolgedessen schwillt dieser Stengel- teil immer mehr an: er wird zu einer neuen „Stengelknolle“, die im nächsten Herbste Blüten treibt, während die alte vollkommen ausgesogen zugrunde geht. Die Frucht stellt eine dreifächerige Kapsel dar, die sich bei der Reife (Juni) mit 3 Klappen öffnet. Die ausfallenden, braunen Samen besitzen einen weißen Anhang, der bei Befeuchtung klebrig wird. In- folgedessen haften sie leicht an den Hufen der Weidetiere, so daß die Pflanze oft weithin verschleppt wird. Die Samen sind wie alle andern Teile der Pflanze sehr giftig. Daher hüten sich die Weidetiere auch, die gefährliche Zeitlose zu berühren; nur die Schafe scheinen ungestraft von den Blättern naschen zu dürfen. In der Hand des Arztes wird das Gift aber zu einem wichtigen Heilmittel. 3. Unterfamilie. Spargelartige Pflanzen (Asparägeae'). Die Maiblume oder das Maiglöckehen (Convalläria maiälis?). Taf. 32. Wenn sich der Laubwald in junges Grün gekleidet hat, dann ist er nicht selten von dem süßen Dufte des Maiblümchens (Name!) erfüllt. Das Pflänzchen vermag so früh im Jahre zu erscheinen, da es die Bau- stoffe für die oberirdischen Teile einem unterirdischen Stamme ent- nimmt. Er kriecht wagerecht im Boden dahin, treibt aus den Achseln seiner schuppenförmigen Blätter vielfach lange Zweige und erhebt sich an seinem lebensfähigen, fortwachsenden Ende zum oberirdischen Triebe. Da dieser anfänglich die Form eines langgestreckten Kegels zeigt, und da seine empfindlichen innern Teile — Laubblätter und Blüten- stand — von widerstandsfähigen, scheidenförmigen Hüllblättern um- geben sind, vermag er selbst festere Erdschichten leicht zu durchdringen. Hat er die Oberfläche erreicht, dann sprengen die beiden (selten drei) bisher tütenförmig zusammengerollten Laubblätter die bläulichrote Hülle, schieben sich immer weiter daraus hervor und breiten sich schließ- lich aus. Die eiförmigen Blattflächen gehen in lange Stiele über, sind 1) von aspdragus, Spargel. 2 convallaria von convallis Talkessel oder Tal; Mdius, Mai. 310 Liliengewächse. mit einem Wachsüberzuge versehen und wie die andrer Schattenpflanzen “verhältnismäßig groß. Da sie aber ziemlich derb sind, vermag die Mai- Weißwurz oder Salomonssiegel. blume selbst dem trock- nen Sommer zu trotzen. Aus der Achsel des obersten Hüllblattes er- hebt sich der lange, ge- meinsame Blüten- stiel.e Er ist oben scharf dreikantig, un- ten dagegen an der den Blattstielen angedrück- ten Seite abgerundet. Im Endabschnitte trägt er eine Anzahl kleiner, häutiger Blättchen, aus deren Achseln die kurzgestielten Blüten entspringen. Anfangs stehen diese aufrecht und sind von jenen Blättchen schützend umgeben; später aber neigen sie sich nach unten und stellen zier- liche Glöckchen dar. Im einzelnen sind sie wie die andrer Lilienge- wächse gebaut; die 6 Blätter der schneewei- ßen Blütenhülle sind aber zu einem -glocken- förmigen, sechszipfeli- gen Gebilde verwach- 2’ sen, das für Honig und Blütenstaub ein schüt- zendes Regendach ab- gibt. Da die Blüten zu einer Traube gehäuft und alle nach einer Seite gerichtet sind, Taf. 32. 1. Ganze Pflanze, blühend. Neben ihr (a—c) kommen die oberirdischen Triebe andrer Pflanzen aus dem Erdboden hervor; sie zeigen verschiedene Grade der Entwicklung. 2. Oberirdischer Trieb mit voll entfalteten Blüten. 3. Einzelne Blüte, senkrecht durchschnitten. 4. Fruchtstand. 5. Frucht, wagerecht durchschnitten. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 32, we hi fi | 1 ö Maiblume oder Maiglöckchen (Convallaria maialis). Liliengewächse. 311 werden sie trotz ihrer geringen Größe doch auffällig. Vor allen Dingen dürfte es aber der köstliche Duft sein, der die Bestäuber zur Einkehr veranlaßt. Ihm verdankt die Pflanze in erster Linie auch die Zuneigung des Menschen, der sie gern aus dem Waldboden hebt und in seinen Garten verpflanzt. Im Herbste lockt die Maiblume abermals Tiere herbei, nämlich Waldvögel, die die roten, saftigen Beeren verspeisen und die harten Samen verbreiten. Gleichfalls eine Pflanze des schattigen Laubwaldes ist die Weißwurz oder das Salomonssiegel (Polygönatum officinälet). Das stattliche Gewächs trägt diese Namen nach dem großen, weißen Wurzelstocke, an dem beim Absterben des oberirdischen Stengels jedesmal eine siegelartige Höhlung zurückbleibt. Aus den Achseln der großen, zweizeilig gestellten Blätter gehen die Blüten hervor, die langgestreckte, hängende Glöckchen darstellen. — Eine überall häufige Waldpflanze ist auch die Schattenblume (Maiänthemum bifölium?), die an den beiden herzförmigen Blättern und der aufrecht stehenden Blütentraube am Ende des handhohen Stengels leicht zu erkennen ist. — Das Glied, das der Unterfamilie den Namen gegeben hat, ist der Spargel (Aspäragus officinälis?). Der Spargel ist eine einheimische Pflanze, die besonders auf sandigen Triften und im Ufersande der Flüsse noch gegenwärtig ab und zu wild angetroffen wird. Vor allen Dingen tritt uns der Spargel aber in Garten und Feld auf wohlgepflesten Beeten entgegen; denn schon seit dem Altertume bilden seine jungen Triebe ein hoch ge- schätztes Gemüse, Es sind dies zarte, farblose Gebilde (Liehtmangel!), deren fortwachsende Spitzen (Keil!) beim Durchbrechen des Erdbodens durch schuppenförmige Blättchen gegen Verletzung geschützt sind. Die Triebe entwickeln sich an dem ausdauernden, unterirdischen Stamme (Wurzelstocke) und werden der Pflanze eine Zeitlang vom Menschen genommen. Schneidet man sie zu tief ab, so verletzt man leicht den Stamm, und setzt man das „Stechen des Spargels“ zu lange fort, so vermag der Stamm — da die aufgespeicherten Vorratsstoffe verbraucht sind — schließlich keine neuen Triebe mehr zu bilden: das Spargelbeet ist dann, wie der Gärtner sagt, „tot gestochen“. Ist der Boden hart oder gar steinig, so haben die jungen Triebe eine schwere Arbeit zu leisten, um zum Lichte emporzudringen. Ihre Zellwände verholzen dann vorzeitig. Überläßt man die oberirdischen Triebe sich selbst, dann entwickeln sie sich zu meterhohen, baumartig verzweigten Stengeln, die vermöge ihrer großen Festiekeit und Zähigkeit selbst den heftigsten Winden Widerstand leisten. Statt der Laubblätter gewöhnlicher Form findet man an den Stengeln und Zweigen unscheinbare, braune Schuppen. Aus ihren Achseln entspringen Büschel nadelförmiger Gebilde, die gewöhnlich für die Blätter gehalten werden. Es sind jedoch winzige Zweiglein; 1) polygonatum: poly, viel und göny, Knie oder Knoten; offieinalis, in der Apotheke verwendet. 2) maianthemum: Maius, Mai und änthemon, Blume; bifolium : bi- zwei u. föliwm, Blatt. 3) asparagus Spargel; offieinalis, s. Anm. 1. 312 Liliengewächse. denn aus den Achseln von Blättern gehen niemals wieder Blätter her- VOT. Wie der Stengel und die größern Zweige sind diese Zweiglein mit Blattgrün ausgerüstet. Sie sind demnach auch in der Lage, die Arbeiten zu verrichten, die von Blättern gewöhnlicher Form sonst geleistet werden. Das Fehlen dieser Organe bedeutet für die Pflanze jedoch nicht nur keinen Nachteil, sondern vielmehr einen Vorteil; denn die Zweige und Zweiglein sind verhältnismäßig derbe Gebilde, die auch nur wenig Wasser verdunsten. NIRS —/ EP. Dh GE Diese Tatsache ist für den Spargel aber von großer Wichtigkeit; denn er ist ja — wie oben erwähnt — eine Pflanze des lockern Sand- bodens, die in ursprünglichem Zustande sicher alljährlich mehrere Monate mit starkem Wassermangelzu kämpfen hat. Hiermit steht auch im Ein- klange, daß sich der unter- irdische Stamm verhältnis- mäßig tief unter der Erdober- fläche findet, und daß von ıhm zahlreiche sehr lange Wur- zeln ausgehen, die den wasserarmen Boden weithin durchziehen. Spargel. 1. Unterirdischer Stamm einer jungen Pflanze, Einer seiner Triebe ist „gestochen“. verkümmerten Staubblättern. 2, Blühender Zweig. 3. Blüte mi t verkümmertem Stempel und 4. mit 5. Zweigstück mit einer Frucht. a a N nn a A Binsengewächse. Narzissengewächse, Aus den Achseln der schuppenförmigen Blätter ent- springen auch die grüngelben Blüten, die wie die der Maiblume hängende Glöckchen darstellen. Man findet in ihnen entweder die Staubblätter, oder den Stempel meist gänzlich verkümmert, eine der vielfachen Ein- richtungen der Natur, durch die Selbstbestäubung ver- hindert wird. Die Früchte sind leuchtend rote Beeren, deren Fleisch zahlreichen Vögeln zur Nahrung dient, und deren hartschalige Samen durch diese Gäste ver- breitet werden. 77. Familie. Binsengewächse (Tuncäceae!). Die Binsengewächse stimmen mit den Liliengewächsen hin- & sichtlich des Blütenbaues bis auf die unscheinbar grünen oder % braunen Blätter der Blütenhülle fast vollkommen überein. — An nassen Stellen findet sich als eine der am häufigsten vorkommen- den Formen die Flatter-Binse (Tuncus effüsus!), Aus dem krie- chenden, vielfach verzweigten Stamme erheben sich runde, knoten- lose, bis etwa !/);, m hohe Stengel, aus denen scheinbar seitlich zahl- reiche Blüten hervorbrechen. Bei genauerm Zusehen erkennt man jedoch, daß der vermeintliche obere Abschnitt des Stengels von dem senkrecht aufgerichteten, stielrunden Deckblatte des Blüten- standes gebildet wird. Die Blüten stehen also in der Tat am Stengelende. Sie werden, wie schon ihre Unschembarkeit an- deutet, durch den Wind bestäubt. Außer dem erwähnten Deck- blatte und einigen Blattscheiden am Grunde des Stengels ist von grünen Blättern nichts zu finden. Diese sonst nur bei Pflanzen der trockensten Standorte (z. B. bei den Kaktusgewächsen) zu beobachtende Erscheinung wird uns leicht verständlich, wenn wir bedenken, daß die Binsen im Hochsommer oft mit der größten Trocknis zu kämpfen haben. Dann versiegen vielfach die Gewäs- ser, an deren Ufern sie wachsen, und der schlammige Boden trocknet so stark aus, daß er „steinhart“ wird und in weiten Rissen auseinander klafft. — Ganz wie Gräser erscheinen die Hain-Binsen (Luzula?); durch die „Lilienblüten“ sind sie jedoch leicht von diesen zu unterscheiden. 78. Familie. Narzissengewächse (Amaryllidäceae°). Fruchtknoten unterständig; sonst wie die Liliengewächse. Das Schneeglöckchen (Galänthus nivälis®), 1. Blütezeit. Bevor meist noch die letzten Reste des Winterschnees von der wieder erwachenden Erde verschwinden, öffnet das liebliche Schneeglöckchen schon seine weiße Blüte, die einem zierlichen, hängenden Glöckehen gleicht (Name!). Wir begrüßen den Boten 1) iuneus, Binse; effusus, breit (weit ausgebreitet!). 2) unerkl. 3) nach der Gattung Amaryllis, s. S. 318, Anm.5. 4) galanthus: gäla, Milch nnd änthos, Blume (Blütenfarbe!); növalis, schneeig. 315 Flatter-Binse (verkl) D. Deck- blatt. Daneben eine Blüte (vergr.). 314 Narzissengewächse, des ersehnten Frühlings mit lebhafter Freude und räumen ihm daher gern ein Plätzchen im Garten ein. 2. Heimat und Standort. Die Heimat des Schneeglöckchens er- streckt sich von den Ländern, die an das Ostbecken des Mittelmeeres grenzen, bis in den östlichen Teil von Mitteleuropa. In Deutschland ist es außerhalb des Gartens wild wachsend nur selten und in vielen Gegen- den gar nicht anzutreffen. Wiesen und Laubwälder sind seine ursprüng- lichen Standorte. Auf der Wiese findet das spannhohe Pflänzchen jedoch nur so lange das nötige Licht, als Gras und Kräuter noch niedrig sind, und im Walde wird es nur dann genügend belichtet, wenn sich das Laubdach noch nicht geschlossen hat. Da es aber sehr früh im Jahre erscheint und mit beginnendem Sommer bereits wieder von der Oberfläche der Erde verschwunden ist, vermag es an beiden Orten wohl zu gedeihen. 3. Zwiebel. Das frühzeitige Erscheinen verdankt die freundliche Pflanze der Zwiebel, der sie die ersten notwendigen Baustoffe entnimmt. Dieser Vorratsspeicher ist jedoch wesentlich anders gebaut als bei der Tulpe. Er besteht nämlich aus einer einzigen fleischigen „Zwiebelschale“ (Sch.) und den gleich- falls fleischigen Grundteilen der beiden Laub- blätter (L.). Aus der Achsel des zweiten dieser Blätter geht der Blütentrieb (B.) als Seitenzweig hervor. Haben diese Teile ihre Aufgabe verrichtet, dann sterben sie ab, um schließ- lich zu verwesen. Unter- dessen ist aber die End- knospe (E.) des sehr kurzen Stammes (St) weiter ge- Schema vom Bau des Schneeglöckchens. Der Stengel ist gestreckt gedacht, so daß die ein- EN _..Sch. wachsen und hat die gleich- zelnen Teile weit ausein- N gebaute, für das nächste : m gerückt sind. —AN\ Jahr bestimmte Ersatz- uchstaben sind im Texte 7, j j zwiebel erzeugt, ein Vor- erklärt. T sh > gang, der sich alljährlich wiederholen kann. Da sich die junge Zwiebel also gleichsam über der alten bildet, müßten die unterirdischen Teile der Pflanze immer weiter zur Erdoberfläche emporsteigen, wenn die Ersatzzwiebel durch Verkürzung der Wurzeln nicht immer wieder so tief in den Boden hinabgezogen würde, als dies für ihr Gedeihen notwendig ist. Neben der Ersatzzwiebel entstehen in den Achseln der Zwiebel- schale und des ersten Laubblattes zumeist noch Knospen, aus denen sich gleichgebaute Brutzwiebeln entwickeln. 4. Blätter. Bereits im Herbste treten aus der Zwiebel die beiden Laubblätter und — falls wir es mit einer „blühreifen“ Pflanze zu tun haben — der Blütentrieb hervor. Sie sind von einem häutigen Blatte Narzissengewächse. 315 wie von einer Scheide umgeben und somit gegen Verletzung beim Durch- brechen des Bodens wohl geschützt. Ist die Erdoberfläche erreicht, so stellt das scheidenförmige Hüllblatt das Wachstum ein und wird von den sich streckenden Blättern gesprengt. Die langen, linealen Blätter liegen bis zu diesem Zeitpunkte mit ihren Oberseiten eng aneinander. Infolgedessen sind sie trotz ihrer Zartheit wohl imstande, sich zum Lichte empor zu drängen. Dies vermögen sie um so eher, als die farblosen Blattspitzen verhältnismäßig hart und fest sind. Die Spitze des „Keiles“, der den Boden spaltet, ist also wie bei der Tulpe gleichsam gehärtet. Die Blüte dagegen ist nicht imstande, diese Arbeit zu fördern. Sie liegt wohl ge- schützt zwischen den rinnig vertieften Blättern, die sie weit überragen und ihr somit den Weg bahnen. Bei nicht biuhenden Pflanzen dagegen sind die Blätter flach und liegen eng aneinander. 5. Blüte. a) Der von den Blättern gebildete Hohlraum ist sehr eng, so daß uns die Form des langen Blütenstieles (Schaftes) — er ist mehr oder weniger seitlich zusammen- gedrückt — wohl verständlich wird. An seiner Spitze trägt er die einzige, anfangs aufrecht stehende Blüte und unter ihr einehäutige Blütenscheide, von der jene im Knospenzustande schützend umhüllt wird. Wie die beiden grünen Rippen andeuten, ist die Scheide aus zwei Blättchen her- = vorgegangen, die innig miteinander Schneeglöckchen. verwachsen sind und mithin ihre Aufgabe desto vollkommener erfüllen können. Ein solches Schutzmittel ist für die zarte Blüte von um so größerer Wichtigkeit, als das Schneeglöckchen ja — wie bereits erwähnt — im Vorfrühlinge blüht, also zu einer Zeit, in der täglich Frost, sowie kalte Regen- und Schneeschauer zu erwarten sind. Sinkt z.B. das Thermo- meter wieder einige Grad unter Null, so liegen die Blätter und Blüten des Pflänzchens matt und welk auf dem Boden (s. S. 175). Wie dann die von der Scheide noch umhüllten Blüten weit weniger dem Verderben ıj RS _ IE 316 Narzissengewächse. ausgesetzt sind als die von diesem Schutzmittel schon befreiten, ist leicht zu beobachten. Die Blüte bleibt auch von der Scheide je nach der Witterung kürzere oder längere Zeit, beim Eintritt schlechten Wetters sogar wochenlang umschlossen. b) An einem milden Tage endlich wird die Scheide gesprengt, und in schneeiges Weiß gekleidet tritt die Blüte hervor. Indem sich der obere Teil des Blütenstieles krümmt, neigt sie sich alsbald nach unten. Sie ist im wesentlichen wie die Tulpenblüte gebaut, besitzt aber einen unterständigen Fruchtknoten. Die 3 großen äußern Blätter der Blütenhülle stehen schräg nach außen; die 3 kleinen innern dagegen sind fast senkrecht gestellt, so daß sie eine kurze Röhre bilden. Außen zeigen die letztern je einen grünen, halbmondförmigen Fleck und innen mehrere ebenso gefärbte Längsstreifen, zwischen denen der Honig ab- geschieden wird. Die großen Beutel der 6 Staubblätter bilden einen Kegel, aus dessen Spitze der Griffel mit«der Narbe hervorragt. Sie besitzen je eine borstenartige Verlängerung und öffnen sich an der Spitze mit 2 Löchern. Berührt man eine dieser Borsten, so rieselt — wenn die Blüte ihre natürliche Stellung hat — trockner Blütenstaub aus den Löchern hervor. c) Wenn wir die erwähnten Einzelheiten näher ins Auge fassen, werden wir leicht finden, daß zwischen ihnen ein inniger Zusammen- hang besteht, der allein eine erfolgreiche Bestäubung ermöglicht. Erstens: Das Schneeglöckchen besitzt trocknen, mehlartigen Blütenstaub, wie er sich allein für ein solches „Streuwerk“ eignet. Zweitens: Der Staub fällt nur dann aus den Beuteln, wenn diese erschüttert werden. Eine Erschütterung der Staubbeutel ist aber unvermeidlich, sobald ein Insekt den Versuch macht, von dem Honig zu naschen. Dieser liegt nämlich nicht offen zutage, sondern wird — wie erwähnt — an der Innenwand der Röhre abgeschieden, die von den innern Blättern der Blütenhülle gebildet wird. In diese Röhre muß das Insekt ein Stück eindringen, um zu dem süßen Safte zu gelangen. Dabei kann es aber nicht ausbleiben, daß das Tierchen einige der borstenartigen Fortsätze berührt, die Staub- beutel also erschüttert. Drittens: Die Röhre ist verhältnismäßig sehr eng. Infolgedessen kann das Insekt nur dann von dem ausfallenden Staube getroffen werden, wenn deren Öffnung nach unten gerichtet oder, anders ausgedrückt, wenn die Blüte hängend ist. Viertens: Da der Griffel aus dem Staubbeutelkegel hervor ragt, wird die Narbe von dem eindringenden Insekt auch zuerst berührt. Bringt das Tier nun Blüten- staub von einer andern Blüte mit, so tritt Fremdbestäubung ein, die — wie wir schon mehrfach gesehen haben — in der Regel eine erhöhte Fruchtbarkeit im Gefolge hat. Fünftens: Die Blätter des äußern Kreises, die nicht mit an der Bildung der Röhre beteiligt sind, machen die Blüte auffälliger. Sie sind bei der geöffneten Blüte nämlich nach außen gespreizt. Daher fällt eine solche auch weit mehr ins Auge als eine andre, die zwar gleichfalls vollkommen ausgebildet, aber noch geschlossen Narzissengewächse. 317 ist oder sich wieder geschlossen hat. Kurz: Die unscheinbare Blüte ist ein vollendetes „Kunstwerk“, wie es menschlicher Scharf- sinn kaum auszudenken vermöchte. d) Das Schneeglöckchen bringt wie die Tulpe alljährlich nur eine einzige Blüte hervor. Da diese aber sehr lange, bei Eintritt schlechten Wetters (Insekten verkriechen sich wieder!) sogar wochenlang „frisch“ bleibt, wird die Möglichkeit, bestäubt zu werden, wesentlich erhöht. Tritt trotzdem keine Bestäubung ein, so ist das für die Pflanze noch bei weitem. nicht mit einer Vernichtung gleichbedeutend: Das Schneeglöckchen „rettet“ sich ja — wie erwähnt — mit Hilfe der Zwiebel stets auf das andre Jahr hinüber und vermehrt sich außerdem noch durch Brutzwiebeln. e) Nickende Blüten schließen sich abends oder beim Eintritte un- freundlicher Witterung in der Regel nicht. Beim Schneeglöckchen jedoch findet man an kühlen Morgen, daß die äußern Blätter der Blütenhülle, die gestern weit gespreizt waren, sich wieder nach innen bewegt und den Blüteneingang verschlossen haben. Bei kaltem Wetter behalten sie diese Stellung sogar den ganzen Tag über bei. Wenn I wir bedenken, daß die Pflanze sehr früh im Jahre blüht, und daß Wärmeverlust __ den zarten innern Blütenteilen leicht \ schaden könnte, so wird uns diese Aus- — nahme von der Regel wohl verständlich. Bringt man abgeschnittene Blüten, die man in ein Gefäß mit Wasser gestellt hat, an einem kühlen Tage aus dem warmen Zimmer in das Freie und um- gekehrt, so kann man den Vorgang leicht verfolgen. 6. Frucht und Same. Kurz nach- dem die Bestäubung erfolgt ist, werden die Blütenstiele schlaff, fallen zu Boden und verschwinden bald gänzlich. Dann liegen die Früchte, oft völlig losgelöst, als kleine, glänzende Gebilde auf der Erde. Sie stellen je eine Kapsel dar, Blüte der die sich von der Spitze aus mit 3 Klappen 3 s i lee 1. weißen und öffnet. Die Samen besitzen je einen ver- 2 zolleh hältnismäßig großen, fleischigen Anhang, Narzisse. den gewisse Ameisenarten gern verzeh- ten. Die Tierchen schleppen die Samen daher in ihre Baue und ver- breiten die Pflanze dadurch unfreiwillig weiter. 318 Narzissengewächse. Andre Narzissengewächse. Wenig später als das Schneeglöckchen erschließt das Sommertürchen (Leucöium vernum') seine zierlichen, duftenden Blütenglocken (Name!). Es bewohnt schattige, feuchte Laubwälder und Gebüsche und stimmt mit jener Pflanze in fast allen Stücken überein (daher auch „großes oder wildes Schneeglöckchen‘“). — Die Narzissen (Nar- eissus?; s. Abb. S. 317) dagegen entfalten ihre prächtigen Blüten erst, wenn der Frühling wirklich da ist. Am häufigsten finden sich in unsern Gärten die gelbe N. (N. pseudonareis- sus®), die hier und da auf Bergwiesen auch wild vorkommt, und die weiße N. (N. poeticus®), die wahrscheinlich im Mittelmeergebiete heimisch ist. Wie bei allen Narzissen sind auch bei ihnen die Blätter der Blütenhülle im untern Abschnitte zu einer Röhre verwachsen, an deren Mün- dung sich eine „Nebenkrone“ erhebt. Während bei der gelben N. dieses Gebilde sehr groß, die Blütenröhre da- gegen kurz ist (Hummelblume!), hat die stark duftende Blüte der weißen N. eine kurze mit scharlachrotem we Rande versehene Nebenkrone, sowie eine sehr lange und enge Blütenröhre (Falterblume!). Auch mehrere ausländische Glieder der Familie zu - werden bei uns gern gepflegt. So sind die prächtig ———A ——, blühenden Amaryllis’-Arten, die aus dem tropischen = BEUmE Südamerika stammen, allgemein bekannte Topfgewächse, nn ————— . . re“ . - =. — I ee —— und nicht selten treten uns, in Kübel gepflanzt, die mäch- nm ze I __— = tigen Blattrosetten der Agaven (Agäve®) entgegen. Wie I schon die dieken, fleischigen, saftigen Blätter erkennen lassen, haben wir es in den Agaven mit vollendeten Fett- pflanzen (Succulenten) zu tun, wie es z. B. der Mauerpfeffer und die Kaktus- arten sind. Wir gehen deshalb auch nicht fehl, wenn wir die Heimat der sonderbaren Gewächse in einem außer- ordentlich wasserarmen Gebiete suchen: Sie bewohnen die Wüsten des heißen Amerika, in denen auch die Kaktus- gewächse dem öden Felsboden entsprie- - Ben. Wenn sie ihre volle Ausbildung erlangt haben, schießt aus der Blatt- rosette schnell ein Blütenschaft empor, der oft Tausende von Lilienblüten trägt und bei gewissen Arten 6, 10 und mehr Meter hoch wird. Sind die Früchte gereift, so stirbt dieseltsame Pflanze ab. Schößlinge, die alljährlich aus dem unterirdischen Stamme hervorbrechen, bedecken dann Amerikanische Agave. bald den Platz, an dem sie stand. Von 2 den wenigen Arten, die für den Menschen eine Bedeutung haben, ist besonders die amerikanische A. (A. americana”) zu nennen, die in Mexiko heimisch ist. Ihre Blätter, die eine Länge von 3 m erreichen, dienen als Speise; getrocknet verwendet man sie zum Decken der Dächer; aus den zähen Bast- 1) lewcoium: leukös, weiß und 2on, Veilchen; Zeucoium auch Levkoie (mit ion oder viola, Veil- chen,bezeichnete man früher auch noch andre Pflanzen als unser Veilchen); vernus, im Frühlinge blühend. 2) närkissos, Narzisse. 3) pseudonarcissus: pseudo-, scheinbar und nareissus (scheinbar im Verhältnis zur weißen N.). 4) poeticus, poetisch. 5) Amaryllis, bei griech. und lat. Schriftstellern Name einer schönen Hirtin. 6) von agauös, femin. agaue, hehr. 7) americanus, amerikanisch. Narzissengewächse. Schwertliliengewächse. 319 fasern bereitet man feste Gespinste und aus dem Safte das Nationalgetränk der Mexi- kaner, die Pulque. Wie in zahlreichen andern wärmern Ländern, hat sich die Pflanze auch im Mittelmeergebiete vollkommen eingebürgert, wo sie wegen der stark bestachelten Blätter gern zur Herstellung undurchdringlicher Zäune angepflanzt wird. — Höhern Wert als Gespinstpflanze hat die Sisalagave (A. sisalana'), die den Sisalhanf liefert und außer in andern Tropenländern auch in Deutsch-Ostafrika kultiviert wird. Ein Glied einer nahe verwandten Familie (Bromeliäceae?) ist die Ananas (Ananas sativus?), die sich von Mittel- amerika aus über alle warmen Länder verbreitet hat und bei uns in Treib- häusern gezogen wird. Aus einem rosetten- artigen Busche langer, starrer Blätter erhebt sich der zapfenartige Blütenstand, dessen Achse und Deckblätter nach und _ nach fleischig und saftig werden. Auf f diese Weise entsteht eine gelbe oder orangefarbene Schein- und Sammelfrucht, die überall als köstliches Obst geschätzt wird. Während der Fruchtbildung wächst die Achse durch das einem riesigen Tannen- zapfen ähnelnde Gebilde und treibt einen Blätterschopf, der, in die Erde gesetzt, en sich zu einer neuen Pflanze entwickelt. Ananaspflanze mit Fruchtkolben. 79. Familie. Schwertliliengewächse (Iridäceae ‘). Fruchtknoten unterständig, nur 3 Staubblätter; sonst wie die Liliengewächse. Die Wasserschwertlilie (Iris pseudäcorus‘). Taf. 33. 1. Standort und Blütezeit. Die Ufer der stehenden und fließenden Gewässer erhalten im Mai und Juni durch die prächtigen „Lilienblüten“ der stattlichen Pflanze oft einen herrlichen Schmuck. 2. Stamm, Stengel und Blatt. a) Aus dem dicken, fleischigen Stamme (Wurzelstocke), der im schlammigen Boden dahin kriecht, ent- springen Triebe verschiedener Länge. Während die Kurztriebe nur Blätter tragen, heben die Langtriebe, die bis zu einem Meter hoch werden, die Blüten über das Pflanzendickicht am Ufer und stellen sie den Insekten zur Schau. Da alle grünen Teile mit einem abwischbaren Wachsüberzuge versehen sind, fließt das Regenwasser von ihnen sehr schnell ab, so daß der durch die Spaltöffnungen stattfindende Luftaus- tausch nicht für längere Zeit unterbrochen wird. b) Die ungestielten Blätter umfassen mit ihrem Grunde den Stengel. Während bei der überwiegenden Mehrzahl der Pflanzen beide Hälften der Blattfläche in einer Ebene liegen, sind sie hier aber in der Mittel- linie so gefaltet, daß sie eine tiefe Rinne bilden. Wie Querschnitte 1) sisalana, nach dem mexikanischen Hafenorte Sisal, der früher der Hauptausfuhrort der Fasern war. 2) nach Bromel, Botaniker in Gothenburg (f 1705). 3) ananas, brasilianischer Name; sativus, angebaut. 4) Iris, die Göttin des Regenbogens, also vielfarbig wie der R. (Blüten der zahlreichen Arten!); pseudacorus: pseud- scheinbar und dkoros, Kalmus. 320 Schwertliliengewächse. zeigen, die man in verschiedener Höhe ausführt, wird die Rinne nach der Blattspitze zu immer enger. Schließlich verschmelzen beide Hälften voll- kommen miteinander, so daß das Blatt — wie auch der Name der Pflanze andeutet — die Form eines Schwertes erhält. Betrachtet man einen Kurztrieb, so sieht man, wie sich die Blätter, zu zwei Zeilen geordnet, gegenüber stehen, und wie jedes ältere Blatt das nächst jüngere z. T. umfaßt. Entfernt man die ältern Blätter, so kommt man schließlich zu einem Blatte, in dessen Rinne das folgende noch gänzlich geborgen ist. Das Blatt umhüllt abermals das nächst jüngere usf. Die Blätter sind also gleichsam ineinander geschachtelt: die ältern dienen den außerordentlich zarten jüngern als schützende Scheiden. An den Langtrieben sind natürlich dieselben Verhältnisse zu beobachten. Bei ihnen entfernen sich jedoch die Blätter durch Streckung der Stengelglieder weit voneinander. An beiden Arten von Trieben finden sich unterhalb der ältesten Blätter einige Hüllblätter, die ihrer Aufgabe entsprechend (Hülle!) nur den untern scheidenartigen Teil der Laubblätter darstellen. c) Im Gegensatz zu den Blättern der meisten andern Pflanzen sind die der Schwertlilie ferner so gestellt, daß ihre Kanten senkrecht nach unten und oben gerichtet sind. Blätter dieser Art werden von den Sonnenstrahlen unter spitzerm Winkel getroffen als sonst gleiche, aber wagerecht oder schräg gestellte. Sie werden daher auch weniger erwärmt und verdunsten mithin auch weniger Wasser als jene (s.S. 111, e). Da aber die Schwertlilie stets nur an nassen Stellen vorkommt, woselbst ihr jederzeit genügend Wasser zur Verfügung steht, so sollte man meinen, sie bedürfe eines solchen Schutzmittels nicht. Wenn wir aber einerseits bedenken, daß nasser Boden stets kalt ist, und daß kalter Boden auf die Pflanzen wie trockner Boden einwirkt (s. S. 175, B), und wenn wir andrer- seits beobachten, wie im Hochsommer die Gewässer, an deren Ufern die Schwertlilie wächst, oft gänzlich vertrocknen und der Schlammgrund fast steinhart wird, dann werden wir wohl andrer Meinung werden. Zudem dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, daß uns bei vielen Pflanzen zahlreiche Eigentümlichkeiten erst dann verständlich werden, wenn wir auch ihre nächsten Verwandten berücksichtigen: Mehrere andre Schwert- lilien sind nun ausgeprägte Felsenpflanzen; eine von ihnen vermag sogar auf Lehmmauern zu gedeihen, auf denen die meisten andern Gewächse sehr bald vertrocknen würden. 3. Blüte. a) An den Langtrieben gehen aus den Achseln der obern Blätter blütentragende Zweige hervor. Wie diese Blätter seinerzeit in den Rinnen der nächst ältern Schutz fanden, so umhüllen sie selber die jungen Blütenknospen. Haben die Knospen die Rinne verlassen, dann gewähren ihnen je 2 grüne, scheidenartige Hüllblätter noch weiter Taf. 33. 1: Blühende Pflanze. 2. Blüte, die von einer Hummel bestäubt wird. 3. Blüte nach Entfernung der äußern Blätter der Blütenhülle (weiteres s. Text!). 4. Frucht, quer durchschnitten. 5. Frucht, geöffnet. 6. Samen. 7. Same, durchschnitten. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 33. Wasser-Schwertlilie (Iris pseudacorus). Schwertliliengewächse. 391] Schutz. Ist die Blüte endlich vollkommen ausgebildet, so drängt sie diese Blätter auseinander und entfaltet sich. Das überaus zarte Gebilde blüht jedoch nur eine sehr. kurze Zeit. Dafür bringt die Schwertlilie aber nacheinander eine große Anzahl von Blüten hervor, so daß sicher einige davon bestäubt werden ünd Früchte entwickeln. b) Obgleich die Tulpen- und die Schwertlilien-Blüte nach demselben Plane gebaut sind, zeigt letztere doch zahlreiche Eigentümlichkeiten (s. Fig. 3 der Tafel). So sind erstlich die 6 leuchtend gelben Blätter der Blütenhülle im untern Teile zu einer Röhre (R.) verwachsen, die dem unterständigen Fruchtknoten (Fr.) aufsitzt. Sodann sind die mit einem braunen Flecke (Saftmal!) gezierten Blätter des äußern Kreises sroßB und mit dem breiten Endabschnitte schräg nach außen gebogen, während die kleinen Blätter des innern Kreises (i. B.) aufrecht stehen. Ferner ist von den beiden dreiblättrigen Staubblattkreisen der Lilien- blüte nur der äußere vorhanden, und endlich teilt sich der Griffel in 3 blumenblattartige, zweizipfelige Äste (G.). Diese Gebilde helfen die Auffälliskeit der Blüte @ ER erhöhen und dienen den Staubbeuteln (St.) als schützen- ® des Dach. Auf ihrer Unterseite bemerkt man je ein kleines Läppchen, dessen (in der Ruhe angedrückte) Se Oberseite die Narbe (N.) darstellt. Im untern Teile der Röhre findet sich der Honig. Zu ihm führen — wie a ein Querschnitt deutlich zeigt — unter jedem Griffelaste eu 2 Kanäle, die für einen dünnen Insektenrüssel gerade weit genug sind. c) Will das Insekt Honig saugen, so muß es sich — einen andern Weg gibt es nicht! — auf einem der großen Blütenblätter niederlassen und so weit als möglich unter den davorstehenden Griffelast zwängen. Ist das Tier groß genug, so streift es dabei zunächst das Narbenläppchen, biegt es nach unten und belegt es mit fremdem Blütenstaube, falls es bei einer andern Blüte bereits Einkehr gehalten hat.” Dies kann aber nur dann geschehen, wenn das Insekt den Blütenstaub auf seinem Rücken herbeiträgt, oder anders ausgedrückt, wenn der Staubbeutel eine solche Stellung hat, daß ihn das saugende Tier mit dieser Körperstelle berührt, was ja, wie wir gesehen haben, auch zutrifft. Nachdem das Insekt von dem süßen Safte genossen hat, kriecht es aus dem „Engpaß“ wieder hervor. Jetzt aber drückt es das Narbenläppchen an den Griffel- ast, so daß eine Belegung der Narbe mit dem Staube der eigenen Blüte verhindert wird. Dieser Fall tritt — wie leicht zu beobachten ist — jedoch ein, wenn das Insekt sich nach diesem Besuche dem zweiten und dritten „Engpaß“ derselben Blüte zuwendet. Bei genauerm Zusehen wird man finden, daß die Entfernung zwischen einem großen Blatte der Blütenhülle und „seinem“ Narbenaste bei gewissen Blüten größer ist als bei andern. Im erstern Falle entspricht diese Entfernung der Höhe (Dicke) einer Hummel, im andern der einer Schwebfliege Diese Tiere sind daher auch nur imstande, die Be- Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 21 322 Schwertliliengewächse. stäubung „ihrer“ Blüte zu vollziehen. (Warum sind Schmetterlinge und kurzrüsselige Insekten vom Genusse des Honigs ausgeschlossen?) 4. Die Frucht stellt, wie ein. Querschnitt zeigt, eine dreifächerige Kapsel dar, in der die braunen, breitgedrückten Samen gleich Geld- stücken in 3 Reihen „übereinander geschich- tet“ sind. Bei der Reife öffnet sich die Frucht mit 3 Klappen, so daß der Wind die Samen nunmehr herausschütteln kann (Kap- seln stehen auf hohen, elastischen Stielen!). Auf einem Durchschnitte sieht man, daß sich unter der Samenhülle ein luftgefüllter Hohl- raum vorfindet. Infolgedessen sind die Samen schwimmfähig, können also durch Wind, Wellen und Strömung leicht weit verschlagen werden, eine Tat- sache, die für die Verbreitung einer am Wasser wach- senden Pflanze von größter Bedeutung ist. Andre Schwertliliengewächse. Gleich der Wasserschwertlilie erfreuen uns im Garten zahlreiche andre Arten der Gattung durch die Pracht ihrer Blüten. Zur Einfassung von Beeten wird gern die blaublühende Zwerg-Sch. (I. pumila!) benutzt, die aus Südosteuropa stammt. Da sie in ihrer Heimat dürre Felsen bewohnt, so vermag sie selbst mit den geringen Wasser- und Nahrungsmengen fürlieb zu nehmen, die ihr Lehmmauern und ähnliche Örtlichkeiten bieten. — Eine stattliche Pflanze ist die in Gärten am häufig- sten anzutreffende deutsche Sch. (I. germänica?), die sich durch große, violette Blüten auszeichnet. Sie findet sich hier und da verwildert und ist wahrscheinlich gleichfalls aus dem südöstlichen Europa zu uns gekommen. — Ein prächtiger Frühlingsschmuck wird unsern Gärten durch die Krokus-Arten (Crocus°’) verliehen, die wild auf Wiesen, Matten und Triften wächst. Da sich ihre zarten Blüten gleich denen der Herbst- zeitlose direkt über dem Erdboden öffnen, kommen sie hier auch nur im Frühjahre oder (wie bei zahlreichen ausländischen Arten) im Herbste zur Geltung. Am häufigsten wird der Frühlings-K. (C. vernus®) gepflegt, der violette, weiße oder in diesen Farben gestreifte Blüten besitzt, und auf den Hängen der süddeutschen Gebirge und der Alpen vielfach in großer ) Anzahl anzutreffen ist. Der gleichfalls häufig in Gärten zu Frühlings-Krokus. findende gelbblühende Safran-K. (C. sativus?) entstammt dem Mittelmeergebiete. Er wird in mehreren Gegenden an- gebaut. um aus seinen großen, getrockneten Narben den Safran herzustellen, der vorwiegend zum Gelbfärben von Backwaren benutzt wird. — Eine beliebte Garten- pflanze ist auch die Siegwurz (Gladiolus®), deren Blüten zu großen, einseitswendigen Trauben gehäuft sind. 1) pritmilus, Zwerg. 2) germanicus, deutsch. 3) vielleicht ein hebräisches Wort. 4) vernus, im Frühlinge blühend. 5) sativus, angebaut. 6) gladiolus, kleines Schwert (Blätter!). Bananengewächse. 3923 80. Familie. Bananengewächse (Musaceae'). Die Banane oder der Pisang (Musa sapientium u. paradisiaca'). Wie es bei uns nur selten einen Garten gibt, in dem nicht ein Birn- oder Apfelbaum stände, so findet sich in den heißen Ländern die Banane überall in unmittelbarer Nähe der menschlichen Wohnungen. Aus einem im Boden dahinkriechenden Wurzelstocke erhebt sich ein kurzer, knolliger Stamm, der zahlreiche mächtige Blätter trägt. Die scheiden- förmigen Teile der Blattstiele, die auch nach dem Absterben der Blattflächen erhalten bleiben, schließen so eng zusammen, daß sie einen bis 10 m hohen „Schein- stamm“ bilden. Für dieses wenig widerstandsfähige Gebilde scheinen Blätter, die dem Winde eine grobe Angriffsfläche darbieten, nicht be- sonders geeignet zu sein. Die Ba- nane wird jedoch trotz der riesigen Blätter selbst vom Sturme nicht geknickt. Da nämlich der Blatt- rand völlig ungestützt ist, und die von der Mittelrippe ausgehen- den Seitennerven senkrecht auf dieser stehen, wird die Blattfläche schon durch einen mäßig starken Wind in zahlreiche Streifen zer- rissen. Infolge dieser völlig un- schädlichen „Fiederung“ verhält sich das Blatt jetzt wie ein wirk- liches Fiederblatt, dessen einzelne Teile dem Anpralle des Windes leicht ausweichen. Aus der Spitze i x Banane mit Fruchtstand, dahinter des Scheinstammes erhebt sich der - eine junge Pflanze. hängende Blütenstand, der bald in eine oft zentnerschwere Fruchttraube übergeht. Die gurkenähnlichen Früchte besitzen je nach der Spielart, von der sie stammen, ein saftiges, süßes oder ein mehlreiches Fruchtfleisch, das Millionen von Menschen zur täglichen Nahrung dient. Eine andre Bananenart (M. tsxtilis?) liefert in den Gefäßbündeln ihrer Blattstiele den festen Manilahanf, der namentlich zu Seilen verarbeitet wird. Die wertvolle Pflanze wird in den heißen Teilen von Ostasien, namentlich aber auf den Philippinen kultiviert. 1) Musa, aus einem indischen oder arabischen Worte entstanden oder zu Ehren von Antonius Musa, dem Leibarzte des Kaisers Augustus benannt; sapientium, der Weisen; paradisiacus paadiesisch, 2) textilis, gewebt. 394 Bananengewächse. Knabenkrautgewächse oder Orchideen. Die Fasern gelangen, wie schon ihr Name be- sagt, besonders von Manila aus in den Handel. Auch in die deutschen Kolonien sucht man die wichtige Pflanze einzuführen. Ein Glied einer den Bananen nahestehen- den Familie ist der Ingwer (Zingiber offi- cinale'), der in zahlreichen 'Tropenländern an- gebaut wird. Der Wurzelstock, der dem der Schwertlilie nicht unähnlich ist, liefert das be- kannte gleichnamige Gewürz, das besonders zur Herstellung von Likören dient. — Ein andres verwandtes Gewächs ist das Blumen- rohr (Canna?). das in den heißen und wärmern Teilen von Amerika heimisch ist. Die prächtige Pflanze wird ihrer großen, schönen Blätter wegen bei uns in zahlreichen Arten gern zur Bildung von „Blattpflanzen“-Gruppen verwendet. LINE: 81. Familie. Knabenkrautgewächse Ingwer (verkl.). oder Orchideen (Örchidäceae?). Blüte zweiseitig-symmetrisch. Blütenhülle aus 2 gleichen, dreiblättrigen Kreisen. Meist nur ein Staubblatt, das sich mit der Narbe auf einem Fortsatze des unterständigen Fruchtknotens, dem sog. Säulchen, befindet. Fruchtknoten meist einfächerig. Frucht kapselartig mit sehr zahlreichen äußerst kleinen Samen. Das breitblättrige Knabenkraut oder die breitblättrige Orchis (Orchis latifolia?.) Taf. 34. A. Eine Frühlingspflanze feuchter Wiesen. Wenn auf feuchten Wiesen das Gras zu sprießen beginnt, kommt auch das Knabenkraut zum Lichte hervor. Es vermag so zeitig zu erscheinen, weil ihm wie vielen andern Frühlingspflanzen Stoffe zum Aufbau der oberirdischen Teile zur Verfügung stehen. Diese Stoffe sind in einer Knolle enthalten. 1. Die Knolle hat infolge ihrer eigentümlichen Form von jeher die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich gezogen. Weil sie allerlei Segen über den Besitzer bringen sollte, bezeichnete man sie als „Christus-, Marien- oder Glückshändcehen“. Die dunklen Knollen (s. w. u.) dagegen galten als „Teufelshände oder Satansfinger“. Die Baustoffe sind in den Knollen besonders als Stärke (Jodprobe; s. S. 220) und Pflanzen- 1) zingiber, Ingwer, aus dem Altindischen stammend; offieinalis, in der Apotheke verwendet. 2) Rohr; aus einem Worte der ältesten bekannten Sprache Mesopotamiens entstanden. 3) orchis, bei den Griechen eine Pil. mit Knollen; latifoläus, breitblättrig. Taf. 34. 1. Blühende Pflanze. Das Hüllblatt, in dessen Achsel sich der nächstjährige Trieb bildet, ist wie in Fig. 2 entfernt. 2. Unterirdische Teile zur Zeit der Fruchtreife. 3. Blüte: St. Staubblatt, T. Täschchen, N. Narbe. 4. Blüte, von einer Hummel besucht. An der Stirn des Tieres die Staubkölbehen. 5. Hummel mit Staubkölbcehen, die sich bereits nach unten geneigt haben. 6. Staubkölbehen. 7. Frucht, aus der der Wind Samen heraus bläst. 8. Same (vergr.). Schmeils Naturwissenschaftliches Unterrichtswerk. Breitblättriges Knabenkraut oder breitblättrige Orchis (Orchis latifolia). Knabenkrautgewächse oder Orchideen. 395 schleim aufgespeichert und zwar in so großen Mengen, daß man aus ihnen ein nahrhaftes, schleimiges Heilmittel, den Salep, herstellen kann. — Zur Gewinnung dieses Stoffes dienen aber zumeist andre und zwar vor- wiegend ausländische Arten der Familie. Gräbt man die Pflanze im zeitigen Frühjahre aus dem Boden, so findet man in der Achsel eines der häutigen Hüllblätter, die den jungen, oberirdischen Trieb umgeben, eine Knospe. Sie treibt einige Wurzeln, die das Hüllblatt durchbrechen, und von denen meist eine zu einer kleinen Knolle von der Form der „alten“ anschwillt. Zur Blütezeit hat sich das Knöllchen schon merklich vergrößert, während die „alte“ Knolle braun geworden und etwas verschrumpft ist. Untersucht man die Pflanze etwa zur Zeit der Fruchtreife wieder, so ist die junge Knolle zur Größe der alten herangewachsen, die jetzt dunkelbraun aussieht und noch mehr verschrumpft ist. Gräbt man nun endlich nochmals nach, wenn der Herbst ins Land zieht, so ist die alte Knolle abgestoßen und in Ver- wesung begriffen. Diese Erscheinungen sind also genau dieselben, wie z. B. bei der Kartoffelknolle, nur daß sich beim Knabenkraute die junge Knolle aus der Wurzel bildet (Wurzelknolle), und daß dies in unmittel- barer Nähe der alten erfolgt. Wir haben hier also — kurz gesagt — folgenden Vorgang: Während sich aus den Vorratsstoffen, die in der Knolle aufgespeichert sind, die oberirdischen Teile aufbauen, bildet sich an ihr eine Ersatzknolle für das nächste Jahr. Als ein für die Pflanze nun- mehr wertloses Gebilde geht die alte Knolle schließlich zugrunde An ihre Stelle ist die neue getreten, die prall mit Baustoffen für das kom- mende Jahr gefüllt ist. 2. Stengel und Blätter. a) In dem Maße, in dem sich die Wurzel zu der Ersatzknolle ausbildet, vergrößert sich auch die Knospe, aus der die Wurzeln hervorbrechen. Anfangs ist sie noch von dem Hüllblatte, in dessen Achsel sie entsteht, schützend bedeckt. Mit dem Verwesen dieses Blattes wird sie aber frei und stellt jetzt einen kegelförmigen Trieb dar, der selbst die Grasnarbe der Wiese leicht zu durchbrechen vermag. Als Schutzmittel gegen Verletzungen dient ihm eine Scheide, die gleichfalls aus farblosen Hüllblättern gebildet wird. Hat der Trieb die Erdoberfläche erreicht, so stellen diese Blätter das Wachstum ein und wer- den von den eingeschlossenen Teilen auseinander gedrängt. Sie sind jetzt für die Pflanze ohne Bedeutung, sterben ab, werden braun und verwesen, b) Zwischen den kegelförmig zusammengeneigten Blättern ist auch der Blütenstand mit über den Boden gelangt. Er erhebt sich am Ende eines hohlen Stengels, der sich — je nach der Höhe des mitwachsenden Grases — stets so hoch streckt, daß die Blüten den Augen der Insekten frei ausgesetzt sind. c) Die meist schwarzbraun gefleckten Blätter ähneln nach Form und Stellung denen der Tulpe. Sie sind vollkommen kahl; denn da sie von der feuchten Frühlingsluft umflutet werden, und da der nasse Wiesen- grund Wasser zur Genüge liefert, können sie z. B. des schützenden Haar- 326 . Knabenkrautgewächse oder Orchideen. kleides entbehren, das wir bei zahlreichen Sommer- und Trockenland- pflanzen finden. 3. Wurzeln. Die wenigen kurzen, unverzweigten und strangartigen Wurzeln genügen, dem feuchten Boden ihres Standortes die nötigen Wassermengen zu entnehmen. B. Eine Pflanze, die allein durch Insekten bestäubt werden kann. 1. Bau der Blüte. Die Blüten nehmen den Endteil des Stengels ein. Sie entspringen aus der Achsel je eines Deckblattes, das ihnen im Knospenzustande als Schutz diente. Der Stiel, auf dem sie sich zu erheben scheinen, ist der unterständige Fruchtknoten. Die Blüten- hülle, die in ihrer Färbung große Verschiedenheiten (lila bis weißlich) aufweist, ist zweiseitig-symmetrisch und besteht aus 2 dreiblättrigen Kreisen. Das große mittlere Blatt des äußern Kreises und die beiden „obern“ Blätter (s. aber Abschn. b) des innern Kreises neigen sich helmförmig zusammen und bilden ein Regendach für die innern Blütentelle.e. Die beiden andern äußern yR Blätter sind langgestreckt, während das untere, innere “3 v Blatt eine große, dreiteilige, purpur-gefleckte Unter- lippe darstellt und in einen langen Sporn ausgezogen ist. Dicht über dem Eingange zum Sporn findet sich auf einem kurzen Fortsatze des Fruchtknotens, dem sog. Säulchen, die große, glänzende Narbe und darüber das einzige (ausgebildete) Staubblatt. Der Faden des Staub- blattes ist mit dem Säulchen so innig verschmolzen, daß nur der Staub- beutel sichtbar ist. Er besteht aus 2 Fächern, die sich durch je einen Längsspalt öffnen. Im Gegensatz zu den meisten andern Pflanzen, bei denen der Blütenstaub ein feinkörniges Pulver bildet, sind hier stets mehrere Staubkörnchen miteinander verwachsen. Zahlreiche der auf diese Weise entstehenden „Paketchen“ sind wieder durch einen Klebstoff zu einem kleinen, gestielten Kolben vereinigt, der in einem Klebscheib- chen endet. Die Scheiben beider „Staubkölbehen“ sind in einer kleinen „Tasche“ geborgen. 2. Bestäubung der Blüte. Eine so eigentümlich gebaute Blüte wird uns wie in allen andern ähnlichen Fällen nur dann recht verständ- lich, wenn wir ihre Bestäubung genau verfolgen. a) Die Blüten sind an sich nicht besonders groß. Da aber ihrer viele zu einer Ähre gehäuft sind, werden sie den Insekten doch auf- fällig. Die Auffälligkeit wird vielfach noch dadurch erhöht, daß auch die Deckblätter und der obere Teil des Stengels bunt gefärbt sind. b) Die anfliegenden Insekten — vornehmlich sind es Fliegen und Hummeln — finden auf der Unterlippe einen bequemen Sitz. Öffnet man jedoch eine Blüte, solange sie sich noch im Knospenzustande be- findet, so sieht man, daß dieses Blatt nach oben gerichtet ist, also eine sehr ungünstige Stellung hat, um als Sitzplatz für die Bestäuber zu dienen. Es tritt aber eine Korrektur ein: Kurz bevor sich die Blüte Blütengrundriß des Knabenkrautes. Knabenkrautgewächse oder Orchideen. 397 öffnet, dreht sich nämlich der als Stiel dienende Fruchtknoten um 180° und bringt somit die Blüte in die „richtige“ Lage. Zahlreiche dunkel-purpurrote Flecke und Striche, die alle nach der Öffnung des Spornes hinweisen, bilden vielleicht das Saftmal, das dem Blütengaste zeigt, wo es für ihn etwas zu naschen gibt. c) Sobald das Insekt Platz genommen hat, senkt es den Rüssel in den Sporn, der auffallenderweise aber keinen freien Honig enthält. Der in der fleischigen Wand dieses Blütenteiles enthaltene süße Saft muß von dem Tierchen mit Hilfe der Rüsselspitze erst erbohrt werden. d) Unmittelbar über dem Eingange zum Sporn, genau in der Blüten- mitte, findet sich aber das Täschehen. Das zarte Häutchen wird daher von dem saugenden Blütengaste mit dem Kopfe berührt: Es zerreißt, die beiden Klebscheiben werden frei und heften sich dem Tiere an Stirn oder Augen. Ver- läßt das Insekt darauf die Blüte, so zieht es die beiden Staubkölbcehen aus den Staubbeutelfächern hervor, und wie mit 2 Hörnchen geschmückt fliegt es davon. Ahmt man diesen Vorgang vielleicht mit Hilfe eines zugespitzten Bleistiftes nach, so sieht man, wie sich die anfangs aufrecht , Blütenstand und einzelne Blüte vom gelbe oder bräunliche Gewächs nährt sich Zweiblatt. 3. Blüte der Sumpfwurz. von den Stoffen, die im Boden schattiger 1) maculatus, gefleckt. 2) morio, Narr (Blüte soll einer Narrenkappe ähneln). 3) platanthera: platyjs, breit und anthera, Staubbeutel; bifolia : bi-, zwei und folium, Blatt. 4) Listera, nach dem Botaniker Lister in London (+ 1711); ovatus, eiförmig. 5) zusammengesetzt aus epi, darauf und paktöo, ich befestige (?). 6) ceypripedilum: Kypris, Bewohnerin von Cypern und pedilon, Sandale also Sandale der Kypris, d.h. der auf Cypern verehrten Göttin Aphrodite): ealceolus, kleiner Schuh. 7) neottia, Vogelnest; nidus, Nest; avis, des Vogels. Knabenkrautgewächse oder Orchideen, 3939 u Ma ı I$ 2 > Einheimische Orchideen: 1. Kuckucksblume; 2. Frauenschuh; 3. Nestwurz. 330 Knabenkrautgewächse oder Orchideen. Wälder faulen, es ist also kein Schmarotzer (Parasit) wie jene, sondern eine Verwesungspflanze (Sa- prophyt!). Wie sich unter dem Einflusse hoher Wärme und großer Feuchtigkeit die Pflanzenwelt der Tropen zu höchster Pracht entfaltet, so gilt dies für die Orchideen im besondern. Die viel- gestaltige Pflanzenfamilie ist dort durch Tausende von Arten vertreten, die untereinander in der Schönheit ihrer oft höchst bizarren Blüten wett- eifern. Dies zeigt uns schon ein Gang durch eines jener Warmhäuser, in denen bei uns die kostbaren Pflanzen ge- pflegt werden. Zahlreiche dieser seltsamen Formen sind in ihrer Heimat Be- wohner der dichten Ur- wälder. Die Kronen der Baumriesen hindern die Sonnenstrahlen aber viel- fach, bis zum Boden zu dringen, so daß dort ein beständiges Halbdunkel herrscht. Trotzdem wer- den die Orchideen des belebenden Lichtes teil- haftig. Sie haben näm- lich in ihrer Mehrzahl den für sie durchaus un- günstigen Waldboden ver- lassen und sich auf den Stämmen und Zweigen der Bäume angesiedelt, soweit diese von den Sonnenstrahlen getroffen werden. Dort breiten diese Überpflanzen Tropische Orchidee (Cattleya?-Art aus Brasilien), als Überpflanze auf einem Baumzweige wachsend (verkl.). ee i N N (Epiphyten?®) ihre Wurzeln s | N aus oder lassen sie frei BI» EIS “ Blühender und fruchttragender 1) saprös, verfault und = Zweig der Vanille, der die ver- ?hvtön, Pilanze 2) nach E re einem Engländer Cattley trockneten Äste eines Baumes „enannt. 3) epi, darauf und als Stütze benutzt (!/, nat. Gr.). phytön, Pflanze. Geologisches Vorkommen der bedecktsamigen Pflanzen. 331 herabhängen (Luftwurzeln). Die Nahrungsstoffe, die andre Pflanzen dem Boden ent- ziehen, entnehmen sie dem Staube, den der Wind in die Ritzen und Spalten der Rinde weht, sowie dem Regen und dem Tau, der auf sie herabfällt. Tritt in der Heimat der Pflanzen die trockne Jahreszeit ein, so ist ein solcher Standort aber höchst un- günstig. Zahlreiche Arten speichern jedoch gleich den Kaktusgewächsen in dem knollig angeschwollenen Stamme jeden Wassertropfen auf, den sie erlangen können, um während der Zeit der Trocknis aus diesem „Brunnen zu schöpfen“. Eine dieser Urwaldpflanzen ist die Vanille (Vanilla planifolia®), die uns in ihren unreifen, langen, schotenförmigen Früchten das bekannte köstliche Gewürz liefert. Sie ist im tropischen Amerika hei- misch, wird gegenwärtig aber fast in allen heißen Ländern angebaut. Auch das Klima unsrer Kolonien scheint ihr zuzusagen. Mit Hilfe langer, rankender Luftwurzeln klettert sie zum Lichte empor und hat im Gegensatz zu den zahlreichen farbenprächtigen Orchideen ihrer Heimat nur wunscheinbare, grün- gelbe Blüten. Geologisches Vorkommen der bedeckt- rer samigen Pflanzen. 1 Die bedecktsamigen Pflanzen sind als die höchst- ! stehenden auch die jüngsten Glieder im Reiche der N Gewächse. Nachdem die Nacktsamer (s. S. 332) ihre größte Ausbreitung erreicht hatten, treten sie (in Blattabdruck einer Pflanze aus der Kreide) auf, und zwar sofort in einem Formen- der Kreide (Credneria'), die reichtume, der auf eine viel frühere — uns aber un- wahrscheinlich der Platane ver- bekannte — Entstehung hinweist. Merkwürdig ist auch, wandt war. daß sowohl eim-, ‚als auch zweikeim- blättrige Pflanzen gleichzeitig auf dem Schauplatze des Le- bens erschienen, so daß wir den ver- wandtschaftlichen JE Zusammenhang die- CHR ser beiden großen 25 Gruppen nicht si- N cher kennen. Wahr- > scheinlich stellen erstere einen selb- ständig gewordenen Seitenzweig der letz- tern dar. Während in den Gesteinsschichten \ener ältesten Zeiten nur Blätter angetroffen werden, die etwas Sicheres über die Verwandtschaft der ein- zelnen Formen und Gruppen nicht erkennen lassen, sind aus spätern geologischen Blattabdruck einer Fächerpalme der Tertiärzeit. 1) vanilla, nach dem spanischen vaynilla, Schötchen; planifolia: plänus, eben, flach und fö- lium, Blatt. 2) Nach Heinr. Credner, Professor in Halle, benannt. 332 Kieferngewächse. Perioden auch Blüten und Früchte erhalten geblieben. So wissen wir z.B., daß Eichen, Birken, Erlen,. Weiden, Palmen, Magnolien, Feigen u. a. Gattungen sind, die in weit hinter uns liegende Zeiten zurückreichen. Überaus wichtig ist auch die Tatsache, daß die ältesten Formen Windblütler waren, daß erst verhältnismäßig spät die Insekten in den Dienst der Bestäubung traten, und daß die geographische Verbreitung der Pflanzen große Verschiebungen er- fahren hat. So wuchsen z. B. während der Tertiärzeit im Nordpolargebiete Brotfrucht- bäume, Farne, Magnolien, Lorbeergewächse u. dgl., und die Pflanzenwelt unsrer Heimat trug sogar ein völlig tropisches Gepräge. 2. Klasse. Nacktsamige Pflanzen (Gymnospermae'). Pflanzen, deren Samenknospen nicht in einem Fruchtknoten eingeschlossen sind, sondern sich auf dem offenen Fruchtblatte befinden. 1. Familie. Kieferngewächse (Pinäceae’). Holzgewächse, deren Samenblüten mehrere Fruchtblätter besitzen und sich zu holzigen oder (selten) fleischigen Zapfen entwickeln. 1. Die Kiefer (Pinus silvestris®). Taf. 35. Kein Baum bedeckt im mittlern und nördlichen Europa so weite Flächen wie die Kiefer oder Föhre. Obgleich sie auf allen Bodenarten gedeiht, treffen wir sie doch vorwiegend auf Sandboden an. Dort bildet sie oft mächtige Wälder, die nach dem treusten Begleiter des anspruchs- losen Baumes, dem Heidekraute, vielfach als Heiden bezeichnet werden. Ja, sie ist sogar imstande, den ödesten Sand zu beleben. Wollen wir die merkwürdige Pflanze recht verstehen, so müssen wir uns bei ihrer Betrachtung daher zunächst fragen, wodurch sie befähigt ist, das Ödland zu bewohnen. A. Wurzel. 1. Nehmen wir eine junge Kiefer und einen andern gleichalterigen Baum, die beide auf demselben Grunde gewachsen sind, aus dem Boden, so werden wir finden, daß die Kiefer alle andern Bäume durch ihr großes und stark verzweigtes Wurzelgeflecht übertrifft. (Sie hat z. B. 12mal soviel Wurzelfasern als die Fichte) Diese Tatsache ist schon eine Antwort auf die soeben aufgeworfene Frage: Bäume mit gering entwickeltem Wurzelwerke finden in dem lockern, sowie wasser- und nahrungsarmen Sandboden weder den nötigen Halt gegen die Macht der Stürme, noch die zum Leben notwendigen Wasser- und Nahrungs- mengen. Die Kiefer dagegen hält sich in dem lockern Grunde wie mit Tausenden und Abertausenden von Armen fest. Da sie mit ihrem mäch- tigen Wurzelgeflechte eine sehr große Erdmasse durchzieht, vermag sie selbst aus ödem Sandboden die nötigen Wasser- und Nahrungsmengen 1) Zusammengesetzt aus yymnos, nackt, unbedeckt und sperma, Same. 2) pinus, Kiefer oder Fichte; silvestris, im Walde wachsend. Taf. 35. 1. Zweig mit Stb. Staubblüten, Sab. Samenblüten, Z1. vorjährigem und Z2. vorvorjährigem Zapfen. 2. Staubblüte. 3. Samenblüte. 4. Fruchtblatt von unten und 5. von oben gesehen. 6. Fruchtschuppe mit „ihren“ Samen. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 35. Kiefer (Pinus silvestris). Kieferngewächse. 333 herbei zu schaffen. Sie gedeiht noch an Orten, an denen andre Bäume — verdursten und verhungern müßten. 2. Ziehen sich die Wurzeln eines Baumes, der auf lockerm Sande wächst, flach unter der Erdoberfläche dahin (wie z. B. die der Fichte), so befindet er sich in steter Gefahr, durch den Sturm entwurzelt zu werden. Die Kiefer dagegen trotzt meist dem heftigsten Anpralle. Sie ist nämlich durch eine Pfahlwurzel, die sich tief in den Untergrund senkt, und von der wieder zahlreiche Nebenwurzeln ausstrahlen, sicher im Boden ver- ankert. Wegen dieser tiefgehenden Wurzel vermag die Kiefer umgekehrt aber auch nur auf „tiefgründigem“ Boden zu gedeihen. Auf Felsunter- grund kommt sie nur dann fort, wenn sie mit den Wurzeln in Spalten und Klüfte eindringen kann. 3. Die Kiefer ist imstande, selbst die kleinste Menge von Tau und Regen, die den dürren Boden tränkt, sich dienstbar zu machen; denn sie besitzt ferner zahlreiche oberflächlich verlaufende Wurzeln. Die feinsten Verzweigungen dieser Wurzeln „trinken“ den Tau und Regen, der den Boden feuchtet, und der von der dürftigen Pflanzendecke (Moos- polster!) oder von der verwesenden Nadelschicht festgehalten wird. (Be- urteile hiernach das Entfernen der abgefallenen Nadeln, der sog. Wald- streu!) Bei fortgesetztem Wachstume erheben sich die „Tauwurzeln“, da sie nach oben weniger Widerstand finden, z. T. au über die Erde. 4. Die Pflanzen nehmen das Wasser in der 4 a Regel durch zahlreiche Wurzelhaare auf, die sich an den Enden der feinsten Wurzeläste finden. Der Kie- fer fehlen aber gleich den meisten andern Wald- bäumen diese Gebilde Wie sich dagegen bei schwa- cher Vergrößerung (bei der Buche meist schon mit bloßem Auge) erkennen läßt, sind die Wurzelen- den von einem dichten Geflechte zarter Pilz- fäden umsponnen. Von diesem Pilzmantel gehen zahlreiche Fäden nach außen, durchwuchern den Waldboden und entnehmen ihm Wasser samt den Wurzelende der Kiefer darin gelösten Nährstoffen. Andrerseits legen sich ee die Fäden aber so dicht um die Wurzelenden, daß (ebwa 200mmel Gr.). diese imstande sind, ihnen das aufgenommene Wasser zu entziehen und es sich dienstbar zu machen. Schon aus der Länge der Fäden geht hervor, daß der Baum den Waldboden auf diese Weise weit besser auszunützen vermag, als wenn seine Wurzelenden wie bei den meisten andern Pflanzen mit winzig kleinen Wurzelhärchen bedeckt wären. Daß dem wirklich so ist, haben zahlreiche Versuche dargetan, die von Naturforschern angestellt wurden: Man säte Kiefernsamen teils in gewöhnliche, teils in solche Walderde, in der man vorher alle Pilz- keime sorgfältig getötet (kurz: die man sterilisiert) hatte. Während sich die Samen in der pilzhaltigen Walderde schnell zu kräftigen Pflanzen entwickelten, blieben die im pilzfreien Boden erwachsenen stark zurück. 334 Kieferngewächse. Einige der kümmerlichen Pflänzchen begoß man nun nachträglich mit‘ Wasser, in das man etwas Walderde gebracht hatte, und das demnach zahlreiche Pilzkeime enthielt, und siehe da, diese Kiefern gediehen sofort zusehends; die andern Pflänzchen dagegen begannen bereits nach2 Jahren — abzusterben. (Versuche, die mit Buchen angestellt wurden, führten zu demselben Ergebnis. Im einzelnen sind aber die Beziehungen zwischen Pilz und Wurzel noch ziemlich unbekannt.) B. Stamm und Zweige. 1. Der Stamm und die Zweige der Kiefer sind in der Jugend mit einer rötlichen Rinde bekleidet, die sich in papier- dünnen Häutchen ablöst. Später werden sie von einer dicken, graubraunen Borke bedeckt, die in ansehnlichen Platten abblättert. Da diese Hüllen vorwiegend aus Kork bestehen, einem Stoffe, der (Flaschenkorke!) für Wasserdampf fast undurchlässig ist, so haben wir es in den Hüllen mit einem Schutzmittel des Baumes gegen zu starken Wasserverlust zu tun. Ein solcher Schutz ist aber für die Kiefer, die besonders auf Sandboden oft mit dem größten Wassermangel zu kämpfen hat, sicher von höchstem Werte. 2. Stamm und Zweige sind wie fast alle andern Teile des Baumes sehr reich an Harz. Schlägt man der Kiefer eine Wunde, oder schneidet man nur eine ihrer Nadeln durch, so fließt dieser stark klebrige Stoff alsbald hervor und verschließt die Wundstelle.e Dadurch wird den Pilz- sporen, die Krankheit oder Fäulnis erregen, der Eintritt verwehrt. Das bittere, klebrige Harz hält auch zahlreiche Tiere ab, Teile des Baumes durch Fraß zu zerstören. Wie jedoch die Pilze zeigen, die Stämme und Zweige durchwuchern oder die Nadeln vernichten, und wie besonders das Heer der Schädlinge aus der Insektenwelt erkennen läßt, ist dieser Schutz kein vollkommener, wie es einen solchen in der Natur ja überhaupt nicht geben kann. (Das Harz mehrerer ausgestorbener Nadelhölzer ist in dem Bernsteine erhalten geblieben.) 3. Der Stamm der Kiefer löst sich nicht wie z. B. der der Eiche in mehrere große Äste auf. Er verlängert sich im Gegenteil alljährlich um ein Stück. Auf diese Weise entsteht jener schlanke „Schaft“, der eine Höhe von fast 50 m erreichen kann, und der von dem Menschen so hoch geschätzt wird. 4. Am Ende des Stammes bildet sich außerdem alljährlich eine An- zahl quirlförmig angeordneter Zweige, so daß der Baum aus so vielen „Stockwerken“ zusammengesetzt ist, als er Jahre zählt. Diese Zweige verlängern und verzweigen sich fortgesetzt in derselben Weise. Infolgedessen übertreffen die ältern die jüngern stufenweise an Länge, so daß der Baum die Gestalt einer regelmäßigen Pyramide annimmt. (Ein Naturforscher nennt die Nadelhölzer treffend ein „mathematisches Geschlecht“.) 5. Im Forste stehen die Kiefern so dicht nebeneinander, daß die untern Zweige der gleichmäßig emporwachsenden Bäume schon nach einigen Jahren in den Schatten gestellt werden. Wird ein Baum aber von andern im Wachstume überholt und beschattet, so bleibt er in seiner ıc) = = ————— en [3 = = Gin ar Hi = Eu c ieferngewächse. er SE RRENR a en — = be we i ee efernwaldes, Ki emes Am Rande 356 Kieferngewächse. Entwicklung immer mehr zurück und geht schließlich ganz ein. Die Kiefer ist im Gegensatz zu den Schattenpflanzen, die mit einer geringen Licht- menge fürlieb nehmen, ein „Lichtbaum“, der nur im vollen Genusse des Sonnenlichtes gedeiht. Wie dem ganzen Baume, ergeht es aber auch den beschatteten untern Zweigen: Sie sterben ab und lösen sich vom Stamme (der Forstmann sagt: „Die Kiefer reinigt sich“). So entstehen die Bäume mit dem hohen, astlosen untern Stammteile und der kleinen, pyramidenförmigen Krone, wie sie uns im Walde überall entgegentreten. Im spätern Alter nimmt die Krone dieser Bäume eine andre Form an. Da der „Zuwachs“ am obern Stammende und an jüngern Zweigen geringer ist als an den untern Ästen, so breitet sich die Krone aus und wird schließlich schirmförmig. Solche alten, ehrwürdigen Bäume, die wie Riesen über den Wald emporragen, haben dann fast die Gestalt einer Pinie (s. das.). Ist die Kiefer dagegen auf einem freien Standorte erwachsen, so sterben die untersten Zweige (wie bei allen Bäumen) infolge Lichtmangels zwar gleichfalls ab. Die Krone aber bleibt groß und zeigt lange Zeit die ursprüngliche Pyramidenform. Später rundet sie sich jedoch mehr und mehr ab, so daß eine derartige Kiefer, aus der Ferne gesehen, oft ganz den Eindruck eines Laubbaumes macht. 6. Anfangs Mai lassen die jungen Zweiglein die Kiefer wie einen mit zahlreichen Kerzen geschmückten Weihnachtsbaum erscheinen. Zer- bricht man einen solchen „Maitrieb“, so erkennt man, wie zart und saft- reich er ist. Es gereicht ihm daher außerordentlich zum Vorteil, daß er gegen zu starke Wasserabgabe, sowie gegen die Unbilden der Witterung vortrefflich geschützt ist: Er steht nicht allein senkrecht (s. S. 111, e), sondern ist auch von einer besondern Hülle umgeben, die die Stelle von Knospenschuppen vertritt. Diese Hülle ist aus zahlreichen häutigen, rostfarbenen Blättchen gebildet, die am Rande ausgefranst und so untereinander verfilzt und verklebt sind, daß sie gleichsam einen Mantel darstellen. Streckt sich der Trieb weiter in die Länge, so zerreißt der „Mantel“, dessen bedeutungslos gewordene Blättchen schließlich einzeln oder zu Gruppen vereinigt abfallen. Nach einiger Zeit verlassen die jungen Zweige auch ihre „Schutzstellung“, um immer mehr die Richtung der ausgebildeten anzunehmen. Wenn der „Mantel“ zerreißt, läßt sich deutlich erkennen, daß jedes häutige Blättchen in seiner Achsel ein winziges Gebilde trägt, aus dem sich später je ein Nadelpaar entwickelt. Nun kommen aber aus den Achseln der Blätter nicht etwa andre Blätter, sondern stets Zweige her- vor, ein Zeichen, daß wir es in jenen Gebilden gleichfalls mit Zweigen zu tun haben. Im Gegensatz zu dem ganzen „Maitriebe“, der sich stark in die Länge streckt, bleiben diese Zweiglein allerdings sehr kurz. Es sind Kurztriebe, während der größere Zweig, dem sie in großer Zahl aufsitzen, einen Langtrieb darstellt. Kieferngewächse, 337 C. Blätter. Viel länger als das Zweigstück des Kurztriebes sind seine beiden Blätter, die nach ihrer Form als Nadeln bezeichnet werden. 1. Jetzt, da der Langtrieb noch im Wachsen begriffen ist, sind die Blätter außerordentlich zarte Gebilde Ihnen kommen daher außer den erwähnten Schutzmitteln des Langtriebes die häutigen, silberweißen Blättehen, die am Grunde des Kurztriebes entspringen und gleichsam einen zweiten Mantel oder eine Scheide bilden, sehr zustatten. Wenn sich etwa Ende Mai der Lang- trieb stark zu strecken beginnt, durchbrechen sie diese Hülle und treten ins Freie. Die silberweißen Blättchen lösen sich dann zu spinngewebartigen Fäden auf und gehen bis auf Reste, die am Grunde der Nadeln zurückbleiben, bald verloren. 2. Stellt man durch ein Nadelpaar, solange es noch von der Schutzscheide umhüllt ist, einen Quer- schnitt her, so sieht man, daß sich dieses in den Raum eines Kreises teilen muß. Infolgedessen hat der Querschnitt jeder Nadel — auch der aus- Kiefer. Er steht in der Achsel eines rostfarbe- gebildeten — die Form eines Halbkreises. 3. Die Blätter sind die Teile der Pflanzen, die das meiste Wasser verdunsten. Da nun die Kiefer auf sehr trocknem Boden auszuhalten vermag, wer- den wir wie bei andern Trockenlandpflanzen auch an ihren Blättern Einrichtungen finden, die auf einen sparsamen Wasserverbrauch hinweisen: Infolge der Nadelform hat das Blatt erstlich eine ver- hältnismäßig kleine verdunstende Oberfläche. Wie man ferner bei mikroskopischer Betrachtung dünner nenBlättchens(r.B.), das den Mantel des jungen Langtriebes („Maitrie- bes“) bilden hilft, und ist von einem zweiten Mantelumgeben, der aus silberweißen Blättchen (s.B.) besteht. Diese Hülle ist an der Spitze durch die hervorbre- chenden Nadeln (N.) be- reits gesprengt (vergr.), Querschnitte sieht, ist die Außenwand der Ober- hautzellen stark verdickt. Infolgedessen ist sie für Wasserdampf schwer durchdringbar und läßt die Nadel hart und trocken erscheinen. Und endlich sind Spaltöffnungen, durch die die Verdunstung des Wassers am stärksten erfolgt, nur in sehr geringer Zahl vorhanden. 4. Die Kiefer verliert alljährlich im September einen größern, und im Oktober oder November einen weitern kleinern Teil ihrer Blätter. Da die einzelne Nadel aber 2—3 Jahre alt wird, erscheint die Kiefer immergrün. Sie unterscheidet sich in diesem Punkte also wesentlich von denjenigen Laubbäumen unsrer Heimat, die sich in jedem Herbste ihrer gesamten Blätter entledigen, um während des Winters nicht zu ver- trocknen und unter der Schneelast zusammenzubrechen. Wie wir soeben gesehen haben, ist die Kiefernadel aber so vortrefflich gegen zu starke Wasserdampfabgabe geschützt, daß die erstere Gefahr für den Baum ganz ausgeschlossen ist. Auch der zweiten Gefahr ist die Kiefer in weit geringerm Grade ausgesetzt als ein Laubbaum, wenn er sein Laub behielte; denn zwischen Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 22 338 Kieferngewächse. den nadelförmigen Blättern vermögen sich bei weitem nicht so große Schneemassen anzuhäufen, als dies in der dichten Blätterkrone z. B. der Linde oder der Roßkastanie geschehen würde. Allerdings ist die Schnee- last, die die Kiefer zu tragen hat, viel größer als die, die auf einem unbelaubten Baume ruht. Ihr vermag die Kiefer jedoch zumeist zu wider- stehen; denn ihre Zweige sind — wie hier nachzutragen ist — auffallend dick und sehr biegsam. Trotzdem aber hat der Kiefernwald nicht selten unter beträchtlichem „Schneebruch“ zu leiden. Im Herbste verlieren unsre Laubbäume durch den Blattfall eine große Menge von Stoffen, die im Frühjahre wieder ersetzt werden müssen. Die Kiefer dagegen behält ihre Blätter mehrere Jahre hindurch. Sie braucht daher dem Boden auch nicht eine solche Menge von Nähr- stoffen zu entziehen als ein Laubbaum mit derselben Blattmasse, eine Tatsache, die bei der Nahrungsarmut des Bodens, auf dem die Kiefer zumeist wächst, wohl zu beachten ist. Auch insofern befindet sich die Kiefer den Laubbäumen gegenüber im Vorteile, als sie im Frühjahre sofort die Arbeit beginnen kann, während jene erst die Blätter, d.h. die Werkstätten bilden müssen, in denen neue Baustoffe erzeugt werden. Die abgefallenen, harten und harzreichen Nadeln verwesen auf trocknem Boden nur sehr langsam und häufen sich infolgedessen nach und nach zu einer dicken Schicht an. In den modernden Massen finden Pilze und andre Verwesungspflanzen sehr günstige Lebensbedingungen, weshalb der Kiefernwald gewöhnlich einen auffallen- den Reichtum an diesen Gewächsen aufweist. Höhern Pflanzen dagegen sagen diese Stoffe nicht zu, und da die im Boden vorhandenen meist nur geringen Nahrungsmengen, sowie das niedergefallene Regenwasser von der „stärkern“ Kiefer zum größten Teil auf- genommen werden, so vermögen hier nur wenige grüne Pflanzen zu gedeihen. Vor allen Dingen erhalten diese Wälder durch das Fehlen des Unterholzes etwas durchaus Einförmiges und Eintöniges. Hierzu tritt zumeist noch die auffallende Stille, eine Er- scheinung, die in erster Linie darauf zurückzuführen ist, daß die Vögel, die sich von Samen und Beeren nähren und den Laubwald besonders im Frühjahr mit ihrem Ge- sange erfüllen, den trocknen Kiefernwald meiden. Da Wälder dieser Art ohne sichtbares Leben sind, machen sie auf uns einen schwermütigen Eindruck. Ist der Boden, auf dem sich der Kiefernwald erhebt, aber feucht, und haben die Bäume ein gewisses Alter erreicht und damit eine mehr vereinzelte Stellung erlangt, dann sind völlig entgegengesetzte Verhältnisse zu beobachten: Die Nadelmassen ver- wesen bedeutend schneller, der Boden ist mit grünen Gewächsen, mit Moosen, Farnen und Blütenpflanzen, besonders auch mit Sträuchern oft auf weite Strecken hin bedeckt, und das Vogelleben ist rege wie im Laubwalde. D. Blüten. Bei der Kiefer sind Staubblätter und Samenanlagen auf verschiedene Blüten desselben Baumes verteilt; sie ist also eine einhäusige Pflanze. 1. Die Staubblüten finden sich in großer Anzahl am Grunde der jungen Langtriebe und sehen den Kätz- chen gewisser Laubbäume ähnlich. Wie die zweinade- ligen Kurztriebe, deren Stelle sie einnehmen, entspringen sie aus der Achsel je eines häutigen Blattes, das ihnen Staubblatt der Kiefer; 1. geschlos- : £ 2 2 = sen. 2. geöffnet und Mitsamt 3 weitern Blättchen in der Jugend als schützende entleert. Hülle dient. An der Blütenachse stehen zahlreiche gelbe Kieferngewächse. 339 Staubblätter, die — wie man bei Lupenvergrößerung sehen kann — auf der Unterseite je 2 große Staubbeutelfächer tragen. Sind die Fächer entleert, so fallen die Staubblüten ab und lassen am Zweige eine kahle (nadellose) Stelle zurück. 2. Die Samenblüten stehen als kleine, rötliche Zapfen an der Spitze der jungen Langtriebe und sind anfänglich von zahlreichen braunen Schuppen, die dem Stengel ansitzen, schützend umhüllt. Führen wir durch den Zapfen einen Längsschnitt aus, so sehen wir, indem wir uns wieder der Lupe bedienen, wie an einer Längsachse zahlreiche fleischige Blätter entspringen, die auf der Unterseite je ein häutiges Blättchen tragen. Auf der Oberseite sind diese fleischigen Fruchtblätter oder Fruchtschuppen mit einem vorspringenden Kiele versehen, neben dem am Grunde der Schuppen die beiden Samenknospen oder Samenanlagen zu finden sind. Während bei den bisher betrachteten Pflanzen die Samenknospen in einem Gehäuse (Fruchtknoten) eingeschlossen sind, das aus einem Fruchtblatte oder aus mehreren Fruchtblättern gebildet ist, liegen hier die winzigen Gebilde also frei auf dem Fruchtblatte („nacktsamige Pflanzen“ oder Gymnospermen im Gegensatz zu den „bedecktsamigen Pflanzen“ oder Angiospermen). 3. Bestäubung. Weitere Einzelheiten im Bau der Blüten, sowie im Leben der Kiefer lernen wir erkennen, wenn wir die Bestäubung genau verfolgen. Sie wird durch den Wind vermittelt. a) Wie bei allen Pflanzen, denen diese Weise der Bestäubung eigen ist, sind die Blüten der Kiefer unauffällige, duft- und honiglose Gebilde. b) Da sich die Blüten stets an den jungen Trieben, also an der Außenseite der Baumkron®e entwickeln, sind sie dem Winde voll- kommen frei ausgesetzt. c) Infolge der großen Mense von Blütenstaub, der aus den Staub- beuteln hervorquillt, ist die Wahrscheinlichkeit, daß wenigstens einige Körn- chen auf die Samenblüten niederfallen, ziemlich groß. Wenn der Wind durch die Zweige der blühenden Kiefer streicht, entführt er den Staub in ansehn- lichen Wolken, und nach einem Gewitterregen sind die stehenden Wald- gewässer, sowie die Pfützen, die sich auf den Wegen gebildet haben, von ihm oft wie mit einer gelben Schicht überzogen. „Es hat Schwefel geregnet“, sagen dann die Leute, die sich die Herkunft der gelben Massen nicht erklären können. d) Schüttelt man einen blühenden Zweig und _. Et a - . Blütenstaubkorn der Kiefer fängt den Blütenstaub durch ein Blatt Papier it den beiden Luftblasen L. auf, so sieht man, daß dieser ein trocknes (Etwa 250mal vergr.) Pulver darstellt, das von dem Winde leicht ver- weht werden kann. Zudem tragen die Staubkörner jederseits eine luft- gefüllte Blase, die als Flugwerkzeug dient. Wie lange der Blütenstaub durch diese luftballonartigen Gebilde schwebend erhalten werden kann, 340 ? Kieferngewächse. geht daraus hervor, daß man ihn häufig auf stehenden Gewässern findet, in deren Umkreis oft auf Meilen hin keine Kiefer anzutreffen ist. e) Rieselt der Blütenstaub bei vollkommener Windstille aus den Staubbeuteln hervor, so lagert er sich auf der Oberseite des Staub- blattes ab. das unmittelbar unter den sich leerenden Beuteln steht. Im andern Falle würde der wertvolle Staub zum Boden hinab schweben und dabei wohl nur selten eine Samenblüte antreffen. f}) Da die Samenblüten aufrecht stehen und ihre Fruchtschuppen zur Blütezeit von der Achse ab- spreizen, vermag der trockne Blütenstaub leicht zu ae den Samenanlagen hinab zu rollen. Dies erfolgt Staubblätter d. Kiefer, nun um so sicherer, als er von den Kielen der Frucht- a schuppen gleichsam an den Ort seiner Bestimmung Staubbeutelfächern rie- geleitet wird. Dort gelangt er zwischen die beiden selt Blütenstaub hervor, Fortsätze, zu denen die Hülle der Samenanlage aus- der auf der Oberseite gezogen ist. Wenn sich diese Fortsätze später ein- des darunter stehen- jo]len, kommt der Blütenstaub mit der Samenan- den Staubblattes ab- ; ae: 2 : 2 a lage selbst in innigste Berührung, so dab eine Ver- einigung beider vor sich gehen kann. Dieser als „Befruchtung“ bezeichnete Vorgang erfolgt bei der Kiefer aber merkwür- digerweise erst im nächsten Frühjahre. E. Zapfen und Samen. 1. Die zarten Samenanlagen und Blüten- staubkörnchen, sowie die sich ausbildenden Samen können den Unbilden der Witterung aber unmöglich ausgesetzt sein: Die fortwachsenden Fruchtschuppen schließen sich nach .erfolgter Bestäubung, und ihre Ränder verkleben durch Harz. 2. Im ersten Jahre vergrößert sich der Zapfen nur wenig. Er senkt sich aber langsam, bis seine Spitze schließlich nach unten gerichtet ist. Im zweiten Jahre wächst er um so schneller. Die bisher grünen Frucht- schuppen verholzen jetzt und nehmen eine braune Färbung an. Im März oder April des dritten Jahres endlich trocknen die Schuppen so stark ein, daß sie auseinander spreizen. 3. Da nun die Zapfen herabhängen, fallen die ausgereiften Samen sofort heraus. Die federleichten, mit einem flügelförmigen Anhange aus- gerüsteten Gebilde werden vom Winde ergriffen und wie die Teilfrucht des Ahorns oft weithin verweht. Sie keimen mit 5 oder 6 nadelförmigen Keimblättern. Sind sämtliche Samen ausgesät, so fallen auch die Zapfen ab. 4. Der Zapfen öffnet sich aber nur bei trocknem Wetter, und der bereits geöffnete schließt sich wieder, sobald er befeuchtet wird. Im andern Falle würden die Samen durch anhaftende Regentropfen stark beschwert und damit ungeeignet, durch den Wind verbreitet zu werden. Selbst schon entleerte, abgefallene Zapfen haben die Eigenschaft, sich bei Befeuchtung zu schließen, noch nicht verloren (Versuche!). Kieferngewächse. 341: F. Bedeutung. Da die Kiefer eine überaus „genügsame“ Pflanze ist, vermag der Mensch mit ihrer Hilfe selbst dem unfruchtbarsten Sand- boden, auf dem keine andre Nutzpflanze mehr gedeiht, noch einen Er- trag abzuringen. Ohne sie wären die weiten Ebenen, die von ihr mit diehtem Walde bedeckt werden, zum größten Teile öde Wüsteneien, in denen kaum ein Mensch leben könnte, Sie liefert ein wichtiges Bau-, Werk- und Brennholz. Aus dem gesammelten Harze, das durch Einschnitte in die Rinde zum vermehrten Ausfließen gebracht wird, gewinnt man durch Destillation das Terpentinöl, das besonders zum Auflösen von Harzen (Lacken) verwendet wird. Der Rück- stand bei diesem Verfahren ist das Geigenharz oder Kolophonium. Siedet man das Harz in Kesseln (trockne Destillation!), so erhält man das Pech, das als „Faßpech“ allgemein bekannt ist. Sehr harzreiches Holz („Kienholz“) gibt beim Verbrennen den Kienruß, der zur Herstellung von Druckerschwärze, Stiefelwichse u. dgl. Verwendung findet. Aus den frisch vom Baume gepflückten Nadeln bereitet man die sog. Waldwolle, die als gutes Polstermaterial geschätzt wird. Die abgefallenen Nadeln dienen als Streu für das Vieh und dann als Dünger für den Acker. Indem die Nadelschicht unter den Bäumen verwittert, wird der öde Sandboden nach und nach an nährenden Bestandteilen reicher, so daß im Laufe langer Zeiträume schließlich fruchtbares Ackerland daraus hervorgeht. Mit der Kiefer ist also das Wohl und Wehe zahlreicher Menschen aufs innigste verknüpft. Daher sind die vielen Feinde, die den wichtigen Baum oft in verheerender Weise heimsuchen, auch Feinde des Menschen. G. Feinde. Am geringsten ist noch der Schaden, der der Kiefer von den größern Waldtieren zugefügt wird. Es sei hier nur auf Hirsch, Reh und Wild- schwein, ferner auf Eichhörnchen und andre Nager, sowie auf die Vögel verwiesen, die sich von Waldsämereien nähren. Weit gefährlicher sind die zahlreichen niedern Pilze, die in allen Teilen des Baumes schmarotzen. Mit ihnen wetteifert ein Heer von Insekten, von denen wieder die Raupen von Kiefernspinner, Nonne und Kiefern- spanner, sowie der Maikäfer, mehrere Rüsselkäfer, Blattwespen und Borkenkäfer die ver- derblichsten sind. Treten diese kleinen, aber gefährlichen Feinde in Massen auf, so fallen ihnen selbst ausgedehnte Wälder zum Opfer. Der Mensch ist gegen diese Zer- störer vielfach gänzlich machtlos. Desto mehr räumen unter ihnen aber, abgesehen von Krankheiten und Witterungseinflüssen, die insektenfressenden Vögel und die wichtigen Schlupfwespen auf. Ein Schutz dieser Tiere ist also der beste — Waldschutz! 2. Die Fichte (Picea excelsa!). Wie die Kiefer, ist auch die Fichte jedermann bekannt; ist sie doch in der Regel der „Christ-, Weihnachts-, oder Tannenbaum“, der lichtergeschmückt das schönste unsrer Feste verherrlichen hilft. 1. Da die Fichte keine Pfahlwurzel besitzt, erliegt sie auf lockerm Boden leicht den Angriffen der Stürme. Sie meidet daher zumeist die Ebene und bildet vorwiegend im Hügel- und Gebirgslande ausgedehnte 1) picea, Fichte, eigentl. Pechföhre von pix, Pech und piceus, pechig; excelsus, erhahen, hoch. 342 Kieferngewächse. Wälder. Durch die zahlreichen langen Wurzeln, mit denen sie gern Fels- blöcke umklammert und deren Gesamtheit einen tellerförmigen Ballen darstellt, vermag sie selbst in einer dünnen Erdschicht sichern Halt zu gewinnen und dieser die nötige Nahrung zu entnehmen. 2. Die Krone bildet bei allseitiger Belichtung eine regelmäßige Pyra- mide. Während diese bei freistehenden Exemplaren fast bis zum Erd- boden herabreicht, haben die Bäume dichterer Bestände die untern Zweige, bis oft weit an den kerzengeraden Stamm hinauf, abgeworfen. An der normal entwickelten Krone der erwachsenen Fichte stehen die obern Zweige schräg aufwärts, während die mittlern rechtwinklig vom Stamme abgehen und die untern mehr oder weniger tief ab- wärts geneigt sind. Da sich zudem die Zweig- enden in allen Fällen schräg nach obenrich- ten und die zahl- reichen Seitenzweige der alten und ältern Äste vielfach troddel- förmig herabhängen, so werden alle beblät- terten Teile der Krone des belebenden Son- nenlichtes teilhaftig. Auch alle die Tau- sende von Nadeln erhalten davon ihren Anteil. Sie sind, wie besonders an senk- Fichte. 1. Zweiglein mit 4 jungen Trie- ben: a. ist noch vollständig von häutigen Blättehen umhüllt; bei b. werden die Blättchen als Kappen abgeworfen; bei c. > ist dies bereits geschehen. 2. Zweig mit rechten Trieben deut- Sth. Staubblüten, Sah. einer Samenblüte » (ih An lich zu erkennen ist, und einem zweijährigen Zapfen. 0 in engen Spiralen an- 7 geordnet. An schrägen und wagerechten Zweigen aber wenden sie sich von der Schattenseite hinweg, so daß sie vielfach sogar bogenförmig gekrümmt sind. (Diese Erscheinungen sind auch an Tanne und Eibe zu beobachten, die eine im wesentlichen gleiche Blattstellung haben.) Wie schon die Zahl und Stellung der Nadeln andeutet, sind im Gegensatz zur Kiefer alle Zweige Langtriebe. Da nun Blätter nie aus den Achseln andrer Blätter entspringen, so fehlen den jungen Fichtentrieben auch die häutigen Blättchen, aus deren Achseln die nadeltragenden Kurz- triebe der Kiefer hervorgehen. Die Fichtentriebe bedürfen aber gleich- falls eines Knospenschutzes, Ein solcher ist auch vorhanden: Er ll su Nr Kieferngewächse. 343 N cf al Ge INN A | | =: = ee ETF IG BE FF Ze DEETE ED DESGEL Fichten und (in der Mitte) zwei Tannen, A, GG 344 Kieferngewächse. wird von zahlreichen braunen, häutigen Blättchen gebildet, die sich am Grunde des Triebes finden, ihn vollständig umhüllen und später in Form einer Kappe abgeworfen werden. 3. Wie bei Mangel an Licht die untern Zweige absterben und eine abnorme Baumgestalt entsteht, kommen auch durch Verstümmelung, Witterungseinflüsse u. dgl. andre abweichende Wuchsformen zustande. So trifft man z. B. auf Viehweiden und an Waldrändern nicht selten Bäumchen an, deren breitkegelförmige Kronen sich direkt über dem Erdboden erheben und aus sehr vielen kleinen, schwachen Zweigen gebildet sind. Schafe oder Ziegen haben die jungen Triebe immer wieder verzehrt; aus den Achseln der Nadeln sind kleine Zweige als Ersatz hervorgegangen, und so ist die selt- L : same Formder Verbiß- =— — = fichte entstanden. Erst —— wenn den Näschern der Gipfeltrieb nicht mehr 2 erreichbar ist, vermag MM NY B dieser sich weiter zu h x entwickeln, so daß über der bisherigen Krone sich jetzt erst die nor- male Fichtenkrone bil- det. Eine andre, noch eigentümlichere Form stellt die sog. Harfen- fichte dar. Sie ent- steht, wenn sich ein 3jaum durch irgend einen Umstand neigt, und wenn sich die Äste an der nunmeh- rigen Oberseite des Stammes wie selbstän- dige Bäume entwickeln. An der Baumgrenze tritt uns die Fichte nur als Krüppelform entge- gen, und wagt sie noch “tie giAimtitzt on NUN aan >> höher emporzusteigen, 4‘; RN BER 7 so nimmt sie unter dem ..,; DER D) MD U ER 2 % N)" Einflusse von Sturm, «4% ZEN ZA ES Harfenfichte. Frost und Schneedruck Verbißfiehten. . die Gestalt eines wild zerrissenen Strauches an, oder sie bildet gar nur ein Netzwerk kriechender Zweige, das sich kaum über den Boden erhebt. 4. Dem Menschen nützt die Fichte in derselben vielfachen Weise wie die Kiefer. Eine besondere Bedeutung erhält sie vor dieser (und der Tanne) aber noch dadurch, daß sie in erster Linie das Material für das billige „Holzpapier“ liefert. Da sie sehr schnell wächst und auf einer gewissen Fläche wesentlich mehr Holzmasse er- zeugt als die Laubbäume, so breitet sich ihr Anbau immer weiter aus. 5. Gleich der Kiefer wird der überaus wichtige Baum von einem Heere von Feinden heimgesucht, von denen hier nur die Nonne, sowie der Fichtenrüsselkäfer und der Buchdrucker genannt sein mögen. Auch der Hirsch fügt durch „Fegen“ des Geweihes und durch Abreißen großer Rindenstücke („Schälen“) den Stämmen oft schwere Verletzungen zu. Die kleinen Gallen, die sich vielfach in großer Anzahl an den jungen Zweigen finden, sind das Werk der Fichtenlaus, BT Kieferngewächse. 345 Andre Nadelhölzer. 1. Unterfamilie. Fichtenartige Nadelhölzer. . Von den Arten dieser Gruppe hat neben Kiefer und Fichte die Tanne (Äbies alba!; Abb. s. 8.348) für uns die größte ’ ? Bedeutung. Sie ist ein ausgeprägter Gebirgsbaum, der wegen seines edlen Wuchses und zum Unterschiede von der sehr ähnlichen Fichte allgemein als Edeltanne bezeichnet wird. Während er im Jura, in den Vogesen und im Schwarzwalde, der nach den dunklen Tannenforsten sogar seinen Namen trägt, ganze Wälder bildet, tritt er an andern Orten des südlichen und mittlern Deutschlands nur vereinzelt oder truppweise auf und fehlt dem nördlichen Teile unsres Vaterlandes fast gänzlich. Junge Bäume zeigen eine regelmäßige Pyramidenform; alte dagegen besitzen eine Krone von fast walzen- förmigem Umfange. Auf den Triften der Alpen begegnet man nicht selten gewaltigen Exemplaren, denen der Kampf mit den Elementen oft ein geradezu abenteuerliches Aussehen gegeben hat: Blitzschlag oder Schneedruck haben den Gipfeltrieb dieser „Wettertannen“ längst getötet; mehrere mächtige, senkrecht emporgerichtete Seitenzweige sind an seine Stelle getreten; die Krone ist wild zerrissen, und gewaltige, dürre Äste starren nach allen Seiten. Von der rot- rindigen Fichte, der „Rottanne“, unter- scheidet sich der prächtige Baum leicht durch die glatte, weiße Rinde des säulen- förmigen Stammes, sowie durch die brei- ten Nadeln, die an den Seitenzweigen deutlich zweizeilig gestellt sind und auf der Unterseite je 2 weiße Streifen be- sitzen (daher auch Silber- oder Weiß- tanne genannt). Diese Streifen sind mit Wachs ausgefüllte Rinnen, in denen sich die Spaltöffnungen finden. Da Wachs nicht vom Wasser benetzt wird, können infolgedessen die Spaltöffnungen von anhaftenden Tau- und Regentropfen auch nicht verschlossen werden. Der notwendige Gasaustausch erfährt daher selbst bei Befeuchtung der Nadeln keine Unterbrechung. Im weitern Gegensatz zur Fichte hat die Tanne aufrecht stehende Zapfen. Würden daher bei der Reife wie bei unsern andern „zapfen- früchtigen“ Nadelbäumen die Frucht- schuppen nur auseinander spreizen, so könnten die Samen aus ihren Ver- stecken nicht herausfallen. Die Weise, die geflügelten Gebilde auszustreuen ist 4 7 7 2 V Y MM PU Nadel der Tanne; Unterseite (2 mal vergr.). Deu z eben 5 Wettertanne in den Alpen. bei der Tanne dementsprechend auch anders als bei ihren Verwandten: die Schuppen lösen sich bei der Reife von der Zapfenachse ab, so daß die Samen leicht ein Spiel des Windes werden. 1) abies, Tanne; albus, weiß. 346 Kieferngewächse. In den Alpen und in den höhern Mittelgebirgen Deutschlands findet sich dort, wo kaum noch ein andrer Baum gedeiht, die Bergkiefer (Pinus montana!), die wie die gemeine Kiefer zwei, nicht selten aber auch drei Nadeln an ihren Kurztrieben trägt. Sie tritt uns bald als stattlicher Baum, der eine Höhe von 26 m erreichen kann und dessen untere beschattete Äste nicht absterben, bald als Strauch von verschiedener Form und Größe, am häu- fiesten aber als nieder- liegender, ausgebreiteter Busch entgegen, der als Zwergkiefer, Legföhre,Knie- holz, Krummholz oder (in den Alpen) als Latsche be- zeichnet wird. An Lebens- zähigkeit und Anspruchs- losigkeit übertrifft sie alle unsre Nadelhölzer. Gegen Frost ist sie ebenso wenig empfindlich, als gegen den salzgeschwängerten See- wind. Im Hochgebirge findet man sie sehr häufig an Stellen, an denen die Stürme ihre ganze Macht entfalten, und am Meere vermag sie selbst noch auf Sandboden zu wachsen, auf dem wegen Wasser- und Nahrungsarmut nicht ein- mal mehr die bedürfnislose gemeine Kiefer gedeiht. Da sie mit ihren weit aus- sreifenden, vielverzweigten Wurzeln den lockern Sand festhält, verwendet man sie in neuerer Zeit vielfach zur 3efestigung von Dünen, sowie zu Aufforstung von Heideflächen. Hierbei kommt als überaus wichtig in Betracht, daß sie, von Insektenlarven (Kiefern- blattwespen u. a.) kahl ge- l. Bergkiefer in der Form des Knieholzes und 2. Arven fressen, nicht eingeht, son- in den Hochalpen. dern schon nach wenigen Jahren ihr früheres Aus- sehen wieder zeigt. Dem Gebirgsbewohner liefert die Bergkiefer wertvolles Holz; an der Baumgrenze gewährt sie jungen Bäumen und Sträuchern einen wirksamen Schutz, und da sie in den Runsen den Schnee festhält, verhindert sie vielfach die Bildung gefährlicher Lawinen. — An der obern Waldgrenze tritt uns in den Alpen vielfach noch eine andre Kiefernart, die Arve oder Zirbelkiefer (P. cembra?) entgegen, die an ihren Kurztrieben je fünf Nadeln trägt. Der stolze Baum, der an ungeschützten Stellen gleich der Tanne vielfach die Gestalt eines „Wetterbaumes“ ZEN Wurr k N ui 1) pinus, Kiefer oder Fichte; montanus, auf den Bergen wachsend. 2) cembra, wohl von dem ital. cembro oder cirmolo, Zirbelkiefer. Kieferngewächse. annimmt, gilt mit Recht als die Königin des Hochge- birgswaldes. Sein gleich- mäßiges, zä- hes und ge- schmeidiges Holz wird vor- wiegend zu Schnitzereien und Möbeln verwendet. Da sichinihm die zahlrei- chen braunen Aststellen wirkungsvoll von der gelb- lichen Umge- bung abhe- ben, eignet es sich ganz besonders zu Täfelungen. Die schmackhaften Samen sind als „Zirbelnüsse“ bekannt. Lärche. In unsern Anlagen findet sich sehr häufig die Weymouthskiefer (P. strobus!). Sie stammt aus Nord- amerika und ist an den 5 langen, zarten Nadeln in jeder Scheide leicht zu erkennen. — Ein sehr charakte- ristischer Baum in dem Landschafts- bilde des Mittelmeergebietes ist die Pinie (P. pinea°; Abb. s. S. 191). Sie trägt auf säulenförmigem Stamme eine breite, schirmförmige Krone. Gleich der Tanne ist die Lärche (Larix europ&a°) ein Gebirgsbaum, der aber nur in den Alpen größere Wälder bildet. Wegen des schlanken Wuchses und der lockern Benade- lung wird er in Parkanlagen überall gern angepflanzt. Die Nadeln fin- den sich an den Langtrieben einzeln und an den Kurztrieben in Büscheln. Da sie sehr zarte und weiche Gebilde sind und infolgedessen viel mehr Wasser durch Verdunstung verlieren als z.B. die harten Nadeln der Kiefer, so ist die Lärche genötigt, sie im Herbste abzuwerfen, den Winter also 1) strobus von ströbos, Wirbel, Kreisel (Form des Zapfens!). 2) pinea, Pinie. 3) lariw, Lärche; europaeus, europäisch. 1. Blühender Zweig mit jungen Blättern: Sab. Samenblüte. 2. Zweig mit ausgebildeten Blättern und einem Zapfen. Wacholdermitjungen Trieben. 1. Zweig mit Staubblüten. 2. Zweig mit Samenblüten (d. s. die kleinen Zapfeninden Achseln d. nadelartigen Blätter) u. einigenreifen, d.h. vorjährigen Beeren. (Nat. Gr.) Sth. Staubblüten; 548 Kieferngewächse, unbeblättert wie unsre Laubbäume zu überdauern. — Dieselbe Verteilung der Nadeln ist der Zeder des Libanons (Cedrus libani!) eigen, die nicht nur auf dem Libanon, sondern auch in Kleinasien und auf Cypern anzutreffen ist. Dieser immergrüne, hoch- berühmte Baum, der ein sehr hohes Alter erreicht, lieferte dereinst Salomo das Holz zum Tempelbau. Die mächtigen Zedernwälder, die die Abhänge des Libanon früher bedeckten, hat mensch- liche Habgier aber fast vernichtet. 2. Unterfamilie. Zypressenartige Nadel- hölzer. Der Wacholder (luniperus communis?; s. Abb. S. 347) ist ein immergrüner Strauch oder Baum, der selbst mit dem unfruchtbarsten Boden fürlieb nimmt. Staub- und Samenblüten finden sich auf ver- schiedenen Pflanzen. Die 3 obersten Fruchtblätter der Zapfen verwachsen miteinander, werden fleischig und bilden bei der Samenreife eine schwarzbraune, blaubereifte „Scheinbeere“, die besonders von der Wacholderdrossel oder dem Krammetsvogel gern ver- zehrt wird. Da die Samen von einer steinharten Schale umgeben, also durch die Verdauungssäfte nicht angegriffen werden, sind die Vögel zugleich die Ver- breiter der Pflanze. Die stark aromatisch riechen- den Beeren werden in der Heilkunde, als Küchen- gewürz und Räuchermittel, sowie zur Bereitung des Wacholderbranntweins (Steinhäger, Geneyre) verwen- det. — Die immergrünen Lebensbäume (Thuja°) pflanzen wir gern als Bild der Hoffnung auf die Ruhestätten der Toten. Ihre prächtigen Pyramiden finden sich aber auch ebenso häufig in Anlagen. Der aus Nordamerika stammende abendländische L. (Th. oceidentälis®) ver- zweigt sich wiederholt in wagerechter Ebene; der in Ostasien heimische morgenländische L. (Th. orien- talis?) dagegen hat senkrecht gestellte Zweige. — Der Friedhofsbaum des Mittelmeergebietes ist die dunkle Zypresse (Cuprössus sempervirens®; Abb. s. S. 191). Sie gleicht im Wuchse der italienischen Pappel und ist ein Charakterbaum der südlichen Landschaft. — Eine zypressenartige Pflanze ist auch der Mammut- baum (Sequdia gigantea ‘), der in seiner Heimat Kali- fornien die gewaltige Höhe von 140 m erreicht. Auch Mammutbäume. in unsern Parkanlagen wächst er schnell zu einem Im Vordergrunde ein sehr altes stattlichen Baume heran. — Dort trifft man vielfach Exemplar. auch die Sumpfzypresse (Taxödium distichum®) an, die in den Sümpfen des südlichen Nordamerika aus- gedehnte Wälder bildet. Mit Hilfe von Atemwurzeln, die an Gestalt und Größe einem Zuckerhute gleichen, entnimmt sie wie die Mangrovebäume der Luft den notwendigen Sauerstoff. 1) cedrus, Zeder; libani, des Libanons. 2) iuniperus, Wacholder; communis, gemein. 3) thyta von thrjo, ich opfere (das wohlriechende Holz wurde zu Räucheropfern verwendet). 4) occidentalis, abendländisch. 5) orientalis, morgenländisch. 6) cupressus, Zypresse; sempervirens: semper, immer und wvirens, grünend. 7) sequoia, kalifornischer Name des Baumes; giganteus, gigantisch, riesig. 8) tarodium: taxos, Taxus und -eides, ähnlich; distichus zweizeilig (Blattstellung!). Eibengewächse. 349 2. Familie. Eibengewächse (Taxäceae'). Diese Familie ist bei uns allein durch die Eibe (Taxus baccata!) vertreten, die früher in den Wäl- dern unsrer Heimat sehr häufig war, jetzt aber meist nur noch in Gärten und Parkanlagen anzutreffen ist. Sie ist ein immergrüner Strauch oder ein niedriger Baum, der im Gegensatz zu allen an- dern Nadelhölzern vollkommen harzlos ist. Dafür enthalten aber die zwei- zeilig gestellten, breiten Nadeln ein scharfes Gift, das sie gegen die Angriffe zahlreicher Pflanzenfresser schützt. Die Samenblüten, die sich von den Staub- blüten getrennt auf andern Pflanzen finden — die Eibe ist also wie der Wacholder zweihäusig —, enthalten nur eine einzige Samenanlage, eine Tatsache, durch die sich die Familie wesentlich von den Kiefergewächsen unterscheidet. Während sich die Sa- Zweig der Eibe mit 2 reifen Samen (nat. Gr.). menanlage zum Samen ausbildet, ent- Daneben ein junger Zweig mit einer Samenblüte: wickelt sich von ihrem Grunde aus S. die Samenknospe; H. ihre Hülle; M. Anlage eine Hülle, ein sog. Samenmantel, der zur Zeit der Reife fleischig, saftig und von leuchtend scharlachroter Färbung ist. Er dient wie das Fruchtfleisch der Wacholderbeeren als Anlockungs- mittel für fruchtfressende Vögel, die die Samen verbreiten. Vornehmlich leisten Drosseln der Pflanze diesen Dienst. Dieandern Abteilungen der nacktsa- migen Pflan- zen sind in unsrer Heimat nicht vertreten; es sollen daher hier auch nur die interessantesten Glieder erwähnt werden. Die Palm- farne (Cycas? u. a.), die vorwie- gend in den Tro- pen heimisch sind, werden bei 1) tawus, Taxus; baccatus, mit Bee- ren.2)eycas,unerkl.; des Samenmantels (etwa 20mal vergr.). DR TUN revolutus, zurück- Palmfarn (Cycas revolüta?) aus Ostindien. Daneben ein gebogen (Blätter!). Fruchtblatt mit vier reifen Früchten (!/, nat. Gr.). 350 Eibengewächse. Welwitschie. uns vielfach in Gewächshäusern gezogen. Ihre prächtigen Fiederblätter sind die bekannten „Palmenwedel“ oder „Palmenzweige“, die wir als ein Zeichen der Trauer gern auf den Sarg der Verstorbenen legen. — In Parkanlagen ist häufig der merk- würdige Ginkgo (Ginkgo biloba!) anzutreffen, der aus Japan zu uns gekommen ist und dort in einem besondern Ansehen steht. Wie die Mehrzahl unsrer Laubbäume wirft er im Herbste seine langgestielten, lederartigen Blätter ab, die infolge ihrer Keil- form und der strahlig verlaufenden Nerven überaus sonderbare Gebilde darstellen. — Eine noch seltsamere Pflanzengestalt ist die Welwitschie a (Welwitschia miräbilis?), die in den Wüsten Südwestafrikas ihre Heimat hat. Ihr nur wenig aus dem Boden hervor- ragender Stamm trägt auf dem Rande seiner abgeplatteten Oberfläche die sehr einfach gebauten Blüten und erzeugt während des ganzen Lebens nur zwei Laubblätter, die aber mehrere Meter lang werden und sich schließlich in riemen- artige Streifen auf- lösen. Geologisches Vorkommen der nacktsamigen Pflanzen. Dienacktsamigen Pflanzen traten in der Geschichte der Erde etwa zu derZeit auf, in der sich die Steinkohle bildete 1) ginkgo, japanisch. Name des Baumes; li- lobus,zweilappig (Blatt- form!). 2) Welwitschia, nach dem Entdecker der Pil., dem Botaniker Welwitsch (} 1872); mirabilis, wunderbar. 3) Nach Voltz, dem Verfasser mehrerer Abdrücke von Teilen nacktsamiger Pflanzen; 1. eines Nadel- & a . . . 3 2 a f} € . = holzes (Voltzia®) aus dem Buntsandstein, 2. eines Palmfarn-Blattes sammenges. aus pterön, (Pterophyllum!) aus dem Keuper. Feder u.phyjllon, Blatt. Farne. 351 und erreichten bereits im Mittelalter (Trias und Jura) die größte Ausdehnung, die sie jemals besessen haben. In jenen weit hinter uns liegenden Zeiten spielten aber die Gruppen, die gegenwärtig fast dem Erlöschen nahe sind und durch die oben er- wähnten Palmfarne und Ginkgobäume vertreten werden, etwa dieselbe Rolle wie gegenwärtig die Nadel- DER ARE. er bäume. a a — zz. _—— Bine besondere Bedeu- eu = tung erhalten die Nackt- samer dadurch, daß sie das Hauptmaterial zur Bildung derBraunkohle geliefert haben, und zwar ig waren hieran besonders | ker Zypressenarten beteiligt. me nn | him Mala IOLE Mus; Zwei dieser Kohlenbild- ee ee oe I, ner, die oben erwähnte ee ee A = Sumpfzypresse und der en, PERS — Mammutbaum, sind sogar F. ee bis auf den heutigen Tag = fe a ‘erhalten geblieben. Das SER > Harz vorweltlicher Fich- er ee ten, der sog. Bernstein- & Eee zo rs bäume, ist der Bernstein, = ae pe der an der Küste der Ost- Verkieselte Baumstämme in einer Braunkohlengrube bei see gefunden wird. Senftenberg i. d. Lausitz. 2. Abteilung. Blütenlose- oder Sporenpflanzen (Kryptögamae!'). Pflanzen, die keine Blüten besitzen und deren Vermehrung (vorwiegend) durch Sporen erfolgt. ı. Gruppe. Farnartige Pflanzen oder Gefäß-Sporenpflanzen (Pteridöphyta?). Pflanzen, die in Stengel, Blätter und Wurzeln gegliedert sind und Gefäßbündel enthalten. 1. Klasse. Farne (Filicinae?). Stengel einfach oder verzweigt, mit abwechselnd stehenden, meist mehrfach gefiederten Blättern. Sporenkapseln zumeist zu Häufchen vereinigt auf der Unterseite der Blätter oder in besondern Blattabschnitten eingeschlossen. Der Wurmfarn (Aspidium filix mas‘). Taf. 36. A. Vorkommen. Der Wurmfarn ist in schattigen Wäldern überall häufig anzutreffen. Auch an den Ufern der Bäche, die dicht mit Busch- werk bestanden sind, an schattigen Abhängen und ähnlichen Orten siedelt er sich gern an. Wird der Wald oder das Gebüsch, das ihn beschattet, niedergeschlagen, so daß er nunmehr den Sonnenstrahlen direkt ausgesetzt ist, dann macht schon mit Beginn des Sommers das tiefe Grün der Blätter einem krankhaften Gelb Platz, und oft ist bereits nach wenigen Jahren 1) krypto, ich bedecke und gdmos, Ehe, also mit „unsichtbaren“ Fortpflanzungsorganen, ohne Blüten. 2) pteris, Farn und phytön, Pflanze. 3) von filix, Farn. 4) aspidion, Schildehen (Form des Schleiers!); filöx, Farn und mas, männlich. 352 Farne. N von den zahlreichen Farnstöcken, die vorher den Ort bewohnten, kaum noch einer zu finden. B. Der Stamm (Wurzelstock), der meist aus der Erde etwas hervor- ragt und einen Büschel prächtiger Blätter trägt, ist im Boden schräg eingesenkt. Seine Oberfläche ist dicht mit den nicht abfallenden Stiel- resten abgestorbener Blätter, sowie mit vielen schwarzbraunen Schuppen bedeckt. Hierzu kommen noch zahlreiche faserige Wurzeln, die ihn wie mit einem Filze umgeben. Wie deutlich zu erkennen ist, stirbt der Stamm am Hinterende allmählich ab, während er am Vorderende all- jährlich ein Stück weiter wächst, eine Tatsache, auf die schon die An- wesenheit der zahlreichen Blattstielreste hinweist. — Der von den Blatt- stielresten befreite Stamm liefert ein wichtiges Mittel gegen den Band- würm, wovon die Pflanze ihren Namen erhalten hat. 6. Blätter. 1. Die schöngeformten Blätter sind auffallend groß und dünn. Infolgedessen können sie trotz des gedämpften Lichtes, das am Standorte des Wurmfarns zumeist herrscht, sehr wohl eine genügende Anzahl der schwachen Lichtstrahlen auffangen und von diesen durch- leuchtet werden. Hierbei kommt der Pflanze ferner vortrefflich - zu statten, daß die Blätter zusammen meist einen regelmäßigen Trichter bilden, wodurch sie alle des belebenden Lichtes teilhaftig werden. Blätter dieser Art verdunsten selbstverständlich auch wesentlich mehr Wasser als die kleinen, derben und womöglich noch stark behaarten oder in andrer Weise geschützten Blätter der Trockenlandpflanzen. An seinen Standorten findet der Wurmfarn jedoch stets reichlichen Ersatz für die an die Luft abgegebene Wassermenge. Dem Winter vermögen die zarten Blätter aber in der Regel nicht zu widerstehen; oft fallen sie schon dem ersten Froste zum Opfer. 2. Wenn der Wurmfarn auch im Schutze der Bäume und Sträucher wächst, sind Blätter von dieser Größe und Zartheit doch in hohem Grade der Gefahr ausgesetzt, vom Winde zerrissen zu werden. Da aber die Blattflächen aus zahlreichen Abschnitten bestehen, die dem an- prallenden Winde leicht ausweichen, und zwischen denen zahlreiche Lücken und Durchlässe vorhanden sind, trotzt die Pflanze selbst einem heftigen Sturme. Im einzelnen zeigen die Blätter große Verschiedenheit. Alle jedoch sind gefiedert; jedes Fiederblättchen ist abermals bis zur Mittel- rippe oder bis nahe zu dieser in zahlreiche Abschnitte gespalten, und diese „Fiederchen“ sind wieder mehr oder weniger tief eingeschnitten. Im untern Teile ist die Blattfläche stark verschmälert. Infolge des kurzen Stieles würden die Fiederblättchen sich sonst dort decken, also ein- ander gegenseitig das Licht streitig machen (vgl. dag. z.B. den Adlerfarn!). Taf. 36. 1. Ganze Pflanze. 2. Fiederblättehen mit Fruchthäufchen (Schleier ver- schrumpft). 3. Fiederchen mit Fruchthäufchen, die noch von Schleiern bedeckt sind. 4. Junges Farnblatt. 5. Schnitt durch Blatt und Fruchthäufchen. 6. Sporenkapsel, geöffnet, von der Seite. 7. Sporenkapsel, geschlossen, von hinten gesehen. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 36. RSS I 7” INIET IE, 5 Wurmfarn (Aspidium filix mas). Farne. 353 Von der Mittelrippe des Blattes strahlen zahlreiche Nerven aus, die sog. Gefäß- bündel darstellen (s. S.483). Sie finden sich wie bei den Blüten- oder Samenpflanzen (Phanerogamen) bei allen farnartigen Gewächsen, nicht aber auch bei den Moosen, Algen und Pilzen. Durch dieses Merkmal lassen sich die blütenlosen- oder Sporen- pflanzen (Kryptogamen) in zwei natürliche Gruppen zerlegen, die treffend als Gefäß- und als Zellkryptogamen bezeichnet werden. 3. An dem jungen Blatte ist äußerlich von der Teilung der Blatt- fläche nichts zu sehen. Es ist gleich den einzelnen Fiederblättern schneckenförmig eingerollt und dicht mit braunen, schuppen- förmigen Haargebilden bedeckt, So bietet der überaus zarte Pflan- zenteil der austrocknenden Luft nur eine kleine Oberfläche dar, und die schuppenartigen „Spreublättchen“ wirken wie eine Decke, die wir über einen naßzuhaltenden Gegenstand breiten. Sind die jungen Blätter ge- nötigt, den Erdboden oder die Laubdecke des Waldes zu durchbrechen, so tritt infolge der spiraligen Einrollung auch nur der Stengel oder seine Fortsetzung, die feste, dicht mit Schuppen bedeckte Mittelrippe, in Tätig- keit, während die sehr leicht zu verletzenden Blattflächen bei dieser Arbeit ganz unbeteiligt bleiben. In dem Maße, in dem das Blatt er- starkt, rollt es sich auf, und die braunen Schuppen, die nunmehr ohne Bedeutung sind, gehen nach und nach verloren. D. Fruchthäufehen. Wenn sich die Blätter älterer Pflanzen auf- rollen, findet man an den meisten von ihnen auf der Unterseite hell- grüne, nierenförmige Häutchen, die als Schleier bezeichnet werden. Sie treten je nach der Breite der Fiederblättchen und der Fiederchen in ver- schiedener Anzahl auf, nehmen später eine bleigraue und schließlich eine rotbraune Färbung an. Schon mit bloßem Auge erkennen wir, daß jeder Schleier (Name!) ein Häufchen brauner Gebilde von der Größe eines Sandkornes bedeckt. Betrachten wir einen feinen Schnitt durch das Blatt bei schwacher mikroskopischer Vergrößerung, so sehen wir weiter, daß diese Gebilde Kapseln darstellen, die mit je einem Stielchen einem feinen Blattnerven aufsitzen. Bei stärkerer Vergrößerung erkennen wir, daß die Wand eines solchen Gebildes aus einer Schicht platter Zellen besteht, über die sich wie die „Raupe“ am Feuerwehrhelme ein aus dunklern Zellen gebildeter „Ring“ erhebt. Diese Zellen haben sehr starke Innen- und Querwände, aber sehr zarte Außenwände. Läßt man auf sie Glyzerin einwirken, so schwindet das in ihrem Innern befindliche Wasser. Da es aber fest an den Zellwänden haftet (Adhäsion), und da die einzelnen Wasserteilchen ziemlich innig miteinander verbunden sind (Kohäsion), wird die zarte Außenwand nach innen gezogen. Infolgedessen nähern sich die verdickten Querwände, so daß der Ring an seinem Außenrande verkürzt wird und sich gerade zu strecken sucht. Hat die Spannung einen bestimmten Grad erreicht, so reißt die Kapsel an der Seite auf, an der der Ring nicht schließt, und eine Menge kleiner, brauner Körperchen treten ins Freie. Dieser Vorgang spielt sich von selbst an den Kapseln ab, wenn im Spät- sommer die Zellen stark austrocknen. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 23 354 Farne. Da nun die freiwerdenden Körperchen als Sporen bezeichnet wer- den, nennt man die Kapseln Sporenkapseln oder Sporangien'), und da die Sporen der Vermehrung des Farnkrautes dienen (s. w. u.), heißt die von einem Schleier bedeckte Gruppe von Kapseln (ungenau!) ein Frucht- häufchen. Die Sporen sind also wie die Samen der Blütenpflanzen Vermehrungs- körper und daher für das Farnkraut sehr wichtige Gebilde, eine Tat- sache, die uns eine Anzahl Erscheinungen verständlich macht: 1. Die Sporen bilden ein staubfeines Pulver. Daher können sie leicht durch den Wind verweht und über einen großen Bezirk ausgestreut werden. Legt man ein Famblatt z. Z. der Sporenreife auf Papier, so kann man bequem be- obachten, welche große Menge von Sporen schon ein einziges Blatt erzeugt. 2. Die Aussaat der Sporen kann aber nur ein „trockner* Wind besorgen, der zugleich das Öffnen der Sporen- kapseln bewirkt. Das Aufspringen der Kap- seln steht also mit der Art der Sporenver- breitung im innigsten Einklange. 3. Die Sporen haben Wurmfarn. 1. u.2. keimende Spore in zwei aufeinander eine rauhe Oberflä- folgenden Entwicklungszuständen. S. Spore; K. Keim- che. Infolgedessen wer- in er en ee a vergr.). den sie wie die rauhen liche Organe oder Antheridien. Ar, flaschenförmige Gebilde, „armen derBlütenpflan- weibliche Organe oder Archegonien. W. Wurzelhaare. Zen leicht an den Erd- boden gefesselt. 4. Den untern Fiederblättchen, die dem Winde weniger stark ausgesetzt sind als die obern, fehlen die Fruchthäufchen zumeist. 5. Die Sporenkapseln sind außerordentlich zarte Gebilde Da sie auf der Unterseite der Blätter stehen, können sie vom Regen nicht ver- dorben werden. Ein weiterer Schutz wird ihnen durch die Schleier zuteil, die aber, kurz bevor sich die Kapseln öffnen, völlig verschrumpfen und den Wind somit ungehindert zu den Sporen treten lassen. E. Vorkeim. 1. Säen wir eine Anzahl Sporen auf durchfeuchtete Walderde, die in einen Blumentopf gebracht worden ist, und bedecken 1) spöros, Spore, eigentl. Samen, und angeion, Gefäß. Farne. 355 wir diesen mit einer Glasglocke, so zeigt sich auf der Oberfläche der Erde meist schon nach einigen Tagen ein grüner Anflug: Die Sporen sind gekeimt, d. h. ihr Inhalt ist in Form eines kurzen Schlauches hervor- getreten. Dieser Keimschlauch wächst zunächst zu einem fadenförmigen und schließlich zu einem blattartigen Körper aus, der lebhaft grün ist, herzförmige Gestalt und etwa Pfenniggröße hat. Das so entstehende Ge- bilde, der Vorkeim (Prothallium'), ist durch zahlreiche Haare, die am zugespitzten Ende entspringen, am Boden befestigt. (Am bequemsten erhält man Farn-Vorkeime in Gewächshäusern, in denen Farne gezogen werden. Sie finden sich dort häufig auf Blumentöpfen, an feuchten Wänden und ähnlichen Stellen.) 2. Neben den „Wurzelhaaren“ entstehen auf der Unterseite des Vorkeimes noch andre Organe, die schon mit der Lupe zu erkennen sind, deren feinern Bau uns jedoch erst das Mikroskop enthüllt. Zu diesem Zwecke legen wir einen Vorkeim (oder besser: sehr dünne Schnitte durch einen solchen) in etwas Wasser auf eine kleine Glasplatte (Objekt- _. er träger). In der Nähe des zugespitzten Endes am a p Belle Tnisen Gebe : ; = | männliches Organ oder Anthe- erblicken wir dann kuppelförmige Ge- ridium, stark vergr. 1. Geschlos- bilde, die im reifen Zustande zahlreiche sen; 2. geöffnet; die Schwärmer kugelige Zellen enthalten. Benutzen wir zu kommen aus der Öffnung hervor unsrer Untersuchung einen Vorkeim, der 4 nehmen karkzzeherariiz> längere Zeit nicht befeuchtet wurde, so 2; sehen wir sehr bald, wie sich eines dieser Gebilde am Schei- tel öffnet, und wie die kuge- ligen Zellen aus ihm hervortre- ten. Nach wenigen Sekunden verwandeln sich diese Kugeln in korkzieherförmigeKörper, die mit Hilfe schwingender Wim- pern schnell durch das Wasser dahinschw; ddaR Ein flaschenförmiges Gebilde, weibliches ansc Une un ; aher Organ oder Archegonium, stark vergr. 1. ge- als Schwärmer oder Sperma- schlossen, 2. geöffnet; E. Eizelle. tozoen” bezeichnet werden. 3. Unterhalb des herzförmigen Einschnittes finden sich am Vorkeime andre Organe, die flaschenförmige Gebilde darstellen. Bei der Reife fließt aus der Mündung ihres krummen Halses ein farbloser Schleim her- vor. Kommt ein Schwärmer einer noch geschlossenen „Flasche“ zu nahe, so schwimmt er „gleichgültig“ weiter. Ist die „Flasche“ aber geöffnet, so eilt er der Öffnung schon von einer gewissen Entfernung aus zu, 1) pro, vor und thallös, Schößling. 2) sperma, Same und zöon, Tier, weil man die entsprechen- den Gebilde des Tierkörpers wegen der Fähigkeit, sich fortzubewegen, für winzige Tiere hielt. 356 Farne. gerät in den Schleim, bohrt sich langsam bis zum Grunde der „Flasche“ hinab und verschmilzt dort mit einer Zelle (E.), die schon äußerlich von den benachbarten Zellen abweicht. 4. Derselbe Vorgang spielt sich selbstverständlich auch im Freien ab, wenn Tau- oder Regentropfen der Unterseite des Vorkeimes anhaften. der mit dem Schwärmer vereinigten Zelle geht nun im Laufe der Zeit ein junges Farnkraut hervor, das anfänglich mit dem Vorkeime noch in Ver- bindung steht, nach dessen Absterben aber eine selbständios Pflanze darstellt. Dieser Vorgang erinnert lebhaft an die Befruchtung und Vermehrung der Samen- pflanzen: Der Schwärmer ist einem Blüten- “ staubkorne, die im Grunde des flaschenförmi- gen Organes liegende Zelle der Samenanlage, V. Vorkeim des Wiemtarnee das kup p elförmige ‚Gebtide dem Staubblatte EN on ine Fam, und das flaschenförmige dem Fruchtblatte pflanze hervorgeht. (Stempel) vergleichbar. Da nun aus der Zelle, die der Samenanlage entspricht, eine junge Pflanze hervorgeht wie der Vogel aus dem Ei, so bezeichnet man sie als Eizelle, und da die Ablage der Eier durch die weiblichen Tiere erfolgt, so haben wir in dem flaschenförmigen Gebilde das weibliche Organ oder das Archegonium!) des Farnes vor uns. Das die Schwärmer liefernde kuppelförmige Gebilde stellt dementsprechend das männliche Organ oder Antheridium’) dar. Während bei den Samenpflanzen beiderlei Organe (Staubblätter und Fruchtblätter) in Blüten eingeschlossen sind, fehlen den Sporenpflanzen die Blüten. Man bezeichnet sie daher zum Unterschiede von den „Blütenpflanzen“ als „blütenlose Pflanzen“. 5. Der Entwicklungsgang des Farnkrautes von der keimenden Spore bis zur Vereinigung von Eizelle und Schwärmer (Befruchtung) zeigt nun eine Anzahl von Einzelheiten, die einer nähern Betrachtung bedürfen: a) Die Tatsache, daß aus der keimenden Spore keine junge Farn- pflanze, sondern ein schlauchförmiger Körper hervorgeht, beweist, daß wir in den Sporen nicht Samen vor uns haben, wie solche von den Blüten- pflanzen erzeugt werden. Während nämlich jeder Same einen Keimling, d. i. die Anlage zu einer neuen Pflanze, enthält und daher aus zahl- reichen Zellen besteht, ist die Spore ein einzelliges Gebilde, das demnach auch nicht einen mehrzelligen Keimling enthalten kann (Samen- und Sporenpflanzen). Auch der Umstand, daß die Sporen nicht in Blüten entstehen, also nicht aus Samenanlagen hervorgehen, zeigt, daß sie keine Samen, sondern mehr winzigen Ablegern vergleichbar sind. b) Als einzelliger Körper enthält die Spore auch nur sehr wenig Baustoff für den austreibenden Keimschlauch. Dieses Gebilde ist daher 1) arche, Anfang und gone, Nachkommenschaft. 2) anthera, Staubbeutel und -idium, Ver- kleinerungssilbe. 1‘ w Farne. 357 von Anfang an darauf angewiesen, sich die zum Leben und Wachstum nötigen Stoffe selbst zu erwerben. Ein gleiches gilt natürlich auch für den Vorkeim, zu dem sich der Keimschlauch entwickelt. Beide senden daher Wurzelhaare in den Boden, um ihm Nährstoffe zu entnehmen, und sind reich an Blattgrün, durch das die aufgenommenen Rohstoffe in Nahrungs- und Baustoffe übergeführt werden. c) Hierzu ist aber Sonnenlicht erforderlich. Die Keimung der Sporen und die Bildung des Vorkeimes findet daher niemals im Dunkeln statt (wie zumeist die Keimung der Samen). — Von dieser für alle Farne gelten- den Regel gibt es jedoch Ausnahmen. Man kennt nämlich einige Arten, deren Vorkeime unterirdisch leben und des Blattgrüns entbehren. d) Keimschlauch und Vorkeim sind außerdem überaus zarte Gebilde, die sehr leicht durch Vertrocknen zugrunde gehen. Sie entwickeln sich dementsprechend auch nur an feuchten Orten. (Darum müssen wir den Blumentopf mit den ausgesäten Sporen in das Licht stellen und ihn, um die Luft beständig feucht zu erhalten, mit einer Glasglocke über- decken!) Diese Tatsache erklärt uns auch das häufige Vorkommen der Farne an feuchten Orten, besonders in feuchten Wäldern, sowie ihr gänzliches Fehlen in Wüsten und Steppen. e) Die Verbreitung der Farne wird auch noch durch die Art und Weise bedingt, in der die Befruchtung erfolgt: Da männliche und weib- liche Organe voneinander getrennt sind, muß eine Verbindung zwischen ihnen stattfinden. Insekten oder Wind, die bei den Samenpflanzen zu- meist eine solche zwischen Staubblatt und Stempel schaffen, kommen hier nicht in Betracht. Dagegen ist das Wasser, das als Tau oder Regen den Vorkeim netzt, wohl imstande, eine solche „Brücke“ zu bilden. Da dieses Wasser aber still steht, müssen die „männlichen Zellen“ die Eizelle aufsuchen, also freibewegliche Körper oder Schwärmer sein. f) Infolge des Schleimes, den das flaschenförmige Gebilde, das Archegonium, abscheidet, wird es dem Schwärmer, der sich nur in Flüssigkeiten bewegen kann, möglich, bis zur Eizelle vorzudringen. 6. Überblicken wir den Entwicklungsgang des Wurmfarnes (der mit dem aller andern Farne übereinstimmt) noch einmal, so finden wir, kurz gesagt, folgendes: Aus den Sporen, die auf „ungeschlechtlichem Wege“ wie eine Art Ableger am Farnblatte entstehen, geht ein Vorkeim hervor, der auf „geschlechtlichem Wege“ (durch Vereinigung von Eizelle und Schwärmer) wieder eine sporentragende Farnpflanze erzeugt. Die Ent- stehung eines Vorkeimes aus einem andern, oder einer sporentragenden Farnpflanze aus einer andern findet nie statt. Das Farnkraut tritt also in zwei streng voneinander geschiedenen Formen oder Generationen auf: einer ungeschlechtlichen Form, der sporentragenden Farnpflanze, und einer geschlechtlichen, dem Vorkeime. Beide Formen wechseln regelmäßig miteinander ab, ein Vorgang, der darum als Generationswechsel bezeichnet wird. 358 Farne. Andre Farne. 1. Neben dem Wurmfarne zählt der Tüpfelfarn oder das Engelsüß (Polypödium vulgäre!) zu unsern bekanntesten Farnkräutern. Die zierliche, sehr veränderliche Pflanze wächst am Fuße alter, mit Moos bewachsener Baumstämme, sowie an Felsen und ähnlichen Orten. Da sie weit kleinere und derbere Blätter besitzt als z.B. der Wurmfarn, so gibt sie auch viel weniger Wasser durch Verdunstung ab als dieser. Der Tüpfelfarn kann daher selbst noch an sehr trocknen Orten gedeihen (z. B. in Kiefern- wäldern), und seine nur einfach gefiederten Blätter vermögen sogar den Winter zu überdauern. Die runden Fruchthäufchen sind nicht Wi . . . r IQ / von einem Schleier bedeckt („Tüpfel- Ah (2 \ | . cc AN N AU Q N x ( G farn“). Der im Boden - oderunterdemMoose f kriechende Wurzelstock ist von süßem Geschmack. Er galt früher als Heil- mittel, das der Sage nach die Engel der leidenden Menschheit auf die Erde T üpfelfarn. Ein Blatt auf gebracht haben sollen („Engelsüß“). — Eine ausgeprägte der Unterseite mit Frucht- Wald- und Schattenpflanze dagegen ist der Streifenfarn häufchen. Die schnecken- (Asplönium filix femina®). Er ist dem Wurmfarn sehr ähn- förmig zusammengerollten jich (daher auch „falscher Wurmfarn“ genannt), hat aber Blätter sind nächstjährige. Y cf Fiederchen vom Blatte 1. des Streifen- und 2. des Adlerfarnes. zartere und kleinere Blätter, sowie streifenförmige Frucht- häufehen, worauf auch sein Name hindeutet. — Ein andres Glied der Gattung „Streifenfarn“, die zierliche Mauerraute (A. ruta muräria®), gibt sich wieder als Trockenlandpflanze leicht zu erkennen. Sie hat kleine, meist zwei- bis dreifach fiederschnittige Blätter von fast leder- artiger Beschaffenheit und nimmt mit der geringen Feuchtigkeit fürlieb, die ihr Mauerritzen und Fels- 1) polypodium : pol), viel und pödion, Füßchen (weil Wurzelstöcke mit vielen Blattresten!); vulgaris, ge- mein. 2) asplenium: a-, ohne oder verringernd und splen, Milz (Heilmittel!); filöx, Farn; femina, Frau, weiblich. 3) ruta, Raute; murarius von murus, Mauer, spalten bieten. — Gegen das niedliche Pflänzchen erscheint der Adlerfarn (Pteridium aquilmum!) wie ein Riese. Er überzieht den Boden lichter Wälder, so- wie Berglehnen und ähnliche Orte oft auf große Strecken hin mit seinen Blättern, die nicht selten eine Länge von mehreren Metern erreichen. Der weit im Boden dahinkriechende, verzweigte Wurzelstock trägt an jedem Zweige alljährlich nur ein dreiteiliges Blatt, das seiner Größe ent- sprechend wie das des Wurmfarnes viel- fach gespalten ist. Führt man durch den untern, schwarzen Teil des Blattstieles einen schrägen Querschnitt, so gibt sich die Anordnung der Gefäßbündel in einer Form zu erkennen, die — wie der Name besagt — mit einem Doppeladler einige Ähnlichkeit hat. Die Sporenkapseln stehen iederseits in einer Linie, die dem Rande der Fiederblättchen parallel läuft. Sie sind außer von einem zarten (innern) Schleier noch von dem umgeschlagenen Blattrande bedeckt. 2. Da, wie wir gesehen haben. das Vorhandensein derFarne an die Anwesen- heit von Feuchtigkeit gebunden ist, so erscheint es uns erklärlich, daß die feuch- ten Urwälder der Tropen weit reicher an den schönen Pflanzengestalten sind als unsre heimischen Waldungen. Wie hier der Adlerfarn bedecken sie dort denBoden oft wie mit einem grünen Teppiche, oder sie siedeln sich mit Orchideen und an- dern Gewächsen als Überpflanzen auf Stämmen und Zweigen an. Bei zahl- reichen Formen erhebt sich der Stamm, der bei den heimi- schen Arten unter- irdisch bleibt, wie eine Säule hoch über den Boden. Da diese Baumfarne eine Krone großer, feinzerteilter Blätter tragen, ähneln sie den Palmen, mit de- nen sie zu den stol- zesten Pflanzenge- schlechtern zählen. BER, ah RW; AN AA Re 18 Baumfarne (Alsöphila?) im tropischen Australien. Schwimm- blatt (nat. Gr.). 1) pteridium: pteris, Farn und -idium, Ver- kleinerung; aquwilinus, adlerartig. 2) alsos, Daneben je Hain u. phile, Freundin. ein Behälter mit wenigen Großsporen-, bezw. mit zahlreichen Kleinsporen- kapseln (schwach vergr.). 360 Schachtelhalme. 3. Von den bisher betrachteten Landfarnen ist die Gruppe der Wasserfarne scharf unterschieden. Sie wird von wenigen kleinen Gewächsen gebildet, die das Wasser oder den Sumpf bewohnen und zweierlei Sporen erzeugen. Während die aus den „Kleinsporen“ hervorgehenden Vorkeime nur männliche Organe (Antheridien) tragen, entstehen aus den „Großsporen“ Vorkeime mit weiblichen Organen (Archegonien). Die verbreitetste Form dieser eigentümlichen Pflänzchen ist das Schwimmblatt (Salvinia natans!; s. Abb. S. 359), das sich in stehenden und langsam fließenden Gewässern findet. Gleich dem Wasserhahnenfuße, mit dem es fast unter genau denselben Verhältnissen lebt, bildet es ungeteilte und oberseits unbenetzbare Schwimmblätter, sowie untergetauchte Wasserblätter, die in fadenförmige, behaarte Zipfel gespalten sind und die Stelle der fehlenden Wurzeln vertreten. Am Grunde der Wasserblätter stehen unter den voll- kommen geschlossenen Schleiern kugelförmige Behälter, die entweder wenige Groß- sporen- oder zahlreiche Kleinsporenkapseln enthalten. 2. Klasse. Schachtelhalme (Equisetinae°). Stengel einfach oder quirlig verzweigt, mit quirlig gestellten, schuppenartigen Blättern, die zu Scheiden verwachsen sind. Sporenkapseln auf der Unterseite schildförmiger Blätter, die am Ende des Stengels ährenartig gehäuft sind. Der Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense°’). Taf. 37. A. Frühjahrstriebe. Auf Äckern, Grasplätzen und an ähnlichen Orten brechen im März und April zarte, blaß-rotbraune Pflanzenstengel, die mit je einem ährenartigen Gebilde abschließen, aus dem Boden her- vor. Es sind die Frühjahrstriebe des Ackerschachtelhalmes. 1. Der Stengel ist unverzweigt, längsgefurcht und aus mehreren Gliedern zusammengesetzt, die nach oben länger und dünner werden. Auf Querschnitten zeigt er einen großen, mittlern Hohlraum, der sehr regelmäßig von kleinen Kanälen umgeben ist (vgl. mit Roggen!). 2. Die Blätter entspringen an den massiven Stengelknoten. Sie sind auffallend klein, quirlförmig angeordnet und bis auf die schwarzen Spitzen miteinander zu je einer Scheide verwachsen, die den Stengel rings umgibt. Diese winzigen und zudem nur teilweise schwach grünen Gebilde scheinen für die Pflanze gänzlich bedeutungslos zu sein. Bei näherm Zusehen aber wird man bald eines andern belehrt: a) Wie leicht festzustellen ist, durchbrechen die wachsenden Stengel den Boden mit ihrer Spitzee Dabei müßte aber die endständige, zarte „Ähre“ unbedingt beschädigt oder gar zerstört werden, wenn sie nicht wie die gleichfalls noch sehr zarten Stengelglieder bei diesem Vorgange von den widerstandsfähigen Blättern vollständig umhüllt wäre. b) An den untern Enden bleiben die Stengelglieder lange Zeit wachs- 1) Salvinia von Micheli, dem Begründer der Kryptogamenkunde, nach Salvinius, einem Pro- fessor in Florenz, benannt; natans, schwimmend. 2) equisetum, Schachtelhalm (eigentlich Pferde- schwanz); arvensis, auf dem Acker wachsend. Taf. 37. 1. Pflanze mit mehreren verschieden entwickelten „Frühjahrstrieben“ und mit Knollen am unterirdischen Stamme. 2. Pflanze mit kleinem „Sommertriebe“. 3. Reife Sporenähre,. 4. Sporenblatt: a. mit noch geschlossenen und b. mit geöffneten Sporen- kapseln, 5. Sporen: a. mit ausgestreckten und b. mit eingerollten Bändern. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 37 ER A 1% er ; - ee e 4% 2. E 3 1077) Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense). Eu Schachtelhalme. " 361 tumsfähig und daher zart und weich. An diesen leicht verletzbaren und austrocknenden Stellen sind nun die Stengel von den Blättern wie von schützenden Scheiden umgeben. Wir treffen hier also fast dieselben Verhältnisse an wie beim Roggen, mit dem der Schachtelhalm auch das schnelle Wachstum der Stengel gemein hat. Übt man auf einen wachsenden Stengel einen starken Zug aus, so wird er an den zarten Stellen selbstverständlich auch zuerst zerreißen. Daher kann man die einzelnen Stengelglieder leicht aus ihren Scheiden herausziehen. Beide erscheinen wie ineinander geschachtelt, ein Umstand, dem die Pflanze den bezeichnenden Namen „Schachtelhalm“ verdankt. (Untersuche darauf- hin besonders die Sommertriebe und beobachte, wie sich die obern Stengel- glieder anders verhalten als die untern, schon erstarkten!) 3. Die Sporenähre. Über dem obersten Blattquirle, der die Form eines gelappten Ringes besitzt, erhebt sich eine kegelförmige Ähre, aus der bei der Reife ein blaugrüner Staub hervorkommt. In ihm haben wir die Sporen der Pflanze vor uns. Wir sind daher wohl berechtigt, die Ähre als „Sporenähre“ und die Frühjahrstriebe als sporentragende oder „fruchtbare“ Triebe zu bezeichnen. a) Die Sporenähre besteht aus der Fortsetzung des Stengels, der Achse, und zahlreichen Sporenblättern, die wie die Stengelblätter in Quirlen angeordnet sind. Jedes Blatt hat die Form eines gestielten Schildchens, d. h. es besteht aus einem Stiele, der rechtwinklig von der Achse absteht, und einer Platte, die dem Stiele in ihrer Mitte aufsitzt. Wie man an der Anlage der Ähre erkennen kann, stellen diese Blätter ursprünglich Höcker der Achse dar, die sich an dem freien Ende nach und nach scheibenförmig verbreiten. Sobald diese weiterwachsenden Scheiben nun zusammenstoßen, müssen sie sich gegenseitig abplatten: Sie nehmen die Form meist sehr regelmäßiger Sechsecke an, wie wir sie an den ausgebildeten Sporenblättern erkennen. b) An der Innenseite tragen die Platten meist je sechs häutige Säck- chen, in denen sich die Sporen bilden. Wir haben in ihnen also die Sporenkapseln oder Sporangien vor uns. c) Wie uns ein Blick durch das Mikroskop zeigt, besitzt jede Spore zwei sich kreuzende Bänder, die in ihrer Mitte mit der Sporenhaut ver- wachsen sind und sich am Ende spatelförmig erweitern. Klopfen wir die reife Sporenähre über einem Blatte Papier oder dgl. aus, und hauchen wir die erhaltene Sporenmasse in kurzen Zwischenpausen leicht an, so nehmen wir eine eigentümliche Bewegung in ihr wahr: Nach dem An- hauchen bekommt sie das Aussehen feinster Watte, um kurze Zeit darauf wieder vollständig in Staub zu zerfallen. Hauchen wir die Sporen an, während wir sie unter dem Mikroskop betrachten, so sehen wir, daß die (hygroskopischen) Bänder es sind, die diese Bewegung verursachen: Sie nehmen etwas von dem Wasserdampf unsres Atems auf, und rollen sich infolgedessen schnell eng um die Sporen. Ist die geringe Wasser- menge wieder verdunstet, so strecken sie sich auch wieder aus. Schachtelhalme. 362 Welche Bedeutung hat diese eigentümliche Einrichtung? Die staub- förmigen Sporen werden, wie z. B. die des Wurmfarnes, durch den Wind verbreitet. Zur Zeit der Sporenreife schrumpfen die Sporenblätter stark zusammen, so daß der Wind zwischen ihnen hindurch streichen kann. Zugleich öffnen sich die Sporenkapseln nach innen. Infolge des Wasserverlustes der Sporenblätter trocknen aber auch die Bänder der Sporen aus und strecken sich gerade. Die Sporen nehmen daher jetzt weit mehr Platz ein als vordem und drängen sich gewissermaßen gegenseitig aus der Öffnung der Sporenkapsel heraus: nunmehr können sie also vom Winde erfaßt und verweht werden. (Beobachte an abgeschnittenen Stengeln im Zimmer, wie die Sporen aus den Öffnungen der Kapseln gleichsam hervorquellen!) Eine erfolgreiche Verbreitung der Sporen ist aber nur bei trockner Luft möglich. Dann aber strecken sich ihre Bänder aus. Sie bieten dem Winde jetzt also eine größere Angriffsfläche dar, so daß er sie leicht fortzutragen vermag. Haben die Sporen einen günstigen Platz gefunden, so beginnen sie wie die des Wurmfarnes zu keimen und je einen Vorkeim zu entwickeln. Dieses Gebilde hat beim Schachtelhalme etwa die Form eines kleinen Lebermooses, trägt aber entweder nur männliche (Antheridien), oder nur weibliche Or- gane (Archegonien). Eine Befruchtung der Eizelle durch einen Schwärmer kann also nur dann eintreten, wenn sich mehrere männliche und weibliche Vorkeime nebeneinander entwickeln. Dies ist nun dadurch leicht möglich, daß immer einige Sporen, durch ihre Bänder ineinander gehakt, zusammen durch den Wind verweht werden und an derselben Stelle kei- men. — Im übrigen erfolgt die Be- fruchtung, sowie die Bildung der jungen Vorkeime vom Ackerschachtelhalme (etwa 60mal vergr.). 1. weiblicher Vor- keim; am Grunde mit (w.O.) drei weib- lichen Organen (Archegonien). Das mitt- lere ist befruchtet und beginnt, sich zu einer neuen Pflanze zu entwickeln. 2. männlicher Vorkeim; an der Spitze mit (m.O.) drei männlichen Organen (An- theridien); das linke hat sich geöffnet, so daß die Schwärmer entweichen. 3. ein Schwärmer (stark vergr.). Pflanze aus der befruchteten Eizelle in derselben Weise wie bei den Farnen. 4. Lebensdauer und Erschei- nungszeit. Die Frühjahrstriebe sind, wie wir gesehen haben, blasse Gebilde, die nur ganz geringe Mengen von Blatt- grün besitzen. Sie vermögen infolge- dessen gleich allen andern Pflanzen und Pflanzenteilen, denen das Blatt- Schachtelhalme. 363 grün fehlt, auch nicht, die zur Ernährung und zum Wachstum nötigen Stoffe selbst zu bereiten. Daher sterben sie ab, sobald sie ihre Aufgabe erfüllt, d.h. die Sporen ausgestreut haben. Die Verbreitung der Sporen durch den Wind läßt uns auch das Er- scheinen der fruchtbaren Triebe im zeitigen Frühjahre als nicht unwichtig erkennen. Jetzt sind nämlich die Äcker noch kahl oder die angebauten Pflanzen (Getreide, Klee, Raps u. dgl.), sowie das Gras auf Wiese, Anger und Rain noch niedrig. Später im Jahre dagegen würden die Sporenähren, die ja nur auf verhältnismäßig kurzen Stengeln stehen, zum größten Teile von den Nachbar- pflanzen überragt, dem Einflusse des Windes also ent- zogen werden. B. Unterirdischer Stamm. Andrerseits ist es den fruchtbaren Trieben auch möglich, so zeitig im Jahre zu erscheinen; denn sie besitzen in dem unterirdischen Stamme (Wurzelstocke) eine Vorratskammer, in der sie die zum j Aufbau notwendigen Stoffe fertig vorfinden. Als be- v sondere Behälter für die aufgespeicherte Nahrung finden Il sich an dem Stamme vielfach noch kleine Knollen, die „ss wie die Kartoffelknollen kurze, stark angeschwollene "FFANY Stengelstücke darstellen. Der Stamm ist im wesentlichen wie der oberirdische Stengel gebaut. Er ist federkieldick, schwarzbraun, vielfach verzweigt, kriecht weit im Boden umher und treibt aus den Knoten zahlreiche fase- rige Wurzeln. Die miteinander verwachsenen Blätter sind aber noch kleiner als die an dem Stengel des fruchtbaren Triebes. Sie haben ja auch keine Sporen- ähre, sondern nur die fortwachsenden Spitzen des verzweigten Stammes gegen Verletzung zu schützen. Haben sie diese Aufgabe erfüllt, so sterben sie ab. S Da der Stamm meist so tief im Boden liegt, 7? ar Ku Ah R daß ihn der Pflug nicht erreicht, da er ferner Thx nach allen Richtungen Zweige aussendet, durch 78 11 8% ( die sich die Pflanze schnell über einen großen Pi“ 27; 14 Bezirk ausbreitet, und da er endlich zahlreiche , oberirdische Triebe bildet, die den Feldpflanzen / Nahrung, Raum und Licht wegnehmen: ist der Ackerschachtelhalm eines der lästigsten Unkräuter. C. Sommertriebe. 1. Nachdem der Schachtelhalm ! die fruchtbaren Triebe gebildet hat, sind die im unter- i irdischen Stamme aufgespeicherten Vorräte fast erschöpft. || Der „Speicher“ muß daher von neuem gefüllt werden. #M% Dies geschieht dadurch, daß die Pflanze Triebe hervor- / bringt, die reich an Blattgrün sind, also unter Mit- ? Wald- schachtel- halm 364 Schachtelhalme. Bärlappgewächse. wirkung des Sonnenlichtes neue Vorratsstoffe zu bilden vermögen. Diese tannenbaumähnlichen, lebhaft grünen Triebe kommen erst im Mai oder Juni zum Vorscheine und dauern den ganzen Sommer über aus. Man nennt sie daher Sommertriebe. 2. Im wesentlichen sind die Sommertriebe mit den „Frühjahrs- trieben“ übereinstimmend gebaut. Sie besitzen aber niemals eine Sporenähre („unfruchtbare Triebe“) und tragen an den Stengelknoten Quirle von Ästen. Diese Gebilde durchbrechen den Grund der ver- wachsenen Blätter, sind deutlich gegliedert, tief gefurcht, meist vierkantig und oft nochmals verzweigt. Die Blätter haben wie die des " unterirdischen Stammes nur das wachsende Stengelende und die ganz jungen Zweige zu überdecken. Die von ihnen gebildeten Scheiden sind dem- entsprechend auch viel kleiner als die an den fruchtbaren Trieben. 3. Glüht man einen Stengel oder Zweig auf einem Platinbleche, so bleibt ein zar- tes „Skelett“ von Kiesel- säure zurück, die der Ober- haut in großen Mengen ein- gelagert ist. Infolgedessen erscheinen die Sommertriebe hart und fest, so daß sie wie die kieselhaltigen Stengel und Blätter zahlreicher Grä- ser und Riedgräser vortreff- lich gegen Tierfraß geschützt sind. Des Kieselgehaltes we- = = gen wird die Pflanze hier und Kolbe n-Bärlapp. Daneben 2 Sporenblätter: a.mit da auch zum Scheuern kup- geschlossener, b. ie Sporenkapsel (etwa ferner und zinnerner Gefäße er benutzt („Scheuerkraut‘). Verwandte. Gleich dem Ackerschachtelhalme bildet der Wald-Sch. (E. silvati- cum '; Abb. s. S. 363), der wie die meisten Waldpflanzen von zartem Bau ist, frucht- bare und unfruchtbare Triebe; erstere ergrünen aber nach der Sporenaussaat und treiben grüne Seitenzweige. — Bei andern Arten dagegen steht die Sporenähre an der Spitze der grünen Stengel. Dies ist z. B. beim Sumpf-Sch. (E. palüstre°), der auf sumpfigen und torfigen Wiesen ein lästiges Unkraut bildet, und beim Schlamm-Sch. (E. limösum?) der Fall, der an denselben Orten, sowie in Sümpfen, Gräben und Teichen seine oft mehr als meterhohen, wenig- oder unverzweigten Stengel treibt. 3. Klasse. Bärlappgewächse (Lycopödinae'‘). üin besonders in Nadelwäldern häufiger Vertreter dieser Gruppe blütenloser Pflanzen ist der Kolben-Bärlapp oder das Schlangenmoos (Lycopödium clavatum®), ein immergrünes, 1) silvaticus, im Walde wachsend. 2) palustris, im Sumpfe wachsend. 3) limosus, im Schlamme wachsend. 4) Iycopodium : Iıykos, Wolf u. pödion, Füßchen (die dieht beblätterten jungen Zweige haben Ähnlichkeit mit einem Tierfuße); elavatus, keulenförmig (Sporenähre!). Be Geologisches Vorkommen der farnartigen Pflanzen. 365 moosartiges Pflänzchen, das mit seinem gabelig sich verzweigenden Stengel weit über dem Boden dahinkriecht (Schlangenmoos!). Die Sporenblätter, die wie bei den Schachtel- halmen zu kolbenartigen Ähren gehäuft sind, tragen an ihrem Grunde je eine große, nierenförmige Sporenkapsel, die sich bei der Reife durch einen Querspalt öffnet. Da sich die Sporenähren auf langen Stielen über den Boden erheben, vermag der Wind die Sporen leicht auszuschütteln und zu verwehen. Die winzigen Körper, die die Sporen- kapseln in gelben Wolken verlassen, sind das sog. Hexenmehl, das besonders zum Trocknen wunder Körperstellen dient. Geologisches Vorkommen der farnartigen Pflanzen. Taf. 38. Die farnartigen Pflanzen reichen bis in die ältesten Perioden der Erdentwicklung zurück, in denen pflanzliches und tierisches Leben nachzuweisen ist. Noch lange nach- dem die Nadelhölzer und ihre nächsten Verwandten aufgetreten waren (s. S. 331), bildeten sie die herrschenden Glieder der damaligen Pflanzenwelt. Diese Stellung ging ihnen jedoch nach und nach ver- loren. Je mehr sich nämlich die höher organisierten Blüten- pflanzen entwickel- ten und ausbreiteten, um so mehr ver- schwanden sie von der Oberfläche der Erde, und gegen- wärtig sind nur noch wenige ZWerg- hafte Reste die- sereinstsoarten- reichen Gruppe anzutreffen. Eine besondere DH, DW ” Bedeutung erhalten T, #7 WÜRD, DEHERIDNG, DER) DE N] 0 diese untergegan- genen Pflanzenge- schlechter dadurch, daß wir ihnen in erster Linie die Ent- stehung der Stein- kohle zu verdanken haben. Wie in den Tropen herrschte in jener weit hinter uns liegenden Zeit auch in unsrer Heimat ein feuchtheißes Klima, und mächtige Wäl- der bedeckten den sumpfigen Boden. Auf dem Grunde der Moore, die riesige NL nt Ausdehnungen er- ; arn- reichten, speicherten blattes. 2. Stengelstück eines Kalamiten. 3. Stammober- sich im Laufe langer fläche eines Schuppen- und 4. eines Siegelbaumes. 366 Laubmoose. Zeiträume ungeheure Pflanzenmassen auf: abgefallene Blätter, Zweige, die der Sturm abgerissen, Stämme, die das Alter niedergeworfen oder Bäche und Flüsse herbei- getragen hatten, bildeten hier eine gewaltige Schicht von Faulschlamm, wie er noch heute in unsern Waldsümpfen zu finden ist. Wurden diese faulenden Massen später durch Sand oder Ton bedeckt, so entgingen sie, da sie der Einwirkung der Luft entzogen waren, einer vollständigen Zersetzung: Ähnlich wie aus dem Holze im Kohlen- meiler Holzkohle entsteht, verwandelte sich der weiche Schlamm unter dem Drucke darüber lagernder Gebirgsschichten nach und nach in feste Steinkohle. An der Bildung dieser Wälder waren alle drei Klassen der farnartigen Pflanzen beteiligt: Die eigentlichen Farne traten als Bäume, Sträucher und Stauden auf; andre kletterten als Lianen an den größern Pflanzen zum Lichte empor, während wieder andre das Wasser bewohnten. Die Schachtelhalme jener Zeit, die Kalamiten (Cala- mitestu.a) waren baumartige Gewächse mit quirlförmig angeordneten Zweigen, und die Bärlappgewächse, die Höhen von 30 und mehr Metern erreichten, müssen unsern Nadelbäumen ziemlich ähnlich gewesen sein. Unter diesen gewaltigen Bärlappen hatten die Schuppenbäume (Lepidodendron ?) und die Siegelbäume (Sigilläaria?) wieder die weiteste Verbreitung. Ihre Stämme wurden von siegelartigen Blattnarben bedeckt, die bei erstern in Schraubenlinien, bei letztern aber in Längsreihen angeordnet waren. 2. Gruppe. Moose (Bryöphyta‘). Pflanzen, die in Stengel und Blätter gegliedert sind oder laubartige Gebilde darstellen, denen echte Wurzeln fehlen und die niemals Gefäßbündel enthalten. 1. Klasse. Laubmoose (Musci’). Pflanzen, die stets deutlich in Stengel und Blätter gegliedert sind. Die Blätter sind in der Regel in einer Schraubenlinie angeordnet, und die Sporenkapsel ist meist mit einer Haube bedeckt. Das goldene Frauenhaar oder der Widerton (Polytrichum commüne?). A. Vorkommen und Namen. Das zierliche Moos überzieht be- sonders in feuchten Wäldern, sowie auf Moorboden und an andern -wasserreichen Stellen oft weite Flächen. Während es hier hohe, schwel- lende Polster bildet, tritt es uns an trocknen Stellen nur in Form niedriger Rasen entgegen. Einen prächtigen Schmuck erhalten diese grünen Moosteppiche, wenn sich über ihnen auf schwankenden Stielen die Sporenkapseln erheben. Dann werden uns auch die Namen verständ- lich, die das zierliche Pflänzchen trägt. Nach den goldgelben, filzigen Hauben, von denen die Kapseln bis zur Reife überdeckt werden, nennt man es goldenes Frauenhaar, Haarmoos oder Filzmütze. Früher schrieb man dem harmlosen Gewächs geheime Kräfte zu: Es galt als sicheres Mittel „wider das Antun“ durch böse Geister und Hexen, so daß es heutzutage noch hier und da als Widerton bezeichnet wird. 1) kalamos, Halm, Rohr. 2) lepis, Schuppe und dendron, Baum. 3) von sigillum, Siegel. 4) bryon, Moos und phytön, Pflanze. 5) muscus, Moos. 6) polytrichum: poly, viel und thrix, gen. trichös, Haar; communis, gemein. Taf. 38. 1. Zahlreiche Siegelbäume. An dem Stamme in der Mitte des Bildes ein kletternder Farn. 2. Kalamiten. 3. Ein Wasserfarn. 4. Stauden-Farn. 5. Baumfarn, 6. Zwei sehr alte Schuppenbäume, Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Wald zur Steinkohlenzeit. » Moose, 367 B. Moospflanze. 1. Der feste, elastische Stengel erreicht auf feuchtem Untergrunde eine Höhe von 30 em. Er stirbt vom untern Ende aus allmählich ab, während er oben beständig weiter wächst. Daher ist er meist auch nur am obern Teile mit grünen, lebenstätigen Blättern besetzt, während sein unterer Abschnitt kahl ist oder braune, d. s. abgestorbene Blätter trägt. 2. Das untere Stengelende ist mit einem braunen Filze be- deckt, der, wie das Mikroskop zeigt, aus vielen verzweigten Zell- reihen zusammengesetzt ist. Diese Gebilde befestigen das Pflänz- chen im Boden und nehmen Wasser mit den darin gelösten Nährstoffen auf. Sie vertreten also die Stelle der Wurzeln, wie sie die höhern Pflanzen besitzen. Darum werden sie treffend auch als W urzelhaare bezeichnet. (Wie dem Frauenhaar fehlen auch allen andern Moosen echte Wurzeln.) In dem Grade, in dem der Stengel von unten her abstirbt, entstehen an ihm immer weiter nach oben neue Wurzelhaare. 3. Die Blätter sind in einer Schrauben- linie am Stengel angeordnet. Sie haben die Form eines langgestreckten, gleichschenk- ligen Dreiecks, sind scharf zugespitzt und — wie mit der Lupe zu erkennen ist — am Rande fein gesägt. Am Grunde ver- breitern sie sich zu einem häutigen Ab- schnitte, mit dem sie dem Stengel eng an- liegen. (Am besten ist dies zu sehen, wenn man einen Stengel zerreißt, mit dem obern Ende nach unten kehrt und nunmehr die Blätter mit Hilfe einer Pinzette abhebt.) a) Legen wir ein Blatt unter das Mikro- skop, so erkennen wir leicht, daß es nur aus Zellen zusammengesetzt ist. Es ent- behrt also der Gefäße, wie wir sie bei den höhern Pflanzen antreffen. In gleich einfacher Weise sind auch alle übrigen Teile Goldenes Frauenhaar (nat. des Frauenhaares gebaut, desgleichen alle Gr.). 1. Pflanze mit „Moosblüte” ; andern Moose, sowie die Algen und Pilze. ; Pflanze mit endständiger und Daher werden — wie bereits S. 353 er- en! abe / 5 : 2 3. Pflanze mit Sporenkapsel. wähnt ist — diese 3 großen Gruppen der blütenlosen Gewächse den Farnen oder Gefäßkryptogamen als Zellkrypto- gamen gegenüber gestellt. An einem Querschnitte des Blattes erkennen wir allerdings, daß eine Art Mittelrippe vorhanden ist. Sie besteht jedoch im Gegensatz zu dem 368 Moose, entsprechenden Gebilde höherer Pflanzen gleichfalls nur aus Zellen. Da die Wände dieser Zellen z. T. aber stark verdickt sind, verleiht sie dem Blatte jedoch Halt und Stütze. b) An diesem Querschnitte sehen wir ferner, daß sich auf der Blatt- oberfläche Längsleisten erheben, die aus je einer Zellschicht aufgebaut sind. (Im (uerschnitte erscheinen die Leisten daher als Zellreihen.) Durch diese Gebilde wird die Oberfläche des Blattes wesentlich vergrößert, so daß die Pflanze also auch mehr Sonnenstrahlen auffangen und größere Wassermengen verdunsten kann, als wenn die Blätter nur je eine ein- fache Zellschicht darstellten. Beides ist aber für das Moos von größtem Vorteile; denn die verdunstenden Wassermassen machen andern Platz, die vom Boden aufsteigen und Nährstoffe enthalten, und unter dem Einflusse des Sonnenlichtes allein werden in den grünen Blättern diese Stoffe so umgewandelt, daß sie der Pflanze zum Aufbau dienen können. c) Nimmt man ein Pflänz- chen aus dem Boden, so fal- ten sich die Blätter oft schon nach kurzer Zeit der Länge nach zusammen, wodurch ihr Querschnitt eine etwa U-förmige Gestalt er- hält. Jetzt verdunstet die Pflanze daher auch viel weniger Wasser als vordem, und zwar ist dieser Verlust um so geringer, als sich die Blätter gleichzeitig nach oben dicht an den Stengel legen. (Zusammen- sefaltete und aufeinandergelegte Wäsche bleibt viel länger feucht, als wenn man jedes einzelne Wäschestück flach ausbreitet.) Diese Schutz- stellung nehmen die Blätter, wie leicht zu beobachten ist, bei trockner Witterung auch im Freien ein. Eine zu starke Wasserdampfabgabe hat für das Frauenhaar wie für jedes andre Gewächs selbstverständlich den Tod im Gefolge. Gegen Wasserverlust ist das zarte Moos jedoch so wider- standsfähig, daß es sogar während „des trocknen“ Winters (s.S.465) seine Blätter behalten kann. Es ist also eine immergrüne Pflanze. d) Bietet man einem scheinbar gänzlich vertrockneten Moose wieder Wasser dar, so breiten sich seine Blätter auch alsbald wieder aus und biegen sich vom Stengel zurück. Stellt man die Pflanze zu diesem Zwecke mit dem untern, blattlosen Teile in das Wasser, so geht beides viel langsamer vonstatten, als wenn man den mit grünen Blättern besetzten obern Teil in das Wasser legt oder sonstwie befeuchtet. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, daß die Aufnahme des Wassers besonders durch die Blätter erfolgt. Wie groß die Wassermenge ist, die aufgesogen wer- den kann, läßt sich am besten erkennen, wenn man einen stark aus- getrockneten Moosrasen anfeuchtet, dessen Gewicht man vor und nach Querschnitt vom Blatte des golde- nen Frauenhaa- res. 1. ausgebreitet; 2. zusammengelegt , (etwa 100mal vergr.). ” Laubmoose. der Wasseraufnahme genau feststellt. (Am besten benutzt man zu diesem Versuche Polster des Weiß- oder des Torfmooses.) Freilich nehmen die Pflan- zen nicht alles Wasser auf; das meiste wird vielmehr (infolge von Kapillari- tät) zwischen den Blättern und Stämm- chen festgehalten wie in den Poren eines Badeschwammes. C. Befruchtung. 1. Männliche Organe. Unter den Pflänzchen des goldenen Frauenhaares finden sich im Mai und Juni stets mehrere, deren Stengel am Gipfel etwas verdickt und deren Blätter dort stark verbreitert und vielfach rötlich gefärbt sind. Diese körbehenartigen Bildungen wer- den im Volksmunde als Moosblüten bezeichnet. Nicht selten wächst der Stengel über ihnen mit ge- wöhnlichen Blättern weiter, um im nächsten Jahre an seiner Spitze eine neue „Blüte“ zu bilden. Durchschneidet man ein Körbehen senkrecht, so 'sieht man schon mit Hilfe der Lupe zwischen kleinen, langgestreckten oder spatelförmigen Blättern zahlreiche wasserhelle Schläuche, in denen wir bei Benutzung des Mikroskops leicht die männ- „Moosblüte‘. 1. Senkrecht durch- schnitten mit 3 männlichen Organen m.O. (etwa 20mal nat. Gr.). 2. Eines dieser Organe stärker (etwa 100 mal) vergr. Aus der geöffneten Spitze treten soeben die Schwärmer hervor, die z. T. (rechts) schon frei geworden sind. lichen Organe oder Antheridien erkennen. (Bei völliger Reife ge- nügt schon ein leichter seitlicher Druck, um sie aus dem Körb- chen hervorzupressen.) Bringt man einen reifen Schlauch in das Wasser, so öffnet er sich alsbald an der Spitze. Es tritt eine teigige Masse hervor, die aus zahlreichen Zellen mit je einem Schwärmer (Spermato- zoon!) besteht. Bald werden 1) s. S. 355, Anm. 2. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 30mal vergr.). 1. Zwei dieser flaschenförmigen Gebilde (w ©.) stehen an der Spitze des längs- durchschnittenen Stengels (St.) und sind von zahlreichen längsdurchschnittenen Blättern (B.) umgeben. Das vordere dieser Organe ist im Längsschnitte gezeichnet, um die Eizelle (E.) und den mit Schleim gefüllten langen „Hals der Flasche“ zu zeigen. 2. Dieselben Teile, einige Wochen später: Die Eizelle eines der beiden weiblichen Organe wächst zur gestielten Sporen- kapsel (Sp.) heran. Der jetzt stabförmige Kör- per, der noch nicht in Stiel und Kapsel ge- gliedert ist, hat sich in den Stengel der Pflanze gebohrt und ist von dem mitwachsenden weib- lichen Organe, der „Wand der Flasche“ (F.), eingeschlossen. Das zweite weibliche Organ ist abgestorben. 24 370 Laubmoose. diese Gebilde frei und schwimmen mit 2 langen Haaren am zugespitzten Vorderende durch das Wasser dahin. 2. Weibliche Organe. Bei andern Pflänzchen sind zu derselben Zeit die obersten Blätter knospenartig zusammengeneigt. In den Achseln dieser Blätter finden sich die weiblichen Organe oder Archegonien. Es sind wie beim Wurmfarne flaschenförmige Gebilde, die je eine Eizelle einschließen. Sie öffnen sich wie bei jener Pflanze an der Spitze und entlassen einen Schleim, durch den die Schwärmer eindringen, um mit der Eizelle zu verschmelzen. Den Weg zu dieser Zelle finden die Schwärmer durch das Wasser, das ja bei jedem Regen den Moosrasen durchtränkt. — Das Frauenhaar ist also wie z. B. die Salweide eine zweihäusige Pflanze. Eine Befruchtung kann daher nur stattfinden, wenn männliche und weib- liche Pflanzen dicht beieinander stehen, Sr — anders ausgedrückt = wenn sie einen Rasen oder ein Polster bilden. D. Sporenkapsel. Von den befruchteten Eizellen entwickelt sich auf jedem Stengel stets nur eine weiter. Aus ihr geht ein lang- gestreckter Körper hervor, der sich nach und nach zu der gestielten Sporenkapsel (Sporangium) ausbildet. 1. Der untere Teil des Körpers wird zu dem fast fingerlangen Stiele, der unten prächtig rot und oben goldgelb gefärbt ist. Der obere Ab- schnitt dagegen schwillt stark an und liefert die Sporen- oder Moos- kapsel. Indem sich der Stiel mit seinem untern Ende in das Moos- stämmchen einbohrt, bleibt das ganze Gebilde mit der Mutterpflanze im engsten Zusammenhange. Anfänglich ist die junge „Moosfrucht“ von der mitwachsenden „Flasche“ umgeben. Schließlich zerreißt die Hülle aber: Ihr unterer Teil bleibt als die kleine Scheide zurück, die den Stiel unten um- gibt und inniger mit der Mutterpflanze verbindet; ihr oberer Abschnitt dagegen wird von der Kapsel als goldgelber Filz, als sog. Haube mit emporgehoben. 2. Wie ein Längs- und ein Quer- | schnitt zeigen, ist die vierkantige Sporenkapseln des goldenen Frauen- Sporenkapsel von einem Mittelsäul- haares (etwa 8 mal vergr.). 1. Kapselmit hen durchzogen und mit zahlreichen Haube. 2. Kapsel ohne Haube; D. Deckel- = S = & chen. 3. Deckelchen abgefallen; der sBTunen Sporen angefüllt. Ihr oberer Wind schüttelt die Sporen heraus. Teil hebt sich bei der Reife in Form eines Deckelchens ab. An dem Rande der Kapsel erblickt man dann (Lupe!) eine große Anzahl feiner Zähn- chen, deren Spitzen durch ein {rommelfellartiges Häutchen miteinander verbunden sind. 3. Entstehung und Bau der Sporenkapsel machen uns nun zahlreiche Verhältnisse der interessanten Pflanze verständlich: a) Wie die Eizelle, ist auch der aus ihr hervorgehende Körper an- T,aubmoose. 371 fänglich überaus zart. Für ihn ist es daher von größtem Vorteile, daß er — ähnlich wie die Samenanlage der höhern Pflanzen durch den Fruchtknoten — von der mitwachsenden „Flasche“ so lange um- hüllt wird, bis er den Witterungseinflüssen zu widerstehen vermag. b) Die Sporenkapsel ist zwar ein grünes Gebilde Da sie aber von der Filzhaube überdeckt ist, so daß das Sonnenlicht nur geschwächt bis zu ihr vorzudringen vermag, ist die „Moosfrucht“ auch nicht imstande, alle zum Wachstum und Leben erforderlichen Stoffe zu bereiten. Sie bleibt daher — wie wir gesehen haben — mit der Mutterpflanze im Zusammenhange. Diese Verbindung ist jedoch eine ganz andre als z. B. die zwischen der Apfelfrucht und dem Apfelbaume. Zieht man nämlich den Stiel vor- sichtig aus der Mutterpflanze soweit heraus, daß sein Ende aber noch in der Scheide verbleibt, und steckt man ihn darauf wieder fest in: das Moosstämmchen, so — wächst die „Moosfrucht“ weiter! Man betrachtet daher die Kapsel mit ihrem Stiele als eine besondere Pflanze, die aus dem Moospflänzchen hervorgegangen ist, sich von diesem aber nicht trennt und von ihm ernährt wird. c) Während der Stiel schon ziemlich frühzeitig erstarkt, bleibt die Kapsel noch lange Zeit sehr zart. Ihr ist daher die Haube ein wichtiges Schutzmittel, das sich treffend mit einem Strohdache vergleichen läßt. Wie nämlich ein solches Dach die Hausbewohner vor zu großer Sommerhitze und vor Regen bewahrt, so beschützt auch die Filzhülle die wachsende Kapsel vor zu starker Erwärmung und damit verbundener übermäßiger Wasser- dampfabgabe, sowie vor schädlicher Nässe (Tau, Regen). Sind die Sporen gereift, so daß sie ausgestreut werden müssen, dann fällt die nunmehr überflüssig gewordene Haube ab. d) Dasselbe gilt für das Verschlußstück der sich jetzt wagerecht stellenden Kapsel, für das Deckelchen. Es Obere Fläche der wird, indem die Kapselwände eintrocknen, abgehoben. e) Da die Kapsel oben aber nicht einfach offen ist, werden die Sporen nacheinander ausgesät, so daß sich die daraus hervorgehenden Vorkeime (s. w. u.) gegenseitig nicht Raum, Licht und Nahrung streitig machen. Indem sich nämlich die Zähnchen am Kapselrande etwas emporrichten, heben sie auch das Häutchen mit in die Höhe: Es entstehen zahlreiche kleine Löcher, durch die stets nur wenige Sporen ins Freie gelangen können. Die Kapsel hat jetzt also große Ähnlichkeit mit einem Mohn- kopfe oder einer Streusandbüchse. f) Obgleich sich die reife Kapsel wagerecht gestellt Sporen nicht von selbst heraus. Sporenkapsel, die Zähnchen des Kapselrandes und das trommelfell- artige Häutchen (H.) zeigend (et- wa 20 mal vergr.). Darunter noch stärker vergr. einige Zähnchen und ein Stück des Häutchens (H.). hat, fallen die Sie muß erst erschüttert werden. Da 372 * Laubmoose. sie sich nun auf einem langen, sehr elastischen Stiele erhebt, ist hierzu schon ein sanfter Wind imstande. E. Vorkeim. 1. Die Entwicklung der Sporen läßt sich wie bei den Farnen durch Aussaat leicht verfolgen. Schon nach wenigen Tagen ist aus jeder Spore ein Keimschlauch hervorgegangen, der sich bald zu einer Art Vorkeim (Protonema!) entwickelt. Dieses Gebilde stellt einen langen, mehrfach verästelten Faden dar, hat also große Ähnlichkeit mit einer verzweigten Fadenalge (s. das... Da er wie der Vor- keim der Farne selbst die zum Leben und Wachstum nö- tigen Stoffe bereitet, findet auch an ihm eine Arbeits- teilung statt: Mehrere farblose oder braune Zweige dringen als Wurzelhaare in den Boden und übernehmen die Auf- gaben der fehlenden Wurzeln; die andern Zweige sind grün und vorarbeilen im Sonnenlichte die aufgenommenen Roh- stoffe. (Vorkeime der Moose findet man in Gesellschaft fadenförmiger Algen als grünen Anflug häufig auf feuchtem Bo- den, z. B. auf Blumentöpfen.) 2. Am obern Teile des Vorkeimes, der nunmehr bald zugrunde geht, bil- (etwa 200 mal vergr.). S. Spore, aus den sich kleine Knospen, die zu je der der Vorkeim hervorgegangen ist. einem Moospflänzchen auswachsen. K. Knospen. Keimen an einem Orte viele Moossporen, so erscheinen demnach auch zahlreiche dicht beieinander stehende Moos- pflänzchen: Es entsteht ein Rasen oder Polster. — Hiermit sind wir zum Ausgangspunkte unsrer Betrachtung zurückgekehrt. 3. Nunmehr sind wir auch imstande, die Entwicklung der Moose, die im wesentlichen genau wie beim Frauenhaare erfolgt, zu überblicken und mit der der Farne zu vergleichen. Dabei werden wir leicht folgen- des finden: Aus der Spore bildet sich der algenartige Vorkeim, an dem die Moospflänzchen hervorknospen. Da diese die männlichen und weib- lichen Organe tragen, so bilden sie mit ihrem Vorkeime die geschlecht- liche Form oder Generation. Aus der Vereinigung von Eizelle und Schwärmer geht die gestielte Sporenkapsel hervor, die auf „ungeschlechtlichem Wege“ Sporen erzeugt. Sie stellt somit die ungeschlechtliche Form oder Generation dar. Da nun beide Formen regelmäßig abwechseln, haben wir hier wie bei den Farnen einen deutlich ausgeprägten Generationswechsel vor uns. Wohl zu beachten ist hierbei aber, daß die Sporenkapsel der Moose ihrer Entstehung nach der Farnpflanze entspricht, während andrerseits der Vorkeim und die Moospflanze dem Vorkeime der Farne gleich gesetzt werden muß. Vorkeim (Protonema) eines Mooses 1) prötos, erster und nema, Gespinst. ER Laubmoose. 373 Die Bedeutung und die verbreitetsten Arten der Laubmoose., A. Die Bedeutung. Die Laubmoose treten uns in der Natur in größtem Formen- reichtume entgegen. Sie sind alle im wesentlichen wie das goldene Frauenhaar gebaut und zeigen infolgedessen auch dieselben Lebenstätigkeiten. Daher eröffnet uns das Verständnis der einen Pflanze zugleich einen Blick auf die Bedeutung aller. 1. Wie das Frauenhaar vermögen die meisten Moose so stark auszutrocknen, daß sie unter unsern Tritten zerbrechen, und daß wir sie zu Staub zermalmen können. Wochenlang verharren sie in diesem Zustande: Sobald sie aber von einem Regen be- netzt werden, erwachen die schlummernden Lebenstätigkeiten von neuem. Daher können sich viele von ihnen auch an Felsen und Baumstämmen, auf Ästen, Mauern und Dächern, kurz an Orten ansiedeln, an denen sie oft lange Zeit hindurch größter Trocknis ausgesetzt sind. (Warum finden sich Moose [und Flechten] besonders an der „Wetterseite“ der Baumstämme?) Diese Örtlichkeiten sind ferner so arm an Nährstoffen, daß größere Pflanzen hier „verhungern“ müßten. Den winzigen Moosen aber genügt die geringe Erdmenge in den Felsenritzen, sowie der herbeigewehte Staub in den Fugen der Dachziegel oder in den Rissen der Baumrinde wollkommen. Die größte Menge von Nährstoffen entnehmen die Pflänzchen allerdings dem Regenwasser, das sich auf seinem Laufe über die Felsen, an den Baumstämmen herab oder dgl. damit beladet. Durch die Fähigkeit, an wasser- und nährstoffarmen Örtlichkeiten zu gedeihen, erlangen die Moose eine außerordentliche Wichtigkeit im Haushalte der Natur. Indem sie nämlich zwischen den Pflänzchen ihrer Polster den herbeigewehten Staub aufsam- ıneln, sowie von unten her beständig absterben und in „Mooserde“ zerfallen, vermehren sie fortgesetzt die geringe Erdmasse, in der sie wurzeln. Sie sind daher (mit den Flechten) die ersten Ansiedler auf Felsen und bereichern selbst den ödesten Boden nach und nach an fruchtbaren Bestandteilen. Nach ihnen können sich an diesen Orten Pflanzen ansiedeln, die größere Ansprüche an den Boden stellen, so daß sich im Laufe der Zeit kahle Felsen mit einer grünen Pflanzendecke überziehen. 2. Im wasserdurchtränkten Moore dagegen ist ein gänzlicher Zerfall der abgestor- benen Teile nicht möglich. Gleich der Rasen- und Erdschicht, die der Köhler über den Meiler deckt, verhindert nämlich das Wasser eine genügende Durchlüftung des Bodens, so daß nur eine unvollkommene Zersetzung der Pflanzenteile eintritt. Wie im Meiler häufen sich daher im Boden große Mengen von Kohlenstoff an: es entsteht Torf. Geht dieser Vorgang Jahrhunderte oder Jahrtausende hindurch vor sich, so bilden sich schließlich mächtige Torflager, wie wir sie z. B. in der norddeutschen Tiefebene und an mehreren Flüssen Bayerns finden. Der Torf dient dem Menschen nun nicht allein als Brennmaterial, sondern aus ihm gewinnt man auch ein allerdings meist nur dürftiges Ackerland. Zu diesem Zwecke brennt der Moorbauer die oberste Schicht der Torflager ab („Höhenrauch‘), oder er vermengt die schwarze Torferde mit lockerndem Sande. Ohne den Torf und die ihn erzeugenden Moose wären jene Gegenden Sümpfe, die vom Menschen nieht bewohnt, z. T. nicht einmal betreten werden könnten. Wenn unter den Torfbildnern auch die Torfmoose (s. w. u.) die erste Stelle einnehmen, so trägt doch neben zahlreichen andern Pflanzen das zierliche Frauenhaar gleichfalls nicht wenig dazu bei, für den Menschen bewohnbares Land zu schaffen. 3. Wie wir sahen, saugen sich die Moospolster beim Regen wie ein Schwamm voll Wasser. Bedenken wir, daß der Boden der Wälder oft auf weite Strecken hin mit einem grünen Moosteppiche bedeckt ist, so können wir ungefähr abschätzen, welch riesige Wassermenge schon von den Moosen eines einzigen Waldes aufgesogen und festgehalten wird. Schlägt man die Wälder nieder, so gehen auch die schattenliebenden Waldmoose meist zugrunde. Geschieht dies nun auf einem Gebirge, so stürzen bei heftigen Gewitterregen oder beim Schmelzen des Schnees die Wassermengen wie reißende Ströme zu Tale und verwüsten nicht selten die fruchtbaren Ebenen, die sich längs der Flüsse ausdehnen, mitsamt den Wohnstätten der Menschen. Im Verein mit den 374 Laubmoose. andern Pflanzen, die den Waldgrund bedecken, schützt das unscheinbare Moos also die Bewohner der Täler und Niederungen vor verheerenden Über- schwemmungen. Von waldlosen Bergrücken fließt das Wasser also in kürzester Zeit ab. Dann versiegen Bäche und Flüsse, so daß Feld und Mensch unter dem Wassermangel stark leiden müssen. Ist das Gebirge aber mit Wald bedeckt, dann gibt das Moos das ein- gesogene Wasser nur sehr langsam wieder ab. Es speist also das ganze Jahr hindurch die Quellen und Flüsse und versorgt die Täler und Niederungen iahraus, jahrein mit Wasser. 4. Wie die Bäume den Moosen, die den Boden des Waldes bekleiden, Schutz ge- währen, so leisten umgekehrt auch die unscheinbaren Pflänzchen ihren Beschützern einen nicht minder wichtigen Dienst: Sie bewahren den Boden vor zu starker Austrocknung, so daß die Baumwurzeln beständig das nötige Wasser finden können, und verhindern (besonders an Abhängen) das Weg- = schwemmen der Erdschicht, in der die Bäume wurzeln. (Beurteile hiernach das Einsammeln der Moose als Streu für das Vieh!) Die gleiche Bedeutung haben die Moose auch für die andern Pflanzen des Waldes, deren Wurzeln, unterirdischen Stämmen, Knollen oder Zwiebeln sie zu- NS oleich als schützende Winterdecke dienen. 6. Wenn wir endlich bedenken, wie viele niedere Tiere (Insekten, Spinnen, Weichtiere usw.) die Moosrasen beleben oder in ihnen den Winterschlaf >=, halten, wie die „Mooshälmchen“ zahl- reichen Vögeln zum Nestbau dienen, wie der Mensch das Moos zum An- fertigen von Kränzen, zum Verpacken von zerbrechlichen Gegenständen, zum Ausfüllen von Kissen und Polstern, zum Verstopfen von Lücken und Ritzen, zur Streu für das Vieh und zu zahlreichen andern Zwecken verwendet: so werden wir die große Bedeutung ermessen kön- nen, die die unscheinbaren Pflänzchen im Naturganzen und für den Men- schen haben! 6. Wenn das Moos allerdings Wiesen und Äcker überzieht, dann ist es nichts weiter als ein Unkraut, das den an- gebauten Pflanzen Licht, Luft. Nahrung 4 % und Raum wegnimmt. Auch von der Rinde der Obstbäume muß es entfernt werden; denn es gewährt den über- winternden Schädlingen einen Unter- schlupf und hält die Stämme und Zweige zu lange feucht, so daß sie leicht faulen. B. Von den verbreitetsten Arten seien die wichtigen Torf- oder Sumpfmoose (Sphagnum?) zunächst genannt, die in Sümpfen, morastigen Wäldern und an ähnlichen feuchten Stellen große, schwammige Polster bilden. Ihr Stengel ist mit peitschenför- migen Ästchen besetzt, die am Gipfel schopfartig gehäuft sind. Wurzelhaare sind nur im jugendlichen Zustande vorhanden, ein Zeichen, daß die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen auf anderm Wege erfolgen muß. Die Hauptmasse der Blätter besteht nämlich aus großen, inhaltsleeren Zellen, die als Wasserspeicher dienen. Aus gleichen Torfmoos mit Dreiseitiges W ald- J Sporenkapsen moos(Hypnum tri- (nat. Gr.). quetrum '; nat. Gr.). 1) hypnon, ein Moos; triquetrus, dreieckig. 2) von sphägnos, ein Moos. Laubmoose. Liebermoose, 375 Zellen ist auch die Außenschicht der Stengel und Zweige zusammengesetzt, so daß sich die Pflanze wie ein Schwamm voll Wasser zu saugen vermag. Da nun die Außenwände dieser Hohlräume durchlöchert sind, so erfolgt die Wasseraufnahme auch mit großer Schnelligkeit. Durch diese farblosen Zellen kann das Blattgrün, das sich in andern Zellen findet, aber nicht recht zur Geltung kommen; daher hat die Pflanze ein eigen- tümlich blaßgrünes Aussehen. — Ähnliche Wasserspeicher und daher auch eine ähn- liche Färbung besitzt das Weißmoos (Leucöbryum glaucum'), das an feuchten Wald- stellen die bekannten bläulichgrünen oder weißlichen, meist kreisrunden Polster bildet. — Der Moosteppich, der den Waldgrund oft meilenweit ununterbrochen über- zieht, ist aus zahlreichen Arten gewoben, unter denen sich die Astmoose (Hypnum?® und andre Gattungen mit sehr vielen, schwer unterscheidbaren Formen) durch zierlich verästelte Stämme auszeichnen. — In Erdlöchern und Höhlen lebt das merkwürdige Leuehtmoos (Schistöstega osmundacea°), dessen Vorkeim (Protonema) sich durch ein smaragdenes Licht zu erkennen gibt. Gewisse Zellen des zarten Gebildes stellen näm- lich glashelle Kugeln dar, die gleich Brenn- Vorkeim des Leuchtmooses. gläsern die einfallenden Lichtstrahlen sammeln und nach der dem Lichte abgewendeten Seite werfen. Dort befindet sich das Blatt- grün, das dadurch dann verhältnismäßig stark beleuchtet wird. Infolge dieser Ein- richtung vermag das Moos noch in dem Halbdunkel der Felsenspalten zu gedeihen, also bei einer Lichtmenge, die für keine andre grüne Pflanze mehr genügen würde. Da nun die gesammelten Strahlen von dem Blattgrün wie von einem Hohlspiegel z. T. zurückgeworfen werden, so erstrahlt das zarte Pflänzchen in einem milden Lichte, das jeden Beschauer entzückt. 2. Klasse. Lebermoose (Hepäticae'). Pflanzen, die laubartige Gebilde darstellen oder in Stengel und zweizeilig angeordnete Blätter gegliedert sind und haubenlose Sporenkapseln besitzen. In das Wesen dieser weit kleinern Abteilung der Moose soll uns das Brunnen- Lebermoos (Marchantia polymörpha?) einführen, das an Brunnenrändern, feuchten 1. (nat. Gr.). 3. Brutbecher, längs durchschnitten, mit Ablegern (etwa 15mal vergr.). 1) leucobryum: leukös, weiß und bryon, Moos; glaucus, hell, bläulich. 2) s. $S. 374, Anm. 1. 3) schistostega: schistös, gespalten und stege, Dach; osmundacea, dem Farn Osminda ähnlich. 4) von hepar, Leber, weil einige Arten früher als Heilmittel gegen Leberkrankheiten galten. 5) Marchantia, nach dem franz. Botaniker Marchant benannt (+ 1678); polymorphos, vielgestaltig. 376 Lebermoose. Jochalgen. Mauern, Gräben, kurz an nassen Orten häufig anzutreffen ist. Früher wurde es für ein Mittel gegen Leberleiden gehalten, ein Umstand, dem es mit der ganzen Klasse den Namen verdankt. Es ist ein blattartiges, mehrfach gelapptes Gebilde, das durch zahl- reiche Wurzelhaare am Erdboden befestigt ist. Im Juni und Juli entwickelt es eigen- tümliche Äste, die etwa das Aussehen kleiner Hutpilze haben. Bei gewissen Pflänzchen gleicht der „Hut“ einem flachen Teller mit gekerbtem Rande, bei andern dagegen etwa dem Gestell eines aufgespannten Regenschirmes. Während sich an der Oberseite der „Teller“ die männ- lichen Organe (Antheridien) finden, tragen die „Schirm- stäbe“ an der Unterseite .die weiblichen Organe (Archegonien). Beide sind wie beim goldenen Frauen- haar gebaut. Die Befruchtung erfolgt auch in derselben Weise. Die aus den Eizellen sich entwickelnden Sporen- \ kapseln oder Sporangien besitzen aber keine Hauben, \r) Außer dieser geschlechtlichen Fortpflanzung findet noch ) eine ungeschlechtliche Vermehrung statt. Auf der Ober- j//, seite des blattartigen Hauptteiles erheben sich nämlich £ vielfach kleine Becher, in deren Grunde winzige Teile der Pflanze abgeschnürt werden. Vom Regen ver- schwemmt, wachsen diese Gebilde wie Ableger zu selb- ständigen Pflanzen heran. Daher werden die Becher auch treffend als Brutbecher bezeichnet. Als Beispiel der zahlreichen Arten, deren nieder- liegende Stengel zweiseitig angeordnete Blätter tragen, sei hier ein zierliches Pflänzchen abgebildet, das auf feuchtem Boden, an morschen Baumstämmen und ähn- Kammkelch. lichen Stellen häufig zu finden ist. Die von einem hohen Stiele getragene Sporenkapsel öffnet sich im Gegensatz zu der der Laubmoose mit 4 Klappen. Nach der Form des blattartigen Gebildes, das den untern Teil des Stieles umgibt, führt das zarte Gewächs den Namen Kammkeleh (Lophocölea'). 3. Gruppe. Lagerpflanzen (Thallöphyta°). Pflanzen, deren Körper nicht in Stengel und Blätter gegliedert ist, die also ein sog. Lager darstellen. 1. Kreis. Algen (Algae°). Lagerpflanzen, die im Wasser oder doch an feuchten Stellen leben und Blattgrün enthalten. 1. Klasse. Jochalgen (Conjugätae‘). Einzellige oder einfach fadenförmige, grüne Algen des Süßwassers, die sich außer durch Teilung durch sog. Jochsporen (s. S. 378) vermehren. Die Schraubenalge (Spirogyra°). (Zugleich ein Blick auf die-Bedeutung der Algen im allgemeinen.) A. Vorkommen. In flachen Teichen, sowie in Tümpeln und Gräben finden wir während der wärmern Jahreszeit häufig schlüpfrige, grüne Massen, die wie Watte aus zahlreichen unentwirrbaren Fäden bestehen. 1) Zöphos, Schopf und köleös, Scheide. 2) thallös, Schößling und phyton, Pilanze. 3) dlga, See- tang, eigentl. Schlingpflanze. 4) coniugätus, verbunden. 5) spetra, spira, Windung, Spirale, gyrös, rund (Blattgrünband!). Jochalgen. 377 Bei Zuhilfenahme des Mikroskops erkennen wir in ihnen leicht Algen, die in ihrem Bau größere oder geringere Unterschiede aufweisen, also verschiedenen Gattungen und Arten angehören. Da diese Pflanzen im Gegensatz zu zahlreichen andern Algen nicht festgewachsen sind, so ver- mögen sie wie alle freischwimmenden Gewächse auch nur stehende oder langsam fließende Gewässer zu bewohnen. B. Bau. Unter diesen Algen ist die zu betrachtende Schraubenalge eine der häufigsten. Wir werden sie leicht herausfinden, wenn wir ihren Bau genügend beachten, wie ihn neben- stehende Abbildung erkennen läßt. 1. Das Pflänzchen stellt einen überaus zarten Faden dar. Eine Luftpflanze von dieser Form müßte kraftlos zu- sammenfallen oder dem Erdboden aufliegen. Eine Pflanze dagegen, die im Wasser schwebt, von ihm also getragen wird, kann diese Gestalt und Zartheit wohl besitzen. (Vgl. hiermit auch die auffallende Größe und Zartheit vieler Wassertiere, z. B. Wal und Qualle!) Im Gegensatz zu allen bisher betrachteten Gewächsen sind an dem Pflänzchen also weder Stamm, noch Blätter zu erkennen. Einen gleich einfachen Bau besitzen auch alle andern Algen, sowie die Pilze und Flechten. Da man nun einen solchen ungegliederten Pflanzenkörper als Lager oder Thallus bezeichnet, stellt man diese Pflanzen den „Stamm-Blatt-Pflanzen“ als „Lagerpflanzen“ gegenüber. 2. Der Faden, der von einer schleimigen Hülle um- geben ist, besteht aus zahlreichen walzenförmigen Zellen, die sich mit je einem kleinen Zimmer vergleichen lassen. (Näheres über die Zelle s. S. 419.) Die „Zimmerwände“ sind farblos, durchsichtig und mit einer „Tapete“ überkleidet, die aus einer schleimigen und gleichfalls farblosen Masse, dem Urbildungsstoff oder Protoplasma, gebildet wird. In dieser „Tapete“ liegt bei der abgebildeten Form ein schraubenförmig gewundenes Band, das durch einen ein- gelagerten Farbstoff, das sog. Blattgrün oder Chlorophyll, lebhaft grün erscheint. Dieses Band gibt der ganzen Pflanze das grüne Aussehen und läßt den Namen „Schraubenalge“ < AR vollkommen gerechtfertigt erscheinen. (Bei andern Arten der ‚lee: drei Gattung „Schraubenalge“ treten mehrere solcher Bänder Zellen eines auf; s. Abb. S. 378.) Durch den Innenraum des „Zimmers“, Fadens, von der mit einer wässerigen Flüssigkeit angefüllt ist, ziehen ee Tr sich von den „tapezierten Wänden“ aus mehrere Fäden. ee (stasle Sie kreuzen sich alle in einem Punkte und halten dort ein vergr.). Körperchen, den Zellkern, in der Flüssigkeit schwebend. Durch die überaus zarten Wände dringen die Nährstoffe in das Innere der Zelle. Dort werden sie wie bei allen andern grünen Pflanzen o Du 1) 378 Jochalgen. unter dem Einflusse des Sonnenlichtes weiter verarbeitet. Die stark be- leuchtete Wasseroberfläche ist daher für die Pflanze auch ein sehr geeigneter Aufenthaltsort. Wir finden allerdings auch in tiefern Wasserschichten zahl- reiche Algen; jedoch ohne Licht kann keine dieser Pflanzen leben. C. Vermehrung. 1. Die watteartigen Massen, die die Schrauben- alge in den Gewässern bildet, vergrößern sich sehr schnell. Wie dies erfolgt, zeigt uns wieder das Mikroskop. An dieser oder jener Zelle be- ginnt der Kern, sowie der gesamte Inhalt sich in zwei Teile zu spalten. Gleichzeitig entsteht etwa in der Mitte der Längswand der Zelle eine ringförmige Verdickung, die sich inımer weiter nach innen erstreckt, und die schließlich den Zellraum wie eine Querwand durchsetzt. Auf diese Weise wird die Zelle in zwei Tochterzellen geteilt, die bald zur Größe der „Mutterzelle“ auswachsen. Vielfach kommt es nun auch vor, daß die Fäden zerreißen, und daß die Teilstücke als selbständige Pflänzchen weiter leben. 2. Im Sommer und Herbste trifft man ‘vielfach Schraubenalgen an, die ein eigentümlich krauses Aussehen haben, und deren Fäden fest aneinander haften. Bringen wir Teile dieser Fäden in einen größern Wassertropfen, so können wir mit Hilfe des Mikroskops folgendes fest- stellen: Je 2 Fäden haben sich mehr oder weniger parallel nebeneinander ge- legt und von ihren gegenüber liegenden Zellen aus zapfenartige Fortsätze ge- trieben (a), die schließlich aufeinander gestoßen (b) und verschmolzen sind (c, d und e). Auf diese Weise ist eine Brücke zwischen je 2 Zellen gebildet, so daß die Fäden bei zahlreichen solcher Ver- bindungen das Aussehen einer kleinen — el #” Leiter erhalten. Nachdem sich die In- 1. Sporenbildung bei derSchrauben- halte beider Zellen infolge von Wasser- alge (s. Text). 2. u. 3. Keimende apgabe stark zusammengezogen haben (e), SYTT abgebildeten Art iet hier eine Wändert der Inhalt der einen zu dem der Form mit zwei Blattgrünbändern andern hinüber (d); beide verschmelzen dargestellt. alsbald zu einer Spore, die sich ab- rundet und mit einer dicken, widerstands- fähigen Hülle umgibt (e). Da man die zwischen beiden Zellen entstehende Verbindung auch mit einem Brückenjoch vergleichen kann, bezeichnet man eine auf diese Weise entstehende Spore als Jochspore und die Algen, die diese Sporenbildung zeigen, als „Jochalgen“. b. I Jochalgen. 379 Indem die Zellwände verwesen, werden die Sporen schließlich frei. Sie sinken zu Boden und treiben erst im nächsten Frühjahre einen Keimschlauch, der bald zu einem neuen Algenfaden heranwächst. Wenn wir bedenken, daß die Schraubenalge nur in seichten Ge- wässern lebt, also dort, wo das Wintereis ihre zarten Fäden leicht zer- stören könnte, so erscheint uns die Sporenbildung als eine Einrichtung, durch die sich die Pflanze über die ungünstige Jahreszeit hin- überrettet. Und wenn wir weiter erwägen, wie viel Sporen sich schon in je zwei Algenfäden entwickeln, und wie leicht diese winzigen Körper vom Wasser fortgespült werden können, so werden wir in der Sporen- bildung auch ein Mittel zur Vermehrung und Verbreitung der Pflanze erkennen. Die Spore entsteht, wie wir soeben gesehen haben, dadurch, daß sich die Inhalte zweier Zellen, d. h. zwei vollkommen gleiche „Wesen“ miteinander vereinigen. Diesen Vorgang, den man in ähnlicher Form auch bei niedern Tieren wiederfindet, bezeichnet man als Verschmel-. zung oder Konjugation. Da er lebhaft an die Befruchtung erinnert, wie sie z. B. bei den Farnen und Moosen erfolgt, so haben wir es hier gleich- falls mit einem, und zwar dem einfachsten Falle geschlechtlicher Fortpflanzung zu tun. Die Zellteilung dagegen ist nur ein Vorgang ungeschlechtlicher Vermehrung. D. Bedeutung. 1. Wie wir später sehen werden, dienen den Pflanzen sehr einfach zusammengesetzte Stoffe (Salze, Wasser und Kohlensäure) zur Nahrung. Die Tiere dagegen können ihren Leib nur aus Pflanzen- oder Tierstoffen aufbauen. Sie sind daher in letzter Linie stets auf Pflanzenstoffe angewiesen. Dies gilt natürlich auch von den Pflanzen und Tieren des Wassers. Da nun die Algen die bei weitem wichtigsten Glieder der Wassergewächse darstellen, bilden sie auch die Haupt- Nahrungsquelle der Wassertiere. Außerdem spenden sie diesen Tieren einen großen Teil der not- wendigen Atemluft. Setzen wir z. B. Algen (oder andre untergetauchte Wasserpflanzen) in einem Gefäße mit Wasser direktem Sonnenlichte aus, so sehen wir von ihnen Gasbläschen emporsteigen. Da in einer auf- gefangenen, größern Menge dieses Gases ein glimmender Span mit heller Flamme brennt, so können wir in ihm nur Sauerstoff vor uns haben, der den Tieren bekanntlich zur Atmung dient. 2. Andrerseits liefern aber auch die Tiere den Algen (und den an- dern untergetauchten Wasserpflanzen) eine große Masse von Nährstoffen. Bringt man z. B. Schraubenalgen oder eine andre Algenart in ein Ge- fäßB mit Wasser, das durch faulende Tierstoffe übelriechend geworden (aber nicht zu stark verunreinigt) ist, so wird das Wasser nach und nach klarer, und der üble Geruch verschwindet schließlich vollständig. Hier- mit geht eine starke Vermehrung der Algen Hand in Hand: Sie haben die sich zersetzenden Tierstoffe in sich aufgenommen und zum Leben und Aufbau ihres Leibes verwendet. Bedenkt man nun, welche Mengen von 380 Kieselalgen. Tierstoffen (Abfallstoffen und Leichen) in einem Gewässer täglich in Ver- wesung übergehen, so ist leicht einzusehen, daß ohne die Tätigkeit Einzellige Jochalgen (Desmidiaceae). (Etwa 200mal vergr.) der Algen (und der andern unter- getauchten Wasserpflanzen) das Wasser bald verpestet sein würde, alles tierische Leben in ihm also zu- srunde gehen müßte. Die Wasserpflanzen und unter ihnen in erster Linie wieder die in großen Massen auftretenden Algen sind also — kurz gesagt — die Grundbedingung alles Lebens im Wasser. Ri N Pet . Ps Seesen BE ee a7 Erw De” r u > Bere Unter den Jochalgen findet sich eine Gruppe einzelliger Arten (Desmidiäceae'), die sich durch besondere Zierlichkeit auszeichnen. Diese herr- lichen „Kunstformen der Natur“ treten in einer großen Mannigfaltigkeit der Gestalt in Algen- dickichten, besonders aber in Torfsümpfen auf. em KR vor. ug Pe 21 222 222 IE Dale, Sie stellen, wie die abgebildeten Formen zeigen, bald ausgezackte Scheiben oder grüne Halbmonde, bald regelmäßige Sterne, Ketten, Bänder u. dgl. dar. 2. Klasse. Kieselalgen (Diatomäceae’). Kieselalgen bekommt man leicht in größter Menge zu Gesicht, wenn man mit Hilfe des Mikroskops den braunen, schleimigen Überzug unter- sucht, der sich im Frühjahre in Gräben und Pfützen bildet. Auch Algen- fäden oder Schlamm wird man nach ihnen nur selten vergeblich durch- £ iS & |||: 5 BE B ı3 Er | \| IE, Deg|: B||ı Fi e| || | || | E| || | Bi || | || E ls t 3, \\ | |] I 1 SERIE Eine Kieselalge des Süßwassers (Navicula°). 1.Flä- chenansicht; 2. Kantenansicht; 3. Querschnitt. (V gr.etwa 450mal.) mustern. Die winzigen, einzelligen Pflanzen haben die Form eines Stabes, einer Sichel, eines Keiles, eines Kreises, einer Ellipse oder dgl. Sie schweben entweder frei im Wasser, oder gleiten wie ein von geheimnis- vollen Kräften getriebenes Schifflein auf fester Unterlage langsam dahin, oder sitzen endlich auf ausgeschiedenen Gallertstielen andern Körpern auf. Durch einen braunen Farbstoff, der das Blattgrün verdeckt, erhalten sie ein ledergelbes Aussehen. Die Zellwand besteht aus 2 Schalen, von denen die eine über die andre wie der Deckel über eine Schachtel hinweg greift. Glüht man die Pflänzchen auf einem Platinblech, so bleibt ein Kieselskelett zurück, das genau die Form der Schalen aufweist (Kieselalgen!). Jetzt erkennt man auch erst deutlich, wie die zarte Zellwand durch Leisten und Rippen verstärkt ist, so daß oft eine überaus regelmäßige und zierliche Felderung entsteht. “ Vergrößert sich der Inhalt der Zelle, so werden die 1) von desmös, Band. 2) von didtomos, zersehnitten. 3) Schiffchen. Kieselalgen. 38l Schalen auseinander gedrängt. Indem sich der Inhalt so teilt, daß jede Hälfte eine Schale erhält, entstehen 2 Pflänzchen, von denen jede alsbald die zweite, fehlende Schale ausscheidet. Bleiben die bei fortgesetzter Teilung immer neu entstehenden Pflänzchen im Zusam- menhange, so bilden sich Kolonien, die zierliche Ketten, Bänder, Scheiben u. dgl. darstellen. Da nun aber die verkieselten Zellwände nicht wachstumsfähig sind, müssen die Pflanzen, die die kleinere Schale erhalten, allmählich auch immer Kieselalgen des Süßwassers. kleiner werden. Dies hat jedoch eine 1-4, einzeln lebende Arten. 5 u. 6. Grenze. Ist die Größe nämlich bis auf freilebende Kolonien. 7. eine Kolonie, einen gewissen Punkt herab gesunken, die mit Hilfe eines verzweigten Gal- dann legen sich (in der Regel) 5 Pllänz- lertstieles einem en Gegenstande ; } aufsitzt. (Vergr. 100 mal.) chen aneinander; ihre Schalen klappen auf; der Inhalt beider tritt hervor, vereinigt sich genau wie bei den Jochalgen und bildet eine große Spore, aus der dann eine Pflanze von der ursprünglichen Größe hervorgeht. Die Kieselalgen entfalten ihre Bedeutung als Nährstoffquelle der Tiere (s. S. 379, 1) besonders im Meere. Hier bilden — wie wir w. u. noch sehen wer- den — die Braun- und Rotalgen zwar weite Bestände. Da sich diese „Tangwiesen“ und „Tangwälder“ aber nur bis zu einer Tiefe von etwa 50 m erstrecken, vermögen sie den ungezähl- ten Tierscharen der Weltmeere auch bei weitem nicht die nötige Menge von Nahrung zu liefern. Es muß daher noch eine andre Nahrungsquelle vorhanden sein! Streifen wir mit einem sehr feinen Gazenetze durch das Meerwasser, und betrachten wir den „Fang“ mit Hilfe des Mikro- skops, so haben wir die gesuchte Quelle: Neben zahlreichen kleinen Tieren erblicken wir eine erstaunliche Menge einzelliger Algen. Alle diese überaus zarten Wesen setzen sich nie auf einen andern Gegenstand fest. Obgleich viele von ihnen die Fähigkeit besitzen, sich fortzubewegen, treiben sie doch „willenlos“ in der Flut. Sie werden daher als das Treibende oder Schwe- bende im Wasser oder nach einem griechischen Kieselalgen des Meeres. Worte!) als Plankton zusammengefaßt. In dieser Welt des Kleinen spielen die wunderbar geformten Kieselalgen nun eine Hauptrolle. Sie bewohnen (wie alle Algen) die stark durchleuchteten, oberflächlichen Wasser- schichten in unzählbaren Myriaden. Während wir bei Seereisen glauben, reines Wasser unter dem Kiele unsres Schiffes zu haben, fahren wir also über eine reiche „Pflanzen- wiese“ dahin, auf der die kleinsten Tiergeschlechter jahraus, jahrein Nahrung finden. Von diesen Tieren nähren sich wieder die größern, ja selbst die Riesen der Schöpfung, 1) planktös, in die Irre getrieben, unstät. 382 Kieselalgen. Grünalgen. und von allen hängen endlich auch die Millionen von Menschen ab, die als Fischer, Schiffer, Kaufleute usw. auf den Reichtum des Meeres angewiesen sind. (Vgl. auch, was in dieser Hinsicht im „Lehrbuche der Zoologie“ über den Hering, den Kabeljau, den Seehund und die Wale mitgeteilt ist!) Hiermit ist die Bedeutung der unscheinbaren Pflänzchen aber durchaus noch nicht erschöpft: Indem nämlich die abgestorbenen Kieselalgen auf den Grund des Meeres hinabsinken, dienen sie auch den Bewohnern der tiefern und tiefsten Wasserschichten zur Nahrung. Sie ermög- lichen also die Bewohnbarkeit der licht- losen und darum pflanzenleeren Meeres- tiefen. Da nun viele der verkieselten Schalen fast unvergänglich sind, häufen sie sich auf dem Boden des Meeres oft zu gewaltigen Massen an. Werden solche Anhäufungen über den Wasser- spiegel empor gehoben, so entstehen Lager von Diatomeenerde, Kieselgur oder Polier- Kieselalgen aus dem Kieselgur von schiefer, die der Mensch zu verschiedenen Franzensbad in Böhmen. Zwecken ausbeutet. (Mit Nitroglyzerin getränkte Diatomeenerde gibt das Dynamit.) Solche Lager finden sich z.B. in der Lüneburger Heide, sowie bei Franzensbad und Bilin in Böhmen. Auf einer mächtigen (bis 30 m starken) Schicht von Kieselalgen erheben sich auch einige Teile von Berlin und Königsberg. m DAR, IRODDRORAENENN SONNE il u 3. Klasse. Grünalgen (Chlorophyceae'). Einzellige bis vielzellige grüne Algen, die sich ungeschlechtlich durch Schwärmsporen ver- mehren und sich zumeist auch geschlechtlich in verschiedenartiger Weise fortpflanzen. Die Schlauchalge (Vaucheria’). 1. Bau. Untersucht man den grünen Anflug, der den schlammigen Grund stehender Gewässer überzieht, so erkennt man darin zumeist Algen- fäden, die von denen der Schraubenalge in zahlreichen Stücken wesent- lich abweichen. Sie sitzen mit Hilfe wurzelartiger Fortsätze (1.) dem Untergrunde auf, sind ein- oder mehrfach verzweigt (2.), und ihr Innen- raum ist nicht durch Querwände in einzelne Abteilungen gesondert. Die Zellhaut umschließt also wie ein großer, mehrfach geteilter Schlauch — eine Tatsache, auf die sich der Name des Pflänzchens bezieht — die sesamte Masse des Protoplasmas, in der zahlreiche Zellkerne und viele kleine Blattgrünkörper enthalten sind. 2. Vermehrung. a) Unter diesen Fäden findet man nicht selten solche, deren freies Ende kolbenförmig angeschwollen ist. Nachdem das Protoplasma dieses Abschnittes durch eine Querwand von dem übrigen Inhalte des Schlauches getrennt ist (3.), reißt der Kolben am Scheitel auf (4), und sein eiförmiger Inhalt tritt ins Freie (5.). Mit Hilfe zahl- reicher Wimpern, die sich wie Ruder taktmäßig bewegen, schwimmt der 1) chlorös, grün und phrjkos, Tang, Alge. 2) nach dem Genfer Botaniker Vaucher be- nannt (F 1841). ec Grünalgen. 383 freigewordene Protoplasmaballen (6.) in Schraubenwindungen durch das Wasser. Nach etwa 2 Stunden kommt diese sog. Schwärmspore be- reits zur Ruhe: sie zieht die Wimpern ein, umgibt sich mit einer Zell- haut, sinkt zu Boden und treibt bald darauf einen Keimschlauch, aus dem ein neuer Algenfaden hervorgeht (7.). — Bewahrt man die Pflänz- chen einige Zeit an einem hellen Orte feucht auf und übergießt sie so- dann mit frischem Wasser, so kann man sie leicht veranlassen, Schwärm- sporen zu bilden. b) Bringt man Schlauchalgen in eine schwache Lösung von Rohr- zucker, und setzt man das Gefäß hellem Lichte aus (Fenster!), so wird man einen andern Vorgang leicht be- obachten können. Die Fäden treiben dann bald kleine Seitenzweige (8), die durch Querwände abgeschlossen sind und entweder die Form von Kolben (K.) oder von gebogenen Hörnern (H.) zeigen. Der Inhalt jedes „Hornes“ zerfällt in zahlreiche Körperchen, die später durch eine Öffnung der Zellwand ins Freie treten und mit Hilfe zweier Wimpern lebhaft durch das Wasser schwärmen. Ebenso öffnet sich auch der Kolben, ohne aber seinen Inhalt zu entlassen. 8. Dringt in ihn nun einer jener „Schwär- Schlauchalge (s. Text). mer“ ein, so verschmilzt er mit dem Kolbeninhalte, der sich darauf mit einer derben, braunroten Haut umeibt, um im nächsten Frühjahre eine neue Alge ins Dasein zu rufen. Dieser Vorgang erinnert auf das deutlichste an die Befruchtung der Farne und Moose: der Kolben stellt das weibliche Organ dar (das hier aber als Oogonium!) bezeichnet wird), und das „Horn“, das die Schwärmer (Spermatozoen?) erzeugt, gibt sich sofort als das männliche Organ (Antheridium°) zu erkennen. Die geschlechtliche Fortpflanzung, deren An- fänge wir in der Verschmelzung oder Konjugation der Schraubenalge kennen gelernt haben, ist hier also schon wesentlich vervollkommnet. Während sich dort zwei gleiche Zellinhalte zur Jochspore vereinigten, geht hier aus der Verschmelzung zweier verschiedener Zellen ein neues Wesen — Eispore genannt — hervor. Außer der Schlauchalge gehören zu der großen Gruppe der Grünalgen viele andre Arten, die mehrfach wesentliche Abweichungen untereinander zeigen. Einige sitzen mit Hilfe eines Haftwerkzeuges auf Steinen, an Brückenpfeilern u. dgl. fest, andre 1) oön, Ei und gone, Nachkommenschaft. 2) s. S. 355, Anm. 1. 3) s. S. 356, Anm. 2. n 384 Braun- und Rotalgen. schweben völlig frei im Wasser, und noch andre leben sogar auf feuchtem Untergrunde außerhalb des Wassers. Auch in der Bildung der Schwärmsporen und in der Art der geschlechtlichen Fortpflanzung machen sich große Abweichungen geltend. Bei der hier abgebildeten Form (Ulöthrix?), die sich gleichfalls häufig im Süßwasser findet, zerfällt der Inhalt der Zellen in mehrere Teile, die durch einen Riß der Zellwand ins Freie treten und mit Hilfe von je zwei Wimpern wie Infusorien durch das Wasser dahin schwimmen. Von den Arten, die auf festem Untergrunde leben, ist hier eine einzellige Form (Pleurocöceus vul- garis?) im Bilde wieder- gegeben, die die schleimi- gen Überzüge auf feuch- tem Boden, an Bretter- wänden u.dgl. bilden hilft. Da die Zellen, die nach der Teilung vielfach mit- einander vereinigt bleiben und kleine Kolonien bil- den, austrocknen können, um bei Befeuchtung wie- der zum Leben zu erwa- Einige Zellen einer Grün- alge (Ulothrix), Schwärm- sporen bildend: der Inhalt der Zelle 1 ist noch unver- ändert; bei 2 und 3 ist er in Schwärmsporen zerfal- len; in 4 schwärmen die chen, wird das Pflänzchen Sporen soeben aus, wäh- = leicht durch den Wind rend dies in 5 bereits ge- Einzellige Grünalge, aus ein- verweht. Es stellt sich schehen ist. (Etwa 250mal zelnen Zellen oder kleinern und daher überall ein, wo es vergr.). größern Kolonien bestehend. die nötige Feuchtigkeit findet. — Eine Grünalge ist auch die Veilehenalge (Trentepöhlia iölithus®), die sich als rotbrauner, veilchen- duftender Überzug auf dem Urgesteine der Gebirge findet („Veilchenmoos, Veilchenstein*). 4.u.5. Klasse. Braun- und Rotalgen (Phaeophyceae* und Rhodophyceae?). Unter den Algen oder Tangen des Meeres treten die Grünalgen, die im Süßwasser die Herrschaft führen, stark zurück. Ihre Stelle nehmen stattlichere Formen ein, die neben dem Blattgrün noch einen braunen oder roten Farbstoff in ihren Zellen enthalten. Daher erscheinen sie bald heller, bald dunkler braun oder rot gefärbt. Da sie (fast ausschließlich) . festsitzende Pflanzen sind, so vermögen sie auch nur einen verhältnis- mäßig schmalen Küstenstrich zu bewohnen. In der Regel reicht dieser Gürtel bis 30 m und nur bei ganz reinem, klarem Wasser etwa bis 50 m Tiefe hinab; denn in noch tieferm Wasser ist das Licht so stark ge- dämpft, daß keine mit Blattgrün ausgestattete Pflanze die einfachen Nähr- stoffe zu Lebens- und Baustoffen umzuwandeln vermöchte. 1. Die Braunalgen sind zumeist größere Pflanzen, die vielfach aus- gedehnte „Tangwiesen“ oder — wie die größten Arten — förmliche 1) «los, kraus und thrix, Haar. 2) plewrococeus: plewrön, Seite, Rippe (?) und kökkos, Kern; vulgaris, gemein. 3) Trentepohlia, nach dem Prediger und Botaniker Trentepohl aus Oldenbrock in Oldenburg benannt; iolithus: ion, Veilchen und lithos, Stein. 4) phaiös, bräunlich und phykos, Tang. 5) rhödon, Rose und phykos, Tang. Braun- und Rotalgen. 385 „Tangwälder“ bilden. Dasienur _ in. den: flachen 7% = Küstengewässern — if vorkommen, ha- = ben sie mit Ebbe - (E8 und Flut, sowie mit den branden- den Wogen einen harten, bestän- digen Kampf zu führen. Sie klam- mern sich jedoch mit kräftigen, wurzelartigen Haftorganen dem felsigen oder stei- nigen Untergrun- de fest an und besitzen einen zä- hen, lederartigen Körper, der den Wellen und der Strömung widersteht. Wühlen heftige Stürme das Meer tief auf, so werden sie trotzdem nicht selten losgerissen und in großen Massen an die Küste geworfen. Diese werden von den Strandbewohnern als Dünger auf den Acker KH gebracht. Vielfach werden sie auch verbrannt; denn Blasentang (verkl.). aus ihrer Asche gewinnt man das wertvolle Jod, 1. Unterer stengelartiger das sie dem Meereswasser entziehen. Teil, der mit einer Haft- scheibe einem Steine an- Die häufigste Braunalge der Nord- und Ostseeküste ist sitzt. 2.Oberer Abschnitt, der Blasentang (Fucus vesiculösus!), der eine Länge von S. Schwimmblasen; F. 1 m erreicht, mehrfach gabelig geteilt ist und sich durch Stellen, an denen sich zahlreiche luftgefüllte Blasen wie durch einen Schwimm- die Fortpflanzungsorga- gürtel an der Oberfläche des Wassers hält. Die Enden ne finden. der Lappen zeigen oft ein gekörneltes Aussehen. Dies rührt von krugförmigen Vertiefungen her, in denen sich die Fortpflanzungsorgane bilden. — An den Küsten der tropischen Meere findet sich der Beerentang (Sargässum bacci- ferum?), dessen Schwimmblasen wie gestielte Beeren aussehen. Von der Brandung losgerissen, treibt er oft in großen Massen an der Oberfläche des Wassers einher. Solche Massen führt auch der Golfstrom von den Küsten des mexikanischen Meerbusens hinweg in jenen stromlosen Meeresteil, der sich als „Sargassosee“ zwischen den Azoren und Amerika ausdehnt. Auf Tausende von Quadratmeilen hin sind hier die oberfläch- lichen Wasserschichten mit losgerissenen, schwimmenden Teilen des Beerentanges be- laden; nirgends jedoch ist die Anhäufung der Massen so stark, daß sie, wie man früher Zweig vom Beerentang aus der Sar- gassosee (verkl.). 1) fueus = phijkos, Tang; vesiculosus, mit Blasen. 2) sargassum, von dem portug. sargasso, Seegräs; baceiferum: bäcca (richtiger baca), Beere und fero, ich trage. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 25 386 Braun- und Rotalgen. Spaltalgen. fürchtete, der Schiffahrt hinderlich würden. — Die größte Alge, wie überhaupt die größte aller Pflanzen, ist der Birnentang (Macrocystis pirifera'). Das bis 300m lange Gewächs findet sich an den außertropischen Küsten der südlichen Erdhälfte und hält sich durch birnenartige Blasen schwimmend an der Oberfläche des Ozeans, 2. Die Rotalgen erreichen nie die Größe der Braunalgen, auf denen sie sich gern an- siedeln. Meist aber bewohnen sie die tiefern Wasserschichten, die selbst von den heftigsten Stürmen nur wenig oder gar nicht erregt werden. Daher wird uns auch die große Zartheit dieser Formen wohl verständlich. Infolge ihrer Färbung, die zwischen leuch- tendem Scharlach und tiefstem Purpur- schwarz schwankt, und der wechselvollen Gestalt verwandeln sie im Vereine mit den farbenprächtigen Korallentieren die unter- seeischen Felsen in lachende Gärten. Oft bilden sie zwar nur einfache Fäden oder blattartige Flächen; meist aber gleichen sie zierlichen Moosrasen, feinverzweigten Baum- chen, zartblättrigen Farnen u. dgl. Eine in der Nordsee lebende Art, der Perl- tang (Chondrus crispus?) wird getrocknet unter dem Namen „Karagaheen- oder irländisches Moos“ als Heilmittel gegen Erkrankungen der Atemorgane und des Darmes benutzt. — Nur wenige zwerghafte Formen der prächtigen Rotalgen finden sich im Süßwasser, und zwar auffallenderweise besonders an den Steinen schnellfließender Gebirgsbäche. Die Fäden der hierneben abgebildeten Art, die violett, grünlich oder rotbraun erscheint, sind so regel- mäßig mit kleinen, quirlförmig angeordneten „Seiten- zweigen“ besetzt, daß sie bei schwacher Ver- größerung ein perlschnurartiges Aussehen wie der Froschlaich zeigen. Das überaus zarte, schlüpfrige Pflänzchen wird daher als Frosehlaichalge (Batracho- spermum moniliförme®) bezeichnet. Ast der Froschlaichalge (stark vergr.). 6. Klasse. Spaltalgen (Cyanophyceae‘). Die Spaltalgen bilden mit den Spaltpilzen die einfachsten Organismen, die wir kennen. Da sie zu den eigentlichen Algen etwa dieselbe Stellung einnehmen wie die Spaltpilze zu den höhern Pilzen, sei ihrer an dieser Stelle kurz gedacht. In schlammigen Gewässern, an unreinen, feuchten Orten u. dgl. beobachtet man häufig die blaugrünen Massen der Schwingalge (Oscillatöria?). Unter dem Mikroskope 1) maerocystis: makrös, lang und kystis, Blase; pirifera: pirum, Birne und fero, ich trage. 2) chöndros, Graupe, Pille; erispus, kraus. 3) batrachospermum: bätrachos, Frosch und sperma, Same, Laich ; moniliforme: monile, Halskette und -formis, -förmig. 4) kyanos, blau, blaugrün (vor- wiegende Färbung!) und phijkos, Tang, Alge. 5) von oscillum, Schaukel (wegen der schwingenden Bewegung der Fäden). Spaltalgen. 387 \@ 2) - Va SU fh AL: MW Schwingalge. 1. Rasen der Alge auf Schlamm. 2. Einzelner Faden (stark vergr.). erkennen wir zahlreiche schwingende Fäden, die wieder aus je einer großen Anzahl von Zellen bestehen. Diese Zellen vermehren sich wie die Spaltpilze (s. w. u.) nur durch Zweiteilung (Name der Klasse!),. Da sie aber Blattgrün enthalten, das allerdings durch einen blaugrünen Farbstoff verdeckt wird, sind sie im Gegen- satz zu diesen Pflanzen imstande, sich selbst zu er- nähren. — Eine Gattung der formenreichen Gruppe bildet die gallertartigen, zitternden Massen, die auf s y ? nassen Wiesen, zwischen Moos, in Gräben u. dgl. Zwei Zellfäden Ast einer häufig zu finden sind, und in denen die Landleute der Gallert- Armleuchter- früher zur Erde gefallene Sternschnuppen zu sehen alge oder des pflanze glaubten. Wie das Mikroskop zeigt, sind in dieser Nostok (vergr.). (nat. Gr.). Gallerte perlschnurförmige Zellfäden der @allertalge oder des Nostok (Nostoc!) eingebettet. Zwischen kleinen, spangrünen Zellen machen sich größere, gelbbraune bemerklich, Das sind die Stellen, an denen die Fäden in später selbständige Teilstücke zerfallen. Im Anschluß an die Algen sei eine Gruppe der Lagerpflanzen erwähnt, die man zumeist mit jenen Gewächsen vereinigt, die aber eine durchaus selbständige Stellung einnehmen. Es sind dies die Armleuchtergewächse (Charäceae?’), die auf dem Boden von Landseen oft förmliche Wiesen bilden, aber auch in Gräben und Tümpeln angetroffen werden. Sie sind wie die Moose durch Wurzelhaare im Boden befestigt, verzweigen sich armleuchterartig und nehmen aus dem Wasser oft so viel Kalksalze auf, daß sie brüchig werden. Die Fortpflanzungsorgane finden sich in den Achseln der „Zweige“ als eiförmige, grüne oder als kugelige, rote Körper. 1) nach dem gleichen deutschen Worte von unbekannter Bedeutung. 2) von chärax, Pfahl. 388 Fadenpilze. 2. Kreis. Pilze (Fungi?). Lagerpflanzen ohne Blattgrün, die daher Schmarotzer oder Fäulnisbewohner sind. 1. Klasse. Fadenpilze (Eumycetes’). Pilze, die ein Fadengeflecht besitzen. 1. Unterklasse. Ständerpilze (Basidiomyeetes?). Fadengeflecht mehrzellig. Sporen entstehen (gewöhnlich in einer Anzahl von je 4) auf - verschieden geformten Ständern (Basidien). Der Feld-Champignon (Psalliöta campestris®). Taf. 39, 1. A. Fruchtkörper. 1. Der „Champignon“ bricht im Sommer und Herbste auf Wiesen und Feldrainen, an Wegen und ähnlichen Orten aus dem Boden hervor. Wie ein Längsschnitt zeigt, besitzt er ein festes, weißes „Fleisch“ von anisartigem Geruche, das als schmackhafte Speise überall hochgeschätzt wird. Zum menschlichen Ge- nusse eignen sich allerdings zumeist nur die jungen N ‘ Ya NN Pilze; denn die alten sind in der Regel von zahl- Air 0 reichen Mücken- und Fliegenmaden durchwühlt. 6. me Seiner Schmackhaf- } tigkeit wegen wird der wertvolle Champig- non vielfach auch künstlich gezogen (s. w. u). 2. Vollkommen entwickelt gleicht ein solcher Pilz oder Schwamm einem Schirme. Ein bis8cem ZZ = hoher Stiel trägt == Er rer einen flachgewölbten, Entwicklung des Champignons. Der Boden ist von weißen oder bräun- en en ee 7. 2 Bas: gesehen. . [9 . —6. ım Längsschnitte, i ätte a- lichen „Hut ‚dereinen mellen). Bei Ss u. 6. ist dor Schlange Ei nn Durchmesser von 7. löst er sich vom Hutrande und bleibt als Ring (R.) zurück. 15 em erreichen kann („Hutpilze“). Auf der Unterseite des Hutes finden sich zahlreiche radien- artig und senkrecht gestellte Blättchen oder Lamellen, die anfangs 1) füngus, Pilz. 2) eu, gut und mijkes, Pilz. 3) bäsis, Grundlage, Ständer, -tdion, Verkleine- rungssilbe und majkes, Pilz. 4) psalliota von psdlion, Kinnkette am Pferdezaum (wegen des Ringes!) campestris auf dem Felde wachsend. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Tafel 39. 5. Spitz-Morchel. 6. Speise-Lorchel. Fadenpilze. 389 rosa, später dagegen schokolade- bis schwarzbraun aussehen, eine Färbung, die als das sicherste und leichteste Krkennnnc merkmal des Champignons gilt. Alle Blättchen stoßen an den Hut- rand an, aber nur die längern erstrecken sich bis zum Stiele, ohne jedoch mit ihm zu verschmelzen. Durchschneiden wir einen noch ganz jungen Pilz, der wie ein weißes Knöllchen aus dem Boden hervorbricht und sich in Stiel und Hut zu gliedern beginnt, der Länge nach, so sehen wir, daß die leistenartigen Blättchen im Innern des Pilzes entstehen. Auch wenn der Pilz nahezu seine endgültige Gestalt erlangt hat, ist von diesen überaus zarten Ge- bilden äußerlich noch nichts zu sehen: Eine Haut, der sog. Schleier, der sich zwischen Hutrand und Stiel ausspannt, schützt sie vor den Un- bilden der Witterung. Erst ganz am Schlusse der Entwicklung werden die Blättchen sichtbar: Der Schleier reißt an dem Rande des sich stark ausdehnenden Hutes ab und bleibt als Ring am Stiele zurück. 3. Stellen wir von einigen dieser Blättchen sehr dünne Querschnitte her, so sehen wir mit Hilfe des a daß sie (wie Stiel a Hut) aus zahlreichen Fäden zusammen- gesetzt sind, die aus aneinander gereihten Zellen bestehen. Die Endzellen der Fäden sind keulen- förmige Gebilde, die sich über die Oberfläche des Blättchens erheben. Mehrere dieser Keulen strecken sich etwas stärker als 4 die andern und erhalten auf ihrem Zn ii u Scheitel je 2 (ausnahmsweise aber Feinerer Bau der Blättchen (Lamellen) des auch 4) kleine Ausstülpungen, Champignons. a. ein Querschnitt durch ein die an der Spitze kugelig an- DBlättchen bei etwa 100maliger Vergr. b. Die schwellen. Indem sich diese Fruchtschicht bei stärkerer (etwa 400 maliger) Cugel“ Aurc jo ine Scheide rn nn nn wand von den stielartigen Aus- schiedenen Zustände“ ie Snoreneackiäng stülpungen abschließen, ent- stehen die Sporen. Die keulenförmigen Zellen, auf denen sie sich bilden, nennt man daher Sporenständer, während die „unfruchtbar“ bleiben- den als Zwischenzellen bezeichnet werden. Sie stellen zusammen die sog. Fruchtschicht dar, die also beide Seiten der Blätter überzieht. Wenn man bedenkt, daß die zarten Sporenständer durch die Zwischenzellen erst in einen festen Verband eingereiht werden, der ihnen den notwendigen Halt gewährt, so wird man auch die Bedeutung dieser scheinbar nutz- losen Gebilde erkennen. — Da die Sporenständer gleichsam ein Grund- gestell, eine Basis, der sich entwickelnden Sporen abgeben, werden sie wissenschaftlich Basidien und Pilze dieser Art Ständer- oder Basidien- pilze genannt. Im Gegensatz zum Champignon bilden sich bei den meisten dieser Pilze regelmäßig je 4 Sporen auf jedem Ständer. 390 Fadenpilze. 4. Die Sporen sehen anfänglich rosa aus, in reifem Zustande aber sind sie schokolade- bis schwarzbraun. Unter günstigen Verhältnissen treiben sie je einen Keimschlauch und rufen eine neue Pflanze ins Dasein. a) Wie uns das Mikroskop zeigt, sind die Sporen sehr kleine Ge- bilde (Länge etwa nur 0,01 mm), können also vom Winde leicht ver- weht werden. Der Wind ist aber ein sehr ungewisser Verbreiter der Pflanzen. Viele Sporen trägt er sicher dorthin, wo sie sich nicht ent- — wickeln können. Da sie aber in sehr großer Anzahl vorhanden sind, wird die Möglichkeit, daß wenigstens einige an einen geeigneten Ort gelangen, wesentlich erhöht. — Welche Mengen von Sporen erzeugt werden, geht daraus hervor, daß die winzigen Körper den farb- losen Blättehen der Hutunterseite die ihnen eigene Färbung verleihen. Legt man den Hut eines ausgebil- deten Champignons mit der Unterseite auf ein Blatt Papier, so liefern die ausfallenden Sporen oft schon a nach wenigen Stunden eine „Zeichnung“, die genau die Sporen des Cham- Anordnung der Blättehen widerspiegelt. pignons (stark b) Die Millionen von Sporen bedürfen zu ihrer ee u Bildung aber auch eines verhältnismäßig großen Platzes. En getrieben. Ein solcher ist dadurch geschaffen, daß die Unterseite i des Hutes durch die Blättchen um das Mehrfache vergrößert wurde. Diese Tatsache macht uns auch das erwähnte Auf- treten kurzer Blättehen in dem äußern Hutabschnitte verständlich: Der hier vorhandene größere Raum wird durch das „Einschieben“ dieser Blättchen erst vollkommen ausgenützt. c) Wie erwähnt, löst sich der schützende Schleier mit beginnender Sporenreife vom Hutrande ab. Der Zutritt zu den Sporen steht dem Winde jetzt mithin offen. d) Da der Hut auf einem Stiele über den Erdboden gehoben wird, können die fallenden oder sich lockernden Sporen vom Winde leicht er- faßt werden. e) Eine Aussaat der Sporen ist aber nur bei trocknem Wetter möglich. Die Unterseite des Hutes, der wie ein Regendach wirkt, ist daher auch als eine durchaus geeignete Bildungsstätte der Sporen zu bezeichnen. B. Fadengeflecht.. Nimmt man einige Champignons mit dem an- haftenden Erdballen aus dem Boden, so sieht man, daß die Erde von zahlreichen vielfach verzweigten, weißen Fäden (Hyphen) wie von Spinn- gewebe durchzogen ist. Wäscht man die Erde vorsichtig ab, so sieht man weiter, wie sich die Pilze als kleine Anschwellungen an den Fäden bilden, und wie selbst der vollkommen entwickelte Pilz mit einem Faden oder mit einigen Fäden in Verbindung steht. Die „Champignons“ und das Fadengeflecht oder Pilzlager (Mycelium) stehen also im Zusammenhange; es sind Teile derselben Pflanze. Ja noch mehr! Fadenpilze. 391 Wie man besonders deutlich an einer künstlichen Champignonanlage sehen kann, lebt das Fadengeflecht sehr lange im Boden. Hat es eine gewisse Ausdehnung erlangt, dann bringt es „Pilze“ oft in großer Menge hervor. Sobald diese Gebilde die Sporen ausgestreut haben, vergehen sie sehr schnell; andre sprossen hervor, gehen wieder zugrunde u. s. f.: Das Fadengeflecht dagegen, an dem sich die „Pilze“ bildeten, wächst weiter. Es gleicht also einem Obstbaume mit zahlreichen Früchten, die bei der Reife abgeworfen werden. In dem Fadengeflechte haben wir dem- nach die eigentliche Pflanze, den eigentlichen Pilz vor uns, während die Gebilde, die wir bisher dem Sprachgebrauche folgend als „Öhampignons, Pilze oder Schwämme“ bezeich- neten, nur die Sporen- oder Fruchtkörper dieser Pflanze oder dieses Pilzes darstellen. Die Pflanze selbst lebt unterirdisch. Ihre Fruchtkörper dagegen werden, wie dies der Windverbreitung der Sporen entspricht, über den Boden gehoben. 1. Unter dem Mikroskope geben sich die Fäden als Reihen von Zellen zu erkennen. Hier und da haben sich auch mehrere zu dickern Strängen vereinigt. Stets aber sind sie so zart, daß sie kraftlos zusammensinken, wenn man sie der Erde entnimmt, von der sie allseitig gestützt und ge- tragen werden (vgl. mit Wasserpflanzen und Wassertieren!).. Der Frucht- körper besteht, wie bereits angedeutet, aus ebensolchen Fäden. Da sie jedoch besonders an der Oberfläche („Haut“) sehr eng aneinander liegen, sich vielfach verzweigen und durchflechten, sind sie trotz ihrer Zartheit imstande, einen Körper zu bilden, der sich über den Boden zu erheben und den Unbilden der Witterung (Wind, Regen) standzuhalten vermag. 2. Gleich den Wurzeln der höhern Pflanzen durchzieht das Faden- geflecht den Boden nach allen Richtungen und entnimmt ihm die nähren- den Bestandteile. Nun sind aber allein die Pflanzen mit Blattgrün im- stande, aus Wasser, Nährsalzen und Kohlensäure die Stoffe zu bereiten, aus denen sie sich aufbauen. Da sich aber in keinem Teile des Pilzes auch nur eine Spur von Blattgrün findet, ist er genötigt, diese Stoffe in fertiger Form aufzunehmen. Er entzieht sie dem Boden, in dem sich sein Fadengeflecht ausbreitet, und in dem pflanzliche und tierische Stoffe faulen: Er ist eine Verwesungspflanze. In gleicher Weise ernähren sich die meisten andern Hutpilze. Einige, wie der Hallimasch und der Feuerschwamm (s. w. u.), schmarotzen allerdings in andern leben- den Pflanzen, die Mehrzahl von ihnen aber finden wir vornehmlich an Orten, an denen sich verwesende Stoffe anhäufen. Dies ist nun ganz besonders im Walde der Fall. Sein Boden ist zumeist von einer dieken Schicht modernder, d. i. verwesender Stoffe (Laub, Zweige, abgestorbene Teile der Moose u. dgl.) bedeckt, und der ihm oft ent- steigende Moderduft zeigt zur Genüge, daß hier die Verwesung in vollem Gange ist. Der Wald ist daher die eigentliche Heimat der Hutpilze. Da sie infolge des fehlenden Blattgrüns des Lichtes nicht bedürfen, treffen wir sie selbst an den dunkelsten Stellen des Waldes an, also an Örtlichkeiten, an denen keine grüne Pflanze mehr leben kann. 3. Wie uns das häufige Auftreten des Champignons in Mistbeeten zeigt, gedeiht er am liebsten in Boden, der reich an Pferdedünger ist. Will man den wertvollen 3923 Fadenpilze. Pilz züchten, so bietet man ihm daher solchen Dünger, den man zuvor in gewisser Weise zubereitet hat, in Menge dar. In die Kästen, Verschläge und Gruben, die man mit dem Dünger füllt, bringt man etwas von dem Fadengeflechte („Champignonbrut‘), das bald die ganze Düngermasse durchwuchert und die begehrten Fruchtkörper, die „Champignons“, hervorbringt. In der Regel benutzt man zur Zucht des geschätzten Pilzes dunkle Räume, Keller, Schuppen u. dgl. In Frankreich, wo die Champignonzucht ganz besonders in Blüte steht, verwendet man dazu besonders Höhlen, Steinbrüche, nicht mehr „befahrene“ Bergwerke und ähnliche Örtlichkeiten. 4. Die tägliche Erfahrung lehrt, daß die Verwesung durch Wärme und Feuchtigkeit begünstigt wird. Wenn daher im Sommer und Herbste nach Regentagen warme Witterung eintritt, ist dieser Vorgang im Boden am lebhaftesten. Dann findet also auch der (im Freien wachsende) Champignon die meiste Nahrung. Sein Fadengeflecht zeigt infolgedessen jetzt das lebhafteste Wachstum, und für ihn ist daher nun auch die Zeit gekommen, seine Fruchtträger zu bilden, die alsbald „wie Pilze aus der Erde hervorschießen“. Dasselbe gilt auch von den Pilzen des Waldes: Spätsommer und Herbst sind die „Pilz- oder Schwammzeit“. — Der Champignonzüchter bietet seinen Pflanzen stets die ihnen zu- sagende Wärme (13—18° G.) und die nötige Feuchtigkeit. Er kann da- her auch zu jeder Jahreszeit „Uhampignons“ ernten. 5. Wie schon erwähnt, gehen die Fruchtkörper des Champignons nach dem Ausstreuen der Sporen alsbald in Fäulnis über, d. h. sie zerfallen in einfache Stoffe, aus denen die mit Blattgrün ausgerüsteten Pflanzen ihren Körper aufbauen. Dieser Zerfall geht nun sehr schnell vor sich — schon nach wenigen Wochen findet man von Fruchtträgern, die man ins Freie gelegt hat, meist keine Spur mehr —, viel schneller als bei andern Pflanzenteilen (Blättern, Zweigen usw.). Indem der Champignon „halb- zersetzte“ Tier- und Pflanzenstoffe aufnimmt und daraus seine schnell vergänglichen Fruchtkörper aufbaut, macht er die in den toten Pflanzen und Tieren aufgespeicherten Stoffe höhern Pflanzen und damit auch den Tieren (Pflanzenfressern, Fleischfressern) bald wieder zugänglich, oder anders ausgedrückt: er beschleunigt den „Kreislauf der Stoffe“ in der Natur, der in letzter Linie auf die Tätigkeit der niedrigsten Pilze zurückzuführen ist (s. S. 408). — Eine gleiche Bedeutung im Naturganzen haben alle andern Hutpilze (also auch die giftigen!. (Ganz besonders groß ist die der Waldpilze, deren schnell zerfallende Fruchtkörper in pilzreichen Jahren ja in erstaunlichen Massen aus dem modernden Grunde hervorbrechen. Andre Ständerpilze. Ein Gang durch Feld und Flur, besonders aber durch den herbst- lichen Wald zeigt uns, welche außerordentliche Mannigfaltigkeit in der Welt der Pilze herrscht. Es können hier daher nur die wenigen Formen berücksichtigt werden, die uns entweder als wohlschmeckende Speise dienen, oder deren Genuß dem Menschen schwere Eıkrankung, nicht selten sogar den Tod bringt. Tafel 40. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. EN TE N BR 5. 1. Knollenblätterpilz. 2. Fliegenpilz. FRFR:: 3, Hallimasch. En 4, Parasolpilz. 5. Feuerschwamm. 6. Flaschenbovist. Fadenpilze. 393 Ein Merkmal, durch das sich die giftigen Pilze von den eß- baren unterscheiden, gibt es nicht. Man muß sie kennen lernen, genau wie die Beerenfrüchte unsrer Heimat (Tollkirsche, schwarzer Nacht- schatten; Erdbeere u. a.). Auch ist wohl zu beachten, daß ganz harm- lose Pilze Vergiftungserscheinungen hervorrufen können, sobald sie in Verwesung übergehen. Darum sollten nur junge Pilze und zwar kurz nach dem Einsammeln verspeist werden. Selbst das Stehen- lassen der Pilze bis zum nächsten Tage hat oft schon großes Unheil an- gerichtet! Je nach dem Orte, an dem sich die sporenbildende Trägerschicht be- findet, lassen sich leicht bestimmte Pilzgruppen unterscheiden. 1. Blätterpilze: Die Fruchtschicht überzieht (wie beim Champignon) senk- recht gestellte Blätter oder Lamellen der Hutunterseite. An denselben Stellen, an denen der Feld-Champignon auftritt, aber auch in Wäl- dern und Gebüschen findet sich sein nächster Verwandter, der weiße Schaf-Ch. (P. ar- vensist). Er ist gleichfalls eßbar und von jenem durch den hohlen Stiel leicht zu unterscheiden. — Diesen beiden Pilzen ist der überaus giftige Knollenblätterpilz (Amanita bulbösa?), besonders im Jugendzustande ziemlich ähnlich (s. Taf. 40, 1). Auf seinen Genuß sind die meisten Vergiftungen zurückzuführen. An den weißen Blättern, dem unten angeschwollenen Stiele und dem unangenehmen Ge- ruch nach Rettich oder austreibenden („keimenden‘) Kartoffelknollen ist er jedoch sicher zu erkennen. Wie man an jungen Exemplaren sehen kann, sind Hut und Stiel von einer gemeinsamen Hülle schützend umgeben. Bei weiterm Wachs- tume wird die Hülle gesprengt und bleibt auf dem gelblichen bis weißen Hute meist als Fetzen und an dem knolligen Teile des Stieles als häutige Scheide zurück, beides Merkmale, die dem Champignon gleichfalls stets fehlen. — Beim Fliegenpilz (A. muscaria?; Taf. 40, 2) bilden die Reste der Hülle weiße Flocken auf dem schar- lachroten Hute. Dieser gleichfalls giftige Pilz erscheint in Wäldern oft in großer Menge. Früher legte man ihn in Milch, die man zum Töten der Fliegen verwendete. — Giftig ist wahrscheinlich auch der Speiteufel (Russula emeötica®), der besonders in Wäl- dern wächst. Er ist meist von rotbrauner, kirschroter oder blutroter Färbung, besitzt keinen Ring und riecht unangenehm. — An Baumstümpfen bricht der ungenießbare Schwefelkopf (Hypholöma fasciculäre°’) hervor, der früher für giftig galt. Er wächst in dichtem Rasen, ist vorwiegend schwefelgelb und zeigt ausgebildet schwarz-grüne Blätter. — Neben diesen und einigen weiter unten genannten Arten gibt es aber weit mehr durchaus unschädliche Blätterschwämme, die wie der Champignon z. T. sogar eine vortreffliche Speise für den Menschen bilden. Unter diesen dürfte der Gelbling, Pfifferling oder Eierpilz (Cantharellus eibärius®; Taf. 39, 2), der besonders im Nadel- walde oft in großen Trupps anzutreffen ist, wohl wieder der wichtigste sein. Die dotter- gelbe Färbung und die am Stengel herablaufenden Blätter sind sichere Erkennungs- zeichen. — Der sehr ähnliche falsche Gelbling (C. aurantiacus’), den man früher für giftig hielt, unterscheidet sich von ihm leicht durch eine deutliche Orangefärbung. — Hochgeschätzt wird ferner der Reizker (Lactäria deliciösa°; Taf. 39, 3). Er hat einen meist ziegelroten Hut, der mit orangefarbenen oder grünlichen Ringen geziert ist. Bei Ver- letzungen tropft aus ihm ein rotgelber Milchsaft hervor, während sein „Doppelgänger“, der zottige Reizker (L. torminösa?), verwundet eine weiße, sehr scharf schmeckende 1) arvensis, auf dem Felde wachsend. 2) amanita von amanites, Pilz; bulbosus, knollig. 3) musca- rius, Fliegen-. 4) russulus, rötlich; emeticus, Brechen erregend. 5) hypholoma: hyph£, hıjphos, Ge- webe und löma, Saum (am Kleide), weil Teile des Schleiers am Hutrande als Fasern zurückbleiben,, faseieulus, kleines Bündel (in Büscheln wachsend). 6) cantharellus: käntharos, Becher und -ellus, Verkleinerungssilbe; eibarius, eßbar. 7) awräntium, Orange. 8) lactarius, milchig; delieiosus, köst- lich. 9) torminosus, an der Ruhr leidend (die Ruhr verursachend). 394 Fadenpilze. Milch absondert. Er wurde früher allgemein für giftig gehalten und daher als „Gift- reizker“ bezeichnet, ist aber nach vorheriger Abkochung völlig unschädlich. — Eßbar ist auch der Parasolpilz (Lepiöta procera'), solange er jung ist. Er gleicht anfangs einem Paukenschlegel, breitet dann aber seinen braungeschuppten Hut wie einen Schirm („Schirmpilz“) aus. Die prächtigen Gebilde, die eine Höhe von mehr als !/; m erreichen können, finden sich nicht selten an lichten Waldstellen und auf Grasplätzen. — Ein geschätzter Speisepilz ist ferner das überall häufige Stockschwämmehen (Pholiöta mutäbilis?), das einzeln oder in Gruppen aus alten Baumstümpfen hervorbricht und eine vorwiegend lederbraune Färbung zeigt. — Verspeist wird auch der stattliche Halli- masch (Armilläria mellea°), dessen honiggelbe bis braune Hüte mit dunklern, ab- wischbaren Schüppchen bedeckt sind. Er lebt sowohl in abgestorbenen, als auch in lebenden Baumstämmen und -wurzeln und fügt dem Walde oft großen Schaden zu. Das von seinem Fadengeflecht durchzogene Holz leuchtet im Finstern lebhaft. 2. Röhrenpilze: Die Fruchtschicht überzieht die Wandungen von Röhren oder Löchern. Das Charakteristische dieser Pilzgruppe können wir leicht am Steinpilze (Boletus edulis*; Taf. 39,4) erkennen, der in Laub- und Nadelwäldern vorkommt und einer unsrer wertvollsten Speiseschwämme ist. Auf der Unterseite des Hutes finden wir eine leicht abtrennbare Schicht zahlreicher Röhren, deren Mündungen als feine Löcher erscheinen. Die Röhren sind — wie ein mikroskopischer Schnitt zeigt — mit der Fruchtschicht ausgekleidet. Der dickfleischige Pilz hat einen knolligen, hellbräunlichen und meist netzaderig gezeichneten Stiel und einen heller oder dunkler mattbraun gefärbten Hut. Die anfangs weiße Röhrenschicht wird später gelblich und schließlich grünlich. — In der Gesellschaft des Steinpilzes finden sich meist noch zahlreiche andre Glieder seiner Gattung. Von diesen Pilzen sind alle die eßbar, deren Stiel einen Ring besitzt, und von den ringlosen Arten wieder diejenigen, die beim Zerbrechen nicht sofort die Farbe ändern. — Zu den ungenießbaren Formen gehört der überaus giftige Satanspilz (B. sätanas?), der in vielen Gegenden jedoch nur selten angetroffen wird. Er ist dem Steinpilze sehr ähnlich, hat aber einen gelben, mit netzartigen, blutroten Flecken bedeckten Stiel und eine gleichfalls blutrote Röhrenschicht. Sein Fleisch wird beim Durchschneiden rötlich und schließlich dunkelblau. An Baumstämmen finden sich die konsolförmigen Fruchtkörper von Pilzen, deren Fadengeflecht im Holze der Bäume schmarotzt und dieses nach und nach zerstört. Da die Fruchtkörper mehrjährig sind, erscheinen sie als feste, widerstandsfähige Ge- bilde. Sie erhalten alljährlich eine Verdickungsschicht mit einem Röhrenlager, so daß uns ihre eigentümliche Form wohl verständlich wird. Aus den Fruchtkörpern mehrerer dieser Pilze, besonders des Feuerschwammes (Polyporus fomentärius®; Taf. 40, 5), stelt man den leicht brennbaren Zunder in der Weise her, daß man die weiche Innenmasse in Scheiben schneidet, stark klopft und mit Salpeterlösung tränkt. — Ein Röhrenpilz ist auch der berüchtigte Haussechwamm (Merülius lacrymans’), dessen Fadengeflecht das Holzwerk der Häuser nicht selten gänzlich zerstört und sehr große, lappenförmige Fruchtkörper bildet. Da er wie alle Pflanzen ohne Wasser nicht leben kann, darf nur trocknes Holz zum Bauen verwendet und in den Gebäuden eine sorgfältige Lüftung nie verabsäumt werden. 3. Stachelpilze: Die Fruchtschicht überzieht stachelartige Auswüchse. Dies ist leicht am Habichtschwamme (Hydnum imbricätum°®) zu sehen, der fast in jedem Nadelwalde vorkommt. Die kleinen Stacheln finden sich auf der Unterseite 1) Zepiota von lepion, Schüppchen; procerus, schlank. 2) pholiota von pholts, Schuppe; muta- bilis, veränderlich. 3) armillaria von armilla, Ring, Armband (mit Ring versehen); melleus, honig- gelb. 4) boletus, Pilz; edulis, eßbar. 5) satanas, Satan. 6) polyporus: poly, viel nnd pöros, Pore (Loch); fomentarius von fomentum, Zunder. 7) merulius von merülino, eigentl. Morchel; lacrimans, weinend, tränend, träufelnd (scheidet Wasser aus). 8) hydnon, bei den Griechen ein eßbarer Pilz; imbricätus, hohlziegelförmig (mit ziegelähnlichen Schuppen). Fadenpilze. 395 des schokoladebraunen Hutes, der mit mehreren kreis- förmigen Reihen großer Schuppen bedeckt ist. Die Stacheln laufen noch ein Stück an dem weißgrauen Stiele herab und stehen so dicht, daß sie der Hutunter- a m . . n . It u‘ LIRIRHRTL TR seite das Aussehen eines Rehfelles verleihen (daher auch A N BAHR NG „Rehpilz“). — Von den andern Arten der Gruppe, unter denen sich keime giftige befindet, wird besonders der Semmelpilz (H. repandum!) in jungen Exemplaren ge- sammelt. Er trägt seinen Namen nach den gelblichen Hüten, von denen oft mehrere miteinander verschmelzen und meist gruppenweise den Waldboden durchbrechen. 4. Keulenpilze: DieFruchtschichtüberkleidet die Oberseite der keulen- oder korallenförmigen Fruchtkörper. Die Pilze dieser Gruppe sind jung sämtlich eßbar. Am meisten wird der gelbe Ziegenbart, Korallenpilz oder Hahnenkamm (Claväria flava°) geschätzt, der in Laub- und Nadelwäldern anzutreffen ist. Seine gelblichen Fruchtkörper spalten sich in zahlreiche Äste, die sich wiederholt in kleinere Zweige teilen. So entstehen prachtvolle, korallen- artige Gebilde von größter Zartheit und oft be- trächtlichem Umfange. 5. Bauchpilze: Die Fruchtschicht über- zieht die Wände von Hohlräumen oder Kammern im Innern der Fruchtkörper. Gelber Ziegenbart (verkl.). Stellt man durch einen jungen Bovist (Bovista?), wie er sich auf Wiesen als weiße Kugel überall findet, dünne Schnitte her, so sieht man bei Anwendung des Mikroskops, daß der Körper ge- kammert ist, und daß die Wände der Hohlräume („Bauchpilze“) dicht mit sporenbildenden Ständern besetzt sind. Bei der Reife werden die innern Wände aufgelöst. Dann reißt die äußere Hülle an der Spitze auf, so ii daß der Wind das braune Sporen- Eierbovist, von außen u. durchschnitten (verkl.). pulver verwehen kann. Jung sind die Boviste wie zahlreiche andre Bauchpilze eßbar. Von den zahlreichen Arten ist hierneben der Eierbovist (B. nigrescens®) und auf Taf. 40, 6 der gleichfalls allbekannte Flaschen- bovist (Lycoperdon gemmätum?’) abgebildet. — Giftig ist allein der Kartoffelbovist (Scleroderma vulgäre‘®), der häufig auf Sandboden vorkommt. Die festen Fruchtkörper haben das Aussehen von Kartoffelknollen, sind innen zuletzt aber ganz schwarz und werden betrügerischerweise daher nicht selten den Trüffeln beigemengt. 1) repandus, ausgeschweift. 2) clavaria von cläava, Keule; flavus, gelb. 3) aus dem deutschen Worte Bovist (unerkl.) gebildet. 4) nigrescens, schwärzlich werdend. 5) Iyeoperdon: lıykos, Wolf und p»erdo, auslassen (Sporen!); gemmatus, mit Perlen (gemma) versehen (die Hülle ist gekörnelt). 6) skleroderma: sklerös, hart und derma, Haut; vulgaris, gemein. 396 Fadenpilze. 3. Unterklasse. Sehlauchpilze (Ascomyestes'). Fadengeflecht mehrzellig. Sporen bilden sich (gewöhnlich in einer Anzahl von je 8) im Innern schlauchartiger Zellen. 1. Während der Frühlingsmonate brechen in Wäldern, auf Wiesen und in Gärten Fruchtkörper von Pilzen aus dem Boden, die wesentlich anders aussehen als die der bisher betrachteten Arten. Es sind die überall hochgeschätzten, schmackhaften Moreheln (Morchella?).. Auf y£ einem Stiele erhebt sich — je nach der Art — ein kegelförmiger oder abgerundeter Hut von meist grauer bis brauner Färbung. Die Oberfläche des hohlen und sehr brüchigen Hutes ist durch netzartige Rippen in zahlreiche Gruben geteilt. Die auf Taf. 39, 5 ab- gebildete Form ist die Spitz-M. (M. cönica?). Stellt man durch die Wand des Hutes dünne Querschnitte her, so sieht man bei Anwendung des Mikroskops, daß die grubigen Vertiefungen außen mit einer Fruchtschicht überkleidet sind. Die Sporen werden hier aber nicht wie beim Champignon und seinen Verwandten an der Spitze von Ständern, son- dern im Innern langgestreckter, schlauchartiger Zellen Teil aus der Frucht- gebildet. Zwischen diesen Schläuchen, in denen ea wir je 8 Sporen zählen, beobachten wir wie beim und drei Zwischen. Champignon zahlreiche unfruchtbare Zwischenzellen. zellen. Bei der Reife schwellen diese Gebilde stark an, so daß sie einen Druck auf die Schläuche ausüben. Da sich diese jetzt nun an der Spitze geöffnet haben, werden die Sporen mit einer gewissen Gewalt herausgeschleudert und somit dem Winde über- antwortet, der ihre Verbreitung besorgt. Als „Morchel“ kommt vielfach auch die Speise-Lorchel (Gyromitra esculenta®; Taf. 39, 6) in den Handel, die, nach mehrtägigem Regen gesammelt, nicht selten Ver- giftungen hervorgerufen hat. Sie wächst in Nadelwäldern und ist an dem unregel- mäßig gelappten Hute zu erkennen, der zahlreiche „darmartige“ Auftreibungen zeigt. AO) zul mr I o „! 2 \ Trüffel, 1. von außen, 2. im Durchschnitt (nat. Gr.). 3. Drei Schläuche, von denen 2 je 4 Sporen enthalten (Vergr. etwa 450 mal). 1) askös, Schlauch und mijkes, Pilz. 2) von dem deutschen Worte Morchel. 3) konikös, kegel- förmig. 4) gyromitra: gyrös, rand und mitra, Kopfbinde, Haube (Hut mützenförmig herabgeschlagen); esculentus, eBbar. Fadenpilze. 397 3, Viel höher noch als die Morcheln werden die Trüffeln (Tuber') geschätzt, die zu den feinsten Delikatessen und Küchengewürzen zählen. Es sind dies die Frucht- körper von Pilzen, deren Fadengeflecht sich im Waldboden ausbreitet. Sie haben das Aussehen von Kartoffelknollen, sind von einer warzigen Hülle umkleidet und besitzen im Innern zahlreiche Kammern, deren Wände mit Sporenschläuchen bedeckt sind. Da die Trüffeln stets unterirdisch bleiben, kann die Verbreitung der Sporen auch nicht durch den Wind geschehen wie bei den meisten andern Pilzen; wühlende Tiere allein ver- mögen diese Arbeit zu leisten (Wildschwein, Dachs, Mäuse, Regenwürmer u. a.). Hiermit stehen auch folgende Tatsachen im innigsten Einklange: Die Trüffeln finden sich erstlich nur dort, wo sie den Wühlern leicht zu- gänglich sind, nämlich nahe der Erdober- fläche; sie sind zweitens — ähnlich wie die Früchte, die Vögel zur Verbreitung ihrer Samen anlocken — fleischige, saftige Ge- bilde, die von den Tieren gern verzehrt werden; sie besitzen drittens einen auffallend starken Duft, wodurch sie den Tieren ihre Anwesenheit gleichsam anzeigen, und ihre Sporen sind viertens mit stacheligen oder netzförmigen Erhöhungen bedeckt, so dab sie ihren Verbreitern leicht und sicher an- haften. Um die begehrten Fruchtkörper zu entdecken, bedient sich der „Trüffeljäger“ besonders der Hilfe abgerichteter Schweine oder Hunde, die ja mit einem sehr scharfen Geruche begabt sind. Die wertvollen Trüffel- pilze bewohnen vorwiegend Eichen- und Buchenwälder im Westen unsrer Heimat. Die meisten Trüffeln kommen jedoch aus Süd- frankreich und Italien zu uns. 3. In den Ähren verschiedener Gräser, besonders des Roggens, findet man nicht selten schwärzliche, große Körper, die bekanntlich als Mutterkorn bezeichnet werden. Sie verdanken ihre Entstehung einem Pilze, dem Mutter- kornpilze (Cläviceps purpürea?), der eine sehr merkwürdige Entwicklung durchläuft. Geht man im Frühlinge auf das Feld, so findet man sicher Roggenähren, in denen ein Frucht- knoten süßen Saft ausscheidet. Dieser Mutterkornpilz und seine Entwick- lung. 1. Roggenähre mit Mutterkorn (verkl.). 2. Pilzfäden, die Sporen abschnü- ren (etwa 300 mal vergr.). 38. Mutterkorn mit Fruchtkörpern (nat. Gr.). 4. Längs- schnitt durch das Köpfchen eines Frucht- körpers mit zahlreichen flaschenförmigen Höhlen (12 mal vergr.). 5. Eine solche Höhle mit Sporenschläuchen (60 mal vergr.).. 6. Ein Sporenschlauch mit 8 Sporen (400 mal vergr.). Honigtau wird wie alle Süßigkeiten von zahlreichen Insekten gern 1) Beule, Knolle. 2) claviceps: cläva, Keule und -ceps, köpfig; pwrpwreus, purpurn. 398 Fadenpilze. aufgesucht. (Man braucht oft nur den Flug der Honigbiene zu verfolgen, um eine solche Ähre zu entdecken!) Wie die mikroskopische Unter- suchung leicht zeigt, ist dieser Fruchtknoten von Pilzfäden durch- zogen, die an der Oberfläche zahlreiche kleine Sporen abschnüren. Indem nun die Insekten den süßen Saft lecken und zu andern Ähren fliegen, nehmen sie sicher auch Sporen mit, die dort dieselbe Erkran- kung hervorrufen. Der Honigtau ist — dem Honig der Blüten und dem saftigen Fleische der Früchte vergleichbar — also ein Anlockungs- mittel für die Verbreiter des Pilzes. Mit dem Absterben des Roggen- halmes geht dem Schmarotzer aber die Nahrung aus! Fruchtknoten von andern Gräsern, in denen er allein leben kann, findet er erst im nächsten Frühjahre wieder. Wie rettet er sich nun auf diese Zeit hinüber? Be- vor der Roggen zu reifen beginnt, legen sich die Pilzfäden besonders im untern Teile des Fruchtknotens eng zusammen und wachsen zu einem fast holzharten Körper aus: das ist das Mutterkorn, das auf oder im Ackerboden die Unbilden des Winters leicht übersteht. Bewahrt man ein solches Gebilde während dieser Zeit in einem Blumentopfe mit Erde auf, der im Freien aufgestellt ist, so bemerkt man, daß es zur Zeit der nächsten Roggenblüte gleichsam neues Leben bekommt: Aus den auf- gespeicherten Vorratsstoffen entwickeln sich langgestielte, rötliche Frucht - körper von der Größe eines Stecknadelkopfes, die in flaschenförmigen Höhlungen zahlreiche Sporenschläuche erzeugen. Die aus den Schläuchen hervortretenden, langgestreckten Sporen werden durch den Wind ver- weht, und die Erkrankung der Fruchtknoten zeigt sich alsbald von neuem. Der Landmann bringt mit dem Mutterkorne also einen gefährlichen Feind auf seinen Acker. Da es zudem ein heftiges Gift ent- hält, das, im Brote genossen, schon oft schwere Er- krankungen hervorgerufen hat, sollte es aus dem ein- geernteten Getreide sorgfältig entfernt werden. In der Hand des erfahrenen Arztes dagegen ist es ein wich- tiges Heilmittel. 4. Brot, eingemachte Früchte, Fleischwaren, Tinte usw. werden von dem gemeinsten aller Schimmelpilze, dem Pinsel- oder Brotschimmel (Penicillium erustäceum'), oft wie mit einer dicken, blaugrünen Decke überzogen. Indem er diesen Körpern Sauerstoff zuführt, bedingt er deren Verwesung, die für sein Wachstum notwendig ist. Untersucht man ein wenig von dem Pilze unter dem Mikroskope, so sieht man ein dichtes Faden- geflecht, aus dem sich zahlreiche senkrechte Fäden erheben. Pinselschimmel Da sich diese Fäden an der Spitze wiederholt teilen und an (etwa 300 mal vergr.). den Enden zahlreiche Sporen abschnüren, erscheint das Ganze — worauf auch der erstgenannte Name hindeutet — wie ein kleiner Pinsel. Die Sporen, die der Pilzmasse die blaugrüne Färbung verleihen, werden leicht durch den Wind verweht. Und da es an geeigneten Stellen für den Pilz nirgends fehlt, ist er auf der ganzen Erde zu finden. Bisweilen erscheinen in dem Faden- 1) penieillium von penieillum, Pinsel; erustaceum von erüsta, Kruste. Fadenpilze. 399 geflechte winzige, trüffelartige Körperchen mit sporenbildenden Schläuchen, eine Tat- sache, die die Einreihung des ungebetenen Gastes in die Gruppe der Schlauchpilze verständlich macht. Die Blätter der Getreidearten, Hülsenfrüchtler, Rosen und vieler andrer Pflanzen findet man nicht selten wie mit einem weißen Schimmel überzogen: Es ist das Fadengeflecht zahlreicher Meltaupilze (Erysiphe'). Von diesen spinngewebeartigen Fäden dringen Fortsätze in das Innere der Blätter ein. Da sie diesen Nahrung entziehen, fügt der Schmarotzer den befallenen Gewächsen oft großen Schaden zu. Von den Fäden erheben sich andrerseits auch Seitenzweige, die an ihrer Spitze Sporen abschnüren. Indem diese winzigen Körperchen durch den Wind verweht werden, gelangt der Pilz auf andre Pflanzen. Neben dieser ungeschlecht- lichen Vermehrung kommt bei den Meltaupilzen, wie bei zahlreichen andern Gliedern der vielgestaltigen Schlauchpilze auch eine geschlecht- liche Fortpflanzung vor, die ganz ähnlich wie bei der früher besprochenen Schlauchalge verläuft: An benachbarten Fäden entsteht je ein männliches und ein weibliches Organ (Antheridium und Oogonium); indem nun der Inhalt des erstern in letzteres einwandert, wird dieses befähigt, sich zu einem Körper zu entwickeln, in dem sich ein oder mehrere Sporen- schläuche ausbilden. Vielfach treten beide Vermehrungsweisen völlig getrennt voneinander auf, und letztere ist zudem meist nur selten zu beobachten. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß man von einem der gefürchtetsten Schmarotzer, dem Rebenmeltau (Uncinula necätor?), bis vor kurzem nur die ungeschlechtliche Form (Oidium Tückeri°) kannte, der bereits S. 122 gedacht worden ist. — Auf den Blättern und den Früchten des Apfel- und des Birnbaumes erscheinen oft schwarze, wollig aussehende Flecke, die allmählich größer werden. Dieser Schorf ist das Werk eines Pilzes (Fusicladium®), der sich gegenwärtig in auf- fallender Weise ausbreitet. Die schorfkranken Blätter vermögen die ihnen obliegenden Arbeiten nur unvollkommen zu verrichten, so daß die unan- sehnlichen Früchte klein bleiben und vorzeitig abfallen. — Auch die als Taschen oder Narren bezeichneten Mißbildungen der Pflaumen wer- den durch einen Schlauchpilz (Taphrina pruni?) verursacht. 5. Zerteilt man ein Körnchen Preß- hefe in Wasser, und untersucht man darauf einen Tropfen der trüben Flüssig- keit unter dem Mikroskope, so bemerkt man darin Tausende von farblosen, kugeligen Zellen, von denen jede ein „Pflänzechen“ der Bierhefe (Saccharo- myces cerevisiae°®) darstellt. Bringt man etwas Preßhefe in eine zuckerhaltige Flüssigkeit, so tritt alsbald eine starke 1) Meltau. 2) uneinula: uneinus, Haken und -ulus, Verkleinerungssilbe; necator, Mörder. 3) oidium.: oön, Ei und -idium, Verkleinerungssilbe; Tuckeri, nach dem engl. Gärtner Tucker, der die Krank- heit zuerst beobachtete. 4) fuüsus, Spindel und kld- dion, kleiner Schößling. 5) taphrina von taphros, Graben (?) undpruni, des Pllaumenbaumes. 6)saccharo- Be myces : saccharıum, Zucker und mijkes, Pilz; cerevisiae, Schorfkrankes Blatt des Bieres. des Birnbaumes. Paar me Getreideblatt mit Meltau., 400 Fadenpilze. Vermehrung der Hefemasse ein: An den Zellen bilden sich Ausstülpungen, die zur Größe der Mutterzellen heranwachsen und sich schließlich von ihnen trennen. Erfolgt eine solche Abschnürung nicht, und treiben die Tochterzellen abermals Tochterzellen, so entstehen kleine Zellkolonien. Gleichzeitig geht mit der Flüssigkeit eine starke Veränderung vor sich: Ihr entsteigt, wie durch Kalkwasser leicht nachweisbar ist, unter Schäumen und Brausen Kohlensäure, und der süße Geschmack verliert sich immer mehr. Dafür stellt sich aber bald der bekannte Spiritus- oder Alkoholgeruch ein: Die Bierhefe hat den Zucker in Alkohol und Kohlensäure gespalten, ein Vorgang, der als alkoholische Gärung bezeichnet wird. Auf dieser Fähigkeit der Bierhefe beruht das Brauen des Bieres, sowie die Herstellung des Branntweines. Bierhefe 1. Eine Zelle mit Im großen gezüchtet und möglichst getrocknet, einer Ausstülpune. 2. Eine Kommt der Pilz als „Preßhefe“ in den Handel, Kolonie von Zellen. 3. Drei die namentlich beim Backen des Kuchens Ver- Zellen mit Sporen (Lu.2et- wendung findet. Alkohol und Kohlensäure, die gs nal a 1W00mal hierbei gleichfalls gebildet werden, treiben die zähen Teigmassen auseinander, so daß ein lockeres, bekömmliches Gebäck entsteht. Bringt man eine dünne Schicht Bierhefe auf eine Gipsplatte, die man nur mit reinem Wasser befeuchtet und mit einer Glasglocke überdeckt, so spaltet sich der Inhalt jeder Zelle in meist 4 Sporen (Schlauchpilz!. Da diese sehr dicke Wände besitzen, vermögen sie lange Zeit hindurch Trockenheit zu ertragen und ohne Nahrung weiter zu leben. Die Sporenbildung ist also ein Mittel, durch das sich der Pilz vor dem Untergange schützt. Im Freien kommt die Bierhefe nicht vor. Sie ist eine uralte „Kulturpflanze* von unbekannter Herkunft, und wie die meisten unsrer Nutzpflanzen bildet sie zahlreiche „Rassen“, von denen jede dem Biere gewisse Eigentümlichkeiten verleiht. Dasselbe gilt für die Weinhefe (S. ellipsoideus'), die aber — wie bereits S. 122 erwähnt — im Freien vorkommt. Daher gärt der Most „von selbst“. — Auch die Hefepilze, die die Gärung der Fruchtweine verursachen, gelangen mit den Früchten in den ausgepreßten Saft. — Beim Backen des Schwarzbrotes verwendet man schon seit den ältesten Zeiten einen gärenden Mehlteig, den sog. Sauerteig, der von zahl- reichen Hefe- und Spaltpilzarten (s. w. u.) bevölkert ist. Er bewirkt bekanntlich das „Aufgehen“, sowie das Sauerwerden des Brotteiges. Ersteres ist auf die oben er- wähnte Entstehung von Alkohol und Kohlensäure, letzteres wahrscheinlich auf die Tätigkeit der Spaltpilze zurückzuführen. 1) ellipsoideus: elleipsis: Ellipse und -2deus, ähnlich (Form der Zellen!) Fadenpilze. 401 3. u.4.Unterklasse. Rost- und Brandpilze (Uredinäceae? u. Ustilaginäceae?). Fadengeflecht mehrzellig, Schmarotzer höherer Pflanzen. Die Sporenmassen bilden an der Wirtspflanze rostartige Stellen oder lassen gewisse Teile der befallenen Pflanzen wie verbrannt erscheinen. 1. Rostpilze. An den Getreidearten sowohl, wie auf wildwachsen- den Gräsern findet man vom Juni ab nicht selten gelbe, braune oder schwarze Flecken und Streifen, die wie Rostflecke aussehen. Die mikro- skopische Betrach- tung dünner Quer- schnitte zeigt uns, daß Blätter und Stengel dieser Pflan- zen von zahlreichen Pilzfäden durch- zogen sind, die hier und da die Oberhaut durchbrechen, ins Freie treten und da- selbst je eine Spore abschnüren. Die Sporenmassen, die dem unbewaffneten Auge als jene Rost- flecke erscheinen, befinden sich also im Bereiche ihres Verbreiters, des Windes. Da sich der Pilz auf Kosten seines „Wirtes* er- nährt, verkümmern B Getreiderost. 1. Rostkrankes Getreideblatt. 2. Sommersporen (Vergr. 100 ma). 3. Wintersporen (Vergr. 100 mal). 4. Zwei Winter- die befallenen Pflan- sporen. Die obere zen oder gehen wohl Spore beginnt, gar zugrunde. einen Pilzfaden zu treiben; an dem vollkommen entwickelten Die Rostkrank- Faden der untern Spore haben sich 4 Frühjahrssporen ge- : eo bildet (Vergr. 120 mal). 5. Berberitzenblätter mit „Becherchen“. Per des Getreides 6. Ein Becherchen von der Unterseite des Berberitzenblattes; weL 2 nun on mehrere Bechersporen haben sich bereits abgelöst (Vergr. 40mal). verschiedenenPilzen hervorgerufen, unter denen als Hauptverwüster der (echte) @etreide- rost (Puceinia gräminis?) hervorragt. Hat er sich einmal auf einem Felde eingefunden, so verbreiten seine gelben, roten oder hellbraunen Sporen die Krankheit schnell weiter. Wenn das Getreide zu reifen be- 1) von uredo, Brand (der Gräser). 2) von wstulädre oder ustiläre, anbrennen, ansengen. 3) Puceinia nach dem ital. Botaniker Puccini; yraminis, des Grases. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 26 402 Fadenpilze. ginnt, treten in den Rostflecken dunkelbraune Sporen auf, die infolge ihrer dieken Wände leicht zu überwintern vermögen (vgl. mit dem Mutter- kornpilze!). Die zuerst erzeugten dünnwandigen Sporen bezeichnet man zum Unterschiede von diesen Wintersporen als Sommersporen. Im nächsten Frühjahre treiben die Wintersporen, die immer zu zweien ver- einigt sind, je einen kurzen Pilzfaden, der wieder 4 farblose Frühjahrs- sporen erzeugt. Gelangen die durch den Wind verwehten winzigen Ge- bilde auf die Blätter der Berberitze, so keimen sie. Der Keimschlauch dringt in die Blätter ein und entwickelt sich zu einem Fadengeflecht, an dem auf der Blattunterseite bald kleine, rotgelbe Becherchen entstehen. In ihnen bilden sich am Ende senkrechter Pilzfäden Reihen von Becher- sporen, die wieder durch den Wind davon getragen werden. Fallen sie auf Getreide (oder gewisse wildwachsende Gräser), so rufen sie die Krank- heit von neuem hervor. Ist das im Herbste ausgesäte Wintergetreide von Sommersporen befallen, so wird es — ohne daß die Berberitze in den Entwicklungsgang des Pilzes eingeschaltet wird — im nächsten Sommer gleichfalls rostkrank. Auf jeden Fall aber darf der Strauch in der Nähe von Getreidefeldern nicht geduldet werden. „Brandiges“ Stroh ist zu verbrennen. Bemerkt mag noch sein, daß auch an der Oberfläche der Berberitzenblätter kleine „Becher“ entstehen, in denen winzige Sporen von unbekannter Bedeutung gebildet werden. Auf zahlreichen andern Pflanzen erzeugen andre Rostpilze ähnliche Erkrankungen. — Ein sehr gefähr- licher Schädling ist z. B. der Birnenrost (Gymno- sporangium sabinae'), der auf den Blättern des Birnbaumes die „Becher“ und auf dem Sadebaume die andern Entwicklungszustände bildet. — Der Erbsen- rost(Uromyces pisi°) wandert von derZypressen-W olfs- milch auf die Blätter der Erbsen und andrer Schmetter- lingsblütler. — Andre Rostpilze vollenden wieder ihre ganze Entwicklung auf ein und derselben Pflanze. 2. Die Brandpilze sind gleichfalls Schmarotzer höherer Pflanzen, und zwar vorzugsweise der Gräser. Während das Fadengeflecht die ganze Wirtspflanze durchzieht, erfolgt die Bildung der Sporen jedoch nur an einer bestimmten Stelle, in der Blüte, im Stengel usw. Die Sporen, die durch den Wind ver- breitet werden, bilden dunkle Massen, die die Be- zeichnung „Brandpilze“ durchaus rechtfertigen. Am häufigsten zu beobachten ist der Flug- oder Staub- brand (Ustilago°-Arten), der die Früchte besonders > || des Hafers, der Gerste und des Weizens zerstört. — Birnenrost. Blatt des Birn- Andre Brandpilze verursachen den Sehmierbrand baumes mit zahlreichen „Be- (Tilletia*-Arten): Die Getreidekörner scheinen äußerlich chern“. Daneben ein noch ge- unversehrt; innen aber sind sie mit einem schwarzen, schlossener „Becher“ (vergr.). übelriechenden und schmierigen Sporenpulverangefüllt. 1) gymnosporangium: gymnös, nackt und sporängium, Sporenkapsel; sabinae, des Sadebaumes. 2) wromyces: «ro, ich verbrenne und mijkes, Pilz;.pisi, der Erbse (Genetiv). 3) s. S. 401, Anm. 2. 4) nach dem franz. Botaniker Tillet (f 1791). Fadenpilze. 403 Flugbrand; 1.auf Hafer, 2.auf Roggen (auch Halm und Blätter Weizenähre mit sind von dem Schmarotzer befallen); 3. u. 4. auf Gerste. Bei der Schmierbrand. in Fig. 3 dargestellten Flugbrandart gelangen die Sporen erst Daneben ein zer- später ins Freie, wenn die „Haut“ der Gerstenkörner zerreißt. brochenes Korn. 5. Unterklasse. Algenpilze (Phycomyeetes'). Fadengeflecht besteht nur aus einer einzigen, meist stark verzweigten und oft sehr großen Zelle. ro. Ein Glied dieser umfangreichen Pilzgruppe, den Köpfehenschimmel (Mueor?), bekommen wir leicht zu Gesicht, wenn wir ein Stück ange- feuchtetes Brot, etwas frischen Pferdedünger, einige Tropfen Fruchtsaft oder andre feuchte organische Stoffe mit einer Glasglocke überdecken. Bereits nach Verlauf einiger Tage ist der zur Untersuchung verwendete Gegenstand mit einem weißen Schimmel überzogen (1). Wie das Mikroskop ‘zeigt, sind die Fäden dieses Geflechtes nicht durch Querwände in ein- zelne Zellen gesondert, sondern stellen genau wie die Schlauchalge eine einzige, allerdings vielfach verzweigte Zelle dar (Algenpilze!). 1) phykos, Tang, Alge und myjkes, Pilz. 2) Schimmel. 404 Fadenpilze. Von diesen Fäden erheben sich Seitenzweige in die Luft, die an ihren äußern Enden nach und nach zu je einem Köpfchen (2) anschwellen (Name!). Nachdem sich dieses Gebilde von seinem Träger durch eine vorgewölbte Querwand abgesondert hat, zerfällt sein Protoplasma in zahlreiche Sporen (3). Das bei der Reife gelbbraun bis schwarz erschei- nende Köpfchen ist also eine Sporen- kapsel (Sporangium). Indem seine Wandung platzt(4), werden die Sporen frei. Bei Arten, die auf tierischem 4. 5 Köpfcehenschimmel. S. Text. Dünger leben, wird sogar die ganze Sporenkapsel weit fortgeschleudert. Mehrfach ist neben dieser ungeschlechtlichen Vermehrung noch ein andrer interessanter Vorgang zu beobachten: An benachbarten Zweigen (die je nach der Art des Pilzes demselben Geflechte oder verschiedenen (teflechten angehören) entstehen kurze Seitenäste, deren keulenförmige Endabschnitte sich aneinander legen (5) und durch Querwände ab- geschnürt werden (6 u. 7). Indem die Inhalte dieser Zellen miteinander verschmelzen, bildet sich eine sehr diekwandige Spore (8), die nach längerer Ruhe keimt. Wir haben es hier — wie leicht zu erkennen ist — also => “ AN Kartoffelpilz: 1. erkrankte Kar- el e\ toffelblätter. 2. Sporenträger des 3” af Kartoffelpilzes, die aus einer Spalt- öffnung des Kartoffelblattes her- vortreten (etwa 150mal vergr.). Fadenpilze. 405 mit einem Falle von Konjugation zu tun, jener einfachsten Weise geschlechtlicher Fortpflanzung, wie sie sich z. B. bei der Schraubenalge gelegentlich der Bildung der Dauer- oder Jochsporen abspielt. Ein andrer Algenpilz, der Kartoffelpilz (Peronöspora infestans'), ruft die ge- fürchtete Kartoffelfäule hervor. Stellt man durch ein Blatt einer Kartoffelstaude, die von dieser Krankheit befallen ist, dünne Schnitte ‘ her, so ist mit Hilfe des Mikroskops leicht zu erkennen, daß es wie die ganze Pflanze von Fadengeflecht durchwuchert wird. Einzelne Äste des Geflechtes treten wie ein zarter Schimmel aus den Spaltöffnungen an der Unterseite der Blätter ins Freie, verzweigen sich und schnüren eine Anzahl Sporen ab, die, vom Winde verweht, schnell die Krankheit über das ganze Feld ver- breiten. Da der Pilz der Pflanze die Nahrung entzieht, bekommen die Blätter schwarzbraune Flecke, und alle oberirdischen Teile sterben meist vorzeitig ab. Infolgedessen bleiben die Knollen klein, so daß der Ernmteertrag meist sehr gering ist. Oft werden aber auch die Knollen selbst von der Krankheit erfaßt: Sie erhalten braune Flecke und verwandeln sich schließlich in eine jauchige, übelriechende oder in eine trockne, bröcklige Masse (nasse und trockne Fäule). Will man sich gegen den gefährlichen Feind schützen, so hat man vor allen Dingen zur „Aussaat“ nur vollkommen ge- sunde Knollen zu nehmen, sowie alle erkrankten von dem Felde zu entfernen und sorgfältig zu vernichten. — Ein andrer, gleichfalls sehr schäd- licher Algenpilz ist der sog. falsche Rebenmeltau (Plasmöpara viticola?), dessen bereits auf S. 123 gedacht worden ist. — Wirft man ein totes Insekt in Teich- oder Flußwasser, so bedeckt es sich | bald mit den Fruchtträgern des Wasserschimmels (Saprolegnia°-Arten). Dieser Pilz siedelt sich viel- fach auch auf den Kiemen der Fische an, so dab die Tiere schließlich zugrunde gehen. — Der Fliegenschimmel (Empüsa muscae®) tötet im Herbste große Mengen von Stubenfliegen. Man findet die Tiere dann an den Wänden und Fen- & stern kleben und von einem Kranze fortge- 2.4) schleuderter weißer Sporen umgeben, durch die die Krankheit schnell weiter verbreitet wird. a 33 Falscher Rebenmeltau. Aus einer Spaltöffnung des Wein- blattes treten mehrere Sporenträger hervor (stark vergr.). Wasserschimmel. 1. Kieme eines Weiß- fisches mit den Fäden des Pilzes. 2. Enden dreier Fäden, die Ent- stehung der Sporen- kapseln und das Aus- schwärmen der Sporen zeigend. 1) peronospora: peröne, Spitze, Dorn, Stachel und spöros, Spore; infestans, gefährdend. 2) plas- mopara: plasma, (Proto-)plasma und pdrere, gebären; witicola: vitis, Rebe und -cola, bewohnend. 3) saprös, faul und legnon, Saum (bildet einen Saum um den verwesenden Tierkörper). 4) empusa, ein blutsaugendes Gespenst; muscae, der Fliege (Genitiv). 406 Spaltpilze oder Bakterien. 2. Klasse. Spaltpilze oder Bakterien (Schizomyc6tes:). Pilze, die kein Fadengeflecht bilden, sondern nur einzellige, sehr kleine Wesen sind, die sich durch Zweiteilung vermehren. A. Vom Bau der Spaltpilze. 1. Verteilen wir von dem weißen Belage unsrer Zähne ein wenig in einem Wassertropfen, so erblicken wir bei starker mikroskopischer Vergrößerung zahlreiche farblose Gebilde, die man als Spaltpilze oder Bakterien bezeichnet. Es sind die kleinsten Lebewesen, die wir kennen; erreichen doch viele von ihnen noch nicht einmal 0,001 mm an Länge. Ihrer Größe nach verhalten sie sich also zum Menschen wie etwa ein Saatkorn zu einem der höchsten Alpenberge. 2. Bei sehr starker Vergrößerung erkennt man, daß der Körper der Spaltpilze aus je einer einzigen Zelle gebildet ist, die allerdings ver- schiedene Formen aufweist. So haben die Spaltpilze des Zahnbelages die Ge- stalt einer Kugel oder eines kürzern oder längern Stäbchens. Daneben treten in der Regel auch solche auf, die mehr oder weniger gekrümmt oder gar kork- zieherartig gewunden sind. Diese Ge- stalten kehren bei allen Spaltpilzen wieder, so viele man daraufhin auch untersuchen mag. Die kugeligen Formen bezeichnet man als Kokken’), die Kurzstäbchen als Bakterien?) Spaltpilze aus dem Belage der Zähne . e S. und die Langstäbchen als (etwa 750mal vergr.). Bazillen‘); die gekrümmten und gewundenen führen nach ihrer be- sondern Gestalt wieder verschiedene Namen, die aber, weil im gewöhn- lichen Leben ungebräuchlich, hier unerwähnt bleiben sollen. 3. Die kleinern Spaltpilze unsers Präparats sind in lebhafter Be- wegung. Einige drehen sich um sich selbst, schwimmen dabei gleichzeitig ein Stück vorwärts und, ohne umzukehren, wieder zurück; andre zeigen ein eigentümliches Wackeln und Zittern, und die gewundenen schrauben sich hurtig durch das Wasser. Untersucht man einen Tropfen einer Flüssig- keit, in der tierische oder pflanzliche Stoffe faulen, so kann man diese Vor- sänge an Tausenden und Abertausenden von Spaltpilzen beobachten: Oft flimmert infolgedessen das ganze Gesichtsfeld, und das Wasser scheint lebendig geworden zu sein. Daneben gibt es aber auch zahlreiche Spalt- pilze, die sich kaum oder nie bewegen. Bei starker Vergrößerung er- kennt man auch die Werkzeuge der Bewegung: Es sind mehr oder 1) s-chtzo, ich spalte und mıjkes, Pilz. 2) kökkos, Kern, Pille. 3) bakterion, Stäbchen. 4) ba- eillum, Verkleinerung von baculum, der Stab. Spaltpilze oder Bakterien. 407 weniger zahlreiche fadenförmige Anhänge der Zellhaut, sog. Geißeln, die regelmäßige Schwingungen oder Drehungen ausführen. 4. Steht den Spaltpilzen genügend Nahrung zur Verfügung, und herrscht die für sie günstige Temperatur (s. S. 410, 1), so vermehren sie sich, indem sie sich teilen (Name!). Bleiben die Teilstücke, von denen also jedes eine selbständige Pflanze darstellt, im Zusammenhange, dann bilden sich nicht selten kleine Ketten oder längere Stäbe. So bestehen z. B. die Langstäbchen der aus dem Zahn- belage abgebildeten Formen z. T. aus zahlreichen Kurzstäbchen, was jedoch nur bei Anwendung besonderer Mittel Spaltpilze mit Geißeln. zu sehen ist. Die Vermehrung erfolst nun bei günstigen Bedingungen (Nahrung; Wärme!) mit einer unglaub- lichen Schnelligkeit. So fand man z. B. durch die Untersuchung von Kuhmilch folgende Zahlen: Zwei Stunden nach dem Melken enthielt jedes eem Milch 9000, eine Stunde später bereits 31750 und nach 25 Stunden nicht weniger als 5600000 „Keime“. Sorgfältige Berechnungen haben sogar ergeben, daß ein Spaltpilz, der 0,001 mm lang, breit und hoch ist und sich in jeder Stunde einmal teilt, in etwa 6 Tagen eine Masse bilden kann, die den — Erdball an Größe übertreffen würde. Selbst- verständlich schließt schon die ausgehende Nahrung eine solche Vermehrung aus; sie ist aber immerhin möglich und für das Verständnis der von den winzigen Lebewesen verursachten Vorgänge von größter Wichtigkeit. 5. Verdunstet die Flüssigkeit, in der die Spaltpilze leben, oder geht ihnen die Nahrung aus, so haben viele die Fähigkeit, eine Form anzu- nehmen, durch die sie vor dem drohenden Untergange bewahrt werden: Der Inhalt der Zelle verdichtet sich zumeist und umgibt sich mit einer dicken, widerstandsfähigen Hülle; es ist eine Spore entstanden. Nach Zerfall der Zellwände werden die Sporen frei. Geraten sie nach Monaten oder Jahren wieder in günstige Lebensbedingungen, so wird die äußere Haut gesprengt, und je ein lebens- Spaltpilze mit Sporen kräftiger Spaltpilz tritt daraus hervor. Es gibt (etwa 1500mal vergr.). aber auch zahlreiche Formen, die ohne Sporen zu bilden ein gänzliches Austrocknen vertragen, also ohne weiteres in einen Dauerzustand übergehen können. Nun sind — wie erwähnt — die Spaltpilze und demnach auch ihre Sporen außerordentlich kleine Ge- bilde. Sie werden daher in trocknem Zustande vom Winde leicht empor gewirbelt und sicher nicht selten auf Tausende von Meilen verweht. Als unsichtbarer Staub schweben sie überall in der Atmosphäre und kehren mit andern Staubteilchen bei ruhiger Luft wieder zur Erde zurück. Die „Keime“ der Spaltpilze finden sich infolgedessen auf jedem Gegenstande, in jedem Gewässer, kurz: sie sind geradezu allgegenwärtig. 408 Spaltpilze oder Bakterien. B. Von der Tätigkeit der Spaltpilze. 1. Die Spaltpilze entbehren wie alle andern Pilze des Blattgrüns. Sie sind daher ebenfalls auf „fertige“ Nahrung angewiesen, die sie zumeist faulenden Tier- und Pflanzenstoffen entnehmen. Da sich nun ihre Keime fast überall finden, treffen wir sie auch stets da an, wo Fäulnis stattfindet. a) Ein einfacher Versuch wird uns jedoch zeigen, daß sie weit mehr sind als nur Fäulnisbewohner (Saprophyten). Wir nehmen 2 Glaskolben mit etwas Wasser, in das wir irgend einen Tier- oder Pflanzenstoff legen. Während wir den Inhalt des einen Kolbens unverändert lassen, kochen wir den des zweiten längere Zeit hindurch, so daß die Spaltpilze oder deren Keime, die sich an dem verwendeten Stoffe, an den Wänden des Glases oder in dem Wasser befinden, getötet werden; denn die Spaltpilze vermögen ebenso- wenig wie jedes andre Lebewesen der Siedehitze zu widerstehen. Sobald wir das Kochen einstellen, verschließen wir den Kolben durch einen aus gereinigter Watte gebildeten Pfropf, den wir — um etwa an- haftende Spaltpilzkeime zu vernichten — unmittelbar zuvor über einer Flamme abgesengt haben. Während der Inhalt des ersten Kolbens bald in Fäulnis übergeht; bleibt der des zweiten unverändert. Wenn wir von ihm aber den Pfropf nur kurze Zeit abnehmen, so daß Spaltpilze oder deren Keime aus der Luft hineinfallen können, tritt in ihm gleichfalls Fäulnis ein. Hieraus geht nun unzweifelhaft hervor, daß die Spaltpilze nicht nur Bewohner, sondern auch Erreger der Fäulnis sind, oder anders ausgedrückt, daß es ohne Spaltpilze keine Fäulnis auf der Erde geben würde. b) Nehmen wir an, letzteres wäre der Fall! Dann würden ungezählte Millionen von Tier- und Pflanzenleichen den Erdboden bedecken, und alle Gewässer wären mit toten Körpern erfüllt. Kein Fleckchen Erde wäre vorhanden, auf dem noch eine Pflanze wachsen könnte, und mit dem Pflanzenleben wäre das Tier- und Menschenleben längst erloschen. Die Spaltpilze sind es, die den Zerfall der abgestorbenen Körper bewirken: Sie machen also die Baustoffe, die auf der Erde nur in beschränktem Maße vorhanden sind, für neues Leben immer wieder frei; sie bewirken den ewigen „Kreislauf des Stoffes“ in der Natur. (Der Cham- pignon und viele andre Pilze, die nur von verwesenden Stoffen leben, können mithin die S. 392 näher gekennzeichnete Arbeit erst beginnen, wenn die Spaltpilze die Verwesung eingeleitet haben.) c) Im Anschluß an diese wichtige Tatsache sei einer Gruppe von Spaltpilzen kurz besonders gedacht, die bei diesen Vorgängen eine sehr wichtige Rolle spielt. Mit jeder Ernte entziehen wir dem Acker eine große Menge von Stickstoffverbindungen (meist in Form von Eiweiß). Da die Pflanzen nun nicht die Fähigkeit besitzen, der Luft Stickstoff zu entnehmen, so müssen wir ihnen diesen wichtigen Baustoff durch Düngung des Bodens wieder zuführen. Düngt man aber Pflanzen z. B. mit „frischer* Jauche, so sieht man, daß sie kränkeln und schließlich wohl gar absterben. Die in dem „frischen“ Dünger enthaltenen Stickstoff- Spaltspilze oder Bakterien. 409 verbindungen müssen nämlich, um von den Pflanzen verwendet werden zu können, erst in salpetersaure Salze übergeführt werden. (Darum ist der Chili-Salpeter ein so vorzügliches Düngemittel!) Diese Arbeit wird auf einem hier nicht näher zu verfolgenden, umständlichen Wege (s. S. 472) von gewissen Spaltpilzen des Bodens, den sog. Salpeterbakterien, ver- richtet. Wie auf dem Acker spielt sich dieser Vorgang nun in der ganzen Natur ab: Spaltpilze führen die Stickstoffverbindungen, die von den Tieren ausgeschieden werden, in eine solche Form über, daß sie von den Pflanzen wieder als Baustoffe verwendet werden können. d) Von der soeben ausgesprochenen Regel, daß die Pflanzen nicht imstande sind, ihren Stickstoffbedarf der atmosphärischen Luft zu ent- nehmen, bilden, wie wir bereits wissen, gewisse Spaltpilze eine Ausnahme, nämlich die Wurzelbakterien in den Knöllchen der Schmetter- lingsblütler. In jüngster Zeit hat man auch noch andre, frei im Erdboden lebende Spaltpilze (und Schimmelpilze) entdeckt, die diese wunderbare Fähigkeit besitzen und darum als Stickstoffbakterien bezeichnet werden. 2. Gewisse Spaltpilze rufen in ihren Nährstoffen Veränderungen her- vor, die man nicht als Fäulnis, sondern (wie die Einwirkung der Bierhefe auf zuckerhaltige Flüssigkeiten) als Gärung bezeichnet. Läßt man z. B. Bier oder Wein bei Zimmerwärme einige Tage offen stehen, so werden sie sauer: Der Alkohol ist in Essig umgewandelt; es ist „Essiggärung“ eingetreten. Wiederholt man den auf S. 408, a geschilderten Versuch — statt eines faulenden Stoffes muß man aber natürlich Bier oder Wein verwenden —, so ist leicht zu beweisen, daß die Veränderungen in der Flüssigkeit allein durch Spaltpilze hervorgerufen werden. Auf der Tätigkeit andrer Gärungserreger beruht z. B. die Schnell- essigfabrikation, sowie das Sauerwerden der Milch, der Gurken, des Sauer- kohles, aber auch der eingemachten Früchte und Gemüse. Durch Gärungs- bakterien werden die Bastfasern des Flachses und andrer Gespinstpflanzen aus dem festen Zellverbande gelöst. Durch die Einwirkung von Spalt- pilzen erhalten Tabak, Kakao und chinesischer Tee erst den Duft und Wohlgeschmack, den wir an ihnen so hochschätzen, und durch ihre Tätig- keit entsteht bei der sog. Nachgärung auch „die Blume“ des Weines. 3. Als eine zweite Quelle, aus der Pflanzen ohne Blattgrün die ihnen zusagende Nahrung beziehen, haben wir schon mehrfach die Körper andrer Lebewesen erkannt. Es ist daher durchaus nicht zu verwundern, dab sich auch unter den Spaltpilzen zahlreiche Schmarotzer (Parasiten) finden. Sie oder ihre Sporen dringen in die Körper besonders der Tiere und des Menschen ein, vermehren sich daselbst oft außerordentlich schnell, erzeugen heftige Gifte und rufen infolgedessen Erkrankungen hervor, die vielfach mit dem Tode endigen. Von diesen Krankheiten seien hier nur die verheerendsten genannt: die Schwindsucht oder Tuberkulose, der etwa "/, aller Menschen zum Opfer fällt, der Unterleibstyphus, die Diphtherie, die Lungenentzündung und die Influenza, die 410 Spaltpilze oder Bakterien. es 0® gleichfalls alljährlich In > B) ar ni Ny= u = RER AR. viele blühende Men- FÜR ; ae EN a 288 schenleben hinwegraf- a 4 S 2] Sr ee % Ba “» fen, die Cholera und m Es IA AS pl WIO) die Pest, die beide rn x x Dre Re vonihrer ostasiatischen Tuberkulose. Typhus. Diphtherie. entzündung. Heimatausschon mehr- mals als Würgengel 1672 n a VecE N f INS über Europa dahinge- DIRT ss HH Y N a zogen sind, der Rot- vn) a N lauf hwei WS ) N IN N auf der Schweine und x C3y ee 4 » EN die Pest der Rinder, SF E - m sowieendlichder Milz- Influenza. Cholera. Pest. Milzbrand. brand, der ganze Herden von Rindern, Schafen, Renntieren und andern Pflanzenfressern vernichtet und auch den Menschen nicht verschont. C. Von unserm Verhalten gegen die Spaltpilze. Je nachdem die vielgeschäftigen Spaltpilze für uns unentbehrliche Mitarbeiter und Gehilfen oder Zerstörer und wohl gar Todfeinde sind, je nachdem werden wir uns ihnen gegenüber auch verhalten. Hierbei dürfen wir besonders zweierlei nicht aus dem Auge verlieren: Erstlich, daß die Vorgänge der Fäulnis, Gärung oder Krankheit um so schneller und energischer verlaufen, je schneller sich deren Erreger vermehren, und zweitens, daß die Vermehrung der Spaltpilze — genau wie die aller Pflanzen und auch der Tiere — um so lebhafter erfolgt, je günstiger die Bedingungen sind, unter denen sie leben. 1. Unsern Mitarbeitern und Gehilfen müssen wir daher die besten Lebensbedingungen schaffen. Vor allen Dingen werden wir dem Stoffe, den sie verändern sollen, die geeignetste Zusammensetzung geben, und ihnen wie allen andern „Nutzpflanzen“ den Grad von Feuchtigkeit und Wärme darbieten, der für ihre Entwick- lung am vorteilhaftesten ist. So gibt man z. B. der Flüssigkeit, die man bei der Schnellessigfabrikation verwendet, den für den Pilz günstigen Alkoholgehalt; so befeuchtet man die Flachsstengel, deren Gespinstfasern man gewinnen will; so stellt man die Gurken, wenn sie schnell sauer werden sollen, in einen warmen Raum (auf den warmen Herd) usw. Im allgemeinen sagt den Spaltpilzen eine Wärme von 25—35°C. am meisten zu. 2. Unsre Feinde unter den Spaltpilzen dagegen suchen wir von den Stoffen, die sie leicht zersetzen, sowie von unserm Körper und dem unsrer Haustiere abzuhalten, und wenn sie eingedrungen sind, so schnell wie möglich zu vernichten. a) Abgehalten können die fast „allgegenwärtigen“ Keime der Bakterien nur durch die größte Reinlichkeit werden. Dies gilt besonders für die Bakterien, die beim Menschen gefährliche Krankheiten hervorrufen (1000 mal vergr.). Spaltpilze oder Bakterien. 411 Gefäße, die wir bei der Herstellung und Aufbewahrung von Speisen ver- wenden, für unsre Wohnungen und deren Umgebung (Höfe, Straßen usw.), für unsre Kleider, Wäsche und Speisegeräte (besonders in Gasthäusern!), sowie für unsern Körper selbst. Vor allen Dingen hüte man sich, mit den Auswurfstoffen solcher Menschen in nähere Berührung zu kommen, die an einer ansteckenden Krankheit leiden. Wie diese Stoffe, müssen die Abfälle des menschlichen Haushaltes, die vortreffliche „Bakterienherde“ bilden, vernichtet oder doch aus der Nähe der Menschen entfernt werden. b) Wie der S. 408 angegebene Versuch zeigt, gehen die Spaltpilze durch Siedehitze zugrunde. Dies gibt uns ein Mittel in die Hand, Stoffe, die dem Verderben leicht ausgesetzt sind, z. B. Fleisch, Früchte, Gemüse und Milch, doch längere Zeit zu erhalten oder zu konservieren. Sind in diesen Stoffen, sowie in den zur Aufbewahrung bestimmten Gefäßen alle Keime durch gründliches Kochen getötet, so bezeichnet man sie als sterilisiert'). Es gibt allerdings auch eine Anzahl von Spaltpilzen, deren Sporen durch die Siedehitze nicht getötet werden. Vermutet man sie in einem zu konservierenden Stoffe, dann ist dieser über 100° C. zu erhitzen. Ver- mag man dies nicht, so muß das Kochen stundenlang fortgesetzt oder mehreremal wiederholt werden. Sind in dem letztern Falle die etwa vorhandenen Sporen beim Erkalten gekeimt, so werden die aus ihnen hervorgegangenen Spaltpilze bei der zweiten oder dritten Erhitzung sicher zerstört. Auch zum Töten von Krankheitskeimen in Betten, Kleidern u. dgl. werden vielfach hohe Hitzegrade angewendet. c) Wie alle Pflanzen bedürfen die Spaltpilze zum Leben einer ge- wissen Wärme. Kühlt man einen faulenden oder gärenden Stoff stark ab, so wird man finden, daß die Fäulnis oder Gärung bei einer Wärme von etwa 5° C. aufhört. Bei dieser Temperatur stellen die Spaltpilze also ihre Lebenstätigkeiten ein. Daher benutzt man besonders für Fleisch- waren (Eisschrank!) schon seit langer Zeit die Kälte als Konservierungs- mittel. Das großartigste Beispiel solcher „Konservierung“ bieten die Leichen der Mammute, die in dem gefrornen Boden Sibiriens bis auf unsre Tage erhalten sind. Getötet werden jedoch die Bakterien selbst durch die größte Kälte nicht, die wir erzeugen können. d) Spaltpilze brauchen ferner wie alle Pflanzen Wasser zu ihrem Be- stehen. Entzieht man daher Stoffen, die man erhalten will, große Wasser- mengen, so gehen die in ihnen enthaltenen oder die ihnen anhaftenden Bakterien zugrunde, und deren Sporen können sich nicht entwickeln. Trocknen und Dörren sind daher andre bekannte Konservierungsmittel (Backobst, Stockfisch, getrocknetes Fleisch usw.). e) Bringen wir in eine Flüssigkeit, in der irgend ein Stoff fault, eine starke Lösung von Kochsalz oder etwas Karbolsäure, so hört die Fäulnis nach kurzer Zeit auf: Kochsalz (in größerer Menge!) und Karbolsäure sind 1) sterilis, unfruchtbar. 412 Spaltpilze oder Bakterien. für die Spaltpilze tödliche Gifte Während die Bakterien also fäulnis- erregend oder (nach einem griechischen Worte) septisch wirken, sind Kochsalz und Karbolsäure, sowie viele andre Stoffe fäulniswidrige oder antiseptische Mittel. Mehrerer dieser Mittel bedient sich der Mensch schon seit uralter Zeit, z. B. des Kochsalzes (in größerer Menge!) zum Pökeln, des Essigs oder Zuckers (in starker Lösung!) zum Einkochen der Früchte, des Rauches zum Räuchern der Fleischwaren. Als er aber in den Spaltpilzen auch die Erreger zahlreicher Krankheiten erkannte, lernte er zugleich die durch sie bewirkten Ansteckungen, Vergiftungen oder Infektionen verhüten: Er tötete die Keime der Bakterien durch Anwendung von Desinfektions- mitteln. So behandelt man z. B. heutzutage die Wunden mit Lysol, Sublimat und andern antiseptischen Stoffen, und die Instrumente der Ärzte, durch die früher die Eitererreger sehr häufig von Wunde zu Wunde getragen wurden, werden jetzt vor jedem Gebrauche sterilisiert oder einer gründlichen Desinfektion unterworfen. — Da bei der Fäulnis stets auch gesundheitsschädliche, übelriechende Gase entstehen, so verwenden wir Desinfektionsmittel auch, um Fäulnis und damit verbundene schlechte Gerüche zu verhindern oder zu beseitigen (z. B. in Aborten). f) Naturforscher setzten Kleider, Betten, Möbel und andre Gegen- stände, in die sie die verschiedensten Krankheitskeime gebracht hatten, den Sonnenstrahlen aus, und siehe da, oft schon nach wenigen Stunden ergab sich, daß die Keime zahlreicher Arten vernichtet waren. In dem Sonnenlichte haben wir also ein Desinfektionsmittel von ganz be- sonderer Wirkung vor uns. Daher sollte man von diesem Mittel auch recht fleißig Gebrauch machen, und vor allen Dingen den Sonnenstrahlen soviel als möglich Zutritt zu unsern Wohn- und Schlafräumen verschaffen. 2) Um zu erkennen, ob Spaltpilze oder deren Sporen abgestorben sind, bedient man sich eines sehr interessanten Verfahrens. Indem man den Spaltpilzen nämlich die zum Leben nötigen Stoffe darbietet, kann man sie wie andre Pflanzen züchten oder kultivieren. Zu diesem Zwecke setzt man z.B. einer kleinen Menge „kräftiger“ Fleischbrühe (Bouillon), etwas erwärmte flüssige Gelatine zu, bringt in das Ge- misch die zu untersuchenden Bakterien oder den Stoff, in dem sie enthalten sind, und schüttet alles in eine sterilisierte Glasschale. mn Sind die Keime lebensfähig, so beginnen sie sich Bakterienkolonien auf Nährgela- bald stark zu vermehren: Es entstehen auf der tine. Sie sind aus Keimen hervorge- erstarrten „Nährgelatine* Bakterienkolonien. Sind gangen, die in einem (der Nährgelatine sie dagegen abgestorben, dann treten solche zugesetzten) Tropfen unreinen Trink- Kolonien selbstverständlich nicht auf. wassers enthalten waren (!/, nat. Gr.). b) Mit Hilfe dieses Verfahrens ist man (Bem.: Jedes helle Pünktchen und auch in den Stand gesetzt, unter den Spalt- Fleckchen ist eine Kolonie.) pilzen, die sich — wie erwähnt — vielfach Spaltpilze oder Bakterien. Schleimpilze. außerordentlich ähnlich sind, die Feinde des Menschen von den harmlosen Arten zu unterscheiden. Will man z. B. wissen, ob Trinkwasser Krankheitserreger enthält oder nicht, so setzt man jener Nährgelatine etwas von dem Wasser zu, schüttelt das Gemisch, so daß die Keime gleich- mäßig verteilt werden, und gießt es wieder in eine Glasschale. Auf der erkalteten Gelatine entstehen jetzt so viel Kolonien, als lebenskräftige Keime vorhanden waren. Alle Kolonien sind aber auch voneinander getrennt und bestehen nur aus je einer einzigen Bakterienart. Überträgt man nun Teilchen dieser Kolonien in je ein andres Glas mit „Nährgelatine“, so hat man die in dem Wasser enthaltenen Bakterienarten streng voneinander geschieden: Man hat Reinkulturen von ihnen hergestellt. Da die Spaltpilze in diesen Kulturen einen ganz bestimmten Wuchs haben, so ist man vielfach schon hier- durch imstande, die einzelnen Arten zu erkennen. 3. Klasse. Schleimpilze (Myxomyce£tes!). Pilze, die kein Fadengeflecht bilden, eine schleim- oder rahm- artige Masse darstellen und nur z. Z. der Sporenbildung be- stimmte Gestalt annehmen. Im Walde findet man auf faulenden Pflanzen- | teilen nicht selten lebhaft gefärbte, schleimige 1.|\\ oder rahmartige Massen; das sind die merkwür- digen Schleimpilze. Sie bauen ihren Körper aus ver- Reinkulturen von wesenden Stoffen auf, an denen der Wald ja be- A ; : } : 5 Ä E Typhus (1) und der sonders reich ist; dort finden die weichen Körper Tuberkulose (2). auch die nötige Feuchtigkeit und den notwendigen Schutz gegen die austrocknenden Sonnenstrahlen. Bei näherm Zusehen wird man leicht finden, daß sich die eigentümlichen Wesen kriechend fortbewegen, wozu sie durch ihren weichen Leib auch besonders be- fähist sind. Eines dieser sonderbaren Geschöpfe, das dem verschütteten gelben Dotter eines Vogeleies gleicht, treffen wir in der Gerberlohe häufig an. „Die Lohe blüht“, sagt dann der Gerber. Darum bezeichnet man diesen Schleimpilz als Lohblüte (Fuligo värians?). Er durchdringt die Lohhaufen netzartig bis zu einem Meter tief, kommt aber zur Zeit der Sporenbil- dung zur Oberfläche empor. Die oft tellergroße Masse zieht sich dann stark zu- sammen und bildet einen widerstandsfähigen Frucht- körper. Dieser enthält sehr 1) myxa, chleim und mijkes, 3 Sr E : $ Pilz. 2) fuligo, Ruß (Farbe der Be Entwicklung eines Schleimpilzes (s. Text.) ren!); varians, veränderlich. (Vergr. etwa 600 mal). 414 Schleimpilze. viele schwarzbraune Sporen (1), die durch den Wind verbreitet werden. Bei Befeuchtung entschlüpft (2) jeder Spore ein Gebilde, daß sich wie ein Geißeltierchen (s. Lehrbuch der Zoologie) durch einen schwingenden ü Faden fortbewegt (3). Nach einiger Zeit wird die Geißel eingezogen, und das win- zige Geschöpf nimmt jetzt (4) die Gestalt eines Wech- seltierchens an (s. eben- da), das mit Hilfe aus- gestreckter Scheinfüßchen dahinkriechtt und sich durch Zweiteilung lebhaft vermehrt. Indem mehrere solcher „Wechseltierchen“ miteinander verschmelzen (5), entstehen größere Kör- Se per (6), und indem sich Fruchtkörper häufiger Schleimpilze: 1. des Haar- letztere gleichfalls wieder stäublings (die Körper, die am oberen Teile haarähn- vereinigen (7), wird eine liche Fäden zeigen, haben sich bereits geöffnet); jener Schleimmassen gebil- 2. des Glattfrüchtehens, auf Moos sitzend; 3. des det, von der wir ausgegan- Da Lues; 4. = Fadenstäublings und 3. des gen sind (8). Das seltsame Kelehstäublings (die kelchförmigen Stiele im Vorder- : e grunde sind von den zerfallenen Fruchtkörpern übrig Wesen gleicht also wie alle geblieben.) andern Schleimpilze in sei- ner Entwicklung erst einem Geißel-, dann einem Wechseltierchen, bewegt sich aus- gebildet wie letzteres auf seiner Unterlage kriechend fort, um in der Sporenbildung endlich eine unzweifel- hafte Eigenschaft der Pflanzen zu zeigen. Die Schleim- pilze werden daher auch treffend als Pilztiere oder Tierpilze bezeichnet: Bilden doch diese niedrigsten aller Pflanzen einen deutlichen Übergang zu dem andern Reiche der Lebewesen, zu den Tieren. Die Schleimpilze, denen wir häufig im Walde begegnen, er- zeugen — wie die obigen Abbildungen erkennen lassen — Frucht- körper von oft sehr zierlicher Gestalt: Der Haarstäubling (Trichiat) bildet rundliche Knöllchen, das G@lattfrüchtehen (Leo- carpus?) gestielte, glattwandige Ellipsoide und der Netzstäubling ) (Dietydium?) netzadrige, kürbisähnliche Körper auf sehr langen j Stielen. Die langgestielten Kolben des Fadenstäublings (Stemo- nitis!) stehen büschelweise beieinander, und die ganz ähnlichen Fruchtkörper des Kelehstäublings (Arcyria?) erheben sich auf an Stielchen. ; 4 “ r Wurzel der K ü h d en 1) von thrix, Genet. trichös, Haar. 2) leiös, glatt und karpös, Frucht. dıe an der noten- 3) diktjdion, Netzchen. 4) von stemon, der Kettenfaden im Gewebe. sucht erkrankt ist. 5) von ärkys, Netz. Flechten. 415 Auch schmarotzende Arten gibt es unter den sonst völlig harmlosen Schleim- pilzen. Eine von ihnen (Plasmodiöphora brässicae!) erzeugt die Knotensuecht, den Kropf oder die Hernie der Kohlgewächse. Die erkrankten Pflanzen zeigen an den Wurzeln erbsen- bis faustgroße Anschwellungen, verkümmern oder gehen ganz ein. 3. Kreis. Flechten (Lichenes’°). Lagerpflanzen, die aus „genossenschaftlich“ lebenden Fadenpilzen und Algen bestehen. Die Wand- oder Schüsselfleehte (Xanthöria parietina?). A. Vom Wesen und von der Vermehrung der Flechten. 1. In das Wesen dieser Naturkörper soll uns eine Flechte einführen, die an Baumstämmen, Bretterwänden und Steinen überall häu- fig zu finden ist. Sie bildet eine gelbe, laubartige, gelappte Masse, die meist mit vielen kleinen, oran- gefarbenen, schüs- selartigen Gebilden bedeckt ist. Stellt man durch den Flechten- körper (Thallus) außerhalb dieser „Schüsselchen“ dünne Querschnitte her, so sieht man bei Anwendung des Mikro- skops, daß er aus einem Geflechte farbloser Fäden besteht, in dessen lockerer Mittelschicht eine Menge lebhaft grün gefärbter, kugeliger Gebilde eingelagert sind. Die Fäden geben sich leicht als ein Pilzgeflecht und die grünen Kugeln als einzellige Algen zu erkennen. Die gleiche Zusammensetzung aus einem Pilze und zahlreichen Algen zeigen sämtliche Flechten. Wie alle grünen Pflanzen ver- mögen die Algen die zum Aufbau ihres Leibes nötigen Stoffe selbst zu bilden (daher leben sie auch außer- halb des Flechtenkörpers an Baum- stämmen, Steinen u. del.). Der Pilz dagegen ist — wie wir mehrfach gesehen haben — auf „fertige“ Nah- rung angewiesen: er entzieht sie den == Vs en a NS apa, 1) Als plasmodium bezeichnet man die durch nm, u / D' AM IH Verschmelzung mehrerer Wechseltier-ähnlicher Zustände entstandenen Körper (s. S. 414), -phöros, B: F } hen ae : e x echten! orperSs: r \ ‚el- tragend; brassicae, des Kohles. 2) Zeichen, Flechte. au des Flec n ers: in der Mittel 3) zanthoria von zanthös, gelb; parietinus, an Schicht des Pilzgeflechtes sind zahlreiche der Wand wachsend. R Algen (A.) eingelagert. (Vergr. etwa 350 mal.) Wandflechte auf einem Zweigstücke (nat. Gr.). 416 Flechten. Algen, die von seinen Fäden dieht umsponnen werden. Dafür führt er seinen Nahrungslieferanten aber die rohen Nahrungssäfte zu (Wasser und darin gelöste Salze), schützt sie gegen Austrocknung und befestigt das ganze „Doppelwesen“ mit einigen Fäden auf der Baumrinde oder dgl. Pilz und Alge haben sich in der Flechte also zu gegen- seitigem Vor- teile vereinigt, sie bilden eine Ernährungs- genossen- schaft (Sym- biose!;S. 150). Bau des,Schüsselchens“ derWandflechte. 1. Längsschnitt durch ein Schüsselchen. 2. Ba) Sn F. Fruchtschicht, A. Algen (etwa 30mal vergr.). den Lappen- 2. Die Fruchtschicht bei stärkerer (etwa 600 mal. Vergr.). rändern der Sp. Sporenschläuche. Z. Zwischenzellen. Wandflechie entdeckt man mit der Lupe häufig feine Körnchen, die sich unter dem Mikroskope als je einige von Pilzfäden dieht umsponnene Algenzellen zu erkennen geben. Diese staubartig kleinen Körper werden leicht vom Winde verweht und entwickeln sich an geeigneten Orten weiter zu Flechten. Sie sind den „Ablegern“ der Leber- moose vergleichbar und werden treffend als Brutkörperchen (Soredien ?) bezeichnet. b) An dünnen Schnitten durch eins der „Schüsselehen“ (Apothecien?) sehen wir bei Anwendung des Mikroskops, LE: . daß wir es in diesen Gebilden hat. Gr. bvorgn 5, Hin. mit den Fruchtkörpern des denflechte (nat. Gr.). Flechtenpilzes zu tun ha- ben: Wir erblicken genau wie bei den Schlauchpilzen eine oberflächlich liegende Fruchtschicht, die aus Sporenschläuchen und zahlreichen Zwischenzellen zusammengesetzt ist. Die aus den Schläuchen hervorgehenden Sporen werden durch den Wind ver- weht, keimen aber nur, wenn sie eine Alge treffen, mit der zusammen sie eine neue Flechte bilden können. — Aus dem Bau der Fruchtkörper geht hervor, daß der Pilz der Flechte ein Schlauchpilz ist. Man stellt die Flechten daher auch zu dieser Pilzgruppe. In den Tropen gibt es jedoch auch einige Flechten, an deren Entstehung Ständerpilze beteiligt sind. 1) symbiosis, das Zusammenleben. 2) soredön, haufenweise. 3) von apotheke, Speicher, Lager (Sporenlager!). Flechten. 417 B. Von den wichtigsten Arten und der Bedeutung der ‚Flechten. 1. Schon unter den Flechten der heimatlichen Natur herrscht ein sehr großer Formenreichtum, a) Viele von ihnen, die Krustenflechten, bilden an Bäumen und Felsen, sowie am Erd- boden unscheinbare, krustenartige Überzüge. Zu ihnen zählen die Schriftflechten (Graphis'), deren schwarze, strichartige Fruchtkörper die Baumrinde wie mit Hieroglyphen bedecken. 1. Bartflechte. 2. Astflechte. 3. Isländisches Moos. F. Fruchtkörper. (Verkl.) b) Einen blattartigen, mehrfach gelappten Körper, wie wir ihn an der Wandflechte kennen gelernt haben, besitzen die Laubflechten. Sie überziehen wie die Rinden- flechte (Parmelia physödes®) mit Arten aus den beiden andern Gruppen die Stämme und stärkern Zweige der Bäume oft in dicker Schicht. Von Obstbäumen müssen sie gleich den ansitzenden Moosen (s. das.) entfernt werden. c) Die Formen mit aufrecht stehendem oder hängendem, meist mehrfach ver- zweigtem Körper bezeichnet man — weil sie oft zier- liche Sträuchlein bilden — als Strauchflechten. Von den Zweigen besonders alter Gebirgsbäume hängen in langen, bartartigen Strähnen die Bartfleehten (Üsnea°) herab. Die gewimperten Schilde sind die Frucht- körper. — Dort, sowie an Felsen, Bretterwänden und ähnlichen Orten finden sich auch die vielgestaltigen Astfleehten (Ramalina fraxinea* u. a.) mit schirm- förmigen, randständigen Fruchtkörpern. — Auf trocknen Heideflächen und am Boden lichter Gebirgswälder wächst das sog. isländische Moos (Ceträria isläandica°). Es hat einen vielteilig gelappten, aufrecht stehenden Körper, der am Ende der Lappen die braunen, scheiben- förmigen Fruchtkörper bildet. Früher galt die Pflanze als Heilmittel gegen Lungenleiden; in Island dient sie dem Menschen vielfach zur Speise. — An trocknen Eine Becherflechte. Der dem Boden aufliegende laub- artige Körper ist die eigent- liche Flechte. Die trichter- förmigen Gebilde sind die 1) von grädpho, ich schreibe. 2) parmelia von pärme, ein leichter Schild; physodes: physa, Blase und eidos, Aussehen. 3) von uson, Flechtwerk, Tau. 4) ramalina von ramäle, Geäst; fraxineus, an der Esche. 5) cetraria von eetra, kleiner Schild; islandiceus, isländisch. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. Fruchtträger, die knopfförmi- gen die Fruchtkörper (nat. Gr.). 27 418 Flechten. Stellen finden sich häufig Flechten, an denen zierliche Becher oder Trichter entstehen. Das sind die „Fruchtträger“ der Becherflechten (Cladönia; s. Abb. S. 417), und die braunen oder roten Knöpfchen darauf („Korallenflechten‘) sind die Fruchtkörper. — Zu diesen Flechten zählt auch die Renn- tierflechte (Ü. rangiferma?), deren vielfach verzweigte, hohle „Stämmehen“ auf trocknem Wald- und Heideboden dichte, = IE 2 Dr dieke Polster bilden. Während tenntierflechte: ein Stück von einem Polster. Die die Pflanze bei uns nicht ver- „Stämmehen,, links mit Fruchtkörpern (nat. Gr.). wendet wird. istsiein den Polar- ländern besonders während des langen Winters die ausschließliche Nahrung des genügsamen Renntieres. Da nun von diesem Tiere das Wohl und Wehe des Nordländers fast einzig und allein abhängt, ist es also in letzter Linie das unscheinbare Pflänzchen, das jene Breiten für den Menschen erst bewohnbar macht. — An den felsigen Gestaden des südlichen Atlan- tischen Ozeans und an den Küsten Ostindiens wächst die Laekmusflechte (Roceella tinetöria?), die uns neben mehreren andern Flechten in dem Lackmus einen überaus wichtigen blauen und roten Farbstoff liefert. 2. Im Haushalte der Natur spielen die Flechten fast dieselbe Rolle wie die Moose (s. das.). Da sie lange Zeit hindurch die größte Trocknis ertragen können, vermögen sie sich gleich diesen anspruchslosen Pflanzen an Orten anzusiedeln, an denen sie wochenlang von keinem Wassertropfen Y benetzt werden. An Felsen und vielfach Lackmusflechte. (Verkl.) auch auf dürrem Sande bilden sie (mit den Moosen) die ersten Ansiedler. Gleich jenen treuen Genossen halten sie ferner den herbeigewehten Staub fest, und indem sie abgestorben zu Erde’zerfallen, machen sie im Laufe der Zeit selbst den härtesten Fels- und den ödesten Sandboden fähig, höhere Pflanzen zu tragen. Da nun von diesen Gewächsen das höhere Tierleben und von beiden wieder der Mensch abhängt, sind die Flechten gleichfalls ein Beleg dafür, daß — wie wir vielfach gesehen haben — das Kleinste und Unscheinbarste in der Natur oft von größter Bedeutung ist. 1) von klädos, kladön, Schößling. 2) rangiferina von rvangifer, Renntier. 3) roccella vom franz. Worte roec, rocher, Fels; finetorius, zum Färben geeignet. Vom Bau und Leben der Pflanze. (Morphologie und Physiologie.) 1. Absehnitt. Vom Bau und Leben der Zelle. A. Vom Wesen und von der Bedeutung der Zelle. 1. Legt man in einen Wassertropfen, der sich auf einer kleinen Glas- platte (Objektträger) befindet, einen Algenfaden oder ein Blatt der Wasser- pest, wie sie uns beide jedes Gewässer liefert, oder ein Stück von der Oberhaut eines Blattes, das man mit Hilfe einer Pinzette abgezogen hat (s. Abb. S. 448), oder einen dünnen Querschnitt, den man durch ein Blatt oder irgend einen andern Pflanzenteil her- gestellt hat, so sieht man mit Hilfe des Mikro- skops, daß die Pflanze nicht etwa wie ein Stück Glas oder Eisen aus einer gleichartigen Masse besteht. Ähnlich einem Hause, das aus Steinen errichtet wurde, ist sie vielmehr aus Körperchen von ganz bestimmtem Bau zusammen- gesetzt. Da die ersten derartigen Gebilde, die man beobachtete, wie die Zellen der Bienen- waben geformt waren, wurden sie gleichfalls Zellen genannt, und so bezeichnet man sie heute noch. 2. Ein Baum oder auch schon ein größerer Pflanzenteil, z.B. ein Blatt, eine Wurzel u. del., ist aus einer sehr großen Anzahl von Zellen aufgebaut. Zahlreiche Pflanzen aus den um- fangreichen Gruppen der Algen und Pilze (Kiesel- algen, Spaltpilze u. dgl.) dagegen bestehen nur aus je einer Zelle. (Daher sind diese Pflanzen zumeist auch sehr klein!) Es gibt also ein- zellige und vielzellige Pflanzen. 3. Im allgemeinen beträgt die Größe der Zellen nur Bruchteile eines Millimeters. Bei den Spaltpilzen geht sie sogar nicht selten unter 0,001 mm herab. Daneben gibt es aber auch Zellen, wie z. B. die der Flachsfasern (s. Taf. 14, 7), Zellen aus einer Abbildung des englischen ArztesRobert Hooke (spr. Huhk), der i. J. 1667 die Pflanzenzelle ent- deckte, den Bau des Korkes zeigend. ein Querschnitt. durch Blatt (Klee), um den Aufbau aus Zellen zu zeigen. (Vergr. etwa 160 mal.) Näheres s. bei der Wiederholung der Abb. auf S. 446. die eine Länge von mehreren Zentimetern erreichen können. 420 Bau und Leben der Zelle. 4. Ebenso ist auch die Form der Zellen verschieden. Frei, d.h. einzeln lebende oder freiwerdende Zellen, wie z. B. Pilzsporen oder Zellen des Blütenstaubes, haben vielfach die Gestalt einer Kugel. Zellen dagegen, die sich in festem Verbande befinden, platten sich wie die Zellen der Bienenwabe zumeist gegenseitig ab; sie haben die Gestalt eines Würfels, eines Prismas, eines Zylinders oder dgl. Holz und Bast bestehen größtenteils aus spindelförmigen Zellen, denen sie ihre hohe Festigkeit verdanken, und das lockere Innere des Blattes ist vielfach aus sternartigen Zellen zusammen- gesetzt. Wie die Pflanzenteile, sind eben auch die Zellen nach Form und Größe der Aufgabe, der sie dienen, aufs Blüten- vollkommenste „angepaßt“. SyaunLorn 5. Die einzelligen Pflanzen nehmen gleich den viel- vom Kürbis , 3 . (Vergr etwa -zelligen Nahrung auf; sie wachsen und vermehren sich 240 mal). wie diese, und viele von ihnen sind sogar imstande, sich frei zu bewegen. Die Zelle, die den Leib dieser Pflänzchen bildet, ist also ein lebendiger Körper. Ebenso sind — wie wir dies in folgendem noch genauer sehen werden — an die Zellen, die sich in festen „Zellverbänden“, z. B. in einem Blatte, einer Wurzel oder dgl. finden, alle Tätigkeiten des Lebens geknüpft. Die Zellen bilden also nicht nur die Bausteine, d. h. die Grundbestandteile des Pflanzenleibes, sondern sie stellen selbst je ein mit Leben aus- gerüstetes Ganzes dar. 6. An der lebenden Pflanzenzelle unterscheiden wir in der Regel eine äußere, feste Wandung, die Zellhaut, und einen farblosen In- halt, der als Urbildungsstoff oder Protoplasma' (kurz: Plasma) bezeichnet wird. In den Schwärmsporen der Algen und in gewissen Entwieklungszuständen der Schleimpilze (s. das.) gibt es aber auch Pflanzenzellen, denen wie den tierischen Zellen die äußern Hüllen fehlen. Das Wesentliche an der Zelle kann also nicht die Zell- haut, sondern muß das Protoplasma sein: Es ist der Lebens- träger der einzelnen Zelle, wie der ganzen Pflanze. Wie für die Schnecke das Haus, ist auch für den Protoplasmakörper die Zell- haut nur das Gebäude, in dem er wohnt. B. Der Zellinhalt. 1. Das Protoplasma und seine Teile. Das Protoplasma ist ein Körper von unbekannter chemischer Zu- sammensetzung. Sicher wissen wir nur, daß sich an seinem Aufbau außer dem Wasser in erster Linie Eiweißstoffe beteiligen, wie wir solche z. B. in den Eiern der Vögel, in der Milch der Haustiere, im Fleische und Blute der Tiere und des Menschen, sowie im Safte der Kartoffelknolle, in den Samen der Hülsenfrüchte usw. finden. 1) prötos, erster und plasma, das Entstandene. Bau und Leben der Zelle. 421 Wie die mikroskopische Betrachtung lebender Zellen zeigt, ist das Protoplasma aus mehreren, regelmäßig wiederkehrenden Teilen zusammen- gesetzt. Untersucht man zunächst junge Zellen, wie man sie auf dünnen Schnitten z. B. durch wachsende Stengel- oder Wurzelspitzen zu Gesicht bekommt, so sieht man in jeder ein rundes Gebilde, den Zellkern. In seiner Nähe bemerkt man einige kleinere Körperchen, die sich durch den Besitz eines Farbstoffes aus- zeichnen, oder die doch die Fähig- keit haben, einen solchen zu bilden (s. w. üu.). Sie werden daher als Farbstoffträger (Chromatopho- ren!) bezeichnet. Im Gegensatz zu diesen festern Protoplasma- ballen ist der ganze übrige Raum der Zelle mit einer zähflüssigen, feingekörnelten Masse, dem Zell- plasma, ausgefüllt. In einiger Entfernung von der wachsenden Stengel- und Wurzel- spitze zeigen die Zellen, die sich durch Wachstum etwas vergrößert haben, zwar dieselben Teile; in dem Zellplasma treten aber kleinere oder größere Hohlräume (Va- kuolen?) auf, die eine Flüssig- SE 1. Junge aus einer wachsenden Stengelspitze (Vergr. etwa 600mal); 2. etwas ältere Zelle und 3. noch ältere Zellen (Vergr. etwa 500-, Zellen verschiedenen Alters. Zelle bzw. 400mal). H. Zellhaut; P. Protoplasma keit, den Zellsaft, enthalten. An noch ältern und daher noch grö- Bern Zellen sieht man, wie die Hohlräume miteinander zu einem (und zwar das Zellplasma); K. Zellkern; Kk. Kernkörperchen; F. Farbstoffträger, in die noch kein Farbstoff eingelagert ist; B. Blatt- grünkörper; Hr. mit Zellsaft gefüllter Hohl- raum; S. Saftraum. großen Saftraume verschmolzen sind. Das Zellplasma, das auch hier die andern Teile des Protoplasma- körpers umgibt, überzieht die Zellwände dann nur als dünne Schicht oder streckt sich noch in Form von Strängen durch den mit Zellsaft an- gefüllten Raum. Eine solche Zelle läßt sich treffend mit einem Zimmer vergleichen, dessen Wände, Decke und Fußboden (Zellhaut!) mit Tapete (Zellplasma!) überkleidet, und durch dessen Innenraum (Saftraum!) Fäden (Protoplasmastränge!) gespannt sind. Betrachten wir die einzelnen Teile des Protoplasmas näher! 1. Das Zellplasma ist — wie schon erwähnt — zumeist eine zäh- flüssige Masse, die daher „gern“ Tropfenform annimmt. Hiermit hängt es zusammen, daß — wie oben bemerkt — zahlreiche freibleibende oder 1) chröma, Farbe und phöros, tragend. 2) von vacuus, leer. ee 8 o I BEER STE@)ST al 2) H / a >) 557 = Strömung des Zellplasmas in 2 Zellen aus dem Blatte der Wasserpest. Die Strömung erfolgt in der Richtung der Pfeile. H. Zell- haut; K. Zell- kern; B. Blatt- grünkörper; S. Saftraum. (Vergr. etwa 200 mal.) er. er | En S; Ko * Dr Zelle aus der Rinde der Mistel, die mit den Nach- barzellen durch plasmafäden (P.) verbun- Blattgrün- körper. K. Kern. den ist. 15% Bau und Leben der Zelle. freiwerdende Zellen die Gestalt einer Kugel besitzen. Bei starkem Wasserverluste kann das Zellplasma aber wie die andern Teile des Protoplasmas hart und fest werden, ohne iedoch das Leben einzubüßen. Das sehen wir z. B. an zahlreichen Samen, die, scheinbar tot, selbst nach Jahren wieder „erwachen“, sobald man ihnen nur das nötige Wasser und die für das Leben notwendige Wärme zur Verfügung stellt. a) Trennt man von einem Pflänzchen der überall häufigen Wasserpest eines der durchscheinenden Blättchen ab und legt es unter das Mikroskop, so sieht man, wie das Zellplasma in lebhafter Strömung begriffen ist. Es fließt an den Wänden entlang oder auch in Strängen quer durch den Saftraum. Der Zellkern, sowie die Farb- stoffträger, die hier in sehr großer Anzahl vorhanden und lebhaft grün sind (s. w. u.), gleiten wie Schiffe auf dem Strome dahin. Durch diese Bewegung erfolgt eine beständige Mischung des Zellplasmas an sich, sowie mit den Stoffen, die von außen oder von benachbarten Zellen her in die Zelle eintreten. Außer der Strömung kennt man noch andre Bewegungen des Protoplasmas. Bei den Schleimpilzen z.B. gleiten, wenn die sonder- baren Wesen auf dem Boden oder über andre Gegenstände dahin- kriechen, die einzelnen Teile des weichen Plasmaleibes in bestimmter Richtung übereinander hinweg. Da man diese Fortbewegungsweise auch bei den niedrigst stehenden Tieren, den Wechseltierchen oder Amoeben, wiederfindet, bezeichnet man sie als Amoebenbewegung. Die Schwärmsporen mancher Algen (s. S. 354) tragen an ihrem Vorderende zwei oder mehrere bewegliche Fäden, die gleichfalls aus Protoplasma bestehen. Indem diese Geißeln oder Wimpern wie Peitschen durch das Wasser schlagen, schwimmen die winzigen Wesen dahin. Man redet hier daher von einer (reißel- oder Wimperbewegung. b) Wie man bei starken Vergrößerungen be- obachten kann,steht dasZellplasma der einzelnen Zellen vielfach durch zarte Fäden mit- ” einander in Verbindung. Die Fäden durch- “B. ziehen die trennenden Zellwände und vereinigen somit die in verschiedenen „Kammern wohnen- den“ Protoplasmakörper der Pflanze (oder doch eine große Anzahl dieser Körper) zu einer ein- heitlichen Masse. Durch sie werden in zahl- reichen Pflanzenteilen, z.B. in keimenden Samen, Proto- die Baustoffe von einer Zelle zur andern befördert. 3. Der Zellkern ist in der Regel ein sehr kleines Gebilde, das aber einen überaus ver- Bau und Leben der Zelle, 423 wickelten Bau zeigt. Setzt man einem Schnitte durch einen Pflanzenteil geeignete Farbstoffe zu, so erkennt man, daß sich nur gewisse Kernteile färben, während andre ungefärbt bleiben. In erstern werden schon bei schwächerer mikroskopischer Vergrößerung ein oder mehrere größere Körner, die sog. Kernkörperchen, sichtbar; wendet man aber sehr starke Linsen an, so erblickt man weiter zahlreiche winzige Körnchen, die in einem wabenartigen Gerüstwerke eingebettet sind. Da der Stoff, aus dem diese Gebilde bestehen, Farben in sich aufspeichert, wird er als Chromatin!') bezeichnet. Der so gebaute Kern spielt im Leben der Zelle nun eine sehr wichtige Rolle Es ist z. B. jede Vermehrung der Zelle mit einer Teilung ihres Kernes verbunden. In seltenen Fällen zerfällt hierbei der Kern, indem er sich „direkt“ teilt, in zwei gleiche Hälften; zumeist aber gehen der Spal- tung streng gesetzmäßig ver- laufende ‘Vorgänge voraus, so daß man hier von einer „in- direkten“ Kernteilung redet. Um diese Vorgänge kennen zu lernen, untersuchen wir einen Pflanzenteil, der sich in lebhaftem Wachstum befindet (Wurzel- oder Stengelspitzen; Staubfadenhaare der als Gartenpflanze bekannten Tradescantia oder dgl.). In einem Kerne, der sich zur Teilung anschickt, bilden die Chromatinkörner, die bisher gleichmäßig verteilt waren (1), einen Knäuel feiner Fäden (2), der bald darauf durch Querteilung in eine bestimmte Anzahl gleich- langer Stücke zerfällt (3). Diese sog. Chromosomen?) wandern nun- mehr in den „Äquator“ des Kernes (4), nehmen U-förmige Gestalt an und spalten sich der Länge nach (5). Bereits vorher aber sind TEN von zwei Punkten des Kem- Ma... ZB nen NH LEBTEN umfanges, die den Polen der Erd- Indirekte Kernteilung und Zellteilung in der kugel entsprechen, Fäden aus- Wurzelspitze der Küchenzwiebel (stark vergr.). S. Text. gestrahlt, so daß eine spindel- förmige Kernfigur entstanden ist. Von jedem Chromosomenpaare rückt nun — wie von diesen Fäden gezogen — das eine Teilstück nach dem obern und das andre nach dem untern Pole der „Kernspindel“ (6). Hier lösen sie sich auf und bilden (7), indem zwischen ihnen im Protoplasma eine neue Zellwand auftritt, die Kerne der beiden Tochterzellen (8). — Wie leicht zu erkennen ist, werden durch diese Vorgänge die Bau- stoffe des Mutterkernes völlig gleichmäßig auf die Kerne der beiden neuen Zellen verteilt. Da sich nun Zellkerne niemals neu bilden, erben die Tochterzellen mit den Kernteilen auch die Bigenschaften der Mutterzelle, 1) chroma, Farbe. 2) chroma und soma, der Körper. 424 Bau und Leben der Zelle. 3. Die als Farbstoffträger (Chromatophoren) bezeichneten, kleinern Protoplasmaballen, deren Vermehrung gleichfalls nur durch Teilung er- folgt, zeigen eine sehr verschiedene Ausbildung. Legen wir ein Blatt der Wasserpest (s. Abb. S. 422) unter das Mikroskop, so sehen wir in den Zellen kleine, lebhaft grüne Körper und zwar in so großer Anzahl, daß sie das an sich farblose Blatt für das unbewaffnete Auge grün erscheinen lassen. Dasselbe gilt auch für alle andern grünen Pflanzenteile. (Vgl, wie die roten Blutkörperchen die farblose Blutflüssigkeit rot färben!) Da diese Art der Farbstoffträger in den Blättern besonders zahl- reich vorhanden ist, bezeichnet man den Farbstoff, dem sie ihr Grün verdanken, als Blattgrün oder Chlorophyll’) . und sie selbst als Blattgrün- oder Chlorophyllkörper. Abgesehen von zahlreichen Algen, bei denen sie die Form von Bändern (s. Abb. S. 377), Sternen oder Platten haben (s. Abb. S. 381), sind sie in der Regel kleine, abgeflachte Körner. Ihre hohe Bedeutung für die Pflanze werden wir später Zelle mit gel- Xennen lernen. — Als Ersatz für das Chlorophyll treten bei ben Farb- { stoffträ- gewissen Algen braune oder rote Farbstoffe auf. gern aus In den Blumenblättern (Kapuzinerkresse, Ginster u. a.) einem Kelch- und in dem Fleische saftiger Früchte (Rose, Eberesche, Weiß- es ar dorn u. a.) enthalten die Farbstoffträger vielfach einen leb- u x haft gelben oder roten Farbstoff. Sie verleihen den Blüten Kern. (Vergr, und Früchten dieser Pflanzen die auffällige Färbung, durch 250 mal.) die Insekten und Vögel, d. h. Bestäubungsvermittler und Samenverbreiter, angelockt werden. In den tiefern, der Belichtung nicht ausgesetzten Pflanzenteilen sind die Farbstoffträger endlich farblose Gebilde. 2. Der Zellsaft und die in ihm gelösten Stoffe. Der Zellsaft ist eine wässerige Flüssigkeit, in der zahlreiche Stoffe gelöst sind. Je nach der Art dieser Stoffe hat der Zellsaft auch für die Zelle, sowie für die ganze Pflanze eine verschiedene Bedeutung. Hier seien nur die wichtigsten Punkte hervorgehoben: 1. Am häufigsten finden sich in dem Zellsafte Säuren (z. B. Zitronen- säure), Salze (z. B. zitronensaure Salze) und Zucker. Wie eine an solchen Stoffen reiche Flüssigkeit wirkt, soll uns ein einfacher Versuch mit einer „künstlichen Zelle“ zeigen. Wir nehmen einen Glaszylinder, binden über die eine Öffnung luftdicht ein Stück angefeuchtetes Pergamentpapier (das fast aus reinem Zellstoff besteht; s. S. 428, 4), füllen ihn darauf mit einer starken Kochsalzlösung und binden die andre Öffnung endlich ebenfalls fest mit Pergamentpapier zu. Den so hergerichteten Zylinder legen wir in ein Gefäß mit reinem Wasser. Nach etwa 24 Stunden finden wir, daß einerseits das Wasser in dem Gefäße ein wenig salzig geworden ist, und daß andrerseits die beiden Verschlüsse des Zylinders straff gespannt 1) chloros, grün und phyllon, Blatt. Bau und Leben der Zelle, 425 und stark vorgewölbt sind. Es ist also durch das Pergamentpapier Salz- wasser nach außen und reines Wasser nach innen gedrungen, und zwar ist das Einströmen des reinen Wassers viel stärker gewesen als der Aus- tritt des Salzwassers; denn die Flüssigkeit in dem Zylinder hat ja erheb- lich zugenommen. Durchstechen wir den Verschluß des Zylinders auf einer Seite mit einer Nadel, so spritzt die Flüssigkeit daraus in kräftigem Strahle hervor, ein Zeichen, daß die Verschlußstücke heftig auf den stark vermehrten Inhalt zurückdrücken. Wiederholen wir den Versuch, ver- wenden wir aber statt des Kochsalzes Zucker oder eine Säure, so werden wir dieselben Erscheinungen beobachten, desgleichen wenn wir an Stelle verschiedener Flüssigkeiten zwei Gase, z. B. Chlor und atmosphärische Luft benutzen. Wie leicht festzustellen ist, dauert der Austausch, der als Osmose!) bezeichnet wird, so lange, bis die Flüssigkeiten oder Luftarten auf beiden Seiten der Scheidewand völlig gleich sind. (Statt des Perga- "mentpapieres läßt sich auch eine tierische b. Haut, z. B. eine Schweinsblase, verwenden.) Die Pflanzenzelle ist nun ein solcher osmotischer Apparat im kleinen: Die Zell- haut entspricht dem Verschlusse und der Jellsaft der Salzlösung. Tritt zu ihr von außen eine weniger stark gesättigte Flüssig- keit, so wird sich der Zellsaft vermehren. Ist dagegen die Flüssigkeit, die die Zelle umspült, stärker mit Salzen oder andern Stoffen gesättigt, so wird der Zellsaft ab- nehmen. Auf diese Weise erfolgt in der | Pflanze, je nachdem in den einzelnen # Zellen bestimmte Stoffe mehr verbraucht werden als in den Nachbarzellen, ein Austausch der Stoffe. Derselbe Vor- gang spielt sich auch zwischen dem Boden und den Wurzelzellen ab. In dem Maße, in dem sich der Zell- saft vermehrt, wird die Zellhaut aus- gedehnt und straff gespannt, so dab sie = infolge ihrer Elastizität auf den Zellinhalt ,_.. Seren 5 # R : 3 Vorrichtung zum Nachweis, daß der zurückdrücken muß. Diese Spannung, die Turgor der Pflanze durch ihren gewöhnlich 5 und mehr Atmosphären er- Wassergehalt bedingt ist. reicht, und die daher der Zelle eine be- trächtliche Festigkeit verleiht, bezeichnet man als ihren Turgor’). In solehem Zustande befinden sich in erster Linie die Zellen aller wachsenden Pflanzenteile. Daher vermögen z. B. die zarten Keime oder jungen Triebe (Roggen, Maiglöckehen usw.), die Erde zu durchbrechen. Verliert die Zelle 1) von osmoös, das Stoßen. 2) das Aufgeschwollensein, das Strotzen. 426 Bau und Leben der Zelle. vielleicht durch zu starke Verdunstung Wasser, so wird der Turgor ge- ringer; die bisher gespannte Zellhaut und damit die ganze’ Zelle wird schlaff und weich. Geschieht dies mit vielen oder allen Zellen, dann sagt man: die Pflanze welkt. Führt man der Pflanze jedoch genügend Wasser zu (Begießen, Einstellen in ein Gefäß mit Wasser!), so nimmt sie das frühere Aussehen wieder an, ein Zeichen, daß es nur der in ihren Zellen herrschende Wasserdruck ist, der sie aufrecht erhält. Mit Hilfe eines sog. V-Rohres aus starkem Glase läßt sich leicht nachweisen, daß der Turgor nur durch den Wassergehalt der Pflanze bedingt wird. Preßt man nämlich — wie in der Abbildung auf S. 425 zur Darstellung gelangt ist — Wasser (W.) durch Quecksilber (Q.) in einen welken Sproß (a.), so erlangt er alsbald wieder seine ursprüngliche Straffheit (b.). 2. Vielfach sind in dem Zellsafte auch Stoffe aufgespeichert, die später zum Aufbau der Pflanze verwendet werden. Das sehen wir z. B. an der Zuckerrübe, die in dem Zellsafte der Wurzel große Mengen von Zucker als Baustoff für das nächste Jahr anhäuft. 3. Auch Kristalle sind oft im Zellsafte enthalten. Am bekanntesten sind die des klee- oder oxalsauren Kalkes, die z. B. in den grünen Teilen des Aronstabes anzutreffen sind. Meist schlägt sich das giftige Salz aus dem Zellsafte in Form von Nadeln oder Nadelbündeln nieder, die für die betreffenden Pflanzen ein wirksames Schutzmittel gegen Schneckenfraß bilden. 4. Ähnlich wie gewisse Blüten und saftige Früchte durch ee Farbstoffkörperchen bunt erscheinen, werden andre durch Platte des einen im Zellsafte gelösten Farbstoff den Bestäubern und Aronstabes Verbreitern der Pflanze auffällig (Blüte von Rose, Ritter- mit (N.) Na- sporn u. a.; Frucht von Kirsche, Heidelbeere u. a.). Als An- deln aus klee- Jockungsmittel treten bei den Früchten vielfach noch ein ed oxa- angenehmer Duft und der Zuckergehalt des Zellsaftes hinzu. saurem Kalk. = (Mars Auch im Zellsafte andrer Pflanzenteile sind nicht selten Farb- 100mal.) stoffe anzutreffen (Blutbuche u. a.). C. Die Zellhaut. 1. Bedeutung. Wir haben gesehen, daß der größte Teil des Proto- plasmakörpers, das Zellplasma, in der Regel eine zähflüssige Masse dar- stellt. Angenommen, der Mensch wäre befähigt, aus vorhandenen Stoffen eine Pflanze aufzubauen, > a III Ze NS N NR III en SIIIIITIII IS Das Blatt ist: 1. nierenförmig, 2. herzförmig, 3. pfeilförmig, 4. spießförmig. ni Su 436 Bau und Leben des Blattes. N Da es IPAINS AN NN PN V ne, R Sm Q 17 DM: Das Blatt ist: 1. ungeteilt, 2. fiederspaltig, 3. fiederteilig, 4. handförmig-geteilt. Kaktusarten das ganze Blatt zu Dornen umgewandelt ist, zeigen bei der Robinie nur die Nebenblätter diese Veränderung. b) Hat das Blatt die Aufgabe, den schwachen Stengel an eine Stütze zu binden, so besitzt es die Gestalt der Blattranke (vgl. Stengelranke). Bei der Erbse und ag y A < NO | N N \ N | > os k Ik IE I ®) Das Blatt ist: 1. paarig-gefiedert, 2. unpaarig- gefiedert, 3. mehrfach- gefiedert, 4. unterbrochen- gefiedert, 5. handförmig- fünfzählig. ac, ii Bau und Leben des Blattes. 437 vielen andern Schmetterlingsblütlern sind die Nerven der obersten Fiederblätter zu Ranken umgewandelt. c) Bei Sonnentau, Wasserschlauch, Kannenstrauch und andern „insektenfressenden Pflanzen“ sind die veränderten Blätter Mittel zum Tierfange. B. Die Blattstellung. Die Blätter jeder Pflanze (also auch Nieder- und Hoch- blätter, sowie die Blätter der Blüte) sind am Stengel stets in ganz bestimmter Weise angeordnet. a) Stehen sich, wie z. B. bei der Taubnessel, je zwei Blätter in gleicher Höhe des Stengels gegenüber, so nennt man sie gegenständig. Wechseln wie bei dieser Pflanze die Blattpaare so miteinander ab, daß die Blätter über je einer Lücke des vorhergehenden und nachfolgenden Paares stehen, so heißt die Blattstellung kreuz- ständig. Die Blätter sind: 1. gegenständig und kreuzständig, 2. quirlständig, 3. zerstreut oder wechselständig. b) Entspringen an einer Stelle rings um den Stengel mehr als zwei Blätter, so bezeichnet man sie als quirlständig (Wasserpest, Blattkreise zahlreicher Blüten). c) Bei den meisten Pflanzen stehen die Blätter einzeln in ungleicher Höhe am Stengel. Diese Stellung bezeichnet man als zerstreut oder wechselständig. Wiederholen wir aber bei irgend einer dieser Pflanzen den bei der Schwarzwurz an- gegebenen Versuch mit dem Faden, so sehen wir deutlich, daß diese scheinbar regellos gestellten Blätter dem Stengel in einer Schraubenlinie angeheftet sind. Mit Hilfe des Fadens kann man auch leicht feststellen, wieviel Umgänge (Schraubenwindungen) nötig sind, um auf ein Blatt zu stoßen, das genau über dem Anfangsblatte steht, und das wievielte Blatt es von diesem Blatte an gezählt ist. Stehen z.B. wie beim Kirsch- baume auf zwei Umgängen fünf Blätter, so nimmt gleichsam jedes Blatt */,;-Umgang ein. Diese Blattstellung bezeichnet man daher als ?/;-Stellung. Von häufiger vor- 438 Bau und Leben des Blattes. kommenden Stellungen seien genannt: die Y/-Stellung bei den Gräsern und vielen Liliengewächsen; die '/;-Stellung bei zahlreichen andern einkeimblättrigen Pflanzen; die bereits erwähnte ?/;- und die °/s-Stellung bei vielen zweikeimblättrigen Gewächsen. 2. Das Blatt als Werkzeug der Aneignung oder Assimilation der Nährstoffe. A. Die Aneignung oder Ässimilation der Nährstoffe. Das grüne Blatt spielt im Leben der Pflanze eine außerordentlich wichtige Rolle: Es ist nämlich erstlich vor allen Dingen das Organ, in dem die aufgenommenen Rohstoffe so umgewandelt werden, daß sie zum Leben und Aufbau der Pflanze zu verwenden sind. Bevor wir jedoch diesen Vorgang verfolgen können, haben wir uns zu fragen, welcher Stoffe die Pflanze überhaupt bedarf, um daraus jene Baustoffe zu bilden. 1. Die Bestandteile und Nährstoffe der Pflanzen. a) Wie wir bei der Betrachtung der Zelle gesehen haben, sind alle Teile der lebenden Pflanze von Wasser durchtränkt. Daher gibt es ohne Wasser kein Pflanzenleben (Vertrocknen der Pflanzen im Blumentopfe! Wüsten!). In welcher Menge dieser wichtige Stoff im Pflanzen- körper enthalten ist, zeigt schon ein einfacher Versuch: Wir legen irgend einen größern Pflanzen- teil, einen Zweig, eine Kartoffelknolle, einen Apfel oder dgl., dessen Gewicht wir vorher fest- gestellt haben, auf den warmen Ofen und wiegen ihn wieder, nachdem er vollkommen ausgetrock- net ist („Trockengewicht“). Der Gewichtsverlust ist in erster Linie auf das verdunstete Wasser zurückzuführen. Bei den verschiedenen Pflanzen und Pflanzenteilen ist der Wassergehalt aller- dings sehr verschieden groß. Während z. B. Melonen bis 95 °/, und frisches Holz durchschnitt- lich 60°/, Wasser enthalten, finden sich in Ge- treidekörnern etwa nur 13 °/o. b) Ein ausgetrockneter Pflanzenteil ist, wie wir nun weiter wissen, verbrennbar, d. h. er enthält Kohlenstoff. Verkohlen wir irgend einen Pflanzenstoff, z. B. Holzteilchen, in einer Retorte, oder wiegen wir ein Stück Holzkohle und ein gleich großes Stück ganz trocknes Holz, so er- kennen wir, daß der Kohlenstoff etwa die Hälfte — - des Trockengewichtes der Pflanze ausmacht. Wie Zwei Pflanzen des Buch- gleichmäßig der Kohlenstoff in der Pflanze ver- weizens in Nährlösungen teilt ist, ergibt sich daraus, daß an der Holz- (s. w. u.) wachsend. DieLö- kohle selbst noch der feinste Bau des Holzes zu sung bei I enthält Kali, : 2 die Lösung II nicht. (Nach erkennen ist. — In den Steinkohlen- und Braun- Nobbe.) kohlenlagern sind uns riesige Massen dieses un- Bau und Leben des Blattes. 439 gemein wichtigen Stoffes aus der Vorzeit erhalten geblieben, und der Torf ent- steht noch heutzutage durch ein langsames Verkohlen von Pflanzenteilen. c) Wie wir wissen, ist das Protoplasma sehr reich an Eiweiß. Dieser wichtige Stoff bildet sich aber nur bei Vorhandensein von Stickstoff. d) Wasser, Kohlenstoff und Stickstoff entweichen beim Verbrennen der Pflanzenstoffe in gasförmigen Verbindungen, Die zurückbleibende Asche enthält die mineralischen Bestandteile des Pflanzenkörpers. An der Zusammensetzung dieser Stoffe sind nun sehr verschiedene chemische Grundstoffe oder Elemente beteiligt. Durch Versuche, die von zahlreichen Naturforschern viele Jahre hindurch angestellt wurden, ist jedoch erwiesen, daß zum Aufbau der Pflanze nicht alle in ihr ge- fundenen Elemente nötig sind. e) Gewisser Elemente dagegen bedarf die Pflanze zu ihrem Gedeihen unbedingt. Diese sog. Nährstoffe sind außer dem Kohlenstoffe, dem Wasser- und Sauerstoffe (d. s. die Elemente des Wassers, H,O), sowie dem Stickstoffe noch: Schwefel, Phosphor, Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen. Fehlt einer dieser Stoffe, so kümmert die Pflanze oder geht gar bald zugrunde. 2. Die Assimilation der Nährsalze. a) Daß die (grüne) Pflanze ihren Körper wirklich aus den genannten Elementen aufbaut, soll uns ein einfacher Versuch zeigen: Wir bieten einer Pflanze außer der nötigen Wärme und dem notwendigen Lichte nichts weiter als diese Stoffe in Form einfacher chemischer Verbindungen dar. Zu diesem Zwecke stellen wir eine Nährlösung her, d. h. wir lösen in je einem Liter destillierten Wasser folgende Nährsalze in den angegebenen Mengen auf: 1 g salpetersaures Calcium; CalNO,;),, 0,25 g Chlorkalium; KCl, 0,25 g schwefelsaures Magnesium; MgSO,, 0,25 g Monokaliumphosphat; KH;PO,. Nachdem wir der Flüssigkeit noch einige Tropfen verdünnter Eisenchloridlösung (FeÜl;) zu- gesetzt haben, füllen wir damit ein großes, mehrere Liter fassendes Glasgefäß. Vorher haben wir aber bereits in feuchten Sägespänen etliche Maiskörner zum Keimen ge- bracht. Sind die Wurzeln einige Zentimeter lang geworden, dann befestigen wir einen Keimling mit Hilfe von etwas Watte so in dem durch- bohrten Korke des Grefäßes, daß nur die Wurzeln in die Flüssigkeit tauchen. Stellen wir das Gefäß, nachdem wir es mit einem undurchsichtigen Stoffe umbunden haben (Schutz gegen sonst sich bildende z Algen!), an ein sonniges Fenster, so beginnt das Maispflanze, in einer Pflänzchen sich bald zu entwickeln. Bei regel- Nährlösung wachsend. 440. Bau und Leben des Blattes. mäßigem Ersatze des verdunsteten und verbrauchten Wassers und häufigem Einblasen von Atemluft für die Wurzeln wächst es nach und nach zu einer stattlichen Pflanze heran, treibt Blüten und — falls man für die Bestäubung sorgt —- schließlich auch Früchte. b) Vergleichen wir die Maispflanze mit dem winzigen Maiskorne, aus dem sie hervorgegangen ist, so müssen wir sagen, daß sie eine große Menge von Pflanzenstoffen gebildet hat. Da ihr aber nichts weiter zur Verfügung stand als Wasser und Nährsalze, sowie die Bestandteile der Luft (Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure), so muß sie diese Stoffe zum Aufbau ihres Körpers verwendet haben. Die kohlenstoffhaltigen und zugleich verbrennlichen Stoffe nennt man nun — da aus ihnen der Körper der Pflanzen und Tiere, also der Lebewesen oder Organismen, aufgebaut ist — kurz: organische. Die Stoffe dagegen, die in ihrer ur- sprünglichen Form den Tier- oder Pflanzenleib niemals bilden können, werden darum als anorganische bezeichnet.') Wir können von der Mais- pflanze also mit andern, kürzern Worten auch sagen, daß sie aus an- organischen Stoffen organische erzeugt hat. Sie hat diese, ihr fremdartigen Stoffe ihrem Körper einverleibt, sich ihr also gleichsam ähn- lich gemacht oder assimiliert.°) Daher bezeichnet man diese Aneignung anorganischer Stoffe kurz als Assimilation. Verwendeten wir zu unsern Versuchen andre (grüne) Pflanzen, so würden wir denselben wichtigen Vorgang beobachten, der sich in Feld, Wald und Flur jahraus, jahrein in größtem Maßstabe vollzieht. — An der Maispflanze sehen wir auch, daß die im Wasser gelösten Nährsalze mit Hilfe der Wurzel auf- genommen werden. Ein Gleiches erfolgt — wie wir täglich wahrnehmen können — bei der Mehrzahl der Pflanzen. (Wie dies geschieht, werden wir jedoch erst später sehen.) 3. Die Assimilation des Kohlenstoffes. a) Unsre Versuchspflanze bildete kohlenstoffhaltire Verbindungen, ohne daß wir der Nährlösung auch nur eine Spur von Kohlenstoff zugesetzt hatten. In der dem Wasser beigemengten Luft ist dieser wichtige Stoff allerdings vorhanden, jedoch in so geringen Mengen, daß er bei diesem Vorgange keine Rolle gespielt haben kann. Da nun die Pflanze außer mit jener Flüssigkeit nur noch mit der atmosphärischen Luft in Berührung gekommen ist, müssen wir in ihr die Quelle des Kohlenstoffes vor uns haben. Der Kohlenstoff ist in der Luft in Form von Kohlensäure (Kohlendioxyd, CO,) vorhanden. Dies ist ein farbloses Gas, das bekanntlich das Schäumen des Bieres, das Aufbrausen des Schaumweines und der kohlensauren Wasser (Selters u. a.) bewirkt. Gießt man in eine solche Flüssigkeit etwas Kalkwasser, so entsteht alsbald ein weißer Niederschlag. Dasselbe geschieht, wenn man eine größere Menge atmosphärischer Luft durch Kalkwasser leitet, ein Beweis, daß in ihr gleichfalls Kohlensäure vorhanden ist. Die Luft, die aus etwa 79 Raumteilen Stickstoff und 21 Raumteilen Sauerstoff be- steht, enthält jedoch nur 0,03 bis 0,04 °/, dieses Gases. 1) Wenn man auch in neuerer Zeit gelernt hat, zahlreiche organische Stoffe künstlich her- zustellen, so hat man diese treffenden und einfachen Bezeichnungen doch beibehalten. 2) assimi- tare, ähnlich machen. Bau und Leben des Blattes. 441 b) Wie die Aneignung des Kohlenstoffes erfolgt, soll uns wieder ein Versuch zeigen: Wir bringen eine Anzahl Zweige der Wasserpest unter einem Glastrichter in ein Gefäß mit frischem Brunnenwasser. Über die Mündung des Trichters, die sich unter dem Wasserspiegel befinden muß, stülpen wir sodann ein mit Wasser gefülltes Probierglas und setzen “den Apparat dem direkten Sonnenlichte aus. Es währt nicht lange, so steigen von den Pflanzen Luftbläschen empor, die sich in dem Probierglase an- sammeln und aus ihm schließlich alles Wasser verdrängen. Ist dies geschehen, so schließen wir das Glas unter Wasser mit dem Daumen, nehmen es aus dem Gefäße und führen einen glimmenden Span hinein. Da der ‘Span sofort mit heller Flamme brennt, kann das von den Pflanzen ausgeschiedene Gas nichts andres als Sauerstoff sein. Dieser Vorgang ist etwa so zu er- klären: Lassen wir ein Glas mit Brunnen- wasser eine Zeitlang ruhig stehen, so be- decken sich die Wände mit zahlreichen Luftbläschen. Setzen wir dem Wasser ein wenig Kalkwasser zu, so erkennen wir an dem weißen Niederschlage, daß diese Luft _ = e ; Sauerstoffausscheidung Kohlensäure enthält. Indem nun die Pflan- qurch er oe zen, die wir bei unserm Versuche ver- wenden, diese kohlensäurehaltige Luft aufnehmen (wie dies geschieht, werden wir später sehen!), zerlegen sie zugleich die Kohlensäure in ihre beiden Elemente: Der Sauerstoff wird ausgeschieden, der Kohlenstoff dagegen zurückbehalten. Daß der Sauerstoff wirklich durch Zerlegung der Kohlensäure ge- wonnen wird, beweisen folgende Tatsachen: Ist in unserm Versuche die Entwicklung des Sauerstoffes eine Zeitlang vor sich gegangen, so wird sie allmählich schwächer, bis sie schließlich ganz aufhört (die Kohlen- säure ist verbraucht!). Leitet man in das Wasser jetzt aber etwas Kohlensäure (etwa durch Zugießen von kohlensaurem Wasser), so beginnt die Sauerstoffausscheidung alsbald von neuem. Oder: bringt man Teile der Wässerpest in Wasser, aus dem zuvor durch Kochen alle Luft und daher auch die Kohlensäure entfernt worden ist, so findet eine Sauer- stoffausscheidung überhaupt nicht statt. ec) Wie unsre Versuchspflanze verhalten sich alle (grünen) Gewächse der Erde: Sie entziehen den zur Herstellung organischer Körper nötigen Kohlenstoff der atmosphärischen Luft und geben ihr den dabei freiwerdenden Sauerstoff zurück. Wenn man bedenkt, welch riesige Mengen von Kohlenstoff schon ein einziger Wald in seinen ii N BT va‘ IK FRE RIRERTSEGEIEITE 1% 449 3au und Leben des Blattes. Bäumen aufspeichert, und welche Massen davon täglich sämtliche Pflanzen der Erde der Luft entziehen, so — sollte man meinen — müßte selbst dieses gewaltige „Kohlenstoff-Lager“ schließlich erschöpft werden. Durch die Verwesung und die Atmung der unzähligen Millionen von Tieren (und Pflanzen), durch das Verbrennen von Holz und Kohlen und durch die Tätigkeit der Vulkane wird der Verbrauch jedoch immer wieder ausgeglichen, so daß der Kohlensäuregehalt der Luft stets der- selbe bleibt. Ebenso verhält es sich mit der Sauerstoffmenge der Luft. Sie müßte infolge der Assimilation der Pflanzen beständig vermehrt werden, wenn nicht jedes Tier und jeder Mensch mit jedem Atemzuge etwas von dieser „Lebensluft“ verbrauchten, und wenn nicht bei jeder Verbrennung und Verwesung Sauerstoff gebunden würde. In der Natur findet also ein gewaltiger Kreislauf der beiden wichtigen Gasarten statt. Beziehen wir ihn — indem wir die Atmung der Pflanzen (s. S. 456) außer acht lassen — auf die Lebe- wesen, so müssen wir sagen: Die Kohlensäure, derer die Pflanze zur Er- nährung bedarf, atmen Tier und Mensch aus, und der von der Pflanze hei der Assimilation ausgeschiedene Sauerstoff ist für Tier und Mensch „Lebensluft“. Ohne Pflanzenleben daher — kein Tier- und Menschenleben. B. Nur grüne Pflanzen und Pflanzenteile assimilieren. Alle Pflanzen oder Pflanzenteile sind jedoch nieht imstande zu assimilieren. Setzen wir z. B. Kartoffelknollen oder Mohrrüben in der- selben Weise wie die Wasserpest dem Lichte aus, so tritt keine Sauer- stoffausscheidung ein. Es findet also auch keine Assimilation statt. Oder ein andrer Versuch: Bringen wir einen Maiskeimling in eine Nährlösung, der jedoch das Eisen fehlt, so entwickelt sich anfangs ein gesundes Pflänz- chen. Nachdem das dritte oder vierte Blatt entfaltet ist, stellen sich aber Krankheitserscheinungen ein: Die sich jetzt bildenden Blätter bleiben vollkommen weiß, und das Pflänzchen wird immer schwächlicher, bis es schließlich eingeht. Wie die mikroskopische Untersuchung zeigt, sind in den bleichen Blättern nur farblose Blattgrünkörper zu finden. Setzen wir aber der Nährlösung einer zweiten „bleichsüchtigen“ Versuchspflanze einige Tropfen verdünnter Eisenchloridlösung zu, so fangen oft schon nach zwei Tagen die weißen Blätter an, grün zu werden; nach wieder einigen Tagen sind sie bereits von andern grünen Maisblättern nicht zu unterscheiden, und nunmehr schreitet die Entwicklung der Pflanze un- gehindert fort. Auf dünnen Querschnitten durch ein Blatt finden wir jetzt zahlreiche grüne Blattgrünkörper. Dieser Versuch beweist nicht nur, daß zur Bildung des Blattgrüns Eisen notwendig ist, sondern auch, daß die Assimilation an das Vorhandensein des Blattgrüns ge- bunden ist. Ze) Bau und Leben des Blattes. 443 .e) Alle grünen Teile der Pflanze vermögen also zu assimilieren. Da nun die Laubblätter besonders reich an Blattgrün sind, stellen sie auch die bei weitem wichtigsten Ernährungswerkzeuge der Pflanze dar. Diese Erkenntnis macht es uns z. B. verständlich, warum Bäume eingehen („verhungern“), wenn sie durch Raupenfraß wiederholt alles Laub verlieren, oder weshalb das in vielen Gegenden übliche Abblättern die Rüben in ihrer Entwicklung hemmt usw. 1. Die Teile der grünen Pflanzen, die des Blattgrüns ent- behren, vermögen daher auch nicht, anorganisches Material in organi- sches überzuführen. Die Wurzeln, die Blumenblätter, die mit dicker Borke umkleideten Stämme u. dgl. müssen daher von den grünen Teilen ernährt und von den dort bereiteten Stoffen aufgebaut werden. 2. In derselben Lage befinden sich auch die blattgrünfreien (oder sehr blattgrünarmen) Pflanzen. Sie sind genötigt, die zum Leben und Aufbau ihres Körpers notwendigen Stoffe in assimiliertem, fertigem Zu- stande aufzunehmen. Daher sind diese Pflanzen Schmarotzer (Para- siten) wie die Hopfenseide oder Fäulnisbewohner (Saprophyten), wie wir das an zahlreichen Pilzen, sowie an den bleichen Gestalten aus der großen Abteilung der Blütenpflanzen (dem Fichtenspargel, der Nest- wurz u. a.) gesehen haben. 3. Endlich sind auch die zahllosen Tiere und Menschen, die die Erde bevölkern, außerstande, sich von Wasser, Nährsalzen und Kohlen- säure zu ernähren. Alle sind auf die organischen Stoffe angewiesen, die von der grünen Pflanze bereitet werden. Der Kohlenstoff ist in der Natur also beständig auf einer Wanderung begriffen, die immer wieder nach dem Ausgangspunkte zurückführt: Aus der Kohlensäure der Luft geht er zuerst in die grüne Pflanze über, baut dann den Leib der Men- schen oder der pflanzenfressenden Tiere auf, wandert weiter von den Pflanzenfressern in den Körper der Menschen oder der Fleischfresser und geht endlich in der von Mensch und Tier ausgeatmeten Kohlensäure wieder in die atmosphärische Luft zurück. Ohne Pflanzenleben kann es also auch aus diesem Grunde weder Tier-, noch Menschenleben geben. — Diese Tatsachen machen uns auch verständlich, warum pflanzenreiche Gebiete stets ein reiches Tierleben haben und vielfach dieht von Menschen bewohnt sind, und weshalb umgekehrt die an Pflanzen ärmsten Gegen- den des Erdballs (Wüsten, Polarzonen, Eisregionen der Hochgebirge) am wenigsten bevölkert sind. C. Die Assimilation erfolgt nur im Lichte. Die grünen Pflanzen sind jedoch wieder nur unter gewissen Be- dingungen imstande zu assimilieren. Verwehren wir den Sonnenstrahlen, zu den Wasserpestpflanzen zu treten — wir brauchen nur die Hand vor das Gefäß zu halten oder es sonstwie zu verdunkeln —, so hört die Sauerstoffausscheidung, also die Assimilation, sofort auf. (Weitere Ver- suche, die diese Tatsache in noch größerer Deutlichkeit zeigen, s. S. 452, b 444 Bau und Leben des Blattes. und 8. 454, 1.) Ebensowenig vermögen Pflanzen, die unter normalen Verhältnissen grün sind, diese wichtige Tätigkeit zu entfalten, wenn sie sich im Dunkeln entwickeln. Folgender Versuch wird uns dies zeigen: Wir lassen einige Maiskörner keimen, die wir zuvor genau gewogen haben, und setzen zwei davon wieder in je ein Glas mit Nährlösung. Beide Gefäße stellen wir nebeneinander (gleiche Lebensbedingungen!), überdecken aber das eine mit einem Pappkasten, so daß das Pflänzchen ohne Licht heranwächst. Nach einigen Wochen nehmen wir die Pflanzen aus den Gefäßen, trocknen sie beide in derselben Weise und stellen ihr Trockengewicht fest. Es ergibt sich, daß die im Dunkeln gewachsene Pflanze an Gewicht verloren, die andre dagegen stark gewonnen hat. Demnach findet eine Stoffvermehrung in der Pflanze, eine Assi- milation, nur in Gegenwart von Licht statt. So wenig die Maschinen in den Fabriken selbst klopfen und hämmern, selbst spinnen und weben, selbst pressen und ‘heben — so wenig ver- mögen die Pflanzen also von selbst aus unorganischem Materiale orga- nische Stoffe zu bereiten. Wie die Maschinen jene Arbeiten nur leisten, wenn sie durch die Kraft des Dampfes, des fließenden Wassers oder dgl. in Bewegung gesetzt werden, können die blattgrünführenden Zellen auch nur assimilieren, wenn sie von den Strahlen der Sonne durchleuchtet werden: Die Zellen sind mithin die Werkzeuge, derer sich die Sonne bedient, um organische Stoffe zu bereiten. Von der Sonne hängt somit alles Leben ab, das Pflanzenleben sowohl, wie das Tier- und Menschen- leben. Mit Recht bezeichnen wir sie daher als die „Lebenserregerin“, als — die „Mutter des Lebens“. Ohne sie wäre die Erde ein in Eis er- starrter, unbelebter Ball. Auch die Wärme und Arbeit, die uns die Kohlen spenden, sind nichts andres als Sonnenkraft, die von untergegange- nen Pflanzengeschlechtern Jahrmillionen hindurch aufgespeichert wurde. 1. In dunklen Räumen (Höhlen u. dgl.) vermögen daher auch keine grünen Pflanzen zu leben, während Schmarotzer und Fäulnis- bewohner (Pilze im Holze der Bergwerke u. dgl.) dort wohl existieren können. Daher ist ferner der Pflanzenwuchs in engen Schluchten, auf dem Boden dichter Wälder, unter belaubten Bäumen (im Garten!) und dgl. um so dürftiger, je weniger Lichtstrahlen ihren Weg bis zu ihnen finden. Daher vermögen endlich auch die Pflanzen in solehen Zimmern nicht zu gedeihen, in denen sie oft kaum einen Sonnenstrahl erhalten. 2. Die Tatsache, daß die blattgrünführende Zelle nur im Lichte organische Stoffe bilden kann, macht uns zahlreiche Einrichtungen im Bau der Pflanze leicht verständlich. .a) Pflanzenteile, die Blattgrün besitzen, finden sich nur im Lichte. Stamm und Zweige als die Träger der wichtigsten Assimilationswerk- zeuge, der Blätter, erheben sich daher über den Erdboden, und Blatt- orün bildet sich nur in den äußern Teilen der Pflanze, in die das Licht eindringen kann. Bau und Leben des Blattes. 445 b) Zellen, die Blattgrün enthalten oder über solchen liegen, haben glashelle Wände, die dem Lichte den Eintritt in das Innere gestatten. c) Da die Laubblätter bis auf wenige Ausnahmen flächenförmige Gebilde sind, die sich mit Lichtschirmen vergleichen lassen, liegen ihre Zellen in einer großen Fläche ausgebreitet. Sie können mithin auch alle durchleuchtet werden. d) Schattenpflanzen müssen sich mit stark gedämpftem Lichte begnügen. Dieser Nachteil wird zumeist durch große und dünne Blätter ausgeglichen; denn große Blattflächen vermögen auch eine große Anzahl von Lichtstrahlen aufzufangen, und dünne Blätter können selbst von schwachem Lichte noch durchleuchtet werden: Blätter dieser Art besitzen zahlreiche Waldgewächse (Farne, Lerchensporn u. a.). Auch an den Blättern von Pflanzen derselben Art, die an verschiedenen Standorten wachsen (Garten- und Feuerbohne), oder an Blättern ein und derselben Pflanze (Buche) sind je nach der Belichtung oft grobe Verschiedenheiten hinsicht- lich der Größe und Stärke zu beobachten. e) Die Blätter fangen die meisten Lichtstrahlen auf, wenn sie sich senkrecht zur Rich- tung des einfallenden Lich- tes stellen (s. Abb. 8.111). Wichtig hierfür ist der Besitz Be rer Buchs. ron denen Sich. dioim, ones langen, beweglichen Blatt- Schatten und 2. in vollem Lichte ent- stieles, der die Blattfläche in rkelihät: diese Lage bringt und darin er- hält (s. z. B. Weinstock). | f) Am besten muß die Pflanze gedeihen, deren Blätter sämtlich die ihnen obliegenden Arbeiten verrichten. Dazu ist aber notwendig, daß auch afle des Lichtes teilhaftig werden. Wie wir bei der Betrach- tung der einzelnen Pflanzen bereits gesehen haben, wird dies durch sehr verschiedene Mittel erreicht, die hier übersichtlich zusammen- gestellt sein mögen: 1. Die untern Blätter der Zweige (Roßkastanie) oder der ganzen Pflanze (Schar- bockskraut) sind vielfach größer oder länger gestielt als die obern. 2. Die untern Zweige sind in der Regel länger als die obern. Infolgedessen erhalten die Pflanzen eine pyramidenförmige Gestalt oder Krone (Königskerze, Fichte). 3. Blätter, die dem Boden aufliegen, sind vielfach zu einer Rosette geordnet (Wegerich). 4. Dasselbe gilt für die untern Blätter vieler hochstengeliger Pflanzen; die andern Blätter dieser Pflanzen richten sich immer steiler auf, je höher sie am Stengel stehen (Königskerze). 5. Ähnliche Richtung besitzen die Zweige vieler Bäume (Schwarzpappel). 6. An wage- 446 Bau und Leben des Blattes. rechten Zweigen werden die Blätter vielfach in eine Ebene gestellt. Da die Blätter zudem oft noch verschieden groß und verschieden lang gestielt sind, entsteht häufig eine deutliche Mosaik (Roßkastanie). 7. Bei wagerecht liegenden Stengeln und Zweigen tritt vielfach eine Drehung der Stengelglieder ein (Gundermann). 8. Ebenso sind nicht selten Drehungen der Blattstiele zu beobachten (Weinstock). 9. Große Blätter sind oft tief geteilt, gelappt, aus kleinern Blättehen zusammengesetzt u. dgl. (Wurmfarn). Auf diese Weise werden für die untern Blätter Lichtdurchlässe geschaffen. 10. Große Blätter sind am Stengel weiter auseinander gerückt als kleine (Kürbis, Gurke). 11. Die Blätter sind am Stengel gegenständig, kreuzständig, quirlständig oder in einer Schraubenlinie angeordnet (s. S. 437, B). In letzterm Falle finden sich auf jeder Schraubenwindung meist um so mehr Blätter, je schmaler sie sind, oder anders ausge- drückt: breite Blätter haben vielfach !/;- oder '/;-Stellung; schmalere ?/;- oder ?/g- Stellung usw. (Weiden). D. Die Assimilation und der feinere Bau des Laubblattes. 1. Die Zellschiehten des Laubblattes. Stellen wir durch ein Laub- blatt, z. B. vom Klee, dünne Querschnitte her, so sehen wir bei mikro- skopischer Betrachtung, daß das Blatt aus mehreren deutlich voneinander getrennten Zellschichten aufgebaut ist. An der Oberfläche breiten sich platte Zellen aus, die im Querschnitte recht- winklig sind. Sie stellen die sog. Oberhaut (Epidermis) des Blattes dar. Darunter findet sich eine Schicht langgestreckter Zellen, die wie die Pfähle eines Pfahl- oder Palisaden- @. werkes dicht nebeneinander stehen und die darum sog. Palisadenschicht bilden. An diese legen sich Zellen E einer dritten Schicht an. Sie sind von unregelmäßiger Form und treten so weit auseinander, daß sich zwi- schen ihnen große, luftgefüllte Räume Querschnitt durch ein Laubblatt (vom (s. S, 430, 3) wie in einem Bade- Klee). ©. Oberhaut. P. Palisadenschicht. : ; G. Gefäßbündel (Blattnerv; s. S. 484). schwamme finden. Unter . dieser S. Schwammschicht. Sp. Spaltöffnung. Schwammschicht folgt als Ab- 7.Zwischenzellraum. (Etwa 160malvergr) schluß des Blattes nach unten end- lich wieder eine Oberhaut. — Es gibt aber auch Blätter, bei denen die beiden mittlern Schichten eine andre Ausbildung zeigen. 3, Das Blattgrün und ‘die Blattgrünkörper. a) Wie wir gesehen haben, ist die Assimilation an das Vorhandensein von Blattgrün oder Chlorophyll gebunden. Die Träger dieses wichtigen Farbstoffes, die Blatt- grün- oder Chlorophylikörper finden sich in großer Anzahl in den beiden mittlern Zellschichten. Besonders reich daran sind die Zellen der Pali- sadenschicht. Sie bilden daher das eigentliche Assimilationsgewebe Bau und Leben des Blattes. 447 und liegen, ihrer Aufgabe entsprechend, dort, wo sie dem Lichte am meisten ausgesetzt sind, nämlich an der Oberseite des Blattes. Der größere Reichtum an Blattgrün, den diese Zellen besitzen, macht uns auch verständlich, warum die Oberseite des Blattes in der Regel dunkler ge- färbt erscheint als die Unterseite. b) Säen wir Getreidekörner in einen Blumentopf, den wir mit einem Pappkasten überdecken, so entwickeln sich zarte, gelbe Pflänzchen, die auch bei längerm Verweilen im Dunkeln nicht ergrünen. Beseitigen wir aber den Pappkasten, so daß das Licht freien Zutritt zu den Pflanzen erhält, so ergrünen sie alsbald, ein Zeichen, daß (von einigen Ausnahmen abgesehen) das Blattgrün nur unter dem Einflusse des Lichtes entsteht. c) Das Blattgrün läßt sich leicht gewinnen, wenn man grüne Blätter (junge Getreidepflanzen) eine Zeitlang in Wasser kocht und sodann ın starken, heißen Alkohol legt. Setzt man einen Teil der gewonnenen Flüssigkeit, die bei durchfallendem Lichte prachtvoll tiefgrün (bei auf- fallendem infolge von Fluorescenz dagegen blutrot) erscheint, dem di- rekten Sonnenlichte aus, so geht das Grün sehr bald in schmutziges Braun über. Der andre Teil der Lösung dagegen, den wir im Dunkeln aufbewahren, behält die grüne Färbung noch lange Zeit. Das Blatt- grün wird also durch die grellen Sonnenstrahlen zerstört. Dieser Vorgang tritt natürlich auch in der Pflanze ein. Da sie aber beständig grün erscheint, muß sich das Blattgrün in dem Maße, in dem es zerstört wird, fortgesetzt neu- bilden. Ist die Zerstörung größer als die Neubildung, so beginnt die Pflanze zu kränkeln, bis sie schließlich zugrunde geht; denn ohne Blattgrün gibt es ja Koine An un Die grünen Pflanzen sind daher auch gegen ein Übermaß von Licht ge- schützt. Besonders gilt dies für junge Blätter, die das Blattgrün nicht so schnell wieder ersetzen Konten, wie es zerstört werden würde. Bei en finden sich in den Zellen vielfach rote Farbstoffe, die das Licht aufsaugen und dessen zerstörende Kraft somit abschwächen (Kirschbaum, Rhabarber, Rose usw.). Ist das Blatt vollkommen ausgebildet, so macht die Rotfärbung den Schutzmitteln Platz, die dem Blatte während des ganzen Lebens vonnöten sind, und die wir sofort kennen lernen werden. 3. Die Oberhaut, ein Schutzorgan. 5 . . Ein Stück von der Oberhaut eines Ritzt man die Oberhaut eines Blattes Blattes des Alpenveilchens (Flächen- (z. B. von einem Liliengewächs) mit ansicht). S. Schließzellen der Spalt- o” ) Ge P einer Nadel auf, so lassen sich Teilchen öffnungen; s. S.450. (Vergr. 200 mal.) 448 Bau und Leben des Blattes. davon mit Hilfe einer Pinzette als zarte Hautstückchen leicht ab- ziehen. Unter dem Mikroskop erkennen wir dann, daß die Oberhaut- zellen die Form von Platten haben. Sie schließen stets so eng und fest aneinander, daß sie sich, wie wir soeben gesehen haben, nur als De inmenhangende Schicht, als eine feine Haut (Name!) von den darunter liegenden Zellen trennen lassen. Vielfach (z. B. bei der Kartoffel, dem Wurmfarne, dem Alpenveilchen u. v. a.) greifen sie noch durch Vorsprünge und Einschnitte ineinander, so daß sie gleichsam „verzahnt“ erscheinen. Den Innenraum der Oberhautzellen nimmt zum weitaus größten Teile farbloser Zellsaft ein. Daher sind alle Teile, die von ihnen über- zogen werden, wie von einem Wassermantel umgeben. Die Außenwände dieser Zellen sind, wie man an jedem Blattquer- schnitte sehen kann, stets verdiekt und durch Einlagerung wass£rdichter, wachsartiger Stoffe ausgezeichnet, die zusammenfassend Kutin genannt werden. Die äußerste, an diesen Stoffen besonders reiche Schicht erscheint als ein dünnes Häutchen, das sich ohne Unterbrechung über die ganze Außenfläche der Oberhaut hinwegzieht und als Kutikula bezeichnet wird. Setzt man einem Blattquerschnitte konzentrierte Schwefelsäure zu, so werden alle Teile aufgelöst. Nur die - Kutikula bleibt zurück, ein Zeichen ihrer außerordentlichen Widerstandsfähigkeit. Da sie zudem gleich einem mit Öl oder Wachs getränkten Papier für flüssige oder Querschnitt durch die Oberhaut gasförmige Stoffe (Wasser und Wasser- eines Blattes. O. Oberhaut; K. Kuti- dampf) fast undurchdringlich ist, eignet kula. Unter der Oberhaut Teile von sie sich vortrefflich dazu, den Körper der Jellen mit Blattgrünkörpern. (Vergr. i : 300mal.) Pflanze nach außen abzuschließen. Die Oberhaut ist also ein Gewebe von großer Festigkeit, und hierin liegt auch in erster Linie ihre Bedeutung: Ihre Zellen bilden gleichsam eime lebende Mauer, unter derem Schutz die andern „Bürger des Zellstaates“ ihre friedlichen Arbeiten verrichten können. _Untersuchen wir dies näher! 6° 2% TENZ\ ar. la a) Die Assimilationswerkzeuge, d.h. die Zellen der Palisaden- (und Schwamm-)schicht, sind außerordentlich zarte, dünnwandige Gebilde. Jeder Windstoß würde sie zerfetzen, und jeder heftig aufschlagende Regentropfen müßte sie vernichten, wenn sie nicht unter der wider- standsfähigen Oberhaut Schutz fänden. Dementsprechend besitzen auch zahlreiche Tropenpflanzen (Palmen usw.), die fast täglich überaus heftigen Regengüssen ausgesetzt sind, eine so diekwandige Oberhaut, dab die Blätter lederartig erscheinen. b) Lägen die zarten Assimilationswerkzeuge frei da, so würden sie in kurzer Zeit auch so viel Wasser durch Verdunstung verlieren, daß sie vertrocknen, d. h. ihre Tätigkeit bald einstellen müßten. Da sie aber, wie wir gesehen haben, unter einem Wassermantel liegen, und da Bau und Leben des Blattes. 449 die Außenhaut der Oberhautzellen durch Einlagerung wachsartiger Stoffe (Kutin) für Wasserdampf nur wenig durchlässig ist, vermögen zahl- reiche Pflanzen selbst an sehr trocknen Orten zu bestehen. Zu diesen beiden Schutzmitteln treten vielfach noch zahlreiche andre, die eine zu starke Verdunstung im allgemeinen zu verhindern haben, und die S. 463 bis 464 zusammengestellt sind. (Stelle mit Hilfe der Wage fest, wie- viel Wasser ein geschälter, d. h. der Oberhaut beraubter und ein un- geschälter Apfel in einer gewissen Zeit durch Verdunstung verlieren!) — Pflanzen, die untergetaucht im Wasser leben (Wasserpest, Homblatt u. a.), sind der Gefahr des Vertrocknens nicht ausgesetzt. Sie haben dem- entsprechend auch nur eine sehr zarte Oberhaut mit außerordentlich dünner Kutikula. In vielen Fällen fehlt diese Schutzdecke sogar gänz- lich. Aus dem Wasser genommen, vertrocknen solche Gewächse aber auch in ganz kurzer Zeit. c) Die Oberhaut würde den Assimilationsgeweben jedoch ein schlechter Schutz sein, wenn sie selbst Licht „verschluckte“. Der Inhalt ihrer Zellen besteht demgemäß zumeist nur aus klarem, wässrigem Zellsaft und einer dünnen, wandständigen Protoplasmaschicht, so daß beim Durchtritt nur wenig Licht verloren geht. d) Die Assimilationswerkzeuge müssen — wie bereits erwähnt — aber auch gegen zu grelles Licht geschützt sein. Sie bedürfen daher eines Lichtdämpfers.. Als solcher wirkt gleichfalls die Oberhaut. Zu diesem Schutzmittel treten bei Pflanzen, die an sehr sonnigen Orten ge- deihen, vielfach noch andre hinzu: So sind z. B. Königskerze, Beifuß, Edelweiß u. a. mit Haardecken überzogen, die Fenstervorhängen zu ver- gleichen sind. (Wie verwahren wir Gegenstände, z. B. Möbelbezüge, Decken u. dgl., damit sie nicht bleichen, d. h. damit die Farbstoffe in ihnen nicht durch die Sonnenstrahlen zerstört werden?) Andre „Sonnen- pflanzen“, besonders zahlreiche Gewächse des Mittelmeergebietes und der heißen Zone haben glatte, glänzende Blätter, d. h. solche, deren Oberhaut viele Lichtstrahlen zurückwirft. Die Robinie stellt bei starker Beleuchtung ihre Fiederblättchen senkrecht nach oben, so daß sie schräg von den Sonnenstrahlen getroffen werden. an 2. Ähnlich verhalten sich zahlreiche o»9 6 e: 09 9% RE 2 andre Schmetterlingsblütler. a oe ei 4 Y Wie das ganze Blatt, schützen . % EL sich auch die einzelnen Blattgrün- b © 8 körper gegen eine allzu starke Bin- _\@_© © I * Während sie ” el. Dre TA > wirkung der Sonne. N = # nämlich im zerstreuten Lichte dn e)/ eo. e) 7 N " einfallenden Strahlen ihre Breit- ? = ®8 a seite darbieten, stellen sie sich EM bei srellem Lichte so...daß nur Stellung der Blattgrünkörper 1. im A 8 , ’ streuten und 2. im direkten Lichte. Die ihre Schmalseite davon getrof- Lichtstrahlen fallen so ein, daß sie die Buch- fen wird. fläche senkrecht treffen würden. Schmeil, Lehrbuch der Botanik 29 450 Bau und Leben des Blattes. e) Wie alle Lebenserscheinungen der Pflanzen (und Tiere!) geht auch die Assimilation nur bei einer gewissen Wärme vor sich. Sinkt die Temperatur zu tief, so stellen die Zellen ihre Tätigkeit ein (unsre Pflanzen im Winter!). Steigt sie zu hoch, dann geschieht dasselbe. (Lege Getreide- körner etwa 15 Minuten lang in Wasser, das auf 60—70° erwärmt ist! Die Körner keimen ausgesät nicht; ihre Keimlinge sind durch die Hitze getötet.) Da — wie an jedem Teiche oder Tümpel zu beobachten ist — Wasser die Wärme sehr lange zurückhält, schützt der Wassermantel der Oberhaut die Assimilationswerkzeuge besonders nachts auch gegen zu starke Abkühlung, und da er zahlreiche Wärmestrahlen einsaugt, verhindert er an heißen Tagen eine zu große Erwärmung. (Wie schützen wir Gegen- stände gegen zu schnellen Wärmeverlust oder gegen zu starke Erwärmung?) 4. Die Durchlüftung der assimilierenden Pflanzenteile. Wir haben gesehen, daß der gesamte Kohlenstoff des Pflanzenkörpers aus der Kohlensäure der atmosphärischen Luft stammt. Die Luft enthält jedoch — wie gleichfalls schon früher bemerkt wurde — nur etwa 0,03—0,04 °/, dieses Gases. In 10000 1 Luft sind mithin nur 3—4 1 Kohlensäure vor- handen, die etwa 7 g wiegen und kaum 2 g Kohlenstoff enthalten. Um diese geringe Menge von Kohlenstoff zu gewinnen, muß die Pflanze also 10000 1 Luft von ihrer Kohlensäure befreien. Sicher eine gewaltige Arbeit! Wenn wir nun bedenken, wievielmal 2 g Kohlenstoff schon in einer mäßig großen Pflanze, geschweige denn in einem Waldbaume auf- gespeichert sind, so können wir uns ungefähr eine Vorstellung davon machen, welche riesige Luftmenge die Pflanze gleichsam „verarbeiten“ muß, um den wichtigen Rohstoff zu erlangen. Die Zellen, die diese Arbeit zu leisten haben, können daher nicht innig genug mit der atmosphärischen Luft in Berührung kommen. Da aber — wie wir soeben gesehen haben — die zarten, leicht verletzlichen Werkzeuge nicht frei daliegen dürfen, muß die Luft in das Innere der Pflanze eintreten. Dies erfolgt durch eine große Anzahl feinster Öff- nungen, die man nach ihrer Form Spaltöffnungen nennt und die sich in der Oberhaut aller grünen Teile finden (s. Abb. S. 447). Sie werden in der Regel von je zwei halbmondförmigen Zellen, den sog. Schließ- zellen, gebildet, die meist einige Blattgrünkörper enthalten. (Näheres über diese Zellen und ihre Bedeutung s. S.464!) Besonders reich an Spalt- öffnungen sind die Haupternährungswerkzeuge der Pflanze, die grünen Blätter. So besitzt z. B. ein mittelgroßes Kohlblatt etwa 11 Millionen und ein Blatt der Sonnenblume gar 14 Millionen dieser winzigen Öffnungen. Werden die Spaltöffnungen verstopft, so kommt auch der Luftaus- tausch zum Stillstande. Sie finden sich dementsprechend, gegen Tau und Regen wohl geschützt, in der Regel auf der Blattunterseite. Bei der Seerose und andern Pflanzen mit Schwimmblättern dagegen liegen sie auf der Oberseite. Einrichtungen, die eine längere Benetzung des Blattes und damit einen Verschluß der Spaltöffnungen verhindern, werden wir später noch kennen lernen (s. S. 462, d). Bau und Leben des Blattes. 451 b) Die durch die Spaltöffnungen eintretende Luft verteilt sich in den Zwischenzellräumen, so daß alle Zellen, die an diesen Kanälen liegen, von ihr umflossen werden. Da nun in den Zellen gleichfalls Luft ent- halten ist, die aber infolge Zerlegung der Kohlensäure eine etwas andre Zusammensetzung zeigt, so findet nach dem Gesetze der Osmose zwischen beiden „Luftarten“ ein Austausch statt. Infolge dieses Vorganges wird aber die Luft in den Zwischenzellräumen verändert, und darum muß auch durch die Spaltöffnungen ein beständiger Luftwechsel erfolgen. c) Der Austausch durch die Wände der Assimilationszellen geht nun um so schneller von statten, als sie — wie wir schon gesehen haben — außerordentlich zart und dünn sind. Die mehrfach erwähnte Schutzbedürftigkeit dieser Zellen liegt also in ihrer Aufgabe begründet. d) Je mehr die Blattzellen ausgebreitet sind, eine um so größere Oberfläche bieten sie auch der Luft dar. (Wiederhole den S. 124,c an- gegebenen Versuch!) Die flächenförmige Gestalt der meisten Blätter ist also nicht nur — wie bereits erwähnt — für die Durch- leuchtung, sondern auch für die Durchlüftung von größter Wichtigkeit. 5. Die Blattnerven. a) Die Zellschichten des Blattes bilden für sich allein einen Körper von größter Zartheit. Sollen sie ausgebreitet sein, wie dies für die Erfüllung ihrer Aufgabe durchaus nötig ist, so bedürfen sie (besonders bei größern Blättern) wie der Überzug des Regenschirmes eines festen Gerüstes, zwischen dessen Teilen (Schirmstäben) sie aus- gespannt sind. Dieses Gerüst stellen die Blattnerven oder die Blattadern dar. Für die sehr schmalen Blätter der Nadelhölzer genügt schon eine einzige Längsstütze: ein Mittelnerv ohne Verzweigsung. Bei den gleich- falls oft recht schmalen Blättern der einkeimblättrigen Pflanzen (Gräser, Lilien u. a.) finden sich meist mehrere Längsnerven, die mit dem Haupt- nerven, der Mittelrippe, parallel laufen, aber mit diesem und unterein- ander durch . Nebenäste verbunden sind. Bei den zweikeimblättrigen Gewächsen dagegen, die in der Regel breite Blätter besitzen, tritt durch den Blattstiel meist nur ein Hauptnerv ein, der sich wie ein Baum in immer feinere Zweige auflöst. Mit der Art dieser Verzweigung stehen Form, Teilung oder Zusammensetzung der Blattfläche wieder im innig- sten Zusammenhange. b) Die grüne Blattmasse kann ihre Aufgabe auch nur dann erfüllen, wenn sie durch den Wind nicht zerrissen wird. Diese Sicherung verleihen ihr gleichfalls die Nerven. Die Art und Weise, wie dies ge- schieht, ist im einzelnen sehr verschieden, stets aber so wirksam, daß man selbst nach einem Sturme die Blätter meist völlig unverletzt an- trifft. (Beachte hieraufhin besonders die großen und zarten Blätter z. B. des Tabaks, der Walnuß, der Sonnenblume und des Kürbis. Vgl. auch was darüber bei der Betrachtung des Birnbaumes, des Roggens, des Schilfes, des Wurmfarnes und der Banane gesagt ist!) Wesentlich unterstützt werden die Nerven hierbei durch die Ober- haut, die am Blattrande stets erheblich verdickt ist. Durch diese Einrichtung 452 Bau und Leben des Blattes. erscheinen die Blätter wie ein Tuch oder eine Fahne gleichsam gesäumt. (Über die weitere Bedeutung und den Bau der Blattnerven s. später!) E. Welche organischen Körper werden durch die Assimilation gebildet? Wie die Assimilation im einzelnen verläuft, ist trotz der unabläs- sigen Arbeit zahlreicher Forscher noch durchaus nicht vollkommen ent- hüllt. In den meisten Pflanzen ist das erste sichtbare Produkt dieses Vorganges ein Kohlenhydrat (s. S. 428), nämlich die Stärke. 1. a) Die Stärke, wie wir sie im Haushalte und zu gewerblichen Zwecken verwenden, gewinnen wir aus den Samen einiger Getreidearten (Weizen, Mais, Reis), den Knollen der Kartoffel, sowie aus den Stämmen (Sagopalme) und den Wurzelstöcken mehrerer ausländischer Pflanzen. Bringen wir ein wenig Stärke in einem Wassertropfen unter das Mikro- skop, so erkennen wir, daß sie aus winzigen Körnern zusammengesetzt ist, die je nach der Pflanze, aus der sie stammen, eine verschiedene Form zeigen. So bestehen z. B. die Stärke- körner der Kartoffel aus deutlichen Schichten, die um einen exzentrischen Kern gelagert sind. Die Stärkekörner der Getreidearten und Hülsen- früchte dagegen, die man leicht zu sehen be- kommt, wenn man von den durchschnittenen Früchten oder Samen etwas „Mehl“ abschabt, Stärkekörner: 1. der Kar- toffel; a. einfaches, b. zu- sammengesetztes Korn. 2. der 3ohne; das untere Korn ist — wie häufig zu beobachten erscheinen konzentrisch gebaut. Zwischen den „einfachen“ Körnern der Kartoffelstärke findet man auch zusammengesetzte, wie solche z. B. beim Hafer und Reis allein vorhanden sind. Betupfen wir einige Körner frischer Stärke — von Spalten durchsetzt. 3. Zusammengesetztes Korn vom Hafer. (Vergr. etwa 275 mal.) mit einer Jodlösung, so färben sie sich als- bald heller oder dunkler blau bis blauschwarz. In der Jodlösung haben wir also ein vorzüg- liches Erkennungsmittel der Stärke vor uns. Be- nutzen wir dieses Reagens, um die Stärkebildung in Blättern nachzuweisen! b) Zu diesem Zwecke stellen wir eine Kapuzinerkresse, wie sie sich leicht im Blumentopfe ziehen läßt, etwa 24 Stunden ins Dunkle und schneiden von ihr sodann einige Blätter ab. Nachdem wir diese Blätter eine Zeitlang gekocht (Protoplasma wird getötet!) und ihnen durch Alkohol das Blatterün entzogen haben, bringen wir sie in eine stark verdünnte Jodlösung: Sie bleiben farblos, ein Zeichen, daß sie keine Stärke enthalten. (Dieser Versuch ist zugleich ein Beweis dafür, daß die Blätter im Dunkeln nicht assimilieren.) Darauf stellen wir die Pflanze ins Freie und untersuchen an einem Nachmittage wieder einige Blätter auf dieselbe Weise: Sie färben sich tieiblau, enthalten also reichlich Stärke. Die in das Blatt und Bau und Leben des Blattes. 453 deren grüne Zellen eintretende Kohlensäure (Kohlendioxyd) ist — wie wir schon gesehen haben — in den Blattgrünkörpern in ihre Elemente zer- legt worden, und der dabei frei werdende Kohlenstoff hat sich mit den Elementen des Wassers zu Stärke (C,H,.0;,) vereinigt. Dieser Vorgang, der sich jedoch wahrscheinlich unter vorhergehender Bildung andrer Körper vollzieht, läßt sich durch folgende Gleichung ausdrücken: 600), + 50 = C;H105 + 120 (Kohlensäure + Wasser = Stärke —- freiwerdender Sauerstoff). Bei mikroskopischer Untersuchung des Blattes sieht man, daß in den Blattgrünkörpern kleine Stärkekörnchen enthalten sind. c) Die bei der Assimilation entstandene Stärke bildet nun den Ausgangspunkt für alle in der Pflanzenzelle enthal- tenen Kohlenstoffverbindungen („organischen“ Verbindungen), nämlich für Traubenzucker, Zell- stoff usw., sowie für die im Protoplasma vorkommenden Eiweißstoffe 2. a) Die Eiweißstoffe enthalten außer Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff noch Stickstoff, Schwefel und häufig auch Phosphor. Diese drei zuletzt genannten Elemente werden in Form von Nährsalzen dem Boden entnommen und vereinigen sich in einer uns noch unbekann- ten Weise mit den Bestandteilen der Stärke, nachdem diese vorher in ein andres lösliches Kohlenhydrat übergegangen ist. b) Daß die Pflanze den Stickstoff, obgleich er 79°/, der atmo- sphärischen Luft ausmacht, im Gegensatz zum Kohlenstoff wirklich nur dem Boden zu entnehmen vermag, können wir mit Hilfe einer Mais- pflanze, die wir wieder in einer Nährlösung ziehen, leicht nachweisen. Setzen wir nämlich der Nährlösung statt des salpetersauren Caleiums (Ca[lNO3],) schwefelsaures Caleium (wasserfreien Gyps oder Anhydrit; CaSO,) zu, d.h. also ein Salz, dem der Stickstoff fehlt, so entwickelt sich das Pflänzchen sehr kümmerlich, um schon nach einigen Wochen abzusterben. Einige wenige Pflanzen machen von dieser Regel jedoch eine Aus- nahme. Wie wir bereits früher gesehen haben (s. S. 150), sind die in den Knöllchen der Schmetterlingsblütler lebenden Wurzelbakterien imstande, den Stickstoff der Luft zu Eiweißstoffen zu verarbeiten. Blattgrünkörper aus einem Moosblatte; in denen sich durch Assimilation kleine Stärke- körnchen gebildet haben. (Sehr stark vergr.) 3. Andre Stoffe. Außer Stärke und Eiweiß werden in den „Zell-Laboratorien* noch viele andre Stoffe gebildet, von denen hier nur die wichtigsten kurz genannt werden können. In zahlreichen Pflanzen, besonders in der Zuckerrübe und im Zucker- rohre, findet sich der Rohrzucker als wichtiger Baustoff. Die saftigen Früchte z.B. unsrer Obstarten verdanken vorwiegend dem Traubenzucker ihre Süße, während ihnen Wein-, Apfel- und Zitronensäure den erfrischenden Geschmack verleihen (Bedeutung für die Verbreitung der Samen!). Oxal- oder Kleesäure, ein wichtiges Schutzmittel zahlreicher Pflanzen gegen Tierfraß, kommt, an Calcium gebunden, z. B. im Sauerklee und in den Ampferarten vor. Sehr reich an Gerbstoffen ist die Rinde der Eichen. Fette sowohl, als fette Öle (d. s. Fette, die bei gewöhn- 454 Bau und Leben des Blattes. licher Temperatur flüssig sind) treffen wir als wertvolle Baustoffe in den Samen oder Früchten von Raps, Lein, Mohn, Olive, Ölpalme und vielen andern Pflanzen an. Flüchtige oder ätherische Öle, die im Gegensatz zu den fetten Ölen auf Papier keinen bleibenden Fettfleck hinterlassen, verleihen zahlreichen Blüten und Früchten ihren Duft oder Geschmack (Bedeutung?); aber auch manche Blätter sind reich daran (Thymian, Bohnenkraut u. a.). Außer diesen Stoffen haben wir noch angetroffen: Gummi, Pflanzenschleime, Farbstoffe, Alkaloide (Nikotin, Coffein, Opium u. v. a), Bitterstoffe u. dgl. mehr. E. Die Wanderung, Verwendung und Aufspeicherung der gebildeten Stoffe. 1. Die Wanderung. Untersuchen wir einige Blätter z. B. der Kapu- zinerkresse an einem warmen Sommertage mit Hilfe der Jodprobe, so finden wir sie sicher reich an Stärke. Darauf nehmen wir zwei gleich große Kork- oder Pappscheiben und befestigen sie durch Nadeln so auf beiden Seiten eines andern Blattes, daß sie sich genau gegenüber liegen. Auf diese Weise haben wir einen Teil der Blattfläche verdun- kelt, der also nicht zu assimilieren vermag. Unterwerfen wir nach zwei oder drei Tagen dieses Blatt der Jod- probe, so finden wir, daß die verdunkelt gewesene Stelle frei von Stärke ist. Die Blattnerven dagegen, Wo die diese Stellen durch- Blatt der Kapuzinerkresse. 1. Durch Korkscheiben N nz bl; teilweise verdunkelt; 2. nach Entfernung der Korkscheiben ae ehe SINN au und nach Vornahme der Jodprobe. lich, ein Zeichen, daß sie ein wenig Stärke enthalten. Da sich in diesem Teile des Blattes nun keine Stärke bilden konnte, muß sie in die Nerven aus benachbarten Zellen eingewandert sein. Eine ähnliche Beobachtung machen wir an den Blättern (derselben oder irgend einer andern Pflanze), die bei Sonnenuntergang reich an Stärke waren, wenn wir sie am andern Morgen bei Sonnenaufgang wieder untersuchen: die Stärke ist ausgewandert. Da nun auch hier die Blattnerven wieder eine geringe Blaufärbung annehmen, so geben sie sich abermals als die Wege zu erkennen, auf denen die Wanderung der Stärke erfolgt. Ein Teil der Stärke und aller andern Stoffe, die sich in den Blättern gebildet haben, wird sicher von diesen auch verwendet. Daß aber der orößte Teil auswandern muß, geht schon daraus hervor, daß an den Wachstumsstellen (in den Wurzelspitzen, Knospen, Blüten, Früchten u. dgl.) fortgesetzt Baustoffe verbraucht werden, während die Bildung dieser Stoffe nur in den grünen Teilen, und zwar vorwiegend in den Laubblättern Bau und Leben des Blattes. 455 stattfinden kann. Die wandernden Stoffe werden — denn einen andern Weg gibt es nicht! — durch den Blattstiel (wenn vorhanden!) in den Stengel geleitet, in dem sie zu den wachsenden Teilen hinauf oder hinab geführt werden. (In welchen Teilen des Stengels dies geschieht, werden wir später sehen!) Da die Stärke ein fester Körper ist, vermag sie nicht zu wandern; sie muß vielmehr, um Zellhäute zu durchdringen, in einen löslichen Stoff, nämlich in Traubenzucker umgewandelt werden, was durch Wasseraufnahme leicht geschehen kann: CH,005 + H,O — 64H 1204 Stärke + Wasser — Traubenzucker. Auch in zahlreichen andern Fällen erfahren die organischen Stoffe in den lebenden Pflanzen vielfache Veränderungen, Umwandlungen und 'Zersetzungen. 2. Die Aufspeicherung. Den Keimling, wie er aus dem Samen hervorgeht, sehen wir wachsen, bevor er noch grüne Blätter entwickelt hat, also ehe er zu assimilieren vermag. Einen ganz ähnlichen Vorgang beobachten wir im großen alljährlich, wenn die Bäume und Sträucher sich neu belauben und die überwinternden Kräuter (Stauden) aus dem Erdboden hervorbrechen. Dieses Wachstum ohne Assimilation ist natürlich nur möglich, wenn zur Bildung der jungen Pflanzenteile Baustoffe vor- handen sind. Die assimilierende Pflanze darf daher nicht sämtliche Stoffe für sich verwenden, sondern ist genötigt, einen Teil davon für die Nach- kommen oder die nächstjährigen Triebe aufzuheben, zu reservieren. Dies geschieht, sobald die Pflanze vollkommen ausgebildet ist; denn da sie jetzt nur noch wenig Stoffe für das eigene Wachstum verbraucht, die Blätter aber ihre assimilierende Tätigkeit fortgesetzt entfalten, ist sie auch imstande, diese Reservestoffe zu erzeugen: Jedes Samenkorn wird damit beschickt, und die als Vorratsspeicher dienenden Wurzeln, Wurzel- stöcke, Knollen oder Zwiebeln, sowie bei den Holzgewächsen die Stämme und Zweige beginnen sich zu füllen. Als häufigster Reservestoff (Kartoffelknolle, Getreidekörner usw.) tritt die Stärke auf, die sich aus dem Traubenzucker durch Abgabe von Wasser bildet: C3H,06— H,O =C,H,00; Traubenzucker — Wasser —= Stärke. Bei diesem Vorgange sind, genau wie bei der Entstehung der Stärke in den Blättern, eine Art Farbstoffträger beteiligt, nämlich kleine, farblose Körper, die man als Stärkebildner bezeichnet. — Die Stärke, die ES wir in den Fabriken gewinnen, ist in den Pflanzen stets „Reservestärke“ gewesen. Als weitre Reservestoffe fanden wir Rohrzucker in der Wurzel der Zuckerrübe oder Fette und Öle in den Samen von Raps, Lein, Mohn und andrer Pflanzen. Ser Das Eiweiß trafen wir als Kleber im Nährgewebe ERST NET (Endosperm) der Getreidekörner; sehr reich daran und Stärkebildner (B.), der darum von hohem Werte als menschliche Nahrung sind ein großes, von ihm ge- vor allen Dingen die Samen der Hülsenfrüchtler (Bohne, bildetes Stärkekorn (S.) um- Erbse, Linse u. a.). schließt. (Vergr. 540 mal.) Be SE 456 Bau und Leben des Blattes. Um als Baustoffe für junge Pflanzen oder wachsende Pflanzenteile dienen zu können, müssen die Reservestoffe wieder aufgelöst werden. Wie leicht festzustellen ist, verwandelt sich die Stärke hierbei in Trauben- oder Malzzucker. Kaut man einige un- gekeimte Gerstenkörner, so sind sie von mehligem Geschmack; keimende Körner (Malz) dagegen schmecken süß. 3. Das Blatt als Werkzeug der Atmung und die Atmung der Pflanzen im allgemeinen. 1. Nachweis der Atmung. Wir haben gesehen, daß die grünen Pflanzen im Lichte Kohlensäure zerlegen und Sauerstoff ausscheiden. Findet, so muß man sich fragen, bei diesen Pflanzen im Dunkeln auch ein Gasaustausch statt, und wie verhält es sich mit den Pflanzen und Pflanzenteilen, die des Blattgrüns entbehren und darum nicht assimilieren ? Die Antwort hierauf soll uns wieder ein Versuch geben: a) Wir nehmen zwei gleich große Glaszylinder, bringen in den einen eine grüne Pflanze, die in einem kleinen Blumentopfe wurzelt, verschließen beide luftdieht und stellen sie ins Dunkle. Nach einigen Stunden öffnen wir das Gefäß ohne Pflanze und senken ein angezündetes Licht hinein, das wir an einem Drahte befestigt haben. Es brennt solange, bis aller Sauerstoff ‘& der Luft, die das Gefäß erfüllt, verbraucht ist. %' Wiederholen wir dasselbe bei dem zweiten Ge- ' fäße, so erlischt die Flamme sofort, ein Zeichen, daß kein Sauerstoff mehr in seiner Luft vorhanden ist: die grüne Pflanze hat ihn aufgenommen. Um festzustellen, ob die Pflanze für den aufgenommenen Sauerstoff auch eine Luftart ausscheidet, wiederholen wir den Versuch, stellen aber auf den Boden jedes Gefäßes ein Schälchen mit Barytwasser. Nach Verlauf mehrerer Stunden _ sehen wir, wie sich das Barytwasser im leeren Wonichlung, Ann . Gefäße kaum oder nur wenig, im (Gefäße mit der Pflanzen nachzuweisen. der Pflanze dagegen stark getrübt oder gar mit | einer Haut überzogen hat: durch Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft ist kohlensaures Baryum (BaC0,) entstanden. (Blase mit einem Glasröhrchen Luft, die du ausatmest, durch Baryt- wasser!) Die größere Menge dieses Salzes im zweiten Gefäße konnte sich aber nur bilden, weil die von ihm eingeschlossene Luft mehr Kohlen- säure enthielt als die im ersten Gefäße. Es hat in ihm also eine Ver- mehrung der Kohlensäure stattgefunden, die allein der Pflanze in Rechnung gesetzt werden kann. Wir öffnen den Glasstopfen (St.) des auf S. 457 abgebildeten Apparates, tauchen das untere Ende des Rohres in ein Gefäß mit Quecksilber, gießen in die Röhre von oben etwas Kalilauge (K), füllen deren kugelförmigen Teil etwa zur Hälfte mit Pflanzenteilen (B), die des Blattgrüns entbehren (mit keimenden Erbsen, Blütenknospen, jungen Blütenköpfen der Wucherblume, Bau und Leben des Blattes. 457 jungen Hutpilzen oder dgl.), und verschließen endlich den Apparat wieder. Nach kurzer Zeit bereits beginnt das Quecksilber in dem Rohre empor- zusteigen: In dem Maße, in dem die Pflanzenteile Sauerstoff aus der in dem Gefäße eingeschlossenen Luft aufnehmen, geben sie Kohlensäure ab. Diese wird aber von der Kalilauge aufgenommen („absorbiert“), so daß sich die Luftmenge in dem Gefäße verringert und das Quecksilber durch den Druck der Außenluft in die Höhe getrieben wird. Dieser Vorgang ist nun genau derselbe, ohne den weder Mensch noch Tier zu leben vermag, und den wir als Atmung bezeichnen. Also: Die Pflanze — sowohl die grüne, als die nicht grüne — atmet gleichfalls. 2. Bedeutung der Atmung. a) Wir haben gesehen, daß die bereiteten organischen Stoffe vielfach umgebildet, umgesetzt und verarbeitet werden müssen, wenn sie der Pflanze wirklich von Wert sein sollen. Diese Arbeiten gehen aber, wie alle Arbeiten, nicht von selbst vor sich. Wie wir uns z. B. durch Verbrennen von Holz oder Kohle eine Kraft schaffen, die die verschiedensten Arbeiten verrichtet, müssen auch die Pflanzen fort- gesetzt einen Teil der bereiteten organischen Stoffe zu diesem Zwecke opfern und Kräfte erzeugen, die die „Maschine“ ihres Leibes im Gange erhalten. Dies geschieht nun gleichfalls durch eine Verbrennung (Oxydation), d. h. durch eine Verbindung kleinster, kohlen- stoffhaltiger Teilchen mit Sauerstoff, der aus der atmosphärischen Luft aufgenommen wird. Wie bei jeder Verbrennung (z. B. der Kohlen) entstehen auch hier Kohlensäure und Wärme. \ Die Kohlensäure wird ausgeschieden: die Wärme aber ist die treibende Kraft für die chemischen oder physikalischen Bam inf femt u la m aan non“ ® ; : E er Apparat zum Nachweis der Vorgänge, die sich in dem Körper der Atmung bei Pflanzen. Pflanze fortgesetzt abspielen. Unerwähnt soll aber nicht bleiben, daß gewisse Pilze, besonders Spaltpilze, die in sauerstoffarmer Umgebung (Flüssigkeiten u. dgl.) leben, des Sauerstoffes nicht be- dürfen, ja, daß für sie diese Luftart sogar „ein Gift“ ist. Sie gewinnen die not- wendigen „Betriebskräfte“ durch andre chemische Vorgänge, die sich in ihrem Körper vollziehen b) Daß sich infolge der Atmung wirklich Wärme entwickelt, sehen wir z. B. an dem Blütenkolben des Aronstabes, sowie an der zu- sammengehäuften keimenden Gerste bei der Malzbereitung oder an andern keimenden Pflanzensamen. In der Regel ist freilich von einer Wärme- 458 Bau und Leben des Blattes. entwicklung bei den atmenden Pflanzen nichts zu bemerken; denn erst- lich besitzen diese ja eine verhältnismäßig große Oberfläche, so daß sie auch viel Wärme an die umgebende Luft abgeben, und zweitens ist mit der Verdunstung des Wassers durch die Blätter, Blüten und andern Pflanzenteile eine große Wärmeabgabe verbunden. c) Da in der lebenden Pflanze beständig Umsetzungen der Baustoffe stattfinden, muß auch die Pflanze Tag und Nacht atmen. Für Pflanzen und Pflanzenteile, die des Blattgrüns entbehren, ist dies, wie wir ge- sehen haben, leicht nachzuweisen. An grünen Pflanzen ist jedoch tagsüber, abgesehen von den stark atmenden Keimlingen und Blüten, davon meist wenig zu erkennen; denn da in ihnen weit mehr organische Stoffe ge- bildet als verbrannt werden, müssen die Pflanzen auch weit kräftiger assimilieren als atmen. Die Atmung wird daher durch den ihr gerade entgegengesetzten Vorgang der Assimilation verdeckt, oder — was dasselbe besagt — am Tage wird die bei der Atmung ent- stehende Kohlensäure sofort wieder zur Assimilation verwendet, so dab die grünen Pflanzenteile im Lichte statt der Kohlensäure Sauerstoff aus- scheiden. Im Dunkeln dagegen, wenn keine Assimilation stattfindet, ist — wie wir gesehen haben — auch an grünen Pflanzenteilen die Ausscheidung von Kohlensäure unschwer zu erkennen. Hindert man Pflanzen, organische Stoffe zu bereiten oder doch in genügender Menge zu bilden, so müssen sie immer mehr an Gewicht verlieren. Dies beobachteten wir bereits an der Maispflanze, die wir im Dunkeln wachsen ließen (s. S. 444). So „veratmen“ — wie man durch wiederholtes Wiegen leicht feststellen kann — auch Kartoffelknollen, Rüben und Möhren während des Winters einen Teil der aufgespeicherten Stoffe. Aus dem gleichen Grunde sterben auch die Zimmerpflanzen ab, die infolge zu schwacher Beleuchtung nicht genügend assimilieren können: sie verhungern langsam. Nachteilig ist natürlich auch eine behinderte Atmung. So sterben z. B. die Pflanzen genau wie die Tiere den Erstickungstod, wenn man ihnen zu lange die „Lebensluft“, den Sauerstoff, entzieht (Versuch mit keimenden Samen!). Ebenso sieht man — um ein andres Beispiel an- zuführen — die Obstbäume nicht selten langsam eingehen, wenn sie zu tief oder in zu festes Erdreich gepflanzt sind, wenn sie öfter unter Über- schwemmungen zu leiden haben, oder wenn man den Boden rings um sie hoch aufschüttet; denn in allen diesen Fällen können die Wurzeln der notwendigen Atemluft nicht teilhaftig werden. Umgekehrt ist ein öfteres Lockern des Bodens für das Gedeihen der angebauten Pflanzen (Kartoffeln, Rüben, Gemüse, Blumen) von Vorteil. Es ist besonders nötig, wenn die Pflanzen bei trocknem Wetter besprengt oder begossen werden, weil dann die oberste Erdschicht leicht zu einer Kruste erhärtet. 3. Wege für die Atemluft. Wie wir gesehen haben, findet in den grünen Pflanzenteilen zum Zwecke der Assimilation ein beständiger Gas- austausch statt, der seinen Weg vornehmlich durch die Spaltöffnungen Bau und Leben des Blattes. 459 und Zwischenzellräume nimmt. Mit der einströmenden atmosphärischen Luft erhalten auch die atmenden Zellen den notwendigen Sauerstoff, und auf dem gleichen Wege strömt nachts die ausgeatmete Kohlensäure ins Freie. Bei Stengeln, die mit einer Korklage bedeckt sind, übernehmen die Rindenporen (s. $. 493) die Aufgabe der Spaltöffnungen, und bei Wurzeln findet der Gasaustausch (in der Regel) durch die an der Oberfläche liegenden Zellen statt. Bei Wasser- und Sumpfpflanzen ist letzteres aber unmöglich; denn sie wurzeln ja in einem Boden, der meist vollkommen von Sumpfgas erfüllt ist. Stengel und Blätter dieser Pflanzen haben aber so große Zwischenzellräume, dab sie ein schwam- miges Gefüge annehmen. Da nun diese Räume Kanäle bilden, die sich durch die ganze Pflanze ziehen, vermag die Atemluft leicht bis zu den Wurzeln hinabzudringen. (S. Abb. S. 62, und wiederhole den mit der Seerose angestellten Versuch — s. S. 63, d — auch mit andern Wasser- und Sumpfpflanzen!) 4. Das Blatt als Werkzeug der Verdunstung des Wassers (oder der ‚Transpiration). 1. Nachweis der Verdunstung. Legen wir unter eine Glasglocke einige frisch abgeschnittene, beblätterte Pflanzenteile, so beschlägt die Glaswand, besonders wenn wir die Glocke „in die Sonne“ stellen, bald mit Wassertropfen. Bei einer zweiten, daneben stehenden Glocke, unter der sich keine Pflanzenteile befinden, ist diese Erscheinung nicht zu beobachten. Das Wasser an der Glaswand der ersten Glocke muß daher aus den Pflanzenteilen stammen, und da sich auch dort Wassertropfen finden, wo die Pflanzen die Glocke nicht berühren, so kann es nur in Form von Wasserdampf ausgeschieden sein. Einwandfrei ist die Verdunstung durch neben- stehend abgebildeten Apparat nachzuweisen: Wir füllen das Glasrohr, das wir in ein Gefäß mit Quecksilber gestellt haben, völlig mit Wasser (W.) und verschließen seinen erweiterten Teil mit einem Gummistopfen, durch den wir einen frischen Sproß gesteckt haben. Da der Verschluß völlig luftdicht ist, das Quecksilber (Q.) in dem Rohre aber nach und nach emporsteigt, muß eine Ver- dunstung des Wassers durch den Sproß statt- finden. Wie sich durch weitere Versuche fest- Vorrichtung zum Nachweis a : i der Verdunstung durch stellen läßt, findet bei allen lebenden Pflan- eine lebende Pflanze. zen, und zwar zu jeder Zeit eine Aus- scheidung von Wasser in Dampfform, eine Verdunstung oder Transpiration statt. 460 Bau und Leben des Blattes. 2. Wie erfolgt die Verdunstung? Um dies nachzuweisen, bedienen wir uns des Kobaltpapiers'), das trocken tiefblau, Wasserdämpfen aus- gesetzt (oder mit Wasser befeuchtet) dagegen hell rosa gefärbt erscheint. Nachdem wir uns von dieser Farbenveränderung überzeugt haben, legen wir auf eine trockene Glasplatte ein Stück dieses Papiers, darauf ein Blatt etwa der Schwarzpappel oder des Flieders mit seiner Unterfläche, auf dieses wieder ein Stück Kobaltpapier und bedecken alles mit einer zweiten Glasscheibe Nach einigen Minuten sehen wir schon, wie sich das untere Stück Papier verfärbt, ein Zeichen, daß dem Blatte auf seiner Unterseite Wasserdampf entströmt. Das der Blattoberfläche anliegende Papier dagegen verfärbt sich nicht. Untersuchen wir nunmehr die Oberhaut des Blattes, so sehen wir, daß sie an der Oberseite wenig oder gar keine, an der Unterseite da- gegen sehr viele Spaltöffnungen besitzt, ein Zeichen, daß diese es sind, durch die der Wasserdampf entweicht. Bedenken wir, daß die Zellen, die an die Zwischenzellräume grenzen, zartwandige, mit Zellsaft an- gefüllte Gebilde sind, so werden wir die Erscheinung leicht verstehen: Wie bei jedem feuchten Körper, verdunstet auch bei diesen Zellen beständig ein Teil des Wassers, das sie enthalten, oder von dem sie durchtränkt sind. Der sich bildende Dampf mischt sich mit der Luft, mit der er durch die „Tore“ der Zwischenzellräume, die Spaltöffnungen, ins Freie entweicht. — Da die Außenwände der Oberhautzellen nicht vollständig „luftdicht“ sind, so findet auch durch sie eine, wenn auch viel geringere Verdunstung statt. 3. Bedeutung der Verdunstung. a) Wir haben gesehen, daß die Pflanze Wasser und darin gelöste Nährsalze dem Boden mit Hilfe der Wurzel entnimmt, und daß aus diesen Stoffen und der Kohlensäure der Luft besonders in den grünen Blättern organisches Material (Stärke, Zucker, Eiweiß usw.) erzeugt wird. Es muß daher von den Wurzeln nach den Blättern beständig Wasser emporsteigen. Welchen Weg dieser Strom in Wurzel und Stengel einschläst, wollen wir hier außer acht lassen. Wohl aber müssen wir untersuchen, wie die Wasserleitung in den Blättern erfolgt. Zu diesem Zwecke stellen wir abgeschnittene Stengelteile mit weißen Blüten (z. B. Tulpen) oder weißfleckigen Laub- blättern (z. B. die Spielart vom Mais, die vielfach als Zierpflanze be- nutzt wird) in ein Gefäß mit Wasser, in dem etwas Eosin gelöst ist. Nach einiger Zeit sehen wir, daß die lebhaft rote Farbstofflösung in den Blattnerven emporsteigt und sich in den Seitenzweigen der Haupt- nerven immer weiter über die Blattfläche verbreitet. Wie die Röhren einer Wasserleitung jedem Haushalte das nötige Wasser zuführen, so werden durch die immer feiner sich verzweigenden Blattnerven ieder einzelnen Zell-Werkstatt Wasser und Nährsalze zugeleitet. 1) Dieses Papier gewinnt man, indem man Kobaltehlorür in Wasser auflöst (im Verbältnis von 1:20), Streifen von Fließpapier damit tränkt und sie sodann trocknet. » Bau und Leben des Blattes. 461 Das Blatt ähnelt also — um einen andern Vergleich zu gebrauchen — einer Wiese, die planmäßig bewässert wird. b) Das Wasser, das von der Wurzel aufgenommen wird, enthält aber kaum mehr gelöste Bestandteile (Nährsalze) als gutes Trinkwasser. Da nun ein Teil von ihm durch Verdunstung beständig verloren geht, wird die „Nährlösung“ in den Blättern verstärkt oder konzen- triert. Nehmen wir an, dies geschähe in irgend einer Zelle eines Blattes! Infolge der eingetretenen Konzentration muß zwischen ihr und den Nach- barzellen auf dem Wege der Osmose (s. S. 425) ein Austausch stattfinden, so daß Wasser in sie eintritt. Hierdurch wird aber wieder das Gleich- gewicht zwischen diesen Zellen und ihren Nachbarinnen gestört u. s. f. Indem sich nun diese Störung von Zelle zu Zelle fortpflanzt, steigt ein un- unterbrochener Wasserstrom von den Wurzeln zu den Blättern empor, der diesen immer neue Rohstoffe zuführt. 4. Größe der Verdunstung. a) Um zu erkennen, welche Wasser- menge ein bestimmter Pflanzenteil in einer gewissen Zeit ver- dunstet, stellen wir z. B. einen beblätterten Baumzweig in ein Glas mit Wasser. Nachdem wir die Oberfläche des Wassers mit einer etwa 1 cm hohen Ölschicht bedeckt haben, bringen wir das Ganze auf eine Wage. Nach einigen Stunden ist bereits ein erheblicher Gewichtsverlust eingetreten. Daß dieser Verlust nur auf die Verdunstung zurückgeführt werden kann, die durch den Zweig erfolgt ist, beweist deutlich folgender Kontrollversuch: Wir füllen ein zweites Glas mit Wasser und Öl, können aber bei wiederholter Wägung keinen Gewichtsverlust beobachten. Wissen wir nun, welche Wassermenge der Zweig in einer gewissen Zeit, z. B. an einem Tage, verdunstet, so läßt sich dies durch Berechnung auch für den ganzen Baum ungefähr feststellen. So hat man z. B. ge- funden, daß ein Buchenhochwald von einem Hektar Größe im Durch- schnitt täglich etwa 30000 Liter Wasser an die Atmosphäre zurückgibt, eine Tatsache, die uns den Nutzen der Wälder für die Regenbildung und damit für die Fruchtbarkeit eines Landes, sowie auch die Folgen der Entwaldung deutlich erkennen läßt. In jeder Pflanze steigt unsichtbar gleichsam ein Wasserstrom vom Boden empor, um sich in Dampfform in das Luftmeer zu ergießen. b) Wie im allgemeinen, wird die Verdunstung auch bei den Pflanzen von mehreren äußern Umständen stark beeinflußt, was sich durch entsprechende Versuche und mit Hilfe der Wage leicht beweisen läßt: Erstlich ist hierbei die Temperatur mit bestimmend. Je wärmer die Luft ist, je länger die Pflanze von der Sonne beschienen wird, und je steiler die Sonnenstrahlen auffallen (s. S. 111, c), desto größer ist ge- wöhnlich auch die Verdunstung, die selbst unter O° nicht gänzlich stillsteht. Da der Wind die mit Wasserdampf gesättigte Luft beständig fort- führt, ist zweitens die Verdunstung bei windigem Wetter größer als bei Windstille (Trocknen der Wäsche u. dgl.!). Ähnlich wie bei einem Wasser- zerstäuber der Luftstrom das Wasser emporsaugt, wirkt auch der Wind, 462 Bau und Leben des Blattes. wenn er über die Pflanzen dahinweht, saugend auf den Wasserdampf in den Zwischenzellräumen. Drittens: Wie z.B. Wäsche bei feuchter Witterung langsamer trocknet als bei trocknem Wetter, so verdunsten auch die Pflanzen um so weniger Wasser, je mehr die Luft mit Wasserdampf erfüllt ist. Bei trocknen Ostwinden ist die Verdunstung daher stärker als bei feuchten Westwinden. Ist die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt, so ist die Verdunstung ganz oder doch nahezu aufgehoben. Einige Pflanzen (Kapuzinerkresse, Mais, Weizen‘, Frauenmantel, Erdbeere u. a.) vermögen sich dann dadurch zu helfen, daß sie Wasser in flüssiger Form aus Öffnungen hervorpressen, die den Spalt- öffnungen ganz ähnlich sind. Da diese Wasserspalten in der Regel am Ende eines großen Blattnerven (Wasserader!) liegen, so treten die ausgeschiedenen Weassertropfen, die gewöhnlich für Tau gehalten werden, meist an den Spitzen, Zähnen oder Rändern der Blätter auf. Stülpt man über eine solche A'k ITY Pflanze eine Glasglocke, so daß die Ver- e eu dunstung stark herabgesetzt wird, dann Wassertropfen, aus Wasser- Kann man die Erscheinung auch am Tage on ee u) beobachten, ein Zeichen, daß man es wirk- Zähnen vom Blatte des Frauen- 5 ’ l mantels (verkl.). lich mit hervorgepreßtem Wasser zu tun hat. 5. Förderungsmittel der Verdunstung. Wie wir gesehen haben, ist die Verdunstung für die Pflanze von größter Wichtiekeit. Daher haben wir bei vielen der betrachteten Gewächse auch Einrichtungen angetroffen, die imstande sind, die Verdunstung zu fördern oder doch zu verhindern, daß sie unterbrochen werde. a) Pflanzen, die an feuchten, schattigen Orten wachsen, haben in der Regel große Blattflächen mit zahlreichen Spaltöffnungen (Sumpf- und Waldpflanzen). b) Die Blätter dieser Pflanzen sind ferner meist außerordentlich zart, d.h. die Zellen der Oberhaut sind dünnwandig, also für Wasserdampf leicht durchlässig. c) Die Blätter haben weiße Flecken, die die Wärme lange Zeit zurückhalten (Wiesenklee, Lungenkraut). Vielleicht bewirken auch die braunen Stellen, die wir auf den Blättern vom Aronstab und von mehreren Orchisarten finden, eine stärkere Erwärmung der Blattflächen und damit eine größere Verdunstung; denn dunkle Gegen- stände erwärmen sich unter gleichen Verhältnissen mehr als hellere. d) Tau oder Regen sind nicht imstande, die Spaltöffnungen zu verschließen, weil diese — wie erwähnt — in der Regel auf der Blattunterseite liegen, weil das Blatt (oder die ganze Pflanze) ferner mit einer Wachsschicht (Raps) oder einer Haardecke (Königskerze) überzogen ist, oder weil endlich die Spaltöffnungen in Vertiefungen eingesenkt sind (Heidekraut). e) Wie wir bei der Betrachtung der Gemüsebohne gesehen haben, verhindert auch die Schlafstellung,’ die zahlreiche Blätter nachts einnehmen, eine starke Be- feuchtung durch Tau. Ergänzend sei hier nur noch bemerkt, daß diese Bewegungen in der Regel (Bohne, Klee, Robinie, Sauerklee u. a.) darauf beruhen, daß der Turgor in den Gelenken der Blattstiele durch den Wechsel der Beleuchtung eine Veränderung erfährt. Wird der Turgor der Zellen, die an der Unterseite liegen, größer, so richten Bau und Leben des Blattes. 463 sich die Blätter empor; wird dagegen der Turgor an der Oberseite erhöht, so senken sich die Blätter. 6. Sehutzmittel gegen zu starke Verdunstung. Umgekehrt ist eine zu starke Verdunstung für die Pflanzen mit großen Gefahren ver- knüpft: sie welken oder gehen schließlich durch Vertrocknen zugrunde. Die Gewächse, die auf einem wasserarmen, sonndurchglühten Boden leben oder austroeknenden Winden im hohen Grade ausgesetzt sind, also auf Hochgebirgen, Heideflächen, Berghängen und an ähnlichen Stellen wachsen, bedürfen daher gewisser Schutzmittel gegen diese Gefahren. Als solche haben wir bereits folgende Einrichtungen erkannt: a) Die verdunstende Oberfläche ist möglichst beschränkt, d. h. es treten kleine, schmale, stark zerteilte oder nur wenige Blätter auf (Heidekraut, Leinkraut, Kuhschelle, Besenginster). Bei dem Heidekraute sind die kleinen Blätter zudem zu- sammengerollt (Rollblatt). Bei den Kaktusarten sind die Blätter in der Regel in Dornen umgewandelt, durch die kaum eine Verdunstung stattfindet. b) Mit der Verkleinerung der Oberfläche steht die geringe Anzahl der Spalt- öffnungen im Einklange. c) Die Blätter sind dem Stengel angedrückt (Heidekraut). d) Die Blätter sind senkrecht gestellt (junge Blätter der Roßkastanie) oder nehmen dabei wohl gar die Richtung von Süden nach Norden ein (Stachellattich und andre „Kompaßpflanzen‘). e) Die Blätter schlagen sich bei zu starker Erwärmung nach unten (Sauerklee) oder rollen sich der Länge nach zusammen (Strandhafer). f) Mehrere Trockenlandpflanzen (Mauerpfeffer, Kaktus und andre Fettpflanzen oder Suceulenten, sowie tropische Orchideen, die auf Baumstämmen wachsen) speichern in den Blättern oder Stämmen Wasser auf. g) Die Außenwände der Oberhautzellen sind stark verdickt, in hohem Maße mit wachsartigen Stoffen (Kutin) durchtränkt und mit einer so dicken Kutikula versehen, daß sie für Wasserdampf fast undurchlässig sind (Efeu, Agaven, Kaktusarten). h) Die Blätter sind mit einer Wachsschicht überzogen (Raps; auch viele Früchte, z. B. Weinbeere, Pflaume u. a.). i) Die Blätter besitzen einen firnisartigen Überzug (junge Blätter des Kirsch- baumes; Knospenschuppen der Roßkastanie). k) Die Blätter sind auf einer Seite oder auf beiden Seiten mit Haaren bedeckt (junge Blätter der Roßkastanie; Edelweiß u. v. a.). Die Haare sind, wie man auf Querschnitten durch den betreffenden Pflanzenteil sieht, in ihrer einfachsten Form Ausstülpungen je einer Oberhautzelle. Sie haben die Gestalt eines Kegels (Blumenblätter des Stiefmütterchens), Spießes (Goldlack) oder Zylinders (Samenhaare); sie sind gabelig oder stern- H förmig geteilt (Hungerblümcehen; Graukresse), am Ende Z knopfförmig angeschwollen (Blüte des Löwenmaules) —- —> u. dgl. mehr. Kurze, zugespitzte, dickwandige Haare 22] ea man als Ben a Auch Zr Fr ur ER A die Brennhaare (Brennessel), die in einem aus Ober- Haar (H.) von einem Blatte hautzellen gebildeten Becher sitzen, gehören hierher (s. des Goldlackes. ©. Oberhaut. Abb. S. 22). Treten in den Ausstülpungen Teilungen ein, so entstehen mehrzellige Haare, die z. B. bei der Königskerze tannenartig verzweigte (s. Taf 25, 6), bei der sog. Ölweide sternförmige und bei den Farnen blattartige Ge- bilde darstellen. Sind an der Bildung dieser Auswüchse auch noch tiefer liegende Gewebe beteiligt, so entstehen Stacheln (Rose) oder Klimmhaken (Hopfen; s. Taf. 3, 3). Scheiden die Haargebilde klebrige oder andre Stoffe aus, so bezeichnet man sie als 464 Bau und Leben des Blattes. Drüsen-Haare (Pelargonie, Körner-Steinbrech; s. auch Taf. 8). — Schon aus dieser Zu- sammenstellung geht hervor, daß die Haarbildungen den Pflanzen nicht nur als Ver- dunstungsschutz dienen, sondern eine sehr verschiedene Bedeutung haben können. l) Zu diesen uns bereits genügend bekannten Einrichtungen kommt bei den meisten Pflanzen noch die Fähigkeit hinzu, die Spaltöffnungen zu verschließen, -sobald Wassermangel eintritt. Legt man ein Stück von der Öberhaut z. B. eines Lilienblattes in einen Tropfen Wasser, so sieht man, wie sich zwischen den Schließ- zellen deutlich wahrnehmbare Spalten befinden. Setzt man aber dem Präparate ein wasserentziehendes Mittel zu, z. B. einen Tropfen Glyzerin, so verschwinden die Spalten alsbald. Worauf beruht diese eigentüm- liche Erscheinung? Steht der Pflanze genügend Wasser zur Verfügung, so ist der Turgor wie in jeder Zelle auch in den Schließzellen verhältnismäßig groß. Da nun die Wände der Schließzellen ungleich dick sind, so Mehrzelliges werden sie durch den Turgor auch ungleichmäßig ausgedehnt. Die Drüsenhaar orößte Dehnung müssen natürlich die in der Abbildung mit a be- von einer 3 zeichneten, langen und dünnen Wandstellen erfahren. Hier werden ‚Pelargonie. die Zellen daher höher und nach außen vorgebuchtet. Infolgedessen S. der von der müssen aber die entgegengesetzten Zellseiten (bei b) etwas zurück- Drüse ausge treten: der Spalt ist jetzt geöffnet. Sinkt bei starker Verdunstung schiedene der Turgor, so werden die Wandstellen bei a wieder kürzer und Stoff (vergr.). strecken sich gerade. Die Schließzellen werden infolgedessen flacher: der Spalt wird daher immer enger, bis er endlich ganz geschlossen ist. Die Schließ- zellen, die in der dünnen Wand- stelle b gleichsam ein Scharnier besitzen, führen also ganz ähnliche Bewegungen aus wie ein Blasebalg, den man öffnet und schließt. 7. Herbstlicher Laubfall. a) Wenn der Herbst in das | . Land zieht, verändern sich Spaltöffn ungen; links von oben gesehen und die- Blätter unsern rechts im. Durchschnitt: 1. weit geöffnet und = 7 2. fast oder ganz geschlossen. Wegen der beiden Laubbäume und Sträucher schematischen Durchschnitte s. Text. wesentlich. Sie färben sich zumeist gelb, rot oder braun und fallen schließlich zum Boden herab. Wie man auf geeigneten Schnitten leicht sehen kann, erfolgt die Trennung vom Baume vielfach in einer Korkschicht, von der der Blattstiel am Grunde quer durch- setzt wird. Da diese Schicht leicht reißt, genügt schon ein leiser Wind- stoß oder die eigene Schwere, um das Blatt vom Aste abzulösen. Stellt man durch ein abgefallenes Blatt dünne Querschnitte her, so erkennt man, wie die Zellen mit einer Flüssigkeit angefüllt sind, in der sich nur noch einige Öltröpfchen und Kristalle von klee- oder oxalsaurem Kalke finden. Wie wir an diesen Querschnitten weiter sehen, beruht die herbstliche Rotfärbung (z. B. beim wilden Weine) auf dem Vorhanden- sein roten Zellsaftes, die Gelbfärbung (z. B. beim Ahorn) auf den zer- störten, gelbgewordenen Blattgrünkörpern und die Braunfärbung (z. B. TED, EISESERD! en Bau und Leben des Blattes, 465 bei den Eichen) auf dem Braunwerden der Zellwände und besonders ihres Inhaltes. Aus den Zellen des herbstlichen Blattes sind also Stärke, Eiweiß und alle andern wertvollen Stoffe ausgewandert: sie haben sich — wie uns bereits bekannt ist — in den Stämmen und Zweigen ab- gelagert, um im nächsten Frühjahre zum Aufbau der jungen Zweige, Blätter und Blüten verwendet zu werden. Die Pflanze verliert beim Laubfalle also nicht viel mehr als die jetzt wertlos ge- wordenen Skelette der Blätter. Da aber trotzdem ein beträchtlicher Verlust an Baustoffen, besonders an Zellulose, vorhanden ist, so könnte es scheinen, als ob der herbstliche Laubfall für die Pflanze von Nachteil wäre. Daß dies jedoch nicht der Fall ist, werden wir leicht einsehen, wenn wir die Ursachen des Laub- falles erkannt haben. b) Betrachten wir zu diesem Zwecke z. B. die Goldlackpflanzen, die während des Winters im Garten belassen sind: Sobald Kälte eintritt, werden ihre Blätter welk, runzelig und hängen schlaff herab. Wird das Wetter wieder milder, so nehmen die Blätter (vorausgesetzt, daß die Pflanzen nicht durch anhaltenden Frost getötet worden sind!) auch ihr früheres Aussehen wieder an. Nun wissen wir, daß die Pflanzen welken, wenn sie nicht imstande sind, für das Wasser, das sie fortgesetzt verdunsten, genügenden Ersatz zu schaffen. In beiden Fällen stand aber den Goldlack- pflanzen im Erdboden gleichviel Wasser zur Verfügung. Daß sie während der Kälteperiode trotzdem welkten, ist ein Zeichen dafür, daß ihre Wurzeln nicht so viel Wasser aufnehmen konnten, als nötig war, um den Turgor in den Blattzellen auf der richtigen Höhe zu erhalten. Wie unsre Lebens- tätigkeiten stocken und schließlich ganz aufhören, sobald die Blutwärme unter 37° C. sinkt; wie Eidechsen und Lurche bei eintretender Kälte in Erstarrung verfallen: so stellen auch die Wurzeln ihre Arbeit ein, wenn sich der Erdboden stark abkühlt. Diese Tatsache können wir auch direkt durch einen Versuch beweisen. Wir haben nur nötig, die Erde in den Blumentöpfen, in denen wir z. B. Goldlack oder Greranien herangezogen haben, durch eine Eispackung stark abzukühlen: dann werden selbst im heißesten Sommer die Blätter bald welken, um nach Erwärmung der Erde wieder ihr früheres Aussehen anzunehmen. Ähn- lich wie die Kälte auf die Tiere verschieden einwirkt, stellen also auch die Pflanzenwurzeln ibre Arbeit bald früher (z. B. Bohne und Tabak), bald später (z. B. Goldlack) ein. Entzieht man nun einer Pflanze längere Zeit das Wasser, so ver- trocknet sie schließlich, d. h. sie geht an Wassermangel zugrunde. So würde es auch unsern laubwerfenden Bäumen und Sträuchern ergehen, wenn sie während des Winters ihr Laub behielten: die Blätter würden immerfort Wasser verdunsten. Da die Wurzel aber aus dem Boden, der sich schon im August und September (kurze Tage, lange Nächte!) stark abzukühlen beginnt, keinen Ersatz schaffen kann, so würden die Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 30 466 Bau und Leben des Blattes und der Wurzel. Pflanzen schließlich vertrocknen, absterben. Infolge des herbst- lichen Laubfalles verlieren die Pflanzen zwar, wie oben erwähnt, eine Menge von Stoffen; aber dieser Verlust ist bei weitem nicht so schlimm, als wenn sie ihr — Leben einbüßen müßten. Das abgefallene Laub bedeckt den Boden und verhindert somit gleich einer wärmenden Decke vielfach eine zu starke Abkühlung der Wurzeln. Auch sonst unterbleibt die Zufuhr von Wasser und Nahrungsstoffen selbst während des Winters nicht völlig. — Besonders wichtig ist diese Tatsache für diejenigen Stauden, die auch während der kalten Jahreszeit einen Teil ihres Laubes behalten (Leberblume, Fingerhut u. a.). c) Die Bäume und Sträucher unsrer Heimat aber, deren Blätter durch besondere Mittel gegen zu starke Verdunstung geschützt sind (die Nadel- hölzer mit Ausnahme der Lärche, sowie Efeu, Stechpalme, Heidekraut u. a.), können auch im Winter ihr Laub behalten. In südlicher gelegenen Län- dern kennt man Verhältnisse, wie sie bei uns im Winter herrschen, nicht. Die Bäume und Sträucher sind dort daher zumeist immergrün. Tritt aber im Jahreslaufe regelmäßig eine längere Trockenperiode ein, so sind sie gleichfalls sehr gefährdet. Da ihre Blätter aber mit Schutzmitteln gegen eine übermäßige Verdunstung ausgerüstet sind (Zitrone, Orange, Lorbeer u. v. a.), vermögen sie die Zeit der Dürre wohl zu überstehen. In sehr trocknen Tropengegenden werfen die Bäume bei Beginn dieser für sie ungünstigen Jahreszeit vielfach ihre Blätter sogar gänzlich ab. d) Selbst wenn die Wurzeln der Pflanzen ihre Tätigkeit bei starker Abkühlung nicht einstellen würden, könnten die meisten unsrer Laub- bäume und Sträucher den Winter nicht im Schmucke ihres Laubes über- dauern. Schon bei geringem Schneefalle würden ihre Kronen so stark belastet werden, daß Zweige und Stämme brechen müßten. Die immer- grünen Pflanzen unsrer Heimat sind dementsprechend gegen Schneebruch ganz besonders geschützt (vgl. z. B. Kiefer und Heidekraut). 1I. Vom Bau und Leben der Wurzel. A. Die Aufgaben und Hauptformen der Wurzel. 1. Wie wir wissen, baut sich die grüne Pflanze unter Mithilfe der Sonnenstrahlen aus Stoffen auf, die sie der Luit (Kohlenstoff) und dem Erdboden (Wasser und darin gelöste Nährsalze) entnimmt. Der eine Teil ihres Körpers streckt sich daher in die Luft, dem Lichte entgegen, während sich der andre, d. i. die Wurzel, in die Erde hinabsenkt. Im Gegensatz zum Tiere, das sich seine Nahrung meist umherstreifend sucht, ist die Pflanze also an den Boden gefesselt. Sollen aber die oberirdischen Teile vom Sturme nicht zu Boden ge- worfen werden, so muß die Pflanze fest in der Erde verankert sein. Diese Aufgabe wird gleichfalls von der Wurzel erfüllt. Es gibt allerdings auch Pflanzen, die sich in dem einen oder andern der soeben erwähnten Punkte durchaus abweichend verhalten. So ragen z.B. die Wurzeln Bau und Leben der Wurzel. 467 vieler baumbewohnender, tropischer Orchideen frei in die Luft, so kommen ferner be- sonders viele niedere Pflanzen (einzellige Algen u. dgl.) niemals mit dem festen Boden in Berührung, und so besitzen endlich zahlreiche Kieselalgen, Schleimpilze, Spalt- pilze usw. sogar die Fähigkeit, sich in einem gewissen Grade frei fortzubewegen. Alle diese Pflanzen bilden aber eine Ausnahme von der Regel, so daß wir sie hier nicht weiter zu beachten brauchen. Unberücksichtigt lassen wir auch die Pflanzen, denen echte Wurzeln fehlen, die Moose, Algen, Pilze und Flechten. Bei ihnen werden die Wurzeln durch Wurzelhaare vertreten (s. S. 367, 2); vielfach fehlen aber auch diese Organe. 2. Je größer eine Pflanze wird und je mehr Blätter sie bildet, desto ' mehr Wasser verdunstet sie auch, und um so stärker ist sie den Angriffen der Winde ausgesetzt. Mit dem Wachstume der ganzen Pflanze hält da- her auch die Vergrößerung der Wurzel gleichen Schritt. Umgekehrt: Je weniger Blätter die Pflanze besitzt, desto geringer ist auch — immer gleiche Verhältnisse vorausgesetzt — ihr Wurzelwerk ausgebildet. Gleichsam in eine „Nährlösung“ eingesenkt sind die Pflanzen, die ganz unter Wasser leben (Wasserpest), oder deren Blätter sich doch unter Wasser befinden (Wasserfeder). Sie haben — wie bereits erwähnt — eine so zarte Oberhaut, daß sie imstande sind, die Nährstoffe mit ihrer ganzen Außenfläche aufzunehmen. Ihnen fehlen dementsprechend die Wurzeln entweder gänzlich (Hornblatt), oder sie dienen ihnen nur zum Festhalten im schlammigen Grunde (Wasserhahnenfuß). Im Gegensatz zu diesen Gewächsen haben die Trockenlandpflanzen meist eine kürzere oder längere Zeit des Jahres mit Wassermangel zu kämpfen. Sie ver- mögen unter diesen ungünstigen Verhältnissen nur zu bestehen, wenn sich ihre Wurzeln tief in den Boden senken (Kuhschelle, Wüstenpflanzen) oder über einen großen Bezirk ausbreiten (Kiefer). Zumeist lösen sich ihre Wurzeln auch in sehr viele und sehr dünne Zweige auf (Kiefer); denn je mehr dies geschieht, um so größer wird auch die aufsaugende Oberfläche. (Zerschneide z. B. eine Kartoffelknolle in Scheiben und diese wieder in Prismen und beobachte, wie mit jedem Schnitte die Oberfläche vergrößert wird!) Sumpfgewächse dagegen, die gleich den Wasserpflanzen in einer „Nährlösung“ stehen, haben meist dicke, strangartige und wenig ver- zweigte Wurzeln (Sumpfdotterblume). Kurz: Die Ausbildung der Wurzel steht mit dem Alter und der Lebensweise der Pflanze, sowie mit den Bodenverhältnissen im innigsten Einklange. 3. Wie wir bereits an der keimenden Bohne beobachtet haben, senkt sich die Wurzel, die den Stengel nach unten fortsetzt, die Hauptwurzel, wie ein Pfahl in den Boden („Pfahlwurzel“). Von dieser gehen nach allen Seiten Zweige aus, die sog. Seitenwurzeln, die wagerecht oder schräg nach unten verlaufen. Würden die Zweige mit der Hauptwurzel senkrecht in den Boden wachsen, so könnte die Pflanze nur eine viel kleinere Erdmenge auf Nährstoffe hin ausbeuten, und sie wäre bei weitem nicht so sicher im Boden befestigt als in jenem Falle. (Vergleiche die Pflanze mit einer Fahne, deren Mast in den Boden gerammt und durch seitliche Taue gehalten wird!) Da sich die Zweige in immer feinere Äste auflösen, ist bald die ganze Erdmasse, die im Bereiche der Pflanze liegt, von Tausenden und aber Tausenden feinster Saugwürzelchen durchzogen („Wurzelballen“ der Topfgewächse!). 4. Wie wir beim Roggen beobachtet haben und an vielen andern einkeimblättrigen Pflanzen sehen können, geht die Hauptwurzel vielfach zugrunde. Nebenwurzeln; 468 Bau und Leben der Wurzel. die aus dem untersten oder einem der untern Stengelknoten hervorbrechen, übernehmen dann ihre Aufgaben. Solche Wurzeln können sich auch je nach Bedarf an andern Pflanzenteilen bilden, z. B. an unterirdischen Stämmen (Taubnessel, Maiblume), an Ausläufern (Veilchen, Erdbeere), an Zweigen, die wir als Stecklinge in den Boden pflanzen (Weide, Nelke, Weinrebe) usw. 5. Bei zahlreichen, besonders tropischen Pflanzen bilden sich Wurzeln, die nicht oder doch erst sehr spät in den Boden eindringen. Solche Luftwurzeln dienen dem Efeu als Werkzeuge zum Anklammern (Klammerwurzeln); mit Rankenwurzeln. befestigt die Vanille ihren schwachen Stengel an Stützen; die merkwürdigen Mangrove- bäume erhalten durch weit längere Stelzwurzeln in dem Sumpfboden der Küsten- gewässer den nötigen Halt, und andre Bäume der heißen Zone senden von ihren weit ausgreifenden Zweigen Stützwurzeln, die oft die Stärke mächtiger Stämme er- reichen, zum Boden herab. 6. Bei wieder andern Pflanzen haben die Wurzeln noch eine Nebenaufgabe über- nommen: Sie dienen als Vorratsspeicher für Baustoffe und schwellen daher meist stark an. Ist die Hauptwurzel die Ablagerungsstätte, so wird sie zur Rübe oder Möhre (Zuckerrübe, Möhre); sind es die Nebenwurzeln, so entstehen (Wurzel-) Knollen (Scharbockskraut, Knabenkraut). B. Die Aufgaben und der feinere Bau der Wurzel. 1. Das Wachstum der Wurzel. Die wachsende Wurzel dringt, ihren Aufgaben entsprechend, immer weiter im Boden vor. Wie dies geschieht, soll uns folgender Versuch zeigen: Wir lassen einige Samen der Feuer- bohne in feuchten Sägespänen keimen. Nachdem die Keimwurzeln etwa = 2 cm lang geworden sind, tragen wir mit Tusche auf jeder von der Spitze aus zehn kleine Striche auf, die je 1 mm voneinander entfernt sind. Die Bohnen befestigen wir durch Nadeln auf der Unterseite eines Korkes, der auf eine weit- halsige Flasche paßt. Um den Keimlingen die nötige Feuchtigkeit zu geben, haben wir schon vorher etwas Wasser in die Flasche ge- Wachstum der Wurzel. Die 3 gossen. Nach etwa 24 Stunden keimende Feuerbohne ist durch & i eine Nadel an einem Korke be- 2 sehen wir, daB die Wurzeln be- festigt. Fig. 1: Wurzel mit auf- trächtlich gewachsen sind. Die getragenen Tuschestrichen, die sich nach 24 Stunden durch Wachstum der Wurzel so verschoben haben, wie Fig. 2 zeigt. Striche sind aber zum Teil nicht mehr gleichmäßig voneinander ent- fernt wie vordem: Der erste Strich ist von der Wurzelspitze allerdings nur wenig abgerückt; zwischen ihm und dem zweiten Striche, sowie zwischen diesem und dem dritten da- gegen sind sehr große Zwischenräume entstanden; dann nehmen die Entfernungen zwischen den einzelnen Strichen wieder stark ab, und die letzten Striche sind genau an ihrem Platze geblieben. Hieraus geht deutlich hervor, daß erstlich an den wachsenden Wurzeln sich nur die untern Teile gestreckt haben, und daß zweitens die Streckung nicht Bau und Leben der Wurzel. 469 gleichmäßig, sondern an der Spitze schwach, dann stark und endlich wieder schwächer gewesen ist. Ein Gleiches läßt sich an jeder wachsen- den Wurzel beobachten: Es ist ein nur verhältnismäßig kurzer Abschnitt hinter der Wurzelspitze in Streckung begriffen, der die Wurzelspitze gleichsam vor sich her schiebt. 2. Die Wurzelhaube. Infolge ungleichen Wachstums beschreibt die Wurzelspitze, wenn sie in dem Boden vordringt, den Weg einer lang- gestreckten Spirale, so daß sie leicht an Hindernissen vorüber gelangt. Da sie aber überaus zart ist, müßte sie sich trotzdem an den Kanten der Gesteinstrümmerchen bald verletzen, wenn sie nicht besonders geschützt wäre. Betrachten wir das Wurzel- ende bei schwacher Vergrößerung (am besten im Längsschnitte), so sehen wir, daß die Spitze von einem kappenartigen (Gebilde bedeckt ist. Diese Wurzelhaube besteht aus festem Gewebe und hat etwa die Ge- stalt eines Fingerhutes, durch den die Näherin die empfindliche Fingerspitze gegen Verletzungen durch die Nadel bewahrt. Die äußern, ältesten Zellen der Haube, die von innen her immer wieder ersetzt werden, Wurzelhaube (H.) einer Mais- quellen nach und nach gallertartig wurzel (etwa 100mal vergr.). auf. Infolgedessen ist die Wurzelspitze glatt und schlüpfrig, wie mit einem Schmiermittel bedeckt. Da sie zudem noch die Form eines Kegels besitzt, vermag sie leicht und ohne Schaden in dem Boden vorzudringen. 3. Die Wurzelhaare. a) Lassen wir irgend welche Samen zwischen feuchtem Fließpapier keimen, so sehen wir, dab die Wurzeln, wenn sie eine gewisse Länge erreicht haben, über dem sich streckenden Abschnitte mit vielen außer- ordentlich zarten Härchen bedeckt sind. Betrachten wir dünne Quer- oder Längs- schnitte einer solchen Wurzel, so er- i EN kennen wir, dab diese Wurzelhaare teilchen Ba N re lange, schlauchförmige Ausstülpungen (etwa 100mal vergr.). der Oberhautzellen darstellen. Nehmen wir sodann irgend eine Keimpflanze, die in einem Blumen- topfe mit Gartenerde gezogen ist, aus dem Boden, so sehen wir, wie die Wurzelhaare dicht mit Erde bedeckt sind. Selbst durch Abspülen in =# Wurzelhaare. 1. Keim- = pflanze vom weißen Senf mit Wurzelhaaren, 2. mit anhaftenden Bodenteil- chen (verkl.). 3. Wurzel- 470 Bau und Leben der Wurzel. Wasser gelingt es nicht, die Wurzeln von den Bodenteilchen vollkommen zu befreien; denn die Wurzelhaare sind, wie ein Blick durch das Mikro- skop zeigt, mit ihnen fest verklebt, gleichsam verwachsen. b) Diese Tatsache ist nicht nur für das Festwurzeln der Pflanzen im Boden, sondern auch noch in andrer Hinsicht von größter Wichtig- keit: Da die Würzelchen durch die Haare im Boden gleichsam verankert sind, kann die Kraft, die der in Streekung begriffene Wurzelabschnitt ent- wickelt, nur auf die Wurzelspitze wirken, so daß diese vorwärts getrieben wird. Der Wurzelspitze fehlen dementsprechend auch die Wurzelhaare. c) Die Wurzelhaare stehen in hervorragender Weise aber auch im Dienste der andern Aufgabe der Wurzel, nämlich der Aufnahme des Wassers und der Nährsalze. Durch die Wandung des Wurzelhaares sind 2 Flüssigkeiten verschiedener Stärke voneinander getrennt: der Zell- saft, der reich ‚an Salzen und Säuren ist, und das Wasser des Bodens, das geringe Mengen von Nährsalzen gelöst enthält. Zwischen den Flüssig- keiten wird daher nach dem Gesetze der Osmose ein Austausch statt- finden. Dabei müssen sie aber das Protoplasma durchdringen. Dieses ist jedoch ein lebender Körper mit der Fähigkeit, nur gewissen Stoffen den Durchtritt zu gestatten: Es läßt aus dem Zellsafte nur geringe Stoff- mengen austreten (s. Abschn. g), dafür aber um so mehr Wasser mit den darin gelösten Nährsalzen einströmen. Hierzu sind die Wurzelhaare nun um so besser geeignet, als sie die Oberfläche der Wurzel um ein Vielfaches vergrößern, mit den Bodenteilchen verkleben, sehr zarte Wandungen und die Form langer, dünner Schläuche besitzen. Sie durchdringen jede Lücke des Bodens und sind imstande, selbst noch die geringste Wassermenge einzusaugen und das kleinste Bodenteilchen auf seine Nährstoffe auszubeuten. d) Erfolgt die Aufnahme des Wassers und der Nährsalze unter günstigen Be- dingungen, so ist eine Vergrößerung der aufsaugenden Wurzelöberfläche nicht von- nöten. Den Sumpf- und Wasserpflanzen (Sumpfdotterblume, Wasserlinse u. y. a.) fehlen demgemäß meist die Wurzelhaare. — Wie wir bereits gesehen haben (s. S. 333), sind bei den Waldbäumen die Wurzelhaare in der Regel durch Pilz- fäden ersetzt, die sich weit in dem lockern Boden ausbreiten und die Wurzeln mit Wasser und Nährsalzen versorgen. Außer bei zahlreichen andern Pflanzen findet auch bei den Heidekrautgewächsen und vielen Orchideen ein solcher Ersatz statt, eine Tatsache, die uns vollauf erklärt, warum diese Pflanzen trotz der sorgsamsten Pflege in unsern Gärten meist nicht fortkommen. e) Nimmt man eine Pflanze aus dem Boden, so fällt von den ältern Wurzelteilen die anhaftende Erde leicht ab, ein Zeichen, daß ihnen die Wurzelhaare fehlen. Diese Gebilde sind, wie man in allen Fällen sieht, stets nur auf einen verhältnismäßig kurzen Abschnitt hinter der wach- senden Wurzelspitze beschränkt. In dem Maße, in dem sie sich hier fortgesetzt neu bilden, sterben sie am entgegengesetzten Ende ab. Auf diese Weise kommt die Wurzel mit immer neuen Bodenteilchen in Berührung, denen sie die Nährstoffe noch nicht entzogen hat. Die ältern Teile der Wurzel umkleiden sich mit wasserdichten Korklagen, Ei Bau und Leben der Wurzel. 471 sind also zur Aufnahme von Wasser und Nährsalzen untauglich. Da nur die jüngsten Wurzeln Wurzelhaare besitzen, sollte man die Gewächse möglichst mit dem „Ballen“ verpflanzen. Werden bei diesem Vorgange die überaus zarten Gebilde verletzt, dann erscheinen die Pflanzen in den ersten Tagen meist welk, bis sich wieder neue Wurzelhaare gebildet haben. f) Zwischen der Ausbreitung der Wurzeln und der Art, wie die Pflanzen das Regenwasser ableiten, besteht — wie wir mehrfach gesehen haben — eine innige Beziehung. Tropft das Wasser am Umfange der Krone nieder, ist die Wasser- ableitung also nach außen gerichtet oder zentrifugal, so breiten sich die Wurzeln allseitig so weit aus, daß die mit Wurzelhaaren besetzten feinsten Wurzelzweige meist im Umkreise der Krone liegen (diehtbelaubte Bäume, Königskerze u. a.). Fließt das Wasser dagegen nach innen oder zentripetal ab, so sind die Wurzeln mehr oder weniger senkrecht nach unten gerichtet und eng zusammengedrängt (Raps, Tulpe u. a.). — Bei dünnbelaubten Bäumen (Birke) sind die Saugwurzeln gleichmäßig unter der ganzen Krone verteilt. — Wasser- und Sumpfpflanzen, sowie viele Gewächse, die ge- sellig beieinander stehen, lassen das Wasser in keiner bestimmten Richtung von den Blättern abtropfen. g) Welcher Art sind nun die Stoffe, die durch die Wände der Wurzel- haare nach außen dringen? Um dies zu erfahren, nehmen wir einen Blumentopf, der mit feuchtem Sande gefüllt ist, und lassen darin eine Bohne keimen. Vorher aber haben wir in den Sand einige Zentimeter tief eine kleine Marmorplatte gelegt, deren polierte Fläche nach oben gerichtet ist. Nach etwa 14 Tagen nehmen wir die Platte aus dem Sande hervor und reinigen sie sorgfältig. Dann erkennen wir, daß die Politur an allen Stellen, an denen die Wurzeln die Platte berührt haben, zerstört worden ist. Die Wurzeln haben also eine Säure ausge- schieden, die kohlensauren Kalk (Marmor) zu lösen vermag. Und wie Kalk, so dürften auch andre Bodenteilchen gelöst werden. Die Pflanze hilft also mit, die notwendige „Nährsalzlösung“ zu bereiten. 4. Düngung und Wechselwirtschaft. a) Verwesen Pflanzen dort, wo sie gewachsen sind, so werden dem Boden die mineralischen (unver- brennlichen) Stoffe auch wieder zugeführt, die sie ihm zu ihrem Aufbau entnommen haben. Dieser Vorgang spielt sich völlig ungestört z. B. im Urwalde ab. Aber auch in dem Walde, der vom Menschen gepflegt und bewirtschaftet wird, im Forste, werden dem Boden im allgemeinen nur verhältnismäßig geringe Mengen wichtiger Pflanzenbaustoffe entzogen. Die abgefallenen Blätter und Zweige, sowie die Reste der Pflanzen, die dem Waldsrunde entsproßten, bilden eine gewaltige, in Verwesung begriffene Masse, die den Boden oft in dicker Schicht bedeckt und nach und nach in ein braunes oder schwärzliches Erdreich übergeht. Dieser sog. Humus ist der natürliche Dünger des Waldes; denn er liefert, völlig verwest, den Waldpflanzen einen großen Teil der Stoffe, die sie nur dem Boden entnehmen können. In getreidearmen Gegenden, in denen Mangel an Stroh herrscht, entfernt man vielfach die modernden Blattmassen aus dem Walde, um sie dem Vieh in die Ställe zu streuen. Daß eine solche Verwendung der Waldstreu für den Forst in hohem Grade nachteilig ist, wird hierbei aber leider meist nicht bedacht. 472 Bau und Leben der Wurzel. b) Den Feldern und Wiesen entnimmt man gelegentlich der Ernte alljährlich ganze Wagenladungen wichtiger Stoffe Damit keine Er- schöpfung des Bodens eintritt, müssen diesem die Stoffe, die die Pflanzen allein aus ihm beziehen können, wieder zugeführt werden. Dies geschieht durch die Düngung. Am gebräuchlichsten ist die Verwendung des Stalldüngers, der reich an jenen Baustoffen ist. Außer Kaliumverbindungen, sowie phosphor- und schwefelsauren Salzen und andern wertvollen Bestandteilen liefert er besonders große Mengen des überaus wichtigen Stickstoffs. Dieser findet sich in den Ammoniumverbindungen, die in dem faulenden Dünger entstehen und durch die bereits S. 408 erwähnten Salpeterbakterien in salpeter- saure Salze übergeführt werden. Einen vortrefflichen, sehr stickstoff- reichen Dünger liefert auch das Hausgeflügel. Von weit größerer Be- deutung sind aber die gewaltigen Kot- und Harnmassen gewisser Seevögel, die sich an einigen Stellen der Erde (besonders in regenlosen Gebieten von Südamerika) im Laufe von Jahrtausenden angehäuft haben und als Guano in den Handel kommen. Neben diesen und andern „natürlichen“ Düngemitteln spielen seit einer Reihe von Jahren die sog. künstlichen eine überaus wichtige Rolle: die Kalisalze, der Chilisalpeter, das Superphosphat und das Tho- masmehl (phosphorhaltige gemahlene Eisenschlacke), daneben: gebrannter Kalk, Mergel, Holzasche u. dgl. An manchen Orten wird auch der Schlamm stehender oder langsam fließender Gewässer (Dorfteiche, Wiesen- und Feldgräben) mit Vorteil als Dünger benutzt (Fruchtbarkeit Ägyptens durch den Nilschlamm!). Auf stickstoffarmem, unfruchtbarem Sandboden wendet man neben den genannten Mitteln vorwiegend die Gründüngung durch Schmetter- lingsblütler, im besondern durch die Lupine an. In welcher Weise diese Pflanzen den Boden mit Stickstoff bereichern, ist S. 150 des nähern ausgeführt worden. Ebenso wurde darauf hingewiesen, welch hohen Wert besonders die überaus genügsame Lupine für den Landwirt hat. c) Im Garten gewinnt man fruchtbare Erde durch Anlegung eines sog. Komposthaufens, der aus allerlei Abfällen (abgemähtem Grase, dürrem Laube, abgestorbenen Pflanzen, altem Dünger u. dgl.) besteht und, wenn möglich, von Zeit zu Zeit mit Jauche übergossen wird. Sind die aufgehäuften Pflanzenstoffe verwest, so wird die so gewonnene Erde gesiebt und zur Anlage von Blumen- und Gemüsebeeten, sowie als Dünger für Obstbäume u. dgl. verwendet. Auch Topfgewächse pflanzt man am besten in solche Gartenerde, die man zuvor mit Waldhumus und Sand vermischt und durch geringe Mengen von Hornspänen, Blut oder Knochenmehl gedüngt hat. d) Die Gewächse entnehmen dem Boden nicht alle Baustoffe in gleichen Mengen. Die eine Pflanze z. B. beansprucht mehr Kalium (Kar- toffel), die andre mehr Phosphor (Weizen) usw. Die Gewächse haben also ein gewisses Wahlvermögen für die Stoffe, derer sie bedürfen. Bau und Leben der Wurzel. 473 Ebenso ist die Menge sämtlicher Nährstoffe, die dem Boden entzogen wird, für die einzelnen Pflanzen verschieden. Unter den Kulturgewächsen ist z. B. der Lein eine ausgeprägt „bodenzehrende“ Pflanze, während die Schmetterlingsblütler „bodenschonend“ sind. Auch die Tatsache, wie tief die Wurzeln in die Erde eindringen, welchen Bodenschichten die Pflanzen also vorwiegend Baustoffe entnehmen, muß der Landmann wohl beachten. Baut man auf einem Acker längere Zeit ein und dieselbe „Feld- frucht“, so nimmt dessen Ertragsfähigkeit stark ab. Wie die Bezeich- nungen „bodenzehrend“ und „bodenschonend“ bereits andeuten, glaubte man bisher, dab diese Erscheinung auf eine Verarmung des Bodens an bestimmten Nährstoffen zurückzuführen sei. Diese Annahme scheint aber nicht oder doch nicht völlig richtig zu sein. Wie nämlich sorgfältige Untersuchungen der jüngsten Zeit ergeben haben, scheiden die Wurzeln (abgesehen von der S. 471 erwähnten Säure) auch Stoffe aus, die auf Grewächse derselben, nicht aber auf die einer andern Art wie Gifte ein- wirken. Je öfter nun ein Boden mit derselben „Feldfrucht“ bestellt wird, um so mehr muß er von diesen Stoffen durchtränkt, der Ernteertrag also herabgesetzt werden. Erst nachdem er durch Witterungseinflüsse (Regen u. dgl.) von den „Giften“ wieder befreit ist, gedeihen Pflanzen der erstern Art auf ihm wieder vortrefflich. Dem Landmann ist der Mißerfolg bei fortgesetzt gleicher Bestellung des Feldes und der Wert einer geordneten „Fruchtfolge“ oder — anders aus- gedrückt — einer planmäßigen Wechselwirtschaft schon seit alten Zeiten bekannt. Er bestellt den Acker daher auch erstnach etwa 3—5 Jahren wieder mit derselben Pflanzenart. Auf einem Boden mittlerer „Güte“ ist z. B. fol- gender Fruchtwechsel angebracht: Kartoffeln, Weizen, Klee, Rüben, Gerste. Eine ähnliche Wechselwirtschaft hat natürlich auch im Garten stattzufinden. C. Wie das Wachstum der Wurzel von der Schwerkraft beeinflußt wird. 1. Sehen wir von Ausnahmen ab, so beobachten wir bei allen Pflanzen, daß die Wurzeln, ihren Aufgaben entsprechend, in den Boden dringen. Diese Tatsache erscheint den meisten Menschen als etwas durchaus Selbstverständliches, das gar nicht des Nachdenkens wert ist. Daß hier jedoch durchaus gesetz- mäßige Verhältnisse obwalten, zeigt folgender Versuch: Wir legen einen Bohnenkeimling so in die durch- feuchtete Erde eines Blumentopfes, daß die 2—3 cm lange Hauptwurzel Wachstum der Wurzel unter dem Ein- genau wagerecht gerichtet ist. Ent- flusse der Schwerkraft. Die wagerecht fernen wir nach etwa 24 Stunden die 3@este Keimwurzel der Feuerbohne ? i he (Fig. 1) hat nach 24 Stunden die in Erdschicht, die den Keimling bedeckt, Fig. 2 dargestellte Form angenommen. so sehen wir, daß das Wurzelende (Bez. der Tuschestriche vgl. Abb. S. 468.) 474 Bau und Leben der Wurzel. mit den ältern, nicht mehr wachstumsfähigen Teilen der Wurzel fast einen rechten Winkel bildet. Diese Krümmung kann nur dadurch zustande sekommen sein, daß sich der wachsende Wurzelabschnitt an der Ober- seite stärker als an der Unterseite gestreckt hat. (Durch Auftragen von Tuschestrichen wie bei dem S. 468 beschriebenen Versuche ist dies noch deutlicher zu sehen!) Die Wurzelspitze hat also die Richtung, die wir ihr gegeben haben, verlassen und sich wieder dem Mittelpunkte der Erde zugewendet, wie dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben durchaus nötig ist. Dasselbe be- obachten wir an jeder andern Hauptwurzel: Sie dringt mit großer Kraft nicht selten metertief in den Boden ein und wendet sich immer wieder senkrecht abwärts, wenn sie durch einen Stein, einenFelsblock oder dgl. ausihrerRichtung verdrängt worden ist. 2. Wodurch wird die Hauptwurzel zu diesem merkwürdigen Ver- halten veranlaßt? Schon der. Umstand, daß sie stets dem Mittelpunkte der Erde „zustrebt“, läßt vermuten, daß hierbei die Anziehung der Erde, die Schwerkraft, im Spiele ist. Wie das Licht die Zimmerpflanzen oder die „Kartoffelkeime® im Keller „zu sich hinzieht“, wird die Wurzelspitze durch die Schwerkraft angeregt oder gereizt, an der Ober- seite stärker zu wachsen als an der Unterseite, so daß jene Abwärts- krümmung eintritt. Ist diese Erklärung richtig, so muß sich eine Keim- wurzel, die wir der einseitigen Einwirkung der Schwerkraft entziehen, anders verhalten, und das ist der Fall, wie folgender Versuch zeigt: Wir befestigen auf einem Metallstabe einen durchfeuchteten Torfwürfel und bestreuen ihn auf allen Seiten mit Samen der Gartenkresse. Die Samen bilden bei Befeuchtung einen klebrigen Schleim, haften daher an dem Torfstücke fest und keimen sehr schnell. Setzt man den Metallstab durch ein Uhrwerk in drehende Bewegung — der Torfwürfel muß in der Stunde etwa 2 senkrechte Umdrehungen machen —, so ist die Seite jeder Keimwurzel, die jetzt nach oben gekehrt ist, nach einer Viertel- stunde nach unten gerichtet usf. Die Schwerkraft kann daher nicht auf eine Seite besonders einwirken und sie zu stärkerm Weachstume veranlassen. Die Wurzeln wachsen daher allseitig gleich stark in der Richtung weiter, in der sie zufällig aus dem Samen hervorgetreten sind. 3. Die aus der Hauptwurzel entspringenden Seitenwurzeln verlaufen, wie wir wissen, stets wagerecht oder schräg abwärts. Bringen wir sie aus dieser Lage (Umlegen des Blumentopfes!), so nehmen sie die ihrer „innern Natur“ entsprechende Richtung alsbald wieder ein. Ähnliche Beobachtungen werden wir später auch an den Stammgebilden machen; kurz: Wir sehen, daß zahlreiche wachsende Pflanzenteile durch die Schwerkraft beeinflußt, gereizt werden. Die Eigenschaft der Pflanze, auf diese Kraft zu antworten, zu reagieren, be- Bau und Leben der Wurzel. 475 4. Auf die Frage, wie der merkwürdige Einfluß der Schwerkraft zustande kommt, glauben einige Botaniker jetzt eine befrie- digende Antwort gefunden zu haben: In den mittlern Zellen der Wurzelhaube fin- den sich Stärkekörner, die — wenn die Wurzel senkrecht in den Boden ein- dringt — den untern Zellwänden auf- liegen. Wird die Wurzel aber durch einen Stein oder dgl. von dieser Richtung abgelenkt, so kommen die Stärkekörner mit andern Stellen der Zellwände in Be- rührung. Dieser veränderte Reiz wird nun zu dem wachsenden Abschnitte der Wurzelspitze geleitet und hört erst auf, wenn durch stärkeres einseitiges Wachs- tum die Wurzel wieder in die ursprüng- Längsschnitt durch eine Wurzelhaube. liche senkrechte Stellung gelangt ist. K. Zellkern. S. Stärkekörner. (Nach N&mec), D. Die Befestigung der keimenden Samen am Boden und der Wurzelzug. 1. Legt man Bohnenkeimlinge auf den Boden, (ohne sie also mit Erde zu bedecken), so krümmt sich die Wurzelspitze zwar gleichfalls ab- wärts, ist aber meist nicht imstande, in die Erde einzudringen. Hierzu, sowie zum Herausziehen der Keimblätter aus der Samenschale bedarf der Keimling eines festen Stützpunktes: Der Samen muß am Boden gleichsam verankert werden. Den angebauten Pflanzen schaffen wir die notwendige Befestigung an „das Keim- bett“, indem wir die Samen oder Früchte mit einer Schicht Erde bedecken. Die Früchte des Reiherschnabels haben die Fähigkeit, sich in die Erde zu bohren, und die Keimlinge der seltsamen Mangrovebäume, die schon an der Mutterpflanze austreiben, dringen wie zugespitzte Pfähle in den schlammigen Untergrund ein. Viele Samen rollen infolge ihrer Form und Kleinheit in jede’ Bodenritze; größere Samen oder Früchte, wie z. B. Haselnuß und Eichel, vermögen meist nur dadurch an einen geeigneten Ort zum Keimen zu gelangen, daß sie von Tieren verschleppt werden. Bei andern Samen oder Früchten verklebt die Samen- oder Fruchthülle durch einen zähen Schleim (Lein, Wegerich) oder durch anhaftende Teilchen des Fruchtfleisches (Kürbis) mit dem Boden. Bei wieder andern dienen haarförmige (Salweide) oder stachelige Anhängsel (Möhre), grubige Vertiefungen (Mohn) oder warzenförmige Erhöhungen (Schlüsselblume) der Samen- oder Fruchtschale der gleichen Aufgabe. 2. Wie der Landmann und der Gärtner sehr wohl wissen, und wovon wir uns durch entsprechende Versuche leicht überzeugen können. darf man die Samen weder zu tief, noch zu flach in den Boden legen, wenn — abgesehen von zahlreichen andern Umständen — aus ihnen kräftige Pflanzen hervorgehen sollen. Bei wildwachsenden Pflanzen kommt es aber sehr häufig vor, daß ihre Samen nicht die entsprechende Tiefe finden. Die Aufgabe, die jungen Pflanzen dorthin zu bringen, fällt dann den Wurzeln zu. Während ihre Zellen anfänglich lang und dünn sind, werden sie später kurz und breit. Infolgedessen verkürzt sich die Wurzel oft um mehr als um die Hälfte ihrer ursprünglichen Länge. Da nun aber ihr Endabschnitt durch Wurzelhaare mit dem Erdboden gleich- 476 Bau und Leben der Wurzel und des Stammes. sam verwachsen ist, ihren ältern Teilen aber diese Werkzeuge fehlen, muß der Stamm, von dem sie entspringt, in die Tiefe gezogen werden. Wurzeln, die diese wichtige Arbeit verrichten, sind leicht an den Querrunzeln zu erkennen, die sich an ihrer Oberfläche gebildet haben, und die daher rühren, daß sich die äußerste Schicht ihrer Rinde nicht mit verkürzt hat. Durch solchen Wurzelzug gelangen Keimpflanzen allmählich oft 6—10 cm tief in den Boden. Auch bei zahlreichen ältern Pflanzen ist diese Erscheinung zu be- obachten, nämlich bei denjenigen Stauden (Veilchen, Schlüsselblume, Löwenzahn u. v. a.), bei denen der im Erdboden geborgene Stamm sich alljährlich um ein Stück verlängert, und bei denen infolgedessen die überwinternden Knospen immer höher zu liegen kommen würden. An den Ausläufern der Erdbeere, des Veilchens usw. ist besonders deutlich zu sehen, wie die junge Pflanze, die anfänglich der Erdoberfläche auf- liegt, mit dem sich vergrößernden Stamme in den Boden gezogen wird. Wie in diesen Fällen der Wurzelzug senkrecht wirkt, macht er sich in andern in wagerechter Richtung geltend. Dies ist z.B. bei zahlreichen Zwiebelgewächsen zu beobachten, bei denen die „Brutzwiebeln“ durch starke Verkürzung ihrer wagerecht verlaufenden Wurzeln von der Mutter- pflanze entfernt und unter sich auseinander gerückt werden, ein Mittel, den jungen Pflanzen günstigere Lebensbedingungen zu verschaffen. IH. Vom Bau und Leben des Stammes. A. Aufgabe, Wachstum und Formen des Stammes. 1. Aufgabe des Stammes. Die Laubblätter haben wir als die Werk- stätten kennen gelernt, in denen aus anorganischen Stoffen organische gebildet werden. Da dies aber nur unter dem Einflusse des Sonnen- lichtes geschieht, und da einer der wichtigsten Nährstoffe, der Kohlen- stoff, der Luft entnommen wird, müssen — wenn die Pflanze gedeihen soll — die Blätter dem Lichte und der Luft möglichst frei ausgesetzt sein. Eine freie Stellung ist auch ‚für die Blüten notwendig, die von den Insekten oder dem Winde bestäubt werden, desgleichen für die vielen Früchte oder Samen, die zu ihrer Verbreitung auf. Tiere oder den Wind angewiesen sind. Genau wie wir die Wäsche frei aufhängen, um sie der Luft und den Sonnenstrahlen auszusetzen, oder wie wir Aufschriften, die weithin gesehen werden sollen (Wegweiser, Firmenschilder, Bekannt- machungen u. del.), hoch an Häusern oder auf langen Stangen befestigen, so werden auch Blätter, Blüten und Früchte durch lange Träger möglichst hoch über den Boden gehoben. Diese Träger bilden die Stämme, die bei größern Pflanzen zumeist noch verzweigt, bei den größten (Bäumen) in der Regel sogar vielfach verzweigt sind. 32. Wachstum und Verzweigung des Stammes. a) Legt man die äußerste Spitze eines Zweiges der Wasserpest unter das Mikroskop, oder stellt man durch das entsprechende Stück einer Landpflanze dünne Bau und Leben des Stammes, 477 Längsschnitte her, so ist zu erkennen, daß ein solches Stamm- oder Zweigende aus protoplasmareichen, zartwandigen Zellen aufgebaut ist, die eng aneinander schließen. Da sich diese Zellen durch Teilung lebhaft vermehren, wachsen Stamm und Zweige an dieser Stelle fortgesetzt in die Länge. Den meist kegelförmigen Endabschnitt bezeichnet man daher als Wachstums- oder Vegetationskegel. An jenen Pflanzenteilen sehen wir weiter, wie an dem Stamme kleine Höcker und Wülste ent- stehen, die, je weiter von der Stammspitze entfernt, immer mehr die Gestalt von Blättern annehmen. Die Blätter sind alsoihrer Entstehung nach nichts andres als Hervorstülpungen des Stammes. Indem sich der jugendliche Stamm in die Länge Er E : “ 5 n achstumskegel streckt, werden die Blätter so weit voneinander der Wasserpest (100mal entfernt, wie dies für jede Pflanze eigentümlich ist. vergr.). B. Blattanlagen. Die Stellen des Stammes, an denen die Blätter entspringen, sind vielfach angeschwollen (Lippenblütler, Gräser); man be- zeichnet sie daher als Stengelknoten. Das zwischen je zwei Stengel- knoten liegende Stammstück heißt Stengelglied. In der Regel sind die Stengelglieder langgestreckt, so daß die Knoten mehr oder weniger weit auseinander rücken. Dann spricht man von Langtrieben (Zweige der Buche, Weide u. dgl.). Oft bleiben die Stengelglieder aber so kurz, daß die Blätter fast ohne Zwischenraum aufeinander folgen. Solche verkürzten oder gestauchten Stämme nennt man Kurztriebe. Sie treten uns z. B. in der Tulpenzwiebel, sowie bei denjenigen Pflanzen entgegen, deren Blätter Rosetten bilden (Wegerich, Löwenzahn u. a.). b) Im allgemeinen eilen die jungen Blätter in ihrer Ausbildung dem sich streckenden Stamm- oder Zweigende voraus. Sie legen sich schützend über den sehr zarten Wachs- tumskegel, decken sich gegenseitig und bilden eine Knospe. Die Wachstumsstelle des Stam- mes bedarf daher im Gegensatz zur wachsen- den Wurzelspitze keines besondern Schutz- AK... organs (Wurzelhaube!). Soll die Knospe un- günstige Zeiten (Winter, lange Dürre) über- stehen, so wird sie meist durch Blätter (Knospenschuppen) und andre Mittel fest ab- geschlossen. Bei den unterirdischen Stämmen PRFTRRTER: (Windröschen, Maiblume u. a.), bei denen die R.G.M.G.R. Knospe den oft festen Boden durchdringen Längsschnitt durch eine End- muß, sind die den Schutz bewirkenden Blätter Be ” en ; sehr fest (Hüllblätter). ne 5 ; t selknospen; O0. Oberhaut; R, An dünnen Schnitten durch die Knospe, Rinde;G.Gefäßbündel;M.Mark. ee Se \ en Aut ez e \ 4772 MM j 478 Bau und Leben des Stammes, z. B. der Linde, erkennt man, daß sich in den Blattachseln Anlagen zu beblätterten Seitenzweigen bilden. Entweder wachsen diese Anlagen gleich weiter, oder sie verharren im Knospenzustande. Im Gegensatz zu den Endknospen, die das Wachstum des Stammes oder Zweiges oft viele Jahre lang fortsetzen, bezeichnet man diese Knospen als Achsel- knospen. Da die Zweige aus den Achseln der Blätter entspringen, stimmt ihre Stellung am Stamme mit der der Blätter überein. c) Bei gewissen Pflanzen besitzen aber auch ältere Teile die Fähig- keit, Knospen und damit neue Sprosse (s. S. 431) zu erzeugen. Am häufigsten treten uns solche Sprosse als Stockausschlag geköpfter Bäume (Weiden, Pappeln, Robinie u. a.) oder als Wurzelbrut entgegen (Pflaumen- baum, Weißdorn u. v. a). Auch aus Blättern (Wiesenschaumkraut) oder Wurzelstücken (Meerrettich, Löwenzahn u. a.) können sie hervorgehen. \ d) Je größer die Blätterlast ist, die ein Stamm zu tragen hat, eine desto größere Festigkeit besitzt er auch. Verhältnismäßig kleine Pflanzen von kurzer Lebensdauer (ein- oder zweijährige Gewächse), die sog. Kräuter, haben dementsprechend nur einen weichen, saftigen und meist grünen Stamm. Er erliegt der Winterkälte und wird in der Regel Stengel genannt. Einen hohlen Stengel, der durch verdickte Knoten und Querscheidewände deutlich gegliedert ist, bezeichnet man als Halm (Gräser). Trägt der Stengel nur eine Blüte oder nur einen Blütenstand, so nennt man ihn Schaft (Schneeglöckchen, Schlüsselblume). Dauert der Stamm mehrere oder viele Jahre aus (ausdauernde Pflanzen), so finden in ihm weitgehende Verholzungen statt (s. später). Er wird zum Holzstamme (kurz nur „Stamm“ genannt), der die größten Lasten zu tragen vermag und gegen die Winterkälte in hohem Grade unempfindlich ist. Bei den Sträuchern lösen sich die meist zahlreichen Stämme vom Boden aus in Äste auf. Bei den Bäumen dagegen bleibt der untere Teil des einzigen Stammes unverzweigt. 3. Abweichende Sproßformen. Bei zahlreichen Pflanzen haben der Stamm oder gewisse Zweige andre Aufgaben zu erfüllen als die, Blätter, Blüten und Früchte mög- lichst frei zu stellen. Diesen Sonderaufgaben entspricht dann auch die Form, die die umgewandelten Stämme samt ihren Blättern annehmen: es entstehen abweichende Sproßformen. a) Seitenzweige, die am Grunde von Stämmen entspringen, treten uns häufig in Gestalt sog. Ausläufer entgegen. Diese liegen dem Boden auf (Erdbeere, Veilchen u. a.) oder kriechen unter der Erde fort (zahlreiche Gräser, Riedgräser u. a.), schlagen an den weit auseinander gerückten Stengelknoten meist Wurzeln und bilden oberirdische Sprosse. Löst sich der Zweig später von der Mutterpflanze, so führen die Sprosse von nun ab ein selbständiges Leben (Vermehrung!). b) Holzige Zweige, die in eine stechende Spitze auslaufen, sind die Dornen. Sie dienen als Schutzwehr gegen größere Pflanzenfresser (wilder Birnbaum, Schwarzdorn u. a.). c) Windende Stengel und Stengelranken (s. Bohne und Weinstock) dienen der Anheftung schwacher Stämme an eine Stütze. d) Mit Hilfe unterirdischer Sprosse vermögen andre Gewächse, die sog. Stauden, die für sie ungünstige Zeit des Jahres zu überstehen oder sich auch zu ver- mehren (Windröschen, Kartoffel u. a.). Für die Pflanzen unsrer Heimat (Schlüssel- blume, Maiblume u. v. a.) ist diese Zeit der Winter, für die der warmen oder wärmern Gegenden der regenlose Sommer (s. Tulpe). Bei Beginn dieser Zeit sind die im Erd- boden wohl geborgenen Sprosse mit Reservestoffen angefüllt, während die oberirdischen Teile absterben. Nach ihrer Form unterscheidet man diese Sprosse als unterirdische Sprosse i.e.8., Wurzelstöcke oder Rhizome (z.B. Veilchen), sowie als Zwiebeln (s. Tulpe) und Stengelknollen (s. Kartoffel). 1 Da . ad Che Ze a u De de Bau und Leben des Stammes. 479 B. Die Richtung der Stämme und Zweige. 1. Einwirkung der Schwerkraft. a) Es gibt zwar einige Pflanzen, deren oberirdische Stämme dem Erdboden aufliegen (Gundermann, Pfennig- kraut u. a.), im allgemeinen aber stehen diese Pflanzenteile überall auf der Erdkugel senkrecht. Selbst auf Berglehnen und andern schrägen Flächen ist dies der Fall. Legen wir einen Samen in die Erde — ganz gleich, welche Lage wir dem von der Samenhaut um- hüllten Keimlinge gegeben haben! —, sein Stengel wächst in jedem Falle senkrecht nach oben. Sind Baumstämme durch den Wind um- gestürzt, aber noch nicht völlig entwurzelt, so stellt sich der wachstums- fähige Teil des Gipfeltriebes nach kurzer Zeit wieder in die Lotrichtung (s. auch Abb. der Harfenfichte S. 344). Hat sich das noch grüne Getreide gelagert, so richten sich die Halme durch einseitiges Wachstum gewisser Knoten wieder empor u. dgl. mehr. Auch künstlich können wir diese Erscheinungen leicht hervorrufen: Legen wir z. B. den Blumentopf, in dem wir irgend welche Keimpflänzchen gezogen haben, wagerecht, so krümmen sich die Stengel alsbald so stark, daß sie wieder senkrecht zu stehen kommen; dasselbe beobachten wir an jeder Zimmerpflanze, ja sogar an abgeschnittenen Stengelteilen (an jungen Laub- und “Blütenzweigen, am Schafte des Löwenzahnes usw.), die wir z. B. so in einen mit feuchtem Sande gefüllten Blumentopf stecken, daß sie wagerecht zu liegen kommen. b) Wiederholen wir jetzt den Versuch, durch den wir die einseitige Wirkung der Schwerkraft auf Pflanzenteile aufheben können (s. S. 474, 2), so sehen wir, daß sich die Stengel gleich den Wurzeln nach allen Rich- tungen des Raumes erstrecken. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, daß die senkrechte Stellung der Stämme, sowie das Zurück- kehren wachsender Stengelteile in die Lotrichtung unter dem Einflusse der Schwerkraft erfolgt, oder kurz: daß wir es hier mit geotropischen Erscheinungen zu tun haben (s. S. 474, 3). Ein Stengelteil, der aus der senkrechten Stellung gebracht ist, wird wie die wagerecht geleste Hauptwurzel in unserm Versuche einseitig von der Schwerkraft gereizt. Wie wir nun in jedem Falle beobachten können (besonders deutlich an den Knoten des sich aufrichtenden Gras- halmes!), wird das Wachstum der Unterseite gesteigert, das der Oberseite dagegen gehemmt, so daß ein Aufrichten des Stengels erfolgen muß. Senkrecht stehende Stämme beeinflußt die Schwerkraft wie senkrecht gerichtete Hauptwurzeln ringsum gleich: Sie wachsen daher auf allen Seiten auch gleich stark, d.h. sie behalten die senkrechte Richtung bei. c) Die Schwerkraft wirkt auf die Stämme also genau umgekehrt ein wie auf die Hauptwurzel: Während diese erdwendig oder positiv- geotropisch ist, sind die (oberirdischen) Stämme erdflüchtig oder negativ-geotropisch. Wie wir das Eindringen der Hauptwurzel in 480 Bau und Leben des Stammes. den Boden als durchaus „zweckmäßig“ erkannten, so steht auch die Erd- flüchtigkeit der Stämme mit ihrer Aufgabe in innigstem Zusammenhange; denn soll der Stamm die Blätter in der Luft und im Lichte ausbreiten, sowie Blüten und Früchte freistellen, so muß er sich möglichst hoch über den Erdboden erheben. d) Derselben Aufgabe haben auch die Zweige zu dienen. Da aber der Platz senkrecht über dem Boden bereits „vergeben“ ist, stellen sie sich schräg aufwärts oder wagerecht. Diese Richtung behalten sie wie die Seitenwurzeln in der Regel auch mit größter Zähigkeit bei: Sucht man sie z. B. durch Anbinden senkrecht zu stellen, so schlägt der wachstumsfähige Endteil meist doch wieder die ursprüngliche Richtung ein. Gleiche Beobachtungen kann man auch an den unterirdischen Stämmen (Wurzelstöcken) machen, die wagerecht oder schräg im Boden liegen, alles Zeichen, daß diese Pflanzenteile ebenfalls unter dem Ein- flusse der Schwerkraft stehen. Während Hauptwurzel und Stämme die Richtung des Erdradius innehalten, schneiden diese die Lotrichtung. Da man nun eine Linie, die eine andre schneidet, eine Transversale (i. w. S.) nennt, so bezeichnet man jene Pflanzenteile als transversal-geotro- pisch. Hat eine Pflanze den Gipfeltrieb verloren, so stellt sich vielfach ein Seitenzweig senkrecht und führt den abgebrochenen oder abgestorbenen Stamm gleichsam fort. (S. Abb. der Wettertanne S. 845.) e) Durch den Einfluß der Schwerkraft vermögen auch die schwachen Stengel der windenden Pflanzen zum Lichte empor zu steigen. Wie dies im einzelnen erfolgt, haben wir bereits bei der Bohne kennen gelernt. Ergänzend sei daher hier nur folgendes bemerkt: Wir wissen, daß der übergeneigte Stengelteil dieser Pflanze be- ständig nach links im Kreise schwingt. Wie das oben erwähnte Abwärtskrümmen der wagerechten Wurzelspitze oder das Aufwärtskrümmen des gleichfalls wagerecht ge- legten Stengels kommt diese Bewegung dadurch zustande, daß der schwingende Stengel- abschnitt an der entgegengesetzten, also rechten Seite fortgesetzt im Wachstume ge- fördert wird. Ahmen wir diese Bewegung mit Hilfe eines Gummischlauches, der am Unterende etwa in einen Schraubstock gespannt ist (unterer, feststehender Stengel- abschnitt!), genau nach, so erkennen wir deutlich, daß der Gipfel eine doppelte Be- wegung ausführt: Einmal dreht er sich wie ein Uhrzeiger im Kreise, sodann aber auch wie der Stift, der die Uhrzeiger trägt, um seine (eigene) Längsachse. Daher „wandert“ ein Tuschestrich, den wir an dem schwingenden Stengelteile anbringen, mit jeder Kreisbewegung des Gipfelteiles auch einmal um den Stengel. Es kommen mithin fort- gesetzt andre Stengelteilchen in die Seitenlage, so daß die Bewegung ununterbrochen weiter gehen muß. Ist die Stütze umschlungen, so tritt — wie wir weiter an der Bohne beobachtet haben — eine Streckung des Stengels nach oben ein, eine Er- scheinung, in der wir leicht einen negativ-geotropischen Vorgang erkennen. — Wie bei der Bohne erfolgen auch bei den Winden und zahlreichen andern Kletterpflanzen die Windungen in entgegengesetzter, bei dem Hopfen und Geißblatte dagegen in der- selben Richtung, in der sich der Uhrzeiger bewegt: die Pflanzen sind links- bezw. rechtswindend. f) Ähnlich wie die geotropische Einwirkung auf die Wurzel soll die auf den Stamm und seine Zweige durch Vermittlung von Stärkekörnern erfolgen, die sich in den Zellen der Gefäßbündelscheide (s. S. 485) vorfinden (s. Abb. S. 481). 2. Einwirkung des Lichtes. a) Zimmerpflanzen, die am Fenster stehen, neigen sich dem Lichte zu, und die „Kartoffelkeime“ im Keller u a nn Bau und Leben des Stammes. 48] strecken sich den schwachen Lichtstrahlen entgegen, die durch das kleine Fenster eindringen. An Bäumen und Sträuchern, die am Waldesrande, an Mauern oder im Schatten höherer Bäume wachsen, lassen sich oft ganz ähnliche Erscheinungen beobachten: Ihre Stämme und Zweige sind mehr oder weniger nach der Lichtseite geneigt, so daß die Kronen oft eine merk- nee würdige Gestalt annehmen. Diese und viele ähnliche Tatsachen zeigen, daß die Pflanzen unter dem Einflusse des Lichtes gewisse Krümmungen aus- führen, eine Eigenschaft, die man als Heliotropismus!') bezeichnet. b) Wie wir z. B. an Zimmerpflanzen leicht beobachten können, sind jedoch nur wachsende Pflanzenteile (Zweigenden u. dgl.) imstande, dem Einflusse des Lichtes Teil eines Querschnittes durch einen Folge zu leisten oder kurz: sich heliotropisch “?Serechten Stengel des ausdau- = ! ernden Leins. In den Zellen der zu krümmen. Tragen wir an wachsenden Gefäßbündelscheide S. zahlreiche Stengeln, solange sie noch ganz gerade Stärkekömer. (Nach Haberlandt.) gestreckt sind, Querstriche mit Tusche auf, die je 1 mm voneinander entfernt sind, so sehen wir nach erfolgter Krüm- mung, daß sich die Striche auf der Schattenseite weit voneinander ent- fernt haben, während sie auf der „Lichtseite“ nur wenig oder gar nicht auseinander gerückt sind. Das Licht hat die Pflanzenteile also gereizt, auf der Schattenseite stärker zu wachsen als auf der Lichtseite, so daß jene Krümmungen stattfinden mußten. (Dieser Versuch läßt sich besonders gut mit Keimpflanzen anstellen.) c) Wie in den beobachteten Fällen, suchen fast alle oberirdischen Stämme und Zweige (bei einseitiger Beleuchtung) das Licht auf und wachsen in der Richtung der Lichtstrahlen weiter. Sie sind lichtwendig oder positiv-heliotropisch, eine Erscheinung, die mit der Aufgabe dieser Pflanzenteile wieder aufs innigste zusammenhängt. Die meisten Kletterwurzeln (Efeu), Ranken (Weinstock) und Erd- wurzeln dagegen fliehen das Licht. Sie sind, wie es zur Erfüllung ihrer Aufgabe notwendig ist, lichtscheu oder negativ-heliotropisch. Wie man an den Zimmerpflanzen sehen kann, suchen die Blätter gleich den Stämmen und Zweigen das Licht auf und stellen sich ihm zu- meist senkrecht entgegen. Ändert man die Richtung, in der das Licht einfällt, so nehmen sie auch eine andre Stellung ein; stets aber bewegen sie sich hierbei so, daß sie die größtmögliche Menge von Lichtstrahlen auffangen (Abb. S. 111), eine Tatsache, die für die Assimilation von höchster Wichtigkeit ist. Die Blätter sind also transversal-heliotropisch. 1) helios, Sonne und trepein, wenden. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 31 482 Bau und Leben des Stammes. Kurz: Wie zur Schwerkraft, nehmen auch die Pflanzenteile zum Lichte genau die Lage ein, die für ihr Leben notwendig ist. Bringt man sie in eine andre Lage, so suchen sie die erstere, solange sie noch wachstumsfähig sind, wieder zu erlangen. 3. Einwirkung durch Berührung. Gleich den windenden Pflanzen vermögen auch die rankenden nur dadurch ihre Blätter, Blüten und Früchte in die Luft und das Licht zu erheben, daß sie sich an fremden Gegenständen aufrichten. Sie bedienen sich der Ranken, in denen wir bereits Stengel- (Weinstock) oder Blattgebilde (Erbse) erkannt haben. Bei einigen Pflanzen (Waldrebe, Kapuzinerkresse u. a.) übernehmen es die Stiele der sonst unveränderten Blätter, den schwachen Stamm an die Stützen zu binden. Wie wir nun bei der Betrachtung des Weinstockes gesehen haben, gehen mit der Ranke, sobald sie bei ihren kreisenden Schwingungen auf eine Stütze trifft, eine An- zahl wichtiger Veränderungen vor sich: Die Berührung der Stütze wirkt auf die Ranke also wie ein Reiz. Durch den Reiz wird das Rankenende veranlaßt, sich zu krümmen, d.h. auf der Außenseite stärker als auf der Innenseite zu wachsen und dadurch die Stütze zu umschlingen. Ist die Befestigung erfolgt, dann rollt sich der freie Rankenteil korkzieherartig ein, und die ganze Ranke verholzt, ein Zeichen, daß der Reiz auch auf Teile fortgepflanzt wird, die mit der Stütze nicht in Berührung gekommen sind. Wir haben es hier also mit einer ähnlichen Reizleitung zu tun, wie sie in unsern Nerven stattfindet. Auch an den Drüsenwimpern des Sonnen- taublattes, an den Blättern des wilden Weines usw. können wir die Fortleitung von Reizen beobachten. C. Der Bau des Stammes in seinen Grundzügen. 1. Die „Bausteine“ des Stammes. Wie wir gesehen haben, nimmt der Stamm dadurch fortgesetzt an Länge zu, daß sich die Zellen, die den Wachstumskegel aufbauen, durch Teilung lebhaft vermehren. Diese Zellen sind aber, ihrer Aufgabe entsprechend (Teilung!), außerordentlich zart- wandige Gebilde Die ältern Stammteile, die aus diesen Zellen hervor- gegangen sind, können aus einem solchen Baumateriale jedoch unmöglich bestehen; denn sie haben ja nicht nur ihr eigenes Gewicht, sondern auch das der Zweige, Blätter, Blüten und Früchte zu tragen, sowie dem An- pralle des Windes Widerstand zu leisten. Die Wände der Zellen nehmen dementsprechend mit fortschreitendem Alter an Festig- keit und Widerstandsfähigkeit zu. Außerdem sind, wie wir gleichfalls schon gesehen haben, die Zellen des Wachstumskegels vollkommen gleichartig, so daß jede einzelne alle zum Leben und Wachstum notwendigen Arbeiten verrichten kann. Da die Arbeiten im „Zellstaate“ aber besser und vollkommener ausgeführt werden, wenn sie auf die einzelnen „Bürger“ verteilt sind, so tritt (bei höhern Pflanzen) wie im Blatte und der Wurzel auch im Stamme eine bis ins einzelnste gehende Arbeitsteilung ein. Sollen die Zellen des Wachstumskegels zu Bausteinen älterer Stamm- “teile werden, so müssen mit ihnen aber tiefgreifende Veränderungen vor sich gehen. Unter dem Wachstumskegel beginnt die Gleichartigkeit der Zellen daher bereits zu schwinden, und die Veränderungen werden um so größer, je tiefer die „lebenden Bausteine“ unter das Stammende Bau und Leben des Stammes. 483 zu liegen kommen. In ausgebildeten Stammteilen haben sie ihre Ent-. wicklung beendigt. 3. Der Bauplan des Stammes. Stellen wir durch den ausgewachse- nen Stengel einer krautigen Pflanze in verschiedener Höhe dünne Quer- schnitte her, so ergibt sich überall folgendes: In der äußersten Zellschicht erkennen wir die uns bereits bekannte Oberhaut leicht wieder. Die ganze Innenfläche unsres Schnittes wird von rundlichen oder vieleckigen Zellen eingenommen. In dieses maschenartige Grundgewebe sind scharf umgrenzte Zellgruppen eingelagert, die man als Gefäßbündel be- zeichnet. — Aus diesen übereinstimmenden Befunden geht hervor, daß der Stengel einen Zylinder von Grundgewebe darstellt, der außen von der Oberhaut bedeckt und in seiner ganzen Länge von zahlreichen Gefäß- bündeln durchzogen ist. Den niedern Pflanzen (Moosen, Algen und Pilzen) fehlen die Gefäßbündel stets. Sie stehen daher den übrigen Gewächsen, den „Gefäßpflanzen“ (Farn- und Blüten- pflanzen), als „Zellpflanzen“ gegenüber. Querschnitt eines Stammes (schematisch). 1. von einer zweikeimblättrigen Pflanze oder einem Nadelholze, 2. von einer einkeimblättrigen Pflanze. ©. Oberhaut; Gr. Grund- gewebe; G. Gefäßbündel. In Fig. 1 ist das Grundgewebe (Gr.) wieder geschieden in: M. Mark; R. Rinde und Ms. Markstrahlen. Die Gefäßbündel sind aus einem Holz- teile (H.) und einem Bastteile (B.) zusammengesetzt. Zwischen diese Teile schiebt sich in Fig. 1 das Kambium (K.) ein. Untersuchen wir Vertreter der drei großen Gruppen der Blüten- pflanzen, so erkennen wir, daß in dem gemeinsamen Bauplane ihrer Stämme ein wichtiger Unterschied vorhanden ist: a) An Querschnitten durch einen krautigen Stengel oder durch einen jungen Zweig einer zweikeimblättrigen Pflanze oder eines Nadelholzes sehen wir, daß die Gefäßbündel in einem deutlichen Kreise um die Längsachse des Stengels (oder den Mittelpunkt des Querschnittes) gelagert sind. Hierdurch wird das Grundgewebe in zwei deutlich von- einander getrennte Teile geschieden: in das Mark, das innerhalb, und 484 Bau und Leben des Stammes. die Rinde, die außerhalb des Gefäßbündelringes liegt. Die Teile des Grundgewebes, die die einzelnen Gefäßbündel voneinander trennen und Mark und Rinde verbinden, werden als Markstrahlen bezeichnet. (An jungen Zweigen des Pfeifenkrautes sind alle diese Teile schon mit un- bewaffnetem Auge zu erkennen; s. Abb. S. 495.) b) An Querschnitten durch den Stengel einkeimblättriger Pflan- zen (z. B. vom Mais oder von einem Liliengewächs) bemerken wir, daß die Gefäßbündel unregelmäßig in dem Grundgewebe verstreut sind. Es findet daher hier auch keine deutliche Sonderung des Grundgewebes in Mark, Rinde und Markstrahlen statt. Die den zweikeimblättrigen Pflanzen entsprechenden Teile des (Grundgewebes werden. jedoch gleichfalls als Mark, bezw. als Rinde bezeichnet. 3. Die Verbindung des Stammes mit Blatt und Wurzel. Wie man sich an Quer- und Längsschnitten, die man durch krautige Stengel oder junge Zweige her- stellt, leicht überzeugen kann, biegen in jedes Blatt ein oder mehrere Abzweigungen von Gefäßbün- deln ein (s. auch Abb. S. 477). Dort bilden sie die Nerven oder Adern des Blattes, die sich aus uns bereits bekannten Gründen immer feiner verzweigen. Auch die Nerven in den einzelnen Blütenteilen und in den Früchten sind nichts andres als Gefäßbündel und deren Verzweigungen. (Reißt man ein Wegerichblatt vom Stengel ab, so ragen die Gefäßbündel als zähe, feste Stränge aus der Rißstelle hervor.) Verlauf der Gefäßbündel Ebenso stehen auch die Gefäßbündel des Stammes in dem längs mit dem einzigen Gefäßbündel der Wurzel im Zu- durchschnitten edashien sammenhange. Dieser feste Strang durchzieht die Sao Hör Wurzel der Länge nach. Er ist von einer dieken Rinde Waldrebe. umgeben, die wieder von einer Oberhaut bedeckt ist. Im B. Eintritt in Innern des Gefäßbündels ist vielfach ein lockeres Mark die Blätter. vorhanden. (Weiteres s. S. 497.) D. Die Gefäßbündel. Betrachtet man ein Gefäßbündel auf Querschnitten, die man durch den Stengel einer Blütenpflanze hergestellt hat, so läßt sich leicht folgen- des erkennen: Wie die Anwendung von Chlorzinkjodlösung (s. S. 429) zeigt, besitzen die nach innen gerichteten Bestandteile der Gefäßbündel im Gegensatz zu den nach außen liegenden stark verholzte Wände. Das Gefäßbündel besteht also aus zwei Teilen: dem innern Holzteile und dem äußern Bastteile. Zwischen beiden liegt — jedoch nur bei den zweikeimblättrigen Pflanzen und den Nadelhölzern — eine Schicht sehr zartwandiger Zellen, das Kambium. Se EN Bau und Leben des Stammes. 485 Die Gefäßbündel der Blätter, die Blattnerven, sowie das der Wurzel bestehen — wie hier ergänzend erwähnt sein mag — ebenfalls aus Holz- und Bastteil. Da die Ge- fäßbündel der Blätter gleichsam aus dem Stengel herausgebogen sind, muß bei ihnen der Holzteil nach oben und der Bastteil nach unten gerichtet sein. 1. Der Holzteil. Schon auf einem Querschnitte bemerken wir, dab der Holzteil aus sehr verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt ist. Auf Längsschnitten tritt uns dies noch deutlicher entgegen. lange, weite Röhren, weisen. Sie sind aus übereinander liegen- den, zylindrischen oder prismatischen Zellen dadurch her- vorgegangen, daß sich deren Querwände auflösten. Man be- zeichnet sie als Holz- gefäße oder kurz als Gefäße (daher: Ge- fäßbündel!), und zwar unterscheidet man nach der Form der Wandverdickungen Ring-, _Schrauben-, Netz- und Tüpfel- gefäße. Sie sind im Durchschnitt etwa 10 cm, in Ausnahme- fällen aber (z. B. bei der Eiche und Robinie) einen odergar mehrere Meter lang und er- scheinen auf dem Querschnitteoft schon dem unbewaffneten Auge als Löcher oder Poren (s. Abb. S. 487). Zuerst sehen wir deren Wände verschiedenartige Verdickungen auf- Querschnitt eines Gefäßbündels aus dem Stengel einer Keimpflanze des Wunderbaumes (Rieinus). Das Gefäßbündel liest zwischen der Rinde R. und dem Marke M. Die an- grenzenden, mit Stärkekörnern angefüllten Rindenzellen bilden die Gefäßbündelscheide Gs. (s. S. 487). Durch das Kambium K. wird das Gefäßbündel in 2 Teile zerlegt: Zwischen Gefäßbündelscheide und Kambium liegt der Bast- teil mit Gruppen diekwandiger Bastfasern, zwischen dem Kambium und dem Marke der Holzteil, der aus ver- schieden weiten Gefäßen, diekwandigen Holzfasern und Zellen mit unverdickten Wänden besteht. Neben den Gefäßen treten in der Regel noch ganz ähnliche Gebilde von geringerer Weite auf. Sie sind aber nicht durch Verschmelzung von Zellen entstanden, sondern sind selbst Zellen. Gefäßzellen genannt. Daher werden sie auch (In den Gefäßbündeln der Gefäß-Sporenpflanzen finden sich — trotz des Namens — statt der Gefäße gewöhnlich nur Gefäßzellen.) Zwischen den Gefäßen und Gefäßzellen liegen meist noch Gruppen langgestreckter Zellen mit zugespitzten Enden und stark verdickten 486 Bau und Leben des Stammes. Wänden, die als Holzfasern bezeichnet werden. Sie sowohl, als auch die Gefäße und Gefäßzellen verlieren, nachdem sie vollständig ausgebildet sind, ihren lebenden Inhalt: es sind sodann tote Gebilde. Für die Pflanze sind sie dadurch aber nicht etwa wertlos geworden: Verleihen sie doch dem Stamme die nötige Festigkeit und dienen sie — wie wir w. u. sehen werden — dazu, das Wasser und die in ihm enthaltenen Nährstoffe zu den Blät- tern empor zu leiten. Neben diesen toten Bestandteilen finden sich im Holzteile der Gefäßbündel aber auch lebende. Es sind dies kurze, prismatische Längsschnitt durch ein Gefäßbündel einer zweikeim- Zellen mit unverdiek- blättrigen Pflanze (schematisch). R. Die angrenzenden ten Wänden. Sie wer- Zellen der Rinde. B. Bastteil und zwar: 1. Bastfasern, den gleich allen andern 2, dünnwandige Bastzellen, 3. Siebröhren. K. Kambium. ]ebenden Bestandteilen H. Holzteil und zwar: 4. Tüpfelgefäß, B. Holzfasern, des Stammes (Bast und 6. Ringgefäß, 1. prismatische Zellen, mit Stärkekörnern en d & angefüllt, 8. Gefäßzellen, 9. Netzgefäß, 10. Schraubengefäbß. inde!) bei ausdauern M. Die angrenzenden Zellen des Markes. den Gewächsen als Vor- ratskammern benutzt, in denen während des Winters die notwendigen Baustoffe (Stärke oder Ö]) für das nächste Jahr aufbewahrt werden. Kocht man Holz in verdünnter Natronlauge, so zerfällt es in seine Bestandteile. Dieses Verfahren wird im großen angewendet, um aus dem Holze das Material zu ge- wissen Papiersorten zu gewinnen. Wird das Holz nur zerrieben, so erhält man den „Holzschliff“. Dieser findet Verwendung bei der Herstellung geringerer Papiere („Holz- papiere“), die besonders zu Zeitungen u. dgl. gebraucht und nach kurzer Zeit gelb werden. Der Bastteil. Auch der Bastteil besteht aus verschieden geformten Bestandteilen. Stets finden sich lange Zellreihen, deren Scheidewände zwar erhalten geblieben, aber siebartig durchlöchert sind („Siebplatten“). Diese sog. Siebröhren enthalten außer etwas Protoplasma, das die Wände überkleidet, eine mehr oder weniger verdünnte Eiweißlösung, die durch die Siebplatten von Zelle zu Zelle wandert. Neben gleichfalls dünnwandigen, aber rundlichen oder prismatischen Zellen treten im Bast noch langgestreckte Zellen mit sehr dicken Wänden auf. Diese zähen und festen Bastfasern sind es, die man vom Flachs, Hanf und einigen Brennesselgewächsen, sowie von der Linde und zahl- reichen andern Pflanzen gewinnt und zur Herstellung von Gespinsten oder Flechtwerken, zum Anbinden u. dgl. verwendet. Ba Da nn Die Zellen der Rinde, Bau und Leben des Stammes. 487 die an den Bastteil grenzen, sind in der Regel von den übrigen Rindenzellen verschieden. Sie enthalten meist zusammengesetzte Stärkekörner und bilden die sog. Gefäßb 3. Das Kambium und das Diekenwachs- tum der Stämme. Die krautigen Stengel ein- jähriger Pflanzen erlei- den in ihrem Bau keine wesentliche Verände- rung. Anders dagegen verhält es sich mit dem (oberirdischen) Stamme derjenigen Pflanzen, deren Leben viele Jahre währt, und deren Krone immer mehr an Umfang zunimmt: Ihr Stamm wächst fortgesetzt in die Dicke und entwickelt sich nach und nach zu einer mächtigen Holzsäule, die die riesige Last der Krone tragen und selbst den stärksten Stürmen trotzen kann. Wie bilden sich nun diese Holzmassen ? a) Die „Holzge- wächse“ unsrer Hei- mat gehören sämtlich den zweikeimblätt- rigen Pflanzen oder den Nadelholz- gewächsen an, bei denen — wie wir ge- sehen haben — die Gefäßbündel zu einem Kreise geordnet, und Holz- und Bastteil dieser Bündel durch . eine Kambiumschicht getrennt sind. In- dem die Gefäßbündel ündelscheide (s. Abb. S. 485, Gs.). Dickenwachstum der Stämme (schematisch). 1. Querschnitt durch einen einjährigen Stamm mit einem geschlossenen Kambium-Zylinder (K.). 2. Quer- schnitt durch einen dreijährigen Stamm. Zwischen je 2 Gefäßbündel hat sich ein neues Gefäßbündel eingeschoben. Die Holzteile (H.) der Gefäßbündel lassen je 3 Jahres- ringe erkennen; in ihnen haben sich einige (radienartig verlaufende) Nebenmarkstrahlen gebildet. Die übrigen Bezeichnungen wie in Abb. S. 483. M.M. M. M. siss'sssellassisnnn Besssssisse img =lSeliosoel Slasille\Siute Illseliefeiet OH ect] l ee Sleleiiofen! See | Oengleicr F. ayasa Seiogal Sieleelelasisısse I. ih, tenleenid SClehnE F. Jesssassrlen Mr as H Baseeal.esode: agjetsialest lnalst: esse. Be eeeaua css: sad aa F EA 10 ale Selen gel Plane) Sala oloht S10So0 Sion aplole Sen Node! IAdNam dolle Kon ge aan Dan ae Ifefoln Seudnnleee nel Nlniklen A olntot = x S S Jr 2. Teile von Querschnitten durch das Holz eines Laub- und eines Nadelbaumes. 1. Holz der Buche (mit zahlreichen Gefäßen). 2. Holz der Fichte (besitzt keine Gefäße). F. Das lockere Frühjahrs-, H. das festere Herbstholz, das die Grenzen der Jahresringe bildet. M. Markstrahlen. Die andern, in Fig. 1 senkrecht verlaufenden und blind im Holze endigen- den Zellreihen sind Nebenmarkstrahlen. 488 Bau und Leben des Stammes. größer werden und sich neue zwischen ihnen bilden, verschmelzen die Holzteile nach und nach zu einem massiven Holzkörper, der die Reste des Markes umschließt. Ebenso vereinigen sich auch die Bastteile der Gefäßbündel. Sie bilden mit der Rinde einen hohlen Zylinder, der den Holzkörper umgibt und gemeinhin als Baumrinde oder kurz als Rinde bezeichnet wird. Gleichzeitig haben sich in den Markstrahlen die Zellen, die an das Kambium grenzen, durch Teilung ebenfalls in Kambium verwandelt (s. Abb. S. 485, K.). So entsteht ein dünner Kambium-Zylinder, der Rinde und Holzkörper voneinander trennt und auf dem Querschnitte des Stammes als Kreis erscheint. (An dünnen Zweigen des Pfeifenkrautes ist dieser Kreis schon mit bloßem Auge deutlich zu erkennen.) Da die Zellen des Kambiums außerordent- lich zart sind, lassen sie sich durch Klopfen leicht zerstören. Daher ver- mögen die Kinder, die Rinde z. B. der Weidenzweige vom Holzkörper leicht abzulösen, um daraus Pfeifen herzustellen. b) Die Kambiumzellen sind nun gleich den Zellen des Wachstums- kegels imstande, sich durch Teilung fortgesetzt zu vermehren. Die neu entstehenden Zellen bilden sich nach innen zu (Gefäßen, Grefäßzellen, Holzfasern und prismatischen Holz- zellen, nach außen dagegen zu ee nn nr FE en: = Siebröhren, Bastfasern und andern vıerlanrıgen Ter. 4 vanresrıng y ° tem Frühjehre- und h. dem Herhetholss; Bestandteilen des Bastes um. Auf B. Bastteil. Br. Borke. H. Harzgänge. K. Kam- diese Weise werden Holz und Bast biumring. M. Mark. Ms. Markstrahlen. fortgesetzt stärker: der Stamm wächst in die Dicke. Wie die Erfahrung zeigt, ist die Neubildung des Holzes bei weitem größer als die des Bastes. Da die Gefäßbündel der einkeimblättiigen Gewächse keine Verdiekungsschicht, kein Kambium, enthalten, besitzen die Stämme dieser Pflanzen bis auf Ausnahmen (Drachenbäume, Palmlilien und ein Teil der Palmen) auch kein Dickenwachstum. — In dem Maße, in dem die Stämme dieker werden, nehmen auch die Wurzeln der be- treffenden Pflanzen fortgesetzt durch Diekenwachstum zu. c) Der Zuwachs geht in unsern Breiten (wie in allen außertro- pischen Gegenden) nur vom Frühjahre bis zum Herbste vor sich. In der Regel besitzt nun das Holz, das sich im Frühjahre bildet, dünn-. wandige Bestandteile von größerer Weite und ist reicher an Gefäßen als das später im Jahre entstehende. Daher läßt sich das lockere, poröse Zr er nie en WERE DEREN EEE Bau und Leben des Stammes. 489 Frühjahrsholz meist leicht von dem festern und diehtern Herbst- holze unterscheiden. So kommt es in der Holzmasse zur Bildung von Jahresringen, deren Anzahl bei normalem Wachstume das Alter der Bäume angibt. — Das Holz der Nadelbäume besteht (vom zweiten Jahres- ringe ab) nur aus Gefäßzellen. An dem Holze der ältern Jahresringe kann man in der Regel eine wichtige Veränderung bemerken. In die Wände oder Hohlräume der ein- zelnen Bestandteile lagert sich Gerbstoff oder Gummi ein, Stoffe, die das Holz gegen den Angriff Fäulnis erregender Pilze schützen (Vgl. mit dem Gerben der Felle!. Hierdurch erhält das Holz eine dunklere Farbe, so daß es sich als Kernholz meist deutlich von dem hellern Holze der jüngsten Jahresringe, dem Splinte, abhebt. Im Kernholze mehrerer Bäume, z. B. der Weiden, lagern sich keine Schutzstoffe ab. Es wird daher leicht durch Fäulnis zerstört, so daß die Stämme hohl werden. d) Das Kambium, das sich zwischen den einzelnen Gefäßbündeln gebildet hat, besitzt gleichfalls ein fortgesetztes Wachstum. Durch seine Tätigkeit werden die Markstrahlen nach beiden Seiten verlängert. Sind Holz- und Bastteil der Gefäßbündel immer breiter geworden, so beginnt auch das Kambium in den Gefäßbündeln an gewissen Stellen und zu verschiedenen Zeiten Markstrahlengewebe zu erzeugen. So ent- stehen die Nebenmarkstrahlen, die blind im Holze oder Baste endigen (s. Abb. S. 487). E. Leitungsbahnen im Stamme. I. Die Leitungsbahnen für Wasser und Nährsalze. a) Mit Hilfe einer Eosinlösung haben wir früher nachgewiesen, daß die Gefäßbündel der Blätter, die Blattnerven, die Kanäle sind, die den Blattzellen Wasser und Nährsalze zuführen. Wiederholen wir den Versuch mit einer Bal- samine, die einen möglichst durchscheinenden Stengel besitzt, so sehen wir schon von außen, wie das rotgefärbte Wasser allein in den Ge- fäßbündeln des Stengels emporsteigt. Stellen wir nun durch diesen oder einen andern Stengel, den wir zu dem Nachweise verwenden, Querschnitte her, so erkennen wir, daß nur der Holzteil der Gefäßbündel gefärbt ist. Wir dürfen daher auch annehmen, daß-in ihm die Leitung des Wassers und der darin gelösten Nährsalze erfolst. b) Benutzen wir zu unsern Versuchen Zweige eines Baumes, so stellt sich heraus, daß sich nur der Holzkörper und zwar besonders in den äußersten Schichten färbt, während Mark und Rinde unverändert bleiben. Also auch hier ist das Holz das wasserleitende Gewebe, und zwar steigt der Wasserstrom nur in den jüngsten Jahresringen, im Splinte, empor. Sehr deutlich erkennen wir dies auch, wenn wir am Grunde eines beblätterten Astes, der mit dem Baume im Zusammenhange bleibt, einen mehrere Zentimeter breiten Rindenring bis auf das Holz entfernen. Da 490 Bau und Leben des Stammes. die Blätter des Zweiges nicht vertrocknen, das Mark aber bereits ver- schrumpft ist, so kann das Wasser nur im Holze zu den Blättern gelangt sein. Nun sehen wir nicht selten Bäume lebhaft grünen, in denen alles ältere Holz durch Fäulnis zerstört ist (hohle Weiden u. a.), ein Zeichen, daß die Leitung des Wassers wirklich nur in den jüngsten Jahresringen, also im lebenden Holze erfolgt. c) Schwierige Untersuchungen haben weiter ergeben, daß das Wasser (meist mit Luftblasen untermischt) in den Hohlräumen der Gefäße und Gefäßzellen empor steigt. Hiermit steht im innigsten Zusammen- hange, daß diese Gebilde die Form langgestreckter Röhren besitzen, dah sie in der Längsrichtung der Stämme verlaufen (Wasser- leitungsröhren), daß ihre Querwände (Gefäße!) verschwunden und ihre Wände nur teilweise verdickt sind. d) Durch welche Kräfte das Wasser in dem Holze empor getrieben wird, ist von der Wissenschaft bis- her noch nicht mit voller Sicherheit festgestellt. Wie wir bereits wissen, spielt die Verdunstung hierbei eine wich- tige Rolle: Die Blattzelle, die Wasser verloren hat, „sucht“ den Verlust zu decken; sie entnimmt es der zweiten, diese der dritten u. s.f. Auf diese Weise wird das Wasser gleichsam von Zelle zu Zelle weiter gegeben wie der Eimer, der „durch der Hände lange Kette fliest“. Wurzeldruck, von dessem Vorhandensein wir üns leicht in folgender Weise überzeugen können: Wir schneiden eine kräftige Pflanze (Sonnenblume oder dgl.), die wir im Blumen- topfe gezogen haben, oder eine Weinrebe dicht über dem Boden ab und befestigen auf dem Stengelstumpfe mit Hilfe eines Gummischlauches eine lange, senkrecht stehende Glasröhre. Halten wir den Boden feucht, so steigt in dem ' Glasrohre bald Wasser empor. Dieses Wasser ist von den = Wurzelhaaren aus dem Boden gesogen, durch die Rinden- zellen in das Gefäßbündel der Wurzel und von hier aus in die Gefäßbündel des Stengels geleitet. Da es nun auch ohne die saugende Wirkung der Blätter die Glas- röhre nach und nach anfüllt, so ist dies ein Zeichen, daß hier eine Kraft („Wurzeldruck“) wirkt, durch die es in den Stengel gepreßt wird. An „blutenden“ Weinreben steigt der Saft sogar 10 und mehr Meter hoch empor. — Erhöhen sich die Temperatur und der Wassergehalt des Erdbodens, so wird auch die Menge des aus- gepreßten Wassers größer. Weinreben, die nur wenige Tage „bluten“, verlieren täglich bis 1 1, Birken, bei denen das „Bluten“ nahezu 1 Monat anhält, bis 6"/, 1, und Agaven scheiden sogar 1—5 Monate hindurch im Tage durchschnittlich 7'/, 1 Saft aus. Die Säfte der Birken, gewisser Ahornarten und der Agaven enthalten neben andern Stoffen eine größre Vorriehtung zum Nachweis des Wurzel- druckes. Eine andre Kraft, die hierbei tätig ist, ist der sog- - Bau und Leben des Stamınes. 491 Menge Zucker. Daher kann man aus ihnen durch Gärung berauschende Getränke herstellen (Birkenwein, Pulque). 2. Die Leitungsbahnen für Baustoffe. Die Gefäßbündel des Blattes, die Blattnerven, haben wir auch als die Ableitungsbahnen derjenigen organischen Stoffe kennen gelernt, die im Blatte nicht verbraucht werden. Diese Stoffe gelangen durch den Blattstiel in den Stamm, um dann den Orten des Verbrauches zugeführt zu werden. a) Die löslichen Stoffe (Kohlenhydrate, lösliche Eiweißstoffe) wan- dern auf osmotischem Wege leicht von einer lebenden Zelle des Stammes zur andern. Sie bedürfen daher Be keiner besondern Leitungsbahn. Gas b) Anders verhält es sich dagegen mit größern Mengen fertiger Eiweißkörper, für die die Zell- wände ein beträchtliches Hindernis darstellen. Sie fließen — wie wir bereits gesehen haben — — in den Siebröhren des- Bastes auf oder nieder. Wird ein Stamm oder Zweig in der soeben angegebenen Weise geringelt, oder wird er fest umschnürt, so stauen sich die Nahrungssäfte meist oberhalb dieser Stelle, so daß eine wulstige ER Ai Verdiekung entsteht. Diese Erscheinung ist z. B. Verweis ıchrohrde an Spalierbäumen, deren Zweige zu fest ange- aus einem Blatte des Lat- bunden wurden, sowie an den Stämmen der tichs. (Vergr. etwa 125 mal.) Waldbäume zu sehen, die von dem Geißblatte umwaunden sind. : c) Da der Milchsaft zahlreicher Pflanzen (Wolfs- milcharten, Mohn, Schellkraut, Löwenzahn u. v. a.) Stärke- körner, Eiweiß und andre wertvolle Stoffe enthält, so ist es sehr wahrscheinlich, daß auch die Milchröhren Leitungsbahnen für Baustoffe darstellen. Diese lang- gestreckten, meist vielfach verzweigten Kanäle durchziehen A,’ ie "IN : E09) 152 1 Vom & #3 .\ N. N “> WE Ye b ii alle Teile der betreffenden Gewächse. — Die Bedeutung des Milchsaftes als Schutz gegen Weidetiere und als z Verschlußmittel von Wunden haben wir bei der Be- Harzgang aus einem trachtung der Sonnen-Wolfsmilch kennen gelernt. Blatte der Kiefer, Z. Zellen. d) Eine andre Art von Kanälen sind die Harzgänge, die das Harz ausscheiden. wie sie sich z. B. bei den meisten Nadelhölzern finden (Nach Haberlandt.) (s. Abb. S. 488). Sie entstehen dadurch, daß sich zwischen auseinander weichenden Zellreihen zusammenhängende Lücken bilden. In diese Gänge son- dern die anstoßenden Zellen Harz ab, dessen Bedeutung wir bereits S. 334 erkannt haben. e) Nicht zu verwechseln mit dem Harze ist das Gummi, das bei Steinobst- gewächsen aus verletzten Stellen hervorquillt und — wie S. 134 erwähnt — einen vortrefflichen Wundverschluß darstellt. Es entsteht durch vollständige Auflösung der verwundeten (rewebe. 3. Die Markstrahlen als Leitungsbahnen. Die Leitungsbahnen des Wassers und der fertigen Eiweißstoffe laufen — wie wir soeben ge- sehen haben — im Stamme nebeneinander her, und bei den zweikeim- 492 Bau und Leben des Stammes. blättrigen Pflanzen und den Nadelhölzern schiebt sich zwischen sie sogar noch eine Trennungsschicht, das Kambium, ein. Nun gebrauchen aber z. B. die wachsenden Bestandteile des Holzes Eiweiß und umgekehrt die jungen Bastteile Wasser; die sich lebhaft teilenden Kambiumzellen be- nötigen beider Stoffe u. s. f. An der Außenseite des Stammes geht ferner durch Verdunstung fortgesetzt etwas Wasser verloren, das zu ersetzen ist: kurz, es müssen zwischen den Längsleitungen Querverbin- dungen vorhanden sein. Diese sind durch die uns bereits bekannten Markstrahlen geschaffen. Je dicker ein Stamm wird, um so lebhafter wird auch der Trans- port der Stoffe von innen nach außen und umgekehrt. Hand in Hand hiermit geht dementsprechend auch eine Vermehrung der Verkehrswege: es schieben sich — wie wir gesehen haben — Nebenmarkstrahlen ein. I. F. Die Bekleidung der Stämme. 1. Die Oberhaut. Wie das Blatt ist auch der junge Stamm von einer festen Oberhaut überkleidet. Den krautigen Stämmen einjähriger Pflanzen genügt dieses wichtige Schutzmittel vollkommen. Auch bei einigen mehrjährigen Gewächsen (Mistel, Ginster-, Kaktusarten u. a.) bleibt die Oberhaut während einer längern Zeit oder gar das ganze Leben hindurch erhalten. Es müssen sich dann natürlich ihre Zellen durch Teilung fortgesetzt vermehren, damit das „Kleid“ sich erweitern und den in die Dicke wachsenden Stämmen folgen kann. Daher. be- halten diese Stämme (Zweige) auch die grüne Färbung, die auf dem Blattgrünreichtume der obersten Rin- denzellen beruht, und die wir bei den meisten einjährigen Pflanzen antreffen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der ausdauernden Gewächse dagegen besitzt die Oberhaut nicht die Fähig- keit, weiter zu wachsen: Sie wird vondendickerwerdendenStäm- Bildung des Korkmantels. Querschnitt men bald gesprengt, so daß sie durch die Rinde eines jungen Erlenzweiges. siehschließlich in Fetzen ablöst. Während die Oberhaut (O ) noch vorhanden ist, bilden sich in der Rinde Korkzellen. 2. Der Kork. Bevor die Ober- Die untere Schicht dieser Zellen (1.K.) be- haut verloren geht, wird aber schon steht aus lebenden, die obere (a.K.) aus gine neue Schutzdecke gebildet. Dies abgestorbenen Zellen. R. Rindenzellen : . mit stark verdickten Wänden. (Vergr. geht in der Regel a vw. sich, daß etwa 450mal.) die der Öberhaut anliegenden Rinden- zellen sich lebhaft zu teilen beginnen. Während die innerste Schicht dieser Tochterzellen teilungsfähig bleibt, lagern die äußern Zellen Korkstoff in ihre Wände ein und sterben bald Bau und Leben des Stammes. 493 ab. Auf diese Weise entsteht ein fast luft- und wasserdichter Mantel abgestorbener Korkzellen, der die schützenden Aufgaben der Oberhaut in erhöhtem Maße erfüllt. Ist die Korklage, die außen fortgesetzt abschilfert, nur dünn, so er- hält der Stamm eine glatte Oberfläche, wie wir sie bei der Rot- und Weißbuche, sowie beim Haselnußstrauche finden. Korkeiche und Feldulme dagegen bilden sehr dicke Korkmassen, die alljährlich um eine Schicht verstärkt werden. Die Birke besitzt eine weiße Korkhülle, die in papier- dünnen Streifen abblättert. 3. Die Borke. Entsteht die Korkschicht in größerer Entfernung von der Stammoberfläche, so werden den außerhalb von ihr liegenden Ge- weben Wasser und Nahrung entzogen, so daß sie absterben. Diese toten Massen bilden mit der Korkschicht die Borke. Beim Weinstocke und Kirschbaume löst sich die Borke in Form von senkrecht bezw. wagerecht abblätternden Bändern und Streifen, bei der Platane und an den Stämmen alter Kiefern als Platten, bei andern (Fichte, Apfel- baum usw.) als Schuppen los. Bevor dies aber geschieht, ist bereits eine neue Kork- lage tiefer im Stamme gebildet. Ein Gleiches geschieht auch bei den Bäumen, die ihre Borke als einen nach und nach dicker werdenden Mantel lange Zeit behalten. Da sich nun der Stamm immer mehr aus- dehnt, werden die toten Borkemassen ge- sprengt: sie erhalten Risse, wie wir dies bei der Eiche und vielen andern alten Bäumen sehen. 4. Die Rindenporen. Wie bei den Blättern, geht auch an den Stämmen, die von ÖOberhaut umkleidet sind, der Wechsel der Atemluft durch Spaltöffnungen vor sich (s. S. 458, 3). Wenn aber die Oberhaut durch einen Korkmantel ersetzt wird, verschwinden auch die Spaltöffnungen. Da nun der Kork ein fast luftdichter Körper ist (Flaschenkork!), ohne Atmung aber keine lebende Zelle bestehen kann, sind zwischen Innen- SEES und Außenluft neue Verbindungen ge- |. Vorrichtung zum Nachweis des schaffen. Sie finden sich in den sog. Rinden- Gasaustausches durch Rindenporen. poren, d. s. Haufen locker miteinander verbundener 2. Einjähriger Zweig vom Holunder Zellen, deren Zwischenzellräume der Luft als Ein- mit Rindenporen. 3. Einzelne Pore . und Ausgangskanäle dienen. Da diese Zellen (10mal vergr.). gleichsam über den Kork- oder Borkenmantel hervorquellen, so erscheinen sie besonders an jungen Stämmen wie von lippenförmigen Verdiekungen umgeben. Daß durch sie leicht ein Luftaustausch stattfinden kann. zeigt folgender Versuch: An dem kürzern Schenkel eines V-Rohres wird ein mit Rindenporen besetztes Zweigstück vom Holunder luftdicht angefügt. Nachdem dessen 494 Bau und Leben des Stammes. obere Schnittfläche mit Siegellack gleichfalls luftdicht verschlossen ist, wird der untere Teil des Rohres samt dem Zweigstücke in Wasser getaucht. Gießt man darauf Quecksilber in den längern Schenkel, so wird die im Rohre befindliche Luft in den Zweig gepreßt und entweicht, wie die im Wasser aufsteigenden Bläschen zeigen, durch die Rindenporen. Dort, wo diese Gebilde fehlen, wird die Durchlüftung durch die Markstrahlen vermittelt, die die Rinde bis zur Außenfläche durchsetzen (s. Abb. S. 488). 5. Die Heilung von Wunden. Schon durch die kleinste Verletzung vermögen die Sporen der Schmarotzerpilze in den Pflanzenkörper einzudringen. Daher „suchen“ die Pflanzen die Wunden alsbald zu schließen. Ein vortreffliches Mittel hierzu ist der Kork, der sich durch Teilung aller lebenden Zellen an der Wundstelle bildet. Gehen bei Bäumen die Wunden bis in das Holz, so wuchert das „Wundgewebe“ so stark, daß die Verletzung bald vollkommen „überwallt“ ist. — Durch das fortgesetzte Dickenwachstum werden auch Nägel, die in einen Stamm geschlagen, oder Drähte, die daran befestigt sind, von Rinde und Holz überdeckt und gleichsam in das Innere des Stammes gezogen. Dasselbe geschieht bei unsern waldbildenden Nadelhölzern mit den stehenbleibenden Aststummeln. Wird z. B. ein Fichtenstamm in Bretter zersägt, so bilden die eingewachsenen, durch das Zersägen aber ausfallenden Zweigstücke die als „Astlöcher* bekannten Stellen. Ebenso werden Verletzungen, die durch starke Kälte 1. Kopulieren. 2. Pfropfen (unter die Rinde). 3. Okulieren. S. Text. hervorgerufen worden sind, sog. Frostrisse, ferner eingeschnittene Namen u. dgl. über- wallt. Da der Verschluß größerer Wunden längere Zeit dauert, empfiehlt es sich, solche mit einem desinfizierend wirkenden Stoffe (Teer, Holzessig) zu bestreichen. Erhebliche Wunden fügen wir auch den Stämmen der Obstbäume zu, wenn wir Zweige edlerer Sorten auf sie übertragen, wenn wir Rosen „okulieren“ und andre ähn- liche gärtnerische Arbeiten vornehmen. Da sowohl das „Edelreis“, als auch der „Wildling“ Wundgewebe erzeugt, findet bald ein Verschluß der Wunde statt. Gleich- zeitig verschmelzen auch die wuchernden Kambiumschichten beider, da sie sich innig berühren, miteinander. Die von dieser gemeinsamen Kambiumschicht gebildeten Holz- und Bastschichten gehören dann sowohl dem Edelreise, als auch dem Wildlinge an, d. h. beide Teile sind vollkommen miteinander verwachsen. (Auf gleiche Weise ver- schmelzen nicht selten ganze Bäume, wenn sich durch gegenseitige Reibung an ihnen Wunden bilden, die bis zum Kambium reichen; „zweibeinige Bäume“). Bei diesem sog. Veredeln der Bäume und Sträucher wendet man nun sehr verschiedene Verfahren an, von denen nur die wichtigsten hier kurz erwähnt werden sollen. ar Bau und Leben des Stammes. 495 a) Haben Wildling und Edelreis nahezu gleiche Stärke (1), so bedient sich der Gärtner meist des Kopulierens!): Er schneidet Wildling (W.) und Edelreis (B.) mit einem scharfen Messer glatt und schräg (große Berührungsflächen!) durch und setzt sie so zusammen, daß die Schnittflächen genau aufeinander passen. Indem er die Verbindungsstelle fest mit Bast oder dgl. umwickelt, sucht er das Edelreis in der Lage zu erhalten, die er ihm gegeben hat. Weiter stellt er dadurch, daß er sie sorgfältig mit Baumwachs überstreicht, einen luftdichten Verschluß her, durch den das Verdunsten des aufsteigenden Saftes (Vertrocknen des Edelreises!) und das Eindringen von Pilz- sporen verhindert wird. Wildling und Edelreis verwachsen dann bald fest miteinander. b) Das Pfropfen (unter die Rinde) wendet der Gärtner an, wenn der Wildling stärker ist als das Edelreis (2). Zu diesem Zwecke stutzt (schneidet oder sägt) er den Wildling (W.) wagerecht, spaltet und löst die Rinde auf eine kurze Strecke und fügt das Reis (E.), das er zuvor so zugeschnitten hat, wie es die Abbildung zeigt, in den Spalt ein. Sodann legt er wie beim Kopulieren einen Verband um die Pfropfstelle und bestreicht endlich die Schnittfläche des Wildlings mit Baumwachs. ec) Beim Okulieren‘®) schneidet man (3) eine Knospe oder ein „Auge“ mit einem schildförmigen Stück Rinde und etwas Holz (A.) aus dem Edelreise (E.), macht am Wildling (W.) einen T-förmigen Schnitt, hebt die Rinde etwas empor, schiebt das „Auge“ darunter und verbindet die Wundstelle sorgfältig. Ist das „Auge“ angewachsen, dann schneidet man den Wildling darüber ab. G. Festigkeit der Stämme. 1. Notwendigkeit eines festen &erüstes. Wie wir früher gesehen haben, erhalten alle Pflanzenteile durch den Turgor eine gewisse, zum Teil sogar ziemlich große Festigkeit. Die Spannung des Zellhäute nimmt aber sofort ab, wenn die Pflanzen z. B. mehr Wasser verdunsten, als sie durch die Wurzeln aufnehmen können. Dann werden die Stengel schlaff, und die Blätter hängen welk herab oder liegen dem Boden auf. Größere Pflanzen oder gar Bäume sind bezüglich ihrer Festigkeit auf den Turgor auch allein nicht angewiesen. Wie der Baumeister bestimmten Teilen seines Werkes, nämlich den Balken, Pfeilern, Säulen, Bogen u. dgl., die Arbeit des Stützens und Tragens zuweist, ist auch bei größern Pflanzen die Herstellung der notwendigen Festigkeit gewissen Bestandteilen übertragen, die zusammen ein festes Gerüst bilden. Man vergleicht das Gerüst der Pflanzen auch mit den Knochen der Wirbeltiere und redet daher von einem „Skelett der Pflanzen“. 2. Bestandteile des Gerüstes. a) In den Holz- und Bastfasern haben wir bereits Be- standteile des Stammes kennen gelernt, die ver- möge ihrer stark verdickten Wände der Festigung z dienen. Stellen wir Längs- und Querschnitte z. Be Querschnitt durch den durch einjährige Zweige des Pfeifenkrautes her, so Stamm desPfeifenkrautes. = EB ke R. Festigungsring außer- enthüllt uns das Mikroskop, daß auch außer- 1,1 der Gefäßbündel, halb der Gefäßbündel ähnliche diekwan- BB Bast- u. H. Holzteil der dige und langgestreckte Zellen vorkommen. Gefäßbündel. K.Kambium. 1) copulare, vereinigen, verbinden. 2) öculus, das Auge. 496 Bau und Leben des Stammes. Sie bilden hier einen Ring, der die Gefäßbündel umgibt und schon mit der Lupe zu erkennen ist. Wie sorgfältige Untersuchungen ergeben haben, besitzen alle diese faserförmigen Bestandteile des Pflanzenkörpers ein Tragvermögen, das im allgemeinen dem des besten Schmiede- eisens entspricht, bei einigen Pflanzen sogar gleich dem des Stahles ist. Dabei ist die Dehnbarkeit der Fasern 10—15mal größer als die des Schmiedeeisens. b) Fast ebensolche Festigkeit haben diejenigen Rindenzellen des Pfeifenkrautes, die der Oberhaut unmittelbar angrenzen, oder die Zellen, die- die Eckpfeiler des Taubnesselstengels (s. S. 202) aufbauen. Sie sind i von rundlicher Form und nur an den Kanten ‚stark verdickt. Im Gegensatz zu den Fasern besitzen sie also dünne Wandstellen, die sich noch durch Wachstum vergrößern, und durch die hindurch Stoffe ausgetauscht werden können. Wir treffen Zellen dieser Art stets in Pflanzenteilen an, die noch in der Ausbildung begriffen sind. Die Fasern dagegen sind tote Zellhautgerüste, die wachsenden Teilen nicht folgen können. Sie finden Zellen mit verdickten auch nur in ausgebildeten Geweben Verwendung. Kanten unter den Ober- c) Rundliche Zellen mit gleichmäßig hautzellen (O.) eines Blatt- a E . i 2 : Bel (Vordı ra) verdickten Wänden, wie wir sie bereits aus dem Fruchtfleische der Birne kennen lernten (s. Abb. S. 428), sind die dritte Art der Bausteine, die die Natur ver- wendet, um ihren Kindern die notwendige Festigkeit zu geben. 3. Konstruktion des Gerüstes. a) Nun kommt es bei einem Bau- werke nicht nur auf die Art des Baumaterials, sondern ebenso auf dessen richtige Verwendung an. Daß hierbei die Natur genau wie ein Bau- meister verfährt, der mit der geringsten Menge des Materials die größte Leistung zu erreichen sucht, haben wir bereits an zwei Beispielen, dem Stengel der Taubnessel und dem Halme des Roggens gesehen. Wir haben dort auch gefunden, daß die Stämme Trag- und Biegungsfestigkeit besitzen müssen, daß die äußerste Schicht des Stammes unter der Biegung (Wind!) am meisten zu leiden hat, und daß dementsprechend dort auch das festeste Baumaterial verwendet wird. Während bei der Taubnessel das Festigkeitsgewebe 4 Stränge bildet, die dem Stengel als ebenso viele Pfeiler dienen, stellt es beim Roggen eine geschlossene Röhre dar. Untersuchen wir die Stengel andrer Pflanzen daraufhin, so finden wir, daß ihr Bau im einzelnen zwar sehr verschieden ist, stets aber den Grundgesetzen der Baukunst entspricht. Wir staunen über die himmelan strebenden Türme, über die Eisen- brücken, die sich in kühnen Bogen über den Strom spannen: Aber wie plump erscheint doch selbst der schlankste Fabrikschornstein gegen den unscheinbaren Grashalm! Oder wo gäbe es ein Bauwerk der Erde, das so weit von der Riehtung des Lotes abgebogen werden könnte, wie etwa Bau und Leben des Stammes. 497 der Stamm eines jungen Baumes, geschweige denn wie ein Getreidehalm, der sich im Winde bis zum Boden neigt und unbeschädigt in die senk- rechte Stellung zurückkehrt? Die Baukunst, die der Mensch in jahr- tausendelangem Ringen geschaffen hat, übt die Natur schon seit An- beginn alles Lebens mit unvergleichlicher Meisterschaft aus! b) Wird die Krone eines Baumes vom Sturme geschüttelt und der Stamm gebogen, so haben die Wurzeln wie die Ankertaue eines Schiffes, das im Hafen liegt und vom Sturme hin und her geworfen wird, einen gewaltigen Zug auszuhalten. Die Wurzeln sind dementsprechend zug- fest „konstruiert“. Wollte man die Ankertaue aufdrehen und alle Stränge, aus denen sie hergestellt sind, zur Befestigung des Schiffes so verwenden, daß sie etwas voneinander entfernt wären, so würde bald der eine oder andre Strang reißen; denn bei jeder Be- wegung des Schiffes würden einige Stränge besonders in Anspruch genommen werden und den Zug nicht aushalten. Dadurch aber, daß die Stränge fest zum Taue vereinigt sind, wird der Zug auf alle gleich- mäßig verteilt, und sie ver- mögen selbst heftigen An- griffen zu widerstehen. Ebenso verhält es sich mit den Anker- tauen der Bäume, den Wur- zeln: Im Gegensatz zu den biegungsfest gebauten Stäm- Querschnitt durch eine junge Wurzel (schema- men, bei denen die Gefäß- tisch). © Oberhaut; Wh. Wurzelhaare; R. Rinde: G. der durch die Vereinigung der Gefäßbündel ge- bildete feste Strang. (Er schließt ein lockeres Mark ein. Die weitesten Bestandteile in ihm sind Gefäße.) bündel in einem Kreise nahe der Außenfläche angeordnet sind, ist bei ihnen — wie bereits früher erwähnt — nur je ein einziges, aber starkes Gefäßbündel vorhanden. Dieses durchzieht die Wurzel der Länge nach wie ein Seil, dessen einzelne Stränge aus den Teilen des Holz- körpers und gewissen, sehr zugfesten Abschnitten des Bastes gebildet werden. Wie die Wurzeln haben auch zahlreiche unterirdische Stämme, die Stengel der Kletter- und untergetauchten Wasserpflanzen (besonders die- lenigen schnellfließender Gewässer), sowie die Blatt- und Fruchtstiele oft einen heftigen Zug auszuhalten. Bei ihnen sind dementsprechend die Be- standteile, die die Festigkeit verleihen, gleichfalls mehr oder weniger in der Mitte zusammengedrängt. Sehmeil, Lehrbuch der Botanik. 32 498 Bau und Leben der Blüte. IV. Vom Bau und Leben der Blüte. A. Die Fortpflanzung und die Blüte. 1. Notwendigkeit und Arten der Fortpflanzung. Wie für Mensch und Tier, tritt für jede Pflanze — und wäre es der ehrwürdigste Baum- riese — einmal der Tod ein. Soll ihre Art nicht aussterben, so ist sie genötigt, Nachkommen zu erzeugen. Diese Aufgabe ist bei den höchst- stehenden Pflanzen, die uns hier vorwiegend beschäftigen sollen, be- stimmten Teilen, den Blüten, übertragen. In ihnen werden Fortpflanzungs- körper, Samen, gebildet, die sich von der Mutterpflanze trennen, und aus denen sich unter günstigen Verhältnissen Pflanzen derselben Art ent- wickeln. (Über die Fortpflanzung der Sporenpflanzen s. das.) Viele Pflanzen sind jedoch imstande, ihre Art auch dadurch zu er- halten, daß sich ein Teil ihres Körpers, der sich (mit Ausnahme des unter a angeführten Falles) außerhalb der Blüte gebildet hat, von der Mutterpflanze loslöst und nunmehr ein. selbständiges Leben führt. Im (Gegensatz zu der sog. geschlechtlichen Fortpflanzung, wie sie sich in der Blüte vollzieht, bezeichnet man diese Erhaltungsweise als un- geschlechtliche (vegetative) Vermehrung. Sie tritt bei den niedrigst- stehenden Pflanzen häufiger auf als die geschlechtliche Fortpflanzung, während sie bei den höhern eine wesentlich geringere Bedeutung hat, und erfolgt in sehr verschiedenen Formen, von denen hier nur die wich- tigsten aufgezählt werden können: a) Durch sorgfältige Beobachtung ist festgestellt, daß sich bei mehreren Pflanzen (beim Löwenzahn, einjährigen Bingelkraut u. a.) die Samenanlagen, ohne be- fruchtet worden zu sein, doch zu keimfähigen Samen entwickelt haben. Weit häufiger als bei den: Pflanzen ist diese als Jungfernzeugung oder Parthenogenesis') bezeichnete Erscheinung im Tierreiche. b) Vermehrungsorgane, die gleichfalls nicht durch Befruchtung entstanden sind, stellen die Mehrzahl der Sporen, sowie die Schwärmsporen gewisser Algen dar. c) Die Bakterien, Spalt- und Kieselalgen vermehren sich durch Zweiteilung, d) Zahlreiche Flechten verbreiten sich durch Brutkörper. Ähnliche Ableger ent- stehen in den Brutbechern der Lebermoose. e) Brutknospen in den Achseln der Laubblätter haben wir z. B. beim Scharbocks- kraute kennen gelernt. f} Durch Knollen kann sich u. a. die Kartoffel, durch Teile des Wurzelstockes das Windröschen vermehren. 2) In den Zwiebeln, mitunter auch in den Blattwinkeln (Feuerlilie) oder in den Blütenständen (Knoblauch) entstehen Brutzwiebeln. h) Wurzelständige Knospen entwickelt z.B. die Hundsrose. i) Durch Ausläufer erzeugen Erdbeere, Veilchen usw. Nachkommen. k) Von besonderer Wichtigkeit ist die ungeschlechtliche Vermehrungsweise für unsre Kulturpflanzen. Zahlreiche von ihnen (Apfel, Birne, Gartenrose u. dgl.) haben unter der züchtenden Hand des Menschen Eigenschaften angenommen, die durch die Samen nicht auf die Nachkommen vererbt werden. Andre (viele edle Obstsorten, mehrere Spielarten der Weinrebe und der Gartenerdbeere, sowie verschiedene Kartoffel- sorten) haben die Fähigkeit, keimfähige Samen zu erzeugen, sogar ganz verloren. 1) parthenos, Jungfrau und genesis, Entstehung, Zeugung. ee ei Bau und Leben der Blüte. 499 Um diese durch jahrhunderte- oder jahrtausendelange Arbeit geschaffenen Produkte des menschlichen Fleißes zu erhalten, ‘wendet man sehr verschiedene Maßnahmen an: Weinreben und Nelken vermehrt man durch Senker oder Ableger, viele Zimmer- pflanzen durch Stecklinge, edle Obstsorten und zahlreiche Ziersträucher durch Pfropfen, Okulieren und Kopulieren (s. S. 494) u. dgl. mehr. 2. Wesen und Bestandteile der Blüte. a) Die Blüte wird in der Regel von einem längern, blattlosen Stammteile, dem Blütenstiele, ge- tragen. Denken wir uns den sehr kurzen Endabschnitt des Stammes, dem die dieht gedrängt stehenden Blütenteile ansitzen, in die Länge ge- streckt, so erkennen wir leicht, daß die Blüte nichts andres als ein Zweig oder Sproß und zwar ein Kurztrieb ist. Da dieser Sproß aber eine bestimmte Aufgabe zu lösen hat, nämlich Samen hervorzubringen, kann es nicht wundernehmen, daß er — wie z. B. die Zwiebel, die gleichfalls einen Sproß darstellt — von einem mit Laubblättern besetzten Zweige erheblich abweicht. b) Der Stammteil der Blüte ist (ähnlich wie der der Zwiebel oder der von Pflanzen mit Blattrosetten) stark verkürzt und wird Blüten- oder später Fruchtboden genannt. Die ihm entspringenden Blätter sind (bis auf Ausnahmen) in Kreisen angeordnet, von denen man in „vollständigen“ Blüten vier unterscheidet: die Kelch-, Blumen-, Staub- und Fruchtblätter. Blüte, deren Teile weit aus- c) Fehlt einer oder mehrere der 4 Blattkreise, dann bezeichnet einander ge- man die Blüte als unvollständig (Gräser). Enthält sie nur Staub- rückt sind blätter, so wird sie Staub- oder männliche Blüte genannt. Sind (Schema). nur die Fruchtblätter vorhanden, so hat man eine Stempel-, Frucht- oder weibliche Blüte vor sich. Je nachdem sich die Staub- und Stempel- blüten nun wieder an verschiedenen Stellen derselben Pflanze (Haselnußstrauch) oder auf verschiedenen Pflanzen finden (Weide), redet man von ein- oder zweihäusigen Gewächsen. Besitzt die Blüte Staub- und Fruchtblätter zugleich, was am häufigsten vorkommt, so heißt sie Zwitterblüte (Mohn, Tulpe u. v. a.). B. Die Teile der Blüte. 1. Die Kelch- und Blumenblätter. a) Die beiden äußern Blatt- kreise bilden für die zarten innern Blütenteile ein schützendes Dach: da- her werden sie auch als Blütenhüllen bezeichnet. Bei vielen Pflanzen haben sie diesen Dienst nur so lange zu leisten, als sich die Blüte im Knospenzustande befindet, bei andern dagegen bis zum Absterben der Blüte (Oberlippe der Taubnessel- und Leinkrautblüte u. a.), und bei noch andern (z.B. Tulpe, Scharbockskraut) führen sie zum Zwecke des Schutzes regelmäßig wiederkehrende Bewegungen aus: die Blüte öffnet und schließt sich; sie „wacht und schläft“. Da das Öffnen und Schließen zu ganz bestimmten Zeiten des Tages stattfindet (Zichorie), muß hierbei das Lieht im Spiele sein. Zahlreiche Blüten (Tulpe, Schar- bockskraut) bleiben aber bei kaltem Wetter den ganzen Tag über geschlossen, Werden 500 Bau und Leben der Blüte. sie jedoch in ein warmes Zimmer gebracht, so öffnen sie sich alsbald, ein Zeichen, daß auf sie auch die Wärme einen wichtigen Einfluß ausübt. Welcher Art ist aber dieser Einfluß? Wie sich z. B. an der Tulpe durch regel- mäßig zu wiederholende Messungen nachweisen läßt, sind ihre Blumenblätter in einem fortgesetzten Wachstume begriffen. Sobald dies aber beendet ist, finden auch keine Schließbewegungen mehr statt. Diese Tatsache läßt schon erkennen, daß beide Er- scheinungen in innigem Zusammenhange stehen. Die Blumenblätter der Tulpe und jener andern Pflanzen besitzen nämlich die Eigentümlichkeit, durch Licht- und Wärme- schwankungen so beeinflußt zu werden, daß ihre verschiedenen Seiten ungleichmäßig wachsen. Bei Abnahme des Lichtes und der Wärme — in der Regel also mit Beginn des Abends — wachsen die Blätter an der Unterseite mehr als an der Oberseite. Infolge- dessen bewegen sie sich aufwärts: die Blüte schließt sich. Findet der umgekehrte Vor- gang statt, so Öffnet sich die Blüte. Auf dieselbe Weise geht auch das Schließen und Öffnen der Blütenköpfe zahlreicher Korbblütler vor sich (Löwenzahn ‚Gänseblümchen u. a.). b) Die beiden Blattkreise der Blütenhülle sind in der Regel von ver- schiedener Beschaffenheit und Färbung. Die meist festen, widerstands- fähigen Blätter des äußern Kreises sind gewöhnlich grün wie die Laub- blätter, die des innern dagegen, die zumeist der Anlockung der Bestäuber dienen, abweichend gefärbt und zarter als jene. Dann bezeichnet man die Blütenhülle als doppelt und ihre Kreise bekanntlich als Kelch und Blumenkrone. Sind beide Kreise von gleicher Beschaffenheit (Tulpe), oder ist nur ein Kreis vorhanden (Windröschen), so redet man von einer einfachen Blütenhülle oder einem Perigon?). c) Die Blätter beider Kreise bleiben unter sich entweder getrennt (Scharbockskraut), oder sie verwachsen mehr oder weniger vollkommen miteinander (Kartoffel, Schlüsselblume u.a.). Aus den freien Endabschnitten (Zipfeln, Zähnen u. dgl.) läßt sich zumeist noch erkennen, aus wieviel Blättern ein solcher Kelch oder eine solche Blumenkrone hervorgegangen ist. Es findet jedoch keine nachträgliche Verwachsung der Blätter statt, sondern der verwachsene Teil erhebt sich — wie wir dies bereits bei der Betrachtung der Schlüsselblume kennen gelernt haben — vom Blütenboden als ringförmiger Wall. Verschmelzen die Staubblätter mehr oder weniger mit dem Walle, aus dem die Blumenkrone hervorgeht, so erscheinen sie dieser ein- | gefügt (Schlüsselblume, Schwarzwurz u. v. a.). en 2. a) Die Staubblätter (Staubgefäße) lassen im Gegen- eines Birm- Satz zu den Bestandteilen der Biütenhülle nur schwer er- baumes,einen kennen, daß sie Blattgebilde sind. Bei mehreren Pflanzen, Übergang z,B. bei der Seerose (s. Taf. 7, 2), findet aber zwischen ihnen zu den \und.den Blumenblättern ein deutlicher Übergang statt, und Blumen- e Z 2 : blättern jn zahlreichen gefüllten Blüten, z. B. in der Rose, verwandeln zeigend. sie sich in Blumenblätter zurück. so daß ihre Blattnatur - außer Frage steht. b) Das Staubblatt ist in der Regel aus Staubfaden und Staub- beutel zusammengesetzt. Der Beutel besteht meist wieder aus 2 Staub- 1) peri, ringsum und g6nos, Brut, Same (hier Fortpflanzungsteile). Bau und Leben der Blüte. 501 beutelfächern, die durch einen Fortsatz des Staubfadens, das sog. Mittelband, zusammengehalten- werden. Auf Querschnitten durch den unreifen Beutel sieht man, daß jedes Fach 2 Hohlräume enthält, in denen durch wiederholte Zellteilung der Blütenstaub (Pollen) entsteht. Bei der Reife öffnen sich beide Hohlräume meist durch einen gemeinsamen Längsriß, aus dem der Blütenstaub hervorquillt. Seltener erfolgt das Öffnen durch Löcher (Heidekraut u. a.) oder durch Klappen (Sauerdorn u. a.). Meistens stehen die Staubblätter, deren Anzahl bei den einzelnen Pflanzenarten großen Schwankungen unterliegt, frei da. Es gibt jedoch auch zahlreiche Fälle, in denen die Staubfäden (Schmetterlingsblütler, Malvengewächse u. a.) oder die Staub- beutel (Korbblütler, Kürbis u. a.) mit- einander verwachsen sind. (S. das Linnesche System!) c) Die Blütenstaubkörner geben sich unter dem Mikroskop in der Regel als einzellige Gebilde von sehr verschie- dener Form, Farbe und Größe zu erkennen. Feld-Thymians: F. Staubfaden; B. Staubbeutelfächer; M. Mittelband und 3. schema- Außer von einer zarten Innenhaut sind sie noch von einer festen Außenhaut umgeben, die als Schutzmittel gegen Verletzung und (hier sehr groß). 2. tische Darstellung vom Bau des Staub- beutels. Bei 2 sind die Fächer ge- schlossen, bei 3 geöffnet. Wasserverlust (Vertrocknen!) dient. Bringen wir Blütenstaubkörnchen in Wasser, so saugen sie gewöhn- lich sofort so viel davon ein, daß sie stark anschwellen und platzen. Dasselbe geschieht natürlich auch, wenn sie durch Regen oder Tau be- feuchtet werden. Daher sind die Einrichtungen, durch die sie gegen Befeuchtung geschützt sind, für sie von großer Wichtigkeit: Zahlreiche Blüten sind wagerecht gestellt, hängend oder schräg nach unten geneigt (Veilchen, Glocken- blume, Kartoffel u. a.); ein Blütenteil istzum Schutzdacheumgeformt (Lippen- Blütenstaubkörner. 1. von derSonnenblume (Vergr. etwa 450 mal); 2. vom Kürbis, mit deckel- blütler, Knabenkrautgewächse u. a.); Hüllblätter oder gar Laubblätter über- nehmen den Schutz (Aronstab u. a.; artigen Bildungen der Außenhaut (Vergr. etwa 240mal); 3. von der Narzisse, einen Keim- schlauch (S.) treibend (Vergr. etwa 200mal). Linde); die Blütenröhre ist sehr eng, oft noch durch Schuppen oder Haare versperrt (Vergißmeinnicht, Ehrenpreis); die Blüten oder Blütenstände schließen sich abends und bei Eintritt ungünstiger Witterung (Scharbockskraut, Löwenzahn), oder sie werden nickend (Erdbeere, Möhre), oder es tritt beides zugleich ein (Windröschen, Wiesenschaumkraut); die geöffneten Staub- beutel schließen sich nachts oder bei feuchtem Wetter (Wegerich) usw. Legen wir Blütenstaubkörnchen in wenig Wasser, dem etwas Zucker und Gelatine zugesetzt sind, so platzen sie nicht. Ihr Inhalt aber stülpt sich, von der zarten Innenhaut umgeben, nach außen und wächst wie 502 Bau und Leben der Blüte. bei den keimenden Sporen (s. S. 355) zu einem langen Keimschlauche (Pollenschlauche) heran, dessen Bedeutung wir später kennen lernen werden. Der Durchtritt durch die feste Außenhaut wird dem Schlauche durch dünne oder scharf abgegrenzte Stellen, die von ihm durchbrochen oder deckelartig abgehoben werden, vielfach wesentlich erleichtert. 3. a) Die Fruchtblätter lassen ihre Blattnatur oft noch recht deutlich erkennen: In zahlreichen Blüten (Rittersporn u. a) sehen sie fast wie kleine Laubblätter aus, und in mißgebildeten Blüten kann man nicht selten einen Rückschlag zu wirklichen, grünen Laubblättern beobachten. b) Bei den Nadelhölzern und ihren nächsten Verwandten hat das Fruchtblatt seine ursprüngliche Blattgestalt bewahrt (s. das.). Bei allen andern Blütenpflanzen dagegen hat es sich allein oder mit andern gleichen Blättern zu einem Stempel umgebildet. So ist z. B. deutlich zu erkennen, daß der Stempel der Erbse aus einem Fruchtblatte entstanden ist, dessen Ränder miteinander verwachsen sind, oder daß sich der Stempel der Schlüsselblume aus 5 Fruchtblättern auf dieselbe Weise gebildet hat. Die Verwachsungsstellen der Fruchtblätter sind meist noch als Nähte sichtbar. c) Der untere Teil des Stempels, der Frucht- knoten, ist ein Gehäuse oder Behälter für die sehr zarten Samenanlagen oder Samenknospen. Da — wie soeben er- wähnt — die Fruchtblätter der Nadelhölzer und ihrer Verwandten sich nicht zu Stempeln umformen, liegen hier die Samenanlagen frei, ein Umstand, auf dem die Scheidung der Blütenpflanzen in „bedeckt- 2 Er . « samige” und „nacktsamige“ beruht. Verwachsen die Fruchtblätter nur mit ihren Rändern, so stellt das Innere des Fruchtknotens einen einzigen Hohlraum dar (Erbse, Schlüssel- blume). KErstrecken sie sich aber mehr oder weniger weit in den Innen- ie raum, so wird dieser wie N ER (RN ( € x) \ N 1 Nu 2 IN, 8 Fruchtblatt vom Rit- tersporn. 1. normal aus- gebildet, 2. mißgebildet. men in Fächer geteilt (Tulpe, Klatschmohn). Zu diesen „wahren“ Scheide- durch Scheidewände voll- kommen oder unvollkom- N 1% Bau des Fruchtknotens (schematisch. 1. Der Fruchtknoten besteht aus einem Fruchtblatte (Erbse). 2. Er wird von 5 Fruchtblättern gebildet; die Samen- anlagen sitzen an einem säulenartigen Zapfen, der vom Blütenboden aus in den Hohlraum tritt (Schlüssel- blume). 3. Dreiblätteriger Fruchtknoten (Tulpe), dessen Innenraum durch Scheidewände in 3 Fächer geteilt ist. 4. Vielblätteriger Fruchtknoten (Mohn), dessen Innen- raum unvollkommen gefächert ist. wänden treten ab und zu noch „falsche“ hinzu, die nur Wucherungen der Fruchtblätter darstellen. Wir treffen sie z. B. bei den Kreuzblütlern und beim Flachse an. Mehr- fach (Schlüsselblume u. a.) Beer Bau und Leben der Blüte. 503 ragt in den Hohlraum des Fruchtknotens vom Blütenboden aus ein säulenartiger Zapfen. d) Nach oben setzt sich der Fruchtknoten meist in einen stielartigen Teil, den Griffel, fort, der in der Narbe endigt. Ist nur ein Frucht- blatt vorhanden, oder sind die Fruchtblätter im obern Teile völlig mit- einander verschmolzen, so tritt auch nur ein Griffel mit einer Narbe auf (Erbse, Schlüsselblume). Ist die Verwachsung der Fruchtblätter da- gegen auf den Fruchtknoten beschränkt, so sind mehrere Griffel mit ebenso vielen Narben vorhanden (Nelkengewächse u. a.). Wie bereits ange- deutet, fehlt bei mehreren Pflanzen (Mohn, Tulpe u.a.) der Griffel gänzlich. 4. Der Blütenboden. Je nach der Form des Blütenbodens nimmt der Frucht- knoten zu den übrigen Blütenteilen eine verschiedene Stellung ein. Ist der Blüten- boden mehr oder weniger emporgewölbt, so steht der Fruchtknoten höher als die andern Blütenteile: er ist oberständig (Raps, Mohn u. v. a.). Vielfach ist der Blütenboden aber napf- oder krugförmig ausgehöhlt. Dann steht der Fruchtknoten tiefer als die übrigen Blütenteile. Verwachsen in diesem Falle Blütenboden und Frucht- knoten miteinander (Birne, Möhre u. a.), so bezeichnet man das aus beiden entstehende Gebilde, das dann die übrigen Blütenblatt- kreise trägt, als unterständigen Frucht- Stellung des Fruchtknotens_ (sche- knoten. Tritt eine solche Verschmelzung matisch). Er ist 1. oberständig, 2. unter- nicht ein (Kirschbaum, Rose u. a.), so redet ständig, 3. mittelständig. Der Blüten- man von einem mittel- oder umstän- boden ist schraffiert gezeichnet. digen Fruchtknoten. 5. Blütengrundriß. Stellt man z. B. durch eine Nelkenblüte kurz vor ihrer Entfaltung dicht über dem Grunde einen Querschnitt her, so werden alle Blütenteile davon getroffen. Man erkennt auf diesem Schnitte leicht ihre Anzahl, ihre An- ordnung in den einzelnen Blattkreisen und die Stellung, die sie zueinander haben. Eine schematische Zeichnung dieses Bildes ist der Grundriß oder das Diagramm der Blüte. Bei den meisten Blüten, z.B. bei denen der Taubnessel oder der Schlüsselblume, muß man aber, um sämtliche Verhältnisse kennen zu lernen, mehrere Querschnitte in verschiedener Höhe führen. Trägt man darauf die einzeinen Bilder, die die Schnitte liefern, so in eine Zeichnung ein, daß ihre Mittelpunkte zu- sammenfallen, so erhält man gleichfalls den gewünschten Grundriß. Sind Blütenteile mit- einander verwachsen, so werden sie im Grund- risse als verbunden gezeichnet. £ : { Gr Die Blüte (oder der Blütengrundriß) Blütengrundrisse. 1. Grundriß einer z. B. der Schlüsselblume läßt sich durch zehn strahligen oder regelmäßigen Blüte Schnitte, die durch den Mittelpunkt gehen, (Sehlüsselblume). 2. Grundriß einer zwei- in je 2 gleiche Teile zerlegen. Hält man sSeitig-symmetrischen Blüte (Taubnessel). den einen dieser Teile an die Fläche eines Spiegels, so wird er durch sein Spiegelbild zu einer ganzen Blüte ergänzt. Die Teile sind also spiegelbildlich gleich oder symmetrisch. In den Blüten dieser Pflanze sind ferner Kelch-, Blumen-, Staub- oder Fruchtblätter so regelmäßig um den Mittelpunkt gelagert, als strahlten sie von ihm aus wie die Radien vom Mittelpunkt des Kreises. 504 Bau und Leben der Blüte. Blüten dieser Art werden daher als strahlig-symmetrisch oder kurz: als strahlig oder regelmäßig bezeichnet. Die Blüten (oder die Blütengrundrisse) der Taubnessel, des Veilchens und vieler andrer Pflanzen dagegen lassen sich "nur durch einen Schnitt in 2 symmetrische Teile zerlegen. Sie sind also zweiseitig-symmetrisch. C. Die Blütenstände. Es kommt verhältnismäßig selten vor, daß eine Pflanze nur eine einzige Blüte hervorbringt (Tulpe, Schneeglöckchen). Sind mehrere oder zahlreiche Blüten vorhanden, so stehen sie in der Regel an bestimmten Stellen des Blütenstieles.. Daher heben sie sich von den andern Teilen der Pflanze meist deutlich ab: sie bilden eine Blütengemeinschaft oder einen Blütenstand. Während bei gewissen Pflanzen (Hyazinthe, Maiblume usw.) die Blüten nur eine Gemeinschaft darstellen, tragen andre (Weide, Möhre usw.) gewöhnlich zahlreiche Blütenstände. Den Stengelteil der Blütengemeinschaft, dem die einzelnen blüten- tragenden Zweige oder die gestielten oder ungestielten Blüten entspringen, bezeichnet man als die Hauptachse des Blütenstandes. Die aus ihm hervorgehenden Zweige werden daher Nebenachsen genannt. Da die Verzweigung nun sehr verschieden erfolgt, zeigen die Blütenstände eine große Mannigfaltigkeit. Wie überall in der Natur herrscht aber auch hier eine feste Ordnung, eine bestimmte Gesetzmäßigkeit: Die Blüten- stände lassen sich — so verschieden sie auch gestaltet sein mögen — bei näherm Zusehen auf zwei Hauptformen zurückführen: A. Die Hauptachse ist kräftiger als die Nebenachsen. 1. Traubige Blüten- stände. Die Hauptachse verlängert sich (bis zu einer gewissen Größe) fortgesetzt durch Wachstum. Da die untern Blüten die ältern sind, entfalten sie sich auch zuerst. Das Aufblühen erfolgt also von unten nach oben oder — wenn die Blüten gestielt sind — von außen nach innen (zentripetal). (Diese Erscheinung ist in den Abbildungen durch die ver- schiedene Größe der Kreise kenntlich gemacht, durch die die Blüten angedeutet sind.) a) Trägt die Hauptachse langgestielte Blüten, so nennt man den Blütenstand eine Traubige Blütenstände (Schema). 1. Traube; Traube (Maiblume u. a). — 2. Rispe; 3. Ähre; 4. . zusammengesetzte Ähre; Eine Traube, deren Nebenachsen de Kolben. wieder Trauben (oder gar Rispen) bilden, wird Rispe genannt (Weinstock; Rispengräser; bei letztern tragen die Rispenäste aber Ähren!). b) Sind die Blüten ungestielt (oder ganz kurz gestielt), so entsteht eine Ähre (Eisen- und Bingelkraut). — Findet sich an Stelle jeder Blüte eine kleine Ähre, ein sog. Ährchen, so hat man eine zusammengesetzte Ähre vor sich (Roggen und viele andre Gräser). Eine Ähre mit fleischiger Achse ist ein Kolben (Aronstab). Hat die Ähre unscheinbare Blüten und fällt sie nach dem Verblühen oder nach der Frucht- reife als Ganzes ab, so nennt man sie Kätzchen (zahlreiche Laubbäume). Ein Kätzchen, j ; i | Ss Ber RL or We vn ur re u en EEE ee Bau und Leben der Blüte. 505 dessen Achse und Deckschuppen bei der Fruchtreife holzig werden, wird als Zapfen bezeichnet (die meisten Nadelholzbäume). 2. Doldige Blütenstände. Die Hauptachse „hört plötzlich auf“, ist also verkürzt. Das Aufblühen erfolgt gleichfalls von außen nach innen (zentripetal). a) Erheben sich von VE 3% = = Er der verkürzten Hauptachse AXT r90 08 RR ape Tpp gestielte Blüten (die zumeist \\ (1 WIEN ES Sn 1 SEEN — AB En in einer Ebene liegen), so NN, ERREISE PAR e heißt der Blütenstand eine N | | Dolde (Schlüsselblume, 2 | I Efeu). Trägt jede Neben- | | achse wieder eine kleine 1 3 4 Dolde („Döldehen‘“), so ent- ; ; steht die zusammenge- Doldige Blütenstände (Schema). 1. Dolde; 2. zu- setzte Dolde (die meisten sammengesetzte Dolde; 3. Köpfchen; 4. Blütenkörbchen. Doldengewächse). b) Stehen auf der verkürzten Hauptachse dicht gedrängt zahlreiche ungestielte (oder ganz kurz gestielte) Blüten, so hat man ein Köpfchen vor sich (Klee). Ist das Köpfchen von Hüllblättern umgeben, so nennt man es Blütenkörbchen (Korbblütler). B. Die Nebenachsen sind so kräftig wie die Hauptachse. Bei diesen sog. trugdoldigen Blütenständen ist die Hauptachse durch eine endständige Blüte abge- schlossen, die als die älteste sich zuerst öffnet. Unterhalb dieser Blüte entspringen ein oder mehrere Nebenachsen, die die Hauptachse verdrängen, so daß der ganze Blütenstand eine Hauptachse vortäuscht. Die Nebenachsen schließen wieder mit je einer Blüte ab, die sich nunmehr entfaltet. Auf diese Weise kann sich die Verzweigung mehrfach wiederholen. Das Aufblühen schreitet hier also — gleichfalls dem Alter der Blüten entspre- chend — von innen nach außen fort (zentrifugal). 1. Unter der endständigen Blüte der Hauptachse entspringen an einem Punkte 2 oder mehrere Nebenachsen, die sich wiederholt Trugdoldige Blütenstände (Schema). wie die Hauptachse verzweigen 1. Trugdolde; 2. Wickel. können. Da bei diesem Blüten- stande die Blüten vielfach ähnlich wie bei der Dolde in einer Ebene liegen, nennt man ihn Trugdolde (Wolfsmilch, Schafgarbe, Ackerhornkraut u. a.). 2. Unter der endständigen Blüte der Hauptachse entspringt nur eine Neben- achse, die fortgesetzt abwechselnd rechts und links wieder je einen Nebenzweig treibt. Ein solcher Blütenstand wird Wickel genannt (Schwarzwurz und viele andre rauh- blättrige Gewächse). D. Die Bestäubung der Blüte. 1. Es ist eine bekannte Tatsache, daß eine Blüte — von ganz sel- tenen Ausnahmen abgesehen; s. S. 498, a — nur dann Samen hervor- bringt, wenn auf ihre Narbe reifer Blütenstaub von einer Pflanze der- selben Art gelangt, oder kurz, wenn die Pflanze bestäubt wird. Der Nachweis hierfür ist leicht zu erbringen. Schneidet man z. B. aus Tulpenblüten die Staubblätter, bevor sich deren Beutel geöffnet haben, 506 Bau und Leben der Blüte. vorsichtig heraus, und umwickelt man die Blüten dann (um die Insekten abzuhalten!) mit engmaschiger Gaze, so bleiben sie unfruchtbar. Über- trägt man jedoch auf die Narben andrer, aber ebenso behandelter Blüten mit Hilfe eines feinen Pinsels Blütenstaub, der aus andern Tulpenblüten stammt, so tritt in den meisten Fällen Samenbildung ein. 2. Auf ganz ähnliche Weise läßt sich auch dartun und ist von Naturforschern vielfach aufs sorgfältigste festgestellt worden, daß bei der Bestäubung einer Blüte mit ihrem eignen Blütenstaube oder kurz: bei Selbstbestäubung häufig keine oder nur schwächliche Samen entstehen. Stammt der Blütenstaub dagegen von andern Blüten der- selben oder noch besser einer zweiten Pflanze, erfolgt also Fremd- bestäubung, so bilden sich zahlreiche und kräftige Samen. Es gibt allerdings gewisse Blüten, z. B. die sog. Sommerblüten des Veilchens und der stengelumfassenden Taubnessel, die, weil sie sich nicht öffnen, auf Selbstbestäubung angewiesen sind. Auch bei zahl- reichen offenblütigen Pflanzen tritt, wie wir gesehen haben (Sonnen- blume u. a.), dieser Vorgang ein, wenn die Belegung der Narbe mit fremdem Staube aus irgend einem Grunde (Kälte, Mangel an Besuchern u. dgl.) unterblieben ist, und endlich haben wir in der Erbse und der kleinblütigen Form des Stiefmütterchens auch Pflanzen kennen gelemt, die sich fortgesetzt nur selbst bestäuben. In der Regel aber ist die Fremdbestäubung für die Fruchtbildung am vorteilhaftesten. Gewisse Pflanzen (z. B. Roggen) bleiben bei Selbstbestäubung sogär voll- kommen unfruchtbar. Die Belegung der Narbe durch fremden Blüten- staub wird nun durch sehr verschiedene Mittel gesichert: a) Staubblätter und Stempel sind auf verschiedene Blüten verteilt; die Pflanzen sind also ein- oder zweihäusig (Haselnußstrauch, Salweide u. a.). b) Bei Blüten, die Staubblätter und Stempel enthalten, also sog. Zwitterblüten darstellen, wird Selbstbestäubung vermieden, wenn Staubblätter und Stempel nicht zu gleicher Zeit reifen. Meist (Glockenblume, Sonnenblume u. a.) öffnen sich die Staubbeutel bereits, wenn die Narben noch vollkommen unentwickelt sind („vorstäubende* Blüten). Der umgekehrte Fall („nachstäubende“ Blüten) tritt seltener ein (Sonnen- Wolfsmilch, Wegerich, Osterluzei, Aronstab u. a.). c) Reifen in Zwitterblüten Staubbeutel und Narben zu gleicher Zeit, so ist Selbstbestäubung vielfach ausgeschlossen oder doch stark behindert, weil die beiden Blütenteile so gestellt sind, daß sie sich nicht berühren können (Wiesensalbei, Orchis, Schwertlilie u. a.). d) Zu demselben Ziele führt auch die Verschiedengriffligkeit oder Hetero- stylie (s. S. 184), die wir bei Schlüsselblume, Wasserfeder, Lungenkraut und Wei- derich fanden. 3. Um Fremdbestäubung herbeizuführen, muß die oft weite Strecke, die zwischen Staubbeutel und Narbe der verschiedenen Blüten liegt, überbrückt werden. Hierzu ist die Pflanze allein aber nicht imstande; sie bedient sich daher fremder Hilfe: zumeist der Insekten und des Windes, in seltneren Fällen des Wassers oder auch wie mehrere Tropenpflanzen der Vögel, die die Blüten der Nahrung wegen (Insekten oder Honig) besuchen. Die Tätigkeit dieser Vermittler ist nun durch die I En Bau und Leben der Blüte. 507 verschiedenartigsten Einrichtungen gesichert, die hier für die „Insekten- und Windblütler“ übersichtlich zusammengestellt sein mögen: I. Insektenblütler. A. Was die Pflanze ihren Bestäuberan bietet. Der Transport des Blütenstaubes von Blüte zu Blüte wird von den Insekten selbstverständlich nicht absichtlich oder freiwillig besorgt. Die Tiere kommen stets nur um ihres eigenen Vorteiles willen zur Pflanze. 1. Sie finden in den Blüten vor allen Dingen einen süßen Saft (Nektar), der ge- wöhnlich als Honig bezeichnet, im Körper der Biene aber erst in Honig verwandelt wird. Diese für die Besucher bestimmte Flüssigkeit wird von Honigdrüsen (Nek- tarien) abgeschieden, die sich an allen Blütenteilen finden können (vgl. z. B. Linde, Scharbockskraut, Veilchen, Möhre und Weinstock), und mehrfach in besondern Be- hältern, den sog. Safthaltern, aufbewahrt (Veilchen, Leinkraut u. a.). Je nachdem er mehr oder weniger tief in der Blüte dargeboten wird, je nachdem ist er auch nur Insekten von bestimmter Rüssellänge zugänglich (vgl. z. B. Möhre, Raps, Veilchen, Steinnelke und Geißblatt). Kurzrüsselige Insekten suchen den süßen Saft, den sie in „rechtmäßiger“ Weise nicht erbeuten können, vielfach durch „Einbruch“ zu erlangen (Taubnessel u. a... — Bei gewissen Pflanzen (Knabenkraut, Goldregen) muß der süße Saft von den Besuchern erst erbohrt werden. — Staubbeutel und Narbe stehen stets in dem Wege, der zum Honig führt, so daß sie von den Tieren berührt werden müssen. Zahlreiche Blüten besitzen für die honigsaugenden Gäste bequeme Sitzplätze (Taubnessel, Roßkastanie u. a.). Es ist auch sehr wohl möglich, daß die dunklen Flecke, Striche oder Punkte, die sich häufig auf den Blumenblättern nach dem Honigbehälter hinziehen (Schlüssel- blume u. a.), den Gästen den Weg zum süßen Mahle zeigen. Gestützt wird diese Annahme besonders dadurch, daß man solche Honig- oder Saftmale nur bei Pflanzen mit verstecktem Honig, niemals aber bei Nachtblumen (z. B. beim nickenden Leimkraute oder beim Wald-Geißblatte) findet, auch wenn deren Honig in noch so tiefen Röhren geborgen ist. 2. Außer Honig liefern zahlreiche Blüten den Insekten Blütenstaub als Nahrungs- mittel. Mehrere Blüten besitzen überhaupt keinen Honig, dafür aber um so zahlreichere Staubblätter (Mohn, Rose). Diese Blüten stehen aufrecht und haben Schalenform, so daß der aus den Beuteln fallende Staub nicht verloren geht. — Auch andre zarte Blütenteile werden mehrfach von den Insekten verzehrt. Die Blütenstaubkörner der insektenblütigen Pflanzen sind in der Regel an ihrer Oberfläche klebrig und vielfach mit Stacheln oder Warzen bedeckt. Infolge- dessen bleiben sie an den geöffneten Staubbeuteln und später an dem Körper der Tiere leicht hängen. Ebenso entspricht der trockne Blütenstaub, den man z. B. bei Veilchen, Heidekraut, Schneeglöckchen u.a. findet, völlig der Art, in der diese Pflanzen bestäubt werden. - 3. Blüten, die die Form großer, hängender Glocken haben, gewähren ihren Be- suchern Schutz gegen Kälte und Nässe (Glockenblume, Fingerhut u. a.). Bei Osterluzei und Aronstab werden die Insekten im Blütengrunde längere Zeit gefangen gehalten (Kesselfallenblumen). 4. Beim Feigenbaume bieten die Blüten den Bestäubern Brutstätten für die Nachkommen. B. Wie die Pflanze ihre Bestäuber anlockt. Gleich dem Gastwirte und dem Kaufmanne, die ihr Geschäft durch Firmenschilder kenntlich machen, zeigt auch die Pflanze ihren Bestäubern an, daß bei ihr ein „gedeckter Tisch“ zu finden ist. Die Blüten sind auffällig. 1. Bis auf Ausnahmen erheben sie sich über das Laub. 2. Sie besitzen eine Färbung, die deutlich vom Grün des Untergrundes absticht („Blumen“). In der Regel ist diese „Lockfarbe“ den Blumenblättern eigen. Da, wo 508 Bau und Leben der Blüte. diese Blätter verdeckt sind, treffen wir oft einen bunt gefärbten Kelch an (Heide- kraut u. a.). Seltener sind Blumen- und Kelchblätter zugleich durch Buntfärbung aus- gezeichnet (Tulpe, Rittersporn). Die nach außen gekehrte Seite der bunten Blätter ist stets die prächtigere (Scharbockskraut, Glockenblume). Ausnahmsweise sind auch die Staubblätter (Salweide) oder gar die Deckblätter der Blüte (Hain-Wachtelweizen) in den Dienst der Anlockung der Gäste gestellt. Erhöht wird die Auffälligkeit in seltneren Fällen durch Verwendung verschiedener Farben (Saubohne, Hain-Wachtel- weizen). Blüten, die durch Nachtschmetterlinge bestäubt werden, haben eine helle Färbung, die im Finstern noch bemerkbar ist (Nachtkerze u. a.). 3. Kleine Blüten, die einzeln nicht weithin sichtbar wären, sind in der Regel zu auffälligen Blumengemeinschaften oder Blütenständen vereinigt (s. S. 504). Häufiger als in Einzelblüten treten hier Farbengegensätze auf (besonders bei den Korb- blütlern). Auch dadurch, daß sich die Randblüten (zahlreiche Korbblütler, Schneeball) oder die nach außen gerichteten Blumenblätter dieser Blüten (Möhre) vergrößern, wird die Auffälligkeit erhöht. Zum Teil sind die Randblüten sogar völlig unfruchtbar (Schnee- ball, Sonnenblume). In gewissen Fällen werden die Blütengemeinschaften erst durch Blätter auffällig, die nicht zu den Blüten gehören (Sand-Strohblume, Edelweiß). 4. Da die Insekten durchweg kurzsichtige Tiere sind, können die Blüten von ihnen stets nur aus der Nähe wahrgenommen werden. Auf viel weitere Entfernung wirkt der Duft, der den Blüten entströmt und sehr verschieden ist, als Anlockungsmittel. Die wichtigsten Bestäuber (Bienen, Hummeln, Schmet- terlinge) lieben Düfte, die auch dem Menschen angenehm sind. Blüten dagegen, die besonders von Fliegen bestäubt werden, riechen (für uns!) oft sehr unangenehm (Weißdorn, Aronstab.) Am ’ deutlichsten ist diese Erscheinung an den Aas- blumen (Stapelia) zu beobachten, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit gewissen Kaktusarten gern in Blumentöpfen gezogen werden: ihre Blüten riechen ekelhaft nach Kot, auf dem sich die Bestäuber gern umhertreiben. — Unscheinbare Blüten (Weinstock; s. dag. wilder Wein) oder solche, die eine versteckte Lage haben (Linde), oder die sich in der Nacht entfalten (Geißblatt u. a.), haben meist einen besonders starken Duft. C. Wie die Pflanze unwillkommene Blüten- gäste abhält. Tiere, die keine Bestäubung der Blüten herbeiführen können, aber trotzdem Honig und Blütenstaub verzehren oder wohl gar die ganze Blüte zerstören (z. B. Schnecken), fügen wie alle sonstigen Feinde der Pflanze nur Aasblume. Schaden zu. Die größte Zahl dieser unwillkom- menen Gäste bilden die Tiere, die am Stengel emporkriechen (Ameisen, Schnecken u. a.) Aber auch alle die anfliegenden Tiere, die beim Besuche der Blüte weder Staubbeutel, noch Narbe berühren, gehören hierher. Diese un- nützen Näscher werden von den Pflanzen durch sehr mannigfaltige Mittel abgehalten: 1. Der den Blüten entströmende Duft wirkt nur auf die Vermittler der Be- stäubung anziehend, auf andre Insekten abschreckend. 2. Von der Oberfläche des Stengels (Leimkraut) oder von Drüsenhaaren (Körner- Steinbrech) werden Klebstoffe abgeschieden. 3. Die Blätter bilden Wasserbecken (Kardendistel). 4. Stengel, Blütenstiel oder andre Teile sind mit stechenden Borsten oder Stacheln besetzt (Schwarzwurz, Rose u. a.). Bau und Leben der Blüte. 509 5. Die Blüten bilden hängende Glocken oder dgl., deren Rand kletternde In- sekten nicht überwinden können (Glockenblume). 6. Die Blüten oder Blütenstände sind während der Zeit geschlossen, während der die Bestäuber ruhen (Scharbockskraut, Löwenzahn). 7. Blüten oder Blütenstände sind von festen Hüllen umgeben, die von den Insekten nicht durchbissen werden können (Steinnelke, Sonnenblume). 8. Der Kelch ist aufgebläht. Daher vermag das Insekt, wenn es ihn durch- beißt, nicht bis zum Honig vorzudringen (Taubenkropf). 9. Der Honig ist in langen, engen Kanälen geborgen (Leinkraut) oder durch Haare oder andre Mittel verdeckt (Taubnessel, Glockenblume), also kleinen Tieren un- zugänglich. 10. Bei einigen Pflanzen wird außerhalb der Blüte Honig abgeschieden. Die hierdurch angelockten Ameisen bilden vielleicht eine Schutzgarde gegen Insekten, ar der Pflanze sonst schaden (s. Zaunwicke). IH. Windblütler. Die zahlreichen Einrichtungen, durch die sich die windblütigen Pflanzen aus- zeichnen, haben wir besonders bei der Betrachtung des Haselnußstrauches, des Roggens und der Kiefer bereits kennen gelernt: 1. Die Blüten sind unscheinbar, duft- und honiglos und dementsprechend auch viel einfacher gebaut als die der Insektenblütler; die Blütenhüllen sind klein oder fehlen gänzlich. 2. Die Staubbeutel sind dem Winde stets frei ausgesetzt, so daß dieser den Blütenstaub bequem ausschütteln und verwehen kann. Die Blüten oder Blüten- stände stehen meist am Umfange der Pflanze. Entweder ist die ganze Pflanze (Gräser), oder der Blütenstand (Kätzchen, Rispen), oder das einzelne Staubblatt (Gräser) leicht vom Winde zu bewegen. Bei den Nesseln wird der Blütenstaub durch plötzliches Aufspringen der Beutel in die Luft geschleudert. 3. Die windblütigen Sträucher und Bäume (Haselnußstrauch, Pappel u. a.) blühen meist, wenn sie noch unbelaubt sind. Dann hat der Wind zu den Blüten freien Zutritt. 4. Windblütige Pflanzen kommen gewöhnlich in großen Beständen vor. 5. Sie erzeugen sehr viel Blütenstaub, so daß die Möglichkeit der Bestäubung verhältnismäßig groß ist. 6. Die Blütenstaubkörner sind trocken, klein und glatt. Infolgedessen können sie leicht aus den Staubbeuteln geblasen und über große Bezirke ausgestreut werden. Bei zahlreichen Nadelbäumen (Kiefer) sind sie noch mit besondern Flug- einrichtungen versehen. 7. Die Narben stehen frei, sind zumeist sehr groß und stellen oft feder- artige Gebilde dar. E. Die Befruchtung der Blüte. Wie wir gesehen haben, bringt eine Pflanze nur dann Samen hervor, wenn ihre Blüte bestäubt wird. Die bloße Berührung der Narbe durch den Blütenstaub genügt hierzu aber bei weitem nicht: Die Bestäubung ist erst die Einleitung zu höchst wunderbaren Vorgängen, die sich im Stempel ab- spielen. Um diese Vorgänge zu verstehen, müssen wir zuerst den Bau 1. der Samenknospen oder Samenanlagen näher kennen lernen. Wie mißgebildete Fruchtblätter oft deutlich zeigen, gehen die Samenknospen (in der Regel) aus Randteilen der Fruchtblätter hervor. Sie finden sich, auf kurzen Stielchen sitzend, in dem Fruchtknoten daher zumeist an den Verwachsungsstellen der Fruchtblätter oder an den Scheidewänden, die 510 Bau und Leben der Blüte. von diesen Blättern gebildet werden (s. Abb. S. 502). Auch dem Blüten- boden oder dem Säulchen, das von ihm in den Hohlraum des Frucht- knotens ragt, können sie angeheftet sein (Schlüsselblume u. a.). Den innern Bau der zarten Gebilde enthüllt uns das Mikroskop, wenn wir dünne Querschnitte durch einen Fruchtknoten betrachten ‘*). Wir erblicken in der Mitte einen eiförmigen Körper, den Knospenkern, der bis auf eine Stelle, den Knospenmund, von (meist) zwei becher- artigen Hüllen umgeben ist. Unter den Zellen des Knospenkernes fällt eine durch besondere Größe auf, die man als Keimsack bezeichnet. Indem der Kern dieser Zelle in mehrere Stücke zerfällt, und indem die einzelnen Teilstücke von Protoplasma um- lagert werden, bilden sich im Keimsacke mehrere kleine Zellen. Unter diesen hat wieder eine, die in der Nähe des Knospen- mundes liegt, eine besondre Bedeutung: sie wird Eizelle genannt, weil von ihr die Bildung der neuen Pflanze ihren Aus- gang nimmt. Die Entwicklung der Eizelle zur jungen Pflanze tritt jedoch (mit sehr seltnen Aus- nahmen; s. S. 498, a) nicht von selbst ein, sondern nur dann, wenn Teile eines Blüten- staubkorns in sie einwandern. Wie ist dies aber möglich, da ja bei der großen Mehrzahl der Samenpflanzen, den bedeckt- samigen Gewächsen, die Samenknospen in Fruchtknoten eingeschlossen sind? 2. Das Blütenstaubkorn, das auf die Befruchtung der Blüte (schema- Narbe gelangt ist, stellt für die Pflanze tisch). In dem Fruchtknoten (F) ein wertvolles Gut dar, das sorgsam fest- findet sich eine aufrechtstehende sehalten wird. Dieser Aufgabe dienen Samenknospe, die fast den ganzen ; 5 = > Hohlraum (Fh.) einnimmt. An der die Wärzchen oder Härchen, die der Samenknospe erkennen wir den Narbe meist ein samtartiges Aussehen Knospenkern (Kk.), dessen Hüllen verleihen,- sowie die klebrige Flüssig- (H.) und den Knospenmund (Km.). keit, die von der Narbenoberfläche aus- Der Knospenkern schließt den Keim- oeschieden wird sack (Ks.) mit der Eizelle (E.) ein. ? : Auf der Narbe (N.) mehrere Blüten- Wenn das Blütenstaubkorn von der staubkörnchen, die z. T. einen Narbenfeuchtigkeit benetzt wird, beginnt Keimschlauch getrieben haben. Der es — genau wie in dem S. 501 beschriebenen Keimschlauch (S.) des in der Mitte liegenden Kornes hat den Griffel Y ersuche — sogleich oder an ee er (G.) durchwachsen und dringt so- Zeit zu schwellen und einen Keim- eben in den Keimsack ein. schlauch zu treiben. Dieser Schlauch *) An den sehr kleinen, durchsichtigen Samenknospen des Fichtenspargels und der Orchideen sind die einzelnen Teile bei mikroskopischer Vergrößerung schon von außen zu erkennen; bei ihnen wird aber der Knospenkern vollständig vom Keimsacke eingenommen. Bau und Leben der Frucht und des Samens. 511 durchwächst wie ein Pilzfaden das lockere Gewebe des Griffels, dringt in die Höhle des Fruchtknotens ein und gelangt durch den Knospen- mund in den Knospenkern der Samenanlage. Indem nun ein Teil vom Inhalte des Keimschlauches (also des Blütenstaubkornes!) in die Eizelle übertritt, wird diese befruchtet, d. h. befähigt, sich zu einer iungen Pflanze zu entwickeln. Bei den nacktsamigen Pflanzen sind die frei auf den Fruchtblättern liegenden Samenknospen etwas abweichend gebaut. Die Blütenstaubkörner rollen, wie wir bei der Betrachtung der Kiefer gesehen haben, zwischen 2 Fortsätze der Hülle, also in den Knospenmund, woselbst sie von einem Flüssigkeitstropfen festgehalten werden und je einen Keimschlauch treiben. V. Vom Bau und Leben der Frucht und des Samens. 1. Wie entsteht die Frucht? Während nach erfolgter Befruchtung die Staubblätter, die Blumenkrone und meist auch der Kelch vertrocknen und abfallen, vergrößert sich der Fruchtknoten fortgesetzt: Er entwickelt sich zur Frucht, in der die zarten Samenanlagen, wohl geborgen gegen nachteilige Einflüsse von außen, zu Samen heranreifen. Die Frucht- knotenwand bildet sich zur Fruchthülle oder Fruchtschale aus. Da aus jedem Fruchtknoten eine Frucht hervorgehen kann, so entwickeln sich in Blüten mit mehreren Fruchtknoten auch mehrere Früchte (z. B. zahlreiche Hahnenfuß- gewächse). Stehen diese „Früchtchen“ in innigem Zusammenhange, so bilden sie eine Sammelfrucht (Himbeere, Brombeere). Beteiligen sich an der Bildung der Frucht noch andre Blütenteile außer dem Fruchtknoten, so entsteht eine Scheinfrucht, wie wir dies bei Birne, Hagebutte und Erdbeere gesehen haben. Die unter dem Namen Feige, Maulbeere und Ananas bekannten Schein- und Sammelfrüchte stellen sogar ganze Fruchtstände dar. 2. Wie entsteht der Same? a) Mit der Entwicklung der Frucht vollzieht sich gleichzeitig die Ausbildung der Samenknospe zum Samen. Nach der Befruchtung beginnt die Eizelle sich alsbald lebhaft zu teilen. Sie wächst im Laufe der Zeit zu dem Keime heran, der — wie wir an der Bohne und dem Roggenkorne gesehen haben — aus einem kleinen Stengel, einem Würzelchen, ein oder zwei Keimblättern und einer Knospe besteht: also alle Teile einer jungen Pflanze erkennen läßt. — Da die Anzahl der Keimblätter bei den bedecktsamigen Pflanzen durchaus fest- steht, bilden deren beide Hauptabteilungen, die zweikeim- und einkeim- blättrigen Pflanzen, vollkommen natürliche Gruppen. b) Mit dem Wachstume des Keimes geht auch in dem Keimsacke eine lebhafte Vermehrung der Zellen vor sich. Indem sich diese Zellen mit Stoffen füllen (Eiweiß, Stärke, Fett u. del.), die dem Keimlinge in der ersten Zeit seines Wachstums zur Nahrung dienen sollen, entsteht das Nährgewebe, das auch als Sameneiweiß (Endosperm) bezeichnet wird. Bei zahlreichen Pflanzen (z. B. bei den Schmetterlings- und Kreuzblütlern) wird das Nährgewebe von dem Keime bald wieder verdrängt. Die Nähr- stoffe finden sich dann in den mächtig angeschwollenen Keimblättern eingelagert, wie dies z. B. die Bohne deutlich zeigt. 512 Bau und Leben der Frucht und des Samens. c) Während sich die geschilderten Vorgänge abspielen, bilden sich die zarten Hüllen der Samenknospe zur Samenhülle oder Samen- schale aus. Löst sich der reife Same von dem Stielchen ab, von dem er getragen wird, so bleibt an der Samenschale ein matter Fleck, der sog. Nabel, zurück. d) Bei gewissen Pflanzen entsteht aus dem Teile der Samenknospe, der dem Knospen- munde entgegengesetzt ist, eine saftige Hülle, der Samenmantel (Pfaffenhütchen, Eibe u. a.), oder ein kleiner, fleischiger Anhang (Veilchen, Schellkraut u. a.). e) Fielen die reifen Samen, deren Anzahl oft Tausende beträgt (Distel, Königskerze u. a.), einfach zum Boden herab und keimten sie im Bereiche der Mutterpflanze, so würden die jungen Pflänzchen einander Raum, Luft und Nahrung streitig machen und sich gegenseitig ver- nichten. Es ist für die Pflanze daher von Wichtigkeit, daß ihre Samen über einen möglichst großen Bezirk ausgestreut werden. Zu einer solchen Wanderschaft über weite Strecken wäre aber ein junges, ausgebildetes Pflänzchen nicht imstande. Es würde bald so stark verletzt sein, durch Verdunstung so viel Wasser verlieren und unter der Kälte des Winters so leiden, daß es sicher zugrunde gehen müßte. Das wandernde Pflänzchen ist daher auch ganz anders gestaltet: nämlich so, wie es uns als Keim in dem Samen entgegentritt. Hat sich der Keim dort vollkommen entwickelt, so hört er auf zu wachsen. Gleichzeitig verliert er wie die übrigen Teile des Samens den größten Teil seines Wassers. So kommen alle Lebenstätigkeiten oft jahrelang fast gänzlich zum Stillstande Von der festen und widerstandsfähigen Samenschale umhüllt, gleichsam also wohl verpackt, und selbst gegen die größte Trocknis vollkommen unempfindlich tritt das junge Pflänzchen seine Wanderung an. Setzt man Samen, die im Wasser aufgequollen sind, der Kälte aus, so gehen sie meist zugrunde. Dieses Schicksal erlitten natürlich die Samen auch dann, wenn sie von der Mutterpflanze mit dem zur Keimung nötigen Wasser versehen wären: Die Wasserarmut des Samens ist also notwendig, damit die auf der Wanderung begriffenen Nachkommen gegen die tödliche Kälte un- empfindlich sind. Bedenken wir nun noch, daß die Pflanze den wandernden Kindern als erste Ausgabe bei ihrer Ansiedlung am neuen Orte einen Nahrungsvorrat mit auf den Weg gibt, so erscheint uns das unscheinbare Samenkorn als ein wahres Wunderwerk der Natur. Viele Samen beendigen ihre Wanderung allerdings an einem Orte, der für ihre Entwicklung durchaus ungeeignet ist: Ihre Keimpflänzchen finden hier weder einen Boden, der ihnen zusagt, noch die nötige Menge von Wasser, Licht und Wärme, und nicht lange währt es, so sind Tausende und aber Tausende der zarten Gebilde von Nachbarpflanzen überwuchert und getötet worden. Da die Pflanzen aber zumeist all- jährlich große Mengen von Samen hervorbringen, ist die Erhaltung ihrer Art in der Regel durch lange Zeiträume hindurch gesichert. Bau und Leben der Frucht und des Samens. 513 3. Wie gelangen die Samen ins Freie? Erstes Erfordernis für eine erfolgreiche Wanderung ist, daß die Samen aus der Frucht befreit werden. Dies geschieht je nach der Art der Früchte auf sehr ver- schiedene Weise: A. Trockne Früchte. Ihre Fruchtschalen sind bei der Reife trocken, vielfach sogar holzig oder lederartig. I. Enthält die Frucht nur einen Samen, so ist es für diesen von Vorteil, wenn er auf seiner Wanderung von der schützenden Fruchtschale umschlossen bleibt. Solche Früchte öffnen sich dementsprechend in der Regel nicht; sie sind Schließfrüchte (Schar- boekskraut, Windröschen). Hartschalige Schließfrüchte werden Nüsse genannt (Haselnuß, Eichel). Schließ- früchte mit lederartiger Hülle finden sich bei den Gräsern und Korbblütlern. Die Frucht der erstern bezeichnet man als Grasfrucht oder Karyopse!). (Frucht- und Samen- hülle sind verwachsen), die der letztern als Achäne?) (Frucht- und Samenhülle sind nicht verwachsen). II. Gewisse mehrsamige Früchte zerfallen in 2 oder mehrere Teile, die je einen Samen besitzen und sich daher genau wie Schließfrüchte verhalten. Früchte dieser Art nennt man Spaltfrüchte (Ahorn, Doldengewächse, Reiherschnabel u. a.). II. Die bei weitem meisten mehrsamigen Trockenfrüchte springen auf und ent- lassen auf diese Weise die Samen. Sie heißen Kapselfrüchte und öffnen sich durch Klappen (Veilchen), Löcher (Mohn) oder Deckel (Bilsenkraut). Bei Regenwetter schließen sich — ein wichtiger Schutz der Samen — die Klappen und Löcher vielfach wieder (Schlüsselblume, Glockenblume u. a.). Die Frucht der Roßkastanie rechnet man trotz ihrer fleischigen Fruchthülle zu den Kapselfrüchten. Besondere Formen von Kapseln sind folgende Früchte: Die Balgfrucht oder Balgkapsel ist aus einem Fruchtblatte gebildet und öffnet sich nur an dessen Ver- wachsungsstelle (Hahnenfußgewächse). Die Hülse besteht gleichfalls aus einem Frucht- blatte, springt aber an der Verwachsungsstelle und längs der Mittelrippe auf (Schmetter- lingsblütler). Die Schote ist aus 2 Fruchtblättern hervorgegangen, die sich bei der Reife von einer bleibenden Scheidewand ablösen (Kreuzblütler). B. Saftige Früchte. Die zu dieser Gruppe zählenden Früchte zeichnen sich durch saftige und fleischige Fruchthüllen aus. Obgleich sie zumeist mehr- bis viel- samig sind, öffnen sie sich nicht von selbst (es sind also „Schließfrüchte‘). Ihre Samen können vielmehr nur durch Vermittlung gewisser Tiere, denen das saftige Frucht- fleisch zur Nahrung dient (s. S. 121, a), oder durch Fäulnis der Fruchthülle ins Freie gelangen. — Dies gilt auch von den oben erwähnten saftigen Sammel- und Schein- früchten, die in dieser Übersicht unberücksichtigt geblieben sind, I. Besteht die Fruchtwand aus einer häutigen Außen- und einer saftigen Innen- schicht, so bezeichnet man die Frucht als Beere (Weinbeere u. a... Auch Kürbis, Apfelsine und Zitrone rechnet man zu den Beeren, II. Ist die Fruchtwand aus drei Teilen zusammengesetzt: einer äußern häutigen, einer mittlern fleischigen und einer innern harten Schicht, so hat man eine Steinfrucht vor sich (Kirsche, Pflaume u. a... Bei der Kokosnuß ist die Mittelschicht faserig. Auch die Walnuß ist eine Steinfrucht. 4. Wie werden die Samen verbreitet? So notwendig es für die Samen ist, aus der (vielsamigen) Frucht heraus zu fallen, so genügt dies für ihr Fortkommen aber noch bei weitem nicht. Wichtig ist für sie vielmehr — wie wir oben gesehen haben —, daß sie über einen möglichst weiten Bezirk verstreut werden. Eine solehe Aussaat vermag die 1) karyon, Nuß und öpsis, Aussehen. 2) a-, Verneinung und chaino, ich öffne mich (Frucht, die sich nicht öffnet). Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 33 514 Bau und Leben der Frucht und des Samens. Pflanze, die der Ortsbewegung entbehrt, jedoch nur ausnahmsweise allein zu bewirken. In der Regel ist sie nur durch fremde Kräfte möglich, mit deren Hilfe die Samen oft weite Reisen über Länder und Meere aus- führen, nämlich durch das fließende oder strömende Wasser, den Wind, oder durch Tiere und Menschen. I. Die Samen werden mit Gewalt aus den Früchten geschleudert, wie wir dies bei Veilchen, Reiherschnabel (Teilfrüchtchen!), Besenginster u. v. a. gesehen haben. II. Fließendes oder strömendes Wasser besorgt die Verbreitung der Samen oder Früchte. Flüsse und Bäche führen, besonders wenn sie aus ihren Ufern treten, zahlreiche Samen und Früchte mit fort, die an oft weit entfernten Orten wieder landen (Gebirgspflanzen in der Ebene). Ein Gleiches wird an Meeresströmungen beobachtet. Beim Mauerpfeffer öffnen sich die Früchte nur bei Regenwetter, so daß die Samen leicht in Ritzen und Lücken des Bodens gespült werden, und bei zahlreichen Wasser- und Sumpfpflanzen (Seerose, Wasserschwertlilie u. a.) treffen wir schwimm- fähige Samen an. III. Der Wind verweht Samen oder Früchte (Schließfrüchte oder Teile won Spaltfrüchten, ausnahmsweise auch ganze Fruchtstände). Die für diese Art der Ver- breitung geschaffenen Einrichtungen sind außerordentlich mannigfaltig: a) Die Samen werden durch den Wind aus den geöffneten Früchten geschleudert. Die Stengel oder Fruchtstiele dieser Pflanzen sind feste und elastische Gebilde. Die ganze Einrichtung stellt also eine Schleuder einfachster Art dar (Mohn, Schlüssel- blume u. v. a.). b) Die Samen sind (gleich den Sporen) staubförmig klein (Orchis). c) Die schwimmfähigen Samen und Früchte werden auf stehenden Gewässern durch den Wind wie Schiffe fortgetrieben (s. oben). d) Die Samen und Früchte sind mit verschiedenartigen Haarbildungen ausge- rüstet. Während die Haare beim Rohrkolben am Fruchtstiele entspringen, gehen sie beim Wollgrase aus der Blütenhülle und bei der Kuhschelle aus dem Griffel hervor. Zumeist aber finden sie sich an den Früchten (Löwenzahn u. a.) oder an den Samen selbst (Weide u. a.). e) Die Samen, Früchte oder Fruchtstände besitzenFlugeinrichtungen andrer und zwar sehr verschiedener Art. Solche Flügel entwickeln sich aus dem Hüll- blatte (Fruchtstände der Linde), aus dem Kelche (Grasnelke) oder aus der Blumen- krone (Wiesenklee). Sie entspringen an der Frucht (Ahorn) oder haften dem Samen an (Kiefer). IV. Die Verbreitung der Samen und Früchte erfolgt durch Tiere und Menschen. a) In anhaftenden Erd- und Schlammteilchen (gelegentlich auch in Wasser- tropfen) werden Samen und Früchte an den Füßen des Menschen oder zahlreicher Tiere, besonders der Wasservögel verschleppt. b) Durch menschliche Verkehrsmittel findet fortgesetzt eine beabsichtigte (Kulturpflanzen) oder unbeabsichtigte Verbreitung statt. In Hafenorten, an Eisenbahn- dämmen u. dgl. siedeln sich viele ausländische Pflanzen an. c) Die Pflanzen bilden Vorrichtungen aus, durch die ihre Samen oder Früchte Tieren (Menschen) angeheftet werden. Dieses Anheften geschieht entweder durch Klebstoffe (Mistelbeeren), oder durch hakige bezw. mit Widerhaken besetzte Borsten. Solche Hakenborsten finden sich am Deckblatte (Granne vieler Gräser), am Blütenboden (Odermennig), am Hüllkelche (Klette), am Griffel (Gem. Nelkenwurz) oder an der Fruchthülle (zahlreiche Doldenpflanzen). d) Tiere, namentlich Vögel, werden zu Verbreitern der Pflanzen, indem sie die saftigen, fleischigen Frucht- oder Samenteile verzehren. Durch auffallende Färbung Bau und Leben der Frucht und des Samens. 515 oder angenehmen Duft der Früchte, oder durch beide Mittel zugleich werden die Ver- breiter vielfach angelockt. Da die Samen durch feste Hüllen (Samenhülle oder bei den Steinfrüchten innere Schicht der Fruchthülle) geschützt sind, werden sie von den Ver- dauungssäften der Tiere nicht zerstört. (Pflanzen, die nicht auf die Verbreitung der Tiere angewiesen sind, besitzen niemals saftige Früchte.) Die genießbaren Teile werden geliefert von der Achse und den Deckblättern des Blütenstandes (Ananas), vom Blütenboden (Apfelfrucht, Erdbeere, Hagebutte, Feige), von der Blütenhülle (Maulbeere), von der Fruchthülle (Steinfrüchte, Beeren), vom Samenmantel (Pfaffenhütchen, Muskatnuß, Eibe), vom Samenanhange (Veilchen, Schellkraut u. a... — Haselnuß, Buchecker, Eichel, Walnuß u. a. werden durch Tiere verschleppt, denen die wohlschmeckenden Kerne zur Nahrung dienen. 5. Wie entwickelt sich aus dem Samen die junge Pflanze? Hat der Same seine Wanderung beendet, und findet er an dem Orte, an den ihn der Zufall getragen hat, die nötige Feuchtigkeit, Wärme und Luft (Sauerstoff zur Atmung!), so erwacht er aus dem Ruhezustande: er beginnt zu keimen. Wie dies im einzelnen vor sich geht, haben wir bei der Bohne und dem Roggenkorne genau verfolgt. Auch daß es für den Samen von größter Wichtigkeit ist, hierbei am Boden fest ver- ankert zu sein, haben wir mehrfach gesehen. Auf S. 475, D haben wir uns auch die mannigfachen Mittel ins Gedächtnis zurück gerufen, durch die die Samen hierzu befähigt sind, und die wir bei der Betrachtung der einzelnen Pflanzen kennen gelernt haben. Findet nun auch die Keimpflanze die zum Gedeihen notwendigen Bedingungen und geht sie aus dem Kampfe, den sie mit tierischen und pflanzlichen Feinden (Schmarotzern), besonders aber mit den Nachbarn um Boden, Wasser, Luft und Licht bestehen muß, siegreich hervor, so entwickelt sie sich weiter und ist nach einer gewissen Zeit selbst befähigt, die Erhaltung ihrer Art fortzuführen. Anhang. 1. Über Pflanzensysteme. 1. Die Art. Es ist eine jedermann bekannte Tatsache, daß die Nachkommen einer Pflanze (oder eines Tieres) ihrer Mutter im hohen Grade ähnlich sind, wenn sie auch von ihr, ebenso wie untereinander, in verschiedenen nebensächlichen Merkmalen (in der Größe der Blätter, der Färbung der Blüte u. dgl.) etwas abweichen. So sind z. B. die Pflanzen, die aus dem Samen der Gemüsebohne hervorgehen, stets wieder Gemüsebohnen. Eine gleiche Übereinstimmung wie zwischen der Mutter- - pflanze und ihren Nachkommen findet man auch zwischen allen Einzel- wesen (Individuen) der Gemüsebohne, wann und wo man sie auch beobachten mag. Pflanzen, die untereinander so große Über- einstimmung zeigen wie die Mutterpflanze und ihre Nachkom- men, faßt man zu einer Art (Spezies) zusammen. Die in unserm Beispiele berücksichtigten Pflanzen gehören also der Art „Gemüsebohne“ (Phaseolus vulgaris) an. Wie zwischen der Mutterpflanze und ihren Nachkommen keine voll- kommene Übereinstimmung herrscht, so fehlt eine solche auch zwischen allen zu einer Art gehörigen Gliedern. Die Unterschiede zwischen diesen Pflanzen sind jedoch nicht so groß, daß man sie als verschiedene Arten ansehen könnte. Erreichen sie aber doch einen gewissen Grad, dann redet man von Abarten, Spielarten (Varietäten), Formen u. dgl. 2. Die Gattung. Durchmustert man die Pflanzenwelt, so wird man in der Feuerbohne (Phaseolus multiflorus) bald eine zweite Pflanzenart finden, die mit der Gemüsebohne in allen wesentlichen Merkmalen (be- sonders im Bau der Blüte und der Frucht) übereinstimmt. Beide nahe „verwandte“ Arten faßt man zu einer Gattung zusammen, die man als „Bohne“ (Phaseolus) bezeichnet. 3. Benennung. Auf dieser Einteilung in Gattungen und Arten be- ruhen auch die Doppelnamen, die die Pflanzen (Tiere) in wissenschaft- lichen Werken führen. So wird die Gemüsebohne Phaseolus vulgaris (d. i. gemeine Bohne) und die Feuerbohne Phaseolus multiflorus (d. i. vielblütige Bohne) genannt. Während das erste Wort des botanischen Namens die Gattung angibt, zu der eine Pflanze zählt (Phaseolus), ist das ‚zweite (vulgaris bezw. multiflorus) die Bezeichnung der Art. Da die Volksnamen der Pflanzen in den verschiedenen Gegenden vielfach verschieden sind (man denke nur an den Löwenzahn, der Pflanzensysteme. 5,7 auch Butterblume, Speckblume, Kettenblume, Pfaffenröhrlein, Ringel- blume, Pustblume, Sonnenblume u. dgl. genannt wird!), und da mehrere Pflanzen in verschiedenen Landesteilen denselben Namen führen — welche Pflanzen werden z. B. nicht alle als Kuhblume bezeichnet! —, so wären bei Anwendung dieser Namen Verwechslungen unausbleiblich. Völlig unmöglich wäre es aber für einen Botaniker, sich alle die Volksnamen zu merken, die einer Pflanze von den verschiedenen Völkern zugelegt worden sind. Darum hat die Wissenschaft den Pflanzen (Tieren) ganz bestimmte Namen gegeben, die zumeist der griechischen oder lateinischen Sprache entlehnt sind und auf der ganzen Erde Gültigkeit besitzen. 4. Das System. Mehrere nahe „verwandte“ Gattungen werden wieder zu einer Familie, mehrere Familien wieder zu größern Abteilungen zu- sammengefaßt usf. Auf diese Weise gewinnt man schließlich eine Anordnung aller Pflanzen nach ihrer Verwandtschaft oder kurz ein Pflanzensystem. So bilden nach dem Systeme, das diesem Buche zugrunde gelegt ist, die Gattungen Bohne, Erbse, Wicke, Klee usw. die Familie der Schmetterlingsblütler; die Familien der Schmetterlings- und Kreuzblütler, der Hahnenfuß- und Dolden- gewächse usw. die Reihe der getrenntblumenblättrigen Pflanzen; die Reihen der getrenntblumenblättrigen und verwachsenblumenblättrigen Pflanzen die Unterklasse der zweikeimblättrigen Pflanzen; die Unterklassen der zweikeim- und einkeimblättrigen Pflanzen die Klasse der be- decktsamigen Pflanzen; die Klassen der bedeckt- und nacktsamigen Pflanzen die Abteilung der Samen- pflanzen; die Abteilungen der Samen- und Sporenpflanzen das Pflanzenreich. Pflanzensysteme sind nun in sehr großer Zahl aufgestellt worden. Je nachdem man bei der Gruppierung der Gewächse nur einige Merkmale oder den gesammten innern oder äußern Bau berücksichtigt, je nachdem erhält man Systeme von sehr verschiedenem Werte. Systeme der erstern Art bezeichnet man als künstliche. Die andern dagegen sind natür- liche; denn sie wollen nicht nur einen bequemen Überblick über den Reichtum der Pflanzenwelt schaffen, sondern zugleich die verwandtschaft- lichen Beziehungen, die die Pflanzen untereinander verknüpfen, zum Aus- druck bringen. 5. Das künstliche System Linnes. Von den zahlreichen künstlichen Systemen ist das von dem berühmten schwedischen Naturforscher Linn im Jahre 1735 aufgestellte bis in die Gegenwart von einer gewissen Be- deutung geblieben. Es dient nämlich heute noch vielfach als bequemes Mittel, Pflanzen zu „bestimmen“, d. h. ihre Stellung im natürlichen Systeme aufzufinden. Linne gründete die Einteilung der Gewächse auf das Vorhandensein, die Anzahl und die Einfügung der Staub- und Frucht- blätter und unterschied in folgender Weise 24 Klassen, die er wieder in Ordnungen einteilte: 518 Pflanzensysteme. A. Blütenpflanzen. (Kl. 1—23.) I. Blüten enthalten Staubblätter und Stempel (Zwitterblüten). (Kl. 1—20.) a) St 9 [=] 1. Staubblätter frei. (Kl. 1—15.) aubblätter meist von gleicher Länge (niemals 2 kürzere oder oder 4 längere; s. Klasse 14 u. 15). (Kl. 1—13.) 1. Klasse 1 Staubblatt (Tannenwede)). 2. 2 Staubblätter (Ehrenpreis, Salbei, Flieder). 3) 3 a (die meisten Gräser, Schwertlilie). 4. 4 P (Wegerich, Pfaffenhütlein, Skabiose). 5. 5 A (Rauhblatt-, Veilchen-, Doldengewächse). 6. 6 . (viele Liliengewächse, Narzissengewächse). T. 7 & (Roßkastanie, rote Kastanie). 8. 8 “ (Heidekräuter, Heidelbeere, Nachtkerze). 2} 9,72 (Schwanenblume). 10,95; 10 r (Nelken, Storchschnabel, Steinbrech). dans: a 20m (Weiderich, Odermennig, Reseda). 12. mehr als 20 Staubblätter, dem obern Rande des becher- oder krug- förmjgen Blütenbodens (scheinbar dem Kelchrande) eingefügt (Rosen- gewächse). Ines, mehr als 20 Staubblätter, einem Blütenboden eingefügt, der weder Becher- noch Krugform besitzt (Hahnenfußgewächse). b) Staubblätter nicht von gleicher Länge. (Kl. 14 und 15). 14. Klasse 2 längere und 2 kürzere Staubblätter (die meisten Lippen- und Rachenblütler). 15 es 4 längere und 2 kürzere Staubblätter (Kreuzblütler). 2. Staubblätter verwachsen. (Ki. 16—20.) 16. Klasse Staubfäden zu 1 Bündel verwachsen (Storchschnabel- und Malven- gewächse). Id. & = „ 2 Bündeln verwachsen (die meisten Schmetterlings- blütler). 18. e „ 8 oder mehr Bündeln verwachsen (Tüpfel-Hartheu). 192; Staubbeutel zu einer Röhre verwachsen (Korbblütler). 20. Staubblätter und Stempel verwachsen (Knabenkrautgewächse). ” II. Blüten enthalten entweder Staubblätter, oder Stempel (sind eingeschlechtlich). (Kl. 21-24.) 21. Klasse Staub- und Stempelblüten auf derselben Pflanze (einhäusige Pflanzen: 22. 23. viele Kätzchenblütler, Kürbis). Staub- und Stempelblüten auf verschiedenen Pflanzen (zweihäusige Pflanzen: Weiden, Pappeln). Mit Zwitter- und eingeschlechtlichen Blüten (Esche). B. Blütenlose Pflanzen: gehören alle zur 24. Klasse. (Farnpflanzen, Moose, Algen, Pilze, Flechten.) Pflanzensysteme. Geographische Verbreitung der Pflanzen. 519 6. Die natürlichen Systeme. Wir haben bei unsern Betrachtungen über den Bau und das Leben der Pflanze eine ganze Anzahl natürlicher Gruppen kennen gelernt (Zell- und Gefäßpflanzen; Samen- und Sporen- pflanzen; bedecktsamige und nacktsamige Pflanzen usw.). Diese Einteilung ist, so einfach, ja selbstverständlich sie uns jetzt erscheint, das Ergebnis einer mehr als hundertjährigen Arbeit zahlreicher Forscher. Den ersten Versuch, die Pflanzen nach ihrer natürlichen Verwandt- schaft zu ordnen, unternahm der französische Botaniker de Jussieu (1789). Als Haupteinteilungsgrund diente ihm die Anzahl der Keimblätter (keim- blattlose, ein- und zweikeimblättrige Pflanzen). Das schon wesentlich verbesserte System des Greenfer Professors Decandolle (1813) gründete sich in seinen Hauptabteilungen bereits auf den innern Bau (Zell- und Gefäßpflanzen). Nach diesen Männern sind zahlreiche Forscher bestrebt gewesen, uns immer tiefere Einblicke in die natürliche Verwandtschaft der Pflanzen zu eröffnen. Das diesem Buche zugrunde gelegte System, das dem gegenwärtigen Stande unsrer Kenntnis des Pflanzenreiches ent- sprieht und auf S. XI bis XV eine übersichtliche Darstellung erfahren hat, ist das von Braun aufgestellte, von Eichler, Engler, Wettstein u. a. ausgebaute, natürliche System. 2. Über die geographische Verbreitung der Pflanzen. A. Auf jedem Gange durch die freie Natur sehen wir, daß andre Pflanzen im Waldesschatten gedeihen als auf offnem Felde, andre am plätschernden Bache als auf sonndurchglühter Heide, andre im stillen Tale als auf sturmgepeitschter Höhe usw. Die Beschaffenheit des Bodens, sowie Wärme, Licht und Feuchtigkeit bedingen — wie uns zahlreiche Beispiele gelehrt haben — in erster Linie diese Verschiedenheit. Durchwandern wir einen größern Bezirk unsres Vaterlandes, oder treten wir aus der Ebene in das Gebirge ein, so beobachten wir einen noch viel größern Wechsel. Am deutlichsten tritt er uns entgegen, wenn wir einen hohen Berg, vielleicht gar einen solchen der Alpen, besteigen: Am Fuße des Berges reift der Weinstock seine Trauben; weiter oben nimmt uns der Laubwald auf; darüber folgt Nadelwald; die Bäume werden, je höher wir kommen, um so zwerghafter und machen nach und nach dem Krummholze Platz; in noch höherer Lage beginnen die Blütenpflanzen immer mehr zu verschwinden, um schließlich Flechten und Moosen die Herrschaft zu überlassen. Die höchste Spitze des Berges (Alpen!) ist jahraus, jahrein mit Schnee und Eis bedeckt, entbehrt daher auch allen Pflanzenlebens. (Vgl., wie diese Aufeinanderfolge der Pflanzen mit ihrer Verteilung über die Erdoberfläche, oder kurz: wie die senkrechte und wagerechte Verbreitung der Pflanzen übereinstimmen!) Reisen wir in ein fremdes Land, so tritt uns daselbst meist eine vollkommen fremdartige Pflanzenwelt entgegen. Je mehr wir uns dem 520 Geographische Verbreitung der Pflanzen. Pole nähern, desto dürftiger wird der Pflanzenwuchs, um wie auf dem Gipfel des Alpenberges endlich ganz aufzuhören. Lenken wir unsre Schritte aber nach Süden, so beobachten wir das Gegenteil: In den son- nigen Ländern um das Mittelmeer treffen wir auf Orange, Zitrone, Olive und Feige; je näher wir dem Äquator kommen, desto häufiger werden die stolzen Gestalten der Palmen; tropischer Urwald mit einer Fülle fremder Formen und einem ungeahnten Reichtum an Blüten und. Farben bedeckt weithin den Boden, und in den öden Wüsten und Steppen treten uns in der Gesellschaft andrer Trockenlandgewächse seltsame Fettpflanzen (s. S. 43) entgegen; kurz: die Pflanzendecke der Erde zeigt in den einzelnen Ländern, Erdteilen und Zonen oft außerordentliche Verschiedenheit. B. Wie unsre kurze Betrachtung schon zeigt, ist diese Verschieden- heit in erster Linie durch das Klima, also durch Wärme und Feuch- tigkeit bedingt. Da sich jedoch in Ländern mit demselben oder mit ähnlichem Klima, z. B. im Mittelmeergebiete und im Kaplande, durchaus nicht immer dieselben Pflanzenarten, Gattungen und Familien finden, kann das Klima auch nicht allein ausschlaggebend sein. Eine wichtige Rolle spielen bei der Verbreitung der Pflanzen über den Erdball die Veränderungen, die das einzelne Gebiet in frühern Zeiträumen erfahren hat. So sind z. B. aus der Eiszeit, in der ein großer Teil Mitteleuropas von gewaltigen Gletschern bedeckt war, zahl- reiche Pflanzen erhalten geblieben, die wir heute noch auf den höchsten Erhebungen unsrer Mittelgebirge, sowie in den Alpen antreffen. Ein andrer Umstand, der hierbei beachtet werden muß, ist die Ver- breitungsfähigkeit der Pflanzen. So haben wir z. B. gesehen, daß das kanadische Berufskraut und die Wasserpest sich bei uns vollkommen heimisch gemacht haben, daß das Frühlings-Kreuzkraut infolge der vor- trefflichen Flugausrüstung seiner Früchte immer weiter nach Westen vordrinst, daß die Verbreitung des Pfaffenhütleins mit der des Rot- kehlchens aufs genaueste zusammenfällt usw. Endlich ist auch der Einfluß, den der Mensch auf die Natur ausubt, für die Zusammensetzung der Pflanzenwelt in den einzelnen Bezirken von größter Wichtiekeit: Aus fernen Zonen und Ländern führt er zahlreiche Kulturpflanzen ein, die die heimischen Gewächse vielfach verdrängen. Man denke nur an die riesigen Flächen, die z. B. mit Ge- treide bestellt, und auf denen die „eingebornen“ Unkräuter nach Kräften unterdrückt werden. Mehrere der angebauten Pflanzen entziehen sich der Pflege der Menschen wieder: sie verwildern und machen genau den Eindruck, als ob sie seit uralten Zeiten Glieder der heimischen Pflanzen- welt wären (Nachtkerze). Durch den Verkehr werden ferner zahlreiche andre Pflanzen von Land zu Land, ja sogar von Erdteil zu Erdteil ver- schleppt. Am klarsten zeigt sich aber die umgestaltende Rolle, die der „Herr der Erde“ spielt, wenn er Wälder ausrodet, Moore entwässert, Sumpfgebiete trocken legt, öde Landstriche bewässert u. dgl. mehr. Geographische Verbreitung der I’flanzen. 591 C. Die Gesamtheit der Pflanzen, die einen bestimmten Bezirk (z. B. Deutschland oder die Schweiz) bewohnen, bezeichnet man als dessen Flora. Weicht die Pflanzenwelt eines Gebietes von der eines andern wesentlich ab, so hat man zwei verschiedene Pflanzen- oder Floren- gebiete vor sich.') 1. Das arktische Gebiet umfaßt alles Land, das ungefähr vom nördlichen Polarkreise umschlossen wird. In Nordamerika reicht es jedoch bis über den 60° nach Süden hinab. Da in diesem Gebiete nur ein etwa dreimonatlicher Sommer herrscht, vermögen einjährige Pflanzen ihre Samen nicht zu reifen; sie fehlen daher. Die aus- dauernden Gewächse bleiben, da sie in der kurzen Zeit nur wenig Baustoff erzeugen können, niedrig, schmiegen sich als Schutz gegen die eisigen Winde dem Boden an oder ziehen sich (Stauden) während des langen Winters ganz in den Boden zurück. Auf weiten Flächen, den Tundren, sind Flechten und Moose die herrschenden Pflanzen. Kulturgewächse fehlen. 2. Das europäisch-sibirische Waldgebiet erstreckt sich über alle Länder Euröpas bis fast zum Mittelmeere, sowie über Sibirien mit Ausnahme des nördlichen Teiles. Die Sommer sind mäßig warm. Im Winter findet eine Unterbrechung des Pflanzenlebens statt (Laubfall usw... Im Norden und Osten breiten sich besonders Nadelwälder, in den andern Teilen Laubwälder aus. Wiesen, Heiden und Torfmoore bedecken weite Flächen. Kulturpflanzen: Getreide, Kartoffel, Obstbäume, z. T. auch der Weinstock. 3. Das Mittelmeergebiet wird von den Ländern gebildet, die an das NMittel- meer grenzen. Besonders lederartiges Laub und dichte Behaarung sind den hier wachsenden Pflanzen Schutzmittel gegen die Dürre des langen Sommers. Da die Winter mild sind, findet meist kein Laubfall wie in unsern Gegenden statt. Die Laub- bäume sind daher vielfach immergrün: Ölbaum, Lorbeer, Oleander, Granatbaum, Johannis- brotbaum, Myrte, immergrüne Eichen. Nadelhölzer sind Pinie und Zypresse; heimisch ist hier auch die Zwergpalme. Kulturgewächse sind außer den genannten: Zitrone Orange, Feige, Kastanie, Korkeiche, Maulbeerbaum, Weizen, Mais, z. T. auch der Reis. 4. Das innerasiatische Steppengebiet umfaßt Turkestan, Tibet und die Mongolei. Das Klima ist ausgeprägt kontinental: heiße, trockne Sommer wechseln mit strengen Wintern ab. Daher ist fast das ganze Gebiet Steppen- und Wüstenland. Die Grassteppen ergrünen nach den Frühlingsregen sehr schnell, und zahlreiche Zwiebel- und Knollengewächse (s. Tulpe) brechen aus dem Boden hervor. Die ausdauernden Pflanzen, die sich wie diese Gewächse nicht in die Erde zurückziehen können, haben als Schutz gegen die Sommerdürre starre, feste Blätter, oder sind fast oder gänzlich blattlos.. Salzsteppen überziehen weite Bezirke. An Flüssen und da, wo künstliche Bewässerung stattfindet (z. B. in Mesopotamien), gedeihen Reis, Weizen, Baumwolle, Dattelpalme, Kürbisgewächse. 5. Im chinesisch-japanischen Gebiete herrschen — je nach der mehr süd- lichen oder nördlichen Lage der einzelnen Landschaften — heiße oder warme Sommer und milde oder strenge Winter. Pflanzen, die den tropischen, mittelländischen und unsern heimischen Gewächsen gleichen, kommen daher vielfach nebeneinander vor. Da die Niederschläge regelmäßig und reichlich erfolgen, ist der Ackerbau hoch entwickelt. Kulturpflanzen: Tee, Reis, Weizen, Zuckerrohr, Baumwolle, Indigo, Orangen, Zitronen weißer Maulbeerbaum, Palmfarne. 6, Das indische Gebiet erstreckt sich über Vorder- und Hinterindien, sowie über die dazu gehörigen Inseln. Das (meist) feuchtheiße Klima hat eine Pflanzenwelt von größter Üppigkeit hervorgerufen. Weite Strecken sind mit diehtem Urwalde be- deckt, der aus den verschiedensten Baumarten zusammengesetzt und von Schling- gewächsen (Rotangpalmen u. a.) durchflochten ist. Die Flußläufe sind von undurch- 1) Angeführt sind in der folgenden Übersicht nur die Pflanzen, die in dem Buche berück- sichtigt wurden. 522 Geographische Verbreitung der Pflanzen. dringlichem Sumpfwalde, den Dschungeln, begleitet (Bambusgewächse u. a.) und die Küsten von Mangrovewäldern umsäumt. Kulturgewächse (die hier zum größten Teile heimisch sind): Reis, Mais, Weizen, Zuckerrohr, Kaffee, Mohn, Baumwolle, Indigo, Pfeffer, Zimmet, Muskatnuß, Ingwer, Gewürznelken, Kakao, Sagopalme, Banane, Bam- bus, Guttapercha u. a. 7. Die Sahara ist sehr heiß und fast regenlos. - Weite Flächen sind daher ohne jeden Pflanzenwuchs. Die an andern Stellen auftretenden Gewächse zeigen alle Merk- male ausgeprägter Ödlandpflanzen (tiefgehende Wurzeln, kleine, dichtbehaarte Blätter u.dgl.). Nur da, wo ein Quell den Boden durchbricht (Oasen), können Kulturpflanzen angebaut werden, unter denen die hier heimische Dattelpalme die Hauptrolle spielt. 8. Das Sudangebiet ist im Westen meist heiß und feucht. Daher finden sich hier große Urwälder (Kamerun!). Sonst ist das Land heiß und trocken und dem- entsprechend vorwiegend Steppe. Heimisch sind in dem Gebiete: Kaffee, Ölpalme, Affenbrotbaum, Wunderbaum (Rizinus), Papierstaude, kaktusähnliche Wolfsmilcharten. Angebaut werden neben der Ölpalme fast alle Kulturgewächse Indiens. 9. Das Kalaharigebiet hat infolge seines trocknen, heißen Klimas Wüsten- charakter. Dornige Sträucher, Akazien und Zwiebelgewächse (s. S. 521, 4) sind die vor- herrschenden Pflanzen. 10. Das Kapgebiet: Das Land an den Küsten ist warm und feucht. Hier ge- deihen daher dieselben Nutzpflanzen wie in Mittel- und Südeuropa. Das Innere des Landes ist regenarm, daher zumeist Steppe. Hier finden sich besonders Heidekräuter, Alo@arten, -Zwiebelgewächse, kaktusartige Wolfsmilchgewächse und die S. 508 erwähn- ten Aasblumen. 11. Australien hat am Nordrande tropisches, im Süden Mittelmeerklima. Die Kulturpflanzen sind daher auch die tropischen oder südeuropäischen. Die zwischen beiden Bezirken liegende Hauptmasse des Erdteiles ist heiß und trocken, daher vor- wiegend Wüste und Steppe. Die lichten „Buschwälder“ werden besonders von Euka- Iyptusbäumen gebildet. Die tropischen Urwälder sind reich an Baum- und Palmfarnen, 12. Das nordamerikanische Waldgebiet reicht von der Grenze des arkti- schen Gebietes bis nach Florida und zur Mündung des Mississipi. Das Klima entspricht dem des europäisch-sibirischen Gebietes. Im Norden finden sich unermeßliche Nadel- wälder, im Süden winterkahle Laubwälder und im südlichsten Teile immergrüne Laub- bäume und tropische Pflanzen. Im Norden gedeihen die Kulturpflanzen Europas, im Süden Reis, Mais, Zuckerrohr, Baumwolle, Tabak. 13. Das kalifornische Küstengebiet entspricht etwa dem Mittelmeergebiete. Es besitzt gleichfalls zahlreiche immergrüne Laubhölzer. Die Kulturgewächse sind die jenes Gebietes. 14. Das Präriegebiet breitet sich westlich vom Mississippi aus. Heiße, trockne Sommer wechseln mit strengen Wintern ab. Daher gibt es hier wie an andern ähn- lichen Stellen der Erde weite, baumlose Grassteppen, die Prärien. Im Nordwesten finden sich zahlreiche Salzwüsten; im Süden bilden Kaktusarten und Agaven wichtige Bestandteile der Pflanzenwelt. 15. Im mexikanischen Gebiete herrschen sehr verschiedene Verhältnisse: Am Golf von Mexiko sind unter dem Einflusse tropischen Klimas auch Tropenwälder ent- standen. Außer den einheimischen Nutzpflanzen, der Vanille und der Ananas, werden hier alle andern Kulturpflanzen der Tropen angebaut. — Das Hochland ist vielfach wüstenartig. Daher finden sich hier Kaktusarten und Agaven, beides ausgesprochene Trockenlandpflanzen. Kultiviert werden Agaven, Feigenkaktus, Ölbaum, Weinstock u. a. — Am Stillen Ozean sind zahlreiche tropische Urwälder anzutreffen. 16. Westindien hat ein feuchtheißes Klima und demzufolge einen überaus üppigen Pflanzenwuchs. Angebaut werden alle tropischen Kulturpflanzen. Der Nelkenpfeffer- baum ist hier heimisch. 17. Das Orinokogebiet zeigt am Rande die Verhältnisse Westindiens. Das Innere ist heiß und trocken, wird daher vorwiegend von Savannen (Ljanos) mit geringem Baumwuchse eingenommen. ; D £ ? # 5V ZEveps EEE NT u ee )y Wa Geographische Verbreitung der Pflanzen. 523 18. Das Gebiet des Amazonenstromes ist feuchtheiß und wird an Üppigkeit des Pflanzenwuchses von keinem andern Bezirke übertroffen. In den unermeßlichen Ur- wäldern (und z. T. auch in denen der Nachbargebiete) sind der Kakao-, Mahagoni- und Cedrelabaum, sowie verschiedene Arten der Kautschukbäume heimisch, 19. Das brasilianische Gebiet umfaßt Brasilien südlich des Amazonenstrom- gebietes. Der heiße und feuchte östliche Teil ist mit üppigem Urwalde bedeckt. In dem heißen und trocknen Westen dagegen haben sich weite Savannen gebildet. Hier finden sich auch jene merkwürdigen Wälder (Catingas), deren Bäume im Sommer das Laub abwerfen (Schutz gegen das Vertrocknen!). Angebaut werden zahlreiche Tropen- gewächse, besonders Kaffee, 20. Das Gebiet der tropischen Anden von Südamerika. Der Westabhang der Anden ist heiß und wasserarm. Hier ist wahrscheinlich die Heimat der Kartoffel und der Bohne zu suchen. Auf den höhern Teilen des Gebirges sind die Fieberrinden- bäume zu Hause. Am Östabhange gedeihen in feuchtheißem Klima alle Kulturpflanzen ‘ der Tropen. 21. Das Pampasgebiet ist heiß und trocken, daher vorwiegend Grassteppe mit geringem Baumwuchse. 22. Das Gebiet von Chile. Das Klima ist ähnlich wie das der Mittelmeer- länder. Da die Trockenzeit aber länger als ein halbes Jahr währt, ist Chile ein baum- ‚armes Land. In wohlbewässerten Teilen gedeihen die Kulturgewächse des Mittelmeer- gebietes. Hier ist auch die Fuchsia heimisch. 23. Das antarktische Gebiet umfaßt Süd-Chile und das Feuerland. Im warmen, nördlichen Teile finden sich immergrüne Laubwälder und gedeihen alle mitteleuropäischen Kulturpflanzen; der mittlere Teil ist besonders reich an Buchenwäldern, der südliche dagegen ist von öden Tundren (s. S. 521, 1) bedeckt. Aasblumen 508. | Abies 345. Ableger, 38. 499. Abweichende Sproß- formen 478. \ Acacia 60. | Acanthus 216. Acer 114. Aceraceae 114. Achäne 249. 513. Achillea 254. Ackergänseldistel 260. Ackergauchheil 186. Ackerhornkraut 43. Ackerkratzdistel 258. Ackerkrummhals 200. Ackerrettich 79. Ackerschachtelhalm 360. Ackersenf 79. Ackerskabiose 234. Ackerspark 43. | Ackersteinsame 200. Ackerwinde 192. | Aconitum 59. Acorus 292. | Adansonia 98. Adlerfarn 359. Aegopodium 171. | Aesculus 108. Aethusa 170. Affenbrotbaum 98. Agave 318. Agrimonia 143. | Agropyrum 231. | Agrostemma 40. | Agrostis 285. Ahlkirsche 136. Ahorn 114. Ahorngewächse 114. Ährchen 268. Ähre 268. 504. | Ährengräser 231. Ährenrispengräser 282. | Absenker | | | Namen- und Sachverzeichnis. Ailanthus 108. Aira 285. Aiuga 206. Akazie, echte 160. falsche 155. Akelei 59. ‚ Alchemilla 143. Alectorolophus 213. | Algae 376. ı Algen 376. Algenpilze 402, Alısma 288. | Alısmaceae 287. | Alkaloide 454. Alkohol 122. | Alliaria 79. Allium 306. Alnus 9. Alo& 307. Alopecurus 282. ' Alpenheide 179. ' Alpenrosen 180. Alpenveilchen 187. \ Alsineae 42. Alsophila 359. Althaea 96. Amanita 393. Amaryllidaceae 313. ı Amaryllis 318. Ammophila 282. Amoebenbewegung 422. Ampelopsis 123. Ampferarten 46. | Anagallis 186. Ananas 319. Anchusa 200. Anemone 53. Anethum 169. Angiospermae ]. Anis 169. Antheridium 356. Anthoxanthum 282. Anthriscus 169. Antirrhinum 210. Apfelbaum 133. Apfelsäure 453. Apfelsine 107. Apium 169. Aprikose 135. Apothecien 416. Aquilegia 59. Araceae 289. Araliaceae 171. Archegonium 356. Arcyria 414. Aristolochia 70. Armeria 187. Armillaria 394. Armleuchtergew. 3837. Arnica 254. Arongewächse 289. Aronstab 289. Arrak 276. Arrhenatherum 285. Artemisia 255. Artocarpus 28. Art der Pflanzen Asarum 71. Ascomycetes 396. Asparageae 309. Asparagus 311. Asperula 229. Aspidium 351. Asplenium 358. Assimilation d. Koh- lenstoffes 440. — der Nährsalze 439. — der Nährstoffe 438. Aster 253. Astflechten 417. Astmoose 375. Ätherische Öle 454. Atemwurzeln 166. 348. Atmung 456. Atriplex 47. Atropa 224. Atropin 224. Aufspeicherung der Nährstoffe 454. Augentrost 213. Aurikel 185. Ausläufer 87. 217. 478. 498. Avena 274. Azalea 181. Bachbungen- Ehrenpreis 212. Bachnelkenwurz 143. Bakterien 406. Baldrian 233. Baldriangew. 233. Balgfrucht, Balg- kapsel 513. Ballota 206. Balsamine 104. Bambuseae 276. Bambusgräser 276. Banane 323. Bananengewächse 323. Bandgras 286. Baobab 98. Bärenklau 171. Bärenklaue, echte 216. Bärenlauch 306. Bärlappgew. 364. Bartflechten 417. Bartweizen 272. Basidien 389. Basidienpilze 389. Basidiomycetes 388. Basilienkraut 206. Bast 486. Bastarde 19. 140. 185. Batate 194. Batrachium 52. Batrachospermum 356. Bauchpilze 395. Bauerntabak 224. Baum 478. Baumerde 21. Baumfarne 359. Baumöl 190. Baumwolle 97. Baumwollsaatöl 97. Ge Wir ii 20 Zul ann ur nun uk am al Zu Sl er 1a Ba 1 te a a Er 5 7 ] 3 4 2 x 7 : 5 « et RE A E PRr ll a u denn Bazillen 406. Becherflechten 418. Becherfrüchtler 10, Bechersporen 402, Bedecktsamige Pflanzen 1. Beere 513. Beerentang 385. Befruchtung 509. Beifuß 255. Beinwurz 196. Bellis 253. Bengalrose 141. Berberideae 59. Berberis 59. Berberitze 59. 402. Berberitzenrost 59. Bergahorn 116. Bergkiefer 346. Bernstein 334. 351. Bernsteinbäume 351. Berufskraut, kana- disches 255. Berteroa 81. Besenginster 157. Besenkresse 80. Bestäubung 505. Beta 46. Bete 47. Bettlerläuse 254. Betula 8. Betulaceae 1. Bidens 254. Bienensaug 201. Bierhefe 399. Bilsenkraut 226. Bingelkraut 35. Binsengewächse313. | Birke 8. Birkengewächse 1. Birnbaum 129. Birnenrost 402. Birnentang 386. Bisamhyazinthe 303. Bittermandelöl 136. Bittersüß 224. Bitterstoffe 454. Blasenstrauch 155. Blasentang 385. Blatt, Bau u. Leben 432. Blattarten 432. Blattdornen 435. Blätterpilze 393. Blattformen 435. Blattgrün 377. 424. 446. Blatthäutchen 267. Blattkeimer 1. 144. Blattnerven 451. Blattranken 49. 436. | \ Blütenkörbcehen ı Blütenteile 499. | Bohnenkraut 206. ı Borrago 200. ' Braunkohle 351. Namen- und Sachverzeichnis. Blattstellung 437. Blaubeeren 180. Blumen 507. Blumenbinse 2837. Blumenblätter 499. Blumenkohl 78. Blumenkrone 500. Blumenrohr 324. Blüte, Bau u. Leben | 498. Blütenboden 503. Blütengrundriß 503. | Blütenhülle 499. | 245. | 502. | Blütenlose Pflanzen | 351. Blütenpflanzen 1. Blütenscheide 290. Blütenstände 504. Blütenstaubkörner 501. Bocksbart 260. Boehmeria 24. Bohne 143. Boletus 394. Boretsch 200. Borke 463. 493. Borraginaceae 196. Bovist 395. Brandpilze 401. Brassica 72. 77. Braugerste 273. Braunalgen 384. Braunkohl 78. Braunwurz 210. Breehnußbaum 191. Brennessel 22. 24. Brennhaare 22. Briza 285. Brombeere 142. | Bromeliaceae 319. | Bromus 285. | Brotfruchtbaum 28. Brotschimmel 398. Brunella 206. | Brunnenkresse 79. | Brunnen-Lebermoos | 319. | Brutbecher 376. Brutknollen oder -knospen 51. 498. Brutkörperchen 416. | 498. Brutzwiebeln 128. 302. 498. Bryonia 242. Bryophyta 366. Buche 14. Bucheckern 17. Bücheln 17. Buchsbaum 37. Buchweizen 45. Buschbohnen 146. | Buschwindröschen 53. Butomus 287. Butterblume 58. 249. | Buxus 37. Cactaceae 43. Calamites 366. Calamus 296. | Calla 292. Calluna 174. ı Caltha 56. ı Camelina 81. ' Campanula 235. ı Campanulaceae 235. Canna 324. | Cannabis 26. Cannabinaceae 24. Cantharellus 393. Caparis 58. Caprifoliaceae 231. Capsella 81. Capsicum 224. Cardamine 79. | Carduus 258. | Carex 286. Carpinus 9. Carum 169. Caryophyllaceae 37. Castanea 17. Catingas 523. | Cattleya 330. | Cedrela 108. Cedrelabaum' 108. Cedrus 348. Centaurea 256. ' Cerastium 43. Ceratonia 159. Ceratophyllum 66. Cereus 45. | Cetraria 417. Ceylon-Zimtbaum 67. Chaerophyllum 170. Chamaerops 297. Champignon 388. Characeae 387. Cheiranthus 79. Chelidonium 85. Chenopodium 47. Chenopodiaceae 46. Chilisalpeter 409. Chinarindenbaum 229. 525 Cyperus 287. Chinin 229. Chlorophyceae 382. Chlorophyll 377.424. Chondrus 386, Choripetalae 1. | Christbaum 341. ı Christrose 59. ' Christushändchen 324. Chromatin 423. Chromatophoren 421. 424. Chromosomen 423. Chrysanthemum 254. Cichorium 259. Cieuta 170. | Cinchona 229. Cinnamomum 67. | Cirsium 258. Citrullus 242. | Citrus 107. | Cladonia 418. Clavaria 395. Claviceps 397. Clematis 56. Cochenille-Schild- läuse 45. Cochlearia 81. Cocos 292. Coffea 230. Coffein 230. Colchiecum 308. | Colutea 155. Compositae 243. Conjugatae 376. Conium 170, Convallaria 309. Convolvulaceae 192, Convolvulus 192. Corchorus 9. Coriandrum 169. ‚ Cormophyten 431. \ Cornaceae 174. Cornus 174. Coronaria 40. Corydalis 85. | Corylus 1. ı Crassulaceae 123. Crataegus 133. Crocus 322. Crueiferae 72. ı Cucumis 242. Cueurbita 238. Cucurbitaceae 238. Cumarin 229. Cupressus 348. Cupuliferae 10, Cusceuta 194. | Cyane 257. 526 Cyanophyceae 386. | Cycas 349. Cyclamen 187. Cydonia 133. Cynoglossum 200. Cynosurus 282. Cyperaceae 286. Cypripedium 328. Cytisus 157. Dactylis 285. Dahlia 253. Damascener-Rose 141. Daphne 160. Dattelpalme 292. Datura 226. Daucus 166. Delphinium 58. Desinfektionsmittel 412. Desmidiaceae 380. Diagramme 503. Dianthus 37. Diatomaceae 380. Diatomeenerde 382. Dicentra 86. Dickblattgew. 123. Dickenwachstum 487. Dicotyleae 1. 144. Dietydium 414. Digitalin 210. Digitalis 210. Dill 169. Dinkel 272. Dionaea 70. Dipsaceae 233. Dipsacus 234. Disteln 258. Döldcehen 167. 505. Dolde 167. 505. Doldengewächse 166. Domatien 94. Donnerkraut 126. Dornen 129. 478. Dotterblume 56. Dracaena 307. Drachenbäume 307. Drosera 68. Droseraceae 68. Drüsenhaare 464. Drüsenwimpern 68. Due van Thol-Tulpe 300. | Düngemittel 472. Düngung 151. 471. Durchlüftung 450. Dynamit 382. Namen- und Sachverzeichnis. Eberesche 133. Echallium 243. Echium 200. Edeltanne 345. Edelweiß 256. Edle Kastanie 17. Efeu 171. Efeugewächse 171. Efeu-Ehrenpreis 212. Ehrenpreis 212, Eibe 349. Eibengewächse 349. ı Eibisch 96. Eiche 10. Eichengallen 13. \ Eichenrose 12. Eierbovist 39. Eierpilz 393. - Einhäusige Pflanzen 3. 275. 506. Einkeimblätterige Pflanzen 26i. Eisenkraut 208. Eispore 383. Eiweiß 262. Eiweißstoffe 453. Eizelle 510. ' Ekelblume 291. Elaeagnus 190. ı Elaeis 295. Elfenbeinpalmen 296. Elymus 282. Empusa 405. Endivie 259. Endosperm 263. 511. Engelsüß 353. Enziangewächsel88. Epidermis 446. Epilobium 161. ' Epipactis 328. Epiphyten 330. Equisetinae 360. Equisetum 360. Erbse 149. ı Erbsenrost 402. Erdbeere 141. Erdrauch 86. Erdrauchgew. 85. Erica 179. Ericaceae 174. Ericeae 174. Erigeron 255. Eriophorum 237. Erle 9. ‚ Ernährungsgenos- senschaft 416. ' Erodium 100. ' Erophila 81. ı Eryngium 171. Erysiphe 399. Erythraea 190. Esche 189. Eschen-Ahorn 116. Eselswolfsmilch 35. Esparsette 156. | Espe 22. Essigbaum 117. Essiggärung 409. Essigrose 141. ı Estragon 255. ' Eucalyptus 163. Eugenia 163. Eukalyptusbäume 163. Eumycetes 388. Euphorbia 33. Euphorbiaceae 33. Euphrasia 213. Evonymus 116, Fackeldisteln 45. Fächerpalmen 297. Fadenpilze 388. Fadenstäubling 414. Fagus 14. Färberröte 229. Farnartige Pfl. 351. Farne 351. Farbstoffträger 421. 424. Faulbaum 123. 136. Fäulnisbewohner 408. Faulschwamm 366. | Federharz 28. 36. Federharzbaum 36. Feigenbaum 27. Feigendistel 45. | Feigwurz 49. Feldahorn 116. Feldchampignon 388. Feldrittersporn 58. Feldsalat 234. Feldthymian 207. Feldulme 29. Fenchel 169. \ Festuca 285 | Fette 453. Fette Öle 72. 453. Fetthenne 126. Fettkraut 216. Fettpflanzen 43. 47. 318. Feuerbohne 143. Feuerlilie 304. Feuerschwamm 394. Ficaria 48. Fichte 341. ı Fichtenspargel 181. Fieus 27. Fieberrindenbaum 229, Fiederpalmen 297. Filicinae 351. Filzmütze 366. Fingerhut 210. Fingerkraut 142. Flachs 104. Flachsseide 196. Flammendes Herz 86. ' Flaschenbovist 39. Flatterbinse 313. Flatterrüster 29. Flechten 415. Flieder 188. Fliegenpilz 393. Fliegenschimmel 405. | Flockenblume 258. | Flora 521. Florengebiete 521. Flugbrand 402. Flugeinrichtungen 514 Fluorescenz 447. Foeniculum 169. Föhre 332. Fortpflanzung 498. Fragaria 141. Frangula 123. ı Frauenflachs 208. ı Frauenhaar, golde- nes 366. Frauenmantel 143. Frauenschuh 328. Fraxinus 189. Fremdbestäubung 184. Fritillaria 304. 306. ' Froschbiß 288. 5 Froschlaichalge 386. Feldmännertreu 171. | Froschlöffel 288. Froschlöffelgew. 237. Frucht, Bau und Leben 511. Fruchtblätter 502. Fruchtboden 499. Fruchtknoten 502. Frühlinde 93. Frühlingsfinger- kraut 142. Frühlingskreuzkraut 255. Frühlingskrokus 322. Frühlingsplatterbse 155. Fuchsia 162. Fuchsschwanz 2832. | Fucus 385. % % N Ri Y ri 4 T Be ERBE TR NEW 7 7 VRR Sy RE DEERN 75 re ee Aa a Fuligo 413. Fumaria 86. Fumariaceae 5. Fungi 388. Fusicladium 399. Gagea 304. Galanthus 313. Galeobdolon 205. Galeopsis 206. Galium 229. Galläpfel 12. Gallertalge 387. Gamanderehrenpreis 212. Gänseblümchen 253. Gänsedistel 260. Gänsefingerkraut 142. Gänsefußgew. 46. Gartenaster 253. Gartenaurikel 185. Gartenbalsamine 104. Gartenglockenblume 237. Gartenkerbel 169. Gartenkresse 81. Gartennelke 40. Gartenprimel 185. Gartenrettich 79. Gartenrose 141. Gartensalat 259. Gartensalbei 206. Gartenschierling 170. Gartenstiefmütter- chen 90. Gartentulpe 298. Gartenthymian 206. Gartenwolfsmilch 3D. Gattung der Pilan- zen 516. Gärung 122. 400. 409. Gauchheil 186. Gefäßbündel 484. Gefäßkryptogamen 353. 367. Gefäß-Sporenpfl. 351. Gefüllte Blüten 243. Geigenharz 341. Geißblatt 231. Geißelbewegung 422. Gelbling 393. Gelbveigelein 79. Gemüsebohne 143. Gemüsekohl 78. Namen- und Sachverzeichnis. | Generationswechsel 3103272: Genista 158. Genossenschafts- leben 149. Gentiana 190. Gentianaceae 188. Georgine 253. Geotropismus 474. Geraniaceae 100. Geranien 103. Geranium 102. Gerberlohe 13. Gerbstoff 453. Gerste 273. 281. Gerüst der Stämme 49. Gescheine 120. Getreide 271. Getreiderost 401. Getrenntblumen- blättrige Pfl. 1. Geum 143. Gewebe 430. Gewürznelkenb. 163. Giersch 171. Gifthahnenfuß 52. Giftpilze 393. Giftreizker 394. Gilbweiderich 186. Ginkgo 350. Ginster 158. Gladiolus 322. Glanzgras 286. Glattfrüchtchen 414. Glechoma 205. Gleiße 170. Glockenblume 235. Glockenblume, falsche 59. Glockenheide 179. Glückshändchen 324. Glyeyrrhiza 159. Gnaphalium 256. Goldknöpfchen 52. Goldlack 79. Goldnessel 205. Goldregen 157. Goldstern 304. Gossypium 97. Götterbaum 108. Gramineae 261. Granatapfel 166. Granatbaum 164. Granne 269. Graphis 417. Gräser 261. 277. Grasfrucht 270. 513. Grasnelke 187. Grauerle 9. Graukresse 31. Graupen 274. Griffel 503. Gries 274, Grünalgen 382. Gründüngung 472. Grundglieder der Pflanzen 431. Grünkern, Grünkorn 272. Grünkohl 78. Guano 472. Gummi 454. 491. Gummi arabicum 160. Gummibaum 28. 36. — blauer 164. Gummibaum, neu- holländischer 163. Gummi, Kirsch- 134. Gundermann 205. Günsel 206. Gurke 242. Guttapercha 187. Guttaperchabaum 187. Guttiferae 90. Gyromitra 396. Gymnospermae 332. Gymnosporangium 402. Haare 463. Haarkelch 251. Haarkrone 251. Haarmoos 366. Haarstäubling 414. Habichtskraut 260. Habichtsschwamm 394. Hafer 274. Haferpflaume 136. Haftwurzeln 172. Hagebutte 139. Hagedorn 133. Hahnenfuß 51. Hahnenfußgew. 48. Hahnenkamm 39. Hainbinse 313. Hainbuche 9. Hainwachtelweizen 214. Halbgräser 286. Halbschmarotzer 213: Hallimasch 394. Halm 265. 478. Hanf 26. Hanfgewächse 24. Harfenfichte 344. Hartgummi 36. 527 Hartheugewächse 90, Hartheu, Tüpfel- 90. Hartriegel, roter 174. Hartriegelgewächse 174. Harz 334. Harzgänge 491. Haschisch 26. Haselnußstrauch 1. Haselwurz 71. Hasenohr 433. Hauhechel 158. Hausschwamm 394. Hauswurz 126. Heckenkirsche 232. Hede 106. Hedera 171. Hederich 79. Hefepilze 400. Heidekorn 45. Heidekraut 174. Heidekrautgew. 174. Heidelbeere 179. Heidelbeergew. 179. Heidenelke 40. Heil aller Welt 143. Heilung v. Wunden 494. Helianthus 243. Helichrysum 256. Heliotropismus 481. Helleborus 59. Hellerkraut 81. Helodea 288. Hepatica 56. Hepaticae 375. Heracleum 171. Herbstzeitlose 308. Hernie 415. Herzblatt 128. Herz, flammendes 86. Hesperis 79. Heterostylie 184. 506. Heufieber 282. Heuwurm 123. Hevea 36. Hexenmehl 365. Hieracium 260. Himbeere 142. Himmelschlüssel- chen 182. Himmelsgerste 51. Hippocastanaceae 108. Hippuris 164. Hirse 274. Hirtentäschelkr. Hochblätter 432. Hohlwurz 5. 8. 528 Hohlzahn 206. Holcus 285. Holunder 232. Holz 485. Holzäpfel 133. Holzbirnen 129. Holzpapier 344. Holzschliff 486. Honig 507. Honigdrüsen 507. Honiggras 285. Honigmale 507. Honigtau 397. Hopfen 24. Hopfenseide 19. Hordeum 273. 281. Hornbaum 9. Hornblatt 66. Hornklee 158. Hornkraut 43. Hornsträucher 174. Hottonia 185. Huflattich 254. Hühnerdarm 42. Hülse 154. 513. Hülsenfrüchte 154. Humulus 24. Humus 175. 471. Humussäuren 175. Hundspetersilie 170. Hundsrose 136. Hundsveilchen 90. Hundszunge 200. Hungerblümcehen 81. Hutpilze 388. Hyacinthus 303. Hyazinthe 303. Hybriden 149. Hydnum 394. Hvdrocharidaceae 287. Hydrocharis 288. Hyoscyamus 226. Ilypericum 90. Hyphen 390. Hypholoma 393. Hypnum 375. Iasione 237. Igelskolben 298. llex 116. Immergrün 190. Immerschön 256. Immortelle 256, Impatiens 104. Imperialtee 92. Indigofera 159. Indigopflanzen 159. Indischer Flachs 9. Ingwer 324. Insektenblütler 507. | Johanniskraut 9. Namen- und Insektenfressende Pflanzen 216. Insektenpulver 254. Ipomoea 194. Iridaceae 319. Iris 319. Irländisches Moos 386. Isländisches Moos 417. Italienische Pappel 21: | IJuglandaceae 17. ı Iuglans 17. JIuncaceae 313. Iuneus 313. | Juniperus 348. + Jahresringe 489. | Jasmin 128. Jelängerielieber 232. Jochalgen 376. | Jochspore 378. Jod 385. Johannisbeere 127. Johannisblut 91. Johannisbrotbaum 159. Jonon 86. Judenkirsche 224. Jungfernzeugung 252. 498. | Jute 9. Jutepflanze 95. Kaffeepflanze 230. Kaiserkrone 304. Kaisertee 92. Kakaobaum 98. | Kaktusgewächse 43. ' Kalamiten 366. Kälberkropf 170. Kalk 426. Kalmus 292. Kambium 487. Kamelie 91. Kamille 255. | Kammgras 282. ' Kammkelch 376. Kampfer 67. Kampferbaum 67. Kaneel 67. Kannensträucher 70. Kapern 58. — deutsche 58. Kapernstrauch 58. Kapselfrüchte 513. Kapuzinerkresse 104. Karagaheenmoos 386. Kardendistel 234. Sachverzeichnis. Kardengewächse 233. Karmin 45. ' Karotte 167. Karthäusernelke 37. \ Kartoffel 216. | — süße 194.- Kartoffelbovist 395. Kartoffelfäule 405. Kartoffelpilz 405. Karyopse 270. 513. Käsepappel 96. Kassavestrauch 35. ' Kastanie (Roß-) 108. | — edle 17. — rote 114. Kätzchen 2. 504. Katzenkraut 233. | Kautschuk 28. 36. Keimsack 510. Keimschlauch 510. Keimung 515. Kelch 500. ' Kelchstäubling 414. ' Kellerhals 160. | Kerbel 169. Kernholz 489. Kernobstgewächse 129. Kernteilung 423. Kesselfallenblume 71. 291. 507. Kettenblume 249. Keulenpilze 395. | Kickxia 37. ' Kiekxiabaum 37. Kiefer 332. Kiefergewächse 332. Kienholz 341. Kienruß 341. Kieselalgen 380. Kieselgur 382. Kieselsäure 267. Kirschbaum 133. Kirschgummi 134. Klammerwurzeln 172. 468. Klappertepf 213. , Klatschblume 82. Klatschmohn 81. Klatschrose 82. | Kleber 262. 455. Klebkraut 228. , Klee 155. \ Kleesalz 103. Kleesäure 453. Kleeseide 196. Kletten 229. 258. Kletterbohnen 146. , Kletterrosen 140. Klettfrüchte 200. Klimmhaken 463. Knabenkraut 324. Knackmandeln 136. Knäuelgras 285. Knautia 234. Knieholz 346. Knoblauch 307. Knoblauchsrauke 79. Knollen 216. Knollenblätterpilz 393. Knopfgalle 13. Knospe 478. Knospenkern 510. Knospenmund 510. Knotensucht 415. Knöterich 45. Knöterichgewächse Kohl 77. Kohlenhydrate 452. Kohlrabi 78. Kohlrübe 77. Kokken 406. Kokospalme 292. Kolben 290. 504. Kolbenbärlapp 364. Kolbenweizen 272. Kolophonium 341. Kompaßpflanze 260. Königinder Nacht45. Königskerze 210. Konjugation 379. 405. Konservierungs- mittel 411. Köpfchen 245. 505. Köpfchenschimmel 403. Kopfkohl 78. Kopfweide 21. Kopra 294. Kopulieren 495. Korallenflechten 418. Korallenpilz 395. Korbblütler 243. Korbweide 21. Koriander 169, Korinthen 121. Kork 13. 219. 492. Korkeiche 13. Korn 261. Kornblume 256. Kornbranntwein 263. Kornelkirsche 174. Körnersteinbrech 128. Kornrade 40. Kotyledonen 144. Krachmandeln 136. Krapp 229. Kratzdisteln 258. Kräuter 478. Krebsschere 288. Kresse 81. Kreuzblume 108. Kreuzblütler 72—S1. Kreuzkraut 255. Krokus 322. Kropf 415. Krummhals 200. Krummholz 346. Krustenflechten 417. Kryptogamae 351. Küchenschelle 56. Küchenzwiebel 306. Kuckucksblume 328. Kuckucksnelke 40. Kuckucksspeichel 40. Kugelakazie 155. Kuhblume 249. Kuhschelle 56. Kümmel 169. Kürbis 238. Kurztriebe 235. 336. 477. Kutin 429. 448. Kutikula 448. 319. Labiatae 201. Labkraut 229, Labkrautgewächse 228. Lack, japanischer Jalyz.. Lackmusflechte 418. Lactaria 393. Lactuca 259. Lagerpflanzen 376. 431. Laichkräuter 289. Laichkrautgewächse 259. Lakritze 159. Lamellen 388. Lamium 201. Landolphia 37. Landolphia-Lianen 3 Landfarne 360. Langtriebe 235. 319. 336. 477. Lappa 258. Lärche 347. Larix 347. Lathraea 214. Lathyrus 155. Latschen 346, Lattich 259. Laubblätter 432. Namen- und Sachverzeichnis, Laubfall 464. Laubflechten 417. Laubmoose 366. Laucharten 306. Lauraceae 66. ' Laurus 66. Läusekraut 214. | Lebensbäume 348. Leberblume 56. Lebermoose 375. Legföhre 346. Leimkraut 40. Lein 104. Leindotter 81. Leingewächse 104. Leinkraut 208. Leinöl 105. Leinwand 106. Leitungsbahnen im Stamme 489, Lemna 298. Lemnaceae 297. Lens 155. Lentibulariaceae 216. Leocarpus 414, Lepidium 81. Lepidodendron 366. Lepiota 394. Lerchensporn 85. Leuchtmoos 375. Leucobryum 375. | Leucoium 318. Levkoie 79. Lianen 37. 56. 232. Lichenes 415. Lichtnelke 4]. Liebesapfel 224. Lieschgras 282. Liguster 189. Ligustrum 189. Liliaceae 298. Lilie 303. Lilieae 298. Liliengewächse 298. ı Lilium 304. 306. Limone 107. Linaceae 104, Linaria 208. Linde 92. Lindengewächse 92. Linnes System 517, ı Linoleum 105. Linse 155. Linum 104. Lippenblütler 201. Liriodendron 59. Listera 328. Lithospermum 200. Lohblüte 413. Lolch 281. Schmeil, Lehrbuch der Botanik. ‚ Mahonia 61. Lolium 281. Lonicera 231. Lophocolea 376. Loranthaceae 29. Lorbeerbaum 66. Lorbeergewächse 66. Lorchel 396. Lotosblume 66. Lotten 118. Lotus 158. Löwenmaul 210. Löwenzahn 249, Luffa 242. Luffapflanze 242. Luftwurzeln 331. 468. Lungenkraut 199. Lupine 158. Luzerne 158. Luzula 313. Lycium 224. Lycoperdon 39. Lycopodinae 364. Lycopodium 364. Lysimachia 186. Lythraceae 161. Lythrum 162. Macis 67. Macrocystis 386. Mädesüß 143. Magnolie 59. Mahagonibaum 108, Maianthemum 31]. Maiblume 309. Maie 8. Maiglöckchen 309. Maitrank 229. Majoran 206. Mais 274. Malva 9. Malvaceae 95. Malvengewächse 9. Malz 273. 456. Mammutbäume 348. Mandarinen 108. Mandelbaum 136. Mangold 47. Mangrovebaum 166. Manihot 35. Manilahanf 323. Maniokstrauch 35. Männertreu 171. 212. Marchantia 375. Marienglocke 237. Marienhändchen 324. Mark 484. Markstrahlen 489. 529 Maronen 17. Maßliebehen 253. Mate 116, Matricaria 255. Matthiola 79. Mauerpfeffer 123. Mauerraute 358. Maulbeerbaum 26. Maulbeergewächse 26. | Mäusedarm 42. Mäusegerste 231. Medicago 158. Meerrettich 81. Meerzwiebel 304. Melampyrum 214. Melandryum 41. Melanthicae 308. Meldenarten 47. Melilotus 157. Melone 242, Melonenkaktus 35. Meltaupilze 399. Mentha 206. | Mereurialis 35. Merulius 394. Mespilus 133. Metroxylon 296. Mieren 42. Miere, rote 186. Milbenhäuschen 94. Milchdieb 213. Milchröhren 491. Milchsaft 33. 249.- | Milchstern 304. Mimosa 160. | Minzen 206. Mirabelle 136. Mischlinge 19. 140. Mispel 133. Mistel 29. Mistelgewächse 29. Mohngewächse 81. Mohnöl 84. Möhre 166. Mohrrübe 166. Monatsrose 141. Monocotyleae 261. Monotropa 181. Moosbeere 180. Moosblüten 369. Moose 366. Moosrose 141. Moraceae 26. Morchella 396. Morcheln 396. Morphium 84. Morphologie 419. Morus 26. Moschusrose 141. 491. Most 122. 34 530 Mostrich 79. Mucor 403. Mummel 61. Musa 323. Musaceae 323. Muscari 303. Museci 366. Muskatblüte 67. Muskatnußbaum 67. Mutation 162. Mutterkornpilz 397. Mycelium 390. Myosotis 199. Myriophyllum 164. Myristica 67. Myrtaceae 163. Myrte 163. Myrtengew. 165. Myrtus 163. Myxomycetes 413. Nabel 512. Nachtkerzen 162. Nachtkerzengew. 161. Nachtlichtnelke 41. Nachtschatten 223. Nachtschattengew. 216. 223. 224. Nachtviole 79. Nacktsamige Pfl. 332: Nadelhölzer 345. Nährgewebe 263. 511. Nährstoffe der Pil. 438. Narbe 503. Narzissen 318. Nareissus 318. Narren d. Pflaumen | ; Onobrychis 156. ' Ononis 158. ' Oenothera 162. 399. Narzissengewächse 313. Nasturtium 79. Natterkopf 200. Navicula 380. Nebenmarkstrahlen 489. Negundo 116. Nektar 507. Nektarien 507. Nelken 37. Nelkengew. 37. Nelkenöl 163. Nelkenpfefferbaum 163. Nelkenwurz 142. Nelumbo 66. Neottia 328. Nepenthes 70. ı Öl, fettes 453. Öl, flüchtiges 107. | Orchidaceae 324, ' Orchideen 324. | Orchis 324. ' Osterblume 53. Namen- und Sachverzeichnis. Nerium 190. Nesselgewächse 22. Nesseltuch 24, Nestwurz 328. Netzstäubling 414. Neugewürz 169. Nicotiana 224. Niederblätter 432. Nieswurz 59. Nikotin 226. Nixblume 61. Nostoc 387. Nostok 387. Nuphar 65. Nußfrucht 513. Nymphaea 61. 66. Nymphaeaceae 61. Oberhaut 446. 492, Öberkohlrabi 78. Ochsenzunge 200. Ocimum 206. Odermennig 143. Oenothera 162. Ohnblatt 181. Oidium 399. Okulieren 495. Olea 190. Oleaceae 188. ÖOleander 190. Ölbaum 190. Ölbaumgewächse 188. 141. 454. Ölivenbaum 190. Ölpalme 295. Ölweide 190. Önagraceae 161. Oogonium 383. Opium 34. Opuntia 45. Orangenbaum 107. Örangengewächse 107. Origanum 206. Ornithogalum 304. Orobanche 215. Oryza 275. Öseillatoriae 386. Osmose 425. Österluzei 70. Österluzeigewächse 70. Oxalidaceae 103. Oxalis 103. Oxalsäure 453. Oxydation 457. Paeonia 59. Palaquium 187. Palmae 292. Palmen 292. Palmfarne 349. Palmkernöl 296. Palmlilien 307. ‘ Palmöl 296. Palmweide 18. | Panicum 274. Papaver 81. Papaveraceae 81. Papier 106. Papierstaude 287. Papilionaceae 143. Pappeln 21. Pappus 251. Paprikapflanze 224. Paraguay-Tee 116. ı Parasit 195. 409. ı Parasolpilz 394. Parmelia 417. | Parnassia 128. Parthenogenesis 252, 498. | Pastinake 169. | Pech 341. Pechnelke 41. Pedicularis 214. Pelargonium 103. Penicillium 398. Pensees 9. Perigon 500. - Perltang 386. Perlzwiebel 307. ı Peronospora 405. Petersilie 170. Petroselinum 170. Petunie 227. Pfaffenhütlein 116. Pfeffer 32. Pfeffergewächse 32. ı Pfefferkraut 206. Pfefferminze 206. ı Pfeffer, spanischer 224. | Pfefferstrauch 32. Pfeifenkraut 71. Pfeifenstrauch 128. Pfeilblatt 434. Pfeilkraut 288. Pfennigkraut81.186. Pferdebohne 154. ı Pfifferling 393. | Pfingstmaie 8. Pfingstrose 59, Pfirsiche 135. Pflanze, Bau und Leben 419. Pflanzengebiete 521. Pflanzengenossen- schaft 150. Pflanzenschleim 454. Pflanzensysteme 516. Pflaume 135. Pfropfen 495. Phalaris 286. Phanerogamae 1. Phaeophyceae 384. Phaseolus 143. ' Philadelphus 128. Phleum 282. Phoenix 294. | Pholiota 394. Phragmites 285. Phycomycetes 405. Phyllodien 160. Physalis 224. ı Physiologie 419. Phytelephas 296. Phyteuma 237. Piassavafasern 296. Picea 341. Pilze 388. Pilztiere 414. Piment 163. Pimenta 163. Pimpinella 169. | Pinaceae 332. ' Pinguicula 216. ' Pinie 347. \ Pinselschimmel 398. Pinus 332. 346. Piper 32. Piperaceae 32. Pirola 181. | Pirus 129. Pisang 323. Pisum 149. Plankton 381. Plantaginaceae 227. Plantago 227. Plasma 420. Plasmodiophora 415 Plasmopara 405. Platanaceae 32. Platane 33. Platanengewäclhse 32. Platanus 33. Platanthera 328. Platterbse 155. Pleurococceus 384. Plumpaginaceae187. Poa 285. Polierschiefer 382. Polygala 108. Polygonaceae 45. Polygonatum 311. Polygonum 45. Polypodium 358. Polyporus 394. Polytrichum 366. Polenta 275. Pomeae 129. Pomeranze 107. Populus 21. Porree 307. Potamogeton 289. Potentilla 142. Preißelbeere 180. Preßhefe 400. Primel 182. 185. Primula 182. Primulaceae 182. Prothallium 355. Protonema 372. Protoplasma 377. 420, Provenceröl 190. Pruneae 133. Prunus 133. Psalliota 388. Pteridium 359. Pteridophyta 351. Puceinia 401. Pulmonaria 199. Pulque 319. Pulsatilla 56. Punica 164. Purpurwinde 194. Pustblume 249. - Pyramidenpappel Du Quecke 281. Quercus 10. Quitte 133. Rachenblütler 208. Radieschen 79. Rainfarn 254. Rainweide 189. Ramalina 417. Ramiepflanze 24. Ranke 119. 149. Rankende Pfl. 482. Rankenwurzeln 468. Ranunculaceae 48. Ranuneulus 51. Raphanistrum 79. Raphanus 79. Raphia 296. Raphiabast 296, Raps 72. ı Rapskohl 77 Namen- und Sachverzeichnis. Rapünzchen 234. Rasenschmiele 285. Rauhblättrige Gew. 196. Rauke 79. Raygras, engl. 281. Reagens 429, Rebenmeltau 122. 399. | — falscher 123. 405. Rebenstecher 123. Reblaus 123. Rehpilz 395. Reiherschnabel 100. Reine-claude 136. Reis 275. Reizker 393. Remontantrosen 140. Renntierflechte 418. Reseda 86. Resedaceae 85. Resedagewächse 85. Reservestoffe 455. Rettich 81. Rhabarber 46. Rheum 46. Rhizome 478. Rhizophora 166. Rhododendron 180. Rhodophyceae 384. Rhodoreae 180. Rhus 117. Ribes 126. Ricinus 35. Rieinusöl 35. Riedgräser 286. Riesenkaktus 45. Rinde 488. Rindenflechte 417. Rindenporen 493. Ringelblume 249. Rispe 504. Rispengräser 285. Rittersporn 58. Robinie 155. Roccella 418. Roggen 261. Röhrenpilze 394. Rohrkolben 297. Rohr, spanisches 296. Rohrzucker 453.455. Römischer Kohl 47. Rosa 136. Rosaceae 129. Roseae 136. Rosen 136. Rosenäpfel 138. Rosenartige Gew. 129. | Rosenkohl 78. | Rosenöl 141. Rosinen 121. Rostpilze 401. Roßkastanie 108. Roßkastaniengew. | Rotalgen 384. Rotangpalmen 296. Rotbuche 14. | Rotdorn 133. Rotkehlchenbrot 116. Rotkohl 78. Rotrübe 47. Rottanne 345. Rübe, rote 47. — Teltower oder märkische 78. — weiße 78. NRabenkohl 1: ' Rubia 229, Rubiaceae 228. Rüböl 72. Rübsen 78. Rubus 149. Ruchgras 282. Rühr mich nicht an 104. Rum 276. Rumex 46. Runkelrübe 46. 47. Ruprechtskraut 103. Russula 393. Rüster 29. Rutaceae 107. Saatwicke 154. Saccharomyces 399. Sacecharum 276. Sadebaum 402. Safrankrokus 322. Saftdatteln 29. Safthalter 507. Saftmale 507. Saftpflanzen 125. Sagittaria 288. Sago 296. Sagopalme 296. Salat 259. Salatrübe 47. Salbei 206. Salep 325. Salepknabenkraut 328. Salicaceae 18. Salicornia 48. Salix 18. Salomonssiegel 311. | Ja Salpeterbakterien | 472. Salvia 206. ' Salvinia 360. | Salweide 18. Salzkraut 48. Salzpflanzen 48. Sambucus 232, Samen 511. Samenanlagen 509. Sameneiweiß 263. 511. Samenknospen 509. Samenpflanzen 1. Sammelfrucht 139. 511. Sammetpappel 96. Sandsegge 286. Sandstrohblume 256. Sanguisorba 143. Saponaria 40. Saprolegnia 405. Saprophyt 330. 408. Sargassum 385. Sarothamnus 157. Satansfinger 324. Satanspilz 394. Satureia 206. Saubohne 154. Sauerampfer 46. Sauerdorn 59. Sauergräser 286. Sauerkirsche 135. Sauerklee 103, Sauerkleegewächse 103. Sauerteig 400. Sauerwurm 123. Saugwärzchen 19. Saxifraga 128. Saxifragaceae 126. Scabiosa 234. Schachblume 306. Schachtelhalme 360. Schafchampignon 393. Schafgarbe 254. Schafskabiose 237. Schaft 478. Scharbockskraut 48. Schattenblume 311. Schaumkraut 79. Scheinbeere 348. Scheinfrucht 511. Scheingräser 286. Schellack 28. Schellkraut 85. Scheuerkraut 364. Schierling 170. Schildchen 262. Schilf 285. 532 Schimmelpilze 398. Schirmblütler .167. Schirmpilz 394. Schistostega 375. Schizomycetes 406. Schlafäpfel 138. Schlafmohn 84. Schlammschachtel- halm 364. Schlangenkaktus 45. Schlangenkraut 292, Schlangenmoos 364. Schlauchalge 382. Schlauchpilze 396. Schlehe 136. Schleimpilze 413. Schließfrucht 5. 513. Schlüsselblume 182. Schlüsselblumen- gewächse 182. Schmarotzer 31. 19. 409. Schmetterlings- blütler 143. Schmiele 285. Schmierbrand 402. Schneckenklee 158. Schneeball 233. Schneebeere 233. Schneeglöckchen 313. Schneerose 59. Schnittlauch 307. Schokolade 99. Schorf 399. Schößlinge 188. Schötchen 81. Schötchenfrüchtler 83. Schote 74. 513. Schraubenalge 376. Schriftflechten 417. Schuppenbäume 366. Schuppenwurz 214. Schüsselflechte 415. Schuttbingelkraut 35. Schuttkresse S0, Schwämme 391. Schwammgalle 13. Schwanenblume 287. Schwärmer 355. 369. Schwärmsporen 383. Schwarzdorn 136. Schwarzerle 9. Schwarznessel 206. Schwarzpappel 21. Schwarzwurz 196. Schwarzwurzel 260. Schwefelkopf 393. Schwertlilie 319. Namen- und Sachverzeichnis. Schwimmblatt 360. Schwimmpflanzen 62. Schwingalge 386. Scilla 304. Scirpus 287. Scleroderma 395. Scorzonera 260. Scrophularia 210. Scrophulariaceae 208. Selbstbestäubung 506. Secale 261. Sedum 123. Seegras 289. Seerose 61. Seggen 256. Seidelbast 160. Seidelbastgew. 160. Seifenkraut 40. Sellerie 169. Semmelpilz 395. Sempervivum 126. Senf 78. Senfkohl 78. Senecio 255. Senker 499. Sequoia 348. Siegelbäume 366. Siegwurz 322. ' Sigillaria 366. ' Silberpappel 22. Silbertanne 345. Silberweide 21. | Silene 40. Sileneae 37. Simsen 287. Sinapis 78. Sinnpflanzen 160. Sisalagare 319. Sısalhanf 319. Sisymbrium 80. Skabiose 234. Skelett 49. Solanaceae 216. Solanin 222. Solanum 216. Sommerblüten 89. 506. | Sommereiche 10. Sommerlevkoie 79. Sommerlinde 92. Sommerraps 72. Sommerrettich 73. Sommerrübsen 78. Sommertürchen 318. Sommerwurz 215. Sommerzwiebel 306. Sonchus 260. ‚ Sonnenblume 245. Sonnenrose 243. Sonnentau 68. Sonnentaugewächse 68. Sonnenwolfsmilch Sorbus 133. Soredien 416. Spaltalgen 386. Spaltfrüchte 168. 199. 513. Spaltöffnungen 450. ‚ Spaltpilze 406. | Span. Pfeffer 224. Span. Rohr 296. Sparganium 298. Spargel 311. Spark 43. Spätlinde 93. Speiselorchel 396. ' Speiteufel 393. Spelt 272. Spelz 272. Spergula 43. Spermatozoen 355. 369. Sphagnum 68. 374. Spierstaude 143. Spinacia 47. Spinat 47. Spiritus 220. Spirogyra 376. Spitzahorn 114. Spitzkeimer 261. Spitzmorchel 396. Spitzwegerich 227. Splint 489. Sporangien 354. 370. Sporen 354. Sporenkapseln 354. 370 Sporenpflanzen 351. Springkraut 104. Spritzgurke 243. Sproßpflanzen 431. , Stachelbeerstr. 126. Stachelblätter 43. Stachellattich 259. Stacheln 463. Stachelpilze 394. Stachys 206. Stamm, Bau und Leben 476. ' Stammblattpfl. 431. | Stammbürtigkeit 98. Ständerpilze 388. Stangenbohnen 146. Stapelia 508. Stärke 220. 262. 276. 452. Stärkebildner 455. Staubblätter 500. Staubgefäße 500. Staubbrand 402. Stauden 48. 478. ' Stechapfel 226. Stechpalme 116. Stecklinge 18. 499. , Steinbrech 128. Steinbrechgew. 126. Steineiche 10. Steinfrüchte 513. Steinklee 157. Steinkohle 366. , Steinnelke 37. ı Steinnüsse 296. Steinobstgew. 133. Steinpilz 394. Steinsame 200. Stellaria 42. | Stelzwurzeln 468. , Stemonitis 414. Stempel 502. Stengel 478. Stengelknolle 218. 478. Stengelranken 478. Sternblümehen 50. Sternmiere 43. ' Stickstoffbakterien 409, Stickstoffsammler 150. | Stiefmütterchen 90. Stieleiche 10. Stockausschlag 478. Stocklohden 18. | Stockschwämmchen 394. \ Stockrose 96. ı Storchschnabel 102. Storchschnabelgew. 100, Strandhafer 282. Strandroggen 282. Stratiotes 288. Strauch 478. Strauchflechten 417. Straußgras 255. Streifenfarn 358. Stroh 261. Strohblume 256. Strychnin 192. Strychnos 192. Sturmhut 59. Stützwurzeln 166. 274. 468. Suceulenten 43. 47. 125. 318. Sumpfdotterblume 56. Sumpfheide 179. ne Sumpfmoos 374. Sumpfschachtel- halm 364. Sumpfspierstaude 143. Sumpfvergißmein- nicht 199. Sumpfwurz 328. Sumpfzypresse 348. Sumpfzweizahn 254. Surrogate 231. Süßholz 159. Süßkirschbaum 133. | Swietenia 108. Symbiose 149. 416. Sympetalae 174. | Symphoricarpus 233. Symphytum 196. Syringa 188. Syrup 167. System d. Pflanzen 517. Tabak 224. Tafelsenf 79, Taglichtnelke 41. Tanacetum 254. Tange 384. Tanne 385. Tannenbaum 341. Tannenwedel 164. Taphrina 399. Taraxacum 249. Taschen d. Pflaumen 399. Täschelkraut 81. Taubecher 143. Taubenkropf 40. Taubenskabiose 234. Taubnessel 201. Taumelkerbel 170. Taumellolch 281, Tausendblatt 164. Tausendgüldenkr. 190. Tausendschönchen 253. Tauwurzeln 333. Taxaceae 349. Taxodium 348. | Taxus 349. | Teerose 141. | Teestrauch 91. Teichrose 65. | Tein 92, Teobromin 99. | Terpentinöl 341. Teufelshände 324, Teufelskralle 237. Teufelszwirn 195, 224. Namen- und Sachverzeichnis, Thallophyta 376. 431. | Thallus 431. Thea 91. Theobroma 98. Thlaspi 81. Thuia 348. Thymelaeaceae 160. ' Thymian 206. Thymus 206. | Tierpilze 414. Tilia 92. Tiliaceae 92. | Tilletia 402. Timotheusgras 282, ' Tollkirsche 224. Tomate 224. Forıı315. Torfmoos 68. 374. Tragopogon 20, Transpiration 459. ı Trapa 162. Traube 74. 120. 504. w ww ww Unserer lieb. Frauen | Viscum 29. Bettstroh 229. ‚ Urbildungsstoff 377. 420. , Uredinaceae 401. | Urginea 304. = | | ee | .Uromyces 402. U Jrtica 22. Irticaceae 22. Usnea 417. stilaginaceae 401. Jstilago 402. tricularia 216. Vaceiniae 179. Vaccinium 179. | Vakuolen 421. Valeriana 233. ı Valerianaceae 233. Valerianella 234. Vanille 331. | Vaucheria 382. Traubenkirsche 136, | Traubenwickler 123. Traubenzucker 453. ' Traueresche 190. Trauerrosen 140. Trauerweide 21. Trentepohlia 384. ı Trespen 285. Trichia 414. | Trifolium 155. Triticum 271. Vegetationskegel 417. Veilchen 86. Veilchenalge 384. Veilchengewächse Veilchenmoos 384. Veilchenstein 384. Verbascum 210. | Verbena 208. Trockendatteln 295. | Tropaeolum 104. Trüffel 397. ı Trugdolde 232. 505. Tuber 397. Tulipa 298. Tulpe 298. Tulpenbaum 59. ' Tüpfel 428. Tüpfelfarn 358. Tüpfelhartheu 90. ‚ Tüpfelzellen 428. Turgor 425. | Türkenbund 306. Tussilago 254. Typha 297. Typhaceae 297. | Überpflanzen 330. 359. Ulmaceae 226. Ulmaria 143, Ulme 29, Ulmengewächse 26. Ulmus 29. Umbelliferae 166. Uncinula 399. Verbißfichte 344. Verbreitung der Pflanzen 519. Verdunstung 459. ' Veredeln der Obst- bäume 494. Vergißmeinnicht 199. Vermehrung, tative 498. ; Veronica 212. Verschiedengriff- lichkeit 184. 506. Verschmelzung 379. Verwachsenblumen- blättrige Pfl. 174. Verwesungspflanze 330. 391. Viburnum 233. Vicia 154. Victoria 66. Vinca 190. Viola 86. Violaceae 86. | Viole 79. ı Virginischer Tabak 224. | Viscaria 41. Vitaceae 117. Vitis' 117. Vogelbeerbaum 133. ı Vogelkirsche 135. Vogelknöterich 45. Vogelleim 31. ' Vogelmiere 42. | Vogelwicke 154. ' Vorkeim 354. 372. Wacholder 348. | Wachstum der Zell- haut 427. Wachstumskegel 477. ' Wachtelweizen 214. ı Walderdbeere 141. Waldgeißblatt 231, Waldmeister 229, Waldmoos 374. | Waldrebe 56. Waidschachtelhalm 364. ı Waldstreu 471. ı Waldweidenröschen 161. ' Waldwolle 341. ' Walnußbaum 17. ı Walnußgewächse 17. Venusfliegenfalle 70. | Wanderung d. Nähr- stoffe 454. Wandflechte 415. Wasserableitung 471 Wasserfarne 360, Wasserfeder 185. Wasserhahnenfuß b) [7 | Wasserknöterich 45. | Wasserliesch 287. vege- | Wasserlinse 298. Wasserlinsengew. 298. | Wassermelone 242. Wassernuß 162. Wasserpest 288. Wasserrose 61, Wasserschierling 170. | - . Wasserschimmel 405. Wasserschwertlilie 319. ' Wasserschlauch 21 6. Wasserschlauch- gewächse 216. Wasserspalten 462, Wau 86. Waugewächse 86. | Weberkarde 234. 534 Namen- und Sachverzeichnis, Wechselbestäubung | Wiesenflocken- 184. Wechselwirtschaft 471. Wegerich 227. Wegerichgewächse 227. Wegmalve 95. Wegwarte 259. Weichselkirsche 136. Weidengewächse 18,21. Weidenröschen 161. Weiderich 162. Weiderichgewächse 162. Weihnachtsbaum 341. Wein, wilder 123. Weingeist 122. Weinhefe 400. Weinpalme 296. Weinrebengew. 117. | Weinsäure 453. Weinstock 117. Weinträubchen Weißbuche 9. Weißbirke 8. Weißdorn 133. Weißklee 156. Weißkohl 78. Weißmoos 375. Weißtanne 345. Weißwurz 311. Weizen 271. Welschkohl 78. Welwitschie. 350. Werg 106. Wermut 256. Wettertanne 345. Weymouthskiefer 347. Wickel 197. 505. Wicken 154. Widerton 366. Wiesenbocksbart 260. Wiesenknopf 143. Wiesenlieschgras | Wiesenplatterbse ‚ Wiesenschaumkraut 308 | Wimperbewegung | Windblütler 3. 269. ' Windende Pflanzen | Windröschen 53.55. Wintereiche 10. | Wintergrün 181. Winterlinde 92. ı Winterrübsen 78. Winterzwiebel 306. | Wirsingkohl 78. blume 258. ' Wiesenfuchs- schwanz 282. ı Wiesenglocken- blume 237. Wiesenhafer 285. Wiesenklee 155. 282. 155. Wiesenrispengras 255. Wiesensalbei 207. 79. ı Wiesenschwingel 285. ı Wiesenstorch- schnabel 102. Wiesenwachtel- weizen 214. 422. 509. 480. Windengewächse 192. Windenknöterich 45. \Vinterastern 254. Winterknospen 288. | Winterlevkoie 79. Winterraps 72. Winterrettich 79. Wohlverleih 254. Wolfsmilch 33. ' Wolfsmilchge- wächse 33. Wollgras 287. ' Wollkraut 211. | Wucherblume 254. Wunderbaum 35. Wurmfarn 351. — falscher 358. ' Wurzel, Bau und Leben 466. Wurzelbakterien 149. Wurzelbrut 478. Wurzeldruck 490. Wurzelhaare 469. Wurzelhaube 469. Wurzelknolle 51. Wurzelschmarotzer 213. Wurzelständige Knospen 498. Wurzelzug 475. Xanthoria 415. Yucca 307. Zantedeschia 292. Zapfen 505. Zaunrübe 242. Zaunwicke 154. Zaunwinde 194. Zea 274. | Zeder des Libanon 348. Zelle, Bau u. Leben 4419: | Zellhaut 420. , Zellinhalt 420. Zellkern 422. ‚ Zellkryptogamen 359. 367. Zellplasma 421. Zellsaft 424. Zellschichten 446. Zellstaat 429. Zellstoff 428, Zelluloid 429. Zellulose 428. Zentifolie 141. Zichorie 259. Ziegenbart 395. Ziest 206. Zimt 67. Zimtbaum 67. Zingiber 324. Zirbelkiefer 346. Zirbelnüsse 347. Zitronenbaum 107. Zitronensäure 453. Zittergras 285. Zitterpappel 22. Zıtronat 107. Zostera 289. Zucker 426. Zuckermelone 242, Zuckerrohr 276. Zuckerrübe 47. Zunder 394. Zweiblatt 328. Zweihäusige Pflan- zen 19. 23. 506. Zweikeimblättrige Pflanzen 1. Zweizahn 254. Zwergastern 253. Zwergbohnen 146. Zwergkiefer 346. Zwergpalme 297. Zwergschwertlilie 32% Zwetsche 135. Zwiebel 299. 478. Zwischenzellräume 430. Zwitterblüte 499. Zypresse 348. Zypressenwolfs- milch 35. b- 3 2 Schmeil, Otto Lehrbuch der Botanik BioMed PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY