DS. UE rt 2, ni rn “ A en nie re e ‚Ir ee ge, en >” Tl Fe e az Tune ,,% ira et er an £ ET a = A “ . e x : “ a * pi rn > fer > . nn . . se e E 2 ed re Me . - er: ._ ww n An ren n, ss . I - he ie “ \ - r - - . nn - - 4 ” r - ei > re = - u h - o an“ ie - re ” Be E = . = ” 2) . ng an Tine > PR mu te u E a . n er ee me - rn r ji n - - » n * meta u . ER en x * y > . ar . ng” ne - nun gBa tn Ant nn ern hPa ge b . h en — e nn nn .n - , ET a A m - ee tn n mi Bw he m - a ET n 2.” wi hr £ ee y ir L is N ae ee ng Ka P Z EYES note E“ = .- serie OR - nn rnit BE EEE rim re n en Pe u Due Se vo r w 2 p > ee Dr en in a a Wan ne ne ET : um r ae jr Nee ’ . nt ul l . n— nn - fr *, Zr ri 2 eh er “ ö n r 3. v na Fr EB mtr Fa, Es Du \ na men SE IN ar 6 58 | en % ir) geh & Fr Et Peine 7 = TE 5 Fi N si n5 \ En Ch N | N Se ei E F> Ron Ne an ee ap, yn o, N I) ' Br 2 N Tr 8 Ss) Eh ) -L VERSEN ES IR >> Ne & 2% NEED 2% N nn 2 es) ah h SL | | BT Se j ıl BE | Mil I) iu | ‚il r Ä N I, nd I LET, EP "rohe Can RL TI De { en a" | i Re Fr = Kapn Fa hr. re Fe, N Le ER u mut N N R Kon j N Me Ba LEHRBUCH DER BEUFPFHISIK PHYSIKALISCHEN GEOGRAPHIE. / D®: SIEGMUND GÜNTHER, AA) PROFESSOR AM GYMNASIUM ZU ANSBACH. ZWEI BÄNDE. I. BAND. MIT 77 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN. STUTTGART. VEBBAG VON: EFERDINAND ENKE 1884. ” hl on Gebrüder Kröner in 8: R f ! . A) EN GERHRTEN FREUNDEN ANTONIO FAVARO UND GIOVANNI MARINELLI, VEREHRUNGSVOLL GEWIDMET VERFASSER. Vorwort. Es mag als ein Wagniss erscheinen, ein Lehrbuch der terrest- rischen Physik gerade in einer Zeit der Oeffentlichkeit zu übergeben, während deren durch die Werke von Supan, Ziegler, Hann-Hoch- stetter-Pokorny, Peschel-Leipoldt, durch E. Suess’ grossartiges „Antlitz der Erde“ und endlich nicht zum mindesten durch die Ratzel’sche Sammlung trefflicher Einzeldarstellungen etwaigen Bedürfnissen der deutschen Leserwelt so ausgiebig Rechnung getragen wird. Als der Plan zu dem vorliegenden Buche gefasst ward, war jedoch von all’ jenen Publikationen noch verhältnissmässig wenig bekannt, und nachher gewann es doch den Anschein, als sei ein im Sinne jenes Planes ge- arbeitetes Lehrbuch kein Ueberfluss.. Unser Bestreben lässt sich in Kürze dahin formuliren, dass in möglichst systematischem Aufbau der einzelnen Lehren zugleich der mathematischen Entwickelung ein grösserer Spielraum gewährt und dabei auch auf die geschichtliche Entstehung und Ausbildung unseres Wissens umfassend Bedacht genommen werden sollte. Diesem Zwecke sollen auch die literarischen Nachweise dienen. Man wird, wie der Verf. hofft, nirgendwo der mathematischen Behandlung nachsagen können, dass sie sich unnöthig in den Vorder- grund dränge; es ist im Gegentheile nur dann — dann aber auch rück- haltslos — auf sie zurückgegriffen worden, wenn Theorieen, wie z. B. diejenige des Geoides, ohne diese Hülfe nicht wissenschaftlich genügend vorgetragen werden können. Die Geographen, und insbesondere die Studirenden der Erdkunde, scheuen heute nicht mehr, wie ehedem, vor Formeln zurück, sie wissen, dass mathematische und physikalische Vorkenntnisse ihnen ebenso unentbehrlich sind, wie geologische und historische, und wüssten sie es noch nicht, die Lesung Einer Seite der ausgezeichneten Berichte, welche Zöppritz in Hermann Wagner’s „geograph. Jahrbuch“ über die Fortschritte der Geophysik erstattet, würde sie eines andren belehren, Der Verf. benützt mit Freuden VI Vorwort. die sich ihm hier darbietende Gelegenheit, öffentlich seinen Dank für die Förderung auszusprechen, welche ihm für sein eigenes Unternehmen gerade aus diesen Referaten erwachsen ist. Ursprünglich war das vorliegende Buch nur auf Einen Band be- rechnet. Der Verf. fühlt sich der Verlagshandlung, welche auch sonst mit hoher Bereitwilligkeit auf seine Wünsche eingieng, sehr zu Dank verpflichtet dafür, dass sie sich mit einer Trennung in zwei gleichstarke Bände einverstanden erklärte. Dieser erste Band umfasst etwa diejenigen Gegenstände, welche auf Seite 30 als eventuell der Geophysik angehörig bezeichnet werden, während der zweite der physikalischen Geographie im Speziellen gewidmet ist. Insoferne für Meteorologie, Erdmagnetis- mus, Meereskunde u. s. w. bereits monographische Lehrmittel von an- erkannter Bedeutung in genügender Menge vorliegen, durfte im zweiten Bande die Darstellung eine kürzere und gedrängtere werden. Nament- lich konnte der biologische Theil nur sehr kurz abgehandelt werden; derselbe ist auch nicht für Geographen als solche, sondern lediglich für solche Studirende der mathematischen Wissenschaften bestimmt, welche auch der — für den Analytiker ja noch ein so weites Arbeits- feld eröffnenden — Disciplin der Erdphysik ihr Interesse zuzuwenden gedenken. — Die Figuren wurden ausnahmslos vom Verf. selbst ge- zeichnet, ein Umstand, der, wie er hofft, als Entschuldigungsgrund für manche technische Unvollkommenheit gelten kann. Die Bemerkung auf Seite 285 über die Erfindungsgeschichte der Wasserwage stützt sich auf Rudolf Wolf’s in den I. Band von Boncompagni’s „Bullettino“ eingerückte Note „Materiaux divers pour servir & l’histoire des math&matiques“. Der Autor hat jedoch später in seiner „Geschichte der Astronomie“ sich selbst berichtigt und The- venot wieder in seine Rechte eingesetzt. Ansbach, im März 1884. S. Günther. Inhalts-Uebersicht. Geschichtlich-literarische Einleitung. Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. Kapitel I. Die Kant-Laplace’sche Hypothese. Kapitel Kapitel III. S. 8. S. S. he ee un! onuaupwume mo a ) [ER gr Pomdı+ — Or Kosmogonische Hypothesen im Allgemeinen . Die Kant’sche Hypothese . Kritik der Kant’schen Originalhypothese RR Laplace’s neue Formulirung der Kant’schen Ideen . Plateau’s Versuche Gründe, welche gegen Kant- Laplace spr echen Astronomische und physikalische Konsequenzen. Das Endschicksal der Weltsysteme Die physische Konstitution der Körper des Sonnensystemes. Die Sonne { Die Photosphäre : Fackeln und Flecke . s Die Wilson-Herschel’sche Hypothese 1 Neuere wissenschaftliche Hypothesen. Rotation, Fleckenvertheilung und Fleckenperiodieität . Chromosphäre, Protuberanzen und Korona. Allgemeines über die Beschaffenheit und Temperatur des Son- sneukörpers . ; Se Die Planeten Die Kometen j Aeltere und neuere Kometentheorieen 3 Hypothesen, welche eine polare Kraft zu Hülfe nehmen Die Meteorite Ä Das Thierkreislicht . ß Der Weltraum und seine Erfüllung Die der Erde ähnlichen Planeten und der Mond. Die astronomischen Nachbarn der Erde Die Venus . Mars und seine Monde ; Geschichte der physischen Marsforschung . VIII Inhalts-UVebersicht. Seite $. 5. Oberflächenbeschaffenheit und Atmosphäre des Mars nach Schiapareli . . 103 $. 6. Weitere Schlüsse aus der Analogie zwischen Mars‘ und Erde . 107 $,. 7. Der-Erdmond.. ee $. 8. Licht, Wärme und Atmosphäre des Mondes . . il Ss 9 Die Mondtopogr aphie in ihrer geschichtlichen Entwickelung . 114 $. 10. Allgemeine Beschreibung der Mondoberfläche . . 117 $. 11. - Der lunare Vulkanismus und die physischen Veränderungen der Mondoberfläche. . . UNE) $. 12. Die Frage nach der Bewohnbarkeit der Himmelskörper . 5. 124 Zweite Abtheilung. Allgemeine mathematische und physikalische Verhältnisse des Erdkörpers. Kapitel I. Die Erde als Kugel und Rotationssphäroid. $S. 1. Allmählige Entwickelung der Sphärieitätslehre . . . . . . 129 $. 2. Gründe für die Kugelform des Bi Bee en $.. 8. Storungen der Kuselform.. .. ne ee $. -4. Methoden ‚der,Erdmessung .Y. 2.0... „2 $S. 5. Die Gradmessungsmethode . . Sc $S. 6. Zweifel an der geometrischen Kugelform der Erde; weitere Gradmessungen . . N ee $. 7. Gradmessungen zur Festsetzung. eines Naturmaasses . . . 144 $. 8. Die Längengradmessungen und die europäische Gradmessung 145 $. ..9. ‚Sphäroidische Formeln und Rechnungen . . 2. 1, zes $. 10.: Dimensionen des Erdsphäroides . 149 $. 11. Bedenken gegen den Fundamentalsatz der mathematischen Geographie ; .. u. Du. or a Kapitel II. Die Attraktionsphänomene und deren Anwendung zur Be- stimmung der Gestalt und Dichte der Erde. $S. 1. Die allgemeine Gravitation . . . ee Re $. 2. Mittel, die Schwere und ihre Variationen zu messen 0) Se: Attraktionsprobleme . Be ee $S. 4. Lothanziehung und Lothabstossung 2 167 $. 5. Die Erdgestalt unter dem vereinigten Einflusse von "Schwere und Centrifugalkraft . . 2 ea $S. 6. Das Pendel als geodätisches Instrument . 171 $. 7. Ueberblick über die der geophysikalischen Anwendung des Pendels gewidmeten Untersuchungen . : 172 $. 8. Die Clairaut’sche und die Unferdinger’sche Pendelformel . . 178 $. 9. Aeltere Methoden der Den für die Erden auS1 $. 10. Die Wägungsmethode . . . . ER Do Kapitel IIL Das Geoid. $. 1. Unregelmässigkeiten der Erdgestalt\‘.. ! 1.2. Se re 8. 2. Die. Gestalt der Meeresoberflläche . ..7. 2 0 ne Kr? $. 3. Der Meeresspiegel keine Niveaufläche . 19a $. 4. Aeltere und neuere Erklärungsversuche dieser Abweichung ASESE $..8.. Ph. Fischer’s Untersuchungen \.. 17.22 2. Wess S% 20.2. Das Geoid .*. .. ERS $. 7. Definition und Bestimmung des Geoides nach Brume FR Sl $. 8. Schematische Berechnung extremer Werthe . 2 7... Er 22205 $. 9. Festlegung des Geoides gegenüber dem Sphäroid . . . . . 204 $. 10. Geodätische Konsequenzen der Lehre vom Geoid . . . . .. 207 Kapitel IV. Die Bewegung der Erde im 'Raume, Die Axendrehung. . . | | 2.72.2.20 Unveränderlichkeit der Rordlonsdze a Botskonsn In) ER) De Kapitel V. Inhalts-Uebersicht. Konsequenzen aus der Axendrehung der Erde . . Der Foucault’sche Pendelversuch und dessen Abänderung durch Onnes-.; ; Aeltere Weltsysteme- : Die heliocentrische Reform und deren Begründung Der Axen-Parallelismus Bu a Die Kepler’schen Gesetze . . Drei geophysikalisch wichtige Perturbationen Trepidation und Präcession : £ Mechanische Erklärung der Präcession L Weitere Bemerkungen über die Präcession Nutation . Die Fortbewegung des Sonnensystemes i im Raume. Die Graphik im Dienste der physischen Erdkunde. Kartenprojeklion { Die gebräuchlichen Projektionsmethoden Chorographie und Terrainzeichnung Darstellung der Höhenverhältnisse, Isohypsen und Isobathen a. Flächenmessung . Anderweite Darstellungen der Erdoberfläche “oder ihrer ein- zelnen Theile . 3 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynamische Geologie. Kapitel I. Die Wärmeverhältnisse des Erdinneren. Kapitel II. mern Mo unınınınının Kapitel III. : < Kapite un N ie Das Eindringen der Sonnenwärme . Die Zunahme der Wärme jenseits der neutralen Schicht Temperaturbeobachtungen in Gruben Temperaturbeobachtungen in Bohrlöchern . Temperaturbeobachtungen in Tunnels Allgemeine Resultate und theoretische Schlussfolgerungen Der innere Zustand der Erde. Aeltere Hypothesen . . Gründe für die Starrheit der Erde . . Gründe für und wider die Elastieität des Erdinneren ee: Die Auffassung des Erdinneren als einer gasförmigen Masse . Das Magma und die Ryakohypse . . u Allgemeines über die Physik der Erdrinde Die vulkanischen Erscheinungen. Definition und allgemeine Beschreibung der Vulkane. Die Stratovulkane Er Domvulkane . : Uneigentliche Vulkane . ; Reihung und Anordnung der eigentlichen Vulkane Geographische Vertheilung der Vulkane . : Der Eruptions-Akt und die ihn a Umstände . Die Eruptionsprodukte . EL Aeltere vulkanistische Erklärungsversuche Die Humboldt-Buch’sche Periode Die nicht-magmatischen Theorieen der neuesten Zeit. Die magmatischen Theorieen der neuesten Zeit Die vegetative Bekleidung der Vulkane Erdbeben. Beschreibung einzelner Se pe und Erdbeben- gebiete : Re N IX Seite 219 227 233 238 243 245 250 253 255 262 263 265 271 275 285 236 292 294 369 “ sen na D Inhalts-Uebersicht. Allgemeine Schilderung des Verlaufes einer Erderschütterung Seebeben und Erdbebenfluthen . Anzeichen und Schutzmittel . Seismographen und Seismometer ; Geometrie und Mechanik der seismischen Punkt- und Linien- systeme . . : Theoretische Spekulationen über die Natur der Erdbeben \ Die Perrey-Falb’sche Hypothese Ä Grundsätzliche Unterscheidung vulkanischer und tektonischer Erdbeben Seite 312 816 380 385 388 393 400 401 Geschichtlich-literarische Einleitung. Wenn wir im Folgenden mit kurzen Zügen ein Bild von dem allmählichen Anwachsen und Erstarken der grossartigen Diseiplin zu entwerfen versuchen, welche die Brücke.zwischen der Naturlehre und Erdkunde bildet, so sehen wir uns Schwierigkeiten gegenüber, welche durchaus in dem eigentlichen Wesen der Sache selbst begründet und deshalb auch nicht leicht zu besiegen sind. Wer einen geschichtlichen Abriss der Philosophie, Mathematik, Medizin, ja wohl auch der Physik oder Geographie selbst zu liefern unternimmt, der hat es mit einer in sich mehr oder weniger fest abgeschlossenen Wissenschaft zu thun, deren besonderer Charakter zu allen Zeiten anerkannt war, mit deren Nennung Jedermann und von je einen bestimmten Begriff zu verbinden gelernt hat. Anders im vorliegenden Falle. Als ein selbstständiger Wissenszweig ist der für die exakte Forschung zugängliche Theil der Geographie erst von einem verhältnissmässig späten Datum an be- trieben worden, und doch würde der Geschichtschreiber ein schweres Unrecht thun, wollte er mit seiner erzählenden Thätigkeit auch nicht früher, als in jenem vorgerückten Momente beginnen. Denn lange vor dem Termine einer scharfen Begriffsbestimmung — soferne von einer solchen auch heute überhaupt die Rede sein kann — hatte doch eine Fülle von Schriftstellern theils instinktiv, theils mehr oder weniger bewusst die Nothwendigkeit einer consequenten Anwendung physikali- scher Untersuchungsmethoden auf Fragen der allgemeinen Erdkunde erkannt und, jeder an seinem Theile, Beiträge zum Aufbau dieser Zukunftswissenschaft geliefert; ja selbst bis in altersgraue Vorzeit hinauf lassen sich die Spuren derartiger Thätigkeit deutlich erkennen. Wir sehen uns somit in die Zwangslage versetzt, in diesem einführenden Kapitel emen Weg einzuschlagen, der eine den sonst betretenen ge- radezu entgegengesetzte Richtung einhält. Ohne uns in eine an sich schwer zu lösende Aufgabe jetzt schon einzulassen, diejenige nämlich, den Umfang des von uns zu kultivirenden Gebietes genau zu um- schreiben, schildern wir, sofort in medias res eintretend, die allmähliche -Entwickelung der Gedankenreihe, welche in diesem Buche die Form eines Wissenssystemes erhalten soll. An der Hand dieser historischen Betrachtung hoffen wir aber auch zu einem Ziele zu gelangen, welches Günther, Geophysik. I. Band. 1 Ik Geschichtlich-literarische Einleitung. Alterthum. auf anderen Bahnen minder leicht zu erreichen wäre, nämlich zu dem Ziele einer möglichst präcisen Charakterisirung jenes Theiles der Ge- sammtwissenschaft, welches durch die, wenn auch verschieden zu deu- tenden, so doch ihrem Hauptabsehen nach synonymen Namen der Geo- physik, der physischen oder physikalischen Geographie be- zeichnet zu werden pflegt. | Naive Gelegenheitsversuche, sich von irgend einem tellurischen Vorgang eine dem menschlichen Oausalitätsbedürfniss entsprechende Rechenschaft zu geben, treten uns schon sehr frühe im Alterthum ent- gegen. Strenge genommen müssten die Kosmogonieen der alten Kultur- völker, ihre mannigfach gegliederten und doch offenbar von dem näm- lichen Grundgedanken beherrschten Sintfluthhypothesen, hierher ge- rechnet werden. Homer’s Gesänge verdienten wohl, einmal eingehen- der Durchforschung in diesem Sinne unterworfen zu werden, und wenn auch bei ihm das phantastische Element noch sehr vorwaltet, so tritt der Sinn für nüchterne Naturbetrachtung um so augenfällisger hervor bei seinem Nachfolger Hesiod, dessen Lehrgedicht „Werke und Tage“ uns klar zur Anschauung bringt, wie sich die Alten das Wechselver- hältniss zwischen der Erdoberfläche und den von den Himmelskörpern ausgehenden Kräften dachten. Die kosmologischen und damit zusam- menhängend natürlich auch die geophysikalischen Spekulationen der jonischen Naturphilosophen schienen sich lange Zeit hindurch unserer näheren Kenntniss gänzlich zu entziehen, wie denn selbst Zeller [1] den Versuch, aus den plutarchischen Ueberlieferungen heraus die Theorieen des Thales reconstruiren zu wollen, für einen aussichtslosen erklärte. Seitdem uns jedoch Diels mit seiner trefflichen Ausgabe der antiken Naturphilosophen zweiter Ordnung beschenkt hat *)[2], ist unsere Stellung der jonischen Schule gegenüber eine wesentlich andere geworden. Des Theophrast grosses Werk ist, wie sich nunmehr zeigt, nicht spurlos verloren gegangen, vielmehr ist ein grosser Theil der Materialien, welche derselbe für die Geschichte der Physik von den ältesten Zeiten bis auf Platon zusammengetragen hatte, in ein viel späteres Sammel- werk übergegangen, welches nach Diels [3] in die sechs Abschnitte „de principiis“, „de mundo“, „de sublimibus“, „de terrestribus“, „de anima“, „de corpore“ zerfiel, welches bereits von dem römischen Poly- histor Varro ausgenützt und von einem gewissen Aetius für seine „Epitome“ excerpirt wurde, welch’ letztere dann wieder als eine freilich schon ziemlich trübe Quelle für zahlreiche spätere Autoren diente. Für uns hier ist als das wichtigste Ergebniss dieser bedeutungsvollen Arbeiten ein Satz anzusehen, welcher in einer neueren Schrift, auf die wir uns mehrfach zu beziehen haben werden, die nachstehende Formu- lirung empfangen hat [4]: „Auch in die entlegenen Zeiten des Anfanges der griechischen Philosophie leitet uns ein Führer, Theophrast; diesem haben wir zu vertrauen, ihm aber auch uns unterzuordnen.“* Geleitet durch diesen Führer können wir jetzt den Scharfsinn bewundern, welcher sich in Thales’ kühnem Wagniss ausspricht [5], die Wesensgleichheit *) Wir wählen diese vielleicht nicht ganz einwurfsfreie Bezeichnung des- halb, weil es sich hier nicht um Forscher von originaler Bedeutung, sondern um Commentatoren und Compendienschreiber handelt, deren Sammeleifer wir freilich zu grossem Danke verpflichtet sind. Ä Kr De 4 wa Geschichtlich-literarische Einleitung. Alterthum. 3 der Erde mit den Himmelskörpern zu behaupten, wir können Anaxi- mander’s hohen Schwung in der Zurückführung aller kosmischen Er- scheinungen auf Bewegungsvorgänge anstaunen |6| und die merkwürdige Thatsache constatiren, dass die geniale Einfachheit der Erklärungen dieses hervorragenden Mannes schon seinen nächsten Nachfolgern nicht genügte und sie, z. B. den Anaximenes, zu allerlei Künsteleien heraus- forderte |7|. Die pythagoreische Schule zeichnete sich durch ihre Be- tonung des mathematischen Elementes vortheilhaft aus und gelangte so zu jenen richtigeren Ansichten über Erdgestalt und Erdbewegung, deren in einem kommenden Kapitel ausführlicher Erwähnung zu thun sein wird. Die Philosopheme eines Demokrit, Heraklit und Anaxa- soras mögen hier von einer näheren Erörterung ausgeschlossen bleiben, da sie nachweislich einen unmittelbaren Einfluss auf die Folgezeit nicht ausgeübt haben, dagegen wäre es ungerecht, nicht von Empedokles zu sprechen, den die Natur seines Vaterlandes Sizilien zum Studium des Vulkanismus anleitete, der die bezüglichen Phänomene sowohl als auch die Thermalquellen aus der feurig-Hüssigen Beschaffenheit des Erdinneren erklärte [2] und der Sage nach durch diesen Eifer sogar dem Tode im Krater des Aetna verfiel. Platon endlich war zwar gleich seinen Vorgängern ebensowenig Physiker, als Geograph, doch haben gelegentliche Bemerkungen von ihm über Fragen der physischen Erd- kunde eine weiter tragende Bedeutung gehabt, und insbesondere soll nach Berger’s Meinung [9] die von jenem und von Theopomp in Um- lauf gesetzte geographische Mythe von der verschwundenen Insel At- lantis den Anstoss zu jenen üppig wuchernden Doktrinen über den Wechsel von Festlandboden und Meeresfläche gegeben haben, mit welchen sich noch der Geologe unserer Tage zu rechnen genöthigt sieht. Hatten wir bislang ausschliesslich von solchen Männern zu sprechen, welche entweder einer bekannten Philosophenschule angehörten oder sozusagen auf eigene Hand Naturphilosophie trieben, so begegnen wir im V. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zwei Griechen, die von einer ganz anderen Seite her an die naturwissenschaftlich-geographischen Studien herantraten und somit, da nicht sowohl geistreiche Reflexion, als vielmehr eine gestählte Erfahrung ihren Leitstern abgab, einen höchst fördernden Einfluss auf jene ausübten. Es versteht sich von selbst, dass wir Herodot und den Koer Hippokrates im Auge haben. Mag der Erstere, soweit theoretische Begriffe in Frage kamen, noch so sehr in den Vorstellungen seiner Zeit befangen gewesen sein, so hat ihn doch ein auf weiten Reisen geschärfter Blick manche glück- liche Entdeckung machen, manche treffende Idee aussprechen lassen, deren Fortbildung vielleicht erst nach Jahrtausenden möglich wurde, und zumal für die geognostischen Verhältnisse der von ihm besuchten Länder, für die Wechselbeziehungen von Land und Wasser, ja sogar für die ungleiche Vertheilung des Regens in den einzelnen Jahres- zeiten |10] interessirte er sich auf das Lebhafteste. Man braucht der hellenischen Alluvionenlehre, die Megasthenes für Indien, Hekataeus für Aegypten nutzbar gemacht und die eben Herodot [11] am Nile bestätigt gefunden hatte, kein übertriebenes Lob zu zollen und kann trotzdem die fruchtbringende Bedeutung gerade dieser herodotischen Theorie der Schwemmländer vollständig anerkennen. Was Hippokrates anlangt, so legt kein Anderer, als Haeser, der trefflichen kleinen 4 Geschichtlich-lterarische Einleitung. Alterthum. Schrift dieses ursprünglichen Denkers und Beobachters, die von Luft, Wasser und Ortslage im Zusammenhang mit den physischen Eigen- schaften des Menschen handelt, den Werth eines selbstständigen Ab- risses der physikalischen Erdkunde bei [12], wie denn u. a. darin die korrektesten Gedanken über die Entstehung der Winde, von deren Verhältniss zum Meere, von ihrer Bedingtheit durch die Jahreszeiten und durch lokale Einflüsse niedergelegt sind. Ja selbst dann, wenn beide Forscher, der Entdeckungsreisende, wie der Arzt, Spekulationen sich hingeben, die den geläuterten physikalischen Anschauungen der Neuzeit bedenklich und irreführend erscheinen müssen, kann der un- partheiische Beurtheiler kaum umhin, Bewunderung über eine so eigen- artige Hypothesenbildung zu empfinden. So weist das, was Herodot über die Ursache der periodisch wiederkehrenden Nilüberschwemmungen aussagt, hinüber auf eine ganze Reihe von Theorieen, welche neuer- dings zur Erklärung der sogenannten Eiszeit aufgestellt worden sind [13], und die auf den ersten Blick so sonderbar anmuthende Angabe des Hippokrates, dass die Laufrichtung eines Quellgewässers wohl zu be- achten sei, wenn man über die sanitären Eigenschaften des letzteren zu entscheiden habe, illustrirt doch auch wieder besonders klar den feinen Sinn des grossen Forschers für Naturbeobachtung*). Wenn von der Grundsteinlegung des ‘stolzen Gebäudes der physischen Erd- kunde die Sprache ist, werden die Namen Hippokrates und Herodot stets unter .den vordersten zu nennen sein. Mittlerweile war die Disciplin, an deren Aufbau alle die genannten Koryphäen antiker Wissenschaft sich betheiligt hatten, weit genug fort- seschritten, um allmählich einer mehr organischen und zusammenfassenden Bearbeitung theilhaftig zu werden. Dieser Arbeit unterzog sich der grösste Systematiker nicht blos seiner Zeit, sondern aller Zeiten, Ari- stoteles vor Stagiros. Einzelheiten geophysikalischer Natur finden sich in sehr vielen Schriften desselben, doch ist es besonders die „Meteoro- logie“, die ein mehr systematisches Gepräge an sich trägt. Allerdings dürfen wir dieses Wort nicht in der verengerten Bedeutung von heute als eine Lehre von den atmosphärischen Erscheinungen auffassen, denn diese bildet nur einen Bestandtheil des Werkes, von welchem wir nach Heller |15] die nachstehende kurze Inhaltsübersicht geben. Das erste Buch sucht den Plan des Ganzen und den Inhalt des Faches darzu- legen, als hodegetisches Hülfsmittel folgt sodann die bekannte Elemen- tenlehre, und daran reihen sich Betrachtungen über den Himmel, speziell über Milchstrasse und Kometen, die Natur der Gestirne, des Welt- äthers, der Luft und der ihr entstammenden Niederschläge, endlich über die Winde und fliessenden Wasser der Erde. Das zweite Buch beginnt mit einer Art von Oceanographie, handelt von den Beziehungen zwischen Luft und Meer, von den Winden, wobei die Bedingungen für das periodische Wehen eines Windes während gewisser Jahreszeiten ganz richtig erkannt werden; zum Schlusse werden die Erdbeben und jene — modern gesprochen — elektrischen Entladungen der Atmo- *) Auf diese wenig bekannte Stelle wieder hingewiesen und sie mit einigen Erläuterungen versehen zu haben, ist das Verdienst Kästner’s gewesen [14]. In- dessen will es uns bedünken,. als sei der Sachverhalt noch durchaus nicht ge- nügend aufgeklärt und biete dem Spürsinn der Interpreten noch vielen Spielraum. Geschichtlich-literarische Einleitung. Alterthum. 5 sphäre besprochen, welche das Alterthum mit den Erschütterungen der Erdfeste in einen Causalnexus zu bringen liebte. Die meteorologische Optik erfüllt das dritte Buch, doch werden in dasselbe auch die Or- kane und Wirbelstürme mit herein genommen, und das vierte ist physikalischer Natur, insoferne dort die allen materiellen Körpern ge- meinsamen Grundeigenschaften erörtert werden. Es kann hier natür- lich nicht unsere Aufgabe sein, den einzelnen Entdeckungen oder wohl auch Fehlgriffen des Stagiriten nachzugehen; aus dem Mitgetheilten erhellt bereits, dass er der erste Schriftsteller grossartigeren Maass- stabes auf dem Gebiete der tellurischen Physik war, und so werden wir uns auch nicht darüber wundern dürfen, dass seine 'Thätigkeit schulemachend wirkte. Unmittelbar von ihm unterrichtet war beispiels- weise jener Dikaearch, der durch die ersten nicht auf roher Schätzung beruhenden Bestimmungen von Bergeshöhen zuerst einige Ordnung in die abenteuerlichen orographischen Anschauungen seines Volkes brachte [16]. Weit wichtiger als er ist aber der verdienstvolle didaktische Schriftsteller des Griechenthums, der uns bereits bekannte Theophrast, der namentlich auch für die mannigfachen kesmographischen Anreg- ungen empfänglich war, welche sich aus der rasch anwachsenden Li- teratur über den Alexanderzug ergaben |17], während der Meister selbst gerade mit Rücksicht auf die von jenem zu erwartende Bereicherung unseres Naturwissens noch eine gewisse Zurückhaltung beobachten zu sollen geglaubt hatte [18]. Hierher gehört auch der nicht genau be- kannte Verfasser des pseudoaristotelischen Buches „rept x6owon“, der wohl schwerlich Apulejus und viel wahrscheinlicher ein Hellene aus der alexandrinischen Periode war*). Möglicherweise wäre die Autor- schaft zurückzuführen auf den gelehrten Posidonius, der — von seinen Verdiensten um die rein mathematischen Partieen der Erdkunde ab- sesehen — an dieser Stelle namentlich um seines Strebens willen ge- nannt werden muss, die Physik des Meeres und in dieser wiederum besonders die Lehre von den Gezeiten übersichtlich darzustellen [20]. Als wissenschaftlicher Enkel des Aristoteles darf endlich der Lampsa- cener Straton, ein Schüler des Theophrast, gelten, der sich eifrig jener Abtheilung der physischen Erdkunde widmete, die man am Besten als dynamische Geologie bezeichnet. | Die alexandrinische Astronomenschule, deren Vertreter wir, soweit es sich um geographische Dinge handelt, in Eratosthenes, Hipparch und dem allerdings weit späteren Ptolemäus zu erblicken gewohnt sind, nahm, wie Berger [21] hervorhebt, von dem physikalischen Zweige der Wissenschaft so gut wie gar keine Notiz und bereitete durch diese Einseitigkeit den ganz naturgemässen Rückschlag vor. Denn es bahnte sich so eine Richtung an, welche umgekehrt der so nothwendigen Controle der Geometrie entrathen zu können glaubte und so einen Irrweg inaugurirte, auf dem man leider auch jetzt noch nur zu viele Freunde der Erdkunde dahinwandeln sieht **). Als einen *) Diese Meinung. welche sich auf die grosse Aehnlichkeit zwischen des Apulejus Schrift „De mundo“ und dem angeblich aristotelischen Traktate stützt, ist hauptsächlich von Goldbacher [19] zu nichte gemacht worden. **) Besonders übel kann den Gegnern der mathematischen Methode in der Erdkunde diess allerdings nicht genommen werden, wenn man sich solcher geo- metrischer Uebertreibungen im anderen Lager schuldig machte, wie es der Stoiker Ö Geschichtlich-literarische Einleitung. Alterthum. der hervorragendsten Choragen dieser Schule müssen wir Polybius anführen, der die Geographie, ähnlich wie es die Schulvorschriften vieler deutscher Länder thun, zu einer blossen Hülfswissenschaft der » Geschichte degradirt wissen wollte, der den von Pytheas aus der Ferne mitgebrachten Erfahrungsthatsachen nur spöttisches Misstrauen ent- gegenbrachte, dem aber bei alle dem Berger das folgende lobende Zeugniss auszustellen sich gedrungen fühlt [23]: „Er knüpfte an die Besprechung der günstigen Lage von Byzanz ein treffliches Referat der stratonischen Lehren über die Abdämmung der Mäotis und des Pontus Euxinus. Partieen der physischen Erdkunde scheint er mit Vorliebe eingeflochten zu haben.“ Immer erkennbarer tritt die kritisch- zersplitternde und eine in damaliger Zeit noch nicht so sehr nöthige Ar- beitstheilung begünstigende Tendenz hervor bei den auf Polybius folgen- den Geographen, bei Agatharchides, Artemidor, Theophanes.u.a., die zu dem freilich nicht minder einseitigen, durch natürliche Genialität diesen Fehler aber reichlich wieder ausgleichenden grössten Geographen der Antike, zu Strabon aus Amasia, hinüberleiten [24]. Zu billigen ist es freilich nicht, dass ein Mann, wie er, die Einheitlichkeit der Wissen- schaft so wenig hoch schätzte und das weite Arbeitsfeld der astrono- misch mathematischen Geographie als ein von dem eigenen weit seitab liegendes betrachtete, das wohl einzelne auch für seine Zwecke brauchbare Früchte hervorbringe, sonst aber eine Domäne des Geometers bilde und den Geographen als solchen nichts angehe. Ein Glück nur, dass dieser Theil seiner Lehren von der Folgezeit nicht berücksichtigt worden ist. Ein um so hellerer Blick spricht sich in allen Ausführungen Strabon’s aus, sobald er auf die naturwissenschaftliche Seite der Geo- graphie und namentlich auf die Morphologie der Erdoberfläche zu reden kommt. Wir verweisen Jeden, der sich über diese Punkte bequemer als auf dem Wege des Quellenstudiums einen Ueberblick zu verschaffen wünscht, auf jene reichhaltige Programmabhandlung H. Fischer’s [25], die wir im weiteren Fortgange dieses Buches noch sehr oft zu eitiren haben werden, und begnügen uns mit der Heraushebung einiger be- sonders bemerkenswerther Einzelheiten. Die vertikale Gliederung des Erdreliefs erschien ihm als dem Ersten wichtig genug, um einer be- sonderen Klassifikation zu bedürfen [26], die Hebungen und Senkungen des festen Erdbodens untersuchte er weit genauer als seine Vorläufer Hipparch und Posidonius [27], die erosive Wirkung der Gewässer war ihm kein Geheimniss [28], und wie er überhaupt mit Vorliebe hydro- graphische Untersuchungen anstellte (z. B. über Schwemmland, Delta- bildung u. dgl.) so widersetzte er sich auch mit Glück dem Beginnen, unmögliche Theorieen über den Lauf und die Verzweigung der Ströme zur Geltung zu bringen. Ebenso bestimmt war er in der Erkenntniss des Faktums „dass successive Erhebung über den Meeresspiegel eine ähnliche Wärmeabnahme und in deren Gefolge auch ähnliche pflanzen- geographische Erscheinungen bedingt, wie eine stetige Fortbewegung an der Meeresoberfläche in nordsüdlicher Richtung“ [29]. Aus einer un- längst veröffentlichten quellenkritischen Arbeit K. J. Neumann’s über Krates that [22]. Dessen Versuch, die Begrenzungslinien des Festen und Flüssigen symmetrisch zu fixiren, soll auf einem Erdglobus in Pergamum (II. Jahrhundert v. Chr.) versinnlicht worden sein. Geschichtlich-literarische Einleitung. Alterthum. 7 Strabon [30] zieht ferner deren Recensent, A. Kirchhoff, den Schluss [31], dass der kleinasiatische Forscher durch seine „Taurusgrenze“ nicht blos eine wichtige Wasserscheide, sondern auch eine klimatologische Scheidelinie festzulegen beabsichtigte, welche die kalten Nordländer von dem Gebiete des gemässigten Mittelmeerklima’s trennt. Man wird diese Deutung nicht für zu kühn erachten, wenn man sich vergegen- wärtigt, dass Strabon eben zur Eröffnung weittragender Perspektiven ganz der richtige Mann war; stehen doch auf gleicher Höhe seine Aus- führungen über die Küstengliederung eines Landes und den Zusammen- hang, der diese rein geometrische Eigenschaft an die Rolle knüpft, welche das fragliche Land in der Geschichte der Menschheit zu spielen berufen ist. Und hätten wir nur den einzigen Ausspruch Strabon’s bewahrt von dem „vielgestaltigsten* Welttheil Europa, so würde er allein uns eine Ahnung von der freien und klugen Anschauungsweise des Mannes beibringen können [32]. Mit Strabon erreicht die wissenschaftliche Erdkunde der Griechen nicht allein ihren Höhepunkt, sondern leider gleichzeitig auch ihr Ende, denn was das Gros der „Geographi minores“ geleistet, beschränkt sich wesentlich auf Commentirung und Wiederholung des Vorhandenen und trägt nirgends. mehr den Stempel selbstständiger Geistesarbeit. In drastischer Sprache hat diese Wahrheit Berger ausgesprochen [33], der freilich auch in seiner Werthschätzung Strabon’s der Tendenz seiner geschichtlichen Untersuchung entsprechend nicht so weit geht, wie wir diess thun zu sollen glaubten. Nur eine einzige Schrift der spät- griechischen Literatur möchten wir noch besonderer Erwähnung wür- digen, da sie zwar auch zunächst nur den Werth eines Sammelkastens besitzt, gerade aber aus diesem Grunde für die Historiker, die sich bislang nur recht wenig mit ihr beschäftigt haben, eine Fundgrube darbieten dürfte. Diess ist des Plutarch Büchlein „De facie in orbe lunae*. Der Grundgedanke desselben gipfelt in dem Bemühen, Ana- logieen zwischen der Oberflächengestaltung von Mond und Erde aus- findig zu machen, und wenn auch durch dieses Streben einzelne recht sonderbare Blasen zum Aufsteigen gebracht werden*), so nimmt der Tieferblickende in demselben doch die Keime jenes fruchtbaren In- einandergreifens von Astronomie und Geologie wahr, auf welches zumal die englischen Selenographen der Gegenwart mit ebensoviel Eifer als Erfolg hingewirkt haben. Des Ptolemäus Werk gehört nicht hierher. — Von den Griechen lenken wir unsere Schritte hinüber zu deren westlichen Nachbarn. Dass der Sinn der Römer für exakte Forschung und speziell für exakte Naturbetrachtung kein besonders feiner war, ist eine vielleicht nur zu sehr bekannte Thatsache, denn es führt diess zu der landläufigen und von K. v. Littrow sogar in einer akademischen Schrift [35] verfochtenen Annahme, dass man die römische Seite des klassischen Alterthums gänzlich ausser Acht lassen dürfe, sobald es sich um geschichtlich-naturwissenschaftliche Fragen handelt. Wir werden den Beweis antreten, dass wenigstens für die physische Erdkunde der ”) A.v. Humboldt nimmt u. a. Bezug auf die in dieser Schrift befürwortete und merkwürdigerweise auch dem orientalischen Vorstellungskreise genehme An- sicht, dass die Umrisslinien, welche schon das unbewaffnete Auge im Vollmonde unterscheidet, nur ein Spiegelbild der irdischen Continentalgrenzen seien [34]. 8 Geschichtlich-literarische Einleitung. Alterthum. Sachverhalt denn doch ein sehr verschiedener ist. Schon die Dichter des goldenen und silbernen Zeitalters geben uns manche brauchbare Aufschlüsse über die Art und Weise, wie sich der feingebildete Römer das Wesen der auf die Erdoberfläche einwirkenden Kräfte zurecht legte ; das Windsystem des Horaz, Vergil’s häufig wiederkehrende Hin- weisungen auf Astrometeorologie und die zum Theil einen kenntniss- reichen Beobachter verrathenden Bemerkungen über geologische Er- scheinungen, welche sich in den Metamorphosen des Ovidius finden, verdienen alle Aufmerksamkeit eines dereinstigen Spezialhistorikers der physikalischen Geographie. In noch weit höherem Grade gilt diess von den eigentlichen Naturgedichten der Lateiner, von den sechs Büchern „De rerum natura“ des Lucretius und von dem geologischen Lehrgedicht „Aetna“, welches nach Teuffel [36] den Lucilius zum Verfasser haben soll. Die modellirende und umformende Wirksamkeit des Wassers hat der auch als Hydrotechniker berühmte Baumeister Vitruvius im achten Buche seines bekannten Werkes „De architectura“ einlässlich geschildert. Auch an Systematikern hat es den Römern in unserem Fache keines- wegs gefehlt, und wenn wir auch den Ausspruch B. Studer’s [37], Plinius der Aeltere habe im zweiten Buche seiner Naturgeschichte, im Gegensatz zu der speziellen Erdkunde der vier folgenden Bücher, eine allgemeine physische Geographie gegeben, nicht so ganz unterschreiben möchten, weil doch dann die Anforderungen, die man an eine solche zu stellen berechtigt ist, gar zu sehr heruntergeschraubt werden müssten, so wollen wir andererseits dem Werke des vielgelehrten Compilators das Lob einer sehr reichhaltigen Materialiensammlung nicht streitig machen. Allein Rom hat auch einen wirklichen Systematiker hervor- gebracht, um den man sich nur bei weitem noch nicht genug geküm- mert hat, und diess ist Lucius Annaeus Seneca. Wir folgen, indem wir sein Verdienst mit einigen Worten kennzeichnen, der trefflichen Monographie, die Nehring |38] über den unter seinen Zeitgenossen einzig dastehenden Naturphilosophen publicirte. Obwohl: mit einem gewissen Rechte die „Naturales Quaestiones“ ihrer ganzen Ausdehnung nach hierher gehören, so sind es doch we- sentlich das dritte und sechste Buch, die für uns in Betracht kommen. Das erstgenannte ist der Hydrologie gewidmet; es [39] handelt von der mechanischen und chemischen Aktion der Meteorwasser und von der Entstehung der laufenden Gewässer, wobei nicht blos die Temperatur und Farbe derselben, sondern auch die Sedimentbildung, die periodisch fliessenden Quellen zur Besprechung gelangen. Sowohl die formbildende Gewalt des Wassers durch Erosion, als auch dessen nivellirende Thätig- keit bei der Bildung von Schwemmland sind dem Seneca genau be- kannt, der uns auch, gleich so manchem Vertreter der modernen Neptunistenschule, als entschiedener Anhänger der Theorie von einer periodisch wirkenden Erdüberfluthung entgegentritt. Im sechsten Buche 40] spricht er von den Erdbeben, über deren Verlauf er umfassende Erfahrungen eingezogen haben muss, da er insbesondere auch über die geographischen Vorbedingungen dieser Erscheinungen völlig klar ur- theilt und hier manche Wahrheiten antieipirt, die noch heute wenig verändert in den geologischen Lehrbüchern vorgetragen werden. Die gleichfalls alle wichtigen Punkte streifende Vulkanlehre Seneca’s [41] gemahnt auf das Lebhafteste an die Epoche Leopold’s v. Buch und x Geschichtlich-literarische Einleitung. Mittelalter. 9 Alexander’s v. Humboldt. Im dritten und vierten Buche finden wir gelegentliche Bemerkungen eingestreut, welche ein tiefergehendes Ver- ständniss meteorologischer Thatsachen erkennen lassen. Zu allem Ueberflusse nennen wir noch die Titel der einzelnen Bücher des Werkes in der Reihenfolge, welche Nehring [42] aus inneren Gründen denselben anweisen will. Wenn man hört, dass dieselben folgeweise von den himmlischen Lichterscheinungen, von den Kometen, vom Hagel, von den Winden, von den Erdbeben (und Vulkanen), vom Blitz, vom Wasser und endlich — gewissermassen zur Anwendung der entwickelten Lehrsätze auf einen interessanten Einzelfall — vom Nil handeln, so wird man uns die Berechtigung dazu nicht absprechen können, die naturwissenschaftlichen Fragen des Seneca als eine in ihrer Art sogar sehr vollständige Encyklopädie der physischen Erdkunde zu bezeichnen. Die spätere römische Literatur bietet, je mehr wir uns dem Be- sinne des Mittelalters nähern, um so weniger Ausbeute für unsere Zwecke dar. Der Geschichtschreiber unserer Disciplin freilich, der auch die Nachtseite derselben zu berücksichtigen gesonnen wäre, müsste bei manchem spätlateinischen Autor Halt machen und insbesondere mit Macrobius sich beschäftigen. Die eigenthümlichen Ansichten, welche bei ihm und bei seinen Zeitgenossen zu finden sind betreffs des Grössen- verhältnisses des Wassers und Festlandes, hat Humboldt zum Gegen- stande einer seiner geistvollen Untersuchungen gemacht [43]. Wir an diesem Orte glauben diese Ausläufer ebensowohl mit Stillschweigen übergehen zu dürfen, wie den von Peschel mit dem Namen einer Pe- riode der „patristischen* Geographie belegten [44] Zeitraum, denn so wenig wir in Abrede zu stellen gemeint sind, dass auch bei den viel- fach in unser Gebiet übergreifenden Betrachtungen der Kirchenväter über das Hexaämeron ab und zu ein ganz gesunder Gedanke durch- blitze*), so kommt dergleichen doch zu vereinzelt vor, um in dieser Senetischen Skizze einen Platz beanspruchen zu können. — Auch von den Arabern, die sich auf einem anderen Boden nicht allein als Be- wahrer des ihnen Ueberlieferten, sondern auch als selbstständige und fruchtbringende Arbeiter bethätigt haben, vermögen wir nur wenig zu berichten, denn nicht blos an geographischem Sinne fehlte es den meisten Orientalen, sondern auch an jener feinsinnigen naturwissenschaftlichen Auffassung, welche einem Strabon und Seneca zu so manchem glück- lichem Funde verhalf, obwohl beide wohl weniger reelle physikalische Kenntnisse besassen, als ein gewöhnlicher arabischer Durchschnitts- gelehrter. Albiruni, der auf weiten Fahrten sich einen schärferen Blick als viele seiner Landsleute angeeignet hatte und z. B. das Auf- und Abschweben der Koralleninseln im indischen Meere richtig erkannte [45], und Massudi, der zwischen der physischen Beschaffenheit einiger ihm bekannter Länder treffende Vergleiche anstellte [46], sind eigentlich die einzigen Schriftsteller der arabischen Zeit, welche man einigermassen den grossen Männern des Alterthums an die Seite stellen darf. Ausser- dem darf vielleicht noch genannt werden Jbn Haitham — bekannter unter dem Namen Alhazen — wegen seiner unleugbaren Verdienste um die meteorologische Optik [47] und Alkbazini, der in seinem Traktat *) Ein Beispiel dieser Art werden wir gleich im nächsten Kapitel kennen lernen. 10 Geschichtlich-literarische Einleitung. Mittelalter. von der Wage auf die Angabe von Mitteln dachte, um die Sommer- temperatur graduell von derjenigen des Winters zu unterscheiden [48]. Sonst aber- haben die muhammedanischen Geographen des Mittelalters ihrer Wissenschaft sogar direkten Schaden zugefügt, indem sie ihrem Hange zur Mythenbildung die Zügel schiessen liessen; so haben sie in die Lehre von den Stromsystemen eine später nur schwer wieder aus- zurottende Verwirrung hineingetragen [49], und was sie auf diesem Felde sündigten, machte sich um so fühlbarer, als es selbst den besseren ihrer darstellenden Geographen, einem Istachri und Edrisi, an eigentlich kartographischem Talente gänzlich gebrach. Die Lehrbücher unseres Faches machen, soviel des Merkwürdigen und Anziehenden sie in kultur- seschichtlicher Beziehung auch darbieten, keine Ausnahme von der allgemeinen Regel; die durchgehende Tendenz, das Unwahrscheinliche und Sonderbare dem Natürlichen und Einfachen vorzuziehen, macht sich gleicherweise geltend in jenen Schriften, deren Autoren, wie Shems- eddinvon Damaskus|50] oder Zacharias von Kaswin [5l], einen orthodox-mosleminischen Standpunkt vertreten, oder welche, wie das encyklopädische Werkchen der „lauteren Brüder“ [52], einem rationa- listischen Zuge ihre Entstehung verdanken. Kazwini, um von diesem hervorragendsten Oompendiographen einige Worte zu sagen, hat seinem Buche einen ganz rationellen Plan zu Grunde gelegt: er giebt zuerst einen Ueberblick über die astronomischen Erscheinungen, indem er die Sphäre jedes einzelnen Wandelsternes getrennt für sich abhandelt, sodann schildert er, von oben niedersteigend, nach einander die Sphären des Feuers, der Luft, des Wassers und der Erde. Jedes der bekannten Meere erhält seine eigene ÜOharakteristik, dann wird das Relief des Erdkörpers beschrieben und der Veränderungen gedacht, welche Erd- beben und andere Umwälzungen in diesem hervorbringen; merkwürdige Berge, Flüsse und Quellen werden aufgezählt, und eine populäre Mi- neralogie und Gesteinslehre beschliesst das Ganze. Soweit wäre Alles gut, allein die Einzelschilderungen laufen grossentheils auf die Er- zählung von Märchen und Reiseabenteuern hinaus, und nur selten ent- schädigen den modernen Leser für solchen Ballast gesunde Ansichten, wie sie z. B. über den Zusammenhang der Luftströmungen mit lokalem Regenfall geäussert werden *). Im guten Sinne anregend können der- artige schriftstellerische Produkte auf das abendländische Gelehrten- thum nicht gewirkt haben. — Man liest in geschichtlichen Werken gar nicht selten, die Stag- nation der Naturwissenschaften sei im Mittelalter eine so vollkommene gewesen, dass man diese Periode ruhig überschlagen könne, und Mancher ist geneigt, dieses absprechende Urtheil ohne Weiteres auch auf die Kosmographie auszudehnen. Wer so schliessen wollte, begienge aber ein schweres Unrecht. Anfänglich natürlich, als man zu den Wissen- schaften wieder zurückzukehren anfieng, musste man sich mit dem Wenigen begnügen, was aus spärlich fliessenden und noch dazu abge- leiteten Quellen des antiken Wissens, aus Marcianus Capella, Isido- rus Hispalensis u. a., zu schöpfen war; was man in jener frühen Zeit *) Auch die Bemerkungen über Winde, die an schneebedeckten Gebirgen und Wüsten hinstreichen und durch diese einen besonderen Charakter erhalten, sind zutreffend [53]. | ee HUN Geschichtlich-literarische Einleitung. Mittelalter. ya von der Erde und den Naturkörpern wusste, ersieht man recht gut aus einem Manuale des Hrabanus Maurus, welches beim Unterrichte in den Klosterschulen gebraucht, neuerdings aber durch die erläuternde Ausgabe Fellner’s auch weiteren Kreisen zugänglich gemacht ward [54]. Allein schon mit Scotus Erigena wird es heller auf unserem Gebiete, und die „Magna de naturis philosophia“ des Wilhelm von Conches, ein Werk aus der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts, steht nach K. Wer- ner [55], soweit man aus den uns erhaltenen Ueberresten schliessen darf, völlig auf der Höhe, die sich eben damals überhaupt erreichen liess. Selbstständige Denker und gleichzeitig auch Männer, deren soziale Stellung ihnen eine Fülle von Thatsachen ungesucht zuführen musste, waren die Vertreter der scholastischen Glanzzeit, Albertus Magnus, Roger Bacon, Thomas von Aquin. Bacon’s naturwissenschaftliche Bedeutung ist zu bekannt, als dass wir länger bei ihr zu verweilen brauch- ten, von Albert aber pflegt sonst weniger gesprochen zu werden, und doch hat gerade er der physikalischen Seite der Geographie seine be- sondere Zuneigung gewidmet. Humboldt sagt von ihm [56]: „Die Schrift ‚liber geographicus de natura locorum‘ ist ein Abriss der physi- schen Erdkunde, in welchem der Verfasser nicht ohne Scharfsinn ent- wickelt, wie der Unterschied der Breite und die Beschaffenheit der Erdoberfläche gleichzeitig die Verschiedenheit der Klimate bedingen.“ Auch eigneten dem grossen Dominikaner bereits korrekte pflanzen- geographische Anschauungen; er wusste, dass neben der Art der In- solation auch die topische Beschaffenheit des Standortes für die ein- zelnen Gattungen und Familien von Bedeutung sei [57]. Nicht minder ist des Vincentius Bellovacensis „Speculum naturale* Jedem unent- behrlich, der über das geographische Wissen und die naturwissenschaft- liche Initiative der so viel verlästerten christlichen Aristoteliker ein billiges Urtheil gewinnen möchte. Einigermassen gewährt die Mittel hiezu auch das „Weltbild“ des spätscholastischen Kardinals Peter von Ailli, der den Stoff zu seinem voluminösen Werke nach der Aeus- serung seines Biographen Tschackert|58] zwar wesentlich aus Plinius, Orosius, Isidor und Bacon zusammengetragen hat, gerade deshalb aber von dem Gesammtwissen seiner eigenen und einer weiter zurück- liegenden Periode ein entsprechendes Bild liefert. Dass neben solchen besseren Arbeiten, namentlich in den entlegeneren Klöstern, auch sehr untergeordnete kosmographische Compilationen ihr Dasein fristeten, kann nicht überraschen; von einer solchen hat der Verfasser dieses beieiner früheren Gelegenheit [59] eine detaillirte Beschreibung gegeben. All’ die Männer der Wissenschaft, deren wir als mittelalterlicher Koryphäen bisher zu erwähnen hatten, gehörten der Kirche an, doch hat auch das Laienthum seine Verdienste, und namentlich die Italiener des XIII. und XIV. Jahrhunderts verdienen in dieser Beziehung ge- nannt zu werden. Was Boccaccio und Petrarca als geographische Schriftsteller leisteten, erbebt sich allerdings nicht eben über das Durch- schnittsniveau ihrer Zeit, um so heller aber strahlt die Ruhmeskrone eines ihnen congenialen oder noch überlegenen Dichters, Dante Alig- hieri’s. In seiner Jugend hatte dieser grosse Mann den Unterricht Pietro Latini’s genossen, der in Folge der Bürgerzwiste seine Heimath Florenz verlassen und sich in Paris niedergelassen hatte, wo er in alt- französischer Sprache sein geographisch nicht minder wie geschichtlich 123 Geschichtlich-literarische Einleitung. Mittelalter. wichtiges Sammelwerk „Der Schatz“ abfasste, von welchem wir seit einigen Jahrzehnten eine leider blos textuelle Ausgabe |60] besitzen. Jedenfalls hat seine Unterweisung auf den lernbegierigen Schüler im hohen Grade anregend gewirkt, denn Dante fasste ein lebhaftes In- teresse für physisch-geographische Fragen und wusste demselben vor- kommendenfalls einen bestimmten Ausdruck zu verleihen. Viele Stellen seiner „Divina Commedia“ könnten als Belege herangezogen werden, auch im „Convito®* begegnen wir, wie Libri [61] rühmt, den an- schaulichsten Schilderungen von Naturvorgängen, allein auch als mono- graphischer Schriftsteller betrat der Dichterfürst das Gebiet der an- scheinend so wenig reizvollen Geophysik. Die aus der Peschel’schen Schule hervorgegangene Schrift von W. Schmidt [62], welche uns Näheres über den Naturforscher Dante mittheilt, gestattet uns einen Blick in das Getriebe wissenschaftlicher Zänkereien zu werfen, welche sich betreffs der Streitfrage erhoben hatten, ob der Schwerpunkt der festen Erdkugel zugleich auch der Schwerpunkt für die irdischen Wassermassen sei, oder nicht. Da war es eben Dante vorbehalten, durch die Betonung des mechanischen Satzes, dass jedem wie immer zusammengesetzten Körper nur ein einziger Schwerpunkt zukomme, dass also die Anordnung der festen wie flüssigen Erdbestandtheile eine diesem gemeinsamen Schwerpunkt entsprechende sein müsse |63|, dem ganzen Streit die Spitze abzubrechen; zugleich aber verbreitete er sich bei diesem Anlass auch über andere Themen und erwies sich dabei in allen Sätteln gerecht. Ein Zeitgenosse Dante’s, Ristoro von Arezzo, ist ferner der Verfasser einer kosmischen Physik, die man füglich als typisch für die Methode des Mittelalters betrachten kann. Wie syste- matisch er in diesem von Narducci herausgegebenen Werke |64]| ver- fuhr, erhellt vielleicht dann am Besten, wenn wir ohne besondere Wahl die Ueberschriften einiger aufeinanderfolgender Abschnitte hier repro- duciren |65|: „Della figura della terra discoperta; s’ella dee essere tutta piana, o parte piana o parte montuosa“ ... „Della cagione, perch’egli fu mestieri che la terra abitabile avesse permessione dell’acque sopra essa e intra essa, correnti e non correnti*.... „Della cagione, perch’ egli fu mestieri che l’acqua che corre per la terra vegna dal mare e torni nel mare, e della ragione della necessitä del mare Mediterraneo.* Die Art der Fragestellung weicht von der modernen höchstens inso- ferne beträchtlich ab, als etwas zu grosse Anforderungen an den Er- klärer gestellt werden, für die Beantwortung aber erwies sich die vor- gefasste Idee höchst nachtheilig, dass Alles, was auf der Erde vorgeht, einen astronomischen, beziehungsweise astrologischen Grund haben müsse, und dass namentlich die Vertheilung der Fixsterne auf der nörd- lichen und südlichen Himmels-Hemisphäre in gewissen Verschieden- heiten der beiden irdischen Halbkugeln sich abspiegle. — In dem Maasse, als durch die geographischen Eroberungszüge der Spanier und Portugiesen ‘die Grenzen des länderkundlichen Wissens weiter hinausgerückt wurden, in demselben Maasse gewann auch das Studium der geophysikalischen Eigenschaften unseres Planeten an Tiefe und Umfang. Neue Sternbilder erschienen am Himmel, die thörichte alte Lehre von einer „zona combusta seu inhabitabilis* verlor ganz von selbst ihren Halt, Luft- und Meeresströmungen von bisher unbekannter Regelmässigkeit legten den Gedanken nahe, dass auch die zweite und Geschichtlich-literarische Einleitung. Uebergang zur Neuzeit. 13 dritte Elementarsphäre, um in dem noch immer beliebten Style des Aristoteles zu reden, von festen Gesetzen beherrscht werde, und die Veränderlichkeit der magnetischen Missweisung eröffnete noch mehr den Blick in neue Gebiete. Konnte sich doch selbst der weit mehr praktisch denn theoretisch angelegte Colon der Versuchung nicht -ent- ziehen, für die angebliche Ortsveränderung des Polarsternes und für die Hochfluth an der Orimoko-Mündung groteske Hypothesen aufzu- stellen [66]. Ebensowenig, wie Colon, waren die Conquistadoren ihrer srossen Mehrzahl nach Leute von wissenschaftlicher Bildung, doch folgten ihnen nicht selten Begleiter, deren Kenntnisse den eigenen zur Ergänzung dienten, und die sich theilweise auch durch eine feine Beob- achtungsgabe auszeichneten. Erinnert sei nur an Petrus Martyr de Anghiera, der über die Verschiedenheit der klimatischen Verhältnisse in der alten und neuen Welt ganz treffende Betrachtungen anstellte und z. B. die von der Erwärmung abhängige Verschiebung der Schnee- srenze erkannte |67|. Das weitaus hervorragendste Werk der üppigen Reiseliteratur, die seit der Entdeckung neuer Erdtheile emporwuchs, ist die allerdings einer etwas späteren Zeit entstammende, für die phy- sische Geographie noch jetzt bedeutungsvolle Beschreibung der „indi- schen“ Länder, welche den Jesuiten-Missionär D’Acosta zum Verfasser hat [68]; ein zweites Werk aus seiner Feder über den neuen Welttheil ist nur zum Theil erschienen. Niemand wird erwarten, dass angesichts der damaligen Verkehrs- verhältnisse die befruchtenden neuen Anschauungen, welche die see- tahrenden Völker wohl oder übel in sich aufnehmen mussten, beson- ders rasch auch in die mehr binnenländische Literatur Eingang ge- funden hätten. Dort, namentlich in Deutschland, fand die physische Erdkunde für’s Erste noch gar keinen Boden, und nur wenige Schrift- steller besassen, man möchte fast sagen, die Kühnheit, für diesen noch nicht zum Range einer eigentlichen und zünftigen Fachwissenschaft erhobenen Zweig ein gewisses Interesse an den Tag zu legen. Einen Ehrenplatz unter diesen wenigen verdient der wackere deutsche Kosmo- graph Sebastian Münster. In einer neueren Abhandlung von Döder- lein über diesen polyhistorisch gebildeten Mann — er war auch als Theologe, Hebräist und Geometer erfolgreich thätig — wird allerdings darauf hingewiesen [69], dass derselbe noch in den hydrographischen Wahnvorstellungen der Araber und ihrer westländischen Nachtreter befangen war; dafür aber muss man ihn als einen der Begründer der wissenschaftlichen Gebirgskunde gelten lassen, und namentlich mit den Gletschern hat er sich unter den Neueren zuerst eingehender beschäf- tigt [70]. Ein etwas älterer Zeitgenosse Münster’s würde, wenn ihn sein Lebensberuf zur schriftstellerischen Thätigkeit hingeführt hätte, im höchsten Grade anregend auf das XVI. Jahrhundert gewirkt haben, allein leider blieben seine nicht blos kühnen, sondern auch auf die Erfahrung gebührend Rücksicht nehmenden Gedanken über geographische und geologische Probleme in seinen Manuskripten begraben. Lionardo da Vinci, der gründliche Kenner der Erosionswirkungen, verdient Peschel’s Lob [71], dass das Beste von dem, was seine Periode bezüg- lich der an der Erdoberfläche vor sich gegangenen Veränderungen zu Tage förderte, von ihm herrühre. Das Jahrhundert, in welchem wir uns soeben bewegten, schloss jedoch nicht, ohne noch eine literarische a eh a 14 Geschichtlich-literarische Einleitung. Neuzeit. Leistung ersten Ranges hervorgebracht zu haben; wir meinen William Gilbert’s grossartiges Werk über die magnetischen Erdkräfte, welches serade im Jahre 1600 das Licht der Welt erblickte [72]. Die Schwelle des neuen Säkulums überschreitend, begegnen wir sofort einer Reihe von Männern, deren die Geschichte der Erdphysik mit Achtung zu gedenken hat. Was Johann Kepler für unsere Dis- ciplin leistete, ist allerdings minder leicht, als bei Anderen festzustellen, da es meist nur gelegentliche Betrachtungen und Aeusserungen sind, die hier in Frage kommen, und da nur für ein spezielles Fach bis jetzt der — sehr gelungene — Versuch gemacht ward, die Ansichten des grossen Astronomen einheitlich darzustellen, nämlich für die Meteorologie [73], so bleibt künftigen Geschichtsforschern noch manche dankbare Aufgabe vorbehalten. An zweiter Stelle steht uns Lord Bacon of Verulam. Nicht leicht sind über einen Naturforscher so widersprechende Urtheile in die Welt gesandt worden, wie über diesen Mann, denn während die Einen in ihm den Vater der induktiven Forschungsmethode ver- ehren, glauben Andere jedwedes Verdienst ihm absprechen zu sollen, und unter diesen Letzteren hat sich Liebig durch die Heftigkeit seiner Angriffe hervorgethan [74]. Wenigstens soweit die physikalische Geo- graphie in Frage kommt, dürfte wohl auch in diesem Falle die Wahr- heit in der Mitte liegen, denn wenn auch so mancher Ausspruch des in mathematischen Dingen nicht besonders bewanderten Mannes unser Erstaunen erregt”), so machen doch auf der anderen Seite seine Re- flexionen über die Aehnlichkeit der Kontinentalbildung [76] und seine „Lheoria ventorum“* wieder einen um so besseren Eindruck, und Wohl- will, dem wir [77] für seine musterhaft objektive Darlegung der für und wider Bacon sprechenden Gründe überhaupt zu Dank verpflichtet sind, sagt mit Recht [78]: „Humboldt spricht wiederholt von Bacon’s „berühmter“ Naturgeschichte der Winde; Dove findet in ihr die erste Auffassung des Drehungsgesetzes, das durch ihn zur Grundlage der neueren Meteorologie erhoben ist. Whewell, der in der Lehre von Ebbe und Fluth selbst thätiger Forscher ist, gesteht Bacon sinnreiche Bemerkungen über den Gegenstand zu, obwohl ihm noch die Anziehung des Mondes als eine mystische Erklärung erscheint.* Immerhin war die Thätigkeit eines Kepler und Bacon für unsere Disciplin mehr eine anregende und wegzeigende; in dem laufenden Jahrhundert begegnen uns aber auch sehr achtbare Versuche systematischer Darstellung des ganzen Wissensgebietes. Die Namen Varenius, Riccioli und Athanasius Kircher sind jedem Physiker und jedem Greographen wohlbekannt. Ueber die Lebensgeschichte des Ersteren haben neuerdings die Forschungen Breusing’s volles Licht verbreitet |79|. Wir wissen jetzt, dass derselbe 1622 zu Hitzacker im Hannöverschen geboren ward, in Hamburg unter Jun gius studirte und der im Jahre 1649 erschienenen Beschreibung Japan’s sein Hauptwerk, wenn auch noch nicht in ganz vollendeter Gestalt, im nächsten Jahre folgen liess [80], wovon nicht *) Z. B. der nachstehend angeführte [75]: „Deshalb treiben die Philosophen Possen, wenn sie sagen. dass, wäre die Erde durchbohrt, die schweren Körper aufhören würden, zu fallen , sobald sie zu dem Mittelpunkt gekommen wären.‘ In ähnlicher Unklarheit über das Wesen der Schwerkraft befanden sich aber die meisten Zeitgenossen Bacon’s, und man darf ihm deshalb obige Stylblume nicht allzusehr verübeln. Ben « Geschichtlich-literarische Einleitung. Neuzeit. 15 weniger als elf Ausgaben existiren; die beste derselben ist von J. New- ton |81| besorgt worden*). Nach A. v. Humboldt’s klassischem Zeug- niss ist Varen’s Methode, obwohl dieser selbst das Wort „Geographia comparativa® in einem engeren Sinne gebraucht, eine ächt verglei- chende [82]; seine Untersuchungen über die Streichungsrichtung der Gebirge, seine Liste der brennenden und erloschenen Vulkane, seine Studien über die Inselvertheilung und die Meerestiefen, seine Versuche, die Meeresströmungen gleichzeitig durch den Einfluss der Winde, des verschiedenen Salzgehaltes und der Küstengestalt zu erklären, das Alles berechtigt den Verfasser des Kosmos zu dem Ausspruche (a. a. O.): „Das überaus wichtige Werk des Varenius ist im eigentlichen Sinne des Wortes eine physische Erdbeschreibung.* Riccioli’s fleissiges Sammelwerk|83] erhebt sich, wie man zugestehen muss, nicht bis zu dieser Höhe, dafür aber hat es unzweifelhaft einen ungleich grösseren Leserkreis sich erworben, als die „Geographia generalis“. Kircher’s Arbeiten richtig zu würdigen, in ihnen die stets reichlich vorhandene Spreu von dem Weizen zu sondern, ist erst der neuesten Zeit vorbe- halten gewesen. Man darf, wie neuerdings von Zöckler [84] hervor- gehoben worden ist, nicht ausser Acht lassen, dass die dickleibigen Bände des gelehrten Jesuiten nicht blos Lesefrüchte enthalten, dass er vielmehr auch Reisen zu physisch-geographischen Zwecken machte, die Quellen des Tiber untersuchte, auf Malta den Process der Seesalz- Gewinnung durch Autopsie kennen lernte, den Vesuv, den Stromboli- Vulkan und den Aetna persönlich erforschte und die Tiefe der Krater nicht ohne Lebensgefahr mit einem neu erfundenen geodätischen Mess- werkzeug zu bestimmen sich bemühte. So darf sein Versuch, in einem eigenen Werke [85] die Physik der Erdrinde wissenschaftlich zu be- sründen — eine Disciplin, zu der die Grundlage allerdings von einem deutschen Bergmanne bereits gelegt war [86] —, ebensowohl unsere Anerkennung in Anspruch nehmen, wie seine grossentheils auf eigenen Experimenten beruhende Schrift über Magnetismus [87]. Aus der zweiten Hälfte des laufenden Säkulums sind noch zwei Forscher von besonderem Verdienste als die Begründer selbstständiger Unterabthei- lungen physisch-geographischen Wissens anzuführen: der Däne Steno, dem die geognostische Schichtenlehre ihren Ursprung verdankt [88], und der Franzose Fournier, der in einem voluminösen Werke [89] eine Fülle von Materialien sammelte, die in ihrer Gesammtheit unserer modernen Oceanographie entsprechen würden. — Von dieser Zeit ab hat die Physik der Erde, ohne sich freilich zunächst noch als selbstständige Wissenschaft zu fühlen, einen gross- artigen Aufschwung genommen. Newton und Leibniz schufen die Rechnungsweisen, deren Anwendung auch schwierigere Probleme der Mechanik zu erledigen gestattete, Halley, Hadley und Mairan trugen den Geist exakter Ergründung in die Lehre von den Lufterscheinungen hinein, die grossen Bewegungen des Weltmeeres fanden in den Ber- *) Die sehr lebenszähe Behauptung, Newton habe sich auf eine einfache Textausgabe beschränkt, ist, wie Breusing (a. a. O.) darthut, nichtsdestoweniger falsch. Freilich war seine verbessernde Thätigkeit eine ganz geräuschlose, allein er hat, um nur Eines zu sagen. 23 neue Zeichnungen hinzugefügt und einen Irrthum rektifieirt, welchen sich Varen bei der Erklärung der stereographischen Projektion hatte zu schulden kommen lassen. 16 Geschichtlich-literarische Einleitung. Uebergang zur neuesten Zeit. noulli, Euler, D’Alembert ihre Meister, und auch die Physik der Süsswasser erlangte eine festere Begründung durch den noch zu wenig sewürdisten Mariotte |90]. Zugleich brachten grosse Reisen, unter denen nur diejenigen von Dampier, Chazelles, Tournefort und die zum Zwecke der Erdmessung unternommenen Expeditionen nach Peru und Lappland genannt sein mögen, neue Gesichtspunkte in Menge, und eine Menge geistiger Kraft musste verarbeitet werden, um dieselben einigermaassen mit en dbisher in Geltung stehenden Ideen zur Aus- gleichung zu bringen. Allerdings hatten alle diese Entdeckungsreisen- den stets bestimmte, engere Zwecke im Auge, und nur ausnahmsweise erhoben sich geistreiche Männer, wie Pallas oder De la Condamine, zur Oonception umfassenderer Anschauungen. Das XVIII. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, sollte jedoch nicht scheiden, ohne dass ihm eine ganz neue Art des wissenschaftlichen Reisens entsprossen. wäre, von welcher man bis dahin wenig wusste, die aber für die Erforschung des Wechselspieles der Naturkräfte auf der Erdoberfläche von ganz unberechenbarem Nutzen gewesen ist. Schon die schwedische Regie- rung hatte daran gedacht, den Wallfischfängern Gelehrte mitzugeben, deren einzige Bestimmung die Beobachtung und Aufzeichnung der sich darbietenden Naturmerkwürdigkeiten sein sollte [91], doch blieb dieser erste Versuch zunächst noch ohne weitere Folgen. Um so mehr Glück hatte in dieser Beziehung die englische Admiralität, als sie 1772 dem Weltumsegler Cook bei dessen zweiter Fahrt den treff- lichen Johann Reinhold Forster mit dem Auftrage beigab, „philo- sophische Bemerkungen“ über das Gesehene und Erlebte niederzu- schreiben. Man muss in dem interessanten Essay Rittau’s über For- ster |92] selbst nachlesen, wie dieser geniale Reisende die Configuration der Festlandmassen, die Struktur und Lage der Inseln, die Gebirge der von ihm besuchten Länder, die Quellen und Flüsse der Küstenstriche, die Tiefe, Farbe, Dichtigkeit und Wärme des Weltmeeres, das Leuchten der See, die Eisbildung und die mit den klimatischen Verhältnissen nach Art und Intensität variirenden Erscheinungen des Luftkreises durchweg von ganz neuen Seiten her aufzufassen und Verwandtes in Gruppen zusammenzustellen verstand, um einen Begriff davon zu be- kommen, wie fruchtbringend Forster’s Reisebericht für alle Zweige der physischen Erdkunde- werden musste, ganz besonders aber für jene, deren Objekt die gestaltverändernden Beziehungen zwischen Land und Wasser sind. Und was noch. mehr, aus diesem Werke und ebenso aus nahem persönlichem Verkehr mit dem Verfasser hat der grösste Forschungsreisende aller Zeiten die mächtigste Förderung ge- zogen: Alexander v. Humboldt. Freilich, nicht blos ferne Oceane und unbekannte Länder boten Neues und Wunderbares, auch im eigenen Lande war noch genug zu thun übrig geblieben. Ueber die Flachländer und niedrigen Gebirgszüge hinaus lag das geographische Wissen noch gar sehr im Argen, und €. Ritter hatte gar nicht Un- recht, wenn er in einem unlängst erst bekannt gewordenen Akademie- vortrage von der „Entdeckung“ der Gebirge sprach [93]. Aus dem Alterthum haben m nur ganz vereinzelte Detailbeschreibungen merk- würdiger Berge, z. B. diejenige des Stenagoras für den Olymp, und auch im Mittelalter dachte man kaum an dergleichen. Die Pyrenäen- kette wurde erst durch Pedro de Mareia’s politisch - geographisches Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. 17 Werk „Limes hispanus“ (Paris 1688) bekannt, und von den Alpen wussten selbst die Schweizer lange Zeit hindurch so wenig, dass die Montblanegruppe, die „montagnes maudites“, von zwei englischen Tou- risten geradezu aufgefunden werden musste. Die physikalische Geo- graphie der Alpen als solche begründet zu haben, ist ein Ruhmestitel des Zürichers Scheuchzer [94], aber erst um die Mitte des Jahrhunderts erschien die erste Monographie der Gletscherwelt von Altmann [95]; aus so unscheinbaren Anfängen erwuchs eine der schönsten und wich- tigsten Diseiplinen der Erdphysik, die glaciale Geologie. Dann aller- dings entwickelte sich in Genf eine förmliche Schule der alpinen For- schung; den Jallabert und Bonnet folgten Senebier, Deluc, Pictet und zumal die beiden Saussure, und die Ufer des Leman scheinen ihre eigenthümliche Anziehungskraft für Studien dieser Art sich bis auf den heutigen Tag bewahrt zu haben, wie die Namen A. Favre, Dufour und Forel beweisen. Die physische Geographie der Alpen hat in B. Studer ihren Spezialhistoriker gefunden, auf dessen ver- dienstliche Schrift [96] wir nicht unterlassen wollen besonders auf- merksam zu machen. Es erübrigt uns jetzt, noch einen Blick auf die didaktische Lite- ratur zu werfen, wie sie im Laufe des XVIII. Jahrhunderts sich ent- faltet hat. Im Allgemeinen ist hier Erfreuliches zu berichten. Für die Mittelschule hatte freilich der grosse Fortschritt des gelehrten Wissens noch keine rechten Früchte gezeitigt; die Physiker und Ma- thematiker begannen sich zwar bereits für das umfangreiche, neue Grenzgebiet zu interessiren, allein die geographischen Schriftsteller, auch noch der Büsching’schen Schule, vermochten sich nur schwer von dem Gedanken loszureissen, dass die Erdkunde eine Notizensammlung oder bestenfalls ein Anhängsel der Statistik sei, und erst Gatterer hat, wie unlängst von Kropatschek betont ward [97], den Schulbüchern eine bessere Direktion in dem Sinne ‚gegeben, dass auch die physische Seite der Wissenschaft gehörig betont wurde [98]. Die gelehrte Pe- ‘ danterie machte nur zu gerne den guten Vorsätzen der Pädagogen einen Strich durch die Rechnung, wie z. B. aus dem Lehrplane des ‚Geraer Gymnasialdirektors Hauptmann (1766) erhellt, in welchem nicht weniger als 24 Unterarten des geographischen Unterrichtes unter- schieden werden, darunter als Nummer 4 „Hydrographie“, als Num- mer 8 „Oekonomische Geographie“, als Nummer 11 „Physikalische Geographie, von der Luft, Speisen und Krankheiten“ [99]. Aber die Universitäten konnten jetzt wenigstens zum Theile das ersetzen, was der Schulunterricht noch nicht in richtiger Weise darbot; zwar fehlen uns auch hierüber die genaueren Nachweisungen, doch scheint es, dass in Göttingen die beiden Tobias Mayer, Lichtenberg und Kästner, in Greifswald Röhl, in Upsala Celsius und Bergman in ähnlichem Sinne gewirkt haben*). Man gewöhnte sich allgemach daran, mit dem Worte *) Aus noch früherer Zeit möchte sich dem ersten Anscheine nach nur sehr wenig Gutes und Beachtenswerthes über den geographischen Universitäts- unterricht mittheilen lassen. Bis etwa hundert Jahre nach der Reformationszeit — in katholischen Territorien noch weit länger — deckte sich ja der Vortrag der Naturwissenschaft mit demjenigen der aristotelischen Physik, welche der Hörer jedoch nur ganz selten aus den Originalquellen kennen gelernt haben dürfte. Ein Günther, Geophysik. I. Band. 2 18 Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. „physische Geographie“ einen klaren und bestimmten Sinn zu ver- binden. Buache freilich, der zuerst von einer „Geographie ‚Pphysique“ sprach, verstand darunter etwas Anderes, Beschränkteres, wie wir, ob- wohl seine „Eintheilung derselben in eine „geographie extörieure@ und „interieure* Manches für sich hat [102]; die Lehre vom Luftkreis z. B. hätte in seiner Begriffsbestimmung kemen Platz sefunden. Das erste Lehrbuch grossen Styles lieferte der Holländer Lulofs [103]; es ward von Kästner [104] deutsch bearbeitet und enthält — vornämlich in dieser seiner zweiten Gestalt — so ziemlich dieselben Materien, die man noch heutzutage in einem Werke dieser Art zu suchen pflegt. Eine in vielen Beziehungen verwandte Leistung repräsentirt Berg- man’s Compendium [105], von Röhl |106] in unsere Sprache übertragen ; das räumlich überwiegende Kapitel „Von zufälligen Veränderungen“ gewährt auch dem modernen Leser noch reiche Belehrung. . Sehr brauchbare Werke rühren vom jüngeren Tob. Mayer [107], ferner von Mitterpacher [108] und dem Astronomen Bode [109] her, deren letz- teres sich volle 34 Jahre lang seine Stellung zu bewahren wusste (die letzte Auflage erschien erst 1820). Der zweite Theil dieses weit ver- breitet gewesenen Lehrbuches ist der Sternkunde und mathematischen Geographie gewidmet, der erste dagegen handelt von der physischen Beschaffenheit der Erdrinde, der Länder und der Meere, dem Luft- und Dunstkreis, den Jahreszeiten und dem Klima, den physischen Ver- änderungen der Erdoberfläche, als welche Ueberschwemmungen, Erd- fälle, Erdbeben und Vulkanausbrüche zusammengefasst werden, endlich noch von der physischen Geschichte des Erdballes.. Höher jedoch als all’ diese gewiss nicht unverdienstlichen Lehrmittel steht jener Oyklus von Vorträgen über physische Geographie, welche der grosse Königs- berger Philosoph Kant an der dortigen Hochschule gehalten hat. Er selbst ist nicht dazu gekommen, sein Heft systematisch für den Druck zu bearbeiten, doch giebt es von demselben mehrere gute Ausgaben, die uns mit dem Inhalte dieser — nach den Aussagen von Zeitgenosen ungemein anregend wirkenden — Vorlesungen bekannt machen [110]. Wir begnügen uns, der bis in’s Einzelne gehenden Würdigung zu ge- denken, welche Zöllner den Kant’schen Arbeiten auf dem Gebiete der tellurischen Naturerforschung hat angedeihen lassen [111], und be- merken lediglich, dass nicht eben die Menge beigebrachten Stoffes, wohl aber die Eigenartigkeit der Betrachtungsweise in zahlreichen Einzel- fällen — Erderschütterungen, Passatwinde, Thalbildung — das Aus- zeichnende in den verschiedenen Abhandlungen ausmacht, welche wir von dem genialen Denker erhalten haben. Wir werden uns zu dem- selben im Folgenden gar häufig zurückgeführt sehen. — fleissiger Forscher hat trotzdem jedoch Aussicht, auf diesem für steril gehaltenen Felde Früchte einzuheimsen. Wie V. A. Huber[100] berichtet, trug im XIH. Jahr- hundert ein gewisser Giraldus zu Oxford über „Topographia Cambriae“ vor, und zwar scheint es sich dabei nicht um ein blos isolirtes Vorkommniss zu handeln. Unter den Vorgängern des Galilei auf der mathematischen Lehrkanzel von Padua führt Favaro[101] auch einen sonst wenig bekannten Mann auf, der vom Senate beauftragt war, speziell über Hydrographie und Anemographie zu lesen, also über Gegenstände, die heute eben Theile der physischen Erdkunde darstellen. Es ver- lohnte a der Mühe, nach dieser Richtung hin einmal planmässig Untersuchungen anzustellen Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. 19 Bei der Besprechung des Jahrhunderts, in welchem wir uns jetzt befinden, werden wir uns insoferne kürzer fassen müssen, als dasselbe nur bedingt den Untergrund für eine pragmatische Geschichts- erzählung abgeben kann. Denn einer unseres Erachtens ganz treffen- den Bemerkung Peschel’s zufolge sollte als untere Grenze für ein historisch-geographisches Werk gegenwärtig die Zeit des Erscheinens von Humboldt’s „Kosmos“ und von Berghaus’ physikalischem Atlas angesehen werden. Wir, denen an diesem Orte der didaktische Zweck in erster, der ar kch -geschichtliche erst in zweiter Reihe steht, dürfen uns von dieser Bestimmung vielleicht ein wenig emancipiren, obwohl wir voll und ganz Peschel’s Urtheil [112] über die genannten beiden Werke anerkennen: „Beide bilden einen Rechnungsabschluss, ein Inventar über fast alle "einzelnen Fächer der naturwissenschaft- lichen Erdkunde.“ Ganz natürlich müssen wir davon absehen, die Entwickelungsgeschichte der Einzeldisciplinen, wenn auch nur in groben Umrissen, schildern zu wollen; es muss hinreichend sein, eine Reihe besonders hervorragender Namen zu nennen. Laplace, "Lagr ange, Poisson sind die Begründer der „Me&canique celeste*, eines Gesetz- buches, aus welchem für die Oberflächenform der Erde, ihre innere Beschaffenheit und die Meeresgezeiten gleichmässig die Normen ent- fliessen; die Oceanographie ist von Lubbock, Whewell und Maury zum Range einer Wissenschaft erhoben worden; Dove, Kämtz, Kupt- fer, Buys-Ballot schufen eine Meteorologie auf exakter Basis; von Hansteen, Gauss und A. v. Humboldt datirt die an Strenge keinem Theile der Physik nachstehende Theorie des Erdmagnetismus, der sich allmählich die von Franklin geahnte, von Steinheil und Lamont schärfer umrissene Lehre von der Erdelektricität an die Seite stellen durfte. Mit Hopkins beginnt, als eine englische Spezialität, die — im engeren Sinne so genannte — geophysikalische Schule, von deren Vertretern Airy, Stokes, W. Thomson, G. H. Darwin auch den deutschen Geo- graphen wohl bekannt sind, und während diese Männer die dynamische - Geologie unter Aufbietung der mächtigsten mathematischen Hülfs- mittel förderten, zeichneten Poulett Scrope, Mallet, v. Seebach, De Rossi, Suess u. a. neue Wege für die Ergründung der vulkanischen und seismischen Phänomene vor. Die alte Frage nach der Entstehung des Erdkörpers in seiner jetzigen Gestalt auf feurigem oder nassem Wege, diese im Ausgange des vorigen Jahrhunderts nach ihren Anfangsstadien durch die Namen A. Werner’s und Hutton’s bezeich- nete Frage, ist neuerdings in nahe Beziehung zu dem Probleme der Gebirgsbildung getreten und hat von den Resultaten der Experi- mentalgeologie (im Sinne Daubr&e’s und F. Pfaff’s) erhebliche Unter- stützung zu gewärtigen. Als umfängliche und selbstständige Wissen- schaften stehen die Lehre von der geographischen Vertheilung der Pflanzen und Thiere vor uns, während es doch kaum hundert Jahre her ist, dass für diese letztere Disciplin Zimmermann [113] mit schüchterner Hand die ersten Grundlinien zu entwerfen versuchte. Freilich tragen alle diese Bemühungen den Charakter der Spezial- forschung, und ihre Ergebnisse haben der physischen Erdkunde als solcher erst mittelbar Nutzen gebracht. Die eigentlichen Koryphäen der Gesammtwissenschaft sind unleugbar zwei auf der Grenzscheide des neuen Jahrhunderts stehende Männer, Leopold v. Buch und Ale- 20 Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. xander v. Humboldt. War auch der Erstgenannte der jüngere von beiden, so hat er doch eher als sein ihm kongenialer Freund ange- fangen, direkten Einfluss auf die Mitwelt zu üben, da er eher in der Lage war, die reifen Früchte seiner ausgedehnten Reisen dem Publi- kum zu Gute kommen zu lassen. Hatte schon die Beschreibung seiner Nordlandfahrt [114], bei welcher die lange angezweifelte Thatsache einer säkulären Osecillation der Festlandmassen zum erstenmale eine feste Gestalt annahm, das allseitigste Interesse erregt, so gab sein Werk über die canarischen Inseln [115], welches man nicht mit Un- recht als ein „standard work“ der modernen erdphysikalischen For- schung bezeichnen könnte, den auf die Ergründung des inneren Zu- sammenhanges der tellurischen Erscheinungen gerichteten Studien eine ganz neue Richtung. Die meisterhafte Schilderung der meteorologi- schen Verhältnisse jener gesegneten Erdgegend ist wohl das’ erste Beispiel einer dem Individualcharakter des Landes angepassten Klima- _ tologie; für die Pflanzengeographie boten die Tropengewächse ganz neue Anhaltspunkte dar; der glückliche Gedanke endlich, die Vul- kane der Inselgruppe mit den Feuerbergen anderer Länder geometrisch sowohl wie ursächlich in Zusammenhang zu bringen*), realisirte in un- vergleichlich besserer Weise den an sich richtigen Gedanken Buache’s, dem derselbe nur eben nicht den treffenden Ausdruck zu geben ver- mocht hatte (s. o.). Von 1799 bis 1804 weilte Humboldt, dem Aime Bonpland als treuer Arbeitsgenosse zur Seite stand, in Süd- und Mittelamerika und erwarb sich daselbst jenen Schatz von Erfahrungen, ohne welcher sein erst gegen den Lebensabend hin zur Vollendung gediehenes Riesenwerk des „Kosmos“ eine gleiche Bedeutung nicht hätte gewinnen können. Es ist ja wahr, dass in dem Vierteljahrhun- dert, welches seit dem Abschluss dieses Werkes verstrichen ist, ganze Theorieen sowohl, wie noch mehr einzelne Anschauungen eine voll- kommene Umwälzung über sich ergehen lassen mussten, allein, wenn dadurch auch mancher Abschnitt ein wenig veraltet sein mag, so wird der Kosmos als Ganzes gleichwohl noch für viele Jahrzehnte ein un- entbehrliches Handbuch für jeden Freund der physikalischen Geographie bleiben, und dieser Umstand wird es rechtfertigen, wenn wir nach- stehend einen kurzen Ueberblick über denselben geben. Das Werk [117] setzt sich zusammen aus vier Bänden: in dem ersten wird ein Ge- sammtbild von dem entworfen, was sich am Himmel und auf der Erde in naturwissenschaftlicher Hinsicht Wissenswerthes darbietet; der zweite ist geschichtlichen Inhaltes, und namentlich wird darin mit unüber- troffener Feinsinnigkeit der Nachweis geliefert, wie aus dem blossen Beschauen neuer Dinge, z. B. fremder Pflanzenformen, der Trieb zur Naturbetrachtung sich entwickelte; den Inhalt des dritten Bandes bilden die physische und topographische Astronomie, während der vierte der Geologie im weitesten Wortsinne sich widmet. Schon vorher hatte der grosse Reisende durch seine populäre Schilderung besonders merk- würdiger Eindrücke und Reminiscenzen aus fernen Ländern einem grösseren Leserkreis Begeisterung für derartige Aufgaben einzuflössen *) Das sechste Kapitel verbreitet sich [116] „über die Natur der vulkanischen Erscheinungen auf den canarischen Inseln und ihre Verbindung mit anderen Vul- kanen der Erdfläche“. En Se ; Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. 2a gewusst [118]. Streng wissenschaftlicher Natur ist auf der anderen Seite das grosse amerikanische Reisewerk [119], bei dessen Ausarbeitung sich Humboldt durch einen wahren Generalstab bedeutender Gelehrter (Bonpland, Kunth, Oltmanns, Gay-Lussac u. a.) unterstützt sah, und in die gleiche Kategorie gehören die drei Bände [120], welche die im reifen Mannesalter unternommene Reise nach Hochasien schildern. Wollte man mit geschichtlicher Treue die Verdienste im Detail re- gistriren, welche sich Humboldt um die physische Erdkunde erwarb, man- würde eine äusserst schwierige Aufgabe in Angriff zu nehmen haben; sehr viel ist nach dieser Richtung hin bereits geleistet durch die von Bruhns besorgte Lebensbeschreibung, deren Schlussband [121] den Mann der Wissenschaft zu kennzeichnen bestimmt ist; wenn wir erwähnen, dass für denselben G. Wiedemann den erdmagnetischen, Ewald den geologischen, Dove den meteorologischen, Grisebach den pflanzengeographischen Theil und Peschel die Erdkunde im Grossen und Ganzen übernommen hatten, so ist damit wohl genug gesagt. Drei Punkte aber müssen auch wir als besonders wichtige hervorheben: die Einführung des Begriffes der Isothermen, die Schaffung einer korrekten und bezeichnenden orographischen Terminologie und. die Begründung des Systemes magnetischer Korrespondenzbeobachtungen. Schon diese drei Schöpfungen würden hingereicht haben, den Namen Humboldt’s zu einem verehrungswürdigen zu machen. Es dürfte sich empfehlen, gleich hier in unmittelbarer Anknüpfung an Buch und Humboldt der Vortheile Erwähnung zu thun, welche unserer Disciplin aus grossen und von entsprechenden Gesichtspunkten geleiteten wissenschaftlichen Reisen im Laufe der letzten Decennien erwachsen sind*). Auf Weltumsegelungen haben u. a. A. v. Chamisso, Horner und Ch. Darwin (s. u.) Gelegenheit zu wichtigen Bemerkungen und Verallgemeinerungen bekannter Thatsachen gewonnen, Spix und Martius haben uns das vordem wenig bekannte Innere des brasiliani- schen Kaiserstaates aufgeschlossen, Sabine umsegelte die Erde, aus- schliesslich um geodynamische und magnetische Konstanten zu sammeln, Rüppell trug physikalische Instrumente und Beobachtungsmethoden tief nach Aethiopien hinein, worin ihm später D’Abbadie nachgefolst ist, und Russegger durfte in einer Reihe von Gegenden exakte Messungen anstellen, welche seit Carsten Niebuhr kein wissenschaftlich gebildeter Europäer betreten hatte. War auch die grosse Exkursion Hansteen’s und Erman’s nach Nordasien wesentlich der Einsammlung erdmagneti- *) Allerdings ist uns dabei die Pflicht. kurz zu sein, um so mehr auferlegt, als die Geschichte der modernen Entdeckungsreisen bei Pesche] [122] eine zusam- menhängende und lückenlose Darstellung erfahren hat. Nur einen kleinen Nachtrag hiezu wollen wir an dieser Stelle liefern. weil das Mitzutheilende einen deutlichen Beleg für die Thatsache liefert, dass grosse Neuerungen auf geistigem Gebiete häufig geradezu in der Luft liegen und sich auch unter den ungünstigsten äusseren Verhältnissen vorbereiten müssen. Unter den eingeborenen Begleitern Humboldt’s in Südamerika ragt hervor der Ecuadorianer Cäldas,. über den uns neuerdings von Schumacher höchst anziehende Mittheilungen gemacht worden sind [123]. Durch- aus ein selbstgemachter Mann, wenn auch natürlich durch seinen Reisegefährten mächtig angeregt, hat derselbe während eines kurzen Lebens — er fiel 1816 als Opfer der Insurrektionskämpfe — eine Anzahl von Arbeiten geschaffen, die sich nach ihrer Tendenz und Ausführung auch neben denen Humboldt’s noch sehen lassen dürfen. 22 Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. scher Daten gewidmet, so hatte dieselbe doch auch für die anderen Zweige der physischen Erdkunde eine nicht zu unterschätzende Be- deutung. Ueberhaupt hat Russland, dessen gigantischer Länderbesitz zur Erforschung zwingend auffordert, in dieser Richtung Vieles ge- than, wie man am besten aus Mädler’s sehr vollständiger Skizze [124] ersehen kann; Göbel am kaspischen Meere, Hofmann und Abich in Armenien, v. Middendorff im Taymirlande, Prshewalski in Östturke- stan sind klassische Zeugen dieser Rührigkeit. Von neueren Expeditionen, deren Zweck einzig und allein die Erweiterung unseres erdphysikali- schen Wissens war, während das sonst vorwaltende Interesse der spe- zifisch geographischen Forschung bei ihnen zurücktrat, seien drei hier genannt: die von Desor und Escher v. d. Linth zur Ergründung der Heimath des Fönwindes nach Afrika unternommene Reise, der Winter- aufenthalt der französischen Forscher Bravais, Lottin und Martins in Lappland, der in dem Letzterwähnten einen trefflichen Geschichtschreiber fand [125], und die von deutscher Seite in’s Werk gesetzte Unter- suchung der libyschen Wüste, in welche sich Rohlfs, Zittel, Ascher- son und Jordan theilten [126]. In noch weit höherem Grade pflegen, wie Jedermann weiss, Polarfahrten die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die ersten guten Nachrichten über die physikalischen Ver- hältnisse dieser unwirthlichen Zonen verdanken wir eigenthümlicher- weise nicht eigentlichen Fachmännern, sondern dem Schiffsarzt Martens, der gegen Ende des XVII. Jahrhunderts seine auf mehrjährigem Besuch der nordischen Meere beruhende treffliche Beschreibung derselben ver- öffentlichte |127|, und dem Kapitän Scoresby, dessen arktisches Werk heute noch eine Hauptquelle unserer Kenntnisse bildet [128]. Durch Kane, Hayes, Torell, Nordenskjöld, Nares, Koldewey, Bessels und Andere sind wir mit den Zuständen der Eismeerländer verhältnissmässig senau bekannt geworden, doch bleibt auch hier immer noch genug zu thun übrig, und es ist deshalb hoch erfreulich, dass in Konsequenz der von dem früh verstorbenen W eyprecht ausgegangenen Vorschläge [129] seitens fast aller grösseren Kulturnationen mit der Anleguns plan- mässig organisirter polarer Beobachtungsstationen energisch vorgegangen wurde. — In allerneuester Zeit haben fachmännisch gebildete Geo- graphen auf Grund gründlich durchgeführter Autopsie die physikalische Erdkunde grösserer Länderräume in systematischer Form darzustellen begonnen, und diese Werke statuiren einen bedeutsamen Fortschritt in theoretischer, wie in methodologischer Hinsicht. Mag auch Burmeister’s Schilderung der La Plata-Länder |130] dem Ideale weniger entsprechen, so thun diess um so mehr Rein’s und Ratzel’s Werke über Japan [131] und Nordamerika [132]. Ganz besonders ragt aber v. Richthofen’s China hervor, von dem einstweilen der erste, zweite und vierte Band vor- liegen, denn ienes merkwürdigen und fast jungfräulichen Landes Ober- flächenbeschaffenheit bot dem Kennerblicke des berühmten Geologen so viel des Neuen und Unbekannten dar, dass seine Wahrnehmungen uns zur Modifikation so mancher anscheinend fest begründeten Theorie genöthigt haben. Von diesem Buche |133] durfte Wappäus mit Recht behaupten [134]: „Wer sich der Zeit noch erinnert, als v. Buch’s Werk über die canarischen Inseln erschien und in den geologischen Forschungen der damals Lebenden eine neue und fruchtbare Richtung hervorrief, wird eines ähnlichen Eindruckes sich bewusst werden, wenn er die Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. 23 vorliegende, grossartige Arbeit auch nur in ihren hervorragenden Ab- schnitten durchmustert hat“ *). — - Getreu unserem Principe wenden wir- uns von diesen die Ver- vollkommnung und Bereicherung unseres geophysikalischen Wissens anstrebenden Werken jenen literarischen Leistungen unseres Jahrhun- derts zu, welche sich die Verbreitung desselben zum Ziele gesetzt haben. In chronologischer Reihenfolge zählen wir hier auf die Werke von G. F. Parrot [135] **), Desmarest [137] (diess in lexikographischer Anordnung) und F. Hochstetter [138]. Im Jahre 1822 kam Carl Ritter’s in mehr als einer Hinsicht bahnbrechendes Werk [139] an das Licht. Wir lassen dessen „vergleichende“ Tendenz einstweilen bei Seite und verweilen nur für einen Augenblick bei der neuerlich vielfach diskutirten Frage, ob durch dieses Werk und andere Schriften des grossen Mannes gerade auch der physischen Erdkunde im engeren Sinne eine nennenswerthe Förderung zu Theil geworden sei. Wir glauben diese Frage für Ritter ganz ebenso wie für den im Ganzen auf gleichem Boden stehenden Zeune [140] bejahen zu sollen, und stützen uns bei dieser Meinungsäusserung wesentlich auf den schönen Essay von Marthe [141], worin besonders auf den grossen und sehr zu Gunsten Ritter’s sprechenden Unterschied in der Behandlung der Orographie hingewiesen wird, der zwischen Ritter’s „Europa“ und dem bald darauf herausgekommenen, sonst ganz tüchtigen Handbuch von Link [142] kon- statirt werden kann; noch ungleich dürftiger ist die Darstellung dieser Verhältnisse in dem verbreiteten Sammelwerke von Cannabich, dessen erster Band [143] freilich nur bedingt als eine physische Erdkunde selten kann. Bei einer anderen Gelegenheit sagt Marthe [144]: „Von den Lehrbüchern Ritter’s muss abgesehen werden und es muss auch besonderes Gewicht gelegt werden auf eine Reihe von ihm herrührender episodischer Monographieen, die sich durch sämmtliche Bände seiner grossen Erdkunde hindurchziehen und die räumliche Verbreitung von Thieren, Pflanzen und Gesteinsarten, die besonders für den mensch- lichen Haushalt bedeutungsvoll sind, zum Gegenstande haben. Auch hierdurch ist Ritter ein thatkräftiger Mitarbeiter für die physische Erd- kunde geworden.“ Damit harmonirt das, was uns der von Ritter mit dem bekannten Mineralogen Hausmann geführte Briefwechsel an die Hand giebt; man vergleiche beispielsweise in diesem die Betrachtungen über die Gebirge am Rhein und an der Lahn, deren Plastik „mit ihren fast mathematisch regulirten Gestaltungen“ für die Weinkultur einen massgebenden Faktor zu bilden scheine [145], oder auch über die Quellbildungen in Kleinasien [146]. Nehmen wir nach dieser Ein- schaltung den Faden unserer literargeschichtlichen Erzählung wieder auf. Dem Jahre 1830 entstammen zwei bedeutendere didaktische Ar- *) Der grossartigen,. aber ganz spezifisch aus oceanographischem Interesse hervorgegangenen Schiffsexpeditionen der neuesten Zeit, durch welche die Namen „„Poreupine“, .„‚Tuscarora“, „Novara“, „Challenger“, „Gazelle“, „‚Travailleur‘ zu hoher Berühmtheit gelangt sind. gedenken wir hier nur im Vorübergehen, da die Physik des Meeres uns noch mehrfach Gelegenheit verschaffen wird, uns mit ihnen zu bechäftigen. ”*) Auch von dem älteren Bruder dieses fleissigen Schriftstellers, Chr. F. Parrot, ist ein übrigens weniger bedeutendes Werkchen [136] über den glei- chen Gegenstand vorhanden. ar SE NEE DW Y ; an 2 24 Geschichtlich-literarische Einleitung. Neue Zeit. beiten, die Lehrbücher von Muncke |147] — der übrigens auch in der durch ihn besorgten Neu-Auflage des physikalischen Wörterbuches von Gehler eine Menge Beiträge zu unserem Fache lieferte — und von J.C.E. Schmidt|148]. Der zweite Band des letzteren Werkes, welches mit grossem Erfolg auf die exakte Behandlung physisch-geographischer Themen hinarbeitet, theilt den Lehrstoff in die folgenden Hauptabthei- lungen ein: Allgemeine Uebersicht der Erdoberfläche, die Atmosphäre, die Erdtemperatur im Inneren wie an der Aussenseite, Bestandtheile des Erdkörpers (Geologie), Dichtigkeit der Erde, Veränderungen an der Oberfläche und Hypothesen über Entstehung und Umbildung des Erdballes, Erdmagnetismus. Wenn schon der Leser unserer Zeit in dieser Eintheilung kein rechtes System wird erblicken können, so thut dieser Mangel dem strengwissenschaftlichen Gehalte des Buches doch kaum etwelchen Eintrag, und H. Wagner durfte jüngst mit Fug be- haupten 149), man erkenne in jenem so recht, wie sich die Geophysik auch im Rahmen eines Lehrbuches fördern lasse. Eine recht über- sichtliche und gut geordnete Anleitung ist ferner diejenige K. Schmidt’s [150], wenn sie sich auch durchweg nur auf Definitionen und kurze Beschreibungen beschränkt. v. Raumer’s „Allgemeine Geographie“ [151] erschien 1835, das folgende Jahr brachte zwei französische Leitfäden von Lecoq [152] und L. C. Prevost-Bassano [153], sowie das ein sichtliches Ringen nach systematischer Gestaltung bekundende Lehrbuch von Fröbel [154]. Wieder einen weiteren Abschnitt markiren Fr. Hoff- mann und Berghaus. Ist das hochinteressante Werk des Ersteren [155] auch nicht ganz gleichmässig gearbeitet, wie denn z. B. die Lehre von den Quellen darin nicht weniger als 116 Seiten umfasst [156], so haben wir doch alle Ursache, dem trefflichen v. Dechen für die Heraus- gabe desselben, das ursprünglich nur ein Kollegienheft darstellte, Dank zu wissen. Gerade diese Vorlesungen haben dereinst auf die Studi- renden der Berliner Universität eine gewaltige Anziehungskraft aus- geübt; übrigens hat uns v. Richthofen an dem konkreten Beispiele der Insel-Klassifikation gezeigt [157], wie viel wir auch heute noch von Fr. Hoffmann lernen können. Gleichzeitig mit einem so vorzüglichen Lehrbuche empfieng die studirende Welt das zweite unentbehrliche Lehrmittel des physikalisch-geographischen Unterrichtes, den aus 90 Karten bestehenden Atlas von Berghaus [158]. Damit sind wir denn an jener Grenze angelangt, welche nach Peschel’s Ansicht (s. o.) die eigentlich geschichtliche Zeit von der Gegenwart trennt*). Doch sei noch daran erinnert, dass diese letzte Periode auch Zeitschriften her- vorgebracht hat, die eigens der wissenschaftlichen Erdkunde dienen sollten. Die von Berghaus im Vereine mit K. F. V. Hoffmann ge- leitete „Hertha“ [162] nahm allerdings auch anderweite Artikel auf, da- für aber koncentrirten sich die von Fröbel und Heer herausgegebenen Mittheilungen völlig auf unser Fach [163]. Leider haben es dieselben *) Wenn wir die in die soeben abgeschlossene Periode fallenden Unterrichts- bücher der französischen Mathematiker Lacroix [159] und Leon Bezout [160] blos in dieser Randnote aufführen. so geschieht diess darum, weil in ihnen das physikalische Element sehr gegen das mathematisch - astronomische zurücktritt. Hingegen darf wohl beiläufig des grossen Werkes v. Hoff’s[161] gedacht werden, welches man ja. sobald man sich nicht allzu ängstlich an die strikte Wortbedeu- tung hält, ebenfalls als ein didaktisches bezeichnen kann. ee ee a Do et 2 KB oz Geschichtlieh-literarische Einleitung. Neue Zeit. 35 nur zu einem einzigen Bande gebracht, doch ist dessen Inhalt reich genug, um uns das frühe Eingehen eines so tüchtigen Journales be- dauern zu lassen. Da finden wir den Entwurf eines detaillirten Sy- stemes der geographischen Disciplinen, eine allgemeine Orographie, eine Sammlung barometrischer Höhenmessungen, Beiträge zur Gebirgs- kunde der Schweiz, eine Uebersicht über die Gletschertheorieen und ein paar interessante Studien zur Pflanzen- und Thiergeographie, welche namentlich den Einfluss des Alpenklima’s auf Organismen betreffen. Ein gleiches Ziel hatten sich die seit 1542 erscheinenden „Ännales des sciences geologiques“ gesteckt. Bezüglich der allerneuesten Zeit können wir, da unsere Aufzäh- lung durchaus keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, uns kurz fassen. Ein dauerndes Denkmal in der neuesten Epoche der Geophysik haben sich die Gebrüder Schlagintweit, deren einer sein feuriges Interesse an der Hinausrückung der Grenzen unserer Erkenntniss bald nachher mit dem Leben bezahlen sollte, durch ihre alpinen Unter- suchungen [164] gesetzt. Sowohl die generellen Auffassungen, zu wel- chen uns dieselben emporleiten, sind von bleibendem Werthe, wie auch nicht minder das gründliche Studium der physikalischen Verhältnisse einzelner bemerkenswerther Gebirgsstöcke, z. B. der Kaiser- und Wetterstein-Gruppe. Von Lehrbüchern nennen wir zuerst B. Studer’s grosses und durch stete Betonung des literarischen Elementes ausge- zeichnetes Werk [165], sodann die physische Geographie des jüngeren v. Klöden |166] als Bestandtheil seines umfänglichen Systemes der Erd- kunde. E. Reclus’ physikalische Erdbeschreibung |167], die durch Ule auch den Deutschen zugänglich gemacht wurde, zeichnet sich durch die Grossartigkeit der darin entwickelten Perspektiven aus. Von eng- lischen Arbeiten verdient namhaft gemacht zu werden das liebenswür- dige Büchlein von Mary Sommerville [168], das allerdings mehr den Charakter einer naturwissenschaftlichen Länderbeschreibung, als jenen einer Physik der Erde trägt (Meteorologie, Erdmagnetismus und Luft- elektrieität sind z. B. in Einem Kapitel vereinigt), ferner das auf einer höheren Stufe stehende Werk John Herschel’s |169] und, soweit blos die Zwecke ganz elementarer Unterweisung in Frage kommen, die Lehrbücher von Geikie *) |170] und Blanford [171]. Die bezüglichen Schriften des Engländers Canstedt und des Franzosen Cortambert müssen wir uns begnügen, einfach zu nennen, weil wir keine nähere Kenntniss von ihnen zu erlangen vermochten. Das Gleiche gilt von zwei wohl ganz verdienstlichen, wenn auch mehr in das Gebiet der populär- wissenschaftlichen Literatur gehörigen Büchern des Zürichers R. Meyer: „Astronomische und physikalische Geographie* (Zürich 1852) und „Physik der. Schweiz“ (Leipzig 1854). Nicht minder registriren wir hier aus gleichen Gründen kurz die folgenden deutschen Werke: Zam- miner, „Die Physik der Erdrinde und der Atmosphäre populär darge- stellt“ (Stuttgart 1853); Landgrebe, „Grundzüge der physikalischen Erdkunde“ (2 Bände, Leipzig 1861—62); Winkler, „Leitfaden zur phy- sikalischen und mathematischen Geographie“ (Dresden 1875). Inmancher *) Die Trübner’sche Verlagsbuchhandlung hat eine deutsche Uebersetzung dieses höchst zweckmässigen Grundrisses in ihre bekannte Kollektion aufge- nommen. 26 Stellung der vergleichenden zur physischen Erdkunde. Hinsicht originell ist die „Physikalische Geographie, fasslich dargestellt,“ von Wittwer, dem bekannten Kommentator des Humboldt’schen Kos- mos (Leipzig 1858), nicht minder, namentlich, soweit die oceanographi- schen Partieen in Frage kommen, Keith Johnston’s „Handbook of physical geography“ (Edinburgh und Lond. 1870) und Houghton’s „Six leetures on physical geography“ (Dublin 1882). Zu der Klasse der Elementarbücher im Sinne Blanford’s sind noch zu rechnen: Hughes „A class book of physical geography, revised by Williams“ (Lond. 1882) und Hugues, „Corso di geografia fisica ad uso dei licei* (Torino 1881). Vorwiegend vom Standpunkte des Physikers aus, wennschon ohne andere als die einfachsten mathematischen Hülfsmittel zur Anwendung zu bringen, behandelt J. Müller die Physik des Erdkörpers als Unterfall einer allgemeineren kosmischen Physik [172], wogegen das neueste grössere Elaborat der Fachliteratur, Leipoldt’sphysische Erdkunde [173], sich schon dadurch als ein mehr geographisches kennzeichnet, dass es theilweise aus den von Peschel gehaltenen Universitätsvorträgen er- wuchs*). Wer geringere Anforderungen stellt und lediglich einen Ueberblick über die die Wissenschaft bewegenden Fragen zu bekom- men wünscht, dem sind die Grundlinien von Cornelius |174] bestens zu empfehlen, oder auch das die physische Erdkunde in deren weitestem Umfang geradezu erschöpfende Werkchen der drei österreichischen Forscher Hann, v. Hochstetter und Pokorny [175]. Noch populärer verfahren Lippert [176] und Geistbeck [177], von denen namentlich der letztere eine recht gute Kompilation bietet. Die ungarische Sprache besitzt neuerdings ein Lehrbuch der physischen Geographie von F. Roth [178], und für die Länder slavischer Zunge dürfte das lieferungs- weise erschienene Werk von Studnicka[179] sehr nutzbringend werden. Wir Deutsche dagegen dürfen, wie wir zu unserer Befriedigung be- richten können, in Bälde einem Handbuch aus der erprobten Feder Supan’s entgegensehen; dem eigentlichen Fachstudium aber werden in noch höherem Grade nach ihrer Vollendung jene Spezialwerke ent- segenkommen, welche unter der Aufsicht Ratzel’s erscheinen sollen. Von dem Herausgeber selbst bearbeitet liegt uns die Anthropo- geographie vor, während Hann die geographische Meteorologie bereits lieferte, v. Boguslawski die Meereskunde, Drude die Pflanzen-, Vet- ter die T'hiergeographie liefern wird. — Atlanten zur physischen Erd- kunde giebt es nunmehr in grösserer Anzahl, man denke nur an die Namen Glaser, Bromme, Stieler, Peschel-Andree u.s. w. Auch hat man sich mit solchen kartographischen Darstellungen nicht begnügt, sondern neuerdings auch damit begonnen, erläuternde Bilder und Mo- delle den Lernenden in die Hand zu geben. Simony, Letoschek, Supan, A. Kirchhoff und A. Heim haben auf diesem Gebiete einen bedeutsamen Anfang gemacht. — Von der „vergleichenden* Geographie ist bislang höchstens nur ganz gelegentlich die Rede gewesen, und doch wird mancher unserer Leser erwarten, von dieser Stelle einen Aufschluss über unsere eigene *) Dieses Werk hat, obgleich seine Aufnahme in kritischen Kreisen nicht immer die günstigste war, trotzdem unleugbare Verdienste. Auch wir verdanken ihm viel und werden uns öfter darauf berufen, freilich mit Umgehung des darin zu Tage tretenden Bestrebens, für verwickelte Erscheinungen sofort neue Erklä- rungen zu geben. er Stellung der vergleichenden zur physischen Erdkunde. 27. Stellung zu diesem von der Ritter’schen Schule mit besonderer Liebe gepflegten Studiengebiete zu erhalten. Wir haben oben gesehen, dass Varenius sich dieses Ausdruckes zuerst bediente, während Ritter den- selben verallgemeinerte und zur Basis eines selbstständigen geographi- schen Systemes erhoben zu haben glaubte. Dem gegenüber behauptete Peschel, als er dem Worte einen neuen und zwar mehr einen physi- kalischen Sinn beilegte|180], sein Vorgänger habe Probleme der ver- sleichenden Erdkunde nicht nur nicht zu lösen, sondern nicht einmal richtig zu stellen vermocht [181]. Es ist schwer, sich aus diesem Di- lemma herauszufinden und eine sachgemässe Definition des vielum- strittenen Kunstwortes zu geben, das beweist u. a. der neueste Versuch v. Hellwald’s [182]. Peschel selbst hat wohl einzelne begeisterte An- hänger und Nachahmer gefunden, allein es ist seinem Andenken auch der herbste Widerspruch nicht erspart geblieben, und P. Lehmann z. B. glaubt den Problemen Peschel’s jedweden günstigen Einfluss auf die Bereicherung unseres morphologischen Wissens absprechen zu sollen [183]; „sie sind,“ so drückt er sich aus, „der Versuch eines geistreichen ‚Mannes, eine Physiognomik & la Lavater auf dem Angesichte der Erde zu begründen.“ Ist diess Urtheil nun auch unseres Erachtens viel zu hart ausgefallen *), so können wir doch auch selbst nicht in Abrede stellen, dass dem Begriffe des Vergleichens bei Peschel etwas Mysti- sches anhaftet, und wir können ebensowenig sagen, dass die Lektüre der philosophisch-geographischen Schriften Kapp’s [186], in welchen noch dazu die physische Erdkunde sehr hinter der politisch-kulturge- schichtlichen zurücktritt, uns auf andere Gedanken gebracht hätte. Fasst man dagegen das bedenkliche Wort in dem einfachen und natür- lichen Sinne auf, wie es A. v. Humboldt im Kosmos thut, so schwinden alle Schwierigkeiten; mit dieser Interpretation deckt sich auch die von Schouw gegebene, die in ihrer negativen Formulirung also lautet [187]: „Compendia, quae nomen geographiae physicae in fronte gerunt, no- tiones tantum generales hujus scientiae de mari, montibus, fluminibus, climate caeterisque continent; non vero, orbe terrarum in partes na- turales diviso, has partes singulas tractant et inter se: conferunt.“ In solcher Weise die Erscheinungen der einen Erdgegend zu denen einer anderen in Parallele stellend sind bereits Forster, A. v. Humboldt, L. v. Buch vorgegangen, ehe man noch nach einer methodologischen Begriffsbestimmung für ihre Thätigkeit gesucht hatte, und auch Oh. Darwin hat diese Untersuchungsmethode zu hoher Ausbildung ge- bracht **). Halten wir diess fest, so erkennen wir, dass der uns schon *) Wir freuten uns, im neuesten Wagner’schen Jahrbuche konstatiren zu können, dass unsere schon vorher niedergeschriebenen Sätze völlig jenen An- schauungen entsprechen. welche der verdiente Vertreter der geographischen Me- thodenlehre dortselbst niedergelegt hat [184], um so mehr, da Niemand H. Wagner allzugrosser Voreingenommenheit für Peschel wird zeihen wollen. Man wird übrigens auch mit Vortheil den geistreichen Essay A. Kirchhoff’s über die drei Koryphäen der deutschen Erdkunde [185] zu Rathe ziehen. #%) Wer sich darüber recht klar werden will, der lese das Schriftchen [188] nach, in welchem Marinelli die geographischen Verdienste des grossen Natur- forschers mit fachmännischem Auge würdigt. Darwin vergleicht die patagonischen Gletscher mit denjenigen der europäischen Alpen; er stellt die klimatischen Eigenthümlichkeiten der beiden irdischen Hemisphären einander gegenüber; wie sich unter verschiedenen Himmelsstrichen die Beziehungen zwischen den Erd- 38 Stellung der Landeskunde zur physischen Erdkunde. bekannte Fr. Hoffmann, in dessen Erstlingsschrift |189] der verglei- chende Gedanke auf das Unzweideutigste hervortritt, kurz und bündig sagen durfte [190]: „Die physikalische Geographie ist vergleichende Erd- kunde; die einzelnen Verhältnisse in der Natur der Länder, Meere und Himmelsstriche bieten das Klassifikationsprineip dar.“ In ähnlichem Sinne haben auch wir ein Recht, die physikalische Geographie, so wie wir sie im weiteren Verlaufe darzustellen gesonnen sind, als eine kompara- tive zu bezeichnen, ohne dass es uns jedoch beigehen könnte, damit im Entferntesten den Begriff von etwas Auszeichnendem verbinden zu wollen *). — Noch ein paar Zeilen müssen wir, ehe wir uns der Schlussbe- trachtung zuwenden, einer Unterabtheilung unseres Wissenszweiges widmen: der wissenschaftlichen Landeskunde. Das Bedürfniss nach einer solchen hat man an manchen Orten schon vor geraumer Zeit empfunden, und ihm verdanken wir das erste und zugleich in seiner Art vollkommene Werk: dieser Art, welches vor nunmehr fast 200 Jahren Johann Weichard Freiherrv. Valvasor über sein Vaterland Krain veröffentlichte [192]. Gerade dieses Land, welches Abraham a Sta. Clara „das Land der Wunder“ nannte — man denke nur an die Queck- silbergruben von Idria, an die Adelsberger Grotte und an den für den Karstcharakter der Gebirge bezeichnenden intermittirenden Wasser- stand des Zirknitzer See’s —, musste wie kaum ein anderes zu einer so eingehenden physikalisch-ethnologischen Beschreibung einladen, wie sie eben Valvasor gegeben hat. Bald nachher skizzirte der Luzerner Cappeler seinen Plan, eine monographische Schilderung des heimath- lichen Pilatus-Berges zu liefern, in einem (unter'm 25. December 1725 geschriebenen) Briefe an Scheuchzer, wie folgt: „1°. Montis Situs, Nomen, Fama. 2°. Chorographia viciniarum montis. 3°. Iconographia et Orthographia. 4°. Origo. 5°. Aerographia, Meteora ete. 6°. Hy- drographia, Fontes, Torrentes, Lacus, ete. 7°. Soli et Subterraneorum descriptio, etc. 8°. Botanica. 9°. Animalia. 10°. Spectra et fabulosa.“* . Diess deutet auf klare Conception einer, wenn auch natürlich in das Zeitkostüm gekleideten physischen Landeskunde; A. v. Haller hat sich über das erst weit später aus den nachgelassenen Papieren des Verfas- sers herausgegebene Werk (Mauricii Antonii Cappelerii Pilati montis historia, ab amico in lucem protracta atque academicis Helvetiae so- cietatibus sacra, Basileae 1767) in seiner „Bibliothek der Schweizer- geschichte“ sehr günstig ausgesprochen. Aus den zahlreichen Literatur- produkten des vergangenen Jahrhunderts, die als hier einschlägig gelten können, heben wir hervor Pallas’ Arbeiten für Theile Russlands [193], sowie diejenigen von J. A. Cramer für die Harzgegend [194] und von (soldfuss-Bischof für das Bayreutherland [195], welch’ letztere aller- dings erst nach 1800 gedruckt wurde. Später hat in dieser Weise Pleischl stössen und dem Zustand der Atmosphäre gestalten. diess festzustellen, reizt seinen Forschungstrieb. Und so in vielen anderen Dingen. *) Selbstverständlich kann es, sobald man sich auf diesen Standpunkt stellt, nicht schwer halten, auch unter älteren geographischen Schriftstellern Leute aus- findig zu machen, die sich mit „vergleichenden“ Studien der bezeichneten Art beschäftigten. So mag wohl auch Tollin ganz Recht haben. wenn er [191] seinen Helden Michael Servet ob der in dessen Ausgabe des Ptolemäus durch- geführten Betrachtungsweise als einen Vorläufer ©. Ritter's feiert. a Begriffsbestimmung der Geophysik. 29 die Landeskunde Böhmens [196] und Pusch (1790 —1846) diejenige Po- len’s [197] bearbeitet. Aus der Fluth neuerer Publikationen ragt her- vor Guthe’s Monographie der Welfenländer [198]; an die Seite dürfte dieser Schrift zu stellen sein, was Wittwer in dem durch König Max II. in's Leben gerufenen Prachtwerke „Bavaria* und G. Karsten in lokalen Sammelschriften Schleswig-Holstein’s niedergelegt haben. Will man auch von ausserdeutschen Ländern einen Beleg beigebracht haben, so sei auf Hull’s physikalische Geographie von Irland [199] verwiesen. Vor ganz Kurzem nun hat R. Lehmann sich an die dankenswerthe Aufgabe gemacht, das Wesen der wissenschaftlichen Landeskunde schärfer, als vordem geschehen, zu präcisiren [200]. Es ist wesentlich das Bodenrelief, wie es sich unter der modellirenden Einwirkung von Luft und Wasser gestaltet hat, welches für den Greographen Interesse besitzt. Die Witterungslehre im Allgemeinen stellt für eine gewisse Gegend die Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse fest und knüpft eventuell daran eine Lokalprognose; der Greograph dagegen in seiner Eigenschaft als Vertreter der landeskundlichen Forschung hat zuzu- sehen, wie unter den kombinirten Einflüssen des Bodenreliefs, der Be- waldung, der menschlichen Kulturen u. s. w. dieses theoretisch be- stimmte Klima sich abändert, und gleichzeitig studirt er die klimatischen Existenzbedingungen der in seinem Territorium verbreiteten Organis- men, zu deren näherer Kenntniss er sich das Material vom botanischen und zoologischen Systematiker verschafft. Diese Andeutungen mögen genügen, um die nahen Wechselbeziehungen zwischen physikalischer Geographie und wissenschaftlicher Landeskunde in’s richtige Licht zu stellen; es steht zu hoffen, dass die vom II. deutschen Geographen- tage niedergesetzte permanente Kommission zur Förderung der letzt- genannten Disciplin durch die eifrige Arbeit, in welcher wir sie bereits begriffen sehen, auch den Interessen der mütterlichen Wissenschaft, der Erdphysik, Vorschub leisten werde. — Nachdem wir somit der im Eingange übernommenen Pflicht, einen Ueberblick über die allmähliche Entwickelung der physikalisch-geo- graphischen Uebergangswissenschaft zu liefern, nach Möglichkeit nach- zukommen uns bestrebt haben, übrigt es uns noch, darzulegen, nach welchen Grundsätzen wir den ungeheuren Stoff, den es zu verarbeiten gilt, systematisch zu durchschalten suchten. Von vorne herein er- klären wir auf das Bestimmteste, dass wir auf principielle Erörterungen über die Stellung unserer Wissenschaft zu den geographischen Schwester- disciplinen und zu der Erdkunde als solcher uns einzulassen weder ver- mögend noch auch gewillt sind; wer sich nach dieser Richtung hin orientiren möchte, der lese die methodologischen Referate H. Wagner’s im achten und neunten Bande des geographischen Jahrbuches nach. Dort wird er finden, welche Ansichten und Vorschläge von einer Anzahl gelehrter Männer ausgegangen sind, von denen wir hier die Italiener Dalla Vedova und Marinelli, die Niederländer Bos und Dozy, den Dänen Löffler, die Deutschen Wappäus, v. Richthofen“), ©. Neu- mann, Marthe, W. Cramer, Ratzel, W. Götz und endlich Wag- ner selber nennen wollen. Noch erscheinen uns die durch einander *) Vergl. dessen akademische Antrittsrede: Aufgaben und Methoden der heutigen Geographie, Leipzig 1883. 30 Begriffsbestimmung der Geophysik. wogenden Theorieen zu wenig feste Grestalt angenommen zu haben, als dass wir unser eigenes Thun durch dieselben maassgebend beeinflussen lassen könnten. Eine grosse Anzahl von Bezeichnungen existirt für unser Fach: man spricht von physischer und physikalischer Geographie, tellurischer oder Geophysik (Physik der Erde); bei den romanischen Nationen ist der Name „Physique du globe“ ein beliebter geworden, der von Saigey [201] und Quetelet”) in Aufnahme gebracht worden ist, Für uns sind alle diese Ausdrücke so gut wie synonym, und wir glauben unsere Berechtigung zu dieser Auffassung leicht durch eine indirekte Beweisführung erhärten zu können, indem wir nämlich darauf hinweisen, wie wenig glücklich B. Studer’s Versuch [203] ausgefallen ist, zwischen der physischen Erdkunde, der physikalischen Erdkunde und der Erdphysik einen erkennbaren Unterschied zu stipuliren. Auch Zöppritz hat [204] mit glücklichem Schlage den gordischen Knoten gelöst und seine bekannten vortrefflichen Jahresberichte, die sich ganz genau über denselben Stoff verbreiten, wie unser Buch, als geophysi- kalische bezeichnet. In der That: die Methode, nach welcher gear- beitet wird, ist eine physikalische, die Objekte, an welchen diese Me- thode sich versucht, sind geographische, es lässt sich also die Geophysik von der physikalischen Erdkunde begrifflich gar nicht trennen. Allen- falls liesse sich sagen, dass der erste Ausdruck sich besser empfiehlt, solange von der Erde als Weltkörper und von ihrer inneren Beschaffen- heit gehandelt wird, dass dagegen die ältere Bezeichnung dann mehr am Platze ist, wenn die Oberfläche unseres Planeten den Betrachtungs- segenstand bildet; diesem Gedanken glaubten wir insoferne Rechnung tragen zu sollen, als wir für die Aufschrift dieses Lehrbuches den Doppeltitel wählten. Indess kann sich Niemand darüber täuschen, dass selbst bei Zugrundelegung dieses Scheidungsprineipes die Grenz- linien beider Gebiete in ununterbrochenem gegenseitigem Ineinander- fliessen begriffen sind und sein müssen. Ein mächtiger Bundesgenosse für diese unsere Auffassung ist uns, nachdem Vorstehendes schon längst niedergeschrieben war, in W. Wundt, dem berühmten Vertreter der philosophischen Methodenlehre, erstanden, der im II. Bande seiner Logik (Stuttgart 1883, S. 228) sich also vernehmen lässt: „Die Geo- physik ist derjenige Zweig der Astrophysik, welcher der vollkommen- sten Ausbildung fähig ist, so dass hier das praktische Bedürfniss zu einer Theilung in verschiedene Zweige geführt hat. Unter ihnen nimmt die physikalische Geographie die Stelle einer allgemeinen Geophysik ein, indem sie von den allgemeinstenEigenschaften des Erdkörpers und ihren wechselseitigen Beziehungen Rechenschaft zu geben sucht. Sie stützt sich dabei theils auf die speziellen Theile der Geophysik, welche sich nach einzelnen Seiten hin mit den physischen Eigenschaften der Erde beschäftigen, wie Meteorologie und Klimatologie, Chorologie und Geologie; theils verbindet sie sich mit der organischen Naturgeschichte und bildet so die besonderen Disciplinen der Pflanzen-, Thier- und Anthropogeographie. Hier berührt sich aber wieder die Geologie mit *) Der berühmte belgische Geophysiker hat allerdings ein selbstständiges Werk über sein Lieblingsfach nicht erscheinen lassen, indess kann man seine generellen Ideen darüber wohl ebensogut aus anderen seiner Schriften kennen lernen. am besten aus seiner Witterungskunde Belgiens [202]. Gliederung des Stoffes. 31 der Chemie, die Pflanzen- und Thiergeographie mit der Biologie, und die Anthropogeographie tritt in ein näheres Verhältniss zu den Geistes- wissenschaften, insbesondere zur Geschichte und Völkerkunde.“ Die systematische Gliederung des Lehrstoffes ist demgemäss eine sehr einfache. Ein erster grösserer Abschnitt wird die kosmische Stellung unseres Erdkörpers zum Gegenstande zu nehmen haben, doch ist hiebei — und hierin weichen wir vollbewusst von zahlreichen Au- toren ab — die physische Astronomie nur in dem engen Rahmen zu behandeln, den uns die ausschliessliche Rücksichtnahme auf terrestrische. Fragen von selbst darbietet*). Ebenso haben wir im zweiten Abschnitte, worin wir die Oberflächenform der Erde und ihre Bewegung im Raume besprechen, darauf Bedacht zu nehmen, dass wir nicht allzutief in das freilich nahe angrenzende Gebiet der mathematischen Geographie hinein- gerathen. Die geologischen und geodynamischen Kapitel bilden den dritten, die Lehren von den magnetischen und elektrischen Erdkräften den vierten Hauptabschnitt. Zweifelhaft kann man darüber sein, ob nunmehr die Luft- oder die Wasserhülle der Erde an die Reihe zu kommen habe. Beide stehen ja in den mannigfaltigsten Wechsel- beziehungen zu einander, allein uns schien die Erwägung von durch- schlagender Bedeutung zu sein, dass nach der besten der umlaufenden Theorieen die Meeresströmungen nur Spiegelbilder der atmosphärischen Strömungen sind, und so mussten wir uns entschliessen, die Oceano- sraphie der Atmosphärologie nachzustellen. An siebenter Stelle er- örtern wir die Öberflächenveränderungen, welche aus dem Kampfe zwischen Meer und Festland resultiren, an achter schildern wir die Eigenschaften der festen Bestandtheile unserer Erdoberfläche, sowie der über die Erdfeste sich erstreckenden Süsswasserbedeckung. Dass der neunte und letzte Abschnitt der physischen Geographie der Or- sanismen vorbehalten bleibt, versteht sich von selbst; in der Vorrede sind aber die Gründe beigebracht, welche uns veranlasst haben, dieser Schlussabtheilung nur einen so beschränkten Raum zuzugestehen. — Die einzelnen Kapitel, in welche wiederum jeder dieser grossen Ab- schnitte zerfällt, können im Inhaltsverzeichniss nachgesehen werden. [1] Zeller, Die Philosophie der Griechen. 1. Band, Tübingen 1844. S. 179. — [2] Diels, Doxographi graeei, Berolini 1879. — [3] Ibid. S. 181. — [4] M. Sartorius, Die Entwickelung der Astronomie bei den Griechen bis Anaxagoras und Empe- dokles in besonderem Anschluss an Theophrast, Halle 1883. S. 6. — [5] Ibid. S. 49. ff. — [6] Ibid. S. 25 ff. — [7] Ibid. $. 32 ff. — [8] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Alexander von Humboldt und Carl Ritter, München 1877. S. 64. — [9] Berger, Zur Entwickelung der Geographie der Erdkugel bei den Hel- lenen, Grenzboten, 39. Jahrgang. S. 412. — [10] Peschel-Ruge, S. 73. — [11] Ibid. S. 67. — [12] Haeser, Lehrbuch der Geschichte der Mediein und der epidemischen Krankheiten, 1. Band, Jena 1875. S. 144. — [13] Günther, Studien zur Geschichte der mathematischen und physikalischen Geographie, Halle 1879. S. 132. — [14] Käst- *) Die Astronomie ist ebenso wie die Geologie eine selbstständige Wissen- schaft, und es kann deshalb in einem Lehrbuche der physischen Erdkunde ohne schwere Schädigung der Sache selbst keiner von beiden eine bevorzugte Stelle eingeräumt werden; sie sind für uns blos Hülfswissenschaften. Man vergleiche über den inneren Zusammenhang der an sich verschiedenen Disciplinen eine an- regend geschriebene Abhandlung von Marinelli [205]. 32 Citate, ner, Weitere Ausführung der mathematischen Geographie, Göttingen 1795. S. 508 ff. — [15] A. Heller, Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit, 1. Band, Stuttg. 1882. S.59 #.— [16] Peschel-Ruge, S. 63. — [17] Berger, Zur Entw. ete. S. 413. — [18] Ibid. S. 409. — [19] Goldbacher, Zur Kritik von Apulejus de mundo, Zeitschr. f. d. österr. Gymn., 1873. S. 670 ff. — [20] Berger, S. 436. -— [21] Ibid. S. 458. — [22] Ivid. S. 408 — [23] Ibid. S. 460. — [24] Ibid. S. 460 ff. — [25] H. Fischer, Ueber einige Gegenstände der physischen Geographie bei Strabon, als Beitrag zur Gesch. der alten Geographie, Wernigerode 1879. — [26] Peschel-Ruge, Gesch. etc. 8. 64. — [27] Ibid. S. 67. — [28] Ibid. S. 68 ff. — [29] Ibid. S. 72. — [30] K. J. Neumann, Strabon’s Quellen im elften Buche, Halle 1881. — [31] A. Kirchhoff, Recension hiezu, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 3. Jahrgang. S. 158. — [32] Peschel-Ruge, S. 77. — [33] Berger, S. 462. — [34] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1845. 8. 471. — [35] K. v. Littrow. Ueber das Zurückbleiben der Alten in den Naturwissenschaften, Wien 1869. — [36] Teuffel. Geschichte der rö- mischen Literatur, 1. Band, Leipzig 1873. S. 669 ff. — [37] B. Studer, Lehrbuch der physischen Geographie und Geologie, 1. Theil, Bern, Chur und Leipzig 1843. S. 7. — [38] Nehring, Die geologischen Anschauungen des Philosophen Seneca, 1. Theil, Wolfenbüttel 1873; 2. Theil, ibid. 1876. — [39] Ibid. 1. Theil. $S. 13. — [40] Ibid. 1. Theil. S. 17 ff. — [41] Ibid. 2. Theil. S. 4 ff. — [42] Ibid. 2. Theil. S. 25. — [43] A. v. Humboldt, Examen critique de l’histoire de la g&ographie du nouveau continent et des progres de l’astronomie nautique dans les 15€ et 16€ siecle, tome I, Paris 1835. S. 180 ff. — [44] Peschel-Ruge, $. 96 ff. — [45] Ibid. S. 150. — [46] Ibid. S. 156. — [47] Rosenberger, Die Geschichte der Physik, 1. Theil, Braunschweig 1882. S. 79 ff. — [48] Ibid. S. 85. — [49] Peschel-Ruge, S. 151 ff. — [50] Manuel de la cosmographie du moyen äge, traduit de l’arabe de Shems- eddin ed Demitschki par Mehren, Copenhague 1874. — [51] Zakarija ben Mu- hammed ben Mahmüd el Kazwini’s Kosmographie, deutsch von Ethe, 1. Band, Leipzig 1868. — [52] Dieterici, Die Naturanschauung und Naturphilosophie der Araber im zehnten Jahrhundert. Posen 1874. — [53] Kazwini, S. 197 ff. — [54] Fell- ner. Ein Kompendium der Naturwissenschaft in der Schule zu Fulda im neunten Jahrhundert. Berlin 1878. — [55] Werner, Die Kosmologie und Naturlehre des scholastischen Mittelalters mit spezieller Rücksicht auf Wilhelm von Conches, Sitzber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, Phil.-hist. Kl. 1873, II; S. 309 ff. -— [56] A. v. Humboldt, Ueber die historische Entwickelung der Kenntnisse von der neuen Welt, 1. Band, Berlin 1852. $. 66. — [57] Fellner, Albertus Magnus als Botaniker, Wien 1881. S. 71 fi. — [58] Tschackert, Peter von Ailli. Gotha 1877. — [59] Günther, Studien, S. 217 ff. — [60] Les livres du tresor, par Brunetto La- tini. publie d’apres les manuscrits de la bibliotheque imp£riale par P. Chabaille, Paris 1863. — [61] Libri, Histoire des sciences mathematiques en Italie, tome II, Paris 1832. S. 182. — [62] W. Schmidt, Ueber Dante’s Stellung in der Geschichte der Kosmographie, Graz 1876. — [63] Günther, Studien. S. 154 ff. — [64] La com- posizione del mondo di Ristoro d’Arezzo, testo italiano del 1882 pubblicato da E. Nar- ducci. Roma 1859. — [65] Ibid. S. 78 ff. — [66] Günther. Studien, $S. 172 ff. — [67] A. v. Humboldt. Kosmos, 1. Band. $. 355 — [68] D’Acosta, Historia natural y moral de los Indias, Sevilla 1590. — [69] Döderlein, Sebastian Münster, ein Wiedererwecker des Ptolemaeus. Bl. f. d. bayr. Gymn.- u. Realschulwesen, 15. Band. S. 399. — [70] Ibid. S. 435. — [71] Peschel-Ruge, S. 427. — [72] Gilbert, De mag- nete magneticisque corporibus et de magno magnete tellure physiologia nova, Lon- dini 1600. — [73] Brocard. La meteorologie de Kepler, I. Grenoble 1879, II. ibid. 1880. — [74] Liebig, Ueber Francis Bacon von Verulam und die Methode der Naturforschung,. München 1863. — [75] Franz Bacon’s neues Organon, übersetzt, erläutert und mit einer Lebensbeschreibung des Verfassers versehen von v. Kirch- mann. Berlin 1870. S. 280. — [76] Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde als Versuch. einer Morphologie der Erdoberfläche, Leipzig 1878. S. 70. — [77] Wohlwill, Bacon von Verulam und die Geschichte der Naturwissenschaft, Constitut. Jahrbücher, 9. Band. $. 383 ff. 10. Band. S. 207 ff. — [78] Ibid. 9. Band. S. 404. — [79] Breusing, Lebensnachrichten von Bernhard Varenius, Petermann’s geogr. Mittheil., 18. Band. S. 136 ff. — [80] Varenius, Geographia generalis, in qua affectiones generales telluris explicantur, Amstelodami 1650. — [81] Varenius, Geographia generalis, ed. Js. Newton. Cantabrigiae 1672. —,[82]'A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 74 ff. — [83] Riccioli, Geographia et hydrographia reformata, Bononiae 1661. — [84] Zöckler, Gottes Zeugen im Reiche der: Natur; Biographieen und Bekenntnisse grosser Naturforscher aus alter und neuer Zeit, 1. Theil, Güters- loh 18831. S. 275 ff. — [85] Kircher, Mundus subterraneus, in quo universae naturae 4 Ko). EN Citate. 38 majestas et divitiae demonstrantur, Amstelodami 1664. — [86] Agricola, De ortu et causis subterraneorum, Basileae 1546. — [87] Kircher, Magnes seu de arte mag- netica opus tripartitum, Romae 1641. — [83] Fr. Hoffmann, Geschichte der Geo- gnosie und Schilderung der vulkanischen Erscheinungen, Berlin 1838. $. 40 ff. — [89] Fournier, L’hydrographie, contenant la theorie et la pratique de la navigation, Paris 1643. — [90] Mariotte, Traite du mouvement des eaux et des autres corps fluides, Paris 1686. — [91] Torell-Nordenskjöld, Die schwedischen Expeditionen nach Spitzbergen und Bären-Eiland, ausgeführt in den Jahren 1861, 1864 und 1868, deutsch von Passarge, Jena 1869. S. 339 ff. — [92] Rittau, Johann Reinhold For- ster’s Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt, Hanau 1881. — [93] C. Ritter, Ueber Gebirgsentdeckung, Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 5. Jahrgang. S. 301 ff. — [94] Scheuchzer, Beschreibung der Naturgeschichten des Schweizer- landes, Zürich 1706—18. — [95] Altmann, Versuch einer historischen und physi- schen Beschreibung der helvetischen Eisberge, Zürich 1751. — [96] B. Studer, Ge- schichte der physischen Geographie der Schweiz, Bern und Zürich 1865. — [97] Kro- patschek, Zur geschichtlichen Entwickelung des geographischen Unterrichtes, Verhandl. des II. Deutschen Geographentages, Berlin 1832. 8. 129. — [98] Peschel- Ruge, S. 707. — [99] Kropatschek, S. 127. — [100] V. A. Huber, Die englischen Universitäten. 1. Band, Kassel 1839. S. 124. — [101] Favaro, Galileo Galilei e lo studio di Padova, Tomo I, Firenze 1882. S. 135. — [102] Buache, Essai de geo- graphie physique, ol l’on propose des vues generales sur l’espece de charpente du globe, composee de chaines de montagnes qui traversent les mers comme les terres, Mem. de l’acad. des sc. de Paris, 1756. 8. 399 ff. — [103] Lulofs, Inleidinge tot eene natuur — en wiskoundige beschouwing des aardkloots, tot dienst der landgenoten geschriewen, Leyden 1750. — [104] Johann Lulofs Anleitung zu der mathematischen und physikalischen Erkenntniss der Erdkugel, aus dem Hollän- dischen übersetzt von Kästner. Göttingen und Leipzig 1755. — [105] Bergman, Physisk beskrifning över jordsklot, Upsala 1766. — [106] Physikalische Beschrei- bung der Erdkugel, auf Veranlassung der kosmographischen Gesellschaft verfasst von Bergman, aus dem Schwedischen übersetzt von Röhl, Greifswald 1791. — [107] Tob. Mayer, Lehrbuch über die physikalische Astronomie, Theorie der Erde und Meteorologie, Göttingen 1805. — [108] Mitterpacher v. Mitterburg, Physika- lische Erdbeschreibung, Wien 1789. — [109] Bode, Anleitung zur allgemeinen Kenntniss der Erdkugel, Berlin 1786. — [110] Vorlesungen über physische Geo- graphie, auf Verlangen Kant’s aus seiner Handschrift herausgegeben von Rink, Königsberg 1802. Immanuel Kant’s Schriften zur physischen Geographie, heraus- gegeben von F. W. A. Schubert, Leipzig 1839. S. 299 ff. (Auch in v. Kirchmann’s „Philosoph. Bibliothek“). — [111] Zöllner, Ueber die Natur der Kometen, (3. Aufl.) Leipzig 1883. S. 231 ff. — [112] Peschel, Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, herausgeg. von Löwenberg, 1. Band, Leipzig 1877. S. 265. — [113] Zimmermann, Geographische Geschichte der Menschen und der allgemein verbreiteten vier- füssigen Thiere, Leipzig 1778—83. — [114] L. v. Buch, Reise nach Norwegen und Lappland, Berlin 1810. — [115] Id., Physikalische Beschreibung der romanischen Inseln, Berlin 1825. — [116] Ibid. $S. 321 ff. — [117] A. v. Humboldt, Kosmos, Versuch einer physischen Weltbeschreibung, Stuttgart und Tübingen 1845—58. — [118] Id., Ansichten der Natur, mit wissenschaftlichen Erläuterungen, Stuttgart und Tübingen 1808. — [119] Id., Voyage aux regions &quinoxiales du nouveau conti- nent, fait en 1799—1804, Paris 1811—25 (resp. 1816--31). — [120] Id., Asie cen- trale, recherches sur les chaines de montagnes et la climatologie comparee, Paris 1843. — [121] Bruhns, A. v. Humboldt, Eine wissenschaftliche Biographie, 3. Band, Leipzig 1872. — [122] Peschel-Ruge, S. 535 ff. — [123] H. A. Schumacher, Ueber Francisco de Cäldas, den neugranadinischen Naturforscher und Geographen, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 7. Band. S. 98 ff. — [124] Mädler, Russlands geographische Arbeiten und Entdeckungen, Reden u. Abhandl. über Gegenst. d. Himmelskunde, Berlin 1870. S. 380 ff. — [125] Martins, Von Spitzbergen zur Sa- hara, deutsch von C. Vogt, Jena 1872. — [126] Jordan, Physische Geographie und Meteorologie der libyschen Wüste, Kassel 1876. — [127] Martens, Spitzbergische oder Grönlandische Reisebeschreibung, Hamburg 1675. — [128] Scoresby, An ac- count of the arctie regions. London 1820. — ]129] Weyprecht, Tageblatt der 48. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, Graz 1875. 8. 38 ff. — [130] Burmeister, Physikalische Beschreibung der Argentinischen Republik nach eigenen und den vorhandenen fremden Beobachtungen, 1. Band, Buenos Ayres und Leipzig 1875. — [131] Rein, Japan nach Reisen und Studien. 1. Band, Leipzig 1831. Günther, Geophysik. I. Band. 3 34 Citate. — [132] Ratzel, Physikalische Geographie und Naturcharakter der Vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1877. — [133] v. Richthofen, China; Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien, drei Bände, Berlin 1877—82. — [134] Wappäus, Recension hiezu, Gött. gel. Anz. 1877. 8. 865. — [135] G. F. Parrot, Grundriss der Physik der Erde und Geologie, Riga und Leipzig 1815. — [136] Chr. F. Parrot, Versuch einer vollständigen Einleitung in die mathematisch -physische Stern- und Erdkunde, Bayreuth 1792. — |137] Desmarest-Bory St. Vincent, Dietion- naire de geographie physique de l’encyclopedie methodique, Paris 1798—1828. — [138] F. Hochstetter, Allgemeine mathematische und physikalische Erdbeschreibung, Stuttgart 1820—23. — [139] C. Ritter, Erdkunde im Verhältniss zur Natur und zur Geschichte des Menschen, oder allgemeine vergleichende Geographie, Berlin 1822. — [140] Zeune, Gea, Versuch einer wissenschaftlichen Erdbeschreibung, Berlin 1808. — [141] Marthe, Was bedeutet Carl Ritter für die Geographie ?, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 14. Band. S. 356 ff. — [142] Link, Handbuch der physikalischen Erdbeschreibung, Berlin 1826. — [143] Gaspari-Hassel-Cannabich, Handbuch der neuesten Erdbeschreibung, 1. Band, Berlin 1819. — [144] Marthe, Festrede auf Carl Ritter, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 6. Band. $. 289. — [145] Carl Ritter’s Briefwechsel mit Joh. Friedr. Ludw. Hausmann, herausgeg. v. Wappäus, Leipzig 1879. S. 136. — [146] Ibid., S. 153. — [147] Muncke, Handbuch der mathe- matischen und physischen Geographie nebst Atmosphärologie, Heidelberg 1830. — [148] J. C. E. Schmidt, Lehrbuch der mathematischen und physischen Geographie, 2. Theil, Göttingen 1830. — [149] H. Wagner, Geogr. Jahrbuch, 9. Band, Gotha 1883. S. 687. — [150] K. Schmidt, Physische Geographie oder Darstellung unserer Erde nach ihrer natürlichen Beschaffenheit und Einrichtung, Leipzig 1832. — [151] v. Rau- mer, Lehrbuch der allgemeinen Geographie, Leipzig 1835. — [152] Lecoq, El&ments de geographie physique et de meteorologie, Clermont 1836. — [153] L. C. Prevost- Bassano, Traite el&mentaire de g&ographie physique, Paris 1836. — [154] Fröbel. Die physische Geographie, als systematische Wissenschaft gemeinfasslich darge- stellt, Zürich 1836. — [155] Fr. Hoffmann, Physikalische Geographie, Berlin 1837. — [156] Ibid. S. 423 ff. — [157] v. Richthofen, Bemerkungen zum genetischen Inselsystem, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 3. Jahrgang. S. 237 ff. — [158] Berg- haus, Physikalischer Atlas, Gotha 1837—48. — [159] Lacroix, Introduction & la geographie mathematique et critique et & la geographie physique, Paris 1811. — 1160] L. Bezout, Geographie physique, Paris 1825. — [161] v. Hoff, Geschichte der durch Deberlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche, Gotha 1822—84; fortgesetzt v. Berghaus, Berlin 1840-41. — [162] Berghaus- Hoffmann, Hertha, Berlin 1826—29. — [163] Fröbel-Heer, Mittheilungen aus dem Gebiete der theoretischen Erdkunde, 1. Band, Zürich 1836. — [164] H. und A. Schlagintweit, Untersuchungen über die physikalische Geographie der Alpen in ihren Beziehungen zu den Phänomenen der Gletscher, zur Geologie, Meteorologie und Pflanzengeographie, Leipzig 1850; Neue Untersuchungen über die physikalische Geographie und Geologie der Alpen, ibid. 1854. — [165] B. Studer, Lehrbuch der physikalischen Geographie und Geologie, Bern, Chur und Leipzig 1844—47. — [166] v. Klöden, Handbuch der Erdkunde, 1. Band, Berlin 1856, 5. Auflage, ibid. 1873. — [167] Reclus, La terre, Paris 1868—69. — [168] M. Sommerville, Phy- sical geography, London 1851. — [169] J. Herschel, Physical geography of the globe, Edinburgh 1875. — [170] Geikie, Elementary physical geography; questions for the use of schools, London 1877. — [171] Blanford, Rudiments of physical geography for indian schools, London 1878. — [172] J. Müller, Lehrbuch der kos- mischen Physik, Braunschweig 1856; 4. Aufl. ibid. 1875. — [173] Leipoldt, Phy- sische Geographie, nach den hinterlassenen Manuskripten Oscar Peschel’s selbst- ständig bearbeitet und herausgegeben, Leipzig 1879—82. — [174] Cornelius, Grund- riss der physikalischen Geographie, Halle 1851; 3. Aufl. ibid. 1868. — [175] Hann- v. Hochstetter-Pokorny, Allgemeine Erdkunde; ein Leitfaden der astronomischen Geographie, Meteorologie, Geologie und Biologie, Prag 1872. — [176] Lippert, Die Oberfläche der Erde; einer volksverständlichen Geographie physischer oder 1. Theil, Prag 1879. — [177] Geistbeck, Leitfaden der mathematischen und physikalischen Geographie, Freiburg i. B. 1881. — [178] F. Roth, Vergleichende physische Geo- graphie (ungarisch), Budapest 1878. — [179] Studnicka, Vseobeeny zem£pis &ili astronomickä, mathematickä a fysikälni geografie, Prag 1881-83. — [180] Peschel, Neue Probleme etc., Leipzig 1869; 4. Aufl. ibid. 1883. — [181] Ibid. S.1 ff. — [182] v. Hellwald, Comment on comprend et comment on &tudie la g6ographie en Allemagne et en Autriche, Congres national de v&ographie A Nancy, 1881. $. 94 ff. — [183] P. Lehmann, Kritischer Exkurs über Peschel’s Morphologie der Erdober- Citate. 35 fläche, Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin, 10. Band. S. 97 ff. — [184] H. Wag- ner, Geogr. Jahrbuch, 9. Band, Gotha 1883. S. 669. — [185] A. Kirchhoff, Hum- boldt, Ritter und Peschel, die drei Hauptlenker der modernen Erdkunde, Deutsche Rundschau, 2. Jahrgang, 4. Heft. — [186] Kapp, Philosophie der Erdkunde, Braun- schweig 1845; Vergleichende allgemeine Erdkunde in wissenschaftlicher Darstel- lung, ibid. 1868. — [187] Schouw, Specimen geographiae physicae comparativae, Hauniae 1828. S. 4. — [188] Marinelli, Carlo Roberto Darwin e la geografia, Venezia 1883. — [189] Fr. Hoffmann, De vallium in Germania boreali prineipa- lium directione memorabili congrua, Halae 1823. — [190] Id., Physikalische Geo- graphie, $S. 5. — [191] Tollin, Michael Servet, ein Vorläufer CO. Ritter’s und Alex. v. Humboldt’s, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 14. Band. $. 356 ft. — [192] v. Valvasor, Die Ehre dess Herzogthums Crain: Das ist, Wahre, gründ- liche und recht eigendtliche Belegen- und Beschaffenheit dieses, in manchen alten und neuen Geschicht-Büchern zwar rühmlich berührten, doch bisher nie annoch recht beschriebenen Römisch-Keyserlichen herrlichen Erblandes, Laybach 1689. — [193] Pallas, Neue nordische Beiträge zur physikalischen und geographischen Erd- beschreibung, Petersburg und Leipzig 1781—96. — [194] J. A. Cramer, Physi- kalische Briefe über die Gegend von Hildesheim, Hannover 1796. — [195] Gold- fuss-K. G. Ch. Bischof, Physikalisch-statistische Beschreibung des Fichtelgebirges, Nürnberg 1816. — [196] Pleischl, Beiträge zur physikalischen Geographie Böh- mens, Prag 1838. — [197] Pusch *), Physikalische Geographie von Polen. — [198] Guthe, Die Lande Braunschweig und Hannover, Hannover 1865. — [199] Hull, Physical geology and geography of Ireland, London 1878. — [200] R. Lehmann, Ueber systematische Förderung wissenschaftlicher Landeskunde von Deutschland, Verhandl. d. II. Deutschen Geographentages, Berlin 1882. S. 102 ff. — [201] Saigey, Petite physique du globe. Paris 1832. — [202] Quetelet, Met&orologie de la Bel- gique, comparee & celle du globe, Bruxelles et Paris 1867. — [203] B. Studer, S. 3 ff. — [204] Zöppritz, Geogr. Jahrb., 8. Band, Gotha 1882. 8. 1 ff.; 9. Band, ibid. 1883. S. 1 ff. — [205] Marinelli. Della geografia scientifica e di alcuni suoi nessi collo sviluppo degli studi astronomiei e geologiei, Roma 1879. *) Wir entnehmen diese Nachricht von einem Autor, um dessen Gedächtniss sich etwas anzunehmen zunächst den polnischen Geographen überlassen bleiben muss, Poggendorff’s „Biogr.-liter. Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften“ (Leipzig 1863. $. 545). Alldort werden auch zahlreiche andere Beiträge notirt, welche Pusch zur physikalischen Landeskunde Polens geliefert hat, wie jenes posthume Manuskript. ’ Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. Kapitel I. Die Kant-Laplace’sche Hypothese. S. 1. Kosmogonische Hypothesen im Allgemeinen. Genaues über die Art und Weise, wie sich unser Erdkörper zu dem entwickelt hat, als welchen wir ihn gegenwärtig wahrnehmen, lässt sich natürlicher- weise nicht beibringen; alle Spekulationen über diese Frage müssen der Natur der Sache nach den Stempel des Hypothetischen tragen. Bei den Erklärungen, welche die religiösen Schriften aller Nationen für den Hergang der Weltentstehung gaben, vermochten Viele sich nicht zu beruhigen, und so sehen wir denn bereits im frühen Mittel- alter Männer von sonst unantastbarer Gläubigkeit die biblischen Nach- richten über das Sechstagewerk in theilweise sehr rationalistischer Weise interpretiren. Besonders merkwürdig ist, was Zöckler |1] in dieser Hinsicht von einem der hervorragendsten der Kirchenväter, von GregorvonNyssa(IV. Jahrhundert), berichtet: „Ganz evolutionistisch, an die Kosmogonieen der Neuzeit seit Kant anklingend, lautet, was zur Erläuterung der Gestirnschöpfung am vierten Tage beigebracht wird. Aus dem die Erde gleich einem mächtig leuchtenden Nebel umkreisenden Urlichte entstanden Sonne, Mond und Sterne auf natur- gesetzlich vermittelte Weise, durch Zusammenballung der rotirenden Lufttheilchen, von welchen sich das Leichtere immer zum Leichteren, das Schwerere zum Schwereren, überhaupt Gleichartiges zu Gleichem geselltee Man wird fast an Plateau’s Oeltropfen-Versuch*), das be- rühmte Experiment zur Veranschaulichung des Grundgedankens der Laplace’schen Weltbildungslehre, erinnert, wenn dieses Sichgesellen der gleichartigen Elemente der kreisenden Lichtmaterie durch die Hinweisung auf eine Mischung von Quecksilber, Wasser und Oel illustrirt wird, die längere Zeit in einem Gefässe geschüttelt, die Wahrnehmung ergebe, dass das Quecksilber sich ‚zu unterst, das *) Hievon wird weiter unten (in $. 5) eingehend gesprochen werden. I. $S. 1. Kosmogonische Hypothesen im Allgemeinen. 37 Wasser in der Mitte, das Oel zu oberst ablagere.* Man wird nicht in Abrede stellen können, dass diese Auffassung den geltenden Natur- gesetzen sich jedenfalls weit besser anpasste, als so manche weit später entstandene. An eine ähnliche wirbelnde Bewegung der zu einzelnen Hauptmassen zusammengerinnenden Theilchen dachte auch Cartesius, für den ja [2] ein solcher Bewegungszustand die Grundlage seiner ganzen Kosmologie war. Von ihm zeigt sich auch einigermassen ab- hängig Leibniz in seiner für die Geschichte der Geologie noch heute [3] bedeutsamen „Protogaea“ [4], in welcher die Erde als ein der Sonne von Hause aus konform gebildeter Körper geschildert wird, der schliess- lich in einen schlackigen Granitklumpen sozusagen degenerirte; noch entschiedener aber beeinflusste die cartesische Wirbeltheorie, die selbst in Newton’s Vaterlande nur langsam dem Gravitationsgedanken die Bahn frei gab, die Schule der englischen Physikotheologen. Durch die kreisende Bewegung der einzelnen Weltkörper lässt Burnet [5] die Gewässer der Tiefe die dünne Rinde eines jeden Planeten sprengen, denen auch er somit einen durchaus gleichartigen Ursprung zuschreibt; bei diesen Sintfluthen habe es dann für jeden einzelnen Himmels- körper mehr oder minder heftige Katastrophen abgesetzt, besonders auf dem Saturn, wo in Folge eines solchen Ereignisses der Ring sich abgetrennt habe. Ihm folgten Andere, die die Hauptrolle bei der Herstellung unseres Sonnensystemes in seiner gegenwärtigen Form einem Kometen zudachten und diesen als deus ex machina ganz nach ihrer Einbildungskraft schalten und walten liessen; hierher, zu den von Zöckler bezeichnend „Kometomanen*“ Genannten |6], gehörten Whiston, Clüver und sogar der als naturwissenschaftlicher Schrift- steller sonst hoch geschätzte Buffon, während der gelehrte Woodward (1695) in seiner „Natürl. Geschichte der Erde“ sich gegen diese Her- beiziehung eines völlig unkontrolirbaren Momentes erklärte [7]. In Buffon’s Schrift [8] stösst ein Komet an die Sonne, und zwar excen- trisch; dadurch wird ein Stück des Sonnenkörpers — Buffon weiss genau, dass. es ein Sechshundertundfünfzigstel von dessen Volumen ist — losgerissen, aus welchem dann, wenn weitere Schweifsterne sich zur Verfügung stellen, allmählig die einzelnen Planeten und deren Trabanten sich abtrennen. Ja der grosse Komet von 1811 war sogar im Stande, noch eine neue Phase dieser eigenthümlichen Abart kome- tarischen Aberglaubens zu bewirken; Gruithuisen, Gelpke, Smith- son-Tennant sprachen sich |9] in diesem Sinne aus, und der ebenso geistreiche als phantastische Steffens begründete seine Lehre vom Men- schen [10] auf ein geographisches System, welches einem Mondstadium der Erde ein Kometenstadium und diesem erst das eigentliche Pla- netenzeitalter folgen liess — ziemlich umgekehrt so, wie wir jetzt den Fortbildungsprocess auffassen zu müssen glauben. Wir übergehen andere Hypothesen, die nur beweisen, wie äusserst langsam die ge- sunden Ideen Kant’s sich Bahn zu brechen im Stande waren; man denke nur an die freilich mit grossem mathematischem Aufputz her- vorgetretenen geogonischen Systeme des älteren [11] und des jünge- ren [12] Silbersehlag. Noch lange nachher entwickelte Späth [13] seine Embryonentheorie; an solchen Stellen des Weltraumes, welche von allen Seiten her ungefähr einer gleich starken Anziehung aus- gesetzt waren, bildeten sich gasartige Sphäroide als „Embryonen“ des 38 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. künftigen stellaren Körpers; „diese Embryonen mochten von der Natur in verschiedener Grösse angelegt worden seyn, während jeder derselben aus zweien unter sich ungleichartigen Gasen gemischt war.“ Bei aller Sonderbarkeit dieser Ansichten macht sich hier doch bereits eine gewisse Einwirkung der durch Kant angebahnten, durch Laplace vollendeten Reform bemerkbar. Als ein wirklicher Vorläufer Kant’s muss dagegen der bekannte Emanuel Swedenborg mit allem Rechte gelten, in welchem Phantasterei und exaktes Denken zu eigenartiger Mischung sich vereinten ; namentlich in $. IV, 3 seines 1734 erschienenen Werkes über Naturphilosophie — derselbe führt den Titel „De chao universali solis et planetarum, deque separatione ejus in planetas et satellites* — entwickelt der Autor, den von Nyren [14] gegebenen Auszügen zufolge, eine systematische Weltbildungslehre auf der Basis der cartesischen Wirbel. $S. 2. Die: Kant'sche Hypothese. Im zweiten Theile seiner mit Recht berühmt gewordenen „Naturgeschichte des Himmels“, welche im Vereine mit einer von Lambert ausgegangenen Schrift von ver- wandter Tendenz [15] auf die ganze Weltanschauung des XVII. Jahr- hunderts umgestaltend einwirkte, kommt der Königsberger Philosoph darauf zu sprechen, dass doch die das ganze Planetensystem beherr- schende Gleichmässigkeit *) des Dreh- und Bewegungssinnes bei Ro- tation und Revolution von einer gemeinsamen leitenden Ursache ab- hängen müsse [16]. Alle Bestandtheile unseres Sonnensystemes, Planeten wie Kometen, befanden sich „im Anfang aller Dinge“ in einem gleich- mässigen Zustande des Aufgelöstseins.. Natürlich herrschte ein nur labiles Gleichgewicht, so dass innere Kräfte — von deren Herkunft freilich weiter nicht die Rede ist — leicht eine Störung hervorbringen und einzelne dichtere Klumpen bilden konnten, auf welche sich dann die benachbarten Theilchen zubewegten. Alle Theilchen sind von Hause aus mit einer gleichförmigen Bewegung ”**) und mit gewissen Zurückstossungskräften ausgestattet; diese letzteren bewirken in Ver- bindung mit der Attraktion der bereits gebildeten dichteren Centren, dass die gleichförmig geradlinige Bewegung in eine kreisförmige sich verwandelt, und zwar muss sich so ein Zustand herausbilden, bei wel- chem die einzelnen Bewegungen einander am wenigsten durchkreuzen und stören. „Diess geschieht,“ sagt Kant |17], „erstlich, indem die Theilchen, eines der andern Bewegung so lange einschränken, bis alle nach einer Richtung fortgehen; zweitens, dass die Partikeln ihre Ver- tikalbewegung, vermittelst der sie sich dem Oentrum der Attraktion nähern, so lange einschränken, bis sie alle horizontal, d. i. in parallel laufenden Cirkeln um die Sonne als ihren Mittelpunkt bewegt, ein- ander nicht mehr durchkreuzen, und durch die Gleichheit der Schwung- *) Dass es auch Ausnahmen von dieser Regel gäbe, war zu Kant's Zeit noch un Kann. Wir werden in $. 6 von diesen Ausnahmen zu sprechen haben. *#) Newton war [19] der Meinung, die verschieden dichten Planeten hätten deshalb in jenen Distanzen von der Sonne angebracht werden müssen. welche wir beobachten, damit jeder Planet, im Verhältniss seiner Dichtigkeit, mehr oder weniger stark von der ersteren erleuchtet und erwärmt werde. Je dichter nämlich ein Stoff sei, um so mehr Wärme werde erfordert, damit dieselbe unter sonst gleichen Umständen die nämliche erhitzende Wirkung haben könne. I. $. 2. Die Kant’sche Hypothese. 39 kraft mit der senkenden sich in freien Cirkelläufen in der Höhe, da sie schweben, immer erhalten, so dass endlich nur diejenigen Theil- chen in dem Umfange des Raumes schweben bleiben, die durch ihr - Fallen eine Geschwindigkeit, und durch die Widerstehung der andern eine Richtung bekommen haben, dadurch sie eine freie Cirkelbewegung fortsetzen können,“ In der Mitte all’ dieser Kreise, welche die Weltatome beschreiben, befindet sich nun ein Körper von etwas dichterem Gefüge: die spätere Sonne. Kant betont nachdrücklich, dass zur Bildung dieses inneren Kernes die Newton’sche Gravitation nicht ausgereicht haben könne, dass vielmehr wohl eine Art chemischer Wahlverwandtschaft zur Er- klärung hinzugezogen werden müsse. Gewisse Massentheilchen, die in angenähert gleichen Entfernungen vom Üentralkörper um diesen ihren Umlauf vollziehen, ballen sich zu einem weiteren Körper zusammen, welcher sich in gleicher Richtung bewegt. So ist der erste Planet entstanden; ihm folgen mehrere. Dass deren Bahnen theilweise ein wenig vom Kreise abweichen und auch nicht ganz und gar in die- selbe Ebene fallen, erklärt sich einfach aus den Verschiedenheiten in der Stärke der Anziehung. Ein — allerdings nicht näher formulirtes — statisches Gesetz weist [13] den Materien des Weltalls deren „Höhen“ (Abstände von Centrum) nach dem umgekehrten Verhältnisse ihrer Dichtigkeit an; dieses Gesetz soll die teleologischen Gründe ersetzen, welche Newton für die mit wachsender grosser Axe der Planeten- bahn abnehmende spezifische Schwere der Wandelsterne angegeben hatte. Die Nebenplaneten hält Kant für durchaus dichter als die zugehörigen Hauptplaneten und legt sich dieses Verhältniss in der Weise zurecht, dass erstere mehr „aus dem Ausschusse der elemen- tarischen Materie“, die letzteren dagegen „ohne Unterschied aus den Materien aller vorhandenen Gattungen“ formirt seien. Die Dichtigkeit aller Planeten zusammen müsse als arithmetisches Mittel dieselbe Zahl, wie jene der Sonne, ergeben, und in der That bestehe auch nach . Buffon das Verhältniss 64:65. Die Kometen sind ebenfalls regel- rechte Mitglieder unseres Sonnensystemes; nur bilden sie sich |20] in sehr grossen Entfernungen vom Hauptkörper da, wo die Kraft, „welche sie zum Sinken bringt“, nur noch eine schwache Wirkung ausüben kann. Für die Kometen als Weltkörper, meint unser Gewährsmann, sei nur die grosse Excentrieität ihrer Bahnen charakteristisch, denn ihre Lichthüllen und Schweife erhielten sie erst bei ihrer Annäherung an die Sonne. Jeder Planet stellt nun wieder [21] eine Sonne im Kleinen dar; von ihm lösen sich wieder kleinere Kugeln los, und zwar wird ein Planet um so mehr Nebenplaneten besitzen, je grösser seine Entfernung vom Centralkörper ist. Die Axen sämmtlicher dem Sonnen- system angehöriger Bälle stehen senkrecht „gegen die allgemeine Beziehungsfläche des planetarischen Systemes, welche nicht weit von der Ekliptik abweicht“. Zuletzt wird noch dem Saturn eine ein- gehendere Diskussion gewidmet [22]. Derselbe soll anfänglich ein kometarischer Planet gewesen sein und seinen Umlauf in einer vom Kreise sehr stark abweichenden Bahn vollzogen haben. In Folge der ungleichartigen Insolation hatten sich schweifbildende Dünste um ihn gesammelt, die sich schliesslich zu einem Ringe verdichteten. Zuerst war derselbe aller Wahrscheinlichkeit nach ein der Saturnkugel kon- 40 Erste Abtheilune. Die kosmische Stellung der Erde. centrischer sphärischer Ring, mit der Zeit aber folgten sämmtliche Theilchen der ihnen innewohnenden Tendenz, sich in die Aequatorial- ebene zu begeben. Jedem anderen Kometen könne unter entsprechend sünstigen Umständen das Gleiche widerfahren. Kant wagt es sogar, die teleskopisch angeblich nicht zu eruirende Umdrehungsdauer des Ringes theoretisch zu bestimmen; die inneren Theilchen sollen etwa 10, die äusseren etwa 15 Stunden zu Einem Umlauf brauchen, und auch die Axendrehung des Planeten selber wird aprioristisch auf 6h 25° 53% festgesetzt”). Ja, der geniale Rationalist geht sogar so weit, jene „ober- himmlischen“ Wasser, welche der kosmischen Physik der Kirchenväter so grosse Schwierigkeiten bereiteten, mit einem früheren hypothetischen Ringe der Erde in Verbindung zu bringen, dessen. Abbild man dann im Regenbogen erblickt habe! | S. 3. Kritik der Kant’schen Originalhypothese. Ueber die Theorie, deren Grundzüge wir soeben im engsten Anschlusse an das Original erörtert haben, sind sehr verschiedene Urtheile laut geworden. H. J. Klein meinte, es würde von dem ganzen Systeme nicht viel übrig bleiben, wenn man das Secirmesser in aller Strenge daran anlegen wollte [24], und Zöllner hinwiederum, der begeisterte Lobredner des Naturforschers Kant, sucht durch textuelle Nebeneinanderstellung der bezüglichen Stellen in des letzteren und in Laplace’s Werke den augenscheinlichen Beweis dafür zu erbringen, dass der französische Erneuerer des Kant’schen Gedankens ganz unvergleichlich weniger tief in die Sache eingedrungen sei [25]. Die Wahrheit dürfte wohl auch hier in die Mitte zu liegen kommen. Daran kann doch wohl nicht gezweifelt werden, dass Kant mit physikalischen Sätzen bei der Grundlegung seines Systemes ziemlich unbekümmert umspringt und die Pflicht des konstruirenden Kosmologen, sich auch selbst Einwürfe zu machen, verabsäumt. Die Rückläufigkeit mancher Kometen konnte ihm, der die Fachliteratur seiner Zeit wie irgend einer beherrschte, unmöglich unbekannt sein, und trotzdem wird dieser gefährlichen Klippe mit keiner Sylbe gedacht. Und zweitens sind die einzelnen Erwägungen doch nicht sowohl mechanischer, als vielmehr teleologischer Natur, wie denn den Theilchen immer nur eine nicht weiter aufge- klärte Tendenz zu gewissen Bewegungen zugeschrieben wird””). Man *) Freilich sagt schon bei Lebzeiten des Autors sein Kommentator Som- mer[23]: „Ich habe die Data, die Hr. Prof. Kant bey dieser Berechnung zu Grunde gelegt hat, nicht genau "herausbringen können.“ Gleichwohl sind Kants an annähernd "richtig. **) In neuester Zeit hat ein eifriger Anhänger Darwin’s dessen in der organischen Welt sich so wunderbar bethätigendes Princip der natürlichen Aus- lese auch auf die Körperwelt und die himmlischen Bewegungen auszudehnen ver- sucht. Mit Bezugnahme auf das atomistische Lehrgedicht des Römers Lucretius sucht Du Pre]1[26] die Nothwendigkeit, dass aus dem wirren Durcheinandertreiben der Massentheilchen eine zweckmässige Weltordnung sich habe heraus: entwickeln müssen, durch den Hinweis auf eine Gruppe von Tänzern klarzulegen, deren jeder ohne die geringste Rücksicht auf seine Nebenleute eine ganz bestimmte Tour zu tanzen habe, mit der Bedingung jedoch, dass jeder beim ersten Anprall an einen Genossen aus dem Reigen auszuscheiden habe. Nach und nach werde nur eine kleine Anzahl im Kampfe um das Dasein sich behaupten, und es werde sich ein regelmässiger Kunsttanz ergeben. Gegen diese Vergleichung, an welche Kant’s I, S. 4. Laplace’s neue Formulirung der Kant’schen Ideen. 41 weiss aus anderen Schriften Kant’s, dass er den Anforderungen an eine mechanische Naturerklärung bei anderen Veranlassungen weit besser zu genügen verstand, als gerade im vorliegenden Falle. Wir werden, wenn wir zuvor och die Hypothese in der verbesserten Form en gelernt haben werden, welche ihr Laplace ertheilt hat, nicht umhin können, Faye darin Recht zu geben, dass Kant sich hohe Verdienste um die Schaffung einer konsequent durchgeführten Welt- entstehungslehre erworben, seinem Nachfolger aber doch auch noch ein Stück Arbeit en habe [28]. Die von A. Meydenbauer in einer eigenen Schrift [29] vertretene Ansicht, dass Kant’s Auf fassung der Laplace’schen sachlich vorzuziehen sei, dürfte nicht von Vielen getheilt werden. $. 4. Laplace’s neue Formulirung der Kant’schen Ideen. Anschei- nend ohne von früheren verwandten Leistungen etwas zu wissen, sah sich der Verfasser der „M&canique c&leste“ von selbst auf eine ähn- liche kosmologische Annahme geführt. Ihn leitete [30] eine Proba- bilitätsbetrachtung, er erwog, wie ungemein gross die Wahrscheinlich- keit dafür sei, dass die allen Planeten gemeinsame Bewegungsrichtung, sowie der für die Planeten und Satelliten — im Allgemeinen identische Sinn der Rotation auch auf einen Kausalnexus hindeute. Die Sonnen- atmosphäre erstreckte sich dereinst bis über die äusserste gegenwärtige Planetenbahn hinaus, und als die Umdrehungsgeschwindigkeit des aus sehr feiner Materie gebildeten Körpers, d. h. eben der Sonne, eine gewisse Grenze erreicht hatte, hielt sich die Centrifugalkraft gerade noch das Gleichgewicht mit der Schwere. Gleich darauf siegte die erstere, längs des Aequators löste sich eine dünne Körperschicht ab und vereinigte sich zu einem Ringe, dem aber die Umdrehung bereits durch seine bisherige Bewegung eingeprägt war. Da natürlich der Ring nicht an allen Stellen die gleiche Dicke hatte, so zerriss er an verschiedenen Stellen, und an seinen Platz traten kleine Kugeln oder doch wenigstens Eine kleine Kugel. So war die Planetenbildung ein- geleitet, der Centralball hatte in Folge seiner Massenverminderung eine beschleunigtere Umdrehung um seine Axe erhalten, und so waren aufs Neue die nothwendigen Bedingungen für die Entstehung eines zweiten Wandelsternes gegeben. Nach dieser Auffassung ist mithin die Ringperiode nur ein Durchgangsstadium in der Entwickelungs- geschichte jedes einzelnen Planeten, nicht aber etwas Aussergewöhn- liches, an die Kometen Erinnerndes, wie Kant annehmen zu müssen geglaubt hatte. Wesentlich in dieser Modifikation erblicken wir den durch Laplace angebahnten Fortschritt, denn nunmehr war der frühere Unterschied zwischen Mond und Ring gefallen, und der Anblick, wel- chen uns das Saturnsystem gewährt, erschien als ein solcher, den in früheren Zeiten jede andere Planetengruppe gleichfalls geboten haben konnte. Und noch mehr: mit dieser Verbesserung war für die Kant- Laplace’sche Theorie die Möglichkeit einer Bestätigung durch den Versuch gewonnen. Behauptung lebhaft gemahnt, dass die Partikeln allmählig ganz von selbst in ge- wisse Bahnen "hineingedrängt würden, hat J. Huber [27] gewichtige Gründe an- geführt. 493 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. $. 5. Plateaws Versuche. Ueber die von dem belgischen Phy- siker in verschiedenen Jahrgängen der Akademie zu Brüssel beschrie- benen Experimente werde hier nach der sehr anschaulichen Schilderung von Wüllner [31] berichtet. In einem Kasten befindet sich (s. o. $. 1) ein Gemisch von Wasser und Alkohol, welches so regulirt ist, dass sein spezifisches Gewicht genau mit jenem des Olivenöles über- einstimmt. Ein Tropfen dieses letzteren wird mittelst einer Pipette in die Mischung gebracht; sowie jene zurückgezogen ist, bleibt der Oeltropfen, welcher ja dem Einflusse der Schwere vollständig entzogen ist, an dem zuletzt eingenommenen Orte schweben und nimmt, da einzig und allein die allenthalben gleiche Oberflächenspannung sich äussern kann, die reine Kugelform an. Nun werde ferner ein Eisen- stab eingeführt, der etwa in seiner Mitte eine kleine Metallscheibe trägt, während an seinem oberen, aus dem Kasten hervorragenden Ende eine Kurbel angebracht werden kann (in Fig. le ist dieses Scheibehen wahrzunehmen). Wurde die Scheibe vorher mit Oel be- feuchtet, so kann man die Oelkugel mittelst eines Eisenstäbchens so an erstere heranführen, dass die Theilchen des Balles sich symmetrisch um den Stab herumlagern, wodurch das Scheibchen gewissermassen zur Aequatorebene des ÖOeltropfens wird. Die Kurbel wird nun- mehr sanft in Bewegung gesetzt; dann tritt zu den bisher allein wirk- sam gewesenen Molekularaktionen der Cohäsion und Adhäsion (an den Eisenstab) noch die Uentrifugalkraft hinzu, und es treten folge- weise die Erscheinungen auf, welche in Fig. 1, a, b und ce abgebildet HIER —TD, —S ll) | I) sind. Durch besondere Kunstgriffe wusste es Plateau sogar dahin zu bringen, dass ein Theil des Oeles an der Scheibe haften blieb und als abgeplattetes Sphäroid weiter rotirte, während der Ueberrest als Ring sich loslöste, und damit hatte man ein völlig entsprechendes Mo- dell des Saturn erhalten. Bei grösserer Steigerung der Umdrehungs- geschwindigkeit zerreisst der Ring, die Stücke ballen sich zu kleineren sphärischen Klumpen zusammen, deren jeder wiederum mit einer ım gleichen Sinne vor sich gehenden Rotation begabt ist. Es wird Nie- I. $. 6. Gründe, welche gegen Kant-Laplace sprechen. 43 mandem einfallen, den Plateau’schen Versuch für einen strengen Beweis der kosmogonischen Hypothese erklären zu wollen, denn hiezu sind die Entstehungsbedingungen viel zu wenig gleichartige, doch bleibt die Uebereinstimmung immerhin eine sehr merkwürdige und werthvolle *). S. 6. Gründe, welche gegen Kant-Laplace sprechen. Die Art und Weise, wie Kant auch die Kometen in seinem Systeme unterzubringen wusste, wird heutzutage wohl Niemandes Billigung erfahren können, aber auch Laplace ist der Frage, wie diesem Dilemma zu begegnen sei, aus dem Wege gegangen. Die später zu besprechenden neueren Theorieen der Schweifsterne, in Folge deren man letztere als selbst- ständige kosmische Wolken aufzufassen und den hyperbolischen Bahnen eine weit grössere Wahrscheinlichkeit als den elliptischen beizumessen sich gewöhnt hat, brachten uns die gewünschte Abhülfe, denn wenn der Komet überhaupt kein Vollbürger unseres Systemes ist, sondern nur durch eine zufällig sehr stark sich äussernde Gravitationswirkung in dessen Machtbereiche festgehalten wurde, so braucht uns eine stark ' excentrische oder sogar in rückläufigem Sinne beschriebene Bahn nicht weiter zu bekümmern. Unter dem philosophischen Gesichtspunkte kann unserer Welt- entstehungslehre entgegengehalten werden, dass sie nicht für alle Mo- mente eine Auskunft in Bereitschaft halte — ein Schicksal, welches sie freilich mit allen menschlichen Theorieen theilt. Unerklärt bleibt nämlich, woher der in Umdrehung um seine Axe befindliche Gasball, welcher dereinst unser Sonnensystem darstellte, eben diese seine Ro- tation gehabt habe. Der blosse Ballungsakt konnte eine solche nicht ertheilen. Ennis hat allerdings diese Einwände zu entkräften gesucht [33], indess ist noch ein zweites Bedenken vorhanden, welches viel- leicht noch schwerer zu heben sein dürfte. Meissel hat nämlich neuer- dings auch darauf hingewiesen [34], dass selbst das Bestehen einer "Rotation noch kein zureichender Grund für die Abtrennung der Pla- neten sei. Es werde mit M die Masse der Urkugel in ihrem Anfangs- . zustande, mit r ihr Halbmesser, mit ® die Winkelgeschwindigkeit be- zeichnet; dann hat man, den Anziehungsfaktor — 1 gesetzt, we’r < M:r, ®r<“M:r. Dadurch, dass die Kugel bis auf den Radius p sich verkürzt hat, vergrösserte sich auch, die Winkelgeschwindigkeit, die nunmehr w, heissen möge; mit Rücksicht auf das Prineip der Er- haltung der lebendigen Kraft muss r?’ wo’ = p’ ®,’ und sohin auch M VER ) M Ba el, p p *) Es mag kühn erscheinen, im Laboratorium kosmische Processe repro- dueiren oder sozusagen Experimentalastronomie treiben zu wollen. Indess steht Plateau’s Beginnen keineswegs vereinzelt da. So hat u. a. Plant& [32] zwei durch den Draht einer Batterie verbundene Kupferstäbchen mit ihren freien Enden in ein Gefäss, gefüllt mit verdünnter Schwefelsäure, eingetaucht und, nachdem so der Strom hergestellt war. der positiven Elektrode den gleichnamigen Pol eines Magnetes genähert; das vom positiven Pole sich ablösende Kupferoxyd gerieth dann in eine Wirbelbewegung, täuschend ähnlich derjenigen, welche man — vergl]. Schellen’s Zeichnungen — auch als in den spiralförmigen Nebelflecken der Jagd- hunde und des Haares der Berenice vor sich gehend annehmen muss, 44 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. sein. Die Planetenbildung würde aber, wie Laplace (s. o. $. 4) aus- drücklich betont, umgekehrt die Relation w’ p > —- voraussetzen (Cen- trifugalkraft > Anziehungskraft). Man muss also wohl noch an einen zweiten äusseren Impuls denken, welcher die Abtrennung des ersten Nebenkörpers vorbereitete, etwa an einen excentrischen Stoss oder an starke Annäherung eines anderen Uentralkörpers u. dgl. Theoretischer Natur ist auch ein von A. Ritter geäussertes Be- denken [35]. Derselbe kommt durch eine Reihe tiefgehender analyti- scher Ueberlegungen zu dem folgenden Schlusse: „Für jeden gasför- migen Weltkörper giebt es eine obere Volumengrenze, bei deren Ueber- schreitung die Masse derselben im unendlichen Raume sich zerstreuen würde.“ Bestätigt sich dieser — zunächst ja nur am speziellen Falle erschlossene — Satz anderweit, so wird sich die moderne Kosmogonie damit allerdings auseinanderzusetzen haben, denn die Voraussetzung eines beliebig grossen Volumens für den Anfangszustand wäre jetzt nicht mehr gestattet. Früher schon hatte Zöllner eine ähnliche, aber ungleich apodiktischer gefasste Behauptung aufgestellt. Er hatte [36] die Differentialgleichung hergeleitet, welche die Beziehung zwischen dem Drucke in irgend einem Punkte einer Gaskugel und dem Abstand dieses Punktes vom Uentrum ausdrückt, wenn die Kugel, deren Be- standtheile einzig und allein den Gesetzen von Newton und Mariotte unterworfen sein sollen, frei im Raume schwebt. ÖObschon das totale Integral dieser nicht linearen und deshalb gewiss auch nur sehr schwer aufzulösenden Gleichung zur Zeit noch nicht ermittelt ist, glaubte sich Zöllner doch ermächtigt, auf eine Partikularlösung derselben Schlüsse von ungemeiner Tragweite begründen zu dürfen und namentlich zu erklären, dass im gewöhnlichen (euklidischen) Raume unter den obigen Voraussetzungen eine völlige Verflüchtigung des Stoffes werde ein- treten müssen; er suchte sich dadurch zu helfen, dass er dem Welt- raume ein wenn auch nur sehr geringes positives Krümmungsmaass im Riemann’schen Sinne beilegte [37]. Budde hat aber |38] mit Recht eingewendet, die ganze Betrachtung Zöllner’s stehe und falle mit der Voraussetzung eines Gleichgewichtszustandes im Universum, und da- für, dass ein solcher bestehe, ist der Beweis nicht einmal anzutreten versucht worden. Nachdem diese Zeilen längst geschrieben waren, erschien im Osterprogramm der Oberrealschule zu Coblenz 1883 eine Abhandlung von Most (Neue Darlegung der absoluten Geometrie und Mechanik, mit Berücksichtigung der Frage nach den Grenzen des Weltenraumes), in deren drittem Theile der Versuch gemacht wird, jene Gleichungen der Astronomie, .in welchen Nutation, Aberration und Parallaxe neben einander auftreten, der Riemann’schen Theorie ge- mäss umzuändern und zuzusehen, ob die hiernach berechneten Werthe mit den Beobachtungen harmoniren. Wir gestehen, auch von der Betretung dieses allerdings rationelleren Weges uns keinen besonderen Vortheil versprechen zu können. Von der grössten Schwierigkeit jedoch, welche die Kant- Laplace’sche Theorie gerade im gegenwärtigen Augenblicke zu über- winden hat, konnten ihre beiden Urheber keine Ahnung haben. Bis vor Kurzem schien es ja ausser allem Zweifel zu’ stehen, dass die ein- zelnen Trabanten sich ganz im gleichen Sinne um ihren Planeten be- I, $. 7. Astronomische und physikalische Konsequenzen. 45 wegten, wie dieser selbst um die Sonne. Die Trabanten des Uranus haben uns aber darüber belehrt, dass diese Uebereinstimmung keine durchgehende ist, denn diese sind retrograd, und wollte man die Bahn eines dieser Trabanten mit der Bahn irgend eines anderen Satelliten im Sonnensysteme zur Deckung bringen, so müsste man die betreffende Ebene um mehr als 100° drehen [39]. Faye hat sich viele Mühe ge- geben, um diese nicht wegzuleugnende Anomalie möglichst zu beseitigen. Wenn der in Bewegung befindliche Nebelfleck, so argumentirt er [40], in jenes Stadium eintritt, wo bereits die Homogeneität der Massenver- theilung gestört erscheint, so entsteht eine Wirbelbewegung der Mole- küle um eine gewisse Axe. Während der ganzen Koncentration dauert dieselbe an und bewirkt, dass die Nebelmasse in einen äusseren und inneren Theil zerfällt. Die Gegensätzlichkeit dieser beiden Zonen sucht er in dem genannten Aufsatze zu charakterisiren, wie folgt. Rechtläufig wird die Revolution der aus der glühenden Gasmasse sich entfernenden Einzelkörper nur dann, wenn die äusseren Theile des Planetenringes eine grössere Geschwindigkeit hatten, als die inneren, und diess traf eben nur für die innere der beiden erwähnten Zonen ‚zu, nicht aber auch zugleich für die äussere. Bei den Spiralnebeln z. B. erscheinen ebenfalls die äusseren Theile sehr verzögert in ihrer Bewegung gegenüber jener der weiter nach innen belegenen Partieen. Dieser Rettungsversuch ist recht scharfsinnig, nur sieht man nicht recht ab, warum nur bei den Begleitern von Uranus und Neptun”), nicht aber bei den Hauptkörpern selbst und nicht auch bei den unter wesentlich ähnlichen Verhältnissen entstandenen Saturnsmonden die Randgeschwindigkeit so erheblich zurückgeblieben sein sollte. Ohlert hat [42] für den Saturnsring beim dereinstigen Zerreissen Aehnliches in Aussicht gestellt. $S. 7. Astronomische und physikalische Konsequenzen. Gesteht man der Nebularhypothese ihre Richtigkeit zu, so kann man aus ihr so manchen interessanten Wahrscheinlichkeitsschluss für andere kosmo- logische Fragen entnehmen. Der Phantasie ist hier allerdings ein weiter Spielraum gegönnt, wie u. a. aus einer anonymen Abhandlung hervor- seht, welche den morphologischen Spekulationen des bekannten Karto- sraphen Habenicht gewidmet ist [43]. Die Entstehung aller Unregel- mässigkeiten im Erdrelief, die „Hemisphärenblasenbildungen“, die Ober- fächenbeschaffenheit des aus der Erde hervorgegangenen Mondes, die Schiefe der Ekliptik und andere Dinge werden dort in Verbindung ge- bracht mit der Theorie von Kant-Laplace. Insbesondere wird auf den Akt des Zerreissens eines Planetenringes Gewicht gelegt. In dem Momente nämlich, wo der endgültige Riss erfolgte, hätten sich beide Enden nach aussen umgebogen und zu Spiralen aufgewickelt, welche in einem der Trennungsstelle diametral gegenüberliegenden Punkte aufeinandergeprallt wären. Da die Bewegung der einen Spirale die wuchtigere war — welche, wird a. a. OÖ. mit nicht sehr durchschla- *) Auch bei dem einzigen sicher konstatirten Gefolgstern des Neptun hat sich nämlich Aehnliches ergeben. Der Neigungswinkel seiner Bahn gegen die mittlere Ebene der Trabantenbahnen ist sogar [41] ein noch weit grösserer, als bei Uranus. 46 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. genden Gründen nachzuweisen gesucht — so konnte der Zusammen- stoss nicht zum Stillstand führen, vielmehr führte er die Umdrehung des sich-neu bildenden Körpers und zugleich eine schiefe Neigung von dessen Aequator gegen die Bahnebene herbei. Die einzelnen Himmels- körper hätten nach der Vereinigung beider Spiralen die Form einer eingekerbten runden Frucht gehabt, und diese Kerbe soll auf unserer Halbkugel noch heute durch die tiefe Rinne des atlantischen Meeres angedeutet sein. Man sieht, dass diese für Manchen vielleicht sehr bestechenden Deduktionen in’s Bereich der Konjekturalastronomie fallen. Auf einem etwas festeren Boden fussen die Betrachtungen, welche ÖOhlert [44] über eine in früheren Zeiten anders beschaffene Verthei- lung und Gestalt der Planetenbahnen angestelit hat. Während jetzt die Sonne sich nicht merklich von einer Kugel unterscheidet, muss. sie damals, als sie dem ersten Planeten das Leben gab, die ‚Gestalt eines Umdrehungsellipsoides besessen haben, dessen Meridianellipse sehr weit vom Kreise abwich, und damit waren, wie wir in einem der folgenden Kapitel sehen werden, auch ganz andere Verhältnisse der Anziehung gegeben, und gerade so verhielt sich später jeder einzelne Planet den von ihm erzeugten Nebenplaneten gegenüber. In erster Linie musste die Umlaufsbahn der jüngsten Abkömmlinge in die Länge sedehnt werden, wis denn in der That die Excentrieität der Merkurs- bahn, deren elliptischen Charakter wahrscheinlich schon König Alphons (im XIII. Jahrhundert) wahrgenommen hat |45], viermal so gross ist, als die grösste der vier oberen Planeten. Sehr im Rechte ist Ohlert auch da, wo er den von gewissen Theoretikern wohl zu beherzigenden Satz ausspricht [46]: „Wir dürfen uns nicht wundern, wenn weder das Bode-Titius’sche Gesetz, noch die ähnlichen Reihen für die Abstände der Jupiter- und Saturnsmonde, die man den Ergebnissen der Beob- achtung geglaubt hat anpassen zu können, recht stimmen wollen, da die jetzigen Abstände jedenfalls beträchtlich von denen, die sie ur- sprünglich von ihrem Centralkörper hatten, abweichen.“ Von grosser Bedeutung ist die Nebulartheorie, wenn es sich darum handelt, für die physische Konstitution der näheren und entfernteren Gestirne gewisse allgemeine Anhaltspunkte zu gewinnen. Das eine Axiom, von welchem Kant ausgegangen war, ist durch die Spektral- analyse nahezu zum Range eines bewiesenen Lehrsatzes erhoben worden, dasjenige nämlich, dass alle Materie bis hinein in die entfernten Räume, von denen das Licht erst in Jahrzehnten zu uns herabgelangt, im Wesentlichen von gleichartiger Beschaffenheit sei. Namentlich Huggins und Miller bekräftigen am Schlusse ihrer berühmten und erfolgreichen Arbeit über die Sternspektra [47], dass die nämlichen chemischen Ele- mentarstoffe, aus welchen unsere Sonne sich zusammensetzt, bei sämmt- lichen Fixsternen wiederkehren. Nicht minder hat die optisch-chemische Untersuchung der Nebelflecke, um welche die nämlichen beiden Forscher sich verdient gemacht haben [48], die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht, dass diese kosmischen Gebilde in ihrer Mehrzahl nicht noch unaufge- löste Sternhaufen, sondern vielmehr wirkliche Dunstmassen in sehr hohem Temperaturzustande repräsentiren; aus den von G. Kirch- hoff [49] entwickelten Fundamentalsätzen dürfte hervorgehen, dass die das Spektrum der sogenannten planetarischen Nebel charak- terisirenden hellen Linien einer glühenden Gasmasse ihre Entstehung I, $. 7. Astronomische und physikalische Konsequenzen. 47 verdanken, so zwar, dass nicht der mit nur geringer Emissionsfähigkeit begabte Kernkörper, sondern hauptsächlich die längs der Oberfläche desselben vertheilten glühenden Gasschichten das Licht entsenden. Nach Zöllner werden sich im Ganzen für jeden planetarischen Nebel, der ‘schliesslich in ein Sonnensystem nach Art des unsrigen sich ver- wandelt, fünf Entwickelungsphasen nachweisen lassen [50], nämlich die Periode des glühend-gasförmigen Zustandes, die Periode des gluth- flüssigen Zustandes, die Periode der Schlackenbildung, während deren eine kalte und dunkle Oberfläche sich zu bilden beginnt, die Periode der Eruptionen, während welcher die bereits starr gewordene Rinde noch ab und zu von der gluthflüssigen Masse des Inneren gewaltsam durchbrochen wird, und schliesslich die Zeit der vollendeten Erkaltung. . Zur ersten Kategorie gehören alle planetarischen Nebel, solange sie noch keine Spur einer beginnenden Differentiirung erkennen lassen, zur zweiten die in ihrer Helligkeit unveränderten Fixsterne, doch tritt ein deutlicher Uebergang vom ersten zum zweiten Stadium schon bei jenen Nebelmassen hervor, in deren Innerem Fernröhre von grosser raumdurchdringender Kraft bereits einzelne ausgebildete Sternchen zu erblicken gestatten. Auch die Individuen der zweiten Klasse weisen Unterschiede auf, die eine entwickelungsgeschichtliche Deutung zulassen. Wie nämlich Secchi als eines der werthvollsten Ergebnisse lang- jähriger, dem nämlichen Ziele zugewandter Forschung ermittelt hat, zerfallen die Spektra aller Fixsterne in vier gesonderte Typen, deren letzter uns hier nicht besonders zu beschäftigen braucht |51]*); bereits Rutherfurd hatte [53] auf die Möglichkeit einer solchen Klassifikation angespielt. Der erste Typus umfasst eine überwiegende Anzahl der helleren Sterne (Sirius, Wega, Rigel im Orion u. s. w.); äusserlich sind dieselben durch ein weisses Licht mit leicht bläulichem Schimmer ausgezeichnet, und ihr Spektrum lässt neben vielen schwachen Ab- sorptionslinien “*) noch vier starke Streifen erkennen, wie sie auch das Wasserstoffspektrum in der Geissler’schen Röhre zeigt. Diesen Himmels- körpern muss also auch eine verhältnissmässig sehr grosse Hitze zu- geschrieben werden, welche die meisten Stoffe noch verhindert, aus dem dissociirten Gaszustand sich heraus zu individualisiren, während *) Diese Sterne, fast ausschliesslich in Schjellerup’s Katalog der rothen Sterne verzeichnet, unterscheiden sich von den vorher genannten besonders darin; dass in ihrem Spektrum das Maximum der Lichtstärke gerade auf der entgegen- gesetzten Seite liegt [52]. **) Das Wesen der Spektralanalyse muss hier als bekannt vorausgesetzt werden; nur zur Auffrischung der Erinnerung mögen ein paar Worte über diese grosse Erfindung Bunsen’s und G. Kirchhoff’s — eine geschichtliche Beleuch- tung der namentlich von W. Thomson für Stokes geltend gemachten Prioritäts- ansprüche ist bei Zöllner [54] nachzusehen — Platz finden. Wollaston und Fraunhöfer hatten erkannt, dass wenn ein homogenes Lichtbündel prismatisch gebrochen wird. in dem entstehenden Streifen der Regenbogenfarben gewisse dünne schwarze Linien erscheinen. Dieselben rühren nun, wie jene deutschen Forscher fanden, davon her, dass das Sonnenlicht durch gewisse in Gasform der Sonnenatmosphäre einverleibte metallische Stoffe hindurchgeht, welche an und für sich bei der spektralanalytischen Untersuchung charakteristische Farbenstreifen genau an dem Orte wahrnehmen lassen, wo sich im solaren Spektrum die dunklen Streifen finden. Diese Umkehrung des Spektrums setzt uns demgemäss in den Stand, festzustellen, durch welche Gase oder Metalldämpfe das von einer fernen Lichtquelle uns zugeschickte Licht hindurchgegangen ist. 48 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. einzelne Elemente von sehr geringem Atomgewichte — darunter eben das Wasserstoffgas — doch bereits zu dieser Verdichtung gelangt sind. Das Licht der Sterne vom zweiten Typus besitzt einen mehr gelb- lichen Grundton (Capella, Aldebaran, Arktur), und ihr Spektrum deckt sich, besonders auch in Anbetracht der zahlreichen Absorptionsstreifen, so vollkommen mit jenem der Sonne, dass wir kaum fehlgehen können, wenn wir die letztere mit all’ diesen Sternen in Eine Reihe stellen. Für den dritten Fixsterntypus, dessen Mitglieder äusserlich durch eine röthliche Färbung kenntlich sind, ist ein aus verwaschenen Streifen und breiten Bändern sich zusammensetzendes Spektrum bezeichnend, welches auf die absorbirende Wirkung grösserer W olkenmassen schliessen lässt. Die Sterne des zweiten und dritten Grundtypus würden somit in die dritte der von Zöllner aufgestellten Kategorieen fallen*); dafür aber, dass der Abkühlungsakt bereits soweit fortgeschritten, wäre, um einen Stern als zur vierten Kategorie gehörig zu signalisiren, würde dessen plötzliches Aufleuchten am Himmelsgewölbe gefordert werden müssen. Diess träfe zu für die neuen Sterne in der Kassiopeja und im Ophiuchus, an welche sich die Namen Tycho Brahe’s (1572) und Jo- hann Kepler’s (1604) knüpfen, und diese Art von himmlischen Phäno- menen würde in einen gewissen (regensatz zu den veränderlichen Sternen treten, welche man bisher in den Lehrbüchern stets mit den ersteren vereint zu behandeln pflegte **). Unsere Planeten gehören unter diesem morphologischen Gesichtspunkte auch nicht mehr in dieselbe Rubrik, vielmehr sind in ihnen sehr verschiedene entwickelungsgeschichtliche Stadien und Uebergangsphasen vertreten, wie sich in den nächsten beiden Kapiteln des Näheren ausweisen wird. Bemerkt sei noch, dass Zöllner [59] durch Anwendung seines neu erfundenen Sternphoto- meters zur Bestimmung einer ganzen Reihe cölestischer Lichtintensi- täten seinen deduktiven Schlüssen auch eine empirische Stütze ver- liehen hat. — Ja, Helmholtz ist sogar noch einen Schritt weiter ge- sangen und hat .in einer höchst geistreich geschriebenen Abhandlung „über die Entstehung des Planetensystemes* |60] gerade aus den Resultaten der spektralanalytischen Himmelsforschung heraus die Noth- wendigkeit einer ursächlich begründeten kosmogonischen Hypothese darzuthun versucht, wie sie von Kant und Laplace geliefert wurde. *) Für die Erklärung des von den sogenannten veränderlichen Sternen uns dargebotenen Phänomenes dachte man sonst wohl an eine Axendrehung oder auch, nach Klinkerfues [56], an eine Ebbe und Fluth in den lichtabsorbirenden Atmosphären zweier sehr nahe stehender und durch optische Hülfsmittel gar nicht mehr von einander zu trennender Doppelsterne. Dieser Gedanke verdient um so eingehendere Prüfung, als seitdem durch Schiaparelli Sternpaare von ganz überraschend kurzer Umlaufszeit um den gemeinsamen Schwerpunkt aufgefunden worden sind [56]. Uebrigens bringt Klinkerfues bei einer späteren Gelegenheit selbst seine Hypothese in Verbindung mit derjenigen von Kant-Laplace [56], indem er betont. dass man den Kondensationsprocess ja sehr wohl auch von zwei oder mehreren selbstleuchtenden Massen ausgehen lassen könne. „Ein solches System würde weniger durch Schwankungen in der Lichtproduktion, als durch den schnellen Wechsel der Absorptionsverhältnisse, in seinem Uebergangsstadium ähnliche Veränderlichkeit des Lichtes wahrnehmen lassen, als die Variablen zeigen.“ ==) Auch Loomis hat, wie Cornelius mittheilt [58], den veränderlichen Sternen, wie der Sonne, dunkle Flecken zugeschrieben, deren wechselnde Zu- und Abnahme Schwankungen der Lichtintensität bedinge. En 0 u ne I, $. 8. Das Endschicksal der Weltsysteme. 49 S. 8. Das Endschicksal der Weltsysteme. Sowie ein Weltkörper definitiv in das fünfte Zöllner’sche Stadium, das der völligen Erkal- tung eingetreten ist, wie wir diess mit hoher Wahrscheinlichkeit bei unserem Erdmonde annehmen dürfen, kann derselbe auch kein passen- der Aufenthaltsort mehr für Organismen irgendwelcher Art sein, wir können ihn als einen abgestorbenen bezeichnen. In einem weiteren Sinne jedoch muss das individuelle Leben eines Sternes, vorab eines Planeten, als endlich begrenzt gelten. Es hat allerdings Schriftsteller gegeben, die, wie Czolbe [61], für eine absolute Anfangslosigkeit der Welt eingetreten sind, und diese müssen wohl auch Gegner der Nebu- larhypothese sein; allein wer der letzteren beipflichtet, wird mit Cornelius [62] zu einem zeitlichen Anfang und hiemit schon aus allgemein-philosophischen Gründen auch zu einem zeitlichen Abschlusse jenes Aggregates von Körpern gelangen müssen, welches man kurz als die „Welt“ bezeichnet”). Die mechanische Wärmetheorie hat uns die Mittel an die Hand gegeben, mittelst des von ihr formulirten Satzes, dass die Entropie der Welt einem Maximum zustrebe, bestimmtere Vorstellungen über die schliesslichen Geschicke wenigstens unseres ' eigenen Sonnensystemes uns zu bilden. Die Bewegungen der den Centralkörper umkreisenden Planeten gehen nicht im leeren Raume, sondern, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden wird, in einem Medium vor sich, das seiner grossen Feinheit ungeachtet den darin sich bewe- genden Körpern einen gewissen Widerstand entgegensetzt und die grossen Bahnaxen verkleinert. So muss es kommen, dass nach und nach sämmtliche Planeten auf die Sonne herabstürzen, und wenn durch jedes einzelne Ereigniss dieser Art auch stets ein bedeutendes Quan- tum mechanischer Arbeit in Wärme umgesetzt wird “*), so muss doch endlich einmal der Zeitpunkt eintreten, bei welchem die unausgesetzte Licht- und Wärmeabgabe der Sonne nicht mehr durch Zufuhr von aussen kompensirt werden kann. Die Amplitude der von uns mit dem Namen der Wärme belegten Aetherschwingungen müss kleiner und kleiner werden, und mit ihrem definitiven Verschwinden ist auch der endgültige Stillstand eingetreten; indess würde nach Ulausius [65] schon dadurch eine Vernichtung jedweder Veränderung und damit der Tod der Natur herbeigeführt werden, dass alle Theilchen der Materie um stabile Gleichgewichtslagen schwingen. Man hat [66] an einen *) Einer der schärfsten Denker auf dem Gebiete der Erkenntnisstheorie, A. Fick. erschliesst die Nothwendigkeit eines zeitlichen Beginnes, resp. eines Schöpfungsaktes aus der Thatsache, dass die Welt noch immer durch unsere Sinne zu uns in Beziehung tritt. Wäre dieselbe nämlich von Ewigkeit her da, so müsste der finale Zustand bereits erreicht sein — was Niemand zugeben wird [63]. **) Kennt man die Masse des auftreffenden Körpers, die Geschwindigkeit im Momente des Zusammenstosses und den Winkel, unter welchem die Bahn des Körpers die im Berührungspunkt beider Kugeln gelegte gemeinsame Tan- gentialebene trifft. so kann man die durch den Stoss erzeugte Wärmemenge ver- mittelst der Erfahrungswahrheit berechnen, dass (nach Joule) 425 Meterkilogramm einer sogenannten Kalorie entsprechen. Es ist sogar möglich, unter passenden Voraussetzungen Näherungswerthe für die aus dem ursprünglichen Ballungsakte der Stofftheilchen resultirenden Wirkungsgrössen und Wärmemengen zu berech- ‚nen. Redtenbacher hat diess gethan [64] und mit Zugrundelegung der Nebulartheorie ermittelt, dass die Anfangstemperaturen von Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Sonne sich zu einander verhalten wie 0.4: 0.95:1: 0.28: 30:12: 4: 32.26. Günther, Geophysik. I. Band. 4 50 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. periodischen Wechsel von Tod und Neubildung der Weltsysteme ge- dacht, und insbesondere hat Rankine in einer Sitzung der britischen Naturforschergesellschaft sinnreiche Gedanken über eine solche Wieder- kehr des kosmischen Lebens ausgesprochen. Er knüpfte dem uns vor- liegenden Berichte [67] zufolge an W. Thomson’s Behauptung an, dass gegenwärtig im Weltall für alle in verschiedenen Formen auf- tretenden Bewegungs-Energieen, die wir Kraft, Licht, Magnetismus, Elektrieität, Wärme oder wie immer nennen“), eine T’endenz bestehe, sich in Wärme umzusetzen, womit dann auch deren gleichmässige Zer- streuung durch die ganze Materie verbunden ist. Sowie dieser Process zum Abschlusse gelangt, von Temperaturunterschieden also keine Rede mehr wäre, würde der Stillstand im Universum eintreten; allein Rankine meint, diese zerstreute Energie könne sich doch wiederum in einzelnen Heerden koncentriren und aus den inaktiven Verbindungen, welche sich unausgesetzt bilden, könnten im gegebenen Falle neue Anhäufungen chemischer Kraft werden. Diese Idee verdiente es viel- leicht, weiter verfolgt zu werden, während der weitere Schluss, dass an der Grenze des doch nur in endlicher Menge vorhandenen Welt- äthers eine totale Reflexion eintreten und damit auch einige Koncen- trationswärme entstehen müsste, zu mancherlei Bedenken Anlass giebt **). — Wie dem auch sei, wie auch das künftige Geschick unserer Welt sich gestalten möge, so viel hat uns die konsequente Analyse der kosmo- sonischen Vorgänge doch zur Evidenz bewiesen, dass unserem Sonnen- system noch eine sehr lange Dauer beschieden sein wird. Man ver- gleiche auch die von Wundt meisterhaft gekennzeichnete Gedanken- reihe, welche sich vom Standpunkte des kriticeistischen Phänomenalismus an das supponirte Faktum anknüpfen lässt, dass der Verwandlungs- Inhalt der Welt-Energie ein Grösstes werde [73]. *) Die hier angedeutete Ansicht, dass alle diese Agentien nur verschiedene Bethätigungen des nämlichen Urvermögens aller Materie seien, ist besonders von den englischen Naturforschern von jeher vertreten worden. Die klarste Darstellung dieser mit dem üblichen Kraftbegriffe vollständig brechenden Lehre hat Grove [68] gegeben. **) Das Stabilitätsproblem des Sonnensystemes hat eine doppelte Seite, und oben ist von diesen nur die eine in's Auge gefasst worden. Früher begnügte man sich, die Frage rein mechanisch aufzufassen und nur zu untersuchen, ob nicht durch die Störungen, welche die einzelnen Bestandtheile des Systemes un- ausgesetzt auf einander ausüben, der Fortbestand desselben gefährdet werde. Hierauf ist durch die grossartigen Arbeiten Laplace’s, zu denen Lagrange und Poisson noch einige Nachträge lieferten, ein endgültig verneinender Bescheid gegeben worden. Bei Möbius, der diese scheinbar so verwickelten Verhält- nisse mittelst ganz einfacher geometrischer Betrachtungen klarzulegen weiss, lesen wir [69], dass die Garantie für eine unbestimmbar lange Dauer von drei Bedin- gungen abhängt: Die mittleren ‚Entfernungen der Planeten von der Sonne und damit auch die nach dem dritten Kepler’schen Gesetze von jenen abhängigen Umlaufszeiten müssen konstant sein, die Excentricitätenwerthe dürfen stets nur kleine Brüche bleiben, und endlich muss sich im Raume eine unveränderliche Ebene konstruiren lassen, mit welcher die einzelnen Bahnebenen nur ganz kleine Winkel bilden. Eine solche Ebene, deren Dasein bereits Kepler geahnt hatte, suchte zuerst Euler auf analytischem Wege zu ermitteln [70], doch gelang ihre exakte Bestimmung erst Laplace [71]. Die beste und umfassendste Auskunft über Alles, was mit dem mechanischen — nicht mit dem thermodynamischen — Theile der Frage nach der Dauer unserer Planetenwelt zusammenhängt, bietet der Artikel „Stabilitätsproblem“ inNürnberger’s Lexikon, welcher von J. W.H. Leh- mann herrührt [72]. Citate. ; St [1] Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Natur- wissenschaft, mit besonderer Rücksicht auf Schöpfungsgeschichte, 1. Abtheilung, Gütersloh 1877. S. 200. — [2] Ibid. S. 240. — [3] Fr. Hoffmann. Geschichte der Geognosie und Schilderung der vulkanischen Erscheinungen, Berlin 1868. $. 54. — [4] Leibniz, Protogaea sive de prima facie telluris et antiquissimae historiae vestigiis in ipsis naturae monumentis, ed. Scheidt, Gottingae 1748. — [5] Zöckler, Geschichte etc., 2. Abtheilung, Gütersloh 1879. S. 143 ff. — [6] Ibid. S. 154 ff. — [7] Ibid. S. 166. — [8] Buffon, Les Epoches de la nature, Paris 1780. — [9] Zöckler, Geschichte etc., 2. Abtheilung. S. 520 ff. — [10] Steffens, Anthropologie, Breslau 1822. — [11] J. E. Silberschlag, Geogenie oder Erklärung der mosaischen Erderschaf- fung nach physikalischen und mathematischen Grundsätzen, Berlin 1780—83. — 112] G. Chr. Silberschlag, Neue Theorie der Erde und ausführliche Untersuchung der ursprünglichen Bildung der Erde, nach den Berichten der heiligen Schrift und den Grundsätzen der Naturlehre und Mathematik, Berlin 1764. — [13] Späth, Ueber die, Entstehung und Ausbildung des Sternhimmels oder Cosmogenie, Nürn- berg 1815. — [14] Nyren, Ueber die von Emanuel Swedenborg aufgestellte Kosmo- genie, Vierteljahrsschr. d. astr. Gesellsch., 14. Jahrg. S. 80 ff. — [15] J. H. Lambert, Kosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues, Augspurg 1761. — [16] Kant, Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von J. W. Schubert, Leipzig 1839. S. 93 fi. — [17] Ibid. S. 99. — [18] Ibid. S. 104 ff. — [19] Sir Isaac Newton’s mathematische Principien der Naturlehre, deutsch von Wolfers, Berlin 1872. S. 394 fi. — [20] Kant, Schriften ete. S. 114 ff. — [21] Ibid. $. 122 ff. — [22] Ibid. S. 131 f. — [23] Sommer. William Herschel, Ueber den Bau des Himmels, drei Abhandlungen aus dem Englischen übersetzt; nebst einem authen- tischen Auszuge aus Kant’s Allgemeiner Naturgeschichte des Himmels, Königs- berg 1791. S. 193. — [24] H. J. Klein, Entwickelungsgeschichte des Kosmos, Braun- schweig 1870. S. 38. — [25] Zöllner, Ueber die Natur der Cometen; Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntniss (3. Aufl.), Leipzig 1883. S. 268 fi. — [26] Du Prel, Entwickelungsgeschichte des Weltalls, Leipzig 1882. S. 22 ff. — [27] J. Huber, Zur Philosophie der Astronomie, München 1878. S. 3 fi. — [28] Faye,. Sur les idees cosmogoniques de Kant, a propos d’une r&clamation de M. Schloetel. Compt. rend. de l’acad. franc.. tome XC, S. 124 ff. — [29] A. Mey- denbauer, Kant oder Laplace? Kosmologische Studie, Marburg 1880. — [30] La- place, Exposition du systeme du monde, Paris 1796. S. 343. — [31] Wüllner. Lehrbuch der Experimentalphysik, 3. Band. Leipzig 1870. S. 236 ff. — [32] Plante, Sur les nebuleuses spirales. Compt. rend. de l’acad. franc.,. tome LXXXI, S. 749. — [83] Ennis, Physical and mathematical principles of the nebular theory, Philos. Mag. [5] Vol. III. S. 262 ff. — [34] Meissel. Ueber Reihen, denen man bei der numerischen Lösung des Problemes der drei Körper begegnet, wenn die Anfangs- geschwindigkeiten Null sind, Kiel 1882. S. 11. — [35] A. Ritter, Untersuchungen über die Höhe der Atmosphäre und über die Constitution gasförmiger Weltkörper., Ann. d. Phys. u. Chem. (2), 11. Band. $. 344. — [36] Zöllner, Ueber die Natur etc. Ss. 92 f. — [37] Ibid. S. 100. — [38] Budde, Zur Kosmologie der Gegenwart, Bonn 1872. S. 19. — [39] Newcomb, Populäre Astronomie. deutsch von Engel- mann, Leipzig 1881. S. 388. — [40] Faye, Sur l’origine du systeme solaire, Compt. rend. de l’acad. franc., tome XC, $. 637 ff. — [41] Newcomb, Pop. Astr. S. 394. — [42] Ohlert, Die Rückläufigkeit der Monde des Uranus, Gaea, 13. Jahrgang. 8. 243. — [43] Die Theorie der sphärischen Kraterbecken,. Grenzboten, 41. Jahr- gang. S. 404 ff. — [44] Ohlert. Die Veränderung der Planeten und Mondbahnen in der Zeit der Bildung des Sonnensystemes, Gaea, 13. Jahrgang. S. 147 fi. — [45] Maedler, Geschichte der Himmelskunde von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, 1. Band, Braunschweig 1873. S. 351 ff. — [46] Ohlert, Die Veränderung etc. S.157. — [47] Huggins-Miller, On the spectra of some of the fixed stars, Philosoph. Transact., 1864. S. 413 ff. — [48] Huggins-Miller, On the spectra of some of the nebulae, a supplement to the paper of the fixed stars, ibid. S. 437 ff. — [49] G. Kirch- hoff, Ueber den Zusammenhang zwischen Emission und Absorption von Licht und Wärme, Ann. d. Phys. u. Chem. (1), 119. Band. S. 275 fi. — [50] Zöllner, Photometrische Untersuchungen mit besonderer Rücksicht auf die physische Be- schaffenheit der Himmelskörper, Leipzig 1865. $. 241. — [51] Secchi, Die Sonne, deutsch von Schellen, Braunschweig 1872. S. 775 ff. — [52] Ibid. 8. 781 fi. — [53] Rutherfurd, Astronomical observations with the spectroscope, Boston 1863. — [54] Zöllner, Ueber die Natur der Cometen etc. $. XXXIV ff. — [55] Klinker- fues, Ueber den Lichtwechsel der Veränderlichen. Nachr. der k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, Sitzung vom 7. Januar 1865. — [56] Schiaparelli, Misure 53 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. di alcune prinecipali stelle doppie di rapido movimento orbitale, Milano 1882. — [57] Klinkerfues, Ueber den neuen Veränderlichen bei e Coronae Borealis, Nach- richten d. k. Gesellsch. d. Wiss., Sitzung vom 4. August 1866. — [58] Cornelius, Ueber die Entstehung der Welt, Halle 1870. S. 30. — [59] Zöllner, Phot. Untersuch. S. 264 fi. — [60] Helmholtz, Populäre wissenschaftliche Vorträge, 3. Heft, Braunschweig 1876. S. 99 ff. — [61] Czolbe, Die Grenzen und der Ur- sprung der menschlichen Erkenntniss im Gegensatze zu Kant und Hegel, Jena und Leipzig 1865. S. 130 ff. — [62] Cornelius, Ueber die Bedeutung des Causal- prinecips in der Naturwissenschaft, Halle 1867. S. 20 fi. — [63] A. Fick, Die Naturkräfte in ihrer Wechselwirkung, Würzburg 1869. $. 70. — [64] Redten- bacher, Die anfänglichen und gegenwärtigen Erwärmungszustände der Körper des Sonnensystemes, Karlsruhe 1862. — [65] Clausius, Abhandlungen zur mecha- nischen Wärmetheorie, 2. Band, Braunschweig 1876. 8.42 ff. — [66] H. J. Klein, Entwickelungsgesch. etc. 8. 35. — [67] Rankine, Wiederkoncentrirung der me- chanischen Energie des Weltalls, Sirius, 16. Band. $. 13 fi. — [68] Grove, Die Verwandtschaft der Naturkräfte, deutsch von v. Schaper, Braunschweig 1871. — [69] Möbius, Die Elemente der Mechanik des Himmels, auf neuem Wege ohne Hülfe höherer Rechnungsarten dargestellt, Leipzig 1843. $. 292 ff. — [70] L. Eu- ler, De circulo maximo fixo in coelo constituendo, ad quem orbitae planetarum et cometarum referuntur, Novi Comment. Soc. Petrop., tom. XX, $. 509 ff. — [71] Laplace, Traite de mecanique celeste, Vol. I, Paris 1799. S. 318 fi. — [72] Nürnberger, Populäres astronomisches Handwörterbuch, 2. Band, Kemp- ten 1848. S. 475 ff. — [73] Wundt, Ueber das kosmologische Problem, Viertel- jahrsschr. f. wiss. Philos.. 1. Jahrgang. S. 80 ff. Kapitel LI. Die physische Konstitution der Körper des Sonnensystemes. $. 1. Die Sonne. Für fast alle Probleme der tellurischen Physik hat sich der Centralkörper unseres Planetensystemes als ein höchst einflussreicher Faktor herausgestellt. Die Attraktionswirkung der Sonne bedingt neben derjenigen des Mondes die periodischen Wallungen der Meere und nach einer wenigstens sehr verbreiteten Meinung auch ge- wisse Schwankungen in unserer Lufthülle und in dem feurig-flüssigen Erdkern; die Licht- und Wärmemengen, welche unsere Erde je nach ihren verschiedenen Stellungen zur Sonne von dieser zugesandt erhält, treten uns als Ursachen der mannigfachsten meteorologischen und hydrologischen Veränderungen entgegen, und unmittelbar davon ab- hängig erweist sich alles organische Leben. Die physische Beschaffen- heit der Sonne muss demnach auch ein wichtiges Studienobjekt für uns bilden. Von einem solchen Studium kann natürlich erst seit der Erfindung des Fernrohres die Rede sein, doch haben’ auch nach diesem Zeitpunkte mehr denn zwei Jahrhunderte unser Wissen vom Sonnen- körper nicht in dem Maasse gefördert, wie die kurze Spanne Zeit, welche die Gegenwart von der ersten Anwendung der Spektralanalyse und der Sternphotographie trennt. Seitdem erst darf dieser Theil der Astrophysik, um welchen sich ein Spörer, Vogel, Lockyer, Janssen, Secchi, Tacchini und viele Andere hohe Verdienste er- worben haben, mit anderen Theilen der Wissenschaft sich in Eine Reihe stellen. II, $. 2. Die Photosphäre. 53 Was wir von der Sonne, sei es nun mit unbewaffnetem oder mit bewaffnetem Auge, wahrnehmen, ist die sogenannte Photosphäre, die leuchtende Oberfläche. Gewisse unregelmässige Lichtanhäufungen und Lichtdefekte in derselben werden als Sonnenfackeln und Sonnen- flecke bezeichnet. Die freilich nur selten eintretenden Erscheinungen totaler oder ringförmiger Sonnenfinsternisse haben uns auch die Mög- lichkeit verschafft, die fernere Umgebung des Sonnenrandes etwas ge- nauer kennen zu lernen, und da fand es sich, dass um die Photosphäre herum noch ein weiterer Kugelring aus schwächer leuchtender Materie sich lagert, welcher von seinen Entdeckern den Namen der Chromo- sphäre erhalten hat. Gewisse Einzelbestandtheile dieser Ohromosphäre, die Protuberanzen, ziehen neuerdings die Aufmerksamkeit der Forscher am meisten auf sich. Jenseits dieser Hülle endlich begegnen wir der Korona. $S. 2. Die Photosphäre. Bei gehöriger Vergrösserung erkennt man, dass — von den eigentlichen Flecken völlig abgesehen — die * Oberfläche der Sonne durchaus nicht in gleichförmigem Lichte leuchtet; dieselbe erscheint nach Secchi [1] bedeckt mit einer unendlichen An- zahl kleiner Körner von annähernd gleicher Grösse, aber sehr ver- schiedener Gestalt, deren Zwischenräume sich zu einem weit weniger hellen Netzwerk aneinanderreihen. Man spricht häufig von den Reis- körnern der Photosphäre, weil das granulirte Aussehen derselben den Eindruck einer Flüssigkeit mit darin aufgelösten Körnern hervorruft. Die von Nasmyth geäusserte Ansicht, dass diese sonderbare Struktur durch über einander liegende schmale Objekte, die Weidenblätter, hervorgerufen werde, konnte schon Secchi |2] nicht völlig theilen, und heute ist, wie wir aus dem zusammenstellenden Referate New- comb’s |3] entnehmen, durch die Beobachtungen von Langley und Janssen so viel festgestellt, dass diese Granulationen durch wirr ver- streute kleine Lichtpunkte, die sich ab und zu zu grösseren Körnern zusammenballen, bedingt sind. Die kleinsten noch sichtbaren Einzel- körperchen mögen etwa eine lineare Ausdehnung von 200 km besitzen. „So scheinen also“, diess sind die Schlussworte Newcomb’s [4], „nach ‚unseren jetzigen Kenntnissen in den helleren Regionen der Photosphäre wesentlich drei Aggregationsformen zu bestehen: wolkenähnliche Ge- bilde, die jederzeit sichtbar sind ; Lichtknoten oder Reiskörner (Weiden- blätter), in welche sich die Wölkchen auflösen, und die mit einem guten Fernrohr bei guter Luftbeschaffenheit stets gesehen werden können; endlich die kleinen, die Körner bildenden Lichtpunkte.* $. 3. Fackeln und Flecke. Schon bald, nachdem die Sonne unter teleskopische Beobachtung genommen war, erkannte man die Flecke und die meistentheils in deren nächster Umgebung anzutreffenden hel- leren Stellen, welche man als Sonnenfackeln bezeichnete. Dieselben kommen allenthalben auf der Sonne vor und meiden besonders die Pole nicht; ihre Dimensionen sind oft ungeheure, wie denn Secchi von einer Fackel spricht, welche sich wie eine grosse Lichtwelle über die Hälfte der Sonnenscheibe erstreckt habe [5]. Man kann im All- gemeinen deren Entstehung einem aufsteigenden heissen Luftstrom — das Wort „Luft“ natürlich im solaren Sinne genommen — zuschreiben 54 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. und annehmen, dass dieselben sich etwas über dem Durchschnittsniveau der Photosphäre befinden; der französische Astronom Liais, der manche hervorragende Arbeit über Sonnenphysik veröffentlicht hat, spricht sich darüber folgendermassen aus [6]: „Dans les points ot la photosphere s’eleve au-dessus de son niveau general, on devra voir des facules.* Neuerdings beginnt man sich für die den Flecken gegenüber längere Zeit ein wenig vernachlässigten Fackeln aus dem Grunde wieder mehr zu interessiren, weil man ihre nahe Verwandtschaft mit den Protube- ranzen erkannt zu ‚haben glaubt. Sonnenflecke von ungewöhnlicher Grösse haben mit blossem Auge oder auch (nach Seneca) mit einem Hohlglas, in welches Oel gegossen war, bereits die Römer und Araber wahrgenommen, doch hielten sie dieselben für einen auf der Sonnenscheibe schwarz erscheinenden Pla- neten, wie denn selbst Kepler 1607 einen Merkurdurchgang wahrge- nommen zu haben glaubte. Die chinesischen Annalenschreiber waren mit den Flecken als solchen bereits ganz gut bekannt und überlieferten uns in Betreff derselben manch’ schätzenswerthe Nachricht. Als Ga- lilei das erste astronomische Fernrohr zusammengesetzt hatte, bemerkte er auch die von Licht entblössten Stellen in der Sonne und erwähnte derselben in einem Nachtrage [7] zu seinem berühmten „Sidereus Nuntius“, doch hat wohl R. W olf Recht, wenn er sagt, dass in der Fülle seiner Entdeckungen der grosse Naturforscher gerade über die hier in Frage kommende sich nicht völlig klar geworden sei [8], und insoferne kann der Jesuit Scheiner, der sein Teleskop allerdings etwas später erst nach der Sonne richtete, dafür aber die volle Wichtig- keit der Flecke erkannte und sich in einem voluminösen Werke [9] darüber verbreitete, recht wohl als Mitentdecker gelten. Jedenfalls darf diese Ehre der jüngere Fabricius beanspruchen [10], der schon im December 1610 die „Ungleichheiten* und „Rauhigkeiten“ der Sonnenoberfläche sah und richtig deutete, und wahrscheinlich war auch Harriot, von dem wir eine konsequent durchgeführte Beobachtungs- reihe im Manuskript überkommen haben, unabhängig zu seinem Funde selangt. Von nun ab hat es nie an Astronomen gefehlt, welche dem Studium der Sonnenflecke ihre Aufmerksamkeit zuwendeten; den Marius und Cysatus reihten sich Vater und Sohn Kirch, Rost, Staudacher im XVII. Jahrhundert an; Flaugergues, Placidus Heinrich, A. Stark u. A. brachten ein respektables Material zu- sammen, und Schwabe endlich liess fast ein halbes Jahrhundert hin- durch kaum einen Tag vergehen, an welchem er nicht mit seinem guten Instrumente das Centralgestirn betrachtete [11]. R. Wolf hat sich die gewaltige Aufgabe gestellt, in den von ihm herausgegebenen „Astron. Mittheilungen“ nach und nach die gesammte auf Sonnenflecke bezügliche Literatur zusammenzustellen und kritisch zu verarbeiten, und man darf sagen, dass diese Riesenaufgabe heute schon für gelöst angesehen werden kann. Galilei erblickte in diesen Unterbrechungen der Lichthülle etwas Wolkenartiges, Fabricius und Marius dachten an Schlacken, die von dem brennenden Körper ausgestossen würden, Andere wieder, wie Scheiner, Tarde und Malapert, wollten aus metaphysischen Grün- den keine Verunreinigung der Sonne zugeben und erklärten die nicht wegzuleugnenden Flecke deshalb für kleine um jene kreisende Planeten II, $. 4. Die Wilson-Herschel’sche Hypothese. 55 [12]. Die von Rost angedeutete Idee, dass die Flecke kraterförmige Vertiefungen seien, findet sich in etwas anderer Form auch bei Hausen [13] vor; Wiedeburg nahm an, dass kleine Körperchen sich unauf- hörlich in die Sonne stürzten [14], wie ja heute von den Meteoriten ganz Aehnliches angenommen wird. Eine offenbare Folge der That- sache, dass man in jener Zeit mit den Mondbergen sich angelegent- licher zu beschäftigen begann, ist es, wenn D. Cassini und De la Hire die Berge des angeblich dunklen Sonnenkörpers durch die denselben umfluthende und nicht selten zerreissende Lichtumhüllung herausblicken lassen [15]. „Sonderbar genug“, meint Kästner [16], „dass eine und dieselbe Erscheinung dem einen Beobachter Erhöhung, dem anderen Grube ist.“ Diese angesichts der ungeheuren Entfernung des zu prü- fenden Gegenstandes doch kaum so sehr auffällige Zwiespältigkeit der Ansichten wird uns auch späterhin noch öfter begegnen. Jedenfalls wusste jene Anschauung, die eben in den Flecken Vertiefungen sah, gewaltig Boden zu erringen. $. 4. Die Wilson-Herschel’sche Hypothese. Um das Wesen dieser dereinst allmächtigen und selbst jetzt noch vielfach nachwirkenden Theorie der Sonnenflecke zu verstehen, ist es nöthig, sich einen solchen genauer im Detail anzusehen. Fig. 2 stellt uns einige derselben vor Fig. 2. Augen, und namentlich dürfte der nach Secechi’s Zeichnung [17] re- producirte Fleck rechts oben die Bezeichnung eines typischen verdienen. Eine Anzahl von Körnern (s. 0.8.2) drängen sich zusammen; zwischen ihnen erscheint |18] ein kleiner runder schwarzer Kreis von unregel- mässiger Begrenzung, eine Pore. Soll es zur Bildung eines Sonnen- fleckes (im engeren Sinne) kommen, so schieben sich diese Poren mit grosser Schnelligkeit hin und her, eine derselben gewinnt die Oberhand 56 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. und verbreitert sich; häufig freilich, wenn die Photosphäre sich nicht in Ruhe befindet, vollzieht sich die Fleckbildung in weit stürmischerer Weise [19]. Als Bestandtheile unterscheidet man den tiefschwarzen / Kern und die hellere, wennschon noch deutlich gegen die umgebende Helle abstechende Penumbra. Ist endlich der Process als beendigt anzusehen, so nimmt der Kern eine annähernd kreisrunde Gestalt an, und gleich darauf beginnen von Neuem Lichtfäden, die ey Brücken, sich über ihn hinwegzuspinnen [20] (vol. die Figur), dass im Momente der höchsten Vollendung zugleich auch bereits die Vernichtung beginnt. Im Inneren der Flecke zeigt sich nicht selten eine wirbelnde Bewegung. Um noch von der Penumbra im Beson- deren zu sprechen, so bemerkt man in ihr gewöhnlich die von Dawes mit dem Namen Strohbündel belegte parallele Lagerung der ein- zelnen Lichtbündel, während die kleinen in den Rand hinein verstreuten Flecke sich zu einer Art Schweif des Kernfleckes zusammensetzen [21]. Die rothgefärbten Schleier, welche die centralen Partieen des Gebildes nicht selten überdecken, sind nach Secchi nicht etwa blos aus subjektiver Täuschung zu erklären, sondern wirklich vor- handen [22]. | Schon aus der bisherigen Beschreibung mag hervorgehen, dass ohne besonderes Aufgebot der Phantasie recht wohl diese Flecke für Höhlungen in der Photosphäre gehalten werden können. Dieser Ein- druck musste sich noch verstärken, wenn man sah, dass in Folge der Axendrehung der Sonnenkugel die dunklen Stellen sich auf dieser fort- bewegten und dadurch auch eine Gestaltänderung erlitten. In dem Maasse nämlich, als der Fleck dem Rande sich nähert, verschwinden seine centralen Theile, bis zuletzt nur noch die eine Hälfte der Pe- numbra sichtbar ist, und weiterhin verschwindet allgemach auch diese. Nach bekannten Lehren der Perspektive musste sonach angenommen werden, man habe es hier mit einer in die Lichthülle sich einsenkenden Kluft zu thun, und Wilson fand allgemeinen Anklang bei dem ge- lehrten Publikum, als er es unternahm, die hier nur angedeutete An- sicht, dass die Sonnenflecke Höhlungen seien, tiefer zu begründen und darauf eine neue Theorie dieser eigenthümlichen Gebilde aufzubauen [23]. Einige Jahre vorher waren von einem württembergischen Astro- nomen, Schülen, ähnliche Vermuthungen geäussert worden |24], und auch Bode sprach sich in diesem Sinne aus, noch ehe er von Wilson’s Veröffentlichung Kenntniss hatte; der Kernfleck ist ihm nichts Anderes als der lichtlose Sonnenkörper selber, welchen man durch eine Lücke in der Photosphäre erblickt, während zwischen der letzteren und der Sonnenkugel eine nur matt erleuchtete Zwischenschicht eingeschaltet ist, von welcher eben die Penumbra einen kleinen Theil darstellt. Der Grund des entstandenen Trichters erscheint mehr oder minder dunkel, „je nachdem die Oeffnung in der Oberfläche des Sonnenkörpers san- diges oder felsiges Erdreich, oder Meere trifft“ [25]. In etwas weit- herziger Auslegung können sogar einzelne Stellen aus den Schriften des Kardinals Nicolaus v. Cusa beigezogen werden, aus denen her- vorgeht, dass dieser geistreiche Polyhistor den Sonnenkern dunkel und von einer nach aussen zu heller und heller werdenden Atmosphäre umgeben annahm ; dass man freilich mit Clemens [26] um dieses ge- legentlich hingeworfenen Gedankens willen in dem Kirchenfürsten einen ll, $. 5. Neuere wissenschaftliche Hypotlıesen. 57 wirklichen Beobachter von Sonnenflecken — 150 Jahre vor Erfindung des Fernrohres — anerkennen werde, glauben wir nicht. Wilson’s Anschauungen begannen gieichwohl erst von dem Zeitpunkte an zur allgemeinen Anerkennung durchzudringen, als der grosse William Herschel mit dem ganzen Schwergewichte seiner Autorität für dieselben einzutreten begann. Wolf drängt [27] die Quintessenz der bezüglichen Abhandlung [28], welche im Jahre 1801 erschien, in die nachstehenden Sätze zusammen: „Die Sonne ist ein dunkler Körper und mit einer transparenten Atmosphäre umgeben, auf welcher die wolkenähnliche Photosphäre schwimmt: zuweilen steigen von dem Sonnenkörper Dämpfe auf und zerreissen die Photosphäre, so dass man auf den relativ dunkeln Sonnenkörper hinabsieht, und so glaubt man einen dunkeln Fleck zu sehen, der, wenn man noch rings um ihn etwas von den tiefer liegenden, wolkenartigen Theilen der Photosphäre sieht, von einer Art Hof eingefasst scheint.“ Diese hier allerdings nur in ihren Umrissen skizzirte Theorie hat sich als äusserst zählebig erwiesen; hervorragende Männer, wie Arago und A. v. Hum- boldt [29], haben sich zu ihr bekannt, und erst in der neuesten Zeit hat sich den Fachmännern mehr und mehr die Ueberzeugung aufge- drängt, dass dieselbe weder die feineren Beobachtungen ausreichend genau darstelle, noch auch mit gewissen physikalischen Grundwahr- heiten harmonire. Namentlich blieb es unbegreiflich, "wie der eigent- liche Sonnenkörper in nächster Nähe einer glühenden Gasmasse, der Photosphäre, nicht auch allmählich bis zur Gluthhitze erwärmt werden sollte, und wenn John Herschel diesem Einwand damit begegnen zu können glaubte, dass eine absolut reflektirende Dunsthülle den Kern gegen die Strahlung der Wärme sehr wohl schützen könne, so ist dieser mit grosser Sicherheit vorgetragenen Behauptung [30] entgegen- zuhalten, dass solche Stoffe unseren sonstigen Erfahrungen nach über- haupt nicht existiren, von den doch auch vorhandenen Konsequenzen der Wärmeleitung ganz zu geschweigen. So durfte denn G. Kirch- hoff mit Recht sagen, die Herschel’sche Hypothese müsse von einer fortschreitenden Naturlehre selbst dann aufgegeben werden, wenn diese nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen hätte. Glücklicherweise ist Letzteres aber möglich. $. 5. Neuere wissenschaftliche Hypothesen. Hierher rechnen wir die Wolkentheorie @ Kirchhoff’s, die Schlackentheorie Zöllner’s und die von Reye und Faye — allerdings mit nicht un- erheblichen Verschiedenheiten — vertretene Trombentheorie. Eine endgültige Entscheidung zwischen diesen drei auf dem Boden der modernen Physik erwachsenen Hypothesen hat die Wissenschaft noch nicht getroffen, dieselbe muss vielmehr einer vielleicht ziemlich fernen Zukunft überlassen bleiben. Nachdem Kirchhoff aus seinen spektralanalytischen Unter- suchungen [31] den Schluss gezogen hatte, dass nicht eine glühende Lufthülle, sondern der weissglühende Sonnenkörper selbst uns leuch- tende und wärmende Strahlen zusende, dass ihn jedoch ein Mantel glühender Gase umgebe, in welchem zahlreiche der Erde angehörige Elemente in aufgelöstem Zustande sich befinden, entwickelte er weiter die Analogieen, welche zwischen den atmosphärischen Vorgängen auf 58 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. der Sonne und auf unserer Erde obwalten. Hier wie dort ist die Temperaturvertheilung keine ganz gleichmässige, hier wie dort müssen sich lokale Temperaturerniedrigungen ergeben, und mit solchen wird auf beiden Himmelskörpern eine Wolkenbildung eingeleitet. Ueber jeder sich neu bildenden Wolke entsteht ein kühlerer Raum, die Wolke wächst von oben her an und kühlt sich unter Umständen bis zu einem unter der Gluthhitze liegenden Wärmegrade ab, so dass sie auch un- durchsichtig wird, und in diesem Zustande erscheint sie uns als der Kern eines Sonnenfleckes. In höheren Regionen aber kommt eine zweite Wolke zu Stande, minder dicht als die frühere und theilweise durchsichtig, so dass sie bei entsprechender Ausdehnung wie ein Halb- schatten neben der tiefer liegenden Wolke gesehen wird. Die bis dahin als maassgebend festgehaltene Auffassung der Flecke als Ver- tiefungen muss nach Kirchhoff fallen gelassen werden, insofern sie sich auf eine optische Täuchung zurückführen liesse. Zöllner steht, was den Ausgangspunkt seiner Gedankenreihe anlangt, mit &. Kirchhoff auf gleichem Boden, indem er [32] mit Letzterem als bewiesen annimmt, dass der glühende Sonnenkern dem festen oder tropfbarflüssigen Aggregatzustand angehöre, und diese Thatsache auf Grund seiner an den Protuberanzen gewonnenen An- sichten dahin verschärft, dass weit gewichtigere Argumente für die zweitgenannte Annahme sprechen. Dagegen widerspreche es Allem, was wir von den irdischen Wolken wissen, dass solch’ leichtvergäng- liche Gebilde auf der Sonne durch Wochen hindurch ihre Gestalt im Wesentlichen beibehalten sollten. Zöllner glaubt, dass dieser Charakter verhältnissmässiger Invariabilität sich nur mit dem festen Aggregat- zustand gut vertrage. An der Sonnenoberfläche müssen die Luft- strömungen des Aequatorial- und Polarstromes ganz ähnlich auftreten, wie an der Erdoberfläche, und da, wo beide Ströme sich durchdringen — also in dem unserer Kalmenzone entsprechenden Gebiete — werden Trübungen zu bemerken sein. Es wird diess am Aequator und zu- gleich in der Nähe’ der Pole der Fall sein, und diese Gegenden werden mithin, da in ihnen die Ausstrahlung mehr oder weniger verzögert ist, der Fleckenbildung sich ungünstig erweisen. Innerhalb eines jeden Passatgürtels dagegen ist die Atmosphäre ruhig und klar, die Wärme- strahlung des Sonnenkörpers hat nur mit einem Minimum von Hinder- nissen zu kämpfen, und so können sich auch mit Leichtigkeit schlacken- artige Absonderungen auf der glühendflüssigen Oberfläche bilden. Diese ausgestossenen Massen repräsentiren die schwarzen centralen Partieen der Flecke, die Penumbra dagegen soll ihre Entstehung dem Umstande verdanken, dass rings um die Schlacke herum die Temperatur sinkt und Wolken sich ansammeln, welche, in absteigender Bewegung be- sriffen, nach dem Rande des Fleckes sich senken und eine trichter- förmige Vertiefung hervorbringen. Man sieht, dass Zöllner dasjenige, was ihm an Kirchhoff’s und auch an Wilson’s Hypothese richtig erschien, geschickt in sein eigenes System hinein zu verweben ver- stand, und insbesondere mit Rücksicht auf das zuletzt Gesagte ist es nicht recht begreiflich, dass Secchi die Zöllner’sche Lehre von den Sonnenflecken um desswillen verworfen wissen wollte, weil sie von den Höhlungen keine Rechenschaft gebe [33]. Beachtenswerthere Bedenken sind von Reye geltend gemacht worden, namentlich in dem Sinne, II, $. 5. Neuere wissenschaftliche Hypothesen. 59 dass noch viel weniger als Kirchhoff’s Wolken die Zöllner’schen Schlackenmassen sich längere Zeit hindurch erhalten könnten, da, wenn man etwa annehme, der fünfte Theil der zugesandten Wärmemenge werde von ihnen absorbirt, schon dieses Fünftel im Verlaufe eines Monates eine Eisschicht von 90000 m Mächtigkeit zu schmelzen ver- möge [34]. Es will uns bedünken, dass Zöllner diesen anscheinend durehschlagenden Gegengrund durch theoretische Betrachtungen mit Glück zurückgewiesen hat, indem er nämlich zeigte [35], dass hier eine Verwechselung der Zeit als eines Maasses der Wärmestrahlung mit jener Zeit vorliegt, welche zur Verwandlung der ausgestrahlten Wärmemenge in ein ihr äquivalentes Arbeitsquantum erfordert wird. Reye selbst stellt den früheren Ansichten eine neue gegenüber, die sich auf die Aehnlichkeit resp. Identität der terrestrischen und solaren Luftbewegungen stützt. Ueber einem aus irgend einem Grunde besonders heissen Punkte der Sonnenoberfläche werden [36] die dort befindlichen unteren Schichten von Gasen und Metalldämpfen üherhitzt, sie steigen auf und dehnen sich aus. In einer gewissen Höhe erkal- tend verdichten sie sich wieder, eine Quantität bisher latent gewesener Wärme wird frei und verstärkt den Auftrieb der übrigen Dampf- und Gasmassen, und es bildet sich eine rasch wachsende Wolke: „die Sonnenflecke sind wolkenartige Verdichtungsprodukte in den unteren Regionen der Sonnenatmosphäre, welche sich ähnlich wie die grossen Wolkenschichten der irdischen Cyklonen von unten her erneuern.“ Die Theorieen von Reye und Faye [37] stimmen darin überein, dass . eyklonen- und trombenähnliche Vorgänge zur Erklärung der Sonnen- flecke herangezogen werden, nur nimmt der deutsche Mathematiker, wie erwähnt, eine wirbelnde Bewegung von unten nach oben, der französische Astronom dagegen eine solche von oben nach unten an. Zwischen beiden Gelehrten haben neuerlich lebhafte Auseinander- setzungen über die relativen Vorzüge ihrer Hypothesen stattgefunden, wobei Reye mit Recht hervorhob [38], dass sein Widerpart die be- deutende Druckabnahme im Inneren einer Trombe gänzlich ausser Acht lasse und auch die Kraft gar nicht zu erklären versuche, welche das Herniedersteigen der Wettersäulen bedinge. Freilich ist aus Taechini’s und Secchi’s Beobachtungen zu schliessen, dass die Wirbeltheorie für sich allein überhaupt noch nicht die ausreichende Grundlage der Erklärung bietet, weil sonst viel häufiger jene spiral- förmigen Bewegungsvorgänge in den genannten Gebilden zu konsta- tiren sein müssten, als diess insbesondere nach Tacchini’s Zeugniss zutrifft. Daran, dass man an den Flecken gar keine eigene Drehung wahrnimmt, stösst sich, wie Newcomb berichtet [39], auch Young, der im Uebrigen die Faye’sche Theorie für die zureichendste hält, worin er mit seinem Landsmann Langley [40] übereinstimmt. Mit Zöllner’s Anschauungen haben sich dagegen in jüngster Zeit Bredichin, Lohse und Spörer*) — wenigstens im Grossen und Ganzen — einverstanden erklärt [41l. Es kommt der Umstand hinzu, dass diese Hypothese wohl am besten dazu sich eignet, einer *) Es ist dieser Beitritt eines der hervorragendsten Astrophysiker unserer Zeit für die Zöllner’sche Auffassung ein um so werthvollerer Gewinn, weil Spörer sich früher mehr der Kirchhoff’schen Wolkentheorie zugeneigt hatte. 60 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. Reihe weiterer merkwürdiger Erscheinungen zur Erklärungsbasis zu dienen, von welchen im nächsten Paragraphen die Rede sein soll*). Endlich sei noch der ganz isolirt dastehenden Hypothese v. Lü- dinghausen-Wolff’s [42] gedacht, welche nur scheinbar an die von Herschel vertretenen Anschauungen wieder anknüpft. Ihm sind aller- dings die Sonnenflecke Vertiefungen, durch welche man auf den Sonnenkörper selbst hinabsieht; dieser aber ist nicht etwa dunkel im gewöhnlichen Sinne, sondern so furchtbar überhitzt, dass unser Auge den von ihm ausgesendeten ungeheuer kurzwelligen Lichtstrahlen gegen- über den Dienst versagt, wie auch das Ohr nur innerhalb gewisser Grenzen der Wellenlängen den Eindruck eines Tones empfängt. Es erscheint jedoch nicht ungefährlich, im Weltall mit Gesetzen zu ope- riren, für welche uns die irdische Physik zur Zeit noch nicht die Analogie geliefert hat. — Nach Adams und Reis sind die Flecke „Roststaubwolken“ (Die Sonne, Mainz 1869). $.6. Rotation, Fleckenvertheilung und Fleckenperiodicität. Schei- ner war es, der zuerst die Rotationszeit der Sonne und die Lage des Sonnenäquators bestimmte [43], indem er sich an gewisse Flecke von charakteristischer Gestalt hielt, die am einen Sonnenrande verschwan- den und nach Umfluss einer bestimmten Zeit am anderen Rande wieder zum Vorschein kamen. Hausen (s. o.), Boscovich, Delisle, Euler, Sylvabelle, Kästner, Fixlmillner haben ihre Kräfte an dem . gleichen Probleme versucht, dessen Lösung durch die neueren Arbeiten von Kysaeus [44], Böhm [45] und Spörer [46] bis zu einem hohen Grade der Genauigkeit gefördert wurde. Doch kann dieser Grad der Natur der Sache nach nicht verglichen werden mit jenen Genauigkeitsgrenzen, die sich bei Bestimmung der Rotationsdauer anderer Himmelskörper von starrer Oberfläche erzielen lassen, und wir müssen zufrieden sein, dieses wichtige astronomische Zeitelement in das Intervall von 25—27 Tagen einzuschliessen [47] (s. u.). Die synodische Umdrehungszeit, d. h. jene Zeit, welche vergeht, bis derselbe Beobachter den nämlichen Fleck auch wieder an der nämlichen Stelle der Sonnenoberfläche erblickt, ist um etwa 2 Tage grösser, weil ja der Beobachter nicht stille im Raume steht, sondern mit der Erde eine Bewe- gung macht, welche der Rotationsbewegung der Sonne gleichgerichtet ist. Die erwähnte Schwierigkeit, die Rückkehr eines bestimmten Fleckes chronologisch genau zu fixiren, ist eben darin begründet, dass dieser Fleck der in fortwährender Wallung begriffenen Oherfläche des Centralkörpers angehört und mit einer oft nicht unbeträchlichen Einzel- bewegung begabt ist. Es ward bereits erwähnt, dass aus theoretischen Gründen auf eine gewisse Driftströmung in der Sonnenatmosphäre ge- schlossen werden muss, in Folge deren zwei den Passatzonen der Erde entsprechende Sonnengürtel als zur Fleckenbildung besonders prädis- ponirt erscheinen, und dieses Ergebniss der Theorie hat sich durch *”) Man möge nicht vergessen, dass die Deutung der Flecke als schlacken- artiger Absonderungen sich am besten an die Konsequenzen anschliesst, welche wir oben (Kap. I, $. 7) aus der Kant-Laplace’schen Hypothese zogen, indem ja dort die Sonne als ein Mitglied des zweiten Fixstern-Typus von Secchi er- kannt ward. ee ee ea w. II, $. 6. Rotation, Fleckenvertheilung und Fleckenperiodieität. 61 die Beobachtungen auch im Wesentlichen bestätigt gefunden. Nach Sömmering und Thilo [48] existiren auf der Sonne Streifen meri- dianaler Richtung, innerhalb deren viele Jahre hindurch überhaupt kein Fleck sich bildet, und anderwärts drängen sich die Flecke wieder zu dichten Gruppen zusammen. Wenn nun Passatströmungen für die Fleckebildung ein maassgebendes Moment sind, so ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Eigenbewegung eines Fleckes von seiner helio- graphischen Breite sich abhängig zeigt, und da die wirklich wahr- genommene Bewegung die Resultante aus dieser Eigenbewegung und der Drehbewegung des Sonnenkörpers darstellt, so wird ein Gleiches auch von dieser gelten. Nach Zöllner kann die Winkelgeschwindig- keit eines unter der heliographischen Breite » gelegenen Ortes mit grosser Annäherung durch die Formel a— bsin’» cos © ausgedrückt werden, in welcher a und b empirisch zu ermittelnde Kon- stanten bedeuten [45]; die lange Positionsreihe, welche Carrington [50] mittheilt, fügt sich sehr gut diesem Ausdrucke, und die von Zöllner eingehend widerlegten Einwürfe Reye’s [51] beziehen sich auch nur auf die physikalische Grundlage, nicht aber auf die rechnerische Brauch- barkeit der angeführten Relation. Ganz neuerlich hat Spörer [52] der Zöllner’schen Formel die folgende substituirt: 8,548 + 5°,798.. cos 9; mit Benützung derselben gestatteten einige günstige, d. h. durch zwei Rotationsperioden hindurch sichtbare, Flecke die Rotationszeit zu 25,234 Tagen 'zu bestimmen. Der genannte Sonnenforscher ist bei der Herleitung seiner Formel davon ausgegangen, dass auch die aus dem Inneren des Sonnenkörpers kommenden Strömungen zu berück- sichtigen seien, welche die geringere lineare Rotationsgeschwindigkeit aus dem Inneren an die Oberfläche mitbringen. Für die kosmische Physik gewinnen die Sonnenflecke aus dem Grunde eine stets wachsende Bedeutung, weil ihrem Auftreten der Charakter periodischer Wiederkehr anhaftet, der sich dann auch wieder in einer Menge ganz anders gelagerter Verhältnisse abspiegelt. Seit 1847 betreibt R. Wolf [53] das Studium der Periodicitätsfrage, und schon drei Jahre darauf führte er die sogenannten Relativzahlen ein, welche sich bei Untersuchungen dieser Art als ein unentbehrliches Hülfsmittel erwiesen haben. Mit diesen Zahlen hat es folgende Be- wandtniss. Bezeichnet man mit g die Anzahl von Fleckengruppen, die an einem bestimmten Tage gesehen worden sind, indem man iso- lirte Flecke als Gruppen mitzählt, bezeichnet man ferner mit f die Anzahl der in sämmtlichen Gruppen enthaltenen Flecke (diese Zahl ist annähernd dem mit Flecken bedeckten Theile der Sonnenoberfläche proportional) und endlich mit k einen von der Individualität des Be- obachters und seines Instrumentes abhängigen Erfahrungsfaktor *), so ist nach Wolf’s Definition [54] die Zahl r=k(f- 105) *) K ward = 1 gesetzt für den Erfinder selbst und für seinen vierfüssigen 62 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. die Relativzahl für den betreffenden Tag. Mit Hülfe eines in dieser Weise angesammelten ungeheuren Zahlenmateriales gelang es dem schweizerischen Astronomen, ein Faktum ausser Zweifel zu stellen, welches vor ihm der einzige Horrebow geahnt hatte, als er im Jahre 1776 in sein Beobachtungstagebuch die Worte eintrug [55]: „Es ist zu hoffen, dass man durch eifriges Beobachten auch für die Veränderungen und den Wechsel der Sonnenflecke eine Periode auf- finden werde, wie in den Bewegungen der übrigen Himmelskörper; dann erst wird es an der Zeit sein, zu untersuchen, in welcher Weise die Körper, die von der Sonne getrieben und beleuchtet sind, durch die Sonnenflecke beeinflusst werden.“ Wolf’s Resultat lässt sich da- hin formuliren [56]: „Die Frequenz der Flecken variirt periodisch seit ihrer im Jahre 1610 erfolgten Entdeckung, und zwar beträgt die mittlere Länge einer einzelnen Periode — nach deren Ablauf also die Relativzahlen ziemlich in der gleichen Aufeinanderfolge wieder- kehren — 11! Jahre.“ Lamont und Sabine wurden nahe gleich- zeitig zu der Wahrnehmung geführt [57], dass in gewissen Schwan- kungen des Erdmagnetismus eine synchrone Periode auftrete, wie die von Wolf in der Wiederkehr der Sonnenflecke aufgedeckte; doch trat besonders Sabine erst dann mit seinem Funde hervor, als es Wolf und dem Genfer Gautier [53] bereits geglückt war, den Parallelismus zwischen den Zahlreihen von Lamont und Schwabe (s. 0. $. 3) ausser Zweifel zu setzen. Auch zu vielen anderen Phä- nomenen des phy sikalischen Lebens auf der Erde hat man die Sonnen- fleckenperiode in Beziehung zu setzen gesucht. Wir behalten uns vor, auf diese Beziehungen in jenen Abschnitten unseres Buches zu- rückzukommen, welche der kosmischen Meteorologie und dem Erd- magnetismus gewidmet sind, und erwähnen einstweiler nur, dass die ganze weitverzweigte Frage den kundigsten Darsteller in Fritz [59] gefunden hat. S. 7. Chromosphäre, Protuberanzen und Korona. Rings um jene äusseren Theile des Sonnenkörpers, welche wir als den Tummelplatz der Sonnenflecke kennen gelernt haben, legt sich eine weitere dünne Hülle, die jedoch sehr hell leuchtet und von Lockyer, der sich um ihre nähere Erforschung besonders bemühte, den Namen der Chromosphäre erhielt [60]. Dieselbe scheint der Hauptsache nach aus Wasserstoffgas zu bestehen und sich in einem Zustande der höch- sten Unruhe zu befinden. Ihre Existenz wäre unter gewöhnlichen Umständen verborgen geblieben; erst bei Gelegenheit einiger ausge- zeichneter Sonnenfinsternisse hat man sie aufgefunden, und nach- gerade haben die Spektroskopiker es möglich gemacht, dieselbe auch ohne jenes selten zur Verfügung stehende Hülfsmittel zu erkennen und zu untersuchen. „Das Bild der Sonne wird“, so schildert Lockyer[6l] sein Verfahren, „auf ein Diaphragma geworfen, in dessen Mitte sich eine kreisförmige Messingscheibe von der Grösse des Sonnen- bildes befindet, welche das Sonnenlicht aufhält, dagegen das Licht der Fraunhofer mit vierundsechzigmaliger Vergrösserung. Durch Vergleichung der Aufzeichnungen während bestimmter Zeiträume erhielt man das anderen Verhält- nissen angepasste k. u ne UI, $. 7. Chromosphäre, Protuberanzen und Korona. 63 Chromosphäre ungehindert vorbeigehen lässt. Das Licht der Chromo- sphäre wird dann an derjenigen Stelle vereinigt, an welcher sich ge- wöhnlich der Spalt des Dpektroskopes befindet, und man sieht dann im Okular die Chromosphäre in Kreisen, welche der Linie C oder anderen Linien des Spektrums entsprechen.“ Was uns diese äussere zarte Lichtumhüllung der Sonne besonders interessant macht, das sind in erster Linie die aus ihr hervorbrechen- den und mit ihr jedenfalls in engster Verbindung stehenden Protube- ranzen, die zuerst im Jahre 1842 von Airy, Baily, Struve und Schidlofsky als zahnartige, rothgefärbte Auswüchse an dem Rande des vom Monde bedeckten Sonnenkörpers wahrgenommen wurden [62]. v. Feilitzsch’s |63] Meinung, dass dieses Phänomen erst in unserem Auge, durch Diffraktion der Randstrahlen, entstehe, hat sich nicht viele Anhänger erworben, um so weniger, da Janssen und Zöllner bald auch das Spektroskop so zu adaptiren verstanden, dass man die Protuberanzen nicht blos unter ausserordentlichen Verhältnissen, son- dern zu jeder beliebigen Zeit wahrzunehmen in der Lage war. Man hat die Höhe dieser Auswüchse gemessen und gefunden, dass die- selben sich in überraschend kurzer Zeit 6—10 Erdhalbmesser über das Sonnenniveau erheben. Da die charakteristische helle Linie des Protuberanzenspektrums völlig mit jener des Wasserstofigases sich deckt, so lag die Annahme nahe, dass man es hier mit kolossalen Eruptionen dieses Gases zu thun habe; nach Zöllner’s Theorie (s. o.) finden sich Gasmassen allenthalben in der die Sonnenoberfläche kon- stiturenden Flüssigkeit, theils nur mechanisch von ihr umschlossen, theils vollkommen absorbirt, und durch die Druckdifferenz zwischen dem Druck dieser Massen und demjenigen der äusseren Atmosphäre, welcher durch die Kohärenz und Schwere der oberen Flüssigkeits- massen noch vergrössert wird, werden jene gewaltsamen Ausbrüche bewirkt. Damit wollen freilich die nicht eben seltenen Fälle nicht stimmen, welche Spörer |64] aus den Denkschriften des Vereines italienischer Spektroskopiker zusammengetragen hat, und bei welchen die Protuberanzen vom Sonnenkörper losgelöst und durch oft beträcht- liche Distanzen getrennt erscheinen; auch Spörer und Kempf haben Individuen dieser Art gesehen, die ganz gewiss nicht von der Ober- fläche herstammten. Die schon früher von dem verdienten Observator der Potsdamer Sonnenwarte vorgeschlagene Eintheilung der fraglichen Gebilde in gewöhnliche Wasserstoffprotuberanzen und in die durch In- tensität und spitze Formen ausgezeichneten flammigen Protuberan- zen |65) — Secchi pflegte letztere die metallischen zu nennen — scheint sich zu bewähren, und die letzteren, deren Spektrum durch die Magnesiumlinie charakterisirt erscheint, haben muthmaasslich in chemischen Processen ihren Grund, zu deren Beurtheilung uns noch die erforderlichen Daten fehlen [66]. Schliesslich mögen noch nach Klinkerfues’ Beschreibung [67] einige Worte folgen über den Glorienschein, die sogenannte Korona, welcher im Momente der Totalität die Sonnenkugel noch jenseits der Chromosphäre umgiebt. Weisslich-grünen Lichtes, wird sie von Strahlen durchzuckt, die einigermassen an das bekannte Strahlenschiessen des Nordlichtes gemahnen, wie denn auch eine der hellen Linien des Koronenspektrums mit einer der Nordlichtlinien übereinstimmt. Da 64 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. im Uebrigen das erstgenannte Spektrum eine Sonderstellung einnimmt und keine Vergleichungen mit den Spektren irdischer Stoffe zu machen gestattet, so muss man vorläufig mit dem freilich nicht ganz befriedi- senden Schlusse sich zufrieden geben, dass in den äusseren Hüllen mancher Himmelskörper gewisse Gase und Dämpfe im Zustande hoch- gradigster Feinheit vorkommen, zu welchen ein Analogon in unseren Laboratorien auszumitteln noch nicht gelungen ist und vielleicht auch niemals gelingt*). Ein solches Gas dürfte wohl das Helium sein. S. 8. Allgemeines über die Beschaffenheit und Temperatur des Sonnenkörpers,. Wenn wir uns, nachdem wir vorstehend unser Wissen von der Sonne mit wenigen Strichen zu zeichnen bestrebt waren, nun- mehr fragen, in welchem Zustande sich denn eigentlich der riesige Ball befindet, in welchem wir den Regulator alles planetarischen Lebens erkennen, so haben wir auf zwei sich zunächst noch gegenüberstehende Ansichten Rücksicht zu nehmen, zwischen welchen jedoch eine Kon- kordanz nicht unmöglich erscheint. Nach Zöllner ist, wie wir sahen, ein grosser T'heil des Sonnenkörpers, ganz wie es bei dessen Grösse die Nebulartheorie fordert, noch heute im gluthflüssigen Zustande, wenn auch die dem Mittelpunkte näher gelegenen Partieen durch hohen Druck bereits bis zu einem gewissen Grade verfestigt sein können. Dann hat der alte Kant Recht, wenn er [69] behauptet, die Sonne sei ein wirklich flammender Körper und nicht blos eine er- hitzte Masse glühender Materie; man darf den von den Physikern des ausgehenden XVIII. und beginnenden XIX. Jahrhunderts für eine Ungeheuerlichkeit**) erklärten Satz aussprechen : Die Sonne brennt [71]. Unter dieser Voraussetzung hat v. d. Gröben’s Versuch, die Perio- dieität der Sonnenflecke zu erklären, Manches für sich [72]. Mit *) Anhangsweise gedenken wir hier einiger Resultate, welche Secchi für die Frequenz der wichtigeren solaren Phänomene und den gegenwärtigen Zustand der Sonne aus einer längeren Beobachtungsreihe gezogen hat [68]. Auf Grund von 55 Rotationen stellte er Tabellen her, welche die Flecke u. s. w. nach Gruppen- zahl und Areal vorführen. Die tägliche Frequenz der Protuberanzen war — wenigstens nach 1875 — im Abnehmen begriffen und näherte sich einem Mini- mum. Wenn die grossen Flecke aufhören, so hören allmählich auch die Erup- tionen auf. Die mittlere Höhe der Protuberanzen, nach der Breite geordnet, blieb sich wesentlich gleich, wogegen die Anzahl der verhältnissmässig hohen Pro- tuberanzen sich verminderte. Beträchliche Veränderungen traten in der Ver- theilung der Fackeln ein; so sind dieselben während des betrachteten Zeitraumes z. B. aus der Nähe der Pole, wo sie früher förmliche Kronen bildeten, ganz ver- schwunden und haben sich auf das Dominium der Flecke und Protuberanzen be- schränkt, bei denen gleichfalls eine Tendenz zur Bewegung nach dem Aegquator hin vorwaltete. Secchi schliesst daraus, was ja auch mit den von Wolf er- mittelten Thatsachen im Einklange steht, dass die Sonnenthätigkeit jeweils aus einem Maximum einem Minimum und wieder aus einem Minimum einem Maxi- mum zustrebt. **) Man denke z. B. an das, was im Jahre 1788 der Berliner Professor E. G. Fischer, der Lehrer der Gebrüder Humboldt, an seinen mathematischen Freund J. F. Pfaff in Helmstedt schreibt [70]: „Silberschlag hat kürzlich in der Akademie der Wissenschaften Vorlesungen über die Sonne gehalten. Das Resultat seiner vermeintlich unwidersprechlichen Gründe ist kürzlich dieses: Die Sonne ist ein wirkliches, wahres Küchenfeuer, und die Flecke derselben sind Rauchwolken und grosse Russhaufen.“ Der ganze Brief ist von bitterster Ironie durchzogen. ö > | IL,$.8. Allgemeines üb. d. Beschaffenheit u. Temperatur d. Sonnenkörpers. 65 Zugrundelegung der Zöllner’schen Ansichten wird die von Bunsen gegebene Erklärung der Geysir-Quellen auf die Sonnenoberfläche über- tragen. Den intermittirenden Entladungen dieser Heisswasserbrunnen entsprechend müssen auch auf jener Zeiten der Ruhe und der siedenden Aufwallung einander folgen, und zwar findet dieses Sieden in der Tiefe da seine Grenze, wo die Differenzen zwischen der wahren und der Siede- temperatur zu gross zu werden beginnen, als dass der Gleichgewichts- zustand durch vorübergehende Druckerleichterungen und Erniedrigungen der Siedewärme noch gestört werden könnte [73]. R. Wolf be- urtheilt diesen Erklärungsversuch, der freilich noch einen ausgesprochen hypothetischen Anstrich hat, keineswegs ungünstig |74]. Andererseits hat Duponchel die elfjährige Fleckenperiode durch die Einwirkung des Jupiter auf die Sonne und die Anomalieen durch den störenden Einfluss der oberen Planeten in ihrer Gesammtheit zu erklären ge- sucht [75], dabei aber, wie ihm Wolf nachweist, das Zahlenmaterial unrichtig verwerthet [76]. Dem gleichen Gewährsmann entnehmen wir die Nachricht, dass Wigard in einer noch ungedruckten Arbeit mit mehr Erfolg eine Art von Ebbe und Fluth auf der ‘Sonne in Folge der wechselseitigen Stellungen von Erde, Venus und Jupiter wahr- scheinlich gemacht hat [77], und wirklich coineidiren 13 synodische Umläufe der Venus sehr nahe mit 19 Revolutionen des Jupiter und zugleich mit dem Doppelten der Sonnenfleckenperiode.e Loomis und Cornelius |78] hatten schon früher die Frage aufgeworfen, ob nicht vielleicht magnetische Kräfte, von den Planeten auf die Sonne aus- geübt, für die kleinen periodischen Schwankungen der Fleckenkurven verantwortlich zu machen wären. — Welcher Auffassung man aber auch beipflichten mag, stets wird man, wenn man die Sonne als flüs- sigen und damit durch eine Menge der verschiedensten Agentien be- einflussten Körper betrachtet, die Existenz nicht blos einer einzigen, sondern einer mehrfachen Periode muthmassen müssen. R. Wolf's nach dieser Richtung hin angestellte Untersuchungen haben für’s Erste allerdings kein Ergebniss geliefert |79], allein in der Fortsetzung seiner Arbeit scheint auch er die Möglichkeit längerer Perioden — darunter einer solchen von ungefähr 170 Jahren — zugeben zu wollen [80]. In scheinbar striktem Gegensatze zu Zöllner spricht sich A. Ritter, dessen umfängliche Studien über die Aggregatzustände der Himmelskörper wir bereits im vorigen Kapitel ($. 6) zu citiren hatten, dahin aus [81], dass das Innere der Sonne wahrscheinlich aus einem einatomigen Gase bestehe, welches als Dissociationsprodukt der kon- stituirrenden Gase gewissermassen den Urstoff repräsentirt; nur eine verhältnissmässig dünne und als Atmosphäre aufzufassende Ober- flächenschicht würde nicht unter diese Bestimmung fallen [82], weil eben die Spektralanalyse in dieser Schicht bereits das Vorhandensein getrennter Materien nachwies. Wer die Betrachtungen nachliest, welche im zweiten Kapitel der dritten Abtheilung über die Beschaffenheit des Erdinneren angestellt werden, findet vielleicht, dass Zöllner’s und Ritter’s Anschauungen durchaus nicht so unvereinbar sind, wie man auf den ersten Blick glauben könnte. Ueber die 'Temperaturverhältnisse auf der Sonne wissen wir im Ganzen wenig. Nach Zöllner [83] herrscht daselbst an der Ober- Günther, Geophysik. I. Band. 5 66 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. fläche eine Hitze von 26000°—29000°, Young enthält sich, eine be- stimmte Zahl namhaft zu machen, und hält nur dafür, die Wärme auf der Sonne müsse eine viel intensivere sein, als jene des elektrischen Kohlenlichtes [84]. Secchi schätzt die Temperatur sogar auf mehrere Millionen von Graden [85]. Langley und Spörer fanden mittelst der Thermosäule, dass der Kern eines Fleckes immer noch 2% der Wärme aussendet, wie die helle Umgebung [86]. Die gewöhnlichen aktinometrischen Messungen verdienen, wie Soret |87] hervorhebt, wenig Vertrauen, da die Berechnung der ersteren mit Hülfe der von Dulong und A. T. Petit aufgestellten Formel (T die Temperatur der Wärmequelle, t diejenige der Thermometerkugel des met ee ® die konstante Temperatur der Umgebung) 1,0077' 188960 erfolgen muss, welche nur in dem Bereiche zwischen 0° und 300° strenge gültig ist. Dass auf der Sonne eine die höchste auf der Erde erzielbare Verbrennungswärme weit übersteigende 'Temperatur herr- schen muss, unterliegt keinem Zweifel; wie viel tausend Grade sie aber höher sein mag, das entzieht sich unserer Entscheidung. 1,0077: — 1,00779 — S. 9. Die Planeten. Die physische Erdkunde nimmt als solche an den Planeten nur insoweit ein direktes Interesse, als das Studium von deren Oberflächenbeschaffenheit und kosmischem Charakter auch für die bessere Kenntniss des Schwesterplaneten Erde nützlich er- scheint. Hierher gehört in erster Linie Mars, in zweiter Venus, und diesen beiden Himmelskörpern ward denn auch in Verbindung mit dem allein hier in Frage kommenden Nebenplaneten, dem Erdmond, ein besonderes Kapitel gewidmet. Die Anzahl der uns bekannten Planeten ist zur Zeit 238. Die Abstände derselben von der Sonne entsprechen nur sehr nothdürftig dem sogenannten Titius-Bode’schen Gesetze, selbst mit der von Wurm daran angebrachten Verbesserung [88]. Wenn die Entfernung des Merkur vom Sonnenmittelpunkte gleich 4 gesetzt wird, so sollen den Bahnradien von Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn die Zahl- werthe 442°.3—=17; 4421.3—=10; 4+2°.3=16; 442°. 3—52; 442°. 3= 100 entsprechen — eine Reihe, der freilich nach Gauss’ Einwurf das Anfangsglied fehlt, welches nicht 4, sondern 4-4 2°.3=5,5 sein müsste [89]. Immerhin trifft das Fortschreitungsgesetz auch für Uranus und Neptun so leidlich zu, dass Leverrier seiner Errechnung des unbekannten transuranischen Planeten eine der W urm’schen Reihe angepasste grosse Halbaxe zu Grunde legen durfte, und auch für die Auffindung der Planetoiden erwies sich diese Reihe sehr nützlich, in- dem das fehlende Glied 442°. 3—=28 eine Lücke in unserem Planeten- systeme aufzeigte, deren Vorhandensein höchstens ein Naturphilosoph wie Hegel in einer höchst sonderbaren Schrift leugnen konnte [90]. „Und der ‘Bauherr sollte diesen Raum leer gelassen haben ?* rief Titius [91] aus. Ob zwischen Merkur und Sonne noch ein Planet die Sonne um- kreist, wie Leverrier aus gewissen Störungen der Merkurbahn schliessen zu müssen geglaubt hatte, ist trotz der sorgfältigen Nach- II, $. 9. Die Planeten. 67 suchungen Herrick’s und trotz der angeblichen Entdeckung Les- carbault’s noch immer fraglich, wo nicht unwahrscheinlich; man vergleiche hiezu die sehr umsichtige Zusammenstellung Haase’s [92]. Auf Merkur folgt bekanntlich Venus *), dieser schliesst sich die Erde mit ihrem Monde, dieser wiederum der von zwei Satelliten begleitete Mars an. Die (s. 0.) von den Teleologen des vorigen Jahrhunderts geahnte Oeffnung zwischen Mars und Jupiter ist nunmehr durch die sogenannten Planetoiden oder kleinen Planeten ausgefüllt, um deren Entdeckung sich nach und nach Piazzi (1800), Olbers, Harding, Hencke, Chacornac, Luther, De Gasparis, H. Goldschmidt, Hind und neuerdings besonders Palisa verdient gemacht haben. Ihre Zahl belief sich im September 1832, nach dem neuesten Funde De Ball’s, auf 230, für welche es neuerdings der sonst unerschöpf- lichen griechisch-römisch-altnordischen Mythologie kaum mehr die nö- thigen Namen abzuringen giebt |94|. Die Olbers-Kirkwood’sche Hypothese, dass diese kleinen Körperchen, deren Grösse nicht mehr zu messen, sondern meist nur durch eine beiläufige photometrische Schätzung zu ermitteln ist, durch Zerspringen eines grösseren Planeten entstanden seien, billigen wir nicht, vielmehr scheint uns die Nebular- theorie eine plausiblere Entstehung derselben zu ermöglichen [95], und mit letzterer scheint sich auch besser das von D’Arrest |96] formulirte Gesetz zu vertragen, dass nämlich jede Bahn eines dieser „Taschen- planeten“, wie sich A. v. Humboldt ausdrückte, in jede andere ein- greift. Eine neuerdings (s. 0.) von der k. dänischen Akademie aus- seschriebene Konkurrenzarbeit verspricht über manche dunkle Punkte, die unsere Kenntniss des Planetoidengürtels entstellen, Licht zu ver- breiten”*). — Als obere Planeten bezeichnet man Jupiter, Saturn, Ura- nus und Neptun. Den ersteren umgeben vier, den zweiten acht Trabanten |97] nebst einem mehrfach getheilten Ringe, dem Uranus dürfen, im Gegensatze zu älteren Nachrichten, nur vier Monde zugeschrieben werden [98], und Neptun endlich scheint sich mit einem einzigen Be- gleiter ***) begnügen zu müssen. Der Saturnsring ist allem Vermuthen nach keine konsistente Masse, sondern nur ein Konglomerat von Einzel- körperchen; die Trennungslinien haben sich einer von W. Meyer aufgestellten Hypothese zufolge unter dem attraktiven Einflusse der Saturnsmonde gebildet. Man halte mit dieser Annahme das zusammen, was soeben über den Planetoidenring ausgesagt wurde. *) Der phantasievolle Kepler nahm in seiner Erstlingsschrift keinen An- stand [93], je einen Planeten zwischen Mars und Jupiter und auch zwischen Mer- kur und Venus einzusetzen, die uns nur ihrer Lichtschwäche halber noch nicht zu Gesichte gekommen wären. *%) „Die Akademie wünscht eine statistische Untersuchung der Bahnen der kleinen Planeten, indem dieselben als Theile eines Ringes um die Sonne be- trachtet werden. Gestalt und Lage des Ringes und die relative Massenvertheilung müssen wenigstens soweit bestimmt werden, als es nothwendig ist, um die Stö- rungen zu berechnen, welche dieser Ring auf die Planeten und Kometen aus- üben kann.“ #**) Newcomb bemerkt hiezu [99]: „Lassell, der mit seinen grossen Re- tlektoren den Planeten in Malta wie in England häufig beobachtet hat, glaubte anfangs einen Ring oder dem ähnliches Anhängsel wahrzunehmen; indessen haben spätere, unter günstigeren Bedingungen angestellte Beobachtungen nichts Der- artiges zu erkennen gegeben.“ 68 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. Ueber die Planetenspektra hat H. Vogel eine vortreffliche Schrift geschrieben: [100], aus welcher die folgenden Angaben entlehnt sind. Die Spektra fast sämmtlicher Planeten enthalten neben den bekannten Linien des Sonnenlichtes auch solche, welche nur bei sehr tiefem Sonnen- stande wahrzunehmen und deshalb unserer Atmosphäre zuzuschreiben sind; somit scheinen alle diese Planeten auch eine Atmosphäre zu be- sitzen. Die Merkuratmosphäre in ihrem gewöhnlichen Zustande ähnelt unserer Lufthülle dann, wenn diese letztere eben die erwähnte absor- birende Wirkung im Maximum zeigt. Auch Venus weist die irdischen Absorptionsstreifen auf, und zwar scheint ihre Lufthülle reich an Wasserdämpfen zu sein und eine starke Reflexionskraft gegenüber den Sonnenstrahlen zu haben. Wenig verschieden verhält sich Mars, dessen rothe Färbung auf eine starke und allgemeine Absorption der blauen und violetten Strahlen zurückgeführt werden dürfte, indem an dem betreffenden Ende des Spektrums keine gesonderten Absorptionsstreifen auftreten. Von den lichtschwächsten Planetoiden ist wenig zu berichten, doch sind bei dem hellsten Mitglied der Gruppe, bei Vesta, Andeu- tungen einer Atmosphäre vorhanden. Beim Jupitersspektrum treten zu den Sonnenlinien im helleren Ende einige dunkle Streifen hinzu, während Blau und Violett abgeschwächt erscheint, was auf die An- wesenheit von Wasserdämpfen schliessen lässt. Ein eigenthümlicher Streifen im Roth kann von einer dem grossen Planeten eigenthümlichen Substanz, möglicherweise aber auch von besonderen Druck- und Wärme- verhältnissen herrühren; im Uebrigien gilt betreffs der rothen Färbung für Jupiter dasselbe, wie für Mars. Sonderbar ist der Unterschied in den Spektren des Saturn und seines Ringes; ersteres nämlich enthält eine dem Jupiterstreifen analoge atmosphärische Linie, während letz- teres derselben ermangelt, was auf eine dichte umhüllende Gasschicht hindeutet. Vom Uranus kennt man zur Zeit mit Gewissheit blos fünf Streifen. Die grössten Unterschiede gegen das solare weist das Neptun- spektrum auf, in welchem einige breite Absorptionsbänder auftreten. — Im Wesentlichen deckt sich das Facit der spektralanalytischen Forschung mit den aus der Kant-Laplace’schen Theorie gezogenen Folgerungen. Die oberen Planeten sind im Erkaltungsprocesse noch weniger weit vorgeschritten, als die unteren, ihr Gefüge ist ein lockeres, vielleicht dem tropfbar-Hüssigen Aggregatzustande nahekommendes, ausgedehnte Atmosphären umgeben jede Planetenkugel. Namentlich für Saturn und Saturnsring ist eine noch andauernde Gluthflüssigkeit sehr wahr- scheinlich geworden, wie denn neueren Beobachtern (Webb, Airy, Coleridge) der Körper des Planeten im stark vergrössernden Fern- rohr nicht als Kreis oder Ellipse, sondern als Quadrat mit abgerundeten Ecken sich dargestellt haben soll [101]. Als Vergleichsobjekt für die irdische Meteorologie kann vielleicht das eigenartige Farbenspiel mit der Zeit werthvoll werden, welches die dicke, wolken- und dampfreiche Atmosphäre Jupiters aufweist. „Deit 1878 ist in dessen südlicher Hemisphäre ein grosser, fast ovaler, von hellem Rande umgebener und auffallend stark roth gefärbter Fleck beobachtet worden, der allmählichen Veränderungen unterworfen ist“ [102]. Die umfassendste Untersuchung über diese Wolkenbildung hat W olfer [103] angestellt, er findet, wie R. Wolf mittheilt [104], dass der zur Zeit sehr schwer erkennbare Fleck nicht wirklich im Verschwinden Ten un a Zu u rn lt br 3 A a as Ark ihn. u ne nn “u 1 II. $. 10. Die Kometen. 69 begriffen, sondern nur — was auch Lohse annimmt — durch darüber- lagernde anderweite Luftgebilde unkenntlich gemacht sei. Ss. 10. Die Kometen. Mit diesem Namen bezeichnen wir die nicht zu den vollbürtigen Bürgern unseres Sonnensystemes gehörigen Wandelsterne, die ihren Namen Schweif- oder Haarsterne meisten- theils mit grossem Rechte tragen, wiewohl mancher von ihnen dieses Anhanges gänzlich entbehrt. Man hat lange gebraucht, bis man diese sonderbaren Körper unter dem astronomischen Gesichtspunkte betrach- tete, obwohl schon die Chaldäer auf dem richtigeren Wege waren [105], und auch die chinesischen Geschichtschreiber, vorab Ma-twan-lin, die Erscheinungen der Kometen Jahrhunderte hindurch mit solcher Treue registrirten, dass Williams |106] durch Zusammenstellung dieser Notate den rechnenden Astronomen eine werthvolle Hülfe für kometarische Bahnbestimmungen bieten konnte. Den Griechen waren die Kometen gleichgültig, der ptolemaeische Almagest thut ihrer nicht einmal Erwähnung. Dagegen reizten sie den Klassıfikationstrieb des älteren Plinius, der aus ihnen nach freilich recht äusserlichen Merk- malen neun Hauptkategorieen zusammenstellte, den eigentlichen Haar- stern (Xowitns, erinita), den Pogonias (Bartstern), Akontias (Wurf- speer), Xiphias (schwertförmigen Stern), den runden Disceus, den fassförmigen Pitheus, das Horn (Ceratias), die Fackel (Lampadias) und den mähnenförmigen Stern; „fit et candidus cometes“, fährt er fort [107], „argenteo crine, ita refulgens, ut vix contueri liceat ... Fiunt et hirti villorum specie, et nube aliqua circumdati.* Ungleich höher als sein vielbelesener Zeitgenosse steht der Philosoph Seneca da, der in merkwürdiger Vorahnung die Kometen für Konglomerate unzähliger kleiner Körperchen („stellae erraticae“) erklärt, welche sich in sehr langgestreckten Bahnen bewegten und nur wegen dieser Länge ihrer Umlaufszeit noch nicht als den Planeten gleichwerthig erkannt worden seien [108]. Während des Mittelalters blühte der Kometenaberglaube; dann aber entwarf Regiomontan |109] mit sicherer Hand die Grund- linien eines mathematischen Systemes zur genauen Bestimmung der Kometenörter; Peter Apian verfolgte ausdauernd den Weg dieser Fremdlinge am Himmelsgewölbe, und er, wie schon früher der Italiener Fracastor[110], überzeugte sich auch von dem merkwürdigen Umstande, dass bei jeder Stellung des Gestirnes die Schweifaxe in ihrer Verlängerung über den Kopf des Kometen hinaus durch die Sonne hindurchgehe [111]. Was die Bahn eines solchen Sternes anlangt, so dachte sich Apian dieselbe kreisförmig, Cysatus und Kepler waren für die gerade Linie; Borelli und ein halb mythischer Graf Henry Percy von Northumberland galten als diejenigen, welche zuerst den Kometen in einer Ellipse um die Sonne sich bewegen liessen [112]. Mindestens gleichzeitig mit Borelli erklärte sich der Jesuit P. Petit mit noch grösserer Bestimmtheit für eine Kegelschnittbahn [113]. Des Hevelius Ausspruch, dass durch die jedem geradlinig bewegten Himmelskörper innewohnende Neigung nach der Sonne hin der Schweifstern in eine parabolische Bahn hineingerathe, war ein gelegentliches Apercu ohne eigentliche Begründung [114]; erst Dörffel kam, wie unlängst sein Biograph Reinhardt |115] im Detail nachwies, durch so folgerichtige und mit den Beobachtungen harmonirende Schlüsse zu einem analogen 70 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. Resultate, dass man in ihm den eigentlichen Entdecker des astronomi- schen Fundamentalsatzes zu verehren hat, die Sonne stehe im Brenn- punkt der parabolischen Kometenbahn. Newton gab hierauf [116] die von Olbers |117] ungemein vervollkommneten Vorschriften, aus drei geocentrischen Beobachtungen eine solche Bahn wirklich zu be- rechnen, und Halley machte davon die berühmte Anwendung auf den nach ihm benannten Kometen, bei dessen von Lalande, Clairaut und Madame Lepaute genau vorausbestimmter Wiederkehr im Jahre 1756 die Theorie ihre höchsten Triumphe feierte |118]. Seitdem hat man noch eine grössere Anzahl von Kometen kürzerer Umlaufszeit gefunden, unter welchen die nach ihren Entdeckern resp. Berechnern genannten Kometen von Brorsen, v. Biela, Faye und Encke die bekanntesten sind. Im Allgemeinen aber ist für einen neu aufgefun- denen Stern dieser Art die hyperbolische Bahn als die wahrscheinlichste anzunehmen, wennschon bequemeren Kalkuls halber meistentheils von der Parabel als einer ersten Näherung Gebrauch gemacht wird. Einen sehr vollständigen „Abriss einer Geschichte der Kometenerscheinungen“ hat Mädler |119] seiner populären Astronomie einverleibt. Die physische Beschaffenheit und die Art des Lichtes eines Ko- meten blieben so lange Gegenstand einer blos hypothetischen Erörterung, als man lediglich durch das Fernrohr zu diesen räthselhaften Welt- körpern in Beziehung zu treten vermochte. Arago bediente sich zu- erst des Polariskopes, und durch dasselbe ward konstatirt [120], dass der Komet zweierlei Licht aussendet, nämlich solches, das ihm eigen und solches, das solaren Ursprunges, von ihm aber reflektirt ist. Das Spektrum ist aus wenigen verwaschenen hellen Banden zusammenge- setzt und gestattet den allerdings nicht über jeden Zweifel erhabenen Schluss, dass die glühenden Gase einiger Kohlenstoffverbindungen den Hauptbestandtheil der Kometenmaterie ausmachen; nach Newceomb’s Ansicht dürfte eine zunächst nicht näher zu eruirende Verbindung fester und gasförmiger Stoffe vorherrschen. Dass das Gefüge dieser Wandelgestirne ein sehr wenig kompaktes ist, erhellt u. a. aus der wohlbekannten Thatsache, dass der Biela’sche Komet, einer von den periodisch wiederkehrenden, im Januar 1846 sich in zwei getrennte Kometen von ziemlich identischem Aussehen zertheilte, die das nächste- mal auch wirklich als Doppelkomet wieder erschienen. Die Sonne übt natürlich auf diese kosmischen Gewölke die mächtigsten Wirkungen aller Art aus, wie denn die Spektra bei verschiedenen Abständen des Kernes vom Centralkörper auch verschieden ausfallen. Im Kometen vollzieht sich, wie H. Vogel bemerkt hat |121], ein ganz ähnlicher Vorgang, wie bei den stark verdünnten Gasen der Geissler’schen Röhren, „wo bei gesteigerter elektrischer Intensität in dem Momente, wo die Spektra von Metalldämpfen erscheinen, die Spektra aller sonst vorhandenen Gase stark zurücktreten und in dem Maasse abnehmen, als die Intensität der Metallspektra zunimmt“. Auf die ungemein grosse Dünnheit der im Kerne — und also noch weit mehr im Schweife — vertheilten Materie lässt auch W. Meyer’s aus Beobachtungen und theoretischen Erwägungen gleichzeitig gezogene Angabe [122] schliessen, dass die Substanz, aus welcher der Kopf des Kometen III. von 1881 bestand, sich optisch wie ein Gas verhielt, dessen brechende Kraft in einer Entfernung von 10200 km vom Kerne gleich 0,0000093 wäre. EL E F S ei Sa I. $. 11. Aeltere und neuere Kometentheorieen. Ai Wir gehen sonach wohl nicht fehl, wenn wir, auch ohne zunächst von den eigentlichen Kometentheorieen Akt zu nehmen, einstweilen Fol- sendes feststellen: Die Schweifsterne sind lockere, grossentheils gas- förmige, kosmische Wolken, die an sich frei durch den Weltraum streifen und durch die übermächtige Anziehung eines Fixsternes, z. B. der Sonne, sei es vorübergehend, sei es dauernd, zum Verbleiben in dem Trabanteusystem dieses Oentralkörpers genöthigt werden. Ein Zusammenstoss des Kometenkernes mit unserer Erde ist, wie eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung lehrt, vernünftigerweise nicht zu be- fürchten, würde aber gegebenen Falles auch kaum zu solchen Kata- strophen führen können, wie sie Buffon (Kap. I, $.1) uns ausmalen ‚möchte. Vielleicht würde (s. $. 13) ein recht ergiebiger Sternschnuppen- fall die einzige Folge eines solchen Ereignisses sein, und Pogson ist sogar der Meinung, dass der am 27. November 1872 zu Madras beob- achtete Sternschnuppenregen auf den Durchgang unseres Planeten durch den Schweif des Kometen von Biela zurückgeführt werden müsse [123]. Schon Kant [124] stellte jede Gefahr in Abrede. S. 11. Aeltere und neuere Kometentheorieen. In diesem Para- graphen soll eine gedrängte Uebersicht über eine Anzahl von Kometen- theorieen gegeben werden. Dieselben haben theils nur unter dem ge- schichtlichen Gesichtspunkte und um deswillen Interesse, weil sie für die Gesammtanschauung ihrer Zeit charakteristisch sind, zum Theile auch bilden sie noch heute den Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. a) Peter Apian. Die Lehre dieses verdienten Kometenforschers ist vielfach, auch von Mädler [125], falsch verstanden worden. Der Erstere nimmt, getreu den Traditionen der aristotelischen Schulphysik an, dass irdische Dünste in die Elementarregion des Feuers empor- steigen, sich allda unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen entzünden und nun zu einem Feuermeteore zusammenballen [126]. Die Mond- bahn reisst dieses in ihrem Umschwung mit sich fort. Aehnliche Theorieen beherrschten noch das ganze XVI. Jahrhundert, und erst dann begann man sich von diesen loszusagen, als man erkannt hatte, dass ein Komet keine erkennbare Parallaxe besitze. Diesen Punkt besonders scharf betont zu haben, ist ein Verdienst von Peter Apian’s Sohn Philipp [127]. b) Kepler. Seinen freien Blick bethätigte der grosse deutsche Astronom besonders auch in seiner Auffassung der Kometen. Dess zum Zeugniss seien einige Sätze aus seinem deutsch geschriebenen Traktate über diese Himmelskörper *) [128] hier wörtlich wiederge- geben: „Von den Cometen ist diss mein einfältige Meynung, dass, wie es natürlich, dass aus jeder Erden ein Kraut wachse, auch ohne Saamen, und in jedem Wasser, sonderlich im weiten Meer, Fische wachsen und darinnen umbschweben, allermaassen sey es auch mit der himmlischen, überall durchgängigen und ledigen Lufft beschaffen, dass nemlich die- selbige diese Art habe, aus ihr selber die Cometen zu gebären.“ **)... *) Ursprünglich deutsch geschrieben, nachher erst in’s Lateinische über- tragen. **) Man bemerke die mancherlei Anklänge, die sich bei Kepler betreffs der Generatio aequivoca finden. 19 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. „Wann die Lufft etwa an einem Ort dick wird, also dass die Sonne und die Sterne ihre Straalen nicht wohl hindurch schiessen und auff Erden leuchten können, alsdann ist es Zeit, und bringt es dieser himm- lischen Lufft lebhafte Natur mit sich, dass solche dicke, feiste Materi gleichsam als in ein Apostem zusammengezogen und ihrer Natur nach erleuchtet und wie andere Sterne mit einer Bewegung begabt werde“... „Wann nun also ein durchsichtige, liechte Kugel oder Klumpff im Himmel schwebt, und die Sonne mit ihren rechtlinigen Straalen darauf trifft, denselben auch durchgehet, so haltt ich, dass solche Straalen etwas von der Materi der Cometenkugel mit sich davon führen und also den Cometen bleichen, waschen, saigern, durchtreiben und endlich gar ver- tilgen, inmaassen bei uns hier auf Erden die Sonne alle Farben aus leinen Tüchern vertilget, verzehret und vertreibet und sie also schnee- weiss machet.*“ Man braucht gerade nicht jedes Wort der Apotheose zu unterschreiben, welche Zöllner anlässlich dieser Sätze an die Manen Kepler’s richtet [129], um solche Anschauungen gleichwohl für höchst merkwürdig und über ihre Zeit sich erhebend zu erklären. Von Kepler’s unmittelbaren Zeitgenossen hat wohl nur der freisinnige Peiresc[130] die Richtigkeit derartig kühner Thesen zuzugeben gewagt. c) Hevel. Die Kometen gehen aus den Atmosphären der Planeten hervor, welche nur die gröberen Ausdünstungen dieser Himmelskörper zurückbehalten, die feineren aber aufsteigen lassen. Ballen sich die- selben auch noch innerhalb der Atmosphäre zusammen, so verlassen sie dieselbe doch und bewegen sich nach der Sonne hin, weil der dichte Körper angeblich mehr Neigung zur Bewegung habe, als der minder dichte — offenbar eine missverstandene aristotelische Reminiscenz. In- dem der so in der Entstehung begriffene Komet die Sphären anderer Planeten durchschneidet, zieht er mehr und mehr Ausdünstungsstoffe an sich; liegen mehrere Planeten in ein und derseiben Geraden, so ist die Kometenbildung erleichtert, wie verschiedene Conjunktionen gezeigt haben [131]. d) Jakob Bernoulli. Eine nicht uninteressante Theorie, besonders deshalb, weil sie den ernstgemeinten Versuch darstellt, den Aberglauben der Zeit mit der eigenen besseren Ueberzeugung durch ein Kompro- miss zu versöhnen. Kern und Schweif sind strenge von einander zu scheiden; der erstere ist ein Himmelskörper wie jeder andere und zwar Trabant eines weit entfernten transsaturnischen Planeten, der Schweif dagegen ist etwas der natürlichen Erkenntniss entzogenes, an welchem sich astrologische Deutungskunst beliebig versuchen kann. Mit Wolf [132] halten wir dafür, dass die betreffende Schrift Ber- noulli’s [133] einen Fortschritt signalisirte — freilich nicht gegenüber den Ideen Kepler’s, wohl aber gegenüber denen von hundert anderen Fachmännern. e) Newton. Die Kometen sind feste und dauerhafte Körper, denn wären sie diess nicht, so müssten sie beim Durchgang durch das Perihel — Newton dachte besonders an den der Sonne ungeheuer nahe gekommenen Schweifstern von 1680 — sich verflüchtigen und könnten nicht aus den Sonnenstrahlen wieder zum Vorschein kommen [134]. Die Materie der Schweife dagegen ist dünn und fein und ent- fernt sich deshalb von der Sonne, weil sie noch zarter ist, als jene Materie, mit welcher der Weltraum in der Umgebung des Kometen — 2 2 Binz u 2 un ae II. $. 11. Aeltere und neuere Kometentheorieen. 73 erfüllt ist. So entfernt sich trotz der von der Erde ausgeübten An- ziehungskraft der Rauch von dieser. Indess wird Kepler’s Ansicht, nach welcher die Sonne durch ihre Strahlen läuternd auf die Kometen- stoffe wirkt, ausdrücklich als „nicht absurd“ bezeichnet [135]. In seiner ausführlichen Kritik aller bestehenden Kometentheorieen [136] hat Flaugergues auch speziell die Newton’sche als mit den Grund- sätzen der Physik in Widerspruch stehend zu erweisen versucht, indess ist sein Nachweis keineswegs tadelfrei. f) Piazzi. Diesem Astronomen zufolge [137] sind im Weltraum allüberall kleine materielle Punkte verstreut. Ein irgendwie entstan- denes Konglomerat aus diesen wirkt attraktiv auf die in der Nachbar- schaft schwebenden Partikeln, und es entsteht nach und nach eine Masse, dicht genug, um zugesandtes Licht nicht blos diffus zurück- werfen und zugleich eigenes Licht in zur Sichtbarkeit hinreichender Menge abgeben zu können. g) Herschel-Laplace. Eine von William Herschel [138] aut- gestellte und von Laplace [139] gebilligte Hypothese gipfelt darin, dass die Kometenmaterie nichts anderes sei, als diejenige kosmische Urmaterie, aus welcher heute noch die teleskopisch unzerlegbaren Nebelflecke bestehen, und aus welcher nach der Nebulartheorie auch alle Körper unseres Sonnensystemes hervorgegangen sind. Eine isolirte Masse dieser Art wird von der Sonnengravitation zum Beschreiben eines Kegelschnittes um den Üentralkörper gezwungen; ursprünglich sphärisch geballt, verlängert sich der wandernde Nebelfleck unter dem Einflusse der Sonnenstrahlen immer mehr in der der Sonne abge- wandten Richtung, ein Theil der Masse verliert sich in den Weltraum und diese — der Verdunstung terrestrischer Flüssigkeiten vergleich- bare — Verflüchtigung bringt es mit sich, dass ein Komet ein um so festeres Gefüge erlangt, je häufiger er bereits in seine Sonnennähe kam. Die Aehnlichkeit mit Newton’s Hypothese ist unverkennbar. h) J. W. H. Lehmann. Dieser berühmte astronomische Rechner ist der Begründer |140] der kometarischen Ebbe- und Fluth-Theorie. Die schweiflosen Kometen sollen den Planeten ähnlich sein und eine analog kurze Rotationsdauer besitzen, während die gewöhnlichen Schweif- sterne stets die nämliche Seite, wie der Mond der Erde, der Sonne zuwenden. Die den Kometen umgebende Materie ist mit einer ge- wissen Expansivkraft ausgestattet, und da an der der Sonne abgekehrten Seite des Kernes die Anziehungskraft geringer ist, so entsteht dort ein Uebermaass von Expansivkraft, und die Theilchen Authen nach dem am weitesten von der Sonne entfernten Punkte hin, der also als Ausgangs- punkt der Schweifbildung erscheint. Freilich bildet sich auf unserer Erde gleichzeitig auch die Nadirfluth, von welcher auf dem Kometen nach Lehmann nichts zu verspüren sein würde. i) Tyndall. Schon vor langer Zeit war der Gedanke gelegentlich aufgetaucht, dass ein Kometenschweif lediglich ein subjektiv-optisches Phänomen sei, in Wirklichkeit aber gar nicht existire; Cardanus erdachte ein Experiment zur Veranschaulichung des Vorganges, wie er ihn sich dachte, und De Laune suchte weitere Beweise in diesem Sinne beizubringen [141]. Auf ähnlicher Basis erwuchs die freilich von den.allermodernsten Theorieen der Experimentalphysik Gebrauch machende Kometenlehre von Tyndall [142]. Die Sonnenstrahlen 74 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. wirken chemisch zersetzend auf den ruhenden Aether, der wesentlich durch sehr fein vertheilte Kohlenwasserstoffdämpfe gebildet wird, und es treten dadurch Erscheinungen ein, wie sie Tyndall vorher in seinem Kabinet zur Darstellung gebracht hatte. Wurde nämlich ein Glasrohr mit Amylnitrit oder Allyljodid angefüllt und alsdann durch elektrisches Licht beleuchtet, so verdichteten sich die Dämpfe sofort und bildeten eine aktinische Wolke, indem zumal die Sonne ausser ihrer Licht- und Wärmeaktion auch noch eine spezifisch aktinische Wirkung ausübt. Mit solchen Wolken werden Kopf und Schweif des Kometen identificirt. Es hält schwer, sich den Weltraum von so selten vorkommenden Verbindungen angefüllt zu denken, wie es nach der Tyndall’schen Hypothese erforderlich ist, auch ist durchaus nicht ersichtlich, durch welches Hinderniss der Kern des Kometen die ka- lorischen Strahlen der Sonne soweit abzuhalten vermag, um den akti- nischen einen freien Platz für ihre 'Thätigkeit zu verschaffen. Nach der vernichtenden Kritik, die Zöllner [143] an dieser Hypothese geübt hat, ist an ein Verbleiben derselben auf der wissenschaftlichen Tages- ordnung nicht zu denken, und wir möchten sie auch nicht mit Leipoldt [144] als eine „der beiden wichtigsten der bisher aufgestellten Ko- metentheorieen“ bezeichnen. Ungleich beachtenswerther dünken uns besonders jene zu sein, von denen weiterhin in diesem Paragraphen die Rede sein wird. k) Schwedoff — v. Dellingshausen. Der genannte russische Mathe- matiker betritt einen neuen Weg in einer kleinen Schrift [145], von welcher wir hier allerdings nur durch die paraphrasirende Bearbeitung v. Dellingshausen’s [146] unterrichtet sind. Nach letzterem lautet Schwedoff’s Hauptsatz folgendermassen: „Die Kometenschweife sind Verdichtungswellen, welche durch die Bewegung des Kometenkernes in einem Widerstand leistenden Mittel angeregt und, von der Sonne oder von dem Kerne aus beleuchtet, für uns sichtbar werden. Nur der Kern ist also ein Körper im strengen Wortsinne; hierin ähnelt die vorgetragene Theorie der Tyndall’schen. Schwedoff hat seiner ersten Abhandlung eine weitere mit mathematischem Kommentar folgen lassen |147]|, indess findet v. Dellingshausen, die hierin enthaltene Definition des intraplanetaren Mediums verderbe wieder die vorher erzielten Erfolge [148]. Er selbst identificirt, um konsequenter zu sein, die Kometen mit den Wirbelatomen der englischen Naturphilosophen: „die Kometenschweife sind nur die Spur, welche die Wirbel hinter sich lassen, Wellenbewegungen des intraplanetaren Mittels, das theils noch selbstleuchtend, theils von der Sonne beschienen, für uns als heller Nebel sichtbar wird“ [149]. Eignet aber, diese Frage liesse sich wohl aufwerfen, diesen kosmischen „vortex atoms“ auch die an letzteren von Helmholtz nachgewiesene Eigenschaft der Unzerstörbarkeit? I) Zenker. Die Substanz des Kometenkernes ist in der Haupt- sache eine solche, dass sie durch Wärme verflüchtigt, durch Kälte wieder kondensirt werden kann [150]. Die Sonnenstrahlen lösen einen Theil der Substanz in Dämpfe auf, und der Rückstoss dieses sich ent- wickelnden und fortgeschleuderten Dampfes tritt als treibende Kraft auf. Die kleinen den Kometenkern begleitenden Massen, aus welchen auf der der Sonne zugekehrten Seite fortwährend Dämpfe entströmen, werden durch die Reaktion der Stosskraft wie Raketen, deren Aus- II, $. 12. Hypothesen, welche eine polare Kraft zu Hülfe nehmen. 75 strömungsöffnung der Sonne zugewandt wäre, von dieser fortgeschleu- dert. Diese Bewegung ist eine beschleunigte, und zwar muss die Beschleunigung zunehmen, so lange die einseitige Verdampfung statt- findet [151]. Zenker denkt sich jene Massen speziell als aus ge- frorenem Wasserdampf entstanden und nimmt somit an, dass die ein- seitige Erwärmung dieser Eisbälle eine repulsive Kraft in’s Leben rufen müsse; durch Rechnung sucht er darzuthun, dass für die Bälle die Wahrscheinlichkeit, grosse Geschwindigkeiten und damit auch grosse Entfernungen zu erreichen, mit ihrer Zahl und Dichtigkeit wachse [152]. m) v. Miller-Hauenfels. Mit der Schwedoff’schen und der Zenker’schen Hypothese hat die jetzt zu besprechende das gemein, dass ihr Urheber seine Imagination durch eingehende analytische Dis- kussion der angeregten Fragen vor Irrthümern zu bewahren suchte. Im Wesentlichen stützt sich derselbe auf die bereits von Rankine (s. o. Kap. I. $. 8) angenommene ideelle Grenzfläche des Weltraumes, an welcher eine Art von Gegendruck stattfinde, der zwar weit unter die Markirungsgrenze auch der allerempfindlichsten Manometer fiele, gleichwohl aber [153] „seine Aufgabe erfüllen und die Anhäufung atmosphärischer Hüllen um die solideren Weltkörper, sowie die An- sammlung selbstständiger Gasmassen im freien Weltraume möglich machen werde.* Durch Betrachtung der Druck- und Temperatur- verhältnisse isolirt im Raume schwebender Gasmassen von kugelförmiger “und sphäroidischer Gestalt werden dann auch die kometarischen For- men als solche erkannt, wie sie unter dem Gesammteinflusse der At- traktion, ‚, der Centrifugalkraft, des Mariotte-Gay-Lussac’schen Gesetzes und endlich jenes hypothetischen Bahndruckes aus einer solchen kosmischen Gasmasse sich ergeben müssen. Durch Studium der Niveau- linien geschweifter Kometen, welche mit den Isophoten oder Orts- kurven gleicher Lichtstärke einerlei sein sollen [154], glaubt v. Miller- Hauenfels auch die eigenthümlichen Wirbelbewegungen im Inneren der Kometenschweife der Erklärung zugänglich machen zu können [155]. Man wird seinem Systeme logische Anordnung der einzelnen Bestand- theile und konsequenten Aufbau nicht abstreiten können und nur be- dauern, dass dasselbe auf einer so wenig sicheren Prämisse, wie dem Gegendruck des Weltäthers, aufgebaut worden ist. S. 12. Hypothesen, welche eine polare Kraft zu Hülfe nehmen. Im Jahre 1744 erschien ein Komet von grossem Glanze, an dessen Kopfe eigenthümliche, fächerartige Ausströmungen bemerklich waren. Der Petersburger Akademiker Heinsius hat uns in einer besonderen, mit sehr schönen Darstellungen versehenen Schrift [156] eine genaue Beschreibung dieses Phänomenes geliefert. Neuerdings hat man Aehn- liches öfter am Kerne und an der Koma —- dem Scheitel der licht- erfüllten Parabel, als welche der Komet sich mehrentheils darstellt — beobachtet; von dem Halley’schen Kometen (1835) haben Bessel, von dem Donati’schen Kometen (1858) Bond und J. Schmidt Zeich- nungen in dem fraglichen Stadium entworfen, von welchen man sämmt- lich bei J. Müller [157] eine treffliche Reproduktion findet. Auch der Komet von 1881 gehört in diese Kategorie, und der dritten Auf- lage des Zöllner’schen Kometenwerkes sind zwei Stiche Weinek’s beigegeben, welche die charakteristischen Umbiegungen der vom Kerne 76 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. ausgehenden Strahlen sehr gut zum Ausdrucke bringen; bei diesem Kometen ist auch erstmalig eine photographische Aufnahme des Schweifes (durch Janssen) geglückt, so dass wir künftig auch von dieser Seite her neuen Aufschlüssen über die Strömungserscheinungen entgegen- sehen dürfen [158]. Theoretische Betrachtungen knüpften an diese Erscheinungen zuerst Olbers [159] und Bessel [160] an. Der letztere kommt auf Grund sorgfältigsten Beobachtungsmateriales zu dem Schlusse, dass eine Polarkraft nicht allein in den Kometen von 1744, 1811 und 1835 gewirkt habe, sondern dass dieselbe auch eine allgemeinere, wo nicht die allgemeine Eigenschaft sämmtlicher Kometen sei. „Die Pla- neten und die Kometen scheinen dadurch verschieden zu sein, dass in jenen die Schwerkraft, in diesen Polarkräfte die vorherrschenden sind.“ Welcher Art diese Anziehungs- und Abstossungskräfte sein möehten, liess Bessel in seiner bekannten vorsichtigen Art unentschieden, und an diesem Punkte war es eben, wo Zöllner einsetzte und in seinem bekannten Buche, dessen wir nun schon oftmals Erwähnung zu thun hatten, eine bestimmte Behauptung jenen früheren Andeutungen ge- genüberstellte.e Bezüglich der Annahme, dass die Kometen in erster Linie kosmische Gasmassen sind, die an sich mit der sehr niedrigen Temperatur des Weltraumes (vgl. $. 14) im Wärmegleichgewicht stehen, befindet sich Zöllner mit manchen unter den früheren Ko- metentheoretikern (s. o. $. 11) im Einklange, und auch darin befindet er sich auf gleicher Linie mit älteren Anschauungen, dass er einen solchen unregelmässig begrenzten Gasball, wenn derselbe in die Nähe eines Fixsternes — z. B. der Sonne — gelangt, einem Siede- und Verdampfungsprocess unterliegen lässt. Wie aber werden diese Dämpfe selbstleuchtend? Ueber diesen Punkt, auf welchen doch nach den Beobachtungen Arago’s mit dem Polariskop (s. o. $. 10) ungemein viel ankommt, sind sich frühere Forscher offenbar nicht genügend klar gewesen, und Zöllner hat deshalb, indem er an bekannte Sätze der Elektricitätslehre appellirte, eine entschieden vorhandene Lücke aus- gefüllt. ‚Versuche von Faraday, Riess, Abendroth u.a, diez.B. an Wasserfällen und Springbrunnen angestellt wurden, lehren uns, dass mit jeder Zerreissung von Flüssigkeitsmassen durch mechanische Ge- walt, mit jeder Zerstäubung und Dampfbildung das Auftreten aktiver (Reibungs-) Elektrieität verbunden ist. Denken wir uns, durch ähn- liche Vorgänge im Grossen bilde sich am Kern des Kometen ein Heerd irgendwie bezeichneter — sagen wir negativer — Elektricität, so wird dieselbe von der durch die Sonne gelieferten gleichnamigen also eben- falls negativen Elektricität abgestossen werden. Dass aber eine solche durch die mannigfachen Umbildungen an der Oberfläche des Sonnen- körpers in reichem Maasse geliefert werde, ist mindestens als höchst wahrscheinlich zu bezeichnen. Dieser Akt der polaren Abstossung erklärt somit Dreierlei gleichzeitig: das Leuchten der ausströmenden Theile, welches mit anderen bekannten elektrischen Glüherscheinungen ziemlich auf gleicher Stufe stehen würde, die Schweifentwickelung selbst, und endlich auch den Erfahrungssatz des alten Apian, dass der Schweif stets — oder besser gesagt, fast stets — eine von der Sonne abgewandte Richtung besitzt. Eine Reihe von Zenker gegen diese Theorie erhobener Einwendungen, worunter uns der schwerst- Sul 4 Zn a LE Ci a a Tulln Do Du nun. dei ln U 6 a ke m add nn Zn iz = es) mind m al ai hs nic m Dt ad Lu ne cn | | j 1I, $. 13. Die Meteorite. Far wiegende der zu sein scheint, dass die auf der Sonne vorhandenen Mengen der beiden ungleichnamigen Elektricitäten einander gleich sein müssen [161], hat Zöllner in einer umfänglichen Abhandlung [162] widerlegt, indem er sich betreffs der von ihm stipulirten elektrischen Fernewirkung des Centralkörpers auf mehrere seinen Ansichten günstige Forschungsresultate von Becquerel, G. Wiedemann und Hornstein [163] beruft. Eine nicht zu verachtende Stütze ist der elektrischen Kometentheorie später von Seiten des Engländers Crookes, des Er- finders des Radiometers, zu Theil geworden, der die Wahrnehmung machte, dass die wesentlichen chemischen ÜUharaktere der Moleküle auch bei den höchsten Verdünnungsgraden erhalten bleiben; diess hatte Zöllner schon früher behauptet und im Anschluss daran die An- wesenheit von Wasserstoff und Kohlenstoff im Kometenschweife für höchst wahrscheinlich erklärt. Beide Elemente sind von Huggins auch wirklich mit Hülfe des Spektroskopes herausgefunden worden [164]. Endlich hat Bredichin die Zöllner’schen Voraussetzungen und ins- besondere den Satz, dass die Repulsivkräfte der Sonne den spezifischen Gewichten der Schweiftheilchen umgekehrt proportional seien, durch mühevolle Rechnung auf Grund Bessel’scher Formeln bei einer Reihe von Kometentypen bestätigt gefunden [165]. Für diese Hypothese spricht auch noch der Umstand, dass sie zu den sofort zu erörternden verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Kometen und einer anderen Klasse von Himmelskörpern in keinerlei Widerspruch steht. Bredichin berechnet für den zweiten Kometen des Jahres 1882 eine etwa dreimal so rasche Bewegung der Schweiftheile als des Kernes und knüpft an dieses Ergebniss die Bemerkung [166]: „Voilä l’une des plusieurs raisons par lesquelles l’Etude serieuse des come£tes a dü conduire & l’admission de la force centrale repulsive (reelle ou appa- rente), dont la cause physique nous reste inconnue comme celle de Vattraction Newtonienne.* Nach Bredichin ist in vielen Fällen, abgesehen von dem durch Helligkeit und Schärfe ausgezeichneten Hauptschweif, der aus Kohlenwasserstofftheilchen besteht, ein innerer Schweif aus festerem Materiale zu unterscheiden; der sich der Sonne zuwendende Theil werde von Molekülen gebildet, welche selbst nur von den entfernteren und schneller bewegten mit fortgerissen würden, selbst jedoch keiner erkennbaren Abstossungskraft unterworfen zu sein schienen. $. 13. Die Meteorite. Dass Steine und metallische Körper vom Himmel auf die Erde fallen, war längst bekannt, ehe ein grosser Theil der Gelehrten die Thatsache zugestehen wollte. Im Jahre 467 v. Chr. schon konnte der Philosoph Anaxagoras ein solches Ereigniss bei Aigospotamoi am Hellespont konstatiren und (nach Plutarch) mit der Schnelligkeit des Himmelsumschwunges in Verbindung bringen. Sowohl das Alterthum, wie auch das Mittelalter erblickte in solchen Katastrophen ominöse Winke des Himmels und nahm daraus Anlass zu einer Art von Meteorkultus*), an den noch heute das musleminische *) Dieses Wort rührt her von dem Freiherrn v. Dalberg, dem Bruder des bekannten Fürsten Primas; der Erstere hat darüber eine eigene Monogra- phie [167] geschrieben. Auch der scythische Mythus „vom heiligen Golde“ soll nach A. v. Humboldt’s Meinung auf meteorische Metallmassen hindeuten. 78 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. Religionsheiligsthum, der schwarze Stein in der Kaaba zu Mekka, ge- mahnt. Im Jahre 823 sollen in Sachsen laut Klosterchroniken einige Dörfer durch fallende Steine angezündet worden sein [168], und aus dem Jahre 1366 (21. Oktober) wird uns von zwei ihrer gegenseitigen Unabhängigkeit wegen gewiss ganz vertrauenswürdigen Quellen, einer böhmischen und einer portugiesischen, ein ungeheurer Sternschnuppen- regen gemeldet [169]. Der 4. September 1511 brachte den furcht- baren Steinfall bei Crema in Oberitalien, den Petrus Martyr und Cardanus beschreiben, der die Luft verfinstert und selbst grössere Thiere erschlagen habe [170]; ja sogar einem Mönch soll derselbe den Tod gebracht haben. Wir unterlassen es, weitere Fakta dieser Art aus älterer Zeit anzuführen, verweisen vielmehr auf H. J. Klein’s sorgfältige Zusammenstellung aller darauf Bezug habenden Notizen [171] und wenden uns gleich der Neuzeit zu. Gestützt auf diese doch nicht sanz in das Reich der Fabeln zu verweisenden Angaben der Historiker und auf den weiteren Umstand, dass der Naturforscher Pallas eine Eisenmasse von sichtlich aussertellurischem Ursprunge aus Sibirien mit heimgebracht hatte, wagte es der Physiker Chladni [172], das Nieder- fallen von Meteorsteinen für eine wissenschaftlich unantastbare Wahr- heit zu erklären und zugleich diese .Gebilde mit den Sternschnuppen und Feuerkugeln ursächlich zu verknüpfen. Sein Wagniss wäre wohl kaum so gut gelungen, wenn nicht einige Zeit darauf der Meteorfall von Aigle, den eine Sachverständigenkommission unter J. Biot’s Leitung genau untersüchte, um mit Humboldt [173] zu reden, der „endemischen Zweifelsucht der Akademieen ein Ziel setzte“. Seit dieser Zeit haben die Meteorite erst ihr volles Bürgerrecht in der Wissenschaft er- langt, und man hat sich mehr und mehr daran gewöhnt, die Meteor- steine im engeren Sinne, die Sternschnuppen und Feuerkugeln im Geiste Chladni’s unter obigem Gesammtnamen zusammenzufassen. Man versteht darunter nämlich kleine im Weltraume frei sich bewe- sende Körper, welche beim Durchdringen der irdischen Lufthülle leuchtend werden und uns als schnell dahinschiessende Sternschnuppen, oder bei besonders hellem Glanze als Feuerkugeln erscheinen, schliess- lich aber als Meteorsteine zur Erde fallen. Nur ganz ausnahmsweise ist gegen diese jetzt allenthalben maassgebende Auffassung Wider- spruch erhoben worden, wovon später die Rede sein wird. Chemisch untersucht, zeigen sich diese aus dem Weltraume zu uns gelangten Körperchen als im“Wesentlichen aus den nämlichen Elementarstoffen zusammengesetzt, welche uns aus unserer Umgebung bereits bekannt sind. Nach G. Rose, dem man eine Reihe hoch- wichtiger Arbeiten über die Zusammensetzung und den mineralogischen Charakter der Meteormassen verdankt, kommen die nachstehend ge- nannten Mineralien so ziemlich in allen Individuen vor: Gediegenes, meteorisches Eisen mit Nickelgehalt, Tänit, Schreibersit (eine Ver- bindung von Phosphor, Nickel und Eisen), Rhabdit, Graphit, Troilit oder Einfachschwefeleisen, Magnetkies, Chromeisenerz, Quarz, Olivin, Shepardit, Augit und Anorthit*). Auf Grund dieses Befundes hat G. Rose eine Klassifikation der Meteorite zu liefern gesucht [174], *) Neuerdings sind als bisher unbekannte Körper der Celestialit und der Daubreelit dargestellt worden. NN SEND De ne ni a en en Yo. 4 ne II, $. 13. Die Meteorite. 79 welche jedoch nicht allen Anforderungen genügt und vielleicht besser durch diejenige des verdienten Experimentalgeologen Daubr&e ersetzt würde [175]. Dem ersteren Eintheilungsprineipe zufolge zerfallen die Meteorkörper in Eisenmeteorite und Steinmeteorite, deren Spezialcharakter durch das Wort schon gekennzeichnet erscheint; zur ersteren Klasse gehören 3, zur letzteren 7 Unterabtheilungen, indessen ist die Scheidung keine ganz scharfe, sondern der Mesosiderit, ein körniges Gemenge von Meteoreisen und Magnetkies mit Olivin und Augit, repräsentirt eine Uebergangsform. Ein trennendes Kriterium würden übrigens auch, wenn Wright Recht behält [176], die Gasein- schlüsse der Körper hergeben, indem die Eisenmeteorite Sauerstoff- verbindungen des Wasserstoffes und nicht, wie die Steinmeteorite, Sauer- stoffverbindungen des Kohlenstoffes in sich enthielten. Die Steinme- teorite, die in ihrer petrographischen Struktur die weitaus grössere Mannigfaltigkeit aufweisen, kommen als Individuen ungleich seltener vor; so sind z. B. nach Gümbel’s Zählung unter sämmtlichen inner- halb der Grenzen Bayerns niedergefallenen Meteoren nur fünf für die Steinmeteorite anzusprechen, während ein sechstes Exemplar, das in Würzburg existirte, den vorhandenen Beschreibungen nach wohl auch dahin zu zählen ist |177|. Daubre&e bildet nach dem spezifischen Gewicht (dasjenige des reinen Wassers = 1 gesetzt) die Gruppe der Sideriten (Holosideriten mit der Dichte 7 bis 8; Syssideren mit der Dichte 7,5 bis 8,5; Sporasideren mit der Dichte 3 bis 7, letztere wieder in Polysideren, Oligosideren und Kryptosideren zerfallend) und der Asideriten. Damit ist denn eine weit leichter erkennbare Scheidelinie gezogen, als durch Rose’s beide Kategorieen. Nickel und Magnetkies*) sind übrigens Stoffe, die fast durchgängig in allen Meteoriten angetroffen werden. Nicht minder ist für sie jene schwarze Schlackenkruste charakteristisch, welche sie ringsum in der Dicke von einigen Millimetern umschliesst und aller Wahrscheinlichkeit nach dem Oxydations- und Verbrennungsprocesse entstammt, welchem die mit oft rapider Schnelligkeit in die Erdatmosphäre eindringende Stern- schnuppe ausgesetzt und durch welchen auch die Lichterscheinung be- dingt ist. Eine überwiegende Anzahl dieser kleinen Metallbälle findet vermuthlich in der Luft auf diese Weise ihren Untergang; die Ver- brennungsprodukte gehen in der Atmosphäre auf. Auf Wahrschein- lichkeitsschlüsse gestützt haben Coulvier-Gravier und Newcomb die Zahl der an der oberen Luftgrenze sich entzündenden Meteorite, der eine zu 40 Millionen, der andere gar zu 146 Milliarden, berech- net [179], während es doch keinem Zweifel unterliegt, dass nur ein winziger Bruchtheil dieser Mengen die Erdoberfläche wirklich erreicht. — Etwas Auszeichnendes für viele Meteormassen, jedoch nicht für alle**), sind die sogenannten Widmanstätten’schen Figuren. Deren *) L. Smith hat festgestellt [178], dass die attraktive Kraft des Meteor- eisens wesentlich von den darin eingesprengten Quantitäten Nickel und Kobalt herrührt und nach Beseitigung derselben verschwindet. Das gewöhnliche, bei 110° getrocknete Eisenoxydhydrat ist noch schwach magnetisch und verliert die letzten Spuren von Magnetismus erst bei einer Temperatur von 400°. **) So berichtet der nämliche Forscher, dessen in der vorigen Randnote gedacht wurde, von einem in Amerika gefallenen Sideriten, der, obwohl aus 1) Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. Entdecker, Edler v. Widmanstätten, hat zwar selbst nichts über seine Beobachtungen veröffentlicht, wohl aber berichtet v. Schreibers [181], dass derselbe zuerst den glücklichen Einfall gehabt habe, ein- zelne Bruchflächen im Meteoreisen anzuschleifen, zu poliren und mit verdünnter Schwefelsäure zu behandeln, worauf dann geometrische Figuren in ziemlich verwickelter Zeichnung hervortraten. Für die krystallographische Untersuchung der Meteore und die mineralogische Orientirung ihrer Schnittflächen hat Bresina [182] diese Gebilde zu verwerthen gelehrt, und hiefür eignen sie sich weit besser, als zum Kennzeichen des Meteorcharakters einer Eisenmasse, wie denn leider untrügliche Kennzeichen überhaupt noch nicht aufgefunden sind. Selbst hervorragende Autoritäten haben bei diesen Bestimmungen Irrthümer nicht vermeiden können [183]. Die Bewegungsverhältnisse dieser neuen Art von Himmelskörpern hat man seit etwa 80 Jahren eingehend zu erforschen begonnen, nach- dem bereits der uns von den Kometen her bekannte Dörffel gegen das Ende des XVII. Jahrhunderts eine auf ganz richtige Grundsätze basirte Bahnbestimmung für eine Feuerkugel durchgeführt hatte [184]. Aus einer längeren Reihe von Korrespondenzbeobachtungen kann man, wie Brandes und Benzenberg in einer gemeinsam ausgearbeiteten Schrift darlegten [185], die Geschwindigkeit, die Bewegungsrichtung, sowie den Ort des Aufleuchtens und Verschwindens mit ziemlich grosser Genauigkeit ermitteln, und es kommt also wesentlich darauf an, viele und gute, womöglich auch synchrone Aufzeichnungen über den Gang einer Sternschnuppe am Himmel zur Verfügung zu haben, zu welchem Zweck nach Heis und Lehmann-Filh2s parallatisch montirte Ma- schinchen, die sogenannten Meteoroskope, dienen, mittelst deren Rektascension, Deklination und Positionswinkel für irgend einen Punkt der Meteorbahn unmittelbar zu erhalten sind [186]. Um den mathe- matischen Charakter der hier in Frage kommenden Aufgaben an einem allerdings sehr speziellen Falle, zu erläutern, sei auf Fig. 3 verwiesen, wo A und B auf der kugelförmigen Fig. 3. Erde (Mittelpunkt Ü) zwei unter dem | nämlichen Meridiane gelegene Orte von bekanntem DBreitenunterschied = . 5 RS SZ N ws, u NA ZIS en SRG EINE LEE an 4, ra w TIEREN en ER > Fe ee Des ie u at III, $.11. Der lun. Vulkanismus u. d. phys. Veränderungen d. Mondoberfläche. 119 Neison erheben sich die Berge im Durchschnitt von 900—1500 m, einzelne bis zu 2460 m, ja die Hochplateau’s erreichen sogar eine relative Höhe von 6150 m. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Unebenheiten im Relief der Mondoberfläche die reine Kugelform des Mondkörpers in weit höherem Maasse beeinträchtigen, als diess für die Erde der Fall ist. Unsere Fig. 6, die einer Schmidt’schen Skizze nachgebildet ist, sucht einen Ueberblick über die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der lunaren Gebirgswelt zu geben; sie stellt das vom Ringgebirge Campanus (oben in der Figur) ausgehende und am Hippalus vor- überstreichende Rillensystem dar und lässt einen Einblick in den so- zusagen unmotivirten Verlauf dieser Gebilde thun. Aber auch gewisse vulkanische Gegenden der Erde weisen Züge auf, die denen des Mondes geradezu verwandtschaftlich sind. Namentlich die Inseln des grünen Vorgebirges sind reich an Konglomeraten kleinerer Kraterkegel, deren Gesammteindruck derselbe ist, wie bei einer Mondlandschaft; HE BDA nn gu! 1! \ 7 N N =. I > = SEN FD \ IN Ss I IF: 7 DEE g LERRSELTE a e IE NZ : : ANEIIIN ZEER DS SITES AS, Fig. 7, eine-Reproduktion der zweiten Tafel in Dölter’s trefflicher Monographie jener Inselvulkane [131], mag zum besten Belege dienen. S. 11. Der lunare Vulkanismus und die physischen Veränderungen der Mondoberfläche. Ueber den Zusammenhang gewisser Gebirgsformen des Mondes mit der Aktion vulkanischer Kräfte kann wohl kein Zweifel mehr obwalten, wohl aber über die näheren Modalitäten der fraglichen Kraftäusserung. Das achte Kapitel des Werkes von Nasmyth und Carpenter ist wesentlich der Entwickelung einer neuen, speziell den lunaren Verhältnissen angepassten Theorie der vulkanischen Erschei- nungen gewidmet, welcher der Rezensent Leipoldt [132] nur eine bedingte Gültigkeit zugestehen kann. Da wir in der dritten Abtheilung dieses unseres Lehrbuches vom terrestrischen Vulkanismus des Näheren handeln müssen, so werden wir vorläufig nur jene Punkte berühren, welche eben nach der Meinung der englischen Selenographen eine Verschiedenheit zwischen Erde und Mond erkennen lassen. Dem Wasserdampf darf nach dieser Theorie so gut wie gar keine einflussreiche Rolle zugewiesen werden, so sehr auch die Vulkanforscher 129 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. gewohnt sind, ihn eine solche spielen zu sehen, denn der Mond besitzt ja nicht nur jetzt kein Wasser, sondern er hat auch in früheren Jahren nie mehr als eine minimale Quantität inne gehabt. Ein hinlänglich stichhaltiger Beweis scheint von Nasmyth und Carpenter für diese These freilich nicht erbracht worden zu sein. Die Basis der neuen Lehre ist von Letzteren schon im dritten Kapitel ihres Werkes [133] gelegt worden, und zwar ist sie wesentlich dieselbe, auf welcher auch die modernsten Theorieen der Gebirgsbildung beruhen. Die ursprüng- lich gluthflüssige Masse des Mondes erkaltete und zog sich zusammen, da aber mit der Erstarrung eine Ausdehnung der Körper eintrete, so sanken die Oberflächenstoffe nicht etwa in dem feurigen Brei unter, sondern um diesen herum bildete sich eine starre Kruste, welche von der darunter befindlichen Flüssigkeit, sobald deren obere Schichten dem Festwerden näher kamen, an vielen Stellen durchbrochen und: zer- rissen werden musste. Damals, als die beiden Briten schrieben, konnten sie sich zunächst nur auf Mallets bekannte Untersuchungen berufen, die allerdings noch nicht beweiskräftig genug waren und namentlich wegen ihrer Zuhülfenahme einer unbekannten mystischen Kraftwirkung („repellent force*) bei den Physikern nur sehr getheilten Beifall zu finden fähig sich zeigten [134]. Die neue, exakte Versuchsreihe, welche Nies und Winkelmann kürzlich publizirt haben [135], dient nun freilich der Mallet’schen Theorie zu einer so willkommenen Be- stätigung, wie sie kaum erwartet werden durfte. Beide Forscher konnten sich nur auf wenige Vorarbeiten von Reaumur, Marx u.a. stützen und fanden bei Durchmusterung der Literatur, dass noch kein Metall von Allen, die es geprüft hatten, im gleichen Sinne beurtheilt worden war; sie unterwarfen deshalb Zinn, Kupfer, Blei, Zink, Wis- muth, Kadmium, Antimon, Eisen, Silikate und gewisse Legirungen einer erneuten Prüfung. Da ergab denn [136] der Fundamentalversuch, dass, Blei und Kadmium ausgenommen, bei jedem Metalle der Ueber- sang vom flüssigen zum festen Zustande mit einer Ausdehnung ver- bunden ist, dass also das feste Metall ein geringeres spezifisches Ge- wicht besitzt, als das schmelzflüssige |136|. Was die Legirungen betraf, so ergab die auf gleiche Art angestellte Untersuchung weit weniger zuverlässige Resultate, indem ein als Gussstück aus der flüssigen Masse herausgehobener Bestandtheil nicht nothwendig mit jener eine gleichheitliche Zusammensetzung haben muss. Auch für die Silikate liegt noch keine endgültige Entscheidung vor, doch scheint auch für sie nach Lang eine Ausdehnung wahrscheinlicher zu sein, als die von Bischof behauptete Zusammenziehung, und somit ist der landläufigen Theorie, dass der Kern eines ursprünglich gluthflüssigen Weltkörpers fest sein müsse, eine kräftige Stütze entzogen [137]. Von dieser Seite her hat somit die Nasmyth-Carpenter’sche Theorie, zu der sich im: Wesentlichen auch H. J. Klein [133] bekennt, keine bedenkliche Gegnerschaft zu erwarten, wohl aber darf man einwerfen, dass durch ein blosses Emportreiben feuriger Massen allenfalls die Bildung eines homogenen Vulkanes, nicht jedoch die eines zerrissenen Kraters leicht zu erklären sei. Auch mit der Erosionsthätigkeit der Lavaströme wird sich nicht Jedermann befreunden können. Betreffs der Art und Weise, wie man sich den angedeuteten An- schauungen gemäss die Entstehung eines Mondvulkanes zu denken II, $.11. Der lun. Vulkanismus u. d.phys. Veränderungen d. Mondoberfläche. 12] habe, sei auf Fig. 8 verwiesen. Ü stellt in allen vier Fällen das im flüssigen Gluthzustande befindliche Innere des Mondes dar, B eine zu- nächst anliegende, von vertikalen Kanälen durchsetzte Schicht der Kruste, in welcher die durch die horizontalen Pfeile versinnlichten Spannungen herrschen, A endlich eine oberflächliche Schicht. Durch die Zusammenziehung der tiefer liegenden Flüssigkeitsmasse entstehen Runzelungen der äusseren Kruste, die in Fig. 8, I blos zu einer wellen- förmigen Falte geführt haben, unter welcher sich ein Hohlraum bildete. Erfolgte die Faltung energischer, so ergab sich ein Bruch (Fig. 8, II), aus welchem auch eine theilweise Verschiebung und Ueberschiebung der Ränder (Fig. 8, III) resultiren konnte. Traf es sich nun endlich so, dass der in Fig. 8, II dargestellte Riss gerade der Oeffnung einer mit dem Inneren kommunicirenden Spalte gegenüber erfolgte, so schob sich ein Theil des Gluthbreis in den Hohlraum vor, füllte, wie man aus Fig. 8, IV ersehen kann, zunächst diesen aus und drang aus ihm durch die Bruchstelle an die Aussenseite empor, wo sich eine glockenförmige EM Fig. 8. T > NS U ER ER as N, Z / NN \y Ss ie rn Mi U), 2 or > \ en:..! ! io a u an einen Aufschüttung mineralischer Stoffe bildete, die natürlich bald erstarrte. Im Grossen und Ganzen kann dieser Theorie eine gewisse Berechtigung wohl nicht abgesprochen werden, nur glauben wir daran festhalten zu müssen, dass das zerklüftete Aussehen der Mondvulkane nicht durch- weg mit ersterer harmonirt. Originell darf auch die vulkanistische Erklärungsweise genannt werden, welche Nasmyth und Carpenter [139] für die sogenannter Strahlensysteme geben, helle Striche, die von einzelnen grösseren Kratern radial nach allen Seiten hin auslaufen und oft über 1000 km weit sich erstrecken. Namentlich bei dem grossen Gebirge Tycho ist dieses Radialsystem derart ausgebildet, dass es auf einer kleineren Mondkarte völlig den Eindruck einer Schaar von Meridianen erweckt, die in dem Pole einer künstlichen Himmelskugel zusammenlaufen. Wenn man nunim Laboratorium eine hohle und mit Wasser gefüllte Glas- kugel zum Zerspringen bringt, indem man sie dem Gefrieren aussetzt*), *) Man erinnere sich, dass Wasser seine Maximaldichte bei 4° erreicht und somit im Momente des Gefrierens sich energisch ausdehnt. Näheres darüber bringt die Lehre vom Gletschereis. 123 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. so zerspringt die Kugel nur selten in mehrere getrennte Stücke, sondern von einem bestimmten Punkte des geringsten Widerstandes aus strahlen die entstehenden Risse nach allen Seiten aus, und ähnlich soll der Process auch auf dem Monde sich vollzogen haben. Zwischen den mysteriösen Rillen und den soeben geschilderten Strahlensystemen statuiren die englischen Naturforscher eine gewisse Verwandtschaft. Jedenfalls scheint die Erklärung, welche die Strahlen mit Sprüngen der sich zusammenziehenden Mondkruste identificirt, sich besser den Thatsachen anzuschmiegen, als die von Lamey [140] gegebene. Der- selbe hält nämlich dafür, dass bei heftigen Gasausbrüchen aus der Tiefe geschmolzene Massen in Fülle mit emporgerissen würden, die alsdann nach allen Seiten hin niederfielen; dadurch erklärten sich die häufigen, in weisslichem Glanze schimmernden Unterbrechungen und die auffälligen Verschiedenheiten in der Lichtstärke. Allein die un- geheure Ausdehnung einzelner Strahlen lässt sich mit dieser Ent- stehungshypothese nicht vereinigen. Wenn frühere Forscher über die vulkanischen Ereignisse auf dem Monde debattirten, so litten sie immer unter dem ungünstigen Er- fahrungsmaterial, über welches allein zu verfügen war. Eine der lehr- reichsten Abhandlungen über den Gegenstand ist diejenige Kant’s „Ueber die Vulkane im Monde“ [141]. Wir ersehen aus derselben, dass Don Ulloa’s Nachricht über ein ven jenseits erleuchtetes Loch, das er in der Mondkugel wahrgenommen haben wollte [142], damals viel Staub aufwirbelte, dass.man die freilich nur halb geglaubte Notiz mit Vulkanen in Verbindung brachte und vielfach erfreut war, durch W. Herschel’s Beobachtung vom 4. Mai 1783 endlich einen wirklichen Beweis für die Existenz thätiger feuerspeiender Berge auf unserem 'Irabanten beigebracht zu sehen. Aepinus, Beccaria und Lichtenberg sprachen sich in diesem Sinne aus, nur Kant selbst blieb Skeptiker und wandte sich insbesondere gegen Beccaria’s Auf- fassung der Strahlensysteme als Ströme erhärteter Lava. In Kap. II, $S. 13 haben wir uns überzeugt, wie kurze Zeit ein enthusiastischer Eifer für die Zurückführung der Meteorfälle auf die 'Thätigkeit des lunaren Vulkanismus herrschte, der freilich vor der nüchternen Kritik der Rechnung nicht auszudauern vermochte. Schröter gab sich sodann die erdenklichste Mühe, physische Veränderungen auf der Mondober-' fläche nachzuweisen, und er glaubte schliesslich auch auf einige Früchte seines Fleisses hinweisen zu können, allein Klein belehrt uns, dass von sämmtlichen Angaben des Lilienthaler Astronomen höchstens eine einzige, und diese nur bedingt, als richtig angenommen werden dürfte [143]. Die Männer der Wissenschaft begegneten deshalb bis zu unseren Tagen allen neueren Berichten über physische Umgestaltungen ein- zelner Theile des Mondes mit dem äussersten Misstrauen [144]; es ist diess an sich gewiss völlig gerechtfertigt, indem ein Zuviel immer minder schädlich wirken wird, wie ein Zuwenig. Gleichviel haben sich neuerdings auch Stimmen im entgegen- gesetzten Sinne vernehmen lassen, und zwar gehen dieselben von an- gesehenen Mondtopographen aus, die in diesem heiklen Falle wohl allein als zur Abgabe eines vollwichtigen Urtheiles geeignet erscheinen dürften. H. J. Klein machte auf fünf lunare Oertlichkeiten aufmerk- sam, betreffs deren seine Beobachtungen mit den vorhandenen guten III, $. 11. Der lun. Vulkanismusu.d.phys. Veränderungen d. Mondoberfläche. 123 Karten eines Mädler, Lohrmann u. s. w. durchaus nicht in Einklang zu bringen waren, und zumal am Krater Hyginus schien eine Neu- bildung ausser allem Zweifel zu stehen [145]. Neison, der seiner eigenen Aussage nach anfänglich gar nicht geneigt war, Modifikationen der ihm aus gründlichstem Studium wohlbekannten Mondgegend zu- zugestehen, trat nach nochmaliger Prüfung des Sachverhalts in einer eigens zu diesem Zwecke verfassten grösseren Arbeit für die Richtig- keit der Klein’schen Behauptung ein [146]. Endlich hat sich ein dritter Selenograph allerersten Ranges, Jul. Schmidt, ganz vor Kurzem ent- schieden mittelst eines an Klein gerichteten offenen Briefes für die Realität der am Hyginus entdeckten Metamorphose ausgesprochen [147]. Ein unbedingt anzuerkennender Beweis dafür, dass diese Ver- änderungen auf die Manifestirung vulkanischer Kräfte zurückgeführt werden müssten, liegt allerdings noch nicht vor. Man hat zur Zeit noch ein Recht, an blos mechanische Kraftäusserungen, an Bergschlipfe oder auch an Zertrümmerungen zu denken, welche in dem grellen Unter- schiede in der Insolation und Erwärmung zur Tag- und Nachtzeit ihren Grund hätten. Nachdem — namentlich durch die „Selenographical So- ciety“ — die Parole ausgegeben worden ist, dass möglichst ausschliesslich blos Mondlandschaften von geringer Ausdehnung, dafür aber unter den allerverschiedensten Beleuchtungsverhältnissen, dem Studium zu unter- werfen seien, dürfen wir wohl in Bälde weiterer Erfahrungsthatsachen gewärtig sein. Jedenfalls macht uns die Hypothese eines annoch thätigen vulkanischen Lebens auf dem Monde allein schon der Umstand mund- gerechter, dass J. Schmidt sich zu ihr bekennt, ein Grelehrter, dessen Bekanntschaft mit den lunaren Erscheinungen eine ebenso gründliche ist, wie mit den Erscheinungen, welche aus den Reaktionen des glühendflüssigen Erdinneren gegen die umhüllende Kruste sich er- seben *). ” Es mangelt natürlich auch nicht an anderweiten Hypothesen, welche die Oberflächenform des Mondes ohne Beiziehung des Vulkanismus befriedigend zu erklären sich vorgesetzt haben. Schmick bringt jene mit seiner uns im Um- risse bereits bekannten Ueberfluthungslehre ($. 6) in Verbindung, indem die Gra- vitation der so nahen Erde auf dem gluthflüssigen Balle des Trabanten die hef- tigsten Gezeitenbewegungen hervorgerufen hätte [148]. Ein Anonymus [149] kündigt der Eruptionstheorie um deswillen Fehde an, weil die umherliegende Gebirgsmasse dem Volumen des Kraters an Grösse durchaus nicht entspreche; die Maare und die neuseeländischen Kraterseen würde freilich das nämliche Ar- gument treffen. Kosmische Körper, Meteore, die früher in noch weit grösserer Menge den Weltraum durchzogen haben sollen, trafen auf den noch im Zustande feurigflüssiger Wallung befindlichen Mond, sanken in dessen Masse unter und ver- anlassten rings um die Stelle ihres Untertauchens eine Aufstülpung der Schmelz- flüssigkeit, welche dann beim Erstarren das Aussehen eines Bergwalles gewinnen musste. Asterios führt seine Theorie immerhin weit besser durch, als diess kosmologische Reformer im Allgemeinen zu thun pflegen, doch gelingt es nicht, alle Blössen derselben zu verdecken, wie Geinitz in seiner Besprechung des Schriftchens zur Genüge nachgewiesen hat [150]. Eine anmuthige Abwechselung bringt in dieses Spiel mit Hypothesen A. Meydenbauer [151], der dem Mond den flüssigen Aggregatzustand auch für die frühesten Zeiten abspricht (der Mond ist ihm zufolge „das nackte unveränderte Produkt eines sekundären Kugel- wirbels“), dabei aber doch den in der Einkleidung des Asterios noch immer etwas. wahrscheinlicher klingenden Satz aufstellt: „Die Mondoberfläche dankt ihre Beschaffenheit dem Sturze staubförmiger Massen auf eine staubförmige Unterlage.“ 1247 Erste Abtheilung. Die kosmische Stellung der Erde. $S. 12. Die Frage nach der Bewohnbarkeit der. Himmelskörper. Der Zweck dieses Kapitels war, darzuthun, dass durch genauere Be- trachtung der physikalischen Verhältnisse solcher Planeten, welche unter ähnlichen kosmischen Existenzbedingungen, wie die Erde selbst, ihre Bahn um die Sonne, — sei es selbstständig, sei es in der Gefoleschaft eines anderen Körpers — beschreiben, manch beachtenswerther Ge- sichtspunkt auch für die tellurische Naturforschung zu gewinnen sei. Der Geograph, für den die Wechselbeziehungen zwischen Natur und Menschheit von jeher ein anziehendes Problem gebildet haben, nimmt deshalb auch ein gewisses Interesse an der Frage, ob Organismen von der Art, wie wir sie durch irdische Erfahrungen ganz allein kennen lernen konnten und noch können, möglicherweise auch noch andere Körper im weiten Universum bewohnen oder ob deren Brenz mit unserem Planeten für unzertrennlich zu halten sei. Schon die Alten haben diese Frage gelegentlich gestreift; ernst- licher ist an dieselbe der trefflliche Huygens in einem selbstständigen Werke [152] herangetreten, welches freilich des wissenschaftlichen Auf- putzes unerachtet mit den sonstigen Leistungen gerade dieses Mannes nicht in eine Linie gestellt werden darf. 'Theilweise berührte sich mit ihm der Anlage nach die „Himmelsreise“* des Athanasius Kircher [153], doch beschrieb dieser nur im Allgemeinen den landschaftlichen Charakter der einzelnen Planeten und enthielt sich aus theoretischen Gründen, denselben auch Lebewesen zuzutheilen. „Die Entscheidung des Sieges der heliocentrischen Physik durch Newton“, bemerkt Zöckler [154], „zieht den Sieg der vorher theilweise heftig angefein- deten Annahme bewohnter Welten alsbald nach sich.“ Den umfang- reichen Mittheilungen Zöckler’s ist auch ein Theil dessen entnommen, was wir noch über die Geschichte der Pluralitätshypothese — dieser Name beginnt sich mehr und mehr einzubürgern — beizubringen ge- willt sind. Wilkins, Goodwin, der Lustspieldichter Gherardi mit seiner Posse „Arlequin l’Empereur dans la lune“ (1684) bevölkerten den Mond mit Organismen, was den Pater Daniel zu einer gelungenen Satyre veranlasste |155]. Höher an wissenschaftlichem Werthe steht Fontenelle’s formvollendete astronomische/Novelle [156], deren Schluss- ergebniss für jene Zeit auch passiren mag: auf den Planeten giebt es gewiss menschenähnliche Wesen, auf dem Monde vielleicht, auf der Sonne ganz gewiss nicht. Die englischen Naturtheologen, Newton selbst eingerechnet, ein Whiston, Derham, Burnet dachten ähnlich, auch Leibniz und Chr. v. Wolf gehörten zu dieser Schule, und Swinden verlegte in die Sonne den Wohnplatz der Verdammten 1157). Scharfsinniger und zutreffender, wenn schon’ nach unseren modernen Begriffen etwas phantastisch, waren die Betrachtungen Bonnets und Kant’s [158]. Selbst das ausgehende XVIH. Jahrhundert sah noch so sonderbare Spekulationen, wie diejenigen eines E. G. Fischer [159], der unter gewissen Voraussetzungen in den Kometen eine geeignete Wohnstätte für Menschen erblickte, oder eines Bode [160], der die für die Hohlheit anthropomorphischer Gottesverehrung bezeichnende Aeusserung über das Planetensystem that: „Wozu alle diese Ein- richtungen, wenn nicht vernünftige Wesen von diesem nächtlichen Scheine* — der Hauptplaneten — „Nutzen ziehen sollten?“ Man mag jedoch über solche Ausschreitungen noch so hart urtheilen, so III, $. 12. Die Frage nach der Bewohnbarkeit der Himmelskörper. 125 sind dieselben doch noch weit dem engherzigen Philisterthum der Hegel’schen Schule vorzuziehen, für welches es im Weltraum ausser der Erde gar keinen der Beachtung würdigen Gegenstand giebt [161]. Einen sehr lesenswürdigen Essay „über die Pluralität der Welten* hat Peschel geschrieben [162]. Wir lesen dort, dass Payne die Hypo- these als den christlichen Glauben gefährdend verwarf, Chalmers dagegen, einen alten Gedanken Swedenborg’s aufgreifend, das Paradies auf einen fernen Planeten verlegte. Brewster hielt die Annahme mehrerer Welten gleichmässig für ein Bedürfniss des Philosophen wie des Christen und nahm als Anhänger der Wilson-Herschel’schen Hypothese sogar den Sonnenkörper keineswegs aus; hierin traf er mit Arago zusammen. Vom astronomischen Standpunkt aus bekannten sich Jakob und Baden Powell für die Pluralität, wogegen Whewell in einer besonderen Schrift [163] das Bekenntniss des strenggläubigen Antipluralisten formulirte. Mit der Darwin’schen Theorie ist die uns hier beschäftigende Frage in engen Zusammenhang von Du Prel [164] gebracht worden. } Fasst man die Sache objektiv und wählt eine präcise Frage- stellung, so kann dieselbe doch nur folgendermassen lauten: Auf welchen Planeten — denn die Sonne fällt selbstverständlich ganz ausser Be- tracht — sind die atmosphärischen und Gravitationsverhältnisse, die Modalitäten der Insolation und der von der Neigung der Planetenaxe zur Bahnebene abhängige Wechsel der Jahreszeiten in grossen Zügen denjenigen der Erde vergleichbar, so dass allenfalls dorthin versetzte Menschen und höher organisirte Thiere ihr Dasein zu fristen im Stande wären? Es bedarf nach den Ausführungen dieses Kapitels nicht mehr des besonderen Nachweises, dass lediglich Mars und Venus den Namen erde-ähnlicher Planeten verdienen, wie schon von verschiedenen Autoren — z. B, von Whewell — hervorgehoben wurde [165]. Wir mögen uns etwa vorstellen, dass ein Polarbewohner am Aequator des Mars und ein Tropenbewohner in den Polarregionen der Venus sich leidlich wohl fühlen könnten. Weitere Erörterungen hierüber dürften der strengen Wissenschaft kaum geziemen. [1] Newcomb, Populäre Astronomie, deutsch von Engelmann, Leipzig 1881. S. 323 fi. — [2] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 188. — [3] Mädler, Populäre Astronomie, 7. Aufl., bes. v. Klinkerfues, Strass- burg 1882. S. 141. — [4] R. Wolf, Gesch. d. Astr. 8. 398. — [5] J. J. v. Litt- row. Theoretische und praktische Astronomie, 2. Band, Wien 1824. $. 247. — [6] Seidel, Untersuchungen über die Lichtstärke der Planeten Venus, Mars, Ju- piter und Saturn, verglichen mit Sternen, und über die relative Weisse ihrer Oberflächen, München 1859. S. 16. — [7] Zöllner, Photometrische Untersuchungen mit besonderer Rücksicht auf die physische Beschaffenheit der Himmels- körper, Leipzig 1865. S. 154. — [8] Mädler-Klinkerfues, Popul. Astron. S. 142. — [9] Bianchini, Hesperi et Phosphori nova phaenomena, sive observationes circa planetam Veneris, Romae 1728. — [10] Mädler-Klinkerfues, Popul. Astron. S. 143 ff. — [11] De Vico, Osservazioni fatte nella specola dell’ universita Gre- goriana in Collegio Romano, Romae 1842. — [12] Safarik, Ueber die Sichtbar- keit der dunklen Halbkugel der Venus, Prag 1873. — [13] Winnecke, Mitthei- lung unbeachteter Beobachtungen der Nachtseite der Venus, Vierteljahrsschr. d. astronom, Gesellsch., 11. Jahrgang. S. 77 fi. — [14] Mädler-Klinkerfues, Popul. Astron. S. 147. — [15] Lyman, On Venus as a luminous ring, Philos, Mag., Vol. IL. S. 159 fi. — [16] Neison, On the atmosphere of Venus, Monthly notices of the 126 | Citate. r. astr. soe..„ XXXVI. 8. 347 fi. — [17] Schröter, Beobachtungen über die Ge- birge und die Rotation der Venus, Erfurt 1793; Aphroditographische Fragmente, Helmstädt 1796. — [18] Gehler’s physik. Wörterbuch, 2. Aufl., 9. Band, 3. Abthei- lung, Leipzig 1840. S. 1649. — [19] Schorr, Der Venusmond, Braunschweig 1875. — [20] Newcomb, Popul. Astron. $. 329. — [21] J. J. v. Littrow, Die Wunder des Himmels, 1. Band, Stuttgart 1865. 8. 367. — [22] Newcomb, Popul. Astron. S. 3853. — [23] Hartwig, Untersuchungen über die Durchmesser der Planeten Venus und Mars nach Heliometermessungen auf der provisorischen Universitäts- sternwarte zu Strassburg, Leipzig 1879. S. 71. — [24] Ibid. S. 51. — [25] Hen- nessy, Sur la figure de la planete Mars. Compt. rend. de l’acad. franc,,. tome XC. S. 1419 fi. — [26] Newcomb, Popol. Astron. $S. 354. — [27] Zöllner, Phot, Unters., $. 131. — [28] Mädler-Klinkerfues, Popul. Astron. $. 212. — [29] New- comb, Popul. Astron. S. 357. — [30] Mädler - Klinkerfues, Popul. Astron. S. 222, S. 218. — [31] A. Hall, Observations and orbits of the satellites of Mars with data for ephemerids in 1879, Washington 1878. — [32] Ibid. S. 44 ff. — [33] Schyr- laeus de Rheita, Novem stellae circa Jovem visae, circa Saturnum sex, circa Martem nonnullae, a P. Ant-Rheita detectae, Lovanii 1643. — [34] D’Arrest, Notiz über die Unwahrscheinlichkeit, einen Marsmond in grösserer Entfernung vom Planeten zu entdecken, Astr. Nachr. (2) N. 64. — [35] Henry, Depeche an- noncant la decouverte de deux satellites de Mars, par A. Hall, & Washington, Compt. rend. de l’acad. franc., tome LXXXV. S$. 437. — [36] Newcomb, Popul. Astron. $. 258. — [37] Houzeau-Lancaster. Bibliographie generale de l’astro- nomie, tome II., Bruxelles 1880. S. 328 ff. — [38] Terby, Areographie ou &tude comparative des observations faites sur l’aspect physique de la planete Mars de- puis Fontana (1636) jusqu’a nos jours, Mondes (2) XXXVIU. S. 384 fi. — [39] H. J. Klein, Handbuch der allgemeinen Himmelsbeschreibung, vom Stand- punkte der kosmischen Weltanschauung dargestellt, 1. Band, Braunschweig 1869. S. 137 ff. — [40] Hevelius, Selenographia sive lunae descriptio, Gedani 1647. S. 66. — [41] Terby, Areographische Fragmente, manuscrits et dessins ori- ginaux et inedits de l’astronome J. H. Schröter, de Lilienthal, Bruxelles 1873; J. H. Schröter, Areographische Beiträge zur genaueren Kenntniss und Beurthei- lung des Planeten Mars; nach dem Manuskripte auf der Leydener Sternwarte herausgegeben von H. G. van de Sande-Bakhuyzen, Leyden 1831. — [42] Beer- Mädler, Physicalische Beobachtungen des Mars in der Erdnähe, Berlin 1830. — [43] Linsser, Correspondenznachrichten aus Russland. Wochenschr. f. Astron., Meteorol. u. Geogr., (2) 7. Jahrgang. S. 117 fi. — [44] Kaiser, Untersuchungen über den Planeten Mars, bei dessen Oppositionen in den Jahren 1862 und 1864, Ann. d. Sternw. zu Leyden, 3. Band. S. 1 ff. -- [45] Proctor, Stereograms of Mars with a chart of Mars in Mercator’s projection, London 1869. — [46] Schia- parelli. Össervazioni astronomiche e fisiche sull’ asse di rotazione e sulla topo- grafia del pianeta Marte, fatte nella reale specola di Brera in Milano coll’ equa- toriale di Merz durante l’opposizione del 1877, Roma 1878. — [47] Remeis, Schiaparelli’s Untersuchungen der Oberfläche des Planeten Mars während dessen Erdnähe im Jahre 1877, Gaea, 15. Jahrgang. $. 92 fi. S. 151 fi. — [48] Böd- dicker, Ueber die physische Beschaffenheit der Oberfläche des Planeten Mars, Mittheil. d. mathem. Gesellsch. zu Hamburg, N. 22. — [49] Holetschek, Die Oberfläche des Mars nach Schiaparelli., Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 1. Jahrgang. S. 499 fi. — [50] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 673 ff. — [51] Gün- ther, Studien zur Geschichte der mathematischen und physikalischen Geographie, Halle 1879. S. 144. — [52] Kaiser, Untersuch. etc. $. 54. — [53] Secchi, Me- morie dell’ osservatorio del Collegio Romano. Roma 1859. S. 17. — [54] Mädler- Klinkerfues, Popul. Astron. $. 220. — [55] Holetschek, Die Oberfl. ete. $. 501. — [56] Ibid. 8. 505. — [57] Ibid. S.. 507 ff. — [58] Ibid. S. 503. — [59] Günther, Studien etc. $. 158 ff. — [60] Schmick, Der Planet Mars eine zweite Erde, nach Schiaparelli, Leipzig 1879. — [61] A. Kirchhoff, Recension hiezu, Leo- poldina 1881. S. 27 fi. — [62] Lambert, Sur la lumiere cendree de la lune, Mem. de lY’acad. r. de Berlin, Annee 1773. S. 46. — [63] Newcomb, Pop. Astr. S, 340 ff. — [64] Mädler-Klinkerfues, Pop. Astr. S. 176. — [65] Chr. v. Wolf, Der Anfangs-Gründe aller mathematischen Wissenschaften dritter Theil, Halle 1717. S. 319. — [66] Newcomb, Pop. Astr. S. 241 ff. — [67] Jacobi, Ueber die Figur des Gleichgewichtes, Ann. d. Phys. u. Chem., 33. Band. S. 229 ff. — [68] Mat- thiessen, Neue Untersuchungen über frei rotirende Flüssigkeiten im Zustande des Gleichgewichtes, Kiel 1859. — [69] Roche, Memoire sur les figures ellipsoidales qui conviennent & l’equilibre d’une masse fluide sans mouvement de rotation, Citate. 127 Compt. rend. de l’acad. franc., tome XXIV. S. 515. — [70] Laplace, Theorie du mouvement et de la figure elliptique des planetes, Paris 1784. — [71] J. Kant’s Schriften zur physischen Geogr., herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. S. 406. — [72] Zöllner, Ueber die Natur der Cometen; Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntniss, Leipzig 1883. S. 275. — [73] Mädler-Klinkerfues, Pop. Astr. S. 206. — [74] Ibid. S. 170. — [75] Ibid. S. 174 ff. — [76] Fortschritte der Physik in der neuesten Zeit, (Baumgartner- v. Ettingshausen’s) Zeitschr. f. Phys. u. Math.. 2. Band. $. 80 ff. — [77] Bond, On the relative hightness of the sun and moon from observations made at the observatory of Harward College, Cambridge -(Am.) 1861. — [78] Zöllner, Phot. Unters. S. 110. — [79] Kästner, Wie Körper leuchten, die kein eigenthümliches Licht haben; Averroes, Roger Baco. Euler, (Hindenburg’s) Archiv f. reine u. angew. Mathem., 2. Band. $. 8 ff. — [80] A. v. Humboldt, Kosmos, 3. Band, Stuttgart und Tübingen 1850. S. 496. — [81] Galilei. Sidereus Nuncius, Venetiis 1610. S. 26. — [82] Kepler, Ad Vitel- lionem Paralipomena. quibus astronomiae pars optica traditur, Francofurti 1604. S. 254. — [83] Venturi, Essai sur les ouvrages physico-mathematiques de Leonardo da Vinei, Paris 1797. S. 11. — [84] A. v. Humboldt, Kosmos, 3. Band. $. 498. — [85] €. Plinii Secundi historiae naturalis libri XXXVII, ib. I, cap. 10. — [86] Kep- ler. Paralip. ete. S. 893. — [87] A. v. Humboldt. Kosmos, 3. Band. S. 539. — [88] Melloni, Lettre a M. Arago sur la puissance calorifique de la lumiere de la lune, Compt. rend. de l’acad. franc.. tome XXII. S. 541 ff. — [89] Earl of Rosse, On the radiation of heat from the moon. the law of its absorption by own atmosphere,. and of its variation in amount with her phases, London 1873. — [90] J. H. Westphal. Leben, Studien und Schriften des Astronomen Johannes He- velius, Königsberg 1811. S. 72. — [91] Chr. v. Wolf, Der math. Anf.-Gr. etc. S. 307 ff. — [92] H. J. Klein, Handbuch ete. 1. Band. $. 124. — [93] H. Müller, Quaestio curiosa physico-mathematica, an luna cingatur atmosphaera, Altdorfi 1710. — [94] Ibid. S. 10. — [95] Bessel, Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände, herausgeg. von Schumacher, Hamburg 1848. S. 618. — [96] Jul. Schmidt, Karte der Gebirge des Mondes nach eigenen Beobachtungen, in den Jahren 1870—74 entworfen. Berlin 1878. S. 46 ff. — [97] A. v. Humboldt, Kos- mos, 3. Band. S. 544. — [98] Peschel. Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, herausgeg. v. Löwenberg, 2. Band, Leipzig 1878. S: 327. — [99] Ibid. S. 335. — [100] Dante Alighieri’s göttliche Komödie, übers. v. Fr. Notter, 2. Band, Stutt- gart 1872. S. 383 ff. — [101] Intorno ad uno passo della divina commedia di Dante Alighieri, lettera del prof. Ottavio Mossotti a B. Boncompagni, Atti dell’ accad. pontif. dei nuovi lincei. tomo XVIII, Sessione del 7 maggio 1865. — [102] Boncompagni, Intorno alla precedente lettera del prof. Mossotti, ibid. — [103] Mädler, Geschichte der Himmelskunde von der ältesten bis auf die neueste Zeit, 1. Band, Braunschweig 1872. S. 293. — [104] Favaro, Fra Paolo Sarpi fisico e matematico secondo i nuovi studi del prof. F. Cassani,. Venezia 1883. S. 16. — [105] Quetelet. Histoire des sciences math&matiques et physiques chez les Belges, Bruxelles 1871. S. 249. — [106] J. H. Westphal, Leben etc. S. 69 ff. — [107] Ibid. S. 70. — [108] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 397. — [109] T. Mayer, Abhandlung über die Umwälzung des Mondes um seine Axe und die scheinbare Bewegung der Mondflecke, Kosmogr. Nachr. u. Samml. auf das Jahr 1748, Nürnberg 1750. — [110] Schröter, Selenotopographische Fragmente. 1. Theil, Lilienthal und Helm- städt 1791; 2. Theil, Göttingen 1802. — [111] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 237. — [112] Mädler-Klinkerfues, Pop. Astr. $S. 194. — [113] W. G. Lohrmann, Mond- karte in 25 Sektionen und 2 Erläuterungstafeln, herausgeg. von Jul. Schmidt, Leipzig 1878. — [114] F. W. Opelt, Selenographische Ortsbestimmungen in Lohr- mann’s Topographie der sichtbaren Mondoberfläche, Dresden und Leipzig 1824. — [115] Mädler-Beer, Mappa selenographica, Berolini 1834—36. — [116] Mädler-Beer, Der Mond nach seinen kosmischen und individuellen Verhältnissen, oder allge- meine vergleichende Selenographie, Berlin 1837. — [117] Mädler, Kurzgefasste Be- schreibung des Mondes, ein Auszug aus der grösseren Selenographie, Berlin 1839. — [118] Bessel, Pop. Vorl. S. 613 ff. — [119] Jul. Schmidt, Der Mond; ein Ueber- blick über den gegenwärtigen Umfang und Standpunkt unserer Kenntnisse von der Öberflächengestaltung und Physik dieses Weltkörpers. Leipzig 1856. — [120] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 669. — [121] Nasmyth-Carpenter, The Moon considered as a planet. a world and a satellite, London 1874: deutsche Ausgabe von H. J. Klein, Leipzig 1880. — [122] Neison, The Moon und the conditions and configurations of its surface, London 1876; deutsche Ausgabe von H. J. Klein, Braunschweig 1878. — [123] M. Opelt, Der Mond, Leipzig 1879. — [124] R. Wolf, 128 Citate. Gesch. d. Astr. $S. 666. — [125] Mädler, Gesch. d. Himmelsk. 2. Band. S. 512 fi. — [126] J. Russell, Proposals for publishing by subscription a globe of the moon, (Hindenburg’s) Archiv f. reine u. angew. Mathem., 2. Band. $. 112 fi. — [127] H. J. Klein, Handb. etc. 1. Band. S. 105. — [128] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 671. — [129] Engelmann, Recension zu Neison, Vierteljahrsschr. d. astr. Gesellsch., 13. Jahrgang. S. 25. — [130] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 396. — [131] Dölter, Die Vulkane der Cap Verden und ihre Produkte, Graz 1882. — [132] Leipoldt, Recension zu Nasmyth-Carpenter, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 3. Jahrgang. S.20 ff. — [133] Nasmyth-Carpenter, Der Mond, deutsch von Klein. S. 107 ff. — [134] Mallet, On volcanic energy. Phil. Transact., Vol. CLXII. S. 201. — [135] Nies- Winkel- mann, Ueber Volumveränderungen einiger Metalle beim Schmelzen, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch., M.-ph. Kl. 1881. S. 63 ff. — [136] Ibid. S. 104 ff. — [137] Ibid. $S. 109 ff. — [138] H. J. Klein, Ueber den Bau und die Entstehung der Mondoberfläche, Gaea, 12. Jahrgang. S. 65 ff. — [139] Nasmyth- Carpenter, Der Mond, deutsch v. Klein, S. 115 ff. — [140] Lamey. Sur les bandes rayon- nantes de la June, Mondes (2) XXXVL S.4 ff. — [141] J. Kant’s Schriften ete. S. 391 ff. — [142] Don Juan Ulloa, El eclipse del sol con el anillo refractario de sus rayos: la luz de este astro vista del traves de la luna, Madrid 1779. — [143] H.J. Klein, Veränderungen auf der Mondoberfläche, Gaea, 13. Jahrgang. $. 528. — [144] Valentiner, Bez. zu Neison, Z. f. Math. u. Ph., 25. Jahrg. H.-L. Abth. S. 138 ff. — [145] H. J. Klein, Veränderungen etc. $. 530. — [146] Neison, Der neue Krater bei'm Hyeinus auf dem Monde. Gaea, 15. Jahrgang. $. 636 ff. — [147] Die vulkanischen Vorgänge auf dem Monde, Zeitschr. f. Schulgeogr., 4. Jahr- gang. S. 40 fi. — [148] Schmick, Der Mond, Leipzig 1877. — |149] Asterios, Die Physiognomie des Mondes; Versuch einer neuen Deutung im Anschluss an die Arbeiten von Mädler, Nasmyth und Carpenter, Nördlingen 1879. — [150] Geinitz, Ueber eine neue Hypothese der Gebirgsbildung, Leopoldina 1883. S. 49 ff. S. 71 ft. — [151] A. Meydenbauer, Kant oder Laplace? Kosmologische Studie, Marburg 1880. S.34. — [152] Huygens, Kosy.odswpoc sive de terris coelestibus earumque ornatu con- jeceturae, Hagae Comitum 1698. — [153] Kircher, Iter ecstaticum coeleste seu opifi- cium, quo coeli siderumque natura, vires et structura exponuntur, Romae 1656. — [154] Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissen- schaft, mit besonderer Rücksicht auf Schöpfungsgeschichte, 2. Abtheilung, Güters- loh 1879. S. 55. — [155] Ibid. S. 57. — [156] Fontenelle, Entretiens sur la plu- ralit& des mondes, Paris 1686. — [157] Zöckler, Gesch. etc., 2. Abtheilung. $. 60. — [158] Ibid. S. 164 ff. — [159] E. G. Fischer, Betrachtungen über die Kometen, bey Gelegenheit der vermutheten Wiedererscheinung eines Kometen im Jahre 1789, Berlin 1787. S. 14 ff. — [160] Bode, Anleitung zur Kenntniss des gestirnten Himmels, Berlin 1806. S. 629. — [161] Zöckler, Gesch. ete., 2. Abtheilung. $. 431. — [162] Peschel, Abhandl. ete.. 2. Band. S. 187 ff. — [163] Whewell. On the plurality of worlds, London 1853. — [164] Du Prel, die Planetenbewohner und die Nebularhypothese, Leipzig 1880. — [165] Peschel, Abhandl. ete., 2. Band. S. 194. Zweite Abtheilung. Allgemeine mathematische und physikalische Verhältnisse des Erdkörpers. Kapitel I. Die Erde als Kugel und Rotationssphäroid. S. 1. Allmählige Entwickelung der Sphäricitätslehree Die alte Okeanoshypothese des Homer, nach welcher sich die Erde als eine platte, vom Weltmeer umgebene Scheibe darstellte, behauptete bis zu den Zeiten des Herodot, der sich sehr spöttisch über die gegentheilige Annahme einer kugelförmigen Erde äusserte [1], ihre Existenz. Ganz konsequent dachte sich der grosse Historiker natürlich auch, dass die am Östrande gelegenen Erdgegenden bei aufsteigender, die dem West- rande näheren bei sinkender Sonne am stärksten erhitzt würden [2]. In der That muss manche der Ansichten, die gelegentlich von Mit- gliedern der jonischen und eleatischen, ja auch späterhin der stoischen und epikureischen Philosophenschule ausgesprochen wurden, noch für viel absurder gelten als der doch wenigstens auf naiver Autopsie be- ruhende Realismus Herodot’s. Einzelne dachten sich die Erde linsen- förmig, Leukipp gab ihr [3] die Form einer umgekehrten Pauke, selbst der weiterblickende Anaxagoras stand im Wesentlichen noch auf dem herodotischen Standpunkte [4], und als der weitgereiste Pytheas in seinem leider zu Verlust gegangenen Buche „über den Okeanos“ von selbstgesehenen Erscheinungen erzählte, deren Thatsächlichkeit allerdings mit keiner anderen Lehre, als mit derjenigen der Kugel- gestalt, sich vereinigen lassen wollte, zweifelten die Meisten die Rich- tigkeit seiner Angaben einfach an [5]. Selbstverständlich konnte bei solchen Anschauungen auch die von der indischen Mythologie durch alle möglichen Kombinationen heiliger Thiere zu lösen versuchte Frage, worauf denn eigentlich der Erdkörper ruhe, nicht umgangen werden [6], und wenn Demokrit denselben auf (zusammengepresster) Luft auf- liegen lassen wollte, so mochte immer noch Xenophanes’ Ausspruch, dass die Erde nach unten zu im Unendlichen wurzle, während die Luft oben in’s Unendliche sich erstrecke, einen gewissen Fortschritt Günther, Geophysik. I. Band. 9 130 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. andeuten [7]. Dass Thales bereits die Sphäricität gelehrt habe, ist möglich, aber keineswegs gewiss, und jedenfalls ist Köler’s Schluss (a. a. O.), man müsse diess wohl glauben, da sich sonst die Voraus- sagung von Finsternissen nicht begreifen lasse, für Niemanden ein zwingender, der mit dem Wesen der cyklischen Berechnung vertraut ist. Ganz zweifellose Anhänger der sphärischen Doktrin sind Pytha- soras und Parmenides gewesen, von welch’ letzterem auch die noch jetzt übliche Zoneneintheilung herstammt, indess war Peschel wohl im Rechte, wenn er bemerkte [8], die pythagoreische Schule habe sich minder von inneren Gründen, als vielmehr von „geometrischen Schick- lichkeitsgründen“ leiten lassen. Durch Aristoteles und Archimedes ward der Satz, dass die Erde eine vollkommene Kugel sei, zum Range einer festen wissenschaftlichen Wahrheit erhoben, und während des eigentlichen Alterthums ist keinerlei Widerspruch gegen diese allseitig anerkannte Thesis mehr laut geworden. Erst der’ Verfall der Wissenschaften im beginnenden Mittelalter bahnte auch auf diesem Gebiete einen verhängnissvollen Rückschritt an. Theilweise trug hieran die Schuld die Neigung des Zeitalters, einen Wahn- und Wunderglauben an die Stelle ernster Gedankenarbeit zu setzen, theilweise muss man das Hereindringen rabbinischer Vor- stellungskreise in das griechisch-römische Geistesleben dafür ver- antwortlich machen. Denn die Ausleger des Talmud gaben sich in kosmographischen Dingen, wie man aus einer lehrreichen Schrift von Bergel [9] ersehen kann, den verwunderlichsten Ideen hin. So kam es, dass von den Schriftstellern der Kirchenväterzeit namentlich die Orientalen bis zum Homer oder sogar bis zu einer noch kindlicheren Aera zurückkehrten; „Ephräm,“* sagt Zöckler, dessen Führung wir uns auch hier |10] vertrauend überlassen*), „Diodorus, Theodor von Mopsuestia, Acacius von Cäsarea, Chrysostomus, Severianus denken sich das Verhältniss des Himmels zur Erdfläche als das eines halbkugelförmigen oder gar flachen Daches zum überdachten Fussboden.“ Von den Autoren lateinischer Zunge verfällt namentlich der grosse Lactantius in den gleichen Irrthum [13], wofür ihn dann freilich ein frommer Sohn der katholischen Kirche, Coppernicus, einen kin- dischen Schriftsteller und sehr schwachen Mathematiker nennt [14]. Gregor von Nyssa und Augustin hielten sich von solchen Absur- ditäten ferne. Ein anonymer Geograph von Ravenna theilte [15] die Erde in eine Licht- und Schattenseite, beide durch hohe Gebirge ge- trennt, und der Indienfahrer Kosmas begründete auf diese altsyrische Schrulle ein neues kosmographisches System. Dasselbe ist häufig, schon von Montfaucon, in Diagrammen darzustellen versucht worden, doch kann als authentisch wohl nur jene Zeichnung gelten, welche wir nach Marinelli in Fig. 9 reproduciren, und die uns besser wie manche künstlerische Nachbildung die Sonderbarkeit dieser wissen- schaftlichen Missgeburt vor Augen führt [16]. Noch im VIII. Jahr- hundert hatte der Salzburger Bischof Virgilius heftige Anfeindung *) Abgesehen von Zöckler's ausgezeichnetem Werke eignet sich für Jene, die leichter und rascher einen Einblick in die langsame und oft unterbrochene Entwickelung dieses Theiles unserer Disciplin gewinnen wollen, ein Aufsatz des Verf. [11] und die gelehrte Spezialschrift Marinelli’s [12]. Vor Me r : I. $. 1. Allmählige Entwickelung der Sphäricitätslehre. 131 durch den heiligen Bonifacius und den von diesem beeinflussten Papst Zacharias zu erfahren, weil er die „iniqua haeresis“ vertrete, dass es Antipoden gebe [17]*). Doch griffen Männer von wirklicher Ge- Fig. 9. “Hiıoc avarsiwr I | Hoc Avowr | 1 | Ta vneodogeia uEon TC YhCTa oVx olnovusvn Ev Pa ınv vunta dta - TozXovaıv 0160 5 - < u “ \ — = —. E ı, a lehrsamkeit, Beda Venerabilis, Johannes Scotus Erigena u. a. immer entschiedener auf die ptolemäischen Grundlagen zurück, und damit war der Sieg der Sphäricitätslehre entschieden, an deren Rich- tigkeit in der scholastischen Zeit höchstens von ganz Unkundigen noch sezweifelt wurde. Ein Gleiches gilt von der Neuzeit; eine Reihe Kartenskizzen, die unlängst Sir John Hampden unter Voraussetzung einer planen Erde veröffentlicht und der Verf. |21] näher beschrieben hat, wird, wie man hoffen darf, ein Unikum verbleiben. Schon im XII. Jahrhundert erörtert ein gewisser Omons in altfranzösischem *) Es soll hiebei nicht verschwiegen werden, dass katholische Schriftsteller apologetischer Tendenz die Sache so hinzustellen bestrebt sind, als habe man bei jenen ‘Streitigkeiten über die Antipodenfrage deren mathematisch-geographische Seite völlig ausser Acht gelassen. Es sei jenen Theologen sehr gleichgültig ge- wesen, ob man die Erde als kugelrund anzusehen habe oder nicht; nur der Um- stand, dass die Bibel nichts von jenen weit entfernten Völkerr und von deren Erlösung melde, habe an der Existenz derselben gerechte Zweifel hegen lassen. Neuerdings hat der belgische Mathematiker Gilbert [18] eine gelehrte Streit- schrift gegen des Verf. obengenannte Schrift vom Stapel gelassen; er hätte auch erwähnen können, dass der grosse Leonhard Euler von einem seiner Heraus- geber energisch rektificirt worden war [19], weil er im achtundvierzigsten seiner Briefe an eine deutsche Prinzessin die Lehre von den Gegenfüsslern als eine in den Augen der Kirchenväter ketzerische bezeichnet hatte. Man mag aber sagen, was man wolle. uns scheint eben doch soviel sicher zu stehen, dass den meisten Gelehrten der Merovinger- und Karolingerzeit die Lehre von den Antipoden eine an sich falsche zu sein schien. Unverwerflicher Zeuge dess ist eine — aus Isidor entlehnte — Stelle in dem bekannten encyklopädischen Wörterbuch des Bischofs Salomo von Kostnitz (IX.—X. Jahrhundert) [20]: „Antipodes nulla ratione cre- dendi sunt, quia nec soliditas patitur, nec centrum terrae, sed neque hoc ulla historiae cognitione firmatum, sed hoc poetae quasi ratiocinando conjectant.“ Man sieht, die — sozusagen — physikalischen Gegengründe kommen noch vor den geschichtlichen. 132 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Idiom die Folgen, die sich ergeben würden, wenn zwei Menschen von irgend einem Orte aus mit gleicher Geschwindigkeit in entgegen- gesetzter Richtung sich bewegen; sie würden an einem dem Ausgangs- punkt diametral gegenüberliegenden Punkte zusammentreffen, oder, wie er sich ausdrückt [22]: „Si que andui egaument alassent, Il comendroit qu’il s’encontrassent Dessus le leu dont il se mürent.“ Wer so schrieb, dem stand die Kugelgestalt der Erde natürlich un- verbrüchlich fest. Es ist wahr, der Araber Abulfeda hatte noch früher die hierin liegende Wahrheit erkannt und dahin verallgemeinert, dass beim Um- reisen der Erde ein Tag verloren oder gewonnen werden müsse [23], eine Wahrheit, die den Mannschaften der Magelhaens’schen Ex- pedition sich zuerst praktisch fühlbar machte. Nach dem von Pe- schel [24] eitirten Ibn el Wardi und nach gewissen Aeusserungen Kazwini’s [25] scheint es, dass auch im Orient die gesunde mathe- matische Theorie mit Wahngebilden aller Art einen Kampf zu be- stehen hatte, doch rang sich die Wahrheit leichter durch, als bei den westlichen Zeitgenossen, und die Gelehrtenwelt wenigstens fühlte sich erhaben über die vulgären Meinungen; so führt ein Münchener Manu- skript nach Steinschneider den Titel [26]: „Das Buch, dass Der- jenige, der keine Uebung im Beweise hat, sich nicht vorstellen kann, dass die Erde kugelförmig sei und die Menschen rings um dieselbe seien.* Abul Hassan Ali besitzt, wie uns S&dillot’s verdienstliche Bearbeitung des von ıhm verfassten Lehrbuches der astronomischen Instrumentenkunde bezeugt [27], eine klare Vorstellung von einem sphärischen 'T'heoreme, deren Verständniss dem Laien auch heute noch vergleichsweise schwer zu vermitteln ist, von dem Unterschiede zwi- schen wahrem und scheinbarem Horizont. Der spanische Jude Isaak- ben-Josef-ben-Israel definirt um 1310 korrekt den Unterschied, welcher in der Parallaxe eines nicht allzuweit entfernten Himmels- körpers dadurch bedingt wird, dass man denselben entweder vom Erd- mittelpunkt oder von der Oberfläche aus betrachtet [28]. In Fleisch und Blut des Volkes sind diese mehr esoterischen Doktrinen nun aller- dings nicht übergegangen, noch im Anfange dieses Jahrhunderts hatten selbst hochgebildete Perser keine Ahnung von der Rundung der Erde [29]. Hingegen in einem Erd östlicher gelegenen Lande, in Japan, hat diese Lehre schon vor mehr denn zwei Jahrhunderten Eingang sefunden. Heeren berichtet [30], dass ein dortiger Globenverfertiger schon um 1670 sein Unternehmen mit nachstehenden Worten begründete: „Bisher sah man die Erde als flach an; weshalb hast du nun die Erde rund dargestellt? So hat man mich gefragt. Ich habe geant- wortet: in To-shio-shen steht geschrieben, die Erde ist rund, wie eine Kugel, darum habe ich sie so dargestellt.“ Auch den chinesischen Gelehrten ist diese Kenntniss wenigstens nicht ganz vorenthalten ge- blieben. Ss. 2. Gründe für die Kugelform des Erdkörpers. In vielen, namentlich älteren Lehrbüchern pflegt eine grosse Anzahl solcher Er u %, N pr Re I, $. 2. Gründe für die Kugelform des Erdkörpers. 133 Gründe aufgeführt zu werden, die sich bei näherem Zusehen jedoch als sehr wenig stichhaltig erweisen. Es ist ein unbestreitbares Verdienst|Birn- baum’s [31], die kritische Sonde energisch an diese angeblichen Be- weise angelegt zu haben”). Wenn z. B. darauf hingewiesen ward, dass auch die anderen Planeten als Scheiben erscheinen, so haften dieser Beweisart nicht weniger als drei Mängel an: erstens kann nach didak- tischen Gründen von der Planetennatur der Erde schon deshalb kein Gebrauch gemacht werden, weil im Systeme der Beweis für jene doch erst an einer viel späteren Stelle zu erbringen ist, als derjenige für die Rundung, zweitens darf man nicht auf Thatsachen sich berufen, deren Feststellung dem unbewaffneten Auge unmöglich ist, und zum dritten endlich erscheinen nicht einmal alle Planeten — man denke an Saturn (Kap. II, $. 9 der vorigen Abtheilung) — als reine Scheiben. Auch Aristoteles giengzu weit, wenn er aus der kreisförmigen Schatten- grenze der theilweise verfinsterten Mondscheibe ein zwingendes Argu- ment für die Erdrundung herleiten wollte, denn auch andere krumm- flächig begrenzte Körper, als nur die Kugel allein, vermögen einen annähernd oder wirklich kreisförmigen Schatten zu werfen. Auch der zweite mehr physikalische Schluss des Aristoteles, dass nämlich alle Materie um den Mittelpunkt des Universums herum in gleichen Ent- fernungen sich anordnen müsse, krankt an mehreren Gebrechen, so verdienstlich er auch für eine Zeit war, welche von dem Wesen der Schwerkraft noch keine rechte Vorstellung besass. Noch weit weniger taugt natürlich das Beweismittel der wirklichen Erdumseglungen, denn diese geben doch nur davon Zeugniss, dass die Aussenseite des Erd- körpers eine (im Riemann’schen Sinne) einfach zusammenhängende und von Ecken wie Kanten freie Oberfläche ist. Wissenschaftlich höher steht der vom Verschwinden und Auftauchen sich bewegender Körper hergenommene Beleg, denn wenn auf dem Meere oder einem ‘ grossen Landsee — nach J. Müller’s sorgfältigen Beobachtungen zeigt schon der Bodensee die Erscheinung ganz deutlich [33] — von einem näher kommenden Schiffe zuerst die Mastspitzen, sodann die Segel und erst ganz zuletzt auch die einzelnen Theile des Schiffsrumpfes vor Augen treten, so kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, dass die Wasserfläche eine konvexe Krümmung besitzt, die freilich deshalb noch gerade keine sphärische zu sein brauchte. Die malayischen Seeräuber sind in ihrer Art mit der Rundung der Erde ganz wohl vertraut, denn Jagor, der genaue Kenner der hinterindischen Gewässer, berichtet [34]: „Die Piraten, gewöhnlich schon durch ihre Spione gewarnt, sehen den Rauch des Dampfbootes früh genug, um mit ihren flachen Kähnen zu entschlüpfen.* Sie schlagen eben eine zu dem Kurse des Kriegsschiffes senkrehte Route ein und bergen sich so hinter der Erdwölbung wie hinter einem Dache. Ein neues geistreiches Mittel, die Krümmung einer grösseren Wassermasse durch direkte Messung zu konstatiren, haben vor Kurzem die beiden waadtländischen Naturforscher Forel und Dufour an die Hand gegeben [35]. Wäre die Fläche eines See’s eine glatte Ebene, *) Namentlich in pädagogischer Hinsicht werthvoll sind zwei die Unzu- Aänglichkeit der landläufigen Beweisversuche behandelnde Aufsätze von Fahle und Pick [32]. 134 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. so müsste das Bild eines entfernten sich darin abspiegelnden Gegen- standes, mit einem Winkelmessinstrumente auf seine Dimensionen ge- prüft, genau eben so gross erscheinen wie das Objekt selbst, wenn aber jener Fläche die Eigenschaft eines Konvexspiegels zukommt, so muss nach bekannten katoptrischen Sätzen ein verkleinertes Bild ent- stehen. Scharfe Messungen haben diese z. B. auch für das Sonnen- bild gültige 'Thatsache ausser Zweifel gesetzt. Wichtiger jedoch, als diese indirekten Beweisgründe, ist der bereits dem Eratosthenes und Ptole- Fig. 10. mäus bekannt gewesene geometrische Be- weis, der nur von zwei vulgären Erfah- rungswahrheiten Gebrauch macht. SeiM (Fig. 10) der Mittelpunkt der Himmels- kugel, P, der bei der täglichen scheinbaren Umdrehung unbewegt bleibende Punkt oder Pol, A, B, © seien drei genau in der Nord- richtung gelegene Erdorte, und zwar sei AB=BC. Man bestimme durch das Loth die Zenithalpunkte A,, B, C, von A,B C und messe astronomisch deren Winkeldi- dass are A, B, are BG: = A,Mb, = rpm ist. Daraus folgt nach bekannten Sätzen, dass auch A, B und C auf einem koncentrischen Kreise gelegen sein müssen. Damit wäre zu- nächst zwar nur ausgesagt, dass in einer bestimmten Richtung die Krümmung der Erdoberfläche eine gleichförmige sein muss, so dass also vorläufig auch ein Kreiscylinder von endlicher Grösse, der aber von der Himmelskugel unendlich weit entfernt wäre, der Voraussetzung genügen würde. Andererseits ist aber bekannt, dass, wenn einer genau ostwestlichen Vorwärtsbewegung von s Raumeinheiten eine Verzögerung des Sonnenaufganges von t Zeiteinheiten entspricht, einer analogen Be- wegung von m.s Raumeinheiten eine proportionale Verzögerung des Sonnenaufganges um m.t Zeiteinheiten entspreche; diess kann, da das Fortschreiten der Sonne in ihrer Bahn ein völlig gleichmässiges ist, nur davon herrühren, dass auch in der Ostwestrichtung die Erde allenthalben das nämliche Krümmungsmaass besitzt. Die Stereometrie lehrt, dass keiner anderen als der Kugelfläche eine gleichförmige Krümmung nach zwei auf einander normalen Richtungen eignet, und damit ist in aller Strenge bewiesen, dass die Erde eine der Himmels- kugel koncentrische Kugel ist, für welche es einen Punkt P geben muss, der ihr gegenüber dieselbe Rolle spielt, wie gegenüber ersterer der Himmelspol P.. Vorstehende Deduktion hat den grossen Vortheil, dass sie für die Erde im Ganzen gilt, nicht blos für deren tropfbar flüssige Bedeckung,. Dass für letztere die Kugelform die einzig mögliche ist, hatte bereits Archimedes erkannt und in seiner nur in schlechtem Arabisch auf uns gekommenen Schrift „Von den schwimmenden Körpern“ exakt er- wiesen; das bezügliche Theorem (das zweite des Buches) lautet in lateinischer Uebersetzung [36]: „Omnis humidi consistentis vca, stanzen vom Pole P,; dann lehrt die Praxis, De ee Fr ee ee eu N Zi u Sr a De A HE EL a Da An en Du hide du m A aa a de A a nn Can Un 2 u 2 un a I, $. 3. Störungen der Kugelform. . 135 ut maneat immotum, superficies habebit figuram sphaerae habentis centrum idem cum terra“ *). S. 3. Störungen der Kugelform. Dass nur die Meeresfläche eine wirkliche Krümmung besitzen könne, während auf dem Festlande die Unebenheiten der Berge und Thäler die Sphäricität beeinträchtigen müssen, verstand sich von selber. Doch wussten auch die Alten recht wohl, dass die hiedurch bedingte Unterbrechung der geometrischen Gestalt von keinem Belang sei. Jener Omons, dessen wir im ersten Paragraphen zu gedenken hatten, sagt in dieser Hinsicht ganz be- zeichnend [38]: „Les hauteurs ni les vall&es n’ötent rien & la terre de sa rondeur.* Und dem ist wirklich so. Legt man, da überdiess die Einsenkungen gegen die Erhebungen über dem Meeresspiegel gänzlich vernachlässigt werden dürfen, für den Erdradius die Listing’sche Zahl (s. u.), für die Vertikalerhebung des höchsten Berges, des Gauri- sankar, die von H. Wagner |39] angegebene Zahl zu Grunde, so ist das Verhältniss der ersteren zur letzteren 6370 000 : 8840 —= 1720 :1. Eine künstliche Erdkugel muss sonach schon einen recht respektablen Durchmesser besitzen, wenn ein einziges Häufchen auf ihrer Oberfläche an einander gereihter Sandkörnchen ihre Sphäricität nur in gleichem Maasse entstellen soll, wie das Himalayagebirge diejenige der Erde. Hier war mithin von Schwierigkeiten der Auffassung durchaus nichts zu finden, allein da man keine solchen vorfand, so konstruirte man sie künstlich. Die auf der Elementenlehre des Stagiriten basirende Naturphilosophie des Mittelalters nahm in ihrer Weise ganz richtig an, dass Wasser, Luft, Feuer und Aether in koncentrischen Kugelschalen sich um die Erde herumlegten; plötzlich aber tauchte die gegentheilige Meimung auf, dass der Mittelpunkt der Erd- und Wassersphäre nicht zusammenfielen. Möglicherweise datirt diese Irrlehre aus dem Alter- thum, wenigstens stellt Köler |40] die Hypothese auf, „dass Thales sich die Erde wie eine grosse Wasserkugel oder seiner eigentlichen Vorstellung nach näher wie eine trommelförmige Wassermasse vor- stellte, auf deren oberer Seite die eiförmig gestaltete Erdfläche schwämme.* Sei dem, wie immer, jedenfalls verfochten schon seit dem XIII. Säkulum, wie die Beispiele eines Latini [41] und Ristoro [42] darthun, ge- *) Bekanntlich gewinnt namentlich der Neuling bei vollkommen freiem Horizonte. wie ihn die hohe See darbietet, leicht den Eindruck, als befinde er sich an einer relativ Fig. 11. tiefsten Stelle. als stiege die Erde konkav ringsum in dieHöhe. Dass aber in Wahrheit die Erde allent- halben konvex und nirgendwo hohl sei, erläutert ein netter Anschauungsbeweis des Abraham Bar Chija [37]. AB (Fig. 11) bedeutet einen Durch- schnitt der hohl vorausgesetzten Erde, deren (ide- elles) Centrum M zugleich das der Himmelskugel ist. Der Beobachter in D befindet sich westlich von dem Beobachter in C und erkennt trotzdem den der täglichen Bewegung unterworfenen Stern F weit näher dem Aufgangspunkte. als der andere, dessen Gesichtsfeld erst mit E beginnt. Diess wider- spricht aber der Wirklichkeit. _ @ Y 136 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. lehrte Männer die Lehre, dass die Erdfeste excentrisch in eine über- greifende Wasserkugel eingebettet liege, und zwar meinte letzterer, dem reichgestirnten Nordhimmel entspreche die Gebirgsmasse der Erde, dem sternarmen Südhimmel die Wasseran- Fig: 12. schwellung. In Fig. 12 ist A Centrum der Erdsphäre, B Centrum der Wassersphäre, OD der von Gebirgen bedeckte und aus dem Flüssigen hervorragende Theil der ersteren. Der treffliche Dante eröffnete gegen dieses Phantom eine erfolgreiche Polemik in seiner Schrift „De aqua et terra“, auf deren Be- deutung für die Geophysik W. Schmidt [43] und — mit steter Bezugnahme auf andere Dante-Stellen — Poletto [44] hingewiesen haben. Damit schien denn allerdings die Wahrheit gesiegt zu haben, doch verschul- deten Mathias Doring und Capuanus de Manfredonia hundert Jahre später noch manchen Rückfall [45], und noch Coppernicus hielt es für zweckmässig, in längerer Diatribe festzustellen |46], „wie das Land mit dem Wasser eine Kugel ausmacht“. $S. 4. Methoden der Erdmessung. Wir stellen in diesem Para- graphen einige Methoden zusammen, die rein theoretisch gleich gut dem Zwecke dienen können, die Grösse des Radius oder Umfanges eines Hauptkreises der Erde zu bestimmen, die aber sämmtlich aus praktischen Gründen, weil nämlich der Fehlerquellen zu viele sind, verworfen werden müssen. a) Methode des Tangentialkegels. Man erhebe sich von einem Punkte D (Fig. 13) der Erdoberfläche aus ver- Fig. 13. tikal bis zu beliebiger Entfernung CD=a von der Erde. Dann übersieht man eine Kalotte der Erdkugel, deren Grösse von dem zu messenden Winkel », der Kimmtiefe oder Horizontal- depression, abhängt, welche man erhält, wenn man von Ö aus den T'angentialkegel CAB an die Erde. zieht und zugleich durch C eine Ebene normal zu CD legt; jede Seitenlinie dieses Kegels ist gegen die Ebene um den <{p geneigt. Die Radien MA und MB bilden mit CA und CB rechte Winkel, und es ist somit X CMB — U, so ist auch e?sin?p > e?sin?db und (l— e’sinJ) > (1 — e’sin’9). Diese Eigenschaft er- hält sich, wenn man jede.der beiden Grössen auf eine beliebige Potenz erhebt, und es ist also der Nachweis geführt, dass der unter einer höheren Breite » ge- messene Bogen G den unter einer niedrigeren Breite ) gemessenen Bogen g an Grösse übertrifft. I, S. 10. Dimensionen des Erdsphäroides. 149 Hieraus aber berechnet sich durch eine einfache algebraische Trans- formation es ni 3 sin? &, = & os sin” G% sin’ o — e*% sin d e) Radius einer dem jöie inhaltsgleichen Kugel. Da die Ab- plattung der Erde, wie wir im nächsten Paragraphen sehen werden, keine sehr beträchtliche ist, so empfiehlt es sich häufig, dem Erd. sphäroid eine Kugel zu substituiren, deren Halbmesser gewissermassen das Mittel aus den ungleichen Halbmessern des ersteren repräsentirt. Gewöhnlich wählt man hiezu jene Kugel, deren Volumen demjenigen des Ellipsoides gleich ist. Der Kubikinhalt der Kugel wird durch 3 vr, jener des Sphäroides durch nn b z ausgedrückt; demgemäss wäre =, a: a ea En a, r = Va:b. Dieser Vermittelungsgrösse werden wir bald wieder begegnen. $. 10. Dimensionen des Erdsphäroides. Für die Abmessungen des Erdkörpers findet man in den verschiedensten Werken auch ver- schiedene Zahlen angegeben, je nachdem man sich an die eine oder andere Berechnung hält. Ausführliche Untersuchungen auf Grund des zu ihrer Zeit vorliegenden Materiales haben in diesem Sinne v. Lindenau 120], E. Schmidt [121], Bessel [122] und Encke [123] angestellt. Wir ziehen es vor, die von Listing bestimmten Mittelwerthe hier mitzutheilen. Er theilte die wichtigeren Gradmessungen in Gruppen ein und bestimmte für jede einzelne Gruppe das ihren relativen Werth charakterisirende Gewicht. Auf Grund dieser Eintheilung nahm er eine Neuberechnung vor und gelangte so dahin, ein typisches Sphä- roid in Vorschlag zu bringen, welches sich am besten zur Vergleichung der bisherigen wie künftigen Sphäroidformen eignen soll [124]. Danach wäre a —= 6377365 m, b = 6 355 298 m, a — ee ar ein Meridionalquadrant — 10000218 m, ein Aequatorialquadrant — 10.017542 m, r = Va’b — 6370 000 m, die mittlere Länge eines Breitengrades — 57009,49 Toisen. Die alte populäre Rechnung, welche den Erdumfang auf 5400, die Länge eines Aequatorgrades auf 15 und den Erdradius auf 859, 5 Meilen anschlägt, kann dabei immer noch nebenher bestehen bleiben; Listing hat auch auf sie Rücksicht genommen und (a. a. O.) für sein typisches Sphäroid die Meile ar == 2700 = 7420,4 m gesetzt. Man halte jedoch daran fest, dass all’ das Gesagte ausschliesslich dann gilt, wenn die Erde als ein abgeplattetes Drehungsellipsoid auf- gefasst wird, dessen kleine Axe zugleich die Rotationsaxe darstellt. Diese Eigenschaften können nur angenähert als für den Erdkörper charakteristisch gelten, und es hat nicht an gelehrten Männern gefehlt, welche die eine oder andere ernstlich in Zweifel ziehen zu sollen glaubten. 150 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. S. 11. Bedenken gegen den Fundamentalsatz der mathematischen Geographie In diesem Paragraphen sollen blos solche Bedenken zur Sprache kommen, welche diesen Fundamentalsatz nicht ernstlich zu gefährden vermögen. Von anderen wird später die Rede sein. a) Die Erosionshypothese. Bereits vor hundert Jahren sprach ein Oesterreicher, Gerlach, die Ansicht aus, die Erde sei eigentlich eine Kugel oder doch ein nur ganz unmerklich von jener verschiedener Körper, und man werde sich dereinst davon überzeugen, wenn man hinreichend viele und gute Bestimmungen von Meerestiefen zur Ver- fügung habe [125]. Denselben Gedanken vertrat G. Bischof in einer besonderen Monographie |126] ; die Abplattung ist nach seiner Behauptung nicht ein Erzeugniss der Oentrifugalkraft, sondern ein solches der erosiven Kräfte, welche auf der Erdoberfläche ihr ungehindertes Spiel treiben. Der Meeresboden dagegen habe sich, da ihm die Erosion so gut wie gar nicht beikommen könne, seine rein sphärische Form be- wahrt, und aus den vorhandenen Lothungen lasse sich dafür der Be- weis entnehmen. Sind nämlich r,, r,, tz... für beliebige Punkte auf dem Meere die Radienvektoren, 1, k, ls... die daselbst gelotheten Meerestiefen, so ist nach Bischof y-lhlznr hl, =... kon und diese Konstante ist eben der Halbmesser der eigentlichen Erd- kugel. H.J. Klein’s eingehende Widerlegung dieser Hypothese |127] betont namentlich die Unmöglichkeit, aus unserem noch so geringen oceanographischen Wissen so weittragende Schlüsse zu ziehen. b) Die Hypothese des dreiaxigen Ellipsoides. Elie Ritter’s Versuch [128], die vorhandenen Messungen einem Rotationskörper von nur an- nähernd elliptischem Meridianschnitte anzupassen, führte nach R. Wolf wesentlich nur zu einer Verifikation der Bessel’schen Zahlen [129]. Dagegen wagte es G. Th. Schubert, direkt das dreiaxige Ellipsoid an Stelle des zweiaxigen zu setzen [130], ein Versuch, der um so näher liegen mochte, als nach Jacobi’s Entdeckung (I. Abtheilung, Kap. III, $. 7) die Möglichkeit eines theoretischen Einwandes gegen die Neuerung geschwunden war. Schubert fand a, = 6378556 m, a, = 6377837 m, b = 6356719 m; der Aequator ist ja jetzt kein Kreis mehr, sondern selbst eine Ellipse, und folglich müssen wir auch für ihn die grosse Halbaxe a, von der kleinen Halbaxe a, unterscheiden. Die erstere trifft auf der Osthalbkugel den Aequator unter 58° 44° long. (von Ferro), die andere unter 148° 44' long. Sehr viel Anklang hat, zumal in England, die neuerdings von James und Clarke [131] unter- nommene Untersuchung des dreiaxigen Erdellipsoides gefunden, welcher zufolge a, = 6378294 m, 2%, = 6376350, b = 6356 068 m er- mittelt ward*). „Der grösste Radius kommt nach Clarke auf 15° 34° östliche Länge von Greenwich zu liegen; der grösste Meridiankreis trifft somit Spitzbergen, das Riesengebirge, Messina, den T'sad-See, sowie die Sandwich-Inseln und die westlichsten Theile von Aliaska; *) Die Differenz (a4 — 3) ist jedenfalls eine sehr geringe. Hind freilich denkt sie sich [132] noch viel geringer, als Schubert oder Clarke, und lässt doch diesen winzigen und nur durch scharfe Rechnung konstatirbaren Unterschied Hebungen und Senkungen, sowie auch die Meeresströmungen hervorrufen! Die Eigenthümlichkeiten der Oberflächengestaltung Nordamerika’s leitet er aus dieser einzigen Ursache her. | E 4 L h I,$. 11. Bedenken gegen d. Fundamentalsatz d. mathem. Geographie. ]51 der kleinste hingegen, 105° 34° östliche Länge von Greenwich, berührt nahezu das asiatische Nordkap und Irkutsk, führt durch die Mongolei und Hinterindien, geht endlich an der Westküste Patagoniens vorbei und über Ecuador, die Ostspitze China’s und Canada nach der Baffins- bay“ [133]. Der Grund, weshalb die aus den jedenfalls höchst ver- dienstlichen Arbeiten Clarke’s gezogenen Resultate heute schon wieder verlassen zu werden beginnen, liegt einfach darin, dass gewisse Un- regelmässigkeiten der Erdgestalt sich mit dem dreiaxigen Ellipsoide nicht schlechter, aber auch durchaus nicht besser vereinigen lassen, als mit dem zweiaxigen, während es für die Rechnung ungleich be- quemer ist, von diesem letzteren auszugehen. c) Fergola’s Hypothese. Der Anhänger der Kant- Laplace’schen Nebulartheorie wird sich nicht mit dem Gedanken befreunden können, dass die Umdrehungsaxe des nach und nach in Erstarrung über- gegangenen Gasballes, welcher unsere Erde von jetzt darstellt, nicht auch zugleich mit dem kleinsten Durchmesser dieses ellipsoidischen Balles zusammengefallen sei. Gleichwohl ist eine absolute Garantie für diese Koineidenz von geometrischer und kinematischer Axe nicht von vorn- herein gegeben, und es war deshalb sehr zu billigen, dass Fergola [134] die Prüfung dieser Frage einmal ernstlich in Angriff nahm. Wäre die Sachlage wirklich so, wie sie der neapolitanische Mathematiker voraussetzte, so würden sehr verwickelte Verhältnisse die Folge davon sein. Geometrischer Meridian wäre jeder die geometrische Axe in sich enthaltende ebene Schnitt, und senkrecht dazu stünde der durch das Centrum des Erdellipsoides hindurchgehende geometrische Aequator. Schwieriger wäre der astronomische Meridian eines Ortes zu ermitteln; man müsste in diesem Punkte eine Normale an die Ellipsoidfläche ziehen und durch sie eine Ebene parallel zur Um- drehungsaxe legen; würden dann alle Punkte, deren Meridianebenen selbst wieder parallel verlaufen, durch einen Kurvenzug verbunden, so wäre eben dieser selbst identisch mit dem gesuchten astronomischen Meridian. Alle Punkte, für welche die Normalen einen und denselben Winkel mit der Rotationsaxe einschliessen, erfüllen einen geogra- phischen Parallel; derselbe wäre im Allgemeinen eine unregelmässige Raumkurve von doppelter Krümmung, und ein Gleiches gälte für jede Orthogonalkurve des Parallels, d. h. für den geographischen Meridian. Glücklicherweise bleibt diese Scheidung für unsere Erde belanglos, denn während nach Fergola’s erster Berechnung der Winkel zwischen beiden Axen einen Werth von 1° 8° 24‘ erreichen sollte, gelangt die zweite Schrift, welche der genannte Autor diesem in- teressanten Gegenstande widmete [135], zu dem beruhigenden Schlusse [136], dass, obwohl eine kleine Ablenkung der mechanischen gegen- über der geometrischen Axe nach wie vor als im Bereiche der Mög- lichkeit liegend anerkannt werden müsse, doch für die Praxis das Zusammenfallen beider Axen als eine Thatsache hingenommen werden dürfe. — Somit schiene denn die Newton’sche Theorie vom Rotations- ellipsoid gegen alle Einwürfe siegreich zu bleiben. Gewisse Erwägungen des nächsten Kapitels werden uns dagegen mit gefährlicheren Schwierig- keiten bekannt machen, und im dritten Kapitel erst wird gezeigt werden können, wie sich diesen Schwierigkeiten begegnen lässt, ohne mehr 152 Citate. als einige minder wesentliche Nebenpunkte der sphäroidischen Hypo- these zu opfern. [1] Herodoti historia, lib. IV. cap. 86. — [2] Ibid. lib. II. cap. 104. — [3] Köler, Allgemeine Geographie der Alten, Lemgo 1803. $. 89. — [4] Peschel- Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Alexander v. Humboldt und Carl Ritter, München 1877. S. 30. — |5] H. Berger, Zur Entwickelung der Geographie der Erdkugel bei den Hellenen, Grenzboten, 39. Jahrgang. S. 411. — [6] Köler, Alle. Geogr. etc. $. 90 ff. — [7] Stölzle, Die Lehre vom Unendlichen bei Aristoteles mit Berücksichtigung früherer Lehren über das Unendliche, Augsburg 1832. 8. 5. — [8] Peschel-Ruge, Gesch. d. Erdk. etc. $S. 34. — [9] Bergel, Der Himmel und seine Wunder; eine archäologische Studie nach alten jüdischen Mythographen, Leipzig 1881. — [10] Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft, mit besonderer Rücksicht auf Schöpfungsgeschichte, 1. Abthei- lung, Gütersloh 1878. S. 124. — [11] Günther, Die kosmographischen Anschauun- gen des Mittelalters, Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 4. Jahrgang. S. 249 ff. S.313 ff. S.345 ff. — [12] Marinelli, La geografia e i padri della chiesa, Roma 1882. — [13] Zöckler, Gesch. ete. 1. Abtheil. $S. 125 ff. — [14] Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper, deutsch von Menzzer, Thorn 1879. S. 7. — [15] Pindter-Parthey, Ravennatis Anonymi Cosmographia, Berolini 1860. — [16] Marinelli, La geografia etc. $S. 41. — [17] Günther, Studien zur Geschichte der mathematischen und physikalischen Geographie, Halle 1879. S. 5 ff. — [18] Gilbert, Le pape Zacharie et les antipodes, Bruxelles 1882. — [19] Defense de la revelation contre les objections des forts esprits par M. Euler, suivies des pensees de cet auteur sur la religion, Paris 1805. — [20] v. Stälin, Württembergische Geschichte, 1. Band, Stuttgart 1841. $. 405. — [21] Günther, Die Kartenprojektionslehre im Verlaufe des letzten Jahrzehntes, Wagner’s geogr, Jahrb., 9. Band. $. 435 ff. — [22] Notices et extraits des manuscrits de la biblio- theque nationale et autres bibliotheques, Tome IV. Paris An VII. S. 260. — [23] Günther, Studien ete. $. 69. — [24] Peschel-Ruge, Gesch. d. Geogr. ete. S. 120. — [25] Günther, Studien etc. S. 71. — [26] Ibid. S. 68. — [27] J. F. Sedillot, Traite des instruments astronomiques des Arabes compose au treizieme siecle, par Aboul Hhas’an Ali. de Maroc, Paris 1834. $. 73. —- [28] Günther, Studien etc. S. 106. — [29] Ibid. $. 88. — [30] Heeren, Eine japanische Erdkugel,. Mittheil. d. Gesellsch. f. Natur- und Völkerkunde Ostasiens, 1. Band, 2. Heft. 8.9 ff. — [31] Birnbaum, Grundzüge der astronomischen Geographie, Leipzig 1852. S. 11 ff. — [32] Fahle, Die Kugelgestalt der Erde, Zeitschr. f. math. u. naturw. Unterricht, 2. Jahrgang. S.322 ff.; Pick, Die Kugelgestalt der Erde, ibid. 2. Jahrgang. S. 505 ff. — [83] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. S 47. — [84] Jagor, Reise in den Philippinen, Berlin 1873. S. 180. — [35] Dufour, De Valteration des images par reflexion sur la surface des eaux, Bull. de la soc. vaud. des sc. natur.. Vol. XIII. S 303 ff. — [36] Archimedis opera omnia, cum com- mentariis Eutocii. ed. Heiberg, Vol. I., Lipsiae 1881. S. 366. — [37] Günther, Studien ete. S. 100. —- [38] Notices et extraits etc., Tome IV. S. 261. — [39] Guthe- Wagner, Lehrbuch der Geographie, 1. Band, Hannover 1882. S. 444. — [40] Köler, Allg. Geogr. ete. $. 93 ff. — [41] Günther, Studien etc. $S. 146 ff. — [42] Ibid. S. 148 ff. — [48] W. Schmidt, Ueber Dante’s Stellung in der Geschichte der Kosmographie, 1. Theil, Graz 1876. — [44] Poletto, L’opusculo di Dante Allighieri, „De aqua et terra“, in raffronto al moderno progresso delle scienze fisiche, Ve- nezia 1883. — [45] Günther, Studien etc. $S. 163 ff. — [46] Nicolaus Copper- nieus etc. S. 12 ff. — [47] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band, Leipzig 1879. $. 142. — [48] Holetschek, Erdkrümmungsfragen, Zeitschr. t. Schulgeogr.,. 4. Jahrgang. $. 155 fi. — [49] Geleich, Eine Studie über die Ent- deckung der analytischen Geometrie, Abh. z. Gesch. d. Math., 4. Heft, Leipzig 1832. S. 209. — [50] Geleich, Ueber den Vorschlag des Marino Ghetaldi, die Grösse der Erde zu bestimmen, Zeitschr. f. Math. u. Phys., h.-]. Abth. 28. Jahrgang. $. 130 ff. — [51] Pelz, Ueber das Problem der Glanzpunkte, Wien 1871. — [52] J. Müller, Lehrb. d. kosm. Phys. $. 50 ff. — [53] H Berger, Die geographischen Fragmente des Eratosthenes neu gesammelt, geordnet und besprochen, Leipzig 1830. S. 101 ff. — [54] Günther, Die Erdmessung des Eratosthenes, Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 3. Jahrgang. $. 327 ff. — [55] Lepsius, Das Stadium und die Gradmes- N a a a ind rd Di Br Citate. 153 sung des Eratosthenes auf Grundlage der ägyptischen Maasse, Zeitschr. f. ägypt. Sprache und Alterthumskunde, 15. Jahrgang. S. 8 fi. — [56] Sprenger, Zur Ge- schichte der Erdmessungen im Alterthum, Ausland 1867. S. 1016 fi. — [57] Geh- ler’s physik. Wörterbuch, 2. Auflage, 3. Band, Leipzig 1827. S.843 ff. — [58] Posch, Geschichte und System der Breitengradmessungen. Freising 1860. — [59] v. Bauern- feind. Die Bedeutung moderner Gradmessungen, München 1866. — [60] Sadebeck, Entwickelungsgang der Gradmessungsarbeiten und gegenwärtiger Stand der euro- päischen Gradmessung. Berlin 1876. — [61] Zusammenstellung der Literatur der Gradmessungsarbeiten, Berlin 1876. — [62] Caji Plinii Secundi historiae naturalis libri XXXVI. lib. II. cap. 109. — [63] Bailly, Geschichte der neueren Astronomie, deutsch von Bartels, 1. Band, Leipzig 1796. S. 37 ff. — [64] Ibid. S. 211. — [65] Notes et extraits ete.. Tome VII, Paris 1804. S. 95. — [66] Brevis ac peru- tilis compilatio Alfragani astronomorum peritissimi, totum id continens, quod ad rudimenta astronomica est opportunum. Norimbergae 1537. Fol. 8. — [67] Fernel, Cosmotheoria seu de forma mundi et de corporibus coelestibus, Parisiis 1528. — [68] Willebr. Snellius, Eratosthenes Batavus seu de terrae ambitus vera quantitate suscitatus, Lugduni Batavorum 1617. — [69] Schwerd, Die kleine Speyerer Basis, Speier 1822. — [70] Heel, Dr. Friedrich Magnus Schwerd, ein Nekrolog, Speier 1872. S. 10. — [71] Montucla, Histoire des mathematiques, tome II, Paris 1758. S. 315. — [72] Gehler’s Physik. Wörterb., 3. Band. $. 847. — [73] Picard, La mesure de la terre, Paris 1671. — [74] J. J. v. Littrow, Geschichte der Entdeckung der all- gemeinen Gravitation durch Newton, Wien 1835. $. 38 ff. — [75] Gehler’s Physik. Wörterb.,. 3. Band. $. 849 ff. — |76] Cantor, Mathematische Beiträge zum Kultur- leben der Völker, Halle 1864. S. 398. — [77] Chasles, Geschichte der Geometrie, hauptsächlich mit Rücksicht auf die neueren Methoden, deutsch von Sohncke, Halle 1839. S. 517. — [78] Günther, Studien etc. S. 162. — [79] Ibid. S. 171 £. — [80] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 614. — [81] Jacques Cassini, Trait& de la grandeur et de la figure de la terre, Paris 1720. — [82] Eisen- schmidt, Diatribe de figura telluris elliptico-sphaeroide, ubi una exhibitur ejus magnitudo per singulas dimensiones consensu omnium observationum comprobata, Argentorati 1691. — [83] R. Wolf, S. 616 ff. — [84] Bouguer, La figure de la terre, determinee par les observations de M. M. De la Condamine et Bouguer, Paris 1749. — [85] Bouguer, Justification des m&ömoires de l’acad&mie et du livre sur la figure de la terre, Paris 1752. — [86] Maupertuis, Sur la figure de la terre, determinee par les observations de M. M. Maupertuis, Clairault, Camus, Le Mon- nier et OQuthier, Amsterdam 1738; Id., La figure de la terre determin&e par les observations faites par ordre du roy dans le cercle polaire, Paris 1738. — [87] Nürn- berger, Populäres astronomisches Handwörterbuch, 1. Band, Kempten 1856. S. 1011 ff. — [88] La Caille, Journal historique du voyage fait au cap de Bonne-Esp£rance, publie par Carlier, Paris 1763. — [89] Boscovich-Maire, De litteraria expeditione per pontifieciam ditionem ad dimetiendos duos meridiani gradus, Romae 1755. — [90] Chr. Mayer, Basis Palatina, anno 1762 ad normam Academiae Regiae Pari- sinae scientiarum exactam bis dimensa, Manhemi 1763. — [91] Maskelyne, Intro- duction to the observations made by Chr. Mason and J. Dixon for determining the length of a degree of latitude in the provinces of Maryland and Pennsylvania, London 1768. — [92] Liesganig, Dimensio graduum meridiani Viennensis et Hun- garici Augg. jussu et auspieiis peracta, Vindobona 1770. — [93] Ibid. $. 209 fi. — [94] Frischauf, Gebirgsführer durch die österreichischen Alpen und die angren- zenden Theile von Bayern, Italien und Montenegro, Wien 1883. S. 15. — [95] Bec- caria, Gradus Taurinensis, Augustae Taurinorum 1774. — [96] Roy, An account of the trigonometrical operations, whereby the distance between the meridians of the royal observatories of Greenwich and Paris are determined, London 1790. — [97] J. D. Cassini. Exposition des observations faites en France 1787. pour la joncetion des me£ridiens de Paris et de Greenwich, Paris 1792. — [98] Dalby, A short account of the late R. Burrow’s measurement of a degree of longitude and another of latitude near the tropie in the years 1791 and 1792, London 1796. — [99] Svanberg, Exposition des operations faites en Lapponie pour la determination d’un are du meridien en 1801—3 par Ofverbom, Svanberg, Holmquist et Palander, Stockholm 1805. — [100] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 621 ff. — [101] Ibid. $. 625. — [102] Bessel, Ueber einen Fehler in der Berechnung der französischen Grad- messung und seinen Einfluss auf die Bestimmung der Figur der Erde, Astron. Nachr. Nr. 438. — [103] Bessel, Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände, herausgeg. v. Schumacher, Hamburg 1848. S. 283. — [104] Listing, Ueber unsere jetzige Kenntniss von der Gestalt und Grösse der Erde, Nachr. v. 154 Citate, d. k. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen, 1873. S. 76 fi. — [105] H. C. Schu- macher, Nachricht über den Apparat, dessen er sich 1820 zur Messung der Basis bei Braake bediente, Altona 1821. — [106] Bessel, Gradmessung in Östpreussen, Berlin 1838. — [107] Gauss, Bestimmung des Breitenunterschiedes zwischen den Sternwarten von Göttingen und Altona, Göttingen 1828. — [108] Everest, An account of the measurement of an arc of the meridian, London 1830. — [109] W. Struve, Arc du m£ridien de 25° 10‘ entre le Danube et la mer glaciale, mesure 1810—55 sous la direction de C. de Tenner, Chr. Hansteen, N. H. Se- lander, W. Struve, St. Petersbourg 1860. — [110] Maclear, Verification and ex- tension of La Caille’s arc of meridian at the Cape of Good Hope, London 1866. — [111] Gerlach, Die Bestimmung der Gestalt und Grösse der Erde, Wien 1782. S. 36 fi. — [112] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 627 ff. — [113] v. Baeyer,. Ueber die Figur und Grösse der Erde, Berlin 1861. — [114] Sadebeck, Entwickelungs- gang etc. S. 21. — [115] Ibid. S. 22. — [116] Ibid. S.35 ff. — [117 TIkid. 8.12. — [118] Martus, Astronomische Geographie, ein Lehrbuch angewandter Mathe- matik, Leipzig 1880. 8.219 ff. — [119] Bohnenberger, Astronomie, Tübingen 1811. S. 187 ff. — [120] v. Lindenau, Ueber den Gebrauch der Gradmessungen zur Be- stimmung der Gestalt und Grösse der Erde, (v. Zach’s) Monatl. Corresp. z. Bef. d. Erd- u. Himmelskunde, XIV. S. 138 ff. — [121] E. Schmidt, Ueber die Dimen- sionen des Erdkörpers, Harding’s Ephemeriden 1831. — [122] Vgl. N. 102. — [123] Encke, Ueber die Dimensionen des Erdkörpers, nebst Tateln nach Bessel’s Bestimmungen, Astron. Jahrb. f. 1852. — [124] Listing, Ueber unsere jetzige Kenntniss etc. S. 41 ff. — [125] Gerlach, Die Bestimmung etc. S. 61 fi. — [126] G. Bischof, Die Gestalt der Erde und der Meeresfläche und die Erosion des Meeresbodens. Bonn 1867. — [127] H. J. Klein, Entwickelungsgeschichte des Kosmos nach dem gegenwärtigen Standpunkte der gesammten Naturwissenschaf- ten, Braunschweig 1870. S. 7 ff. — [128] E. Ritter, Recherches sur la figure de la terre, Geneve 1861. — [129] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 631. — [130] G. Th. Schu- bert. Essai d’une determination de la v£ritable figure de la terre, M&m. de l’ac. imp. des sc. de St. Petersbourg, (VII) tome I. N. 6. — [131] Clarke, Comparison of the standards of length made at the Ordnance Survey Office, London 1866. S. 285 ff. — [132] Hind, The figure of the earth in relation to geological inquiry, Nature, Vol. X. S. 156 ff. — [133] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk. $. 166. — [134] Fergola, Sulla posizione dell’ asse di rotazione della terra rispetto all’ asse della figura, Napoli 1874. — [135] Fergola, Dimensioni della terra e ricerca della po- sizione del suo asse di figura rispetto a quello di rotazione, Napoli 1876. — [136] Ibid. S. 26. Kapitel 11. Die Attraktionsphänomene und deren Anwendung zur Bestim- mung der Gestalt und Dichte der Erde. 8. 1. Die allgemeine Gravitation. Die Vorstellung, dass allen Körpern eine gegenseitige Anziehungskraft zukomme, reicht in un- bestimmten Umrissen bis in das Alterthum hinauf, wie denn schon Aristoteles (8. 2 des vorigen Kapitels) die sphärische Rundung sich selbst überlassener Massen in dieser Weise zu erklären suchte. Einiger- massen klarer dachte hierüber Kepler, dessen Ideen man am besten in seinem berühmten Werke über den Planeten Mars vereinigt findet, und der u. a. bereits die T'hese aufstellte [1], dass, wenn die Erde nicht rund wäre, für die Fallrichtung der Körper sich kein so be- stimmtes Gesetz aufstellen liesse, wie wir es bekanntlich zu thun in der Lage sind. Welche Unklarheiten gleichwohl selbst bei den besseren Köpfen des XVII. Jahrhunderts über diese Fragen noch herrschten, % II, $. 1. Die allgemeine Gravitation. 155 erhellt aus der T'hatsache, dass in einem gelehrten Werke [2] Beau- srand’s, eines sonst nicht ungeschickten Mathematikers, ein geo- metrischer Beweis dafür erbracht werden sollte, ein Körper habe ein um so grösseres Gewicht, je näher er sich dem Mittelpunkte der Erde befinde. Erst Newton’s grosse Entdeckung machte eine kausale Be- greifung der kosmischen Erscheinungen möglich; er prüfte an der Hand der Rechnung, ob nicht der ihm zufällig gekommene Gedanke, dass der Mond von derselben Kraft in seiner Kreisbahn erhalten werde, welche den losgelassenen Stein zur Erde fallen macht, eine tiefere Bedeutung habe, und fand seine Vermuthung vollständig gerechtfertigt; niedergelegt ist diese Entdeckung in dem denkwürdigen 4. Theorem des 3. Buches seiner „Princeipia naturalis philosophiae mathematica“, das in Wolfers’ Verdeutschung lautet |3]: „Der Mond ist gegen die Erde schwer, er wird durch die Schwere von der geradlinigen Bewegung abgezogen und in seiner Bahn erhalten.* Die grosse Neuerung vermochte allerdings nur sehr langsam sich Bahn zu brechen, namentlich auf dem Festlande, wo selbst ein Johann Bernoulli und Euler ihr widerstrebten, indem sie freilich ohne Scheu die Newton’schen Regeln bei ihren Rechnungen benützten |4], doch gelang es dem unermüdeten Eifer eines Halley, Louville, D’Alembert, Olairaut u. a., dem Gravitationssysteme noch im Laufe des XVIII. Säkulums zum endgültigen Siege zu ver- helfen. Newton’s Fundamentalsatz besagt Folgendes: Zwei Massen M, und M,, deren gegenseitige Entfernung r beträgt, ziehen sich mit einer Kraft an, deren mathematischer Ausdruck = Mi .M; nr ist, unter k die sogenannte Gravitationskonstante verstanden. Es ist namentlich darauf Gewicht zu legen, dass die Anziehung keine ein- seitige, sondern zufolge dem ebenfalls von Newton |5| gefundenen Satze von der Gleichheit zwischen Wirkung und Gegenwirkung eine relative ist; die einzelnen Planeten bewegen sich nicht etwa um die in absoluter Ruhe verbleibende Sonne, sondern diese Planeten kreisen sammt der Sonne um den gemeinsamen Schwerpunkt des ganzen Systemes, der nur wegen der Ueberwucht des Centralkörpers sich nicht sehr weit von dem Schwerpunkte des letzteren entfernen kann. Worin eigentlich das Wesen der Schwerkraft bestehe, wissen wir nicht zu sagen, obwohl es von Newton — der selbst jedoch nur mit grosser Vorsicht diesen Punkt erörterte — bis auf Zöllner an Hypothesen in dieser Richtung keineswegs gemangelt hat. Eine treffliche Ueber- sicht über diese Theorieen bietet das Werk von Isenkrahe [6], in welchem gleichzeitig nicht ohne Glück der Versuch gemacht wird, die Anziehung der Massen durch den Stoss von Aetheratomen zu erklären. In neuester Zeit ist viel davon gesprochen worden, dass der obige Ausdruck des Gravitationsgesetzes zwar nicht gerade unrichtig, aber doch nur als eine erste Näherung für eine allgemeinere Formel anzu- sehen sei, welche die attraktiven und repulsiven Wirkungen innerhalb der Körperwelt regle.e Namentlich Zöllner hat in jenem Abschnitte seines uns nun schon mehrfach bekannten Kometenwerkes, welcher „über die allgemeinen Eigenschaften der Materie“ handelt [7], die Mög- lichkeit ausführlich erörtert, dass dem Newton’schen das Weber’sche elektrodynamische Grundgesetz zu substituiren sei, welches für einen 156 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. ' unendlich grossen Werth der darin vorkommenden Konstante eben in ersteres übergeht; Scheibner habe die Substitution astronomisch geprüft und sei zu folgendem Resultate gekommen [8]: „Unter Bei- behaltung des numerischen Werthes der Weber’schen Konstante*) könnte ein Unterschied höchstens in der Bewegung des Merkur be- obachtet werden, indem hier eine säkuläre Aenderung des Perihels von 6,73 Bogensekunden hervorgebracht würde. Bei der Venus betrüge dieser Einfluss nur noch 1',43.* So kleine Differenzen geben uns die Beruhigung, dass an der Newton’schen Grundformel zunächst keine Korrektion angebracht zu werden braucht. Auch v. Oppolzer ent- scheidet sich am Schlusse einer tief eingehenden Prüfung des Gegen- standes |9] in diesem Sinne. Er selbst hat [10] versucht, gelegentlich den Anomalieen in der Bewegung des Encke’schen Kometen mittelst der Hülfsvorstellung beizukommen, dass die Schwerkraft zu ihrer 'Fort- pflanzung im Raume einer endlichen Zeit bedürfe, allein auch die Ein- führung dieser Hypothese war nicht dazu angethan, volle Befriedigung zu schaffen. Wir können also darauf verzichten, diese Möglichkeit in den Kreis unserer Betrachtungen zu ziehen, ebenso wie manche andere, z. B. die von Isenkrahe [11] angedeutete, dass Temperaturänderungen die Intensität beeinflussen möchten — und wir können diess um so eher, als wir es hier der Hauptsache nach nur mit irdischen, also ver- gleichsweise sehr kleinen Entfernungen zu thun haben. S. 2. Mittel, die Schwere und ihre Variationen zu messen. Das wichtigste der Hülfsmittel, über welche man zu dem angegebenen Zwecke verfügt, wird im fünften und sechsten Paragraphen einer ge- sonderten Besprechung unterzogen werden; hier sollen einige Verfahrungs- weisen von an sich mehr untergeordneter Bedeutung besprochen werden, welche jedoch eine gewisse Wichtigkeit für die tellurische Physik theils schon erlangt haben, theils möglicherweise noch zu erreichen berufen sind **). a) Hengler’s Schwungwage. In den zwanziger Jahren dieses Jahr- hunderts gab ein junger Physiker, Namens Lorenz Hengler, über dessen ungewöhnlichen Lebensgang die biographische Notiz Zech’s [13] nachzusehen ist, unter dem Namen Schwung- oder Pendelwage eine eigenthümliche Vorrichtung zum Messen sehr kleiner anziehender Kräfte an, auf welche, da der betreffende Aufsatz [14] längst verschollen war, erst durch die geschichtlichen Artikel von Safarık |15] und Zöll- ner |16] wieder von Neuem aufmerksam gemacht werden musste. Das Princip der bifilaren Aufhängung, später von Gauss zur höchsten Vollendung gebracht, ist bereits von Hengler angewandt worden. Eine lange dünne Stange CD (Fig. 19) ist nahe ihrem einen Ende durch zwei gleichlange Fäden DE und FA mit zwei festen Punkten verbunden, deren ersterer, E, sich auf dem Fussboden xy befindet, während der andere, A, sich in einer gewissen Höhe befindet, so zwar, dass der Fusspunkt B eines von A auf die Horizontalebene gefällten Lothes nicht mit E zusammenfällt, sondern um eine kleine Strecke EB *) Dieselbe hat nämlich an und für sich schon einen sehr hohen Werth. **) Vgl. einen zusammenfassenden Aufsatz [12] des Verf. über die geo- physikalische Verwerthung solcher Methoden. un u ala Zul a dan da u Dun Laub. namen a Sul mr al ln lan Wal ann am u ann ia ne Zn 2 U, $. 2. Mittel, die Schwere und ihre Variationen zu messen. 157 von ihm abliegt. In C© trägt die Stange einen Index, der, sobald erstere in Schwingungen gerathen ist, deren Grösse auf einer senkrecht über P errichteten horizontalen Skale MN markirt. Hengler hat mit dieser empfindlichen Vor- richtung zahlreiche Ver- Fig. 19. suche über die ablenkende A Kraft angenäherter schwe- IN rer Körper angestellt und, iR wie z. B.sein LehrerGruit- huisen - mittheilt [17], konnte die Attraktion einer Kanonenkugelbereits deut- lich sichtbar gemacht wer- den. Hengler bedauerte nur sein Unvermögen, stö- rende Einflüsse (Wärme, Luftströmungen u. s. w.) von seinem Apparate ferne zu halten: „ich bin überzeugt,“ schrieb er [18], „dass man die Attraktionskraft des Mondes selbst und daher auch seine Masse durch dieses Instrument genau be- stimmen kann, sobald man ein dazu taugliches Lokal hat.“ Von anderen Versuchen mit der Schwungwage im IV. Kapitel. b) Perrot's Apparate. Auf einem ähnlichen Grundgedanken be- ruht offenbar der zweite der beiden Apparate, mit welchen Perrot [19] kleine Aenderungen in Grösse und Richtung der Schwerkraft zu messen gedachte. Der erste, sinnreich kombinirt, allein von allzuvielen Fehlern abhängig, besteht wesentlich aus einer Platte, die an einem langen Spiraldraht aufgehängt wird. Legt man auf selbe ein Gewicht, so wird eine doppelte Bewegung eingeleitet, eine rotatorische und eine vertikal nach unten gerichtete. Letztere vernachlässigend, meint Perrot, könnte man etwa noch !/iooooooo in der Veränderung der Erdschwere durch Drehung konstatiren, d. h. eine Aktion, zehnmal geringer, wie die vom Monde ausgeübte. Der zweite Apparat war, wie schon gesagt, ein an zwei Drähten aufgehängter Stab, den sein Verfertiger sensibler zu machen sich getraute, als eine Wasserwage, bei welcher die Ablenkung der Blase um 3 mm einer Bogensekunde entspricht. Den Einwirkungen der Temperaturschwankung glaubte Perrot [20] begegnen zu können. c) Zöllner’s Horizontalpendel. Ohne von den Vorarbeiten Hengler’s und Perrot’s Kenntniss zu haben, ersann Zöllner eine dem Wesen nach analoge, nur in den Einzelheiten weit zuverlässigere Vorrichtung zur Messung sehr kleiner Kräfte (elektrische und magnetische Minimal- aktionen, irdische Centrifugalkraft u. s. w.) [21]; später hat er den Verdiensten jener Vorläufer ausdrücklich Rechnung getragen (s. o.). Er nannte das Instrument Horizontalpendel, brachte die zu Hengler’s Zeit noch unbekannte Poggendorff’sche Spiegelablesung daran an und stellte es in dem einer sehr gleichmässigen Temperatur sich er- freuenden Keller des Leipziger Universitätsgebäudes auf; später kam es, da sich doch seismische Störungen daselbst bemerklich machten, in einen eigens dafür hergestellten Kuppelbau des astrophysikalischen Observatoriums*). Zöllner’s Beschreibung [23] ist folgende: Uhrfedern *) Das astrophysikalische Observatorium (Sonnenwarte) bei Potsdam besitzt 158 Zweite Abtheil. Allgem, mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. a, a’ vertreten die Stelle der Drähte: dieselben werden durch das Ge- wicht A mit dem Spiegel C in Spannung erhalten (Fig. 20). Die Uhrfedern sind in ce und c‘ eingeschraubt, und die parallelepipedischen » Büchsen, in welchen sie endigen, stehen in direkter Verbindung mit dem oberen und unteren Ende der Vertikalsäule MN, welche das Ganze trägt. B’ ist ein Ge- gengewicht. Das Ganze ruht auf dem gewöhnlichen, mit drei Stellschrauben versehenen Stativ, und zwar muss eine dieser Stellschrauben in der durch die Aufhängepunkte c und c‘’ bestimmten Vertikalebene enthalten sein. Der Spiegel konstatirte noch Ablenkungen von der Lothlinie, die nicht grösser waren, als !lıooo Bogensekunde. Zöllner ist der Meinung, dass, wenn das Instrument in einem tiefen Schachte aufgestellt und daselbst nicht etwa durchimmerhin denk- bare Fluthbewegungen des feurigflüssi- sen Erdinneren alterirt würde, dadurch recht wohl jene geringen Anziehungen von Sonne und Mond nachzuweisen wä- ren, welche Peters (s. unten) berech- nete, Das Pendel muss sowohl beim Auf- und Untergang, als auch bei den Kul- minationen dieser Himmelskörper durch den Meridian gehen, und zwar nicht verspätet, wie dies bei den Gezeiten des Meeres der Fall ist, sondern synchron; vielleicht liesse sich also auch mit seiner Hülfe die von Zöllner selbst und von v. Oppolzer (s. o.) aufgeworfene Frage entscheiden, ob der Gravitation eine Momentan- wirkung zukomme oder nicht. Eine elegante und einfache mathe- matische Theorie des Horizontalpendels haben wir von Stoll [24]; dort wird gezeigt, dass die beschleunigende Kraft beim letzteren sich von jener beim Vertikalpendel nur um den Faktor tang ® unterscheidet, wo ® den sehr kleinen Winkel bedeutet, welchen eine die Punkte c und e’ (Fig. 20) verbindende Gerade mit der Vertikalen bildet. d) Messung der Schwerkraft durch die Wasserwage. Gruithuisen erzählt im Eingang seiner oben erwähnten Abhandlung, der berühmte Mechaniker G. v. Reichenbach habe ihm für solche Messungen eine sehr grosse Wasserwage vorgeschlagen. Hengler gedachte die letztere durch seine neue Nivellirwage zu ersetzen, welche (s. o.) nach seiner Angabe auch wirklich durch den Mechaniker Weissenbach ausgeführt und der Münchener Akademie vorgelegt worden wäre. Eingehende Untersuchungen über den Einfluss der Attraktion auf eine Libelle oder Wasserwage hat Peters [25] angestellt. Eine solche besteht bekannt- ein Horizontalpendel, welches seinen geeigneten Platz auf der Sohle des tiefen Brunnenschachtes gefunden hat [22]. Messungen scheinen übrigens mit demselben noch nicht angestellt worden zu sein. 7 a Pe | E- er” Ku oe i) E2 5 1I. $. 2. Mittel, die Schwere und ihre Variationen zu messen. 159 lich aus einer gekrümmten Glasröhre, deren Krümmungsradius aber sehr gross sein muss; gefüllt ist sie mit Weingeist oder einer anderen Flüssigkeit, jedoch nicht gänzlich, vielmehr ist ein kleiner luftleerer Raum übrig gelassen [26], der fälschlich als Luftblase bezeichnet wird. Diese Blase muss bei jeder Bewegung der Röhre stets den höchsten Platz einnehmen, und die auf einer — im Glase eingeritzten — Theilung abzulesende Ausschlagsgrösse liefert ein Maass für die Grösse der Bewegung. Nun habe ein Gestirn vom Erdmittelpunkt und vom Apparate resp. die Entfernungen r und r‘, die Zenithdistanzen, unter welchen das Gestirn, dem die Masse m zukommt, von beiden Punkten aus gesehen wird, seien z und z’; berechnet man dann jene Kompo- nenten der auf die Flüssigkeit wirkenden Gestirnsattraktion, welche auf der durch Gestirn und Libelle gelegten Vertikalebene senkrecht steht, so ist dieselbe gleich mr‘ "* sinz‘, während die auf die Röhre aus- geübte Attraktion durch mr”* sinz ausgedrückt ist. Jene Kraft also, die den flüssigen Inhalt in einer dem Azimut des anziehenden Himmels- körpers entsprechenden Richtung bewegen will, ist gleich der Differenz = no zZ sin ”) = we. Bedeutet h die in Sekunden ausgedrückte Horizontalparallaxe des Sternes, p den Halbmesser, M die Masse der Erde, so ist der Ab- lenkungswinkel ( sin z’ sin = M 3m m : BE EN a u: . Z e Sm h’ sin 2z sın 1”. Wird endlich jener Theil der Ablenkung berechnet, welcher auf ein vom Azimut a differirendes Azimut a‘ entfällt, so ist dieser Betrag gleich Tr’ 12 u sin 22 cos (a — a’) sin’ 1”. Bei gleichen z’ a und a’ verhalten sich die Ablenkungen von Sonne und Mond zu einander wie 0,0080 : 0,0174. Die Ablenkung des Mondes, obwohl an sich die stärkere, wird für gewöhnlich vernachlässigt werden können, jene der Sonne aber nur unter besonderen Verhältnissen, welche Peters näher erörtert*). e) Messung der Schwere durch die veränderliche Länge von Queck- silbersäulen. Die bisher besprochenen Vorrichtungen hatten wesentlich die Sichtbarmachung und eventuelle Messung von Kraftäusserungen kosmischen Ursprunges zum Zwecke. Speziell für terrestrische Schwere- differenzen brachte Mascart, auf einen schon früher ausgesprochenen Gedanken Boussingault's zurückgreifend, die variable Länge einer Quecksilbersäule in Vorschlag [28]. Eine bestimmte Gasmasse wird auf stets konstanter Temperatur erhalten, und der Druck, welchen sie *) Eine sehr grosse Schärfe wird sich bei all’ diesen Messungen mit der Libelle freilich um deswillen niemals erreichen lassen, weil für den Gang der Luftblase noch allzuviele andere Faktoren bestimmend sind. P. Plantamour hat [27] ausgedehnte Versuchsreihen über die diskontinuirlichen Bewegungen des Bodens geliefert, die zeitweise allerdings einen periodischen Charakter annahmen. deren Ursache aber nur zum Theile zu ergründen gelang. Lange andauernde Kälteperioden sind dabei jedenfalls mit im Spiele. 160 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. in dieser Verfassung ausübt, wird verglichen mit der Höhe einer Queck- silbersäule, welche je nach Maassgabe der vom Erdkörper auf sie aus- geübten Anziehung steigt oder fällt. Hiezu dient eine Art von Heber- barometer, dessen kürzerer zugeschmolzener Schenkel die fragliche Gasmasse enthält. Ob aber die auf diese Weise zu erreichende Ge- nauigkeit wirklich mit derjenigen einer Pendelmessung konkurriren könne, möchten wir bezweifeln. Erheblich verfeinert ist der auf dem gleichen Grundsatz beruhende Messungsapparat Issel’s [29]; LL/ (Fig. 21) ist eine U-förmig gebogene, in L geschlossene Röhre, an welche in L‘ eine Capillar- Fig. 21. röhre CO angeschmolzen R E R ist, die sich auf der ande- ren Seite in die Röhre V öffnet. Die enge ‚Röhre enthältin sich einen Index J, der zwischen den Punk- ten R hin- und herwandert, über dieselben jedoch des- halb nicht hinaus gelangen kann, weil in diesen Punk- ten eine Krümmung nach aufwärts eintritt. L ist mit trockener Luft gefüllt, welche verhindert, dass das in die Röhre L eingegossene Quecksilber höher als bis zum Theilstrich N ansteigt; gleichfalls mit trockener Luft gefüllt ist die Capillarröhre. Bezeichnen wir das obere Ende der Röhre L mit N’, so haben wir den auf die in L eingeschlossene Luftmasse wirkenden Druck drei Faktoren proportional zu setzen: einer Flüssigkeitssäule = NN’, deren wechselnder Dichte und der Schwere. Gelangt man mit dem Instrumente an einen Ort stärkerer Schwere- wirkung, so wird unter sonst gleichen Verhältnissen die Säule NN’ kürzer werden, die Luft in CC’ gewinnt die Möglichkeit sich auszu- dehnen, und der Index tritt eine Wanderung nach links an, im ent- gegengesetzten Falle nach rechts. Selbstverständlich muss auch hier der Apparat auf durchaus gleicher Temperatur erhalten werden und beim 'Transport in Mitte schlecht leitender Substanzen sich befinden. Zu gleicher Zeit wird es sich empfehlen, eine Kompensationsvorrichtung mit zu beobachten, in welcher die mit Quecksilber und die mit Luft gefüllte Röhre ihre Rollen vertauscht haben. f) Beobachtungen an Uhren. Eine merkwürdige Beobachtung Bohnenberger’s, welche entschieden hierher gehört, scheint noch keine Berücksichtigung gefunden zu haben. Dieser äusserst exakte und zuverlässige Forscher berichtet |30], dass seinen Wahrnehmungen zufolge der Gang einer Pendeluhr Störungen erleide, wenn das Uhr- sewicht der Linse gerade gegenüber zu stehen komme — Störungen, welche man nur aus der gegenseitigen Anziehung von Linse und Ge- wicht erklären könne. Auch der berühmte englische Uhrmacher Emery habe derartige Unregelmässigkeiten bemerkt. Da nach Bohnen- berger’s Messungen die Störungen im Gange der Uhr numerisch aus- drückbar, die Massen von Gewicht und Linse aber bekannt sind, so würde es möglich sein, aus diesen gegebenen Grössen einen Rück- II, $. 3. Attraktionsprobleme. 161 schluss auf das einzige noch unbekannte Element, nämlich auf die Masse des Erdkörpers, zu machen (s. u.). &) Der Darwin’sche Messapparat. Im Jahre 1881 zeigte G. H. Darwin der zu York versammelten „British Association“ ein In- strument dieser Art vor, von welchem dann nachgehends auch eine Beschreibung in deutscher Sprache gegeben wurde [31]. Der gewöhn- liche Spiegel eines Galvanometers ist durch zwei dünne, gleichlange Kokonfäden einmal mit dem unteren Ende der Pendellinse, einem schweren Kupfergewicht, das andere Mal mit einer Stütze verbunden, welche auf dem Fundament des das Pendel tragenden Gerüstes ange- bracht ist. Bewegt sich nun das Pendel mit Bezug auf sein Funda- ment, so stellt die Rotation des Spiegels um eine vertikale Axe die- jenige Komponente der Pendelbewegung vor, welche in einer Ebene erfolgt senkrecht zu der durch die ursprüngliche Lage der Kokonfäden bestimmten. Die Beobachtung selbst vollzieht sich in ganz ähnlicher Weise, wie beim Galvanometer, doch müssen die zwei Seidenfäden, wenn eine sehr grosse Genauigkeit beabsichtigt ist, einander möglichst nahe gebracht sein; Schraubenvorrichtungen reguliren die Empfindlich- keit. Um die Oscillationen etwas zu dämpfen, liess Darwin das Pendel zu Cambridge in einer Mischung von Wasser und Alkohol schwingen, wobei noch !Jaoo Winkeldeviation zu konstatiren war. Was nun die Beobachtungen anlangt, so liess das Pendel eine tägliche Periode von Schwingungen im Mittagskreis wahrnehmen; ferner bewegte sich die mittlere tägliche Lage des ersteren innerhalb mehrerer Wochen nach einer bestimmten Richtung hin, wiewohl die Schwingungen nicht selten durch unerklärliche Umkehrungen unterbrochen wurden. In eigentlicher Ruhe war die Linse zu keiner Zeit, doch gab es Perioden relativer Ruhe und wieder relativer Bewegungsstärke. Es sind hier noch manche Geheimnisse aufzuklären, und zwar birgt deren der Apparat selbst genug in sich; ist doch seine Reizbarkeit eine so grosse, dass selbst dann ein namhafter Ausschlag eintritt, wenn sich der Ex- - perimentirende um einen Schritt nähert oder entfernt. $. 3. Attraktionsprobleme. Nachdem wir uns nunmehr überzeugt haben, wie Anziehungswirkungen durch das Experiment nachgewiesen und hinsichtlich ihrer Grösse geschätzt werden können, haben wir weiter danach zu fragen, wie solche Wirkungen der Rechnung zu unterwerfen seien. Die für uns allein wichtige Aufgabe ist: die Wir- kung eines beliebig gestalteten Körpers auf einen gegebenen Punkt zu bestimmen. Der fragliche Punkt habe in Bezug auf ein recht- winkliges Koordinatensystem die Koordinaten a, b, c; irgend ein Punkt im Inneren des attrahirenden Körpers sei durch x, y, z bestimmt; dann ist deren Distanz d—V (x — a)’ + (y—b)’+(z—c)’. Die Masse des Elementarparallelepipeds, dessen Schwerpunkt (x, y, z) sein soll, wird durch pdxdydz dargestellt, unter p die Dichte verstanden. Nimmt man in (a, b, c) ein Raumelement von der Masse 1 gelegen an, so lässt sich nach dem Newton’schen Gesetze die wechselseitige Anziehung beider Massentheilchen anschreiben und es gilt nur noch, diesen Ausdruck -über den ganzen in Betracht kommenden Körper auszudehnen. Demgemäss wird diese wechselseitige Anziehung durch Günther, Geophysik. I. Band. al 162 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. das dreifache Integral “, dxdvdz ll Eee dargestellt sein*). | Ein einfaches Beispiel, welches wir Thomson-Tait [34] ent- nehmen, mag den Berechnungsvorgang erläutern. In Fig. 22 ist OB Durchmesser einer Halbkugel vom Fig. 22. Halbmeser DA=AB=k und von der allenthalben gleich vertheilten Dichte p; die Anziehung dieser Halb- kugel auf den Punkt O ist zu finden. Man wähle OÖ zum Ursprung eines Orthogonalsystemes, die X-Axe falle mit OB zusammen, die Z-Axe stehe senkrecht auf dem Grundkreise. P sei ein willkürlicher Punkt im Inneren der Halbkugel; man lege durch ihn eine auf der XZ-Ebene senkrecht stehende Ebene, welche aus der Kugel den Kreis OR ausschneidet, und ver- binde P mit O durch eine Strecke, welche in ihrer Verlängerung über P hinaus die Peripherie des zuletzt genannten Kreises in Q trifft. Nunmehr kann man mit Vortheil an Stelle der rechtwinklisen polare Koordinaten einführen. P ist fixirt: erstens durch seine Entfernung PO==r vom Ursprung oder Pol O, zweitens durch den <-QOR=p und drittens durch den {ROB=%. Der Fahrstrahl r variirt zwischen 0 und OQ, zieht man noch die Hülfslinien RQ und RB, so folgt aus den rechtwinkligen Dreiecken OÖOR@ und ORB OQ=ORcosp—=OB eos # cos p. Der Winkel 9 hat rechts und links zur Seite der OR einen Spiel- raum von 0° bis 90°, während % nur einmal von 0° bis 90° wachsen kann. Das Körperelement dxdydz geht durch die polare Transfor- mation in unserem Falle über in r? cosededYdr, die Entfernung OP—=d (s. o.) ist in unserem Falle einfach—r zu setzen. Unser dreifaches Integral von oben nimmt somit, wenn seine Funktion, zur Projieirung auf OZ, mit cos® sin % multiplicirt wird, diese Gestalt an: T T 2 2k cos % cos p Y of sind dY Jens o dp ne dr. 0) en 10) 2 Ohne Mühe findet sich hieraus die Anziehung = Spk längs OZ. *) Für die kosmische sowohl wie für die tellurische Physik hervorragend wichtig hat sich im Laufe der Zeiten die Aufgabe erwiesen, die Anziehung eines Ellipsoides zu berechnen; Paraira [32] und Grube [33] haben hierüber in Monographieen gehandelt. Wir entnehmen denselben, dass Newton das Problem nur für einen speziellen Fall synthetisch löste, Cotes die von jenem nur ange- deutete Integration wirklich ausführte, dass Stirling und Clairaut ebenfalls nur Ellipsoide von annähernd kugelförmiger Gestalt behandelten, und dass erst Mac Laurin mit dem Rotationsellipsoid in’s Reine kam. Für das dreiaxige er- brachte zuerst D’’Alembert eine Lösung, die nicht viel weniger leistet, als man I $. 3. Attraktionsprobleme. 163 Denken wir uns in O die Kugel eines freihängenden Bleilothes befindlich, so erleidet diese eine Ablenkung im berechneten Betrage. Gesetzt, man wolle die Polhöhe des Punktes OÖ messen, während nörd- lich von ihm ein halbkugelförmiger homogener Berg sich erhebt. Wählt man zur Festlegung der Zenitalrichtung ein rein geodätisches Verfahren, so ist keine Fehlerquelle vorhanden, und man erhält die wahre Polhöhe 9; wenn man sich jedoch eines Winkelmessinstrumentes mit Bleiloth bedient, so erhält man eine falsche, durch die Lothab- weichung entstellte Polhöhe »‘, und zwar ist, wenn G den Gesammt- betrag der Erdanziehung, R den Erdradius vorstellt, für die Südseite ee EEE LIFE Ge E 0— op —„npk:(G 5 ok — 5 apk: (, noR— ek). 4 s ist die Dichte des Erdballes, = rpk die Berganziehung längs OX, 3 zoR die Anziehung der Erde selbst (= Sr sR’:R?). Da der Subtrahend in der Klammer gegen den Minuenden verschwindet, so kann man RED 4 wi] 7-9 ce mol pk:oR setzen. Zwei nördlich und südlich unmittelbar am Fusse des Berges gelegene Stationen, deren Polhöhenunterschied von Bechiwern R sein würde, haben somit, wegen der Attraktion des Berges, den schein- baren Breitenunterschied — (2 + £), Umgekehrt stellt sich das Ver- hältniss, wenn man zwei am Rande einer breiten, westöstlich ver- laufenden Schlucht sich gegenüber liegende Orte in’s Auge fasst. Derjenige Körper, welcher die Anziehung ausübt, braucht natürlich kein fester zu sein, vielmehr kann er auch einem anderen Aggregatzu- stande angehören. Nach Thomson-Tait war es bereits Robison . aufgefallen, dass die gewaltigen Fluthen in der Fundy-Bay eine Loth- ablenkung bewirken |35], und wenn diess der Fall, so muss natürlich auch schon eine geringere Wasseranschwellung zu der gleichen Wahr- nehmung führen. Die genannten englischen Physiker lehren die Wir- kung der Fluth folgendermassen zu berechnen. L (Fig. 23a) stellt jenen Punkt des Ufers dar, bis zu welchem dasMeer gewöhnlich, Ojenen, Fig. 23 a. bis zu welchem es in einem Ausnahms- falle ansteigt. Nimmt man an, dass das Gestade zu beiden Seiten der durch OÖ und L gelegten Vertikalebene sym- metrisch verlaufe, so wird offenbar das Plus der Lothabweichung einzig und allein bedingt durch das mit Wasser ausgefüllte Trapez OK’L‘/L, an dessen Stelle mit hinreichender Annäherung auch das Rechteck KK’L’L genommen werden kann. In Fig. 23b stellt AA’B’B ein auch heute noch zu leisten im Stande ist; Lagrange beschränkte sich in der Hauptsache darauf, die bis dahin gewonnenen Sätze mit strengen analytischen Beweisen zu versehen. 164 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Rechteck vor, dessen Anziehung auf einen ausserhalb gelegenen Punkt zu ermitteln ist; fällt man von O auf A’B‘ die Normale OE‘, welche der AB in E begegnet, und zieht die Hülfslinien OA, OB, OAY, | OB‘, so ist, wie a. a. O. zu ersehen, die Fig. 23 b. gesuchte Anziehung gleich r A A N [ (OA-+AE).(OB+ BE) — ?"8 | (0A + A’EN).(OB’—_BE).OmJ unter p die Dichte des Meerwassers verstan- den. Einführung geeigneter Zahlenwerthe lehrt, dass unter gewissen Umständen das Bleiloth aus der Lage, welche es zur Zeit der Ebbe inne hatte, durch eine horizontal gerichtete Kraft entfernt wird > a a der vertikalen Kraft; entsprechend findet man } » den Winkelwerth der Ablenkung, wenn man jenen Bruch ni Fra be () multiplicirt. Eingehendere Untersuchungen über die Abhängigkeit der Gravitations- richtung vom Wasserstande enthält Keller’s Abhandlung: Sulle piecole variazioni della direzione della gravitä prodotte dalle mare e nella localitä situate presso la spiagia del mare, Roma 1873. Die Frage, nach welcher Richtung hin die — ihrer numerischen Grösse nach bekannte — Anziehung wirke, hat uns bisher noch nicht beschäftigt, doch ist sie ebenfalls von hervorragender Wichtigkeit. An sich ist klar, dass, wenn einer Fläche oder einem Körper eine Sym- metrieaxe zukommt, um welche herum also die Masse durchaus gleich vertheilt ist, und wenn ferner der beeinflusste Punkt in der Verlänge- rung dieser Linie gelegen ist, alsdann die Resultante aus all den un- endlich vielen Anziehungskräften der einzelnen Massentheile zusammen- fällt mit der Symmetrielinie. Für die Kugel ist jeder Durchmesser eine solche Axe, und es braucht deshalb wohl kaum der an sich so eleganten Beweise Newton’s [36] und v. Ettingshausen’s [37] für die That- sache, dass man die Masse eines sphärischen Körpers in dessen Mittel- punkt koncentrirt denken kann. Sind die sich anziehenden Körper sehr weit von einander entfernt, so dass ihre Abweichungen von der Kugelgestalt numerisch gegen die Distanz nicht in Betracht kommen, so dürfen wir ebenfalls die Massen in den Schwerpunkten vereinigen und nach dem für Kugeln geltenden Gesetze behandeln; diese an sich ein- leuchtende Behauptung lässt sich, wie Schlömilch gezeigt hat, leicht analytisch bekräftigen [38]*). Wie aber verhält es sich, wenn jene Vernachlässigung nicht mehr gestattet werden kann? *) In einer früheren Mittheilung [39] des Verf. ward darauf hingewiesen, wie man elementar an einem Spezialfalle den für Anfänger wichtigen Beweis führen könne, dass die Anziehungsrichtung nicht, resp. nur ausnahmsweise, durch den Schwerpunkt des anziehenden Gebildes hindurchgehe. Die Figur ABCDE (Fig. 24) besteht aus einem Halbkreise ABC und einem Rechtecke ACDE, so zwar dass der Radius AM = CM =BM (_L AC) den Rechtecksseiten AE und CD gleich ist. Man bestimme die Anziehung dieser (homogen: vorausgesetzten) Figur auf den Punkt E. Vervollständigt man den Halbkreis zum Vollkreis, II, $. 3. Attraktionsprobleme. 165 Im Jahre 1777 machte Lagrange [40] die folgenreiche Bemerkung, dass, wenn man die Resultante der Attraktion parallel zu den drei Axen des Orthogonalsystemes in Seitenkräfte zerlege, jede derselben 98 92 Q mittelst der Relationen X—= ——, Y—=__-, Z= Ber auf eine einzige 9x oy 07 Funktion @ zurückgeführt werden könne. Diese Funktion ist aber nichts anderes, als die Summe sämmtlicher in Betracht kommenden Massentheile, jeder multiplicirt mit einer gewissen Funktion seiner Entfernung von dem angezogenen Punkte, und zwar geht letztere Funk- tion für den Fall des uns einzig hier beschäftigenden Newton’schen Gravitationsgesetzes in die reciproke Entfernung über. Will man also zugleich mit der Anziehungsgrösse A auch die Richtung der ihr ent- sprechenden Resultante im Raume haben, so bildet man zuerst dm 9% 9% 92 = /7,X- Ele Or | und hat dann, die gewöhnliche Winkelbezeichnung der analytischen Raumgeometrie beibehalten, — a ee 7 X at A=VX?’-VP-+Z, co(A,X)— oe e cos (A,Z) —,, cos (A, X) + cos’(A,Y) + co#(A,Z) =1. Die Funktion © hat Green [41] Potentialfunktion, Gauss |42] schlechtweg Potential genannt, und obwohl mehrere Schriftsteller, be- sonders Clausius [43], zwischen diesen beiden Bezeichnungen einen ge- wissen Unterschied machen zu müssen glaubten, so hat sich doch deren Gebrauch als Synonyma mehr und mehr eingebürgert. Bacharach hat |44] eine sehr verdienstliche Geschichte der Potentialtheorie ge- schrieben, auf welche wir mit Nachdruck verweisen, da eben diese Theorie gerade für die wissenschaftliche Erdkunde nach verschiedenen Seiten hin eine fundamentale genannt werden muss. Dess zum Belege verweben wir in unsere Darstellung die wich- tigsten Ergebnisse einer inhaltsreichen Abhandlung [45], in welcher Zöppritz eben die Anwendung des Potentiales bei der Diskussion erd- physikalischer Fragen behandelt. Will man, so heisst es dort, das cos(A, Y) = welcher DE in K berührt, so wirken auf E anziehend drei Flächenräume: der Kreis um M, das gemischtlinige Dreieck AKE und das gemischtlinige Drei- eck CKD. Erstere beide zusammen geben die Figur EABCK, auf deren Symmetrieaxe E selbst liegt; Fig. 24. EF sei die von jener ausgeübte Attraktion. Die An- ziehungsrichtung von CKD würde etwa ES, sein, B wir wollen sie aber zum Ueberflusse mit ED zu- sammenfallen lassen und ihrer Grösse nach = EG setzen. Alsdann ist EH die Gesammtresultante, welche KB in J schneidet. Für MS$ı = <= AM, MS, OT i ER BerEN = AM und 9, S:%8 = 2AM?°: = AM’r istS der Schwerpunkt der ganzen Figur, und eine kleine Rechnung ergiebt MS > MJ. Um so mehr würde diess gelten, wenn EG seiner Grösse nach auf ES; abgetragen worden wäre. 166 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Potential der Erde in Bezug auf andere Himmelskörper betrachten, so reicht es hin, dieselben aus homogenen und annähernd koncentrischen Schichten zusammengesetzt anzunehmen und den Unterschied der Träg- heitsmomente um verschiedene Axen hinlänglich klein vorauszusetzen. Mögen die Massen auch ungleich und ungleich vertheilt sein, die ra as 1 1) T3; wirken fehlerausgleichend. Für einen Punkt der Erdoberfläche sieht natürlich das Gravitationspotential ganz anders aus; namentlich ist die Meeresfläche keine Oberfläche von einheitlichem geometrischem Bildungs- gesetze. Denkt man sich dieselbe zunächst noch als sphäroidisch und bezeichnet für einen bestimmten Punkt derselben ihren normalen Ab- stand von einer — im nächsten Kapitel einlässlich zu besprechenden — Hülfsfläche mit h, ferner mit (— 2) das Potential eines über das Meeres- niveau emporragenden Festlandes (mittlere Dichte 2,5), mit y die Schwere und erwägt, dass jede Massenverminderung eine positive Potentialdifferenz AQ, jede entsprechende Massenvermehrung an anderer Stelle die negative Potentialdifferenz (—A®’) bedingt, so kann man EN —(@ "FAR AO Ah -=— (AQ— AN) setzen. Nimmt man an, dass ein Kontinent um eine feste Axe eine so- genannte Schwengelbewegung ausführt, so muss man, um die hieraus für einen gewissen Küstenpunkt resultirende Niveauveränderung zu erhalten, die Potentiale des emporgehobenen und des untergetauchten Theiles mit Bezug auf obigen Punkt bestimmen. Handelt es sich um Sedimentablagerungen, so kann man eventuell das eine Potential ver- nachlässigen; namentlich gilt diess für die Deltabildungen, weil hier das abgesetzte Material fast ausschliesslich vom Oberlaufe der Flüsse, also von Orten herstammt, deren Entfernung vom Delta gross ist. grossen Entfernungen r in der Summe ( . . . “. m . Dieses grosse r lässt wiederum die Brüche — unter die Grenze der r zu berücksichtigenden Grössen herabsinken [46]. Von weiteren Be- merkungen dieser Arbeit werden wir späterhin, namentlich bei der Strandlinienfrage, Notiz zu nehmen haben. Zum Schlusse dieses Paragraphen erwähnen wir noch einer De- finition, auf welche wir uns später zu berufen haben werden. Nur für eine homogene Kugel laufen sämmtliche Anziehungsrichtungen in ein und demselben Punkte zusammen, für andere Raumgebilde ist diess nicht möglich. Gerade die kosmische Physik hat sich aber vielfach mit Körpern zu befassen, welchen die erwähnte Eigenschaft zwar nicht in aller Strenge, aber doch annähernd zukommt, und solche Körper bezeichnet man nach englischem Sprachgebrauche als cen- trobarisch. Thomson und Tait verstehen [47] unter einem harmoni- schen Sphäroid ein dreiaxiges Ellipsoid, dessen Fahrstrahlen für be- liebige Oberflächenpunkte von den Radien einer gewissen koncentrischen Kugel nur um ein Unendlichkleines sich unterscheiden. Ein har- monisches Sphäroid von beliebigem Grade n > 2 ist eine algebraische Fläche nter Ordnung, die näherungsweise sphärisch gekrümmt, dabei aber allerdings noch anderen Bedingungen unterworfen ist. Alle von solchen Flächen begrenzten Körper sind centrobarisch. IH, $. 4. Lothanziehung und Lothabstossung. 167 $.4. Lothanziehung und Lothabstossung. Wir haben im vorigen Paragraphen gesehen, dass Unregelmässigkeiten der Erdoberfläche auch bei einem in der Hauptsache centrobarischen Körper, wie es unsere Erde ist, das Loth von der eigentlichen Richtung abzulenken vermögen, und zwar, wenn es Erhöhungen sind, im Sinne einer Anziehung. Das Maass für eine solche Ablenkung ist im Bogenmaasse auszudrücken und wird (s. o.) dadurch gefunden, dass man erstens die Polhöhe des zu untersuchenden Ortes direkt bestimmt und zweitens eine geodätische Triangulirung einleitet, welche den Werth dieses Winkels unabhängig von allen Beobachtungen am Orte selbst liefert. Zieht man von der beobachteten Polhöhe die berechnete ab, so hat man die Lothablen- kung in Folge von Lokalanziehung gefunden. Angaben über die Geschichte der Lokalattraktion findet man in Humboldt’s „Kosmos“ [48] und in grösserer Fülle in den mono- graphischen Werken, welche v. Zach [49] und Philipp Keller [50] diesem Thema gewidmet haben. Hier kann natürlich nur einiger Hauptmomente gedacht werden. Bouguer prüfte zuerst die von dem mächtigen Ohimborazo auf das Bleiloth seines Quadranten ausgeübte Attraktion und fand für den betreffenden Winkel [51] den freilich viel zu kleinen Werth von etwas über 7. Beccaria und Liesganig (s. o. Kap. I, S. 6) konstatirten die mächtigen Einwirkungen des Alpenmassives; der letztere sagt u. a. [52]: „Quidni? Si unius montis Chimboraco actio octo circiter secundorum deviationem perpendiculo intulit, quidni, inguam, suspicari liceat, a tanta ingentium pinguiumque superioris Styriae montium massa, sectoris quoque mei perpendiculum ad 12 secundorum angulum dimoveri?* Genauere Beobachtungen über Berganziehung stellten Maskelyne und Hutton |53] an einer schot- tischen Gebirgsgruppe an. In unserem Jahrhundert waren es be- sonders Carlini und Plana [54], die sich mit der Ausgleichung der auf die Massenwirkung der Alpen zurückzuführenden Deviationsfehler zu schaffen machten, und Denzler folgte ihnen darin nach [55]; die lombardische Bergkette war die Ursache davon, dass ein Meridiangrad, statt, wie zu erwarten gewesen wäre, 57013 Toisen, in Wirklichkeit 57687 Toisen mass. v. Baeyer verfolgte den Einfluss der Berge systematisch, weil dadurch die Vermessungen in Deutschland vielfach beeinträchtigt wurden, und namentlich war es das sozusagen klassische Lothablenkungsgebiet unseres Vaterlandes, der Harz, welches seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen musste. Eine von ihm mitgetheilte Tabelle [56] stellt die an einigen Hauptstationen der mitteldeutschen Gebirge erhaltenen Zahlenwerthe zusammen, wie folgt: Ort | Höhe über d. Ostsee | Berechnete Polhöhe | Gemessene Polhöhe | Differenz Inselsberg ........ 916.14 m 50,317 8407) —. — Ilse u, os BeeBerB N 2... 397,83 380 56 5,84 dk 0,00 Mühlhausen i. T. . 227,45 51: 1210,10. |:— — 618 | 4.00: Merlenporn ...... 322.47 5l 34 22.13 — 17023 — 484 Bahe-Geis’... .. yr... 639,65 5l 39 58,12 — — 951.02 2.10 Brocken... ....).. 1141,49 5l 48 1.15 -— 10,59 + 9,44 Nsenburg ..,... 259,87 5l 52 24.60 — 39,11 +11 Ballsten ......: 204.65 52 1 5,65 u + 8,69 BOSSE 4. N, „aid nn 211,14 52 8 20,12 — 120,08 + 0,26 168 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Es ergaben sich drei Nullpunkte der Ablenkung: im Breitenkreise der Sternwarte Seeberg (bei Gotha), zwischen Hohe-Geis und Brocken und auf der Asse, einem niedrigen Rücken in der Nähe von Wolfenbüttel. Offenbar repräsentirt demnach die Gebirgsmasse des Harzes, welche je eine Zone mit nördlicher und südlicher Lothabweichung trennt, einen Anziehungskern, und zwar ist es den ausgeführten Längenbestimmungen gemäss sehr wahrscheinlich, dass das eigentliche Centrum der An- ziehung im Meridian des Brockens gelegen ist. Die Zahlen sind übrigens nur oberflächlich richtig und harren der Verschärfung, an welcher eben gegenwärtig rüstig gearbeitet wird. Was die Jtaliener und Schweizer für die Alpen, was v. Baeyer für das deutsche Hoch- land, das hat Stebnitzki nach Leipoldt’s Mittheilungen [57] für den Kaukasus geleistet. Wladikawkas an der Nordseite weist eine Ab- lenkung von 35,8”, Duschet an der Südseite eine solche von 18,3” auf. Es ist einleuchtend, dass die Grösse der Ablenkung ausser von den geometrischen Verhältnissen des attrahirenden Massives wesentlich auch von dem spezifischen Gewicht der in jenem vereinigten Gesteinsarten abhängen muss. Diesem letzteren Momente muss deshalb aber auch eine erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet werden, doch ist diess gleich- wohl längere Zeit nicht in dem erwünschten Maasse geschehen, und erst jüngst hat Lossen einen erfreulichen Anfang damit gemacht, indem er, einem Gedanken v. Richthofen’s Folge gebend, im Harz den Zusammenhang zwischen der Vertheilung der Lothablenkungs- werthe und der Vertheilung der Gebirgsglieder von verschiedenem Eigen- gewichte auszumitteln sich bestrebte [58]. Die Anordnung der Diabase und ihrer Tuffe, denen eine besonders grosse Dichte (=3 im Durch- schnitt) zukommt, musste dabei besonders in’s Gewicht fallen. Der Harz, das „unzerstückte Massengebirge“, wie ihn Friedrich Hoffmann nannte, wirkt in jeder Beziehung als ein Gebirgsknoten. Die positiven Deviationen wiegen vor den negativen vor, zumal im Norden und Nord- osten, was mit der Stellung der Granitstöcke in jenen Gegenden ganz gut harmonirt [59]. Zweimal kulminiren die Werthe (bei Harzburg und Ballenstedt); diesem Verhältnisse entsprechen anscheinend die beiden dynamischen Brennpunkte des inneren Gebirgsbaues, die sich neutralisirenden Hauptgranitmassen im Brocken und im Rammelsberg. Auch ist charakteristisch, dass die Maximalwerthe diesen Centren nicht direkt gegenüber, sondern vielmehr am Rande des Berglandes liegen. Nicht minder korrespondirt nach Art und Maass des Ansteigens die Differenz zwischen den beiden Kulminationswerthen mit der verschie- denen Protrusion und Volumentfaltung der beiden Granitmassive, wie denn der blosse Höhenunterschied des Nordost- und Nordwestharzes zur Erklärung nicht ausreichend befunden werden würde, selbst wenn man ausser der Höhe selbst noch die Volumina der über eine gewisse Durchschnittsebene aufragenden Gebirgstheile in Betracht ziehen wollte. In $. 3 ward schon bemerkt, dass ebenso, wie eine Erhöhung anziehend auf das Senkel wirkt, eine Vertiefung anscheinend eine Ab- stossung hervorrufe. Bereits Kant scheint sich über dieses Faktum ganz klar gewesen zu sein. Fig. 25 zeigt uns eine Kant’sche Ori- ginalzeichnung, die dem kleinen und nur wenige Worte enthaltenden Fragmente „Von der veränderlichen Richtung der Schwere“ beigegeben ist [60]. Der Sinn ist jedoch unschwer zu errathen: Wäre AFEG II, $.5. Die Erdgest. unt.d. vereinigt. Einflusse v.Schwere u. Centrifugalkraft. 169 eine homogene Vollkugel so fiele deren Anziehungsresultante in Bezug auf Punkt A mit dem Diameter AC zusammen, wenn aber eine hohle excentrische Kugel B vorhanden ist, so wird die Anziehungsrichtung von dieser abgelenkt, etwa nach AD. Die erste sichere Beobachtung dieser Art machte Fig. 25. Schweizer, indem er in der Umgebung von Moskau ausgedehnte unterirdische Hohlräume konstatirte [61]. Auch Stebnitzki fand Aehnliches für Transkaukasien; so sollte Sche- macha eine positive Ablenkung von 28° haben und weist in Wahrheit eine negative Ablenkung von 15” auf — ein ‘der grossen Nähe mäch- tiger Bergriesen halber auffälliges Vorkomm- niss, welches W. Struve mit dem höhlen- reichen, vulkanischen und den Erdbeben nur allzu günstigen Charakter dieses Theiles von Dagestan in Zusammenhang bringen möchte [62]. | S. 5. Die Erdgestalt unter dem vereinigten Einflusse von Schwere und Centrifugalkraft. Wiewohl von den Bewegungen des Erdkörpers erst im zweitnächsten Kapitel besonders gesprochen werden wird, so dürfen wir doch natürlich auch hier schon die Thatsache voraussetzen, dass der Erdball sich in 24 Stunden einmal mit gleichförmiger Ge- schwindigkeit um seine Axe dreht. Diese Bewegung musste, wenn die Erde im Sinne der Nebulartheorie ursprünglich eine weiche, brei- artige Masse war, eine allmählige Abplattung derselben hervorrufen, wie jede Töpferkugel auf der Drehscheibe und der bekannte Vor- lesungsversuch mit der aus elastischen Reifen zusammengesetzten Kugel zur Genüge darthun. Am Pole ist nämlich die Centrifugalkraft gleich Null, am Aequator erreicht sie ihren Maximalwerth, und es geht so- nach die Erde, wie es Newton von Anfang an behauptete und wie es auch die Gradmessungen auswiesen, in ein abgeplattetes Sphäroid über. Den Grad der Abplattung kann man mit einiger Annäherung durch theoretische Betrachtungen feststellen; wir führen dieselben hier durch, indem wir uns dabei wesentlich auf das Newton’sche Original- werk [63] und die dessen Darstellung vortrefllich in die moderne Aus- drucksweise übersetzende Physik von Fliedner |64] beziehen. Die Centrifugalbeschleunigung f, eines Aequatorpunktes im Meeres- niveau ist, wenn r — 6377365 m den Aequatorhalbmesser, t = 23° 56’ 4’ — 86 164° die genaue Umdrehungsdauer darstellt, einem be- kannten dynamischen Satze nach diese: | 4rn® 4A.6377365 .3,14° ® = a 56164 — 0,0339 m. Diese Centrifugalbeschleunigung ist der Fallbeschleunigung direkt ent- gegen gerichtet, sie lässt einen jeden Körper leichter erscheinen, als er auf einer ruhenden Erde sein würde. Da nun die Beschleunigung der Schwere am Aequator g, — 9,7806 m gefunden wurde*), so ist, *) Eine von Pendelmessungen unabhängige Bestimmungsweise der Fall- konstante hat, wie Poggendorf anführt [65], bereits Galilei angegeben. Er liess polirte Kugeln in Rinnen herablaufen, die gegen den Horizont (um den <( o.) 170 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. unter y die Fallbeschleunigung auf einer Erde ohne Axendrehung ver- standen, Y= + fh = 9,8145 und En sehr nahe — — 0 Es liegt uns nun ob, die Veränderung der Schwere auf der kugel- förmig vorausgesetzten Erde zu verfolgen. Der Weg, den A (Fig. 26) | täglich beschreibt, st—=2 AM. z = 2rr, Fig. 26. der Weg, den B beschreibt, ist—2BC.r —=2rcosp.r (unter die geographische Breite verstanden), der von P beschrie- bene Weg endlich ist = o. Die theo- retische Fallbeschleunigung in B sei durch BE ausgedrückt, während BD die Centrifugalbeschleunigung und BF die wirkliche Fallbeschleunigung reprä- sentirt; die thatsächliche Fallrichtung BH, auf welcher BD abgetragen werden musste, würde nur dann mit BM zusam- menfallen, wenn die Erde stille stände. Die 4 Punkte B, D, E, F müssen die Ecken eines Parallelogrammes bilden, BF möge durch g» bezeichnet sein, so dass also, wenn B in den Pol P zu liegen kommt, g, zu schreiben wäre. Fällt man von F' auf EB das Perpendikel FG, so ist EG= BD. cos p, oder, da BD=f, cos $ ist, EG = f, cos’ 9.. Der Winkel EBF ist stets sehr klein (er steigt höchstens auf 6° an), und so kann hinlänglich exakt BF=BG=BE-EG gesetzt werden, dhsist %=Yy — hc’ — + hh — fh cos’ pP, | Ss Htfhl — cp) =g-+ h sin’e. Der letzterhaltenen Gleichung kann man die folgenden Formen ertheilen: fe 1.908 So (1 -1- RE sin” e) a (\ = ag sin e)- 90 Für den Pol P ist sin’ @ —]1, also haben wir für die Zunahme der Schwere vom Aequator bis zum Pol den Werth 1 go — go — 289 ' 80 erhalten. Auf diese Thatsache begründet Newton (a. a. O.) seine Ab- plattungstheorie durch ein Raisonnement, welches wir seiner hohen und zwar nicht blos historischen Bedeutung halber hier wörtlich wieder- geben (Fig. 27): „Es stelle nun APBQ die Figur der Erde vor, welche nicht mehr sphärisch, sondern durch Umdrehung einer Ellipse um ihre kleine Axe PQ@ entstanden gedacht wird, und es si ACQgqea ein Kanal, welcher vom Pol Qq bis zum Centrum Cc und von diesem bis zum Aequator Aa mit Wasser angefüllt ist. Alsdann muss das Gewicht geneigt und zur Vermeidung der Reibung mit Pergament ausgefüttert waren. Für ein kleines « waren der Fallraum s und die Fallzeit t leicht'zu messen, und dann lieferte die Relation s = 5 gt?’ sin «a den Werth jener Konstante. Treffliche Dienste leistet bei solchen Versuchen auch die Atwood’sche Fallmaschine. II. $. 6. Das Pendel als geodätisches Instrument. 171 des Wassers im Zweige AUca sich zu dem Gewicht des im Zweige @QCeg vorhandenen Wassers verhalten, wie 289 : 288, und zwar des- halb, weil die aus der Kreisbewegung entspringende Centrifugalkraft einen Theil von 289 trägt und aufhebt, und daher die 288 Theile Wassers im Schenkel .. »Big., 27. ACca die 289 Theile im anderen Schenkel tragen.“ Denkt man sich also die durchaus flüssig Erdkugel in unendlich viele und un- endlich schmale Kanäle dieser Art zerlegt, so gilt für einen jeden Newton’s Beweis, und es muss also in jenem Gleichgewichts- zustande, welcher der Erstarrung der Erde unmittelbar vorangieng, der Polarhalbmesser b zum Aequatorialhalbmesser a das Ver- hältniss 288 : 289 besessen haben. Somit ist a a aa ae! b Ze 289 289 und wir haben jenen Abplattungswerth wieder bekommen, welchen Listing (s. o. Kap. 1, $. 10) seinem typischen Sphäroid zu Grunde legte. Nicht minder verdient als ein merkwürdiges Zusammentreffen bemerkt zu werden, dass Huygens |66] und Hamberger [67] durch eine eigenthümliche theoretische Kombination zu dem nämlichen Werthe geführt wurden. Sie erblickten die Ursache der Schwere in der Schwungbewegung eines intramolekularen Aethers und schlossen aus Experimenten, die sie mit leichten Körperchen in einem auf der Cen- trifugalmaschine stehenden Wasserglase gemacht hatten, dass die Ge- schwindigkeit des Aethers zur Rotationsgeschwindigkeit der Erde sich wie 17:1 (= V 289: von) verhalte. —6, 8.6. Das Pendel als geodätisches Instrument. Weitaus das beste und sicherste Hülfsmittel, die Variationen der Erdschwere und die mit diesen in engster Beziehung stehenden Unregelmässigkeiten der Erd- gestalt zu studiren, ist unstreitig das Pendel. Der Grund hievon ist leicht einzusehen. Macht ein mathematisches Pendel, resp. ein schwerer und an sehr dünnem Faden oder Draht aufgehängter Körper, Schwingungen, deren Elongation durch & bezeichnet wird, während | die Pendellänge vorstellt, so wird die Schwingungsdauer t durch folgende Gleichung gegeben: MR RER age! VER ty. (its get ein 9 a+...). Bei Ausschlagswinkeln unter 5° — und mit anderen hat die Geophysik nicht zu rechnen — werden die Potenzen von sin --- o so klein, dass man blos das Anfangsglied der Reihe zu berücksichtigen braucht, und es verbleibt die einfache Formel *) ve Er —, 5 *) Einen Weg, durch elementare Konstruktion, ohne jede Zuhülfenahme aller höheren Rechnungsweisen, diese Formel zu beweisen, hat zuerst Kulik [68] 172 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. welche den von Bürgi und Galilei unabhängig entdeckten [70] Iso- chronismus der Pendelschwingungen ausdrückt. Für uns ist ausschliesslich das Sekundenpendel von Bedeutuug, für welches mithin t—= 1 ist; hieraus ergiebt sich dessen Länge L--. | Damit ist aber bewiesen, dass die Länge des Sekundenpendels der Konstanten der Schwerkraft direkt proportional ist, und dass Messungen dieser Länge ein Maass für die uns bereits bekannte Fundamental- srösse g liefern. Weiter fliesst hieraus der Lehrsatz: Obwohl g& nicht für alle Punkte der Erdkugel den nämlichen Werth besitzt und somit auch L durch den Index » als eine mit der geographischen Breite ® varlirende Grösse charakterisirt werden muss, so ist doch I» —L, sin’ © Nach den Ergebnissen des vorigen Paragraphen ist nämlich De allge Be Den on I 2 B) 9 — Konst. Te Te sin’ ® T Bezeichnen wir letztere der Kürze halber mit B, so ist allgemein Le=L,— B sin’ o. Nunmehr ist klar, dass, wenn man von sekundären Einflüssen absieht, zwei unter verschiedenen Breiten ®, und ®, vor- senommene ‚Messungen des Sekundenpendels genügen müssen, um so- wohl L, als B zu berechnen. Denn aus — Konst. Lo: — 1, bien, 0 io, — Ina) Bo sm 2 folgt durch Subtraktion unverzüglich _ _ Ip Ip _ Lpı — Lg, sin’ 9, — sin’ 9, > (sin o, — sin ®,) (sin 9, — sin ®,) Fans: Lo, — L p2 sin (#, + 9,) sin ee — d,) und durch nachherige Rücksubstitution Br Az Le ) sin? ® EN a (Lo: == L»,) sin” 23 0 atmen sin sinp— Br) Solchergestalt haben wir die nöthige theoretische Grundlage gewonnen, um uns mit den sozusagen geodätischen Anwendungen des Pendels im Zusammenhange bekannt machen zu können. $. 7. Ueberblick über die der geophysikalischen Anwendung des Pendels gewidmeten Untersuchungen. Im Jahre 1671 ward ein fran- zösischer Akademiker, Namens Richer, nach Oayenne gesandt, wo er, zwei Jahre verweilte und allerhand naturwissenschaftliche Beobachtungen anstellte, deren Verarbeitung später das Material zu einem stattlichen Reiseberichte [71] lieferte; über die uns hier interessirenden Stellen dieses Buches verbreitet sich auch Newton [72] einlässlich. Richer fand bald nach der Ankunft, dass seine in Paris vollkommen richtig vorgezeichnet. Eine Menge anderer Mathematiker ist ihm auf diesem Wege ge- folgt, doch scheint uns keine einwurfsfreiere Methode bisher zu diesem Behufe in Vorschlag gebracht worden zu sein, als die unlängst von Besso [69] anpeeru obschon es allerdings manche rascher zum Ziele führende giebt. “ 2 r> ehe > II,$. 7. Ueberblick üb. d. d. geophysik. Anwendung .d. Pendels gewidm. Unters. 173 gehende Uhr nicht mehr genau Sekunden schlug, und es bedurfte einer namhaften Verkürzung der Pendelstange, um die frühere Verwendung des Zeitmessers wieder zu ermöglichen. Der Grund dieser Erscheinung liegt für uns nicht ferne, die wir wissen, dass ein nahe dem Aequator der — immerhin centrobarischen — Erde befindlicher Punkt dem Newton’schen Gesetze nach weniger kräftig angezogen wird, als ein in höherer Breite 2 gelegener. Da g, > g., so folgt aus den Gleichungen 50 59 1, — ei Lo» = = is sofort auch Lo > L,, d. h. Richer musste die mitgebrachte Pendel- länge verkleinern, um sein Pendel, das dieser Eigenschaft verlustig gegangen war, wieder in ein Sekundenpendel umzuwandeln. Der französische Naturforscher ahnte auch den Sachverhalt ganz richtig, allein seine Pariser Freunde waren weit davon entfernt, den Kausal- zusammenhang zu begreifen und stellten allerlei andere Erklärungen auf, welche von Newton [73] mit kühler Besonnenheit zurückgewiesen wurden, von denen aber die sonderbarste jene war, welche die srössere Wärme des Tropenlandes für die Ausdehnung der Pendel- stange verantwortlich machen wollte. Nach R. Wolf hat Bertrand berechnet [74], dass, wenn es mit dieser Erklärung der Pariser Akademie seine Richtigkeit gehabt hätte, der 'Temperaturunterschied zwischen Frankreich und Guiana 200° betragen haben müsste! Richer’s Be- obachtung hatte gleichwohl das Verdienst, die Gradmessungsarbeiten in Fluss zu bringen, von welchen im vorigen Kapitel die Rede war, und bei diesen sollte von nun an auch das Pendel eine Rolle von mehr und mehr steigender Wichtigkeit übernehmen. Der Erste, welcher den Pendelmessungen eine erhöhte Theilnahme zuwandte, war Bouguer, der insbesondere den Rath gab, ein für alle- mal unveränderliches Pendel herzustellen und aus den an diesen be- obachteten Schwingungszeiten die Länge des Sekundenpendelsrechnerisch herzuleiten [75]. Zu hoher Genauigkeit erhob Borda [76] diese Gattung physikalischer Versuche; er hing eine Platinkugel an einem dünnen Metallfaden von beträchtlicher Länge auf, hing letzteren an einer Messerschneide über horizontalen Achatplatten auf und zählte die Schwingungen vermittelst der Koinceidenzen — ein Verfahren, dessen Vorzüge Bessel voll und ganz anerkannte. Es wird hier das Ver- suchspendel neben die Uhr gestellt, und man notirt die Momente, in welchen die Spitze der Pendellinse mit jener des Uhrpendels genau gleichzeitig durch die Ruhelage geht. Zu den bedeutendsten und ver- dienstlichsten Versuchsreihen aus dem vorigen Jahrhundert zählt jene, zu deren Anstellung Malaspina sich nach Amerika begeben und deren Berechnung Oltmanns übernommen hatte [77]. Zu Anfang des laufenden Jahrhunderts erfuhr der instrumentelle Theil der bezüglichen Versuche eine höchst schätzbare Bereicherung. Huygens hatte in seinem berühmten Werke von der Pendeluhr ge- wisse Sätze bewiesen [78], aus welchen Bohnenberger ohne Mühe die Prineipien eines neuen unveränderlichen Pendels abzuleiten ver- mochte [79], dessen Länge beim Gebrauche an den verschiedensten Orten der Erde ein und dieselbe bleibt, während die absolute Länge des Sekundenpendels für den betreffenden Ort aus der genau beob- achteten Zahl der Schwingungen beobachtet werden kann. Unter dem 174 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Namen Reversionspendel gab der Engländer Kater sieben Jahre später die nämliche Vorrichtung an [80], und dieselbe feierte ihre Triumphe -in den Händen des damaligen Kapitains, nachmaligen Generals Sabine, der zum Zwecke exakter Pendelmessungen einen sehr grossen Theil der Erde bereiste und seine Beobachtungen in einem höchst schätzbaren Werke [81] niederlegte. Nahe gleichzeitig wurde die klassische Arbeit Bessel’s über diesen Gegenstand publieirt [82], durch welche zumal auch die Frage zum endgültigen Abschlusse ge- bracht ward, ob etwa die Anziehung der Erde für Körper verschiedenen Stoffes eine verschiedene sei. Der Königsberger Astronom verfertigte nämlich seine Pendellinse aus dem heterogensten Materiale, so z. B. auch aus Meteoreisen, schloss in den hohlen Linsenkörper alle mög- lichen Flüssigkeiten ein und erhielt doch in allen Fällen ganz die gleichen Längen für das Sekundenpendel.e Nur beim Wasserpendel schien sich eine Ungleichheit fühlbar zu machen, je nachdem mit längeren oder kürzeren Pendeln operirt worden war; Lübeck hat aber nachgewiesen [83], dass bei kurzen Pendeln die relative Bewegung der Flüssigkeit zum umschliessenden Cylinder von erkennbarem Einflusse ist, indem eine Öscillation um eine zur Ebene der Pendelbewegung normale Axe eintritt. Wird diese in Rechnung gezogen, so kann man 'anden Bessel’schen Zahlen die erforderlichen Verbesserungen anbringen, ohne selbst auf die innere Flüssigkeitsreibung Bedacht zu nehmen. Ueberhaupt gehören diese Experimente zu den feinsten, die es giebt, und eine Fülle von Fehlerquellen gilt es durch Rechnung aus der Welt zu schaffen. So musste Bessel Mittel und Wege angeben, den Wider- stand der Luft zu eliminiren [84], und ein noch glänzenderes Zeugniss seines Scharfsinnes bildet seine Analyse des Fehlers [85], der dadurch entsteht, dass die stets angewandte Messerschneide nicht wirklich eine Schneide im geometrischen Sinne, sondern eine kegelschnittförmig ge- krümmte Fläche darstellt. Je mehr Zahlenwerthe für die Länge des Sekundenpendels, unter verschiedenen Breiten gemessen, den Rechnern in Vorlage kamen, um so unmöglicher erschien es, aus denselben einen einheitlichen Werth der Erdabplattung herzuleiten. J. Biot gelangte auf diese Weise zu dem Schlusse |86], dass die Grösse & zwischen 0° und 45° im Mittel Batode 1 zwischen 45° und 90° im Mittel —-——_— betrage, woraus als 276,38 ’ 306,33 Gesammtwerth für das Intervall von 0° bis 90° allerdings ein von — nur sehr wenig abweichender Werth folgen würde. Die Pendellänge hat nach Biot in Millimetern den Durchschnittswerth (991,027015 + 5,161948 sin’ p). Pouillet fand für die nämliche Fundamentalgrösse den Werth (99% 0856 —- 5,0719 sin? @) und „Listing endlich [87] gab die Relation go = (9, 780728 —+- 0,050875 sin’ 9) m an, woraus sich nach unseren obigen Formeln naar der zugehörige Werth von Lu» be- rechnet. Albrecht [88] giebt folgende die besten Bestimmungen zu- sammenfassende Tabelle*): *) Von den massenhaften Einzelbeobachtungen. die man reisenden Physi- kern und Seefahrern verdankt. kann natürlich hier blos anhangsweise die Rede sein; es genüge, ausser den schon genannten Männern noch die Namen Couplet, U,$.7. Ueberblick üb. d. d. geophysik. Anwendung d. Pendels gewidm. Unters. 175 Anzahl der Pendel- Autor Länge des Sekundenpendels in Metern messungen. | | Be... | 0,9909893 + 0,0051341 sin? 9 13 era). | 0,9912771 + 0,0051422 sin? » | 25 Baer, .....| 0.9910057 + 0,0051495 sin? o 15 Bus ..... 0.9910170 + 0,0050868 sin? » 49 Bowditch..... 0.9910002 + 0,0051330 sin? » 92 Bye... . 0,9910217 + 0,0050987 sin? o 719 Borenius .... 0.9910250 + 0.0051160 sin? 9 47 Ballet. .... | 0.9910256 + 0.0050719 sin? » 44 Ph. Fischer .. 0.9910108 + 0,0051049 sin? » 13 E. Schmidt... | 0,9909780 + 0,0051536 sin? o 47 Mittelwerth unter Berücksichtigung der zuzuertheilenden Gewichte in m: 0.99102 + 0,00510 sin? o. Schwerkraft im Meeresniveau für die Polhöhe @ in m: go — 9.7810 + 0,0503 sin? ». In neuester Zeit haben wir von hervorragenden Arbeiten auf unserem Gebiete in erster Linie die umfassenden Untersuchungen E. Plantamour’s mit dem Reversionspendel zu nennen [91], welche mit Benützung des Repsold’schen Kathetometers angestellt wurden. Die Beobachtungen auf dem Rigi ermöglichten es u. a. auch, die Attraktion dieses Berges in einem Werthe von (mit einem a 12300 'wahrscheinlichen Fehler = + _— zu bestimmen. Eine andere Untersuchung lieferte bemerkenswerthe Beiträge für die Taxirung der Verlässlichkeit älterer Messungen. Ziemlich um dieselbe Zeit nämlich, wo Bessel seine Versuche über die Pendellänge zu Königsberg und Berlin anstellte, suchten Schumacher und ©. A. F. Peters den analogen Werth für Schloss Güldenstein in Holstein mit möglichster Genauigkeit festzustellen, und diese damaligen Forschungen sind neuerdings von C. F. W. Peters [92] und Helmert [93] einer erneuten kritischen Bearbeitung unterzogen worden, die mancherlei interessante Resultate lieferte, namentlich betreffs des retardirenden Einflusses, welchen der Magnetismus der am Apparate befindlichen Eisenmassen auf die Schwingungen ausüben kann. Ein neuer Vorschlag Finger’s [94], das Reversionspendel durch das sogenannte Kommutationspendel zu ersetzen, hat jedenfalls unter dem theoretischen Gesichtspunkte Manches für sich, wenn schon zur Erhebung von Erfahrungsthatsachen für oder wider bislang noch die Zeit gemangelt hat. Sei die Dreh- Godin, Ulloa, Warin, Des Hayes, v. Zach, Rumo wski, Freycinet, Du- perrey, B. Hall, v. Lütke, v. Krusenstern, Mathieu, Arago und Foster zu nennen. Eine sehr detaillirte Reihe indischer Pendelproben verdankt man neuerdings J. Hersche] dem jüngeren [89]. Eine für Entdeckungsreisende be- achtenswerthe Schilderung der Manipulationen, welche der Pendelapparat beson- ders in solchen Gegenden erheischt, wo der Beobachter einzig und allein auf sich angewiesen ist, kann man in Bessels’ Beschreibung der Polaris-Expedition nach- lesen [90]. 176 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. axe A, die Masse des schwingenden Pendels M. Eine grössere Masse m, und eine kleinere Masse m, (m, — m; — m) sollen mit dem Pendel so in Verbindung gebracht werden, dass die Schwerpunkte von M,, m, und m, in einer durch A gehenden Ebene liegen, „und dass der Schwer- punktsabstand von dieser Drehaxe während des ersten Schwingungs- versuches x, für die Masse m, und x, für m,, dagegen während einer zweiten Schwingungsreihe bei m,...x, beim,...x, wird, demnach die Massen m, und m, im zweiten Falle nur vertan. in rs existirtt nun der eben von Finger gefundene merkwürdige Satz [95], dass diese Vertauschbarkeit unbeschadet der Schwingungsdauer und der (reducirten) Pendellänge Inur fürl—=x, 4 x, möglich ist. Der Autor hält dafür, dass Gravitationsmessungen mit seinem Kommutationspendel die Vortheile der Kater'schen und der Bessel’schen Methode in. sich vereinigen würden [96]. Es war bisher (s. o.) vorausgesetzt, dass alle diese Pendelrenech am Meeresniveau angestellt seien, wo also die Verschiedenheit der Fallkonstante einzig der wechselnden Schwungkraft und den Variationen der Erdgestalt zur Last zu legen waren. Bei vielen Beobachtungen, besonders von Sabine und Malaspina, gilt diess ja auch, allein im Allgemeinen werden doch solche Beobachtungen an Orten gemacht werden müssen, welche in einiger Entfernung — sei diese eine positiv oder negativ zu nelmende — vom Meeresspiegel gelegen sind. Im ersteren Falle hat g einen zu kleinen, im zweiten einen zu grossen Werth, und wir müssen deshalb auf Mittel denken, um die auf Bergen oder in Schachten ermittelten Zahlen auf den Spiegel des Meeres zu reduciren. Bezeichnen wir [97] die Beschleunigung der Schwere an jenem mit g, in der Höhe h mit g, und, wie gewöhnlich, den Erd- radius mit r, so ist nach Newton’s Gesetze 2 12 2, hr h’ ER a ee eo Im Nenner kann, da h nur einen sehr kleinen Bruchtheil von r vor- stellt, die Summe h (2r + h) ebenso gegen r’, wie im Zähler h’ gegen 2hr vernachlässigt werden, und man bekommt so die für gewöhnliche Verhältnisse völlig brauchbare Näherungsformel g, —g (' -—) wor- za da lb 1, — 2:0, sofort auch L — DE (' — =) hervorgeht. Schweremessungen im Inneren der Erde stehen uns zur Zeit nur erst in sehr beschränktem Maasse zu Gebote, und es ist deshalb eine Mit- theilung v. Sterneck’s [98| über eine umfängliche Versuchsreihe dieser Art um so dankenswertber. Die nachfolgende Tabelle v. Sterneck’s bietet manches Bemerkenswerthe. Seehöhe in m REN ER Schwingungszeit = In ns a0 | Voreilen d. Uhr + 509,1 0,0 0.5008550 172505,0 0,0 — 6,9 916,0 0.5008410 1725098 3, 2, — 463,4 972,5 | 0,5008415 172509,6 L | . I,$.7. Ueberblick üb. d. d. geophysik. Anwendung d. Pendels gewidm. Unters,. 117 * Es ist hervorzuheben, dass die Pendelschwere im Inneren der Erde nur so höchst wenig varürt; es stimmt diess mit einer älteren Wahr- Fig. 28. RE EEE IF RHEFEEERN FREI: Eu = = ++ ; SmmnamS SIninmsie zum Is AN \No] | 5 et SER EB SARSmEE; | Fl sn + | Se tere HangcHon a A ed FI / Alder Ben lo EN IN Bj 1/r De anf ee Be 13 ENTER BIN DRS SEIEN feet I A al EHI 7 N ei RE HI F an 1, //| Er ea TE Mel I ET IN 1 a EN SS NEN SR ee EAN Here I ml >= ES aL NE OR EEE Gm mE. Va 2 -2 REHTT = m Zeitunterschiede mit dem: len Deutschland: in NEN -5 ae a Bes Fan Kard er SeernmE = SER Ban Emm Er He = IE a am NAAR N RT YA HI EAN N HIRLEERIEREZ a ee N ee EN NEE. nn En IN nn SEEN ed NAD ; a Baar nn ! ——— — mine —— muzmesn-- > gumme —— — omusme ——— ums, SIE 67 Ben: Te _1doWestl.20Länge 6) El 43 = n ae En = Aal ®& Be - | | | nehmung Airy’s, der in einer Tiefe von 383 m das Vereilbu ” u auf 2,25‘, also fast ebenso gross, bestimmte. Es ist hiebei zu be- achten ; dass ‚ einem Newton’schen Theoreme [99] zufolge, die An- Günther, Geophysik. I. Band, 12 178 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. ziehung einer Kugelschale auf einen im Inneren befindlichen Punkt den Werth Null hat. Eine auch nur einigermassen auf Vollständigkeit Anspruch machende Uebersicht über die Vertheilung der Pendelschwere an der Erdober- fläche würde sich an dieser Stelle schon aus dem Grunde nicht em- pfehlen, weil grössere tabellarische Zusammenstellungen sich nur für ein Handbuch eignen. Wer sich hiefür interessirt, findet überreichen Stoff in einer Inauguraldissertation van Galen’s [100] und auch in dem von Muncke trefflich bearbeiteten Artikel „Pendel“ des neuen Gehler’schen Wörterbuches [101]. A. Steinhauser’s in Gemeinschaft mit dem bekannten Feldzeugmeister v. Hauslab ausgearbeitete Ueber- sichtskarte, welche auf der Pariser Weltausstellung zu sehen war, eine Vervielfältigung jedoch noch nicht erfahren hatte, stellt uns in Fig. 28 den ungefähren Verlauf der Linien gleicher Pendelschwere*) vor Augen; seitdem ist allerdings viel neues Beobachtungsmaterial neu hinzugekommen, wodurch jedoch der Gesammteindruck, welchen unser Bild gewährt, nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfte. Man überzeugt sich, dass im Allgemeinen diese Kurven von den Breite- kreisen nicht allzusehr abweichen — abgesehen von der merkwürdigen geschlossenen Nullkurve, welche der Aequator als Durchmesser durch- zieht. Die Zahlen sind Millimeter und drücken die Differenzen der unter verschiedenen Polhöhen gemessenen Längen des Sekundenpendels gegenüber der für den Aequator geltenden Länge aus. Freilich ist dieselbe nicht für den ganzen Verlauf dieses Hauptkreises konstant, vielmehr beträgt die Abweichung‘ von der zu Grunde gelegten Zahl da, wo der Gleicher die afrikanische Westküste trifft, + 0,440 und an den ebenfalls unter der Linie gelegenen Galapagos-Inseln — 0,049 mm. $.8. Die Clairaut’sche und die Unferdinger’sche Pendelformel. Fassen wir all das, was bisher über das Pendel gesagt wurde, zusammen, so können wir aussprechen, dass zur Zeit bei aller Anerkennung der in $. 2 dieses Kapitels skizzirten Messungsmethoden kein besseres Hülfs- mittel zur Erkennung und zahlenmässigen Abschätzung der Variationen der Erdschwere existirt, als eben das Pendel. Noch aber haben wir nicht gezeigt, wie die Pendelmessungen auch unmittelbar dazu dienen können, die Abplattung des Erdsphäroides zu berechnen. Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte Clairaut einen Lehrsatz gefunden, der eine solche Berechnung ermöglicht [102]. Wir leiten denselben nachstehend im Anschluss an Thomson-Tait’s originelle Beweismethode her [103]. Eine Flüssigkeit rotirt um eine Axe, und es entsteht ein Umdrehungsellipsoid, dessen Schichten sich so lagern, dass in ähnlichen und ähnlich liegenden Ellipsoiden gleiche Dichtigkeit herrscht. Wir nehmen die Umdrehungsaxe als Z-Axe eines Orthogonalsystemes, bezeichnen die Winkelgeschwindigkeit mit & und erhalten so das Potential der Schwungkraft — . oa (+ y’). *) Wir ziehen es vor, diese an sich verständliche Bezeichnung zu wählen und nicht die an solchen Ausdrücken schon reiche Geophysik durch eine vielleicht hybride neue Wortform von zweifelhafter Etymologie zu bereichern, II. $. 8. Die Clairaut’sche und die Unferdinger’sche Pendelformel. 179 Da r"—=x’-+ y’-+ z’, können wir jenes Potential P auch —; Wr —+ E w’ (x? + y? — 2z’) setzen. a sei der Halbmesser einer Kugel, welche sich mit der rotirenden Masse M annähernd vertauschen lässt, ferner seien die Polarkoordinaten r, 9, %, wo p die Breite, % die Länge bezeichnet*), mit den rechtwinkligen x, y, z durch die Gleichungen X=TCo0sVcosp, y=rsintcosp, z=rsin verbunden. Setzt man also in dem obigen Ausdrucke für’s Potential 2 4 2=asinp, so wird Petzl si ) er 2 3 m Das Schwungkrafts- und das Gravitationspotential ergeben für jeden Punkt (r, 9, %) der rotirenden Oberfläche eine konstante Summe; das letztere Potential, welches P, heissen möge, ist sonach, unter F eine nicht näher bestimmte Funktion verstanden, B=—[14r@9]—- oe (2 — sine), a Entwickelt man rechts nach steigenden Potenzen von — und lässt das r Funktionszeichen F in ähnlicher Weise weiter gelten, wie bisher, so er a =rı+% (6 Ing) + +35@9% +...) M wo m für wa : — gesetzt ward; m bedeutet das Verhältniss der äquatorialen Centrifugalkraft zur Schwerkraft im Abstande a Will man die Grösse y der reinen (d. h. nicht von der Centrifugalkraft entstellten) Schwere haben, so findet sich aus Obigem = (IHR Zn +2 Die Beschleunigung g der sichtbaren Schwere endlich resultirt hieraus durch Subtraktion der radialen Schwerkraftskomponente, deren Ausdruck (> wa—uw’a e — sin? )) ist; so folgt M 2 5 1 Fer Erf -Za+Rh@9)—- Zum —snp)+2F(@®) +35@9+...). Noch ist über die Funktionen F nicht verfügt worden; wir können jetzt Fr @9)=a(z — np), HEN. *) Um mit früher gebrauchten Bezeichrungen möglichst im Einklang zu bleiben, konnte die Bezeichnungsweise der britischen Physiker nur zum Theile beibehalten werden. Auch die Darstellung musste im Interesse der Gemeinver- ständlichkeit einigermassen paraphrasirt werden. 180 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. setzen und erhalten M 2 5 ll =! se Zm—a) (3 — sin 2)). Je nachdem p = 0" oder — 90° gesetzt wird, ist also We BEE TORRENT IR IR TORE 50 — 22 a 35 ‚890 — ( 3 3 ann ) Zieht man die zweite Gleichung von der ersten ab, so restirt a CR ) Sen TNE Se: { Setzt man aber für m den uns bekannten Werth ein, so wird, da 2 guist, 5 9 . w° Allem so step —g 0% o—1-+ ® 0 Mit v. Lang [104] 9. — 8 = 0,05091, wa — 0,03367 setzend, be- kommen wir 4 — was mit dem uns bekannten Abplattungswerthe 294° so ziemlich stimmt. 1 289 Nach Clairaut sollte dieses Theorem zwar zunächst nur für einen tropfbar flüssigen, dann aber auch für jeden festen Körper gelten, dessen innere Massenanordnung derjenigen einer Flüssigkeit analog wäre. Stokes bewies aber [105], dass die Gültigkeit eine noch allgemeinere ist und alle diejenigen festen Körper umfasst, für deren Inneres die Ortsflächen gleichen Potentiales harmonische Sphäroidalflächen (s. o. $. 3) sind, mögen im Uebrigen die geometrischen Oerter gleicher Dichte be- schaffen sein, wie sie wollen. Philipp Fischer bemerkt [106], dass die allermeisten Bearbeiter des Problemes der Erdgestalt sich mit der obigen Clairaut’schen Formel begnügt und kein Bedürfniss verspürt hätten, den oben bei Seite gelassenen Grössen F andere Werthe als Null zu substituiren; nur der einzige Paucker [107] sei darüber hinausgegangen. In einem als entsprechende Verallgemeinerung der Clairaut’schen Relation anzusehenden Ausdrucke müssten auch die Dichtigkeitsverhältnisse im Erdinneren einen Platz finden. Gerade, während Fischer so schrieb, erschien eine umfangreiche Abhandlung von Unferdinger [108], welche eben diese verwickeltere Aufgabe in Angriff zu nehmen bestimmt war. Wir verstehen unter £, und go, was wir immer darunter verstanden, jedoch mit der aus- drücklichen Bestimmung, dass die Erde zunächst als nicht rotirend zu selten habe, und deuten durch ro den der Breite ® entsprechenden Radius Vektor des Erdsphäroides an. Nach Unferdinger ist dann zu setzen 5 & 2 Ben ) N Der sonst nicht übliche quadratische Faktor ward beigefügt, um den Satz mitprüfen zu können, dass die Intensitäten der Schwere an der Oberfläche den Quadraten der Fahrstrahlen umgekehrt proportional seien; aus einer mit der Zeit eintretenden Veränderlichkeit der Koeffi- cienten A sollte auf Veränderungen im Gefüge der Erde geschlossen ; ; h E v x | i 5 4 5 3 k II. $S. 9. Aeltere Methoden der Dichtigkeitsbestimmung für die Erde. ]81 werden können. Setzt man e = der Excentricität, so wird die Länge L» des Sekundenpendels gleich | | E 1 1 — e‘) tan et mp rAbsnpt. ak et. 8 15 sin’ © — 8% ist, wie wir wissen, die wirkliche Schwerkraft in der Breite ©; verstehen wir wieder unter fo die Centrifugalbeschleu- nigung am Aequator, unter y den Bruch f) : g,, so N ns But Zu Ri „sin’g) cp — (l— €) sin’p, co?o+ (1 — eV sine ER allgemeinste Formel besteht also, von 5, abgesehen, aus drei Faktoren, welche sich resp. auf die Dichteverhältnisse im Erdinneren, auf die Fliehkraft und auf die wirkliche Abplattung beziehen. Mit Rücksicht auf die Bessel’schen Werthe liefert die Methode der kleinsten Quadrate zur Bestimmung von L, (in Par. Linien) folgende Gleichung [109]: log Lo = 2,6427568 + log 7,35147 sin“ o 1£ log 5,3198 sin* o —- log 3, 457 sin” Die hans der hienach ee Tabelle liess er keinen Zweifel, dass die Grössen A keine Konstanten, ‘sondern erst noch näher zu. bestimmende Funktionen der geographischen Breite, Ep. von anderen uns noch unbekannten Instanzen abhängig sind. Gewissen auffallenden Anomalieen in der Pendelschwere vermag auch die Unferdinger’sche Formel kein Genüge zu thun, vielmehr spricht deren Urheber ganz mit Recht sich dahin aus, dass diese Ano- malieen auch bei der exaktesten Berechnungsformel wieder auftreten müssen, solange letztere auf der Annahme einer rein ellipsoidischen Erde beruht. Hieraus scheint aber mit Sicherheit zu folgen, dass diese Annahme eben keine ganz zutreffende sei. Das nächste Kapitel wird den mit diesem Zweifel angedeuteten Sachverhalt näher in’s Auge fassen; für den Augenblick aber müssen wir diesen. Gegenstand ver- lassen und uns. mit der Bedeutung der Attraktionserscheinungen für das Problem, das spezifische Gewicht des Erdkörpers zu finden, be- schäftigen. S. 9. Aeltere Methoden der Diehtigkeitsbestimmung für die Erde. Jedes Verfahren, durch welches wir in 8. 2,3 und 5 Anziehungsgrösse und Anziehungsrichtung irgend eines terrestrischen Körpers für einen ausserhalb gelegenen Punkt feststellten, kann zugleich zur Bestimmung der Masse m der Erde benützt werden. Ist diese bekannt, so folgt deren Dichte oder spezifisches Gewicht d aus der Relation (r Erdradius): Dichte X Volumen — Masse; d. E u in Selbstverständlich aber sind nicht alle diese Methoden gleich gut zu ihrem Zwecke geeignet, vielmehr haben sich nach und nach die im Folgenden beschriebenen als die besten bewährt. Wir ordnen dieselben nicht chronologisch, sondern nach dem Grade ihrer Brauchbarkeit. I Die Methode der Berganziehung. Nachdem Maskelyne und Hutton (s. o. $. 3) die Anziehung des Shehallien auf das Bleiloth » 182 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. festgestellt hatten, giengen sie sofort auch dazu über, aus dem Betrage dieser Ablenkung einen Schluss auf die Grösse m zu ziehen. M (Fig. 29) sei der Mittelpunkt der Erde, B ein isolirter Berg, von dem man so- wohl die Masse m‘, als auch die Lage des Schwerpunktes S zuvor genau ermittelt hat. An zwei Fig. 29. zu Füssen dieses Berges befind- Z: .7z; lichen Punkten A und C sind ( ER Lothe aufgehängt, deren Rich- | tungen Z,A und Z,C sich, wenn die Erhebung nicht vorhanden wäre, im Mittelpunkt M der Erde schneiden würden; so aber be- gegnen sich die Lothrichtungen ZA und Z/’C in einem der Erd- oberfläche näher gelegenen Punkte N. Die beiden Winkel Z,AZ,’ und Z2,CZ, = sind dadurch zu erhalten, dass man von der geo- dätisch ermittelten Differenz der Polhöhen beider Orte die wirklich gemessene subtrahirt. Nun wirken auf die Kugel A zwei Kräfte: die Berganziehung, deren numerischer Werth m \ durch k. ——. auszudrücken ist, wenn wir (s. 0.) mit Begehung eines Q° ? allerdings nicht erheblichen Fehlers die Masse des Gebirgstockes in dessen Schwerpunkt vereinigt annehmen, und andererseits die Erdanziehung m u k.n wenn k hier, wie vorhin (s. o. $. 1) die Gravitationskonstante bedeutet. AE und AG mögen in der Figur diesen beiden Anziehungs- kräften entsprechen, wo dann die wirkliche Lothrichtung der Lage nach mit der Diagonale AF des Kräfteparallelogramms zusammenfällt. <_EAF = : kann jetzt ebenfalls gemessen werden, und wir entnehmen so dem Dreieck AFE die folgenden Proportionen: AB: ER — sind: sine; k.—n :k. > —sinö:sine, Hieraus berechnet sich m’.r’. sine AS’. sin ö Maskelyne und Hutton fanden [110] damals für d den Werth 4,7 — eine immerhin recht respektable Annäherung an den wahren Werth (s. u.), wenn man bedenkt, wie die Grössen AS und es erst durch eine mühsame und doch nicht mit sehr grosser Genauigkeit zu be- werkstelligende Verbindung geodätischer und geognostischer Operationen zu bestimmen waren. Diese Operationen würden bei anderen Körpern leichter anzustellen sein. So hat nach ©. A. F. Peters’ Berichte [111] der ältere Struve (s. o. $. 3) vorgeschlagen, zu beiden Seiten eines Kanales oder Meer- busens — z. B. desjenigen von Bristol — die Abweichungen in der Lothlinie genau astronomisch festzustellen, welche durch den höchsten und tiefsten Stand des Wassers in dieser Rinne bedingt werden. Er ee el ih nn in a u A en ie - ee II, $. 9. Aeltere Methoden der Dichtigkeitsbestimmung für die Erde. 183 fasst diesen Wasserkörper als ein Parallelepipedum von der Breite a, Länge 2b, Höhe c, Dichte d‘, nimmt die Pendelkugel als in der obersten Seitenfläche gelegen und von der nächsten Kante um f abstehend an und findet so die zur Vertikalrichtung senkrechte Attraktionskompo- nente gleich | 2ab an Nor leg — — FT 2 ( Eat ee Er), Unter der Voraussetzung, dass die mittlere Dichte der Erde 5,67, jene des Seewassers 1,2 ist, ergiebt sich hieraus für die Ablenkung am Ufer 0,23, als eine immerhin messbare Grösse. Natürlich aber würde keine grosse Genauigkeit zu erreichen sein, wenn man diese Winkelgrösse direkt messen und aus ihr dann die Erdmasse berechnen wollte. Peters will daher [112] den flüssigen durch einen festen Körper, z. B. die Cheops-Pyramide, ersetzen, wo sich selbst noch in einer Entfernung von 10 Toisen von der Basis eine Deviation von fast 1”, an der Basis aber von mehr denn 1” ergeben würde. Allein viele Gründe sprechen für das Vorhandensein ausgedehnter Hohlräume im Inneren der Pyramiden, und wenn diess der Fall, so verbietet es sich, die Diehte des Bauwerkes geometrisch zu schätzen *). II. Die Methode der Pendelmessungen. Drobisch hat [114] zu- erst gezeigt, wie man durch Beobachtung und Zählung der Pendel- schwingungen die Grösse d finden könne; v. Lang, dem wir hier folgen, hat die Rechnungsschemate vereinfacht [115]. Die Tiefe eines Schachtes sei h, die daselbst aus Pendelbeobachtungen erschlossene Fallbeschleunigung G, die Fallbeschleunigung an der Erdoberfläche g. Letztere Grösse ist eine Kombination aus der Anziehung einer Kugel- schale von der Dicke h und einer Kugel vom Radius p=r—.h; die Dichte dieser letzteren Kugel darf unbedenklich mit d identificirt werden. Dann e die near e | „(etrb’—p].urp.d_ el es. wenn man mit d, die Dichte der N Erdschale bezeichnet. B: ; = ist ein kleiner Bruch, von welchem nur die erste Potenz berücksichtigt zu werden braucht; thut man diess aber, so wird g=k.Sr.[p-+h).dı+ (dh) )]—k.Sr.[—2h).d+3hl)) In der Tiefe h ist, da nach dem am Schlusse von $. 7 eitirten New- ton’schen Theoreme die Kugelschale sich völlig neutral verhält, die Anziehung G= X: = ”.p.d, somit durch Division und nachherige Umformung a a dam dann? Bu (a Genmig: I re A ae h *) Es scheint neuerdings jedoch, dass auch an Bergen, wenn man nur mit den nöthigen Vorsichtsmaassregeln arbeitet, genauere Ergebnisse zu erzielen sind, wenigstens berichtet Wallentin [113], ‘dass James späterhin am Shehallien dieselben Beobachtungs- und Messungsoperationen vornahm, wie hundert Jahre früher Maskelyne und Hutton, dass er dabei aber zu dem von der Wahrheit weit weniger abweichenden Werthe d = 5,932 gelangte. 184 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. ' Schon 1826 gieng Airy daran, im Geiste dieses Verfahrens die Dichtigkeit der Erde zu ermitteln, doch misslang damals sein Ver- such [116], und erst als er achtundzwanzig Jahre später mit Anwen- dung salvanischer Signale denselben in der Kohlengrube Harton bei Newcastle wiederholte, gelang [117] die Feststellung des Werthes 6,6 für d, der freilich zu hoch war; ( —£) war =1:19200; p:h—= 16000, d, = 2,5 gesetzt worden. Haughton hat später aus Airy’s Zahlangaben den zweifellos richtigeren Werth 5,48 berechnet; allein auch aus den oben ($. 7) angeführten Beobachtungen v. Sterneck’s scheint zu folgen, dass völlig befriedigende Resultate überhaupt auf diese Weise nicht zu erzielen sind. - Umgekehrt kann, statt in einer Vertiefung, let auch act einer Erhöhung das Verhältniss der Fallbeschleunigungen ermittelt und dieses nachher zur Berechnung von d verwendet werden. Plana und Carlinihaben den Montcenis zu diesem Zwecke benützt, und E. Schmidt. hat [118] rechnerisch aus deren Angaben d = 4,837, also einen etwas zu kleinen Zahlenwerth, hergeleitet. Ein solcher Berg besitze die Dichtigkeit d,, das Volumen V,, und sein Gravitationsmittelpunkt sei um r, von dem auf seiner Spitze schwingenden Pendel entfernt, während d, V und r das Nämliche für die Erdkugel bedeuten mögen. Wäre der Berg nicht vorhanden, so würde für den Meereshorizont unter gleicher Breite 1 die Länge des Sekundenpendels sein, während die Messungen auf dem Gipfel die Länge I!’ (<|]) le Dann gilt die rn en eo. woraus folgt: Arad | Veigzr ei Es ist natürlich, dass diese Methode die besten Garantieen dann ge- währt, wenn die Körpergestalt des Berges einige geometrische Regel- mässigkeit besitzt. Deshalb wählte Mendenhall den Vulkan Fusi- yama auf Nipon, der als gerader Kegel von 138° Oeffnung betrachtet werden kann. _Auch fand sich d=5,77, also ein gut stimmender Werth [119]. _ II. Die Methode der Drehwage. Dieses eben so einfache und bescheidene, als ingeniöse Werkzeug zur Messung kleiner anziehender und abstossender Kräfte wird gemeiniglich auf Coulomb zurückgeführt, welcher allerdings auf dasselbe die von ihm ‚geschaffene Disciplin der Elektrostatik begründete [120]. Allein es ist keinem Zweifel unter- worfen, dass ein genialer Physiker des XVIII. Jahrhunderts, der im Jahre 1793 gestorbene Schotte Michell, schon früher einen solchen Apparat erdacht und konstruirt hatte, und zwar in der ausgesprochenen Absicht, die Stossstärke der Sonnenstrahlen zu messen [121]; ihm schwebte offenbar ganz dieselbe Idee vor, welche später Crookes durch sein bekanntes Radiometer so trefflich zu realisiren verstand. Dieses Instrument jedoch, und zwar sofort mit grossem Erfolg, zur Bestimmung der Erdmasse und Erddichte angewandt zu haben, .diess ist das unleugbare Verdienst Lord Cavendish’s [122]. Unsere Fig. 30 II, $. 9. Aeltere Methoden für die Dichtigkeitsbestimmung der Erde. 185 gewährt ein allerdings nur schematisches Bild dieser Vorrichtung; die Darstellung der Methode selbst lehnt sich an diejenige Max well’s [123] an - Die Dreh- oder Torsionswage besteht wesentlich aus einem Stabe CD, der in B, seinem Schwerpunkt, | an einem Drahte hängt, der selbst wieder Fig. 30. in den Zapfen A der Zimmerdecke einge- eh klemmt ist. Dieser Stab stellt sich horizontal 777 7, ein, und an dieser seiner Eigenschaft ändert h sich nichts, wenn an den Enden C, D zwei Y A gleichlange Drähte angebracht werden, an H welchen hinwiederum die einander völlig glei- chen kugelförmigen Massen F und G hängen. Gesetzt nun, der Kugel G werde eine andere Kugel E genähert, die auch an einem Drahte H aufgehängt ist und in jede belie- bige Entfernung von G gebracht werden kann; dann wird der von E auf G geübte attrahirende Einfluss von einer gewissen Ma- ximaldistanz an sich fühlbar machen, G nähert sich seinerseits der E, und diese Be- wegung bewirkt eine Drillung des Drahtes AB, durch welche bewirkt wird, dass der Stab CD kleine horizontale Schwingungen um seine frühere Ruhelage auszuführen be- sinnt. Coulomb hat die Torsionskraft eines Drahtes oder Fadens zu bestimmen gelehrt: dieselbe ist proportional dem Ausschlags- winkel und der vierten Potenz des Faden- durchmessers, umgekehrt proportional der Länge dieses Fadens und zugleich der Länge des schwingenden Stabes. Mittelst einer Poggendorff’schen Spiegelvorrichtung be- obachtet man jene Theilpunkte der Skala, welche den Eudptnkten einer einzelnen Schwingung entsprechen, und findet diese um die Länge x und y von der Gleichgewichtslage entfernt. An diesen beiden Punkten be- findet sich der Stab C D momentan in Ruhe, er leistet gar keine Arbeit, und da die Gesammtenergie offenbar dieselbe ist, so muss die der Endlage x entsprechende potentielle Energie*) derjenigen poten- tiellen Energie gleich sein, welche der Endlage y zukommt. Unter T die Dauer einer Doppelschwingung verstanden, ist die dem ersteren Momente entsprechende Energie durch a. Ex p2 *) Die neuere Dynamik unterscheidet sorgfältig zwischen aktueller und po- tentieller Energie, welche zwei Begriffe Zöllner in seinem Bestreben, psychische Vorstellungen in die anorganische Naturlehre hineinzutragen, durch Lust und Un- lust wiedergegeben wissen wollte. Jede der beiden Energieen kann sich sofort in die andere verwandeln; ein auf einer Unterlage liegender Stein z. B. ist ein Kraftreservoir, entwickelt aber nach Wegnahme jener unverzüglich aktuelle Energie. 186 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. und die aus der Anziehung zwischen der grossen und kleinen Kugel entspringende Energie durch .m.M K-—k. a—x auszudrücken. m und M sind resp. die Massen der kleineren und der grösseren Kugel, K ist die von der Schwere geleistete Arbeit; den im Subtrahenden stehenden Bruch würden wir auch als das Potential der beiden Massen bezeichnen können. Addiren wir beide Ausdrücke und erwägen, dass der solchergestalt erhaltene Ausdruck sich nicht ändern kann, sobald y an die Stelle von x tritt, so haben wir zur Berechnung der Gravitationskonstante k die folgende Bedingungsgleichung: m.M are um x m.M a0. ge ; a—x I a a—y + hiernach muss sein, da links (y— x) gegen (y? — x?) zur Rechten sich forthebt, ker metna- Day). x, y und a sind in Metermaass, M ist in Grammen, T in Sekunden ausgedrückt, k demnach vollständig bestimmt. Sobald aber die Gravi- tationskonstante numerisch ausgedrückt ist, hat es keine Schwierig- keit mehr, auch die Masse und damit das spezifische Gewicht der Erde auf die entsprechenden Einheiten zurückzuführen; es ist eben di — — ee een = ER Auf die Details der Rechnung können wir uns hier nicht einlassen, doch findet man ein vollständig durchgeführtes Rech- nungsbeispiel in der kosmischen Physik von J. Müller [124]. Die Substanz der Kugeln ist, wie schon aus den Bessel’schen Pendel- versuchen zu entnehmen war, ohne Einfluss auf das Resultat, und Baily’s gleich näher zu besprechende Experimente, bei welchen Massen, aus den verschiedensten Stoffen verfertigt, zur Verwendung gelangten, vermochten somit nur zu bestätigen, was man bereits anderweit wusste. Cavendish selbst fand auf einem ähnlichen Wege (a. a. O.) d = 5,48. Später stellte Reich (1837 und 1847) je eine ausgedehnte Versuchsreihe an; beide Reihen führten zu fast übereinstimmenden Resultaten [125], indem zuerst 5,49 und später 5,583 erhalten wurde. Aus etwa 2000 Experimenten mit der Torsionswage zog der Engländer Baily die Zahl 5,66 [126]. Endlich haben in neuester Zeit Cornu und Baille nochmals die Drehwage angewendet [127] und dabei Werthe erlangt, welche zwischen 5,50 und 5,56 schwankten. Es liegt auf der Hand, dass diese Messungsmethode eine viel zu feine und viel zu sehr gelegentlichen Fehlern ausgesetzte ist, um eine absolute Genauigkeit ver- bürgen zu können. Man stellt zwar die ganze Vorrichtung in einem Gehäuse auf, und der Beobachter kontrolirt die Schwingungen durch ein in diesem angebrachtes Glasfenster, allein je feiner die einzelnen Theile gearbeitet und mit einander verbunden sind, um so einfluss- reicher erweisen sich die nämlichen Störungen, deren schon oben bei ‘ Beschreibung des Darwin’schen Pendelapparates gedacht wurde. Da man seit Gauss weiss, dass Messungen bei bifilarer Auf- hängung im Allgemeinen stets genauere Ergebnisse liefern, als bei blos unifilarer Aufhängung, so erschiene es angezeigt, das Hengler- 4 Bl u Dal lu nl Mn Au u: u oo II, $. 10. Die Wägungsmethode. 187 Zöliner’sche Horizontalpendel ($. 2) zur Bestimmung der Erddichte nutzbar zu machen. Zöllner hat zwar diese Aufgabe auf sein Pro- gramm gesetzt gehabt, sich aber -später zu sehr mit überirdischen Dingen beschäftigt, um der tellurischen Frage ein weiteres Interesse zuzuwenden. Jetzt aber verfügt man über ein noch weit vollkom- meneres Hülfsmittel zur Lösung des Problemes, welches alle übrigen in den Hintergrund gedrängt hat. $. 10. Die Wägungsmethode Nachdem der Münchener Physiker v. Jolly bereits bei trüheren Gelegenheiten darauf aufmerksam ge- macht hatte, dass die gewöhnliche zweiarmige Wage nicht blos für andere Aufgaben der Präcisionsphysik, sondern auch speziell für Gravi- tationsmessungen das zweckdienlichste Instrument sei, weil sich der Wägungsfehler bis auf 0,001 Milligramm herabdrücken lasse |128], zeigte er in einer späteren Abhandlung [129] auch, wie durch einfache Wägungen die Dichte unseres Erdkörpers gefunden werden könne. Der Gedanke, von welchem er sich hiebei leiten liess, ist durch seine Einfachheit ausgezeichnet. Im Oberstock eines vor Erschütterungen zu bewahrenden Gebäudes ist eine feine Wage aufgestellt; die Schwin- gungen der Zunge lassen sich mittelst eines Ablesefernrohres aus einer solchen Entfernung beobachten, dass die Person des Beobachters keine attrahirende Wirkung mehr ausüben kann. Von jeder der beiden Schalen führt ein 20—25 m langer Metalldraht wiederum zu einer Schale. Gesetzt nun, ein Körper von der Masse M sei in einer der oberen Schalen durch Gewichtstücke genau äquilibrirt; nimmt man jetzt den Körper fort und legt ihn in die entsprechende untere Schale, so wirkt die Anziehungskraft der Erde stärker auf ihn ein, und da- mit steigt die mit den Gewichten beschwerte obere Schale in die Höhe. Aus dieser Bewegung lässt sich die Gewichtszunahme des Körpers be- rechnen. Bringt man aber direkt unter die den Körper enthaltende untere Schale eine hinreichend grosse Bleikugel, so wirkt diese ihrer- seits anziehend auf jenen, und eine stärkere Schwankung des Wage- balkens wird die Folge sein. Ist a, die zuerst, a, die unter dem Ein- flusse der Bleikugel beobachtete Gewichtszunahme, so stellt aa, — a, die attraktive Wirkung der Bleikugel dar. Nun haben aber die drei im vorigen Paragraphen beschriebenen Methoden den gemeinsamen Zug, dass unmittelbar aus der Anziehung, welche ein Körper von be- kannter Grösse und Dichte auf einen zweiten Körper ausübt, auch auf die Grösse der Anziehung der Erde und damit zugleich auf die Masse der letzteren geschlossen wurde. Genau so hat man im vorliegenden Falle zu handeln. Die Bleikugel besitzt die Masse u, das spezifische Gewicht 8, den Radius r, und ihr Mittelpunkt ist um s von dem Schwerpunkt des in die untere Schale der Doppelwage gelegten Körpers entfernt. Dann ist die Kraft K, mit welcher der Körper und die Bleikugel sich gegen- seitig anziehen, gegeben durch on 2 mon. | = . S — 3 . 4 ER a I 52 Wenn dagegen r und d ihre uns von früher her bekannten Bedeu- tungen beibehalten, so ist die’ zwischen dem Prüfungskörper und der 188 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal, Verhältn. d. Erdkörpers. Erdkugel obwaltende Anziehung, für welche wiederum der Buchstabe 8 ‚eintreten möge, ET EM Durch Division folgt hieraus, da M sich forthebt, K = ON Eu ee, Dem Obigen zufolgeistMK=3, — a, =a,Mg=a,K: N... 2.. Wird dieser Werth in der zuletzt erhaltenen Gleichung substituirt, so folgt schliesslich Sn ee) 1 ar re dessen A DEE Br Sr Me r, 8, rı und ö sind von n Alıfaig an völlig bekannt; a, aber und a, ver- mögen mit einer Akribie gemessen zu werden, wie nur selten bei physikalischen Experimenten. Demnach verdient der Werth v. J olly’s, d— 5,692 (mit einem wahrscheinlichen Fehler — 0,068) wohl das meiste Vertrauen unter allen bisher abgeleiteten, „weil“, wie sich Zöppritz ausdrückt [130], „das Instrument, womit die Zahl erlangt ist, die Wage, unter allen physikalischen Messapparaten theoretisch wie praktisch am besten bekannt und am leichtesten kontrolirbar ist.“ Völlig unabhängig von Jolly hat ein englischer Physiker, Poyn- ting in Manchester, einen ähnlichen Apparat erfunden und in gleichem Sinne nutzbar gemacht [131]. Er machte 11 Einzelbestimmungen und fand für die mittlere Dichtigkeit der Erde Werthe zwischen 4,415 und 7,172, im Mittel aber, ganz wie v. Jolly, 5,69. Diesen Zahlwerth werden wir also von nun an dauernd festzu- halten haben. Die neuere Naturlehre unterscheidet allerdings in etwas zwischen den Begriffen Dichte und spezifisches Gewicht, doch hat diese mehr philosophische Trennung für die Geophysik zunächst noch keine Bedeutung. Unser d ist eine reine Zahl, von der nullten Dimension, deren Sinn in Kürze dahin ausgesprochen werden kann: Wäre der Erdball ein homogener Körper, so würde ein Kubikmeter Erdmaterie dmal mehr wiegen, als ein Kubikmeter destillirten Wassers im Zustande der grössten Koncentration. Die Dichte derjenigen Sub- stanzen, aus welchen der unserer direkten Einsicht zugängliche Theil unseres Planeten sich zusammensetzt, ist eine weit geringere, indem für die ganze Erdkruste nur eine Dürchschnitts-Eigenschwere = 2, 3an- genommen werden darf; hieraus scheint zu folgen, dass die Dichtigkeit wachsen wird, je mehr man sich von der Erdoberfläche entfernt. [1] Kästner, Geschichte der Mathematik, 4. Band, Göttingen 1800. S. 241. — [2] Chasles, Geschichte der Geometrie, hauptsächlich mit Bezug auf die neueren Methoden, deutsch von Sohncke, Halle 1839. S. 348. — [3] Sir Isaac Newton’s mathematische Principien der Naturlehre, deutsch von Wolfers, Berlin 1872. S. 386. — [4] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 466 ff. — [5] New- ton’s math. Princ. etc. S. 167. — [6] Isenkrahe, Das Räthsel der Schwerkraft; Kritik der bisherigen Lösungen des Gravitationsproblemes und Versuch einer neuen auf rein mechanischer Grundlage, Braunschweig 1879. — [7] Zöllner, Ueber die Natur der Cometen; Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntnis, Leip- zig 1883. S. 105 gs [8] Ibid. $S. 127. — [9] v. Oppolzer, Ist das Newton’ sche Anziehungsgesetz zur Erklärung der Bewegungen der. Himmelskörper ausreichend; hat man Veranlassung, dasselbe nur als Näherungsausdruck zu bezeichnen? Tagebl. Ed ce nel A En Citate. 189 d. 54. Versamml. d. Naturf. u. Aerzte, Salzburg 1881. 1. Abtheilung, S. 125 fi. — [10] Ibid. S. 132. — [11] Isenkrahe, Das Räthsel ete. $. 195. — [12] Günther, Geophysikalische Hypothesen, geprüft durch Libellen- und Pendelapparate, Hum- boldt, 2. Jahrgang. S. 328 ff. — [13] Zech, ‘Lorenz Hengler, Erfinder des Hori- zontalpendels, Ann. d. Phys. u. Chem.. 150. Band. $. 496. — [14] Hengler, Astro- nomische Pendelwage, nebst einer neuen Nivellirwage, Dingler’s polytechn. Jour- nal, 43. Band. $. 81 ff. — [15] Safarik, Beitrag zur Geschichte des Horizontalpendels, Ann. d. Phys. u. Chem., 150. Bd. $. 150 ff. — [16] Zöllner, Zur Geschichte des Hori- zontalpendels, ibid. 150. Band. S. 140 ff. — [17] Gruithuisen, Ritter Bessel’s Versuche über die Kraft, mit welcher die Erde Körper von verschiedener Beschaffenheit anzieht, und von des Herausgebers Elkysmometer und Hengeller’s Schwungwage, Neue Analekten f. Erd- u. Himmelskunde, 1. Heft. $S. 39 f. — [18] Hengler, Astron. Pendelwage etc. 5. 146. — [19] Perrot, Appareils & rendre manifestes et mesurables les variations occasionnees dans l’intensite et la direction de la pesan- teur & la surface de la terre, par les mouvements de notre globe et l’attraction des corps celestes, Compt. rend. de l’acad. franc., tome LIV. $. 728 ff. — [20] Ibid. Ss. 851. — [21] Zöllner, Ueber eine neue Methode zur Messung anziehender und abstossender Kräfte, Ann. d. Phys. u. Chem., 150. Band. 8. 131 ff. — [22] H.J. Klein, Vierteljahrsrevue der Naturwissenschaften, 1. Heft, Leipzig und Köln 1875. 8. 2. — [23] Zöllner, Beschreibung und Anwendung des Horizontalpendels, Ann. d. Phys. u. Chem., 150. Band. S. 134 ff. — [24] Stoll, Mathematisch - physikalische Miscellen, Bensheim 1878. S. 1 fi. — [25] C. A. F. Peters, Von den kleinen Ab- lenkungen der Lothlinie und des Niveau’s, welche durch die Anziehung der Sonne, .. des Mondes und einiger terrestrischer Gegenstände hervorgebracht werden. Bull. de la physico-math. de l’acad. imp. de St.-Petersbourg, tome III. S. 212 ff. — [26] Carl, Die Prineipien der astronomischen Instrumentenkunde, Leipzig 1862. S. 88. — [27] Ph. Plantamour, Sur les mouvements periodiques du sol, Compt. rend. de l’acad. franc.,. tome XCII. S.329 ff. — [28] Mascart, Sur les changements de la gravitation, ibid. tome XCVI1. S. 126 ff. — [29] Issel, Note sur un instru- ment destine & mesurer ]’intensite de la pesanteur® Bull. de la soc. imper. des natural. de Moscou, Ann&e 1882. I. S. 134 ff. — [30] Bohnenberger, Anleitung zur geographischen Ortsbestimmung, vorzüglich vermittelst des Spiegelsextanten, Göt- tingen 1795. S. 165. — [31] G. H. Darwin, Ueber ein Instrument zur Beobachtung und Messung‘ kleiner Aenderungen in der Richtung der Schwerkraft, Beibl. z. d. Ann. d. Phys. u. Chem., 6. Band, 2. Stück. $.59 fi. — [32] Paraira, Over de me- thoden ter bepaling van te aantrekking eener ellipsoide op en willekeurig punt, Amsterdam 1879. — [33] Grube, Zur Geschichte des Problemes der Anziehung der Ellipsoide, Schleswig 1883. — [34] Thomson-Tait, Handbuch der theoretischen Physik, deutsch von Helmholtz-Wertheim, 1. Band, 2. Theil, Braunschweig 1874. S. 27. — [85] Ibid. S. 379 ff. — [36] Newton’s math. Prince. ete. S. 192 fi. — - [87] Kunzek, Lehrbuch der Physik mit mathematischer Begründung, Wien 1860. 8.102 ff. — [38] Schlömilch, Der Attraktionscaleül, Halle 1851. 8.7 ff. — [39] Gün- ther, Ueber elementare Behandlung gewisser Punkte der mathematischen Geo- graphie, Zeitschr. f. math. u. naturw. Unterricht, 7. Jahrgang. S. 91 ff. — [40] La- grange, Remarques generales sur Je mouvement de plusieurs corps qui s’attirent mutuellement en raison inverse des carres des distances, Nouv. Mem. de l’acad. de Berlin, Annee 1777. S. 155 ff. — [41] Green, Essay on the application of ma- thematical analysis on the theories of electrieity and magnetism, Nottingham 1828. — [42] Gauss, Allgemeine Lehrsätze in Beziehung auf die im verkehrten Ver- hältnisse des Quadrates der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstossungs- kräfte, Göttingen 1840. — [43] Clausius, Das Potential und die Potentialfunktion, Leipzig 1877. S. 1 fi. — [44] Bacharach, Abriss einer Geschichte der Potential- theorie, Göttingen 1833. — [45] Zöppritz, Ueber die Schwankungen des Meeres- spiegels in Folge von geologischen Veränderungen, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 11. Band. S. 1016 fi. — [46] Ibid. S. 1022 ff. — [47] Thomson -Tait, Theor. Phys. S. 324 fl. — [48] A. v. Humboldt, Kosmos, 4. Band, Stuttgart und Tü- bingen 1849. S. 30 ff. — [49] v. Zach, L’attraction des montagnes, Avignon 1814. — [50] Ph. Keller, Ricerche sull’ attrazione delle montagne, Roma 1872. — [51] Bouguer, La figure de la terre, determinde par les observations de MM. De la Condamine et Bouguer, Paris 1749. $. 388 ff. — [52] Liesganig, Dimensio graduum meridiani Viennensis et Hungarici jussu et auspiciis Augg. peracta, Vindobonae 1770. S. 211 ff. — [53] Maskelyne, An account of observations made on the mountain Shehallien for finding its attraction, Phil. Transact. Vol. LXV. S. 500 ff. — [54] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 628. .— [55] Denzler, 190 | Citate. Die Ablenkung des Senklothes durch die Gebirge, Zürich 1866. — [56] v. Baeyer, Ueber den Einfluss der lokalen Lothablenkungen auf geodätische Operationen. Astr. Nachr. (2) Nr. 87. — [57] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1879. S. 175. — [58] Lossen, Ueber den Zusammenhang der Lothablen- kungswerthe auf und vor dem Harz mit dem geologischen Bau des Gebirges, Sitzungsber. d. Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin, 1881. S. 19 ff. — [59] Ibid. S. 24 fi. — [60] I. Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. $. 786. — [61] Schweizer, Untersuchungen über eine in der Nähe von Moskau stattfindende Lokalattraktion, Moskau 1864. — [62] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk. S. 176. — [63] J. Newton’s math. Prince. etc. S. 401 fi. — [64] Fliedner, Lehrbuch der Physik, Braunschweig 1880. S. 148 ff. — [65] Poggendorff, Geschichte der Physik, Leipzig 1879. S. 230. — [66] Huygens, De causa gravitatis, Op. rel., Tom. I, Lugduni Batavorum 1703. S. 93. — [67] Ham- berger, Dissertatio de experimento ab Hugenio pro causa gravitatis explicanda invento, Jenae 1723. — [68] Kulik, Elementarischer Beweis der Formel für die Schwingungszeit des einfachen Pendels, (Baumgartner- v. Ettingshausen’s) Zeitschr. f. Phys. u. Math., 1. Band. S. 337 ff. — [69] Besso, Sulla durata dell’ oscillazione del pendolo semplice circolare, Roma 1883. — [70] Günther, Vermischte Unter- suchungen zur Geschichte der mathematischen Wissenschaften, Leipzig 1876. S. 3380. — [71] Richer, Observations astronomiques et physiques, faites en l’isle de Cayenne, Päris 1679. — [72] Newton’s math. Princ. $. 406 ff. — [73] Ibid. S. 408. — [74] R. Wolf, Gesch. d. Astr. 8. 614. — [75] Bouguer, Figure de la terre etc. $. 338 ff. — [76] Delambre, Base du systeme metrique, Vol. III, Paris 1810. S. 337. — [77] Oltmanns, Beobachtungen über die Schwere, welche in den Häfen von Europa, Amerika und Asien, auf dem stillen Meere und in Neuholland wäh- rend Malaspina’s Weltumsegelung mit dem unveränderlichen Pendel angestellt worden sind, Journ. f. d. reine u. angew. Mathem., 4. Band. $. 72 fi. — [78] Huy- gens, Horologium oscillatorium, Parisiis 1673. S. 88. — [79] Bohnenberger, Astro- nomie, Tübingen 1811. $. 448. — [80] Kater, Experiments for determining the length on the pendulum vibrating seconds in latitude of London, Phil. Trans., Vol. CXIL S. 33 ff. — [81] Sabine, An account of experiments to determine the figure of the earth, London 1825. — [82] Bessel, Untersuchungen über die Länge des einfachen Sekundenpendels, Berlin 1828. — [83] Lübeck, Notiz zu den Bessel- schen Pendelversuchen, Ann. d. Phys. u. Chem., 150. Band. $. 476 ff. — [84] Bessel, Untersuch. etc. S. 32 ff. — [85] Ibid. S. 69 ff. — [86] J. Biot, Sur la figure de la terre, M&m. de l’acad. royale des sciences, Annee 1829. S. 1 fi. — [87] Listing, Neue geometrische und dynamische Constanten des Erdkörpers, Nachr. v. d. k. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen, 1877. $. 797 ff. — [88] Bremiker’s loga- rithmisch-trigonometrische Tafeln mit sechs Decimalstellen, neu bearbeitet von Albrecht, Berlin 1883. S. 597. — [89] J. Herschel, Account of the operations of the great trigonometrical survey of India, Vol. V, Calcutta 1879. — [90] Bessels, Die amerikanische Nordpol-Expedition, Leipzig 1879. $. 224 ff. S. 317. — [91] E. Plantamour, Experiences faites & Geneve avec le pendule & reversion, Geneve et Bäle 1866; Nouvelles exp£eriences faites avec le pendule & reversion et determination de la pesanteur & Geneve et au Righi-Kulm, Geneve et Bäle 1872. — [92] C. F. W. Peters, Beobachtungen mit dem Bessel’schen Pendelapparate in Königsberg und Güldenstein, ausgeführt im Auftrage des geodätischen Institutes, Hamburg 1874. — [93] Helmert, Recension hiezu, Vierteljahrsschr. d. astron. Gesellsch., 11. Jahrgang. 8. 33 ff. — [94] Finger, Ueber ein Analogon des Kater- schen Pendels und dessen Anwendung zu Gravitationsmessungen, Wien 1881. — [95] Ibid. S. 4 ff. — [96] Ibid. S. 25. — [97] Fliedner, Auflösungen zu den Auf- gaben aus der Physik, Braunschweig 1880. S. 52. — [98] v. Sterneck, Unter- suchungen über die Schwere im Inneren der Erde, ausgeführt im Jahre 1882, in dem 1000m tiefen Adalbertsschachte des Silberbergwerkes zu Pribram, Mittheil. d. k. k. militärgeogr. Inst. zu Wien, 2. Band, Wien 1882. — [99] Newton’s math. Prine. etc. S. 191. — [100] van Galen, Dissertatio mathematica inauguralis de pendulo ejus- que applicatione ad telluris figuram determinandam, Amstelodami 1830. — [101] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 7. Band, 1. Abtheilung, Leipzig 1832. S. 375 fi. — [102] Clairaut, Theorie de la figure de la terre, Paris 1743. S. 139 ff. — [103] Thomson-Tait, Theor. Phys. $. 351 ff. — [104] v. Lang, Einleitung in die theoretische Physik, 1. Theil, Braunschweig 1867. $. 38. — [105] Stokes, On the variation of gravity, at the surface of the earth, Cam- bridge 1849. — [106] Ph. Fischer, Untersuchungen über die Gestalt der Erde, Darmstadt 1868. S. 16. — [107] Paucker, Die Gestalt der Erde, Bull. de la cl. wär a4 ; ws IIL-$. 1. Unregelmässigkeiten der Erdgestalt. 191 physico-mathem. de l’acad. imp. d. sc. de St.-Petersbourg, N. 303 ff. — [108] Un- ferdinger, Das Pendel als geodätisches Instrument, Archiv d. Math. u. Phys., 49. Theil. S. 309 ff. — [109] Ibid. S.315 ff. — [110] Maskelyne-Hutton, An account of the calculation made from the survey and measure’s taken of Shehallien, in order to ascertain the mean density of the earth, Phil. Trans. Vol. LXVIII. S. 689 ff. — [111] C. A. F. Peters, Von den kleinen Ablenkungen etc. S. 217 ff. — [112] Ibid. S. 222. — [113] Wallentin, Ueber die Methoden zur Bestimmung der mittleren Dichte der Erde und eine neue hierauf bezügliche Anwendung der Wage, Hum- boldt, 1. Jahrgang. S. 214. — [114] Drobisch, Ueber die Pendelbeobachtungen in den Gruben von Dolcoath, Ann. d. Phys. u. Chem., 10. Band. S. 444 fi. — [115] v. Lang, Einleitung etc. S. 104 ff. — [116] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk. S. 179. — [117] Airy, Account of pendulum experiments undertaken in the Harton Colliery, for the purpose of determining the mean density of the earth, Phil. Trans. Vol. CXLVI. S. 297 fi. — [118] E. Schmidt, Lehrbuch der mathematischen und physischen Geographie, 2. Band. Göttingen 1830. $. 481 ff. — [119] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrb., 9. Band, Gotha 1883. S. 4. — [120] Poggendorff, Gesch. d. Phys. S. 890 ff. — [121] Ibid. $. 892. — [122] Cavendish, Experiments to determine the density of the earth, Phil. Trans. Vol. LXXXVIIl. S. 469 ff. — [123] Maxwell, Substanz und Bewegung, deutsch von v. Fleischl, Braunschweig 1879. S. 134 ff. — [124] J. Müller, Lehrbuch der kos- mischen Physik, Braunschweig 1875. S. 273 ff. — [125] Reich, Versuche über die mittlere Dichtigkeit der Erde mittelst der Drehwage, Freiberg 1838; Neue Ver- ‘ suche mit der Drehwage, Abh. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wisschftn., M.-ph. Kl., 1. Band. S. 383 ff. — [126] Baily, Experiments with the torsion rood for deter- mining the mean density of the earth, London 1843. — [127] Cornu-Baille, De- termination nouvelle de la constante de l’attraction et de la densit&€ moyenne de la terre, Compt. rend. de l’acad. franc., tome LXXVI. S. 954 ff. — [128] Wal- lentin, Ueber die Methoden etc. S. 215. — [129] v. Jolly, Anwendung der Wage auf Probleme der Gravitation, Abh. d. k. bayr. Akad. d. Wisschftn., M.-ph. Kl., 14. Band; Ann. d. Phys. u. Chem,, (2) 14. Band. S. 331 fi. — [130] Zöppritz, Die Fortschritte ete. S. 5. — [131] Poynting, On a method of using the balance with great delicacy and on its employment to determine the mean density of the earth, Proceed. of the r. society of London, XXXVIIl. S. 2 fi. Kapitel II. Das Geoid. $. 1. Unregelmässigkeiten der Erdgestal. Wir haben schon im ersten Kapitel dieser Abtheilung gesehen, dass die geodätische Ver- messung der Erde keine Resultate ergab, welche mit irgend einer strenge mathematischen Oberflächenform jener in vollkommenen Ein- klang zu bringen gewesen wären, und so verfielen nach Gerlach’s Angabe bereits im vorigen Jahrhundert einzelne Gelehrte, wie Buffon, De la Condamine und Boscovich auf die Meinung [1], dass die Erde überhaupt keine regelmässige Gestalt besitze, dass vielmehr die Meridiane sämmtlich einander unähnlich gebildet seien. Die müh- samsten Versuche eines Bessel und Walbeck [2], denen aus neuerer Zeit noch diejenigen von Clarke (s. 0.) und ganz besonders von San- tini [3] hinzuzufügen wären, vermochten nicht, sämmtliche verschiedene Längen von Breiten- und Längengraden auf ein und demselben Ellip- soid, mochte dasselbe nun als ein zwei- oder dreiaxiges angenommen werden, gehörig unterzubringen. Jedem einzelnen Landkomplex schien = 192 Zweite Abtheil, Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn, d. Erdkörpers. sozusagen ein besonderer Abplattungswerth zuzukommen. Die Schwierig- keit steigerte sich noch, als man an die Sichtung des reichlich auf- gespeicherten Materiales von Pendelbeobachtungen herantrat; denn während es schon schwer genug war, Beobachtungen dieser Art, die an verschiedenen Stellen der Erde angestellt waren, mit der sphäroidi- schen Hypothese zu vereinigen, so wollte es doch noch viel weniger gelingen, aus den Grad- und aus den Pendelmessungen übereinstim- mende Abplattungswerthe herzuleiten. $S. 2. Die Gestalt der Meeresoberfläche. Dass von dem Festlande völlig abzusehen sei, wenn man eine Konkordanz der vorbezeichneten Art herzustellen beabsichtige, darüber war man sich im Beginne des laufenden Jahrhunderts klar genug, da man die lothablenkende Wir- kung der Gebirgsmassen nur zu deutlich erkannt hatte. Die Meeres- oberfläche dagegen schien Einflüssen stärkeren Betrages durchaus nicht zu unterliegen, und es schien nichts im Wege zu stehen, dieser Fläche, welche man sich in unzähligen Kanälen unter den Kontinenten fort- gesetzt dachte, nunmehr ein mehr Erfolg verheissendes Studium zuzu- _ wenden. Diese Fläche hatte, so nahm man an, eine wirklich geo- metrische Form, wenn auch "nicht gerade diejenige eines Ellipsoides; sie musste sich demzufolge durch eine Gleichung f (x, y, z, a, &...&,) ausdrücken lassen, und Gradmessungen sowohl wie Gravitationsbeob. achtungen hatten nur mehr den Zweck, die konstanten Grössen a,...&, zu liefern. Gradmessungen auf offenem Meere giebt es nun allerdings nicht zu verwerthen. Es ist uns überhaupt nur ein einziger dahin zielender Vorschlag bekannt, derjenige des Sicilianers Philippus Arena, welcher sehr ausführlich die Idee entwickelte [4], an den End- punkten eines astronomisch fixirten Meridionalbogens Schiffe fest zu verankern und die Bestimmung ihres linearen Abstandes durch direkte Kettenmessung zu bewerkstelligen. Aus naheliegenden Gründen hat man dieser an sich ganz sinnreichen Anregung keine Folge gegeben. Da sonach der geodätische Weg nicht betretbar war, so erschien es um so nothwendiger, die physikalische Methode energisch in den Dienst des Problemes zu stellen, welches die Bestimmung der Meeresgestalt anstrebte; Gauss [5] und Bessel |6] erwarben sich das Verdienst, die Lösung so weit zu führen, als sie unter der zu Grunde gelegten ungenauen Annahme überhaupt geführt werden konnte. OXYZ (Fig. 31) sei ein orthogonales Koordinatensystem im Raume, der willkürlich angenommene Punkt P sei durch x,y,z ge- seben und um r von dem der Erde angehörigen Massenelemente dm entfernt, während p dessen Entfernung von der Rotationsaxe RR dar- stellen möge. Das über die Gesammtmasse der Erde erstreckte Integral fie: ist, wie wir uns aus Kapitel II, $. 3 erinnern, das Potential der Erde mit Bezug auf den Punkt (x, y, z). ® sei die Winkelgeschwindiskeit. der rotirenden Erde; alsdann ist wo+ler die sogenannte Kräftefunktion. Versteht man ferner unter D die III, $. 3. Der Meeresspiegel keine Niveaufläche. 193 Dichte im Punkte P, so gilt, wie die Potentialtheorie beweist, die partielle Differentialgleichung nn 0 W 0 W 0° PR: 5 wre — ay? — Es 4Dr + 20. Die Gleichung W = o signalisirt, geometrisch gedeutet, ein Gebilde zweiter Dimension, d. h. eine Fläche, und zwar führt die betreffende Fläche den Fig. 31. Namen einer Niveaufläche. Die Schwere ist für eine solche Niveaufläche kon- stant, ihre Grösse ist durch die Relation g—=— (dW:dn) gegeben, wo dn das nach aussen gerichtete Linienelement der an die Fläche gezogenen Normale bedeutet. Die Funktion W ist sammt ihren ersten Ableitungen stetig, aus welchem Grunde auch die Niveau- flächen stetig sind und keinerlei Dis- kontinuitäten in Form von Ecken oder Kanten aufweisen können. Es ist wohl zu beachten, dass die einzelnen Niveau- flächen nicht etwa dasjenige sind, was die Raumgeometrie Parallelflächen nennt; d.h. der Abstand zweier benach- 7 barter Niveauflächen ist nicht allent- halben gleich gross, sondern, wenn man ihn längs der Normalen misst, umgekehrt proportional der Schwere. Einem schon von Dahlander [7] angedeuteten Satze zufolge ist nämlich (s. o.) ee Gauss und Bessel fehlten nun darin, dass sie den Spiegel des Meeres mit einer Niveaufläche identificirten. Dass das Gleichgewicht kein absolutes, vielmehr ein durch die Gezeiten, durch Winde und eine Fülle anderer Ursachen getrübtes sei, konnten selbstverständlich Männer von dem hohen Range der genannten keinen Augenblick übersehen, doch hielten sie diese Störungen für unwesentlich. Erst die fort- schreitende Wissenschaft hat uns mit dieser Auffassung, wie mit so mancher anderen, allmählig brechen lassen. S. 3. Der Meeresspiegel keine Niveaufläche. Die Ansicht nämlich, dass es ein gewisses mittleres Durchschnittsniveau der Meere geben müsse, auf welches als auf eine stets gleichbleibende Fläche alle Distanzen u. s. w. bezogen werden könnten, hat sich mehr und mehr als eine unhaltbare herausgestellt. Die neueren Nivellements haben *) Zur Seite steht dieser Relation die folgende: h=C.AN, wo h den (endlichen, aber kleinen) Abstand zweier Niveauflächen, A N die Differenz der auf je einen Tag entfallenden Pendelschwingungen in beiden Flächen und C eine Konstante bezeichnet, die etwa 120m beträgt. Hann, der für diesen Satz einen sehr einfachen Beweis mittheilt, erklärt |8] das Pendel für ein wichtiges Höhenmessungsinstrument, und diess ist es zweifelsohne auch, wenn der Begriff „Höhe“ richtig verstanden wird. Günther, Geophysik. I. Band. 13 194 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u.physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. die früher vielfach behauptete und wieder bestrittene Thatsache ausser Zweifel gesetzt, dass auch die Normalpegel verschiedener Meere eine Höhendifferenz ergeben. Zudem kann, selbst wenn Ebbe und Fluth auf irgend eine Weise als ausser Berücksichtigung bleibend erkannt worden sein sollten, die Oberfläche des Meeres noch immer nicht als eine ruhige gelten, denn dasselbe wirkt doch stets als ein Wasser- barometer von gigantischen Dimensionen, und die stetig wechselnde Temperatur bewirkt Luftdruckschwankungen, welche sich wieder in den Oscillationen des Niveau’s abspiegeln. Von den stationären Meeres- strömungen ist dabei noch nicht einmal die Rede gewesen. Einer der rührigsten Vertreter der englischen geodynamischen Schule, G. Darwin, hat jüngst |9] den Effekt zu berechnen versucht, welchen ein Wechsel im Luftdruck auf die Gestalt der Erde auszuüben vermag, und wenn auch dieser Effekt der festen Erde gegenüber kein erheblicher ist, so vermag er sich doch sehr energisch an deren tropfbarflüssiger Um- hüllung zu bethätigen. Alle diese Irregularitäten treten jedoch in den Hintergrund vor einer anderen konstant wirkenden Störung, mit welcher wir uns jetzt eingehender beschäftigen müssen. Eine je grössere Menge von ge- nauen Messungen der Pendelschwere man nämlich unter die Hand be- kam, um so klarer stellte es sich heraus, dass zwischen den am Rande eines Festlandes oder auf einer frei liegenden Insel vorgenommenen Messungen ein tief greifender Unterschied obwalte, welcher sich un- möglich durch Beobachtungsfehler erklären liess, sondern gebieterisch eine mechanische Erklärung herausforderte. Saigey [10] bleibt das Verdienst, zuerst eine solch vergleichende Uebersicht der aus den Pendelversuchen. folgenden Zahlen gegeben und das dieselben be- herrschende Gesetz angedeutet zu haben. Wir glauben mit geringem Wortaufwande den Charakter dieser „Unregelmässigkeit von regel- mässigem Charakter“ nicht besser schildern zu können, als wenn wir im Folgenden Hann’s Darstellung [11] vollinhaltlich wiedergeben: „Wenn man die Stationen mit ihren Fehlern in Reihen anordnet, so dass sie von der See landeinwärts sich folgen, so kann man deutlich die Abnahme der Intensität in dieser Richtung erkennen, z. B.*): Spitzbergen + 4,3; Hammerfest — 0,4; Drontheim 2,7. Dünkirchen — 0,1; Paris — 1,9; Olermont — 3,9; Figeae — 3,8; Toulon — 0,1. Padua — 0,7; Mailand — 2,8. Jamaika — 0,8; Trinidad — 5,2. Aus der Zusammenstellung der Abweichungen zwischen den beob- achteten und berechneten Schwingungszahlen per Tag nach der Be- rechnung von Borenius (Abplattung gleich —_——-) lässt sich folgende 285,3 Uebersicht geben: *) Als Norm für die folgende Tabelle ist die Anzahl der Schwingungen genommen, welche das Sekundenpendel zu London im Verlaufe Eines Tages macht. Wäre diese Zahl a und an einem anderen Orte (a + b), so würde oben jener Ort mit der Zahl + b anzusetzen sein. Die eingeklammerte Ziffer bedeutet die Anzahl der Beobachtungen. Was die benützte Arbeit von Borenius [12] anlangt, so entstammt sie allerdings schon dem Jahre 1843. III, $. 4. Aeltere und neuere Erklärungsversuche dieser Abweichung. 195 Mittlere Fehler in Schwingungen des Londoner Sekundenpendels per Tag. Stations-Gruppen Küstenpunkte | Inseln | A. 23° S. bis 28° N. Breite Ben 050) | + 3,7 (13) Beer Dis 51° N. und S. Breite . . | — 20 M fehlen enseiis SION. und... ... 7 e06 (MM) | +16@) | | Die durchschnittliche Differenz der Intensität der Schwere auf Inseln und Küstenpunkten beträgt in der Gruppe A, welche die einzige ist, die Inseln fern von Kontinenten enthält, 8 Schwingungen des Londoner Sekundenpendels per Tag, es erhöht sich diese Zahl auf 9, wenn man die oceanischen Inseln allein den Küstenpunkten gegenüberstellt.* $. 4. Aeltere und neuere Erklärungsversuche dieser Abweichung. Den allein richtigen Weg, zu einem richtigen Verständnisse dieser an- scheinend so seltsamen Unregelmässigkeiten in der Vertheilung der Schwerkraft zu gelangen, hatte bereits A. v. Humboldt mit dem ihn stets auszeichnenden Takte erkannt. Anknüpfend an den von Bessel[13] ausgesprochenen Satz, dass die Voraussetzung einer absolut gleich- bleibenden Schwere selbst für ein und denselben Ort der Erde keine zutreffende sei, sagt er im Kosmos [14], „örtliche Modifikationen der Anziehungskraft und durch dieselbe hervorgebrachte veränderte Krüm- mung einer Portion des flüssigen Elementes“ vermöchten recht wohl eine Aenderung in den Höhenverhältnissen der irdischen Gebirge her- beizuführen.. Humboldt war also mit sich darüber im Reinen, dass es einen fixen Nullpunkt nicht gäbe. In bestimmteren Sätzen formulirte Rozet [15], was sein Vorgänger nur obenhin ausgesprochen hatte: das Meer werde an einzelnen Stellen durch die Anziehung der dem Gestade benachbarten Massen in die Höhe gezogen, an anderen wieder trete es zurück, und es würden so Oertlichkeiten blossgelegt, die sich eigentlich unter dem Meeresspiegel befinden müssten. Gleicher Meinung huldigte Bruchhausen in einem Schriftchen, welches er 1846 im Manuskripte an Humboldt sandte, und von welchem Penck [16] einige Auszüge mittheilt. Saigey (a. a. OÖ.) und Stokes [17] traten der Frage auch rechnerisch näher, und der Erstere zumal wollte gefunden haben, dass an den Küsten von Europa, Asien, Afrika, Nord- und Süd- amerika das Meer in Folge der kontinentalen Attraktion resp. um 36, 144, 172, 54 und 76 Meter gehoben werden müsse. Mag auch diese Schätzung — denn von einer eigentlichen Be- rechnung kann man nicht sprechen — auf Genauigkeit wenig Anspruch machen können, so war doch gewiss der ihr zu Grunde liegende Ge- danke ein fortbildungsfähiger. Gleichwohl konnten Männer von Ge- wicht dieser Meinung nicht beitreten, verfielen vielmehr auf Hypothesen, die uns zum Theile recht sonderbar anmuthen. Dem trefflichen Airy wollte insbesondere die Richtigkeit der 'T'hatsache nicht einleuchten, dass die Lokalattraktion der gigantischen Gebirgsmassen, von welchen die vorderindische Halbinsel im Norden umsäumt wird, sich so gar nicht fühlbar machen sollte, dass sogar an vielen Orten diese Anziehung eher einen negativen Werth anzunehmen schien, und da das Faktum selbst “ 196 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. nicht in Abrede zu stellen war, so verfiel er auf eine Erklärung [18], welche er selbst nicht umhin konnte als eine „sonderbare“* zu bezeichnen. Die Berge und Tafelländer sollen nach ihm in die feurigflüssige Masse hinabtauchen und von dieser theilweise getragen werden, so dass dem archimedischen Gesetze entsprechend ein erheblicher Gewichtverlust ein- treten muss. Die Flüssigkeit wird dadurch verdichtet, die Niveauflächen sind unter sonst gleichen Umständen unterhalb einer Bergkette weiter von einander entfernt, als unterhalb des Meeresbodens. Ja man könnte hienach sogar sagen: die Erde ist ungleich dick, dünner unter den Meeren, als unter den Kontinenten. Eine sehr eingehende Darstellung und Prüfung der Airy’schen Hypothese gab Zanotti-Bianco IRal: Gerade die umgekehrte Ansicht, wie Airy, hat sich Faye [20] gebildet, er nimmt an, dass in Folge ungleicher Abkühlung die Erd- Kruste unter den Oceanen dicker sei, als unter den Festländern. Im Uebrigen erachtet der Pariser Astronom, gewiss mit Unrecht, den durch Schwerebeobachtungen festgestellten Gravitationsunterschied an verschiedenen Orten für zu gering, um bei Bestimmung der Erdgestalt überhaupt in Frage zu kommen. $S. 5. Ph. Fischer's Untersuchungen. Gegen das Ende der sech- ziger Jahre war trotz der Rührigkeit der Geodäten und des Eifers der Physiker das Studium der Frage nach der wahren Gestalt der Erde in eine gewisse Stagnation gerathen; es hatten sich Schwierigkeiten erhoben, die mit den gewöhnlichen Hülfsmitteln nicht besiegt werden zu können schienen. „Es erschien mir die Zeit gekommen,* schrieb damals Philipp Fischer [21], „wo die Sache ernstlich in die Hand genommen werden musste; ich fühlte eine Aufforderung hiezu und unterzog mich gerne der sehr weit ausschauenden Arbeit.* In der That darf diese Arbeit als eine äusserst dankenswerthe bezeichnet werden, denn mit dem die Früchte derselben sammelnden Buche Fischer’s war das Eis gebrochen, und es konnte wieder rüstig weiter gearbeitet werden. Angesichts der zeitgeschichtlichen Bedeutung dieses Werkes dürfte es sich daher wohl empfehlen, einen kurzen Ueberblick über dessen Inhalt hier einzuschalten. Nachdem Fischer das Wesen der beiden Methoden, welche durch direkte Gradmessung und durch vergleichende Zusammenstellung von Pendelbeobachtungen die Oberflächenform des Erdkörpers bestimmen wollen, ohne Rücksicht auf störende Einflüsse gekennzeichnet hat, analysirt er [22] mit einer Sorgfalt, wie sie bis dahin noch nicht auf- sewendet worden war, die Störungen der normalen Schwerkraft. Die Integralausdrücke für die Ablenkung, welche das Bleiloth in der Nähe von Gebirgsmassen erkennen lässt (Kap. II, $S. 4) werden aufgestellt und diskutirt; nicht minder wird direkt und numerisch erörtert [23], um wie viel ein Pendel in der Nähe solcher ablenkender Körper rascher oder langsamer schwinge, als unter gewöhnlichen Umständen. Die aus dem Gegensatze zwischen Land und Meer entspringenden Lothablenkungen wagt der Autor bei der Unsicherheit der empirischen Daten vorsichtigerweise nicht eigentlich zu berechnen, doch taxirt er sie wenigstens obenhin und überzeugt sich |24] von der „enormen Grösse des Betrages der betreffenden Lothablenkungen“. Hieran schliesst sich eine scharfe Kritik des Grundprincipes der Pendelmes- P A h y : ee ee a a a ie el 7 m nn Dr III. S. 5. Ph. Fischer’s Untersuchungen. 197 sungen, basirend auf dem Satze, dass man Messungen auf dem Fest- lande als das Normale zu betrachten habe [25]. Wohl den wichtigsten Theil des Ganzen aber repräsentiren in ihrer Gesammtheit das vierte und fünfte Kapitel [26], in welchen untersucht wird, welcherlei kon- stante und zufällige Fehler jedes geodätische oder geophysikalische Resultat entstellen, und wie sich bisher die Ausgleichungsrechnung, die Methode der kleinsten Quadrate, mit diesen Fehlern abgefunden hat. Wir verweisen auf unsere Einleitung in die Meteorologie (5. Haupt- abtheilung, Kap. Il), wo wir das Wesen dieser fruchtbaren Methode mit wenigen Strichen zu zeichnen versuchen, und bemerken hier nur so viel: Dieses Verfahren kann nur dann mit Sicherheit angewendet werden, wenn die unschädlich zu machenden Irrthümer in die Klasse der so- genannten zufälligen, d. h. unvermeidlichen Fehler gehören; konstante Fehler müssen dagegen unabhängig von jener Rechnung ermittelt und beseitigt werden, ehe man den schematischen Kalkul beginnt. Ph. Fischer sieng, das lässt sich nicht leugnen, in seiner Abneigung gegen die höhere Wahrscheinlichkeitsrechnung viel zu weit, allein darin hatte er zweifellos Recht, dass er den bisher von der Geodäsie begangenen Fehlschluss aufdeckte, der darin bestand, dass man die aus der Lokal- attraktion resultirenden Unrichtigkeiten mit den übrigen Fehlern der Beobachtung, des Instrumentes u. s. w. ganz unter den gleichen Ge- sichtspunkten betrachtet und behandelt hatte. Namentlich war damit auch die Genesis jener „negativen Anziehung“ oder Lothabstossung aufgedeckt, welche man irrigerweise dem Himalaya zugeschrieben und mit Hülfe geschraubter Hypothesen ($. 4) zu begreifen versucht hatte. Eine Ahnung des Richtigen hatte der von Fischer [27] eitirte Döllen, der sich bei einer Kritik des Schubert’schen Versuches (Kap. I, 8. 11), dem zweiaxigen Erdellipsoid ein solches mit drei Axen zu substituiren, folgendermassen aussprach: „Die ganze Schrift scheint uns ein recht dringliches Beispiel, wohin man gelangt, wenn man meint, auf Zahlen, die der Beobachtung entnommen sind, weiter bauen zu dürfen, ohne zuvor eine ganz präcise Vorstellung von der denselben, ihrer Natur und der Art ihrer Herleitung nach, anhaftenden Unsicherheit gewonnen zu haben.“ Besonders gründlich beschäftigt sich Fischer [28] mit den Ansichten, die Airy (s. o.) der ostindischen Gradmessung abge- wonnen hatte, sowie mit den Arbeiten Pratt’s, der schon 1855 gegen die hydrostatische Senkungstheorie seines Landsmannes aufgetreten war [29]. Pratt ist es [30] auch gewesen, der die Grundlage der Lehre Airy’s durch den Hinweis auf die Wirkung des Meeres ver- nichtete, doch scheint ihm die Tragweite dieser Wahrnehmung nicht zum vollen Bewusstsein gekommen zu sein [3ll. Um so energischer ward dieselbe von Fischer ausgebeutet, der die Ergebnisse seines mühsamen Untersuchungswerkes in neun Thesen zusammenfasste. Die- selben werden ihrer fundamentalen Bedeutung halber nachstehend wörtlich reproducirt [32]: „I. Dem zwischen den Grundformeln zur Be- stimmung der Gestalt und Grösse der Erde einerseits und den durch die Praxis der Messungen andererseits herrschenden Zwiespalt muss ein grösseres Gewicht beigelegt werden, als bisher geschah, und ihm muss bei Benützung der vorhandenen Messungen zur Ermittelung jener Resultate besonders Rechnung getragen werden. II. Der Gegensatz der Dichtigkeit der kontinentalen und oceanischen Massen verursacht 198 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. allgemeine Lothablenkungen, welche in einerlei Art über ausgedehnte Erdstriche herrschen. Aehnliches wird durch die Wirkung massenhafter Gebirge und Hochländer verursacht. III. Auf der Halbinsel von Vorderindien finden sich alle die Umstände vereinigt, welche grössere allgemeine Lothablenkungen verursachen; es ist deshalb diese Halbinsel ein zu Breitengradmessungen durchaus nicht geeignetes Land, und die dort vollendete Messung steht in den ihren Resultaten hiedurch an- hängenden Mängeln mit den Forderungen der Theorie so entschieden im Widerspruch, dass sie nicht zur Berechnung der Gestalt und Grösse der Erde mit benützt werden darf. IV. Die grossen Fehler der Am- plituden der ostindischen Messung verbergen sich bei den mit Hülfe der Methode der kleinsten Quadrate geführten Rechnungen durch Mit- wirkung der grossen Koefficienten. V. Schliesst man die Resultate der ostindischen Messung bei der Berechnung der Erdgestalt vollständig aus, so liefern diejenigen der übrigen Gradmessungen einen wesentlich anderen Werth der Abplattung, als unter der Mitwirkung jener Mes- sung. Der erstere Werth stimmt sehr nahe mit dem aus den Pendel- messungen erhaltenen überein. VI. Das von E. Schmidt in die Rechnungsmethode eingeführte Verfahren zur Berechnung der Polhöhe- fehler leistet im Allgemeinen nicht, was es verspricht, bei allgemeinen Lothablenkungen führt es aber nur zu Täuschungen der übelsten Art. VII. Das Airy’sche Theorem, wonach Hochlandmassen keine beträcht- lich ablenkende Wirkung auf das Loth ausüben sollen, ist im Allge- meinen völlig unrichtig, und die Punkte der ostindischen Messung haben grosse Lothablenkungen. VIII. Die Gegensätze der Dichtigkeit der kontinentalen und oceanischen Massen, ebenso wie die hohen Tafel- länder, erzeugen sehr grosse Unregelmässigkeiten in der sogenannten mathematischen Gestalt der Erde, welche als mehrere hundert Toisen hohe wellenförmige Erhebungen, deren breiter Saum auf der Meeres- oberfläche wirklich vorhanden ist, und deren höchste Punkte auf der eingebildeten mathematischen Erdoberfläche über den Kontinenten liegen, auftreten. IX. Diese in der wirklichen Meeresoberfläche sich findenden Abweichungen von der Fläche des Rotationsellipsoides sind die Ursachen, weshalb die unter gleicher Breite liegenden Punkte nicht gleiche Grösse der Schwerkraft zeigen; sie erklären die bis jetzt nicht genügend aufgeklärten Abnormitäten in der Grösse der Schwerkraft, welche durch die Pendelmessungen zu Tage gefördert worden sind.“ S.6. Das Geoid. Fischer’s Kritik der früheren Leistungen, sein Nachweis der Fehler, an welchen jede — geodätische oder geo- physikalische — Lösung des Problemes der Erdgestalt bisher gekrankt hatte, seine Vernichtung der Ansicht, dass man mit einem wie immer beschaffenen Ellipsoide zur Darstellung aller vorhandenen Messungen ausreichen könne — das Alles hat seinen bleibenden Werth. Doch war sein Verdienst immerhin mehr ein negatives, und wenn auch Nie- mand darüber im Zweifel sein kann, dass ein fehlerhaft angelegter Bau selbst dann niedergerissen werden muss, wenn es nicht möglich ist, unverzüglich einen besseren an dessen Stelle aufzurichten, so mochte doch freilich der Stand des Problemes, nachdem Fischer sein Werk geschrieben hatte, als ein ziemlich trostloser erscheinen. Denn offenbar ee | hatte sich jetzt die völlig neue Fragestellung ergeben: Was hat man unter den Worten Gestalt der Erde eigentlich zu verstehen? Eine anscheinend recht befriedigende Antwort auf diese sich aufdrängende Frage glaubte Listing gegeben zu haben, indem er vorschlug, die Meeresoberfläche, wie sie sich unter dem attraktiven Einflusse der Landmassen gestaltet, als das Geoid zu bezeichnen [33]. Er entwarf auch ein skizzenhaftes Bild von dem Verlaufe dieser Fläche, erklärte es aber für hoffnungslos, jetzt schon ein dem Geoid sich möglichst nahe anschmiegendes Sphäroid ausfindig machen zu wollen; „zur Er- füllung der idealen Forderung, ein Rotationsellipsoid zu finden der Art, dass erstens die geoidischen Erhöhungen über und die Vertiefungen unter der Ellipsoidfläche gleiche Beträge, oder dass Geoid und Sphäroid gleiches Volumen erhalten, und dass zweitens die Summe der Beträge von Erhöhungen und Vertiefungen ein Minimum sei, werden unsere Messungen, wie bisher, so auch noch in sehr fernen Zeiten unzureichend sein“ [34]. Die Terminologie Listing’s wurde als eine sehr praktische von den Fachmännern angenommen, über seine Annahme dagegen, dass der Spiegel der See ein wirkliches Geoid repräsentire, musste weg- gegangen werden. Wusste man doch (s. 0. $. 3), dass die Meeresfläche unmöglich eine Niveaufläche sein könne, und nur Hand in Hand mit dem Studium dieser letzteren durfte, davon überzeugte man sich täg- lich mehr, die Forschung nach der wahren Gestalt der Erde ihre Auf- gabe zu lösen hoffen. Thomson-Tait stellen [35] einige Betrach- tungen zu dem Zwecke an, den Einfluss der Oberflächenbeschaffenheit auf den Verlauf der Niveauflächen zu ermitteln. Allerdings ist dabei die nicht ganz mit der Wirklichkeit stimmende Voraussetzung gemacht, dass die Erde ein homogenes harmonisches Sphäroid sei; sämmtliche Niveauflächen würden dann harmonische Sphäroidalflächen von der nämlichen Ordnung sein. Jene Niveaufläche, die einen der Erde inhalts- gleichen Körper umschliesst, schneidet die Erdoberfläche in einer Linie oder in einer Gruppe von Linien, welche die mittlere Niveaulinie darstellt. Wäre k die Ordnung der bezüglichen harmonischen Funktion, III, $. 6. Das Geoid. | 199 so betrüge die Abweichung der Niveaufläche — von der Ab- weichung der sphäroidalen Oberfläche, jede dieser Abweichungen von einer gewissen mittleren Kugelfläche aus gerechnet. „Wenn die Sub- stanz der Erde homogen wäre, so würde eine Reihe paralleler Berg- ketten und Thäler eine entsprechende, näherungsweise wellenförmige Gestalt der Niveaufläche in dem mittleren Distrikt erzeugen; die Höhe, zu welcher sich dieselbe unter jedem Bergkamme erhebt, oder sich unter die Höhe der ungestörten Niveaufläche über der Mitte eines Thales herabsenkt, ist das Dreifache desselben Bruchtheiles der Höhe des Berges über dem mittleren Niveau oder der Tiefe des Thales unter demselben, welches die Breite des Berges oder Thales von dem Um- fange der Erde ist“ [36]. Ueberlegungen dieser Art mussten endlich dahin führen, den Begriff des Geoides in einem erweiterten Sinne zu fassen. Eine kleine, aber inhaltsreiche Schrift eines deutschen Mathematikers [37] hat diese Erweiterung angebahnt und zugleich allen auf schärfere Bestimmung der Erdgestalt gerichteten Versuchen Wege vorgezeichnet, deren Ver- 200 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. folgung zur Erreichung des wenn auch noch weit entfernten, aber doch schon deutlich erkennbaren Zieles hinleiten wird *). $S. 7. Definition und Bestimmung des Geoides nach Bruns. Das charakteristische Moment dieser wichtigen Neuerung ist folgendes: Keine der unendlich vielen Niveauflächen der Erdrinde hat das ge- ringste Recht, vor den übrigen irgend ausgezeichnet zu werden. Hätte der Seespiegel die ihm früher zugeschriebenen Eigenschaften, so wäre es selbstverständlich das Nächstliegende, sich an ihn zu halten, allein da eben jene Annahme eine unrichtige war, so bleibt die Meeresober- fläche zunächst ganz ausser Betracht und muss auf die Bezeichnung „Geoid* verzichten. Kein besonderes Individuum aus der Schaar von Niveauflächen, welche als „Erdrinde“® bezeichnet werden mag, darf den anderen gegenüber das Geoid heissen; wohl aber ist es gestattet, irgend ein solches Individuum aus der Menge willkürlich herauszugreifen, und diejenigen Eigenschaften desselben, welche es mit den übrigen gemein hat, sind wirklich geoidische. Halb unbewusst haben diesem Grundsatze bis jetzt schon alle Gradmessungen gehuldigt, indem jede einzelne diejenige Niveaufläche besonders auszeichnete, in welche sie den Nullpunkt ihrer Nivellements verlegte. Die Geoide sind also unter sich keineswegs identisch; kennt man aber eines unter ihnen, so führt dessen Kenntniss vermittelst der uns bereits bekannten Gleichung &—= — (dW : dn) zur Kenntniss aller benachbarten Geoide. Was nun die allgemeinen Eigenschaften der Geoide betrifft, so steht zunächst Folgendes fest: Das Bildungsgesetz einer solchen Fläche lässt sich nicht durch einen wie immer gearteien Ausdruck darstellen, die Fläche ist mithin geometrisch irregulär, doch setzt sie sich zusammen aus einzelnen Stücken regulärer Oberflächen. Durch Kanten u. dgl. können diese Einzelbestandtheile nach dem, was uns über die analy- tischen Merkmale einer Niveaufläche bekannt ist, nicht mit einander in Verbindung stehen, vielmehr ist der Uebergang ein unmerklicher und kontinuirlicher. Es würde natürlich nichts im Wege stehen, den irregulären Charakter der Geoidfläche durch Entwickelung in trigono- metrische Reihen zu verwischen, doch wäre angesichts der zu erwarten- den langsamen Konvergenz dieser Reihen keinerlei praktischer Nutzen von solch’ mühsamer Arbeit abzusehen. Nachdem schon Bessel in seiner ostpreussischen Gradmessung den fruchtlosen ‚Versuch gemacht hatte, einen geschlossenen analytischen Ausdruck für das Geoid zu eruiren, kam Yvon Villarceau, als die permanente Gradmessungs- kommission vor neun Jahren in Paris zusammentrat, wieder auf diesen Gedanken zurück, doch dürfte wohl Bruns Recht behalten, wenn er das Vergebliche all’ dieser Bemühungen mit den treffenden Worten kennzeichnet [40]: „Ebensowenig, wie man versuchen wird, das Bild, welches eine geognostische Karte gewährt, mit einigem Anspruch auf Treue in eine Formel zu zwängen, wird man auf ein brauchbares Resultat rechnen dürfen, wenn man es unternimmt, für die Gestalt der *) Eine sehr verdienstliche Popularisirung der theilweise nicht ganz leicht verständlichen Ideen, von welchen die Bruns’sche Abhandlung getragen wird, verdankt man Zech [38]. Auch der Verf. dieses ist bestrebt gewesen [39], diese neuen Anschauungsweisen zugleich mit einer Reihe anderer für das Problem der Erdgestalt belangreicher Fragen einem grösseren Publikum mundgerecht zu machen. III, $. 7. Definition und Bestimmung des Geoides nach Bruns. 201 Geoide einen Ausdruck zu suchen, der die wahre Form derselben bis auf Quantitäten von der Ordnung der Beobachtungsfehler angiebt.“ Bruns spricht hier fast mit denselben Wendungen einen Gedanken ‚aus, dem schon ein Geometer des XVII. Jahrhunderts Ausdruck ver- lieh, als er sich gegen die Sucht seiner Zeitgenossen wandte, durch Entwickelung in Potenzreihen für jede Aufgabe der mathematischen Physik eine stereotype Lösung erzwingen zu wollen [41]. Den Namen des klugen Mannes hat man uns leider nicht überliefert. Wenn nun auch, wie erwähnt, die Krümmung der Geoidfläche, als lediglich von den ersten Ableitungen beeinflusst, durchweg eine stetige sein muss, so verhält es sich doch ganz anders mit dem sogenannten Maasse der Krümmung, in dessen analytischen Ausdruck bekanntlich auch zweite Differentialquotienten eingehen. Dieses Krümmungsmaass erleidet sprungweise Aenderungen. Im Allgemeinen sind die Geoide durchaus nach aussen konvex, doch ist an sich eine gegentheilige Krümmung keineswegs ausgeschlossen. Dass die Niveauflächen der Erdkruste keine konkaven Stellen besitzen, lässt sich mit grosser Wahr- scheinlichkeit aus dem Umstande erschliessen, dass Lothstörungen von besonders grossem Betrage zur Zeit nicht bekannt sind. Die tiefer in der Erde gelegenen Niveauflächen besitzen dagegen zweifellos jenen wellenförmigen Durchschnitt, welchen wir auch auf unserer Fig. 33 zum Ausdruck zu bringen versucht haben. Erwähnt sei noch, dass man für das Wesen der bisher rein ana- lytisch aufgefassten Niveauflächen auch eine noch weit übersichtlichere Anschauung gewinnen kann, sobald man mit Zech [42] den Begriff der mathematischen Arbeit zu Hülfe nimmt. Jeder von einem Geoid umschlossene Körper darf als ein centrobarischer gelten, und es ist somit auch erlaubt, nach wie vor von einem Erdmittelpunkte zu reden. Denkt man sich nun von diesem Punkt aus einen materiellen Punkt nach verschiedenen Richtungen fortgeschoben, so erfüllen alle Punkte, bis zu welchen der fragliche Massenpunkt in der nämlichen Zeit mittelst Aufwendung des nämlichen Arbeitsguantums emporgehoben werden konnte, eine Niveaufläche, welche demgemäss natürlich auch eine ge- schlossene sein muss. Dass diese Flächen in einer homogenen oder doch wenigstens in koncentrischen Ringen eine gleiche Massenverthei- lung aufweisenden Kugel selbst sphärisch sein müssen, leuchtet ein, und nicht minder wird klar, dass, wenn die Vertheilung der Masse keine reguläre ist, auch die mit dieser Anordnung im allerengsten Zusammen- hange stehenden Niveauflächen keinen geometrisch-regulären Charakter besitzen können. Konstruirt man die orthogonalen Trajektorien der Geoide, Kurven, welche die Flächen sämmtlich unter rechten Winkeln durchschneiden, so erhält man die sogenanten Kraftlinien, deren Berührende im Durchschnittspunkt die Gravitationsrichtung anzeigen. Diese Kurven sind stetig gekrümmt, ohne Spitzen oder Rückkehrpunkte, wohl aber ist ihr Krümmungsmaass ebenso wie das Azimut ihrer Schmiegungs- ebenen den von der Massenvertheilung abhängigen Unstetigkeiten unterworfen. Treten wir jetzt der mathematischen Betrachtung der Geoide näher. Wie oben (in Fig. 31) seien x, y, z die Koordinaten eines beliebigen Punktes P; x’, y’, z’ diejenigen eines Massenelementes dm 202 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn.d. Erdkörpers. des a das Potential von dm ist dann =, dm Wegen ee | Wenn, wie in unserem Falle, r=V® ty’ 2’ °—+-z’ einen hinreichend srossen Werth hat, so kann Q in eine Reihe nach fallenden Potenzen von r entwickelt werden, und zwar wird, Vx’? + y’?-1 z’?—r' gesetzt, 1 1 d d d — — /am+ , fan (X + yy tz) + Ir BR Wen Ip5 Jan. > a Da über die Wahl des Koordinatensystems nichts vorausgesetzt war, so können wir dessen Axen mit den im Schwer- oder Mittelpunkt der Erde zusammentreffenden Hauptträgheitsaxen des Erdkörpers identificiren; ist dann M die Erdmasse, MA, MB, MO je eines der Trägheitsmomente*) für diese Axen, so gelten nach bekannten Sätzen der Dynamik nachstehende Relationen: Jam = 9, x’dm =; dm —/” im /x dm =/y'z dm = frz dm — 0, [Am (y’+2)—MA, /dm @” + x)—=MB, fan @®+y9=M6; das zweite Glied der obigen Reihe kommt in Wegfall, und man hat M M = +, | B+0— 2A) +y?(C+A—2B) +22(A+B—-20|+... Lassen wir alle Glieder dieser Reihe, mit Ausnahme der wirklich hin- geschriebenen, bei Seite, so ist Q annähernd gleich diesem Ausdruck U, und wird hiezu noch das Schwungkraftspotential > o°(x?--y?) addirt, so hat man die Kräftefunktion W, resp. man hat empirisch die Ueber- zeugung gewonnen, dass die Differenz W— Aus 506479) für alle Punkte der Erdrinde klein genug ist, um in erster Annäherung vernachlässigt werden zu können, und lediglich diesem Faktum hat man es zu danken, dass der an sich ungerechtfertigte Versuch, ein Erdellipsoid geodätisch und zugleich durch Pendelbeobachtungen dessen Abplattung ermitteln zu wollen, noch so leidlich gelungen ist. Die Flächen U = Konst. wären die geeigneten geometrischen Vertreter der nun einmal nicht geometrisch, sondern allein mechanisch definirbaren Geoide; freilich sind auch erstere keine eigentlichen Sphäroide, aber doch harmonische Sphäroidalflächen im Sinne der Thomson-Tait- schen Terminologie. *) Wir erinnern daran, dass für ein Massenelement dm, welches mit BE Schwungradius r rotirt, das Trägheitsmoment für jene Rotationsaxe durch r? dm auszudrücken ist. Hat man es nicht mit einem Elemente, sondern mit einem ganzen Körper zu thun, so ist durch einen Summations-, resp. Integrationsprocess der Ausdruck über alle dem Körper angehörende Elemente zu erstrecken. ä I ha . II, $. 8. Schematische Berechnung extremer Werthe von h. 203 Versteht man unter h den Abstand eines Geoidpunktes vom zu- geordneten Sphäroid, unter y die Komponente der Schwere für den nämlichen Punkt, unter g die wirklich zu ermittelnde Schwere und unter e den Winkel, welchen die Richtungen von y und g mit einander einschliessen, so ist .U—W h= ———. Y cos e Die Differenz (U — W) liefert also, wenn man von einem konstanten Faktor absieht, das Maass für die Hebungen und Senkungen des Geoids gegenüber jener Sphäroidalfläche, welcher der gleiche Potentialwerth zukommt. „Die grössten Beträge von h werden von denjenigen Un- regelmässigkeiten der Massenvertheilung herrühren, welche durch den Gegensatz von Kontinent und Ocean repräsentirt werden; den Oceanen werden Einsenkungen, den Kontinenten Erhebungen des Geoids ent- sprechen“ [43]. S. 8. Schematische Berechnung extremer Werthe von h. Um feste Anhaltspunkte zu gewinnen, denkt sich Bruns den Erdkern als eine homogene Kugel vom Radius a und vom spezifischen Gewichte d = 5,55 und ersetzt Oceane wie Festländer durch unendlich dünne Massenbelegungen von denselben Umrissen; deren Belegungen haben bezüglich die Eigengewichte d,H, (d, = — 1,5), d, H, (d, = 2,5), wo H, und H, die mittlere Tiefe der Weltmeere und die mittlere Höhe des Blender vorstellen. Auf der östlichen Halbkugel gleichen sich die Wirkungen beider Arten von Belegungen fast gänzlich aus, und so mag erstere bei der jetzt anzustellenden Schätzung ausser Betracht bleiben. Fig. 32 stellt die westliche Halbkugel dar; N ist der Nord-, S der Südpol, M das Erdcentrum, A, und A, sind die beiden Aequator- punkte, denen die Längen 0° und 180° entsprechen. Es genügt dann, _ als mit Festlandmasse bedeckt einen (in der Figur gestrichelten) Kugel- streifen anzusehen, dessen Grenz- meridiane 30° und 75° geographische Länge haben. Es gilt nun, das Potential eines homogenen Kugel- zweieckes N S auf den Punkt A aus- zumitteln, in welchem einer seiner Grenzmeridiane den Aequator A, A; trifft. P sei ein Punkt im Inneren jenes Streifens, und es sei ferner Bee, w = PAß,-—=% DH die Masse. Erkennt man dem Punkt A die Länge | zu, so ist für ihn das gesuchte Potential een wobei sich das Integral über das er Zweieck auszudehnen hat. Nach w ist eine geschlossene Integration möglich; führt man diese 204 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. aus und setzt sodann mit Bruns [44] tang w, — tang | sec d, so wird schliesslich | Br Qu, = 2a DH sin — wıd db. 7 2 2 Hier liegt nun ein verwickeltes elliptisches Integral vor, dessen Werth- bestimmung unser Autor mittelst mechanischer Quadratur ermöglicht. Für 1 = 125° fand sich h = 1384 m, für 1= 10° fand sich h= 17m; es kommen somit beim wirklichen Erdkörper Ausbiegungen des Geoides gegen das zugeordnete Sphäroid vor, welche 1000 m erreichen, wo nicht übersteigen. Diese Quantität ist aber um ein Namhaftes grösser, als die aus den Polhöhenfehlern abgeleiteten Fehler der Halbaxen des „wahrscheinlichsten“ Erdellipsoides. Man kann jetzt auch zahlenmässig den Nachweis für die uns aus $. 3 und 4 bekannte Thatsache er- bringen, dass der Gegensatz zwischen Land und Wasser beträchtliche Lothablenkungen hervorruft, welche bei den Gradmessungen, wenn diese sich über sehr grosse Bögen erstreckten, gerade nicht mit Noth- wendigkeit hervorzutreten brauchten. Entsprechen doch beispielsweise den Werthen | = 60° und 1 = 280° die fast ganz gleichen Werthe h=531m und h= 511 m, während andere Punkte derselben Strecke nennenswerthe Abweichungen darbieten. Oben sahen wir schon, dass der Unterschied zwischen Geoid und Sphäroid den Gang einer Pendeluhr zu beeinflussen vermag. Be- deutet im Gegensatze zum obigen y die Grösse ’y’ die nach der Formel (p + q sin? lat.) berechnete Schwere, so gilt näherungsweise die Pro- portion 3h:2a=(g— y):y. Es ist aber der Ausdruck Mr a a: A a für h — 1000 m in den Werth 10,2” übergegangen, und eine solche Zeitdifferenz ist wahrlich schon fühlbar genug. S. 9. Festlegung des Geoides gegenüber dem Sphäroid. $. 7 lehrte uns bereits, dass der Versuch, analytische Formeln für die Geoidfläche erhalten zu wollen, ein ganz aussichtsloser ist. Was man wirklich anzustreben hat, das ist nach Bruns erstens ein Koordinatenverzeich- niss für möglichst viele Punkte eines und desselben, wenn auch sonst willkürlichen Geoides sammt den zugehörigen Werthen von W und g und sodann zweitens eine graphische Darstellung, die so wenig, wie irgend eine der bei topographischen Aufnahmen sich ergebenden Linien einer Uebersetzung in die Sprache der Koordinatengeometrie fähig zu sein braucht. Die Frage ist nur: Lässt sich die hiemit umschriebene Aufgabe ohne Beiziehung von Hypothesen mit einem relativen Maximum von Exaktheit lösen? Wäre dem nicht so, dann müsste man freilich trotz all’ ihrer Unvollkommenheit zur analytischen Darstellung seine Zuflucht nehmen. Zum wenigsten möglich ist aber eine solche Lösung und zwar dann, wenn drei unter sich völlig verschiedene Opera- tionen ineinandergreifen, von denen bislang jeder einzelnen die Kraft irrig zugeschrieben wurde, welche sie nur im engsten Vereine zu ent- falten im Stande sind. Es ist diese Entdeckung, welche wir eben III, $. 9. Festlegung des Geoides gegenüber dem Sphäroid. 205 Bruns verdanken, eine um so wichtigere, als unsere Vorstellungen von dem, was wir bisher unter Gradmessungsarbeit verstanden, man- cherlei Abänderungen erfahren. Die drei Methoden, welche in ihrer Kombination zum Ziele führen, sind folgende: Die astronomisch-trigono- metrische Messung, das geodätische Nivellement, und die Bestimmung der Pendelschwere; jedes Verfahren muss für sich besprochen werden, I. Die astronomisch-trigonometrische Messung. P und P, (Fig. 33) seien zwei beliebige Punkte der Geoidfläche F, KK und K;,K, die Fig. 33. R diesen Punkten entsprechenden Kraftlinien, deren Tangenten verlängert durch die Zenitalpunkte Z und Z, von P und P, hindurchgehen wür- den. Zieht man PN und P,N, parallel der Rotationsaxe RR, so zeigen beide Gerade nach dem (unendlich entfernten) Nordpol des Himmels hin; die X NPZ und N, P,Z, ergänzen die astronomischen Polhöhen der beiden Orte zu neunzig Grad. Will man die scheinbaren „Horizonte haben, so lege man in P und P, je eine Berührungsebene TT und T,T, an F. Als astronomische Meridiane haben die Ebenen NPZ und N,P,Z, zu gelten. Lay N nn Ze EA Er: IV, $. 3. Konsequenzen aus der Axendrehung der Erde. 219 Planeten durch die Sonnenscheibe verschaffen uns vielleicht einige Ein- sicht in dieses merkwürdige Wechselspiel. Auf eine autonome Bewegung der Erdkruste, die aber eben ver- muthlich auch in den soeben geschilderten Verhältnissen begründet wäre, deuten gewisse Bewegungsphänomene, deren Kenntniss wir Bertelli [50] verdanken. Einige Beobachtungen von Mersenne*) [51], von Lecat [52], von Toaldo [53] über unregelmässige Oscillationen frei- hängender Pendel gehören hierher; wenigstens lassen sie sich aus dem Foucault’schen Pendelversuche nicht kausal erklären. Ebenso nahm D’Abbadie auf seiner äthiopischen Reise Schwankungen der Luft- blase seiner Libelle wahr, welche er nur mit einer durch die Attraktion von Sonne und Mond bewirkten Eigenbewegung der Erdkruste in Verbindung bringen zu können glaubte. Parnisetti [54] will diese Bewegung statistisch nachgewiesen haben. Endlich mag auch bei diesem Anlasse an die so manches Räthsel in sich schliessenden Ex- perimente Ph. Plantamour’s erinnert sein. Derselbe nahm wahr, dass die Blase des Instrumentes periodische Oscillationen vollzog, ob ihre Axe nun in die Meridanebene fiel oder auf dieser senkrecht stand. Für ein bestimmtes Beobachtungsjahr konnte an eine in bestimmter Richtung erfolgte Bodensenkung gedacht werden, allein im Grossen und Ganzen vermochte dieser Umstand ebensowenig, wie der eine und andere leichte Erdstoss, das Kausalitätsbedürfniss zu befriedigen. Plantamour musste sich damit begnügen, von der Zukunft weitere Aufschlüsse zu erhoffen; „ces observations des niveaux,“ sagt er [55], seront continudes, et la comparaison des mouvements pe@riodiques du sol pendant plusieurs annees amenera peut-©tre & connaitre la cause ou les causes multiples qui les produisent.* Uns will bedünken, dass Newcomb wenigstens einen der Schlüssel zur Ergründung dieser Mysterien uns in die Hand gegeben habe; Zöppritz führt das Phänomen auf die ungleiche Erwärmung des Untergrundes zurück. 8. 3. Konsequenzen aus der Axendrehung der Erde. Wenn wir in diesem Paragraphen von den Folgerungen sprechen, welche aus der als wahr anerkannten Lehre von der Erdrotation entfliessen, so ver- fahren wir in einem der üblichen didaktischen Methode gerade ent- segengesetzten Sinne. Man ist nämlich gewohnt, die Erscheinungen, mit welchen wir uns zu beschäftigen gedenken, als Beweismittel für den ersten Satz des coppernicanischen Systemes zu verwerthen, während wir diesen Satz als ipso facto gültig betrachten und zusehen, welcher Art die sichtbaren und fühlbaren Manifestationen der Axendrehung unserer Erde sind**). Scheinbeweise wie z. B. der, dass ja auch die übrigen Planeten eine solche Bewegung aufweisen, können ohnehin in einer wissenschaftlichen Darstellung keine Stelle finden. a) Fallversuche. Während Tycho Brahe (s. o.) von der An- sicht ausgieng, ein freifallender Körper müsse westlich von dem Punkte zur Erde gelangen, von welchem aus man ihn fallen liess, erkannte *) Die sechzehnte Proposition in Mersenne’s „Ballistica et acontismolo- gia“ will „quid circa pendulum. quod aliqui vocant sexhorarium, contingat, ex observationibus aperire.“ **) Verf. bezieht sich hier auf einen früher publieirten und den Gegenstand mehr im Detail behandelnden Aufsatz [56]. 230 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Newton zuerst, dass sich Alles gerade umgekehrt verhalten müsse, indem ja alle im Anziehungsbereiche der Erde befindlichen Körper un- bedingt an: deren Umschwung theilnehmen. Im November 1679 ver- ständigte er sich mit dem berühmten Experimentator Hooke über Versuche, welche in dieser Absicht anzustellen wären [57], doch glückte es damit ebensowenig, wie mit jenen Proben, die Gassendi schon früher auf eigene Hand an den Mastbäumen schnellsegelnder Schiffe gemacht hatte [58]. Etwas besser gelang der Versuch dem Italiener Guglielmini [59], aber erst Benzenberg brachte es 1804 im Inneren des Michaelisthurmes zu Hamburg zu einer solchen Genauigkeit [60], dass Laplace seine Ergebnisse dem Wahrscheinlichkeitskalkul gemäss zu bearbeiten und mit ihrer Hülfe die Wahrscheinlichkeit für eine wirkliche Axendrehung der Erde auf 799/000 anzusetzen in der Lage war. Die neueste und beste Versuchsreihe dieser Art verdankt man Reich, der den tiefen Freiberger Dreibrüderschacht zu seinen Be- obachtungen benützte [61]. Ist M (Fig. 35) der Erdmittelpunkt, A B ein auf der Oberfläche befindlicher 'Thurm, Fig. 35. und lässt man von der Spitze A desselben einen schweren Körper vertikal herabfallen, so wirken auf dessen Schwerpunkt zwei Kräfte: die Fallbeschleunigung g und der aus der Um- drehung entspringende, der Geschwindigkeit von A gleiche Impuls. Der Körper beschreibt sonach eine Parabel oder richtiger einen ku- bischen Kegelschnitt und trifft die Erdober- fläche in einem Punkte C, der von B gegen Osten gelegen, ausserdem aber etwas nach Süden von der Mittagslinie abgelenkt ist; eine Formel zur Berechnung der östlichen Ablen- kungsgrösse ist von Olbers dem erwähnten Benzenberg’schen Buche einverleibt worden. Nach Wernicke (Grundzüge der Elementar- mechanik, Braunschweig 1883, S. 227) ist, wenn gy, r die der Breite @ entsprechende Fallbeschleunigung auf einer Erdkugel vom Radius R bedeutet, wenn die Höhe der Fall- strecke z und die Umdrehungszeit der Erde T ist, östliche und süd- liche Abweichung sehr angenähert resp. durch einen der beiden fol- genden Ausdrücke gegeben: ; ‚ & 2 _—n DER, N 0,03391 cos’ 9 a) So, R+z Sy, R+tz Störungen der verschiedensten Art bringen es zuwege, dass die Punkte des Auftreffens bei wiederholten Versuchen nicht ganz genau mit einander übereinstimmen; um den wahrscheinlichsten Fallpunkt zu ermitteln, muss man sich die einzelnen Punkte als mit gleichen Ge- wichten belastet vorstellen und den Schwerpunkt der Punktgruppe aufsuchen. b) Lothrechter Wurf. Wird ein Gegenstand senkrecht in die Höhe geworfen oder geschossen, so gelangt er successive in Regionen, welche zwar die gleiche angulare, aber eine grössere lineare Geschwindig- keit besitzen, als der Ausgangspunkt. In Folge dessen wird das IV, $. 3. Konsequenzen aus der Axendrehung der Erde. 221 Projektil eine Ablenkung im Sinne der Erddrehung erfahren und öst- lich von dem Punkte zum Erdboden zurück gelangen, in welchem es den letzteren verliess. Den ersten Versuch dieser Art beschreibt Furttenbach’s „Halinitropyrobolia*, die in Ulm 1627 gedruckt wurde, und zwar beschreibt nach Kästner’s Auszügen |62] der Autor seine Erfahrungen in origmellster Weise. Er setzte sich, klug berechnend, unmittelbar nach Abgabe des Schusses auf die Mündung des vertikal. in die Erde eingegrabenen Böllers, in welche seinem richtigen Schlusse gemäss die Kugel nicht mehr zurückkehren konnte. Kästner giebt über diese Frage auch noch einige andere geschichtliche Notizen, die um so interessanter sind, als es an neueren ballistischen Versuchen dieser Art gänzlich zu mangeln scheint; höchst auffällig ist jedoch der Umstand, dass der durchaus nicht unbedeutende Mathematiker den wahren Grund der Abweichung gar nicht bemerkt, sondern diese der mangelhaften Anordnung des Experimentes zur Last legt. Folgendes sind seine Worte [63]: „Mersennus liess eine Kano- nenkugel aufwärts schiessen. Man sahe sie nicht wieder, die Philo- sophen machten allerley seltsame Hypothesen deswegen, darüber auch Butler, im Hudibras, spottet, wo er den Sydrophel schildert. Der natürlichste Gedanke fiel ihnen nicht ein, dass die Kugel nicht ganz vertikal aufgestiegen, also an einen Ort gefallen, wo man sie nicht suchte. In Öbservations curieuses sur toutes les parties de la Physique T. IV. Par. 1771 stehen Versuche dieser Art, da bey sorg- fältiger vertikalen Richtung, die Kugel doch weit von der Stelle nieder- gefallen.“ c) Azimutalveränderungen horizontaler Bewegungen. Jedwede an der Oberfläche der Erde vor sich gehende Bewegung wird unter dem Einflusse der Erdrotation auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt. Dass dem unter allen Umständen so sein müsse, beweist der nachstehend mitgetheilte Beweis, der ursprüng- lich von Buff [64] herrührt, von Zöppritz aber in die gegenwärtige Form gebracht wurde [65]. Ein materieller Punkt würde, wenn die Erde stille stände, auf horizontaler Ebene in der Zeiteinheit den Weg AD (Fig. 36a) zurücklegen, während er in der gleichen Zeit auf der sich drehenden Erde den Weg AB beschreibt. Es tritt also der Satz vom Parallelogramm der Bewegungen in Kraft, und der Punkt bewegt sich thatsächlich durch die Diagonale AC des Parallelogrammes ABCD. Der nach B versetzte Beobachter muss somit den Eindruck bekommen, als sei von dem ursprünglich in’s Auge gefassten Punkte die Strecke BC durchlaufen worden. Die Grösse der Ablenkung ist leicht zu be- stimmen, sobald die Nordlinien AN und BN gezogen werden*). Das anfängliche Azimut war <{_ NAD = a, das nachherige ist X NBC=a'; *) Benoni erklärt den Buff’schen Beweis für unrichtig, weil AN und BC in Wirklichkeit zwei windschiefe Gerade seien, die gar keinen gemeinsamen Punkt E besässen [66]. Dieser Einwurf mag auf den ersten Blick einigen Schein für sich haben, ist jedoch nichtsdestoweniger ganz belanglos. Denn was ist eine Horizontalebene in A anders als eine in diesem Punkte an die Erdkugel gelegte Tangertialebene? Angesichts der Kleinheit des Weges AB kann aber ohne Irr- thum auch der Punkt B als in derselben Ebene liegend angenommen werden, und es liegen demnach alle die Fig. 36a bildenden Linien in Wirklichkeit in der Papierebene. 2232 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u, physikal. Verhälte. d. Erdkörpers. verlängert man BÜ, bis es die AN inE schneidet, so ist auch <{AEB als Wechselwinkel=a. a en nn Er 7 IV, $. 3. Konsequenzen aus der Axendrehung der Erde. 225 tung der dortselbst gebrauchten Bezeichnung würde, wenn die Rad- kränze nicht wären, die Lokomotive eines Bahnzuges um ov sin ßt’ nach ‚rechts gedrängt worden sein. Für diesen Weg kann aber auch ein zweiter Ausdruck aufgestellt werden; sei D der zu bestimmende Druck auf die rechtslaufende Schiene, Q das Gewicht des Dampfwagens, so ist ee). 2 die Beschleunigung, - gt der zurückgelegte Weg, und es bestehen die Gleichungen 1 Ds : nn or: sin.ß es er Mn er > i Nimmt man als Durchschnittsgeschwindigkeit einen Werth v—= 10m an, so ergiebt sich für die mittlere Breite von Deutschland das Ver- hältniss D : Q annähernd wie 1:10000. Irgend eine erhebliche Wir- kung scheint nach dieser Rechnung die Erdrotation nicht hervorzu- bringen. Man könnte einwenden, unser Berechnungsmodus sei ein etwas summarischer und nicht vollkommen strenger; mag diess aber auch zuzugeben sein, so lässt sich doch nicht ein Gleiches behaupten von der Arbeit eines hervorragenden Eisenbahntechnikers, Hallbauer’s, welche der Sache wirklich auf den Grund geht [75]. Bei der gewöhn- lichen Spurweite von 1,436 m und bei der — schon sehr hoch ge- sriffenen — Maximalgeschwindigkeit von 25 m in der Sekunde genügt es, die Schiene zur Rechten um 0,0004 m zu erhöhen, um den aus der Rotation entspringenden Einfluss ein für allemal zu paralysiren. Dass aus einem Höhenunterschiede, der mit unbewaf- netem Auge kaum erkannt werden kann, nicht wirkliche Gefahren für den Bahnbetrieb resultiren, dürfte wohl nicht bestritten werden. Beobachtungen, wie die von Martus erwähnten, sind also nicht seradezu als unglaubwürdig zu bezeichnen, allein mit grosser Vor- sicht wird man ihnen gewiss gegenüberzutreten haben. Jene mit Rücksicht auf die Ablenkungstendenz gearbeitete Statistik der Eisen- bahnunfälle, welche K. E. v. Bär gewünscht hat [76], wird, wenn unsere Ausführungen das Richtige treffen, weder für die Geo- physik noch für die Betriebstechnik besonderen Werth beanspruchen können *). III. Ausflusserscheinungen. Perrot nahm ein cylindrisches Ge- fäss, füllte es mit Wasser und brachte genau im Mittelpunkt der unteren Grundfläche ein Loch an; alsdann streute er leichte Schwimm- körperchen in die Flüssigkeit und beobachtete die Bahnen, welche jene beschrieben [79]. Man musste erwarten, dass die nahe dem Boden befindlichen Schwimmer sich radial der Ausflussöffnung nähern würden, allein obwohl die Bahnkurven anfänglich geradlinig waren, so krümm- ten sie sich späterhin doch immer mehr und mehr nach der rechten Seite hin, so dass sämmtliche Körper zuletzt in Spiralen von rechtseitigem Drehsinne um die Oeffnung rotirten: „le mouvement de la terre se manifeste done par cette direction que prennent les corpuscules en arrivant vers le centre d’&coulement.* Auch hier- *) Weitere theoretische Erörterungen über den in Rede stehenden Gegen- stand verdankt man Braschmann [77] und Lindelöf [78]. Günther, Geophysik. I. Band. 15 226 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. über hat sich Braschmann in längerer Auseinandersetzung ver- breitet [80]. IV. Wind- und Meeresströmungen. Darüber, dass bei der Ge- staltung der charakteristischen Stromsysteme in den unseren Erdkörper umhüllenden elastisch- und tropfbar-flüssigen Kugelschalen die Rotation, an welcher beide natürlich gleichen Antheil nehmen, eine wichtige Rolle spiele, herrscht kein Zweifel mehr. Gewisse Kapitel der fünften und der sechsten Abtheilung werden uns Gelegenheit geben, der Sache näher zu treten. V. Die Verschiedenheit der Flussufer. Jener Seitendruck, welchen ® wir weiter oben bei den Eisenbahnschienen studirten, muss bis zu einem gewissen Grade auch bei den Uferwänden der Ströme zu kon- statiren sein. Doch halten wir es für angezeigt, hierauf und auf das sogenannte Bär’sche Gesetz erst in dem von der Thalbildung han- delnden Kapitel der achten Abtheilung näher einzugehen. Hiemit wäre denn den aus der Erddrehung entspringenden Richtungs- änderungen horizontal bewegter Körper ihr Recht geworden, und wir können in aller Kürze noch auf einige minder belangreiche Neben- fragen unseren Blick richten. d) Anderweite terrestrische Erscheinungen. Der schweizerische Mathematiker Denzler war einer der Ersten, welche der oben in V. genannten Frage ihr Interesse zuwandten; er publicirte darüber eine Abhandlung [81], in welcher er den Nachweis führen zu können glaubte, dass „eine: Tendenz nach rechts“ bei den allerverschiedensten Ereig- nissen hervortrete. Hierher rechnete er z. B. das Voreilen der sin- kenden und das Zurückbleiben der steigenden Wolken (beide gelangen allmählig in Gegenden von anderer Geschwindigkeit), ferner die an der Ostseite angeblich am stärksten hervortretende Verwitterung der Gesteine, die Ostabdachung der Kontinente, die Variation der mag- netischen Elemente und noch manches Andere. Es scheint aus den Worten von Denzler’s Biographen R. Wolf hervorzugehen [82], dass die Umgebung des Ersteren in diesen Hypothesen ganz richtig Phantasmen erkannte, und etwas Anderes wird man kaum darin finden können. | Einige Behutsamkeit dürfte auch gegenüber den ab und zu nam- haft gemachten botanischen Aeusserungen der Erdumdrehung am Platze sein. Am sichersten bezeugt und durch die elliptische Form der Jahresringe kontrolirbar ist die vorläufig nicht gut anders zu erklärende Verschiedenheit des Dickenwachsthums gewisser Holzpflanzen, nament- lich der Koniferen, von welcher Ludwig [83] berichtet. Eine Allee in unmittelbarer Nähe der Stadt Wiesbaden lässt bei sämmtlichen Bäumen gewisse Sprünge wahrnehmen, welche möglicherweise auch dadurch entstanden sind, dass unter dem Einflusse der Rotation der Stammdurchmesser in der Östwestrichtung ein stärkeres Wachsthum besitzt, als in der dazu senkrechten*). Es ist, wenn man sich gewisse anderweite Resultate der Pflanzenphysik**) vergegenwärtigt, allerdings *) Der Verf. verdankt den Hinweis auf diese jedenfalls bemerkenswerthe und weiterer Untersuchung würdige Erscheinung Herrn Prof. Unverzagt zu Wiesbaden. **) Den Zusammenhang der Pflanzengestalt mit Schwer- und Rotationswir- } F 1 \ A B r 3 \ * IV, $. 4. Der Foucault’sche Pendelversuch und dessen Abänderung. 297 nicht undenkbar, dass es auf diesem Gebiete noch so manche uns unbekannte Manifestation der Erdbewegung gäbe, allein leicht wird es niemals sein, dieselbe aus der Fülle verhüllender Nebenumstände herauszuschälen. Von Interesse ist eine bezügliche Bemerkung Bi- anchi’s gegen Musset (Gaea, 3. Jahrg. S. 542, 5. Jahrg. S. 431). S. 4. Der Foucault'sche Pendelversuch und dessen Abänderung durch Onnes. Den striktesten Beweis für die Richtigkeit des Satzes, dass nicht durch die Umdrehung des Himmels, sondern durch die Umdrehung der Erde der Wechsel von Tag und Nacht bewirkt wird, bietet der nach dem Pariser Akademiker Foucault benannte Pendel- versuch. Nicht, als ob vor Foucault Niemand daran gedacht hätte, dass in den Schwingungen eines aus seiner Ruhelage herausgebrachten Pendels ein noch zu entschleierndes Geheimniss ruhe, ja man kann sogar, wie der Verf. zeigte [86], eine förmliche Vorgeschichte des Experimentes liefern. Möglicherweise spielte schon Galilei auf eine ähnliche Beobachtung an, als er seinem Salviati im Dialog über die Weltsysteme, nachdem derselbe die gewöhnlichen Argumente zu Gunsten der Erddrehung angeführt hat, diese Worte in den Mund legte [87]: „Exsurgit in hoc tempore quinta quaedam novitas, ex qua mobilitas globi terrestris argui queat, per ea quae subtilissime detegit illustris- simus dominus Caesar, e nobilissima Marsiliorum Bononiensium familia satus, et ipse collegio lynceorum academicorum adscriptus, qui in quo- dam doctissimo scripto tradit, observasse se continuam quandam mu- tationem, etsi tardissimam, in linea meridiana.* So fasst wenigstens Caramuel von Lobkowitz die Schwankung des Meridians, welche Marsigli entdeckt haben wollte*), in jenem merkwürdigen Schrift- chen [90] auf, welches er selbst den angeblich spontanen Pendelschwin- gungen widmete, die Peirinsius und Gassendi [91] entdeckt haben wollten, Schwingungen, deren Existenz Caramuel allerdings entschie- kungen hat insbesondere Wiesner zum Gegenstande seiner Forschungen ge- wählt [84]; seine Resultate lassen sich kurz zusammenfassen, wie folgt [85]. Die Richtung der Pflanzentheile, wahrscheinlich aber auch deren Form und relative Grösse, wird von der Schwerkraft bestimmt, zumal in Bezug auf das Längen- wachsthum. Das Wort Geotropismus dient dazu, den ganzen Komplex hier- her gehöriger Thatsachen unter einen Gesammtbegriff zu bringen. Seit Knight's. Versuchen (1806) weiss man, dass gewisse Organe unter’dem Einflusse der Schwer- kraft nach aufwärts, andere nach abwärts wachsen. Setzt man ferner eine Pflanze auf die Centrifugalmaschine, so sieht man, wie sich die Keimaxe in die Resulti- rende zwischen Schwung- und Schwerkraft einstellt. *) Uns freilich erscheint es zweifelhaft, ob Caramuel Recht hatte, Mar- sigli mag vielmehr unseres Erachtens an etwas ganz Anderes gedacht haben. Während des ganzen XVII. Jahrhunderts stritt man sich darüber, ob eine nach allen Regeln der Wissenschaft gezogene Mittagslinie von freien Stücken, beziehungs- weise unter dem Einflusse einer uns noch unbekannten Kraftäusserung, ihre Lage oder Richtung zu ändern vermöge, oder nicht; namentlich stützten sich die Ver- theidiger dieser Ansicht auf eine wenig beweiskräftige Angabe des Plinius, wo- nach ein als Zeitmesser zu Rom aufgestellter Obelisk nach und nach einen fal- schen Mittag gezeigt habe. Der bekannte englische Mathematiker Wallis sah sich bemüssigt, in einer gelehrten Abhandlung [83] den Gegenstand nach allen Seiten hin zu prüfen. Von deutschen Schriftstellern hat Kordenbusch [89] eine Uebersicht über die für und wider beigebrachten Beweise gegeben und sich am Schlusse derselben nachdrücklich gegen die Annahme irgendwelcher Varia- bilität der Meridianebene ausgesprochen. 998 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. den ableugnen zu sollen glaubte. Man vergleiche hiemit, was oben (in $. 2 dieses Kapitels) über gewisse unerklärliche Oscillationen langer Bleilothe ‚bemerkt wurde. Bouguer [92] und Andreas Mayer [93] stellten ebenfalls durch korrekt ausgeführte Versuchsreihen fest, dass absolut geschützte Pendel nicht von selbst in Bewegung übergehen können, und auch Eimmart, der ursprünglich aus dem von ihm auf- sefundenen „Motus retardationis“ Kapital zu Gunsten des coppernicani- schen Systemes schlagen zu können geglaubt hatte, kam allmählig wieder von dieser Ansicht zurück |94]. Immerhin war, wie man sieht, die Frage, ob nicht das Pendel ein unmittelbares Beweismittel für die Existenz der Drehung der Erde um ihre Axe abgeben könne, nun einmal auf die wissenschaftliche Tagesordnung gesetzt, und mehr und mehr begann man das Richtige zu ahnen. „Der Pendelversuch,“ sagt R. Wolf [95], „soll übrigens schon früher von Augustin Stark (Augsburg 1777 bis Augsburg 1839; Lehrer der Mathematik und Dom- herr daselbst) unternommen worden sein, ja schon die Mitglieder der accademia del cimento scheinen das dem Versuche zu Grunde liegende Gesetz von der Konstanz der Schwingungsebene geahnt zu haben, jedenfalls ist derselbe durch L. Poinsinet de Sivry (Versailles 1733? bis 1804; Literat) im Anhange zu seiner Ausgabe des Plinius ganz klar ausgesprochen worden.“ Foucault fand also, als er mit seinem eigenen Gedanken hervortrat [96], das Feld schon bis zu einem ge- wissen Grade bereitet vor, womit natürlich nicht gesagt sein soll, dass dieser Gedanke nicht voll und ganz sein geistiges Eigenthum gewesen wäre. { Fig. 37 bringt das Wesen des Foucault’schen Pendelver- suches zur Anschauung. M ist der Mittelpunkt der Erde, N der Nordpol; über diesem denken wir uns an einem zweckmässig konstruirten Galgen ein Pendel so aufgehängt, dass dessen Ruhe- lage mit der verlängerten Erdaxe zusam- menfällt. Der Pendelfaden wird gehoben und straff gespannt in der Hauptebene des Gerüstes an diesem befestigt. Hierauf brennt man den Faden durch und beobach- tet die Schwingungen, die zuerst natürlich in der genannten Ebene vor sich gehen müssen und, wenn die Erde in Ruhe wäre, aus dieser gar nicht heraustreten könnten. Der Beobachter möge sich auf dem durch die äquidistanten Punkte A, A,, A,, A, be- zeichneten Parallelkreise befinden, und zwar soll er in dem Anfangsmomente der Bewe- gung seinen Standort in dem Punkt A haben, durch welchen die ursprüngliche Schwingungsebene hindurchgeht. Da bei der von uns gewählten Aufhängung kein Grund vorhanden ist, welcher eine Drehung jener Ebene bewirken könnte, so bleibt dieselbe unverändert, gleichwohl aber wird der Anblick, welcher sich dem von der .rotirenden Erde mit fortgeführten Beobachter darbietet, mit jedem Augenblicke sich ändern. TERN F Es - IV, $. 4. Der Foucault’sche Pendelversuch und dessen Abänderung. 229 Anfänglich nämlich bemerkte derselbe blosse Hebungen und Senkungen der Pendelkugel, nachher erscheint ihm der von letzterer beschriebene Kreisbogen als eine stark excentrische Ellipse, die sich aber immer mehr einem Kreise nähert, bis ihm dann, wenn er in A, angelangt ist, dieser Bogen in seiner vollen Reinheit sich darstellt. Beim Durch- wandern des nächsten Quadranten A,, A, werden sich die nämlichen Erscheinungen wiederholen, nur in umgekehrter Reihenfolge, ein Gleiches wird für A,A, und für A,A, gelten. A’, AY,, A/,, A’, stellen die Pendelkugel in den den vier Punkten A, A,, A,, A, entsprechenden grössten Elongationen dar. Wenn wir uns nun die Thatsache ver- gegenwärtigen, dass ja der Beobachter von seiner Ortsveränderung der Schwingungsebene gegenüber nicht weiss und fühlt, so erkennen wir, dass er nicht umhin können wird, eine fortgesetzte Drehung der Schwingungsebene um die Axe HN anzunehmen, und zwar dauert diese Drehung genau 24 Stunden. Der Pol ist nun allerdings für uns unerreichbar, allein schon eine einfache Ueberlegung lehrt, dass die Erscheinung auch an anderen Orten auf der Erde, den einzigen Aequator ausgenommen, in qualitativ nicht verschiedener Weise eintreten muss. Seit Foucault sind Ver- suche dieser Art von vielen Physikern an verschiedenen Plätzen an- gestellt worden; es genüge, diejenigen von Secchi in Rom, von Garthe in Köln, von Schrader in Halle, von Bunt in Bristol namhaft zu machen. Selbstverständlich muss die Pendellänge eine bedeutende sein, und es bedarf umfassender Vorsichtsmassregeln, um den Erfolg des Experimentes zu sichern, wie denn nach Hansen’s gründlicher Diskussion aller begleitenden Umstände |97] die geringste eigene Drehbewegung der Pendelkugel von der störendsten Wirkung ist. Damit die Abweichung der Schwingungsebene von ihrer ursprüng- lichen Stellung im Raume recht bald sichtbar werde, pflegt man einen Kreis, auf dessen Mittelpunkt die unten an der Pendellinse anzubringende Spitze im Ruhezustand hinweist, mit Sand zu belegen, um zu sehen, wie die von jener Spitze in die Belegung einge- zeichneten radialen Linien sich immer mehr von der Anfangsrichtung entfernen. | Ehe wir an die Entscheidung der Frage herantreten, wie denn mit Veränderung der Polhöhe auch die Drehungsgeschwindigkeit der Schwingungsebene variire, haben wir erst noch die Vorfrage zu stellen und zu erledigen, ob denn überhaupt der obige Ausdruck ein korrekter sei. Ersichtlich kann derselbe kein ganz strenger sein. Denn es würde damit gesagt sein, dass die Bewegung der Pendelkugel keine stetige sei, sondern je nach Vollendung einer Schwingung sprungweise ihre: Richtung ändere, und diesen Widerspruch gegen alle sonstigen Natur- Sesetze wird Niemand zuzugeben geneigt sein. Mit Recht hebt Röthig |98] hervor, dass diese Gewohnheit, von einer thatsächlich gar nicht existirenden festen Schwingungsebene des Pendels zu reden, zu vielen Unrichtigkeiten geführt habe und noch stets führe. Verfolgt man die von dem einem bestimmten Gesetze folgenden sphärischen Pendel be- schriebene Trajektorie genauer, so überzeugt man sich sofort, dass die einzelne Oscillation nicht mit einem Kreisbogen, sondern weit eher ' mit einer sehr langgestreckten spbärischen Ellipse übereinstimmt. Unter dieser Voraussetzung, dass nämlich die Horizontalprojektion der Pendel- 2330 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. kurve eine ebene Ellipse sei, deren grosse Axe stetig ihre Richtung ändert, hat Ordinaire de Lacologne [99] das Foucault’sche Problem einer Neubearbeitung unterzogen. Allein auch diese An- nahme involvirt nur eine Annäherung an die Wahrheit; nach den unseres Wissens noch unwiderlegten Resultaten von Franz [100] ist die Bahn eine noch verwickeltere Kurve doppelter Krümmung, eine sphärische Hypotrochoide. Sie besteht aus einer Reihe zusammen- hängender Blätter, deren Scheitel A,B,C,D,E,F... (Fig. 38) einem gewissen kleinen Kugelkreise angehören, wäh- rend die Aeste zugleich einen zweiten kon- centrischen Kugelkreis (M) umhüllen. Unsere Figur giebt der geometrischen Haupteigen- schaft treuen Ausdruck, freilich aber liegen in der Natur die Punkte A,C, E... und B,D, F... ganz ungleich näher an einander, und das Verhältniss des inneren zum äusseren Kreisradius, welches die Zeichnung ungefähr 1 —, annimmt, sollte eigentlich einem sehr kleinen ächten Bruche gleichkommen. Dass angesichts dieser ziemlich verwickelten kinematischen Ver- hältnisse eine genügende und nur mit elementaren Hülfsmitteln arbeitende Deduktion des Gesetzes, nach welchem die Abweichung der momen- tanen Schwingungsebene mit der geographischen Breite in Beziehung steht, keine leichte Sache sein kann, bedarf kaum eines Beweises. Pick hat sich in dankenswerthester Weise die Mühe gegeben, nicht weniger als 13 Ableitungen, die von Jelinek, Grunert, Crahay, Marignac, Pagani, Coombe, J. J.v. Littrow, Esch- weiler, Schelle, Hullmann, Friedlein-Bielmayr, Schaub und Bunt herrühren, kritisch zu prüfen [101] und nachzuweisen, welche Mängel der grossen Mehrzahl anhaften. Ebenfalls eine gute Kritik der ‘elementaren Beweismethoden, verbunden mit einer die höhere Rech- nung jedoch nicht ausschliessenden Herleitung, haben wir von Tam- men [102]. Es sind im Wesentlichen blos zwei Formeln, welche in Frage stehen. Nach der von Foucault selbst herrührenden und fast allseitig acceptirten soll der Winkel d, um welchen nach Um- fuss der Zeit t unter der Breite » die sogenannte Schwingungsebene sich aus ihrer Anfangsstellung herausgedreht hat, einfach durch die Relation d = t sin @ gegeben sein, wobei d und t natürlich in der gleichen Maasseinheit auszudrücken wären. Andererseits ist auch die Gleichung Sb sın t sın VI — sin? 29 sin‘ + in Vorschlag gebracht worden. Schon der Umstand, dass dieselbe für t=r den Ausschlagswinkel Null liefert, erweckt kein günstiges Vorurtheil für sie, und in der That ist dieselbe auch nur in der Weise gewonnen worden, dass man Rotationen nach dem Satze vom Parallelo- gramm der Kräfte zu einer resultirenden Drehung zusammensetzte. Allein diese Zusammensetzung ist nach Poinsot’s bekannten Regeln nur so lange erlaubt, als die Komponenten unendlich klein sind, und n Ai „oz IV, $. 4. Der Foucault’sche Pendelversuch und dessen Abänderung. 231 für diesen extremen Fall stimmen auch beide Formeln völlig überein; sowie jedoch die Drehungen eine endliche Grösse besitzen, wird die Resultante nach einer ganz anderen Vorschrift bestimmt”). Die Relation d —= t sin p ist offenbar die gleiche, welche in $. 3 für die Azimutaländerung beliebiger horizontal bewegter Körper auf- gestellt ward, und insoferne dürfen wir uns eines neuen BDeweises überhoben betrachten. Man hat sich eben, um den völligen Einklang herzustellen, nur zu denken, dass an Stelle der Schwingungsbögen die in deren tiefstem Punkte an sie gelegten geradlinigen Tangen- ten treten. | Damit ist schon ausgesagt, dass unsere Formel eine blosse Ap- proximation, wenn schon eine sehr genaue, darstellt. Pick ent- nimmt den Mittheilungen Bunt’s über eine von ihm in der „Phi- losophical Institution* zu Bristol mit einem 22,73° langen und 39 Pfund schweren Bleipendel angestellte Versuchsreihe nachstehende Tabelle [104]: Drehung der Nach der Sinusformel Pa zacınBeobachtung Schwingungsebene berechneter Werth an 2b 54,0 4 39,0.10 34.0 19 — 9281 9:59, 5 35. 30 35, 19 0 u 9084. 7 43, 40 42, 09 Se 439,0 92, 73 4, 70 ZT 5 4. 0 64, 80 66, 86 2.9.3106 ei 26 3 137, 10 134, 56 — 9059 192° 40, 5 140, 50 Ag 11 1 SE 13 4 0 154, 45 153, 71 EA 13 30, 0 158, 75 158, 81 77 0,06 13 30, 2 155, 30 158, 85 -7.93,0983 13 44, 5 167, 50 161, 69 Ze a 169, 20. 176, 66 1 as 16 52, 0 | 197, 30 198, 42 0 Sn 2 0 446. 00 435, 69 —10)..2939 3838 45 449. 50 447, 91 Ze ERS, *) Dem von Leonhard Euler aufgestellten Satze ertheilt W. Schell [103] folgende Fassung: „Die Folge zweier Rotationen um zwei Axen (vo, a) und (ß, b), welche sich in einem Punkte O schneiden, ist äquivalent einer einzigen Rotation um eine dritte Axe (y, ec), welche gleichfalls durch den Schnittpunkt O jener hindurchgeht; die drei Kanten a, b und (y,c) bilden die Kanten eines dreiseitigen pyramidalen Raumes, in welchem die beiden Seitenebenen, die durch die Axe (y, c) gehen, mit der dritten, durch a und b gehenden Seitenebene an den Kanten a und b Winkel bilden, welche den halben Amplituden der Rotationen um diese Axen gleich sind, und zwar liegen diese Winkel bei der Axe a, um welche die erste Rotation erfolgt, auf entgegengesetzter Seite der Ebene a b, bei der anderen Axe b auf derselben Seite, nach welcher hin die betreffende Rotation erfolgt. Die halbe Amplitude der resultirenden Rotation um die Axe (y, c) ist gleich dem an der Axe (y, c) liegenden Aussenwinkel des pyramidalen Raumes; die Aufein- anderfolge der Rotationen ist nicht vertauschbar.“ Man sieht, dass für unendlich kleine Drehungen die letztere Eigenschaft ihre Gültigkeit verliert, wie eben auch in der elementaren Statik die Reihenfolge, in welcher zusammengesetzt wird, sich gleichbleibt. Das Symbol (x, a) sagt aus, es solle das System um die ihm angehörende Gerade « rotiren, und es solle diese Gerade während der Rotation mit der Linie a des Raumes zusammenfallen. 232. Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Diese Gegenüberstellung von berechneten und empirischen Daten bestätigt zur Genüge unsere obige Behauptung, allein über die Bedeutung einer Näherungsformel geht die Sinusformel nicht hinaus. DBehandelt man die Differentialgleichungen, zu welchen die Aufgabe führt, nach den allgemeinen Maassnahmen G. Kirch- hoff’s, so ergiebt sich nach Pieper [105] Folgendes: „Unsere Formel giebt die Ablenkung eines Pendels auf der rotirenden Erde unter der Beschränkung, dass die Schwingungsamplitude gegen die Pendellänge unendlich klein ist, und dass das Quadrat der Winkelgeschwindigkeit ohne merklichen Fehler gleich Null gesetzt werden darf.“ Dabei ward zudem stillschweigend vorausgesetzt, dass der Luftwider- stand belanglos sei. Im Allgemeinen ist das aber nicht der Fall, viel- mehr hat Siacci gezeigt, dass alsdann die Bahnkurve mit noch weniger Recht durch eine Gerade ersetzt werden könne. Wie verwickelt die Verhältnisse sich dann gestalten, mag Siacci’s Hauptsatz [106] dar- thun: die Projektion irgend eines Punktes der vom Foucault’schen Pendel in freier Luft beschriebenen Trajektorie ist eine gleichwinklige Spirale, deren Centrum eine der vorigen gleiche Spirale in entgegen- gesetztem Sinne durchläuft. Die Bahngeschwindigkeit des beschreiben- den Punktes ist für beide Spiralen eine abnehmende und den Radien- Vektoren proportional. An Stelle des gewöhnlichen Pendels kann behufs augenfälliger Demonstration der Erddrehung auch das konische treten, wie es, als Centrifugalregulator, bei unseren Dampfmaschinen dient. Die Um- drehungsdauer T eines Kegelpendels von der Länge l und dem Aus- schlagswinkel a ist durch ME ELSVAIZE 5 gegeben. Nach dieser Formel müsste es einerlei sein, ob die Schwingungen im Sinne des Uhrzeigers oder diesem entgegen vor sich giengen, allein dem ist nicht so, vielmehr hat Bravais rechnerisch und versuchsmässig nachgewiesen [107], dass sowohl in diesem wie in manchem anderen Falle |108] die Ungleichheit der Schwingungsdauer je nach dem Drehsinn auf den Umstand zurückzuführen ist, dass ja das schwingende System nicht auf einer ruhenden, sondern auf einer selbst sich drehenden Kugel befestigt ist. Eine höchst beachtenswerthe Modifikation des Foucault’schen Experimentes ist endlich in neuester Zeit von Kamerlingh Onnes in Vorschlag gebracht worden, der zu seinen bezüglichen tiefgehenden Untersuchungen [109], eigener Angabe zufolge, durch G. Kirchhoff angeregt worden war. Es ist eigenthümlich, dass die Idee des niederländischen Mathematikers von keinem Geringeren, als von Gauss, bereits im Stillen gehegt worden war, allein das Verdienst des Erstgenannten wird dadurch nur erhöht, nicht geschmälert, denn Schering, dem die nachgelassenen Papiere des grossen Denkers zur Verfügung standen, hat aus diesen die betreffende Notiz gezogen und zugleich hinzugefügt, dass von Gauss’ Absicht niemals etwas in die Veffentlichkeit gedrungen sei [110]. Der dünne Draht des Fou- cault’schen Pendels wird hiernach ersetzt durch die cardanische Auf- IV, $. 5. Aeltere Weltsysteme. 233 hängung*) eines festen Pendels. Für gewöhnlich werden die Trägheits- momente des Pendels mit Bezug auf die beiden in der Ruhelage horizon- talen Axen, der Theorie entgegen, unter sich verschieden sein, und diese Verschiedenheit birgt bereits eine Fehlerquelle in sich: bei Onnes’ An- ordnung des Versuches wird jene von vorn herein beseitigt, und da die Schwingungen sich stets in einem geschlossenen Raume von starker Luftverdünnung vollzogen, so konnte auch der Einfluss des Luftwider- standes ausser Acht gelassen werden. Die unter diesen Kautelen an- gestellten Versuche ergaben ungeachtet der weit geringeren Pendel- länge und des weit kürzeren Beobachtungs-Zeitraumes trotzdem eine grössere Annäherung an die Wahrheit, als irgend eine der bislang vor- liegenden Versuchsreihen. Kamerlingh Onnes hat sich indessen nicht auf: den erfahrungs- mässigen Theil seiner Aufgabe beschränkt, der im Gegentheil in seiner Schrift erst an späterer Stelle erscheint [111], sondern auch theoretischen Materiales bietet dieselbe eine Fülle. Von grosser Wichtigkeit ist der von ihm gefundene neue Satz, dass die Bewegung eines der Schwer- kraft unterworfenen Körpers mit zwei zu einander rechtwinkligen und bei der Ruhelage in derselben Horizontalebene sich befindenden Axen, wenn die Trägheitsmomente bezüglich jener Axen unter sich und gleich- zeitig dem Trägheitsmomente bezüglich der dritten Axe gleich sind, lediglich mit Hülfe der elliptischen Transscendenten vollständig be- stimmt werden kann. Weiter wird aber noch bewiesen, dass die Schwingungen eines Stabes, dessen eines Ende mit einer rotirenden Axe verbunden ist, die Rotation der Erde sozusagen wiederspiegeln, und dass auch bei den sogenannten Lissajous-Kurven jener Einfluss hervortritt. Mit Einem Worte: bei sehr vielen Bewegungsvorgängen, welche mit der Axendrehung der Erde gar nichts zu thun zu haben scheinen, macht sich deren Einfluss so fühlbar, dass ihn die Rechnung und geschickte Versuche gewissermassen ad oculos zu demonstriren vermögen. $. 5. Aeltere Weltsysteme. Neben den sogenannten Erscheinungen der täglichen Bewegung beschäftigte die Astronomen von je eine Doppel- *) Diese Art der Aufhängung ist besonders bei Kompassen, Schiffs- lampen u. s. w. beliebt, weil durch sie eine nahezu vertikale, durch Stösse und Schlin- Bio. 39. gern des Schiffes wenig beeinträchtigte Stel- Mm Mi R lung des betreffenden Gegenstandes verbürgt = A ist. Wenn MNPQ (Fig. 39) die Kompass- büchse ist, so begegnet man im Innern der- selben zunächst zweien Stiften A, B, welche sich diametral gegenüberstehen und einen um die Axe AB frei drehbaren Ring tragen. An diesem Ringe sind, je um 90° von A und B entfernt, die Stifte D und E befestigt, und diese tragen einen zweiten koncentrischen Ring, der sich demnach um die Axe DE drehen kann. Dieser innere Ring umschliesst den eigentlichen Kompass, resp. den mit möglich- ster Bewegungsfreiheit aufzuhängenden Gegen- stand. 234 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. frage: Wie kommt es, dass die Durchmesser von Sonne und Mond — die übrigen Wandelsterne erscheinen dem unbewaffneten Auge nur als leuchtende Punkte — nicht zu allen Zeiten unter dem nämlichen Ge- sichtswinkel, also gleich gross, erscheinen? Wie kommt es zweitens, dass die Bahnen der Planeten, namentlich der oberen, so regellos ver- laufen, dass Stillstände, rückläufige Bewegung und Schleifenbildung an jenen erkannt werden ? Im Alterthum bezeichnete man die beiden Komplexe von Erscheinungen, von welchen hier die Rede war, kurz als die erste und zweite Ungleichheit. Von An- fang an fehlte es nicht an T'heorieen, durch welche diese anschei- nenden Unregelmässigkeiten als Ausfluss einiger weniger genereller Gesetze dargestellt werden sollten. Hauptsächlich vier dieser Welt- systeme spielen, vom coppernicanischen abgesehen, eine gewisse historische Rolle. a) Das System des Eudoxos. Es ist dieses das älteste Weltsystem, das seinen Namen wirklich verdient; merkwürdigerweise hat ihm aber erst die neueste Zeit zu seinem Rechte verholfen. Die älteren Histo- riker, Montucla, Bailly, Delambre und selbst Schaubach, wussten durchaus nicht, was sie aus den allerdings unzureichenden Nachrichten machen sollten, und erst mit Ideler [112]und Cornewall Lewis [113] brachen sich richtigere Anschauungen Bahn, bis dann Schiaparelli in einer zum klassischen Muster dienenden Monographie |114], von der auch eine gute deutsche Bearbeitung existirt [115], das wahre Wesen dieser geistvollen altgriechischen Theorie völlig klar legte. Wir be- merken noch, dass Henri Martin [116] die Folgerungen Schiapa- relli’s zwar für die eigentlichen Planeten adoptirt, für Sonne und Mond dagegen abgelehnt hat, während dann wieder Tannery [117] mit guten Gründen für die Aufrechthaltung der ursprünglichen Ergeb- nisse eintrat. An diese letzteren wird sich auch unser gegenwärtiger Be- richt halten. Eudoxos der Knider schuf im IV. vorchristlichen Jahr- hundert sein System der homocentrischen Sphären; jeder Planet, Sonne und Mond natürlich mitinbegriffen, befand sich angeheftet an eine zur Erde koncentrische Kugel, welche sich in 24 Stunden einmal um ihre Axe dreht. Ausserdem aber dachte er sich mit jener ersten Kugel noch eine Anzahl fester Sphären verbunden, denen ebenfalls eine gleichförmige Rotationsbewegung zukam, nicht jedoch um die vorige, sondern um eine räumlich von ihr verschiedene, den speziell zu erfüllenden Bedingungen entsprechend gewählte Axe. Die beiden srossen Himmelskörper erhielten je drei, die Planeten je vier solche Kugelschalen zugeordnet, und die Aufgabe, völlige Harmonie der hie- durch eingeleiteten mit den wirklichen himmlischen Bewegungen her- zustellen, reducirte sich auf ein allerdings nicht ganz leichtes Problem der sphärischen Geometrie. Eudoxos gewann so eine sphärische Kurve, die „Hippopede“, welche namentlich die sonderbaren Verschlingungen der Planetenbahnen auf das T'reueste wiedergab. Die zweite Ungleich- heit (s. o.) war somit in einer den Zeitbegriffen trefflich sich anpassen- den Weise erklärt; für die erste Ungleichheit liess das System aller- dings im Stiche, allein deren Bedeutung trat damals auch noch sehr zurück. Kalippos und Aristoteles änderten an dem Sphärensystem herum und vermehrten besonders die Anzahl der Planetenkugeln; Eu- doxos reichte mit 27 aus, während sein erster Nachfolger deren 33, a > o Aa 2 z z ' Per. En Be a N ER, LIES ER E . a a ae Mn u IV, $. 5. Aeltere Weltsysteme. 235 sein zweiter gar 55 für nöthig erachtete. Mochte durch diese Zusätze auch manche kleinere Anomalie des Planetenlaufes richtig erklärt wer- den, so entstand doch allmählig eine solche Schwerfälligkeit des Auf- baues der einzelnen Bestandtheile, dass die Astronomen nach ein- facheren Hülfsmitteln der Erklärung sich umsahen. Aristoteles hat durch sein wohlgemeintes Streben nach Genauigkeit am meisten dazu beigetragen, die Sphärenlehre des Eudoxos in jenen Misskredit zu bringen, aus welchem sie erst durch Schiaparelli errettet ward *). b) Das ptolemäische System. Schon Pythagoras soll die Irre- gularitäten der Planetenbahnen für eine optische Täuschung angesehen haben, während sie Eudoxos, wie wir sahen, als etwas Reelles be- handelte. Eine aus dem Theon in Beda’s Werke übergangene Stelle besagt wenigstens |121]: „Pythagoras planetas neque retrogradari, ne- que stare, neque anomaliam aliquam esse dicebat, sed omnes in aequali spatio temporis aequaliter complere spatium locorum.*“ Die Hypothese des excentrischen Kreises dürfte nach Schiaparelli’s Ansicht schon den späteren Pythagoreern mundgerecht gewesen sein [122]. Wissen- schaftlich formulirt hat sie Hipparch von Nicäa (um 130 v. Chr.), der die erste Ungleichheit für die Sonne — und ähnlich für den Mond — in folgender gewiss geistreicher Weise verdeutlichte. Der äussere Kreis in Fig. 40 reprä- sentirt die — in beliebiger Ent- fernung zu denkende — Himmels- kugel, M ist deren Mittelpunkt und zugleich der Mittelpunkt der Erdkugel. Das Centrum der von der Sonne beschriebenen Kreis- bahn liegt in N so, dass die Ent- fernung MN gleich !sı des Halb- messers der Sonnenbahn wird. In P erreicht die Sonne ihr Peri- säum, in A ihr Apogäum, und damit ist die Veränderlichkeit ihrer Grösse genugsam erklärt. Die beiden in M auf einander senkrechten Geraden Y -- und 6% theilen allerdings den äus- 3; seren Kreis in seine vier gleichen *) Auch im früheren und späteren Mittelalter fehlte es nicht an Gelehrten, die, mit den mancherlei Unwahrscheinlichkeiten der ptolemäischen Weltordnung unzufrieden, auf die Sphärentheorie zurückgreifen zu sollen glaubten. So be- richtet der grosse jüdische Polyhistor Moses ben Maimon oder Maimonides, der selbst eine doppelte Buchführung liebte und als philosophischer Theoretiker dem Eudoxos, als praktischer Astronom aber dem Ptolemäus huldigte [118], in seinem „Führer der Irrenden“* nach Munk’s Uebersetzung [119]: „Des le com- mencement du XIIe sitcle, les astronomes arabes d’Espagne reconnurent ce qu'il y avait d’invraisemblable dans cette hypoth&se, par laquelle Ptol&m&e cherche & expliquer certaines anomalies dans le mouvement de diverses planetes. Ibn- Badja s’&leva le premier contre l’hypothese des Epieycles, et Ibn-Tofeil rejeta & la fois les excentriques et les &pieycles... Un peu plus tard Abou-Is’hak al Bitrödji, ou Alpetragius, essaya de substituer d’autres hypotheses & celle de Ptol&m&e.“ Auch der Reformversuch des Italieners Fracastor [120] lenkte wesentlich in die alte Bahn der Homocentriker ein, 236 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn, d. Erdkörpers. Quadranten, dagegen sind die vier Kreisbögen A,B,, B,C,, C,D,, D,A, ersichtlich ungleich, und zwar gelten die Proportionen: arc A,B, : are BC; : : are CD, : arc D,A, = 94! : 92! : 88; 90; Hipparch hatte ui ermittelt, dass u: den F rühling Alle, auf den Sommer 921, auf den Herbst 88 und auf den Winter 90 Tage treffen. Einen trefflichen Auszug aus den Betrachtungen, durch welche Hipparch und Ptolemäus (im III. Buche seines „Almagest“) zu der beschriebenen Konstruktion geführt wurden, hat ’R. Wolf [123] gegeben. War so der ersten Ungleichheit Genüge gethan, so war damit doch noch keineswegs die Basis für die Erklärung jener auffälligen Abweichungen von der reinen Kreisbahn gewonnen, mit denen beson- ders Ptolemäus bei seinen feineren Untersuchungen über den Mond- lauf zu rechnen hatte, als er zu einer bereits bekannten Ungleichheit noch eine zweite hinzugefunden hatte. „Derselbe war daher genöthigt,* sagt der verdienstvolle Geschichtschreiber der Sternkunde [124], „die Fig. 41. Arbeit noch einmal an die Hand zu nehmen, und zog nun vor, den excentrischen Kreis zur Darstellung der neuen Ungleichheit aufzu- sparen, für die frühere, oder die sogenannte Gleichung, dagegen ein Hülfsmittel zu verwerthen, das Apollonios schon vor alten Zeiten zu solchem Zwecke vorgeschlagen, aber Hipparch entweder gar nicht, oder höchstens probeweise gebraucht hatte, weil es ihm nicht natur- gemäss erschien.“ Fig. 41, die wir einer Darstellung H. J. Klein’s [125] entlehnen, versinnlicht das Wesen der epicyklischen Bewegung zugleich mit der natürlicheren Erklärung, durch welche Coppernicus jene theilweise — durchaus nicht gänzlich — ersetzte. Fig. 41a entspricht dem coppernicanischen, 41b dem ptolemäischen System, E ist die Erde, S die Sonne. Stände die Erde fest, so wäre abede der sogenannte De- ferenzkreis, auf dessen Peripherie das Centrum des Epicykels oder Beikreises mit gleichförmiger Geschwindigkeit fortrückt, während der Planet wiederum gleichförmig den Umfang des Beikreises durchläuft. Das Centrum befinde sich in a, der Planet in o, Eo ist die Gesichts- linie. Nach der Zeit t ist das Centrum bis b eekommen, der Planet hat, IV, $S. 5. Aeltere Weltsysteme. 237 wenn b0’ || EO0 ist den Bogen 01 beschrieben, so dass nunmehr E1 die Gesichtslinie geworden ist. Ebenso sei ferner be—=cd—=de=ab Be || d0““ ||.e0? |, E0,0%2= 2.071,03 =3:.,041,0 24.07; unter diesen Umständen sind E2, E3, E4 die jedesmal von der Erde nach dem Wandelsterne gezogenen Gesichtslinien. Fig. 41a dagegen weist als den inneren der beiden koncentrischen Kreise die Erdbahn, als den äusseren die Bahn eines oberen Planeten, etwa des Mars, auf. Während die Erde nach und nach die Punkte 0‘, 1‘, 2°, 3°, 4° erreicht, steht der Planet resp. in 0, 1, 2, 3, 4, die Strecken 0‘0, 1‘1, 22, 3‘3, 44 stellen mithin nach Lage und Grösse die Gesichtslinien vor. Durch geeignete geometrische Verzeichnung kann man es aber, wie auch in der Figur der Fall, dahin bringen, dass E0 # 00, E1+# 1/1, E2 + 22, E3 #33, EA # 44 wird, und damit ist der Beweis geliefert, dass unter dem ausschliesslich formal-mathematischen Gesichtspunkte beide Auffassungen gleich gut zum Ziele führen. Ja, Möbius hat später gezeigt [126], dass wir auch heute noch mit der epicyklischen Bewegung mehr zu thun haben, als wir meinen, indem jede Entwickelung in trigonometrische Reihen, welche nach Sinus und Cosinus der Vielfachen eines Winkels fort- schreiten, ihre geometrische Interpretation eben in dieser Art der Be- wegung findet. Ptolemäus setzte, wie schon bemerkt, in die Mitte des Uni- versums die Erde und liess um dieselbe die zu seiner Zeit bekannten Wandelkörper in folgender Ordnung kreisen: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn. Excentrische Kreise und Epieykel slichen alle Unregelmässigkeiten der Bahnen aus; wo Ein Beikreis "nicht hinreichend erschien, verlegte man den Planeten in einen zweiten, für welchen der erste Epieykel nun selbst wieder zum Deferenten wurde. Das mechanische Paradoxon, dass ein fester Körper sich um die absolute Leere herum bewegen sollte, fiel in der Zeit vor Galilei wenig auf, der geometrische Schönheitssinn der Alten aber war be- friedist. Nur die mehr philosophisch angelegten Geister vermochten an den sich stetig häufenden Epieykeln keine Freude zu empfinden, und König Alfons von Kastilien that deswegen den von seinen poli- tischen Feinden später so sehr gegen ihn ausgenützten Ausspruch [127], er würde, wenn er von dem Weltschöpfer um seine Meinung befragt worden wäre, den Ausbau des Kosmos in einfacherer Weise voll- zogen haben. c) Das ägyptische System. Merkur und Venus entfernen sich be- kanntlich immer nur wenig von der Sonne und treten niemals zu dieser in Opposition. Diess war den Alten bereits aufgefallen, und einer von Schiaparelli aufgestellten, sehr plausiblen Hypothese zufolge war es bereits Herakleides Pontikos, der den beiden genannten Planeten eine Sonderstellung anwies und sie zu speziellen Trabanten der Sonne machte, so dass sie also zunächst um diese und erst mit ihr auch um die Erde kreisen sollten [128]. Eine missverstandene Stelle des Ma- crobius brachte es zuwege [129], dass man diese Anordnung der Planetenbahnen mit dem Namen des ägyptischen Weltsystemes belegte. Am meisten Anklang scheint dasselbe bei den Römern, bei Terentius Varro, Vitruvius, Mareianus Capella u. s. w. gefunden zu haben; der letztgenaunte Kompilator drückt sich darüber aus, wie folgt [130]: 9938 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. „Nam Venus Mercuriusque licet ortus occasusque cotidianos ostendant, tamen eorum circuli terras omnino non ambiunt, sed circa Solem laxiore ambitu eirculantur denique circulorum suorum centron in Sole consti- tuunt.*“ Narducci hat mit gewohntem Fleisse die Aussprüche der Historiker über diese Stelle gesammelt [131], von welcher soviel fest- steht, dass sie sowohl auf Coppernicus selbst anregend, als auf Tycho Brahe sogar bis zu einem gewissen Grade bestimmend ein- gewirkt habe. | d) Das tychonische System. Dieses System ist, wie aus dem un- mittelbar Vorhergehenden erhellt, in Wahrheit nur eine Verallgemeine- rung und Weiterbildung des sogenannten ägyptischen. Drei Gründe mögen auch den dänischen Astronomen, der als Beobachter ungleich srösser dasteht, wie als selbstständiger Denker, dahin vermocht haben, der Weltordnung des sonst von ihm so hoch verehrten Coppernicus seine Zustimmung zu versagen: einmal das vielleicht etwas zu sehr | emporgeschraubte Gefühl eigener Werthschätzung, sodann das Be- streben, mit den kirchlichen Dogmen in keinen Konflikt zu gerathen, und dann auch wohl das an sich richtige Empfinden, dass in dem ägyptischen Systeme ein ganz richtiger Kern enthalten sei. Indem sonach Tycho um die unbeweglich stehende Erde zuerst den Mond und dann die Sonne, um diese letztere aber sämmtliche Planeten in der Reihenfolge Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn sich umwälzen liess [132], handelte er zwar als Sohn seiner noch immer in Vor- urtheilen befangenen Zeit, aber keineswegs so thöricht, wie man schon öfter in populären Schilderungen ‘hat glauben machen wollen. „Mo- mentane Berechtigung als Uebergangssystem,* das sind die Worte R. Wolf’s [133], „hatte damals das tychonische System allerdings, während dasjenige, welches fast ein Jahrhundert später Riccioli auf- stellte, und bei welchem auch noch Jupiter und Saturn Trabanten der Erde bleiben sollten, besser ganz unaufgestellt geblieben wäre, da ihm damals, nachdem Kepler bereits vor Jahrzehnten das copper- nicanische System purificirt hatte, jede Bedeutung und Berechtigung abgieng“. Man vergleiche auch die von Gerechtigkeitsgefühl getragene Apologie von Schinz [134]. Allerdings hat Raimarus Ursus aus Dithmarsen in einer die gröbsten Verdächtigungen gegen Brahe schleu- dernden Zuschrift, welche er dem Landgrafen Moritz von Hessen widmete [135], die Behauptung aufgestellt, das tychonische Weltsystem rühre eigentlich von ihm her, und jener habe ihm dasselbe mit Unter- stützung des landgräflichen Hofmathematikers Rothmann gestohlen, indessen vermochte er diesen Vorwurf keineswegs sicher zu begründen, und es scheint ihm als zweifelloses Verdienst blos Das zu verbleiben [136], dass er — wie Longomontan und Origanus mit dem coppernicani- schen (s. o. $. 1) — so mit dem tychonischen Systeme den Begriff einer sich um ihre Axe drehenden Erde verband. « & en er — ee A LET dm n $. 6. Die heliocentrische Reform und deren Begründung. Die Quintessenz des coppernicanischen Systemes kann man nicht schärfer und zugleich umfassender ausziehen, als es durch dessen Begründer selbst in dem uns bereits bekannten „Commentariolus“ geschehen ist. Sechs „Axiome“ werden daselbst aufgestellt, die wir nach Prowe’s Verdeutschung [137] hier reproduciren: „I. Für alle Himmelskörper IV, $. 6. Die heliocentrische Reform und deren Begründung. 239 und deren Bahnen giebt es nur Einen Mittelpunkt. II. Der Mittel- punkt der Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt, sondern nur der Mittelpunkt der Mondbahn und der Schwerpunkt aller Dinge auf der Erde. III. Alle Planeten umkreisen die Sonne, die im Mittelpunkte aller Bahnen steht; es ist deshalb um die Sonne der Mittelpunkt des Weltalls zu setzen*). IV. Das Verhältniss der Entfernung der Sonne und der Erde zur Weite des Firmamentes ist geringer, als das Ver- hältniss des Halbmessers der Erde zur Entfernung der Sonne, und zwar in solchem Grade, dass das Verhältniss zur Höhe des Firma- mentes gar nicht anzugeben ist. V. Was wir von Bewegungen am Himmel sehen, rührt nicht von einer Bewegung des Himmels her, sondern ist eine Folge der Bewegungen der Erde. Die Erde nämlich mit ihrer nächsten Umgebung**) dreht sich einmal täglich um sich selbst ganz herum, indem ihre beiden Pole dabei unverändert ihre Richtung beibehalten, das Firmament aber und die letzten Himmels- räume ganz unbewegt bleiben. VI. Was wir von Bewegungen bei der Sonne sehen, das ist nicht eine Folge ihrer Bewegung, sondern rührt her von der Bewegung der Erde und ihrer Sphäre***). Mit ihnen umkreisen wir die Sonne, gleichwie jeder andere Planet. Die Erde hat sonach eine mehrfache Bewegung. Was uns an den Planeten als ein Zurückweichen und Vorschreiten erscheint, das ist nicht Folge ihrer Bewegung, sondern rührt von der Bewegung der Erde her. Die Bewegung der Erde allein genügt sonach, um die Mamnigfaltigkeit und Verschiedenheit der Erscheinungen am Himmel zu erklären.“ Direkte und schlagende Beweise für die Richtigkeit dieser Thesen waren nach damaliger Sachlage, wie wir vorher (in $. 1) schon bei der Rotationsfrage sahen, noch nicht zu erbringen, das sah Ooppernicus selbst ganz wohl ein. Er konnte sich darauf berufen, dass sein System (s. 0. 8. 5b) die Planetenbahnen und deren Abweichungen ganz ebenso gut erkläre, wie das ptolemäische, dass ein Gleiches auch für die Jahreszeiten gelte, und dass dabei seine Erklärung für den mit den Grössenverhältnissen des Weltalls Vertrauten etwas ungleich Natur- gemässeres und Ungezwungeneres besitze, wie irgendwelche andere. *) Im Originale: „ideoque circa Solem esse centrum mundi“. **) Aehnlich, nur etwas unmathematischer und gerade deshalb in diesem Falle überzeugender drückte dieses Faktum Aristarch aus, der einzige Grieche, der als wahrer und ächter Vorläufer des Coppernicus in jedem Sinne gelten kann. Seine bezügliche Schrift ist allerdings nicht auf uns gekommen; was diesen Namen trägt, ist ein zur Irreführung der Gelehrten zurechtgemachtes Falsifikat Roberval’s [138], aber Archimedes berichtet im Eingange zu seiner „Sand- rechnung“ darüber mit hinlänglicher Genauigkeit (wir eitiren nach Heiberg’s lateinischer Version [139]): „Aristarchus Samiuslibros quosdam edidit, qui hy- potheses inscribuntur, in quibus ex iis, quae supponuntur, adparet, mundum multi- plicem esse, gquam supra diximus. Supponit enim, stellas fixas solemque immobilia. manere, terram vero circum solem in medio cursu positum secundum eirculi am- bitum ceircumvolvi, sphaeram autem stellarum fixarum circum idem centrum po- sitam, ceircum quod sol positus sit, tantam esse, ut circulus, secundum quem terram eircumvolvi supponit, eam rationem habeat ad distantiam stellarum fixa- rum, quam habeat centrum terrae ad superficiem.“ “**) Man beachte, dass sich Coppernic sehr wohl darüber klar war, wie auch die Atmosphäre der Erde an deren Umdrehung theilnehmen müsse. Den Gegnern entgieng dieser wichtige Zusatz, und so liessen sie sich zu den unge- reimtesten Gegengründen verleiten, wie z. B. dass der Durchgang der Erdkugel durch die stille stehende Luft einen Sturmwind hervorrufen müsse, u. dgl. mehr. 240 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Hiebei aber musste es einstweilen sein Bewenden haben, und es ver- giengen Jahrzehnte, ja Jahrhunderte, bis astronomische Beweismittel von wirklich überzeugender Kraft an die Hand gegeben werden konnten. Rein tellurisch kann die Bewegung der Erde um die Sonne nicht nachgewiesen werden; ein Versuch, das Pendel auch nach dieser Rich- tung hin zu verwerthen, ist zwar von J. W.H. Lehmann [140] ge- macht worden, doch hat Kamerlingh Onnes (s. o. $. 4) in dessen Rechnungen fundamentale Fehler aufgedeckt. Was aber die astro- nomischen Beweise für den zweiten Hauptsatz Coppernic’s anlangt, so können deren, wenn einige minder wichtige, wo nicht zweifelhafte unterdrückt werden, im Wesentlichen drei auf Berücksichtigung An- spruch machen. a) Die Phasen der Planeten. Es scheint, dass Coppernicus bereits die Nothwendigkeit erkannt hatte, es müssten auch die Planeten, ähnlich wie der Mond, je nach ihrer Stellung zur Erde und Sonne wechselnde Lichtgestalten aufweisen. Das unbewaffnete Auge konnte hierüber keinen Entscheid treffen; kaum aber hatte Galilei das neuentdeckte Fernrohr gegen den Himmel gerichtet, so erkannte er auch sofort die Phasen der Venus. Am 11. December 1610 legte er seinen Fund in einem Anagramm nieder, am 1. Januar des nächstfolgenden Jahres gab er dazu öffentlich die Lösung: „Cynthiae figuras aemulatur mater amorum“ [141]. Die Phasen des Mars*) und Merkur nahm zuerst Fontana etwa dreissig Jahre später wahr, und gleichzeitig erwähnte ihrer auch der Schweizer Hirzgarter in seiner „Detectio dioptrica corporum planetarum verorum“ [142]. Galilei sprach sich auch gleich anfangs in seinem Briefe an Christoph Clavius dahin aus, dass nun- mehr der Thatbeweis für die Richtigkeit der coppernicanischen Kosmo- logie angetreten werden könne, doch machte seltsamerweise diese augenfällige Demonstration auf die Zeitgenossen minderen Eindruck als der in der Entdeckung der Jupiterstrabanten liegende Wahrschein- lichkeitsbeweis, durch welchen dargethan wurde [143], dass nicht noth- wendig alle Gestirne gerade um die Erde als das prästabilirte Centrum des Weltganzen sich herumbewegen müssten. b) Die Parallaxe der Fixsterne. Unter der Parallaxe eines Fix- sternes hat man den Winkel zu verstehen, unter welchem einem auf dem betreffenden Sterne (richtiger in dessen Mittelpunkt) befindlichen Auge der etwa 40000000 geographische Meilen oder 149000000 Kilo- meter betragende Durchmesser der Erdbahn erscheint. Befände sich .der Stern in unendlich grosser oder doch in einer menschlichen Messungs- methoden absolut unzugänglichen Entfernung, so wären zwei etwa zur Zeit des Winter- und Sommersolstitiums nach ersterem gezogene Ge- sichtslinien in aller Strenge parallel; so hatte sich Coppernicus (®. o. seine These IV) die Sache gedacht und damit klugerweise jeden Ein- wand vernichtet, der sonst aus dem Fehlen von Fixsternparallaxen nothwendig gegen sein System hergeleitet werden musste. Aber schon *) Nicht selten findet man über die Sichelgestalten der Wandelsterne un- genaue Angaben, aus denen hervorzugehen scheint, es könne diese Erscheinung nur bei den unteren Planeten statthaben. Der Theorie nach müssen sämmtliche Planeten Phasen erkennen lassen, allein bei den entfernteren wird der beschattete Theil sehr schmal und deshalb nicht mehr gut wahrnehmbar. IV, $. 6. Die heliocentrische Reform und deren Begründung. 241 Galilei — wir folgen in der nachstehenden kurzen Geschichte des Kampfes um die Parallaxe den Angaben R. Wolf’s [144] und J. v. Littrow’s [145] — begnügte sich bei diesem negativen Stand- punkte nicht mehr, und nunmehr begann ein emsiges Ringen geschickter Observatoren, den ungemein kleinen Winkel, um welchen es sich allein handeln konnte, durch möglichste Verschärfung der Beobachtungs- werkzeuge wirklicher Messung zu unterstellen. Tycho Brahe, Ric- eivoli, Hooke, Flamsteed und Römer betheiligten sich erfolglos an diesem Wettkampfe, ganz sicher glaubte der Irländer Brinkley eine Reihe von Parallaxen gefunden zu haben, allein Pond’s mauer- fest auf ihr Ziel gerichtete Riesenfernrohre lieferten dem widersprechende Resultate, und auch Bradley’s durch Jahre musterhaft fortgeführte Beobachtungsreihe förderte zwar in anderer Weise die Wissenschaft {s. u. c.), lieferte aber nicht Das, was sie eigentlich zu liefern be- stimmt war. Auch Callandrelli’s Hoffnung, für Wega in der Leyer eine sichere Parallaxe von 44“ eruirt zu haben, erwies sich Bessel’s einlässlicher Prüfung gegenüber als illusorisch. Endlich bahnte Wil- liam Herschel’s Idee, nicht sowohl die Parallaxe eines Sternes direkt, sondern die Parallaxendifferenz zweier optischer Doppelsterne zu be- stimmen, einen wirklichen Fortschritt an, und es gelang Bessel [146], die Jahresparallaxe von 61 Cygni = 0,348 wirklich zu ermitteln. Seitdem haben W. und OÖ. v. Struve, Henderson, Maclear, Krüger, Peters, Auwers u. a. Fixsternparallaxen in grösserer Menge gemessen, wie folgende kleine Zusammenstellung darthun mag: a. Bootis 0'',13; N. 1830 des Sternenverzeichnissesvon Groombridge 0,14; Wega 0‘',15, 0. Ursae minoris (Polarstern) 0,18; Sirius 0'',23; & Centauri 0',92. Der letzte Fixstern steht unserem Sonnensystem am nächsten. Ob nun auch die neueren Methoden, die Gylden [147] und Ch. Dufour [148] — dieser mittelst des Spektroskopes — zum Behufe der Parallaxen- schätzung angegeben haben, das vorhandene Material wesentlich ver- mehren werden, muss dahin gestellt bleiben: der strikte mathematische Beweis dafür, dass die Erde alljährlich einen Kreis um die Sonne beschreibt, ist bereits durch die bislang ermittelten Thatsachen als geleistet anzusehen. c) Die Aberration des Lichtes. Es war soeben von Bradley’s Bemühungen um die Parallaxenbestimmung die Rede. Seit 1725 beobachtete dieser treffliche Mann, der im Verein mit Brahe und Bessel das Dreigestirn repräsentirt, durch welches die praktische Astronomie auf ihren heutigen Standpunkt erhoben wurde, im Verein mit Molyneux den Stern y Drakonis an einem Zenithsektor, einem Instrumente, welches nur in einem ganz kleinen Spielraum zu beiden Seiten des Scheitelpunktes, dort aber mit äusserster Genauigkeit Winkel zu messen gestattete*). Nachdem die Beobachtungen einige Jahre hin- durch fortgesetzt worden waren, stand allerdings soviel ausser Zweifel, dass der genannte Fixstern alljährlich eine kleine Ellipse an der Himmels- kugel beschrieb, und dieser Umstand schien auf den ersten Blick zu Gunsten einer vorhandenen Parallaxe zu sprechen, wie Fig. 42 des *) Unsere Darstellung lehnt sich hier der Hauptsache nach an diejenige J. v. Littrow’s [149] an, welche den Vorzug besonderer Uebersichtlichkeit, na- mentlich hinsichtlich der Figuren, besitzt. Günther, Geophysik. I. Band. 16 2429 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Näheren nachweist.- In dieser stellt EBKA den Durchschnitt der bis zur scheinbaren Himmelskugel ausgedehnten Ekliptik mit ersterer, L den Nordpol der Ekliptik, © den Ort der Sonne vor. eye; ist die grosse, &,e, die kleine Axe der Ellipse, welche die Erde innerhalb der Ebene EBKA jährlich beschreibt *); die augenblicklichen Bewegungs- richtungen sind durch Pfeile angedeutet. Die Ellipse e,e,e,;e, bestimmt mit einem Sterne S, der ihr nahe genug ist, um überhaupt eine Paral- laxe hervortreten zu lassen, den Mantel eines schiefen Kegels, dessen Ergänzungskegel die Himmelskugel in einer sphärischen Ellipse durch- schneiden wird, so zwar, dass den Kardinalpunkten e,, &, &, e, auch wiederum die Kardinalpunkte sı, %, $;, s, entsprechen, während auch die Mittelpunkte ce und s mit der Spitze S beider Kegel in ein und derselben Geraden liegen. So also hätte die parallaktische Ellipse sich darstellen müssen, allein in Wirklichkeit machte Bradley eine ganz Fig. 43. andere Wahrnehmung, diejenige nämlich, welche Fig. 43 veranschau- licht. Von e, aus sah man den Stern in sı, von e, aus in %, VON ® aus in s, und von e, aus in s,; die vier Punkte s,, %, &, 5, lagen allerdings auch wieder auf dem Umfang einer sphärischen Ellipse vom Mittelpunkt s, aber diessmal fiel deren kleine Axe »s, in die nämliche Ebene mit der grossen Axe e,e, der Erdbahnellipse: die Ellipse von vorhin war gewissermassen um 90° gedreht worden. Bradley ent- deckte als Ursache dieser unerwarteten Abweichung die sogenannte Aberration des Lichtes. Seit Römer gefunden hatte**), dass die Fortpflanzung des Lichtes nicht instantan erfolge, sondern eine gewisse *) Wir hoffen wegen der kleinen Inkonsequenz leicht Indemnität zu er- halten, die allerdings darin liegt, dass schon hier die Erdbahn als Ellipse behan- delt wird, während erst in $.8 diese ihre Eigenschaft näher erörtert werden kann. Rücksichten auf den Zusammenhang liessen vor diesem Fehler nicht zurück- schrecken, der wohl um so weniger in’s Gewicht fällt, als sich ja das vorliegende Buch nicht an gänzlich unvorgebildete Leser wendet. **) Eine sehr interessante Studie über die Umstände, welche Römer's Ge- dankengang leiteten, als er aus seinen Beobachtungen des Jupitersystemes auf eine endliche Lichtgeschwindigkeit schloss, verdankt man Wernicke [150]. Es wird darin namentlich auch gezeigt, wie der Einfluss des mächtigen und von seiner ersten Geneigtheit für Römer’s Entdeckung (einmal sagte er selbst, „que la lumiere emploie quelque temps & venir du satellite jusqu’& nous“) rasch zu- rückgekommenen Dominic Cassini hinreichte, die maassgebenden Kreise der grossen Neuerung zu verschliessen und diese selbst so vollkommen in den Hinter- grund zu drängen, dass erst durch Bradley wieder Römer’s Namen zu der verdienten Ehre verholfen werden musste. IV, $&. 7. Der Axen-Parallelismus. £ 943 Zeit benöthige — nach W. v. Struve braucht ein von der Sonne ausgehender Lichtimpuls 497,78 Sekunden, bis er auf der Erde bemerkbar wird —, hatte man auch diesen Faktor in die Berechnungen aufzunehmen gelernt. Bradley sagte sich, dass ein Stern nicht genau an dem Orte des Himmels gesehen wird, an welchem er sich that- sächlich befindet, sondern dass diese wahre Gesichtslinie um einen Aberrationswinkel aus ihrer Richtung abgelenkt werden muss, der . e ACH gleich arc tang zu setzen ist, wenn e die tangentiale Geschwindig- keit der Erde in ihrer Bahn, | die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Sternenlichtes bedeutet. W.v. Struve bestimmt diese Aberrations- konstante [151] zu 20°, 4451. Nunmehr sind die Besonderheiten der Fig. 43 leicht zu erklären. Der Licht aussendende Punkt wird immer im Sinne der Erdbewegung um den kleinen Aberrationswinkel nach vorwärts geschoben und muss so im Laufe eines Jahres eine kleine ellipsenförmige Kurve zurücklegen, deren Mittelpunkt s der wahre helio- centrische Ort des Sternes ist; die grösste Länge fällt in die Oppo- sition, die kleinste in die Konjunktion. Es leuchtet ein, dass diese an bestimmte Periodicitätsgrenzen gebundene Ortsveränderung der Fix- sterne mit nicht minderem Rechte, wie die parallaktische Verschiebung, einen direkten und unumstösslichen Beweis für den zweiten Hauptsatz des coppernicanischen Weltsystemes involvirt, denn wenn die Erde feststünde oder sich blos um ihre Axe drehte, könnte die Abirrung der Lichtstrahlen nicht für uns sinnenfällig werden. $. 7. Der Axen-Parallelismus. Ausser dem Umschwung um die Axe und der Umwälzung um den Centralkörper hatte Coppernicus der Erde noch eine dritte Bewegung zuschreiben zu müssen vermeint. Aus der regelmässigen Wiederkehr der Jahreszeiten, ebenso wie aus anderen Gründen, war zu schliessen, dass die Erdaxe sich im Raume stets parallel bleibe und im Laufe eines Jahres einen schiefen Cylinder- mantel, mit der Erdbahn als Leitlinie, beschreibe — eine gewisse dem Coppernicus wohlbekannte Durchbrechung dieses Gesetzes, von welcher später die Sprache sein wird, ist hier einstweilen ausser Acht gelassen. Dass diess sich von selbst so mache, erschien ihm unglaublich, was nach dem damaligen Zustande der Mechanik gewiss sehr verzeihlich ist, und so ersann er jenen dritten, von ihm als Deklination bezeich- neten Bewegungsmodus, durch welchen die Axe in ihrer unveränderten Neigung gegen die Ekliptik erhalten werden sollte. „Es folgt also,“ so lautet seine Erklärung [152], „die dritte Bewegung der Deklination, ebenfalls im jährlichen Kreislaufe, aber rückläufig, d. h. entgegen- gesetzt der Bewegung des Mittelpunktes. Und so kommt es durch beide, einander fast gleiche und entgegengesetzte Bewegungen, dass die Axe der Erde, und also auch der Aequator, als der grösste Parallel- kreis, fast nach derselben Himmelsgegend gerichtet bleiben, gleich als ob sie unbeweglich wären.“ Eine interessante Monographie über diesen Irrthum des grossen Astronomen, dessen Quelle und Geschichte, besitzen wir von Menzzer [153], der in seiner Verehrung gegen Coppernicus bei diesem Anlass allerdings doch etwas zu weit geht. Jedenfalls war das unbestrittene Dasein der Deklinationsbewegung nur ein sehr kurzes. Nach Wolf 244 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. [154] hätte nämlich bereits Rothmann dieselbe als überflüssig, Galilei aber geradezu als fehlerhaft bezeichnet. Eine völlig korrekte Stellung nahm von Anfang an der umsichtige Gassendi zu dieser Frage ein, die er in seiner „Institutio astronomica* — nach Menzzer’s Ver- deutschung [155] — folgendermassen beurtheilt: „Die Bewegung der Deklination ist jenes Abwenden der Erdaxe von ihrer mit der Axe der Ekliptik parallelen Lage, und das in allen Stellungen stattfindende Erhalten einer mit sich selbst parallelen Richtung, wodurch sie mit der Axe der Welt immer parallel bleibt: also könnte diese Bewegung nicht sowohl eine wirkliche neue Bewegung, als vielmehr ein Gesetz der beiden anderen Beobachtungen genannt werden. Sie kann näm- lich in derselben Weise aufgefasst werden, in welcher die Axe eines _ Kinderkreisels, während er sich auf einer Ebene dreht und mit seiner Spitze verschiedene Kreise beschreibt, sich selbst parallel bleibt oder in senkrechter Lage verharrt.“ Gassendi hatte völlig Recht mit seiner Meinung, dass bei einer Vereinigung von Rotation und Revolution für einen homogenen sphä- rischen Körper der stete Parallelismus der Axe sich von selbst ein- stellen müsse, und auch das von ihm zum Vergleiche herangezogene Beispiel des tanzenden Kreisels war ein sehr glücklich gewähltes. Die theoretische Mechanik lehrt, dass jede freie Rotationsaxe (vgl. $. 2) diese Eigenschaft hat, und es fehlt, vom Kreisel*) abgesehen, nicht an Vorrichtungen, durch welche der Parallelismus in der augenfälligsten Weise dergethan wird. Th. Gilbert sammelte Alles, was auf diesem Gebiete geleistet worden, in einem von uns vielfach benützten Auf- satze |156], und wenn er dabei auch nicht-deutsche Leistungen etwas mehr, als uns recht dünkt, in den Vor- Fig. 44. dergrund stellt, so ist uns doch gerade | diese Sammlung schwerer zugänglicher Materialien werthvoll gewesen. An erster Stelle erscheint das von seinem Erfinder in einer eigenen Schrift [157] beschrie- bene Bohnenberger’sche Maschinchen (Fig. 44). Ein Kreisring A ist fest auf einem Postamente befestigt; in zwei sich diametral entgegenstehenden Punkten ist ein zweiter, um eine vertikale Axe dreh- BN barer Kreisring B an ersterem angebracht, Tome 4 und er selbst trägt wieder in ähnlicher —i 2] 4 Weise den um eine horizontale Axe frei ee drehbaren Kreisring C, innerhalb dessen eine Kugel in rasche Drehung versetzt werden kann, sei es, dass man um ihre *) Englische Mechaniker haben es in der Verfertigung von Kreiseln zu so hoher Vollendung gebracht, dass die freie Axe derselben mehrere Minuten lang eine genau vertikale und also die auf der Axe senkrechte Oberfläche ebensolang eine genau horizontale Lage annahm. Gab man dieser Oberfläche einen Spiegel- schliff. so konnte man sich derselben mit demselben Rechte und auch mit der- selben Beruhigung als eines künstlichen Horizontes beim Nehmen von Polhöhen und bei anderen astronomischen Geschäften bedienen, wie man sonst zu diesem Zwecke den Spiegel einer ruhenden Quecksilbermasse zu verwenden pflegt. IV, $. 8. Die Kepler’schen Gesetze. 245 Axe eine Schnur wickelt und diese rasch abzieht, sei es, dass man das ganze Maschinchen auf die Scheibe eines Centrifugalapparates stellt. So- lange die Kugel sich noch in Ruhe befindet, besitzt sie die der cardani- schen Aufhängung entsprechende Bewegungsfreiheit und lässt sich durch den leisesten Fingerdruck in jede beliebige Lage bringen; ist sie aber einmal in ihrer Rotationsbewegung begriffen, so behält ihre freie Dreh- axe die zuerst ertheilte Richtung mit solcher Energie bei, dass die Hand, ehe sie eine Aenderung zu bewirken vermag, einen sehr fühl- baren Widerstand zu überwinden hat. Dabei ist es gleichgültig, ob die Maschine ruhig stehen bleibt oder beliebig im Zimmer umher- getragen wird. Es giebt noch andere Apparate zur Demonstration der Erhaltung der Rotationsebene, doch versparen wir deren nähere Erörterung für einen späteren Zeitpunkt. Alle jene haben nämlich den weiteren Zweck, auch eine gewisse Abweichung der Axenbewegung von der uns be- kannten Regel zur Anschauung zu bringen, und von dieser werden wir besser erst dann sprechen, wenn die allgemeinen gestaltlichen Verhältnisse der Erdbahn völlig klar gestellt sind. $S. 8. Die Kepler’schen Gesetze. Man irrt, wenn man annimmt, Coppernicus habe mit den ptolemäischen Epicyklen endgültig auf- geräumt. Diess war nicht möglich, solange man aus mathematisch- philosophischen Gründen an der reinen Kreisform der Planetenbahnen festhielt; Coppernic vermochte zwar die Anzahl der Hülfskreise erheblich zu vermindern, vollständig aber beseitigte dieselben erst Kepler. Allerdings war die Möglichkeit, dass auch andere als Kreis- bahnen im Weltraume vorkommen könnten, schon vorher schüchtern angedeutet worden; im „Libros del saber* des Königs Alfons wird z. B. die Merkurbahn elliptisch abgebildet [158], Fracastor dachte sich die sogenannte 'Trepidationsbewegung der Aequinoktialpunkte als auf einer Ellipse vor sich gehend [159], und dass auch Coppernicus selbst seine aprioristische Auffassung nicht für die allein maassgebende hielt, beweisen einige von Ourtze aufgefundenen Worte, die er an den Rand des Originalmanuskriptes schrieb [160]: „Estque hie obiter animadvertendum, quod, si eirculi hg et cf fuerint inaequales manentibus caeteris condicionibus, non rectam lineam, sed conicam sive cylindricam sectionem describent, quam ellypsim vocant mathematici; sed de his alias.“ Von All’ dem war jedoch dem Kepler ohne allen Zweifel nichts bekannt, er selbst und sein Genie war die einzige Quelle, wor- aus er schöpfen konnte. Die beiden ersten Gesetze des Planetenlaufes, welche seinen Namen tragen, verkündet Kepler in seinem Hauptwerke „Astronomia nova“ (Heidelberg 1609), während das dritte erst in der späteren „Harmonice mundi“ zum Ausdrucke gelangte. Der ganze Entwicklungs- gang, der bis zur Erkenntniss dieser fundamentalen Wahrheiten durch- zumachen war, findet sich trefflich geschildert in einer Monographie von Göbel [161], auf welche wir uns im Folgenden beziehen werden. Nicht durch theoretische Deduktion im Sinne Newton’s, noch weniger allerdings durch Beobachtungen im Sinne Brahe’s*), sondern durch *) Leider ist die Fabel, Kepler sei ein vorzüglicher Beobachter gewesen, 246 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. eine ihm allein eigene Verbindung kühner, ja oft phantastischer Spe- kulation mit einem Rechentalent, welches die sofortige numerische Prüfung einer jeden einmal aufgestellten Hypothese gestattete, hat Kepler ein Ziel erreicht, über dessen eigentliches Wesen er bei Be- sinn seiner Arbeit noch durchaus nicht mit sich im Reinen war. Nach- dem sich die von ihm in etwa 70 Einzelumdrehungen erprobte „Hypo- thesis varia*, welche zwar die erste, nicht aber die zweite Ungleichheit (s. 0. $. 5) richtig darstellte, als unbrauchbar erwiesen hatte [163], fand er allerdings sein erstes Gesetz, welches für jede Art von Oentral- bewegung gültig ist [164], allein noch konnte er sich nicht dazu entschliessen, die von dem Zeitbewusstsein ängstlich festgehaltene Vor- stellung der reinen Kreisbahn fallen zu lassen, und nur mit Ueber- windung gestand er sich und seinen Lesern endlich zu, dass die vom Planeten Mars beschriebene Kurve eine ovale Gestalt besitze [165]. Zuerst dachte er an eine „Ooide“* oder Eilinie, eine geschlossene Kurve also, die aber nicht zwei Symmetrieaxen, sondern blos deren eine hat [166], dieser substituirte er sodann eine „lines buccosa“ oder Wangenlinie |167], und erst als auch diese Annahme der Rechnung nicht Stand zu halten vermochte, überzeugte er sich, dass nur eine wirkliche Ellipse den tychonischen Oertern entspreche [168]. Die Ent- deckung des dritten Gesetzes endlich glückte erst nach mühsamster Untersuchung aller planetarischen Zahlen mit Rücksicht auf musikalisch- harmonische und geometrisch-symmetrische Verhältnisse [169]. Die drei Gesetze sind nun, chronologisch geordnet, die folgenden: I. Bei jeder Bewegung eines Punktes um einen Üentralpunkt überstreicht der von letzterem ausgehende Fahrstrahl in gleichen Zeiten auch gleiche Flächenräume*). II. Die Bahn jedes Planeten ist eine Ellipse, in deren einem Brennpunkte die Sonne steht. III. Für zwei beliebige Planeten verhalten sich die Quadrate der Umlaufszeiten wie die Kuben der mittleren Entfernungen von der Sonne. Nachdem diese Wahrheiten einmal erkannt waren, hielt es minder schwer, dieselben nachträglich auch mit neuen und einfacheren der allgemeinen Bewegungslehre entnommenen Beweisen zu versehen. Beweis zu L._ S (Fig. 45) sei der Centralkörper, A der Planet, der seinem momentanen Bewegungsimpuls folgend in dem gerade be- sinnenden Zeittheil den Weg AB zurücklegen würde, während er, wenn blos die Centralkraft auf ihn wirkte, in gleicher Zeit sich durch die Strecke AC bewegte. Thatsächlich durchläuft er die Diagonale AD des Paralleloegrammes ABDC und würde in alleiniger Konsequenz des Beharrungsvermögens im nächsten Zeittheil die Strecke DH = AD aus den Lehrbüchern nicht auszurotten, erst in jüngster Zeit reproducirt Himmer dieselbe [162]. In früher Jugend freilich stellte jener mit Lust und Liebe Beobach- tungen an, doch hat er in diesen nie Hervorragendes geleistet, und der Zustand seiner Augen zwang ihn bald, seine Arbeitskraft auf das für ihn passendere Ge- biet theoretischer Forschung zu koncentriren. *) Aus dem ersten Gesetze folgt ohne weiteres als Korollar, dass die Geschwindigkeit eines Planeten variirt, sobald dessen Bahn von einem Kreise ab- weicht, und dass insbesondere für den Fall einer Kegelschnittsbewegung die Bahn- geschwindigkeit in unmittelbarer Nähe des von der Sonne eingenommenen Brenn- punktes (also im Perihelium) ein Maximum ist und mit wachsender Sonnendistanz abnimmt. Auf der Ellipse erreicht der Planet das Minimum in der Nähe des zweiten Brennpunktes der Bahn (im Aphelium). IV, $. 8. Die Kepler’schen Gesetze. 347 beschreiben. Die Centripetalkraft dagegen treibt ihn um die Strecke DF, die im Allgemeinen von AU an Grösse verschieden sein wird. Am Ende des zweiten Zeittheiles ist somit der bewegte Punkt in E, dem Endpunkte der Diagonale DE des Paralleloegrammes DFEH, und Fig. 45. scheint sich nach &@ weiterbewegen A zu wollen. Nun kommt der Satz, dass zwei Dreiecke von gleicher Grundlinie und Höhe flächengleich sind, zweimal zur Geltung; es ist danach ASAD —= ASDH und ASDH = ASDE, also durch Komparatin ASAD —= ASDE. Nimmt man die beiden Zeittheile unendlich klein, so verwandelt sich die gebrochene Linie ADE in eine gekrümmte, und der Satz ist bewiesen. Beweis zu II. Das zweite Gesetz lautet in der ihm von Newton ertheilten Verallgemeinerung. so: wird ein Körper durch einen ein- maligen Stoss: in Bewegung gesetzt*) und zugleich von einem anderen Körper im umgekehrten Verhältnisse des Quadrates der Entfernung angezogen, so beschreibt er eine Kurve zweiter Ordnung, in deren einem Brennpunkte jener zweite Körper steht. Beim Beweise dieses Lehrsatzes ist die höhere Analysis nicht wohl zu entbehren. Der sich bewegende Punkt erfahre in der Entfernung r vom Üentralkörper nach diesem hin die Beschleunigung Yy, in der Entfernung r’ die Be- ne 1 schleunigung 7‘; dann gilt die Proportion y:y’ = 77:77, woraus, . DER k ; unter k die Konstante y’r‘” |verstanden, y = = folgt. Es ist also, wenn C die Integrationskonstante bedeutet, Aa yo io es (1). r Die Differentialgleichungen aber sind folgende: dx =. dy y ge, multiplieirt man erstere mit dx, letztere mit dy und addirt beide hierauf, so findet sich dx.d’x—+dy.d \ Burn 1 (dx #ydy) ee (2). *) Die Annahme dieses primären Stosses bildet den einzigen nicht aufge- klärten Punkt des wohlgefügten Newton’schen Systemes, und in der That scheint diese Annahme nicht durch Besseres verdrängt werden zu können. Denn auch die Kant-Laplace’sche Nebulartheorie leistet, wie wir uns aus Kap. I. der ersten Abtheilung entsinnen, nicht die gewünschte Aushülfe; der Fragepunkt wird durch dieselbe nicht aus der Welt geschafft, sondern nur verschoben, indem jetzt nach der Ursache zu forschen ist, welche in der gleichmässig vertheilten Urmasse die erste Bewegung einzelner Massentheile einleitete. Und eine solche Ursache ist (s. 0.) zur Zeit noch nicht bekannt. 348 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Der Zähler der U Seite der Gleichung (2) ist das vollständige Differential von — ar —+ dy”), rechts in der Klammer steht on das Differential von > «+ y’) = = r”, also erhält man, dadr’—=2rdr ist, sogleich a Differentialgleichung sammt ihrem Integrale: dx’—d en .„ dxz’—+d 3 | (Se a 7 ar). Sr — (rar... (8); hier bedeutet C’ eine neue Konstante. Gehen wir jetzt von den ortho- gonalen Koordinaten zu polaren (r, 9) über, so haben wir die be- kannten Umformungen zu machen: x=rcosp, y=rsinp, dx — cos pdr — rsin pdp, dy=sinpdr-+-rcosgedp. Thun wir diess, so nimmt (3) folgende Gestalt an: 2 2 2 ee = 0 — 2frdr...... (4). Das uns bereits bekannte erste Kepler’sche Theorem gestattet in der Sprache der Differentialrechnung, wenn c eine Konstante bedeutet, ersichtlich diese Fassung: r’d® —= cdt; eliminirt man aus dieser und Gleichung (4) Er Zeitelement dt, so erhält man: c’dr’ ; ei ne 2/ydr RE (5). Hierin ersetzt man den Integralwerth durch den aus Gleichung (1) zu entnehmenden und bekommt die neue Ru (Ü — 2C=0") c’dr” 2k a a Ch r ? oder, wenn DR r = p"' gesetzt und nach dp; aufgelöst wird, | ed ig a en ee (6). “u k’ k : a ee) Die Integration nach p ergiebt keine Schwierigkeiten; es folgt aus (6), wenn (— 2°) die neu einzuführende Konstante vorstellt, MRS a7 ou — © —HAECACOS —— Te, [2 kr Ver Geht man vom Arcus zum Kosinus über und setzt — 2' =, so wird k? ng. yart+& = und setzt man wiederum für p seinen obigen Werth r (Eder 2 Re m zu der den Radiusvektor dureh die Amplitude ausdrückenden Schluss- gleichung: "!, setzt man weiter der Kürze wegen @=kp,1+ —= e’, so gelangt man ee ee 1-ecosb Diess ist aber die Polargleichung eines Kegelschnittes, und zwar fällt ei » ie N Kg 4 E "A > w- n > a 23 IV, $. 8. Die Kepler’schen Gesetze. . 249 der Pol des Koordinatensystemes mit dem einen Brennpunkte zusammen; der halbe Parameter ist p, die Excentricität e und, wenn r, den vom Pol nach dem Perihel gezogenen Fahrstrahl bedeutet, 1, C” also positiv, so entsteht eine Hyperbel. Bei näherem Zusehen zeigt sich, dass die Stärke des Anfangsstosses, von welchem man sich das Mobil, resp. den Planeten betroffen denkt, über die Beschaffenheit des Kegelschnittes entscheidet. Beweis zu III. Unter der für unser Planetensystem sehr nahe zutref- fenden Voraussetzung, dass die Massen m sämmtlicher Planeten der unge- heuer überwiegenden Sonnenmasse M gegenüber als gleich zu betrachten und dass sämmtliche Bahnkurven ohne Fehler als Kreise zu betrachten seien, lässt sich das dritte Gesetz leicht elementar erweisen. q sei die sich stets gleichbleibende Attraktionskonstante, r, und r, seien die Bahnhalb- messer zweier Planeten; dann sind die Beschleunigungen, welche diese Planeten gegen die Sonne hin erfahren, durch mM mM n=k. Bew’ 1 =K. 1,2 gegeben. Dem bekannten Gesetze der Üentrifugalkraft gemäss ist aber auch | Nm mv; In — Fin 1 ee wo v, und v, die Bahngeschwindigkeiten vorstellen. Durch zweimalige Anwendung des Komparationsgrundsatzes folgt hieraus, 2 2 2 2 k mM _aN 5 mM in 2 ya ae 1, Br Ya wir M Mi? Yı V — T5 Na Es ist aber vv, = Eee unter T, und T, die vollen Um- 1 2 laufszeiten beider Planeten verstanden; diess eingesetzt giebt Ar z Ar, n- R ri I T? 7 7° 12? was zu beweisen war. Nimmt man strenger die Massen m, und m, der beiden Planeten verschieden an, so ergiebt sich die nur wenig komplicirtere Relation Em)‘ ERS] (M =r m;) 18, die aber wieder nur durch eine Infinitesimalbetrachtung hergeleitet werden kann [170]. — Zu sämmtlichen Kepler’schen Gesetzen sei bemerkt, dass die- selben sich auf den Schwerpunkt der die Sonne umkreisenden Planeten- kugel beziehen, und dass es nicht gestattet ist, verschiedene Punkte ein und derselben Kugel als von verschiedenen Impulsen beeinflusst anzunehmen. Aus diesen Gründen ist eine Hypothese a priori zu ver- werfen, welche Wettstein [171] aufgestellt und mit unleugbarem Geschick als in den mannigfachsten Zweigen der physischen Erde sich geltend machend nachzuweisen versucht hat. Versteht man unter A, und A, zwei Antipodenpunkte der Erde, deren Verbindungslinie durch den Mittelpunkt der Sonne hindurchgeht, unter r, und r, deren 350 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Entfernungen von jenem Punkte, unter v, und v, die Bahngeschwindig- keiten, welche diesen Punkten zukommen würden, wenn jeder von ihnen einzeln um die Sonne liefe, unter T, und T, die entsprechenden Um- laufszeiten, so könnte man nach Wettstein sämmtliche obige Gleichungen, wie sie zum Beweise des dritten Gesetzes dienten, an- schreiben. Derselbe setzt r, = 24000 — 1 23999, rz — 24.000 ir 1 — 24001, die Umlaufszeit des Erdmittelpunktes eleich 31558200 Z eit- sekunden, und hat somit die Gleichungen vs =n%, 24000723997 315 7 24 000° : 24001? = 31558 200° : T”. Für einen Aequatorpunkt berechnet er so, dass die Geschwindigkeiten um Mittag, um sechs Uhr des Abends und Morgens und um Mitter- nacht sich wie 29 865,42 : 29 864,82 : 29 864,22 zu einander verhalten. Diese Wirkung der Sonnengravitation soll zur Folge haben, dass den Körpern im Aequator eine Bewegung mitge- theilt wird, deren Richtung jener der Erdrotation entgegengesetzt ist. Ein Körper an der Erdoberfläche sei hiernach mit einer mittleren rückläufigen Bewegung von 0,26 m begabt, und diese Retardation scheine sich in den von Ph. Plantamour wahrgenommenen Schwankungen der Libellenblase zu manifestiren |172] (s. o. $. 2). Näher ist diese Wettstein’sche Theorie von Zöppritz [173] und dem Verf. [174] in Betracht gezogen worden; in des letzteren Abhandlung ist einmal das Wort „Bahngeschwindigkeiten* durch „Umläufe“ zu ersetzen. Wie schon erwähnt, ist jene bei all’ ihrer scheinbaren Geschmeidiskeit mechanisch unhaltbar; auch stehen ihr empirische Thatsachen in ge- nügender Menge entgegen [175]. 8. 9. Drei geophysikalisch wichtige Perturbationen. Mit der streng kausalen Begründung der Kepler’schen Gesetze durch Newton, sowie mit dessen genialer Leistung, durch welche sämmtliche kosmische Geschehnisse als Ausflüsse des Gravitationsprincipes dargestellt wurden, haben wir uns an dieser Stelle nicht weiter zu beschäftigen. Auch die Lehre von den Planetenstörungen ist an sich für uns nebensäch- lich; durch die Thatsache, dass in Folge der wechselseitigen Anziehung der Planeten keiner derselben eine rein elliptische Bahn beschreibt, sondern von dieser idealen Bahn jederzeit nach der einen oder anderen Seite, nach oben oder unten abgezogen wird, scheint das Spiel der physikalischen Kräfte auf und in der Erde zunächst nicht beeinflusst zu werden. Indessen kommen unter diesen sogenannten Störungen oder Perturbationen doch auch solche vor, welche möglicherweise einer geophysikalischen Bethätigung fähig wären, und dieser zu ge- denken, ist unsere Pflicht. Man unterscheidet in der Störungstheorie periodische und säkuläre Störungen [176]; doch ist diese Scheidung nicht eigentlich eine principielle, indem nür die zuletzt erwähnten an eine sehr lange Periode geknüpft sind. Maassgebend für erstere Störungen sind drei Laplace’sche Gleichungen, die wir hier mittheilen, und in welchen m, m,, m... die Massen, e, e&, & ... die Excentricitäten, 2, &ı, A... die halben grossen Axen der Planeten, 0,0, die Neigungen ihrer Bahnen gegen die unveränderliche Ebene "(Abth. I; sn; IV, $. 9. Drei geophysikalisch wichtige Perturbationen. 251 Kap. IL, S. 3), endlich I, I, ,... die Längen der Knotenlinien dieser Bahnen darstellen. Es ist I. me’ Va + m,e, Va, —+ m, &,’ Va, +... —Konst. II. m tang o Va- —+ m, tang 9ı Va, —+ m, tang ® Va, 4.22 =RKonse III. mtang»sinlVa-m,tangp,sinl, Vatm,tang sin, Var Dieses Gleichungssystem wird uns allen Aufschluss geben, dessen wir bei unseren weiteren Betrachtungen bedürfen werden. Drei Beein- - trächtigungen des planetarischen Gleichgewichtszustandes sind es wesent- lich, auf welche man sich ab und zu zur Erklärung tellurischer Er- scheinungen berufen hat. a) Die Schwankung der Ekliptikschiefe. Die scheinbare nz bahn bildet mit dem Aequator einen Winkel, der in runder Zahl 231% beträgt; um diesen Winkel ist also in Wirklichkeit die — Be noch als sich selbst stets parallel bleibend angenommene — Erdaxe von einer senkrecht auf der Erdbahn errichteten Geraden abgelenkt. Die Grösse dieses Neigungswinkels ist für den Wechsel der Jahreszeiten, für die Eintheilung der Erdoberfläche in klimatische Zonen u. s. w. maassgebend ; plötzliche Aenderungen desselben müssten die terrestrische Wärmevertheilung und damit das organische Leben auf der Erde in einschneidendster Weise beeinflussen. Bis zu einem gewissen Grade ist die Neigung der Ekliptik nun in der That variabel. Schon Domenico Maria, der, wie in $. 2 dieses Kapitels erwähnt ward, unrichtige Ansichten über die Schwankung der Erdaxe kundgegeben hatte, glaubte Aehnliches für die Ekliptik bemerkt zu haben, und diessmal befand er sich in besserem Rechte, obwohl er sich bezüglich des Sinnes der wahrgenommenen Bewegung irrte. Coppernicus hat uns in seiner Originalhandschrift der „Revolutiones“ ältere Messungen der Ekliptikschiefe aufbehalten; „Joannes Regiomontanus,“ meldet er [177], „reperitpartesXX1IIlscrupulaX X VIIIs.*),GeorgiusPurbachius anno Christi MCCCLX partes, ut ıllı, XXIIL serupula vero XXVIII adnotavit, Dominicus Maria Novariensis anno Christi MOCCCXCI ultra partes integras scrupula XXVIIII et amplius quiddam.“ Von Peur- bach zu Regiomontan, von diesem zu Novara hätte sich mithin der Winkel stetig, wenn auch nicht erheblich, vergrössert. Laplace hat dann die Nothwendigkeit einer solchen periodischen Zu- und Ab- nahme der Schiefe der Ekliptik analytisch dargethan, zugleich jedoch auch die Grenzen festgestellt, zwischen denen die Oscillation erfolgt, und diese einander sehr nahe liegend gefunden [178]; für unser Jahr- hundert ist die Neigung durch den Ausdruck 23° 28° 42,719 —0,”483408 t —0“,000002723 t? gegeben, in welchem t die Anzahl der seit 1700 verflossenen Jahre bedeutet. Der Neigungswinkel wird nicht grösser als 272°, nicht kleiner als 21!/°, und in jedem Jahre macht die Ver- änderung — gegenwärtig sind wir in der Abnahme begriffen — etwa eine halbe Bogensekunde aus. Die zweite der obigen drei Gleichungen giebt uns eine Gewähr dafür, dass bedeutende Veränderungen nicht eintreten können. Da nämlich (vgl. die Notizen über das Stabilitäts- problem im ersten Kapitel der ersten Abtheilung) die Grössen a un- veränderlich und da zur Zeit, wie bekannt, die Grössen » sämmtlich *) Es bedeutet diess 23° 28° 30". 252 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. sehr klein sind, so muss die Grösse m, tang o; ebenfalls einen kleinen Werth annehmen, und ein Gleiches gilt für £ m, tang % —= Konst. Diese letztere ändert sich für alle Folgezeit nicht, sonach können auch die Neigungen © eine sehr mässige Grenze nicht übersteigen. Und überhaupt sind grosse Abänderungen der verschiedenen für unser Planetensystem charakteristischen Neigungswinkel nicht möglich *); auch die Ekliptikschiefe des Uranus, welche nach menschlichen Be- griffen eine höchst ungünstige ist, wird annähernd immer die gleiche bleiben [179]. Es bleibt deshalb nur übrig, die mancherlei Hypothesen- konstruktionen, welche sich bereits mit der periodischen Schwankung des Erdbahnwinkels zu schaffen gemacht haben, in das Reich der Mythenbildung, wie diese z. B. von Whiston und Pluche schwung- haft betrieben worden ist, zu verweisen. „Diese geringen Veränderungen, * sagt Mädler sehr treffend [180], „können in Bezug auf Klimate keine merkliche Wirkung äussern. Wenn z. B. nach 8—10000 Jahren die Schiefe bis auf 21!’°® sich vermindert haben wird, so werden die Sommertage in unseren Gegenden um 25 Minuten kürzer, die Winter- tage um ebensoviel länger werden, als gegenwärtig. Die Wärme der Sommer wird durchschnittlich etwa um !,° geringer, die Kälte der Winter aber in demselben Maasse milder werden; für die Uebergangs- zeiten, sowie für das Jahr im Durchschnitt, würde sich keine Ver- änderung herausstellen. Wenn demnach die Erde, wie einige That- sachen darzuthun scheinen, einst beträchtlich wärmer als jetzt war, so kann der Grund nicht in diesen Verhältnissen gesucht werden.“ b) Die Veränderlichkeit der Excentrieität der Erdbahn. Auch dieses Element ist steten Veränderungen unterworfen, doch geht aus Gleichung I von Laplace durch ein dem vorhin angestellten völlig entsprechendes Raisonnement hervor, dass auch hier Periodicitätsgrenzen vorhanden sind, und dass zumal die von der Erde beschriebene Ellipse niemals in einen Kreis ausarten kann; „wie die Neigungen können auch die Excentricitäten der Bahnen zweier einander störender Planeten gewisse Grenzen nicht überschreiten, und wenn die eine wächst, muss die andere abnehmen“ [181]. Croll theilt nach einer Revision Leverrier’s mit, dass für die variirende Excentricität e die Un- gleichungen 0,07775 > e > 0,003314 bestünden, und dass die Periode 23980 Jahre betrage [182]. Adhe&emar, John Herschel und be- sonders Oroll suchten diese Störung als das eigentliche Motiv der sogenannten Eiszeit der Erde hinzustellen, und wir werden in dem von den Temperaturperioden handelnden Kapitel der fünften Abtheilung hierauf zurückzukommen haben. c) Die Verschiebung der Länge des Periheliums. Die jedenfalls *) Diejenige Neigung, mit welcher wir es hier zu thun haben, gehört aller- dings nicht zu den Winkeln h% welche, einzelne Ausnahmen, z. B. bei Pallas, ab- gerechnet, durchweg < 23!/2° sind. Allein, wenn durch Gleichung I dargethan ist, dass Neigungswinkel innerhalb des Planetensystemes selbst dann nahe invariabel sind, wenn die allergewaltigsten Attraktionswirkungen sich offenbaren, wie z. B. bei den Planeten Jupiter und Saturn, so ist bei unserer Erde, welche in Folge ihrer Kleinheit und ihrer Stellung im System weit minder intensiv beeinflusst wird, noch weit weniger Grund zu erheblichen Störungen nach dieser Richtung hin vor- handen. Insoferne gilt somit jene Gleichung indirekt auch für den uns hier be- schäftigenden Fall. SITE PATE ERESERTAU IV, $. 10. Trepidation und Präcession. 253 einflussreichste planetarische Umgestaltung liegt in dem Vorrücken der grossen Bahnaxen von West nach Ost; J. J. v. Littrow, dessen inhaltsreicher Artikel „Sonnennähe“ uns diessmal überhaupt zur Vor- lage dient, erblickt in dem Wandern des Perihels „die einzige wahre Säkulargleichung, die es in unserem Sonnensysteme giebt“ [183]. Es bezeugt diess auch die Laplace’sche Gleichung III, in welcher die Grössen sin l; alle möglichen Werthe annehmen können, so dass auch die Konstante nicht, wie früher, an kleine Werthe gebunden ist. Unsere Erde besass zur Epoche 1800 die Perihellänge 99°36°5°; da die säkuläre Verschiebung 6201” beträgt, so fiel das Perihelium etwa um 4000 v. Chr. mit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche zusammen, und Anno 6470 unserer Zeitrechnung wird das Perihel in der Ekliptik um 180° vom Anfangspunkte der Zählung (=) verschieden sein |184|. Die Wärmeverhältnisse der Erde können durch diese Drehung der Apsidenlinie allerdings alterirt werden. Gegenwärtig ist die Erde bald nach der Sommersonnenwende am weitesten und bald nach der Winter- sonnenwende am wenigsten weit von der Sonne entfernt, im Aphelium ist die Bahngeschwindigkeit geringer als im Perihelium (vgl. 8. 3), und so dauern die beiden wärmeren Jahreszeiten, Frühling und Sommer, zusammen etwas länger als die beiden kälteren; die Differenz beläuft sich auf nahe acht Tage. Allmählig wird sich nun für unsere Halb- kugel das Verhältniss zu deren Ungunsten verschieben, und auch die hieraus entspringende chronische Wärmedifferenz hat man mit der abwechselnden Vereisung der einen und anderen Hemisphäre in Ver- bindung gebracht. Wenn nun auch diese durchaus langsam vor sich gehenden Schwankungen, jede für sich, wenig dazu geeignet scheinen, einer grossartigen generellen Erklärung der irdischen Temperaturverände- rungen als Untergrund zu dienen, so ist doch andererseits nicht zu leugnen, dass kumulative Wirkungen eintreten können und müssen. Hierauf hat Croll sein Hauptaugenmerk gerichtet. Er liefert eine von Stone ausgearbeitete Tabelle [185], welche für jedes Jahr eines mit 1800 beginnenden Zeitraums von 10000 Jahren Excentricität und Perihellänge angiebt, so dass durch Vergleichung die für besonders günstige oder ungünstige klimatische Verhältnisse einer bestimmten Halbkugel erforderliche Summirung der von beiden Faktoren abhän- gigen Einflüsse unmittelbar herausgefunden werden kann. Und inner- halb dieses Rahmens könnte nach Croll [186] sogar die oben als ein sehr geringfügiges Element erkannte Variation der Ekliptikschiefe eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen. Jedenfalls haben Croll’s ziel- bewusste Untersuchungen, man mag im Einzelnen über sie wie immer denken, ein Recht darauf, nicht mit anderen und zum Theil wüsten Spekulationen über das Ineinandergreifen von kosmischer und tellu- rischer Physik unter Einen Hut gebracht zu werden. $. 10. Trepidation und Präcession. Als im Jahre 134 v. Chr. der griechische Astronom Hipparchos, durch das Aufleuchten eines neuen Sternes hiezu veranlasst, einen neuen Sternkatalog anzulegen beschloss, hatte er in erster Linie seine eigenen Ortsbestimmungen mit denjenigen zu vergleichen, welche 150 Jahre früher die alexandrini- schen Beobachter Aristyllos und Timocharis gemacht hatten .‚[187]. 954 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Da fand sich denn, dass die astronomischen Längen ausnahmslos eine Vergrösserung erfahren hatten, und zwar traf auf das Jahr eine für jeden Stern gleiche Verschiebung von 36” in der Richtung der täg- lichen Bewegung. Dieser Werth war etwas zu klein, im Mittelalter bestimmte der Perser Nasr Ed-din [188] ihn richtiger zu 51“ pro Jahr. Mit Hipparch’s Entdeckung war auch die Nothwendigkeit gegeben, für das Wort „Jahr“ verschiedene Begriffe einzuführen; das tropische Jahr markirt den Zeitraum, welchen die Sonne (in ptolemäi- scher Redeweise) braucht, um wieder zu demselben Aequinoktialpunkte oder Solstitialpunkte zurückzukehren, das siderische Jahr dagegen führt die Sonne wieder zu dem nämlichen Sterne der Ekliptik zurück. Es ist selbstverständlich, dass, als in $. 2 dieses Kapitels die Konstanz der Jahreslänge behauptet ward, damit nur das siderische Jahr ge- meint sein konnte; bei der Bestimmung der Länge des tropischen Jahres ist dagegen die Verschiebung der Fixpunkte der Zählung in Betracht zu ziehen, und gleichfalls muss auf dieselbe Rücksicht ge- nommen werden, wenn es sich um das oben erörterte Herumwandern des Perihels auf der Ekliptik handelt. Zu den unmittelbaren Folgen dieses Phänomens, für welches der Name Präcession oder Vorrücken der Aequinoktialpunkte üblich wurde, gehört — man vergleiche J. J. v. Littrow’s sorgfältige Zusammenstellung |189] — zunächst der Umstand, dass die Zodiakalzeichen mit den Zodiakalsternbildern heute nicht mehr, wie zur griechischen Zeit, übereinstimmen, sowie dass der Weltpol seine Lage unter den festen Gestirnen beständig wechseln muss. Die Ekliptik nämlich bleibt fest, und ein Gleiches gilt natürlich auch für ihre um etwa 231° von den Himmelspolen abstehenden Pole, der Aequator dagegen rückt parallel mit sich selbst auf der festen Ekliptik von Ost nach West vor, und so muss der bewegliche Pol des Aequators um den fixen Pol der Ekliptik einen kleinen Kugelkreis von 23!2° sphärischem Radius beschreiben. Der heutige Polarstern, der schon jetzt diesen Namen nicht mehr recht verdient, wird mit der Zeit jeden Anspruch auf seinen Titel verlieren. Würde, was aber allerdings nicht der Fall, die jährliche Bewegung der Weltpole von der Zeit völlig unabhängig sein, so würde es 25900 Jahre dauern, bis der bewusste Kreis vollständig vom Pole durchlaufen und jeder einzelne Stern genau in die früher diesem Pole gegenüber eingenom- mene Stellung zurückgekehrt wäre. Man nennt diesen Zeitraum das grosse platonische Jahr; ehedem verband man mit dessen Ablauf die Vorstellung grosser Erdrevolutionen *). Sternkarten und Sterngloben *) In einer aus dem Arabischen in’s Lateinische übertragenen Handschrift, welche den Titel „De causis libellus proprietatum elementorum Aristoteli adscrip- tus“ führt und auch in die den arabischen Aristoteles vollständig reproduci- rende Venetianische Ausgabe desselben aufgenommen ist [190], kommt z. B. nachstehender Passus vor [191]: „Nos autem invenimus ratione geometrica, et ope- ratione mensurali, quod rotunditas terrae est XXIlII milia miliaria, quod est revo- lutio terrae super XXVI annorum milia, invenitur ergo illud in civitatibus pro- pinquis litoribus marium, ut approximet eis mare, sicut civitas Axym et civitas Medanel, et civitas Serendib, et insulae auri.“ Es gewährt einigen Reiz, zu sehen, wie die Phantasie des Orientalen bemüht ist, die umlaufenden geographischen Sagen von im Meere untergegangenen Land- und Ortschaften aut irgend ein grosses Ereigniss am gestirnten Himmel zurückzuführen, und dazu eignete sich der voll- endet€e Umlauf der Weltpole allerdings vorzüglich. IV, $. 11. Mechanische Erklärung der Präcession. Ä 255 werden hiernach von Zeit zu Zeit immer wieder unbrauchbar, wenn sie nicht mit einer von Segner [192] erdachten, die Stellung der Himmelspole korrigirenden Vorrichtung versehen sind. Endlich kann die Präcession auch ein brauchbares Hülfsmittel bei geschichtlichen Untersuchungen abgeben, wie dieselbe denn bei dem Streite über das Alter des bekannten Thierkreises von Denderah, an welchem sich Letronne, Visconti, Laplace u. a. betheiligten, ihre Rolle spielte [193]. Auch die praktische Astronomie hat derseiben sehr häufig Rechnung zu tragen, wenn es nämlich gilt, die Positionen der Sterne auf ver- schiedene Epochen zu redueiren [194]. Bei jener Genauigkeit, mit welcher das Alterthum und Mittel- alter auch im günstigsten Falle Oerter und Distanzen am Himmel zu messen im Stande war, hätte die Präcession als eine absolut gleich- förmige Bewegung erscheinen müssen. Den Griechen jedoch scheint sich bereits die unrichtige Vorstellung aufgedrängt zu haben, dass die achte Sphäre, an welcher man sich die Aequinoktial- und Solstitial- punkte befestigt dachte, eine schwankende oder besser eine alternirende Bewegung besitze. So entstand die im Mittelalter allgemein ver- breitete und mit einer gewissen Liebe gepflegte Lehre von der Tre- pidation der Fixsterne, deren Hauptzüge der Verfasser früher zu schildern versucht hat [195]. Die damit in nächster Verbindung stehende falsche Theorie einer Nutation der Sonne, welche ja nicht mit der in S. 12 zu besprechenden wirklichen Nutation der Erdaxe zu verwechseln ist, hat mit Rücksicht auf die Nachrichten des Attalos und Plinius Schiaparelli |196] zum Gegenstande einer tief eindringenden Nach- forschung gewählt. Zur höchsten wissenschaftlichen Feinheit, wenn dieser Ausdruck bei einer Irrlehre erlaubt ist, erhoben die Theorie von einem ungleichförmigen Wachsthum der Präcession Werner [197] und Fracastor [198], indem sie festsetzten, dass die Aequinoktial- punkte auf einem kleinen Kugelkreise — Letztgenannter wollte an dessen Stelle sogar eine Ellipse setzen ($. 8) — umliefen, dessen Centrum selbst auf der Ekliptik weiter rücke. Coppernicus zer- schmetterte Werner’s Argumente in einem an den Krakauer Dom- herrn Wapowski gerichteten Sendschreiben, über dessen Inhalt die Angaben des Verfassers [199] und L. Prowe’s [200] nachgesehen werden können, doch suchte auch er noch einen Theil der Schwankungs- hypothese dadurch zu retten, dass er diese mit dem von ihm ein- geführten dritten Bewegungsmodus der Erde in kausale Beziehung brachte. Erst seit Tycho Brahe ist die Gleichförmigkeit der Prä- cessionsbewegung eine allseitig anerkannte wissenschaftliche Wahrheit geworden. $. 11. Mechanische Erklärung der Präcession. Es war nach den soeben erhaltenen Aufschlüssen also nur bedingt richtig, in $. 7 von einem Parallelismus der Erdaxe zu sprechen, da thatsächlich diese Gerade, wenn auch in langsamstem Tempo, einen Kreiskegelmantel beschreibt, der 47° Oeffnung besitzt. Nachdem wir diess wissen, haben wir uns die Frage vorzulegen, wie diese Abweichung von einer Regel, die durch den Versuch an Bohnenberger’s Maschine ausser Zweifel gestellt schien, physikalisch zu rechtfertigen sein möchte. Die ‚richtige Erklärung scheint sich Newton, nachdem er den Begriff der 356 Zweite Abtheil. Allgem. matlıem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Körperanziehung im Sinne von Kap. Il, S. 3 klar erfasst hatte, ganz von selbst dargeboten zu haben, wenigstens konnte in qualitativer Hinsicht seinen bezüglichen Darlegungen [201] später nicht mehr sehr vielhinzugefügt werden. Die beste Paraphrasirung des an sich nicht ganz einfachen Gedankens scheint uns von neueren Autoren V.v. Lang [202] gegeben zu haben, an den wir uns deshalb auch vorwiegend anschliessen. Dass nur die sphäroidale Gestalt der Erde das Vorrücken der Nacht- gleichen bedinge, dass bei einer homogenen und sphärischen Erde dergleichen nicht möglich sei, das wurde auch von sonstigen Gegnern des Newton’schen Systemes niemals ernsthaft bestritten, von be- kannteren Autoren wenigstens gab nur der einzige Gerlach [203] einen Scheinbeweis dafür, dass es auch eine Drehung für die Axe einer geometrischen Kugel gäbe. Fig. 46 stellt die Erde dar im Augenblicke des Sommersolstitiums; die Papierebene umfasst gleichzeitig den Mittelpunkt S der Sonne, | denjenigen E der Erde und deren Fig. 46. Umdrehungsaxe P,P,, so dass also <[SEP,=66!. ist. Es genügt dann, wenn man nicht die Grösse der Attraktionswirkungen, sondern blos deren allgemeine Beziehungen kennen lernen will, an Stelle des ganzen Erdellipsoides blos die mit der Zeichnungsebene zusammenfal- lende Meridianellipse in’s Auge zu fassen, zu deren beiden Seiten die Masse ja symmetrisch vertheilt ist. Nun beschreibe man über P,P, als | Durchmesser einen Kreis, welcher die bezeichnete Ellipse in den Punkten P, und P, berührt. Die Ellipse zerfällt so in drei Theile: in den Vollkreis um E und in die beiden — schraffirten Mondfiguren P,GP, und P,HP,; jeder dieser drei Theile erleidet vom Punkte S eine besondere Anziehung. Die Anziehungslinie für den Kreis geht, wie wir wissen, durch den Mittel- punkt E hindurch, und damit scheidet diese Figur völlig von der Be- trachtung aus; für die beiden Lunulen kann man sich etwa die Massen in A und B koncentrirt denken. Da beide Massen gleich gross sind, Punkt A aber der Sonne näher liegt, als Punkt B, so muss die An- ziehung längs SA stärker sein, als längs SB. Errichten wir in E auf der Papierebene die Senkrechte EP, so suchen die beiden At- traktionskräfte, deren wir soeben gedachten, die Meridianellipse, resp. die ganze Erde, um EP als Axe zu drehen, und zwar im Sinne der beigesetzten Pfeile. In unserer Figur ist der dem Drehsinn des Uhr- zeigers konform gerichtete Pfeil zugleich der die stärkere Drehung anzeigende, und so wird jene uns bereits bekannte Drehbewegung der Erdaxe eingeleitet; letztere wird bei ungeänderter Rotationsdauer der Erde langsam und mit konstanter Neigung gegen die Ekliptik in einem der Axendrehung entgegengesetzten Sinne rotiren. Zunächst galt diese Deduktion allerdings nur für eine gewisse ausgezeichnete Stellung des Erdsphäroides, allein auch dann, wenn irgend eine will- kürliche Stellung desselben herausgegriffen wird, erhellt ebenso, dass | | | ZT et Se m a sn a Fun nn Un nu nn m IV, $. 11. Mechanische Erklärung der Präcession. 357 die Axe der von der Sonnengravitation bewirkten Drehbewegung auf der durch Radius Vektor und Erdaxe gelegten Ebene senkrecht steht. Wäre die Sonne allein vorhanden, so würden in gleichen Zeiten von der verlängerten Erdaxe auch immer gleiche Bögen an der schein- baren Himmelskugel beschrieben werden. Nun bringt aber der Mond seinerseits eine ganz ähnliche, wennschon weit weniger energische Wirkung hervor, wie die Sonne, und deshalb bewegt sich der Frühlings- punkt zwar stets in derselben Richtung, jedoch nicht stets mit der nämlichen Geschwindigkeit, da die beiden anziehenden Himmelskörper, je nach ihrer wechselnden Stellung zur Erde, sich gegenseitig in ihren Einwirkungen unterstützen oder hemmen können. Man spricht deshalb am Richtigsten von einer Lunisolarpräcession. Newton’s Kalkul, so geistreich derselbe auch war — es kommt darin die einzige eigentliche Integration des ganzen Werkes vor — ergab doch für die Grösse der Präcession den viel zu kleinen Werth von kaum 10 Sekunden, weil einzelne der nothgedrungenerweise zu Grunde gelegten vereinfachenden Annahmen nicht zutrafen [204]. Deshalb trat D’Alembert in einer seiner verdienstlichsten Schriften, von welcher wir glücklicherweise eine gute deutsche Ausgabe besitzen [205], von Neuem an das schwierige Problem heran und integrirte den Differentialausdruck, welchen ihm für die Attraction des uns bekannten Meniskus aufzustellen gelungen war, mit Hülfe von Methoden [206], deren nähere Kenntnissnahme der Geschichte der reinen Mathematik anzuempfehlen ist. Später gab dann Laplace [207] jene Zahlen, die im Grossen und Ganzen noch heute gültig sind, obwohl im Einzelnen dieselben natürlich manche Verschärfung erfuhren. Nimmt man mit Laplace die Lage, welche die Ekliptik am 1. Januar 1750 hatte, als feste Ekliptik an, so weicht auf dieser der Frühlingspunkt unter dem alleinigen Einflusse der Lunisolarpräcession um einen Bogen zurück, der durch den Ausdruck (50',37572 t — 0'',000127945 t?) gegeben ist, wo, wie immer, t die Anzahl der verstrichenen Jahre ist. Ist die hier entwickelte Theorie der Präcessionsbewegung richtig, so muss dieselbe auch durch den Versuch nach- gewiesen werden können, und dieser Versuch Fig. 47. ist denn auch schon vielfach mit allen mög- mm lichen Veränderungen angestellt worden. In S. 8 war z. B. davon die Rede, dass Kreisel | in Rotation ihre Axe so lange parallel erhal- | ten, doch war dabei vorausgesetzt, dass der tanzende Kreisel sofort vertikal auf seine Unter- lage gestellt werde. Geschieht diess aber nicht, so beschreibt der Kreisel einen Kegel- mantel, genau ebenso wie die Erdaxe — vgl. Fig. 47 —, und wenn auch nach und nach der von der Axe des Kreisels mit der loth- rechten Axe des Kegels gebildete Winkel immer kleiner und kleiner wird, so ist doch daran nur die im Weltraume unwirksame Rei- bung zwischen Axe und Basis schuld. Nicht minder lässt sich eine analoge Erscheinung auch beim Bohnenberger- schen Apparate nachweisen, sobald man an das Ende der Umdrehungs- Günther, Geophysik. I. Band. 17 258 Zweite Abtheil. ‚Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. axe (Fig. 44) ein kleines Uebergewicht anhängt. Dieses bringt nämlich nicht etwa, wie man erwarten sollte, eine Neigung der Axe innerhalb der durch diese gelegten Vertikalebene zuwege, sondern, wenn nur die Drehgeschwindigkeit eine hinreichend grosse ist, beginnt diese Axe, ohne ihre Neigung gegen den Horizont zu ändern, sich längs eines Kegelmantels in Bewegung zu setzen. Von Fessel’s Drehscheibe wollen wir erst später sprechen, weil sich an diese bequem die theoretische Prüfung dieser eigenthümlichen Vorgänge anknüpfen lässt, wohl aber ist jetzt die Zeit, der von Gilbert erwähnten und aus $. 4 bis zu diesem Paragraphen zurückgestellten Vorrichtungen im Zu- sammenhange zu gedenken. An erster Stelle fesselt unsere Aufmerk- samkeit das von Foucault in Verbindung mit Froment ausgeführte und am 27. September 1852 der Pariser Akademie vorgezeigte Gyroskop [208]. Ein Torus*) T aus Bronze (Fig. 48) ist auf eine Axe von Stahl aufgesetzt, deren Endpunkte frei auf zwei dem Metall- ringe A eingefügten Schrauben liegen. Dieser Fig. 48. Ring liest mit Stahlschneiden auf zwei hori- zontalen Platten, die wiederum von dem verti- EB kalen Ringe B getragen werden, und dieser Ring ist an einem torsionslosen Faden f aufgehängt, der innerhalb der Röhre M vor Luftzug ge- ‚ll schützt und durch die Schraube V regulirbar HEHE ist. Ein kräftiger Support S trägt das Ganze; Ss am Postamente P sind Stellschrauben ange- bracht. In die Masse des Torus sind kleine Schräubchen eingesenkt, und auch sonst be- finden sich da und dort Schrauben, wie k, an den Ringen, welche gar keinen anderen Zweck haben, als durch successives Anziehen und Nachlassen den Schwerpunkt des Systemes zu verändern. Durch Probiren kann man es so Bi dahin bringen, dass der Schwerpunkt genau ii 18, dahin zu liegen kommt, wo die Schneiden des roman Ringes A, die ja in ein und derselben horizon- talen Geraden sich befinden, die verlängerte Vertikale f treffen. Dieser Schwerpunkt ist jetzt der einzige Fixpunkt des ganzen Systemes; ein Hauch des Mundes genügt nunmehr, jenes in Bewegung zu versetzen, und man hat völlig das, was die Statik indifferentes Gleichgewicht nennt. Sowie aber die sanze Vorrichtung auf einen Rotationsapparat aufgesetzt und eine hin- längliche Umdrehungsgeschwindigkeit erreicht ist, beginnt das System seine eigene Bewegung. „Si l’axe,* so beschreibt Gilbertselbst (a. a. O.) den merkwürdigen Vorgang „etait d’abord pointe sur une &toile, il continue A viser cette &toile tant que la vitesse du tore ne descend pas au-dessous d’une certaine. limite, et par le d&eplacement apparent qu’il prend ainsi relativement aux objets environnants, comme une lunette monte sur un pied parallactique, deplacement que l’on observe au moyen *) Unter einem Torus versteht die Geometrie einen Rotationskörper, der durch Umdrehung eines Kreises um eine willkürliche in dessen Ebene gelegene Gerade entstanden ist. IV. $. 11. Mechanische Erklärung der Präcession. 259 d’un microscope, soit sur l’axe m&me, soit sur une des pieces de l’appareil; il rev2le & l’observateur le mouvement reel de notre globe dans l’espace.“ Eine grosse Reihe der interessantesten Versuche lässt sich mit diesem genial ausgedachten Apparate anstellen, je nachdem man in irgend einer Weise die volle Bewegungsfreiheit des Systemes einschränkt, und insbesondere lässt sich natürlich auch damit die konische Bewegung der Präcession nachweisen. Trefflich leistet dieses Letztere auch das syroskopische Pendel von Sire [209], welches in den Lehrbüchern sehr häufig mit dem eigentlichen Gyroskope verwechselt wird; doch bietet dasselbe an und für sich noch gar manche andere Räthsel dar. Auf der Platte P (Fig. 49), welche um die vertikale Axe D drehbar ist, befindet sich ein vertikaler Träger S, der, wie man sieht, unten eine Höhlung hat. Oben an demselben ist nämlich ein Draht befestigt, der, so- lange vollständige Ruhe herrscht, verti- kal herabhängt und einen Ring © trägt, und innerhalb dieses Ringes spielt wie- derum die horizontale Axe eines Torus T. Die Aequatorialebene von T ist demnach vertikal; die Höhlung dient dazu, dem Torus im Ringe eine ungezwungene Ruhelage zu ermöglichen. Dreht man jetzt das Ganze um die Axe D, so ereig- net sich durchaus nichts Besonderes, ebensowenig, wenn man bei sonstiger Ruhe aller übrigen Theile dem Torus für sich eine Rötationsgeschwindigkeit ertheilt. Ganz anders dagegen, wenn beide Bewegungen gleichzeitig stattfin- den; dann hebt sich nämlich der Ring C, ähnlich, wie es bei dem ın $. 2 dieses Kapitels geschilderten Gregory’schen Experimente der Fall ist, bis die durch unsere Figur gekennzeichnete horizontale Stellung des Verbindungsdrahtes erreicht ist. Dabei war vorausgesetzt, dass mittelst der Richtschraube R die aus der Zeichnung zu ersehende Anordnung der einzelnen Theile des Apparates hergestellt worden sei; würde jedoch in gleicher Weise der Träger S um 90° gedreht werden, so würden sich Erscheinungen einstellen, welche unser Ge- währsmann als „aussi paradoxaux“ bezeichnet. „Le pendule, obe£is- sant au m&me principe, se porte en avant ou en arriere du mouve- ment du bäti P, selon le sens de la rotation qu’on a imprimee d’avance au tore.* Gilbert selbst ist dann noch einen bedeutsamen Schritt weiter gegangen. Im Vereine mit dem Mechaniker Ducretet hat er das Barogyroskop konstruirt [210], welches alle irgend auf die Rotation der Körper und zugleich auf diejenige der Erde bezüg- lichen Phänomene mit bis dahin unerreichter Schärfe darstellt, doch ist die Einrichtung und Theorie desselben eine zu wenig einfache, um an diesem Orte anders als historisch berührt werden zu können. Diese Konstruktion des neuen Universalapparates haben wesent- lich theoretische Erwägungen geleitet, während für Foucault und Sire mehr die glückliche Inspiration des genialen Erfindertalentes maass- gebend gewesen ist. Gilbert war auch der Erste, dem es gelang, die 2360 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Integration der Bewegungsgleichungen des Gyroskopes vollständig auf bekannte Funktionen, nämlich auf elliptische Integrale, zurückzuführen 211]. Ferner verdankt man demselben Manne einen hochinteressanten Rückblick auf die Geschichte des Problemes [212], zu dessen Lösung ein Poinsot, Richelot, Jacobi, Somoff, Bour u. a. ihr Schärf- lein beigetragen haben. Insbesondere ersieht man aus diesem Essay, wie schwierig genügende elementare Erklärungen aller jener That- sachen zu geben sind, welche die zur Veranschaulichung der Präcession. ersonnenen Instrumente hervortreten lassen. Selbst die übliche Poggen- dorff’sche Deutung der Kreiselbewegung und der Drehscheibe operirt mit Bewegungsimpulsen, die in der Natur nicht eigentlich vorhanden sind. Vielleicht kommen wir unserem Ziele, ohne höhere Rechnung eine Begründung der maschinellen Präcession zu liefern, dadurch am nächsten, dass wir einen neuerdings von Munker [213] vorgezeichneten Weg betreten. Wir knüpfen diese Betrachtung an den kleinen, aber sinnreichen Apparat, welchen der auf dem Gebiete der Feinmechanik mit Ehren genannte Fessel [214] angegeben hat. In einer cardanischen Aufhängung befindet sich eine massive Metallscheibe, die in Drehung versetzt werden kann. Eine am äussersten Ringe angebrachte Axe ist horizontal auf einen vertikalen Ständer aufgesetzt, und ein auf der anderen Seite der Axe verschiebbares Gegengewicht vermittelt die Aequilibrirung. Wird nun das Gegen- gewicht grösser oder kleiner gewählt, als zu dem gedachten Zwecke erforderlich wäre, so tritt, solange die Scheibe keine eigene Bewegung besitzt, den Umständen gemäss eine Hebung oder Senkung des Ge- wichtes ein; sobald jedoch der Scheibe eine hinlänglich schnelle Axen- drehung ertheilt ward, beginnt sich die Axe horizontal einzustellen und in der Horizontalebene eine Drehung auszuführen, und zwar nach entgegengesetzten Richtungen, je nachdem das Gegengewicht zu klein oder zu gross ist. Fig. 50 giebt ein schematisches Bild des Vorganges. OÖ ist der Mittelpunkt der im Sinne des Pfeiles rotirenden Scheibe, AO die Drehaxe, A der Punkt, in welchem diese Axe auf dem Piede- stal AN aufruht, @ das Gegengewicht, welches etwas kleiner an- genommen werden mag, als das Gewicht der Scheibe. Die Differenz beider Gewichte ist durch die in O vertikal wirkende Kraft OP repräsentirt. Es hindert nichts, in A zwei gleiche und entgegengesetzt gerichtete Kräfte AM—=AR= OP anzunehmen; dann setzt sich AR mit OP zu einem Kräftepaare vom Momente OP. AO zusammen, welches den Apparat in der Ebene AOP um A zu drehen bestrebt ist, während die noch übrige Kraft A M sich lediglich in einem Drucke auf die Axe äussert. Das Moment eines Paares versinnlicht man be- kanntlich durch eine auf der Ebene des letzteren senkrecht errichtete Gerade, auf welcher nach irgend einem Maassstabe eine der Grösse des Paares proportionale Strecke abgetragen wird; kommen mehrere Momente in Betracht, so kann man die resultirende Momenten-Axe nach den für das Kräfteparallelogramm gültigen Regeln ermitteln und besitzt in dieser Axe nach Lage, Grösse und Drehsinn*) ein Maass für das resultirende Kräftepaar. Die für Rechtsdrehung positive *) Die rechtsdrehenden Paare erhalten eine von ihrer Ebene aus nach oben, die linksdrehenden eine von dieser Ebene aus nach unten errichtete Momenten-Axe. IV, $. 11. Mechanische Erklärung der Präcession. 261 Momenten-Axe unseres Paares ist horizontal und normal zu AO; AC möge dieselbe darstellen. Die Scheibe ward bislang noch als be- wegungslos betrachtet; sowie man auch sie mit einer gewissen Rotations- Fig. 50. N geschwindigkeit begabt annimmt, hat man als deren Repräsentanten ein zweites Kräftepaar einzuführen, dessen positive Axe in AO liegt, dessen Momenten-Axe AB sein möge. Nach obiger Vorschrift sind AB und AC zu einem Parallelogramm ABDC zusammenzusetzen, dessen Diagonale AD ebenfalls in die Horizontalebene fällt; damit ist die horizontale Umdrehung der Axe AO sicher gestellt. Da ferner AB. Hierin schiene nun allerdings ein Paradoxon zu liegen, denn wenn in der That nach Umfluss der Zeit dt — wir hatten stets unendlich kleine Drehbewegungen vor Augen — das Drehungsmoment der Scheibe sich vergrössert hätte, so würde damit gesagt sein, dass die Umdrehungsgeschwindigkeit durch die Präcession vermehrt würde, und dieses Ergebniss entspräche keines- wegs den Erfahrungen. Nun ist aber, <[BAD=b gesetzt, die Zu- nahme ö©&=AD—-AB=AD (l—cosdb)=2AD sin’ !a d. Der Winkel b, als im Zeitelement dt beschrieben, ist unendlich klein von der ersten Ordnung, ein Gleiches gilt für seinen Sinus, und dessen Quadrat wiederum wird unendlich klein von der zweiten Ordnung, d. h. gleich Null. Auch der Kalkul bestätigt mithin bei schärferer Prüfung, was wir schon wissen, dass nämlich die Umdrehung, wenn nicht noch andere Einflüsse in’s Spiel kommen, mit gleichförmiger Geschwindigkeit vor sich geht. Von der die Sache wesentlich komplicirenden Reibung ist hier abgesehen worden. Wir verschliessen uns den Bedenken nicht, welche 262 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. auch gegen die vorgetragene Erklärung sich allenfalls erheben lassen, halten aber gleichwohl dafür, dass dieselbe weit überzeugender ist, als die von Poggendorff (s. o.) gegebene, und dass Munker, der auch die Bewegung des Kreisels unter neuen Gesichtspunkten zu be- trachten lehrt [215], namentlich der populärwissenschaftlichen Literatur entschiedenen Vorschub geleistet hat. S. 12. Weitere Bemerkungen über die Präcession. Die Luni- solarpräcession ist nach mehr denn einer Seite hin eine für die mathematische und physische Geographie bedeutsame Erscheinung. Erstens, weil sie, richtig aufgefasst, ein Mittel zur Bestimmung der Erdgestalt abgiebt. Wenn nämlich aus den Dimensionen des Erd- sphäroides im Sinne von D’Alembert und Laplace ein Werth für die Grösse des Präcessionsbogens hergeleitet werden konnte, der mit den Messungen wenigstens theilweise stimmte, so muss auch die um- gekehrte Fassung der Aufgabe zulässig sein: aus der empirisch ge- fundenen Grösse der Präcession einen Rückschluss auf die Abplattung des die Erscheinung bedingenden Ellipsoides zu machen. Man hat sich dabei natürlich gegenwärtig zu halten, dass nach Kap. II dieser Abtheilung die Erde ja keine streng geometrisch regelmässige Gestalt besitzt, und so wird man auch an die hier angedeutete Methode keine allzuhohen Anforderungen stellen dürfen. Muncke stellt in seinem Lexikon-Artikel „Erde“ eine Reihe von Abplattungswerthen einander segenüber, welche aus den Störungen der Mondbewegung durch die sphäroidische Erde hergeleitet wurden [216]; v. Lindenau fand 31589? ? Laplace 5 nach Bürg, = nach Bouvard und Burckhardt. Letzterer Werth stimmt mit den in Kap. II auf verschiedene Weisen erhaltenen Zahlen befriedigend überein. — Von noch gewichtigerer Bedeutung erweist sich eine mit möglichster Präcision durchgeführte Theorie des Vorrückens der Nachtgleichen dann, wenn es sich darum ‚handelt, die Beschaffenheit des Erdinneren zu studiren. Kap. II der nächsten Abtheilung soll uns auf diesen Gegenstand wieder zurück- führen. Gerade aus dieser früher ungeahnten Erweiterung der Thatfrage hat aber die Sache selbst grossen Nutzen gezogen. Der belgische Mathematiker Folie giebt an [217], gelegentlich seiner Versuche, die Existenz einer flüssigen Schicht im Inneren der Erde durch Analysirung der Präcessionserscheinungen darzuthun, sei er darauf gekommen, dass die Präcession — und mit ihr die im nächsten Paragraphen zu erörternde Nutation — auch eine tägliche Periode besitze. Theoretisch zu- gestanden hatte diese Periode auch Laplace, allein ihre Erkennbarkeit hatte er geleugnet; Folie aber ist es eigener Aussage zufolge gelungen, die bezüglichen Differentialgleichungen, für welche sein grosser Vor- sänger nur Näherungslösungen kannte, erstmalig in geschlossener Form zu integriren und so zu weit zuverlässigeren Zahlwerthen zu gelangen. Selbst in dem ungünstigsten Falle eines festen Erdinneren, so findet er (a. a. O.), würde die tägliche Nutation es bewirken, dass der Polar- stern um mindestens 0,8“ in Rektascension sich von seinem wahren IV. $S. 13. Nutation. 263 Orte entfernt; die tägliche Präcession würde umgekehrt für den Stern A Ursae minoris im Verlaufe eines Achtelstages eine solche Verschiebung von 0,5” zuwege bringen. Vergleichungen, welche Folie an den Oertern gewisser Cirkumpolarsterne anstellte, wie diese in den astro- nomischen Kalendern von Greenwich, Paris, Washington und Berlin mitgetheilt werden, haben ihm gezeigt, dass wirklich beträchtliche Unterschiede in gerader Aufsteigung den Schwankungen der Erdaxe von täglicher Periode zuzuschreiben seien. Diese einstweiligen An- deutungen sind ganz geeignet dazu, Aufsehen zu erregen und den lebhaften Wunsch nach anderweiten, bestätigenden oder abändernden ® Mittheilungen von unbetheiligter Seite nahezulegen. — Der Einfluss der Planeten ist bis jetzt, da ausschliesslich von der Lunisolarpräcession die Rede war, ausser Acht geblieben, und in der That ist er an und für sich von keiner Erheblichkeit. Allein in $. 9 haben wir erfahren, dass, ganz unabhängig von der Präcession, die Ekliptik eine langsame Schwengelbewegung ausführt, und dass diese beiden Bewegungen sich irgendwie kombiniren müssen, ist klar. Der Aequator geht lediglich in Folge der Präcession auf der ruhend ge- dachten Ekliptik rückwärts, also geht er auch noch auf der durch die Planeten bewegten Ekliptik rückwärts, und dieses letztere Rück wärts- gehen, dessen Grösse die Astronomie mit dem Buchstaben 4, bezeichnet, heisst allgemeine Präcession der Aequinoktialpunkte [218]. Nach den neuesten Untersuchungen darf für den Zeitraum von t Jahren d, — 50,21129 t + 0”,0001221483 t gesetzt werden [219]. $. 13. Nutation. Wir haben in $. 6 Bradley’s Versuche kennen gelernt, durch Beobachtungen an Zenitalsternen deren jährliche Parall- axe zu finden, und wir erfuhren damals, dass dieser nächste Zweck freilich nicht erreicht, wohl aber eine Entdeckung von vielleicht noch grösserer Tragweite, nämlich die der Licht-Aberration, gemacht wurde. Ein zweites Nebenprodukt jener mühsamen Untersuchung bildet die sogenannte Nutation. Am 31. December veröffentlichte Bradley ein an Lord Macclesfield gerichtetes Sendschreiben, welches später in die von Rigaud besorgte Briefsammlung aufgenommen wurde [220]. Darin stellte er folgende zwei Thesen auf: I) Die Erdaxe ist während eines Umlaufes der Mondknoten einem Schwanken unterworfen, welches bis auf 18% steigt; II) Dieses Schwanken ist auch mit einer Ungleich- heit im Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen verknüpft. Unterstützt durch den unermüdlichen Zahlenrechner Machin, gab der Entdecker eine einstweilige Hypothese zur Erklärung dieser neuen Bewegungs- anomalie an; diese Erklärung kommt dem Grundgedanken nach auf das Nämliche heraus, wie früher die (in $.10 abgehandelte) Trepidations- hypothese, drückte aber die Beobachtungen bis auf etwa 2” genau aus. Sodann gelang es D’Alembert, auch die Nutation mit dem Newton’schen Gesetze und mit der sphäroidalen Gestalt der Erde in Uebereinstimmung zu bringen [221]. Der äquatoriale Wulst der Erde bewirkt, wie wir sahen, die Präcession; würde die (scheinbare) Sonne, statt in der Ebene der Ekliptik, in derjenigen des Aequators umlaufen, so würde diese Massen- anhäufung sich nicht durch attraktive Störungen geltend machen können. Immerhin ist das Vorrücken des Aequators, soweit die Sonne allein 264 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn, d. Erdkörpers. in Frage kommt, ein gleichförmiges, weil jene genau ein halbes Jahr über und genau ein halbes Jahr unter dem Aequator sich befindet. Nun kommt aber noch der Mond hinzu, der nicht in der Ebene der Ekliptik seine Bahn beschreibt und deswegen auch nicht gleichförmig an den Wirkungen der Präcession participirt. Seine Bahnebene bildet mit der Ekliptik einen Winkel von etwas mehr als 5°, und in 18 Jahren sehen die gemeinschaftlichen Durchschnittspunkte (Knoten) beider Kreise einmal um die ganze Peripherie herum. Es muss mithin der ‚ Antheil, welcher bei der Lunisolarpräcession allein auf den Mond kommt, ein veränderlicher, jedoch, wie eben schon Bradley fand, an eine Periode von 18 Jahn gebunden sein. Fig. 51, die nach J. J. v. Littrow [222] gehalten ist, versucht das Wesen der oscillatorischen Gesammt- bewegung im Bilde darzustellen. PQRS Fig. 51. ist ein um den Pol E der Ekliptik mit einem Radius von 232° beschriebener Kugelkreis, in dessen Peripherie der Pol P, der Richtung des Pfeiles folgend und jener der Zeichen entgegen, jährlich um etwa 50” sich weiter bewegt. Die all- gemeine Präcession (der Planeten) bringt die Ekliptik aus ihrer Lage und bewirkt so, dass der Pol der Ekliptik nicht mehr ganz ruhig verbleibt, sondern den Punkt Ein einer gekrümmten Linie efgh um- läuft: Damit endlich auch der Nutation ihr Recht werde, darf man den Aequator-Pol nicht mehr einfach in einem Kreise, sondern in einer Wellenlinie Ppgrs einhergehen lassen, in welcher der wahre Pol p dem mittleren Pol P gegenüber bald etwas voran-, bald etwas nachsteht, indem er sich zugleich dem mittleren Pole der Ekliptik jetzt etwas nähert, dann wieder von ihm entfernt. ‘Die Nutation ändert sowohl die Lage des aufsteigenden Knotens der Mondbahn, als auch die Schiefe der Ekliptik. Unter $), verstehen wir im Folgenden die Länge des aufsteigenden Knotens, unter © und ( die Länge der Mittelpunkte von Sonne und Mond, unter P die Länge des Perihels der Sonne, unter P’ diejenige des Perigäums der Mondbahn, unter A diejenige eines Sternes, unter e die Ekliptikschiefe. Dann sind die auf Rechnung der Nutation zu setzenden Abänderungen Ax und A durch folgende von ©. A. F. Peters [223] aufgestellte Gleichungen gegeben: AX—= — 17",2405 sin S, + 0,2073 sin 209 — 1,2692 sin 20 — 0,2041 sin 20 - 0,1279 sn (© — P) = 0,0218 5n (O7 7 EB) + 0”, 0677 sin (€ — P'); a e—= + 9,2231 cos , — 0,0897 cos 2-0", 5509 cos 2 © —+ 0,0886 cos 2.Q AL 0,0093 cos (© al P). Als Epoche gilt der Anfang des Jahres 1800. Anderweite Forschungen über Art und Grösse der Nutation besitzt man von v. Lin- denau [224], Lundahl [225], Nyren [226] und Tägert [227]. Dem Letztgenannten gebührt das Verdienst, den Beweis für die bereits von Laplace erkannte Thatsache, dass bei ausschliesslicher Berück- sichtigung der ersten Potenzen der störenden Kräfte die Meeres- IV, $S. 14. Die Fortbewegung des Sonnensystemes im Raume. 265 schwankungen auf Präcession und Nutation nicht erkennbar einwirken, auch auf die Quadrate jener kleinen Grössen erstreckt zu haben*). $S. 14. Die Fortbewegung des Sonnensystemes im Raume, Alle kosmisch nachweisbaren Bewegungen der Erde sind in den dreizehn ersten Paragraphen dieses Kapitels durchgesprochen worden, eine ein- zige ausgenommen. Diese letztere würde nach der Ansicht Mancher überhaupt aus einem Lehrbuche der Geophysik fortbleiben dürfen, da ihr auf den ersten Blick allerdings keine Bedeutung für unsere Zwecke zugeschrieben werden zu können scheint. Und doch beruht diese Mei- nung auf einem Irrthume, denn schon im ersten Kapitel der nun folgenden dritten Abtheilung werden wir uns überzeugen, dass von einem Fachmanne ersten Ranges, von Poisson, diese Bewegungs- form in nächsten Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Erwärmungs- zustande des Erdkörpers gebracht worden ist. Wir meinen diejenige Bewegung der Erde, welche sie im Gefolge der selbst ihren Ort im Raume wechselnden Sonne mitzumachen genöthigt ist, und welche für einen im ‚Raume absolut stabil aufgestellten Beobachter — Körper Alpha ach Carl Neumann’s Definition [229] — den Eindruck her- vorrufen muss, dass die Erde nicht sowohl in einer geschlossenen Ellipse, als vielmehr in einer Epieykloide mit Durchschlingungen sich fortbewege. Der erste Astronom, welcher den altehrwürdigen Begriff „Fix- stern“ in’s Schwanken brachte und für eine ganze Anzahl dieser Ge- stirne eine von den bekannten Ortsveränderungen innerhalb des Sonnen- systemes unabhängige Eigenbewegung nachwies, war der ältere Tobias Mayer [230]. Weitere Schlüsse zog er aus dieser Wahr- nehmung zunächst nicht; es musste also dahin gestellt bleiben, ob hier wirklich Fixsternbewegungen vorlagen, oder ob vielleicht die Sonne die ihr beigelegte Eigenschaft völliger Unbeweglichkeit nicht besass, oder ob wohl gar beide Bewegungsgattungen in einander griffen. Für die Fortbewegung der Sonne im Raume sprach sich mit aller Ent- schiedenheit zuerst Lambert anlässlich seiner grossartig kühnen Konstruktion der Sternsysteme höherer Ordnung aus. Schon der Um- stand, dass sich die Sonne um ihre eigene Axe dreht, schien ihm genügend, ihr auch eine fortschreitende Bewegung als unumgängliche begleitende Eigenschaft beizulegen [231]; „Die Sonne,“ diess sind seine Worte [232], „mag immerhin im Mittelpunkt ihres Systemes sein und die Planeten und Kometen um sich her wandeln lassen. Sie ist es nicht mehr als Jupiter und Saturn in Absicht auf ihre Trabanten. Dass sie aber im Mittelpunkt des ganzen Weltgebäudes seie, das ist noch lange nicht ausgemacht, und wenn sie es auch einmal wäre, so würde sie bald wieder daraus weggerückt werden.“ Ja, er sprach sogar schon die Hoffnung aus, dass es dereinst gelingen werde, die von der bewegten Sonne innegehaltene Richtung anzugeben oder, wie man sich später ausdrückte, den Apex der Sonnenbewegung an der Himmelskugel zu ermitteln. Dieses Problem lösten denn auch “) Aus dem oben Angeführten folgt, dass es auch eine solare Nutation von halbjähriger Periode geben muss, indessen ist diese nur sehr klein und er- hebt sich im Maximum zu einer halben Sekunde [228]. 266 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. W. Herschel [233] und P. Prevost [234], doch war Letzterer nach R. Wolf [235], als er seine Arbeit begann, schon nicht mehr ganz ohne Kenntniss von Herschel’s Entwürfen. Der Gedankengang des Letzteren ist ein überaus einfacher. A (Fig. 52) stellt den Mittelpunkt der Ekliptik PQRS dar; es wird angenommen, dass sich die Sonne in der Richtung des Diameters DU bewege und nach einiger Zeit in B ankomme. Rings herum in der Ebene dieses Kreises sind Sterne vertheilt, und wenn nur AB gross genug ist, um den parallaktischen Winkel genügend hervortreten zu lassen, so müssen die — auf der Ekliptik abgemessenen — Längen jener Sterne eine Veränderung er- leiden; jeder einzelne Stern erscheint von a nach b verschoben. Zur rechten Hand wach- sen die astronomischen Längen, zur linken nehmen sie ab. Speziell gegen den Apex C hin treten die Sterne aus einander, gegen den diametral entgegengesetzten Punkt D hin nähern sie sich einander, wie beides die Pfeile ausdrücken. Eine ähnliche Erschei- nung stellt sich einem Jeden vor Augen, der eine lange Allee durchwandert. Man erkennt jetzt aber, wie Herschel durch das Studium einer möglichst zahlreiche Längen-Verände- rungen enthaltenden Tabelle die Lage von AU zu fixiren in den Stand gesetzt wurde. Neuen Aufschwung erhielt dieser in- teressante Zweig astronomischer Forschung durch eine Monographie Argelander’s |236]. Ausser ihm haben Gauss, Lundahl, Gallo- way, Main, Stone, Proctor, Gould u. a. Beiträge geliefert; be- sonders eingehend hat sich mit der Frage auch Mädler beschäftigt, der aus drei gesonderten Sterngruppen, resp. 227, 663 und 1273 Ein- zelsterne umfassend, für Rektascension und Deklination des Apex jeweils diese Werthe erhielt [237]: | 262°0°,8 und 39°35/,2; 261°14'‘,4 und 37°53',6; 261322 | und 42°21‘,9. Der Punkt hat positive Deklination, gehört also der Nordhalb- kugel an. Auf diesem Wege wird man sich den wahren Werthen mit immer grösserer Genauigkeit zu nähern und wohl auch mit der Zeit die Geschwindigkeit der translatorischen Bewegung unseres Systemes zu schätzen vermögen*). Wahrscheinlich ist diese keine so schnelle, dass die aus ihr folgende Versetzung der Erde in immer neue kosmische Regionen irgendwelche tellurische Rückwirkung äussern könnte. *) Doppler hat bekanntlich [238] das farbige Licht der Sterne aus deren eigener Bewegung zu erklären versucht, indem diese, je nach ihrem Sinne, die Lichtwellen verlängere oder verkürze. Man hat deshalb auch wohl daran gedacht, dieses Doppler’sche Prineip für die oben ventilirte Frage nutzbar zu machen, doch wird die Hoffnung. dass diess gelingen werde, von Newcomb mit Recht als eine sehr unsichere bezeichnet, wie z. B. folgende Betrachtung lehrt [239]: „Einer Bewegung von /ökm in der Sekunde entspricht nur eine Verschiebung von einem Sechstel der Entfernung der beiden Natriumlinien oder von 0,000001 mm, und Bewegungen von dieser Grösse kommen zwar am Sternhimmel var, scheinen aber nicht sehr häufig zu sein.“ , Citate. 267 [1] Chabas, Sur un texte €gyptien relatif au mouvement de la terre, Zeitschr. f. ägypt. Spr. u. Alterthumsk., Decemb. 1864. — [2] H. Martin, Hypothese astronomique de Pythagore, Bullett. di bibliogr. e di storia delle science mat. e fis.. Tomo V. S. 99 ff.; Id., Hypothese astronomique de Philolaus, ibid. Tomo V. Ss. 127 ff. — [3] Schiaparelli, Die Vorläufer des Coppernicus im Alterthum, deutsch von Curtze, Leipzig 1876. S. 2 ff. — [4] Ibid. S. 5. — [5] Böckh, Philolaos des Pythagoreers Leben und Bruchstücke aus seinen Werken, Berlin 1819. $. 90 fi. — [6] Schiaparelli, Die Vorläufer etc. S. 22 ff. — [7] Heller, Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit, 1. Band, Stuttgart 1882. $. 32 ff. — [8] Grote-Holzamer, Platon’s Lehre von der Rotation der Erde und die Auslegung derselben durch Aristoteles, Prag 1861. — [9] Schiaparelli, Die Vorläufer ete. S. 47 fi. — [10] Ibid. S. 49. — [11] Ibid. S. 69 ff. — [12] Ibid. S.79 ff. — [13] Ibid. S. 99. — [14] Günther, Studien zur Geschichte der mathematischen und physikalischen Geographie, Halle 1879. S. 53. — [15] Ibid. 8. 28 ff. — [16] Peschel- Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Alexander v. Humboldt und Carl Ritter, München 1877. S. 132. — [17] Sprenger, The Copernican system of astronomy among the Arabs, journal of the r. asiatic society of Bengal, Vol. XXV. S. 189 ff. — [18] Günther, Studien etc. S. 113. — [19] Carove, Galileo Galilei, Siegen und Wiesbaden 1842. S. 47. — [20] Venturi, Essai sur les ouvrages de Leonard da Vinei, Paris 1797. 8.7. — [21] R. Wolf,, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 231. — [22] Hipler, Die Vorläufer des Nikolaus Coppernicus, insbesondere Celio Calcagnini, Mitth. d. Copp.- Vereines f. Wissensch. u. Kunst zu Thorn, 4. Heft, S. 69 fi. — [23] Celii Calcagnini de perenni motu terrae tractatus, deutsch von Schlüter, Natur u. Offenbarung, 1879. S. 575 fi. — [24] Prowe, Nikolaus Copper- nieus, I. Band, 1. Theil, Berlin 1883. $.317. — [25] Ibid. I. Band, 1. Theil, $. 343. — [26] Ibid. I. Band, 2. 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S. 330. — [122] Schiaparelli. Die Vorläufer ete. S. 61. — [123] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 45 fi. — [124] Ibid. S. 50 fi. — [125] H. J. Klein, Populäre astronomische En- cyklopädie, Berlin 1871. S. 120 ff. — [126] Möbius, Elemente der Mechanik des Himmels, auf neuem Wege ohne Hülfe höherer Rechnungsarten dargestellt, Leip- zig 1843. S. 46 fi. — [127] R. Wolf, Gesch. ete. S. 79. — [128] Schiaparelli, Die Vorläufer ete. S. 52 ff. — [129] Macrobius, Commentarius in somnium Seipionis, lib. I. cap. 19. — [130] Marcianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mereurii libri duo, lib. I. cap. 8. — [131] Narducci, Intorno a vari comenti fin qui inediti e sconosciuti al „Satyricon“ di Marziano Capella, Roma 1883. S. 7 ff. — [132] Tycho Brahe, Astronomiae instauratae progymnasmata... typis inchoata Uraniburgi Da- niae, absoluta Pragae Bohemiae 1609. S. 477 ff. — [133] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 245 ff. — [134] Schinz, Würdigung des tychonischen Weltsystemes aus dem Standpunkte des 16. Jahrhunderts, Halle 1856. — [135] Raymarus Ursus, Trac- tatus astronomicus de hypothesibus astronomieis, sive de systemate mundi, Pragae 1597. — [136] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 245. — [137] Prowe, Nik. Cop- pernicus, I. Band. 2. Theil, S. 290 ff. — [138] Aristarchi Samii de mundi syste- mate,. partibus et motibus ejusdem liber singularis, cum notis ed. Roberval, Pa- risiis 1647. — [139] Archimedis opera omnia cum commentariis Eutocii, ed. Hei- berg, Vol. I., Lipsiae 1881. S. 245. — [140] J. W. H. Lehmann, Ueber den Ein- fluss der Bewegung der Erde um die Sonne auf die Bewegung eines freihängen- den Pendels, Astron. Nachr. Nr. 925. — [141] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 398. — [142] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 1. Cyklus, Zürich 1858. S. 93. — [143] v. Gebler, Galileo Galilei und die römische Curie, 1. Band, Stutt- gart 1876. S. 26. — [144] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 544 ff. — [145] J. J. v. Litt- row, Wunder des Himmels, S. 117 fi. — [146] Bessel, Bestimmung der Entfernung des 61. Sternes des Schwanes, Astron. Nachr. Nr. 365. 366. — [147] Gylden, Die Grund- lehren der Astronomie, Leipzig 1877. S. 363. — [148] Ch. Dufour, M&moire sur une nouvelle m&thode pour determiner la distance de quelques £toiles, Bull. de la soc. Vaudoise des sciences phys. et nat., tome X. 8.1 ff. — [149] J. J. v. Littrow, 270 Citate. Wunder des Himmels, S. 121 ff. S. 134 ff. — [150] W. v. Struve, Sur le coeffi- cient constant dans ]’aberration des £toiles fixes, St. Petersbourg 1843. — [151] Wer- nicke,. Die Entdeckung der endlichen Lichtgeschwindigkeit durch Olaus Römer, Zeitschr. f. Math. u. Phys., 25. Jahrgang, hist.-lit. Abtheilung. S. 1 ff. — [152] Nik. Cop- pernicus, Ueber etc. S. 29, — [153] Menzzer, Ueber den Zusammenhang der Ro- tation und Revolution, die dritte von Coppernicus entdeckte Bewegung der Erde und das Rotationsgesetz, Halberstadt 1868. — [154] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 228. — [155] Nik. Coppernicus, Ueber etc, $. 10 der Anmerkungen. — [156] Th. Gilbert, Les preuves mecaniques de la rotation de la terre. Bull. des sciences math. et astron., (2) tome VI. S. 189 ff. — [157] Bohnenberger, Beschrei- bung einer Maschine zur Erläuterung des Gesetzes der Umdrehung der Erde, Tübingen 1817. — [158] Günther, Studien ete. $. 86. — [159] Ibid. S. 40. — [160] Nik. Coppernicus, Ueber etc., $S. 22 der Anmerkungen. — [161] Göbel, Ueber Kepler’s astronomische Anschauungen und Forschungen; ein Beitrag zur Entdeckungsgeschichte seiner Gesetze, Halle 1871. — [162] Himmer, Astronomische Geographie, Kaiserslautern 1883. $. 20. — [163] Göbel, Ueber etc. S. 45. — [164] Ibid. S. 62 ff. — [165] Ibid. S. 72 ff. — [166] Ibid. S. 80 ff. — [167] Ibid. S. 101 ff. — [168] Ibid. S. 107 ff. — [169] Ibid. S. 120. — [170] Autenheimer, Elementarbuch der Differential- und Integralrechnung, Weimar 1865. S. 402. — [171] Wettstein, Die Strömungen des Festen, Flüssigen und Gasförmigen und ihre Bedeutung für Geologie, Astronomie, Meteorologie und Klimatologie, Zürich 1880. Ss. 11 ff. — [172] Ibid. S. 18. — [173] Zöppritz, Recension hiezu, Mittheil. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 7. Band. $S. 240 ff. — [174] Günther, Geophysi- kalische Hypothesen, geprüft durch Libellen- und Pendel- Apparate, Humboldt, 2. Jahrgang. $.328 ff. — [175] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik, Agram 1881. S. 41 ff. — [176] Mädler, Populäre Astronomie, 6. Auflage, herausgeg. von Klin- kerfues, Strassburg 1882. $. 382 ff. — [177] Prowe. Nik. Coppernicus, I. Band, 1. Theil. S. 244. — [178] Laplace, Sur la diminution de l’obliquit& de l’Ecliptique, qui resulte des observations des anciens. Conn. des temps pour l’an 1811. — [179] Mädler-Klinkerfues, Pop. Astr. S. 396. — [180] Ibid. S. 28. — [181] Möbius, Die Elemente etc. $. 287. — [182] Croll, On the physical cause of the change of elimate during geological epochs, Phil. Mag., (4) Vol. XXVII. S. 130. — [183] Geh- ler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, VIII. Band, Leipzig 1836. $. 879 ff. — [184] Ibid. $. 882. — [185] Croll, On the excentrieity oj the earth’s orbit, and its physical relation to the glacial epoch,. Phil. Mag., (4) Vol. XXXI. 8. 119 ff. — [186] Croll, On the change of the obliquity of the ecliptie, its influence of the climate of the polar regions and on the level of the sea, ibid. Vol. XXXI. S. 480 ff. — [187] R. Wolf, Gesch. d. Astr. $. 158. — [188] Ibid. S. 159. — [189] Gehler’s phys. Wörterb., 2. Aufl., IX. Band. 3. Abtheilung, Leipzig 1840. S. 2129 ff. — [190] Aristotelis libri religqui cum Averrois in eosdem paraphrasibus, Venetiis 1566. tom. VI. pars 2. — [191] Benfey, Orient und Occident, 2. Jahrgang. $. 753 fi. — [192] v. Segner, Astronomische Vorlesungen, 1. Theil, Halle 1775. S. 188. — [193] Gehler’s phys. Wörterb., 2. Aufl.. IX. Band, 3. Abtheilung, Leipzig 1840. S. 2133 ff. — [194] Ibid. S. 2146 ff. — [195] Günther, Studien ete. $. 46 ff. — [196] Schiaparelli-Horn, Die homoc. Sphären ete. S. 125 ff. — [197] Werner, De motu octavae sphaerae tractatus, Norimbergae 1522. — [198] Fracastor, Homo- centrica ete. fol. 11. — [199] Günther, Der Wapowski-Brief des Coppernicus und Werner’s Traktat über die Bewegung der achten Sphäre, Mittheil. d. Copp.-Vereins f. Wissensch. u. Kunst zu Thorn, 2. Heft. $. 3 ff. — [200] Prowe, Nik. Copper- nieus, I. Band, 2. Theil. $. 217 ff. — [201] Sir Isaac Newton’s mathematische Prineipien der Naturlehre, Berlin 1872. S. 455 ff. — [202] v. Lang, Einleitung in die theoretische Physik, 1. Theil, Braunschweig 1867. S. 117 ff. — [203] Gerlach, Die Bestimmung der Gestalt und Grösse der Erde, Wien 1782. 8. 119 ff. — [204] Newton, Math. Princ. ete. S. 459. — [205] D’Alembert, Untersuchungen über die Präcession der Nachtgleichen und die Nutation der Erdaxe, deutsch von Seuffert, Nürnberg 1857. — [206] Ibid. S. 32 ff. — [207] Laplace, Sur les varia- tions de l’obliquit& de l’Ecliptique, et de la precession des equinoxes,. Conn. des temps pour l’an 1827. — [208] Th. Gilbert, S. 215 ff. — [209] Ibid. $. 218 fi. — [210] Ibid. S. 221 fi. — [211] Th. Gilbert, Recherches sur les mouvements rela- tifs, Ann. de la soc. seientif. de Bruxelles, III (A). S. 70 fi. — [212] Th. Gilbert, Etude historique et critique sur le probleme de la rotation '‘d’un corps solide au- tour d’un point fixe, ibid. Il (B). 8. 255 ff. — [213] Munker, Eine elementare Er- klärung der Präcessionsbewegung mit Berücksichtigung der Reibung, Abhandl. d. naturf. Gesellsch. zu Nürnberg. 7. Band. S. 193 ff. — [214] Poggendorff, Bio- V, 8. 1. Kartenprojektion. 271 graphisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften, 1. Band, Leipzig 1863. S. 741. — [215] Munker, $. 202 ff. — [216] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Autl., IX. Band, 3. Abtheilung, $. 926 ff. — [217] Folie, Existence et grandeur de la precession et de la nutation diurne, Bruxelles 1882. — [218] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl.. IX. Band, 3. Abtheilung, S. 2144. — [219] Israel, Abriss der mathematischen Geographie, Wiesbaden 1882. S. 6. — [220] Bradley, A letter to the Rt. Hon. George Earl of Macclesfield concerning an apparent motion observed in some of the fixed stars, Miscellaneous works and correspondence, published by Rigaud, Oxford 1832. S. 17 ff. — [221] D’Alembert, Untersuchungen etc. $. 42 ff. S. 56 ff. — [222] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., IX. Band, 3. Abtheilung, $. 2164 ff. — [223] C. F. A. Peters, Numerus constans nutationis ex ascensionibus rectis stellae polaris deductus, Petropoli 1842. — [224] v. Lindenau, Versuch einer neuen Bestimmung der Nutations- und Aber- rationsconstanten, Berlin 1842. — [225] Lundahl,. De numeris nutationis et aber- rationis constantibus atque de parallaxi annua stellae polaris, Helsingfors 1842, — [226] Nyren, Bestimmung der Nutation der Erdaxe, St. Petersburg 1872. — [227] Tägert, Ueber die Einwirkung der Ebbe und Fluth auf die Präcession und Nutation, sowie auf die Drehungsgeschwindigkeit der Erde, Siegen 1880. — [228] Mädler-Klinkerfues, Pop. Astr. S. 113. — [229] C. Neumann, Ueber die Prin- cipien der Galilei-Newton’schen Theorie, Leipzig 1870. S. 15. — [230] R. Wolf, Gesch. d. Astr. S. 731. — [231] Lambert, Cosmologische Briefe über die Einrich- tung des Weltbaues, Augsburg 1761. S. 126. — [232] Ibid. S. 134. — [233] W. Her- schel, On the proper motion of the sun and solar system, Phil. Transact., Vol. LXXV. S. 247 ff. — [234] P. Prevost, M&moire sur le mouvement progressif du centre de gravite de tout le systeme solaire, Bode’s astronom. Jahrbuch für 1786. — [235] R. Wolf, Biogr. z. Kulturgesch. d. Schweiz, 4. Cyklus, Zürich 1862. $. 180. — [236] Argelander, Ueber die eigene Bewegung des Sonnensystemes, St. Peters- burg 1837. — [237] Mädler-Klinkerfues, Pop. Astr. $. 439. — [238] Doppler, Bei- träge zur Fixsternkunde, Prag 1847. — [239] Newcomb, Populäre Astronomie, deutsch von Engelmann, Leipzig 1881. S. 530. | Kapitel V. Die Graphik im Dienste der physischen Erdkunde. $. 1. Kartenprojektion. Nachdem die Erde einmal als rund an- erkannt war, handelte es sich darum, entweder ihre Gesammtoberfläche oder doch Theile derselben in einer Ebene darzustellen. Diess war die Aufgabe der Kartenprojektionslehre, deren Anfänge wir bis in ziemlich entlegene Zeiten zurückverfolgen können. Gehörte die Kugel zujenen Flächen, welche die höhere Geometrie als developpabel bezeichnet, welche somit auf einer Ebene ohne Riss oder Falte aus- gebreitet werden können, so würde die Herstellung von Erdbildern keine besonderen Schwierigkeiten bieten. Da diess jedoch nicht der Fall, da vielmehr die Kugelfläche mit der Ebene unter gar keinen Umständen zur vollständigen Deckung zu bringen ist, so können Ab- weichungen zwischen Original und Kopie niemals gänzlich vermieden werden, und der Kartenzeichner hat lediglich darauf zu sehen, dass die Fehler, welche er begeht, gegenüber dem von ihm augenblicklich angestrebten Zwecke möglichst wenig in's Gewicht fallen. Es sei gleich hier bemerkt, dass die Kugelgestalt der Erde, obwohl sie nach den Ergebnissen von Kap. I und III keine reine ist, gleichwohl von 272 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. der theoretischen Kartographie unbedenklich festgehalten werden darf, indem Wiechel fand, dass für einen Maassstab —1 : 50000000 < 1:100000 die Abplattung solange ausser Beachtung bleiben darf, als die Maschenweite des Gradnetzes eine Breite von 5 cm nicht über- steigt [1]. Noch weniger ist natürlich an die geoidischen Anomalieen zu denken. Die Geschichte unserer Disciplin beginnt *) keinesfalls vor Thales, der jedoch nicht sowohl die Erd- als vielmehr die Himmelskugel zur Gewinnung brauchbarer Sonnenuhren abzubilden versucht haben soll. Von ihm mögen wohl die Milesier Anaximander, Hekatäos und Aristagoras direkt und indirekt angeregt gewesen sein, deren letzterer um 500 v. Chr. eine eherne Tafel in Sparta vorzeigte, in welche die Umrisslinien des ganzen Erdkreises eingegraben waren [6]. Später scheint dann Dikäarch als Kartograph aufgetreten zu sein, doch fehlte seinen rohen Konceptionen nach Berger’s Untersuchungen [7] noch ganz die mathematische Direktive; Eratosthenes führte mittelst der von Agathemeros ausdrücklich als „trapezförmig“ be- zeichneten Abbildungsart das erste Gradnetz ein: die Parallelkreise wurden gerade Linien, die Meridiane ebenfalls, während aber erstere ihren Parallelismus beibehielten, konvergirten letztere nach oben, so zwar, dass der durch Syene hindurchgehende Meridian auf der Parallelen- schaar senkrecht stand [8]. Da es sich nur um die 7 otxonpEyn handelte, reichte dieses einfache Schema aus. Hipparch erfand zu astronomischen Zwecken die stereographische Projektion, welche diesen ihren Namen aber erst siebzehnhundert Jahre später von dem Jesuiten Aquilonius erhielt, Marinus der Tyrier die Plattkarten, und nach Art dieser letzteren fertigte Ptolemäus seinen berühmten und für das ganze Mittelalter maassgebend gewordenen Atlas an, dessen technische Ausführung er einem gewissen Agathodämon übertrug [9]. Ausser diesen geometrisch angelegten und nach den Weltgegenden orientirten**) Karten gab es auch geographische Faustzeichnungen, die Itinerarien oder Strassenkarten, welche die Krümmung der Erdoberfläche völlig ignorirten: unter ihnen ragt als ein historisch höchst merkwürdiges Denkmal die sogenannte tabula Peutingeriana hervor“). *) Historische Abrisse der Projektionslehre hat man von D’Avezac [2], von Breusing [3] und von dem Verf. dieses [4]; eine mehr populäre Uebersicht über die wichtigsten Momente gab Le Monnier [5]. .. **) Die heute Jedermann in Fleisch und Blut übergegangene Orientirung geographischer Karten, bei welcher Norden oben, Süden unten sich befindet, ist erst verhältnissmässig neuen Datums. Wir haben über diese bisher zu wenig beachtete Frage einige, zunächst allerdings nur fragmentarische Notizen gesam- melt [10], aus welchen erhellt, dass die orientalischen Völker — vermuthlich im Zusammenhange mit der ihnen eigenthümlichen Weise des Schreibens und Zäh- lens von rechts nach links — gerade die der unseren entgegengesetzte Anordnung für die naturgemässe hielten. Die von Marinelli [11] reprodueirte Weltkarte von Alby aus dem VIII. hat ebenso wie die einem angelsächsischen Priscianus- Kodex entstammende Karte aus dem X. Jahrhundert gar Osten oben, Westen unten. ***) Dieselbe stellt nicht etwa ein einheitliches Werk vor. vielmehr ist sie wahrscheinlich im Laufe der Zeiten aus sehr verschiedenartigen Bestandtheilen zusammengewachsen. Der äusserste Osten z. B. ist, wie neuerdings Toma- schek [12] wahrscheinlich zu machen gewusst hat, einem alten Vorbilde aus der Periode der Diadochen entnommen und verhältnissmässig gut ausgeführt. V,.$. 1. Kartenprojektion. | 273 Solche Diagramme hatte vermuthlich Propertius bei seinen Worten (Eleg. IV) | „Cogor et e tabula pictos ediscere mundos, | Ventus in Italiam qui bene vela ferat“* im Auge, und von wenig anderem Kaliber mag wohl auch das Karten- kabinet des Kaisers Augustus gewesen sein. Immerhin hat Philippi es wahrscheinlich zu machen gewusst, dass die berühmte „Weltkarte* des Agrippa wenigstens nicht völlig der Projektion entbehrte [13]. Die Kartographie des 'patristischen Zeitalters verlor das Wesen einer mathematischen Uebertragung gekrümmter auf ebene Flächen vollständig aus den Augen, höchstens bei der Weltkarte des Anonymus von Ravenna ist insoferne noch eine Spur dieses Bewusstseins nachzu- weisen, als die Gelehrten darüber im Unklaren sind, ob dieselbe kreis- rund oder rechteckig gewesen sei |14|. Man weiss Marinelli’s Mit- theilungen zufolge [15] von etwa einem Dutzend Weltkarten aus dem früheren Mittelalter, doch sind dieselben fast sämmtlich verloren ge- gangen. Namentlich muss diess bedauert werden von den Kunstwerken, welche sich im Besitze Karl’s des Grossen befanden, von dessen Enkel Ludwig aber vernichtet wurden. „Inter ceteros thesauros,“ so berichtet der Biograph Einhard [16], „ac pecunias tres mensas argenteas et auream unam praecipuae magnitudinis et ponderis esse constat ... .. Tertiam, quae ceteris et operis pulchritudine et ponderis sravitate multum excellit, quae ex tribus orbibus connexa, totius mundi descriptionem subtili ac minuta figuratione complectitur, et auream illam, quae quarta esse dicta est, inter heredes suos atque in elemosinam di- videndae partis augmentum esse constituit.“ Wahrscheinlich hat man es hier mit sogenannten Radkarten zu thun, wie sie im frühesten Mittelalter fast ausschliesslich üblich waren [17]. Auch die Araber brachten, was bei ihrem Sinn für das Mathematische Wunder nehmen darf, keinen rechten Fortschritt zuwege, wie Peschel [18] des Näheren dargelegt hat; die Weltbilder Edrisi’s und Istachri’s bleiben be- deutend hinter Dem zurück, was die späteren Alexandriner schon ge- leistet hatten; ja eine von Dewulf [19] veröffentlichte alt-arabische Karte der Nilländer ist um nichts besser, als ein rohes Uroquis der Gegenwart. Erst die Bedürfnisse der mehr und mehr aufstrebenden Nautik riefen einen Fortschritt zum Besseren hervor. Th. Fischer hat in einer höchst lesenswerthen Studie [20] den Nachweis geführt, dass die Seekarten den Italienern ihren Ursprung verdanken, und dass, wie die Karte des Luxoro zeigt, schon um 1300 n. Chr. die Eintragung der Küstenlinien in ein wirkliches Netz mit grosser Genauigkeit er- folgte. Man nennt diese Abbildungen Kompasskarten, welche nicht ganz treffende Bezeichnung zu mancherlei Missverständnissen führte; Breusing hat diese letzteren aufgeklärt und den Charakter dieses Kartentypus vollkommen klargestellt [21]. Das einer Kompasskarte nachträglich zu unterlegende Gradnetz ist durchaus nicht etwa, wie man früher wohl annahm, ein cylindrisches, sondern vielmehr ein ko- nisches [22]. Namentlich in Spanien erhielt sich die mit der Erwei- terung des geographischen Horizontes immer unverlässlicher werdende Kunst des Segelns nach dem blossen Kompassstrich länger als anderswo, ja selbst im vorigen Jahrhundert bedienten sich die Piloten des mittel- Günther, Geophysik. I. Band. 18 274 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn..d. Erdkörpers. ländischen Meeres noch ungraduirter Karten. Die Portugiesen waren, wie wir besonders aus einer von Gelcich citirten Schrift des Hernan Colon ersehen [23], ihren östlichen Nachbarn schon im Laufe des XVI. Jahrhunderts bedeutend vorausgekommen. Die ersten selbstständigen Kartographen der Neuzeit waren die Deutschen Stabius und Werner und der Lothringer Walther Lud, ihnen schlossen sich Oronce Fin&e, Sebastian Münster, Postellus, die beiden Apian und Andere an. Breusing hält es für wahrschein- lich [24], dass Seitens der Nautiker dann 'wieder auf die Plattkarten- projektion des Marinus zurückgegriffen wurde, als sich Prinz Hein- rich der Seefahrer von der Nothwendigkeit steter Breitenbestim- mungen überzeugt hatte. Man begann, die ptolemäische Kartensammlung wieder neu aufzulegen; bis 1500 waren schon sechs neue Auflagen derselben erschienen [25]. Breusing ist in der Lage, nicht weniger als 61 Kartenzeichner deutscher Abstammung namhaft zu machen, die alle vor 1575 lebten [26]. Eine förmliche Revolution brachte Ger- hard Mercator hervor, der namentlich in Holland Schule-bildend wirkte [27]; die Namen Hondius, Ortelius, Janssonius können diess bezeugen. Später ragt Homann unter den Verfertigern von Karten und Atlanten hervor [28]; seine Werke behaupteten sich so lange, bis neuerdings wieder jener Umschwung eintrat, dessen Signatur die Verbindung einer hoch entwickelten Technik mit geometrischer Strenge bildet. Die Sitte, der Karte einen Maassstab zur Abschätzung von Distanzen beizugeben, rührt nach Steinhauser [29] von Peter Descelliers (1553) her *). Neuere Mathematiker haben sich vielfach damit beschäftigt, ganz allgemein die Grundsätze zu fixiren, denen eine gute Karte entsprechen soll, und zugleich die Grösse der — wie wir oben sahen, unvermeid- lichen — Fehler zu bestimmen, welche bei jeder Projektionsart sich einstellen. Im seiner uns bereits bekannten Abhandlung erörtert Wiechel sorgfältig alle einschlägigen Umstände; es ist, abgesehen von besonderen Zwecken, darauf zu halten, dass die Mitte der Karte völlig fehlerlos abgebildet sei, dass die geographischen Koordinaten nach einheitlichem Maassstabe abgegriffen werden können, dass endlich der Kartenmittelpunkt womöglich auch Berührungspunkt der Kugel mit der das Bild enthaltenden Tangentialebene werde. Wiechel bringt die wichtigeren Eigenschaften eines guten Kartenbildes mit dem Gewichte 2, die minder wichtigen mit dem Gewichte 1 im Anschlag und sieht sich so in der Lage, die Vorzüge der verschiedenen Me- *) Es wäre eine historische Ungerechtigkeit, gänzlich von chinesischer Kartographie zu schweigen, über welche wir Himly [30] interessante Aufschlüsse verdanken. Eine „Karte des Reiches“ entstand bereits um 1311—1320 n. Chr. unter der Aegide des Mongolenkaisers Wu-Tsung. Dieselbe wurde während der Regierung der Ming-Dynastie umgeändert und 1799 neu herausgegeben. Die Projektion ist roh, aber doch vorhanden; jede Provinz ward in ein Rechteck von ungleichen Seiten hineingezwängt, die aber doch jeweils Distanzen von 100 li entsprechen sollen; der Maassstab der Karte ist also nicht der gleiche, wenn man von West nach Ost oder von Süd nach Nord fortschreitet. Auch giebt es alte Karten für den Seeverkehr nebst Segelanweisungen, die. auf den chinesischen Kompass Bedacht nehmen und stets vorschreiben, wie viel Striche — im Chine- sischen heisst es „Buchstaben“ — zu nehmen sind, wenn ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. R u. 303 £ © a Se ee Eee a ee a a De De ar ee ERTL u V,$. 2. Die gebräuchlichen Projektionsmethoden. 275 thoden tabellarisch gegen einander abwägen zu können. Insbesondere kommen in Frage die Principien der Konformität und der Aequi- valenz; bei ersterer wird gefordert, dass Original und Kopie einander in den kleinsten Theilen ähnlich sein sollen, bei letzterer, dass zwei gleichgrosse Flächentheile der Kugel auch wieder durch gleiche ebene Flächenstücke wiedergegeben werden. Den Kartenfehler, den als mathematischen Begriff zuerst H. Weber [31] der Diskussion unter- stellt hat, definirt Eisenlohr |32] in folgender Weise. Man lege durch alle Punkte der Karte, für welche der Maassstab der nämliche ist, die isometrischen Kurven; jene kürzesten Linien, welche auf diesen senkrecht standen, verwandeln sich in Gerade. Sie erleiden gar keine Verzerrung, wohl aber unterliegen solcher alle übrigen, und am meisten werden betroffen die den isometrischen Linien parallel verlaufenden. Dieser Verzerrungsgrad kann sonach als ein passendes Maass für den Kartenfehler gelten; ist derselbe für einen beliebig kleinen Theil der Karte bekannt, so wird ein Ausdruck für die Grösse des Gesammtfehlers nach dem Verfahren der kleinsten Quadrate her- geleitet. Die Karte erscheint dann mit dem geringsten Kartenfehler behaftet, wenn der Begrenzungslinie selbst der Charakter der Isometrie eignet. Ein in theoretischer Hinsicht wichtiges Lehrbuch der Karten- projektionslehre ist dasjenige von Tissot |33], welches grundsätzlich nur von dem einen Lehrsatze Gebrauch macht, dass einem Systeme orthogonaler Kurvenschaaren der einen Fläche im Allgemeinen nur ein einziges ebensolches System auf der anderen Fläche entspricht. Ein alle bekannten Abbildungsweisen in ihrem gegenseitigen Verhält- niss charakterisirendes Handbuch hat der Italiener Fiorini [34] ge- schrieben. In deutscher Sprache behandeln unseren Gegenstand Möl- linger [35], Steinhauser [36], Coordes [37] und Wenz [38], ersterer mehr an ein mathematisches, letztere an das grössere Publikum sich wendend.. Als ein in mehrfacher Beziehung bahnbrechendes Werk kann dasjenige von Zöppritz [39] betrachtet werden, durch welches der Kredit, in welchem bisher manche der üblichen Konstruk- 'tionsweisen steht, bedenklich erschüttert wird. $. 2. Die gebräuchlichen Projektionsmethoden. In diesem Para- graphen sollen die wichtigeren unter den gegenwärtig in der prak- tischen Kartographie verwendeten Abbildungsweisen kurz beschrieben werden. Absolute Vollständigkeit wird nicht angestrebt; wer tiefer gehen will, nehme eines der oben eitirten Lehrbücher oder das für den vorliegenden Fall ebenfalls sehr werthvolle Kompendium von Gretschel [40] zur Hand. Naturgemäss werden wir den Zwecken der physikalischen Geographie bei unserer Uebersicht besonders Rech- nung tragen. a) Orthographische Projektion. Ein in unendlicher Entfernung befindliches Auge betrachtet die Erdkugel, von welcher es somit gerade die Hälfte sieht. Jene Gegenden, die in der Nähe des Punktes liegen, in welchem eine vom Centrum nach dem Augpunkte gezogene Gerade die Kugelfläche schneidet, werden sehr genau, die um 90° von jenem Punkte abstehenden Theile höchst ungenau abgebildet. Man bedient sich deshalb_dieser Projektion nicht eben gerne, nur für solche Him- 976 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn.d. Erdkörpers. melskörper, wie den Mond, die sich von selbst uns orthographisch darstellen, empfiehlt sich dieselbe. Die den Uebergang vom Original zum Bild. und umgekehrt vermittelnden Formeln hat Thoulet her- geleitet [41]. | b) Stereographische Projektion. Hier befindet sich das Auge in der Kugelfläche selber, während zur Bildebene entweder die im Anti- podenpunkt des Augpunktes an die Kugel gelegte Berührungsebene oder irgend eine andere ihr parallele Ebene genommen wird. Man unter- scheidet für gewöhnlich eine stereographische Polar- und Aequatorial- projektion, je nachdem nämlich der Augpunkt in einen der Erdpole oder aber in den Umfang des Gleichers fällt. Indessen können sich auch andere Lagen als momentan vortheilhaft erweisen, wie denn z. B. der englische Oberst James mittelst der nach ihm benannten Abart der stereographischen Projektion eine Weltkarte herzustellen vermochte, welche sämmtliche Erdtheile, das einzige Australien ausgenommen, um- fasste [42]. Was unserer Projektion zum entschiedenen Vortheil ge- reicht, ist der Umstand, dass sie beliebig grosse Theile der Kugel- fläche *) zu verzeichnen gestattet; hierauf sich stützend konstruirten im Alterthum und Mittelalter die Verfertiger von Planisphären (Ana- lemmen) und Astrolabien gewöhnlich stereographische Bilder [43]. Allerdings wächst mit dieser Ausdehnung auch der Randfehler; einer von Schumann |44] angegebenen Formel gemäss erscheinen die äussersten Randstücke viermal so gross, als die centralen Partieen. Zwei schöne geometrische Eigenschaften zeichnen die stereographische Projektion aus: Jeder Kreis der Kugel transformirt sich wieder in einen Kreis, und je zwei Kurven des Originales durchschneiden sich unter dem nämlichen Winkel, unter welchem sich auch ihre Bildkurven durchschneiden. Wegen einlässlicherer theoretischer Begründung dieser und anderer Sätze vergleiche man die Werke von v. Bauernfeind [45] und Reusch [46]. Steinhauser bemerkt, dass die stereographische Projektion auch zur Darstellung der Land- und Wasserhälfte unserer Erde sehr geeignet sei [47]; der Augpunkt erhält dann eine Lage in 90° geogr. Breite. c) Gnomonische Projektion. Verlegt man das betrachinil Auge in den Mittelpunkt der Kugel und bildet deren Oberfläche auf einer beliebigen Tangentialebene ab, so hat man die centrale oder gnomo- nische Projektion, welche nach D’Avezac’s Meinung (s. o.) [48] viel- leicht schon Thales kannte und anwendete. Nähere Nachweisungen sowohl über die Geschichte dieser Projektion, als auch über deren mathematischen Charakter finden sich in einer Abhandlung des Ver- fassers [49]. Die erste selbstständige Schrift darüber hat den Jesuiten Borgondio zum Autor und stammt aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts [50|. Später schritt man dazu, der Kugel einen regulären *) Völlig unerreichbar ist nur der dem Standpunkt des Zeichners diametral gegenüberliegende Punkt. Diese Thatsache ist von prineipieller mathematischer Bedeutung. Die vulgäre Anschauung vindieirt ebenso, wie die sogenannte nicht- euklidische Geometrie, der geraden Linie zwei unendlich entfernte Punkte; in der euklidischen Geometrie rücken beide zu einem einzigen uneigentlichen Punkt zu- sammen. Nach den Anschauungen der modernen Funktionentheorie, welche die Ebene nur als stereographisches Bild der Kugel auffasst, besitzt auch die Ebene nur Einen unzugänglichen Punkt. nn ia A Eh al inne a a en u a] WEN => um > a Be El V,$. 2. Die gebräuchlichen Projektionsmethoden. 207 Körper umzubeschreiben und auf dessen Seitenflächen je einen aliquoten Theil der Kugelfläche zu übertragen; so wählte Reichard (1803) das Hexaeder, Elie de Beaumont (1863) das Dodekaeder [51]. Letzterer suchte dabei gewissen geologischen Anschauungen Boden zu verschaffen, welche er sich über das die Erde angeblich überdeckende pentagonale Gebirgsnetz gebildet hatte, und aus einem ganz ähnlichen Grunde tritt neuerdings Beguyer de Chancourtois für die gno- monische Projektion ein; er will ausser dieser nur noch die stereo- graphische zur Darstellung einer vollen Halbkugel zulassen. Auch für ihn ist die Ansicht maassgebend, dass Gebirgsketten auf einen längs eines Hauptkreises klaffenden Sprung der Erdrinde hindeuten, und verhielte sich dieses wirklich so, dann würde allerdings die vor- liegende Abbildungsmanier eine sehr hohe orographische Bedeutung ‚erlangen. Wir theilen freilich diese Meinung nicht, geben aber gerne zu, dass unter dem rein geometrischen Gesichtspunkte Chancourtois’ Abbildung der Erdoberfläche auf den acht Flächen eines regelmässigen Oktaeders sehr schöne Bilder liefert [52]. Am meisten empfiehlt der Genannte die stete Verbindung „de trois series de cartes imbriquees“, so besonders der dodekaedrischen, ikosaedrischen und triakontaedrischen Projektion [53]. Wer sich über die Ziele der von Chancourtois beabsichtigten Reform unterrichten will, muss seine dem geologischen Kongress zu Bologna unterbreiteten Mittheilungen nachsehen; dort hebt jener die Wichtigkeit des Studiums „des faits d’alignement*“ besonders hervor und erwähnt u. a. als eines in vulkanistischer Beziehung sehr bemerkenswerthen Umstandes, ein einziger Blick auf eine in seinem Sinne hergestellte Karte belehre darüber, dass eine durch den Vesuv- krater und durch die Insel Santorin gezogene Gerade der Axenrich- tung der Pyrenäen parallel verlaufe |54]. Ein hübsches gnomonisches Kärtchen der Südpolargegenden giebt Krümmel [55], um die Un- richtigkeit gewisser Eintheilungen der dortigen Meeresräume durch diese hier besonders passende centrale Abbildung der grössten Kreise zu widerlegen. — In neuerer Zeit beginnen die Seefahrer das Segeln auf dem Hauptkreise, als auf der kürzesten Verbindungslinie zweier Erdorte, sehr zu bevorzugen und bedürfen hiezu der sogenannten or- thodromischen Seekarten. Hilleret [56] und Rayet [57] gaben Vorschriften zur Anfertigung solcher Karten; wir werden sofort von einer ganz anderen Seite her auf dieselben zurückzukommen haben. d) Mercator’sche Projektion. Um die Mitte des XVI. Säculums stellten sich die Unvollkommenheiten der gewöhnlichen Kompasskarten (s. o. 8. 1) so deutlich heraus, dass die Nautiker die Nothwendigkeit einer Verbesserung nicht mehr verkennen konnten. Gerhard Mer- cator (1512 — 1594) versprach in einem denkwürdigen Schreiben, welches er am 23. Februar 1546 an den Kardinal Granvella richtete, und dessen Uebersetzung Breusing in seine bekannte Lebensbe- schreibung des grossen Kosmographen aufgenommen hat [58], er werde eine Anzahl von seemännischen Nothständen seiner Zahl näher prüfen und ihnen Abhülfe schaffen, und er hat Wort gehalten. Anno 1569 ward von ihm der Stich seiner grossen nautischen Weltkarte voll- endet [59]. Die Meridiane werden in der nach Mercator benannten Projektion durch aequidistante Gerade, die Parallelkreise ebenfalls durch Gerade und zwar durch solche dargestellt, die auf der erstgenannten an 978 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Schaar senkrecht stehen. Dagegen ist jetzt die Gleichabständigkeit der Parallelen in Wegfall gekommen; der Abstand zweier solcher Linien wächst proportional der trigonometrischen Sekante der geo- graphischen Breite, und da sec 90° —. —= & ist, so liegt Nord- wie Südpol in unendlicher Entfernung *). Generalkarten der Erde können sonach im Sinne Mercator’s sehr gut erstellt werden, sobald man sich begnügt, nur die niedrigen Breiten gut, die höheren dagegen sehr weit auseinandergezogen zu erhalten. Die Abbildung ist übrigens, wovon ihr Begründer natürlich noch keine Ahnung haben konnte, eine konforme. Was ihren besonderen Werth für den Schiffer anlangt, so ist Folgendes zu berücksichtigen. Segelt ein Schiff unaufhörlich nach dem nämlichen Kompassstriche, so bewegt es sich auf einer doppelt gekrümmten sphärischen Kurve, welche sämmtliche Meridiane unter konstantem Winkel durchschneidet und den Pol zum asymptotischen Punkt hat; sie erreicht denselben also niemals, legt sich vielmehr in unzähligen Windungen enger und enger um denselben herum. Nennt man a diesen Schnittwinkel, s einen Bogen der Loxodrome — diesen Namen führt die Kurve gewöhnlich —, %, ß und B die Länge, Breite und vergrösserte Breite des Anfangspunktes von o, so gelten die fol- genden Relationen: u cos u SE, insb REN 1-+ sin ß "el leng: — ins ts (45 a cos Bi ” 1 sin ß 78 Tran, 2er Mit Hülfe dieser Formeln lässt sich, wie zumal sehr hübsch in einer Schrift v. Friesach’s [61] dargethan ist, eine elementare Theorie der loxodromischen Figuren begründen **). Natürlich aber wäre für den Praktiker damit wenig gewonnen. Nun bringt es aber Mercator’s Projektionsverfahren ganz von selbst mit sich, dass sich die Loxodrome in eine gerade Linie verwandelt; es ergiebt sich diess einfach aus dem geometrischen Satze über die Wechselwinkel an Parallelen. Jetzt ist also wirklich erreicht, was von den Verfertigern der mittelalterlichen *) Man hüte sich, diese in gewissem Sinne allerdings als ceylindrisch zu bezeichnende Projektion mit der gewöhnlichen cylindrischen oder Pattkarten- Projektion zu verwechseln, welch’ letztere, wie erwähnt, von Marinus einge- führt und sogar von D. Cassini unter einem anderen Namen empfohlen wurde [60]. Auch die perspektivische Methode, welche vom Kugelcentrum aus jeden Punkt auf den Mantel eines umbeschriebenen Cylinders verlegt und diesen Mantel nachher in eine Ebene aufrollen lässt, eine Methode also, welche gewisser- massen eine Erweiterung der gnomonischen Abbildung repräsentirt, ist keineswegs mit jener Mercator’s identisch, obschon auch bei ihr die Pole unendlich weit hinausrücken. Eine geometrische Betrachtung zeigt, dass der Abstand zweier den Breiten ßı und ße entsprechenden Parallelkreise in diesem Falle durch Const. > (tang B2 — tang ßı) ausgedrückt wird, und da ja auch tang 90° = 06 wird, so ist das Schlussergebniss allerdings ein ganz analoges. **) Eine ausführliche „Geschichte der loxodromischen Kurve“ ist vom Verf. schon früher veröffentlicht worden [62]. 19 D V,$. 2. Die gebräuchlichen Projektionsmethoden, 'Kompasskarten auf einem unrichtigen Wege angestrebt wurde; die Distanzmessung auf der See lässt sich ohne Fehler durch blosse An- R) Fig. 53. u BEBIEN BEE HEID: WARNEN, 1 RN BURN =: IE ER SS NER: oe 1 BE HERD ZU GE EEE N NEBEN Ein. |. PT SER ; eNEreiern ER RER De a a | Dean, Eee DE a 7}. re er Re Ba EEE Abe: an BEL NEE KERNE . Be ee See ® | SABRINA Se | EIER | Im Be EN. Bo I € = 3 1971 1". 1 ru Ss 12 BEN: l =) Br ee ee SE ER MER. |; DY j N S= | Folie ja bo Be on e | DrREeerT oo! Br 1,5 4 ErBBEBRN |: | Ace | IRRE: Kiss Pe Be ar See = RZ mi RAS ENG) A ee "a Su0 BER I, 3. ee | N, I ER L.L. e : Kaspar an & = S z En S ESEL ee SO #, Bol N | 7.297 | “ var arms: ‚A RBBREN: De SC KR La DREHEN ER WE za res] to u er le NRZ een: a It: I ["" -| N FON: u | DIT BEE wi | SE BERIBEREIS ER zer au wendung von Lineal und Cirkel bewerkstelligen. — So lange die Schifffahrt eine rein loxodromische war, befriedigten die „Seekarten mit wachsenden Breiten“, wie man sich wohl auch ausdrückte, jedes 980 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Bedürfniss. Nachdem aber, wie erwähnt, die vervollkommneten Mittel der Neuzeit das Segeln nach der kürzesten Distanz wieder wünschens- werth und möglich erscheinen liessen, musste es darauf ankommen, die üblichen Mercator’schen Seekarten hiefür zu adaptiren, sei es, dass man, wie diess v. Friesach [63] und Gelcich [64] thaten, Tabellen berechnete, sei es, dass man mit Albini [65] und Asmus [66] graphische Mittel zur Eintragung grösster Kreise in die Mercator- Karten an die Hand gab. Fig. 53, die nach der schönen Karte der Seewege von Schück [67] gearbeitet ist, stellt uns neun kürzeste Linien (zwischen Hongkong und Sydney, Sydney und Callao, Sydney und Valparaiso, Hongkong und Callao, Hongkong und San Franeisco, Rio de Janeiro und Batavia, Kap Hoorn und Kap Lizard, St. Thomas ‘und Kap Lizard, New-York und Hamburg) vor Augen. Man ersieht ‚hieraus sehr deutlich, dass ein Hauptkreisbogen um so weniger von einer Geraden abweicht, je mehr sich seine Richtung der meridionalen nähert, während ein Bogen, der zwei auf demselben Parallel gelegene Orte verbindet, die stärkste Krümmung aufweist. e) Konische Projektionen. Der allgemeine Gedanke, welcher dieser Manier zu Grunde liegt, ist der, dass der abzubildenden Kugel- zone, die natürlich auch bis zur ganzen Kugel anwachsen kann, ein - Kegelmantel umbeschrieben wird, den man alsdann abwickelt. Pto- lemäus hat zuerst diesen Gedanken realisirt, auch Mercator ist auf ihn zurückgekommen [68]; Delisle und Murdoch haben lediglich Mercator’s Idee etwas weiter ausgebildet. Für den Fall, dass eine grössere Genauigkeit angestrebt wird, vermehrt man die Zahl der ab- gestumpften Kegel, welche sich um das abzubildende Stück der Kugel- fläche herumlegen, und erhält so die polykonische Projektion, welche von Hilgard [69] bei der nordamerikanischen Küstenvermes- sung angewandt wurde; auch für die neuen österreichischen Provinzial- karten war nach Frischauf [70] ein ähnliches System maassgebend. Eine Abart, nämlich die uns bereits bekannte cylindrische Pro- jektion, erhält man, wenn man den umschliessenden Kegel in einen Kreiscylinder degeneriren lässt. Soll die konische Abbildung sich auf die ganze Erde erstrecken, so gelangt man, wie Steinhauser [71] zeigt, zu den sternförmigen Projektionen. f) Halbsternprojektionen. An sich würde es ja allerdings möglich sein, die Mantelfläche des Bildkegels bis zum Südpole verlängert zu denken, und Lambert’s isosphärische Kegelprojektion, Braun’s stereo- graphische Kegelprojektion beruhen z. B. auf einer solchen Anordnung. Dem Princip der Aehnlichkeit zwischen Original und Kopie wird jedoch dadurch nur schlecht gedient. Man nimmt also lieber dem Südpol (eventuell dem Nordpol) seine Punkt-Eigenschaft, rollt die Südhälfte der Erdkugel in Streifen auf und sucht diese Streifen, die natürlich keinen weiteren Zusammenhang mehr haben, so zu legen, dass in jeden derselben ein ungetheilter Erdtheil zu liegen kommt. „Es giebt,“ sagt Steinhauser [72], „drei solche Projektionen, die von Müller (1807), einer Kreuzblüthe mit vier Blättern vergleichbar, die sternförmige Projektion von Jäger, resp. Petermann mit acht und die gleich- artige von Herm. Berghaus mit fünf strahlenartigen Ansätzen.* Ferner ist noch zu erwähnen die von Arnd erdachte und von Gerster [73] beschriebene Halbsternprojektion, welche auch bei Dar- eh V,$. 2. Die gebräuchlichen Projektionsmethoden. ost stellung der nördlichen Hemisphäre darin die übliche konische Abbil- 2 dung ändert, dass bei ihr der Mantel des Bildkegels die Erdkugel nicht berührt, sondern in zwei geeignet zu wählenden Parallelkreisen __durchschneidet. Steinhauser hat an jener Methode das auszu- setzen [74], dass die bessere Darstellung der Mittelmeerländer, des R inneren Hochasiens und der Union auf Kosten einer unverhältniss- mässigen Verbreiterung der Aequatorialgegenden erkauft werde, und bringt deshalb, ohne den ursprünglichen Plan preiszugeben, Abände- rungen in Vorschlag. Be 5) Bonne’s Projektion. Bei der gewöhnlichen Kegelprojektion werden die Meridiane konvergirende gerade Linien, die Parallelen koncentrische Kreise. Dadurch werden jedoch letztere von ersteren nicht mehr in dem richtigen Verhältnisse getheilt. Stellt man letzteres her, so hören die Meridiane auf, geradlinig zu sein, sie werden ge- krümmt und bilden auch nicht mehr, wie früher, durchgängig rechte Winkel mit den Parallelkreisen. Dieser Nachtheile unerachtet ward bisher diese Projektion des Franzosen Bonne vielfach benützt, und auch Steinhauser |75| glaubt derselben für die Darstellung selbst grösserer Erdräume nicht entrathen zu können. h) Zenitale Projektionen. Postellus ist [76] der Erfinder dieses ‚Verfahrens, das darauf ausgeht, alle Punkte der Kugel, die von dem als Kartenmitte angenommenen Punkte gleichweit entfernt sind, auch wirklich auf dem Umfange eines Kreises zu vereinigen. Man hat ver- besserte Methoden dieser Art von Lorgna, Lambert und Airy („Balance of errors“) |77]; das Vorzüglichste leistet aber zweifellos die neuerdings in der uns bereits bekannten Arbeit von Wiechel angegebene Zenitalprojektion [78]. | i) Globularprojektionen. Dieser Name ist jüngst auf eine ziemlich rohe Konstruktionsmanier des Loriti aus Glarus (Glareanus) ange- gewandt worden [79], obwohl die Bezeichnung selbst erst von dem Engländer Arrowsmith herrührt. Später ward dann Nell [80] bei der Erwägung des Umstandes, dass gleiche Abschnitte von Meridianen und Parallelkreisen durch die meisten Projektionen in sehr ungleiche Stücke umgewandelt zu werden pflegen, zu dem nachstehend formu- lirten Probleme geführt: „Es sollen in einem Kreise zwei Systeme von Linien so gezeichnet werden, dass alle Kurven des einen Systemes von jeder Kurve des anderen in proportionale Theile zerlegt werden. Es findet dabei noch die Bedingung statt, dass alle Linien des einen Systemes (Meridiane) durch zwei bestimmte, einander gerade gegenüber- liegende Punkte des Kreisumfanges gehen sollen.“ Da unter dieser Voraussetzung schwer konstruirbare transscendente Linien sich ergeben würden, so hat Debes [81] die Meridiane annähernd durch Kreise ersetzt und damit erst die ganze Methode für die kartographische Praxis verwerthbar gestaltet. Eine von ihm für Supan’s „physische Erdkunde* gezeichnete schöne Uebersichtskarte der Tiefenverhältnisse im Weltmeere besitzt ein nach der Globularprojektion gefertigtes Netz. k) Aequivalente Projektionen. Eine herzförmige Abbildung der ganzen Erde, welche bereits zu Anfang des XVI. Jahrhunderts der Nürnberger Astronom J. Werner in Aufnahme zu bringen versuchte, besitzt bereits die ihrem Autor freilich verborgen gebliebene Eigen- schaft, das Flächenraum-Verhältniss der sphärischen Figuren unverändert 282 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. zu lassen [82]. Weitaus die zweckdienlichste unter den zahlreich vor- handenen äquivalenten Projektionsmethoden ist aber die homalo- graphische, 1805 von Mollweide erfunden, 1857 von Babinet durch dieses Kunstwort bezeichnet [83]: Namentlich die homalographische Polarprojektion zeichnet sich durch ihre Einfachheit aus, die äquatoriale ist verwickelter, weil bei ihr sämmtliche Mittagskreise zu Ellipsen werden. Neuerdings hat Coatpont [84] mittelst eines ganz einfachen geometrischen Transformationsprocesses aus jeder stereographischen Abbildung eines Theiles der Erde eine äquivalente herzuleiten gelehrt. l) Apian’s Projektion. Dieselbe ist nicht sowohl wissenschaftlich, wohl aber historisch sehr beachtenswerth, zu ihrer Zeit war sie sehr beliebt, und u. a. ist auch der von dem Genueser Agnese für Kaiser Karl V. gezeichnete Portulan *) ihr entsprechend gehalten, welchem Wieser [85] eine eigene Monographie gewidmet hat. Eigentlich gab Peter Apian zwei etwas verschiedene Methoden an, deren eine jedoch auf seine eigenen Werke beschränkt blieb. „Beide haben* — nach Breusing [86] — „gemein, dass der mittlere Meridian und der Aequator durch zwei sich rechtwinklig schneidende gerade Linien dargestellt werden. In der einen ist der mittlere Meridian in 18 Theile getheilt, und durch die Theilpunkte sind gerade Linien als Breiten- parallele gelegt. Der Aequator ist in 36 Theile, also ebenfalls in Theile zu 10°, getheilt, die aber gegen die Breitegrade um !/s ver- kürzt sind, um die Figur nicht zu sehr auszudehnen, und durch diese Theilpunkte und die Pole sind dann Meridiane gelegt.“ Die Erde präsentirt sich in Folge dieser Darstellungsweise, die allerdings viel Willkürlichkeit verräth, in Form eines plattgedrückten Herzens. m) August’s epieykloidische Projektion. Die Epicykloide ist eine transscendente Kurve; sie wird von irgend einem Punkte eines Kreises beschrieben, der auf der konvexen Seite eines anderen Kreises rollt. Eine Kurve dieser Art schickt sich nun, wie F. August fand [87], trefflich als Randkurve für eine die ganze Erde in sich aufnehmende Karte. Die Projektion selbst ist konform; die Erdpole fallen in die Spitzen der Epicykloide. Beachtenswerth erscheint, dass die Karte zwar den in $. 1 skizzirten strengen Forderungen Eisenlohr’s nicht völlig genügt und auch nicht genügen kann, weil sich die Pole in ihr befinden, dass aber für einen weit überwiegenden Theil des Ganzen doch immer der Kartenfehler ein Kleinstes wird. n) Die Quincuncialprojektion Eine Erfindung des Amerikaners Peirce [88]. Mit Hülfe der elliptischen Funktionen wird ein ge- wöhnliches stereographisches Abbild der Erde so transformirt, dass der Pol in den — wie wir wissen, einzig vorhandenen — unendlich fernen Punkt der Bildebene übergeht. Auf letzterer entstehen unendlich viele Quadrate, deren jedes die ganze Erdoberfläche in sich aufnimmt. Nach Peirce empfiehlt sich sein Verfahren vorzugsweise für meteorologische und magnetische Karten, die Geophysik wäre mithin direkt bei dem- selben interessirt. Wir lassen diess vorläufig dahingestellt; jedenfalls *) Portulane nannte man im späteren Mittelalter jene Seekarten, auf welchen die Lage der Häfen mit besonderer Genauigkeit ‘angegeben war. Die ihnen meistentheils beigegebenen Beschreibungen leisteten den Kapitänen einen ähnlichen Dienst, wie diess heute die von den Admiralitäten edirten Segelanwei- sungen (s. o. $..1) thun. LA #20 ai u a Fr ie ne u Di he re al Dre mc V, $. 3. Chorographie und Terrainzeichnung. 283 aber eignet sich nach v. Oppolzer [89] die Quincuncialprojektion sehr gut zur Veranschaulichung des Verlaufes centraler Sonnenfinsternisse. 0) Die Gauss’sche Projektion. Gauss war es, der zuerst ganz allgemein die von der dänischen Akademie zur Preisbewerbung aus- geschriebene Aufgabe löste [90]: irgend eine Fläche auf einer anderen Fläche konform abzubilden. Eine spezielle Anwendung hievon bot sich ihm bei Gelegenheit der von ihm selbst geleiteten hannöver’schen Landesvermessung dar; er substituirte dem — als durch Rotation ent- standen vorausgesetzten — Erdsphäroid eine Kugel, deren konstantes Krümmungsmaass jenem des Ellipsoides längs eines bestimmten Par- allelkreises gleich war, und verwandelte so jedes Problem der sphäroi- dischen in ein solches der sphärischen Trigonometrie. Die analoge Uebertragung ist unlängst von Craig [91] auch für ein dreiaxiges Ellipsoid durchgeführt worden. — Wir geben uns der Hoffnung hin, dass diese gedrängte Ueber- sicht über die Methoden der Landkartenprojektion ihren Zweck er- reichen werde: den Leser so zu orientiren, dass, wenn ihm beim Stu- dium irgendwelcher geophysikalischer Schriften irgend ein Projektions- verfahren vorkommt, das Verständniss desselben ihm keine Mühe bereite. $. 3. Chorographie und Terrainzeichnung. Die Chorographie lehrt die graphische Wiedergabe solcher Theile der Erdoberfläche, bei welchen ihrer geringeren Ausdehnung halber von der Berücksichtigung der Erdrundung abgesehen werden darf. Als erstes Erforderniss guter chorographischer Darstellung erscheint die genaue Vermessung des betreffenden Landstriches, und wenn alsdann der Maassstab gegeben ist, nach welchem die gemessenen Längen — die Winkel bleiben selbstverständlich intakt — auf das Papier übertragen werden sollen, so gilt es weiter, dafür zu sorgen, dass die Vertikalunterschiede der einzelnen Partieen sich möglichst ungezwungen dem Beschauer nach Art und Grösse vor Augen stellen. Diess zu leisten, bleibt der Ter- rainzeichnung vorbehalten. Offenen Sinn für diese im Alterthum und Mittelalter kaum ge- pflegte Diseiplin bethätigten zuerst die Geographen und Mathematiker des Reformationszeitalters.. Eine geradezu mustergültige Mappirungs- arbeit sind die von Philipp Apian (dem Jüngeren) hergestellten „bayrischen Landtafeln*, deren Verfertiger die ausgebildetste topo- graphische Kenner- und Künstlerschaft an den Tag legt [92]. Einige Zeit vorher hatte Joachim Rheticus die erste brauchbare Anleitung dazu verfasst, ein Land mittelst Messschnur und Boussole „in Grund zu legen“, ein den Unterschied zwischen den „tabulae geographicae“ und den „tabulae chorographicae“* scharf betonendes und durchführendes Werkchen, durch dessen Herausgabe sich Hipler [93] den Dank aller Geschichtsfreunde erworben hat. Neues Leben kam in diese für den Fortschritt der wissenschaftlichen Landeskunde so wichtigen Bestre- bungen, als der Altdorfer Professor Prätorius [94] den zur Terrain- aufnahme hervorragend geeigneten Messtisch erfand, mit dessen Hülfe Schickard [95] seine württembergischen „Landtafeln“ zu Stande brachte. Schickard war es auch [96], der das für die Chorographie fundamentale geodätische Problem stellte und löste, welches fälschlich 284 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn, d. Erdkörpers. ‚den Namen Pothenot’s trägt, noch früher aber bereits die Aufmerk- samkeit des mit seinen Gradmessungsarbeiten beschäftigten Snellius (Kap. I, $. 5) auf sich gezogen hatte. Den deutlichsten Einblick in den allmähligen Fortschritt dieses Theiles chorographischer Arbeit ge- winnt man, wenn man die geschichtlichen Forschungen von Ru ge [97] nnd von R. Wolf [98] zu Rathe zieht, welche beide mit minutiöser Treue die Entwickelung bezüglich des sächsischen und des schweize- rischen Landesvermessungswesens schildern. w Wir erfahren durch Ruge, wie politische Kurzsichtigkeit den Plan des älteren Apian, eine genaue Karte des herzoglichen, wie des kurfürstlichen Sachsens anzufertigen, vereitelte, wie dann aber Kurfürst August die Nothwendigkeit einer guten Landestopographie immer mehr erkannte und verschiedene Versuche nach dieser Richtung hin veranlasste. Was Criginger, Magdeburg und Scultetus, die mehr auf ihre eigenen Mittel angewiesen waren, leisteten, erhob sich wenig über das Niveau der Mittelmässigkeit, dagegen kann das Vermessungs- werk des Markscheiders Oeder, der ausser Messkette und Magnet- nadel auch noch den Quadranten zu Hülfe nehmen durfte und sich staatlich unterstützt sah, als ein Meisterwerk gelten |99]. Auf 96 Blät- tern des sächsischen Landesarchives sind die einzelnen Theile Sachsens mit solcher Genauigkeit abgebildet, dass man, wenn man die General- stabskarte daneben hält, wesentliche Abweichungen nirgends heraus- findet*). In mancher Hinsicht noch lehrreicher ist das W olf’sche Werk, weil in ihm von geodätisch-chorographischen Operationen auf durchschnittenem und vielfach unwegsamem Gebiete die Rede ist. Während der Glarner Tschudi um 1530 noch eine äusserst rohe, dem Typus der mittelalterlichen Radkarten nachgebildete Zeichnung der Urkantone (vgl. Fig. 54) in sein Schweizerwerk aufnahm [100], lieferte Conrad Gyger, ein Züricher Fig. 54. Maler, bereits 1667 eine Karte seines Heimathlandes, die nach Wolf [101] für jene Zeit auch die weitest gehenden Anforderungen befriedigen musste. Wir verfolgen dann weiter unter der sicheren Leitung unseres Gewährsmannes die Etappen, welche durch die Namen Scheuchzer, Mallet, Tralles, Hor- ner, Eschmann u. s. w. gekennzeich- net sind, und langen so endlich bei G. H. Dufour [102] an, der, in der trefflichen Schule der napoleonischen 2200 230, Ingenieur-Geographen gebildet, jene all- “seitig als mustergültig anerkannten Kar- ten des Schweizerlandes schuf. Eine sehr anziehend geschriebene Uebersicht über die Ausbildung der territorialen Kartographie hat Peschel [103] gegeben. Er feiert mit Recht die Verdienste eines Delisle und D’Anville und datirt Oriens SITPILOW & Ss — S — & 2. *) Herr Prof. Ruge hat diese Vergleichung dadurch sehr erleichtert, dass er von einzelnen Oeder’schen Blättern einen das Original genau wiedergebenden Abzug machen liess. Ein solcher liegt dem Schreiber dieses zur Zeit vor. ar.,* BE ET N EEE BEE IE EA ee N ‘ NUN EN “ re A | Kae, " i Fa K b . RR DE % ER A , : . ; y V,$. 3. Chorographie und Terrainzeichnung. 285 von der Uassini’schen Gradmessung für Frankreich eine neue Epoche geographischen Fortschrittes. In vielen Ländern erscheint die Karten- zeichnung und Chorographie freilich nur als ein Anhängsel der Kriegs- wissenschaft, und nur selten leitet ausschliesslich das wissenschaftliche Interesse. Besonders nennenswerth erscheinen uns in dieser Beziehung die grossartigen Aufnahmen, welche der Graf Marsigli für sein Donau-Werk [104] in Ungarn und Bosnien durch den Nürnberger Ingenieur J. C. Müller [105] bewerkstelligen liess, sowie Peter Anich’s Tyrolische Landesvermessung, die ursprünglich fast ein reines Privatunternehmen war und vom Staate erst dann kräftiger unterstützt wurde, als sich ihr grosser Nutzen nicht mehr verkennen liess [106]. Eine werthvolle Ergänzung zum Peschel’schen Werke bietet v. Sy- dow’s inhaltreiche geschichtliche Skizze [107]. Seit fünfzig Jahren etwa ist, indem man den Messtisch durch den Theodoliten ersetzte, die Nivellirinstrumente durch Anbringung der Wasserwage*) verbesserte und auch zur Ausgleichung kleinerer Dreiecksnetze die rationellen Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung verwendete, die niedere Geodäsie — diesen Namen führt der uns zur Zeit beschäftigende Theil der Geographie im Gegensatze zu der die Gradmessungsarbeiten betreibenden höheren Geodäsie — eine ganz neue Wissenschaft geworden. Wir können uns selbstverständlich nicht auf dieses für uns transscendentale Gebiet verlieren, verweisen vielmehr, soweit die ältere Literatur in Frage kommt, lediglich auf die Lehrbücher von Puissant [109] und J. J. v. Littrow [110], während der neueste Stand unseres Wissens und Könnens in dem uns bereits bekannten ausgezeichneten Werke v. Bauernfeind’s ($. 2) und, das Nivelliren anlangend, in Stampfer’s Vorlesungen [111] zum erschöpfenden Ausdruck gelangt. Die Schnellaufnahme oder Tachy- metrie wird in jüngster Zeit von verschiedenen Geodäten, wie Porro, Schlesinger, A. Schell u. a,, eifrig befürwortet, und wir glauben sie schon aus diesem Grunde, wie auch deswegen nicht unerwähnt lassen zu sollen, weil sie möglicherweise für den reisenden Geographen einige Bedeutung gewinnen könnte, für dessen feldmesserische Bedürf- nisse übrigens Kaltbrunner’s Rathgeber umfassend Sorge trägt [112]. Ein tachymetrisches Instrument haben Tichy und Starke konstruirt und zur Anwendung empfohlen [113]. Die gleiche Erwägung leitet uns, wenn wir der sogenannten Photogrammetrie auch an dieser Stelle einige Worte widmen. Eine ganz originelle Art, den photographischen Apparat für die Erdphysik auszunützen, ist die von Bessels unter dem Druck der Umstände er- dachte [114], die uns in der Lehre von der Gletscherbewegung wieder beschäftigen wird. Stolze theilt mit [115], dass mit Hülfe des von Meydenbauer angegebenen Instrumentes die Konstruktion topo- *) Die Wasserwage ist allerdings älteren Ursprunges; sie ist spätestens im Jahre 1666 und zwar nicht, wie es gewöhnlich heisst, von Thevenot, sondern, nach R. W olf’s Untersuchungen [108], von dem Pariser Mechaniker Chapotot erfunden worden. Seine volle Wirksamkeit war aber der geniale Gedanke, wel- cher den Erfinder geleitet hatte, erst dann zu entfalten im Stande, als der soge- nannte Fehlerkalkul sich auszubilden begann, als man somit in die Lage kam, die Ungenauigkeiten, welche beim Aufsetzen oder Anhängen der Libelle mit unter- laufen müssen, ihrem Werthe nach zu schätzen und dadurch zu eliminiren. SS 286 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. graphischer Karten durch blosse photographische Aufnahmen bewerk- stelligt werden könne; es lasse sich mit jenem Apparate ganz ebenso arbeiten, wie früher mit dem Messtische. Stolze fertigte 1875 in Gemeinsamkeit mit Hölzner nach 250 photographischen Platten eine Karte der Ruinen von Persepolis |116. Von Beautemps-Beaupr& und Laussedat |117] stammt der Grundgedanke der Photogrammetrie, den Meydenbauer [118] und Jordan [119] weiter ausgeführt haben. G. Hauck hat einen auf dem geometrischen Principe der trilinearen Verwandtschaft beruhenden Apparat konstruirt, der dazu dient, durch Umfahren des orthogonalen Grund- und Aufrisses irgend eines Gebildes sofort das organisch beschriebene centralperspektivische Bild desselben von einem dritten Schreibstift gezeichnet zu erhalten [120], oder auch aus zwei perspektivischen Aufnahmen unmittelbar den Aufriss herzu- leiten [121]. Diese geistreiche Vorrichtung scheint in Verbindung mit der unglaublichen Vervollkommnung der sogenannten Momentan- photographie (durch Obernetter u. A.) der Photogrammetrie eine noch bedeutendere Zukunft zu sichern. G. Fritsch behauptet, dass die Gelatine-Emulsions-Photographie wegen der Charaktertreue, welche die nach diesem Verfahren gefertigten Landschaftsbilder bewähren, sich ganz besonders zur Berücksichtigung für Forschungsreisende eigne [122]. $S. 4. Darstellung der Höhenverhältnisse, Isohypsen und Isobathen. Wir können mit Wolkenhauer [123] in den Bestrebungen, auch der dritten Dimension des Raumes kartographisch gerecht zu werden, fünf Perioden unterscheiden, welche allerdings zeitlich nicht strenge ge- trennt sind, sondern vielfach in einander übergreifen und auch sachlich gewisse gemeinsame Kennzeichen aufweisen. a) Die perspektivische Abbildung. Den alten Vorschlag Strabon’s, die Gebirge graphisch wie die Zähne einer Säge oder eines Kammes darzustellen, einen Vorschlag, den auch sämmtliche ptolemäische At- lanten acceptirten [124], sehen wir seit Anfang des XV]. Jahrhunderts dahin modificirt, dass man von Bergzügen und Einzelbergen eine per- spektivische Zeichnung in die Karte aufnimmt. Letztere wird also gewissermassen zum Landschaftsgemälde; zu dem Besten und in rein künstlerischer Beziehung Vollkommensten, was nach diesem naiven Verfahren geschaffen ward, gehören Philipp Apian’s Bilder des bayrischen Hochgebirges [125] und Delkeskamp’s aus der Vogel- perspektive gezeichnete Ansichten der Schweiz und der Rheinufer |126|]. Gewöhnliche Kartenzeichner liessen eine derartige Gewissenhaftigkeit natürlich sehr vermissen, und es kam soweit, dass man eine Reihe derartiger „Maulwurfshaufen“ einfach als Typus eines Gebirges ver- werthete, ohne auf den individuellen Charakter desselben irgend Rücksicht zu nehmen [127]. Aehnlich machen es noch heute die Japaner, wie Knipping [123] berichtet; auch die im Jahre 1795 von einem Sklaven des Königs von Ava gezeichnete Karte, deren Früh (s. u.) erwähnt, befolgt dieses sich eben offenbar ganz unge- sucht darbietende Princip. Doch erkennt man bereits bei Apian das Bestreben, den Beleuchtungsverhältnissen Rechnung zu tragen, und damit eine Anbahnung des Ueberganges von der ersten zur zweiten Periode. Shjzi\ Er - * x Ra TE A 2 V,$.4. Darstellung der Höhenverhältnisse, Isohypsen und Isobathen. 287 b) Die primitive Schraffirung. Jemehr man der Vogelperspektive vor der landschaftlichen den Vorzug gab, um so mehr schrumpften die Hügelketten zu dünnen raupenförmigen Gebilden zusammen, die durch Seitenansätze oder Schraffen endlich eine wirkliche Raupen- gestalt empfiengen. „Die ersten Anfänge hievon“, so heisst es bei Peschel-Leipoldt [129], „gewahrt man schon auf Joh. Bapt. Ho- mann’s ‚Provincia Brisgoia‘ vom Jahre 1718; auch La Conda- mine’s Karte von Quito (erschienen im Jahr 1751) und die Karten von Cook’s Werken zeigen Schraffen; aber noch in dem Atlas von Malte Brun (Paris 1804) begegnen wir der Hügelform. Erst am Beginne dieses Jahrhunderts hat der Engländer Arrowsmith die dachförmige Schraffirung allgemein eingeführt.* Schon Gyger und Peyer von Schaffhausen, dessen Karte R. Wolf [130] nachrühmt, es sei in ihr die Terrainzeichnung recht brav behandelt, kennen übrigens die Schraffen, ja sogar in Giuscardini’s 1566 erschienener „Beschrei- bung Niederlands“ (deutsch von Federmann in Basel) sind die in Form gleichschenkliger und stumpfwinkliger Dreiecke zur Darstellung gebrachten Berge mit Schattenstrichen ausgerüstet. c) Die französische Methode der schiefen Beleuchtung. Allmählig begann man sich die Abhänge der Berge schief beleuchtet vorzustellen, indem man annahm, die Sonnenstrahlen sollten ein- für allemal von einer bestimmten Seite her — etwa von Nordwest — und unter einem bestimmten Winkel — am,besten von 45° — einfallen. Die so wich- tigen Böschungsverhältnisse bleiben bei dieser Auffassung freilich etwas im Dunklen, und so ist die Methode auch, trotz mancher Verbesse- rungsvorschläge von Chauvin und Ziegler [131], der sofort zu be- sprechenden Lehmann’schen gegenüber in den Hintergrund getreten, doch beweist Dufour’s konsequent im altfranzösischen Geiste bear- beitetes Kartenwerk der Schweiz, was sich auch aus einem an sich nicht eben vollkommenen Verfahren machen lässt; konnte doch Peter- mann darüber das folgende Urtheil fällen [132]: „Die Dufour’sche Karte in 25 Blättern vereinigt eine genaue Aufnahme mit meister- hafter, naturgemässer Zeichnung und schönem, geschmackvollem Stiche in so ausgezeichneter Weise, in einem so harmonischen Ganzen, und giebt ein so naturwahres Bild der imposanten Alpennatur, dass wir sie unbedingt als die vorzüglichste Karte der Welt ansehen“. d) Die Lehmann’sche Manier. In einer kleinen Schrift [133] von 1799, welcher nach mehr denn einem Decennium das ein ausgereiftes System in sich bergende Hauptwerk |134] nachfolgte, schlug der da- malige sächsische Ingenieurlieutenant J. G. Lehmann vor, die schiefe Beleuchtung durch die vertikale zu ersetzen. Jeder Punkt im Terrain ist von seinem Zenit aus beleuchtet, so dass mithin eine Horizontal- ebene das Maximum des einfallenden Lichtes, eine Vertikalebene aber gar kein Licht empfängt. Erstere wird demnach ganz schwarz, letztere ganz weiss gezeichnet, die zwischenliegenden Flächen werden um so dunkler gezeichnet, je grösser ihr Böschungswinkel, d. h. der Winkel ist, welchen sie selbst in ihrer Verlängerung, resp. ihre 'Tan- gentialebene, mit der horizontalen Ebene einschliessen würden. Auf den ursprünglich weissen Grund werden schwarze Striche aufgetragen, und zwar in um so grösserer Anzahl, je steiler die Böschung wird. Nach Lehmann’s Theorie, die auch Bach [135] adoptirt, gilt, da EL RAR 988 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Winkel > 45° in der Natur kaum. vorkommen *) und deshalb auch von der Situationszeichnung nicht berücksichtigt zu werden Denen) folgendes Verhältniss zwischen Schwarz und Weiss: 0° Böschung. 0 Theile schwarz. 9 Theile weiss. 9° 1 10° n 2 15° ) 3 ) b)) 20° : + 25° d 3) 30° s 6 39° > 7 40° „ 8 2 » 45° n 9 2. SOSHDwH+ ao -I100 1 Diese Eintheilung ist jedoch nicht als massgebend zu betrachten; vielmehr haben verschiedene Staaten auch verschiedene Normen: Ober- mair giebt in seinem auch sonst sehr lesenswerthen Aufsatze [140] eine übersichtliche Darstellung dieser ganz konventionellen Bestim- mungen. Es giebt mancherlei Abänderungen der Lehmann’schen Methode. Die wichtigste derselben ist diejenige v. Müffling’s, welche auch als Generalstabsmanier bezeichnet wird [141]. Bei ihr werden schwarze Striche angewendet, die nicht blos durch das Verhältniss ihrer Breite zum angrenzenden weissen Zwischenraum, sondern auch durch be- sondere Formen die Grösse der Böschung charakterisiren. Die Anbringung der Lehmann’schen Schraffen geschieht so, dass deren Richtung die Linie des kürzesten Falles, des Wasserablaufes, kennzeichnet. Gehören zu ein und derselben Berghöhe verschiedene Böschungsverhältnisse, so bestimmen Anfang und Ende der nämlichen Strichskala eine um den Berg sich herumziehende krumme Linie, für *) Kaum über irgend ein anderes geometrisches Verhältniss bei’m Vor- kommen in der Natur täuscht sich der Ungeübte so leicht, wie über die Grösse der Neigungswinkel. Durchweg werden dieselben überschätzt, fast nie ereignet sich der gegentheilige Irrthum. Bezeichnet man mit m die Erhebung der Kamm- linie eines Gebirges, mit n die Entfernung des Lothfusspunktes vom Fusse der Gebirgskette, so ist arc tg = d. h. eben die Gesammtböschung, stets nur ein kleiner Winkel; nach v. Sonklar [136] überschreitet er in den Ostalpen nie- mals 27°. Selbst das so schroff aussehende Matterhorn weist nur eine Böschung von 50° auf, der steile Abfall der Zugspitze gegen den Eibsee hin (etwa 60°) gehört zu den grössten Seltenheiten [137]. Nach Naumann [138], der Elie de Beau- mont folgt, gelten folgende Werthe: Grösste erlaubte Steigung der französischen Chausseen: 2° 52‘; Maximalneigung der Simplonstrasse: 5° 43’; Grenze gefahr- bringender Neigungen für abwärts fahrende Wagen: 9° 10'; Grenze der von auf- wärts sich bewegenden Fuhrwerken noch zu bewältigenden Neigungen: 18°: grösste Neigung, welche ein beladenes Maulthier zu überwinden vermag: 29°; Die Militärschriftsteller treffen nachstehende Festsetzungen [139]: Bei 10° Neigung ist Schuss und Stoss der Infanterie nach aufwärts unwirksam; bei 20° kann In- fanterie nicht mehr in geschlossener Ordnung manoeuvriren, "Reiter können im Trab, noch ganz kurze Strecken nach oben zurücklegen; bei 35° kann sich allen- falls noch der einzelne Tirailleur, jedoch nur mit grossen Schwierigkeiten, be- wegen, bei 40° muss er, wenn der Boden mit Gras bewachsen ist oder sonst An- haltspunkte darbietet, sich seiner Hände bedienen. Böschungswinkel > 45° sind in Ausnahmsfällen und mit künstlichen Hülfsmitteln, wie Steigeisen u. dgl., be- zwungen worden. % Y Bi B, L F & U; $ V,$.4. Darstellung der Höhenverhältnisse, Isohypsen und Isobathen. 289 deren sämmtliche Punkte die absolute Höhe die gleiche ist. Hiedurch gewinnen diese Linien eine erhöhte Bedeutung, denn an und für sich werden durch Lehmann’s Methode ja nur relative Höhen angegeben. Nun aber haben wir den Uebergang zu dem vollkommensten Hülfs- mittel der modernen Terrainkunde, zu den Niveaukurven. e) Die äquidistanten Linien*). Nach Licka [144] war der fran- zösische Ingenieur Millet de Mureau der Erste, der seit 1748 auf Fortifikationsplänen jedem eingezeichneten nivellirten Punkte dessen Höhenzahl oder Cote (Quote) beisetzte. Doch verfiel er noch nicht auf die Idee, alle Punkte von gleicher Cote durch einen Kurvenzug mit einander zu verbinden, auf eine Idee, die schon zwanzig Jahre vorher, wie ebenfalls Licka (a. a. O.) zeigte, von dem Holländer Cruquius bei der Auslothung des Flusses Merwede realisirt worden war. Philippe Buache, welchem Peschel [145] diese Erfindung zuschreibt, muss die Ehre allerdings dem Cruquius abtreten, doch hat er auf seiner Karte des Aermelkanales, von welcher unsere Fig. 55 Fig. 55. vobe.-: 5 eine fragmentarische Abbildung liefert, immerhin diese Ortskurven gleicher absoluter Meerestiefe, die sogenannten Isobathen, erstmalig mit grösserer Genauigkeit ausgezogen und festgelegt („pour montrer comment se font les jonctions des terres, soient prochaines soient eloignees“). 1771 legte Du Carla von Genf die eigentliche erste Höhenkurvenkarte, allerdings nur diejenige einer imaginären Insel, der Pariser Akademie vor, um zu zeigen, dass man durch Linien gleicher absoluter Meereshöke, d. h. durch Isohypsen, für das Festland das *) Wir machen im Folgenden Gebrauch von den eingehenden historischen Nachweisungen über die Höhenkurven, welche man Früh [142] und Stein- hauser [143] verdankt. Günther, Geophysik. I. Band. 19 290 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. Gleiche erreichen könne, was Buache’s Isobathen für den Meeresgrund leisteten. Dupain-Triel machte 1791 eine Isohypsenkarte von Frank- reich bekannt, und letzteres Land war es auch, dessen Kartographen sich des neuen Verfahrens mit besonderer Energie bemächtigten. 1801 gab Haxo einen Situationsplan des Idro-See’s, 1811 Olerc einen solchen des Golfes von Spezia, 1812 Bautraud einen solchen von Corfu, und die Genieschule von Metz nahm die Methode der gleich- abständigen Linien seit 1802 in den Rahmen ihrer Pflicht-Lehrgegen- stände auf. Die erste Karte, die keine Schraffen — man erinnert sich, dass letztere mit den Terrainkurven durchaus nicht unverträglich sind —, sondern blos die letzteren enthält, ist die dänische vom Jahre 1845; von 1852 stammt eine Darstellung des Züricher See’s mit Isobathen. Die Nordamerikaner dagegen begannen schon weit früher, in ihre Hafenpläne genaue Niveaulinien einzutragen, wie die Florida-Karte (1829) beweist [146]. In Oesterreich gieng der Feld- zeugmeister v. Hauslab, ein um die Geschichte der Kartographie hochverdienter Forscher, "mit gutem Beispiele voran, und heute kann in allen Kulturländern die Anerkennung der Methode als eine voll- kommene gelten. Gleichwohl kann sie in völliger Isolirung den hoch- entwickelten Anforderungen kein Genüge thun, welche der moderne Geograph an seine Kartenbilder zu stellen pflegt, und so hat man auch an ihr vielfach gebessert, ab und zu wohl auch gekünstelt. Stein- hauser subsumirt diese mannigfaltigen Versuche unter systematischen Gesichtspunkten, und zwar mit folgenden Worten [147]: „Einfache Horizontallinien vermögen bekanntlich noch weniger ein plastisches Bild der Körper zu gewähren, als es die Drahtgitter vermögen, die man beim Unterrichte in der Krystallographie anwendet. Man hat sonach auf Mittel gedacht, um den Horizontalen (für den Fall der Unthunlich- keit der Ban in Schraffen) einen plastischen Ausdruck zu ver- schaffen. Wir stossen bei der Uebersicht der bisherigen Leistungen auf so vielerlei Versuche, dass eine vorläufige Angabe der verschiedenen Eigenheiten angezeigt erscheint. Wir finden nämlich: A) Uebersichts- karten mit reinen Horizontalen ohne Schraffen, ohne Schummerung und ohne Farbenton, B) solche mit Anwendung von Schraffen oder Schum- merung, und solche mit Farbentönen, und zwar mit einer Farbe in verschiedenen Abwechselungen steigend oder fallend oder ©) mit mehreren Farben und in diesem Falle entweder D) nach willkürlicher Wahl oder E) nach einer fortwährenden oder F) wiederkehrenden Steigerung, endlich G) Karten mit erhabenen Schichten, sei es durch die Presse oder in anderer Weise. Ferner kann man eine Unterscheidung machen zwischen H) unbestimmten Schichten (mit verwaschenen Grenzen), so- zusagen Studienkarten, auf welchen blos die Intensität der Färbung die wachsende Erhebung andeutet, und I) zusammengezogenen Schichten, nämlich solchen, wo mit Vorbedacht charakteristische Merkmale aus angrenzenden Schichten vereinigt wurden, gerade so, wie man bei historischen Karten zuweilen genöthigt ist, Uebergangsveränderungen der Zwischenperioden ersichtlich zu machen, oder wie ein Bauzeichner die Projektionsfläche eines Durchschnitts wechselt, um einen wich- tigen Theil, der vor oder hinter das Profil fällt, sichtbar zu machen. Bei strenger Durchführung der Schichten ist noch zu berücksichtigen K) ob alle Schichten gleichweit abstehen, oder L) nur eine Anzahl der- M j RAR TREO Bi . iz 3 a El Aacke x Bu’ We a 2 ni ii m f ae aN; . ö ’ he Wr $. 4. Darstellung der Höhenverhältnisse, Isohypsen und Isobathen. 291 selben, oder M) ob sie nach einem bestimmten arithmetischen oder _ geometrischen Verhältnisse an Höhe wachsen.* C. Ritter’s Bergkarte - Europa’s und Zeune’s in die „Gea“ aufgenommene Erdkarte (1830) können höchstens der Klasse H) beigezählt werden, die erste wirkliche 2 Schichtenkarte unseres Kontinentes erschien mit einem Kommentar im Jahre 1833 zu Kopenhagen, besorgt von Olsen und Bredstorff. Diese Methode der Höhenschichten dürfte eine bedeutende Zukunft vor sich haben, zumal wenn Polychromie und Schummerung dabei _ im geeigneter und vor Allem nicht in aufdringlicher Weise zur An- wendung gelangen. Allerdings ist die Frage der Farbenwahl keine ganz leicht zu lösende, wie sich aus den dahin zielenden Ausführungen bei Peschel-Leipoldt [148] ergiebt. Je höher, desto dunkler bei Landkarten, je tiefer, desto dunkler bei Wasserkarten, dieser von zwei so hervorragenden Kartographen, wie v. Hauslab und v. Sonklar, aufgestellte Grundsatz verdient, allseitig beherzigt zu werden. — In der graphischen Rechenkunst ist statt Isohypsen der Name Isoplethen üblich; wenn z=f (x,y) die Gleichung einer Fläche ist, so kann man dadurch, dass man dem z successive alle möglichen Spezialwerthe ertheilt, ein deutliches Bild der Fläche, resp. _ der ihr entsprechenden Funktion erhalten [149]. — Eine gute Ueber- sicht über den momentanen Stand der exakten Kartenzeichnung ge- währen Spezialarbeiten von Ziegler [150] und Becker [151]. Heinr. v. Littrow verbreitet sich |152] in ansprechender Weise über das Verhalten, welches man bei der Abbildung submariner Gegenden mittelst Isobathen zu beobachten habe“). Gleich hier ergreifen wir die Gelegenheit, uns über einen Be- griff auszusprechen, der für die gesammte Geophysik von fundamen- taler Tragweite ist. In Fig. 56 sehen wir eine Schaar von Isohypsen (resp. Isobathen) dargestellt; die Linien bei A, B,C, D,E, F stehen gleichzeitig Fig. 56. auf sämmtlichen Kurven senkrecht. Zu jedem System geometrischer Kurven exi- -stirt nämlich ein zweites System sogenann- ter orthogonaler Trajektorien, und je ein Individuum dieses letzteren schneidet je ein Individuum des ersteren unter rechten Winkeln. Da nun, wo von den gestrichel- ten Linien zwischen zwei unmittelbar auf- einanderfolgenden Niveaulinien ein relativ _ grosses Stück enthalten ist, kann die Steigung offenbar nur eine lang- same, allmählige sein, während dort, wo die Terrainkurven sich zu- sammendrängen, die grösste Steilheit statthaben wird, in unserer Figur also bei C. Man kann also, um einen bestimmten Ausdruck zur Beurthei- lung des Grades der Steilheit zu haben, so definiren: Das Gefälle ist umgekehrt proportional dem Stück der orthogonalen Durchschnittskurve, *) Man hat die allzugrosse Buntheit solcher Schichtenkarten gerügt. Es ist deshalb vielleicht nicht überflüssig, auf das von Cayley [153] aus einer tief- gehenden philosophisch-geometrischen Untersuchung abstrahirte Ergebniss hinzu- weisen, nach welchem bei noch so verschlungenen Grenzlinien einer Karte gleich- wohl vier Farben als ausreichend zur vollständigen Bezeichnung aller dieser Grenzen erkannt wurden. 392 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. welches zwischen zwei benachbarten Isohypsen enthalten ist. Dieser Terminus Gefälle wird theilweise auch von der mathematischen Physik benützt; gewöhnlich aber dient zur Bezeichnung analoger Grössen das Wort Gradient, und zwar spricht man, je nachdem an die Stelle der Isohypsenschaar ein System von Linien gleicher Wärme oder gleichen Luftdruckes getreten ist, von einem thermometrischen oder barometrischen Gradienten, und es kommt dann nur noch darauf an, die Eine Willkürlichkeit, welche in der Proportionalität gelegen ist, durch eine zweckmässige, den Bedingungen des speziellen Falles an- gepasste Zusatzbestimmung hinwegzuschaffen. — Ein Terrainbild wird durch einen beigesetzten Höhenquer- schnitt ungemein verdeutlicht. Buache lieferte als Ergänzung zu seiner uns bereits bekannten Seekarte |154] ein Längenprofil des Kanal-Grundes und Pasumot ein ebensolches für die Kordilleren, Pyrenäen und Alpen [155]. 1791 erschien Dupain-Triel’s Länder- profil: „La France, consideree dans les differentes hauteurs de ses plaines.* Sehr viel Gewicht legte A. v. Humboldt auf solche Dar- stellungen und zugleich darauf, dass ihm die Priorität, dergleichen zuerst in grösserem Maassstabe ausgeführt zu haben, gewahrt bleibe. Indem er Fr&emont’s Kartirung der westlichen Unionsländer lobend bespricht, sagt er u. a. [156]: „Da ich glaube, der Erste gewesen zu sein, der es unternommen hat, die Gestaltung ganzer Länder (die iberische Halb- insel, das Hochland von Mexiko und die Kordilleren von Südamerika) in geognostischen Profilen darzustellen (die halb-perspektivischen Projek- tionen eines sibirischen Reisenden, .des Abbe Ohappe, waren auf blosse und meist sehr alberne Schätzungen von Flussgefällen gegründet), so ist es mir eine besondere Freude, die graphische Methode, welche die Erdgestaltung in senkrechter Richtung, die Erhebung des Starren über dem Flüssigen darstellt, auf die grossartigste Weise angewandt zu sehen.“ S. 5. Flächenmessung. Es dürfte hier der Ort sein, Einiges einzuschalten über ein Geschäft, dessen Ausübung dem Kartographen nicht selten zu schaffen macht, und welches auch bei physikalisch- geographischen Forschungen oft genug sich aufdrängt; wir erinnern nur an Kigaud’s messende Vergleichung des festen und flüssigen Elementes auf der Erdoberfläche [157]. Wir meinen die mechanische Planimetrie, die Bestimmung des Flächeninhaltes unregelmässig be- grenzter Figuren. | | a) Arithmetisches Mittel. Man beziehe die Figur auf ein recht- winkliges Koordinatensystem und stelle sie dar als algebraische Summe von gemischtlinigen Trapezen, dessen parallele Seiten Ordinaten sind, während eine dritte Seite durch ein Stück der Abscissenaxe, eine vierte durch einen wie immer gestalteten Kurvenbogen dargestellt ist. Es kommt also nur noch auf den Flächeninhalt eines solchen Trapezes an. Zieht man, die beiden parallelen Seiten mit eingerechnet, n gleich- abständige ÖOrdinaten und bezeichnet mit a das Stück der X-Axe zwischen den Grenzordinaten, so ist der gesuchte Inhalt mit um so grösserer Annäberung gleich a mal dem arithmetischen Mittel aus den n Ordinaten, je grösser n ist. Uebrigens sind Rikatscheff [158] und Graf Wilezek [159] unabhängig von einander darauf gekommen, V,$. 5. Flächenmessung. _ 293 dass man weit genauer rechnet, wenn man der üblichen Formel { Arithm. Mittel —= = (yı == Ya = y3 — Er: -- a! — Yn) £ den anscheinend paradoxen Ausdruck { Arithm. Mittel = (typ tn+...+n-. +2) je substituirt. er b) Simpson’sche Regel. Rationeller ist die von Simpson [160] gegebene Vorschrift, welche die zwischen den einzelnen ÖOrdinaten gelegenen Kurvenstücke, statt mit geraden Linien, mit den sich ihnen weit besser anschmiegenden Bogen einer Parabel vertauscht, wenigstens soweit blos paare Ordinaten in Frage kommen. Welcher Art also etwa der Bogen zwischen y, und y; sei, bleibt unerörtert, der Bogen zwischen y, und y; dagegen gilt seiner ganzen Ausdehnung nach als parabolisch. Da nun einem von Archimedes ausgehenden Satze zufolge jedes Parabelstück leicht quadrirt werden kann, so ist, unter n eine gerade Zahl verstanden, der Flächeninhalt des obigen Trapezes gleich 1 we a m | „| -rn+2. 2 tr] k=1 Eine möglichst einfache rechnerische Deduktion dieser Formel giebt R. Wolf |161]. Verfeinerte Methoden dieser Art besitzt man von Cotes, Stirling und ganz besonders von Gauss; doch ist es nicht wahrscheinlich, dass diese mechanische Quadratur direkt geophysi- kalischen Zwecken förderlich werden könnte. Eine gute Spezialschrift - ist diejenige Mansion’s „Sur l’Evaluation des aires planes“ (Gent 1882). c) Methode der Wägung. Man wiegt das herausgeschnittene Flächenstück auf einer feinen Wage ab und thut ein Gleiches mit der Flächeneinheit. Das Gewichtsverhältniss ist dann auch das ge- suchte. Auf diesem überaus mühsamen Wege ist Rigaud (s. o.) vor- gegangen, auch erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass in ähnlicher Weise Archimedes manche überraschende Thatsache ermittelt hat, um sie nachher erst strenge zu erweisen. d) Instrumentale Messung. Das Prineip dieser vielgestaltigen Methode scheint uns Purvis durch die nachfolgende Betrachtung [162] am Besten verdeutlicht zu haben. Ein geradliniger Stab AB=]| (Fig. 57) gelange nach und nach in die Lagen EF, GH, JK, CD, so dass er schliesslich das . Fig. 817. gemischtlinige Viereck ABDÜ überstrichen hat. Bezeichnet man mit f dessen Inhalt, mit n die Länge des Weges, welchen der Mittelpunkt des Stabes während der Bewegung senkrecht gegen die Anfangsrichtung zurückgelegt hat, so ist f=In. Wird senkrecht zum Stabe ein von dessen beiden Enden gleichweit entferntes Rad angebracht, so messen dessen Umdrehungen den Weg n. Ist dagegen das Rad nicht am Stabe selbst, sondern, bei sonst gleicher Richtung, um mLängeneinheiten vom Mittelpunkt entfernt angebracht, so ist die Grösse der Raddrehung —=n — m®, wo © den von AB und CD 294 Zweite Abtheil. Allgem. mathem. u. physikal. Verhältn. d. Erdkörpers. gebildeten Winkel bezeichnet. Nun führe man den Stab aus der End- in die Anfangsstellung zurück, während die Enden vertauscht sind, dann ist, wenn n, die entsprechende Bedeutung hat, der Inhalt In,; eventuell ist wieder der Weg —=n, — m®. Der Gesammtweg eines Peripheriepunktes ist in jedem Fale=n — m® — (n.— m$)=n—.n,, -und damit ist für den Inhalt der vom oberen Ende des Stabes allein beschriebenen Figur der Werth I(n —n,) gefunden. Das Amsler’sche Planimeter, dessen sich die Geographen, seiner Bequemlichkeit halber, gerne bedienen, bildet insoferne einen speziellen Fall, als sein unteres Stabende gezwungen ist, einen Kreisbogen zu beschreiben. Favaro’s verdienstvolle Arbeit [163] belehrt uns über die mannigfachen Fort- schritte, welche von Oppikofer, Wetli und J. M. Hermann an bis zu Amsler und Reitz diese als Planimeter oder Integratoren bezeichneten Instrumente gemacht haben. Für die Theorie derselben sind namentlich die Schriften von Trunk [164] und E. Fischer [165] zu beachten; principiell auf derselben Basis beruhen viele der selbst- registrirenden Instrumente, besonders die Indikatoren für das Ebbe- und Fluth-Phänomen. S. 6. Anderweite Darstellungen der Erdoberfläche oder ihrer ein- zelnen Theile. Es ward bis jetzt als selbstverständlich betrachtet, dass die Nachbildung der Erde oder einzelner Erdpartieen auf dem Zeich- nungspapier zu erfolgen habe. Doch giebt es auch andere Erdbilder, welche zum Theile für die physische Erdkunde einiges Interesse be- sitzen und daher kurz besprochen zu werden verdienen. a) Reliefbilder. Dieselben sind namentlich zur Darstellung von Gebirgsgegenden von jeher gerne angewendet worden und geben gewiss die Möglichkeit zu einer leichteren Orientirung, obwohl sie nur selten dem Fehler entgehen, die Höhendimension im Verhältniss zu den beiden Plandimensionen ungebührlich zu bevorzugen*). Das Beste in diesem Genre hat aus naheliegenden Gründen von je die Schweiz geliefert. Pfyffer in Luzern arbeitete 10 Jahre lang an seinem berühmt gewordenen Relief der den Vierwaldstättersee umgebenden Bergzüge [166]; ebenso bearbeitete Eugen Müller aus Unterwalden die ganze Innerschweiz |167|. Ja die Meyer-Weiss’sche General- karte der Schweiz, die erste, welche dieses Namens wirklich würdig war, gieng gewissermassen aus einer Relief-Arbeit hervor [168], denn J. R. Meyer hatte sich, ehe er an jenes Werk gieng, zuvor die Mühe gegeben, die gesammte Alpenkette von Mayenfeld in Graubündten bis Villeneuve am Rhonefluss in erhabener Arbeit herzustellen. Nähere Nachrichten darüber gab er in einer besonderen Schrift [169]. Bei Peschel-Leipoldt [170] finden die von Winkler in München ange- fertigten Reliefs lobende Erwähnung. b) Globen. Zur Verfertigung von Erdgloben setzt man das Kugelnetz aus möglichst vielen, schmalen Kreiszweiecken zusammen, welche mit möglichst geringer Dehnung oder Faltung beim Aufziehen *) Je kleiner der modellirte Landstrieh ist, um so besser fällt natürlich das Relief aus. So befindet sich in Oberstdorf im Allgäu ein Zinkguss-Modell des die Illerquellen umschliessenden Hochgebirges, welches die charakteristischen Gipfel und Thaleinschnitte mit musterhafter Treue zum Ausdruck bringt. “ “ “ g | Ed m all da a Hl U Be al all 3ün uu ae ne Am u a, V,$.6. Anderw. Darstellungen d. Erdoberfläche od. ihrer einzelnen Theile. 295 in Kugelzweiecke übergehen. Im vierten Buche seiner berühmten populären Geometrie [171] lehrt Albrecht Dürer fünfzehn Segmente zu diesem Zwecke anzufertigen („die Spera, wenn man sie durch ihre Mittagslinien zerschneidet, und in ein Planum legt, so gewinnt sie die Gestalt eines Kamms*). Lowitz wollte achtzehn Segmente ge- nommen haben, für gewöhnlich aber liess man es bei zwölf derselben bewenden, entsprechend den zwölf Zeichen des Zodiakus [172]. Sehr gründlich beschreibt die bei Anfertigung eines Globus nöthig werden- den Manipulationen Steinhauser [173]. Neuerdings bedient man sich beim Unterrichte vielfach der Reliefgloben, die für die Erde also etwa das leisten, was die in Kap. III, $. 9 der ersten Abtheilung er- wähnten Mond-Modelle von Dickert, W. Witte u. s. w. für unseren Satelliten zu leisten beabsichtigen. c) Panoramen. Betrachtet man den Gesichtskreis als Direktrix eines geraden Cylinders und bildet aus dem eigenen Standpunkte jeden in der Nähe des Horizontes befindlichen Punkt auf dem Mantel dieses Cylinders ab, so erhält man ein Panorama. Das erste Rundgemälde dieser Art scheint der Hauptmann Micheli du Crest verfertigt zu haben, als er, der in die bekannte Henzi-Verschwörung zu Bern ver- wickelt war, die Aarburger Citadelle beziehen musste [174]. Er be- stimmte durch geometrisches Nivellement und barometrische Messung die Seehöhe seines Observatoriums, visirte dann die entfernten Gipfel des Berner Oberlandes an, mass ihre Höhenwinkel mit Rücksicht auf die Depression des Horizontes (Kap. I, $. 4), für welche er Picard’s Tafeln zu benützen in der Lage war, entnahm die Distanzen aus der Scheuchzer’schen Karte und brachte so, indem er noch die Horizon- talwinkel mittelst eines Azimutalquadranten bestimmte, 1755 das erste Alpenpanorama zu Stande*). Sehr schöne Rundsichten der Schweizer Gebirge zeichnete später der uns bereits bekannte E. Müller [175]. . Die noch immer ausstehende theoretische Begründung des Panoramen- zeichnens ist erst vor Kurzem durch Frischauf [176] gegeben worden, der zur Erleichterung der Rechnung Tabellen konstruirte und auch auf die entstellenden Einflüsse der terrestrischen Refraktion Rücksicht nahm. Die sich mehr und mehr vervielfachenden Entwürfe zu Ge- birgsrundsichten, welche in den Zeitschriften der Alpenvereine mit- getheilt werden, scheinen zu beweisen, dass der von Frischauf, dem als Mathematiker und Alpenkenner gleich gut berufenen Forscher, aus- gestreute Same auf fruchtbaren Boden gefallen ist. [1] Wiechel. Rationelle Gradnetzprojektion, Civilingenieur, 1379. S. 420 ft. — [2] D’Avezac, Coup d’oeil historique sur la projection des cartes de g&eographie, Bull. de la soc. de geogr. de Paris, 1863. I. S. 257 ff. S. 438 ff. — [3] Breusing, Leitfaden durch das Wiegenalter der Kartographie bis zum Jahre 1600 mit be- sonderer Berücksichtigung Deutschlands, Frankfurt a. M. 1883. — [4] Günther, *) Micheli du Crest schildert sein Werk (a. a. 0.) mit folgenden Wor- ten: „Prospecet geometrique des montagnes neigees, dittes Gletscher, telles qu’on les decouvre, en temps favorable, depuis le chäteau d’Aarbourg dans les terri- toires des Grisons, du canton d’Ury, et de l’Oberland du canton Berne.“ Seine geographische Bildung dürfte hiernach seiner mathematischen nicht gleichge- kommen sein. 295 Citate. Die Kartenprojektionslehre im Verlaufe des letzten Jahrzehntes, Wagner's geogr. Jahrbuch, 9. Band. $. 407 ff. — [5] Le Monnier, Zur Geschichte der Kartographie, Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 21. Jahrgang. $. 391 ff. S.A37 Ef. — [6] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Carl Ritter und Alexander v. Humboldt, München 1877. 8. 50. — [7] Berger, Die geographischen Fragmente des Eratosthenes, Leipzig 1880. S. 142 ff. — [8] Ibid. S. 169 ff. — [9] Breusing, Leitfaden etc. $. 1 ff. — [10] Günther, Die Kosmographie des Heinrich Schreiber von Erfurt, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 2. Band. S. 60. — [11] Marinelli, Die Erdkunde der Kirchenväter, deutsch von L. Neumann, Leipzig 1883. S. 68 ff. — [12] Tomaschek, Zur historischen Topographie von Persien, 1. Theil, Wien 1883. — [13] Philippi. Zur Rekonstruktion der Weltkarte des Agrippa, Marburg 1880. — [14] Marinelli, Die Erdkunde etc. S. 74. — [15] Ibid. S. 62 ff. — [16] Einhardi vita Karoli magni, ed. Pertz, Hannoverae 1863. $. 33 ff. — [17] Peschel-Ruge, Geschichte ete. $. 101. — [18] Ibid. S. 145 ff. — [19] Dewulf, Note sur un ma- nuscrit de Djellal-Ed-din-es-Siouti, Bull. de la soc. de geogr. de Paris, 1875. I. S. 449 ff. — [20] Th. Fischer, Die italienischen Seekarten und Kartographen des Mittelalters, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin, 17. Jahrgang. $. 1 ff. — [21] Breusing, Zur Geschichte der Kartographie, Zeitschr. f. wissensch, Geogr., 2. Band. S. 129 fi. S. 180 ff. — [22] Ibid. S. 187. — [23] Geleich, Ein Beitrag zur Geschichte der Seekarten, ibid. 4. Band. $. 28 fi. — [24] Breusing, Leit- faden etc. 8. 8. — [25] Ibid. $. 5. — [26] Ibid. S. 14 ff. — [27] Ruge, Ueber einige niederländische Kartographen. Ausland, 1881. S. 21 ff. — [28] Unser Ho- mann, ibid. 1879. S. 373 ff. — [29] Steinhauser, Die Weltkarte des Peter Descel- liers, Mittheil. d. k. k. geogr. Gesellsch. zu Wien, 1875. S. 587 ff. — [30] Him]y, Ueber zwei chinesische Kartenwerke, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 14. Band. $. 181 ff. — [31] H. Weber, Ueber ein Prineip der Abbildung der Theile einer krummen Fläche auf einer Ebene, Journal f. d. reine u. angew. Mathem.., 67. Band. S. 229 ff. — [32] Eisenlohr, Ueber Kartenprojektion, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 10. Band. $. 305 ff. — [33] Tissot, Memoire sur la repr&sentation des surfaces et les projections des cartes geographiques, Paris 1881. — [34] Fiorini, Le projezioni delle carte, geografiche, Bologna 1881. — [35] Möl- linger, Lehrbuch der wichtigsten Kartenprojektionen, Zürich 1882. — [36] Stein- hauser, Elemente der mathematischen Geographie und Kartenprojektion, Wien 1880. — [87] Coordes, Kleines Lehrbuch der Landkartenprojektion, Cassel 1881. — [38] Wenz, Die mathematische Geographie in Verbindung mit der Landkarten- projektion, München und Leipzig 1883. — [39] Zöppritz, Leitfaden der Karten- entwurfslehre, Leipzig 1884. — [40] Gretschel, Lehrbuch der Kartenprojektion, Wei- mar 1873. — [41] Thoulet, Memoire sur les projections orthographiques, Bull. de la soc. de geogr. de Paris, 1875. 8. 468 ff. — [42] Steinhauser, Math. Geogr. etc. S. 101. — [43] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 162 ff. — [44] Schumann, Ueber eine elementare Bestimmung der Verzerrung bei der ste- reographischen Polarprojektion, Zeitschr. f. math. und naturw. Unterricht, 12. Band. S. 163 ff. — [45] v. Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde, ein Lehrbuch der technischen Geometrie, Stuttgart 1879. S. 497 ff, — [46] Reusch, Die stereo- graphische Projektion, Leipzig 1881. — [47] Steinhauser, Math. Geogr. etc. $. 101. — [48] D’Avezac, Un coup d’oeil’ etc. $. 465 ff. — [49] Günther, Die gnomonische Kartenprojektion, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin, 18, Band. $. 137 ff. — [50] Borgondio, Mapparum constructio in planis sphaeram tangentibus, Romae 1718. — [51] Gretschel, Lehrbuch ete. $. 47 ff. — [52] Chancourtois, Carte du globe en projection gnomonique avec le reseau pentagonal superpose, Bull. de la soc. de geogr. de Paris, 1874. U. S. 291 ff. — [53] Chancourtois, Programme d’un systeme de geographie, ibid. 1874. II. S. 240 ff. — [54] Congres geologique inter- national, Compte rendu de la 2me session. Bologne 1882. S. 477. — [55] Krüm- mel, Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume, Leipzig 1879. S. 17. — [56] Hilleret, Nouveau systeme de cartes marines pour la navigation de grand cercle, Compt. rend. de l’acad. de France, tome LXXXI. $. 1995 fi. — [57] Rayet, Note sur quelques proprietes geometriques du canevas des cartes ortho- dromiques equatoriales, Mem. de la soc. de Bordeaux, (2) tome II. S. 135 ff. — [58] Breusing, Gerhard Kremer, genannt Mercator, der deutsche Geograph, Duis- burg 1869. S. 13 ff. — [59] Ibid. $. 28. — [60] Günther, Die Kartenprojektions- lehre etc. $S. 416. — [61] v. Friesach, Ueber die Loxodromie,und loxodromische Figuren, Graz 1874. — [62] Günther, Studien zur Geschichte der mathematischen und physikalischen Geographie, Halle 1879. S. 333 fi. — [63] v. Friesach, Be- schreibung einer Tabelle zur Erleichterung der Schifffahrt im grössten Kreise, ER TE SEE 2 Tee ec Br BEEIPEEREEN Citate. 297 ‚Sitzungsber. d. k! k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, Math.-naturw. Kl., 53. Band, H. Abtheilung, S. 258 ff. — [64] Geleich, Eine neue Tabelle zur Erleichterung der Schifffahrt im grössten Kreise, beziehungsweise zur Einzeichnung eines grössten Kreises in Mercator’s Projektion, Zeitschr. f. d. Realschulwesen, 8. Jahrgang. S. 14 ff. — [65] Albini. Metodo grafico per risolvere un triangulo sferico sulla projezione di Mercator, Rivista Maritima, X. S. 425 ff. — [66] Asmus, Darstellung eines grössten Kreises in Mercator-Projektion, Ann. d. Hydr. u. marit. Meteor.. 1879. S. 151 ff. — [67] Schück, Die Wege des Oceans für Segelschiffe, Ham- ‚burg 1875. — [68] Steinhauser, Math. Geogr. ete. $S. 127. — [69] Hilgard, Note on the polyconie projection, The Analyst, IH. S. 117 ff. — [70] Frischauf, Die Spezialkarte der österreichisch-ungarischen Monarchie im Maasse von 1: 75000, Jahrb. d. österr. Tour.-C]., 12. Jahrgang. S. 1 ff. — [71] Steinhauser, Ueber Kegel- projektionen der ganzen Erdoberfläche, Zeitschr. f. d. Realschulwesen, 8. Jahrgang. 4. Heft. — [72] Steinhauser, Math. Geogr. ete. $. 116. — [73] Gerster, Dr. Arnd’s Halbsternprojektion, Zeitschr. f. Schulgeogr., 3. Jahrgang. S. 128 ff. — [74] Stein- hauser, Ueber die Anwendung der Kegelprojektion, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 4. Band. S. 34 ff. — [75] Steinhauser, Math. Geogr. S. 128 ff. — [76] Postellus, Cosmographieae diseiplinae compendium, Basileae 1561. — [77] Gretschel, Lehr- buch etc. S. 240 ff. — [78] Günther, Die Kartenprojektionslehre etc. S. 430. — [79] Breusing, Leitfaden etc. $S. 11. — [80] Nell, Vorschlag zu einer neuen Karten- projektion, Heidelberg 1852. — [81] Debes, Dr. Nell’s modifieirte Globularprojek- tion, Leipzig 1883. — [82] Günther, Studien etc. S. 299 ff. — [83] Steinhauser, Math. Geogr. etc. S. 110. — [84] Coatpont, Proprietes et construction d’une carte des deux continents en projection azimuthale &quivalente. Bull. de la soc. de geogr. de Paris, 1877. I. S. 151 ff. — [85] Wieser, Der Portulan des Infanten Philipp II. von Spanien, Sitzungsber. d. k.k. Akad. d. Wiss. zu Wien, Phil.-hist. Kl.. LXXXII. S. 541 ff. — [86] Breusing, Leitfaden etc. S. 10. — [87] F. August, Ueber eine konforme Abbildung der Erde nach der epicykloidischen Projektion, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 9. Band. S. 1 ff. — [88] Peirce, A quincunecial projection of the sphere, Amer. Journal of mathem., Vol. II. S. 394 ff. — [89] v. Oppolzer, Syzygientafeln für den Mond, Leipzig 1881. S. 21 fi. — [90] Gauss, Allgemeine Auflösung der Aufgabe, die Theile einer gegebenen Fläche so abzubilden. dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich wird, Altona 1835. — [91] Craig, Projection conforme de l’ellipsoide sur la sphere, Amer. Journal of mathem., Vol. III. S. 114 ff. — [92] Günther, Peter und Philipp Apian, zwei deutsche Mathematiker und Kartographen, Prag 1882. S. 119 ff. — [93] Hipler, Die Chorographie des Joachim Rheticus; aus dem Auto- graphon des Verfassers mit einer Einleitung herausgegeben. Zeitschr. f. Math. u. Phys., 21. Band, hist.-lit. Abtheilung, S. 125 ff. — [94] Doppelmayr. Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematieis und Künstlern, Nürnberg 1730. S. 86. — [95] Schickard, Kurze Anleitung, wie künstliche Landtafeln aus rechtem Grund zu verfertigen, Tübingen 1669. — [96] J. J. J. Hoffmann, Das Pothenot’sche Problem und seine Auflösung, Aschaffenburg 1825. $S.7. — [97] Ruge, Geschichte der sächsischen Kartographie im XVI. Jahrhundert, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 2. Band. S. 89 ff. S. 143 ff. S. 223 fl. — [98] R. Wolf, Geschichte der Vermes- sungen in der Schweiz, als historische Einleitung zu den Arbeiten der schweize- rischen geodätischen Commission, Zürich 1879. — [99] Ruge, Gesch. etc. S. 231. — [100] R. Wolf, Gesch. d. Verm. etc. $S. 7. — [101] Ibid. $S. 29 ff. — [102] Ibid. S. 243 ff. — [103] Peschel-Ruge, Gesch. etc. S. 668 ff. — [104] Comte de Marsigli., Danubius Pannonicus-Mysicus, observationibus geographieis, astronomieis, hydro- sraphiecis, historieis, physieis perlustratus. Hagae Comitum 1726. — [105] Doppel- mayr, hist. Nachr. etc. S. 138 ff. — [106] Mazegger, Peter Anich und Blasius Hueber und deren Karte von Tyrol, Zeitschr. d. d. u. östr. Alpenver., 12. Band. $S. 164 ff. — [107] v. Sydow, Die Kartographie in Europa bis zum Jahre 1857, Petermann’s geogr. Mittheil., 1857. S. 73 ff. — [108] B. Wolf, Materiaux divers pour l’histoire des math&matiques, Bullett. di bibliogr. e di storia delle scienze mat. e fis., tomo II. S. 313 ff. — [109] Puissant, Traite de topographie, d’arpentage et de nivellement, Paris 1807; Suppl&m. 1810. — [110] J, J. v. Littrow, Chorographie, Wien 1833. — [111] Stampfer, Theoretische und praktische Anleitung zum Nivelliren, 7. Aufl., bes. von Herr, Wien 1872. — [112] Kaltbrunner, Der Beobachter; allgemeine An- leitung zu Beobachtungen über Land und Leute für Touristen, Exkursionisten und Forschungsreisende, deutsch von Kollbrunner, Zürich 1882. S. 21 ff. — [113] A. Schell, Die Terrain-Aufnahme mit der tachymetrischen Kippregel von Tichy und Starke, Wien 1881. — [114] Bessels, Die amerikanische Nordpolexpedition, Leipzig 1879. 298 en | Citate, j 5. 399. — [115] Stolze, Ueber den photographischen Theodoliten von Meyden- bauer, Verh. d. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin, 6. Band. $. 2483. — [116] Stolze, Persepolis, Bericht über seine Aufnahmen achämenidischer und säsänidischer Denk- mäler in Färs, ibid. 10. Band. $. 251 ff. — [117] Girard, Laussedat’s Arbeiten in Bezug auf die Anwendung der Photographie zur Aufnahme von Plänen, Photogr. Archiv, 6. Band. $S. 316 ff. — [113] Meydenbauer, Ueber Anwendung der Photo- graphie zur Architektur- und Terrain-Aufnahme, Zeitschr. f. Bauwesen, 17. Jahr- gang. S. 61 ff. — [119] Jordan, Ueber die Verwerthung der Photographie zu geo- metrischen Aufnahmen (Photogrammetrie), Zeitschr. f. Vermessungswesen, 5. Band. Ss. 1 ff. — [120] G. Hauck, Neue Construktionen der Perspektive und Photogram- metrie, Journal f. d. reine u. angew. Mathem.,. 95. Band. S. 7 ff. — [121] Ibid. S. 23 ff. — [122] G. Fritsch, Die Anwendbarkeit der modernen Photographie auf Reisen, Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdk. zu Berlin. 10. Band. S. 277 ff. — [123] Wol- kenhauer, Die kartographische Darstellung der senkrechten Gliederung der Erd- oberfläche, Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 3. Jahrgang. 8. 1 fi. — [124] Ibid. S. 3. — [125] Günther, Peter und Philipp Apian etc. S. 122. — [126] Wolkenhauer, Die kartogr. Darstell. ete. S. 4. — [127] Simony. Das Land- schaftsbild als illustrirendes Element für eine wissenschaftliche Alpenkunde, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver.,. 11. Band. $. 103. — [128] Knipping, Ueber eine neue Karte von Japan und ihre Quellen, Mittheil. d. deutschen Gesellsch. f. Natur- u. Völkerk. Ostasiens. 11. Heft. S. 23. — [129] Peschel-Leipoldt, Physische Erd- kunde, 1. Band, Leipzig 1875. S. 561. — [130] R. Wolf, Gesch. d. Verm. etc. S. 36. — [131] Wolkenhauer,. Die kart. Darst. ete. $. 5. — [132] R. Wolf. Gesch. d. Verm. etc. $S. 280. — [133] J. G. Lehmann, Darstellung einer neuen Theorie zur Bezeichnung der schiefen Flächen, Leipzig 1799. — [134] J. G. Lehmann, Die Lehre vom Situationszeichnen oder Anweisung zum richtigen Erkennen und ge- nauen Abbilden der Erdoberfläche in topographischen Karten und Situationsplänen, Dresden 1812—16. — [135] Bach, Die Theorie der Bergzeichnung in Verbindung mit Geognosie, Stuttgart 1853. S. 9. — [136] v. Sonklar, Allgemeine Orographie, Wien 1873. S. 85. — [137] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 1. Band. $. 568 ff. — [138] Naumann, Lehrbuch der Geognosie, 1. Band, Leipzig 1858 S. 311. — [139] Buschbeck- v. Helldorf, Feld-Taschenbuch für Offiziere aller Waffen der deutschen Armee, 1. Theil, Berlin 1874. S. 505. — [140] Obermair, Ueber Karten- lesen und Kartenbeurtheilung, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver., 12. Band. S. 144 ff. — [141] Buschbeck- v. Helldorf, Feld-Taschenb. etc. 1. Theil. S. 767. — [142] Früh, Zur Geschichte der Terraindarstellung, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 2. Band. S. 156 ff. S. 214 ff. — [143] Steinhauser, Beiträge zur Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Niveaukarten, sowohl See- als Landkarten, Wien 1857. — [144] Litka, Zur Geschichte der Isohypsen, Zeitschr. f. Vermessungswesen, 9. Band. S.40 ff. — [145] Peschel-Ruge, Gesch. d. Erdk. $. 703. — [146] Map of the Terri- tory of Florida connected with the Delta of Missisippi, 1829. — [147] Steinhauser, Beitr. etc. S. 12 ff. — [148] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 1. Band. $. 568 ff. — [149] v. Ott, Das graphische Rechnen und die graphische Statik, 1. Theil, Prag 1879. 9. 163 ff. — [150] Ziegler, Ueber Topographie und topographische Karten, Viertel- jahrsschrift d. naturf. Gesellsch. zu Zürich, 18. Jahrgang. S. 297 ff. — [151] Becker, Die Kartographie in der Weltausstellung, Mittheil. d. k. k. geogr. Gesellsch. zu Wien, 1874. S. 385 ff. — [152] Enr. di Littrow, Sulle carte idrografiche e sulla rappresentazione del fondo del mare mediante linee isobate od in plastica, Rivista Maritima, XII. S. 191 ff. — [153] Cayley, On the colouring of maps, Proceed. of the r. geogr. society, 1879. S. 289 fi. — [154] Wolkenhauer, Zur Geschichte der Tiefenmessungen, Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 1. Jahrgang. 5. 592. — [155] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk.. 1. Band. S. 567. — [156] A. v. Humboldt, Ansichten der Natur mit wissenschaftlichen Erläuterungen, Stuttgart und Augs- burg 1859. S. 59. — [157] Rigaud, On the relative quantities of land and water on the surface of the terraqueous globe, Transact. of the Cambr. phil. society, Vol. VI. S. 289 ff. — [158] Rikatscheff, Ueber die tägliche Aenderung der Tem- peratur in St. Petersburg, Wild’s Repertorium f. Meteorol., 3. Band. S. 166 fi. — [159] Graf Wilezek, Ueber die Berechnung des arithmetischen Mittels, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Meteor., 10. Band. $. 213 ff. — [160] Simpson, Mathematical disser- tations on physical and analytical subjects, London 1743. — [161] R. Wolf, Hand- buch der Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie, ‚1. Band, Zürich 1869. S. 201 ff. — [162] Purvis, On Amsler’s Planimeter,. Phil. Mag., (4) Vol. XLVIH. S. 11 ff. — [163] Favaro, Geschichte der mechanischen Planimetrie, Wien 1873. — [164] Trunk, Die Planimeter, deren Theorie, Praxis und Geschichte, Halle 1865. AP raktische Bedeutung, Zürich 1868. — [166] R. Wolf, Biographieen zur Kultur- hichte der Schweiz, 2. Band, Zürich 1859. S. 234 az [167] Ibid. S. 235. — 8] Ibid. S. 242. [169] er, Meyer, Beschreibung eines neu verfertigten Re- 55] E. ah Die echkefsche Panini, Ne nen ee BL liefs, welches eine der interessanten Schweizerlandschaften nach der Natur d en on ss stellt, Aarau 1803. — [170] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 1. Band. 8. 571. — az) Albr. Dürer, Underweysung der messung mit dem zirckel und ne en nberg 1525. — [172] Kästner, Geschichte der Mathematik, 1. Band, Göttingen 1796. 89. — [173] Steinhauser, Math. Geogr. ete. S. 131-0 174] R. Wolf, jiogr. ete., 1. Band, Zürich 1858. S. 256 Fi — [175] R. Wolf, Gesch. d. Verm. etc.. 138 fi. — [176] Frischauf, Das Zeichnen und Bestimmen von Panoramen, Neue ir Er eutsche Alpenzeitung. IV. Nr. 23; Die Sannthaler Alpen, Graz 1877. 8. 269 ff. Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynamische Geologie. Kapitel I. Die Wärmeverhältnisse des Erdinnerer. S. 1. Das Eindringen der Sonnenwärme. Die 'Temperaturverhält- nisse einer obersten Schicht der Erdkruste müssen für sich betrachtet werden, da sie von der Stärke der Insolation unmittelbar abhängig sind. Bis zu einer gewissen Tiefe machen sich die täglichen, bis zu einer grösseren Tiefe auch die jährlichen Temperaturschwankungen fühlbar, alsdann begegnen wir einer als neutral zu bezeichnenden Schicht, und erst jenseits letzterer beginnt jener Raum, dessen Wärme man als Eigenwärme der Erde betrachten darf. Wir haben es hier vor- läufig nur mit jenem äussersten Kugelringe zu thun. Entdeckt ward die Existenz der neutralen Schicht durch die Beobachtungen La Hire’s und D. Cassini’s an einem im Keller der Pariser Sternwarte aufgestellten Thermometer, welches seit mehr denn 100 Jahren ununterbrochen 11,82° zeigt; nach Graf J. D. Cassini de Thury |1] beträgt dort die Jahresschwankung höchstens 0,029, nach Bouvard ein klein wenig mehr. Aus diesen Beobachtungen, sowie späteren von Saussure, Hamilton, A. v. Humboldt schliesst Muncke, dessen treffliche Arbeiten über die Erdwärme [2] uns hier vielfach zur Richtschnur dienen, dass der Wärmeunterschied von Tag und Nacht bei 3 Fuss, der monatliche Einfluss bei 5 Fuss, der Unter- schied in den Jahreszeiten endlich bei 30 Fuss verschwinde [3]. Fourier’s rein theoretische Untersuchung wollte im ersteren Falle den Fuss durch das Meter ersetzen [4]; er stützte sich dabei auf die praktisch freilich wohl kaum zulässige Annahme, dass die Werthe. der Temperaturschwankungen in einer geometrischen Reihe abnehmen, wenn die Tiefe in arithmetischer Progression wächst. Weitere For- schungen von Kupffer, Herrenschneider, Rudberg u. a. wurden in den Schatten gestellt durch die zusammenfassende Schrift Quete- let’s [5], der für den jährlichen Gang der Bodentemperatur in der noch wirklich insolirten Schicht nachstehende Formel. aufstellte: y = asin (x + b)-- c; hierin ist y die Thermometerhöhe für die von einem De Dt ae a m Du ad \ L u a An Bi Se ee | | | k h i | I, $. 1. Das Eindringen der Sonnenwärme. 301 beliebigen Zeitpunkte an gerechnete Epoche x, c die mittlere Jahres- temperatur für das benützte Thermometer, a der halbe Unterschied zwischen Maximum und Minimum, b gleichfalls eine der Beobachtung unterliegende Konstante. Andererseits wollte Poisson |6] ermittelt haben, dass, wenn der Jahresabstand vom Maximum der T’emperatur zum Minimum durch H und H‘ für die Tiefen x und x’ bezeichnet werde, die Proportion x) zu Recht bestehe. Höchst ausgedehnte Versuche verdankt man ferner Muncke (a. a. O.) und G. Bischof [7], doch lassen sich dieselben nicht wohl zu allgemeingültigen Sätzen verdichten, vielmehr muss man sich mit der Erkenntniss begnügen, dass die Erwärmung des Bodens von der Intensität der Sonnenstrahlung, von den Hydrometeoren und den über den Boden hinstreichenden Luftströmungen abhängig ist. Müttrich [2] hat die forstlichen Beobachtungen für einen grossen Theil Deutschlands gesammelt und ist dabei zu folgenden Resultaten gekommen: 1 = H‘ B H Pen 1 .e 9,11655 Vz (x Tiefe in m: 0,00 0.15 0,30 0.60 0,90 1.20 | Jahresamplituden. Im Freien: 21,6 19,5 18.3 17,4 16,1 14.8 Im Walde: 19.1 16,9 15.1 13,4 12,0 — Differenz: 2.5 2.6 3,2 4.0 4.1 — Jahresmitteltemperaturen. Im Freien: 10.4 9.6 8.6 8.9 9:0 8.9 Im Walde: 89 8.2 1.9 8.2 3.2 — Differenz: 1.5 1.4 0.7 0,7 0,8 — Eine der wichtigsten Stationen ist die zu Königsberg i. Pr. von Dorn eingerichtete und von ihm in einer eigenen Monographie (daselbst 1872) beschriebene; ausserdem wurden sehr regelmässige Messungen der Bodenwärme auf der Sternwarte Bogenhausen bei München bis zu dem Tode ihres früheren Direktors Lamont angestellt; derselbe hatte ein ca. 6 m tiefes viereckiges Holzrohr in den Boden eingesetzt und darin auf eine ihm eigenthümliche Weise die Thermometer befestigt. Es ist, wenn obiges der Fall, leicht einzusehen, dass die Tiefe der neutralen Schicht unter verschiedenen Breiten nicht die gleiche sein kann. Bedeutet to die der geographischen Breite » entsprechende mittlere Bodenwärme, so ist, unter a, b, «, ß gewisse Erfahrungszahlen verstanden, to —=a — bsin’» oder = 2. —- ß cos’ p, je nachdem man Kupffer [9] oder Kämtz [10] folgt*). Auf Grund der Formel ver- zeichnete namentlich der Letztere (a. a. O.) seine Isogeothermen oder Ortskurven gleicher mittlerer Bodentemperatur. Indess verlohnt es bei dem heutigen Stande unseres Wissens nicht, den Ver- lauf dieser Kurven näher zu untersuchen. Wie leicht bei solchen Be- stimmungen Fehler mit unterlaufen, beweist uns das in der Geschichte *) Beide Formeln besagen im Grunde das Nämliche; es ist, weil sin? x = 1 — cos?» gesetzt werden kann, a—=a—b,$8=b zu nehmen. 302 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. der Geophysik zu einer gewissen Berühmtheit gelangte Beispiel Boussingault’s, der [11] ermittelt haben wollte, dass in den Tropen- gegenden Südamerika’s schon in "a m Tiefe die Variationen der Wärme aufhörten, merklich zu sein; dass er hierin irrte, ist von Wild und Hann [12] dargethan worden. Selbst in jenen Ländern dürfte (a. a. OÖ.) ein Hinabsteigen bis zu 5m Tiefe nöthig werden, um die neutrale Schicht zu erreichen. Hann giebt auch an, dass Luft- und Bodentemperatur von einander sich bis auf einen ganzen Grad entfernen können, und damit ist der Werth des schon von Berg- man gemachten Vorschlages, die mittlere Jahrestemperatur eines Ortes durch Beobachtung eines in die Erde eingegrabenen Thermo- meters zu erhalten [13], wesentlich gemindert, obwohl man ihn als Nothbehelf immerhin auch künftig gelten lassen mag. In jenen Ländern, deren mittlere Jahrestemperatur nur sehr wenig über dem Nullpunkte oder gar unterhalb desselben liegt, wird man sehr bald unter dem Erdboden auf eine stets gefrorene und nie- mals aufthauende Schicht stossen: auf den unterirdischen Eisboden. Gmelin war es, der zuerst die Nachricht nach Europa brachte [14] in Jakutsk habe man das Graben eines Brunnens bei 90 Fuss Tiefe aufgeben müssen, weil die gefrorene Erde nicht mehr zu durchbohren gewesen sei, aber obwohl Pallas [15] Aehnliches aussagte, so glaubten doch L. v. Buch [16] und Andere (z. B. Hansteen) aus theoretischen (Gründen diesen Angaben jeden Glauben versagen zu sollen. Jener berühmte Schergin-Schacht in Jakutsk, für den sich Wrangel: und v. Middendorff so lebhaft interessirten, ward bis zu einer Tiefe von 116,5 m hinabgetrieben, und doch war auf dem Grunde die Temperatur noch nicht einmal bis zu Null gestiegen [17]. Bei Peschel-Leipoldt finden wir, mit Berufung auf eine von Fritz gezeichnete Karte, die Grenze des ewigen Bodeneises folgendermassen umschrieben [18]: „Sie führt von der Tanamündung (Finmarken, 702° n. Br.) nach Kanda- laschka (67°, somit liegt die Halbinsel Kola ganz im Gebiete des Eis- bodens), erscheint jenseits des weissen Meeres genau westlich von dem Orte Mesen (66°), überschreitet den Ural unter 62° n. Br., nähert sich Tobolsk von Nord her bis auf 10 g. M., geht südlich von Tomsk vorüber (56°), durchkreuzt nördlich von dem Austritt der oberen Tunguska den Baikalsee (53°), fällt zwischen 130° und 140° ö.L. v. F. nahezu mit dem 50. Parallelkreis zusammen und verlässt nördlich von der Amurmündung (54°) den asiatischen Kontinent. Kamtschatka wird etwa unter 58° nördlicher Breite von ihr durchschnitten. In Nordamerika beginnt die Eisbodengrenze am Norton-Sund (unter 64°), läuft südlich von Fort Simpson vorbei, berührt das Nordende des Winipeg-See’s (54°), sowie das Südende der Hudsonsbay (51°) und endigt auf der Halbinsel Labrador zwischen Nain und Hoffnungsthal (56°). Grönland liegt ganz innerhalb des Eisbodengebietes.* Wild betrachtet [19] die Isotherme von — 2° als die Südgrenze des frag- lichen Gebietes, doch bleibt dabei zu beachten, dass diese Linie auf den Karten als für das Meeresniveau gezeichnet erscheint, und dass die Temperatur für je 100 m Höhe etwa um 1° fällt, so dass also bei 400 m Seehöhe der Eisboden schon in dem von ‘der 0° Isotherme durchzogenen Territorium seinen Anfang nehmen kann. Das Vor- handensein der indifferenten Zwischenschicht macht es schwierig, sich NR 1,8. 2. Die Zunahme der Wärme jenseits der neutralen Schicht. 303 mit den in Krasan’s Arbeit „Die Erdwärme als pflanzengeographischer Faktor“ (Engler’s bot. Jahrb., II, S. 185 ff.) durchgeführten Prin- cipien einverstanden zu erklären. Indess ist hier noch nicht der Ort, dieser Frage näher zu treten”). $S. 2. Die Zunahme der Wärme jenseits der neutralen Schicht. Die Frage, wie sich zunächst der Oberfläche die Erdtemperatur ver- halte, gehört, wie wir sahen, nicht so sehr in das Gebiet der Erd- physik im engeren Sinne, als vielmehr in dasjenige der Meteorologie. Wie aber steht es jenseits der neutralen Schicht? Anhänger der Nebulartheorie müssen a priori den Schluss ziehen, dass jeder aus einem Zustande äusserster Dislokation der Theilchen in den Zustand der Er- starrung übergegangene Himmelskörper, also auch die Erde, gegen den Mittelpunkt zu wärmer und wärmer werden würde. Es fragt sich, ob die Beobachtungen dem entsprechen. Schon . Athanasius Kircher hatte von Freiberger Gruben- arbeitern in Erfahrung gebracht [22], dass in der Tiefe die Hitze zu- nehme. Eben in diesem Sinne äusserten sich der Mediziner Boer- have [23] und der Physiker Boyle [24]: Der Schweizer J. Ott _ (1715—1769) erwarb sich, wie R. Wolf [25] berichtet, ein ent- schiedenes Verdienst dadurch, dass er auf Lambert’s Anregung hin Jahre lang Bodentemperaturen in verschiedenen Tiefen mass, und zwar in der ausgesprochenen Absicht, das Fortpflanzungsgesetz der Wärme im Erdinneren auszumitteln. Sieben Thermometer wurden je la, 1a, 1, 2, 3, 4, 6 Fuss tief eingesenkt. Anno 1766 legte Ott seine Ergebnisse der Berner physikalischen Gesellschaft vor, auch bemerkt das Sitzungsprotokoll in der Sprache der damaligen ange- wandten Mathematik, es liessen sich die Temperaturunterschiede schon so ziemlich auf eine bestimmte krumme Linie bringen. Lambert sandte der Gesellschaft eine „Die Vertheilung der Sonnenwärme in der Erde nach Anleitung der von Herrn Ott darüber angestellten Beobachtungen“ betitelte Arbeit ein, die jedoch nicht zum Druck ge- langte. Unter die neutrale Schicht herab gelangte Ott freilich nicht. Aus der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts sind nach Muncke’s Zeugniss (a. a. ©.) dahin gehende Aeusserungen von Freiesleben und Lampadius zu verzeichnen; man vergleiche auch die von Reich [26] gegebene geschichtliche Uebersicht. Mairan, v. Trebra, Saussure und ganz besonders D’Aubuisson ist es zu danken, dass die Diskussion der Frage ununterbrochen Fortschritte machte. Von Ausnahmen abgesehen, deren gleich nachher eigens zu gedenken sein wird, herrschte bald eine gewisse Einstimmigkeit darüber, dass jeder Bewegung auf einem Erdradius gegen den Mittelpunkt hin eine Ver- mehrung der Temperatur entspreche, und es kam nun darauf an, das Gesetz der geothermischen Tiefenstufen empirisch für ver- schiedene Verhältnisse zu erkunden. In Kürze lässt sich somit die zu stellende Frage folgendermassen formuliren: Um wieviel Meter muss *) Anhangsweise bemerkt sei noch, dass schon Hales [20] bei Gelegenheit seiner pflanzenphysiologischen und Mairan [21] bei Gelegenheit meteorologischer Untersuchungen die Nicht-Uebereinstimmung von Boden- und Lufttemperatur be- hauptet hatten. man in der Richtung nach dem Erdcentrum sich vorwärts bewegen — und zwar von der unveränderlichen Schicht an — damit das hundert- theilige Thermometer um 1° steige? Es ist dabei vorläufig ange- nommen, dass dieses Wachsthum der Temperatur gleichförmig erfolgt, obwohl diese Annahme natürlich nur den Charakter einer ersten Annähe- rung besitzt und durch die Praxis vielfache Einschränkungen erleidet. Die Messung selbst kann nun entweder dadurch geschehen, dass man in tiefen Schachten Beobachtungen der dortselbst zu findenden Luft, oder auch des Grubenwassers, oder endlich auch des den Schacht einschliessenden Gesteines anstellt. Andererseits ist man auch von dem freilich nur im Grossen und Ganzen richtigen Gedanken ausgegangen, dass bewegte Flüssigkeiten die Temperatur in der Gegend ihres Ur- sprunges nach aussen übermittelten, und hat dem entsprechend Wärme- messungen in artesischen Brunnen und in natürlichen Quellen gemacht. Dass all’ diesen Versuchen nur ein sehr relativer Werth für die Lösung des Erdproblemes zukommen könne, erhellt, von Anderem ab- gesehen, schon aus der im Verhältniss zum Erdhalbmesser äusserst geringen Tiefe, welche dem Menschen zu erreichen gewährt ist. Als das tiefste vorhandene Bohrloch betrachtet man mit v. Dechen [27] gewöhnlich jenes von Sperenberg in der Mark (1272 m), doch erwähnt Huyssen |28] in seiner Uebersicht über die vom preussischen Staate unternommenen Tiefbohrungen, dass man bei Lieth in Holstein eine Tiefe von 1339 m erreicht habe. Die grösste Stollentiefe mit 1152 m Tiefe dürften die Kuttenberger Bergwerke aufweisen. Der tiefste artesische Brunnen endlich ist nieht etwa der bekannte von Grenelle bei Paris, sondern er befindet sich in St. Louis. Im Jahre 1865 war man schon 565 m weit hinabgekommen, ohne das Ziel zu erreichen [29]. Diesen Mängeln jeder subterranen Wärmebestimmung vermag mensch- liche Kraft nicht abzuhelfen, wohl aber hat man eine anderweite Fehlerquelle erkennen und vermeiden gelernt. Es handelt sich nämlich doch (vgl. das letzte Kapitel der vorigen Abtheilung, $. 5) darum, den thermometrischen Gradienten jener Kurven, der von Bischof mit diesem Namen belegten Chthonisothermen*), zu finden, für welche die Erdtemperatur den nämlichen Werth besitzt. Fig. 58 stellt eine solche Kurvenschaar unmittelbar unter Fig. 58. einem coupirten Terrain dar, die Linien CD und EF repräsentiren die zur Er- mittelung des Gradienten dienenden or- thogonalen Trajektorien. Würde nun in A ein Bohrloch angelegt, dessen Richtung AB selbstverständlich mit der Vertikalen übereinstimmt, so dürfte dessen Axe kei- nesfalls zur Abmessung der Gradienten verwendet werden, da sie ersichtlich die Isothermkurven unter schiefen Winkeln trifft. Poggendorff [30] und Studer [31] betonten also mit Recht *) Da die Worte „Isogeothermen“ und „Chthonisothermen“ den nämlichen Sinn haben, Synonyma aber in der wissenschaftlichen Kunstsprache möglichst zu vermeiden sind, so würden wir vorschlagen, die erstere Bezeichnung ausschliess- lich für die oberhalb und die letztere ausschliesslich für die unterhalb der neu- tralen Schicht verlaufenden Kurven zu wählen. j g 1 . |; 1 ; | TE BEE IE ee a a? EU NL 2 > 0 fe EEE BR a eh = IN IE I, $. 3. Temperaturbeobachtungen in Gruben. 305 die Nothwendigkeit, eine auf dem jeweiligen Terrain senkrechte Axe zu wählen, wie CD oder EF in unserer Figur, denn da man an- nehmen kann, dass die neutrale Fläche ungefähr der Oberfläche parallel verläuft, so wird jene Axe auch annähernd senkrecht stehen zu den zunächst anliegenden Chthonisothermen. Diese Kautel ist namentlich zu berücksichtigen bei den neuerdings zu besonderer Wichtigkeit ge- langten Messungen im Inneren eines Tunnels. S. 3. Temperaturbeobachtungen in Gruben. Die ersten mit einer gewissen Konsequenz durchgeführten Versuchsreihen dieser Art rühren von Gensanne und Lean her [32]. Ersterer fand zu Giromagny bei Belfort 12,5° in 110, ferner 13,1° in 206, 19° in 308 und 22,7° in 433 Meter Tiefe, letzterer stellte die folgende Tabelle auf: :;Sommerbeobachtungen. Winterbeobachtungen. 9.3. m: 185° 3.025 bl. 9.0 m, 29,5" 91.0 m 172° 35.0m: 2m 30m: 2110 ‚Om: „1 ‚Om: ; 329.0 m: 22,7° 829.0 m: 23,3° 348.0 m: 26,1° 366.0 m: 25.5° Eine ähnliche, wenn schon gleichfalls unregelmässige Zunahme der Erdtemperatur konstatirten Fantonetti in italienischen und A. v. Humboldt in neuspanischen Gruben [33]. Alle diese Messungen be- zogen sich jedoch nur auf die Grubenluft, und es wirken mehrere Umstände zusammen, um gerade dieses Element als für die Beantwortung der Frage sehr ungeeignet erscheinen zu lassen. Es war zuerst Cordier, der diese Thatsache feststellte und auf einen verbesserten Beobachtungsmodus drang [34]; er wendet sich jedoch auch gegen die Benützung der Grubenwässer, da man nicht wisse, aus welcher Höhe sie beim Zutagetreten bereits herabgesunken und durch welche Kanäle sie vorher gelaufen seien. Fox hatte durch Einführung des Thermo- meters in die ausgepumpten Wasser einiger Minen von ÜOornwall das etwas prekäre Ergebniss erhalten [35], dass die geothermische Tiefen- stufe in Kupferbergwerken blos 30, in Zinnbergwerken dagegen 75 eng- lische Fuss betrage. ÜCordier selbst empfahl angelegentlich das Einschliessen des Instrumentes in den Felsen der Schachte und arbeitete selbst nach diesem Principe drei Jahre hindurch in drei französischen Gruben mit Wärmemessern, welche vorher der Landessternwarte zur Vergleichung vorgelegen hatten. Seine Durchschnittszahl für die Tiefenstufe belief sich auf 25 m. Seit 1828*) besitzt man regel- mässige Temperaturbestimmungen aus den preussischen Werken, doch wurden vergleichbare Konstanten nicht erzielt [36]. Mit Aufbietung aller Genauigkeit damaliger Zeit wurden hingegen die in der uns bereits bekannten Arbeit von Reich (s. 0.) beschriebenen Beobachtungen ausgeführt. Durch eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung eigenthüm- licher und durchaus nicht über jeden Einwurf erhabener Art, der je- doch nicht so leicht eine bessere zu substituiren sein dürfte, sah sich *) In diesem Jahre veranlasste nämlich Humboldt die Austheilung von zu diesem Zwecke bestimmten Thermometern an sämmtliche Grubendirektionen des Königreiches. Günther, Geophysik. I. Band. 20 DEE EEE TEEREGRENE 306 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Reich veranlasst, jede Einzelbestimmung für die mit x bezeichnete - Zunahme der Tenmiperatur auf je 100 m Tiefe mit einem Gewicht P zu versehen, das er auf seine eigene Weise ermittelte, ihm zufolge ist ol a NE h—h, ’ VD, +vD, Hier bedeuten h, und h, die Meereshöhen der beiden Beobachtungs- stationen, t, und t, die daselbst gemessenen Temperaturen, r ist die Zeitdauer der Beobachtung in Monaten, während D, und D, die grössten Temperaturschwankungen am oberen und unteren Platze vorstellen. Hiernach berechnete Reich die geothermische Tiefenstufe zu 41,84 m. J. Phillips fand in einem noch jungfräulichen Schachte zu Newcastle nicht ganz 33 m, Kupffer im Ural 19,52 m [37], Matteucei endlich erhielt in der Steinkohlengrube zu Monte-Massi in Toskana den un- gemein niedrigen Werth von 13,7 m [38]. Neueren Zusammen- stellungen von Zöppritz [39] entnehmen wir, dass Marsilly in der Kohlengrube von Anzin (Nordfrankreich), je nachdem er einen der vier vorhandenen Schachte wählte, 25,9 m, 20,7 m, 15,6 m und 15,4 m, Schwartz zu Schemnitz 41, Am, Heckels zu Newcastle 26,9 m er- mitteltee Durch ganz abnorme Verhältnisse der Wärmezunahme zeichnet sich die amerikanische Comstockgrube aus, welche Church zuerst allgemein geologisch [40] und dann noch einmal speziell kalori- metrisch [41] geschildert hat. Eine andere für unsere Zwecke Erfolg versprechende Grube ist der sogenannte Formanschacht in Nevada, jener ersterwähnten benachbart und vielleicht durch sie beeinflusst; wenigstens ist Stapff [42] dieser Meinung, weil sich so die sonst auf- fällige Erscheinung am besten erklärt, dass mit zunehmender Tiefe das Temperaturwachsthum wieder abnimmt. Stapff entwickelt auch für die Gesteinstemperatur t in der Tiefe h nach der Methode der kleinsten Quadrate (a. a. OÖ.) eine Formel, welche er später, auf Grund neuer Angaben Forman’s, durch eine andere ersetzt [43]; wir führen nachstehend beide an: — 10,31 + (h — 30,48) Y0,005568 — 0,00000391 (h — 30,48); t = 9,92 + h V.0,004497 — 0,000002308 h. Stapff’s Abhandlungen erscheinen auch noch aus einem anderen Grunde bemerkenswerth, nämlich wegen der darin anzutreffenden Be- trachtungen über die wechselseitigen Beziehungen zwischen innerer Gesteinstemperatur, Bodentemperatur und mittlerer Lufttemperatur. $S. 4. Temperaturbeobächtungen in Bohrlöchern. Dieselben er- freuen sich, selbst wenn nicht noch Anderes hinzukäme, des Vortheils, dass es möglich ist, die Thermometer der einzelnen Stationen genau in der nämlichen Vertikallinie anzubringen. Zuerst scheint sich dieses Umstandes der bekannte Physiker P. Erman bewusst geworden zu sein; er wählte das Bohrloch zu Rüdersdorf unweit Berlin [44], wo 90 Fuss Tiefe dem Steigen des (R&aumur’schen) Thermometers um 1° zu entsprechen schienen. Magnus setzte diese Beobachtungen fort [45], und zwar konstruirte er eigens zu diesem Behufe sein Geo- thermometer, das sich von den gebräuchlichen Instrumenten wesent- lich nur durch seine etwas weitere Röhre und einen Cylinder von angemessener Grösse unterscheidet. Er glaubte, Erman’s Zahl 90 I, $. 4. Temperaturbeobachtungen in Bohrlöchern. 307 durch 69 ersetzen zu müssen. De la Rive und Marcet |46] be- kamen in einem artesischen Brunnen bei Genf 32,55 m auf 1°, und siebenundzwanzig Quellen dieser Art in und bei Wien lieferten den Mittel- werth von 27 m. Im Allgemeinen können die aus Beobachtungen an artesischen Brunnen abgezogenen Resultate nicht als die zuverlässigeren gelten, ein Theil des aufgetriebenen Wassers sinkt, sowie es kälter und damit spezifisch schwerer wird, wieder in die Tiefe, und es wird so ein Cirkulationsakt eingeleitet, dessen Wirkungen sich in einer Ver- änderung der Tiefenstufen offenbaren. Von einer in Pest vorgenom- menen Brunnenbohrung berichtet z. B. Zöppritz |47] nach Zsig- mondy Folgendes: Der Temperaturgradient, der im Ganzen 1° auf 12,6 m beträgt, vertheilt sich sehr ungleich auf die Tiefe, denn von 58 m bis 159 m stieg die Temperatur von 15° auf 30°, bis 370 m auf 45°, bis 570 m auf 60°, bis 900 m auf 80,9°.* Diese Anomalien regen auch dieser Katagorie von Messungen gegenüber unwillkürlich zu einem gewissen Skepticismus an*). — Noch weniger Verlass ist selbstverständlich auf die Temperaturen natürlicher Quellen, bei deren Entstehung die meteorischen Gewässer eine völlig unkontrolirbare Rolle spielen; wir werden hierauf in dem den Quellen speziell gewidmeten Kapitel zurückkommen. Jedenfalls das Sicherste und Beste, was für interne Erdtempera- turen bisher geleistet wurde, verdankt man Dunker’s Messungen mit einem vervollkommneten (Magsnus’schen) Geothermometer im Bohr- loche zu Sperenberg; in einer grossen Abhandlung beschreibt der ge- nannte verdiente Montanist [49] den Plan seiner Untersuchung und die Vorsichtsmaassregeln, welche er anwandte, um jenes Aufsteigen wärmeren und Sinken kälteren Wassers, wovon wir oben sprachen, thunlichst zu verhindern. Er stellte zur Berechnung der Temperatur t aus der Tiefe h einen für h quadratischen Ausdruck auf, substituirte ihm aber später einen solchen vom dritten Grade [50]. Die betreffen- den Formeln sind diese: | t = 7°18° + 0,01298571818 h—+ 0,00000125701 h’; t = 7' 18° + 0,01783521 h — 0,00000580396 h? —- 0,0000000008726 h’. Beide Relationen, so unsäglich viel Mühe auch an ihre Ableitung, d. h. an die Ermittelung der konstanten Koefficienten, gewandt wurde, leiden doch an einem prineipiellen Uebelstande. Fürrt=a+auıh+«h unddt=a+0h— o,h’--o, h’ ist nämlich resp. a4 22h, = 20h 430,8), und da bei Einsetzung der wirklichen Werthe für die zweiten Differen- tialguotienten negative Werthe sich ergeben, so schiene zu folgen, dass für h MERAN O1 O4 SE Vo yyt I 0; Oz 2 Ok 3 OL; ein Temperaturmaximum einträte, was doch sachlich nicht wohl mög- resp. h = *) Auch diejenigen Versuchsreihen, denen das von Walferdin angegebene selbstregistrirende Thermometer zu Grunde lag, stimmen nicht überein. Arago glaubte der Reibung des Bohrgestänges einen erheblichen Einfluss zuschreiben zu sollen [48]. 308 Dritte Abtheilung. Geophysik im. engeren Sinne; dynam. Geologie. lich ist. Henrich war deshalb wohl im Rechte, sich [51] gegen Dunker’s Berechnungsmethode zu erklären, und wir können nicht finden, dass die in dem Streite des Ersteren mit Brauns [52] gegen sein eigenes Verfahren erhobenen Einwände gerechtfertigt wären. Denn Henrich macht geltend, dass Dunker die Summe der Fehlerquadrate nicht zu einem Minimum gemacht und mit 0,7° einen im Verhältniss zu der Güte des Geothermometers zu hohen wahrscheinlichen Fehler zugelassen habe. Die neue Formel Henrich’s, nach welcher t = 12,273° —- 0,007449 h zu setzen ist, möchte den Dunker’schen immer noch vorzuziehen sein; ihr wahrscheinlicher Fehler heläuft sich nur auf 0,3°. Darin muss man freilich nach all’ diesen Leistungen J. L. A. Roth beistimmen, der als einer der Ersten über die Speren- berger Temperaturmessungen geschrieben hat |53], dass ein festes Ge- setz über die Variation der Erdwärme denselben nicht entnommen werden kann. $. 5. Temperaturbeobachtungen in Tunnels. Systematisch und in grösserem Style hat diese Aufzeichnungen wohl zuerst der bekannte Geologe des Gotthard-Unternehmens, Stapff, betrieben; seine erste grössere Arbeit darüber erschien [54] schon 1877, und später kon- struirte er |55] ein vollständiges Temperaturprofil des durch- bohrten Gebirgsstockes. Die wichtigsten Resultate Stapff’s nahm Koch [56] in seine zusammenfassende Schrift über diesen Gegenstand auf, aus welcher grossentheils die folgenden Mittheilungen herüber- genommen sind. Aus dem Montcenis- und Arlberg-Tunnel besitzt man leider nur sehr geringfügiges Material über die daselbst herrschenden Luft- und Gesteinstemperaturen. Bei’m Gotthard. verhält es sich anders; Stapff schob seine Beobachtungsstationen bis 4100 m vom Südportal und 4400 m vom Nordportal vor und diskutirte deren Registrirungen mit Bezug auf die mittleren Jahrestemperaturen der Oberfläche, auf die Quellentemperaturen, auf die vertikale Tiefe des Beobachtungsplatzes und auf dessen kürzesten Abstand von der nächsten Seitenwand des Berges. Die mittlere Gesteinstemperatur des centralen 'Tunneltheiles war 30,43°; der nach erfolgtem Durchschlag sich einstellende Luft- strom bewirkte alldort im Verlaufe zweier Monate blos einen Rück- sang von 0,15° bis 0,21°. Die einzelnen Chthonisothermflächen oder Flächen von gleicher subterraner Temperatur wiesen sehr ver- schiedene Steigungen gegen die Oberfläche des Berges auf, namentlich vertikal unter dem Hochplateau von Andermatt. Auf der nördlichen Tunnelseite betrug die Wärmestufe anfänglich 20,5 m, ja unter dem steilen Abfall der Wannelen sogar blos 42,6 m; auf der Südseite 45 m und unter dem Steilkamm der Cima Boita-Misura 62,3 m. Es wird also das Profil der Chthonisothermen wesentlich durch jenes des überlagern- den Gebirges bedingt, jedoch dem Sinne nach entgegengesetzt. Fig. 59 kennzeichnet dieses Verhältniss; AA ist der Durchschnitt einer Vertikal- ebene mit dem Berge selbst, BB die Schnitteurve derselben Ebene mit einer Fläche der Chthonisothermen. Das Tunnelwasser ist kälter als das Gestein, so lange des letzteren Temperatur nicht 24° bis 25° übersteigt, bei dieser Grenze aber tritt ein Umschwung ein, die Ge- wässer übertreffen die Felsen an Wärme. I, $. 6. Allgemeine Resultate und theoretische Schlussfolgerungen. 309 Einer von Stapff herrührenden empirischen Formel zufolge steht fest, dass es im Arlberg-Tunnel unter sonst gleichen Umständen wär- mer sein muss, als im Gotthard- Tunnel. Für die vorgeschlagene Simplonlinie findet man als centrale Temperatur 45° bis 48°, für die Fig. 59. Mittelstrecke des projektirten Mont- BL blanc-Tunnels sogar 51°. Obwohl Eiweiss erst bei 60° sich zu trüben anfängt, und Menschen im Ruhe- zustande eine sehr hohe trockene Hitze auszuhalten vermögen — ‘ man denke nur an die von Pog- gendorff [57] eitirten Versuche eines Banks, Fordyce, Solan- der und Phipps am eigenen Leibe —, so wird doch in der feuchtwarmen Atmosphäre eines Tunnels das Arbeiten schon bei 40° mühsam und gefährlich. Den Tunnelprojekten der Westschweiz eröffnet sich hiernach eine schlechte Prognose. Ganz in gleichem Sinne sprach sich auch A. Heim [58] betrefis der Unterführung des Montblane aus; die sogenannte „Galerie sous vallee“, so meint ‘er, werde mit grossen Schwierigkeiten geologischer Natur zu kämpfen haben, und wenn diese auch für den „Grand tunnel* in Wegfall kämen, so erweise sich dort die hohe Temperatur als Hinderniss. Den aus den Schnee- und Eismassen des Berges hergeleiteten Trost vernichtet Heim durch den Hinweis darauf, dass Gletscher erfahrungs- gemäss erst dann auf die anruhenden Gesteinsmassen abkühlend wirken, wenn sie in ein Gebiet höherer mittlerer Jahrestemperatur herabge- stiegen sind. $. 6. Allgemeine Resultate und theoretische Schlussfolgerungen. ‘Man mag über den Werth der verschiedenen Versuche, Klarheit über den Temperaturzustand des inneren Erdkörpers zu erlangen, wie immer denken: eine stetige Wärmezunahme von der Oberfläche nach dem Centrum hin lässt sich schwerlich in Abrede stellen, Freilich hat es niemals ganz an Gegnern dieser Auffassung gefehlt. So namentlich in früherer Zeit Moyle [59] und Miller [60], welche mit etwas ge- suchten Gründen die Beobachtungen in Gruben mit noch weit mehr Fehlerquellen behaftet sein liessen, als es wirklich der Fall ist. Auch G. F. Parrot hielt [61] die Nichtübereinstimmung der einzelnen Be- obachtungsreihen für gross genug, um zu behaupten, dass von einem radialen Zunehmen der Erdtemperatur nicht gesprochen werden dürfe; er schüttete also das Kind mit dem Bade aus. Seinen vorgefassten Meinungen zuliebe gehörte auch Poisson zu dieser gegnerischen Rich- tung, doch war ihm in der Behauptung, dass man es nicht sowohl mit einer Eigenwärme der Erde, als vielmehr mit einer in ihr aufge- speicherten „chaleur stellaire* zu thun habe, bereits Aepinus [62] vorangegangen. Die Erde ist nach Poisson |63] als Trabant der den Weltraum durcheilenden Sonne — vgl. den letzten $. des vorletzten Kapitels der vorigen Abtheilung — in Regionen von verschiedener Sternwärme gekommen, und die in diesen Regionen herrschende 'Tem- peratur ist stets bis zu einer gewissen Tiefe, jedoch niemals sehr weit, in den Erdkörper eingedrungen; „man kann diesen als einen Felsblock 310 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. betrachten, der vom Aequator nach dem Pole geschafft wurde, aber in einer so kurzen Zeit, dass er nicht ganz zu erkalten vermochte. Die Temperaturzunahme in diesem Blocke würde sich nicht bis zu den Schichten seiner Mitte erstreckt haben.“ Ausser Humboldt, dem wir diese vorstehende Uebersetzung verdanken [64], haben Poggendorff[65|, Lamont |66] und Pilar [67] diese sonderbare Theorie bekämpft; Archiac |68] sagt treffend, Poisson müsse sich doch wohl gedacht haben, dass seine Erde direkt einen Stern gestreift habe. Heutzutage ist Poisson’s Lehre fast gänzlich vergessen, dafür aber ist später Mohr als neptunistischer Fanatiker gegen die Hypothese einer pro- gressiven Erdwärme aufgetreten |69] und hat zumal aus Dunker’s Formeln (s. o. 8. 4) Kapital zu schlagen versucht. Es ist ja wahr, gäbe es diesen Formeln zufolge ein Temperaturmaximum in relativ geringer Tiefe, so wäre die Frage in Mohr’s Sinne entschieden, doch sahen wir schon, dass man den Fehler in der algebraischen Einkleidung eines Naturgesetzes nicht mit diesem letzteren verwechseln darf. Wir glauben somit, dass alle Einwürfe gegen die von uns vorgetragene Lehre ihr Ziel verfehlt haben. Mohr’s eigener Versuch, die innere, Wärme der uns zugänglichen Schichten der Erdkruste nach den Grund- sätzen der mechanischen Wärmetheorie aus Bewegungsvorgängen ab- zuleiten, fand eine treffende Kritik durch F. Pfaff [70], der die un- Seheuren rechnerischen Uebertreibungen, die bei Mohr mit unterlaufen, an geeigneten Beispielen kennzeichnete. Ein gültiges Gesetz der geothermischen Tiefenstufen oder der chthonisothermischen Gradienten aufstellen zu können, davon sind wir freilich noch sehr weit entfernt. Kupffer findet [71] bei Sichtung des zu damaliger Zeit vorliegenden Materiales, dass seine eigenen Beobachtungen am Ural (s. 0. $. 4) 24,38 m, die südenglischen, französischen und sächsischen Messungen zusammen 26,9 m, die arte- sischen Brunnen von Wien, Rochelle und Epinay je 25,4 m, 24,6 mund 22,9 m, gewisse Untersuchungen von Fox endlich resp. 50,2 m und 28,0 m liefern. Mit gehöriger Beachtung der jeder Zahl zukommenden Gewichte resultirt hieraus ein Werth von 25,37 m für 1’R., also von 20,296 m für 1°C. Gewöhnlich betrachtet man 30 m als Durchschnitts- werth der Tiefenstufe. Die als „British Association“ wohlbekannte grossbritannische Naturforscherversammlung hat einen Ausschuss zur Sammlung von neuen Beobachtungsdaten niedergesetzt und lässt sich durch dessen Schriftführer Everett alljährlich einen Rechenschafts- bericht erstatten [72]. Er that diess schon zweimal [73] und konnte fest- stellen, dass neuere Bestimmungen in englischen Gruben jeweils die Werthe 26,6 m, 34,1 m und 42,1 m ergaben. Die mathematische Analyse vermag der Vertheilung der Wärme auch in jenen Tiefen der Erde nachzuspüren, bis zu welchen keine unmittelbare Sonde mehr hinabzureichen vermag. Fourier und Pois- son haben in ihren uns bereits bekannten Untersuchungen über die Wärmeleitung den zu diesem Ende zu beschreitenden Weg vorge- zeichnet, W. Thomson führte die Methode weiter aus |74| und stellte die Formeln übersichtlich zusammen [75]. Die Erde wird als ein un- endlich ausgedehnter Körper genommen, und zugleich wird vorausge- setzt, vor sehr langer Zeit habe die Temperatur zu beiden Seiten einer den Körper durchschneidenden unendlichen Ebene verschiedene, aber RER 2 in un in en 3 I, $. 6. Allgemeine Resultate und theoretische Schlussfolgerungen. 311 konstante Werthe gehabt. — Es sei k das Leitungsvermögen dieses Körpers, V die halbe Differenz beider Anfangstemperaturen, V, deren arithmetisches Mittel, t die seit dem Bestehen jenes Anfangszustandes verflossene Zeit, x der Abstand eines variablen Punktes von der Tren- nungsebene, v die Temperatur der durch x fixirten Ebene zur Zeit t (also dv: dx der Gradient der Temperatur); dann ist die partielle Differentialgleichung oVv o’v Tee aufzulösen, und zwar muss v, wenn t=() wird, für ein positives x in (V,-+- V), für ein negatives in (V, — V) übergehen. Thomson findet successive folgende beide Lösungen *) oV V BnS2: 3V — 22 Bahasa IV —N rs @&..dZ. 9x Vrrt en Vr 0 Wendet man diese Lösung auf unsere Erde an, so begeht man aller- ‚dings Fehler, die jedoch angesichts des grossen Volumens der Erde nicht belangreich sein können. Thomson setzt den Diameter der Erdkugel == 8000 englischen Meilen, k = 400, t = 100.000 000 Jahren und erhält so x2 Det We 160 000 000 TE Die in Fig. 61 abgebildeten Kurven stellen den Gang der Temperatur im Erdinneren dar. Auf der X-Axe OX nimmt Thomson jedes 1 a — 400000 engl. Fussen, auf OY jedes b = Sg V an. Dann zeigt die Kurve APR die Grösse der Temperaturzunahme nach dem Erdcentrum hin, während die | Kurve OPQ den Ueberschuss der Fig. 60. Temperatur im Erdinnern über Y jene der Oberfläche zum Ausdrucke bringt. Die Bisch®f’schen Ver- suche mit einer glühend gemachten Basaltkugel [77] scheinen diesen > > "hat, theoretischen Ergebnissen nicht zu 5] \ .--” © widersprechen; dieselben wurden 3 Y rn neuerdings vonAyrtonundPerry »| /\ wieder aufgenommen, und Milne ‚+; ? stellte die von letzteren Forschern >] BER erzielten Temperaturkurven mit 4 I X denaus dem Fourier-Thomson- 9 a a « schen Kalkul sich ergebenden in eine kritische Parallele. Die oft sehr auffallenden Verschiedenheiten in den Werthen der Tiefenstufen finden nicht selten eine ganz zufriedenstellende Erklärung, *) Thomson selbst deutet (a. a. O.) seine Lösungsmethode nur an; einen ausführlichen Beweis für die Richtigkeit obiger Ausdrücke giebt Hempel [76]. ee RE Br ER I LEE SET en 312 ee Citate. wenn man auch den individuellen Charakter der Gesteinsart in Rech- nung zieht, innerhalb deren die Messungen vor sich giengen. Man würde freilich zu weit gehen, wenn man sämmtliche intern-tellurische Wärmeerscheinungen durch chemische Processe entstanden annehmen wollte, doch wird ein anomales Unterbrechen der arithmetischen Pro- gression, in welcher die Erdwärme in homogenem Fels wächst, viel- fach eine mineralchemische, häufig eine rein physikalische Deutung zu- lassen. Kupfer z. B. ist ein sehr gut leitendes Metall, in oder nahe bei einem Kupfergange wird daher, nach Cordier (s. o. $. 3), die Tem- peratur eine ungewöhnlich hohe sein. Die Kaolinbildung in trachy- tischem Gesteine wirkt als lokaler Wärmeheerd bei der Comstockgrube; wenigstens erachtet Stapff (s. o. $. 3) die Existenz eines durch Zer- setzungsvorgänge entstandenen und nicht sehr tief liegenden — jedoch natürlich nur relativen — Temperaturmaximums für sehr möglich. Zsigmondy’s artesischer Brunnen endlich (s. o. $. 4) stand offenbar in unterirdischer Verbindung mit Thermalgewässern, die ja in der Um- gegend von Budapest gerade keine Seltenheiten sind. [1] J. D. Cassini de Thury, Sur la temperature des souterrains de l’obser- vatoire royal, Me&m. de ]’acad. franc. des sciences, Annee 1786. $. 511 fi. — [2] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 3. Band, Leipzig 1827. $. 986 ff.; ibid. 9. Band, 1. Abtheilung, Leipzig 1838. S. 279 fi. — [3] Ibid. 9. Band, 1. Ab- theilung, $. 988. — [4] Fourier, Theorie analytique de la chaleur, Paris 1822. S. V. — [5] Quetelet, Memoire sur les variations diurne et annuelle de la tem- perature et en particulier de la temperature terrestre & differentes profondeurs, Bruxelles 1837. — [6] Poisson, Theorie math&matique de la chaleur, Paris 1835. S. 500 ff. — [7] Bischof, Die Wärmelehre des Inneren unseres Erdkörpers, Leip- zig 1837. — [8] Müttrich, Beobachtungen der Erdtemperatur auf den forstlichen meteorologischen Stationen in Preussen, Braunschweig und Elsass-Lothringen, Berlin 1880. — [9] Kupffer, Mittlere Luft- und Bodentemperatur im östlichen Russland, Ann. d. Phys. u. Chem., 15. Band. $S. 176 ff. — [10] Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie, 2. Band, Halle 1833. S. 32. — [11] Boussingault, Sur la pro- fondeur, & laquelle se trouve la couche de temperature invariable entre les tro- piques. Ann. de chim. et de phys., tome LII. S. 226 ff. — [12] Hann, Handbuch der Klimatologie, Stuttgart 1883. S. 32. — [13] Bergman, Physische Erdbeschrei- bung, deutsch von Röhl, 2. Band, Greifswald 1791. S. 119,,— [14] Gmelin, Reisen durch Sibirien von 1733—1743, 1. Band, Göttingen 1751. S. 601 ff. — [15] Pallas, Reisen durch verschiedene Provinzen des russischen Reiches, 3. Band, St. Peters- burg 1776. 8. 22. — [16]. v. Buch, Ueber die Temperatur der Quellen, Abh. d. k. preuss. Akad. d. Wissensch., Phys. Kl., 1825. S. 95. — [17] Peschel-Leypoldt, Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1879. $. 188. — [18] Ibid. S. 185 ff. — [19] Hann, Handbuch etc. $. 505. — [20] Hales, Vegetable statics or an account of some statical experiments on the sap in vegetables. London 1727. S. 61. — [21] Mairan, Sur la cause generale du froid en hiver et de la chaleur en ete, Mem. de l’acad. franc.,. Annee 1719. S. 124 ff. — [22] Kircher, Mundus subterraneus, in quo üniversae naturae majestas et divitiae demonstrantur, tom. Il.. Amstelo- dami 1664. $. 184. — [23] Boerhave, Elementa chemiae, tom. I., Lugduni Bata- vorum 1732. S. 479. — [24] Boyle, Tractatus de temperie subterranearum regio- num, Opera varia, Coloniae Allobrogum 1680, vol. I. F, 2 bis H, 4. — [25] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 2. Band, Zürich 1859. $. 188 ff. — [26] Reich, Beobachtungen der Temperatur des Gesteins in verschiedenen Tiefen in den Gruben des sächsischen Erzgebirges, Freiberg 1834. $. 138 ff. — [27] v. De- chen, Die nutzbaren Mineralien und Gebirgsarten im deutschen Reiche, Berlin 1873. S. 691. — [28] Huyssen, Ueber die bisherigen Ergebnisse der vom preussischen Staate ausgeführten Tiefbohrungen im norddeutschen Flachland und den bei diesen Arbeiten befolgten Plan, Leopoldina, 1882. S. 192. — [29] Der tiefste artesische Brunnen, Gaea, 5. Jahrgang. $. 497. — [30] Poggendorff, Neue Beobachtungen Citate. i 319 über die Temperatur im Inneren der Erde, Ann. d. Phys. u. Chem., 13. Band. S. 363. — [31] B. Studer, Lehrbuch der physischen Geographie und Geologie, Bern 1847. S.39 ff. — [32] Gehler’s phys. Wörterb., 3. Band. $. 975. — [33] Ibid. S. 978 ff. — [34] Cordier, Sur la temperature de l’interieur de la terre. Mem. de Vacad. franc., Annee 1827. S. 473 fi. — [35] Fox, On the temperature of mines, Transact. of the royal geolog. society of Cornwall. Vol. U, Vol. III, Vol. V. — [86] Gehler’s Phys. Wörterb., 9. Band, 1. Abtheilung, S. 247. — [37] Ibid. S. 250 ff. — [38] Matteucei. Observations relatives & la temperature des couches terrestres dans les puits de Monte Massi, Compt. rend. de l’acad. franc., tome XV. S. 937 fi. — [89] Zöppritz, Der gegenwärtige Standpunkt der Geophysik, Wagner’s Geogr. Jahrbuch, 8. Band. S. 25 ff. — [40] Church, The Comstock Lode, its formation and history, New York 1879. — [41] Church, The heat of the Comstock Lode, a paper read before the Am. Inst. of Mining Engineers, 1880, I. S.7 fl. — [42] Stapff, Ueber Gesteinstemperaturbeobachtungen im Formanschacht, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteorologie, 16. Band. S. 410 ff. — [43] Stapff, Gesteins- temperatur im-Formanschacht und Lufttemperatur von Virginia City, ibid. S. 518 ff. — [44] P. Erman, Ueber die mit der Tiefe wachsende Temperatur der Erdschich- ten nach Beobachtungen im Bohrloche zu Rüdersdorf, Abhandl. d. k. preuss. Akad.. Phys. Kl., 1831, S. 269 ff. — [45] Magnus, Geothermometer und damit ge- messene Temperatur des Bohrloches zu Rüdersdorf, Ann. d. Phys. u. Chem., 22. Band. S. 146 fi.; ibid. 28. Band. $S. 233 ff. — [46] Gehler’s phys. Wörterb., 9. Band, 1. Abtheilung, S. 243 ff. — [47] Zöppritz, Der gegenw. Standp. etc. S. 29. — [48] Gehler’s phys. Wörterb.,. 9. Band, 1. Abtheilung, $. 252. — [49] Dunker, Ueber die Benützung tiefer Bohrlöcher zur Ermittelung der Temperatur des Erd- körpers und die deshalb in dem Bohrloche I zu Sperenberg auf Steinsalz ange- stellten Beobachtungen, Zeitschr. f. d. ges. Naturwissensch., (2) 6. Band. S. 319 ff. — [50] Dunker, Ueber die möglichst fehlerfreie Ermittelung der Wärme des In- neren der Erde und das Gesetz ihrer Zunahme mit der Tiefe, Neues Jahrb. f. Min. u. Geol., 1877. S. 590 fi. — [51] Henrich, Ueber die Temperatur im Bohr- loche zu Sperenberg und die daraus gezogenen Schlüsse. ibid. 1876. S. 716 f.; Ueber die Temperatur im Bohrloche zu Sperenberg, Zeitschr. f. math. u. naturw. Unterricht, 9. Band. $S. 248 ff. — [52] Henrich-Brauns, Zur Frage über die Tem- peratur des Erdinneren, Gaea, 14. Jahrgang. S. 490 ff. — [53] J. L. A. Roth, Temperaturbeobachtungen in dem Bohrloche zu Sperenberg unweit Berlin, Ann. d. Phys. u. Chem., 148. Band. $. 168 fi. — [54] Stapff, Studien über die Wärme- vertheilung im Gotthard, 1. Theil, Bern 1877. — [55] Rapport trimestriel Nr. 30 du conseil federal sur la marche des travaux du St. Gothard, Annexe 14, Berne 1880. — [56] A. Koch, Erdwärme und Tunnelbau im Hochgebirg, Wien 1882. — [57] Pog- gendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften, 1. Band, Leipzig 1863. S. 97. — [58] A. Heim, Geologische Unter- suchungen über das Projekt des Montblanc- Tunnels, Vierteljahrsschr. d. naturf. Gesellsch. zu Zürich, 1882. S. 106 ff. — [59] Gehler’s phys. Wörterb.. 3. Band. S. 976 ff. — [60] Ibid. 9. Band, 1. Abtheilung. S. 238 fi. — [61] G. F. Parrot, Considerations sur la temperature du globe terrestre, Mem. de l’acad. imp. des sc. de St. Petersbourg, (6) tome I. S. 501 fi. — [62] Aepinus, De distributione caloris per tellurem, Petropoli 1761. — [63] Poisson, The£orie etc., S. 428 ff. S. 521 ff. — [64] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1845. $. 425 ff. — [65] Poggendorff, Zu Poisson’s Theorie über die Temperatur des Erdballs, Ann. d. Phys. u. Chem.. 39. Band. S. 93 ff. — [66] Lamont, Erklärung der Wärme- zunahme im Inneren der Erde nach Herrn Poisson, Jahrb. d. Sternwarte zu Mün- chen, 1. Band, 1838. — [67] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik, Agram 1881. 5.23 ff. — [68] D’Archiac, Histoire des progres de la geologie, tomeI., Paris 1847. S. 29. — [69] Mohr, Geschichte der Erde, Bonn 1875. S. 436; ibid. $S. 199. — [70] F. Pfaff, Die vulkanischen Erscheinungen, München 1871. S. 166 fi. — [71] Kupffer, Ueber Temperaturzunahme in tiefen Erdschichten, Ann. d. Phys. u. Chem., 32. Band. S. 285 ff. — [72] Zöppritz, Der gegenw. Standp. etc. $. 26. — [73] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik, Wagner’s Geogr. Jahrbuch, 9. Band. S. 7. — [74] W. Thomson, De motu caloris per terrae corpus, Glasgow 1846. — [75] W. Thomson-Tait, Handbuch der theoretischen Physik, deutsch von Helmholtz- Wertheim, 1. Band, 2. Theil, Braunschweig 1874. S. 439 ff. — [76] Hempel, Ueber den Wärmezustand der Erde, Arch. d. Math. u. Phys., 65. Band. $. 337 ff. — [77] G. Bischof, Gesetz der Temperaturzunahme nach dem Erdinneren, Ann. d. Phys. u. Chem., 35. Band. S. 209. 314 Dritte Abiheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Kapitel II. Der innere Zustand der Erde. S. 1. Aeltere Hypothesen. Spekulationen über die Beschaffen- heit der für den Menschen unzugänglichen inneren Partieen des Erd- körpers scheinen für das Alterthum nichts Anziehendes gehabt zu haben, doch findet sich wohl die eine oder andere dahin zielende Aeusserung, und namentlich kann mit einigem Rechte die zählebige Lehre vom Oentralfeuer auf den „Phaedon* Platon’s*) zurückge- führt werden, wobei natürlich nicht an das von Philolaos in den Mittelpunkt des Kosmos versetzte Centralfeuer [1] gedacht werden darf. Die Kirchenväter bedurften zu Zwecken, die keinen naturwissenschaft- lichen Charakter trugen, eines im Inneren der Erde kochenden (Höllen-) Feuers; Zeugniss hiefür legen Tertullian, Augustin, Minucius Felix, Isidorus Hispalensis u. a. ab [2]. Die aristotelische und scholastische Schule hatte, wenigstens soweit sie ihren physikalischen Grundsätzen getreu blieb, nichts mit dieser Lehre zu thun, denn da zwischen die Sphären des Feuers und der Erde jene des Wassers und der Luft eingeschaltet waren, so konnte unmöglich im Inneren der Erde ein Feuer brennen. Diese Theorie der vier Elemente reicht bekannt- lich bis tief in die Periode der Renaissance hinein, obwohl die besseren Köpfe längst deren Unhaltbarkeit‘ eingesehen hatten. Unvermögend, etwas Besseres an deren Stelle zu setzen, verfiel man skeptischer Re- signation, wie z. B. Giordano Bruno im achten seiner Gespräche dem Fra Castoro die Frage, welchen Urstoff man sich denn eigent- lich im Centrum der Erde zu denken habe, in folgender Weise be- antwortet [3]: „Wenn der Mittelpunkt ausschliesslich demjenigen Ele- mente einzuräumen ist, welches das schnellste und allerdurchdringlichste ist, dann gebührt der erste Platz daselbst der Luft, der nächste daran dem Wasser, und der dritte der Erde. Wenn hingegen die Stelle im Mittelpunkte dem schwersten, dichtesten und zusammenhängendsten zukommt, dann gebührt die erste Stelle dem Wasser, die zweite der Luft, die dritte der trockenen Erde. Nehmen wir hingegen die Erde mit dem Wasser verbunden, dann gebührt die erste Stelle der Erde, die zweite dem Wasser allein, die dritte der Luft, so dass, wenn die Elemente einzeln und in der Trennung genommen werden, nach verschiedenen Hinsichten die Stelle im Mittelpunkte verschiedenen Ele- menten müsste eingeräumt werden.“ Das grosse Verdienst, den Sitz jener Erhitzung, deren Existenz sich uns durch die Vulkanausbrüche fühlbar macht, aus den centralen Partieen der Erde heraus und weit näher an deren Oberfläche verlest zu haben, kommt unstreitbar. Gassendi zu [4]. Die Frage, wie es weiter drinnen im Erdkörper bestellt sei, wurde aber damit wieder eine offene. Leibniz stellte [5] die Ansicht auf, dass unsere Erde *) Es wird daselbst von den durch die Vulkane emporgeschleuderten „aroorasuora“ des Feuerflusses (Pyriphlegethon) gesprochen. II, $. 2. Gründe für die Starrheit der Erde. 315 ein im Schmelzzustande befindlicher feurig-füssiger Klumpen gewesen und allmählig in einen „status consistentior“ übergegangen sei, und Thomson hat versucht, mittelst der im letzten Paragraphen des vorigen Kapitels entwickelten Formeln die ungefähre Epoche dieser Metamor- phose festzustellen. Sein — von anderer Seite allerdings befehdetes — Resultat geht dahin [6], dass die Erstarrung der Erde vor mehr als 20000000, aber vor weniger als 40000000 Jahren begonnen haben müsse. Während des XVIII. Jahrhunderts erhielt sich ziemlich all- gemein die Ansicht, dass nur die äusseren Schichten erkaltet und er- starrt, die tiefer gelegenen aber noch immer gluthflüssig seien; es erhellt diess z. B. sehr klar aus dem zwischen Wiedeburg und v. Justi geführten Streite über die Entstehung der Erde [7]. Auf gewisse Hypothesen von Leslie und Franklin werden wir weiter unten zu sprechen kommen, und nur beiläufig thun wir Halley’s sonderbarer Idee Erwähnung, welcher zufolge [8] die Erde hohl wäre und in ihrem Inneren einen Planeten beherbergte, dessen Bewegung die Variationen der magnetischen Elemente bewirkte. A. v. Humboldt _ versichert |9], von einem gewissen Symmes allen Ernstes zu einer Expedition nach dieser unterirdischen Hohlkugel aufgefordert worden zu sein. $. 2. Gründe für die Starrheit der Erde. Nachdem in der zweiten Hälfte des verwichenen Jahrhunderts die ersten Versuche, das spezifische Gewicht der Erde zu bestimmen, so viel ausser Zweifel gesetzt hatten, dass die Dichtigkeit nach Innen zunehmen müsse, bildete sich ganz naturgemäss die Anschauung aus, der Erdkern müsse fest und starr sein. Breislak behauptete im Hinblick auf die zu seiner Zeit maassgebenden Ansichten über das Wesen des Erdmagnetis- mus, der Hauptbestandtheil unseres Planeten sei Magneteisenstein [10]: man kannte dessen Eigengewicht =[1, und da dasjenige des Gesammt- körpers ungefähr auf 5, dasjenige der oberflächlichen Schichten aber nur auf 2,5 geschätzt wurde, schien der Gedanke nicht so fremdartig, als er uns heute vorkommt. Das Hirngespinnst der Gebrüder Mar- schall v. Bieberstein, welche [11] die Erde für ein Konglomerat aus Meteorsteinen ausgaben, konnte sich nur dadurch einige Zeit lang fristen, dass ein so geistvoller Astronom, wie v. Zach unstreitig war, sich für dessen Ausbildung interessirte |12]. Die Argumente, welche sich aus solchen Theorien für die Starrheit des Erdkörpers herleiten liessen, konnten ersichtlich nicht von grossem Gewichte sein, und eben- sowenig bedeutete Poisson’s Negirung des glühendflüssigen Zustandes, von der gegen Schluss des vorigen Kapitels die Rede war. Von ganz anderem und zwar ungleich wissenschaftlicherem Gepräge sind jene Untersuchungen, welche in den vierziger Jahren von dem Begründer der geophysikalischen Schule Englands, von Hopkins, begonnen wurden und den Anstoss zu einer auch heute noch lange nicht ab- geschlossenen Diskussion lieferten [13]. Hopkins knüpfte an die Präcessionserscheinungefi an und suchte zu zeigen, dass, wenn die Erde flüssig oder selbst nur bis zu einem gewissen Grade plastisch wäre, diese Erscheinungen nach Art und Maass anders auffallen müssten, als wir sie thatsächlich wahrnehmen. Die Dicke der absolut starren Kruste betrüge allermindestens !/; bis !/« des Erdhalbmessers. Gegen 316 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. die rechnerische Grundlage, von welcher aus diese Ergebnisse erzielt wurden, ist allerdings Einsprache erhoben worden. G. H. Darwin wies nach [14], dass sein Vorgänger Irrthümer begangen habe, indem nicht die Präcession, sondern blos die Nutation zum Beweise heran- gezogen werden dürfe, und Delaunay suchte Hopkins durch das Experiment zu widerlegen. Letzterer hatte nämlich angenommen, dass eine wie immer beschaffene Flüssigkeit, in eine rotirende Hohlkugel eingeschlossen, an der Axendrehung derselben gar keinen Antheil nehme, während Delaunay gefunden zu haben glaubte, dass diess doch eintrete, sobald nur die Geschwindigkeit der Umdrehung gehörig sich steigere [15]. Die von Folie gemachte Entdeckung einer täg- lichen Präcession und Nutation [16] vermag vielleicht auch nach dieser Richtung hin sich nutzbar zu erweisen. Indessen kommen nicht ledig- lich die Phänomene der Erdaxenschwankung in Betracht, vielmehr hat eine Reihe von Forschern angelsächsischer Abstammung auch aus den Erscheinungen der Gezeiten den Nachweis für die Thatsache herzu- leiten sich bestrebt, dass unserem Wohnkörper als Ganzem ein sehr hoher Grad von Unnachgiebigkeit zuerkannt werden müsse, und diese Beweisführung konnte durch Delaunay’s Betrachtungen ebensowenig als durch diejenigen Mallet’s, welche sich auch wesentlich gegen Hopkins richteten [17], erschüttert werden. Wie in dem von Ebbe und Fluth handelnden sechsten Kapitel der sechsten Abtheilung des Näheren dargelegt werden wird, sind die durch die anziehende Kraft von Sonne und Mond zu Stande ge- kommenen Fluthhöhen nicht absolut zu nehmen, vielmehr stellen sie sich dar als Differenz zwischen jenen Höhen, zu welchen die eine absolut starre Kugel bedeckende Flüssigkeit ansteigen würde, und jenen Deformationen des eben in Wirklichkeit nicht ganz starren festen Körpers, die in der genannten Attraktion ihren Grund finden. G. H. Darwin hat diese Beziehungen genau durch den Kalkul geprüft [18], nachdem W. Thomson [19] die Deformation des Erdkörpers unter dem Einfluss der Gestirne auf die wissenschaftliche Tages- ordnung gesetzt hatte. Die näheren Umstände sollen uns erst später beschäftigen, für jetzt konstatiren wir als Schlussresultat nur dieses, dass beide Forscher den Starrheitsgrad der Erde sehr hoch und grösser veranschlagen zu müssen glauben, als bei den meisten irdischen Stoffen. Darwin glaubte für diese seine Auffassung neuerdings auch durch die Ueberlegung neue Gründe zu gewinnen, dass sonst der Druck der Kontinentalmassen gegenüber den Meeren Spannungen und Störungen in der Erdkruste hervorrufen müsse [20]. Einen abschliessenden Charakter diesen Feststellungen beizulegen, wäre allerdings verfehlt; W. Thomson selbst erwartet Gewissheit darüber erst von einer ziem- lich fernen Zukunft. Die Grösse der Differentialfluth tritt, wie sich theoretisch darthun lässt, am kräftigsten bei der vierzehntägigen Mond- fluth hervor, während die Beträge der ebenfalls vorhandenen Fluth von halbjähriger Periode etwa die Hälfte der von jener ersten gelieferten Höhen erreichen würden. Hätte man an geäigneten Orten — wozu gerade unsere am besten ausgestatteten Häfen nicht zu zählen sind — selbstregistrirende Fluthmesser aufgestellt, so würde sich aus deren einen hinreichend langen Zeitraum umfassenden Aufzeichnungen nach der Methode der kleinsten Quadrate die relative Grösse jeder einzelnen IH, $S. 3. Gründe für und wider die Elasticität des Erdinneren. 317 Fluthgattung erschliessen lassen. Allerdings ist die halbjährige Tide durch Regenfall, schmelzendes Eis, ungleichartige Vertheilung von Wasser und Land vielfach gestört, doch würden die durch jene Nebeneinflüsse hereingebrachten sekundären Perioden wohl wieder zu eliminiren sein, wenn die Beobachtungsstationen passend auf dem Erdball — etwa auf Island, Teneriffa, den Kap-Verden, Ascension und St. Helena — vertheilt wären. Nur auf diesem Wege dürfte sich dereinst genau eruiren lassen, welches die wahre Grösse des elastischen Nachgebens der Erde gegen die Fluthwirkung von Mond und Sonne ist. Zu den eifrigen Befürwortern einer ungeheuer grossen Starrheit gehört auch der Amerikaner Barnard [21], der die Fluthphänomene für eine Stahl- kugel von den Dimensionen der Erde studirt und daraus den Schluss gezogen haben will, dass jene selbst noch weniger Elasticität als Stahl oder Glas besitzen könne. $S. 3. Gründe für und wider die Elastieität des Erdinneren. Aller- dings ist den Anhängern der Starrheitshypothese auch von Seiten anderer Fachmänner widersprochen worden, als blos von Seiten jener, deren wir im vorigen Paragraphen zu erwähnen hatten. Hennessy, der die Geophysiker England’s in Rigidisten und Viscidisten ein- theilt, macht derartige Gegengründe geltend [22], ebenso Airy [23], der sich an die Kant-Laplace’sche Theorie hält und aus dieser eine mehr und mehr gegen das Centrum hin zunehmende Erhitzung und eine dieser entsprechende Dissociation der inneren Erdbestandtheile folgert. Die principielle Grundlage, auf welche Thomson und Darwin sich stützen, erscheint keineswegs als ganz sicher fundirt, denn wir sind, wie Hennessy hervorhebt, nicht ohne weiteres be- rechtigt, die zur Berechnung der Gezeiten einer unzusammendrückbaren Flüssigkeit dienenden und für diesen Fall erprobten Methoden sofort auf eine kompressible Flüssigkeitvon nach innen zu wachsender Dichtig- keit zu übertragen, wie sie vielleicht das Innere unseres W ohnkörpers erfüllt. Auch Zöppritz bemerkt hiezu [24]: „Immerhin ist es be- merkenswerth, dass sich nirgendwo mit Entschiedenheit Fluthen von längerer Periode ergeben haben. Es gewinnt dadurch die Vorstellung eines flüssigen Erdinneren wieder an Bedeutung, womit nothwendig der Schluss verknüpft ist, dass die Erdrinde sich mit den Körperfluthen des Inneren periodisch auf- und abbewegt.“ Ein weiteres grundsätz- liches Bedenken macht Werner Siemens geltend [25], indem er an W. Thomson’s übrigens korrekten Betrachtungen tadelt, dass un- vermittelt vom Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand gesprochen werde, während doch die Natur nur einen sehr langsam und allmählig sich vollziehenden Fortschritt vom dünnflüssigen zum zähflüssigen Aggregatzustande kenne, bei welchem der Druck eine Rolle spiele, wogegen derselbe unzureichend sei, eine zähe Flüssig- keit vollends zu verfestigen. Diese Thatsache, welche Siemens seinen Beobachtungen an Glasflüssen entnahm, veranlasst uns, die Untersuchung auf ein ganz anderes Gebiet hinüberzuleiten. W. Thomson behauptet nämlich, schon um desswillen könne der Zustand der Erde kein anderer als der absolut starre”sein, weil, wenn die Erstarrung derselben im Sinne der Nebularhypothese aussen begonnen und sich nach und nach in’s Innere fortgesetzt hätte, die SENSE TAU ae rs 318 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. erstarrten und damit spezifisch schwerer gewordenen Massen in dem feurigflüssigen Brei hätten untersinken müssen. Abgesehen davon, dass ja doch, wovon weiter unten ein Mehreres, die Grenzfläche zwischen Festem und F lüssigem durchaus keine fixe sein könnte, zwischen beiden vielmehr eine Schicht von weder eigentlich fester, noch auch eigent- lich flüssiger Beschaffenheit zwischen inne liegen müsste, ist die An- sicht des schottischen Physikers neuerdings auch durch schlagende direkte Experimente entkräftet worden. Wir haben, als der lunare Vulkanismus besprochen ward (Erste Abtheilung, Kap. III, $. 11), be- reits der Versuche von Mallet und von Nies-Winkelmann [26] Erwähnung gethan, und diesen können wir nunmehr diejenigen von Siemens (s. o.) anreihen, aus welchen zu ersehen ist, dass mit dem weiteren Fortschreiten der Abkühlung geschmolzener Glasmassen die Zusammenziehung immer geringer wird, bis dann endlich den Ueber- gang in den eigentlich festen Zustand sogar eine geringe Ausdehnung begleitet. Zöppritz führt noch Versuche an, welche Whitley mit Messing, Gusseisen, Basalt, Fisher mit fester Lava auf geschmolzener, Millar wiederum mit Gusseisen anstellten, und die sämmtlich dahin gedeutet werden zu müssen scheinen, dass bei'm Erstarren zuerst eine kleine Volumvergrösserung eintritt, die dann bei weiterem Fortgange der Abkühlung allerdings wieder schwindet [27]. Jenen Zwischen- zustand zwischen Flüssig und Fest, den Thomson übersah, und dessen Vorhandensein betont zu haben Siemens’ Verdienst ist, erkannte neuer- dings auch Wrightson bei Kugeln von gegossenem Eisen [28]. Von der gewöhnlichen vulkanischen Lava hat schon Escher v. d. Linth bei seiner Vesuv-Besteigung etwas Aehnliches bemerkt; „oft warfen wir,“ sagt er |29], „grosse Schlackenstücke auf die Lava; sie machten keinen merkbaren Eindruck und prallten eher zurück.“ Hält man alle diese Momente zusammen, so scheint doch eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen, dass die Erde ihrem weitaus grössten Theile nach nicht starr, sondern, wo nicht eigent- lich flüssig, doch mit plastischer Materie erfüllt zu denken sei. Selbst Reyer, der auf Grund seiner eingehenden Individualstudien über vulkanisches Gestein ein flüssiges Erdinnere verneint, ist diesem unserem vorläufigen Ergebniss nicht entgegen, wenn er von dem in der Tiefe vorhandenen Stoffe sagt [30]: „Die Hauptmasse ist ver- festigt, die durchtränkenden Lösungen werden, je tiefer, um so zäh- flüssiger. Mithin können wir behaupten, dass das ganze Magma mit zunehmendem Drucke an Beweglichkeit verliert, sich also dem starren Zustande nähert.* Diesem in’s Ungemessene wachsenden Drucke müssen wir allerdings noch eine schärfere Beachtung angedeihen lassen, als es bisher geschah; mit ihm wächst aber auch, wie das vorige Kapitel uns lehrte, die Temperatur. Letztere sucht alle Stoffe bei ihrem Steigen zum Schmelzen zu bringen, die allseitig wirkende Pression widersetzt sich dieser Verwandlung, und es ergeben sich solchergestalt Verhältnisse, zu deren vollständiger Beurtheilung uns die Hülfsmittel abgehen; lässt sich doch sogar mit diesen, die ausschliesslich im Labora- torium gewonnen wurden, keine Antwort auf die Frage geben, wo der Punkt liegt, jenseits dessen alle Körper nur noch in geschmolzenem Zustande vorkommen können [31]. Ehe wir auf die beregten Punkte weiter eingehen, stellen wir noch einmal in Kürze unsere bisherigen II, $S. 4. Die Auffassung d. Erdinneren als einer gasförmigen Masse. 319 Errungenschaften zusammen. Ihnen zufolge ist blos die Erdkruste starr und auch diese nicht im strengsten Wortsinne, also nicht aller und jeder Elastieität baar; daran schliesst sich nach innen zähflüssige Materie, deren Verfestigung nach unten fortschreitet, jedoch nicht über jede angebbare Grenze hinaus. Laplace legte in der „Mecanique celeste* ein von Legendre [32] vorgeschlagenes Gesetz der Dichtig- keitszunahme zu Grunde, wonach die einer bestimmten Druckzunahme entsprechende Kompression um so mehr sich verringert, je grösser die bereits erreichte Dichte ist; so käme auf die dem Erdmittelpunkte zuzusprechende Dichte ungefähr diejenige des Silbers oder Bleis. Wie aber, so fragen wir, ist es möglich, dass mit den früheren Ansichten auch dieses Ergebniss vereinigt wurde*)? $S. 4. Die Auffassung des Erdinneren als einer gasförmigen Masse. Wie es gerade in der Geophysik — man denke nur an die Lehre von den säkulären Oscillationen und von der Gletscherbewegung — nicht selten ergeht, so ereignete es sich auch hier: Eine mehr ge- legentlich formulirte und von hervorragenden Autoritäten nicht allein zurückgewiesene, sondern verspottete Lehrmeinung gewann nach Jahr- zehnten neues Leben, freilicb auch in einer gegen früher wesentlich veränderten und verbesserten Form. Hören wir z. B. A. v. Hum- boldt [34]: „Man hat berechnet, in welchen Tiefen tropfbar flüssige, ja selbst lufttörmige Stoffe durch den Druck ihrer auf einander ge- lagerten Schichten die Dichtigkeit der Platina oder selbst des Iridiums übertreffen würden; und um die innerhalb sehr enger Grenzen bekannte Abplattung mit der Annahme einer einfachen, bis in’s Unendliche kompressibeln Substanz in Einklang zu bringen, hat der scharfsinnige Leslie den Kern der Erde als eine Hohlkugel beschrieben, die mit sogenannten ‚unwägbaren Stoffen von ungeheurer Repulsivkraft‘ er- füllt wäre. Diese gewagten und willkürlichen Vermuthungen haben in ganz unwissenschaftlichen Kreisen bald noch phantasiereichere Träume hervorgerufen.“ Noch vor Leslie hat übrigens schon Franklin [35] ‚sich für diese Idee erklärt; nach ihm bestünde der Erdkern aus einer (elastischen) Flüssigkeit, dichter als jeder feste Körper, und auf ihr schwämme die eigentliche Erdrinde. Muncke, der begreiflicherweise von dieser Auffassung wenig erbaut und ungehalten darüber ist, dass Chladni sich ihr zugeneigt habe, kann gleichwohl nicht umhin, zuzu- *) Die von Roche [33] aufgestellte Hypothese würde sich mit diesen That- sachen ganz gut vertragen, allein ihr Urheber hat blos auf die Abplattung, sowie auf die Erscheinungen der Präcession und Nutation Bedacht genommen, nicht aber auf das Fluthphänomen, welches (s. o.) in letzter Instanz eben nicht für, sondern gegen die Festigkeit der Erde spricht. Nach Roche besteht letztere der Hauptsache nach aus einem homogenen, starren Kerne, der nur gegen den Mittel- punkt hin eine geringe Vermehrung der Dichte aufweist und durchschnittlich etwa das spezifische Gewicht 7 hat, sodann aber aus einer den Kern umlagernden Aussenhülle vom spezifischen Gewichte 3, die man sich zum Theile auch aus Flüssigkeiten bestehend denken könnte, deren Dicke aber noch nicht den sechsten Theil des Erdhalbmessers ausmachen soll. Zur Aufstellung dieser — an Breislak ($. 2) gemahnenden — Hypothese veranlasste die Erwägung, dass dieneueren Werthe für die Erdabplattung u mit einer durchaus flüssigen Erde nicht in Einklang zu bringen seien. DIR 9 A ee he wi 62 “> a 330 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. gestehen, dass ein Ueberschlag mit Zugrundelegung des Mariotte’- schen Gesetzes nicht dagegen spreche, indem für komprimirte atmo- sphärische Luft schon in der Tiefe von 11 Meilen dicht genug sei, um die schwersten uns bekannten Metalle zu tragen [36]. Präciser drückte sich ein berühmter philosophischer Physiker unseres Jahr- hunderts, Herbert Spencer [37], aus, indem er die hohle Erdkugel mit gespannten Dämpfen erfüllt sein liess. Dass auch er wenig An- erkennung fand, können wir weder als unbegreiflich, noch auch als tadelnswerth ansehen, denn mit den herrschenden physikalischen Be- griffen erschienen solche Abweichungen vom Hergebrachten zu wenig verträglich. Namentlich unter dem Einflusse der mechanischen Wärmetheorie haben sich seither aber diese Begriffe selbst modificirt und geklärt, die Arbeiten von Cailletet, van der Waals u. A. haben uns die Deber- zeugung beigebracht, dass die bislang gang und gäbe gewesenen De- finitionen für Aggregat- und Dissociationszustände nur innerhalb ge- wisser Grenzen volle Gültigkeit beanspruchen können. Es handelte sich nun darum, die experimentell aus naheliegenden Ursachen un- erforschbaren Eigenschaften solcher Zustände wenigstens der Rechnung zu unterstellen, und diesem Probleme hat sich denn auch in A. Ritter’s Person ein Physiker von nicht gewöhnlichem Scharfsinne gewidmet. Seine äusserst umfassend angelegte Abhandlung zu welcher uns der atmosphärologische Theil unseres Werkes wieder zurückführen wird, zieht sich durch mehrere Bände der Poggendorff’schen „Annalen“ hindurch [38]. Durch direkte Berechnung der Höhe unserer irdischen Atmosphäre kommt er zu dem Schlusse [39], dass Sauerstoff wie Stick- stoff bei ungehindertem Emporsteigen schliesslich in den von ihm — im Hinblick auf das bekannte Kondensations- ‚Experiment Thilorier’s — als Schneewolken-Aggregatzustand bezeichneten Zustand über- gehen müssten, hierauf prüft er [40] die Luftverhältnisse in einem in’s Innere der Erde hineinreichenden Schachte und entscheidet sich dafür [41], dass, wenn statt der Luft Wasserdampf in dieser Röhre befind- lich wäre, die untersten Schichten in Knallgas, die obersten einfach in überhitzten Wasserdampf sich umsetzen würden, während das Mittel- gebiet oder Dissociationsgebiet von einem Gemische beider erfüllt zu denken wäre. Weiter studirt Ritter die Vorgänge in einer isen- tropischen Gaskugel, innerhalb deren die Temperatur, wenn man sich vom Mittelpunkte entfernt, genau nach demselben Gesetze ab- nimmt, nach welchem die Temperatur einer emporsteigenden Luft- quantität durch deren Ausdehnung sich vermindert, was — nebenbei bemerkt — auch zur Aufstellung numerischer Werthe für die chro- nische Verkleinerung des Sonnendurchmessers führt. Dass dabei das Gesetz von Mariotte und Gay-Lussac als maassgebend angesehen wird, während man doch weiss, dass dasselbe das wahre Verhalten der Gase nur in einer ersten Annäherung darstellt*), liegt in der Natur der Sache und macht nur die numerischen, nicht aber auch die prin- *) Die Erkenntniss, dass diesem wichtigen Theoreme der Aerostatik nur eine eingeschränkte Bedeutung zuzuerkennen sei, hat sich neuerdings allseitig aufgedrängt und u.a. die Reformvorschläge von M. Kuhn [42] und Biehringer [43] in’s Leben gerufen. JI, $. 4. Die Auffassung des Erdinneren als einer gasförmigen Masse. 32] cipiellen Resultate unsicher. Man darf auch nicht übersehen, dass die Zuverlässigkeit fraglichen Gesetzes doch erst dann in’s Wanken zu gerathen beginnt, wenn die Gesetze sich der Grenze ihrer Verflüssigung nähern, und, wie Andrews fand, können alle uns bekannten Körper, die sogenannten permanenten Gase so wenig wie Alkohol und Wasser ausgenommen, so lange nur als Gase existiren, als ihre Temperatur die mit dem Namen kritischer Punkt belegte Grenze übersteigt. Derselbe liegt für Wasser bei 580°, für schwerer sied- und schmelz- bare Körper aber weit höher. Da nun, wie sich gleich zeigen wird, die Untersuchungen Ritter’s sehr hohe Wärmegrade wahrscheinlich machen, so darf die rechnerisch nicht wohl zu umgehende Verwendung des Mariotte’schen Gesetzes auch aus einem mehr sachlichen Gesichts- punkte gebilligt werden. Wir weisen übrigens neben Ritter’s Original- arbeit auch nachdrücklich auf die gelungene Popularisirung des dort ein- gehaltenen Gedankenganges hin, welche man Zöppritz [44] verdankt, und auf welche auch wir uns hier zu beziehen keinen Anstand nehmen. Die Gaskugel, welche wir in’s Auge fassten, befindet sich im indifferenten Gleichgewichte; schreitet irgend ein Gewichtstheil radial fort und gelangt auf diesem seinem Wege in Gegenden, wo andere Verhältnisse bezüglich der Dichte, des Druckes und der Temperatur herrschen, so fügt er sich in diese fremden Verhältnisse ein, ohne dass eine Gleichgewichtsstörung entstünde. Wenn die Kugel durch Strah- lung Wärme nach aussen abgiebt, so entsteht eine Kontraktion im Inneren, und mit ihr ist eine Erhöhung der Temperatur verbunden, durch welche der externe Wärmeverlust in etwa fünffachem Maasse wieder ausgeglichen wird. Die Rechnung zeigt, dass die Dichte im Mittelpunkt den Werth 143 annimmt, dass dortselbst ein Druck von nicht weniger als 3 Millionen Atmosphären herrscht, und dass, worauf oben schon angespielt ward, die Temperatur auf 100000° ansteigt. Diese Druckverhältnisse sind allerdings ungeheuer, aber eben deshalb doch eigentlich auch wahrscheinlicher, als es die aus der Thomson- schen Hypothese hergeleiteten sind. Letztere kennen wir genau durch eine interessante mathematische Untersuchung von Seydler 45]. Dieser entfliesst nämlich das Resultat, dass für eine Stahlkugel von der Grösse unserer Erde der auf einem im Kugelcentrum befindlichen Quadratcenti- meter lastende Druck 2660 kg betrage. Der wirkliche Werth der Central- wärme dürfte allerdings dem errechneten bedeutend nachstehen, immer- hin jedoch > 20000° sein. Bei solchen Hitzegraden darf wohl ange- nommen werden, dass jedes einzelne Gas sich in seinem überkriti- schen Zustande befinde, in einem Zustande also, wo es auch durch den denkbar stärksten Druck nicht mehr flüssig gemacht werden kann. Ueber die physikalischen Eigenschaften eines Gases in so extremen Umständen sind wir begreiflicherweise nur sehr wenig auszusagen im Stande, doch ist nicht zu zweifeln, dass ihre Fundamentaleigenschaft, beliebig gestaltete Hohlräume lückenlos ausfüllen zu können, ihnen gewahrt bleibe. Der ganze Energievorrath des Erdinneren ist nicht aktuelle, sondern einzig und allein potentielle Energie. Zöppritz lässt es (a. a. O.) bei seiner Zustimmung zu den wesentlichsten Resultaten der Ritter’schen Untersuchung nicht bewen- den, er führt uns vielmehr von den eigentlich centralen Partieen, auf welche jene ersteren ausschliesslich Bezug nehmen, auch wieder Günther, Geophysik. I. Band. 21 Su Zigarre en ER en = RD Br x en Re 322 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. ; zur Oberfläche zurück. Bei Zurücklegung dieses Weges sehen wir uns im Geiste nach und nach in Gebieten von den allerverschiedensten Elementarzuständen. Eine Zeit lang begleitet uns das überkritische Gas, welches wir uns wohl als ein ideelles und von den stofflichen Verschiedenheiten der uns bekannten Körperwelt völlig emancipirtes zu denken haben. Mit dem Nachlassen der Hitze beginnen diese Ver- schiedenheiten wieder in ihr Recht zu treten, es bilden sich Ueber- gangsschichten, in deren Bereiche erst gewisse und endlich sämmtliche Elemente wieder ihr uns geläufiges Sonderdasein führen. Ist weiter- hin die Temperatur für diese Urstoffe unter den kritischen Punkt herabgesunken, so macht sich der bisher paralysirte Druck geltend, und wir durchwandern einen tropfbar flüssigen Kugelring. Je näher der Oberfläche, um so mehr sehen wir diese Flüssigkeit an ihrer Rein- heit einbüssen, sie wird trüb, zähe, mit Festkörpern durchsetzt, und ohne feste Trennungsschicht geht sie in die feste Erdkruste' über, deren Aussenseite der Mensch bewohnt. Hält man sich an diese hier mit kurzen Strichen gezeichnete Skizze von der Anordnung der inneren Erdbestandtheile, so werden manche Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt, die vordem unüberwindlich erscheinen mussten; diese Annahme einer mit überhitzten Gasen erfüllten Hohlkugel beseitigt insbesondere auch eine Unzukömmlichkeit, welche die jetzt herrschende Lehre von der Gebirgsbildung durch Faltung unangenehm empfand. Berechnete man nämlich die Differenz in der Kontraktion der äusseren und inneren Schichten, so ergab sich, wenn mit einem festen Erdkerne gerechnet werden musste, eine den Thatsachen wider- sprechende Zahl, allein nun ist es erlaubt, diese Inkonvenienz einfach durch die Wahl eines geeigneten Ausdehnungskoefficienten der Erdmasse zu heben; jeder beliebige ist verträglich mit einem gasförmigen Erd- inneren. Unsere Uebersicht über die zwi- schen dieser Gaskugel und der dünnen Kruste mitten inne liegenden Schichten ‚liefert uns aber weiter die Ueberzeugung, dass allein deswegen an keiner der um- laufenden plutonischen Theorieen Abän- derungen anzubringen sind; der folgende Paragraph wird diese Ueberzeugung be- festigen”). =] Gase oberhalb \:: : & Ihres kritischen Punktes ; $. 5. Das Magma und die Ryakohypse. Die früher maassgeben- den Anschauungen über einen die Erdhöhlung erfüllenden Gluthbrei sind im Vorstehenden zwar beträchtlich eingeschränkt, sonst aber durchaus nicht über den Haufen geworfen worden. Wir können nach wie vor annehmen, dass wir, wäre uns die Möglichkeit eines tieferen Eindringens in die Erde geboten, in verhältnissmässig nicht einmal sehr bedeutender Tiefe auf jene fluktuirende Schicht geschmolzener Massen stossen würden, für welche neuerdings der ganz bezeichnende *) In Fig. 61, welche wohl an sich verständlich ist, versuchten wir ein schematisches Bild von den Zustandsänderungen innerhalb der Erde zu entwerfen. II, $. 5. Das Magma und die Ryakohypse. Ss) Name Magma (von yiyvout, ich mische) aufgekommen ist. Von unserem Standpunkte bis zu jenem Punkte, wo das Magma seinen Anfang nimmt, rechnen wir die Dicke der Erdkruste; diese Strecke numerisch anzugeben, hat allerdings erhebliche Schwierigkeiten. Ami Bou& schätzt ihre Länge [46] auf 100000 m, E. de Beaumont auf 40 000 m bis 50000 m, F. Pfaff |47| schliesst aus seinen geologischen Versuchen auf einen zwischen 80000 m und 90000 m liegenden Werth. Aus Henrich’s Formel (Kap. I, $. 4) würde folgen, dass in einer Tiefe von S4000 m bereits eine Temperatur von 2500° herrscht, durch welche alle uns bekannten irdischen Materialien in den gluthflüssigen Zustand übergeführt werden müssten. Pilar nimmt für die Dicke der festen Erdschale so bis !&ıo des Radius, im Maximum aber 12 Myriameter an [48] E u: 8:66): Natürlich ist nieht anzunehmen — diess deuteten wir schon oben an —, dass unmittelbar an die untere Begrenzungsfläche der Erdkruste die Oberfläche des internen Gluthmeeres sich anschliesse, vielmehr wird ein Gemenge aus wirklichem Magma zähflüssigster Beschaffenheit und aus schwer schmelzbaren krystallinischen Massen sich zwischen beiden einlagern*). Diese Zwischenschicht schützt zugleich die untere Seite der Rinde vor schnellem Abschmelzen. Man mag sich das Verhältniss zwischen dem oberen Festen und dem unteren Flüssigen im Grossen und Ganzen ähnlich denken, wie zwischen der einen gefrorenen See überlagernden Eisdecke und dem darunter befindlichen Wasser. Macht man Löcher in erstere, so steigt gleichwohl das Wasser nicht bis zur Aussenseite des Eises empor, weil es spezifisch schwerer denn letzteres ist; ebenso wird auch das schwerere Magma, wenn sich über ihm eine Spalte öffnet, nicht die ganze Länge derselben ausfüllen können. Da wir nähere Details nicht kennen, so haben wir wohl ein Recht anzu- nehmen, dass die Fähigkeit des Magma’s, in der Erdkruste emporzu- dringen, eine Fähigkeit also, die für die Erkenntniss der vulkanischen Vorgänge von hoher Bedeutung ist, durch das Verhältniss der Dichten von Magma und Kruste an einem bestimmten Orte bedingt sein wird. Mathematisch exakt ist diese Annahme freilich nicht, wohl aber ist sie die zur Zeit bestmögliche. Setzen wir diess voraus, so ist evident, dass jene Punkte, zu welchen an den verschiedenen Stellen das Magma hinaufreicht, nicht gleichweit vom Erdmittelpunkt entfernt sein können. Diess erkannte zuerst Belli [50], der die Möglichkeit eines Einbrechens der Kruste bestritt; schärfer präcisirt hat die Anschauungen seines ihm offenbar *) Bei Gelegenheit der in Kap. IV, $S. 2 der vorigen Abtheilung erwähnten Polemik, welche Hill und Fisher u einander über die Möglichkeit einer Veränderung in der Lage der Erdaxe führten, äussert der Zweitgenannte auch [49], es sei durchaus nicht unbedingt erforderlich, das ganze Erdinnere als flüssig voraus- zusetzen, zwischen beiden Aggregatzuständen bilde die Brücke jener der unvoll- ständigen Flüssigkeit („The only conclusion at which we can arrive is this, if the augmentation of temperature with that of the depth be so rapid that its effeet in resisting the tendency to solidify by greater than that of the increase of pressure to promote it, there will be the greatest tendency to become imperfectly fluid, and afterwards to solidify, in the superficial portions of the mass...“) Es wird sich später, bei den Gletschererscheinungen, noch Gelegenheit ergeben, auf solche unvollkommen flüssige oder zähflüssige Massen zurückzukommen, deren mechanisches Verhalten, ebenso wie dasjenige” gepulverter Körper, erst in jüngster Zeit (durch Boussinesq u. a.) dem Studium zu unterwerfen begonnen wurde. 324 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. nicht bekannt gewordenen italienischen Vorgängers der kroatische Geologe Pilar, an dessen Erörterungen über das Magma wir uns hier theilweise anschliessen. Derselbe denkt sich alle Punkte, welche der Oberfläche des Magma-Gürtels angehören, durch eine Fläche mit einander verbunden, für welche er den Namen der Ryakohypse (fbu£, die Lava, öbos die Höhe) in Vorschlag bringt [51]. Fig. 62 reprä- sentirt durch den schwarz angelegten Kreis das Magma; die Ryako- hypse nimmt die Punkte A, B, C, D, E, F in sich auf. Die Erhebung x der Ryakohypse über das eigentliche Niveau des Magma’s wird, wenn a die Dicke der Erdrinde, d deren spezifisches Gewicht, D endlich das spezifische Gewicht des Gluthbrei’s bezeichnet, mittelst der Gleichung D.x=d.a berechnet, woraus für x und den Abstand des Magma’s von der Erdoberfläche (—x’) die Werthe RENTE d re er X =2(1- 5 sich ergeben. Den Werth des im Subtrahenden stehenden Bruches Fig. 62. will Pilar (a. a. O.) durch = ersetzt wissen. Es kommt hierauf nicht eben viel an, denn der ganze Ausdruck kann ja selbstverständ- lich nur die Bedeutung einer ersten Näherung beanspruchen. Bei der Art der betrachteten Flüssigkeit würden strenge genommen noch weitere integrirende Faktoren, wie die Breite der Spaltenöffnung, die Reibung an den Grenzflächen u. s. w. in Betrachtung gezogen werden müssen, wozu es aber an der thatsächlichen Unterlage gebricht. S. 6. Allgemeines über die Physik der Erdrindee Wenn von den physikalischen Vorgängen im Inneren der Erdrinde die Rede ist, so muss man offenbar zweierlei Arten von Umformungen mechanischer Natur unterscheiden, solche, welche an der Grenzfläche von Kruste und Magma oder, besser gesagt, innerhalb der unvollkommen- flüssigen Uebergangsschicht, und solche, welche innerhalb der eigentlichen Um- hüllungsschale sich vollziehen. Die erstgenannten Processe sind von Pilar [52] fleissig und hingebend, jedoch nicht immer in streng- physikalischem Geiste untersucht worden, und wenn wir im Folgenden einen kurzen Ueberblick über seine Ergebnisse einschalten, erkennen wir diese letzteren darum nicht unbedingt an. Auch von den internen Ver- änderungen, welche man als intrakrustale den — als ryakokrustal zu bezeichnenden — vorigen gegenüberstellen könnte, kann hier nur ganz im Allgemeinen die Rede sein. Denn zu viele Spezialkapitel der physischen Geographie sind gerade an diesen Fragen betheiligt, als dass irgendwie jetzt schon in Einzelheiten eingegangen werden könnte, so die Lehre von den vulkanischen und seismischen Erschei- nungen, von den Hebungen und Senkungen der Kontinente, ganz be- sonders aber das weite Gebiet der Gebirgsbildungstheorie. Namentlich die letztere hat uns ja überhaupt den Betrieb solcher Studien nahe gelegt und zur Pflicht gemacht. | Pilar geht davon aus, dass die Dicke der Erdrinde durchaus nicht überall die gleiche sei; unterhalb der schlechtleitenden Theile jener rücken ihm zufolge die Chthonisothermen näher an einander, als | 4 $ 2 ee er Se II, $. 6. Allgemeines über die Physik der Erdrinde. 395 unterhalb der gut leitenden, demnach läge die Ryakohypse unter dem Lande tiefer, als unter dem Meere, bei welch’ letzterem sowohl die grössere Wärmekapazität, als auch die gewöhnlich vorhandene Be- wölkung die Ausstrahlung der Erdwärme verhindere. Behält a den ihm oben beigelegten Sinn als normaler Durchschnittswerth, während pı die mittlere Seehöhe eines Erdtheiles, p, die mittlere Tiefe eines 'Weltmeeres bezeichnet, so soll die Dicke der Kruste unter ersterem und unter letzterem bezüglich durch (a —+ 6p,) und durch (a + 4p;) seseben sein. Die von ihm zum Beweise seiner Thesen herange- zogenen Versuche von Jannetaz vermögen jedoch keineswegs zu einer so weit über ihren eigentlichen Zweck*) hinausgehenden Beweisfüh- rung die Basis abzugeben. Pilar steht sogar nicht an, den Morästen, Torfmooren, Waldungen, überhaupt jeder die Erdwärme zurückhalten- den Bedeckung des Erdbodens einen maassgebenden Einfluss hinsicht- lich der Mächtigkeit des unmittelbar darunter liegenden Krustentheiles zuzugestehen! Er nimmt weiter, und wohl mit Recht, an, dass die Erdkruste aus einzelnen Schollen sich zusammensetzt, und unterscheidet Hebungsschollen und Senkungsschollen, erstere den Kontinenten, letztere den Oceanen entsprechend und durch Mittelzonen mit Bruch- linien von einander getrennt; letztere sind |56] meist geradlinig doch auch krummlinig und speziell wellenförmig begrenzt, 100 m bis 100 000 m lang und unter den verschiedensten Winkeln zwischen 0° und 45° einfal- lend. Wenn zwei vorher nächstbenachbarte Gebiete der Oberfläche da- durch von einander getrennt werden, dass bei einem Neubildungsprocesse von Schollen das eine der sinkenden, das andere der aufsteigenden Scholle angehört, so entsteht eine Verwerfung. Suess wollte [57] dieses Wort nur dann angewandt wissen, wenn blos der eine Flügel ab- gesunken ist, während Pilar [58] mit Verwerfung einen die ganze Erd- rinde durchsetzenden Spaltenbruch bezeichnet, durch den auch eine Verschiebung der Bruchränder herbeigeführt und unter Umständen das bewirkt wird, dass, wie in England, Schottland und Wales nicht selten, die zeitlich verschiedensten geologischen Formationen unter dem nämlichen Niveau erscheinen. Versuche, welche Pilar mit Holz- prismen von trapezförmigem Querschnitt anstellte, indem er dieselben *) Diese Experimente [53], wie auch die vollkommeneren von Senarmont|54], hatten das Gemeinsame, dass von dem auf seine Wärmeleitungsfähigkeit zu prü- fenden Körper eine dünne Platte geschliffen, diese mit einer leicht schmelzbaren Substanz überzogen und nunmehr, nach Zubringung einer Wärmequelle, die Form der Kurve festgestellt wurde, welche den noch nicht geschmolzenen Theil ab- grenzte. Doch genügt schon die gewöhnliche Theorie zu dieser Feststellung. Versteht man nämlich unter V die Temperatur, unter kx, ky, kz die den — mit den Koordinatenaxen zusammenfallenden —'! thermischen Axen entsprechenden Leitungskoefficienten, so ist die Differentialgleichung der stationären Wärmebewe- gung im krystallinischen Mittel, je nachdem dieses isotrop oder nicht isotrop ist, eine der nachstehenden beiden Gleichungen: i ir dEN d?V av AT, d’V d‘ TE ga an Tr an Die Temperaturfunktion hat in diesen beiden Fällen jeweils den Werth m m a —— Ey und —— Vx?+y?+2? VE2.x22 + k?.y?-tk.z Zahlen sind; entweder sind hiernach die Isothermflächen koncentrische Kugeln oder aber dreiaxige, ähnliche und ähnlichliegende Ellipsoide, deren Axen sich mit den thermischen Hauptleitungslinien decken [55]. : --n. wo m und n konstante 336 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. in Wasser schwimmen liess, lieferten ihm in Verbindung mit einer einfachen Rechnung*) Anhaltspunkte über den Gleichgewichtszustand dieser theilweise vom Magma getragenen Hub- und Sinkschollen, doch wurden weder die Reibung, noch der Seitendruck in Betracht gezogen. Wir sind so von den eigentlich ryakokrustalen bereits mitten in die, von jenen ersteren freilich vielfach abhängigen, intrakrustalen Dislokationserscheinungen hineingerathen. Für diese letzteren brachte uns die allerneueste Zeit die beiden grundlegenden Arbeiten von Fisher [59] und Suess [60]. Dem Ersteren zufolge geht das Heben und Senken der Schollen nicht in so relativ einfacher Weise vor sich, wie sich Pilar diess zurechtlegte, man muss sich vielmehr denken, dass alle Ortsflächen gleicher Dichtigkeit und gleichen Aggregatzu- standes da, wo sie von einer Ortsfläche geringster Festigkeit durch- schnitten werden, Ausbiegungen nach oben und unten erleiden, letzteres jedoch in weit geringerem Maasse. Uns weitere Auszüge aus dem Fisher’schen Werke für die betreffenden Spezialkapitel vorbehaltend, erwähnen wir hier nur noch, dass der englische Geophysiker die Dicke der Erdrinde sehr gering und damit die Erhebung der Ryakohypse sehr hoch anschlägt. — Im Gegensatze zu Fisher, welcher dem Magma und den aus diesem entweichenden Gasen und Dämpfen eine Hauptrolle bei den Ortsveränderungen innerhalb der Erdrinde zu- schreibt und bestimmt erklärt, dass die blosse Erkaltungs-Schrumpfung nicht die zureichenden Erklärungsmomente an die Hand gäbe, stellt Duess (a. a. OÖ.) an die Spitze seiner bezüglichen Betrachtungen den für die Freunde, wie für die Gegner seiner Anschauungsweise gleich beachtenswerthen Satz: „Die sichtbaren Dislokationen in dem Fels- gerüste der Erde sind das Ergebniss von Bewegungen, welche aus der Verringerung des Volumens unseres Planeten hervorgehen. Die durch diesen Vorgang erzeugten Spannungen zeigen das Bestreben, sich in tangentiale und in radiale Spannungen und dabei in horizontale (d. i. schiebende und faltende) und in vertikale (d. i. senkende) Be- *) Bei Pilar (a. a. O.) gestaltet sich der Kalkul viel zu verwickelt. Ein gleichschenkliges Trapez ABCD (Fig. 63) vom spezifischen Gewichte 2 schwimmt in Wasser (spez. Gew. —= 1); bis zu welcher Fig. 68. . Tiefe x es eintaucht, soll berechnet werden. E Die beiden parallelen Seiten mit a und b, die u Höhe mit h, die der Tiefe x entsprechende a 3 Parallele mit m bezeichnend, findet man zuerst 2 BEER durch Anwendung des archimedischen Principes d 2. 5@+Wh= 2 atmA-n). Nun ergänzt man das Trapez zum Dreieck ABE und gewinnt, mit h‘ die Ergänzungshöhe be- A S 23 zeichnend, durch Betrachtung von zwei Paaren ähnlicher Dreiecke die Proportionen h’: (h + h‘) —=b:aundh‘:(“"+h—-x)=b:m, woraus N = an m’ eye yes und schliesslich Dh, h fe ai) RI folgt. Für sein Babe a: = ao b = 4, h=60 berechnet Pilar x = 18,5 und den entsprechenden Werth (18, 5415) liefert auch unsere unverhältnissmässig ein- fachere Formel. | | II, $S. 6. Allgemeines über die Physik der Erdrinde. 327 wegungen zu zerlegen. Man hat daher. die Dislokationen in zwei grosse Hauptgruppen zu trennen, von welchen die eine durch mehr oder minder horizontale, die andere durch mehr oder minder vertikale Ortsveränderungen grösserer oder geringerer Gebirgstheile gegen einander erzeugt worden sind.“ Durch die in diesen Worten signa- lisirte konsequente Durchführung eines statischen Fundamentaltheoremes führt Suess auf die „Dislokationen durch tangentiale Bewegung“ zurück die Faltungen [61], die Schuppenstruktur [62], die Ueberschiebungen [63] und die Blätterbildung [64]; den „Dis- lokationen durch Senkung“ danken ihr Dasein die peripherischen und radialen Sprünge [65], die (bergmännisch so genannten) Horste [66], die Flexuren und Verschleppungen [67] und die Tafelbrüche [68]; endlich giebt es auch „Dislokationen aus ver- einigter Senkung und tangentialer Bewegung“ [69], durch welche die am Riesen- und Isergebirge, wie auch am Teutoburger Walde her- vortretenden Rückfaltungen und die für die verwickelten Lagerungs- verhältnisse der belgischen Kohlenfelder den Schlüssel abgebenden Vorfaltungen bedingt erscheinen *). Zu einer Entscheidung darüber, ob die mit einem feurig-flüssigen Erdinneren rechnende Theorie von Pilar und Fisher oder die von ryakokrustalen Phänomenen ganz absehende und ausschliesslich intra- krustale Processe zulassende Kontraktionstheorie von Suess das Richtige treffe, wird die Wissenschaft sobald nicht gelangen, und am aller- wenigsten wäre hier der Ort dazu, einer solchen Entscheidung vor- arbeiten zu wollen. Jedenfalls ist dieselbe mit abhängig von den neuen Gesichtspunkten, welche aus der Erforschung der Vulkan- und Erd- beben-Erscheinungen zu abstrahiren sind. Diesen letzteren wenden wir uns deshalb jetzt zu. [1] Schiaparelli, Die Vorläufer des Coppernicus im Alterthum, deutsch von Curtze, Leipzig 1876. S.8 ff. — [2] Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft, mit besonderer Rücksicht auf Schöpfungsge- schichte, 1. Abtheilung, Gütersloh 1877. S. 137. — [3] Rixner-Siber, Leben und Lehrmeinungen berühmter Physiker am Ende des XVI. und Anfang des XVII. Jahr- *) Die Erklärungsmethode von Suess dringt jedenfalls von allen zur Zeit bekannten in die individualistischen Eigenthümlichkeiten irgend einer geologischen Phase am tiefsten ein. Diess tritt besonders zu Tage bei den Horsten, bei denen der Wiener Geologe verschiedene Ordnungen zu unterscheiden lehrt, während . Pilar für Horste und Gruben, wie sie in Fig. 64a und b abgebildet sind, sich mit der einfachen Notiz begnügt, dass die nach oben schmal zulaufenden Schollen Hubsehollen, dagegen die nach unten schmal zulau- fenden Senkschollen seien. v. Groddeck giebt der Fig. 64. üblichen Regel, wie man bei einem solchen Gebilde die Fortsetzung der plötzlich abbrechenden Schicht aufzusuchen habe, folgende Fassung [70]: Befindet man sich bei'm Anfahren der Kluft im Hangenden derselben, so hat man, nach Durchbrechung der a Kluft, in das Hangende des verworfenen Flötzes aufzufahren, im anderen Falle dagegen, wenn man sich bei’m ersten Befahren der Kluft in deren Lie- gendem hefand, muss auch im Liegenden jenes Flötz- theiles gesucht werden. Kürzer [71]: Man fahre über den stumpfen Winkel hin, bis man das abge- trennte Ende wieder findet. d 328 Citate, hunderts, Sulzbach 1824. S. 177. — [4] J. C. F. Fischer, Geschichte der Natur- lehre, 2. Band, Göttingen 1802. S. 7 fi. — [5] Leibniz, Protogaea seu de prima facie telluris et antiquissimae historiae vestigiis in ipsis naturae monumentis, Lipsiae 1693. S. 40 ff. — [6] Thomson-Tait, Handbuch der theoretischen Physik, deutsch von Helmholtz-Wertheim, 1. Band, 2. Theil, Braunschweig 1874. S. 436 ff. — [7] J. C. F. Fischer, Gesch. d. Nat., 6. Band, Göttingen 1805. $S. 881. — [8] Halley, On the structure of the internal parts of the earth and the concave habitated of the stell, Phil. Transact., Vol. XVII. S. 563 ff. — [9] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1845. S. 178. — [10] Breislak, Insti- tutions geologiques, tome VIII, 1. Milan 1818. S. 55. — [11] C. W. undE. F.L. Mar- schall von Bieberstein, Untersuchung über den Ursprung und die Ausbildung der gegenwärtigen Anordnung des Weltgebäudes, Giessen und Darmstadt 1802. — [12] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 4. Band, 2. Abtheilung, Leipzig 1828. S. 1247. — [13] Hopkins, Rechearches of physical geology., Phil. Transact., Vol. CXXIX. S. 381 ff.;, Vol. CXXX. S. 193 ff.;, Vol. CXXXI. S. 43H. — [14] G. H. Darwin, On the precession of a viscous spheroid, Phil. Transaet. Vol. CLXX. S. 447 ff. — [15] Delaunay,. On the hypothesis of the internal flui- dity of the terrestrial globe, Geol. Mag.. Vol. V. S. 507 ff. — [16] Folie, Sur un eriterium astronomique certain de l’existence d’une couche fluide & l’interieur de l’ecorce terrestre, Bruxelles 1882. — [17] R. Mallet, On volcanic energy, Phil. Transact., Vol. CEXII. S. 151 ff. — [18] G. H. Darwin, On the bodily tides of viscous and semi-elastice spheroids and on the ocean tides on a yielding nucleus, Phil. Transaet. Vol. CLXX. S. 1 ff. — [19] Thomson-Tait, Handbuch etc., 1. Band, 2. Theil. S. 419 ff. — [20] G. H. Darwin, Proceedings of the r. society, 1881. S. 432 ff. — [21] Barnard, On the internal structure of the earth considered as affeeting the phenomena of precession and nutation, Smithsonian Contributions to knowledge, N. 310, S. 9 ff. — [22] Hennessy, The rigidity of the earth, Nature, Vol. VO. $S. 288. — [23] Airy, The interior of the earth, ibid. Vol. XVII. S. 41 ff. — [24] Zöppritz, Der gegenwärtige Stand der Geophysik, Wagner’s Geogr. Jahrb., 8. Band. S. 19. — [25] Werner Siemens, Physikalisch-mechanische Betrachtungen, veranlasst durch eine Beobachtung der Thätigkeit des Vesuv im Jahre 1871, Monatsber. d. k. preuss. Akad. d. Wissensch.. 1878. S. 558 ff. — [26] Nies-Winkel- mann, Ueber Volumänderungen einiger Metalle bei'm Schmelzen, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch., Math.-phys. Kl., 1881. S. 63 ff. — [27] Zöppritz, D. gegenw. Stand etc.,. S. 31. — [28] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik, Wagner’s Geogr. Jahrb., 9. Band. $. 8. — [29] Heer, Escher von der Linth; Lebensbild eines Naturforschers, Zürich 1873. S. 126. — [30] Reyer, Beitrag zur Physik der Eruption und der Eruptivgesteine, Wien 1877. S. 124. — [31] 1bid. S. 109 ff. — [32] Legendre, Recherches Sur la figure des planetes, M&m. de l’acad. franc. des sciences, Annee 1784. S. 370 ff. — [33] Roche, M&moire sur l’interieur du globe terrestre, Montpellier 1881. — [34] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band. S. 177 ff. — [35] Franklin, Conjeetures concerning the formation of the earth, Transact. of the Amer. phil. society, Vol. III. N. 1. — [36] Gehler’s phys. Wörterb. 2. Aufl.. 3: Band, $. 1071 ff.; 4. Band, 2. Abtheilung, $. 1256. — [37] Spencer, The form of the earth no proof of original fluidity, Phil. Mag., (3) Vol. XXX. S. 194 ff. — [38] A. Ritter, Untersuchungen über die Höhe der Atmosphäre und die Konstitution gasförmiger Weltkörper, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 5. Band, S. 405 fi. 8. 543 ff.; 6. Band, S. 135 ff.; 7. Band. $. 304 ff.; 8. Band, S. 157 ff. — [39] Ibid. 5. Band, S. 416. — [40] Ibid. S. 419 ff. — [41] Ibid. S. 423 fi. — [42] M. Kuhn, Ueber die Beziehung zwischen Druck, Volumen und Temperatur bei Gasen, Wien 1875. — [43] Biehringer. Ueber eine Erweiterung der Gesetze von Mariotte und Gay-Lussac, Zeitschr. f. Math. u. Phys., 26. Jahrgang. S. 377 fi. — [44] Zöppritz, Ueber die Mittel und Wege, zur besseren Kenntniss vom inneren Zustande der Erde zu gelangen. Verhandl. d. I. deutschen Geographentages, Berlin 1832. S. 15 ff. — [45] Seydler, Ueber das Gleichgewicht einer gravitiren- den, ursprünglich homogenen Kugel, Sitzungsber. d. k. böhm. Gesellsch. d. Wissenschaften, 1882. — [46] A. Boue, Note’ sur la symetrie de la surface du globe,. Ann. de la soc. geol., (3) tome XVII. S. 451. — [47] F. Pfaff, Allge- meine Geologie als exakte Wissenschaft, Leipzig 1873. S. 302. — [48] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik, Agram 1881. S. 58 fi. — [49] Fisher, On the possibilitiy of changes in the latitudes of places; being an Appell to physieists, Geo. Mag., (2) Vol. V. S. 293 fi. — [50] Belli. Pensieri sulla consistenza e sulla densitä& della crosta solida terrestre, Milano 1851. — [51] Pilar, Grund- züge etc. 8. 98 ff. — [52] Ibid. S. 100 ff. — [53] Jannetaz, Rapport sur la pro- | i \ | 3 | | en 2 III, $. 1. Definition und allgemeine Beschreibung der Vulkane. 329 pagation de la chaleur dans les roches et de leur structure au point de vue de leur origine, Compte rendu du congres internat. de g£ol. a Paris, $S. 222 ff. — [54] Senarmont, Note sur les proprietes thermiques du tourmaline; Memoire sur la conductibilite des substances erystallisees pour la chaleur, Ann. de chim. et de phys., Vol. XXI; Vol. XXI; Vol. XXIII. — [55] Plücker-Dronke, Einleitung in die mathematische Theorie der Wärmeverbreitung, Leipzig 1882. S. 82 ff. — [56] Pi- lar, Grundzüge etc. $. 114 ff. — [57] Suess, Die Entstehung der Alpen, Wien 1875. S. 31. — [58] Pilar, Grundzüge etc. S. 119. — [59] Fisher, Physics of the earth’s erust, London 1881. — [60] Suess, Das Antlitz der Erde. Erste Abtheilung, Prag und Leipzig 1883. S. 142 ff. — [61] Ibid. S. 144 ff. — [62] Ibid. S. 149 ff. — [63] Ibid. S. 152 ff. — [64] Ibid. S. 159 ff. — [65] Ibid. S. 166. — [66] Ibid. S. 167 ff. — [67] Ibid. S. 171 ff. — [68] Ibid. S. 174 fi. — [69] Ibid. S. 181 ff. — [70] v. Groddeck,. Die Lehre von den Lagerstätten der Erze. Wien 1879. S. 22. — [71] Quenstedt,. Epochen der Natur. Tübingen 1861. S. 206. Kapitel III. Die vulkanischen Erscheinungen. S. 1. Definition und allgemeine Beschreibung der Vulkane Als vulkanische Phänomene bezeichnet man nach der umfassenden Definition Poulett Scrope’s [1] jedwedes Ausstossen fester, flüssiger, halbflüssiger oder gasförmiger Massen durch Spalten der Erdrinde. Damit ist von selbst die vulgäre Identificirung von Vulkan mit feuerspeiendem Berg als eine allzu beschränkte zurückgewiesen, doch hat sich dieselbe ein solches Uebergewicht zu verschaffen ge- wusst, dass halb unwillkürlich auch in diesem Kapitel das Wort Vulkan in diesem landläufigen Sinne gebraucht werden wird. In sehr drastischer Weise giebt die Erklärung eines Vulkanes ein wackerer älterer Physiker, Heinrich Müller [2]: „Per montes ignivomos, vi etymo- logiae, facile patet nos tales intelligere montes, qui frequenti fammarum horrendarum eructatione celebres sunt, ac pro ceteris conspicuis, idemque Vuleanorum appellationem denotare manifestum est, quando et isti nihil aliud indicant, quam officinas quasdam, in quibus viri Vulcanii strenue laborando id efficiunt, ut infernalis quasi furor ipsorum, in cudendis nescio quibus cruciatibus et tormentis saepissime in montium apieibus perterribiles fumos flammasque erumpendo se prodat.“ Wir werden jedoch sogleich sehen, dass nach den neuesten methodologischen Arbeiten v. Seebach’s [3] selbst diese altgewohnte Zusammenwerfung von vulkanischen Bergen und von Feuerbergen nicht mehr aufrecht erhalten werden darf. $. 2. Die Stratovulkane. Diese Vulkane xar s£oyyv oder ge- schichteten Vulkanedanken ihre Entstehung gewaltsamen Eruptionen, denn der Aufbau derselben hängt nicht sowohl von den aus der Erd- rinde unmittelbar hervortretenden feurig-flüssigen Massen, sondern von den Aschenmassen ab, welche durch die Gewalt der Eruption in die Höhe geschleudert werden und bei’'m Herabfallen schichtenweise sich um den bereits fertigen Bau herumlegen. So entsteht ein abgestumpfter Kegel, der oben jedoch nicht eigentlich abgeplattet ist, sondern eine 330 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinn; dynam. Geologie. muldenförmige Einsenkung, den sogenannten Krater, aufweist. In dessen Innerem aber pflegt wieder ein kleiner Aschenkegel auf zusteigen, dessen Axe ausgehöhlt ist, so dass durch diese Röhre die inneren Partieen der Erdrinde mit der atmosphärischen Luft in Kom- munikation treten. Natürlich ist dieser Grundtypus der Stratovulkane in voller, sozusagen geometrischer Reinheit nicht immer vorhanden, die äussere Mauer kann theilweise eingestürzt sein, der Aschenkegel und Verbindungsschlöte kann es eine ganze Menge geben, wie denn dem Pico de Teyde und dem Mauna Loa zwei grosse Krater, dem Vesuv 30, dem Aetna sogar an 700 Eruptionsöffnungen zugehören *). Die Kegel sind selten glatt von Oberfläche, vielmehr kann man gerade an ihnen sehr gut die ausnagenden Wirkungen der Luft und der meteorischen Gewässer studiren, welch’ letztere, als Giessbäche nieder- rauschend, die in Südamerika unter 'dem Namen Barranco’s [5] — vgl. Fig. 66 — bekannten Rinnen in ihre Unterlage eingraben. Die Schichtenstruktur der Aufschüttungskrater tritt nach v. Hochstetter am klarsten bei den neuseeländischen Vul- Fig. 66. kanen zu Tage, welche dieser Gelehrte des- Are halb als förmliche Modelle zum Studium / empfiehlt |6]. Gewöhnlich bildete sich zu- erst, vielleicht submarin, ein aus losen Schlacken- und Aschenbestandtheilen und aus von Wasser durchtränktem Schlamm erbauter Tuffkegel, resp. Tuffkrater, N um diesen herum legte sich in vielen Fällen ein Schlackenkegel, zusammengesetzt aus zähflüssigeren und nach erfolgter Ab- kühlung spröderen Erstarrungsprodukten des intrakrustalen Magma’s, und wenn nun später noch Lavaströme folgten, so legten sich diese wie ein förmlicher Mantel um den fertigen Tumulus herum als Lava- kegel. In Fig. 67 bedeutet nach v. Hochstetter C den Tuffkegel, den eigentlichen Kern des vulkanischen Gebäudes, B den Schlacken- kegel und A den Lavakegel; bezeichnet man mit y, ß, a resp. die N A *) Fig. 65 stellt, nach Poulett Scrope [4], den Aetna dar, wie er von Catania aus sich darstellt; es. soll dadurch zugleich eine allgemeine Vorstellung von dem Aussehen eines feuerspeiendeu Berges vermittelt werden. II, $S. 2. Die Stratovulkane. 331 von den einzelnen Kegelmänteln mit der Horizontalebene eingeschlos- senen Winkel, so muss, wie die Figur zeigt und wie auch aus der Entstehungsgeschichte selbst hervorgeht, > ß > a sein. Unser Dia- gramm rechtfertigt auch zur Genüge die Wahl der Namen „Auf- schüttungs- oder geschichteter Vulkan“. Sehr schätzenswerthe Untersuchungen über diese Gattung von Vulkanen hat Milne [7] angestellt. Was deren äussere Form an- langt, so erweisen sich nach ihm sechs Faktoren als für sie bestimmend. Die geometrische Regelmässigkeit wird um so reiner bewahrt, eine je centralere Lage der Krater besitzt und auch für mehrere einander folgende Eruptionen bewahrt; jede Ungleichmässigkeit im örtlichen und zeitlichen Austreten der Lava beeinträchtigt jene Regelmässigkeit; besonders wirksam erweisen sich dabei das seitliche Ausbrechen der Gluthflüssigkeit und die Bildung parasitischer Kegel; ist die Axe des Schlotes keine vertikale, so dass die Auswurfsprodukte von vorn herein eine gewisse Richtung zu begünstigen genöthigt sind, wie z. B. beim Ausbruch das Oshima im Jahre 1877 beobachtet ward, so muss eine Verbreiterung des Kegels nach der betreffenden Seite hin erfolgen; Gleiches bewirkt der während des Eruptionsaktes herrschende Wind, durch welchen die Ueberwindseite des Berges mehr abgeflacht wird, wie besonders deutlich an dem Fusijama zu sehen; spezifisches Gewicht und Porosität der Baustoffe kommen ebenfalls in Betracht; die Erosions- wirkungen können der einmal vorhandenen Regularität weniger an- haben, wohl aber ändern sie langsam und sicher die Neigungswinkel der Bergwände. Eben diese Winkel sind von Milne einer äusserst sorgsamen Betrachtung unterzogen worden. Er liefert auf eigener Tafel fünf Profilkurven, deren eine dem Kumagatake auf Japan, eine dem Vesuv entspricht, während die drei anderen dem Fusijama, von verschiedenen Seiten betrachtet, zugehören, und belehrt uns durch den unmittelbaren Augenschein, dass diese Kurven sehr nahe die Krümmung einer logarithmischen Linie wiedergeben. Diese näm- liche Kurve aber ist ebensowohl die Kurve gleicher rückwirkender Festigkeit |], wie auch die Böschungskurve eines auf horizontaler Ebene ruhenden und den in seinen einzelnen Theilen wirkenden Gravitations-, Kohäsions- und Reibungskräften überlassenen Sand- haufens*). Folgende Böschungswinkel sind von Milne |12] gemessen worden: Fusi- jama 30°, Osamajama 28°, Ganjosan 31°, Twakisan 30°, Kumagatake 40° (sämmtliche C liegen in Japan). Natürlich macht sich — En vgl. Fig. 67 — namentlich in den der Re: Spitze näher gelegenen Partieen auch die Be selbstständige Neigung des etwa bereits *) Neuere Arbeiten über diese Wechselbeziehungen lassen die angeführte Thatsache allerdings nur als eine Annäherung an die Wirklichkeit erscheinen. Versteht man unter c die Kohäsion per Quadrateinheit, unter h die Höhe, unter sg das Gewicht der Kubikeinheit des den Haufen bildenden Stoffes, unter f den Reibungskoefficienten, unter x das Komplement des Reibungswinkels, unter e den Böschungswinkel, so würde den älteren Vorstellungen gemäss die von Francais [9] 332 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne: dynam. Geologie. vorhandenen Kernkegels geltend, um welchen herum die Aufschüttung erfolgt. Neuerdings ist von Suess, der auch die oft frappante Aehnlich- keit der im Gefolge von Erderschütterungen vielfach auftretenden winzigen Sandkegel mit wirklichen Stratovulkanen grossen Styles be- tont, darauf aufmerksam gemacht worden [13], dass schematische Vor- stellungen von der inneren Struktur eines Feuerberges stets ihr Miss- liches haben. Suess’ Methode, durch Aufsuchen einer Denudationsreihe allmählig von oben nach unten in die Geheimnisse des Vulkangebäudes einzudringen, verspricht für die Zukunft bedeutende Ergebnisse. $S. 3. Domvulkane. Mit diesem Namen bezeichnet v. Seebach in seiner uns bereits bekannten grundlegenden Abhandlung die Gebilde jener Gattung vulkanischer 'Thätigkeit, welcher der eruptive, der ge- waltsame Charakter fehlt. Wird das Magma mit verhältnissmässiger Ruhe, und ohne dass Dampfentwickelungen ihr Aufsteigen geleiten, in den Verbindungskanälen in die Höhe getrieben, so fliessen die aus- tretenden Lavamassen nach allen Seiten ziemlich gleichmässig ab, in zähflüssigem Zustande kompakte kuppelartige Berge, in leichtflüssigem blos einen die Erdoberfläche deckenförmig überlagernden Mantel bildend. Die Basalt-, Trachyt-, Phonolith- und Andesitkegel, die in vulkanischen Gegenden häufig vorkommen, gehören zu dieser zweiten Kategorie ; allerdings konnte diese Einreihung erst in neuerer Zeit so erfolgen, nachdem der früher viel bestrittene plutonische Charakter der be- treffenden Gesteinsarten über jeden Zweifel erhaben gelten darf. Die petrographische Beschaffenheit der diese Vulkane aufbauenden Stoffe ist eine völlig andere und zwar eine ungemein gleichartigere, denn die der geschichteten Vulkane, weshalb man wohl auch die Bezeichnung Homogene Vulkane auf sie angewandt hat. Na- mentlich in Amerika und Schottland haben v. Richthofen und Geikie solche Formen häufig angetroffen; Letzterer sagt ausdrück- lich [14], dass während seiner Reisen am Schlangenflusse mit zwingen- Gewalt sich ihm die Ueberzeugung aufgedrängt habe, dass es ausser dem gewöhnlichen noch einen zweiten und zwar umfassenderen Typus von Vulkanismus gäbe, nämlich den der kraterlosen Entbindung gluthflüssiger Bestandtheile des Erdinneren. Hierher haben wir auch die merkwürdige Erscheinung der sogenannten Laccolithe zu zählen, die in Amerika besonders häufig auftreten und von Dana, G.K. Gilbert, Holmes und anderen transatlantischen Geologen näher beschrieben, ‚. Formel gelten: = ghlte SI -% =) (cos: # = — tsin II eos - Löwe erwies aber durch eine äusserst . Versuchsreihe [10], Ye man nothwendig einen veränderlichen Reibungskoefficienten cotg T = cos © einsetzen müsse, der um so grösser wird, je grösser man den Böschungswinkel = wählt, d. h. in je tiefere Schichten man hinabsteigt; hiedurch geht Francais’ Formel in nachstehende über [11]: 2.h cost cos e = euz rC0OSEe — — 4 sin t cos? 5 COS T (1 + sinetg 9: III, $. 4. Uneigentliche Vulkane. 399 durch Kinahan aber auch für Irland nachgewiesen wurden |15]. Der Name rührt von G. K. Gilbert her [16], eine Zusammenstellung der über diese merkwürdigen Gebilde veröffentlichten Nachrichten verdanken wir Suess, dessen Werke [17] auch die einen Laccolithen darstellende Fig. 68 entnommen ist. Darin bedeutet AB den Meerespiegel, CD die obere Grenze der Karbon-, EF die obere Grenze der Juraformation, Fig. 68. Gden sogenannten „Hillers-Laceolith*, _ H den „Pulpit Lace“. Die Laccolithe # treten gruppenförmig auf, werden bis n zu 2000 m hoch, während die Peripherie \ j MMMMMMMMINN der Basis oft mehrere Kilometer er- reicht. Die Erosion der Atmosphärilien 4“ 2: en hat vielfach bewirkt, dass die den Laccolith bildenden trachytischen Intrusivmassen unverhüllt zu Tage treten, so dass die Suess’sche Denudationsreihe sehr leicht hergestellt werden kann. Die subkarbonischen und Kreideschichten der Erdrinde sind durch die mit majestätischer Ruhe und Gleichmässigkeit aufge- stiegenen Magma-Massen nicht zersprengt, aber so enorm aufgetrieben worden, dass sie, die sonst immer horizontal erscheinen, die stärksten Einfallswinkel, von 45° bis 80°, aufweisen. Von den euganäischen Bergen bei Padua versichert Suess [18], dass sie ähnlichen Intrusiv- processen ihre eisenthümliche Gestalt verdankten. AN $. 4. Uneigentliche Vulkane. Wenn wir das Wort „Vulkan“ in dem weiten Sinne des $. 1 beibehalten und von einem solchen auch dann noch reden, wenn nicht blos Lava, eventuell vermischt mit Aschen, Gasen, Dämpfen u. s. w., sondern irgend eine tropfbare oder elastische Flüssigkeit den Spalten der Erde entsteigt, so gelangen wir zu den uneigentlichen Vulkanen*). Auch bei ihnen sind Unterabtheilungen zu machen: die Geysir’s, Fumarolen, Solfataren, Mofetten und Schlamm- vulkane. a) Geysir’s. Nur der Vollständigkeit wegen erwähnen wir dieser heissen Quellen, deren Wassermassen nicht ruhig und kontinuirlich, sondern stoss- und ruckweise nach aussen befördert werden, schon an dieser Stelle, doch versparen wir eine eingehende Besprechung ihrer Eigenschaften auf das von den Quellen im Allgemeinen handelnde Kapitel des zweiten Bandes. b) Fumarolen. So nennt man Oeffnungen in der Erde, welche neben geringen Quantitäten anderer Gase und Dämpfe vorzüglich Wasser- dampf aushauchen. Gewöhnlich kommen die Fumarolen in unmittelbarer Nähe thätiger Vulkane vor. Häufig ist der Wasserdampf, der auf diese Weise geliefert wird, so rein und so frei von den ihn anderwärts trübenden Stoffen (Salzsäure, Schwefelwasserstoff u. s. w.), dass man durch Kondensation desselben brauchbares Trinkwasser gewinnen kann, wie diess nach K. Fuchs [20] die Hirten der wasserarmen Insel Pantellaria thun sollen. Dampfquellen dieser Art giebt es ausser in *) Diese treffende Nomenklatur entlehnen wir Muncke’s sorgfältigem Ar- tikel „Vulkane“ [19], dem wir auch für manche andere Nachweisung zu Dank verpflichtet sind. 334 Dritte Abiheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Italien (Ischia, Umgegend des Vesuv) besonders in Island, wo sie viel- fach untermengt mit den Geysir’s auftreten, in Java, auf der neusee- ländischen Nordinsel u. a. a. OÖ. |21]. Bekannt sind die massenhaft im Gefolge des neuentstandenen Feuerberges Yorullo entstandenen Fumarolen, von den Eingeborenen als „Oefen* (Hornito’s) bezeichnet, deren ursprünglich ausserordentlich hohe Temperatur jedoch nach den von Lyell [22] gesammelten Angaben mit der Zeit, und vermuthlich in Folge des allmähligen Abkühlens der ihnen benachbarten Magma- Schichten, sehr bedeutend gegen damals zurückgegangen ist, als Humboldt (1303) seine Messungen vornahm. c) Solfataren. Nicht principiell, sondern nur mehr graduell ver- schieden von den soeben geschilderten Dampfquellen sind die Solfataren oder Gasquellen; Fuchs definirt sogar |23] die Fumarolen als wesent- lichste Manifestationen des Solfatarenzustandes, welcher einen Zu- stand sehr schwacher, ja beinahe latenter vulkanischer Regsamkeit kenn- zeichnet. Schwefelwasserstoff und schweflige Säure wiegen nunmehr vor, die Dämpfe treten zurück. Der Name Solfatare, der ursprünglich Schwefelgrube bedeutet, bezog sich zunächst auf einen kleinen Krater in der Nähe von Puzzuoli, der Schwefeldämpfe aushaucht, einmal aber — im Jahre 1598 — sich sogar zu einer wirklich eruptiven Aktion auf- raffte [24]. Sehr viele Plätze dieser Art sind bekannt, doch kommen auch spontane und plötzliche Aeusserungen des Solfatarenzustandes an Orten vor, welche vor- und nachher sich in vulkanischer Beziehung völlig neutral verhielten. So berichtet vom Rath [25], dass am 25. December 1881 und am 13. Januar 1882 im Golf von Patras sehr energische Exhalationen von Schwefelwasserstoff stattfanden, welche Mengen von Fischen tödteten und von Sturm und Erzittern des Erd- bodens begleitet waren. Der Geruch verrieth den ausgeathmeten Stoff als Schwefelwasserstoffgas, und auf die gleiche Ursache wies die Veränderung hin, welche an gefärbten Gegenständen konstatirt werden konnte. Den Solfataren vielfach ähnlich sind jene Gasvulkane im engeren Sinne, aus welchen als Hauptbestandtheil Wasserstoffgas aufsteigt, welches sich entzünden lässt und dann oft eine ziemliche Weile fort- brennt. Auf diese hüpfenden Flämmchen haben zuerst Spallanzani und M&nard de la Groye die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Kreise hingelenkt [26]. In Italien findet man dergleichen bei Pietra Mala, wo oft ansehnliche Quantitäten von Knallgas zum Verpuffen kommen, ferner giebt es Gassprudel in Ungarn und Kleinasien [27], in Kurdistan, Indien und am Eriesee [28]. Eine der bemerkenswerthesten Naturerscheinungen in China sind die chinesischen Feuerbrunnen Kia-Tin-Fu, Yung-Hian, Ou-Thung-Kiao und Wei-Yuan-Hian. Huc und Gabet erzählen, gestützt auf die Angaben des Missionärs Imbert, dass in der (westlichsten) Provinz Sse-tschuan auf einem Flächenraume von 50 französischen Quadratlieues nicht weniger als zehntausend solcher Yen thing (Feuerbrunnen) oder Ho thing (Salzbrunnen) angetroffen würden, deren Ausbeutung durch Private oder Gesellschaften schwung- haft betrieben werden [29]. Dieselben liefern zum Theile eine mit Gasen aller Art vermengte Salzsoole, zum Theile aber auch förmliches Leuchtgas. Weitaus am berühmtesten sind gewiss die ewig brennen- den Feuer von Baku am kaspischen Meere, welche für den Gottesdienst ee ee Te II, $. 4. Uneigentliche Vulkane. 335 der Parsen eine hohe traditionelle Bedeutung gewonnen haben. Ob diese entzündlichen Gase auf vulkanische Processe im Erdinneren hin- weisen, oder nicht, kann noch nicht als entschieden gelten, doch ist es wahrscheinlich, da auch sonst in der Umgegend Baku’s Spuren der- einstiger Vulkaneität zu Tage treten; am 27. November 1827 wurde die unterirdische Gasentwickelung so stark, dass in dem daghestanischen Dorfe Jakmali ein Feuerstrom, begleitet von Detonationen, hervor- brach, der erst nach vierundzwanzig Stunden wieder erlosch. G. H. Hess analysırte |30] die ihm in hermetisch verschlossenen Röhren übersandten Gase des Baku-Tempels und fand, dass nicht Volta, der darin Sumpfgas erblickt hatte, sondern Spallanzani mit einer früher aufgestellten Hypothese im Rechte gewesen war: es ist Kohlenwasser- stoff mit einem leichten Zusatz von Naphtha, welch’ letzteres selbst aus Kohlen- und aus Wasserstoff im Verhältnisse von 77,5 : 22,5 be- steht. Endlich ist als hierher gehörig noch der in der Saline zu Rheina (nördliches Westphalen) befindliche Windbrunnen zu erwähnen, dessen Gas zur Erleuchtung des genannten Etablissements verwendet wurde [31]. Bei all’ diesen Gasvulkanen oder Gasquellen gilt allerdings die ungemein weite Definition Poulett Scrope’s ($. 1). In vielen Fällen aber wird, was die Ursachen derselben anbelangt, von eigentlichem Vulkanismus nicht viel die Rede sein können, vielmehr ist gewiss sehr häufig an blosse Erdbrände zu denken*). *) Erdbrände entstehen meistens dadurch, dass aufirgend eine Weise, nicht selten durch Menschenhand, subterrane Kohlenflötze entzündet werden. So sollte das Steinkohlenflötz des Saarbrückener Beckens im Jahre 1660 durch die Unvor- - sichtigkeit eines Hirten, jenes von Zwickau anlässlich der Belagerung dieser Stadt im dreissigjährigen Kriege in Brand gerathen sein [32], während die „Meissnische Bergchronik* des Albinus einen Jäger schon 1479 in das jetzt sogenannte „tiefe Pechkohlenflötz“ gerathen und durch einen unvorsichtigen Schuss diesen die Ka- tastrophe herbeiführen lässt. Jedenfalls thut schon Agricola (vgl. die gesch.-lit. Einleitung) in seiner Grubenkunde des Brandes Erwähnung: er lebte, wie wir den von Funcke in den Sitzungsberichten der Dresdener „Isis“ gegebenen und hier mehrfach benützten Mittheilungen entnehmen, von 1518 bis 1522 in Zwickau und beschreibt die glimmenden Planitzer Kohlenlager folgendermassen: „Verum in- cendio prinecipium hominum aetas non novit. Ante quadraginta annos vehemen- tius arsit mons adeo, ut metum incuteret oppido. Quia vero in superficie tantum ardet, verisimile est, eum ab homine primum accensum fuisse.“ Die dem säch- sischen Erdbrande entströmende Hitze gestattete die Anlegung von Treibhäusern auf dem davon betroffenen Terrain, welche fast gar keiner künstlichen Erwär- mung bedurften, dafür aber ab und zu einem Örtswechsel sich unterziehen mussten und heute bereits dem gänzlichen Untergange verfallen sind (D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 6. Jahrgang. S. 181). Brennende Schichten gab oder giebt es noch in Böhmen, im hessischen Habichtswalde, in Esthland, in Sibirien, am Aus- fluss der Rhone und noch in manch anderen Gegenden [33], auch die Erschei- nung des brennenden Hügels im Lande der Baschkiren gehört hierher. Ein Blitz- schlag war die Ursache dieses Brandes, der mindestens drei Jahre andauerte und durch seinen gleichmässigen, ahsolut un-eruptiven Verlauf für Breislak [34]- den Beweis lieferte, dass nur Petroleum oder sonst ein völlig schwefelfreier Stoff in langsamer Gluth sich verzehrte. Muschketov und v. Middendorff wollen mehrere Behauptungen Humboldt’s über centralasiatische Vulkane auf brennende Flötze (Pseudo-Solfataren) zurückführen [35]; ihnen zufolge gienge auch v. Richt- hofen’s Interpretation der Solfataren von Turfan und Urumtsi [36] zu weit. Sal- miak und Schwefel entstünden im russischen Asien nicht selten durch einen Sublimationsprocess aus Kohlenfeldern, und man dürfe nicht gleich an vulkani- schen Ursprung denken, auf welch’ letzteren auch der von dem berühmten China-Forscher angezogene Reisebericht des Arabers Massudi nicht nothwendig hinweise, 336 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. d) Mofetten. Tritt Kohlensäure an die Stelle der Dämpfe und Gase, welche wir bei Fumarolen und Solfataren kennen lernten, so werden die Gasquellen Mofetten benannt — ein Name, der, wie bei den Schwefelkratern, der provinziellen Terminologie der neapolitani- schen Vulkangebiete entstammt. „Unser deutsches Vaterland lehrt uns,“ sagt A. v. Humboldt [37], „wie in den tief eingeschnittenen Thälern der Eifel, in der Umgebung des Laacher See’s, ım Kessel- thal von Wehr und in dem westlichen Böhmen, gleichsam in den Brandstätten der Vorwelt, oder in ihrer Nähe, sich die Ausströmungen der Kohlensäure, als letzte Regungen der vulkanischen Thätigkeit, offenbaren.“ Die Menge des — bald kalt, bald erhitzt — ausströ- menden Gases ist oft recht beträchtlich; Bischof [38] hat berechnet, dass eine einzige Quelle im Brohlthale pro Jahr 6000 Centner liefere. Vielfach befinden sich die Durchgangsspalten in Grotten, an deren Boden die Kohlensäure, weil sie die atmosphärische Luft an ‘Dichte übertrifft, eine förmliche Schicht bildet. Kleine Thiere, deren Ath- mungsorgane sich nicht über die Grenzfläche dieser Schicht erheben, fallen in Betäubung und sterben, wenn sie einige Zeit dort zu ver- bleiben gezwungen sind. Bekannt ist eine solche Höhle in den phle- gräischen Feldern bei Neapel, nicht minder die Mofette in der Nähe des Bades Pyrmont. Am öftesten besprochen ist aber wohl das soge- nannte „Todesthal* (Guwo Upas) auf Java worden, von dem noch Muncke [39] eine schaudererregende Schilderung entwirft, indess legen die objektiven Berichte neuerer Reisender (Junghuhn’s, Bick- more’s u..a.) die Annahme nahe, dass jene älteren Beschreibungen ein stark sagenhaftes Gepräge an sich tragen. e) Schlammvulkane. Für diese Kategorie trifft der Name un- eigentlicher Vulkane am meisten zu. Diese Salsen, wie man wohl auch sich ausdrückt, entstehen im Geleite erdbebenartiger Erschei- nungen; allmählig tritt ein stationärer Zustand ein, es bilden sich kleine Kegel, auf deren Spitze sich ein kleines Wasserbecken zeigt, und aus diesem fliesst lettiger Schlamm, unter periodischer Entwickelung von Wasserstoffgas, Kohlensäure oder Stickgas, nach unten [40]. Die be- rufensten Salsen sind die Maccaluba’s Siziliens (arabisch makhlub —= umgestürzt; auf Malta heissen so auch unvulkanische Bodensen- kungen) [41]. Zweifellos hat von deren Existenz schon Platon, der ja die Insel zu dreien Malen aufsuchte, Kunde gehabt; schreibt er doch im „Phaedon“ (vgl. Kap. II, $. 1) dem die Eingeweide der Erde erfüllenden Pyriphlegethon als Bestandtheil feuchte Schlammströme („Dypod zyXod zoranot*) zu. Des Theophrast leider verschollenes und nur von Diogenes Laertius dem Titel nach uns aufbehaltenes Werk „rept pbanos Ev Lıxeita® mag wohl auch für dieses Phänomen wichtige Eröffnungen enthalten haben. Der römische Geograph Soli- nus gedenkt desselben [42] in einer Weise, welche es ganz leicht kenntlich macht: „Idem ager Agrigentinus eructat limosas scaturigines, et ut venae fontium sufficiunt rivis subministrandis, ita in hae Siciliae parte solo nunquam deficiente, alterna rejectatione terram terra evomit.“ Auf Italiens Boden begegnen wir Schlammvulkanen bei Modena, bei Canossa, bei Parma u. a. a. O.; heftiger Regen bringt mitunter die Kegel zum Verschwinden, während sie bei Trockniss wohl auch explo- diren. Baku, die Insel Trinidad, Java, Borneo, Barbados sind gleich- j | III, $. 4. Uneigentliche Vulkane. 337 falls Schaustätten dieser Art vulkanischer Thätigkeit; auf Island birgt eine am Fusse des Krabla befindliche Höhle siedende Schlammmassen, deren Anblick nach Henderson einen grossartig schauerlichen Ein- druck gewährt [43], wogegen anderwärts wiederum die Temperatur der zähen Flüssigkeit eine niedrige ist. Ferner breiten sich Komplexe von Salsen zu beiden Seiten der Meerenge von Kertsch aus, welche aus dem asow’schen in das schwarze Meer führt; die Kraterbecken sind unergründlich tief, stossen aber die Leichen hineingefallener kleiner Thiere nach eingetretener Verwesung regelmässig wieder aus [44]. Unsere geographische Aufzählung runden wir ab durch die Nennung der Schlammvulkane auf der Insel Cheduba an der Küste von Arrakan, bei Dembo in Birma, der Volcanito’s von Turbaco in Südamerika, und des siebenbürgischen „Höllenmorastes“, welch’ letz- terer in periodischem Wechsel Schlamm auswirft und Gase aufsteigen lässt [45]. Für die Aktion der Salsen scheint nicht eine und dieselbe un- verbrüchliche Grundursache verantwortlich gemacht werden zu dürfen. Jedenfalls ist das Motiv meistentheils kein vulkanisches im gewöhn- lichen Sinne. „In manchen Fällen,“ urtheilt Gümbel [46], der den allerdings zweckmässigeren Namen Schlammsprudel eingeführt wissen möchte, „mag die vulkanische Thätigkeit die Entstehungsbedingungen der Eruptionsgase und der bituminösen Stoffe gleichsam mit sich näher an die Oberfläche gerückt und in die höheren Lagen der Schichtge- steine emporgezogen haben, indem hier ein höherer Grad von Wärme und mit demselben die Bedingung der Umbildung organischer Stoffe sich einstellte. Eine derartige Beziehung zwischen Schlammvulkanen und dem Vulkanismus dürfte namentlich auf Sizilien anzunehmen sein.“ Umgekehrt will Pilar [47] gerade in dem Auswurfe der Makkaluben nur das Produkt chemischer Vorgänge des Verwesens und Selbstent- mischens organisirter Substanzen unter dem Einflusse der Sonnenstrahlen erblicken, während er für die javanischen Sprudel mit v. Hoch- stetter |48] annimmt, dass in die Bodenspalten eindringendes Meteor- wasser die bereits dem Erstarrungszustande sich nähernden Lavaschich- ten zu oberflächlichen Eruptionen zu reizen vermöge. M. Wagner hat die Schlammvulkane der Taman’schen Halbinsel genau untersucht und sich dahin schlüssig gemacht (s. o.), dass die von Pallas, Gurief und Kulschin für deren Besonderheiten gegebene Erklärung wohl das Richtige treffe: Das Wasser des nur wenige Werst entfernten Liman dringe in einen unterirdischen Gluthheerd ein, und letzterer ver- anlasse die Wasserzersetzung, welcher elastische Dämpfe nachfolgen. In der That schliesst der vom Küll-tepe ausgestossene Schlamm Schilf- reste und Binsenwurzeln ein, die einzig und allein in den benachbarten Sumpfgewässern gewachsen sein können *). *) Für eine, wenn auch matte und zersplitierte, so doch immer mehr vul- kanische Thätigkeit der Schlammvulkane sprechen anscheinend auch O. Schnei- der’s Beobachtungen an dem sogenannten Schlangenberg in Transkaukasien [49]. Manche Anzeichen deuten darauf, dass dieser Schlammsprudel eine sehr recente Erscheinung ist und erst in historischer Zeit die nunmehr unter ihm verdeckte Begräbnissstätte durchbrochen hat, deren Knochenüberreste gegenwärtig oben auf schwimmen. Auch Pallas und Dubois de Montpereux haben Aehnliches wahrgenommen. i Günther, Geophysik. I. Band. 23 338 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. S. 5. Reihung und Anordnung der eigentlichen Vulkane. Der erste konsequente Versuch, eine grundsätzliche Scheidung aller wirk- lichen Feuerberge nach genetischen Normen durchzuführen, rührt von Leopold v. Buch her, der in dem „Ueber die Natur der vulkani- schen Erscheinungen auf den kanarischen Inseln und ihre Verbindung mit anderen Vulkanen der Erdfläche* betitelten Abschnitte seines grossen Reisewerkes [50] die Centralvulkane von den Reihen- vulkanen trennte. In die erstere Kategorie [51] ordnete er ein die Liparen, den Aetna, die phlegräischen Felder, Gesammt-Island, die azorischen, kanarischen und kapverdischen Inseln, Ascension, die Galla- pogos, Marquesas, Bourbon, die Gesellschafts- und Freundschaftsinseln, eventuell den Demawend, Ararat, die sonstigen armenischen und tar- tarischen Berge und die seither sehr fraglich gewordenen Vulkane von Kordofän. Die Reihenvulkane sollten sich in zwölf selbstständigen Linien gruppiren [52]: Die griechische Inselreihe, die westaustralische Reihe, die Sundareihe, die molukkisch-philippinische Reihe, die von Japan durch die Kurilen nach Kamtschatka hinüberführende Reihe [53], die Reihe der Aleuten, diejenige der Marianen, diejenige von Chile, Quito, von den Antillen [54], von Guatemala und Mexiko. Diese Klassifikation, welche Buch in einer noch vor der Drucklegung des erwähnten Werkes erschienenen Abhandlung zu begründen gesucht hatte [55], steht allerdings mit den theoretischen Ansichten ihres Ur- hebers in enger Verbindung, welche (s. u. $. 10) heute viel an ihrem Werthe verloren haben, und so hat dieselbe gegenwärtig auch nicht mehr jene ganz hohe Bedeutung, wie damals, als ihr Humboldt [56] enthusiastisch Beifall zollte, doch entspricht sie immerhin den That- sachen zu sehr, um nicht, von allen daran sich knüpfenden Hypothesen ab- gesehen, rein schematisch oder architektonisch ihren Werth zu behaupten. Indess hat schon Fr. Hoffmann, so entschieden auch gerade er zu L. v. Buch’s Fahne schwört |57|, den Versuch gemacht, den strengen Unterschied zwischen isolirten und gereihten Vulkanen zu verwischen, indem er die Gruppe der liparischen Eilande als verbindendes Zwischen- glied zwischen beide Klassen eingeschoben wissen wollte [58]. Charles Darwin erkennt den Gegensatz überhaupt nicht an und definirt so- genannte Centralvulkane als Reihenvulkane von geringer Ausdehnung auf parallelen Spalten [59]. Das Bestreben, einen sozusagen mathe- matischen Grundgedanken in der Anordnung der irdischen Vulkane zu entdecken, hat in Schriften, wie diejenigen von Ordinaire (Histoire naturelle des volcans, Paris 1802) und Sickler (Ideen zu einem vulkanischen Erdglobus, Weimar 1812) sind, zu Uebertreibungen ge- führt. Nach einem von Kalkowsky vor dem geographischen Vereine zu Leipzig gehaltenen Vortrage, welchen wir nur aus einer kurzen Notiz kennen, überdecken die Vulkankurven den südlichen Theil Europa’s mit einem förmlichen Netzwerke. Wichtiger, weil auf unsere modernen vulkanischen Theorieen unmittelbar influirend, ist die Anordnung der feuerspeienden Berge längs den Küsten der Meere oder grosser binnenländischer Wasseran- sammlungen. Humboldt bemerkt, dass schon Trogus Pompejus, den dann Justinus als Quelle benützte, auf diesen Umstand aufmerk- sam machte [60], und er theilt weiter eine derselben Wahrnehmung Ausdruck verleihende beachtenswerthe Stelle aus Bembo’s Lehrge- en ee nn a ee II. $. 6. Geographische Vertheilung der Vulkane. 339 dicht „Aetna dialogus® mit, welches um die Mitte des XVI. Jahr- hunderts verfasst wurde [61]. Zweihundert Jahre später erklärt der Indien-Reisende Brunel [62]: „Phaenomena terrifica et horrenda sunt vulcanorum eruptiones et terrae motus, quorum mutuus consensus, caussae et effectus a physicis explicari solent. 'T’erras maritimas iis praecipue obnoxias esse propter copiam ingentem corporum inflamma- bilium, a mari suffeetorum, cujusmodi sulphur et bitumen sunt, res satis nota est.“ Im gleichen Sinne lautete J. R. Forster’s auf grossen Reisen gewonnenes Urtheil. Neuere Untersuchungen brachten der Hauptsache nach Bestätigungen, doch ist darauf zu achten, dass mancher erloschene Vulkan, der nunmehr tief im Festlande liegt, einem Meeres- becken der 'Tertiärzeit sehr wohl benachbart gewesen sein kann, und solche Erscheinungen würden allerdings keine Ausnahme begründen. Immerhin sind (vgl. die eine Randnote zu $. 4) die Vulkane des Ili- Beckens, welche v. Richthofen an das Gestade eines vorzeitlichen Meeres verlegte, nicht als gesichert zu betrachten, vielleicht die von Stolicka im Thian-Schan erkannten Kraterreste ausgenommen [63]. Der Demawend im Albrusgebirge verräth zwar durch seine ganze Bauart, durch seine von Einigen mit der Somma des Vesuv verglichene obere Umwallung und durch aktive Fumarolen seinen vulkanischen Ursprung, dass aber die Rolle des Berges schon lange ausgespielt ist, erhellt schon aus Tietze’s Nachweis, es sei die Schichtenstellung der bis zu einer Höhe von 2700 m hinaufreichenden Sedimentbildungen ausser Beziehung zu irgendwelcher vulkanischer Kraftäusserung [64]. Der vorhin erwähnte Dschebel-Koldadschi im Sudän ist schon von Rüppell [65] wieder aus der Reihe der thätigen Vulkane gestrichen worden. Aehnlich ist es mit einem armenischen Vulkan bestellt, den nach einem von Lynch nach London gerichteten Briefe [66] der Konsul Taylor zwischen dem Van-See und dem durch seine heissen Schwefel- quellen bekannten Orte Diadyn entdeckt haben wollte. Abich, der die im Lande unter dem Namen „die Ofenberge* wohlbekannten Er- hebungen schon früher untersucht hatte, leugnet allerdings nicht deren auffallende Aehnlichkeit mit aktiven Vulkanen, hält auch die Thätig- keit derselben für eine erst seit kurzer Zeit erloschene, konstatirt aber mit Bestimmtheit, dass die Berge zur Zeit nur noch im Solfatarenzu- stande sich befinden [67]. Die innige Beziehung, welche zwischen der Lage der thätigen Feuerberge und dem Meeresstrande obwaltet, kann ‚ als eines der wenigen völlig gesicherten Gesetze der Vulkanologie gelten; am weitesten im Binnenlande liegt wohl der grosse Ararat, der sich aber dafür in der Nachbarschaft der gewaltigen Landseen Hocharmeniens befindet. — Wenn Milne Recht hat, bevorzugen übrigens die Vulkane durchgehends solche Meeresküsten, deren Abfall zur Tiefsee ein besonders steiler ist. S. 6. Geographische Vertheilung der Vulkane Indem wir uns anschicken, die Ausstreuung der eigentlichen (Strato- und Domvulkane) über die Erdoberfläche festzustellen, müssen wir natürlich einen ge- wissen Unterschied zwischen thätigen und erloschenen Vulkanen machen, doch darf diese Trennung nicht soweit gehen, beide Gruppen gesondert behandeln zu wollen, da doch der vulkanische Charakter einer Gegend durch das Vorhandensein wirklicher Eruptionskanäle nur Ve a ea Re TERN LT IS > [i Br RE = EIN PR Sa Ce EN ET ö N A ei 100 Y ; FH RE LI=3. R BR 340 Dritte Abtheilung. a im engeren , a Sr mittelbar bedingt wird. Wir beginnen mit unserem eigenen Erdtheile und verweisen auf die in Fig. 69 vermittelte Skizze der Vulkan- e. | Fig. 69. "QUeyınA JU9U2SOL1A (3) oueyma eIney, YA RN 5 = IEBEEBRIL U'4 E68 i > Er | j { 4 | BE ee Br..: Geographie, welche nach den in den len von Poulett Scrope und K. Fuchs enthaltenen Karten gearbeitet ist. : a) Europa. Das vulkanreichste Land Europa’s ist Italien, durch- ’ zogen von einer Vulkankette, deren Glieder aber, mit Einer Ausnahme, Ze 1lI, $. 6. Geographische Vertheilung der Vulkane. 341 westlich des Apennin gelegen sind [68]. In Mittelitalien deuten der See von Bolsena, die Kuppe von Radikofani, die Seen (Maare) von Nemi und Albano, vor Allem aber der Monte nuovo auf vulkanische Entstehung, während Breislak’s Behauptung, dass das alte Rom auf den Kratern erloschener Vulkane erbaut worden sei, in v. Buch einen gefährlichen Gegner gefunden hat [69]. Die Grenze zwischen Mittel- und Unteritalien markirt die vulkanische Rocca monfina, dann folgen die krater- und fumarolenreichen phlegräischen Felder, denen wohl auch die benachbarten Inseln Procida, Vivara und Ischia — letztere mit dem seit 1302 nicht wieder aus seiner Lethargie erwachten Berge Epomeo — zuzurechnen sind. Oestlich des Apennin steht vereinzelt der Vultur [70]. Der wohlbekannte Vesuv am Golfe von Neapel ist der einzige noch rührige Vulkan des europäischen Festlandes; an ihm hat man seiner leichten Zugänglichkeit halber mit Vorliebe vulkanisti- sche Forschungen angestellt, zumal seit unter Palmieri’s Leitung [71] ein wohl ausgestattetes Observatorium seinem Krater gegenüber ange- legt worden ist. Der Berg hat zwei durch das halbkreisförmige „Atrio del cavallo* getrennte Gipfel, deren einer einen regelmässigen Kegel bildet, während der andere, eine als „Somma“* bekannte ring- förmise Wand, den Ueberrest des alten, weit grösseren Kraterrandes darstellt. Zur älteren Römerzeit wusste man nichts von den gefähr- lichen Kräften, die im Inneren des Berges schlummerten, vielmehr er- folgte der erste grosse Ausbruch erst 79 n. Chr.; derselbe verschüttete die den Abhang umlagernden Städte Pompeji, Stabiä und Herculanum und machte den älteren Plinius zum Opfer seines Forschungsdranges. Dann trat wieder Ruhe ein, so dass der letzte Ostgothenfürst Teja den Berggipfel, wie schon vor ihm im Sklavenkriege Spartacus, zum letzten Zufluchtsort für seine Volksgenossen wählen konnte. Seit 1631 kann man die zweite, lebhaftere Periode der eruptiven Thätig- keit des Vulkans datiren, welche von jenem Zeitpunkte an bis 1872 nicht weniger als 33 grosse Ausbrüche lieferte, manche derselben ganze Jahre umfassend [72]. — Von der italienischen Inselwelt sind hierher zu rechnen die Liparen, die Insel Vulcano, bedeckt mit Solfataren und der in seiner Arbeit niemals ermattende Stromboli-Vulkan, der den Schiffern durch den seinen zahlreichen Krateröffnungen bei Nacht ent- steigenden Feuerschein zur Landmarke dient. Kleinere Inselchen, wie Pantellaria, Felicudi, Lampedosa u. s. w. seien nur im Vorbeigehen erwähnt. Auf Sardinien finden sich |73] die ausgebrannten Vulkane Monte-Ferru und Ara. Auch die submarin-eruptive Thätigkeit macht sich, wie die Bildung der kurzlebigen Insel Ferdinandea im Jahre 1831 beweist, in den italienischen Meeren geltend. Das grosse Sizilien enthält auch den imposantesten feuerspeienden Berg, den Aetna, der uns durch die von Sartorius v. Waltershausen und den Astronomen ©. F. Peters ausgeführte grossartige geologisch- geodätische Mappirungsarbeit [74] wissenschaftlich erschlossen wurde, nachdem schon weit früher der Sizilianer Bembo ihm das uns bereits bekannte Gedicht gewidmet hatte. v. Lasaulx, der das unvollendet gebliebene Werk von Sar- torıus vollendete, beschreibt auch [75] den allerneuesten Ausbruch des Aetna und kennzeichnet dessen Verschiedenheiten gegenüber früheren Aktionen, theilweise nach Nachrichten des Professors Silvestri m Catania, der sich um seinen heimathlichen Vulkan ähnliche Verdienste 342 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. erwerben zu wollen scheint, wie sein Landsmann Palmieri um den Vesuv. Spanien besitzt nur kleine vulkanische Gebiete in Katalonien und in den zwischen den Balearen und der Küste gelegenen Columbretes- Inseln. Von der Balkanhalbinsel verdient einzig Griechenland Beach- tung, namentlich die Oykladengruppe, welche als vulkanische Bestand- theile Milos, Kimolos, Polinos und Nysiros, besonders aber den sehr thätigen Inselvulkan Santorin aufweist [76]. Vom Festlande kommt wesentlich die Halbinsel Methana in Betracht. Nach Reiss und Stübel [77] durchbrachen daselbst zähflüssige Trachyte in vielfacher Aufeinanderfolge die alten Kalkgebirge und häuften sich zu kegel- förmigen Rücken auf; das ergossene Material füllte theilweise das Meer an und bildete Inseln. Obwohl seit 2000 Jahren die Ruhe dortselbst nicht mehr unterbrochen ward, möchten die beiden Forscher doch nicht für das vollständige Erloschensein der unterirdischen Reg- samkeit einstehen, deren letzte Epoche zweifellos 'in die historische Zeit fällt. Russland und Skandinavien entbehren vulkanischer Ueberbleibsel gänzlich, soferne man nicht letzterem auch die Insel Island, das vul- kanische Musterland, zurechnen will. Der Hekla im Südwesten, der Krabla oder Krafla im Nordosten der Insel treten am augenfälligsten hervor, doch giebt es überhaupt auf ihr kein vulkanfreies Terrritorium von grösserer Ausdehnung. Im Südwesten zeigt der Vatna-Jökull massenhafte kleinere Kegel, ferner ist daselbst der Snäfall-Jökull zu nennen, und die Eruption von 1875 gab einem neuen Vulkan, dem Oskjagja, das Leben [78]. Die britischen Inseln haben neuerdings, seit Geikie und Kinahan ihre in $. 3 citirten Untersuchungen veröffentlichten, insoferne die ihnen bisher zuertheilte Stellung geändert, als auf ihnen, namentlich auf den Hebriden, homogene Vulkane vorkommen. — Frankreichs vulkanreichster Bezirk ist die Auvergne, wo nach Fuchs 39 soge- nannte „Puys“ oder Pik’s bei einander liegen |79]. Nicht weit davon entfernt ist der Vulkandistrikt des Velay und Vivarais, ferner ist das Departement Herault mit Tuff und Lavaströmen übersäet. — Oesterreich besitzt in Siebenbürgen einige wirkliche Trachytvulkane und im Tokay- Eperies-Gebirge Hügel, welche sich aus Andesitlaven aufbauten [80]. Im böhmisch-schlesischen Grenzgebirge begegnen wir dem Rautenberg, dem Köhlerberg und dem Vulkan von Messendorf; ein isolirter Vulkan erhebt sich im trentschiner Komitat an der mährisch-ungarischen Grenze. Den ebenfalls ganz vereinzelt auf weiter Ebene sich erhebenden Kammer- bühl in Nordwestböhmen lehrte uns Goethe durch seinen hübschen und von feiner Naturbeobachtung zeugenden Aufsatz „der Kammer- berg bei Eger“ [81] näher kennen, ohne freilich als eifriger Neptunist mit dem Gesehenen sich gehörig auseinandersetzen zu können. Auch Tyrol bietet für die Ergründung der in die geologische Vorzeit hinauf- reichenden Vulkane ein reiches Material. „Bei Predazzo in Südtyrol,“ sagt Suess [82], „ist durch das von Nord gegen Süd verlaufende Thal des Avisio und durch das von Osten einmündende Val Travignolo der Schlot eines Vulkans der Triaszeit erschlossen. ‘Es ist eine wun- derbare Stelle. Seit im Jahre 1823 Marzari-Pencati die erste Schilderung derselben lieferte, ist sie bis zu dem heutigen Tage der III, $. 6. Geographische Vertheilung der Vulkane. 343 Schauplatz stets erneuter Forschungen gewesen, und die Mannigfaltig- keit der Erscheinungen ist noch lange nicht geklärt.“ Die — sämmtlich in den Ruhestand übergetretenen — Vulkane Deutschlands behandelt Hesse in einer interessanten Monographie [83], die uns für die nachfolgenden kurzen Notizen wesentlich zur Richt- schnur gedient hat. Was die Auvergne für Frankreich, das ist für unser Vaterland das Gebiet der Eifel, das Hochplateau zwischen Rhein, Mosel, Rör und Sauer, ein ächter Tummelplatz vulkanischer Kräfte, dessen Name schon etymologisch einen glühenden, brennenden Land- strich bedeuten soll, und von dem nach dem Zeugniss des Trierer Geognosten Steininger der grosse L. v. Buch geäussert hat [84]: „Die Eifel hat ihres Gleichen in der Welt nicht; sie wird auch ihrer- seits Führer und Leiter werden, manche andere Gegend zu begreifen, und ihre Kenntniss kann gar nicht umgangen werden, wenn man eine klare Ansicht der vulkanischen Erscheinungen erhalten wifl.“ Für alle Uebergänge zwischen Strato- und Domvulkan liefert dieses Gebirge Typen; vor Allem aber sind die im nächsten Paragraphen einlässlicher besprochenen Vulkanseen oder Maare von Wichtigkeit, deren Stei- ninger [85] acht namhaft macht, deren es aber in Wirklichkeit noch weit mehr giebt [86]. Am Rhein zeichnet sich das Siebengebirge durch seine Trachyt- und (in geringerem Maasse) Basaltbildungen aus, rhein- aufwärts begegnen wir als von vulkanischen Gängen durchsetzten Ge- birgen dem Taunus, Westerwald, der Haardt und dem Kaiserstuhl [87]. Gümbel vindieirt |88] den sämmtlichen Bimssteinen der Rheinlande wo nicht einen einzigen Ursprungspunkt, so doch einen gemeinsamen vulkanischen Heerd, ‘welchen er am Mittelrheine sucht. Schwarz- wald, Odenwald und Spessart ziehen den Vulkanforscher weniger an, um so mehr aber der Vogelsberg wegen seiner mächtigen Basalt- bedeckung [89]; unweit Giessen erhebt sich der ehemalige Vulkan Aspenkippel. In der Rhön fesseln uns Basalt- und Phonolith-Ergies- sungen, während letztere, ebenso wie Trachyt, in dem basaltreichen Fichtelgebirge fehlen [90]. Endlich ist bei der von Gümbel geleiteten geologischen Landesaufnahme des Königreiches Bayern die merkwürdige Entdeckung gemacht worden, dass die einem ehemaligen Seebecken zu vergleichende weite Ebene, die sich von Nördlingen bis zum Hessel- berge erstreckt, das sogenannte Riess, von einem durchaus vulkanischen Untergrunde getragen wird [91]*). b) Asien. Von einigen armenischen, persischen und — zweifel- haften — innerasiatischen Vulkanen ist bereits die Rede gewesen. Oest- lich von Smyrna breitet sich ein altvulkanisches Gebiet (7 Xaransxanı.evn) aus, auch das Taurusgebirge enthält Vulkane. Im Kaukasus erreichen die Vulkangipfel (Elbrus und Kasbek) bedeutende Höhen. Arabien kennt jetzt keine thätigen Vulkane mehr, doch fand noch während des XIII. Jahrhunderts im Sehadö-Thale bei Medina eine furchtbare Erup- tion statt |93]. Für Hindostan ist nur der submarine Ausbruch bei = *) Zwischen Europa und dem eigentlichen Nordpolargebiete liegt als strit- tiges Territorium die Insel Jan Mayen, deren wir anhangsweise hier gedenken wollen. Dieselbe ist stark vulkanisch; ihre Längsrichtung stimmt nach Kaiser [92] mit der Richtung der vulkanischen Spalte überein, über welcher sie allem Ver- muthen nach sich erhebt. Parasitische Vulkankegel lassen auf eine jene Längs- spalte rechtwinklig durchsetzende Transversalspalte schliessen. 344 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Pondichery vom Jahre 1757 ganz ausser Zweifel gestellt. Von der indischen Küste an mangelt es dem asiatischen Festlande bis zum äussersten Norden hin ganz und gar an Spuren vulkanischer Mani- festationen, dafür weiss von der Halbinsel Kamtschatka Fuchs [94] nicht weniger als zwölf thätige und fünfundzwanzig erloschene Vulkane auf- zuzählen, und die Inselwelt erscheint mit diesen in einer für die Ein- wohner nicht eben erfreulichen Reichhaltigkeit ausgestattet. Die aleu- tische Inselreihe zählt 48, die kurilische 20 Vulkane [95], Japan end- lich ist geradezu das klassische Land der Feuerberge, deren einer, der Fusijama bei Tokio, den Lokalhistorikern zufolge erst im Jahre 286. v. Chr. sich gebildet haben soll [96]. Ueber Formosa mit seinen drei aktiven Vulkanen gelangen wir zu den Philippinen, deren Vulkane, unter welchen der Taal und Mayon hervorragen, von J. Roth für Jagor’s Reisewerk beschrieben wurden |97|. An diese Inselgruppe reihen sich @ie Molukken mit dem sehr lebhaften Gamalama auf Ter- nate, und an diese wieder die Sunda-Inseln. Auf Sumatra kennt man 19, auf Java 46 solche Berge genauer [98]; am Gunong Tengger sammelte Junghuhn, der eigentliche Begründer der physikalischen Geographie Java’s, jene Erfahrungen, die zuerst die Humboldt- Buch’sche Erhebungstheorie in’s Wanken brachten [99]. „Die Vul- kane auf Java,“ sagt Bickmore [100], „stehen meist in zwei Reihen; die eine fängt bei Kap St. Nikolas an, dem nordwestlichen Ende der Insel, und geht diagonal über dieselbe bis zu ihrem südöstlichen Vor- sebirge an der Strasse von Bali. Die andere läuft dieser parallel und erstreckt sich von der Mitte der Sundastrasse bis zur Südküste in der östlichen Länge von Cheribon.* An entsetzliche Ereignisse als Folge von Vulkanausbrüchen ist man im hinterindischen Archipelagus ge- wöhnt; so soll ein Aschen-, Heisswasser-, Schlamm- und Lavenerguss des Galunggong auf Java vom 8. bis 13. Juli 1822 nicht weniger als zwanzigtausend Menschenleben hingerafft haben [101]. In grausiger Erinnerung steht ferner uns Allen die gigantische Erdumwälzung, welche im August 1883 eine förmliche Neubildung der Sundastrasse bewirkte. Offizielle Beleuchtungen des Ereignisses gehen jetzt allmählig ein, und es scheint, dass die ersten Zeitungsmeldungen die Grösse des Unheils noch übertrieben, immerhin aber ist gewiss, dass auf Java die Ortschaften Pulu Merak, Anjer, Tanara, Kramat verwüstet und auch auf Sumatra Telok Benong, die Hauptstadt des Lampong’schen Distriktes, vollkommen vernichtet wurden [102]. Als Ausgangspunkt des unterirdischen Sturmes dürfte der Vulkan der Insel Kratakaua zu betrachten sein; zwischen diesem Eilande und dem nahen Sebessi sollen sich sechzehn neue Krater aufgethan haben, während der Heerd des Riesenbrandes in Trümmer , zerfallen ist. Eine Karte der Veränderungen enthält N. 10 von Bd. IX der Berl. Verh. c) Afrika. Dieser gering entwickelte und dem Eintritt des Meeres sich schroff verschliessende Welttheil ist arm an Vulkanen |103]. An der Guineaküste steigt das mit ehemaligen Kratern reichlicher ver- sehene Camerongebirge auf, welchem die vulkanischen Inseln Fernando Po, St.- Thom&e und Annobon als Anhängsel zugerechnet werden müssen. Ob Zambi und Pembo in Südafrika in aktiv-vulkanischem oder blos im Solfatarenzustande sich befinden, steht noch dahin. Ein Vulkankomplex umfasst das nördliche Madagaskar mit 4, die Comoro- III, $. 6. Geographische Vertheilung der Vulkane. 345 Inseln mit 2 thätigen Vulkanen und die Küste von Mozambique mit einem solchen. Vom Aequator ab ist Afrika’s Ostrand mit erloschenen Feuerbergen bedeckt, unter denen auch einzelne noch regsame vor- kommen, und ebenso verhält es sich mit Abessynien, wo noch zur Ptolemäerzeit Eruptionen beobachtet worden sein sollen [104]. Ein Kranz vulkanischer Inseln umsäumt die Küste; darunter befindet sich der Vulkan Dukhän, der zum letztenmale 1834 in wirkliche Aktion getreten ist*). | d) Australien und Polynesien. Von den zweifellos vorhandenen Vul- kanen Neuguinea’s hat man ebensowenig wie von denjenigen Neubritta- nien’s ausreichende Kunde [109]. Neuholland’s Kontinent begnügt sich mit den Vulkanhügeln, Kratern und Kraterseen der Kolonie Viktoria. Die polynesischen Inselschwärme weisen thätige und erstorbene Feuerberge zur Genüge auf, so die Salomons-Inseln, die St. Oruz-Inseln, die neuen Hebriden, die Tonga-, Viti-, Schiffer-, Gesellschafts- und Marquesas- Inseln, endlich auch die kleine Oster-Insel mit ihrem Vulkan Otä-iti [110]. Die Marianen enthalten mindestens vier thätige Vulkane. Plu- tonischen Ursprunges ist auch die Sandwich-Gruppe, deren grösste Insel Hawai, im Mauna-Kea, Mauna-Wororai, Ponochooha und Mauna-Loa vier sehr merkwürdige Feuerberge besitzt |111l. An Furchtbarkeit und Grossartigkeit der Ausbruchsphänomene wird der letztere wohl von keinem Konkurrenten erreicht, geschweige übertroffen, namentlich zeichnen ihn die einem See vergleichbaren Lavabecken aus, welche mit geschmolzener Lava gefüllt sind. Bei einem seiner letzten Ausbrüche ereignete es sich, dass die Lava volle drei Viertel eines Jahres, vom November 1880 bis zum August 1881, ununterbrochen ausfloss [112]. Neuseeland’s vulkanische Thätigkeit koncentrirt sich im Norden; die Südinsel birgt nur einen kleinen vulkanischen Strich mit grossen- theils zerstörten Kratern [113]. Dagegen lassen sich auf der Nord- insel drei getrennte vulkanische Bezirke unterscheiden. Die einzigen noch kräftigen Zeugen dereinstiger Riesenkraft sind der Whakari und Tongariro; sie enthalten zwischen sich jenen eigenartigen, mit heissen Quellen und Solfataren bedeckten Flächenraum, welchen v. Hochstetter so anziehend zu schildern wusste [|114|. Wir erinnern uns, welchen Gewinn für das Verständniss der Vulkanstruktur gerade die neusee- ländischen Vulkane dem genannten Gelehrten gebracht haben (e. o. $. 2). *) Was dem Kontinent an Reichthum vulkanischer Entwickelung abgeht, ersetzen reichlich die Afrika zugehörigen Inseln im atlantischen Ocean. Die Azoren, welche man mit vielleicht noch mehr Recht freilich für Europa bean- spruchen könnte, sind durchweg vulkanische Bauwerke und bekunden diese ihre Herkunft noch jetzt durch unterseeische Eruptionen [105]. Madeira besteht wesent- lich aus Tuffschichten, Schlacken und vulkanischer Asche. Für die kanarischen Inseln genügt es, zu sagen, dass auf ihnen, namentlich auf Palma, v. Buch zur Konception seiner jedenfalls grossartigen vulkanistischen Ideen angeregt wurde [106]; der noch immer thätige Pik von Teneriffa ist nach Poulett Scrope [107] durch seine „dreifache Axe“ ausgezeichnet. Die Kap-Verden endlich sind gerade jetzt durch die — bereits in Kap. III $S. 10 der ersten Abtheilung angeführte — treff- liche Arbeit Dölter’s [108] in den Vordergrund geologischen Interesses gerückt worden. Dieser Insel-Archipel ist von Dölter als Bestandtheil eines dereinstigen ausgedehnteren Landkomplexes erkannt worden, der aber nicht gerade bis zu den Kanarien und bis zu Madeira sich erstreckt zu haben braucht. Auch St. Helena, Fernando da Noronha, Tristan d’Acunha, St. Paul, Bourbon und Mauritius sind vulkanisch. 346 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. e) Polarregionen. Im nördlichen Eismeere gebricht es an Vul- kanen und vulkanischen Erscheinungen gänzlich. An der Südgrenze des indischen Oceans gegen das südliche Eismeer hin stossen wir da- gegen schon auf die theilweise vulkanischen Kerguelen; im südlichen Polarmeere selbst ist Young-Island gewiss, Bukle-Island wahrscheinlich, Sawadowski- und Alexanders-Insel möglicherweise vulkanisch [115]. James Clark Ross entdeckte unter 77 ° Süderbreite die hohen Zwil- lingsvulkane Terror und Erebus, deren letzterer Rauch und Flammen ausstiess und offenbar im Stadium hoher Erregung sich befand [116]. f) Nord- und Centralamerika. Die Halbinsel Aljaska ist mit fünf Vulkanen ausgerüstet [117]. Dann folgt das vulkanreiche Kaskaden- gebirge mit einer Reihe himmelanstrebender Gipfel (Eliasberg, Mount- Baker, Mount-Vancouver). Die Sierra Nevada bietet im Monte del Diabolo einen erloschenen Vulkan; solche finden sich auch, und zwar in reicher Menge in den Rocky-Mountains, während unter 27° 9 Norderbreite die noch vor 150 Jahren thätigen Virgines-Vulkane ge- legen sind [118]. Ratzel, der gründlichste Kenner der nordamerika- nischen Union, bemerkt [119], dass eigentlich vulkanische Erschei- nungen in deren Bereiche nur sparsam vertreten seien, und dass die letzten dort nachweisbaren Eruptionen in die spätere Tertiärzeit fielen. Jüngeren Datums sind ihm zufolge die Yellowstone-Trachyte, noch neueren aber die grossen Basalt-Ergiessungen jener Gegend. Mexiko hat neun thätige Feuerberge, unter denen sich der hohe Popocatepetl und der uns durch seine Fumarolen bereits bekannte Yorullo auszeichnen [120]. Minder genau bekannt ist die Anzahl und Wirkungsweise der Vulkane in der Gesammtheit der kleineren central- amerikanischen Republiken (Guatimala, San Salvador, Honduras, Ni- caragua und Costarica), doch entfaltet sich in ihnen allen der Vulkanis- mus auf das Mannigfaltigste. Nach M. Wagner „ist für die Gebirge Centralamerika’s das ungeheure Ueberwiegen der krystallinischen Massengesteine, der plutonischen und rein vulkanischen Bildungen über die geschichteten Formationen durchaus charakteristisch“ [121]. Unter den von ihm studirten Vulkanen erkennt der genannte Naturforscher dem Turivalva den Preis zu [122]. Die dem Westrande des südamerikanischen Festlandes parallei laufende Andenkette ist reich mit feuerspeienden Bergen besetzt, nur zwischen Quito und Peru und zwischen Peru und Chile ist die Reihe unterbrochen [123]. Es genüge, einige der bekannteren Namen heraus- zuheben. In Quito erheben sich u. a. der Pinchincha und Cotopaxi, während der vielgenannte Chimboraze kein eigentlicher Vulkan ist, in Peru und Bolivia machen der Uvinas und Illascar am meisten von sich reden, unter den chilenischen Vulkanen ragt der höchste aller bekannten Feuerberge, der Aconcagua, hervor, während an der Küste des Landes auch submarine Bildungen vorkommen. Allerdings bestand über den eigentlichen Charakter des Aconcagua lange keine vollständige Klarheit, doch ist dieselbe vor ganz kurzer Zeit erlangt worden, nach- dem einer der unermüdlichsten Forschungsreisenden der Jetztzeit, Güssfeld, gerade diesen Gipfel zum genen der Erkundune sich ausersehen hatte [124]. &) Amerikanische Inseln. Die Bahama-Bank A. am 25. No- vember 1837 einen unterseeischen Ausbruch. Den kleinen Antillen III. $. 7. Der Eruptions-Akt und die ihn begleitenden Umstände. 347 erkannte schon L. v. Buch, wie wir in $. 5 erfuhren, die Qualität einer selbstständigen Vulkanreihe zu. Der Insel Dominique sollen nach Fuchs [125] nur Solfataren eignen, doch haben sich dieselben neuer- dings durch ihre eigenthümlichen Sand-Eruptionen, deren Material Daubre&e näher untersuchte, wohl noch einen höheren Platz in der Stufenleiter der vulkanischen Heerde erworben [126]. Die Great- Mountains der oceanischen Insel Ascension verrathen Basaltergüsse und Absonderungen von Schlacken; offenkundig vulkanischer Natur ist endlich auch der Archipel der Galapagos, über deren Topographie man durch Th. Wolf’s Reisebericht [127] das Nähere erfahren hat. — Hiemit unsere vulkanistische Durchmusterung der Erde beschlies- send, bemerken wir noch, dass alle neueren Arbeiten über einzelne Vulkane oder ganze Vulkanzonen sorgfältig in Zöppritz’s geophysikalischen Referaten aufgeführt werden [128] *). $S. 7. Der Eruptions-Akt und die ihn begleitenden Umstände. Be- stimmte Anhaltspunkte dafür, dass ein als thätig bekannter, im Augen- blicke jedoch in Ruhe verharrender Feuerberg demnächst wieder seine Thätigkeit aufnehmen werde, fehlen im Allgemeinen oder besitzen doch wenigstens nur eine ganz und gar dem Einzelfalle angepasste Be- deutung [129]. Erdbebenerscheinungen und ein dumpf dröhnendes ‚Rollen im Innern bereiten häufig auf eine Eruption vor, aber keines- wegs immer, denn während allerdings die Neubildung der Meeresinsel südwestlich von Sizilien und die Entstehung des Monte nuovo in der Bucht von Bajä, den theilweise auf Augenschein beruhenden Angaben Fr. Hoffmann’s zufolge [130], durch heftige Erdstösse angekündigt wurden, sind schon gewaltige Eruptionen des Vesuv und Mauna-Loa ohne derartige Anzeichen erfolgt. Genaue Verfolgung der leisen Er- zitterungen des Bodens im Sinne von Palmieri und De Rossi **) wird sich in vulkanischen Ländern immerhin empfehlen. Versiegen der Brunnen und Quellen und Trübung oder chemische Veränderung des Quellwassers ist häufig Vorbote der Eruption, jedoch ebenfalls nicht als zuverlässiges Prognostikon zu erachten. Die meiste Gewähr bietet immer noch die unablässige Beobachtung des Kratergrundes, wo sich Veränderungen, namentlich Hebungen, einzustellen pflegen, wenn ‚eine Aktion im Anzuge ist. In jenen Ländern, wo sich der Ausgang des Eruptionsschlundes oberhalb der Schneegrenze befindet (Island, Kamtschatka, Aljaska), kommt nicht selten der Schnee auf dem stark er- hitzten Gestein zu plötzlichem Schmelzen [132] ***). Der weit verbreitete *) Die einzelnen Ausbrüche registriren Tschermak’s „Mineralogische Mit- theilungen* (Bericht von Fuchs) und ebenso das „Bolletino del Volcanismo Italiano“. *%) Mit Hülfe des Mikrophons war es De Rossi möglich [131], durch eine auf seinem Observatorium zu Rocca di Papa angestellte und mehrere Monate umfassende Versuchsreihe zu konstatiren, dass sich die Eruptionen des Vesuv selbst in so grosser Ferne noch fühlbar machen. Das Mikrophon und ein mit demselben in Verbindung gesetztes Aufnahme-Telephon gewähren die Mittel, auch die allerkleinsten vulkanischen Geräusche noch dem Ohre zuzuführen. Das tra- gische Erdbeben von Ischia gab dem römischen Seismologen Anlass, von Neuem die Vorzüge seines Verfahrens zu empfehlen. *#*) Noch Gassendi und Descartes huldigten der Ansicht, schneebedeckte feuerspeiende Berge könne es überhaupt nicht geben, da die innere Wärme den 348 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Glaube von einem Zusammenhange der atmosphärischen Zustände, namentlich des Barometerstandes, mit den vulkanischen Vorgängen ist, wie die monographische Darstellung von Kries [134] des Näheren ausführt, nicht haltbar, obwohl noch v. Buch und v. Humboldt an solche Beziehungen geglaubt hatten. Den eigentlichen Ausbruchsakt pflegt ein energischer Stoss ein- zuleiten, dann ringen sich Dampf- und Gasmassen aus dem Schlote hervor, die ohnehin schon im Krater vorhandenen Aschen- und Geröll- Ansammlungen werden in die Lüfte geschleudert, und endlich gelangt die rothglühende eigentliche Lava zum Aufsteigen. Wenn die Span- nung der Dämpfe eine grosse, die Kraterwandung dagegen eine dünne ist, so kann es geschehen, dass, um Palmieri’s bezeichnenden Aus- druck [135] zu wiederholen, die Lava, ehe sie noch die Mündungs- stelle erreicht hat, förmlich durch alle Poren ausschwitzt. Die hinausgestossenen, kugelförmigen Dampfbälle bilden einen nach oben sich mehr und mehr verbreiternden Kegel, welchen die Italiener charakteristisch als Pinie bezeichnen; in deren oberen Partieen ist der Sitz lebhafter elektrischer Ausgleichungsprocesse, durch welche Blitz, Donner und wolkenbruchartige Regengüsse bewirkt werden. Die Barranco’s (s. o. $. 2) werden von den letzteren ausgehöhlt. Mit dem Austritt der Lava, welche seltener durch das Mundrohr selber, ge- wöhnlich aber durch eine unter dem Seitendruck der Flüssigkeit sich öffnende Spalte erfolgt, ist der hier beschriebene typische Akt der Eruption im Wesentlichen beendigt. Das Erscheinen wirklicher Flam- men ist vielfach bestritten, von. Abich, Pilla und Forbes aber wohl zur Gewissheit erhoben worden |136]. Im Ganzen fehlt es noch einigermassen an genau geführten Beobachtungsregistern, in welchen jede einzelne Phase des durch seine Grossartigkeit die objektive Auf- fassung beeinträchtigenden Phänomens aufgezeichnet ist, und um so höher sind daher Julius Schmidt’s Untersuchungen am Vulkan Santorin [137] zu schätzen. Nur durch solch’ unablässige Beobachtungs- arbeit wird sich mit der Zeit auch eine Entscheidung über die Frage herbeiführen lassen, ob wirklich in der Periodicität der Lavaergüsse eine Attraktionswirkung des Mondes und der Sonne sich offenbare. J. Schmidt ist [138] dieser Ansicht, der freilich theoretische Be- denken entgegefstehen, nicht ungünstig gestimmt; auch fehlt es nicht: an anderen Aussprüchen in diesem Sinne. So beobachtete, nach Phillips’ Zeugniss [139], Palmieri im Jahre 1867 beim Ausbruche des Vesuv eine tägliche Periode mit zwei Maximis und Minimis, welche sowohl im Lavaausfluss durch eine Seitenspalte, als auch im Auswurf der Asche aus dem Krater erkennbar gewesen wäre; auch sollen die Eruptionen zur Zeit der Syzygien kräftiger erfolgt sein, als zu der- jenigen der Quadraturen. Manche Eruptionen, ja sogar auch manche Vulkane entbehren gänzlich der Lavafluthen, sei es, dass die Ver- bindung im besonderen Falle nicht bis zu den tiefer gelegenen Magma- Schichten hinabreicht, sei es, dass der Auftrieb nicht ausreicht, die gefallenen Schnee sofort verflüchtigen müsse; wenn man also doch beim Aetna, Hekla u. s. w. Feuerwolken aus dem schneeigen Kegel hervorbrechen sehe, so müsse man an eine Bedeckung von weissem Staube oder dergleichen denken. H. Müller [133] tritt dieser Meinung entgegen. III, $. 7. Der Eruptions-Akt und die ihn begleitenden Umstände. 349 vorhandene Lava durch die Spitzenöffnung oder durch ein erst zu bildendes seitliches Ausflussloch hindurchzupressen. So fehlen bei- spielsweise die Lavafelder gänzlich dem Monte nuovo [140]. Jedem Auswurf pflegt eine Periode absoluter, meistentheils jedoch nur relativer Ruhe nachzufolgen; im letzteren Falle strömen allerorts Dämpfe und Gase mit schrillem Pfeifen aus. Man könnte dann (s. 0. $. 4) auch von einem anerkannt rührigen Vulkane sagen, er befinde sich momentan im Solfatarenzustande. Der Vulkan verkümmert dann, selbst wenn er nicht, wie es während des Verlaufes der Eruption gar nicht selten geschieht, durch Einstürze an seiner vorherigen Höhe einbüsst. Jagor erzählt [141] von dem Yriga auf Luzon, dass er im XVII. Jahrhundert durch Einsturz aus einem geschlossenen Kesselberg in die durch den Buhi-See ausgefüllte Mulde sich verwandelt habe. Der Dichter Aelian behauptete eine langsame Erniedrigung auch vom Aetna, Strabon und Seneca leugneten dieselbe. Trifft den Krater also auch nicht eine solch’ akute Katastrophe, so verfällt er doch mehr und mehr, wenn er entweder durch Bildung neuer Zuführungskanäle oder durch gänzliche Verstopfung des bis- herigen Axenschlotes ausser Wirksamkeit zu treten gezwungen wird. Tritt letztere Alternative ein, so sagt man, der Vulkan sei ausge- brannt oder erloschen. Mehrere Krater desselben Vulkanes können successive von dem nämlichen Schicksale ereilt werden; dann sind die niedrigsten und weitesten auch die ältesten. So schliesst am Gunung- Tengger Java’s, wie Junghuhn [142] feststellte, der langgezogene elliptische Kuduwong grossentheils den Segoro-Wedi, und dieser wieder zum Theile den fast kreisrunden Brano ein. Als Ueberreste von ehe- mals aktiven Kratern scheinen auch die Kraterseen oder Maare (s. 0. $. 6) angesehen werden zu müssen, von welchen der Laacher See und das sogenannte Pulvermaar bei Gillenfeld die bekanntesten und ausgezeichnetsten sind, wenigstens ist diess die Ansicht Bischof’s, eines der besten Kenner dieser sonderbaren Kesselbildungen [143]. Wir sahen schon oben in $. 4, dass auch A. v. Humboldt die „in den tief eingeschnittenen Thälern der Eifel“ dem Boden entströmende Kohlsensäure als letzte Regung früherer vulkanischer Thätigkeit charakterisirt [144]; ihm sind die Maare, welche er neben die Cal- deira’s der Azoren stellen möchte, „gleichsam Minentrichter *), Zeugen minenartiger Ausbrüche, in welche nach den Explosionen von heissen Gasarten die ausgestossenen lockeren Massen grösstentheils zurückge- fallen sind.“ Andere Forscher freilich, wie vom Rath und Credner, sehen in den Maaren nicht sowohl Ueberreste, als vielmehr Anfänge *) Es wäre, um Humboldt’s Gelegenheitsausspruch zu bestätigen oder zu widerlegen, erwünscht, die Kurve des Durchschnittsprofiles eines Maares mit jener Kurve zu vergleichen, durch deren Umdrehung um eine vertikale Axe der Minen- trichter nach Culmann [145] entstanden zu denken ist. Während nämlich alle militärwissenschaftlichen Werke, bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts herein, von der unbewiesenen und sonderbaren Annahme ausgiengen, dass die Gestalt des von der Sprengung erzeugten Hohlraumes diejenige eines Rotations- paraboloides sei, führte der genannte berühmte Mechaniker, gestützt auf die Va- riationsrechnung und auf sehr plausible Annahmen über den Widerstand der Erd- schichten, den Nachweis, dass die Meridiankurve des Hohlkörpers nicht, wie man dachte, ihre konkave, sondern vielmehr ihre konvexe Seite der Axe (kürzesten Verbindungslinie des Minencentrums mit dem Erdboden) zuwenden muss. 350 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. von Vulkanen; „Maare und Stratovulkane sind durch allmählige Ueber- gänge verbundene Ausbildungsstufen einer und derselben Entwickelungs- reihe“ [146]. $. S. Die Eruptionsprodukte Die Verschiedenheit der Stoffe, welche vor, in und nach dem eigentlichen Eruptionsakte aus dem Schlunde des Vulkanes ausgeschieden werden, ist eine so überaus grosse, dass es wohl angezeigt ist, dieselben nach den Aggregatzu- ständen gesondert zu betrachten. Wir gelangen dann zu folgender Uebersicht. a) Gase und Dämpfe. Die Menge dieser elastisch Hüssigen Massen ist eine ungeheure, wie sich aus den ungeheuren Höhen ergiebt, zu welchen dieselben nicht selten emporgeschleudert werden. Durch Messungen von Gunlögsen und Vargas Bedemar [147], deren Basis die Ermittelung des Umkreises bildete, innerhalb dessen die über isländischen Vulkanen schwebenden Rauch- und Feuersäulen noch ge- sehen wurden, ist festgestellt, dass die im Jahre 1783 dem Hekla ent- strömten Dampfballen gegen 4800 m hoch aufstiegen. Die Hauptrolle spielt der Wasserdampf, der in seiner Kondensation das Material zu den typischen Regenschauern liefert, in welchen so oft das mit dem Ausbruche selbst an Verderblichkeit wetteifernde Nachspiel desselben zu erblicken ist. Die mitgerissenen permanenten Gase setzen sich nach Davy und Bischof |148] wesentlich aus Wasserstoffgas und Kohlensäure nebst Salz- und schwefliger Säure zusammen; was aller- dings die Kohlensäure anlangt, so: ist dieselbe so häufig in den eigent- lichen Gasexhalationen nicht nachgewiesen worden, dass die Möglichkeit, ja sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, es bilde sich fragliches (as erst nachgerade, während die Lava im Erkalten begriffen ist [149]. b) Asche. Fein vertheilte Asche fehlt bei keiner Eruption, und zwar ist dieselbe eben dieser ihrer Feinheit halber befähigt, in alle Ritzen einzudringen. Ein Aschenregen war es, welcher im Jahre 79 n. Chr. der Stadt Pompeji den Untergang brachte, und da stellt es sich heraus, dass die Asche einen hermetischen Verschluss aller von ihr bedeckten Gegenstände gegen den Zutritt von Luft gebildet und somit jene so trefflich konservirt hat, dass die Archäologen durch Ausgiessen der festgebackenen Aschenmodel vollkommene Abdrücke — selbst von menschlichen Leibern — gewinnen können. M&nard de la Groye [150] dachte sich die Asche durch die Zerreibung der Lavastücke entstanden, indessen wird die im Inneren des Schlundes herrschende Hitze allein schon genügen, unter dem Einflusse des hinzutretenden und sofort in Dampf übergehenden Wassers beliebige Felsarten zu pulverisiren; (vgl. die Ansicht Penck’s in $. 12). Kieselerde, schwefelsaures Eisen und schwefelsaurer Kalk scheinen nach den verschiedenen Analysen von Vauquelin, Ferrara u. A. die Hauptingredientien der Vulkan- asche zu sein, doch fehlt auch Wasser selten ganz, so dass die Asche gewissermassen den Uebergang vom flüssigen zum festen Aggregat- zustande repräsentirt. In der That brechen zuweilen — so am 18. Januar 1793 aus dem Unsen — kochende und dampfende Schlamm- ströme aus dem Inneren des Vulkanes hervor, doch darf man diese nicht verwechseln mit den sehr häufig im Gefolge einer Eruption auf- tretenden Schlammfluthen, die sich erst ausserhalb des Kraters dadurch III. $. 8. Die Eruptionsprodukte. 3ol bilden, dass die Vulkanasche durch Regengüsse in einen zähflüssigen Schlamm verwandelt wird. Herrscht zur Zeit des Ausbruches eine lebhaftere Strömung in der Luft, so wird die Asche sehr weit fort- getragen; die Meteorologie hat sogar aus dem Umstande, dass an Stellen, wo man es nicht erwartet hätte, sich Aschenbestandtheile vor- fanden, deren Ursprung auf den Pik von Teneriffa hinwies, werthvolle Aufschlüsse über die Richtung des oberen Passatstromes gezogen. Der Aschenregen, welcher die grosse isländische Katastrophe von 1875 be- gleitete, bedeckte eine Fläche von 5000 Quadratkilometern und gelangte bis nach Norwegen, so dass die Asche, gemäss einer von Mohn angestell- ten Berechnung, pro Stunde 80,47 km zurückgelegt haben muss [151]. Pogson, Meldrum, Lockyer und v. Bezold (Münchener neueste Nachrichten vom 21. Dezember 1883) halten es nicht für unmöglich, dass das eigenthümliche Phänomen des Nebelglühens, welches an vielen Herbst- und Wintertagen des verwichenen Jahres allerorts in Europa das Interesse weiter Kreise erregte, mit dem enormen Äschen- auswurfe der in der Sundastrasse neu gebildeten Vulkane in ursäch- lichem Zusammenhange steht, resp. stand. Soll doch die Stadt Batavia dadurch in vierzigtägige Finsterniss gehüllt worden sein. v. Bezold erinnert auch daran, dass um die nämliche Zeit, als im Jahre 1831 ein submariner Vulkanausbruch weite Räume des Mittelmeeres durch Aschenmassen verfinsterte, Lichterscheinungen beobachtet wurden, die der vorhin erwähnten auf’s Haar glichen und die meteorologische Optik jener Periode ebenso vor ein Räthsel stellten, wie diess auch im ge- genwärtigen Falle geschah. c) Sand. Von der feinen, hellgrauen oder leicht in’s Röthliche spielenden Asche ist der schwerere, gewöhnlich schwarz glänzende Sand leicht zu unterscheiden. Gröbere und kompaktere Stücke dieses Sandes, die wohl ursprünglich noch in feurig-flüssigem Zustande sich befanden und in ihrer Gestalt den während ihres Erkaltens maassgebend gewesenen Luftwiderstand verrathen, werden als Lapilli bezeichnet; gewöhnlich finden sich darin Augit- und Feldspathkrystalle mit Bims- steinbrocken vermengt [152]. d) Schlacken und Steine. Die Gewalt der gespannten Dämpfe ver- mag Schlackentheile und Gestein, wie es im Zustande der Ruhe die Kraterwandungen bekleidet, bis in unglaubliche Entfernungen fortzu- schleudern. Haben die Steine eine annähernd sphärische Gestalt, so spricht man wohl von vulkanischen Bomben. Fuchs [153] iden- tifieirt sowohl Lapilli als auch Bomben einfach mit Lavastücken, indess wird, wie wir gleich nachher sehen werden, das Wort „Lava“ denn doch besser in einem engeren Sinne gebraucht; allerdings acceptirt auch Fuchs die Erklärung M&@nard de la Groye’s (2. o.). e) Obsidian und Bimsstein. Diess sind glasartige Substanzen, erstere von schwarzer, letztere von weisslicher Farbe, und mit muschel- förmigem, scharfkantigem Bruche. Sie bilden sich nur aus trachy- tischen, nicht aber auch aus basaltischen Laven und scheinen einer gewissen Dickflüssigkeit der Lava zu ihrer Entstehung zu bedürfen [154]. f) Tuffe. Zusammengepresste Aschen- und Sand-Konglomerate, bei deren Verbindung auch mitunter meteorisches oder Seewasser seine Dienste leiht, heissen Tuffe, und daraus besteht bei den Stratovulkanen die Mittelschicht. Man unterscheidet gemeinen Tuff, Posilipptuft 352 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. (aus den phlegräischen Feldern), Peperin, durch Krystalleinschlüsse ausgezeichnet, Trass (im Gebiete der Eifel) und Palagonit, „aus starkveränderten vulkanischen Produkten, mit brauner fettglänzender Färbung, bestehend“. Ueber die Bildung des durch Sartorius v. Waltershausen mit diesem Namen belegten Palagonites, sowie über die daran von dem genannten Gelehrten und von Bunsen geknüpften Hypothesen vergleiche man, ebenso wie über Peperine, eine den Sach- verhalt, namentlich unter dem petrographischen Gesichtspunkte, äusserst gründlich erörternde Abhandlung von Penck [155]. Die Tuffe drücken der Umgegend eines Feuerberges den Stempel auf. $) Die eigentliche Lava. Diese ist es, welche bei dem Vorgange der Eruption die Hauptrolle spielt, durch deren Gluth der Reflexions- process bedingt ist, welcher die über dem Krater schwebende Rauch- säule oder Pinie zur Nachtzeit in eine Feuersäule umwandelt [156]. „Lava ist“ — nach der präcisen Definition von H. Reusch [157] — „Gesteinsmasse in feurig-flüssigem Zustande, deren Temperatur bei dem Hervorbrechen auf ca. 2000° ©. geschätzt wird“; Magma (Kap. H, $. 5) und Lava sind also nur insoferne unterschieden, als der Druck, welcher das erstere im zähflüssigen oder latent- plastischen Zustande festhielt, nunmehr gewichen ist, so dass der Grad der Fluidität ein höherer geworden. Lava ist ein Gesammtname, kaum werden die Laven irgend zweier Feuerberge in allen Punkten übereinstimmen, wie denn v. Buch am Vesuv allein achtzehn Arten derselben aus- einanderhalten zu müssen glaubte [158]. Als glasartiger Fluss besitzt die Lava nur ein sehr geringes Wärmeleitungsvermögen; soll doch der 1669 ausgeflossene Strom noch im Jahre 1809 nicht vollständig er- kaltet gewesen sein |159]. Die austretenden Gluthmassen fliessen langsam den Abhang des Berges herab, alles organische Leben auf ihrem Wege vernichtend; nach und nach geräth die Strömung in’s Stocken, und alle unter der Lava begrabenen Flächenräume erscheinen nunmehr mit einer harten, schwarzen Kruste bedeckt. So ist es z. B. der Stadt Herculanum am Vesuv ergangen, deren Freilegung somit begreiflicherweise mehr Mühe verursacht, als es bei dem blos in einen Aschenmantel gehüllten Pompeji der Fall war. Die Lava theilt sich in poröse, dichte und glasige ein [160]; zu den porösen Laven gehört die nach ihrem Fundorte so genannte, übrigens auch in der Äuvergne vorkommende und von Faujas de la Fond [161] bechriebene Puzzolan- Erde. | Bessere Aufschlüsse noch, als die che- mische Zerlegung, gewährt bezüglich der Zu- sammensetzung der Lava die mineralogisch- mikroskopische Prüfung, welche an Dünn- AG schliffen vorgenommen wird. Fig. 70 stellt il % Y einen solchen nach H. Reusch [162] dar. FARO) A bedeutet Augit, P Plagioklas mit Doppel- streiftung im polarisirten Lichte, ‘O Olivin; dazu kommt noch schwarzes Glas. Die Probe entstammt der Basaltlava von Jan Mayen. Je nach ihrem petro- graphischen Charakter konsolidirt sich die Lava statt in den sonst an ihr gewohnten Feldern in eigenartigen Formen, von denen in Fig. 71 N AG; f A, N a7 Zn 13 ng z II, $. 9. Aeltere vulkanistische Erklärungsversuche, 353 eine der auffallendsten abgebildet ist. Poulett Scrope, welchem wir die Zeichnung entnehmen, sagt darüber [163]: „When the matter is stille more viscous, its accumulation over a minor spiracle occasionally produces a hillock of ceurring and con- centrie ridges, or even a dome or spire- Fig. 71. like protuberance. Professor Dana de- = seribes some of those upon the slopes Es of Mauna-Loa in Hawaii as actually taking the figure of a column or up- right bottle, or a petrified fountain.“ Das physikalische Verhalten der Lava ist neuerdings von Reyer zum Gegenstande einer gehaltvollen Mono- graphie gemacht worden [164], welcher rasch eine zweite, ebenfalls sehr inter- essante Schrift [165] nachfolgte. Es wird in denselben, neben Anderem, vor- zugsweise von der Absorption gasför- miger Körper durch die Lava gehandelt, welche dann,. sowie der Druck nach- lässt, ebenso wieder die Freiheit auf- suchen, wie diess die von kohlensauren Mineralwassern eingesogenen Gase thun. Ist das Magma nicht oder nur schwach mit gasförmigen Bestandtheilen imprägnirt, so fliesst es als Lava ruhig und ohne be- sondere Geräusche aus, wogegen die in stärkerem Maasse beigesellten Gase und Dämpfe eine heftige Wallung der Lavafluthen und jenes kennzeichnende Spratzen der Masse hervorrufen, das man von Silber- Nüssen her kennt; dieses Wort, ursprünglich ein Provinzialismus, hat mehr und mehr eine feste metallurgische Bedeutung gewonnen. Auch die Lavamassen erloschener Vulkane hat Reyer mit in’s Bereich seiner Untersuchung gezogen und u. a. in den keiner glasigen Masse fehlenden Schlieren ein Kriterium für die Frage nachgewiesen, ob krystallinische Gesteine dereinst in wirklichem Flusse sich befanden oder nicht. Im _ ersteren Falle muss nämlich jede Schliere im Sinne der Fortschreitungs- richtung auseinandergezogen erscheinen. iS . 2 er L N 2 ) AAN in N SS N Tel! ; u — S. 9. Aeltere vulkanistische Erklärungsversuche. Wir gehen nun- mehr von dem deskriptiv-geologischen T'heile unserer Aufgabe zu deren physikalischem Theile über, wobei wir der hier mehrfach benützten geschichtlichen Zusammenstellungen von Muncke [166] und Reyer[167] mit Dank erwähnen. Die Griechen fanden an den Vulkanen, von denen der Stromboli und Aetna bereits dem Homer und Hesiod bekannt gewesen sein dürften [168], so manchen Punkt, der ihrer Neigung zu naturphilosophischer Spekulation Anhalt bot; von Platon’s Versuch, die Eruptionen mit seinem Pyriphlegethon in Verbindung zu bringen, ist bereits in Kap. II, $S. 1 die Rede gewesen. Ueberhaupt war man geneigt, die vulkanischen Erscheinungen durch die empedo- kleische Hypothese eines feuerflüssigen Erdkernes zu erklären und dadurch in ursächlichen Zusammenhang mit den Erdbeben zubringen|169], wie diess besonders deutlich aus des Philon Schrift über die Unzer- störbarkeit der Welt hervorgeht. Günther, Geophysik. I. Band. 25 354 Dritte Abtheilune. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Zahlreichere Belege reiflichen Nachdenkens über Vorkommnisse dieser Art enthält die in naturwissenschaftlicher Beziehung sonst wenig werthvolle. römische Literatur. Den in $. 5 erwähnten Trachyt-Durch- bruch auf der Halbinsel Methone (jetzt Methana) beschreibt Ovid [170] als eine Hebungs- und Berstungserscheinung und entwickelt dabei An- sichten, „welche“, um mit Humboldt [171] zu reden, „mit denen der neueren Geognosie auf eine merkwürdige Art übereinstimmen.“ Des Lucilius Aetna-Gedicht ist, wie Nehring [172] bemerkt, auf die unmittelbare Aufforderung seines Freundes Seneca hin geschrieben worden und spiegelt deshalb treu die — schon in der Einleitung lo- bend hervorgehobenen — geodynamischen Ansichten des scharfen Denkers und Beobachters ab. Seneca weicht darin von Platon und Empedokles ab, dass bei ihm nicht das gesammte Erdinnere von feurig-flüssiger Masse erfüllt, letztere vielmehr in einzelnen kleinen Gluthheerden der Erdrinde angesammelt ist, ganz ähnlich, wie sich Hopkins (s. u. $. 12) die Sache vorstellt. Strömen nun durch die Gesteinsadern die meteorischen Gewässer in jenen Heerd ein, so ent- wickeln sich gespannte Dämpfe („Spiritus“), welche die eigentliche Explosion und Eruption bewirken [173]. Gerade in dieser Annahme spricht sich die korrektere Denkweise des Seneca aus, indem das Alterthum sonst zwischen diesen Vulkangasen und den gewöhnlichen Winden keinen Unterschied zu machen verstand. | Die Kirchenväterzeit versetzte die Lehre vom Centralfeuer mit gewissen christlichen Dogmen. Tertullian erblickt in den Vulkanen wirkliche Bestandtheile und Manifestationen des unterirdischen Höllen- feuers, Minucius Felix, Augustin und Isidor fassen die ersteren als blosse Bilder des letzteren auf [174]. Relativ verdienstlich, weil offenbar von Seneca beeinflusst, ist die Darstellung des Hrabanus Maurus, die mindestens ein Jahrhundert lang die Klosterschulen be- herrschte: „Die Vulkane enthalten viel Schwefel und stehen gewöhnlich mit dem Meere in Verbindung. Durch diese Kanäle dringt nun das Wasser ein und drängt die Luft nach oben, diese ihrerseits entfacht den Schwefel zu lebhafterem Brande“ [175]. Eine im Grossen und. Ganzen ähnliche Gedankenreihe leitet den Ristoro d’Arezzo [176], der die Erscheinung der heissen Quellen in ganz vulkanistischer Weise deutet. Auffallend ist die geringe Theilnahme, welche die arabischen Schriftsteller für ein so merkwürdiges Phänomen an den Tag legten, denn wenn es auch an autoptischen Erfahrungen fehlen mochte, so hatte man doch durch Edrisi, Massudi und Kazwini Nachrichten über die italienischen, armenischen und hinterindischen Feuerberge. Aber gerade jener letztgenannte Kosmograph weiss über den „Berg von Sizilien“ nichts weiter auszusagen [177|, als dass sich auf seiner höchsten Spitze schwefelhaltige Quellen fänden, aus denen Feuer und Rauch ausströme. Erst im XVII. Jahrhundert kam, wesentlich durch Kircher’s „Unterirdische Welt“ [178], wieder neues Leben in die theoretische Vulkanologie; die Grundansicht dieses Buches ist eine rein plutonistische, der Humboldt’schen Ventiltheorie nicht unähnlich. Wesentlich den gleichen Standpunkt nehmen nach Reyer (a. a. O.) Steno, Leib- niz, Buffon, Faujas dela Fond undDolomieuein. Im Uebrigen kann man unter den massenhaft aufgestellten vulkanistischen Hypothesen, III, $. 9. Aeltere vulkanistische Erklärungsversuche. 355 welche im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts und theilweise noch in dem laufenden aufgestellt worden sind, von der später zu erörternden Theorie Cordier’s abgesehen, sechs deutlich gesonderte Kategorieen unterscheiden. a) Die Parrot’sche Höhlentheorie. Sämmtliche feuerspeiende Berge sind durch eine — nicht näher bestimmte — Kraft aus der Erdrinde heraus gehoben worden; die entstandenen Hohlräume, deren Grösse G. F. Parrot auf Grund der peruanischen Loth- und Pendelbeobach- tungen der französischen Akademiker zu berechnen unternimmt, werden durch nachdringendes Magma hie und da wieder ausgefüllt [179]. Auch Boussingault’s Mittheilungen über die Anden-Vulkane erscheinen von analogen Vorstellungen beeinflusst. b) Die elektrischen Theorieen. Der enorme Aufschwung, welchen die Elektricitätslehre zumal in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahr- hunderts nahm, konnte es nahe legen, dem neu erkannten mächtigen Faktor nunmehr bei allen Naturvorgängen eine führende Rolle zuzu- schreiben. Als Hauptquelle für diese Anschauung wird gemeiniglich das in mancher Hinsicht verdienstvolle Werk Sir William Hamil- ton’s [180] genannt. Muncke nennt Stuckely, Patrin, Vivenzio und Bertholon de St. Lazare als Hauptvertreter dieser Ansicht [181], welcher der kluge Beecaria nur mit der Einschränkung beipflichtete, dass bei'm Auswurfsakte selber allerdings elektrische Processe im Gange seien [182]. Amp?re meint [183], dass jene elektrischen Ele- mentarströme, von welchen er den tellurischen Magnetismus herleitete, wohl auch vulkanistisch sich geltend machen können, doch geht er nicht so weit, deshalb die vulkanischen Erscheinungen ausschliesslich für den Elektromagnetismus in Beschlag nehmen zu wollen. c) Die Erdbrand-Theorieen. In $. 4 dieses Kapitels giengen wir kurz auf die Erdbrände, als auf etwas vom wahren Vulkanismus durch- aus Verschiedenes, ein. Diese Verschiedenheit wurde von den Geologen einer früheren Epoche in Abrede gestellt. Da man schon im Alter- thum und Mittelalter — man denke an das griechische Feuer — Mischungen von Schwefel, Erdpech, Naphtha, Kalk, Salpeter u. s. w. kannte, welche auch ohne Luftzutritt brannten, so entschieden sich (Reyer a. a. OÖ.) schon die Alchymisten Higius und Capoa für die Annahme solcher Brandsätze im Inneren der Erde; ihnen folgte der Bergmann Agricola. Lister suchte die Grundursache der Vulka- nieität in der durch Oxydation erfolgenden Entzündung von Kies und Alaun [184], und der ältere L&emery brachte diese Hypothese der brennenden und eruptiven Schwefelkieslagen zu hohen Ehren [185], indem er den bekannten Vorlesungsversuch ersann, Eisenfeile unter- halb einer dünnen Erdschicht mit Wasser und Schwefel zu vermischen und dadurch einen Miniaturvulkan zu erzeugen. Man vergleiche für diese Auffassung weiter die Schriften von Krüger [186] und Hen- kel [187], welch’ letzterer die in chemischer Hinsicht interessante, weil mit der herrschenden Phlogistontheorie nicht wohl zu vereinbarende Bemerkung macht [188]: „Nicht das Wasser, nicht das Feuer wirken da, sondern die Luftmaterie mit ihrem sanften Anfall, webenden Um- gebung und schleichenden Eindringung wirkt und schafft... der Kies aber ist die Festung, welche von dem Luftwesen nicht bestürmt, sondern umschlichen und erobert wird.* Dass auch A. Werner für 356 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. die Identität der Vulkane mit brennenden Kohlenflötzen eintrat [189], kann nicht überraschen, wenn man daran denkt, däss dieser Forscher bei all’ seiner Genialität seinen Blick nicht über den durch die geo- logischen Verhältnisse Sachsens ihm 'vorgezeichneten Horizont zu er- heben vermögend war. d) Die eigentlich chemischen Theorieen. Deren ‚Begründer ist Humphry Davy; er dachte sich die Erde überwiegend aus den Metalloiden Kali, Natron u. s. w. bestehend und verlegte in sie, die durch den Zutritt von Luft und Wasser durchsäuert würden, den Sitz der vulkanischen Thätigkeit [190]. A. v. Humboldt, der gegen Davy’s Anschauungen polemisirt, bemerkt übrigens bei dieser Ge- legenheit [191], dass jener selbst in späteren Jahren sich von seiner Hypothese losgesagt habe, während Daubeny im Artikel „Volcanie Geology* der „Encyclopaedia Metropolitana* nach wie vor Argumente zu Gunsten derselben herbeizuschaffen bestrebt war. Andere, minder geistvolle Theorieen chemischer Natur brachten Przystanowski [192] und E. Clarke [193] zu Märkte, welch’ letzterer im Knallgasgebläse ein Seitenstück der vulkanischen Phänomene erkennen wollte. D’Au- buisson dagegen ist mehr im Allgemeinen der Ansicht |194], dass die ununterbrochen in den Eingeweiden der Erde im Gange befind- lichen chemischen Zersetzungen und Verbindungen die vulkanische Aktion aufrecht erhielten *). Die Theorie Janecek’s wird im näch- sten Kapitel ($. 7) zur Erörterung gelangen. e) John Herschel’s Gleichgewichtstheorie. Sinkt, durch Sediment- bildung oder eine andere Ursache veranlasst, ein Theil der festen Erdkruste gegen den Mittelpunkt hin, so steigt das an einem Orte vertriebene Magma an einem anderen Orte auf, kommt dort mit Wasser- dämpfen in Berührung und bewirkt eine Eruption. Fehlen dagegen an jener Stelle die Dämpfe, so tritt eine Hebung des Landes ein [196]. f) G. Bischofs kalorische Theorie. Dieselbe ist von allen bis jetzt besprochenen die einfachste und mit dem mindesten Aufgebote von Mitteln arbeitende. Schon nahe an der Oberfläche herrschen im In- neren der Erde hohe Hitzegrade, und wenn die Oberflächengewässer bis in jene Gegenden hinabgedrungen sind, so bilden sich Wasser- dämpfe von genügender Spannkraft, um dünnere Stellen der Rinde zu Spalten zu erweitern und durch diese die Massen geschmolzener Ma- terie, welche dem Orte der Dampfbildung benachbart sind, hinauszu- schleudern [197]. Daubeny suchte als Vertreter des Chemismus diese Theorie mit allen Mitteln zu bekämpfen [198]. $. 10. Die Humboldt-Buch’sche Periode. Beide Forscher, A. v. Humboldt, wie L. v. Buch, waren, als sie ihre grossen und folgen- reichen Entdeckungen antraten, noch nicht im Mindesten aus dem Banne jenes Ideenkreises herausgetreten, in welchem sie A. Werner’s Vorlesungen und Demonstrationen an der Freiberger Bergakademie befangen hatten. In den Cordilleren öffnete sich für Humboldt, auf *) Gay-Lussac sprach seiner vielfach citirten Behauptung, dass anhydride Chloride sich in der Tiefe mit dem einsickernden Wasser verbinden und so vul- kanische Ausbrüche bedingen sollten, selbst nur den Werth eines Versuches zu [195]. Doch sieht auch Daubr&e in der Hydratbildung eine mächtige Quelle lokaler Wärmeentwickelung, II. $. 10. Die Humboldt-Buch’sche Periode. 357 den Kanarien für Buch eine neue Welt, nachdem der letztere kurz vorher noch den ernsthaften Versuch gemacht hatte, die Trachyt- und Basaltergüsse im französischen Binnenlande (s. o. $8. 5) mit seinem neptunistischen Glaubensbekenntniss zu vereinbaren [199]. Seine Be- trachtungen über die reihenförmige Verkettung der Vulkane führten ihn dazu |200], grundsätzlich die Eruptionskrater von den Er- hebungskratern, als den centralen Aushöhlungen der von ihm so genannten Erhebungsinseln, zu trennen. Mit dieser Auffassung er- klärte sich Humboldt vollkommen einverstanden. Den Grundzug seiner Theorie fasst Ewald [201] präcise in folgender Weise zusam- men: „Die Vulkane, denen dieser Name zukommt, d. h. diejenigen, durch welche eine mehr oder weniger andauernde Verbindung der Erde mit der Atmosphäre eingeleitet worden ist, haben sich gebildet, indem heisse gespannte Dämpfe aus der Tiefe gegen die darüber befindliche Erdkruste wirkten und dieselbe in erweichtem Zustande blasenförmig auftrieben. Wenn ein auf diese Weise entstehender, im Inneren hohler Berg durch die Gewalt der Dämpfe an seiner Spitze gesprengt wurde, so bildete sich ein mit einem Gipfelkrater versehener Kegelberg, wenn die Sprengung nicht erfolgte, ein Berg von glockenartiger Gestalt, an welchem Ausbrüche, finden sie überhaupt statt, nur seitlich geschehen konnten.“ Reihenvulkane müssen in Konsequenz hievon auf ein und derselben in's Magma hinabreichenden Spalte gedacht werden. Wäre dem so, und könnte man sich ganze Kettengebirge im Humboldt’schen Sinne aus solchen Spalten herausgehoben denken — eine Vorstellung, welche Höfler [202] für die meridional verlaufenden Gebirge der Erde durch eine korrektere genetische Erklärung zu ver- drängen versucht hat —, so müssten doch gewiss da und dort auf der Erde Längsgebirge zu finden sein, deren Axenrichtungen sich senk- recht durchsetzen. Der grosse Naturforscher fühlte sehr wohl, dass hier ein Kriterium für seine Theorie des Vulkanismus und der Ge- birgsbildung liege, und war deshalb hoch erfreut, dass in Centralasien ein meridional verlaufender Gebirgszug, der angebliche Belur- Dagh, von zwei der Richtung des Parallelkreises folgenden Bergketten, dem Küen-Lün und dem Thian-schan, normal gekreuzt werde. Neuere Forschungen an Ort und Stelle, wie sie von Hayward, Fjed- schenko und am erfolgreichsten von Sjewjerzow [203] angestellt sind, lösten Hum boldt’s Gemälde der centralasiatischen Gebirgswelt in ein Phantasiegebilde auf, indem die Verbindung zwischen jenen beiden Parallelzügen keineswegs durch ein Kettengebirg, sondern einzig und allein durch die Hochlandwüste Pamir hergestellt wird. Damit fällt aber eine der wesentlichsten Stützen der Hypothese. Auch von anderen Seiten her ward dieselbe, die sich jedoch der ungetheilten Anerkennung aller deutscher und auch vieler französischer Geologen, z. B. E. de Beaumont’s, zu erfreuen hatte, lebhaft be- kämpft, und zwar war England der eigentliche Sitz der gegnerischen Partei. Hier wirkten Lyell, Daubeny, Scrope als Vertreter der uns bereits aus $. 2 bekannten Aufschüttungstheorie [204]. Die von Beaumont letzterer entgegengehaltenen Gründe [205], dass die steilen Abhänge der meisten Vulkane sich mit einer langsam und. allmählig vor sich gehenden Bildung der Kegelberge nicht vertrügen, sind durch die Untersuchungen Milne’s (s. 0. $. 2) wohl als endgültig widerlegt 358 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. anzusehen. Als endlich auch die Vulkane der Sandwichinseln [206] und jene der Insel Java von Dana und Junghuhn (s. o. 8. 5) als redende Zeugen gegen die Humboldt-Buch’sche Theorie erkannt worden waren, verstummte der Widerspruch mehr und mehr, und Peschel konnte [207] mit einigem Rechte die Anhängerschaft des grossen Dioskurenpaares als eine „unlängst ausgestorbene Geologen- schule“ bezeichnen. | Wie so häufig, hat man jedoch auch hier über das Ziel hinaus- geschossen. Man hielt sich zu strikte an die allerdings die grosse Menge bildenden Stratovulkane und übersah völlig die homogenen Vulkane (s. o. $. 3), deren Bildung durch feurig-flüssige Intrusivmassen denn doch von dem, was sich Buch und Humboldt gedacht hatten, gar nicht so weit abweicht. So stellt denn auch Suess fest, dass in einem allerdings weit beschränkteren Umfange, als diess Leopold v. Buch unter den bestrickenden Eindrücken der kanarischen Somma- Kränze gethan habe, die alte Aufblähungstheorie noch als zu Recht bestehend gelten könne [208], und weist zum Belege hiefür auf die jener Anschauungsweise ganz konform gehaltene Darstellung hin, welche einer der hervorragendsten Vulkanforscher unserer Zeit, Abich, von den morphologischen Verhältnissen zweier armenischer Bergmassen, des Palandokän und des Dary-Dagh, entworfen hat [209]. Man würde hieraus zu schliessen haben, dass die Genesis der Strato- und Domvulkane von Anfang an aus verschiedenen Ursachen herzuleiten und zwischen beiden Gattungen ein grundsätzlicher Gegen- satz zu statuiren ist. Verschwiegen soll allerdings nicht werden, dass andere (selehrte, wie Reyer und Sigmund, eine solche Verschieden- heit nicht anerkennen, sondern die homogenen Vulkane sich als durch unausgesetzte Erosion aus den geschichteten entstanden denken [210]. Namentlich soll auch die Beschaffenheit des Magma’s einen entschei- denden Einfluss darauf ausüben, ob der Vulkan einen Krater erhält, oder nicht [211]. S. 11. Die nicht-magmatischen Theorieen der neuesten Zeit. Bei den Versuchen, die von selbst sich aufdrängende Frage nach der eigentlichen Herkunft der Lavamassen befriedigend zu beantworten, glaubt eine Reihe von Forschern der Annahme eines feurig-flüssigen Gluthbreies im Inneren der Erde, eines Magma’s, vollständig entrathen zu können. Schon Oartesius hielt [212] dafür, dass Schmelzprocesse durch zusammenstürzendes Gestein eingeleitet werden könnten, und die folgenden Jahrhunderte haben analoge Thheorieen, für welche wir, ihren sonstigen Abweichungen zum Trotz, den Gesammtnamen nicht- magmatisch vorschlagen zu dürfen glauben, weiter ausgebildet. Wir unterscheiden jedoch auch hier dreierlei Unterabtheilungen, deren Benennung man als Nothbeheltfe, bis vielleicht eine zutreffendere Termino- logie eingeführt sein wird, gelten lassen wolle. 1 a) Die Rutschungstheorieen. Eine solche hat Wettstein [213] auf- gestellt. Astronomische Erwägungen bestimmen ihn, anzunehmen, dass alle Erdkörper von einer der Erdrotation entgegengesetzt gerichteten Bewegungstendenz beeinflusst sind, die sich unter dem Aequator am stärksten bemerklich mache. Den Grundsätzen der mechanischen Wärmetheorie zufolge werde durch dieses Gleiten und Fortrutschen III, $. 11. Die nicht-magmatischen Theorieen der neuesten Zeit. 359 der Stoffe nicht blos die Erdwärme im Allgemeinen, sondern auch da und dort eine örtliche Schmelzhitze bedingt, welche sich dann vulka- nisch äussere. In Kap. IV, 8. 8 der zweiten Abtheilung ward die Grundlage des sonst ganz konsequent gehaltenen Wettstein’schen Lehrgebäudes als eine irrige erkannt, und damit ist wohl auch über die Verwerthung dieser Hypothese für den Vulkanismus der Stab ge- brochen. Im Uebrigen sei auf die Widerlegungen von Pilar [214] und Zöppritz [215] hingewiesen, welch’ letzterer namentlich bemerkt, dass mit der latent-plastischen Beschaffenheit der inneren Erdschichten die An- nahme einer Beweglichkeit der einzelnen Theile absolut unverträglich sei. Weit weniger noch kann das als genügend erachtet werden, was v. Petrino über die Entstehung der Berge und der feuerspeienden insbesondere sich zurecht gemacht hat [216]. Er glaubt, dass die Centrifugalkraft in jeden Körper das Bestreben gelegt habe, meridional gegen den Aequator hin fortzuschreiten, und zwar soll unter der Breite © für einen k Kilogramm wiegenden Körper die Grösse dieses „Tan- gentialschubes“ durch 0,01684.k. sin 29 9,78009 + 0,03368 sin’ © gegeben sein*). Entstehe dann ein Senkungsfeld, so trete eine „par- oxysmenmässige Vorwärtsbewegung der geschichteten Gesteine“ ein, deren Wucht, wenn plötzlich unterbrochen, die stärksten Wärmeent- wickelungen bedinge. A. Kirchhoff hat einige Ungeheuerlichkeiten dieser Idee näher beleuchtet [217] und uns dadurch der Pflicht über- hoben, an diesem Orte auf dieselbe einzugehen. b) Die Einsturztheorieen. Die Neptunisten, namentlich Vıolaer und Mohr (in seiner „Theorie der Erde“), halten an einem Rutscher, Gleiten und schliesslichen Hinabstürzen einzelner Theile der Erdrinde in radialer Richtung fest. Das ganze Phänomen der Erdwärme braucht nach Mohr [218] gar nicht plutonistisch aufgefasst zu werden. Das atmosphärische Wasser sickert in die Spalten der Kruste ein und löst aadurch den Zusammenhang der Stoffe, welche nunmehr ihrem Gra- vitationsbestreben nachgeben können; zudem wirkt der Uebergang amorpher in krystallinische Bildungen und die Selbstentmischung der Kohlen u. s. w. als Wärmequelle mit. Fr. Pfaff hat den Versuch, die zum Schmelzen der Felsen erforderliche Hitze in dieser Weise thermodynamisch entstehen lassen zu wollen, treffend widerlegt: Erstens ist nur vom langsamen Niedergleiten und nicht vom gewaltsamen Ein- sturz die Rede; wäre aber auch letzteres der Fall und man würde nach den Regeln von R. Mayer und Joule das der lebendigen Kraft des herabstürzenden Blockes entsprechende Wärmeäquivalent berech- nen, so fände sich freilich ein hoher Werth, der aber, auf die einzel- nen Quadratmeter der auftreffenden Fläche ausgetheilt, nicht entfernt *) Wie sorglos v. Petrinö mit mathematischen Dingen umspringt, beweist allein schon der Umstand, dass er aus der angeführten Formel ein Maximum des Schubes für 9 = 45° berechnet, während dasselbe doch erst eintritt für Be X 9.78009 IT V 3. 9,78009 - 0.03368 Zudem steht doch die Resultante aus Centrifugal- und Schwerkraft stets normal auf der Niveaufläche. 360 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. an jene Temperaturgrade hinanreicht, welche die Lava thatsächlich besitzt [219]. c) Die Kontraktions- und Fältelungstheorien. Der eigentliche Vater dieser Lehre, die zweifellos auf einen höheren Grad wissen- schaftlicher Durchbildung und Bedeutung Anspruch machen kann, ist der Engländer Mallet, der dieselbe in einer inhaltsreichen Abhand- lung [220] und später in einem selbstständigen Werke vorgetragen hat, das wir durch v. Lasaulx’ Vermittelung auch in deutschem Ge- wande [221] besitzen; höchstens könnte C. Pr&vost’s Theorie der Erdbildung [222] als eine Art von Vorläuferin gelten. Suess in seiner berühmten ersten Arbeit über Gebirgsbildung [223], Geikie [224] und neuerdings Reusch [225] haben ähnliche Ideen entwickelt, wäh- rend von Scrope [226] und J. Roth [227] der Widerstand gegen dieses nicht-magmatische, sondern vielmehr geotektonische System des Vulkanismus organisirt wurde. Mallet nimmt seinen Ausgang von der allseitig zugestandenen Thatsache, dass unser Erdkörper in einem noch immer andauernden Zustande der Abkühlung und Kontraktion sich befinde. Doch werden in diesem Zustande vier verschiedene Perioden auseinandergehalten. Zuerst entsteht eine dünne, biegsame und deshalb auch leicht deformir- bare Kruste; alsdann muss dieselbe aufbersten, es müssen sich partielle Wasseransammlungen bilden, während das Erdsphäroid im Ganzen noch rothglühend ist; im dritten Stadium verdickt sich die Kruste, es tritt ein bemerkbarer Tangentialschub ein, die Oberfläche nimmt in den Grundzügen bereits ihre noch heute wahrnehmbare Konfiguration an; zum vierten endlich ist die Rinde dick und starr geworden, die weitere Abkühlung und Zusammenziehung geht nur in sehr langsamem Tempo vor sich. In diesem Zustande soll sich die Erde heutzutage befinden. Obwohl aber die Verhältnisse sich so sehr konsolidirt haben, ist doch den während der früheren Perioden allmählig herausgebildeten Linien des geringsten Widerstandes diese ihre Eigenschaft verblieben. Längs dieser Kurven, deren eine sich um den stillen Ocean herumzieht, tritt eine unausgesetzte Zerdrückung und Zerknickung der Gesteinsmassen ein, und diese Arbeit verwandelt sich an Ort und Stelle in eine Wärme, gross genug, um das feste Material in geschmolzene Lava überzuführen, und mittelst dieser verwandelt sich in einem Kreisprocesse die Wärme zurück in mechanische Arbeit, nämlich in das Hinausschleudern der Lavamassen. Diess ist nur der Grundgedanke des Mallet’schen Systems; derselbe wird, mehrfach mit Anklängen an die Wettstein- sche Hypothese, weiter ausgeführt. Roth wirft besonders ein [228], dass sowohl Mallet’s Kalkul, wie seine geologischen Experimente mit illusorischen Voraussetzungen operirten, letztere deshalb, weil die Ver- hältnisse durchfeuchteter — im neueren Sprachgebrauche latent- plastischer — Gesteine ganz andere seien, als diejenigen trockener. Auch nehme der unzweifelhaft geführte Nachweis, dass es schon zur Trias- zeit Vulkane gegeben habe — man denke nur an jenen von Predazzo (8. 5) — dieser Theorie eine Stütze weg, da sie ja den Vulkanismus ausschliesslich den recenten Erdbildungsperioden vorbehalten wissen wolle. Endlich sei ganz unerklärlich, dass die grösste aller gehobenen Festlandflächen, Innerasien, der Vulkane gänzlich entbehre. — Eine genügende Antwort auf diese Einwände dürfte noch nicht gegeben sein. III, $. 12. Die magmatischen Theorieen der neuesten Zeit. 361 H. Reusch führt dagegen die Idee Mallet’s nach einer anderen Seite weiter aus, indem er dieselbe mit jenen eigenartigen Verände- rungen in der petrographischen Beschaffenheit der Felsarten in Ver- bindung bringt, welche man als Regional- und als Kontakt-Meta- morphismus kennt, und zugleich auf die neueren — in Kap. II der achten Hauptabtheilung näher zu erörternden — Untersuchungen der schweizerischen Geologen A. Heim und Baltzer über die Falten- bildung innerhalb der Erdrinde Bezug nimmt. „Hierbei werden das Grundgebirge und die regional-metamorphosirten Gesteine lokal in er- hitztem Zustande vom Erdinneren zu einem höheren Niveau getrieben, als ihre ursprüngliche Lagerstätte war, während durch die Faltung diese Gesteine zugleich noch höher erhitzt werden. Die Bildung von Spalten, durch welche die Erdrinde in Stücke zertheilt wird, begleitet die Faltung. Durch dieselben erhalten die von komprimirten Gasen und Dämpfen erfüllten, bis und über Schmelztemperatur erhitzten Massen Ausgang. Diese Massen werden sowohl von Gesteinen der archäischen Formation, deren Bildungsweise hierbei ausser Betracht bleiben kann, als wohl auch von regional-metamorphosirten Schichten, deren ursprüng- liche Beschaffenheit während des Erhitzens (Diffusion) verloren ge- gangen, ausgemacht [229].* Fig. 72 stellt nach A. Baltzer*) dar, wie zwischen dem Engelhorn (e) und dem Gestellihorn (g) im Berner Oberlande die Schichten des schwarz angelegten Gneisses (G) und des weiss gelassenen Malmes (M) in einander übergreifen, während a, Fig. 72. b, ce isolirte Malmnester im Gneiss, R | 1, 2, 3, 4, 5 isolirte Gneisskom- plexe im Malm signalisiren. Da- . ee durch soll auch erklärt werden, wie es kommt, dass ein und der- selbe Vulkan in verschiedenen Zei- ten Materialien von sehr verschie- . denem Charakter auszuwerfen ver- mag |231]. So ganz rathlos dürfte beirichtiger Auffassung des Schlag- wortes doch auch die auf das „Magma“ (Kap. II, $. 4) zurückgreifende Theorie der fraglichen Thatsache wohl nicht gegenüberstehen. Wir wenden uns nunmehr dieser Theorie oder, besser gesagt, der Ge- sammtheit der unter den Begriff „magmatisch“ fallenden Hypothesen zu. $S. 12. Die magmatischen Theorieen der neuesten Zeit. Aus der Kant-Laplace’schen Nebulartheorie folgt für Jedermann, der sich mit der geistvollen Interpretation derselben durch Tschermak [232] einver- standen erklärt, dass der Vulkanismus nicht blos ein begrenzt-telluri- sches, sondern ein kosmisches Phänomen darstellt. Die Meteorite *) Gegen die Ergebnisse dieses Forschers, wie auch Heim’s, hat Fr. Pfaff sowohl in der Vereinszeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, als auch in einer besonderen Schrift [230] energisch Widerspruch erhoben, indem er namentlich behauptete, dass die bekannten Zeichnungen der Faltenstruktur zwar einer geistreichen Kombination, nicht aber dem wirklichen Verhalten der Natur entsprächen. Ganz unerwarteterweise beginnt Fr. Pfaff dem Wasser eine äusserst einflussreiche Rolle bei allen geologischen Vorgängen anzuweisen. 362 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne : dynam. Geologie. (Kap. II, $. 13 der ersten Abtheilung) haben mit den irdischen Eruptions- produkten grosse Aehnlichkeit ; sie mögen — freilich nicht vom Monde — wohl aber von noch gluthflüssigen Weltkörpern herstammen, in welchen explosionsfähige Gase eingeschlossen sind. „Die vulkanische 'Thätig- keit,“ sagt Tschermak [233], „deren Zeugen jene geheimnissvollen Stein- und Eisenmassen gewesen, lässt sich vergleichen mit den hef- tigen Bewegungen in den äusseren Schichten der Sonne, mit den schwächlichen vulkanischen Regungen auf der Erde, mit den grossartigen eruptiven Erscheinungen, von denen uns die Mondkrater erzählen *).* Ist dem aber so, dann ist für die Existenz eines Magma’s, wie auch Zöppritz |235] betont, ein neuer und gewichtiger Beleg gewonnen. Auch Suess, der in seinen uns bekannten beiden Werken die Schrum- pfungstheorie in genialer Weise vertritt, räumt trotzdem das Vorhanden- sein jenes festflüssigen Uebergangskörpers ein, indem er durch dessen anfängliche Intrusion und nachmalige Erstarrung die Bildung der so- genannten Baccolithe, dieser mächtigen Pfeiler und Träger späterer Gebirgsbildung, erklärt [236]. Endlich hat (vgl. $. 8) Penck die vul- kanischen Eruptionsprodukte als natürliche Abkömmlinge eines Magma’s hinzustellen gewusst: „Die Bildung von Bomben, Lapilli, Sanden und Aschen könnte man mit dem Aufschäumen einer Flüssigkeit vergleichen. Ist die Flüssigkeit sehr beweglich, so reissen die entweichenden Gase Theile der Flüssigkeit mit sich fort. Ist die Flüssigkeit zähe, oder die Gasentwickelung ruhiger, so wird sie über die Wandungen eines nie- drigen Gefässes überschäumen, in einem hohen dagegen wird sie zer- stäubt werden. Zur Bildung vulkanischer Auswürflinge ist also nichts weiter nöthig, a priori, als ein Magma, aus dem Gase entweichen“ [237]. Wir sehen: Während auf der einen Seite gewisse Momente des Eruptions- aktes sich mittelst der magmatischen Vorstellungsweise am Ungezwun- gensten erklären lassen, drängt das Bestreben, die Eruption als Ganzes überhaupt kausal zu verstehen, auf die Annahme hin, dass jenseits der starren Erdkruste eine in feuriger Wallung befindliche Schicht beginne. Darüber aber, wie man sich auch in diesem Falle den vul- kanischen Process zu denken habe, sind noch immer Verschiedenheiten in der Auffassung möglich. Zirkel, der sozusagen einen vermittelnden Standpunkt gegenüber der im vorigen Paragraphen gekennzeichneten Lehrmeinung einnimmt, gesteht der Kontraktionstheorie die Spaltenbildung in der Erdkruste zu, glaubt aber, dass bei weiterer Zusammenziehung die Lava durch eben diese Spalten in die Höhe gepresst werden müsse [233]. Sein Differenzpunkt im Verhältniss zu Mallet ist also, bei Licht besehen, ”) Bemerkt sei, dass Tschermak die von Carpenter-Nasmyth ent- wickelte und in Kap. III, $. 11 der ersten Abtheilung dieses Buches auseinander- gesetzte Deutung des lunaren Vulkanismus missbilligt. Er meint, dass, wenn diese (im Grunde der Mallet’schen Theorie analoge und für den anscheinend schon völlig ausgebrannten Mond auch erheblich annehmbarere) Hypothese der Wahrheit entspreche, dass dann auch bei der Zusammenziehung des sich seinem Gefrierpunkte nähernden Wassers eruptive Erscheinungen sammt Kraterbildung beobachtet werden müssten, was doch noch niemals der Fall gewesen sei. Es ist doch fraglich, ob nicht die so höchst eigenartigen Gebilde, welche Hagenbach- Bischoff beim Zerspringen einer mit Wasser gefüllten und der Frostwirkung ausgesetzten Bombe erhielt [234], als Belege gegen Tscehermak’s Behauptung in’s Gefecht geführt werden könnten. III, $. 12. Die magmatischen Theorieen der neuesten Zeit. 363 nur der, dass er die Massen, welche die Lava liefern, schon von vorn herein bestehen lässt, während jener sie erst aus dem Akte der Kon- traktion selbst herleitet. Man scheint übersehen zu haben, dass die von einem der um die Physik des Erdinneren verdientesten Physiker einer früheren Periode, von Cordier, in einem eigenen Werke [239] formulirte Hypothese ganz auf das Gleiche hinauskommt (vgl. $. 9). Aehnlich urtheilt der Oxforder Geologe Prestwich [240], der in dem eindringenden Wasser zwar nicht die bestimmende Ursache des Aus- bruches selber, wohl aber der meisten begleitenden Umstände desselben erblicken will. Durch diese Charakterisirung des Wassers tritt Prest- wich in einen gewissen Gegensatz zu Dücker [241], der dem Glauben huldigt, dass ohne den Eintritt des Meerwassers, welcher durch die Spalten in die von der Zusammenziehung der Kruste geschaffenen Hohlräume er- folgt, der Anstoss zu der den Ausbruchsakt einleitenden Explosion gar nicht gegeben werden könnte. Pilar giebt zu bedenken, dass solch direkte Spalten-Eruptionen, die ohne unmittelbares vertikales Niedersteigen der Risse bis zur Oberfläche des Magma’s nicht denkbar wären, zwar nicht geradezu unmöglich, gewiss aber zu den Seltenheiten zu zählen seien [242]. Dass auf diese Art Daueröffnungen, die nicht bald wieder durch late- rale Schiebung geschlossen würden, entstehen könnten, erscheint ihm völlig ausgeschlossen, wohl aber hält er es für möglich, dass die Auf- drückung sogenannter Quetschfalten zur Bildung dauerhafterer Schlöte ‘ führen könne. Der Bau der japanesischen Feuerberge lasse solche Haupt- und darauf senkrechte Nebenspalten unschwer erkennen. Fig. 73a und b, die wohl ohne Erläuterung für sich selbst spricht, bringt die ge- zwungene Oeffnung derartiger Schlünde im Sinne Pilar’s zur Anschauung. Für . Fig. 78. Pilar’s Hypothese spricht entschieden a der Umstand, dass deren Urheber us ——,_ ihr eine Ansammlung der Vulkane an 2 den steil geböschten Seiten der Längs- RR —| gebirge zu einer Zeit folgerte, da ihm a b — Milne’s bezügliche Erfahrungen (s.- o. 8. 5) noch gar nicht bekannt sein konn- ten. Bei all’ diesen Theorieen ist die Frage, ob das Magma eine so beträchtliche Ausdehnung besitzt, wie wir in $. 5 des vorigen Kapitels feststellen zu können glaubten, nur eine untergeordnete. Man könnte auch Hopkins folgen, der (s. Kap. H, 8. 5) zwar die Erde für wesentlich starr erklärte, gleichwohl aber, eben des vulkanischen Phänomens halber, die Existenz lokaler Lava-Reservoirs im Inneren der Erde zulassen wollte und von Thomson wegen dieser seiner An- nahme keinen Widerspruch erfuhr. Man ist über diese Hypothese, die auch durch unseren Versuch, für das Magma eine weit grössere Ausdehnung zu retten, keineswegs beseitigt wird, vielleicht etwas zu schnell zur Tagesordnung übergegangen, denn neuere Untersuchungen, die Dutton an den Bruchfeldern der Hochplateaux westlich der Rocky Mountains gemacht hat [243], bedingen ein Zurückgreifen auf Hop- kins’ Vorstellungen. Wenigstens lässt in diesem Sinne Suess sein gewichtiges Urtheil vernehmen [244]: „Nach Dutton werden solche Behälter, sie werden Maculae genannt, im Inneren der Erde neu gebildet, und es wird die von Cl. King neuerlich betonte Ansicht 364 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. vom Flüssigwerden durch Verminderung des Druckes mit dieser Vor- aussetzung in Verbindung gebracht.“ Dass Dutton persönlich den Inhalt dieser Lavanester nicht, wie Hopkins, aus dem ehemals gluth- flüssigen Zustande des gesammten Erdinneren abgeleitet wissen will, thut nichts zur Sache selber; vielleicht begünstigen derartige Hohl- räume auch das örtliche Einsinken oder — nach Reyer — Nach- sacken des Vulkanes und des angrenzenden Gebirges. Persönlich würden wir, wie heute die Dinge liegen, den mit den Gasexplosionen des Magma’s als mit der eigentlichen causa movens der vulkanischen Phänomene rechnenden Theorieen den Vorzug geben. In diesem Sinne hat Sollas [245] unlängst eine leider nur ganz kurze Andeutung gegeben; im Magma befinden sich grosse (Juantitäten Wasser- dampfes eingeschlossen, welche sich sofort wieder aus demselben los- ringen, sobald irgendwo der auf der Oberfläche lastende Druck nach- lässt, sobald also plötzlich eine (Seiten-)Spalte sich öffnet. Mit Pilar’s Quetschfalten verträgt sich diese Ansicht ganz gut; doch ist noch darauf aufmerksam zu machen, dass nach der neuen vulkanistischen Theorie von Siemens (s. Kap. II, $. 3) das durch Verdampfung ein- gedrungenen Wassers entstandene Dampfquantum sich als viel zu ge-, ringe erweist, um so gewaltige Explosionen liefern zu können, dass vielmehr von der Annahme nicht Umgang genommen werden kann, es müssten auch brennbare Wasserstoffverbindungen unmittelbar aus dem Magma ausgeschieden werden und im Rohre des Kraters mit in die Höhe steigen. Sehr treffend schildert auch Reyer am Schlusse seines uns wohlbekannten geschichtlich-kritischen Essay’s die Reihen- folge der in ihrer Gesammtheit als Vulkanausbruch bezeichneten Er- eignisse. Durch die Kontraktion der Erdkruste werden Verwerfungen und Spaltbildungen erzeugt, ohne welche das Emporsteigen und die Zerstäubung der Magma-Gase nicht möglich wäre. Er spielt dabei auf eine passend gewählte Analogie aus der Physik des alltäglichen Lebens an: „Wie die gespannte Kohlensäure im Syphon das Aufsteigen und Sprudeln des Säuerlings, nicht aber dessen Durchbruch durch das Ventil bewirkt, so verursachen die Gase im Magma allerdings auch das Aufsteigen und Zerstäuben des Gluthbreies, sind aber nicht im Stande, sich selbst das Loch oder, besser gesagt, die Spalte bis an die Erdoberfläche zu machen.“ Dass diese Analyse des verwickelten Processes alle Schwierig- keiten kläre und hebe, welche der Vulkanismus schon heute in sich schliesst und voraussichtlich trotz aller Bemühungen noch ferner in sich schliessen wird, soll nicht behauptet werden, wiewohl keine andere Theorie mehr leisten dürfte. Sei dem aber, wie ihm wolle, soviel steht zu hoffen, dass die den Zusammenhang der Wissenschaften unter sich leugnende Auffassung von Reusch*) ebenso energisch von den Vertretern aller betheiligten Disciplinen desavouirt werden werde. Die *) Folgendes sind seine Worte [246]: „Es ist überhaupt an der Zeit, dass es nicht mehr in demselben Grade, wie früher, den räsonnirenden Physikern über- lassen wird, die Frage von der Ursache des Vulkanismus zu beantworten. Das Problem ist naturhistorisch und muss in erster Linie von den beobachtenden Naturhistorikern, in diesem Falle also den Geologen, behandelt werden.“ Nur die Eine Frage: Ist Reyer’s Schrift über die Eruptivgesteine eine physikalische oder geologische? Doch wohl beides! III, $. 13. Die vegetative Bekleidung der Vulkane. 365 Lehre von den vulkanischen Erscheinungen kann nur von jenem steten Ineinandergreifen der mathematischen, experimentellen und — im engeren Sinne — beschreibenden Geologie weitere Erfolge erwarten, durch welches sie ihren heutigen und ganz gewiss nicht verächtlichen Wissensstand erreicht hat. $S. 13. Die vegetative Bekleidung der Vulkane. Die Flora der feuerspeienden Berge mit den geologischen Besonderheiten der letzteren in organischen Zusammenhang zu bringen, ist in neuerer Zeit mit grossem Glücke versucht worden. Es ist vielleicht schon kein blosser Zufall, dass ein solcher Berg, der Aetna, zuerst es war, an dem Bembo seine vergleichenden Studien über die vertikale Anordnung der Pflanzenformen und über deren Aehnlichkeit mit dem Wechsel der Vegetation in meridionaler Richtung anstellte [247], vielleicht auch kein Zufall, dass das vulkanreichste Land der Erde, Japan, den An- stoss zum erstmaligen Gebrauch des Wortes „Pflanzengeographie“ (Menzel) gegeben hat [248]. Dass die intensivere Wärme der von dem Kraterrohre nur durch dünne Wände getrennten Abhänge sich ‘auch in dem floristischen Charakter dieser Aussenseite geltend machen könne, soll jedenfalls nicht principiell in Abrede gestellt werden, ob- wohl man nicht, wie geschehen (vgl. die Randnote in $. 5 und A. v. Humboldt’s Bemerkungen [249] über die Schneelosigkeit des Acon- eagua und Cotopaxi), der doch sehr häufig intermittirenden Thätigkeit der Vulkane allzuviel aufzubürden berechtigt ist. Dass die innere Wärme solcher Berge eine agronomische Bedeutung habe, ist aller- dings ein allgemeiner Glaube; „auf vulkanischem Boden gedeiht die Rebe“, sagt Scheffelim „Ekkehard“. Was hier zum Schlusse erörtert werden soll, bezieht sich auf eine Reihe exakter Beobachtungsresultate Rein’s [250], die allerdings auch wieder in keinem anderen Lande, als auf den japanischen Inseln, gewonnen worden sind. In der Meteorologie wird sich uns Gelegenheit geben, den auf verhältnissmässig rasch vor sich gehender Erwärmung und Wieder- erkaltung gewisser Landpartieen beruhenden Gegensatz zwischen Land- und Seewinden auf der einen und zwischen Berg- und Thal- winden auf der anderen Seite zu studiren. Dieser letztgenannte Wind- wechsel macht sich nun an den japanischen Vulkanen deshalb besonders bemerklich, weil das vulkanische Gestein durch seine Eigenwärme die Aktion der Sonnenstrahlen energisch unterstützt und dadurch eine besonders lebhafte Auflockerung der darüber ruhenden Luftschichten bewirkt, durch welehe dann auch wieder ein starker bergaufwärts wehender Strom bedingt wird. Diesem folgend, schreitet die Vege- tation von der Thalsohle nach dem Gipfel zu in die Höhe. Jene Arten, welche einen alpin-polaren Charakter besitzen, steigen am höchsten und benützen jede Aufschüttung eines neuen Eruptionskegels, um an diesem noch höher hinaufzusteigen. Am weitesten entfernt vom Seespiegel begegnet man Pflanzen sibirischen und kamtschatkalischen Ursprunges, welche durch Monsune und Meeresströmungen an die Küsten des Inselreiches gelangt und dort dem Thalwinde überant- wortet waren. Nach Rein (a. a. O.) ist „in manchen Fällen die Be- schaffenheit der Vegetation ein viel wichtigeres, viel sichereres Kriterion für das relative Alter der einzelnen Kratere, als die des Gesteines“. 366 N Citate. [1] The Poulett Scrope, Volcanos; the character of their phenomena etc.,. Lon- don 1872. S.6. — [2] H. Müller, De montibus ignivomis seu vulcanis, Altdorfi 1710. S. 3. — [3] v. Seebach, Vorläufige Mittheilung über die typischen Verschieden- heiten im Bau der Vulkane und deren Ursache, Zeitschr. d. deutschen geol. Gesellsch., 18. Band. S. 643 fi. — [4] Poulett Scrope, The Volcanos, $. 341. — [5] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde. 1. Band, Leipzig 1879. S. 204. — [6] v. Hochstetter, Neuseeland, Stuttgart 1863. S. 85 ff. — [7] Milne, On the form of volecanos, Geol. Mag., (2) Vol. V. S. 337 ff.; Further notes on the form of vol- canos, ibid. (2) Vol. VI. S. 506 fi. — [8] v. Stockar, Die logarithmische Linie als Kurve der rückwirkenden Festigkeit, nachgewiesen am Anlauf des Pfeilers, der Säule und des Pyramidalkörpers mit quadratischem Querschnitt, Archiv d. Math. und Phys., 34. Theil. S. 431 ff. — [9] Francais, M&morial de l’officier du genie, Metz 1820. N. 4. — [10] Löwe, Alte und neue Versuche über Reibung und Ko- häsion von Erdarten, München 1872. — [11] Ibid. S. 81 fi. — [12] Milne, On the form etc. $S. 340. — [13] Suess, Das Antlitz der Erde, 1. Abtheilung, Prag und Leipzig 1883. S. 190. — [14] Geikie, The lava-fields of north-western Europe, Na- ture, Vol. XXVIl. S.3. — [15] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik,. Agram 1881. S. 78 fi. — [16] G. K. Gilbert. Report on the geology of the Henry Mountains, Washington 1877. — [17] Suess, Das Antlitz etc. S. 198. -— [18] Ibid. $. 199 fi. — [19] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, II. Auflage, 9. Band, 3. Abtheilung, Leipzig 1840. S. 2321 ff. — [20] K. Fuchs, Vulkane und Erdbeben, Leipzig 1875. S. 51. — [21] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 226. — [22] Lyell, Principles of geology, vol. I. London 1830. S. 378. — [23] K. Fuchs, Vulkane ete., $. 45. — [24] Ibid. S. 47. — [25] vom Rath, Ueber eine massenhafte Exhalation von Schwefelwasserstoff in der Bucht von Missolunghi, Monatsber. d. k. preuss. Akad. d. Wissenschaften, 1882. — [26] Gehler’s Phys. Wörterbuch, 9. Band, 3. Abth. S. 2331 ff. — [27] Ibid. S. 2333. — [28] Ibid. S. 2335. — [29] Huc-Gabet, Wan- derungen durch das chinesische Reich, deutsch von Andree, Leipzig 1855. $. 129 ff. — [30] G. H. Hess, Composition du gaz des feux de Bacou, St. Petersbourg 1836. — [31] Gehler, 9. Band, 3. Abth. $. 2337. — [32] v. Gutbier, Beschreibung des Zwickauer Schwarzkohlengebirges, Zwickau 1834. S. 81. — [33] Gehler, 9. Band, 3. Abth. $. 2340. — [34] Breislak, Institutions g&ologiques, tome III, Milan 1814. S. 435. — [35] A. v. Middendorff, Ueber den Vulkanismus in Centralasien, Aus- land, 1879. S. 634 ff. — [36] v. Richthofen, China, 1. Band, Leipzig 1877. S. 216 ff. — [37] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1845. $. 226. — [38] Bischof, Ueber die natürlichen Kohlensäure-Exhalationen am Laacher See, Schweigger’s Journal, 56. Band. S. 147 ff. — [39] Gehler, 9. Band, 3. Abth. S. 2329. — [40] Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 233. — [41] Ibid. S. 448. — [42] Solinus, Memorabilia Mundi, cap. V. — [43] Gehler, 9. Band, 3. Abth. $. 2328. — [44] M. Wagner, Der Kaukasus und das Land der Kosaken in den Jahren 1843 bis 1846, 1. Band, Dresden und Leipzig 1848. S. 10 ff. — [45] Gümbel, Ueber das Eruptionsmaterial des Schlammvulkans von Paterno am Aetna und über Schlammvulkane im Allgemeinen, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch., Math.-phys. Kl., 1881. S. 256 ff. — [46] Ibid. S. 271 ff. — [47] Pilar, Grund- züge etc. S. 13 ff. — [48] v. Hochstetter, Die Vulkane Java’s, Sitzungsber. d. k. k. Ak. d. Wissensch. zu Wien, Math.-naturw. K]., 36. Band. S. 128 ff. — [49] O. Schnei- der, Ueber den Schlammvulkan von Boshie-Pranysl in Transkaukasien, Verhandl. d. Berl. anthropol. Gesellschaft, 1878. S. 21 ff. — [50] v. Buch, Physikalische Be- schreibung der kanarischen Inseln, Berlin 1825. S. 321 ff. — [51] Ibid. S. 328 ff. — [52] Ibid. S. 353 ff. — [53] Ibid. S. 379 ff. — [54] Ibid. 8.392 ff. — [55] v. Buch, Ueber die Zusammensetzung der basaltischen Inseln und über Eruptionskratere, v. Leonhard’s mineralog. Taschenbuch, 1821. S. 391 ff. — [56] Humboldt, Kosmos 1. Band. $. 249. — 157] Fr. Hoffmann, Geschichte der Geognosie und Schilderung der vulkanischen Erscheinungen, Berlin 1838. $. 131 fi. — [58] Fr. Hoffmann, Ueber die geognostische Beschaffenheit der Liparen, Ann. d. Phys. u. Chem., 26. Band. S. 81 ff. — [59] Ch. Darwin, Geological observations on the volcanie islands, London 1844. S. 127. — [60] Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 253. — [61] Ibid. S. 455. — [62] Brunel, Observationes phaenomenorum quorundam factae in insulis africanieis Franciae et Borbonii, Ephem. Soc. Meteorol. Palat., 1788. S. 396. — [63] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 234. — [64] Ueber den Vulkan Demavend in Persien, Gaea, 13. Jahrgang. $. 251. — [65] Rüppell, Reisen in Nubien, Frankfurt a. M. 1829. S. 151. — [66] Lynch, Proceedings of the royal geogr. society, Vol. XIII. S. 213. — [67] Abich, Ein vermeintlich thätiger Vulkan an den Quellen des Euphrat,. Bull. de la soc. imp. des natural. de Moscou, Citate. 367 tome XLIll. S.1 ff. — [68] K. Fuchs, Vulkane etc. $. 261 ff. — [69] Fr. Hoffmann, Gesch. etc. S. 125. — [70] K. Fuchs, Vulkane etc. $. 268. — [71] Peschel, Ab- handlungen zur Erd- und Völkerkunde, herausg. v. Löwenberg, 2. Band, Leipzig 1878. S.520 ff. — [72] K. Fuchs, Vulkane etc. S. 271. — [73] Ibid. $. 278. — [74] W. Sar- torius v. Waltershausen, Atlas des Aetna, Weimar 1859. — [75] v. Lasaulx, Die neueste Eruption des Aetna vom 22. Dezember 1832, Humboldt, 2. Jahrgang. S. 213 fi. — [76] K. Fuchs, Vulkane etc. S. 276 ff. — [77] Die vulkanischen Ge- birge von Aegina und Methana, Naturforscher, 1. Jahrgang. $. 13 fi. — [78] Is- land’s jüngste vulkanische Phänomene, Ausland, 1879. S. 243 ff. — [79] K. Fuchs. Vulkane etc. S. 256 ff. — [80] Ibid. S. 260. — [81] Goethe’s sämmtliche Werke in vierzig Bänden, 40. Band, Stuttgart 1869. S. 33 ff. — [82] Suess, Das Antlitz etc. S. 206. — [83] Hesse, Die erloschenen Vulkane Deutschlands, Reichenbach i. V. 1883. — [84] Steininger, Bemerkungen über die Eifel und die Auvergne, Mainz 1824. S. 32. — [85] Steininger, Die erloschenen Vulkane in der Eifel und am Nieder- rhein, Mainz 1820. S. 175 ff. — [86] Hesse, Die erl. etc. $S. 11 fi. — [87] Ibid. S. 32 fi. — [88] Gümbel, Geologische Fragmente aus der Umgegend von Ems, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch., Math.-phys. Kl., 1881. $. 239. — [89] Hesse, Die erl. ete. S. 49. — [90] Ibid. S. 55. — [91] Gümbel, Ueber den Riesvulkan und über vulkanische Erscheinungen im Rieskessel. Sitzungsber. d. k. bayr. Ak. d. Wissensch., Math.-phys. Kl., 1870. S. 153 ff. — [92] Kaiser, Jan Maijen, Gaea, 18. Jahrgang. $S. 697. — [93] K. Fuchs, Vulkane etc. $. 288. — [94] Ibid. S. 290 ff. — [95] Ibid. S. 294 fi. — [96] Ibid. S. 296. — [97] Jagor, Reisen in den Philippinen, Berlin 1873. S. 333. — [98] K. Fuchs, Vulkane etc. S. 302 ff. — [99] Junghuhn, Java, seine Gestalt, Pflanzendecke und innere Bau- art, deutsch von Hasskarl,. 2. Band, Leipzig 1852. S. 606 ff. — [100] Bickmore, Reisen im ostindischen Archipel in den Jahren 1865 und 1866, deutsch von Mar- tin, Jena 1869. S. 32. — [101] Ibid. S. 51 ff. — [102] Der Vulkanismus im Sunda- gebiete und die Katastrophe vom August 1883, Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Stat., 6. Jahrgang. S. 81 ff. — [103] Fuchs, Vulkane etc. $. 281. — [104] Ibid. S. 284. — [105] Ibid. S. 326 ff. — [106] v. Buch. Phys. Beschr. ete. $. 284 fi. — [107] Serope, The Volcanos etc. $. 229. — [108] Dölter, Die Vulkane der Kap Verden und ihre Produkte, Graz 1882. — [109] K. Fuchs, Vulkane etc. $. 309. — [110] Ibid. S. 337 ff. — [111] Ibid. S. 340 ff. — [112] Die Eruption des Mauna- Loa auf Hawaii, Gaea, 18. Jahrgang. S. 139 ff. — [113] K. Fuchs, Vulkane etc. S. 338. — [114] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. S. 581 ff. — [115] K. Fuchs, Vulkane etc. $. 343. — [116] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Carl Ritter und Alexander v. Humboldt, München 1877. S. 507. — [117] K. Fuchs, Vulkane etc. S. 310 fi. — [118] Ibid. S. 313, — [119] Ratzel, Physikalische Geographie und Naturcharakter der Vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. S. 144 ff. — [120] K. Fuchs, Vulkane etc. $S.313 ff. — [121] M. Wagner-Scherzer, Die Republik Costa Rica in Südamerika, Leipzig 1856. S. 37. — [122] Ibid. S. 261. — [123]K. Fuchs, Vulkane etc. $. 320. — [124] Verhandl. _ d. Berl. Gesellsch. f. Erdkunde, 9. Bd. S. 329; 10. Bd. $. 481. — [125] K. Fuchs, Vulkane etc. S. 333. — [126] Eruption vulkanischen Staubes auf Domingo, Gaea, 16. Jahrg. S. 411 ff. — [127] Th. Wolf, Ein Besuch der Galapagos-Inseln, Heidel- berg 1879. — [128] Zöppritz, Der gegenwärtige Stand der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrb., 8. Band. $S. 38 ff. — [129] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 218. — [130] Fr. Hoffmann, Gesch. etc. S. 451 ff. — [131] Eine interessante Anwen- dung des Mikrophons auf vulkanische Erscheinungen, Ausland, 1879. S. 179. — [132] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 219. — [133] H. Müller, De montibus igni- vomis ete. $. 30. — [134] Kries, De nexu inter terrae motus vel montium igni- vomium eruptione et statum atmosphaerae, Acta nova soc. Jablonov., tom. IV. S, 40 fi. — [135] Palmieri, Der Ausbruch des Vesuv vom 26. April 1872, deutsch von Rammelsberg, Berlin 1872. S. 17. — [136] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 221. — [137] Vulkanstudien bei Santorin, Gaea, 10. Jahrgang. S. 641 ff. — [138] Ibid. S. 647. — [139] Phillips, Vesuvius, London 1869. $. 112. — [140] Peschel- Leipoldt, Phys. Erdk., 8. 225. — [141] Jagor, Reisen etc. S. 107 ff. — [142] Jung- huhn-Hasskarl, Java, 1. Band. S. 605. — [143] Hesse, Die erl. ete. $. 11. — [144] Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 226. — [145] Culmann, Der Minentrichter, Vierteljahrsschr. d. naturf. Gesellsch. zu Zürich, 16. Jahrgang. — [146] H. Cred- ner, Elemente der Geologie, Leipzig 1876. S. 134. — [147] Bedemar, Om vulka- niska produkter fra Island. Kjöbnhavn 1817. — [148] Bischof, Die Bedeutung der Mineralquellen und Gas-Exhalationen bei Bildung und Veränderung der Erdober- fläche, Schweigger’s Journal, 66. Band. S. 125 ff. S. 225 ff. — [149] Gehler, 9. Band, 368 | Citatk, 3. Abth. S. 2261 ff. — [150] Menard de la Groye, Observations avec reflexions sur l’etat et les ph&nomenes du Vesuve pendant une partie des annees 1813 et 1814, Journal de physique, tome LXXX. $. 400. — [151] 8. o. [78]. — [152] Geh- ler, 9. 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Halbband, deutsch von Eth&e, Leipzig 1868. $. 339 ff. — [178] Kir- cher, Mundus subterraneus, in quo universae naturae majestas et divitiae demon- strantur, Amstelodami 1664. — [179] G. F. Parrot, Grundriss der Physik der Erde und Geologie, Riga und Leipzig 1815. $. 257 fi. — [180] Hamilton, Obser- vations on mount Vesuvius, mount Etna and other volcanos of the two Sicilies, London 1772. — [181] Gehler, 9. Band, 3. Abth. $S. 2279 ff. — [182] Beccaria, Lettere del elettrizismo naturale e artificiale. Torino 1753. S. 226. — [183] Gehler, 9. Band, 3. Abth. S. 2283. — [184] Lister, On the nature of earthquakes and vol- canos, Phil. Transact., Vol. XIV. 8. 512 ff. — [185] Lemery, Explication physique et chimique des feux souterrains, des tremblements de terre, des ouragans, des eclairs et du tonnerre, M&m. de l’acad. france „ Ann&e 1700. $. 101 ff. — [186] Krü- ger, Gedanken von der Ursache des Erdbebens, Halle 1756. — [187] Henkel, Py- ritologia oder Kieshistorie, Leipzig 1825. — [188] Ibid. 8. 867. — [189] A. Werner, Versuch über die Entstehung der Vulkane durch Entzündung mässiger Stein- kohlenflötze, als Beitrag zur Geschichte des Basaltes, Höpfner’s Magazin, 4. Band. — [190] Davy, On the phenomena of volcanos, Phil. Transact., Vol. CLVII. S. 241 ff. — [191] Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 247. — [192] Przystanowski, Untersuchungen über den Ursprung der Vulkane in Italien, Leipzig 1822. — [193] Clarke, Experiments with the oxygen and hydrogen blow-pipe, Cam- bridge 1817. — [194] D’Aubuisson, Traite de geognosie, Vol. I, Paris 1819. S. 211. — [195] Gehler, 9. Band, 3. Abth. $. 2286. $. 2297. — [196] Ibid. S. 2289 ff. — [197] Bischof, Die Wärmelehre im Inneren unseres Erdkörpers, Leipzig 1837. S. 250 ff. — [198] Gehler, 9. Band, 3, Abth. $. 2295 ff. — [199] Fr. Hoffmann, Gesch. etc. $. 128. — [200] Ibid. S. 1383. — [201] Bruhns, Alexander v. Hum- boldt. eine wissenschaftliche Biographie, 3. Band, Leipzig 1872. $. 147. — [202] Höfler, Die Meridionalgebirge, Jahresber. d. Ver. f. Geogr. u, Stat. zu Frank- furt a. M., 1832—83. — [203] Kohn, Sjewjerzow’s Bemerkungen über die meri- dionalen Erhebungen der Pamir-Wüste und ihr Verhältniss zu Humboldt’s Bau des Bolor, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 1. Jahrgang. S. 55 ff. — [204] Fr. Hoff- mann, Gesch. etc. S. 234. — [205] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 206 ff. — 1206] Ibid. S. 203. — [207] Peschel-Ruge, Gesch. etc. $S. 65. — [208] Suess, Das Antlitz etc. S. 200. — [209] Abich, Geologische Forschungen in den Kaukasus- ländern, 2. Band, 1. Abtheilung, St. Petersburg 1882. S. 76 ff. — [210] Hesse, Die erl. ete. S. 4. — [211] Reyer, Vulkanol. Stud., S. 473 ff. — [212] Reyer, An- sichten etc. $. 220. — [213] Wettstein, Die Strömungen des Festen, Flüssigen und Gasförmigen und ihre Bedeutung für Geologie, Astronomie, Meteorologie und Klimatologie, Zürich 1880, S. 62 ff. — [214] Pilar, Grundzüge etc. S. 41 ff. — [215] Zöppritz, Recension zu Wettstein, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, IV,$S. 1. Beschreib. einzelner Erdbebenphänomene u. Erdbebengebiete. 369 7. Band. S. 59 ff. — [216] v. Petrinö, Die Entstehung der Gebirge, erklärt nach ihren dynamischen Ursachen, Wien 1879. S. 69 ff. — [217] A. Kirchhoff, Recension hiezu, Zeitschr. £. wissensch. Geogr., 1. Jahrgang. S. 37 ff. — [218] Mohr, Ueber die Ursache der Erdwärme, Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., 1875. 8. 371 ft. — [219] Fr. Pfaff, Die vulkanischen Erscheinungen, München 1871. 8. 167 f. — [220] Mallet, On "volcanie energy: an attemt to develop its true origin and cos- mical relations, Phil. Transact., Vol. OLXII. S. 147 fi. — [221] Mallet, Ueber vulkanische Kraft, deutsch von v. Lasaulx, Bonn 1874. — [222] C. Prevost, Quel- ques propositions relatives a l’etat originaire et actuel de la masse terrestre etc., Compt. rend. de l’acad. franc., tome XXXI. S. 461 ff. — [223] Suess, Die Ent- stehung der Alpen, Wien 1875. S. 47 ff. — [224] Geikie, On some points in the connection between metamorphism and volcanic action, Transact. of the Edinb. geol. society, Vol. II. S. 287 ff. — [225] Reusch-Herrmann, Ueber Vulkanismus, S. 26 fi. — [226] Scrope, On Mallet’s theory of: volcanic energy, Geol. Mag.. (2) Vol. I. S. 38 fi. — [227] J. Roth, Ueber die neue Theorie des Vulkanismus des Herrn R. Mallet, Zeitschr. d.. deutschen geol. Gesellschaft, 27. Band. S. 551 fi. — [228] Ibid. S. 564 fi. — [229] Reusch-Herrmann, Ueber Vulkanismus, Soll — [230] Fr. Pfaff, Der Mechanismus der Gebirgsbildung, Heidelberg 1880. S. 104 ff. — [231] Reusch- Herrmann, Ueber Vulkanismus, 8. 32. — |232] Tschermak, Ueber den Vulkanismus als kosmische Erscheinung, "Sitzungsber. d. k. k. Ak. d. Wiss. zu Wien, math.-naturw. Kl., 75. Band, 1. Abth.. S. 151 ff.; Die Bildung der Me- teoriten und der Vulkanismüs, Sirius, (2) 4. Band. $. 149 ff. — [233] Ibid. S. 157. — [234] Hagenbach-Bischoff, Sprengwirkungen durch Eis, Ber. d. naturf. Ges. zu Basel, 7. Band. $. 185 ff. — [235] Zöppritz, Der gegenw. ete, 8.35. — [236] Suess, Das Antlitz ete. 8. 318 f. — [237] Penck, Studien über lockere vulkanische Aus- würflinge, Zeitschr. d. deutschen geol. Gesellschaft, 17. Band. 8. 127. — [238] Zirkel, Ueber den muthmasslichen ursprünglichen Zustand der älteren Eruptivgesteine, Oest. Monatsschr. f. Wissensch. u. Kunst, 1872. S. 594 ff. — [239] Cordier, Essay sur la temperature de l’interieur de la terre, Paris 1827. — [240] Prestwich, Some observations of the causes of volcanie action, Nature. Vol. XXIV. S. 471 fi. — [241] Dücker, Tagebl. d. 52. Versamml. deutscher Naturf. u. Aerzte, Baden 1879. S. 197 ff. — [242] Pilar, Grundzüge etc. S. 179 ff. — [243] Dutton, Report on the geology of the high plateaus of Utah, Washington 18380. S. 116 f. 8.198 fi. — 1244] Suess, Das Antlitz ete. S. 240. — [245] Sollas, The connection between the intrusion of volcanie action, Nature, Vol. XXIV. S. 472. — [246] Reusch-Herrmann, Ueber Vulkanismus, S. 38. — [247] Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 490. — [248] Ibid. S. 375. — [249] Ibid. $. 483. — 1250] Rein, Ueber Berg- und Thal- winde und ihre Beziehungen zur Yeserarion der vulkanischen Gebirge, Gaea 15. Jahrgang. S. 681 ff. Kapitel IV. Erdbeben. $. 1. Beschreibung einzelner Erdbebenphänomene und Erdbeben- gebiete. Die erste Vorbedingung zur Erklärung, ja selbst nur zum richtigen Verständnisse der Menge verwickelter Erscheinungen, welche wir mit dem Namen Erdbeben zusammenzufassen gewohnt sind, ist die Beschaffung eines ausgiebigen Beobachtungsmateriales. Aus leicht verständlichen und in der Natur des Menschen nur allzusehr begrün- deten Ursachen ist dieser Forderung jedoch nur sehr schwer nachzu- kommen, und keine der aus dem Alterthum und Mittelalter auf uns gekommenen Nachrichten kann auf Zuverlässigkeit Anspruch machen. Den richtigen Weg der Notizensammlung betrat zuerst Scheuchzer Günther, Geophysik. I. Band. 94 370 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. aus Zürich [1], der im Jahre 1697 Fragezettel an eine Reihe von Gelehrten sandte, in welchen Fragen über die näheren Umstände einiger in der Schweiz empfundener Erdstösse (bei Basel und Eglisau) zur Beantwortung vorgelegt waren; die Wissbegierde des Fragestellers erstreckte sich auch auf mancherlei andere erdphysikalische Gegen- stände, als auf Veränderung in der Lufttemperatur und in den mag- netischen Verhältnissen, auf das Vorkommen von Fossilien in der Ge- gend des Adressaten, auf Gletscher, Feuerkugeln, Sternschnuppen, Nordlichter u. s. w. Durchdachte Vorschläge zur Aufstellung von Fragebogen, deren richtige Ausfüllung uns eine vollständige Statistik der Erdbebenerscheinungen liefern würde, hat Pilar [2] gemacht, indem er sorglich alle in Betracht kommenden Punkte erörterte. Wir werden bald sehen, dass das wenige, was man zur Zeit über den mechanischen Charakter eines bestimmten Erdbebens aussagen kann, statistischen Aufnahmen und natürlich auch einer rationellen ° Bear- beitung des von diesen gebotenen Stoffes verdankt wird. Soweit die aussereuropäischen Länder in Frage kommen, verfügt die Forschung meist nur über gelegentliche Berichte von Reisenden u. dgl.*). Nur Japan macht eine Ausnahme, weil dort erstlich deutsche Naturforscher, wie Knipping [4] und E. Naumann [5], ein sorg- sames Auge auf diese Vorfälle haben, und weil zweitens die Japanesen selbst seit Jahrhunderten ihr Interesse dafür durch genaue Aufschrei- bungen bethätigten **). In unserem Welttheile hat Italien den wenig erfreulichen Vorzug, von Erschütterungen des Bodens am meisten heimgesucht zu werden, und so konnte es nicht fehlen, dass eine um- fangreiche Literatur über italienische Beben entstand. Dahin ist in erster Linie zu zählen das klassische Werk von Mallet [6], durch welches unser unsicheres Wissen über die Einzelheiten solcher Phäno- mene zuerst eine festere Fundamentirung erhielt; Mallet hatte seine Erfahrungen in Kalabrien gesammelt, jenem unglücklichen Lande, das. schon im Jahre 1783 eine — von Dolomieu und Grimaldi [7] be- schriebene — Katastrophe dieser Art erlebt hatte. Ihren speziellen Historiographen besitzen die Erdbeben Italiens in De Rossi, dem eifrigen Vertreter eines selbstständigen Wissenszweiges der unter- irdischen Physik. Das Erdbeben von Belluno ist von Bittner [8] und Falb [9] charakterisirt worden, während für das südliche Italien im Allgemeinen Suess [10] die Grundlinien der Erforschung vorzeichnete. *) Als eine verdienstliche Ausnahme ist Wynne’s Studie über das nord- ostindische Erdbeben von 1878 zu nennen [3]. Auch in den neuspanischen Staaten beginnt man die Nothwendigkeit einer sozusagen offiziellen Registrirung der seis- mischen. wie der vulkanischen Ereignisse immer deutlicher einzusehen, nament- lich in Chile und Guatemala, wo Rockstroh diese Angelegenheit von Staats- wegen in die Hand genommen hat. *#*) Die Nachrichten der japanischen Annalenschreiber reichen bis in das dritte vorchristliche Jahrhundert hinauf. Natürlich läuft des Fabelhaften genug mit unter, doch wird die Darstellung, je mehr sie sich der neueren Zeit nähert, eine immer genauere, wie denn die in Kap. III, $. 6 erwähnte Angabe von einer plötzlichen Erhebung des gigantischen Fusijama im Jahre 285 v. Chr. durch einen eingeborenen Geographen später ausdrücklich für eine Sage erklärt wird. Von 1676 an werden die seismischen Berichte zahlreich und minutiös. Japan’s Lite- ratur enthält 5 Erdbebenkalender, 13 Schilderungen besonders furchtbarer Ereig- nisse und 2 theoretische Abhandlungen über Erschütterungen. Die „Britislı As- sociation* ernannte Milne zum seismischen Reporter für Japan. m IV,S$. 1. Beschreib. einzelner Erdbebenphänomene u. Erdbebengebiete. 371 Für die entsetzliche Heimsuchung, welche über den Badeort Casa- micciola auf Ischia ergieng, fehlt es, da erst eine kurze Zeit seitdem verstrichen ist, noch an einem wissenschaftlich erschöpfenden Berichte, doch hat Ratzel |11] einstweilen sehr umsichtig die Thatsachen zu- sammengestellt, während das schwächere Erdbeben, das zwei Jahre früher an gleicher Stelle stattgefunden hatte, in v. Lasaulx |12] einen Beschreiber fand. — Sehr gute monographische Arbeiten besitzen wir auch über einzelne mitteleuropäische Erdbeben und Schüttergebiete, so von Hantken v. Prudnik [13] und Pilar [14] über Agram, von Yeitteles [15] über Karpathen und Sudeten, von Suess [16] über Niederösterreich, von Höfer [17] über Kärnthen; das grosse deutsche Beben von 1872 schilderte v. Seebach [18], das mehr periodische Erzittern des Herzogenrather Territoriums verfolgte v. Lasaulx [19] in zwei den verschiedenen Stadien gewidmeten Schriften. Dasjenige Land Europa’s, in welchem zur Zeit am meisten für die statistisch- naturhistorische Erforschung der Erdbeben geleistet wird, ist jedoch wahrscheinlich die kleine Schweiz. Es besteht dort eine eigene „schwei- zerische Erdbebenkommission“ unter der Leitung des Berner Physikers A. Forster, und die Organisation des Beobachtungs- und Nachrichten- dienstes ist eine so gute, dass, wie der Rechenschaftsbericht des Prä- sidenten über zwei Monate des Jahres 1881 beweist |20], auch die leichtesten Zuckungen der Kontrole nicht entgehen konnten. Das ge- sammte im Verlaufe zweier Jahre aufgespeicherte Material legte A. Heim den zu Linththal versammelten Mitgliedern der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft vor [21], dabei konstatirend, dass inner- halb der Grenzen der kleinen Republik von November 1879 bis Ende Dezember 1880 nicht weniger als 69, im einzigen Jahre 1881 sogar 166 Stösse bemerklich waren, worunter 18 bedeutendere. In Deutsch- land hat sich der naturwissenschaftliche Verein zu Karlsruhe durch das Vorgehen der schweizerischen Gesellschaft angeregt gefühlt, einen Ausschuss zur Kontrole der in sein Bereich fallenden Erderschütterungen niederzusetzen. Für die Wissenschaft der Erdbebenkunde hat De Rossi auf dem Titel eines allerdings hochverdienstlichen Werkes [22] die Bezeichnung endogene Meteorologie in Vorschlag gebracht*). Wir glauben diesen Namen ablehnen zu sollen, da unseres Erachtens durch ihn die Gefahr nahe gelegt wird, von vorn herein die Ergründung des wirk- lichen Sachverhaltes an eine bestimmte und nichts weniger als fest- stehende Theorie geknüpft zu sehen, während doch gewiss die von uns (s. u. $. 9) als tektonisch zu bezeichnenden Erdbeben nicht das Mindeste mit Veränderungen im Luftkreise zu thun haben. Nach wie vor dürfte, wenn ein Fremdwort gewählt werden soll, das Wort Seis- mologie (von den synonymen griechischen Terminis selots, oetopa, ”) Nach Neumayer's offiziellem Protokoll [23] fasste der in Rom zu- sammengetretene zweite internationale Meteorologen-Kongress folgenden Beschluss: „Nachdem der Kongress mit grossem Interesse den Bericht über Herrn De Rossi’s Forschungen betreffs der Phänomene, die er unter dem Namen „Endogene Meteo- rologie“ zusammenfasst, angehört hat, drückt derselbe den Wunsch aus, jene Forschungen fortgesetzt zu sehen, und weist auf die Beziehungen hin, die zwi- schen diesen Phänomenen und denjenigen der allgemeinen Meteorologie bestehen können.“ In dieser Form ward schliesslich auch der Beschluss redigirt [24]. 372 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. oeıcwös entlehnt) sich am meisten empfehlen. Als wenn auch nicht strenge systematische, so doch für das Studium der seismischen Er- scheinungen wichtige und nützliche Schriften verdienen diejenigen Favaro’s [25] genannt zu werden, während die mehr mathematisch- experimentelle Seite unserer Disciplin in R. Mallet |26] einen hervor- ragenden Vertreter fand. Umfassende Kataloge der seismischen Phänomene verdankt man ebenfalls den beiden Mallet [27] und J. Schmidt [28], für frühere Zeit Karl v. Hoff [29]; auch Perrey hat solche Zusammenstellungen in einer ganzen Reihe von Schriften gemacht, von denen es hier genügen möge, die bedeutendste |30] zu nennen. Kurz, aber musterhaft umsichtig findet sich der heutige Stand der Erdbebenforschung gekennzeichnet in einem Schriftchen von J. Roth [31], auf welches wir selbst in den folgenden Paragraphen sehr häufig Bezug zu nehmen haben werden; ein ähnliches lieferte Toula [32]. S. 2. Allgemeine Schilderung des Verlaufes einer Erderschütterung. Es ist nicht leicht, das Wesen eines Erdbebens in einer allen Anforde- rungen genügenden Weise zu definiren. In Kap. IV, $. 2 der vorigen Abtheilung lernten wir gewisse langsame Bewegungen der Erdrinde kennen, welche sich in geringen Ortsveränderungen eines freihängenden Pendels oder der Luftblase einer Wasserwage bemerklich machen, dabei aber — eben der gleichmässigen und nicht abrupten Form ihres Auftretens halber — nicht den uns hier beschäftigenden Erscheinungen zugezählt werden dürfen. Alle rein oberflächlichen Gleichgewichts- störungen sind jedoch ebenso auszuschliessen, wie etwa Bergstürze oder Erdschlipfe, der Zusammenbruch zugänglicher Höhlen, die Wir- kungen von ÖOrkanen u. s. w., obschon mit all’ diesen Ereignissen nicht selten ein ganz namhaftes Erzittern benachbarter Theile der Erdoberfläche verbunden zu sein pflegt. Roth bezeichnet [33] „als Erdbeben die vorübergehende Bewegung des Erdbodens, deren unter der Oberfläche gelegene Ursache von unten nach oben, von der Tiefe nach aussen wirkt“, und an dieser Fixirung des Begriffes wollen auch wir hier uns genügen lassen. Bemerkt sei jedoch zugleich, dass nicht lediglich das Festland, sondern auch der Meeresboden solchen Er- schütterungen ausgesetzt ist, welche deshalb auch im nächsten Para- graphen gesondert zu betrachten sein werden. Den Erdbeben stellt man die Seebeben gegenüber. Die Erdbeben sind eine weit häufigere Erscheinung, als man ge- meiniglich glaubt, wie denn A. v. Humboldt [34] der Ansicht ist, dass zu keiner Zeit die innere Thätigkeit der Erdrinde vollständig aufhöre, dass vielmehr am einen oder anderen Orte diese Aktion un- unterbrochen sich geltend mache. Wenn die erwähnten Listen der Erdbebenstatistiker ziemlich für jedes Jahr eine Zunahme der be- obachteten Erdstösse erkennen lassen, so darf aus diesem Umstande natürlich nicht auf eine wirkliche Vermehrung selcher Vorfälle, sondern nur auf eine Vermehrung der Beobachter und auf eine erhöhte Auf- merksamkeit dieser letzteren geschlossen werden, doch dient die Zu- nahme immerhin dazu, für die Wahrscheinlichkeit von Humboldt’s Behauptung Propaganda zu machen [35]. Die für das vorige Kapitel so wichtige Frage der geographischen Vertheilung braucht uns hier IV,$.2. Allgem. Schilderung des Verlaufes einer Erderschütterung. 373 nicht zu beschäftigen, denn soviel lässt sich schon nach unseren heu- tigen Erfahrungen übersehen, dass kein Land der Erde sich einer ab- soluten Immunität den Erdbeben gegenüber rühmen kann, obgleich natürlich die einen mehr, die anderen weniger häufig und stark be- troffen werden. Im Alterthum hielt man, gestützt auf die Autorität des Dichters Pindar und des Naturhistorikers Plinius [36], die Insel Delos, Aegypten und Gallien für erdbebenfreie Gebiete, eine Ansicht, welche Seneca mit spöttischen Seitenhieben auf die derselben an- hängenden Leute, als eine „credula natio philosophorum“, bekämpfte [37]. Selbst manche vulkanreiche Gegend ist sicherer, als gewisse durchaus unvulkanische und trotzdem von steten Stössen heimgesuchte Land- striche. Peschel glaubte in seinem interessanten Aufsatze „über das gegenwärtige Wissen von den Erdbeben“ [38] immerhin einige An- haltspunkte für eine relative Erdbebenfreiheit erkannt zu haben, und Leipoldt formulirt [39] seine Ergebnisse dahin, „dass Erdbeben sel- tener werden 1) im Abstand von thätigen Vulkanen, 2) im Abstand von vormals thätigen Vulkanen, 3) im Abstand von dem Erderschüt- terer Poseidon, also im Binnenlande und nicht auf Halbinseln, Inseln oder Küstengestaden, 4) im Abstand von jung erhobenen Gebirgen, überhaupt auf grösseren Tiefebenen (obgleich auch sie nicht gänzlich frei sind), 5) in alten Erdtheilen im Gegensatze zu den jüngeren.“ Es wird (a. a. ©.) darauf hingewiesen, dass gewisse Felsgebilde, die Livingstone in Afrika antraf, vollständig aus dem stabilen Gleich- gSewichte herausgerathen waren und gleichwohl seit unvordenklicher Zeit in diesem Zustande verharrten, während auch der leiseste Erd- stoss ihren Fall herbeiführen musste. Aehnliche erosive Gesteins- formationen, die alles inneren Haltes zu entbehren scheinen, kommen den von Pechuäl-Lösche dem Frankfurter Geographentage vorge- legten Zeichnungen zufolge auch am Congo vor. Kant vertheidigte mit Lebhaftigkeit den Satz, dass die Meeresufer am stärksten bedroht seien, indem er auf Kleinasien, Nordafrika, Peru, die iberische und die apenninische Halbinsel hinwies [40]; am schlimmsten sind nach ihm Südamerika, Italien und die Inseln des indischen Oceans daran [41]. Soviel ist gewiss, dass es relativ immune und daneben auch, wie sich Roth (a. a. ©.) ausdrückt, habituelle Stossgebiete giebt. So sucht sich Suess, um vergleichende Normen für die seismischen Gesetze trotz der zu supponirenden Ungleichartigkeit der Ursachen zu erhalten, für seine - Untersuchungen, gewissermassen als Paradigmen, vier örtlich weit auseinanderliegende Schüttergebiete heraus, nämlich dasjenige der nordöstlichen Alpen, dasjenige des südlichen Italiens, dasjenige des centralamerikanischen Festlandes und dasjenige der Westküste von Südamerika [42]. Was die Stärke des Erdstosses anlangt, so ist dieselbe, je nach den Umständen, eine ungemein verschiedene Manchen Ortes befindet sich der Boden in einem fast nie unterbrochenen Zustande des Erzitterns Monate und selbst Jahre hindurch; man spricht dann von Erdbebenschwärmen [43] (Grossgerau). Weit seltener und weit gefährlicher sind die von schwächeren Stössen eingeleiteten und gefolgten, selbst aber durch wenige, rasch nach einander erfolgende, energische Rucke des Bodens ausgezeichneten Erdbeben im engeren Sinne. Drei Stösse, deren stärkster 3 bis 4 Sekunden anhielt, reichten 374 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. [ am 26. März 1812 hin, Stadt und Provinz Caracas vollständig zu ver- wüsten. Hie und da freilich ist die Dauer eine weit längere, so bei dem furchtbaren Erdbeben von Riobamba (4. Februar 1797), wo .in Zeit von vollen zwei Monaten kaum ein Nachlassen der Intensität zu verspüren war, so bei dem grossen nordamerikanischen Erdbeben von 1811, dessen Phasen sich an eine gewisse Periode zu halten schie- nen [44], so beim phokischen Beben, das nach J. Schmidt vom 31. Juli 1370 bis zum 1. August 1873 nicht weniger als 35 Hauptstösse, von kleineren Erschütterungen abgesehen, zu unterscheiden. gestattete [45]. In früherer Zeit glaubte man einen dreifachen Unterschied in der Art der Erdstösse statuiren zu sollen, obgleich schon Seneca, dessen gesundes Urtheil ja mehrfach schon unser Staunen erregte, das Richtige getroffen hatte, indem er, selbst einem griechischen Vor- gänger die Ehre gebend, nachstehende Definition aufstellte [46]: „Duo genera sunt, ut Posidonio placet, quibus movetur terra. Utriusque nomen est proprium: altera succussio est, cum terra quatitur et sursum et deorsum movetur, altera inclinatio, qua in latera nutat navigii more.“ Die inclinatio des Römers wird heute als undulatorische Be- wegung bezeichnet, der Name succeussorische Bewegung ist dagegen für ein stossweises Auf- und Niederschwingen des Bodens beibehalten worden [47]. Erstere Art der Bewegung ist die weitaus sefährlichere, da sie den Zusammenhalt der Bauwerke am unheilbarsten löst, während die einfache Oscillation, wenn sie auch Menschen und Häuser in die Höhe zu schnellen, ja sogar nach Hamilton [48] die Gipfel der Berge in eine hüpfende Bewegung gerathen zu lassen ver- mag, meist keine so furchtbaren Trümmerhaufen schafft, wie jene. Dolomieu berichtet [49] als Augenzeuge, dass bei dem furchtbaren Erdbeben von 1783 die mehr am Rande der Schütterzone gelegenen Städte Messina und Reggio zwar furchtbar zugerichtet gewesen seien, dass man aber doch jedes zerfallene Haus noch als Individuum habe erkennen können, während das Städtchen Polistena, das die stärkste Amplitude der Undulation wegen seiner centralen Lage im Schütter- sebiete auszuhalten hatte, in eine form- und unterschiedslose Gesteins- masse verwandelt worden sei. Was die oben genannte dritte Be- wegungsform, die rotatorische, anlangt, so ist dieser „moto vorticoso“ als ein spezieller Fall der suceussorischen erkannt worden [50]. Eine einfache mechanische Ueberlegung lehrt, dass ein Stoss, der nicht durch den Schwerpunkt eines — theilweise beweglichen — Körpers hindurchgeht, eine Drehung dieses Körpers hervorrufen muss. Falb theilt ein auffallendes Beispiel einer solchen Verdrehung mit [51], welches er an einer Friedhofspyramide zu Farra im Friaul beobachten konnte. Letztere bestand, so wie sie aus der Hand des Steinhauers hervorgegangen war, aus sieben genau an einander anschliessenden Be- standtheilen, und jedes einzelne dieser Stücke war gegen die beiden zunächst darauf folgenden um mehrere Grade verrückt worden, wäh- rend die vertikale Hauptaxe des Monumentes nur eine geringe Parallel- verschiebung erfahren hatte. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Stosswellen suchten Mallet und Fr. Pfaff durch geologische Experimente, Abbot durch Minen- sprengungen mit Dynamit zu ermitteln [52]. Blos für Granit fanden sich leidlich stimmende Zahlen, indem für dieses Gestein der durch- IV,$.2. Allgem. Schilderung des Verlaufes einer Erderschütterung. 375 x schnittliche Weg der Welle pro Sekunde etwas mehr als 500 m zu betragen scheint. Wäre der Zwischenraum zwischen dem Ausgangs- orte eines Erdbebens und einem zweiten Orte (= a) mit homogenem Felse von der Dichtigkeit d und dem Elastieitätsmodul E erfüllt, so würde nach den bereits von Newton [53] aufgefundenen Sätzen von der Bewegung im elastischen Mittel der Weg a in der Zeita: VgE:d zurückgelegt werden, unter g, wie üblich, die Fallbeschleunigung ver- standen. Diess ist nun nicht der Fall, die Zusammensetzung der Erd- rinde ist vielmehr häufig die denkbarst heterogene, allein es fehlt uns durchaus an Mitteln, den Grad der Heterogeneität im Einzelfalle richtig zu schätzen, und wenn man deshalb weiss, dass für den Ort A, welcher anscheinend zunächst über der Erregungsstelle lag, das Erdbeben zur Zeit t,, dagegen für den (um AB =a) abstehenden Ort B zur Zeit tz (tz > t,) bemerklich wurde, so werden wir doch im Allgemeinen den Bruch a: (t,—t,) als einen angenäherten Werth für die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit anzusehen berechtigt sein. „Sieht man,“ sagt v. Seebach [54], „wie nahe die... Orte übereinstimmen, ob- schon sie auf den verschiedensten Radien des Centrums von zum Theil völlig verschiedener geologischer Bildung liegen, so wird man der An- sicht von O. Volger beipflichten müssen, welcher 1858 schon meinte, dass die unendliche Mannigfaltigkeit der geologischen Verhältnisse sich gegenseitig aufheben und zu einem mittleren Gesammtverhalten führen müsse.“ Für das Erdbeben von Amt-Gehren findet der genannte Seismologe eine Sekundengeschwindigkeit von 742 m, für jenes von St. Goar von 567,6 m, für jenes in der Basilicata von 259,7 m |55]. Von den Fortpflanzungsverhältnissen der Erdbebenfluthen nandelt S. 3. Die Ausdehnung der von einem bestimmten Erdbeben in Mit- leidenschaft gezogenen Oberflächenpartieen ist eine sehr verschiedene [56]. Oft ist der Erschütterungsbezirk nur ein ganz geringer, während das zu trauriger Berühmtheit gelangte Erdbeben von Lissabon (1. Novem- ber 1755) Yıs der gesammten Erdfläche erzittern lies. Fr. Hoff- mann spricht von einzelnen äusserst merkwürdigen Beispielen für beide entgegengesetzte Möglichkeiten [57]. Es gilt diese Verschieden- heit nicht blos bezüglich der horizontalen, sondern auch der vertikalen Verbreitung der Stösse.. So fuhren im Jahre 1812 die Bergleute aus gewissen Gruben des Erzgebirges schleunigst aus, weil sie durch heftige Zuckungen der Erde in Schrecken gesetzt worden waren, die an der Oberfläche ganz und gar nicht sich hatten spüren lassen, und gerade die umgekehrte Erfahrung soll sich nach Berzelius den Grubenarbeitern von Persberg und Falun in Dalekarlien aufgedrängt haben [58]. Nachhaltige geologische Folgen sind den Erdbeben im Allge- meinen nicht abzusprechen. Die alten Geographen und Naturforscher hatten auch auf diese morphologische Bedeutung der Erdstösse ihr Augenmerk gerichtet; Seneca behauptet, dass das früher vom Meere völlig abgeschlossene Thessalien durch ein Erdbeben entsumpft und entwässert worden sei [59], und Plinius führt Beispiele seismischer Insel- und Landbrückenbildungen an [60]. Der entstehenden Spalten gedenkt Seneca nicht minder ausdrücklich [61]; dieselben sind ge- wöhnlich nur klein, häufig aber gross genug, um ganze Häuser mit ihren Insassen zu verschlingen. Bisweilen klappen die Ränder der 376 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Erdbebenspalten wieder so genau auf einander, dass das Vorhanden- sein jener nur durch eingeklemmte Gegenstände erkennbar wird, nicht selten aber ergeben sich auch Verwerfungen und Niveauverschiebungen; so wollte man nach dem Agramer Erdbeben die Wahrnehmung ge- macht haben, dass eine auf entferntem Berge gelegene Kapelle jetzt auch von Standorten aus sichtbar geworden sei, die früher ihrer tiefen Lage halber eine solche Möglichkeit nicht geboten hätten. Die Spalten verlaufen häufig radial, wie die Speichen eines Rades, und in diesem Falle treten aus ihnen mitunter jene eigenthümlichen Sandkratere her- vor, verbunden mit Gas- und Schlammausscheidungen. Roth [62] zählt acht charakteristische Ereignisse dieser Art auf; auch in Resnik bei Agram hat man nach dem grossen kroatischen Erdbeben solche Neubildungen bemerkt. Versiegen von Quellen und Flüssen oder wohl auch das Hervortreten neuer strömender Gewässer ist nach Seneca [63] ebenso im Gefolge von Erschütterungen zu erwarten, wie der Aufstau der Flüsse durch Schuttmassen und Terrainhebungen. Veränderungen grossen Styles sind hingegen eine Ausnahme. Bergstürze und Rutsch- ungen wurden sowohl bei dem schrecklichen kalabrischen Erdbeben als auch bei dem phokischen (von J. Schmidt) konstatirt [64]. Das aufgeregte Meer reisst wohl auch grössere Stücke vom Uferlande ab (vgl. $S. 3), doch werden instantane oder rhapsodische Hebungen und Senkungen (so drückt man sich der langsam und kontinuirlich vor sich gehenden säkulären Oscillationen halber aus) nur bei besonders lange dauernden und ungestümen Erdbeben beobachtet [65] Suess, von dem das oben angeführte bezeichnende Kunstwort herrührt, hat die Verhältnisse an der südamerikanischen Westküste, .wo eben Fitzroy und Ch. Darwin unwiderlegliche Zeugnisse seismischer Vertikalverschiebungen von grösserem Betrage gefunden haben woll- ten [66], zum Gegenstande seines besonderen Studiums gemacht [67] und als dessen Schlussfazit den Satz formulirt [68]: „Bei keiner der zahlreichen seitherigen Erschütterungen des westlichen Südamerika ist eine Erhebung des Landes bemerkt worden.“ Wir beenden diesen das empirische Rohmaterial der Seismologie sammelnden Paragraphen mit dem Hinweise darauf, dass künftig auch die Seehöhe des Ortes, an welchem ein Erdstoss sich fühlbar machte, mehr als bisher in Betracht gezogen werden sollte. Ein italienischer Physiker, Diamilla-Müller, ist für die Berücksichtigung auch dieses geographischen Elementes mit Beibringung mathematischer Motive eingetreten [69]. $S. 3. Seebeben und Erdbebenfiuthen. Wir sahen bereits oben, dass der Meeresgrund ebensowenig, wie das Festland, als vor Erschüt- terungen gesichert betrachtet werden darf. Wenn Schiffe bei ruhiger See heftig zu schwanken beginnen, wenn das umgebende Wasser auf- zischt, Blasen treibt und Gasgerüche aushaucht, wie diess alles bei dem grossen peruanischen Erdbeben vom 30. März 1828 im Hafen von Oallao beobachtet worden sein soll, so muss man wohl an einen submarinen Gasausbruch oder dergleichen denken [70]. Solche eigentliche See- beben im engeren Sinne sollten, strenge genommen, nicht zusammen- geworfen werden mit den gigantischen Fluthen, welche im. Gefolge eines jeden litoralen Erdbebens aufzutreten pflegen. Indess kann diese \ R - ; Ä % “ 4 3 IV, $. 3. Seebeben und Erdbebenfluthen. | UT Unterscheidung wohl nur in den seltensten Fällen wirklich gemacht werden, wie denn auch der in seinen Klassifikationen so genaue v. Son- klar beide Phänomene unter einem gemeinsamen Gesichtspunkte zu- sammenfasst. „Wird durch ein starkes Erdbeben,“ sagt er [71], „gleich- viel ob dessen Centrum nahe der Küste oder von derselben entfernt, immer aber im Bereiche des Meeres liegt, der Boden des letzteren heftig erschüttert, so wird der Gleichgewichtszustand der Wassermasse plötzlich und, je nach der Stärke der Erschütterung, nicht selten in einem Grade gestört, der für die Küsten und für die Menschen, die da wohnen, von den zerstörendsten Folgen begleitet ist. Das Meer geräth dabei in eine heftige oscillirende Bewegung, die alle Tiefen desselben ergreift, sich durch eine der gewöhnlichen Fluth ziemlich nahe kommende Geschwindigkeit der Fortpflanzung, sowie durch eine radienförmige Ausbreitung nach allen Richtungen bis zu den entfern- testen Gestaden des betroffenen Meeres auszeichnet.“ Dass der wahre Stosspunkt weiter drinnen im Festlande liegen und doch ein solches Erdbeben gleichfalls eine Hochfluth nach sich ziehen sollte, glaubt v. Sonklar [72] in Abrede stellen zu müssen. Die Geschichte lehrt uns Ereignisse dieser Art in Menge kennen, und der genannte Forscher hat alle Mittheilungen darüber mit Sorgfalt aufgezeichnet (a. a. O.). Strabon war sehr geneigt, die Wirkung von Erdbebenfluthen in Meer- engen und Landeinschnitten zu erkennen, wie er denn nach H. Fi- scher [73] sowohl den Durchbruch des Thales Tempe, als auch jenen des Bosporus auf Erdstösse zurückführt, die allgemein-dynamischen Lehren des Lampsaceners Straton (vol. die Einleitung) nach einer bestimmten Richtung hin präcisirend; vielleicht hat ihn auch sein an- erkannter geographischer Scharfblick richtig geleitet, da die Grenz- linie zwischen Asien und Europa in jener Gegend wirklich mit dem Rande einer Schütterzone zusammenfällt. Thukydides führt den plötzlichen Rückgang und den darauf folgenden Wiederandrang der See, wodurch 425 v. Chr. die Insel Euböa betroffen wurde, wohl mit Recht auf ein Erdbeben zurück [74]. v. Hoff berichtet [75], dass ım Jahre 1510 eine Erdbebenfluth in Konstantinopel 109 Moscheen und 1070 Häuser mit sich fortgerissen habe. Auch bei’m Lissaboner Erdbeben wurden weit furchtbarere Verwüstungen, als durch die eigent- lich seismischen Wirkungen, durch den plötzlichen Eintritt einer 26m hohen Meereswoge in den Tejo herbeigeführt. Vorder- und Hinter- indien kennen derartige Katastrophen, wie wir weiter unten sehen werden, nur zu gut, doch reicht kein Land der Erde in dieser Be- ziehung an die südamerikanische Westküste heran, wo z. B. am 28. Oktober 1746 die Hafenstadt Callao vollständig von der Ober- fläche weggefegt ward. Die Worte „el mar se retire* genügen bei den bekanntlich sehr häufigen Erdbeben von Peru und Chile, um das Volk zu veranlassen, alle etwaigen Rettungsarbeiten einzustellen und die schleunige Flucht zu ergreifen, denn die Erfahrung hat gelehrt, dass eine solch’ unnatürliche Ebbe in kürzester Frist mit riesenhaften Fluthbergen abwechselt. Wir besitzen seit einigen Jahren gehaltvolle monographische Schilderungen solcher Erdbebenfluthen; so beschrieb Griesbach (76) die Katastrophe von Arica und Tacna (13. August 1868), bei welcher an jeden der drei Einzelstösse auch ein Ueberfluthen der Küste sich anschloss, und Geinitz |77] sammelte alle Nachrichten ee N fi LIE 378 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. über das Erdbeben von Iquique in Peru (9. Mai 1877), wo acht Sturz- wellen nacheinander über diese unglückliche Hafenstadt sich ergossen. In letztgenanntem Falle scheint an ein wirkliches Seebeben gedacht werden zu müssen, wenigstens formulirt Geinitz die aus den Kor- respondenzbeobachtungen gezogenen Resultate in folgendem Natze: „An den Orten, welche von der stärksten Erschütterung gleichzeitig beiroffen wurden, also an den Orten innerhalb des Kreises des ersten und stärksten Stosses, trat auch die Fluthbewegung des Oceans zuerst und gleichzeitig auf. Freilich gehen auch hier die Angaben, sowohl betreffs der Zeit, als auch in Bezug auf die Art und Weise der Be- wegung, ob sie nämlich mit einer Welle, oder einem Rückzug der See begonnen, vielfach auseinander. Es ist nicht möglich, aus der Kombination der Orte, an denen die Fluth gleichzeitig auftrat, durch isorachische Linien*) sich das Centrum, von dem die Bewegung aus- gieng, zu konstruiren. Soviel erscheint als sicher, dass das Centrum des Erdstosses, und mithin auch die Fluthwellen, nicht auf dem festen Lande, sondern einige Seemeilen (vielleicht 50?) westwärts von der Küste und zwar südwestwärts von Iquique gelegen war.“ An diese peruanische Erdbebenfluth hat sich eine längere theore- tisch-polemische Auseinandersetzung geknüpft. Graf Berg vermisste[78] in Geinitz’s Schrift die ausreichende Kausalerklärung des Vorganges; Ch. Darwin’s Hinweis auf einen Aufsaugungsprocess des Wassers [79] befriedigte ihn begreiflicherweise auch nicht, und so entschied er sich (a. a. O.) für eine durch das Erdbeben bewirkte instantane Hebung der Küste, welche das Niveau des Meeres heftig beeinträchtige. Nach dem, was oben ($. 2) über die seismisch-rhapsodischen Schwankungen der südamerikanischen Westküste ausgesagt wurde, fehlt für Graf Berg’s Auffassung der Sache der eigentliche thatsächliche Untergrund. Dem gegenüber hielt Geinitz [80] daran fest, dass eine durch sub- marine Stösse ausgelöste Wellenbewegung des Meeres eine zutreffen- dere Erklärung liefere, und uns erscheint dieser Modus auch jetzt noch als der natürlichere, obwohl Graf Berg [81] in umfänglicher Replik nochmals für seine Theorie eintrat. Abweichend von beiden führt der Amerikaner Rachel die Bildung der Fluthwelle auf eine Senkung des Meeresbodens zurück [82]. Es versteht sich, dass für das Fortschreiten der Erdbebenwellen im Weltmeere ganz dieselben Normen gelten müssen, welche die Physik überhaupt für die Wellenbewegung als gültig erkannt hat. Ausser Geinitz selbst haben sich noch Birgham [83] und ganz besonders v. Hochstetter [84] mit den Fortpflanzungsverhältnissen der seis- mischen Wogen beschäftigt; ja der letztere hat sogar gezeigt, dass man vermittelst der von Bache und Airy entwickelten Formel h=v’:g (h Tiefe des Gewässers, in welchem sich Wellen mit der Geschwin- digkeit v verbreiten, g—= 9,80896 m) einen ungefähren Schluss von jenen Verhältnissen auf die durchschnittliche Tiefe der betreffenden Meere machen kann. Unsere Figur 74 giebt nach den Ermittelungen des berühmten österreichischen Geologen ein Bild davon, wie die Erd- bebenwelle das pazifische Weltmeer durchlief, indem alle Orte, welche *) Isorachieen nennt Whewell jene Kurven, welche die Punkte gleicher Gezeitenphase (höchste Fluth oder tiefste Ebbe) auf der Erdoberfläche verbinden. . L h E B L 2 IV, $. 3. Seebeben und Erdbebenfluthen. 379 von ersterer n (=1,2,3...19) Stunden nach dem Eintreten der peruanischen Katastrophe erreicht waren, durch einen Kurvenzug mit einander in Verbindung gebracht wurden. Diese Linien gleicher Erdbebenfluthphase haben im freien Ocean, wie es die Theorie fordert, eine angenähert kreisförmige Gestalt, die erst von dem Mo- mente an Verzerrungen erleidet, in welchem die Wellen bei’m Eintritt in einen der zahlreichen polynesischen Inselarchipele Brechungen und Beugungen erleiden. Die Tonga- und Viti-Gruppe löschten in Verein mit dem quer sich vorlegenden neuseeländischen Landmassiv die Be- wegung förmlich aus, so dass weiter westlich nichts mehr von der- selben zu verspüren war. Sowohl die Mareographen, als auch, was noch merkwürdiger, die Barographen der alten und neuen Welt mar- kirten vom 27. August 1833 an deutlich die oceanischen und atmo- sphärischen Wellen, welche von dem Erdbeben in der Sunda-Strasse ausgiengen. General Strachey ist zur Zeit mit der Sichtung des Materiales beschäftigt. Neuestens hat Suess mit Aufgebot höchster — geophysikalischer sowohl wie linguistischer — Gelehrsamkeit den Zusammenhang zwischen den Erdbeben und den Sintflutherzählungen der verschiedenen alten Nationen in’s richtige Licht zu setzen unternommen [85]. Unterstützt von hervorragenden Assyriologen hat er den Keilschriftbericht des sogenannten „Izdubar-Epos“, welches eine auffallende Aehnlichkeit mit der noachischen Legende bekundet, näher geprüft und dargethan, dass als primäre Ursache der dort beschriebenen Ueberschwemmung Meso- potamiens ein vermuthlich von Drehstürmen begleitetes Erdbeben im Ge- biete des persischen Meerbusens anzusehen sei [86]; das Alluvionenterrain des Euphrat und Tigris begünstigte wesentlich das sicher bezeugte Hervorsprudeln des Wassers aus der Tiefe. Suess erklärt diese auf- fallende Erscheinung in folgender Weise [87]: „Dieses Hervortreten grosser Wassermassen aus der Tiefe ist ein Phänomen, welches in bezeichnender Weise die Erderschütterungen in den Alluvialgebieten grosser Flüsse begleitet. Es breitet sich in diesen grossen Flächen zu beiden Seiten des Stromes weithin das Grundwasser in den jungen Ablagerungen aus, und seine obere Grenze steigt allmählig. gegen rechts und gegen links mit der Entfernung vom Strome mehr und mehr über den Stand des Mittelwassers. Was unter dieser Grenze liegt, ist durchfeuchtet und beweglich; der Boden über derselben ist trocken und brüchig. Treten nun seismische Undulationen in solches 380 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Gebiet, so bricht der obere spröde Theil des Bodens in langen Spalten auf, und aus den Brüchen tritt gewaltsam bald in grossen Massen, bald in vereinzelten, selbst mehrere Meter hohen Strahlen das Grund- wasser rein oder als schlammige Masse hervor.“ Ganz die gleiche Grundursache war im Spiele, als (1827) ein beträchtlicher Theil des sogenannten Ran of Kachh im Meere versank; es soll bei diesem An- lass auch ein riesiger Damm, der „Ullah- Bund“ oder Gottesdamm ge- nannt, aus dem Boden gestiegen "sein und dem übrigen Lande zur Rettung gedient haben. Suess hat, auf Grund der Berichte von Bur- nes und Wynne, den Sachverhalt näher geprüft und gefunden [88], dass der Ullah-Bund gar kein wirklicher Damm, sondern nur eine natürliche Bodenterrasse ist, über welche hinaus das Grundwasser nicht genügend weit vorgedrungen war, um auch die dahinter liegenden Landstrecken ebenso, wie das angeschwemmte Vorterrain, unterspülen und bei'm Eintritte des Erdbebens mit sich fortreissen zu können. Oberhalb des Gottesdammes waren eingreifende geologische Verände- rungen des Indus-Delta’s nicht zu konstatiren. $. 4. Anzeichen und Schutzmittel. So ziemlich Alles, was sich über die etwaige Vorausbestimmung ‚von Erdbeben und über die Mittel der Abhülfe gegen deren unheilvolle Folgen aussagen lässt, hat Fa- varo in seinen beiden uns aus $. 1 bekannten Monographieen gesam- melt, welche uns denn auch jetzt zur hauptsächlichsten Vorlage dienen. Nach den übereinstimmenden, dadurch aber freilich noch lange nicht zuverlässig gewordenen Nachrichten römischer Schriftsteller, welchen sich auch später der Kirchenhistoriker Eusebius anschloss, soll Ana- ximander die Spartaner vor einem bald nachher eingetretenen Erd- beben gewarnt haben und Diogenes Laertius schreibt eine gleiche Prophetengabe dem Pherekydes zu |89]. Anno 1343 machte der auch mit dem exakten Wissen seiner Zeit wohl vertraute Dichter Pe- trarca dem Kardinal Colonna die Mittheilung von einer geglückten Erdbebenprognose [90]: „Praevenerat quidem, mirum dietu! instantis malı fama, religioso quodam episcopo, astrorumque curioso, e vicina quadam insula aliquot ante diebus periculum nuntiante: sed ut fere nungquam conjecturis ad verum penetrant, non maritimum sed terrestrem motum praedixerat, ruituramque Neapolim a. d. septimum calendis decembris millesimo quadragesimo tertio..* Favaro, der dieser merk- würdigen Weissagung ein eigenes Schriftchen widmete [91], jedoch eben auch nur die geschichtliche Wahrheit der Thatsache, nicht aber deren seismologischen Grund festzustellen in der Lage war, lässt uns die Wahl, in dem himmels- und erdkundigen Geistlichen einen Bischof Jakob von Capri oder Wilhelm von Ischia zu erblicken. All’ diese Nachrichten zwingen uns zwar die Stellung der Frage auf, ob es überhaupt Anzeichen für eine regelrechte Erdbebenprognose gäbe, sie führen uns aber der Lösung dieser Frage in keiner Weise näher. Wenn Teloni behauptet, Anaximander habe aus der Betrachtung der Gestirne, Anaximenes aus dem Vogellluge, Pythagoras endlich aus dem Geschmacke des Brunnenwassers seine Prophezeiungen geschöpft [92], so ist diess offenbar wenig mehr, als leeres Gerede ohne Hintergrund. Höchstens die Wasserzeichen, wie sich Cantor in seiner Re- zension des ersten Werkchens von Favaro (Beil. z. allg. Zeit. vom IV, $. 4. Anzeichen und Schutzmittel. 381 18. August 1875) ausdrückt, verdienen vielleicht als wirkliche progno- stische Merkmale nicht ganz und gar von der Hand gewiesen zu wer- den. Wenn wir auch gar nichts über die Art und Weise der Wasser- beobachtung eines Pythagoras und Pherekydes wissen, so fehlt es uns doch nicht an bestimmter lautenden Angaben anderer Autoren. Plinius z. B. behauptet [93], dass das Wasser der Brunnen vor und nach dem Erdstosse Veränderungen aufweise, und nach Favaro [94] wird Analoges von Sguario und dem Bologneser Mönch Augusti bezeugt. Oardanus, bei allen Excentricitäten doch ein kluger Kopf und scharfer Beobachter, sagt hierüber [95]: „Cum aquae puteorum sulphur metallicumve aliud redolent, aut titubant, aut turbantur, aut incalescunt, aut picantur praeter actionem, terrae motum imminere praenuntiant.* Ein hervorragender französischer Physiker, Herve- Mangon, verfestigte diese immer noch schwankende Theorie durch Beobachtungen, welche er am artesischen Brunnen zu Passy anstellte, und welche an Tagen, deren Verlauf in weit entfernten Ländern, z. B. in der Schweiz, durch ein Erdbeben gekennzeichnet war, eine auf- fallende Trübung des Wassers ergaben [96]. Taramelli bestätigt diese Wahrnehmung, gestützt auf seine in Belluno gemachten Erfah- rungen. Favaro macht deshalb [97] ganz mit Recht den Vorschlag, ein ausgedehntes System physikalisch-chemischer Quellen- und Brunnen- untersuchung in’s Leben zu rufen, damit die Möglichkeit, aus den Wasserzeichen wirklich brauchbare Kriterien für die Prophezeiung von Erderschütterungen zu gewinnen, näher erforscht und an Stelle vager Hypothesen eine Anzahl beglaubigter Thatsachen gesetzt werde*). Ob Elektrieität und Magnetismus in irgendwelcher ursächlicher Beziehung zu den Erdstössen stehen, wissen wir nicht mit Bestimmt- heit. Kurz vor dem Lissaboner Unglück sollen zwar in verschiedenen physikalischen Kabineten Europa’s die Anker von den Hufeisenmag- neten abgefallen sein, welch’ letztere sonach plötzlich an ihrer Koereitiv- kraft eingebüsst haben müssten. Dem gegenüber behauptete A. Ber- trand bestimmt, es gebe weder meteorologische, noch magnetische Vorzeichen, und die Unruhe der Deklinationsnadeln während des Aktes selber sei eine ganz mechanische Folge des Stosses |100]. Immerhin will Quetelet [101] die — seltenen — Erdbeben Belgien’s stets von elektrischen und magnetischen Unregelmässigkeiten begleitet gefunden haben, und auch Serpieri [102] hat mancherlei Material in diesem Sinne gesammelt. Favaro endlich berichtet [103] nach Rouvet von Störungen der Telegraphenleitungen, welche im September 1875 auf *) Man darf, wenn man Beziehungen zwischen seismischen und hydrologi- schen Erscheinungen ausmitteln will, wohl auch an die mancherlei von glaub- würdigen Zeugen berichteten Schwankungen des Wasserstandes erinnern, welche Erdstösse auf weit entlegenem Gebiete zur Folge hatten. In Kant’s „Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des MDCCLV. Jahres einen grossen Theil der Erde erschüttert hat“, wird gemeldet [98], dass das Niveau der Seen von Como und Neufchatel, sowie eines kleinen Landsee’s bei Meiningen damals in zuerst unerklärlicher Weise sank, dass ferner die Teplitzer Thermalquellen plötzlich versiegten, um sodann blutroth und mit Schlamm versetzt wieder hervorzusprudeln. Und Waltenberger be- richtet [99]: „Der Hechtsee (bei Kufstein) gerieth ebenso wie der Achen- und Walchensee in heftige Wallung an dem Tage, an welchem das Erdbeben zu Lis- sabon stattfand.“ 383 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Ash, dynam. Geologie. der ie Martinique in Begleitung einer Erderschütterung aufgetreten seien. Künftiger Forschung eröffnet sich hier ersichtlich noch ein weites Feld. Dass meteorologische Anomalieen mit Erdbeben Hand in Hand giengen, ist zwar nicht selten behauptet, niemals aber bewiesen worden, und Kries glaubte jede Beziehung dieser Art vollkommen leugnen zu müssen [104]. In Italien hat sich über diese Frage jüngst eine lebhafte Diskussion zwischen den Fachmännern entsponnen. Monte erklärte |105], ein erkennbarer Parallelismus im Gange des Barometers, Anemometers und Erdbebenmessers sei nicht nachweisbar; Bertelli dagegen wollte die von ihm bemerkten mikroseismischen Bewegungen als nur graduell von den Erdstössen verschieden anerkannt wissen und widersetzte sich |106] Monte’s Versuch, jene leisen Erzitterungen aus der Elasticität des Bodens und aus der verschiedenen Erwärmung der Luftschichten abzuleiten. Melzi endlich trat auf Bertelli’s Seite, indem er sich auf seine Bearbeitung von 700 Anemometermessungen stützte [107]. Auch hier ist's noch lange nicht an der Zeit, irgend ein abschliessendes Urtheil zu fällen. Jul. Schmidt in seinen „Erd- bebenstudien* ist nicht abgeneigt, einer gewissen Abhängigkeit der Erschütterungen vom DBarometerstande das Wort zu reden. Nicht minder, wie die Meteorologie als solche, hat auch deren Theildisciplin, die meteorologische Optik, prognostische Kriterien liefern sollen. So wollte Gemma Frisius das Erdbeben vom Januar 1563 auf Grund eines eigenthümlichen Aussehens der Sonne während der vorausge- gangenen Weihnachtstage prognosticirt haben |108]. In Kant’s uns bereits bekannter Abhandlung vom Lissaboner Erdbeben ist zu lesen [109], dass man als Vorboten des letzteren eine am 14. Oktober 1755 zu Locarno am Lago maggiore gesehene Lichterscheinung betrachtete; es erhob sich ein rother Dampf, aus welchem rother Schnee herabfiel, und an diesen Schneefall reihten sich furchtbare Regengüsse an. Näheres über atmosphärisch-optische Vorzeichen enthält ein Aufsatz von Fron [110]; wie ungemein prekär die Sache ist, brauchen wir aber nicht erst be- sonders hervorzuheben. Kaum besser steht es mit den Versuchen, astronomische Vor- gänge mit den Erdbeben zu parallelisiren und für letztere eine perio- dische Wiederkehr zu eruiren. Soweit die Anziehung des Mondes und der Sonne dabei in Frage kommt, verweisen wir auf $. 9. Dagegen muss jetzt schon ein Wort über das angebliche Wechselverhältniss zwischen den seismischen Erscheinungen und der uns aus Kap. II, 8. 6 der ersten Abtheilung bekannten elfjährigen Periode der Sonnenflecke eingeschaltet werden. Wie wenig bei solchen Vergleichen auf sichere Ergebnisse zu zählen ist, mag uns der Eine Umstand lehren, dass Po&y [111] der stärkeren und Kluge [112] der schwächeren Be- deckung der Sonne mit Flecken eine Zunahme der vulkanisch-seismi- schen Thätigkeit auf der Erde entsprechend gefunden haben will. Fritz, dem man gewiss keinen allzugrossen Skepticismus nach dieser Richtung hin vorwerfen kann, scheint trotzdem irgendwelchen Zu- sammenhang zwischen tellurischer und solarer Aktion nicht für er- wiesen zu halten [113]. Wir überzeugen uns, dass es mit zuverlässigen Kennzeichen, aus denen der Eintritt seismischer Ereignisse entnommen werden könnte, IV. $. 4 Anzeichen und Schutzmittel. 383 überaus schlecht bestellt ist. Die Unruhe und Angst der Thiere, welche für schwache einleitende Stösse vielleicht ein feineres Gefühl haben mögen, ist allerdings ein Faktor, mit welchem bis zu einem gewissen Grade gerechnet werden kann; so glauben die Cubaner nach Knapp [114], dass die von ihnen als Familiengenosse geschätzte zahme Hausnatter (Majitä domestica) vor Ausbruch eines Erdbebens die Häuser zu verlassen und aufs freie Feld sich zu flüchten pflege. Pilar that auch ganz wohl daran, in seinem Fragebogen (s. $. 1) sorgfältige Be- obachtung der Hausthiere dringend anzuempfehlen. Man darf aber nicht vergessen, dass das Verhalten der Thierwelt keineswegs nur den Erdbeben, sondern überhaupt jeder aussergewöhnlichen Naturerschei- nung gegenüber das nämliche ist. So berichtet Mädler von den totalen Sonnenfinsternissen, welche er 1851 zu Brest-Litowsk und 1860 zu Vitoria beobachtete, dass eine hochgradige Verwirrung gerade der zahmen Thiere sich bemächtigte [115] *). Die Schallphänomene endlich, die nicht selten einem Erd- beben vorausgehen und dasselbe begleiten — man vergleiche darüber die Angaben A. v. Humboldt’s [117] und v. Seebach’s [118] —, sind nichts weniger als ein untrüglicher Vorbote. So weiss man [119], dass in der Nähe der mexikanischen Bergstadt Guanaxuato sich hie und da ein furchtbares unterirdisches Gebrüll („bramidos y truenos subterraneos“) vernehmen lässt, welches die Bewohner zur Flucht ver- anlasste und gleichwohl noch niemals von wirklichen Stössen gefolgt war. Sorgfältige Beachtung hat diesen Tönen Jul. Schmidt geschenkt, als er den Vulkan von Santorin untersuchte; im Berichte [120] wird darüber gesagt: „Am 9. März 10” 32” beobachtete Schmidt zum erstenmale das wahre unterirdische Getöse (Rombo, Ruido oder Bramido), bei dem jede Angabe der Richtung unmöglich ist. Das- selbe wiederholte sich am 10. März mehrmals nach vorausgegangenem Rauchen und Brausen, ebenso in den darauffolgenden Tagen. Von grossem Interesse sind die viel- und sorgfältigen Unterscheidungen der vulkanischen Töne, welche Schmidt macht: Brausen, Heulen, Örgelton, Pfeifen, Rollen, Donner, Lärm, Gurgeln, Brüllen.“ Jene Schutzmittel also, welche der Mensch erst dann anzuwenden hätte, wenn er die Gefahr einer seismischen Katastrophe sicher im Anzuge weiss, sind nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens ziemlich bedeutungslos. Es fragt sich aber, ob es nicht noch ander- weite Schutzvorrichtungen gebe, die ein für allemal angebracht werden und ganzen Landkomplexen oder doch wenigstens einzelnen Gebäulich- keiten eine relative Sicherheit gewährleisten könnten. Bereits die Alten haben solehe Möglichkeiten recht reiflich erwogen. Plinius erklärte [121] „aedificiorum fornices* für die besten Zufluchtsörter; Städte mit wenig solider Fundamentirung, wie Venedig, oder aber mit recht vielen Gewölben und Kellerlöchern würden sich hiernach einer gewissen Immunität erfreuen. Der genannte Römer schreibt eine *) Was die Prophezeiungen des französischen Kapitäns Delaunay (nicht zu verwechseln mit dem bekannten Mathematiker) anbetrifft, welchen zufolge die Jahre 1883 und 1886 durch Kataklysmen sich auszeichnen sollten, so hat ein von Faye der Pariser Akademie über erstere erstatteter Bericht denselben jeden wis- senschaftlichen Werth abgesprochen [116]. 384 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynarn. Geologie. solche dem Artemistempel zu Ephesus zu [122]. Die Stadt Capua soll in ähnlicher Weise durch die grosse Anzahl der in ihr und um sie herum angebrachten Brunnen gesichert gewesen sein. Favaro, der sich ‘in längere» Ausführung über die antiseismische Bedeutung der Brunnen von Udine verbreitet |123], berichtet auch [124] von analogen Angaben Fromond’s und Genestri’s und schildert ein- gehend den von einem ungenannten Erdbebenforscher ausgegangenen Versuch, die Nützlichkeit subterraner Hohlräume physikalisch zu er- klären |125]. Aus einer Stelle im Varro scheint übrigens hervorzu- gehen, dass die ganze Idee auf etruskischem Boden erwuchs, wo ja von jeher physische Mysterien gehegt worden sind [126]. Am gleichen Orte giebt Plinius den Rath, die für ein und denselben Ort im Wesentlichen konstante Richtung der Erdstösse zu ermitteln und in diese Richtung die Längsaxen neu anzulegender Ge- bäude zu verlegen. Mit ersterer Behauptung hat es nach Serpieri seine Richtigkeit, obwohl es natürlich an Ausnahmen nicht mangelt [127]. Ein gewisser Sguario gedachte auf dieser Annahme mathematische Vorschriften aufzubauen; eine seiner „regulae architeetonicae* lautet z. B., wie folgt |128]: „Ut nempe, bini oppositi parietes cujuslibet aedificii omnino aequales, cum figura, numero, magnitudine et situ fenestrarum, januarumque tum crassitie, delectu et distributione Aictilium saxorum, et laterum compinguntur, ut inde ratum sit, utriusgue muri centrum gravitatis aequabiliter a solo distare.* Wer sich genauer über den gewiss merkwürdigen Gegenstand unterrichten will, den verweisen wir auf die erschöpfenden Spezialstudien von Favaro [129], aus welchen wir hier nur einiges Wenige anführen können. De Rossi’s Gesetz [130] („allo scotimento di una linea di frattura segue l’ondula- zione trasversale de’ suoi labbri*) giebt ihm die Mittel an die Hand, verständige Rathschläge für die Orientirung der Häuser innerhalb eines habituellen Stossgebietes zu ertheilen. Dass mit diesen Rathschlägen auch etwas geleistet werden kann, beweist das Beispiel Casamiceiola’s. Dort befanden sich bis zum 4. März 1881, an welchem Tage das erste Erdbeben (s. o. $. 1) eintrat, zwei genau in Bauart und Anlage mit einander übereinstimmende Kirchen; nur lief bei der einen die Haupt- axe den Bruchlinien parallel, bei der anderen stand sie darauf senk- recht. Die erstere blieb erhalten, die letztere sank in Trümmer [131]. Die Japaner, von deren richtigem Verständniss für seismologische Dinge wir bereits zu sprechen hatten, waren schon früher, wie Favaro zeigt [132], an die Frage der Auffindung architektonischer Schutz- massregeln herangetreten; ein französischer Ingenieur, Lescasse, hat dieselben an Ort und Stelle einem gründlichen Studium unter- zogen und systematische Folgerungen daraus abzuleiten gesucht [133]. In seinen geschichtlichen Nachweisungen kommt Favaroauch[134] auf die gegen Ausgang des vorigen Jahrhunderts vielfach angepriese- nen Erdbebenableiter zu sprechen, deren Wertb natürlich ein rein fiktiver ist. Priestley dachte an hochfliegende Drachen, um einen Ausgleich zwischen Luft- und Erdelektrieität herbeizuführen, Vivenzio stellte sogar die „Para-tremuoti* und „Para-volcani“ als gleichberechtigt neben die „Para-tuoni*. Am einlässlichsten beschäf- tigten sich mit dieser sonderbaren Lehre der Philanthrop Bertholon de St. Lazare [135] und der deutsche Physiker Wiedeburg [136]. IV. $. 5. Seismographen und Seismometer. 385 Bis zu welchen Ungereimtheiten die Phantasie sonst gescheidter Män- ner sich verstieg, beweist aber besonders klar das Beispiel des Göt- tinger Philosophen Hollmann, der die Erdrinde an vielen Stellen durchbohren und so dem im Inneren der Erde wüthenden Feuer einen gefahrlosen Abzug verschaffen wollte. In dieser Form hat uns wenig- stens Kant [137] die Idee seines Fachgenossen überliefert. $S. 5. Seismographen und Seismometer. Die italienischen Forscher der neuesten Zeit, De Rossi, Palmieri, Serpieri u. s. w., scheinen übereinstimmend der Ansicht zu sein, dass sorgsame Beobachtung und Registrirung auch der schwächsten Erzitterungen des Bodens immer noch die meiste Gewähr für die rechtzeitige Warnung vor grösseren Erschütterungen biete. Es kommt also darauf an, solche Apparate zu konstruiren, die entweder blos überhaupt ein Schwanken des Bodens erkennen lassen (Seismographen) oder auch gleichzeitig die Mög- lichkeit einer messenden Verfolgung des ganzen Vorganges gewähren (Seismometer). Es ist auch kein geringes Maass von Scharfsinn an die Verfertigung brauchbarer Apparate dieser Art gesetzt worden, doch ist das Ziel noch lange nicht erreicht. Mit J. Roth „kann man aussprechen: die roheren Instrumente genügen nicht, die sehr feinen sind sehr theuer und bedürfen der Ueberwachung, es fehlt an allgemein einführbaren, billigen und dabei sicheren und genauen Appa- raten“ [138]. Wir beschreiben im Folgenden einige der bekannteren Vorrichtungen, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu machen. Von Hengler’s Schwungwage und Zöllner’s Horizontalpendel sprechen wir nicht mehr ausdrücklich, obwohl nach seines Erfinders Angabe letzteres nur zu empfindlich auf Bodenerschütterungen reagirt; als es im Keller der Leipziger Universität angebracht war, gab es stets dann einen starken Ausschlag, wenn eines der im Hause befindlichen Kol- legienzimmer sich zu füllen begann [139]. Unsere Aufzählung ist der Hauptsache nach eine chronologische. a) Salsano’s Pendel. Ueber diese Pendelvorrichtung eines neapo- litanischen Mechanikers liegt uns nichts vor als ein Bericht Muncke’s, der sich sehr abfällig äussert [140]. Ein schweres Gewicht soll an einem sehr langen Faden aufgehängt und an seinem unteren Ende mit einem Pinsel versehen werden, durch welchen auf einer unterlegten Strichrose von Papier die Schwingungsrichtungen aufzuzeichnen wären. b) Caceiatore’s Seismograph. Wir entlehnen unsere Mittheilungen hierüber dem Werke von A. Jakob [141]. Eine flache, kreisrunde Schale ist mit Quecksilber gefüllt und mit acht äquidistanten Löchern versehen, deren jedes in ein kalibrirtes Gefäss von bestimmter Grösse mündet. Die Schale wird nach den Weltgegenden orientirt. Auch ein leiser Stoss wird bewirken, dass sich die Schale nach einer be- stimmten Seite senkt, und wenn man also z. B. nachher findet, dass z. B. in dem gegen Südwesten stehenden Auffangglase am meisten Flüssigkeit sich befindet, so hielt der Erdstoss offenbar im Ganzen die Richtung Nordost-Südwest ein. Eigentliche Messungen sind auf diese Weise jedoch wohl niemals angestellt worden, und Humboldt, der die vollkommeneren Methoden der experimentellen Seismologie nicht mehr erlebte, durfte mit Recht sagen [142]: „Die Erschütterungs- wellen werden durch Pendel und Seismometer-Becken ziemlich genau Günther, Geophysik. I. Band. 5 386 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. in ihrer Richtung und totalen Stärke, keineswegs aber in der inneren Natur ihrer Alternanz und periodischen Intumescenz untersucht.“ | c) Mallet’s Säulen-Apparat. Man lasse sich aus Marmor oder Eisen kleine Säulen anfertigen, deren Höhen gleich sind, während die Durch- messer ihrer Grundflächen in arithmetischer Progression wachsen. Aus diesen Cylindern bilde man zwei auf einander normal stehende Reihen, die auf fester Basis stehen, während rings herum lockerer Sand auf- geschüttet ist. Die umgefallenen Säulchen ergeben die Stossriehtung ziemlich genau [143]. d) Palmieri’s Erfindungen. Das Observatorium des Vesuv ist be- kanntlich mit Instrumenten ganz nach Palmieri’s eigener Angabe ausgerüstet. Ausser einer Schrift des Direktors selbst [144] ist auch der schöne Bericht Peschel’s [145] über seinen Besuch in jener An- stalt zu vergleichen. Die Signalisirung von Erdstössen erfolgt nach dreierlei verschiedenen Maximen, doch wird jeder Zeitverlust dadurch vermieden, dass sich auf einem Tische in Mitte des Beobachtungs- zimmers die drei nach den Instrumenten I, II, III gerichteten Fern- rohre befinden. Nummer I ist eine gewöhnliche, horizontal schwingende Magnetnadel, Nummer II eine Inklinationsnadel, Nummer III endlich eine Stahlnadel, welche durch zwei geeignet angebrachte Magnete in einer bestimmten Richtung festgehalten wird. Jedes Fernrohr ist mit einer Poggendorff’schen Spiegelablesung versehen, welche die un- ablässigen kleinen Oscillationen der Nadeln zu verfolgen gestattet. Für gewöhnlich versieht ein Gehülfe den laufenden Dienst, und der Vorstand, der in Neapel seinen Lehrpflichten obzuliegen hat, wird erst dann telegraphisch herbeigerufen, wenn die nicht magnetische Nadel in lebhaftere Schwingungen geräth. Um die einzelnen kleineren Erd- stösse sich selbst registriren zu lassen, ist ein Chronometer im 'Thurme der Warte mit einer galvanischen Batterie derartig verbunden, dass. der Strom bei’m leisesten Erzittern des Hauses intermittirt und so die Uhr zum Stehen bringt. Im gleichen Augenblicke wird ein Anker angezogen und dadurch, ähnlich wie bei'm Morse’schen Telegraphen, auf einem abrollenden Papierstreifen ein Punkt markirt. Horizontale Stösse zu fixiren, dient eine Cacciatore’sche Schale, nur mit 16, statt, wie sonst, mit 8 Löchern versehen; um aber auch der vertikalen Komponente der seismischen Bewegung gerecht zu werden, bedient sich Palmieri eines Spiraldrahtes, der oben an einem Messinggalgen befestigt ist und am unteren Ende einen kleinen Magnetkörper trägt; ım Ruhezustande schwebt dieser genau oberhalb eines mit Feilspänen gefüllten Napfes, Der geringste vertikale Ruck genügt, um den Magneten in die Späne hineintauchen zu machen, und sowie man diese wieder abgenommen hat, ist auch schon wieder die Adjustirung beendet. e) v. Seebach’s Uhrhemmung. „Eine beliebige gut gehende Uhr, welche auch Sekunden zeigt, wird auf 0 Zeit gestellt. Das Pendel wird aus seiner Gleichgewichtslage gebracht und in seiner Stellung festgehalten dadurch, dass der um ein Geringes schwerere Arm eines Hebels hemmend in das Steigrad eingreift. An dem anderen leichten Hebelarme hängt an einem schlaffen Faden ein Gewicht, welches auf einer kleinen Säule von geringer Stabilität aufliegt.. Bei einem Erd- beben wird die Säule umgestürzt werden, das Gewicht fällt und löst einen schweren Hebelarm aus dem Steigrad aus, wodurch dann das IV, $S. 5. Seismographen und Seismometer. 387 Pendel schwingen und die aufgezogene Uhr den Eintritt des Stosses anzeigen kann“ [146]. Diese Art von Seismometer beschränkt sich sonach auf genaue Bestimmung des wichtigen Zeitelementes. Gleiches zu leisten ist bestimmt f) Kreil’s Registrirtrommel. Ein Schreibstift zeichnet auf einer rotirenden, berussten Trommel eine Kurve, deren Diskontinuitäten auf einen Erdstoss schliessen lassen [147]. g) v. Lasaulx’s Seismochronograph. Eine kleine schwere Kugel drückt in der Ruhelage so auf eine Feder, dass deren Axe mit dem vertikalen Durchmesser der ersteren Eine Gerade bildet. Ein Erd- stoss bringt sie aus dem labilen Gleichgewicht, sie rollt in einen der Einschnitte des umgebenden Holztellers und charakterisirt dadurch, ähnlich, wie bei Cacceiatore, die Stossrichtung. Gleichzeitig aber arretirt ein an der Feder befestigter Hebelarm das Pendel einer da- neben stehenden Uhr, welche sonach genau den Moment der ersten Erschütterung angiebt [148]. h) Bertelli’s Tromosismometer. Derselbe besteht nach des Erfin- ders eigener Darlegung aus folgenden drei Theilen [149]: dem seis- moskopischen Indikator, einem elektrischen Läutewerk, dem Isosismometer zur Messung der horizontalen und dem Orthosis- mometer zur Messung der vertikalen Komponente eines Stosses. Hauptbestandtheil des Isosismometers ist ein Pendel, dessen Linse die mikrosismischen Bewegungen macht; dieselben werden mit Hülfe eines total reflektirenden Prismas mikroskopisch beobachtet und auch aufge- zeichnet, so dass, wenn die Erschütterung vorüber ist, ein graphisches Tableau vorliegt, aus welchem man ersehen kann, wie sich die Inten- sitäten der den einzelnen Strichen entsprechenden Stossrichtungen: zu einander verhielten. *) | i) 6. Wagner’s Erdbebenmesser. Nachdem Knipping aus seinen vielfältigen Beobachtungen in Japan die Lehre gezogen hatte, dass bei *) Bertelli’s Apparat, von dessen stetigem und exaktem Funktioniren sich der Verf. im Barnabitenkloster zu Florenz persönlich zu überzeugen Gelegenheit hatte. ist auch von De Rossi in seinem mikrosismischen Institute zu Rocca di Papa im Albanergebirge — vgl. Favaro’s Beschreibung desselben [150] — auf- gestellt worden und liefert gute Resultate. Man muss jedoch viele Vorsicht an- wenden, um nicht Oscillationen, welche in Wahrheit eine ganz andere Ursache ' haben, auf Erschütterungen intrakrustaler oder ryakokrustaler Natur zurückzu- führen. Man denke nur z. B. an jene schwachen Bodenbewegungen, von denen in Kap. IV, $. 2 der zweiten. Abtheilung nach D’Abbadie und Plantamour die Rede war, und die keinesfalls zu den mikroseismischen gerechnet werden dürfen. Aber auch die mit der Sonnenbestrahlung variirende Bewegung festen Mauer- werkes, welche den Astronomen wohl bekannt ist und mit die Veranlassung war, dass man neuerdings die Sternwarten mehr und mehr auf ebener Erde anlegt, kommt in Betracht, wenn der Registrirapparat in einem Thurme oder hohem Hause sich befindet. Untersuchungen, die Rockwood mit feinen Libellen an- gestellt hat, liessen erkennen [151], dass ein Punkt im Mauerwerke eines Thurmes jeden Tag eine kleine Ellipse beschrieb, deren grosse Axe 2,54 Centimeter, deren kleine Axe 1,06 Centimeter betrug, so zwar, dass die letztere ungefähr mit der Mittagsebene zusammenfiel. War der Thurm nicht isolirt, sondern an ein niedri- geres Gebäude angebaut, so erlitt die Insolationskurve eine Verzerrung, deren Charakter sich schon von vorn herein annähernd bestimmen liess. Sonderbarer- weise haben Förster und Gould in den Schwankungen der Sternwartenpfeiler eine derjenigen der Sonnenfleckenfrequenz entsprechende Periode von 11 Jahren bemerkt (D. Rundschau f. Geogr. u. Stat.. 6. Jahrgang. $. 172 ff.). 388 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. häufiger Wiederkehr der Erdbeben auf alle die bekannteren Mechanis- men kein rechter Verlass sei [152], gieng G. Wagner [153] an die Konstruktion einer minder leicht versagenden Vorrichtung. AE und BC (Fig. 75) sind zwei in F einander rechtwinklig durchsetzende Stäbe,.EF und CF sind kurz, während der Fig. 75. Arm BF eine bedeutende Länge besitzt. Durch F geht eine horizontale Axe, und das ganze System befindet sich im Gleichgewichtszustande. “ Von der Decke hängt eine schwere Kugel D herab, welche im normalen Zustande EF ge- rade tangirt, ohne es auch nur im Geringsten von seiner vertikalen Richtung abzulenken. Jeder noch so leichte Horizontalstoss stört das Gleichgewicht, und der lange Arm BF macht ansehnliche Schwingungen, deren Amplitude ein Maass für die Stärke des Stosses giebt. Für Vertikalstösse dagegen empfiehlt Wagner [154] einen Schwimm- körper, dessen Form die des Rotationskörpers von geringstem Wider- stande sein soll (Meridiankurven solcher Körper haben Euler [155] und Grunert [156] zu bestimmen gelehrt); die Bewegung desselben soll dann auch wieder durch ein Hebelwerk auf einen Zeiger ver- grössert übertragen werden. Als sehr brauchbar ward Wagner’s Instrument auch von den Engländern anerkannt [157]; noch mehr ist es diess durch eine von Peal [158] daran angebrachte Verbesserung geworden, durch welche auch dem chronographischen Elemente Rech- nung getragen wird. k) Neuere englische Seismographen. Dieselben, über die wir hier nur nach Zöppritz’s Referaten [159] berichten können, sind von Gray und Milne auf die Beobachtung japanischer Erdbeben ange- wandt worden und wesentlich seismische Kurvenzeichner. Man hat mit ihrer Hülfe das auch schon den Italienern geläufige Resultat erhalten, dass die seismische Bewegung eine unregelmässige, schwankende ist, die in ihrem Verlaufe oft verschiedene Maxima und Minima auf- weist. Unsicherer, weil mit den annalistischen Aufzeichnungen nicht harmonirend, ist jedenfalls der von den britischen Forschern aufge- stellte Erfahrungssatz, dass die Erdbeben häufiger und mit grösserer Energie im Winter als im Sommer auftreten sollten. Merian’s Erd- bebenstatistik für Basel hat allerdings ein 'sanz analoges Ergebniss geliefert [160]. S. 6. Geometrie und Mechanik der seismischen Punkt- und Linien- systeme. Ohne zunächst noch irgend welche Hypothese über den Sitz und das wahre Wesen der seismischen Kraftäusserungen zu Hülfe zu nehmen, vermag man doch theoretische. Normen für die Bestimmung gewisser seismologischer Fundamentalelemente aufzustellen. Am nächsten liegt offenbar der Gedanke, durch zusammenfassende Be- trachtung von Korrespondenznachrichten jenen Punkt der Erdoberfläche aufzusuchen, in welchem das Erdbeben seine grösste Kraft entfaltete, und nunmehr die Ausstrahlung der Kraft nach verschiedenen Rich- tungen hin zu studiren. In diesem Sinne gieng als der Erste ein deutscher Mathematiker, Egen, planmässig vor, indem er die Stoss- IV, $. 6. Geometrie u. Mechanik d. seism. Punkt- u. Liniensysteme, 389 punkte für das rheinische Erdbeben vom Jahre 1828 zusammenstellte und dadurch gleich anfangs den positiven Erfolg erzielte, eine von Nöggerath aufgestellte Hypothese, nach welcher das Erdbeben mit einem Vesuv-Ausbruch zusammenhängen sollte, als unhaltbar zu er- weisen |161l. Muncke, durch Egen’s Arbeit angeregt, machte so- dann darauf aufmerksam, dass auch die Erschütterungen von Lima (1746), Lissabon (1755) und Kalabrien (1783) einen centralen Aus- gangspunkt erkennen liessen [162]. Eine bestimmtere geometrische Form erhielt die Sache jedoch erst durch Hopkins und durch Mallet in den Berichten, welche sie resp. in den Jahren 1847 und 1858 der „British Association“ vorlegten. Allmählig bildete sich auch eine brauchbare Terminologie heraus, deren wesentliche Bestandtheile wir anführen wollen. Legt man durch alle Punkte der Erdoberfläche, welche den Stoss im nämlichen Momente verspürten, eine Kurve, so ist diess nach Mallet eine Koseisme, nach Jul. Schmidt eine Isochrone, nach v. Seebach endlich, dessen Bezeichnungsweise den meisten Anklang gefunden hat, eine Homoseiste, während Punkte, in welchen sich das Phänomen gleich stark offenbarte, einer Isoseiste angehören |163]. Gesetzt nun, der eigentliche Heerd des Erdbebens sei ein Punkt (Erdbebencentrum) — eine Annahme, an der freilich sehr bald erhebliche Aenderungen angebracht werden müssen, und die nur als eine erste rohe Näherung gelten kann —, so müsste offenbar aus der Anordnung der Homoseisten auf die Lage dieses Centrums ein Schluss zu ziehen sein. Denken wir uns aus dem Centrum auf die Erdoberfläche ein Loth gefällt, die Erdbebenaxe („prime ver- tical* nach Mallet), so schneidet diess ein im Epicentrum, welches also auf der Erdoberfläche gelegen ist; die Entfernung zwischen einer Homoseiste und dem Epicentrum mag nach v. Seebach [164] der Axial- abstand heissen, während sich für die Distanz von Centrum und Epi- centrum vielleicht der Name Centraltiefe empfehlen möchte. Die Richtung des Stosses bildet mit dem Horizonte einen wohl niemals völlig auf Null herabsinkenden Winkel, den Emersionswinkel. Für den Axialabstand a, die Centraltiefe h und den Emersionswinkel e besteht ersichtlich, wenn die Erdoberfläche als völlig eben vorausgesetzt wird, die Relation h=atgs:s; wäre == 0", so würden Centrum und Epicentrum offenbar zusammenfallen, während ein völlig vertikaler Stoss (e = 90°) nach dieser Formel überhaupt nicht vorkommen kann, wenn nicht zugleich a den Werth Null hat; dann ist nämlich h=0.o, also gleich einer endlichen Grösse. Es ist ferner einleuchtend, dass, wenn die Fortpflanzung der Stösse in homogenem Mittel vor sich gienge, die entstehenden Kugelwellen den planen Erdboden in koncentrischen Kreisen schneiden müssten. Thatsächlich sind nun freilich die Homo- seisten nur ganz ausnahmsweise kreisförmig, doch müssen sie wohl oder übel betrachtet werden, als hätten sie diese Form, indem sonst die Auffindung des Epicentrums nicht möglich wäre. Um unsere Kenntniss von diesem Theile seismischer Nomenklatur abzurunden, sei noch bemerkt, dass der geometrische Ort der Punkte stärkster Er- schütterung als Pleistoseiste bezeichnet wird, und dass man von Orten, welche mitten im Schüttergebiete vom Erdbeben ganz unbe- helligt blieben, zu sagen pflegt, sie lägen auf einer Erdbeben- brücke. 390 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Unter der, wie erwähnt, nur sehr bedingt zulässigen Voraus- setzung, dass eine Homoseiste ein Kreis sei, ist die Lage des Epi- centrums leicht zu finden. Man zieht zwei Sehnen AB und CD, halbirt AB in E und CD in F und errichtet in E und F Senkrechte auf den Sehnen; der Durchschnittspunkt dieser Senkrechten ist das Epicentrum. Von diesem zum Centrum selbst kann man durch An- wendung verschiedener Methoden gelangen, deren eine topographische, eine andere chronometrische Messungen zur Vorbedingung hat. a) Methode von Malle. Man untersucht an dem vom Erdbeben betroffenen Orte zunächst, ob sich Mauern und Wände mit deutlich erkennbaren Spalten vorfinden. Ist diess der Fall, so ist das Weitere einfach, und Mallet hat denn auch in seinem Werke über das nea- politanische Erdbeben auf diese Weise sehr brauchbare Werthe erhalten. Es sei nämlich in Fig. 75, welche wir dem für die mathematische Seite der Aufgabe sehr instruktiven Werke von Falb [165] entnehmen, ABUD eine vertikale Mauer, in welcher sich ein mit dem Horizont den Winkel o 'bildender Riss zeigt. Man kann dann sicher sein, dass die Stossrichtung mit dem gezeichneten Pfeile übereinstimmt, der selbst mit AB den Emersionswinkel = einschliesst, und dann ist « 4 = = 90°; dabei ward, was allerdings nur selten der Fall sein wird, die Ebene ABCD als mit der Vertikalebene des Stosses zusammenfallend an- genommen; im allgemeineren Falle würde die Berechnung von e durch sphärische Trigonometrie zu bewerkstelligen sein. Der Dienst, den uns hier die Mauer- öffnung -leistete, kann natürlich auch durch irgendwelche andere dem Erdbeben ent- sprungene Ortsveränderung geleistet werden, wie denn z. B. Falb in einem Hause zu Belluno ein auf Füssen stehendes Kästchen traf, welches in Folge der Schwankung des Tisches, auf welchem es sich befand, von diesem herabgerutscht war und dabei seinen Weg durch eingekritzelte Parallelstreifen auf dem Tische verrathen hatte. Da der letztere selbst unverrückt stehen geblieben war, so hatte der beobachtende Forscher ein Mittel zur Bestimmung des Emer- sionswinkels, wie er es sich nicht besser wünschen konnte. Ist aber . e bekannt, so hat man, da der Axialabstand a aus der Karte ent- nommen werden kann, der obigen Beziehungsgleichung zufolge auch die Centraltiefe h. Führt man diese Berechnung für mehrere Homo- seisten durch und zieht aus den Einzelresultaten ein wahrscheinlichstes dadurch, dass man die Homoseisten mit ihren Radien proportionalen Gewichten versieht, so erhöht sich die Genauigkeit. Eine besondere Formel entwickelt Mallet für den Fall, dass ein fester Körper von einigermassen geometrisch-regelmässiger Gestalt durch den Erdstoss umgeworfen worden ist. Die Masse dieses Körpers sei M, der Abstand seines Schwerpunktes von der Umkippungsaxe a, die Geschwindigkeit der seismischen Bewegung im Momente des Stosses uber 1 sei v, dann ist die lebendige Potenz des Stosses — DE Mv’. Die von demselben geleistete Arbeit besteht eben in der Umkippung des Kör- pers; da lebendige Potenz und Arbeitsgrösse einander gleich sind, da IV, $. 6. Geometrie u. Mechanik d. seism. Punkt- u. Liniensysteme. 391 ferner die Arbeit. der Strecke a offenbar umgekehrt proportional ist, so besteht die Gleichung a Mv’ —— . fo), wo T das Trägheitsmo- ment des Körpers mit Bezug auf die Drehaxe, f(o) aber eine noch zu fixirende Funktion des Winkels ®© bedeutet, welchen die Gerade, auf der a abgemessen ist, mit der Vertikalen bildet. Mallet findet so 2T g(l-— cosp) aM Bora Noch ist allerdings der Emersionswinkel nicht bestimmt. Wenn aber gleichzeitig bekannt ist, dass eine Kugel, die vorher vom Boden den vertikalen Abstand b hatte, von ihrem Platze heruntergeworfen und an einen Ort geschleudert wurde, der von jener Vertikalen b den Horizontalabstand c besitzt, so wird EL b cg RAR BSR Nähere Erörterungen können nachgesehen werden in dem Abschnitte „Erdbebenkunde“, den v. Seebach für Neumayer’s Handbuch des Forschungsreisenden bearbeitet hat [166]. b) Methode von Falb. Von einem Orte A gesehen, habe der Ort B das Azimut a, von B aus gesehen habe der Ort A das Azimut ß. Das Azimut der horizontalen Stosskomponente sin A=qa,nB= ß.. Die Längenentfernung von A und B heisse d. Bringt man dann an den von Falb gegebenen Formeln einige kleine Umformungen an und bezeichnet mit e, und &, die den Punkten A und B entsprechenden Emersionswinkel, so ist [167] die Centraltiefe 4-b ra PB sin (&, — $&;) Sera sine, sıne, U aim Das Verfahren hat den Vortheil, von der vorhergehenden Verzeich- nung der Homoseisten und Ermittelung des Epicentrums unabhängig zu sein. Eine zweite Falb’sche Methode behandeln wir um desswillen hier nicht eingehender, weil sie zu enge mit den immer unzuverläs- sigen Schallerscheinungen verkettet ist |168]. c) Methode von v. Seebach. Durch diese, deren mathematische Formulirung Minnigerode übernommen hatte, sollen gleichzeitig die — konstant angenommene — Fortpflanzungsgeschwindigkeit c, der Zeitpunkt des ersten Anstosses t und die Centraltiefe h gefunden werden, und zwar ausschliesslich durch Diskussion eines Systemes von Zeitangaben, ohne die Beobachtung der immer nur misslich zu er- forschenden Spaltenrichtungen. © (Fig. 76) ist der Erdmittelpunkt, E das Epicentrum, Fig. 77. A der Punkt der Erdkugelfläche, in welchem A diese von der Geraden CE getroffen wird, M irgend ein erschütterter Punkt. AM, der Axialabstand, ist bekannt (= a); dann hat man zur Bestimmung des Winkels AUCM==p die Proportion 9: 360 = a:2pr. Vz md. M (p Erdhalbmesser), woraus — r Be BEAT | 392 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Die Distanz EM ist gleich ct, der Cosinussatz ergiebt für das Dreieck EMC: pi ph) An la h)cor Rechnet man zur Rechten aus, berücksichtigt, dass 1— cose—=2 sin’ > 0) ist, setzt für r seinen Werth ct ein und zieht z Wurzel aus, SO od = HA — hy si —- Nun setze man noch 2p sin ae dann ist a \/h 1y: (1 ie ) br: Der Bruch — ist nach Allem, was wir über den stets intrakrustalen zul ci m rn a Sitz der seismischen Kraft wissen, sehr klein und darf deshalb ver- nachlässigt werden; so kann die letzterhaltene Gleichung auch in dieser Form geschrieben werden: c’t? — y’=h’. Das ist aber die Gleichung einer Hyperbel, deren Halbaxen h und = sind. Die Ordinate y darf unter gewöhnlichen Umständen mit dem Axialabstande a identificirt werden, denn es ist y — 2p sin = p—2p (> o— Fr 4 —.. ) = pp, wenn die weiteren Rejhenglieder als einflusslos bei Seite gelassen werden. Wenn aber die Winkel in absolutem Maasse gegeben sind, so dass 180° durch z ersetzt wird, so hat man eben a = pe. Die ermittelte Hyperbel lehrt nun v. Seebach, dem wir bisher folgten, graphisch für die Bestimmung der seismologischen Fundamental- elemente zu verwerthen. Er lässt den Mittelpunkt der Kurve mit dem Epicentrum zusammenfallen, trägt auf der Abscissenaxe Längeneinheiten (Myriameter) und auf der Ordinatenaxe mit gleichem Maassstabe Zeit- einheiten (Minuten) auf, konstruirt die zugehörige Kurve und sieht nun zu, ob die in den bezüglichen Punkten errichteten Senkrechten sich genau auf dem Umfange der Hyperbel durchschneiden. „Der Grad der Genauigkeit, mit der diess geschieht, giebt hiebei zunächst einen Maassstab für die Güte der Zeitbestimmungen an und muss für sich und bei guten Zeitbestimmungen zugleich auch erkennen lassen, ob der Oberflächenmittelpunkt richtig bestimmt worden ist oder nicht“ [169]. Nachdem die Hyperbel gezeichnet vorliegt, sind die drei Grössen c, t und h durch einfache Zeichnung erhältlich. ce ist nämlich die Tangente des halben Asymptotenwinkels, t ist gleich einer beliebigen Abscisse, dividirt durch c, und h ist, wie wir bereits wissen, durch eine der Halbaxen gegeben. v. Seebach und Minnigerode haben somit das Folgende geleistet: Durch punktweise Konstruk- tion einer Hyberbel die Fundamentalgrössen direkt und graphisch zu ermitteln *). *) v. Seebach’s Hyperbel ist eine ganz andere, als diejenige, zu welcher Hopkins in seinem Berichte von 1847 sich geführt sah. Falb begeht also in dem von uns mehrfach eitirten Buche eine Verwechselung, indem er die Kurven IV, $. 7. Theoretische Spekulationen über die Natur der Erdbeben. 393 Kortum hat in einer dem uns bekannten Werke v. Lasaulx’s eingefügten Spezialuntersuchung allerdings gezeigt [172], dass kleine Fehler in den Zeitangaben schon einen sehr erheblichen Einfluss auf die berechnete Üentraltiefe ausüben. Derselbe thut weiter dar, dass und wie mit Hülfe der Methode der kleinsten Quadrate die nothwen- digen Korrekturen anzubringen seien. — Der wunde Punkt all’ dieser vom theoretischen Standpunkt aus so schönen Theorieen ist nun freilich der, dass ein eigentliches Erd-. bebencentrum nicht existirt, indem der Heerd der Stösse oft einen ziemlichen Umfang besitzt. Heim hebt z. B. hervor, dass selbst bei ‚jenen schweizerischen Erdbeben, welche nicht auf grosse Dislokationen im Erdinneren hindeuten, trotzdem das Intensitätscentrum nicht durch einen Punkt, sondern durch eine langgestreckte Zone repräsentirt ge- dacht werden musste [173]. v. Seebach hat wenigstens eine An- deutung darüber gemacht, wie sich die Gestalt des Erdbebenheerdes in jener der Homo- und Isoseisten wiederspiegeln müsste. Wir ver- weisen für diese mehr geologische Seite der Frage auf $. 9, halten aber daran fest, dass die mathematische Erörterung immerhin ihre hohe Brauchbarkeit zur Eruirung angenäherter Werthe unter allen Umständen beibehält. $. 7. Theoretische Spekulationen über die Natur der Erdbeben. Wir glauben den Zweck, welchen dieser Paragraph sich vorgesetzt hat, am besten dadurch zu erreichen, dass wir für die frühere Zeit eine synchronistische, für die spätere dagegen eine sachliche Anord- nung wählen. Die meist willkürlichen und nicht auf eigentlicher Analyse des zu durchdringenden Phänomenes beruhenden Erklärungen, welche das Alterthum und Mittelalter liebte, lassen sich so am besten überblicken. a) Hypothesen der Orientalen. Einige Nachrichten über dieselben findet man zusammengestellt in der Abhandlung von Lersch [174], welche sich uns auch in ihren übrigen Theilen sehr brauchbar erwiesen hat. Im Wesentlichen herrscht, sowohl bei den alten Japanern, wie auch bei den Indern und Talmudisten, die Mythologie vor, indem ein unter der Erde befindliches Ungeheuer (Leviathan, Üelebrant) durch Zuckungen seine Anwesenheit zu verspüren geben soll. Die heilige Schrift beschreibt hie und da Erdbeben in sehr zutreffender Weise (vgl. besonders Psalm 113), doch ist es kaum möglich, wie unlängst versucht worden ist |175], aus solchen gelegentlichen Aphorismen heraus eine „biblische Erdbebentheorie* zu formuliren. b) Griechische Hypothesen. Hier stehen wir, auch wenn wir uns an die älteste Zeit halten, schon auf weit festerem Boden, weil Ari- stoteles uns über die bis zu seinem Auftreten gehegten Meinungen genaue Mittheilungen gemacht hat [176]. Im archaistischen Zeitalter betrachtete man solch’ furchtbare Ereignisse, wie die Erdbeben, freilich auch mit abergläubischem Auge, man opferte dem „Erderschütterer“ Poseidon, um solche Schrecknisse abzuwenden, oder bildete sich wohl des englischen und des deutschen Geologen einem und demselben Zwecke dienen lässt [170], indessen nimmt er bei einer späteren Gelegenheit seine frühere Be- hauptung ausdrücklich zu v. Seebach’s Gunsten zurück [171]. 394 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. auch ein, der unter dem Aetna begrabene Gigant Enkelados mache das Land umher erzittern. Aber schon von Anaximander berichtet Ammianus Marcellinus [177], er habe die Erdbeben auf die in Folge langer Dürre oder auch heftiger Regengüsse entstehenden Risse des Erdbodens zurückgeführt. Anaximenes bildete diese Vorstellung weiter aus, indem er die Annahme hinzufügte, dass das durch besagte Spalten in’s Innere der Erde hinabträufelnde Wasser Rutschungen und Einstürze veranlasse. Demokrit schrieb die Hauptschuld bei der Erzeugung von Erdbeben den Regengüssen zu, welche das bereits durchfeuchtete und mit Wasser vollgesogene Erdreich treffen. Ana- xagoras dagegen ist der Urheber jener Lehre, zu welcher sich nach-. mals auch Aristoteles selbst bekannte, dass nämlich die Luft sich in den Höhlungen des Erdkörpers verfange und nunmehr ungestüm einen Ausweg suche *). Auf einen analogen Standpunkt stellte sich, wenn uns Lucrez die Wahrheit berichtet, der sonst von den Lehren des Stagiriten vielfach abweichende Epikur [182]; derselbe war übrigens verständig genug, zuzugeben, dass durchaus nicht jedes Erd- beben auf die nämliche Ursache zurückgeführt zu werden brauche [183]. Gleicherweise erklärte sich Strabon nur bedingt für Aristoteles, während er — und diess ist mit Rücksicht auf die in $. 3 abgehan- delte Suess’sche Theorie der Alluvionalbeben äusserst merkwürdig — auch eine neptunistische Deutung mancher Erscheinungen auf die Reise- mittheilungen des Aristobulos begründete. Auf Wärmedifferenzen im Erdinneren als auf den Grund von Kataklysmen wies Straton hin [184], der von allen Griechen wohl am schärfsten über die Fragen der dynamischen Geologie nachgedacht hatte (vgl. die Einleitung). Die Byzantiner, welche durch den berühmten Ingenieur Anthemios bereits einige Begriffe von der Expansivkraft des Wasserdampfes be- sassen, scheinen das Erzittern des Bodens in rationellerer Weise statt mit dem unbestimmten aristotelischen Begriff der Luft, mit demjenigen der aus erhitzten Flüssigkeiten aufsteigenden Dämpfe in Zusammen- hang gebracht zu haben [185]. | *) Nehring macht [178] die der näheren Erwägung wohl nicht unwürdige Bemerkung, dass vielleicht die ab und zu in den Gebirgen zu findenden Wind- oder Wetterlöcher den Alten ihren Irrthum betreffs der innigen Verwandt- schaft von Luftströmungen und Erdbeben nahegelegt haben möchten. „Wenn man,“ sagt ein ortskundiger Beschreiber [179], „an heissen Sommertagen in näch- ster Nähe einer solchen Spalte vorübergeht, fühlt man einen ziemlich starken kalten Luftzug, der aus derselben herausdringt; im Winter hingegen findet das Gegentheil statt, nämlich die äussere Luft dringt in die Spalte hinein.“ Eine sehr merkwürdige Höhle dieser Art hat Krejti -bei Gelegenheit der böhmischen geo- logischen Landesaufnahme entdeckt; nur ist die Temperatur der dortselbst aus- strömenden Luft keine so sehr veränderliche. Die feuchtwarme Luft bildet manch- mal sogar eine Rauchsäule über dem Gipfel der Anhöhe, doch ist an solfataren- oder mofettenartigen Ursprung nicht zu denken [180]. Für Nehring’s Auffas- sung liesse sich neben Anderem auch der originelle Aufsatz „Von den Gletscheren auf dem Grimselberg, und denen alldorten sich befindenden Crystall-Gruben“ an- führen, welchen der uns aus der geschichtlichen Einleitung ($. 28) wohl bekannte Luzerner Naturforscher Cappeler in Altmann’s Monographie der schweizeri- schen Gletscherwelt einrücken liess [181], denn dort wird angenommen, die den Berg durchstreichende Luft setze sich in abgeschlossenen Höhlen und Kammern fest. und dort würden ihr die zur Bildung der Krystalle nothwendigen Bestand- theile entzogen. IV, $. 7. Theoretische Spekulationen über die Natur der Erdbeben. 395 - ce) Römische Hypothesen. Lucretius billigste die Zurückhaltung seines Meisters Epikur, er hielt Einsturz-Erdbeben, vulkanische Erd- beben und durch das Einströmen von Winden hervorgebrachte Erd- beben für möglich [186]. Plinius begnügte sich seiner Gewohnheit gemäss damit, ältere Doktrinen einfach zu reproduciren, aber Seneca suchte der Sache mehr auf den Grund zu gehen. Ganz richtig er- kannte er |187], dass der Sitz der Erdstösse in gar nicht beträcht- licher Tiefe zu suchen sei. Im Uebrigen nahm er an, dass sein „motus succussorius“ (s. o. $. 2) auf einen lokalen Einsturz, der „motus in- clinatorius® dagegen auf die Wirkung eingeschlossener gespannter Gasmassen hindeute. Die lebendige Kraft derselben kennzeichnet er treffend mit den Worten |188|: „Nobis quoque placet hune spiritum esse, qui possit tanta conari, quo nihil est in rerum natura potentius, nihil acrius, sine quo nec illa quidem, quae vehementissima sunt, valent.“ Darüber, dass Seneca’s „spiritus“ etwas ganz anderes ist, als der Wind des Aristoteles, äusserten wir uns schon in $. 9 des vorigen Kapitels. d) Arabische Hypothesen. Bei den Arabern dürfen wir nicht erwarten, etwas anderes als griechische Lesefrüchte, hie und da in etwas missverstandener Form, aufzufinden. Das Beste, weil zugleich Sinn für ein deskriptives Verfahren Bekundende, was uns von Jenen aufbehalten ward, ist As-Soyuti’s genaue Beschreibung des mesopo- tamisch-syrischen Erdbebens vom Jahre 1157 oder 1158 n. Chr., mit welcher uns Sprenger bekannt gemacht hat [189]. Kazwini lässt uns [190] die Wahl zwischen zwei Annahmen: entweder entsteht ein Erdbeben durch einen chemischen Process in den Eingeweiden der Erde, der an die in den Adern eines kranken Menschen tobende Fieber- gluth erinnert, oder aber durch Einstürze und DBergschlipfe. Mit orientalischem Gleichmuth versteht sich der Autor über die Pflicht eingehender Prüfung hinwegzusetzen: „Gott aber weiss besser, wie es sich in Wahrheit mit diesen Dingen verhält.“ | e) Hypothesen des abendländischen Mittelalters. Beda Venera- bilis kennt die aristotelische ebenso wie die Einsturz-Hypothese [191]. Aehnlich Hrabanus Maurus, der nur ein wenig vielseitiger ist, in- dem er dreierlei Gründe zulässt: „die Erdbeben können entweder durch die Bewegung der Winde im Inneren der Erde, oder aber durch das Schwappen des Wassers *), oder aber durch Einstürze des durch- wühlten und unterwaschenen Bodens erklärt werden“ 5193]. Die *) Diese oscillirende Bewegung der Bodendecke entnimmt Hraban mög- licherweise einer zu ihm durchgedrungenen Notiz über die Erdbebentheorie des Demokrit (s. o.), oder auch den strabonischen Nachrichten über die Spaltung und Zerbröckelung inundirter Schwemmländer. Bis in die neuere Zeit herein er- hielten sich Ansichten dieser Art, wie denn z. B. in einer 1670 publieirten und durch Wieder-Abdruck der jetzigen Generation näher gerückten Beschreibung der Nilquellen Nachstehendes zu lesen ist [192]: „Die Einwohner sagen, der gantze Berg sey voll Wassers und gaben zum Zeichen dessen dieses zu betrachten, dass der gantze Platz um den Brunnen herum zitterte, welches eine offenbare Anzei- gung, dass Wasser darunter verborgen.... Erwehnte Einwohner, wie auclı der Kaiser selbst, welcher mit seinem Heer zugegen war, berichteten, die Erde hette selbiges Jahr nicht sonders viel gebebt wegen der grossen Dürre und trocknen Jahrs-Zeit; aber in andren Jahren zittre und bebe sie dermassen, dass man zu diesem Orte kaum ohne Gefahr kommen könne.“ Die ganze Erde als einen von Wasser vollgesogenen Schwamm sich zu denken, war eine Lieblingsvorstellung des Mittelalters. 396 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Scholastiker, voran der heilige Thomas, folgten auch in diesem Falle unentwegt den Spuren ihres Lehrers Aristoteles [194], von dessen Theorie Froidmont noch vierhundert Jahre später sagen konnte [195]: „Sententia Aristotelis verissima est, spiritum subterraneum esse causam terrae motus effectricem.* So sehen wir auch manchen Gelehrten im Gefolge des Aristoteles dahinwandeln, der im Uebrigen nicht der peripatetischen Schule zuzurechnen ist; Ristoro d’Arezzo z.B. fer- tigt den Gegenstand kurz ab, wie folgt |196]: „Ed alcuna stagione si vede e sente tremuoti, e sente tremare la terra, e tremare tutta la provineia, e cadere monti, e case, e torri, e gid furo vedute profon- dare eittadi: e sentonsi tremuoti piccoli, li quali non fanno danno; e gid avemo veduto e sentito uscire il yento della terra.“ Es möchte uns fast wundernehmen, dass Ristoro keine astrologische Deutung des Vorganges zu Hülfe nimmt, denn erstens sagen ihm sonst derlei Erklärungsweisen am meisten zu, und zweitens hätte es ihm an Vor- bildern in dieser Hinsicht nicht gefehlt. Favaro hat wenigstens in einem Codex 'laurentianus eine „Ppvorxr) Yewpla Tepl T@y WaLvonEymv seron.dy Ws ot rararoi* aufgefunden, worin Alles strenge in astrome- teorologischem Sinne abgehandelt wird [197]. Wir verlassen das Mittelalter und wenden uns der neueren Zeit zu. Zu Beginne derselben hatte das .theoretische Wissen vom Erd- beben also den Stand erreicht, dass man entweder der aristotelischen Lehre vom Windfang beipflichtete, oder an die Expansion gespannter Gase und Dämpfe dachte oder endlich chemische Vorgänge als im Spiele befindlich annahm, wie diess besonders Cardanus that, welcher Salpeter, Erdharz und Schwefel in absteigender Linie als die seis- mischen Motoren bezeichnete [198]. Bemerkenswerth ist, dass Ga- lilei, offenbar mit Rücksicht auf Aristoteles, gelegentlich die Frage formulirte [199]: „S® la cagione de’ terremoti si deva stimare essere sopra o sotto la terra?“ Die thermodynamische Anschauung des Straton scheint sich lediglich der bergbaukundige Agricola ange- eignet gehabt zu haben [200]. Wir bemerken noch abschliessend, dass der bekannte Chemiker van Helmont eine scharfe und nach dem Urtheile von Lersch [201] zutreffende Kritik an allen ihm be- kannten Erdbebentheorieen übte, ohne freilich selbst etwas Positiveres bieten zu können. Die modernen Hypothesen glauben wir am besten in vier gesonderte Gruppen bringen zu können, wobei manche in ihrer Originalität absurde Theorie freilich ausgeschlossen wird. Dahin ge- hört z. B, was Kant [202] über die Phantasmen eines gewissen Gautier, eines Malers, aussagt, der aus dem stärkeren Anprall der Sonnenstrahlen gegen die Westküste der Kontinente sowohl die Um- drehung der Erde um ihre Axe, als auch die Erschütterungen der Erdfeste herleiten wollte. f) Die elektrischen Theorieen der neueren Zeit. Zu Gunsten der Annahme, dass bei den Erdstössen auch die Elektricität eine Rolle spiele, hat man schon von jeher die Erzählung des Tacitus von den bei’'m Untergange der Städte Helice und Bura gesehenen Licht- erscheinungen zu verwerthen gesucht, welche also lautet [203]: „Eodem anno duodecim celebres Asiae urbes collapsae nocturno motu terrae: quo improvisior graviorque pestis fuit. Neque solitum in talı casu effugium subveniebat...... effulsisse inter ruinam ignes, memorant.* Eine IV, $. 7. Theoretische Spekulationen über die Natur der Erdbeben. 397 Fülle ähnlicher Nachrichten liegt in der Literatur vor, allein in physi- kalischer Hinsicht scheint uns damit sehr wenig bewiesen, weil ja be- kannt ist, wie leicht in Folge von Erdstössen Feuersbrünste gewöhn- licher Art entstehen. Die Priestley-Lichtenberg’sche Periode machte mit der elektrischen Interpretation der seismischen Phänomene Ernst. Priestley selbst erblickte darin einen den Gewittern ent- sprechenden Ausgleich zwischen den „Elektrifikationen* der Luft und der Erde [204], Sarti glaubte die ungeheure Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Erdbebenwellen lediglich mit derjenigen der elektrischen Fluida in Parallele stellen zu können [205], Vassalli-Eandi betrach- tete als wesentliches Motiv der Erschütterungen eine Art elektrolyti- schen Processes |206]. Unter den weiteren überzeugungstreuen An- hängern der Elektrieitätshypothese sind zu nennen Stuckely [207], der wie Priestley an einen Ausgleich starker elektrischer Spannungen dachte, Bina [208], der sich die Erde mit Wasserbehältern in Schwefel- und Bitumen-Verschluss angefüllt dachte, welche nach der Art einer Leydener Flasche wirken sollten, Cavallo [209], der nach Beccaria sogar einen Vorlesungsversuch zur Veranschaulichung dieser Verhält- nisse angab, und der französische Ingenieur Ch. F. Lambert, der zufolge einer Angabe von Muncke [210] den Hergang folgender- massen erklärte: „Dadurch, dass die östlichen Winde die flachere Seite Südamerika’s in grösster Feuchtigkeit, dagegen die Westküste des grossen Kontinents nur zu gewissen Zeiten feucht erhalten, soll sich die Elektrieität in Folge der die zwischen beiden liegende Station stets trocken erhaltenden Winde, namentlich der östlichen, auf den ge- bogenen Kämmen der Andeskette anhäufen, weil sie weder durch trockene Luft, noch auch durch die trockene Erde entweichen kann... Sie durchströmt dann die metallischen Adern, feuchte Erdschichten, Flüsse und Wasseransammlungen, bahnt sich mit Gewalt einen Weg, wenn sie keinen findet, und erzeugt durch die starken Entladungen Bebungen des Bodens, Spalten, Zerreissungen, Verflüchtigungen der Körper, die hiezu geeignet sind, chemische Zersetzungen z. B. Ver- brennungen des Schwefels und Anthracits, mit Einem Worte alle die Erscheinungen, welche wir bei den Erdbeben und vulkanischen Aus- brüchen wahrnehmen“. — In dem Maasse, in welchem die Elektricitäts- lehre immer neue Gebiete sich dienstbar machte, wurden auch die Erdbebentheorieen vielseitiger. Matteucci brachte die schnelle Wie- derholung der Erdstösse mit den Entladungsschlägen einer galvanischen Batterie in Zusammenhang [211]. Neuerdings ist aber besonders der Elektromagnetismus zum Helfer in der Noth geworden, wie denn z. B. Stoppani [212] die Frage aufwirft: „Potrebbe un grande squilibrio elettromagnetico produrre un terremoto? Non si troverebbe ragione per negare una tale possibilitä.* Systematisch ist diese Auffassung von Pilar [213] zu begründen versucht worden, der die Erde für ein Riesen- Solenoid erklärt und dafür hält, dass die den Erdkörper umkreisenden Elementarströme in etwelche Unordnung gerathen; doch scheint es, dass der genannte Geologe keinesfalls in der Existenz jener Ampere’schen Ströme die primäre Ursache der Erdbeben erblickt (s. u. 8. 9). In nicht sehr klarer Weise bringt auch eine unlängst erschienene Schrift von Gringmuth die Erdbeben in Beziehung zu den Schwankungen des Erdmagnetismus. 398 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. g) Die chemischen Theorieen der neueren Zeit. Von Lemery’s vulkanistischer Hypothese, welche derselbe auch als für die Erdbeben gültig erachtete, war in $. 9 des vorigen Kapitels die Rede. Kries gieng in seiner oben erwähnten Schrift über die Ursache der Erd- erschütterungen (s. o. $. 4) von Davy’s chemischer Theorie des Erd- inneren aus, nach welcher die Metalloide das Wasser zerlegen und dadurch Wasserstoffgas erzeugen sollen; dasselbe verbände sich mit eindringendem Sauerstoff und hinwiederum mit diesem zu rasch ver- puffendem Knallgas*). Ami Bou& will der chemischen Affinität neben der allerdings auch von ihm stark betonten Bewegung des elektro- magnetischen Fluidums einen Platz unter den erzeugenden Agentien des Phänomenes gewahrt wissen [215]. Gründlicher durchdacht ist Janecek’s Verbrennungstheorie [216]. In heissen Erdinneren, so argu- mentirt der kroatische Chemiker, dürften sich die chemischen Elemente vielfach, statt in eigentlichen Verbindungen, blos in mechanischen Ge- mengen, ähnlich unserer atmosphärischen Luft, vorfinden. Wird aber eine solche Mischung explosiv, so tritt vermuthlich eine Reassociation der Bestandtheile ein, die nicht ohne mechanische Folgen bleiben könnte. Die Verbrennung nach der Entzündung ist keine vollständige, vielmehr geht der Verbrennungsprocess ruck- und absatzweise vor sich, und damit stünde vielleicht der in $. 2 erörterte Umstand in Verbin- dung, dass bei den Erdbeben der erste und stärkste Stoss häufig von schwächeren Nachstössen begleitet wird. h) Die magmatischen Druck- und Explosionstheorieen der neueren Zeit. Ueber diese dürfen wir uns-kürzer fassen, da die magmatischen Theorieen des Vulkanismus im Grossen und Ganzen auch die seismi- schen Processe zu umfassen pflegen. Die Urquelle dieser Anschauung, welche in den Vulkanen Sicherheitsventile gegenüber den Erd- beben sehen zu sollen glaubte, ist Kircher’s „Mundus subterraneus“, aber v. Humboldt und v. Buch haben dieselbe durch das Schwer- gewicht ihrer Autoritäten erst zu einer zeitweilig herrschenden gemacht. Allerdings macht sich der Erstere selber den Einwurf [217], dass die unterirdische Kraft meistens nicht in unmittelbarer Nähe sich am stärksten zu bethätigen pflege, doch hindert ihn diess nicht, den Jahr- zehnte lang mit Andacht wiederholten und von Vielen fast zu einer Art geologischen Dogma’s erhobenen Satz zu formuliren (a. a. O.): „Die thätigen Vulkane sind als Schutz- und Sicherheitsventile für die nächste Umgegend zu betrachten.“ Selbst in einer der neuesten Zeit angehörigen Broschüre von Möhl begegnen wir Sätzen, wie den fol- senden ]218]: „Bei den Erdbeben haben wir... gleichsam den Ver- such zu der im Vulkane beschriebenen Dampfquellbildung zu erblicken. Die in unterirdischen Höhlen angesammelten Dämpfe detoniren, es erfolgt ein Stoss, mehrere Stösse, es wird jahrelang gerüttelt, bald *) Psychologisch schwer erklärlich ist es, dass Davy. nachdem er seine chemische Theorie der Vulkanbildung ausgebildet hatte, gerade für die Erdbeben sich selbst von seinen Principien lossagte und eine auf sehr schwachen Füssen stehende dynamische Hypothese in Aufnahme zu bringen versuchte. Er hatte durch Versuche ermittelt, dass Thon sich ausdehnt, wenn, er mit Wasser be- feuchtet wird; daraus schloss er, dass die im Inneren der Erdrinde befindlichen Thonlager das meteorische Wasser in sich aufnehmen, an Volumen zunehmen und so das interne Gleichgewicht stören (214]. IV. $. 7. Theoretische Spekulationen über die Natur der Erdbeben. 399 hier, bald dort, die Dämpfe finden einen Ausweg, und die Ruhe ist wieder hergestellt, oder aber, die Dämpfe können nicht detoniren, sie drücken aber kontinuirlich, sie bewirken die langsamen Hebungen, denen anderorts Senkungen die Hand bieten.* Man glaubt den alten Seneca reden zu hören, dessen im Hohlvolumen abgesperrter „Spiritus“ sich einen Ausweg sucht. Unrecht wäre es, die allerdings auch auf Annahme einer Explo- sion hinauslaufenden Hypothesen Carl’s und vom Rath’s mit der Ventiltheorie zusammenzuwerfen. Boutigny hatte aus einem eigen- thümlichen Ausbruch glühender Dampfmassen aus geschmolzener Lava, durch welchen dereinst einmal am Aetna ein grosses Unglück ent- standen war, den Schluss gezogen [219], dass hier das sogenannte Leidenfrost’sche Phänomen in Mitte liege, und Carl machte von dieser Grundlage aus — ähnlich wie es vor ihm bereits Mallet angedeutet hatte, einen Versuch zur Erklärung der Erdbebengenese. Der rhein- ländische Arzt Leidenfrost bemerkte als der Erste [220], dass, wenn Wasser auf eine stark erhitzte Metallplatte fällt, kleine Tropfen des ersteren nicht verdampfen, sondern eine sphäroidale Form annehmen, wahrscheinlich, weil eine intermediäre Dampfschicht vorhanden ist. Erkaltet jedoch die Platte, so wird das Wasser plötzlich und mit Ge- räusch in Dampf verwandelt; tritt diese Erscheinung im Grossen ein, so ist nicht selten eine Zertrümmerung des Dampfkessels ihre Folge. So könnte nun nach Carl [221] das einsickernde Meteorwasser an der Oberfläche des Magma’s sehr wohl zuerst den „sphäroidalen Zustand* annehmen und nachher, wenn aus irgend einem Grunde die örtliche Temperatur sich vermindert, die Veranlassung zu Explosionen und Eruptionen bieten. — vom Rath’s Erklärung des Unglücksfalles auf Ischia kennen wir nur aus einem Citate Thomassen’s [222]. Ueber- hitzte Wassermassen, wie solche auf der thermenreichen Insel wohl nicht selten sich bilden, werden fortgeführt und gelangen an eine Stelle geringeren Druckes, wo sie sich mit grosser mechanischer Kraft- entwickelung einen Durchbruch bahnen können. i) Die Einsturztheorieen. Die beiden Gelehrten, welche die alt- griechische Lehre vom Entstehen der Erdbeben durch intrakrustale Zusammenbrüche und Einstürze wieder zu Ehren brachten, waren Boussingault und Necker [223]*). Zu den eifrigen Befürwortern dieser Hypothese gehören natürlich die Neptunisten Mohr in seiner „Geschichte der Erde“, Bischof, der in seinem Versuche, manche Erdbeben von Bergschlipfen herzuleiten, allerdings gegen die jetzt all- seitig angenommene Definition des Wortes „Erdbeben“ verstösst [225], *) Lersch führt von einem seismologischen Schriftsteller, Namens Sey- fert. über den er der leidigen Gewohnheit der Jetztzeit gemäss keine näheren literarischen Nachweise beibringt, dessen Namen wir aber auch im Poggendorff- schen Lexikon vergeblich aufsuchten, folgenden bezeichnenden Ausspruch [224] an: „Andere haben gemeinet, weil die Erde ein alter Kasten, und mithin auch. ihrer innern Beschaffenheit nach baufällig sei. so entstehe daher eine oftmalige Veränderung in dem Eingeweide derselben, die hernach auch auf der Oberfläche merklich werde. Sie haben zu dem Ende unsern Erdboden mit einem alten Ge- bäude verglichen, und gemeinet, dass so wie jenes von selbst einfalle, also auch die Erde Risse bekomme und das Einstürzen derselben begreiflich gemacht werden könne.“ 400 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. und Volger [226]. Das dreibändige Werk des Letzteren erkennt für die häufigen Erdstösse in der Schweiz keine andere Ursache an, als das Nachgeben unterirdischer Gewölbe in Folge von Auslaugungen der Gyps- und Steinsalzlager u. s. w., und in dieser seiner Einseitig- keit liegt seine Schwäche. Man hat sich neuerlich vielleicht etwas gar zu skeptisch und ablehnend gegen die Einsturzhypothese verhalten, die auf verkarstete und höhlenreiche Gegenden — wie nach Fraas auf die Länder am Jordan [227] — und auch auf das Walliser Rhone- thal vielleicht doch ganz wohl anwendbar sein dürfte; Palmieri dachte auch bei Casamicciola mehr an eine Bodensenkung, als an ein eigent- liches Erdbeben. Es ist übrigens noch zu bemerken, dass der Unter- schied zwischen dieser Theorie und der heutzutage den Vorrang be- hauptenden geotektonischen Erklärungsweise kein so sehr beträchtlicher ist, indem man mit Reyer [228] eben in der Bildung der nachher wieder vernichteten Hohlräume vielfach eine Wirkung der Rinden- schrumpfung anzuerkennen hat. $. 8. Die Perrey-Falb’sche Hypothese. In Kant’s physischer Geo- graphie lesen wir [229]: „Herr Bouguer, ein berühmter französischer Akademiker, erzählt, dass bei seinem Aufenthalt in Peru ein Gelehrter, welcher Professor der Mathematik auf der Universität zu Lima werden wollte, ein Buch unter dem Titel einer astronomischen Uhr der Erd- beben geschrieben habe, darinnen er sich unternimmt, diese aus dem Laufe des Mondes vorher zu verkündigen.* Ganz die gleichen Zwecke, wie jener Kreole, verfolgte lange Jahre hindurch mit rühmlichem, wennschon einer besseren Sache würdigem Eifer der Franzose Perrey, von dessen zahlreichen Arbeiten hier nur sein Hauptwerk [230] er- wähnt sein möge. Perrey glaubte, dass im Magma unter dem attrak- tiven Einflusse des Mondes — und der Sonne — ganz ebenso eine Fluthwelle in 24 Stunden umlaufen müsse, wie im Weltmeere. Wäre die gemeinsame Grenzfläche von Erdrinde und Magma eine glatte Kugelfläche, so würden diese Gezeiten des Pyriphlegethon’s keine anderen als Druckwirkungen zur Folge haben, da aber die Innenseite der Kruste mit Unebenheiten versehen ist, so staut sich an diesen die seismische Welle, und die darüber liegenden Theile des festen Kugel- ringes können, woferne sie nur einigermassen lose verbunden sind, aus ihrem Zusammenhange gebracht werden — es entsteht ein Erd- stoss [231]. Ohne zunächst von Perrey etwas zu wissen, hat Falb in drei grösseren selbstständigen Schriften [232] und in einer Reihe von Abhandlungen für eine im Wesentlichen ähnliche, wennschon in den Einzelheiten verbesserte Ebbe- und Fluththeorie des feurig-füssigen Erdinneren Propaganda zu machen gesucht; er nahm im Gegensatze zu seinem Vorgänger an, dass die glühende Materie durch den Gra- vitationszug der Gestirne in die Kanäle und Spalten der Erdkruste hineingepresst wird, dort erkaltet und während des Erkaltungsprocesses Explosionen hervorruft. Man mag über Falb’s Theorie denken, wie man will, jedenfalls ist das Bestreben dieses Forschers, exakt zu schliessen, voll anzuerkennen. Günstig für ihn gestimmt sind manche Geologen von Ruf, wie v. Lasaulx [233], Pilar [234], der den Ge- zeiten allerdings eine sekundäre, aber doch eben eine Rolle bei’m Zu- standekommen der Erdstösse zuweist, und J. Schmidt, der in den IV, $. 9. Grundsätzl. Unterscheidung vulkan. u. tekton. Erdbeben. 401 Ausbrüchen von Santorin eine unmittelbare Korrespondenz mit der | Stellung von Sonne und Mond bemerkt haben will [235]. Auch Peschel - glaubte, dass, wenn im Inneren der Erdrinde, wodurch immer ver- _ anlasst, ein akuter Spannungszustand eingetreten sei, die seismische Woge das latente Erdbeben sozusagen auszulösen vermögend sei [236]; ausserdem ist auch eine Abhandlung von Weitzel [237] beizuziehen. Die grosse Mehrzahl der Fachmänner steht zu Falb’s Aufstellungen gegnerisch, und in der That kann man sich der Ansicht, dass im feind- lichen Heerlager die besseren Gründe zu finden sind, nicht leicht ver- schliessen, sobald man die polemischen Erörterungen von K. Fuchs [238] und Hörnes [239] aufmerksam prüft. Namentlich Hörnes’ Abhand- lung verdient an diesem Orte eine sorgfältige Analyse. Es wird hier zuerst daran erinnert [240], dass Falb die einzel- nen astronomischen Faktoren nicht immer korrekt kombinire, sondern eine unterstützende Wirkung einzelner derselben auch dann noch er- warte, wenn sich dieselben thatsächlich in ihren Aktionen hemmen. Nach Falb müsste in der zeitlichen Vertheilung der Erdbeben eine zwiefache Periodieität vorhanden sein, und er glaube dieselbe auch aus Mallet’s Katalog (s. o. $. 1) herausgelesen zu haben [241], allein weder die österreichischen, noch die italienischen Beben entsprechen dieser Annahme |242]. Gegen die Zusammenwerfung von vulkanischen und seismischen Erscheinungen spricht zumal der ruhige und ob- struktionslose Verlauf der Lavaergüsse auf den Sandwichinseln [243]. Weitere schwere Bedenken ergeben sich, wenn man die geringe Tiefe des Erschütterungsheerdes, den Gegensatz dieser oft minimalen Centraltiefe zu dem weiten Verbreitungsbezirke, die Art der Fort- pflanzung und das Fortschreiten der Stosspunkte in Betracht zieht [244]. Falb will den Radius des Schütterkreises der Centraltiefe annähernd proportional setzen [245]; diese Meinung ward vollständig durch das Erdbeben von Ischia widerlegt, wo nur die nähere Umgebung Casa- micciola’s hart betroffen wurde. Das letzte steyrische Erdbeben werde Falb nicht anders zu erklären vermögen, als dass er je eine besondere - Vulkanspalte unter die Orte Leoben, Bruck, Kapfenberg, Kindberg, Kriegberg, Sömmering, Schottwien und Gloggnitz verlege. Und Fuchs erhebt den vielleicht zu scharfen, aber doch nicht ganz unberechtigten Vorwurf (a. a. O.), dass zu eilfertig, und ohne hinlänglich scharfe Kritik, jeder an irgend einem Punkte der Erdoberfläche konstatirte Stoss zu Gunsten des Systemes verwerthet zu werden pflege. Die ge- fährlichste Kritik übt man an einer Theorie stets dann, wenn man ihr eine andere und Besseres leistende gegenüberstellt; diess thut Hörnes in der Schlussabtheilung seines Werkchens [246], und wir selbst hoffen durch Vorführung der modernen seismologischen Lehren im nächsten Paragraphen zu dem gleichen Ziele zu gelangen. $. 9. Grundsätzliche Unterscheidung vulkanischer und tektonischer Erdbeben. Der philosophische Grundfehler von Falb’s Doktrin liegt unseres Erachtens in dem für die Bestrebungen des Autors sonst sehr ehrenvollen Worte [247]: „Eine Theorie darf kein Flickwerk, sondern muss ein einheitliches Ganzes vorstellen.“ Wer dieses hodegetische Axiom zu scharf betont, läuft immer Gefahr, sich in starren Doktri- narismus zu verlieren und zu vergessen, dass zwar stets von gleichen Günther, Geophysik. I. Band, 26 402 Dritte Abtheilung. Geophysik im engeren Sinne; dynam. Geologie. Ursachen auf gleiche Wirkungen, nicht aber umgekehrt von gleichen Wirkungen auf identische Ursachen geschlossen werden darf. Die Humboldt-Buch’sche Theorie litt an demselben Gebrechen, und auch Ch. Darwin irrte, indem er behauptete [248], dass bei Vulkanaus- brüchen die magmatischen Fluthen einen offenen, bei Erdbeben dagegen einen verstopften Gang fänden. C. F. Naumann’s Versuch, die vul- kanischen Erdbeben principiell von jenen zu unterscheiden, bei deren Entstehung nicht an die Mitwirkung eines Feuerberges zu denken gestattet ist, und für welche zunächst der freilich nicht bezeichnende Ausdruck plutonische Erdbeben gewählt war, stiess auf A. v. Hum- boldt’s Widerspruch [249]. Gegenwärtig ist die Trennung eine schär- fere, indem den vulkanischen Erdbeben die tektonischen, d. h. die aus lokalen Verschiebungen im Schichtenbau der Erdrinde entsprin- senden Erdbeben gegenübergestellt werden. J. Roth [250] kennzeichnet diesen Gegensatz kurz und klar mit folgenden Worten: „Nach dem heutigen Stande der Untersuchungen, die nicht als abgeschlossen an- zusehen sind, bezieht man das Eintreten der Erdbeben auf zwei Ur- sachen: ein Theil steht im Verbande mit thätigen Vulkanen*), ein Theil wird zurückgeführt auf Ausgleichung der Spannungen, welche durch die fortdauernde Raumverminderung der festen Erdkruste, besonders ihrer tieferen Regionen, bedingt sind.“ Die Aufgabe des Erdbebenforschers spitzt sich unter diesen Ver- hältnissen mehr und mehr dahin zu, für ein bestimmtes Land die habituellen Stosslinien aufzusuchen. In gewissem Sinne ist diess allerdings ein geometrisches Problem, nur darf man bei der Lösung desselben nicht in’s Schablonenhafte verfallen, wie diess Elie de Beau- mont sammt seinem getreuen Anhänger Chancourtois that, als er die Erdoberfläche in ein Netz regelmässiger Fünfecke eintheilte und den im Inneren der Erde wirksamen Kräften vorschrieb, sich nur längs einer dieser Begrenzungslinien bethätigen zu können [253]. Eine Musterarbeit ist die in $. 1 eitirte von Höfer über die Schütterlinien von Kärnthen. Es sind diess Bruchränder, welche vom oberen Laufe der Mur bis hinab zum Triglav reichen, eine west-östliche Streichungs- richtung erkennen lassen und gut zu den durch T'haldepressionen be- zeichneten Längsbrüchen der Gebirge stimmen. Natürlich kann eine *) Man ist vielleicht, nachdem man sich einmal aus den Banden der ex- klusiv-vulkanistischen Anschauungen losgerungen hatte, etwas allzu geneigt ge- wesen, den Wirkungskreis der vulkanischen Beben zu beschränken. Wichtig genug bleiben dieselben auch dann, wenn man sich völlig auf den Boden der neueren Seismologie stellt. So hängen nach Ratzel [251] im nordamerikanischen Westen die Erschütterungen auf’s Engste mit dem Spiele der dort thätigen oder auch vielfach nur schlummernden vulkanischen Kräfte zusammen, wie denn das grosse Erdbeben vom 26. März 1872 gerade in die Vulkanreihe am Ostfusse der Sierra Nevada hineinfiel. Gerade auch Suess, der Bannerträger der tektonischen Lehre, aber zugleich ein eminent kritischer Naturforscher, beansprucht unter den italienischen Erdstössen den Löwenantheil für die vulkanischen. Für Sizilien und Kalabrien müsse man drei Kategorieen von Erschütterungen aufstellen [252]: solche, die ihr Centrum in einem Feuerberge haben und sich in undulirenden Bewegungen über eine grössere Fläche ausbreiten (Eruptivstösse), solche, die, ebenfalls von einem Vulkane aus, nach bestimmten Richtungen ausstrahlen (Ra- dialstösse), und endlich solche, "die zunächst gar keinen vulkanischen Charakter an sich zu tragen schienen, die man aber darum doch nicht ohne weiteres als ausser jeder Wechselwirkung zu Vulkanen stehend zu betrachten ein Recht habe. Citate. 403 Vernarbung der Bruchränder eintreten, dann erlischt in jener Gegend die seismische Kraft vorübergehend und wohl auch dauernd. Um über die inneren Dislokationsvorgänge möglichst Klarheit zu erhalten, em- pfiehlt sich besonders genaue Verfolgung der Ortsveränderungen, wel- chen die Punkte grösster Stossintensität unterworfen sind; diesem Wandern der Stosspunkte haben Heim [254] und Hörnes ihre Aufmerksamkeit geschenkt, welch’ letzterer in einer an Beobachtungs- resultaten reichen Abhandlung [255] u. a. auch das Fortschreiten der Stosspunkte an der Innenseite von Kettengebirgen studirt und geo- dynamisch im Sinne von Kap. II, $.6 — erklärt. Er stellt die eigent- lichen Schütterzonen, welche auf das Absitzen innerer Zonen auf wahren Verwerfungsspalten hinweisen, den mit Querbrüchen zusammen- fallenden Radiallinien entgegen. Spezialisirt werden in neuester Zeit manche tektonische Erderschütterungen als Stauungserdbeben, und dürfte nach Hörnes und Prudnik (s. o. $. 1) vor Allem der Agramer Katastrophe dieser Charakter beizulegen sein. Höfer (a. a. O.) fol- gert aus seinen eigenen alpinen Untersuchungen in Verbindung mit älteren Ergebnissen Merian’s und Jourdy’s vom Jura, dass die Staukraft im Alpengebiet, von der venetianischen bis zur bayrischen Ebene, eine meridionale Richtung einhält. — Auf dem gleichen physi- kalischen Boden scheint nach den vorliegenden, nicht aus erster Quelle stammenden Berichten, welche wir Jakob [256] verdanken, die Ge- wölbeschubtheorie des Jesuitenpaters Kolberg zu beruhen. Während aber diese nur mit dem Lateraldruck in einer konti- nuirlich schrumpfenden und sich faltenden Kruste operirende Lehr- meinung eine strenge intrakrustale genannt zu werden verdient, fehlt es auch nicht an einer Hypothese, welche die tektonischen Beben zwar als solche anerkannt wissen, dieselben aber auf ryakokrustale Ursachen zurückgeführt sehen möchte. Viele Mühe um Ausbildung dieser letz- teren hat sich Pilar |257] gegeben. Man erinnert sich noch seiner im zweiten Kapitel geschilderten Darstellung der Lageveränderungen von Hub- und Senkschollen, welche in das feurigflüssige Magma ein- tauchen und dadurch zu mancherlei Verwerfungen Anlass geben, die selbst dann wieder die Ursache von Erdbeben werden können. Letztere werden also nach Pilar dadurch verursacht, dass sich Spalten bilden, dass zweitens eine alternirende Bewegung der Keilschollen eintritt, dass durch diese und die aus ihr folgende Verkeilung rasches Oeffnen und Wiederschliessen der Ritzen bedingt ist, und dass endlich das Magma selbst eine Eigenbewegung zeigt (s. $. 8). Die Erdbeben- brücken glaubt Pilar mit Interferenzerscheinungen in Verbindung bringen zu sollen [258]; aass in der That Neutralisirung seismischer Wirkungen durch Interferenz zweier Erdbebenwellen gerade keine Seltenheit ist, lehren evident Heim’s Erfahrungen in den Stossge- bieten der Schweiz. [1] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 1. Band, Zü- rich 1858. S. 189. — [2] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik, Agram 1880. S. 151 ff. — [3] Wynne, Notes on the earth-quake in the Punjab of March 2 d, 1878, Journal of the asiatie society of Bengal, Vol. XLVL, b. S. 131 fi. — [4] Knip- ping, Verzeichniss von Erdbeben, wahrgenommen in Tokio, Japan, vom September 1872 bis November 1877, Mittheil. d. Ges. f. Natur- u. Völkerkunde Ostasiens, 404 N 9 Oitate, 1877, 14. Heft. S. 117 ff. — [5] E. Naumann, Ueber Erdbeben und Vulkanaus- brüche, ibid. 15, Heft. S. 163 ff. — [6] R. Mallet, The great Neapolitan earthquake of 1857. London 1862. — [7] Grimaldi, Descerizione de’ tremuoti accaduti nelle Calabrie nel 1783, Napoli 1784. — [8] Bittner, Beitrag zur Kenntniss des Erd- bebens von Belluno vom 29. Juni 1873, Wien 1874. — [9] Falb, Gedanken und Studien über den Vulkanismus, Graz 1876, S. 25 ff. — [10] Suess, Die Erdbeben des südlichen Italien, Denkschr. d. k.k. Akad. d. Wissensch., 34. Band, Math.-phys. Kl. S. 1 fl. — [11] Ratzel, Das Erdbeben auf Ischia am 28. Juli, Ausland, 1883. S. 661 ff. 5. 735 ff. S. 893 f. — [12] v. Lasaulx, Das Erdbeben von Casamiceiola auf Ischia, Humboldt, 1. Jahrgang. S. 1 ff. — [13] Hantken v. Prudnik, Das Erd-. beben von Agram im Jahre 1880, Budapest 1882. — [14] Pilar, Grundzüge etc. S. 156 ff. — [15] Jeitteles, Bericht über das Erdbeben vom 15. Januar 1858 in den Karpathen und Sudeten, Wien 1858. — [16] Suess, Die Erdbeben Nieder- österreichs, Denkschr. d. k. k. Akad. d. Wissensch.. 38. Band, Math.-phys. Kl. S. 1 ff. — [17] Höfer, Die Erdbeben Kärnthen’s und deren Stosslinien, Wien 1880. — [18] v, Seebach, Das mitteldeutsche Erdbeben vom 6. März 1872; ein Beitrag zur Lehre vom Erdinneren, Leipzig 1873. — [19] v. Lasaulx, Das Erdbeben von Herzogenrath am 12. Oktober 1873; ein Beitrag zur exakten Geologie, Bonn 1874; Das Erdbeben von Herzogenrath im December 1881, ibid. 1878. — [20] A. Forster, Uebersicht der schweizerischen Erdbeben im November 1881, Gaea, 18. Jahrgang. S. 82 ff.; Uebersicht der schweizerischen Erdbeben im December 1881, ihrda,. S. 142 ff. — [21] Heim. Erdbebenbeobachtungen in der Schweiz 1880—81, Gaea, 19. Jahrgang. S. 248 ff. — [22] De Rossi, Meteorologia endogena, vol. 1..M% lano 1879, vol. II, ibid. 1882. — [23] Neumayer, Bericht über die Verhandlungen des zweiten internationalen Meteorologen-Kongresses in Rom vom 14. bis 22. April 1879, Hamburg 1880. S. 11. — [24] Ibid. S. 88. — [25] Favaro, Intorno ai mezzi usati dagli antichi per attenuare le disastrose consequenze dei terremoti, Ve- nezia 1874; Nuovi stud? intorno ai mezzi usati dagli antichi per attenuare le di- sastrose consequenze dei terremoti, Venezia 1875. — [26] R. Mallet, The first prineiples of experimental seismology., London 1862. — [27] R. u. J. Mallet, The earthquake catalogue, Rep. of the british association for the advancement of science, 1858. — [28] Jul. Schmidt, Studien über Erdbeben, Leipzig 1875. — [29] v. Hoff-Berghaus, Ohronik der Erdbeben und Vulkanausbrüche, Gotha 1840—41. — [30] Perrey, Propositions sur les tremblements de terre et les volcans, Paris 1863. — [31] J. Roth, Ueber Erdbeben, Berlin 1882. — [32] Toula, Ueber den gegen- wärtigen Stand der Erdbebenfrage, Wien 1881. — [33] Roth, Ueber Erdbeben, 8. 9. — [34] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band. Stuttgart und Aussburg 1845. S. 218. — [35] Roth, 8.7. — [36] C. Plinii Secundi historiae naturalis libri XXXI, lib. II. cap. 82. — [37] Nehring, Die geologischen Anschauungen des Philosophen Seneca, 1. Theil, Wolfenbüttel 1873. S. 29. — [38] Peschel, Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, herausgeg. von Löwenberg, 2. Band, Leipzig 1878. S. 281 ft. — [39] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1879. S. 261. — [40] Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. S. 253 f. — [41] Ibid. S. 232. — [42] Suess, Das Antlitz der Erde, 1. Abtheilung, Prag und Leipzig 1883. $. 103 ff. — [43] Roth, $. 8. — [44] Ibid. S. 9. — [45] J. Schmidt, Studien etc. 8. 41 ff. 8. 118 #. — [46] Nehring, Die geol. Ansch. ete. 1. Theil. S. 25. — [47] Roth, $. 25. — [48] Hamilton, Account of the earthquakes, which happened in Italia from Februar to May 1783, Phil. Transact. Vol. LXXIIL $. 169 #. S. 209 #. — [49] Dolomieu, Sur le tremblement de terre de la Calabrie, Rome 1784. S. 50 ff. — [50] Roth, S. 26. — [51] Falb, Gedanken etc. S. 280. — [52] Roth, 8. 24. — [53] Sir Isaac Newton’s mathema- tische Prineipien der Naturlehre, deutsch von Wolfers, Berlin 1872. 8. 353 ff. — [54] v. Seebach, Das mitteld. ete. $. 180. — [55] Ibid. $. 178. — [56] Roth, 8. 21. — ka Hoffmann, Geschichte der Geognosie und Schilderung der vulkanischen Erscheinungen, Berlin 1838. $. 342 ff. — [58] Ibid. 8. 41. — [59] Nehring, 1. Theil. S.. 20. — [60] Plinius, lib. II. cap. 89, — [61] Nehrins. 1. The soo © [62] Roth, 8. 14. — [63] Nehring, 1. Theil. 8. 23 ff. — [64] Roth, 8. 17. — [65] Ibid. 8. 15. — [66] Ch. Darwin, Geological observations on the volcanie is- lands, 2. ed., London 1876. 8. 237. — [67] Suess, Das Antlitz ete. $. 124 fi. — [68] Tbia. es. 137 [69] Diamilla-Müller, Lettere scientifiche per il popolo Ita- liano, Milano 1873. 8. 440 ff. — [70] Roth, $. 18. — [71] v. Sonklar, Von den Ueberschwemmungen, Wien, Pest und Leipzig 1883. 8. 5. — [72] Inid. 8 & Broi; &E Fischer, Ueber einige Gegenstände der physischen Geographie bei Strabo; ein Beitrag zur Geschichte der alten Geographie, Wernigerode 1878. 8. 7. — % Citate, 405 [74] Thukydides, De bello Peloponnesiaco. lib. VII. cap. 89. — [75] v. Hoff-Berg- haus, Chronik ete. S. 244. — [76] Griesbach, Die Erdbeben der Jahre 1867 und 1868, Mittheil. d. k. k. geogr. Ges. in Wien, 12. Band. S. 204 ff. — [77] Geinitz, Das Erdbeben von Iquique am 9. Mai 1877, Petermann’s geogr. Mittheil., 1878. 9. 454 ff.; Nova Acta d. leop.-kar. Akad. der Naturforscher, 40. Band. S. 385 ff.; Gaea, 15. Jahrgang. S. 650 fi. — [78] Graf Berg, Die Flutherscheinungen des Meeres bei Erdbeben, Gaea, 17. Jahrgang. S. 9 ff. — [79] Ch. Darwin, Naturalist’s voyage round the world. London 1841. S. 309. — [80] Geinitz, Die Fluthwellen bei Erdbeben, Gaea, 17. Jahrgang. S. 409 ff. — [81] Graf Berg, Die Flutherschei- nungen bei Erdbeben, ibid. 18. Jahrgang. S. 260 ff. — [82] Rachel, Nochmals die Fluthwellen und das Zurückweichen des Meeres bei Erdbeben, ibid. 18. Jahrgang. S. 19 ff. — [83] Birgham, Die Erdbebenfluth im grossen Ocean, Globus, 1878. S. 216 ff. — [84] v. Hochstetter, Die Erdbebenfluth im pacifischen Ocean, Peterm. geogr. Mittheil., 1869. S. 222 ff. — [85] Suess, Das Antlitz etc. S. 25 ff. — [86] Ibid. S. 92. — [87] Ibid. S. 43. — [88] Ibid. S. 61. — [89] Favaro, Intorno ai mezzi etc. S. 28. — [90] Francisci Petrarcae epistolae de rebus familiaribus, ed. Fracassetti, Vol. I, Florentiae 1859. Ep. V. — [91] Favaro, Intorno al probabile autore di una predizione di terremoto riferita da Petrarca, Venezia 1876. — [92] Teloni, Dei terremoti, loro cagioni, effetti e malori che producono e loro preservativa in gene- rale, Viterbo 1703. — [93] Plinius, lib. I. cap. 81. — [94] Favaro, Intorno ai mezzi etc. S. 37.— [95] Cardanus, De subtilitate libri XXI, Basileae 1553. S. 85. — [96] Favaro, Intorno ai mezzi etc. $S. 39 ff. — [97] Ibid. S. 42 ff. — [98] Kant, Schriften ete. S. 242 ff. — [99] Waltenberger, Das bayrische Hochland und Salz- burg nebst den angrenzenden Gebieten von Tyrol, Augsburg 1880. S. 305. — [100] Favaro, Intorno ai mezzi etc. S. 69. — [101] Quetelet, Meteorologie de Bel- gique, comparee & celle du globe, Bruxelles et Paris 1867. S. 422. — [102] Ser- pieri, Il terremoto d’Italia del 12 marzo 1873 e leggi e fenomeni communi & molti terremoti, Pesaro 1874. — [103] Favaro, Nuovi studi etc. S. 133 fi. — [104] Kries, Von den Ursachen der Erdbeben, Utrecht 1820. — [105] Monte, Spe- rienze comparative sui sismometri, fatte nell’ osservatorio di Livorno, Livorno 1873. — [106] Bertelli, Risposta ad alcune obiezioni del prof. Pietro Monte intorno ai moti microsismici, Bull. del Volcanismo Italiano, vol. I. $. 123 ff. — [107] Melzi, Sulla relazione dei moti tromometrici e la velocit& del vento, Atti dell’ accad. pont. dei lincei, 1875. 8. 356 ff. — [108] Gemma Frisius, De naturae divinis cha- racterismis libri II, Antverpiae 1565, I. S. 40 ff. — [109] Kant, Schriften etec. S. 234. — [110] Fron, Sur la prevision de certains tremblements de terre, Compt. rend. de l’acad. franc., tome LXXIV. S. 331 ff. — [111] Poey, Rapport entre les taches solaires, les tremblements de terre aux Antilles et au Mexique et les Erup- tions volecaniques sur tout le globe, ibid. tome LXXVIH. S. 51. — [112] Kluge, Ueber Synehronismus und Antagonismus von vulkanischen Eruptionen und die Beziehungen derselben zu den Sonnenflecken und erdmagnetischen Variationen, Leipzig 1866. — [113] Fritz, Die Beziehungen der Sonnenflecken zu den magne- tischen und meteorologischen Erscheinungen der Erde, Haarlem 1878. S. 241. — [114] F. Knapp, Mittheilungen aus der cubanischen Thier- und Pflanzenwelt, Abhandl. d. naturf. Gesellsch. zu Nürnberg, 6. Band. S. 60. — [115] Mädler, Po- puläre Astronomie, 7. Aufl., bes. v. Klinkerfues, Strassburg 1882. S. 416. — [116] Die Prophezeiung des Herrn Delaunay über Erderschütterungen in den Jahren 1883 und 1886, Ausland, 1883. S. 917. — [117] Humboldt, Kosmos, 1. Band. S. 214 ff. — [118] v. Seebach, Das mitteld. ete. S. 110 ff. — [119] Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 216. — [120] Vulkanstudien bei Santorin, Gaea, 18. Jahr- gang. S. 645. — [121] Plinius, lib. II. cap. 82. — [122] Ibid. 1ib.XXXVL cap. 21. — [123] Favaro, Intorno ai mezzi etc. S. 95 ff. — [124] Favaro, Nuovi studi etc. S. 99 ff. — [125] Ibid. S. 103 ff. — [126] Favaro, Intorno ai mezzi etc. S. 44. — [127] Ibid. S. 138. — [128] Sguario, Specimen physico-geometricum de terrae mo- tibus ad architeeturae utilitatem concinnatum, Venetiis 1756. $. 41. — [129] Fa- varo, Norme di costruzioni per aumentare la .resistenza degli edifizi contro il terremoto, Venezia 1883. — [130] De Rossi, Met. end., tomo I. $. 200 fi. — [131] Favaro, Norme etc. S. 43. — [132] Ibid. S. 49 ff. — [133] Lescasse, Etudes sur les constructions Japonnaises et sur les constructions en general au point de vue des tremblements de terre, et description d’un syst&me destine & donner une grande securite aux constructions en maconnerie, Paris 1877. — [134] Favaro, Intorno ai mezzi etc. $. 129 ff. — [135] Bertholon de St. Lazare, De l’&lectrieite des meteores, tome I, Lyon 1787. S. 399 ff. — [136] Wiedeburg, Ueber die Erd- beben und die allgemeinen Nebel von 1783, Jena 1784. — [137] Kant, Schriften etc. 406 Citate. S. 279. — [138] Roth, S. 28. — [139] Zöllner, Ueber eine neue Methode zur Mes- sung anziehender und abstossender Kräfte, Ann. d. Phys. u. Chem., »150. Band. 8.133. — [140] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Aufl., 3. Band, Leipzig 1827. S. 824 ff. — [141] Jakob, Unsere Erde; astronomische und physische Geographie, Freiburg i. B. 1883. S. 329. — [142] Humboldt, Kosmos, 1. Band. $. 211. — [143] R. Mallet, The earthquake catalogue, S. 98 ff. — [144] Palmieri, Il sismo- grafo dell’ osservatorio Vesuviano e quello della specola universitaria, Napoli 1874. — [145] Peschel, Abhandl. ete., 2. Band, Leipzig 1878. S. 521 ff. — [146] v. See- bach, Das mitteld. ete. S. 187. — [147] Kreil, Ueber einen neuen Erdbebenmesser, Wien 1856. — [148] v. Lasaulx, Das Erdbeben von Herzogenrath ete. $. 148 ff. — [149] Bertelli, Tromosismometro, Roma 1874. S. 3. — [150] Favaro, Nuovi studi etc. S. 83 fl. — [151] Ibid. S. 117 ff. — [152] Knipping, Verzeichniss von Erdbeben, wahrgenommen in Tokio, Japan, etc. $S. 117. — [153] G. Wagner, Bemerkungen über Erdbebenmesser und Vorschläge zu einem neuen Instrumente dieser Art, ibid. 15. Heft. S. 216 fl. — [154] Ibid. S. 222.. — [155] Euler, Methodus inveniendi lineas curvas maximi minimive proprietate gaudentes, Lausannae et Genevae 1744. S. 51 ff. — [156] Grunert. Der Rotationskörper des kleinsten Widerstandes, Archiv der Mathematik und Physik, 45. Theil. S. 237 ff. — [157] Physical notes, Nature, Vol. XXIV. S. 113. — [158] Peal, A new sismometer, ibid. $. 461. — [159] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrbuch, 9. Band. $. 14. — [160] Merian, Ueber die in Basel wahrgenommenen Erdbeben nebst einigen Untersuchungen über Erdbeben im All- gemeinen, Basel 1834. — [161] Egen, Ueber das Erdbeben am Rhein im Jahre 1828, Ann. d. Phys. u. Chem., 13. Band. S. 153 ff. — [162] Gehler, Phys. Wörterb., 2. Aufl., 9. Band, 3. Abth., Leipzig 1840. S. 2304. — [163] v. Seebach, Das mitteld. ete. S. 143. — [164] Ibid. S. 129. — [165] Falb, Gedanken etc. $. 197. — [166] Neumapyer, Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, Berlin 1875. S. 317 ff. — [167] Falb, Gedanken etc. $. 211. — [168] Ibid. S. 213 ff. — [169] v. Seebach, Das mitteld. etc. $S. 161. — [170] Falb, Gedanken etc. S. 206. — [171] Falb, Ueber die Erdbeben und’ ihren Zusammenhang mit dem Stande der . Sonne, Sirius (2) 4. Band. S. 17. — [172] v. Lasaulx, Das Erdbeben von Her- zogenrath etc. S. 116 ff. — [173] Heim, Erdbebenbeob. ete. S. 250. — [174] Lersch, Ueber die Ursachen der Erdbeben; ein historischer Rückblick, Gaea, 15. Jahrgang. S. 213 ff. S. 296 ff. S. 356 ff. S. 423 ff. — [175] Rahmer, Die biblische Erdbeben- theorie; eine exegetische Studie, Leipzig 1881. — [176] Aristoteles, Meteorol., lib. II. cap. 7. — [177] Ammianus Marcellinus, Rerum gestarım lib. XVIL cap. 7. — [178] Nehring, Die geol. Ansch. ete., $. 36. — [179] Die Wetterlöcher in den Alpen, Ausland, 1872. S. 599. — [180] Krejei, Ueber Exhalationen warmer Luft am Gipfel des Kahlenberges bei Lobositz, Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. d. Wissensch.., 1831. S. 59 ff. — [181] Altmann, Versuch einer historischen und physischen Be- schreibung der helvetischen Eisberge, Zürich 1751. 8. 128 ff. — [182] Lueretius, De rerum natura, lib. VI. v. 534 ff. — [183] Lersch, Ueber die Urs. ete. $. 219. — [184] Ibid. S. 220. — [185] Ibid. S. 296 ff. — [186] Lucretius, lib. VI. v. 534 ff.; v. 639 ff.; v. 703 ff. — [187] Nehring, Die geol. Ansch. ete. $. 38. — [188] Se- neca, Naturales Quaestiones, lib. VL, cap. 21. — [189] Sprenger, As-Soyuti’s work on earthquakes, Journal of the as. soc. of Bengal. Vol. XII, b. S. 746 fi. — [190] Zakarija Ben Muhammed Ben Mahmüd El-Kazwini’s Kosmographie, 1. Halb- band, deutsch von Ethe, Leipzig 1868. $.303 fi. — [191] Lersch, Ueber die Urs. etc. S. 297. — [192) Der Ursprung des Nils; nach Erasmus Franciscus „Neu polirter Geschicht-, Kunst- und Sitten-Spiegel ausländischer Völker,“ Deutsche Rundschau f. Geogr. und Stat., 6. Jahrgang. $. 123 ff. — [193] Heller, Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit, 1. Band, Stuttgart 1882. $. 177. — [194] Favaro, Nuovi studi etc. $. 19. — [195] Froidmont, Meteorologicorum libri VI, Lovanii 1646. $. 283. — [196] La composizione del mondo di Ristoro d’Arezzo, ed. Narducci, Roma 1859. S. 21 ff. — [197] Favaro, Nuovi studi etc. $S. 22 fi. — [198] Rixner und Siber, Leben und Lehrmeinungen berühmter Physiker am Ende des XVI. und am Anfang des XVI. Jahrhunderts, 2. Heft, Sulzbach 1820. S. 66. — [199] Favaro, Nuovi studi ete. $. 13. — [200] Nehring, Die geol. Ansch. etc. S. 86. — [201] Lersch, Ueber die Urs. ete. $. 298 ff. — [202] Kant, Schriften etc. S. 265. — [203] Corn. Taciti ab excessu divi Augusti Annal. lib. II. cap. 27. — [204] Priestley. Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Elektrieität, nebst eigenthümlichen Versuchen, deutsch von Krünitz, Berlin und Stralsund 1771. — [205] Sarti, Saggio di congetturi sui terremoti, Lucca 1783. — [206] Vassalli-Eandi, Rapport sur le tremblement de terre qui a commence le 2 avril 1808, Turin 1808. Citate. 407 — [207] Stuckely, The philosophy of earthquake natural and religious, London 1750. — [208] Bina, Ragionamento sopra la cagione de terremuoti, Perugia 1751. — [209] Cavallo, Vollständige Abhandlung der Lehre von der Elektricität, aus dem Englischen, Leipzig 1785. S. 184 ff. — [210] Gehler’s phys. Wörterb., I. Aufl., 9. Band, 3. Abtheil. S. 2318 ff. — 211] Matteucei, Influenza dell’ elettrieitä ter- restre sui temporali, Bologna 1829. — [212] Favaro, Intorno ai mezzi etc. $. 80. — [213] Pilar, Grundzüge etc. S. 114 ff. — [214] Gehler, II. Aufl.. 9. Band, 3. Abtheil. $. 2320. — [215] A. Bou&, Parallele des tremblements de terre, des aurores boreales et du magnetisme terrestre, Bull. de la soc. g£ol., (2) Vol. XVIIL. S. 466 ff. — [216] Janetek, Rada jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti, Agram 1881. S. 202 ff. — [217] Humboldt, Kosmos, 1.-Band. S. 222. — [218] Möhl, Erdbeben und Vulkane, Berlin 1878. — [219] Boutigny, Studien über die Körper im sphäroidalen Zustand; neuer Zweig der Physik, deutsch von Arendt, Leipzig 1868. 8. 49. — [220] Leidenfrost, De aquae communis nonnullis qualita- tibus tractatus, Duisburgi 1756. — [221] Carl, Der Leidenfrost’sche Versuch im Erdinneren als Erklärung der Ursache der Erdbeben und der vulkanischen Erup- tionen, Repert. f. Experimentalphysik, 1. Band S. 264 ff. —. [222] Thomassen, Die Katastrophe von Ischia, Gaea, 19. Jahrgang. $. 577 ff. — [223] Necker, On a pro- bable cause of certain earthquakes, Phil. Mag., (3) Vol. XIV. S. 111. — [224] Lersch, Ueber die Urs. etc. S. 358. — [225] Bischof, Lehrbuch der chemischen und physika- lischen Geologie, 3. Band, Bonn 1866. S. 472 ff. — [226] Volger, Untersuchungen über das Phänomen der Erdbeben in der Schweiz, Gotha 1857—58. — [227] Fraas, Aus dem Orient, Stuttgart 1867. S. 78. — [228] Reyer, Höhlen und Einstürze, Gaea, 18. Jahrgang. S. 628 ff. — [229] Kant, Schriften etc. $. 273 ff. — [230] S. o. [30]. — [231] Ibid. S. 7. — [232] Falb, Grundzüge zu einer Theorie der Erdbeben und Vulkanausbrüche, Graz 1869; Gedanken und Studien über den Vulkanismus, Graz 1876: Von den Umwälzungen im Weltall, Wien 1881. — [233] v. Lasaulx, Das Erdbeben von Herzogenrath ete. S. 146. — [234] Pilar, Grundzüge etc. S. 148 ft. — [235] J. Schmidt, Studien etc. $S. 179. — [236] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, Leipzig 1879. S. 267 ff. — [237] Weitzel, Einiges zu Falb’s Theorie der Erdbeben und Vulkanausbrüche, Mittheil. d. naturw. Vereins für Rügen und Vorpommern, 13. Band. — [238] K. Fuchs, Bericht über die vulkanischen Ereig- nisse des Jahres 1871, Neues Jahrb. f. Miner. u. Geol., 1872. S. 718 fi. — [239] Hörnes, Die Erdbebentheorie Rudolf Falb’s und ihre wissenschaftliche Grund- lage kritisch erörtert, Wien 1881. — [240] Ibid. S. 42 fi. — [241] Falb, Von den Umw. ete. S. 161. — [242] Hörnes, Die Erdbebentheorie etc. $. 55 ff. — [243] Ibid. S. 90 ff. — [244] Ibid. S. 110 ff. — [245] Falb, Von den Umw. etc. $. 252 fi. — [246] Hörnes, Die Erdbebentheorie etc. 8. 118 ff. — [247] Falb, Gedanken etc. S. 15. — [248] Ch. Darwin, Kleinere geologische Abhandlungen, deutsch von Carus, Stuttgart 1878. S: 35. — [249] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 1. Band. S. 260. — [250] Roth, S. 30. — [251] Ratzel, Physikalische Geographie und Natur- charakter der Vereinigten Staaten von Nordamerika. München 1878. S. 145 fi. — [252] Suess, Die Erdb. d. südl. Italien, $. 23 ff. — [253] E. de Beaumont, Sur la . correlation des directions des differents systemes de montagnes, Compt. rend. de Vacad. franc., tome XXXI. — [254] Vgl. [21]. — [255] Hörnes, Erdbebenstudien, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 28. Band. — [256] Jakob, Unsere Erde. $. 343 ff. — [257] Pilar, Grundzüge etc. $S. 127 ff. — [258] Ibid. S. 137. Namen-Index. A. Abano (Pietro de) 142. — Abbot 374. — Abendroth 76. — Abich 22. 339. 348. 358. 366. 368. — Abraham a Sta. Clara 28. — Abraham bar Chija 135. — Abulfeda 132. — Abul Hassan Ali 133. 152. — Acacius 130. — Adams 60. 100. 218. — Adhe&mar 107. 252. — Aelian 349. — Aepinus 120. 309. 313, — Aetius 2. — Agatharchides 6. — Agathemeros 272. — Agathodaemon 272. — Agesianax 114. — Agnese 282. — Agricola (Georg) 33. 335. 355. 396. — Agricola (Rudolf) 142. — Agrippa 273. — Airy 19. 62. 68. 84. 103. 109. 175. 177. 184. 191. 195. 196. 378. — Albert (d. Gr.) 11. 32. — Albini 280. 297. — Albinus 335. — Al- biruni 9. — Albrecht 174. 190. — Alexander (d. Gr.) 5. — Alfraganus 140. 153. — Alfons (v. Kastilien) 46. 237. 245. — Alhazen (Ibn Haitham) 9. 138. — Al- khazini 9. — Alkmaion 210. — Alliacus 32. — Al Mamun 140. — Alpetragius 235. — Altmann 17. 33. 394. 406. — Ammianus Marcellinus 393. 406. — Amsler 294. 298. Ampere 355. 387. — Anaxagoras 3. 31. 77. 114. 129. 392. — Anaximander 3. 272. 380. 393. — Anaximenes 3. 380. 393. — Andree 26. 366. — Andrews 321. — Angström 87. 88. 96. — Anich 285. 297. — Anthemios 394. — Apian (Peter) 69. 71. 76. 94. 282. 284. 297. 298. — Apian (Philipp) 71. 94. 283. 286. 297. 298. — Apollonios 236. — Apulejus 5. 32. — Aquilonius 272. — Arago 87. 70. 76. 100. 103. 112. 125. 127. 144. 175. 307. — Archimedes 130. 134. 139. 152. 196. 239. 269. 293. 326. — Arena (Philippus) 192. 200. — Arendt 407. — Arge- lander 266. 271. — Aristagoras 272. — Aristarchos 21i. 239. 269. — Aristobulos 894. — Aristoteles 4. 5. 10. 13. 17. 32. 71. 130. 133. 139. 152.154. 216. 234. 239. 254. 267. 269. 270. 368. 393. 394. 395. 396. 406. — Aristyllos 253. — Arnd 280. 297. — Arrowsmith 281. 287. — Aryabhatta 211. — Ascherson 22. — Asmus 280. 297. — As-Soyuti 395. 406. — v. Asten 91. 96. — Asterios 123. 128. — Attalos 255. — Atwood 170. — August (A.) 282. 297. — August (Kurfürst) 289. Augusti 381. — Augustin 130. 314. 354. — Augustus (Kaiser) 273. 406. — Auten- heimer 270. — Auwers 241. — Ayrton 311. B. Babinet 282. — Bach 287. 298. — Bacharach 165. 189. — Bache 378. — Backlund 91. 96. — Bacon (Roger) 11. 111. 127. — Bacon (v. Verulam) 14. 32. 95. — Baden Powell 125. — v. Bär 225. 226. 268. — v. Baeyer 145. 146. 154. — Baille 186. 191. — Bailly 139. 153. 243. — Baily 63. 175. 186. 191. — Baltzer 861. — Banks 309. — Barnard 317. 328. — Bartels 153. — Bassano 34. — v. Bauernfeind 139. 153. 208. 210. 276. 285. 296. — Baumgartner 127. 190. — Bautraud 290. — Bazaine 85. — Beaugrand 155. — Beaumont (Elie de) 277. 288. 323. 357. 402. 407. — Beautemps-Beaupre 286. — Beccaria 122. 144. 1583. 167. 355. 368. 396. — Becker 291. 298. — Beda (Venerabilis) 131. 235. 395. — Beer Namen-Index. | 409 103. 115. 126. 127. — Bell 83. — Belli 112. 323. 328. — Bembo 338. 341. 365. — Benfey 270. — Benoni 221. 268. — Benzenberg 80. 95. 220. 268. — Bequerel 71. — Graf Berg 378. 401. — Bergel 130, 152. — Berger 3. 5. 6. 7. 31. 32. 138. 152. 277. 396. — Berghaus (H. K. W.) 19. 24. 34. 404. 405. — Berghaus (Hermann) 280. — Bergman 17. 18. 33. 302. 312. — Bernoulli (D.) 15. — Bernoulli (Jak.) 72. 94. — Bernoulli (Joh.) 15. 154. — Bertholon de St. Lazare 355. 384. 405. — Bertelli 219. 267. 381. 386. 387. 406. — Bertrand (A.) 381. — Bertrand (J.L. F.) Eu Berzelius 315. —"Bessel 75. 76. 77.. 91. 95. 100. 111. 43. 115..127..144. 145. 149. 150. 153. 154. 173. 174. 175. 176. 181. 186. 191. 192. 193. 195. 200. 209. 215. 241. 267. 269. 270. — Bessels 22. 175. 190. 285. 297. — Besso 172. 190. — v. Bezold 350. — Bezout 24. 34. — Bianchi 227. — Bianchini 97. 100. 125. — Bickmore 336. 344. 367. — Biehringer 328. 328. — v. Biela 70. 71. — Bielmayı 230. — Bina 397. 407. — Biot 73. 78. 87. — Birgham 378. 405. — Birnbaum 132. 152. — Birt 116. — Bischof 28. 35. 120. 154. 301. 304. 311. 312. 313. 336. 349. 350. 356. 366. 367. 368. 399. 406. — Bittner 370. 404. — Black 116. — Blaeu 141. — Blanford 25. 26. 34. — Boccaccio 11. — Bode 18. 33. 46. 56. 66. 92. 96. 124. 128. 213. 267. 271. — Böckh 211. 267. — Böddicker 103. 126. — Böhm 60. 93. — Boerhave 303. 312. — Bötticher 268. — v. Boguslawski 81. 93. — Bohnen- berger 148. 154. 160. 173. 181. 190. 244. 255. 257. 270. — Fürst Boncompagni 114. 127. — Bond 75. 111. 116. 127. — Bonifacius 131. — Bonne 281. — Bonnet 17. 93. 124. — Bonpland 20. 21. — Borda 173. — Borelli 69. — Borenius 175. 194. — Borgondio 276. 296. — Bory St. Vincent 34. — Bos 29. — Boscovich 60. 144. 153. 191. — Boucheporn 213. — Boue& (Ami) 323. 328. 397. 407. — Bouguer 111. 143. 153. 167. 173. 189. 190. 228. 268..400. — Boussinesq 328. — Boutigny 398. 407. — Bouvard 262. 300. — Bowditch 175. — Boyle 303. 312. — Bradley 241. 242. 243. 263. 264. 271. — Brahe (Tycho) 48. 103. 212. 213. 219. 241. 245. 246. 255. 269. — Brahmegupta 211. — Brandes 80. 83. 95. — Braschmann 225. 226. 268. — Braun 280. — Brauns 308. 313. — Bravais 22. 132. 269. — Bredichin 99. 77. 95. — Bredstorff 291. — Breislak 315. 319. 328. 335. 366. — Bremiker 190. — Breusing 14. 15. 32. 272. 273. — Brewster 125. — Brezina 80. 95. — Brinkley 241. — Brocard 32. — Bromme 26. — Brorsen 76. 78. 87. — Brousseau 145. — Browning 103. — Bruchhausen 192. — Bruhns 21. 33. 93. 95. 368. — Bruns 200. 201. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209. 210. — Brunel 339. 366. — Buache 18. 22. 33. 289. 290. 292. — v. Buch 8. 19. 21. 22. 27. 33. 302. 312. 338. 341. 344. 345. 347. 348. 352. 356. 357. 358. 366. 367. 368. 398. 402. — Budde 44. 51. — Bürg 262. — Bürgi 172. — Büsching 17. — Buff 221. 222. 268. — Buffon 37. 39. 51. 71. 191. 213. 354. — Bunsen 47. 65. 352. — Bunt 229. 230. 231. — Burckhardt 262. — Burmeister 22. 33. — Burnes 379. 380. — Burnet 37. 124. — Burrow 144. 153. — Buschbeck 298. — Butler 221. — Buys-Ballot 19. C. Cacciatore 385. 386. — Cailletet 320. — Calandrelli 241. — Caleagnini 212. 267. — Cäldas 21. 33. — Camus 143. 153. — Cannabich 23. 34. — Canonica 144. — Canstedt 25. — Cantor 142. 153. 380. — Capeller 28. 394. — Capoa 355. — Capuanus (de Manfredonia) 136. — Caramuel (v. Lobkowitz) 227. 268. — Car- danus 73. 78. 232. 381. 396. 405. — Carl 189. 269. 399. 407. — Carlier 153. — Carlini 167. 184. — Carove 267. — Carpenter 113. 116. 119. 120. 121. 127. 362. — Carrinston 61. 93. — Carus 407. — Cassani 114. 127. 128. — Cassini (Dominie) 85. 85. 88. 95. 100. 115. — Cassini (J. de Thury) 98. 142. 143. 153. — Cassini (J. D. de Thury) 144. 153. 300. 312. — Cassiodorus 142. — Cavallo 396. 407. — Cavendisch 184. 186. 191. — Cayley 291. 298. — Celsius 17. 143. — Chabas 210. 267. — Chabaille 32. — Chacornac 67. — Chalmers 125. — v. Chamisso 21. — Chancourtois (Beguyer de) 277. 296. 409. — Chapotot 285. 297. — Chappe 292. Chardin 85. — Chasles 142. 153. 1188. — Chaturveda 211. — Chauvin 287. — Chazelles 16. 42. — Cheops 183. — Cbildrey 85. 95. — Chladni 78. 83. 89. 95. 319. — Chrysostomus 130. — Church 306. 313. — Clairaut 70. 143. 153. 155. 162. 178. 179. 180. 180. — Clarke (A. R.) 150. 151. 154. 191. — Clarke (D. E.) 356. 368. — Clausius 49. 52. 165. 184. — Clavius 240. — Clemens 56. 92. — Clüver 37. — Coatpont 282. — Colbert 142. — Coleridge 68. — Colon (Chr.) 13. 142. — Colon (H.) 274. — Colonna 380. — Cook 16. 287. — Coombe 230. — Coordes 275. 296. — Coppernicus 130. 136. 152. 212. 213. 214. 216. 219. 228. 256. 238. 239, 240. 243. 245. 251. 255. 267. 269. 270. 327. — Cordier 305. 312. 313. 355. 363. 410 Namen-Index. 369. — Cornelius 26. 34. 48. 49. 52. 65. 93. — Cornewall Lewis 234. 269. — Cornu 186. 191. — .Cortambert 25. — Cotes 162. 293. — Coulomb 184. 185. — Coulvier-Gravier 79. — Couplet 142. 174. — Crahay 230. — Craig 282. 297. — Cramer (J. A.) 28. — Cramer (W.) 29. 35. — Credner 349. 367. — Criginger 284. Croll 107. 252. 253. 270. — Crookes 77. 184. — Cruquius 289. — Culmann 349. 367. — Curtze 212. 245. 267. 327. — Cusa (Kardinal) 56. 92. 211. — Cysätus 54. 69. — Czolbe 49. 52. D. D’Abbadie 21. 219. 387. — D’Acosta 13. 32. — Daguerre 116. — Dahlander 193. 209. — v. Dalberg 77. 95. — Dalby 144. 153. — D’Alembert 16. 100. 145. 155. 162. 223. 257. 262. 268. 268. 270. 271. — D’Avezac 272. 276. 295. 296. — Dalla Vedova 29. — Dampier 16. — Dana 332. 353. 358. — Daniel (Pater) 124. — Dante Alighieri 11. 12. 32. 114. 127. — D’Anville 284. — Darapsky 224. 268. — ‚D’Archiac 310. 313. — D’Arrest 67. 94. 101. 126. — Darwin (Char a7 40. 125. 189. 338. 376. 378. 402. 405. 407. — Darwin (G. H.) 19. 161. 186. 194. 209. 215. 267. 316. 317. 328. — Daubeny 356. 357. — Daubree 19. 49. 347. 356. — D’Aubuisson 303. 356. 368. — Davy 350. 356. 368. 397. — Dawes 56. 103. — De Ball 67. — Debes 231. 297. — v. Dechen 24. 304. 312. — De Gasparis 67. — De 1a Condamine 16. 143. 153. 189. 191. 287. — De la Hire 55. 100. 1122715. 116. 142. 300. — Delambre 85. 95. 103. 190. 234. — De la Rive 307. — De la Rue 103. — Delaunay (Astronom) 216. 316. 328. — Delaunay (Kapitän) 382. 405. De Laune 73. 94. — Delisle 60. 88. 280. 284. — Delkeskamp 286. — v. Dellings- hausen 74. 94. — Deluc 17. — Demokrit 3. 129. 392. 395. — Denzler 167. 189. 226. 268. — De Rossi 19. 347. 370. 371. 384. 387. 404. 405. — De Rostan 89. — Descartes (Cartesius) 37. 38. 347. 358. — Descelliers 274. 296. — Des Hayes 175. — Desmarest 23. 34. — Desor 22. — De Vico 98. 125. — Dewulf 273. 296. — Diamilla-Müller 376. 404. — Dickert 116. 295. — Djell-al-Eddin 296. — Diels 2. 31. — Dieterici 32. — Dikaearch 5. 272..— Dingler 189. 268. — Diodoros 130. Diogenes Laertius 83. 336. 380. — Dionysodoros 139. — Dixon 144. 153. — Dö- derlein 13. 32. — Döllen 197. — Dölter 119. 128. 345. 367. — Dörffel 69. 80. 94. — Dolomieu 354. 370. 374. 404. — Donati 75. — Doppelmayr 268. 297. — Doppler 266. 271. — Döring 136. — Dorn 301. — Dozy 29. — Dove 14. 19. 21. — Draper 116. — Drobisch 183. 191. — Dronke 329. — Drude 26. — Dubois de Mont- pereux 387. — Du Carla 289. — Ducretet 259. — Dücker 363. 369. — Dürer 295. 299. — Dufour (G. H.) 284. 287. — Dufour (L.) 17. 133. 137. 152. 241. 269. Duhamel 113. — Dulong 66. — Dunker 307. 308. 310. 313. — Dupain-Triel 290. 292. — Duperrey 175. — Duponchel 65. 93. — Du Prel 40. 51. 125. 128. E. Edlund 91. — Edrisi 10. 273. 354. — Egen 388. 389. 406. — Eimmart 113. — Einhard 273. 296. — Eisenlohr 275. 282. 296. — Eisenschmidt 143. 153. — Ekphantos 211. — Emery 160. — Empedokles 3. 31. 353. 354. — Emsmann 9. 96. 128. — Encke 70. 90. 91. 94. 96. 100. 149. 154. 156. — Engelmann 92. 118. 125. 271. — Engler 303. — Enkelados 392. — Ennis 43. 51. — Ephräm 130. — Epikuros 395. — Eratosthenes 5. 134. 138. 139. 140. 143. 152. 153. 272. 296. — Erigena (Scotus) 130. — Erman 21. 306. 313. — Escher (v. d. Linth) 22. 318. 328. — Eschmann 284. — Eschweiler 239. — Ethe 32. 368. 406. — v. Ettings- hausen 127. 164. 190. — Eudoxos 234. 235. 269. — Euklides 44. — Euler 16. 50. 52. 60. 89. 96. 127. 131. 152. 231. 388. 406. — Eusebius 380. — Eutokios 152. 269. — Everest 145. 154. — Everett 310. — Ewald 21. 357. F. Fabricius 54. — Fahle 133. 152. — Falb 370. 374. 389. 390. 391. 392. 399. 400. 401. 404. 406. 407. — Fantonetti 305. — Faraday 76. — Fatio (de Duiller) 85. 89. 95. — Faujas de la Fond 352. 364. 368. — Favaro 18. 33. 114. 127. 294. 298. 372. 380. 381. 383. 384. 396. 404. 405. 406. 407. — Favre 17. .— Faye 41. 45.51. 1. 89. 70. 85. 93. 196. 209. 383. — Federmann 287. — v. Feilitzsch 63. — Fellner 11. 32. — Fergola 143. 151. 154. — Fernel 140. 143. 153. — Ferrara 350. — Fessel . “ Namen-Index. 411 258. — Fick 49. 52. — Fjedschenko 357. — Finger 175. 176. 190. — Fiorini 275. 296. — Fischer (E.) 294. 299. — Fischer (E. G.) 64. 124. 128. — Fischer (H.) 6. 82. 404. — Fischer (J. C.) 95. 328. — Fischer (Ph.) 175. 180. 100. 196. 197. 198. 206. 209. — Fischer (Th.) 273. 296. — Fisher 216. 318. 323. 326. 327. 328. 329. — Fitzroy 376. — Fixlmillner 60. — Flammarion 95. — Flamsteed 241. — Flau- gergues 54. 73. 94. 98. — Fliedner 169. 190. — v. Fleisehl 191. — Förster 387. — Folie 262. 263. 271. 316. 328. — Fontana 100. 102. 126. 240. — Fontenelle 124. 128. — Forbes 112. 348. — Fordyce 309. — Forel 17. 133. — Forman 306. 313. — Forster (A.) 371. 404. — Forster (J. R.) 16. 27. 33. 339. — Foster 175. — Foucault 219. 227. 228. 229. 230. 231. 232. 258. 259. 268. 269. — Fourier 91. 92. 96. 300. 310. 311. 312. — Fournier 15. 33. — Fraas 399. 402. — Fracassetti 405. — Francais 331. 332. 366. — Franeiscus 406. — Franklin 19. 99. 315. 319. 828. — Franz 230. 269. — Fraunhofer 47. 62. — Freiesleben 303. — Fremont 292. — Freyeinet 175. — Friedlein 230. — v. Friesach 278. 280. 296. — Frischauf 144. 153. 280. 295. 297. 299. — Fritsch 286. 298. — Fritz 62. 93. 302. 382. 405. — Fröbel 24. 34. — Froidmont 395. 406. — Froment 258. 260. — Fromond 383. — Fron 382. 405. — Früh 286. 289. 298. — Fuchs 333. 334. 340. 342. 344. 347. 351. 366. 367. 368. 400. 401. — Funcke 335. — Furttenbach 221. — Fusinieri 83. G. Gabet 334. 366. — van Galen 178. 190. — Galilei 18. 33. 54.. 92. 97. 112. 114. 118. 127. 169. 227. 240. 241. 244. 267. 268. 269. 271. 396. — Galle 100. — Galloway 266. — Garthe 229. — Gaspari 34. — Gassendi 220. 227. 244. 268. 314. 347. — Gatterer 17. — Gautier (von Genf) 62. 93. — Gautier (Maler) 396. — Gauss 19. 60. 145. 154. 156. 165. 186. 189. 192. 193. 229. 232. 266. 282. 293. 297. — Gay- Lussae 21. 75. 320. 356. — Geelmuyden 89. 96. — v. Gebler 269. — Gehler 24. 96126.2.139. 153. 178. 190. 217.267. 270. 271. 312. 313. 328. 366.,367:+368...406. 407. — Geikie 25. 34. 332. 342. 360. 366. 369. — Geinitz 123. 128. 377. 378. 405. — Geissler 47. 70. — Geistbeck 26. 34. — Geleich 137. 152. 274. 280. 296. 297. — Gelpke 37. — Gemma Frisius 382. 405. — Genestri 383. — Gensanne 305. — Gerlach 145. 150. 154. 191. 209. 256. 270. — Gerster 280. 297. — Gherardi 124. — Ghetaldi 137. 152. — Gilbert (G. K.) 332. 333. 366. — Gilbert (Th.) 131. 152. 244. 258. 259. 270. — Gilbert (W.) 14. 32. 216. 267. — Giordano Bruno 314. — Giraldus 18. — Girard 298. — Giuscardini 287. — v. Glasenapp 267. — Glaser 26. — Gmelin 302. 312. — Godin 143. :175. — Göbel (F. A.) 22. — Göbel (K.) 245. 246. 270. — Goethe 342. 367. — Götz 29. — Goldbacher 5. 32. — Goldfuss 28. 39. — Goldschmidt 67. — Goodwin 124. — Gould 266. 387. — Granvella 277. — Gray 388. — Green 165. 189. — Gregor (von Nyssa) 36. 130. — Gregor (von Tours) 89. — Gregory 214. 259. 267. — Gretschel 275. 296. 297. — Griesbach 377. 405. — Grimaldi (F. M.) 115. — Grimaldi (L.) 370. 404. — Gringmuth 391. — Grisebach 21. — v. Groddeck 327. 329. — v. d. Gröben 64. 93. — Groombridge 241. — Grote 211. 267. — Grove 50. 52. — Grube. 162. 189. — Gruithuisen 37. 116. 157. 158. 189. — Grunert 338. 406. — Gümbel 79. 95. 337. 343. 366. 367. — Günther 31. 32. 94. 96. 126. 152. 153. 189. 190. 209. 267. — Güssfeldt 346. — Guglielmini 220. 268. — Gunlögsen 350. — v. Gutbier 366. — Guthe 29. 35. 152. — Gurief 337. — Gyger 234. 287. — Gylden 215. 241. 267. 269. H, Haase 67. 95. — Habenicht 45. -- Hadley 15. — Häser 3. 31. — Häussler 92. 96. — Hagenbach-Bischoff 362. 369. — Hales 303. 312. — Hall (A.) 101. 102. 126. — Hall (B.) 175. — Hallbauer 225. 268. — v. Haller 28. — Halley 15. 70. 75. 82. 90. 94. 155. 315. 328. — Hamberger 171. 190. — Hamilton 300. 355. 374. 404. — Hamnuna (Rabbi) 211. — Hampden 131. — Hann 26. 34. 195. 194. 209. 802. 312. — Hansen 109. 110. 229. 269. — Hansteen 19. 21. 154. 302. — Hantken v. Prudnik 371. 402. 404. — Harding 67. 154. - Harriot 54. — Hartsoeker 83. — Hartwig 100. 126. — Hassel 34. — Hasskarl 367. — Hauck 286. 298. — Haughton 184. — Hauptmann 17. — Hausen 50. 60. 92. 218. — v. Hauslab 178. 290. 291. — Hausmann 23. 34. — Haxo 290. — Hayes 22. — Hayward 357. — Heckels 306. Heel 153. — Heer 24. 34. 328. — Heeren 132. 152. — Hegel 52. 66. 93. 125. — Heiberg 152. 239. 269. — Heim 26. 309. 313. 361. 371. 392. 403. 406. — Heinsius u. j 412 Namen-Index. 75. 94. — Heinrich (Prinz) 274. — Heis 80. 81. 85. 87. 88. 95.. 96. — Hekataeus 3. 272. — Hell 100. — v. Helldorf 298. — Heller 4. 52. 211. 267. 368. 406. — v. Hellwald 27. 34. — Helmert 175. 190. 207. 209. 210. — Helmholtz 48. 52. 74. 94. 189. 209. 313. 328. — van Helmont 396. — Hempel 311. 313. — Hencke 67. — Henderson 241. 337. — Hengler 156. 157. 158. 159. 186. 385. — Henkel 355. 368. — Hennessy 100. 126. 317. 328. — Henrich 308. 313. 323. — Henry (M.) 145. — Henry (Pr.) 126. — Henzi 295. — Herakleides Pontikos 211. 237. — Heraklit 3. Hermann 294. — Herodot 3. 4. 120. 152. — Herrenschneider 300. — Herrick 67. — Herrmann 368. 369. — Herschel (A.) 81. — Herschel (J. der Aelt.) 25. 34. 57. 92. 252. 356. — Herschel (J. der Jüng.) 175. 190. — Herschel (W.) 51. 55. 57. 60. 73. 92. 94. 101. 103. 122. — Herve-Mangun 381. — Hertz 217. 267. — Hesiod 2. 358. — Hess 335. 366. — Hesse 343. 367. 368. — Hevelius 69. 72. 94. 102. 113. 114. 115. 127. — Higius 355. — Hiketas 211. — Hilgard 280. 297. — Hill 216. 223. — Hilleret 277. 296. — Himly 274. 296. — Himmer 246. 270. — Hind 67. 150. 154. — Hindenburg 127. 128. 209. — Hipler 212. 267. 283. 297. — Hipparch 5. 6. 216. 225. 226. 253. 254. 272. — Hippokrates 3. 4. — Hirzgarter 114. 240. — Hochstetter 23. 34. — v. Hochstetter 26. 34. 330. 337. 345. 366. 378. — Höfer 371. 402. 404. — Höfler 357. 368. — Hölzner 286. — Höpfner 368. — Hörnes 400. 401. 403. 407. — v. Hoff 24. 34. 372. 377. 404. — Hoffmann (Fr.) 24. 28. 33. 34. 35. 51. 168. 338. 347. 366. 367. 368. 375. 404. — Hoffmann (K. F. V.) 24. 34. — v. Hoffmann (J. J. J.) 297. — Hofmann 22. — Holden 103. — Holetschek 86. 94. 96. 103. 126. 137. 152. — Hollmann 384. — Holmes 332. — Holmquist 153. — Holzamer 267. — Homann 274. 287: 296. — Homer 2. 129. 139. 353. — Hon- dius 274. — Hooke 103. 220. 241. — Hopkins 19. 315. 316. 328. 354. 363. 364. 389. 392. — Horaz 8. — Horn 269. 270. — Horner 21. 85. 224. — Hornstein 77. 95. — Horrebow 62. — Houghton 26. — Houzeau 86. 88. 90. 96. 102. 126. — Hrabanus Maurus 11. 354. 395. — Huber (J.) 41. 51. — Huber (V. A.) 18. 33. — Huc 334. 366. — Hueber 297. — Huggins 46. 51. 77. 90. 91. 117. — Hughes 26. — Hugues 26. — Hull 29. 35. — Hullmann 238. — v. Humboldt 7. 9. 11. 14. 15.. 16:19. 20. :21. 26. 27. 31. 392. 33. 85:737. .64& 67. 77:78... 81.88. SSR 94. 95. 96. 127. 152..167.. 190. 195. 209. 267. '292.. 296. 298. 300. 3052310=375: 319. 328. 334. 335. 336. 338. 344. 348. 349. 354. 356. 357. 358. 365. 366. 367. 868. 369. 372. 383. 388. 401. 404. 405. 406. 407. — Huygens 191. 102. 113. 124. 128. 171. 173. 190. —&Huyssen 304. 312. 1:7 J: Jacobi 109. 126. 150. 260. — Jäger 280. — Jagor 133. 152. 344. 348. 367. — Jakob (A.) 385. 403. 406. 407. — Jakob (T.) 125. — Jakob (Bischof) 380. — Jallabert 17. — James 150. 183. 276. — Janetek 356. 398. 407. — Jannetaz 325. 328. — Janssen 52. 53. 63. 76. 116. — Janssonius 274. — Ibn el Wardi 32. 211. Ibn Junis 140. — Ibn Tofeil 235. — Ideler 234. 269. — Jeitteles 371. 403. — Jelinek 230. — Imbert 334. — v. Jolly 187. 188. 191. — Jones 86. 87. 88. 96. — Jordan 22. 33. 286. 298. — Jorge Juan 143. — Joule 49. 359. — Jourdy 403. — lsaak-ben-Josef 132. — Isenkrahe 155. 156. 188. 189. — Isidorus (Hispalensis) 10. 11. 131. 314. 354. — Issel 160. 189. — Israel 271. — Istachri 10. — Jungius 14. — Junghuhn 336. 344. 349. 358. — v. Justi 315. — Justinus 338. K. Kämtz 19. 301. 312. — Kästner 4.: 17. 18: 31. 33. 55. 60. 922. DIE 177 = Kaiser (F.) 100. 101. 105. 126. — Kaiser (W.) 343. 367. — Kalippos 234. 269. — Kalkowsky 338. — Kaltbrunner 285. 297. — Kane 22. — Kant 18. 33. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 43. 44. 45. 46. 48.51. 52. 60. 64. 68. 71. 83. 88. 89. 93. 94. 97. 109.110. 122. 124. 127.128. 151. 168.. 190. 247..317. 867. 381. 382. 3842230733 405. 406. 407. — Kapp 27. 35. — Karl (d. Gr.) 273. 296. — Karl (V.) 282. — Karsten 29. — Kater 174. 176. 190. — Katibi 211. — Kazwini 10. 32. 132. 354. 368. 395. 406. — Keith Johnston 26. — Keller 164. 167. 189. — Kempf 63. — Kepler 14. 32. 48. 50. 54. 67. 69. 71. 72. 73. 94. 101. 112. 127. 154. 245. 246. 247. 248. 249. 250. — Kirch 54. — Kircher 14. 15. 32. 33. 124. 128. 303. 312. 354. 368. 398. — Kirchhoff (A.) 7. 26. 27. 32. 35. 108. 126. 359. 368. — Kirchhoff (G.) 46. 47. 51. 57. 58. 59. 92. 232. — Kirkwood 67. — Kinahan 332. 342. — King Namen-Index. 413 au Klee’ 213.:— Klein 44. 45. 51.52: 75. 91.95. 96; 1106. 120.122. 123.127. 128. 150. 154. 189. 236. 269. — Kleomedes 139. — Klinkerfues 45. 51. 52. 63. 93. 94. 99. 125. 126. 127. 270. 271. 405. — v. Klöden 25. 34. — Klose 138. — Kluge 382. 405. — Knight 226. — Knipping 286. 298. 370. 387. 403. 406. — Koch 308. 813. — Köler 130. 135. 152. — Kohn 368. — Kolberg 403. Koldewey 22. 136. — Kollbrunner 297. — v. Konkoly 103. — Kordenbusch 227. 268. — Kortum 393. Kosmas (Indopleustes) 130. — Krasan 393. — Krates 6. — Krejei 394. 406. — Kries 348. 367. 381. 397. 405. — Kropatschek 17. 33. — Krüger (A.) 241. — Krüger (J. G.) 355. 368. — Krümmel 277. 296. — Krünitz 406. — v. Krusenstern 175. — Kuhn 320. 329. — Kulik 171. 190. — Kuschin 337. — Kunth 21. — Kunzek 189. — Kupffer 19. 300. 301. 306. 310. 312. — Kysaeus 60. 93. 2” Lacaille 85. 144. 153. 154. — Lacroix 24. 34. — Lactantius 130. — Lagrange 19. 50. 144. 163. 165. 189. — Lalande 70. — Lambert (F. Ch.) 397. — Lam- bert (J. H.) 38. 51. 86. 96. 100. 108. 126. 265. 271. 280. 281. 303. — Lambton 145. — Lamey 122. 128. — Lamont 19. 62. 301. 310. 313. — Lampadius 303. — Lan- caster 126. — Landgrebe 25. — Lang 120. — v. Lang 180. 183. 190. 191. 256. 270. — van Langren 114. — Langley 53. 59. 66. — Laplace 19. 36. 38. 40. 41. at 4548, 50. 51% 52.60. 68. 73283. 89294. 97. 109: 127. 128.144 145. 151. 218. 220. 250: 251. 253. 255. 262. 264. 290. 317. 319. 361. — v. Lasaulx 341. 360. 367. 371. 386. 392. 400. 404. 405. 406. 407. — Lassell 67. — Latini 12. 32. 135. — Laussedat 286. 298. — Lavater 27. — Lean 305. — Lecat 218. — Lecoq 24. 34. — Legendre 319. 323. — Lehmann (J. G.) 287. 288. 289. 298. — Lehmann (J. W.H.) 50. 73. 94. 240. 269. — Lehmann (P.) 27. 34. — Lehmann (R.) 29. 35. — Leh- mann-Filhes 80. 83. 95. — Leibniz 15. 37. 51. 124. 314. 328. 354. — Leidenfrost 398. 407. — Leipoldt 26. 34. 74. 94. 95. 119. 128. 137. 152. 154. 168. 189. 287. 291. 294. 298. 299. 302. 312. 366. 367. 368. 373. 404. 407. — Le&mery 355. 368. 897. — Le Monnier 143. 153. — v. Le Monnier 272. 296. — v. Leonhard 366. — Leo Thrax (Kaiser) 89. — Lepaute 70. — Lepsius 139. 152. — Lersch 393. 396. 399. 407. — Lescasse 384. 405. — Lescarbault 67. — Leslie 111. 315. 319. — Letoschek 26. — Letronne 255. — Leukipp 129. — Leverrier 66. 252. — Lewis 89. — Liais 54. 87. 92. — Libri 12. 32. — Litka 289. 298. — Lichtenberg 17. 122. 397. — — Liebig 12. 32. — Liesganig 144. 153. 167. 189. — Lindelöf 229. 268. — v. Lindenau 90. 149. 154. 262. 264. 271. — Link 23. 34. — Linsser 109. 126. — Lionardo da Vinci 13. 112. 212. 267. — Lippert 26. 34. — Lissajous 233. — Lister 355. 368. — Listing 135. 145. 149. 153. 154. 171. 174. 190. 199. 209. — v. Littrow (H.) 291. 298. — v. Liitrow (J. J.) 98. 99. 100. 125. 126. 1593. 217. 241. 253. 254. 263. 267. 269. 285. 297. — v. Littrow (K.) 7. 32. — Livingstone 373. — Lockyer 52. 62. 93. 103. 350. — Löwe 332. 366. — Löwenberg 33. 127. 367. 404. — Lohrmann 115. 123. 127. — Lohse 59. 69. — Longomontan 213. 238. — Loomis 48. 65. — Lorgna 281. — Loriti (Glareanus) 281. — Lossen 168. 190. — Lottin 22. — Louville 155. — Lowitz 295. — Loys de Cheseaux 90. 96. — Lub- bock 19. — Lucretius 8. 40. 394. 406. — Lucilius 8. 354. — Lud 274. — Ludwig 226. 268. — Ludwig (der Deutsche) 273. — Ludwig (XV.) 143. — Lübeck 172. 190. — v. Lüdingshausen-Wolff 60. 93. — v. Lütke 175. — Lulofs 18. 33. — Lundahl 264. 266. 271. — Luther (Astronom) 67. — Luther (Martin) 212. — Luxoro 273. — Lyell 334. 357. 366. — Lyman 99. 125. — Lynch 339. 336. M. Macclesfield (Lord) 263. 271. — Machin 263. — Mac Laurin 162. — Maclear 145. 154. 241. — Maerobius 9. 112. 237. 269. — Mädler 22. 33. 51. 70. 71.88. 94. 962.99 108. 111. 115. 116- 117. 123. 125. 126. 197. 128. 213. 252. 266. 267. 270. 271. 382. 405. — Mästlin 112. 113. — Magdeburg 284. — Magelhaens 132. — Magini 216. — Magnus 306. 307. 313. — Maimonides 235. 269. — Main 266. — Mairan 15. 85. 88. 89. 96. 303. 312. — Maire 144. 153. — Malapert 54. — Mala- spina 173. 176. 190. — Mallet (J.) 405. — Mallet (R.) 19. 120. 128. 284. 316. 318. 341. 360. 361. 362. 369. 370. 372. 374. 385. 389. 390. 400. 403. 404. 405. 406. — Malte Brun 287. — Mansion 293. — Maraldi 102. 103. 142. — Marat 88. — Marcet 307. — Marcianus Capella 10. 237. 269. — Mareia 10. — Marie-Davy 112. — Ma- A1A Be Namen-Index. rinelli 27. 29. 31. 35. 130. 152. 272. 273. 296. — Marinus 272. 274. 278. — Mariotte 16. 33. 44. 75. 320. 321. — Marius 54. — Marschall v. Bieberstein 315. 318. — Graf Marsigli (C.) 227. — Graf Marsigli (L.) 285. 297. — Marsilly 306. — Martens 22. 33. — .Martbe 23. 29. 34. — Martin 210. 234. 267. 269. — Martins 22. 33. — Martius 21. — Martus 146. 224. 225. 268. — Marzari-Pencati 342. — Marx 120. — Mascart 159. 180. — Maskelyne 144. 153. 167. 181. 182. 183. 189. 191. — Mason 144. 153. — Massudi 9. 335. 354. — Mathieu 175. — Matteucei 306. 313. 397. 407. — Matthiessen 109. 126. — Ma-twan-lin 69. — Maupertuis 143. 144. 153. — Maury 19. 224. 268. — Max II. (v. Bayern) 29. — Maxwell 185. 191. — Mayer (A.) 227. 268. — Mayer (Chr.) 144. 153. — Mayer (R.) 216. 359. — Mayer (Tob. d. Aelt.) 17. 105. 115. 116. 127. 265. — Mayer (Tob. d. Jüng.) 17. 18. 33. — Mazegger 297. — Mechain 144. — v. Mechow 56. 96.'— Megasthenes 3. — Mehren 32. — Meibauer 91. 96. — Meissel 43. 51. — Melanchthon 212. — Meldrum 350. — Melloni 112. 127. — Melzi 381. 405. — Menard de la Groye 334. 350. 351. 367. — Mercator 126. 274. 277. 278. 280. 296. 297. — Menzel 365. — Menzzer 152. 212. 243. 267. 274. — Merz 103. — Messier 85. —Metzger 207. 210. — Meunier 83. — Meyden- bauer 41. 51. 123. 128. 285. 286. 298. — Meyer (R.) 26. 294. 299. — Meyer (W.) 67. 70. 94. — Micheli du Crest 295. — Michell 184. — v» Middendorft 22. 32. 335. 336. — Millar 318. — Miller 46. 51. 309. — v. Miller-Hauenfels 75. 94. — Millet de Mureau 289. — Minnigerode 391. 392. — Minucius Felix 314. 354 — Mitterpacher 18.33. — Möbius 50. 52. 237. 269. 270. — Möllinger 275. 296. — Mohn 350. — Mohr 310. 313. 359. 369. 399. — Mollweide 282. — Molyneux 241. — Monge 144. — Montaigne 100. — Montfaucon 130. — Montucla 153. 237. — Morse 386. — Mossotti 112. 114. 127. — Moyle 309. — v. Müffling 288. — Müller (E.) 294. 295. — Müller (F.) 280. — Müller (H.) 113. 114. 127. 329. 347. 366. 367. —- Müller (J.) 26. 34. 75. 95. 133. 138. 152. 186. 191. 367. — Müller (J. C.) 285. — Münster 13. 274. — Müttrich 301. 312. — Muncke 24. 34. 88. 139. 178. 262. 300. 301. 303. 319. 333. 336. 353. 355. 385. 389. 397. — Munk 235. 269. — Munker 260. 262. 270. 271. — Murdoch 280. — Muschketov 385. — Musschenbroek 140. — Musset 227. N. Nardueeci 32. 238. 269. 368. 406. — Nasmyth 53. 103. 113. 116. 119. 120. 121. 127. 128. — Nasr-ed-din 254. — Naumann (E.) 370. 404. — Naumann (G. F.) 288. 298. 402. — Neckam 114. — Necker 399. 407. — Nehring 8. 9. 32. 354. 368. 394. 404. 406. — Neison 99. 113. 116. 117. 118. E19. 123. 125. 127. 128. — Nell 281. 297. — Neumann (C., Geograph) 29. — Neumann (C., Mathematiker) 265. 271. — Neumann (K. J.) 6. 32.— Neumann (L.) 296. — Neumayer 86. 96. 371. 390. 404. 406. — Newton (H. A:) 81. — Newton: (J.) 15. 32. 37. 38. 39. 44. 51. 70. 72. 73. 77.. 94. 124. 126. 141. 142. 143. 151. 152. 155. 156. 161. 162. 164. 165. 169. 770. 171. 172. 173. 176. 177. 183. 188. 190. 220. 245. 247. 250. 255. 256. 257. 263. 270. 271. 375. 404. — Niebuhr 21. — Nies 120. 128. 318. 328. — Nöggerath 389. — Nordenskiöld 22. 33. 90. 96. — Norwood 141. — Notter 114. 127. — Novara (Domenico di) 216. 251. — Nürnberger 50. 52. 143. 153. — Nyren 38. 51. 264. 271. 0. Obermair 288. — Obernetter 286. — Oeder 284. — Oefverboom 153. — Ohlert 45. 46. 51. — Olbers 67. 70. 76. 83. 90. 94. 95. 96. 220. — Olmsted 81. — Olsen 291. — Oltmanns 21. 173. 190. — Omons 131. 135. — Onnes (Kamerlingh) 232. 233. 240. 269. — Opelt (F. W.) 115. 127. — Opelt (M.) 116. 127. — Oppi- kofer 294. — v. Oppolzer 156. 158. 188. 283. 297. — Ordinaire 338. — Ordinaire de Lacologne 230. 269. — Origanus 213. 238. — ÖOrigenes 211. — Orontius Fi- naeus 274. — Orosius 11. — Ortelius 374. — Oudemans 103. 207. 209. — Outhier 143. 153. — Ovidius 8. 354. 368. - Ei. Pagani 230. — Palander 153. — Palisa 67. — Pallas 16. 28. 35. 78. 95. 302. 312. 337. — Palmieri 341. 342. 347. 348. 367. 385. 386. 399. 406. — Paraira 162. 189. — Parmenides 130. — Parnisetti 219. 267. — Parrot (Ch. F.) 23. 34. — Parrot (J. F.) 23. 34. 309. 313. 355. 868. — Parthey 152. — Passarge 35. — Pa- EEE Un Namen-Index. 415 sumot 292. — Patrin 3559. — Paucker 180. 190. — Payne 125. — Peal 388. 406. Pechuel-Lösche 373. — Peirce 282. 297. — Peiresc 72. — Peirinsius 227. 268. — Pelz 138. 152. — Penck 195. 209. 350. 352. 362. 368. 369. — Percy (v. Northumber- land) 69. — Perrey 372. 399. 400. 404. — Perrot 157. 189. 225. 268. — Perry 311. zero. Peschel, 9, 12, 13. 19. 21. 24.26. 27. 32. 83:184..35,: 94. Hr LIE, 125. 127. 128. 130. 132. 139. 152. 154. 190. 267. 273. 284. 285. 287. 289. 291. 294. 296. 298. 299. 302. 312. 366. 367. 368. 373. 385. 401. 404. 406. 407. — Petermann 32. 2068. 280. 287. 297. — Peters (C. A. F.) 175. 182. 183. 189. 191. 267. 271. 841. — Peters (C. F. W.) 175. 190. 241. — Petit (A. T.) 66. — Petit (J.) 69. 4. — Petrarca 11. 380. 405. — .v. Petrinö 359. 369. — Petrus Martyr 13. 78. — Peur- Daeb 251. — Peutinger 272. — Peyer 287. — Pfaff (Fr.) 19. 310. 313. 323. 328. 361. 369. 374. — Pfaff (J. F.) 64. — Pfyffer 294. — Phaedon 314. 336. — Phere- kydes 380. — Philipp I. (v. Spanien) 297. — Philippi 273. 296. — Phillips 306. 848. 867. — Philolaos 210. 211. 267. 314. — Philon 383. — Phipps 309. — Piazzi 67. 73. 83. 94. — Piazzi Smyth 84. 88. — Picard 141. 142. 143. 153. 295. — Pick 138.192. 230. 231. 269. — Piekering 102. — Pictet 17. — Pieper 232.269. — Pilar 84. 95. 270. 310. 313. 323. 324. 325. 326. 327. 328. 337. 359. 363. 364. 366. 868. 869. 370. 371. 382. 397. 400. 403. 406. 407. — Pilla 348. — Pindar 373. — Pindter 152. — Pingr& 85. — Placidus Heinrich 54. — Plana 167. 184. — Plant- amour (E.) 175. 190. — Plantamour (P.) 159. 189. 219. 250. 267. 387. — Plante 23. 51. — Plateau 36.42.43. — Platon 2. 3. 211. 267. 314. 336. 353. 354. Pleischl 28. 35. — Plinius 11. 69. 227. 228. 255. 373. 375. 380. 383. 393. 394. 404. 405. — Pluche 252. — Plücker 329. — Plutarch 2. 7. 77. 112. 114. — Poey 382. 405. — Poggendorff 35. 157. 169. 185. 190. 191. 260. 262. 267. 270. 309. 310. 312. Dia2920. 980. 899. — Posson 71. 350..— Poisson 19. 50. 83.789. 91. 92.96. 228. 224. 266. 268. 301. 309. 310. 312. 313. 315. — Poinsinet de Sivry 228. — Poinsot 230. 260. — Pokorny 26. 34. — Poletto 136. 152. — Polybius 6. — Pond 241. — -Porro 285. — Posch 139. 153. — Posidonius 5. 6. 139. 374. — Postellus 274. 231. 297. — Pothenot 284. 297. — Pouillet 92. 96. 174. 175. — Poulett Scrope 19. 829. 330. 335. 340. 345. 358. 397. 360. 366. 367. 369. — Poynting 188. 191. — Prätorius 283. — Pratt 197. 209. — Prevost (C.) 360. 369. — Prevost (P.) 266. 271. — Prestwich 363. 369. — Priestley 384. 397. 406. — Priscianus 272. — Pritehett 100. — Proctor 103. 126. 266. — Propertius 273. — Prowe 255. 267. 269. 270. — Prshewalski 22. — v. Przystanowski 356. 368. — Ptolemäus 5. 7. 28. 82. 69. 184. 139. 210. 212. 216. 235. 236. 237. 272. 280. — Puissant 145. 285., 297. — Purvis 293. 298. — Pusch 29. 35. — Pytheas 6. 129. — Pythagoras 97. 130. 210. 235. 267. 380. Quenstedt 329. — Quetelet 30. 35. 81. 114. 127. 300. 312. 381. 405. R, Rachel 378. 405. — Rahmer 406. — Raimarus Ursus 213. 238. 269. — Ram- melsberg 367. — Rankine 50. 52. 75. — vom Rath 334. 349. 366. 398. — Ratzel 29. 26. 29. 131. 346. 357. 391. 402. 406. 407. — v. Raumer 24. 34. — Rayet 277. 296. — Reaumur 120. 306. — Reclus 25. 34. — Redhouse 84. 85. 95. — Redten- bacher 40. 52. — Regiomontanus 69. 24. 212. 251. — Regner 88. — Reich 186. 191. 220. 268. 303. 305. 306. 312: — Reichard 277. — v. Reichenbach 158. — Rein 22. 34. 365. 369. — Reinhardt 69. 94. 95. — Reis 60. — Reiss 342. — Reitz 294. — Remeis 103. 126. — Repsold 175. — Reusch (F.) 276. 296. — Reusch (H.) 352. 360. 361. 364. 368. 369. — Reye 57. 58. 59. 93. — Reyer 318. 328. 353. 354. 355. 358. 364. 368. 399. 407. — Rheticus 283. 297. — Riceioli 14. 15. 32. 115. 117. 141. 143. 213. 216. 238. — Richer 172. 173. 190. — Richelot 260. — v. Richt- hofen 22. 23. 29. 34. 168. 332. 335. 339. 366. — Riedl v. Leuenstern 116. — Rie- mann 44. 183. — Riess 76. — Rigaud 263. 271. 292. 293. 298. — Rikatscheff 292. 298. — Rink 33. — Ristoro (v. Arezzo) 12. 32. 135. 354. 368. 395. 406. — Ritten- house 98. — Rittau 16. 33. — Ritter (A.) 44. 51. 65. 93. 320. 321. 328. — Ritter (C.) 16. 23. 27. 28. 31. 33. 34. 35. 152. 267. 291. 296. 367. —. Ritter (E.) 150. 154. — Rixner 327. 406. — Roberval 239. 269. — Robison 163. — Roche 109. 126. 319. 338. — Rockstroh 370. — Rockwood 387. — Röhl 17. 18. 33. 312. — Römer 241. 242. 270. — Röthig 229. 259. 269. — Rohde 209. — Rohlfs 86. 96. — Roscoe %. 416 | * Namen-Index. — Rose 78. 79. 95. — Rosenberger 32. — Ross 346. — Rosse (Lord) 103. 112. 127. — Rost 54. 55. 115. — Roth (Fr.) 26. 34. — Roth (J.) 344. 360. 8369. 372. 373. 376. 385. 402. 404. 406. — Rothmann 85. 213. 244. — Rouvet 381. — Roy 144. 153. —. Rozet 195. 209. — Rudberg 300. — Rüppell 21. 339. 366. — Ruge 31. 38. 152. 267. 284. 296. 297. 367. 368. — Rumowski 175. — Russegger 21. — Russell 116. 128. — Rutnerfurd 47. 51. 116. S. Sabine 21. 62. 174. 175. 176. 190. — Sadebeck 139. 146. 153. 154. — Sa- farik 98. 99. 125. 156. 189. — Saigey 30. 35. 92. 96. 194. 195. 209. — Salomo (Bischoff) 131. — Salsano 385. — Salviati 227. — van de: Sande Bakhuyzen 102. 126. — Santini 191. 209. — Sarpi 114. 127. — Sarti 396. 406. — Sartorius von Waltershausen 31. 341. 352. 367. — Saussure 17. 300. 303. — Savart 87. — v. Schaper 52. — Schaub 230. — Schaubach 234. — v. Scheffel 305. — Scheibner 156. — Scheiner 54. 60. 92. — Scheidt 51. — Schell (A.) 285. 297. — Schell (W.) 231. 269. — Schelle 230. — Schellen 43. 92..— Schergin 302. — v. Scherzer 361. — Scheuchzer 17. 28. 33. 284. 295. 369. — Schiaparelli 48. 51. 81. 82. 89. 95. 96. 101. 103. 104. 105. 106. 126. 210. 211. 234. 235. 237. — Schickard 283. 297. — Schidlofsky 63. — Schjellerup 47. — Schinz 238. 269. — Schlagintweit 25. 34. 136. — Schlesinger 285. — Schlömilch 164. 189. — Schlötel 51. — Schlüter (A.) 267. — Schlüter (H.) 111. — Schmick 107. 108. 123. 126. 128. 216. — Schmidt (J.C. E.) 24. 34. 149. 154. 175. 184. 191. 198. — Schmidt (Jul.) 75. 86. 100. 101. 114. 115. 116. 118. 119. 123. 127. 348. 372. 374. 376. 382. 383. 889. 400. 404. T- Schmidt (K.) 24. 34. — Schmidt (W.) 12. 32. 136. 152. — Schneider 337. 366. — Schön 85. 96. — Schöner 94. — Schönfeld 218. 267. — v. Schorlemmer 96. — Schorr 100. 126. — Schouw 27. 35. — Schrader 224. 229. — Schreiber (Gram- mateus) 296. — v. Schreibers 80. 95. — Schröter 89. 99. 102. 110. 115. 118. 122. 126. 127. — Schubert (F. W. A.) 33. 93.127. 154. 190. 404. — Schubert (Th.) 89. 150. 197. — 'Schück 280. 297. — Schülen 56. — Schumacher (A.) 21. 33. — Schumacher (H. C.) 127. 145. 153. 154. 175. — Schumann 276. 296. — Schwabe 54. 62. — Schwartz 306. — Schwedoff 74. 75. 94. — Schweigger 366. 367. — Schweizer 169. 190. — Schwerd 141. 153. — Schyrlaeus (de Rheita) 101. 114. 126. — Scotus Erigena 11. — Scoresby 22. 33. — Secchi 47. 51. 52. 53. 95. 56. 58. 59. 60. 63. 64. 66. 82. 83. 92. 93. 95. 100. 103. 105. 126. 229. — Sedillot 132. 152. — v. Seebach 19. 329. 332. 366. 371.375. 383. 886. 388. 390. 391. 393. 403. 404. 405. 406. — v. Segner 255. 270. — Seidel 98. 125. — Selander 144. — Senarmont 329. 829. — Senebier. 17. — Seneca 8. 9. 32. 54. 69. 94. 349. 354. 368. 878. 314. 375. 376. 394. 398. 406. — — Serpieri 87. 96. 381. 383. 384.. 405. Servet 28. 35. — Seufiert 270. — Severianus 130. — Seydler 321. 328. — Seyfert 399. — $Sguario 380. 384. 405. — Shems-ed-din (Demitschki) 10. 32. — Short 100. — Siacci 232. 269. — Siber 327. 406. — Sickler 3388. — Siebert 93. — Siemens’ (Werner) 31T. 318. 328. 364. — Siemens (William) 207. 208. — Sjewjerzow 357. 368. — Sig- mund 358. — Silberschlag 37. 51. 64. — Silvestri 341. — Simony 26. 298. — Simpson 293. 298. — Sire 259. — Smith (L.) 79. 95. — Smithson-Tennant 37. — Snellius 140. 141. 143. 153. 216. 284. — v. Sömmering 61. 93. — Sohncke 153. 188. — Solander 309. — Solinus 336. 366. — Sollas 364. 369. — Sommer 40. 51. — Sommerville (Mary) 25. 34. — Somoff 260. — v. Sonklar 288. 291. 298. 377. 404. — Spallanzani 334. 335. — Spartacus 341. — Spencer 320. 328. — Spix 21. — Spörer 52. 59. 60. 61. 63. 66. 93. — Sprenger 139. 153. 267. 395. 406. — Stabius 274. — Stadius 216. — v. Stälin 152. — Stampffer 285. 297. — Stapff 306. 307. 308. 309. 312. 313. — Stark (A.) 54. 227. — Stark (W.) 213. 267. — Starke 285. 297. — Staudacher 54. — Stebnitzki 168. 169. — Steinhauser, 137. 178. 274. 275. 276.. 280. 281. 289. 290. 295.: 296. 297. 298. 299. — Steininger 343. 807. Steinschneider 132. — Stenagoras 16. — Steno 15. 354. — v. Sterneck 176. 184. 190. — Stieler 26. — Stirling 162. 293. — v. Stockar 366. — Stölzle 152. — Stolicka 339. — Stoll 158. 189. — Stolze 285. 286. 298. — Stone 253. 266. — Stoppani 397. — Strabon 6. 7. 9. 32. 286. 349. 377. 394. — Strachey 379. — Straton 5. 6. 374. 394. 396. — Struve (O. v.) 241. — Struve (W. v.) 63. 90. 96. 145. 146. 154. 169. 182. 241. 243. 270. — Stuckely 355. 396..406. — Studer 8. 17. 25. 30. 32. 33. 377. 394. 396. — Studnicka 26. 34. — Stübel 324. — Suchsland 89. 96. — Supan 26. 281. — Svanberg .92.. 96. 144. 153. — Swedenborg 38. 91. 125. — Swift 101. — Sylvabelle 60. — Symmes 315. a‘ tr > N 2 a % “ et, 9% N a 1 a Kan * . (2 h + . Namen-Index. | 417 T: Taechini 52. 59. — Taeitus 396. 406. — Tägert 217. 264. 271. — Tait 162. 163. 166. 178. 189. 190. 199. 202. 209. 217. 313. 327. — Tallavia 212. — Tammen 230. 269. — v. Tanner 154. — Tannery 234. 269. — Taramelli 381. — Tarde 54. — Taylor 339. — Teja 341. — Teloni 380. 405. — Terby 102. 103. 104. 126. — Tertullian 314. 354. — Terzago 83. 95. — Teuffel 8. 32. — Thales 2. 130. 135. 272. 276. — Theodor (v. Mopsuestia) 130. — Theon 235. — Theophanes 6. — Theophrast 2. 15. 31. 336. — Theopomp 3. — Thevenot 285. — Thilo 61. 93. — Thomas (Aquinas) 11. 211. 395. — Thomassen 399. 407. — Thomson 19. 40. 47. 21093162. 163. 166. 178: 139. 190. 199..202. 209. 217. 311. 312. 313. 315. 316. 317. 318. 328. 363. — Thoulet 276. 296. — Thukydides 377. 405. — Toaldo 219. — Tollin 28. 35. — Tomaschek 272. 296. — Torell 22. 33. — Toula 372. 404. — Tournefort 16. — Tralles 284. — v. Trebra 303. — Trogus Pompejus 338. — Trüb- ner 25. — Trunk 294. 298. — Tschackert 11. 32. — Tschermak 83. 347. 361. 362. 369. — v. Tschirnhaus 112. = U. Ule 25. — Ulloa 128. 143. 175. — Unferdinger 178. 179. 180. 181. 191. — Unverzagt 226. V. Vadian 142. — Valentiner 128. — v. Valvasor 28. 35. — Vargas Bedemar 350. 367. — Varenius 14. 15. 27. 32. — Varro 2. 142. 237. 383. — Vassali-Eandi 397. — Vauquelin 350. — Venturi 127. 267. — Vergilius 8. — Vetter 26. — Vin- cenz (v. Beauvais) 11. — Virgilius (Bischoff) 130. — Visconti 255. — Vitruvius 8. 237. — Vivenzio 359. 384. — Vogel 52. 68. 70. 94. 105. — Vogt 33. — Volger 399. 375. 399. 407. — Volta 335. — Voltaire 101. 143. W. van der Waals 320. — Wackerbarth 211. — Wagner (G.) 387. 388. 406. — Wagner (H.) 24. 27. 29. 34. 35. 135. 152. 191. 313. 328. 367. 405. — Wagner (M.) 3371. 346. 366. 367. — Walbeck 191. 209. — Walferdin 307. — Wallis 227. 268. — Waltenberger 381. 405. — Wapowski 255. 270. — Wappäus 22. 29. 34. — Wargentin 100. — Warin 175. — Warren de la Rue 116. — Webb 67. — Weber (H.) 275. 296. — Weber (W.) 145. 155. 156. — Weinek 75. — Weiss (E.) 82. 86. 87. 95. — Weiss (J. H.) 294. — Weissenbach 158. — Weitzel 401. 407. — Wenz 275. 276. — Werner (A.) 19. 355. 356. 368. — Werner (J.) 255. 270. 274. 281. — Werner (K.) 11. 32. — Wernicke 220. 242. 270. — Wertheim 189. 209. 313. 328. — Westphal 94. 127. — Wetli 294. — Wettstein 249. 250. 270. 358. 359. 360. 368. — Weyprecht 22. 33. — Whewell 14. 19. 125. 128. 378. — Whipple 116. — Whiston 55. 56. 57. 58. 92. 125. — Whitney 318. — Wichmann 111. — v. Wid- manstätten 79. 80. — Wiechel 272. 274. 281. 295. — Wiedeburg 55. 92. 315. 384. 405. — Wiedemann 21. 74. 95. — Wiegand 268. — Wieser 282. 297. — Wiesner 226. 268. — Graf Wilezek 292. 298. — Wild 302. — Wilhelm (von Conches) 11. 32. — Wilhelm (Bischoff) 380. — Wilhelm (Landgraf) 85. — Wilkins 124. — Williams 26. 69. 94. — Winkelmann 120. 128. 318. 328. — Winkler (Geograph) 25. — Winkler (Topograph) 294. — Winnecke 99. 125. — Witelo (Vitellion) 127. — Witte (Wilhelmine) 116. 295. — Wittstein 207. — Wohlwill 14. 32. — Wolt (R.) 54. 61. 62. 64. 65. 68. 72. 90. 92. 93. 94. 95. 96. 99. 103. 115. 125. 126. 127. 128. 143. 150. 153. 154. 173. 188. 189. 190. 226. 228. 238. 241. 243. 266. 267. 268. 269. 270. 271. 285. 286. 287. 293. 296. 297. 298. 299. 303. 312. 403. — Wolf ($.) 116. — Wolf (Th.) 347. 367. — v. Wolf 108. 113. 124. 126. 127. — Wolfer 68. — Wolfers 51. 94. 155. 188. 404. — Wolkenhauer 286. 298. — Wollaston 47. — Woodward 37. — v. Wrangel 302. — Wright 79. 87. 95. 96. — Wrightson 318. — Wüllner 42. 51. — Wundt 30. 50. 52. — Wurm 66. — Wu-Tsung 274. — Wynne 370. 380. 403. Günther, Geophysik. I. Band. 97 A418 ° Namen-Index. X. Xenophanes 129. 8, Young 59. 66. — Yvon Villarceau 200. 2. v. Zach 154. 167. 175. 189. 315. — Zachariae 207. — Zacharias (Papst) 131. 152. — Zamminer 25. — Zanotti-Bianco 196. 209. — Zech 156. 189. 200. 201. 209. — Zeller 2. 31. — Zenker 74. 75. 78. 94. 95. — Zeune 22. 34. 291. — Ziegler 287. 291. 298. — Zimmermann 19. 33. — Zirkel 362. 369. — Zittel 22. — Zöckler 15. 32. 36. 37. 51. 124. 128. 130. 152. 327. 368. — Zöllner 18. 33. 40. 44. 47. 48. 49. 51. 52. 58. 59. 61. 63. 64. 65. +72. 74. 75. 76. 77. 93. 94. 95. 98. 107. 109. 111. 125. 126. 127. 155. 156. 157. 158. 185. 187. 188. 189. 216. 267. 385. 406. — Zöppritz 30. 35. 1695. 188. 389. 191..218: u 222. 224. 250. 268. 270. 275. 296. 306. 307. 313: 317. 318. 321. 328. 347. 359. 362. 367. 368. 369. 406. — Zsig- mondy 307. 312. — Zucchi 102. Verbesserungen und Zusätze. 25 v. u..und 8.39, 2. 7.v. 0. 4. Nordenskiold. 22. 4 26, Z.5 v. 0. ergänze vor und: Guyot, Physical geography,. London 1873. 33, Z. 21 v. u. ]. lanarischen Inseln. 67. Z. 10 v. o. ergänze nach Goldschmidt: Watson. 80, 2.8 v. o. 1. Brezina. 84, 2.6 v. u. und $. 88, 2. 22 v. u. l. Piazzi Smyth. 90, Z. 15 v. u. ]. Nebelspektrums. 105, Z. 26 v. 0.1. Thyle. 116, Z. 4 v. u. 1. Abtheil. I. 131, De I: nn Avarsihwy. 138, 15 v. u. 1. & = 180° — 89° 48', & = 180° — 89° 35%. 140. 7. 17... u S. 141, 2. 17 v. 0.1. T statt 7. 157, 2. 21 :v. 0. ergänze nach Kapitel: der dritten Abtheilung. 190, Z. 28 v. o. 1. 125 statt 88. 198,279. 0. 1.8 2 ua) 201, Z. 26 v. o. ]. mechanischen Arbeit. 220, 2. 22 v. u. ]. Ostwestrichtung statt Mittagslinie. A 242, Fig. 42 1. durchweg e statt ]. 249, 2. “4 v. u. 1. Erdkunde statt Erde. 276, Z. 8 v. u. lies: Völlig unerreichbar ist nur der eigene Standpunkt des Zeichners. S. 324, Fig. 621. a e statt A “ . 346. Z. 10 v. o. 1. Nord-, Central- und Südamerika. 356, Z. 9 v. u. 1. Entdeckungsreisen. 391, Z. 17 v. 0.1. ©y und B, statt © und ß. 392, 2.5.v. u. 1. Hyperbel. 407, 2. 16 v..0..1.'9. Band, $. 264 fi. ‚PRRMARMNUWURUUNERNUnMN nnnnm IA un | ii 7 ar 3 { as li ZI r ji % I 3 gain ga EN L 3 JRRE jo r Br we Ss at FR men IH / ir arten ou DEREN a7 ES: uf a STORE En Le BR) FAR) \ e & N ö a pe ‚Kur; Wh kt! D N Sc, RT RZ, in ! HS 9, EREN \ Ben e- RRSENE r . AOL Ah Si, En unfall he ARE VENNBENd ) Ba © EA N Ele; er? } IN ze weh De eg N 10, open Kram, Een ir A Ri Be jr BEN a RT {A ER aa ER f zi " Tan ER a ? ee er F N 7 R 7 N Fi; “he ri fr BEIN ce D ur en ] qpaankle. I a a N 2 (“) 1 dr = je FR BON Sy [> a Ba EG Zu BE ne NER Fe Er, SEEN eat N SE Al 7 N Er H 7 FE & A = a = er Sl str n Behr ls tsı er ct hy 2. N ll [e) ah era u Viral ih er f nr a "r be Nele N & * ge f aut Dee he e \ Eh es Br | HR SEN ge SE nr alien she N SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES (MN N INN MM 3 9088 0031754b D ? nmah QE501.692 i v. 1 Lehrbuch der Geophysik und physik