wort ao ’ . en Ep - Bu“ GL. EN, 5 e WERNE: EEE EA ee ee u r w u Eu | 1 “ an ae See, | Te a en \ Mt nt u I - - here ste ee el eier ee et u w » PR We a . - - - u £ POWERNZEZ 7 ZT u a ee ed alu En N hen a We .. u = a x r eh N ei ri an - \ x ee x in. «.* EN Dh a ren ver e + er a ee r . . = nn Dh Ha gun Bee De rer a » in - . In « Te Br en,- RE N pe ae Ken ac e [ Pie SE Zu ” Er a rn un Er 7 ren Sr I) ERAHNEN (f Tirso ge ee Sch Ss bi Er f & Tat 57 z EN NG ge Fa Piz N ER, u IHN er u! at u Tr Ab AR Kräiser ZN Fr eg | en a Sn we : ER = Ge SE ee en En Sn Tihr N f a RR es € Fr L u a { seh er { a ir Wi D IN nf hs al | Ei LEHRBUCH SLKA DER ZZ EU PHYSIK | UND PHYSIKALISCHEN GEOGRAPHIE. / D* SIEGMUND GÜNTHER, " PROFESSOR AM GYMNASIUM ZU ANSBACH. ZWEI BÄNDE. II. BAND. MIT 118 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN. STUTTGART. VERLAG VON FERDINAND ENKE 1885. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. _ SEINEN GERHRTEN FREUNDEN ANTONIO FAVARO- UND OVANNI MARINELLL, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT PADUA, | m ee > Be >. # “ u d ha e. > 25 n ” Vorwort. Die Grundsätze, nach welchen dieser zweite Band der Geophysik gearbeitet ist, sind in allen wesentlichen Punkten die gleichen, welche bereits für den ersten Band maassgebend waren. Angesichts der überaus freundlichen Aufnahme, deren sich der erstere zu erfreuen gehabt hatte, durfte der Plan der Darstellung als ein richtiger angesehen werden. Indem der Verfasser allen Beurtheilern des Buches für das demselben bewiesene Wohlwollen herzlich dankt, kann er zugleich nicht umhin, noch besonders jenen Männern seinen Dank auszuspre- chen, welche ihn durch einzelne Winke oder auch durch Mittheilung literarischen Materiales bei seinem Werke gefördert haben, so nament- lich Herrn Admiralitätsrath Neumayer in Hamburg, den Herren Professoren Karsten und Krümmel in Kiel, Kirchhoff in Halle, v. Bezold in München, Wibel in Hamburg, Bauschinger in Mün- chen, Forel in Morges, Heim in Zürich, Herrn Dr. Penck in München, Herrn Kapitän Schück in Hamburg und Herrn Ingenieur- hauptmann Brocard in Montpellier. Endlich hält er es auch für seine Pflicht, hier öffentlich des Dienstes zu gedenken, welcher ihm durch einen freundlichen Kollegen, Herrn Gymnasialassistenten Künss- berg in Schweinfurt, bei der Revision der Druckbogen erwiesen wurde. Der Versuchung, neue Wortbildungen zu schaffen, suchte der Verfasser standhaft auszuweichen. Höchstens die Bezeichnung Ureis möchte er den „paleocrystic floes* der Engländer (S. 436) substituirt wissen. — Eine etwas eigenmächtige Veränderung ist ferner an der von E. Suess eingeführten Terminologie für die Uferverschiebungen vorgenommen worden. Sachlich völlig zutreffend nennt Suess eine Verschiebung der Uferlinie positiv oder negativ, je nachdem das Meer vorzudringen oder sich zurückzuziehen scheint. Lediglich, um dem Vor- stellungskreise des Festlandsbewohners verständlicher zu sein, wurden von uns (8. 442 ff.) Hebungen als positive, Senkungen als negative Oscillationen aufgefasst, So möge denn das fertige Werk den Studirenden der Erdkunde und der mathematischen Disciplinen sich nützlich erweisen! Des Ver- fassers höchster Wunsch ist der, dass durch dasselbe, soweit es natürlich die bescheidenen Mittel eines Lehrbuches gestatten, der Leser in den Stand gesetzt werde, einen klaren Begriff mit jener ewig denkwür- digen Stelle des von Humboldt unter'm 24. Januar 1796 an Pictet gerichteten Briefes zu verbinden, in welcher es heisst: „Je coneus idee d’une physique du monde... .* Ansbach, im März 18855. S. Günther. Kapitel I. MNRMRNN a Ze Kapitel 11. Kapitel II. Kapitel IV. RR NMMMNMIT NNRNN [W/ERI72) NN WMUNN Sage En ER SC CZee ke SM AD ER er Inhalts-Uebersicht. Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Magnetismus und Elektrieität in den oberflächlichen Erdschichten. Attraktive Wirkungen von Gesteinsmassen Die polare Richtkraft der Gesteinsmassen . Theoretische Erörterungen über die Polarität . Elektrisches Verhalten der oberflächlichen Erdschichten Der Erdstrom . Der Erdmagnetismus und die drei ihn bestimmenden Elemente. Die magnetische Richtkraft des Erdkörpers ; Die Nordweisung der freischwebenden Magnetnadel Kompassdeviation 2 2 Die magnetische Deklination Die magnetische Inklination und die Intensität . Bestimmung der Inklination und Intensität Die erdmagnetischen Linien . Variationen der magnetischen Elemente Erdmagnetische Selbstregistratoren Theorie des Erdmagnetismus. Aeltere Erklärungsversuche . Die Gauss’sche Theorie 3 Hypothesen über den Ursprung der erdmagnetischen Kräfte . Die elektrische Fernewirkung der Sonne nach Siemens Polarlichter. Nord- und Südlicht in der äusseren Erscheinung . Die Höhe der Polarlichter ; ; Häufigkeit und Sichtbarkeitsgrenzen 5 Physikalische Analyse der Lichterscheinungen Periodicität.. . Kann das Polarlicht ohne Beiziehung der Imponder abilien erklärt werden? Das Polarlicht und die maenct- elektrischen Kräfte Künstliches Nordlicht Seite np wm vor Kapitel I. UN UN URUNRUNUNEN nano m HM Kapitel II. INN NR MNUINMUN Kapitel IIL RR ARUN SR URSRALRAINDEIDIN DIN UNUR pi je») Kapitel IV. Kapite UNURUNUN = URURUN ANAL UN UN UN OD oNuanpwwr ETUI URS onnuRwwr 1. > ı): 4, Inhalts-Uebersicht. Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Ausdehnung. Die Meteorologie, ihre Geschichte und Literatur . Zusammensetzung der Atmosphäre . Die Ausscheidungen und Niederschläge des "Wasserdampies . Aerostatische Grundgesetze . Die Gestalt der Atmosphäre Die Höhe der Atmosphäre . i Anderweite physikalische Eigenschaften der Atmosphäre | Die Beobachtungs- und Berechnungsmethoden der Meteorologie. Die Instrumente . Meteorographen Beobachtungspläne : Die barometrische Höhenmessung . Die thermometrische Höhenmessung . i Die graphischen Methoden der Meteorologie > Die Methode der kleinsten Quadrate Das Rechnen nach der Bessel’schen Formel Meteorologische Optik. Die Gestalt des Himmelsgewölbes . Strahlenbrechung in der Atmosphäre Das Funkeln der Sterne Das Schwanken der Sterne Die Durchsichtigkeit der Luft Die allgemeine Tageshelle Die Färbungen des Himmels Das Wasserziehen der Sonne 3 Die Polarisation des Himmelslichtes . Atmosphärische Linien im Sonnenspektrum Geometrische Theorie der Dämmerung . Dämmerungserscheinungen im Hochgebirge Anomale Dämmerungserscheinungen . Kimmung und Pu Regenbogen ; : Ueberzählige Regenbogen Höfe: . ; Ringe, Kränze, Nebensonnen und Nebenmonde Irdische Nebelbilder . Atmosphärische Elektrieität; Gewitter. Statische und dynamische Luftelektricität . Atmosphärisch-elektrische Messungsapparate \ Art und Periodieität der atmosphärischen Klektrieität (Juellen der statischen Luftelektrieität Langsame Ausgleichungsprocesse . Gewitter, Blitz und Blitzableiter Blitzröhren in. : Irrlichter . Kosmische Meteorologie. Astrometeorologie im Allgemeinen Der Mond als meteorologischer Faktor . Die Sonne als meteorologischer Faktor Die meteorologische Bedeutung der Sonnenfleckenfrequenz Die allgemeinen Eigenschaften der Atmosphäre; ihre Gestalt und ihre | 154 157 162 163 165 166 168 109) 175 175 177 179 182 183 Inhalts-Uebersicht. IX Kapitel VI. Dynamische Meteorologie. Seite $. 1. Begriffsbestimmung der dynamischen Meteorologie . . .. . 188 S. 2. Die barometrischen Schwankungen . ee er, Ss. 3. Die geographische Vertheilung des Luftdruckes . . 191 S. 4. Allgemeine Theorie der Luftibewegung auf der rotirenden Erde 193 S. 5. Das Problem des Fönwindes . 198 S. 6. Das Hadley’sche Princip und die Dove’sche Winddr chungsregel 200 $. 7. Die Gesetze von Galton, Buys-Ballot und Stevenson . . 202 $S. 8. Die Maifröste als Konsequenz des Buys-Ballot’schen Gesetzes . 204 S. 9. Regelmässige und unregelmässige Windsysteme . . RAN! $. 10. Bildung und Fortbewegung der barometrischen Minima . . 214 se ii. Stürme... EB EL NEE IR 2 BAHR ER ee | S.12. Theorie des Hagels RER EN Eu SEE Kapitel VII. Allgemeine Klimatologie. Se 1. Kiimatologie oder geographische. Meteorologie? .. . .°. ... 234 BE Dierk limatischen Faktoren 2... u 2. 12.22.1200 u ea a 286 Be Remmeraturverhältnisse in nn. Nee, 2a en2ah $. 4. Feuchtigkeit und Klima . . EEE A ER I a 700 $. 5. Die Bewölkung und das le N N Fe Bedientunsr der, Winde... 2 20. nn u In a ne 32289 27% Pilanzen-Phänolesie‘;. ... RR ER se.8 Gefrieren und Wiederaufgehen de Gemüse... 0 0000 $S.. 9. Der Wald als klimatischer Faktor . . 242 $S. 10. Der Unterschied zwischen solarem und physischem Klima . 247 ale Dası-olare Klımaaı 20 Vu a ne Da aa 2A Berne unduSeeklimaret. nn. a ne ee el er 292 Sen SrHohkenklima.:” ....4 wer... a a u er a Kapitel VIII. Spezielle Klimatologie der Erdoberfläche. BER Kiimabographısehe, Monegraphieen .. . °....°,. 2.000 2.022258 Se EaDie \Warmezomenider- Erde. .... am aan Arne erg 25g $S. 3. Die geographische Vertheilung des Regens nach Wojeikoff . 261 $. 4. Die geographische Vertheilung der Winde nach Supan . . .. 267 i Ss Allsememe Charakteristik der Hauptklimate ,°. .. .....2..277 Kapitel IX. $Säkuläre Schwankungen des Klima’s. $. 1. Thatsachen, durch welche solche Schwankungen wahrschein- Hehe gem achinyverlen u un en len a EI Re Biere ae ee RT NEE en 280 S. 3 Ursachen der Eiszeit ._. REN $. 4. Veränderungen des Klimas in n geschichtlicher Teib FIR 2883 Se 9. Dufour’s Untersuchungen und daraus zu ziehende allgemeine SEIDESS TR A u BR Kapitel X. Angewandte Meteorologie. DENE ErRLO=WOSe N a er ee 995 s.22 Asrarmeteorologie . ... ET EN NETTE $S. 8. Litorale Meteorologie und Sturmwarnungen N EL RR SA Maritime Meteorolosie und Schiffskurse ... 2... .2..2...801 Be Mediernisehe Meteorologie: . . 2... San... 2308 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Kapitel I. Die allgemeinen Eigenschaften des Meerwassers und dessen Vertheilung auf der Erdoberfläche. ss 1. Beeriff der’ Worte Meer und Meereskunde . ... ........308 Ser... Klassıhkation,.der Meeresraume.. „au. u. 7. 282910 Se 20, Dies V erkhieilune. des Meerwassers „a. 11. 20.0.8. 2020,2811 SA, "Grössenverhältnisse der Hauptmeere .. . .:. 2... 2.313 X Ss. 8 SD Sa Ss. 8 Bar Kapitel II. Seraelt SD. S. 4. SIDE 8. 6. SR SIR, Ss Saal. Kapitel IH. SA Su Sn. Su SU A SAME SEsech sw, Kapitel IV. SR. SZ ISA sr Sa SR AREA SU SER R 10: Kapitel V. Sep ni: MR SPURPA op S. 4. SR Sl 6 BT; Ss. 9. Ss. 10. Kapitel VI. ‚be Inhalts-Uebersicht. Das Niveau des Meeres 314 Die Färbung des Meeres 815 Die Durchsichtigkeit des Meeres 318 Pflanzenmeere y . 319 Meeresleuchten 320 Physiographie der Meeresbecken. Zur Nomenklatur ; 323 Meeres- und Küstengliederung a, 324 Die Meerestiefe als geographisches Element 326 Bathometrische Methoden . 2 329 Uebersicht über die gemessenen Meerestiefen 332 Allgemeine Charakteristik der Meeresbodengestaltung . 398 Die mittlere Tiefe der Oceane ...839 Beziehungen zwischen Meerestiefe und Kontinentalhöhe 340 Gleichgewicht des festen und flüssigen Elementes . 342 Beschaffenheit des Meeresgrundes . 344 Temperatur, Salzgehalt und chemische Zusammensetzung der Meere. Geschichte der submarinen Thermometrie . 5 343 Luft- und Wassertemperatur in ihrem Gegensatze . e „9349 Hypothesen über das Dichtigkeitsmaximum des Meerwassers . 350 Tiefsee-Thermometer 392 Allgemeine Sätze über die Wärmevertheilung im Meere 354 Temperatur-Charakteristik der Oceane 356 Der Salzgehalt der Meere 399 Weitere Mittheilungen über die Chemie des Meerwassers 364 Das spezifische Gewicht des Meeres 366 Die Wellenbewegung des Meeres; Ebbe und Fluth. Ueber Wellenbewegung im Allgemeinen 370 Stehende Wasserwellen oder Seiches h 319 Die Meereswogen unter dem Einflusse des Windes 376 Sturmfluthen 3179 Beschreibung des Gezeitenphänomenes dk 3sl Die Theorie der Gezeiten in ihrer historischen Entwickelung 386 Die statische Theorie der Flutherscheinungen 389 Die dynamische Theorie der Flutherscheinungen und die har- monische Analyse 392 Anderweite Untersuchungen über Tiden 395 Das Eindringen der Fluth in die Ströme 396 Die Strömungen im Meere. Gegensätzlichkeit der Wellen- und der Strombewegung 400 Aeltere Beobachtungen über Meeresströmungen 401 Hülfsmittel für das Studium der ME om 402 Die Strömungen des atlantischen Meeres 403° Die Strömungen der Südsee . 409 Die Strömungen des indischen Oceanes 411 Arktische und antarktische Strömungen 412 Hypothesen über das Entstehungsgesetz der Meeresströmungen 414 Erklärung der Meeresströme durch Luftadhäsion und Reibung 419 Vergleichung der Theorie mit der Erfahrung 421 Das Eis des Meeres. Die E ntstehung des Meereises 425 Allgemeine Eigenschaften des Meerwassereises 426 Grundeis 429 Klassifikation und Charakteristik der im Meere treibenden Eis- Massen » 432 Paläokrystisches Me er; eine Str eitfrage 436 Die geographische enihellline des Polareises und die offene Polarsee 4937 Eisblink und W asser himmel 439 Inhalts-Uebersicht. Siebente Abtheilung. XI Dynamische Wechselbeziehungen zwischen Meer und Land. Kapitel I, Dauernde Verschiebungen der Grenzlinien zwischen nahe und flüssigem Elemente. Seite $. 1. Ueber Niveauschwankungen im Allgemeinen 442 $. 2. Kennzeichen der Niveauverschiebungen $ 443 $. 3. Geographische Vertheilung der verschiedenen Ufer schwankungen 445 $S. 4. Einstweilige allgemeine Ergebnisse 449 8.5. Aeltere Theorieen . 451 $S. 6. Die Theorieen der neuesten Zeit 453 Kapitel II. Die Küstenbildung. $. 1. Die mechanische Arbeit der Brandungswoge .. 458 $S. 2. Wirkung der Wogen auf eine mit Vertikalverschiebung be- haftete Küste h ; 459 $. 3. Strandwälle und Strandlinien k 461 $. 4. Die Fjorde und die Gesetze ihrer Entstehung 463 $. 5. Flachküsten unter der Einwirkung der Meeresbrandung 468 S. 6. Das Meer als Landbildner 0, $. 7. Kombinirte Thätigkeit von Meer und Fluss; Lagunen "und Delta’s 475 $. 8. Morphologie der Seehäfen UNE 480 Kapitel III. Charakteristik und Klassifikation der Inseln. $. 1. Morphologische Versuche aus früherer Zeit 483 $. 2. Das biologische Klassifikationsprineip 485 $. 9. Die genetischen Inselsysteme der neueren Zeit 486 S.4. Bau der Korallenriffe 490 Achte Abtheilung. Das Festiand mit seiner Süsswasserbedeekung. Kapitel I. Geogonie und Geognosie. $. 1. Von dem Verhältniss der Geogonie zur Kosmogonie . 497 $. 2. Die geogonischen Spekulationen bis zum Auftreten Werner's 498 $. 3. Werner und Hutton B 500 $. 4. Die Geogonie im neunzehnten“ Jahrhundert 502 $. 5. Geognosie, Petrographie und Petrefaktenkunde 504 $. 6. Tabelle der Formationsfolge 508 $S. 7. Die Geschiebe-Formation und die subaerische Born 511 Kapitel II. Orographischer Bau und Bodenplastik des Festlandes. $. 1. Die Begründung der Lehre von den Reliefformen durch Humboldt 515 $. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffe Sn, $. 3. Orometrie . 528 $. 4 Beziehungen zwischen Geognosie und "Oroplastik 529 Kapitel II. Schnee und Eis der Hochgebirge: glaciale Physik und glaeiale Geologie. $. 1: Schnee- und non 532 Se 2. Eawinen ; 36 Ser. WVon.den Gletschern im "Allgemeinen . 538 S. 4. Die physikalische Beschaffenheit des Bleche 541 $. 5. Thatsächliches über die fortschreitende Bewegung des Gletscher- eises N. 544 SERDAR 67 Theoretische een “über Gletscherbewegung 550 $. 7. Auflösung der Gletscher NEN E 558 $. 8. Gletschertrümmer und Moränen 554 Inhalts-Uebersicht. X Seite $. 9. Vorstoss und Rückgang der Gletscher in Deschientich Zeit. 558 $. 10. Vermögen Gletscher erodirend zu wirken? . . a; 596 Ss. 11. Die glacialen Formationen und ihre Besonderheiten . 558 Kapitel IV. Stehende und fliessende Gewässer. . . $. 1. Seen . Ä 568 $S. 2. Genetische Klassifikation der Seen } lo, $. 3. Sümpfe und Moore ...976 $. 4. Quellen . 578 $.5. Flüsse und Bäche i 593 S. 6. Spezielle Flussbettgestaltungen 601 $. 7. Physikalische und Vorbedingungen der Ueber- schwemmungen 1 .. 604 Kapitel V. Allgemeine Morphologie der Erdoberfläche. $. 1. Definition des Wortes Morphologie 0 $. 2. Die Frage nach der Konstanz der Weltmeere und Kontinente . 614 $. 3. Die innere Mechanik der sich abkühlenden Erdkruste und die Faltung } 616 S..0 Der Zusammenhang der Erdgebirge unter einander 628 $. 5. Erosion und Verwitterung . 630 $. 6. Entstehung der Thäler, Flussterrassen und Tiefländer . 636 $. 7. Steppen- und Wüstenbildung . 640 S. 8. Zoogene Bildungen a 642 Anhang (Neunte Abtheilung). Biologie und physische Erdkunde in Wechselwirkung. $. 1. Anthropogeographie 648 $. 2. Thiergeographie 651 $. 3. Pflanzengeographie 653 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Kapitel 1. Magnetismus und Elektricität in den oberflächlichen Erdsckichten. $S. 1. Attraktive Wirkungen von Gesteinsmassen. Wenn wir im - weiteren Verlaufe dieser Abtheilung an die Schilderung der Erde als eines magnetischen Körpers heranzutreten gedenken, so haben wir strenge darauf zu achten, dass nicht das magnetische Verhalten der Erdkugel mit demjenigen verwechselt werde, welches sich auch an gewissen Bestandtheilen der Erdoberfläche und der Erdkruste kon- statiren lässt. Diese bisher vielleicht zu wenig beachteten Erschei- nungen des Gesteinsmagnetismus bedürfen somit einer vorläufigen Untersuchung, welche ihnen in Kürze zu Theil werden soll. Die Fabel, dass es irgendwo auf der Erde Magnetfelsen von un- geheuerlicher Kraft gäbe, welche alle in ihren Bereich gelangenden Fahrzeuge unwiderstehlich an sich rissen, reicht nach den von H. Martin hierüber angestellten Untersuchungen bis in ein hohes Alterthum hin- auf, wie denn selbst der vorsichtige Ptolemäus sich nicht enthalten konnte, den Ort dieser Felsen, genau nach Länge und Breite fixirt, in die Nähe der Insel 'Taprobane (Ceylon) zu verlegen [1]. Dass Araber und Talmudisten diesen, wie jeden anderen physikalischen My- thus sorgfältig pflesten, kann bei deren uns bereits bekannten Ge- pflogenheiten nicht Wunder nehmen, und auch im Abendlande gab es der Gläubigen genug. Nach Peschel hätte der sagenhafte Magnet- berg eigentlich aus Diamant bestanden, dem ja Plinius dieselben Eigenschaften, ‚wie dem Magneteisenstein, zuschrieb [2]; des Ferneren führt Peschel aus einer alten Chronik die Nachricht an [3], dass Herzog Ernst von Bayern bei einer Reise in’s heilige Land auf einen unterseeischen Magnetberg aufgefahren und nur schwer wieder davon losgekommen sei. Auch die Chinesen wussten von einer solchen Ge- fahr für die Schifffahrt, die ihren Sitz an der Küste von Cochinchina habe. Allmählig bildete sich, nachdem Ruysch in der „Margarita Günther, Geophysik. II. Band. 1 & 2 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. philosophica* mit gutem Beispiele vorangegangen war, aus solchen Wahnvorstellungen die richtigere Ansicht heraus, dass allerdings auf der Erde ausgezeichnete Punkte vorhanden seien, welche jedoch nicht sowohl attraktiv, als vielmehr direktiv auf gewisse Metalle wirkten. Poggendorff schildert diesen nicht unwichtigen Entwickelungsprocess, wie folgt [4]: „Im Allgemeinen glaubte man, es sei die Anziehung eines Punktes am Himmel, welche der Magnetnadel ihre Richtung gebe; das war u. a. die Ansicht des Columbus. Der berüchtigte Paracelsus verlegte diesen Punkt in das Sternbild des grossen Bären, dasselbe that Cardano, und Martin Cortez liess den Anziehungs- punkt am Himmel sich bewegen. Norman hatte nun insoferne eine richtigere Anschauung, als er den anziehenden Punkt in die Erde ver- legte, eine Ansicht, in der er einigermassen einen Vorgänger in dem berühmten Arzt und Mathematiker Fracastoro zu Verona hatte, in- dem derselbe in den nördlichen hyperboreischen Gegenden Gebirge mit gewaltigen Eisenmassen fingirte, welche auf die Kompassnadeln wirken sollten. Aehnliches sagte Olaus Magnus aus, ein Schwede, der von 1490 bis 1558 lebte und in Rom starb. Derselbe fabelte, es wären am Nordpol ganze Berge, die einen solchen Magnetismus äusser- ten, dass man daselbst nur Schiffe mit hölzernen Nägeln brauchen könne, indem eiserne Nägel aus den Schiffsplanken herausgezogen würden.“ Späterhin überzeugte man #ich, dass es an sehr vielen Orten der Erde Gestein gebe, welchem ein gewisses, meist jedoch nur geringes Maass von magnetischer Anziehungskraft zukommt. So hat Hibbert in seiner „History of the extinet volcanos of the basin of Neuwied“ mehrfache hierher gehörige Beobachtungen verzeichnet. Man darf, wenn eine Felsmasse direkt anziehend auf Eisen wirkt, ohne doch zu- gleich die im nächsten Paragraphen zu schildernden Eigenschaften her- vortreten zu lassen, fast stets annehmen, dass in der Nähe solides Magneteisenerz oder aber Magnetkies in grösserer Menge vorhanden ist. Das erstgenannte Mineral findet sich z. B. in Kleinasien unweit der Stadt Magnesia, und der Naturdichter Lucilius leitet von ihr den Namen des Erzes ab [5] („quem magneta vocant patrio de nomine Graii*); neuerdings hat man bei Luleä in Lappland einen wirklichen Magneteisenberg von wahrhaft riesenhaften Dimensionen aufgefunden [6]. Der Magnetkies (namentlich derjenige von Bodenmais im bayrischen Walde) bewährt sogar durch längere Zeit eine gewisse magnetische Koereitivkraft, wie Streng [7] nachwies. Aus einem im mittleren Böhmen sich vorfindenden Gemenge von Pyrit und Magnetkies ver- mochte Safränek [8] durch Vorhalten eines Magnetstabes Splitter herauszuziehen, welche sich nachher in Salzsäure auflösten. Auch im Schneewasser-Rückstande kommen kleine Eisenkügelchen mit schwach magnetischen Eigenschaften vor. Einer Notiz von Flögel [9] entnehmen wir, dass bereits 1849 Ehrenberg auf die- selben aufmerksam wurde, und dass sodann Daubr6e und Silvestri sich mit ihnen beschäftigten. Nordenskiöld ist (vgl. Band I, S. 90) der Ansicht, dass diese magnetischen FEisenpartikelchen nicht sowohl tellurischen, als vielmehr kosmischen Ursprunges seien [10], und Tis- sandier verstärkt die Hypothese, nach welcher man darin Frag- mente von Meteorsteinen zu erblicken hätte, noch durch den Hinweis I, $S. 2. Die polare Richtkraft der Gesteinsmassen. 3 darauf, dass Pulver aus irdischem Eisen, man möge es herstellen, wie man wolle, nicht jene eigenthümliche "geometrische Regelmässigkeit der mikroskopischen Körner wahrnehmen lasse, wie sie sich hier offen- bare [11]. Immerhin scheinen uns die von Flögel (a. a. O.) ge- äusserten Bedenken gegen diese Meinung und auch gegen Norden- skiöld’s Untersuchungsmethode gewichtig genug, um dringend zu erneuter Prüfung aufzufordern. $S.2. Die polare Richtkraft der Gesteinsmassen. Bisher war aus- schliesslich von den manchen Gesteinsarten eigenthümlichen Anziehungs- kräften die Rede. Ungleich wichtiger ist jedoch natürlich die Polari- tät der Felsen, welche eine in ihre Nähe gebrachte Magnetnadel von der Nordrichtung ablenkt und auch praktisch für den mit der Boussole arbeitenden Geodäten von Bedeutung werden kann; den Mitgliedern der deutschen Polarstationen wurde deshalb die ausdrückliche Instruk- tion ertheilt [12], die Umgebungen ihrer Observatorien vor deren Er- bauung sorgfältig auf einen etwaigen magnetischen Lokaleinfluss zu untersuchen. Nachfolgend stellen wir die bisherigen — leider fast durchweg nur aphoristischen und nicht unter einander verglichenen — Beobachtungen über die direktiven Wirkungen der Gesteine zusammen. Nachdem schon mehrfach in der zweiten Hälfte des XVII. Jahr- hunderts — so von Bouguer, A. Werner, Charpentier, Hardt u.a. — gelegentlich einige Bemerkungen dieser Art veröffentlicht worden waren, nahm A. v. Humboldt zuerst am Serpentin des Heidberges im Fichtelgebirge gründliche Studien vor [13], deren Ergebniss er dahin fixirte, dass dieser Fels, wo er am Nordabhang des Berges auf- trete, nur Südpole, am südlichen Abhang dagegen blos Nordpole zeige, ' und dass nicht nur eine einzige, sondern eine ganze Reihe magneti- scher Axen existire, welch’ letztere jedoch nicht sämmtlich in der nämlichen Ebene gelegen seien. Die Physiker und Montanisten nahmen die Wahrnehmung Humboldt’s mit einem die Bedeutung derselben weit übersteigenden Interesse auf; Uebersetzungen seiner Note er- schienen in Nicholson’s Journal, in den „Ann. de chimie* und in dem „Journ. de phys.“, und der 1. Band des „N. bergm. Journ.“ brachte sogar eine Sammlung darauf bezüglicher Aktenstücke von Humboldt, Charpentier und Freiesleben. Ersterer hatte also erreicht, was er eigener Aeusserung zufolge durch seine Veröffent- lichung hatte erreichen wollen: „eine Bombe unter die Menschen zu werfen, die sie anreizt, zu arbeiten.“ Bischof, der auf seiner gemein- sam mit Goldfuss unternommenen Studienreise (vgl. Band I, S. 28) natürlich sein besonderes Augenmerk auf diese Verhältnisse richtete, fand im Allgemeinen Humboldt’s Wahrnehmungen bestätigt, stellte aber fest, dass der ablenkende Einfluss des Gebirgsstockes nicht allein auf polaren Serpentin, sondern zugleich auf polaren Hornblendeschiefer zurückzuführen sei [14]. Im Jahre 1808 fand J. Zimmermann [15], dass der Frankensteiner Schlossberg bei Darmstadt, wesentlich aus grünem Serpentin bestehend, gleich stark attraktiv und direktiv auf den Magnet wirke, und dass selbst kleine Splitter des Steines sich polar bethätigten*). Reuss entdeckte polare Schichten bei Bilin im *) Förstemann (8. u.) bestreitet allerdings die Richtigkeit von Zimmer- 4 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. böhmischen Mittelgebirge, Haug in Südfrankreich, Reich bei Frei- berg, Nöggerath ebensolche bei Adenau in der Eifel, und durch letztere Entdeckung fühlte sich Förstemann angeregt, in einer an interessanten Bemerkungen reichen Abhandlung [16] die Polarität der vulkanischen Gesteinsarten im letztgenannten Gebirge umfassender zu erforschen. Hauptsächlich waren es die Basaltsäulen von Nuyrburg, die sich als ächt polar erwiesen, indem nämlich an jedem abgeschlage- nen Handstücke gleich wieder Nord- und Südpol zu unterscheiden waren. Wohl am meisten aber haben gewisse merkwürdige Gesteins- bildungen im Harz, die „Schnarcher* und die „Hohneklippen“, von sich reden gemacht. v. Trebra und v. Zach hatten halb zufällig gefunden, dass einzelne Punkte des Schnarcherfelsens polar sich äusser- ten; daraufhin suchte Vieth planmässig nach und erkannte einen ganzen Längsstreifen als mit magnetischer Richtkraft begabt [17]. Wächter’s Bemühungen, eigentliche Gesetzmässigkeit in den magne- tischen Kraftäusserungen der verschiedenen Gesteine jener Gegend nachzuweisen [18], hatten wenig Erfolg, während J. L. Jordan [19] in eingesprengtem Magneteisenstein den wahren Grund der Richtkraft erkannt zu haben glaubte. Melloni, der sich eingehend mit unserem Gegenstande beschäf- tigte und u. a. auch die Lava den polarmagnetischen Mineralien zu- gesellte, gab ein eigenes Instrument zur Vornahme derartiger Unter- suchungen an [20]. Es ist dies das Magnetoskop, ein astatisches Nadelsystem*), dessen Nadeln jedoch länger und weiter von einander entfernt genommen werden müssen, als bei einem gewöhnlichen Galvano- meter. Aehnliche Zwecke zu erreichen hatte sich bereits Le Baillif [22] mit seinem Sideroskop vorgesetzt, welches jedoch durch die Kom- bination dreier Nadeln schwerlich an Empfindlichkeit dem Magnetoskope gegenüber einen Vorrang behauptet haben dürfte**). 8.3. Theoretische Erörterungen über die Polarität. Selbstverständ- lich hat es nicht an Versuchen gefehlt, sich über die im vorigen Para- mann’s mineralogischer Bestimmung und giebt im Gegentheile an, dass Suckow als Hauptbestandtheil des Frankensteiner Massives einen durch Syenit empor- getriebenen Diorit-Stock erkannt habe, der von chromhaltigem Magneteisen voll- ständig durchsetzt sei. In der That ist die attraktive Wirkung des Serpentines eine verschwindende., *) Astatisch nennt man jede Verbindung von Magnetnadeln, durch welche die Richtkraft des Erdmagnetismus neutralisirt wird; die analytische Theorie ent- wickelt Rüter [21]. **) Ausführlich verbreitet sich auch Muncke [23] über das Sideroskop und die theilweise hochgehenden Erwartungen, welche von manchen Seiten an Werk- zeuge dieser Art geknüpft wurden. Namentlich weist er hin auf J. W. Ritter's, des Romantikers unter den Physikern, Konstruktion eines ähnlichen Instrumentes, welches zur Auffindung verborgener metallischer Lagerstätten dienen sollte. Die Wünschelruthe, das Schwefelkiespendel und derartige Dinge beherrschten in dem ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts vielfach das Feld der Diskussion, zumal nachdem auch die Naturphilosophen Schelling’scher Observanz sich dafür zu begeistern begonnen hatten. Es war deshalb ein wohlthätiges Werk des verdienten L. W. Gilbert, in einer Reihe kritischer Darlegungen jenen Versuchen das er- borgte Gewand sublimer Wissenschaftlichkeit abzustreifen und die Forschung in bessere Bahnen zurückzuleiten [24]. Eine höchst sonderbare Theorie der unter der Einwirkung metallischer Stoffe zu beobachtenden Pendelbewegungen wurde von Knoch [25] aufgestellt. I, $. 3. Theoretische Erörterungen über die Polarität. us graphen gekennzeichneten Erscheinungen auch unter dem theoretischen Gesichtspunkte klar zu werden, doch ist bis jetzt nicht sehr viel dabei herausgekommen. Freilich ist aber auch der hier in Frage kommende Komplex von Thatsachen ein äusserst verwickelter, da ein tieferes Eindringen in das Innere der magnetischen Massen sich meistentheils verbietet. Wie unregelmässig die Wirkungen sich. häufig gestalten, erhellt aus Fig. 1, welche (nach Förstemann) einen Lavablock der Eifel vorstellt; die Pfeile deuten die Rich- tungen an, in welchen die um die Peri- Fig. 1. pherie des Blockes herumgeführte Magnet- nadel sich an den einzelnen Punkten einstellt. Freiesleben glaubte, wie Hum- boldt (a. a. O.) anführt, dass ein Blitzschlag den Granit, aus welchem die Schnarcher bestehen, magnetisch gemacht habe. Hum- boldt selbst eignet sich diesen Erklärungs- versuch seines Freundes nicht an, vielmehr hält er dafür, dass alle mit Richtkraft aus- gestatteten Felsmassen mit wirklichem Masnetstein, Eisenkalk u. dgl. „tingirt“ sein müssten, weil sonst das magnetische Verhalten der Bruchstücke unerklärlich bliebe. „Man sieht hier,“ sagt er (a. a. O.), „recht eigentlich (wie es Coulomb’s Theorie annimmt) ein Fossil, das bis in die kleinsten Molecules aus einzelnen Magneten zusammengesetzt ist.“ Melloni vermeinte zwischen der ablenkenden Kraft der Gesteine und den sonstigen magnetischen Fernewirkungen einen durchgreifenden Unterschied konstatirt zu haben, indem jene erstere Kraft sich nicht unbegrenzt in den Raum erstrecke, sondern in einem gewissen Abstand völlig zu wirken aufhöre. Wenn er jedoch diesen Abstand der „Magnet- kraft der angewandten Instrumente“ proportional setzt, so scheint er damit doch nur zu bestätigen, dass der Unterschied kein qualitativer, sondern lediglich ein quantitativer ist. Am gründlichsten waren offen- bar Bischof’s Untersuchungen; er theilte die von ihm durchgeprobten Serpentine in vier Klassen („polarische, retraktorische, polarisch-retrak- torische, unmagnetische*) ein und formulirte das folgende Gesetz: Die Entfernungen der Magnetnadel vom Gesteine verhalten sich, wie die Kotangenten der Ablenkungswinkel [26]. Melloni’s Er- fahrungen vertragen sich hiemit ganz gut, und es wäre nur zu wünschen, dass der Forschungseifer junger Physiker und Geognosten sich auf dieses wenig bebaute Gebiet richtete, um weiteres Material zur Prüfung der Bischof’schen Formel zu erhalten. Nach Thorpe-Rücker (Note on the irregularities in magnetie inclination on the west coast of Scot- land, Proceed. of the R. Society, Vol. XXXVL, S. 5 ff.) findet die Lokalattraktion nicht etwa blos in horizontalen, sondern auch unter Umständen in vertikalen Ablenkungen ihren Ausdruck, wie denn z.B. auf der Insel Mull die Neigung einer um ihre horizontale Axe dreh- baren Nadel dadurch stark beeinflusst wird. Auffallend gering ist hingegen, wenn Humboldt Recht hat, der von den Alpen auf die Inklinationsnadel ausgeübte Einfluss, während hinwiederum Kreil (2. Band der Wiener Sitzungsberichte) einen recht erklecklichen „Ein- 6 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. fluss der Alpen auf die Aeusserungen der magnetischen Erdkraft“ nachweisen zu können geglaubt hat. Denkt man sich eine Erzlagerstätte von magnetischem Charakter als einen in die Erde versenkten Oylinder von bedeutend überwiegen- der Vertikaldimension, so kann man die Lage des Mittelpunktes dieses Cylinders nach den von Thal&n und Daug gegebenen hegeln be- stimmen [27]. Die schwedischen Gelehrten entnahmen diese Regeln ihren Untersuchungen über magnet-isodynamische Ortsflächen, welche als einfach unendliche Schaar sich um eine aufrecht stehende Magnet- stange herumlegen, und für deren jede die Resultante aus dem Erd- magnetismus und den von beiden Polen ausstrahlenden Attraktions- und Repulsivkräften einen konstanten Werth besitzt. Zweifellos ist dieses Verfahren ein weit sichereres, als das in Maggi’s Schrift „Sopra un uso geognostico del filo voltaico* (Verona 1850) vorgeschlagene, welches für verschiedene Richtungen eine verschiedene Leitungsfähig- keit des Gebirges für den galvanischen Strom konstatiren und so die Lagerungsverhältnisse der Erzgänge erkennen möchte. | S. 4. Elektrisches Verhalten der oberflächlichen Erdschichten. Ebenso wie auf magnetische, reagiren manche Bestandtheile der Erd- kruste und der Erdoberfläche auch auf elektrische Einwirkungen. Wenn auch Martini’s Versuch [28], der Entstehung der Erzlager- stätten einen analogen galvanischen Process als Ursache zu unterstellen, wie er bei der Bildung eines sogenannten Silber- oder Bleibaumes vor sich geht, keinen Anklang finden konnte — so wenig wie Murchison’s sonderbare Idee [29], den Goldreichthum der Gebirge mit den den Erdkörper umgebenden elektrischen Strömen in Beziehung zu setzen —, so lassen doch andererseits Reich’s genaue Versuche [30], denen sich solche der Engländer Fox und Phillips anschlossen, darüber keinen ' Zweifel zu, dass in den Metallgängen der Erdrinde elektrische Lokal- strömungen sich offenbaren. v. Möllendorff behauptete sogar [31], dass der elektrische Zustand der Gesteine, aus welchen eine bestimmte Gebirgskette hauptsächlich besteht, auf die Bewegungen der benach- barten Luftmassen, auf die Bildung von Wolken und Regen nicht ohne Einfluss sei, doch hat van Bebber [32] diese Behauptung auf das Entschiedenste zurückgewiesen. S. 5. Der Erdstrom. Der Umstand, dass das Erdreich ein vor- züglicher Leiter elektrischer und galvanischer Ströme ist, war nament- lich bei v. Steinheil’s glänzender Entdeckung hervorgetreten, dass ınan zum 'Velegraphiren nicht zweier gesonderter Drahtverbindungen bedürfe, dass vielmehr die Rückleitung vom Erdboden selbst besorgt werde, sobald an beiden Endstationen* Metallplatten hinlänglich tief versenkt und mit dem Drahte in leitende Verbindung gebracht wür- den [33]. M. Jacobi war — nach Beetz [34] — gleichzeitig auf denselben Gedanken verfallen. Hieran musste. sich naturgemäss die weitere Fragestellung anreihen, ob nicht auch spontane Erdströme vorhanden seien und durch geeignete Mittel nachgewiesen werden könnten, zumal da inzwischen Ampöre’s bekannte Theorie des Elektro- magnetismus von sich aus das Vorhandensein solcher Ströme wahr- scheinlich gemacht hatte. In diesem Sinne sprachen sich aus Bar- :L, 8. 5. Der Erdstrom. | 7 low [35], Seebeck, welcher unter dem Einflusse der periodisch wechselnden Insolation thermoelektrische Ströme entstehen liess, und Faraday, der den Magnetismus des atmosphärischen Sauerstoffes als das eigentliche Agens nachzuweisen strebte [36]. De la Rive griff [37] auf Seebeck’s Ansicht zurück und suchte die später zu schildernden erdmagnetischen Variationen als von atmosphärischen und terrestri- schen Strömen thermoelektrischer Natur bewirkt hinzustellen. Baum- gartner endlich glaubte die Wechselströme, welche ihm an der Tele- sraphenleitung Wien-Graz entgegengetreten waren, auf einen immer wieder sich erneuernden Austausch zwischen Luft- und Erdelektricität zurückführen zu sollen [38]. Weitaus die umfassendsten Untersuchungen über Erdströme ver- dankt man jedoch Lamont, der an eine von der Sonne bewirkte elektrische Ebbe und Fluth dachte [39]. Um sich Material zur besseren Begründung dieser seiner Auffassung zu verschaffen, forderte er die Telegraphenbeamten zur Anstellung zweckdienlicher Beobachtungen und Messungen auf [40]*) und stellte solche selbst sehr eifrig mittelst einer Erdbatterie **) an, welche er im Garten der Sternwarte zu Bo- genhausen anlegte. Diese Experimente und die aus ihnen abgezogenen Resultate beschrieb er in einer selbstständigen Schrift [42]. Fig. 3 giebt uns eine sche- matische Uebersicht über Lamont’s Verfahren. In A und B sind Metallplatten in den Boden eingesenkt und durch einen Draht CD mit einander verbunden; in diesen Draht ist aber wieder ein Galvanometer G eingeschal- ‚tet, welches aus einer von einer Multiplikator-Rolle um- gebenen feinen Nadel besteht. Solange die Platten einander nahe bleiben, könnte man die von der Nadel signalisirten Ströme ander- weiten elektromotorischen Kräften, etwa einem ungleichen Oxydations- *) Seine Forderungen liefen in der Hauptsache auf folgendes hinaus (Fig. 2): „Erstens soll durch Galvanometerbeobachtungen in C ermittelt werden, ob in einer kürzeren Linie AB und in einer ‚längeren der Richtung nach übereinstim- Fig. 2. menden Linie ab derselbe Strom sich be- wegt; zweitens soll ermittelt werden, ob in der Linie AB und in einer parallelen aber seitwärts gelegenen Linie de derselbe Strom sich bewegt (dass es keinen Unter- ‚schied macht, ob hiebei die Leitung direkt von d nach e oder von d nach C und von da nach e geht, kann wohl als vollständig konstatirt angenommen werden); drittens soll ermittelt werden, ob die Tiefe der ' Erdplatten in der Beschaffenheit oder in der Intensität des Stromes einen Unter- schied hervorbringt.“ =) Eine Versuchsreihe mit Erdbatterieen besitzt man auch von R. Wolf [41]. 8 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. zustande der Platten, auf Rechnung setzen; da aber ein Gleiches ein- tritt, wenn auch die Platten bis zu 170 m von einander entfernt werden, so bleibt als einzige Erklärung die Annahme eines wirklichen Erdstromes übrig. Die in den Boden eingesenkten Galvanometer ver- zeichnen, wie Lamont ausdrücklich hervorhebt, nicht sowohl den Erdstrom selber, sondern blos dessen Wellen [43]; die magnetischen Instrumente thun diess zwar auch, allein sie geben weit kräftigere Ausschläge. Da ein künstlich hervorgebrachter Erdstrom sich ganz in gleicher Weise bethätigte, so gelangte Lamont zu folgender Theorie: Werden dem innerhalb der Erde sich fortpflanzenden Strome zwei Leitungen dargeboten, eine kürzere metallische mit begrenztem Quer- schnitte und eine längere (Erd-)Leitung mit unbegrenztem Querschnitte, so geht der Strom im ersten Augenblicke durch die erstgenannte, tritt aber dann sehr bald in die zweite über; und durch diese Ex- pansion in die Tiefe wird die Stromwirkung auf die magnetischen Instrumente nicht beeinträchtigt. Neuerdings soll Wild bei kürzeren Entfernungen die Nothwendigkeit der Unterscheidung zwischen Erd- plattenstrom und eigentlichem Erdstrom gefühlt haben; um letz- teren in magnetisch ruhigen Zeiten zu erkennen, bedürfe es einer Leitung von allermindestens fünfzig Kilometer Länge [44]. Schering scheint sogar die Erkennbarkeit solcher kurzer Ströme gänzlich in Abrede stellen zu wollen [45]. — Die Variationen der magnetischen Elemente werden uns im übernächsten Kapitel Gelegenheit geben, auf Lamont’s Hypothese von dem kosmischen Ursprung des Erdstromes zurückzukommen. [1] Martin, Observations et theories sur les attractions et les repulsions magnetiques et sur les attractions &lectriques, Rome 1865. $. 3 ff. — [2] Caji Plinii Secundi historiae naturalis lib. XXXVIL cap. 16. — [3] Peschel, Abhand- lungen zur Erd- und Völkerkunde. herausgeg. von Löwenberg, 1. Band, Leipzig 1877. S. 44 ff. — [4] Poggendorff, Geschichte der Physik, Leipzig 1879. $. 138. — [5] Lucilii De rerum natura lib. VI. v. 908. — [6] Wallentin, Eisensteinlager in Lappland, Humboldt, 3. Jahrgang. S. 150 ff. — [7] Streng, Beitrag zur Kenntniss des Magnetkieses, 21. Bericht der oberhess. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde, 1882. S. 15 ff. — [8] Safränek, Ueber den Beresit-ähnlichen Fels von Tabor, Sitzungsber. d. k. böhm. Gesellsch. d. Wissensch., 1881. S. 170. — [9] Flögel, Ueber den eisenhaltigen Staub im Schnee, Gaea, 19. Jahrgang. S. 595 ff. — [10] Nordenskiöld, Ueber den kosmischen Staub, der mit atmosphärischen Nieder- schlägen auf die Erdoberfläche herabfällt, Ann. d. Phys. u. Chem., 151. Band. S. 154 ff. — [11] Tissandier, Sur l’existence de corpuscules ferrigineux et magne6- tiques dans la poussiere atmospherique, Compt. rend. de l’acad. franc., tome LXXXTI. S. 576 ff. — [12] Börgen, Die internationalen Polarstationen, (Bremer)Geogr. Blätter, 5. Band. $S. 299. — [13] A. v. Humboldt, Ueber die merkwürdige magnetische Polarität einer Gebirgskuppe von Serpentinstein, (Gren’s) Neues Journal d. Phys., 4. Band. $. 136 ff. — [14] Bischof, Beobachtungen über die magnetischen Eigen- schaften einiger Gebirgsarten des Fichtelgebirgs, (Schweigger’s) Journal f. Chem. n. Phys., 18. Band. $. 297 ff. — [15] J. Zimmermann, Ueber eine neue magne- tische Gebirgsart, Ann. d. Phys., 28. Band. $. 483. — [16] Förstemann, Ueber das magnetische Verhalten der Basalte und Laven der Eifel, Verhandl. d. naturw. Vereins d. preuss. Rheinlande, 1. Jahrgang. $. 4 ff. — [17] Vieth, Die Schnarcher, Monatl. Korresp. z. Bef. d. Erd- u. Himmelsk., 18. Band. $. 305 ff. — [18] Wäch- ter, Neue Beobachtungen über magnetische Granitfelsen auf dem Harze, Ann. d. Phys., 5. Band. S. 376 ff. — [19] Jordan, Erklärung der magnetischen Erschei- nungen im Harzer Granite, ibid. 26. Band. $. 256 ff. — [20] Melloni, Ueber den Magnetismus der Gesteine, Monatsber. d. k. pr. Ak. d. Wissensch., 1854. S. 10 ff. U, $S. 1. Die magnetische Richtkraft des Erdkörpers. 9 — [21] Rüter, Die Gleichgewichtslage und Bewegung eines nahezu astatischen Nadelpaares, Itzehoe 1877. — [22] Le Baillif, Ueber die Konstruktion des Sidero- skopes und die damit in Bezug stehenden neuen Thatsachen, Ann. d. Phys., 10. Band. S. 507 ff. — [23] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, Neue Auflage, 8. Band, Leipzig 1836. S. 759 ff. — [24] Gilbert, Kritische Aufsätze über die in München wieder erneuerten Versuche mit Schwefelkiespendeln und Wünschel- ruthen, Halle 1808. — [25] Knoch, Ueber Pendelschwingungen, Ann. d. Phys. u. Chem., 27. Band. S. 360 fi. — [26] Bischof, Beobachtungen etc., S. 310 ff. — [27] Thalen, Om de isodynamiska ytorna kring en vertikal magnetstäng; Daug, Redogörelse för formen hos de isodynamiska ytorna kring en vertikal mag- netstang, Öfversigt af K. Vetenskaps-Akademiens Forhandlingar, 1874. N. 5. — [28] Martini, Wahrscheinlicher Antheil des Erdmagnetismus an der Beschaffenheit der Lagerstätten von Metallen, Ann. d. Phys., 12. Band. $. 333 ff. — [29] Peschel- Leipoldt, Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1879. S. 10. — [30] Reich, Ueber elektrische Strömungen auf Erzgängen, Ann. d. Phys. u. Chem., 48. Band. $. 287 ff. — [31] v. Möllendorff, Die Regenverhältnisse Deutschlands, Görlitz 1862. S. 97 ff. — [32] van Bebber, Die Regenverhältnisse Deutschlands, München 1877. S. 36. — [33] v. Steinheil, Ueber Telegraphie, insbesondere durch galvanische Kräfte, München 1838. — [34] Beetz, Der Antheil der k. bayrischen Akademie an der Entwickelung der Elektricitätslehre, München 1873. $S. 31. — [35] Barlow, On the probable electrie origin of all the phenomena of terrestrial magnetism, Philos. Transact.,. 1831. I. S. 99 ff. — [36] Faraday, Experimental researches in electricity, Philos. Transact., 1846. S. 400 ff. — [37] De la Rive, Traite de l’electrieit& th&o- rique et appliquee, Vol. III, Paris 1858. S. 280 ff. — [38] Baumgartner, Ueber die Wirkung der natürlichen Elektrieität auf die Drähte elektromagnetischer Tele- sraphen, Ann. d. Phys. u. Chem., 76. Band. S. 135 ff. — [39] Lamont, Ueber die Ursache der täglichen regelmässigen Variationen des Erdmagnetismus, ibid. 76. Band. S. 67 fi. — [40] Lamont, Aufforderung zu Beobachtungen über Erdströme, Zeitschr. d. d. u. öst. Telegraphenvereines, 8. Jahrgang. S. 136 ff. — [41] R. Wolf, Beob- achtungen an einer Erdbatterie, Mittheil. d. naturf. Gesellsch. zu Bern, 1855. S. 127 ff. — [42] Lamont, Der Erdstrom und der Zusammenhang desselben mit dem Magnetismus der Erde, Leipzig 1862 — [43] Lamont, Der Erdstrom, Zeitschr. d. d. u. öst. Telegraphenvereines, 9. Jahrgang. S. 238. — [44] Beobachtung der Erdelektrieität in kürzeren Leitern, Naturforscher, 17. Jahrgang. S. 2 fi. — [45] Schering, Beobachtungen an Erdströmen, Göttingen 1884. Kapitel 11. Der Erdmagnetismus und die drei ihn bestimmenden Elemente, $. 1. Die magnetische Richtkraft des Erdkörpers. Der Entdecker dieser Kraft und damit auch des sogenannten Erdmagnetismus ist der uns aus dem ersten Bande (S. 14) bekannte William Gilbert, dessen Hauptwerk [1] in der That schon die wichtigsten Sätze über die Abhängigkeit des magnetischen Verhaltens der Körper von ge- wissen geographischen Faktoren in sich enthielt. Er begnügte sich nicht damit, Einzelheiten der magnetischen Kraftäusserung unseres Wohnkörpers nachzuspüren, sondern er stellte sofort den Satz auf, dass die Erde ein wirklicher Magnet sei, ganz ebenso begabt mit Polen, wie man solche bei einem gewöhnlichen Stahlmagneten beobachte; zum Nachweise für diese Thatsache sollte ihm eine magnetisirte Stahl- kugel, eine sogenannte Terrelle, dienen [2]. Dass dieser Erdmag- netismus, wie man seitdem die fragliche Kraft unseres Planeten 10 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. nannte, aus der Axendrehung des letzteren resultire, leugnete Gil- bert [3]. Wie korrekt er auch sonst über diese Fragen dachte, mag der Umstand bezeugen, dass er aus einer ganz zufällig in Italien ge- machten Beobachtung — die Stange einer Thurmfahne war ganz von selbst magnetisch geworden — sofort ein richtiges Verfahren herleitete, jeden Eisenstab dadurch in einen Magneten zu verwandeln, dass er den irdischen Magnetismus in geeigneter Weise auf ihn einwirken liess [4]. Gilbert’s Werk gab den Anstoss zur Begründung einer neuen erdphysikalischen Disciplin, welche im Laufe der nächsten zwei Jahrhunderte unter den Händen eines Gellibrand, Leibniz, Halley, Wilcke, Tob. Mayer, L. Euler — um nur die Namen einiger be- sonders ausgezeichneter Forscher anzuführen — sich mehr und mehr vervollkommnete. Leibniz sowohl, wie auch besonders der Altdorfer Physiker Sturm, der für seine Idee in einer besondern Schrift [5] eintrat, huldigten bereits der zutreffenden Auffassung, dass ein System über den ganzen Erdkreis sich erstreckender, korrespondirender Be- obachtungen erforderlich sei*). Das erste Viertel des gegenwärtigen Jahrhunderts zeichnete sich durch einen besonders rapiden Fortschritt aus: A. v. Humboldt stellte der Forschung ein unendlich reichhaltiges und alles Frühere an Korrektheit weit hinter sich lassendes Material zur Verfügung**), Hansteen erweiterte dasselbe noch durch Reisen im nördlichen T'heile der alten Welt und gab zugleich in einem grosssen Werke [8] eine systematische Darstellung des damaligen Gesammt- wissens — eine Darstellung, die 20 Jahre fast das Terrain beherrschte und erst dann in den Hintergrund treten musste, als der erste Mathe- matiker unserer Zeit, ©. F. Gauss, mit seinen eine neue Periode einleitenden Arbeiten hervorkam. Wir werden uns mit diesen in den nächsten Abschnitten noch mehrfach zu beschäftigen haben; vor- läufig sei nur erwähnt, dass dieselben durch den Herausgeber der (rauss’schen Werke, Schering, fast sämmtlich in deren fünftem Bande vereinigt wurden, dass aber schon vorher die meisten derselben in den verschiedenen Bänden eines von Gauss in Verbindung mit W. Weber veröffentlichten Sammelwerkes [9] enthalten waren. An- wendungen und Verfeinerungen der Gauss’schen Methoden und Theo- rieen beschäftigen noch heute die Fachmänner mehr denn genug. Am eifrigsten ist in den Fussstapfen des Meisters wohl Lamont dahinge- wandelt, von welchem neben einer sehr hübschen populären Einleitung in die Lehre vom Erdmagnetismus [10] auch zwei vertreffliche Kom- pendien für Weiterstrebende [11] verfasst wurden. Eine gute Dar- stellung des Wissenswürdigsten bietet auch Bessel’s Vortrag [12] „Magnetismus der Erde“; von neueren Literatur-Erzeugnissen genereller Natur möchte besonders die durch Tietjen in unsere Sprache übertragene Schrift [13] des englischen Astronomen Airy hervorzu- heben sein, Nachdem wir so in freilich sehr grossen Zügen den Entwicke- *) Nicht blos an die in China wirkenden Jesuiten-Missionäre, sondern auch an Czar Pkter wendete sich Leibniz in einem Briefe vom 21. November 1712; A, v. Humboldt [6] verbreitet sich näher über die dort gemachten Vorschläge. **) Wir verweisen auf die zusammenfassende Würdigung, welche Wiede- mann [7] den Humboldt’schen Leistungen auf erdmagnetischem Gebiete an- gedeihen liess. U, $. 2. Die Nordweisung der freischwebenden Magnetnadel. 11 lungsgang unseres Wissenszweiges geschildert haben, müssen wir auf die sich jetzt von selbst darbietende Frage antworten: Ist Gilbert nicht allein unter dem systematischen Gesichtspunkte als Begründer der Lehre vom Erdmagnetismus zu betrachten, resp. auf welcher empirischen Grundlage baute er sein System auf? Im Wesentlichen war es nur ein einziges Instrument gewesen, dessen Betrachtung die geringe Menge von Thatsachen, welche Gilbert vorfand, geliefert hatte, allein eben dieses Instrument war zugleich das wichtigste der Nautik und eines der wichtigsten unter denjenigen, welche man als zum eisernen Bestande der Erdphysik gehörig ansehen muss, es war die Boussole oder der Kompass (italienisch Calamita). | S. 2. Die Nordweisung der freischwebenden Magnetnadel. Die Entdeckung, dass eine magnetisirte Stahlnadel, welcher innerhalb der Horizontalebene völlige Bewegungsfreiheit gegeben ist, sich stets so einstellt, dass ihre Längsaxe annähernd mit der Südnordrichtung zu- sammenfällt, reicht in ziemlich frühe Zeiten hinauf. Klaproth machte es wahrscheinlich |14], dass die Boussole — und zwar in der Form länglicher Magnetstückchen, die man auf einen im Wasser schwimmen- den Halm legte — bereits unter der chinesischen Dynastie der Thsin in Gebrauch gewesen sei (265—419 n. Chr.). Aus China mag durch den gerade im späteren Mittelalter sehr lebhaft gewordenen Handels- verkehr die Nadel ihren Weg zu den Sarazenen gefunden haben: aus einer Anweisung zur KEdelsteinkunde, die Bajlak im Jahre 1282 unserer Zeitrechnung niederschrieb, eitirt Klaproth (a. a. OÖ.) die folgende Stelle: „Unter den Eigenschaften des Magnetsteines ist zu erwähnen, dass die Seefahrer an der syrischen Küste sich in finsteren Nächten, wenn die Beobachtung der Sterne nicht mehr möglich ist, einer Nadel bedienen, welche in einem mit Wasser gefüllten Gefässe durch Kork schwimmend erhalten wird und die Südrichtung anzeigt.“ Dafür jedoch, dass nun wieder die Araber den Öceident mit der er- probten Vorrichtung bekannt gemacht hätten, fehlt nach Ruge [15] jedweder Beleg; selbst Marco Polo scheint von jener keine Kunde besessen zu haben, wiewohl man in China der magnetischen Wagen, wie man sich ausdrückte, nicht allein auf dem Meere, sondern auch bei’m Durchwandern der Wüsten und Steppen sich bediente. Die Historiker, unter welchen wir uns neben Ruge hauptsächlich auch an Gelcich [16] halten, scheinen darüber einig zu sein, dass der Dichter Guiot de Pro- vins, "dessen Poöm um 1190 entstanden sein mag, und der Scholastiker Alexander Neckam die ersten Abendländer waren, welche der Nord- weisung der Magnetnadel als einer bekannten Sache Erwähnung thun. Bald darauf gedenkt Lullo derselben als „stella maris* in seinem '„liber de contemplatione*, Jacques de Vitry erinnert sich, ihrer zuerst als Theilnehmer des vierten Kreuzzuges ansichtig geworden zu sein, und Latini, der seltsamerweise nicht etwa an dem heimischen Gestade des tyrrhenischen Meeres, sondern bei dem ihm befreundeten Roger Bacon die erste Boussole gesehen zu haben scheint, spricht sich darüber sehr bestimmt im „Tesoro* aus: „Prendete una pietra di calamita, voi troverete, che ella ha due faccie, I’una qui giace verso una tramontana, l’altra verso l’altra, e perö sarebbero i marinari be- fatti, se ellino non prendessero garduia.“ 13 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Den vielfach falsch aufgefassten Antheil, den Flavio Gioja aus Amalfi an der Erfindung des Schiffskompasses nahm, hat Breu- sing [17] zuerst richtig aufzufassen gelehrt, man müsste denn die richtige Auffassung bereits in eine allerdings beachtenswerthe Stelle bei Riecioli hineininterpretiren wollen [18]. Der Sachverhalt ist in Kürze dieser. Wenn, wie wohl angenommen werden darf, die ersten Boussolen in einem cylindrischen Kästchen bestanden, in dessen Innerem die Nadel auf feiner Spitze über einer auf dem Boden verzeichneten Strichrose *) spielte, so konnte mit diesem Apparate, falls er unver- riickt feststand, wohl die Nordrichtung erkannt und festgehalten werden. Auf dem schwankenden Schiffe dagegen war damit nicht das Mindeste erreicht, und Gioja scheint eben auf den ebenso einfachen wie geist- vollen Gedanken verfallen zu sein, den Theilkreis auf der schwingen- den Nadel selbst zu befestigen. Möglicherweise kannte derselbe auch schon jene Aufhängung des Kompasses, deren Cardan zuerst im Drucke erwähnt (I. Band, S. 233); wäre diess der Fall, so hätte die nautische Praxis der Folgezeit zu Gioja’s Neuerungen nichts Erheb- liches mehr hinzuzufügen gewusst. Nur in dem Einen Punkte war man früherhin machtlos, dass man nicht verstand, mechanisch oder rechnerisch den Ablenkungen zu begegnen, welche die in jedem Schiffe vorkommenden und meist sehr unregelmässig vertheilten Eisenmassen des Schiffes für die Magnetnadel im Gefolge haben. $. 3. Kompassdeviation. Wie Gelcich [19] berichtet, war Flinders der Erste, welcher auf diese sogenannte Deviation der Magnetnadel aufmerksam wurde und zugleich ihre Ursache klar er- fasste; dieselbe sollte dem Sinus des Kurswinkels proportional sein, und damit sollte die Differenz zwischen dem zu berechnenden und dem wirklichen Stande der Nadel bei meridionaler Richtung so gut wie verschwindend, bei darauf senkrechter Bewegungsrichtung hin- gegen ein Maximum sein. Uebrigens schlug Flinders auch bereits vor, die ablenkende Wirkung durch einige im Achtertheile des Schiffes angebrachte vertikale Eisenstangen einfürallemal zu neutralisiren, und damit eröffnete er ein zwar dem Umfange nach kleines, aber doch für intensive Bearbeitung sehr geeignetes Spezialgebiet der Navigations- kunde, welches in Gelcich einen fleissigen Geschichtschreiber ge- funden hat [20]. An ihn lehnt sich natürlich auch unser eigener ge- drängter Bericht an. Scaramella versuchte zuerst die Boussole selbst zu kompen- siren, Barlow aber schloss aus seinen Versuchen über induceirten Magnetismus, dass es möglich sein müsse, einen Punkt auf dem Schiffe auszumitteln, in welchem eine Kugel oder Scheibe von weichem Eisen der Deviation gerade die Wage hielte; er formulirte bei dieser Ge- legenheit auch den Satz [21], „that the tangents of the angles of deflection are inversely as the cosines of the dip*. Darauf hin ent- warf Airy, von der englischen Admiralität mit genauer Prüfung der Angelegenheit betraut, die erste strenge mathematische Theorie der *) Ueber den oft vernachlässigten Unterschied zwischen Wind- und Strich- rose verbreitete sich eingehend Breusing’s interessanter Vortrag vor dem III. Geographentage. II, 8. 3. Kompassdeviation. 13 Deviation. Es sei © die Grösse der Deviation, ce der magnetische Kurs des Fahrzeuges, so kann sinö—=A cosö-+-B sin (e — Ö) ee sin (2c — Ö) + E cos (2e — Ö) gesetzt werden, wo A, B,C, D, E die durch Erfahrung zu bestimmen- den Deviationskoefficienten vorstellen [22]. A und E, zwei fast verschwindende Grössen, rühren her von einer horizontalen Induktion in dem weichen Eisen, welches sich unsymmetrisch zu beiden Seiten der durch den Nadelmittelpunkt gelegten Vertikalebene vertheilt findet, B ist die mittlere Resultante der nach dem Buge und Ü die mittlere Resultante der nach Steuerbord gewandten Richtkräfte, und D endlich charakterisirt jene Induktion, welche in den zum vertikalen Längs- und Mittelquerschnitte des Schiffes symmetrisch angeordneten Massen weichen Eisens erzeugt wird. Zur Kompensation jeder dieser Grössen ward nun eine neue Eisenmasse an bestimmtem Orte angebracht, doch ergab sich bald, dass Vertikalstäbe sich hiezu nur wenig eigneten; die- selben unterliegen nämlich allzusehr dem Krängungsfehler, der darin besteht, dass bei einer Neigung des Schiffes (seemännisch Krängung) die Enden der Magnete aus der ihnen angewiesenen Vertikalebene herausgerathen und so eine neue Deviation veranlassen. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die zahllosen Einzelvorschläge zur Anbringung passender Kompensationsmethoden hier zu registriren, deren Gelcich ge- denkt; es genüge vielmehr die Angabe, dass Evans und A. Smith [23] den Krängungsfehler theoretisch zu eliminiren wussten, dass Garbich, eine von Poisson zuerst hingeworfene Andeutung verwerthend, eine auch die geographische Breite in sich aufnehmende Kompensations- formel ableitete [24], dass man später der Rechnung durch sogenannte Kursverwandlungsapparate auszuweichen sich bemühte, dass weiterhin die Dygogramme erfunden wurden [25], welche den Betrag der Deviation durch Zeichnung liefern sollten, dass dann wieder durch Paugger’s Dromoskop [26] instrumentale an Stelle der graphischen Konstruktion gesetzt ward, und dass neuerdings durch die Anfertigung der Deviationsmagnetometer auch dem Zwecke Rechnung getragen werden soll, zugleich mit der Bestimmung der normalen erdmagne- tischen Konstanten auch jene anormale Ablenkungsgrösse zu bestimmen. Geleich hat auch eine Reihe neuerer Kompensationsbeobachtungen, die auf Schiffen des österreichischen Lloyd gemacht sind, zusammen- gestellt und diskutirt [27]. Wer sich näher über die ziemlich ver- wickelte Fräge informiren will, den verweisen wir auf die mono- graphischen Darstellungen von Dittmer [28], Peichl [29], Schaub [30] und Rottok [31], welch’ letzterer mit sanz elementaren Hülfsmitteln zurechtzukommen versteht. Die deutsche Seewarte empfiehlt das Neumayer-Bamberg’sche Magnetometer; ausserdem aber verwendet sie zur Instruktion der See- fahrer mit Vortheil ein — gleichfalls von Neumayer angegebenes — Deviationsmodell [32]. Und ferner werden alle mit der Oentral- anstalt in Verbindung stehenden Kapitäne angewiesen, gemäss den von ersterer ausgehenden Normativbestimmungen [33] ein vollständiges Deviationsjournal zu führen. Bis jetzt sind von dreiundneunzig ausgegebenen Journalen dieser Art neunundvierzig wieder an den 14 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Auftraggeber zurückgelangt und von letzterem sofort einer sorgfältigen Diskussion unterzogen worden. Derjenige, dem die schwierige Aufgabe zugefallen ist, die Reise- Aufzeichnungen eines Forschers oder Touristen für die Wissenschaft zu verwerthen, wird öfters in die Lage kommen, Winkelaufnahmen berechnen zu müssen, welche der Betreffende vom Bord eines Schiffes aus gemacht hat, und welche demnach auf die — vom Deviations- fehler nicht befreiten — Angaben des Kompasses sich stützen. Hier gilt es, aus der Noth eine Tugend zu machen und aus geeigneten Peilungen die Grösse jenes Fehlers annähernd herzuleiten, wie diess z. B. Zöppritz bei seiner Diskussion der von De Pruyssenaere auf dem weissen Nil angestellten Messungen gethan hat [34]. $. 4. Die magnetische Deklination. Bis jetzt war nur von der Wirkung gewisser zufälliger Kräfte die Rede, durch welche die horizon- tale Magnetnadel verhindert ward, sich der ihr innewohnenden Tendenz nach genau in der Südnordrichtung einzustellen. Indess weiss man schon seit geraumer Zeit, dass thatsächlich die Axenrichtung der in Ruhe befindlichen Nadel nicht mit der Mittagslinie zusammenfällt, sondern einen gewissen Winkel mit derselben bildet, welcher in der nautischen Kunstsprache den Namen Missweisung führt, von den Physikern aber Variation oder Deklination genannt wurde, und zwar hat sich dieser letztere Name am meisten eingebürgert. Dass die Deklination bereits den Chinesen bekannt war, steht fest, denn Ke-u-tsung-chy, Verfasser eines aus dem Anfang des XII. Jahrhunderts stammenden Kompendiums der Naturkunde, versichert nach Poggendorff’s Angabe [35] in diesem seinem Werke, dass die Spitze der Nadel einen vom Süd- (resp. Nord-) Punkt um !esı der Peripherie abstehenden Punkt des Theilkreises treffe. Nicht sehr lange nachher machte man auch im Abendlande die gleiche Wahrnehmung; als Karl v. Anjou in Unteritalien mit dem Hohenstaufen Manfred in Fehde lag, hatte er in seinem Gefolge einen Ritter Pierre de Maricourt, und dieser schrieb aus dem Feldlager einen uns erhaltenen Brief an seinen in Frankreich zurückgebliebenen Freund Suger, in welchem er mittheilt, dass er bei Luceria eine Ab- weichung der Nadel von der Nordsüdrichtung im Betrage von 5° be- merkt habe *). Es ist hienach zuviel gesagt, wenn A. v. Humboldt [39] Colon’s Beobachtung der Deklination vom 13. Septembor 1492 als die erste ihrer Art bezeichnet, obwohl ja allerdings sein Wort, es sei diess „ein denkwürdiger Zeitpunkt in den Jahrbüchern der nautischen Astronomie“, trotzdem in Geltung bleiben kann. Jene Ortskurve von Punkten verschwindender Deklination, durch welche Colon auf seinen Seereisen mehreremale hindurchpassirt war, sollte sogar als Demar- kationslinie zwischen der spanischen Ost- und der portugiesischen *) Diesem Briefe wie dem Briefschreiber ist es sonderlich ergangen. Eine missverständliche Notiz in Thevenot’s „Recueil des voyages“ hat es nämlich zuwege gebracht, dass aus der „Epistola Petri ad Sygerum“ eine „Epistola Petri Adsygerii“ wurde, und obwohl Wenckebach [36] den Irrthum in ganz zutreffen- der Weise aufklärte, so bewies derselbe gleichwohl eine bei Geschichtsfehlern leider nicht ganz seltene Zähigkeit und wusste sich u. a. auch noch in das schätzens- werthe Werk von Heller [37] einzuschleichen. Eine sehr verdienstliche Spezial- arbeit über Maricourt verdankt man dem Pater Bertelli [38]. I, 8,4. Die magnetische Deklination. 15 Westhälfte der Erde eine grosse politische Rolle spielen; hierüber ist die eingehende Darstellung von Ruge [40] zu vergleichen, und E.Mayer schildert [41] des Näheren die freilich missglückten Versuche, welche der Kongress von Badajoz machte, um jene Scheidegrenze zwischen östlicher und westlicher Deklination zum Range eines Anfangsmeridianes der Längenzählung zu erheben. Weitere Messungen der Deklination wurden gemacht von Cabot und Gonzales Oviedo [42]; um 1589 gab Porta die durchschnittliche Ablenkung der Magnetnadel für Italien auf 9° an [43]. Die von Columbus in seinem Schiffstagebuche an- gegebene Methode, die Missweisung durch Polarsternbeobachtungen zu korrigiren, beruht auf den phantastischen Vorstellungen, welche sich der Entdecker von der Gestalt der Erde gebildet hatte, und ist deshalb unbrauchbar [44]; Pigafetta unternahm es zuerst 1522, solche Korrek- tionen wirklich durchzuführen, und in der ihrer Zeit berühmten Nautik des Martino Cortez [45] — nicht zu verwechseln mit seinem be- rühmten Namensvetter Hernan, der sich übrigens auch selbst durch Geschicklichkeit in der Handhabung der Boussole hervorgethan haben soll — wird gelehrt, wie man unter Berücksichtigung der magnetischen Abweichung missweisende in rechtweisende Kurse zu verwandeln habe. Zur genauen Messung des Deklinationswinkels bot sich von Anfang an naturgemäss die Boussole dar. Wenn die getheilte Scheibe auf der Nadel selbst befestigt und in erstere die genaue Nordrichtung ein- gezeichnet ist, so ist unmittelbar durch Ablesung der Winkel zu be- stimmen, welchen der astronomische Meridian mit dem mag- netischen Meridian, d. h. mit einer die Nadel in ihrer Längsaxe durchschneidenden Vertikalebene einschliesst, und dieser Winkel ist eben die Deklination. Dass die sogenannten Deklinatorien sämmt- lich auf diesem Grundsatze beruhen, ist unbestreitbar, doch wurden natürlich nach und nach Verfeinerungen an diesen Apparaten an- gebracht. J. ©. Fischer nennt [46] Le Monnier, J. Cassini (de Thury), Seyffer als geschickte Konstrukteure; später fand v. Zach’s Instrument [47] viel Anklang, und zu Anfange unseres Jahrhunderts waren am meisten die Deklinatorien von Gambey und Prony in Gebrauch, über deren Einrichtung und Behandlungsweise Horner’s Lexikon- Artikel „Abweichung“ sich sehr aus- führlich verbreitet [48]. Der bedenklichste Fehler, welchem das gekennzeichnete Verfahren unter- worfen ist, besteht offenbar darin, dass die magnetische und geometrische Axe der Nadel nicht genau mit einander übereinstimmen. In Fig. 4 sehen wir einen getheilten Kreis vor uns, um dessen Centrum eine Nadel, die mit einem Hüt- chen auf eine Stahlspitze aufgesetzt ist, sich frei drehen kann. Die erste Ein- stellung der Axe sei ab, die zweite ab’, und zwar sei diese zweite erfolgt, nachdem man die Nadel abgehoben und mit vertauschten Polen abermals auf die Spitze gelegt hat. Alsdann kann man sicher sein, dass de die wahre gesuchte Lage der #s 16 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. magnetischen Axe der Nadel sei, und zwar ist Wd= Oc= - (Wa4-Wa‘) — (Ob + Ob‘). Schwebt die Nadel nicht auf einer Spitze, ist sie vielmehr in ihrem Schwerpunkte an einem Kokonfaden aufgehängt, so gilt es, den Torsionsfehler zu eliminiren, wozu Liznar folgende einfache Anweisung ertheilt [49]. Zunächst ist darauf zu sehen, dass der Faden durch ein vorher angehängtes Torsionsgewicht möglichst ausgedreht sei, doch darf man immer noch eine geringe vorhandene Tordirung des Fadens als bestehend annehmen, durch welche der Magnet um den (kleinen) Winkel y abgelenkt wird. Man hänge nun- mehr den Torsionsstab, einen Messingstab mit einem kleinen Mag- neten, ein, der gegen den Meridian die Abweichung g haben möge, so dass also (g — Yy) die Differenz zwischen den Deviationen des Tor- sionsstabes und des ursprünglichen Magneten darstellt. Dreht man jetzt den Torsionskreis um 360°, so tritt eine gewaltsame Tordirung des Fadens ein, und zwar mögen die Ablenkungen aus den früheren Stellungen für Magnetnadel und Torsionsstab resp. v und n betragen. Die Winkel, welche nach vollzogener Tordirung Magnet und Stab mit dem magnetischen Meridian bilden, sind (y + v) und (g — n), während die Differenz zwischen den Einstellungen des Torsions- und Magnet- stabes (g + n — y — v) beträgt. Da die vorkommenden Winkel klein genug sind, um ohne namhaften Fehler die Sinus durch die Bogen- grössen ersetzen zu können, so gilt die Proportion A ee 9) woraus sich 7 = — berechnet. Um Deklinationsbeobachtungen in möglichst bequemer Form an- stellen zu können, bedient man sich des von Lamont [50] erfundenen magnetischen Reise-Theodoliten. Seinem Namen entsprechend spielt hier der in eine Glasröhre eingeschlossene und deshalb nur geringer Ausschläge fähige Magnetstab so, dass im Ruhezustande seine Axe sich zu derjenigen eines horizontalen Fernrohres parallel einstellt, welches, ohne diese seine Lage zu verändern, längs des Umfanges eines getheilten und mit zwei Nonien versehenen Kreises hin- und herbewegt werden kann. Unter dem Magnetstäbchen ist ein Spiegel befestigt, dessen Ebene zur Longitudinalaxe des ersteren senkrecht steht. Durch eine Stellschraube lässt sich bewirken, dass die Axe des Fernrohres — was an dem Zusammenfallen eines eingeritzten Striches mit seinem Spiegelbilde erkannt wird — zur Spiegelebene rechtwinklig und damit genau in den magnetischen Meridian zu liegen kommt; alsdann werden die Nonien abgelesen. Des Ferneren hebt man das nur lose aufsitzende Rohr, in welchem der Magnet sammt dem ihn tragenden Faden sich befindet, ab und dreht die Theilscheibe solange, bis das Fadenkreuz des Fernrohres sich mit einer schon vorher angebrachten entfernten Meridian-Mire deckt, bis also die Axe in den astronomischen Meridian versetzt ist; die Hamburger Seewarte benützt hiezu den Kirchthurm von Buxtehude. ‚Jetzt liest man abermals die Nonien ab, und die Differenz der Ablesungen ist identisch mit der magnetischen Deklination des Beobachtungsortes. Natürlich fehlt es auch hier nicht an mancherlei I, $S. 5. Die magnetische Inklination und die Intensität. 17 Fehlerquellen, wie denn z. B. das Normalstehen der Nadelaxe auf der Spiegelebene nicht ohne weiteres verbürgt werden kann. Die besten Instrumente dieser Art wurden im Jahre 1883 den Expeditionen mit- gegeben, welche Deutschland in die Polargegenden aussendete; Edel- mann, der Verfertiger derselben, hat die an ihnen angebrachten Ver- änderungen und Verbesserungen in einer besonderen Schrift [51] beschrieben. Eine von den bisher erörterten durchweg verschiedene und sehr geistvolle, wenn auch vielleicht minderer Genauigkeit fähige Methode ist diejenige, welche man Simonoff [52] verdankt. Auf das horizontal schwingende Magnetstäbehen wird an dessen Südende ein ebener Spiegel winkelrecht aufgesetzt, während man das Nordende mit einem entsprechenden Gegengewichte beschwert. In Fig. 5 sei BB‘ der Horizont, Z das Zenit, © die Sonne, C der Standpunkt des Beobachters Fig. 5. und zugleich der Mittelpunkt der Magnetnadel, F der Spiegel, NS die Nordsüdrichtung, E der scheinbare Ort der Sonne auf der Sphäre. Mit- telst eines Sextanten werde der Winkel d gemessen, welchen die wirkliche Sonne mit dem von genanntem Spie- gel zurückgeworfenen Bilde derselben einschliesst, FF’ ist der reflektirie Strahl. Verbindet man hierauf den Punkt M, in welchem die Linie CF den Horizontalkreis schneidet, mit E, bezeichnet ferner das Azimut von M mit «a, dasjenige von B mit a, so ist im sphärischen Dreieck MEZ Seite MZ — 90, Seite ME — 90° — d, Seite BZ= 2 die bekannte Zenitdistanz der Sonne, Winkel EZM=a — a. Der Cosinus- satz ergiebt die Gleichung sin 9 = 082 cos 90° + sin z sin 90° cos (a — a), . d eo ®. . woraus cos (a —'0) = sin 5: sinz sich ergiebtt. Da aber a, das Azımut der Sonne, als bekannt angenommen werden kann, so gilt ein gleiches auch für &, und dieses Azimut des Magnetstabes ist eben nichts anderes, als die Deklination. $. 5. Die magnetische Inklination und die Intensität. Am 4. März 1544 richtete Georg Hartmann, ein Nürnberger Geistlicher, ein Schreiben an Herzog Albrecht von Preussen, in welchem er diesem Fürsten, dem bekannten Freunde des Coppernicus, von einigen neuen Entdeckungen auf dem Gebiete des Magnetismus berichtet, welche er schon ein Jahr zuvor dem römischen Könige Ferdinand habe vor- weisen dürfen. Dove hat dieses merkwürdige Sendschreiben publicırt, in welchem u. a. die nachstehende Stelle sich vorfindet [53]: „Zu dem anderen, so finde ich auch diess an dem Magneten, dass er sich nicht allein wendet von der Mitternacht und lenket sich gegen den Aufgang, Günther, Geophysik. II. Band. 2 18 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. um 9 Grad mehr oder minder, wie ich es gemeldet habe; sondern er zeigt auch unter sich. Diess ist also zu beweisen. Ich mache ein Zungele* — Zünglein —, „ein Finger lang, das nur fleissig wagerecht oder wasserwagerecht auf einem spitzigen Stift steht, also dass solches nirgends sich zu der Erde neige, sondern an beiden Orten gleich in der Wage stehe. So ich aber der Oerter eins bestreiche* — d. h. magnetisire —, „sei gleich, welches Ort sei, so bleibt das Zungele nicht mehr wagerecht stehen, sondern fällt unter sich etwa um 9 Grad mehr oder minder.* Mit dieser Entdeckung war ein neues und charakte- ristisches erdmagnetisches Element aufgefunden, von dessen Vorhandensein auch die scharf beobachtenden Chinesen nichts wussten und von dem auch kein Seefahrer des Entdeckungszeitalters berichtet, obwohl mancher derselben zu ziemlich hohen Breiten gelangt war [54]. Musschenbroek’s Aussage zufolge [55] hat dann der Engländer Nor- man um 1576 die erste Vorrichtung zur Messung dieser Neigung an- gegeben; Gilbert’s Apparat [56] dürfte von demjenigen seines Lands- mannes wohl nicht sehr verschieden gewesen sein. Derselbe besteht in einem vertikal aufgestellten Theilkreise, durch dessen Centrum eine horizontale Axe gieng, und an dieser ward die Magnetnadel so be- festigt, dass ihre Längsaxe der Theilscheibe immer parallel verblieb. Gilbert bezeichnete das, was wir heutzutage Deklination nennen, als Variation (s. o.), und seine Deklination ist eben der von Hartmann entdeckte Neigungswinkel in der Vertikalebene. Wann der zur Zeit allein übliche Name Inklination für. diesen Winkel aufgekommen sei, scheint nicht festgestellt zu sein, doch wird er jedenfalls nicht, wie man wohl da und dort liest, zuerst bei Wilcke angetroffen. Damals vielmehr, als der Basler Mechaniker Dietrich, dem seine künstlichen Magnete zu einiger Berühmtheit verholfen hatten, nach Angaben Daniel Bernoulli’s die ersten wirklichen Inklinatorien verfertigte, als L. Euler mit Hülfe derselben die magnetische Inklination von Berlin auf 71° 30’ festsetzte [57], also um das Jahr 1750 herum, hatte der erwähnte 'l’erminus sich bereits das volle wissenschaftliche Bürger- recht erworben. Nun lag es nahe, nach der Kraft zu fragen, mittelst deren die magnetische Richtkraft der Erde die vollständig frei bewegliche, resp. nur noch in Einem Punkte unterstützte Nadel sich so einzustellen zwang, dass gerade die als Deklination und Inklination bezeichneten Erschei- nungen zu Tage traten. Da diese beiden Winkel für verschiedene Orte der Erde ihre Grösse ändern, so konnte auch das dritte erd- magnetische Element, die Intensität des Erdmagnetismus, keine konstante Grösse sein, und man musste auf Mittel denken, diesen Werth — zunächst freilich nach einem nur konventionellen Maasse — in jedem Einzelfalle zu bestimmen. Man erkannte bald, dass Schwin- gungsbeobachtungen hiefür das geeignetste Mittel seien, und wenn auch Mallet’s erste Versuche in dieser Richtung insoferne unglück- lich ausfielen, als daraus für Petersburg und Ponoi in Lappland der gleiche Intensitätswerth zu folgen schien [58], so wurden diese Unter- suchungen doch auf den Expeditionen von La Peyrou se und D’Entre-. casteaux mit Eifer wieder aufgenommen; dort war Lamanon, hier De Rossel der Beobachter, während die Anregung zu dieser Art erdphysikalischer Forschung hauptsächlich von Borda ausgieng. Dieser ER II, $. 6. Bestimmung der Inklination und Intensität. 19 rührige Mann war es auch, der A. v. Humboldt in den Geist seiner Methode einführte, ihn mit trefflichen Instrumenten ausrüstete und so die indirekte Ursache dafür wurde, dass Humboldt der eigentliche Begründer der Lehre von der geographischen Vertheilung der erd- magnetischen Intensität genannt werden muss. Auf seinen Reisen be- stimmte er den Werth dieses Elementes an 124 Orten, welche über einen Flächenraum von 115° Längen- und 64° Breiten- Ausdehnung ausgesäet sind, und sah sich so in den Stand gesetzt, die Behauptung der Lords Mulgrave und Cavendish zu widerlegen, welcher zufolge die Intensität mit dem Wachsthum der Breiten stetig abnehmen sollte [59]. Ein ähnliches Verdienst, wie Humboldt, erwarb sich um die ob- schwebende Frage auch Sabine, dessen Resultate jedoch erst durch Hansteen [60] so gestaltet wurden, dass sie mit denjenigen früherer Forschungsreisenden verglichen werden konnten. Hansteen, und mit ihm G. A. Erman, Keilhau, Schouw, Quetelet und Rudberg, schuldet man in erster Linie Dank dafür, dass Gauss zu seiner genialen Theorie der magnetischen Intensität das genügende Erfahrungsmaterial sich zu verschaffen in der Lage war. Inklination und Intensität des Erdmagnetismus stehen, wie eine sehr einfache statische Betrachtung zeigt, in nächster Beziehung zu einander. Ist [61] OR (Fig. 6) = T nach Grösse und Richtung die erdmagnetische Kraft für einen bestimmten Punkt der Erdoberfläche, denkt man sich ferner die Fig. 6. Papierebene mit dem durch OR zu legenden magnetischen Meridian zusammenfallend, und be- zeichnet man mit J den Winkel, welchen OR mit der in der nämlichen Ebene gelegenen Ho- rizontallinie einschliesst, so ist dieser Winkel eben die Inklination; konstruirt man mithin das Rechteck OHRV, in welchem << VRO — <_ HOR = J ist, so ist weiterhin BER X 1605 I, OV NT am), Y—_ Xitang ), und man ist nach dem Satze vom Parallelogramm der Kräfte berech- tigt, X als die horizontale Komponente, Y als die vertikale Komponente der erdmagnetischen Intensität aufzufassen. Wäre es verhältnissmässig am leichtesten, X und Y direkt zu bestimmen, so wärenachher T=YX? + Y? zu berechnen; in Wirklichkeit aber empfiehlt es sich weit mehr, X und J zu messen und hieraus die vertikale Komponente Y, wie auch die Totalintensität T rechnerisch herzuleiten. ee $. 6. Bestimmung der Inklination und Intensität. Der nächst- liegende Gedanke, wenn es sich um die Messung des erstgenannten Elementes handelt, ist nun offenbar jener, den schon Gilbert (s. o.) verwirklichte: eine Magnetnadel längs eines getheilten Vertikalkreises spielen zu lassen, diesen Kreis genau in die Ebene des magnetischen Meridians zu bringen und nun am Limbus den Neigungswinkel abzu- lesen. Ein solches Inklinatorium gab schon 1617 der Jesuit Cabeus einem seiner nach China reisenden Ordensbrüder mit [62]; im Grossen und Ganzen ähnlich konstruirt waren die von Horner [63] näher be- schriebenen Inklinationsboussolen eines Lieutaud, Graham, 20 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. La Caille und Nairne. Allein bald ergab sich, dass die an sich schwierige Einstellung in den magnetischen Meridian wenigstens kein unbedingtes Erforderniss für genaue Inklinationsbeobachtungen sei, und allmählig entstand eine ganze Anzahl direkter Methoden zur Messung der Neigung, über deren Besonderheiten wir im Folgenden einen ge- drängten Bericht zu erstatten gedenken, und zwar im Anschlusse an die ausgezeichnete Monographie von Hutt [64]. Daniel Bernoulli verfolgte in seiner preisgekrönten Abhand- lung [65] wesentlich den Zweck, die Einwirkung der Schwerkraft auf die Neigungsnadel zu kompensiren; da man a priori die Inklination nicht kenne, so müsse man versuchsweise die Lage des Schwerpunktes so lange verändern, bis die Neigung der Nadel im magnetischen Zu- stande dieselbe wäre, wie im unmagnetischen, und diese Neigung wäre dann die wahre Inklination. Mallet und Krafft modificirten im Interesse der praktischen Verwendbarkeit die an und für sich ganz strenge Regel Bernoulli’s [66]. Nicht minder gab sich Tob. Mayer der Aeltere in seiner erst posthum erschienenen „Commentatio de usu accuratiore acus inclinatoriae* alle Mühe, den Gravitationsfehler durch Rechnung, die übrigen Fehler, deren er vier anführt, durch passende Aenderungen in der Konstruktion der Boussole zu beseitigen [67]. Gauss lehrte den uns schon von der Deklination her bekannten Kol- limationsfehler zu berücksichtigen, welcher dadurch entsteht, dass die magnetische Axe der gebrauchten Nadel mit der Verbindungslinie ihrer beiden Endpunkte einen von Null abweichenden Winkel macht [638]. Kupffer aber zog es vor, überhaupt aus dem Meridian herauszutreten. Nach R. Wolf [69] hatte bereits D. Bernoulli bemerkt, dass, wenn wieder J die wirkliche Inklination (im magnetischen Meridian), v die dem Azimut « entsprechende Neigung vorstellt, cotg J cos a — cotg v sein muss, woraus zugleich cotg J > cotg v, J < y sich ergiebt. Kupffer beobachtete nun [70] unter den Azimuten 1 . 360° 2 .360° 3..360° n—1) 360° en ET a 2. P u die jeweiligen Neigungen v, v,, va, Vs. - . Ya - 1, Schrieb die entsprechen- den Gleichungen an, erhob dieselben sämmtlich ins Quadrat und addirte sie, wodurch er die Relation Krane K=net 0 2 cotg’ v, — I cotg? J. cos? (. +) N) Nase) erhielt. Setzt man für den Cosinus von y den ihm gleichen Expo- 1 SR ; nentialausdruck ale e”’') ein und rechnet aus, so gilt es nur geometrische Progressionen zu summiren, die Summe der Cosinus- j n quadrate wird — 5 und man hat zum Schlusse: 9 kenn i.. cotg J = \/ — - 3 cotg? vr. n LS — 0} Dieses Ergebniss ist von o, unabhängig, und es kann im Gegentheile unser Verfahren zugleich dazu dienen, die vorher unbekannte Lage des magnetischen Meridians zu finden. II, $S. 6. Bestimmung der Inklination und Intensität. >R Aus dem oben Gesagten erhellt, dass die Inklination auch als eine Funktion der Intensität aufgefasst und sohin auf diese letztere zurückgeführt werden kann. Bekanntlich verhalten sich die Quadrate der Schwingungszeiten zweier gleichlanger Pendel umgekehrt wie die sollicitirenden Kräfte. Behalten wir die obigen Bezeichnungen bei, verstehen wir ferner unter Ü eine gleichzeitig von dem Trägheits- und von dem magnetischen Momente der Nadel abhängige Konstante und unter T,, T,, Tx resp. die Schwingungszeiten dieser nämlichen Nadel, je nachdem wir sie im magnetischen Meridian, oder in einer gewissen zu diesem senkrechten Ebene oder endlich in der Horizontalebene ihre Öseillationen machen lassen, so ist C C a C Por mel und, nach den weiter oben getroffenen Festsetzungen, 15 Be : a Bl a pr: Man hat also dreierlei Verfahrungsweisen zur Verfügung, um durch Schwingungsbeobachtungen die Grösse J zu ermitteln. Hutt, dem wir auch hier gefolgt sind, erwähnt [71], dass die Messung von Tx und T, durch Coulomb, diejenige von T, und T, durch Sabine, endlich diejenige von T, und T, durch Laplace anempfohlen wurde. Für das Detail der Beobachtungen und Rechnungen verweisen wir auf die an Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig lassende Schrift von Liznar [72]. Mit Hutt (s. o.) kann man die Methoden zur Bestimmung der Inklination, von welchen bis jetzt die Rede war, als direkte bezeichnen; es giebt aber auch eine Anzahl indirekter Methoden, deren gemein- samer Grundgedanke der ist, die gesuchte Grösse aus der Induktions- wirkung der Erde, beziehungsweise aus der Einwirkung elektrischer Ströme auf Magnete herzuleiten. Hutt hat auch diesem Cyklus von Untersuchungen eine selbstständige, kritisch vergleichende Schrift ge- widmet [73]. Wir verzichten auf eine Erörterung der für die heutige Praxis doch kaum mehr bedeutsamen Vorschläge eines Christie, Le- count, Scoresby, Yelin*, G. G. Schmidt und verweilen nur bei dem Verfahren Lamont’s, welches wohl als ein typisches an- gesehen werden darf [75]. Um Irrthümer zu vermeiden, erklärte es dieser hervorragende Physiker für nothwendig, dass die Nadel weder ummagnetisirt, noch auch nur aus ihren Zapfenlagern herausgehoben werde — freilich aber gehen durch Verzichtleistung auf diese Opera- tionen mehrere der bei Lösung des Problemes nicht zu entbehrenden Gleichungen verloren. „Einen Ersatz für diese ausfallenden Relationen verschafft sich nun Lamont durch Heranziehung eines elektrischen Stromes, in der Weise, dass er die Stellung des Magneten, einmal unter der Einwirkung des Erdmagnetismus allein, dann unter der ge- meinsamen Wirkung des letzteren und des galvanischen Stromes be- trachtet. Kehrt man den letzteren um, so erhält man eine dritte *) Bei Hutt steht, wohl in Folge eines Druckfehlers, mehrmals der Name Velin, doch dürfte wohl der durch eine für seine Zeit sehr verdienstliche Schrift [74] über die magnetisch-elektrischen Kräfte bekannte Münchener Akademiker J. K. Yelin (1771—1826) gemeint sein. 22 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Gleichung. Dreht man endlich das Instrument um seine vertikale Axe um 180° und wiederholt jene Aufzeichnungen, so erhält man im Ganzen 6 Notirungen, also auch 6 Gleichungen, aus denen sich 6 Grössen bestimmen lassen.“ Und unter diesen befindet sich eben die Inklina- tion. Auf ein anderes Princip hat W. Weber sein Induktions-Inkli- natorium begründet, welches die Intensität von Strömen misst, die durch die horizontale oder vertikale Komponente des Erdmagnetismus inducirt werden [76]. Sehr genaue Bestimmungen der durch den Erd- magnetismus bewirkten Induktion ermöglicht neuerdings H. Weber’s Rotations-Induktor [77]. Nachdem im Vorigen die Bestimmung der Intensität blos eine sekundäre Bedeutung für uns hatte, insoferne es sich nämlich darum handelte, durch Intensitätsmessungen die Inklination zu erhalten, tritt jetzt das dritte erdmagnetische Element selbst für uns in den Vorder- grund. Es musste bislang genügen, Intensitätswerthe mit einander zu vergleichen, während jetzt es darauf ankommen wird, für diese Werthe ein absolutes Maass ausfindig zu machen. Diess geschah zuerst in Gauss’ unsterblicher Abhandlung „Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata“ [78]. Das, was mit diesem Kunst- ausdruck bezeichnet werden soll, ist besonders von Kohlrausch [79] musterhaft verdeutlicht worden. Gewisse physikalische Grössen, als da sind Geschwindigkeit, Wärme- oder Elektrieitätsmengen, sind durch die uns aus dem praktischen Leben geläufigen Maasseinheiten zunächst nicht auszudrücken, und es ist deshalb erforderlich, abgeleitete Maasse ein- und jene Grössen durch geeignete Begriffsbestimmung auf die erstgenannten Maasse zurückzuführen. Gauss und W. Weber: haben sich nun insbesondere das Verdienst erworben, alle magnetischen und elektrischen Grössen so zu bestimmen, dass nur das Längenmaass des Millimeters, das Massenmaass des Milligrammes und das Zeitmaass der Sekunde zur Anwendung gelangt. Dieses absolute Maass steht sonach im strikten Gegensatze zu jenen meist nach den Namen berühmter Physiker benannten konventionellen Maasseinheiten, welche als „Ohm“, „Farad“, „Volt“ u. s. w. nach dem Vorgange der Engländer sich einzubürgern beginnen. Als Einheit der Menge von freiem Magne- tismus*) oder, was dasselbe ist, als Einheit der Magnetpolstärke, . *) Gauss acceptirt begreiflicherweise die Hülfsvorstellung einer nord- und einer siidmagnetischen Flüssigkeit nur als ein brauchbares Schema; „status mag- neticus corporis,“ sagt er, „consistit in ratione distributionis magnetismi liberi in singulis ejus partieulis* [80]. Man denkt sich bekanntlich meist die kugelförmi- gen, zur Hälfte mit der einen, zur Hälfte mit der anderen Flüssigkeit gefüllten Moleküle im Inneren eines Eisenstabes in wirrer Unordnung durch einander liegend, und erst durch den Magnetisirungsakt werde all diesen Molekülen die in der Po- larität sich offenbarende übereinstimmende Axenrichtung ertheilt. Dem gegenüber will Hughes mittelst einer äusserst feinen Induktionswage ausgemittelt haben, dass im Gegentheile für gewöhnlich die Moleküle eine ganz bestimmte, geometrisch- reguläre Anordnung innehielten, und dass vielmehr die Polarität eine Störung dieser Ordnung, einen unnatürlichen, erzwungenen Zustand bedeute [81]. Nach Werner Siemens müsste jedes Molekül drehbar und selbst wieder als aus einem Paar kleiner Magnete zusammengesetzt gedacht werden, welche nur deshalb un- magnetisch erscheinen, weil sie nach Art astatischer Nadeln (Kap. I, $. 2) an einander liegen. Das Magnetisiren würde eine Drehung zur Folge haben [82]. Freilich dünkt uns, es habe Siemens den Fragepunkt durch seine Theorie mehr nur verschoben, als endgültig geklärt. INS. 6 Bestimmung der Inklination und Intensität. 73 bezeichnen wir jenes Quantum oder jene Polkraft, welche auf eine gleiche und um 1 entfernte eine Kraft —= 1 ausübt. Diejenige Kraft, welche irgendwo auf der Erde lediglich durch deren Einfluss auf einen Pol 1 ausgeübt wird, nennen wir die Intensität der erdmagne- tischen Kraft in absolutem Maasse. Eignet dem Pole nicht die Stärke 1, sondern die Stärke ı, und bedeutet, wie oben, X die erdmagnetische Horizontalkomponente, so ist das Drehungsmoment auf eine zur Kraftrichtung senkrechte Magnetnadel mit zwei Polen + za Abstande | = 2u.X. — MX, wenn M = gl das magne- tische Moment der Nadel bedeutet. Hiernach ist die Einheit der erdmagnetischen Intensität dann gegeben, wenn auf einen Magneten vom Stabmagnetismus 1, dessen Axe auf der Kraftrichtung normal steht, die Einheit des Drehungsmomentes ausgeübt wird. Wir bleiben nun noch kurz bei der Aufgabe stehen, die erd- magnetische Intensität in dem soeben von uns klar gelegten Sinne zu bestimmen. Sabine glaubte [83] in der Grösse T,’ vi + 3 cos? J, einen nahe konstanten und als Maass der Intensität brauchbaren Aus- druck ermittelt zu haben, wo T, die Schwingungsdauer einer Nadel im magnetischen Meridian, J, deren Inklination vorstellte Gauss selbst bestimmte |84] fürs Erste mittelst Schwingungsbeobachtungen die Grösse MX, nachmals beobachtete er die Ablenkung, welche der früher verwendete Stab auf einen anderen hervorbringt, und ermittelte so M:X, und durch Multiplikation erhielt er schliesslich den nume- rischen Werth von M°. Immerhin liess Gauss sowohl die Torsion der Aufhängedrähte, als auch die Induktion des Erdmagnetismus auf den Magneten ausser Acht, und es blieb Wild [85] vorbehalten, die Methode nach dieser Richtung hin zu vervollkommnen. Derselbe nimmt zwei Magnete mit den magnetischen Momenten M und M’, welche sich abwechselnd in genau fixirter Lage in ein bifilar (s. u. $. 8) aufgehängtes Schiffchen einlegen lassen. Zunächst lest er M ein, versetzt dessen Axe in eine zum magnetischen Meridian senkrechte Lage und liest am Torsionskreise den Drehungswinkel z, ab. Dann legt er M in bestimmter Entfernung vom Apparate nieder, bringt M’ durch Drehen am Torsionskreis in die transversale Lage und misst den neuen Torsionswinkel z,. Endlich dreht er M um 180°, stellt für M“ dieselbe Lage, wie vorhin, her und liest den Torsionswinkel z, ab: Zı, z und z, liefern die gesuchten Daten nicht blos, sondern auch alle an denselben anzubringenden Korrektionen. Pfannstiel hat dargethan [86], dass und wie man auch durch blosse Schwingungsbeobachtungen die Horizontalintensität finden könne. Allein so interessant dieser Nachweis auch in theoretischer Beziehung ist, so hat doch Kohlrausch die Mängel solcher mit Zeitmessungen verbundenen Bestimmungen überzeugend erwiesen, indem er zugleich lehrte, wie jene Messungen vermieden werden können [87]. So sah sich denn Töpler [88] veranlasst, ein Instrument in den Dienst der erdmagnetischen Messungsmethoden zu stellen, mit welchem genauer beobachtet werden kann, wie mit irgend einem anderen, und dessen Werth für die Lösung anscheinend sehr weit seitab liegender Aufgaben sich uns schon früher (I. Band, S. 187) überraschend bemerklich machte, OS 24 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. nämlich die Wage. Diese Wägungsmethode ist die feinste und zugleich einfachste unter den bekannten. Die Tragsäule einer gewöhnlichen Wage ist sammt dem Glas- gehäuse auf einem lothrechten Zapfen befestigt und um diesen drehbar; die Drehungen werden an einem getheilten Kreise abgelesen. In der Mitte des Balkens ist ein Magnet befestigt; projieirt man dessen Axe auf die Schwingungsebene, welche Balken und Zeiger in sich auf- nimmt, so soll die Projection mit der Zeigerrichtung den Winkel a bilden. Die Komponente des magnetischen Momentes, nach fraglicher Richtung genommen, sei M‘. Die Schwingungsebene wird zum Zu- sammenfallen mit derjenigen des magnetischen Meridianes gebracht; endlich sei das System durch gewisse Belastungen Q, und Q, der Endschneiden so ins Gleichgewicht gebracht, dass der Balken mit dem Horizonte den nur kleinen Neigungswinkel y bilde.e X und Y seien wieder die beiden Seitenkräfte des Erdmagnetismus, B das Gewicht von Balken und Magneten zusammengenommen, a der Abstand des Gesammtschwerpunktes von der Mittelschneide, ß der Winkel, den die Gerade dieses Abstandes mit dem Zünglein bildet, I, und l, mögen die Abstände der Endschneiden von der Mittelschneide sein. Es wird ferner vorausgesetzt, dass Q,, Qı und B auf absolutes Maass bezogene Schwerkräfte seien. Dann ist die Gleichheit der statischen Momente zu beiden Seiten der Mittelschneide gegeben durch: QheosytaBsnß ++ YM sine + y)+- XM cos (a-+ 7) — eos Dreht man die ganze Vorrichtung auf ihrem Zapfen um 180°, so ändert sich das Vorzeichen des Drehmomentes von X. Man nehme jetzt Q, weg und bestimme durch Probiren eine Belastung Q,, gerade gross genug, um auch für die neue Lage des Systemes wieder einen Neigungswinkel y herbeizuführen. Dann gilt als neue Gleichung: Ql cos y—aB sn (ß-+y) + YM sin (a + y) — XM’ cos (a + y) — 0; leoser Die zweite Gleichung werde von der ersten subtrahirt; dann findet sich 2XM’ cos («+ y) =1 (@ — Q:) eos 7; BR Q— 0) 2 (cos « — sin a tang y) M’ Wenn der Magnet beim Spielen der Wage ungefähr lothrecht steht, so ist M’ vom magnetischen Moment M nicht verschieden, und da für # <. 10° der Ausdruck (cos «a — sin a tang y) selbst dann kaum von 1 abweicht, falls 7 einige Grade betragen sollte, so kann mit sehr grosser Annäherung I, x —=zw (Qı — 9) gesetzt werden. $. 7. Die erdmagnetischen Linien. Dass die erdmagnetische De- klination für verschiedene Orte verschieden sei, hatte (s. o. $. 4) bereits Columbus bemerkt, und es lag, sollte man meinen, nachdem diese Verschiedenheit einmal konstatirt war, für einen geometrisch angelegten Geist nicht eben ferne, alle Punkte der Erdoberfläche, für welche der II, $. 7. Die erdmagnetischen Linien. 25 Ablenkungswinkel ein und derselbe war, durch Kurvenzüge mit einander zu verbinden und so für die Vertheilung der ablenkenden Kräfte ein anschauliches Bild zu schaffen. Uebereinstimmend führen alle Historiker Halley als den ersten an, der diesen Gedanken in die That über- setzt habe, indess scheint nach neuerdings publicirten Forschungen De Andrade Corvo’s |89] bereits verschiedenen Seefahrern des XVI. Jahrhunderts die Ehre zuerkannt werden zu müssen, karto- graphische Versuche dieser Art angestellt zu haben; Joäo de Castro that solches 1538, Vicente Rodrigues 1572, Aleixo de Motta 1588, Gaspar Geimäo 1598. Auch Kircher’s Karte im „Magnes“ seht derjenigen von Halley zeitlich voran, und, wie Poggendorff fand [90], machte schon um 1580 ein gewisser Burroughs sich an die freilich aussichtslose Arbeit, nicht allein graphisch, sondern auch theo- retisch die Deklinationen bestimmter Erdorte anzugeben; Kircher schildert (a. a. O.) sein Vorgehen mit diesen Worten: „Observatos declinationis gradus diligenter annotabat in mappa geographica hunc in finem confecta, et per singulos homonymos gradus trahebat lineas, quas ipse vocabat tractus chalyboeliticos.*“ Den Werth seiner Karte soll er auf 50000 Dukaten veranschlagt haben. Nichtsdestoweniger muss Halley’s 1701 veröffentlichte Tafel der Deklinationsgrössen, zu deren Erstellung er das Material auf mehreren Seereisen gesammelt hatte, und seine daran geknüpfte Verzeichnung der Linien gleicher Abweichung [91] als eine Leistung ersten Ranges anerkannt werden. Er bezeichnete jene Kurven ebenfalls als „tractus chalyboelitici“, welchen - etwas schwerfälligen Term A. v. Humboldt[92] durch den praktischeren Isogonen ersetzte. Die erste Karte für die Ortskurven gleicher Neigung, die man mit Humboldt gegenwärtig Isoklinen nennt, wurde von dem Mecklenburger Wilcke gezeichnet [93]. Wiederum Humboldt war es zuerst |94], der auch alle Punkte von gleicher mag- netischer Totalintensität durch Linien, die sogenannten Isodynamen, mit einander in Verbindung brachte. Fig. 7, 8, 9 stellen uns diese drei wichtigen Kurvensysteme vor Augen*), bei den Isogonen und Isoklinen ist direkt die Grösse des charakteristischen Winkels ange- geben, während in Fig. 9 die beigesetzten Zahlen dem Werthe der Total- intensität in absolutem Maasse entsprechen. Für die Isogonen wichtig ist die Existenz zweier solcher Linien von Null-Abweichung, welche wenigstens theilweise eine nahezu meridio- nale Richtung einhalten, wogegen die ostasiatische Null-Linie in sich selbst zurückkehrt. An zwei Stellen der Erdoberfläche fällt die Kon- vergenz der Isogonen gegen ein und denselben Punkt in’s Auge; diese *) Die besten Karten dieser Art sind in dem von der deutschen Seewarte bei Friedrichsen in Hamburg herausgegebenen kleinen Atlas enthalten. Unsere eigenen Tableaux sind dagegen, um die Schwierigkeiten der Uebertragung in das uns allein zu Gebote stehende kleinere Format zu vermeiden, den trefflichen Kärtchen Wettstein’s [95] nachgebildet, die ihren Werth keineswegs dann ein- büssen, wenn man sich nicht zu der an ihnen zu erläuternden Theorie bekennt. Uebrigens genügt ein blos die grossen Züge treu wiedergebendes Bild um so mehr, wenn man sich erinnert, dass, als der russische Geograph v. Tillo vor vier Jahren die Isogonen nach den Angaben der englischen Admiralität und der Seewarte auf Einem Blatte zur Darstellung brachte, sehr merkliche Unterschiede sich ergaben. In noch höherem Grade wären solche Unterschiede für die iso- klinischen und isodynamischen Linien zu erwarten. 26 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. _ beiden Punkte sind die magnetischen Erdpole, und da dieselben, wie ersichtlich, mit den Endpunkten der Umdrehungsaxe nicht koineidiren, so kann auch, was uns bereits bekannt ist, der magnetische Meridian N | | ie N II N N R | n— IN 7 4 IR 1 rc BEBERAN oe N Se jaE Ir jnm Ei le -uouobosp Mr EB & Ss /: Fre EN FM S & Ols+ 07 f R £ 3 il sich nicht mit dem ‚astronomischen decken. Den magnetischen Nord- pol entdeckte der jüngere Ross am 1. Juni 1831 in Boothia Felix unter 70°5°17” Norderbreite und 96°46°45“ westlicher Länge von Green- 10% S. 7. Die erdmagnetischen Linien. 37 wich [96]. Die genaue Position des Südpoles ist noch nicht genau bekannt, nach Gauss’ Rechnungen würde er unter 72°35° Süderbreite und 152°30° östlicher Länge von Greenwich zu suchen sein [97], allein EN El 1 -nimiE Fig. 8. 1} & 0! EIRNÄIB A ML Kin: u mus NR ET Id ul Mr > + fe I i a u ie ’ = ren ER j N IN | ı ' a f > Di .s [} f \ 1 } A H NN A ei | EN Ean Eli =. Ey 1 kn | la See ! I L_ ET = IL SNK N N | FE REN NN KENNEN Ss INT na ienlarıNS ER men \/ SIE RRNEE Bay LEINE EEEmIE BE FR TT- N NAAN Jsoklinen. eitniterschicde mit dem aufttleren Deutzchla me Ar EL Jar 7 I" 1 Sr | nz III) PR FREENET, isn IHN Hl auf drei seiner Entdeckung gewidmeten Fahrten vermochte Ross sich nicht durch den Treibeisgürtel hindurch zu ihm durchzuringen, und er konnte nur sehr wahrscheinlich machen, dass der von Gauss errechnete 28 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Punkt etwa um 2!’ nach Süden verschoben werden müsse [98]. Der Verlauf der Isoklinen sticht nicht eben grell von demjenigen der Parallel- kreise ab, namentlich jene Linie, längs deren die Neigungsnadel horizontal Fig. 9. EZ TIER TE Fan j’ NL 7 HER PATE, NE a FAIFERASIN N\ ups ENEAEN TEN INH | AEEE I ame et u \ ereellirn Er TAUSEND 2 un INES INN IBEEERNBNNS N RN Bu os r ZERNEEENNG N, NN ı)' steht, hat keine grössere Amplitude, als etwa 30°. Man nennt diese Kurve den m agnetischen Aequator; seine Lage scharf zu be- stimmen, hatte sich namentlich Duperrey [99] zur Aufgabe gemacht, II, $. 8. Variationen der erdmagnetischen Elemente. 29 der ihn in den Jahren 1821—1825 nicht weniger denn sechsmal durch- kreuzte. Natürlich steht in den beiden Polen die Neigungsnadel senk- recht auf dem Horizont, und dadurch, dass die beobachtete Inklination 89°59‘ betrug, wurde eben Ross darauf aufmerksam gemacht, dass er sich in unmittelbarer Nähe eines magnetischen Poles befinde. Jene zum Meridian senkrechte Ebene, in welcher Sabine (s. o. $. 6) die Nadel schwingen zu lassen empfahl, ist eben dem magnetischen Aequator parallel. Ein Blick auf die Isodynamenkarte lehrt, dass ein relatives Maximum der erdmagnetischen Kraft in den Hudsonsbayländern, ein ebensolches Minimum im südlichen Theile des Atlantik gelegen ist. Auch neuerdings hat es nicht an Versuchen gefehlt, die Lage der magnetischen Kurven aprioristisch zu bestimmen. Sabine z.B. theilt eine „Note on the calculation of the isodynamie curves and the focus of greatest intensity in North America* überschriebene Abhandlung von A. Smith mit [100], in welcher interessante mathematische Unter- suchungen über die als Ellipsen vorausgesetzten Isodynamen zu finden sind; diese Annahme kann der Karte zufolge in dem genannten Falle allerdings zugelassen werden. Menzzer hat in höchst mühevollem Kalkul aus den Grenzlinien von Wasser und Land die Lage der magnetischen Pole zu eruiren gesucht, indem er annahm, dass ein die Erde westöstlich umkreisender Strom die Erscheinungen des tellurischen Magnetismus hervorbringe, und dass, wenn ein ungeschlossener Strom durch einen Theil eines Parallelkreises hindurchgehe, der diesem Strome der Wirkung nach äquivalente Pol 90° von dem Mittelpunkt jenes ‘Parallelstückes entfernt sein müsse [101]. So wenig diese Voraussetzung als in der Natur der Sache begründet anerkannt werden kann, so sprach sich doch Neumayer über die praktische Seite der Menzzer’schen Resultate nicht ungünstig aus, soweit durch dieselben genauer Bestim- mung des Südpoles Vorschub geleistet werden könne [102]. Eine freilich hochwichtige Frage ist bis jetzt noch nicht gestellt worden: Ist die Lage der für einen bestimmten Termin gezeichneten Kurven eine konstante oder ändert sich dieselbe mit der Zeit? Wir werden diese Frage mit Ja zu beantworten haben, und damit ist zu- gleich ausgesprochen, dass jedem erdmagnetischen Diagramm strenge genommen nur der Werth eines Momentanbildes zukommt. $S. 8. Variationen der erdmagnetischen Elemente. Als Gelli- brand 1634 die Deklination für London bestimmte, fand er 4°5° öst- lich, während Norman und Gunter in den Jahren 1576 und 1622 resp. eine östliche Abweichung von 6°12° und 11°15 ermittelt hatten. Seine diese Entdeckung bekannt gebende Schrift [103] erregte grosses Aufsehen, obwohl Gilbert schon früher — was dem Sinne nach auf das Nämliche hinauskommt — behauptet hatte, dass die Deklinations- messung sich nicht zur Auffindung der geographischen Länge eigne [104]. Damit war diesäkuläre Schwankung der Deklination erkannt. Indess blieb es hierbei nicht lange. Denn Graham entdeckte im Jahre 1722, dass die Deklination nicht nur von Tag zu Tag, sondern sogar von Stunde zu Stunde variire, nachdem Guy-Tachart auf das erstgenannte Faktum schon vierzig Jahre früher in Siam aufmerksam geworden war [105]. Wir haben also auch mit periodischen Schwankungen zu rechnen. Genaue Beobachtungen über diese 30 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. letzteren stellten im Laufe des vorigen Jahrhunderts Celsius in Upsala, Cotte und J. Cassini de Thury in Paris, Macdonald im Fort Marlborough auf Sumatra an [106]. Als Humboldt von seiner ameri- kanischen Reise zurückkam, organisirte er ein grossartiges Beobachtungs- system in Berlin, an welchem nach und nach auch andere Forscher sich betheiligten. Es wurde ein Häuschen errichtet, ausschliesslich aus Holz und Kupfer; an der Decke desselben war ein Magnetstab aufgehängt, der an jedem Ende eine getheilte Elfenbeinskala trug, und über jeder derselben befand sich ein mit Fadenkreuz versehenes Mikro- skop [107]. Heutzutage hat man diese Vorrichtung meist durch Fern- rohr und Poggendorff’sche Spiegelablesung ersetzt, und in neuester Zeit scheint sich ein noch besseres Hülfsmittel darbieten zu wollen, seitdem nämlich Töpler am Schlusse seiner uns bekannten Abhand- lung über Intensitätsmessung die Eröffnung machte, dass seine mag- netische Wage, wenn nur die Schwingungsebene westöstlich stehe, alle Deklinationsschwankungen getreu reproducire. Das tägliche Deklinations- minimum fällt etwa auf 9 Uhr Vormittags, das tägliche Deklinations- maximum auf 3 Uhr Nachmittags. Humboldt führte namentlich auch das jetzt von allen Forschungs-Expeditionen adoptirte System der Terminbeobachtungen ein; gewisse äquidistante Tage eines be- stimmten Zeittheiles werden als Termintage gewählt, und an diesen wird wiederum gewisse Stunden hindurch die schwingende Nadel un- aufhörlich verfolgt. Dabei ereignen sich hie und da ungewöhnliche magnetische Perturbationen, die in ihrer Steigerung auch als Ungewitter bezeichnet werden [108]; eine der hauptsächlichsten Ursachen dieses Phänomenes werden wir im übernächsten Kapitel kennen lernen. Die Inklination hatte schon Gilbert [109] als eine von Breite zu Breite variirende erkannt; Pläne zur Bestimmung der Meereslänge scheint er aber auf diese Wahrnehmung nicht basirt zu haben, obwohl diess viel eher einen Sinn gehabt hätte, als manche andere chimärische Idee, die in dieser Beziehung gehegt ward. Wenigstens bestätigt Humboldt aus seinen Reiseerinnerungen, dass an gewissen Küsten Südamerika’s, wo ein bedeckter Himmel die Sternbeobachtung fast durchaus unmöglich macht, eine gute Neigungsnadel zur allgemeinen Örientirung über die Gegend, in welcher man sich gerade befindet, die besten Dienste leiste. Eine unregelmässige tägliche Schwankung der Inklination stellte Graham fest (s. o.). Direkte Messungen der Variationen dieses Elementes werden meistentheils nicht angestellt, da die Grösse der Schwankung rechnerisch aus den beobachteten Ver- änderungen der Intensität entnommen werden kann. Liznar hat die Methoden sehr eingehend auseinandergesetzt, nach welchen diese Schwankungen sowohl für die horizontale [110] als auch für die vertikale [111] Intensitätskomponente verfolgt und numerisch festgestellt werden können. Das gebräuchlichste Instrument ist das von Gauss angegebene Bifilarmagnetometer, welches in seiner allgemeineren Form, als Bifilarwage schlechthin, überhaupt zur Messung der von kleinen Kräften bewirkten Veränderungen gebraucht werden kann (vgl. I. Band, S. 156 ff.). Wir geben die Grundzüge der Theorie dieses Instrumentes nach v. Lang [112]. Der Wagbalken AA’ (Fig. 10), dessen Mittelpunkt O ist, wird von zwei gleichlangen I, $S. 8. Variationen der erdmagnetischen Elemente. 31 und in den Punkten B, B’ stabil befestigten Fäden AB und A’B’ so getragen, dass, wenn BQ—B‘Q, im Ruhezustande auch OQ senk- recht zu AA’, wie zu BB’ ist. Wird der Balken um den Winkel AOC = A’OC’ —= Ö aus seiner Ruhelage heraus gedreht, so stimmt die Ebene AUA’C’ Fig. 10. strenge genommen nicht mehr mit der Ho- rizontalebene überein, und es kann eine solche Uebereinstimmung nur für kleine Winkel ö angenommen werden. Das Ge- wicht des Balkens sei P; dann wirkt in © eine Vertikalkraft OV — = ; nach dem Parallelogrammsatze zerlegt wer- den in eine Kraft CF, welche lediglich den Faden spannt, und in eine Kraft 0G = VF, welche den Balken in die Gleichgewichtslage zurückzudrehen bestrebt ist. Es ist und diese kann Ba VG, tang (SI. VCF) — . tang (<[ HBC) = u — wenn h—= 0 ein von Bauf AA’ gefälltes Loth BH bedeutet. Dem- nach ist das ganze aus der Schwere des Wagebalkens resultirende Drehungsmoment D-2...%.H0.m(rH00)—p. wenn AA’ = 3a, BB’= 2b gesetzt wird. Wenn der Wagebalken, dessen Trägheitsmoment in Bezug auf die Axe OQ =T. sein möge, wie ein einfaches Pendel schwingt, wenn 7 die Schwingungsdauer und e die Elongation ist, so gilt die Gleichung: D P ab n Inge m .oli.u,) Bringt man es nun, wie beim Bifilarmagnetometer, dahin, dass ledig- lich noch der Erdmagnetismus bestrebt ist, den Wagebalken in den magnetischen Meridian zurückzuführen, so kann offenbar das Dreh- moment des Erdmagnetismus, resp. der in den Horizont fallenden Komponente desselben, ermittelt werden [113]. A. v. Humboldt regte die Einführung und Untersuchung noch anderer, sozusagen sekundärer erdmagnetischer Kurven an. Er erinnert daran, dass die stündliche Schwankung der Deklination an manchen dem Aequator nahe gelegenen Orten nur etwa den vierten Theil der in Europa beobachteten betrage, und es sei deshalb schon von Arago darauf hingewiesen worden, dass es eine Region der Erde, wahrschein- lich zwischen dem geographischen und dem magnetischen Aequator geben müsse, innerhalb deren die Amplitude der periodischen Schwankung gleich Null werde. Diese Kurve, welche man allerdings noch nicht aufgefunden habe, welche aber unseres Wissens auch jetzt noch nicht aufgefunden worden ist, soll de Kurve der Nichtveränderung der stündlichen Abweichung heissen [114]. Dass der tägliche Temperaturgang und damit der Stand der Sonne für die Schwankungen der magnetischen Elemente mitbestimmend . sin 6, 39 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. sei, wurde von je her für wahrscheinlich gehalten. Christie, der sich mit dieser Frage zuerst eingehender befasst zu haben scheint, war deshalb der Meinung, dass alle Schwingungsbeobachtungen auf eine fixe Normaltemperatur reducirt werden müssten [115], und dass er hierin Recht hatte, beweist der Umstand, dass heute an jeder magnetischen Messung sorgfältige Temperaturkorrektionen angebracht werden [116]. In der That hat Baxendell [117] es ausser Zweifel gesetzt, dass die Variationen der mittleren Tagestemperatur mit den- jenigen der horizontalen Intensität des tellurischen Magnetismus in nächstem Zusammenhange stehen. Und etwas Analoges gilt für die langsamen oder säkulären Aenderungen, indem dieselben sich von der Fleckenbedeckung der Sonne abhängig erweisen. Freilich ist diess nicht so zu verstehen, als ob sonst keine Faktoren hiebei mitspielten. In einer inhaltreichen Abhandlung hat Oberbeck Alles zusammengestellt, was wir über die Veränderlichkeit der erd- magnetischen Elemente wissen [118]*), und als die wichtigsten Motive elektrische Strömungen im Erdinneren (s. den Erdstrom in $. 5 des vorigen Kapitels) und ferner solche Eisenmassen hingestellt, welche durch elektrische Ströme in magnetischem Zustande erhalten werden. Diese beiden Ursachen können nun wieder entweder rein tellurischer Natur sein, oder es ist auch die Möglichkeit nicht gänzlich in Abrede zu ziehen, dass sie irgendwie mit der Menge der uns von der Sonne zugesandten Wärmestrahlen korrespondiren. Wir dürfen uns dem- gemäss nicht der Pflicht entschlagen, den bereits auf Seite 62 des ersten Bandes flüchtig gestreiften Parallelismus im Gange der erdmagnetischen Variationen und der Sonnenfleckenfre- quenz näher in’s Auge zu fassen. Ueber die manch’ spannende Momente darbietende Entdeckungs- geschichte dieses merkwürdigen Zusammenhanges lässt sich eine der berufensten Stimmen, diejenige Rudolf Wolf’s, vernehmen, wie folgt [120]: „Es wurde 1851—52 nahezu gleichzeitig durch Johannes Lamont, der schon 1845 in Dove’s Repertorium auf eine periodische Zu- und Abnahme in der mittleren täglichen Bewegung der Magnet- nadel hingewiesen hatte, in eben diesen Variationen, und durch Edward Sabine in der Häufigkeit der magnetischen Störungen eine circa 10 Jahre umfassende Periode nachgewiesen. Sabine scheint sofort bemerkt zu haben, dass seine Periode mit der von Schwabe in der Sonnenfleckenhäufigkeit gefundenen Periode parallel laufe, hielt aber mit Veröffentlichung seiner Entdeckung durch den Druck so lange zurück, dass er Alfr&de Gautier und mir ermöglichte, selbstständig und auch unabhängig von einander, den Parallelismus zwischen den Zahlenreihen von Lamont und Schwabe zu finden.“ Das Jahr 1852 sah sowohl die Publikation Wolf’s [121], als auch diejenige Gau- *), Oberbeck benützt zur Bestimmung der einem bestimmten Jahre ent- sprechenden Durchschnittsdeklination die Formel d= a + bt +4 ct? [119]. Hier sind a, b, c Erfahrungskoefficienten, t bedeutet die Anzahl der Jahre, welche seit Fi gewissen Anfangstermine verflossen sind. Für Berlin ist — gerechnet von „VO an — d = 18%7' — 0’, 268 — 0‘, 07t?; für Göttingen gab Kohlrausch — ab 1870 — die Formel d = 14°,29 — 9, 1086 — 0’, 05349t?, II, $S. 8. Variationen der erdmagnetischen Elemente. 33 tier’s [122]. Mit der Sache selbst hat es aber nachstehende Bewandt- niss. Wir erinnern uns noch der Art und Weise, wie Wolf (I. Band, S. 61) seineSonnenflecken-Relativzahlen r bestimmte; er bildete ihnen entsprechend die Variations-Relativzahlen von der Form v=a--ßr, | wo v den mittleren Beobachtungswerth der täglichen Variation in Bogenminuten, a. eine für jeden einzelnen Ort konstante Zahl, ß aber eine von dem Wechsel der Sonnenflecke abhängige Variable bedeutet, und stellte beide Zahlwerthe einander gegenüber. Natürlich konnte auch die graphische Darstellung mit Vortheil Platz greifen; auf der Abseissenaxe wurden die Zeiten, versinnlicht durch gleichabständige Punkte, abgetragen, und auf den ÖOrdinaten repräsentirte man die diesen Zeiten entsprechenden Relativzahlen, gemessen nach einem an sich willkürlichen, dann aber ein für allemal unverändert beibehaltenen Maassstabe. Fig. 11 giebt ein Bild von dem parallelen Verlaufe der auf diese Art gebildeten Kurven, deren ÖOrdinaten- Maxima und Mi- nima immer annähernd zu der näm- lichen Abscisse gehören. Hansteen fand eine analoge Periode für die Inklination und damit auch für die Intensität, wie er in einem an Wolf gerichteten Briefe bekannt gab [123]. Die Periode selbst umfasst mit ziem- licher Genauigkeit und nach Wolf’s eigener Bestimmung 11,111 Jahre, wie man auch aus der von ihm selbst ausgearbeiteten Tabelle |124] erken- nen kann: | Deklinationskurve | von Kırstiania. Erste Reihe Zweite Reihe Minima | Maxima Minima Maxima 1610.8 1615. 1745.0 1750,3 16190 15% 1626.0 12” ee ae 1634.0 119 16395 95 1766,59 9.0 12697 87 1645.0 10.0 1649.0 1109 1775,9 99 1778.4 97 1655.0 11.0 1660,0 15.0 1784.,7 13.6 1788.1 161 1666,0 135 1675,0 100 1798,3 12.3 1804.2 199 1679,59 10.0 1685,0 80 1810,6 197 1816.4 13,5 1689,35 95 1693.0 12.5 1823.3 10.6 1829,9 73 1698.0 14.0 1705,5 197 1833,9 96 1837,2 10.9 1712,0 115 1718,2 9,3 1843,5 19,5 1848.1 12.0 172335: 105 1727,5 119 1856.0 119 1860,1 10,5 1734.0 b 1738,7 ? 1867,2 ? 1870.6 i 11.20 + 2.11 17.20. 2°2:.06 Et Ka I be ae 10.94 + 2,52 + 0,64 + 0,63 + 0,47 + 0,76 Fritz, in dessen Schrift auch das von anderen Gelehrten ange- sammelte und verarbeitete Beobachtungsmaterial zu finden ist, zieht Günther, Geophysik. II. Band. 3 34 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. aus seinen eigenen Untersuchungen noch den Schluss: „Bei der De- klinationsbewegung entsprechen den Fleckenmaxima grössere fort schreitende Bewegungen der Nadel, während kleinere und selbst rück- gängige Bewegungen mehr zur Zeit der Fleckenminima eintreten“ [125]. Uebrigens hat ganz in neuester Zeit Balfour Stewart im Vereine mit Dodgson, gestützt auf die Tabellen von Loomis, „Variations- zahlen* berechnet [126], welche Wolf mit seinen Relativzahlen ver- glichen und mit diesen sehr gut zusammenstimmend erfunden hat [127]. $S. 9. Erdmagnetische Selbstregistratoren. Die ungemein grosse Mühe, welche (s. o.) die fortlaufende Beobachtung der magnetischen Schwankungen verursacht, kann bis zu einem gewissen Grade den Männern der Wissenschaft abgenommen und einem selbstregistriren- den Instrumente aufgebürdet werden. Liznar erklärt [128], dass bereits Lamont Vorrichtungen dieser Art ausgesonnen habe, dass dieselben jedoch zu allgemeinerer Anerkennung nicht gelangen konnten. Man hat später zu diesem Zwecke photographische Magneto- graphen konstruirt; ein solcher Apparat ist seit 1857 in dem be- rühmten geophysikalischen Observatorium zu Kew aufgestellt und 1859 der zu Aberdeen versammelten „British Association* demonstrirt worden. Man lässt durch einen Spalt ein schmales Lichtbündel auf den mit der oscillirenden Nadel fest verbundenen Spiegel auffallen; dieser reflektirt die Strahlen und sendet sie einer Cylinderlinse zu, in deren Brennlinie sich jene zu einem hellen Lichtpunkte vereinigen. Gerade durch diesen Lichtpunkt geht aber auch der mit photographisch präparirtem Papier bekleidete Mantel einer um eine Vertikalaxe dreh- baren Trommel, und so zeichnet sich photographisch auf diesem Mantel eine Kurve, welche als das treue Bild der von der Nadelspitze be- schriebenen Linie betrachtet werden kann. Zuletzt wird der Cylinder- mantel in eine Ebene ausgebreitet, und zugleich ermittelt, welcher Absolutwerth einer Verschiebung des Lichtpunktbildes um einen auf dem Papier gemessenen Millimeter entspricht. Börgen zufolge |129] werden die Variationen des Erdmagnetis- mus zur Zeit photographisch aufgezeichnet in Kew, Greenwich, Stony- hurst, Paris, Lissabon, Utrecht, Wilhelmshafen (mit von der Potsdamer Sonnenwarte geliehenen Instrumenten), Wien, Paulowsk bei St. Peters- burg, Melbourne, Zi-ka-wei unweit Shanghai und San Diego in Kali- fornien. Dass künftighin auch die wissenschaftlichen Reisenden und vor Allem die stabilen Expeditionen mehr denn bisher mit solchen Selbstregistratoren betheilt werden möchten, wird Jeder wünschen müssen, der eben aus Börgen’s Darlegungen sich über die gewaltigen Anforderungen informirt hat, welche zur Zeit noch an die Beobachter der erdmagnetischen Öscillationen gestellt werden müssen [130]. Eine gute Uebersicht über die vorhandenen Beobachtungsstationen giebt auch Birnbaum [131]. [1] Gilbert, De magnete magneticisque corporibus et de magno magnete tellure physiologia nova, Londini 1600. — [2] Ibid. $. 71 ff. — [3] Ibid. $. 119 £i. — [4] Ibid. $. 141. — [5] Sturm, Epistola invitans ad observationes magneticae variationis communi studio junctisque laboribus instituendas, Altdorfi 1682. — RB Citate. 35 [6] A. v. Humboldt. Asie centrale, Vol. III, Paris 1843. S. 470. — [7] Bruhns, Alexander v. Humboldt, eine wissenschaftliche Biographie, 3. Band. Leipzig 1872. S. 55 ff. — [8] Hansteen, Untersuchungen über den Magnetismus der Erde, Kri- stiania 1819. — |9] Gauss-W. Weber, Resultate aus den Beobachtungen des mag- netischen Vereines, Göttingen 1837 —43. — [10] Lamont, Astronomie und Erd- magnetismus, Stuttgart 1863. — [11] Lamont, Handbuch des Erdmagnetismus, Leipzig 1849; Handbuch des Magnetismus, ibid: 1867. — [12] Bessel, Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände, herausgeg. von Schumacher, Ham- burg 1848. S. 326 fi. — [13] Airy, Ueber den Magnetismus, deutsch von Tietjen, Berlin 1874. — [14] Klaproth, Lettre a Mr. le baron de Humboldt sur l’invention de la boussole, Paris 1834. — [15] Ruge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckun- gen, Berlin 1881. S. 21. — [16] Geleich, Studien zur Entwickelungsgeschichte der Schifffahrt, mit besonderer Berücksichtigung der nautischen Wissenschaften, Lai- bach 18382. S. 39 ff. — [17] Breusing, Flavio Gioja und der Schiffskompass, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 4. Band. $. 31 ff. — [18] Riceioli, Geographiae et hydrographiae reformatae libri XII, Bononiae 1661. $S. 470. — [19] Geleich, Studien etc. $. 144 ff. — [20] Geleich, Ueber Kompensationen und Kursverwand- lungsapparate, Zeitschr. f. Instrumentenkunde, 1883. S. 273 ff. $S. 837 fi. S. 373 fi. — [21] Barlow, On the errors in the course of vessels, occasioned by local attrac- tion, Philos. Transact., 1831, I. $. 225. — [22] Geleich, Ueber Kompensationen etc., 8. 276 ff. — [23] Evans-A. Smith, Admiralty manual for ascertaining and applying the deviation of the compass, caused by the iron of a ship, London 1862. — [24] Geleich, Ueber Kompensationen etc., 8. 283 ff. — [25] Ibid. 8. 342 ff. — [26] Ibid. S. 345 ff. — [27] Geleich, I recenti progressi della scienza nautica e loro applicazione alla pratica della navigazione, Rivista della marina mercantile, Anno I. S. 74 ff. — [28] Dittmer, Die Deviation der Kompasse am Bord eiserner Schiffe, Berlin 1872. — [29] Peichl, Geschichte der Entwickelung des magnetischen Charakters von Eisenschiffen, Triest 1877. — [30] Schaub, Ueber die Deviationen des Kompasses, welche durch das Eisen der Schiffe verursacht werden, Wien 1864. -— [31] Rottok, Die Deviationstheorie und ihre Anwendung auf die Praxis, Ber- lin 1881. — [32] Aus dem Archiv der deutschen Seewarte, 1. Jahrgang, Hamburg 1878. S. 101 ff. — [33] Ibid. $S. XXXI. — [34] E. De Pruyssenaere’s Reisen und Forschungen im Gebiete des weissen und blauen Nil, bearb. u. herausgeg. von Zöppritz, Ergänzungsheft Nr. 50 zu Petermann’s geogr. Mittheil., Gotha 1877. 8. 35. — [35] Poggendorff, Geschichte der Physik, Leipzig 1879. 8. 204. — [36] Wencke- bach, Sur Petrus Adsigerius et les plus anciennes observations de la declinaison de l’aiguille aimantee, Utrecht 1866. — [37] Heller, Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit, 1. Band, Stuttgart 1882. S. 396. — [38] Ber- . telli, Sopra Pietro Peregrino di Maricourt, Bullet. di bibliogr. e di storia delle sc. mat. e fis., tomo II. S.1 ff. — [39] A. v. Humboldt, Kritische Untersuchungen über die historische Entwickelung der Geographie von der Neuen Welt und über die Fortschritte der nautischen Astronomie im 15. und 16. Jahrhundert, deutsch von Ideler, 2. Band, Berlin 1836. $S. 20. — [40] Ruge, Geschichte ete. $. 267 ff. — [41] E. Mayer, Die Geschichte des ersten Meridianes und die Zählung der geo- graphischen Länge, Wien 1879. S. 6 ff. — [42] Poggendorff, Geschichte etc. $. 271. — [43] Ibid. S. 134. — [44] Geleich, Studien ete. S. 74 ff. — [45] M. Cortez, Com- pendio de la sphera y de l’arte de navegar, con nuevos instrumentos y reglas, Sevilla 1589. — [46] J. C. Fischer, Geschichte der Naturlehre, 8. Band, Göttingen 1808. S. 888. — [47] v. Zach, Nachricht von einem sehr vortheilhaft eingerichteten Deklinatorium, Gothaisches Magazin, 9. Band, 2. Stück. — [48] Gehler’s physi- kalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 1. Band, Leipzig 1825. $. 132 ff. — [49] Liznar, Anleitung zur Messung und Berechnung der Elemente des Erdmagnetismus, Wien 1883. S. 8 ff. — [50] Lamont, Handb. d. Erdmagnetismus, $. 46 ff. — [51] Edel- mann, Die erdmagnetischen Apparate der Polarexpedition im Jahre 1883, Stutt- gart 1882. — [52] Simonoff, Ueber eine neue Methode, die Deklination der Magnet- nadel zu beobachten, Archiv d. Math. u. Phys., 3. Theil. S. 215 fi. — [53] Dove, Repertorium der Physik, 2. Band, Berlin 1838. S. 130 ff. — [54] Poggendorfi, Geschichte ete. S 277. — [55] Musschenbroek, Dissertationes physicae et geome- tricae, Vol. I, Lugduni 1719. S. 189. — [56] Gilbert, De magnete etc. S. 185. — [57] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 3. Band, Zürich 1860. S. 189. — [58] Gehler’s phys. Wörterb., 2. Aufl., 6. Band, 2. Abth., Leip- zig 1836. S. 1125. — [59] Bruhns, A. v. Humboldt, 3. Band, $. 60 fi. — [60] Han- steen, Tafel über die magnetische Inklination und Intensität, Ann. d. Phys. u. Chem., 14. Band. S. 376 ff. — [61] Liznar, Anleitung ete. S. 1. — [62] Cabeus, 36 Citate. ‘ Philosophia magnetica, Ferrariae 1629. $S. 78 fi. — [63] Gehler, Phys. Wörterb., 2. Aufl., 6. Band, 2. Abth. S. 982 ff. — [64] Hutt, Die Bestimmung der mag- netischen Neigung, Brandenburg 1874. — [65] D. Bernoulli. Sur la meilleure maniere de construire les boussoles d’inclinaison, Paris 1743. — [66] Hutt, Die Bestimmung etc. 8.3. — [67] Ibid. S.7 ff. — [68] Ibid. S. 12 ff. — [69] R. Wolf, Handbuch der Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie, 1. Band, Zürich 1869. S. 430. — [70] Hutt, Die Bestimmung ete. $. 15 ff. — [71] Ibid. $. 18. — [72] Liznar, Anleitung etc. S. 13 ff. — [73] Hutt, Die indirekten Methoden zur Bestimmung der magnetischen Neigung, Brandenburg 1884. — [74] Yelin, Ueber Magnetismus und Elektrieität, München 1819. — [75] Hutt, Die indir. Meth. etc. Ss. 7 fi. — [76] Ibid. S. 16 ff. — [77] H. Weber, Der Rotationsinduktor, Leipzig 1882. — [78] C. F. Gauss’ Werke, 5. Band. Gotha 1867. S$. 79 ff. — [79] Kohl- rausch, Leitfaden der praktischen Physik, Leipzig 1884. S. 303 ff. — [80] Gauss’ Werke, 5. Band. $. 87. — [81] Hughes, Die Natur des Magnetismus, Gaea, 19. Jahr- gang. S. 523 ff. — [82] Werner Siemens, Beiträge zur Theorie des Elektromag- netismus, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 14. Band. S. 635 ff. — [83] Sabine, Versuche zur Bestimmung der Intensitäten des Magnetismus der Erde, nebst Beobachtungen über tägliche Oscillationen der Magnetnadel, Ann. d Phys. u. Chem., 6. Band. S. 108 ff. — [84] Gauss, Res. a. d. Beob. etc., Göttingen 1841. S. 1 fi. — [85] Wild, Vollständige Theorie des Bifilarmagnetometers und neue Methoden zur Bestimmung der absoluten Horizontalintensität, Bull. de l’ac. imp. des sc. de St. Petersbourg, Vol. XXII. S. 74 ff. — [86] Pfannstiel, Ueber eine Methode, die Intensität des horizontalen Theiles des Erdmagnetismus nur mittelst Schwingungsbeobachtungen zu bestimmen, Zeitschr. f. Math. u. Phys., 25. Band. S. 271 ff. — [87] Kohlrausch, Absolute Messungen mittelst bifilarer Aufhängung, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 17. Band. S. 737 fi. — [88] Töpler, Ueber die Bestimmung der magnetischen Horizontalintensität mit Anwendung der Wage, Sitzungsber. d. k. pr. Akad. d. Wissensch., 1883. $S. 1029 ff. — [89] De Andrade Corvo, Des lignes isogoniques au seizieme siecle, Jornal de Sciencias Math. e Astr., publicado pel Gomes Texeira, Coimbra 1881; Roteiro da Lisboä a Goa por Dom loäo de Castro, annotado por Ioäo de Andrade Corvo, Lissabon 1882. — [90] Poggendorff, Geschichte etc. $. 274. — [91] Halley, A general chart, shewing at one view the variation of the com- pass, London 1701. — [92] A. v. Humboldt, Ueber die Mittel, um die Erforschung einiger Phänomene des tellurischen Magnetismus zu erleichtern, Ann. d. Phys. u. Chem., 15. Bd. S. 319 ff. — [93] Wilcke, Försök till en magnetisk inklinations- karta, Stockholm 1768. — [94] Bruhns, A. v. Humboldt, $. 61 ff. — [95] Wett- stein, Die Strömungen des Festen, Flüssigen und Gasförmigen und ihre Bedeutung für Geologie, Astronomie, Klimatologie und Meteorologie, Zürich 1880. Tafel 8, 9, 10. — [96] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Alexander v. Hum- boldt und Carl Ritter, München 1877. $. 524. — [97] Ibid. S. 506. — [98] Ibid. S. 508. — [99] Duperrey, De la configuration de l’&quateur magnetique, Ann. de chim. et phys., tome XLV.. 8. 371 ff. — [100] Sabine, Contributions to terrestrial magnetism, VII, Phil. Transact., 1846, IIl. S. 248 ff. — [101] Menzzer, Ueber den Zusammenhang der Konfiguration des festen Landes mit der Lage der magnetischen Pole der Erde, Ann. d. Phys. u. Chem., 5. Supplementband. $. 592 fi. — [102] Neu- mayer, Die Erforschung des Südpolargebietes, Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 7. Band. S. 163 ff. — [103] Gellibrand, A discours mathematical on the variation of the magnetie needle, London 1635. — [104] Gilbert, De mag- nete etc. S. 166 ff. — [105] Poggendorff, Geschichte ete. S. 726 ff. — [106] J. C. Fischer, Geschichte etec., 8. Band. S. 889 ff. — [107] Bruhns, A. v. Humboldt etc., 3. Band. S. 77 ff. — [108] Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1845. 5. 436 ff. — [109] Gilbert, De magnete ete. S. 204. — [110] Liznar, An- leitung etc. $. 56 ff. — [111] Ibid. $. 69 ff. — [112] v. Lang, Einleitung in die theoretische Physik, 1. Theil, Braunschweig 1867. $. 90 ff. — [113] Ibid. S. 146 ff. — [114] Humboldt, Kosmos, 1. Band. S. 290. — [115] Christie, Ueber den Ein- fluss der Temperatur auf die Intensität der magnetischen Kraft, Ann. d. Phys. u. Chem., 6. Band. $. 239 ff. — [116] Liznar, Anleitung etc. $. 23 ff. — [117] Baxen- dell, On solar radiation, Mem. of the lit. and phil. society of Manchester, (3) Vol. IV. S. 120 fl. 8. 147 ff. — [118] Oberbeck, Ueber die zeitlichen Veränderungen des Erdmagnetismus, Leopoldina, 1881. S. 111 ff. — [119] Ibid. $. 115. — [120] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 657 ff. — [121] R. Wolf, Neue Untersuchungen über die Periode der Sonnenflecken und ihre Bedeutung, Bern 1852. — [122] A. Gautier, Note sur quelques recherches r¢es, astrono- miques et physiques, relatives aux apparences que presente le corps du soleil, Arch. III. $. 1. Aeltere Erklärungsversuche. 37 des sc. phys. et nat., Vol. XX. S. 177 ff. — [123] Fritz, Die Beziehungen der Sonnenflecken zu den magnetischen und meteorologischen Erscheinungen der Erde, Haarlem 1878. S. 16 ff. — [124] R. Wolf, Memoire sur la periode commune & la frequence des taches solaires et & la variation de la declinaison magnetique, Londres 1878. S.4. — [125] Fritz, Die Beziehungen etc. S. 19. — [126] B. Stewart- Dodgson, Note on an attempt to analyse the recorded diurnal ranges of magnetic declination, Manchester 1881. — [127] R. Wolf, Astronomische Mittheilungen, Vierteljahrsschr. d. naturf. Gesellsch. zu Zürich, 1882. S. 187 ff. — [128] Liznar, Anleitung etc. S. 76. — [129] Börgen, Die internationalen Polarexpeditionen, Bremer Geogr. Blätter, 5. Band. S. 301. — [130] Ibid. $S. 298 ff. — [131] Birn- baum. Die neuesten Forschungen über den Magnetismus des Erdganzen und die magnetischen Observatorien, Globus, 11. Band. S. 176 fi. Kapitel III. Theorie des Erdmagnetismus. S. 1. Aeltere Erklärungsversuche. Einiger abenteuerlicher Dok- trinen, welche die Richtkratft des Erdkörpers mit den in diesem ent- haltenen Massen von Magneteisenstein in Verbindung bringen wollten, ist bereits in $. 1 des ersten Kapitels gedacht worden. Weit richtiger in seiner Art urtheilte bereits Gilbert, als er den Satz aussprach [1]: „Centrum virtutum magneticarum in tellure est telluris centrum.“ Galilei hielt, wie aus einem bei Favaro erwähnten Briefe dieses grossen Naturforschers hervorgeht |2], den er unter'm 3. Mai 1608 an Vinta richtete, die Erde für einen vollkommenen Magneten; auf der Nordhalbkugel werde der Südpol, auf der Südhalbkugel der Nordpol der Nadel stärker angezogen, und am Aequator hielten beide Attraktionen einander das Gleichgewicht. Eine originelle, aber leider von Excentri- eitäten durchaus nicht freie Theorie entwickelte Halley [3]. Die Konfiguration der Isogonen bestimmte ihn, jeder Hemisphäre zwei ver- schiedene Magnetpole, einen stärkeren und einen schwächeren, zuzu- theilen, allein hiemit nicht zufrieden, nahm er auch einen unterirdischen, rotirenden Erdkern an, der durch seine verschiedene Stellung zur Erdkruste die Schwankungen in der Grösse der Deklination bedinge *) (vergl. I. Band, S. 315). Jenen Theil der Entwickelungsgeschichte der erdmagnetischen 'Theorieen, welchen man als die Periode der exakten *) Es soll gleich hier vorgreifend daran erinnert werden, dass ein deutscher Physiker aus weit späterer Zeit, Namens Steinhäuser, ein stattliches Maass redlichster Arbeit an die undankbare Aufgabe gewendet hat, diese Halley’sche Hypothese wissenschaftlich weiterzubilden. Hier soll nur summarisch auf einige [4] der zahlreichen Abhandlungen hingewiesen werden, welche er diesem Phantom widmete; von einem gewissen Interesse dürfte aber heute noch eine Arbeit sein, in welcher er ganz so. wie es die Astronomen bei neu aufgefundenen Wandel- sternen zu thun pflegen, die Bahnelemente seines intratellurischen Planeten zu bestimmen suchte [5]. Die Magnetaxe der Erde macht danach im Zeitraum von 440 Jahren einen vollständigen Umlauf um ihren Mittelpunkt, ist aber dabei zu- gleich einer konstanten, gegen Osten gerichteten Verschiebung unterworfen. Doch ist diese Axe nicht mit der Erde verbunden, sondern in einem frei beweglichen Planeten enthalten, welcher Minerva genannt werden soll! [6] 38 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Forschung bezeichnen könnte, hat Horner |7] mustergültig dargestellt, seine Schilderung werden auch wir zur Richtschnur nehmen. Euler dachte sich im Inneren der Erde eine Kugelsehne durch einen homogenen Magnetstab ausgefüllt, dessen Endpunkte zugleich die magnetischen Endpole wären, und fragte sich nun, wie diese Sehne gelegen sein müsse, damit das vorhandene Beobachtungsmaterial durch seine Annahme genügend erklärt werde [8l. Es waren vier Fälle möglich: erstens konnte die Sehne mit einem Durchmesser zusammen- fallen, oder sie konnte eine Meridiansehne sein und ihre Endpunkte in entgegengesetzten Hemisphären haben, oder es konnten unter der näm- lichen Voraussetzung diese Endpunkte der nämlichen Halbkugel an- gehören, oder die Endpunkte konnten auch so gelegen sein, dass durch sie und die beiden Erdpole nicht eine und dieselbe Ebene hindurch- zulegen war. Da ähnliche Vorstellungen fast ein Jahrhundert lang die maassgebenden waren, so mag es angezeigt sein, die mathema- tischen Betrachtungen, welche Euler anstellte, an dem einfachsten dieser vier Fälle zu erläutern. In Fig. 12 sind P und P‘ die Erdpole, A und B die magnetischen Pole, L ist ein Fig. 12. beliebiger Erdort, M@ ein auf der Magnet- axe normaler Hauptkreis, resp. der magne- tische Aequator. Wir setzen PA—=a PL —p, ZAPL—=g; der Winkel’ PBA2 7 repräsentirt uns die zu bestimmende magne- tische Deklination. Wenn man AL für den Augenblick mit y bezeichnet, so hat man die bekannten beiden Gleichungen sin ösiny = sin a sin q, c0O8 == C08 acosp —- sin a sin p cosc. Hieraus werde y eliminirt, indem man die zweite Gleichung mit sin ö multiplieirt, hierauf beide Gleichungen quadrirt und addirt. So bleibt nur eine Gleichung für sin? ö übrig; hieraus berechne man tang” ö und ziehe, da auf der anderen Seite jetzt ein rationaler Ausdruck steht, (die Quadratwurzel aus. So er- giebt sich R sin asing tangöo = —— —————— cos a sin p — sin a cosp cos q Die verlängerte PL schneidet MQ in O; zieht man den Hauptkreis- bogen AO = 90° und bezeichnet PO mit m, so fliesst aus dem Dreieck AOL weiter die Relation (LOA = d) tang 6 cos (m — p) —= tang d; d ist die kleinste Abweichung, welche längs des Meridians POP vor- kommen kann. P@QP’M ist derjenige grösste Kreis der Erde, in dessen ganzem Verlaufe gar keine Missweisung der Nadel vorkommt, und umgekehrt findet in dem Pole Z dieses Kreises das für den magnetischen Aequator überhaupt mögliche Deklinationsmaximum statt. All’ das wollte nun freilich zu der Halle y’schen Isogonenkarte in keiner Weise stimmen, und nicht viel besser ergieng es Euler bei der rechnungs- mässigen Durchprobirung seiner drei allgemeineren Annahmen; so sollten beispielsweise im dritten Falle die Isogonen reguläre geometrische III, $. 2. Die Gauss’sche Theorie. | 39 Kurven der dritten Ordnung werden, während sie in Wirklichkeit sich nicht in ein solches Schema hineinzwängen lassen. Tob. Mayer der Vater gieng von der vierten Euler’schen Hypothese aus, setzte aber die vom Sehnencentrum ausstrahlende Kraft dem umgekehrten Kubus der Distanz proportional; freilich kennen wir seine Methode und Resultate nur aus einigen Andeutungen, da das Manuskript der ungedruckt gebliebenen Arbeit verloren gegangen ist [9]. J. Biot, der 1804 Humboldt’s Neigungsbeobachtungen zu bearbeiten begann, glaubte zu deren Darstellung mit einem kleinen cylindrischen Stabmagneten auszukommen, dessen Mittelpunkt er in denjenigen der Erdkugel verlegte |10]. Seine Ergebnisse waren der Theorie nicht eben ungünstig und veranlassten Mollweide |11], eine Reihe von Aufgaben systematisch zu lösen, deren Allgemeincharakter sich in Kürze etwa dahin kennzeichnen lässt, dass aus den magnetischen Koordinaten eines Punktes auf der Erde dessen geographische Koordinaten be- rechnet werden sollten und umgekehrt. Nicht viel anders dem Sinne nach, nur mit Aufbietung eines grösseren mathematischen Apparates, sieng Hansteen im sechsten Kapitel seines grossen Werkes vor [12], und eben, weil er sich von dieser Anschauung nicht zu trennen ver- mochte, musste er die Ehre, eine voll befriedigende Theorie des ter- restrischen Magnetismus geschaffen zu haben, einem Anderen überlassen. Wiewohl in diesem Paragraphen strenge genommen nur von älteren Erklärungsversuchen die Rede sein soll, so gebietet doch der Zusammen- hang, einige der Zeit nach neuere, dem Sinne nach aber noch in jenen älteren Ideen der Euler’schen Schule wurzelnde Hypothesen gleich mit heranzuziehen. So nimmt Raulin [13] mit Roche (vgl. I. Band, S. 319) einen soliden, aber etwas excentrisch gelegenen Magneteisenkern im Innern der Erde an, dessen Umdrehungsgeschwindigkeit nicht ganz so gross sei, wie jene der mehr peripherischen Theile. Hiedurch werde eine Rotation der magnetischen um die geographischen Pole eingeleitet, und wenn man auch die Geschwindigkeitsdifferenz nur als !/soo der Oberflächengeschwindigkeit betrachte, so sei doch damit schon das Faktum zu erklären, dass von 1664 bis 1814 das Isogonensystem unter dem 70. Grade nördlicher Breite sich um einen vollen rechten Winkel gedreht habe. Linder ist damit nicht zufrieden, sondern lässt jeden der Pole des Erdkernes eine Kurve zweiter Ordnung beschreiben, während die Axe eine hiedurch jeweils bestimmte Lage annimmt. Um aber den wirklichen Verlauf der erdmagnetischen Linien wahrheits- gemäss darstellen zu können, sieht sich der genannte Autor noch zur Einführung weiterer Hülfsvorstellungen genöthigt [14]. $. 2. Die Gauss’sche Theorie. Newton’s berühmtes Princip der exakten Naturforschung, welches derselbe mit den Worten „Hypotheses non fingo“ aussprach, ist wohl von keinem Anderen, den Urheber selbst nicht ausgeschlossen, so glänzend zu Ehren gebracht worden, als von Gauss in der Abhandlung [15]: „Allgemeine Theorie des Erdmagnetis- mus.* Dieselbe stützt sich wesentlich auf einen Lehrsatz, den der uns von früher her bekannte englische Geometer Green (vgl. I. Band, S. 165) aufgestellt und bewiesen hatte [16], und der sich folgender- massen aussprechen lässt: Wenn U und V stetige Funktionen der — als Orthogonalkoordinaten eines Raumpunktes aufzufassenden — Ver- De 25 - x RE » N « vr 40 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. änderlichen x, y, z vorstellen, wobei zugleich vorausgesetzt wird, dass deren Ableitungen für keinen Punkt eines wie immer gestalteten Körpers unendliche Werthe annehmen, wenn ferner dF ein Element der Ober- fläche des in Rede stehenden Körpers und dn ein unendlich kleines und auf der in dF errichteten Normale nach Innen zu abgetragenes Linienelement bedeutet, so ist a, An U ax? =p: 9y” ar %°z dx dydz fe 9U 9’U 9’U — /N \S + ge +) dx dy dz = we ade Die dreifachen Integrale links erstrecken sich über das ganze Innere, die zweifachen Integrale rechts aber nur über die Oberfläche des Körpers. Aus der blossen Fassung dieses Fundamentaltheoremes der modernen mathematischen Physik geht hervor, wie viel durch dasselbe gerade für die uns beschäftigende Frage geleistet wird. Dass keine Annahme über die Lage und Vertheilung der magnetischen Potenzen im Inneren des Erdkörpers zu irgend brauchbaren Aufschlüssen über die wirkliche Beschaffenheit der magnetischen Kurven und über deren langsame Verschiebungen führt, davon hat uns der vorige Paragraph genugsam überzeugt. Nunmehr aber können wir überhaupt den magnetischen Zustand des Erdinneren gänzlich ignoriren, denn der Lehrsatz Green’s gestattet es uns, ausschliesslich die an der Oberfläche wirkenden, sicht- und messbaren Kräfte jenen unbekannten Agentien zu substituiren. Jede Vertheilung des Magnetismus innerhalb der Erde kann durch eine Vertheilung desselben längs der Oberfläche mit dem Effekte er- setzt werden, dass die mag- Fig. 13. netische Gesammtwirkung des zZ Erdkörpers auf einen willkür- lichen Punkt des äusseren Raumes dieselbe bleibt. Wie lässt sich aber diese Wirkung berechnen? Ein Punkt A (Fig. 13) auf der Erdoberfläche sei durch seine räumlichen Polarkoordinaten r, 9°, d‘, ein ausserhalb ge- legener Punkt B ebenso durch p, ®, b charakterisirt, und zwar sollen die Radienvektoren vom Erdmittelpunkte C aus gezählt werden. Die Grösse eines sphä- rischen Flächenelementes ist einem bekannten stereometrischen Satze nach gleich r? sin 9 do“ di‘ zu setzen, F (9, /‘) soll die von Länge und Breite abhängige Dichte der magnetischen Ladung bedeuten. Da nun (vgl. I. Band, a. a. O.) das Potential einer Masse m auf einen von ihr um d entfernten, mit r m der Masse | erfüllten Punkt — —- gesetzt war, so ist das magne- d III, $. 2. Die Gauss’sche Theorie. 41 tische Potential jenes Elementes unschwer zu ermitteln. Zieht man nämlich AC, BC und AB, so liefert der Cosinussatz die Gleichung AB—=-d—r-+ 9° —2rpcos ( ( cos (45° a: 2322) Si (1,332) Vermittelst dieser Formel, die bei ihm allerdings weit weniger einfach aussieht, berechnet Silberschlag die Höhe AD auf 46 geographische Meilen, und dieser Werth würde ziemliches Vertrauen verdienen, wenn die Beobachtungen gleichwerthig mit dem theoretischen Verfahren ge- wesen wären. Letzteres ist freilich zu bezweifeln, denn der Figur nach müsste ja die Lichtkrone südlich von Berlin gesehen worden sein *). Bergman bestimmte um dieselbe Zeit mit Zugrundelegung der von Gassendi, Cramer, Celsius, Gissler, Godin, Hell, Krafft, Mairan und von ihm selber gemachten Beobachtungen die Durchschnittshöhe des obersten Nordlichtbogens auf 104 Meilen gleich cos © DT *) Allerdings kommen in der Literatur auch Notizen vor, welche darauf schliessen lassen, dass man an Orten auf der Nordhalbkugel nordlichtartige Er- scheinungen nach Süden hin gesehen habe. Hellmann berichtet z. B. [24], dass ein gewisser Helmuth 1777 im „Braunschweiger Anzeiger“ die „Beobachtung eines im Süden leuchtenden Bogens“ beschrieben habe. Natürlich ist hier nur von mittleren Breiten die Rede. u Be De A nn Ya Me TE A Ei ir han” ET WE RETTET IH RONTEA RT RR TEN N N NS ELENA | (Er DER SaBEN IS. A ee N % ae ” 592 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. | _ 77 Myriametern [25]. Die Messungen sind, selbst wenn man sich nach den verbcsserten Methoden von Galle, Jesse u. A. richtet, stets schwierig # und mit Fehlern behaftet; wie ungemein stark die Wirkung der Augen- täuschung ist, mag daraus hervorgehen, dass wissenschaftlich gebildete Mitglieder der deutschen Nordpolexpedition (1869—70) die Nordlicht- strahlen mit den Händen greifen zu können wähnten [26]. Es mag ja sein, dass gewisse Lichtnebel, die Hildebrandson als sehr nahe Gegenstände erkannte, eine Art von Uebergang zum Nordlicht selber bilden [27], aber im Allgemeinen muss der Heerd der Erscheinung in eine ziemlich grosse Entfernung verlegt werden. Fritz kann nach sorgfältiger Sichtung seines reichen Materiales nicht umhin [28], den seiner Unbestimmtheit halber freilich wenig befriedigenden Schlusssatz zu formuliren: „Die Höhen über der Erdoberfläche, in welchen sich die Polarlichter entwickeln, sind sehr verschieden, höchst wahrscheinlich aber lange nicht so bedeutend, als manche auf Messungen beruhende Beobachtungen ergaben, und die Höhen dieser Regionen nehmen, min- destens für die unteren Grenzen, mit den Breiten ab, das einzig Be- stimmbare hinsichtlich der Höhe, in welcher sich das Polarlicht ent- faltet.* Wenn mit diesem Ergebnisse unsere unmittelbar vorhergehende Aussage in einem gewissen Widerspruche zu stehen scheint, so liegt diess daran, dass wir die Messungen von Flögel [29] für verlässiger halten, als diess anscheinend von Fritz geschieht. Nach Flögel aber käme das Nordlicht stets zu Stande in Regionen, welche man jenseits unserer Atmosphäre zu suchen hätte, oder welche doch nur nah an deren oberste Schichten grenzten. Die Höhe der Strahlen- basis soll im Mittel 15 bis 19 Myriameter, im Maximum 30 Myria- meter betragen, während die Strahlenspitzen 50 bis 75 solcher Maass- einheiten sich über den Erdboden erheben können. Paulsen bestätigt neuestens [30] die Resultate von Fritz zum Theile. Innerhalb der gemässigten Zone seien die Polarlichter auf den obersten, dünnsten Theil unserer Lufthülle beschränkt, und das Höhenminimum müsse sehr gross angesetzt werden; je weiter man aber gegen den Pol fort- schreite, um so tiefer schienen die Polarlichter herabzusteigen, ja in Grönland habe man sicherlich solche schon diesseits der Wolkendecke gesehen. Aus 32 Höhenmessungen findet Paulsen, dass die Höhe des unteren Randes zwischen 0,061 und 6,786 Myriametern schwanke. Vielleicht verschafft uns Jesse’s Theorie vom oscillirenden Mag- netpol (Astr. Nachr. Nr. 2496) genauere Bestimmungen. $. 3. Häufigkeit und Sichtbarkeitsgrenzen. Dass die Häufigkeit der Sichtbarkeit von Polarlichtern von der geographischen Lage eines bestimmten Ortes abhängig sei, musste sich bald herausstellen. Fritz verbindet alle Punkte der Erdoberfläche, für welche die Sichtbarkeit gleich häufig ist, durch die Isochasmen [31], deren Verlauf er in seinem Buche sehr detaillirt auseinandersetzt. Jene Kurve, der alle Orte angehören, welche durchschnittlich einmal im Jahre ein Polarlicht zu erblicken hoffen dürfen , ist die Isochasme 1, und damit ist auch der Begriff der Isochasme n gegeben. Fig. 15 stellt uns den Verlauf der Nord-Isochasmen ", 1, 5, 10, 30, 100 vor Augen, für die Süd- Isochasmen lässt sich eine Karte zur Zeit noch kaum zeichnen [32]. \ Ri As a he zn 7 Mi DE di ER ee Ar ee ”» sm. .dia UNS, 2 Häufigkeit und Sichtbarkeitsgrenzen. 53 Für Nordamerika war Fritz erst später in der Lage, sein Isochasmen- Diagramm ausreichend zu vervollständigen; dabei gelangte er u. a. zu folgender Bestimmung [33]: „DieIsochasme grösster Häufig- (SR SITT- jean umEm 17 | m RANmRImS, BEEZIIETEN ANGER AZ 3 Te ey F + Stunden. BB —— nn + aH St ö Dr ut EISEE OESSIE ELEeL. EEE ELEI LEE = er en ee = er schiede mit dem mittleren Deutschlan Jsochasmen, 1 a 4 | j | ö keit gelangt, von der sibirischen Küste kommend, bei dem 70. Breiten- grade in den amerikanischen Kontinent, schneidet den grossen Bärensee, die Hudsonsbay unter dem 60. Breitengrade, zieht südlich von Grönland . N DE ed ET a ER Fr A pi fi 17 BR, a a ie De a ER, 2 54 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte, | und Island vorbei und tangirt Europa bei’m Nordkap.“ Diese neuesten Ergebnisse sind in unserer Zeichnung bereits mitberücksichtigt. Neuerdings hat Nordenskiöld, als er auf der Vega im Eis- meere unweit der Beringsstrasse überwinterte, zahlreiche Beobachtungen angestellt und auf diese schliesslich ein System begründet, durch welches Das, was bereits Fritz ermittelt hatte, vielfach bestätigt, aber auch vertieft und im Einzelnen modifieirt wird [34]. Wir ver- weisen auf Fig. 16, worin P den Nordpol, N aber den — vom magne- tischen Pole nicht weit abliegenden — Nordenskiöld’schen Punkt vorstellt, dessen Lage eben für die geographische Vertheilung der verschiedenen Nordlichtformen charakteristisch ist. Um N als Mittel- punkt sind fünf concentrische (gestrichelte) Kreise beschrieben, welche fünf verschiedene Zonen gegen einander abgrenzen. Die äusserste (schraffirte) Zone ist der Tummelplatz des schönen Draperielichtes, in il dem nächsten (weiss gelassenen) Kreisringe treten, während ersteres abnimmt, bereits die gewöhnlichen strahlenschiessenden Nordlichter auf. Im dritten. (schraffirten) Gürtel ist der Nordlichtbogen dem Zenit des Beschauers näher gerückt und hat dadurch an seiner charakteristischen Gestalt verloren. Wieder weiter nach innen zu, also in den Um- gebungen des Smithsundes und der nordwestlichen Durchfahrt, ist der Nordlichtbogen die gewöhnliche Erscheinung. Aprioristisch wäre nach all’ dem anzunehmen, dass im centralen Kreise, da erfahrungsgemäss Strahlen nach innen zu nur spärlich ausgesandt werden, die Nord- lichter selten sein und gegebenen Falles sich nur durch einen unbe- stimmten Lichtschein am Horizont verrathen müssen. In jene höchsten Breiten sind nun freilich erst wenige Forscher eingedrungen, doch be- stätigen die Reiseerinnerungen eines Parry und eines Nares recht gut die theoretischen Vorausbestimmungen Nordenskiöld’s. $. 4. Physikalische Analyse der Lichterscheinungen. Vom Stand- punkte der Optik aus kommen bei jeder Lichterscheinung vornämlich . ö wir" 7 y k RS rer xl "DEE CD nel. a un Te u 2 2000 a Ze e he a ea EB NE Al En nn a an Zn "u nit a age > ee u ann ne nn IV. S$S. 4 Physikalische Analyse der Lichterscheinungen. 55 vier Dinge in Betracht: die Farbe, die Intensität, die Polarisations- verhältnisse und das Spektrum. Sehen wir zu, wie in unserem Falle die Betrachtung dieser vier Eigenschaften sich gestaltet. Dass das ungemein rasch wechselnde Farbenspiel der Draperieen und Strahlen selbst mit dem Auge nur schwer zu verfolgen ist, der Kontrole durch instrumentale Beobachtung und Messung aber so gut wie gänzlich sich entziehen muss, wissen wir aus $. 1. Im Allgemeinen ist der Häufigkeitsgrad des Vorkommens einer bestimmten Farbe deren ‚Brechungsexponenten ungefähr umgekehrt proportional; die gering brechbaren Strahlen überwiegen bedeutend die stärker brechbaren, und Violett begegnet uns nur im Nordlichtdunste [35]. Die Intensität der Polarlichter übertrifft nur in seltenen Ausnahmefällen die Leuchtkraft des Vollmondes [36]. Die bisherigen Vergleiche unserer Lichterschei- nung mit anderen Lichtquellen hinken alle ein wenig; vielleicht am ersten lässt sich dieselbe zu leuchtendem Phosphor in Parallele stellen, und neuerdings scheinen die intermittirenden Lichtwallungen in den Geissler’schen Röhren die vergleichsweise beste Analogie darzu- bieten [37]. Polarisirt scheint nach Flögel und Venable das Nordlicht nicht zu sein, vielmehr dürften die schwachen Anzeichen, welche Arago einmal bemerkt zu haben glaubte, einer benachbarten Wolke entsprungen sein, welche die ihr zugesandten Polarlichtstrahlen reflektirte [38]. Die Spektralbeobachtungen sind in neuerer Zeit mit grosser Energie in Angriff genommen worden. Angström, dessen Name hier in erster Linie genannt werden muss, behauptet |39], dass das Nordlichtspektrum sich aus zwei verschiedenen Spektren zusammensetze. Das eine der- selben rühre her von dem gelben Lichtscheine, das andere, aus licht- schwachen Streifen und Banden sich zusammensetzend, trete nur bei besonders lichtkräftigen Phänomenen hervor. Bestimmte Koincidenzen mit den Fraunhofer’schen Linien des Sonnenspektrums nachzuweisen, sei schwierig, doch stimme der violette Theil des sekundären Spektrums gut überein mit dem Luftspektrum, und auch im Gelbgrün komme eine semeinsame Linie vor, die man sich durch Fluorescenz entstanden denken könne. Diese Linie scheint, wie schon früher erwähnt ist (I. Band, S. 88), sowohl dem Zodiakallichte, wie auch dem diffusen Himmelslichte zugeschrieben werden zu müssen [40]. Alexander Herschel [41] und Capron [42] knüpfen ihrerseits an Angström an. Letzterer ist, wie wir wissen, geneigt, im Nordlichtspektrum nur eine Abart jenes Spektrums zu erkennen, welche der negative Pol einer mit Luft gefüllten Geissler-Röhre liefert, aber Capron hält dafür, dass aus der Uebereinstimmung zweier isolirter Bestandtheile noch nicht ein so weitgehender Schluss gezogen werden dürfe. Nur in Einem Punkte stellt er sich gänzlich auf Angström’s Seite, darin nämlich, dass die gelbgrüne Hauptlinie von Fluorescenz oder vielleicht auch von Phosphorescenz herrühre. Lemström will die zwei Spektra seines skandinavischen Landsmannes sogar noch um ein drittes ver- mehrt wissen [43]. Spektrum I enthält ihm zu Folge die gelbe Linie und die übrigen Linien bis hin zu F, die freilich sehr oft sich ganz und gar verwischen und dann nur die Linie 5569 intensiver hervor- treten lassen*); Spektrum II enthält die rothe Linie, Spektrum III *) Bekanntlich sind die Physiker aller Nationen dahin übereingekommen, 56 Vierte Abtheilung. Magnetische und dekkrreche Bi ist durch die violetten Banden ausgezeichnet. Nach Browningähnen die Novembermeteore, spektralanalytisch untersucht, vielfach den Polar- lichtern, wogegen die Hoffnung, diese in Beziehung zu den bei totalen Finsternissen auftretenden Lichtkränzen der Sonne setzen zu können, aufgegeben werden zu müssen scheint [44]. 8. 5. Periodieität. Was wir von dem periodischen Verhalten der Polarlichter wissen, verdanken wir zum weitaus überwiegenden . Theile den rastlosen Bemühungen von Fritz, der zum Behuf des Nachweises einen vollständigen Katalog aller jemals registrirten Licht- phänomene dieser Art ausarbeitete [45], aber auch in seinem Lehr- buche dieses Kapitel [46] mit sichtlicher Vorliebe behandelte. Allerdings hatten, wie an jenem Orte gezeigt wird, auch ältere Gelehrte, wie Mairan, Wargentin, Bergman, Höslin; Pileram, Chr Pfaff [47], auf das Vorhandensein von Perioden — der letztere auf eine solche von etwa 100 Jahren — hingewiesen, und der Amerikaner Olmsted hatte mit besseren Mitteln eine Erscheinungsperiode von 65 Jahren — 25 Ruhe- und 40 Aktionsjahren — als wahrscheinlich zu erkennen geglaubt [48]*). Fritz aber hielt zuerst die verschiedenen Arten der Periodicität richtig aus einander. Wir haben nämlich zu scheiden eine tägliche, jährliche und säkuläre Periode, obwohl dieses letztere Wort hier nicht in seinem strengsten Sinne genommen werden darf. Die tägliche Nordlichtperiode weist Ein Maximum auf, welches für die meisten Gegenden, zumal für die den mittleren Breiten angehörigen, nahe um 10 Uhr eintritt [50]. Die jährliche Periode ist, wenn man die innersten Zonen der Norden- skiöld’schen Eintheilung (s. 0. $. 3) ausnimmt, durch zwei Maxima und Minima charakterisirt; im Uebrigen „zeigt sich das Polarlicht für die ganze Erde dann am häufigsten, wenn dieser Planet sich von einem Nachtgleichenpunkte durch das Perihel zu dem anderen bewegt“ [51]. Endlich ist für das Polarlicht ebenso jene 11!/jährige Periode vor- handen, welche wir für Sonnenflecke und erdmagnetische Variationen bereits kennen gelernt haben (s. o. Kap. IL, $. 8), und dann ist natür- lich der Schluss nicht abzuweisen, dass auch allfallsige längere Perioden der Fleckenfrequenz (Il. Band, S. 65) sich in diesem Verhältnisse offen- baren würden. Loomis’ diesen Parallelismus zur deutlichen An- schauung bringende Tabelle [52], bei deren Konstruktion freilich die von Fritz herrührenden Angaben in einer den guten literarischen Ge- pflogenheiten wenig entsprechenden Weise ausgenützt worden sind [53], sei hier wiedergegeben : die Linien des Spektrums mit einer fortlaufenden und gleichmässigen Numeri- rung zu versehen: die Hauptlinien werden durch grosse und kleine lateinische Buchstaben bezeichnet, und im Uebrigen zählt man vom langwelligen Ende ab dekadisch fort. *) Es ist auffallend, dass Fritz in seiner Aufzählung einer überaus reich- haltigen Literatur ein Erzeugniss unterdrückt, welches für seine Zeit vollste Be- achtung verdiente, nämlich Hällström’s Untersuchungen über die monatliche Wiederkehr der Polarlichter im südlichen Finnland. Den Tag A eines Monates n, an welchem das Aufleuchten eines Nordlichtes mit relativ grösster Wahrschein- lichkeit zu erwarten ist, findet derselbe mit Zugrundelegung der Bessel’schen _ Formel (vgl. Kap. II, $. 8 der nächsten Abtheilung) gegeben durch die Relation [49] " A — 84,38 - 54.403 sin (n.. 30° + 999 42°) + 44,968 sin (n . 60° + 285° 42°) + 04.832 sin (n . 90° -+ 211047. IV, 8. 5. Periodieität. 57 Jahr mit einem Maximum von Jahr mit einem Minimum von Sonnenflecken | Nordlichtern Magen. Dekl. Sonnenflecken Nordlichtern | Magn. Dekl. 1778 1778 1777 1784 1784 | 1784 1788.5 1787.5 1787 1798 1798 1799,5 1804 18045 1803 1810 1811 en. 1816,5 1818 1817,5 1823 1823 18235 18295 1830 1829 .1833.5 1834,5 1837 1840 1838 18435 18435 1844 1848.,5 1850.5 18485 1856 1856 1856 1860 18595 |: 18595 1867 1867 1867 1870 18705 18705 | Ohne Kommentar ersieht man, dass die zeitliche Uebereinstimmung der Maxima und Minima aller drei Erscheinungsklassen keine zufällige sein kann; insbesondere die Minima stimmen um so besser, auf je zahlreichere und schäfere Beobachtungen sich ihre Berechnung gründen konnte. Fig. 17 lässt (nach Fritz) die Gleichförmigkeit im Gange der Wolf’schen Relativzahlen und der auf ähnliche Weise ermittelten Po- Fig. 17. larlicht-Relativzahlen für Mitteleuropa hervortreten. 55 Jahre, d.h. fünf Um- oder Abläufe einer einzigen dieser Pe- rioden, scheinen nach Fritz [54] zu einer umfassenderen Periode von 55, 56 Jahren zusammengefasst werden zu dürfen, welche auch die in alten An- nalen überlieferten auffallenden Phäno- mene recht gut darstellt. Betreffs der „|: theoretischen Erörterungen, die sich an | den Periodicitätsnachweis ganz von selbst bb Polszlicht, auFleckeriRelativzahlen. anreihen, wäre auf eine Abhandlung von Schiaparelli [55] zu verweisen. Ist das Nordlicht wirklich eine den periodischen Charakter an sich tragende Erscheinung, so liegt es nahe, dasselbe auch auf seine allfallsige Verwandtschaft mit dem Wechselspiele der meteorologischen Faktoren zu prüfen. Fritz [56] und Forssman [57] haben diese Frage näher untersucht. Hornstein’s Ergebniss, dass die jährlichen Luftdruckschwankungen die längere Periode mit den Nordlichtern gemein hätten, wird wesentlich modificirt durch Forssman’s Satz: „Un certain mouvement du barom£tre predomine dans les perturbations magnetiques d’une grande intensit€E et dans les aurores bor&ales s’etendant au delä de la zöne propre & ces phenom£nes.* Es schiene hiernach nämlich, als ob Sinn und Grösse der Barometerschwankungen nur für jenen Theil der Nordhalbkugel dem Sinn und der Grösse der Nordlichtvariationen entsprächen, welcher durch eine von den Shet- landsinseln nach dem schwarzen Meer ziehende, in ihrem sonstigen Verlaufe aber noch nicht festgestellte Scheidegrenze nach Norden hin abgetrennt wird. Dass die sogenannten Polarbanden, feine, federartige ‘und parallel gereihte Wolkenbildungen, entweder das Substrat des Nordlichtes oder wahrscheinlicher das Produkt eines magnetischen Un- ’ ’ i N \ N 58 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. gewitters — jedenfalls also für die Polarlichtforschung nicht gleich- gültig — seien, sprach A. v. Humboldt [58] mit voller Bestimmtheit aus, und auch Winnecke konstatirte [59], dass die Cirruswolken häufig die Träger des Nordscheines seien. Ein Zusammenhang zwischen Polarlichtern einerseits, Sonnenhöfen und Nebensonnen andererseits kann nach Tromholt’s Zusammenstellungen wenigstens nicht als unwahr- scheinlich gelten [60]. Die neuerdings wieder von Overzier hervor- geholte Abhängigkeit der Polarlichterscheinungen vom Mondstande ist dagegen sehr zweifelhaft; Fritz verfolgt die Hypothese näher, spricht ihr aber jede besondere Bedeutung ab mit den Worten [61]: „Nach dieser Untersuchung wäre ein Einfluss des Mondes auf das Polarlicht, wie er sich aus dem Einflusse des Mondes auf den Erdmagnetismus® — s. Kap. III, 8. 4 — „vermuthen liesse, nur gering und wird voll- ständig durch die Beisnehnungerenleai der Erde durch den Mond verdeckt.“ $S. 6. Kann das Polarlicht ohne Beiziehung der Imponderabilien erklärt werden? Wir brauchen wohl, wenn wir die Lehre von Blektri- cität und Magnetismus kurzweg als diejenige von den imponderablen Flüssigkeiten bezeichnen, kaum zu erklären, dass wir damit, ganz wie Gauss (Kap. III, $. 2), nur einem alten bequemen Sprachgebrauche huldigen, nicht aber jene Theorie uns aneignen wollen. An Versuchen, das Nordlicht als eine weder elektrische, noch auch magnetische Er- scheinung aufzufassen, hat es nicht gefehlt, und wir wollen dieselben nunmehr einer Prüfung unterziehen. Wir können drei Gruppen solch’ vielgestaltiger Erklärungsweisen auffassen, deren eine rein optischer Natur ist, während eine zweite sich an Verbrennungsprocesse hält. a) Die Spiegelungs- und Brechungs-Hypothese. Dieselbe ist uralt; der im XII. Jahrhundert bearbeitete norwegische „Königsspiegel“ “(s. 8.1) sieht im Nordlicht bereits einen Widerschein, und nicht anders fasst es der Perser Kazwini auf [62]. Nach Fritz waren Carte- sius, Burmann, Frobesius, Hell, Hübsch, Savioli, Dorbi und v. Triewald ganz derselben Meinung, und letzterer suchte durch prismatisch gebrochenes Licht, welches er noch durch eine wiederum sehr stark brechende Flüssigkeit hindurchstreichen liess, künstlich eine Art Polarlicht hervorzurufen [63]. Im Grossen und Ganzen wäre also die Erscheinung nichts als ein grosser Eisblink. Ganz unverdienter- weise hat der Versuch viel Aufsehen erregt, welchen vor nicht sehr langer Zeit Wolfert machte [64], dieser längst als ungenügend aner- kannten Anschauung neues Leben einzuflössen ; höchstens die rhetorische Ausschmückung des alten Grundgedankens konnte dabei selbstständigen Werth beanspruchen. Selten ist wohl je eine wissenschaftliche Hypo- these mit souveränerer Nichtberücksichtigung aller berücksichtigens- werthen Momente aufgestellt worden. Dass Wolfert die zahllosen, weiter unten zu erörternden Beziehungen der Erscheinung zum Erd- magnetismus ignorirt, soll ihm nicht einmal besonders zur Last gelegt werden, aber auch sonst ist die Zahl der berechtigten Einwände Legion, wie u. a. bei Ami Bou& [65] und Pechuäl-Lösche [66] nach- gesehen werden kann, welch’ letzterer durch eine Fülle beglaubigter Thatsachen die kühne Aufstellung widerlegt, dass selbst im eigentlichen Polarlande das Aufleuchten des Lichtes einzig und allein am Nord- IV, $. 7. Das Polarlicht und die magnet-elektrischen Kräfte. 59 himmel beobachtet werde. Noch zu wenig Gewicht aber scheint uns auf den allein schon durchschlagenden Gegengrund gelegt zu sein, dass jene spiegelglatten Eisfelder, deren die Reflexionshypothese dringend bedarf, nur in der Phantasie, nicht aber in der Wirklichkeit existiren (vgl. Kap. VI der sechsten Abtheilung). b) Die Verbrennungs-Hypothese. Kant erzählt [67], dass Mu- schenbroek die Häufigkeit der Nordlichter im ersten und zweiten Drittel des XVIII. Jahrhunderts mit den Feuerdünsten in Verbindung gebracht habe, welche durch Erdbeben und Vulkane ausgestossen und dadurch dem nach Norden treibenden Passatwinde beigemischt worden seien. Aehnlich kalkulirte ein gewisser Schmieder. Aber Le Monnier, F. C. Maier, Cramer liessen einfach Dünste aus der Erde aufsteigen und sich in den oberen Partieen der Luft entzünden; dass dabei Peyroux de la Condreniere, Kirwan, Volta, Patrin, Parrot u. a. auch noch die Inflammation des Wasserdampfes durch einen überspringenden elektrischen Funken zu Hülfe nahmen [68], vermag den Grundcharakter der Hypothese nicht zu verändern. Graf Pfeil nimmt an, dass Wasserstoft und Kohlenwasserstoffgas von der Erdoberfläche emporsteigen, sich dann durchdringen und mengen, und wenn endlich“) Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser sich verbinde, so gäbe das einen Lichteffekt, das Polarlicht [69|. Auch Mohr’s Definition des Nordlichtes als des augenfälligen Erzeugnisses zweier entgegengesetzter Strömungen in an einander grenzenden Luftschichten gehört eigentlich hierher; ganz zuversichtlich leitete derselbe für die Richtigkeit seiner Berechnung der aus den Barometerdifferenzen ent- springenden mechanischen Kraftäusserungen Bestätigungen aus den Beobachtungen von Loomis und Prestel ab [70]. c) Die kosmogonische Hypothese. Wie schon im ersten Bande (S. 85) erwähnt ist, identificirte Mairan das Polarlicht mit dem Zodiakallicht. Wenn die Erde in ihrem Laufe das linsenförmige Konglomerat dieses Lichtes, resp. dessen Hauptebene durchschneidet, so sind Theile der Lichtmasse besonders gut sichtbar. Jedenfalls wäre also das Polarlicht ein Erinnerungszeichen an den vormaligen Zustand des Kosmos, und dafür tritt auch Kant ein, der nur das von der Entstehung des Planetensystems her übrig gebliebene Anhängsel kosmischer Materie nicht der Sonne, sondern der Erde selbst zutheilen möchte. „Die Erde hat etwas an sich, das man mit der Ausbreitung der kometarischen Dünste und ihren Schweifen vergleichen kann. Dieses sind die Nordlichter [71].* S. 7. Das Polarlicht und die magnet-elektrischen Kräfte Dass in der soeben gekennzeichneten Weise eine unserem modernen Wissens- stande entsprechende Kausalerklärung des Polarlichtphänomenes nicht zu erbringen ist, steht fest. Denn eine solche Erklärung muss zu allererst der innigen Verwandtschaft gerecht werden, welche zwischen diesem Phänomen und den magnetischen und elektrischen Erdkräften obwaltet. *) Bisher war aber doch nur von mechanischem Gemenge beider Gase die Sprache; die Kraft also, welche daraus eine chemische Verbindung machte, müsste doch erklärt werden. 60 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Ye Nachdem zuerst Halley ohne eigentlichen Beweis die magnetische Natur des Polarlichtes behauptet hatte, ward diese Vermuthung durch Hiorter, Celsius, Wargentin, Wilcke und Canton begründet, indem dieselben ein unverkennbares Handinhandgehen grösserer Störungen der Deklinations- und Inklinationsnadel mit dem Aufblitzen von Nord- scheinen bemerkten [72]. Einen ebenfalls sehr wichtigen Beleg für diese Annahme förderte Ussher [73] zu Tage, indem er darauf hin- wies, dass die charakteristischen Punkte des Nordlichtes in einer gewissen Beziehung zum magnetischen Meridiane stünden. Die Bogen- scheitel pflegen sich in dieser Ebene zu befinden, während auf den Mittelpunkt der Korona die Axe der Neigungsnadel hinweist [74]. Dass da blos ein reiner Zufall spiele, wird Niemand annehmen wollen, zumal da die ersterwähnte Beobachtung in guter Harmonie zu der zweiten Beobachtung steht. A. v. Humboldt gieng allerdings etwas zu weit, wenn er „magnetische Ungewitter* (Kap. II, $. 8) und Polar- lichter für zeitlich und kausal untrennbare Erscheinungen erklärte, doch geht in der That in der Mehrzahl der Fälle dem Polarlicht eine stärkere Ablenkung der Nadel voraus [75]. Endlich zum Dritten decken sich, wie wir oben sahen, die Relativzahlen der erdmagnetischen und Polar- licht-Perioden so genau, wie man es nur verlangen kann, und würde man auf all’ diese Fakta eine Probabilitätsrechnung im Sinne von Laplace begründen, so käme für die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen beiden Erscheinungskomplexen kein innerer Zusammenhang bestehe, eine verschwindend kleine Zahl heraus. — Auf die elektrische Natur des Polarlichtes schliesst man seit Arago daraus, dass dasselbe sehr häufig störend und unterbrechend auf die Thätigkeit des galvanischen Telegraphen einwirkt. [76]. Donati hat die Art dieser Einwirkung an der Hand der von den italienischen Stationen gelieferten Berichte verfolgt [77] und gefunden, dass jene sich an den senkrecht zum magnetischen Meridian gerichteten Drähten stärker bethätigt, als an den meridionalen. Hingegen ist die tägliche Periode der atmosphärischen Elektrieität unabhängig von jener der Nordlichter, und auch die Periodicität der Gewitter scheint in diesem Falle zu sein, wenn nicht vielleicht die Ordinatenminima der Gewitterkurve und die Ordinaten- maxima der Polarlichtkurve — und umgekehrt — auf einander passen. Hierauf deutet wenigstens das durch v. Bezold aus einer mühsamen Bearbeitung der Gewitterstatistik gezogene Resultat [78]: „Hohe Temperaturen sowohl als fleckenfreie Sonnenoberfläche bedingen ge- witterreiche Jahre. Da nun die Maxima der Fleckenbedeckung mit der grössten Intensität der Polarlichter zusammenfallen, so folgt daraus, dass beide Gruppen von elektrischen Erscheinungen, Gewitter und Polarlichter, einander gewissermassen ergänzen, so dass gewitterreiche Jahre nordlichtarmen entsprechen und umgekehrt.“ Dass bei aller Anerkennung des vorstehend geschilderten Zu- sammenhanges doch noch eine Fülle von gemeinsamer Basis ausgehen- der Hypothesen zur Erklärung der Polarlichterscheinungen möglich ist, kann nicht überraschen. Wir mustern die wichtigsten derselben, indem wir uns theilweise auf die lehrreiche geschichtlich - kritische Darlegung W. Förster’s [79] beziehen. a) Die magnetischen Theorieen. Urheber derselben ist der uns durch seine groteske Schöpfung eines unterirdischen Planeten aus 3 n 1 j h E 3 a IV. $S. 7. Das Polarlicht und die magnet-elektrischen Kräfte. 61 Kap. III, $ 1 bekannte Halley; die magnetische Materie liess er an den Polen ausströmen und so die Polarlichter bilden. Dass in den Strahlen Aggregate von Metalltheilchen zu erblicken seien, glaubten Dalton und Biot, während Hansteen und Schönfeldt insoferne eine Brücke zu der zunächst zu besprechenden Anschauung hinüber- schlugen, als sie das Leuchten der Magnetpartikeln als eine Elektri- eitätserscheinung betrachteten [80]. b) Die mit Reibungselektrieität operirenden Theorieen. Es gilt hier wörtlich dasselbe, was auf Seite 397 des ersten Bandes von den elektrischen Erdbebentheorieen gesagt ist: Sie werden in dem Maasse zahlreicher und vielseitiger, in welchem die Elektricitätslehre immer neue Gebiete sich dienstbar macht. Auf die Aehnlichkeit des im luft- verdünnten Raume (dem elektrischen Ei) sich entwickelnden Glimm- lichtes mit dem Nordscheine machte zuerst Canton [81] aufmerksam. Bececaria, Priestley, Bertholon de St. Lazare giengen von denselben Gesichtspunkten aus, während Franklin und Lichten- berg Ansammlungen ungleichnamiger Elektricitätsmengen an den Polen und nachherige Ausgleichungsprocesse angenommen wissen wollten [82]. Entschieden verbessert wurde diese noch vage Schematisirung durch De laRive, der annahm, dass durch den oberen Passat stetig Mengen positiver Elektrieität den selbst mit negativer Elektricität geladenen polaren Luftschichten zugeführt würden; er suchte diese Vorstellung durch einen Apparat zur Darstellung künstlicher Polar- lichter zu kräftigen, welcher allerdings gewisse Einzelheiten sehr gut nachahmte [83]. Den Passatwinden schrieb Robert Mayer in- soferne eine Urheber-Rolle zu, als dieselben durch Reibung an der Unterlage elektrisch werden sollten, womit Kelley’s und Secchi’s Erfahrungen bis zu einem gewissen Grade stimmen [84]. Fritz selbst erklärt [85], ihm sagten am besten jene T'heorieen zu, welche sich auf atmosphärische Vorgänge stützten, das Nordlicht also auf die- selbe Urquelle zurückführten, aus welcher die gewöhnliche Luft- elektricität entspringt. Gerade bei dieser Sachlage ist es zu bedauern, dass Fritz anscheinend von der jenen Gedanken recht gut durchführen- den Arbeit von Wijkander [86] keine Kenntniss besessen hat; die- selbe verbindet Luft- und Erdelektrieität kausal. c) Die elektromagnetischen und Induktions-Theorieen. Nachdem Muncke bereits mit einer etwas spitzfindigen Hypothese debutirt hatte |87], welche die rotirende Erde unter dem Einflusse der Sonnen- strahlen in einen riesigen Thermo-Elektromagneten sich verwandeln liess, gestattete die von Faraday entdeckte unipolare Induktion eine ganz neue Auffassung aller bezüglichen Vorgänge, und um deren Ausbildung hat Edlund sich hohe Verdienste erworben [88]. Wenn ein mit leitender Umhüllung versehener Magnet sich rasch um seine Axe dreht, und zugleich ein Punkt der Umhüllung in der Nähe eines Poles mit einem nahe bei’'m Aequator befindlichen Punkte in Ver- bindung gebracht wird, so entsteht während der Rotation ein elek- trischer Strom, welcher zwischen der Aequatorial- und Polarzone verläuft, dessen Richtung und Stärke übrigens vom Drehsinn und von der Dreh- geschwindigkeit abhängig ist. Nun ist die Erde ein rotirender Magnet, bedeckt von einer gut leitenden Erdkruste, während die Lufthülle blos in ihren oberen Schichten gut, in ihren unteren aber schlecht leitet. 62 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. Es steigt sonach positive Elektricität in die Höhe, die Energie des Aufsteigens ist am bedeutendsten unter dem Aequator, verschwindend klein unter den Polen. Damit sind wir, freilich jetzt unter ganz anderen Vorbedingungen, der oben geschilderten Hypothese von De la. Rive wieder sehr nahe gekommen, soweit die thatsächlichen Er- scheinungen in Frage kommen. In niederen Breiten wird die Aus- gleichung sich gewöhnlich durch Ueberspringen von Funken vollziehen, das Gewitter könnte füglich als Aequatoriallicht bezeichnet wer- den; je günstiger aber die Bedingungen unmittelbarer Rückströmung sich gestalten, um so entschiedener wird der Typus des der Vereinigung beider entgegengesetzter Elektrieitäten entstammenden Lichtes sich demjenigen des Glühlichtes in einer Geissler’schen Röhre nähern. In den Zwischenzonen werden alternirende Mischformen auftreten, wozu wahrscheinlich das St. Elms-Feuer (5. Abtheilung, Kap. IV) gehört. Die Lage der Maximalzone der Polarlichter ist von jener des magne- tischen Poles abhängig. Im Grossen und Ganzen ist diess auch die Ansicht Lemström’s [89]. Dieser ausgezeichnete Physiker experimen- tirte mit einer Holtz’schen Influenzelektrisirmaschine; den einen Pol derselben leitete er ab, den anderen verband er mit einer isolirten Konduktorkugel, welcher wieder eine kleine Kugel mit Spitzen auf- gesetzt werden konnte. Letzterer wurde eine Geissler’sche Röhre mit kapillaren Verengerungen bald mehr bald minder nahe gebracht. Da verschwand denn das Licht bei Anwendung des denkbar niedrigsten Druckes in einer Entfernung von 2 m, die kapillaren Theile behielten das kontinuirliche Leuchten am längsten bei, und bei einer gewissen konstanten Höhe ereignete sich ein blitzartiges Aufleuchten. Jedem Drucke entsprachen bestimmte Distanzen des stetigen und des blitz- artigen Leuchtens. Man sieht, dass diese Versuche ein treffliches Material zu einer den oben dargelegten theoretischen Ansichten an- gepassten Erklärung des Polarlichtes bieten; nebensächlich scheint es, dass Lemström nicht eigentlich die Edlund ’schen Induktionsströme zu Grunde legt, sondern einfach die Erde für einen wahren Konduktor, ge- laden mit positiver Elektrieität unbekannter Provenienz, ausgiebt, dem ein entgegengesetzt geladener Konduktor, die Luft, gegenüberstehe. Tromholt im Gegentheile erblickt [90] mit Edlund in der Erde den Kern einer Induktionsspirale und führt, ähnlich wie Wijkander (s. 0.), den Lamont’schen Erdstrom (Kap. I, $. 5) auf denselben Ur- sprung zurück. Damit diess freilich in der richtigen Weise geschehen könne, bedarf die Edlund-Lemström’sche Theorie, die zweifellos fortbildungsfähigste von allen, noch einer gewissen Vervollkommnung, an deren Auseinandersetzung wir aber nur in Verbindung mit der Schilderung einiger anderer, an sich minderwerthiger, Hypothesen heran- treten können. d) Das Polarlicht als kosmische Erscheinung betrachtet. Baum- hauer war es [91|, der zuerst die Frage anregte, ob nicht eisen- haltige Partikeln von aufgelösten Meteorsteinen oder sonstigem kosmi- schem Staube (vgl. I. Band, S. 89 ff.) von den magnetischen Polen angezogen und in der Erdatmosphäre zum Glühen gelangen könnten. Ölmsted pflichtete im Wesentlichen bei, und Fritz führt an [92], dass auch eine so unzweifelhafte Autorität, wie Töpler, die „Meteor- staubtheorie“ als die beste erachtet habe. : Zehfuss berechnete [93] - * E f. 4 } R' 2 r IV. $S. 7. Das Polarlicht und die magnet-elektrischen Kräfte. 63 analytisch die Flächen, nach welchen sich die herzuströmenden Körper- chen anreihen sollten, und erklärte dadurch die verschiedenen Er- scheinungsformen des Polarlichtes (Draperieflächen u. s. w.). Fig. 18, worin P den Nordpol der Erde, N den Nordenskiöld’schen Punkt vorstellt, ist geeignet, von jenen Flächen eine Vorstellung zu vermitteln. Bis zu einem Fig. 18. gewissen Grade nähert sich dieser Ansicht diejenige von Scheffler [94]; die für die Induktions - Magnetisirung von Seiten des Erdstromes am günstigsten situirte Luft- schicht bildet einen mässig grossen Oylinder um die verlängerte magnetische Erdaxe herum. Sowie der Mantel des Cylinders magnetisirt ist, verwandelt sich derselbe in einen Kegel — bei Zehfuss ist es ein parabolischer Ro- tationskörper —, dessen Seitenlinien gegen den Magnetpol konvergiren. Groneman, der sich mit dieser Hypothese gewiss am einlässlichsten beschäftigt und, weit mehr als Andere, auch die Spektralanalsye berücksichtigt hat, gelangt be- züglich der Natur des Polarlichtes zu folgenden Schlüssen [95]: „Stellt man sich die Erde vor umgeben von einer Wolke feinen kos- mischen Eisenstoffes, dann werden von allen Seiten Bündel oder Strömungen dieser Eisentheilchen in die oberen Regionen unserer At- mosphäre treten, deren Schnelligkeit von der eigenen wahrscheinlich parabolischen oder elliptischen Geschwindigkeit der Theilchen, von jener der Erde und von der Anziehung der letzteren abhängig sein wird. Die Strömungen werden nach den Polen zu stärker hervor- treten und über dem magnetischen Aequator gar nicht, oder nur bei sehr starker Entwickelung der magnetischen Kraft.“ In einem ganz anderen und, wie uns bedünken will, korrekteren Sinne adoptirt W. Förster die kosmische Hypothese, indem er an- nimmt [96], dass, was die periodische Ausdehnung der Glühlicht- erscheinungen fast über die ganze Erde anlangt, wohl ab und zu die von der rotirenden Erde selbst gelieferten Quanta positiver Elektrieität durch kosmische Zuschüsse vermehrt werden müssten. Er denkt dabei an eine Aktion der Sonne und findet sich so im Einklang mit vielen der Autoren, deren in $. 3 des vorigen Kapitels gedacht ward, und insbesondere mit Werner Siemens und mit Sirks, der auch seiner- seits eine Hauptrolle bei’'m Zustandebringen des Polarlichtphänomenes den von der Sonne auf der Erde inducirten elektrischen Strömen zu- weist [97]. Förster legt (a. a. O.) auch besonderes Gewicht darauf, dass man von den gewöhnlichen Anomalieen des permanenten Erd- magnetismus jene flüchtigen Störungen trennen solle, welche ein feines erdmagnetisches Instrument Tag für Tag erkennen lasse, zu deren genauerem Studium es aber der Aufstellung von Selbstregistratoren in nördlichen Gegenden bedürfe. Förster warnt mit allem Rechte davor, sich dem landläufigen „Sonnenflecken-Fanatismus“ in die Arme zu werfen, will aber keineswegs bestreiten, dass die Anwendung der Lehre von der unipolaren Induktion auf die Sonne und deren Axen- drehung noch reiche Früchte tragen könne. 64 Vierte Abtheilung. Magnetische und elektrische Erdkräfte. : So ist denn das Polarlicht, im Einklange mit den von Donati M in einer erst später bekanntgewordenen Arbeit niedergelegten An- Fi schauungen [98], als eine wenn auch ursprünglich terrestrische, so doch von kosmischen Faktoren unzweifelhaft beein- flusste Erscheinung erkannt worden. Wie gut gerade die unserem Resultate zu Grunde liegenden theoretischen Betrachtungen mit der Erfahrung sich vertragen, darüber mag uns der folgende Paragraph belehren. 8. 8. Künstliches Nordlicht. In weit kräftigerer und glücklicherer Weise als De la Rive ist es nämlich in jüngster Zeit erst Lem- ström gelungen, die Richtigkeit seiner Auffassung der Erscheinung als eines magnet-elektrischen Ausgleichungsprocesses dadurch darzu- thun, dass er künstliches Polarlicht erzeugte. ÖOriginalmittheilungen fehlen, soweit uns bekannt, zur Zeit noch, deshalb halten wir uns an den vollkommen ausreichenden Bericht von Förster |99]. Nachdem Lemström mehrfach die Wahrnehmung gemacht hatte, dass sich Nordlichter über Bergspitzen, sogar diesseits der Wolkendecke, bilden, suchte er experimentell elektrische Spannungen von einer Intensität herzustellen, dass Glühlichterscheinungen ganz von selbst daraus resul- tiren mussten. Zwei Berge im nördlichen Finnland, beziehungsweise 800 und 1100 Meter hoch, dienten ihm als Beobachtungsstationen, in- dem ihre Rücken eine Hochfläche darstellten, auf welcher mehrere hundert vertikal nach oben gerichtete Metallspitzen angebracht werden konnten; diese Spitzen hatten eine gegenseitige Entfernung von 0,5 m und waren auf ein Netz von Kupferdrähten aufgelöthet, welches sich etwa 2 m über den Erdboden erhob und in bekannter Weise isolirt war, d. h. es war ein davon ausgehender, isolirter Draht nach Art der Blitzableiterdrähte mit dem Boden verbunden. So hatte man denn ein grossartiges Blitzableitersystem geschaffen. Sobald die leitende Verbindung des Drahtnetzes mit der leitenden Erde geschlossen war, machten sich in der Drahtleitung unablässig elektrische Ströme von schwankender Stärke bemerklich; die Ausschläge der Elektroskope deuteten auf positive, nach der Erde hin gerichtete Elektrieität. Bald auch zeigte sich über den Spitzen ein gelblich-weisser Schimmer, dem St. Elms-Feuer (s. $. 7) vergleichbar, und in diesem Schimmer konnte — darin liegt offenbar der Schwerpunkt — durch die spektroskopische Prüfung jede der charakteristischen Nordlichtlinien nachgewiesen werden, Neuere Versuchsreihen von Lemström und Tromholt scheinen zur willkommenen Bestätigung jener hochwichtigen Resultate des Ersteren zu dienen. Der Erdphysik wie der Elektrotechnik steht hier noch eine grosse Zukunft bevor. In Deutschland hat G. Karsten die Anstellung analoger Versuche wenigstens angeregt. [1] Fritz, Das Polarlicht, Leipzig 1881. — [2] Ibid. S. 3 ff. — [3] Ibid, 8. 6 ff. — [4] Gesner (Conradus Bolovesus Fridemontanus), Historia et interpretatio pro- digii, quo coelum ardere visum est per plurimas Germaniae regiones, Tiguri 1561. — [5] Hellmann, Repertorium der deutschen Meteorologie, Leipzig 1883. Sp. 688 ff. — [6] Ibid. Sp. 112. — [7] Liebknecht, Luculae borealis d. 26. Nov. 1710 Gissae observatae designatio, Acta Erud. Lips., 1711. $. 325 ff. — [8] Hellmann, Reper- torium ete., Sp. 237. — [9] Mairan, Trait€ physique et historigue de l’aurore 2 x ; ne m De Dad ne Er u De Citate. 65 bor&ale, Paris 1733, 2me &dit., ibid. 1754. — [10] Johann Reinhold Forster’s Be- merkungen auf einer Reise um die Welt, deutsch von Georg Forster, Berlin 1783. S. 103. — [11] Clausius, Die Lichterscheinungen der Atmosphäre, dargestellt und erläutert, (Grunert’s) Beiträge zur meteorologischen Optik, 1. Theil. S. 453 ff. — [12] v. Wohlgemuth, Die österreichisch-ungarische Polarexpedition nach Jan Mayen 1832/83, Mittheil. d. k. k. geogr. Gesellsch. zu Wien, 27. Band. S. 9 ff. — [13] Fritz, Das Polarlicht, S. 256 ff. — [14] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. S. 821. — [15] Das Glitzern der Sterne während der Polar- lichterscheinungen, Naturforscher, 16. Jahrgang. $. 49 ff. — [16] Montigny, Accroisse- ment d’intensiteE de la seintillation des &toiles pendant les aurores bore£ales, L’Astronomie (de Flammarion), 1883. $S. 501 ff. — [17] Fritz, Das Polarlicht, 8. 276 ff. — [18] Ibid. S. 287. — [19] Neumayer, Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, Berlin 1875. S. 79. — [20] Ph. Müller, Nordlichter und Stationen zur Beobachtung derselben, Gaea, 20. Jahrgang. S. 1 ff. — [21] Kanold, Sammlung von Natur- und Mediein- wie hierzu gehörigen Kunst- und Literatur- geschichten, Breslau, Winterquartal 1718. S. 1959. — [22] Mairan, Observations de quelques aurores boreales, M&m. de l’ac. franc., 1764. $. 380 ff. — [23] J. E. Silber- schlag, Geogenie oder Erklärung der mosaischen Erderschaffung nach phys. und mathem. Grunds., 1. Theil, Berlin 1780. S. 146 ff. — [24] Hellmann, Repert. etc.. Sp. 193. — [25] Fritz, Das Polarlicht, S. 76. — [26] Ibid. S. 84. — [27] Ibid. S. 89. — 128] Ibid. S. 95. — [29] Flögel, Ueber d. Höhe d. Polarlichtes u. dessen Lage im Raume, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteorol., 6. Band. S. 353 ff. S. 385 ff. — [80] Paulsen, Die Höhe des Nordlichtes, Gaea, 20. Jahrgang. S. 313 fi. — [31] Fritz, Das Polarlicht, S. 11 ff. — [32] Ibid. S. 33 ff. — [33] Fritz, Die Häufigkeit des Nord- lichtes in den verein. Staaten v. Nordamerika, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 3. Band. S. 239. — [34] Nordenskiöld über das Nordlicht, Gaea, 18. Jahrgang. S. 501 ff. — [85] Fritz, Das Polarlicht, S. 258. — [86] Ibid. S. 260. — [37] Ibid. S. 264 ff. — [38] Ibid. S. 266. — [39] Angström, Ueber das Septrum des Nordlichtes, Ann. d. Phys. u. Chem., Jubelband. S. 421 ff. — [40] Roscoe, Die Spektralanalyse in einer Reihe von sechs Vorlesungen, deutsch von v. Schorlemmer, Braunschweig 1870. S. 180. — [41] A. Herschel, On the spectrum of the aurora, Phil. Mag., (4) Vol. IL. S. 65 ff. — [42] Capron, On the comparison of some tube and other spectra with the spectrum of the aurora, ibid. Vol. IL. S. 249 ff. S. 481 ff. — [43] Lemström, Sur la decharge &lectrique dans l’aurore bore&ale et le spectre du m&me phenomene d’apres des observations faites pendant un voyage dans la Laponie Finl.. Arch. des sciences phys. et nat., Vol. L. S. 225 ff. — [44] Fritz, Das Polarlicht, S. 274 ff. — [45] Fritz, Verzeichniss beobachteter Polarlichter, Wien 1873. — [46] Fritz, Das Polarlicht, S. 101 ff. — [47] Chr. H. Pfaff, Ueber die strengen Winter während des 18. Jahrhunderts, Kiel 1810. — [48] Olmsted, On the recent secular period of the aurora borealis, Washington 1856. — [49] Hällström., De apparitionibus aurorae borealis in septentrionalibus Europae partibus, Acta soc. scient. Fenn.. Vol. II. S. 369. — [50] Fritz, Das Polarlicht, S. 105. — [51] Ibid. S. 115 ff. — [52] Loomis, Comparison of the mean density range of the magnetic declination and the number of auroras observed each year, Amer. Journal of science and arts, 1898. S. 245 fi. — [53] Fritz, Das Polarlicht, $. 196. — [54] Ibid. $S. 209. — [55] Schiaparelli, Il periodo undecennale delle variazioni diurne del magnetismo terrestre considerato in relazione colla frequenza delle macchie solare, Mem. degli scettroscopisti italiani. Supplement. — [56] Fritz, Das Polarlicht, $S. 211 ff. — [57] Forssman, Des relations de l’aurore boreale et des perturbations magnetiques avec les phenomenes meteorologiques, Nova acta reg. soc. scient. Upsal., 3. Ser., Vol. VIII. — [58] A. v. Humboldt, Kosmos, 4. Band, Stuttgart und Augsburg 1842. S. 145. — [59] Fritz, Das Polarlicht, S. 245. — [60] Tromholt, Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zwischen den Nordlichtern und den Sonnenhöfen und Nebensonnen, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteorol.. 10. Band. S. 16. — [61] Fritz, Das Polarlicht, S. 254. — [62] Zakarija ben Muhammed ben Mahmüd el Kazwini’s Kosmographie, deutsch von Ethe, 1. Band, Leipzig 1868. S. 205 ff. — [63] Fritz, Das Polarlicht, S. 294. — [64] Wolfert, Das Nordlicht, eine weder magnetische noch elektrische Erscheinung, Petermann’s Geogr. Mittheil., 1872. S. 412 ff. — [65] A. Boue, Bemerkungen über die von Wolfert erneuerte Theorie der Polarlichter durch Reflexions- und Brechungsphänomene, Wien 1873. — 166] Pechu@l-Lösche, Die Erscheinung des Polarlichtes, Petermann’s Geogr. Mittheil.. 1873. S. 228 ff. — [67] Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. S. 258 ff. — [68] Fritz, Das Polarlicht, S. 308 ft. — [69] Graf Pfeil, Beiträge zur Lehre von der Atmosphäre, Arch. d. Math. u. Günther, Geophysik. II. Band. 5 66. . Citate. Phys., 45. Theil. 8. 368 ff. — [70] Mohr, Noch einmal das Nordlicht, ee To en ‚ gang. S. 580 fl. — [71] Kant, Schriften ete. 8. 120. — [72] Ibid. SW [73] Ussher, An account of an aurora borealis seen in full sunshine, Transaet. of | the Br. Irish Academy, 1788. $. 189 ff. — [74] Fritz, Das Polarlicht, $S. 39 ff. — [75] Ibid. S. 176. — [76] Ibid. S. 216 ff. — [77] Donati, Phenomena manifested in telegraphie lines during the great aurora borealis of february 4 1872, Ann. rep. of the Smithson. institution, 1872. S. 299 ff. — [78] v. Bezold, Ueber die gesetzmässigen Schwankungen in der Häufigkeit der Gewitter während langjähriger Zeiträume, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch., M.-ph. Kl. 1875. $. 284 ft. [79] W. Förster, Veber die neuesten Fortschritte in der Erklärung der Polar- lichter, Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 6. Band. $. 35 ff. — [801 Fritz, Das Polarlicht, $. 297 ff. — [81] Canton, An attempt to account for the regular diurnal variation of the horizontal magnetic needle, Philos. Transact., 1759. S. 398 ff. — [82] Fritz, Das Polarlicht, S. 300. — [83] Ibid. $. 91. S. 209. — [84] Ibid. S. 302 fi. — [85] Ibid. S. 321. — [86] Wijkander, Ueber die magne- tischen Störungen in ihrem Zusammenhange mit dem Nordlicht, Gaea, 13. Jahr- gang. S. 607 ff. — [87] Fritz, Das Polarlicht, S. 303. — [88] Förster, "Veber ete. S. 37 fi. — [89] Lemström, Sur la theorie de Yaurore boreale & propos de quel- ques phenomenes observes dans le tube de Geissler, Arch. des sciences phys. et. nat.. Vol. LIV. S. 73 fi.; Vol. LV. 8. 1 ff. — [90] Vgl. [20]. — [91] Baumhauer, De ortu lapidum meteoricorum, Utrecht 1844. — [92] Fritz, Das Polarlicht, $. 312. — [93] Zehfuss, Physikalische Theorie des Nordlichtes, Frankfurt a. M. 1872. — [94] Scheffler, Die Naturgesetze, 2. Theil, Leipzig 1877. 8. 304 £. — - [95] Grone- man, Neue Hypothese über das Nordlicht, Gaea, 9. Jahrgang. $. 273. — [96] Förster, Ueber etc. $. 39 ff. — [97] Fritz, Das Polarlicht, S. 307. — [98] Die kosmische Stellung des Polarlichtes, Gaea,. 11. Jahrgang. $. 632 fi. — [99] Förster, Künst- liches Polarlicht, Sitzungsber. d. elektrotechn. Ver. zu Berlin, März 1883. dl a 8 Bu ne m en De a S u 72 er ER er RE re u 0: haben d. Srne -< R er , e , » 5 r r Rn y 2 E & & k u SH Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Kapitel 1. Die allgemeinen Eigenschaften der Atmosphäre; ihre Gestalt und ihre Ausdehnung. $. 1. Die Meteorologie, ihre Geschichte und ihre Literatur. Das heute so viel gebrauchte Kunstwort werzopoAoyta besass ursprünglich, wie schon auf S. 4 des ersten Bandes bemerkt ward, 'einen weit all- gemeineren Sinn denn gegenwärtig, und ebenso ist auch die für die Geschichte unseres Wissenszweiges sehr wichtige Schrift von Ideler |1] aufzufassen. Aphorismen zu einer Geschichte der Meteorologie hat Siber |2] geliefert; während aber dieselben nur die älteren Zeiten in’s Auge fassen, fehlt es leider noch völlig an zusammenfassenden Arbeiten über die Folgezeit. Von den astrometeorologischen Witte- rungsregeln eines Homer, Hesiod, Columella und Vergilius abgesehen, treten im Alterthum besonders die atmosphärologischen Systeme des Hippokrates, des Aristoteles und des Theophrast hervor, welch’ letzterer über die Entstehung der Luftströmungen und über den Monsuncharakter gewisser regelmässig wehender Winde ganz zutreffende Ansichten sich gebildet hatte. Auch Plinius und Seneca ' verdienen Beachtung, im Mittelalter wären zu nennen Isidorus Hispalensis, Hrabanus Maurus, Virgilius von Salzburg und der Bischof Abogard, der wohlbekannte Bekämpfer des Ordalwesens. Die eigentlich wissenschaftliche Meteorologie datirt selbstverständlich aus weit späterer Zeit; erstlich musste durch Seereisen und Ent- deckungsfahrten die Kenntniss solcher Erdräume erschlossen sein, inner- halb deren die Veränderungen im Luftkreise mit grösserer Regel- mässigkeit sich vollziehen, als es in unseren Breiten der Fall zu sein pflegt, und zweitens musste ein gewisses Maass positiver mathematisch- physikalischer Kenntnisse vorliegen, ehe man an die kausale Ergrün- dung jenes Wechselspieles herantreten konnte. Tycho Brahe mit seinem treffllichen Witterungs- Tagebuch [3] und Kepler mit seinen zahlreichen Bemerkungen über meteorologische Fragen, die wir aus Brocard’s einheitlicher Zusammenstellung [4] kennen lernen können, TE 68 Fünfte Äbtherlung Atm ee stehen am Eingange dieser neueren Periode, auf deren Entwick | phasen in den einzelnen Abschnitten dieser Abtheilung zurückzukom- men wir uns vorbehalten. Wenn wir in unserer Ueberschrift uns des Titels Atmosphäro- 0- logie bedienten, so geschah diess deshalb, um als Unterabtheilungen einer die Verhältnisse der irdischen Lufthülle ihrem Gesammtumfange nach würdigenden Disciplin die Meteorologie im engeren Sinne oder Witterungskunde einerseits von der Klimatologie anderer- seits scheiden und doch das beide Disciplinen Tereinisonde Band in der Hand halten zu können. Zweifellos ist die Klimatologie ein eminent geographisches Wissensgebiet, die Geophysik aber ist als solche nicht blos an den Fortschritten jener letzteren, sondern ebenso- sehr an denjenigen ihrer älteren Schwesterwissenschaft betheiligt. Selbst wenn wir nichts als eine physikalische Geographie im gewöhn- lichen Wortsinne zu schreiben beabsichtigten, würden wir doch Supan’s Auffassung nicht theilen können, dass die eigentliche „Meteorologie nicht geographisch“ sei |5]. Die ersten Kompendien der Gesammtwissenschaft rühren her von dem Franzosen Cotte [6]; wer etwa, durch die Titelworte getäuscht, Meurer’s dickleibiges Werk [7] aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts in die gleiche Kategorie stellen wollte, würde irren, da dasselbe nur die landläufigen Scholien zum Aristoteles enthält. Neuere Hand- und Lehrbücher*) sind diejenigen von Kastner [8], Kämtz ]9], Murphy [10] — diess zumal durch seine sorgfältige a aller geographischen Faktoren ausgezeichnet —, Jahn [11], Schmid [12], Cornelius [13]. Alle diese Werke stehen in der Haupt, sache aut dem der Meteorologie von unserem deutschen Altmeister Dove angewiesenen Standpunkte; einen tiefgehenden Fortschritt signa- lisirt erst das ursprünglich dänisch geschriebene, in Deutschland aber sehr rasch eingebürgerte Buch von Mohn [14], in welchem die dy- namische Betrachtungsweise die statistisch-klassificirende zu bewältigen anfängt. Gute populäre Darstellungen brachten Helmes [15], Bach- mann [16], Viscovich [17], Houzeau-Lancaster [138], H. J. Klein [19]; von englischer Seite seien die Vorträge eines Gelehrten- Vereines [20| und die durch v. Freeden uns zugänglich gemachte Schrift von Scott [21] erwähnt. Eigentliche Geschichtswerke existiren, wie schon bemerkt, noch nicht, doch hat Murhard [22] wenigstens einzelne T'heile monographisch behandelt, reiches Material lieferte später Kopp [23], und auch Schwartz |24|, der namentlich interessante mythologisch - kulturhistorische Beiträge brachte. Eine literarische Leistung, um welche uns andere Nationen beneiden, ist Hellmann ’s Repertorium [25], welches auch die Grundlinien zu einer dereinstigen Geschichte der Meteorologie in Deutschland enthält [26] und speziell bei der für die Einrichtung eines geordneten Beobachtungsdienstes maassgebend gewesenen Academia Palatina verweilt [27]. $. 2. Zusammensetzung der Atmosphäre. Diese Zusammensetzung ist von der geographischen Lage des Untersuchungsortes in hohem *) Es sei ausdrücklich betont, dass nicht entfernt auf Vollständigkeit ge- sehen und deutschen Leistungen in erster Linie Rechnung getragen wird. \ x ' w h; 4 K 1 a 582% Zusammensetzung der Atmosphäre. 69 Grade unabhängig; solange die Luft trocken ist, bleibt die Menge der unsere Luft bildenden Substanzen allenthalben sich so gleich, dass die gefundenen Unterschiede, wie sich Hann [28] ausdrückt, meist die Fehlergrenze der Luftanalysen nicht überschreiten. Die altgriechische Anschauung, welcher zufolge die Luft eines der vier Elemente, also einen absolut nicht weiter zerlegbaren Stoff, darstellen sollte, scheint, wenn Muncke [29] im Rechte ist, zuerst durch Boyle erschüttert worden zu sein. Im Verlauf des vorigen Jahrhunderts kam dann der heftige Streit zwischen phlogistischer und antiphlogistischer Chemie zum allmähligen Austrag, und zwar war für den endgültigen Sieg der letzteren Richtung der Umstand entscheidend, dass Black, Priestley, Scheele, Cavendish und Lavoisier nicht nur neue Gasarten darzustellen, sondern auch die atmosphärische Luft in ihre Bestand- theile zu zerlegen lehrten. Diese letzteren sind der Hauptsache nach Sauerstoff und Stickstoff, und zwar ist die Luft nicht etwa eine chemische Mischung, sondern vielmehr ein mechanisches Ge- menge von 21 Volumtheilen Sauerstoff und 79 Volumtheilen Stick- stoff, natürlich aber nur in vollkommen trockenem Zustande*). Die Aufgabe, ein irgendwie beschaffenes Gasgemenge auf seinen Sauer- stoffgehalt quantitativ zu prüfen, ward in früherer Zeit durch besondere Apparate, die Eudiometer oder Oxygenometer, zu lösen gesucht, unter deren Vielzahl diejenigen von Volta und Fontana die be- kanntesten sein dürften. Gmelin verbreitet sich über die Vorzüge und Mängel dieser Vorrichtungen [31]. Allerdings kommen ausser den beiden genannten auch noch ander- weite Stoffe in der irdischen Atmosphäre vor. Zwar sind von den- selben meistentheils nur ganz winzige Mengen vorhanden, allein unter Umständen können sich dieselben doch so sehr steigern, um sogar eine hygieinische Bedeutung zu erlangen, und keinenfalls darf die Meteoro- logie achtungslos an ihnen vorübergehen. Wir registriren dieselben nachstehend: | a) Kohlensäure. Bonnet war es, der zuerst bei den Pflanzen einen förmlichen Athmungsprocess nachwies |32], Priestley, Ingen- houss und zumal Senebier [33] untersuchten die Sache weiter, und es stellte sich heraus, dass unter dem Einflusse des Sonnenlichtes alle *) Ucke hat jüngst eine Statistik des atmosphärischen Sauerstoffgehaltes für siebzehn Orte von verschiedener Meereshöhe geliefert [30]. Die hier wieder- gegebene Tabelle lässt die Schwankungen der Sauerstoffmengen, in Procenten be- rechnet, erkennen: | ] ‚Sommer Januar Sommer, Januar ‚Sommer; Januar Ort | und und Ort und | und Ort | und |, und Winter | Juli | Winter | Juli | Winter | Juli Seringapatam 1 2 Berlin 7 7 St. Petersbg.| 9 11 Madras 2 3 Stuttgart . 8 ) Lugau'. .22.12 14 Sitcha . . .| 3 4 | Nasinabad.| 8 8 | Jekaterine- London . . 4 6 Prag . ) 9 burg Tell 15 Peissenberg d B) Wien . 6) 9 Samara . . 14 15 Brüssel Ir 6 I 3 Warschau . Barnaul . .| 16 19 Je kontinentaler ein Ort liegt. um so grösser ist offenbar die Halbjahrschwankung. 0 he: REN ER j a re WERTEN KEEP. ER ei er. 70 Fünfte Kbrntınie. Atmosphärologie. grünen Blätter die Fähigkeit erhalten, Sauerstoff auszuscheiden ad X dafür Kohlensäure zu binden, während bei Nachtzeit der umgekehrte Process sich vollzieht. Diese vielfach angezweifelte und sogar von Saussure bekämpfte Ansicht, dass nämlich der variable Gehalt der Luft an Kohlensäure von der Vegetation zu einem grossen Theile bedingt werde, ist neuerdings durch die Beobachtungen ganz augen- fällig bestätigt worden, welche Müntz und Aubin in der Südsee angestellt haben [34]. In der Nähe von Kap Hoorn nimmt nämlich nicht, wie bei uns, der Kohlensäuregehalt bei Nacht zu, gewiss nur, weil eben auf den benachbarten Landmassen so gut wie gar keine Vegetationsbedeckung vorhanden ist. Heine hat sich die Mühe ge- geben, alle älteren Arbeiten über die Bestimmung der unserer Atmo- sphäre beigemengten Kohlensäure kritisch zu sichten [35]; ihm zufolge beträgt dieser Gehalt [36] nach Thenard 0,04, nach Saussure 0,0415, nach Boussingault 0,04, nach Gilm 0,0382 bis 0,0458, nach Thorpe 0,0386, nach Henneberg 0,0532, nach Verver 0,0515 bis 0,0410, nach Truchet 0,04, nach Zittel (Wüstenluft aus der Sahara) 0,025 bis 0,050, nach v. Fodor 0,038, nach Fittbogen und Hasselbach 0,034, nach Clason 0,0279, nach Reiset 0,0294 bis 0,0341, nach Armstrong 0,0296 bis 0,0360, nach Levy 0,022 bis 0,036, neh Müntz und Aubin (s. o.) 0,0288 bis 0,0422 Procent. Heine selbst und Röntgen gründeten (a. a. O.) ihr Bestimmungsverfahren auf den Umstand, dass Sonnenwärme in ganz reiner Luft nicht verschluckt wird, während schon eine geringfügige Beimischung von Kohlensäure genügte, um eine merkliche Absorption einzuleiten; auf diese Weise ergab sich ein wahrscheinlichster Werth von 0,025 bis 0,027°b. Die von den Gebrüdern Schlagintweit behauptete Zunahme des Kohlen- säuregehaltes mit der Höhe hat sich nicht bestätigt, indem gegentheils die vertikale Vertheilung dieses Stoffes eine sehr gleichmässige zu sein scheint [37]. Auch im Boden findet sich freie Kohlensäure, deren Mengen Pettenkofer und Fleck zu finden gelehrt haben; die geo- graphische Vertheilung derselben ist unregelmässig, in Klausenburg z. B. beobachtete v. Fodor |38] in 4 m Tiefe einen Gehalt doppelt so gross, als es der unter gleichen Umständen zu Dresden, viermal so gross, als es der zu München gemessene war. Möller fasst seine und Anderer Forschungen über die Kohlensäure des Bodens in folgen- den acht Sätzen zusammen [39]: I. Die Luft in ausgeglühtem Mineral- boden ist nicht viel reicher an Kohlensäure, als die Atmosphäre; II. Bodenarten mit organischen Beimengungen enthalten eine stetig wirkende Quelle zur Bildung von Kohlensäure *); III. trotz anscheinend unveränderter äusserer Vorbedingungen schwankt der Gehalt an Kohlen- säure gleichwohl erheblich ; IV. aspirirt man aus einer abgeschlossenen Bodenmenge nach und nach grössere Luftmengen, so verarmt der Boden an Kohlensäure; V. in absolut trockenem Boden findet sich kein Ueberschuss von Kohlensäure; VI. blosse Insolation vermag dem Boden genug Wasser zu entziehen, um die Kohlensäurebildung zu hemmen; VII. ein sehr geringer Wassergehalt producirt unter Um- ständen dasselbe (Quantum, wie völlig durchtränktes Erdreich; VIIL. wenn *) Von anderen Hygieinikern wird diesem Faktor nur eine geringe Be- deutung beigemessen. ie =" zu me nein a a Dyelauı 1 di Zn ul an Sr En ms Sul Sin gi m nn a m un een Ds ze a a a Zee De Be Dh Zu dr a TE BE a 2 1 N Sr I, $. 2. Zusammensetzung der Atmosphäre. 7! ein vorher lufttrockener Boden bewässert wird, so stellt sich eine vorübergehende Steigerung in dem Kohlensäuregehalte der Grund- luft ein. b) Ozon. Im Jahre 1839 sah sich Schönbein bei elektrolytischen Untersuchungen auf einen in manchen Erscheinungen neuen Stoff, das Ozon, geführt, in welchem er jedoch dessungeachtet nur eine allo- trope Form des Sauerstoffes erkennen zu sollen glaubte [40]. Seit- dem sind zahlreiche Methoden zur Darstellung des Ozons angegeben worden, darunter neuerdings drei einfache und zu Kollegienversuchen geeignete von Krebs [41]; das eine mal geschieht die Darstellung eben- falls durch Elektrolyse, ein zweites mal aber durch Zersetzung von Kaliumpermanganat vermittelst Schwefelsäure und endlich durch Zer- setzung von Bariumsuperoxyd vermittelst Schwefelsäure. Ueber den physikalischen Charakter des Ozons und über die Berechtigung der Schönbein’schen Hypothese besteht völlige Klarheit noch nicht; Hautefeuille und Chappuis haben in allerjüngster Zeit gezeigt [42], dass die Bedingungen für die Ueberführung des Ozons in den tropf- barflüssigen Zustand im Cailletet’schen Apparate andere sind, als sie für das Flüssigmachen des Sauerstoffes bestehen, und damit scheint doch ein Anhaltspunkt dafür gegeben zu sein, dass das eine Gas nicht blos eine modifieirte Form des anderen ist. Nach Andrews [43] kommt Ozon überall in freier Luft vor, die Luft bewohnter Räume und grösserer Städte ist gewöhnlich ozonlos, freie Landluft dagegen ozonhaltis, auf Bergen begegnet man grösseren Ozonmengen, als in der Ebene, an der Seeküste ebenso grösseren Mengen, als im Inneren eines Landes, nach Gewittern macht sich ein Wachsthum des Ozon- gehaltes bemerklich. Prestel suchte mit unermüdlichem Fleisse die Gesetzmässigkeit in der Schwankung des ÖOzongehaltes herauszu- finden [44], ohne jedoch zu festen Ergebnissen zu gelangen. Dass das Ozon im Haushalte der menschlichen Natur keine unwichtige Rolle spielt, erhellt schon aus dem oben Gesagten; Näheres darüber findet man in einem interessanten Vortrage von Lender [45], der die physiologische Ursache jener hygieinischen Bedeutung darin erblickt, dass die im Blute des thierischen Körpers massenhaft vertheilten rothen Blutscheibcehen den Sauerstoff anziehen, verdichten und in Ozon ver- wandeln. Nach Frerichs sollte während einer Epidemie nur mit Ozon imprägnirtes Wasser getrunken werden [46], und R. Wolf be- hauptet [47], dass am Tage einer starken Ozonreaktion, sowie an den unmittelbar sich daran anschliessenden Tagen die Sterblichkeit sich über das Jahresmittel erhebe, und umgekehrt. Man sieht, dass von Uebereinstimmung der Fachmänner auf diesem Gebiete noch nicht gesprochen werden kann. Eine sehr gute Uebersicht gewähren Ü. Eng- ler’s „Historisch -kritische* Studien im Jahrgang 1879 der „Leo- poldina*“. c) Anderweite Gase. Unter normalen Verhältnissen kommt von sonstigen Gasen in messbaren Quantitäten höchstens Ammoniak und schweflige Säure in der Atmosphäre vor; nur besondere Umstände bedingen eine Ausnahme, wie z. B. Wasserstoffgas hie und da in der Umgebung von feuerspeienden Bergen sich findet [48]. Ueber den Verbleib des doch stets und allerorts von der Erde aufsteigenden Wasserstoffgases ist man noch nicht im Klaren. 73 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. d) Fremdkörper. Ungemein mannigfaltig und reichhaltig ist de 4 Vermengung unserer Atmosphäre mit festen Körperchen, für deren Gesammtheit man sich der vulgären Bezeichnung Staub bedient. Ehrenberg, Prestel, Tissandier, v. Richthofen u. a. haben Studien über den Staub als atmosphärologischen Faktor angestellt, aber Assmann hat sich das Verdienst erworben [49], monographisch zusammenzustellen, was wir von dem Gegenstande wissen. Was die (srösse der Staubpartikeln anlangt, so schwankt dieselbe zwischen dem mehrere Millimeter dicken Russstücke unserer Fabrikschornsteine und den mit dem Namen des kosmischen Staubes (Kapitel I, $. 2 der vorigen Abtheilung) belegten Verbrennungsprodukten der Meteorite. Eine der Hauptquellen des atmosphärischen Staubes hat man wohl in den verschiedenen Wüstenländern zu erblicken, wie denn die Luft an der Westküste von Afrika häufig eine zimmtfarbige Trübung erleidet, dessen Ursache nach Ehrenberg der mit feinem Detritus und allen möglichen organischen Stoffen vermengte Quarzsand ist. In Spanien heisst der trockene, staubführende Nebel „Calina“, in Italien „Caligine“. Fallen die Staubmassen mit Regen, Schnee oder Hagel aus der Luft herab, so tritt gefärbter Schnee zu Tage; dass auch lebende Thiere durch Wirbelwinde emporgerissen und später wieder auf die Erde geworfen werden, ist bekannt [50]; gelbgefärbter oder Schwefelregen verdankt diese seine Farbe dem Blüthen- staube [51], während die von dem sogenannten Blutregen gebildeten Residuen Spuren von Eisenoxyd, Kiesel, Thon, Kalk und Kohlensäure erkennen lassen [52]. Auch die Aschenmassen der Vulkane stellen ihr Kontingent (vgl. Band I, S. 350 ff.). Für Mitteldeutschland bringen die in der Atmosphäre. schwebenden Fremdkörper zwei bemerkens- werthe, wenn auch nichts weniger als erfreuliche Phänomene zuwege: den Höhenrauch und den Moorrauch, mit Unrecht häufig ver- wechselt. Der erstgenannte dürfte Assmann’s Meinung gemäss da- durch entstehen, dass ein Wirbelsturm Staub in der Luft suspendirt erhält, seine Dauerhaftigkeit ist keine sehr grosse. Um so länger erhält sich der Moorrauch (auch Haar-, Heer-, Haide- und Landrauch genannt), und es ist diess auch sehr erklärlich, wenn man seine Ent- stehung kennt, über welche zuerst durch die Arbeiten des westphälischen Arztes Finke [53] Licht verbreitet worden zu sein scheint. Die Ein- wohner Oldenburg’s und der hannöverschen Nordgegenden pflegen den sterilen Boden ihrer Heimath dadurch einigermassen zu verbessern, dass sie denselben aufhacken und die so gewonnenen Torfschollen an- zünden. Seit 1870 besteht in Bremen der „nordwestdeutsche Verein gegen das Moorbrennen‘“, über dessen Thätigkeit v. Lär Bericht er- stattete [54]. In Livland, Finnland und im eigentlichen Russland werden durch das Abbrennen von Sträuchen und Stoppeln ähnliche Nebel (‚‚Tuman-yär‘) erzeugt, und auch die selten ganz fehlenden Waldbrände tragen zur Verfinsterung der Atmosphäre bei. In letzter Instanz ist der Verbrennungsprodukte der Feuerungsanlagen zu ge- denken. Tissandier liess Luftmengen, welche er im Inneren der Stadt Paris gesammelt hatte, durch destillirtes Wasser streichen, ver- dampfte letzteres und prüfte den Rückstand, der bei gutem Wetter für 1 Kilogramm Luft 23 Milligramm Staub ergab und zwar organische Substanzen jeder Art, Chlor- und Schwefelverbindungen, alkalische I. $. 2. Zusammensetzung der Atmosphäre. 73 Erden, Ammoniaknitrat, Eisenoxyd, kohlensauren Kalk, Magnesium- karbonat, Phosphate, Kiesel und sonst noch allerlei. Mascart und Aitken gehen soweit, dem Staub in der Luft bei der Bildung von Wolken und Niederschlägen eine integrirende Rolle zuzuweisen. Die medicinische Bedeutung des Staubes ist eine doppelte: einmal, indem derselbe die sogenannten ‚„Gewerbekrankheiten‘ bewirkt, dann aber auch, indem er als der eigentliche Träger und Verbreiter der Miasmen erscheint. Hierüber giebt das Schlusskapitel dieser Abtheilung einige Aufschlüsse. e) Wasser in der Atmosphäre. Ohne dem Auge sichtbar zu wer- den, befindet sich zu allen Zeiten und an allen Orten Wasserdampf in der Atmosphäre, bestehend aus winzigen Bläschen, über deren Be- schaffenheit schon viel gestritten worden ist. F. Roth hat durch Be- trachtungen optischer Natur es wahrscheinlich zu machen gewusst [55], dass die kleinsten, selbstständig existirenden Theilchen sowohl des Wasserdunstes, als auch aller anderer in der Atmosphäre entstehender Niederschläge und Kondensationsprodukte nicht hohle, sondern massive Flüssigkeitskügelchen sind. Das Wasser kann auf zweierlei Weise in den‘dampfförmigen Zustand übergeführt werden, durch den gewalt- samen Process des Siedens und durch den natürlicheren Akt der Verdunstung [56], welch’ letzterer nicht einmal die Oberfläche des Eises sich zu entziehen vermag. Welches aber auch die Ursache sein möge, in jedem Falle kann jene Umformung nur dadurch geschehen, dass eine gewisse Arbeit geleistet wird, und nach den Grundsätzen der mechanischen Wärmetheorie wird zu dieser Arbeitsleistung ein entsprechendes Quantum Wärme konsumirt. Man nennt diese Wärme die latente Wärme — richtiger ausgedrückt „Ausdehnungs- wärme“ — des Damptes, das Thermometer verbleibt solange un- verrückt auf seinem Standpunkte, bis diese auf Molekulararbeit ver- wendete Wärme ihre Arbeit auch wirklich gethan und das Wasser in Dampf verwandelt hat. Bekanntlich versteht man unter Wärme- einheit oder Kalorie jene Wärmemenge, welche die Gewichtseinheit, d. h. 1 Kilogramm, reinen Wassers von 0° auf 1° des hunderttheiligen Thermometers erhöht; diess festgehalten, hat die Untersuchung er- geben, dass bei 0° die latente Wärme 607, bei 100° dagegen blos 537 Kalorieen beträgt, dass also die latente Wärme mit der Ver- dampfungstemperatur abnimmt. Die Quantität Wasserdampf, welche ein Raum von vorgegebener Grösse zu fassen im Stande ist, zeigt sich hiernach von der Temperatur abhängig. Wenn ein bestimmtes Luft- volumen soviel Wasserdampf in sich aufgenommen hat, als es bei der herrschenden Temperatur überhaupt aufnehmen kann, so sagt man, es sei mit Wasserdampf gesättigt; alsdann üben die Dämpfe den grösstmöglichen Druck nach allen Seiten hin aus, der Wasserdampf ist an dem Maximum seines Druckes (seiner Spannkraft) ange- kommen, die Temperatur hat, wenn dieser Fall eintrat, den Thau- punkt erreicht. Die Menge des in der Luft vorhandenen Wasser- dampfes kennzeichnet die absolute Feuchtigkeit; „unter relativer Feuchtigkeit versteht man dagegen das Verhältniss zwischen der Dampfmenge, welche die Luft wirklich enthält, und der Dampfmenge, welche sie bei der herrschenden Temperatur enthalten könnte, oder, was auf dasselbe herauskommt, das Verhältniss zwischen dem Druck, 74 den die Dämpfe wirklich üben, und dem Druck, den sie üben würden, Br wenn die Luft bei der stattfindenden Temperatur mit Dampf gesättigt wäre“ [57]. Einer von Regnault herstammenden empirischen Formel zufolge wird die Spannkraft p des Wasserdampfes, kraft welcher der- selbe auf einen Quadratcentimeter einen Druck von 0,0013596 p Kilo- gramm ausüben würde, aus der Temperatur t dadurch hergeleitet, dass man | log p = 6,2640348 — num log 0,1397743 . num log (0,9940493 — 1) +% — num log 0,6924351 . num log (0,9983438 — 1) 7% setzt, wobei die Logarithmen als dekadische zu gelten haben. S. 3. Die Ausscheidungen und Niederschläge des Wasserdampfes. Jede Abkühlung der Luft verringert ihr Vermögen, Wasserdampf zu bilden, bei einer gewissen Abkühlung sinkt die Temperatur auf den Thaupunkt, und sowie auch jetzt noch der Luft Wärme entzogen wird, so muss sich ein Theil des Wasserdampfes wieder in die tropfbar- flüssige oder unter Umständen auch in die feste Aggregatform zurück- verwandeln, während nur soviel wirklicher Wasserdampf noch als solcher zurückbleibt, um die Luft bei der augenblicklich herrschenden niedrigeren Temperatur zu sättigen. Jede solchergestalt ausgeschiedene Wasserquantität repräsentirt einen sogenannten Niederschlag; ihm muss ein Kondensationsprocess vorhergegangen sein. Die vorher latent gewordene Wärme wird jetzt natürlich frei und bewirkt dadurch eine Verlangsamung der Abkühlung und damit zugleich auch eine Verzögerung der Niederschlagsbildung. Diese selbst aber kann sehr verschiedene Formen annehmen, welche wir nunmehr, im We- sentlichen nach Mohn [58], gesonderter Betrachtung unterziehen wollen. a) Thau, Reif und Nachtfrost. Wie Jamin berichtet [59], waren die Physiker bis tief ins XVIII. Jahrhundert herein darüber unschlüssig, ob der Thau vom Himmel herabfalle oder erst an der Erde sich bilde. Die erste richtige Antwort auf diese strittige Frage gab (a. a. O.) Le Roi, ein sonst wenig bekannter Professor in Montpellier, mit den Worten: „Quand on expose A l’air une couche d’eau dans une vase, elle disparait bientöt. C’est un phenomene simple, qui nous est au- Jourd’hui parfaitement connu. Nous savons que l’eau se change en une vapeur, qui est un gaz v£6ritable, aussi transparent que l’air, se m@lant & lui sans qu’on voie.* Ebenso unbemerklich trete das Wasser wieder aus der Atmosphäre zurück und erscheine dann als Thau, als ein Konglomerat flüssiger Tropfen an den unebenen, namentlich an den mit Pflanzenwuchs bedeckten Stellen der Erdoberfläche. Erst Wilson und Six scheinen aber auch den für die Erklärung der Thaubildung nothwendigen Nachtrag geliefert zu haben, darin be- stehend, dass in klarer Nacht die Bodenfläche, wie die Pflanzen eine weit kühlere Temperatur besitzen, als die umgebende Luft. Im Jahre 1813 stellte Wells, auf seine langjährigen Versuche gestützt, die jetzt noch gültige Theorie auf [60]; seine Schrift ward in’s Deutsche übertragen [61] von Horner, der sich in einem Briefe an Huber also vernehmen liess [62]: „Mich sprach das Verständige, Gründ- liche in Wells’ Arbeit über den T'hau und der Scharfsinn seiner se u Se u 7 Prgaiten dan relı Ba ee FB a A Kae ET Da en a m am min Un ne = Zen #4 Ya I ed ae ae =. a : Fe — U WEIN 1,8732. Die Ausscheidungen und Niederschläge des Wasserdampfes. 75 Raisonnements in hohem Grade an; es ist ein wahres Muster _ der Naturforschung.* Mit Jamin [63] dürfen wir es aussprechen, dass die Frage heute als bis in ihre Einzelheiten geklärt erscheint: Die Ausstrahlung der Erde bewirkt eine Temperaturverminderung in den dem Erdboden nächst anliegenden Schichten, und zwar in dem Maasse mehr, als dem Himmel die Wolkenbedeckung fehlt; die schwere kalte Luft breitet sich wie eine Flüssigkeit längs der Oberfläche aus und lässt, sobald die Abkühlung über den Thaupunkt hinausgegangen ist, einen Theil des bisher getragenen Wasserdampfes an hervor- ragsenden Punkten austreten. Von einem Fallen des Thau’s kann also eigentlich nicht die Rede sein*). Gesetzt nun, dass der Boden serade an jener Stelle, an welcher sich eben ein T'hautröpfchen bilden will, bereits unter den Gefrierpunkt erkaltet ist, so gefriert das Wasser- kügelchen sofort, es bilden sich jene kleinen Eiskrystalle, welche man Reif („Givre*, „Rime“) nennt. Diese naturgemässe Erklärung dürfte Scheuchzer zuerst gegeben haben |64]; derselbe wusste zwar noch nicht recht, was der Thau sei, bezeichnete aber den Reif als gefrorenen Thau. Grundsätzlich nicht verschieden ist der Nachtfrost oder Haarfrost („Hoar-Frost“), welcher alle etwas hervorragenden Körper mit einer dünnen Eisdecke überkleidet; die Einerleiheit beider Gattungen von Reif sprach bereits Kämtz [65] aus. Der Landmann fürchtet .die den Gewächsen anklebenden Eisnadeln sehr und sucht sich da- gegen durch Schutzmaassregeln zu sichern, deren Bedeutung Mohn wohl richtig mit nachstehenden Worten kennzeichnet [66]: „Da die nächtliche Ausstrahlung bei wolkenfreiem Himmel am stärksten ist, sucht man in klaren Nächten die Feldfrüchte vor dem Einflusse des Nachtfrostes oft dadurch zu schützen, dass man den Rauch brennender Reisighaufen über den gefährdeten Acker hinziehen lässt. Der Rauch dient in diesem Falle nicht zur Erwärmung der Luft, sondern wirkt nach Art einer Wolke, welche die ausstrahlende Wärme wieder zur Erde zurückwirft, oder wie die Fenster und Decken über einem Mist- beete, welche in gleicher Weise wirken.“ b) Nebel und Wolken. Wir haben es hier ausschliesslich mit jenen Luftgebilden zu thun, welche die ältere Meteorologie feuchte Nebelnannte, indem dietrockenen Nebel nur von der Ansamm- lung von Fremdkörpern in der Atmosphäre herrühren und deshalb schon im vorigen Paragraphen ihre Erledigung gefunden haben. Wie schwierig auch in diesem einfachen Falle die Anbequemung an das Einfache und 'Naheliegende Vielen gefallen ist, darüber belehrt uns zur Genüge Muncke’s an Literaturnachweisen reicher Lexikon-Artikel |67|. In Wirklichkeit entsteht ein Nebel dann, wenn feuchte Winde über eine relativ kältere Strecke der Erdoberfläche hinstreichen, oder wenn um- gekehrt die Oberfläche eines Gewässers wärmer ist, als die darüber wehende Luft [68]. In die erstgenannte Kategorie gehören die be- rüchtigten Polarnebel, welche sich bis Newfoundland und in die *) Dass die unter dem Namen Mehl- und Honigthau bekannten Pflanzen- krankheiten mit dem wirklichen Thau des Himmels nichts zu thun haben, sondern theils thierischen Parasiten, theils unnatürlichen Wucherungen zugeschrieben werden müssen, dürfte heute eine auch dem Volke bekannte Thatsache sein, während noch 1823 ein ganz tüchtiger Physiker, Siber, der Atmosphäre ihren Antheil daran retten wollte. 76 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Hudsonsbay herabziehen, während umgekehrt die englischen Nebel, zu deren Verdickung freilich auch die grossen Industriecentren redlich mitwirken, auf den warmen Golfstrom zurückgeführt werden müssen. Nicht minder darf man das Dampfen der Flüsse und Seen, sowie das Rauchen der Berge hierher rechnen. Wenn nun schon die Nebel aus ausgeschiedenem Wasserdampfe bestehen, der in Gestalt kleiner Bläschen in der Luft schwebend erhalten wird, so gilt diess noch mehr für die in den höheren Luftschichten sich bildenden Wol- ken; liegt der Heerd der Wolkenbildung in hohen und deshalb kalten Partieen der Atmosphäre, so gerinnt der ausgeschiedene Wasserdampf sofort zu kleinen Eisnadeln, die aber ihrer geringen Dichte halber gleichwohl nicht zur Erde fallen, sondern schweben bleiben und eben- falls Wolken bilden können. Die gewöhnliche Veranlassung zur Ent- stehung einer Wolke bildet ein aufsteigender Luftstrom, der viele Wasserdämpfe mit sich führt, die unterste Grenze der Wolkenregion pflegt durch die Höhe bestimmt zu sein, bei welcher die aufsteigende Luft ihren Thaupunkt erreicht |69]. Dass Gebirge die Luft zwingen, an ihren Abhängen in die Höhe zu steigen, leuchtet ein; dabei wird der Luft ihr Wasserdampf entzogen, die Berggipfel wirken als Kon- densatoren, und ihr Haupt erscheint sehr häufig in einer Wolken- verhüllung *). Die Höhe der Wolken zu messen, ist schon vielfach versucht worden, aber erst in allerneuester Zeit mit einigem Glücke. Riccioli schlug zu diesem Zwecke ein Verfahren vor [70], analog dem im ersten Bande, Seite 80, für die Sternschnuppen und im vierten Kapitel der vorigen Abtheilung für die Nordlichtkrone geschilderten. Jakob Bernoulli suchte sich von der Nothwendigkeit, noch einen zweiten Beobachter hinzuzuziehen, zu emancipiren; er fordert [71], dass man Abends, unmittelbar nach Untergang der Sonne, die Punkte einer bestimmten Wolke durch Azimut und Höhe fixiren solle, welche eben aufhören, erleuchtet zu werden, und in der That ist, da man ja auch den Ort der Sonne im fraglichen Augenblicke kennt, die Höhenbe- stimmung auf ein einfaches Problem der Raumtrigonometrie zurück- gebracht. Grunert gab die betreffenden explieiten Formeln wirklich an |72], zugleich die Einwirkung der terrestrischen Refraktion korri- girend. Sehr brauchbar für den isolirten Beobachter, dem es an grösseren Instrumenten gebricht, ist die Prestel’sche Methode [73], doch ist dabei vorausgesetzt, dass die Wolke einen in der Ebene genau sich abgrenzenden Schlagschatten werfe, dessen kürzester Abstand vom Beobachter gleich b sein möge. Wenn sich der Orstkundige den Endpunkt des Schattens genau merkt, so kann er b mit Hülfe einer Spezialkarte ausreichend genau bestimmen ; diess geschieht jedoch erst später, denn der Beobachter hat gleichzeitig mit jener ersten Wahr- nehmung auch die Winkelhöhe a’ des schattenwerfenden Wolkenrandes W (Fig. 19) mit einem Spiegelsextanten zu messen, während er dann noch die Sonnenhöhe «a einer astronomischen Tabelle zu entnehmen in der Lage ist. Man denke sich nun von W auf die Horizontalebene *) Man weiss, dass das Aussehen einzeln aufragender Berge da und dort als Wetterzeichen gilt; in Luzern z. B. beurtheilen Wolkenkundige den Stand der Witterung danach, ob der Pilatus einen „Hut“, einen „Kragen“ oder einen „Degen“ trage. Dasselbe pflegen die Triestiner von ihrem Wetterzeiger, dem Nanos bei Adelsberg. zu sagen. Ds I, $. 3. Die Ausscheidungen und Niederschläge des Wasserdampfes. 77 das Loth WF — h gefällt, während C den Standort des Beobachtenden, D den Endpunkt des Schattens, CD also die obige Strecke b vor- stellt. Dann ist h=DW .sın «a, und das Dreieck CDW liefert die Proportiin DW : CD = sin a‘ : sin (a — 0‘). Setzt man den hieraus folgenden Werth von DW ein, so ergiebt sich b sin « sın a sin (a — a’) Prestel hat auf diese Weise für kompakte, weissrandige Haufen- wolken Minimaihöhen von 2500 m bis 4100 m gefunden. Im Allge- meinen variirt die Höhe der Wolken bedeutend; nicht selten reichen dieselben bis hart an die Erdoberfläche, während Pouillet nach Höhen von 12315 m gemessen haben wollte |74]. Für hoch schwebende Wolken dürfte sich die photogrammetrische Methode (I. Band, Eio. 19. S. 286) empfehlen, um deren Ausbildung für den uns hier beschäfti- senden Zweck sich Feussner [75] und Zenker [76] verdient gemacht haben; letzterer verfolgt allerdings die allgemeinere Tendenz, photo- graphisch die Schichtungen und Bewegungen der Luftmassen testzu- legen und die Physik der Wolken mit neuen T'hatsachen zu bereichern, deren Erkenntniss sich dem blossen Auge entzieht. — Eigenthümliche Schwierigkeiten verursachte die Schaffung einer konsequenten und an- schaulichen Terminologie für die Wolkenkunde, hauptsächlich wohl deshalb, weil subjektive Eindrücke hier einen ganz besonders störenden Einfluss ausüben können. Der gründlichste Fachkenner, Cl]. Ley, sagt geradezu |77|: „Die Wolkenbeobachtung ist in grossem Maasse eine nicht mittheilbare Kunst.* So wenig trostvoll diess klingt, so werden wir doch sehr bald sehen, dass doch eben unter Ley’s that- kräftiger Mitwirkung gerade der deskriptive Theil dieser meteoro- logischen Theildiseiplin nicht unerhebliche Fortschritte gemacht hat. Bahnbrechend gieng in dieser Richtung zu Beginn des laufenden Jahr- hunderts Luke Howard vor [78], dessen Nomenklatur unsere Fig. 20 zu versinnlichen sucht*). Er unterscheidet drei Hauptarten, die Feder- *) Unser Tableau ist dem entsprechenden in J. Müller’s „Kosm. Physik“ nachgebildet. Ohne Zuhülfenahme der Illuminirung ist ein besseres Bild nicht wohl herzustellen, und wir müssen uns deshalb begnügen, auf die im Geschmacke der besten Landschaftsmalerei ausgeführten Darstellungen der Wolkenformen zu verweisen, welche einerseits im ersten Jahrgange des „Arch. d. d. Seewarte“ und andererseits in dem uns bereits bekannten Werke der englischen Meteorologen ent- halten sind. Die letzteren verdankt man natürlich Ley. BEN BE TREE Te EEE Ra a r - v EN ER Tr KA Bu 5 em vo 3)9 he: a EEE ir 78 | Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. wolke oder Cirrus (a der Figur), aus zarten, streifen- oder feder- artigen Fasern bestehend, die Haufenwolke oder Cumulus (b der Figur), deren halbkugelförmige Massen auf horizontaler Basis zu ruhen scheinen, und die Schichtwolke oder Stratus (c der Figur), horizontale Wolkenstreifen, denen die untergehende Sonne oft die prächtigsten Färbungen verleiht. Die Uebergänge zwischen diesen drei Hauptarten werden durch Zwischenformen gebildet, als welche Howard die fedrige Haufenwolke oder Cirro-cumulus (,‚Schäfchen- wolke‘“), die fedrige Schichtwolke oder Cirro-stratus und die streifige Haufenwolke oder Cumulo-stratus angesehen wissen will. Letztere Wolke geht zuletzt in die blauschwarze Regen wolke oder Nimbus (d der Figur) über. Für gewöhnliche Zwecke reicht man mit diesen geschickt gewählten Bezeichnungen recht gut aus, allein die fortschreitende Wissenschaft, welche sich der Wolkengestalten auch für die Wetterprognose bedienen möchte, bedurfte feinerer Unter- scheidungsmerkmale. So sind denn Po&y [79], Weihrauch [80] und Ley [81] mit erneuten Klassifikationsvorschlägen hervorgetreten, welche einer „internationalen Wolkenkommission‘ zur Begutachtung vorgelegt werden sollen. Von Wichtigkeit ist die Neuerung nur für die Cirrus- wolken. Ley’s Kunstwörter sind folgende: Gewöhnlicher Cirrus oder Schweifwolke (,curl-cloud‘“), Cirro-filum oder Drahtwolke („gossamer-cloud‘), Cirro-velum oder Schleierwolke (,,veil-cloud“), Jirro-nebula oder Federwolkennebel (,veil-haze‘‘), Cirro-granum oder Schäfchenwolke (,granular-curl-cloud‘“). Weihrauch hält dafür, dass man mit Howard’s Namen auskommen könne, wenn man denselben nach Po&@y’s Cirro-pallium, den Federwolkenmantel, hinzufüge. ‚Jedenfalls hat Ley seiner Sache dadurch trefflich Vorschub I, 8. 3. Die Ausscheidungen und Niederschläge des Wasserdampfes. 19 geleistet, dass er (a. a. O.) gleich fünf für die Wettertelegraphie ge- eignete Zahlenskalen zur Angabe der Formen, Menge, Richtung, Be- wegungsgeschwindigkeit und Mächtigkeit der Wolken in Vorlage brachte. Gewöhnlich begnügt man sich, durch einen Bruch anzugeben, einen wie grossen Theil des mit 1 bezeichneten Firmamentes die Wolken einnehmen. Die Beziehungen dieses als Bewölkungsgrösse be- kannten meteorologischen Elementes zur Dynamik der Luftbewegungen werden uns erst später klar werden (vgl. Kap. VI). Noch fehlt es an Material für diese Studien, und es sind deshalb Schriften sehr zu schätzen, wie die unlängst von L. Meyer herausgegebene: Die Be- wölkung in Württemberg, Stuttgart 1884. c) Regen und Schnee. Es ist schwer zu glauben, dass man in wissenschaftlichen Kreisen auch dann noch, als man über die Natur von Thau und Reif, Nebeln und Wolken bereits zu vollkommener Klarheit durchgedrungen war, trotzdem noch die ernsthaftesten Dis- kussionen über das Wesen des Regens pflegen zu müssen glaubte. Delue und Lichtenberg, der jüngere Tobias Mayer und Zylius betheiligten sich hauptsächlich an diesem Streite; eine gute Uebersicht über den springenden Punkt desselben, ob nämlich das Wasser blos ‚verdampfe‘“ oder sich ganz und gar in der Luft „auf- löse“, gewährt eine Abhandlung |82] des letzterwähnten Gelehrten. In Wirklichkeit ist der Process der Regenbildung demjenigen der Thaubildung vollkommen analog. Eine Wolke ist, wie wir wissen, schon dadurch entstanden, dass der in der Luft enthaltene Wasser- dampf sich verdichtete; tritt nun abermals in jener Wolke eine rasche Verdichtung des Wasserdampfes ein, so wird tropfbarflüssiges Wasser in Form von Regentropfen ausgeschieden; zu schwer, um noch von der Luft getragen werden zu können, fallen dieselben auf die Erde herab. War die Temperatur in dem Momente, in welchem die Ver- dichtung eintrat, bereits unter den Gefrierpunkt herabgesunken, so gefriert das ausgeschiedene Wasser unverzüglich, der Niederschlag erscheint als Schnee. Den Umstand, dass die als Schneeflocken bekannten Eiskrystalle stets in sehr regelmässigen geometrischen Formen auftreten, hatte bereits Kepler bemerkt, der darüber eine eigene Schrift von 24 Quartseiten verfasste [83] und die Hauptgestalten folgendermassen ganz richtig darin kennzeichnete: „Contemplatus sum sedulo corpuscula nivis; cadebant igitur omnia radiosa, sed duorum generum, quaedam minuta valde radiis circumcirca insitis incerto numero et simplicibus, sine villis, sine striis, erantque subtilissimi in centro vero colligati ad grandiusculum globulum, atque horum erat maxima pars. Interspargebantur autem secundi ordinis rariores sexangulae stellae, earumque nulla aliter nisi plana neque volitabat, neque ca- debat.‘“ Später, als die Krystallographie sich entwickelt hatte, konnte man feststellen, dass alle Eiskrystalle gerade Prismen sind, deren beide Grundflächen das regelmässige Sechseck zur Grundform haben; wie bizarr auch die Umrisse eines einzelnen Individuums sein mögen, andere Winkel als von 30°, 60° und 120° sind daran kaum jemals zu kon- statiren. Eine ganz ähnliche ‚mineralische Vegetation‘ zeigt sich bei’m Gefrieren der Fensterscheiben, wie man denn in der That häufig ‘von Eisblumen spricht; Mairan hat sich mit denselben zuerst wissen- schaftlich befasst [84], und Muncke wies durch Versuche nach [85], s0 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. „dass der eigentliche Typus der Eisform desto bestimmter hervortritt, wenn die Operation mit möglichster Langsamkeit und Ruhe vor sich gehen kann.‘‘ Im vorigen Jahrhundert bildeten die Schnee- und Eis- krystalle einen Gegenstand eifrigen Studiums für Physiker und Mikro- skopiker, unter denen besonders der Holländer Engelman [86] sich hervorthat, doch wurden alle früheren Mittheilungen in den Schatten gestellt durch diejenigen des Polarfahrers Scoresby, der aus dem reichen Schatze seiner Autopsie schöpfen konnte [87]. Und wiederum über ihn hinaus gieng Glaisher, der auf seinen grossartigen — in einem besonderen Werke [88] beschriebenen — Luftschifffahrten die Entstehung der Eisnadeln unter Bedingungen beobachten konnte, wie sie nicht günstiger zu denken sind. Tyndall bildet nach Glaisher ‚vierzehn Formen von Schneekrystallen ab [89], die sämmtlich auf das Lebhafteste an die unter dem Kaleidoskope sich bildenden Arabesken gemahnen. Unsere Fig. 21 giebt eine der merkwürdigsten wieder. Symmetrische Sterne mit 3, 4, 12 und 18 Zweigen, anstatt der gewöhnlichen 6, kommen als Ausnahmen wohl auch vor, aber nur ein einziges Fünfzack figurirt unter den massen- haften Zeichnungen, welche Engelman (s. o.) nach der Natur angefertigt hat. Genauere Nachweisungen über die Krystallform des Eises findet man auch im 3. Jahrgang von Berzelius’ Jahresbericht über die Fort- schritte der physikalischen Wissenschaften (deutsch von Gmelin, Tübingen 1824); die- selben stimmen zu dem bereits Gesagten. Der Brechungsexponent des Eises fällt zwischen die Grenzen 1,3043 und 1,3172 (nach Bravais). | d) Fallende Eisstücke, Statt zarter Schneeflocken fallen bekannt-_ lich nicht selten auch kompakte Eismassen aus den Wolken nieder. Sowohl nach der physikalischen Ursache, wie auch nach der petro- graphischen Beschaffenheit dieser Eisstücke haben wir jedoch auch hier ganz verschiedene Modalitäten zu unterscheiden. Der Eisregen kann vielfach nur eine durch Intensität ausgezeichnete Abart des ge- wöhnlichen Schneefalles sein, indem die unteren Schichten kälter sind, als die oberen, so dass bei’m Durchfallen der ersteren die Kryställchen rasch an Grösse zunehmen. Diese Bewandtniss dürfte es wohl mit einem von Merian einlässlich geschilderten Phänomen [90] gehabt haben. Den Uebergang vom Eisregen zum eigentlichen Hagel ver- mittelt der Graupelfall; wir müssen uns jedoch an dieser Stelle be- scheiden und können auf diese für die Naturforschung noch immer ziemlich räthselhaften Erscheinungen erst dann wieder zurückkommen, wenn wir uns zuvor mit den elektrischen Eigenschaften unseres Luft- kreises einigermassen bekannt gemacht und zugleich den dynamischen Uharakter der Luftbewegung studirt haben. Diess wird aber im vierten und sechsten Kapitel erst geschehen können. $. 4. Aörostatische Grundgesetze. Im vierten Buche seiner „Physik“ beschreibt Aristoteles einen Versuch, mittelst dessen ein in einer Blase eingeschlossenes Luftquantum seinem Gewichte nach bestimmt a un , we ER, . R BEscz one RER A a a En Bl Zu nn a un 2. 0 u a NL ER 2 I, $. 4. Aerostatische Grundgesetze. 31 werden sollte, und wenn auch der Versuch einem prineipiellen Miss- verständnisse unterworfen ist, so liegt doch soviel am Tage, dass der Stagirit die Luft als einen mit Schwere begabten Körper erkannt hat. Nikolaus von Cusa wollte in ähnlicher Weise durch die Wage er- forschen [91], ob die Luft an Feuchtigkeit zu- oder abgenommen habe. Die Entdeckung des Luftdruckes ist ein Verdienst von Galilei’s tüchtigem Schüler Torricelli. Die bei den Saugpumpen und Hebern schon längst bemerkte Eigenschaft, dass in einen luftleeren Raum die unter demselben befindliche Flüssigkeit hineinströmt, hatte Aristoteles durch seinen bekannten „Horror vacui“ erklärt, und Heron Alexan- drinus war ihm darin nachgefolgt. Als nun aber florentinische Brunnen- gräber im Jahre 1630 die Wahrnehmung machten, dass das Wasser im Pumpenrohre nicht höher als 18 Ellen steigen wolle, glaubte Galilei, dass der Abscheu der Natur vor dem Leeren an Grenzen gebunden sei; die oft gehörte Meinung, dass er es besser gewusst habe und nur die Scholastiker verspotten wollte, ist bereits von Mon- tucla [92] treffend widerlegt worden. Vielmehr war es Torricelli im Jahre 1643, also erst im Jahre nach dem Tode des Meisters, ver- sönnt, den wahren Grund jener dunklen Erscheinung anzugeben. Ver- öffentlicht hat er selber nichts darüber, vielmehr begnügte er sich, in Briefen an Viviani und Ricci seine Gedanken niederzulegen [93], auf welche wir weiter unten bei’'m Barometer zu sprechen kommen werden. Nahe gleichzeitig stellte Otto v. Guericke seine bekannten Experimente über die Herstellung eines luftleeren Raumes an; ver- gleicht man an der Hand von Hochheim’s eingehendem Berichte [94] die einzelnen Entwickelungsstadien in dieser langen Versuchsreihe, so erkennt man mit Befriedigung, wie mit jedem Schritte in der Ver- vollkommnung der Experimentirtechnik auch ein intellektueller Fort- schritt in a@rostatischer Beziehung verknüpft war. Das Gesetz, nach welchem der Druck der Luft sich ändert, scheint vor Mariotte bereits von Boyle bei der Wiederholung der Guericke’schen Grundversuche aufgefunden worden zu sein [95], allein für gewöhnlich trägt es den Namen des Ersteren, der es zur Grundlage einer 1676 veröffentlichten Schrift machte (96]. Mariotte’s Gesetz besagt: Der Druck, welchen ein Luftquantum all- seitig ausübt, ist proportional der Dichte der Luft. Durch Versuche von Arago, Regnault und Swensen ist später der Nach- weis geführt worden, dass dieses Gesetz allerdings in sehr weiten Grenzen und für alle Gase gilt, nur jedoch als eine Näherung, nicht als der absolut genaue Ausdruck des wirklichen Verhaltens der Atmo- sphäre. Da die Dichte eines Gases durch die Temperatur bedingt ist, so muss natürlich auch dieser Rechnung getragen werden; diese Korrektur brachte zuerst Gay-Lussac an, nachdem er die Ueber- zeugung gewonnen zu haben glaubte, dass alle Gase sich mit der Temperatur gleich stark ausdehnen [97]. Nach Mariotte wäre die Dichte d mit dem Luftdruck p durch die Gleichung d = Konst. p ver- bunden; um auch der 'Temperatur gerecht zu werden, setzt man 1 d=Konst.p. — — Pt —+ at’ wo t die Temperatur, &« den konstanten Ausdehnungskoefficienten der Günther, Geophysik. II. Band. 6 82 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. (sase bezeichnet, und diese Relation ist bekannt als das Gesetz von Mariotte und Gay-Lussae. | Es ward früher (Band I, S. 320) bemerkt, dass neuerdings Vor- schläge zur Erweiterung und Verbesserung dieses Gesetzes von Biehringer und M. Kuhn ausgegangen seien. Fassen wir diese Vorschläge jetzt näher in’s Auge. Der Erstere leitet durch ganz elementare Ueberlegungen diese Gleichung her [98]: gltret) . ala Dr Si as, Hier bedeuten p und p’ zwei verschieden grosse Luftdruckwerthe, v und v‘ die entsprechenden Volumina, q und q‘ die Absolutgewichte, s und s’ die spezifischen Gewichte, « hat seine Bedeutung nicht ge- ändert, t und t‘ sind die Temperaturen. Für q= q‘ und s—= s’ erhält man hieraus die minder genaue Gleichung pv:pv=(l-+oat):(l-+aelf‘), welche offenbar nur ein anderer Ausdruck für das uns bereits bekannte. Mariotte-Gay-Lussac’sche Gesetz ist. . Den allgemeinsten Standpunkt nimmt wohl Kuhn [99] ein, dessen Resultate denn auch mehr und mehr an Stelle der älteren Normen sich einbürgern werden. Er geht von unendlich kleinen Aenderungen der in Betracht kommenden Grössen aus und setzt, die uns geläufige Be- zeichnung beibehalten, dp —@, . de Up, day ua wo a, und a, zwei konstante, wenn auch nach den Untersuchungen: Regnault’s unter sich verschiedene Zahlen bedeuten. Durch Addition findet man als die voliständige Differentialgleichung der Temperatur dp dv an ap a ON Die Integration ist leicht und liefert 1 .lgp+ log v 4 Konst. O., Ä Geht man aber von den Logarithmen zu Exponentialgrössen über, so kann man, wenn man unter p, und v, gewisse empirische Fixgrössen versteht, der letzten Gleichung auch die folgende Form ertheilen (e = 2,78....): t — ? Ay U Gp U pp Av: ip-t Ba En ae ; und diese ist es eben, durch welche Kuhn das Gesetz von Mariotte und Gay-Lussac ersetzt sehen möchte. Als eine Ergänzung zum Mariotte’schen Gesetze kann an- gesehen werden, was Schlemüller fand. Indem derselbe die Prin- eipien der kinetischen (Clausius-Boltzmann’schen) Gastheorie speziell für die Atmosphäre verwerthete, gelangte er zu dem Lehr- satze |100]: ‚Die Drücke in zwei verschieden hohen Punkten verhalten sich zu einander, wie die sechsten Potenzen der absoluten T’empera- turen.“ ÖOriginell der Ableitungsweise nach, war dieser Satz gleich- wohl sachlich nicht mehr ganz neu, denn v. Bauernfeind hatte, wie er der Schlemüller’schen Publikation gegenüber darthat [101], schon I, $. 4. Aörostatische Grundgesetze. 83 früher durch eine eigenthümliche Kombination von Rechnung und Beobachtung eine allgemeinere Relation erhalten. Wenn nämlich T und 'T’ die absoluten Temperaturen in den Höhen h und h‘ bedeuten, so ist nach v. en (wegen d, d‘, p, p’ siehe , alleemein ee) K und K’ müssen erfahrungsgemäss bestimmt werden, und zwar hatte stieh-K — Im K’=1 ergeben, so dass also wirklich die Proportion el bereits in v. Bauernfeind’s generellem 'Theoreme mit enthalten ist. — Ehe wir diesen Paragraphen beenden, haben wir noch der Gesetze zu gedenken, nach welchen der der Atmosphäre unter allen Umständen beigemengte Wasserdampf sich richtet. Zu Anfang unseres Jahr- hunderts formulirte [102] der englische Chemiker Dalton das seinen Namen tragende Gesetz, welches sich in Kürze etwa so aussprechen lässt: Die unsere Atmosphäre bildenden Materien, Sauer- stoff, Stickstoff, Kohlensäure und Wasserdampf sind ebenso vertheilt, wie sie essein würden, wenn jeder dieser Stoffe für sich allein da wäre und keiner auf den anderen wirkte. Muncke bemerkt [103], dass nur wenige Gelehrte, so Henry und Benzenberg, sich mit dieser Hypothese einverstanden erklärt hätten, dass dagegen viele andere, Berthollet, Gough, Tralles u. s. w., sofort als Gegner derselben aufgetreten wären. Den schneidigsten dieser Gegner kannte aber Muncke anscheinend selbst nicht; es ist diess E. G. Fischer, dessen Bekämpfung |104] Dal- ton’s heute noch Beachtung verdient, obwohl er mit der sonderbaren Lehre von einer zwischen Luft und Wasser bestehenden Affinität noch nicht endgültig gebrochen hatte. Neuerdings widmete sich Lamont einer gründlichen Prüfung der ganzen Angelegenheit und stellte dabei folgende Normen auf [105]: Eine für sich bestehende Wasserstoffatmo- sphäre im Sinne Dalton’s ist nicht vorhanden; dass Wasser kommt in der Atmosphäre sowohl als elastischer Dampf wie auch als blosser Dunst vor; der letztere bewirkt keine merkliche Vermehrung des Luftvolumens, wogegen Dampf und Dunst, wenn aus einer gleich grossen Wassermenge hervorgegangen, den Druck der Luft gleich- mässıg verstärken; der Druck der trockenen Luft wird jedoch nicht etwa dadurch erhalten, dass man vom Barometerstande den am Feuchtig- keitsmesser abgelesenen Dunstdruck einfach subtrahirt. S. 5. Die Gestalt der Atmosphäre. Die alte Auffassung, dass die Erde in einem Luftmeere sozusagen schwämme, ist selbstverständ- lich unhaltbar. Zu wie sonderbaren Ausschreitungen dieselbe führt, lehrt die Geschichte der coppernicanischen Weltordnung; waren doch unter den Gegnern derselben auch Leute, die behaupteten, dass die innerhalb der Lufthülle sich umwälzende Erde einen furchtbaren Sturm- wind erzeugen müsse. In Wirklichkeit ist das Erdellipsoid von einem abgeschlossenen Luftkörper umgeben. Um die Gestalt der Kurve anzugeben, durch deren Umdrehung die jenen Körper gegen den Welt- raum abgrenzende Fläche entsteht, muss man natürlich die Theorie 34° Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. zu Hülfe nehmen. Es würde jedoch zu Irrthümern führen, wenn man, einer von Laplace |106] angedeuteten Idee zu rasch Folge gebend, etwa so schliessen wollte: Jener Grenzkurve gehören alle diejenigen Punkte an, für welche Centrifugal- und Anziehungskraft einander gleich sind. Sei nämlich (Fig. 22) © der Mittelpunkt der Erdkugel vom Radius R, A ein Punkt der ge- Fig. 22. suchten atmosphärischen Grenzkurve, und zwar sei dieser Punkt bestimmt durch den Fahrstrahl CA=r und Strahl mit der in der Aequatorial- ebene gelegenen Geraden CX bildet. Um den Radius des von A alltäglich beschriebenen Kreises zu erhalten, fälle man aus A auf die Erdaxe OY das Loth AB=rcos»; dann ist, die Winkelgeschwindigkeit der Erde — u gesetzt, die radiale Komponente AE der Centrifugalbeschleunigung AD des in B befindlichen Massen- theilchens m gegeben durch mw’ r cos’ ©, wogegen die Attraktion der mM 16 Erdmasse M ersterem die Beschleunigung AF=k. ertheilen würde, wo k den bekannten Attraktionsfaktor bedeutet. Es wäre also mM ‚u Kfonst: mn cos I r cos? o ’ welch’ letztere Gleichung diejenige der gesuchten Grenzkurve in Polar- koordinaten darstellen würde. Für © = 90° ist aber cos’ 2 — (, r also = &, und damit wäre gesagt, dass die Kurve die Axe der Erde niemals schneiden, dass also senkrecht über den Polen die Atmo- sphäre sich ins Unendliche erstrecken würde. Davon kann begreif- licherweise keine Rede sein, da im Gegentheile die Atmosphäre unter den Polen eine geringere Höhe besitzen muss, als unter dem Aequator. Der hier begangene Fehler liegt darin, dass von dem Charakter der Luft als einer elastischen Flüssigkeit, also auch von ihrem Drucke vollständig abgesehen ward. F. Neumann zeigt [107], dass dieser Druck p nach bekannten Sätzen der analytischen Mechanik für den Punkt A unserer Figur durch folgende Differentialgleichung auszu- drücken ist: dp B | Ar’ Sr op: [s® d (-) Ai TaRR (xdx —- yay) |. Hier bedeutet e die Dichtigkeit, welche die Luft am Meeresniveau unter der Breite » besitzt, wenn sie dem Normaldrucke P unterliegt, g ist die Fallbeschleunigung, T die Tagesdauer, x und y sind resp. —rcosp und rsine® zu setzen. Integrirt man zwischen den Grenzen rund r, und drückt die links hinzuzufügende Konstante durch (— log pı). aus, so findet man mE [el + er wm] Für eine bestimmte Gleichgewichts- oder Niveaufläche (vgl. I. Band, durch den Winkel ®, welchen dieser RE A a ES, ae it I te A RN $. 6. Die Höhe der Atmosphäre. 85 S. 193) ist p—=p,, log 1 aber ist = 0, und wenn man noch einen Punkt am Pole betrachtet, für welchen cos ®, ebenfalls sich annullırt, so bleibt die Gleichung a a Wenn A in der Grenzfläche liegt, welche Wasser und Luft trennt, Basen ——h, Aue, unsere A erhaltene Gleichung wird: SER (1 - In?’ r? cos’ Fe) Bus DR sRT’ Die Diskussion dieser Gleichung vergewissert uns darüber, dass die Niveauflächen der Atmosphäre sämmtlich von ellipsoidischer Form sind*), und dass somit der Gesammtatmosphäre als ein abgeplattetes Sphäroid betrachtet werden kann. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn man mit Meibauer [109] dem Weltäther die gleiche chemische Zusammensetzung beimessen wollte, wie unserer Luft. S. 6. Die Höhe der Atmosphäre. An Methoden, die vertikale Erhebung der Luftgrenze über der Erdoberfläche zu finden, fehlt es nicht, allein so elegant und zweckdienlich auch dieselben unter dem rein theoretischen Gesichtspunkte erscheinen mögen, so ist man doch von einer auch praktisch befriedigenden Lösung der Aufgabe noch weit entfernt. Im Wesentlichen lassen sich die bisher bekannten Ver- fahrungsweisen in fünf Gruppen sondern. a) Die optische Methode. Der Araber Alhazen (eigentlich Ibn Haitham) machte [110] darauf aufmerksam, dass man die Höhe der Licht reflektirenden Wolkenschicht bestimmen könne, wenn man den Moment zeitlich genau fixire, in welchem die letzten Sonnenstrahlen . gerade noch ein im Horizont schwebendes Wölkchen beleuchten, Der Thüringer Witelo — denn so, und nicht Vitellion, heisst nach Curtze’s Forschungsresultaten der berühmteste Optiker des Mittelalters [111] — behandelte Alhazen’s Methode sehr ausführlich [112]: „Sum- Fig. 23. morum vaporum consistentiam ad quantum possint De pertingere, possibile est in- veniri.- C (Fig. 23) ist der Mittelpunkt der Erdkugel, die Sonne befindet sich in 8 und sendet von da aus Lichtstrahlen nach der in A belegenen Wolke; die Linie SA ist eine Berührende der Erde, D der Berüh- rungspunkt. Sowie die Sonne noch ein klein wenig weiter unter den Horizont hinabge- sunken sein wird, kann kein Strahl von ihr mehr den Punkt A erreichen, da sich dem die Krümmung der Erde entgegenstellt. Die *) Nicht etwa, als ob unsere Kurve eine Ellipse im strengen Sinne wäre; . es lässt sich aber zeigen, dass die Gestalt beider Linien keine sehr verschiedene ist. Kürzer begründet Neumann (a. a. 0.) sein Urtheil, das sich auf einen früher von ihm geführten Nachweis [108] für die Thatsache stützt, dass der äussersten Gleichgewichtsoberfläche des von Attraktionskräften beeinflussten Wassermantels der Erde ganz dieselbe Gleichung zukommt. Dass aber die Gezeiten annähernd ein Wasser-Ellipsoid herstellen, ist bekannt. u a # tel) Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Gerade SA trifft den um C mit CA als Halbmesser gezogenen Kreis zum zweitenmal in E; zieht man nun AE und AB, welch’ letztere Gerade der Bedingung gemäss den Horizont des in B gedachten Be- obachters darstellt, fällt man ferner von C auf AB und AE die Per- pendikel CB und CD, so ist offenbar AABC=SAADCSAEDGC, und somit auch, wenn <[ ACE = H gesetzt wird, {X BOA = <{ ACD — DEM = Der Winkel H (die negative Sonnenhöhe) wird dadurch ermittelt, dass man (s. o.) die Zeit der Beobachtung genau bestimmt; sind nämlich vom Untergang der Sonne bis zu fraglichem Zeitpunkt 7 Stunden verflossen, so findet man den dem Beobachtungs- termin entsprechenden Stundenwinkel s der Sonne aus der Gleichung °:360—=1r:24. Ist ferner noch die Deklination 5 der Sonne be- kannt, so hat man unter der Polhöhe » zur Bestimmung von H die Gleichung | cos (90° — H) = sin H = sin ö sin © + cos 6 cos © cos 5 Sowie aber H bekannt ist, wird die kürzeste Entfernung AE, = h des der Atmosphäre angehörigen Punktes A von der Erdoberfläche aus dem rechtwinkligen Dreieck ABC, worin BC=R der Erdradius ist, gefunden. Es ist nämlich R Eier Ruh: 2.0 0802 a Bo Alhazen selbst bestimmte in Konsequenz dieses Verfahrens die Höhe des Luftkreises zu 52000 Schritten*); mit einigen Verbesserungen eignete sich Kepler [113] das Resultat des Arabers an. Cotte, der sich allerdings über die Unvollkommenheit der Methode nicht täuscht, führt an [114], dass De la Hire auf dieselbe Art h —= 37223 Toisen, Mariotte h — 15 bis 20 Lieues gefunden habe. Offenbar führt die Alhazen’sche Aufgabe nicht eigentlich zu einer wirklichen Höhen- bestimmung der Atmosphäre, es wird vielmehr günstigsten Falles die Höhe jener Wolkenregion ermittelt, welche das Sonnenlicht noch zurück- wirft. Auch müsste, um einigermassen zuverlässige Ergebnisse zu erzielen, die Wirkung der Strahlenbrechung mit berücksichtigt werden. Diess thut denn auch Jesse, der bei einer neueren Untersuchung über die zur Zeit brennende Frage der meteorologischen Optik im Ganzen den gleichen Weg einschlägt [115]; da er aber alle erforder- lichen Korrektionen vornimmt, so dürfte er Vertrauen verdienen, wenn er [116] die Höhe jener Dunstschicht, in welcher die so viel be- sprochenen anomalen Dämmerungserscheinungen sich abspielten, auf 17 Kilometer berechnet**). Statt durch Reflexion, dachte Newton *), Um Missverständnisse hintanzuhalten,.erklären wir, dass wir zwar — im Anschluss an die von H. Wagner vor dem zweiten deutschen Geographentage verfochtenen Thesen — bei allen thatsächlichen Angaben uns keines anderen als des metrischen Maasses bedienen, dass wir dagegen, sobald es sich um historische Notizen, resp. um die subjektiven Anschauungen älterer Forscher handelt, stets an den dem Originale entnommenen Maasseinheiten festhalten zu sollen glauben. #*) Auch E. E. Schmid vindieirt [117] dem Alhazen’schen Verfahren einen relativen Werth. „Jedenfalls.“ sagt er, „deutet die nahezu konstante Dauer der I. $. 6. Die Höhe der Atmosphäre. 87 durch Retfraktion der Lichtstrahlen zu einer Lösung unserer Aufgabe zu gelangen, als er in seine Ausgabe von Varen’s „Geographiä ge- neralis‘ (vgl. I. Band, S. 15) die Problemstellung aufnahm: ‚Obser- vatis duabus refractionibus ad duas altitudines, invenire inde et aeris altitudinem et crassitiem aeris respectu aetheris.“ b) Die mechanische Methode Während das optische Verfahren uns lediglich eine noch dazu sehr tief gegriffene untere Grenze der Atmosphäre lieferte, giebt uns das mechanische Verfahren Anhalts- punkte über die äusserste Grenze, welche jene in keinem Falle über- schreiten kann. Man bestimmt hier ganz einfach für einen Aequator- punkt jene Entfernung vom Erdmittelpunkt, für welche Gravitation und Fliehkraft sich die Wage halten. In der Hauptgleichung des vorigen Paragraphen ist © — 0 zu setzen, dann wird die gesuchte Entfernung / kM —/] ne N Die Idee, in dieser Weise vorzugehen, rührt her von dem Schweden Melanderhjelm |118], der für r den Werth von 3334 schwedischen Meilen = 4833 geographischen Meilen fand. Nicht eben sehr weit hievon verschieden war das Resultat Laplace’s [119]: r = 5682 geo- graphischen Meilen. c) Die aörostatische Methode. G. G. Schmidt gründete [120] seine Berechnung auf die Annahme, dass die Grenze der Luft da zu suchen sei, wo die spezifische Elastieität derselben mit der Schwere im Gleichgewichte stehe. Seine Formel ergab ihm, dass unter dem Aequator die Höhe der Atmosphäre 27,5, unter den Polen aber 27,1 Meilen betrage. d) Die thermodynamische Methode. Die Hülfsmittel der mechani- schen Wärmetheorie sind zuerst von A. Ritter (vgl. I. Band, S. 320 ff.) unserem Probleme dienstbar gemacht worden. Derselbe zeigt, dass, einen indifferenten Gleichgewichtszustand unserer Atmosphäre voraus- gesetzt, deren vertikale Erhebung vermittelst des folgenden Satzes sefunden werden kann [121]: „Die Wärmequantität, welche einer bis auf den Nullpunkt der absoluten Temperatur abgekühlten Luftmasse mitgetheilt werden müsste, um dieselbe bei konstantem atmosphärischem Gegendrucke in denjenigen Zustand der Atmosphäre überzuführen, in welchem deren unterste Schicht sich befindet, bildet das Wärmeägui- valent für diejenige mechanische Arbeit, welche erforderlich sein würde, um ebendieselbe Luftmasse bis zur Grenze der Atmosphäre empor- zuheben.“ Ritter hält es nicht für unwahrscheinlich, dass, wenn man die in die Rechnung eingehenden Konstanten schärfer, als es bisher möglich war, zu bestimmen vermöchte, man für das unsere Atmosphäre darstellende Gemisch von Wasserdampf, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure eine Höhe erhalten würde, welche von der für eine reine Wasserdampfatmosphäre bereits ermittelten — 349000 m — nicht weit abweiche [122]. Für diese Zahl aber spricht ein sofort anzu- gebender und sehr gewichtiger Grund. Abenddämmerung darauf hin, dass in einer Höhe von etwa 10 Meilen eine un- gewöhnlich rasche Abnahme in der Dichte der Luft stattfindet.“ S8 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. e) Die astronomische Methode. Bei seinen Studien über die Stern- schnuppenschwärme hat Schiaparelli gefunden [123], dass die Höhe der Atmosphäre weit mehr denn 200000 m betragen muss, wenn die Entzündungs- und Verbrennungserscheinungen, welche wir an den Meteoriten wahrnehmen, ihre Erklärung finden sollen (vgl. I. Band, DAHER). | Ä Wir werden sonach dem augenblicklichen Stande unserer Kennt- nisse wohl. dann am besten Rechnung tragen, wenn wir die Höhe unserer Atmosphäre auf etwa 30 Myriameter ansetzen. Diess stimmt auch vorzüglich zu Flögel’s Messungen der Nordlicht-Höhen, deren wir in Kap. IV, $. 2 der vorigen Abtheilung Erwähnung zu thun hatten. - Liais will sogar bis zu 40 Myriametern gehen [124]. S. 7. Anderweite physikalische Eigenschaften der Atmosphäre. Man kann hierunter akustische, optische und elektrische verstehen. Was die beiden letzteren betrifft, so werden dieselben in besonderen Kapiteln abgehandelt werden, dagegen ist hier der Ort, gewissen in die Geophysik einschlagenden Eigenthümlichkeiten akustischer Natur ihr Recht angedeihen zu lassen. Die Akustik als solche ge- hört allerdings als selbstständiger Bestandtheil der allgemeinen Physik an, indess giebt es auch Fragen, die in einem möglichste Vollständig- keit anstrebenden Lehrbuche der physikalischen Erdkunde wenigstens gestreift zu werden verdienen. Wir meinen in erster Linie die Lehre vom Echo, die allerdings trotz der Bemühungen eines L. Euler u. a. noch nicht als eine abge- schlossene gelten kann. In übersichtlicher Weise behandelt Muncke [125] die Theorie dieser merkwürdigen Erscheinung, welche namentlich nach zwei Punkten hin noch manches Mysteriöse in sich birgt, nämlich hin- sichtlich der vielfachen Echo’s*) und hinsichtlich des gewöhnlichen Waldecho’. Für jene scheinen die scharfen Beobachtungen Hirn’s [127] einige Aufklärung zu bringen. Indem derselbe nämlich das eigenthümliche Getöse akustisch analysirte, welches der aus einer seitlichen Oeffnung der Wand seines Fabrikgebäudes entweichende überschüssige Kesseldampf verursacht, fand er, dass dieses Geräusch alle Töne vom höchsten bis zum niedrigsten in sich enthielt, und dass blos nach lokalen Dispositionen der eine oder andere Ton stärker hervortrat. Das Gerolle des Donners erklärt Reis [128] dadurch, dass der Schall des von dem elektrischen Schlage ausgehenden Geräusches stets. in die eine Wolke ein- und an der entgegengesetzten Grenzfläche wieder austritt. Die an jener Wand stattfindende Reflexion des Schalles bedinge das Gepolter, die Verschiedenheit der reflektirenden Flächen den intermittirenden Charakter der Schallerscheinung. Von den bekannten Reflexionen der Luftbewegungen ab- [2 *) Bei Adersbach in Böhmen ist ein merkwürdiges Echo. Einzelne Felsen, in einem Umkreise von fast 32 Kilometern zerstreut, bilden das Gerippe eines serges. „Da wo sich diese Felsengruppe schliesst, ist das Echo, welches 7 Sylben dreimal wiederholt, ohne sie im mindesten zu verwirren. Das phonische Centrum ist in einer kurzen Entfernung von der höchsten Spitze; dort stehend, hört man auch leise gesprochene Worte, entfernt man sich aber nur einige Schritte, so giebt selbst ein Schuss kein Echo [126].* \ 1. S. 7. Anderweite physikalische Eigenschaften der Atmosphäre. 89 gesehen, scheint auch der Brechung des Windes eine grössere Beachtung geschenkt werden zu müssen, als es bisher geschah. Nach- dem Parry und Foster die menschliche Stimme auf eine Entfernung von 2 km in den Polargegenden wahrgenommen, nachdem diese That- sache in eklatanter Weise ihre Bestätigung durch Bessels gefunden hat [129], und nachdem die von Bravais und Martins auf dem Faulhorn angestellten Versuche keinen Zweifel darüber gelassen haben, dass in dünnerer Luft die Töne sich weiter verbreiten, als in dichterer, musste man an eine Erklärung so auffälliger Vorkommnisse denken, und diese findet eben Reis [130], im Einklang mit Stokes und Reynolds, in der Windbrechung. Nur anregen möchten wir die Frage, ob es nicht mit einem von H.Reuleaux ausführlich beschriebenen Faktum [131] eine ähnliche Bewandtniss haben könne. Derselbe fand in einem abgelegenen Thale des Hunsrück-Gebirges, dass man bei einer gewissen Stellung stehende oder doch nur langsam fortschreitende Tonwellen bemerken und verfolgen könne, die ähnlich, wie Glocken- klang, in der Luft fortschreiten, plötzlich aber Halt zu machen scheinen. Da mehrere Naturforscher von Ruf eine genügende Deutung dieses „Hochwaldräthsels“ für zur Zeit nicht möglich erklärt haben sollen, so fühlen auch wir hier keinen Beruf in uns, der Sache näher zu treten. Zum Schlusse möge noch die von Tyndall gemachte Entdeckung hier ihren Platz finden, wonach die Durchlässigkeit der Luft für Licht und Schall von ganz entgegengesetzten Faktoren bestimmt wird. Gerade wenn die Luft sehr stark mit Wasserdampf erfüllt und in Folge dessen recht durchsichtig ist, bildet sie eine akustische Wolke, die den Schallwellen gegenüber ebenso impermeabel ist, wie eine ge- wöhnliche Wolke gegenüber den Lichtwellen. Schon als am 21. und 22. Juni 1822 Prony, Mathieu und Arago in Villejuif (auf der südöstlich von Paris ausgehenden Hochebene), A. v. Humboldt, Gay- Lussae und Bouvard in Montlhery ihre bekannten Versuche über die Fortpflanzung des Schalles anstellten und diese zu 1033 m in der Sekunde bestimmten, hatte man Aehnliches bemerkt, aber erst Tyn- dall entwickelte |132] eine eigentliche Theorie des Sachverhaltes, ge- stützt auf Versuche mit Nebelhornsignalen, welche er 1873 zu South- Foreland bei Dover organisirt hatte. In Kürze kann man sagen: Akustische Trübung ist optische Klarheit, und optische Trübung ist akustische Klarheit. [1] Ideler, Meteorologia veterum Graecorum et Romanorum, Berolini 1832. — [2] Siber, Fragmente zur Geschichte der Meteorologie, (Kastner’s) Arch. f. Chem. u. Meiteor., 2. Band, S. 373 ff.; 4. Band, S. 287 fi.; 5. Band, $. 284 ff.; 6. Band, S. 872 fi.; 7. Band, S. 198 ff. — [3] Günther, Studien zur Geschichte der mathe- matischen und physikalischen Geographie, Halle 1879. 5. Heft. — [4] Brocard, Essai sur la me&t&£orologie de Kepler, I. Grenoble 1879, II. ibid. 1880. — [5] Supan., Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884. S. 12. — [6] Cotte, Traite de meteorologie, Paris 1774; Memoires sur la meteorologie, ibid. 1788. — [7] Meurer. Commentarii meteorologici,. Lipsiae 1592. — [8] Kastner, Handbuch der Meteoro- logie, Erlangen 1830. — [9] Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie, Halle 1831—36: Vorlesungen über Meteorologie, ibid. 1840. — [10] Murphy, Meteorology, con- siderated in its connexion with the astronomy, climate and the geographical distri- bution of animals and plants, London 1843. — [11] Jahn, Handbuch der Witte- rungskunde, Leipzig 1855. — [12] E. E. Schmid, Lehrbuch der Meteorologie. Leipzig 1860; Grundriss der Meteorologie, ibid. 1862. — [13] Cornelius, Meteoro- 90 . Citate. logie. Halle 1863. — [14] Mohn, Grundzüge der Meteorologie, Berlin 1874; 3. Auf- lage, ibid. 1883*). — [15] Helmes, Das Wetter und die Wetterprophezeiung, Hannover 1858. — [16] Bachmann, Grundriss der Meteorologie, Nördlingen 1876. — [17] Viscovich, Manuale nautico di meteorologia, Trieste 1876. — [18] Houzeau- Lancaster, Traite el&mentaire de meteorologie, Mons 1883. — [19] Klein, Allge- meine Witterungskunde, Prag und Leipzig 1883. — [20] Die moderne Meteorologie (Vorträge von Mann, Laughton, Strachan, Ley, Symmons, Scott). Braunschweig 1882. — [21] Scott, Elementare Meteorologie, deutsch von v. Freeden, Leipzig 1884. — [22] Murhard,. Geschichte der Barometrie und Hygrometrie, Göttingen 1799. — [23] Kopp, Einiges über Witterungsangaben, Braunschweig 1879. — {24] Schwartz, Wolken und Wind, Blitz und Donner. Berlin 1870. — [25] Hell- mann, Repertorium der deutschen Meteorologie, Leipzig 1883. — [26] Ibid. Sp. 869 ff. — [27] Ibid. Sp. 895 ff. — [28] Hann, Handbuch der Klimatologie, Stuttgart 1883. S. 47. — [29] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 1. Band, Leipzig 1825. S. 454. — [30] Ucke, Die quantitativen Verhältnisse des Sauerstoffes der Luft in den verschiedenen Klimaten, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteor.., 10. Band. S. 33 ff. — [31] Gehler’s Phys. Wörterb.. 2. Aufl., 3. Band, Leipzig 1827. S. 1163 ff. — [32] Bonnet, Recherches sur l’usage des feuilles dans les plantes, Gottingue et Leyde 1754. — [33] Senebier, M&moires physico-chimiques sur l'in- iluence de la lumiere solaire pour modifier les &tres des trois regnes de la nature, Geneve 1882. — [34] Die Elektrieität und der Kohlensäuregehalt der Luft am Kap Hoorn, Naturforscher, 17. Jahrgang. $. 150 ff. — [35] Heine, Ueber die Ab- sorption der Wärme durch Gase und eine darauf basirende Methode zur Bestim- mung des Kohlensäuregehaltes der atmosphärischen Luft, 21. Ber. d. oberhess. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde, S. 17 ff. — [36] Ibid. $. 57 ff. — [37] Hann, Handbuch ete., $. 49. — [38] v. Fodor, Der Kohlensäuregehalt der Bodengase zu Klausenburg, Zeitschr. f. öffentl. Gesundheitspflege, 7. Band. $. 205 ff. — [39] Möller, Ueber die freie Kohlensäure im Boden, Mittheil. a. d. forstl. Versuchswesen Oester- reichs, 1878. S. 121 ff. — [40] Schönbein, Ueber den bei Elektrolysation des Was- sers und bei’m Ausströmen der gemeinen Elektrieität aus Spitzen bemerkbaren Geruch, München 1840. — [41] Krebs, Drei Ozon-Apparate, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 21. Band. $. 139 ff. — [42] Hautefeuille-Chappuis, Recherches sur l’ozone, Ann. scient. de l’ecole norm. superieure, (3) tome I. S. 79 ff. — [43] An- drews, Discours sur l’ozone prononce & la requete du conseil devant la societe royale d’Edinburgh, Mondes, (2) Vol. XXXVII. 8. 572 ff. S. 614 ff. S. 649 ff. — [44] Prestel, Die jährliche periodische Aenderung des atmosphärischen Ozons und die ozonoskopische Windrose als Ergebniss der Beobachtungen zu Emden von 1857 bis 1864, Dresden 1865. — [45] Lender, Ueber die Bedeutung des Sauer- stoffes, Tageblatt d. 49. Versamml. d. Naturf. u. Aerzte, Graz 1875. S. 253 ff. — [46] Ibid. S. 257. — [47] R. Wolf, Ueber den Ozongehalt der Luft und seinen Zusammenhang mit der Mortalität, Mittheil. d. naturf. Gesellsch. zu Bern, 1855. S. 71. — [48] Gehler’s phys. Wörterbuch, 2. Aufl., 1. Band. $. 461 ff. — [49] Ass- mann, Die Bedeutung des Staubes in der Atmosphäre, Magdeburg 1882. — [50] Gehler’s phys. Wörterbuch, 2. Aufl., 7. Band. 2. Abtheilung, Leipzig 1834. S. 1220 ff. — [51] Ibid. S. 1230. — [52] Ibid. S. 1232. — [53] Finke, Natur- historische Bemerkungen, betreffend eine auf vieljährige meteorologische Beob- achtungen sich stützende Beschreibung des Moordampfes in Westphalen und seine nachtheiligen Einflüsse auf die dortige Witterung, Hannover 1820; Der Moorrauch in Westphalen, ein Beitrag zur Meteorologie, Lingen 1825. — [54] v. Lär, Der Moorrauch und seine Beseitigung, Münster 1871. — [55] F. Roth, Untersuchung über die kleinsten Theile des Wassernebels, Gross-Umstadt 1875. 8. 15. — [56] Mohn, Grundzüge ete. $. 58. — [57] Ibid. $. 86 ff. — [58] Ibid. S. 172 ff. — [59] Jamir, (Ju’est-ce que la rosce, L’Astronomie (de Flammarion), 1882. S. 96 ff. — [60] Wells, An essay on dew, with several appearances connected with it, London 1815. — [61] Horner, Wells’ Versuch über den Thau, Zürich 1821. — [62] R. Wolf. Bio- graphieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 2. Cyklus, Zürich 1859. $. 402. — 165] Jamin, Qu’est-ce ete. $. 103. — [64] Scheuchzer,. Beschreibung der Natur- geschichten des Schweizerlandes, 3. Band. Zürich 1712. S. 20. — [65] Kämtz, Lehrb. d. Meteor., 1. Band. S. 363. — [66] Mohn, Grundzüge etc. $. 200. — 167] Gehler’s phys. Wörterb., 2. Aufl., 7. Band, 1. Abtheilung, Leipzig 1832. $. 12 ff. — [68] Mohn, Grundzüge etc. $. 175 ff. — [69] Ibid. S. 182. — [70] Riceioli, Al- magestum novum astronomiam veterem novamque complectens, tomus I., Bo- *) Künftighin ausschliesslich eitirt. Citate, 91 noniae 1651. S. 82. — [71] Jacobi Bernoulli Opera, ed. Cramer, tomus I., Genevae 1744. S. 336 ff. — [72] Grunert, Ueber Jakob Bernoulli’s Methode, die Höhe der Wolken zu bestimmen, Arch. d. Math. u. Phys., 2. Theil. S. 377 ff. — |73] Prestel, Einfaches Verfahren, die Höhe der Haufenwolken zu bestimmen, Wochenschr. £. Astr., Meteor. u. Geogr., (2) 6. Jahrgang. S. 111 ff. — [74] Pouillet, M&moire sur la hauteur, la vitesse et la direction des nuages, Compt. rend. de l’acad. franc.. tome XI. S. 717 fi. — [75] Feussner, Ueber zwei Methoden zur Höhenmessung der Wolken, Marburg 1871. — [76] Zenker, Die photographische Beobachtung der Wolken, Meteorologische Zeitschrift, 1. Jahrgang. $. 4 fi. — [77] Die mod. Meteor. S. 123. — [78] Howard, An essay on the modification of clouds, and the prin- . eiples of their production, suspension and destruction, London 1802. — [79] Poey, Comment on observe les nuages pour pr&voir les temps, Paris 1879. — [80] Weih- rauch, Sur les formes des nuages, Copenhague et Paris 1881. — [81] Ley, Note on a proposed scheme of the upper clouds, London 1882. — [82] Zylius, Bemer- kungen über G. L. Lichtenberg’s Vertheidigung des Hygrometers und der Deluc- schen Theorie vom Regen, Gilbert’s Ann. d. Phys., 5. Band. S. 257 ff. — [83] Kepler, Strena seu de nive sexangula, Francofurti 1611. — [84] Mairan, Discours sur la glace, Bordeaux 1749. — [85] Gehler’s phys. Wörterb.., 2. Aufl., 3. Band. 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I., A la Haye 1740. — [97] Gay-Lussac, Recherches sur la dilatation des gaz et des vapeurs, Ann. de chim. et de phys., Vol. XLIH. — [98] Biehringer, Ueber eine Erweiterung der Mariotte-Gay-Lussac’schen Gesetze, Zeitschr. f. Math. u. Phys., 27. Band. S. 377 ff. — [99] M. Kuhn, Ueber die Be- ziehung zwischen Druck, Volumen und Temperatur bei Gasen, Wien 1875. — 1100] Schlemüller, Der Zusammenhang zwischen Höhenunterschied, Temperatur und Druck in einer ruhenden, nicht bestrahlten Atmosphäre, Prag 1880. $. 19. — [101] v. Bauernfeind, Die physikalische Konstitution der Atmosphäre nach der Theorie des k. k. Hauptmanns Herrn W. Schlemüller, München 1880. S. 4 fi. — [102] Dalton, On the constitution of mixed elastic fluids and the atmosphere, (Nicholson’s) Journal of natural philosophy. Vol. V. S. 241 fi. — [103] Gehler’s phys. Wörterb., 2. Aufl., 1. Band. $. 491 ff. — [104] E. G. Fischer, Darstellung und Kritik der Verdunstungslehre nach den neuesten, besonders den Dalton’schen Versuchen, Berlin 1810. — [105} Lamont, Resultate aus den an der kgl. Stern- warte veranstalteten meteorologischen Untersuchungen, München 1857. 8. 23 fl. — [106] Laplace, Exposition du systeme du monde, Paris 1796. S. 218 ff. — [107] F. Neumann, Einleitung in die theoretische Physik, herausgeg. von Pape, Leip- zig 1883. S. 170. — [108] Ibid. S. 136. — [109] Meibauer, Die physische Be- schaffenheit des Sonnensystemes, Berlin 1872. S. 58 ff. — [110] Heller, Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit, 1. Band, Stuttgart 1882. S. 170. — [111] Curtze, Sur l’orthographie du nom et sur la patrie de Witelo (Vitellion), Bullett. di bibliogr. e di storia delle sc. mat. e fis., tomo IV. S.49 ff. — [112] Vitellionis mathematiei doctissimi resp! örtrng, id est de natura, ratione et projectione radiorum visus, Juminum atque formarum, quam vulgo perspectivam vocant, libri X, ed. Tanstetter- Apianus, Norimbergae 1535. fol. 282, 1. — [113] Kep- ler, Epitome astronomiae Copernicanae, Lincii 1618. $S. 74. — [114] Cotte, Traite de meteor., S. 4 ff. — [115] Jesse, Die Höhe der Dunstschicht, durch welche die merkwürdigen Dämmerungserscheinungen der letzten Monate hervorgerufen worden sind. Meteorologische Zeitschrift, 1. Jahrgang. S. 127 ff. — [116] Ibid. S. 138. — [117] E. E. Schmid, Lehrb. d. Meteor., S. 47 ff. — [118] Melanderhjelm, De atmo- sphaera terram ambiente pars I, Upsaliae 1763. — [119] Oeuvres completes de Laplace, ed. Serret, tome VI., Paris 1846. S. 309. — [120] G. G. Schmidt, Ueber die Ursache der Begrenzung unseres Luftkreises und die Bestimmung der Höhe desselben, Gilbert’s Ann d. Phys., 62. Band. S. 310 ff. — [121] A. Ritter, Unter- 92 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. | suchungen über die Höhe der Atmosphäre und über die Konstitution gest Weltkörper, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 5. Band. $. 407. — [122] Ibid. S. 417. [123] Schiaparelli; Entwurf einer "astronomischen Theorie der Sterns deutsch von G. v. Boguslawski, Stettin 1871. — [124] Die mod. Meteor. etec., S. 11. — [125] Gehler’s Phys. Wörterb.., 2. Aufl., 3. Band. $. 78 ff. — [126] Ibid. S. 196. — [127] Hirn, Les echos multiples, Mondes, (2) vol. XXXVI. S. 266 fi. — [128] Reis, Das Donnergerolle und das Echo, Humboldt, 2. Jahrgang. $. 215 ff. — [129] Bessels, Die amerikanische Nordpolexpedition, Leipzig 1879. S. 257. — [130] Reis, Ungewöhnlich weite Hörbarkeit von Tönen, erklärt durch Wind- brechung, Humboldt, 2. Jahrgang. S. 53 ff. — [131] Reuleaux, Das singende Thal von Thronecken, ein Hochwaldräthsel, Koblenz 1880. — [132] Tyndall. On acoustie reversibility. Proceed. of the royal society, Vol. XXI. S. 159 ff.; On the trans- mission of sound by the atmosphere, ibid. Vol. XXI. $. 38 ft. Kapitel II. Die Beobachtungs- und Berechnungsmethoden der Meteorologie. $. 1. Die Instrumente. Kaum irgend eine andere auf Beob- achtung und Experiment angewiesene Disciplin ist so abhängig von der Einrichtung und exakten Ausführung ihrer Instrumente, wie gerade die Meteorologie. An dieser Stelle kann auf eine der wichtigsten Fragen, nämlich auf die an den Beobachtungswerkzeugen anzubringenden Korrektionen, begreiflicherweise nicht näher eingegangen werden; es muss uns vielmehr genügen, nur eine allgemeine Uebersicht über die wichtigsten dieser Instrumente zu liefern. Alle diejenigen, welche zur Erforschung optischer und elektrischer Verhältnisse dienen, bleiben vorläufig von der Betrachtung ausgeschlossen, im übrigen bedienen wir uns der alphabetischen Anordnung. a) Anemometer. Solange es sich blos darum handelte, die Rich- tung kennen zu lernen, aus welcher der Wind wehte, konnte die ge- wöhnliche Windfahne genügen; eine vielleicht schon den Alten bekannte, jedenfalls aber im XVII. und XVII. Jahrhundert mehrfach angebrachte Verbesserung derselben bestand darin, dass man die Axe der auf dem Dache angebrachten Fahne in das Innere des Hauses hinabreichen liess und an ihrem Ende einen Zeiger anbrachte, welcher über einem getheilten Kreise spielte, so dass man die Windrichtung wusste, ohne das Zimmer verlassen zu müssen*). Von Guericke’s „Anemoskop‘“ wird später die Rede sein. Mit dem Beginne des vorigen Jahrhunderts fallen die ersten Versuche zusammen, Windstärke- messer zu konstruiren. Nach Muncke, der die Geschichte der Anemo- metrie zum Gegenstande eines sehr gründlichen Spezialstudiums gemacht hat, war ein Anonymus in England der Erste, der einen brauchbaren Vorschlag machte [2]; er wollte eine Tafel frei herabhängen lassen, *) Eine solche Vorrichtung war es aller Wahrscheinlichkeit nach, welche — nach Macaulay’s Bericht [1] — den ÜOzaren Peter bei seinem Besuche in Kensington-House mit Verwunderung erfüllte. II, $. 1. Die Instrumente. 03 und aus dem Ausschlagswinkel, der sich ergeben musste, wenn jene durch den Wind in Bewegung gesetzt ward, die Stärke der bewegen- den Kraft ermitteln. Die Idee ist an sich unangreifbar, und Picke- ring, Herrmann und v. Dalberg haben dieselbe für die Praxis nutzbar zu machen gesucht, allein die Theorie des Windstosses ist trotz der Mühe, welche sich u. a. Crelle [3] und Zernikow [4] um jene gegeben haben, selbst heute noch zu wenig geklärt, als dass zuverlässige Zahlen aus dieser anemometrischen Methode herzuleiten wären”). Bouguer, dem wieder viele Nachahmer folgten, setzte in ein hohles Kästchen eine dessen Hohlraum genau verschliessende Platte ein, welche durch eine Spiralfeder in einer bestimmten Lage festge- halten wurde; der Wind trieb diese Platte, je nach seiner Intensität, tiefer oder minder tief in den Kasten hinein [6], und Beaufoy, der wissenschaftliche Begründer der neueren Lehre vom Widerstande der Flüssigkeiten, baute auf Bouguer’s Prineip weiter fort |7]. Der scheinbar natürlichste Gedanke, dem Stosse des Windes einen um eine Axe drehbaren Körper entgegenzustellen und aus dessen Rotations- geschwindigkeit auf die Energie jenes Stosses zu schliessen, ist an- scheinend zuerst in Christian v. Wolf erwacht [8]. Robinson’s Halbkugel-Anemometer führt diesen Gedanken mit Geschick durch [9]; je zwei Halbkugeln sitzen an den Enden zweier auf einander senkrecht stehender gleichlanger Stäbe so, dass sie ihre Hohlwölbung nach der Richtung hin kehren, nach welcher das an einer vertikalen Axe angebrachte Kreuz sich dreht. Durch Versuche ist ermittelt, dass die Geschwindigkeit des Windes etwa 3 mal so gross ist, als die Geschwindigkeit, mit welcher das Schalenkreuz sich umdreht**). Diese letztere wird durch eine Verbindung gezahnter Räder gemessen und aufgezeigt, ganz ebenso, wie die schon von Vitruv beschriebenen Hodometer oder Schrittzähler gleichförmige Bewegungen zu registriren gestatten. Wiederum als eine Verbesserung dieses Apparates ist Recknagel’s Anemometer zu betrachten, mit welchem zur Zeit auf der Seewarte zu Hamburg Versuche in grossartigem Maassstabe angestellt werden |11|. Um die Bewegung des Schalenkreuzes mög- lichst zu erleichtern, hat Monro für die auf Hochgipfeln anzubringen- den Windmesser zwischen die feststehenden Auflager der hohlen Anemometeraxe und der beweglichen Partieen ein System von Metall- kugeln eingeschaltet, welche durch einen Führungsring in bestimmten Distanzen gehalten werden, und auf denen unmittelbar das Axenkreuz mit seinen Schalen ruht [12]. — Ob das von Mohn (a. a. O.) er- wähnte Hagemann’sche Luftverdünnungs-Anemometer**”) eine Zukunft haben wird, erscheint uns fraglich. 7) *) Immerhin muss konstatirt werden, dass Wild’s Windstärketafel [5] auf gleichem Prineipe beruht. Die Skale des Gradbogens ist aber bei Wild be- reits empirisch getheilt, so dass man unmittelbar das Verlangte abliest. ”*) Sprung ermittelte am Recknagel’schen Instrumente [10], dass, wenn » die Geschwindigkeit des Windes, w’ diejenige der Schalencentra ist, o= 1+ 2.4 w' zu setzen ist. DAR! cu *) Näheres über den Verfertiger jenes Apparates konnten wir nicht in Er- fahrung bringen; ein gewisser Hagemann veröffentlichte 1724 eine Schrift aerostatischen Inhaltes [13]. 7) Da der Druck des Windes instrumental nur schwer und ungenau zu bestimmen ist, so schätzt man die Stärke desselben zur See nach der soge- 5 ax 94 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. b) Atmometer. Diese Instrumente, auch Atmidometer, Eva- porameter oder Verdunstungsmesser genannt, sollen zur Messung des Wasserquantums dienen, welches durch Verdunstung der Atmo- sphäre einverleibt wird. Die älteren Apparate eines Leutmann, Musschenbroek u. a. bestanden der Hauptsache nach aus einem an einem Wagebalken aufgehängten Wassergefässe, welches ursprünglich äquilibrirt war, in dem Maasse aber stieg, als ihm durch die Ver- dunstung Wasser entzogen ward [15]. Bellani’s Heberapparat sollte feststellen, wie sich die Verdunstungsverhältnisse des feuchten Erd- bodens gestalten [16]. Als die für die frostfreie Zeit brauchbarsten Verdunstungsmesser empfiehlt Hann [17] diejenigen von Wild und Piche, doch räumt er ein, dass es schwer halte, vergleichbare Messungen dieses meteorologischen Elementes anzustellen, und in der That sah sich die internationale Konferenz der Meteorologen von 1879 veranlasst, einen durch Cantoni und Ebermayer zu erstattenden Bericht über diese Frage auf eine ihrer späteren Tagesordnungen zu setzen [18]. c) Barometer. Dieses Instrument (Bapos, die Schwere, werpeiv, messen) soll dazu dienen, den Druck der Luft auf ihre Unterlage zu messen. Wenn man von dem unvollkommenen ersten Versuche Otto v., Guericke’s absieht*), so hat es bis in die neueste Zeit herein nur Flüssigkeitsbarometer und Aneroidbarometer (avnpöc, hohl) gegeben**). — Was die ersteren anbetrifft, so waren dieselben durch den Versuch Torricelli’s, von welchem wir in $. 4 des vorigen Kapitels handelten, zugleich mit erfunden. Torricelli sagte sich nämlich ganz richtig: Wenn wirklich der Druck der Luft es ist, welcher das Wasser im Saugrohre nöthigt, bis zu einer gewissen Höhe anzusteigen, so wird unter sonst gleichen Umständen bei einer anderen Flüssigkeit ganz das Gleiche sich ereignen, und zwar werden die Steig- höhen h und h‘ für zwei flüssige Stoffe, denen resp. die spezifischen Gewichte q und q’‘ zukommen, durch die Proportion h: h“ —= q’: q zusammenhängen. Die spezifisch schwerste Flüssigkeit, welche Torri- nannten Beaufort-Skale,. welche 12 Grade enthält. während man auf dem Lande gewöhnlich mit 8 Graden auslangt. Diese 8 Grade sind: Ruhe, stiller, schwacher, mässiger. frischer, starker Wind, Sturm, Orkan. Frischer Wind wird z. B. jener genannt, welcher die Zweige der Bäume bewegt. Köppen ist neuerdings daran gegangen [14], die Beziehungen auf theoretischem Wege zu eruiren, welche zwi- schen der hier geschilderten empirischen Skale und der wirklichen Fortpflanzungs- geschwindigkeit des Windes obwalten. *) Obwohl der deutsche Physiker schon mit dem Wesen des Barometers bekannt war, so glaubte er doch ein brauchbares Baroskop (Anemoskop) da- durch herstellen zu können, dass er einen luftleer gemachten Ballon aus Kupfer an einer Wage genau äquilibrirte, und aus den Ösecillationen des den Ballon tragen- den Balkens glaubte er auf Veränderungen des Wetters schliessen zu können: „Si pluat“, meint er [19], „multum aquae ae@re decidit, et ideo is levior redditur; quod si fiat, globus evacuatus ingravesecit et labitur.“ **) Nur Stevenson denkt [20] an eine Ausnahme. Bekanntlich ist, wenn Licht aus Luft in ein Glasprisma eintritt, die Grösse der Lichtbrechung von den absoluten Brechungsexponenten von Luft und Glas abhängig; letzteres bleibt sich immer gleich, jede Aenderung in der Dichte der Luft bewirkt aber eine ver- änderte Lichtbrechung, und aus der Grösse der Veränderung soll man einen Rück- schluss auf die Veränderung im Drucke der Luft machen können, Boys hält es sogar für möglich [21], jähe Luftdruckschwankungen auf akustischem Wege zu erkennen. II, $. 1. Die Instrumente. 95 eelli kannte, war Quecksilber ; er füllte demnach eine Glasröhre sorg- fältig mit Quecksilber, verschloss deren obere Oeffnung mit dem Finger, kehrte nunmehr die Röhre um und versetzte sie so in einen gleichfalls mit Quecksilber gefüllten Trog. Jetzt nahm er den Finger fort und sah auch sogleich die Flüssigkeit in der Röhre fallen, und zwar gerade so weit, dass die Höhe, auf welcher es sich konstant erhielt, der obigen Proportion entsprach. Nach dem Gesetze der kommunicirenden Röhren, welches bekanntlich an gar keine Durchmesser gebunden ist — nur kapillare Röhren sind der ihnen eigenthümlichen Adhäsionsverhältnisse wegen ausgeschlossen — ist der Druck der Luft auf die freie Ober- fläche des Quecksilbers genau dem von der Quecksilbersäule des Rohres ausgeübten Drucke gleich, und letzterer ist sonach ein Maass für ersteren. Statt des Quecksilbers könnte man natürlich auch andere Flüssigkeiten wählen; in früherer Zeit, als man noch für das groteske Element in der Physik einigen Sinn hatte, verfertigte man wirkliche Wasserbarometer, die natürlich an Häuserwänden angebracht Fig. 24. r ) vr ? RE) rn um ern = ZN N \ Up 3 I SSDRDEANLDIKEIIHENBI DLBPTUBIEBNNUNBDPABIPO BALD ALBIN lm ÜNSRBDIRITTRLDERHARIDHTI EN! werden mussten. Nach Schott [22] hat Bertus solche Ungethiime von Instrumenten gebraucht, aber auch Kästner sah noch als Student die langen Messingröhren, welche von den Leipziger Professoren an einander geschraubt wurden, um den florentinischen Versuch in seiner Urgestalt zu demonstriren [23]. In England denkt man neuerdings daran, Glycerinbarometer anzufertigen, die manche Vortheile ge- währen sollen [24]. Im Wesentlichen ist man aber doch bei’m Queck- silber stehen geblieben; die Eintheilung der Röhre, die früher dem altfranzösischen Maasse angepasst war, erfolgt stets nach Millimetern. Da an der Meeresfläche das Quecksilber sich auf 760 mm einstellt, so bezeichnet man diese Zahl als den Normaldruck. Gar manche scheinbare Verbesserungen des einfachen Grundprinzipes, so Huygens’ Doppelbarometer [25], Hooke’s Radbarometer [26], Morland’s Schnellwagenbarometer [27], haben sich, so sinnreich sie auch erdacht waren, nicht zu behaupten vermocht, vielmehr sind die Baro- ers une) Be ie Ma Ze A ES N FRR ee * BIO Ir ai " N NIEREN De \ x - ee z er 2 EN 5 er? 96 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. meter gegenwärtig ausnahmslos entweder Gefässbarometer oder Heberbarometer. Fig. 24a versinnlicht die erstgenannte Kategorie, deren Unterart das in Fig. 24b dargestellte Phiolenbarömeter ist, während wir in Fig. 24c das Heberbarometer vor uns sehen. Alle diese Instrumente eignen sich mehr zur stabilen Aufstellung, als zur Verwendung auf Reisen; das bequemste Reisebarometer (Fig. 24 d) ist von Gay-Lussac angegeben: „Die beiden Schenkel sind hier durch ein angeschmolzenes, enges Gasrohr verbunden; der kürzere wird am Ende zugeschmolzen, und in einer Entfernung davon, welche un- gefähr dem dritten Theile seiner Länge gleich ist, mit einer sehr feinen Oeffnung versehen, welche der Luft den Eintritt, nicht aber dem Queck- silber den Austritt verstattet [28].“ Auch Wild hat durch Umformung des bekannten Fortin’schen Gefässbarometers ein leicht zusammen- legbares und deshalb für Reisezwecke geeignetes Instrument kon- struirt [29]. Seebarometer sind Gefässbarometer, deren Rohr nur am oberen Theile die Weite eines gewöhnlichen Barometers besitzt, während das übrige Rohr sehr verengert ist [30]. Selbstverständlich ist jedes Barometer nur so lange zuverlässig, als der oberhalb der Quecksilberkuppe sich bildende Hohlraum, die Torricelli’sche Leere, wirklich ganz luftleer ist*). Jede Ablesung muss auf den Nullpunkt der Temperatur reducirt werden. Sind b, und b die Barometerstände für die Temperaturen von 0° und t’, und ist ß der Ausdehnungs- koefficient des Quecksilbers, so ist b Bt Do 1-+ ßt R 1-+ pt p a da der Nenner jetzt ohne Fehler — 1 gesetzt werden kann. Damit nicht auch die Ausdehnung der Metallskale in Rechnung gezogen werden muss, ist es vortheilhaft, die Theilstriche gleich auf der Röhre selbst einzuätzen. — Von Aneroidbarometern sind zweierlei Arten zu unter- scheiden: Vidi’s Dosen-Aneroid und Bourdon’s Röhren-Ane- roid. Ersteres wird auch Holosterikbarometer, letzteres kurzweg Metallbarometer genannt. Beide Gattungen beruhen auf dem Fundamentalsatze der Elasticitätslehre, welchem zufolge elastische Platten *) Der Theorie nach ist sie es, nur Quecksilberdämpfe können sich in dem betreffenden Raume bilden, und, um diese möglichst zu vermeiden, muss die Rein- heit der verwendeten Flüssigkeit eine tadellose sein. Die in Luftpumpen her- zustellende (Guericke’sche) Leere kann niemals eine vollkommene sein, denn wenn die Kubikinhalte des Stiefels einer Luftpumpe mit a, des Recipienten (sammt den Kanälen) mit b und des sogenannten schädlichen Raumes mit ce bezeichnet werden, so ist nach n alternirenden Kolbenbewegungen die Dichte der noch vor- handenen Luft, deren Dichte anfänglich gleich der Einheit war, noch gleich b %r c b er (ir) Er 1 - (sa) | Dieser Werth würde also erst für ein unendlich grosses n und für ce = 0 zu Null werden. Ueber die Torricelli’sche Leere haben W. Förster [31] und Grun- mach [32] feinere Untersuchungen angestellt; die Methode und ihr nächstes Re- sultat kennzeichnet Letzterer (a. a. O.) mit diesen Worten: „Um Sicherheit zu haben, dass über der Quecksilbersäule sich ein vollkommenes Vakuum befinde, d. h, dass der dortselbst noch etwa ausgeübte Druck einzig und allein durch (Quecksilberdämpfe ausgeübt werde, wird oben an die Barometerröhre eine Geiss- ler sche Röhre angeschmolzen ... Der Betrag des von den Quecksilberdämpfen ausgeübten Druckes ist übrigens nach E. B. Hagen’s Versuchen ein geringerer, als nach den Regnault’schen Formeln angenommen werden sollte.* IL, $S. 1. Die Instrumente. 97 oder Röhren unter Einwirkung einer beliebigen Druckkraft sich derart biegen, dass innerhalb gewisser Grenzen die Biegung dem Drucke proportional bleibt. Das Holosterik besteht aus einer luftleer gemachten Metalldose, der Deckel derselben ist elastisch und wird durch den wachsenden Luftdruck mehr und mehr in das Innere hereingedrückt, während ein Hebelwerk diese Bewegung auf einen längs einer Skale spielenden Zeiger überträgt. Das Metallbarometer besteht aus einer luftleeren kreisförmigen Messingröhre AB (Fig. 25), deren Mitte © befestigt ist, während die freien Enden A und B bei wachsendem Drucke der Luft sich einander nähern, bei abneh- mendem sich von einander entfernen. Die Art der Uebertragung auf den Zeiger D ist aus der Figur ersichtlich. Aneroide werden neuerdings mit grosser Vollkommenheit hergestellt; wie viel dieselben leisten, ersieht man sehr gut aus der Monographie von Höltschl [33]. Die meistversprechende Verbesserung, welche diese Gattung von Instrumenten erfuhr, ward ihr durch die von Kohl- rausch eingeführten Varıiations- barometer zu Theil |34]. Der luft- leere Metallring eines Bourdon’schen Aneroides ist hier mit dem einen Ende an einem Halter fest ange- schraubt, während das andere an einen kleinen Spiegel stösst, welcher selbst wieder an einem Streifehen Pendelstahl aufgehängt ist. An diesen Spiegel ist ein Flügel angelöthet, welcher die Schwingungen dämpfen soll und deshalb in Glycerin eintaucht. Die Skale der (Pog- sendorff’schen) Spiegelablesung ist 3m vom Spiegel selbst entfernt, und da 25 Skalentheile auf 1 Millimeter des gewöhnlichen Quecksilber- barometers kommen, so ist die Genauigkeit der Ablesung eine sehr grosse. Die Empfindlichkeit des Werkzeuges war genügend, um die kleinen Druckschwankungen zu kontroliren, die einem Gewittertage eigenthümlich sind. Auch Röntgen hat, wie Kohlrausch bemerkt [35], ein Barometer mit Spiegel in Aussicht gestellt; nicht minder sind für die Konstruktion der Aneroide von anderer Seite her neue und be- achtenswerthe Gesichtspunkte aufgestellt worden *). d) Hygrometer und Psychrometer. Eine kaum minder wichtige Klasse von meteorologischen Instrumenten sind diejenigen, welche dazu dienen, die Luft auf ihre absolute oder relative Feuchtigkeit zu prüfen. Lange Zeit hindurch waren die hiezu angewandten Apparate allerdings nicht Hygrometer im strengen Wortsinne, sondern blosse Hygro- skope; sie zeigten an, dass der Wasserdampf der Luft stärker oder *) Nach Schwirkus, der im Auftrage der Normal - Aichungs -Kommission die Unzulänglichkeit der Aneroide zu erforschen hatte [36], beruht dieselbe, wenig- stens für die Holosteriks, hauptsächlich in der ungemein geringen Eigenbewegung der Büchse und in der viel zu sehr ausgesprochenen Neigung zu elastischen Nach- wirkungen. Es wird deshalb auf das Prineip der Flächenentlastung hingewiesen; man bringt zwei Büchsen an, deren grössere der Luftdruck eindrückt, während er die kleinere blos in die Höhe zieht. Günther, Geophysik. II. Band. f: 98 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. minder stark entwickelt sei, als zu einer anderen Zeit, sie gestatteten aber nicht eine messende Verfolgung der Veränderungen. Das älteste Instrument, das wenigstens der Tendenz nach Messungen gestatten sollte, soll von der Accademia del cimento nach den Angaben des Gross- herzogs Ferdinand II. konstruirt worden sein. E. Gerland hat es auf der Londoner wissenschaftlichen Ausstellung gesehen und beschrieben [37]; ein Gefäss ward mit Eis und Schnee gefüllt, das Schmelzwasser fliesst in einen darunter an Drähten aufgehängten Glaskegel mit seitlichem Ausflussrohr, durch welches eine etwaige Ueberfülle von Wasser ab- geführt wird. Das an der Spitze des Glaskegels aus der Luft verdichtete Wasser fällt sofort in ein darunter stehendes graduirtes Rohr, und die Menge des in letzterem enthaltenen Wassers soll das Maass der F'euchtig- keit darbieten. So unvollkommen die Vorrichtung auch war, so ver- half sie den Akademikern gleichwohl schon zu der Feststellung der Thatsache, dass der Südwest der feuchteste aller Winde sei. Die Folgezeit gieng von dem wohldurchdachten Principe der Florentiner ab und beeiferte sich, hygroskopische Substanzen aufzufinden. So verwendeten Molyneux, Sturm, Da St. Martino thierische Gegenstände (Saiten, Goldschlägerhäutchen) [38], Delue erfand das Elfenbeinhygrometer [39], Saussure das Haarhygrometer[40]*), der ältere Lowitz das Schieferhygrometer, u. s. w. Für das Pflanzenreich (Seile, Holzfasern, Pflanzengrannen) entschieden sich Leupold, v. Wolf [42], Leslie und Maignan [43], und noch in jüngster Zeit ist uns durch Klinkerfues’ Bifilarhygrometer der Nachweis geliefert worden, wie viel mechanisches Talent auch mit unvollkommenen Mitteln obiger Art auszurichten vermag |44]. Für das Mineralreich endlich (Kochsalz, Schiefer, Schwefelsäure) erklärten sich Lampadius, Lowitz und DelaRive [45]. Saussure (s.o.) und Lambert [46] entwickelten mit Glück die wissenschaftlichen Grundsätze der Hygrometrie, und Regnault baute [47] auf dem von ihnen gelegten Grunde mit vielem Erfolge fort. Daniell gab einen Apparat an [48], welcher als Schwefelätherhygrometer bekannt ist und den Thaupunkt der Luft unmittelbar zu bestimmen gestattet. Weitaus den grössten Fortschritt verdankt die praktische Hygrometrie jedoch August [49]. Dessen Psychrometer besteht aus zwei Thhermometern**) von völlig gleicher Konstruktion, die auf einem und demselben Brette neben einander befestigt sind. Das eine derselben, das trockene Thermometer, dient nur zur Bestimmung der Luft- temperatur, das feuchte Thermometer dagegen besitzt einen Ueber- zug von dünnem und absorptionsfähigem Zeugstoffe, welcher während der Beobachtung nass ist, resp. mit einer dünnen Eisschicht sich be- deckt. Selbstverständlich können unter diesen Umständen die Thermo- meter nicht gleichhoch stehen, und die Differenz der Thermometerstände *) R. Wolf giebt an [41]. dass die erste Idee des (Mumien-) Haarhygro- meters von 1775, die endgültige Konstruktion von 1780 datirte, während die Be- schreibung der neuen Erfindung erst drei Jahre nach letzterem Termine an das Licht kam, **) Es liegt, wie wir uns gar nicht verhehlen, eine kleine Inkonsequenz darin, dass wir hier schon von Thermometern sprechen. Indess ist diess wohl an und für sich so sehr gestattet, dass wir um dess willen nicht von der alpha- betischen Anordnung abzugehen brauchten. z II. 8.1. Die Instrumente. 99 ist eben das für uns Wichtige. Sind nämlich bei bmm Barometerstand t, und t, die Angaben des trockenen und des benetzten Thermometers, e, und e, die diesen Temperaturen entsprechenden Spannkräfte des Wasserdampfes, so ist für gewöhnlich nach den von August ent- wickelten Formeln E —= & — 0,000804 b (t, — t,), dann aber, wenn die Wasserhülle der benetzten Kugel gefroren ist, E — & — 0,000748 b (t, —t:) ® die absolute Feuchtigkeit, während — die relative Feuchtigkeit vor- e stellt. August’s Psychrometer leistet somit Alles, was von einem Feuchtigkeitsmesser zu fordern ist. e) Ombrometer. Dieselben (auch Udometer oder Hyetometer genannt) dienen zur Messung der als Regen oder Schnee ausgeschie- denen Wassermengen; dass zwischen diesen beiden Niederschlagsformen kein Unterschied gemacht wird, ist wohl an sich klar. Bei keinem anderen Instrumente ist die Geschichtsforschung eine gleich geringe Verschiedenheit der Konstruktionsmodalitäten nachzuweisen im Stande, im Ganzen machte man es von jeher so, wie man es noch heute macht, und wie es nachstehend beschrieben wird |50|. Ein nach oben offenes Gefäss S (Fig. 26) wird unten durch einen Trichter T mit dünner Röhre abgeschlossen, durch welche man nach der bestimmten Zeit den Gesammt- inhalt des Regen- oder Schmelzwassers in das Messglas M ablassen kann. Fehler- quellen sind für die Ombrometer in leider ziemlich reichlicher Menge vorhanden. Dines verglich z. B. [51] die Regen- quanta, welche von zwei verschiedenen Regenmessern geliefert wurden, deren einer nahe dem Erdboden, der andere aber 15 m hoch, auf der Plattform eines Thurmes, seinen Aufstellungsplatz hatte. Das Verhältniss der beiden Mengen war 100 im Verlaufe eines Jahres = 7 Dines hält dafür, dass die Diffe- renz 27 durch den in höheren Regionen stärker wehenden Wind ver- anlasst sei, der Wirbelbewegungen um den Apparat‘ herum veranlasse und den Regen seitwärts abtreibe. Aehnliche Wahrnehmungen über die Unsicherheit der gewöhnlichen ombrometrischen Messungen hat die Expedition gemacht, welche nach dem Kingawa-Fjord entsandt war. f) Ozonometer. Die praktische Özonometrie hat sich trotz der Bemühungen eines Osann [52], Prestel, Lender u. a. nur wenig über den von dem Entdecker Schönbein (Kap. I, $. 2) bereits erreichten Standpunkt erhoben. Noch immer werden der Luft sogenannte Ozon- papiere ausgesetzt, welche, je nachdem die Ozonreaktion der Atmo- sphäre eine mehr oder minder starke ist, eine mehr oder minder starke blaue Färbung erfahren. Zur Vergleichung dient gewöhnlich noch die Schönbein’sche Skale. „Wir sind aber gegenwärtig noch nicht im Stande, den ‚Özongehalt‘ der Luft wirklich zu messen, und die bis- In on u vi b>} fenpenspuinfn | 100 _ Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. herigen Beobachtungsresultate mittelst der sogenannten Ozonometer gestatten kaum Vergleichungen und weitergehende Schlüsse [53]. g) Thermometer. Ueber die Erfindungsgeschichte dieses Instru- mentes werden noch vielfach die alten unrichtigen Behauptungen zu Markte gebracht, obwehl durch eine mit gewohnter Sorgfalt durch- geführte Quellenuntersuchung Wohlwill’s [54] der Thatbestand längst als geklärt gelten könnte*). Es ist belehrend zu sehen, wie die vage Angabe von einem Drebbel’schen Thermometer zuerst ganz beiläufig auftaucht, wie aber dann immer ein Schriftsteller den anderen kritik- los kopirt. Auch Fludd und Francis Bacon haben das Thermo- meter, welches zwischen 1617 und 1619 seinen Einzug in England hielt, erst verhältnissmässig spät kennen gelernt [56]. Es kann nach den Forschungen von Nelli [57] und Libri [58] heute keinem Zweifel mehr unterliegen, dass Galilei mit der ersten Konstruktion eines auf der Ausdehnung der Körper beruhenden Wärmemessers bereits um 1597 im Reinen war, dass er aber erst 1603 den Pater Castelli in sein Geheimniss einweihte, wie er denn im Drucke niemals etwas über dasselbe mittheilte. Die ersten "Thermometer, die öffentlich gezeigt wurden, waren Luftthermometer (Fig. 27); eine Röhre A, an welche eine Kugel angeblasen war, wurde in der ange- gebenen Weise in ein mit Wasser oder Weingeist gefülltes Gefäss B gestellt, und je nachdem diese Flüssigkeit sich ausdehnte oder zusammenzog, trieb sie die Luft in der setheilten Röhre A zurück oder gewährte ihr Spielraum, sich selbst wieder auszudehnen. Da dieses Thermometer offenbar zugleich als Barometer wirkte, so schmolzen die Mitglieder der florentinischen Akademie die Röhre zu, stell- ten diese aufrecht, so dass die Kugel nach unten kam, und erhielten so in dem Steigen oder Fallen des eingeschlos- senen gefärbten Weingeistes ein wirkliches Maass für die Schwankungen der umgebenden Temperatur**). Vergleich- bare Thermometer im modernen Sinne waren auch diese „florentinischen“ allerdings noch nicht, sondern mehr nur Thermoskope, denn noch fehlte es für die Skale an solchen Fixpunkten, die nicht blos einen lokalen Werth besassen, sondern zu jeder Zeit und an jedem Orte ihre Bedeutung beibehielten. Das Verdienst, nach solchen Fixpunkten mit Erfolg gesucht zu haben, gebührt Fahrenheit und Reaumur wohl zu gleichen Theilen [60], und zudem machte der Erstgenannte auch die für die Praxis folgenreiche Wahrnehmung, dass sehr viel besser *) Der Orientalist Khanikoft, der Alkhazini’s „Buch von der Wage der Weisheit“ übersetzt und bearbeitet hat [55], ist der Meinung, dass jener Autor schon einen Begriff von thermometrischen Vorrichtungen gehabt habe (vgl. I. Band, $. 9). **) Es ist möglich, ja selbst wahrscheinlich, dass der grosse Fortschritt, welcher in der Ersetzung des offenen durch das geschlossene Thermometer ge- legen ist, ebenfalls durch Galilei angebahnt ward, und dass die Akademiker hier, wie in so manchen anderen Fällen, nur auf den Schultern ihres grossen Landsmannes standen. Wenigstens sagt Libri [59]: „Das geschlossene Thermo- meter fand ich zum erstenmale erwähnt in einem 1611 zu Rom geschriebenen Bande der Bibliothek des Arsenales (zu Paris), welcher mit Nr. 20 der italie-. nischen Handschriften bezeichnet ist.“ IL $. 1. Die Instrumente. 101 Quecksilber als Alkohol zum Füllstoff für die Thermometer genom- men werden könne. Die Thermometrie ward nunmehr Mode, und jeder Gelehrte, der sich mit ihr beschäftigte, erfand sich womöglich seine eigene Skale; Delisle, Deluc, Celsius, Micheli du Crest (vgl. I. Band, S. 295) sind als die bekanntesten unter der Schaar Gleichstrebender zu nennen, und der Letztere z. B. war so glücklich, seine Eintheilung von dem berühmten Naturforscher S’Gravesande und von dem Mechaniker Brander als die zweckdienlichste anerkannt zu sehen [61]. Heute jedoch haben sich nur noch die Skalen von Celsius, Reaumur und Fahrenheit zu behaupten vermocht; die erstere ist im wissenschaftlichen Leben die allein angenommene, nach Reaumur pflegt sich das Publikum in Deutschland und Frankreich vorzugsweise zu richten, während Grossbritannien, die dortige Gelehrtenwelt mit inbegriffen, mit einer nicht eben rühmenswerthen Zähigkeit an Fahren- heit festhält. Die beiden zuerst erwähnten Systeme stimmen grund- sätzlich darin überein, dass die den Gefrierpunkt und den Siede- punkt des destillirten Wassers als die beiden Fixpunkte annehmen, nur theilt Reaumur den Zwischenraum in 80, Celsius in 100 gleiche Theile oder Grade. Bei Fahrenheit zerfällt das gleiche Intervall in 200 gleiche Theile, allein sein Nullpunkt deckt sich nicht mit dem Gefrierpunkt, sondern ist noch um 32 Grade tiefer angesetzt, gewissen irrthümlichen Anschauungen zu liebe, welche sich der Danziger Mecha- niker über konstante grösste Winterkälte gebildet hatte. Zum Um- formen aus einem thermometrischen Systeme in das andere dienen hiernach die Relationen: 0 20.= IR. — (2x4 32) F. Die Prüfung der Quecksilberthermometer, neben welchen sich übri- gens die Alkoholthermometer noch immer im Gebrauche zu erhalten gewusst haben, wird mit Hülfe der für die Praxis nicht passenden, durch die gleichförmige Ausdehnung ihres Stoffes aber für Vergleichs- zwecke wohl geeigneten Luftthermometer vorgenommen. Wenig- stens hat Grunmach ermittelt [62], dass zwischen 0° und 100° die Abweichungen des Luftthermometers im Allgemeinen geringfügiger sind, als diejenigen des Quecksilberthermometers, und dass die Haupt- abweichung bei 30° liegt. Zur Messung von Temperaturen, die unter — 40° hinabreichen, ist allerdings das Quecksilber unbrauchbar, da es alsdann gefriert, und wohl oder übel muss man sich dann mit einem Weingeistthermometer begnügen, welches jedoch mit einem Normal- thermometer vorher sorgfältig verglichen sein muss [63|*). — Von *) Anhangsweise bedarf es auch noch einiger Worte über die Art der Vornahme thermometrischer Beobachtungen. Man hat eigene Ständer oder Blechgehäuse zur Aufnahme der Instrumente konstruirt, die an der Nordseite eines Gebäudes so aufgehängt sein sollen, dass weder Regen und Schnee. noch auch direkte oder reflektirte Sonnenstrahlung auf die Thermometerkugel einwirken kann. In England werden die Stevenson’schen, in der Schweiz, in Russland ‘und vielfach auch in Deutschland die Wild’schen’ Ständer gebraucht [64]. Die von Lamont gemachte Entdeckung, dass ein beliebig im Freien aufgehängtes Thermometer eine ganz merkwürdige Uebereinstimmung mit einem unter Be- obachtung aller Vorsichtsmaassregeln aufgestellten Thermometer zeigt. hat aber ‚auch auf das sogenannte Schleuderthermometer geführt; man befestigt das Instrument an einem Faden und schwingt es herum. worauf seine Angaben 102 Fünfte Äpkhatlne oe den Metallthermometern wird demnächst bei den Selbstregistra- toren eingehender zu sprechen sein; den Anfang, diese schon damals nicht mehr neuen Instrumente wirklich brauchbar für Messungszwecke zu gestalten, dürfte wohl der Schotte Fitzgerald |67] gemacht haben, indem er vier Metalllamellen kreisförmig aneinanderlöthete — das Prineip von Prinsep’'s Pyrometer — und die Bewegungen des z von einem Hebelwerk auf einen Zeiger übertragen liess. $S. 2. Meteorographen. So oder auch meteorologische Auto- maten und Selbstregistratoren nennt man jene Vorrichtungen, welche entweder gewisse extreme Werthe der meteorologischen Ele- mente oder auch deren laufende Werthe — sei es für gewisse be- stimmte Termine, sei es kontinuirlich — aufzuzeichnen bestimmt sind. Die Anfangsstadien in der Konstruktion derartiger Instrumente markirt jenes hodometrische Princip, dessen wir oben bei den Windflügeln Erwähnung zu thun hatten. Speziell für das Element der Wärme ist man schon frühzeitig von einem anderen Gesichtspunkte ausgegangen, wie Rutherford’s 1794 erfundenes Maximum- und Minimumthermo- meter [68] beweist. Auf demselben Brettchen sind zwei gewöhnliche Thermometer so angebracht, dass die parallelen Axen der Röhren hori- zontal zu liegen kommen. Das Maximumthermometer ist mit Queck- silber gefüllt, und dieses Metall wird bekanntlich vom Glase abge- stossen, so dass sich ein sogenannter Meniskus bildet; unmittelbar vor diesem, die Wölbung tangirend, liegt ein kleiner Stahlstift. Das sich ausdehnende Quecksilber schiebt denselben immer vor sich her, und wenn es sich wieder zurückzieht, so bleibt der Stift an dem Punkte liegen, welcher für den Beobachtungstermin — gewöhnlich ist es ein Tag — die höchste Temperatur repräsentirt. Der Weingeist, mit welchem das Minimumthermometer gefüllt ist, steht umgekehrt zu der Glaswand im Verhältnisse der Kapillarattraktion; legt man also in die Flüssigkeit ein Glasstäbchen so, dass es die Kapillarhaut im Mittelpunkte der Konkavität berührt, so wird dasselbe von eben jenem Häutchen beim Rückgange des Alkohols selbst mit zurückgenommen und bleibt am Punkte der niedrigsten Temperatur ruhig liegen. Als Verbesserungen dieses noch jetzt vielfach gebrauchten Werkzeuges können das Six’sche und in noch höherem Grade das Kappeller’sche Maximum- und Minimumthermometer gelten, welch’ letzteres nach Breitenlohner’s Beschreibung aus zwei durch einen kapillaren Queck- silberfaden getrennten Weingeiströhren besteht und sich durch beson- ders leichte Ablesbarkeit auszeichnen soll [69]. Ein Magnet führt die Indices, wenn der Beobachtungszeitraum verflossen ist, wieder auf ihren richtigen Stand zurück. Kreil’s Registrirapparate waren demselben Grundsatze angepasst, nach welchem wir (Il. Band, 5. 387) bereits seinen Seismographen ein- gerichtet sahen [70]. Bei Kreil war zunächst Papier die Masse, in “welche der Schreibgriffel seine Kurven einzeichnete, Lamont aber fand es |71] vortheilhafter, einen Stahlstift an einer berussten, rotiren- von jenen eines im Ständer befindlichen Thermometers kaum "/J° abweichen [65]. Assmann schlägt vor [66]. in ähnlicher Weise auch am Schleuderpsychro- meter zu beobachten. = IL, $. 2. Meteorographen. 103 den Walze hingleiten zu lassen. Auch Hipp und Wild verfuhren ähnlich bei ihrem selbstregistrirenden Metallthermometer, welches in einer anderen Beziehung auch lebhaft an das in $. 1 geschilderte Kohlrausch’sche Variationsbarometer erinnert; das eine Ende einer vielfach gewundenen Spirale ist fest eingeklemmt, während das andere eine Nadel führt, welche die Ausdehnung der Spiralfeder auf die Ober- fläche des drunter gleitenden Papieres überträgt und auf ihm sozusagen den Gang der Tagestemperatur verzeichnet [72]. Natürlich bedarf es dann noch einer kleinen mathematischen Betrachtung, um aus dem Abstand der markirten Punkte auf die entsprechende Temperatur schliessen zu können [73]. Hier ist die Kurve also keine stetige, vielmehr setzt sie sich erst aus einzelnen diskreten Punkten zusammen, und das Prineip des abrollenden Papierstreifens ist im Wesentlichen ganz das des Morse’schen Telegraphen. Wild hat für das Berner Observatorium ähnlich gebaute Barometer, Ombrometer, Hygrometer und Anemometer ausführen lassen. Secchi war wohl der Erste, der die verschiedenen Selbstregistratoren gewissermassen als Theile eines einzigen Universalapparates, eben des Meteorographen, darzustellen wusste [74]; bei seinem Barometer ward der Luftdruck nicht durch die Länge der Säule, sondern durch das veränderliche Gewicht der Quecksilbermasse gemessen (Wagebarometer), und durch Anwen- dung des aus der Dampfmaschinenlehre bekannten Watt’schen Par- allelogrammes*) ward es ermöglicht, die Bewegung des Schreib- stiftes zu einer geradlinigen zu machen. Schreiber dehnte Secchi’s Methode der Wägung auch auf die Wärmemessung aus und erfand [76] ein aus dünnwandigem Kupferbleche gefertigtes Luftthermometer. Das- selbe ist durch eine Bleiröhre mit einem oben geschlossenen Glasrohre verbunden, welches theilweise mit Quecksilber gefüllt ist. Unten offen, taucht die Thermometerröhre ebenfalls in ein Quecksilbergefäss.. Da die oben geschlossene Röhre äquilibrirt über einer leicht beweglichen Rolle hängt, so wird jede Ausdehnung der Luft, welche auch einen Aus- tritt von Quecksilber im Gefolge hat, den Gleichgewichtszustand ändern, und die Vorrichtung des Selbstregistrirens kann ganz in derselben Art und Weise angebracht werden, wie bei'm Wagebarometer. Zu hoher Vollendung ward die Idee des automatischen Aufzeichnens gebracht durch den Schweden Theorell [77] und durch den Niederländer van Rysselberghe [78]. Die Maschine des Ersteren druckt sofort die Angaben der einzelnen Instrumente in Ziffern und macht dadurch irgendwelche Reduktionen überflüssig. Windfahne, Windstärkemesser, Psychrometer, Barometer und Thermometer sind jeweilig an der für sie passenden Stelle untergebracht und stehen mit dem Hauptapparate in elektrischer Verbindung, durch welche ausschliesslich die Beob- achtungszeiten notirt werden. Täglich erhält man solchergestalt 96 *) Diese geistreich ausgedachte Stangenverbindung verwandelt allerdings die rotatorische Bewegung nur annähernd genau in eine translatorische; wie gross die Abweichung ist, hat v. Langsdorf berechnet [75]. Die Fortschritte der geometrischen Kinematik in der Neuzeit — es genüge, die Namen Peaucellier, Liguine, Laisant, Burmester zu nennen — haben es jedoch möglich ge- macht, durch eine Kombination von Stäben Bewegungsmechanismen fertigzustellen, durch welche der von James Watt angestrebte Zweck in aller Strenge er- reicht wird. Kr EI: EN % X R ei Mn o IR EIER a ee RE, A TEE ae FR SD 3 3 BAR En LADE EL En 104 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Einzeldaten. van Rysselberghe substiturt dem numerischen das grapbische Princip, indem er die Gangkurven der einzelnen meteoro- logischen Instrumente auf Metall zeichnen lässt und von den so gra- virten Platten nach Belieben Abzüge nimmt. Eine neue handliche Form für den Thermographen sowohl [79], wie auch für den Baro- graphen (mit Laufgewicht) [80] ist nach Sprung’s Angaben von der deutschen Seewarte adoptirt worden. In Kew, dem berühmten astro- und geophysikalischen Obser- vatorium Englands, wird, wie wir schon in Kap. II, $. 9 erfuhren, mit Erfolg die Methode der photographischen Selbstaufzeichnung be- folgt. Denken wir uns, photographisches Papier werde mit konstan- tischer Geschwindigkeit vor der Säule eines Barometers oder Thermo- meters vorübergeführt, während es zugleich der vollen Sonneneinwirkung ausgesetzt ist, so wird auf dem präparirten Papiere eine Kurve ent- stehen, welche die variablen Höhen jener Säulen ganz direkt durch ihre verschiedenen Ordinaten zur Anschauung bringt. $. 3. Beobachtungspläne. Sehr viel kommt darauf an, dass die meteorologischen Beobachtungen einen einheitlichen und vergleich- baren Charakter erhalten. Insbesondere ist diess nöthig bei klimato- logischen Forschungen; hier ist es absolute Nothwendigkeit, dass die Temperaturmittel nur aus solchen Beobachtungen gebildet werden, welche für alle in Betracht kommenden Orte zur nämlichen Tages- stunde gemacht wurden. Ueber die relativ beste Wahl dieser Stunden war man bisher in ziemlicher Unklarheit. In Bayern z. B. drückte man das tägliche Temperaturmittel W, unter m das Notat des Mini- mumthermometers verstanden *), durch ha Do hp wo a ee aus, während Württemberg und Baden, wie schon vordem die Societas Palatina des Abtes Hemmer, die Formel ha hp hp a 7 +2P742.9 4 zur Grundlage ihrer Berechnungen wählten. Veranlasst durch einige von Hann geäusserte Bedenken, unterzogen Erk und v. Bezold [81] die strittige Frage einer gründlichen theoretischen Prüfung und er- kannten, dass die zwei besten Kombinationen durch ha Ohp 9) hp ha hp 9) hp NE Knete IE mir. RE ‚ resp. W 4 Sa dar ee nn dargestellt werden [82]. Neues Leben in die auf die Herstellung und Realisirung umfassender meteorologischer Beobachtungspläne gerichteten Bestrebungen hat die immer mehr in den Vordergrund des geographischen Interesses gerückte Polarforschung gebracht, für welche Neumayer die Parole ausgab [83]: „Es muss im Einklange, d. h. in gemeinschaftlicher Organisation, vor- gegangen werden, um im Herzen der Polarregionen in Observatorien, die während einer längeren Periode in Thätigkeit zu sein hätten, die verschie- *) Sha bedeutet die achte Stunde Vormittag (hora antemeridiana), 2hbp die zweite Nachmittagstunde (hora postmeridiana). I. $. 4 Die barometrische Höhenmessung. 105 denen Aufgaben der Physik unserer Erde zu lösen.* Das Programm der fünfzehn stabilen Expeditionen, welche seither bekanntlich mit reichen — wenn auch grossentheils noch unverarbeiteten — Ergebnissen sämmt- lich zurückgekehrt sind*), setzte nach Börgen [84] Folgendes fest: Die Beobachtungen beginnen am oder möglichst früh nach dem 1. August 1882 und erstrecken sich möglichst weit in den September 1883 hinein; die meteorologischen Beobachtungen erfolgen allstündlich und fassen in’s Auge die Temperatur der Luft, diejenige des Meerwassers sowohl an der Oberfläche, als auch in Tiefenabständen von 10 zu 10 m, Luft- druck, Feuchtigkeit (durch Psychro- und Hygrometer zu messen), Wind- verhältnisse (nach Robinson), Bewölkung nach Form, Menge und Zugrichtung, Niederschläge nach Art, Dauer und Quantität), Witte- rung im Allgemeinen, Gewitter, Nebel, Hagel, Reif und optische Er- scheinungen; auch der terrestrischen und astronomischen Refraktion soll, wenn möglich, Beachtung geschenkt werden. Alle Beobachtungen, welche sich selbst registrirten, mussten gleichwohl grösserer Sicherheit halber noch von Stunde zu Stunde ihre Kontrole durch Vergleich mit dem bezüglichen Normalinstrumente erfahren. Selbstverständlich genügen genaue Messungen nicht an und für sich, ihren wahren Werth erhalten dieselben vielmehr erst durch die darauf sich gründenden Berechnungen. Auch von deren Wesen ge- denken wir dem Leser einige Vorstellung zu vermitteln; zuvor aber haben wir noch gewisser hochwichtiger Anwendungen der zwei meteoro- logischen Hauptinstrumente zu gedenken. S. 4. Die barometrische Höhenmessung. Kaum hatte Torricelli (s. o. $. 1) in dem Barometer ein zur Messung der Luftdruckverände- rungen geeignetes Werkzeug an die Hand gegeben, so erkannte auch schon der berühmte französische Mathematiker Pascal die Möglich- keit, dasselbe zum Messen von Höhen zu verwenden. In grösserer Entfernung von der Erdoberfläche, so sagte er sich, ruht auf dem äusseren Quecksilberspiegel eine geringere Luftmasse, als tiefer unten, demnach wird mit wachsender Höhe auch der Luftdruck ein geringerer werden, und es wird sich diese Thatsache durch ein stetiges Sinken *) Wiewohl vielleicht nicht in aller Strenge hierher gehörig, dürften doch an diesem Orte wohl ganz passend einige Nachrichten über das jetzt acceptirte System internationaler Polarforschung ihren Platz finden, durch welches der phy- sischen Geographie eine neue Aera des Fortschrittes gewährleistet erscheint. Es wurden 18582 im Ganzen 15 Expeditionen ausgeschickt. Der Kingawa-Fjord in Grönland. die Missionsstation Nain in Labrador und Südgeorgien wurden von Deutschland, Lady-Franklin-Bay und Point-Barrow von der Union, Godthaab auf der grönländischen Westküste von Dänemark, Jan Mayen von Oesterreich (resp. vom Grafen Wilczek), Kap Thordsen auf Spitzbergen von Schweden. Bossekop in Finnmarken von Norwegen, Sodankylä von der einheimischen (finnischen) Aka- demie, Möller-Bay auf Novaja-Semlja sammt der Lenamündung von Russland. Fort Roon von England, Kap Hoorn von Frankreich übernommen. Zur Ergänzung dienten die regelmässigen Beobachtungen an einer Anzahl europäischer, afrika- nischer und amerikanischer Sternwarten; ausserdem aber waren gewisse Ver- bindungsstationen eingeschaltet (Preobrajensk, Werchojansk, Orlensk, Orlekminsk. Witimsk, Kirensk und Nachtuisk in Sibirien, Wasa,. Kuopio und Wartsilä in Finn- land, Montevideo, Paysandu,. Buenos Aires, San Nicolas und Carmen in Süd- amerika), und auch Port Stanley hatte die deutsche Seewarte mit einem Beob- achtungsposten besetzt. AR 106 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. der Quecksilbersäule in der Barometerröhre offenbaren. Ihm selbst stand in Paris keine grössere Höhe, als diejenige der Notredame- Thürme zur Verfügung, doch schien Pascal ein erster Versuch bei’m Besteigen dieser Thürme Günstiges zu versprechen, und so wandte er sich denn an einen Verwandten, Perier, der unweit des Puy de Döme in der Auvergne wohnte, und bat ihn, die Barometerhöhen am Fusse und auf der Spitze jenes Berges mit einander zu vergleichen. Perier kam diesem Wunsche nach, und sein Ergebniss war, wie Pascal in seinem Berichte und später in einem für die Begründung der Hydro- statik maassgebenden Werke [85] berichtet, dass oben auf dem Berge die Säule um „3 pouces !s ligne“ (3° 0,05”) tiefer stand, als gleich- zeitig in der Stadt Clermont, wo man eine Korrespondenzbeobachtung angestellt hatte [86]. Der Nächste, welcher auf dem hiedurch vor- gezeichneten Wege weiter schritt, war Sinclair, der mit seinem Baro- meter sowohl Erhöhungen, wie auch Vertiefungen (Bergwerke) auf- suchte [87]. Das Wagniss, auch an das umgekehrte Problem heran- zutreten und aus dem Stande des Barometers auf die erreichte Höhe zu schliessen, war natürlich ein weit grösseres; Scheuchzer, der zuerst wirkliche Höhenbestimmungen auf diese Weise zu machen ge- dachte, wusste noch nichts von dem Mariotte’schen Gesetze und fand demgemäss das etwas ungeheuerliche Resultat, dass, wenn an zwei Orten von der Vertikaldistanz h die Barometerstände b, und b, (b, >b,) abgelesen werden, h = 11520 (b, — b;,) sei [88]. Korrekter gieng Mariotte zu wege [89], indem er die absolute Seehöhe eines Ortes, an welchem die Ablesung b gemacht war, durch b 1 l 1 1 Sue 4032 Ke 7 4031 z 4030 au 4032 —b-+ 5 ausdrückte, ohne freilich die Summirung seiner Reihe auch wirklich exakt leisten zu können*). Diejenige Formel, welche, sobald man von den allerdings nothwendigen Verfeinerungen und Korrektionen Abstand nimmt, den Sachverhalt richtig ausdrückt, und welche deshalb auch jetzt noch in allen auf elementarmathematische Behandlung angewie- senen Lehrbüchern ausschliesslich abgeleitet zu werden pflegt, stammt von Halley her [92]. Man gelangt zu ihr durch folgende Betrachtung. Man weiss (s. o. $. 1), dass der Normaldruck am Meeresspiegel 760 mm beträgt, während in einer 10m höher gelegenen Schicht der Druck auf 759mm abgenommen hat, und man denkt sich deshalb ein auf dem Meeresniveau aufruhendes (cylindrisches oder prismatisches) Stück der Atmosphäre, das bis an das jenseitige Ende derselben reicht, durch Parallelebenen von je 10m Abstand in Zellen getheilt, deren jede ohne merklichen Fehler als mit Luft von gleicher Dichte erfüllt angenommen werden kann. Die Aenderung in der Dichte gienge mithin sprung- weise an den Grenzflächen der Zellen vor sich. Auf dem Boden, an 759 N der Oten Scheidefläche, ist der Druck = 760 — 760. 760) 7m, an 759 1 =) mm; bezeichnet der Iten Scheidefläche ist er — 759 = 760 *) Mit welchem Rechte v. Lindenau [90] die Kenntniss eines ähnlichen Verhältnisses Townley zuschreibt, wissen wir nicht. Poggendorff hat offen- bar diese Mittheilung blos aus jener Quelle [91]. IL, $. 4. Die barometrische Höhenmessung. 107 man denjenigen von der 2ten Scheidefläche mit ö, so hat man nach Mariotte’s Gesetz 759° [BERG 759 — 159: 460; & = — . — — 760. 1 -— 3: 759 — 759: 760, = 7, — 700 (5) om Jetzt ist das Fortschreitungsgesetz offenkundig, än der Grenzscheide der nten und (n—- 1)ten Zelle ist der Druck = 760 . () ‚ und es erhellt der eben von Halley gefundene Satz: Während die Höhen in arıthmetischer Progression wachsen, nimmt der Luftdruck in geometrischer Progression ab. Zwei Orte, denen die Barometerstände b, und b, (b, > b,) entsprechen, sind ihren Niveau- flächen nach um hm entfernt, so dass zunächst die Gleichungen wer.) = 100) 10 Id e— ae (a „an — di, Ds = N, h— b=h bestehen, wo h, und h, die absoluten Seehöhen der beiden durch die fraglichen Orte gelegten Horizontalebenen vorstellen. Die Logarith- mirung ergiebt log b, — log 760 eeslasche „10,760 7 [og 759 — log 760’ "° Tog 759 — log 760 und da, dem Obigen zufolge, h = 10 (n, —n,) ist, so hat man auch zur Berechnung des Höhenunterschiedes aus den Barometerständen die Relation RE l ( st 108 (4) ee a GT Fr a a re erhalten. Die Konstante, welche Halley, nicht nach neufranzösischem, sondern nach altenglischem Maasse rechnend, — 9719 setzte, wird natürlich ein für allemal vorausberechnet. Die sehr zahlreichen und verschiedenartigen Etappen, welche die sogenannte barometrische Höhenformel auf ihrem Wege durch- lief, bis sie ihre gegenwärtige Vollendung erreichte, können wir an diesem Orte natürlich nicht im Einzelnen schildern. Jacques Cas- _ sini, Scheuchzer in seinen späteren Publikationen, Celsius, Lam- bert, Maskelyne, Horrebow, G. E. Rosenthal, Hennert, Trem- bley, Kramp, ganz besonders aber Laplace [93] und Ramond [94], haben sich an dieser Vervollkommnungs-Arbeit betheiligt*). Deluc lehrte zuerst auch den Einfluss der Temperaturunterschiede zu berück- sichtigen; seine bezügliche Formel, welche er durch Vergleichung einer Reihe barometrischer und trigonometrischer Vermessungen des Grand Saleve bei Genf verifieirte, ist, wenn wir die frühere Bezeichnung bei- behalten, die Temperaturen an beiden Beobachtungsplätzen aber mit t, und t, bezeichnen, die folgende [98] (und zwar in Metern): h— 17970 . log (+) (149,002 (+1): *) Wer sich über die allerdings sehr interessante Geschichte unseres Pro- blemes des Näheren unterrichten will, findet höchst ausgiebige Literaturangaben in dem gleich nachher zu erwähnenden Werkchen von Rühlmann [95] und in dem von Brandes bearbeiteten Lexikon-Artikel „Höhenmessung“ [96]. Ausser- dem verdient nicht blos ihres geschichtlichen, sondern auch ihres sachlichen Inhaltes wegen eine ältere Schrift von Kästner [97] vollste Beachtung. 108 er Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Die moderne Auffassung der Aufgabe lässt sich etwa folgendermassen Kl; in Kürze charakterisiren. Bis zu der mit allen Hülfsmitteln exakter Forschung geführten Untersuchung von Bessel [99], diese selbst nicht ausgeschlossen, hatte man, wie oben geschehen, die auf das Barometer drückende Luftsäule als cylindrisch annehmen zu dürfen geglaubt. G. S. Ohm aber, der berühmte Begründer der mathematischen Theorie der galvanischen Ströme, hatte hiegegen Einsprache gethan und behauptet, die drückende Luftmasse habe die Gestalt eines Kegels, dessen Spitze im Centrum der Erde gelegen sei [100]. v. Bauernfeind unternahm, um über die Bedeutung dieses Einwandes in’s Klare zu kommen — zugleich freilich noch aus verschiedenen anderen Gründen geophysikalischer Natur — sein berühmtes Nivellement des Miesing im bayrischen Hoch- gebirge und bewies in der die Ergebnisse seiner Arbeiten enthaltenden Schrift [101], dass Ohm’s Zweifel nicht zu einem Abgehen von den bisher als zulässig erkannten Grundsätzen nöthige, und später hat sich herausgestellt, dass auch innere Gründe hiezu berechtigen. Guld- berg |102] und v. Bauernfeind führten nämlich den Nachweis [103], dass Ohm den durch die kegelförmige Luftsäule auf die umgebende Luft ausgeübten Seitendruck ignorirt habe, und dass bei dessen Be- rücksichtigung die Differenz zwischen den beiden Anschauungsweisen sich aufhebe. Die schärfsten Untersuchungen über eine allen Anfor- derungen genügende Barometerformel haben v. Bauernfeind und Rühlmann (in seiner uns bereits bekannten Monographie) angestellt; die Differenzen der von beiden Gelehrten gewonnenen Resultate sind nicht erheblich und zudem von dem Erstgenannten zufriedenstellend aufgeklärt. Für diese Formeln ist Nachstehendes zu beachten. Der allen gemeinsame Stock ist die Halley’sche Gleichung h = Konst, log (2). 2 allein es muss noch ausserdem eine ganze Reihe von Faktoren mit einbezogen werden. Wie schon Delue (s. o.) wusste, fällt die Tem- peraturverschiedenheit an den beiden Beobachtungsstationen in’s Ge- wicht, die Schwere ist nicht für sämmtliche Punkte der Erde gleich, da ihr fast überall eine verschieden grosse Centrifugalbeschleunigung entgegenwirkt, weshalb auch die geographische Breite in die Schluss- formel eingehen muss; dem Drucke des in der Luft enthaltenen Wasser- dampfes ist Rechnung zu tragen; auch die Verschiedenheit der dem (Quecksilber eigenthümlichen Temperatur von der umgebenden Luft- temperatur fällt in’s Gewicht. Von einem, strenge genommen, auch noch erforderlichen Zusatzgliede glauben wir hier absehen zu dürfen, da dasselbe immer nur sehr klein ausfällt. ‘ Die bisher uns geläufigen Bezeichnungen für Höhe, Barometerstände und Lufttemperaturen be- halten wir bei; des Fernern wird durch R der Erdhalbmesser (bis zum Meeresspiegel), durch ß die geographische Breite, durch t,‘ und t,‘ die bezügliche Quecksilbertemperatur, durch o, und 0, jeweils die an beiden Stationen zu beobachtende Dampfspannung bezeichnet, und M bedeutet, da die Ableitung der Formel natürliche Logarithmen einführte, den Modulus des künstlichen Systemes. Diess Alles zusammengehalten, findet v. Bauernfeind [104] im Metermaass und mit Zugrundelegung der hunderttheiligen T'hermometerskale II, $. 4. Die barometrische Höhenmessung. | 109 BL sdos 1 1 0,001835 (t, + t)]| j ä na: en | +: b, +2) |%x fe (3) - rn I Allerdings ist selbst mit dieser so durchdachten und umfassenden Formel noch nicht Alles gethan. Schon Saussure und Ramond wussten, dass es nicht gleichgültig ist, zu welcher Tageszeit die ın die Berechnung einzuführenden Barometerstände gemessen werden, aber erst durch v. Bauernfeind’s planmässige Versuche kam völliges Licht in die Sache. Er fand, dass nur um 10 Uhr des Vormittages und um 4 Uhr des Nachmittages richtige Ablesungen vorgenommen werden können, wesentlich deshalb, weil früh Morgens und spät Abends die angewandten Thermometer in Folge des benachbarten erkalteten Bodens zu niedrige, zur Mittagszeit im Gegentheile zu hohe Tempera- turen geben. Um richtige Temperaturangaben zu erzielen, ist für jede Stunde der Ablesung eine gewisse (positive oder negative) Korrektions- rösse hinzuzufügen, welche der gedachte Autor sorgfältig ermittelt hat [105]. Wie sehr durch Vernachlässigung. der barometrischen Anomalie. die Resultate entstellt werden können, geht aus den Mit- theilungen von Reiss [106] hervor; danach kann es, wenn man auf Flüssen von geringem Gefälle (z. B. dem Maranon) dahinfährt und die Barometerbeobachtungen kritiklos in's Tagebuch einträgt, geschehen, dass man nach tagelangem Stromabfahren scheinbar höher hinaufge- kommen ist. Neuerdings hat sich Rühlmann auf das Eingehendste mit dieser Angelegenheit beschäftigt und für die tägliche Periode der barometrischen Höhenkurve gefunden [107], dass die so be- stimmten Höhen ihr Maximum kurz vor der Zeit der höchsten Tages- temperatur erreichen, dass sie während des Nachmittages rasch, während der Nacht langsamer sinken und ihren kleinsten Werth ungefähr zwei Stunden vor Sonnenaufgang erreichen, worauf die Kurve sehr steil (zum Mittags-Maximum) in die Höhe steigt. Auch eine jährliche Periode ist nach Rühlmann [108] vorhanden, insoferne die Wintermonate zu kleine, die Sommermonate zu grosse Höhen ergeben. Die Schwankungen der Höhenkurve stehen überhaupt in engster Beziehung zu den regel- mässigen Oscillationen des Barometers, zu welchen uns die dynamische Meteorologie wieder zurückführen wird®) Noch ward die Frage nicht aufgeworfen, ob denn Aneroidbaro- meter mit denselben Aussichten auf günstigen Erfolg zu Höhen- messungen gebraucht werden können, wie Quecksilberbarometer. Diese Frage ist nur theilweise zu bejahen. v. Bauernfeind diskutirt die ”) Werden alle die hier kurz gekennzeichneten Umstände richtig beachtet, so geht eine Höhenbestimmung mit Quecksilberbarometer unter den günstigsten Auspicien vor sich. Noch vor nicht sehr langer Zeit war es anders; damals konnte Pick [109] in einer zur äussersten Vorsicht mahnenden Arbeit mit Recht die Behauptung aufstellen, dass keine vorhandene Messung als eine völlig zuver- lässige gelten könne, und dass man von den Gesetzen der Abweichung zwischen barometrisch und trionometrisch bestimmten Höhen sehr wenig wisse. Pick widerlegt (a. a. 0.) auch die Hypothese von Kämtz [110], nach welcher die fragliche Abweichung stets dann verschwinden sollte, wenn die nach der Lambert- schen Formel berechneten Resultirenden der Windrichtungen an den Beobachtungs- orten mit der Verbindungslinie dieser Orte zusammenfielen. . UNE fi PR: RE tr j ir 3 a Zi et. p , APR En KR FF De = IDEEN % ER 2 Sue 110 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. in Betracht kommenden Umstände gründlichst und zeigt insbesondere, wann und mit welchen Kautelen die sogenannte Babinet’sche Höhen- messungsformel verwendet werden darf [111]. Besondere Tafeln für die Berechnung von Höhen aus Angaben der Aneroide besitzt man von Schoder [112] und von Frischauf [113]; die letzteren, un- gemein handlich wie sie sind, empfehlen sich trefflich als Manuale des wissenschaftlich angelegten Touristen und Bergbesteigers. M. Schmidt that dar [114], dass diese Federbarometer auch bei geodätischen Ver- richtungen, Eisenbahntracirungen u. dgl., ihre Rolle zu spielen berufen sind. Die neuesten und zugleich schärfsten Vergleichungen über den relativen Werth der mit beiden Gattungen von Barometern gemachten Höhenbestimmungen verdankt man wiederum v. Bauernfeind [115]: Die Genauigkeit einer Messung mit Quecksilberbarometer verhält sich zu derjenigen einer Messung mit Aneroid- barometer unter sonst gleichen Umständen wie 17 zu 10. Zum Schlusse dieses Paragraphen sei noch auf ein Werk [116] von Schreiber aufmerksam gemacht, aus welchem man sich über alle diesen Gegenstand betreffenden Fragen der Theorie und Praxis Raths erholen kann. $. 5. Die thermometrische Höhenmessung. In 8. 2 des vorigen Kapitels wurde festgestellt, dass ein Theil des in der Luft enthaltenen Wassers dem flüssigen Wasser an der Erdoberfläche durch den Siede- process entzogen wird. Jede Flüssigkeit hat bei einem für sie an- nähernd konstanten Temperaturgrad ihren Siedepunkt, allein schon ziemlich frühzeitig kam man darauf, dass dieser Punkt nicht blos von der zugeführten Wärme, sondern auch von dem auf der Flüssigkeit lastenden Drucke abhängig ist. Je grösser dieser Druck ist, bei um so höherer Temperatur beginnt erst das den Beginn des Aktes be- zeichnende Aufwallen der Masse; macht man den Druck künstlich genügend gross, wie es beim Papin’schen (Rumford’schen) Topfe geschieht, so bringt auch eine starke Erhitzung das eingeschlossene Wasser nicht zum Kochen und Sieden. Nach Gintl, der ein selbst- ständiges Lehrbuch für das thermometrische Höhenmessen geschrieben hat [117], bemerkten zuerst Fahrenheit und Oavallo, dass aus der Verzögerung des Siedeprocesses auf die Abnahme des Luftdruckes und aus dieser wieder auf die erreichte Höhe geschlossen werden könne [118]; die thermometrische Höhenmessung erscheint uns so als ein Korollar der barometrischen. Die für die altimetrische Praxis er- forderliche Genauigkeit der Siedepunktsbestimmung ward jedoch erst durch Ure [119] erreicht, dessen Experimente Wollaston [120] zur Konstruktion wirklich verwendbarer Kochthermometer ausnützte; an diesen konnte noch 0,0025 eines (Fahrenheit’schen) Grades ab- gelesen werden. Auch gab Wollaston die erste Tabelle, um sofort zu einem gegebenen Hitzegrade die zugehörige Barometerhöhe zu er- halten. Von einem wenig in Europa bekannten Naturforscher, De Cäldas (vgl. I. Band, S. 21), sollen ferner, wie H. A. Schumacher angiebt [121], in den Jahren 1802 und 1803 zwei vorzügliche Ab- handlungen über unsere Methode verfasst worden sein; derselbe ent- wickelte darin neue Berechnungsformeln und wies A. v. Humboldt’s allzu absprechendes Urtheil zurück. Die ersten Tafeln, welche in drei 111 Rubriken die Temperaturen des eben siedenden Wassers, die Baro- meterstände und die wirklichen Seehöhen neben einander stellen, scheinen von Körner gegeben worden zu sein [122]. Es ist nicht zu leugnen, dass das thermometrische Verfahren nie ‘sehr genaue, weil meistentheils zu grosse Werthe liefert. Gleichwohl hält man sich heutzutage von einer pessimistischen Auffassung eben so ferne, als man andererseits auch Gintl’s übertriebene Begeisterung nicht theilt. Forschungsreisende, welche in schwer zugänglichen Ge- birgen auf die Mitnahme eines Quecksilberbarometers verzichten müssen, pflegen sich mit Kochthermometern zu versehen, und der ihre Resultate redueirende Rechner vermag daraus immerhin brauchbare Näherungs- werthe herzuleiten.. Am günstigsten gestalten sich die Messungen mit dem Regnault’schen Apparate, allein eben von Entdeckungsreisenden ist nur allzuhäufig der als Heizstoff dienende Alkohol nicht aufzutreiben. Ueber die zu beobachtenden Vorsichtsmassregeln spricht sich D’Ab- badie in seinem äthiopischen Reisewerke aus [123]. Neue und höchst kompendiöse Tafeln hat Zöppritz auf die einschlägigen Arbeiten von Regnault und Broch begründet; dieselben laufen theils in Zehntel- grad-, theils in Hundertelgrad-Intervallen fort |124]. Endlich ist auch von Kunze, der über eine reiche altimetrische Erfahrung verfügt, eine neue Reduktionsformel gegeben worden; ist T der aus dem Baro- meterstande berechnete, t der am Kochthermometer unmittelbar ab- gelesene Siedepunkt, so soll die Gleichung gelten [125]: T — t = 0,2442 — 0,915099 (100 — T). $S. 6. Die graphischen Methoden der Meteorologie. Eine der hauptsächlichsten Pflichten des Meteorologen ist es, zumal wenn er klimatologische Studien betreibt, aus einer grösseren Anzahl von Zahlendaten die Mittelwerthe herzuleiten. Rechnerisch geschieht diess, wenn die Anzahl der vorliegenden Beobachtungen eine beschränkte ist, mit Hülfe des arithmetischen Mittels; wenn aber etwa eine vom Selbstregistrator aufgezeichnete krumme Linie gegeben ist, so reicht man mit jenem Hülfsmittel nicht mehr aus. Es sei z. B. (Fig. 28) AB die vom Fig. 28. Schreibstifte des Thermographen verzeich- nete Kurve, und es sei aus ihr, wenn Ä und B durch die einen Tag repräsen- tirende Abscissendifferenz CD *) geschie- den sind, die Mitteltemperatur des fraglichen Tages, d. h. die Ordinate EF, zu finden. Zieht man durch E eine Par- allele zur Abscissenaxe, welche die End- ordinaten (resp. deren Verlängerungen) in G und H schneidet, so muss Geradliniges Trapez CGHD — Gemischtlinigem Trapez ABDC sein, und wäre also AB eine geometrisch reguläre Kurve mit der ”) Wie immer. werden die Zeiten als Abscissen. die den Zeiten ent- sprechenden variablen Werthe der meteorologischen Elemente als Ordinaten aufgetragen. 112 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Orthogonal-Gleichung y — f(x), so hätte man, mit U den Ursprung des Koordinatensystemes bezeichnend *), UD No dx 1 UC I OD“ Da die Kurve der fraglichen Eigenschaft jedoch gewöhnlich entbehrt, so wird die Integration im Zähler auf graphischem Wege, mittelst der uns aus dem I. Bande, S. 293, bekannten Planimeter bestimmt, so dass deren Handhabung jedem ausübenden Meteorologen geläufig sein muss. Ein zweites, viel angewandtes, zeichnendes Erleichterungsmittel bei klimatologischen Arbeiten ist die Darstellung der Witterungs- elemente durch sogenannte Windrosen. Jedermann kennt die ge- wöhnliche Bedeutung dieses Wortes”*), und sie bildete auch die Grund- lage für die im Folgenden zu schildernde übertragene Bedeutung desselben. Im Jahre 1821 schon zeigte L. v. Buch [129], welchen Nutzen für die klare Auffassung der Luftdruckschwankungen man aus einer barometrischen Windrose ziehen könne. Gegenwärtig zieht man das Kunstwort barische Windrose vor; eine solche kann so- wohl tabellarisch, als auch graphisch hergestellt werden, allein diese zweite Manier erfreut sich des grossen Vorzuges, unmittelbar zu den Augen zu sprechen.***) Zunächst also ordnet man diejenigen Baro- *) Es ist nicht unumgänglich nöthig, dass die Auswerthung des im Zähler stehenden Ausdruckes völlig nach den Regeln der höheren Mathematik erfolge, es hat vielmehr Schlömi!ch, dem wir eine sehr schöne und einfache Theorie der analytischen Mittelwerthe verdanken [126], gezeigt, wie man in sehr vielen Fällen mit elementaren Rechnungsweisen vollkommen ausreicht. **) Der Begriff der Windrose geht bis in das graueste Alterthum hinauf, wie man aus der von D’Avezac herrührenden Monographie [127], einem wahren Fig. 29. cL b 2. Septeutrio y Boreas Circius Aguilo Chorus Agınlo Chorus Vulturnus dercius “ Vulturnus Favonius — Subsolanus Pavorıus Subsolanus Afrticus Eurus Apr Lyrus Furus Austro Alvicus Euro Auster Africis Notus A zuster 4 Uster Paradigma besonnenster geschichtlich-kritischer Arbeit, ersehen kann. Besonders geachtet war im früheren Mittelalter neben der „gewöhnlichen Rose“ die „Rose des Isidorus Hispalensis“; Fig. 29 a und b stellt beide nach D’Ave- zac [128] dar. ***) Es ist zu bedauern, dass selbst in Werken, welche sonst dem wichtigen Werkzeuge der Meteorologie, den Windrosen, ihr volles Recht zu Theil werden lassen, wie in demjenigen von Peschel-Leipoldt [130], die zeichnende Ver- sinnlichung der tabellarischen Resultate in den Hintergrund tritt. Sehr verdienst- II, $. 6. Die graphischen Methoden der Meteorologie. +19 meterstände in eine Tafel, welche den einzelnen Windrichtungen für einen gewissen Ort und für eine gewisse Zeit entsprechen, wie denn z.B. das unten folgende Schema nach v. Buch’s Zusammenstellung [132] die barische Jahreswindrose für Berlin enthält: Winde Luftdruck in Millim. Winde Luftdruck in Millim. Mord‘ .. .=. 158.68 Süd 751,33 Nordost . . 759.35 Südwest. | 752.56 ee... 758,17 West. | 756,00 Südost . . . 154.68 Nordwest . 757.61 Man bemerkt bei’m Vergleichen dieser Zahlen, dass der Nordostwind in Berlin die schwerste, der Südwind die mindest schwere Luft mit sich bringt. Ohne jeden Vergleich aber ersieht man diess aus der graphischen Windrose von Fig. 30, worin B die Stadt Berlin bedeutet. Hier wurden auf jeder der acht Geraden, welche den Hauptwindrichtungen ent- Fig. 30. sprechen, vom gemeinsamen Durch- N schnittspunkte B aus Strecken abge- tragen, welche sich zu einander verhalten, wie die in der Tabelle enthaltenen Zahlen (thatsächlich kann die Proportionalität angesichts der geringen Differenzen und des knappen zu Gebote stehenden Zeich- nungsraumes natürlich keine völlig strenge sein). Es ist einleuchtend, dass man, nach Dove’s Vorgang [133], auch thermische Windrosen konstruiren kann; ebenda wies der grosse Forscher auch auf die Bedeutung der atmischen Windrosen hin, welche kundgeben, wie sich die Feuchtigkeit der Luft mit der Windrichtung ändert. Letzteres hat besonders Suhle [134] näher ausgeführt. Die ombrische Windrose ist von Lamont [135], die nephische — d.h. die den Zusammenhang des Bewölkungsgrades mit der Windrichtung illustrirende — Windrose von Lommel [136], die ozonoskopische von Prestel (s. 0.) in Betracht genommen worden. Die Windrosen haben übrigens nicht etwa blos einen Werth als Unterrichtsmittel oder als Erleichterung der Uebersicht, sie können vielmehr für die klimatologische Forschung die wesentlichsten Dienste leisten. Das geht klar hervor aus Schreiber’s gelungenem Ver- suche [137], lediglich aus langjährigen Leipziger Windrosen der ver- schiedenen Elemente eine vollständige Klimabeschreibung der nord- sächsischen Ebene zu entwickeln. Und Lösche’s Konstruktion einer lich ist dagegen die Betonung gerade dieser Seite in dem kleinen Lehrbuche von Lommel [131]. Günther, Geophysik. II. Band. 8 114 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. anemometrischen Windrose [138] verspricht auch der dynamischen Meteorologie Vorschub zu leisten. $. 7. Die Methode der kleinsten Quadrate. Bei einer Menge derjenigen Kalkulationsarbeiten, welche dem praktischen Meteorologen obliegen, bedarf derselbe der Anwendung jener Vorschriften der höheren Wahrscheinlichkeitsrechnung, welche man kurzweg als die Methode der kleinsten Quadrate zu bezeichnen pflegt. An dieser Stelle soll nicht etwa eine weitläufige Erörterung über dieses mächtige In- strument der Ausgleichungsrechnung ihren Platz finden, es sollen viel- mehr nur dem geographischen Leser dieses Buches einige Andeutungen über den an sich einfachen Grundgedanken dieses Rechnungsverfahrens segeben werden, mit welchem der Nicht-Mathematiker häufig sehr unzutreffende Vorstellungen verbindet. Bekanntlich vermag die Algebra nur solche Systeme von Gleichungen aufzulösen, bei welchen die Anzahl der letzteren mit jener der Unbe- kannten völlig übereinstimmt, d. h. bestimmte Systeme. Ist die Anzahl der unbekannten Grössen die grössere, so hat man es mit den der diophantischen Analysis zugehörigen unbestimmten Systemen zu thun. Gerade die angewandte Mathematik aber ist es, welche in gar vielen Fällen dazu veranlasst, überbestimmte Systeme zu be- trachten, bei welchen die Anzahl der Gleichungen jene der Unbekannten — oft bei weitem — übersteigt. Hier kann es sich nur darum handeln, die relativ besten oder wahrscheinlichsten Werthe der Un- bekannten zu ermitteln. In einer nicht eben wissenschaftlich begründeten, doch aber ganz rationellen Weise leistete Tob. Mayer (der Vater) dieser Forderung (senüge, als er seine bekannten Forschungen über die Axendrehung des Mondes (vgl. I. Band, S. 115) zum Abschlusse brachte [139]. Die Folgezeit begründete scharf, was er mehr nur geahnt hatte. Ge- setzt, man habe ein System von n Gleichungen mit 2 Unbekannten (n > 2)*), und zwar das folgende: a by en d5.X:-1- by, y =i6,, ux-+b,y= Irgendwie seien hieraus die wahrscheinlichsten Werthe von x und y berechnet; werden dieselben dann nach und nach in jedes einzelne Glied des Systemes eingesetzt, so wird keine dieser Gleichungen *) Wenn wir uns auf zwei Unbekannte beschränkt haben, so geschah diess: nur aus Gründen der Einfachheit. denn es liegt am Tage, dass bei einer grösseren Zahl das Verfahren nur eine Erweiterung, nicht aber eine Veränderung erfährt. Auch darin liegt kaum eine wirkliche Beschränkung, dass wir die überbestimmten Gleichungen algebraisch-linear (d. h. nicht von höheren Graden, oder auch transscendent) annahmen, denn wären sie dieses gewesen, so hätte man dieselben durch Reihenentwickelung nach dem Taylor’schen Satze u. dgl. vorher so umformen können, dass sie die für die weitere Rechnung nothwendige Gestalt annahmen, ll. S. 7. Die Methode der kleinsten Quadrate. 115 völlig genau befriedigt, vielmehr ergiebt sich für jede einzelne ein sogenannter Fehler, dem offenbar resp. die Werthe F, Zus y—ca, RB =3,x+by—6o,... BU 2, x by ec zukommen. Würde man dem ersten sich darbietenden Gedanken nach- seben, so würde man die Summe dieser sämmtlichen Fehler gleich einem Minimum setzen. Eine einfache Ueberlegung ergiebt aber, dass diese Fehler ebensowohl positiv, wie negativ sein können, und dass sie daher, wenn man ihnen dasselbe Vorzeichen verleihen will, vorher sämmtlich auf die zweite Potenz erhoben werden müssen, d. h. es soll F?P+F?+...-+ F’ = Minimo sein. Wenn aber eine Funktion f(x, y) von zwei Veränderlichen ein Minimum sein soll, so gelten der Differentialrechnung zufolge die Re- BR dei; 8y Voraussetzung allerdings, dass auch die zweiten Differentialquotienten einer bestimmten Bedingung genügen. Wir führen die Quadrater- hebungen wirklich durch, setzen aber kürzer laal— a; Mt Ba. abl= a,b +2». b,4...+2,b,, — (0, unter der weiteren und hier zulässigen lationen Dann ist ZF’—=|aa] x’—+2[ab]xy+ |bb|y— 2[ac]&x— 2|be]y—+[ee] = Minimo, 2 Jaalx + 2Jab]y— 2Jac]=0; 2[|bb]y+2[ab]x— 2 [be] =, und hieraus fliessen als die wahrscheinlichsten Werthe für x und y die folgenden: sejeeh. [bb fab] ofbel -_ [aa] . [be] — [ab]. [ac] faal. [bb — fabpr ? 7 7 aa]. [bbI— Jah Unsere Aufgabe ist somit endgültig gelöst. Nunmehr liegt es aber für Jedermann am Tage, weshalb das von uns befolgte Verfahren mit allem Rechte die Methode der kleinsten (Fehler-) Quadrate genannt werden darf. Seit 1795 kannte Gauss, damals ein achtzehnjähriger Jüngling, dieses Hülfsmittel, Beobachtungen auszugleichen, allein wenn er nicht in seinem ersten astronomischen Werke diese seine Priorität wahrgenommen hätte [140]*), so würde lange Jahre Niemand etwas hiervon gewusst haben, denn erst 1821 trat er mit seiner grundlegenden Abhandlung über den Gegenstand hervor [142], während Legendre und Laplace, nach R. Wolf’s Angabe [143], weit früher schon ähnliche, wenn auch minder voll- _ *”) „Merian erzählt, Daniel Huber habe .schon in früheren Zeiten durch eigenes Nachdenken, die späterhin durch Gauss und Legendre bekannt ge- wordene Methode der kleinsten Quadrate. zur Ausmittelung des wahrscheinlichsten Ergebnisses, aus einer Reihe von Beobachtungen, aufgefunden‘, — aber leider ver- säumte er es jedenfalls, durch rechtzeitige Ausarbeitung eine so schöne Entdeckung mit seinem Namen zu vereinigen“ [141]. 116 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. kommene Darstellungen veröffentlicht hatten. Für die Zeiten ihrer Herausgabe charakterisiren den Stand unseres Wissens sehr gut und eignen sich deshalb zur Belehrung die Schriften von Gerling [144], G. H. L. Hagen [145], Helmert [146] und Vogler [147], von welchen die letztere auch einem nicht sehr tief in die Mathematik ein- gedrungenen Leser bestens zu empfehlen ist. Um auch der aus- ländischen Literatur gerecht zu werden, nennen wir noch Liagre [148], Airy [149] und Forti [150]; in dem letztgenannten Buche finden Geodäten und Geographen hübsche und interessante Aufgaben, wie z. B. über die Absteckung der Axe des Gotthard-Tunnels. Die für den Physiker wichtigsten Anwendungen endlich hat Kohlrausch in seinen wohlbekannten Leitfaden aufgenommen [151]. Bezeichnet man mit |FF] im obigen Sinne die Summe der Fehler- quadrate, so ist der sogenannte mittlere Fehler der Einzelbestim- mung und des arithmetischen Mittels aus n Einzelbestimmungen be- züglich gegeben durch die Ausdrücke Era] Ba = n— 1’ 2 aa der wahrscheinliche Fenler aber ist in beiden Fällen den Aus- drücken [EFT + 0,674.) Au + 0,674. ya en) gleichzusetzen, $. 8. Das Rechnen nach der Bessel’schen Formel. Die ersten Versuche, periodische Erscheinungen von noch unbekannter Gesetz- mässigkeit durch mathematische Formeln annähernd getreu in ihrem Verlaufe darzustellen, rühren von Lambert her [152]. Bessel aber war es, der [153] den betreffenden Rechnungsmechanismus so aus- bildete, wie ihn noch jetzt in der Hauptsache jede auf die Verfolgung von Periodicitäten angewiesene naturwissenschaftliche Disciplin ge- braucht, und man spricht deshalb gewöhnlich von der Bessel’schen Formel. Es sei K der Umfang der Periode, nach deren Ablauf die veränderliche Grösse y — eine Funktion der unabhängig veränderlichen Grösse x — stets in derselben Art wiederkehrt; uw, u, u... U,,U;. mögen konstante, durch Beobachtung zu bestimmende Grössen sein. Dann kann man 27 x = x y=w-+ usin Kae )+tu sin (U. +... u, sin (u, 1. au zuer) setzen. Die Meteorologie bietet eine Fülle von Gelegenheiten zur An- wendung dieser Formel, und Bessel selbst war auf sie zuerst geführt worden, als er die von Humboldt und Horner gemachten Auf- zeichnungen über Barometerschwankungen diskutiren wollte. In Wirk- lichkeit werden, obwohl die obige Reihe eigentlich eine unendlich fortlaufende ist, doch nur so viele Grössen u und U bestimmt, dass den vorhandenen Werthen von y genügt wird. Sind %, &ı... u; die gegebenen Werthe von y, und versteht man unter %, 2... Zu -ı II, $. 8. Das Rechnen nach der Bessel’schen Formel. 172 ® x .. die entsprechenden Werthe von x 2r, so können, unter ÄAnwen- dung des bekannten Satzes sin(a —b) =sinacosb + cosasin b, aus unserer Gleichung die nachstehenden Theilgleichungen hergeleitet werden: | %—=P- pı cos z 4 q, sinz 4 p, cos 25, + 9 sin 2z, +... ra a ne dr Nimmt man jetzt an, dass die %,, Zı, Z, - . . sich in arithmetischer Reihe folgen, dass ihre Anzahl n ist, und dass die Differenz einen aliquoten Theil von 2r beträgt, so hat man diese n Gleichungen: %& = Po + pı cosiz + q, siniz—- p, cos 2iz + 9 sin 2iz +... elle 2220 =-R). Dieses Gleichungssystem soll den Bedingungen des vorigen Paragraphen unterliegen, es soll also auch die Relation 2(— 5 +p-+ pıcosiz—- psiniz-+...)’ = Minimo zu Rechte bestehen. Verfährt man also, wie oben, berücksichtigt aber auch gleichzeitig die leicht zu beweisenden Identitäten snl.a+tsn2.a+...+siom— 1).a=c0os0.3-+cos1l.a +c0os2.2a+...+cosn—]).a=), so erhält man als wahrscheinlichste Werthe: =) atatm+t.. + m) = (mt 2 005i2 + m, cos 2iz + age + &-ıcos (n— 1)iz), 12,3%. m—l), = (sta siniz-t a, sinint a ee 2), @— 4.2.3. nn — 1). Um z. B. die Temperatur (in Reaumur’scher Skale) y als eine Funktion der mittleren Sonnenlänge darzustellen, wählte Bessel eine 24jährige Königsberger Reihe von Werthen der Mitteltemperaturen 360° SR Te 45559 für jeden fünften Tag des Jahres aus, so das z = wurde, und fand nach seiner Formel [154] y = 5°,0454 + 8°,5487 sin (x — 29°14°) + 0°,1068 sin (2x — 157°55‘) —+- 0°,1173 sin (8x — 332°6) 4 0°,5542 sin (4x — 104°58%). Derjenige Klimatologe, in dessen Schriften man die Anwendung der Bessel’schen Formel am gründlichsten studiren kann, ist gewiss Ragona in Modena; wir möchten namentlich auf seine Untersuchung über das Jahresverhalten der Feuchtigkeit [155] hinweisen. Zum Beweise endlich, dass der richtig gehandhabte Kalkul in der That niemals sehr weit von der wirklichen Beobachtung abweicht, reprodu- ciren wir eine von Hällström [156] ausgearbeitete Tabelle für die Tagestemperatur der einzelnen Stunden in der ostindischen Stadt 118 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Madras; Hällström hatte die eine Rubrik der Tabelle auf Grund der Formel y — 25°,54 4 2°,967 sin (15°. x + 48°33‘) + 0°,946.. (30°. x + 69°10)) —- 0°,069 . sin (45°. x + 350°20‘) hergestellt und so die folgende Zusammenstellung erhalten: Srunde ala Berechn. Direrenzk Sinn Beobacht.| Berechn. Die emp. Temp. Temp. Temp. 0 28.89 280.64 | + 0,25 12 249,44 2421 | + 0,23 1 28 .98 VE) 13 23 „12 23.18 | — 0,06 2 28 „96 29 25 7 W229 14 23 „20 23,0. | 020 3 28 „08 28 .89 — 0.21 15 22 .43 22 .86 — 0.43 4 28 ‚44 28.21 | +0,23 16 22 „16 22.206 | 1 005 b) 27 „61 27.88 | + 0.23 17 22 ‚04 22,591 | — 0,47 6 26 „66 26 „so | —0,11 18 23 „68 22 76 | +0,22 u 25 „61 25 .87 — 0 .26 19 23 „74 23 34 | + 0,40 8 25 .„37 25.88 | — 0.01 20 23 ‚83 24.23 , 08 9 25 .06 29.06. 17.0200 21 25 „00 25.39 | — 0.39 10 24 74 | 24.831 | — 0.07 22 26 .85 26 „27 + 0,28 11 24 „56 24 55 | 40,01 23 28 .06 27.72 | + 0,34 | | Die höchste und nur in Einem Falle erreichte Differenz beläuft sich also auf wenig über ”ıo Grade. Freilich kennt Se häufig nicht, wie Bessel voraussetzte, die zusammengehörigen Werthe äquidistanter Phasen und Amplituden, sondern blos die Mittelwerthe dieser letzteren für abgegrenzte Theile der Gesammtperiode. E. Plantamour |157| und Weihrauch [158] haben die Bessel’sche Formel auch diesem Falle anzupassen gesucht; das Verfahren des Letztgenannten ist jedenfalls das strengere. Ein Theil der Periode K(=2r) werde begrenzt von den Phasen z, | und z,, der Mittelwerth, über dessen Bedeutung $. 6 aufgeklärt hat, Bern. (k >= 0,2, 0, # — 2r); dann ist, wenn man diesen mie als den wahren Werth auffasst, 2; Iris = — u (2 — 2-1) = U (4 — 2-1) — % - ; [es (U 2x -1 — 008 (U, + in], wobei die y, x, u und U im Sinne Bessel’s weiter gelten. Da b+a Be [ [5 “ “ — ‘ 7 nn u cos a cos b = 2sın 5 sin 5 ist, so wird 1(z Z (2 — Z-1 an, 1. [zu sin (U, + Ni (ne Fe — Zu). Setzt man jetzt p, = u, sin U,, ,=u;, cos U; und noch i(z, — 2,- ZZ 2 cos er 1) sin arzeteeı), 2 2 zn —— Ci Citate. 119 2 sın (2, + 22-1) a (m, Frag u) 2 sin 2 2ı@ Ti 2) Sr Sg, 19 so hat man folgendes Gleichungssystem mit den Unbekannten u,, p,, re RR R—=brEp si r&gsilk=l2...i). Hierauf ist dann die Methode der kleinsten Quadrate anzuwenden. [1] Macaulay, Die Geschichte Englands seit dem Regierungsantritt Jakob’s 11.. deutsch von Bülau-Stromberg. 11. Band, Leipzig 1861. S. 84. — [2] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 10. Band, 2. Abtheilung, Leipzig 1842. S. 215 ff. — [3] Crelle, Theorie des Windstosses mit Anwendung auf Windflügel, Berlin 1802. — [4] Zernikow, Theorie des Windstosses nebst Anwendung auf Windflügel und Schiffssegel, Erfurt 1854. — [5] Mohn, Grundzüge der Meteoro- logie, Berlin 1883. S. 144. — [6] Beaufoy, On a new wind guage, Annals of philosophy. (2) vol. II. S. 431 ff. — [7] Bouguer, Manoeuvre des vaisseaux, Paris 1757. S. 151. — [8] C. v. Wolf, Elementa matheseos universae. tom. Il., Halae a. S. 1743. S. 405. — [9] Mohn. Grundzüge etc., S. 141 ff. — [10] Sprung, Studien über den Wind und seine Beziehungen zum Luftdruck, 2. Theil, Hamburg 1879. S. 19 ff. — [11] Recknagel, Ueber ein zu Geschwindigkeitsmessungen an Luft- strömen geeignetes Instrument, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 4. Band. $. 149 ff. — [12] Maurer, Die Anemometer der Station auf dem Säntisgipfel, Gaea, 20. Jahr- gang. S. 8 ff. — [13] Hagemann, Tractatus physicus de motu mercuriü in baro- metris, Regiomonti 1724. — [14] Köppen, Notiz über die Zurückführung der Anemometerangaben der Stationen der Seewarte auf absolutes Maass und über das Verhältniss der Beaufort'schen Skale zur Windgeschwindigkeit, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteor.,. 14. Band. $. 302 ff. — [15] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 1. Band, Leipzig 1825. S. 432 ff. — |16] Bellani,. Descrizione di un nuovo atmidometro. Giornale di fisica, (2) Vol. III. S. 166 ff. — [17] Hann, Handbuch der Klimatologie, Stuttgart 1883. S. 47. — [18] Neumayer, Bericht über die Ver- handlungen des zweiten internationalen Meteorologen-Kongresses in Rom, Ham- burg 1880. S. 29. — [19] O. v. Guericke, Experimenta nova, quae vocantur Magde- burgica, Amstelodami 1672. S. 114. — [20] Stevenson, Proposed optical barometer, Nature, Vol. XIII. 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S. 7. — [43] Gehler’s 120 a phys. Wörterb., 2. Aufl...5. Band, 1. Abtheil., S. 606 ff. — [44] Klinkerfues, Theorie des Bifilarhygrometers mit gleichtheiliger Procentskale, Göttingen 1875. — [45] Geh- ler’s phys. Wörterb., 2. Aufl., 5. Band, 1. Abtheil.. $. 609 ff. — [46] Lambert, Essai d’hygrometrie ou sur la mesure de l’humidite, Sagan 1706; deutsch von Thenn, Augsburg 1775. — [47] Regnault, Etudes sur ’hygrometrie, Ann. de chim. et de phys.. (3) Vol.XV. 8.129 ff. — [48] Daniell., On a new hygrometer, Quar- terly Journal of science, 1820. $S. 128 ff. — [49] August, Ueber die Anwendung des Psychrometers zur Hygrometrie, Berlin 1823; Ueber die Fortschritte der Hygro- metrie, ibid. 1830. — [50] Mohn, Grundzüge etc., $S. 187 ff. — [51] Dines, Einfluss der Höhe des Regenmessers auf Regenmessungen, Zeitschr. d. österr, Gesellsch. f. Meteor.. 12. 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Langsdorf, Näherungswerth der Abweichung des Watt’schen Parallelogrammes, Archiv d. Math. u. Phys., 8. Theil. S. 337 ff. — [76] Schreiber, Theorie eines neuen reeistrirenden Luft- thermometers. Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteor., 10. Band. S. 210 ff. — [77] Theorell’s Typendruck-Meteorograph, ibid. 10. Band. 8. 245. — [78] van Ryssel- berghe, Ueber einen auf einem neuen Systeme beruhenden Universalmeteorographen, ibid. 10. Band. S. 49 ff. — [79] Sprung, Wage-Thermograph, Tagebl. d. 57. Naturf.-Vers., Mageburg 1884. — [80] Sprung, Wage-Barograph mit Laufgewicht, ibid. 16. Band. S. 1ff. — [81] Erk-v. Bezold. Die Bestimmung wahrer Tagesmittel der Temperatur mit besonderer Berücksichtigung langjähriger Tagesmittel von München, München 1883. — [82] Ibid. S. 48. — [83] Neumayer. Die geographischen Probleme innerhalb der Polarzonen in ihrem inneren Zusammenhange beleuchtet. Hydrogr. Mittheil., 1874. 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Schmidt, Ueber den praktischen Werth Naudet’scher Aneroide. München 1876. — [115] v. Bauernfeind, Neue Beobachtungen über die tägliche Periode barometrisch bestimmter Höhen, München 1883. S. 17. — [116] Schreiber, Hand- buch der barometrischen Höhenmessungen., Weimar 1877. — [117] Gintl, Das Höhenmessen mit dem Thermometer, Wien 1835. — [118] Ibid. $S.5. — [119] Ure, New experimental researches on some of the leading doctrines of caloric, Philos. Transact., 1818. S. 338 ff. — [120] Gehler’s phys. Wörterb.,. 2. Aufl., 5. Band, 1. Abtheil., S. 333. — [121] H. A. Schumacher, Ueber Francisco de Cäldas. den neugranadinischen Naturforscher und Geographen, Verhandl. d. Gesellsch. f. Erd- kunde zu Berlin, 7. Band. S. 102. — [122] Körner, Ueber thermometrische Höhen- messung, (Kastner’s) Arch. f. Chem. u. Meteor., 4. Band. $. 263 ff. — [123] D’Ab- badie-Radau, Geodesie d’Ethiopie ou triangulation d’une partie de la haute Ethiopie, executee selon des methodes nouvelles, Paris 1873. S. 54 ff. — [124] Zöppritz, Tabellen für Luftdruck und ‚Siedetemperatur des Wassers, Königsberg 1883. — [125] Kunze, Einige Beobachtungen an Kochthermometern, Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 9. Band. 8. 509 f. — [126] Schlömilch. Handbuch der algebraischen Analysis, Jena 1868. 8.53 ff. — er D’Avezac., Apercus historiques sur la rose des vents, Rome 1874. — [128] Ibid. S. 31. — [129] v. Buch, Ueber barometrische Windrosen, Abhandl. der k. pr. a der Wissensch.. Ph. Kl., 1820. — [130] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band, Leipzig 1880. S. 129. S. 230. 8. 240. — [131] Lommel,. Wind und Wetter: gemeinfassliche Dar- stellung der Meteorologie, München 1873. 8. 133 ff. — [132] Y. Buch, Ueber barom. Windr., S. 99. — [133] Dove, Einige meteorologische Untersuchungen über Winde, Ann. d. Phys. u. Chem.. 11. Band. — [134] Suhle, Ueber den Einfluss der Windrichtung auf die Feuchtigkeit der Luft, Zeitschr. f. d. ges. Naturwissen- schaften, 38. Band. S. 211 ff. — [135] Lamont, Regen und Schnee von Osten, Wochenbl. d. Sternwarte zu München, 1870. S. 258. — [136] Lommel, Wind und Wetter, S. 133. — [137] Schreiber, Die Bedeutung der Windrosen für theoretische und praktische Fragen der Meteorologie und Klimatologie, Ergänzungsheft Nr. 66 zu Petermann’s geogr. Mittheil., Gotha 1881. — [138] Lösche, Die Vertheilung der Windstärke nach der Windrose von Dresden, Dresden 1860. — [139] Tob. Mayer, Abhandlung über die Umwälzung des Mondes um seine Axe und die scheinbare Bewegung der Mondflecke, Kosmograph. Nachrichten und Sammlungen für 1748, Nürnberg 1750. — [140] Gauss, Theoria motus corporum coelestium in sectionibus eonieis solem ambientium, Hamburg 1809. S. 221. — [141] R. Wolf, Biogr. ete.. 1. Band. S. 453. — [142] Gauss, Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae, Comment. Soc. Gotting., tom. V. — [143] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 560. — [144] Gerling, Die Ausgleichungs- rechnungen der praktischen Geometrie oder die Methode der kleinsten Quadrate mit ihren Anwendungen auf geodätische Aufgaben. lan 1843. — [145] Hagen. Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung, Berlin 1837: 2. Auflage. ibid. 1867: 3. Auflage, ibid. 1884. — [146] Helmert, Die Ausgleichungsrechnungen nach der Methode der kleinsten Quadrate, Leipzig 1872. — [147] Vogler, Grundzüge der Ausgleichungsrechnung, Braunschweig 1883. — [148] Liagre, Caleul des proba- bilites et theorie des erreurs, Bruxelles 1853. — [149] Airy. On the algebraical RR | Ka, E 122 Fünfte Abtheilung. 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Fennicae, tomus I. $. 273 ft. — [157] Plantamour, Nouvelles etudes sur le climat de Geneve, Mem. de la societe de phys. et d’hist. nat. de Geneve, Vol. XXIV. S. 431 f. — [158] Weihrauch, Ueber die Anwendung der Bessel’schen Formeln in der Meteorologie, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteor.,. 18. Band. $. 21 ff. Kapitel III. Meteorologische Optik. $. 1. Die Gestalt des Himmelsgewölbes. Die sphärische Astronomie seht bekanntlich von der Annahme aus, dass alle Himmelskörper sich an der Innenseite einer mit beliebigem Radius um den Standort des Beschauenden als» Mittelpunkt beschriebenen Kugelfläche befänden, welche durch den Horizont in eine sichtbare und in eine unsicht- bare Hälfte zerlegt wird. Der Augenschein deckt sich keineswegs mit jener rein geometrischen Voraussetzung, vielmehr erscheint uns das Himmelsgewölbe oder Firmament als ein abgeplattetes Ge- wölbe*). Die Thatsache soll erstmalig von einem gewissen Treiber [1] hervorgehoben worden sein; die Gestaltsbestimmung dieses Gewölbes führten Mairan und R. Smith [2] aus, welch’ letzterer schliesst, wie folgt. Das, als was uns der Himmel erscheint, ist eine Kugelkalotte ABM (Fig. 31), welche ein Theil der Halbkugel H,H,M vom Mittel- punkt © ist. Die Ebene des Kreises AB, Fig. 31. dessen Centrum C, sein soll, ist der Ebene H,H,C parallel, und es ist arce AM —= arc BM. Der Beobachter sucht am Himmel durch das Augenmaass den Punkt D aus, für welchen acc AD=arc MD ist, und bestimmt sodann vermittelst eines Winkelmess - Instrumentes den Winkel AC,D=o. Kennt man ihn, so ist auch der Winkel ACM = p, dessen Grösse eben die Gestalt des Gewölbes charakterisirt, zu berechnen. Um in *) Völlig ebenso, nämlich durch die einfachsten Gründe der Perspektive, erklärt sich der früher (I. Band, S. 135) namhaft gemachte Umstand, dass die ebene oder sogar für den Beschauenden konvex gekrümmte Erde, wenn sie von einem sehr erhabenen Punkte aus betrachtet wird, eine konkave Krümmung an- zunehmen scheint. 1IL, $. 1. Die Gestalt des Himmelsgewölbes. 123 einfachster Weise die von R. Smith (a. a. ©.) gegebene Bestimmungs- gleichung zu erhalten, berechnet man CO, sowohl aus dem Dreieck ACC,, als auch aus dem Dreieck DCC,, in welchem I DCC, = n < GDC = 180° — 5 — 90 — = 90 — (* ar 2) ist, und be- kommt, den Kugelradius mit r bezeichnend, r cos (? -1- 2 I RE a DENE a at er — Fe — OR 1(cos 5 tg osin 2) rCoSYp, cos, — c03® =1tgo0. sin I 2 B) NEN oe Nun ist cos 5 cosıo — 2 sın y in y, sin, 2 sin a also hat man schliesslich na sın un — ee 2 cos - Diese Gleichung ist kubisch, und die Ausrechnung ergiebt, da die beiden anderen Wurzeln dem vorliegenden Falle nicht entsprechen, - — 16°33, = 33°%6‘, so dass das Verhältniss der vertikalen Ent- fernung des Gewölbes vom Beobachter zur horizontalen Entfernung ungefähr der Zahl 3! gleichkommt. Auf dieselbe Wirkung der Luftperspektive führt Weyer, der unseres Wissens einzige Gelehrte, welcher unter den Neueren den hier berührten Fragen seine Aufmerksamkeit widmet [3], die vulgäre Beobachtung zurück, dass Sonne und Mond immer kleiner zu werden scheinen, je höher sie am Himmel hinaufrücken. Dass die Vergrösse- rung der scheinbaren Durchmesser auf blosser optischer Täuschung beruht, beweist klar die schärfere Vergleichung mit einem Messwerk- zeug oder selbst nur mit einem zusammengerollten Bogen. Als se- kundäres psychologisches Moment mag noch mitwirken, dass das Auge, wenn es nach dem am Horizonte befindlichen Gestirn gerichtet ist, weit mehr Vergleichspunkte findet, als dann, wenn das Gestirn seiner Kulmination nahe ist. Dass die Strahlenbrechung mit dem Phänomen gar nichts zu thun habe, wird sich später (in $. 2) ausweisen. $. 2. Strahlenbrechung in der Atmosphäre. Mit Untersuchungen über die Ablenkung, welche die unsere irdische Lufthülle durchlaufen- den Strahlen des Sonnen- und Sternenlichtes erfahren, hat man sich astronomischerseits von je her beschäftigt, und es gewährt viel Interesse, etwa an der Hand von Bruhns’ historischer Monographie [4] die einzelnen Stadien im Erkenntnissfortschritt zu verfolgen. Kleomedes, der Kosmograph, suchte das schon früher (I. Band, S. 112) erwähnte 124 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Paradoxon zu erklären, dass auch bei totalen Mondfinsternissen hie und da der Mond gleichzeitig mit der Sonne über dem Horizont ge- sehen werde, und meinte ganz richtig, die letztere möge wohl durch Lichtbrechung ganz ebenso über unseren Horizont emporgehoben werden, wie ein auf dem Boden eines Gefässes liegender und durch die Gefäss- wände verdeckter Gegenstand sichtbar werde, sobald man einiges Wasser in jenes gegossen habe; Ptolemäus wies dann die Richtigkeit dieser Erklärung nach [5]. Alhazen und Witelo hatten im Verlaufe der nächsten Jahrhunderte einige weitere Beiträge zur Kenntniss dieser Erscheinung geliefert, als eine Nothwendigkeit für die praktische Beob- achtungskunst kann die Anstellung von Refraktionsbeobachtungen aber erst seit dem Auftreten des Nürnberger Patriziers Walther gelten: „Seientia astronomica,“ schreibt G. Vossius [6], ‚„Norimbergae magna cepit inerementa per Bernardum Gualterum, Regiomontani discipulum, qui partim Alhazeni et Vitellionis, partim experientia edoctus, tradidit, quanti sit momenti doctrina refractionum in sideribus horizonti vieinis.“ Tycho Brahe und Rothmann waren noch der irrigen und erst von Kepler aus der Welt geschafften Ansicht, dass der Betrag der Refraktions - Ablenkung von der linearen Entfernung des die Strahlen aussendenden Sternes abhänge, dass er für Zenitdistanzen < 45° aber so gut wie verschwindend sei [7|. Dass auch Barometer- und T'hermo- meterstand mit zu berücksichtigen seien, erkannte der wackere Picard [3]. Heutzutage unterscheiden wir eine astronomische und eine terrestrische Refraktion, und jede von beiden kann wieder eine rein vertikale oder aber auch eine laterale sein. Das Wesen des erstgenannten Unterschiedes ist durch die Bezeichnung selbst ausge- sprochen; bei der terrestrischen Refraktion kommt es ersichtlich blos auf die der Erde zunächst anliegenden Luftschichten an, während bei der astronomischen der Lichtstrahl die ganze Atmosphäre durchdringt. Für gewöhnlich wird angenommen, dass für die nämliche Niveaufläche der Lufthülle auch die Dichtigkeit konstant ist, und da dem in der Wirk- lichkeit so zu sein pflegt, so tritt der Strahl aus der durch den Licht- punkt, den Punkt des Auges und den Mittelpunkt der Erde gelegten Ebene im Allgemeinen nicht heraus. Nur selten wird diese normative Anordnung der atmosphärischen Dichtigkeit gestört, so dass der Licht- strahl auch eine seitliche Ablenkung erfährt. Fig. 32. Vorläufig möge hiervon abgesehen werden. Der Einfachheit wegen nehmen wir die Niveauflächen der Atmosphäre in Fig. 32 sämmt- lich als koncentrische Kugelflächen an, deren gemeinsamer Mittelpunkt mit dem Mittelpunkt C der Erde zusammenfällt. Die Aenderung der Dichte erfolgt in der Natur freilich nicht sprung- weise, sondern kontinuirlich, doch wird es für unsere Zwecke genügen, die Dichte als für den zwischen je zwei Flächen der Figur gelegenen Kugelring konstant vorauszusetzen. HZ sei in der Figur ein Quadrant der scheinbaren Himmelskugel, Z das Zenit, S ein Stern, dessen Zenitdistanz somit gleich ZS ist. Ein von 8 kommender Lichtstrahl trifft die Grenzfläche der Atmosphäre in A, und wird von hier folgeweise nach A,, A,, A,, A,, A, so gebrochen, ed se III, $. 2. Strahlenbrechung in der Atmosphäre. 125 dass er zuletzt, geradlinig fortgehend, in A das Auge des Beobachters trifft *). Letzterem scheint mithin der Strahl aus jenem Punkte S, der Himmelskugel zu kommen, in welchem dieser die verlängerte AA, begegnet. Offenbar ist arceS, Z>arc SZ: Die Refraktion ver- srössert die Zenitdistanzen. Ihr Betrag verringert sich mit wachsender Höhe und wird im Zenit selbst gleich Null. Stellen wir uns jetzt die Anzahl der Ortsflächen gleicher Dichtig- keit als in’s Unendliche wachsend vor, so geht unsere gebrochene Linie A,A,... A meine Kurve von einfacher Krümmung über, in die sogenannte Refraktionskurve. In diesem Sinne gehört dieselbe, von ihrer physikalischen Bedeutung abgesehen, der reinen Geometrie an; Grunert’s korrekte, wenn gleich stylistisch nicht musterhafte Definition lautet folgendermassen [10]: Eine Refrak- tionskurve heisst jede Kurve von solcher Beschaffenheit, dass man das von einem gegebenen Punkte auf ihre Be- rührende in einem beliebigen ihrer Punkte jederzeit erhält, wenn man eine blos von der Entfernung dieses letzteren Punktes vom festen Punkte abhängende Funktion mit einer Grösse multiplieirt, welche für dieselbe Refractionskurve konstant ist, für verschiedene Refraktionskurven aber ihren Werth ändert.“ Die Differentialgleichung der Refraktionskurve ward von Laplace |l1] so exakt entwickelt, dass sie, nach v. Bauern- feind’s Ausdrucke [12], „für alle Zeiten feststeht“; die Integration vermochte aber der grosse Mathematiker nicht zu leisten, da zu dieser gewisse Voraussetzungen über die physische Konstitution erfordert werden, welche der damaligen Zeit noch mangelten, und selbst die _ unter dem analytischen Gesichtspunkte ausgezeichnete Schrift von Kramp [13] vermochte physikalisch nur insoweit zu befriedigen, als die Horizontalrefraktion in Frage kam. Jene Sätze über Temperatur und Druck in höheren Luftschichten, deren Auffindung durch v. Bauern- feind in $. 4 des ersten Kapitels erwähnt ward, ermöglichten dem Letzteren |14] eine Integration der Gleichung durch schnell konver- sirende Reihen und damit eine so gründliche, definitive Lösung des Refraktionsproblemes, dass die nach seinen Schlussformeln berechneten Zenitdistanzen selbst für das Intervall 85° bis 90° Werthe ergaben, welche bis auf wenige Sekunden mit den aus den Bessel’schen Tafeln entnommenen übereinstimmten. Vorher, ehe man es zu dieser Vollkommenheit gebracht hatte, hielt man sich an die Regel von Simpson [15] und an die aus jener hergeleitete Regel von Bradley-Lalande [16]: Die Refraktionen verhalten sich, wie die trigonometrischen Tangenten der um die dreifache Refraktion verminderten scheinbaren Zenit- ®) Das von Snellius — und nach P. Kramer's objektiver Urkunden- prüfung [9] wohl auch ebenso selbstständig von Cartesius — entdeckte Licht- brechungsgesetz, das Fundament der ganzen meteorologischen Optik, besagt: Geht aus einem minder dichten Medium ein Lichtstrahl in ein dichteres über, so wird er nach dem im Einfallspunkte auf der Trennungsfläche errichteten Loth hin gebrochen, so zwar, dass, wenn « und ß die Winkel zwischen Strahl und Perpen- dikel vor und nach der Brechung bedeuten, die Relation sin« = usinß statt- findet. u ist der für zwei bestimmte Substanzen konstante Brechungsindex oder Brechungsexponent. Die Radien CA,, CAa, CAz, CAy, CA;, CA, sind sämmtlich zugleich auch die Einfallslothe. 126 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. distanzen. Hennert gab [17] die allgemeine Formel, aus welcher diese Vorschrift durch allerdings ziemlich weitgehende Vernachlässi- gungen sich ergiebt. Weiter uns an diesem Orte mit der vertikalen astronomischen Refraktion zu beschäftigen*), sehen wir keine Ver- anlassung, nur möchten wir noch für die terrestrische Refraktion nach Weyer die den methodischen Weg klarlegende Bemerkung hinzu- fügen [18]: ‚Bestimmen lässt sich die terrestrische Refraktion sehr einfach, wenn man die gegenseitigen Zenitdistanzen zweier terrestrischer Signale beobachtet hat, welche in bekannter Entfernung von einander sind. Die Betrachtung des Dreieckes, welches die beiden Lothlinien und die Verbindungslinie der Oerter bilden, zeigt, dass die Summe der beobachteten Zenitdistanzen 180° betragen müsste, vermehrt um den Winkel, welchen die Lothlinien der beiden Oerter mit einander machen. Statt dessen findet sich in der Regel diese Summe etwas kleiner, und der Unterschied ist die reine Wirkung der terrestrischen Refraktion, wenn beide Beobachtungen gleichzeitig waren. Delambre fand aus 17 Beobachtungen die terrestrische Refraktion des Meeres- horizontes — 0,0783 — !ı2as, welches mit dem Lambert’schen Werthe !ıs also nahe übereinstimmt.“ Die besten neueren Be- stimmungen lieferte v. Bauernfeind [19]. Die terrestrische Refraktion bewirkt bekanntlich, dass die Bilder der dem Horizonte nahe befindlichen Gegenstände, wenn man letztere durch ein Fernrohr anvisirt — ja, unter Umständen sogar für die Beob- achtung mit unbewaffnetem Auge — in ununterbrochenem Schwanken sich befinden. Huygens [20] machte die erste dahin zielende Beob- achtung bekannt, später stellte Brandes am Jahde-Busen sorgfältige Beobachtungen an, deren Ergebniss war, dass ein entferntes Blickziel, etwa ein Kirchthurm, im Laufe eines Tages einmal von unten nach oben, einmal von oben nach unten, durch das Gesichtsfeld seines stabil aufgestellten Teleskopes hindurchpassirte [21]. Als Sabler im Vereine mit Fuss die Niveaudifferenz zwischen schwarzem und kaspischem Meere zu ermitteln hatte, nahm er die Gelegenheit wahr, den periodischen Charakter des Erzitterns der Bilder zu erforschen und die Stunden des relativen Maximums wie Minimums der Oscillation zu bestimmen [22]. Natürlich erwiesen sich dieselben als Funktionen des Erwärmungs- zustandes der Luft. Die Erscheinungen, von welchen wir reden, können sich natürlich sehr komplieiren, wenn die gleich jetzt zu er- örternde Lateralrefraktion und die später zu besprechende Luftspiege- lung hinzutreten. Schon vor 200 Jahren — nähere geschichtliche Nachweisungen hat der Verfasser schon bei einer früheren Gelegenheit gegeben [23] — hatte man bemerkt, dass unter Umständen, wenn nämlich die Niveau- flächen an verschiedenen Orten eine verschiedene Dichte besitzen, der Lichtstrahl bei’'m Durchwandern der Atmosphäre in eine Kurve doppelter Krümmung verzerrt werden kann. Dass die hiedurch *) Es leuchtet ein, dass die astronomische Refraktion nicht etwa eine Ver- dehnung, sondern ganz direkt eine Kontraktion des scheinbaren Halbmessers von Sonne und Mond bewirkt, die sich bis auf 5 oder 6 Bogenminuten steigern kann. Es ist somit. wie schon oben bemerkt, unzulässig, die Strahlenbrechung für die auf Gesichtsirrthümern beruhende Vergrösserung dieser Himmelskörper verant- wortlich zu machen. III, S. 3. Das Funkeln der Sterne. 17 entstehende laterale Refraktion ein Objekt nicht unwesentlich zu verschieben vermag, stellte zuerst F. Pfaff durch längere Beobachtungen fest |24], und Geodäten, wie Sonderhof [25] und A. Fischer [26], sahen die Nothwendigkeit ein, die Erscheinung im Interesse der Grad- messungsarbeiten in sorgfältige Erwägung zu nehmen. Zum Glücke ergaben v. Bauernfeind’s Messungen an der bayrisch-sächsischen Grenze, dass der Einfluss der Lateralabweichung auf Höhenwinkel- messungen nur ganz selten ein belangreicher ist [27]. Durch v. Bauernfeind ist, wie wir sahen, der Nachweis ge- führt worden, dass die Kenntniss der Strahlenbrechung zu Gunsten allgemein-atmosphärologischer Forschungen verwerthet worden. Hartel ist auf der hiedurch vorgezeichneten Bahn weiter vorgeschritten, indem er sich bemühte, durch Messung von Zenitdistanzen Aufschlüsse über die Abnahme der Temperatur nach oben zu erhalten [28]. Allerdings hat, soweit die höheren Luftschichten in Betracht kommen, v. Op- polzer, der sich in einer sehr inhaltreichen Gelegenheitsschrift [29] über den Stand dieser Fragen verbreitet, nur wenig Hoffnung auf Erfolg; die Astronomie werde in diesem Punkte stets mehr auf die Meteoro- logie, als umgekehrt die Meteorologie auf die Astronomie angewiesen sein. Ein anderes sei es dagegen betrefis der unteren Luftschichten, deren Temperaturzustand die Differentialgleichung n —9—-.kp’(t,—t,) recht genau darstelle. t bedeutet darin die Temperatur, p die Dichte der Luft, t, die momentane, t„ die mittlere T’emperatur des Jahres für den betreffenden Ort, « wie k je eine (lokale) Konstante, während s astronomisch, d. h. eben durch Refraktionsbeobachtungen an weit vom Zenit abstehenden Sternen, sich bestimmen lassen zu wollen scheint. S. 3. Das Funkeln der Sterne. Unter diesem Namen werden in der Vulgärsprache gewöhnlich zwei verschiedene Erscheinungen zu- sammengefasst, welche auf verschiedenen Ursachen beruhen, und deren Auseinanderbaltung erst seit A. v. Humboldt [30] den Fachmännern seläufig geworden ist. Von allen Sternen, Planeten wie Fixsternen, scheinen Strahlen auszugehen, und diese sind ein so charakteristisches Merkmal, dass, wie Humboldt (a. a. O.) bemerkt, schon auf den altägyptischen Denkmälern die Gestirne mit diesem Attribute ausge- rüstet erscheinen. Diese Strahlen, die 5 bis 6 Minuten Länge er- reichen und wesentlich bewirken, dass kleine Sterne in der Nachbar- schaft von hellen überglänzt werden*), werden von Humboldt nach Hassenfratz als Brennlinien auf der Krystalllinse des Auges er- klärt [|32]**). Anders verhält es sich mit dem Funkeln oder Glitzern der Sterne (Scintillation). Dasselbe wird nur an den Fixsternen, an *) Humboldt theilt nach Erzählungen P. H. L. v. Boguslawski’s in- teressante Details über die Sehschärfe mancher Menschen mit [31]. welche sogar mit freiem Auge die Jupiterstrabanten trotz der überglänzenden Strahler des Hauptplaneten zu erkennen vermochten. ##) Lichtstrahlen, die an eine spiegelnde oder brechende Fläche gelangen, vereinigen sich nachher nur ausnahmsweise in einem Brennpunkte; gewöhn- lich bilden die zurückgeworfenen und gebrochenen Strahlen Brennlinien resp. Brennflächen (Katakaustik. Diakaustik). 128 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. den Planeten so gut wie gar nicht beobachtet; insbesondere ist nicht nur die Unruhe des Sternenlichtes, sondern auch der Umstand auf- fallend, dass selbst von Objekten, die nachweislich nicht zu den farbigen Sternen gehören, blaue, grüne und rothe Strahlen auszugehen scheinen. Arago hat in seinem Aufsatze „Des causes de la scintillation des etoiles,* welchen er für das Reisewerk seines Freundes Humboldt schrieb [33], dieses Strahlenblitzen auf das Interferenzprincip zurück- seführt. Die Fixsterne stellen sich bekanntlich auch unter den schärfst vergrössernden Fernröhren nur als untheilbare Punkte dar, die ver- schiedenen Lichtstrahlen, welche von einem solchen Punkte ausgehen, erleiden, da sie Luftschichten von verschiedener Zusammensetzung zu durchwandern haben, Verzögerungen von ungleicher Grösse, und es muss sich deshalb ihre Wirkung auf das Auge nach den Grundsätzen der Vibrationstheorie entweder verstärken oder aufheben, je nachdem der Gangunterschied ein gerades oder ungerades Vielfaches der halben Wellenlänge ausmacht. Der Stern sendet weisses, d. h. aus allen Farben zusammengesetztes Licht aus, und in dem Augenblicke, in welchem die rothen Strahlen sich vernichten, können die Umstände etwa für das kräftigere Auftreten der grünen oder blauen Strahlen güustig liegen, so dass auch der Farbenwechsel erklärt ist. Die Planeten im Gegentheile erscheinen als Scheiben von messbarem Durchmesser, jeder Punkt dieser Scheiben sendet für sich Lieht aus, und das Funkeln all’ dieser Punkte bringt in Wirklichkeit die gegenseitige Neutralisirung zu Stande. Je ruhiger die Luft ist, wie z. B. zwischen den Wende- kreisen, um so weniger lebhaft tritt das Phänomen der Seintillation hervor. Am eifrigsten gab sich der belgische Meteorologe Montigny dem Studium der Erscheinung hin. Er konstruirte [34] das Scintillo- meter, einen Apparat, welcher das Fernrohrbild eines Sternes in die schnellste Rotation versetzt, so dass es wie ein Lichtring aussieht, und zählte dann die in einer gegebenen Zeit in diesem Ringe ein- tretenden Farbenwechsel, welche ihm ein Maass für die Stärke der Scintillation lieferten. Durch Anwendung des Dufour’schen Satzes, dass die Scintillation dem Produkt aus der Dicke der von den Strahlen durchlaufenen Luftschicht und aus der der Höhe entsprechenden Refraktion gleich sei, machte Montigny seine 600 Secintillometerbeob- achtungen an 41 Fixsternen homogen, reducirte letztere auf die ge- meinsame Zenitdistanz von 60° und stellte so fest, dass die vier Fix- sterntypen von Secchi (I. Band, S. 46 ff.) auch in Bezug auf das Funkeln sich geltend machen, sowie dass jene Sterne am wenigsten funkeln, deren Spektrallinien am zahlreichsten und zugleich recht deutlich zu unterscheiden sind (vgl. auch Abth. IV, Kap. IV, $. 1). 8. 4. Das Schwanken der Sterne. Hierauf lenkte anscheinend A. v. Humboldt zuerst die Aufmerksamkeit der Beobachter, indem er berichtete, dass er am 22. Juni 1799 am Abhange des Pikes von Teneriffa tief stehende Sterne in einer ganz wunderbaren Bewegung gesehen habe [35]; dieselben stiegen in die Höhe, bewegten sich seit- wärts und fielen wieder auf ihren ursprünglichen Platz zurück. Fünfzig Jahre später machte der bekannte Reisende Prinz Adalbert von Preussen ebendort eine ganz analoge Wahrnehmung. Die 'T'hat- sache scheint ausser Zweifel zu stehen, da sie nach Flesch am IH, $. 5. Die Durchsichtigkeit der Luft. 129 20. Januar 1881 zu Trier am Sirius von mehreren Zeugen beobachtet wurde [36]. Auf eine endgültige Sacherklärung wollte sich Humboldt nicht einlassen, doch konnte er es sich (a. a. O.) nicht versagen, zum wenigsten die folgende Andeutung zu machen: ‚‚Gehörte diese Ortsveränderung zu der so viel bestrittenen lateralen Strahlenbrechung? Bietet die wellen- förmige Undulation der aufgehenden Sonnenscheibe, so gering sie auch durch Messung gefunden wird, in der lateralen Veränderung des be- wegten Sonnenrandes einige Analogie dar?‘ Der grosse Naturforscher versichert zwar, selber niemals das Geringste von einer solchen Lateral- refrakiion wahrgenommen zu haben, allein in $. 2 dieses Kapitels mussten wir uns überzeugen, dass eine solche allerdings vorhanden ist. Es kommt uns deswegen auch nicht unwahrscheinlich vor, dass der Hum boldt’sche Erklärungsversuch für das Sternschwanken das Richtige treffe. Eine ausführliche Studie besitzt man hierüber von dem Astro- nomen Schweizer |37]. S. 5. Die Durchsichtigkeit der Luft. Der Luft kommt die Eigen- schaft der Durchsichtigkeit oder Diaphanität in hohem, jedoch nicht im absolutesten Maasse zu, die Malerei ist seit langer Zeit mit jener Wirkung der unvollständigen Durchsichtigkeit der Luft vertraut, auf welcher die Luftperspektive beruht. Die Araber prüften, wie Kazwini meldet [38], an dem Sterne Alcor im grossen Bären die Sehkraft ihrer Augen, Humboldt aber suchte in dessen Sichtbarkeit ein Maass für die Durchlässigkeit der Atmosphäre für Lichtstrahlen zu gewinnen [39], da er denselben in Südamerika, so niedrig auch das Sternbild stand, jederzeit, in Europa und in den asiatischen Steppen dagegen nur ganz selten erblicken konnte. Wie schon in Kap. 1,8. 2 andeutungsweise bemerkt ward, ist der Durchsichtigkeitsgrad der Luft wesentlich durch die in ihr enthaltenen Fremdstoffe bedingt: Staub vermindert, Wasserdampf erhöht ausserordentlich die Durchsichtig- keit*). Die Rolle, welche das atmosphärische Wasser spielt, bedarf noch weiterer Aufklärung. Nach Clausius, an dessen Arbeit wir uns hier, wie auch in anderen Theilen dieses Kapitels, gerne anlehnen [40], wird das Sternenlicht bei’'m senkrechten Durchgang durch die irdische Lufthülle etwa um ein Viertheil seiner ursprünglichen Intensität ge- schwächt. In südlichen und kontinentalen Gegenden ist die Luft am reinsten; Olivarius erzählt [41], dass man in Persien des Nachts einigermassen grobe Schrift lesen könne, und Humboldt konnte im Gebirge von Quito seinen Begleiter Montufar an seinem weissen, vor schwarzen Basaltwänden sich hinbewegenden Mantel auf eine Entfernung von etwa 9 km ohne Fernrohr erkennen [42] **). *) Nicht ohne Grund betrachtet es deshalb das Volk als ein Vorzeichen des Regens, wenn entfernte Gebirge sich mit ungewöhnlicher Klarheit dem Auge darstellen; es liegt eben dann stets eine grosse Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass die Atmosphäre sehr stark mit Wasserdampf geschwängert ist. **) Humboldt erörtert (a. a. 0.) eingehender die Bedingungen, unter welchen entfernte Gegenstände gerade in die Sichtbarkeitsgrenze fallen; einerseits gehört die Frage allerdings in die Geophysik, da eben die variable Lichtabsorption der Atmosphäre mit im Spiele ist, andererseits aber muss sie von der physiologischen Optik beantwortet werden. Wie der Verf. nachwies [43], muss auch Derjenige sich mit dem Gegenstande beschäftigen, der sich für alt- Günther, Geophysik. II. Band 9 130 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Auf messende Versuche drang zuerst unser Landsmann Lichten- berg [44], wie aus einer bisher unbeachteten Stelle seiner hinter- lassenen Schriften hervorgeht. Ohne dieser Anregung theilhaftig geworden zu sein, konstruirte Saussure [45] sein Diaphanometer; von zwei ungleichen Tafeln enthielt die eine einen schwarzen Kreis von zwei Fuss, die andere einen schwarzen Kreis von zwei Zoll Durch- messer, die Kreise waren von gleichbreiten weissen Ringen umgeben, während der übrige Raum mit Grün angelegt wurde. Der Beobachter entfernte sich von den neben einander gestellten Tafeln und zeichnete auf, wann (— zuerst der kleine, dann der grosse -—-) die beiden Kreise seinem Gesichte entschwanden. Ohne die zwischenliegende Luft hätten sich die Entfernungen wie 1:12 verhalten müssen, durch die Absorption wurde dieses Verhältniss ın 1:11,27 verwandelt. Thhatsächlich konnte auf dieses einfache Verfahren keine so genaue Messung begründet werden, wie auf dasjenige Bouguer’s, der photometrisch die Lichtstärken des Vollmondes im Horizont und Meridian bestimmte und aus der Differenz auf den Absorptionsverlust schloss. Indess hat v. Schlagintweit [46] die Methode nicht unerheblich vervollkommnet. Er suchte nämlich die als Durchsichtigkeitskoefficient bezeichnete Zahl auf, welche angiebt, welcher Bruchtheil einer als Einheit aufgefassten Lichtmenge dann noch vorhanden ist, wenn das Licht durch eine Luftschicht von der Mächtigkeit 1 hindurchgegangen war. Weiss und Schwarz in Saussure’s Diaphanometer wurden mit einander vertauscht. Sendet dann die kleine Scheibe aus der Entfernung | und im vorausgesetzten luftleeren Raume die Lichtmenge i in’s Auge, so ist 1=(i. a°) : e? die Lichtmenge, welche die Scheibe zusendet, wenn sie in der Entfernung e aufgestellt ist, und wenn a jenen Koefficienten bedeutet. Ist ferner d der Diameter der kleinen, D derjenige der grossen Scheibe, so ist die Lichtmenge L, welche unter sonst gleichen Verhältnissen die grosse Scheibe aus der Entfernung E dem Auge übermittelt, gleich (D’.i.a®):d’.E?. Diess gilt allgemein; wenn jedoch |], und E, jene Distanzen sind, für welche der kleine und der grosse Fleck dem Beob- achter gerade verschwinden, so ist 1=L, also i.aa Draıiyan Ed =— — 9 —g er a br Dre Bringt man an dem Resultate noch eine Korrektion an, durch welche dem Faktum Rechnung getragen wird, dass bei’'m Akkomodiren auf nahe Gegenstände unsere Pupille sich verengert, so folgt aus v. Schlagint- weit’s in Höhen zwischen 600 und 700 m angestellten Beobachtungen. a — 0,9029. Etwa !ıo der Lichtstärke geht sonach durch die Ab- sorption der Atmosphäre verloren. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass das experimentelle Prineip, an welches Saussure und v. Schlagintweit sich hielten, völlig dasselbe ist, welches dem bekannten Flecken-Photometer von 3unsen zu Grunde liegt. Nicht minder merkwürdig ist aber, dass. De la Rive und Wild bei ihren sofort — nach J. Müller [47] — Jüdische und rabbinische Astronomie und Chronologie interessirt, da das Kalender- wesen des hebräischen Volkes in erster Linie mit dem Zeitpunkte der Sichtbarkeit der jungen Mondessichel rechnete. III. $. 6. Die allgemeine Tageshelle. 131 zu schildernden Bestimmungen des Durchsichtigkeitskoefficienten wesent- lich in dem Sinne verfuhren, nach welchem das in jedem Lehrbuch der Experimentalphysik zu findende Photometer von Ritchie ange- ordnet ist. Zwei Fernröhre mit gemeinsamem Okular. sind so eingerichtet, dass man die Bilder der Gegenstände, nach welchen die Fernrohraxen gerichtet sind, dicht neben einander erblickt, während als Vergleichs- objekte zwei weiss gefärbte Schirme dienen. In das Okular blickend, sieht man zwei Bilder, die im Allgemeinen von verschiedener Lichtstärke sind. Diaphragmen, welche vor die Objektive gebracht werden können, gestatten die Helligkeit beider Bilder genau gleich zu machen. Aus dem Verhältnisse der Objektivöffnungen kann man dann auf das Verhältniss der beiden Schirmen zukommenden Hellig- keiten schliessen. Wild hat die Vorrichtung durch Anwendung der von ihm schon mehrfach instrumentell angewendeten polaristrob.o- metrischen Methode*) umgestaltet und die Präcision der Messung dadurch auf’s Höchste gesteigert. Er fand a = 0,434, woraus zu schliessen, dass in den tiefer gelegenen Luftschichten die Absorption eine bei weitem stärkere ist, als in den höheren, auf welche v. Schlagintweit’s Koefficient sich bezog. Auch ist der Durchsichtigkeitskoefficient verschieden für Strahlen von ungleicher Brechbarkeit, und zwar scheint er derselben eher umgekehrt, als direkt proportional zu sein. S. 6. Die allgemeine Tageshelle. Die Luft absorbirt, wie wir jetzt wissen, einen Theil des durch sie hindurchpassirenden Lichtes, ein weit grösserer aber wird von der Atmosphäre reflektirt |50]; ohne solche Reflexion würde die Sonne grell glänzend auf tiefschwarzen Hintergrund projicirt erscheinen. Das diffuse reflektirte atmo- sphärische Licht bedingt die Tageshelle. Gäbe es ein Mittel, dieses Licht für gewisse Partieen des Firmamentes zu beseitigen oder doch recht erheblich abzuschwächen, so müsste die Folge die sein, dass dasselbe dunkel erschiene, und dass die Sterne auch am hellen Tage sichtbar wären. Bislang sind solche Mittel aber noch nicht an die Hand gegeben worden **). | Indem Clausius die photometrische Schätzungsmethode von Bouguer und Lambert weiter ausbildete, fand er (a. a. O.) für ver- schiedene Theile des Himmelsgewölbes die in der nachfolgenden Tabelle verzeichneten Werthe: *) Das Wesen dieser Methode besteht darin, dass zwei Polarisatoren in gekreuzter Stellung vor das Auge gebracht werden. Eine sehr ausführliche Monographie darüber hat Lippich geschrieben [48]. Insbesondere leitet der- selbe auch eine neue Regel zur Bestimmung der Lichtintensität im Gesichtsfelde her [49]. 2 A. v. Humboldt hates sich viele Mühe kosten lassen, der vagen, aber oft gehörten Behauptung auf den Grund zu kommen, dass man aus tiefen Schachten oder Brunnen heraus die Sterne auch am Tage gesehen habe, alle Umfragen waren jedoch erfolglos [51], vielleicht einen einzigen Fall ausgenommen. Auf dem Gipfel hoher Berge soll es sich nach Saussure [52] ähnlich verhalten. allein Hum- boldt, Bonpland, Boussingault, A. und H. v. Schlagintweit haben sämmtlich nur negative Ergebnisse in dieser Richtung erhalten. 132° Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Zenitdist. d. Menge des dir. Sonnenl. Menge des dir. Sonnenl. Menge des vom ganzen Sonne | ohne atmosph. Schwächung | mit atmosph. Schwächung [Himmel kommenden Lichtes — | | 0° | 1,000 0.750 | 0.186 30 | 0.866 0.621 | 0.177 60 | 0.500 0,281 0.138 80 0.174 0.033 | 0.067 $. 7. Die Färbungen des Himmels. Bekanntermassen erscheint der nicht mit Wolken oder Nebeln bedeckte Himmel mehr oder minder intensiv blau gefärbt. Wie diese Färbung zu Stande komme, ist selbst heute noch nicht völlig erklärt, obwohl man seit geraumer Zeit schon die Frage erörtert hat. Schon vor nahezu 170 Jahren erschien darüber ein in seiner Art sehr verdienstliches Buch von Funck [53], welches vor Kurzem erst durch Hellmann einer unwürdigen Vergessenheit entrissen wurde [54]. Messungen über den koloristischen Charakter des Firmamentes sind zuerst von Saussure angestellt worden; der- selbe hatte nämlich, wie W olf berichtet, bei seiner berühmten Montblanc- besteigung eine Pigment-Skale bei sich [55], welche sich gut bewährte und ihn auf die Idee brachte, einen förmlichen Messapparat herzu- stellen. Andere folgten ihm nach, und heute sind drei verschiedene Apparate zu diesem Zwecke im Gebrauche*). a) Saussure's Kyanometer. Eine Kreisplatte ist in 51 Sektoren getheilt, deren jeder mit einem blauen Pigment ausgefüllt ist. Der Sektor 1 ist völlig weiss, Sektor 51 dunkelschwarzblau. Der Beob- achter stellt die Vergleichung nach dem Augenmaasse an. Die Himmels- farbe, von der Spitze des Montblanc aus betrachtet, entsprach dem Sektor 39. A. v. Humboldt hatte ein solches Kyanometer in Süd- amerika bei sich und konstatirte damit, dass die Himmelsbläue sich vermehrt, je mehr man von der Küste eines Festlandes gegen das Innere fortschreite. Prevost kam zu leidlich stimmenden Zahlen, als er versuchte [56] den einer bestimmten Zenitdistanz z entsprechen- den Kyanometergrad k durch die Relation k = A — B sec z dar- zustellen. b) Parrot’s Kyanometer, zum Unterschiede von dem vorigen auch Rotationskyanometer genannt**). Im Wesentlichen ein mit Rota- tionsvorrichtung versehenes Saussure’sches Instrument, doch sind die Sektoren zum Abheben und zum Aufsetzen auf eine schwarze oder weisse Scheibe eingerichtet. „Aus der Anzahl der blauen Scheiben, die man auf die weisse oder die schwarze Scheibe bringen muss, um eine dem Blau des Himmels gleiche Färbung zu erhalten, kann man auf den Grad derselben schliessen.“ c) Arago’s Polarisationskyanometer. Doppeltbrechende Kalkspath- plättchen zeigen bei bestimmter Dicke im polarisirten Lichte eine blaue Färbung, welche sich Arago zum Vergleichsobjekte ausersah. In seiner brieflich an Humboldt übermittelten Beschreibung schildert *) Biot’s „Colorigrade“ nahmen wir aus, weil diese Vorrichtung zum terrestrischen Gebrauche bestimmt und wohl niemals noch in der meteorologischen Optik zur Verwendung gelangt ist. **\ Unser Citat ist dem Müller’schen Werke [57] entnommen. II. $S. 7. Die Färbungen des Himmels. 133 Arago den Gebrauch des Werkzeuges |58], eines in einer Röhre („pile“) eingeschlossenen und mit ersterer um eine horizontale Axe drehbaren Polariskopes: „La couleur bleue fournie par l’instrument va en augmentant avec l’inclinaison de la pile, et l’on arrete lorsque cette couleur parait Ja m&me que celle de la region de l’atmosphere dont on veut determiner la teinte cyanometrique, et qu’on regarde & l’oeil nu immediatement & cöte de l’instrument.“ Die praktische Seite sei hiemit erledigt; es erhebt sich aber jetzt die Frage, wie denn überhaupt das Himmelsblau zu Stande komme. Hier sind im Ganzen fünf verschiedene Hypothesen zu unterscheiden; der rationellsten unter ihnen weisen wir die letzte Stelle an. a) Lionardo da Vinci’s Hypothese. Goethe hat dieselbe auf- genommen und mit seinem Geiste durchdrungen [59]. Blau erscheint nach seinen farbentheoretischen Grundsätzen da, wo das Dunkle durch ein trübes Mittel angeschaut wird, Roth da, wo Licht sich hinter einem trüben Mittel befindet. Deshalb muss die an sich dunkle Tiefe der Himmelsräume blau, die untergehende Sonne roth erscheinen. Die Anhänger von Goethe’s Farbenlehre dürften heutzutage wohl zu zählen sein. b) Muncke’s Hypothese. Das Blau des Himmels soll eine rein subjektive Farbe sein und mit dem wirklichen Verhalten der Natur gar nichts zu thun haben [60]. Muncke’s angeblich sehr schlagender Experimentalbeweis ward von Brandes widerlegt [61], und in der That liegt auch eine Verkennung mehrerer Umstände vor. e) Newton’s Hypothese. Clausius, der uns hier hauptsächlich zur Vorlage dient |62], bemerkt, dass Newton das von den in der Luft schwebenden Wasserbläschen reflektirte Licht als den maass- gebenden Faktor betrachtete. Die Lichtstrahlen interferiren und er- zeugen dadurch die verschiedenen Himmelsfarben. d) Forbes’ Hypothese. Dem schottischen Physiker zufolge |63] kommt Wasser in der Atmosphäre in drei verschiedenen Formen vor: in Gasform, in Bläschenform und in einem gewissen Uebergangs- zustande. Je nach dieser seiner verschiedenen physikalischen Be- schaffenheit lasse das atmosphärische Wasser nur diese oder jene farbi- gen Strahlen des diffusen Himmelslichtes durch. Wir haben gleich nachher noch einmal auf die Theorie von Forbes zurückzukommen. e) Die Weiterführung der Newton’schen Lehre durch Clausius. Dünne Plättchen reflektiren bekanntermassen das weisse Licht so, dass eine von dem Grade der Dicke abhängige Spektralfarbe entsteht. Hier- durch entstehen die sogenannten Newton’schen Farbenringe, deren Erforschung den grossen Mann seit 1675 beschäftigte [64]. Auch das hindurchgehende Licht erleidet Veränderungen, wennschon in gerin- gerem Grade. Clausius nimmt nun an, dass bei heiterem Wetter die Luftbläschen sehr dünnwandig sind und deshalb das von der Theorie geforderte blaue Licht zurückwerfen; wird die Luft feuchter, so treten an den schon vorhandenen und sich verdickenden Bläschen andere Farben hervor, aber es bilden sich auch gleichzeitig immer wieder neue Bläschen, welche Blau abgeben. Das sogenannte Blau der ersten Ordnung*) wird immer unbestimmter und verwandelt sich *) Legt man ein Glasstück von sehr geringer Krümmung auf eine Platte 134 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. zuletzt gänzlich in Weiss. Je mehr die Bläschen wachsen und sich verdicken, um so undeutlicher wird die Farbenmischung, und zuletzt tritt vollkommene Undurchsichtigkeit ein. J. Müller pflichtet dieser Darlegung der Hauptsache nach bei und meint nur, es sei das Hiromels- blau nicht sowohl ein einfaches, als vielmehr ein „potenzirtes* Blau der ersten Ordnung [65]. Wir sprachen bisher einzig und allein von der blauen, nicht aber auch von jener schönen rothen oder rothgelben Färbung des Himmels, welche man als Morgen- und Abendröthe kennt. Gerade um dieser Erscheinungen willen hat aber Forbes sein System sich gebildet. Der- selbe stand eines Tages neben einer Lokomotive, aus deren Sicher- heitsventil der Dampf energisch ausströmte, und als er zufällig durch den Dampf hindurch nach der Sonne blickte, sah er zu seinem Er- staunen dieselbe tief orangeroth gefärbt, doch fand diess, wie spätere Versuche lehrten, nur in nächster Nähe des Ventiles statt. Gerade in jenem Aggregatzustande, welchen der Wasserdampf bei’m Aus- strömen besitzt, schien derselbe also mit Vorliebe nur die Orange- Strahlen des Lichtspektrums durchzulassen,- und so glaubte Forbes annehmen zu dürfen, dass des Morgens und des Abends der atmo- sphärische Wasserdampf gerade in der zur Absorption der langwelligen Farbe geeigneten Verfassung sich befinde. Der Unterschied zwischen den Anschauungsweisen von Forbes und Clausius ist hiernach, näher besehen, kein grosser, denn jener Zustand, welchem die ganz dünnen Wasserkügelchen entsprechen, ist eben wirklich ein Zwischenzustand zwischen der reinen Gasform ohne Bläschen einerseits und der Nebel- form andererseits. Die Dämmerungserscheinungen werden uns nöthigen, an die hier vorläufig abzubrechenden Betrachtungen über Himmelsfarben wieder anzuknüpfen. S. 8. Das Wasserziehen der Sonne. Mit der Abendröthe häufig verbunden sieht man die sogenannten Dämmerungsstrahlen („rayons- er£pusculaires*). In der Luft schwebende Cumuluswolken erscheinen als durch Lücken unterbrochen, und durch diese Lücken brechen Sonnenstrahlenbündel mit grellem Glanze hervor. Im Volksmunde heisst es alsdann: Die Sonne zieht Wasser. Diese Strahlenbündel sind in Wahrheit unter sich parallel, ihre fächerförmige Ausbreitung ist nur eine Wirkung der Perspektive. Bei heiterem Wetter können die Dämmerungsstrahlen oft auch noch nach Untergang der Sonne deutlich gesehen werden („Buddah’s rays* in Ostindien). (ranz ungleich seltener beobachtet man das Wasserziehen nach dem Gegenpunkte der Sonne; Heis, der sich diese merkwürdige Erscheinung nicht entgehen liess |66|, weiss ausser spärlichen eigenen Wahrnehmungen nur noch zwei dahin zielende Beobachtungen von Groth und Carl namhaft zu machen. Der Grund für diese schein- und presst es durch Schrauben an diese an, so bilden sich um den Berührungs- punkt als Centrum koncentrische Farbenkreise, durch dunkle Ringe getrennt, sobald senkrecht Licht einfällt. Eine und dieselbe Farbe kommt, wenn schon in sehr verschiedenen Nuaneirungen, mehrfach vor, und so hat man sich zur Aus- einanderhaltung entschlossen, die Farben von innen nach aussen zu mit Ordnungs- zahlen zu belegen. III, $. 9. Die Polarisation des Himmelslichtes. 135 bare Anomalie ist jedoch ein ziemlich naheliegender: „Bildet das Himmelsgewölbe,* so drückt sich Heis (a. a. ©.) in der Kunstsprache der Perspektive aus, „gleichsam die Bildtafel, so ist der Konvergenz- punkt für die Lichtstreifen nach der Sonnenseite zu der Sonnenmittel- punkt selbst, dagegen für die der Sonne entgegengesetzten Streifen ein Punkt der Kugelfläche, welcher der Sonne in Bezug auf den Beobachter gerade gegenüber steht, der sogenannte Gegenpunkt des Sonnenmittelpunktes.*“ Wesentlich ähnlich lautete schon die Erklärung R. Smith’s. $. 9. Die Polarisation des Himmelslichtes.. Da das blaue Him- melslicht wesentlich reflektirtes Licht ist, so musste a priori erwartet werden, dass dasselbe theilweise polarisirt sei. Die Polarisation muss in jenen Theilen des Firmamentes, welche beinahe um einen Qua- dranten von der Sonne abstehen, am stärksten, in unmittelbarer Nähe der Sonne und ihres Gegenpunktes am schwächsten sein |67|. Die Polarisationsebene für Licht, das von einem bestimmten Himmelspunkte herkommt, geht durch diesen Punkt und zugleich durch das beobachtende Auge und durch das Sonnencentrum. Arago fand einen neutralen Punkt, 12° bis 25° vom Gegenpunkt auf, für welchen die Polari- sation ganz verschwindet, um sodann aus der senkrechten in eine horizontale überzugehen; Babinet fand einen zweiten derartigen Punkt, Brewster entdeckte einen dritten. Total ist die Polarisation nirgend- wo, weil das Nebenlicht zu sehr störend einwirkt; dieses Nebenlicht, welches immer vorhanden ist, da ja nicht die Sonne allein leuchtet, bedingt auch die Existenz der neutralen Punkte. Höchst eingehend werden alle einschlägigen Fragen von J. Mül- ler abgehandelt [68]; daselbst findet man auch eine Beschreibung der Polaruhr Wheatstone’s [69], einer geistreichen Spielerei, durch welche aus den wechselnden Polarisationsverhältnissen auf den Stand der Sonne und durch diesen wieder auf die Zeit geschlossen werden soll. Unserem obigen Gewährsmanne entnehmen wir auch die Nach- richt |70], dass nicht allein das Licht des blauen Himmels, sondern auch jenes Licht polarisirt ist, welches dem Erdboden zunächst anliegt. Ferne Gebirgszüge, bei'm momentanen Zustande der Atmosphäre kaum sichtbar, werden nicht selten nach Hagenbach-Bischoff ganz gut wahrnehmbar, sobald man ein Nicol’sches Prisma dem Okular des Beobachtungsfernrohres vorstellt. S. 10. Atmosphärische Linien im Sonnenspektrum. Wenn die Sonne nahe am Horizonte steht, so treten in ihrem Spektrum dunkle Linien und Bänder auf, welche man als durch die Lichtabsorption der Atmosphäre entstanden betrachten muss. Einer Andeutung von Zante- deschi Folge gebend, sind Brewster und Gladstone gemeinsam an das Studium dieser merkwürdigen Absorptionserscheinung herange- treten [71], und der Zweitgenannte hat ihr noch weiter eine wichtige Abhandlung gewidmet [72]. Die atmosphärischen Linien rühren, wie Janssen durch ein geschicktes Experiment dargethan hat [73], grossen- theils vom Wasserdampfe der Luft her, andere Absorptionspartieen scheinen dagegen auf die Einwirkung der Kohlensäure hinzudeuten. Auch treten nach Janssen diese Streifen auf hohen Bergen minder 136 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. intensiv auf, als in der Ebene; Näheres hierüber berichtet [74] Hennessey. En Wenn die Sonne sinkt, so verschwindet zunächst der violette Theil des Spektrums bis zur Linie G*), es treten Absorptions-Bänder und Linien in Roth und Gelb auf, welche sich mehr und mehr ver- dunkeln. Am längsten erhalten sich die helleren "Theile in Roth und Orange zwischen B und D, sowie die grüngelbe Partie links von &. Die mit namhaften Atmosphären behafteten Planeten, namentlich Mars und Jupiter, lassen in ihren Spektren die Erdlinien sehr ver- stärkt in die Erscheinung treten. Lehrreiche Untersuchungen hat auf diesem Felde besonders Secchi angestellt |75]. — Piazzi Smyth’s Behauptung, dass je nach der zu erwartenden Witterung verschiedene atmosphärische Linien regelmässig verschwänden, dass sonach das Regenband im Spektrum zu einer wichtigen prognostischen Rolle berufen sei, hat vermuthlich nur wenige Meteorologen zu überzeugen vermocht |[76|]. Bei dieser Veranlassung möge es gestattet sein, den Leser noch mit gewissen anderen atmosphärologisch-spektroskopischen Untersuchun- sen bekannt zu machen. Vogel hat durch Beobachtungen in süd- lichen Meeren [77] eruirt, dass Bunsen-Roscoe’s Satz, wonach die chemische Intensität des Sonnenlichtes mit der an Sonnenhöhe zu- und mit wachsendem Barometerstande abnehmen soll, nicht allge- mein gelte, indem selbst ein zarter Schleier von Dunstbläschen die Intensität des Lichtes beträchtlich ändere. Für eine Stadt-Atmosphäre ist die chemische Wirkung des Nachmittages allerdings geringer, als des Vormittages, für die Meerluft ergiebt sich aber das gerade Gegen- theil. Ferner hat Vogel das Licht der berühmten „Grotta azurra* auf Capri mit dem Spektroskope geprüft [78]. Die Luft steht aller- dings ausserhalb der Höhle mit der innen befindlichen in Verbindung, doch erwies sich wesentlich das aus dem Wasser kommende Licht als maassgebend. Das Roth desselben ist gänzlich ausgelöscht, das Gelb verblasst, Grün, Blau und Indigo sind sehr hell, die Linien E und b bilden einen einzigen dicken Absorptionsstreifen, wogegen die Linie D vollständig verschwunden ist. Sl Geometrische Theorie der Dämmerung. Wir tragen in diesem Paragraphen jene Ansichten über Dämmerung vor, welche im Keime schon bei den Optikern des Alterthums und Mittelalters zu finden sind, späterhin von Lambert [79] zu einem in seiner Art höchst achtungswürdigen Systeme zusammengefasst wurden und auch in Clau- sius’ Darstellung |80] keine einschneidende Abänderung erfuhren. Die Behandlungsweise dieser Autoren ist eine mathematische, wogegen in der neuesten Zeit dieser formalen oder — nach v. Bezold’s mehrfach gebrauchtem Ausdrucke — schematischen Theorie eine physikalische Analyse des Dämmerungsprocesses zur Seite gestellt ward. Da die I‚ambert’sche Theorie aber eben doch die feste Grundlage für alle *) Wie schon früher, sei auch jetzt daran erinnert, dass die einzelnen dunklen Linien des Spektrums schon von ihrem Namengeber Fraunhofer durch grosse lateinische Buchstaben bezeichnet worden sind; später musste man kleine lateinische und griechische Buchstaben und schliesslich sogar Ordnungszahlen hinzunehmen. II. $. 11. Geometrische Theorie der Dämmerung. 137 tiefer eindringende Forschung darbietet, so ziehen wir es vor, uns für’s Erste mit ihr allein zu beschäftigen, alle weiteren Nachweisungen aber an die Charakterisirung gewisser spezieller Erscheinungen anzuknüpfen, deren Studium jenen Fortschritt geradezu bedingte. Wenn es keine Atmosphäre gäbe, so würde nach dem Unter- gange der Sonne keine gleichmässige Abnahme der Helligkeit eintreten, vielmehr würde mit dem Augenblicke, in welchem der oberste Sonnen- rand unter den Horizont hinabrückt, absolute Dunkelheit sich über die Erde verbreiten. Dem wirkt die sogenannte Dämmerung ent- gegen. Die bürgerliche Dämmerung dauert solange, bis die Sterne erster Grösse am Himmel deutlich sichtbar werden, die astronomische Dämmerung ist zu Ende, wenn auch die kleinsten für das unbe- waffnete Auge noch erkennbaren Sterne sich bemerkbar machen. Das Aufhören der beiden Kategorieen von Dämmerung entspricht bezüg- lich einer Sonnenhöhe von — 6° und von — 18°. Je höher die Breite ist, einen umso kleineren Winkel bildet die Sonnenbahn mit dem Horizont, umso länger dauert mithin die Dämmerung. Helle Nächte heissen diejenigen, für welche die Morgendämmerung sich unmittelbar an die Abenddämmerung anschliesst, wie denn unter 50° lat. die hellen Nächte vom 1. Juni bis zum 12. Juli reichen; schon in der Breite Stockholm’s macht sich die für die menschlichen Nerven so ungünstige Wirkung der hellen Nächte geltend, welche sich jenseits des Polar- kreises bis zur Unerträglichkeit steigert. Alle diese Fakta bringt be- reits der aus der Geschichte der Instrumentenkunde bekannte Portugiese Nunez (Nonius) in seiner Monographie über Dämmerung [81] vor, in welcher auch zuerst die später berühmt gewordene Aufgabe vor- gelegt wird: Für eine gegebene geographische Breite den Tag und die Dauer derkürzesten Dämmerungzu bestimmen*). Die oben angegebenen Grenzzahlen sind natürlich nur Durchschnitts- werthe und nicht für alle Erdgegenden gleichmässig gültig; so. will Bravais für Frankreich die obige Zahl 18° durch 16° ersetzt wissen [85]. Die ungleiche Durchsichtigkeit der Luft bedingt auch sehr ungleichförmige Reflexionsverhältnisse. Sehr kurz ist die Dämme- rung in Dalmatien und in Südamerika, in Cumana dauert sie nur wenige Minuten **). Verfolgen wir nun mit Lambert die Erscheinungen der Dämme- rung im Einzelnen, so sehen wir im Osten ein deutlich begrenztes dunkles Segment sich erheben, das sich allmählig bis über das Zenit *) Johann Bernoulli betrachtete diese Aufgabe als sehr schwierig und löste sie erst nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen [82]. Aber auch später schien doch wenigstens ein stattliches Aufgebot von Differentialrechnung zu ihrer Auflösung erforderlich, wie man aus R. Wolf’s Darstellung [83] ersehen kann, und es erregt deshalb Verwunderung, dass Stoll die Hauptformel sind = — sinßtg 9° (d Sonnendeklination, 8 Breite) durch die einfachsten Sätze der sphärischen Tri- ‚gonometrie zu gewinnen im Stande war [84]. Aus der Deklination die Zeit zu finden, hat natürlich keine Schwierigkeit mehr. **) Man darf sich deshalb nicht darüber wundern, dass trotz oder vielmehr gerade wegen der grossen Bedeutung, welche das jüdische Ritualgesetz auf die genaue Begrenzung gewisser Zeiten durch Lichteffekte legt (vgl. auch oben $. 5), die Ansichten der Talmud-Kommentatoren über die Begriffsbestimmung von „Zwie- licht“ und „Dämmerung“ weit aus einander gehen. So berichtet [86] Zucker- mann, einer der besten Kenner rabbinischer Mathematik und Naturlehre. 138 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. hin ausbreitet. Im Momente, wo dieses Segment den ganzen Himmel eingenommen hat, ist eigentlich das Ende der Dämmerung da. Lam- bert führte an einem bestimmten Tage (19. November 1759) auf Brander’s Sternwarte genau Buch und Rechnung über das Fort- schreiten der Dämmerung und gelangte dabei zu Ergebnissen [87], welche Clausius (a. a. ©.) kurz in eine Tabelle zusammendrängte: | Neg. Stunde | Min. |Sonnen- Beobachtete Thatsachen höhe | 4 26 | 0° 0° | Wirklicher Sonnenuntergang. 4 ' 29 033 | Scheinbarer (durch die Refraktion vergrösserter) Sonnen- | untergang. 4 ı 36 ı 134 | Erste Verdunklung des Osthimmels unmittelbar am Horizont. 5 ı 51556 | Moment, in welchem die Beschattung des Osthimmels das Zenit erreicht. 5 ı 19 |8 3 | Höhe des hellen Scheines am östlichen Himmel gleich 8°30°. 5 | 25 859 „ 2) ” ” „ D) b) „ 715. B) | 43 11 48 » )) ” „ ” n )) ” 8 45. 6 | 4 115 5 D) ” n » „ » „ „ 315. | Die sogenannte erste Dämmerung ist vorüber, wenn wegen der Erdkrümmung keine reflektirten Strahlen mehr direkt an den be- treffenden Ort gelangen können — man denke an das in $. 6 des ersten Kapitels durchgesprochene Problem des Alhazen. Solange noch durch zweimalige Reflexion Lichtstrahlen den Ort erreichen können, hat derselbe die zweite Dämmerung, und so giebt es theoretisch Dämmerungen von jeder beliebigen Ordnung. Schon die dritte Dämme- rung ist aber kaum noch in’s Auge fallend, während der Einfluss der zweiten nach Lambert’s Tafel noch recht wohl sich geltend macht; es würde sonst die Ausbreitung des dunklen Segmentes mit weit grösserer Geschwindigkeit vor sich gehen. Unmittelbar über dem sich ausbreitenden dunklen Segmente be- findet sich eine mehr und mehr zusammenschrumpfende farbige Schicht. Diess ist die sogenannte Gegendämmerung — nach Mairan „anticr&puscule“ —, auf deren Existenz der uns bereits bekannte Funck zuerst mit folgenden Worten aufmerksam gemacht hat [88]: „Non subsistunt colores crepusceulini in illa coeli parte, in qua sol oritur aut oceidit, sed et diffunduntur ulterius, imo non raro ad hori- zontem oppositum usque.“ Am Westhimmel ist während dessen das helle Segment aufgetreten. An Beobachtungen über die Einzel- heiten dieser wichtigen Unterarten des grossen Dämmerungsphänomenes mangelt es noch sehr, doch werden sich dieselben wohl bald mehren, nachdem v. Bezold [89] detaillirte Rathschläge über das bei’m Beob- achten nöthige Verhalten den Reisenden an die Hand gegeben hat. $. 12. Dämmerungserscheinungen im Hochgebirge. Das sogenannte Alpenglühen bot für v. Bezold die erste Veranlassung, die soeben erörterte schematische Dämmerungstheorie der griechischen und arabi- schen Geometer zu vervollkommnen [90]. Das Thatsächliche der pittoresken Erscheinung ist Vielen bekannt. Einige Zeit, ehe die Sonne unter den Horizont herabsinkt, beginnen die östlich vom Beobachter IiL, $. 12. Dämmerungserscheinungen im Hochgebirge. 139 gelegenen Berge sich mit einem röthlichen Farbentone zu überziehen, der allmählig an Intensität zunimmt und, wenn steile Felsböschungen oder Schneefelder vorhanden sind, in das eigentliche Glühen übergeht. Der von unten ansteigende Schatten deckt nach und nach die glühenden Partieen zu, und auch der röthlich schimmernde Osthimmel wird bald völlig grau. Inzwischen beginnen die Gipfel aber wieder schwach erleuchtet zu werden, und ihre Farbe verwandelt sich in raschen, ab- wechselungsvollen Uebergängen in das reinste Fleischroth. Etwa eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang zeigt sich dieses Nachglühen am stärksten entwickelt, ja es tritt sogar nicht selten — etwa wieder um eine halbe Stunde später — ein zweites mattes Nachglühen ein. Für einzelne Alpengegenden ist die Aufeinanderfolge dieser Erschei- nungen eine sehr regelmässige, so z. B. im Chamounix-Thale*), wo sich die Einwohner für die Hauptphasen die folgenden Bezeichnungen gebildet haben: ‚coloration brillante‘, ‚‚teinte cadavereuse‘“, ‚‚resur- rection“, „extinction“. Der Name Leichenfarbe kommt übrigens auch im Deutschen vor. Aus den langjährigen Beobachtungen von R. Wolf geht hervor [92], dass dem Beginne der fünf Erscheinungs- formen des Alpenglühens die Höhen 5°, — 2° bis — 2°, — 3°, — 4°, — 5° entsprechen. Die Erklärung dieses lange Zeit hindurch weit mehr unter künstlerischem, als unter naturwissenschaftlichem Standpunkte aufge- fassten Phänomenes ist in der formalen Dämmerungstheorie keineswegs enthalten. v. Bezold weist darauf hin (a. a. O.), dass man nicht allein den Osthimmel, sondern insbesondere auch den der Untergangsstelle gegenüberliegenden Theil des Firmamentes in’s Auge zu fassen habe. Dort entwickelt sich nämlich, gleichzeitig mit dem Nachglühen, ein rosenrother Schein von ziemlicher Ausdehnung, das Purpurlicht, welches endlich in Gestalt einer riesigen Scheibe einen grossen Theil des Westhimmels umfasst. Auch im Flachlande kann bei einiger Auf- merksamkeit jenes erneute Anwachsen der Helligkeit beobachtet wer- den; über dem oben erwähnten hellen Segmente, d. h. einer gelblich- rothen, weiss begrenzten Schicht bildet sich eine schwach leuchtende, purpurne Scheibe, welche sich dem hellen Segmente nähert und nach und nach hinter ihm versinkt. Fig. 33 stellt in a, b und c drei Stadien Fig. 33. PA%,,P SEEN SERS H H des Untersinkens des Purpurlichtes PP unter das helle Segment SS dar; HH ist jedesmal der Horizont. Selbst an entfernten Gebäuden *) Waltenberger führt auch die besonders schönen Lichtreflexe an, welche die kahlen Wände der Loferer und Leoganger „Steinberge“ und noch mehr der Reitalm. von Lofer im Mitterpinzgau aus betrachtet, zu zeigen pflegen [91]. Verf. kann diese Angabe aus eigener Erfahrung nur bestätigen. er NT en 5 ZART Dh N 7 WERE Y, TE SER an a NAT 1 - N AI ar ET Ten ”, Im ns SER Ne s * . } 4 v 140 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. lässt sich nicht selten ein der ‚resurrection‘“ vergleichbarer Schimmer wahrnehmen. Die Farben trüber Mittel, in welchen Brücke eine Folge viel- facher Reflexionen, Lommel eine solche von Beugungen erblickt, hält v. Bezold schon dieser Schwierigkeit der Erklärung halber nicht für rathsam heranzuziehen. Jedenfalls aber irre Alhazen sammt seinen Nachfolgern darin, dass er den dunklen Erdschatten über das ganze Himmelsgewölbe hinweg sich ausbreiten lasse, was keineswegs für mittlere Breiten zutreffend sei. Lambert’s scharfe Kontrole des allmähligen Aufsteigens dieses Schattens wolle mehr leisten, als auch von dem besten Beobachter geleistet werden könne. Hier liegen demnach noch Räthsel vor, die ihrer Lösung harren; die geometrische Auffassung der Dämmerungen von verschiedener Ordnung hat zweifel- los ihre bedingte Richtigkeit, allein, da ihr zufolge das mehrfach re- flektirte Sonnenlicht doch zunehmend an Intensität einbüssen müsste, so bleibt die plötzliche Steigerung jener bei’'m Nachglühen unauf- geklärt. Insbesondere wissen wir vom Purpurlicht noch wenig Bescheid. Wenn konsequente Dämmerüngsbeobachtungen vorliegen werden, die in den Alpen, in Wüsten und auf hoher See angestellt sind, so wird es Zeit sein, die Untersuchung von Neuem aufzunehmen *). Einiges dankenswerthe Material hiefür hat bereits Burkhardt-Jezler [93] gesammelt und diskutirt. Auch eine Beobachtung De la Rive’s vom Montblanc [94] verdient Beachtung. Uebrigens ist die Ansicht, dass das Dämmerungslicht nicht einzig und allein auf reflektirte Strahlen zurückzuführen sei, keine ganz neu auftretende, wie denn schon vor 170 Jahren Keill sich dahin vernehmen liess [95]: ‚„Circumfusa soli aura aetherea, illiusgue quasi atmosphaera etiam splendet post solis occasum, cumque haec oriendo et oceidendo longius impendit tempus, quam sol, ante solis ortum, aurora circulari figura oritur,“ Vielleicht möchte es sich auch verlohnen, den schon von Lambert (I. Band, S. 86) betonten Einfluss des Thierkreislichtes weniger zu unterschätzen. Schlesicke eitirt ganz richtig eine Bemerkung La Oaille’s über diese Erscheinung, wie sie auf Isle de France sich darstellt [96]: „La lumitre zodiacale &tait extraordinairement claire et longue. Les habi- tants la remarquent tr&s-bien et la croient une vraie lumiere du ere- puscule, on ne peut m&me les en abuser.‘ $. 13. Anomale Dämmerungserscheinungen. Es soll in diesem Paragraphen die Rede sein von gewissen sehr auffallenden Farben- erscheinungen, welche im Verlaufe der Abenddämmerung (in weit geringerem Maasse auch derjenigen des Morgens) beobachtet wurden. Jedermann weiss, dass die Herbstmonate des Jahres 1883 und auch die Wintermonate bis in das neue Jahr herein durch jenes Nebel- *) v, Bezola erklärt auch (a. a. OÖ.) die bekannte Thatsache, dass die entfernten Berge im Lichte der Morgen- und Abendsonne ein besonders lebhaftes Farbenspiel erkennen lassen; der Grund hiefür ist einfach der, dass die Licht- strahlen um jene Zeit einen weiteren — und zugleich gekrümmteren — Weg durch die umgebende Lufthülle zurückzulegen haben. Dazu kommt noch, dass ein hoher Berg ungleich länger direkter Insolation ausgesetzt ist, dass also, der bereits in tiefes Dunkel gehüllten Ebene gegenüber, die Kontrastwirkung 'noch als vergrösserndes Element hinzutritt. II, S. 13. Anomale Dämmerungserscheinungen. 141 glühen ausgezeichnet gewesen sind, dessen wir schon im ersten Bande (S. 351) zu gedenken hatten. Irgendwie neu ist, wie auch an jenem Orte bemerkt ward, das Phänomen nicht, wenigstens nicht für die Forschung. Auf das abnorme Blaugrün (,Greenish-blue‘“), welches bie und da wahrgenommen werde, wies bereits Th. Forster hin [97]. Die in jenen Tagen konstatirte Aufeinanderfolge der Farben war im Grunde keine andere, als jene, die auch Burkhardt-Jezler (s. o.) unter den Tropen als eine ziemlich normale erkannt hatte; es war im Wesentlichen das Farbenspiel der von Po&y so genannten prisma- tischen Dämmerung [98]. Zur Erklärung dieser für unsere Breiten bei alledem abnormen Dämmerung sind die verschiedensten Ansichten in Umlauf gesetzt worden. a) Die Eisnadel-Hypothese. Nach Ragona |99] sollen in einer Höhe von etwa 60 km ungeheure Bänke von prismatischen Eisnadeln schweben; die brechenden Winkel wenden diese drei- und sechsseitigen Prismen der Erde zu, eine ihrer Seiten der Sonne, eine zweite der äusseren Grenze der Atmosphäre. Aehnliche Gedanken finden sich in den von W. Meyer für die wissenschaftliche Beilage der Wiener „N. fr, Presse‘ geschriebenen Artikeln, und auch Falb steht auf diesem Standpunkt. b) Die kosmische Hypothese. Durch irgendwelche und zunächst nicht näher zu bestimmende Ursachen, so nimmt v. Zech an [100], soll die Erdatmosphäre grössere Quantitäten von Wasserdampf in sich aufgenommen haben, der ihr aus dem Himmelsraume zugeführt worden sei. Diese extratellurische Dampfwolke würde sich nach ihrem Ein- tritt in unsere Lufthülle langsam nach unten verbreiten und dabei an Dichte zunehmen, bis ihre Mächtigkeit eine solche geworden, dass sie hinlänglich viel Sonnenstrahlen absorbirte, um sich unserem Auge als eine Schicht von intensiv rother Farbe darzustellen. c) Die tellurische Hypothese. Lorscheid’s Theorie ist [101] in dem eigentlichen Kernpunkte von der soeben besprochenen nicht verschieden, indem auch sie eine ungewöhnlich starke Vermengung der atmosphärischen Luft mit Wasserdampf — im Sinne von Forbes (s. 0.8.7) — als genügenden Erklärungsgrund für die wechselnde Farbenpracht der Abenddämmerung festgehalten wissen will. Nur soll dieser überschüssige Dampf nicht von aussen hereingekommen, sondern von der Erde selbst geliefert worden sein. d) Die vulkanistische Hypothese. Es ward seiner Zeit, als von der Verbreitung des vulkanischen Staubes in den höheren Luftschichten die Rede war, auf die ungemein grossen Entfernungen hingewiesen, welche diese leichten Staubmassen unter der Einwirkung günstiger Luftströmungen in überraschend kurzer Zeit zurückzulegen vermögen. Die Frage, ob in der That die durch den Ausbruch des Krakataua- - Vulkanes im August 1883 der Luft einverleibten Staubtheilchen bis in die Antipodengegenden befördert werden und sich daselbst mehrere Monate schwebend erhalten konnten, ist damit freilich noch lange nicht als eine zu bejahende erkannt. Ein so gewiegter Meteorologe, wie Hann, ist sogar eher geneigt, dieselbe mit Nein zu beantworten [102], obwohler dievon v. Bezoldhervorgehobenen Anomalieen — dieschwefel- gelbe Färbung der Atmosphäre, das weit beträchtlichere Volumen des ersten Purpurlichtes, das grüne Aussehen des Mondes — nicht in Ab- 142 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. rede stellt; Hann hält mit der Staubtheorie besonders den Umstand nicht für verträglich, dass die Dämmerungserscheinungen in beiden Hemispbären fast gleichzeitig auftraten, und dass ein fast halbjähriges Scehweben auch leichtester Partikeln in der Luft zu den Unwahrschein- lichkeiten gehöre. Flammarion glaubt diesem Einwurf leicht — vielleicht wohl etwas zu leicht — begegnen zu können, indem er sagt [103]: ‚Comment se fait-il que ces particules soient restees en suspension pendant quatre mois dans l’atmosphere?... Parcequ’elles sont excessivement legeres, aussi legeres que l’air lui-m&me.‘“ Ganz unerlässlich erscheint es, die Frage so eingehend statistisch zu be- handeln, wie diess durch Strachey in England und noch mehr durch Neumayer in Deutschland geschehen ist [104]. Denn durch diese Zusammenstellung unzähliger Berichte, die aus allen Weltgegenden einliefen, erhellt eben doch, dass die furchtbaren Zuckungen der Erd- rinde auch die Atmosphäre in einer bis dahin kaum für möglich ge- haltenen Art und Ausdehnung in Mitleidenschaft gezogen haben. Von besonderer Wichtigkeit erscheint uns der von Neumayer erbrachte Nachweis [105], dass damals nicht blos die der Sundastrasse benach- barten Länder, sondern weit grössere Erdregionen sich in einem un- gewöhnlich heftigen seismisch-vulkanischen Erregungszustande befanden, dass zumal auch in Nordamerika Vulkanbildungen stattfanden, durch welche die Menge des atmosphärischen Vulkanstaubes noch vermehrt wurde. Da ferner auch (vgl. I. Bd., S. 351) geschichtliche Präcedenzfälle herangezogen werden können, um den Zusammenhang zwischen auf- fallenden Farbenerscheinungen der Atmosphäre und den Reaktionen des feurigen Erdinneren gegen seine starre Hülle als im Bereiche der Möglichkeit liegend nachzuweisen*), so scheint von dieser Seite her die vulkanistische Hypothese als eine der ernsthaftesten Beachtung würdige anerkannt werden zu müssen. — Nun ist freilich noch eine zweite rein optische Frage zu entscheiden: Wieso bringen denn Staubmengen, welche der Luft beigemischt sind, gerade jenes Farbenspiel zuwege, um dessen kausale Begreifung es sich handelt. Dieser 'Theil der An- gelegenheit kann jedoch als durch die äusserst sorgfältigen Arbeiten Kiessling’s [106] erledigt angesehen werden, durch welche das frag- liche Farbenspiel auf eine grossartige Diffraktionserscheinung zurückgeführt ward. Derselbe experimentirte hauptsächlich mit einem Diffraktionsraum, der durch Ammoniakgas und schweflige Säure er- füllt war, so dass sich dichte, weisse Wolken eines aus kleinen Körnern von schwefelsaurem Ammoniak gebildeten Staubnebels zusammen- *) Freundlicher Mittheilung von Herrn Prof. Sachau verdanken wir die ebenfalls hierher gehörige Angabe, dass die um 1040 n. Chr. abgefasste arabische Chronik des Jahjä Ben Said folgende Stelle enthält: „In der Nacht des 7. April 989 donnerte und blitzte es in Kairo, und es tobte ein heftiger Sturm. Dieses Unwetter hielt an bis Mitternacht. Dann wurde es ganz finster in der Stadt. so finster,. wie man nie erlebt, bis zum Anbruch des Morgens. Darauf erhob sich am Himmel etwas wie eine Feuersäule, welche Himmel und Erde mit kräftigem Roth übergoss. Zugleich verbreitete sich in der Luft eine Menge kohlen- artigen Staubes, der das Athmen erschwerte. Dieser Zustand dauerte bis zur vierten Stunde des Tages. Die Sonne schien ihre Farbe verändert zu haben, und diese veränderte Farbe behielt sie bis zum 12. April 989.“ Die muhammedanische Jahr- und Tagbezeichnung ist im Texte bereits abgeändert. Ob hier wohl an einen Wüstenwind zn denken ist, der enorme Sandmassen in die Luft emportrieb” III, S. 14. Kimmung und Luftspiegelung. 145 ballten. Indem das Licht diesen Nebel durchlief, wurden seine Strahlen an den einzelnen massiven Kügelchen gebeugt, und es entstanden Diffraktionsfarben, welche jedoch, je nach dem verschiedenen Konden- sationszustande des Nebels, in ihrer Aufeinanderfolge verschiedene Gesetze befolgten. Die erste Periode wies folgenden Farbenwechsel, auf: Blass-Lila, Blassblau-Violett, Leuchtend-Hellblau, Bläulich-Grün, Glänzend-Smaragdgrün, Gelblich-Grün, Grünlich-Gelb, Hell-Orange, Dunkel-Orange, Blass-Scharlachroth, Blass-Purpurroth. Die zweite Periode war minder abwechselungsreich: Blass-Purpur, Steingrau, Leuchtend-Olivengrün, Smaragdgrün, Gelblich - Grün, Bronzegelb, Orange. Die folgenden Perioden wichen von der zweiten nur insoferne ab, dass die Farbentöne sich stets schwächer und schwächer ausprägten, während gleichzeitig das Purpurlicht vorherrschte. Kiessling’s Ver- suche schmiegen sich den anomalen Dämmerungserscheinungen des Spätjahres 1883 in der That sehr gut an, und es ist gewiss nicht zu gewagt, zu glauben, dass die in der Luft schwebenden Körnchen von Vulkansand — deren Existenz einmal zugegeben — ähnliche Beugungs- farben hervorbringen konnten. Kiessling selbst weist ihnen diese Rolle allerdings nur indirekt zu [107]: „Zur Entstehung intensiver Dämmerungsfarben ist ein äusserst feiner, eleichmässiger, aus Wasser- körperchen bestehender Nebel erforderlich. Die Bildung dieses Nebels setzt die Existenz eines feinen Staubes voraus.* (Vgl. auch dessen Schrift „Nebelglühapparat“, Hamburg 1884.) Alles in Allem scheint die vulkanistische Hypothese durch optische Gründe wesent- lich gestützt, durch Erwägungen allgemein-geophysikali- scher Natur aber nicht ernstlich gefährdet zu sein. Und mit diesem Schlussfazit wenden wir uns einer anderen Gattung von Lichterscheinungen zu *). S. 14. Kimmung und Luftspiegelung. Nicht sämmtliche Schichten jenes Theiles des Luftringes, welchen die von irdischen Objekten aus- Sesandten Strahlen zu durchlaufen haben, sind gleichmässig durch- wärmt, und so kann es kommen, dass in Folge ungleicher Erwärmung eine Senkung oder Depression des Horizontes eintritt, grösser, als sie sich den im I. Bande, S. 136, angeführten geometrischen Gründen zufolge ergeben sollte. Nach Clausius [112] wird eine *) Allerdings wäre über ungewöhnliche Farbenerscheinungen in der Atmo- sphäre noch Manches zu sagen, doch würde eine tief eingehende Erörterung uns zu weit führen. Erwähnt sei aber wenigstens die höchst eigenthümliche Beleuch- tung, welche sich bei ganz oder nahezu totalen Sonnenfinsternissen zu zeigen pflegt. das Grün der Pflanzendecke in ein verschwommenes Braungelb verwandelt und nach den Berichten aller Beobachter — zuvörderst Simmler’s [108], der auf dem Glärnisch beobachtete — der ganzen Natur ein geisterhaftes Aussehen giebt. Man scheint darin neuerdings ein Fluorescenzphänomen erblicken zu wollen. Ferner liegt auch der meteorologischen Optik die Pflicht ob, für die gefärbten Schatten eine passende Erklärung zu finden. Seit O. v. Guericke steht, wie Priestley angiebt [109], diese Frage zur Diskussion, Buffon, Mazeas, Bou- guer, Beguelin haben sich mit ihr beschäftigt, allein auch durch Zschokke's ausführliche Arbeit [110] ist sie noch k&ineswegs. völlig geklärt, obwohl durch letztere wenigstens Rumford’s Behauptung widerlegt ward, dass hier eine rein subjektive Erscheinung vorliege. Anus Fournet’s Untersuchungen geht hervor, dass der Himmel in drei verschiedene Zonen zerfällt; je nachdem das Licht aus einer derselben stammt, erscheint der Schatten mit verschiedenfarbigem Dämmer- lieht umsäumt [111]. In 7.#43 KR 4 EA Er BL Er Be N } gs v 5 he Kir se * « 5 ® u = 2 3 144 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. solche besonders auf offener See da bemerkt, wo warme Meeres- strömungen, z. B. der Golfstrom, die Mitteltemperatur der umgebenden Luft erheblich steigen machen. Umgekehrt kann durch Abkühlung eine Erhebung des Horizontes — Kimmung — bewirkt werden. Ohne dass von einer Vergrösserung die Rede sein könnte, sah Latham am 26. Juli 1797 zu Hastings in Kent die sonst von der Erdkrümmung verdeckte französische Küste bei Dieppe ohne Teleskop [113]. Für J. Müller [114] war an den Gestaden des Bodensee’s die Kimmung gar nichts Seltenes. Die an der Meerenge von Messina mehrfach beobachteten Schein- gestalten sind von Minasi [115] beschrieben und auf ihre natürliche Unterlage geprüft worden. Durch ihn ist das jetzt weitverbreitete und etwas zu unbegrenzt auf alle Hallucinationen optischer Natur übertragene Wort Fata Morgana Gemeingut der wissenschaftlichen Sprache aller Völker geworden. Gebäude, Menschen, Baumgruppen, Viehheerden u. s. w. erscheinen im Wasser oder in der Luft und nehmen fortwährend andere Gestalten an. Luftspiegelungen im engeren Sinne sind jedoch hievon unterschieden. Ehe wir zur Theorie derselben übergehen, sei zunächst einiges Thatsächliche angeführt. Das sozusagen klassische Land der Luft- spiegelung ist das untere Aegypten, eine grosse und weite, nur wenig mit zerstreuten Hügeln besetzte Ebene. Sobald nun Vormittags der Boden und die ihm benachbarten Luftschichten über einen gewissen Grad hinaus erwärmt sind, tritt anscheinend eine bis zum Horizonte reichende Ueberschwemmung ein, aus der die Dörfer, Palmhaine und Erhöhungen emporragen, während zugleich unterhalb deren Spiegel- bilder zu sehen sind. In Nordafrika und Arabien sind diese unter dem Namen Serab bekannten Trugbilder eine landläufige Erscheinung, wie denn schon in der 24. Sure des Koran’s die Worte vorkommen: „Der Ungläubigen Werke sind dem Serab in der Ebene gleich, der Durstende hält es für Wasser, bis er hinkommt und findet, dass es nichts ist.“ Auch in der provencalischen Crau, der „französischen Sahara“, wie Martins den wüsten Landstrich nennt [116], und im bayrischen Alpenvorlande kommen solche Doppelbilder zur Beobachtung*). Das Seegesicht (mirage) beruht auf ähnlichen Bedingungen; Schiffe und Kisten erscheinen verkehrt in der Luft schwebend. Zumal von Woltmann und Büsch sind Erfahrungen über diese abnorme Spiegelung gesammelt worden, und des Letzteren Beobachtungen [119] bieten des Merkwürdigen Viel. So ward derselbe, wie er selbst er- zählt, einmal in dem Grade getäuscht, dass er von Ottersberg — zwei *) Gruber erzählt [117], dass in der Nähe des Zirknitzer See’s in Krain, wie auch in den weiten Ebenen des ungarischen Banates oft von einem entfernten Dorfe blos die Dächer, von einem Berge blos die Kuppe ohne Basis sichtbar sind, während alle anderen Gegenstände sich scheinbar in einer Wasserfläche spiegeln. Von einer ganz auffallenden und die gewöhnliche Kimmung mit der Luftspiege- lung vereinigenden Wahrnehmung erstattet auch Billwiller Bericht [118]. Vom Freudenberge bei St. Gallen sah man das schon ziemlich tief in Württemberg (östlich von Ravensburg) gelegene Schloss Waldburg und noch dazu ziemlich stark vergrössert, während es für gewöhnlich von dort aus nicht sichtbar ist, so dass hier also die Erhebung des Horizontes (s. 0.) zur That geworden war. Unmittel- bar über dem reellen Bilde des Schlosses erkannte man aber mit Deutlichkeit das Spiegelbild desselben. III, $. 14. Kimmung und Luftspiegelung. 145 Meilen von Bremen entfernt — aus jene Stadt durch eine kolossale Ueberschwemmung der Weser bedroht glaubte, weil sie sichtlich hinter einer ausgedehnten Wasserfläche lag. Monge [120] und in noch bestimmterer Art und Weise Biot [121] haben das Wesen des hier nur kurz skizzirten Erscheinungskomplexes dahin präeisirt, dass eher von einer ungewöhnlichen Brechung als von einer Spiegelung die Rede sein kann. HH (Fig. 34) sei die Erdoberfläche, CD die obere Grenze einer Reihe von Luftschichten C, D,, & D,..., deren Dichte mehr und mehr abnimmt. Der vom Objekt P kommende Strahl wird in E nach E,, von hier nach E, gebrochen und verläuft schliesslich eine kurze Weile horizontal von E, bis G, bis er nachher wieder aufwärts gebrochen wird und zuletzt in @ das beobachtende Auge erreicht. In Wirklichkeit ist die ge- brochene Linie PEQ selbstverständlich eine stetig gekrümmte. Gru- nert [122] hat die Gleichung derselben und zugleich für einen gegebenen Augpunkt diejenige der zugehörigen Grenzparabel auf- gestellt; liegt das Auge diesseits dieser Kurve, so wird es von zwei der dem Licht aussendenden Punkte entströmenden Strahlen getroffen, liegt es auf der Kurve, nur noch von einem einzigen, liegt es jenseits der- selben, von gar keinem mehr. Das Trugbild der Wasserfläche erklärt sich leicht durch folgende Betrachtung. Zu Ende der Strecke HH (Fig. 35 a) erhebe sich ein kleiner Berg, welchen die den Boden HH Fig. 35. in E berührende Lichtstrahlkurve in F treffen mag. Das Auge Q kann den Boden nicht weiter verfolgen, als bis zu dem Tangential- punkte E, die zwischen E und dem Fusse & des Berges gelegenen Partieen bleiben für Q unsichtbar. Gleichwohl vermag man von Q aus E nicht für die Grenze des Gesichtskreises zu halten, da ja darüber noch der obere Theil FJ des Berges zu erkennen ist. In der Lücke zwischen E und FJ erblickt man aber auch noch das Spiegelbild F,J, Günther, Geophysik. II. Band. 10 146 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. von FJ, welches in der durch Fig. 35 b gekennzeichneten und wohl an sich verständlichen Weise zu Stande kommt. Das Auge kann also gar nicht anders, als annehmen, dass jenseits E eine spiegelnde, eine Wasserfläche sich ausdehne. Auf dem offenen Meere muss sich gleich- falls ganz unwillkürlich E als Grenze des Wassers darstellen. Die Luft ist (s. o. $. 2) in beständigem Erzittern, und so gelangen die Strahlen nicht immer in der nämlichen Richtung in das Auge, die Bilder schwanken hin und her, und durch diese Schwankungen wird der Eindruck noch erhöht, dass man einen leicht bewegten Wasser- spiegel vor sich habe. Hiebei ward vorausgesetzt, dass mit der Annäherung an den Boden die Erwärmung der Luftschichten zu-, deren Dichtigkeit also abnimmt; in letzterem Falle kommt Alles so, wie es beschrieben ward, allein das Verhältniss kann auch das entgegengesetzte sein, und dann tritt die von Vince [123] im Jahre 1798 beobachtete Spiegelung nach oben ein. Man sieht z. B. das verkehrte Bild eines Schiffes in der Luft schweben, und oberhalb desselben wieder das — selbst also aufrecht stehende — Spiegelbild des Spiegelbildes. NachScoresby [124] beobachtet man dergleichen besonders häufig in den Polarländern und zwar erscheinen die Bilder in sehr phantastischer Weise verzerrt — weil, wie Clausius bemerkt [125], die isotropen Flächen eine wellen- förmige, oscillirende Gestalt besitzen. Spiegelungen nach der Seite treten ebensowenig häufig auf, wie laterale Refraktionen (s. o. $. 2), indem eine senkrechte Scheidefläche zweier Luftschichten von ver- schiedener Dichte zu den Seltenheiten gehört. Immerhin bildet J. Müller [126] einen ausgezeichneten Fall dieser Art ab, welcher sich nach Soret und Jurine auf dem Genfersee ereignete. Dieselben sahen nämlich neben einem zwei Meilen entfernten Schiffe dessen Spiegelbild hersegeln. Hier warfen die Berge ihren Schatten weit in den See hinaus, und in der Nähe des Ufers stand demnach eine kühle, dichte, weiter drinnen über dem Wasser aber eine von der Sonne er- hitzte und stark aufgelockerte Luftbank. $. 15. Regenbogen. Jenes schöne Lichtbild, welches selbst Kant (1. Band, S. 40) noch mit der Aufrichtung des alten Glaubensbundes in Verbindung bringen zu sollen wähnte, hat den Naturforschern von je einen anreizenden Stoff zur Erprobung ihres Scharfsinnes dargeboten. Die Geschichte der Regenbogentheorieen ist eine interessante und belehrende ; ausser in den historischen Werken von Priestley und Wilde kann man sich über erstere besonders in den Abhandlungen von Reclam [127] und Gnau [128] orientiren. Dass Spiegelung die wichtigste, wo nicht einzige Bedingung dafür sei, dass sich ein Regen- bogen am Himmel bilde, lehrte Aristoteles im zweiten Buche seiner „Meteorologie“ *). Die Ursache der Färbung verlegte Seneca [130] *) Die geometrischen Einschiebsel, welche in der Darlegung des Aristoteles die physikalische Beweisführung unterbrechen, vermochten die Kommentatoren mit dieser letzteren niemals recht zusammenzureimen. In der That haben auch, wie Poske [129] gezeigt hat, beide gar nichts mit einander zu thun; Aristo- teles beweist lediglich auf sehr umständlichem, nicht einmal strenge richtigem, ihm aber wahrscheinlich durch pythagoreische Traditionen vorgezeichnetem Wege den Satz, dass ein gerader Kreiskegel, dessen Spitze in der Peripherie der Basis III, $. 15. Regenbogen. 1alr; theils in die Sonne, theils in die Wolken: „Varietas non ob aliam causam est, quam quia pars coloris sole est sparsa, pars in nube illa.“ Dagegen gebührt dem vielverlästerten Mittelalter die Ehre, dass einer seiner Söhne, der Mönch Theodorich von Freiberg, in einem um 1310 geschriebenen und erst von Venturi herausgegebenen Schrift- chen „De radialibus impressionibus et de iride“ auch die Lichtbrechung als einen wesentlichen Bestandtheil des das Entstehen eines Regen- bogens bedingenden Vorganges nachwies [131]. Wieder einen Schritt weiter that J. Fleischer [132], indem er die Anzahl der Brechungen und Spiegelungen für den gewöhnlichen Regenbogen richtig festsetzte, während er freilich über den Ort der Zurückwerfung sich noch nichts weniger denn klar war. Antonio de Dominis betrat als der Erste den Weg des FExperimentes; im dritten Kapitel seines Werkes [133] verfolgte er den Weg des Lichtstrahles durch eine mit Wasser ge- füllte Glaskugel und gelangte so zu einer durchaus zutreffenden An- schauung für den ersten Regenbogen, während ihm die Erklärung des zweiten allerdings nicht gelingen wollte. Seine Darstellung mag als eines der belehrendsten Beispiele dafür gelten, wie exakt-physikalischer Sinn in jener Zeit noch mit aristotelischen Schulbegriffen im Streite lag*). Die jetzt noch als richtig anerkannte und auch schwerlich je wieder zu beseitigende Theorie des Regenbogens gab, soweit blos ma- thematische Fragen in Betracht kommen, Descartes in seiner Ab- handlung über die Meteore, doch scheiterte er mit dem Versuche, auch die Farben und ihre Anordnung zu begreifen, und überliess das Ver- dienst einer nach jeder Seite hin zufriedenstellenden Erklärung des ver- wickelten Processes dem grossen Newton, der im zweiten Theile des ersten Buches seiner „Optice* den Schlussstein einsetzte. Allerdings ist anzuerkennen, dass der Böhme Marek (Mareus Mareci) und der Italiener Grimaldi die Analogie der Regenbogenfarben mit denjenigen, welche durch prismatische Brechung entstehen, schon vorher wahr- senommen hatten [135]; beachtenswerth ist auch Spinoza’s „Stelkonstige Reeckening van den Regenboog“ (ed. Bierens de Haan, Leyden 1884). Der Regenbogen (Iris oder — mythologisch — Thaumantias, Arcus coelestis, arc-en-ciel, rainbow) ist ein farbiger Kreisbogen, dessen Centrum demjenigen der Sonne diametral gegenüberliegt. So- lange die Sonne hoch steht, muss dieser Kreisbogen, soweit er sichtbar ist, mithin kleiner als ein Halbkreis sein; wenn die Sonne gerade ver- schwindet, wird er ein genauer Halbkreis. Wenn die oberen Theile eine gewisse Abplattung zu zeigen scheinen, so ist an dieser Augen- täuschung nur der in $. 1 dieses Kapitels berührte Umstand schuld, welcher uns auch das Himmelsgewölbe in einer von der Halbkugel abweichenden Gestalt vorführt [136]. Man unterscheidet den ersten und zweiten Regenbogen; letzterer erscheint meistens sehr ab- seblasst und weist die Farben des Sonnenspektrums in einer Anord- nung auf, welche der im ersten Regenbogen obwaltenden gerade einer Halbkugel liegt, und dessen Axe durch den Mittelpunkt des Grundkreises hindurchgeht, aus der Halbkugel einen Halbkreis ausschneidet, dessen Ebene auf der Basisebene senkrecht steht. *) „Ut iridis tota generatio prout fit in natura plene cognoscitur, eam nunc in materiam, formam, et figuram, ac colores placet resolvere.“ So beginnt Kapitel XIII [134]. 148 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. entgegengesetzt ist. Es stelle nun C (Fig. 36) den Mittelpunkt eines Wasserbläschens vor, in welches bei A ein Lichtstrahl BA eintritt. Der Radius CA stellt das Einfallsloth dar, und der Strahl BA wird so gebrochen, dass er als gebroche- Fig. 36. ner Strahl mit diesem Lothe einen J B Winkel y bildet, der mit dem Ein- fallswinkel BAC’ —= x durch die Gleichung sin x—=nsiny (m Brechungsexponent) zusammen- hängt. Im Inneren der Kugel wird nun der bisher blos gebrochene Strahl mehrmals von der Innen- seite reflektirt; unsere Figur stellt eine viermalige Spiegelung vor, so dass ADEFGH den Weg des Strahles angiebt. In H aber er- leidet er wieder eine Brechung und tritt in der Richtung HJ aus. Damit wäre an sich die Erklärung des prismatischen Farbenbildes noch keineswegs gegeben; New- ton aber erinnerte sich aus der von ihm selbst mitgeschaffenen Differentialrechnung der Wahrheit, dass die Aenderungsgeschwindig- keit jeder Funktion in der Um- sebung von Maximal- und Minimal- werthen verschwindend klein ist, und diese allgemeine Thatsache spezifizirte er für den vorliegenden Fall. Diess lieferte ihm den Satz: Einen nennenswerthen Ein- druck auf das Auge können die aus den in der Luft schwe- benden Wasserkugeln austretenden Lichtstrahlen einer be- stimmten Farbe nur dann hervorbringen, wenn nachher ein genügend grosser Bruchtheil eine parallele oder doch nahezu parallele Richtung beibehält, und damit diess geschehe, muss die Ablenkung, d. h. der von dem eintretenden mit dem aus- tretenden Strahle gebildete Winkel, ein kleinster sein. Dieses Minimum gilt es nun theoretisch zu bestimmen. Zieht man in Fig. 36 die Radien CD, CE, CF, CG, CH, so ist ersichtlich X CAD—= <[ADC—= <{CDE= <{DEC=,, 2,, 3, %,.2%, erschienen. Die in der Figur nicht ausgefüllten Kreisringe erschienen auch in der Natur nur mit weissem Glanze, die in der Figur schraffirten waren farbig. Aepinus (a. a. OÖ.) rechnet noch hierher ein von Huygens, ein von D. Cassini und ein von Newton gesehenes und in der „Optice“ be- schriebenes Phänomen, bei welch’ letzterem die Hauptaxe der sphäri- schen Lichtellipse senkrecht auf dem Horizonte stand. Der innerste Hof und der Horizontalkreis sind nach Kuhse |164] die am häufigsten vorkommenden Bestandtheile dieses verwickelten Komplexes von Lichterscheinungen. Nebensonnen und Nebenmonde sind an sich weniger häufig, doch soll Wales in der Gegend der Hudsonsbay mehrmals Nebensonnen gesehen haben, welche die Sonne einen ganzen Tag begleiteten, und Plinius, dessen Glaubwürdigkeit in Bezug auf Beobachtungsthatsachen man vielfach unterschätzt hat, sagt aus [165]: „Et rursus plures soles simul cernuntur, nec supra ipsum, nec infra, sed ex obliquo: nunguam juxta, sed contra terram: nee noctu: sed aut oriente, aut occidente. Semel et meridie conspecti in Bosphoro produntur, qui a matutino tempore duraverant in occasum.“ Bis zu einem gewissen Grade vermag nun unsere Eisnadeltheorie dem Allen gerecht zu werden, obwohl selbstredend so aussergewöhnliche Gebilde, wie das zu St. Petersburg wahrgenommene, jedweder Erklä- rung spotten. Die erhöhte Helle einzelner Stellen und die bogen- förmigen Ansätze werden durch die Ueberlegung wohl begreiflich, dass bestimmte Axenrichtungen unter der Vielzahl von Eisprismen vor- herrschen. Wenn die senkrechten Richtungen, wie unsere Erfahrungen über den Luftwiderstand annehmen lassen, vorwiegen, so müssen zwei Stellen rechts und links von der Sonne heller erscheinen, als der übrige Ring; damit ist eben die Bildung von Nebensonnen und Neben- monden (rapyXtos, rapasyıyvn) eingeleitet, und wenn sämmtliche Axen senkrecht stehen, so verschwindet der Ring gänzlich. Liegen anderer- seits die Axen allesammt nahe parallel dem Horizonte, so müssen an Stelle der vorigen Lichtflecke zwei ausgedehnte Lichtbogen ent- 156 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. stehen *). Ein anderer mehrfach beobachteter Lichtkreis hat gewöhn- lich einen sphärischen Halbmesser von 47°; diese Winkelgrösse ent- spricht ebenso als Maximalablenkung einem brechenden Winkel von 90°, wie der regelmässige Winkelabstand von 23° als Maximalbetrag der Ablenkung zu einem brechenden Winkel von 60° gehört. Dieser brechende Winkel ist aber kein anderer, als jener, den Seiten- und Grundfläche des Prisma’s mit einander bilden. Der weisse Horizontal- kreis, der selten zu fehlen pflegt, ist nach Clausius und Galle durch Reflexion entstanden; insoferne einige der Nebensonnen gewöhnlich in ihm zu finden sind, nennt man ihn auch wohl Nebensonnenkreis. Auch für das weisse Kreuz des Hevelius würde, so meint Galle (a. a. O.), die Annahme einer zweifachen Reflexion — einmal an der unteren, einmal an der oberen Polygonfläche des Prisma’s — zur Er- klärung hinreichen. — Ringe, Kreise und Nebensonnen versteht also, wie wir sahen, schon derjenige Zweig der Optik ausreichend zu erklären, welche man häufig die geometrische nennt, bei welcher auf die besondere Art der Lichtfortpflanzung keinerlei Rücksicht zu nehmen ist. Nicht also ist es mit den Kränzen oder kleinen Höfen bestellt, welche nicht blos als dünne Lichtstreifen in grösserer Entfernung von dem Leuchtkörper auftreten, sondern sich dicht um denselben herumlegen, zu ihrer Er- scheinung als Substrates auch weit weniger der Cirrus-, als vielmehr der Oumulus- und Stratuswolken bedürfen. Schon damit ist als wahr- scheinlich ausgesprochen, dass, da Eisnadeln überhaupt nicht vorhanden sind, die Erklärung der Kränze auf eine andere Gruppe optischer Wahrheiten zurückgeführt werden muss. Dass verschiedene Wolken- bildungen auch zur Entstehung von Höfen sehr verschiedener Art Ver- anlassung geben, stellte Kämtz fest |166]. Welchen Weg man bei’m Studium dieser Erscheinung einzuschlagen habe, darüber belehrt den mit den Grundsätzen der modernen oder physikalischen Optik Ver- trauten schon der Anblick der Erscheinung. „Diese Höfe,“ sagt J. Müller [167], „haben die grösste Aehnlichkeit mit der Aureole, welche man um eine Kerzenflamme sieht, wenn man sie durch eine mit Semen Iycopodii bestreute Glasplatte betrachtet, und sicherlich sind die Höfe ebenso, wie dieses Phänomen, zu den Interferenzer- scheinungen zu zählen ; die Dunstbläschen vertreten die Stelle der feinen Staubtheilchen.* Für gewöhnlich scheinen, wie Clausius erwähnt [168], die Kränze den Mond häufiger zu umgeben, als die Sonne, doch lassen sie sich an der Sonne nicht selten konstatiren, wenn zur Ablenkung der störenden Strahlen der Kämtz’sche Spiegel mit geschwärzter Rückseite angewendet wird [169]. Newton sah im Jahre 1692 drei derartige Ringe um die Sonne, die ein lebhaftes Farbenspiel in nach- stehender Anordnung erkennen liessen: Blassblau, Weiss, Roth; Purpur, Blau, Grün, Blassgelb, Roth; Blassblau, Roth. In der bereits eitirten denkwürdigen Abhandlung Fraunhofer’s werden diese Farbenringe *) Clausius meint, dass der fragliche Axenparallelismus an sich gerade nieht sehr wahrscheinlich sei, man müsste denn mit Babinet annehmen wollen, dass die Krystalle eigentlich nur ganz dünne Eistafeln seien, welche vom Luft- widerstande ganz horizontal eingestellt würden. Galle hat im Widerspruche hiezu die Vermuthung ausgesprochen, dass den Säulchen an ihren Enden je eine sechs- oder dreiseitige gerade Pyramide von 60° Flächenneigung aufgesetzt sein müsse, se # ET. , ». III, $. 19. Irdische Nebelbilder. 157 durch die damals noch wenig gekannte und damals eben erst von Th. Young und Arago mit der Undulationstheorie in Verbindung gebrachte Lichtbeugung erklärt. Der Vorgang istim Wesentlichen der, den wir oben (s. $. 13) bei der aussergewöhnlichen Dämmerung kennen gelernt haben. Wenn sich zwischen dem Beobachter und dem Licht spendenden Punkte viele kleine Körperchen befinden, so kann jeder Punkt eines solchen als Spitze eines Kegels gebeugter Lichtstrahlen angesehen werden. Auf einer entgegenstehenden Wand würden sich dann also im einfarbigen Lichte abwechselnd helle und dunkle, im weissen Lichte aber farbige Strahlen bilden müssen. In der Atmosphäre schweben aber, wie bekannt, Dampfbläschen genug, um solche Beugungskegel zu bilden, und eine weiter entfernte konsistentere Bläschenwand er- scheint mit Farbenringen versehen. Die Grösse der Nebelbläschen lässt sich theoretisch berechnen, wenn man für eine bestimmte Farbe den Radius des Lichtkranzes — sei es durch Anwendung des Spiegel- sextanten, sei es mit Hülfe des von Hagenbach-Bischoff angegebenen Stecknadelinstrumentes — gemessen hat [170], und zwar ist das hiezu dienliche Verfahren ein ganz ähnliches, wie jenes, welches dem um die Fortbildung der Beugungstheorie hochverdienten Schwerd dazu gedient hat, aus den Farbenbildern des durch eine Vogelfeder ge- beugten Lichtes deren Kielentfernungen zu bestimmen [171]. Die Ringe werden um so enger, je grösser die Dunstbläschen sind, und so hat sich denn durch Messungen von J. L. Jordan und Kämtz heraus- gestellt, dass die Verschiedenheiten der Durchmesser dieser Bläschen nach den Tages- und Jahreszeiten sehr wohl noch diesseits der für uns erreichbaren Messungs- und Berechnungsgrenze fallen. S. 19. Irdische Nebelbilder. Dreierlei Klassen von Erscheinungen, welche bei mancher individuellen Verschiedenheit doch immer ein Ge- präge der Gemeinsamkeit an sich tragen, suchen wir in diesem Para- graphen zusammenzufassen. a) Die Zirkel Ulloa's. So nennt man — nach dem uns bereits bekannten spanischen Naturforscher (vgl. IL. Band, S. 143) — in den Cordilleren Südamerika’s gewisse Farbenringe, welche unter scheinbar gerade entgegengesetzten Bedingungen wie diejenigen auftreten, von welchen oben die Rede war. Sie treten nämlich dann auf, wenn der Beobachter die Sonne im Rücken und die Nebelwand vor sich hat. Jeder Beobachter sieht nur den gefärbten Schatten seines eigenen Kopfes, nicht jedoch denjenigen seines Begleiters. Bouguer und Scoresby haben zahlreiche Beobachtungen in diesem Sinne mitge- theilt [172]. Das Phänomen unterscheidet sich von dem gleich jetzt zu besprechenden blos dadurch, dass die den Kopf umgebende Aureole gefärbt ist; wir geben also die Erklärung auch erst nachher. b) Das Brockengespenst. Der Name dieser Gattung von Nebel- bildern rührt her von Silberschlag, welcher in seiner interessanten geophysikalischen Schilderung des Brockenberges Folgendes be- richtet |173]: „Etwa 14 Tage nach Michaelis, bei einem prächtigen Untergange der Sonne, den ich auf dem Brocken genoss, zeigte sich, als die Sonne unter den Horizont hinabzusinken anfieng, nach Osten hin plötzlich der Schattenriss des Brockens, viermal grösser, als der 158 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Berg selbst ist, in der Gegend von Halberstadt schwebend. Alles stand so deutlich im Nebel abgezeichnet vor Augen, dass man das Haus, die Anwesenden und jede ihrer Bewegungen genau unterscheiden konnte.* Eine objektive Zeichnung, wie sie die meisten Lehrbücher geben, ist aus dem gleichen Grunde nicht herzustellen, aus welchem auch. die perspektivische Wiedergabe des Regenbogens zu den Un- möglichkeiten gehört. Fraunhofer führte, wie wir schon wissen, die Höfe auf Diffraktion des Lichtes zurück, und ein Gleiches that er auch mit diesen Schattenbildern, doch bedurfte seine Darlegung noch einer wichtigen Ergänzung, indem er den Gang der Strahlen blos für solide Wasserkugeln, nicht aber auch für dünne Dunstbläschen unter- suchte. Clausius [174] lieferte diesen Nachtrag. Die senkrechte Reflexion an den Bläschen ist besonders stark, so dass man erwarten . müsste, auf der der Sonne unmittelbar gegenüber liegenden Wolken- partie einen besonders ausgezeichneten Fleck zu erblicken. Derselbe wird aber durch den Kopfschatten verdeckt. Die vordersten Bläschen der Wolke bewirken eine Lichtbeugung, das gebeugte Licht wird zurück- geworfen, und dann tritt wieder Diffraktion ein. Beide Beugungen vor und nach der Reflexion erwecken neben dem in’s Gigantische ge- steigerten und vergrösserten Schatten des Beobachtenden den Eindruck von — entweder schwarzen und weissen oder auch gefärbten — Ringen. „Die riesenhafte Grösse, in welcher das Schattenbild gewöhnlich er- scheint, beruht* — nach Lommel [175] — „auf einer unbewussten Gesichtstäuschung.“ c) Der Heiligenschein. Auf bethauten Wiesen erscheint der Kopf- schatten hie und da von koncentrischen Ringen umgeben, welche in den prismatischen Farben spielen. 'Thauperlen zeigen diesen Heiligen- schein besser, als die an den Pflanzen haftenden Regentropfen [176]. Allerdings bedarf es nicht immer der Wasserkügelchen, vielmehr tritt der Lichtschein auch wohl auf trockenem, unebenem Erdboden auf, und v. Winterfeld gab für diesen Fall auch bereits die richtige Er- klärung [177], indem er eine Kontrastwirkung darin sah. Den Licht- schein auf betbauter Unterlage vermochten weder v. Winterfeld noch Brandes (in seinem Lexikon-Artikel „Hof“) [178] ausreichend zu erklären; Lommel zufolge [179] „besteht der helle Schein aus dem Lichte, welches durch die Tropfen gebrochen, von deren Unterlage aufgefangen wird und nun durch die Tropfen hindurch wieder gegen die Lichtquelle zurückkehrt“. Es fand sonach eine viermalige Brechung und eine einmalige diffuse Reflexion statt*). Ganz analog verhält es sich mit dem Augenleuchten mancher Thiere, z. B. der Katzen. — Zum Schlusse bemerken wir noch, dass wir als atmosphärisch- optische Gebilde gewisse in mittelalterlichen Flugschriften und Sammel- werken — z.B. bei Lykosthenes — verzeichnete Himmelserscheinungen in Anspruch nehmen, welche Flammarion [180] mit den Kometen in Verbindung bringen wollte. *) Verf. dieses sah die Erscheinung nur Einmal in seinem Leben, nämlich bei Besteigung des Fellhorns im bayrisch-tyrolischen Grenzgebirge, diessmal aber auch in so ausserordentlicher Klarheit und Schönheit, wie er es nach den Be- schreibungen kaum zu erwarten gewagt hätte. Sehr niedriger Sonnenstand, eine neblige Beschaffenheit der Luft und jene Art des Pflanzenwuchses, wie sie ein Kleeacker darbietet, scheinen sonach als günstige Nebenumstände mitzuwirken, Citate. 159 [1] Treiber, De figura et colore coeli apparentis, Jenae 1668. — [2] R. Smith, Lehrbegriff der Optik, deutsch von Kästner, Altenburg 1755. 8. 57. — [3] Weyer, Zeit- und Ortsbestimmung, Allgem. Encyklop. d. Physik, 1. Band. Leipzig 1869. S. 685 ff. — [4] Bruhns, Die astronomische Strahlenbrechung in ihrer historischen Entwickelung, Leipzig 1861. — [5] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 152. — [6] G. Vossius, De universae matheseos natura et constitutione liber, Amstelodami 1650. S. 185. — [7] R. Wolf, Gesch. ete.,-S. 376. — [8] Ibid. S. 601. — [9] Kramer, Descartes und das Brechungsgesetz des Lichtes, Abhandl. z. Gesch. d. Mathem., 4. Heft, Leipzig 1882. — [10] Grunert, Ueber die atmo- spärische, vorzüglich die terrestrische Refraktion und über Refraktionskurven im Allgemeinen, Arch. d. Math. u. Phys., 10. Theil. 8. 12. — [11] Laplace, Traite de me&canique celeste, tome IV., Paris 1805. S. 246. — [12] v. Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde, 2. Band, Stuttgart 1879. S. 299. — [13] Kramp. Analyse des refractions astronomiques et terrestres, Strasbourg 1798. — [14] v. Bauern- feind,. Die atmospärische Strahlenbrechung auf Grund einer neuen Aufstellung über die physikalische Konstitution der Atmosphäre, Astr. Nachr., Nr. 1478— 1480. Nr. 1587—1590. — [15] Simpson, Mathematical dissertations, London 1743. S. 46 ff. — [16] Lalande, Astronomie, tome II.. Paris 1792. S. 531. — [17] Hennert, Ueber die astronomische Strahlenbrechung, (Hindenburg’s) Arch. d. reinen u. angew. Mathem.. 2. Band. S. 4. — [18] Weyer, Zeit- und Ortsbestimm.. $. 666. — [19] v. Bauernfeind,. Ergebnisse aus Beobachtungen der terrestrischen Refraktion,. Mün- chen 1880. — [20] Huygens, Trait& de la lumiere, Leyde 1691. Kap. IV. — [21] Birn- baum, Grundzüge der astronomischen Geographie, Leipzig 1863. S. 14. — [22] Sabler., Beobachtungen über die irdische Strahlenbrechung und über die Gesetze der Ver- änderung derselben, Dorpat 1839. — [23] Günther, Historische Notizen über die Lateralrefraktion, Sitzungsber. d. phys.-med. Societät zu Erlangen, Sitzung vom 11. Mai 1874. — [24] Fr. Pfaff, Beobachtungen über Lateralrefraktion, Sitzungsber. d. k. bayr. Ak. d. Wissensch., m.-ph. Kl., 1872. S. 147 ff. — [25] Sonderhof, Die geodätischen Korrektionen der auf dem Sphäroid beobachteten Horizontalwinkel, Arch. d. Math. u. Phys., 50. Theil. S. 40 ff. — [26] A. Fischer, Der Einfluss der Lateralrefraktion auf das Messen von Höhenwinkeln, Berlin 1882. — [27] v. Bauern- feind, Ergebnisse etc., S. 48 ff. — [28] Hartel, Ueber den Zusammenhang zwischen der terrestrischen Strahlenbrechung und den meteorologischen Elementen, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteor., 16. Band. S. 112 ff. — [29] v. Oppolzer, Ueber den Zusammenhang der Refraktion mit der Temperaturvertheilung in der Atmo- sphäre, Wien 1884. — [30] A. v. Humboldt, Kosmos, 3. Band, Stuttgart und Augs- burg 1858. S. 60 ff. — [31] Ibid. S. 112 ff. — [32] Ibid. S. 67. — [33] A. v. Hum- boldt, Voyage aux regions Equinoxiales du nouveau continent fait en 1799— 1804, Vol. I.. Paris 1799. S. 623 ff. — [34] Montigny, Nouvelles recherches sur la fre- quence de la scintillation des etoiles dans le rapport avec la constitution de leur lumiere, Mondes, (2) Vol. XXXVI. S. 75 ff. — [35] Humboldt, Kosmos, 3. Band. S. 75. — [86] Ibid. S. 631. — [37] Schweizer, Ueber das Sternschwanken, Moskau 1858. — |38] Zakarija Ben Muhammed Ben Mahmüd Al-Kazwini’s Kosmographie, 1. Halbband, deutsch von Ethe, Leipzig 1868. S. 63. — [39] Humboldt, Kosmos, 3. Band. S. 66. — [40] Clausius, Die Lichterscheinungen der Atmospäre dargestellt und erläutert, (Grunert’s) Beitr. zur meteor. Optik u. zu verw. Wissensch.. 1. Theil. S. 371 ff. — [41] Olivarius, Moskovische und persische Reisebeschreibung, Schles- wig 1647. cap. VII. — [42] Humboldt, Kosmos, 3. Band. $. 69. — [43] Günther, Vermischte Untersuchungen zur Geschichte der mathematischen Wissenschaften. Leipzig 1876. S. 291 ff. — [44] Lichtenberg, Ueber meteorologische Gegenstände. Phys. u. math. Schriften, ed. Kries, 4. Band, Göttingen 1806. S. 330. — [45] Saus- sure, Description d’un diaphanometre, Mem. de Turin. Vol. IV. S. 425 fi. — [46] A. und H. v. Schlagintweit, Durchsichtigkeit der Atmosphäre und Farbe des Himmels in grösseren Höhen in den Alpen, Ann. d. Phys. u. Chem., 84. Band. S. 340 ff. — [47] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. S. 387 ff. — [48] Lippich, Ueber polaristrobometrische Methoden, Wien 1882. — [49] Ibid. S. 5. — [50] Clausius, Die atmosph. ete., $. 375 ff. — [51] Humboldt, Kosmos, 3. Band. S. 71. — [52] Saussure, Voyages dans les Alpes, Vol. II.. Neuf- chätel 1779. S. 199. — [53] Funck, Liber de coloribus coeli. Ulmiae 1716. — [54] Hellmann, Beobachtungen über die Dämmerung, Zeitschr. d. österr. Gesellsch. f. Meteor., 19. Band. S. 168 ff. — [55] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 4. Band, Zürich 1862. S. 269. — [56] Prevost, Remarques sur trois suites d’observations cyanometriques de H. B. Saussure, Journ. de phys.. Vol. LVII. — [57] J. Müller, Lehrbuch ete. $S. 399. — [58] Humboldt, Kosmos, 160 Citate. 3. Band. S. 135. — [59] Goethe, Farbenlehre, 1. Theil, Stuttgart 1869. S. 56. —- [60] Muncke, Ueber subjektive Farben und gefärbte Schatten, Schweigger’s Journal, 30. Band. S.81 ff. — [61] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 1. Band, Leipzig 1825. S. 12. — [62] Clausius, Die atmosph. etc. S. 390 ff. — [63] Forbes, The colours of the atmosphere, Transact. of the royal society of Edinburgh, Vol. XIV. S. 1 ff. — [64] Heller, Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit, 2. Band, Stuttgart 1884. S. 260 ff. — [65] J. Müller, Lehrbuch ete. S. 404. — [66] Heis, Erscheinung des Wasserziehens an der der Sonne gegenüber- stehenden Seite, Wochenschr. f. Astr.,. Met. u. Geogr., (2) 6. Jahrgang. S. 118 ff. — [67] Clausius, Die atmosph. etc. $. 367. — [68] J. Müller, Lehrbuch ete. $. 406 ff. — [69] Wheatstone, On a mean of determining the apparent solar time by the diurnal change of the plane of polarization at the north pole of the sky, Report of the British Association for 1848. — [70] J. Müller, Lehrbuch ete. S. 410. — [71] Brewster-Gladstone, On the lines of the solar spectrum; map of the solar spectrum, giving the absorption lines of the earth’s atmosphere, Phil. Transact., 1860. S. 149 ff. — [72] Gladstone, Notes on the atmospheric lines of the solar spectrum, Proceedings of the royal society, Vol. XI. S. 305 ff. — [73] Janssen, Sur les raies telluriques du spectre solaire, Compt. rend. de l’acad. franc., Vol. LIV. S. 1280; Vol. LVI. $S. 538; Vol. LX. S. 213; Sur le spectre de la vapeur d’eau, ibid. Vol. LXIII. S. 289. — [74] Hennessey, Sur les raies atmospheriques du spectre solaire reproduites dans une carte sur la m&me £chelle que celle adoptee par Kirchhoff, Mondes, (2) Vol. XXVII. S. 44 ff. — [75] Secchi, Note sur les spectres prismatiques des corps celestes, Compt. rend. de l’acad. franc.,. Vol. LVI. S. 71 ff. — [76] Ueber das Vorherverkündigen regnerischer Witterung bei hohem Barometer- stande mittelst des Spektroskopes, Gaea, 11. Jahrgang. S. 723 ff. — [77] Vogel, Photographische Spektralbeobachtungen im rothen und indischen Meere, Ann. d. Phys. u. Chem., 156. Band. $. 319 ff. — [78] Vogel, Spektroskopische Untersuchung des Lichtes der blauen Grotte auf Capri, ibid. 156. Band. $. 325 ff. — [79] Lam- bert, Photometria sive de mensura et gradibus lueis, colorum et umbrae, Augustae Vindelicorum 1760. 8. 388 ff. — [80] Clausius, Die atmosph. etc. S. 379 fi. — [81] Nonius, De crepusculis liber unus, cum tractatu Alhazenii de causis cre- pusculorum. Olysipone 1542. — [82] Joh. Bernoulli, Opera omnia, ed. Cramer, tomus I.. Lausannae 1742. S. 64 ff. — [83] R. Wolf, Handbuch der Mathematik, Physik, Geodäsie und Astronomie, 2. 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S. 19 ff. — [104] Neumayer, Bericht über die vulka- nischen Ausbrüche des Jahres 1883 in ihrer Wirkung auf die Atmosphäre, Met. Zeitschrift. 1. Jahrgang. S. 1 ff. 8. 49 fl. 8. 93 fl. — [105] Ibid. S. 50 fi. — [106] Kiessling, Ueber den Einfluss künstlich erzeugter Nebel auf direktes Sonnen- licht, ibid. 1. Jahrgang. $. 117 ff. — [107] Ibid. S. 124. — [108] Simmler, Versuch zur Erklärung der eigenthümlichen Beleuchtung bei Sonnenfinsternissen, Mit- theil. d. naturf. Ges, zu Chur, 1860. — [109] Priestley, Geschichte und gegen- Citate. 161 wärtiger Zustand der Optik, deutsch von Klügel, Leipzig: 1876. S. 327 fi. — [110] Zschokke, Die farbigen Schatten, ihr Entstehen und ihr Gesetz, Aarau 1826. — [111] Gefärbte Schatten, Wochenschr. f. Astr., Met. u. Geogr., (2) 6. Jahrgang. S. 390 #. — [112] Clausius, Die atmosph. etc. S. 401 ff. — [113] Latham, On a singular instance of atmospheric refraetion, (Gilbert’s) Ann. d. Phys.. 4. Band. S. 142. — [114] J. Müller, Lehrbuch ete. 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S. 386. — [125] Clausius, Die atmosph. etc. $. 416. — [126] J. Müller, Lehrbuch ete. S. 379. — [127] Reclam, Geschichte der Theorie des Regenbogens, Gaea, 14. Jahrgang. S. 461 ff. — [128] Gnau, Der Regenbogen, Humboldt, 2. Jahrgang. S. 226 ff. — [129] Poske, Die Erklärung des Regenbogens bei Aristoteles, Zeitschr. f. Math. u. Phys., h.-lit. Abtheil., 28. Band. S. 134 ff. — [130] L. Annaei Senecae Natur. Quaestionum libri- VII, lib. L, cap. 3. — [131] Reclam, Geschichte etc. S. 464. — [132] Fleischer, De iridibus doctrina Aristotelis et Vitellionis, certa methodo comprehensa, Vitebergae 1571. — [133] De Dominis, De radiis visus et lucis in vitris perspectivis et iride tractatus, Venetiis 1611. — [134] Libri, Histoire des sciences math&matiques en Italie, tome IV., Paris 1841. S. 446. — [135] Reclam, Geschichte ete. S. 471 ff. — [136] Gnau, Der Regen- bogen, S. 234. — [137] Heilermann-Diekmann, Lehr- und Uebungsbuch für den Unterricht in der Algebra, 3. Theil, Essen 1879. S. 109. — [138] Gnau, Der Regen- bogen, $. 232 ff. — [139] Radicke, Handbuch der Optik, 2. Band. Berlin 1839. S. 305. — [140] Heilermann, Ueber den dritten Regenbogen, Zeitschr. f. math. u. naturw, Unterricht, 10. Jahrgang. S. 72 ff. — [141] Priestley, Geschichte etc. S. 430. — [142] Hammerl, Ueber Regenbogen, gebildet durch Flüssigkeiten von verschie- denen Brechungsexponenten, Sitzungsber. d. k. k. Akad. zu Wien, math.-phys. Kl., ‚1833. S. 206 ff. — [143] Bravais, Sur le phenomene de l’arc-en-ciel blanc, Ann. de chim. et de phys., (3) Vol. XXI. S. 348 ff. — [144] Langwith-Daval, On extra- ordinary rainbow, Philos. Transact., 1722. S. 241 ff. — [145] Bravais, Annuaire meteorologique de France pour 1849. S. 331. — [146] Hellwag, Abhandlung vom vielfachen Regenbogen, Teutsches Museum, 1790. S. 420 ff. — [147] Venturi, Commentari sopra la storia e la teoria dell’ ottica, Bologna 1814. — [148] Bran- des, Vorlesungen über Naturlehre, Leipzig 1844. S. 498. — [149] Scholz, De figura guttae cadentis in a@re resistenie, Vratislaviae 1826. — [150] Grunert, Theorie des Regenbogens, Beitr. ete., 1. Theil. S. 36 ff. S. 72 ff. — [151] Brandes, Ueber den Regenbogen, Ann. d. Phys., 19. Band. S. 464 ff. — [152] Airy, Intensity of light in the neighborhood of a caustie, Transact. of the Cambr. Society, Vol. VI. S.379 ff. — [153] Miller, On spurious rainbows, Phil. Mag., (8) Vol. VI. S. 397 ft. — [154] Galle, Messungen an Regenbogen, Ann. d. Phys. u. Chem.. 63. Band. S. 342 ff. — [155] Clausius, Die atmosph. etc. S. 433 ff. — [156] Heller, Ge- schichte etc.. 1. Band. S. 60. — [157] Fraunhofer, Neue Modifikation des Lichtes durch gegenseitige Einwirkung und Beugung der Strahlen, und Gesetze derselben, Schumacher’s Astr. Abhandl.. 3. Heft. — [158] Galle, Ueber Höfe und Neben- sonnen, Ann. d. Phys. u. Chem.. 49. Band. S. 310 ff. — [159] Bravais, Sur les halos et les phenomenes optiques qui les accompagnent, Journ. de l’ecole polyt.. vol. XVII. S. 320 fi. — [160] Kuhse, Die drei wichtigsten Hof- und Nebensonnen- phänomene, nämlich das Römische, das Danziger und das Petersburger Phänomen, genau nach den Quellen dargestellt, Beftr. z. met. Optik etc., 1. Theil. S. 169 f. — [161] Hevelius, Mercurius in sole visus.... nec non genuina delineatio para- selenarum et pareliorum quorundam rarissimorum, Gedani 1662. — [162] Aepinus, Halonum extraordinariarum Petropoli visarum descriptio, Novi Comm. Acad. Seient. Imp. Petrop., tomus VIII. S. 392 fi. — [163] J. T. Lowitz, Description d’un möte&ore remarquable observe a St. Petersbourg, St. Petersbourg 1794. — [164] Kuhse, Die drei ete. S. 191. — [165] C. Plinii Secundi historiae naturalis libri XXXVII, Günther, Geophysik. II. Band. 11 162 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. lib. II. cap. 31. — [166] Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie, 3. Band, Halle 1836. S. 115. — [167] J. Müller, Lehrbuch ete. $. 425. — [168] Clausius, Die atmosph. ete. S. 445. — [169] Kämtz, Lehrb. ete., 3. Band. S. 192. — [170] J. Müller, Lehr- buch etc. $. 438 ff. — [171] Schwerd, Die Beugungserscheinungen aus den Fun- damentalgesetzen der Undulationstheorie analytisch entwickelt und in Bildern dargestellt, Mannheim 1835. S. 126. — [172] Clausius, Die atmosph. ete. $. 439 ff. — [173] Silberschlag, Geogenie oder Erklärung der mosaischen Erderschaffung nach physikalischen und mathematischen Grundsätzen, 1. Theil, Berlin 1780. S. 139. — [174] Clausius, Ueber die Lichtzerstreuung in der Atmosphäre und die Inten- sität des durch die Atmosphäre reflektirten Lichtes, Journal für die reine und angew. Mathem., 36. Band. S. 122 ff. S. 185 ff. — [175] Lommel, Wind und Wetter; gemeinfassliche Darstellung der Meteorologie, München 1873. $. 318. — [176] Ibid. S. 325. — [177] v. Winterfeld, Ueber den hellen Schein, den Einige um den Schatten des Kopfes gesehen haben, Ann. d. Phys.,. 18. Band. S. 57 ff. — [178] Gehler’s phys. Wörterbuch, 2. Aufl., 5. Band, 1. Abtheil., Leipzig 1829. $. 439 ff. — [179] Lommel, Ueber den Lichtschein um den Schatten des Kopfes, Sitzungsber. d. phys.-med. Societät zu Erlangen vom 23. Juni 1873. — [180] Flammarion, L’astronomie populaire et les com£etes au temps d’Ambroise Par& et de Charles IX, L’Astronomie, 1882. S. 339 ff. Kapitel IV. Atmosphärische Elektrieität; Gewitter. $. 1. Statische und dynamische Luftelektrieität. Die Thatsache, dass der Luft Elektricität innewohnt, musste sich von dem Augenblicke an den Forschern offenbaren, als dieselben die verschiedenen Erschei- nungsformen der elektrischen Entladung zu studiren begannen, und in der That finden wir, dass bereits Otto v. Guericke das von seiner rotirenden Schwefelkugel ausgehende Knistern mit den Gewitter- geräuschen in Parallele zu stellen nicht umhin konnte [1]. Strenge haben wir zu scheiden zwischen jenen Bekundungen des Vorhanden- seins von Elektrieität, welche auch bei vollkommen ruhiger Atmosphäre zu Tage treten, und zwischen jenen, welche auf das Vorgehen eines mehr oder minder heftigen Ausgleichungsprocesses hinweisen. Wenn wir in diesem Sinne von statischer und dynamischer Luftelek- trieität sprechen, so dürfte über die Bedeutung dieser an sich viel- leicht minder gebräuchlichen Worte kein Zweifel obwalten. Die mono- graphischen Darstellungen von Waitz [2], K. F. Jordan [3] und Palmieri [4], von denen die letztere das Ergebniss emsiger fünfund- dreissigjähriger T'hätigkeit ist, gestatten es gegenwärtig, eine ziemlich übersichtliche Theorie der atmosphärisch-elektrischen Erscheinungen zu liefern. Der Elektricität des heiteren Himmels wendete zuerst Le Mon- nier seine Aufmerksamkeit zu, während die Gewitter, an deren Zu- sammenhang mit den Attraktionserscheinungen des geriebenen Bern- steins (7he7rpoy) damals freilich noch Niemand dachte, schon in der „Meteorologie“ des Aristoteles ihre Rolle spielten [5]. Es wird an- gezeigt sein, auch hier stufenweise vom Einfacheren zum Komplieirteren IV. $. 2. Atmosphärisch-elektrische Messungsapparate. 163 emporzusteigen und zunächst die statische Elektricität allein in Betracht zu ziehen. . S. 2, Atmosphärisch-elektrische Messungsapparate. Wie Waitz (a. a. ©.) berichtet, datiren die ersten Versuche, die Luftelektrieität durch Metallspitzen aufsaugen zu lassen und diese Spitzen sodann mit dem Prüfungs-Elektroskope in leitende Verbindung zu bringen, von D’Alibard. Der grossartige Apparat, welchen De Romas zu diesem Behufe konstruiren liess, ward von J. Müller [6] einlässlich beschrie- ben; auf ähnlichem Principe beruht die weit einfachere Saugvorrichtung Romershausen’s [7]. Volta und Bennet wollten die Spitzen um 1787 durch Flammen ersetzen, eine bequeme und für oberflächliche Betrachtung recht einleuchtend erscheinende Methode, welche aber vor den Einwürfen Palmieri’s nicht bestehen kann. Wirkliche Mess- instrumente erhielt man erst 1836 durch Peltier und Dellmann. W. Thomson liess aus einem isolirt aufgestellten Metallgefässe, das seitlich mit einer langen, feinen Spitze versehen war, einen dünnen Wasserstrahl ausströmen, der bei’'m Zerstäuben eine natürliche Quelle von Elektricitätsentwickelung wurde, und so lud sich obiges Gefäss von selbst. Das Metallgefäss ward mit einem feinen Elektrometer ver- bunden, der die eigentliche Messung der Intensitäten übernahm, so dass in dieser Weise sogar das Selbstregistriren besorgt werden konnte*). Dellmann lieferte [8] eine genaue Beschreibung dieses Thomson’schen Flaschenelektrometers, welches an die Stelle des bis dahin den Ruf des feinsten Messapparates an sich tragenden Säulenelektrometers trat. In der That erfreut sich dieser zweite, messende Theil des Thomson’schen Instrumentes noch heute vollster Anerkennung, der Entwickelungsapparat aber ist nach Palmieri [9], der schon im Jahre 1850 an die Anwendung eines kleinen Spring- brunnens zu vorgedachtem Zwecke gedacht hatte, als mit allzu vielen *) Lichtenberg soll bereits daran gedacht haben, seine bekannten Strahlenfiguren, welche durch Aufschütten von Pulver auf eine Elektro- phorplatte sich zu zeigen pflegen, für die Zwecke des Selbstregistrirens auszu- nützen. 164 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Mängeln behaftet erkannt worden. Derselbe fand nämlich, dass die Geschwindigkeit des Flüssigkeitsstrahles eine allzu veränderliche sei, dass eine ausreichende Isolirung des Metallbechers sich kaum durch- führen lasse, und dass eine selbst nur annähernde Schätzung der durch Zerstreuung verloren gehenden Elektricitätsguanta zu den Unmöglich- keiten. gehöre. Von all’ diesen Nachtheilen ziemlich frei ist Pal- mieri’s Bifilarelektrometer, welchem wohl die nächste Zukunft gehört; wir setzen hier dessen Eigenthümlichkeiten in möglichst engem Anschlusse an des Erfinders eigene Worte [10] auseinander. Die wesentlichen Bestandtheile des Apparates, welche Fig. 41 uns vorführt, sind in einer Glasbüchse eingeschlossen, welche — die in’s Glas ein- geätzte Kreistheilung mit inbegriffen — völlig mit jener einerlei ist, welche Jedermann von der Coulomb’schen Torsionswage her kennt. Die Ablesung erfolgt nach den bekannten Poggendorff’schen Prin- cipien, indem an der Drehungsaxe in i ein Spiegelchen angebracht ist. dd bedeutet in unserer schematischen Zeichnung den Boden des Glascylinders; dieser Boden ist central durchbohrt, und in die Lücke ist eine kurze, selbst aber ebenfalls durchbohrte Röhre bb von Krystall eingeschmolzen. Die Höhlung erfüllt ein aus ausgezeichnet isolirender Mastixmasse verfertigter Stab aa, und durch diesen geht wieder ein Kupferdraht cc hindurch, der an seinem unteren — aus der Büchse herausragenden Ende — den leichten Metallstab f, an seinem oberen aber ein Schüsselchen r aus vergoldetem Kupfer trägt; weiter unten ist an cc der Doppelarm ee angebracht. Im Inneren des Schüsselchens r hängt eine etwas kleinere Aluminiumscheibe t, durch deren Mittel- punkt i — zugleich (s. 0.) den Träger des Ablesungsspiegels — ein sehr feiner Aluminiumdraht gg hindurchgezogen ist. i nun ist bifilar an dem oberen Ende des Glasrohres befestigt, welches auf die Glocke aufgesetzt ist; die Aufhängung wird durch Schrauben so geregelt, dass die Aluminiumscheibe genau im Mittelpunkte der kleinen Aus- höhlung r einspielt, und dass zugleich der Zeiger g dem Nullpunkt der Gradeintheilung gegenüber steht. Diess ist die richtige Adjusti- rung. Wird der Draht f mit einem geladenen Körper berührt, so wird der Zeiger um eine Anzahl Grade abgelenkt, alsdann aber dreht er sich zurück und verharrt in dieser seiner neuen Stellung. War er anfänglich um a’, und ist er nachgerade um b° vom Nullpunkt ent- fernt, so ist a in Palmieri’s Sprechweise der impulsive Bogen, b der definitive Bogen; nimmt man an, dass der erstere Bogen der dem Drahte f übermittelten Elektriceitätsmenge direkt proportional ist, so besteht eine mathematische, von Battaglini ausgemittelte Be- ziehung zwischen impulsivem und definitivem Bogen [11]. Der im- pulsive Bogen selbst aber ist proportional dem Potentiale der atmosphärischen Elektricität (vgl. 1, Band,. 8; 165). Es übrigt nur noch anzugeben, wie mit diesem Instrumente die Klektrieität in verschiedenen Höhen über der Erdatmosphäre geprüft werden kann. Es genügt aber, zu sagen, dass ein durch die Decke des Beobachtungsraumes hindurch geführter langer Konduktorstab durch einige mit der Hand leicht zu regierende Schnurläufe rasch auf- und abbewegt werden kann, während sein unteres Ende einerseits mit dem Bifilarelektrometer, andererseits mit einem Bohnenberger'’- IV, $S. 3. Art und Periodieität der atmosphärischen Elektricität. 165 schen Elektroskope*) verbunden wird. Jenes liefert das Maass für die augenblickliche Spannung der Luftelektricität, dieses giebt deren Vorzeichen an. $S. 3. Art und Periodieität der atmosphärischen Elektrieität. Im Allgemeinen kann man wohl sagen |12], die Luft sei stets und an allen Orten elektrisch, doch erwähnt z. B. Bessels [13], dass ihm während des Winteraufenthaltes in Polaris-Bay längere Zeiträume vor- gekommen seien, während deren absolut keine elektrische Reaktion bemerkbar war. Schon frübzeitig hatte man herausgebracht, dass die Art der atmosphärischen Elektrieität nicht immer die gleiche, dass vielmehr das Vorzeichen derselben ein wechselndes ist. Nach Jor- dan (a. a. O.), der sich in der Hauptsache auf die Untersuchungen von Duprez |l4] und Mühry [15] bezieht, gilt etwa Folgendes. Ueberwiegend besitzt die ruhende Luft + E, bei bedecktem Himmel und bei Niederschlägen pflegt — E vorzuwiegen, und man soll etwa 23 gegen 1 wetten können, dass man in einem beliebigen Zeitpunkte —- E antreffen werde. Je weniger saugkräftige Gegenstände sich in der Nähe befinden, um so kräftiger tritt die Elektricität hervor, wäh- rend sie im Walde fast gänzlich verschwindet. Dünste wirken ver- stärkend, der T'hau liefert positive Elektricität. NachRagona sollen Zunahme der Luftelektrieität und des Luftdruckes Hand in Hand gehen. Palmieri’s umfassende Beobachtungen mit feinen Hülfs- mitteln haben manche dieser etwas gar zu allgemeinen Wahrheiten etwas bestimmter zu fassen gestattet, insoferne namentlich der folgende Erfahrungssatz von ihm aufgestellt und begründet werden konnte [16]: „Wenn innerhalb eines den Beobachtungsort koncentrisch einschliessen- den Kreises, dessen Halbmesser 70 km erreichen kann, weder Regen, noch Hagel oder Schnee fällt, so ist die Elektricität bei heiterem Himmel immer positiv. Es ist bereits durch eine lange Reihe von Versuchen bewiesen, dass, wenn man bei heiterem Himmel des Be- obachtungsortes negative Elektricität beobachtet, in einer gewissen Entfernung von jenem das Vorhandensein von Regen, Hagel oder Schnee sicher ist.“ Die Ansicht, dass mit der vertikalen Erhebung mehr + E sich zeige, bezweifelte schon W. Thomson mit Rück-. sicht auf seine auf der Insel Arran gemachten Erfahrungen, und Pal- mieri wies überzeugend nach (a. a. O.), dass der Ansicht nur eine sehr bedingte Richtigkeit innewohne. Dass die atmosphärische Elektricität eine jährliche wie tägliche Periode zeige, schloss man aus den Beobachtungsreihen, welche Schübler, Lamont, Quetelet und das geophysikalische Observatorium von Kew zur Verfügung gestellt hatten. Indessen ist diese Periodicität nichts weniger als eine regelmässige. Die tägliche Periode ist durch zwei Maxima und Minima charakterisirt; das erste Maximum entfällt ungefähr auf 9 Uhr des Morgens, das zweite, lang andauernde, auf die Zeit nach Sonnenuntergang, während das erste Minimum dem An- bruch des Tages, das zweite einer sehr variablen Nachmittagsstunde *) Gegenüber den beiden Polen einer trockenen (Zamboni’schen) Säule sind feine Goldblättchen aufgehängt, welche durch den Sinn ihres Ausschlages das Zeichen der Elektricität mit sonst kaum erreichbarer Feinheit angeben. 166 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. entspricht. „Mit Sicherheit,* sagt Palmieri [17], „kann ich nur das angeben, dass ich nach Verzeichnung vieler Kurven dieser täglichen Periode, wozu ich die regelmässigsten Tage wählte, eine gewisse Aehn- lichkeit aller dieser Kurven erkannte; sie sind aber so winkelig, dass man an denselben starke Erhöhungen und Vertiefungen von einer Viertelstunde zur anderen wahrnimmt.“ $S. 4. Quellen der statischen Luftelektrieität. Dass es an Hypo- thesen nicht fehlt, durch welche der Ursprung der atmosphärischen Elektrieität klar gemacht werden soll, ist leicht verständlich. Die be- deutsamsten hievon mögen wohl die nachstehend angeführten und kurz erörterten sein. | a) Die Reservoir-Hypothese. Peitier [18] und Lamont [19] hielten dafür, dass man in der Erde ein stabil mit einem bestimmten (@Juantum negativer Elektricität geladenes Reservoir vor sich habe; Ungleichheiten der Erdoberfläche bedingten eine unregelmässige Ver- theilung der Erdelektricität, welche durch ihre Berührung in der um- gebenden Luft eine entgegengesetzte, also positive Elektrieität erzeuge. Freilich beantwortet diese Theorie die zu stellende Frage nicht, sie führt die Lösung vielmehr nur auf eine andere, kaum minder ver- wickelte Frage zurück *). b) Die Insolations - Hypothese. Aus seinen Studien über die geographische Vertheilung der atmosphärischen Elektricität glaubte Mühry [20] schliessen zu sollen, dass diese Vertheilung mit der Mitteltemperatur, d. h. der Insolationsdauer parallel gehe; er betrachtet demzufolge die Sonnenbestrahlung als den weitaus wichtigsten Faktor der Elektricitätsbildung und will der Reibung von Wind und Staub blos eine untergeordnete Bedeutung einräumen. Aus diesem Grunde nehme auch die Intensität der elektrischen Wirkungen nach den Polen hin ab“*). Auf ähnlicher thermo- oder pyroelektrischer Grundlage beruht Giordano’s Hypothese [22]. c) Die Reibungs- Hypothese Was Mühry (s. o.) für minder wichtig erachtet, nämlich die Reibung, sieht Jordan [23] als das eigentlich Maassgebende an. Seine These lautet, wie folgt: „Die Entwickelung der atmosphärischen Elektricität hängt von der vereinten Wirkung des Wasserdampfes und der Sonnenwärme ab.“ So richtig diess unzweifelhaft ist, so sehr vermisst man gleichwohl eine nähere Spezialisirung des eigentlichen Entwickelungsprocesses. d) Die kosmische Hypothese. Becequerel scheint der Erste gewesen zu sein, der für einen solaren Ursprung aller Erdelektricität plaidirte. Der eruptive Wasserstoff der Sonnenoberfläche (I. Band, S. 63) sei positiv, der Sonnenkörper selbst negativ elektrisch; die Wasserstoffprotuberanzen sollen ihre Elektrieität durch die Vermitte- lung von Körperchen, die hinaus in den Weltraum wandern, direkt an unsere irdische Atmosphäre übertragen [24]. Auch Faye lässt den *) Dellmann behauptet allerdings auch, dass die Luft nicht erst durch Mittheilung elektrisch werde, sondern schon von Hause aus elektrisch sei. **) Diess leugnet Lemström [21] ganz entschieden. Die Elektricität sei nur in den Polarregionen schwer zu konstatiren. ee: A Ah Br Er. e. ai e Fo IV. $. 4 Quellen der statischen Luftelektriecität. 167 stark verdünnten Wasserstoff selber herab zur Erde gelangen [25] *). Tiefer eindringend ist die Auffassung der kosmischen Hypothese, welcher wir bei Werner Siemens [26] begegnen. Ihm zufolge wirkt die Sonne elektrisch vertheilend auf alle Himmelskörper, also auch auf die Erde. Dort muss also die frei werdende entgegenge- setzte Elektrieität abgeleitet werden, ähnlich, wie wenn einem geladenen sphärischen Konduktor eine kleine isolirte Kugel gegenübergestellt wird. Möglicherweise repräsentiren — wie schon in Kap. IV der vorigen Abtheilung angedeutet ist — die Polarlichter den sichtbaren Ausgleich zwischen der von der Sonne mit negativ elektrischer Ladung ausströmenden Materie und der frei gewordenen positiven Influenz- elektricität der Erde. Die Gewitter werden uns nochmals zu der von Siemens vertretenen Anschauung zurückführen, deren Hauptsatz — dass nämlich der Weltraum als trennendes Mittel (Dielektrikum) zu gelten habe — K. J. Jordan für unvereinbar mit den Grund- wahrheiten der Elektricitätslehre hält [27]**). Auch Zehnder be- kämpft in zwei Aufsätzen über Luftelektricität [28] und über Ko- meten [29] Siemens’ Annahme einer solaren Elektricität von grossem Potentiale. e) Die Verdampfungs-Hypothese. Schon Saussure, dessen in sein berühmtes Reisewerk [30] eingerückte Abhandlung „Nouvelles recherches sur l’@lectrieit€ atmospherique* eine grosse geschichtliche Bedeutung für unsere Disciplin beanspruchen darf, schrieb der Ver- dunstung des Meerwassers den wichtigsten Antheil bei der positiv- elektrischen Erregung unserer Lufthülle zu; Tait, Wanklyn und besonders Pouillet [31] traten auf Saussure’s Seite***). Doch ist durch den gründlichsten Kenner der Reibungselektricität, durch Riess [32], die Unhaltbarkeit obiger Theorie dargethan worden, und, wie wir den Mittheilungen von Waitz [33] entnehmen, hat auch neuerdings noch eine vonFreeman und Blake in’s Werk gesetzte Versuchsreihe bewiesen, dass die ruhige Verdunstung von Flüssigkeiten, im Besondern auch von Meerwasser, nicht als Elektricitätsquelle an- gesehen werden kann. f) Die Kondensations-Hypothese. Wir erinnerr in dieser Hinsicht zuerst an Wettstein, der, im Gegensatze zu Pouillet, in der Kondensation des Wasserdampfes zu Wolken und im Freiwerden der vorher latenten Wärme die eigentlich einflussreichen Momente er- kannte [34]. Jordan möchte [35] diese Lehre hauptsächlich wegen der von Palmieri am Vesuv gesammelten Erfahrungen verworfen wissen, doch sehen wir nicht recht ab, worin die Unverträglichkeit zu suchen sein soll, da doch Palmieri ganz ausdrücklich hervorhebt [36]: „Die mit geeigneten Apparaten angestellten Beobachtungen haben be- wiesen, dass der sich in den Rauchwolken kondensirende Wasserdampf immer reich an positiver Elektrieität ist.“ Auch bekennt sich der italienische Forscher am Schlusse seines Schriftehens [37] mit aller *) Es wird unseren Lesern von selbst auffallen, dass diese Vermuthung lebhaft an jene Meinung v. Zech’s erinnert, deren wir bei den anomalen Dämme- rungserscheinungen im vorigen Kapitel zu gedenken gehabt haben. *#=) Sollten hiebei nicht Edlund’s Resultate (I. Band, S. 91) unterschätzt sein? *#%) Es verdient angemerkt zu werden, dass Pouillet nebenher noch in der Vegetation einen Elektrieitäts-Entwickler anerkannt wissen wollte. f 168 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Bestimmtheit als einen Anhänger seines Landsmannes Volta und er- klärt mit ihm „als entferntere oder mittelbare Ursache“ der atmo- sphärischen Elektrieität die Verdampfung des Wassers (s. o.), „als nähere und unmittelbare Ursache* aber einzig und allein die Ver- dichtung der Dämpfe*). Damit erscheint somit die Konkordanz zwischen den Lehrsystemen vonSaus- sure-Pouillet einerseits und Wettstein-Palmieri andererseits angebahnt. S. 5. Langsame Ausgleichungsprocesse. Jedenfalls dürfen wir aus den vorstehenden Darlegungen den Schluss ziehen, dass im Grossen und Ganzen unsere Erde als ein negativ, unser Luftkreis als ein po- sitiv elektrisch geladener Körper zu gelten habe. Wenn dem aber so ist, so kann es füglich nicht ausbleiben, dass Ausgleichungen zwischen den beiden entgegengesetzten Elektricitäten eintreten, und diese können vonvorübergehenderundlangsamer oder auch von plötzlicherundheftiger Natur sein. Jedenfalls ergeben sich dabei akustische undoptischeNebenerscheinungen. Erstere bestehen besonders in einem eigenthümlichen Knistern, wie es auch die den Spitzen einer Elektrisirmaschine entlockten Funken ver- nehmen lassen. Solches beobachtete nach R. Wolf [39] Saussure auf dem Montblanc, und v. Klenze erzählt, dass bei einer Alpen- besteigung er sammt seiner Reisegesellschaft durch einen „singenden“ Bergstock auf das Vorhandensein eines solchen langsamen Aus- gleichungsprocesses aufmerksam gemacht worden sei, der dann auch ein starkes Kitzeln der Haarwurzeln bewirkt habe, durch eintretenden Regen jedoch rasch beendigt worden sei [40]. Werner Siemens war es vergönnt, auf der Spitze der Cheops-Pyramide förmliche Ent- ladungsschläge, denjenigen einer Kleist’schen Flasche vergleichbar, zu konstatiren, als er eine Champagner-Flasche zu entkorken im Be- griffe stand [41]. Dem Wüstensande schrieb Siemens eine für das Zustandekommen dieser Erscheinung wichtige Rolle zu, und Rohlfs stimmte ihm hierin bei, indem er auf die von Ritchie und Du- veyrier bei Tag und Nacht bemerkten Funkenbildungen in der Wüste hinwies. Er selbst stellte fest [42], dass im Gefolge eines die Sandkörner mit grösster Geschwindigkeit über rauhen, vulkanischen Boden dahinpeitschenden Samumwindes gar oft elektrische Entladungen vorkämen, und es ist wohl auch zu vermuthen, dass die Reibungs- elektrieität den sonst in aller Stille sich abspielenden Influenzprocess verstärkt und beschleunigt. Das sogenannte St. Elms-Feuer (nach dem heiligen Eras- mus so genannt) kannten die Alten recht gut als ein den Schiffern angeblich Glück verheissendes Vorzeichen **); die römischen Schrift- *) Lamont nahm die Erde als primäre Elektrieitätsquelle an, Dellmann (s. 0.) betrachtete Erde und Luft als koordinirt, Palmieri endlich macht es wahr- scheinlich, dass die Elektrieität der Erde keine ihr eigenthümliche, sondern eine aus der Luft indueirte, ein Influenzphänomen ist [38]. Ob aber auch die in Kap. I, $. 5 der vorigen Abtheilung behandelten „Erdströme“ einer ausschliesslich auf die Luftelektrieität Bezug nehmenden Erklärung fähig sind’? **) Auffallenderweise hat in den antiken Ländern die Volksmeteorologie sich umgestaltet: die Neugriechen sehen, wie B. Schmidt berichtet [43], im St. Elms- Feuer den Vorboten von Unglück. IV. $S. 6. Gewitter, Blitz und Blitzableiter. 169 steller theilen uns mit, dass nicht blos an den Masten der Schiffe, sondern auch an den aufgerichteten Lanzen der Soldaten zu Zeiten ein heller Lichtschein beobachtet worden sei, und gegenwärtig soll dergleichen in den Anden Südamerika’s zu den Alltäglichkeiten ge- hören [44]. Die Erklärung der Lichterscheinung ist nicht schwierig und hat noch zu keinerlei Zweifeln Anlass geboten; es ist ja bekannt, dass die aus Spitzen ausströmende Elektricität häufig mit Lichtphänome- nen in Verbindung steht. Selbstverständlich kann es zur Bildung eines St. Elms-Feuers nur so lange kommen, als die Spannung der in einander übergehenden Elektrieitäten einen gewissen Grad. nicht überschreitet; man wird sich auch erinnern, dass dem in Kap. IV der vierten Ab- theilung Gesagten gemäss diese optische Manifestation eines Aus- gleichungsprocesses für niedrigere Breiten als etwas dem Polarlichte hoher Breiten durchaus Entsprechendes betrachtet werden muss. $. 6. Gewitter, Blitz und Blitzableiter. Das, was wir Gewitter nennen, ist in Wirklichkeit ein Komplex sehr mannigfacher und von ganz verschiedenen physikalischen Agentien beeinflusster Naturer- scheinungen, deren eigentliche Ursache — wenn überhaupt von Er- sründung einer solchen die Rede sein kann — erst im zweitnächst- folgenden Kapitel klargestellt werden wird. Hier haben wir es nur mit den elektrischen Begleiterscheinungen zu thun, welche freilich ihres augenfälligen und energischen Charakters halber von Vielen für das Wesentliche gehalten werden. Gewitterwolken, aus dichtem Kumulusgewölke bestehend und von einer eigenthümlichen graublau gefärbten Unterlage getragen, zeigen sich im Allgemeinen stets da, wo warme und dampfreiche Luftströme in die Höhe steigen [45 ]. Karsten unterscheidet [46] dreierlei verschiedene Arten von Ge- wittern. Wenn erstens bei ruhiger, klarer Luft viel Wasser durch die Sonnenstrahlen zum Verdampfen gebracht wird, so verdichtet sich dasselbe in den höheren Luftregionen, und es entstehen die Gewitter von oben, wie sie unter den Tropen gewöhnlich, in Europa jedoch weit seltener, und dann nur in der heissesten Jahreszeit, vorkommen. Dieselben haben nicht die Eigenschaft, „das Wetter zu verderben“. Zweitens tritt, wenn der kalte Polarstrom durch den warmen Aequa- torialstrom plötzlich verdrängt wird, eine schwere Luftmasse rasch in die tieferen Luftpartieen ein, der schnell abgekühlte Wasserdampf unterliegt fast augenblicklicher Verdichtung, und man bekommt das Gewitter von der Westseite. Siegt umgekehrt der Polar- strom, so ergiebt sich das ungleich seltenere Gewitter von der Ostseite. Obwohl in der gegenwärtig nicht mehr üblichen Dove’- . schen Kunstsprache vorgetragen, haben diese Ansichten doch gewiss einen sicheren Kern, doch sind freilich damit nur die mechanischen Vorbedingungen eines Gewitters gegeben, und wie sich die elektrischen Processe entwickeln, ist damit noch keineswegs erklärt. Mohn (a.a. 0.) und Jordan [47] machen einen scharfen Unterschied zwischen Wärme- und Wirbelgewittern, zu welch’ letzteren insbesondere die meist sehr verheerenden Wintergewitter zu zählen sind*). *) Diese Wintergewitter zeichnen sich vielfach durch ihre Verheerungen aus. Erinnert sei z. B. an den Einen furchtbaren Blitzschlag des 6. Januar 1865. der 170 | Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Völliger Immunität gegen Gewitter hat sich kein Land der Erde zu erfreuen. Die Polargegenden erklärte Arago für gewitterfrei, allein es ist diess, wie v. Dankelman hervorhebt [48], nicht richtig, wie denn z. B. der bekannte Kapitän Johannsen — fälschlich oft Johannesen geschrieben — am 23. September 1873 im Bell- sund auf Westspitzbergen ein regelrechtes Donnerwetter erlebt hat. Ebensowenig trifft es zu, dass in Niederperu und in der Sahara Ge- witter unerhört wären. H. J. Klein hat eine Tabelle der mitt- leren jährlichen Gewitterhäufigkeit für eine grosse An- zahl von Erdorten ausgearbeitet [49], zu welcher dann Fritz noch einige Nachträge und DBerichtigungen lieferte [50]. Die hervor- stechendsten Zahlen mögen folgende sein: Buitenzorg auf Java 160, Banjuwanja ebenda 110 (nach Fritz blos 96), Sta. Anna bei Manila 70 — Upsala 5, Trondheim 3, Port Said 4 Gewitter im Jahre. Einen trefflichen Gewitterdienst im Interesse einer genauen Gewitter- statistik richteten v. Bezold und ©. Lang Seitens des bayrischen meteorologischen Centralobservatoriums ein [51]. Dasselbe versendet an alle Stationen erster und zweiter Ordnung, ausserdem aber noch an alle sich freiwillig Erbietenden Postkarten mit aufgedrucktem For- mulare, welche durch die Post portofrei befördert werden; der ver- storbene Direktor der württembergischen Centralstelle, Schoder, organisirte denselben Dienstzweig in Württemberg, und da München und Stuttgart ihre Erfahrungen gegenseitig auszutauschen pflegen, so konnte v. Bezold in Bälde — es lagen 1882 von 252 bayrischen und 51 württembergischen Stationen nicht weniger als 4162 und 893 Meldungen vor — interessante Schlussfolgerungen ziehen und in einer erstmaligen Mittheilung zur öffentlichen Kenntniss bringen [52]. Das auszufüllende Formular ist folgendes: In... wurd am... ....118°% em'Gewitier (Were leuchten) beobachtet. Wetterleuchten vorher. von .' ....‘ Uhr bie. .r. Urin G q ı und ferne Blitze / nachher von... Uhr bis... Uhr im [ SCH 7 Dauer hörbar "von'.". . Uhr’bis Uhr: | Regen dauerte von .. . Uhr bis... Uhr. ı Hagel dauerte von... .. Uhr bis... . Uhr. Naewitter '\ .12, 5% zo ach. RN m; ” kam "aus '. N zos/yoruber tm: Himmelsgegend. | ee vor... während... nach... dem Gewitter. Bemerkungen (insbesondere über Gewitterschäden). Unterschrift’ des Beöbachters'.. .7. an, Schon jetzt dienten die Erhebungen zur Feststellung gewisser Grund- wahrheiten. So ist es z, B. die Regel, dass der Raum, innerhalb dessen gleichzeitig elektrische Entladungen stattfinden, die Gestalt eines langen, schmalen Bandes besitzt, dessen Längsaxe auf der Fort- den Nordthurm der St. Lorenz-Kirche in Nürnberg in Flammen setzte, eine ganze Reihe anderer Kirchen in Mittel- und Unterfranken beschädigte und zugleich das weit entfernte schwäbische Schloss Hohen-Rechberg in Asche legte. IV. $. 6. Gewitter, Blitz und Blitzableiter. 777 schreitungsrichtung des Gewitters senkrecht steht. Ferner wurde die Erfahrung bestätigt, dass es Oertlichkeiten giebt, welche die Gewitter- bildung begünstigen und mit Recht als Gewitterheerde bezeichnet werden können. Es sind unter diese zu rechnen die sumpfigen Nie- derungen zwischen den Alpen und den oberbayrischen Seen und der _ Westabhang des Böhmerwaldes; die ausgedehnten Gewitter, welche Bayern durchziehen, haben dagegen ihren Ursprung dem Anscheine nach zwischen Rhein und Schwarzwald. — Frankreich und Skandi- navien (unter Mohn'’s Leitung) sind schon längere Zeit im Besitze einer geordneten Gewitterstatistik; dem erstgenannten Lande gehört z.B. Rott&e’s auch für andere Länder nachahmenswerthe Zusammen- stellung an [53]. Seit 1876 gehört auch Oberitalien in die Reihe der wohlorganisirten Territorien; Ferrari hat [54] sein Beobachtungs- material einstweilen bekannt gegeben und O. Lang [55] dasselbe in kritischem Auszuge der deutschen Leserwelt zugänglich gemacht. Letzterer konstatirt, obwohl er mit der italienischen Methode der Diskussion nicht durchaus einverstanden ist, doch immerhin eine weit- gehende Uebereinstimmung der durch v. Bezold und durch Fer- rari erzielten Ergebnisse |56]. Was nun die bei einem Gewitter sich abspielenden Einzelvorgänge anlangt, so ist der typische Hergang etwa folgender. Die Gewitterwolken wirken, ganz wie andere elek- trisirte Körper, vertheilend in die Ferne [57], die in der Erde (s. o.) vorhandene negative Elektricität wird angezogen, und sowie der Wider- stand der zwischenliegenden Luftschicht überwunden werden kann, erfolgt eine Entladung. Indem also ein elektrischer Funke zwischen zwei verschieden elektrisch geladenen Wolken oder zwischen der Gewitterwolke und der Erde überspringt, sehen wir einen Blitz. Es war bekanntlich der grosse Franklin, der diese Identität zwischen Blitz und elektrischem Funken dadurch nachwies, dass er einen mit Stahlspitzen versehenen Drachen steigen liess, an dessen Schnur unten ein Metallkörper angebracht war, dem er mit der Hand einen anderen Metallkörper annäherte.e Mehrere vielversprechende Wolken zogen resultatlos vorüber, als es aber zu regnen anfıieng, begannen plötzlich die Fasern der Hanfschnur sich straff aufzurichten, und zwischen den beiden Metallstücken sprang ein Funke über. Nähere Nachrichten über diesen Grundversuch, sowie über den unglücklichen Ausgang, welchen das nämliche Experiment bald nachher für den Petersburger Akademiker Richmann nahm, findet man in Hoppe’s vor Kurzem erschienenen Geschichtswerke [58]. Von Franklin hiess es: „Eri- puit coelo fulmen sceptrumque tyrannis.“ Dass der Process schematisch so, wie wir ihn schilderten, verläuft, unterliegt keinem Zweifel, doch ist derselbe, wenn man völlige Klarheit über ihn im Einzelnen erhalten will, einer schärferen Analyse bedürftis. Alle uns bekannten Schriftsteller interpretiren Frank- lin’s Versuch in dem Sinne, dass der Regen die Schnur des Drachens befeuchtet, hiedurch diese zu einem guten Leiter gemacht und so das Gelingen herbeigeführt habe. In Wirklichkeit aber würde ohne den Regen überhaupt in der Wolke gar nicht genug Elektrieität ange- sammelt worden sein, um eine Lichterscheinung zu ermöglichen. Pal- mieri’s Untersuchungen haben nämlich diesen unermüdlichen Forscher zu nachstehenden Sätzen geführt [59]: „Die funkenbildende Elektri- 172 - Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. eität, wie sie von Franklin, D’Alibard, Richmann und, Anderen beobachtet wurde, setzt immer das Vorhandensein eines starken Platzregens, der in einer gewissen Entfernung vom Beobachtungsorte niedergeht, voraus ... . Man kann demnach mit Gewissheit annehmen, dass die ausserordentlichen elektrischen Spannungen durch die rasche Verdichtung der Wolken zu Wasser hervorgerufen werden.“ Nach Palmieri enthält übrigens nicht etwa jede einzelne Wolke eine ganz bestimmte Art von Elektrieität, sondern die centrale Partie ersterer ist positiv elektrisch geladen, und um sie herum legt sich ein Gürtel von negativer Elektrieität, während weiterhin elektrische Zonen mit wechselndem Vorzeichen einander folgen. — Durch Palmieri’s Ent- deckung scheint der von Waitz [60] geäusserte Zweifel, ob denn die Elektrieität bei den Gewittern als „prima causa* gelten könne, dem- nach gelöst zu sein: jede regnende Wolke ist eine überreiche Elektricitätsquelle. Von ganz anderen Erwägungen geleitet, waren schon früher Fick (in den Verhandlungen der phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg, 1883) und noch vor ihm H. J. Klein auf ähnliche Schlüsse geführt worden, wie uns der Letztgenannte in einer zweiten der Sache gewidmeten Abhandlung [61] versichert. Beide Natur- forscher legten sich nämlich die Frage vor, wie wohl eine momentane elektrische Spannung entstehen könne, durch welche Funkenlängen von ganzen Kilometern bedingt werden *), und sie antworteten darauf, dass wahrscheinlich eine schon vorher frei vorhanden gewesene Elek- trieitätsmenge eine rasche und plötzliche Koncentration erfahren habe, indem sehr viele kleine Wasserkügelchen sich mit einemmale zu Einem grossen Tropfen vereinigten. Bei gleich bleibendem Volumen verkleinert sich die Gesammtoberfläche sehr beträchtlich, und da ja die Elektrieität sich nur auf der Oberfläche ansammelt, so muss ihr Potential in einem solchen Maasse zunehmen, dass es zu akuten Entladungen kommt. Nach Arago unterscheidet man Linien- (oder Ziekzack-), Flächen- und Kugelblitze [62]; letztere soll Plant€e experimentell nachzuahmen gelehrt haben [63]. Die erstere Kategorie unterscheidet sich von der zweiten wohl nur darin, dass bei dieser eine Vielheit von Entladungscentren vorhanden ist [64]. An der Realität der Kugel- blitze ist mehrfach gezweifelt worden; die Einen glaubten, dass eine Verwechselung mit Feuermeteoren vorliege, Andere, wie Mascart, dachten an subjektive Nachbilder im Auge, allein die Beobachtungen des Dänen Köhl haben den Streit zu Gunsten Arago’s entschieden, zumal da die Kugelblitze gewöhnlich in Verbindung mit dem unzweifel- haft elektrischen St. Elms-Feuer (s. $. 5) auftraten [65]. Das soge- nannte W etterleuchten soll, wie Jordan (a. a. O.) meint, stellenweise ein verschwommener Kugelblitz sein, es ist jedoch weit wahrscheinlicher, dass die Anschauung der älteren Physiker Recht behält, und dass jedes Wetterleuchten ein weit vom Beobachter entferntes wirkliches Gewitter *) Es sei etwa AB die vom Blitze durchlaufene Strecke ce, welche dem Beobachter in C unter dem Gesichtswinkel 7 erscheint. Verstrichen zwischen dem ersten Aufzucken des Blitzes in A und der ersten Hörbarkeit des Donners t; Se- kunden, hielt ferner der Donner ty Sekunden an, und bedeutet v die Geschwindig- keit des Schalles, so ist offenbar —pn e= r UEREFIE FREE ET TEE e= VAC+BO_-2,A0.BC.cor-v.Vie ty —-2.u.h.conr. IV, $. 6. Gewitter, Blitz und Blitzableiter. iT3 anzeigt. Dieser Ansicht dienen zur besten Stütze die in v. Bezold’s oben erwähnter Arbeit gesammelten und verarbeiteten Angaben. Es liess sich beispielsweise durch Vergleichung der Zeiten feststellen, dass am 26. August 1880 Beobachter in Sachsen-Meiningen den Wieder- schein der Blitze eines über Ulm hinziehenden Gewitters erkannten, und nördlich der Donau sah man öfters die in der lombardischen Tief- ebene niedergehenden Blitze. Es ist diess auch aus geometrischen Gründen leicht einzusehen, wenn man bedenkt, dass von jenen Ge- senden aus die Gipfel der Alpenkette noch erkennbar sind, und dass die von den Blitzen erhellten Cirruswolken in ungleich grösserer Höhe über dem Erdboden schweben. Eine Reihe anderer ausgezeichneter Fälle verwandter Art stellt v. Bezold im fünften Bande der Beob- achtungen der meteorologischen Stationen in Bayern zusammen. Fast immer ist der Blitz vom Donner begleitet. Dieses Ge- räusch ist selbstverständlich, da jede elektrische Entladung auf einer von Schallerscheinungen begleiteten mechanischen Zerreissung einer Trennungsschicht beruht. Vom Rollen des Donners war schon in Kap. I, 8. 7 die Rede. v. Bezold bedient sich der akustischen Wir- kungen des Blitzes (a. a. O.) für seine graphische Statistik, indem er alle Orte, in welchen der erste Donner zur nämlichen Zeit gehört ward, durch Kurven, die sogenannten Homobronten (ßpovrü, Donner), mit einander verbindet. Aus dem Verlaufe dieser Linien lässt sich ein anschauliches Bild über das allmählige Fortschreiten der Gewitter gewinnen. Wenn der Blitz, wie erwähnt, zwischen einer Wolke und einem zur Erde gehörigen Gegenstande überspringt, so sagt man: Es hat eingeschlagen [66]. Die mit diesem Ereignisse verbundene rapide Wärmeentwickelung kann die schlimmsten Folgen für organische und anorganische Körper nach sich ziehen. Allein auch dann, wenn der Blitz kein zündender, sondern, wie es im Volksmunde heisst, ein kalter Schlag ist, vermag er rein mechanisch erhebliche Zerstörungen anzurichten; der Rückschlag, der nichts anderes, als ein in dem benachbarten Leiter, der Erde, ausgelöster Induktionsstrom ist, tödtet die in der Nähe befindlichen Menschen durch die Zerstörung der Nerven- thätigkeit, welche bei der plötzlichen Scheidung und Wiedervereinigung der entgegengesetzten Elektrieitäten im Inneren des menschlichen Körpers nicht ausbleiben kann. Um Gebäude gegen die von den Blitzschlägen drohende Gefahr zu sichern, bringt man auf ihnen so- genannte Blitzableiter an. Die Erfindung dieser Vorrichtungen ist auf Franklin zurückzuführen, doch hat es ziemlich lange ge- dauert, bis dieselben in allgemeinere Aufnahme kamen*). Auf dem *) A. v. Humboldt spottet im Jahre 1789 darüber, dass das aufgeklärte Göttingen keinen einzigen Blitzableiter, die angeblich dem Mystieismus ergebene Herrnhuter-Ansiedelung Gnadau aber deren eine ganze Anzahl besitze [67]. Der Schweizer Horner musste noch 1816 eine populäre Belehrung über den Gegen- stand verfassen [68], weil das Volk die Aufrichtung vieler Blitzableiter im Kanton Zürich für die damals herrschende Theurung verantwortlich zu machen geneigt war. In interessantem Gegensatze zu diesen geschichtlichen Erinnerungen steht der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zwischen dem ÖOrientalisten Michaelis und dem Physiker Lichtenberg gepflogene Briefwechsel [69] über die von Ersterem aufgeworfene Frage, ob die auf dem salomonischen Tempel angebrachten und — nach dem Berichte des Flavius Josephus — fein zugespitzten Metall- 174 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Dache des Hauses wird eine Auffangstange angebracht und mit der Erde in leitende Verbindung gebracht; erstere wirkt aufsaugend auf die atmosphärische Elektrieität, vermindert dadurch deren Gefahr bringende Menge und weist schlimmen Falles dem Blitze einen un- schädlichen Weg an. Es ist aber wohl darauf zu sehen, dass die Leitung nicht an irgend einem Orte eine Unterbrechung zeige, weil sonst die schützende Wirkung des Blitzableiters in ihr Gegentheil ver- kehrt würde. Anweisungen zu der hierauf abzielenden galvanome- trischen Prüfung der Leitungsdrähte ertheilen J. Müller [70] und Schellen [71]. Telegraphenleitungen werden vom Blitze gerne heim- gesucht. Nicht minder trifft sein Schlag häufig einzelnstehende Bäume, deren Organismus dadurch meistens in unheilbarer Weise geschädigt wird. Wie diess zugeht, darüber haben neuerdings die Untersuchungen von Lakowitz Licht verbreitet [72]. Sowie der Blitz in den Baum einschlug, dehnt sich der elektrische Strom sofort über die ganze zwischen Rinde und Holzkörper befindliche, wasserreiche Kambium- schicht aus und bringt alle dort vorhandene Flüssigkeit zum raschen Verdampfen. Der so entwickelte Wasserdampf sprengt vermöge seiner hohen Spannung die Rinde an den am wenigsten widerstandsfähigen Stellen in langen Streifen ab, Die Wege, welche das elektrische Fluidum in einem von ihm getroffenen Objekte nimmt, zeigen oft den allerselt- samsten Verlauf; als z. B. in Krain der Blitz ein Getreidegerüste zer- störte, zweigten sich nach Deschmann’s detaillirter Beschreibung vom Hauptstrahl nicht weniger als drei deutlich gesonderte Nebenblitze ab [73]. Aehnliches berichtet v. Yelin (Ueber den merkwürdigen Blitzschlag auf dem Kirchthurme zu Rossstall, München 1823). An empirischen und theoretischen Vorschriften für die Anlage von Blitzableitern fehlt es nicht, doch stimmen dieselben wenig unter sich überein, und Zenger bezeichnet z. B. die von der Pariser Akademie ausgegangenen Regeln als völlig werthlos [74]. Er selbst schlägt (a. a.O.) die sogenannten symmetrischen Blitzableiter vor und räth, die Auffangstangen nicht in dünne Spitzen auslaufen zu lassen, sondern ein Ovoid und eine Kugel oben aufzuschrauben. Auf langjährige Erfahrungen stützte sich Karsten, als er [75] eine die besten Abmessungen vorstellende Tabelle konstruirte, welche wir nach- stehend wiedergeben: | Konstruktion in Eisen Konstruktion in Kupfer nn nn en mn nn EPHNIZ | Gew. pro m| Durchmesser Querschnitt | Gew. pro m | Durchmesser | Querschnitt | in gm in mm in qmm in gm in mm in qmm 0—30 m 1200 14.1 156 250 9.9 28 30—40 1520 15,9 197 280 6,3 32 40— 50 1900 1447 247 390 Tl 39 30—60 2280 | 19.4 296 420 7.8 47 60—70 2660 | 21,0 346 490 8.4 90 70-80 | 3040 22.4 395 960 9,0 69 80 u. mehr 3420 23,8 444 630 9,6 TR l stacheln wohl hätten dem Zwecke des Blitzschutzes dienen können. Lichtenberg ist nicht abgeneigt, vom physikalischen Standpunkte aus eine solche Möglichkeit zuzugeben, erhebt aber mehrere andere und wohl berechtigte Einwände. IV. $. 7. Blitzröhren, $. 8. Irrlichter. 175 Auch weist Karsten (a. a. O.) nach, wie illusorisch das Beginnen Derjenigen ist, welche den metallenen Ableiter durch irgend eine andere Kombination ersetzen wollen. Ueber das periodische Auftreten der Gewitter im Allgemeinen, sowie über dasjenige der zündenden Blitze im Speziellen verbreiten sich umfängliche Forschungen v. Bezold’s. Dieselben berühren je- doch so nahe die im nächsten Kapitel zu behandelnden Materien, dass wir vorziehen, erstere auch dort erst in ihrem inneren Zusammenhange mit anderen Fragen zur Sprache zu bringen. — Spektra der Blitze haben Hoh und Kundt aufgenommen und beschrieben, worüber Schellen’s ausführliche Darstellung nachzusehen ist [76]. Auch die Momentanphotographie (Il. Band, S. 286) schickt sich an, durch Festhaltung der wahren Gestalt der Blitze diesem Theile der Meteoro- logie ihren Beistand zu leihen. $. 7. Blitzröhren. So, oder auch Astrapyaliten, Ful suriten, Blitzsteine, Blitzsinter nennt man gewisse ver- ästelte Konglomerate aus zusammengebackenem Sande, welche man nicht selten in der Erde findet. Nach Hellmann [77] gab ein ge- wisser L. D. Hermann zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts die erste Charakteristik einer Blitzröhre [78]. Wenn freilich der Archäologe Böttiger Recht behielte [79], so wären schon die etru- rischen Blitzwahrsager (fulguratores) mit diesen eigenthümlichen Ge- bilden vertraut gewesen, und ihr Geschäft des „condere fulmina®* — „Aruns dispersos fulminis ignes colligit et terrae maesto cum murmure condit* heisst es bei Lucanus, I, 606 — hätte sich auf das Auf- suchen und Wiedervergraben derselben bezogen. Dass die Blitzröhren nicht etwa ein willkürliches Naturspiel sind, sondern der Schmelzhitze des in den Erdboden eingedrungenen Strahles ihre Entstehung verdanken, bewies eine Vereinigung französischer Ge- lehrter (Hachette, Savart und Beudant) dadurch, dass sie einen Entladungsschlag durch leicht schmelzbare Stoffe, wie Glaspulver und Kochsalz, hindurchgehen liess und auf diese Art solche Röhren künstlich erzeugte [30]. Hoh war so giücklich, den eigentlich augenfälligen Beweis nachliefern zu können [81]; der Blitz hatte ein Haus getroffen und den weissen Sand, mit welchem der Estrich desselben bedeckt war, zu einer wirklichen Blitzröhre verschweisst. Unsere Fig. 42 stellt dieselbe nach Hoh’s Zeichnungen dar. $. 8. Irrlichter. Lediglich der geschichtlichen Tradition zu liebe, nicht weil wir selbst uns zu dieser Ansicht bequemten, besprechen wir unter den elektrischen Erscheinungen auch die sogenanten Irrlichter oder Irrwische („ignis fatuus*, „feu follet*). Bis zum heutigen Tage ist unser Wissen von diesem Gegenstande kaum weiter gediehen, als damals, da Muncke seinen Artikel für die zweite Auflage des Gehler’schen Wörterbuches schrieb [82]. Haben sich doch selbst in neuerer Zeit noch Stimmen gegen die Realität der Erscheinung er- hoben. Freilich ganz mit Unrecht; denn kein Geringerer als Bessel VE N REN 2 0 a RE Ba 1 El a A le a a EI en A Et bie BER TEE a 4% ee ZN FRA RT, DT Er } vrk EN PER. 176 | Citate. trat für die Existenz der Irrlichter ein [83], und Hellmann er- wähnt [84] der Irrlichtbeobachtungen von K. Heller, welche, wie der Verf. auch noch durch sein auf persönliche Unterredung sich stützendes Zeugniss konstatiren kann, zweifellos auf Autopsie beruhen. Wie be- merkt, erklärten sich die Gelehrten des vorigen Jahrhunderts mit Vorliebe für den elektrischen Ursprung dieses hüpfenden, unsteten Glimmlichtes, so zumal Gehler in der ersten Auflage des Lexikons und Volta, der dafür hielt [85], dass kleine Mengen von Phosphor- wasserstoffgas, wie es sich in feuchten Gründen bilde, durch einen elektrischen Funken — woher sollte aber dieser kommen? — ent- zündet würden. Jedenfalls aber war diese Hypothese noch derjenigen Kastner’s [86] vorzuziehen, der die Irrlichter als eine besondere Art von „Meteoren“ betrachtet wissen wollte. Muncke und Chladni sprechen sich zu Gunsten phosphorescirender faulender und sich selbst zersetzender Substanzen ‘aus [87], und der Letztere meint deshalb, dass man die bekannte Angabe, Fludd habe ein Irrlicht niederge- schlagen und dann eine gallertartige Masse am Boden gefunden, gerade nicht für eine Fabel zu halten brauche. Die Wissenschaft sollte dieser Frage wohl wieder etwas mehr Beachtung schenken. [1] Hochheim, Otto v. Guericke als Physiker, Magdeburg 1872. S. 16. — [2] Waitz, Ueber atmosphärische Elektricität, Korrespondenzblatt f. d. Gel.- u. Realschulen Württembergs, 30. Jahrgang. S. 462 ff. — [3] K. J. Jordan, Ueber den Ursprung der atmosphärischen Elektrieität, Gaea, 20. Jahrgang. $. 12 ff. S. 147 ff. — [4] Palmieri, Die atmosphärische Elektrieität, deutsch von Discher, Wien-Pesth-Leipzig 1884. — [5] Waitz, Ueber atm. El., S. 464 ff. — [6] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. S. 735 ff. — [7] Ibid. S. 738 ff. — [8] Dellmann, Der Apparat von W. Thomson zur Beobachtung der atmosphärischen Elektrieität, (Carl’s) Repert. f. Experimentalphysik, 3. Band. S. 1 ff. — [9] Palmieri, Die atm. El., S. 9 ff. — [10] Ibid. S. 12 ff. — [11] Ibid. S. 16. — [12] Waitz, Ueber atm. El., S. 467. — [13] Bessels,. Die amerikanische Nordpolexpedition, Leipzig 1879. S. 240. — [14] Duprez, L’electricite atmosphe&- rique, L’Institut, 1872. S. 14 ff. — [15] Mühry, Ueber die Quelle der atmosphärischen Elektrieität in geographischer und meteorologischer Auffassung, Zeitsch. d. öst. Ges. f. Met.,. 8. Jahrgang. S. 131 ff. — [16] Palmieri, Die atm. El., $. 30. — [17] Ibid. S. 31. — [18] Peltier, Recherches sur les causes de l’electrieit& des nuages, Compt. rend. de l’acad. franc., tome XI. $. 307 ff. — [19] Lamont, Be- schreibung der an der Münchener Sternwarte für Beobachtungen verwendeten neuen [Instrumente und Apparate, München 1851. $. 147 ff. — [20] Mühry, Die geo- graphische Vertheilung der atmosphärischen Elektrieität, Petermann’s Geograph. Mittheil., 1873. S. 295 ff. — [21] Lemström, Observations sur l’&leetrieite de l’air et de l’aurore bor6ale, Arch. des sciences phys. et nat., (2) Vol. XII. $. 147 ff. — [22] Giordano, Sulla origine della elettrieita dell’ atmosfera, Rendiconti del ’Isti- tuto Lombardo, (2) Vol. V. S. 759 ff. — [23] Jordan, Ueber etc. $. 150 — [24] Becquerel, M&moire sur l’origine probable solaire de l’electrieite atmosphe&- riqgue, Compt. rend. de l’acad. franc., tome LXXV. 8. 1045. $. 1146. — [25] Faye, Lettre & M. Becquerel, ibid. tome LXXV. 8. 1155. — [26] W. Siemens, Ueber die Zulässigkeit der Annahme eines elektrischen Sonnenpotentiales und dessen Be- deutung zur Erklärung terrestrischer Phänomene, Sitzungsber. d. k. pr. Akad. d. Wissensch., math.-phys. Kl., März 1883. — [27] K. J. Jordan, Zur Frage nach dem Ursprung der atmosphärischen Elektrieität, Gaea, 20. Jahrgang. 5. 257 ff. — |28] Zehnder, Ueber atmosphärische Elektrieität, Dingler’s polytechnisches Journal, 249. Band. S. 395 ff. — [29] Zehnder, Ueber den Bau der Kometen, Kosmos, (2) l. Band, S. 186 ff. — [30] Saussure, Voyages dans les Alpes, Neufchätel 1779 — 96. — [31] Pouillet. Sur l’&leetrieit& des fluides &lastiques et sur une des causes de l’electrieit@ de l’atmosphere, Ann. de chim. et de phys., Vol. XXXV, 8.401 ff. — [32] Riess, Die Lehre von der Reibungselektrieität, 1. Band, Berlin 1853. $. 492. — [33] Waitz, Ueber atm. El., $. 470. — [34] Wettstein, Die Beziehung der Elek- T u u da na Citate. 1:77 trieität zum Gewitter, Vierteljahrsschr. d. naturf. Ges. zu Zürich, 14. Band. S. 60 ff. — [35] Jordan, Ueber etc. $. 90 ff. — [36] Palmieri, Die atm. El., $. 45. — [37] Ibid. S. 50. — [38] Ibid. S. 3 fi. — [39] R. Wolf, Biographieen zur Kultur- geschichte der Schweiz, 4. Band, Zürich 1862. S. 261. — [40] v. Klenze, Elek- trische Erscheinungen am Hochifen, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenvereins, 7. Band. S. 117 ff. — [41] J. Müller, Lehrbuch ete., S. 745 ff. — [42] Rohlfs, Die Oase Djofra, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 15. Band. $. 143 ff. — [43] B. Schmidt, Das Volksleben der Neugriechen und das hellenische Alterthum, 1. Theil, Leip- zig 1871. S. 173. — [44] Waitz, Ueber atm. El., $. 475. — [45] Mohn, Grundzüge der Meteorologie, Berlin 1883. S. 323. — [46] Karsten, Gemeinfassliche Bemerkun- gen über die Elektrieität des Gewitters und über die Wirkung der Blitzableiter, Kiel 1879. S. 10 fi. — [47] Jordan, Ueber etc.. S. 85 fi. — [48] v. Danckelman, Regen, Hagel und Gewitter im indischen Ocean, Hamburg 1880. S. 27 fi. — [49] H. J. Klein, Tafel der mittleren jährlichen Gewitterhäufigkeit für 219 Orte, Petermann’s Geogr. Mittheil., 1870. $. 427. — [50] Fritz, Tafel der mittleren Ge- witterhäufigkeit, ibid. 1871. S. 115. — [51] v. Bezold-Lang, Beobachtungen der meteorologischen Stationen in Bayern, 1. Band, München 1880. $S. XXXVII — [52] v. Bezold, Die Untersuchungen über Gewitter in Bayern und Württemberg, Elektrotechnische Zeitschrift, Märzheft 1883. — [53] Rottee, Meteorologie stati- stique des orages & grele, des tempetes, bourrasques, gr&les et ouragans qui ont eclate sur le territoire formant le uepartement de l’Oise, Clermont 1866. — [54] Ferrari, ÖOsservazioni dei temporali raccolte nel 1880, Milano 1880. — [55] €. Lang, Gewitterstudien in Italien, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met.. 19. Jahr- gang. S. 353 ff. — [56] Ibid. $S. 372. — [57] Mohn, Grundzüge etc., S. 316. — [58] Hoppe, Geschichte der Elektrieität, Leipzig 1884. S. 36 ff. S.42 ff. — [59] Pal- mieri, Die atm. El., S. 37. — [60] Waitz, Ueber atm. El., S. 476. — [61] H. J. Klein, Die Entstehung des Blitzes, Gaea, 19. Jahrgang. S. 590 ff. — [62] Arago, Annuaire du bureau des longitudes pour l’an 1838, S. 249 ff. — [63] Waitz, Ueber atm. El., S. 475. — [64] Jordan, Ueber ete., S. 86. — [65] Köhl, Ueber Kugelblitze, Gaea, 18. Jahrgang. S. 569 ff. — [66] Mohn, Grundzüge etc.. S. 317. — [67] Bruhns, Alexander von Humboldt; eine wissenschaftliche Biographie. 1. Band, Leipzig 1872, S. 79. — [68] Horner, Bemerkungen über Blitzableiter, ihren Nutzen und Schaden, Zürich 1816. — [69] Lichtenberg’s phys.-math. Schriften, 3. Band, ed. Kries, Göt- tingen 1804. S. 251 ff. — [70] J. Müller, Lehrbuch ete., S. 755 ff. — [71] Schellen, Der elektromagnetische Telegraph, Braunschweig 1867. S. 273 fi. — [72] Lakowitz, Ueber Blitzschläge in Bäume, Gaea, 20. Jahrgang. S. 187. — [73] Deschmann, Verlauf des Blitzes in einer Getreideharpfe, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met.. 19. Jahr- gang. S. 376 ff. — [74] Zenger, Blitzableiter-Konstruktionen, Gaea, 20. Jahrgang. S. 168 ff. — [75] Karsten, Gem. Bem. ete.,. S. 29. — [76] Schellen, Die Spektral- analyse, Braunschweig 1870. S. 477 ff. — [77] Hellmann, Repertorium der deutschen Meteorologie, Leipzig 1883. Sp. 198. — [78] L. D. Hermann, Maslographia, Brieg 1711. — [79] Böttiger, Einiges aus dem Alterthum über Blitzröhren, Gilbert’s Ann. d. Phys., 12. Band. S. 317 ff. — [80] Versuche über die Bildung von Blitz- röhren, Ann. d. Phys. u. Chem., 13. Band. S. 117 ff. — [81] Hoh, Merkwürdiger Blitzschlag, ibid. 131. Band. S. 494 ff. — [82] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 5. Band, 2. Abtheilung, Leipzig 1830. S. 790 ff. — [83] Bessel’s Ab- handlungen, herausgeg. von Engelmann, 3. Band. Leipzig 1867. S. 267. — [84] Hell- mann, Repertorium der deutschen Meteorologie, Leipzig 1883. Sp. 188. — [85] Volta, Lettere sull’ aria inflammabile nativa delle paludi. Como 1776. — [86] Kastner, Handbuch der Meteorologie. 1. Band, Erlangen 1823. S. 416 ff. — [87] Chladni, Ueber den Ursprung der von Pallas gefundenen und einige ähnliche Eisenmassen, Leipzig 1794. S. 334. Kapitel V. Kosmische Meteorologie. S. 1. Astrometeorologie im Allgemeinen. Für jenen Wissen- schaftszweig, der die Einflüsse der Himmelskörper auf die Bewegungen unserer Lufthülle und auf die irdischen Witterungsverhältnisse unter- Günther, Geophysik. II. Band. 12 178 Fünfte Abtheilung. . Atmosphärologie. | sucht, war früher allseitig der Name Astrometeorologie im Gebrauche, welchen ein Hauptvertreter der — in jener Zeit freilich nur eine Afterwissenschaft darstellenden — Disciplin, Goad, für zwei umfangreiche Werke wählte [1]. Der Name kosmischeMeteoro- logie, den Faye vorschlug [2], ist in mehr denn einer Hinsicht bezeichnender. Da die thermische Wirkung der Sonne, als der all- seitig anerkannte wichtigste Faktor, nicht in Betracht kommen kann, so ist lediglich -zu prüfen, ob die Fixsterne, die Planeten, die Kometen und Meteorite, der Erdmond und endlich die Sonnenfleckenfrequenz namhafter meteorologischer Einwirkungen fähig sind. Im Zusammen- hange hat der Verf. früher die Gesammtheit der hiemit signalisirten Fragen einer Besprechung zu unterziehen gesucht [3], und gerade aus. diesem Umstande glaubt er einen Berechtigungsgrund herleiten zu dürfen, sich an diesem Orte kürzer zu fassen. Dass die Fixsterne auch vom Meteorologen sorgfältig beobachtet werden müssten, war ein Glaubenssatz aller Astrologen, so namentlich auch — nach Sayce und Häbler — der babylonischen und assy- rischen [4]. Noch im Jahre 1722 fand es ein gewisser Nikius für nothwendig, in einer recht guten Dissertation [5] gegen diese auch. von Kepler noch theilweise gebilligten Phantasmen zu Felde zu ziehen. Der meteorologische Planetenaberglaube fand sein Ende mit den Schriften F.A.Schneider’s [6], aus denen ein Fleiss spricht, welchen man lieber einem besseren Ziele zugewandt sehen möchte. Die Kometen standen bis in die neueste Zeit in dem Rufe, das zum Gedeihen des Weinstockes erforderliche ‚warme Wetter mit sich zu bringen *). Dass die Vermischung unserer Atmosphäre mit kometari- scher Materie nicht einmal von besonderen Folgen begleitet ist, scheint aus der zuerst von Pogson in Madras und nachher auch von Klinker- fues bemerkten Thatsache hervorzugehen, dass Ende November 1872 unser Erdplanet wirklich durch den Schweif des Biela’schen Kometen (I. Band, S. 71) hindurchgieng [8], und um so weniger ist es wahr- scheinlich, dass solche Schweifsterne, die Millionen von Kilometern von uns entfernt bleiben, sich irgendwie bemerklich machen können. Aus diesem Grunde wird es wohl auch wenig Anklang finden, dass Grablowitz [9] eine barometrische Tagesschwankung von auffallend kleiner Amplitude, welche sich durch mehrere Jahre erhalten haben soll, mit dem Durchgange eben jenes Kometen von Biela durch Perihel und Knoten in Verbindung bringen wollte. Die Meteorschwärme spielen wenigstens in der Geschichte der Witterungskunde eine etwas einfluss- reichere Rolle. Von der theoretisch richtigen und schon im I. Bande (S. 84) gewürdigten Bemerkung Pilar’s [10], dass durch die in unsere Atmosphäre eindringenden und sie streifenden Meteorite erstere am Volumen verliere, soll natürlich hier nur der Vollständigkeit wegen die Rede sein; weit wichtiger ist, dass A. Erman die fast regelmässig in der dritten Pentade des Mai einfallende Temperaturerniedrigung *) A. v. Humboldt sagt hierüber [7]: „Es ist in deutschen Gauen, in den anmuthigen Thälern des Rheines und der Mosel, die Meinung erhalten, diese Gestirne zeigten sich in besonders guten Weinjahren; namentlich der grosse Komet von 1511 sollte einem berühmten Tranke zum Dasein verholfen haben. Entgegen- gesetzte Erfahrungen haben den Glauben an jene meteorologische Mythe, an das Dasein wärmestrahlender Irrsterne, nicht erschüttern können.“ V,$. 1. Astrometeorologie im Allgemeinen. 179 auf die um die Sonne kreisenden Meteorschwärme zurückführte [11]. In jenen Tagen sollten, seiner Meinung zufolge, die kosmischen Körper- chen gerade zwischen Erde und Sonne treten und, auf letztere pro- jieirt, eine partielle Abschwächung der von ihr ausgehenden Wärme- strahlen bewirken. Man ist um so mehr von dieser etwas künstlichen Hypothese zurückgekommen, als es, wie sich im nächsten Kapitel zeigen wird, gelang, eine einfachere und nur mit terrestrischen Einflüssen rechnende Erklärung jener aussergewöhnlichen Wärmedepression zu erbringen. Nur in sehr übertragenem Sinne könnte eine meteorologische Einwirkung der uns näheren und der an Masse überwiegenden Planeten unseres Systemes dann anerkannt werden, wenn diejenigen das Richtige träfen, welche (vgl. I. Band, S. 65) die wechselnde Bedeckung der Sonnenoberfläche mit Flecken und Fackeln von einer Gravitations- wirkung der Venus, des Jupiter u. s. w. ableiten wollen. An anderem Orte ist auf das Missliche und Schwankende dieser auf den ersten Blick ja recht plausibel erscheinenden Theorie aufmerksam gemacht worden [12]; zu den im ersten Bande gegebenen Literaturnachweisen ist noch eine Abhandlung von Lamey [13] nachzutragen. Ss. 2. Der Mond als meteorologischer Faktor. Es giebt wohl kaum eine so fest in weiten Kreisen wurzelnde und so schwer aus- rottbare Ueberzeugung, wie die, dass der Mond das Wetter mache, dass insbesondere jeder Mondwechsel mit einem Witterungswechsel verbunden sei. Die römischen Dichter und Ackerbauschriftsteller, in erster Linie Vergil und Columella, bemühen sich, diese Volks- doktrin in praktische Regeln zu fassen, und in ganz ernster wissen- schaftlicher Form erscheint dieselbe, nachdem sie das ganze Mittel- alter hindurch kaum einen Angriff zu bestehen gehabt hatte, in dem astrometeorologischen Schriftchen des Nürnberger Mathematikers J o- hannes Werner [l4]. Als man anfieng, exakte Untersuchungs- methoden auch in die Meteorologie hineinzutragen, musste man sich natürlich die Frage vorlegen, ob denn wirklich ein solcher Einfluss des Mondes anzuerkennen und auf welcherlei Kraftäusserungen derselbe wohl zu beziehen sei. An dreierlei solche Agentien hat man ein Recht zu denken. a) Die Wärmewirkung des Mondes. Dass wir vom Monde keine fühlbare Wärme zugesandt erhalten, wussten bereits die alten Inder, welche deshalb den Mond den „kaltstrahlenden* nannten, und diese seine Eigenschaft wird auch ausdrücklich von Plutarch und von Macrobius anerkannt [15]. Dass es durch verfeinerte Instrumente gleichwohl möglich war, schwache Anzeichen von Wärme dem Mond- lichte zu entlocken, haben wir im I. Bande (S. 112 ff.) schon gesehen. Immerhin muss der Meteorologe es als denkbar einräumen, dass die Wärmestrahlen des Mondes erst durch atmosphärische Absorption zum Verschwinden gebracht werden, und dass dieselben in den oberen Schichten unserer Lufthülle eine gewisse Rolle spielen. J. Herschel und Buys-Ballot haben deshalb, wie H. J. Klein ausführt [16], einen Zusammenhang zwischen den Mondstellungen und der Bewöl- kung für wahrscheinlich angenommen, Ellner’s zehnjährige und speziell auf die Erforschung dieses Zusammenhanges abzielende Be- 180 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. obachtungen hätten aber einen solchen nicht ergeben. Alles in Allem: Ein irgendwie kontrolirbares. meteorologisches Element ist die kalorische Aktion des Mondesin keiner Weise. | b) Die elektrisch - magnetische Wirkung des Mondes. Dass eine solche vorhanden sei, kann nach den in Kap. Il der vierten Abtheilung angeführten Untersuchungen von Kreil und Anderen nicht in Zweifel gezogen werden, ob aber die Meteorologie auf diese Wechselbeziehung Rücksicht zu nehmen habe, muss zur Zeit noch als eine offene Frage gelten. Kreil selbst schien geneigt [17], den von ihm nicht geleug- neten Wärme-Einfluss des Mondes mit der Aktion der Imponderabilien in Verbindung zu bringen. Dass die Gewitter in ihrer Häufigkeit dem Mondlaufe unterworfen seien, hat der Chemiker Lampadius be- hauptet, nicht aber bewiesen [18]. c) Die Schwerewirkung des Mondes, Im I. Bande (S. 400 ff.) war davon die Rede, dass Falb und Perrey die vulkanischen und seismischen Erscheinungen durch die Anziehung zu erklären versuchten, welche Sonne und Mond auf das feuerflüssige Erd-Magma ausüben sollen, und im IV. Kapitel der nächsten Abtheilung hat die zweifellos feststehende Zurückführung des Gezeitenphänomenes auf analoge Gra- vitationswirkungen zur Sprache zu kommen. Nachdem man somit Newton’s kosmologisches System zur Verfügung und nachdem man sich ferner durch Reisen überzeugt hatte, mit welch’ regelmässiger Periodieität in manchen Ländern die Schwankungen des Luftdruckes eintreten, lag es nahe, den Mond als Erzeuger einer atmosphärischen Ebbe und Fluth gelten zu lassen und bei jedem Witterungsereignisse zu fragen, ob sich dasselbe nicht einfach aus der Annahme einer zwei- fachen, in je 24 Stunden die Erde umwandernden Luftfluthwelle ergebe. Von der schwächeren Anziehung der Sonne konnte man dabei für’s Erste Abstand nehmen, wie denn nach Schiaparelli’s Rechnungen in gemässigten Klimaten in der That die Kraft des Mondes zur Her- beiführung meteorischer Umwälzungen siebenmal grösser ist, als die- jenige der Sonne [19]. Jenes Instrument, welches zur Messung der Luftdruckschwankungen dient, ist, wie wir aus Kap. I wissen, das Barometer. Allerdings waren sich Diejenigen, welche statistisch die Abhängigkeit des Barometerstandes von den Mondphasen zu erforschen strebten, nicht immer ganz klar, wie eine solche Beziehung zahlen- mässig zum Ausdrucke kommen müsste, und selbst heute noch bedarf der theoretische T'heil dieser Frage noch weiterer Aufklärung *). Zuerst machte sich Segner an die Arbeit und fand durch eine allerdings nicht völlig exakte Integration der bereits in Newton’s „Prineipien“ aufgestellten Differentialgleichungen, dass der Kulmination des Mondes ein tieferer Barometerstand entspreche [21]. D’Alem- bert stellte in seiner von der Pariser Akademie gekrönten Wind- theorie jede beliebige Luftströmung als eine Konsequenz der vom Monde ausgehenden Schwerewirkung hin [22] und musste sich dieser- *) Es scheint nämlich, dass bei'm Herannahen des Wellenberges zuerst eine radiale Auflockerung der Luft und damit ein leichtes Sinken des Barometers ein- treten muss, während nachher die heranwogenden Luftmassen auf das Quecksilber drücken und dasselbe in der Röhre zum Steigen bringen [20]. V,$. 2. Der Mond als meteorologischer Faktor. SE halb den scharfen Tadel Daniel Bernoulli’s gefallen lassen [23]. Auf Segner’s und D’Alembert’s Seite stellten sich Kratzenstein, Cotte, Sigaud de la Fond, Lamarck, Cassan und Mann, wäh- rend Sigorgne sich mehr neutral verhielt, Frisi, Kies und Lam- bert die Zuverlässigkeit des von ihren Gegnern angewandten Ver- fahrens dagegen entschieden bestritten [24]; zumal der Letztere zieht das Schlussfacit seiner mühsamen rechnerischen Untersuchung da- hin [25], dass dasselbe einer Verwerthung sowohl im positiven wie im negativen Sinne fähig sei. In ein neues Stadium trat die Angelegen- heit, als Laplace die Berechnungsformeln in bisher ungeahnter Weise verfeinerte [26], und auf jene gestützt, gelangten die beiden Bou- vard [27] zu dem Schlusse, dass der Spielraum der auf lunaren Gravitationszug zurückzuführenden barometrischen Oscillationen nur 0,018 mm — also eine unter den sonstigen Unregelmässigkeiten der Luftdruckvertheilung völlig verschwindende Grösse — betrage. Diese Abkühlung war aber um so nothwendiger, als kurz vorher der Italiener Toaldo in seiner Agrarmeteorologie auf die Voraussetzung erkenn- barer atmosphärischer Lunargezeiten*) ein förmliches Lehrgebäude be- gründet hatte [28], das nur zu viele Freunde fand. Im neuen Jahr- hundert war man vielleicht etwas zu sehr geneigt, die Mondeinflüsse gänzlich zu leugnen, zu welch’ allzu radikaler Auffassung namentlich ‘die mit den exakten Mitteln der höheren Wahrscheinlichkeitsrechnung arbeitenden Abhandlungen von Flaugergues [29], Eisenlohr [30] und Streintz [31] beitrugen, doch kam durch Lubbock, Sabine, Neumayer, Elliot — also durch Leute, die auch mit den Verhält- nissen der Tropenzone bekannt waren — und zumal durch Knorr [32] auch die gegentheilige Ansicht wieder zu Ehren, und zwar in jenem verständig beschränkten Sinne, dass im Monde zwar nicht der einzige oder doch wichtigste Faktor, aber doch einer der regulirenden Faktoren anerkannt ward”**). Einzelne Uebertreibungen liefen dabei natürlich mit unter, so dass vor Allem Schübler’s rege meteorologische Thätigkeit doch keine wirklich nutzbaren Früchte zu Tage förderte, weil sie all- überall nur Manifestationen des Mondes nachspürte ***). — Neuerdings haben sich die rationellen Versuche Derjenigen gemehrt, welche ein- zelne Witterungselemente für sich betrachteten und mit den Mond- stellungen verglichen. So haben K. Lindemann [37] für die Wind- *) Da dem sogenannten Meton’schen Cyklus gemäss 19 Sonnenjahre und 235 Mondmonate annähernd das gleiche Zeitmaass ausmachen, da mithin nach Umfluss von 19 Jahren die gegenseitigen Stellungen von Sonne und Mond in der nämlichen Ordnung und Reihenfolge wiederkehren, so glaubte Toaldo ein Gleiches auch für die Witterung annehmen und die Existenz eines „Saros meteorologique“ verkünden zu dürfen. **) Minder bekannt scheint zu sein, dass v. Hoff einer der Ersten war, die in den täglichen Oscillationen des Luftschweremessers deutlich die atmosphärische Ebbe und Fluth sich abspiegeln sahen [33]. *##) Schübler hat seine Lehren in einer besonderen Schrift [34] und in einer sehr grossen Anzahl von Einzelaufsätzen niedergelegt, welche aber sammt und sonders das Gepräge der Einseitigkeit und wissenschaftlichen Voreingenommen- heit an sich tragen. Besonders deutlich tritt dieser ihr Charakter hervor in seinem Versuche [35], aus Gronau’s sehr vernünftig gearbeiteter Mondphasenstatistik [36] Kapital für seine Zwecke zu schlagen, denn er muss gestehen, dass sich für keine Mondphase die Wahrscheinlichkeit angeben lässt, es werde ihr eine bestimmte Witterungsform entsprechen. 182 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. richtungen, Leyst [38] für die Windgeschwindigkeiten, Rika- tscheff [39] für die Windstärken, Schiaparelli (in der oben eitirten Monographie) für den Heiterkeitsgrad des Himmels den lunaren Mit- Einfluss nachgewiesen, wogegen wieder Zenger’s Behauptung [40], dass Jahrestemperatur und Mittelwerthe des Luftdruckes eine von der veränderlichen Schiefe der Mondbahn abhängige 9!/ jährige Periode aufzuweisen hätten, in ihrem Bestreben, sehr viel beweisen zu wollen, zu wenig beweist. Wenn wir dazu übergehen, unser Gesammturtheil über Dasjenige, was wir von den Beziehungen der Mondfluth zu den wirklichen meteoro- logischen Veränderungen wissen, in einer These zusammenzufassen, so thun wir diess mit jenen Worten, welche uns bereits früher zu diesem Zwecke gedient, und gegen welche sich Seitens der Fachmänner noch kein Widerspruch erhoben hat. Die These lautet [41]: Die lunarischen Gezeiten sind nicht stark genug, um erhebliche Veränderungen im Bewegungszustande unserer Lufthülle von sich aus zu bewirken, wohl aber stark genug, um schon vorhandene Bewegungszustände leicht unterstützend oder hemmend zu beeinflussen und auch unter günstigen Ver- hältnissen, wie sie sich etwa zwischen den Wendekreisen darbieten, messbare ÖOscillationen des Barometerstandes hervorzubringen. Kaum entschieden genug kann man, wenn die Verhältnisse so liegen, gegen die Aspirationen Jener auftreten, die ausschliesslich auf die Bewegungen des Mondes ein System meteorologischer Tagespro- snosen zu begründen wagen. Was in etwas früherer Zeit Sofka und Mathieu de la Dröme wollten, unternahm in jüngster Zeit in grös- serem Maassstabe Overzier zu leisten, der jedoch — von einer kleinen Ankündigungsschrift [42] und den Vorreden seiner Prognosenhefte abgesehen — beharrlich über die von ihm eigentlich befolgten me- thodischen Hülfsmittel und Regeln zu schweigen liebt. Bei dieser Sachlage muss man sich an die Resultate halten, und diese waren bis jetzt wenigstens keine sehr glänzenden, wie denn v. Bezold’s unter Anwendung strenger Kautelen vorgenommene Prüfung für Juni und Juli 1883 und für München bezüglich 30 und 39 Procent Treffer er- gab [43], während 50 Procent doch allermindestens zu fordern gewesen wären. Und wenn Overzier allerneuestens den schlagenden Nachweis für erbracht hält [44], „dass auch das procentische Zutreffen der Prognosen den strengsten Anforderungen wissenschaftlicher Kritik voll- auf genügt,“ so dürfte er mit dieser seiner Zuversicht ziemlich allein stehen. Leider ist auch Falb’s geachteter Name durch dessen spätere Veröffentlichungen [45] nur zu enge mit abenteuerlichen Spekulationen über den Ausschlag gebenden Einfluss der Mondgezeiten in der Wit- terungskunde verknüpft. $. 3. Die Sonne als meteorologischer Faktor. Wenn der Mond gravitirend auf unsere Atmosphäre wirkt, so gilt ein Gleiches auch für die Sonne, doch haben wir oben schon gesehen, dass unter sonst sleichen Umständen die Sonnenfluth weit geringer ausfallen muss, als die Mondfluth, und höchstens dann wird eine gegenseitige Verstärkung eintreten, wenn die Mittelpunkte der drei betheiligten Weltkörper ie, V,$S. 3. Die Sonne als meteorologischer Faktor. 183 (Sonne, Erde, Mond) in eine und dieselbe gerade Linie zu liegen kommen. In eigenartiger Weise versuchte Lamont die attraktive Wirkung des Sonnenkörpers in Verbindung zu bringen mit seinen — uns aus Kap. I und Ill der vorigen Abtheilung bekannten — An- sichten über die Quelle des Erdmagnetismus; er konstatirte ausdrück- lich, dass die atmosphärischen Tiden durch die Anziehung „oder eine der Anziehung analoge Kraft“ der Sonne hervorgebracht würden [46]. Hornstein verfolgte, ohne jedoch zu überzeugenden Ergebnissen durchzudringen, den von Lamont hingeworfenen Gedanken näher [47], und es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass auch schon Leopold v. Buch Aehnliches im Sinne hatte, als er in einer weit früheren Zeitperiode sich dahin vernehmen liess [48]: „Ich schliesse, dass die Barometerhöhe und deren Veränderung nicht von dem Zustande der Oberfläche unserer Erde abhängt, sondern dass ihre Ursache weiter zu suchen ist, und dass sie, gleich den Jahreszeiten, den Tageszeiten, dem Mondlaufe u. s. w., kosmische Wirkungen sind.“ Jedermann weiss, und die klimatologischen Kapitel dieser Ab- theilung werden uns darüber des Weiteren belehren, dass die Sonnen- wärme in ihrer mit den Stunden und Jahren wechselnden Intensität fast souverän den Gang der Witterung regulirt. Späterhin haben wir blos die ungleiche Stellung der Erde gegenüber den auftreffenden Sonnenstrahlen in’s Auge zu fassen, hier ist der Ort, der Frage näher zu treten, ob die Sonne selbst zu allen Zeiten gleichviel Wärme ausstrahlt. Auch diese Frage ist noch eine doppelte, je nachdem man von der Fleckenbedeckung absieht, oder nicht. Von dem ersten Theile der Frage zu reden, sind wir eigentlich erst seit den im Laufe des Jahres 1883 mit Hülfe einer Thermosäule und eines feinen Galvanometers vorgenommenen Messungen Frölich’s [49] berechtigt, da erst durch diese die von Pouillet allerdings angebahnte Pyrheliometrie eine feste Form gewann. Auch Langley hat Bei- träge hiefür geliefert, indem er mit seinem Bolometer die Verände- rungen im Leitungswiderstande dünner Drähte durch die Erwärmung maass. Vogel bestritt jedoch Frölich’s Behauptungen mit so guten Gründen [50], dass zur Zeit dieselben noch keineswegs als wissen- schaftlicher Faktor anerkannt werden dürfen. Jedenfalls aber scheint‘ durch diese Messungen soviel bewiesen zu sein, dass die beiden Theile, in welche wir unsere obige Frage zerlegten, sehr nahe in einander greifen, und dass zwischen der Variation der Sonnenwärme und der- jenigen der Fleckenbedeckung ein — in seinen Einzelheiten uns frei- lich noch unbekannter — Zusammenhang besteht. Möglicherweise hängt auch hiemit die, wie es scheint, verbürgte und neuerdings von Fritz einlässlich erörterte Thatsache zusammen, dass die Werthe der drei Hauptaxen des dreiaxigen Sonnenellipsoides keine konstanten sind, sondern bald ein wenig zu- und dann wieder ein wenig abnehmen, wogegen von jener säkulären Verkleinerung des Sonnendurchmessers, welche Maskelyne angeblich gefunden hatte, im Ernste nicht ge- sprochen werden zu dürfen scheint [51]. S. 4. Die meteorologische Bedeutung der Sonnenfleckenfrequenz. Wir wissen aus dem I. Bande (8. 61 f.) und aus Kap. II, $. 7 der vorigen Abtheilung, dass die Relativzahlen, welche den momentanen 184 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Stand der Fleckendichtigkeit auf der Sonne ausdrücken, mit den für die Variationen der erdmagnetischen Elemente charakteristischen Re- lativzahlen in einer festen Beziehung stehen: beide sind Perioden von gleichem Anfangstermin nnd von nahezu gleicher Amplitude unter- worfen, unter welchen am Deutlichsten eine Periode von 11,11 Jahren hervortritt. Angesichts dieses Umstandes ist gewiss die Frage ge- rechtfertigt: Welche meteorologische Elemente sind es, in denen sich zur Zeit eine wieimmer beschaffene Einwirkung der Sonnenfleckenperiode erkennen lässt, und wie spricht sich diese Einwirkung nach Zahl und Maass aus? Um hierauf eine zutreffende Antwort geben zu können, sollen die einzelnen me- teorologischen Faktoren nach einander aufgeführt und auf ihre Eigen- schaft nach der bewussten Seite hin geprüft werden. Gewiss haben diese Untersuchungen sehr viel Reiz für den ebenso, wie mit ruhigem Forschersinn, so auch mit einiger Phantasie ausgestatteten Meteoro- logen, doch ist es hier nicht möglich, tiefer in die Sache einzugehen, und zudem findet der Leser in den Schriften von Fritz [52] und Hahn [53] alle Materialien mit Emsigkeit gesammelt und mit Ge- schick diskutirt vor*). Einige Andeutungen müssen genügen. a) Meteorologisch-optische Erscheinungen. Nach Tromholt treten Sonnenhöfe und Nebensonnen dann am häufigsten auf, wenn die Sonnen- flecke ihr Maximum erreichen; Fritz glaubt für ein solches Zusammen- treffen auch theoretische Gründe anführen zu können [57]. b) Bewölkung. Dass die Häufigkeit der Cirruswolken derjenigen der Sonnenflecke parallel geht, hat H. J. Klein [58] sehr wahr- scheinlich gemacht. Wenn wir uns nun erinnern, dass wir in $. 18 des dritten Kapitels die Entstehung der Nebensonnen aus den hoch oben schwebenden Eisnadeln, resp. aus der in diesen stattfindenden Lichtbrechung ableiteten, so sind offenbar a) und b) in einen Kausal- zusammenhang mit einander gebracht. c) Gewitter. Das Vorkommen von Gewittern und Nordlichtern erklärte v. Bezold in seinen ersten Studien [59] über diesen Gegen- stand für ein sozusagen reciprokes, insoferne gewitterreiche Jahre nordlichtarmen entsprächen und umgekehrt. Die Gewitterkurve schmiegte sich weder derjenigen der Fleckendichtigkeit, noch auch derjenigen der Temperatur vollständig an, sondern lag zwischen beiden mitten inne. Nachdem ferner Guttwasser [60] für das Königreich Sachsen und *) Im Gegensatze zu unserer mehrfach angeführten Monographie, in welcher nicht gut anders verfahren werden konnte, schliessen wir vorläufig von unserer jetrachtung alle Erscheinungen aus, welche nicht der Meteorologie im eigent- lichen Wortsinne zuzuzählen sind, und behalten uns vor, denselben je in dem ihnen der Sache nach entsprechenden Spezialkapitel ein paar Worte zu widmen. So fehlen hier die Beziehungen zwischen Sonnenfleckenfrequenz einerseits und zwischen Wasserständen, Ueberschwemmungen, Gletscher- und Meereisverhältnissen andererseits. Von den Polarlichtern handelte Kap. IV der vorigen Abtheilung, von den Pfeilerschwankungen Band I ($. 387). Nur dessen sei gedacht, dass Hahn /54],. auf Grund von Arbeiten des Zoogeographen F. Köppen und mit Zustimmung des Meteorologen W. Köppen, in der Frequenz der Heuschrecken- Invasionen ein der Fleckenfrequenz analoges Steigen und Fallen konstatirte. Die Heuschrecken-Züge Algerien’s untersuchte Brocard [55]. der jedoch fand, dass mit dem Vorschreiten der Pflanzenkultur — seit 1837 wurden in jener Provinz 47429 französische, 2636 einheimische und 65087 australische Bäume ange- pflanzt [56] — die Verheerungen jener gefürchteten Thiere immer geringer wurden. V, $. 4. Die meteorologische Bedeutung der Sonnenfleckenfrequenz. 185 Holtz [61] für Preussen die mit der Zeit deutlich variirende Gefahr der Blitzschläge in Untersuchung gezogen hatten, nahm v. Bezold die entsprechende für das Königreich Bayern vor [62], für welches die Akten der königlichen Brandversicherungskammer Material von anderwärts kaum zu erhaltender Zuverlässigkeit darboten. Allerdings ist, wenn man die Kurve der zündenden Blitze derjenigen der Wolf’- schen Relativzahlen so zur Seite stellt, wie es eben v. Bezold thut, die Thatsache unverkennbar, dass für den nämlichen Spielraum, welchen zwei successive relative Ordinatenminima der letzteren Kurve bestim- men, jeweils zwei Ordinatenmaxima der ersteren — statt eines einzigen — sich geltend machen, doch ist v. Bezold nicht abgeneigt [63], diese doppelte Periodicität auf die gleichzeitig von der Sonne ausgehenden thermischen und elektrischen Kraftäusserungen zurückzuleiten. d) Hagelfälle. Hahn wies zuerst [64] auf ältere Versuche hin, eine Periode der Hagelschläge zu eruiren. Fritz glaubt in der That eine (5 . 11 =) 5öjährige Wiederkehr besonders starker und besonders schwacher Hagelperioden aufgefunden zu haben [65]. e) Luftdruck, Winde und Stürme. Eine solche Abhängigkeit von der Sonnenfleckenperiode, wie sie zu erwarten gewesen wäre, hat sich durch die Untersuchungen von Hornstein (s. o.) und Hahn [66] nicht herausgestellt, die Periode schien vielmehr eher 69 Jahre zu umfassen. Dagegen spricht sich nach Blanford und Hann [67] in der Vertheilung des mittleren Luftdruckes über dem hinterindischen Tropengebiete deutlich eine elfjährige Schwankung so aus, dass mit dem Druckmaximum ein Fleckenminimum korrespondirt. Endlich ist durch Meldrum [68], an den sich Po&y und Piddington anschlossen, ein Parallelismus zwischen der Fleckenhäufigkeit und dem Vorkommen der Drehstürme in den davon gewöhnlich betroffenen Meeren (indischer Ocean, chinesische See, Golf von Mexiko) ausser Zweifel gesetzt worden *). f) Hydrometeore. Fritz urtheilte vor sechzehn Jahren, dass dieses meteorologische Element sich als durchaus unabhängig von der stärkeren oder minder starken Verhüllung der Photosphäre der Sonne erweise [70]. Celoria, Allan Broun, Whipple u. A. äussern sich im gleichen Sinne, und Hunter’s sonderbare Behauptung, dass sich in den Miss- ernten und Hungersnöthen Indiens die Fleckenperiode auspräge, ist von Blanford und Moigno unschwer ad absurdum geführt worden [71]. &) Ozongehalt der Luft. Moffat wollte gefunden haben, dass der Ozongehalt der Atmosphäre zu- und abnehme, je nachdem die Sonnenflecke einem Maximum oder Minimum ihrer Frequenz zustreben. Hiemit stimmen nach Fritz [72] zwar die ozonometrischen Messungen von Greiz und Zwickau, nicht aber diejenigen von Emden und Klagen- furt überein. h) Temperaturverhältnisse. In diesem meteorologischen Elemente sollte, wenn überhaupt die Annahme dieses Paragraphen eine innere Berechtigung besitzt, die Wechselbeziehung sich am Kräftigsten offen- *) Der böhmische Physiker Zenger will durch zahlreiche photographische Aufnahmen der Sonne konstatirt haben, dass die Stürme in der Photosphäre, welche gewisse Gegenden der Sonne mit Vorliebe heimsuchen, in ihrer zeitlichen Anordnung sich ganz ähnlich verhalten, wie es auch die Stürme der Tropen- zone thun [69]. N RE} re RR ur, BERND PR SENTER ayer 186 Fünfte Abtheilung. N baren *). Es ist wahr, man war über das Wie dieser Aeusserung lange im Unklaren; W. Herschel glaubte, dass fleckenreichere, Gautier glaubte, dass fleckenärmere Jahre eine erhöhte Mittel- temperatur aufweisen müssten, allein obwohl Ersterer sogar die Ge- treidepreise zu diesem Zwecke mit einander verglich, liess sich doch keine von beiden Aufstellungen exakt beweisen |73], ja Wolf konnte auf Grund des von beiden Forschern benützten Materiales sich sogar der Auffassung nicht verschliessen [74], dass das XVIII. Jahrhundert mehr für Herschel, das XIX. mehr für Gautier spreche. Neuere Untersuchungen von Hahn, Main, Baxendell u. A. haben denn auch im Sinne Gautier’s die Vermuthung nahe gelegt, dass die Sonne dann, wenn sie eine energischere fleckenbildende Thätigkeit ausübt, auch mehr Wärme ausstrahlt, und W. Köppen ermittelte |75] durch die graphische Darstellung, dass in Wirklichkeit nicht nur die eltjährige Periode, sondern auch so manche andere — für die ältere Zeit eine solche von 120, für die neuere von 45 Jahren — in den Temperatur- mitteln sich wiederspiegelt. — | So erfreulich und interessant diese Ergebnisse auch sind, so wenig berechtigen sie noch zu weitgehenden Schlüssen; sind sie doch fast sämmtlich nur auf statistisch - vergleichendem Wege gewonnen und theoretischer Begründung fast völlig baar. Nichts kann die meteoro- logische Wissenschaft mehr diskreditiren, als „ungezügelte Perioden- jagd“ **), während auf der anderen Seite ein planmässiges und reser- virtes Vorgehen auf dem betretenen Wege der kosmischen Meteorologie einen geachteten Platz innerhalb der Gesammtwissenschaft zu sichern verspricht. [1] Goad, Astrometeorologia or aphorisms and discourses of the celestial bodies, their natures and influences, London 1686; Astrometeorologia sana, ibid. 1690. — [2] Faye, Sur la meteorologie cosmique, Annuario della soc. met. Ital., Vol.I. S. 266 ff. — [3] Günther, Der Einfluss der Himmelskörper auf Witterungs- verhältnisse, Nürnberg 1884. — [4] Häbler, Astrologie im Alterthum, (Ohne Druck- ort) 1879. S. 6 ff. — [5] Nikius, Demonstratio, astrologiam meteorologicam syste- mati mundi physicogeometrico esse contrariam, Vitebergae 1722. — [6] F. A. Schnei- der, Astrometeorologie, Berlin 1850; weitere Begründung der Astrometeorologie, ibid. 1851. — [7] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band. Stuttgart und Augsburg 1854. S. 119 ff. — [8] Mädler, Populäre Astronomie, 8. Auflage, bes. v. Klinkerfues, Strassburg 1882. $S. 748 — [9] Grablowitz, Andamento annuo della temperatura a Trieste e sua escursione diurna, Ann. della soc. met. Ital., Vol. I. S. 356. — [10] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik, Agram 1881. S. 200. — [11] Erman, Ueber einige Thatsachen, welche es wahrscheinlich machen, dass die Asteroiden der Novemberperiode sich im Mai jeden Jahres zwischen der Sonne und der Erde auf dem Radius-Vektor der letzteren befinden, Astron. Nachr., Nr. 1839. — [12] Günther, Der Einfluss ete., $. 36. $. 64. — [13] Lamey. Sur la theorie de la periodieit& undecennale des taches du soleil, Compt. rend. de l’acad. frang., *) Bald nachdem Galilei mit Hülfe des neuen Fernrohres die Sonnenflecke aufgefunden hatte, wandte sich Baliani — wir verdanken diese Mittheilung Herrn Dr. E. Wohlwill in Hamburg — an seinen berühmten Freund mit der Anfrage, ob nicht die neue Entdeckung auch für die Bestimmung der Witterung sich aus- nützen lasse. **) Hierher würden wir z. B. es rechnen. wenn ein hervorragender National- ökonom, wie Jevons, sogar die Welthandelskrisen — wir entnehmen diese Notiz der uns von früher bekannten Schrift Czerny’s [76] — an die Fleckenfrequenz der Sonne anknüpft. Citate. 187 tome LXXXII. S. 1262 ff. — [14] Canones sicut brevissimi, ita etiam doctissimi, complectentes praecepta et observationes de mutatione aurae clarissimi mathe- matici Joannis Verneri, ed. Schöner, Norimbergae 1546. — [15] Humboldt, Kos- mos, 3. Band. $. 539 ff. — [16] H. J. Klein, Handbuch der allgemeinen Himmels- beschreibung, 1. Band, Braunschweig 1871. S. 133 ff. — [17] Kreil, Versuch, den Einfluss des Mondes aus einjährigen Beobachtungen zu erkennen, Prag 1841. — [18] Günther, Der Einfluss ete., S. 23. — [19] Schiaparelli, Dell’ influenza della luna sulle vicende atmosferiche, Milano 1866. — [20] Günther, Der Einfluss etec., S. 16 ff. — [21] Segner, De mutationibus aeris a luna pendentibus, Jenae 1733. — - [22] D’Alembert, Reflexions sur la cause generale des vents, Paris 1744. — [23] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 3. Band. Zürich 1862. S. 185. — [24] Günther, Der Einfluss ete.. $S. 10 ff. — [25] Lambert, De variationibus altitudinum barometricarum a luna pendentibus, Acta Helvetica, Vol. IV. S. 315 ff. — [26] Oeuvres de Laplace,. Paris 1843, tome I., $. 111 ff.; tome I., S. 330 ff. — [27] A. Bouvard. M&moire sur les observations faites & lobservatoire royal de Paris, Paris 1827; E. Bouvard, Correspond. math. et phys. (de Quetelet), Vol. VII. S. 257 ff. — [28] Toaldo, Witterungslehre für den Feld- bau, deutsch von Steudel, Berlin 1786. S. 99 ff. S. 121 ff. — [29] Flaugergues, Sur l’aetion de la lune pour diminuer la pression de l’atmosphere, Bibliotheque uni- verselle, Vol. XXXVI. Vol. XL. — [30] Eisenlohr, Untersuchungen über die Wit- terung von Karlsruhe, über die Schwankungen des Barometers und Thermometers zu den verschiedenen Jahreszeiten, und über den Einfluss der Winde und des Mondes auf die Witterung, Karlsruhe 1832. — [31] Streintz, Uebt der Mond einen nachweisbaren Einfluss auf meteorologische Erscheinungen ?, Ann. d. Phys. u. Chem.., 5. Ergänzungsband. S. 603 ff. — [32] Knorr, Ueber die tägliche Variation des Barometers und die atmosphärische Lunarfluth, Zeitschr. f. Math. u.’Phys., 7. Band. S. 180 ff. — [33] v. Hoff, Briefliche Mittheilungen meteorologischen Inhaltes, Arch. f. Chem. u. Met., 2. Band. S. 89. — [34] Schübler, Untersuchungen über den Ein- fluss des Mondes auf die Veränderungen der Atmosphäre, mit Nachweisung des Gesetzes, nach welchem dieser Einfluss erfolgt, Leipzig 1830. — [35] Schübler, Ueber Gronau’s Untersuchungen über den Einfluss des Mondes auf die Witterung, Arch. f. Chem. u. Met., 4. Band. S. 163 ff. — [36] Gronau, Hat der Mond wirklich den Einfluss auf die Witterung, den man ihm von jeher zuschrieb ?, Mag. d. Ges. naturf. Freunde zu Berlin, 2. Band. S. 101 ff. — [37] K. Lindemann, Einfluss des Mondes auf die Windrichtung, Annaberg i. S. 1870. — [38] Leyst, Ueber den Einfluss des Mondes auf die Geschwindigkeit der Luftströmungen in St. Petersburg, Russische Revue, 21. Band. S. 481 ff. — [39] Günther, Der Einfluss etc., $. 20. — [40] Zenger, On the periodic change of climate caused by the moon, Phil. Mag.,(4) Vol.V.$.433. — [41] Gün- ther, Der Einfluss ete., S. 25. — [42] Overzier, Wetterprognosen auf längere Zeit, Köln 1883. — [43] v. Bezold, Die Ergebnisse der Wetterprognosen des Herrn Dr. Over- zier in Köln a. Rh., Zeitschr. d. landwirthschaftl. Vereins in Bayern, 73. Jahrgang. — [44] Overzier, Wetterprognose für jeden Tag des Monates September 1884, Köln 1884. S. 1. — [45] Falb, Von den Umwälzungen im Weltall, Wien 1881; Wetterbriefe, ibid. 1883. — [46] Günther, Der Einfluss ete., $. 65. — [47] Horn- stein, Ueber den Einfluss der Elektrieität der Sonne auf den Barometerstand, Wien 1872. — [48] L. v. Buch, Bemerkungen über den Gang des Barometers, Gilbert’s Ann. d. Physik, 5. Band. S. 11. — [49] Frölich, Messungen der Sonnen- wärme, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met.. 19. Band. S. 209 ff.; Ueber die Messung der Sonnenwärme, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 21. Band. 8.1 ff. — [50] Vogel, Be- merkungen zu der Abhandlung des Herrn Dr. OÖ. Frölich über die Messung der Sonnenwärme, ibid. 21. Band. S. 615 ff. — [51] R. Wolf, Astronomische Mitthei- lungen, Nr. 62. — [52] Fritz, Die Beziehungen der Sonnenflecken zu den magne- tischen und meteorologischen Erscheinungen der Erde, Haarlem 1878. — [53] Hahn, Ueber die Beziehungen der Sonnenfleckenperiode zu den meteorologischen Er- scheinungen, Leipzig 1877. — [54] Ibid. $. 156. — [55] Brocard, Note sur l’invasion des sauterelles en Algerie (janvier-aoüt 1877), Annuaire de la soc. met. de France, Vol. XXVI. S. 167 fi. — [56] Brocard, Note sur les plantations ex&cutees autour d’Alger par le service du genie militaire, Association franc. pour l’avancement des sciences, seance du 19 avril 1881. — [57] Fritz, Die Bez. etc., $S. 218 fi. — [58] H. J. Klein, Ueber die Beziehungen der Sonnenfleckenperiode zu den Cirrus- wolken, Astron. Nachr., (2) Nr. 53. — [59] v. Bezold, Ueber gesetzmässige Schwan- kungen in der Häufigkeit der Gewitter während langjähriger Zeiträume, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch., M.-ph. Kl., 4. Band. S. 284 ff.; Ueber das doppelte Maximum in der Häufigkeit der Gewitter während der Sommermonate, ibid. 5. Band. 188 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. S. 219 fi.; Ein Beitrag zur Gewitterkunde, Ann. d. Phys. u. Chem.. 136. Band. S. 513 fl. — [60] Guttwasser, Ueber Blitzschläge auf Gebäude im Königreich Sachsen, 75. Protokoll der Vers. sächs. Ing.- u. Archit.-Vereine, Leipzig 1871. — [61] Holtz, Ueber die Zunahme der Blitzgefahr und ihre vermuthlichen Ursachen, Greifswald 1881 und Leipzig 1882. — [62] v. Bezold, Ueber zündende Blitze im Königreich Bayern während des Zeitraumes 1833 bis 1832, München 1884. [63] Ibid. S. 13 ff. — [64] Hahn, Ueber die Bez. etc., S$. 170: [65] Fritz, Die Bez. ete., S. 148 fi. — [66] Hahn, Ueber die Bez. ete., S. 166. — [67] Hann, Bericht über die Fortschritte der geographischen Meteorologie, Wagner’s geogr. Jahrbuch. 8. Band, Gotha 1883. $. 56 ff. — [68] Fritz, Die Bez. ete.. S. 191 f. S. 201 ff. — [69] Ragona, Sull’ origine delle tempeste giusta le recenti investi- gazioni del prof. Zenger, Ann. della soc. met. Ital., Vol. I. S. 214 ff. — [70] Fritz, Die Bez. etc., S. 109. — [71] Moigno, Les taches du soleil et le temps, Mondes, (2) Vol. XLVI. S. 730 ff. — [72] Fritz, Die Bez. etc.. $. 241 ff. — [73] Günther, Der Einfluss ete., S. 34. — [74] Wolf, Astronomische Mittheilungen, Nr. 12. — [75] W. Köppen, Ueber vieljährige Perioden der Witterung, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 2. Jahrgang. S. 97 ff. — [76] v. Czerny, Die Veränderlichkeit des Klimas und ihre Ursachen, Wien 1881. S. 26. Kapitel VI. Dynamische Meteorologie. S. 1. Begriffsbestimmung der dynamischen Meteorologie. Dieses Wort ist, soweit uns bekannt, zuerst von dem Amerikaner Loomis für den Titel eines Werkes [1] gewählt worden, in welchem der für dieses Kapitel bestimmte Gegenstand zwar nicht erschöpfend und systematisch, doch aber in bewusstem sachlichem und methodischem Gegensatze gegen andere Theile der Meteorologie abgehandelt wird. Allmählig scheint diese zutreffende Bezeichnung eine allgemein adop- tirte werden zu wollen, und auch wir bedienen uns ihrer, indem wir die folgende Definition aufstellen: Der dynamischen Meteorologie liegt die Betrachtung aller Störungen des atmosphärischen Gleichgewichtszustandes ob. Strenge genommen würden somit auch jene Bewegungszustände mit herein zu ziehen sein, welche durch elektrische oder durch von andern Weltkörpern ausgehende Kräfte veranlasst sind. Mit Rück- sicht auf die beiden vorhergehenden Kapitel sind wir jedoch zu einer engeren Begrenzung des 'T'hema’s berechtigt. $. 2. Die barometrischen Schwankungen. Schon frühe im vorigen Jahrhundert wurde man auf die — seither durch selbstregistrirende Instrumente genauer ergründete — Thatsache aufmerksam, dass das (Juecksilber im Barometer regelmässige periodische 'Schwan- kungen erkennen lasse, dass es sowohl eine tägliche, wie eine jähr- liche Periode des Luftdruckes gäbe. Namentlich zwischen den Wendekreisen trat die tägliche Periodieität in der augenfälligsten Weise zu Tage, so dass man zu ihrer Erklärung (vgl. $. 2 des vorigen Kapitels) auf den ebenfalls regelmässigen Lauf der Gestirne zurück- VL $S. 2. Die barometrischen Schwankungen. 189 greifen zu müssen meinte*). Unter den Tropen zeigt die barome- trische Tageskurve kühnere Verhältnisse, als in den gemässigten Breiten, wo sie von der Geraden weniger stark abweicht; dass sie auch für den nämlichen Ort im Sommer mehr als im Winter der ge- wöhnlichen Sinuslinie sich annähert, darüber belehrt uns (Fig. 43) Fig. 43. ges Lufldruckes im Jana, kun i Mohn’s Darstellung [3] der Januar- und Juli-Tageskurve für Kri- stiania; die Ordinateneinheiten sind Millimeter, die Abseisseneinheiten die Tagesstunden. „Die tägliche Periode des Luftdruckes,“ so sagt Mohn (a. a. O.), „besteht demnach an den meisten Orten aus einer Doppelschwankung, welche im Laufe des Volltages zwei Maxima, das eine am Vormittag, das andere am Abend, und zwei Minima, das eine am Morgen, das andere am Nachmittage zeigt.“ Von Reiss wird auch [4] der oft unbeachtet bleibende Umstand hervorgehoben, dass diess eigentlich nur für den Meeresspiegel gilt, dass aber in grösseren Höhen die Tageskurve sich mehr und mehr abplattet. Auch erscheinen die Amplituden stärker ausgeprägt im Inneren eines Landes, wie an den Küsten. War schon die Tageskurve sehr abhängig von der geo- graphischen Lage eines Ortes, so gilt diess noch weit mehr für die barometrische Jahreskurve, wie uns Mohn’s [5] Nebeneinander- stellung der betreffenden Jahreskurven für Stykkisholm auf Island und für Barnaul in Sibirien verdeutlicht. Ueber ausgedehnten Kontinenten machen sich die grössten und zugleich die regulärsten Veränderungen im Drucke der Luft bemerklich. Die unperiodischen Schwankungen des Barometerstandes entziehen sich der Untersuchung natürlich weit mehr, als die perio- dischen, und so ist denn auch das Studium derselben noch nicht über die ersten Anfänge hinausgekommen. Doch lieferte wenigstens Fel- berg |6] eine sehr verdienstliche Uebersicht über die unperiodischen monatlichen Öscillationen, und sein Verfahren, alle Erdorte, für welche die Grösse des Ausschlages die nämliche ist, durch barometrische Isanomalen mit einander zu verbinden, verdient jedenfalls Nach- ahmung. — Manche ausgeprägte und auffallende Unterbrechung im *) Gorceix erzählt [2], dass in einem gewissen Theile des inneren Bra- siliens die täglichen Barometerschwankungen mit einer Pünktlichkeit wiederkehrten, welche es den Einwohnern möglich mache, das Barometer als Uhr zu verwenden. 190 ' Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. normalen Verlaufe der Tageskurve kann für die Geophysik von grosser Bedeutung werden. Im ersten Bande (S. 379) wurde erwähnt, dass die riesige seismische Woge, welche Ende August 1883 durch den Ausbruch des Krakataua-Vulkanes ausgelöst wurde, sich in vielen auf dem ganzen Erdenrund zerstreuten Orten an dem daselbst aufgestellten Barographen selbst aufgezeichnet habe. Zum Beweise dessen geben wir in Fig. 44 das im 19. St Petersburd Brüssel Parıs Kew Liverpool Glasgow Falmouth Armash Coimbra Valencia Toronto Greenwich, EBEN en re] ERIEN nl 1 | Jahrgang der österreichischen meteorologischen Fig. 44. FE+ ee = Hr —- ce \ Ir e ea UT Zeitschrift mitgetheilte graphische Schema soweit wieder, dass für 16 — bis auf Eine Ausnahm metrischen Tageskurve zum Ausdrucke kommt. e europäische — Orte der Verlauf der baro- Fig. 45. 28 23 A ugust 29. August. BEER LIE Ua am mann vn Priester == See Pe m ae I ED BER BR 17 £ Te E A IR GR I GB NEL Mittag Mitternacht Mittag Mitternacht Mittag für die Vormittagshälfte des 27. August 1883 Fig. 45 aber repräsentirt dieselbe Kurve für N En ar ES . u; Dr 4 Kr VI. $. 3. Die geographische Vertheilung des Luftdruckes. 193 den 27. und 28. August, wie sie sich nach v. Bezold [7] am selbst- registrirenden Aneroid des Münchener Öbservatoriums aufzeichnete. Auch in Süd-Georgien erhielten die Mitglieder der: dorthin gesandten deutschen Expedition sehr schöne Kurven-Diskontinuitäten. Seitdem diess niedergeschrieben ward, ist auch Verbeek’s offizieller Bericht über die Katastrophen im holländischen Indien zugänglich geworden, und nach diesem, sowie nach Strachey’s zu einem einstweiligen Ab- schlusse gediehenen Forschungen (I. Band, S. 379), ist kein Zweifel darüber mehr möglich, dass die durch die Erschütterungen ausgelöste Luftwoge mehrmals um den Erdball herumgewandert ist. Demnach muss auch Vulkanstaub bis in die höchsten Luftregionen hinaufge- trieben worden sein, und es machen die Beobachtungen an selbstre- gistrirenden Instrumenten — in Batavia wirkte als solches der Indikator der Gasfabrik — die in Kap. III erörterte Hypothese über den Ur- sprung gewisser Dämmerungserscheinungen mehr und mehr wahr- scheinlich. Darüber, dass die Schwankungen des Barometers, solange nicht aussergewöhnliche Kraftäusserungen der eben besprochenen Art mit in Frage kommen, einzig und allein von dem zu verschiedenen Zeiten verschiedenen Erwärmungszustande der Luft abhängig sind, ist man gegenwärtig in Fachkreisen einig. Die Erörterungen des $. 4 werden uns die Beweise für unsere Behauptung ermöglichen. $. 3. Die geographische Vertheilung des Luftdruckes. Der schot- tische Meteorologe Buchan kam zuerst auf den äusserst glücklichen Gedanken, die von A. v. Humboldt für die Temperaturverhältnisse gegebene Anregung auch für den Luftdruck nutzbar zu machen und von diesem und seiner geographischen Vertheilung auf der Erde ein graphisches Bild zu geben |S]. Derselbe bestimmte für etwa 100 — leider nicht sehr gleichmässig über die Erdoberfläche ausgesäete — Orte den mittleren Barometerstand jedes einzelnen Monates, reducirte diese sämmtlich auf das Meeresniveau und zog Linien durch alle jene Orte, für welche sich so das gleiche Maass des Luftdruckes ergab *). Es sind diess die sogenannten Isobaren, im speziellen Falle Monats- Isobaren. Ebenso könnte auch von Tages- oder Jahres-Isobaren gesprochen werden. Auf dem von Buchan gelegten Grunde hat man dann rüstig weitergebaut, so dass man gegenwärtig wohl in der Lage ist, sich ein richtiges Bild von der Vertheilung des Luftdruckes zu den verschiedenen Zeiten des Jahres zu machen. Unsere Fig. 46- führt uns so die Isobaren des Januar und Juli vor **). *) Buchan’s Vorgehen verliert dadurch nicht an Werth, dass seine mittleren Windrichtungen trigonometrisch nach der sogenannten Lambert’schen Formel [9] berechnet wurden, deren Anwendbarkeit, trotz der von Prestel und Flesch an ihr angebrachten Verbesserungen, von den meisten Sachkennern nicht mehr zuge- lassen wird. Mehr Vertrauen verdient unter Umständen Supan’s Verfahren, aus zwei Richtungen die resultirende nach der (Richmann’schen) Mischungsregel herzuleiten [10]. **) Die Figur ist eine verkleinerte Nachbildung der Tafel C im zweiten Bande des von der österreichischen Admiralität herausgegebenen „Handb. d. Oceanographie- u. marit. Meteorologie“. Die Isobaren des Januar sind durch arabische, jene des Juli durch römische Ziffern charakterisirt, durchweg ward in letzterem Falle die Zahl 700 weggelassen. 192 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Im Januar finden wir ein stark ausgeprägtes Maximum ostwärts vom Baikalsee, welches im Inneren der ellipsenförmigen Isobaren von 774mm bis auf 780 mm und darüber steigt, ein zweites von 768 bis Fig. 46. All ZENRIEN: Ei: a an Br jBN:73.; ZIBNBBHDRUBTERN C.Q23 ie EL IBIEN N. ui Na Dane IINEBR EHER ‚ES 7) rw mau ZUR DE Bil II) IS Re 7 /ene TI PER, rum; : | BIN ANA ce E —E . a N Te BES = = ns] —— cm ss eo = emp Spuaregosp N a TAN Pan. SEN EN Ei THITTTIRIRTERDETSINN: NR — 1 > ern er LER ERRBRRNOINN Jar NE SEP EL SNIREUN a | ININIER SE SU ZNNEZANTNNISEIRSE | z Bil = D N HIESS BEN A e SIRIIBUASEBI:ESEIN AVZe RN Damm HIRIERNRSRV ER EN ETET Er > E TRINNNR EHRE EN JR URN OR WI, NINE ER RNS R i Ei NP PEN SSSEE H REIS | IE N ES ea SON STE AN N er SITES LL CE I ABRZ BEIN = NNERINEEN, EEE. N TREINNSZ ya | SEHR Fr BIER TEkEIENT, cm Do ie, elle r—t RT Aug DIE TE EI Ip SOp uaregosp — men "mn 769 mm nahe den nordamerikanischen Felsengebirgen, welches sich, weiter östlich für eine kurze Strecke total unterbrochen, über das atlantische Meer hinüber erstreckt. Ein drittes Maximum mit 7638 mm VI, $. 4. Allgemeine Theorie der Luftbewegung auf der rotirenden Erde. 193 treffen wir in der Südsee westlich der chilenischen Küste an, ein viertes mit 764mm im südlichen Theile des atlantischen Oceans, ein fünftes mit 764mm westlich von Australien. Ein Minimum mit 745 mm liegt bei Island, ein zweites mit 752 mm östlich von Kamtschatka, ein Minimalgürtel zieht sich in der Aequatorialgegend um die ganze Erde herum, und auch über dem gesammten antarktischen Meere ist der Luftdruck ein sehr geringer. — Der Juli kennt zwei sehr ausge- sprochene Maxima in der Gegend der Azoren mit 768 bis 769 mm Druck und über dem nördlichen stillen Ocean, wo jedoch der Druck hinter dem vorigen zurückbleibt, während südlich des Aequators mehrere Theilmaxima — über der südlichen pacifischen See, über Südafrika und über dem südlichen Theile des indischen Meeres — ziemlich ein und demselben Parallelstreifen eingelagert sind. Minima sind in diesem Monate sechs vorhanden: über Innerasien bis zu 748 mm, über dem Westen von Nordamerika bis zn 757 mm, über dem atlan- tischen Meere bei etwa 12° bis 20° und über dem stillen Weltmeere bei 0° Breite, wo Drücke von 760 mm ein relatives Minimum dar- stellen, ferner über dem südlichen Meere und über den Nordpolar- ländern, wo, wie die Figur zeigt, eine Minimalkurve von 756 mm von der Beringsstrasse durch die Länder der nordwestlichen Durchfahrt nach Grönland, Island und Norwegen sich hinüberzieht. Ein über dem Sudän lagerndes Minimum von 754mm wird bei Mohn, der uns in der Hauptsache zum Führer diente [11], nicht erwähnt. Von allgemeinen Regeln kann man bei’m blossen Betrachten unserer Karte sich höchstens die eine abstrahiren, dass über den Kon- tinenten im Winter hoher, im Sommer aber niedriger Luftdruck herrscht, sowie dass über den grossen Meeren die Vertheilung des Druckes eine von den Jahreszeiten weit unabhängigere ist. Dass die Berücksichti- gung der Insolations-Verhältnisse nicht für sich allein ausreiche, die oft sonderbaren Gestalten der Isobaren zu erklären, leuchtet ein, und es steht denn auch, was diese Erklärung anbetrifft, die heutige Wissen- schaft noch vor so manchen Räthseln. Gleichwohl werden wir in den nächsten Paragraphen viele T'hatsachen kennen lernen, welche uns wenigstens für die Eröffnung einzelner dieser Geheimnisse den Schlüssel in die Hand geben. Ss. 4. Allgemeine Theorie der Luftbewegung auf der rotirenden Erde. Bewegte Luft nennen wir Wind. In der Regel meinen wir damit die in nahe horizontaler, d. h. dem ebenen Erdboden paralleler Richtung vor sich gehenden Luftströmungen *), die Wissenschaft aber erweitert den Begriff auf alle Bewegungen, auch auf die vertikal auf- und niedergehenden. Einige allgemeine Bemerkungen über Windstärke und Windrichtung wurden bereits dem ersten und zweiten Kapitel dieser Abtheilung einverleibt, hier aber stehen wir vor der Frage: Wie entsteht ein Wind, und nach welchen aörodynamischen Gesetzen bewegt er sich fort? Mit den feinsten Hülfsmitteln der höheren Rechnung haben die beiden hervorragenden norwegischen Forscher Guldberg und Mohn *) Nach Montigny [12] und Hennessy Salat ganz horizontale Winde zu den allergrössten Seltenheiten. Günther, Geophysik. II. Band. 13 194 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. diese Frage einer allseitigen Diseussion unterzogen [13]. Wir geben eine Uebersicht über die wichtigsten der von ihnen erzielten Resultate, indem wir zugleich auf die einem ähnlichen Ziele zugewandten Arbeiten Rücksicht nehmen und als Richtschnur die sehr hübsche Popularisirung wählen, mittelst deren Oberbeck auch Anfängern einen Einblick in das an und für sich für sie transscendente Guldberg-Mohn’sche Werk eröffnet hat [14]. Die allerunmittelbarste Ursache aller Störungen des aörostatischen Gleichgewichtes sind die durch das Barometer angezeigten Druck- differenzen, und diese rühren selbst wieder davon her, dass irgendwie das Wärmegleichgewicht beeinträchtigt worden war. Der häufigst vorkommende Fall ist derjenige, dass die Erdoberfläche an irgend einer Stelle stärker erhitzt ward, als an den sie rings umgebenden Orten, so dass an jener auch der auf der Erde ruhenden Luft ein grösseres Quantum Wärme von unten zugeführt werden musste. Damit ist der Anlass gegeben, dass sich ein vertikaler Luftstrom („courant ascendant“) bildet. Diese anscheinend elementarste Bewegungsform ist durchaus keine so einfache, wie man früher geglaubt hat, Dass. hier vielmehr sehr verschiedene Modalitäten vorkommen können, wissen wir in erster Linie durch Reye, der eine eingehende analytische Untersuchung über aufsteigende Luftströme anstellte [15] *). Derselbe fand, dass es zwei Arten von Vertikalbewegungen in der Atmosphäre giebt, eine diskontinuirlich auftretende und eine kontinuirliche, bei welcher die bewegte Luft einen zusammenhängenden Strom bildet. Damit aufsteigende Luftströme entstehen können, bedarf es nicht nothwendig eines vorhergehenden labilen Gleichgewichtszustandes in der Atmosphäre, dagegen können niedergehende Luftströme nur unter dieser Voraussetzung eintreten, und eben deshalb werden sie auch seltener sein, als erstere [17]. Die verschiedenen Gleichgewichts- zustände der Atmosphäre werden, wie hier gleich bemerkt sein soll, von Reye [18] durch folgende Kriterien fixirt. „Ist die Luft trocken, so ergiebt sich der Satz: Die von unten heraufgebrachte Luftmenge ist wärmer und daher spezifisch leichter, als ihre neue Umgebung, sie steigt also noch weiter in die Höhe, wenn die T'emperaturabnahme der Atmosphäre für je 100 m lothrechter Erhebung mehr beträgt, als. OST 18 oder 0,993 Grad C.; sie ist kälter und sinkt daher zu ihrer früheren Lage zurück, wenn die T'emperaturabnahme für je 100 m kleiner ist als 0,993°. Im ersteren Falle ist der Gleichgewichts- zustand der Atmosphäre ein labiler, im zweiten ein stabiler; er ist *) Diese Arbeit enthält bereits vollständig die Keime, aus welchen später das bekannte grössere Werk des in allen Sätteln gerechten Mathematikers her- vorgieng [16]. Dasselbe beschäftigt sich namentlich mit der Theorie der Stürme, als deren Grundursache der Autor eben die vertikalen Luftbewegungen nachweisen will. und so werden auch wir auf das genannte Buch in jenem Abschnitte zurück- zukommen haben. welcher die Wirbelstürme der heissen Zone behandelt, Nicht blos die irdischen Orkane, sondern auch diejenigen der solaren Photosphäre werden dortselbst auf ihre gemeinsamen Eigenschaften geprüft, wie wir denn schon im I. Bande (8. 59) von dem in dieser Frage zwischen Reye und Faye herrschenden Gegensatze der Ansichten zu berichten hatten. VI. $. 4. Allgemeine Theorie der Luftbewegung auf der rotirenden Erde. 195 ein indifferenter, wenn die genannte Temperaturabnahme gleich 0,993° ist.* Für theilweise oder ganz mit Wasserdampf gesättigte Luft ändert sich natürlich die Konstante 0,993°. — Bis jetzt ward der Allgemeinverständlichkeit halber angenommen, dass die Bewegung in einer regelrecht nach allen Seiten abgegrenzten Säule vor sich gehe, während die angrenzenden Partieen gar nicht in Mitleidenschaft ge- zogen würden. Selbstverständlich ist das thatsächliche Verhalten der Natur ein minder einfaches, die dem Erdboden zugeführte überschüs- sige Wärme bedingt eine allgemeine Cirkulationsbewegung, welche Supan |19] ganz gut als Luftauflockerung bezeichnet. Das Wesen dieses Processes, den wir allstündlich sich vor unseren Augen abspielen sehen, ist zuerst von Hann ganz klar aufgefasst worden |20]. Während die unmittelbar erhitzten Luftschichten sich ausdehnen und in die Höhe steigen, sinken die kühleren oberen Partieen herab, und so pflanzt sich nach und nach die Erwärmung durch alle Theile fort. In Folge dessen werden, zumal wenn die Wärmezufuhr für den Boden fortdauert, die über dem Lande gelagerten Luftschichten gegen die oberen emporgehoben und heben diese letzteren selbst empor. Jene isobarischen Flächen, deren Durchschnittskurven mit dem See- spiegel wir weiter oben als isobarische Linien kennen gelernt haben, Flächen also, die bei gleichförmiger Vertheilung der Temperatur voll- kommen geoidisch sein müssten (vgl. I. Band, S. 198 ff.) heben sich über den erwärmten Stellen und senken sich gegen das kühlere Terrain; es entsteht ein Gefälle nach letzterem hin, und die Luft fliesst in den dorthin führenden Richtungen ab. Nehmen wir zunächst an, die besonders erwärmte Stelle sei ein Punkt oder doch nur ein Kreis von ungemein kleinem Radius, dann entsteht senkrecht über diesem Punkte eine lokale barometrische De- pression, es wächst der Druck von hier aus stetig nach allen Seiten hin, und so müssen sich die Isobaren als koncentrische Kreise um die zuerst erwärmte Stelle herumlegen. Die, wie wir vorhin sahen, oben abfliessende Luft wird durch einen Saugungsprocess in die leer ge- wordene oder doch nur mit verdünnter Luft gefüllte Gegend herein- gezogen und strömt unten nach dem Punkte der grössten Erwärmung hin. Für die Grösse der Druckdifferenzen giebt das Maass der Gradient (vgl. I. Band, S. 292), welcher für einen bestimm- ten Punkt Grösse und Richtung der stärksten Druckände- rung angiebt*). Um jedoch den Einfluss der Erdrotation mit zu berücksichtigen, muss man sich in jedem Punkte der bewegten Luft- masse eine Kraft gleich 2o v sin ß angebracht denken, wo v die Ge- schwindigkeit des betreffenden Punktes, »® die Winkelgeschwindigkeit der Erde, ß endlich die Polhöhe bedeutet; die Entstehung dieses Aus- druckes ist im I. Bande (S. 221 ff.) so ausführlich behandelt worden, *) Eine von Ferrel angegebene Formel zur Berechnung des Gradienten ist von Strachan dahin abgeändert worden [21]: vP ee (* sinß + v cos *) PB: br cos 8 Hier ist G der Gradient der Windbewegung für einen Aequatorgrad. ß wieder die Breite, r der Krümmungskreis der Isobare, P der Luftdruck am Beobachtungs- orte, P‘ der Luftdruck am Meeresniveau, a und b je eine empirische Konstante. 196 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. dass wir hier an dieser Stelle uns nicht mehr damit zu beschäftigen brauchen *). Die Reibung, welche die in Bewegung befindliche Luft- masse zu erleiden hat, ist abhängig von zweierlei: einmal von dem senkrechten Abstande des in’s Auge gefassten Punktes von der Erd- oberfläche und dann von der Beschaffenheit letzterer. Rechnerisch wird man der Reibung gerecht, wenn man eine der Bewegung ent- gegen gerichtete Kraft kv annimmt, unter k einen Erfahrungsfaktor ‚verstanden. Der ursprüngliche vertikale Luftstrom bildet mit den durch ihn veranlassten Bewegungen zusammen ein Windsystem, welches stabil oder veränderlich sein kann, je nachdem die erwärmte Basis dieselbe bleibt, oder nicht. Der erste Fall ist natürlich der bei weitem einfachere und von der Rechnung, der durch die Integration der aufzustellenden Differentialgleichungen sehr bald unüberwindliche Schwierigkeiten entgegentreten, zunächst allein festzuhaltende. Was die isobarischen Linien anlangt, so sind die einfachsten über sie zu- lässigen Annahmen die, dass dieselben entweder parallele Gerade oder koncentrische Kreise sind. Durch rechnende Betrachtung gestalten sich diese beiden Fälle, wie folgt: I. Die parallelen Isobaren sind auch äquidistant, die Windbahnen sind ebenfalls parallele Gerade, die Windstärke ist allenthalben die nämliche, der Winkel der Windrichtung mit dem Gradienten ist ein- fach = arc tang (wo vsinß:k). Je kleiner k, je glatter also der Erd- boden ist, um so genauer weht der Wind in der Richtung der Iso- baren. In England’s Meeren wurde dieser Winkel = 77°, auf dem benachbarten Lande —= 61° gefunden, was offenbar gut mit unserer aprioristischen Regel stimmt, da eben die Reibung zwischen Luft und Wasser eine vergleichsweise sehr geringe ist. II. Wenn die Isobaren durchweg kreisförmig sind, so ist das Gebiet des aufsteigenden Luftstromes in der Theorie durch einen Kreis begrenzt; innerhalb herrscht vertikale, ausserhalb horizontale Bewe- gung. Der Druck nimmt, wie der Kalkul zeigt, vom Öentrum aus nach allen Seiten zu, und auch der Gradient wächst bis nach dem Grenzkreise hin; von hier aus aber nimmt er ab und wird in sehr grosser Entfernung verschwindend klein. Die Windbahnen sind jetzt logarithmische Spiralen **), welche ihrem Bildungsgesetze gemäss mit dem Gradienten überall gleiche Winkel bilden. Die Abweichung vom Gradienten ist in dem äusseren und inneren Gebiete eine verschiedene. Denkt man sich beide Gebiete durch eine Cylinderfläche getrennt, so bilden in dieser die beiden Kurvenschaaren einen Winkel mit einander. *) Eine unleugbare Lücke dieses (Buff-Zöppritz’schen) Beweisganges hat unlängst Sprung [22] ausgefüllt, indem er nachwies, dass durch Berücksichtigung der Centrifugalkraft die Gültigkeit jenes Beweises nur scheinbar, nicht aber wirk- lich beeinträchtigt werde. Man darf somit jener Ableitung jetzt um so fester vertrauen. **) Dielogarithmische Spirale entsteht dadurch, dass man die uns aus dem I. Bande (8. 278) bekannte Loxodrome, eine sphärische Kurve doppelter Krümmung, stereographisch auf die Bildebene projieirt. Da die Loxodrome die Eigenschaft hatte, eine Schaar von Hauptkreisen gemeinsamer Axe unter konstantem Winkel zu schneiden, und da Winkelbeziehungen bei der angegebenen Projektions- art keine Abänderungen erleiden, so behält auch die logarithmische Spirale die Eigenschaft bei, das System von Radien Vektoren, in welches das System der Hauptkreise übergeht, gleichwinklig zu schneiden. ä VI. $.4. Allgemeine Theorie ie: Luftbewegung auf der rotirenden Erde. 197 Allein diese von der Rechnung fehlerlos bezeugte Thatsache ist dennoch unverträglich mit dem wirklichen Verhalten in der Natur, welche keine Sprünge kennt, und es muss deshalb ein Grenzgebiet allmähligen Ueberganges geben. — Ein völlig unveränderliches Windsystem, wie wir es bisher an- genommen haben, ist nun allerdings niemals vorhanden, die Depression hat vielmehr immer einen wechselnden Charakter, und das Depressions- gebiet wandert, mit oft ziemlich grosser Geschwindigkeit, über die Erde hin, indem eben nicht Temperatur und Dichtigkeit des vertikalen und des horizontalen Luftstromes mit einander übereinstimmen. Wenn z. B. die Temperatur auf der einen Seite der hinzuströmenden Luft eine höhere ist, als auf der entgegengesetzten, so wird am ersten Orte das Gebiet des aufsteigenden Luftstromes vergrössert, am anderen ver- kleinert. Bei wandernden Cirkulationen erhalten die Isobaren natürlich eine andere Gestalt, als bei ruhenden, und aus diesen gestaltlichen Aenderungen kann man auf die Bewegungsrichtung schliessen. Die Analyse lässt in diesem Falle die Isobaren als geschlossene Kurven von elliptischer Form erkennen *). Viel weiter als bis zur Erklärung dieser freilich recht einfachen, aber doch für die ganze Aufgabe grund- legenden Verhältnisse hat der gegenwärtige Zustand der höheren Ma- thematik noch nicht vorzudringen gestattet. Besonders wichtig ist die Untersuchung der sogenannten Träg- heitsbahn, d. h. die Bestimmung derjenigen Kurve, welche ein mit sleichförmiger Geschwindigkeit v, sich bewegendes Luftmolekül auf der sich drehenden Erde beschreibt. Was v. Baeyer, ÖOhlert und Finger hiefür geleistet haben, ist uns aus dem I. Bande (S. 223) erinnerlich; neuerdings sind noch die Arbeiten von F. Roth [25] und Bruns |26] hinzugekommen. Der Letztgenannte beweist, dass, obwohl es ungerechtfertigt wäre, die Reibung a priori unberücksichtigt zu lassen, trotzdem die von der Erdumdrehung verursachte Azimutalab- lenkung sich als von der Reibung gänzlich unbeeinflusst herausstellt. Am eingehendsten aber hat sich mit diesem Probleme wohl Sprung beschäftigt, zuerst in einer besonderen Abhandlung [27], sodann aber in einer Studie von allgemeinerem Charakter, die uns noch mehrfach begegnen wird. Die Gleichungen der Trägheitskurven nehmen aller- dings verwickelte Formen an. Sind r und p die Polarkoordinaten eines Punktes, der an sich mit der gleichförmigen Geschwindigkeit v, auf einer mit der Winkelgeschwindiskeit w rotirenden Scheibe fortschreitet, während die kürzeste Entfernung der Fortschreitungsrichtung vom Scheibenmittelpunkte durch a ausgedrückt wird, so ist die Trägheits- bahn eine spiralige Kurve mit der a [28] En o =arctang — —— en *) Für Nordamerika, wo Luftbewegungen und Witterungsverhältnisse am ersten einen typischen Charakter annehmen. hält sich Loomis zur Formulirung nachstehenden Satzes berechtigt [23]: „La forme moyenne des isobares pres du centre de la tempete“ — diess ist eben die fortrückende Erwärmungsstelle — „peut etre regard&e comme une ovale irreguliere, dont la longueur est sensible- ment double de la largeur.“ In der Lage der grossen Axen waltet jedoch, unserem Gewährsmanne zufolge [24], nicht die allermindeste Regelmässigkeit ob. 198 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Statt der sich drehenden Scheibe wäre aber, strenge genommen, eine sich drehende Kugel, statt des Scheibenmittelpunktes der Pol, statt der ebenen Trägheitskurve eine sphärische Linie von minder einfacher Gleichung zu setzen. — Eine von Meteorologen anscheinend wohl wenig beachtete Arbeit rein geometrischer Natur ist diejenige von Biehringer über Kurven auf Rotationsflächen, doch werden in ihr gerade auch die unter dem Einpflusse der Erdrotation beschriebenen Kurven sehr sorgfältig abgehandelt [29]. $. 5. Das Problem des Fönwindes *). Wir halten es für gerathen, den Gang unserer systematischen Erörterung für kurze Zeit zu unter- brechen und die Diskussion eines in der Geschichte der Meteorologie berühmt — um nicht zu sagen wegen seiner Schwierigkeit berüchtigt — gewordenen Problems einzuschieben, desjenigen nämlich, welches der sogenannte Fön der Wissenschaft gestellt hat. Es werden uns hiebei einerseits die am Schlusse des vorigen Paragraphen erlangten Kennt- nisse von grossem Nutzen sein, und andererseits wird sich zeigen, dass die Aufgabe recht eigentlich in die dynamische, d. h. in diesem Falle in die von den Hülfsmitteln der dynamischen Wärmelehre Gebrauch machende Meteorologie gehört. Der Fön ist ein trockener, heisser Wind, der früher als der Schweiz eigenthümlich betrachtet ward, wo er von den Gipfeln der Centralalpenkette herab mit grosser Heftigkeit in die Thäler der Kan- tone Glarus, Uri und Unterwalden hereinweht und theils als „Schnee- fresser* einen wohlthätigen Einfluss ausübt, theils auch wegen seiner feuergefährlichen Eigenschaften gefürchtet wird. Er wird westlich noch in Besancon, östlich noch in Salzburg, nördlich noch im mittleren Württemberg und Bayern gefühlt und als ein Wind von ganz be- sonderer Art deutlich erkannt; besonders fühlbar macht er sich auch in Vorarlberg, wie Hann [30] des Näheren gezeigt hat. Der Solano in Andalusien scheint mit dem Fön ganz identisch zu sein, und ebenso hat sich die Existenz ganz analoger Luftbewegungen für Kutais in Transkaukasien, für das südliche Ufer des kaspischen Meeres, für Neuseeland, Grönland und Süd-Georgien**) herausgestellt. Hätte man vor zwanzig Jahren schon mit dieser weiten geographischen Verbrei- tung des Fönwindes gehörig Bescheid gewusst, so würde man wahr- scheinlich damals schon zu dem Bewusstsein gekommen sein, dass hier die Bethätigung eines generellen Gesetzes der Erdphysik vorliege, und dass mit lokalen, blos auf die Schweiz zugeschnittenen Erklärungs- weisen nichts gethan sei. Eine solche ward nämlich von Desor und Escher von der Linth gegeben, als dieselben von ihrer in Gemeinschaft mit Martins unternommenen und von diesem auch beschriebenen [31] Reise nach Afrika (vgl. I. Band, S. 22) heimgekommen waren, und eine Reihe. anderer Naturforscher, wie z. B. Dollfus- Ausset, schloss sich jenen an |32]. Dieser Theorie gemäss sollte die Wüste Sahara ehedem ein *) Die Schreibweise „Föhn“ ist, wesentlich auf Anregung der hiezu be- sonders kompetenten schweizerischen Autoren, aufgegeben worden. **) Private Mittheilung von Dr. P. Vogel, dem II. Astronomen der deut- schen Expedition. VL $.5. Das Problem des Fönwindes. 199 Theil des mittelländischen Meeres gewesen sein, und während dieser Zeit sollte — vgl. Kap. IX — der Feuchtigkeitsgehalt der Luft ein weit grösserer, denn jetzt, und wiederum in Folge dessen die Ver- gletscherung Europa’s eine viel ausgedehntere gewesen sein. Als das Meer, durch Hebungen vom Centralbecken abgeschlossen, austrocknete, nahm diese Feuchtigkeit mehr und mehr ab, es wurde aus dem Meeres- boden ein Sandmeer, und der aus diesem sich erhebende Wüstenwind trocknete durch die ihm innewohnende Hitze die Luft noch mehr aus, machte der sogenannten Eiszeit ein Ende und entwickelte sich zum Fön, wie man ihn heute kennt. Gut ausgesonnen und anscheinend zu einem wohlgefügten System ausbildbar, leidet diese Hypothese doch an dem fundamentalen Mangel, dass ganz und gar nicht auf das Rück- sicht genommen ward, was (s. 0.) von den Trägheitsbahnen bewegter Körper gilt. Es war Dove, der in einer kleinen, aber inhaltsreichen Monographie [33] den schweizerischen Geologen entgegentrat und so- wohl die Ansicht, dass der Fön erst das Produkt einer verhältniss- mässig recenten Zeitperiode sei, bekämpfte [34], als auch überzeugend die Ostablenkung der von der Sahara aufsteigenden Luftströme nach- wies |35l. Escher würde nur dann im Rechte sein, so drückte er sich aus, „wenn die Erde ein rotirender Cylinder, statt einer rotirenden Kugel, wäre.“ Durch die im vorigen Paragraphen angestellten Be- trachtungen wird die Führung dieses Beweises natürlich noch sehr er- leichter. Sprung kritisirt [36] eine Berechnung Mousson’s, nach welcher ein Luftstrom, um in der Centralschweiz mit einer Sekunden- Seschwindigkeit von 30 m einzutreffen, seinen Weg über Borneo, Goa, Medina, Malta und Nizza nehmen müsste, zeigt deren Irrthümlichkeit auf und thut dar, dass in diesem Falle die spiralige Trägheitsbahn bei- nahe in einen Kreis degenerire, auf welchem annähernd Ancona, Nizza, Genf, Lindau und München liegen. Kurz, die Möglichkeit, dass Luft- ströme aus der afrikanischen Wüste nach Mitteleuropa gelangen könnten, ist für den mathematisch denkenden Meteorologen heute ausgeschlossen. Die dynamische Theorie des Fönwindes ist wesentlich durch Lamont, Hann und Wettstein ausgebildet worden. Wettstein’s Darlegung [37] ist auch die für uns hier massgebende. Wenn im west- lichsten Theile Europa’s oder über dem angrenzenden Weltmeere eine starke Depression eintritt, so strömt die Luft dahin ab, indem sie mit dem selbst wandernden Depressionscentrum zugleich auch stetig ihre Richtung ändert. Wenn speziell aus der Schweiz die Luft dem baro- metrischen Minimum zuströmt, so wird die Luft von Südost oder Süd her in dieses Land hineingesogen, und zwar geht, entsprechend der Richtungsänderung der hinausströmenden Luft, dieser Aspirationsstrom allmählig aus der Richtung von Südost durch Süd nach Südwest über (vgl. Sprung’s obiges Beispiel). Uamittelbar über dem Boden ver- harrt der durch die Friktion aufgehaltene Luftstrom am längsten in der ursprünglichen Südostrichtung, während in den höheren Regionen bereits der Südwest weht. Südlich der Alpenkette ist die herankom- mende Luft meist noch ziemlich feucht, sie gibt aber ihren Wasser- dampf an die Südseite der Berge ab und erscheint nach Ueberschreitung des Kammes als der bekannte trockene Luftstrom. Warum aber, so muss man jetzt fragen, steigt die warme, trockene Fönluft herab und nicht in die Höhe? Hiefür liefert wesentlich der Reibungswiderstand 200 Fünfte Abtheilung. Atmosphärolosie. am Boden die Erklärung, es entsteht oberhalb der 'Thaleingänge eine förmliche Luftbrandung, und sie ist es, welche der Bergluft die nöthige lebendige Kraft verleiht, um die ihr entgegenstehende Thalluft hinweg- zudrängen. Die erstere wird also in die Kessel und Schluchten des Gebirges hineingepresst, dadurch wird sie komprimirt, ihr Volumen wird ein geringeres, und der Volumverminderung entspricht nach be- kannten thermodynamischen Grundsätzen eine proportionale Erwär- mung. Ist [38] pı der anfängliche, p, der schliessliche Druck, e das Verhältniss der beiden spezifischen Luftwärmen bei konstantem Drucke und konstantem Volumen*), a der absolute Nullpunkt der Temperatur (I. Band, S. 92), t, die anfängliche, t, die zuletzt erreichte Tempera- tur, so ist el _ nn. Ne 1 und diese Formel gestattet es, die sich kontinuirlich erhöhende Tem- peratur des Fönwindes auch rechnerisch zu verfolgen. — Dem ent- sprechen Hann’s Bludenzer Beobachtungen (a. a. O.). Die aus Ost- südost und Südost wehenden Winde, die aus dem Montavon kommen und über die Scheide der Silvretta-Gruppe hereinwehen, bringen in Bludenz Hitze und Trockenheit zuwege; die Feuchtigkeit wird durch sie um durchschnittlich 30 % vermindert. Diese Abart des Föns ent- spricht ganz der T'heorie, dass nämlich der Wind stets entsteht, wenn tiefe Depressionen sich auf dem zwischen Neuschottland und der Bay von Biscaya gelegenen Theile des Atlantik einstellen, weil durch deren Vorhandensein zwischen dem Nord- und Südfuss der Alpen eine bedeutende Luftdruckdifferenz bewirkt wird **). $. 6. Das Hadley’sche Prineip und die Dove’sche Winddrehungs- regel. Bereits bei Beginn des XVI. Jahrhunderts dachte der geniale Lionardo da Vinci an eine Erklärung der vom Aequator regelmässig zum Pole hin gehenden Luftströmung [41], mit deren Existenz man durch die Entdeckungsreisen der Portugiesen damals bekannt zu werden anfıeng, und im Jahre 1573 gab Pierre Davity, nach Gelcich’s Bericht [42], ganz zutreffende Rechenschaft über jene Winde, welche durch die ungleiche Erwärmung von Land und Meer entstehen. Irr- thümlich wird die entsprechende Erklärung der regelmässigen Winde der Tropenzone vielfach dem Halley zugeschrieben, indess bemerkte Peschel schon [43], dass der berühmte englische Mathematiker diess- mal die Ehre der Priorität seinem weit weniger bekannten Landsmann (&. Hadley abtreten müsse, in dessen bezüglicher Abhandlung aller- dings weit korrektere Anschauungen niedergelegt sind, als in den Schrif- ten Halley’s [44]. Sprung hat [45] das, was er das Hadley’sche Princip nennt, einer genauen begrifflichen Analyse unterworfen und *) Schlemüller will allerdings gefunden haben [39], dass das Verhältniss der spezifischen Wärme eines Gases bei konstantem Drucke zu seiner spezifischen Wärme bei konstantem Volumen keine konstante, sondern eine mit wachsender Meereshöhe abnehmende Zahl sei. **) Nach Grad [40] hätte bereits Leverrier die Escher’sche Theorie zurückgewiesen und die klimatologischen Folgerungen derselben bestritten. er a A EA a A VI. $. 6. Das Hadley’sche Princip und die Dove’sche Winddrehungsregel. 201 dabei dargethan, dass dasselbe bis in die neueste Zeit herein die Wit- terungskunde beherrschte und in den meteorologischen Systemen eines Dove, Mühry, Marie-Davy u. A. immer wieder zum Durchbruche kommt, obwohl es nur eine bedingte Gültigkeit in Anspruch nehmen kann. Ferrel’s bedeutendes Werk [46], und an jenes sich anschliessend die Arbeiten Buys-Ballot’s und Ley’s, haben uns dieses Prineip seinem wahren Werthe nach abzuschätzen gelehrt. Um diess jedoch einleuchtend zu machen, haben wir etwas weiter auszuholen. Im I. Bande (S. 223) ward eines Memoire’s von Poisson ge- dacht, in welchem dieser hervorragende Analytiker bewies, dass jede Rechtsablenkung eines auf der Nordhalbkugel horizontal bewegten Körpers eine doppelte sei: einmal rühre sie von dem uns wohlbekannten Einflusse der Erdumdrehung selbst her, für deren Betrag wir den Aus- druck 2» v sin ß kennen, dann aber komme ein Theil auch auf die Thatsache, dass ein bewegter Körper, wenn das Azimut seiner Be- wegungsrichtung sich von 90° oder 270° unterscheide*), in Gegenden von geringerer oder grösserer Rotationsgeschwindigkeit gelange, denen gegenüber er voranzueilen oder zurückzubleiben scheine. Dieser letztere Theil der Gesammtablenkung, der allerdings für meridionale Richtungen ein Grösstes wird, während der andere vom Azimut unabhängig ist, beträgt jedoch nur einen sehr geringen Bruchtheil von jener. Hadley und seine Nachfolger beachteten aber ausschliesslich diesen Bruchtheil, während sie den weit überwiegenden Betrag ausser Acht liessen, und begiengen so einen Fehler, der nicht blos als Unterlassungssünde be- zeichnet werden kann. Stellte doch sogar Dove den durchaus falschen Satz auf [47]: „Wenn die Luft durch Temperaturdifferenz oder irgend eine andere Ursache ein Bestreben erhält, in einem Parallelkreise zu fliessen, so wird die Drehung der Erde durchaus keinen Einfluss auf sie äussern, weil die Punkte der Erde, zu denen sie gelangt, genau dieselbe Drehungsgeschwindigkeit besitzen, wie die Punkte, die sie ver- lassen hat.“ Auch die in Mühry’s schönem Werke [48] niedergelegten Anschauungen werden noch durch diese Einseitigkeit getrübt, und in einer noch später erschienenen Abhandlung von Benoni [49], welche Dove’s Windsystem in dogmatischer Form darstellt, werden Diejenigen sogar eines Fehlers geziehen, welche nicht daran glauben wollen, dass eine zum Meridian senkrechte Bewegungsrichtung keiner Deviation unter- worfen sei. In dem oben angezogenen Werke baute nun Dove auf dem Hadley’schen Principe ein anemologisches Lehrgebäude auf, welches schon dadurch unsere Beobachtung verdient, dass es, Dank seinem genialen Baumeister, durch mehr denn vierzig Jahre trotz der Un- sicherheit seiner Grundlagen Stand zu halten vermochte. Dove gieng von der Betrachtung zahlreicher barischer und thermischer Windrosen aus und folgerte daraus: Für aussertropische Breiten sind zwei einander entgegengesetzte Luftströme charakteristisch, der warme, feuchte und leichte Aequatorialstrom und der kalte, trockene und schwere Polarstrom. Beide fliessen neben ein- *) Wir denken uns, wie es in der Astronomie Gebrauch ist, die Azimute von Süden aus nach links herumgezählt, so dass dem Westpunkte ein Azimut von 90° zukommt. 202 | Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. ander hin, indem die Luft des ersteren emporsteigt, die- jenige des letzteren hinabsinkt, und dabei verdrängen sie sich gegenseitig in der Weise, dass das Umspringen des Windes auf der nördlichen Erdhemisphäre gewöhnlich im Sinne der Uhrzeigerbewegung, auf der südlichen dagegen im entgegengesetzten Sinne erfolgt. So lautet die allen Meteorologen früher so wohl bekannte Regel, welche heutzutage aus den Lehrbüchern völlig zu verschwinden scheint. Nicht ganz mit Recht, denn wie schon daraus zu ersehen, dass ein Mann wie Dove so lange sich auf sie stützen durfte*), trifft dieselbe für Mitteleuropa in der That doch in so vielen Fällen zu, dass ihr eine relative Brauchbarkeit nicht wohl abzusprechen ist. Den Grund jedoch, weswegen die Regel — das Wort Gesetz wäre unstatthaft — ihrer nicht korrekten Prämissen ungeachtet sich als vielfach zutreffend erweist, können wir erst bei einer späteren (Gelegenheit angeben. Ausser Mühry und Benoni, von denen bereits die Rede war, haben besonders Rothe und Lorenz v. Liburnau in dem von ihnen gemeinsam bearbeiteten Lehrbuche [52] Dove’s System dargestellt und zu vervollkommnen gesucht. Freilich ist es dabei, wenigstens nach Supan’s Meinung, nicht ohne Dogmatisiren abgegangen. $. 7. Die Gesetze von Galton, Buys-Ballot und Stevenson. Darin lag eben eine grosse Gefahr: man dogmatisirte, weil man den wirk- lichen Sachverhalt nicht kannte, weil man in einer nur unter gewissen Bedingungen gültigen empirischen Regel ein Naturgesetz erblickte. Ahnungen des Richtigen sind schon seit geraumer Zeit zu verzeichnen. Die Amerikaner Espy und COoffin [53] und der Mecklenburger Dippe [54] sprachen gelegentlich Gedanken aus, wie sie den sofort zu besprechenden Gesetzen sich anpassen, doch ward erst schüchtern und allmählig vorgegangen, da, wie gesagt, Dove’s Ansichten noch immer die Herrschaft behaupteten. Man kann zweifelhaft sein, ob Galton oder Buys-Ballot mit mehr Recht als der Urheber des Fun- damentalgesetzes der neueren Meteorologie anzuerkennen sei; jeden- falls ist, mögen auch kleine zeitliche Unterschiede vorhanden sein, das Verdienst des Einen demjenigen des Andern gleichwerthig, und man sollte von Rechtswegen dem Gesetze die Namen beider Forscher bei- legen. Nähere Untersuchung ergiebt, dass Buys-Ballot ursprünglich seinem (resetze einen weit engeren Geltungsbereich zuerkannte, als es *) Dove war auch nicht ohne alle Vorgänger. So berichtet Ratzel [50], wie die ungemein grosse Gleichförmigkeit der klimatischen und meteorologischen Verhältnisse im Unionsgebiete es ermöglicht habe, dass ein gewisser Lewis Evans bereits 1749 die Fortschreitungsrichtung der amerikanischen Stürme deutlich er- kannte; nicht minder habe man von der Regel der Winddrehung in Nordamerika weit eher eine klare Idee gehabt, als bei uns. Andere wollen schon bei Franeis Bacon und bei Dampier ähnliche Vorstellungen angetroffen haben, doch ist die Interpretation gelegentlicher Aeusserungen aus alter Zeit immer etwas missliches. Sicherer ist, dass Mariotte und Kant der Auffindung der Regel ziemlich nahe waren. Ganz unbemerkt ist aber allem Anscheine nach geblieben, dass, wie R. Wolf bemerkte, der Schweizer Jakob Gesner um 1747 sich folgendermassen aussprach [51]: „In was für einer Ordnung die Winde abwechseln, observirt man, dass es staffelweis geschieht, also dass der Wind gewöhnlich sich drähe von Süd nach West, von da nach Nord und Nordost, auch etwann bis Ost fortgehe.“ Den unteren Quadranten rechts schloss Gesner also aus. VI, $. 7. Die Gesetze von Galton, Buys-Ballot und Stevenson. 203 - der Wirklichkeit entspricht, dass er durch dasselbe nur gewisse Eigen- thümlichkeiten der speziell-niederländischen Luftcirkulation ausgedrückt glaubte, wogegen er allerdings damals, als er auf Grund der neu ge- wonnenen Erkenntniss die Konstruktion graphischer Witterungsbilder vorschlug [55], die Tragweite seiner Entdeckung bereits erkannt hatte. Galton’s Entdeckerrecht auch in Deutschland mehr zu Ehren zu bringen, halten wir für unsere Pflicht*), um so mehr, da der englische Physiker gleich zu Anfang das Gesetz in allgemeinster Weise formulirte und eine ganz richtige Theorie der ÜUyklonalbewegung entwickelte. Dess zum Beweise mögen, unter Berufung auf Fig. 47, seine eigenen Fig. 47. Hich Barom. (Dispersion ). Low Barom (Jndraugkt ). Worte [58] hier Platz finden: „The result i have thus far arrived at, and which i should look for hereafter, is that whenever the barometer shows circumscribed areas of marked elevation and depression at distances non exceeding 1500 miles apart, a line drawn from the locus of highest to that of lowest barometer would be cut parallel wind- eurrents at an angle of about 45°, in the way shown in the diagram.“ Das Buys-Ballot’sche Gesetz pflegt demgemäss in folgender ein- facher Weise ausgesprochen zu werden: Die Luft strömt von der Gegend des höheren nach der des niederen Luftdruckes hin, wird dabei aber durch die Erdrotation auf der Nordhalb- kugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links abge- lenkt. Um aus der Richtung des gerade wehenden Windes die un- sefähre Gegend hohen Luftdruckes abzunehmen, aus welcher jener weht, kann man nach van Bebber’s Regel [59] verfahren: Man kehre dem Winde den Rücken und strecke die H&nd rechts seitwärts nach hinten, dann wird die Gegend hohen Drucks in der Verlängerung des Armes liegen. Eine sehr einfache und nur von gewöhnlichen geome- trischen Kenntnissen Gebrauch machende Ableitung des Buys-Bal- lot’schen Gesetzes ward von Sprung [60] gegeben. Das sogenannte Stevenson’'sche Gesetz lautet: Die Ge- schwindigkeit des Windes ist dem barometrischen Gra- dienten direkt proportional. Wer die Erörterungen nachliest, welche früher (I. Band, S. 291) über das Wesen der orthogonalen Trajektorien einer Kurvenschaar und über den physikalischen Begriff des Gefälles gegeben wurden, der weiss, dass es sich hier nicht um eine spezifisch-meteorologische Wahrheit, sondern um einen Lehrsatz *) Die von englischer Seite kommende Behauptung [56]. dass die Ver- allgemeinerung des Gesetzes von Galton herrühre, ward früher vom Verf. ange- zweifelt [57]. jedoch nicht mit Recht. 204 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. der mathematischen Physik handelt, welcher der mannigfachsten An- wendung fähig ist. Lokale Verhältnisse werden allerdings vielfach be- wirken, dass das Stevenson’sche Gesetz minder rein ausgeprägt erscheint. Aus obigen Gesetzen folgt, dass die Detailerscheinungen, welchen man früher einen ganz zufälligen oder doch wenigstens unperiodischen Charakter beilegte, die eigentlich entscheidenden sind. Wir werden diess durch eine Darlegung der Wind- und Sturmverhältnisse nachzu- weisen haben, doch möge vorerst, um an einem treffenden Beispiele die Vorzüge unseres neuen Winddrehungsgesetzes zu beleuchten, die Besprechung einer bemerkenswerthen Erscheinung sich anreihen, an deren Erklärung die Dove’sche Theorie scheiterte. $S. 8. Die Maifröste als Konsequenz des Buys-Ballot’schen Gesetzes. Wir haben in $. 1 des vorigen Kapitels erfahren, dass jeweils gegen die Mitte des Monates Mai eine starke Erniedrigung der "Temperatur einzutreten pflegt, welche für den Obst- und Weinbau nicht selten nachtheilig wird*). Der 11., 12. und 13., in anderen Gegenden wieder der 12., 13., 14. Mai gelten dem Volke als die am meisten zu fürch- tenden Tage, und die Patrone dieser Tage, der hl. Mamertus, Ser- vatius, Pankratius, Bonifacius, werden als die „Eismänner“, als die „gestrengen Herren“, in den Rheinlanden auch als die „Weinverderber* bezeichnet. Dove studirte diesen auffälligen Rückgang der Temperatur genauer [61], und wenn ihm auch die schliessliche Ergründung der Ursachen nicht gelang, so hat er doch in methodischer Beziehung der künftigen Lösung in dankenswerther Weise vorgearbeitet. Namentlich lernte auch Letzterer bei diesem Studium die Wichtigkeit schätzen, welche das Zusammenfassen meteorologischer Vorgänge nach Zeit- räumen von je fünf Tagen (Pentaden) besitzt**). Dove bewies noch, dass die „Maifröste* wirklich mit Vorliebe auf die vom Volks- munde bezeichneten Tage fallen, dass sie sich wesentlich auf das mittlere Europa beschränken, und dass sie mit gewissen nördlichen Winden zusammenhängen. Diess Alles hielt Dove für genügend, um Erman’s Herbeiziehung kosmischer Erklärungsmomente (s. o.) als un- berechtigt erscheinen zu lassen. Dove fand ferner, dass mit fast gleicher Regelmässigkeit, «wie im Mai, auch im Juni eine Temperatur- depression eintrete, die nur der vorgerückten Vegetation weniger an- zuhaben im Stande sei und deshalb unbeachtet bleibe. Ausser an Sternschnuppen dachte man früher auch an die aus dem hohen Norden herabtreibenden Eisberge, welche erkältend auf die europäische Atmo- sphäre wirken sollten, und Dove hielt sich wenigstens überzeugt, dass die Eismänner „geborene Amerikaner“ seien. Die richtige Auffassung ward erst in unseren Tagen langsam angebahnt durch Billwiller, Assmann und van Bebber, der, als er [63] die Depressionsbahnen einer vergleichenden Untersuchung unterzog (s. $. 10), auch die Wahr- *) König Friedrich II. soll für den Unglauben, den er den Aussagen seiner Gärtner entgegenbrachte, durch den Verlust seiner ganzen Orangerie auf der Terrasse von Sanssouci bestraft worden sein. **) Nach Hellmann rührt die erste Anwendung der Pentaden bei klimato- logischen Untersuchungen von dem schwedischen Astronomen Wargentin her [62]. a N VI, $.8. Die Maifröste als Konsequenz des Buys-Ballot’schen Gesetzes. 205 nehmung machte, dass das Eintreffen der barometrischen Minima im Frühling und Herbst uns Fröste bringt. Zu einer wenigstens vor- läufigen Entscheidung aber wurde die strittige Frage durch v. Be- zold gebracht [64]. Derselbe zerlegte die Frage in zwei Einzelfragen: „Ergiebt sich unter Zugrundelegung langjähriger Mittel für den betreffenden Zeit- raum, d. h. für die Pentade vom 11. bis 15. Mai, eine Luftdruckver- theilung, welche das charakteristische Kennzeichen an sich trägt, und ist diese im Mittel eben in dieser Pentade schärfer ausgebildet, als in den unmittelbar vorhergehenden oder nachfolgenden? Welches ist die Ursache dieser eigenartigen Vertheilung des Luftdruckes gerade um diese Zeit?“ Auf Ersteres. eine passende Antwort zu geben, schien unmöglich, da Isobarenkarten nur für die ganzen Monate, nicht aber für die einzelnen Pentaden zur Verfügung stehen, doch fand v. Be- 4 4‘ | RAR Berkuei Ara FRE, 40 Parallel der "7 Jsonephen. zold Mittel, selbst solche Karten anzufertigen, und diese seine Leistung, die von einem anscheinend ganz entlegenen Hülfssatze Gebrauch macht *), bedingt den grossen Werth seiner Untersuchung, da nach *) Dieser Satz ward von H. Wild angegeben und lautet [65]: „Es kann mit grosser Sicherheit die empirische Regel aufgestellt werden, dass die Isobaren in ihren Hauptzügen mit den Temperatur-Isanomalen übereinstimmen und sich auch annähernd mit ihnen decken, wenn man sie in südöstlicher Richtung mehr oder weniger verschoben denkt.“ Diese Temperatur-Isanomalen werden aber auf folgende Art erhalten: Man sucht alle Orte auf, welche für einen gewissen Zeit- abschnitt — hier die dritte Mai-Pentade — eine um gleichviel von der Jahres- mitteltemperatur nach oben oder unten abweichende Temperatur aufweisen, und verbindet die betreffenden Orte auf der Karte durch einen Kurvenzug. 206 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Ausführung dieser Vorarbeiten die Ziehung der letzten Konsequenzen für den geübten Meteorologen keine grossen Schwierigkeiten mehr haben konnte. Fig. 48 stellt uns die Vertheilung der Isanomalen für Europa zur kritischen Zeit vor Augen, und da sehen wir denn, dass gerade in der dritten Mai-Pentade — weit charakteristischer als vor- und nach- her — die ungarische Tiefebene sich zu einem Gebiete von sehr hoher Temperatur entwickelt, die Linien gleicher Anomalie lagern sich enge um einen Mittelpunkt herum, der etwa in der Gegend der Stadt De- brecezin gelegen ist, und nicht weit davon wird nach Wild auch das Centrum der barometrischen Depression zu suchen sein. Die Theorie, wie sie zumal von Hildebrandson [66] ausgebildet worden ist, fol- gert dann weiter: Wenn im Frühjahr die Erwärmung Europa’s von Süd nach Nord fortschreitet, so muss sich allmählig ein Umschwung in der Vertheilung von Wärme und Luftdruck ergeben, welcher dem — im nächsten Kapitel schärfer zu fixirenden — Gegensatze zwischen Meer und Festland entspricht. Wo mithin das Land in seiner Massi- rung den ausgesprochen kontinentalen Charakter trägt, da muss dieser Umschwung am kräftigsten vor sich gehen, und so sehen wir denn auch die Balkanhalbinsel mit dem angrenzenden Tieflande die ihr von der Theorie angewiesene Rolle durchführen, während, wie auch das Kärtchen ersehen lässt, die Rheinebene sich im Ganzen ähnlich ver- hält. Die Eismänner sind demnach „geborne Ungarn®. — Das Weitere entfliesst nun sehr ungezwungen aus unserem Gesetze der Windbe- wegung, wie v. Bezold’s Schlussworte ergeben [67]: „Die Balkan- halbinsel spielt die Rolle eines kleinen vorgeschobenen Kontinentes, über der angrenzenden ungarischen Ebene entwickelt sich eine grosse positive thermische Anomalie sammt niedrigem Barometerstande; zugleich schreitet im Westen Europa’s ein Gebiet hohen Luftdruckes nach Norden vor, es wehen über Deutschland nach Buys-Ballot’s Gesetze nördliche Winde, und diese haben den Kälterückfall im Ge- folge. Alle diese Umstände wirken gerade in der dritten Mai-Pentade zusammen.“ Wenn wir oben sagten, die Streitfrage sei eine vorläufig ent- schiedene, so wollten wir damit andeuten, dass ein Punkt auch jetzt noch der endgültigen Aufklärung harrt. An und für sich sind die Entstehungsursachen der Anomalie völlig klar gelegt, allein es ist noch nicht nachgewiesen, warum gerade die zweite Maiwoche und keine andere Zeit im Jahre dem vereinten Auftreten jener Ursachen sich günstig erweist”). Möglicherweise zwingt diese ziemlich strenge Periodicität uns doch noch dazu, ausnahmsweise einmal einen der sonst gegen- *) Zu grosser Genugthuung des Verf. ist dieser Erwägung, welche derselbe bereits bei seiner Besprechung der v. Bezold’schen Schrift in der wissenschaftlichen Beilage der „Allgem. Zeitung“ andeutete, neuerdings auch von van Bebber [68] und W. Köppen [69] bestimmt Ausdruck gegeben worden. Billwiller, der in seiner ersten Publikation über den Gegenstand [70] die Kälteerscheinungen ganz richtig auf eine im Osten liegende barometrische Depression, deren Ort er aller- dings in Russland suchte, zurückgeführt hat, behauptet neuerdings, es sei ganz müssig, dem Zusammenfallen des Temperaturrückganges mit der dritten Mai- Pentade nachspüren zu wollen, da die von Köppen behauptete Periodieität in Wirklichkeit gar nicht existire [71]. Unseres Erachtens geht dieselbe aber aus v, Bezold’s Zusammenstellung ganz unwiderleglich hervor, VI, $. 9. Regelmässige und unregelmässige Windsysteme. 207 wärtig ziemlich gering geschätzten kosmischen Erklärungsfaktoren zu- zulassen. S. 9. Regelmässige und unregelmässige Windsysteme. Unser Be- streben ist, darzuthun, dass alle Formen von Wind, welche wir auf unserer Erde kennen, sich den Gesetzen fügen, welche wir in $. 7 als die maassgebenden kennen gelernt haben. Zu dem Ende betrachten wir zunächst alle diejenigen Spezialitäten, für welche man schon vor dem Bekanntwerden des Buys-Ballot’schen Gesetzes eine befriedigende Erklärung gefunden hatte, und zeigen alsdann, dass diese Erklärungen nur Unterfälle derjenigen sind, welche auch für die allgemeinen oder regelmässigen Windsysteme genügen. a) Die Passatwinde. Innerhalb einer gewissen Zone nördlich und südlich vom Aequator wehen regelmässige Winde, über deren stets gleichbleibende Richtung und Stärke bereits Colon freudiges Staunen äusserte, und seinem Vorgange entsprechend, wurde es bei den euro- päischen Seefahrern Sitte, den Gürtel dieser Winde aufzusuchen und sich von ihnen dann mühelos an die amerikanische Küste treiben zu lassen. „Die Tropenzone,“ sagt Hann [72], „ist das Gebiet vorherrschender östlicher Luftströmungen, spezieller nord- östlicher Winde auf der nördlichen und südöstlicher Winde auf der südlichen Hemisphäre“. Diess sind die sogenannten Passate („trade-winds“ bei den Engländern, „vents alizes“ bei den Franzosen). Zwischen ihnen liegt eine Zone, die an Breite wechselt und durch häufige Windstillen sich auszeichnet, während im Uebrigen in ihrem Bereiche keine Windrichtung besonders vorherrscht; diess ist die Zone der Kalmen („Doldrum*). Weder die Passatzonen, noch die Kal- menzone sind an unveränderliche Grenzen gebunden, vielmehr wandern dieselben, dem scheinbaren Laufe der Sonne folgend, hin und her, so jedoch, dass die Kalmenzone immer nördlich vom Aequator bleibt und nur ganz wenig über diesen nach Süden hinübergreift. In Fig. 49 sehen wir durch weiss gelassene kleine Kreise die Kalmen des Januar, durch schwarze Kreise diejenigen des Juli bezeichnet; auch sind die wechselnden Grenzlinien der Passatzonen für die genannten beiden Monate in die Karte eingetragen. Genauere Angaben über die Lage der Grenzen im März und September findet man bei Hann [73]. Bislang war nur vom unteren Passat die Rede; der obere Pas- sat ist eine Luftströmung, welche in den höheren Partieen der Atmo- sphäre eine derjenigen des unteren Passates direkt entgegengesetzte Richtung einhält. Die höheren Berggipfel ragen bereits in den oberen Passat hinein, der z. B. auf dem neuerdings viel genannten Camerun- Gebirge in einer Höhe von 4000 m als scharfer Südwest zu spüren ist [74], und Asche, welche dem Pik von Teneriffa entstammte, ist durch den auf der Nordhalbkugel von Südwest nach Nordost wehenden Oberpassat bis in die Polarländer transportirt worden (s. I. Band, S. 351). Je weiter der obere Passat nach Norden, resp. Süden vordringt, um so mehr senkt er sich gegen die Erde herab *). Fig 49 bringt die Passat- grenzen und Kalmen zur Anschauung. *) Ersichtlich fehlte, wie man jetzt erkennt, Dove darin, dass er eine unter den Tropen mit grosser Regelmässigkeit vor sich gehende Luftbewegung als eine 'tenutp wit ‘uob;oy 9.njep un eurmumf 9-8 EM}? vouopuouyequuungg 2 zj-9 em “np ur ozuabjesse,z amunmmm 208 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Die erste physikalische Erklärung der Passate lieferte das Had- ley’sche Princip (s. o. $. 5). Wir wissen, dass dasselbe mit einem u 8 Eimer RE BI £ 4 SE me a ee Zum 17 ZB EL IRRE || wa ar ' ounowabjjy we uougequungg ; Bi E == Sn ie FTTia Dee et IT ee x Ei a Kun seeel:=sulln d BB Sur ar | | — 8 RT wei BE: EEE BEREEE DER GRANT SERIE FE mn: sondern in den ersteren Gegenden scheint der Wind mehr aus nörd- lichen Richtungen, in letzteren mehr aus westlichen zu wehen. Die Inselgruppen beeinflussen durch die Erzeugung von Land- und See- brise die allgemeine Richtung in hohem Maasse. Der westliche Theil des stillen Oceanes spürt ebenfalls die Nähe der Kontinente, indess reicht in unserem Sommer der Südwestmonsun zwischen der Linie und 25° lat. N. kaum so weit nach Norden, wie im chinesischen Meere.“ c) Land- und Seewinde Hier haben wir im Kleinen dasselbe Spiel der Luftmassen vor uns, welches die Monsune im Grossen boten. Des Tages über wird das Land stärker erwärmt als das einer weit grösseren Wärmekapacität sich erfreuende und deshalb ebensowohl lang- samer sich erwärmende, wie langsamer sich abkühlende Meer; es bildet sich demnach ein aufsteigender Luftstrom über dem Lande, und der Wind weht vom Wasser nach dem Lande hin. Bei Tage geht die Luftauflockerung energischer über dem Wasser vor sich, und der Wind erhält die entgegengesetzte Richtung. Natürlich gilt diess nur für die dem Erdboden näher gelegenen Schichten der Atmosphäre, während weiter oben der ausgleichende entgegengesetzt gerichtete Luftstrom herrscht. Nach Versuchen, welche auf Coney-Island bei New-York mit einem „Ballon captif“ angestellt wurden, reicht die Seebrise des Nach- mittages ungefähr bis zu einer senkrechten Höhe von 150 m, während bei 200 m bereits die Landbrise weht [80]. In gewissen Küsten- segenden der Tropen beherrscht der Wechsel zwischen Land- und See- wind die Lufteirkulation so, dass vom Passate gar nichts zu bemerken ist [81]. Auch Binnenseen geben wohl Anzeichen von dem Bestehen dieses Gegensatzes zwischen Land und Wasser, die Erscheinung komplieirt sich jedoch daselbst meistens zu enge mit der jetzt zu schildernden. d) Berg- und Thalwinde Die Gebirgswinde und die auffal- lenden Analogieen, welche zwischen ihnen und dem unter c) geschil- derten Windsysteme obwalten, sind erst in neuerer Zeit der Beachtung sewürdigt worden, welche sie vollauf verdienen. Der von uns für die alternirende Luftbewegung gebrauchte Name Berg- und Thalwinde ist der gebräuchliche, wenn auch vielleicht minder bezeichnende; Hann spricht von Tag- und Nachtwinden der Thäler und giebt von deren hervorstechenden Eigenschaften, im Anschlussse an Fournet, nachfolgende Charakteristik [82]: „Diese Luftströmungen entwickeln sich am stärksten in den Thälern, ohne ihnen ausschliesslich eigen zu sein, denn sie äussern sich längs allen Abhängen, und der Strom der Thäler ist nur das Resultat von partiellen aufsteigenden Bewegungen (Tag) oder lateralen Kaskaden (Nacht). Der Uebergang von der ab- steigenden zur aufsteigenden Bewegung ist rascher in engen und kurzen, schluchtartigen Thälern, langsamer in weiten Thalbecken, wo die auf- steigende Bewegung meist erst gegen 10" Morgens frei im Gange ist, und der absteigende Nordwind erst gegen 9" Abends regelmässig zu werden anfängt. Die Uebergangszeiten schwanken mit den Jahres- zeiten. Die Konfiguration des oberen Theiles der T'häler übt einen grossen Einfluss auf diese Winde aus, nach den Stunden und Jahres- zeiten; so wird sie bald ausgeprägter bei Tag, als bei Nacht, bald umgekehrt stärker bei Nacht, als bei Tag. Zuweilen ist der Winter mit seinen Schneefällen den Nachtwinden am günstigsten, während da- 213 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. gegen im Allgemeinen der Sommer die Tagwinde verstärkt.“ Alpen- kenner sind mit einer Menge von lokalen Windbezeichnungen vertraut, welche auf den vom Gebirge herabwehenden Wind hinweisen; wir nennen so die „Breva“ und den „Tivano“ am Lago diComo, den „Unter- wind“ und „Öberwind“ an den oberösterreichischen Seen, welch’ letzterer am Traunsee unter Umständen als „Viechtauer Wind“ auftritt, den. „Erler Wind“ im Innthale nördlich von Kufstein, den „Wisper Wind“ im Thale des Rheines. Mit diesem hat uns J. Berger genauer be- kannt gemacht [83]. Lediglich Ein Punkt bleibt noch aufzuklären: Warum steigen die erwärmten Luftmassen nicht, wie sonst, senkrecht empor, sondern machen sich als mehr oder minder horizontal gegen die Berghänge gerichtete Winde ihre Bahn? Hann erklärt diese Ab- A. weichung sehr geistreich [84]. Es sei AB os (Fig. 51) ein Bergabhang, durch die Punkte A, B und die dazwischen liegen- den Punkte d, c, b, a seien horizontale Ebenen gelegt. Wir nehmen an, die Luft sei zu Ende der Nacht in vollkommener a: Ruhe, allenthalben herrsche der nämliche ee Luftdruck; sowie nun die Sonne kommt | und die Luft erwärmt, wird das Gleich- gewicht gestört, und die Luft muss dem Abhange zufliessen. „ Die Säule aa’, welche zuerst in Betracht gezogen werden möge, dehnt sich aus, der Druck in a’ steigt, weil die von unten kommende Luft aus aa’ ihren Druck nach oben ausübt, in b aber ist ein derartiger Schub von unten natürlich nicht vorhanden. Ganz in gleicher Weise wird b’ gegen c, ce’ gegen c, d’ gegen A gehoben, die isolarischen Gleichgewichtsflächen verlieren ihre Horizontalität und erhalten eine Neigung gegen den Berg hin, und in jedem einzelnen Niveau wird der Luft ein Gefälle in dieser Richtung ertheilt, welches eben eine Bewegung in horizontalem Sinne einleitet. Als Diagonale aus diesem und dem vertikal aufwärts gehenden Impulse stellt sich die bergauf- wärts gerichtete Luftströmung dar, mit welcher wir es eben zu thun haben. Eine scheinbare Ausnahme von dieser Regel, welche im Ma- loja-Pass (Öberengadin) beobachtet wird, ist von Billwiller geschickt auf dasselbe Prineip zurückgeführt worden [85]. — Sehen wir nun zu, wie mit diesen, wie gesagt, in ihrer Grund- legung schon auf frühere Zeiten zurückreichenden Theorieen diejenigen vereinbar sind, welche man sich mit Rücksicht auf die Gesetze von Buys-Ballot und Stevenson von den Winden überhaupt gebildet hat, und welche man in übersichtlichster Weise in Supan’s „Statistik der unteren Luftströmungen“ auseinandergesetzt findet. Die Isobare, längs welcher der Normaldruck von 760 mm stattfindet oder, nach Prestel’s Bezeichnung, die Mesobare, trennt das Gebiet der Plio- baren (rXstov, mehr und ß4pos) von dem der Miobaren (jeioy, weniger und ßapos). Jedem dieser beiden Gebiete ist eine typische Wind- gattung eigenthümlich, wenn auch nicht mit Ausschliesslichkeit. Da nämlich, wo ein ungewöhnlich hoher Druck herrscht, strömt die Luft von dem Mittelpunkte des Druckes, dem barometrischen Maximum, nach allen Seiten ab, man hat eine sogenannte Anticyklonalbe- wegung, und jeder an einer solchen theilnehmende Wind heisst Anti- = 1 ä a iR au IR [4 ZW N =, Se N 177 | VI, $. 9. Regelmässige und unregelmässige Windsysteme. 913 cyklone. Umgekehrt strömt im Miobarengebiete die Luft allseitig gegen den Ort geringsten Druckes, d. h. gegen das barometrische Minimum, hin, man hat dann eine Üyklonalbewegung, und jeder an ihr theilnehmende Wind heisst Cyklone. Stände die Erde stille, so würden alle diese Bewegungen in der kürzesten Linie vor sich sehen, die Erdumdrehung bewirkt aber, dass die Windbewegung in Kurven vor sich geht, wie sie Fig. 47 für die nördliche Halbkugel zur Anschauung bringt. Nach Supan [86] kann man sieben barometrische Zonen unterscheiden: erstens die tropische Miobare, sodann die nördliche und südliche subtropische Pliobare, weiterhin eine nördliche und südliche Miobare der gemässigten Zonen und endlich eine nördliche und südliche polare Pliobare. Die Vertheilung von .Wasser und Land, mit ihren so verschiedenen Erwärmungsverhältnissen, beeinflussen diesen idealen Zustand in der Weise, wie es uns die Isobarenkarte (Fig. 46) lehrte. Dove’s Bezeichnungsweise der Winde darf die Meteorologie wohl als bequem und sinnenfällig beibehalten, nur muss sie in jedem Augenblicke dessen eingedenk bleiben, dass nicht der Entstehungsort, sondern nur die ungefähre Richtung durch Dove’s Windnamen angegeben wird. Der Process der Luftbewegung wickelt sich bei den Anticyklonen weit ruhiger ab, als bei den Cyklonen [87]. Bei ersteren befindet sich die Luft in langsam aufsteigender, bei letzteren gewöhnlich in rasch absteigender Bewegung. Das veränderliche Wetter pflegt deshalb mehr die Oyklone zu begleiten. Die Winkel, welche die vom Maxi- mal- und Minimalpunkte nach den Spiralen gezogenen Fahrstrahlen mit den Windrichtungen einschliesssen (Fig. 52), sind an Grösse sehr Fig. 52. verschieden; bei der Cyklonalbewegung betragen sie z. B. für England und Dänemark 20° bis 21°, für die Union 47°. Nach Loomis, der die nordamerikanischen Windverhältnisse besonders gründlich studirt hat [83], sind in jenem Lande der meteorologischen Gleichförmigkeit die Windbahnen wirklich sehr häufig die von der Theorie des $. 4 geforderten logarithmischen Spiralen mit einem konstanten Schnitt- winkel von 42°, und zwar gilt dieses Gesetz, den auf Mount Washing- ton gemachten Erfahrungen zufolge, bis in eine bedeutende Höhe hinauf. — Sonst kann gerade diese Beziehung zwischen oben und unten nicht als gültig betrachtet werden, vielmehr muss nach den in dieser 214 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Hinsicht klassischen Arbeiten des Schweden Hildebrandson [89] ein tiefgreifender Unterschied zwischen oberen und unteren Luftströ- mungen als das für Europa Normale gelten. In den höheren Schichten unserer Atmosphäre wehen daselbst die Winde von den Orten niedrigen Luftdruckes fort und nach den Orten hohen Luftdruckes hin. Je höher man steigt, um so mehr nähert sich der Schnittwinkel der Wind- richtung mit den Isobaren einem rechten, um so energischer konver- giren die Windrichtungen gegen die Centra hohen Druckes hin, um so entschiedener gestalten sie sich entgegengesetzt den Richtungen, welche die an der Erdoberfläche wehenden Winde einhalten. Das Buys- Ballot’sche Gesetz hat somit für die höheren Luftregionen keine uneingeschränkte Gültigkeit mehr, seine Gültigkeit für jene ist vielmehr blos .noch eine lokale Da die Cirrus- wolken, wie wir wissen (Kap. I, $. 3) eben in den höchsten Schichten des Luftkreises schweben, so konnte Prestel [90] mit einigem Rechte darin ein neues Hülfsmittel der Prognose erkennen, dass er annahm, die Cirruswolken folgten einer Bahn, welche die Punkte geringen Druckes in einer Miobarenfläche mit Punkten starken Druckes in einer Pliobarenfläche verbindet. Fügen sich nun die Passatwinde diesen generellen Gesetzen ein? Offenbar ja, denn wenn wir uns Entstehung und Erklärung dieser regelmässigen Winde in das Gedächtniss zurückrufen, können wir sagen: Die Passate unterscheiden sich von den Cyklonen nicht principiell, sondern nur darin, dass das miobarische Gebiet für die Cyklone ein relativ kleines und annähernd kreis- förmiges, für die Passate aber ein sehr langgestrecktes ist, oder, wie man sich auch ausdrücken könnte, die Passate haben nicht alle vier Quadranten der Cyklonalbewegung, sondern blos deren zwei ausgebildet. Die Monsune setzen sich aber wieder aus zwei Passatbewegungen zusammen *), und die Land- und Seewinde, wie die Berg- und Thalwinde sind nichts als verkleinerte und lokalisirte Nachbildungen der Monsune. Man darf es somit aussprechen, dass eine durchgreifende Gesetzmässigkeit sämmtliche Winde der Erde, wenigstens bis zu einer gewissen Höhe über dem Seespiegel, beherrscht. $. 10. Bildung und Fortbewegung der barometrischen Minima. Eine Einsicht in das Wesen der Windbewegung konnte nur vermittelt werden, indem man diejenigen Punkte, von welchen der Anstoss zu dieser Bewegung ausgeht, nämlich die Punkte barometrischer Elevation und Depression, als stabil annahm. In Wirklichkeit sind sie diess natürlich nicht, sie entstehen vielmehr, schreiten fort und verschwinden. Ueber diese ihre Bildungs- und Fortschreitungs- verhältnisse haben wir uns also jetzt zu verständigen, damit wir dazu aber im Stande seien, müssen wir uns zuvor vergewissern, welchen Einfluss die Bewegung der Centra auf das Wetter, als auf die direkt *) Supan’s Ansicht, dass die Monsune gar keine selbstständigen Winde, sondern theils eyklonische Winde, theils rückläufiger Passat seien, können wir in dieser Unbedingtheit nicht zu der unsrigen machen, so sehr wir im Uebrigen die vielfach originellen Aufstellungen des österreichischen Geographen billigen. VL $S. 10. Bildung und Fortbewegung der barometrischen Minima. 215 zu unseren Sinnen sprechende Beurkundung der Luftbewegungen, aus- übt. Die barometrischen Maxima interessiren uns dabei weit weniger, weil sie erweislich für die Witterungsverhältnisse ziemlich neutral bleiben, um so mehr thun diess aber die Minima, deren zeitlichen und räumlichen Bedingungen wir an der Hand der Darstellung van Beb- ber’s [91] nachgehen wollen. Der grosse, gerade Pfeil in Fig. 53 bedeutet die Fortschreitungs- richtung einer solchen Depression, welche, um die Ideen zu fixiren, ı K Y als von England her durch das Skager Rack nach Südskandinavien sich bewegend angenommen werden möge. Bei’m Herannahen des Minimums geht südlich vom Pfeile der Wind nach Südost herum und frischt auf, alsdann dreht er sich dem Buys-Ballot’schen Gesetze gemäss durch Süd herum nach Südwest. Das Wetter ist und bleibt für’s Erste heiter, wiewohl die näher und näher kommende Luft- verdünnung das Barometer zum Sinken bringt, auch treten bereits die das künftige schlechte Wetter signalisirenden Cirri am West- horizonte auf. Diese Wolken nehmen zu, Kumulus und Nimbus (Kap. I, $. 3) folgen, und es fällt gewöhnlich so lange Regen, als sich der Mittelpunkt der Depression noch westlich vom Beobachtungsorte befindet. Wenn der erstere vorübergegangen ist, so setzt der Wind am, bläst aus Nordwest, indem er zugleich an Stärke zunimmt, ver- sendet Regen und anderweite Niederschläge und dreht sich immer mehr nach Norden, während zugleich der blaue Himmel wieder durch- vricht. Ruckweise Stürme, Regen- und Hagelschauer halten noch einige Zeit nach, dann aber beginnt das Barometer wieder zu steigen, der Wind flaut, die Schleussen des Himmels schliessen sich, und es besteht solange heiteres Wetter, bis von Westen her ein neues Minimum sich anmeldet. Liegt der Ort des Beobachters nördlich von dem Pfeile, so ändern sich die Verhältnisse nur insoferne, als jetzt die Drehung der Winde im entgegengesetzten Sinne, der Uebergang von einer Witterungsform zur anderen aber langsamer und nicht so ruck- weise erfolgt. Die ausgezeichneten Pfeile unserer Figur geben die Richtungen der Winde in den unteren, die punktirten Pfeile jener in den oberen Luftschichten an, die koncentrischen Kreise sind die Iso- a LE a EN ak 9. u“ BE a Be a Ye R ‘ u E % “ “ Ri, au? Da . z nn, Bo 216 | Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. baren, die Linie AK endlich ist die Aufklarungslinie, Bi deren der Umschlag der Witterung sich vollzieht. Cl. Ley, dem die Wissenschaft für die Herstellung des hier skizzirten Witterungsbildes in erster Linie zu Dank verpflichtet ist, fasst neuerdings die Ergebnisse seiner Studien über Bildung und Wanderung der Depressionen in folgenden Thesen zusammen [92]. I. Barische Gebiete, d. h. atmosphärische Räume, die von einer in sich zurücklaufenden Isobarenfläche begrenzt sind, neigen in den gemässigten Zonen zu runden oder doch ovalen Formen, was namentlich für die miobarischen gilt; II. Plio- und miobarische Gebiete unter- scheiden sich durch den Drehsinn der ihnen angehörigen Windsysteme; III. Gebieten niedrigeren Druckes haftet in aussertropischen Breiten die Neigung an, sich ostwärts zu bewegen, wogegen Gebiete hohen Druckes bei geringer Ausdehnung gerne der Bewegung benachbarter Depressionen folgen und bei grösserer Ausdehnung überhaupt keine ausgesprochene Bewegungstendenz bekunden; IV. die Bewegungs- richtung schwankt im westlichen Europa gewöhnlich zwischen Nord- Nordost und Süd-Südost, indem jedes Depressionsgebiet ursprünglich unter einem Winkel von 15° gegen die niederen Isothermen fort- schreiten möchte; V. gebirgige Gegenden üben eine anziehende, Küsten eine zurückhaltende Wirkung auf die Minima aus; VI. eine Depression wandert auf der Nordhalbkugel am leichtesten in einer Richtung fort, bei welcher sie den höheren Druck auf der rechten Bahnseite hat; VII. für die Entstehung und Ausdehnung von De- pressionsgebieten sind Niederschläge charakteristisch, mit deren Auf- hören dann auch die Depressionen zusammenschrumpfen oder sich vertheilen; VIII. dieser Einfluss der Niederschläge ändert sich ge- wöhnlich umgekehrt, wie die allgemeine Temperatur der Atmosphäre; IX. und X. was in IV. gesagt ward, gilt im Allgemeinen auch für die oberen Strömungen in unserer Lufthülle, nur dass dieselben, wie bekannt, nicht dem Buys-Ballot’schen Gesetze folgen; XI. die Axe eines fortschreitenden Depressionswirbels pflegt nach rückwärts geneigt zu sein. — Von diesen Sätzen gehören einige schon geradezu zum eisernen Bestande der dynamischen Meteorologie, andere harren noch der Bestätigung, einzelne auch bedürfen der Berichtigung. Dieselbe hat W. Köppen ihnen angedeihen lassen [93], indem er zu Ley’s Thesen noch folgendermassen A, B, C und D hinzufügte: A. Die Richtung der Luftströmung ist in unseren Breiten bis etwa zu 3500 m Seehöhe nahezu parallel den Isobaren der betreffenden Schicht, und zwar tiefer unten nach der Seite des niedrigen, weiter oben nach der Seite des hohen Druckes von der Isobare abweichend; B. weil der Druck in warmer Luft langsamer mit der Höhe abnimmt, als in kalter, so ändern sich die sonst dem Luftdrucke proportionalen Gradienten nach aufwärts in der Weise, dass auf der Seite der wärmeren Luft- säule ein Ueberdruck entsteht; CO. die Fortpflanzung der Depressionen geschieht annähernd in der Richtung der nach ihrer Gesammtenergie präponderirenden Luftströmung; D. da die Bewegungsverhältnisse in verschiedenen Höhen des Wirbels auch verschiedene sind, so ist für dessen Fortpflanzung nicht blos der Bewegungszustand der untersten Schicht, sondern der des ganzen Luftwirbels entscheidend, im All- gemeinen also derjenige einer gewissen mittleren Schicht, deren Höhe VI, $. 10. Bildung und Fortbewegung der barometrischen Minima. 217 aber erst noch zu bestimmen ist. Ley’s Thesen V, VII und VIII können durch folgende kumulative Fassung ersetzt werden: Gebirgige Gegenden werden, ihrem Regenreichthum zum Trotz, seltener von Depressionen heimgesucht, als die umliegenden Flachländer und Meere, wie denn überhaupt der Einfluss der Niederschläge auf Ursprung und Gang der Minima noch lange nicht genügend aufgeklärt erscheint. Wie man hieraus ersieht, haben Ley und Köppen dadurch einen bedeutenden Schritt vorwärts gethan, dass sie für die ver- schiedenen Schichten der Atmosphäre die Ortsflächen gleichen Luftdruckes nur im engsten Zusammenhange mit den Orts- flächen gleicher Temperatur in’s Auge gefasst haben*). In Fig. 54 Fig. 54. FERN Oö a an a er A ist nach Köppen die durchschnittliche Druckvertheilung in der Cirrus- schicht einer fortschreitenden Depression dargestellt. Fig. 54a ent- Fig. 54. spricht etwa dem Satze A, Fig. 54b dem Satze B, Fig. 54c dem Satze C. Die ausgezogenen Kreise sind die Isobaren am Meeres- *) In seiner beachtenswerthen, dem Verf. jedoch leider zu spät bekannt gewordenen Behandlung unseres Gegenstandes [94] betont der bekannte Mathe- matiker v. Miller-Hauenfels (s. I. Band, S. 75) die Nothwendigkeit, neben den Es a Be an en 2 ar 218 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. niveau, die punktirten Linien die Isobaren der Cirrusregion, die mit Strichen und Punkten gezeichneten Linien die Isothermen, gewöhnliche kleine Pfeile entsprechen dem Zuge der unteren, punktirte Pfeile demjenigen der Cirruswolken, starke Pfeile geben die Richtung des Fig. 54. Unterwindes, die langen Pfeile geben die Bewegungsrichtung der Minima, die kleinen Kreise Kalmen an. Bemerkt sei noch, dass Köppen [97] die Höhe bestimmt, bis zu welcher in einer Depression mit warmem Centrum die Gradienten diesem letzteren zugewendet sind; seine Relation leitet er durch scharfsinnige Schlüsse aus der Laplace’schen Barometerformel her. Die Ley’schen Thesen IV und VI können im Vereine mit Köppen’s Zusätzen dazu dienen, die Bewegungsrichtungen der Minima über Europa festzustellen. Soferne diese Richtungen immer wieder mit einer gewissen Gleichförmigkeit und Regelmässigkeit innegehalten werden, spricht man von den Zugstrassen der Minima, und die neuere Meteorologie erachtet es, hauptsächlich um der praktischen Anwendung willen, für eine ihrer wichtigsten Aufgaben, diese Zug- strassen für die verschiedenen Erdräume auszumitteln. Zumal van Beb- isobarischen und isothermischen Flächen auch die isosterischen oder Flächen gleicher Dichte der Diskussion zu unterstellen. Diese Ansicht scheint eine Unterstützung zu finden durch Brounow’s neue Theorie der Cyklonalbewegung [95], mit welcher uns Graf Berg’s Referat [96] bekannt gemacht hat. Brounow zeigt nämlich, dass die östliche Fortschreitungsrichtung der Cyklone da- durch bedingt ist, dass das Gebiet hoher Temperatur und grosser absoluter Feuchtigkeit meist südlich von dem Gebiete niedriger Tem- peratur und geringer Feuchtigkeit liegt. Ferner sollen sich die Cyklone stets in der Nähe der Grenzlinie des Gebietes übernormaler Temperatur bewegen; sobald sie in ein Gebiet gelangen, dessen Temperatur unter dem Normalmittel liegt. büssen sie nach Brounow an Intensität ein. Wenn die Cyklonenbahn in die Karte eingetragen ist, so empfiehlt es sich, daneben noch vier andere Linien zu verzeichnen: die Ortskurve der Punkte, an denen das Barometer in den letzten 24 Stunden um gleichviel gestiegen oder gesunken ist, den Ort der Punkte, welche eine relativ stärkste Zunahme des Luftdruckes erkennen lassen, und endlich den Ort der Punkte stärkster Abweichung von der Normaltemperatur. Diese vier Kurven hätten einen näherungsweise parallelen Verlauf. VI, s. 10. Bildung und Fortbewegung der barometrischen Minima. 219 ber hat sich dieser Aufgabe mit vielem Eifer hingegeben, und seine Ausführungen [98] sind es auch, an welche wir uns in der Haupt- sache halten. Wie schon oben ($. 7) erwähnt, liefern die Vereinigten Staaten die einfachsten Verhältnisse, wo eine einzige Zugstrasse durch das Gebiet der grossen Seen und durch Canada zieht. An den Seen tritt gewöhnlich eine Gabelung der Bahnen ein, und noch weit mehr komplieiren sich die Dinge über dem atlantischen Ocean, wo (nach W.Köppen) einerseits der Einfluss der Meeresströmungen, andererseits der Mangel der Reibung sich geltend macht. Die Mehrzahl der De- pressionen wendet sich von Nordamerika — auch bei Newfoundland bilden sich nach Köppen sehr gerne neue Minima — an Südgrönland und Irland vorbei nach Europa, entweder östlich gegen das südliche Nor- wegen hin abbiegend oder an den nördlichsten Küsten dieses Landes hinstreichend, während nur ein kleinerer Theil quer über den Ocean fortschreitet. Diesem letzteren begegnen in der Regel unsere über England nach Amerika segelnden Schiffe, und es erleiden aus diesem Grunde die westwärts fahrenden Dampfer weit häufigeren Wechsel der Witterung, als die ostwärts fahrenden. Für Europa lassen sich im Ganzen acht Haupt-Zugstrassen unterscheiden, von welchen vier jedoch nur als sekundäre Theilungen erscheinen. Zug- strasse I, ein im Frühling wenig frequentirter Weg, beginnt an der Nordwestecke Irlands, zieht sich längs der norwegischen Küste hin bis an den Polarkreis und theilt sich dort in drei verschiedene Aeste: Ia geht nordwärts zum Eismeere, Ib zum weissen Meere, Ic verläuft im Inneren von Russland. Zugstrasse II, III und IV erstrecken sich sämmtlich aus der Umgebung der britischen Inseln quer über das deutsche Meer weg, II bewegt sich nach Ost, III nach Südost, IV der Küste entlang in ostnordöstlicher Richtung, so dass Il und IV sich in der Gegend der grossen schwedischen Seen durchkreuzen; im Früh- jahr pflegt dieser Schnittpunkt östlich verschoben zu werden. Zug- strasse V führt vom Südwesten Grossbritannien’s südöstlich über Frank- reich nach dem Mittelmeerbecken hin, theilt sich jedoch im Allgemeinen in die oben genannten vier Zweige. Va ist die für Deutschland’s Wetter maassgebende Strasse, Vb geht nordöstlich nach dem finnischen Meerbusen, Ve und Vd durchschneiden das mittelländische Meer. Wenn die Depressionen, was -(s. o.) nicht selten geschieht, an einem bestimmten Orte länger zu verweilen sich anschicken, so liegt dieser Ort gewöhnlich in der Nähe des Durchschnittes zweier Zugstrassen. Derartige Punkte liegen z. B. über der Davisstrasse, südwestlich von Irland, über dem atlantischen Ocean bei’m Nordufer des Golfstromes, über dem Skager Rack und, wie schon bemerkt, über Südschweden. Die Vertheilung von Luftdruck und Temperatur in der Umgegend eines Knotenpunktes lässt annähernd im Voraus beurtheilen, welchen Weg die Depression von ihm aus einschlagen wird*). In Europa *) Die Richtung der Zugstrasse Va erklärt (s. o. $. 6) die Genese der Dove’schen Winddrehungsregel, denn weil eben gewöhnlich die Minima nördlich von Deutschland vorüberziehen, springt der Wind so um, wie jene Regel es ver- langt, und einzig deshalb giebt die Statistik zu Gunsten jener Regel die ganz leidlichen Resultate, welche Leipoldt anführt [99]. Hätte Dove nicht in Berlin, sondern in Grönland gelebt, er würde nicht der Versuchung erlegen sein, seine empirische Regel mit einem allgemeinen Naturgesetze zu verwechseln. YET EL Se NT nn dp B ER RE a NE En 2 le RE N TG rd? hun 2209 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. ist die Tendenz der Minima, länger stabil zu bleiben, eine weit aus- gesprochenere, als in Amerika, und es wird hiedurch die für uns nicht eben ungewöhnliche Beständigkeit der Witterung bewirkt. In Fig. 49, welche uns bereits mit den geographischen Ver- hältnissen der Passatwinde bekannt machte, sind auch — ebenfalls nach den Angaben des offiziellen österreichischen Handbuches der Hydrographie *) — die Zugstrassen abgebildet, welche von einem mehr oder minder grossen Bruchtheile der barometrischen Minima befolgt werden. Allerdings ist daselbst statt Zugstrassen das Wort Sturm- bahnen gebraucht, allein dieser scheinbare Gegensatz darf uns nicht stören, da den Darlegungen des nächsten Paragraphen zufolge der Unterschied zwischen Winden und Stürmen jeder Art kein principieller, sondern ein blos gradueller ist. Wir glauben uns deshalb auch be- rechtigt, schon an dieser Stelle eines eigenthümlichen Verhaltens der Zugstrassen zu gedenken, welche man als deren Umbiegung be- zeichnet, und von welcher uns das Diagramm das besonders charak- teristische Beispiel an der Ostküste Nordamerika’s, dann aber auch in der chinesischen See und im indischen Ocean entsprechende Fälle vor Augen stellt. Der wahre Grund dieser Umbiegungen ist eben so wenig genau bekannt, wie derjenige für das west-östliche Fortschreiten der Minima; betreffs der letzteren zog allerdings Mühry [100] aus dem Studium der ziemlich geradlinigen Bahnen dreier Wirbelstürme den Schluss, dass dieselben ziemlich genau jenem Punkte Nordasiens zustrebten, in welchem die Winterkälte ein Maximum erreicht. Nach Maydell [101] bildet für ‘den nächstfolgenden Tag die Windbahn einen bestimmten Winkel mit der den Ort der Depression und den Ort der grössten Erwärmung am fraglichen Tage verbindenden Ge- raden, doch ist diese Aussage nicht auf theoretische Erwägungen, sondern auf die Betrachtung synoptischer Karten gegründet. Hydro- dynamische Untersuchungen über die Trichter, welche sich bei Be- gegnung zweier seitlicher Strömungen im Wasser bilden, haben Witt- wer auf eine selbstständige Theorie der Umbiegung gebracht [102]. Er vergleicht den Sturm mit dem Wasserwirbel, indem er als Kom- ponenten den Polar- und den Aequatorialstrom angesehen wissen will. In der Nähe der Kalmenzone stehen deren Richtungen nahezu normal auf einander, und ihre Resultirende ist nach Nordwest gerichtet, je weiter man aber gegen Norden vorschreitet, um so mehr dreht sich nach dieser Richtung hin auch die Resultirende, um schliesslich gegen Ost abgelenkt zu werden. Diese Art der Drehung soll darauf hin- weisen, dass der Antipassat der aktive Theil ist und in den Passat einbricht, indem sonst der Drehsinn der entgegengesetzte sein müsste. — Es steht zu hoffen, dass die durch Brounow in diesen Theil der meteorologischen Dynamik hineingetragenen neuen Gedanken auch auf diese schwierige Frage befruchtend wirken werden. Ehe wir die Minima und ihre Bewegung verlassen, haben wir noch daran zu erinnern, dass auch.partiale oder sekundäre Minima nicht selten neben den Hauptdepressionen auftreten und der Witterungs- *) Für den amerikanischen Kontinent dienten als Vorlage die von Jakson im Jahresberichte des „Signal Office“ von Washington veröffentlichten Karten der Depressionszüge. VI, $. 11. Stürme. 221 prognose Schwierigkeiten bereiten. Dieselben bilden sich auf dem Ge- biete grösserer Depressionen namentlich da, wo Westwinde wehen, und sind, weil eben lokalen Ursprunges, nicht wohl auf den Isobarenkarten zu verzeichnen, deren man sich bei der Vorausbestimmung des Wetters bedient *). 8.11. Stürme Mit diesem Gesammtnamen bezeichnet man eine ganze Reihe von meteorologischen Processen, die denn auch wirklich, trotz mancher Verschiedenheiten in der äusseren Erscheinung, viel des Gemeinsamen besitzen. Attlmayr, der im österreichischen Handbuche, auf das wir uns schon mehrmals zu beziehen hatten, den von der maritimen Meteorologie handelnden Abschnitt bearbeitete, schreibt darüber in einem Sinne, mit dem wir uns nur einverstanden erklären können, wie folgt [105]: „Im Nachfolgenden sollen jene meteoro- logischen Processe zur Darstellung gelangen, welche mit dem Namen Wettersäulen, bogenförmige Böen, See-Tornados, Cyklonen bezeichnet werden. In manchen äusseren Erscheinungen zeigt sich zwischen denselben eine engere Verwandtschaft. Nach der Ansicht gewiegter Männer finden sie in gleichen Ursachen ihren Ursprung. Es mag daher als gerechtfertigt gelten, diese Phänomene in einem ge- meinsamen Abschnitte zu behandeln.“ Ebenso wollen auch wir es halten. a) Wettersäulen. Wie viel oder, besser gesagt, wie wenig man noch vor nicht sehr langer Zeit von dieser doch eben nicht seltenen Erscheinung wusste, zeigt recht deutlich Muncke’s ungemein aus- führlicher Lexikon-Artikel [106], der wesentlich einen beschreibenden Charakter trägt und deshalb auch für heute noch unbestreitbar Werth besitzt. Die Wettersäulen, die je nach Umständen auch als Wasser- und Windhosen (Tromben, lat. „Nubis pendula“, „columna“, „tuba*, franz. „trombe“*, engl. „Water-Spout“) auftreten, sind schlauchartig nach unten gekrümmte Wolken, in denen eine wirbelförmige Bewegung herrscht, und denen sich, wenn die Wolke über leicht bewegliche Massen, wie Wasser und Sand hinstreicht, ähnlich geformte, schlauch- artige Zungen aus diesen Massen entgegenstrecken. Unsere Fig. 55 *) Neue Perspektiven eröffnet der meteorologischen Praxis ein Unternehmen Hildebrandson’s, über dessen Zweck und einstweilige Fortschritte wir uns aus dem sehr eingehenden Berichte van Bebber’s [103] unterrichten können. Es werden nämlich im Detail die Veränderungen studirt, welche auf den einzelnen Seiten einer barometrischen Elevation oder Depression die einzelnen meteoro- logischen Elemente erfahren. Um nur Eines Punktes zu erwähnen [104]: Die Nimbuswolken sind häufiger auf der Rückseite, als auf der Vorderseite der fort- schreitenden Minima. 999 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. verdeutlicht fünf prägnante Formen dieser Wettersäulen, wie sie sich nach Finley’s Aufsatze „The tornadoes of may 29 and 30, in the States of Kansas, Missouri, Nebrasca and Jowa“ [107] bei einem furchtbaren amerikanischen Wirbelsturme gezeigt haben; Fig. 55c erinnert ganz an das Modell eines einmanteligen Hyperboloides, bei Fig. 55d streckten sich aus den Wolken zwei Spitzen herab, in deren jeder eine schrauben- förmige Luftbewegung von entgegengesetztem Drehsinne wahrzu- nehmen war [108]. Die Landhosen sind gefährlicher durch ihre mecha- nische Wirkung, als die Wasserhosen, wie denn bei dem einzigen von Chladni ganz sichergestellten Falle, in welchem eine solche Wasserhose über ein Schiff weggieng, der Schaden kein allzugrosser war [109]. Schiffer haben die Gefahr nicht selten durch einen gegen die Trombe gerichteten und sie zerreissenden Kanonenschuss abge- wendet. Dass die aspirirende Wirkung der Tromben mit grossem mechanischem Effekte Hand in Hand gehen muss, erhellt leicht aus den von Reye gesammelten Nachrichten über die Fortschreitungs- geschwindigkeit dieser Luftwirbel [110]. „Nach Martins verursachte am 19. August 1847 eine Windhose bei Rouen ein Sinken des Baro- meters um 6,34mm. Der Druckdifferenz von 6,34mm entspricht aber eine Windgeschwindigkeit von 36,17m per Sekunde nach der Verdünnungsstelle hin. Dass bei solcher Windgeschwindigkeit, die sonst nur bei Orkanen vorkommt, 180 grosse Bäume umgerissen wurden, ist sehr begreiflich. Nach Oersted fiel durch die Wetter- säule von Eu am 16. Juni 1775 das Barometer um 2! Linien, woraus sich die Geschwindigkeit der heranströmenden Luft zu 34,32 m er- seben würde.* — Die hier geschilderten Umstände waren es, welche Reye die Mittel zur Aufstellung jener Theorie der Wirbelsäulen ver- schafften, die er zuerst in der erwähnten Abhandlung und dann all- seitiger begründet in seinem Hauptwerke auseinandersetzte, und zu welcher sich jetzt wohl die grosse Mehrzahl der Fachleute bekennt *). Sämmtlichen Stürmen ist gemeinsam die Bildung eines un- gewöhnlich stark ausgeprägten barometrischen Minimums und ein jähes Herabgehen des Barometers*). Daraus schloss Reye, dass die heftige Luftverdünnung die primäre Voraussetzung des aufsteigenden Luftstromes haben müsse**), und damit war ein Fingerzeig gegeben, der zu besseren Ergebnissen führte, als alle früheren Bemühungen, an denen es nicht gemangelt hat — zählt doch Peltier nicht weniger als 30 von verschiedenen Autoritäten gegebene Erklärungsweisen auf, deren 19 blos die Luftbewegung, 8 die Elektrieität, *) Auf den von Faye [111] gegen Reye erhobenen Widerspruch — die Luftbewegung innerhalb der Trombe soll nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten vor sich gehen — soll hier nicht weiter eingegangen werden, weil schon im I. Bande ($. 59) bei Besprechung der solaren Stürme das Erforder- liche darüber beigebracht worden ist. **) Die Bemerkung, dass einem Gewittersturme das Steigen der Queck- silbersäule voraufgehe, scheint, wie Hellmann zeigte [112], von Planer und G. E. Rosenthal zuerst gemacht worden zu sein. Letzterer sagt in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in einem an Lichtenberg gerichteten Briefe: „Wenn sich ein Donnerwetter dem Orte, wo sich ein Barometer befindet, nähert, so wird der Meniskus in der Röhre zu steigen anfangen.“ Rosenthal hat aber auch ganz richtig erkannt, dass dieses Steigen nur ein momentanes ist und bald durch ein umso energischeres Fallen abgelöst wird. Die Thatsache wurde nach- mals von Strehlke bestätigt [113]. VI, 8. 11. Stürme. 223 2 unterirdisches Aufbrausen zu Hülfe nahmen, während nach einer die Erscheinung nur ein recht heftiger Platzregen sein sollte [114]. Reye erinnert an die künstlich erzeugten Waldbrände, welche man in den Südstaaten der Union nach Redfield manchmal nur um des- willen hervorruft, damit ein aufsteigender Luftstrom sich bilde und Regenwolken erzeuge. Hier liegt die Analogie am Tage, welche zwischen diesen künstlichen Winden und den Wirbelwinden über den Kratern der feuerspeienden Berge obwaltet (s. I. Band, S. 348). Makay beobachtete häufig Gewitter als die Konsequenz von Schilf- bränden; die wirbelnden Rauchsäulen stellen sich den Windhosen ganz ebenbürtig zur Seite. A. v. Humboldt in den Llanos, Bruce in Afrıka, Clarke in den russischen Steppen waren gleichfalls Zeugen solcher Naturerscheinungen, und nach Belt’s Aussage hatten die dortigen Sandtromben eine entschieden spiralige Bewegung [115]. Sehr für Reye’s Auffassung spricht die Windhose, welche, einem gothischen Thurme ähnlich, vom Rath bei Königswinter im Rheine sah und genau beschrieb [116]. Die elektrischen Erscheinungen sind wohl, ähnlich wie bei den Gewittern, mehr nur eine Zugabe. b) Bogenförmige Böen und See-Tornado’s. Attlmayr reproducirt, um die Seefahrer mit den äusseren Anzeichen dieser Gattung von stürmischen Luftbewegungen vertraut zu machen, die bezüglichen Be- schreibungen von Kerhallet und Schück [117]. Böen sind Stürme, welche aus schwarzen, am untern Ende kreisförmig begrenzten Wolken (daher der Beiname) losbrechen und gewöhnlich von starken elektrischen Entladungen begleitet sind. Die tropischen Gewässer Ostasiens bilden den Tummelplatz dieser Stürme, die in minder prononcirter Form übrigens auch in den anderen Meeren, vorzugsweise freilich in den tropischen, dem Schiffer zu schaffen machen. Die am meisten zu fürchtenden Böen sind die hauptsächlich der Antillen-See eigenthüm- lichen See-Tornados [118] (portug. „travados*), welche recht wohl auch als eigentliche Wirbelstürme von vergleichsweise geringer Fort- pflanzungsgeschwindigkeit gelten können; andererseits könnte man auch sagen, es seien Wettersäulen von sehr grossem Durchmesser. Wie es. kommt, dass mit dem Erscheinen einer Sturmwolke auch der Wind heftiger entfacht wird, ist zur Zeit noch Gegenstand von Unter- suchungen, an welchen sich Köppen und Möller [119] betheiligen. Auch die Gewitterstürme des Binnenlandes tragen einen böen-artigen Charakter. van Bebber hat neuerlich angefangen, von besonders aus- gezeichneten Stürmen dieser Art in den „Ann. d. Hydrogr. u. marit. Meteor.“ Individualbeschreibungen zu liefern, und Köppen hat, um solche Beschreibungen mit möglichster Treue geben zu können, einen vielversprechenden Weg eingeschlagen [120], er giebt nämlich Frage- bogen an die Eisenbahnbediensteten hinaus; wenn sich die einen Bahn- zug begleitenden Beamten genau die Orte gemerkt haben, an denen sich der Zug in dem Augenblicke des Eintretens irgend eines be- merkenswerthen Ereignisses befand, so können sie jene Bogen mit Zeitbestimmungen ausfüllen, wie sie gleich genau auf andere Weise nicht wohl zu erhalten sind‘*). *) Vorzügliches Material gewährt auch Mohn’s Sturm-Atlas [121], eine im Vereine mit De Seue von dem ausgezeichneten norwegischen Forscher unter- DER ER TEL SER Dee KR RRRNGR er ER N ka Tec! Hals: 224 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. c) Die Drehstürme der Tropenzone. Die Zeit liegt nicht lange hinter uns, da man die Böen und gewöhnlichen Gewitterstürme als etwas Grundverschiedenes betrachtete von den Cyklonen (Wirbel- stürmen, Drehstürmen, Drehorkanen)*), durch welche die tro- pischen Meere berüchtigt sind; schon der Umstand aber, dass man die für unsere Gegenden typische Windströmung eine Cyklonalbewegung nennt (s. 0.8. 7) belehrt uns über die Hinfälligkeit dieses Gegensatzes,. Die historische Entwickelung unseres bezüglichen Wissens wird von Attlmayr [123] in der Weise gekennzeichnet, dass Dampier die Taifune zuerst als Wirbelstürme erkannte, dass Capper die nämliche Erkenntniss bezüglich der im indischen Ocean herrschenden Orkane gewann, dass Dove auch an europäischen Stürmen eine analoge Eigen- schaft nachwies, und dass endlich durch die vereinten Bemühungen von Reid, Redfield, Piddington, Meldrum und Reye der heu- tige, nicht zu verachtende Wissensstand erreicht ward. Wir sind jetzt nicht mehr darüber im Zweifel, dass aufsteigende Luftströme in Ver- bindung mit dem Stosse seitlich einströmender Luftmassen, mit der Erdumdrehung und mit der Reibung die zureichenden Erklärungsgründe auch für diese Erscheinung liefern, mag auch im Einzelfalle die Er- klärung noch mit vielen Schwierigkeiten verknüpft sein. Sichergestellt ist, dass die Wirbelbewegung in der Oyklone dem Sinne nach der Dove’schen Regel zuwiderläuft; auf der Nordhalbkugel ist der Dreh- sinn demjenigen des Uhrzeigers entgegengesetzt, auf der Südhalbkugel stimmt sie mit ihm überein. Aus dem Schiffs- journale der Brigg „Charles Heddle* gieng hervor, dass dieselbe am 22. Februar 1845 fünfmal nach einander die Mitte einer Cyklone umkreiste und dabei mehr und mehr dieser — durch relative Ruhe der Luft charakteri- sirten — ‚Mitte sich näherte. Die früher viel zu schematisch gefassten Vorstellungen über die Windbewegung im Inneren eines Drehsturmes sind durch Knipping [124] und Schück [125] weit mehr spezialisirt worden; dem Erstgenann- ten zufolge wird diese Bewegung, wenigstens im Bereich der an Japan angrenzenden Meere, durch Fig. 56 dargestellt, in welcher das Kreis- centrum den Mittelpunkt der Cyklone, der Pfeil dessen Fortschreitungsrichtung angiebt. Für die Nautik erwächst die Doppelpflicht, Vorschriften anzugeben, mittelst deren der Seefahrer in den Stand gesetzt wird, einmal durch scharfe Beobachtung des Himmels Fig. 56. .nommene Analyse von vier über Norwegen hingegangenen Stürmen, mit Hinweisen auf die Bedeutung des Golfstromes für Entstehung und Verlauf der Stürme. *) Je nach den verschiedenen Gegenden, in welchen sie auftreten, werden diese Stürme auch mit verschiedenen Namen belegt. In Westindien und in den südlichen Staaten der Union heisst ein verheerender Sturm Hurricane, ja man überträgt diese Bezeichnung auch auf solche Waldterritorien, in welchen die Uyklone umfängliche Verwüstungen und Windbrüche zuwege gebracht hat. In der chinesischen See ist das Wort Taifun gebräuchlich, welches nach Hirth eigentlich t’ai-fung zu schreiben wäre und im Chinesischen „Wind von Formosa“ bedeutet, weil die nähere Umgebung dieser in jüngster Zeit so viel genannten » Insel nur zu häufig von solch’ verheerenden Luftwirbeln heimgesucht wird [122]. jr. VI, $. 11. Stürme. 225 und des Schiffsbarometers das Herannahen einer Cyklone zu erkennen und derselben wo möglich auszuweichen, dann aber auch, wenn ein- mal das Fahrzeug in den Strudel hineingerissen ist, durch ge- schicktes Laviren demselben wieder zu entrinnen oder doch aus dem „gefährlichen“ Halbeylinder des wirbelnden elliptischen Luft- eylinders in den „minder gefährlichen“ sich hinüber zu retten. Derartige Anweisungen versuchte bereits Dove auszuarbeiten, doch konnten dieselben damals ihren Zweck noch nicht erreichen, während man gegenwärtig in den Werken von Attlmayr [126] und Gelcich [127] brauchbare und dem Einzelfalle angepasste Regeln dieser Art findet. Gelcich giebt auch an anderem Orte [128] Auf- schluss über die maschinellen Vorrichtungen, welche dem Kapitän seine Manoeuvres erleichtern sollen. Maury dachte zuerst an ein solches Instrument, hierauf erfand Piddington seine „Hornkarte“, Roux, Burian und Bouget de la Grye gaben sogenannte Dromo- skope an. Praktisch brauchbarer ist Viscovich’s Cyklonograph, bei welchem die koncentrischen Kreise der Piddington’schen Karte durch ein Uhrwerk in Bewegung gesetzt werden *). — Die oft staunens- werthe, ja Entsetzen erregende lebendige Kraft, welche viele Drehstürme entwickeln, charakterisiren Attlmayr [132] und van Bebber in seinem überhaupt zu empfehlenden Essay über Cyklone [133] an tref- fenden Beispielen; erwähnt sei nur, dass der grosse Orkan vom Ok- tober 1780 Tausende von Bewohnern der kleinen Antillen tödtete, ihre Wohnungen in Trümmerhaufen verwandelte und von den Wällen (auf Barbadoes) die Kanonen hinaus in’s Meer schleuderte. Dass unter Umständen auch unsere europäischen Stürme einer recht respektablen Kraftäusserung fähig sind, beweist Coaz’s Schrift: Die Stürme vom 20. Februar, 25. Juni und 5. Dezember 1879 und der durch dieselben in den Waldungen der Schweiz verursachte Schaden (Bern 1880). Hier- nach belief sich in einem Falle der Windbruch auf 700000 Festmeter, *) Anhangsweise bemerken wir, dass eine neue Theorie der Cyklonen, welche die bestehenden Anschauungen umzuwälzen droht, von Andries [129] aufgestellt wurde; dieselbe ist scharfsinnig ausgedacht, jedoch bei weitem noch nicht fest genug begründet. Die Cyklonen entstehen durch einen kräftigen Luft- strom in höheren Luftregionen, welche sich in eine verhältnissmässig ruhige Luft- masse hinein Bahn macht; dass solche Luftströme vorhanden sind, folgt allerdings aus den uns bereits bekannten Arbeiten von Köppen, Ley und Hildebrand- son. An seinem vorderen Ende, wie auch an seinen beiden Seiten erzeuge ein solcher Strom wirbelnde Bewegungen. Andries hat zur Veranschaulichung seiner Theorie ein Experiment erdacht: Ein vertikal gehaltenes Brettchen wird in ein Wassergefäss eingetaucht, durch’s Wasser hindurchgezogen, und die hiebei ent- stehenden Wirbel geben mancherlei zu denken. Auf alle Fälle hat Andries den Werth des meteorologischen Experimentes wieder zu Ehren ge- bracht, welchem voraussichtlich noch eine Zukunft bevorsteht. Dass sich durch Versuche im engen Raume des Laboratoriums sehr werthvolle Anhaltspunkte für das Verständniss der grossen tellurischen Luftbewegungen gewinnen lassen, hatte Vettin schon vor langer Zeit durch seine hübschen Versuche mit Tabakrauch dargethan — Tait’s berühmte Hervorbringung der schwer zerstörbaren Rauch- wirbel gehört in dieselbe Kategorie —., allein Dove hatte die in sein System nicht passenden Ideen Vettin’s verworfen [130], und Letzteren dadurch bewogen, seine Arbeiten ein Vierteljahrhundert lang ganz im Stillen zu betreiben, bis dann ganz neuerdings einige reife Früchte derselben dem Publikum übergeben werden konnten. Zumal das Wandern der Kalmen, resp. der zwischen zwei geschlossenen Cirkulationssystemen aufsteigenden Luftströme (s. o. $. 8) wird im Kleinen treu nachgebildet [131]. Günther, Geophysik. II. Band. 15 236 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. deren Werth 10000000 Franken ausmachte. Damals brach sich in der Bodenseegegend die Gewalt der Cyklone, denn aus schwäbischen und bayrischen Waldungen wurde nur ein geringer Schaden gemeldet; dafür legte der von Frankreich her am 26. Oktober 1870 über ganz Deutschland hinbrausende Orkan allein in Bayern 16501 664 Festmeter nieder. Wie uns bekannt, hat Suess (I. Band, S. 379) die Ansicht aufgestellt, dass bei der grossen mesopotamischen Sintfluth ein Wirbel- sturm mit die Hauptrolle gespielt habe. $S. 12. Theorie des Hagels. Was wir als dynamische Meteoro- logie bezeichnen, liesse sich, wie wir nun am Schlusse des bezüglichen Kapitels konstatiren können, recht wohl als die Lehre von den mehr oder minder regelmässigen Störungen des Luftdruckes be- zeichnen *). Ganz anhangsweise haben wir aber doch in dieses Kapitel auch noch einen Gegenstand hereinzuziehen, der offenbar in keinem ‚gleich gut untergebracht werden könnte: wir meinen die Theorie der Hagelerscheinungen. Dieselbe in ihrem geschichtlichen Werden darzustellen, ist heute verhältnissmässig leicht, da dem Autor die fleissigen Monographieen von Baurmeister [137] und Wähner [138] zu Gebote stehen. Die letztere, eine von der holländischen Gesell- schaft mit dem Preise gekrönte Schrift, wird von uns im Folgenden zu Rathe gezogen werden. Vom „Eisregen* war bereits im ersten Kapitel dieser Abtheilung die Rede. Von ihm wohl zu unterscheiden ist einerseits der Grau- pelfall (gresil, sleet), andererseits der eigentliche Hagel (grele, hail) obwohl es allerdings auch an Uebergangsformen zwischen Graupeln und Hagel nicht fehlt. Von der Form der herabstürzenden Eiskörner abgesehen, ist für das Graupelwetter im Allgemeinen die weit geringere Intensität der elektrischen Begleitprocesse bezeichnend [139]. Als Vor- zeichen eines Hagelschlages gelten nach Wähner (a. a. O.) dieselben, welche auch ein Gewitter verkündigen, als da sind Hitze und Dürre am Tage, starker Thaufall bei Nacht; Cirri, welche zuerst zu Cirro- stratus-, dann zu Nimbuswolken von auffallend grauer Färbung ver- dichtet werden, pflegen selten zu fehlen. Haken- und zungenförmige Fortsätze an den Gewitterwolken erinnern geradezu an wirkliche Tromben. Wenn diese sich zeigen, so scheint die ganze Wolke in eine Art von Gährung zu gerathen, ein starker Blitz zuckt unter hef- tigem Donnergerolle auf, ungewöhnlich grosse Regentropfen fallen, und dann beginnt in intermittirenden Schauern der Hagel sein Zerstörungs- werk. Das begleitende Geräusch scheint durch das Aneinanderprallen und Splittern der Körner hervorgebracht zu werden. Was diese Hagelkörner selbst anlangt, so treten sie in allen möglichen Formen auf. Nach Deleros wäre ihre gewöhnliche Form die eines Kugel- sektors mit einem gleichseitigen sphärischen Dreieck als Basis: darin *) Hierher gehören, um von Vielem nur Einzelnes zu nennen, Nasse’s Untersuchungen [134] über den Zusammenhang zwischen Barometerschwankungen und schlagenden Wettern in Gruben, welche durch Mallard-Chatelier’s Beob- achtungen über die aktive Rolle des Kohlenstaubes ergänzt wurden [135]. Auch das Hervorsprudeln der Mineralquellen ist in seiner Intensität vom Luftdrucke abhängig, wie nach Pilar [136] zumal Cartellieri am Karlsbader Sprudel konstatirt haben soll. VI. $S. 12. Theorie des Hagels. 2937 hätte man die Rudera der in der Luft geplatzten Kugeln zu erblicken. Die Kugelgestalt ist aber anscheinend doch die vorwiegende*); nach Abich, der sich mit ungemeinem Eifer dem Studium der im Kaukasus so häufig vorkommenden Hagelfälle widmete und eine werthvolle Schrift darüber publieirte [140], sind in den Hagelkörnern oft komplicirte Krystallbildungen zu unterscheiden, wie diess Fig. 57 zeigt. Die sechsseitige, prismatische Säule des Eises tritt dabei immer wieder hervor; auch Hagenbach- Bischoff und Merian haben sechsseitige Hagelkry- stalle mit rhomboedrischer Abstumpfung beschrieben, deren Krystallnatur sich durch die mit ihnen angestellten Polarisationsversuche als über allen Zweifel erhaben herausstellte. Schwedoff glaubt auf Grund vieler Mes- sungen zur Aufstellung nachstehender beider Sätze be- rechtigt zu sein [141]: I. Die Oberfläche eines sphäroi- dalen Hagelkornes ist Niveaufläche einer flüssigen und um ihre Axe rotiren- den Masse; II. dieFlächen der dasHagelkorn in Abtheilungen zerlegenden Schichten sind Orthogonalflächen der Schaar von Niveauflächen. In Konsequenz des Satzes I wären dann folgende Körper möglich: Kugel, abgeplattetes Sphäroid, Sphäroidalsäule mit excessiver Abplattung und körperliche Ringe. Hagelkörner der letztbezeichneten Art soll Laiu- nowitsch auch wirklich gefunden haben. Wir werden sehen, wie Schwedoff mit dieser seiner Auffassung Abich’s krystallinische Exemplare zu vereinbaren versteht. — Die Grösse der Hagelkörner ist sehr verschieden; 1739 will man in Würzburg Hagelsteine von 1,5 kg, 1717 ın Namur sogar solche von 4 kg Gewicht aufgehoben haben, und aus Indien, dem Lande der Uebertreibungen, stammt die Nachricht von einem zu Mysore gefallenen Eisblocke, der die Grösse eines Elephanten gehabt habe. Andere berichten glaubwürdiger von einer Schlosse, die am 15. August 1882 in Kansas gefallen sei, 80 Pfund gewogen und sich in einer Umhüllung von Sägespänen unglaublich lange Zeit unversehrt erhalten habe. Am 21. August 1881 gieng im Kanton Waadt ein Hagelschlag nieder, der in Zeit weniger Minuten etwa 100000 kg brachte; wohl am meisten Eis aber wurde durch den zur Zeit bekannten grössten Hagelschlag geliefert, welcher am 13. Juli 1783 Frankreich und die Niederlande verheerte. Die Gesammtmasse aerischen Eises betrug damals, nach Dufour’s Berechnung, 400 000 000 Kilogramm, also mehr, als einige der grössten Alpengletscher zu- sammengenommen herzugeben im Stande wären. Der Hagel ist, wie Wähner mit Recht bemerkt [142], ein durch- aus lokales Phänomen. Gewöhnlich tritt derselbe strichweise auf, wie z. B. der vorerwähnte furchtbare Hagelschlag von 1788 durch ein schmales Band, in welchem blos Regen fiel, in zwei Parallelstreifen zerfiel. Nächtlicher Hagel ist seltener, eine tägliche Periode dagegen *) Verf. dieses hatte im vorigen Sommer Gelegenheit, eine sehr grosse Menge von Schlossen genauer Prüfung unterziehen zu können. Uebereinstimmend waren dieselben Rotationsellipsoide von nicht sehr grosser Excentricität, und zwar waren fast in jedem dieser Körper noch 1—2 koncentrische, ähnliche und ähnlich- liegende Ellipsoide eingebettet. die sich von einander sehr gut durch die ver- schiedene Nuance ihrer grauen Färbung abgrenzten. Mit Schwedoff’s Theorie lässt sich diese Wahrnehmung ganz wohl in Einklang bringen. 298 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. ziemlich deutlich ausgeprägt. Mit steigender Meereshöhe nimmt seine Häufigkeit ab. Manche Gegenden zeichnen sich, was den Hagel- Statistikern*) und den auf deren Hülfe angewiesenen Versicherungs- gesellschaften wohl bekannt ist, durch eine gewisse Immunität, andere wieder durch eine gewisse Prädisposition aus, wie denn z. B. in einem Theile des. Tessin bei’m Abschluss von Güterverkäufen der zehnte Theil des Landes als jährlicher Verhagelung ausgesetzt angenommen wird. Höhere Breiten sind dem Zustandekommen der Hagelwetter nicht günstig, allein kein irgend ausgedehnterer Bezirk auf der Erde kann als ganz hagelfrei gelten. Diese Erkenntniss verdankt man den instruktiven Arbeiten von Fritz |143] und v. Danckel- man [144]. Der Hagel kommt unter den Tropen weit weniger selten vor, als A.v. Humboldt annahm [145], und auch noch häufiger, als van Bebber geglaubt hatte [146]. Der indische Ocean sieht, ebenso wie der atlantische, viele Hagelgewitter mit deutlich sich manifesti- render Jahresperiode [147]. Angesichts des hier berührten Umstandes, dass längliche Striche - vom Hagel durchgängig verschont zu werden pflegen, erhebt sich die Frage, ob durch künstliche Mittel einer Gegend bis zu einem gewissen Grade Schutz gegen den Hagel zu verleihen sei. In der Schweiz glaubte man durch geeignete Anpflanzungen dieses Ziel erreicht, doch ist fast zu vermuthen, dass dieser Glaube nur ein illusorischer ist. Aus einer Bearbeitung der gleichfalls recht zuverlässigen und bereits 54 Jahre umfassenden württembergischen Hagelstatistik schliesst näm- lich Bühler [148], dass eine Anzahl von Normen, die über den Zug der Hagelwetter und über den Einfluss von Thälern, Gewässern, Wal- dungen u. s. w. aufgestellt sind, in Württemberg keine Bestätigung finden. Allgemeingültige Erfahrungen giebt es demgemäss nicht. — In engster Beziehung steht zur Frage des Hagelschutzes diejenige der Hagelableitung. Man huldigte lange der Ansicht, dass lange Stangen, in geeigneten Distanzen aufgepflanzt, als Hagelableiter wirkten; Lapostolle trat ebenso entschieden für den Nutzen der- selben ein [149], wie Arago denselben leugnete |150]. Allzuschnell über eine Sache abzusprechen, ist in den Erfahrungswissenschaften niemals gerathen. Dufour wenigstens, ein gewiss exakter Forscher, spricht im 18. Bande (S. 69 ff.) des Bulletins der waadtländischen naturforschenden Gesellschaft sein Bedauern darüber aus, dass man die Hagelableiter im Gelände des Genfer-See’s nach den ersten scheinbaren Misserfolgen gleich wieder abgeschafft habe. Die Spitzenwirkung der Bäume offenbare sich doch durch den von Wäldern in vielen Fällen wirklich gewährten Schutz, und die günstig lautenden Meldungen aus französischen und italienischen Gemeinden seien nicht todtzuschweigen. Wie dem auch sei, soviel scheint doch festzustehen, dass die Hagel- ableiter nicht mit jener Gattung von Sonderbarkeiten zusammenge- *) Derartige Statistiken aufzustellen, wird in allen Kulturländern mehr und mehr als eine Nothwendigkeit angesehen. Vorangegangen ist in dieser Hinsicht das statistische Bureau des Königreiches Bayern, dessen früherer Vorstand Mayr in seiner dem 4., 7. und 9. Bande der von jenem Bureau herausgegebenen Zeit- schrift einverleibten Uebersicht über die Ernteverhältnisse von fünf Jahren durch seine Hülfsarbeiter Schanz und Reichel die Hagelschäden für den genannten Zeitraum systematisch aufzeichnen liess. VI, $. 12. Theorie des Hagels. 229 worfen werden dürfen, zu welchen die Erdbebenableiter (I. Band, S. 384) gehören *). — Ausgerüstet mit den vorstehend geschilderten Thatsachen, treten wir nunmehr an die Aufgabe heran, die theoretischen Ansichten zu erörtern, welche über den Ursprung der Hagelerscheinungen an die Oeffentlichkeit getreten sind. Die Anzahl derselben ist Legion, und keine ganz leichte Sache ist es, verwandte Hypothesen in Gruppen zusammenzustellen. Immerhin soll dieser Versuch gewagt werden. a) Die elektrischen Theorieen. Seit Franklin fehlt es nicht an Versuchen, die Tag für Tag sich mehrenden Kenntnisse im Gebiete der Elektrieitätslehre auch für die Erklärung des Hagels nutzbar zu machen [154]. Nach Musschenbroek erheben sich im Sommer die Wolken so hoch in die kalte Region, dass ihr Niederschlag zu Eis erstarrt, während zwei entgegengesetzt elektrisch geladene Wolken diese ihre Elektrieität mit Donner und Blitz zum Ausgleich bringen. Da die Elektricität hiebei nur als ein Aceidens erscheint, so suchte Mongez ihr dadurch noch eine wichtigere Rolle zuzuweisen, dass er sie die Verdunstung einleiten und betreiben liess. In Deluc’s Augen war die Elektricität nur eine andere Aeusserungsform der Wärme, und es gieng deshalb, seiner Meinung zufolge, mit jedem Blitzschlage soviel Wärmestoff verloren, dass eine Eisbildung eintreten musste. Lampadius und Lichtenberg [155] liessen sich für die mit der Lehre von den Imponderabilien recht verträgliche Ansicht Deluc’s gewinnen. Volta endlich stellte den Process der Hagelbildung voll- kommen in Parallele mit dem bekannten Vorlesungsversuche des elek- trischen Puppentanzes [156]; die Arbeit, worin er dieses Resultat verkündete, gefiel der Mitwelt so gut, dass sie, nach dem Zeugnisse seines Biographen Riccardi |157], mehrfach wieder abgedruckt und in’s Italienische und Französische übertragen ward, während der Text ursprünglich lateinisch geschrieben war. Prechtl und Bellani po- lemisirten aber gegen Volta, da doch unmöglich die schwache Elek- trieität der Wolken über die Schwerkraft den Sieg davon tragen könne [158]. b) Die auf der Verdunstungskälte beruhenden Theorieen. Der Artikel „Grele* der „Encyclopedie methodique* sieht in der Hagel- bildung einen analogen Vorgang wie das Gefrieren des Wassers unter der Luftpumpe. Auch bei v. Buch [159] kommt es wesentlich auf die durch Verdunstung erzeugte Kälte an, welcher man im aufstei- genden Luftstrome immer begegnet. In gleichem Sinne äusserten sich *) Die Idee, durch gewaltsame Aktion ein sich vorbereitendes Naturereig- niss in seinem Laufe aufzuhalten, ist recht eigentlich eine Tochter des vorigen Jahrhunderts, gegen dessen Ausgang hin u. a. auch die nahe verwandte Frage, ob Gewitterwolken durch Läuten von Glocken oder durch Abfeuern von Geschütz- salven zertheilt und unschädlich gemacht werden könnten, einen Ehrenplatz auf der wissenschaftlichen Tagesordnung behauptete. Hierher gehört z. B. die Preis- schrift des Abtes Arbuthnot [151], eine Schrift v. Weber’s [152] und anderes mehr. Die kurbayrische Akademie darf, wenn es ein solches ist, das Hauptverdienst an der Diskussion dieser Gegenstände für sich beanspruchen; ihrem Bannkreise gehört auch der zu Regensburg (ohne Jahreszahl) erschienene Traktat eines ge- wissen Kornmann an, deren Titel „Ist der Gedanke einer Hagelableitung ver- nünftig, möglich, ausführbar?“, wir Mangels persönlicher Kenntnissnahme einer Programmabhandlung von Romstöck [153] entlehnen. 2330 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Schübler und Ideler. Weiter ausgebildet ward diese Lehre von Muncke im Lexikon-Artikel „Hagel“. c) Die auf Ueberkältung beruhenden Theorien. Nach Muncke ist im Frühling, welche Jahreszeit den Hagelwettern besonders günstig zu sein scheint, der erkältete Boden bei Tage einer intensiven Sonnen- strahlung ausgesetzt. Die unteren Luftschichten sättigen sich durch Verdunstung stark mit Wasserdampf, während die oberen Schichten trocken bleiben; durch Emporsteigen ersterer vermischen sich beide Schichten mit einander und wenn nun ein heftiger Windstoss die Ver- mischung beschleunigt, so gerinnt der überkältete Wasserdampf theils zu Wassertropfen, theils aber auch gleich zu Eiskörperchen. Offenbar aber, diess ist Wähner’s Einwurf [160], ist dabei die mit dem Nieder- schlage des Wasserdampfes frei werdende „Verdampfungswärme“ über- sehen worden, welche eine so rasche Eisbildung verhindern muss. Nur verfeinert, von dem schwersten Bedenken jedoch nicht befreit, erscheint diese Grundanschauung in den Theorieen von K. A. Vogel, Nöllner, De la Rive [161]; über sie, sowie über die von Schwaab [162] daran angebrachten Modifikationen ist neben den Kritiken von Wähner und Baurmeister auch die sehr klare und umsichtige Besprechung J. Müller’s [163] zu vergleichen. Immer soll sich bei der ersten Störung das atmosphärische Wasser auf den allererst gebildeten Eis- kern niederschlagen, allein gerade dessen Entstehung bedarf noch einer plausiblen Erklärung. Olmsted bringt im Sinne der Dove’schen Luftstromtheorie die Hagelbildung mit dem Zusammentreffen des Polar- und Aequatorialstromes in Verbindung [164], allein die sich ihm aus dieser Hypothese ergebenden Lehren über die geographische Verbrei- tung des Hagels stehen mit den Thatsachen so wenig in Einklang, dass sich aus dieser Nichtübereinstimmung sogar ein Argument gegen die Hypothese selbst herleiten lässt. d) Die Vakuum-Theorie. Ein durch seine höchst apodiktisch auf- tretenden Spekulationen über alle möglichen Probleme der Erdphysik uns bereits bekannter Naturforscher, Mohr (III. Abth., Kap. IV, 8. 7; IV. Abth., Kap. IV, $. 6), lässt auf irgendwelche Weise in der Luft ein Vakuum entstehen, in welches kalte Luft mit Vehemenz sich hineinstürzt [165]. Die Wirkung der latent gewesenen Wärme unter- schätzt auch er [166]. e) Die Bläschen-Theorie. Dieselbe, von Renou aufgestellt, tritt insofern sehr ehrlich und bescheiden vor uns hin, als sie nicht über sämmtliche Vorgänge Rechenschaft zu geben sich anmaasst [167]. Der Atmosphäre soll eine besondere Prädisposition innewohnen, dass sich Eiskrystalle von — 40° bis — 50° mit Bläschen mischen können, welche noch bei — 20° flüssiges Wasser enthalten. Die Verwandtschaft mit den unter ce) betrachteten Ansichten liegt am Tage. f) Die kosmische Theorie. Der russische Mathematiker Schwe- doff (s. o.) geht davon aus, dass Eiskrystalle von der Schönheit, wie wir sie in Abich’s Zeichnungen bewundern, unmöglich während des kurzen Falles durch unsere Atmosphäre sich gebildet haben könnten. Der Sitz ihrer Bildung müsse vielmehr der Weltraum sein, und wes- halb solle es nicht auch Meteorite geben können, welche statt aus anderen Metallen und Metalloiden blos aus Wasser- und Sauerstoff bestünden? Baumhauer’s und Nordenskiöld’s Beobachtungen über VL S. 12: Theorie des Hagels. 231 Meteorstaub werden zum Vergleiche herangezogen. Allein gerade der krystallinische Charakter der Körner bleibt hiebei ebenfalls unerklärt; auch wendet Stentzel [168] ein, dass die elektrischen Entladungen, ohne deren Hinzutreten wir uns Graupel- und Hagelfall kaum denken können, weit eher auf einen atmosphärischen, als auf einen kosmischen Heerd der Schlossen hinwiesen. g) Die dynamischen Theorieen. In neuerer Zeit geht man immer entschiedener dazu über, die Lehre vom Hagel als ein blosses Zusatz- lied zur dynamischen Meteorologie zu behandeln. Reye und Faye nehmen, bei aller sonstiger Verschiedenheit, doch übereinstimmend an, dass zur Bildung von Hagelkörnern das Vorhandensein einer Trombe Vorbedingung sei, und auch Groust& ist dieser Meinung [169]. Gem- mel will [170], was uns nicht unstatthaft erscheint, den von Mohr (s. 0.) mehr blos als Deus ex machina eingeführten Hohlraum durch jene luftverdünnten Räume ersetzen, welche erfahrungsgemäss die Axe einer Wettersäule umschliessen. Auch Andries begründet, als einen Ausfluss seiner Cyklonaltheorie, diejenige des Hagels darauf, dass feuchtwarme Luftmassen durch die Wirbelbewegung der 'Trombe in die Region der Cirruswolken emporgerissen werden und dort er- kalten [171]. — Dass die kausale Begreifung des Hagelphänomenes erst im lang- samen Werden ist, brauchen wir nach dieser Uebersicht über die wich- tigeren Theorieen kaum noch besonders hervorzuheben. Soviel aber steht wohl fest, dass gerade in dieser dunklen Frage die moderne meteorologische Dynamik noch ihre schönsten Triumphe zu feiern berufen ist. [1] Loomis, Memoires de meteorologie dynamique, trad. par Brocard, Paris 1879. — [2] Gorceix, Observations sur le climat et le regime des pluies du plateau de la province de Minas-Geraes, Bull. de la soc. de geogr. de France, 1883. S. 423. — [3] Mohn, Grundzüge der Meteorologie, Berlin 1883. $. 127. — [4] Reiss, Sinken die Anden?, Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 7. Band. S. 48 fi. — [5] Mohn, Grundzüge etc., S. 133. — [6] Felberg, Ueber die unperiodischen monat- lichen Schwankungen des Barometerstandes, Hamburg 1878. — [7] v. Bezold-Lang, Beobachtungen der meteorologischen Stationen in Bayern, 5. Band, München 1883. 5. XXVII. — [8] Buchan, The mean pressure of the atmosphere and the prevailing winds over the globe for the months and for the year, Transact. of the royal society of Edinburgh, Vol. XXV. S. 575 ff. — [9] Lambert, Sur les observations du vent, M&em. de l’ac. royale de Berlin, Annee 1777. — [10] Supan, Statistik der unteren Luftströmungen, Leipzig 1881. 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S. 78 ff. — [43] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Carl Ritter und Alexander v. Humboldt, München 1877. S. 765. — [44] Ibid. S. 766. — [45] Sprung, Studien etc., S. 1. ff. S. 29 fi. — [46] Ferrel, Motion of fluids and solids relative to the earth’s surface, comprising applications to the winds and currents of the ocean, New-York 1860. — [47] Dove, Meteorologische. Untersuchungen, Berlin 1832. S. 125. — [48] Mühry, Untersuchungen über die Theorie und das allgemeine geographische System der Winde, Göttingen 1869. — [49] Benoni, Der Einfluss der Axendrehung der Erde auf das geographische System der Winde, Petermann’s geogr. Mittheil.. 1877. S. 93 ff. — [50] Ratzel, Physikalische Geographie der vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. 5.304 ff. — [51] R. Wolf, Notizen zur Kulturgeschichte der Schweiz, Nr. 131. — [52] Lorenz-Rothe, Lehrbuch der Klimatologie, Wien 1874. — [53] Coffin, The winds of the globe, Washington 1875. 8. 660. — [54] Dippe, Die Ungleichheit des Barometerstandes in benachbarten, in gleicher Höhe über dem Meere gelegenen Stationen, Beitr. zur Statistik Mecklenburgs, II, (2) Rostock 1861. — [55] Buys- Ballot, Erläuterung einer graphischen Methode zur gleichzeitigen Darstellung der Witterungserscheinungen an vielen Orten, Ann. d. Phys. u. Chem., 4. Ergänzungs- band. S. 559 ff. — [56] Die mod. Met., S. 97 ff. — [57] Günther, Recension hiezu, Humboldt, 1. Jahrgang. $. 463. — [58] Galton, A development of the theory of ceyclones, Proceed. of the royal society of London, Vol. XI. S. 385 £. — [59] van Bebber, Die moderne Witterungskunde, Prag 1878. S. 12. — [60] Sprung, Theoretische Begründung des Buys-Ballot’schen Gesetzes, Ann. d. Hydrogr. u. mar. Met., 8. Jahrgang. S. 603 ff. — [61] Dove, Ueber die Rückfälle der Kälte im Mai. Abhandl. d.k. pr. Akad. d. Wissensch., Phys. Kl. 1836. $. 192 ff. — [62] Hell- mann, Ueber den jährlichen Gang der Temperatur in Norddeutschland. Zeitschr. d. k. pr. statist. Bureaus, 1883. — [63] van Bebber, Wissenschaftliche Ergebnisse aus den monatlichen Uebersichten der Witterung, Hamburg 1881. $. 32. — [64] v. Bezold, Die Kälterückfälle im Mai, München 1883. — [65] Wild, Ueber die Beziehungen zwischen Isobaren und Isanomalen der Temperatur, Mel. phys. et chim. tir&s du bulletin de l’ac. imp. de St. Petersbourg, tome XI. $..329 ff. — [66] Hildebrandson, Le marche des isothermes au printemps dans le nord de l’Europe, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 16. Jahrgang. $. 340. — [67] v. Bezold, Die Kälterückfälle ete., $. 25. — [68] van Bebber, Die gestrengen Herren, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met,, 18. Band. $. 145 ff. — [69] Köppen, Zur Frage der „gestrengen Herren“, ibid. 19. Band. S. 183 ff. — [70] Billwiller, Mittheilung über die Kälte- rückfälle im Mai, Vierteljahrsschr. d. naturf. Ges. zu Zürich, 1877. 8. 207 ff. — [71] Billwiller, Die Kälterückfälle im Mai, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 19. Band. S. 245 ff. — [72] Hann, Handbuch etc., $. 385 ff. — [73] Ibid. S. 390. — [74] Ibid. S. 389. — [75] Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. 8. 28 ff. — [76] Ibid. S. 794 fi. — [77] Ibid. $. 800 ff. — [78] Hann, Handbuch ete.. 8. 109. — [79] Ibid. $. 319. — [80] Ibid. $S. 104. — [81] Ibid. S. 391. — [82] Ibid. S. 198 ff. — [83] Berger, Der Wisper- und der Bodenthalwind, Petermann’s geogr. Mittheil., 1864. S. 201 ff. — [84] Hann, Hand- buch ete., $. 201 ff. — [85] Ibid. $. 204. — [86] Supan, Statistik ete., $. 16 ff. — [87] Ibid. S. 19 ff. — [88] Loomis, Results derived from an examination of the Citate. 298 United States Weather-Maps for 1872, 1873 and 1874, Amer. Journal of science and arts, Vol. X. $S.1 ff. — [89] Hildebrandson, Essai sur les courants superieurs de l’atmosphere, Upsala 1875; Atlas des mouvements superieurs de l’atmosphere, Stockholm 1877. — [90] Prestel, Sur les lignes des ceirrus comme moyen de pr£- dire les orages, Mondes, (2) Vol. XXXVI. S. 144. — [91] van Bebber, Meteoro- logie, Zeitschrift für die gebildete Welt, 1883. — [92] Ley, The laws of the winds prevailing in Western Europa, Part I, London 1872. — [93] Köppen, Ueber den Einfluss der Temperaturvertheilung auf die oberen Luftströmungen und auf die Fortpflanzung der barometrischen Minima, Gaea, 19. Jahrgang. S. 201 ff. — [94] v. Miller- Hauenfels, Theoretische Meteorologie, Graz 1884. — [95] Brounow, Die fortschreitende Bewegung von Cyklonen und Anticyklonen, Dorpat 1882. — [96] Graf Berg, Brounow’s neue Theorie der fortschreitenden Bewegung von Cy- klonen und Antieyklonen, Gaea, 19. Jahrgang. $S. 137 ff. — [97] Köppen, Ueber den Einfluss ete., $S. 209. — [98] van Bebber, Wissensch. Ergebn. etc.., Hamburg 1877— 82. — [99] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band, Leipzig 1880. S. 222. — [100] Mühry, Ueber die geographische Verbreitung grosser europäischer Stürme, Petermann’s geogr. Mittheil., 1877. S. 21. — [101] Maydell, Ueber die Bestimmung der Sturmbahnen nach den Temperaturänderungen, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met.. 9. Band. S. 17 ff. — [102] Wittwer, Ueber die Umbiegung der Cyklonen- bahnen an der Grenze der Passatzone, ibid., 10. Band. S. 1 ff. — [103] van Bebber, Die Untersuchungen von H. H. Hildebrandson über die Vertheilung der meteoro- logischen Elemente im Umkreise der barometrischen Maxima und Minima, Meteor. Zeitschr., 1. Jahrgang. $. 111 fi. — [104] Ibid. S. 115. — [105] Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteorologie, 2. Band, Wien 1883. S. 732. — [106] Gehler’s physikalisches Wörterbuch, 2. Aufl., 10. Band, 2. Abtheil., Leipzig 1842. S. 1635 ff. — [107] Annual Report of the Chief Signal Officer to the Secre- tary of the War for the fiscal year ending june 30, 1880. Part II, Washington 1881. S. 984 ff. — [108] Ibid. S. 1028. — [109] Gebler, (a. a. O0.) S. 1667. — [110] Reye, Ueber ete.,. $. 276. — [111] Faye, The laws of storms, Annuaire du bureau des longitudes, 1875. S. 401 ff. S. 475 ff. S. 497 ff. S. 535 ff. — [112] Hell- mann, Eine historische Bemerkung, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 19. Band. S. 43. — [113] Strehlke, Ueber den Einfluss der Gewitter auf den Barometerstand, Ann. d. Phys. u. Chem., 19. Bd. S. 148 ff. — [114] Gehler, (a. a. O.) S. 1682. — [115] Reye, Ueber etc., S. 252 ff. — [116] vom Rath, Ueber die Wettersäule, welche am 10. Juni 1858 oberhalb Königswinter zweimal über den Rhein gieng, Ann. d. Phys. u. Chem., 104. Band. S. 631 ff. — [117] Handbuch ete., S. 736 ff. — [118] Ibid. S. 739. — [119] Möller, Lufttemperatur und Luftbewegung in einer Böe. Meteor. Zeitschr., 1. Jahrgang. S. 230 ff. — [120] Köppen, Der Gewittersturm vom 9. August 1881, Ann. d. Hydr. u. mar. Met., 10. Jahrgang. S. 604 ff. — [121] Mohn, Det Norske Meteorologiske Instituts Storm-Atlas, Kristiania 1870. — [122] Hirth, Ur- sprung und Herleitung des Wortes Taifun, Ann. d. Hydr. u. mar. Met., 9. Jahr- gang. S. 80. — [123] Handbuch etc., S. 742. — [124] Knipping, A great taifun of August 1880. Yokohama 1881. — [125] Schück, Die Wirbelstürme oder Cyklonen mit Orkangewalt, Oldenburg 1881. — [126] Handbuch etec., $. 794 ff. — [127] Geleich, Physische Geographie des Meeres, Wien 1881. $S. 169 ff. — [128] Geleich, Der Viscovich’sche Cyklonograph nebst einigen geschichtlichen Bemerkungen über Orkan- Dromoskope, Zeitschr. f. Instrumentenkunde, 1883. S. 161 ff. — [129] Andries. Die Entstehung der Cyklonen, Gaea, 19. Jahrgang. $. 698 ff. — [130] Dove, Einige Bemerkungen über die meteorologischen Aufsätze des Herrn Vettin, Ann. d. Phys. u. Chem., 102. Band. $. 607 ff. — [131] Vettin, Experimentelle Darstellung von Luftbewegungen unter dem Einflusse von Temperaturunterschieden und Rotations- impulsen, Meteor. Zeitschr., 1. Jahrgang. S. 227 ff. — [132] Handbuch ete., S. 777 ff. — [183] van Bebber, Die Wirbelstürme, Deutsche Revue. 1878. S. 333 ff. — [134] Nasse, Beobachtungen über die Beziehungen des Auftretens schlagender Wetter in Steinkohlengruben zu den Veränderungen des Luftdruckes, Zeitschr. f. Berg-. Hütten- und Salinenwesen, 25. Band. — [135] Ueber die Rolle des Kohlen- staubes bei den Grubenexplosionen, Gaea, 18. Jahrgang. S. 573 ff. — [136] Lersch, Hydrophysik,. Berlin 1865. S. 209 ff. — [137] Baurmeister, Geschichte der Hageltheorieen, Glückstadt 1877. — [138] Wähner, Historisch-kritische Ueber- sicht über die Hageltheorieen, Rotterdam 1876. — [139] Ibid. $S. 12. — [140] Abich, Ueber den krystallinischen Hagel im trialethischen Gebirge und über die Abhängigkeit der Hydrometeore von der Physik des Bodens, Tiflis 1871: 2. Aufl.., Wien 1879. — [141] Schwedoff, Der Ursprung des Hagels, Gaea, 19. Jahr- gang. S. 20 fi. — [142] Wähner, Hist.-krit. ete., S. 16 ff. — [143] Fritz, Die geo- 234 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. graphische Vertheilung des Hagels, Petermann’s geogr. Mittheil., 1876. S. 362 ff. — [144] v. Danckelman, Regen, Hagel und Gewitter im indischen Ocean, Hamburg 1880. — [145] v. Humboldt, Relation historique sur le voyage aux regions Equi- noxiales du nouveau continent, Vol. III., Paris 1825. S. 193. — [146] van Bebber, Die Regenverhältnisse Deutschlands, München 1877. S. 4. — [147] v. Danckelman, Regen etc., $. 35. — [148] Bühler, Ergebnisse einer ö5jährigen Hagelstatistik, Vierteljahrsschr. d. naturf. Ges. zu Zürich, 1884. S. 180. — [149] Lapostolle, Traite des parafoudres et paragr&äles, Amiens 1820. — [150] Arago, Ueber den Hagel und die Hagelableiter, Ann. d. Phys. u. Chem., 13. Band. $. 344 ff. — [151] Ar- buthnot, Ob und was es für Mittel gebe, die Hochgewitter fortzutreiben und eine Gegend vor Schauer und Hagel zu bewahren, München 1775. — [152] v. Weber, Ueber die Unwirksamkeit des Schiessens auf Gewitter, Dillingen 1791. — [153] Rom- stöck, Die Astronomen, Mathematiker und Physiker der Diöcese Eichstätt, I, Eich- stätt 1884. S. 35. — [154] Wähner, Hist.-krit. ete., S. 27 ff. — [155] Lichtenberg, Ueber die Entstehung des Hagels,. Phys. u. math. Schriften, ed. Kries, 3. Band, Göttingen 1804. S. 85 fl. — [156] Volta, Sopra la grandine, Mem. dell’ istituto nazion. Ital., Classe di fis. mat., tomo I, 2. S. 125 ff. — [157] Riccardi, Sulle opere di Alessandro Volta, Modena 1877. S. 33. — [158] Prechtl, Beiträge zur elek- trischen Meteorologie, Gehlen’s Journal, 8. Bd. S. 277 ff. — [159] v. Buch, Ueber den Hagel, Abhandl. d. k. pr. Akad. d. Wissensch., Phy. Kl.., 1814. $S. 75 fi. — [160] Wähner, Hist.-krit. etc., $S. 42 ff. — [161] Ibid. S. 55 ff. — [162] Schwaab, Versuch einer neuen Theorie der Hagelbildung, Marburg 1844. — [163] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. S. 721 ff. — [164] Wähner, Hist.-krit. ete., S. 53 ff. — [165] Mohr, Ueber die Entstehung des Hagels, Ann. d. Phys. u. Chem., 117. Band. S. 89 ff.; Bestätigung meiner Hageltheorie, ibid., 120. Band. S. 167 ff. — [166] Wähner, Hist.-krit. ete.. S. 64 ff. — [167] Ibid. S. 69 ff. — [168] Stentzel, Beobachtung eines St. Elms-Feuers unter Schnee- und Regenfall, Gaea, 19. Jahrgang. S. 216 ff. — [169] Wähner, Hist.-krit. ete., S. 71 ff. — [170] Gemmel, Woher kommt die Kälte, welche die Massen von Wasser zum Gefrieren bringt, die als Hagel herabfallen?,. Gaea, 18. Jahrgang. S. 625 ff. — [171] Andries, Die Entstehung etec., $. 701 ff. Kapitel VII. Allgemeine Klimatologie. $. 1. Klimatologie oder geographische Meteorologie? Nicht selten werden beide Worte, welche an der Spitze dieses Paragraphen stehen, in vollkommen gleichbedeutendem Sinne gebraucht, und insbesondere ist es Hellmann, der in seinem auch für die klassifikatorische Schei- dung der einzelnen meteorologischen Theildisciplinen bedeutsamen Werke für diese Identität eintritt [1. Um ein Urtheil darüber zu gewinnen, ob nicht doch die Auffassung dieses letzteren Wortes eine zu enge ist, erinnern wir uns des Umstandes, dass doch auch in den früheren Kapiteln, welche von den Lichterscheinungen, von der Luft- elektrieität und von den Luftströmungen handelten, sehr häufig die geographischen Verhältnisse nicht unbesprochen bleiben konnten, ohne dass doch diese Besprechung einen klimatologischen Charakter trug. In unseren Augen erscheint die geographische Meteorologie als die allgemeinere, die Klimatologie als die speziellere Dis- eiplin. Der Begriff der Klimatologie hat sich allerdings erst ganz allmählig zu voller Klarheit herausgebildet. Gronau’s nachgelassenes “ \IL s. 1. Klimatologie oder geographische Meteorologie? 2 Manuskript „Ueber das Klima verschiedener Weltgegenden“ [2] ist wohl der erste systematische Versuch in deutscher Sprache gewesen, daran reihte sich das Lehrbuch von Klauprecht [3], das umfassende Werk Mühry’s [4] und nächstdem dasjenige der beiden österreichischen Meteorologen Rothe und Lorenz v. Liburnau [5], welches besonders die Zwecke der Forst- und Bodenkunde in’s Auge fasst. Alle diese verdienstlichen Leistungen wurden aber in den Hintergrund gedrängt durch das den augenblicklichen Stand unseres Wissens in, klimato- logischer Beziehung meisterhaft zeichnende Werk von Hann*) [6], durch welches auch der Begriff der Disciplin in völlig befriedigender Weise bestimmt worden ist. | A.v. Humboldt, dessen Untersuchungen über Isothermen u. s. w. recht eigentlich erst das Fundament zu einer vergleichenden Betrachtung der Klimaverhältnisse unserer Erde gelegt haben, machte den Begriff Klima allzusehr von den Beziehungen unseres menschlichen Organis- mus zum Wetter abhängig, indem er definirte [7]: „Der Ausdruck Klima bezeichnet in seinem allgemeinsten Sinne alle Ver- änderungen in der Atmosphäre, die unsere Organe merklich affieiren.* Nun können wir aber doch auch von einem Erdklima für jene geologische Vorzeit sprechen, in der es noch keine oder doch nur ganz niedrig organisirte Lebewesen gab, wir können in allgemeinen Zügen auch das Klima entfernter Weltkörper schildern, deren Be- wohnbarkeit mehr denn zweifelhaft ist (I. Band, S. 124 ff.). Derlei Erwägungen nöthigen uns, die allzunahe Verbindung der Klimalehre mit der Anthropogeographie aufzugeben und mit Hann [8] zu er- klären: „Unter Klima verstehen wir die Gesammtheit der meteorologischen Erscheinungen, welche den mittleren Zu- stand der Atmosphäre an irgend einer Stelle der Erdober- fläche charakterisiren... Die Klimalehre wird also die Auf- gabe haben, uns mit den mittleren Zuständen der Atmo- sphäre über den verschiedenen Theilen der Erdoberfläche bekannt zu machen, ohne darauf zu verzichten, uns auch die Abweichungen davon kennen zu lehren, welche innerhalb längerer Zeiträume an demselben Orte eintreten können **).* In diesem Sinne und im unmittelbaren Anschlusse an Hann soll denn auch in diesem und dem folgenden Kapitel ein gedrängter Ueber- blick über die theoretische und beschreibende Klimatologie gegeben werden. Das gerade für diesen Wissenszweig systematisch und sachlich *) Wer sich über den reichen Inhalt des Hann’schen Werkes vorläufig zu unterrichten wünscht, was bei dessen Vielseitigkeit auch dem Weiterstrebenden nur anzurathen ist, greife zu den auch an selbstständigen Bemerkungen sach- licher Natur nicht armen Besprechungen, welche A. Kirchhoff im „Ausland“, van Bebber im „Humboldt“ und Zöppritz in der „Zeitschrift für wissensch. Geographie“ gegeben haben. **) Berechtigt in seiner Art ist selbstverständlich auch der Humboldt’sche Standpunkt, dem in einer den wissenschaftlichen Anforderungen unserer Zeit vor- treffllich angepassten Arbeit von W. Köppen Rechnung getragen wird [9]. Unsere Zeit. welche auf Kolonisationsbestrebungen einen so hohen — vielleicht allzu- hohen — Werth legt, hat alle Ursache, eine im Sinne des Altmeisters gehaltene Klimatologie neben der rein geographischen Unterdisciplin der Erdphysik zu pflegen, um gefährliche Enttäuschungen von Mitbürgern hintanzuhalten. Wir ver- weisen z. B. auf Karsten’s Nachweisungen [10] über das die deutsche Einwan- derung begünstigende Seeklima des südlichen Brasiliens. LM KEITEN Ar Vs Te STE Kur N di NEE N TEN DEREN LEE ; ; HT Bee a BEIN Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. einer gründlichen Benützung würdige Werk von Supan [11] kam dem Verf. leider zu spät zu, um in diesen Kapiteln einer solchen theilhaftig werden zu können. $.2. Die klimatischen Faktoren. So bezeichnet Hann [12] die- jenigen meteorologischen Elemente, auf deren Verschiedenheit diejenige des klimatischen Verhaltens hauptsächlich oder theilweise beruht. Als solche erscheinen in erster Linie natürlich die Tremperaturverhältnisse, ihnen fast koordinirt erscheint die Feuchtigkeit, die Bewölkung nımmt den dritten Platz ein. Auch der Wind ist kein unwichtiger Faktor und bedarf deshalb besonderer Betrachtung; dagegen „der Luftdruck und die Schwankungen desselben sind als klimatologischer Faktor von untergeordneter Bedeutung, ganz im Gegensatze zu der wichtigen Rolle, welche dieses Element in der Meteorologie spielt“ [13]. Wir können an diesem Orte also wohl vom Luftdrucke absehen, wie von der Verdunstung [14], und was die von Hann näher erörterte Be- schaffenheit der Luft im chemischen Sinne betrifft, so hat hierüber schon das erste Kapitel das Nothwendigste beigebracht. Auch die atmosphärische Elektricität braucht nicht von Neuem vorgenommen zu werden, denn selbst wenn dieselbe irgend einen klimatologischen Einfluss besässe, was Hann leugnet, so würde sich derselbe doch mit unseren heutigen Hülfsmitteln schwerlich nachweisen lassen [15]. Da- gegen ist die Pflanzenphänologie ein nicht zu unterschätzendes Hülfs- mittel für den Klimatologen, und wir selbst möchten diesem noch ein weiteres zur Seite stellen, dessen wir leider bei Hann keine Er- wähnung gethan finden. Wir meinen die Rücksichtnahme auf die mit den Jahreszeiten wechselnden Eisverhältnisse stehender und fliessender Gewässer. $. 3. Temperaturverhältnisse.e. Wir haben zu unterscheiden zwischen der Luftwärme und der strahlenden Wärme, welch’ letztere der Meteorologie als solcher ziemlich gleichgültig, für die Klimatologie dagegen weit wichtiger ist, als man vor dem Erscheinen der Hann’schen Untersuchungen geglaubt hatte. Die Luftwärme hat eine doppelte Quelle; während die durch unsere Atmosphäre hindurch- passirenden Sonnenstrahlen direkt zur Erwärmung der ersteren in kaum nennenswerthem Maasse beitragen, weil unsere Erdluft ein sehr dia- thermaner Körper ist, dringen dieselben mehr oder weniger tief in den Boden ein, dessen obere Schichten erwärmt werden und die em- pfangene Wärme durch Leitung zum Theile an die unteren Luftpartieen abgeben. Ausserdem aber strahlt die Erde die Wärme auch wieder aus, und dieser Process trägt gleichfalls, und zwar intensiver, zur Erwärmung der Luft bei. Namentlich bei Nacht ist diese Aus- strahlung des Erdkörpers eine äusserst energische, nur durch die Wolkendecke gemässigte, so dass in der unmittelbaren Nähe des Bodens für die daselbst wachsenden Pflanzen eine grosse Frostgefahr sich er- giebt*). Jener Erwärmungszustand nun, in welchen die Luft durch *) Dass unter diesen Umständen auch die Bodentemperatur nicht gleich- gültig sein kann, liegt auf der Hand. Im I. Bande (S. 300 ff.) war von dieser Temperatur, freilich unter einem ganz anderen als dem klimatologischen Gesichts- punkte, die Rede, und aus diesem Grunde müssen wir auch noch ein paar Nach- = £2 VII, $. 3. Temperaturverhältnisse. 237 Bezug aus den beiden genannten Quellen versetzt wird, ist identisch mit dem, was wir Luftwärme nannten. Hann stellt nun die Be- dingung auf [19], dass Derjenige, welcher von einer bestimmten Erd- gegend ein vollständiges Bild der für jene maassgebenden ther- mischen Klimatologie zu entwerfen gewillt ist, sich acht Data verschafft haben müsse. Es sind diess die folgenden: I. die Monats- und Jahresmittel der Luftwärme; II. die Grösse der täglichen Wärme- schwankung in den einzelnen Monaten; Ill. die Temperaturmittel einer frühen Morgenstunde und einer Nachmittagsstunde; IV. die äussersten Grenzen, innerhalb deren sich die Mitteltemperatur der einzelnen Monate gehalten hat; V. die mittleren Monats- und Jahres- extreme; VI. die absolut höchsten und niedrigsten Temperaturen für einen fixen Zeitraum; VII. die mittlere Veränderlichkeit der Tem- peratur; VIII. die mittleren Frostgrenzen im Frühling und Herbst sammt der Anzahl der frostfreien Tage. — Von diesen Elementen bezeichnet Hann III, IV, VI und VII blos als wünschenswerth, die übrigen sohin als absolut nothwendig. | Für den Antheil, welchen das organische Leben am klimatischen Charakter eines Landes nimmt, ist, wie eben Hann in längerer Aus- führung nachweist [20], die Berücksichtigung der strahlenden Wärme von hoher Bedeutung. Diese Bedeutung hat sich insbesondere heraus- gestellt, als man über das eigentliche Wesen der sogenannten klima- tischen Kurorte Klarheit sich zu verschaffen suchte. Freilich gebricht es annoch sehr an instrumentalen Hülfsmitteln für Beobachtung und Messung der Intensität der Sonnenstrahlung, und es bleibt fast einzig das Leslie’sche Schwarzkugelthermometer (im luftleeren Raume aufgestellt) übrig. Durch dessen Kugel wird die dunkle Wärme- strahlung der Umgebung abgehalten, wogegen die leuchtenden Strahlen fast ungeschwächt das Glas durchdringen. Wojeikoff hat zahlreiche Versuchsreihen, die mit Saussure’s Heliothermometer, mit J. Her- schel’s Aktinometer und mit Pouillet’s Pyrheliometer über direkte Insolation gemacht waren, gesammelt und diskutirt und u. a. ge- funden [21], dass an hochgelegenen Orten diese direkte Bestrahlung im Winter unverhältnissmässig viel grösser ist, als an benachbarten niedrigeren Orten. Doch gelang die Ableitung allgemeiner Gesetze nicht. Auch die Reflexion der Wasserflächen kann sich klimatisch fühlbar machen; am Genfer See hat nach Hann (a. a. ©.) Dufour folgende Resultate erzielt: Sonnenhöhe | 4° | In | 16° Reflektirte Wärme in °% der direkten 68 40—50 | 20—30 träge zu dem Gesagten liefern. Die Messung der Bodentemperaturen ist durch das von Wollny [16] zu agrarphysikalischen Zwecken angegebene Boden- thermometer erleichtert und verschärft worden. Die Bewegung der solaren Wärme innerhalb der Erde bis hin zu jener invariablen Schicht, die unter sehr hohen Breiten mit nie aufthauendem Eise belegt ist, ist zum Gegenstande aus- gedehnter analytischer Untersuchungen von Frölich [17] und Saalschütz [18] gemacht worden, welche sich namentlich der uns aus Kapitel II $S. 8 bekannten Entwickelung in trigonometrische Reihen bedienten. 238 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Ja, wenn man ganz genau verfahren will, so hat man auch darauf zu achten, wie die den betreffenden Beobachtungsplatz umgeben- den Flächen nach ihrem Rauhigkeitsgrade, nach ihrer Färbung u. s. w. — bei Metallflächen wäre auch auf die Polarisation Bedacht zu nehmen — Wärmestrahlen zurückwerfen. „Da das Gefühl der Wärme und der Annehmlichkeit bei’m Aufenthalte in freier Luft,* sagt Hann [22], „von dem Gesammteffekte der direkten und reflektirten Strahlung ab- hängt, so ergiebt sich daraus der beträchtliche Einfluss der Umgebung eines Wohnortes auf das, was man die klimatische Temperatur nennen könnte.* $. 4. Feuchtigkeit und Klima. Die klimatische Ortsbeschreibung verlangt ferner, dass man die Monatsmittel des absoluten und relativen Wasserdampfgehaltes der Atmosphäre kennt (s. Kap. I, $. 2). Klimato- logisch ist aber die relative Feuchtigkeit ein weit einflussreicherer Faktor, als die absolute, weil durch sie die Evaporationskraft des Klima’s bedingt ist, die Stärke der Verdunstung, welche dem Wasser- bedürfniss der Organismen proportional ist [23] *). Des Ferneren ist eine genaue Kenntniss der Niederschlagsverhältnisse erforderlich; man muss die Monats- und Jahressummen der Wasserstände im Ombro- meter, sowie die Zahl der von Niederschlägen betroffenen Tage kennen, um für einen Zeitraum von n Tagen die Regenwahrscheinlichkeit ‘ wi _ zu finden, unter n’ die mittlere Zahl der Niederschlagstage für den fraglichen Zeitraum verstanden. Auch ist jetzt der Unter- schied zwischen Regen und Schnee nicht mehr so unerheblich, wie er früher, als es sich um reine Meteorologie handelte, hingestellt ward. $. 5. Die Bewölkung und das Klima. Der Grad der Be- wölkung, in Procenten des Gesammtfirmamentes ausgedrückt, wo- möglich auch die Dauer des Sonnenscheines, durch den Camp- bell-Stokes’schen „Sunshine recorder“ registrirt, endlich die An- zahl der Nebeltage gehören als Inventarstücke in ein umfassendes klimatographisches Tableau [24]. Auch die Thauverhältnisse zu kennen, empfiehlt sich. Die Bewölkungsgrösse ist deshalb mit in den Kreis der festzustellenden Elemente zu ziehen, weil sie ein Maass für den Grad der Trockenheit abgiebt. Man zeichnet am besten in die Karte des klimatologisch zu studirenden Gebietes die Isonephen oder Kurven gleicher Bewölkungsgrösse ein |25], wie diess für Europa in Fig. 49 (nach Renou) geschah, und zieht aus diesem Diagramm die geeigneten Schlüsse. So zeigt sich, dass in unserem Kontinent die Trockenheit zunimmt, wenn man im Allgemeinen von Nordwest nach Südost in das Binnenland hinein sich bewegt. Die geringste *) Nach Desor ist die geringe relative Feuchtigkeit der nordamerikanischen Luft schuld an der nervösen Erregbarkeit der Yankees, welche in fast auffälliger Weise sich verringern soll, wenn dieselben längere Zeit auf europäischem Boden weilen. Noch weit stärker soll jedoch der bezügliche klimatische Unterschied sich äussern, wenn man neben den Bewohnern der dürren Sahara diejenigen des feuchten Sudän betrachtet, während doch die Insolationsverhältnisse der beiden Erdräume kaum merklich von einander abweichen. FArR ‚v. inter, f 8 VI. S. 6. Bedeutung der Winde. $. 7. Pflanzen-Phänologie. 239 Himmelsbedeckung haben wahrscheinlich Nordafrika, Arabien und die Wüstengebiete südlich der Rocky Mountains. $S. 6. Bedeutung der Winde. Der Wind äussert in mehr denn Einer Hinsicht eine nachhaltige klimatische Einwirkung [26]; er steigert die Verdunstung und Austrocknung des Bodens, vermehrt das Evaporationsvermögen (s. o.) und macht für die Menschen hohe Tem- peraturen erträglicher. Aber auch die Häufigkeit jeder einzelnen Windrichtung verdient notirt zu werden. Winde sind es auch, welche die theoretisch minder schwierige Klassifikation der Erdoberfläche nach Klimazonen erschweren, indem sie Wärme und Feuchtigkeit aus einem Territorium in das benachbarte überführen und dadurch die Grenzen jener Zonen verschieben oder verwischen. In wie hohem Grade diess gilt, ist daraus zu ersehen [27], dass sich in Ländern, welche durch himmelanstrebende Gebirgswälle allseitig abgeschlossen sind, wie Ostturkestan, am ehesten distinkte Klimatypen ausbilden. S. 7. Pflanzen - Phänologie. Diese ebensosehr der Botanik, wie der Geophysik zuzurechnende Theilwissenschaft ist recht eigentlich ein Kind der Neuzeit. Aphoristische phänologische Notizen über An- kunft und Wegzug der Strichvögel, beginnenden Winterschlaf der Thiere, Blüthezeit gewisser Pflanzen u. dgl. findet man zwar in einer Menge älterer Schriften vor, da schon das Interesse des Landbau’s zu solchen Beobachtungen — man denke auch an die „Parapegmen“ der Athener — herausforderte, systematisch begründet aber ward die Phäno- logie erst durch den österreichischen Meteorologen Fritsch und durch den deutschen Botaniker H. H. K. Hoffmann. Ein Schüler des Letzteren, Ihne, veröffentlichte unlängst eine verdienstvolle Schrift [28], worin er die reiche Literatur aufführt und bespricht, welche über diese Fragen seit etwa 30 Jahren erwachsen ist. Die zu lösende Aufgabe kann kurz dahin präcisirt werden: den Ein- fluss der Temperatur auf die Entwickelungsgeschwindig- keit der Pflanzen in einer für quantitative Betrachtung geeigneten, d.h. mathematischen Form auszudrücken. „Kom- plieirtere Annahmen,“ so skizzirt W. Köppen*) die Geschichte der Phänologie |30], „wie z. B. jene, dass die Dauer einer Entwickelungs- phase dem Quadrate (Quetelet) oder der Quadratwurzel (Babinet) der Höhe der Temperatur über dem Gefrierpunkte proportional sei, haben sich keines Anklanges zu erfreuen gehabt; die Erkenntniss, dass nur oberhalb gewisser, für alle Pflanzen und Lebensvorgänge ver- schiedener Schwellenwerthe (Minima) die Länge der Zeit stellver- tretend für die Höhe der 'T’emperatur eintreten kann, hat von dem Ausgehen vom Gefrierpunkte ebenfalls Abstand nehmen lassen; die Annahme, dass das Produkt aus der Zeit und der Höhe der Temperatur über einer solchen Schwelle ein richtiges Maass gebe für die Wirkung der Wärme auf die Pflanze, findet hingegen auch heute noch eifrige Verfechter, obwohl nicht geleugnet werden kann, dass auch diese auf willkürlichen Voraussetzungen beruht.“ *) Dieser hervorragende Meteorologe hat dereinst seine wissenschaftliche Laufbahn selbst mit einer Studie von phänologischer Tendenz [29] betreten. ES N RE TRETEN RA SORT Anh Ne ES 240 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Diese sogenannte Theorie der Wärmesummen ist von Lins- ser |31] aufgestellt und von dem Dorpater Pflanzenphysiologen v. Oet- tingen [32] nach Kräften gefördert worden. Derselbe muss wohl zugestehen, dass die Anwendung dieser Methode nicht gerade sehr günstige Resultate geliefert hat, doch kommt diess seines Dafürhaltens nur daher, dass über den Zeitpunkt, von welchem an bei der Be: stimmung der Temperaturmittel zu rechnen ist, keine Klarheit besteht. v. Oettingen benützt deshalb verschiedene Schwellen und addirt vom ersten Tage des Jahres an bis zum Eintritte der betreffenden Er- scheinung die täglichen positiven Temperaturmitt@l, soweit sie über der angegebenen Schwelle liegen. Diese Summen wurden verglichen, und jener Schwellenwerth ward als der normale bezeichnet, welcher für ein bestimmtes Entwickelungsstadium in verschiedenen Jahren die ge- ringsten Schwankungen aufwies. So fand sich für Prunus Padus die recht gut stimmende Schwelle von 2°, allein bei anderen Pflanzen gelang es Hoffmann weit weniger gut, und so verfiel derselbe wieder darauf, die täglichen Insolationsmaxima zu summiren [33]. Sehr ein- gehend beschäftigte sich mit der Lehre von den Wärmesummen Staub [34], der aus seinen Untersuchungen vier neue Sätze schöpfte: I. Die Blüthezeit tritt nur dann früher ein, wenn das betreffende Monatsmittel um 2° höher ist, als das mehrjährige Mittel, während geringere Temperatursteigerungen die Vegetation nicht beeinflussen; II. nur wenn das Temperaturmittel der vorhergehenden Monate höher ist, als das mehrjährige, tritt eine Ausnahme von Regel I ein, indem die Vegetation dann unter dem Einflusse der Temperaturnach- wirkung steht; III. das geringste Sinken des monatlichen Temperatur- mittels unter das mehrjährige Mittel zieht bereits eine Verspätung des Eintrittes des Blüthezeitpunktes nach sich, und zwar wächst die Zeit- differenz mit der Temperaturdifferenz; IV. nur dann, wenn das Tem- peraturmittel der vorhergehenden Monate das mehrjährige Mittel über- steigt, wird durch ein besonders niedriges Temperaturmittel die Entfaltung der Vegetation nicht verhindert. — Soviel ist nun durch Fritsch, Hoffmann, v. Oettingen, Ziegler u. A. ausser Zweifel gesetzt, dass eine jede Phase pflanzlicher Entwickelung in engster Kausalbeziehung steht zu dem meteorologischen Verlaufe des Jahres, aber die Art dieser Beziehung müssen wir ehrlicherweise für eine noch unerforschte erklären. Es hat deshalb Rahn wohl daran gethan, die Successionen und Inversionen mehr der Diskussion zu unter- stellen [35]. Suecession ist der Zeitunterschied in der Aufeinander- folge der verschiedenen Lebensphasen bei verschiedenen Pflanzenspezies, von der ersten Blüthe ab gerechnet; Inversion ist die Umkehrung der normalen Succession. Graphisch erkennt man das Eintreten der In- version, wenn die für dasselbe Axensystem verzeichneten und der Theorie nach eigentlich parallel verlaufenden Successionskurven sich durch- kreuzen. Die normale Succession erleidet um so häufigere Unregel- mässigkeiten, je ungleichartiger die in Betracht gezogenen Spezies ihrer Natur nach sind und je kräftiger diejenigen Faktoren in ent- gegengesetztem Sinne sich geltend machen, welche den Effekt des täglichen mittleren Minimumbetrages kompensiren. Diese Angaben dürften hinreichen, um dem der Sache ferner stehenden Leser wenigstens die Ziele und vorläufigen Resultate der VI, S. 7a. Gefrieren und Wiederaufgehen der Gewässer. 241 Pflanzen-Phänologie greifbar zu machen. Wie tief jede derartige Untersuchung in das eigentlich klimatologische Gebiet eingreift, sieht Jeder selbst ein; phänologische und klimatische Arbeit bedingt wechsel- seitige Befruchtung, mag auch unmittelbarer Gewinn mehr für erstere, als für letztere zunächst noch aus diesem Verhältnisse entspringen. Wir halten es mit Hann, der uns anräth [36], phänologische Be- obachtungen ja nicht gering zu schätzen, da sie „bei der Darstellung der örtlichen klimatischen Verschiedenheiten auf einem beschränkten Territorium® ihren Werth unter allen Umständen haben. Anweisung zur Anstellung solcher Beobachtungen ertheilt Drude im Jahrgang 1881 der Dresdener „Isis“; phänologische Karten Mitteleuropa’s und Ungarn’s sind resp. von Hoffmann und Staub in den Jahrgängen 1881 und 1882 von Petermann’s „Geogr. Mittheilungen“ publieirt worden. Ziegler lieferte eine solche für Frankfurts Umgebung. S. 7a. Gefrieren und Wiederaufgehen der Gewässer. Wenn Tem- peratur und Niederschlagsverhältnisse den Charakter des Klima’s hauptsächlich bestimmen, so muss auch aus dem Wechsel der Eis- bedeckung von Meeren, Seen und Flüssen manche Lehre für die Be- urtheilung des Klima’s zu erheben sein. Merkwürdigerweise sind für die Ergründung dieses Zusammenhanges, soweit wenigstens unsere Kenntniss reicht, ausschliesslich Gelehrte von schwedischer Abstammung thätig gewesen. Hällström wollte auf diese Art ermittelt haben [37], dass von 1760 an die Wärme für Finnland sich vermehrt habe. Ueber die Methode seiner Forschung belehrt uns eine spätere Arbeit des- selben Autors [38]. Er verschaffte sich die Daten der Ent- und Ueber- eisung für die vier Städte St. Petersburg, Abo und Borgo (in Finn- land) und Arosia (in Schweden), konstatirte, dass der erstgenannte Termin jedesmal durchgängig in den April fiel und bestimmte den Tag des April, für welchen das Aufgehen des Eises zu erwarten ist, mittelst der Formel x—= m--n (z — 1718), wo z das Jahr der christ- lichen Zeitrechnung, m und n je eine Konstante bedeutet. Die Methode der kleinsten Quadrate (Kap. II, $. 7) ergab m = 18,24, n = 0,0222. Ebenso fand sich der Tag des Zugefrierens x — 26,5 — 0,021 (z — 1717). Zunächst gilt diess Resultat nur für die russische Hauptstadt, doch weichen auch für die anderen Orte die Zahlen nicht sehr ab. Mag man vielleicht auch gegen die bei aller Geschicklichkeit doch etwas allzu stereotype Handhabung der Wahrscheinlichkeitsrechnung, wie man ihr in sämmtlichen Arbeiten Hällström’s begegnet, den Einwand geltend machen, dass die blosse Errechnung von Naturgesetzen ohne theoretischen Hintergrund keinen besonderen Werth habe, so muss doch immer die Absicht anerkannt werden, ein Problem der Phänologie im weiteren Wortsinne der Rechnung zu unterwerfen. Dass wir damit nicht zu viel sagen und einen anerkannten Terminus nicht etwa irrig anwenden, ist bewiesen, seitdem Hult [39] in Ge- meinschaft mit Arnell darauf aufmerksam machte, dass im Processe des Aufthauens der Seen und in dem Entwickelungsprocesse der wieder erwachenden Pflanzenwelt sich stets gleiche Stadien entsprechen. Am umfassendsten angelegt ist gewiss eine Arbeit des uns schon so oft entgegengetretenen Meteorolosen Hildebrandson [40], der für nicht weniger als 78 schwedische und finnische Wasserbecken eine gemein- Günther, Geophysik. II. Band. 16 242 | Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. same Charakteristik aufstellte.e Dieselbe umfasst drei Zeitangaben, nämlich erstens das Datum des ersten Frostes, zweitens das Datum der ersten Oeffnung und drittens die Zahl der Tage, in deren Verlauf der See eine Eisdecke trug*). Zieht man Linien durch die Orte, für welche sich übereinstimmende Zahlen ergaben, so übersieht man mit Einem Blicke das gleichzeitige Eintreten in die Winterruhe und in den Lenz, sowie die Vertheilung der Punkte gleicher Winterstrenge, Diese Zeit kann insoferne als das absolute Minimum des pflanzen- geographischen Winters betrachtet werden, als ja doch die Vegetation schon vor dem Beginne der Frostperiode erstorben zu sein pflegt. Mit gleichem Rechte, wie Seen und Wasserläufe, würde man auch die Meere aus klimatologischen Rücksichten auf ihre wechselnden Eisverhältnisse prüfen können, wenn man nur mit besserem Materiale ausgerüstet wäre. Immerhin hat v. Schleinitz es für möglich ge- halten, die Schwankungen des Polareises in Beziehung zu setzen zu der Frequenz der Sonnenflecke [41]; vier unter den sechs Jahrgängen, in welchen die über die Grenze des Packeises vordringenden Schiffer ungewöhnlich starken Packeismassen begegneten, decken sich allerdings mit Perioden der Sonnenfleckenmaxima. Im neunten Kapitel werden wir erfahren, dass auch der Vorstoss und Rückgang des Gletschereises von der historischen Klimatologie als Untersuchungsmittel verwendet worden ist, doch wirken auf diese Bewegungen fremdartige Elemente in gar zu grosser Menge ein. S. 8. Der Wald als klimatischer Faktor. Die Erkenntniss, dass die Beschaffenheit des Klima’s einer Gegend von der geringeren oder grösseren Arealgrösse des mit Waldung bedeckten Terrain’s, sowie, wenn auch in minderem Maasse, von der Art der Bewaldung abhängig sei, stammt nicht erst aus unseren Tagen, mag sie auch früher mehr eine instinktive**), denn eine eigentlich wissenschaftliche gewesen sein. Hellmann nennt [43] als ersten deutschen Schriftsteller über die Art obiger Abhängigkeit einen gewissen Th. E. Lange [44], der den klimatischen Einfluss der Ausrodungen gewürdigt habe. Ihm schliesst sich eine stattliche Reihe von Physikern und Forstmännern aller Na- tionen an, doch war es wiederum die deutsche Wissenschaft, welche uns ein in seiner Art klassisches und zunächst abschliessendes Handbuch der forstlichen Klimatologie gab, nämlich dasjenige von Ebermayer [45], welches sich auf die von dem musterhaft organisirten Netze der bay- rischen Forststationen gelieferten Daten stützte***). Es leuchtet ein, *) Wenn sich die Erneuerung und Vernichtung der Eishülle im Laufe eines einzigen Winters mehrmals vollzieht, so hat der die Erscheinung Kontrolirende sich blos an das erste Gefrieren und an das allerletzte Aufthauen zu halten. Man kann annehmen, dass eine solche Wiederholung für die Binnengewässer der bal- tischen und friesischen Niederung die Regel bildet. **) Aus einer alten Salzburgischen Forstpolizei-Ordnung von 1524 geht, wie E. Richter zeigt [42], ganz unzweideutig hervor, dass man sich der Wichtigkeit guter he 3 klar bewusst war und eine rationelle Schonung der Wälder anstrebte, - **) Lorenz v. Liburnau schlägt in seinem ÖOrganisationsplan für die Österreichischen Forststationen zweierlei Arten dieser letzteren vor [46]: Par- allelstationen. welche resp. im Walde und von diesem möglichst weit ent- fernt liegen sollen, und Radialstationen im Walde selbst, deren Geschäft es VI. $S. 8 Der Wald als klimatischer Faktor. 243 dass die Einwirkung der Wälder auf die Luftbewegungen nur lokal sein wird, obwohl immerhin für manche Provinzen auch diese Art der Einwirkung sich sehr bemerkbar machen kann, wie diess von Kün- zer |47] für den Zug der westpreussischen Gewitter dargethan worden ist. Im Grossen und Ganzen sind es aber doch nur die Verhältnisse der Temperatur, der Feuchtigkeit und allenfalls noch der Luftzusammen-. setzung, welche ernstlich in Betracht kommen können; wir werden von denselben im Einzelnen sprechen und uns dann generelle Gresichts- punkte betreffs der klimatologischen Bedeutung des Waldes zu ver- schaffen suchen. a) Temperatur und Wald. Die Wärmekapazität des Waldes ist, ähnlich wie bei’'m Wasser, eine verhältnissmässig grosse, und es voll- zieht sich daher der Akt der Insolations-Erwärmung und nachherigen Wiederausstrahlung weniger schnell, als bei irgend einer anderen Be- deckung des Bodens *). Rechnet man noch die an den Blättern vor sich gehende Verdunstung hinzu, so ist klar, dass die Waldluft am Tage kühler sein muss als die Luft im Freien, sie dringt mithin unten am Boden in den durch das Aufsteigen der äusseren, wärmeren Luft erzeugten Hohlraum ein, während die aufsteigenden Luftmassen über dem Walde wieder niederfliessen. Bei Nacht ist der Kreislauf der umgekehrte. Die Schwankungen der Temperatur können nach dem Allem nicht so intensiv im Walde ausfallen, wie ausserhalb. Nach Fautrat |49], der besonders oberhalb der Baumkronen Wärmemes- sungen anzustellen empfiehlt, ist die abkühlende Wirkung des Waldes am stärksten hervortretend in der heissen Jahreszeit; 1,20°, 1,75°, 1,95°, 1,53° waren in Fautrat’s ein Jahr umfassender Beobachtungs- reihe die den Monaten Mai, Juni, Juli, August entsprechenden Tem- peraturdepressionen. Speziell über den Baumgipfeln ist die Temperatur etwas höher im Frühling. | b) Luftfeuchtigkeit und Wald. Die Neigung zu Niederschlägen ist grösser im Waldgebiete, als im freien Lande, besonders im Sommer und Herbst. Schon ein einzelner Baum kann sich, wie Ebermayer nach Graham anführt, sehr gut dazu eignen, die Feuchtigkeit des Nebels in sich aufzunehmen; ein allein stehender Baum auf den Ca- narien war dafür weit und breit bekannt, dass er der Seebrise ihre sein soll, festzustellen. wie sich trockene Luftströmungen beim Eintreten in den Wald, bei’m Passiren desselben und bei’m Wiederaustreten verhalten. *) Ein Moment, welches bei der Beschleunigung oder Verlangsamung dieses Aktes wesentlich bestimmend mitwirkt, ist lange vernachlässigt worden, bis die Aufmerksamkeit Wollny’s darauf gelenkt wurde. Auch die forstliche Klimato- logie wird eine gewisse Berücksichtigung dieses Momentes in ihr Programm aufzunehmen haben. Wir meinen die Färbung des bestrahlten Bodens, deren Einfluss Wollny [48] durch die nachstehenden sechs Sätze fixiren zu können glaubt: I. Während der warmen Jahreszeit ist lufttrockener Boden bei dunkel gefärbter Oberfläche durchschnittlich wärmer, als bei hell gefärbter; II. die täg- lichen Temperaturschwankungen sind unter dunkler Färbung grösser, als unter heller; III. der in I erwähnte Unterschied ist am grössten und kleinsten, wenn resp. die tägliche Bodentemperatur ihr Maximum und Minimum erreicht; IV. die nächtliche Wärmeabnahme erfolgt auf dunkel gefärbtem Boden rascher, als auf hell gefärbtem ; V. die Temperaturdifferenzen zwischen dunklem und hellem Boden verschwinden da, wo die Insolation nicht mehr durchzudringen vermag; VI. die Oberflächenfarbe hat auf die Erwärmung nur unter sonst gleich bleibenden Ver- hältnissen der Mineralbestandtheile und des Humus den angegebenen Einfluss. 244 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Feuchtigkeit entzöge, und dass diese Volksmeinung das Richtige traf, ergab sich nach dem Umhauen dieses Baumes. In wie viel höherem Grade muss demgemäss ein Komplex von Bäumen solche Fähigkeiten bethätigen! Die besten Kondensatoren unter den Bäumen sind die Fichten *). Um zu finden, wie sich metrisch der Einfluss des Forstes auf den Regenfall gestalte, stellte Ebermayer die Regenmengen jedes Monates für die drei bayrischen Orte Aschaffenburg, Rohrbrunn und Duschlberg zusammen [51], welche resp. in ziemlich baumloser Ebene, im waldigen Spessart und in dem noch zum Theile mit Urwald be- deckten Böhmerwalde gelegen sind. Die Tabelle zeigt, was er fand: Aschaffenburg Rohrbrunn Duschlberg Monat Regenhöhe in mm | Regenhöhe in mm | Regenhöhe in mm Danuar Ku ner alee: 36,96 70,94 84.44 BeprHar,. .. ..7..% 42,26 99.61 131.94 a a ee 43,50 87.47 123,50 AHA 2“, 37.29 93,86 79.03 En EG RAR: 95.17 81.41 81.30 N N 65,51 108,27 101,39 lu tr 75,72 85,04 110.14 Auoust 10... 65.38 19,56 105,49 September . . . . 52.64 85,20 84,75 Oktober mn sn 92,39 16.38 94,14 November.’ .. ..%. 67.96 113,16 125,82 Dezember . . . . 61,21 111.31 104,94 Summa . . 699,99 1052,71 1226,88 Diese Tabelle redet zu uns eine nicht misszuverstehende Sprache. Nimmt man noch hinzu, dass für die Seehöhen h,, h,, h, der drei Orte die Relation h,>h, >h, besteht, so kann man der Zusammen- stellung Folgendes entnehmen. . Für beide Waldgebiete ist die niedrige Temperatur in den Frühlingsmonaten charakteristisch, welche auf ein- mal einen starken Rückgang der Regenmenge herbeiführt. Die Wald- gebiete werden durch Regen in weit höherem Maasse betroffen, als die waldlosen Gebiete; auch die grössere Erhebung eines Waldterri- toriums ist dem Regenfalle günstig. Es stimmt diess mit Hann’s Wahrnehmung, dass in den höheren Lagen der Mittelgebirge be- sonders die winterlichen Niederschläge sich steigern; insbesondere sind beträchtliche Schneefälle für das Winterklima der Mittelgebirge be- zeichnend. — Der Wald vermehrt jedoch nicht nur die Regenmenge, sondern er bewirkt auch häufigere Niederschläge. Von dem herab- geträufelten Regenwasser dringt ein Theil in den Boden ein, um die (Juellen zu speisen und von den Pflanzenwurzeln endosmotisch aufge- *) Es ist dieser für die forstliche Statik nicht ganz unwichtige Umstand seit Fautrat’s Untersuchungen [50] genau bekannt. Die Nadeln halten hiernach aufihren Wipfeln mehr denn 50 °o des sich über sie ergiessenden Wassers zurück, die Blätter höchstens 42 bo. Fautrat meint, genaue Beobachtungen müssten zeigen, dass die Wasserdampfhülle um einen Nadelholzwald herum sich deutlicher abgrenze, als die einen Laubwald umgebende. VIL,S. 8. Der Wald als klimatischer Faktor. 945 sogen zu werden *), ein weiterer Theil fliesst direkt in die Bäche und Flüsse ab, wieder ein Theil aber, und zwar ein recht erheblicher, verdunstet. Nach Ebermayer ist die Verdunstung im Walde eine etwa 21 bis 3 mal so geringe, als ausserhalb, während Olave [53] sie 5 mal so klein annimmt. Genaue Versuche über die Verdunstung der Bäume besitzt man von Fr. Pfaff [54]**). Ebermayer’s Schätzung zufolge vermindert der Wald allein ohne Streudecke den normalen Verdunstungsbetrag um 62°, die Streudecke für sich allein um 22°, beide in ihrer Vereinigung also um 84 Jo. c) Luftbestandtheile und Wald. Was man über diese Beziehungen weiss, verdankt man Ebermayer [55], welcher den botanischen Garten der Aschaffenburger Forstiehranstalt und das Spessart-Revier Hain als zum Vergleiche geschickte Versuchslokalitäten wählte. Da ergaben sich denn diese vier Thesen: I. Die Waldluft enthält im Sommer fast noch einmal soviel Kohlensäure, als die freie Luft; II. bewaldeter Boden ist im Sommer weit ärmer an Kohlensäure, als unbebauter; III. mit Erhöhung der Temperatur nimmt der Kohlensäuregehalt in letzterem schneller zu, als im Waldboden; IV. die Bewegung der Kohlensäure ist eine sehr langsame. Dass die Kohlensäure auch in der freien Luft des Waldes in hohem Bruchtheile vertreten ist, ebenso, wie in dem dort entspringenden Quellwasser, ergiebt sich schon aus dem Humusreichthum des Waldbodens. Wie günstig ferner der Forst auf die Ozonbildung einwirkt, sahen wir schon in $. 2 des ersten Kapitels dieser Abtheilung. Getreu unserem bisher stets beobachteten Grundsatze, die Re- sultate unserer Betrachtungen in kurze, schlagende Memorialsätze zu- sammenzudrängen, reproduciren wir van Bebber’s |56] das Wesent- liche der Forstklimatologie in nuce enthaltende Thesen. Es sind deren sechzehn ***): I. Durch den Wald werden die Extreme der Temperatur abgestumpft, ohne dass die mittlere Wärme eine merkliche Aenderung erlitte; II. Die stets feuchtere Waldluft *) Alle Wüstenbäume besitzen die Fähigkeit, lange auf die direkte Wasser- zufuhr verzichten zu können, ja es giebt unter ihnen manche, die sich mit der indirekt der Luft entzogenen Feuchtigkeit begnügen. Rohlfs hat [52] besonders bei Tamarinden konstatirt, dass deren kurze Wurzeln unmöglich das tief liegende Grundwasser erreichen können. Da nun dort blos alle drei bis fünf Jahre einmal Regen fällt, so liegt allein der atmosphärischen Feuchtigkeit die Erhaltung dieser Bäume ob. Zur Bekräftigung verweist Rohlfs auf die sogenannten Regen- bäume der Tropen, welche, z. B. in Peru, so kräftig als Kondensatoren wirken, dass durch das aus ihren Zweigen träufelnde Wasser der Untergrund in einen förmlichen Sumpf verwandelt wird. **) Bei dieser Versuchsreihe ward die Anzahl der Blätter durch Taxation, deren Durchschnittsgrösse durch ein planimetrisches Verfahren ermittelt. Es ergab sich, dass die für die Untersuchung verwendete Eiche 700000 Blätter von je 2325 Quadratmillimeter Inhalt besass, und dieser Baum gab vom 18. Mai bis zum 25. Oktober 120062 Kilogramm Wasser durch Verdunstung ab. ***) In Lorenz v. Liburnau’s erwähntem Programm werden zu den älteren noch neue Probleme hinzugefügt. Man soll untersuchen, ob die Baumtemperatur auch durch nichtperiodische Einflüsse, wie etwa fallenden Regen, sich stark modi- fieirt, unter welchen Umständen die Regendifferenz zwischen Wald und Freiland eine besonders grosse wird, ob die niedrige Baumtemperatur in Verbindung mit vorüberziehenden feuchten Luftströmen von sich aus Regen erzeugen kann, welche Wasserquantitäten der Waldboden unter verschiedenen Umständen zurück- behält, u. s. w. 246 ist dadurch bedingt, dass der Wald zur Vermehrung und noch mehr zur Konservirung der Feuchtigkeit beiträgt; III. Die Disposition zu Niederschlägen, und mit ihr die Regenwahrscheinlichkeit, wird durch den Wald erhöht; IV. Die Regenmenge wird vermehrt, freilich weit erheblicher im Waldgebirge, als in der waldigen Ebene; V. Die Ver- dunstungsgrösse wird durch die vereinte Wirkung von Wald und Streudecke auf einen äusserst geringen Betrag herabgebracht; VI. Die Streudecke setzt dem abfliessenden Wasser auch ein mechanisches Hinderniss entgegen; VII. Der Wald schützt und erhält den Quellen- vorrath einer Gegend; VIII. Das Grundwasser sättigt die oberen Erd- schichten und speist die Quellen; IX. Der Wald behütet vor der Abschwemmung fruchtbarer Erde und vor der Entstehung von Wild- bächen; X. Durch ausgedehnte Entwaldung machen sich die Extreme wieder schroffer fühlbar; XI. Entwaldung bringt mit sich Trockenheit der Luft und Sommerdürre; XII. Die Häufigkeit der Niederschläge, zumal der sommerlichen, nimmt mit der Waldausrodung ab; XIII. Ent- waldung verringert Bodenfeuchtigkeit und Quellenreichthum; XIV. Zu grosse Streunutzung befördert allzurasche Verdunstung; XV. Gleich- falls wird durch sie, und noch mehr durch übertriebene Holznutzung, die Abschwemmung fruchtbaren Erdreiches befördert; XVI. Auch der Wasserstand der Flüsse neigt bei fortschreitender Walddevastation ex- cessiven Schwankungen zu. Mag diese gedrängte Uebersicht dazu dienen, darzuthun, wie enge die T'heorie einer vernünftigen Waldpflege sich mit der Physik der Luft und des Bodens berührt. Gewisse nahe liegende Fragen, die sich an die Verschlechterung des Klima’s durch Wald- verwüstung anknüpfen liessen, können wir hier nur streifen, da sie doch noch mehr als in dieses Kapitel in die von den säkulären Ver- änderungen des Klima’s und von den Ueberschwemmungen handelnden Kapitel gehören. Zu These XVI sei bemerkt, dass deren Bedeutung zuerst von Boussingault betont wurde [57], der an abflusslosen Landseen, z.B. am See von Tacarigua in Venezuela, das Sinken des Wasserspiegels bemerkte und dafür zuerst unterirdische Kanäle ver- antwortlich machen wollte, sich aber dann von Humboldt auf das mit der fortschreitenden Entwaldung zunehmende Versiegen der Zuflussbäche als auf die eigentliche Ursache hinweisen liess. Systematischer behandelte die Sache Moreau de Jonnes [58], der namentlich für die heisseren Ländereien, in welchen keine Torfmoorbildung statthat, eine Abnahme des Wasservorrathes unter dem Einflusse progressiver Waldentblössung behauptete. Auf manchen Inseln, wie z. B. auf St. Helena und Rodriquez, hat nach Hahn [59] die Masseneinführung von Ziegen zunächst grossartige Zerstörungen der vorhandenen Anpflanzungen und folgeweise eine Ver- änderung des klimatischen, faunistischen und floristischen Charakters jener Eilande zur Folge gehabt. Für die Regierungen aller Kulturländer erhebt sich solchergestalt manch’ ernste Frage, deren Prüfung nicht umgangen werden kann*), und in der T'hat sehen wir jetzt schon viele Staaten *) Energisch gegen die Sünden der Vorzeit hat sich u. a. die schweizerische Forstverwaltung gewendet. Landolt erstattet [60] einen interessanten Bericht über deren Maassnahmen; es gilt, den forstlichen „Raubbau* einzudämmen, die Wiederanpflanzung von Blössen und Schlägen nachhaltig zu betreiben, die un- geregelte Ausnutzung der Waldrente gesetzlich einzuschränken und die unrichtige VII, $. 9. Der Unterschied zwischen solarem und physischem Klima. 247 rückhaltslos an diese Prüfung herantreten. Es muss, wie der Italiener Denza den springenden Punkt heraushebt [63], verhindert werden, dass Periodender WolkenbrüchemitPerioden der Dürre abwechseln. Freilich kann nicht in Abrede gestellt werden, dass das Feuer einer gerechten Begeisterung manchmal auch über das Ziel hinaus- schiessen und auf die Entwaldung Erscheinungen zurückführen lässt, die in Wahrheit damit nichts zu thun haben. Ernüchternd wirkt solchen Uebertreibungen gegenüber auch heute noch die Abhandlung Pfeil’s [64], die viele gute Bemerkungen bietet, mag sie auch viel- leicht selbst wieder gar zu sehr von Skepticismus durchdrungen sein. S. 9. Der Unterschied zwischen solarem und physischem Klima, Dass das Klima zuallererst von der Wärme abhängt, wissen wir; nicht minder ist bekannt, dass die Wärmeverhältnisse eines jeden Ortes eine Funktion der Sonnenwärme sind, wenn auch noch gar manche andere Einflüsse mitspielen. Soweit das Klima nur von der Quantität der Sonnenstrahlung abhängt, welche einem Orte seiner geographischen Breitenach zukommt, wird es das solare oder mathematische genannt [65]. Lediglich dieses hatte Parmenides bei seiner bekannten Eintheilung der Erde in fünf Zonen oder Klimate im Auge, und auch die späteren Geographen des Alterthums hielten sich an diese rein formale Bestimmung, wenn sie festsetzten, dass das Klima eines Erdortes nach der Dauer des längsten Tages sich richten solle. Dieses mathematische Klima bildet denn auch heute noch die Grundlage für klimatologische Forschung, weil es unter allen Um- ständen als eine erste Annäherung an das physische oder reale Klima gelten muss. Dieses letztere ist das durch die Un- gleichförmigkeit der Erdoberfläche modificirte solare Klima. Wäre die Erde eine glatte oder auch eine mit gleichmässig tiefem Meere bedeckte Kugel, so wäre der soeben fixirte Unterschied nicht vorhanden; allein dem ist bekanntlich nicht so. Die ungleiche Austheilung von Land und Wasser und die nicht minder ungleiche Erhebung des ersteren über das letztere sind die Ursachen, welche das solare Klima in einer oft ungeahnten Weise beeinträchtigen [66]. S. 10. Das solare Klima. Wenn die Sonne zur Aequinoktialzeit senkrecht über dem Aequator steht, so wird ein an dem letzteren befindliches Element der Kugelfläche, welches man als ein ebenes betrachten darf, von der vollen Wucht der Sonnenstrahlen getroffen, Abgrenzung von Wald und Brache zu reguliren. Entsetzlich gehaust wurde nach Angerer [61] in Tirol, wo namentlich das — einer falschen Popularität zuliebe auch von den gesetzgebenden Faktoren viel zu sehr geduldete — Verstümmeln der Bäume zum Zwecke der Streugewinnung sich als unheilvoll erwies; die Ent- holzung des fast immer inundirten Etschthales datirt schon von der Römerzeit. Toldt stellt den österreichischen Gebirgsländern folgendes Prognostikon [62]: „Zwei Loose sind es, welche die Zukunft für unsere Alpenländer im Schoosse birgt. Das eine heisst: Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes, zunehmende Ver- wüstung und schliessliche Ausrottung der Wälder, Verödung der Berge und Thäler, Noth, Elend und Entvölkerung. Das andere: Schonung und Wiederherstellung der Wälder, wirthschaftliche Ausbildung der Bevölkerung, Entwickelung der vor- handenen Einnahmequellen, Förderung der Gesittung und des Wohlstandes.“ 248 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. während offenbar gleichzeitig ein an einem der Pole gelegenes Flächen- . element gar keine Wärme empfängt. . Die Erwärmungsgrösse (oder, was vorläufig dasselbe ist, die Insolationsgrösse) nimmt also vom Aequator gegen die Pole hin ab, und zwar gilt für diese Abnahme folgendes Gesetz: Die Intensität der Bestrahlung, welche eine Ebene durch ein Parallelstrahlenbündel erfährt, ist proportional dem Sinus des Winkels, welchen jene Parallelen mit der Ebene einschliessen. Wir erhärten die Wahrheit dieses Theoremes durch zwei verschiedene Beweise. a) Thermostatischer Beweis, Die Intensität, mit welcher einer der Wärmestrahlen auf die Ebene AB wirkt, sei durch die Kraft CD (Fig. 58a) nach Grösse und Richtung ausgedrückt. Wir zerlegen Fig. 58. a b F Di c a 2.70 B diese Kraft vermittelst des Parallelogrammes COEDF in die beiden Komponenten DE und DF, welch’ erstere mit der Ebene selbst zu- sammenfällt und daher nicht berücksichtigt wird. Uebrig geblieben ist demnach nur die Kraft DF=CE=CD.sina, wenn der Ein- fallswinkel ODE mit a bezeichnet wird. Was aber für den Einzel- strahl, das gilt für jeden anderen und damit für das ganze Bündel. b) Geometrischer Beweis, Es sei AB diessmal (Fig. 58b) ein begrenztes Flächenstück, welches in den Gang des Parallelstrahlen- bündels eingeschaltet werde; und zwar sei a wieder der Einfallswinkel. A,B, sei ein an Grösse gleiches Flächenstück, welches durch Drehung um den Punkt M mit AB zur Deckung gebracht werden könnte, selbst aber von den Parallelstrahlen senkrecht getroffen wird. Eine aus dem Endpunkt A auf A,B, gefällte Normale habe ihren Fusspunkt inN. Wenn wir nun annehmen, dass der Bestrahlungsbetrag der Anzahl der auf die Fläche fallenden Strahlen proportional ist, wenn wir ferner diese Beträge für AB und A,B, resp. mit J und J, be- zeichnen, so gelten offenbar die Proportionen J:J,=MN:MA=MA.sna:MA=sına:l. Auch diessmal erhält man also das gleiche Gesetz der Abhängigkeit. Dasselbe bildete von je den Ausgangspunkt für alle Bestrebungen, die Insolation oder solare Erwärmung eines Erdortes als eine Funktion seiner Polhöhe darzustellen. Halley und Lambert haben derartige Formeln zu einer Zeit gegeben, da die Analysis sich noch nicht in ihrem gegenwärtigen Entwickelungszustande befand; seitdem sind Meech [67], Röllinger [68], Schlemüller [69] und VII $. 10. Das solare Klima. 249 ganz besonders Wiener [70] für die Lösung dieser Aufgabe thätig gewesen. Es kann in einem Buche, wie diesem, natürlich nur darauf ankommen, einen ganz allgemeinen Begriff von der Methode zu geben, welche diesen Mathematikern zu ihren Ergebnissen verholfen hat. Wir verstehen, wie es die sphärische Astronomie immer macht, unter h die Höhe des Sonnenmittelpunktes, unter d dessen Deklination, unter t seinen Stundenwinkel, unter @ die Polhöhe; diese vier Grössen sind durch die Gleichung sinh— sin p sind + cos cos d cost mit einander verbunden, welche aus dem Kugeldreieck Zenit-Pol-Sonnen- mittelpunkt durch direkte Anwendung des Cosinussatzes folgt. Die Grösse eines sphärischen Flächenelementes ist gegeben durch cos h dh dt, und somit die Tagesbestrahlung eines Punktes gleich ‚tı h tı m==7. Konst. / feos hdhdt=2.Konst. /siınhdt 0 0 0 t 2 Konst. (ein po sind-- cos p cos d cos t) dt. 0 t, bedeutet hier den dem Untergangspunkte der Sonne entsprechenden Stundenwinkel oder den halben Tagesbogen. Führt man die letzte Integration aus, so wird *) w— 2. Konst. sin psind(t, — 0) +2. Konst. cos p cos d (sin t, — sin 0), w—2.Konst. (sine sind .tı + cospcosd.sin tı). Wenn die Sonne für einen polaren Ort cirkumpolar geworden ist, so ist sin , = sin r = (, somit w—=2r. Konst. sin 9 sin d, und am Pol ist w=2tz.Konst. sind. Durch weitere Integrationen müssen diese Ausdrücke dann noch über grössere Flächen- und Zeiträume aus- sedehnt werden. Wir setzen die Lehre von den Jahreszeiten als aus den Anfangsgründen der mathematischen Geographie bekannt voraus; die Sonne und die Erde befinden sich zur Zeit des kürzesten Tages in ihrer kleinsten, zur Zeit des längsten Tages in ihrer grössten Ent- *) Hann formt [71] diesen Ausdruck noch etwas um und bestimmt zugleich die Konstante. Aus unserer Gleichung sinh = sin o sind + cos 9 cos d cos t ergiebt sich, wenn wir t, statt t, also 0 statt h setzen, zunächst cos o cosd cos tı = — sin » sin d, und hieraus wiederum cos t, = — tang p tang d. Wir haben also w= 2. Konst. sin e sind |t, + SERNSEHLN sin ) sin sin d = 2. Konst. sin sin d (tı — tang tı). Zur numerischen Berechnung schickt sich diese Formel besser, als die frühere. Nimmt man ferner mit Violle an, dass die dem Aequator an einem Aequi- noktialtage zugesandte Wärmemenge sich auf 1155,.5 Kalorien belaufe, so kann man EN, i W=:11539'; (5) . sin » sin d (t, — tang tı) setzen; W bedeutet jetzt in bestimmtem Maasse dasselbe, was wir früher durch & bezeichneten, d ist ein für die einzelnen Tage des Jahres zwischen den Grenz- werthen 978 (Wintersonnenwende) und 946 (Sommersonnenwende) schwankender Werth. Diess bezieht sich zunächst auf die nördliche Hemisphäre, für die süd- liche sind die Werthe umzukehren. Die jährliche Wärmemenge, welche hiernach der Aequator erhält, beträgt 1146 . 365.25 = 401 400 Wärmeeinheiten (mit Violle’s Sonnenkonstante); die jährliche Wärmemenge, welche jener Hauptkreis empfängt, wäre im Stande, eine Eisschicht von 5478 Kubikmeter zu schmelzen, wenn sie nicht durch Absorption einigermassen vermindert würde. 250 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. fernung, allein trotzdem bedingt die Stellung der Erdaxe gegen die en fallenden (und als parallel anzusehenden) Strahlen der Sonne, dass die Nord- halbkugel ihren Winter hat, während sie sich in verhältnissmässig gerin- gerer Entfernung vom Oentralkörper befindet. Röllinger berechnet [72], dass sich am Tage des Wintersolstitiums, eines Aequinoktiums und des Sommersolstitiums die Wärmemittel der heissen Zone wie 0,2460237 : 0,3096926 : 0,3252405, diejenigen der gemässigten Zone wie 0,1010123 : 0,2304719 : 0,3630056, diejenigen der kalten Zone wie 0,0000000 : 0,0851898 : 0,3824718 verhalten. Die mittlere Temperatur T eines Parallelkreises trigono- "metrisch durch die Breite @ darzustellen, ist schon öfters versucht worden, wenn auch nicht immer mit Glück. Brewster setzt einfach T= ce cos 9, Lamont setzt T=a-bcosp, Atkinson T=—n-m cos», wo a, b, c, m, n Erfahrungskonstante vorstellen. Nach Hann [73] ist folgende Formel von Haughton brauchbar: T=C cos g (1 + 0,04366 tang’ 9 + 0,00049 tang‘ p), worin C die jährlich den Aequator treffende Strahlungssumme bedeutet. Es sind diess natürlich nicht eigentlich die Temperaturen, sondern vielmehr blos die Strahlungsintensitäten. Schlemüller findet (a. a. O.) für © < 90° — e (= Ekliptikschiefe) eine Doppelreihe, welche T gleich- mässig in @ und e ausdrückt; seine Formel Er I ae 59% Io) me T— Konst. eosg |[1 (5) - sin :- (3 m tang? © ns sin’ © — Rene SR 1 4 1 ds NEL NE ++. tang‘ 1.3 2 sımase 123 oo (i sunse ı . | G6G) ı 2 2. ist ersichtlich eine Erweiterung der Haughton’schen, und ihr Autor giebt an, dass er, bis zum Biquadrat der Tangente fortschreitend, Werthe erhielt, welche von den Dove’schen Mitteln nur unerheblich abweichen. Obwohl die Lösung der Aufgabe, die Jahressumme der Bestrah- lung zu bestimmen, nicht durch geschlossene Formeln zu erbringen ist, so hat doch Meech (a. a. OÖ.) eine graphische Näherungslösung dafür gegeben. Die mittlere Intensität der Bestrahlung der ganzen Tropenzone, der gemässigten Zone und der Polarzone verhalten sich nach den Angaben jenes amerikanischen Mathematikers wie 356,2 : 276,4 : 166,0, die Gesammtwärmemenge, welche der Erde von der Sonne zukommt, kann gleich 1676 . 10° Kalorien gesetzt werden [73], wobei nochmals daran erinnert sein möge, dass eine Kalorie jenem Wärmequantum entspricht, durch dessen Zuführung die Kubikeinheit chemisch reinen Wassers im Zustande grösster Dichte eine um einen Grad Celsius erhöhte Temperatur erlangt. Nun ist aber freilich bis jetzt der absorbirende Einfluss der Erd- atmosphäre noch nicht mit in Anschlag gebracht worden, und doch ist dieser Einfluss kein unbedeutender. Offenbar absorbirt die Lufthülle um so mehr Wärmestrahlen, je grösser der von der Refraktionskurve VII, $. 10. Das solare Klima. 23] (Kap. III, $S. 2) innerhalb der Luft zurückgelegte Wegtheil ist, und die Intensität der Strahlung nimmt mit wachsender Zenitdistanz der Sonne rasch ab. Nennt man diesen Winkel z, ferner J die Bestrah- lungsintensität an der oberen Grenze des Luftsphäroides, J’ die wirk- liche Bestrahlungsintensität und p den Absorptionskoefficienten *), so ist annähernd [74] Me Es ist nach Crova’s Messungen anzunehmen [75], dass unter mitt- leren Breiten selbst bei ganz heiterem Himmel die Hälfte der täglichen Wärmestrahlung bei'm Durchgang durch die Atmosphäre verloren geht. Nach Langley nimmt ferner die Absorption, sowohl in den sichtbaren, wie in den unsichtbaren Theilen des Spektrums zu, während die Wellenlänge abnimmt. Die Wolken- decke erhöht diesen Betrag natürlich entsprechend. Bunsen und Roscoe haben uns in den Stand gesetzt, auch die Abhängigkeit der chemischen Intensität des Sonnenlichtes als eine mit der Höhe der Sonne variirende zu erkennen, während alles Bis- herige sich nur auf die thermische Intensität bezog [76]. Sie machten die wichtige Bemerkung, dass die photochemischen ebenso wie die geometrischen Klimagürtel in ihrer Vertheilung ein weit einfacheres Gesetz befolgen, als die thermischen Zonen. Die folgende Tabelle gewährt uns einige Anhaltspunkte. “ Chemische Intensität Ort Breite Total des Himmels der Sonne Pol... NR: 90° 088% 20 20 Melville-Insel. . . . . 1 12 106 113 Reykiavik (Island). . . 64° 60 150 210 Sp ,Peiersburg .. ... . 60° 89 164 253 Misnehester -. . 2" 5... 53° 145 182 327 Eeidelpere .. ....:.... 49° 182 191 373 N a2) 41° 266 206 472 (ED A N SR 30° 364 217 sl Baniyayı Ne una 192 438 223 661 Ban 2er; 10° 475 226 12708 Basneo 2... 0° 489 22T 716 Wir wollen aber nicht unterlassen, zu bemerken, dass, wie in Kap. III S. 10 erwähnt ist, H. Vogel, auf Grund seiner photographischen Er- fahrungen, gewichtige Bedenken gegen Bunsen geltend gemacht hat **). *) Der Absorptionskoefficient, dessen optisches Seitenstück uns schon in $. 5 des dritten Kapitels begegnet war, ist ein Bruch, dessen Nenner die Anzahl sämmtlicher Wärmestrahlen, dessen Zähler die der wirklich an ihr Ziel gelangten Wärmestrahlen angiebt. **) Die funktionelle Beziehung zwischen Absorptionsgrösse und Woasser- dampfspannung in der Atmosphäre wollte Stow ermitteln [76], doch beschränkte er sich zunächst auf die Verzeichnung der diese Beziehung äusserlich darstellenden Kurven und fand so einen Normalbetrag der Spannung. Erhob sich an einem Tage die Spannung über den Normalbetrag, so sank die Strahlung unter ihren Normalbetrag, und umgekehrt. 352 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. $s. 11. Land- und Seeklima. Durch Vergleichung der in der Nähe des Meeres und der an binnenländischen Stationen gezogenen Wärmemittel fand sich [77], dass nördlich vom 30. Breitegrade das Land auf die Temperatur erniedrigend, in dem 30° breiten Aequator- gürtel dagegen erhöhend auf die Temperatur wirkt. Gemeinsam ist dem Landklima unter allen Breiten eine grössere jähr- liche Wärmeschwankung, wogegen sich das Seeklima durch eine Verminderung der jährlichen Temperaturänderung aus- zeichnet; das Landklima ist excessiv, das Seeklima limitirt. Durch Ferrel, Forbes und Schoch — die Dissertation [78] dieses leider seitdem der Erdphysik völlig entfremdeten Gelehrten ist viel zu wenig bekannt geworden — sehen wir uns in den Stand gesetzt, den Unterschied zwischen den Temperaturen einer Land- und Wasser- . hemisphäre scharf zu fixiren. Hann thut diess in folgender Weise [79]. Versteht man unter A, B, © Erfahrungszahlen, unter n jenen aliquoten Theil des unter der Breite @ gelegenen Parallelkreises, der nicht von Wasser eingenommen wird, so kann man mit Forbes die Temperatur to jenes Kreises durch die Relation tt = A + B cos"» 4 On cos 29 setzen, und zwar ergiebt sich mit Hülfe der kleinsten Quadrate t? = — 10,8° + 32,9° cos’«» + 21,2 n cos 2. Dieser Ausdruck erhebt sich durch seine Genauigkeit über die Be- deutung, welche man sonst empirischen Formeln beilegt, und giebt wirklich ein Bild von der Vertheilung der Wärme auf der Erdober- fläche. Für die Landhalbkugel ist n = 1, für die Wasserhalbkugel n=( zu setzen; es ist mithin ty = — 10,8° -+ 32,9° cos’«p —- 21,2° cos 29; to'® = — 10,8° + 32,9° cos’k op, und es repräsentirt die Differenz 1% — ty(® — 21,2 cos 2% den Unterschied der Temperatur auf der Land- und -Wasserhemisphäre. Am Aequator ist =, eos 20 — nV 22r, Die hier nur ihrem Wesen nach kurz skizzirten Berechnungs- methoden haben zu einem für die Geophysik sehr wichtigen Resultate geführt. Da die südliche Halbkugel mehr Wasser besitzt, als die nördliche, so betrachtete man es bis in die neueste Zeit herein als un- umstössliches Dogma, dass die Südhalbkugel kälter sei, als die Nordhalb- kugel, und die 'Tremperaturbeobachtungen schienen, solange sie sich auf näher am Aequator belegene Stationen bezogen, dieser Annahme nicht zu widersprechen. Es ist Hann’s Verdienst, hier Wandel ge- schafft und den Satz bewiesen zu haben [80]: Zwischen 0° und 45° lat. austr. ist die südliche Halbkugel allerdings kälter, da- für aber zwischen 45° und 90°’ lat. austr. wärmer als die nörd- liche (vgl. I. Band, S. 100). — Wie die jährlichen, so treten auch die täglichen Teemperatur- schwankungen um so bemerkbarer hervor, je weiter man binnenwärts fortschreitet*), und für die Veränderlichkeit des Monatsmittel gilt ein *) Livingstone berichtet, die Felsen erhitzten sich in manchen Gegenden Südafrika’s oft derart, dass sie mit lautem Krachen sprängen, sobald die äusserst intensive Nachtkühle eintritt [81]. In manchen tropischen Binnenländern sind die VIL $. 11. Land- und Seeklima. 259 Gleiches. Die Luft wird im Inneren eines Landes, wie wir bereits (s. 0.) wissen, trockener. Von den durch klimatische Gegensätze her- vorgerufenen Luftströmungen und Winden war bereits in der dyna- mischen Meteorologie die Rede, von dem Einflusse der Meeresströ- mungen wird erst im IV. Kapitel der nächsten Abtheilung die Rede sein können. Etwas für die Klimatologie Hochwichtiges sind die Temperaturunterschiede der West- und Ostküsten der Kon- tinente in höheren Breiten [82], auf welche G. Forster und A, v. Humboldt die Augen der Forscher hingelenkt haben [83]. Der uns aus Kap. VI, $. 9 bekannte Gegensatz zwischen Land- und See- winden reicht vollkommen zur Erklärung dieser Unterschiede aus. An den Ostküsten wehen im Winter trockene und kalte Landwinde, durch welche das Seeklima zurückgedrängt und das Festlandklima bis über die Küste hinaus ausgedehnt wird, während zugleich die Westküste sich des ihr zukommenden Seeklima’s auch wirklich zu erfreuen hat. Im Sommer ist das Verhältniss das gerade umgekehrte, die Ostküste von 45° lat. ab hat ein trübes, nasses Küstenklima.. Sowohl im Winter wie im Sommer steigen demnach die — in Fig. 59 für . den Jahresdurchschnitt dargestellten — Isothermkurven an der Ostseite Asien’s und Nordamerika’s hoch empor. Jeder See und selbst jeder grössere Fluss wirkt ähnlich, wie das Weltmeer, nur natürlich in Miniaturdimensionen [84]. So bemerkt man auf Winchell’s — ohne Ort- und Zeitangabe veröffentlichter — Karte der Isothermen für die grossen Seen, wie die Isothermen daselbst ganz ähnliche Windungen erleiden, wie an den Meeresküsten, und der näm- liche Meteorologe versichert [85], dass dem Ostufer des Michigan-See’s ganz ebenso wie anderen Ländern des Seeklima’s jene Temperatur- excesse, jene Früh- und Spätfröste fehlen, welche für die Unionsstaaten im Uebrigen so charakteristisch sind. Als das klassische Beispiel für die Wirkung des Seeklima’s kann Polynesien, als das klassische Land des Binnenklima’s Nordostasien gelten. Finsch berichtet [86] von den Sandwichinseln, die mit der heissen Insel Cuba unter gleichem Breitekreise liegen, dass sie ein äusserst mildes, dem Europäer sympathisches Klima haben, dass die Wärmeschwankungen ganz unmerklich werden, und dass die tropische Hitze Nordamerika’s dortselbst zu den ganz unbekannten Dingen ge- hörte. Ganz entgegengesetzt liegen die Dinge in Sibirien, wo die Jährliche Oseillation der Wärme den bislang auf der Erde bekannten Maximalgrad erreicht, und wo der Begriff der mittleren Jahrestem- peratur „eine Abstraktion wird, die gar keinen Werth mehr hat und nur noch bei theoretischen Untersuchungen nützlich ist“. Der Sommer ist heiss und kurz, kräftig genug, um eine raschlebige Vegetation hervorzuzaubern, die Winterkälte ist grausam, und es sind zu Jakutsk (— 62°) und zu Werohojansk (— 63,2°) die niedrigsten Temperaturen gemessen worden, von denen man überhaupt weiss [87]. Man kann demnach von einem über Sibirien lagernden Maximum der Nächte so kalt, dass man sich durch ein sehr primitives Verfahren das unent- behrliche Eis verschaffen kann. Man gräbt nämlich seichte, kegelförmige Gruben aus, bekleidet deren Wände mit Stroh und giesst auf dieses Wasser, welches bei der energischen Ausstrahlung des Bodens rasch gefriert. Fa WE } I a Fr Ne RR at ER N ET ER, es NR ER rs I N Ehe) y ee, ‘ Ft, RICK $% 254 Fünfte Abtheilung. Atmospkärolose, Kälte, einem Kältepol, sprechen. Ueber die Entstehung winter- licher Kältecentren im Winter lässt sich Hann [88] folgendermassen vernehmen: Kältecentrum, Kältepol oder Kälteinsel nennt man a 99. = BR NENGSEHTEAISTEIE.E CH PIHPNTAEITKAU VAN Ser £, BS er HER EEIEHUIETEFF (BIZIRNGEIE. | RNACHPPTE TER ON BERERUK SIE WEIRTEINCHNG. ea TINTEN Em aa IL 4mD/ N = Se. | ar en E EZ NR I E I Bo PB REINER DE Kl) | SER VEN SS S 44 IH JAN ESS ER ER RN 3: EN Bei KUNG ISBN ERIRIOUIE SERe. AI WA 9 rue 1 | Na Fr pi ein Territorium von geringem Umkreis, innerhalb dessen die Temperatur überaus tief sinkt. Man nimmt gewöhnlich an, eine solche Insel bilde sich durch Herabsinken höherer, kalter Luftmassen, denn da aufstei- VI, $. 12. Höhenklima. 259 gende Luft kälter wird, so müsste herabsinkende Luft eine niedrige Temperatur mitbringen. Hann will ein solches spontanes Herabsinken kalter Luft nur als ein ganz lokales Vorkommniss zulassen. Wojei- koff zieht den grösseren oder geringeren Schneefall als erklärendes Moment herbei [89]. Eine tiefe Schneelage wirkt, als schlechter Wärmeleiter, als eine Unterbrechung der sonst zwischen Boden und Luft stets bestehenden Verbindung, bei heiterem Himmel theilt sich also die Kälte des Schnee’s der Luft rasch, dem Boden aber nur lang- sam mit, und es können solchergestalt sehr niedrige Lufttemperaturen zu Stande kommen, während ausserdem im Dezember, wo der Boden sich noch etwas mehr Wärme bewahrt hat, als die Luft, ein kalmi- render Ausgleich zu erwarten ist. — Die Theorie von vier stabilen Kältepolen der Erde ist in dieser Form jedenfalls unhaltbar *). $S. 12. Höhenklima. „Die zweite Hauptform des tellurisch mo- dificirten solaren Klima’s ist das Klima, welches von den Erhebungen der Erdoberfläche über das Meer abhängt“ [90]. Der Luftdruck nimmt, wie aus Kap. II bekannt, in so regelmässiger Weise ab, dass Luft- druckmessungen sofort auch als Höhenmessungen verwendet werden können, allein der Klimatologe hat sich um diese Abnahme höchstens insoferne zu kümmern, als daraus gewisse, im zehnten Kapitel zu be- sprechende Krankheitserscheinungen resultiren. Dass die Intensität der Sonnenstrahlung mit wachsender Höhe zunimmt, folgt aus $. 10, weil die Strahlen bis zu den Berggipfeln einen minder grossen Weg inner- halb der Atmosphäre zurückzulegen haben. Auch die Bodenwärme ist auf Bergen eine hohe [91], doch muss dabei die Art der Expo- sition der Bergfläche gegen die Sonnenstrahlen — in der Sprache der Weingärtner die Lage — mit berücksichtigt werden. Dass mit der Höhe auch die Lufttemperatur abnimmt, ist bekannt; über das Gesetz dieser Abnahme sind wir, seit Hann und Weilenmann ihre bezüg- lichen Untersuehungen angestellt haben, einigermassen unterrichtet. Man darf als eine sowohl für tropische wie für aussertropische Ge- birge gleichmässig geltende Erfahrungsregel betrachten [92], dass die Wärmeabnahme für je 100 Meter Steigung 0,58° beträgt. Nicht minder, wie der Temperaturbetrag, ändert sich bei vertikaler Erhebung auch die Art der Temperaturschwankung. Aus Beobach- tungen, welche man in Rigikulm-Zürich, in Bernhardhospiz-Genf und am Fusse wie auf dem Gipfel des 1915 m hohen Mount- Washington (New-Hampshire) angestellt hat, folgert Hellmann [93], dass die Temperatur-Extreme der täglichen Periode in der Höhe nach Zeit und Intensität zusammenrücken ; auf dem amerikanischen Berge betrug die Tagesschwankung im Mai blos 2,43°, während sie unten gleich 6,27° war. Ist diess schon ein klimatischer Vorzug, durch welchen das Höhen- klima dem Seeklima angenähert wird, so erwächst den Bergabhängen und Hügelkuppen noch die weitere Begünstigung geringerer nächt- licher Kälte [94]. *) Diese Beispiele sollen uns nicht etwa schon in die deskriptive Klimato- logie hineinführen, sondern lediglich dem Zwecke der Erläuterung dienen. Wir behalten uns vor, im Anschluss an Supan’s gehaltvolle Arbeiten in $. 2 des nächsten Kapitels des Näheren zu zeigen, wie sich die charakteristischen Merkmale von Land- und Seeklima über die einzelnen Regionen der Erdoberfläche vertheilen. 256 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Mit zunehmender Höhe nimmt ferner der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre ab. Bezeichnet e, die Dampfspannung in der (in Metern ausgedrückten) Meereshöhe h, e, also die Spannung am See- spiegel, so ist nach Hann [95] | le Der Exponentialfaktor beweist uns, dass e, sich sehr rasch verkleinert. Ungleich weniger abhängig von der Höhe erweist sich die relative Feuchtigkeit. Dass die Gebirge als Kondensatoren Häufigkeit und Menge des Regenfalles beeinflussen, ward schon früher hervorgehoben, doch ist natürlich, seemännisch gesprochen, die Leeseite eines Ge- birgszuges von der Luvseite desselben gar sehr verschieden |96]. Sehr belehrend sind in dieser Hinsicht Hellmann’s am Brocken, dem grossen „Kondensator der norddeutschen Ebene“, gesammelte Erfah- rungen. Die Menge des Regenfalles steigert sich schon bei der An- näherung an’s Gebirge [97]; auch existirt an hohen Gebirgen eine obere Grenze der maximalen Niederschlagsmenge [98]. Ueber die Grenze des Schneefalles werden wir uns später (in Kap. III der achten Abtheilung) zu verbreiten haben. Eine sehr wichtige klimatische Thätigkeit üben endlich die Ge- birge dadurch aus, dass sie als Hemmniss des Luftaustausches zwischen den beiden Abhängen und dadurch für einen dieser letzteren als Windschutz dienen [99]. Ein drastisches Beispiel für diesen Windschutz giebt die sogenannte „Riviera* ab, jedoch selbst die ungarische Ebene wird durch die Karpathen einigermassen vor dem Eindringen kalter nordeuropäischer Winde bewahrt [100]. Im Gegen- theile kann dieser Schutz auch zum Nachtheile einer Gegend gereichen, wenn er nämlich die Bildung und Konservirung von Kältezonen för- dert, wie es z. B. in Sibirien (s. o.) der Fall ist. [1] Hellmann, Repertorium der deutschen Meteorologie, Leipzig 1883. Sp. 681. — [2] Ibid. Sp. 166. — [3] Klauprecht, Die Lehre vom Klima in land- und forst- wirthschaftlicher Beziehung, Karlsruhe 1840. — [4] Mühry, Allgemeine geogra- phische Meteorologie oder Versuch einer systematischen Darstellung eines Systemes der Erd-Meteoration in ihrer klimatischen Bedeutung, Leipzig und Heidelberg 1860. — [5] Lorenz-Rothe, Lehrbuch der Klimatologie, Wien 1874. — [6] Hann, Hand- buch der Klimatologie, Stuttgart 1883. — [7] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1854. $. 340. — [8] Hann, Handbuch ete., $.1 fl. — [9] Köppen, Die Wärmezonen der Erde, nach der Dauer der heissen, gemässigten und kalten Zeit und nach der Wirkung der Wärme auf die organische Welt be- trachtet, Meteor. Zeitschrift, 1. Jahrgang. 8. 215 ff. — [10] Karsten, Meteorologische Beobachtungen aus Pelotas in Südbrasilien, Kiel 1879. — [11] Supan, Physische Erdkunde, Leipzig 1884. S. 129 ff. — [12] Hann, Handbuch ete., $. 16 fi. — [13] Ibid. S. 45. — [14] Ibid. $. 47. — [15] Ibid. $. 52. — [16] Wollny, Eine neue Konstruktion der Bodenthermometer für Tiefen von 0,3 bis 1,8 Meter, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 10. Band. $. 149 ff. — [17] Frölich, Zur Theorie der Erd- temperatur, Zeitschr. f. Math. u. Phys., 6. Band. $. 129 fi. — [18] Saalschütz, Ueber Wärmeveränderungen in den höheren Erdschichten unter dem Einflusse des nichtperiodischen Temperaturwechsels an der Erdoberfläche, Astron. Nachr., (2) Nr. 56. — [19] Hann, Handbuch ete., $. 22. — [20] Ibid. S. 24 ff. — [21] Wojei- koff, Ueber die direkte Insolation und Strahlung an verschiedenen Orten der Erd- oberfläche, Göttingen 1865. S. 48 ff. — [22] Hann, Handbuch ete., $. 31. — [23] Ibid. S. 34. — [24] Ibid. S. 39 ff. — [25] Ibid. $. 100 ff. — [26] Ibid. S. 41. — [27] Ibid. 8. 44. — [28] Ihne, Geschichte der pflanzenphänologischen Beob- Citate. DIT. achtungen in Europa nebst Verzeichniss der Schriften, in welchen dieselben nieder- gelegt sind, Giessen 1884. — [29] Köppen, Wärme und Pflanzenwachsthum, Moskau 1830. — [30] Köppen, Die Wärmezonen etc., S. 216 ff. — [31] Linsser, Die perio- dischen Erscheinungen des Pflanzenlebens in ihrem Verhältnisse zu den Wärme- erscheinungen, St. Petersburg 1867; Untersuchungen über die periodischen Lebens- erscheinungen der Pflanzen, ibid. 1869. — [32] v. Oettingen, Phänologie der Dorpater Lignosen, ein Beitrag zur Kritik phänologischer Beobachtungs- und Berechnungs- methoden, Archiv f. Naturkunde Livlands, Dorpat 1879. — [83] H. H. K. Hoff- mann, Zur Lehre von den thermischen Konstanten der Vegetation, Botanische Zeitung, 1830. Nr. 27. — [34] Staub, Beitrag zur Lehre von den konstanten Wärme- summen, (Engler’s) Jahrb. f. Systematik, Pflanzengeschichte und Pflanzengeographie, 3. Band. S. 431 ff. — [35] Rahn,. Ueber phänologische Inversionen, 2]. Bericht d. oberhess. Ges. f. Natur- u. Heilkunde, S. 113 ff. — [36] Hann, Handbuch etec., S. 53. — [37] Hällström, De tempore regelationis et congelationis aquarum flu- minis Kymo, Acta soc. scient. Fenn., Vol. I.. $. 387 fi. — [38] Hällström, Spe- cimina mutati currente saeculo temporis, quo glacies fluminum annuae dissolutae sunt, ibid. 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S. 73 ff. — [47] Kün- zer, Ueber den Einfluss des Waldes auf den Zug der Gewitter im Kreise Marien- werder, Danzig 1880. — [48] Wollny, Untersuchungen über den Einfluss der Farbe des Bodens auf dessen Erwärmung, Forsch. auf dem Geb. d. Agrikulturphysik, 1. Band. S. 60 ff. — [49] Fautrat, Einfluss des Waldes auf die Temperatur, Natur- forscher, 1875. S. 304. — [50] Fautrat, Einfluss von Laubholz im Vergleiche von Nadelholz auf den Regen und den Wassergehalt der Luft, Centralblatt f. Agrikultur- chemie, 1878, I. S. 3 fi. — [51] Ebermayer, Die klimatischen Verhältnisse des bayrischen Waldes und des Spessarts, (Bremer) Geogr. Blätter, 6. Band. $. 47 ff. — [52] Rohlfs, Die Oase Djofra, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 15. Band. 8. 145. — [53] Clave, On the influence of forests on climates, Athenaeum, 1875. Nr. 2483. — [54] Fr. Pfaff, Ueber den Betrag der Verdunstung einer Eiche während der Vegetationsperiode, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 6. Band. S. 10. — [55] Eber- mayer, Mittheilungen über den Kohlensäuregehalt der Waldluft und des Wald- bodens im Vergleiche zu den richt bewaldeten Flächen, (Wollny’s) Forsch. auf dem Geb. d. Agrikulturphysik, 1. Band. $S. 158 ff. — [56] van Bebber, Die Regen- verhältnisse Deutschlands, München 1877. S. 119. — [57] Boussingault, Ueber den Einfluss des Umbruches des Bodens auf die Wasserläufe, Neues Jahrbuch f£. Miner., Geol., Geogn. u. Petrefaktenkunde, 1838. $. 508 fl. — [53] Moreau de Jonnes, Untersuchungen über die Veränderungen, welche durch Ausrodung der Wälder in dem physikalischen Klima der Wälder entstehen, deutsch von M. Wiedemann, Tübingen 1828. — [59] Hahn, Inselstudien, Leipzig 1883. $. 16. — [60] Landolt, Der Wald und die Alpen, Zürich 1880. — [61] Angerer, Die Waldwirthschaft in Tyrol, vom volkswirthschaftlichen, sozialen und geschichtlichen Standpunkt be- leuchtet, Bozen 1883. — [62] Toldt, Zur Waldfrage in den österreichischen Alpen- gebieten, Prag 1883. — [63] Denza, La meteorologia e la fisica terrestre al III. congresso geografico internazionale di Venezia, Roma 1882. S. 16 ff. — [64] Pfeil, Rührt der niedrige Wasserstand der Flüsse und insbesondere derjenige der Elbe und Oder, welchen man in der neueren Zeit beobachtet, von der Verminderung der “ Wälder her?, Krit. Blätter f. Forstwissenschaft, 11. Band. S. 62 fi. — [65] Hann, Handbuch ete., $. 57. — [66] Ibid. S. 79. — [67] Meech, On the relative intensity of the heat and light of the sun, Washington 1856. — [68] Röllinger, Vertheilung der Sonnenwärme auf der Erdoberfläche, Augsburg 1879. — [69] Schlemüller, Vier physikalische Abhandlungen, Prag 1881. S. 16 ff. — [70] Wiener, Ueber die Stärke der Bestrahlung der Erde durch die Sonne in ihren verschiedenen Breiten und Jahreszeiten, Zeitschr. f. Math. u. Phys., 22. Jahrgang. S. 341 ff. — [71] Hann, Günther, Geophysik. II. Band. 17 258 Handbuch ete., 8. 77 fi. — [72] Röllinger, Vertheilung ete., S. 66. — [73] Hann, Handbuch ete., S. 68. — [74] Ibid. S. 69. — [75] Ibid. S. 71. — [76] Stow, On the absorption of the sun’s heat-ray’s by the vapours of the atmosphere, Rep. of the British Association, 1874. S. 39 ff. — [77] Hann, Handbuch ete., $. 85. — [78] Schoch, Darstellung der mittleren Jahrestemperaturen als Funktion der geo- graphischen Breite und Länge, Zürich 1856. — [79] Hann, Handbuch etec., $. 134 ff. — [80] Ibid. S. 92. — [81] Ibid. S. 95. — [82] Ipid. $. 116 ff. — [83] Ibid. S. 120 ff. — [84] Ibid. S. 123. — [85] Winchell, Der Einfluss der grossen amerikanischen Seen auf die Temperatur des Staates Michigan, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 8. Band. S. 40 ff. — [86] Finsch, Zur Kenntniss der Hawaii- (Sandwich-) Inseln, Bremen 1883. S. 19. — [87] Hann, Handbuch ete., S. 528 ff. — [88] Hann, Ueber die Entstehung eines Kältecentrums im Winter, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 10. Band. S. 201 ff. — [89] Wojeikoff, Der Einfluss der Schneetemperatur auf die Entstehung der Kältecentren, ibid. 13. Band. $. 42 ff. — [90] Hann, Handbuch etc., S. 136. — [91] Ibid. S. 146. -— [92] Ibid. S. 152. — [93] Hellmann, Ein Beitrag zur Physik der höheren Luftschichten, Zeitschr. d. öst. Ges. f, Met., 10. Band. S. 296 ff. — [94] Hann, Handbuch etc., S. 158. — [95] Ibid. S. 175. — [96] Ibid. S. 181. — [97] Ibid. $. 185. — [98] Ibid. S. 189. — [99] Ibid. S. 121. — [100] Ibid. S. 223. Kapitel VIII. Spezielle Klimatologie der Erdoberfläche. 8. 1. Klimatographische Monographieen. Kein Zweig der physi- kalischen Erdkunde eignet sich so wenig dazu, in einem umfassenderen Lehrbuche der Wissenschaft eine seiner hohen Bedeutung entsprechende Behandlung zu finden, wie die Klimatographie, die einestheils eine rein beschreibende Wissenschaft ist, anderentheils aber doch auch die Ver- werthung der von der theoretischen Klimatologie aufgestellten Normen für die topische Geographie zu zeigen hat. Hann’s Meisterwerk er- hält diesen seinen Charakter eben besonders dadurch, dass es in seinem zweiten Theile eine mit grösster Umsicht und staunenswerthester Be- lesenheit bewerkstelligte Sammlung klimatographischer Detailschil- derungen darstellt*). Mehr als irgendwo sonst kommt auf diesem Gebiete die Monographie zu ihrem Rechte, und der Versuch, zu didak- tischen Zwecken aus einer Fülle von Monographieen das Gemeinsame und Charakteristische auszuheben, könnte nur dann mit Erfolg gewagt werden, wenn ein unverhältnissmässig grösserer Raum zur Verfügung stände. Es kann ebensowenig unsere Absicht sein, dem Leser eine Uebersicht über die zahllosen Erzeugnisse klimatographischer Schrift- stellerei zu geben. Nur um einige besonders verdienstliche und in methodischer Hinsicht zur Nachahmung zu empfehlende Arbeiten dieser Art namhaft zu machen, nennen wir aus der älteren (Dove’schen) *) Erst während der Ausarbeitung dieses Kapitels kam dem Verf. Nachricht von dem neuen grossen Werke Wojeikoff’s [1] zu, welches er zunächst aller- dings nicht aus eigener Anschauung, sondern nur durch W. Köppen’s Re- cension [2] kennt. Dieser letzteren zufolge scheint dasselbe sowohl in den Aeusserlichkeiten des Planes, als auch der inneren Güte nach sich dem Hann’schen würdig zur Seite stellen zu können. VII, S. 1. Klimatographische Monographieen. 259 Periode die klimatischen Detailschilderungen Coburg’s von Eberhard [3] und Posen’s von Magener [4], welch’ letztere namentlich auch für die durch Entwaldung und Entsumpfung bewirkten Klimaänderungen von Interesse ist; für die moderne Methode charakteristisch können die Untersuchungen von C. Lang [5] über das Klima Altbayerns gelten. Selbstverständlich kann auch die gründlichste Forschungsarbeit auf diesem Felde keinen abschliessenden Schematismus aller klimatischen Verhältnisse liefern, einmal darum, weil eben das Klima selbst nichts Fertiges und Stabiles ist, dann aber auch deshalb, weil jedes neue meteorologische Beobachtungsjahr das Material erweitert und vertieft. So konnte z. B. die an sich sehr verdienstliche Klimatographie der jonischen Inseln, welche Bösser [6] im Jahre 1876 geliefert hatte, nieht mehr ihren normativen Charakter behaupten, nachdem Partsch [7] auf Grund einer sechs weitere Jahre umfassenden Beobachtungsreihe für fast alle klimatischen Faktoren abweichende Durchschnittswerthe berechnet hatte. In der Zwangslage, in welcher wir uns hier dem kleinen Raume und dem massenhaften Stoffe gegenüber befinden, gedenken wir uns in Gemässheit des folgenden Planes zu verhalten. Wir skizziren die Wärme- und Windverhältnisse nach den hiefür grundlegenden Arbeiten Supan’s, benützen für die Vertheilung des Regens die gleichfalls mustergültige Darstellung von Wojeikoff und entwerfen endlich im Anschlusse an Hann eine allgemeine Charakteristik der Erdzonen in klimatologischer Hinsicht. So vorgehend, dürfen wir wenig- stens hoffen, dass über die Beziehungen der klimatischen Elemente zur geographischen Lage einiges Licht verbreitet werde. $S. 2. Die Wärmezonen der Erde. Um die Vertheilung der Wärme auf der Erde klar zu übersehen, darf man nicht lediglich die Mittel- werthe betrachten, sondern man hat auch die Veränderungen der Tem- eratur zu berücksichtigen. Supan that diess [8], indem er auf einer Weltkarte die Isotalantosen oder Linien gleicher Wärme- schwankung zog*). Als Distanz wurde diejenige von 5° gewählt. Da aber, wie wir im Schlussparagraphen des vorigen Kapitels sahen, die Höhe über dem Meere das Klima in der augenfälligsten Weise beeinflusst, so musste sich Supan die Frage vorlegen, ob eine Re- duktion auf den Seespiegel thunlich sei. Er verneinte diese Frage und schloss damit natürlich sämmtliche Bergstationen bei der Verzeichnung der Isotalantosen aus [10]; die aus der Zuziehung der Plateaustationen allerdings entfliessenden Fehler hält er für unerheblich. Aus der Betrachtung dieser Kurven folgt nun das Vorhandensein der folgenden vier Klimate: See- und Aequatorialklima mit einer Schwankung < 15°, Uebergangsklima mit einer Schwankung > 15°’ < 20°, Landklima mit einer Schwankung > 20° < 40% excessives Kontinentalklima mit einer Schwankung > 40°. Aechtes Seeklima besitzen in Europa England, vielleicht die Umgebung der Hauptstadt und diese selbst ausgenommen, sowie die Südwestküste Skandinaviens, der eine oder andere Hafen- *) Eine graphische Arbeit dieser Art ward zwar schon früher von John- ton [9] gefertigt, jedoch noch nicht mit befriedigendem Erfolge. 260 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. platz der Niederlande, der Normandie und Bretagne, die Nord- und Westküste der iberischen Halbinsel und ein schmaler Saum des Mittel- meeres nebst Sicilien. Je weiter man im Mittelmeergebiete nach Osten vordringt, um so mehr zieht sich das Seeklima vor dem Ueber- gangsklima und demnächst dem Landklima zurück. Die starken Biegungen der Isotalantosen im Inneren Europa’s sind — wegen dessen Küstengliederung — leicht, im Inneren Asien’s weit schwerer verständ- lich. Wenn der obere Irtysch excessives Kontinentalklima aufweist, der obere Ob und Jenisei dagegen weniger, so liegt der Grund dafür in den zunächst von Hann einlässlich studirten thermischen Wind- rosen jener Flussgebiete. Nordamerika wie Europa berechtigen zu dem Schlusse, dass nördlich vom 30. Grade Norderbreite das See- und Uebergangsklima auf die Westseiten der Kontinente beschränkt ist; nach Wojeikoff gilt ein Gleiches für die subtropische Regen- zone, und beidemale ist der Grund in der Vertheilung des Luftdruckes zu suchen. Zwischen der alten und neuen Welt treten bezüglich der Wärme- schwankung entschiedene Analogieen hervor, wie dass selbe an der Ost- küste eine grössere Amplitude umfasst, als an der Westküste; je weiter nach Süden man geht, einer umso geringeren Amplitude begegnet man in der neuen Welt, wie sich aus deren Verengerung gegen Süden hin leicht ergiebt. Bei Grönland umgekehrt scheint die Differenz zwischen Maximal- und Minimaltemperatur an der Ostküste geringer zu sein, als an der Westküste. Island hat Seeklima, soweit es vom Golfstrome umspült wird. Von Australien weiss man zur Zeit noch zu wenig Genaues; Südamerika besitzt,. den Komplex zwischen 25° und 43° Süderbreite ausgenommen, blos Aequatorial- und Seeklima und stellt sich dadurch in scharfen Gegensatz gegen Nordamerika*). Im All- gemeinen muss auch auf der Südhalbkugel den Westküsten der Fest- landmassen ein gleichmässigeres Klima zugesprochen werden, als den Östküsten, was sogar für Neuseeland zuzutreffen scheint. Das reinste Aequatorialklima ist vertreten im indischen Ocean mit 0,8° bis 1,2° *) Für die nördlicheren Unionsstaaten ist, wie Ratzel ausführt [11], der Unterschied der Temperatur in den einzelnen Jahreszeiten viel zu gross, als dass aus dem Jahresmittel eines Ortes oder aus dem Gange der Jahresisothermen kli- matologische Schlüsse abgeleitet werden könnten. Sommer- und Winterisothermen weichen ganz ungemein von einander ab. Die Wärmevertheilung ist eben die excessivst kontinentale, welche, von Nordasien abgesehen, die Erde kennt. Wie sehr mit wachsender Breite der Unterschied zwischen berechneter und beobachteter Temperatur sich vermehrt, darüber vergewissert uns folgende von P. Henry (1865) berechnete Tabelle: Differenz ) Breite | Theoretische Mitteltemperatur | Beobachtete Mitteltemperatur = VII, $S. 2. Die Wärmezonen der Erde. 261 jährlicher Temperaturdifferenz. Die mittlere Jahresamplitude, nach einer derjenigen Dove’s nachgebildeten Methode berechnet, beträgt für die nördliche und südliche Hemisphäre jeweils 9° und 5°, in welchen Zahlen sich die Gegensätzlichkeit zwischen Land- und Wasserhalbkugel ausprägt. — Allgemeine Gesetze der Wärmeschwankung mögen etwa sein: dieselbe nimmt von der Küste binnenwärts, vom Aequator pol- wärts zu, so jedoch, dass die betreffende Kurve über den wasser- reichen Theilen der Südhalbkugel wieder stark herabsteigt; die Maxima der Schwankung fallen im Norden in die Umgegend von Kältepolen; oberhalb massiger Tafelländer ist die vertikale Abnahme der Jahres- schwankung geringer, wenn sie nicht sogar ihr Vorzeichen wechselt. Supan schlägt in einer anderen Abhandlung [12] die Einthei- lung in Wärmezonen vor, welche den geometrischen Klimaten zu substituiren wären. Es sind diess: a) Die warme Zone, Dieselbe verläuft zwischen den beiden Jahres- isothermen von 20°. Sie zerfällt in den tropischen Gürtel, der polwärts durch die Temperatur des kältesten Monates von 20° Durch: schnittswärme begrenzt ist, während zwischen dieser und der ange- gebenen Grenze der ektropische Gürtel liegt. b) Die gemässigte Zone. Zwischen den Jahresisothermen von 20° und 0° verlaufend und in einen Aequatorial- und Polargürtel zerfallend. c) Die kalte Zone. Charakterisirt durch andauerndes Bodeneis (I. Band, S. 302). Auch hier wird ein Aequatorial- und ein Polar- gürtel unterschieden, deren Scheidelinie die O°-Isotherme des kältesten Monates ist. Supan’s Klassifikation wird von Hann in der Hauptsache an- erkannt, doch meint derselbe, dass die neuen Zonen für hohe Breiten ihrem Namen kaum weniger Gewalt anthäten, als die Zonen des Par- menides. „Man wird daher berechtigt sein,“ so äussert sich Hann [13], „neben den Temperaturzonen Supan’s auch die älteren Zonen des solaren Klima’s beizubehalten, da auch ihnen eine reale Bedeutung zukommt, und da das solare Klima in seiner Wichtigkeit für die Pflanzengeographie nicht unterschätzt werden darf.“ Es soll hiebei nicht verschwiegen werden, dass W. Köppen in seiner uns aus dem vorigen Kapitel bekannten Studie über die dem menschlichen Organismus am meisten angepassten Zonen zwei neue thermische Grenzlinien — diejenigen, jenseits deren die Mittel- temperatur sich durch einen und durch vier Monate über 10° erhält — als besonders wichtig hingestellt hat [14]. Seine Karte zeigt uns die Wärmegürtel der Erde nach einem neuen Principe, näm- lich nach der Dauer der heissen, gemässigten und kalten Zeit. $. 3. Die geographische Vertheilung des Regens nach Wojeikofi. Es bedarf wohl keiner Rechtfertigung, dass dieser Paragraph im Wesent- lichen nur eine Wiedergabe jener Hauptresultate darstellt, welche der für diesen Theil der physikalischen Erdkunde kompetenteste Forscher erlangt hat [15]. Derselbe hat nicht etwa blos sämmtliche Daten der Festlandstationen verwerthet, sondern er hat auch die Methoden der maritimen Meteorologie, mit welchen uns das zehnte Kapitel bekannt machen wird, in den Dienst der ombrologischen Arbeit zu stellen ge- 262 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. wusst. Auf diesem Wege fortschreitend, sah sich Wojeikoff dazu geführt, die gesammte Erde in Regengebiete oder Regenzonen einzutheilen. Die Grenzlinien dieser Gebiete geben uns ein deut- licheres Bild von der geographischen Austheilung des Regenfalles, als ein solches durch das früher angewandte Verfahren zu erhalten war. Seit nämlich Berghaus die erste Regenkarte seinem „Physik. Atlas“ beigegeben hatte, deutete man, wie Krümmel des Näheren auseinandersetzt [16], die zeitliche Vertheilung der Niederschläge durch Einzeichnung der drei Provinzen des Winter-, Herbst- und Sommerregens an, die verschiedene Intensität jener aber dadurch, dass man die Linien gleicher Regenhöhe (Isohyetosen, Isom- broten) eintrug. Für Böhmen*) hat, wie wir unserer Quelle ent- nehmen, Fritsch, für Frankreich Delesse, für England Keith- Johnston derartige Karten hergestellt (ein hübsches Tableau des letzt- genannten Landes findet man auch in dem vielfach citirten Werke der sechs englischen Meteorologen), Gesammt-Europa ist eben von Krüm- mel sehr sorgfältig kartirt worden. Allerdings können, wie Hann bemerkt [17], all’ diese Darstellungen nicht sowohl dem streng wissen- schaftlichen, wohl aber dem didaktischen Bedürfnisse genügen. Nach diesen Vorbemerkungen gehen wir zu unserer eigentlichen Aufgabe über, zur Aufzählung und Kennzeichnung der Zonen von Wojei- koff*). a) Zonen der Seepassate mit sehr seltenem Regen. Je zwei Ge- biete im grossen und im atlantischen, ein Gebiet im indischen Ocean, für welche die aus kälteren Gegenden kommenden Passatwinde keine Trübung der Atmosphäre herbeiführen. ! b) Gebiet des äquatorialen Regens, mit Verschiebung der Kalmen- zone. Ein schmaler, den Aequator begleitender Gürtel, der sich nur im indischen Meere verbreitert. Humb oldt’s Behauptung, dass die Llano’s des Orinoko ganz des Regens entbehrten, trifft nur für den in diesen Gürtel hineinreichenden Theil derselben zu. *”) Böhmen kann, wie die Dinge heute liegen, als das hyetographische Musterland bezeichnet werden. Das Kronland ist mit einem dichten Netze von ombrometrischen Stationen überzogen. und alljährlich werden die Einsendungen dieser Stationen von Professor Studnicka in Prag gesammelt, diskutirt und in den Denkschriften der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften ver- öffentlicht. **) Wir benützen diese Gelegenheit, zu erwähnen, dass Augustin durch Berechnung einer zehnjährigen Beobachtungsreihe aus den Orten Prag, Zechen (in Schlesien), Wien, Bern und Modena eine tägliche Periode in der Quan- tität des Regenfalles hergeleitet hat [18]. Das Hauptmaximum tritt einige Zeit nach dem Temperaturmaximum ein, gewöhnlich zwischen vier und fünf Uhr des Nachmittages. Das zweite Maximum fällt zwischen neun und zehn Uhr Abends, das dritte zwischen neun und zehn Uhr Vormittags, doch ist dasselbe unbeständig und im Sommer auch ganz verwischt. Das Hauptminimum liegt im ganzen Jahre früh bei vier Uhr Morgens, ein zweites Minimum zwischen sieben und acht Uhr Abends, das dritte Theilminimum fällt auf die elfte Vormittagsstunde. — Die Gesammtpotenz des fallenden Regens auf der Erde berechnet Reuleaux, wie Holzmüller anführt [19], auf 100 000 000 000 Pferdekräfte, also auf das 600fache der von sämmtlichen vorhandenen Dampfmaschinen geleisteten mechanischen Arbeit. Eine gewaltige Zahl, die aber verständlich wird, wenn man bei Gewittern das heftige Plätschern der Regentropfen beachtet; kommen doch nach Krümmel 120] Regentropfen vor, welche nach dem Zerfliessen auf horizontaler Auffangfläche einen 6—8 cm im Durchmesser haltenden Kreis darstellten. VIII, $S.3. Die geographische Vertheilung des Regens nach Wojeikof. 263 c) Gebiet der das ganze Jahr hindurch währenden Regenfälle. Das Maximum erreichen diese Regen während und unmittelbar nach der Kulmination der Sonhe. Das Gebiet ist kein zusammenhängendes, sondern zerfällt in vier Stücke: Centralamerika und Westindien, den mittleren Theil Südamerikas ohne Peru, Südafrika, die westliche Region der Südsee im Südosten der australischen Monsune. d) Subtropische Zone mit regenarmen Sommern. Auf beiden He- misphären, wesentlich aber über dem Weltmeere. Hierher gehört der Süden des Atlantik zwischen 25° und 40° Süderbreite sammt dem Kap- lande, der südliche Theil Australiens mit den angrenzenden Meeren, und ein gleichmässig, wie durch den Atlantik, so auch durch den Pacifik sich hinziehender Parallelstreifen, ferner ein Streifen im nordatlantischen Ocean, der etwa bis zu den Felsengebirgen reicht. Ein anderer Streifen beginnt an den Azoren, geht durch das mittelländische Meer hindurch und läuft in schmalen Zungen einerseits in Persien, andererseits am Balgasch-See aus. In Algerien, das zum grossen Theile in diese Zone fällt, und das durch Raulin [21] und Brocard [22] sehr genau in hyetographischer Beziehung erforscht ward, tritt schon die Eintheilung in eine nasse und in eine trockene Jahreszeit deutlich hervor, welch’ letztere die vier Monate Mai bis September (exklusive) umfasst. Das Bergmassiv des Kabylenlandes erscheint dort am meisten vom Regen begünstigt. e) Zone des vorwaltenden Herbst- und Winterregens mittlerer Breiten. Ihr gehören an der weitaus grösste Theil des Atlantik mit Island, die Westküsten von Norwegen, Grossbritannien, Frankreich, Nordspanien, Norditalien, eine schmale Brücke, die über den Bosporus zum schwarzen und kaspischen Meere hinübergeht, des Ferneren die Osthälfte des Pacifik zwischen 40° und 60° Norderbreite; auf der Süd- halbkugel ein Gürtel, der aus dem atlantischen Ocean kommt, den indischen ganz durchzieht, über Tasmanien und Neuseeland in das stille Meer hinein sich fortsetzt und auch Patagonien’s Westküste in sich aufnimmt. Die Gesammterstreckung dieses Gürtels beträgt 310 Längengrade; den Grund hiefür liefert die Verschiedenheit der Wärme- kapazität von Land und Wasser. Ä f) Zone des vorwaltenden Sommerregenfalles mittlerer Breiten. Auf der Nordhalbkugel ist diese Zone ungefähr durch den 40. Parallel begrenzt, nur in Nordamerika, wo diese Zone auch noch in die vor- mals russischen Gebietstheile übergreift, erstrecken sich zwei Ausläufer bis jenseits dieses Breitegrades. Im Osten haben wir zu nennen Schweden, beinahe das ganze europäische Russland und Westsibirien, den grössten Theil von Oesterreich-Ungarn und Bayern. In Süd- amerika, Afrika und Australien besteht für den Regenfall ebenfalls ein Sommermaximum, wie sich kürzlich erst nachweisen liess. g) Zone des gleichmässig durch alle Jahreszeiten vertheilten Regen- falles. An dieser Zone haben Theil Frankreich, Holland, Dänemark, Südschweden — immer einige Küstenstriche (s. 0.) ausgenommen —, das Ostsee-Litoral, Nord- und Westdeutschland *), Westungarn, Bul- *) Deutschland ist, wie wir hieraus ersehen, kein einheitliches Regengebiet, und dieser Umstand setzt begreiflicherweise Demjenigen, der ein übersichtliches Bild von den Regenverhältnissen unseres Vaterlandes zu entwerfen unternimmt, 264 _ Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. garien und die Krym, die Mehrzahl der Unionsstaaten — Florida und Carolina gehören zu f) —, Canada und die Länder um die Hudsons- bay herum. Auf der Südhalbkugel ist. diese Zone jenseits des 40. Breiten- kreises die herrschende, doch gehört von ausgedehnteren Landkom- plexen nur die neuseeländische Südinsel und die Ostküste Südamerika’s vom Feuerland bis Buenos Ayres hierher. h) Polargebiete mit schneearmem Winter. Es sind ihrer drei: Ein aus dem nordamerikanischen Kontinente herausgeschnittenes gleich- schenkliges Trapez, dessen kleinere Parallelseite noch südlich vom grossen Sklavensee liegt, sodann Grönland*), und endlich Ostsibirien, von welchem jedoch der alleröstlichste Theil noch unter die vorige Rubrik fällt. Diesen Regionen kommt ein entschieden kontinentaler Charakter zu, an dem im Winter auch das Land der nordwestlichen Durchfahrt partieipirt. Sobald in der wärmeren Jahreszeit dort das Meereis aufthaut, fehlt es auch nicht an Niederschlägen. i) Wüsten und Halbwüsten mit einer Niederschlagsmenge unter 250 Millimetern. Zuerst fällt uns hier natürlich die Sahara in’s Auge, deren Regenmangel ehedem den aus Nordosten wehenden Winden zu- geschrieben ward; dieselben sind aber keineswegs centralasiatischen, sondern selbst afrikanischen Ursprunges. Der im Sommer über diesem Wüstenlande sich erhebende heisse Luftstrom veranlasst nach Buys- Ballot’s Gesetze das Einströmen kalter und trockener Winde, die keinen Regen zu bringen vermögen. Nordarabien und Mesopotamien sind ebenfalls sehr trocken, Persien und Belutschistan sind kesselartige Hochländer, zu denen die warmen Winde herabsteigen, indem sie da- bei eine höhere als die zum Verdichten der Dämpfe erforderliche Tem- peratur mitbringen. Die arabisch-kaspische Wüste wird durch einen Streifen, der die schönen Landschaften Persiens mit Ispahan und Schiraz enthält und sich ausgiebiger Winterregen erfreut, von der persischen Wüste getrennt. Die Wüstengegend im chinesischen Turke- stan ist deshalb so regenlos, weil die sie umschliessenden Bergkämme den darüber hinstreichenden Luftströmungen alle Feuchtigkeit entziehen. Etwas regenreicher ist die Gobi. In Nordamerika gehört der ganze Westen der Union, eine schon erwähnte Zone abgerechnet, zu den sehr trockenen Halbwüsten. Die Regenlosigkeit der Kalahari in Afrika hat augenscheinlich die nämlichen Gründe, wie diejenige der turkestanischen Wüste. Das Innere von Australien ist nicht ganz so wasserarm, wie man früher annehmen zu müssen geglaubt hatte. Regenlos ist dagegen die Westküste Südamerikas von 5° bis 30° lat. austr.; bis zu 18° fällt allenfalls noch in den Anden einiger Regen, aber noch weiter südlich ist nicht einmal genug Cisternenwasser zum Trinken vorhanden. k) Territorium des australischen Monsuns. Charakteristisch für diese Dauerwinde (vgl. Kap. VI, 8. 9) ist in hyetologischer Hinsicht, > nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten entgegen. Gleichwohl besitzen wir sehr verdienstliche Arbeiten dieser Art von v.Möllendorff [23], van Bebber [24] und Töpfer [25], von welchen die letztgenannte erst der allerneuesten Zeit angehört. *) Grönland hat allerdings so wenig, wie das soeben erwähnte Deutschland, einen einheitlichen Charakter in Bezug auf Niederschlagsverhältnisse, vielmehr muss der äusserste Südwesten der Rubrik h) abgesprochen werden, da dort zu allen Zeiten des Jahres Schnee fällt. VII, $.3. Die geographische Vertheilung des Regens nach Wojeikoff. 265 dass sie dann, wenn sie vom Land zum Meer wehen, nur wenig, im umgekehrten Falle aber viel Regen bringen. Diese Eigenschaft kommt. mithin einem über Nordaustralien, Neu-Guinea und den indischen Archi- pel sich ausdehnenden Flächentheile zu; die vom Monsun gebrachten sommerlichen Niederschläge dringen tief in das Innere Neuhollands ein. I) Territorium des asiatischen Monsuns. Dasselbe zerfällt in die beiden Einzelgebiete des indischen und des ostasiatischen Monsuns. Ersteres begreift in sich den indischen Ocean mit seinen Golfen, letz- teres das gelbe, chinesische und japanische Meer bis hinauf zu der Halbinsel Sachalin. Diese Definition Wojeikoff’s ist weiter, als die gewöhnliche, stützt sich aber auf Thatsachen, die erst später ermittelt wurden. Ceylon und die Philippinen bekommen den Nordostmonsun über’s Meer, haben also auch im Winter relativ starke Niederschläge. Umgekehrt hat auch die Westküste von Nippon Winterregen. m) Territorium des afrikanischen Monsuns. Diess ist ein südlich der Sahara verlaufendes und genau zwölf Grade umspannendes Band, in welchem Nigritien und der Sudän liegt. Im Winter herrscht Nord- ostwind, als Fortsetzung des Nordostpassates der Sahara, im Sommer prävaliren Süd- und Südwestwinde mit ansehnlichem Regenfalle, durch welchen die Regenzeit, der Charif der Araber, herbeigeführt wird; recht anschaulich hat uns dieselbe Nachtigal geschildert*) [26]. Im Süden grenzt dieses Band an die Zone der regelmässigen Niederschläge an, im Norden an die Wüste. Sintemalen diese Zwischenzone sonach den strengen Gegensatz zwischen Winter und Sommer aufweist, hat Wojeikoff kein Bedenken getragen [27], jene als ein selbstständiges Monsunterritorium aufzuführen. — Die eharakteristischen Niederschlagsmengen der einzelnen Zonen fixirt Wojeikoff (a. a. O.) folgendermassen. Zone I erhält eine Regenhöhe von 0 bis 300 mm pro Jahr, z. B. Ascension 84 mm, Insel Baker in’der Südsee etwa 100 mm. Zone IV enthält Orte von mehr als 200 mm, Zone V solche Gegenden, in denen drei successive Herbst- und Wintermonate nicht weniger als 32 °'o und drei successive Sommer- monate etwa 12% des ganzen Niederschlagsbetrages auf sich nehmen; in Zone VI fallen auf die Sommermonate mehr denn 35 °o. In Zone VII verhalten sich die regenärmsten Monde zu den reichsten, was die Niederschlagsquanta anlangt, etwa wie 1:2 oder auch wie 1:2,5. Zone IX hat als oberste Grenze 200 bis 250 mm (Alexandria 250, Biskra 215). Astrachan hat 143 mm, Nukus am Amu Darja 71 mm Regenhöhe**), am Colorado in Amerika sind 63 und 87 mm gemessen worden. *) Man unterscheidet im centralen Sudän eigentlich drei Jahreszeiten: die Regenzeit im Juni, Juli, August, September, die kühle Jahreszeit im Oktober, November, Dezember, Januar und die warme Jahreszeit im Februar, März, April, Mai. Die kühle geht in die warme Periode ganz unvermittelt und sprungweise über, so dass unser Frühling dort ganz in Wegfall kommt. **) Von der Aralo-Kaspi-Niederung gilt im Wesentlichen das Gleiche, wie für das südliche Russland (8. 0.) [28], d. h. es ist jene Niederung durchaus nicht absolut regenarm, wenn auch der wirklich fallende Regen dem Bedürfnisse der Bewohner in keiner Weise genügt. Lochtin beschreibt uns [29] anziehend, welche Mittel man in jenen Ländern ergriffen hat, um der Natur zu Hülfe zu kommen und den Wassermangel auszugleichen. Hiezu dienen die ausgedehntesten Be- wässerungsanlagen. Im September erreicht der Amu-Darja sammt seinen Tributär- 266 Fünfte Abtheilung. Ä Atmosphärologie. Wojeikoff bilde: das folgende Tableau der N; rin Bike Ost und West, indem er die Procente von der gesammten Nieder- schlagsmenge des Jahres nimmt: Westl. Oestl. (Kap) (Gr. Rainet) Westl. Oestl. Westl. Oestl. Australien (Santiago) (Cordoba) Südafrika Südamerika | Januar u. Februar 5,7 26,8 2,6 18,3 0,5 40,6 am u. Juli... . 32,7 4.9 46,1 13,2 45,9 1.0 Ein ähnliches Tableau verdeutlicht uns die resp. in der alten und in der neuen Welt zwisch Ost und Westseite bezüglich der Pro- cente des Jahresniederschlages bestehenden Gegensätze: Ost-Asien | West-Nordamerika | Ost-Nordamerika West-Europa (Lissabon) (Peking) (San Francisco) (Philadelphia) Juli u. August 1.6 59,1 0.2 19.3 Dec. u. Jan. 25.9 0.8 43.2 16.2 Ostasien mit seinen kolossalen Monsun-Gegensätzen steht sonach im denkbar schärfsten hyetographischen Kontraste zum Osten Nordamerika’s, wo die Vertheilung der Niederschläge eine ziemlich gleichförmige ist. Noch seien aus Wojeikoff’s Abhandlung einige nicht un- wichtige Fakta angeführt. Ein langlebiger Irrthum hatte sich betreffs Südrussland’s eingebürgert, dem noch Peschel mit den Worten hul- digte [30]: „Südrussland gehört trotz seiner winterlichen Schneestürme schon zum subtropischen Gürtel Europa’s, denn die periodischen Winter- regen steigen dort, wie Mühry nachweist, bis zum 50. Breitengrade, - wenn auch undeutlich.“ Leipoldt hat die erforderliche Korrektur angebracht [31]. Man hatte eben aus der allerdings grossen Dürre auf mangelnden Sommerregen geschlossen, allein für den Steppen- charakter ist blos die Regenmenge entscheidend. — Die gewaltigen Wassermengen der chinesischen Flüsse weisen nach Olmham auf ergiebigen Sommerregen im Lande der Mitte hin. — Wie wichtig die Berücksichtigung des Lokalcharakters ist, lehrt uns das Beispiel von Batavia und dem nur 40 km entfernten, aber 270 m höheren Buiten- zorg; die Regen der Küstenstadt halten sich genau an die Monsun- periode, wogegen der Binnenort Regen zu allen Jahreszeiten und fast jeden anderen Tag ein Gewitter (s. Kap. IV, $S. 6) hat! In keinem Theil der Meteorologie ist eben theoretisches Schematisiren so wenig am Platze, wie in der Lehre von der Vertheilung der atmosphärischen Niederschläge. flüssen einen so niedrigen Stand, dass die Ufer stellenweise einstürzen, während zur Hochwasserzeit Veberfluthung eintritt, wie denn die Flüsse kontinentaler Klimate in ihren extremen Wasserständen vielfach die herrschenden Temperatur- extreme abspiegeln. Das Kanalsystem ist auf kommunistischer Grundlage ein- gerichtet x VII, S. 4. Die geographische Vertheilung der Winde nach Supan. 267 Für Deutschland berechnet van Bebber [32] die durchschnitt- liche Regenmenge auf 709,8 mm; die Regenmenge des nördlichen, mittleren und südlichen Deutschland’s sollen sich im Jahre zu einander verhalten wie 100:113:135. Die mittlere Regenhäufigkeit ist hin- gegen, dem nämlichen Gewährsmanne zufolge [33], eine ziemlich kon- stante, und zwar etwa gleich 0,434. $. 4. Die geographische Vertheilung der Winde nach Supan. Maassgebend ist für uns in diesem Paragraphen das uns aus Kap. VI vortheilhaft bekannte Werk Supan’s [34]. Indessen werden wir nicht aus ihm allein schöpfen, sondern zugleich jede uns sich darbietende Gelegenheit ergreifen, um auch den Lokalwinden, die ja oft für den physisch-geographischen Charakter einer Gegend so bezeichnend und deshalb auch von jeder wissenschaftlichen Landeskunde (I. Band, S. 29) zu einem Hauptgegenstande der Erforschung zu machen sind, ihr volles Recht angedeihen zu lassen. Alle regelmässigen Windsysteme (Kap. VI, $S. 9) schliessen wir dagegen aus. Supan benützte für seine systematische Darstellung hauptsäch- lich das grosse und in seiner Art einzig dastehende Werk Coffin’s, welches von diesem, trotz der darauf gewandten Arbeit eines Lebens, nicht mehr vollendet werden konnte, sondern von seinem Sohne und von Wojeikoff (auf Kosten der Smithsonian Institution) herausgegeben werden musste [35]. Ausreichend erwies sich dasselbe allerdings nur für Amerika und für die Meere. Für Deutschland konnten die Arbeiten Hellmann’s [36], für den atlantischen Ocean diejenigen Toynbee’s |37] und Brault’s [38], für Indien diejenigen Blanford’s [39] Verwendung finden. Ausserdem hat Supan die Washingtoner Originalbeobachtungen selbst berechnet [40]. Wir be- sprechen nun die Windverhältnisse der einzelnen Länder für sich. a) Skandinavien. Der klimatisch günstige Charakter der West- küste von Norwegen ist weniger durch den Golfstrom, als durch die herrschenden Winde bedingt [41]. Der norwegische Winter ist dann am mildesten, wenn zwischen Norwegen und Spitzbergen sich eine kräftige barometrische Depression entwickelt, so dass ein kräftiger Strom aus Südwesten einfliesst. Im Herbst, Winter und Frühling wehen an Norwegens Küste meist Südwinde, wogegen zur Sommerszeit an der West- und Nordküste ein Polarstrom herrscht, der nach Ley’s Depressionskarten durch die Bewegung sehr vieler Minima in derselben Richtung (Kap. VI, $S. 10) seine Richtung erhält. Vom nördlichen inneren Schweden ist nur bekannt, dass dort, wie auf den norwegischen Fjelden, Kalmen vorherrschen, doch rufen die Seen manche lokale Störung hervor. Die nordschwedische Küste zwischen Tornea und Gefle steht insoferne im Gegensatze zur Westküste, als im Sommer, Herbst und Winter die Aequatorialströmung*) den Ton angiebt; ein Gleiches gilt für Südschweden**). In Island beginnen die Süd- und *) Man möge sich daran erinnern, dass Supan die Dove’sche Terminologie nur aus Gründen der Bequemlichkeit und Kürze sich zu eigen macht, aber ganz und gar nicht den von ihrem Urheber gewollten Sinn damit verbindet. **) Ganz eigenartige, wennschon dem Allgemeinbilde der Gegend nicht zu- widerlaufende Verhältnisse scheint der einspringende Winkel darzubieten, in dessen Spitze die Königreiche Schweden und Norwegen an einander stossen. Eine trefi- K 268 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Südwestwinde bereits eine untergeordnete Rolle zu spielen [43], auf Spitzbergen beobachtete Nordenskiöld vorwiegend östliche und süd- liche Winde, im Frühjahr durch häufige Windstillen unterbrochen [44]. b) Grossbritannien. Die Winde wehen hier gerade so, als wäre gar kein Land an dieser Stelle vorhanden [45]. Aequatoriale Strö- mungen dominiren fast immer im Jahre, namentlich im Herbst und Winter, wodurch sie den Inseln ihr temperirtes Seeklima noch er- höhen*). Auch hier, wie in a), wirken die Windströmungen noch günstiger, wie jene des Meeres. c) Frankreich. Dasselbe zerfällt, seiner orographischen Gliede- liche Monographie des Badearztes Curman von Lysekil, welche zu unserer Verwunderung den klimatologischen Schriftstellern ganz entgangen zu sein scheint, charakterisirt die gleichmässig warmen Temperaturverhältnisse des Küstenrandes nördlich von Götheborg [42]. Es genügt, sich in Fig. 60 die von Curman ab- Fig. 60. N N Sk 0 w ) S Ky Sjlt Lyscekil N ? N W o w 0) 5 S Kiel. Helgoland gebildeten Windrosen der vier Orte Sylt, Helgoland, Kiel und Lysekil näher an- zusehen, um das ungemein kräftig ausgesprochene Vorwiegen westlicher und süd- licher Winde über östliche und nördliche zu erkennen und daraus die Ueberzeugung zu gewinnen, dass in der That nicht leicht im Norden eine bessere Disposition zum klimatischen Kurorte angetroffen werden möchte. *) Für England’s Klima ist es charakteristisch, dass dort eine Menge süd- licher Gewächse, welche anderwärts unter gleichen oder niedrigeren Breitengraden unfehlbar erfrieren würden, überwintern können, ohne in geschützten Räumen untergebracht zu werden. Die Rebe dagegen gedeiht auf den britischen Inseln nicht, obwohl bereits Kaiser Probus dieselbe daselbst angepflanzt haben soll. Wein bedarf eben einer nicht sehr lang andauernden, aber jähen Hitze (der August soll „kochen“), und eine solche ist mit dem Küstenklima des Landes, wie wir wissen, unverträglich. u en a Dir! N NE. Ta 4 > ea VII, $S. 4 Die geographische Vertheilung der Winde nach Supan. 269 rung halber, in ein oceanisches und in ein mediterranes Windgebiet [46] ; Belgien nimmt an ersterem Theil. Im Allgemeinen werden durch die herrschenden Winde die Winterisothermen nach Norden, die Sommer- isothermen nach Süden verschoben; diess wirkt auf das Klima in dem Sinne, dass Nordfrankreich keinen Weinbau treiben kann. Die bur- gundische Ebene, der Jura, das Lyonnais und die Provence müssen als gesonderte Gebiete gelten, und in jedem derselben weht als präponde- rirender Wind der Mistral, der sich bis gegen Perpignan und San Remo hin bemerklich macht. Es ist diess ein „kalter, trockener, in heftigen Stössen auf das Meer sich hinausstürzender Landwind ,“ wie sich Hann ausdrückt [47], der an dem wüstenartigen Aussehen der „französischen Sahara“, der von Martins [48] einlässlich beschriebenen Crau, die Hauptschuld trägt. Nach Th. Fischer ist der Mistral für Marseille an 175 Tagen nachweisbar, am meisten aber scheint Avignon demselben ausgesetzt zu sein. d) Dänische Inseln und Jütland. Das ziemlich selbstständige Wind- system Dänemark’s gemahnt mehr an Südschweden, als an Norddeutsch- land. Aequatorialströmungen herrschen vor; ihr Minimum fällt in den ‚Frühling, ihr Maximum in den Herbst. e) Niederlande und Norddeutschland. Eine Gerade, die aus dem nordwestlichen Pommern über Berlin nach dem oberen Main ge- zogen wird, scheidet das deutsche Reich in zwei Windsysteme. Hier haben wir es zunächst nur mit dem nordwestlichen Theile zu thun, welcher allerdings mit dem südöstlichen Vieles gemein hat, so besonders das Vorwiegen der Aequatorialströmungen im Winter, während im Sommer der Gegensatz ein schärferer wird. Die Isobaren laufen den Breitenkreisen nahe parallel, während sie gegen die 'Trennungslinie hin eine Umbiegung nach Süden erfahren. — Eine Uebergangszone nimmt Mittel- und Oberrhein *), die bayrische Hochebene und das Maingebiet in sich auf, während der Osten Preussen’s mit Schlesien schon den für das östliche Europa überhaupt charakteristischen Wind- typus aufweist: Aequatorialwinde im Herbst und Winter, Polarwinde im Frühling und Sommer. f) Die Alpenländer. Die Schweiz nimmt, ihrer abgesonderten Gebirgslage halber, an den grossen europäischen Luftbewegungen kaum einen grösseren Antheil, als die norwegischen Fjelde. Kalmen sind häufig. Da die Hauptkämme der Alpen und des Jura von Süd- west nach Nordost streichen, so wiegen an der Nordabdachung auch die Südwest- und Nordostwinde vor. Auf dem Rigi und Uetliberg zeigt die Fahne meistentheils Westwinde. Charakteristisch sind für einzelne Gegenden der Schweiz zwei Lokalwinde: der Fön (s. Kap. VI S. 5) und die Bise, ein aus dem Rhonethal hervorwehender, zur Gattung der Seewinde (Kap. VI $. 9) gehörender Sturmwind, der von den Schiffen des Leman sehr gefürchtet wird und, je nach dem *) Man darf diess natürlich nur so verstehen, dass im Grossen und Ganzen gemeinsame Verhältnisse bestehen, denn selbst für das kleine Gebiet unserer Reichslande glaubt ein genauer Kenner der dortigen Verhältnisse, Grad, drei verschiedene kleinere Klimaprovinzen auseinanderhalten zu müssen [49]: die eigent- liche Rheinebene von Basel bis zum Haardtgebirge, das Vogesen-Vorland und das Innere dieses Gebirges, zu welchem auch die angrenzenden französisch ge- bliebenen Landestheile gehören. 270 Fünfte Abtheilune. Atmosphärologie. Orte seines Auftretens, verschiedene Namen führt, die Grube sämmtlich aufzählt [50]. Besonders unangenehm kann die Komplikation werden, wenn der auch in Genf noch verspürbare Mistral (s. 0.) entgegenweht. Das österreichische Alpenland wies gute Stationsbeobachtungen nur für Innsbruck, Graz und für den Hochobir in Kärnthen auf, und Supan musste erst die zusammenfassende Bearbeitung derselben vornehmen [51]. Das nördliche Tyrol und Salzburg gehören dem westeuropäischen Wind- gebiete an, und für den isolirten Schafberg gilt Aehnliches, wie für den Rigi. Tyrol’s Westen kennt als Lokalphänomen den „Seefelder Wind“ auf der von Telfs gegen die Wettersteingruppe hinaufziehenden Hochebene. In den östlichen Alpenländern gravitirt das Windsystem schon gegen den osteuropäischen Typus; die Karawanken und krai- nischen Alpen repräsentiren eine Wetterscheide, und nur der tiefe, schmale Riss des (von der Pontebba-Bahn durchzogenen) Fellathales verleiht dem Kessel von Tarvis einen schwankenden Witterungs- charakter. Das österreichische Donauthal öffnet sich mit begreiflicher Vorliebe den Westwinden. g) Die Karpathenländer. Die Isobaren zwischen 40° und 50° lat. zeichnen sich (s. 0.) durch eine scharf markirte Ausbuchtung nach Südosten aus; eine die Winkelpunkte verbindende Linie wird von Wojeikoff die grosse Axe des Kontinentes genannt [52]. Dieselbe bezeichnet sonach einen Strich hohen Barometerstandes, von dem — ähnlich wie die Gewässer von einem wasserscheidenden Kamme — die Luftmassen nach beiden Seiten hin abfliessen; so kommt der von uns bereits gelegentlich erwähnte Unterschied zwischen ost- und westeuropäischem Windgebiete zu Stande. Zwischen Cilli und Graz ist diese Axe deutlich ausgeprägt, weiterhin durchzieht sie Ungarn und Galizien. In der ungarischen Ebene, in Siebenbürgen, Östgalizien und im grössten Theile Rumäniens kommen Nordwest- und Südostwinde am häufigsten vor. Die nach der Isobarenkarte zu erwartenden südöstlichen und östlichen Winde sind für Ungarn ver- hältnissmässig selten, wohl deshalb, weil dasselbe vom Mittelmeere durch Gebirgswände getrennt ist, während längs der Donau die Luft einen ungehinderten Abfluss hat; Nordwestwinde lösen demzufolge den Nordost ab. Supan bestreitet zwar diese Erklärung W ojeikoff’s, allein dieselbe scheint uns doch die richtige zu sein. Ersterer unter- scheidet in dem uns hier beschäftigenden Territorium sechs in sich ge- schlossene Gruppen: den Nordostabhang der Karpathen, welcher in seiner Zugehörigkeit zu einem der beiden europäischen Windsysteme mit den Jahreszeiten schwankt, das Dnjester- und Pruththal, für welches die analoge, nur vom Flusslaufe vielfach beeinflusste Eigenthümlichkeit besteht, das oberungarische Bergland, welches den Uebergang von Galizien zur ungarischen Ebene vermittelt, Westungarn, welches im Winter in seinen Windverhältnissen sehr den Mittelmeerländern ähnelt, Östungarn mit einer Art von Monsunwechsel, der ebenfalls durch das grosse europäische Binnenmeer bedingt erscheint, endlich Siebenbürgen mit sehr starken lokalen Eigenthümlichkeiten. So zeigt sich beispiels- weise eine Abart des Föns in dem warmen „Rothenthurmwind“ der Hermannstädter, Der vehemente Südostwind, welcher um die Zeit der Tag- und Nachtgleichen das östliche Ungarn durchbraust und von Umlauft beschrieben ward [53], heisst die Koschava. VII, $. 4 Die geographische Vertheilung der Winde nach Supan. 271 h) Osteuropäische Ebene, Das nördliche Russland participirt im Winter am nordatlantischen, im Sommeram asiatischen Windsysteme [54]. Auf der Insel Novaja Semlja werden im Winter besonders häufig Südwinde bemerkt, welche nach Spörer die Diagonale der Südwest- winde der See und der von der Ostküste kommenden Thalwinde dar- stellen. Finnland theilt sich in drei gesonderte Windgebiete, indem namentlich die Südküste ihren eigenen Monsun besitzt. Die ÖOstsee- provinzen stehen noch unter demselben Gesetze wie die preussische Seenplatte. Der Uebergang von diesem Cirkulationsbereiche zu dem Inneren Russlands prägt sich aus in den am lJimensee gelegenen Stationen, wo im Frühling bereits die Seewinde fehlen. Im centralen Russland kommen die Polarwinde auch im Winter häufiger vor, und mit dem Fortschreiten nach Süden treten die Aequatorialwinde mehr und mehr zurück. Noch südlicher erreicht man endlich die Kontinental- axe, die von Sacharnaja am Ural über Zarizyn an der Wolga nach Alexandrowsk am Dnjepr zieht, um nördlich von Kischenew in die Karpathen einzudringen. Ciskaukasien wird im Winter von zwei Gebieten hohen Druckes eingeschlossen und ist dann durch Windstille ausgezeichnet, im Sommer hat der Norden Ost- und Westwinde, während im Süden ein Bergwind nach der erhitzten Thalebene hin- weht. — Russland als Ganzes schuldet den Dank für sein doch immer noch gemässigtes und nicht allzu kontinentales Klima seiner Wind- vertheilung: im Sommer wirken die polaren Winde abkühlend, im Winter ist es bei’'m Mangel von Kalmen verhältnissmässig warm. i) Balkanhalbinsel und Archipelagus. Subtropischer Charakter manifestirt sich hier im Sommer durch die Konstanz der aus Norden wehenden Winde. Vergleicht man die Beobachtungslisten von Kon- stantinopel und Chios miteinander, so stellt sich heraus [55], dass die Westküsten des Mittelmeeres in Bezug auf den klimatischen Einfluss der Winde sehr begünstigt sind *). In Dalmatien und Albanien ist die Jahresfrequenz der polaren Winde grösser als die der äquatorialen. k) Italien. Nach Supan [58] bildet im Winter die lombardische Ebene die Vermittelung zwischen dem nord- und südeuropäischen Windgebiete, polare und äquatoriale Ströme halten sich hier das Gleichgewicht. Im Sommer bewirkt dort die Störung des thermischen Gleichgewichtszustandes das Hereinwehen alpiner Winde. Im Küsten- gebiete der Adria herrschen im Winter Nordost- und Ostwinde, Venedig hat grossentheils Nordwind. Die Emilia wird Winters von westlichen, Sommers von östlichen Luftströmungen durchzogen. Das tyrrhenische Küstengebiet von San Remo bis Neapel liefert den Beweis, dass die nördliche Passatgrenze auch über dem Festlande mit der Sonne auf- und abwandert. — Wichtig für die apenninische Halbinsel sind zwei ihr und ihren Adjacenten eigenthümliche Lokalwinde, der Scirocco *) An den Dardanellen weht der zuerst von Maclaren [55] erkannte und mit diesem Namen belegte Ventus hellesponticus durch mindestens zehn Monate im Jahre und zwar in der Richtung gegen das ägäische Meer hin. Schlie- mann, dem seine archäologischen Beschäftigungen nicht hinderlich zu sein scheinen, um auch für die Natur noch ein offenes Auge übrig zu haben, bemerkt [56], dass- sich die chronische Richtung dieses Windes in der Stellung der Bäume des Rhoe- teums und des untersten Abschnittes der trojanischen Ebene ausdrückt, indem dieselben (eine Eichen-Art) ausnahmslos gegen West-Südwest geneigt sind. 272 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. und die Bora. Unter ersterem versteht man, wie Hann ausführt [59], einen ungewöhnlich warmen Südwind, der feucht und schwül die Regen- zeit der mittelwarmen Länder einleitet und früher, ehe Dove diese Hypothese in seiner bekannten Monographie zunichte machte [60], von Vielen mit dem Fön identificirt ward. Süditalien und Sicilien haben ihren besonderen Scirocco, der heiss, trocken und staubführend ist; er ist es, von dessen bleischwerem Drucke auf alles Organische die Reiseberichte so viel zu melden wissen. Der Ansicht, dass der von diesem südlichen Scirocco herübergewehte Staub der Sahara entstamme, glauben wir mit Rücksicht auf Sprung’s Eröffnungen über die ge- staltlichen Verhältnisse der Trägheitsbahn nicht beipflichten zu können. Klarer ist der Ursprung der Bora [61]; dieselbe ist ein ganz ähnlicher Wind wie der Mistral (s. o.), wird aber, da die Gebirge der istrischen und dalmatinischen Küste, aus welchen sie hervorgeht, steil geböscht zur See abfallen, recht eigentlich zum Fallwind. Die Bora grenzt an der dalmatinischen Küste oft ziemlich unvermittelt an den Scirocco an. Geradezu verheerend äussert sich die Bora (der Borino) ın Istrien und am ungarischen Ufer bei Fiume, doch leiden unter ihr auch die Lombardei in ihrem östlichen Theile und Friaul; in Triest fegt sie mitunter die Strassen so rein, dass dieselben ihrer Glätte halber kaum mehr zu begehen sind. Auch am schwarzen Meere ist eine Bora durch v. Wrangell nachgewiesen worden; der Grund für ihr Entstehen wird wohl der gleiche sein, dass nämlich über dem schwarzen Meere — wie dort im Südosten des adriatischen — ein Luftdruckminimum sich bildet, welches aspirirend auf die über den Gebirgsmauern Cirkassien’s lagernden Luftmassen wirkt und diese zu Jähem Sturze nöthigt. l) Iberische Halbinsel. Im Winter bestehen drei Windgebiete, deren Randlinien auf die grossen Wasserscheiden fallen [62]: bis zum cantabrischen Gebirge reicht das nordatlantische System, im Bereiche der vier grossen atlantischen Flüsse dominirt der Nordostwind, und das Ostgebiet unterliegt einer Depression, welche sich über dem mittelländischen Meere westlich von Oorsica ausbreite. Im Sommer dagegen bilden Spanien und Portugal ein Windsystem für sich, und zwar nimmt der Luftdruck gegen das Innere hin ab. — Auch Spanien hat seinen Scirocco, den Leveche, der oft mit dem Solano Süd- spaniens konfundirt wird, jedoch mit Unrecht [63], da letzterer (s. o. Kap. VI, $. 5) mehr einen Föncharakter trägt. Der trockene, heisse Leveche weht aus Südost, Süd oder Südwest an der Mittelmeerküste hin; seine Südgrenze bezeichnet etwa Malaga. Auch der Leste Madeira’s, ein Ostwind, der nach Hellmann seinen Namen eigent- lich als „le Este“ geschrieben haben sollte, gehört in diese Kate- gorie [64]. m) Afrika. Diesen Kontinent charakterisirt Supan |65] durch den Hinweis darauf, dass er das ganze Jahr hindurch die Stätte einer barometrischen Depression ist, deren Oentrum der Sonne bei ihrer (scheinbaren) Bewegung folgt. Auf jeder Seite des Aequators bilden sich so drei Windzonen heraus. In Nordafrika begegnen wir zunächst dem Windgebiete der westlichen Sahara, mit prävalirendem Nordost, sodann dem auch den mittleren Nil einbegreifenden Windgebiete der östlichen Sahara, mit prävalirendem Nordwest und Nord, welcher auch VII, $. 4. Die geographische Vertheilung der Winde nach Supan. 273 für Aegypten die Regel abgiebt, und endlich dem Windgebiete des oberen Nil, wo in der trockenen Zeit Nord mit Nordost, in der nassen Zeit Süd mit Südost abwechselt.e. Sudän und Senegambien haben Nordost im Winter, Südwest im Sommer und vielfach Kalmen*); Oberguinea ist durch ständige Südwest- und Südwinde charakterisirt. An der Danakilen-Küste dreht sich der Wind, wie Zöppritz |67] darlegt, mit auffallender Gleichmässigkeit im Sinne der Dove’schen Regel. Aehnliches gilt auch für die Umkreisung des barometrischen Minimums im Süden von Afrika [68], und es entwickeln sich in Folge dessen im Quadranten unten rechts östliche und nordöstliche Winde, im Matabele-Lande hat Mauch auch: häufige Westwinde konstatirt. An der Westküste Südafrika’s giebt die Süd- und Südwestrichtung immer den Ton an, wie denn Stanley’s Reise mit einem solchen, ‚Congo-aufwärts wehenden Dauerwinde zu kämpfen hatte [69]. — Ein ausgebreiteter und gefürchteter Lokalwind der nördlichen Wüstenregion ist der Samum, der in Aegypten Chamsin heisst [70]. Er zieht auch Arabien und Syrien mit in seinen Bannkreis, erhitzt die Luft- temperatur unter Umständen bis auf 50° und entwickelt, wie oben (Kap. IV, 8.4) erwähnt, intensive Reibungselektrieität. Der Chamsin ist in Unterägypten eine häufige Erscheinung, in Kairo weht er durchschnitt- lich blos an 11 Tagen im Jahre, in Alexandrien aber schon dreimal so häufig [71]. In der Trockenheit und im Staubgehalt ähnlich dem Samum verhält sich der Harmattan der Goldküste, der aber sonst kühl ist und die Mitteltemperatur in nicht nennenswerther Weise be- einflusst [72]. n) Hoch- und Ostasien. Westsibirien hat im Herbst, Winter und Frühling Aequatorialwinde, im Sommer, wo sich seine Druck- und Temperaturverhältnisse von denjenigen Russland’s wenig unterscheiden, Polarwinde. Der ostsibirische Kältepol giebt Anlass zur Entstehung einer Anticyklonalbewegung mit vorherrschenden Kalmen. Die paci- fische Küste und Kamtschatka sind dagegen in’s ostasiatische Monsun- gebiet einzubeziehen [73]. Dasselbe erstreckt sich nach Wojeikoff, wie schon erwähnt, vom Wendekreis bis zum 60. Parallel und umfasst das ochotski’sche Meer, das Amurland, Sachalin, Korea, Japan und Nordchina bis zum oberen Hoangho [74]. Den japanischen Inseln schrieben die Geographen — auch noch Peschel-Leipoldt in der ersten Auflage [75] — ein durch die umgebende Meeresströmung be- wirktes sehr mildes Klima zu, allein jetzt weiss man, dass die herr- schenden Nord- und Nordwestwinde viel Kühle mit sich bringen. Freilich kennt man mit voller Genauigkeit die Windverhältnisse nur für Tokio und Yokohama. — Von den trockenen — d. h. nicht mit atmosphärischem Schneefall begleiteten — Schneestürmen Sibiriens, die man Burane oder Purga’s nennt, sind wir seit v. Middendorff’s Expedition in die Tundren genau unterrichtet [76]. Es sind Wirbel- *) Speziell für die Umgebung des Tsad-See’s giebt Nachtigal an [66], ‘dass den grössten Theil des Jahres über östliche Winde wehen, und dass diese Regelmässigkeit nur durch die Regenzeit beeinträchtigt wird. Dann beherrscht nämlich den Vormittag ein stürmischer Westwind, während für die zweite Tages- hälfte der Ost wieder die Oberhand gewinnt. Im Juni tritt dieses Ablösungs- verhältniss sehr bestimmt hervor, im Juli und August nimmt der Westwind mehr und mehr ab, und der Oktober sieht die völlige Restitutio in intesrum. Günther, Geophysik. II. Band. 18 2374 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. stürme, die wahre „Schneehosen* (Kap. VI, $. 11) bilden und jedes Jahr ihre Opfer an Thieren und Menschen heischen. Der Schnee ist somit nur ein Accidens; wären die von der Cyklone befallenen Flächen mit Sand, statt mit Schnee, bedeckt, so würde man einen Sandsturm, ähnlich demjenigen der afrikanischen Sandebenen, beobachten. Im äussersten Norden Asien’s, bei Ustjansk, sind die herrschenden Winde Monsune von grosser Reinheit [77]. o) Indien und Innerasien. Blanford’s Hauptresultate betrefis der vorderindischen Windbeziehungen drängt Supan in die nach- stehenden Sätze zusammen [78]: „Im Winter nimmt der Luftdruck gegen den Aequator zu ab und bewirkt eine polare Strömung vom Lande gegen das Meer, die in den Ebenen des Pendschab, Ober- und Centralindien’s und Assam’s, vielleicht auch am Südabhange des Hi- mälaya, ihren Ursprung hat und die grossen Thäler entlang einerseits zum arabischen Meere, andererseits zum Busen von Bengalen abfliesst. Kalmen sind im Inneren (wohl auch auf dem Plateau von Dekhan) sehr häufig.* Hiedurch sind Dove und Mühry widerlegt, welche beide die ostindischen Winde grossentheils nach Centralasien zurück- verfolgen zu können vermeinten. Hinterindien liegt ganz im Monsun- gebiete; die Grenze zwischen den beiden im Archipel auftretenden Monsunsystemen mag etwa bei Amboina liegen [79]. Das innere Asien, über welches Prshewalski und Wojeikoff Licht verbreitet haben, hängt also mit Indien nicht in dem früher geglaubten Maasse zusammen, doch ist der im Sommer vorherrschende Südost immerhin noch eine indirekte Konsequenz des Monsuns. Kalmen giebt es ın Tibet und Turkestan viele, wenn auch nicht mehr so viele, wie in Sibirien. Die grosse meteorologische Axe Wojeikoff’s setzt sich auch nach Turkestan hinein noch fort; welche Scheidung der Winde (in nördliche und in südliche) durch dieselbe herbeigeführt wird, ist uns bekannt. Die Umgegend des kaspischen Meeres hat ausgesprochenen Landwind. — Dem Gangesthal sind in den Monaten März und April heisse Winde charakteristisch, deren Richtung mit jener des Fluss- laufes übereinstimmt [80]. Dieselben wehen jedoch blos am Tage, nicht auch während der Nacht. p) Westasien. Für Transkaukasien und Armenien sind wesentlich die zwischen Land- und Seewinden obwaltenden Beziehungen be- stimmend [81]. Den armenischen Hochthälern gebricht es an rascher Cirkulation der dortigen Luft, dieselbe stagnirt, und es entsteht Wind- stille. Mesopotamien steht ebenso wie Arabien unter dem Einflusse des indischen, Kleinasien unter dem des mittelländischen Meeres. q) Australien. Im Sommer ist das australische Windsystem ein selbstständiges, der Kontinent erhitzt sich, über ihm entsteht eine Depression, die Luft strömt allseitig von der See in’s Land hinein, und das Buys-Ballot’sche Gesetz regulirt die Richtung dieser Luft- strömungen. Im Winter beherrscht Nordaustralien der Monsun [82]. — Die ganze Küstenregion des Welttheiles ist heissen Winden ausgesetzt, auf welche von Neumayer und Hann [83] das Augenmerk der Witterungskundigen gelenkt ward. Diese Winde wetteifern an er- hitzender Wirkung mit dem ägyptischen Chamsin; am stärksten wehen sie in dem Intervall November bis Januar. ' VIH, $. 4. Die geographische Vertheilung der Winde nach Supan. 275 r) Südamerika. Im Grossen und Ganzen ist die Variation des barometrischen Minimums und damit der Wechsel der Windrichtungen für diesen Erdtheil dieselbe, wie für Südafrika, soweit nicht die Cor- dillerenkette die Luftverbindung der beiden Oceane aufhebt. Hiernach muss man von einander sondern die Westabdachung und die Ost- abdachung |84] der Anden. Erstere zerfällt wieder in vier Zonen: Die patagonische mit beständigen Aequatorialwinden, die chilenische, in welcher die warme Jahreszeit Polar-,. die kalte Aequatorialwinde hat, die von kontinuirlichen Polarströmen durchzogene peruanische und die feuchte Aequatorialzone mit West-Nordwestwinden. Weit weniger klar liegen die Dinge im Osten, wo während des Sommers Paraguay als Windscheide zu wirken scheint. s) Mittelamerika und Mexiko. Im Winter regiert der Nordost- Passat. In Westindien bewährt sich die Gültigkeit von Dove’s Regel [85]. t) Nordamerika. Aus Coffin’s Werk erhellt [86], dass dieser Kontinent im Winter zwei Gürtel hohen Luftdruckes aufweist. Im Uebrigen sind fünf anemographische Gebietstheile zu erkennen, nämlich I. das atlantische Küstengebiet bis hin zu den Alleghanies, II. der Längsstreifen zwischen diesem Gebirgszuge und dem Mississippi, Ill. der Streifen zwischen Mississippi und Felsengebirge, IV. die pacifische Küste, V. das polare Nordamerika. In Gebiet I steigert sich die Frequenz der Aequatorialwinde mit sich vermindernder Breite, bis endlich im Süden das reine Verhältniss von Land- und Seewind sich offenbar. Auch in Gebiet II sind die Aequatorialwinde die vor- herrschenden |87|, besonders in Tennessee und Ohio. Je mehr man in Gebiet III der eigentlichen Prairieregion sich nähert, umso häufiger werden die Polarwinde, doch stehen unter ihrem Einflusse die Staaten Arkansas und Texas nur den Winter über [88], während im Sommer ein mächtiger Luftstrom vom Golfe herkommt. Im Winter Columbia’s treten die ersten Anzeichen pacifischer Südwestwinde hervor, doch dringt Gebiet IV im Allgemeinen nicht sehr tief in's Binnenland ein [89]. Alaska’s Winde pflegen häufig und unregelmässig umzu- springen; die Erforschung des früher russischen Ländertheiles lässt aber noch viel zu wünschen übrig. Gebiet V ist im Winter von Nord- westwinden heimgesucht. Die Südwestwinde des Ostens der Union sind noch an der Jamesbay, die Ausläufer der Süd- und Südostwinde des Mississippi- und Missourithales sind noch am Winipeg und am oberen Mackenzie nachweisbar [90]. u) Atlantischer Ocean. Nach Brault begegnen wir im Nord- und Südabschnitte des Atlantik zwei im Sommer mehr, im Winter weniger ausgedehnten Anticyklonen mit weit geringerer jahreszeitlicher Ver- schiebung, als auf Maury’s Autorität hin angenommen worden war [91]. Hienach kann man unterscheiden: I. eine nördliche Zone der West- winde zwischen 65° und 30° Norderbreite, II. eine eigentliche Passat- zone zwischen 30° Norder- und 35° Süderbreite, III. eine südliche Zone der Westwinde, welche etwa vom 60. Parallel der Südbalbkugel begrenzt wird. v) Stiller Ocean. Die pacifischen Luftströmungen weichen von den atlantischen in vier Hauptpunkten ab [92]. Erstens nämlich ist zu beachten der Monsunwechsel nördlich des 25. Breitengrades, zweitens DE ) urn a ER a N ar SHE { ar Rz r a SH ae, Ar 276 Fünfte Abtheilung. " Atmosphärologie. der australische Monsun, drittens der südasiatische Monsun und viertens die Bifurkation des Südostpassates durch eine Zunge rückkehrenden Passates, deren Axe die Richtung Südost-Nordwest einhält. ‚w) Indischer Ocean. Er zertheilt sich in gleichfalls vier Haupt- windgebiete |93]: Die nordäquatoriale Monsunzone, das südäquatoriale Monsungebiet, die Passatzone und die Zone der Westwinde. x) Antarktische Länder. Nach Ross gewinnen jenseits des 65. Parallels im Sommer polare und östliche Winde die Oberhand; um den Pol herum lagert sich eine Anticyklone [94]. — Somit glauben wir unsere Aufgabe, die Gesammtoberfläche der Erde anemographisch zu skizziren, gelöst zu haben. Wenn die Meere etwas kurz wegzukommen scheinen, so erinnere man sich, dass die regelmässigen Windsysteme ja schon im sechsten Kapitel ihre Erörte- rung gefunden haben. | S. 5. Allgemeine Charakteristik der Hauptklimate. In seinem trefflichen Werke, welches durch die Fülle der beigebrachten Details sich auszeichnet, hat Hann auch dafür gesorgt, durch generelle Schil- derungen die Gefahr eines Versinkens in Einzelheiten abzuhalten. Drei meisterhafte Abschnitte sind den klimatischen Verhältnissen der Tropenzone [95], der gemässigten Zone [96] und der kalten Zone [97] gewidmet. Dieser Paragraph ist ein Auszug aus den betreffenden Abschnitten. a) Das Tropenklima.. Grundzug desselben ist eine grosse Regel- mässigkeit, ein Zurücktreten jener unperiodischen Witterungserschei- nungen, welche zum Sonnenlaufe in keiner Beziehung stehen. Was Peschel mit Unrecht für die ganze Erde vorgeschlagen hatte [98], Identifieirung von Klima und Wetter, das lässt sich für die Tropen- zone allerdings durchführen. Der Gradient der Isothermen ist klein, die normale Distanz dieser Kurven also gross. Ungemein fühlbar macht sich allenthalben die starke Sonnenstrahlung. Gleichwohl kann man sagen, dass das Klima ein ziemlich stark ausgeprägtes oceanisches ist, was ja auch bei der Vertheilung von Land und Wasser nicht wohl anders sein kann. Die Luftströmungen kommen vorwiegend aus Osten — man denke an das hiefür klassische Land Bornu —, und im All- gemeinen erhält die Luft der tieferen Schichten ein Gefälle gegen den Aequator hin (Passate). Neben ihnen spielen die Land- und Seewinde, denen in gewissem Sinne auch die Monsune zuzurechnen sind, eine grosse Rolle. „Mit dem zeitweiligen oder gänzlichen Aufhören des sonst konstant wehenden Passates oder mit dem Eintreten des Sommer- monsuns hängt das im Tropenklima wichtigste Ereigniss, der Eintritt der Regenzeit, zusammen.“ Viele Gegenden, welche dem Aequator benachbart sind, haben zwei mit dem Durchgang der Sonne durch’s Zenit korrespondirende Regenzeiten, doch ist es irrig, anzunehmen, dass diese Gegenden einen rings um den Gleicher herumreichenden Gürtel erfüllten. Die Luftfeuchtigkeit ist in der tropischen Küsten- region, absolut wie relativ genommen, eine hohe, die Bewölkung be- wegt sich in Extremen, so dass mehrere Monate fast gar keine, mehrere Monate wiederum nur schwere, finstere Wolken am Firmamente zu sehen sind. VII, $. 5. Allgemeine Charakteristik der Hauptklimate. IT b) Das gemässigte Klima. Es ist diess in Wahrheit ein sehr schlecht gewählter Name, denn Schwankungen der meteorologischen Elemente sind für die „gemässigten* Zonen an der Tagesordnung. Soweit allerdings das Wohlbefinden des Menschen von der Temperatur beeinflusst wird, trifft die Bezeichnung besser zu (vgl. Kap. I der neunten Abtheilung). Vorherrschend sind die Westwinde, welche uns auch die Sturmwirbel bringen und recht eigentlich das Wetter machen (Kap. VI, S. 10). Was das Studium der Witterungsverhältnisse in den gemässigten Zonen so schwierig macht, das ist die Abhängigkeit jener von Temperatur- und Druckvertheilung zwischen den Wende- kreisen; nach Hann ist die Aufsuchung dieser Beziehungen „eine der wichtigsten nächsten Aufgaben der Meteorologie und der vergleichenden Klimatologie“. c) Das kalte Klima. Das zeitweise Fehlen jeder Bestrahlung, welches für die „Sphaera parallela“ der Pole volle sechs Monate dauert *), und das sehr schiefe Einfallen der Sonnenstrahlen während des übrigen Jahres bestimmt die niedrige Allgemeintemperatur der Polarzonen. Die grösste Winterkälte ward allerdings bis jetzt in der Nähe des nördlichen Polarkreises angetroffen — von Hayes am Smithsund, von v. Middendorft in Sibirien —, doch liegt das Gebiet der niedrigsten mittleren Jahrestemperatur innerhalb der Polarkalotte selber. Immer- hin kann die langwährende Insolation des „ewigen Tages“ eine reiche, natürlich kurzlebige Vegetation hervorzaubern. An einzelnen Orten ward das beobachtet, was Dove eine Dämmerung der Wärme genannt hat. Lie Luftfeuchtigkeit ist zum Theile bedeutend und eine schlimme Plage für die Entdeckungsreisenden auf ihren Schlittenexpe- ditionen; dagegen ist die Luft des amerikanischen Polargebietes sehr arm an Wasserdampf. Niederschlagsmenge und Bewölkungsgrad sind im Verlaufe des Polarwinters sehr geringfügig, wenn man das Gestade und die Küsteninseln des relativ warmen, weil von Meeresströmungen durchzogenen nordeuropäischen Eismeeres ausnimmt. Dabei ist aber die Luft — selbst an klaren Tagen — stets mit feinen Eisnadeln („Diamantstaub“) erfüllt. Der Polarwinter hat sich von je als ein schlimmer Feind den aus der Kulturwelt stammenden Eindringlingen gegenüber erwiesen, wie uns ganz neuerlich wieder die verunglückten Fahrten der „Jeanette* und des Lieutenants Greeley schrecklich vor die Seele geführt haben, der Pölarsommer dagegen, der sich durch eine immer gleichbleibende Wärme auszeichnet, gilt mit Recht als sehr gesund. [1] Wojeikoff, Die Klimate des Erdballes, insbesondere Russland’s, St. Peters- burg 1884. — [2] W. Köppen, Recension hiezu, Meteor. Zeitschrift, 1. Jahrgang. S. 298 ff. — [3] Eberhard, Zur Klimatographie Koburg’s und seiner Umgebung, Koburg 1856. — [4] Magener, Das Klima von Posen, Posen 1868. — [5] C. Lang, Das Klima von München nach 67jährigen Beobachtungen dargestellt, München *) Dafür, dass die von Pytheas (I. Band, $S. 6) zuerst wahrgenommene Thatsache einer zeitweiligen Versetzung der Sonne in die Klasse der Cirkum- polarsterne doch auch im Mittelalter anerkannt wurde, liefert einen sehr inter- essanten Beleg das von Doberentz edirte und kommentirte geographische Lehr- gedieht des Rudolf von Hohenems (XII Jahrhundert) [99]. 978 tete, 1883; Ein Beitrag zur Klimatologie der schwäbiseh-bayrischen Hochebene, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 18. Band. S. 150 ff. — [6] Bösser, Klima von Corfu, Janina und Smyrna, Schleswig 1876. — [7] Partsch, Beiträge zur Klimatologie der griechi- schen Halbinsel, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 19. Band. $. 223 ff. — [8] Supan, Die Vertheilung der jährlichen Wärmeschwankung auf der Erdoberfläche, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 1. Jahrgang. $. 141 ff. — [9] Johnston, Proceedings of the Royal Society of Edinburgh, Vol. VI. $. 561 ff. — [10] Supan, Die Vertheilung ete., S. 146. — [11] Ratzel, Physikalische Geographie und Naturcharakter der Ver- einigten Staaten von Nordamerika, München 1878. $. 309 ff. — [12] Supan, Die Temperaturzonen d. Erde, Petermann’s geogr. Mittheil., 1879. S. 349 ff. — |13] Hann, Handbuch der Klimatologie, Stuttgart 1883. $. 235. — [14] W. Köppen, Die Wärme- zonen der Erde, Meteor. Zeitschrift, 1. Jahrgang. S. 218. — [15] Wojeikoff, Ver- theilung der Niederschläge, Zeitschr. £. wissensch. Geogr., 1. Jahrgang. S. 189 ff. S. 258 fi. — [16] Krümmel, Die Vertheilung der Regen in Europa, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde in Berlin, 13. Band. $. 97 ff. — [17] Hann, Bericht über die Fortschritte der geographischen Meteorologie, Wagner’s geogr. "Jahrbuch, 8. Band. Gotha 1881. S. 97. — [18] Augustin, Ueber den wu Gang des Regenfalles, Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. d. Wissensch.,. 1881. S. 439 ff. — [19] Holzmüller, Eine Dampfmaschinen-Plauderei. Zeitschr. f. math. u. ae: Unterricht, 15. Jahr- gang. S. 486. — [20] Krümmel, Regentropfen von ausserordentlicher Grösse, Meteor. Zeitschrift, 1. Jahrgang. 8. N [21] Raulin, Observations pluviometriques, Bordeaux-Paris 1876. — [22] Brocard, Carte des pluies en Algerie, Assoc. franc. pour l’avancement des sciences, seance du 18 avril 1881. — [23] v. Möllendorff, Die Regenverhältnisse Deutschlands, Görlitz 1855. — [24] van Bebber, Regentafeln für Deutschland, Kaiserslautern 1876; Die Regenverhältnisse Deutschland’s, Mün- chen 1877. — [25] Töpfer, Untersuchungen über die Regenverhältnisse Deutsch- land’s, Görlitz 1884. — [26] Nachtigal, Das Klima von Kuka am Tsade in Bornu, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde in Berlin, 7. Band. S. 469 fi. — [27] Wojeikoff, Die Vertheilung ete., S. 259 ff. — [28] Ibid. S. 193. — [29] Lochtin-Kohn, Die jetzige Lage der Amu- „Niederung, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 1. Jahrgang. 9. 237 fi. — [30] Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde, Leipzig 1878. 8. I — [31] Peschel- Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band, Leipzig 1880. S. 273. [32] van Bebber, Die Regenverhältnisse Deutschl. S. 50. — [33] Ibid. $. 72 fi. — [34] Supan, Statistik der unteren Luftströmungen, Leipzig 1881. — [35] Coffin, The winds of the globe, Washington 1875. — [36] Hellmann, Die Winde von Norddeutschland, Mittheil. d. k. preuss. statistischen Amtes, 34. Heft. — [37] Toyn- bee, On the physical geography of the part of the Atlantic, wich lees between 20° N. and 20° S., and extents from 70° to 40° W., London 1876. — [38] Brault, Etude sur la circulation atmospherique de l’Atlantique nord. Paris 1877. — [39] Blanford, The winds of Northern India in relation to the temperature and vapour-constituant of the atmosphere, Proceed. of the Royal Society, 1874. Nr. 150. [40] Supan, Statistik ete., $S. 166. — [41] Ibid. S. 40 fl. — [42] Curman, Om klimat och bad vid Sveriges vestkust, Stockholm 1879. — [43] Hann, Hand- buch ete., S. 714. — [44] Ibid. S. 719. — [45] Supan, Statistik ete.. $. 56. — [46] Ibid. S. 58 ff. — [47] Hann, Handbuch ete.. $. 436. — [48] Martins, Von Spitzbergen zur Sahara; Stationen eines Naturforschers, deutsch von Vogt, Jena 1872. S. 135 fi. — [49] Grad, Essais sur le climat des Vosges et de T’Alsace, Mülhausen 1870. — [50] Grube, Geographische Charakterbilder,. 1. Band, Leipzig 1855. S. 147. — [51] Supan, "Statistik etc., 8. 82 ff. — [52] Ibid. 8. 86. — [53] Umlauft, Die Koschava, der Aequinoktialwind Ungarn’s, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 5. Jahrgang. "8.330 #. — [54] Supan, Statistik ete., 5. 92 1 — [55] Maclaren, de plains of Troy described, Edinburgh 1863. S. 215. — [56] Schlie- mann, llios, ‘Stadt und Land der Trojaner, Leipzig 1883. S. 101. — [57] Supan, Statistik ete.. $. 106. — [58] Ibid. S. 109 ff. — [59] Hann, Handbuch etc., $. 439. — [60] Dove, Ueber Eiszeit, Föhn und Seiroeco, Berlin 1867, [61] Hann, Hand- buch etc., 8. 438. — [62] Supan, Statistik ete. „ 8. 115 ff. — [63] Hann, Hand- buch ete., 8. 440. — [64] Ibid. $S. 441. — [65] Supan, Statistik etc., $. 199 I. — [66] Nachtigal, Das Klima etc., $. 468. — [67] Zöppritz, Bemerkungen über W, Zichy’s meteorologische Beobachtungen und Höhenbestimmungen, Peter- Be geogr. Mittheil., 1872. S. 136. — [68] Supan, Statistik ete., $. 128 ff. — [69] Stanley, Durch den dunklen Welttheil, 2. Band, Leipzig 1878. $. 335. — [70] Hann, Handbuch ete., 8, 441. — [71] Ibid. S. 443. — [72] Ibid. $. 255. — [73] Supan, Statistik ete. 8. 181 8. — [74] Ibid. S. 134 ff. — [75] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band, Leipzig 1880. $S. 76. — [76] Hann, Handbuch etc., IX, $. 1. Thatsachen wahrscheinlicher Schwankungen. 2379 S. 518 ff. — [77] Ibid. S. 728. — [78] Supan, Statistik ete., S. 140 ff. — [79] Ibid. S. 146 ff. — [80] Hann, Handbuch etc., S. 292. — [81] Supan, Statistik etec., S. 148 f. — [82] Ibid. S. 150 ff. — [83] Hann, Handbuch ete., $. 638 fi. — [84] Supan, Statistik ete., S. 153 ff. — [85] Ibid. 8. 157 ff. — [86] Ibid. S. 160 ff. — [87] Ibid. S. 172 ff. — [88] Ibid. S. 182 ff. — [89] Ibid. S. 192 f. — [90] Ibid. S. 196 #. — [91] Ibid. S. 201 ff. — [92] Ibid. S. 226 ff. — [93] Ibid. S. 258 ff. — [94] Ibid. S. 276. — [95] Hann, Handbuch ete., S. 377 ff. — [96] Ibid. S. 2. — [97] Ibid. S. 698 ff. — [93] Ibid. S. 743 ff, — [99] Doberentz, Die Erd- und Völker- kunde in der Weltchronik des Rudolf von Hohenems, Zeitschr. f. d. Phil., 43. Band. S. 19. Kapitel IX. Säkuläre Schwankungen des Klima’s. S. 1. Thatsachen, durch welche solche Schwankungen wahrschein- lich gemacht werden. Es ist eine allgemeine und in weite Volkskreise sich verzweigende Ueberzeugung, dass das Klima eines Landes oder sogar der klimatische Gesammtzustand der Erde nicht zu allen Zeiten derselbe, sondern beträchtlichen Schwankungen ausgesetzt sei. Seit geraumer Zeit sind die Gelehrten bemüht, reelle Gründe für das Be- stehen solcher Aenderungen aufzusuchen, und dieses Bemühen ist nicht erfolglos geblieben, wenn auch nicht in der vielfach gemuthmassten Ausdehnung. Soviel konnte allerdings bei aufmerksamem Zusehen nicht verborgen bleiben, dass dereinst einmal eine niedrigere Gesammt- temperatur geherrscht haben musste, freilich lange vor unseren histo- rischen Zeiten. Pilar stellt einige der sprechendsten Belege für diese Annahme zusammen [1]. Die organischen Ueberreste der jüngeren Ablagerungen sprechen für eine frühere Verschlechterung des Klima’s. Die Knochen von Thieren (Murmelthier, Schneekauz), die jetzt nur noch dem eigentlichen Hochgebirge angehören, werden tief unten in Höhlen gefunden. Heer glaubt auch annehmen zu dürfen [2], dass die Alpenflora in der Vorzeit überall in die Tiefebenen hinabreichte, wie denn die den Alpen- und Polargegenden gemeinsamen Arten nur durch eine frühere Verbindung erklärt werden könnten. Auch die Fauna im britischen und adriatischen Meere weist Ueberbleibsel einer ark- tischen Fauna auf. Alles diess würde jedoch zu einem exakten Be- weise nicht hinreichen, wenn es nicht einer Theildisciplin der allge- meinen Geologie, welche man mit vollem Rechte als die „glaciale“ bezeichnet, gelungen wäre, ganz triftige Belege dafür aufzu- finden, dass ein ganz unverhältnissmässig grösserer Theil der Erdoberfläche, als es heute der Fall ist, mit Eis über- zogen oder vergletschert war. Wir gehen auf diese Beweise jetzt nicht näher ein, weil dieselben in Kap. III der achten Abthei- lung ohnehin zur Sprache zu kommen haben, und weil es uns an dieser Stelle einzig darauf ankommen kann, die meteorologischen Vorbedin- gungen klarzustellen, durch welche eine solche Periode der Vereisung, die sogenannte Eiszeit, möglich gemacht wurde. Erst nachdem wir uns mit dieser beschäftigt haben, können wir der noch weit schwieri- geren, weil noch weit weniger direkte Anhaltspunkte bietenden Frage 280 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. _ näher treten, ob seit dem Beginne menschlicher Geschicht- schreibung die uns aus Kap. VII bekannten klimatischen Faktoren eine nennenswerthe und des Nachweises fähige Aenderung erlitten haben. Bei der Erörterung dieser beiden Fragen können wir reichlich schöpfen aus den bezüglichen Mono- graphieen von Sartorius v. Waltershausen [3], v. Czerny [4] und Polluge [5], welch’ letztere selbst jedoch sich vielfach auf zwei der vorzüglichsten Arbeiten auf dem Gebiete der vergleichenden und geschichtlichen Klimatologie, nämlich auf diejenigen Theobald Fi- scher’s [6], stützt. Für die spätere Zeit dagegen wird unser haupt- sächlichster Führer Dufour [7] sein, dessen bezügliche -Arbeit wir zu unserer Verwunderung von meteorologischen Schriftstellern weit seltener citirt finden, als man nach deren Bedeutung zu erwarten be- rechtigt wäre. $. 2. Die Eiszeit, Wenn wir nach den Ursachen der Eiszeit forschen, so ist die Aufgabe ersichtlich in eine doppelte, in eine näher- und in eine fernerliegende, zu zerlegen. Die erstere lautet: Wie mussten Luftwärme und Feuchtigkeitsverhältnisse beschaffen sein, um’ eine solch’ ungewöhnliche und nach unseren heutigen Begriffen nur den Cirkumpolarländern zukommende Ausdehnung des Eises zu er- möglichen? Die zweite lautet: Welche tellurische oder auch kosmische Veränderungen standen im Hintergrunde, als die klimatischen Faktoren sich in der angegebenen Weise bethätigten? In diesem Paragraphen soll nur die erste Frage daran kommen, aus deren Diskussion ja auch schon für die andere einige Aufklärung zu erhalten sein wird. Jeden- falls wollen wir aber, um uns vor Täuschungen und Uebertreibungen zu hüten, nicht den Grundsatz vergessen, dass einanomaler Feuch- tigkeitszustand der Atmosphäre auch bei minimaler Mo- difikation der Allgemeintemperatur viele Glacialphäno- mene zu erklären vermag. Hierauf hingewiesen zu haben, ist vornehmlich das Verdienst Wojeikoff’s [8], vor dessen Auftreten man wohl etwas allzukühn mit gigantischen Temperaturdepressionen operirt hat. Der russische Forscher führt uns die Analogie Neuseeland’s und Patagonien’s vor, wo heute noch mächtige Gletscher, an ihren Seiten theilweise von üppigem Pflanzenwuchse umsäumt, bis an das Meer hinabreichen, während doch die mittlere Jahrestemperatur eine ziemlich hohe ist; er verweist auf die uns aus dem vorigen Kapitel bekannten Orte Ost- asien’s mit expressiver Winterkälte, die es trotzdem nicht zur Gletscher- bildung bringen. Die südliche Hemisphäre bietet uns vielfach kühle Sommer, relativ milde Winter, grosse Niederschlagsmengen und dichte, für die Sonnenstrahlen undurchdringliche Nebel, und überall da, wo diese Vorbedingungen zusammentreffen — wie z. B. auf der Kerguelen- Insel mit einer Mitteltemperatur ‚von -— 4° —, begegnen wir enormer (Gletscherentfaltung. Dass dergleichen auf unserer Hemisphäre erst weiter im Norden eintritt, so in Spitzbergen und in dem — durch Nordenskiöld’s Expedition als eine wahre Gletscherwüste erkannten — Grönland, das ist einfach den warmen Meeresströmungen zuzu- schreiben. Auch Innerasien liefert Beispiele für die Wichtigkeit der Rolle, welche bei jeder Vergletscherung die Feuchtigkeit der Luft zu IX, 8.2. Die Eiszeit, 981 spielen berufen ist. Am Westabhange des Pamir giebt es Gletscher, weil dort in grösseren Höhen auch der Schneefall ein beträchtlicher ist, östlich davon vermögen sich bei der dort herrschenden Trocken- heit nur kleine Schneefelder zu erhalten. In Nordchina und in der Mongolei ist zwar die Trockenheit keine so grosse, dafür aber hindert dort der Einfluss der periodisch wehenden Winde die Entstehung von Gletschern. Man darf aus dieser Sachlage den Schluss ziehen, dass Ostasien auch damals eisfrei war, als Europa fast durchaus eine Eis- decke trug, und in der That ist durch v. Richthofen und Fr. Schmidt in China und den Amurländern keine Spur einstmaliger Vereisung nach- zuweisen gewesen, in Sibirien aber erst in Gegenden von weit ge- ringerer Durchschnittstemperatur. Dass immerhin natürlich auch im westlichen Europa die Jahres- wärme zur Eiszeit eine geringere gewesen sein muss, als gegenwärtig, will Wojeikoff nicht leugnen; die sonstigen klimatischen Verhält- nisse dieser Erdgegend erkennt er als der Eisbildung im Grossen förderlich an [9]. Dass diese letztere in Nordamerika besser von statten gehen konnte, als in Asien, während doch sonst beide Konti- nente sich recht ähnlich verhalten, ist durch das Fehlen der Monsune und durch die Nähe des reiche Niederschläge liefernden mexikanischen Golfes genugsam erklärt. Die Wärmeveränderungen, welche durch das Gebunden- und Freiwerden der Wärme bedingt sind, verdienen umsichtigste Berücksichtigung; würden doch die dem solaren Klima entsprechenden Temperaturen hoher Breiten weit mehr mit der Wirk- lichkeit übereinstimmen, wenn nicht so viel Wärme zum Schmelzen von Schnee und Eis verwendet werden müsste; das gletscherreiche Grönland und das gletscherarme Island können diess Verhältniss ver- sinnlichen. | Wojeikoff stellt zum Schlusse seiner Untersuchung siebzehn Sätze auf, mit denen er die Bedingungen einer über grosse Erdräume sich erstreckenden Gletscherentwickelung cha- rakterisirt. I. Das Wasser mildert die Gegensätze der Temperatur in Raum und Zeit; Il. von der grossen Wärmekapacität jener Flüssig- keit abgesehen, hat man auch auf die mit den Aenderungen des Ag- gregatzustandes verknüpften Umsetzungen von mechanischer Arbeit in Wärme und umgekehrt Bedacht zu nehmen; III. die temperatur- mildernde Wirkung ist bei den Meeresströmungen intensiver, als bei den Winden; IV. doch helfen auch die Winde dazu, die Temperatur der Meeresströmungen weiter zu verbreiten; V. die Meeresströme danken ihre Entstehung den Winden*); VI. am wichtigsten sind wegen ihrer Beständigkeit die Passatwinde; VII. das Hineinwehen des Südost- passates in die Nordhemisphäre befördert in dem Atlantik und Pacifik viel wärmeres Wasser nach Norden; VIII. dieser Umstand bedingt das 'Temperaturübergewicht der Nordhalbkugel über den äquatorialen Theil der Südhalbkugel**); IX. dieses Uebergewicht manifestirt sich ”) Diesen Satz führen wir hier nach unserer Vorlage nur historisch an und behalten uns seine Erhärtung für das von den Meeresströmungen handelnde Kapitel der nächsten Abtheilung vor, dessen Fundamentaltheorem er bildet. **) Wir geben diese achte und ebenso die zehnte These in einer weit ein- geschränkteren Form wieder, als Wojeikoff dieselben aussprach, weil wir uns in ihrer Allgemeinheit nicht mit ihnen einverstanden erklären können. 282 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. besonders auf dem freien Meere und an den Westküsten der Konti- nente; X. das der Südhalbkugel entzogene warme Wasser hat die Rückwirkung, dass eben der äquatoriale Theil jener Halbkugel ver- hältnissmässig sehr kalt ist; XI. die grosse Ausdehnung der Meere südlich von 40° lat. austr. begünstigt Entstehung und Entfaltung der Gletscher, und auf den grossen Meeren herrscht eine mittlere Tem- peratur von circa 0°, welche der Vereisung besonders günstig ist; XII. dagegen können sich in unseren Breiten kompakte Eismassen minder leicht bilden, weil über den durch Ströme erwärmten Oceanen bis in sehr ‘nördliche Gegenden hinauf mehr Regen als Schnee zu fallen pflegt; XIII. insbesondere gilt das für Hochasien, wo auch während der eigentlichen Eiszeit Gletscher in grösserem Maassstabe nicht existirt zu haben scheinen; XIV. in Westeuropa muss während der Eiszeit die Mitteltemperatur um mehrere Grade niedriger gewesen sein, als sie heutzutage ist, und gewisse Gegenden Südrussland’s, welche stets ohne Wasser- und Eisbedeckung waren, müssen damals wärmer gewesen sein, als jetzt die argentinischen Pampas; XV. einer unge- wöhnlich grossen Gletscherentwickelung muss ein Untertauchen von Land vorhergegangen sein; XVI. die wechselnden Excentricitätsver- hältnisse der Erdbahn können eine Erklärung für die Aenderung des Charakters der Jahreszeiten liefern; XVII. allgemeine Eisbedeckungen, welche vom Pole aus bis zum 45. Breitengrade sich erstreckt hätten, haben wir kein Recht anzunehmen, da grosse Meere überhaupt nicht gänzlich zugefrieren, und da das trockene Kontinentalklima gleichfalls der Gletscherbildung nicht günstig ist, so dass eisfreie Meere und eis- freie Landflächen der Regel nach zusammen vorkommen werden. Neuerdings hat Penck auf ein Moment aufmerksam gemacht, welches zu der siebzehnten These Wojeikoff’s in enger Beziehung steht [9]. Er behauptet nämlich: Ausgedehnte Vergletsche- rungen sind an das Vorhandensein eines Festlandes ge- bunden. Penck’s überzeugende Schlüsse haben nur das Eine gegen sich, dass sie zur Verwerfung der von H. Wagner und Krümmel für das antarktische Land angesetzten Arealwerthe nöthigen. $. 3. Ursachen der Eiszeit. Den allgemeinen Komplex von Ur- sachen, deren Zusammenwirken die sogenannte Eiszeit bedingen konnte, hat, wie wir sahen, Wojeikoff in mustergültiger Weise umschrieben. Es kann sich nunmehr nur noch darum handeln, zu prüfen, ob unser Wissen auch jene Momente schärfer zu fixiren im Stande ist, durch welche gerade die uns bekannte Eiszeit entstehen musste. Diese Momente können sowohl kosmischer, als auch tellurischer Natur sein; für die ersteren ist auf $. 9 des vierten Kapitels unserer zweiten Abtheilung zu verweisen, wo dieselben bereits der Besprechung unter- zogen worden sind. Speziell kommen drei kosmische Hypothesen in Frage, welche sämmtlich in der sechzehnten These von Wojeikoff ihren Vereinigungspunkt finden *). *) Wenn die hier gegebene Schilderung als eine zu summarische erscheinen sollte, so darf der Verf. wohl auf die in seiner Monographie „Aeltere und neuere Hypothesen über die chronische Verrückung des Erdschwerpunktes“ [10] gegebene eingehende Kritik all’ dieser kosmologischen Spekulationen hinweisen. Mit v.Schleinitz [11] glaubt er ferner alle jene einst zahlreichen Theorieen (I. Band, IX, $. 3. Ursachen der Eiszeit. 283 a) Die Hypothese von Adhemar. Dieselbe erwarb damals, als ein tüchtiger französischer Mathematiker sie aufstellte [12], eine zahlreiche Anhängerschaft, und insbesondere sind Julien [13] und Le Hon [14] noch in späterer Zeit mit Feuereifer für sie eingetreten. Damals, als die variable Excentrieität der Erdbahn einen besonders grossen Werth hatte, musste jene Halbkugel, deren Winter in die Sonnenferne fiel, einen besonders kalten Winter haben; um den Pol jener Halbkugel herum bildeten sich immer kompaktere Eismassen, und diese Eishaube bewirkte, dass der Schwerpunkt des Erdkörpers aus seiner normalen Lage heraus- und gegen die Eishalbkugel hin verschoben wurde. Fig. 61 stellt uns Fig. 61. diese Verhältnisse, so wie sie sich Adhe6- mar dachte, vor das Auge. Ü ist der strenge genommen mit dem Kugelcentrum zusammenfallende Erdschwerpunkt, P, der für die Eisablagerung günstige, P, der ent- gegengesetzte Pol. Ueber P, lagerte sich die Eiskalotte A, B, D,, deren grösste Mäch- tigkeit durch P, D, bezeichnet ist; über P, lagerte sich die Eiskalotte A, B, D, mit der geringeren Mächtigkeit P,D,. Wenn M, und M, die Schwerpunkte der beiden Eisbedeckungen sind, so kann offenbar der Gesammtschwerpunkt des Körpers A,D,B,B,D, A, nur so lange mit C zu- sammenfallen, als PRM,=P,M, ist; da aber Adh&ömar ausdrücklich PR, M,>P,M, voraussetzt, so muss der Gresammtschwer- punkt etwa nach dem in der Figur durch M bezeichneten Punkte hin- rücken. Diese Verschiebung soll aber weiter bewirken, dass die Meere eine Tendenz erhalten, gegen die Eishalbkugel hinzufluthen, so dass, wenn nur einmal für eine bestimmte Halbkugel der Anfang zur Ver- gletscherung gemacht ist, weiteres Material ganz von selber geliefert würde. Die Dauer des Zeitraumes, für welchen eine bestimmte Halb- kugel mit den für die Gletscherbildung vortheilhaften Bedingungen ausgestattet erscheint, würde aus astronomischen Gründen 10 500 Jahre betragen; damals, als die europäisch-nordamerikanische Halbkugel ver- eist war, war P, mit dem Nordpol, gegenwärtig ist P, mit dem Südpol identisch. Julien will sogar den Termin genau fixiren, an welchem die nördliche von der südlichen Hemisphäre abgelöst wurde: „d’aprös ce que nous avons dejä pu constater sur les causes qui determinent Vinegale durde des saisons et la difference de temperature dans les deux hemispheres, nous devons done conclure que c’est au milieu du treizieme siecle qu’ont appartenu les plus courts hivers de nos contre&es; et que c’est a la m&me Epoche, par suite, que les glaciers polaires ont et le plus inegalement surcharges* [15]. Mag man hierüber auch S. 213 fi.), welche von einer plötzlichen Lageänderung der Erdaxe heftige klima- tische Störungen erzeugen liessen, als durch Le Comte und Saporta widerlest und als durch die Ergebnisse der Petrefaktenkunde einfürallemal abgethan er- achten zu dürfen. 284 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. denken, wie man will, so muss man es doch jedenfalls als eine Utopie bezeichnen, wenn der nämliche Gelehrte [16] aus den Berichten eines Strabon, Diodor, Dio Cassius und mittelalterlicher Autoren eine Aenderung des Klima’s gerade bis zu jenem Termin — d. h. gegen das Jahr 1248 n. Chr. — und von diesem wieder ab zu folgern unter- nimmt. — Gegen Adh&mar spricht, von anderem *) abgesehen, be- sonders der Umstand, dass die Strecke CM der Figur selbst dann, wenn man die Differenz (P, D, — P,D,) weit grösser annimmt, als sie der Natur der Sache nach füglich sein kann, doch zu winzig ausfällt, als dass man von ihr so gewaltige Wirkungen erwarten könnte. Der Verf. hat die den Beweis für diesen Ausspruch liefernden Formeln bei früherer Gelegenheit gegeben [17|. Wir müssen uns deshalb gegen Adh&mar’s Lehre erklären, obwohl Pilar [18] deren gute Seiten wieder sehr stark betont und auch den Planeten Mars als Vergleichsobjekt heran- gezogen hat [19]. Wenn Pilar insbesondere betont, schon die vom Sonnenstande abhängige variable Begrenzung des Kalmengürtels spreche für die Wahrscheinlichkeit kosmischer Einflüsse, so bemerken wir, ohne die Richtigkeit des Satzes selbst bestreiten zu wollen, dass (s. o.) Hann’s Untersuchungen die Beziehungen jener Variabilität zum Sonnen- laufe auf ein sehr geringfügiges Maass herabgedrückt haben **). b) Die Hypothese von Croll. Als eine Modifikation derjenigen von Adh&mar, jedoch auch zugleich als eine entschieden verbessernde Umgestaltung derselben kann die Hypothese Oroll’s gelten, welche von ihrem Autor zuerst in zahlreichen Artikeln des „Philosophical Magazine“ vertheidigt, dann aber auch in einem besonderen Werke [21] ausführlich erörtert wurde Mit Adh&mar glaubt Croll,»dass sich der Schwerpunkt nach der in Vergletscherung befindlichen Halbkugel hin verschiebe, auf der letzteren werde das Meer steigen und das Land sinken, während sich auf der anderen Halbkugel Alles umgekehrt ver- halte. Doch weicht Croll, und hierin erblicken wir den entschiedenen Vorzug seiner Auffassung, darin von Adh&mar ab, dass er weniger ein Hinabströmen sämmtlicher Erdgewässer auf die vereiste Seite, sondern wesentlich nur eine tiefgreifende Aenderung in Lage und Richtung der gewöhnlichen Meeresströmungen zu Hülfe nimmt. Dass der englische Forscher auch von der Schwankung der Ekliptikschiefe bedeutende — wohl zu bedeutende — Einwirkungen erwartet, haben wir bereits im ersten Bande (S. 253) gesehen. Wyville Thomson’s Urtheil [22] ist in der Hauptsache zu Gunsten Croll’s ausgefallen, wogegen Fisher sich als Gegner desselben erklärt [23]. Fisher stützt 'sich dabei auf folgende von ihm entwickelte Formel: Node SU 1-—e' Hierin bedeutet e die Excentrieität der Erdbahnellipse, S die Tempe- ratur des Weltraumes, A die Temperatur eines Ortes auf der Süd- *) Wir meinen hiemit besonders das, dass Adh&mar’s Basis wesentlich auch das Dogma von der kalten Südhalbkugel war, von dessen Unhaltbarkeit uns das siebente Kapitel überzeugte. **) Die Annahme v. Bruchhausen’s [20], dass die über einem der Erdpole gebildete Gletscherhaube sofort auch zu einem neuen Attraktionscentrum für die umgebenden Meere werde, steht und fällt mit der weiteren und heute gewiss aulzugebenden Annahme, dass solche massive Eisschalen überhaupt existiren. IX, $. 3. Ursachen der Eiszeit. 285 halbkugel im Januar, U die Temperatur eines unter der nämlichen Breite auf der Nordhalbkugel gelegenen Ortes im Juli. Da nun über S eigentlich gar nichts Genaues bekannt sei (I. Band, S. 92), so könnten Croll’s Schlüsse nicht als irgend beweiskräftig anerkannt werden. Nach v. Czerny [24] soll Newcomb auf demselben ver- neinenden Standpunkte stehen. Wallace adoptirt zwar dieselbe astronomische Grundlage, auf welcher auch Adh&mar und Croll fussen, spricht sich aber im Gegensatze zu Beiden dafür aus [25], dass während einer Periode grosser Erdbahn-Excentricität immer beide Hemisphären der Erde gleichzeitig vergletschert seien, wenn auch die glaciale Entwickelung nicht allenthalben gleichmässig fortgeschritten angenommen werden könne Penck, dessen Kenntniss der Glacial- erscheinungen ihn zu einem sehr kompetenten Richter macht, wirft die Frage auf [26], wie denn bei Anerkennung der Croll-Wallace’schen Hypothese die Thatsache zu erklären sei, dass im Augenblick die Uebereisung der Südhalbkugel eine so weit mächtigere ist, als diejenige der Nordhalbkugel, und er kommt zu der recht plausiblen Antwort, dass man im Sinne jener Hypothese sich bisher zu ausschliesslich an die Epochen excessiver Excentricität gehalten habe, dass wir aber gegenwärtig in einer Periode verhältnissmässig geringer Excentrieität uns befänden, und dass für eine solehe das Alterniren einer borealen und einer australen Vergletscherung das Natürliche sei. Will man überhaupt kosmischem Eingreifen das Wort reden, so dürfte zur Zeit die Croll’sche Hypothese mit den von Wallace und Penck ange- brachten Zusätzen den Ansprüchen der exakten Forschung am meisten entsprechen, jedenfalls weit mehr, wie ihre nunmehr an die Reihe kommende Gefährtin. c) Die Hypothese von Schmick. Dieser äusserst fruchtbare Schrift- steller hat seit fünfzehn Jahren nicht weniger als sechs grössere Schriften [27] erscheinen lassen, in welchen er die Grundgedanken seiner Lehre weiter ausführt. Auch bei ihm ist die variirende Ex- centrieität der Erdbahn der in erster Linie ausschlaggebende Faktor. Nur kommt es ihm nicht darauf an, dass die Stärke der solaren Be- strahlung für die eine und andere Erdhalbkugel sich mit jener Schwan- kung gleichfalls periodisch ändert, er legt vielmehr das ganze Gewicht auf die Attraktion der Sonne, welche auf beide Hemisphären ungleich wirkt und so ein Ueberfluthen der begünstigteren Halbkugel zur Folge hat. Manche Autoritäten, unter denen wir v. Schleinitz, Wojei- koff, v. Hochstetter, Stahlberger nennen, haben sich, wenn auch mit Reserve, zu Gunsten dieser Auffassung vernehmen lassen, andere wieder, wie Peschel, Suess, Veltmann, Fr. Pfaff, kriti- sirten dieselbe in mehr oder minder scharfer Weise. v. Schilling meint [28], dass Schmick völlig vergessen zu haben scheine, wie jedes durch die Anziehung der Sonne emporgehobene Wasserquantum entsprechend an seinem Gewichte verliere; bei seiner Berechnung der Fluthpegelmessungen von Sidney, aus denen derselbe eben eine ab- norme Hochfluth für die Südhalbkugel folgern zu können geglaubt hatte, habe Schmick ganz übersehen, dass die Fluth immer um einen ‘grösseren Absolutbetrag steigt, als die Fluth fällt, dass also der Null- punkt des Hafenpegels immer höher steht, als er eigentlich stehen sollte. Sehr eingehend wendet sich ferner Pilar gegen die Schmick’sche 286 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Theorie [29]. Alle die von Jenem zu seinen Gunsten citirten Beispiele von säkulären Hebungen und Senkungen seien illusorisch, und zumal die behauptete Senkung der Adria sei nichts weniger als erwiesen, da gegentheils seit einem Jahrtausend für Venedig keine merkliche Niveau- änderung eingetreten sei [30]*). Eine vernichtende Kritik erfuhr endlich die Gesammtheit der Schmick’schen Schriften durch Zöppritz [32]. Hier wird unwiderleglich gezeigt, dass in den früheren Publikationen Schmick’s der doch jede Zenitwelle begleitenden Nadirwelle (Kap. IV der nächstfolgenden Abtheilung) wenig oder gar keine Rechnung ge- tragen ward, und dass später umgekehrt seine Taxation der Fluthhöhen an grosser Uebertreibung litt. Analytische Fehler liefen ferner bei der Bestimmung der Gestalt des versetzten Wassermantels mit unter. Wir können nicht leugnen, dass sowohl geologische, als auch in noch höherem Grade mathematisch-physikalische Gründe jede — auch be- dingte — Zustimmung zu der Lehre Schmick’s unthunlich machen. Ziehen wir das Facit aus diesen unseren Ueberlegungen, so liest am Tage, dass wir eine absolut befriedigende Zurückführung der Eis- zeitphänomene auf Einflüsse kosmischer Natur als noch ausstehend bezeichnen müssen. Dass solche vorhanden, ja bis zu einem gewissen Grade sogar recht wahrscheinlich sein können, soll damit keineswegs in Abrede gestellt werden, und speziell die von Hauer u, a. gegen jene aus dem Umstande hergeleiteten Gründe, dass die Eiszeit gar keine periodische Wiederkehr aufweise, sind durch die von Agassiz [33] aufgestellte 'Theorie einer mehrfachen Vergletscherung und durch die von Penck für diese in seinem wohlbekannten Werke |34] beige- brachten Beweise glacialgeologischer Natur**) als unhaltbar erkannt worden. Wir bekennen uns, da der Zweifel noch so manche zu beheben sind, zu v. Özerny’s Schlusssatz [35]: „Würde sich bestätigen ***), dass die geographischen Breiten von Greenwich, Washington, Paris, St. Petersburg, Königsberg, Mailand, Neapel und Rom sich gegen- wärtig vermindern, und würden die mathematischen Formeln, wie etwa diejenigen von Haughton, uns gestatten, die auf diese Weise vor sich gehenden Veränderungen zu berechnen, dann würden wir auch hinreichend berechtigt sein, zu sagen, dass dort, wo irgend einmal auf der Erde der Nord- und Südpol gewesen, auch zugleich die Eiszeit seherrscht habe. So lange aber dieses interessante Räthsel noch seiner entscheidenden Lösung harrt, so lange sind wir auch darauf angewiesen, die einzige rationelle Ursache der sogenannten Eiszeit nurinden Veränderungen der tellurischen Bedin- *) Auch die Bedeutung der aralo-kaspischen Einsenkung für seine Theorie scheint Schmick überschätzt zu haben, denn in Wirklichkeit erhebt sich, wie v. Tillo durch ein genaues Nivellement feststellte, der Spiegel des Aralsee’s volle 58 Meter über denjenigen des schwarzen Meeres [31]. **) Wir werden diese wichtige Entdeckung im III. Kapitel der achten Ab- theilung, welches sich näher mit den Beziehungen der Gletscher zu ihrem Unter- grunde beschäftigt, noch besonders zu würdigen haben. #*) Es bezieht sich diese Bemerkung auf den von Schmick ernsthaft unternommenen Versuch, mittelst einer freilich unzureichenden und deshalb auch keine zuverlässigen Resultate in Aussicht stellenden Methode darzuthun, dass die Polhöhen keine konstanten, sondern schwankende Winkelwerthe seien (s. I. Band, S. 216). wie es allerdings aus seinen Ansichten über die Umsetzung der Oceane zu folgern wäre, IX. $, 3. Ursachen der Eiszeit. 287 gungen des Klima’s zu suchen.“ Und auch an solchen Bedin- gungen fehlt es nicht. So bemerkt Pilar [36], dass Charpentier und A. Favre an eine dereinstige grössere Höhe der Alpen gedacht hätten, und in der That lässt sich dem, wenn man auch kein so sehr hohes Gewicht darauf legt, nicht wohl widersprechen, wenn man sich vorstellt, dass doch der jetzt über weite Landstrecken verstreute Moränenschutt irgend einmal vom Gebirge herabgekommen sein muss. Nachdem alsdann Lecog und De la Rive sehr mit Recht auf die Feuchtigkeit als auf die prima causa der Eiszeit verwiesen hatten, brach sich jene Fön- theorie Desor’s und Escher’s Bahn, deren Unhaltbarkeit sich uns bereits in $. 5 des sechsten Kapitels aufgedrängt hat. Frankland richtete [37] sein Augenmerk auf die bekanntlich grosse Wärme- kapaeität des Wassers: die 'Temperaturdifferenz zwischen Land und Wasser sei immerfort angewachsen und habe die immer reichlicher anwachsenden Niederschläge über den Kontinenten veranlasst. Warum aber liess dann die Intensität der Vergletscherung plötzlich nach? Die eigentlich nächst liegende Idee ward von Lyell [38] ausgesprochen, und es ward dieselbe dann auch von einer Anzahl berufener Fachmänner gebilligt, wie von Campbell, Dawson und Sartoriusv. Walters- hausen*). Hiernach gälte der Satz: Die Eiszeiten der Erde, welche niemals universelle, sondern stets nur nach Zeit und Verbreitung lekalisirte Erscheinungen gewesen sind, ent- standen durch die von den geologischen Revolutionen der Vorzeit abhängigen Veränderungen der Grenzlinien zwischen festem und flüssigem Elemente und durch die wieder hievon abhängige Verschiebung der Isothermkurven, sowie der Luft- und Meeresströmungen. Gerade diesem letzten Gedanken sind auch Campbell und Blytt weiter nachgegangen; der zweitgenannte Forscher, den wir allerdings nach einem Referate [40] zu citiren ge- nöthigt sind, zieht aus den Torfmoorbildungen den Schluss, dass auch nach der Eiszeit noch das Klima periodischen Aenderungen unterworfen gewesen sei, trockene und kontinentale Witterungsperioden hätten mit feuchten, insularen abgewechselt, je nachdem die wichtigsten Meeres- strömungen an Mächtigkeit sich vergrössert oder vermindert hätten. Es bleibt uns dabei unbenommen, dieses alternirende Wachsen . und Einschwinden der Ströme mit Blytt auf die varürende Lage der Apsidenlinie im Raume zurückzuführen oder es als ein Ereigniss für sich zu behandeln, das eben lediglich im Sinne Lyell’s passend zu interpretiren wäre. Es ist freilich zu bemerken, dass gegen Blytt’s Methode scharfe Angriffe von Cl. König in der Zeitschrift „Kosmos“ (II. Serie, 1. Band, S. 363 ff, S. 444 ff.) gerichtet worden sind, auf welche jedoch aus sachlichen Gründen besser in dem von den Torf- moorbildungen handelnden Abschnitte der neunten Abtheilung zurück- zukommen sein wird. Ganz unabhängig hievon und mehr auf glacial- geologische Gründe sich stützend, hat aber auch der Amerikaner *) Allerdings können wir es weniger billigen, wenn dieser verdiente Geologe zur Erklärung der von Nordenskiöld gemachten Wahrnehmung. dass noch zur Zeit der miocänen Formationen das Polarklima ein recht mildes gewesen sein müsse, an die damals noch kräftiger sich offenbarende Eigenwärme der Erde appellirt [39]. 4 17 re Hr = ER Re a era raid a Ag ae RT EE TEEN Re a 288 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Whitney in seinem bedeutsamen Werke „The climatic changes: a discussion based on observations made in the Cordilleras of North Ame- rica“* (Cambridge 1882) sich für eine nicht sowohl kosmische, als mehr blos lokale Ursache der Eiszeitphänomene ausgesprochen. $.4. Veränderungen des Klima’s in geschichtlicher Zeit. Während wir es bislang mit einer Gruppe von Erscheinungen zu schaffen hatten, deren Deutung allerdings mit Schwierigkeiten verknüpft, deren Realität an sich jedoch über jeden Zweifel erhaben ist, begeben wir uns jetzt zu einer anderen Gruppe, für welche ganz andere Kennzeichen be- stehen. Die Einen behaupten, dass auch während der unserer historischen Kontrole unterworfenen Zeiten das klimatische Gesammtbild der Erde und aliquoter Theile derselben seine Züge geändert habe, die Anderen be- streiten diess. Wir gedenken an diesem Orte die aus beiden Heerlagern stammenden Gründe einer Vergleichung und Besprechung zu unterziehen, erklären aber gleich zum Voraus, dass wir nicht um- fassend zu sein beabsichtigen und zumal von den zahlreichen unwissen- schaftlichen Hypothesenbildungen keine Notiz nehmen *). Es war zuerst Arago, der in seiner, im achten Bande der ge- sammelten Werke wieder abgedruckten Abhandlung „Sur l’&tat thermo- metrigque du globe* der Frage näher trat. Durch Zusammenhalten der zeitgenössischen Berichte glaubte er sich zu der Folgerung be- rechtigt, dass für Palästina, Aegypten, Syrien und Griechenland sich seit der antiken Zeit die Durchschnittstemperatur nicht merklich ge- ändert habe, wogegen in Frankreich die Sommer kälter geworden seien. E. Biot wies die ersterwähnte Thatsache auch für China nach [42]. Dove zeigte vermittelst der von 1770 an beginnenden Witterungsaufzeichnungen von Berlin und New-Haven [43], dass ein siebzigjähriger Zeitraum keine bedeutenden Oscillationen der Luftwärme ergeben habe. Es seien diesen gleich noch einige weitere Zeugnisse negativer Beschaffenheit angereiht. Man hatte beispielsweise zu finden vermeint, dass im Staate New-York und anderen östlichen Unionsstaaten die Regenmenge stetig abnehme, allein Draper führte den Nach- weis [44], dass hier eine Selbsttäuschung vorliege. Auch widerlegte er die Volksmeinung, dass mit dem Fortschritte der Bodenkultur sich das nordamerikanische Klima mildere, durch den Hinweis auf die Eis- verhältnisse der dortigen Flüsse, namentlich des Hudson (Kap. VII, 8.7). Das sorgfältig geführte Witterungstagebuch des Tycho Brahe ist von Lacour gründlich durchforscht worden, und es hat sich dabei herausgestellt, dass noch jetzt Bewölkungs- und Regenverhältnisse im Sunde ganz die gleichen sind, wie vor dreihundert Jahren [45]. Für die Westküste Grönland’s, wie auch für Island, hat man einen chro- nischen Rückgang der Temperatur wahrscheinlich zu machen gesucht. Pilar (a. a. O.) wie auch v. Czerny treten dieser Ansicht bei, allein auf der anderen Seite hat wieder, nach Burmeister’s Zeugniss [46], *) So stellt z. B. der gelehrte, aber phantasiereiche und excentrische Philo- loge Krichenbauer in einem voluminösen Werke [41] die Ansicht auf, die von Odysseus besuchten Kimmerier hätten am Südpol gewohnt, der damals ganz von Eis befreit und eine Stätte üppigen Baumwachsthumes gewesen sei! IX, $S. 4. Veränderungen des Klima’s in geschichtlicher Zeit. 289 - Steenstrup dieselbe mit guten Gründen zurückgewiesen, und auch A. Kirchhoff weist mit Berufung auf K. Maurer die Behauptung zurück, als sei hauptsächlich eine Klimaverschlechterung an der Ent- völkerung der grönländischen Kolonie schuld gewesen. Die dortigen Normannen scheinen weniger dem Klima, als den Angriffen der feind- lichen Skälinger (Eskimo’s) erlegen zu sein [47]. Aus einem von J. Gesner Anno 1747 gehaltenen Vortrage geht endlich hervor, dass die mittlere Niederschlagsmenge seit einem Jahrhundert sich in der Nordschweiz nicht geändert hat [48]. Umfangreicher ist allerdings die Anzahl von Belegen für die entgegengesetzte Annahme. Fritsch und K. G. Zimmermann, denen sich später noch Galton anschloss, wiesen für verschiedene Welttheile, besonders aber für Afrika, auf eine Abnahme der Nieder- schlagsmengen und eine Aenderung der Lufttemperatur hin [49]. Hamilton stellte gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts die An- schauungen einer Anzahl von Ackerbaukundigen zusammen und kam durch diese Vergleichung zu der Ansicht, dass Grossbritannien’s Klima sich immer unvortheilhafter für Agrarzwecke gestalte [50], allein erstens kennt die Wissenschaft recht gut den Werth solch’ „sachverständiger“ Gutachten, und zweitens stehen gegen Hamilton die gewiss zuver- lässigeren Nachweisungen Glaisher’s*). Für Frankreich steht ein ziemlich ausgiebiges Material zu Gebote. So hatte sich namentlich Lespiault die Aufgabe gestellt, die von ihm angeblich wahrgenom- menen tiefeingreifenden Veränderungen im Klima jenes Landes darauf zu prüfen, ob man es hier mit in der Intensität wechselnden Einwir- kungen des Golfstromes zu thun habe [52]. Er ward darauf geführt, einen solchen Einfluss zu negiren, und vielmehr in einer stetig wach- senden Wucht der an die Westküsten Frankreich’s anprallenden Stürme das maassgebende Moment zu erkennen. Anders denkt Blavier [53], der behauptet, dass der Golfstrom sich von der französischen Küste abwende, dass daraus eine ungewöhnliche Ruhe der Atmosphäre, Mangel an heftigen Winden und viel Nebel resultirten, und dass durch das Fernbleiben der Sardinen, welche dem Laufe des „Rennel-Stromes“ folgen müssten, dem Nationalwohlstand ein ungeheurer Schaden er- wachsen sei. Zwischen Lespiault und Blavier möchte wohl nur schwer eine Einigung herbeizuführen sein. — Wir kommen zu Deutsch- land. Hier hat sich allerdings im Laufe der Jahrhunderte die Grenze der Weinzone stark nach Süden verschoben, und aus dieser Verschie- bung folgert man vielfach eine fortschreitende Depression der Jahres- temperatur. Abgesehen davon, dass das Gedeihen des Rebstockes an gewisse Perioden gebunden, also nach Fritz [54] an gewisse noch unbekannte Faktoren geknüpft scheint, ist es auch eine bedenkliche Sache, mit solchen indirekten Beweismitteln zu operiren **). Doch soll *) Buchan untersuchte eine 94jährige Reihe schottischer ! Thermometer- beobachtungen und vermochte aus dieser keine irgend erheblichen Schwankungen der Winter- oder der Sommerwärme herauszulesen [51]. **) Im Mittelalter wurde allerdings an vielen Orten Wein gebaut, an denen dessen Kultur heute für unmöglich gehalten wird; Prowe führt [55] einige merk- würdige Zeugnisse hiefür aus dem alten Deutschordenslande an, wie denn 1417 der Komthur von Kurland an den Hochmeister die für einen modernen Wein- kenner beängstigende Bitte stellte, ihm mit einem Fässchen „Thorner“ aushelfen Günther, Geophysik. II. Band. 19 290 | Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. nicht etwa gänzlich in Abrede gestellt werden, dass die gründliche Umwälzung, welche Deutschland’s Boden seit einem Jahrtausend nm Bezug auf Kultur und Anpflanzungsverhältnisse erfahren hat, ihre Rückwirkung auch auf den klimatischen Zustand des Landes geäussert habe. Unser grosser deutscher Sittenschilderer, Freitag, scheint uns ganz das Richtige zu treffen, wenn er (a. a. O.) sagt: „Die atmo- sphärische Beschaffenheit unseres Landes mag sich zum Nachtheile für den Weinbau mit der Zeit etwas geändert haben. An der Nordgrenze - der Weinkultur wurde der Wein damals mit Erfolg da gebaut, wo er unter sich Wasserspiegel, über sich schützendes Holz hatte. Nicht die Sommerwärme scheint ihm jetzt zumeist zu fehlen, sondern während der ersten Entwickelung bis zur Blüthe eine gleichmässige, feuchte Temperatur, langsamerer Uebergang von der Mittagswärme zu einem kürzeren Nachtfrost. In den entholzten und entwässerten Landschaften wird durch strengere Nachtfröste die Entwickelung der Blüthe zu lange aufgehalten.“ .Dass die Ausrodung der Wälder ein hochbedeutsames klimatologisches Element ist, sahen wir in $. 8 des siebenten Kapitels; näher noch kann man sich über die hier schwebenden Fragen bei v. Löffelholz-Colberg [60] und v. Czerny [61] unterrichten *). — Italien giebt uns in dieser Beziehung neue Belege an die Hand. In dem Maasse, wie dort die Menge unbestandenen Areales zunimmt, scheint das Klima excessiver zu werden, obwohl allerdings nach Celoria |63] regelmässige Perioden von wärmeren und kälteren Jahr- gängen bis jetzt nicht nachzuweisen sind **). Die italienische Regie- rung wendet neuerdings der Wiederbeholzung des Landes und der von dieser zu erwartenden Aufbesserung des Klima’s grosse Aufmerksam- keit zu; Minister Ricasoli gieng auf seinen Gütern mit gutem Beispiele voran, der Marchese von Bentivoglio bepflanzte die Land- zunge im Comersee, und der italienische Alpenklub trug das Interesse für diesen Gegenstand in so weite Kreise, dass das Königreich zur zu wollen, „wente der Wyn yarlingk hir nit is gedeyen“. Wenn aber Polluge meint [56], man werde doch damals keinen reinen Säuerling getrunken haben, so dürfte er doch wohl die Geschmacksveränderung der Zeit zu wenig beachten. Gustav Freitag eitirt [57] einen Erfurter, der sich schon um 1300, als er aus Italien heimkehrte, über das schlechte Getränke seiner Vaterstadt beklagte; er war eben einer der Wenigen, die eine Ahnung von etwas Besserem besassen. In seiner sehr lesenswerthen Studie über den Kampf zwischen Wein und Bier erzählt, Schöttl [58], dass schon im XII. Jahrhundert von schlechten Jahrgängen be- richtet wird, dass aber erst um 1350 die berühmten Weinberge der Hegyallya angepflanzt zu werden begannen, und dass die Eröffnung dieser trefflichsten Quelle natürlich sofort den Ruin vieler geringer Weinberge mit sich brachte. Im XIII. Jahr- hundert war, was sich gewiss nicht klimatologisch erklären lässt, der deutsche Weinexport stärker, als der französische, und nur die — wohl einzig auf die Verfeinerung der Zunge zurückzuführende — Einfuhr südlicher Weine that der Produktion im Inlande Eintrag [59]. *) Man sollte übrigens nicht vergessen, dass von dem dereinstigen Weinbau jenseits des Thüringerwaldes, wie ihn Nordhoff monographisch geschildert hat [62], noch drei Ueberbleibsel vorhanden sind. Es wäre zu erklären, warum um Naumburg, Meissen und Grünberg (Schlesien) noch immer ein trinkbares Gewächs fortkommt. **) Ein von Nissen vor der in Trier zusammengetretenen Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner (1879) gehaltener höchst instruktiver Vor- trag über den Klimacharakter Italiens zur Römerzeit belehrt uns auch darüber, dass man bei der Annahme einschneidender Veränderungen dieses Charakters nur sehr vorsichtig verfahren darf, wenn man sich vor Irrthümern hüten will. IX, 8. 4. Veränderungen des Klima’s in geschichtlicher Zeit. 29] Zeit nicht weniger als 44hierauf bezügliche Publikationen aufzuweisen hat [64]. Freilich leitet bei diesen Arbeiten nebenher auch noch der Zweck, die entsetzlich weit verbreitete Malaria, die auch mit der Ent- waldung gleichen Schritt gehalten zu haben scheint, wieder einzu- dämmen *). — Für die Pyrenäenhalbinsel gilt ein Gleiches, wie für die apenninische, und auch die balkanische macht keine Ausnahme. Für diese letztere, wie für Sicilien und Vorderasien, finden wir uns durch Th. Fischer’s Abhandlung [66] zu ziemlich bestimmten Aus- sagen berechtigt. Der Peloponnes galt schon bei den antiken Geo- sraphen als ziemlich wasserarm, doch ist aus dem Verschwinden der noch bei Pausanias erwähnten Landschildkröten, wie auch aus anderen Anzeichen, abzunehmen, dass der Wassermangel seitdem Fort- schritte gemacht hat. Nach Th. Fischer und Tihatcheff wird auch Kleinasien immer dürrer, doch darf man deswegen noch nicht soweit gehen, wie der „Fragmentist* Fallmerayer, der dem Schau- platz altgriechischen Lebens einen unaufhaltsamen Niedergang aus klimatologischen Gründen prophezeite. — Im subtropischen Regen- gebiete macht sich nach Fischer die Zunahme der Trockenheit noch weit fühlbarer, das Versiegen der Quellen wird, vornämlich auch auf der palmyrenischen Oase, häufiger, in Persien trocknen Seen aus, die geschichtlich beglaubigten Weidegründe der sinaitischen Halbinsel sind verschwunden. Für eine erst ziemlich spät vor sich gegangene Wüstenbildung in Nordafrika sind geschichtliche Belege vorhanden [67]. Fischer hält das Walten eines allgemeinen Naturgesetzes deshalb für sehr wahrscheinlich, weil die Trockniss in der subtropischen Zone überall da zunimmt, wo dieselbe an ihrer Aequatorialgrenze in ein Steppengebiet übergeht. In einem besonderen Aufsatze [68] ist diess weiter ausgeführt worden. Für Südamerika und Australien fehlt es allerdings noch an Beweismaterial, dagegen sind Urkunden für das Trockenwerden gewisser centralasiatischer Gegenden in historischer Zeit vorhanden [69]. Für das ägyptische Delta und für die Umgebung von Jerusalem, wo der Bach Kidron seinem Namen wieder Ehre zu machen anfängt, scheint dagegen die Zunahme der Regenhäufigkeit nicht bezweifelt werden zu dürfen; ein Gleiches gilt für die Uferländer des Tsad und steht wohl mit den Anpflanzungen von Maulbeer- und Gummibäumen in Kausalbeziehung. Von der Insel St. Helena brachten wir bereits (Kap. VII, $. 8) Aehnliches in Erfahrung. | Von einem Lande Europa’s ist bisher noch keine Rede gewesen, und doch gehört dasselbe zu den für unsere Frage wichtigsten Terri- torien. Wir meinen die Schweiz, welcher Dufour (s. 0.) seine *) Torelli hat auf Grund der von den 259 Sanitätskollegien des Reiches eingeschickten Berichte eine Karte über die geographische Verbreitung dieses furchtbaren Uebels ausgearbeitet [65]. Dieser zufolge erfreuen sich nur die sechs Kreise Genua, Florenz, Porto Maurizio, Massa-Carrara, Pesaro und Piacenza einer vollkommenen Immunität, „Malaria debole“ herrscht in 13, „Malaria grave“ in 29, „Malaria gravissima“ in 21 Provinzen. Im Allgemeinen sind stets stagnirende Gewässer mit üppiger Algenvegetation der Sitz der Krankheit, seien es nun aus- trocknende Seen und Moräste oder Altwasser und Ueberschwemmungsreste schlecht regulirter Flüsse oder versandende Stromausmündungen. Zumal die Anpflanzung von Eukalyptus globulus und Eukalyptus amygdalina hat Besserung herbeigeführt und manche Plätze, wie das Campagna-Kloster Certosa, erst eigentlich bewohnbar gemacht. 2392 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. Arbeitskraft gewidmet hat; da diese Untersuchung sowohl methodo- logisch, wie auch hinsichtlich ihrer Resultate, zu den verdienstlichsten Leistungen auf unserem Gebiete zählt, so ist ihr ein eigener Paragraph einzuräumen. $. 5. Dufour’s Untersuchungen und daraus zu ziehende allgemeine Schlüsse. Die Betrachtung der klimatischen Verhältnisse der Schweiz beansprucht in Dufour’s Abhandlung den Löwenantheil [70]. Die allerdings nicht sehr hoch hinaufreichenden 'Thermometeraufzeichnungen sprechen ihm zufolge mehr für Stabilität des Klima’s, als für Varia- bilität. Man besitzt solche Listen für Genf (Deluec), Basel (D’Annone und Socin) und auch für einige andere Orte, allein meistens sind diese Beobachtungen nicht unter einander vergleichbar. Aus diesem Grunde ist auch das oben erwähnte Resultat nur als ein vorläufiges zu bezeichnen. Für die Hochalpenregion scheint allerdings Kasthofer em Zurückweichen der Vegetationsgrenzen und damit auch ein Rauher- werden des Klima’s dargethan zu haben, wenigstens geben Muret und Coaz ihm Recht, wenn auch der Letztgenannte zunächst den Mangel an Baumschutz und Vorsicht bei der Alpenbeziehung für das Abwärtsrücken der Baumlinie verantwortlich machen will [71]. Aehn- lich äusserten sich Landolt, Tschudi und der Graubündner Theobald, doch hält Dufour selbst den Rückgang der Alpen- vegetation noch nicht für genügend aufgeklärt. De Candolle sieht den Hauptgrund in den wirthschaftlichen Umgestaltungen [72]. Wir können hinzufügen, dass neuerdings ein gründlicher Alpenkenner, Trientl, sich dahin ausgesprochen hat [73], Temperaturschwankungen seien für die Lage der Beholzungsgrenze von weit geringerem Belange, als das Eingreifen des Menschen und noch mehr der Thiere. Dufour wirft noch weiter die Frage auf [74]: Besass die Schweiz dereinst noch andere Pflanzengattungen, als ihre gegenwärtigen? Würden wir von dem Pflanzenkleide, das vor 2000 Jahren den helvetischen Boden bedeckte, ebensoviel wissen, wie von der durch Heer (s. o. $. 1) so gründlich erforschten fossilen Flora des Landes, so wäre eine befrie- digende Antwort unschwer zu ertheilen, doch lässt sich auch so erweisen, dass im Verlaufe der letzten Jahrhunderte einige Pflanzen völlig ver- schwunden sind. Bei einigen Spezies ist für dieses Verschwinden eine von Teemperaturoscillationen ganz und gar unabhängige Ursache nach- weisbar. Weit mehr als aus der schwer kontrolirbaren Geschichte der wild wachsenden Pflanzen kann man aus derjenigen der kultivirten lernen, und dieser lässt daher Dufour ein besonders eifriges Studium angedeihen [75]; namentlich verfolgt er die Schicksale des Oelbaumes und des Weinstockes. Es ist eine landläufige Ansicht, dass der erstere ehedem an den Ufern des Genfersee’s gezogen worden sei, besonders in Montreux und St. Saphorin. Daran ist etwas wahres, der .letzte Ölivenbaum scheint 1829 zu Grunde gegangen zu sein. Gleichwohl aber ward diese Kultur gar nie in ausgedehnterem Maasse betrieben, es handelte sich immer nur um gelegentlichen Hortikultur-Sport. Die Steuerlisten von Lausanne melden zwischen 1572 und 1586 zwar von Naturallieferungen in Nussöl, nicht jedoch von solchen in Olivenöl, Ebensowenig kommt letzteres in anderen amtlichen Dokumenten oder IX, $. 5. Dufour’s Untersuchungen und daraus zu ziehende Schlüsse. 293 in Reisebeschreibungen vor. Dieses negative Zeugniss schliesst natür- lich nicht das einstige Vorhandensein einzelner sorgfältig gepflegter Oelbäume, gewiss aber das von Pflanzungen aus. Zeigt man doch jetzt noch bei Montreux einige Exemplare. Wein ward seit je am Leman gebaut, und es ist mithin nur die folgende Alternative möglich: Ward früher an Orten der Weinbau betrieben, wo diess in der Jetzt- zeit nicht mehr angeht, oder hat der Termin der Weinlese in den letzten Jahrhunderten geschwankt? Allerdings reichte die Rebe früher bis in die Gegend von Freiburg und Neuenburg, doch scheint der Ver- zicht auf ihre Kultur mit den Gewohnheiten weit mehr als mit dem Klima zusammenzuhängen. Im XVI. Jahrhundert ferner wurde die Weinlese immer ungewöhnlich früh angesetzt, 14 Tage bis 3 Wochen früher, denn heute, allein auch diese Verschiebung der Zeit ist kein ganz hinreichendes Moment. Wir können nichts besseres thun, als Dufour’s eigene Worte wiederzugeben: „En presence de la grande complication du probl&me, en presence de l’incertitude qui regne quant ä la part plus ou moins grande quont pu avoir les divers &elements qui influent sur le moment de la r&colte, il n’est pas possible d’asseoir, sur ce phenomene du retard de la vendange, une conclusion qui ait un caractere de certitude scientifigue, soit quant au changement, soit quant & la constance du climat.“ Dufour meint schliesslich [76], man habe wohl bisher bei der Ventilation der Frage säkulärer Klimaschwankung etwas zu ausschliess- lich blos die Wärmeverhältnisse in Betracht gezogen, Aenderungen der Luftfeuchtigkeit*) dagegen vernachlässigt. Auf Th. Fischer’s Ar- beiten kann sich dieser Vorhalt freilich nicht beziehen. Von weiteren Studien kann man noch viel Licht erwarten, durch welches vielleicht manches Dunkel erhellt wird, vorläufig aber wird man dem von Du- four für die Schweiz und durch Analogieschluss auch für andere Länder gewonnenen Resultate beipflichten müssen: Die Behauptung, dass das Klima einer bestimmten Erdgegend nicht variire, hat, wohl erwogen, nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse eine grössere Berechtigung, als die entgegen- gesetzte **). [1] Pilar, Ein Beitrag zur Frage über die Ursachen der Eiszeit, Agram 1876. S. 9 ff. — [2] Heer, Die Urwelt der Schweiz, Zürich 1856. $. 537 ff. — [3] Sartorius von Waltershausen, Untersuchungen über das Klima der Gegenwart und Vorwelt, mit Berücksichtigung der Gletschererscheinungen in der Glacialzeit, *) Vielfach hört man in dieser Angelegenheit vom Vor- und Rückgange der Gletscher als untrüglichem klimatologischem Gradmesser sprechen; Simony glaubt auch in der That, dass die Sage von der „verschwundenen Alp“ am Dach- steingletscher einen reellen, durch Klimaschwankungen bedingten Hintergrund habe [77]. Allein die Gletscherbewegung ist ein so äusserst verwickeltes Phä- nomen, dass wir alle derartigen Schlüsse für gewagt halten müssen, **) Solche Wahrnehmungen, wie sie Fischer betreffs der subtropischen Regenzone gemacht hat, nehmen wir natürlich aus. Dass auch durch Meeres- durchbrüche und ähnliche Kataklysmen das Klima erhebliche. wenn auch nicht periodisch sich wiederholende Stösse erleiden muss, versteht sich ebenfalls von selbst. Wir denken dabei hauptsächlich an Krümmel’s Vermuthung [78], dass Nordafrika dereinst von Meeresarmen durchzogen gewesen sei und ein ganz anderes Klima gehabt habe. 294 ne Haarlem 1865. — [4] v. Czerny, Die Veränderlichkeit des Klima’s und ihre Ur- sachen, Wien-Pest-Leipzig 1881. — [5] Polluge, Klimaveränderungen in historischen Zeiten, Berlin 1880. — [6] Th. Fischer, Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerländer, Leipzig 1877. S. 25 ff.; Studien über das Klima der Mittelmeer- länder, Petermann’s geogr. Mittheil., Ergänzungsheft Nr. 58, Gotha 1879. — [7] Dufour, Notes sur le probleme de la variation du climat, Bull. de la soec. Vaud. des sc. phys. et nat., Vol. X. S. 359 ff. — [8] Wojeikoff, Ueber die klima- tischen Verhältnisse der Eiszeiten sonst und jetzt, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 7. Band. S. 151 ff. — [9] Penck, Schwankungen des Meeresspiegels, München 1882. S. 32 ff. — |10] Günther, Studien zur Geschichte der mathe- matischen und physikalischen Geographie, Halle 1879. S. 129 ff. — [11] v. Schleinitz, Ueber die von der internationalen Meteorologenkonferenz in Hamburg, Oktober 1879, geplante Polarforschung, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 7. Band. Ss. 203 ff. — [12] Adhemar, Les revolutions de la mer, deluges periodiques, Paris 1842; 2. Aufl., ibid. 1875. — [13] Julien, Courants et revolutions de l’atmosphere et de la mer comprenant une theorie nouvelle sur les deluges periodiques, Paris 1860. — [14] Le Hon, Periodieite des deluges, Bruxelles 1868. — [15] Julien, Courants ete., $. 181 ff. — [16] Ibid. S. 185. — [17] Günther, Studien ete., $. 195 ff. — [18] Pilar, Ein Beitrag ete., $S. 43 ff. — [19] Ibid. S. 67 ff. — [20] Bruch- hausen. Die periodisch wiederkehrenden Eiszeiten und Sintfluthen, Trier 1845. — [21] Croll, Climate and time in their geological relations; a theory of secular changes of the earth’s climates, London 1875. — [22] Wyville Thomson, On the conditions of the antarctice Nature, Vol. XV. S. 104 ff. — [23] Fisher, Climatie effects of the present excentrieity, ibid. Vol. XX. S. 577 ff. — [24] v. Czerny, Die Veränderlichkeit etec., $S. 84. — [25] Wallace, Isand life, London 1880. S. 47 ff. — [26] Penck, Schwankungen etc., $. 68. — [27] Schmick, Die Umsetzungen der Meere und die Eiszeiten der Halbkugeln der Erde, ihre Ursachen und Perioden, Köln 1869; Thatsachen und Beobachtungen zur weiteren Begründung dieser Theorie, Görlitz 1871; Die neue Theorie periodischer säkulärer Schwankungen des See- spiegels und gleichzeitiger Verschiebung der Wärmezonen auf der Nord- und Süd- halbkugel,. Münster 1872; Das Fluthphänomen und sein Zusammenhang mit den säkulären Schwankungen des Seespiegels, Untersuchungen auf Grund neueren und neuesten Materiales, Leipzig 1874; Die Aralo-Kaspi-Niederung und ihre Befunde im Lichte der Lehre von den säkulären Schwankungen des Seespiegels und der Wärmezonen, Leipzig 1874; Das Fluthphänomen, Leipzig 1876; Sonne und Mond als Bildner der Erdschaale, Leipzig 1878. — [28] v. Schilling, Einiges über die Schmiek’sche Theorie periodisch-säkulärer Schwankungen auf der Nord- und Süd- halbkugel der Erde, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 10. Band. $. 437 ff. — [29] Pilar, Ein Beitrag ete., 8. 29 ff. — [30] Ibid. S. 39. — [31] Oberst Tillo’s Nivellement zwischen dem Aralsee und dem kaspischen Meere. Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 2. Band. S. 84 ff. — [32] Zöppritz, Rezension zu Schmick’s Schriften, Gött. Gel. Anz., 1878. $. 868 ff. — [33] Agassiz, Etude sur les glaciers, Neuchätel 1840. — [34] Penck, Die Vergletscherung der deutschen Alpen, ihre Ursache, periodische Wiederkehr und ihr Einfluss auf die Bodengestaltung, Leip- zig 1882. — [35] v. Czerny, Die Veränderlichkeit etc., S. 90. — [36] Pilar, Ein Beitrag ete., S. 13 ff. — [37] Ibid. S. 19 ff. — [38] Lyell, Principles of geology, Vol. I., London 1872. S. 268. ff. — [39] Sartorius v. Waltershausen, Untersuchun- gen etc.,. $. 146 ff. — [40] Ueber periodische Aenderungen in der Stärke der Meeresströmungen, Naturforscher, 17. Jahrgang. $. 253 ff. — [41] Krichenbauer, Die Irrfahrt des Odysseus als eine Umschiffung Afrikas erklärt, Berlin 1877. — [42] E. Biot, Recherches sur la temperature ancienne de la Chine, Paris 1851. — [43] Dove, Nichtperiodische Veränderungen der Wärme auf der Erdoberfläche, Abhandl. d. k. pr. Ak. d. Wissensch., Phys. Kl., 1838, 39, 42, 45, 52. — [44] Draper, Ueber die Frage einer Aenderung des Klimas der östlichen Staaten von Nord- amerika, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 9. Band. $. 239 ff. — [45] Günther, Stu- dien ete., $. 300 ff. — [46] Burmester, Geschichte der Schöpfung, Halle 1872. S. 306. — [47] A. Kirchhoff, Rezension zu v. Czerny’s Schrift, Leopoldina, 1881. S. 175 ff. — [48] R. Wolf, Notizen zur Kulturgeschichte der Schweiz, Nr. 131. — [49] K.G. Zimmermann, Bestätigung des von K. Fritsch gelieferten Nachweises einer säku- lären Aenderung der Lufttemperatur, Ann. d. Phys. u. Chem., 98. Band. S. 314 ff. — [50] Hamilton, Experiments to determine the temperature of the earth’s surface in the kingdom Ireland in the year 1788, Transact. of the Irish Academy, Vol. II, 1788. — [51] Buchan, Climate of Scotland, Athenaeum, 1876. S. 329. — [52] Les- piault, M&m. de la soc, des sc. phys. et nat., (2) vol. V. 8. XI ff. — [53] Blavier, Citate. 295 Changement du climat sur les cötes de la Vendee et deplacement probable du Gulf-Stream, L’Astronomie (de Flammarion) 1883. S. 106 fi. — [54] Fritz, Die Perioden der Weinerträge, (Thiel’s) Landwirthsch. Jahrbücher, 10. Band. S. 671 fi. — [55] Prowe, Nicolaus Coppernicus, 1. Band, 1. Theil, Berlin 1883. S. 105. — [56] Polluge, Klimaänderungen etc., S. 10. — [57] Freitag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, 2. Band, 1. Abtheilung, Leipzig 1867. S. 138. — [58] Schöttl, Wein und Bier, kulturgeschichtliche Betrachtungen zu einem Gesetze Kaiser Maxi- milian’s I., Blätter f. d. bayr. Realschulwesen, 2. Band. S. 108 ff. — [59] Ibid. S. 118. — [60] v. Löffelholz-Colberg, Die Bedeutung und Wichtigkeit des Waldes, Leipzig 1872. — [61] v. Czerny, Veränderlichkeit ete., $. 39 ff. — [62] Nordhoff, Der vormalige Weinbau Norddeutschlands, Münster 1877. — [63] Celoria, Varia- zioni periodiche e non periodiche della temperatura nel clima di Milano, Ren- diconti del Istit. Lomb., (2) Vol. VII. $.312 fi. — [64] Zur Wiederaufforstung in Italien, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 8. Band. S. 118 ff. — [65] Torelli, Carta della malaria dell’ Italia, Firenze 1882. — [66] Th. Fischer, Studien etc., S. 40 ff. — [67] Polluge, Klimaänderungen ete., S. 27. — [68] Ueber Klimaänderungen an der Aequatorialzone des subtropischen Regengebietes, Ausland, 1877., 5. 891 ff. — [69] Polluge, Klimaänderungen etec., $. 33 ff. [70] Dufour, Notes etc., S. 364 fi. — [71] Ibid. S. 373 fi. — [72] De Candolle, Geographie botanique raisonnee, Paris 1855. S. 357. — [73] Trientl, An der Holzgrenze, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 6. Band. S. 208 ff. — [74] Dufour, Notes ete., $. 383 ff. — [75] Ibid. $. 387 ff. — [76] Ibid. S. 419 ff. — [77] Simony, Anzeichen säkulärer klimatischer Schwan- kungen am Karls-Eisfeld, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 19. Band. S. 127 fi. — [78] Krümmel, Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume, Leip- zig 1879. S. 41. Kapitel X. Angewandte Meteorologie. S. 1. Wetterprognose. Wohl ebenso alt, wie die Anfänge. mensch- licher Kultur, sind auch die Versuche, brauchbare Regeln zur Voraus- bestimmung der künftigen Witterung auszumitteln. Bis in’s XVIIL. Jahr- hundert herein trug die Prognose, wie man sich in der Kürze auszudrücken pflegt, einen astrometeorologischen Charakter, und dass derselbe auch in der Gegenwart noch nicht als völlig abgestreift gelten kann, haben wir im fünften Kapitel gesehen, wo von ÖOverzier's Prognosen die Rede war. Bis die Mehrheit der Fachmänner sich endlich von diesem Hemmniss eines gesunden, wissenschaftlichen Fortschreitens losgemacht hatte, tauchte eine Unsumme sogenannter „Regeln“ auf, die natürlich in ihrer grossen Mehrheit richtiger Basis entbehrten. So war gegen den Ausgang des XVII. Jahrhunderts und noch später das Werk eines gewissen Cock [1] das Evangelium aller Wetterpropheten. Aus ihm schöpfte mancher Verfertiger eines sogenannten „tausend- jährigen Kalenders“, es war die Quelle vieler „Bauernregeln*, die ja hie und da manch’ richtige Beobachtung enthalten mögen, die aber doch vor Eisenlohr’s genauer Prüfung [2] sich als inhaltslos und irrig herausgestellt haben. Schon Fischart goss über die „Wetter- praktiken“ seiner Zeit die Lauge seines Spottes aus [3]. Andere suchten im Verhalten der Thierwelt Andeutungen von Veränderungen des Wetters aufzufinden; Frösche, Stechfliegen, Spinnen mussten als 996 "Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. | Untersuchungsobjekte dienen, und zumal Scultetus schuf ein System der Araneologie [4], welches sich, wenn man überhaupt eine Kon- kurrenz zwischen Bestrebungen dieser Art zulassen will, recht wohl neben dasjenige stellen kann, das Quatremere 200 Jahre später sich zurechtmachte. Ellner’s Versuche, in diese Seitenpfade der Wissen- schaft mehr Ordnung zu bringen [5], konnten natürlich so wenig von wirklichem Erfolge begleitet sein, wie Schübler’s gutgemeinte Be- stimmung der Winterstrenge aus der Zeit der Abwesenheit der Störche und Schwalben [6]. Als klimatisch-phänologisches Element hätte viel- leicht die Aufenthaltsdauer der Strichvögel mehr Bedeutung. — Wie sonderbaren Vermuthungen auch ernste Forscher noch vor fünfzig Jahren nachhiengen, mag uns das Beispiel Schön’s, eines recht tüchtigen Astronomen, lehren, der die Frage erörterte, ob wirklich immer am vierzigsten.Tage nach dem Erscheinen von Höhenrauch zwischen dem 1. November und 21. März strenge Kälte einfallen müsste, und der dann diese Regel wenigstens insoweit bestätigte, dass am bewussten Tage eine Aenderung des Wetters, verbunden mit Temperaturrückgang, sich ergeben werde [7]. — Weit mehr Werth kommt gewissen Indicien atmosphärisch-optischer Natur zu; so hat Kämtz [8] gewiss nicht Un- recht, wenn er das Wasserziehen der Sonne mit der Anwesenheit sehr zahlreicher Wasserbläschen in der Luft in Verbindung bringt, und Clausius meint [9], da das Saussure’sche Kyanometer (Kap. III, $. 7) die Unterschiede in der Luftfeuchtigkeit ziemlich deutlich angebe, so möchte dasselbe vielleicht auch in der Wetterprognose eine gewisse Rolle spielen können. Von Piazzi Smyth's „Regenband“ im Spek- trum handelte $. 10 unseres dritten Kapitels, vom Seintilliren der Sterne 8. 3. | Eine Prognose auf korrekter Basis rief zuerst Buys-Ballot in’s Leben. Er schlug vor, jeden Tag Kärtchen anzugeben, in welche für eine Anzahl gut vertheilter Orte der Barometerstand und die Windrichtung eingetragen wären, und wenn diese Diagramme recht- zeitig versandt würden, so könne man sich auch für Gegenden, die auf der Karte nicht unmittelbar berücksichtigt wären, das ungefähre Witterungsbild entwerfen |10l. Damit war, wenn auch noch in schüchternen Umrissen, das Wesen der Prognose mittelst syn- optischer Wetterkarten angedeutet und der Sieg der „synoptischen* Methode über die bisherige „statistische“ angebahnt. Leverrier und ‚Chacornac dehnten einen solchen synoptischen Wetterdienst mit Hülfe des elektrischen Telegraphen über Frankreich aus, Hoffmeyer organisirte ihn in Dänemark, Neumayer mit van Bebber in Deutschland, Myer in Amerika, wo, wie wir einem Aufsatze von Franceschini [11] entnehmen*), durch eine am 9. Februar 1870 erlassene Kongressakte der Kriegsminister zum Chef des prognostischen Dienstzweiges ernannt wurde. Die Organisation ist eine vorzügliche, bis zum Jahre 1875 waren bereits 850 000 Dollars für selbe veraus- gabt, einige Stationen Neu-Mexiko’s und Oolorado’s wurden in einer *) Allerdings hatte nach Ratzel [12] die Handelskammer von Cincinnati schon ein Jahr früher eine Anregung ausgehen lassen, und der Vorschlag, den elektrischen Telegraphen in den Dienst der Prognose zu stellen, datirt in Amerika vom Jahre 1847, während auf dem Kontinente Wittmann [13] erst drei Jahre später mit dieser inhaltsreichen Idee hervortrat. X. 8. 1. Wetterprognose. 297 Höhe von 2092 und 4333 Metern angelegt. Die Publikationen des Amtes sind die „Probabilities“*) und die „Weather-Maps“. Wenn auch nicht in gleich grossartigem Maassstabe, so doch dem Wesen nach ähnlich, haben sich alle Kulturstaaten ihren prognostischen Dienst eingerichtet, selbst in der Türkei ward derselbe durch Cumbary eingeführt. Brocard, der die Eigenthümlichkeiten in einer besonderen Schrift [14] schildert, welche die einzelnen Länder in dieser Hinsicht charakterisiren, sagt am Schlusse derselben: „Ainsi, en resume, tous les etats de l’Europe ont tenu a concourir & la constitution d’un reseau meteorologique international, dont les observations forment l’objet d’un echange quotidien de telegrammes qui s’expedient avec plus d’exacti- tude et d’activite, que les informations politiques. Les services que rend chaque jour & la meteorolgie, au commerce et & la navigation justifient et couvrent bien, au delä, toutes les depenses que peut en- trainer le fonetionnement d’un ensemble aussi &etendu.“ Was nun die Tagesthätigkeit des für die Prognose thätigen Meteorologen anlangt, so ist dieselbe etwa folgende**). Zu einer be- stimmten Zeit eröffnet er die aus den Bezugsorten eingegangenen Witterungstelegramme und schreibt in seine Karte neben jeden Ort die Angaben über Barometerstand u. s. w., welche er soeben erhalten hat. Alsdann verbindet er alle diejenigen Orte durch einen Kurvenzug, für welche sich die — selbstverständlich bereits auf das Meeresniveau bezogenen — Barometerhöhen als gleich ergeben haben und erhält so die Isobarenkarte des dem laufenden Tage unmittelbar voraufgehenden Tages. Das Buys-Ballot’sche Gesetz ermöglicht es ihm, aus der Lage der Isobaren auf die ungefähre Windrichtung und auf den Gang der Minima für die nächste Zeit zu schliessen, und damit ist ihm nach Kap. VI, $. 8 auch eine Reihe von Anhaltspunkten zur Beurtheilung des Witterungscharakters gegeben; grosse Gradienten z. B. künden ihm einen nahenden Sturm. Der Beamte drängt seine Wahrnehmungen in einige möglichst kurze Sätze zusammen und übergiebt sie in dieser Form, zusammen mit der in Chiffren umgesetzten Karte — jedes meteorologische Element hat seine feststehende Chiffre — dem Tele- sraphenbureau, welches die Ergebnisse der Centralstelle sowohl an die ihr untergeordneten oder mit ihr im Depeschenaustausch stehenden Amtsstellen als auch an die Tagesblätter weiterbefördert ***). Ueberall hat dann noch der für die Lokalprognose bestimmte Meteorologe seine besonderen Bemerkungen und Korrekturen anzubringen; so z. B. erwies sich nach Tarry [19] die Einrichtung einer eigenen Prognosenstellung für Algier nothwendig, nachdem man das Pariser Observatorium als *) Hiernach führt General Myer seinen populären Spitznamen „Old Prob“, #=) Speziellere Anweisungen enthalten die Schriften von Bruhns [15] und “Krebs[16]. Wie es auf der deutschen Seewarte zugeht, die wohl als Norm für alle Institute von verwandter Tendenz dienen kann, beschreibt ausführlich van Beb- ber [17], auf dessen Schilderung wir Jeden verweisen, der sich mit dem bei diesem Geschäfte mehr denn sonst irgendwo in’s Gewicht fallenden technischen Detail bekannt machen will. Eine generelle Darstellung dessen, was die praktische Witterungskunde erstrebt und leistet, ist auch vom Verf. gegeben worden [18]. #=*) In Deutschland haben so die „Frankfurter Zeitung“ (Krebs), die „Magde- burgische Zeitung“ (Assmann), die „Kölnische Zeitung“ (H. J. Klein) und die „Kölnische Volkszeitung“ (Garthe) ihre eigene „Wetterwarte“. Geradezu be- rühmt ist der Wetterdienst des „New York Herald“. i L Br ® > 298 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. | unvermögend erkannt hatte, den verwickelten Verhältnissen des Mittel- meerbeckens gerecht zu werden. | Da wir wissen, dass die Zugstrassen der das Wetter regulirenden Depressionen immer von Westen herkommen, so können wir von vorn herein uns vorstellen, dass die europäische Witterungsprognose von solchen Stationen erheblichen Vortheil ziehen müsste, welche bis in’s atlantische Meer hinein vorgeschoben wären. Nach dieser Richtung hin hat Hoffmeyer Vorschläge gemacht, die einer sorgsamen Er- wägung würdig sind [20]. Er will die Beobachtungsstationen der Fär-Oer, Island’s und Südgrönland’s, sowie diejenigen der Azoren mit Europa und jene der Bermudas-Inseln mit Nordamerika verbinden und auf diese Weise synoptische Karten für das Gesammtgebiet der Nord- Atlantik herstellen. Es steht zu hoffen, dass der Vorstand der deutschen Seewarte trotz Hoffmeyer’s vielbeklagtem Tode die Erweiterung unseres Beobachtungsnetzes anstreben werde. Wir würden jedoch, wenn wir jetzt schon tiefer in diese Fragen eingehen wollten, mit der Aufgabe des $. 3 in Konflikt kommen, während uns zunächst die Pflicht erwächst, die Bedeutung der Prognose für einen recht eigentlich binnen- ländischen Zweck in’s Auge zu fassen. 8. 2. Agrarmeteorologie. Die Meteorologie kann für Agrikultur- zwecke in doppelter Weise nutzbar gemacht werden. Einmal in klimatologischem Sinne: da handelt es sich etwa darum, welche Klimate der Zucht einer bestimmten Pflanze günstig sind, welche Lehren aus der topischen Klimatographie betreffs der Anpflanzung von Nutz- sewächsen entfliessen, u.s. w. An diesem Orte haben wir hauptsäch- lich der landwirthschaftlichen Prognose unser Interesse zu- zuwenden. Man kann die verschiedenen Fragen, auf welche es dem gebildeten Agronomen ankommt, kaum besser charakterisiren, als es in einer Schrift [21] von Lorenz v. Liburnau geschehen ist. Der- selbe unterscheidet vier gesonderte Komplexe meteorologischer Daten: einen physiologischen, dem die Beziehungen von Witterung und Klima zu den organisirten Wesen untergeordnet sind, einen physi- kalischen, welcher die Einwirkung lokaler Momente — etwa der Vegetationsdecke — auf das Klima zum Zwecke hat, einen prospek- tiven, d.h. Beurtheilung und Vorausbestimmung der Witterung, und einen retrospektiven, dessen Pflicht es ist, statistisch und physi- kalisch die Beziehungen des Klima’s zur Vertheilung und zum Ge- deihen der organischen Bodenprodukte zu studiren. Es muss ergründet werden das durchschnittliche Häufigkeitsverhältniss der einzelnen Wind- richtungen zu einander, die thermische, atmische und nephische Wind- rose (Kap. II, $. 6), man muss bestimmen die Mittel und Monats- Extreme der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und des Niederschlages. Speziell ist es für die Landwirthschaft wichtig, zu wissen, wie lange gewöhnlich ein bestimmter Wind weht*), bis er durch einen anderen verdrängt wird, an welchen Tagen durchschnittlich Temperaturen unter dem Gefrierpunkte verzeichnet werden, wie lange diese kalten *) In neuerer Zeit pflegen rationelle Landwirthe sich, ehe sie eine Anlage von Hopfenpflanzen an Stangen oder Drähten machen, über die an jenem Orte herrschende Windrichtung zu vergewissern. X, $. 2. Agrarmeteorolosie. 299 Zeiträume dauern und wie oft diejenigen wiederkehren, innerhalb deren die Temperatur annähernd dem Maximum oder Minimum der betreffen- den Jahreszeit entspricht. Niederschlagsdichtigkeit und Regenwahr- scheinlichkeit sollten bekannt sein. Für die eigentliche Erntestatistik genügen die folgenden Daten: Monatsmittel, Dekaden- und Pentaden- mittel der Temperatur, Datum und Gradzahl des Maximums und Minimums in jedem einzelnen Monate und entsprechende Angaben für Regenfall und Feuchtigkeit. Wenn in diesem Sinne vorgegangen würde, so könnten die in der Broschüre von Schultz [22] enthaltenen und auch jetzt schon sehr übertriebenen Klagen gegen den Betrieb des landwirthschaftlich-klimatologischen Dienstes nicht aufrecht er- halten werden. Allerdings ist zu bedauern, dass jenes Regulativ, auf welches sich Schultz bezieht, und welches von den bekannten Agro- nomen Thiel und Hausburg im Vereine mit dem Meteorologen Köppen für die Reichsbehörden ausgearbeitet ward [23], noch recht wenig zur praktischen Verwerthung gelangt ist. Die von der „prospektiven Gruppe“ Lorenz v. Liburnau’s zu befolgenden Grundsätze hat van Bebber [24] sehr umsichtig vor- gezeichnet. Im Sinne eines zuerst von Lamont ausgegangenen Vor- schlages sollen Stationen erster, zweiter und dritter Ord- nung errichtet werden. Die ersteren sind wirkliche Oentralobservatorien, mit Selbstregistratoren ausgerüstet, diejenigen zweiter Ordnung liefern etwa solche Beobachtungen des Barometers, Thermometers und Psychro- meters, wie sie nach Lamont’s Plane von den bayrischen Gerichts- ärzten verlangt wurden*), und diejenigen dritter Ordnung werden möglichst zahlreich von Leuten verwaltet, welche sich, ohne dass dabei die frühere Exaktheit nöthig wäre, zur Einsendung von lokalen Wit- terungsberichten verpflichten. Die auf dieses Stationssystem sich be- gründende Prognose muss natürlich manches anders machen, als die in $. 1 beschriebene; Stürme z. B. ohne starken Regen pflegen dem Landmanne ziemlich gleichgültig zu sein, während die Vorherverkün- digung von Nachtfrösten für ihn von grossem Werthe wäre. Ist es doch schon öfters gelungen, Weinberge durch Entwickelung eines Rauchmantels gegen die allzustarke nächtliche Ausstrahlung der Erde zu schützen. ‚Mit den Lokalcentren verbindet Bruhns (a. a. O.) ein Mit- theilungssystem durch den optischen Telegraphen. Eine schwarze Kugel bedeutet regnerische, eine weisse Kugel trockene, eine Kom- bination von beiden veränderliche Witterung. Es empfiehlt sich, ent- sprechende Signale auch für die Warnungen vor Wassergefahr zu verwenden **). *) Bergige Gegenden sollten mit einem besonders dichten Stationsnetze übersponnen werden. Ein solches würde vielleicht, selbst wenn nur die zweite und dritte Ordnung berücksichtigt werden könnten, mehr praktischen Nutzen schaffen, als die Begründung einzelner noch so trefilich ausgestatteter Hochstationen (Mount Washinston,. Mont-Souris, St. Theodul-Pass), welch’ letztere allerdings für die Klärung gewisser theoretisch-meteorologischer Fragen unentbehrlich sind. All- gemeine Grundsätze für montane Observatorien stellt Marinelli auf [25]. **) Diess geschieht jetzt schon in Nordamerika. Dort bringt man allseitig den durch Aushang am kleinsten Gemeindehause publieirten „Probabilities“ ein reges Interesse entgegen: Die Baumwollenpflanzer richten sich danach mit ihrer Ernte, die Tabakfabrikanten bestimmen danach, ob ihre Blätter noch länger in 300 Fünfte Abtheilung. Atımosphärologie. $. 3. Litorale Meteorologie und Sturmwarnungen. So gleichgültig die Agrarmeteorologie sich gegen die Veränderungen des Luftdruckes verhält, so lebhaft beschäftigen gerade diese ihre Schwesterdisciplin, die Meteorologie des Küstenschutzes. Ihr fällt die Aufgabe zu, Regeln festzustellen, durch welche das Herannahen eines Sturmes im voraus erkannt werden kann, und alsdann durch ein System von Sturmwarnungen die in der Nähe der Küste befindlichen Schiffe zum Einlaufen in den Hafen zu veranlassen, resp. die sonst erforder- lichen Schutzmaassregeln zu treffen. Eingehendste Belehrung über Sturmwarnungen findet man in dem grossen Werke von Buys- Ballot [26] und in einem Schriftchen von Sohncke [27]. Für Deutschland ist maassgebend das im fünften Jahrgang des Archivs der Seewarte, dann aber auch als selbstständige Schrift [28] veröffentlichte Örganisationsstatut. Einer der Sektionschefs der Seewarte bereist jährlich das ganze Litoral der Nord- und Ostsee, um den regelmässigen Gang des Sturmwarnungswesens zu überwachen. Grosse Gradienten, resp. eine sehr geringe Normaldistanz zweier Nachbar-Isobaren, sowie jäher Fall des Quecksilbers im Barometer künden den aus Westen kommenden Sturm an. Alsdann werden an jeder Signalstation die Warnungszeichen auf einer der hiefür bestimm- ten Stangen in die Höhe gezogen. Vielfach sind dies geflochtene Körbe, vielfach auch verschieden gefärbte Flaggen, einen sehr geist- reich eingerichteten optischen Indikator benützen nach Buys- Ballot’s Angabe (s. o.) die holländischen Küstenorte; auch J. Müller beschreibt genau [29], wie man aus den Armstellungen dieses Telegraphen sogar Richtung und Stärke des Sturmes erschliessen kann. Allerdings setzt diese Einrichtung bei den Seeleuten schon einige Kenntniss der wich- tigeren Sturmgesetze voraus. Nach Hoffmeyer (a. a. ©.) kommen die speziell sturmerregen- den Minima häufig nicht vom amerikanischen Kontinente selbst her- über, sie bilden sich vielmehr mit Vorliebe über dem atlantischen Meere, und es werden dadurch die amerikanischen Sturmwarnungen trotz des submarinen Kabels für uns fast werthlos.. Der treffliche dänische Meteorologe entwickelt deshalb den Plan zu einem förmlichen wettertelegraphischen Dienste auf dem Ocean, und der Vorstand der grossen nordischen Telegraphengesellschaft, Tiedgen, hat diesen Plan unter seine besondere Protektion genommen. — Um zwischen den Inseln Mauritius und Reunion ein Sturmwarnungssystem einzuführen, soll nach Adam der Gauss’sche Heliograph dienen [30]. In der That hat Ibanez mit Hülfe desselben zwischen Orten hin- und her- telegraphirt, deren Entfernung erheblich grösser ist, als jene der beiden Inseln. Ein kleiner, automatischer Unterbrecher soll die Lichtsignale nach Morse hervorbringen, und als Empfänger soll entweder das lichtempfindliche Selen verwendet, oder es soll jedes Signal auf einem mit Bromsilber-Gelatine überzogenen Papierstreifen markirt werden, welcher sich am Fokus des Aufnahmefernrohres vorüberbewegt. So der Luft hängen bleiben sollen. Dabei ist freilich nicht zu vergessen, dass die schon mehrfach hervorgehobene Regelmässigkeit, mit welcher in jenem Lande die Minima sich auf bestimmten Wegen fortbewegen, eine dem Europäer kaum erreichbare Sicherheit der Prognosenstellung möglich macht. X, $. 4. Maritime Meteorologie und Schiffskurse. 301 würde einer der den indischen Ocean gefährdenden Drehstürme auch ohne Kabel 24 bis 36 Stunden eher in Reunion angemeldet werden können, als er diese Insel wirklich erreicht. $S. 4. Maritime Meteorologie und Schifiskurse.. Ueber die An- fänge dieses in neuerer Zeit zu hervorragender Wichtigkeit gelangten Wissenszweiges finden wir Belehrung bei Gelcich [31]. Eine Art von maritimer Meteorologie bildete sich bereits bei den portugiesischen Seefahrern aus, als dieselben die Zonen der Passate, Kalmen und ver- änderlichen Westwinde auseinanderzuhalten bemüht sein mussten. Fray Andres de Urdaneta fand den Weg über die Südsee, indem er sich auf die Annahme stützte, dass über dem grossen Ocean wesentlich die gleichen Kräfte ihr Spiel treiben müssten, wie über dem atlanti- schen*). Am 1. Juni 1565 verliess derselbe die Philippinen, steuerte sesen die Ladronen, sichtete die Küste Japan’s unter dem 36. Pa- rallel und wendete, nachdem er noch ein paar Grade höher hinauf gelangt war, gegen Südost um; diesen Kurs einhaltend, erreichte er Acapulco nach der verhältnissmässig kurzen Zeit von 125 Tagen. Er liess sich also von der allein richtigen Tendenz leiten: Die Kurse nicht zu erzwingen, sondern den herrschenden Windrichtun- gen anzupassen. Im rothen Meere wagte man damals bei Nacht noch kaum zu segeln. Noch Zuallert war im XVI. Jahrhundert nicht im Stande, von Cypern aus direkt einen syrischen Hafen an- zusegeln; auch dort, in der Osthälfte des mittelländischen Meeres, ver- wandelte sich die Küstenschifffahrt durch das Studium der Windverhält- nisse erst ganz allmählig in wirkliche Seeschifffahrt. Im Jahre 1575 erschien [34] das erste bessere Kompendium der oceanischen Nautik, Juan Escalante de Mendoza’s „Itinerario de Navegacion ä los mares y tierras occidentales“, worin neben einer Beschreibung der Meere, Winde, Strömungen u. s. w. auch nähere Angaben über die nach be- stimmten Orten hinführenden Routen angetroffen werden. Grosse Fort- schritte wurden in der darauf folgenden Zeit nicht mehr gemacht, und selbst noch im XVIII. Jahrhundert geschah, wie Neumayer aus- führt [35], von der unter Ludwig XVI. nach den Aequatorialgegenden entsandten Expedition Borda’s und Le Verdun’s abgesehen, nichts Besonderes für die scientifische Ausgestaltung des Seeverkehres. Da- mals glaubte man bei jeder Seereise auch jeden grösseren Hafen be- suchen zu müssen; um z. B. von Europa aus nach Australien zu gelangen, hielt man einen Aufenthalt in Rio und einen zweiten am Vorgebirge der guten Hoffnung für unvermeidlich, und so nahm noch um 1800 jene Reise ihre zweihundert Tage in Anspruch. Man legte wenig Gewicht auf den Punkt, in welchem man die Linie kreuzte und *) Die Berücksichtigung dieser Reise kann von Bedeutung sein bei der Be- urtheilung gewisser geschichtlich-geographischer Fragen. A. Kirchhoff hatte aus dem Reiseberichte eines sächsischen Abenteurers v. Miltitz zu entnehmen geglaubt [32], dass jener rund um die Erde herumgekommen sei. Demgegenüber macht Ruge [33] darauf aufmerksam, dass dann v. Miltitz den Paeifik in der Richtung von Ost nach West durchkreuzt haben müsste, was den Windrichtungen gegenüber eine ganz unvergleichbar grössere Leistung gewesen wäre, als diejenige Urdaneta’s. Die fünf ersten Weltumsegler (Magellan, Drake, Cavendish, Hawkins, De Noort) hielten alle den gleichen westöstlichen Kurs ein. 302 suchte von irgend einem Punkte aus auf einer Kombination von loxo- dromischen Wegen (I. Band, S. 278) um die Südspitze Afrika’s her- umzukommen, freilich auf die naheliegende Gefahr hin, dem ständigen Südostpassate zu begegnen und gegen diesen aufkreuzen zu müssen. Seit dem Anfang der fünfziger Jahre gieng man daran, das Segeln nach konstantem Kurswinkel wieder durch das rationellere Segeln auf dem grössten Kreise zu ersetzen, und da konnte man denn auch Luft- und Meeresströmungen besser in Rechnung ziehen. Seit 1842 be- gann der amerikanische Marineoffizier Maury diesem Gegenstande seine Theilnahme zuzuwenden; ihm schwebte der Gedanke vor, däss meteorologisch sich der relativ kürzeste Weg von einem Erdorte zum anderen bestimmen lassen müsse. Im Jahre 1853 trat die meteoro- logische Konferenz zu Brüssel zusammen, und auf dieser sah Maury seine Pläne anerkannt und genehmigt. Die Reise nach Australien ward auf einen Zeitraum von 70 bis 90 Tagen herabgebracht, die mittlere Fahrgeschwindigkeit von 3° auf 6, ja auf 6! Seemeilen in der Stunde erhöht. Maury selbst, nachmals zum Admiral erhoben und erst durch den Secessionskrieg einer gedeihlichen Wirksamkeit entrückt, legte seine Grundsätze in einem grösseren Werke nieder, von welchem wir auch eine gute deutsche Ausgabe besitzen |36]. In seine Fusstapfen sind andere wissenschaftlich gebildete Nautiker getreten, wie die Werke von Knorr [37], Toynbee [38] und Evans-Hull [39] beweisen; auch das vielfach erwähnte österreichische Handbuch enthält [40] einen ausgedehnten Abschnitt über maritime Meteorologie und transoceanische Routen aus der Feder Attlmayr’s. Von deutschen Gelehrten nahm schon 1855 Neumayer die Sache in die Hand und brachte es dahin, dass heutzutage auf der Hamburger Seewarte ein Forschungsmaterial für seemännische Witterungskunde vereinigt und in unabsehbarem Wachsthum begriffen ist, wie es noch vor nicht sehr langer Zeit für unerreichbar gegolten hätte. Der von Neumayer über die Arbeits- eintheilung seiner Sparte erstattete Bericht [41] ist auch im Folgenden für uns maassgebend. Die gesammte Meeresfläche, um deren Untersuchung es sich handelt, wird in Bezirke von Trapezform getheilt, und jede der durch Vertrag zu gemeinsamer Arbeit verpflichteten Nationen macht sich anheischig, einen dieser Bezirke evident zu halten. Derselbe wird dann weiter in sogenannte nGrad-Felder getheilt, d. h. in sphärische Trapeze, deren Seiten jeweils nGrade in Breite und Länge umfassen. Je kleiner n gewählt werden kann, um so nutzbringender, aber auch um so schwieriger gestaltet sich die Arbeit. Eingradfelder sind das Gewöhnliche, Schück aber fand bei seinen Untersuchungen über die Monsune (Kap. VI, $. 7), dass wegen unzureichender Genauigkeit der auf hoher See angestellten Beobachtungen ein Viertheil der auf ein Eingradfeld entfallenden Daten diesem mit Unrecht zugerechnet werde, und wählte deshalb Zweigradfelder.. Jedem mit der deutschen See- warte in Verbindung stehenden Schiffsführer wird vor der Abfahrt ein Beobachtungsjournal überreicht, welches er nach seiner Rückkehr ausgefüllt wieder abzugeben hat, und hierauf üben die Beamten der Abtheilung daran eine in Notenziffern auszudrückende Kritik. Die gut qualificirten Bücher liefern eben das Material zur Begründung X, 8.5. Medieinische Meteorologie. 303 einer Meteorologie der Gradfelder. Es leuchtet ein, dass, wenn etwa 20 Schiffe einen bestimmten kleinen Erdraum ziemlich zu derselben Zeit durchfahren und genaue Nachrichten über den damals herrschenden Witterungszustand mitgebracht haben, endlich eine sehr scharfe meteoro- logische Statistik dieses Territoriums fertiggestellt werden kann. In dieser Weise kommen die sogenannten Segelanweisungen („Sailing directions‘) zu Stande, mittelst deren den Seefahrern die kürzesten Wege über den Ocean gewiesen werden [42], in erster Linie natürlich den Segelschiffen, da Dampfkraft, Rad und Schraube eine ziemlich hohe Unabhängigkeit gegenüber Wind und Wetter ver- leihen. In die Details dieser empirischen Vorschriften können wir hier nicht weiter eingehen. Natürlich gehören als Ergänzung zur Kunde der Seewege auch noch Kenntnisse über Tiefenverhältnisse und Hafen- anlagen der verschiedenen Meere; jedes Heft der im Auftrage der deutschen Admiralität herausgegebenen „Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie‘ bringt neuen Stoff zur Vermehrung dieser Kenntnisse. Vgl. u. a. im 10. Jahrg. (S. 149) Schück’s Angaben über Segelanweisungen der Carolinen-Insulaner. $S. 5. Medieinische Meteorologie. Während die in den ersten vier Paragraphen dieses Kapitels besprochenen Materien das Gepräge der Gemeinsamkeit an sich trugen, haben wir jetzt ein neues Feld zu betreten. Medicinische Meteorologie ist ein Sammaeltitel für eine ganze Reihe wissenschaftlicher Fragen, welche nach allen Seiten hin in die Gebiete der Pathologie, der Hygieine und der Balneo- therapie hineinreichen und unter sich zum Theile nur so lose zu- sammenhängen, dass wir uns nothwendigerweise mit Aphorismen be- Snügen müssen. Untersuchungen über den Einfluss der Luftdruckverschiedenheit auf den menschlichen Organismus werden mehr und mehr angestellt. Denn die alte und in jedem Lehrbuche der Physik erörterte Behaup- tung, dass die Müdigkeit beim Bergbesteigen allein auf dem Bestreben des Schenkelknochens beruhe, aus der Pfanne bei nachlassendem Luft- drucke herauszugleiten, ist zwar an sich richtig, allein es spielen bei’m Zustandekommen des bekannten Erregungs- und Erschlaffungszustandes doch auch noch ganz andere’ physiologische Vorgänge mit. Eingehen- der scheint die Bergkrankheit, welche in Hochasien als „Bitsch ki Haua“, in den Anden als „Sorocho*, „Puna*, „Mareo®* bekannt ist, H. v. Schlagintweit studirt zu haben [43]. Diesem Autor zufolge tritt das Krankheitsgefühl früher und entschiedener bei Bergsteigern, als bei Luftschiffern auf; die höchste erträgliche Höhe dürfte diejenige von 11000 m sein, was also den Gaurisankar (I. Band, S. 135) noch bei weitem übersteigt. Greenaue Versuche sind ferner von Jourdanet und Bert angestellt worden, und Bouchut [44] berichtet über dieselben. Seine Thesen sind nachstehend angeführt: I. Höhen mit einem Drucke von 70 bis 75 cm erweisen sich den Menschen und höher organisirten Thieren günstig, weil die Kohlensäure leicht aus dem Blute ausgeschie- den wird; II. Längerer Aufenthalt auf einer Höhe mit einem Drucke von 60 bis 65 em wirkt im umgekehrten Sinne; III. bei allzu ge- ringem Drucke nimmt die Absorptionsfähigkeit für Sauerstoff der- massen ab, dass eine Anämie mit den Symptomen des Schwindels, DEREN ELEND RI NE N BT 2 ET TE ET ER N N "Sen 304 Fünfte Abtheilung. Atmosphärologie. der Ohnmacht und des Nasenblutens eintritt. Lartet erklärt dieses Krankheitsbild durch den mit abnehmendem Luftdrucke sich beschleuni- genden Blutumlauf [45]; zudem vermindert die Muskelanstrengung die Körperwärme gar beträchtlich, bei einer Montblancbesteigung bis zu 6°. Mit Kohlensäure dagegen bleibt das Blut reich beladen und da- durch wird besonders die krankhafte Schläfrigkeit hervorgerufen. Die Hygieine, diese in ihren Anfängen bereits auf Hippokrates hinaufreichende Wissenschaft (I. Band, S. 3 ff.), hat die Bedingungen zu untersuchen, unter welchen Boden und Luft keine der menschlichen Gesundheit nachtheilige Zusammensetzung haben, und es liegt deshalb am Tage, dass sie mit der Meteorologie im engsten Konnexe stehen muss. Schwefelwasserstoff z. B., der Luft in zu grosser Menge bei- gemischt, wirkt höchst schädlich, wo nicht unbedingt tödtlich, wie denn nach Hoh [46] stagnirende Kloakenluft 13,79 %o Sauerstoff, 81,21 °% Stickstoff, 2,01 %o Kohlensäure, 2,99 %0 Schwefelwasserstoff enthält. Dagegen hat sich die Meinung derjenigen nicht bestätigt, welche in diesem Stoffe den Hauptträger der miasmatischen Blut- vergiftung erblicken wollten; München und London hatten 1854, als die Cholera wüthete, eine schwefelwasserstofffreie Luft. Grosse Ver- dienste erwarb sich die Hygieine durch Analyse und Untersuchung der Kirchhofluft, indem dadurch eine Fülle von Vorurtheilen beseitigt und die Quantität der Verwesungsgase als eine in den allermeisten Fällen minimale nachgewiesen wurde [47]. Die Lehre von der Ven- tilation, von der Herstellung gesunder Wohnräume mit rationellen Heizvorrichtungen, wurde durch v. Pettenkofer’s Versuche über das Hindurchstreichen der Luft durch die Poren der Baumaterialien, durch die Arbeiten von Wolpert und Recknagel fest begründet; eine po- puläre und doch exakte Darstellung der Hauptresultate gab J. Rosen- thal [48]. In $S. 2 des ersten Kapitels hatten wir uns mit der me- teorologischen Bedeutung des Staubes zu beschäftigen; die Hygieine hat auch die Aufgabe, durch Prophylaxe aller Art gegen die Staub- inhalations- und Gewerbekrankheiten zu schützen, welche zuerst Ramazzini in einem für seine Zeit klassischen Werke [49] behandelt hat, während der heute von der Wissenschaft erreichte Wissensstand in den Monographieen von Hirt [50] und Merkel [51] seine muster- gültige Kennzeichnung findet. Diese Staubkörner sind noch makro- skopische Gebilde, allein ausser ihnen birgt die Luft noch weit gefähr- lichere Krankheitsträger vegetativer Natur, welche erst unter dem Vergrösserungsglase als Mikrokokken oder Bacillen sich offenbaren und neuerdings — namentlich unter dem Einflusse der genialen Leistun- gen eines Pasteur und Koch — als der Urgrund sämmtlicher In- fectionskrankheiten betrachtet werden. Die geographische Pathologie kann der Meteorologie nicht entrathen. Hippokrates, Asklepiades, Galen bauten auf dem be- reits von Herodot — in dessen Andeutungen über die Verschieden- heit der Gesundheitsverhältnisse bei Griechen und Aegyptern — ge- legten Grunde fort, Averroes fügte einzelne kluge Bemerkungen neu hinzu [52]; seit der Mitte des XVII. Jahrhunderts aber trat diese Disciplin in ein ganz neues Stadium [53]. Bontius und Piso studir- ten die Trropenkrankheiten, Ramazzini beobachtete die Modifikatio- nen des Wechselfiebers, Schnurrer’s „Chronik der Seuchen“ ist auch X. $. 5. Medicinische Meteorologie. 305 für die physikalische Geographie eine Fundgrube. Allerdings machte der astrometeorologische Aberglaube noch manchen Strich durch die Rechnung *), allein der Fortschritt war nicht mehr zu unterdrücken. Einer der Marksteine desselben ist Charassieu d’Andebert’s Lehr- buch der durch Wasserausdünstung entstehenden (Malaria-) Krank- heiten [55]. Auch v. Haller’s Versuch, die Mortalitätskurven der „Volkskrankheiten* zu den T'emperaturkurven des Jahres in Beziehung zu setzen, verdient ehrende Erwähnung [56]. Der Schöpfer der histo- risch-geographischen Pathologie ist Hirsch, der namentlich gegen jene übertreibenden Generalisationen auftritt, die früher vielfach üblich waren und auch in der sonst recht inhaltsreichen Meteorologie von Foissac-Emsmann [57] allzusehr sich in den Vordergrund drängen. Zum Schlusse übrigt es uns noch, einen Blick auf diemedicinische Klimatologie zu werfen. Celsus und Aretaeus waren sich schon im Alterthum ganz klar über den sanitären Gegensatz zwischen Höhen- und Tiefenklima**), und der Erstgenannte charakterisirt auch gar nicht übel den Zusammenhang gewisser Krankheitsformen mit den Wind- richtungen [58]. Die Klimatotherapie, die Lehre von der Aus- wahl der einem erkrankten Organismus zu verordnenden Klima-Gat- tung, ist allerdings ein Kind der Neuzeit; Biedermann, Niemeyer, Beneke, Kisch haben dieselbe mehr unter dem medicinischen, der Heissige Mühry hat sie durch ein eigenes Werk [59] unter dem kli- matologischen Gesichtspunkte gefördert, während über die therapeu- tische Bedeutung des Waldes besonders Hoh [60] sich verbreitet. Für den jungen Arzt, der, im Besitze der nothwendigen meteorologi- schen Vorkenntnisse, die Grundzüge der Klimatotherapie und der Lehre von den klimatischen Kurorten rasch sich einprägen will, eignet sich insbesondere das Werk von Kisch [61]. Derselbe theilt die Kurorte in solche für den Sommer und für den Winter und ausserdem ın feuchte und trockene [62]; genaue Ermittelungen stellt er an über die Wirkungen des Ozon’s [63]. Das Höhenklima soll in erster Linie die Hautthätigkeit vermehren, Blutbildung und Stoffwechsel beför- dern [64], das Seeklima — für dieses bedient sich der Autor der sonst nicht gebräuchlichen Eintheilung in feuchte, mittelfeuchte und trockene Seeklimate [65] — soll ebenfalls anregend und Stoffwechsel- begünstigend wirken. Südliche Winterstationen haben bei Skrophulose und bei Krankheiten der Respirationsorgane ihre wohlbekannte Indi- kation I Man ist noch nicht durchweg im Reinen über die phy- sikalischen Bedingungen der erfahrungsmässig festgestellten Salubrität mancher Kurorte; nach vergleichenden Untersuchungen, die V olland [67] für Strassburg und Davos angestellt hat, scheint dem Rarefikations- grade der Luft und ihrem Vermögen, Feuchtigkeit aufzunehmen, mehr Beachtung geschenkt werden zu müssen. Sehr viele Notizen über *) Einige sprechende Proben dieser falschen Richtung können bei Mauritii [54] nachgesehen werden; auch gescheidte Leute entgiengen dieser Täuschung nicht, vielmehr schrieb selbst der sonst so verehrungswürdige Ramazzini (s. 0.) dem ab- nehmenden Monde die Kraft zu, Pestepidemieen zu verschlimmern. **) Nach Peez, dem Verfasser der „Volkswissensch, Studien“, sollen bereits unsere Altvordern im bayrischen Chiemgau vor einem Jahrtausend die beschwich- tigende Macht des Höhenklima’s auf kranke Lungen instinktiv erkannt und in der Praxis verwerthet haben, Günther, Geophysik. II. Band. 20 306 "N Ciiate, gesunde und ungesunde Klimate enthält auch Hann’s Handbuch, wel- chem wir u. a. den Hinweis auf die klimatischen Heilstätten der Zu- kunft, nämlich auf die Polarländer — und wiederum ganz besonders auf das durch seine reine Atmosphäre ausgezeichnete Spitzbergen [68] — entnehmen. u [1] Cock, Meteorologie oder der rechte Weg, vorher zu wissen, zu beurtheilen die Veränderung der Luft und Abwechselung des Wetters in verschiedenen Län- dern, Hamburg 1691. — [2] Eisenlohr, Untersuchung über die Zuverlässigkeit und den Werth der gebräuchlichsten Wetterregeln, Karlsruhe 1847. — [3] Franceschini, Witterungskunde und Wetterprophezeiung, Neue Zeit, 1883. S. 86. — [4] Scultetus,, Meteorographicum perpetuum, oder ewigwährende Practica, Görlitz 1588. — [5] Ellner, Wetteranzeigen aus der Thierwelt, Westermann’s Monatshefte, 1862. Nr. 69. — [6] Schübler, Die Zugvögel als Witterungspropheten, Arch. d. Chem. u. Met., 4. Band. $. 399 ff. — [7] Schön, Beitrag zur Bestätigung der Schön’schen Regel, ibid. 2. Band. $. 382 ff. — [8] Kämtz, Lehrbuch der Meteorologie, 3. Band, Halle 1836 S. 50. — [9] Clausius, Die Lichterscheinungen der Atmosphäre, dargestellt und erläutert. (Grunerts) Beitr. zur meteorol. Optik und zu verwandten Wissensch., 1. Band. S. 396. — [10] Buys-Ballot, Erläuterung einer graphischen Methode zur gleichzeitigen Darstellung der Witterungserscheinungen an vielen Orten, Ann. d. Phys. u. Chem., 4. Ergänzungsband. $. 559. ff. — [11] Franceschini, Witterungs- kunde etc., $. 90 ff. — [12] Ratzel, Physische Geographie und Naturcharakter der Vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. S. 304 ff. — [13] Wittmann, Vorschlag zu einer Vorhersagung der Witterung durch Mittheilung des elektrischen Telegraphen, Didaskalia vom 2. Oktober 1850. — [14] Brocard, Organisation actuelle du service meteorologique en Europe, Alger 1881. — [15] Bruhns, Ueber das meteorologische Bureau für Witterungsprognosen im Königreich Sachsen, Leipzig 1879. — [16] Krebs, Wetterkarten und Wetterprognose, Frankfurt a. M. 1879. — [17] Die Physik im Dienste des täglichen Lebens, Stuttgart 1884. S.113 ff. — [18] Günther, Die praktische Meteorologie der Gegenwart, Abhandl. d. naturf. Ges. zu Nürnberg, 7. Band. $.119 ff. — [19] Tarry, Echange de tel&grammes mö&teorologiques entre l’Europe et l’Afrique, Bordeaux 1878. — [20] Hoffmeyer, Etude sur les tempetes de l’Atlantique septentrional et projet d’un service telegraphique international re- latif & cet oc&an, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 15. Band. $. 345 ff. — [21] Lorenz v. Liburnau, Ueber die Bedeutung und Vertretung der land- und forstwirthschaft- lichen Meteorologie, Wien 1879. — [22] Schultz, Bemerkungen zum Berichte über Organisation des meteorologischen Dienstes im Interesse der Land- und Forst- wirthschaft, Berlin 1879. — [23] Die Organisation eines meteorologischen Dienstes im Interesse der Land- und Forstwirthschaft für das Gebiet des Deutschen Reiches, Berlin 1879. — [24] van Bebber, Die Meteorologie im Dienste der Landwirthschaft, Deutsche Revue, 1877. — [25] Marinelli, Della opportunitä di fondare un osserva- torio meteorologico sulle nostri Alpi, Udine 1873. — [26] Buys-Ballot, Suggestions on a uniform system of meteorological observations, Utrecht 1872. — [27] Sohncke, Ueber Stürme und Sturmwarnungen, Berlin 1875. — [28] Organisation des Systemes und der Arbeit des Küstenwarnungswesens und der Küstenmeteorologie, Hamburg 1878. — [29] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. S. 673 ff. — [80] Heliograph als Wettertelegraph, Gaea, 19. Jahrgang. S. 251. — [31] Geleich, Studien zur Entwickelungsgeschichte der Schifffahrt, mit besonderer Berücksichtigung der nautischen Wissenschaften, Laibach 1882.8. 78 ff. — [32] A. Kirch- hoff, ein sächsischer Weltumsegler des XVI. Jahrhunderts, Mittheil. d. Ver. f. Erd- kunde zu Halle, 1881. S. 67 ff. — [33] Ruge, Bernhard v. Miltitz kein Welt- umsegler, Arch. f. sächs. Geschichte u. Alterthumskunde, 3. Band. $. 66 ff. [34] Geleich, Studien etc. $. 82. — [35] Neumayer, Der Weltverkehr zur See und die Geophysik in ihrer Wechselwirkung, Tagebl. d. 44. Versamml. d. Naturforscher und Aerzte, Rostock 1871. $. 160 ff. — [36] Maury, Die physische Geographie des Meeres, deutsch von Böttger, Leipzig 1856. — [37] Knorr-Kropp, Physical seographie of the Read-Sea, with sailing directions, Washington 1872.— [38] Toynbee, A discussion of the meteorology of a part of the Atlantic, London 1872. — [39] Evans-Hull, Wind and current charts for the Atlantic, Pacifie and Indian Ocean, London 1872. — [40] Handbuch der Hydrographie und maritimen Meteoro- logie, 2. Band, Wien 1883. $. 653 ff. $. 821 fi. — [41] Neumayer, Bericht über Citate. 307 die Pflege der maritimen Meteorologie in Deutschland, Hamburg 1879. — [42] Schück, Ueber die Wege des Oceans für Segelschiffe, Hamburg 1874. — [43] v. Schlagint- weit, Ueber den Einfluss der Höhe auf den menschlichen Organismus, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 1. Band. S. 332 ff. — [44] Bouchut, De l’influence de la pression de l’air sur la vie de ’homme, Mondes, (2) Vol. XXXVIIL S. 572 ff. S. 614 ff. S. 649 ff. — [45] Lartet, Ueber die physiologischen Zustände beim Er- steigen grosser Berge, Ausland 1869. Sp. 1009 ff. — [46] Hoh, Die Physik in der Mediein, Stuttgart 1875. S. 379 ff. — [47] Ibid. S. 303. — [48] Die Physik des täglichen Lebens, $. 169 ff. — [49] Ramazzini, De morbis artificum diatribe, Ultra- jeeti 1703. — [50] Geigel-Hirt-Merkel, Handbuch der öffentlichen Gesundheitspflege und der Gewerbekrankheiten, Leipzig 1874. S. 383 ff. — [51] Ibid. S. 471 fi. — [52] Hoh, Die Physik ete., S. 420 ff. — [53] Ibid. S. 429. ff. — [54] Mauritii, Ueber den Einfluss der Mondphasen auf die Witterung, Wunsiedel 1841. — [55] Charas- sieu d’Andebert, Des inondations d’hiver et d’et&E ou traite special de l’humidite par rapport & ’homme et aux animaux, Paris 1806. — [56] Hoh, Die Physik etec., S. 438 ff. — [57] Foissac, Meteorologie mit Rücksicht auf die Lehre vom Kosmos und über ihre Beziehungen zur Medicin und allgemeinen Gesundheitspflege, deutsch von Emsmann, Leipzig 1859. — [58] Hoh, Die Physik ete., S. 479 ff. — [59] Mühry, Klimatologische Untersuchungen in Bezug auf Gesundheitspflege, Leipzig 1853. — [60] Hoh, Die Physik etec., S. 532 fi. — [61] Kisch, Grundriss der klinischen Bal- neotherapie einschliesslich der Hydrotherapie und Klimatotherapie, Wien-Leipzig 1883. — [62] Ibid. S. 218. — [63] Ibid. S. 226 fi. — [64] Ibid. S. 237. — [65] Ibid. S. 245 ff. — [66] Ibid. S. 247 ff. — [67] Volland, Ueber Verdunstung und Insola- tion, ein Beitrag zur besseren Kenntniss des Hochgebirgsklima’s, Basel 1879. — [68] Hann, Handbuch der Klimatologie, Stuttgart 1883. $. 754. Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Kapitel I, Die allgemeinen Eigenschaften des Meerwassers und dessen Vertheilung auf der Erdoberfläche. $. 1. Begriff der Worte Meer und Meereskunde. Wir bezeichnen durch das Wort Meer im Allgemeinen jede grössere Wasseransamm- lung dann, wenn dieses Wasser sich von demjenigen unserer Flüsse und Seen durch seinen Salzgehalt unterscheidet. Lediglich dieser Um- stand kann als maassgebend angesehen werden, denn das kaspische Meer und das todte Meer würden, wenn ihre Becken mit Süsswasser angefüllt wären, zweifellos unter die Binnenseen gerechnet werden, wie denn z. B. das todte Meer von jedem der grossen nordamerika- nischen Seen an Ausdehnung übertroffen wird *). Von der Eintheilung der Meere wird im nächsten Paragraphen die Rede sein. Die Anfänge einer systematischen Abgrenzung und Behandlung der auf das Meer bezüglichen Theile der Erdkunde kann man hinauf bis zu den grossen Geographen des Alterthums, zu Strabon, Pomponius Mela, Ptolemäus verfolgen, wie denn auch Seleukos, mit dessen geographischen Ansichten uns Ruge bekannt gemacht hat [1], schon ganz richtige Gedanken über den Zusammenhang der Meere heste. Bis in's XVII. Jahrhundert hinein gebrach es gänzlich an monogra- phischen Arbeiten über das Meer und dessen geophysikalische Bedeu- tung. Als einen der ersten Versuche dieser Art glauben wir das vierte Buch in Porta’s meteorologischem Werke [2] verzeichnen zu müssen; dasselbe steht jedenfalls auf der Höhe seiner Zeit und sucht, wie aus den recht bezeichnenden Kapitel-Ueberschriften — „De maris salsedine“, „Aliquot maris problemata*, „Quibus motibus moveatur ....*) Als Provinzialismus erscheint das Wort „Meer“ statt Landsee im Nieder- sächsischen; der kleine zwischen Hannover und Schaumburg-Lippe eingelagerte Dee wird dort standhaft das Steinhuder-Meer genannt. I, $. 1. Begriff der Worte Meer und Meereskunde. 309 mare“ — ersehen werden mag, dem Gegenstande wirklich gerecht zu werden. Der gewaltige Foliant, welchen der Jesuit Fournier der von ihm als „Hydrographie* bezeichneten Disciplin widmete [3], ist allerdings ein Handbuch des Seefahrers überhaupt, enthält aber doch namentlich in seiner neunten, fünfzehnten und neunzehnten Hauptabthei- lung die Keime zu einer wissenschaftlichen Darstellung der allgemeinen Fragen. Originell und mit Unrecht fast vergessen ist des Isaak Vossius Traktat von den Meeresbewegungen [4], auf welchen wir noch öfter zurückzukommen haben werden; an Selbstständigkeit der Behandlung überragt die kleine Schrift wenigstens in Einzelheiten das uns aus dem ersten Bande (S. 15) wohlbekannte Fundamentalwerk des Varenius, bei dem wir der bewussten Eintheilung der Erde (um H. Wagner’s modernen Ausdruck zu gebrauchen) in eine Aero-, Hydro- und Lithosphäre und einer gesonderten Betrachtung jeder der- selben begegnen; der zweitgenannten sind die Kapitel 12 bis 17 ein- seräumt [5]. Buache’s „Essai de geographie physique* von 1752 (I. Band, S. 18) bezeichnet bei aller Einseitigkeit gleichwohl einen Markstein in der Geschichte unserer Spezialwissenschaft; charakteristisch für deren Entwickelung sind auch, ohne dass uns ein längeres Verweilen bei denselben verstattet wäre, die Arbeiten von Buffon, Kant, Bergman, G. R. Forster, und am Ausgange des Jahrhunderts begegnen wir wieder einem zusammenfassenden Lehrbuche, dem bald ein zweites von demselben Verfasser, Otto, nachfolgt [6]. Was A. v. Humboldt, C. Ritter, Berghaus u. a. im lau- fenden Jahrhundert geleistet haben, steht noch lebhaft in Aller Ge- dächtniss. Allmählig begann man die Physik des Meeres oder die physikalische Geographie des Meeres als einen mit voller Existenzberechtigung begabten Zweig der allgemeinen physischen Erd- kunde anzuerkennen, wozu in erster Linie das treffliche Handbuch des Amerikaners Maury [7], in’s Deutsche von Böttger übertragen [8], mitgeholfen hat. Neben den erwähnten Bezeichnungen bürgerte sich bald auch, als ziemlich synonym, das Wort Oceanographie ein, als Buchtitel anscheinend zuerst von Jilek verwendet |9]l. Uns er- scheint dasselbe insoferne minder passend, als dasselbe zu sehr den deskriptiven, zu wenig den erklärenden Theil unserer Wissenschaft zu betonen scheint; wir stimmen aus diesem Grunde mehr für die zu- sammenfassende Bezeichnung Meereskunde, als deren natürliche Bestandtheile dann eben Oceanographie und oceanische Physik zu gelten hätten. Neuere didaktische Schriften von mehr populärer Richtung sind diejenigen von Kayser [10] und Gelcich [11], denen noch der in einer polnischen Zeitschrift erschienene Abriss von v. Czerny [12] hinzuzurechnen ist. Unsere deutsche Literatur aber ist neuerdings durch zwei ganz vorzügliche Werke grösseren Maass- stabes bereichert worden, nämlich einmal durch das im Auftrage der österreichischen Admiralität herausgegebene Sammel-Kompendium, an dessen Ausarbeitung sich sechs hervorragende Hydrographen betheiligt haben [13], und dann durch das Handbuch v. Boguslawski’s [14], welches fast nach dem allzufrühen Hinscheiden seines trefflichen Verfassers dazu verurtheilt erschien, ein Torso zu bleiben. Für den mehr praktischen Theil der Meereskunde dient ein Werk [15], welches wir der Vorsorge der deutschen Admiralität verdanken. 310 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. $. 2. Klassifikation der Meeresräume. Die Aufgabe, eine mor- phologische Klassifikation der Meere zu liefern, ist eine schon alte und vielbehandelte, wie man aus dem ersten Kapitel der Schrift von Krümmel [16], aus den zu ihr von Wisotzki gelieferten Ergän- zungen [17] und endlich aus der unlängst erst erschienenen Programm- abhandlung [18] des letztgenannten Autors lernen kann. Die erste auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende Eintheilung rührt her von Fleurieu [19], der die selbstständigen Oceane von den „mers medi- terrandes“, die nur einen einzigen Eingang besitzen, und von den „mers interieures“ schied, welch’ letzteren mehrere solche Eingänge zukommen. Dazu kommt, dass Fleurieu alle Einbuchtungen des Meeres unter einem gemeinsamen Gesichtspunkte zusammenfasste [20], wenn dieselben, wie es nach ihm bei der Hudsonsbay, beim weissen und rothen Meere, beim persischen Golf und bei der Ostsee der Fall ist, mehr oder weniger deutlich eine „Trichterbildung“ („entonnier“) aufweisen; eine an Varen anklingende Trennung der eigentlichen Meerbusen in breite und oblonge hatte bereits der Niederländer Struyck [21] in seinem Lehrbuche gegeben, welchem noch nach- träglich der verdiente Ehrenplatz auf Seite 18 unseres ersten Bandes angewiesen sein möge. Im Uebrigen sind alle Systeme dieser Art von allzuweit getriebener Spezialisirung nicht frei zu sprechen, und so ergab sich eine solche Verwirrung in der hydrographischen Nomen- klatur, dass 1845 die geographische Gesellschaft einen .eigenen Aus- schuss für die Prüfung der obschwebenden Fragen ernannte [22]. Seitdem gilt fast offiziell die allen Leitfäden der Erdkunde zu Grunde gelegte Fünftheilung der Oceane oder Weltmeere (atlantischer Ocean, indischer Ocean, grosser Ocean, auch Südsee und Paeifik genannt, südliches Eismeer und nördliches Eismeer). Die Abgrenzung des südlichen Eismeeres konnte lange nicht mit der erforderlichen Schärfe vorgenommen werden; wir stimmen aber Krümmel darin bei, dass J. Herschel’s und Reuschle’s Bemühungen um Herbei- führung einer solchen Schärfe nicht durchweg von Erfolg begleitet gewesen sind, und dass man jenes Eismeer auf die durch den südlichen Polarkreis bestimmte Kalotte beschränken soll, wogegen man als Marken der drei Oceane die resp. durch Kap Hoorn, durch das Kap der guten Hoffnung und durch die Südspitze T’asmanien’s hindurchgelegten Meri- diane anzusehen habe [23]. Die in Krümmel’s Schrift den Geographen vorgelegte Ein- theilung ist nun folgende. Es giebt selbstständige Meeres- räume, deren Kennzeichen ein besonderes System der Meerescirkulation ist; das sind die drei uns bekannten offenen Oceane. Ferner die unselbstständigen Meeresräume, welche wieder — von dem vorläufig noch in einer Ausnahmestellung zu belassenden südlichen Eismeere abgesehen — in die zwischen grössere Land- und Kontinental- massen eingeschalteten Mittelmeere und in die den grossen Land- komplexen angelagerten Randmeere zerfallen. Die Mittelmeere haben entweder nur an Einer Stelle eine Verbindung mit dem Ocean, wie das mittelländische Meer im engeren Sinne, das baltische Meer, das rothe Meer und der persische Golf, oder sie haben auf einer Seite zahlreiche Ausgänge, wie der mexikanische Golf, oder sie haben auf der einen Seite nur Einen Ausgang und auf der anderen deren mehrere, 1, $. 2. Klassifikation der Meeresräume. 513, wie das nördliche Eismeer, oder endlich es sind allenthalben zahlreiche Ausgänge vorhanden, wie bei’m indisch-australischen Meere. Die Rand- meere muss Krümmel sich begnügen, nach ihrer Tiefe einzutheilen: flache Randmeere sind die Nordsee, der Kanal sammt der irischen See und das Tung-hai, tiefe Randmeere sind das japanische, das ochotski’sche Meer, das Berings-Meer und der Golf von St. Lorenz. Die Kriterien für die einzelnen Gattungen sind mit Geschick gewählt, aur hätten wir das für die Mittelmeere ganz unverwendbare Merkmal intensiverer vulkanischer Bethätigung, auf das ja Krümmel selbst keinen hohen Werth legt [24], ganz bei Seite gelassen gewünscht. Jedenfalls ist im Krümmel’schen Systeme an deskriptiver Gliederung alles nur Wünschenswerthe geleistet, und wenn Ackermann [25] als Zwischenmeere dem Kattegat und der Baffınsbay zu liebe eine neue Spezies einführen will, so möchten wir uns mit G. Gerland [26] gegen die bei den Naturhistorikern ab-, bei den Geographen zunehmende Klassifikationslust verwahren. Bedenken gegen Krümmel’s Principien formulirt Wisotzki [27], indem er namentlich darauf aufmerksam macht, dass jene in der Hauptsache nur auf die an der Meeresoberfläche erkennbare Cirkula- tion des Wassers Bedacht nehmen. Wir selbst möchten nicht ver- schweigen, dass uns der doppelte Gebrauch des Wortes Morphologie einigermassen stört, indem dasselbe bald in rein deskriptiver, bald auch — seinem wahren Sinne entsprechender — in einer mehr geophysikali- schen Bedeutung uns entgegentritt. Gleichwohl erkennen wir in dem verdienstlichen Bemühen des am treuesten an das Vorbild des Meisters sich haltenden Schülers Peschel’s eine sehr geeignete Basis, auf welcher weitergebaut werden kann. — Wisotzki hat in seiner Be- sprechung (s. o.) die Eintheilung der Mittelmeere durchgeführt, wie folgt. Mittelmeere erster Ordnung sollen das europäisch- afrikanische, das australisch-asiatische und das nord-südamerikanische Mittelmeer, Mittelmeere zweiter Ordnung sollen das weisse und baltische Meer, die Hudsonsbay, das rothe Meer und der persische Meerbusen sein. Das leitende Motiv dieser Klassifikation ist unschwer zu erkennen. $S. 3. Die Vertheilung des Meerwassers. Es gehört zu den in- teressanteren Aufgaben der geographischen Geschichtschreibung, ur- kundlich nachzuweisen, wie mit der Hinausrückung des Horizontes auch die Anschauung über das relative Grössenverhältniss von Land und Wasser an der Erdoberfläche eine stetige Aenderung erfahren hat. Unvermögend, an dieser Stelle mehr als einige fragmenta- rische Notizen über diesen Entwickelungsgang beizubringen, verweisen wir den eine gründlichere Belehrung suchenden Leser auf die sicher- lich genügende Dissertation von Wisotzki [28]. Aristoteles und die zahlreiche Schaar der ihm blind Vertrauenden hielt selbstverständ- lich die Landbedeckung für überwiegend, und im scholastischen Mittel- alter galt blos der siebente Theil des Gesammtareales unseres Planeten für oceanisch |29]*). Die Südhalbkugel wollte Ristoro der Aretiner *) Es war ein Glück, dass diese Ueberzeugung in dem Kopfe des Columbus festeste Wurzel geschlagen hatte, denn nur dieser sein teleologischer Glaube half 312 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. allerdings aus astrologischen Gründen dem wässrigen Elemente über- lassen, und damit verstiess er schon deshalb gegen keine der herrschen- den Ansichten, weil man doch einem grossen Theil jener Halbkugel keine menschliche Bewohnerschaft zutrauen durfte; auch aus dem Texte des Ristoro erhellt, wie enge seine Theorie mit der gleichmässig von alexandrinischen Mystikern und von arabischen Phantasten be- gründeten Lehre von einer „Zona combusta seu inhabitabilis* ver- wachsen war, welcher Gürtel bis zum Wendekreis des Steinbockes reichen sollte [31]*). Mehr und mehr nahm aber das Land an Grösse ab, das Meer an Grösse zu. Durch die portugiesischen Entdeckungen ward die von den Arabern zuletzt nur noch schwach vertheidigte An- sicht [33], dass die indische See zu den Binnenmeeren gehöre, end- gültig beseitigt; jener dunkle Australkontinent, der eigentlich nur ein gigantisch vergrössertes Feuerland war, als „Brasilie regio* oder „Bra- silia inferior* die Globen Schöner’s und Philipp Apian’s entstellte und in Wieser [34] einen trefflichen Darsteller gefunden hat, schwand zu äusserst bescheidenen Dimensionen ein, Steller vernichtete [35] den angeblichen Zusammenhang zwischen Amerika und Asien, und so ward endlich die Möglichkeit geschaffen, wissenschaftlich haltbare Werthe für das Verhältniss des Festen zum Flüssigen auszumitteln, doch war noch jetzt, wie wir hören werden, manch Vorurtheil zu überwinden. Piccolomini z. B. sprach sich, wie Wisotzki berichtet [36], in seiner Monographie über diesen Gegenstand [37] sehr abfällig gegen einen Landsmann aus, der die Präponderanz des Wassers behauptet hatte. Coppernicus trat einen ganz sonderbaren Beweis dafür an, dass das Verhältniss des Wassers zum Lande < 7:1 sein müsse [38]. Nachdem Münster und Postellus gegen, Berga, Fromond und Benedetto für Piccolomini sich ausgesprochen hatten, kam man nach und nach zu der Ansicht, die beiden Elemente möchten wohl gleichmässig vertheilt sein, und diese erhielt sich bis zu Cooks zweiter, im Jahre 1775 abgeschlossener Reise [39]; der Hauptvertreter der geometrischen Seite der Lehre von der Flächengleichheit war Blan- canus im fünften Buche seiner „Sphaera mundi“, die Vertreter der mechanischen Seite werden uns im nächsten Kapitel beschäftigen. Bei Riccioli [40] verhält sich das Land zum Wasser, wie 8:5, nach Leeuwenhoek aber schon wie 1:2. Lange Zeit hindurch erhielten sich in den Handbüchern rohe Verhältnisszahlen, die blossen Schätzun- ihm über die sich ihm entgegenthürmenden Schwierigkeiten hinweg, wie Barros ausdrücklich bezeugt. Sein Glaube stützte sich freilich auf recht wenig beweis- kräftige Vorlagen, auf eine Stelle in Seneca’s Medea, auf einen vieldeutigen Ausspruch im ersten Buche Strabon’s („xuAodpev Yüp olroup.evnv mv olnodpev nal vwptlopev' Evßtysımı 6b Ev 7 ade edrparw Cavn nal Dbo olmovpevac elvar, N nal teketonc, ei nal pokıoro Errrdg tod 6: ’Adınvay röxkon tod 61a tod ’Arkayrırod neayodg puponp£von“) und auf das achte Buch in der „Imago mundi“ des gelehrten Viel- schreibers Alliacus (s. I. Band, S. 11). Festeren Gefüges war einzig und allein das von Colon eingeholte Gutachten des florentinischen Astronomen Toscanelli, welches den Abstand „Indiens“ auf 130 Längengrade festsetzte [30]. *) Ristoro ist (I. Band, $. 12) der Meinung, dass die gestaltende und relief- bildende Kraft von jenem Theile des Himmelsgewölbes ausgehe, für welchen die Dichtigkeit der Sternvertheilung grösser sei. und welcher die Köpfe (!] der Thier- kreisbilder in sich enthalte [32]. Da diess für die nördliche Hemisphäre zutreffe, 50 entfalle auf die südliche das nivellirende, formenfeindliche Element des Wassers. wr E I, $. 3. Die Vertheilung des Meerwassers. 303 gen entnommen waren. Erst Malte-Brun gieng methodisch vor und fand [41], wenn wir den von Festland überdeckten Flächenraum mit F, den von Wasser überdeckten mit W bezeichnen, F:W = 1:2, 31. Aeusserst mühsam, aber genau war die Methode Rigaud’s, deren wir bereits im ersten Bande (S. 293) gedachten; der englische Gelehrte zerschnitt, was vor ihm schon Halley und Long angerathen hatten, die einem Globus entnommene Erdoberfläche in 96 Trapeze, wog jedes einzelne, nachdem er es in einen Land- und einen Wassertheil zertrennt hatte, und fand so [42], das Gewichtsverhältniss mit dem Flächen- verhältniss identificirend, F: W = 1: 2,76. Diesen Zahlwerth nahmen Humboldt und Ritter an, auch Dove fand denselben bestätigt [43], während Engelhardt die nicht allzusehr abweichende Proportion F:W = 1: 2,827 ermittelte [44 Behm-Wagner’s neueste Bestim- mung 1:2,765 ward durch Krümmels planimetrische Messungen (s. $. 4) bestätigt. Ein besonders klares Bild von der Austheilung der Elemente ge- winnt man, wenn man, einer fast gleichzeitig in Bode’s „Anleitung zur Kenntniss der Erdkugel* und in Fleurieu’s früher citirten Ab- handlung gegebenen Anregung folgend, die Erde in eine nordöstliche Landhalbkugel und in eine südwestliche W asserhalbkugel zerlegt. Am besten geschieht diess durch eine stereographische Abbildung, zu deren Augenpunkten Paris und dessen Antipodenpunkt gewählt werden. Fig. 62. Unsere Fig. 62 stellt diesen Gegensatz vor Augen, nach C. Ritter [45] „den grössten und wichtigsten, den wir nächst dem klimatischen des Nordens und Südens auf der Erde kennen“. $. 4. Grössenverhältnisse der Hauptmeere. Die neuesten und zweifellos besten, weil durchaus durch planimetrische Messung gewon- nenen Zahlen für die Flächeninhalte der einzelnen Meere sind diejeni- gen, welche Krümmel angiebt [46]. Diesen zufolge ist der Flächeninhalt des stillen Oceans — 175,6 Millionen qkm E „ atlantischen „ 11.8800 x x ® „ Indischen —., Tal & 5 e „ südlichen Eismeeres = 20,5 ? Y „ nördlichen 5 a 5 Hiernach beträgtdasGesammtarealdes Meeres NE dratkilometer, Wir bezeichnen diese Zahl wieder durch W. 314 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Eine willkommene Bestätigung dieser Ziffer erhält man, sobald man das Gesammtareal der Festlandflächen aus der von Behm und Wagner hergestellten Tabelle im 6. Jahrgange des periodischen Werkes „Die Bevölkerung der Erde“ (Gotha 1880) entnimmt. Hier- nach ist F (s. 0.) — 136055371 qkm, wogegen die Oberfläche E der Erde ebendort nach Bessel’schen Formeln auf 509950714 qkm be- rechnet wird. Es ist mithin | W= E— F= 509950 714 qkm — 136055 371 qkm = 373895 343 qkm. Die Uebereinstimmung mit dem Krümmel’schen Werthe ist eine um so vollkommenere, wenn man bedenkt, dass Behm und Wagner die Inselflächen nicht mit in ihre Berechnung aufgenommen haben. $. 5. Das Niveau des Meeres. Dass dieses Niveau in Folge der verschiedenartigsten Umstände, unter denen die Anziehung der Fest- landmassen in erster Linie steht, kein ganz regelmässiges, d.h. durch eine Flächengleichung ausdrückbares sein kann, davon haben wir uns im I. Bande (S. 191 ff.) zur Genüge überzeugt*). Gleichwohl kann in einem etwas eingeschränkten Sinne doch von einem Normalniveau die Rede sein, auf welches die Spiegelhöhe anderer entfernter Meere als Grundmaass bezogen werden darf. Hören wir, was hierüber ein Sachkenner, wie v. Boguslawski, bemerkt [49]: „In den Meeren ohne Ebbe und Fluth, wie z. B. in der Ostsee, kann man aus längeren, viele Jahre umfassenden Beobachtungsreihen an den bei verschiedenen Küstenpunkten errichteten Pegeln die mittleren Wasserstände her- leiten, welche als Nullpunkte für die Höhenmessungen dienen könnten, wenn sie unter sich gleich gefunden würden, oder wenn wenigstens an einem Pegel in einer längeren Reihe von Jahren der mittlere Wasserstand als konstant sich erwiesen hätte. Diess letztere ist neuer- dings nach den Pegelbeobachtungen von 1826 bis 1879 für Swinemünde behauptet worden, so dass hiernach das Mittelwasser der Ostsee bei Swinemünde als Grund- oder Nullfläche für definitive Meereshöhen über der Ostsee angesehen werden könnte, und dass ferner die Ostsee zwischen Pillau und Kiel eine wirkliche Niveaufläche des Erdsphäroi- des bilden würde.* Freilich stehen Hagen’s Vergleichungen von dreizehn Pegelständen der Ostsee nicht in besonderem Einklange mit diesen wesentlich durch von Baeyer vertretenen Ansichten, und das konstante Mittelwasser der Ostsee kann noch keineswegs als eine völlig beglaubigte Thatsache gelten. ' Lässt man die Annahme aber zu, so ergeben sich nach Bekannt- machung des Oentralbureau’s der europäischen Gradmessung [50] und mit Bezugnahme auf Seibt’s Ostsee-Nivellement [51] die nachstehen- den Niveaudifferenzen: I. Die Ostsee liegt über dem Mittelmeere (bei *) Neuerdings ist auf die Frage der durch das benachbarte Festland ver- ursachten Niveaustörungen Fr. Pfaff [47] eingegangen, allerdings nur mit Rück- sicht auf die hieraus für die Lehre von den säkulären Hebungen und Senkungen entfliessenden Konsequenzen. In Fortsetzung seiner uns bereits bekannten ver- dienstlichen Untersuchungen über „physikalische Geodäsie“ [48] kommt ferner Helmert zu dem Schlusse, dass der Gegensatz zwischen Land und Meer das all- gemeine (Referenz-)Sphäroid nicht in so hohem Grade deformirt, wie man viel- fach glaubte, und wie auch wir an der oben eitirten Stelle unseres ersten Bandes einzuräumen geneigt waren, I, $. 6. Die Färbung des Meeres. 315 Marseille) 0,664 m oder nach einer anderen Messung 0,658 m. II. Der Nullpunkt des Amsterdamer Pegels liegt über der Ostsee 0,242 m. III. Das Mittelwasser der Nordsee liegt über demjenigen der Ostsee 0,093 m. IV. Das Mittelwasser bei Ostende liegt über demjenigen der Ostsee 0,066 m. V. Die Bucht von Biscaya überragt in ihrem normalen Niveau das mittelländische Meer (bei Alicante) um 0,663 m. Aus anderen Welttheilen fliessen die Nachrichten begreiflicherweise weit spärlicher, doch hat sich beispielsweise die für den projektirten Kanalbau sehr wichtige Thatsache herausgestellt [52], dass die durch das von General Bolivär 1829 angeordnete Nivellement angeblich eruirte Niveaudifferenz zwischen Pacific und mexikanischem Golfe in Wirklichkeit gar nicht existirt. Die Lehre von den Meeresströmungen wird uns auf die Gründe zurückführen, durch deren Zusammenwirken der Erhaltung eines gleich- mässigen Durchschnitts-Niveaus immer ein Riegel vorgeschoben wird. Aber auch die rein statischen Hindernisse, welche wir in der Lehre vom Geoid kennen lernten, dürfen hiebei niemals unterschätzt werden*). 8. 6. Die Färbung des Meeres**). Halley’s berühmt gewordene Versuche mit der Taucherglocke scheinen diesem umsichtigen Forscher auch zuerst den Anlass gegeben zu haben, sich um die Farbe des Meerwassers zu bekümmern; Newton schloss aus denselben, dass Grün als die vorwiegende Farbe anzusehen sei [55]. Dann nahm A. v. Humboldt auf seinen Seereisen den Gegenstand wieder auf und suchte die wechselnden Nuancen durch Grade seines Kyanometers (S. 132 dieses Bandes) auszudrücken [56]. Sorgfältige Versuche, be- züglich deren wir uns auf die eingehende Darstellung J. Müller’s [57] stützen, hat Beetz angestellt; er schloss das zu prüfende Wasser in einen mit Glaswänden versehenen Kasten ein und zwang die Licht- strahlen, durch mehrfaches Reflektirtwerden die nämliche Wasserschicht drei-, fünf- und siebenmal zu durchlaufen. Neuerdings ist Boas auf einige der hier in Frage kommenden Punkte in einer besonderen Schrift [58] eingegangen, auch v. Boguslawski räumt diesem Theile der Hydrophysik einige Seiten ein [59], das weitaus Bedeutendste aber, was in neuerer Zeit über die Wasserfärbung geschrieben wurde, stammt aus der Feder Spring’s. An diese auch durch ihre Berück- *) In neuerer Zeit hat W. Köppen, nach Rücksprache mit Zöppritz und in Uebereinstimmung mit früheren Arbeiten v. Wüllerstorf-Urbair’s[53], einen neuen Vorschlag zur messenden Bestimmung der Niveau-Depression gemacht [54], welche, wie wir wissen, für die rein oceanischen, vom Festlande weit entfernten Theile der Meere stets vorhanden ist. Man soll nämlich auf dem Schiffe den Luftdruck nicht allein mit dem Quecksilber-. sondern auch mit dem Aneroidbaro- meter (S. 97 dieses Bandes) beobachten; da die Bewegungen des elastischen Me- talles bei letzterem von der Schwere in keiner Weise beeinflusst sind, so würde eben die Differenz der Ablesungen ein Maass für die Aenderung der Schwere und damit auch ein solches für die Abweichung des wirklichen Seespiegels von einer Niveaufläche der Erdrinde darbieten. ”*) Insoferne auf die Färbung des Meerwassers diejenige physikalische Eigen- schaft, welche dasselbe anderem Wasser gegenüber besonders auszeichnet, nämlich der grosse Salzgehalt, in nicht besonders hohem Grade Einfluss übt, so glauben wir uns auch hier, wie schon mehrfach, einer kleinen Inkonsequenz schuldig machen und jetzt schon auch von der nm süsser Gewässer das Nothwendige sagen zu dürfen. | 316 Sechste Abtheiluug. Öceanographie und oceanische Physik. sichtigung älterer Leistungen ausgezeichnete Abhandlung [60] werden wir uns, wenn auch keineswegs ausschliesslich, im Folgenden beson- ders halten. Dünne Wasserschichten, wie man sie in Gläsern u. s. w. ge- wöhnlich vor Augen bekommt, enibehren der Färbung gänzlich; wenn man z. B. von einem „schöngewässerten* Diamanten spricht, so will man durch dieses Beiwort auf die absolute Farblosigkeit anspielen, Meere, Seen und Flüsse, also überhaupt grössere Wasseransammlungen, gewähren dagegen ein anderes Bild. Das Mittelmeer ist schön indigo- blau, der Ocean himmelblau, der Genfersee azurblau, der Bodensee sammt dem ihn verlassenden Rhein, die Seen von Zürich und Luzern sind mehr grün als blau. Völlig grün ist u. a. der Klönthaler See im Kanton Glarus. Sehr stark schwankt die Farbe bei verschiedenen Seen des bayrischen Alpenvorlandes. Es fragt sich nun, ob man es hier mit subjektiven Erscheinungen oder mit einem wirklichen Faktum zu thun habe. Die besonders von Durocher vertretene und auch von Davy indirekt begünstigte Meinung, dass ein blauer See auf den Gletscherursprung des ihn erfüllenden Wassers hinweise, ist von Mar- tins durch Thatsachen, widerlegt worden, wie denn z. B. der See von Bioson im Waadtlande, der von lauter prächtigen Gletschern ge- speist wird, eine unschöne gelbliche Färbung hat. Gleiches gilt für den Brienzer See, wogegen wieder dem benachbarten See von Thun ein schönes, tiefes Blau eignet”). — Als etwas dem Wasser Inhärentes und Eigenthümliches erklärte zuerst Bunsen die Farbe, nachdem er das heisse Geysir-Wasser in langen Röhren untersucht hatte, und zwar entschied er sich für Blau als Grundfarbe [62]. Andere Farbentöne rührten von suspendirten Fremdkörpern her. T'yndall, Hagenbach- Bischoff und besonders Soret |63] sind hierauf wieder zurückgekom- men, und die vom Erstgenannten begründete Theorie der Himmels- farben als eines Interferenzphänomenes ward vom Letzteren auf den Genfersee übertragen und dadurch bestätigt, dass er das vom See entsandte Licht als senkrecht zu den einfallenden Sonnenstrahlen pola- risirt nachwies. Von besonderem Interesse ist es natürlich, das Absorptions- spektrum des Meerwassers zu untersuchen. Roth und Gelb er- scheinen darin vollkommen ausgelöscht. Hätte nun das Blau des Wassers wirklich keine andere Ursache, als sie der Himmelsbläue zu Grunde liegt, so müsste das Roth der Dämmerung, der Reflex des Alpenglühens auch eine rothe Wasserfarbe erzeugen, wovon aber nichts *) Wallmann schildert die Farbenverhältnisse unserer Gebirgsseen fol- gendermassen [61]: Grün sind Boden-, Zürich-, Vierwaldstätter-, Chiem-, Matt-, Ausseer-, Grund]- und Erlaf-See, smaragdgrün Königs-, Kochel- und hinterer Gosau- See, dunkelgrün Hallstätter-, Traun-, Veldeser-, Neuenburger-, Mond-, Comer- und vorderer Gosau-See, hellblau Waller- und Piller-See, tiefblau Achen-, Atter-, Fuschl-, Garda-, Wocheiner- und Walchen-See. Der Lago maggiore ist in seinem nördlichen Theile mehr grün, im südlichen tiefblau. Auf Hochseen kann man, wie wir unserem Gewährsmann aus eigener Erfahrung bestätigen können, häufig verschieden gefärbte Ringe unterscheiden, auch Orkane wirken auf den koloristi- schen Charakter einer Wasserfläche ein. Alle aus der Eiswelt kommenden und nicht durch ein Läuterungsbecken gereinigten Ströme zeigen die bekannte, an Milch erinnernde Färbung, wogegen sie einem solchen Becken oft in der wun- derbar klaren Färbung entfliessen, wie sie die Traun bei Gmunden aufweist. I, $. 6. Die Färbung des Meeres. SsEz bekannt ist. Arago führte ein mit Luft gefülltes rechtwinkliges Hohl- prisma in das Wasser ein, an dessen Hypotenusenfläche die Licht- strahlen eine totale Reflexion erlitten, und glaubte anf diese Weise ermittelt zu haben, dass das Meer und auch jeder grössere See zwei nach Art und Entstehung verschiedene Farben besitze, eine grüne, die von durchgelassenem, und eine blaue, die von reflektirtem Lichte herrühre. Je nach der Tiefe wiege die eine oder andere vor: „voilä peut-&tre tout le secret, de ces nuances qui, pour le navigateur ex- perimente, sont, dans un temps calme, l’indice certain et precieux des hautes-fondes.* Wie soll es sich aber mit dieser Auffassung reimen, dass die Färbung vieler Seen der Schweiz von deren Tiefe nachweis- lieh ganz unabhängig ist? Sainte-Claire-Deville nahm an [64], dass organische Stoffe die grüne Färbung des Rhein und des Doubs herbeiführten, allein diese von Wittstein im zehnten Bande der „Vierteljahrsschrift f. prakt. Pharmacie“ weiter entwickelte Theorie lässt sich in dieser Allgemeinheit gerade an der Hand der von Witt- stein selbst ausgearbeiteten Tabellen bekämpfen [65]. Dass der Grad der Bläue mit der Menge des dem Wasser beigemengten Salzes im Zusammenhang stehe, hat v. Schleinitz bei seinen Fahrten mit der „Gazelle“ konstatiren zu können geglaubt, und Spring ist nicht abgeneigt, wenigstens theilweise auf den gleichen Boden zu treten [66]. Der belgische Naturforscher selbst experimen- tirte in der Weise [67], dass er zwei Glasröhren, 5 m lang und 4 cm im Lichten, durch Plangläser verschloss und in diese verschiedene Flüssigkeiten einführte. Dieselben empfiengen diffuses Tageslicht in der Richtung ihrer Axen. Da auch destillirtes Wasser stets nach einiger Zeit seine Farbe wechselte, so scheint Tyndall’s Auffassung, dass auch das allerreinste Wasser nicht total der Beimischung organi- scher Substanzen entbehre [68], sich zu bestätigen. Abgesehen von diesem Farbenspiele konnte aber unzweideutig festgestellt werden, dass reines Wasser bis zu einer gewissen Dicke unter allen Um- ständen blau ist, und zwar scheint zur Erklärung dieses Umstandes blos an die Absorption der langwelligen Spektralfarben und nicht an Lichtreflexion gedacht werden zu müssen. Des Weiteren ergiebt sich aus Spring’s Versuchen [69]: Blaues Wasser bleibt auch blau, wenn es Fremdkörper in nicht allzugrosser Menge und insbesondere wenn es farblose Salze im Zustande vollkommenster Dissolution enthält. Sowie ein Niederschlag nur ganz schwach sich vorzubereiten beginnt, tritt sofort die gelbe Farbe hervor, und durch Kombination dieses selben Farbentones mit dem blauen Tone der Luft ergeben sich Misch- und Uebergangsfarben aller Art. Mit Rücksicht auf v. Schleinitz’s Erfahrungen (s. o.) thut Spring zuletzt den beachtenswerthen Aus- spruch [70]: „Tout s’explique, si l’ont tient compte du fait que le sel häte la pr£cipitation du silicate d’aluminium dont la presence dans l’eau contribue au developpement de la couleur verte des eaux.“ Fassen wir all’ diese Angaben zusammen mit den älteren An- gaben eines G. R. Forster*), Davy, Scoresby, Maury u. A., mit *) Dieser grosse Reisende scheint sich nach Rittau [71] der vorgefassten Meinung, dass das Himmelsblau sich im Wasser abspiegle, nicht haben entziehen zu können. a TAT n BEN Pi Be RN San DH % 318 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. den Versuchsergebnissen von Boas (s. o.), mit H. Vogels spektro- skopischer Zerlegung des Wasserlichtes aus der blauen Grotte und namentlich mit den neuerdings von Soret |72] für die von den Sink- stoffen gespielte Rolle gewonnenen Ergebnissen, so können wir unser Wissen von der Farbe des Wassers in folgenden Satz zusammen- ziehen *): Das Wasser ist an sich blau, andere Färbungen werden, allerdings durch einen noch nicht ganz aufgeklärten Process, durch beigemengte feste Substanzen bedingt, und zumal der srössere Salzgehalt bringt Aenderungen in dem Intensitäts- grade des Blau zuwege. Ob, wie v. Boguslawski glaubt [75], auch die Temperatur im letzgenannten Sinne sich äussert, muss noch fraglich bleiben. Die grüne Farbe („discoloured water“) deutet häufig auf schlammigen Meeresboden. Warum einzelne Meere geradezu eine Farbenbezeichnung an sich tragen (schwarzes Meer, gelbes Meer, rothes Meer), dafür lässt sich heutzutage nicht immer mehr ein recht stichhaltiger Grund bei- bringen. Das rothe Meer hat eine blaugrüne Farbe, auf hebräisch und koptisch heisst es „Schilfmeer“. Branky theilt mit [76], dass es auf einer Inschrift allerdings als „Gewässer des rothen Landes“ vorkommt und dass der Bischof Thietmar im XII. Jahrhundert den Namen auf die rothe „terra circumjacens* zurückführte, dass aber. nach Raffael dasselbe wirklich roth malte. Wahrscheinlich stammt die Namengebung von den röthlich schimmernden Korallenbänken her. $. 7. Die Durchsichtigkeit des Meeres. Nach Bouguer’s Rech- nungen [77] müsste die Durchsichtigkeit der freien Oceane gerade bei einer Tiefe von 200 m aufhören, und sein grosser Nebenbuhler Lam- bert bemerkt dazu [78]: „Neque video, quomodo aliter res peragi possit.* Jedermann weiss aber, dass der Grad der Transparenz für verschiedene Meere auch eine höchst verschiedene ist. Schon im vorigen Jahrhundert wurden auf dem Schiffe „Coquille“ vergleichende Versuche in dieser Hinsicht angestellt, über deren Ausgang Muncke, wie folgt, berichtet [79]: „Es wird ein weisses Brett an Schnüren hinabgelassen, und dann die Tiefe gemessen, wo es aufhörte, sichtbar zu sein. Dieses fand statt bei der Insel Waigion in 59 Fuss Tiefe und bei ganz heiterem Himmel in 73,3 Fuss, bei Port Jackson in 38,3 Fuss, bei Neuseeland in 35 Fuss und bei Ascension zwischen 28 und 36 Fuss Tiefe.* Bekannt ist die Klarheit der italienischen Gewässer, welche zu Taucherkunststücken aller Art herausfordert; *) Böttger hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht [73], dass ganz gesunde Ansichten über den Antheil der Salze bei’m Zustandekommen der blauen Meeresfarbe sich bereits in dem Werke des uns bereits von früher (I. Band, $. 285) her erinnerlichen Grafen L. F. Marsigli finden, welches ursprünglich italienisch abgefasst war, dann aber durch Boerhave auch französisch herausgegeben wurde und einen für jene Zeit recht annehmbaren Lehrbegriff der Meereskunde dar- stellt [74]. Er nahm an, dass bezüglich der Färbung das Oberflächenwasser und das Wasser der Tiefsee ganz verschiedenen Bedingungen unterlägen. — Tyndall bemerkt in seiner algerischen Reisebeschreibung, die das Anhangskapitel zu seinem bekannten Werke „In den Alpen“ (Braunschweig 1872) bildet, dass das Mittel- meer stets dann an Bläue zunehme, wenn die Menge der suspendirten Stoffe sich vermindere. I, $. 8. Pflanzenmeere. | 319 bei Novaja Semlja soll Wood im Jahre 1676 den auf 145 m gelothe- ten Grund deutlich gesehen haben [80]. Genaue Experimente messender Natur sind mit dem uns aus. dem dritten Kapitel der vorigen Abtheilung bekannten Wild’schen Diaphanometer angestellt worden |81]. Es fand sich, dass schon eine 5 m lange Schicht reinen Wassers ?/s aller durchgehenden Strahlen verschluckt, dass eine 300 m lange Schicht bereits gar kein Licht mehr hindurchlässt, und dass der Durchsichtigkeitskoefficient. des Wassers mit wachsender Temperatur abnimmt. Ueber den Zu- sammenhang der Grösse dieses Koefficienten mit dem Salzgehalte scheint noch wenig festgestellt zu sein, doch ist eine solche Beziehung der Natur der Sache nach zweifellos vorhanden, und sie folgt auch aus dem von Spring (a. a. O.) aufgestellten Satze: Ein Strahl von gegebener Intensität durchdringt niemals völlig eine binlänglich dicke Flüssigkeitsschicht mit darin suspendirten festen Stoffen, mögen diese auch noch so farblos und diaphan sein. S. 8. Pflanzenmeere. Ob der Name grünes Meer, der z. B. für den persischen Meerbusen hie und da gebraucht wird, auf die zahlreich darin schwimmenden Kräuter und Seepflanzen zu beziehen ist, mag dahingestellt bleiben, doch kann nicht geleugnet werden, dass das besonders starke Auftreten gewisser organischer Körper recht wohl das äussere Aussehen des Meeres charakterisiren kann. Das kalifor- nische „Purpurmeer“ („mar vermejo*) z. B. enthält zahllose kleine Krebse und Krabben, und das gelbe Meer massenhaft gelbe Algen [82]. Brun’s Meinung, dass überhaupt mikroskopisch kleine Algen die eigentlichen Träger der Meeresfärbung sein könnten, kann Sprung (a. a. O.) nicht theilen. Wohl aber giebt es eigentliche Pflanzen- meere oder Krautwiesen, Meerestheile, in welchen das Wasser über der darüber gelagerten Auktuirenden Pflanzendecke fast ver- schwindet. Humboldt [83] und Merrifield [84] haben es wahrscheinlich zu machen gewusst, dass schon die Alten, Aristoteles und Skylax (in seinem „Periplus“), eine Kenntniss von dem ausgedehnten Pflanzen- meere besassen, welches im nördlichen Theile des atlantischen Oceans zu finden ist. Columbus durchfuhr als der Erste dieses Gebiet und nannte es „Sargazo“. Hieraus entstand der jetzt übliche Terminus Sargasso-Meer. Die als „Sargassum“ in verschiedenen Spezies vor- kommende Pflanze, welche hauptsächlich das Material zu diesen Meeres- wiesen liefert, kommt in allen Meeren vor, hauptsächlich aber im Atlantik zwischen den Azoren einerseits, den Bahamas- und Bermudas- inseln andererseits. Phantastische Vorstellungen von der Dichte und Kompaktheit des atlantischen Sargasso-Meeres hat, nach Drude’s Angabe [85], be- reits der kluge holländische Muschelkenner Rumphius zurückgewiesen. Es war aber doch sehr dankenswerth, dass auch einmal ein Natur- torscher der Neuzeit der Sache näher trat, wie diess von Seiten Kuntze’s. [86] geschah. Wir wissen jetzt, dass die Sargassopflanze nicht etwa sich von selbst im Meere weiter vermehrt, dass es eine selbstständige marine Vegetationsform des Sargassums nicht giebt, und dass ledig- lich durch Meeresströmungen und Gezeiten die vom Festlande abgeris- 320 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. senen Pflanzen zu mehr oder minder grossen Anhäufungen vereinigt werden. Die Oceanographie scheint, wenn Kuntze Recht behält, den im Meere umherschwimmenden Pflanzen bisher allzuviele Ehre er- wiesen zu haben. $S. 9. Meeresleuchten. Der phosphoreseirende Schein, welcher namentlich das Kielwasser der Schiffe belebt und auch die aus dem Wasser herausgehobenen Ruder mit einem wahren Funkenregen um- giebt, ist von je bei uns als Leuchten des Meeres bekannt, wäh- rend die Sprache keines anderen Volkes es zu einem gleich bezeich- nenden Worte dafür gebracht hat. Ob wirklich Amerigo Vespucei der Erscheinung zuerst gedenkt, das möchten wir mit Muncke ernst- lich bezweifeln [87], um so mehr, da auch Plinius und andere Schrift- steller des Alterthums einige Bekanntschaft mit dem Meeresleuchten verrathen. Boyle, Oanton, Nollet, Bartholin, Forskäl (das be- kannte zoologische Mitglied der dänischen Expedition nach Arabien) u. A. beschäftigten sich angelegentlich mit der Erklärung der schönen Erscheinung, und immer klarer stellte sich heraus, dass kleine Thiere den eigentlichen Grund derselben bildeten, doch glaubte noch Forster, dem Buffon und Labillardi®re zur Seite standen, dass nebenher auch noch eine eigenthümliche Elektrieitätsentwickelung mit im Spiele sei [88]; nach Legentil sollte die Reibung des Schiffskieles mit dem Wasser hiefür die Ursache abgeben [89]. A. v. Humboldt dagegen gab zuerst mit kurzen Worten die ganz richtige Erklärung, indem er sagte [90]: „Das Leuchten des Meeres wird theils durch lebendige Lichtträger, theils auch organische Fasern und Membranen bewirkt, die ihren Ursprung der Zerstörung jener lebendigen Lichtträger ver- danken.“ Als solche leuchtende Lebewesen kann man nach Kayser [91] betrachten gewisse Krustaceen und Meerwürmer, einige Salpen, See- sterne, Seerosen und Polypen, deren Leuchtzustand uns besonders die Untersuchungen von Möbius [92] erschlossen haben, besonders aber jene Leuchtinfusorien, mit welchen uns Michaelis [93] und Ehren- berg [94] bekannt machten. Meyen’s Leuchtpflanze („Oscillatoria phosphorea®) bedarf noch weiterer Bestätigung [95]. Th. Studer’s Beobachtungen [96] belehren uns darüber, dass bei den allermeisten Thieren, welche der pelagischen Fauna zugerechnet werden, ein äusserer Reiz intermittirend-phosphorescirende Lichterscheinungen auslöst; das Leuchten selbst ist entweder an gewisse Hautstellen oder an die dem Stoffwechsel besonders stark unterworfenen Organe geknüpft. Das Thier bedient sich seiner Leuchtkraft gewissermassen als einer Schutz- vorrichtung. Als eine besondere Spezialität, welche kaum*) auf die Thier- welt als Ursache zurückgeführt werden kann, muss das Erglänzen der See in milchweissem Lichte angesehen werden, dessen als „mer de lait* oder auch als „Wintermeer* — wegen der Aehnlich- keit mit einer schneebedeckten Landschaft — Erwähnung gethan wird. *) Nach den Erfahrungen Tr&buchet’s, deren v. Boguslawski (a. a. O.) gedenkt, würde allerdings auch in diesem Falle die Leuchtaktion unzähliger Thier- chen von milchweisser Färbung das Maasgebende sein. Citate, >. 321 v. Boguslawski führt die Fälle einzeln an, in welchen eine solche Wahrnehmung gemacht ward [97]. Aus neuester Zeit wird von einem deutschen Schiffe berichtet, dass dasselbe Nachts um zehn Uhr in der Nähe der Insel Sokotora sich dem äusseren Anscheine nach förmlich durch eine Schneedecke Bahn brechen musste, indem es einen pechschwarzen Streifen hinter sich zurückliess [98]. Wir haben also hier einen dem gewöhnlichen Meeresleuchten geradezu entgegengesetzten Vorgang zu verzeichnen. [1] Ruge, Der Chaldäer Seleukos, Dresden 1865. — [2] Porta, De aöris transmutationibus libri IV, Romae 1614. S. 127 ff. — [3] Fournier, L’hydrographie contenant la theorie et la pratique de toutes parties de la navigation, Paris 1643. — [4] J. Vossius, De motu marium et ventorum liber, Hagae Comitis 1663. — [5] Varenius, Geographia generalis, Amstelodami 1671. S. 113 ff. — [6] Otto, Ab- riss einer physikalischen Erdbeschreibung, 1. Theil (Hydrographie), Berlin 1800; Abriss einer Naturgeschichte des Meeres, Berlin 1808. — [7] Maury, The physical geography of the sea, Newyork 1855. — [8] Maury, Die physische Geographie des Meeres, deutsch von Böttger, Leipzig 1856. — [9] Jilek, Lehrbuch der Oceanographie, Wien 1857. — [10] Kayser, Physik des Meeres, Paderborn 1873. — [11] Geleich, Grundzüge der physischen Geographie des Meeres, Wien 1881. — [12] v. Czerny, Zarys geografij fizyenej oceanu, Lemberg 1877. — [13] Attlmayr-Köttstorfer-Luksch- E.Mayer-Salcher-J.Wolf, Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteoro- logie, Wien 18383 *). — [14] v. Boguslawski, Handbuch der Oceanographie, 1. Band, Stuttgart 1884. — [15] Handbuch der nautischen Instrumente, Berlin 1882. — [16] Krümmel, Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume, Leipzig 1879. — [17] Wisotzki, Recension hiezu, (Königsberger) Wissensch. Monatsbl., 7. Jahrgang. S. 120 ff. — [18] Wisotzki, Die Klassifikation der Meeresräume, ein Beitrag zur Geschichte der Erdkunde, Stettin 1883. — [19] Voyage autour du monde par E. Marchand, prec&ede par les observations sur la division hydrographique du globe et changements proposes dans la nomenclature generale et particuliere de I’hydrographie par Cl. Fleurieu, Vol. IV., Paris an VIII S. 1 ff. — [20] Ibid. S. 37. — [21] Struyck, Inleiding tot de algemeene geographie, Amsterdam 1740. S. 101 fi. — [22] Krümmel, Versuch etc. S. 14. — [23] Ibid. S. 18. — [24] Ibid. S. 30. — [25] Acker- mann, Beiträge zur physischen Geographie der Ostsee, Hamburg 1883. — [26] G. Ger- land, Recension hiezu, Deutsche Literaturzeitung, 1884. $. 594. — [27] Wisotzki, Die Klassifikation ete., S. 25. — [28] Wisotzki, Die Vertheilung von Wasser und Land an der Erdoberfläche, Königsberg 1879. — [29] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1854. S. 470. — [30] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Carl Ritter und Alexander v. Humboldt, München 1877. S. 240 ff. — [31] Ibid. S. 154. — [32] La composizione del mondo di Ristoro d’Arezzo pubblicata da E. Narducci, Roma 1859. S. 19 fi. — [33] Peschel-Ruge, Geschichte ete., S. 142 ff. — [34] Wieser, Magalhaöns-Strasse und Austral-Kontinent auf den Globen des Johannes Schöner, Innsbruck 1881. — [35] Steller, Beschrei- bung von dem Lande Kamtschatka, Frankfurt und Leipzig 1874. Anhang, S. 41 ff. — [36] Wisotzki, Die Vertheilung etc., $. 18 ff. — [37] Piecolomini, De aquae et terrae magnitudine liber unus, Basileae 1568. — [38] Nicolaus Coppernicus aus Thorn, Ueber die Kreisbewegungen der Weltkörper, deutsch von Menzzer, Thorn 1879. S. 12. — [39] J. R. Forster’s Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt, deutsch von G. Forster, Berlin 1783. S. 58 ff. — [40] Riccioli, Geographiae et hydrographiae reformatae libri XII, Bononiae 1661. Bl. 5. — [41] Malte-Brun, Precis de la g&ographie universelle, tome II., Paris 1812. S. 166. — [42] Rigaud, On the relative quantities of land and water on the surface of the terraqueous globe, Transact. of the Cambr. phil. society, Vol. VI. S. 289 ff. — [43] Dove, Ueber die Verhältnisse des Festen und Flüssigen auf der Erdoberfläche, Zeitschr. f. allgem. Erdkunde, (2) 12. Band. S. 111 ff. — [44] Engelhardt, Der Flächenraum der einzelnen Staaten in Europa und der übrigen Länder auf der Erde, Berlin *) Künftig, wie auch bisher schon manchmal, einfach als „Handbuch etc.“ bezeichnet. Günther, Geophysik. II. Band 21 322 | Citate. 1853. — [45] €. Ritter, Allgemeine Erdkunde, herausgeg. von Daniel, Berlin 1862. S. 51. — [46] Krümmel, Neue Areale für die Meeresräume, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 2. Jahrgang. $. 73. — [47] F. Pfaff, Zur Frage der Veränderungen des Meeresspiegels durch den Einfluss des Landes, Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft, 36. Band. S. 1. f. — [48] Helmert, Die mathematischen und physikalischen Theorieen der höheren Geodäsie, 2. Theil, Leipzig 1884. — [49] v. Boguslawski, Handbuch ete.,. S. 35. — [50] Ueber die Höhenverhältnisse der Europa umschlies- senden Meere, Naturforscher, (2) 10. Jahrgang. S. 347 ff. — [51] Seibt, Das Mittel- wasser der Ostsee bei Swinemünde, Berlin 1881. — [52] v. Boguslawski, Hand- buch etec., $S. 37. — [53] v. Wüllerstorf-Urbair, Zur wissenschaftlichen Verwerthung des Aneroides, Wien 1871. — [54] Köppen, Das Barometer als Schweremesser, Meteor. Zeitschr., 1. Jahrgang. S. 323 ff. — [55] Newton, Optice, herausgeg. von Clarke, Londini 1706. Lib. II, 1. — [56] Humboldt, Reise in die Aequinoktial- gegenden, deutsch von Hauff, 1. Theil, Stuttgart 1815. S. 384. — [57] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braunschweig 1875. $. 396. — [58] Boas, Bei- träge zur Erkenntniss der Farbe des Wassers, Kiel 1881. — [59] v. Boguslawski, Handbuch etec., 8. 173 ff. — [60] Spring, La couleur des eaux, Bull. de l’ac. royale des sc. de Belgique, 1883. S. 55 ff. — |61] Wallmann, Farbe der Alpenseen und Alpengewässer, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 4. Band. S. 164 fi. — [62] Bunsen, Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, 1. Band. S. 1236 ff. — [63] Soret, Sur la polarisation de la lumiere bleue de l’eau, Ann. de chim. et de phys., (4) tome XIII. $. 517 fi. — [64] Sainte-Claire-Deville, Sur la compo- sition des eaux potables, ibid. (3) tome XXII. S. 32 ff. — [65] Spring, La cou- leur etc., 8. 63 ff. — [66] Ibid. S. 65 ff. — [67] Ibid. S. 67 ff. — [68] Tyndall- Gravez, Fragments scientifiques, Paris 1877. 8.48. — [69] Spring, La couleur etc., S. 76 ff. — [70] Ibid. S. 84. — [71] Rittau, Johann Reinhold Forster’s Bemer- kungen auf seiner Reise um die Welt. Hanau 1881. S. 19. — [72] Soret, Die Farbe des Wassers, Gaea, 20. Jahrgang. $. 397 ff. — [73] Maury, Die phys. Geogr. etec., S. 12. — [74] Marsigli, Brieve ristretto del saggio fisico intorno alla storia del mare, Bologna 1711; Histoire physique de la mer, Amsterdam 1725. — [75] v. Bo- guslawski,. Handbuch etc., .$. 175. — [76] Branky, Ueber die Farbe des rothen Meeres, Zeitschr. f. Schulgeogr., 4. Jahrgang. S. 244. — [77] Bouguer, Traite d’optique sur la gradation de la lumiere, Paris 1760. S. 65. — [78] Lambert, Photo- metria sive de mensura et gradibus lucis, colorum et umbrae, Augustae Vindeli- corum 1760. S. 224. — [79] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 6. Band, 3. Abtheilung, Leipzig 1837. $S. 1708. — [80] v. Boguslawski, Hand- buch ete., $S. 183. — [81] Müller, Kosm. Phys., $. 145 ff. — [82] Kayser, Phys. des Meeres, $. 158. — [83] A. v. Humboldt, Kritische Untersuchungen über die Geschichte der Geographie des neuen Kontinentes und über die Fortschritte der nautischen Astronomie im XV. und XVI. Jahrhundert, deutsch von Ideler, 3. Band, Berlin 1852. S. 51. — [84] Merrifield, Gulf-Weed, Nature, Vol. XVII. $. 709. — [85] Drude, Bericht über die Fortschritte in der Geographie der Pflanzen, Wagner’s geogr. Jahrbuch, 9. Band, Gotha 1883. $. 205. — [86] Kuntze, Revision von Sar- gassum und das Sargasso-Meer, (Engler’s) Bot. Jahrbücher f. Systematik, Pflanzen- geschichte und Pflanzengeographie, 1. Band. $. 191 ff. — [87] Gehler’s Phys. Wörterbuch, 2. Aufl. 6. Band, 3. Abtheil., S. 1716. — [88] Rittau, J. R. Forster’s Bemerk. etc., $. 21 fi. — [89] Legentil, Voyage dans les mers de l’Inde, Vol. I., Paris 1779. S. 685 ff. — [90] Humboldt, Ansichten der Natur mit wissenschaft- lichen Erläuterungen, 2. Band, Stuttgart und Augsburg 1859. S. 67. — [91] Kayser, Phys. d. Meeres, $S. 196 ff. — [92] Möbius, Das Meerleuchten, Hamburg 1861. S. 16 ff. — [93] Michaelis, Ueber das Leuchten des Meeres, Hamburg 1830. — [94] Ehrenberg, Ueber das Leuchten des Meeres, Berlin 1834. — [95] Kayser, Phys. d. Meeres, S. 201. — [96] Th. Studer, Ueber einige wissenschaftliche Er- gebnisse der Gazellen-Expedition, namentlich in zoogeographischer Beziehung, Verhandl. des II. Deutschen Geographentages, Berlin 1882. $. 41 ff. — [97] v. Bo- guslawski, Handbuch ete., $. 179. — [98] Ein gespenstisches Meerleuchten, Gaea, 18. Jahrgang. S. 746 ff. II, $. 1. Zur Nomenklatur. DIR Kapitel II. Physiographie der Meeresbecken. $. 1. Zur Nomenklatur. Unter dem Worte Physiographie verstehen wir eine beschreibende Darstellung der gestaltlichen Verhältnisse der Meeresräume. Die verschiedenen Formen der das feste und flüssige Element von einander scheidenden Trennungs- linien, die Gliederung der in das Festland eindringenden Meerestheile, Tiefenverhältnisse und Bodenplastik fallen in den Bereich dieses Ka- pitels. Dagegen soll die verschiedenartige Einwirkung des Meerwassers auf das angrenzende Land uns hier noch nicht beschäftigen, sondern einem besonderen (dem zweiten) Kapitel der nächsten Abtheilung vor- behalten bleiben. Dagegen wird das Erforderliche über die Beschaffen- heit des Meeresgrundes in naturhistorischer Beziehung schon an diesem Orte gesagt werden müssen. Meeresbecken wird die zusammenhängende Einsenkung der Erdoberfläche genannt, welche mit Salzwasser von ganz oder nahe überein- stimmendem Niveau (s. 0.) ausgefüllt ist [1]. Doch ist es wohl erlaubt, auch einzelne Theile des Ganzen mit dem gleichen Namen zu belegen und von einem Becken des schwarzen Meeres, des Mittelmeeres u. s. w. zu sprechen. Ein Meerbusen oder Golf heisst jede ausgiebige Einbuchtung des Landes dann, wenn die Verbindung mit dem freien Meere eine weite und freie ist; Einschnitte von verhältnissmässig geringen Dimensionen sind die Buchten und Bayen. Vermindern sich die Dimensionen in sehr erheblicher Weise, so nennt man die Buchten Rheden, und schliesst das Festland kleine Wasserbassins so vollständig ab, dass dieselben nur noch durch einen verhältniss- mässig schmalen Arm mit der offenen See in Verbindung stehen, so hat man es mit Häfen zu thun. Verbindet der Arm zwei selbst- ständige Meerestheile, so wird er mit einem der ziemlich synonymen Ausdrücke Meeresstrassen, Sunde, Kanäle und Meerengen bezeichnet. | Jeder besonderen Gestaltung der flüssigen steht natürlich auch eine besondere Gestaltung der festen Oberfläche zur Seite. Was Halbinseln sind, darf hier als bekannt vorausgesetzt werden; ebenso, dass dieselben, wenn sie sehr weit vorspringen, den Namen Land- zungen führen. Schmale Landgebiete, durch welche grössere Fest- landkomplexe kommuniciren, sind Landengen oder Isthmen (Korinth, Panamä). Die Spitzen vortretender Festlandgebiete figuriren als Vor- sebirge, Kap’s und Nasen; letztere Bezeichnung findet besonders gerne auch bei Landseen Anwendung. Obwohl Insel dem strengen Wortsinne nach jeden ganz von Meerwasser umschlossenen Trocken- raum bedeutet, so ist man doch übereingekommen, diesen Namen nicht auch zugleich für die drei selbstständigen Festlandmassen — Konti- nente, Welttheile, Erdtheile — zu gebrauchen, als welche die sogenannte alte Welt, sowie Amerika und Australien zu gelten haben. Meeresgegenden mit besonders reicher Inselbedeckung heissen wohl 324 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Archipele oder Inselmeere. „Während die Linien, in welchen die Festlandmassen mit dem flüssigen Elemente in Berührung treten, die Küstenränder bilden, bezeichnet man das unmittelbar an die See stossende Land als Küste (auch Gestade) und das Gebiet, bis wohin maritime Einflüsse sich geltend zu machen pflegen, als Küstenland oder Küstengebiet... Die Bezeichnung Ufer ist sowohl bei’'m Meere, wie bei den Seen und Flüssen gebräuchlich, bei letzteren die ausschliessliche Bezeichnung, während Strand für vegetationslose, in den Konturen einförmige und der See zu flach ver- laufende Küsten gebraucht wird“ [2]*). $. 2. Meeres- und Küstengliederung. Es erhebt sich, nachdem wir bisher rein beschreibend vorgegangen sind, die Frage, ob es an- gängig ist, die geschilderten Verhältnisse auch auf vergleichbare Zahlwerthe zu beziehen und solchergestalt in die Physiographie des Meeres, die an und für sich keinen mathematischen Charakter beansprucht, ein arithmetisch-geometrisches Element hineinzutragen. Versuche dieser Art sind in neuerer Zeit unternommen worden, und zwar nicht ohne Glück. So hat Krümmel [4] den Begriff der mittleren oceanischen Zugänglichkeit eingeführt; dieselbe ist gleich dem Verhältniss der durch Wasser gebildeten Grenze zum Ge- sammtumfange des betreffenden Meeresbeckens und beträgt nach der vom Autor beliebten procentualen Berechnung bei’m nordatlantischen Meere 15 °o, bei’m südatlantischen 43 % jenes Umfanges. A. Kirch- hoff glaubte das von Krümmel angestrebte Ziel, ein Maass für die Zugänglichkeit eines Meeres zu Schiff zu gewinnen, noch besser durch den Terminus der Zugangsbreite zu erreichen [5], und Krümmel ist ihm selbst hierin nachgefolgt [6], indem er für verschiedene Meere diese kürzesten Distanzen der das Eingangsthor bildenden Landmassen berechnete. Später wird sich zeigen, dass, um abschliessende Zahlen zu bekommen, auch der dritten Dimension Rechnung getragen werden muss. Eine Küste wird dem Handelsverkehr sich in dem Maasse leichter erschliessen, als das Meer an verschiedenen Stellen tief in dieselbe eingreift, und es ist für anthropogeographische Zwecke deshalb recht wünschenswerth, ein Maass für diese Aufgeschlossenheit zu besitzen. Strabon bildete (s. I. Band, S. 7) in feinem Gefühle ein eigenes Beiwort für diese Eigenschaft einer bestimmten Erdgegend (rtoAvoyriov, vielgestaltig). Die „vergleichende“ Schule Carl Ritter’s legte Ge- wicht auf den Vorschlag ihres Meisters, den Flächeninhalt eines von Wasser umgebenen Landes durch die Küstenlänge zu dividiren und diesen Quotienten als das Maass der Küstengliederung oder Küsten- entwickelung zu definiren. Diese Begriffsbestimmung ist jedoch ganz unlogisch, weil der Quotient eine lineare Grösse ist, während doch einem solch’ abstrakten Begriffe als arithmetisches Substrat einzig nur ein Gebilde nullter Dimension, d.h. eine reine Zahl ent- *) Forel hat, zunächst allerdings nur mit Rücksicht auf die Eigenthüm- lichkeiten des heimathlichen See’s (I. Band), eine Klassifikation der Golfe und Vorgebirge in Vorschlag gebracht, welche sich auf das Wechselspiel von Alluvion und Erosion stützt [3]. Inwieweit seine Definitionen der Uebertragung auf oceanische Verhältnisse fähig wären, müssen wir hier ununtersucht lassen. schen diesen Begrenzungslinien und dem II, $. 2. Meeres- und Küstengliederung. 325 sprechen kann. Diess erkannt und zugleich auf vernunftgemässe Ab- hülfe gedacht zu haben, war das Verdienst Nagel’s, dessen bezüg- licher Aufsatz „Ueber die Küstengestaltung der Erdtheile“ jedoch nicht, wie sein Biograph Krimmel anzunehmen scheint [7], ungedruckt blieb. Andere Vorschläge von H. Berghaus, Keber, Schultze, Bothe, Schumann, A. Steinhauser, v. Klöden und v. Prondzynski, wegen deren die Jahrgänge 1863 und 1864 der Petermann’schen Mittheilungen nachzusehen wären, gipfelten schliesslich darin, dass, unter F den Flächeninhalt, unter K die Länge des Küstensaumes, unter u einen konstanten Zahlenfaktor verstanden, die Küstenent- wickelung RT = ıu.F:yvK gesetzt und somit wenigstens der gedankliche Fehler der Ritter’schen Bestimmung vermieden wurde. Die von Schumann zuerst gehegte und von Krümmel [3] zahlenmässig ausgeführte Idee, auch der sphärischen Krümmung der Länderräume ihr Recht in der Formel angedeihen zu lassen, bezeichnet allerdings einen gewissen Fortschritt, allein auch bei ihr kommt die so nahe liegende und durch eine Un- zahl von geometrischen Beispielen zu belegende Thatsache nicht zur Geltung, dass Figuren von gleichem Inhalt und Umfang dabei doch die allergrösste Verschiedenheit in ihren gestaltlichen Verhältnissen aufweisen können. Deshalb hat der Verf. dieses bei zwei früheren Veranlassungen ein anderes Verfahren zu motiviren versucht [9]. In Fig. 63 sei eine Insel F auf der Karte durch ein System gerader Linien möglichst enge eingeschlossen; zwi- Küstensaume finden sich gewisse — in der Figur schraffirte — Flächenstücke vom Ge- sammtinhalte f; wenn dann K und u. die obige Bedeutung beibehalten, so kann sehr wohl f rn gesetzt werden. Sowie die Insel keinen einzigen einspringenden Winkel besitzt, kann von einer Entwickelung ihrer Küste nicht mehr die Rede sein, und wirklich ist dann auch f= o, also auch E= (0. Es scheint uns diese Festsetzung noch heute die Aufgabe in einfachster Weise zu lösen, obwohl ja gewiss noch andere Entscheidungen denkbar und zulässig sind. Nach Zöppritz z. B. [10] genügt für gewöhnliche Zwecke „die Bestimmung der Grösse des Maximalabstandes des binnen- ländischen Kernes von der Küste, gemessen auf dem kürzesten Wege“. Auf einzelne physisch - geographische Fragen des Charakters, welchen physikalischen Motoren eine gewisse Küste die an ihr wahr- Senommene eigenartige Gliederung zu danken habe, wird in späteren Abschnitten einzugehen sein. Wir gedenken uns dabei jedoch durch- sehends auf dem Boden der wirklichen Thatsachen zu halten und alle . Betrachtungen bei Seite zu lassen, welche nach der die feinsinnigen Arbeiten der Peschel’schen Richtung häufig durchkreuzenden Meta- physik der Erdkunde hinzuneigen scheinen *). *) Wir haben, indem wir dieses sonst wohl kaum gehörte Wort gebrauchen, 3236 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. $. 3. Die Meerestiefe als geographisches Element. Oben schon ward darauf hingedeutet, dass nicht blos die wechselnden Arealver- hältnisse eines Meerestheiles für dessen geographische und handels- politische Bedeutung maassgebend sind, dass vielmehr auch die dritte räumliche Abmessung erheblich mit in’s Spiel kommt. Diese dritte Dimension ist eben die Tiefe des Meeres, der in der Richtung des bezüglichen Erdhalbmessers gemessene Abstand eines Oberflächen- punktes vom Meeresboden. Um zunächst bei unseren vergleichbaren Zahlangaben stehen zu bleiben, so ist klar, dass eine tiefe See namentlich für submarine Cirkulation, aber auch für wirthschaftsgeographische Zwecke günstigere Verhältnisse bietet. Krümmel hat deshalb wohl daran gethan, den Begriff der Zugangstiefe einzuführen. Zöppritz meinte [15]: „Für die Beurtheilung von Zu- und Abströmung in beiden Becken — nord- und südatlantisches Becken — wäre die Einführung des Quer- schnittes der Zugangsstrassen (= Breite mal mittlerer Zugangstiefe) wohl noch charakteristischer.* In der strengen Sprache der Mathematik würden also, wenn y —= f(x) die Gleichung der Durchschnittskurve des Wasserthores ist, und wenn a die Breite des T'horweges vorstellt, wesentlich jene geographischen Homologieen im Auge, welchen Peschel das fünfte Kapitel seiner „Probleme“ gewidmet hat [11]. Anregungen A. v. Humboldt’s folgend, sucht er hier die Gestalt-Analogie der beiden Inseln Celebes und Gilolo auf gemeinsame Endursachen zurückzuführen, mit Bergman diskutirt er die Frage, weshalb wohl die an den West- und Ostküsten der Kontinente vortretenden Halbinseln blos nach Süd und nicht auch nach Nord gerichtet sind, hauptsächlich aber beschäftigt ihn ein Problem, dessen Wesen und Geschichte er mit folgenden Worten kennzeichnet [12]: „Die lehrreichsten Aehnlichkeiten sind in den Umrissen Südamerika’s, Afrika’s und Australien’s wahrzunehmen. Lord Bacon bezeichnete schon die Südspitzen Afrika’s und Südamerika’s als homologe Bildungen („simili- tudines physicae in configuratione mundi“); dann erkannte J. R. Forster die Aehn- lichkeit Australien’smit den beiden anderen Kontinenten.“ In Weinberg’s historisch anregender Abhandlung [13] über diesen Gegenstand wird erwähnt, dass Forster für jene Homologieen eine ehemalige oceanische Hochfluth und Pallas ebendafür eine nordsüdlich gerichtete Fluthwelle verantwortlich machen wollte; Weinberg sucht darzuthun, dass die Fluthrichtung eine nordwestliche gewesen sei. Peschel scheint von jener ganz in seinem Sinne gearbeiteten Studie keine Kenntniss be- sessen zu haben. Als ein nicht durchweg erfreulicher Ausfluss Peschel’scher Ideen erscheint ferner Ullrich’s Schrift „Die horizontale Gestalt und Beschaffen- heit Europa’s und Nordamerika’s“ (Leipzig 1883), die sehr fleissig gearbeitet ist, in der Aufsuchung von Homologieen aber manche Excentricität enthält. Was soll z. B. für die Wissenschaft mit dem gesperrt gedruckten Satze ($. 18) geleistet werden, dass die Hudsons-Bay eine „amerikanische Nordsee“ sei? Eine noch drastischere Beleuchtung erhält diese Teleologie der Erdkunde durch Reichen- bach’s „Gestaltung der Erdoberfläche nach bestimmten Gesetzen“ (Berlin 1873), wo Meeresströmungen, Salzgehaltschwankungen, elektrische Processe und geo- logische Liniensysteme im Sinne E. de Beaumont’s zusammenhelfen müssen, um die gegenwärtige Gestalt der Erdtheile zu erklären. Doch leitet hier der aus- gebildete Sinn des Autors für Symmetrie und Form auch zu manchem brauchbaren Ergebnisse hin, wie zur Konstruktion eines Meridianes, welcher, Kleinasien tan- girend. Land und Wasser nahe in zwei gleiche Hälften theilt. — Möchten wir auch nicht völlig der Skepsis P. Lehmann’s [14] beipflichten, nach dessen An- sicht die Geologie Fragen der vorbezeichneten Art gar niemals mit Erfolg werde auf ihre Tagesordnung setzen können, so müssen wir doch um so entschiedener unsere Ueberzeugung dahin aussprechen, dass heutzutage bei solch halb teleo- logischen Erörterungen die darin liegende Gefahr den etwa daraus entfliessenden Nutzen überwiegt. Mit dem „Ignorabimus“ ist es stets eine missliche Sache, aber dus „Ignoramus“* ist hier voll und ganz am Platze. II, $. 4. Bathometrische Methoden. | 327 ‚der Zugangsquerschnitt und die Zugangstiefe T durch au 3 1 a Q — /yax, I — m ‚[yax auszudrücken sein, Als Beispiel mögen hier die von Krümmel [16] berechneten Maasse des indischen Oceanes ihre Stelle finden: Zugangstiefe | Zugangsbreite | Zugangsquerschnitt ra AR u I . in En Sahulstrasse -....)0 2.000. 0,275 460 126,5 Strasse zw. Rottiu. Sumbawa. |Mittel: 1,158 |Mittel: 96 Mittel: 109,8 Lanbok- und Allacstrasse . 0.146 96 14.0 Sumdastrasse . . .. 2% 0.046 45 2,0 Malakastrasse . 2. 0... 0.036 59 21 Strasse von Ormus . . .„ . 0.101 92 9.2 Bab-El-Mandeb-Enge . . . 0,220 S0 6,6 Ueberdiess erweist sich von einer genauen Kenntniss der Seetiefen die Möglichkeit abhängig, ein klares Bild von den morphographischen Verhältnissen des Meeresbodens zu bekommen und damit auch irrige Vorstellungen von der Art zu beseitigen, wie sie z. B. Buache (I. Band, S. 18) sich gebildet hatte. Es fragt sich also blos: Welche Mittel stehen uns zur Verfügung, um genaue Tiefenbestimmungen in hinreichender Anzahl zu erhalten. $S. 4. Bathometrische Methoden. Man pflegt die Kunst-Wissen- schaft der Meeressondirung gewöhnlich mit dem Namen der Batho- metrie zu benennen; die angewandten Instrumente sind die Batho- meter (ß4d%op, die Tiefe). Einen kritischen Ueberblick über die Viel- zahl dieser Apparate und über die Art ihrer Benützung hat der Verf. früher geliefert [17]. Ausserdem findet man anregende Mittheilungen in einer Abhandlung Wolkenhauer’s [18], in den Werken v. Bogus- lawski’s |19] und der österreichischen Hydrographen [20] und ganz besonders in dem Handbuche der preussischen Admiralität [21]. Dem vom Verf. angegebenen und auch von anderer Seite gebilligten Ein- theilungsmodus zufolge kann man die vorhandenen bathometrischen Methoden in vier verschiedene Gruppen zerlegen. Die erste Gruppe enthält die direkten Verfahrungsweisen, in die zweite nehmen wir auf jene Manipulirungen, bei denen es sich um eine Auslösung handelt, die dritte Klasse umfasst die Registrirungsvorrichtungen, und die vierte hat es mit indirekten Bestimmungen mannigfacher Art zu thun. Dass auch eine und dieselbe Methode gleichzeitig zwei Gruppen zugerechnet werden kann, ist nicht zu leugnen, vermag aber unser Klassifikations- prineip doch nicht zu durchbrechen. a) Direkte Sondirung. Das einfachste und naturgemässeste Mittel besteht gewiss darin, einen schweren Körper, das Loth oder Senkblei, an einer Leine in das Wasser hinabzulassen, den Moment genau zu beachten, in welchem jener Körper den Boden berührt, und nunmehr die Länge des nass gewordenen Stückes der Leine nach deren Wieder- BR Be RENNEN ae ME IE a N u RE RE EEE a Ai RR NE MT RN 328 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. aufwickelung zu messen. Für geringere Tiefen ist dieses Verfahren, dessen sich zweifellos auch die Griechen und Römer bedient haben*), zugleich das zweckentsprechendste, zumal wenn man durch Anbringung der F. Pfaff’schen Schutzmaassregeln [23] dafür sorgt, dass die Leine während des Hinablassens oder Hinabwindens nicht von ihrer verti- kalen Richtung abgelenkt werde. Eine wichtige Verbesserung datirt von W. Thomson, dessen Patentloth oder Lothmaschine das Seil oder die Leine durch Klaviersaitendraht (,‚Pianoforte wire“) ersetzt, welcher auf einer Welle aufgewickelt war und durch eine Räderverbindung unter möglichster Vermeidung der Reibung von dieser abgelöst wird [24]. Der sogenannte Patentblock, der an der grossen Raa befestigt ist, und der Akkumulator, den Jeffreys näher be- schrieben hat [25], ermöglichen ein stetiges Herabsinken des Drahtes, welcher sehr dünn ist und doch eine Zugkraft von 700 kg auszuhalten im Stande sein muss**). b) Auslösungsvorrichtungen. Schon frühzeitig dachte man daran, schwere Körper mit leichteren in solche Verbindung zu bringen, dass bei’'m Aufstossen der letztere sich von ersterem ablöste und wieder an die Oberfläche des Wassers zurückkehrte; es war also die Leine erspart, und aus der Zeit, welche zwischen dem Verschwinden des Körpers und seinem Wiederauftauchen verstrich, gedachte man einen Rückschluss auf die Tiefe zu machen. Der geniale Nicolaus Cusa- nus dürfte als der Erste mit einem Vorschlage solcher Art hervor- getreten sein; in seinem „De statiecis experimentis fragmentum“, welches der Basler Vitruv- Ausgabe von 1543 beigegeben ist, legt er dem mit einem Philosophen sich unterhaltenden Mechaniker die nachstehende Rede in den Mund: „Cum plumbo fieret formato ad in- star lunae octo dierum; ita tamen quod cornu unum sit ponderosius et aliud levius, et in leviori pomum aut aliud leve tali instrumento appendatur, quod plumbo in fundum pomum trahente et primum cum ponderosiore parte terram tangente et se sic successive inclinante pomum de cornu liberatum sursum revertatur....“ Blancanus erzählt, dass ein gewisser Alberti in seinem Buche „De architectura‘‘ einen recht geistreichen Gedanken ausgesprochen habe [27]. Sein Instrument ist in Fig. 64 dargestellt; a ist die schwere Kugel, in deren Haken das gebogene leichte Metallstück b eingehängt wird, so dass c den fertig justirten Lothapparat repräsentirt; wird dann zunächst in einem Ge- wässer von bekannter Tiefe p, die Zeit t, an einer Wasseruhr gemessen, welche der Bestandtheil b zum Wiedererscheinen braucht, wird weiter *) Das Wenige, was die Alten über gemessene Meerestiefen aussagen, hat Humboldt gesammelt [22]. Plutarch und Koreudes hegen die vernünftigsten Ansichten. *#*) Thomson’s Idee ist, wie der Historiker freilich erwarten musste, auch keine „Proles sine matre creata“; im „Nautical Magazine“ von 1849 findet sich ($. 124) ein vom Kapitän Barnett an den „Hydrographer* der Admiralität erstatteter Bericht, aus welchem erhellt, dass Mooney, Schiffslieutenant auf dem „Ihunderer“, die Lothleine aufgegeben und dafür Eisendraht genommen habe. Neuerdings windet White [26] den Draht auf eine Trommel von verzinktem Eisen- blech auf und bringt an deren Axe ein Zählwerk an, welches die Anzahl der Trommel-Umdrehungen zu registriren gestattet. Eine Bremsvorrichtung bringt die Trommel in dem Augenblicke zum Stillstande, in welchem der Schwerkörper den Grund berührt. I, $. 4. Bathometrische Methoden. 329 ebenso t für ein Gewässer von unbekannter Tiefe p bestimmt, so hätte man ht :t=p:p, Pp>= ii Ein deutscher Geometer des XVI.Jahr- hunderts, Pühler, bespricht in ganz dem gleichen Sinne seine am Traunsee im Salzkammergut unternommenen Sondirungen im 44. Kapitel seines Lehrbuches, betitelt [28]: ‚Wie die tieffe eines Weihers, Graben, See unn anderer stilstehender Wasser, solen künstlich abgemessen und ergründt wer- den.‘ Selbstverständlich ist die still- schweigend zu Grunde gelegte Voraus- setzung, dass die Bewegung des ab- und aufsteigenden Körpers eine gleichförmige sei, nur sehr obenhin zutreffend. — Wir müssen darauf verzichten, alle auf dieses Princip begründeten Mechanismen eingehend zu besprechen; nur wenige Andeutungen mögen genügen. Der „Explorator abyssi‘“ des genialen Erfinders Hooke, den wir in der von Derham herausgegebenen Sammlung [29] beschrieben finden, hatte eine ähnliche Auslösung, doch war er noch weiter mit zwei hodo- metrischen Räderwerken ausgerüstet, deren eines bei’'m Sinken des Instrumentes, das andere — umgekehrt gestellte — bei’m Steigen des leichteren Theiles umgetrieben werden sollte. Bacialli und Molinelli empfahlen eine eigen- Fig. 69. thümliche Zange behufs leichter und bequemer Trennung beider Bestandtheile [30]. Ganz be- sonders aber machte die Tiefensonde des Hollän- ders Stipriaan Luiscius von sich reden, deren Schilderung [31] Gilbert [32] eine sehr inter- essante Notiz beigab; freilich beruhten die an dem Hooke’schen Explorator angebrachten und an sich recht zahlreichen Abänderungen mehr nur auf einer gewissen Kleinmeisterei. Ein Gleiches gilt, nach Emsmann [33], doch auch für Aim&’s Bathometer, wogegen Konicky’s „Deekukuk“ [34] eine wirklich praktische Neue- rung ist, indem bei ihm durch ein Explosions- signal der Moment des Wiederauftauchens sehr genau markirt wird. Endlich verstand es der amerikanische Midshipman Brooke, durch eine seistreiche Kombination der für die erste und zweite Gruppe maassgebenden Grundsätze ein für den Gebrauch des praktischen Seefahrers ausserordentlich brauchbares Werkzeug herzu- stellen, von welchem Fig. 65 ein Bild giebt. „Ein cylindrischer Eisenstab B trägt an seinem oberen Ende zwei scheerenförmige Arme A und A,, welche nur nach abwärts drehbar sind. Eine durchhohrte Kanonenkugel K, von einer kurzen Leine L umfasst, bleibt auf diesen Arınan hängen, solange der ganze Apparat 330 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. nr mittelst der Lothleine L schwebend erhalten wird. Trifft der Apparat aber den Grund, so zieht die Kugel die zwei Arme rasch abwärts, die Schlingen der Leine L, welche die Kugel hält, gleiten ab, und die Kugel fällt zu Boden“ [35], die allenfalls noch am unteren Stabende angebrachte Hülse abstreifend.. Ueber gewisse Vervollkommnungen dieser einfachen Idee, wie das Bulldog-Loth und den Hydra- Sinker, belehren die Schriften Belknap’s [36] und Sigsbee’s [37] *). — Wir bemerken noch, dass auf offener See jede Lothung, wenn sie Werth haben soll, von einer scharfen Längen- und Breitenbestimmung gefolgt sein muss. Bei Küstensondirungen, und namentlich bei Tiefen- bestimmungen in Binnengewässern, verbindet man den Punkt der Auf- nahme durch Winkelmessungen im Sinne des Pothenot’schen Problemes (1. Band, S. 284) mit drei ihrer Lage nach bekannten Punkten des Festlandes. Strenge Berechnung ist kaum vonnöthen, vielmehr ver- zeichnet man nach Horner-Denzler die beiden gemessenen Winkel am besten auf Strohpapier und verschiebt dieses so lange, bis die drei Schenkel durch je einen der Eckpunkte des schon vorher ver- zeichneten Dreieckes der drei Festlandspunkte hindurchgehen. Schon der verjüngte Maassstab liefert alsdann eine ganz erträgliche Ortsbestimmung. c) Registrirapparate. Nach Gilbert’s Aussage (a. a. O.)soll der Ge- danke, die Tiefe eines Gewässers manometrisch durch Luftkompression zu messen, bis auf Hales und Desaguliers zurückreichen. In ge- schickter Weise verband Morse ein solches Tiefenmanometer mit einer der soeben gekennzeichneten Auslösungen |39]. Schreiber übertrug auf unseren Fall das Konstruktionsprincip der Aneroidbarometer, setzte gewellte Lamellen dem wechselnden Wasserdrucke aus und traf zu- gleich die Veranstaltung, den Stand des Zeigers photographisch zu fixiren [40]. Das Loth von Hopfgartner und Arzberger verwendet als richtiges Wasserdruck-Aneroid luftleere Dosen**) [41]. Stahl- berger’s Rheobarometer |43] dient zugleich dazu, die Richtung und Geschwindigkeit etwaiger Meeresströmungen zugleich mit der Tiefe zu bestimmen. Den Preis in unserer dritten Gruppe errang jedoch William Thomson (s. o.); derselbe verband mit seinem Patentloth eine Glasröhre, deren Innenwand eine Belegung von chromsaurem Silber hat. Je tiefer das Loth sinkt, um so höher steigt das Seewasser in der Röhre, zersetzt die Belegung und verwandelt deren röthlich gelbe Färbung in Weiss. Berechnung oder empirische Graduirung ertheilt alsdann Aufschluss über die erreichte Tiefe. d) Indirekte Schätzungsmethoden. Schon Hooke äusserte einmal (s. o.), sein Seetiefenmesser solle zugleich als „Explorator gravitationis“ Verwendung finden. Was er nur ahnte, ward durch William Sie- mens verwirklicht, der seit 1859 an der Lösung der Aufgabe arbeitete, durch Schweremessungen die Tiefe des Meeres an jeder beliebigen Stelle zu ermitteln. Angesichts der grossen Wichtigkeit, welche dem *) Emsmann war der Meinung [33], dass man die Kugel des Brooke’schen Apparates nicht verloren zu geben brauche, sondern dieselbe zu retten vermöge, was natürlich erheblich geringere Kosten verursachen würde. Es scheint aber nicht, dass seine durchaus nicht einfachen Abänderungspläne Anklang gefunden hätten. **) Die Formeln, welche zur Berechnung der Tiefe aus dem Drucke dienen, dürften in voller Allgemeinheit zuerst von Rühlmann [42] entwickelt worden sein. I, $. 4 Bathometrische Methoden, Sat Siemens’schen Bathometer auch im Hinblick auf anderweite geo- physikalische Fragen innewohnt, verweilen wir bei der an einen authen- tischen Bericht [44] sich anlehnenden Charakteristik des Instrumentes etwas länger. In einem stählernen Rohre, welches an beiden Enden je eine schalenförmige Erweiterung besitzt, befindet sich eine Queck- silbersäule. Die untere Schale ist durch ein dünnes Wellblech von Stahl verschlossen, welches in seiner Mitte auf einem in einem horizontalen Kreuze sitzenden Zapfen aufruht und mittelst desselben von zwei stählernen Spiralfedern, welche mit der Quecksilbersäule an Länge übereinstimmen, getragen wird. Durch diese Anordnung ist das In- strument den Temperatureinflüssen so gut wie ganz entzogen. Es wird nun an einem Universalgelenke so aufgehängt, dass es vertikal verbleibt und seinem Quecksilbereylinder blos in vertikaler Richtung Schwankungen verstattet. Die Ganghöhe der Schraube und die Distanzen der am Rande angebrachten Theilstriche sind so gewählt, dass je ein Skalentheil einer Aenderung der Schwere entspricht, welche auf einen Faden Tiefe entfällt. Da Seewasser wesentlich geringere spezifische Schwere besitzt, als Erde, so darf vorausgesetzt werden, dass auf dem Ocean die Anziehung sich minder energisch kundgiebt, als auf dem Festlande; in welchem Maasse, das wird die nachfolgende Ueberlegung lehren. C (Fig. 66) ist der Mittelpunkt der Erdkugel vom Radius R, FE ist ein Kugelkreis vom Mittelpunkt N, so dass in der Figur ON __LFE die Kugel in einem von E und F gleichweit abstehenden Punkte Q trifft. Um N als Mittelpunkt seien zwei Kreise mit den Halbmessern NP —=x und NP, =x-- dx beschrieben; wie stark ist dann die Anziehung, welche ein ringför- miger Streifen von der Breite dx und von der Höhe dh, unter h die Strecke NQ ver- standen, auf Q ausübt? Unter Voraussetzung homogener Massenvertheilung von der Dichte 1 ist das Massenelement dM des Streifens — %rzx dx dh, und da, wenn <{NQP mit p bezeichnet wird, x = htgo» ist, so ist auch 2 am 2rch er andh. cos? © Die Entfernung des Streifens vonQ@ ist =PQ =e=h sec, somit ist die in die Vertikalrichtung fallende Attraktionskomponente En daM —_ 0 Integrirt man, mit 9, den Winkel FQN = EQN ausdrückend, von 0 bis 9,, so wird die vertikale Attraktionskomponente der fraglichen Schicht, da EQ —5h NO ist, .Pı 91 9 En: faa, = f?r umo.do dh = — 2rdh 92h (1 \/ ar). o 0 ) Die auf QC normal wirkenden Elementaranziehungen heben sich je- weils auf, die Gesammtanziehung der Kalotte mit Rücksicht auf Q ist also —= 2rsinpdpdh. 392 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. h h ar | Be. h 2 a— fa dh — 2 /a(i-\ zu) 2rh(1 —. a) Da 2R sehr gross ist, so kann ohne besonderen Fehler A=2rh gesetzt werden. Die Gesammtanziehung der Erdkugel auf Q sei A/, dann. ist Al— e KR ur dı — < Rr, weshalb die Proportion ae A = ER 2R angesetzt werden kann. „Wäre demnach,“ so wird (a. a. OÖ.) weiter sefolgert, „das Seewasser gewichtlos, so würde sich die Gesammt- anziehung der Erde, gemessen an der Meeresoberfläche, in dem Ver- hältnisse der Tiefe h:—-R vermindern; wenn man dagegen das Ge- 3 wicht des Seewassers in Rechnung zieht, so findet man eine Vermin- derung der Schwere am Meeresniveau nach dem Verhältnisse der Tiefe 614 he — 979 Erde keineswegs ein homogener Körper ist, nur ein angenähertes, und die Graduirung des Tiefenlothes wird mit grösserer Schärfe, als es nach dieser theoretischen Bestimmung geschehen könnte, durch Vergleichung mit wirklichen Lothmessungen erfolgen. Hat man dann eine gute empirische Gradeintheilung, so liefert das Siemens’sche Werkzeug ganz gute Resultate und kann, wie auf dem Dampfer „Faraday“ konstatirt ward, recht wohl bei den Vorarbeiten für eine Kabellegung Verwendung finden. Siemens hat übrigens auch gezeigt, wie man den seinem Instrumente unterlegten Gedanken zugleich für horizontale Attraktionen verwerthen kann. Bemerkt sei noch, dass die Oscillationen des flüssigen Metalles dadurch leicht sichtbar gemacht werden können, dass man auf jenes noch durch Aufgiessen eine Schicht gefärbten Oeles bringt, welches in einer feinen Spiralröhre von Glas, deren Axe horizontal liegt, hin- und hergeht. — Die Durchschnitts- tiefe eines grösseren Meeresbeckens kann auch, wenn gewisse Beobach- tungen vorliegen, aus einem hydrodynamischen Lehrsatze erschlossen werden, dessen Kenntnissnahme wir jedoch besser einem späteren Para- graphen vorbehalten, in welchem die Berechnung mittlerer Seetiefen ihre Stelle findet. | R, nahezu=h:R.* Natürlich ist dieses Ergebniss, da ja die $. 5. Uebersicht über die gemessenen Meerestiefen *). In früherer Zeit, als man noch einzig auf das gewöhnliche Senkblei angewiesen war, überschätzte man nur allzuhäufig die damit gefundenen Tiefen, *) Das in diesem Paragraphen verarbeitete Material ist in der Hauptsache aus drei Werken entlehnt,. aus den beiden uns bereits sehr bekannt gewordenen Handbüchern v. Boguslawski’s [45] und der österreichischen Marine [46] und aus der interessanten Monographie des Engländers J. J. Wild [47]. Ausserdem hat auch eine ältere Arbeit [48] des unermüdlichen v. Boguslawski Verwendung gefunden und auch darauf ist zu verweisen, dass eben derselbe im siebenten und neunten Bande des Wagner’schen Jahrbuches einlässlich Bericht über die Fort- schritte unseres Wissens von der Meerestiefe abgestattet hat. II, $. 5. Uebersicht über die gemessenen Meerestiefen. 933 indem man eben den Moment des Aufstossens auf dem Grunde nicht scharf zu fixiren in der Lage war. Wenn, wie v. Boguslawski an- führt [49], Denham und Parker zu verschiedenen Zeiten zwischen Tristan d’Acunha und Südamerika Tiefen von resp. 14100 m und 15180 m *) gelothet zu haben glaubten, so sind diese Angaben durch die in der Nähe jener Plätze vorgenommenen Sondirungen des ‚„Chal- lenger“ **) als durchaus unzutreffend nachgewiesen worden. Die grösste zur Zeit bekannte Meerestiefe befindet sich, wie die ‚„Tuscarora“ feststellte, unter 44° 55° Norderbreite und 151° 26° östlicher Länge von Greenwich; dieselbe beträgt 8513 m, also dreihundert Meter weniger, als die höchste Erhebung der Erdoberfläche (1. Band, S. 135). Tiefen über 8000 m maass der ‚„Challenger‘‘ mehrfach im nördlichen Pacifik zwischen den Inselgruppen der Marianen und Karolinen [51]. Auch für den atlantischen Ocean ergab sich die für den ersten Anblick etwas auffällige Thatsache, dass die Maximaltiefen in der Nähe von Inseln oder Kontinentalmassen zu finden sind. Die grösste atlantische Tiefe (nördlich von St. Thomas) beläuft sich auf 7068 m, im östlichen und südlichen Theile ist der Atlantik durchweg minder tief. Die grössten Tiefen des indischen Oceans mit 5500 m trifft man an der Nordwestküste Australien's, wogegen im nördlichen Polarmeere die Eismeertiefe von 4850 m allenthalben so ziemlich gleichweit vom Festlande entfernt ist. Das antarktische Meer scheint seicht zu sein und nur ausnahmsweise Tiefen von mehr denn 1000 m aufzuweisen, *) Nautische Forscher von Ruf, wie z. B. Breusing, vertreten die Ansicht, dass für oceanographische Zwecke die Maasseinheiten der Seemeile (= 1852 m) und des Fadens („fathom“ = 1,829 m) nach wie vor beibehalten zu werden verdien- ten. Wir haben uns indessen den strengeren Anforderungen H. Wagner’s fügen zu sollen geglaubt. **) Es ist hier wohl der Ort. die schon dem ersten Bande ($. 23) einver- leibte geschichtliche Notiz über oceanographische Forschungsfahrten etwas weiter auszuführen, wobei v. Boguslawski’s übersichtliche Zusammenstellung [50] un- seren Leitstern abgeben möge. Der grossen wissenschaftlichen Weltumsege- lungen zählt derselbe für den Zeitraum von 1772 (Cook mit der „Resolution“) bis 1873 (v. Wickede mit der „Elisabeth*) nicht weniger denn 22 auf. Tiefsee- messungen im Atlantik betrieben von Engländern besonders James Ross („Discovery“), Belcher („Samarang“), Dayman („Rattlesnake“), Mac Clintock („Bulldog“), Hoskyn („Porcupine“), Frank Thomson und Nares mit ihren wissenschaftlichen Stäben („Challenger“), von Franzosen Dumont d’Urville („Astrolabe“) und Parfait („Travailleur“ und „Talisman“), von Amerikanern Lee und Berryman („Dolphin“), J. M. Green („Gettysburg“), Schley („Essex“), Evans („Saratoga*), von Russen v. Kotzebue („Rurik“), von Oesterreichern v. Wüllerstorf („Novara“), von Deutschen v. Schleinitz („Gazelle“), Mac Lean („Prinz Adalbert“), Pirner („Moltke“) und Krokisius („Marie“). Für Ost- und Nordsee ist im Anfange der siebziger Jahre namentlich die „Kommission zur wissenschaftlichen Erforschung der deutschen Meere“ in Kiel (G. Karsten, H. A. Meyer, Möbius, Hensen, Jacobsen u. A.) thätig gewesen, welcher man den Dampfer „Pommerania®* zur Verfügung gestellt hatte; eine ähnliche Instanz für die physikalische Untersuchung des adriatisch-jonischen Gebietes hat Oesterreich in Pola gegründet, wo Luksch und J. Wolf wirken. Die Unter- suchung des stillen Meeres ist wohl am meisten durch Belknap’s „Tuscarora“, durch „Challenger“ und „Gazelle“ gefördert worden; unter den durch polare Entdeckungsreisen ausgezeichneten Schiffen ragen hervor „Vöringen“ (mit Mohn an Bord), „Isbjörn“, „Vega“, „Eira“, „Investigator“ und „Jeanette“. Bei dem traurigen Untergange der letzteren sind auch die gemachten Beobachtungen ab- handen gekommen. Ba Ba N Te Fr ae ARE EL TE ” RE RU Are re y ec ’ Er , £ . B e 334 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. doch ist man unter 621 ® Süderbreite und 96° östlicher Länge auch einmal erst bei 3610 m auf den Grund gekommen. iR Es wäre weder wissenschaftlich, noch didaktisch gerechtfertigt, in grossen Tabellen die einer bestimmten Partie des Meeres zukom- menden Tiefen nebeneinanderzustellen. Einen Ueberblick über die thatsächlichen Verhältnisse — und nur darauf kann es ankommen — vermittelt man am besten, wie schon in dem von der Graphik handeln- den Kapitel des ersten Bandes (S. 271 ff.) angedeutet wurde, durch ein Tableau, sei es dass dasselbe Querschnitte (Tiefenprofile) dar- stellt, welche an verchiedenen Stellen senkrecht zur Meeres- oberfläche durchgelegt sind, sei es dass auf der Karte die Punkte gleicher Meerestiefe durch Kurven (Isobathen) ver- bunden wurden. Das erstgenannte Hülfsmittel bringen mit Vorliebe Wild und v. Boguslawski zur Anwendung, während Petermann, Krümmel, Supan und E. Mayer im österreichischen Manuale den gleichabständigen Kurven den Vorzug geben. Eine Isobathenkarte vermögen wir unserem Werke nicht beizugeben, weil der uns zu Ge- bote stehende geringe Raum es doch zu keiner Uebersichtlichkeit kom- men liesse; Fig. 67 dagegen repräsentirt einen im Meridian der Ber- Fig. 67. StThomas Bermudas MunnsRiff Nar-Schottland. 2 N Ä \ \ N \ __ mudas durch den Atlantik gelegten idealen Profildurchschnitt. Wir brauchen wohl nicht erst zu betonen, dass bei einem solchen Horizontal- und Vertikaldimensionen nicht nach dem nämlichen Maassstabe gemessen werden können *), Wenn ein gutes Bild von dem, was man Plastik oder Model- lirung des Meeresbodens nennen könnte, entworfen werden soll, ZZ 23078 *) Ein näheres Eingehen auf die submarine Telegraphie müssen wir hier ablehnen, obwohl wir wissen, dass z. B. Kayser in seinem mehrfach eitirten Werkchen recht ausführlich davon gehandelt hat [52]. Unter dem geophysikalischen Gesichtspunkte wird aber nichts anderes über den Gegenstand zu sagen sein, als dass Meerwasser ebenso ein guter, wie atmosphärische Luft ein schlechter Leiter der Elektrieität ist, und dass deshalb die auf den Meeresboden gelegten Drähte einer guten Isolirung bedürfen. Alles Weitere gehört in die Elektrotechnik, wie aus Schellen’s empfehlenswerther Monographie [53] hervorgeht. Indirekt hat, wie schon einer der angeführten Ortsnamen beweist, die Kabellegung dadurch der Meereskunde Nutzen gebracht, dass zu den sie vorbereitenden Arbeiten zu allererst genaue Sondirungen nöthig werden. 1I, $. 5. Uebersicht über die gemessenen Meerestiefen. 335 so muss man sich der neuerdings in der Meereskunde sich mehr und mehr einbürgernden Nomenklatur bedienen. Dass man einen sozusagen selbstständigen Meerestheil als Becken bezeichnet, haben wir bereits gesehen. Die grössere oder geringere Durchschnittstiefe eines solchen hängt von der mehr oder minder energischen Depression des Meeres- srundes ab. Becken werden von einander durch submarine Erhe- bungen getrennt, welche als schmale Rücken oder als ausgedehnte Plateau’sund Bänke erscheinen können; schmale Depressionen zwischen benachbarten Rücken heissen Rinnen oder Furchen; dass man nach Krümmel’s Vorschlägen auch noch die Bezeichnungen Kanal und Thal zu Hülfe nehmen solle, möchten wir nicht glauben, da in diesem Falle die Gefahr des Schematisirens (s. 0. $. 2 des ersten Kapitels) allzunahe läge. Flache Depressionen von annähernd kreisförmigem oder oblongem Umfange kann man Mulden, tiefere, von sonst gleicher morphographischer Beschaffenheit kann man Kessel nennen. Das Wort Tiefe blos den aussergewöhnlich jähen und kräftigen Abstürzen des Meeresbodens vorzubehalten, wie Krümmel (a. a. O.) meint, würde sich wohl empfehlen. Durch Petermann’s bathometrische Karte des Pacifik, die er im Jahre 1877 seinen „Mittheilungen“ beigab, kam der Gebrauch auf, die einzelnen Lokalitäten mit den Namen der- jenigen Forscher oder Explorationsschiffe zu belegen, welche es mit. der Auskundung jener besonders gründlich genommen haben, und Krümmel will dann wieder die einzelnen Theile fraglicher Lokali- täten noch durch eine besondere topographische Namengebung aus- zeichnen, so dass die oben erwähnte Maximaltiefe festzulegen wäre, wie folgt: „Washingtontiefe im Tuscarorabecken des nordwestlichen „ Theiles der Südsee.“ „Von anderer Seite ist die Bezeichnung der tiefsten Gebiete der Oceane nach den betreffenden Oertlichkeiten, ihrer Tiefe, Ausdehnung und Gestalt gewählt und angewendet worden, wie z. B. in dem ‚Atlas des atlantischen Oceanes‘, herausgegeben von der deutschen Seewarte‘“ [54]. Nachdem diess Alles vorausgeschickt ist, dürfte die folgende Charakteristik der einzelnen Meeresräume an sich völlig verständlich sein. a) Atlantischer Ocean. Die Vorstellung Maury’s [55], dass dieses. Meer wie ein tiefer „Trog‘ vom einen Pole zum anderen sich erstrecke, hat sich als durchaus unhaltbar erwiesen (s. auch I. Band, S. 46). Denn gerade durch die Mitte des Oceanes zieht sich eine Kette zu- sammenhängender Plateau’s, an welche sich nördlich das breite ‚Tele- graphenplateau‘“ anschliesst, durch welches die Verbindung der alten mit der neuen Welt hergestellt wird [56], während noch weiter nörd- lich ein nahe an die Wasserfläche heranreichender Rücken von Skan- dinavien sich nach Island hinüberzieht. Weiter nach Süden wird jener Rücken immer schmäler, bildet bei den Azoren das sogenannte ‚Dolphin rise‘ und lässt sich, in abwechselnder Breite und zwischen den Tiefen von 1830 und 3600 m schwankend, bis in die Umgebung der Insel Gough unter 40° lat. austr. nachweisen [57]. Ob derselbe auch mit dem antarktischen Plateau zusammenhängt, das muss die geographische Wissenschaft zur Zeit noch unentschieden lassen. Wir können im Be- sonderen von einer westindischen Tiefe (zwischen den Antillen und Bermuden), von einem nordatlantischen Kessel, von einer west- lichen und östlichen Azoren-Rinne und von einem äquatorialen 336 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Rücken sprechen [58]. Tizard’s Lothungen auf dem „Knight Er- rant‘‘ haben uns ferner von der Existenz eines an der schottischen Küste beginnenden, unterseeischen Höhenzuges überzeugt, der sich bis zu den Fär-Oer erstreckt und eine Minimaltiefe von 550 m auf- weist. Die am Ostrande der Bank von New-Foundland gelegene flä- mische Kappe zeichnet sich, wie wir aus einer an die Kabelsondi- rungen des „Faraday“ anknüpfenden Studie Krümmel’s [59] ersehen, durch ihren Steilabfall aus. b) Südsee. Wenn man den Meridian von 150° westlicher Länge als das den Pacifik durchsetzende Diaphragma betrachtet, so weisen die beiden Hälften in bathometrischer Hinsicht ein sehr verschiedenes Verhalten auf. Die amerikanische Seite des oceanischen Beckens, ver- gleichsweise sehr arm an Inseln, hat eine ziemlich einförmige Ge- staltung, die Tiefen nehmen von der Küste aus langsam und stetig zu, bis sie nordöstlich der Sandwich-Gruppe auf 5000 m anwachsen, Weit abwechselungsreicher verhält sich das asiatische Becken, in wel- chem nicht weniger als sieben unterseeische Bodenerhebungen durch Thäler unterbrochen sind. Für den südlichen Theil des Pacifik machten die Messungen des „Challenger“ das Vorhandensein eines ausgedehnten Plateau’s wahrscheinlich, welches von den Marquesas- und Gesellschafts- Inseln bis zu der chilenischen Küste bei Juan Fernandez hinüber- reicht [60]. Dass die Tiefenverhältnisse gerade dieses Erdtheiles es herbeiführen, gewisse Becken, wie das Korallenmeer, die Bandasee und das chinesische Meer völlig von den angrenzenden Meeren zu isoliren, das wird im nächsten Kapitel die Betrachtung der Wärme- vertheilung lehren. — Von besonders ausgezeichnetem Charakter sind noch die als Hilgard-Tiefe und Miller-Tiefe bekannten Abfälle in der Umgebung der Phönix-Inseln (bis zu 6000 m), des Ferneren die Thomson-Tiefe zwischen Neuseeland und Australien, die Ga- zellen-Tiefe zwischen Neuseeland und Neukaledonien, die Car- penter-Tiefe zwischen Neuguinea, den Salomons-Inseln, den neuen Hebriden und Neukaledonien, die Patterson-Tiefe im Nordwesten von Australien und die Nares-Tiefe zwischen den Palau-Inseln und den Karolinen. Von der Tiefe im Tuscarora-Becken war schon oben die Rede [61]. c) Indischer Ocean. Unsere leider noch recht unvollkommenen Kenntnisse berechtigen uns nur zu der Aussage, dass dieser Ocean ein wenig differentiirtes Tiefenbecken darzustellen scheint, das aber — im Gegensatze zu anderen Meeren — allenthalben von steil abfallen- dem Lande begrenzt wird. Die grössten zur Zeit bekannten Tiefen sind 5505 und 5523 m; die Jeffreys-Tiefe westlich vom Kap Leeuwin beträgt 5276 m. Der bengalische Busen bildet zwischen Ceylon und der Halbinsel von Malakka ein einfaches Tiefenthal mit Depressionen von 3900 bis 4300 m, sehr eben ist auch der Boden des arabischen Meeres, im persischen Golfe ist man noch nicht tiefer hinabgekommen, als bis zu 90 m, wogegen der Grund des rothen Meeres stark gewellt ist und in seiner Axe Tiefen von 1900 m erkennen lässt [62]. Eine neue und sehr gründlich ausgearbeitete Karte mit Begleitworten ver- dankt man Krümmel [63], der u. a. auch daran erinnert, dass die gleichmässige, aber kräftige Depression zwischen Madagaskar und Indien keineswegs zur Unterstützung der früher vielfach laut gewor- 1I, $. 5. Uebersicht über die gemessenen Meerestiefen. 337 denen Ansicht dient, es habe in der geologischen Vorzeit in jener Gegend eine Landbrücke gegeben*). d) Polarmeere. Jene Eismeertiefe des europäischen Nordmeeres, deren wir oben gedachten, und der ein Durchschnittswerth von 2750 m zugeschrieben ward, ist nach Mohn [65] nur bedingt vorhanden; eigent- lich müssen zwei getrennte Tiefenbecken unterschieden werden, das eine südlich von den Lofodden, im Maximum 3670 m tief, und ein zweites, mit ungefährer Montblanc-Tiefe, westlich und südlich von Spitzbergen. Im karischen Meere nehmen die Tiefen nach Norden hin langsam zu, die tiefste Stelle von 732 m liegt aber östlich der Insel Waigatsch. Ziemlich seicht (kaum über 350 m tief) ist das weisse Meer, ein Gleiches gilt für die Hudsons-Bay, wogegen die Baffıns-Bay bis zu 1829 m abfällt. Für die sibirische Küstensee wird Lieutenant Bove, der Begleiter Nordenskiöld’s, noch weitere Er- öffnungen machen. — Vom antarktischen Meere lässt sich nur an- geben, dass eine den Südpol umgebende submarine Erhöhung zu exi- stiren scheint, welche mit ihren Ausläufern in die benachbarten Oceane hineinreicht (s. o.) [66]. e) Europäische Ränd- und Mittelmeere. Die Nordsee hat meist nur eine unbedeutende Tiefe; eine Erhöhung, die Doggers-Bank**), schiebt sich als schmaler Rücken zwischen den etwas tieferen nord- östlichen und den nirgends 60 m Tiefe überschreitenden südwestlichen Theil ein. Nur die norwegische Rinne, deren Lage durch ihren Namen ausreichend gekennzeichnet ist, ist bedeutend tiefer, an einem Punkte sogar 687 m tief [67]. Als die tiefsten Abtheilungen der Ost- see werden uns von Ackermann [63] der nördlichste Theil des kleinen Beltes und der grosse Belt, als die flachsten das Gewässer um Fünen herum und die Smaaland-See genannt, während eine Bank oder Barre von kaum 20 m Tiefe die Ost- und Westhälfte von einander scheidet. Man findet in ersterer [69] drei grössere und mehrere kleinere De- pressionen von über 100 m Tiefe. Das bottnische Meer kann noch lange nicht für genügend durchforscht gelten, doch ist es sehr wahr- scheinlich, dass ein gutes Drittel des Gesammtareales durch eine grosse Einsenkung mit mehr als 100 m Tiefe eingenommen wird [70]. Das mittelländische Meer wird durch die zwischen 200 und 950 m an Tiefe variirende Gibraltar-Strasse gegen den offenen Ocean abgeschlossen und weiterhin durch eine zwischen Sieilien und Tunesien in äusserst wechselnder Tiefe sich hinziehende Bank in zwei nur oberflächlich kommunieirende Becken zerlegt. Im Westbecken hat man bislang die Maximaltiefe unweit der Insel Minorca bei 3070 m erreicht, im Ost- becken steigen die zur Zeit bekannten Maximaltiefen bis auf 3931 und 3969 m an. Die grössten Depressionen im griechischen Archipelagus, in den Dardanellen, im Marmara-Meere und im Bosporus erreichen *) Auch den australasiatischen Archipel hat Krümmel neuerdings einer besonderen Betrachtung unterzogen [64]. Es zeigt sich einerseits, dass Neuholland nördlich von einem sehr stark ausgeprägten Senkungsfelde umzogen wird, welches zwischen Timor und Sumbawa in der Schleinitz-Tiefe gipfelt, wogegen auf der anderen Seite dem asiatischen Festlande eine doppelte submarine Verlängerung zuzugestehen ist, welche bis Java-Bali und Borneo-Palawan sich ausdehnt. **) „Dogger“ bedeutet ein Fischerboot der Holländer, die in jener Gegend ergiebige Jagdgründe ausbeuten. Günther, Geophysik. II. Band. 22 338 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. beziehungsweise 1225, 104, 1344 und 100 m [71]. Schwarzes und asow’sches Meer sind sehr seicht, letzteres ist höchstens 15 m tief. Die nun schon so häufig beobachtete Scheidegrenze im Inneren eines Beckens findet sich auch im adriatischen Meere vor, wo sie die Halb-' inseln Sabbioncello und Monte Gargano verbindet; nördlich dieser Linie lässt sich ein allmähliger Abfall in südöstlicher Richtung erkennen, und südlich der nur 150 m tiefen Verbindungs-Rinne tritt wieder eine ab-' rupte Senkung bis zu 1590 m Tiefe ein. Die Bodenschwelle, welche die Adria von dem kesselartig vertieften jonischen Meere trennt, bleibt immerhin noch 800 Meter unter dem Meeresspiegel [72]. $. 6. Allgemeine Charakteristik der Meeresbodengestaltung. Die Ergebnisse des vorigen Paragraphen befähigen uns dazu, eine Reihe wildphantastischer Vorstellungen, welche man sich in früheren Zeiten über die Oberflächenform des Meeresgrundes gebildet hatte, zu be- seitigen oder doch einschneidend zu berichtigen. Peschel, der bei diesem Reinigungsprocess besonders energisch mit Hand angelegt hatte, bemerkt über ältere Hypothesen [73]: „Alexander v. Humboldt war den gefährlichen Träumereien eines Buache von sogenannten Seegebirgen nicht hold gewesen. Finden wir aber bei ihm nicht mehr die Seegebirge, so behielt er doch eine andere Vorstellung des Franzosen bei, dass nämlich die Gebirge das Gezimmer*) (‚charpente‘) oder, wie es Athanasius Kircher mit einem anderen Bilde aus- gesprochen hatte, das Skelett der Festlande (‚Ossatura globi‘) ver- treten.“ Kircher’s durch Gebirge fixirte Meridiane und Parallel- kreise wurden, wie erwähnt, von Buache in der uns aus Band I (S. 18) bekannten Abhandlung wieder hervorgesucht und zur Grund- lage eines neuen geographischen Systemes in dem Sinne gemacht, dass Bergketten der Kontinente durch imaginäre, submarine Kettengebirge mit einander in Verbindung gesetzt wurden. Bergman, Kant, Gat- terer, Zeune und anfänglich selbst noch Ritter vermochten sich nach Peschel [75], der wohl auch einen L. v. Buch hinzuzurechnen befugt gewesen wäre, für diese irrige Anschauung zu erwärmen. Sehr wenig bekannt scheint zu sein, dass ein deutscher Universitätslehrer, Börsch in Marburg, in seiner manch’ Gutes enthaltenden und von uns noch öfter zu erwähnenden Orographie einer korrekten Auffassung mit den nachfolgenden Worten die Bahn gebrochen hat [76]: „Ge- birge, welche sich an der Meeresküste endigen, können mit denjenigen, welche in der nämlichen Richtung auf einer Insel oder in einem an- deren Welttheile liegen, als zusammenhängend nicht angesehen werden.“ Natürlich muss auch dieser Ausspruch, so korrekt er an und für sich ist, nur als ein cum grano salis richtiger behandelt werden, da bei- spielsweise der Gebirgszug der Insel Novaja Semlja, nach Hiekisch [77], als eine direkte Fortsetzung der Uralkette betrachtet werden muss. Die Tiefseeforschung hat unzweifelhaft erwiesen, dass nur in unmittelbarster Nähe der Kontinente und Inseln der Meeresboden eine Fortsetzung des angrenzenden Festlandes ist, und dass das eigentliche Meeresbecken in sehr verschiedenen Entfernungen von jenem seinen *), Die deutsche Form des französischen Kunstausdruckes rührt her von Carl Ritter [74]. II, $S. 7. Die mittlere Tiefe der Oceane. - 339: Anfang nimmt [78]. Als Erfahrungssatz dürfen wir ferner diesen hin- stellen [79]: Die Böschungswinkelsubmariner Erhebungen sind im freien Weltmeere fast immer ausserordentlich gering. Ueber das „Telegraphenplateau“ z. B. liesse sich ohne jegliche Kunst- bauten eine Eisenbahn hinwegführen, da keine grössere Neigung vor- kommt, als are sin (1:412). Nahe den Küsten sind steilere, ja unter Enständen sogar sehr steile Abstürze allerdings keine Seltenheit A Den Grund für diese Thatsache entdeckt man mit Peschel [80] un- schwer in dem Fehlen jeder atmosphärischen Erosion; auch die Meeres- strömungen reichen, wie sich in dem ihnen gewidmeten fünften Kapitel zeigen wird, nur in seichter See so tief hinab, dass sie durch Abwetzen sanfte Böschungen in jähe verwandeln können. 8. 7. Die mittlere Tiefe der Oceane. Wenn von den geographi- schen Schriftstellern auch immer jenen literarischen Erscheinungen, die sich über ein sachlich verwandtes Gebiet verbreiten, die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt würde, so würde vermuthlich auch kaum ein so hohes Gewicht gerade darauf gelegt werden, dass Peschel im fünften Kapitel seiner ‚Probleme‘ als der Erste mittlere Meeres- tiefen zu berechnen lehrte [81]. Denn Bestrebungen dieser Art waren den Mathematikern seiner Zeit nichts weniger als fremd. In dem ‚,Iso- lirten Staat‘ des bekannten Nationalökonomen v. Thünen war gezeigt worden, wie man die mittlere Entfernung des Acker’s vom Hofe ermitteln könne, und Grunert hat über diese Frage eine sehr aus- führliche Schrift verfasst [82]. Drobisch [83] und Schlömilch [84] diskutirten verwandte Aufgaben. Wenn wir uns genau an die in ihren Aufsätzen gegebenen Definitionen halten und unter Entfernungs- moment eines Flächenelementes von einer Ebene das Produkt der Grösse dieses Elementes in seine normale Entfernung von der Ebene verstehen, so muss, unter f (x, y) = z die Gleichung der betreffen- den Fläche verstanden, die mittlere Distanz M gleich dem Quotienten gesetzt werden, welchen man erhält, wenn man mit der Gesammtober- fläche in die Summe der Entfernungsmomente dividirt. Es ist also algebraisch, wenn man den in jedem Lehrbuche der Infinitesimalrech- nung zu en Ausdruck für das sa a IN en Der Wurzelausdruck mal dx dy ist hier gleich dem Flächenelemente dF. — Der Meeresgrund bildet keine geometrisch regelmässige Fläche; die obige Formel kann also empirisch nur dadurch ausgewerthet wer- den, dass man das Zeichen d der Differentialrechnung durch das Zeichen A der Rechnung mit endlichen Differenzen ersetzt und die obige Relation mit der nachstehenden vertauscht: BA Bo Mi . ns sAF,..h-AFR,.b-h.. FAR hi, HA, == en TI TPEReaE ee NS BELLE TE TERN BE mern: 2 340 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. wo F den Flächenraum des in Rede stehenden Meerestheiles be- zeichnet. Mit besonderem Eifer ist an die Aufgabe, mittlere Meerestiefen nach dieser letzteren (Peschel’schen) Formel zu bestimmen, Krümmel herangetreten [85]. Er theilte das ihm vorliegende Areal in Zehn- und Eingradfelder ab (s. Kap. X der vorigen Abtheilung, $. 4), trug in diese Felder genau die geographischen Koordinaten der Lothungs- punkte ein und suchte dann interpolatorisch die dem Gradfelde ent- sprechende Mittelhöhe h zu erhalten. Gegen die von Supan [86] und v. Boguslawski [87] erhobenen principiellen Einwände hat sich Krümmel lebhaft und geschickt vertheidigt [83], und wir stehen nicht an, ihm einzuräumen, dass etwas besseres — mögen auch die von den Gegnern behaupteten subjektiven Eigenmächtigkeiten ihre Rolle spielen — nicht leicht zu finden sei. Dagegen müssen wir uns wieder auf v. Boguslawski’s Seite stellen, wenn derselbe behauptet, dass unser ungenügendes bathometrisches Wissen die Berechnung leid- lich genauer Mittelwerthe noch nicht gestattet und auch für eine absehbare Folgezeit noch nicht gestatten wird. Einstweilen müssen wir uns daher mit rohen Näherungswerthen begnügen. Krümmel findet (a. a. O.) für die offenen Oceane eine Mitteltiefe von 3705 m, für die Mittelmeere von 1349 m, für die Rand- meere von 944 m, und so ergiebt sich schliesslich für "das gesammte Meer der Erde er mittlere Tiefe von 3438 m*). S. 8. Beziehungen zwischen Meerestiefe und Kontinentalhöhe. Es liegt nicht ferne, Vergleichungen anzustellen zwischen der mittleren Tiefe des Meeres und der mittleren Höhe der Kontinente**). Dass dieselbe im Ganzen nach denselben Grundsätzen zu bestimmen ist, welche wir oben als für die oceanischen Mitteltiefen maassgebend er- kannt haben, ist an sich einleuchtend, doch sind im ersteren Falle *) Der Bache- Airy’schen Formel, welche aus der Zeit zwischen der Aus- lösung einer Seebebenwelle und der Ankunft letzterer an einer entfernten Küste die Mitteltiefe des zwischenliegenden Meeres zu berechnen unternimmt, ward im I. Bande ($. 378) Erwähnung gethan. Peschel, v. Hochstetter und Geinitz haben nach dieser Vorschrift ihre Mittelwerthe für die Tiefe des westlich von der peruanischen Küste gelegenen Theiles der Südsee bestimmt, doch kann diesen Schätzungen ein höherer Werth selbstverständlich nicht beigemessen werden [89]; steigen doch, wie Krümmel hervorhebt [90], die Differenzen bis auf '/s des wahrscheinlichen Totalwerthes! E. Mayer findet als Mittel der von Airy’s Formel abhängenden Bestimmungen der Mitteltiefe des Pacifik 3800 m [91]. **) Auf einen wichtigen und auf die Genauigkeiten beider Arten von Mes- sungen merklichen Einfluss übenden Unterschied zwischen der Bestimmung mitt- lerer Gebirgserhebungen und mittlerer Meerestiefen hat, soweit unser Wissen reicht, noch kein Schriftsteller aufmerksam gemacht. Beidemale ist der ideale Seespiegel, soweit wir die Annahme eines solchen mit der Lehre vom Geoid ver- ‚einbaren können, die Basis, auf welche wir die Höhen und Tiefen beziehen, allein nur im ersteren Falle sind die angegebenen Höhendaten auch zuverlässig die Maasszahlen vertikaler Erhebungen, weil wir die einzelnen gemessenen Spitzen sehen oder betreten können. Mag trigonometrische, barometrische und thermometrische Altimetrie noch so sehr mit Fehlern behaftet sein, der bei Lothungen wohl nie- mals auszuschliessende Fehler, dass die gemessene Strecke nicht senkrecht auf der Basis steht, kann nicht vorkommen. Dieser Umstand mag, da der Ablenkungs- winkel bei entsprechender Sorgfalt ein kleiner bleibt, für die Zuverlässigkeit ein- zelner Sondirungen belanglos sein, die Mitteltiefen wird er stets entstellen. EEE... 2 ee FT TEE ARTE II, $. 8. Beziehungen zwischen Meerestiefe und Kontinentalhöhe. 341 gewisse Rücksichten zu beobachten, auf welche erst dann näher ein- segangen werden kann, wenn einige dazu erforderliche Vorkenntnisse erworben sind, und da diess erst im ersten Kapitel der neunten Ab- theilung geschehen kann, so müssen wir uns gegenwärtig auf die Re- gistrirung von Thatsachen beschränken. Die ersten Versuche in dieser Art stellte Humboldt an, getrieben durch das kritische Bestreben, zu untersuchen, ob Laplace Recht gehabt habe, als er die mittlere Höhe Europa’s aut 1000 m veranschlagt hatte [92]. Humboldt selbst fand für Europa, Asien und Amerika jeweils Mittelhöhen von 205,351 und 285 m, Afrika und Australien hielt er sich noch nicht für be- fähigt nach dieser Seite hin zu prüfen. Australien ist auch heute noch nicht besser daran, und die Humboldt’sche Schätzung Asien’s ist zweifellos viel zu niedrig und wird sich wohl in dem Maasse ver- grössern müssen, als man in die Geheimnisse der centralasiatischen Gebirgswelt tiefer eindringt. Wir nehmen deshalb mit Leipoldt [93] für die mittlere Höhe von Asien und Australien die freilich sehr runden Ziffern von 500 und 250 m an — unvermögend, Besseres an deren Stelle zu setzen. Für die drei anderen Kontinente dagegen sind wir bessere und zuverlässigere Zahlwerthe anzugeben in der Lage. a) Europa. Aus Leipoldt’s sehr verdienstlicher Untersuchung [94] resultiren für die einzelnen Länder unseres Erdtheiles folgende Mittel- werthe*): Russland 167, Iberische Halbinsel 701, Skandinavien 428, Oesterreich 518, Balkanhalbinsel 580, Italien 517, Frankreich 394, Deutsches Reich 214, Grossbritannien 218, Schweiz 1300, Gesammt- Dänemark 352, Rumänien 282, Belgien 136, Niederlande 49 m. Die mittlere Höhe Europa’s berechnet sich hienach zu 297 m. b) Amerika. Für diesen Welttheil ist zunächst soviel ausgemacht, dass Humboldt, wie bei Asien, viel zu niedrig gegriffen hat. Blos für das Gebiet der Vereinigten Staaten begnügt sich derselbe mit 228 m, wogegen Toner bis zu 648 m gehen zu sollen glaubt [95]; Gannett glaubt wenigstens — ohne Alaska — bis zu 525 m steigen zu sollen [96]. Auch Ratzel betont [97], dass in Nordamerika die Hügelländer und Mittelgebirge minder stark das Gesammtergebniss beeinflussen, als es in Europa der Fall ist, und dass deshalb für Toner’s Resultat jedenfalls ein grösseres Maass von Wahrscheinlich- keit anzunehmen sei, als für das Humboldt’sche. Leipoldt’s 410 Me- ter sind deshalb wohl auch noch zu geringfügig angesetzt. c) Afrika. Was Leipoldt für Europa, hat Chavanne für Afrika geleistet [98], nur ist der Unzulänglichkeit des Materiales halber Chavanne’s Zahl mit einem grösseren wahrscheinlichen Fehler be- haftet, als diejenige Leipoldt’s. Ersterer berechnet die mittlere Er- hebung des Atlas zu 763 m, diejenige der grossen Binnenwüste zu 425 m, diejenige der Plateauzone des Sudän zu 423 m, diejenige der ostafrikanischen Hochländer zu 972 m, diejenige des äquatorialen Tren- nungsgebirges zu 1065 m, diejenige der Galla- und Somali-Länder zu 1030 m, diejenige Abessynien’s zu 671m, diejenige des Congobeckens *) Von Decimalen absehend, rundeten wir die Zahlen in der üblichen Weise ab. Bruchtheile von Metern erwecken bei solchen Anlässen in uns genau den Eindruck, welchen die Ausrechnung der Winkel auf Tertien und Quarten, die im Mittelalter beliebt war, in den Augen eines modernen Astronomen hervorruft. 342 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. zu 462 m, diejenige der arabisch-nubischen Wüste zu 331 m und die- jenige der Danakilenküste zu 120 m. Ohne Inseln betrüge sonach die Durchschnittshöhe des afrikanischen Landkomplexes 662 m statt der von Leipoldt angenommenen 500 m. | Hieraus folgt, dass die Krümmel-Leipoldt’sche Zahl von 440 m für die Gesammtmittelhöhe alles irdischen Festlandes ebenfalls einer nicht unerheblichen Erhöhung bedarf, um mit der Wahrheit nur in jenen überaus bescheidenen Einklang gebracht zu werden, zu welchem es der Natur der Sache nach überhaupt kommen kann. Carpenter’s Zahl (1000 englische Fuss) ist ganz gewiss viel zu klein. Genaue Zahlen für die nichteuropäischen Erdtheile werden wohl noch für Jahr- zehnte und Jahrhunderte in’s Reich der unerfüllbaren Wünsche ge- hören, denn die Vorbedingungen dazu sind eben nur in Amerika und den europäischen Kolonieen einigermassen vorhanden. „Die Berechnung genauer mittlerer Landeshöhen,* sagt Hammer [99], „kann natürlich der Einzelne nicht durchführen; sie ist die Aufgabe der verschiedenen topographisch-geognostischen Landesuntersuchungen, wie sie in den meisten Staaten Europa’s, in einzelnen Staaten Nord- und Südamerika’s bereits durchgeführt oder in Ausführung begriffen sind, und durch welche allein die Forderung von Bruhns erfüllt werden kann, dass man nämlich zur zuverlässigen Berechnung der Mittelhöhe eines Landes die Höhenlage von 7 Punkten pro Quadratmeile genau kennen müsse.“ Es könnte demgemäss scheinen, als sei die Bestimmung von Mittelwerthen altimetrischer und bathometrischer Natur nur eine geist- reiche Spielerei, ohne greifbaren Nutzen für die Wissenschaft. Das wäre entschieden zu weit gegangen. Im I. Bande (S. 203) erfuhren wir, dass eine wenn auch nur generelle Kenntniss dieser Mittelwerthe nicht entbehrt werden kann, wenn man für die Abweichungen zwischen Geoid und Sphäroid eine zahlenmässige Schätzung gewinnen will. Zum zweiten hat Peschel nur auf diese Weise den Satz [100] zu formuliren vermocht, „dass unsere Festlande als gewaltige Hochebenen über die Sohle der Oceane emporragen,“ einen Satz, der in seiner allgemeinen Fassung auch durch Verschärfung des Zahlenmateriales nicht verändert werden kann. Die Erkenntniss aber, dass der Flächen- inhalt des Trockenen zu der Tiefe der Meere in einem bestimmten Verhältnisse steht, ist insoferne von geologischer Bedeutung, als da- durch die Leiter-Rolle beträchtlich eingeschränkt wird, welche eine frühere Theorie der Erdbildung den Gebirgen betreffs der Entstehung der Kontinente zugewiesen hatte. Endlich ist möglichst genaue Kennt- niss der Mittelhöhen und Mitteltiefen auch ganz unentbehrlich bei der Lösung der Aufgabe des nächsten Paragraphen. 8. 9. Gleiehgewicht des festen und flüssigen Elementes. Schon von je, darf man sagen, herrschte bei den Geographen die Ansicht vor, dass Meere und Festland sich Gleichgewicht hielten. In $. 3 des vorigen Kapitels erörterten wir die verschiedenen Lehrmeinungen, welche zu verschiedenen Zeiten über die geographische Vertheilung beider Grundstoffe obwalteten; jetzt können wir die damals absichtlich unterdrückte Bemerkung hinzufügen, dass statische Erwägungen die (zelehrten oft mehr beeinflussten, als das, was sie von den Dingen thatsächlich wussten. So trat ein G. Mercator für den mystischen II, $S. 9. Gleichgewicht des festen und flüssigen Elementes. 343 ‚Australkontinent mit der ganz teleologischen Ausführung ein [101]: „Haec omnia importat centri gravitatis et mundi constitutio.* Den schärfsten Ausdruck erhielt diese Gleichgewichtslehre durch Berg- man [102], der ganz strenge nach dem Hebelgesetze seinen neuen Kontinent in die Gegend von Neuseeland verlegte, und noch R. For- ster [103] verharrte anfänglich in dem gleichen Geleise. Wisotzki, dessen inhaltreicher Monographie wir auch hier gerne gefolgt sind, rechnet es Kant zur Ehre, mit diesem Schematismus gebrochen zu haben [104], wogegen es auch diesem unserem kundigen Führer ent- gangen ist, dass auch bei Lamarck und Anderen noch allerhand An- klänge an jene eingewurzelte geostatische Lehre des XVII. und XVII. Jahrhunderts anzutreffen sind *), denen E. Schmidt entgegentrat. In unseren Tagen hat dann Krümmel dieselbe wieder her- *) Nach den Erläuterungen, welche A. Lang [105] zu der nicht eben leicht verständlichen „Hydrog£ologie“ Lamarck’s macht, scheint es, dass dieser originelle Forscher bereits die einerseits durch die Kontinente, andererseits durch die Meere bedingten Ablenkungen des Erdschwerpunktes als gleich und dem Zeichen nach entgegengesetzt betrachtete. — E. Schmidt geht [106] in folgender Weise zu Werke. Man denke sich alles feste Land auf die Nordhemisphäre der Erdkugel vom Halbmesser R verlegt, nehme sogar an, dass es den dritten Theil der Ge- sammtoberfläche ausmache, und setze also sein Areal = = R?r. Im Mittel sei es um — in das Meer eingesenkt, auch erhebe es sich im Mittel über jenes um R \ 5 : : SE dann sind die Gewichte des eingetauchten und des nicht eingetauchten Theiles, 3 wenn p das spezifische Gewicht der Erdmasse bedeutet, resp. = Sr ; _ 0 3 R und = Sr ae Das Uebergewicht der nördlichen über die südliche Halb- kugel ist mithin gleich 4 or (= 2 |; 3 n m und das Gewichtsverhältniss beider Halbkugeln ist Sa rel}: win et er Schmidt setzt nun Zahlenwerthe ein, welche ein Autor der Neuzeit allerdings etwas abändern würde, ohne doch eine wesentliche Umgestaltung des Schluss- resultates herbeizuführen, und findet so obiges Verhältniss gleich. I1+2 (5 1 I ! )]: ı=1mw050 : 1 3440 r 17200 10320 Die nördliche Halbinsel würde nur um den zweitausendsten Theil schwerer sein, als die südliche, und zudem liegen ja in Wahrheit die Dinge weit günstiger, als absichtlich angenommen worden war. — Gegen Buache’s Theorie vom Gezimmer wendet Schmidt Nachstehendes ein [107]: „Obwohl es ganz richtig ist, dass an mehreren Orten, wo die Länder nur durch Meerengen von unbedeutender Breite von einander geschieden sind, ein Zusammenhang der Berge des einen Landes mit denen des anderen stattfindet, so dürfte doch im Allgemeinen der Zusammenhang aller Berge unter einander schwer nachgewiesen werden können...., da man vorzüglich den neueren Theorieen der inneren Beschaffenheit der Erde zufolge nicht annehmen kann, dass sich die Berge mit ihren Wurzeln bis nahe an den Mittelpunkt der Erde erstreckten, welches doch nöthig wäre, wenn. sie dem festen Lande die Festigkeit ertheilen sollten.“ 344 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. vorgesucht, sich aber zugleich redlich bemüht, dieselbe in einer unserem heutigen Wissensstande angepassten Weise umzugestalten. Sein Grund- gedanke stimmt in der Hauptsache überein mit dem von Lamarck (s. 0.); in seiner ersten Veröffentlichung [108] äusserte er sich dahin, dass Gleichgewicht „zwischen der irdischen Meeresdecke und dem Erdfesten* herrsche, und dass diese Thatsache als Argument gegen die vielfach verlautbarte Behauptung verwerthet werden könne, es sei dereinst das Areal der Landflächen ein sehr viel kleineres gewesen. Später hat Krümmel die Gründe sehr eingehend entwickelt, von welchen er sich leiten liess [109]. Er bezeichnet mit M und F resp. die Areale von Meer und Land, mit ce die mittlere Höhe der Kon- tinente, mit t die mittlere Tiefe der Oceane und sieht nun zu, ob, wenn p seine vorige Bedeutung beibehält, die supponirten Gleichungen Mtp=Fd(t—+ ce), t=Fed: (Mp — Fd) zu Recht bestehen. d ist die mittlere Dichte der Erde (s. Band I, S. 188). In der That ergiebt sich für t ein Werth, der gut zu dem aus den Lothungen abgeleiteten Mittelwerthe stimmt. Berücksichtigt man aber mit v. Boguslawski [110] die meist sehr flachen Böschun- gen der Länder, die Krümmel nothgedrungen als senkrecht abfallend voraussetzen musste, denkt man ferner daran, dass Krümmel’s Werth für ce nach den Ergebnissen des vorigen Paragraphen keinesfalls mehr der Wirklichkeit entspricht, so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschliessen, dass das schöne rechnerische Facit von Krümmel’s Kalkul mehr nur einem glücklichen Zufalle zu verdanken und nicht von einer sicheren geophysikalischen Grundlage getragen sei. $.10. Beschaffenheit des Meeresgrundes. Um das physiographische Kapitel zum richtigen Abschlusse zu bringen, haben wir noch die Frage zu erledigen, welche physische Beschaffenheit der Boden des Meeres denn eigentlich besitzt. Als Grenzlinie zwischen Festlandsockel und wirklichem Grunde gilt die Isobathe von 200 m (Hundert- fadenlinie), von welcher aus die Tiefen besonders rasch nach aussen hin abzunehmen pflegen [111]. Nicht blos das wissenschaftliche Inter- esse führt darauf, Untersuchungen dieser Art zu pflegen, vielmehr werden dieselben gebieterisch durch die Praxis des Seemannes ge- fordert, für welch’ Letzteren bei Nacht oder bedecktem Himmel die Kenntniss der Bodenbeschaffenheit sich als das einzig vertrauenswürdige Mittel der Orientirung erwiesen hat. Zum Betriebe dieser eigenartigen Disciplin, der submarinen Geognosie oder Lithologie des Bodens, hat es nun freilich lange an geeigneten Hülfsmitteln gefehlt. v. Pourtal®s, einer der Begrün- der dieses Wissenszweiges, schildert uns anschaulich deren allmähligen Aufschwung unter den Auspicien der amerikanischen Küstenvermes- sungs-Kommission [112]. Bache, seit 1844 „Superintendent“ dieser Körperschaft, traf die einleitenden Maassregeln, sein Nachfolger Peirce ersetzte, auf die Anregung von Agassiz dem Vater hin, das Senkblei durch das Schleppnetz. Bisher hatte man sich nämlich begnügt, im Senkblei eine mit Talg ausgefüllte Höhlung anzubringen, in welcher sogenannte Grundproben zur Oberfläche emporgebracht wurden. Auch der Stab des uns aus $. 3 bekannten Brooke’schen Apparates war in diesem Sinne aptirt. Stellwagen und Sands erfanden dann IL, $. 10. Beschaffenheit des Meeresgrundes. 345 ihre „Sounding Coups“, kleine, konische Becher von Gusseisen, welche an einen unter dem Lothe befindlichen Stengel angeschraubt und mit einem losen Lederdeckel verschlossen waren; dieser Deckel ward bei’'m Heraufziehen durch den Wasserdruck fest angepresst, und so konnten die hineingedrungenen Bodenproben nicht wieder heraus- fallen. Aeusserst detaillirte Nachweisungen über die Bagger- und Schleppnetze der Neuzeit geben sowohl das deutsche [113] als auch das österreichische Admiralitätshandbuch [114]. Der Schleppsack unterscheidet sich vom Schleppnetz dadurch, dass er keine Lücken enthält; auf englisch heissen diese beiden Instrumente „dredge* und „trawl“, und dieser erstere Ausdruck ist so heimisch in unserer deut- schen Marinesprache geworden, dass man den Process des Boden- Ab- suchens geradezu Dredschen nennt. Nordenskiöld hat das Dred- schen auch unter dem Eise erfolgreich zu betreiben gelehrt. Zur Absuchung geringerer Tiefen dient der sogenannte Schleppkäscher („tow-net“)*). Mit Hülfe dieser Apparate ist man denn dahin gelangt, fünf verschiedene Kategorieen von oceanischen Bodenablage- rungen zu unterscheiden, deren Eigenthümlichkeiten v. Boguslawski [116] ungefähr im Sinne unserer kurzen Skizze charakterisirt. a) Küstenablagerungen. Es sind diess hauptsächlich Detritus- Produkte der Küsten und der von den Küstenflüssen mitgeführten Sinkstoffe, die immerhin oft so weit in’s Meer hinausgeschwemmt werden, um einem Meerestheile Farbe und Namen zu verleihen („gelbes Meer“ ?). Grüne und blaue Thone sind vorherrschend; in der Nähe vulkanischer Küsten kommen eruptive Gesteine, Laven, Bimsstein nicht selten vor. Der rothe Schlamm, der sich allenthalben längs der Ostküste von Südamerika findet, rührt von den ockerhaltigen Massen her, welche die dortigen Ströme in’s Meer befördern. Atolle sind meist von Korallen-Schlamm umgeben. Welche Massen von Sedi- menten das Meer enthält, ahnen wohl die Wenigsten. Wenn Doyle und Fitzpatrik im Rechte sind [117], so führen Irawaddi, Sittang und Salween dem Golfe von Martaban Material genug zu, um in der kurzen seit Anfertigung der bezüglichen englischen Admiralitätskarte verstrichenen Zeit einen Tiefenunterschied von mehr denn 20 m her- beizuführen, und nach Higgin ist Aehnliches auch für die Uruguay- Mündung zu erwarten [118]. Wyville Thomson’s an die zu Dublin versammelte British Association gerichtete „Offene Adresse* ist auch unter diesem Gesichtspunkte lesenswerth. b) Globigerinen-Schlamm. Derselbe besteht wesentlich aus Globi- gerinen, kalkschaligen Rhizopoden, welche zur Gruppe der Polytha- lamien oder Foraminiferen zählen. Dieser Schlamm ist überall in Tiefen zwischen 450 und 3500 m vertreten. Lebende organische Be- standtheile hat man bis heute noch nicht darin angetroffen **). *) Torell undK.Chydenius konstruirten für die schwedische Expedition nach Spitzbergen leichte Bodenkratzer, welche sich gut bewährten, für grössere Tiefen aber durch die Mac Clintock’sche Bulldogmaschine (nach dessen Schiffe so benannt) ersetzt werden mussten. an welcher man jedoch ebenfalls Modifikationen anbrachte. Eine elastische Feder liess die auseinandergehaltenen „Schöpfer“ energisch zusammenschlagen [115]. **), v. Boguslawski verbreitet sich auch [119] anhangsweise über den so- genannten Bathybius Haeckelii. den der berühmte englische Zoologe Huxley 346 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. c) Rädiolarien-Schlamm. Die Radiolarien, deren eine uns Fig. 68 vorführt, bilden die höher entwickelte zweite Ordnung der Klasse der Rhizopoden. Der Kieselpanzer dieser Thiere, welche sich durch ihren Formenreichthum auszeichnen, bedeckt den Fig. 68. Boden fast aller Meere, doch nur in grösseren Tiefen (4100 bis 8400 m) in solcher Dichte, dass er den Charakter der Grundablagerung bestimmt. d) Diatomeen-Schlamm. Diese Algen-Art besitzt ebenfalls einen Kieselpanzer, und Stücke solcher Panzer bilden das bezeichnende Merkmal des Schlammes aller südlichen Meere zwischen dem 53. und 63. Parallel. Gänzlich fehlt diese Art jedoch nirgends. e) Tiefsee-Thon. Derselbe, von grauer oder rother Farbe, ist am meisten verbreitet; Sein Bezirk beginnt im Atlantik etwa bei 4400 m, im indischen und pacifischen Ocean bei 3660 m. Mikroskopische Mineralpartikelchen sind dem Thone allenthalben eingebettet, besonders häufig begegnet man dem Mangan- superoxyd. Nähere Nachweisungen über die Art und Weise des Auftretens jeder der hier besprochenen Ablagerungen in den irdischen Meeren bietet das österreichische Handbuch [121]. Uns würde hier eine solche Aufzählung zu weit führen. Auch von der pelagischen Thierwelt wird erst in der letzten Abtheilung gehandelt werden können*). [1] Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteorologie, 1. Band, Wien 1883. S. 142. — [2] Ibid. S. 145. — [3] Forel, Theses de geographie phy- sique, Bull. de la soc. Vaudoise des sc. nat., Vol. X. 8. 468 ff. — [4] Krümmel, Die äquatorialen Meeresströmungen des atlantischen Oceanes und das allgemeine System der Meerecirkulation, Leipzig 1877. S. 8. — [5] A. Kirchhoff, Recension hiezu, Jen. Literaturzeitung, 1877. S. 52. — [6] Krümmel, Versuch einer ver- gleichenden Morphologie der Meeresräume, Leipzig 1879. S. 61 ff. — [7] Krimmel, Nekrolog des k. württembergischen Oberstudienrathes v. Nagel, Tübingen 1884. S. 5. — [8] Krümmel, Versuch ete. $. 38. — [9] Günther, Die Küstenentwickelung, als eine organische Urform in die Wissenschaft eingeführt hatte. Einen noch weniger differentiirten Protoplasma-Klumpen ohne alle Coccolithen, den er aus diesem Grunde Protobathybius nannte, fand Bessels im nördlichen Smith- Sund, nur wenige Tage vor dem Schiffbruche der „Polaris“ [120]. Allein auch dieser Forscher hatte sich ebensosehr in Täuschung bewegt, wie seine berühmten Fachgenossen Häckel und Wyville Thomson: durch Möbius und Buchanan, den Chemiker der Challenger-Expedition, wurde unzweideutig festgestellt, dass die kreidige, flockige Masse in der freien Natur gar nicht so existirt, wie sie die genannten Naturforscher beschrieben haben, dass dieselbe vielmehr ein Produkt des Laboratoriums ist. Der im Seewasser enthaltene Gips wird durch Zusatz von Alkohol gefällt. *) Nur das sei bemerkt, dass die vielfach in populären Schriften vorge- tragene Lehre, wonach jenseits einer gewissen Tiefe das organische Leben voll- kommen erstorben sein und die Ruhe des Grabes walten soll, den Ergebnissen der neueren Tiefseeforschung gegenüber nicht mehr haltbar ist. Schmarda bemerkt [122], dass dieser grosse Fortschritt unserer Erkenntniss durch Wallich angebahnt wurde, der, als Theilnehmer der „Bulldog“-Reise, im Jahre 1860 einen Seestern (Ophiura spinosa) lebend aus einer Tiefe von ungefähr 2400 m heraufholte Citate. \ 347 ein mathematischer Beitrag zur vergleichenden Erdkunde, Arch. d. Math. und Phys., 57. Theil. S. 277 f£.; Die wahre Definition des Wortes Küstenentwickelung, Verhandl. des zweiten deutschen Geographentages, Berlin 1883. S. 140 fi. — [10] Ibid. S. 146. — [11] Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde. @. Aufl.) Leipzig 1878. S. 5 ff. — [12] Ibid. $. 70. — [13] Weinberg, Recherches sur la disposition et la configuration des continents et des iles, Bull. de la soc. imp. des natur. de Moscou, 1869. S. 198 ff. — [14] P. Lehmann, Kritischer Exkurs über Pe- schel’s Morphologie der Erdoberfläche, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 10. Band. S. 97 ff. — [15] Zöppritz, Recension zu Krümmel’s Meeresströmungen, Gött. Gel. Anz., 1878. S. 517. — [16] Krümmel, Versuch etc., S. 65. — [17] Günther, Die ba- thometrischen Instrumente und Methoden, Zeitschr. f. Instrumentenkunde, 1883. — [18] Wolkenhauer, zur Geschichte der Tiefenmessungen, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 1. Jahrgang. S. 589 ff. — [19] v. Boguslawski, Handbuch der Oceano- graphie, 1. Band, Stuttgart 1884. S. 51 fi. — [20] Handbuch etc., S. 61 fi. — [21] Handbuch der nautischen Instrumente, Berlin 1832. S. 160 ff. — [22] A. v. Hum- boldt, Kleinere Schriften, 1. Band, Stuttgart und Tübingen 1853. S. 445 ff. — [23] F. Pfaff, Einige Bemerkungen über Tiefenbestimmungen von Seen, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver.. 10. Band, S. 166 ff. — [24] British Association, Section Mechanical Science, Athenaeum, 1872. S. 280. — [25] Jeffreys-Carpenter-Thomson, On the scientific exploration of the Deep-Sea, Proceed. of the R. Soc., Vol. XVII. S. 403 ff. — [26] White, Apparat zur Tiefenmessung, Polytechn. Centralblatt, 1875. S. 1470 ff. — [27] Blancanus, Sphaera mundi seu cosmographia, Mutinae 1635. S. 1470 ff. — [28] Pühler, Ain kurtze unn grundliche anleytung zu dem rechten Verstand Geometriae, Dillingen 1563. 8. 652. — [29] Hooke-Derham, Philo- sophical experiments and observations, London 1726. — [30] Molinelli. De gravium corporum decursu in aqua, Comment. Bonon.. Tom. V., 1. $S. 280 fi. — [31] Stipriaan Luiscius, Beschreibung einer Meeressonde oder eines Bathometers, mit dem sich jede Tiefe messen lässt, (Gilbert’s) Ann. d. Phys., 30. Band. S. 417 ff. — [32] Ibid. S. 421 ff. — [33] Emsmann, Physikalisches Handwörterbuch, 1. Band, Leipzig 1865. S. 80 ff. — [34] Ergebnisse der Bathometrie, Ausland, 1872. S. 500. — [35] Handbuch ete., S. 64. — [36] Belknap, Deep-Sea sounding in the North Paeifice Ocean, Washington 1875. — [37] Sigsbee, Deep-Sea sounding and dredging, Washington 1880. — [38] Emsmann, Vorschlag eines neuen Bathometers, Dingler’s Polytechn. Journal, 198. Band. S. 188 ff. — [39] Delabar, Notizen über zwei neue physikalische Apparate, ibid. S. 103 ff. — [40] Schreiber, Ueber einige neue Ap- parate zu Tiefenmessungen, ibid. 213. Band. S. 312 fi. — [41] Hopfgartner-Arz- berger, Ein neues Tiefenloth, Wien 1876. — [42] Rühlmann, Ableitung der Formeln für Messungen der Meerestiefen mit Hülfe des Manometers, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 5. Band. S. 558 ff. — [43] Stahlberger, Das Rheobathometer, (Carl’s) Repert. f. Experimentalphysik, 10. Band. S. 376. — [44] Seetiefenmesser und Anziehungs- messer von C. W. Siemens in London, Dingler’s Pol. Journal, 221. Band. 8. 43 fi. — [45] v. Boguslawski, Handbuch ete., S. 57 ff. — [46] Handbuch etec., S. 183 fi. — [47] J. J. Wild, Thalatta; an essay on the depth, temperature and currents of the ocean, London 1877. S. 11 ff. — [48] v. Boguslawski, Die Tiefsee und ihre Boden- und Temperaturverhältnisse, Berlin 1878. — [49] Ibid. S. 14. — [50] v. Bo- guslawski, Handbuch ete., S. 390 ff. — [51] Ibid. S. 59. — [52] Kayser, Physik des Meeres, Paderborn 1873. S. 165 ff. — [53] Schellen, Das atlantische Kabel, Braunschweig 1867. — [54] v. Boguslawski, Handbuch etc., S. 60. — [55] Maury, Physische Geographie des Meeres, deutsch von Böttger, Leipzig 1856. $S. 199. — [56] v. Boguslawski, Handbuch etc... S. 19 ff. — [57] v. Boguslawski, Handbuch etec., S. 78. — [58] v. Boguslawski, Bericht über die Ergebnisse der Tiefseeforschung, 1878 bis 1882, Wagner’s Geogr. Jahrb., 9. Band, Gotha 1883. S. 454 ff. — [59] Krüm- mel, Ueber die Ergebnisse der Tiefseeforschung in den nördlichsten Theilen des atlantischen Oceans, Ann. d. Hydrogr. u. marit. Met., 18. Band. S. 454 fi. — [60] v. Boguslawski, Die Tiefsee ete., $. 24 ff. — [61] Handbuch etc., S. 205 ff. — [62] Ibid. S. 201 ff. — [63] Krümmel, Bemerkungen zur Tiefenkarte des indischen Oceans, Zeitschr. f. wiss. Geogr., 2. Jahrgang. S. 116 fi. — [64] Krümmel, Das Relief des australasiatischen Mittelmeeres, ibid. 3. Jahrgang. S. 1 ff. — [65] Mohn, Die norwegische Nordpol-Expedition, Ergänzungsheft Nr. 63 zu Petermann’s Geogr Mittheil., Gotha 1880. — [66] Handbuch etc.,S. 198 ff. — [67] v. Boguslawski, Hand- buch ete., S. 89. — [68] Ackermann, Beiträge zur physischen Geographie der Ostsee, Hamburg 1883. S. 15. — [69] Ibid. S. 20. — [70] Ibid. S. 27. — [71] Hand- buch etc., S. 193 ff. — [72] v. Boguslawski, Handbuch etc., S. 95 ff. — [73] Peschel, Neue Probleme etc., S. 73. — [74] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf er Uli, 61,7 Dre a DEE a NT 7 F \ ” ot 348 ale, Alexander v. Humboldt und Carl Ritter, München 1877. S. 719. — [75] Ibid. x S. 806. — [76] Börsch, Von den Unebenheiten des festen Landes, insbesondere vom Gebirge, Marburg 1817. S. 16. — [77] Hiekisch, Das System des Urals, Dorpat 1882. S. 229 fi. — |78] v. Boguslawski, Handbuch ete., $. 63. — [79] Hand- buch etec.,. S. 215. — [80] Peschel, Neue Probleme, S. 84. — [81] Ibid. $. 75 ff. — [82] Grunert. Ueber die mittlere Entfernung einer Figur von einem Punkte oder über die sogenannte mittlere Entfernung des Ackers vom Hofe, Greifswald 1840. — [83] Drobisch, Ueber die mittleren Radien der Linien, Flächen und Körper, Ber. über die Verhandl. d. k. sächs. Ges. d. Wissensch,, M.-ph. Kl.,. 10. Band, S. 124 ff. — [84] Schlömilch, Ueber den mittleren Radius des dreiaxigen Ellip- soides, ibid. 11. Band. S. 87 ff. — [85] Krümmel, Versuch ete., S. 71 ff. — [86] Supan, Recension hiezu, Mittheil. d. k. k. geogr. Ges. zu Wien, 1879. S. 305 ff. — [87] v. Bo- guslawski, Recension hiezu, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 6. Band. S. 231 ff. — [88] Krümmel, Die mittlere Tiefe der Oceane, Zeitschr. f. wiss. Geogr., 1. Jahrgang. S. 40 ff. — [89] Peschel-Leipoldt. Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1879. S. 413 ff. — [90] Krümmel, Versuch etc., $. 81. — [91] Handbuch ete., S. 40. — [92] A. v. Humboldt, Kl. Schr., 1. Band S. 438 ff.; Asie centrale, Vol.TI., Paris 1843. S. 175. — [93] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 1. Band. $. 423. — [94] Leipoldt, die mittlere Höhe Europa’s, Plauen 1874. — [95] Toner, Dietionary of elevations in the United States, New-York 1874. S. 438. — [96] Gannet, Lists of elevations principally in that portion of the United States west, of the Mississippi River, Washington 1877. 8. 159 ff. — [97] Ratzel, Physische Geographie und Natur- charakter der Vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. S. 44 fi. — [98] Chavanne,. Die mittlere Höhe Afrika’s, Wien 1881. — [99] Hammer. Ueber mittlere Höhen und Tiefen, Humboldt, 2. Jahrgang. S. 447. — [100] Peschel, Neue Probleme, $. 81. — [101] G. Mercator, Atlas sive cosmographicae meditationes de jabrica mundi, ed. Hondius, Amstelodami 1606. Bl. 22. — [102] Bergman, Phy- sische Beschreibung der Erdkugel, deutsch von Röhl, 1. Band, Greifswald 1780. S. 18 ff. — [103] J. R. Forster’'s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt, deutsch von G. Forster, Berlin 1783. S. 58 ff. — [104] Wisotzki, Die Vertheilung von Wasser und Land auf der Erdoberfläche, Königsberg 1879. $. 30 ff. — [105] A. Lang, Lamarck und Darwin, ein Beitrag zur Geschichte der Entwickelungslehre, Kosmos, 1. Band. S. 246. — [106] E. Schmidt, Lehrbuch der mathematischen und physischen Geographie, 2. Theil, Göttingen 1830. $S. 21 ff. — [107] Ibid. S. 25. — [108] Krümmel, Die mittleren Tiefen der Oceane und das Massenverhältniss von Land und Meer, Gött. Nachr.. 1878. S. 562. — [109] Krümmel, Versuch etec., S. 102 ff. — [110] v. Bo- guslawski. Handbuch ete., S. 62 ff. — [111] Ibid. S. 54. — [112] v. Pourtales, Der Boden des Golfstromes und der atlantischen Küsten, Petermann’s Geogr. Mit- theil.. 1870. S. 393 ff. — [113] Handbuch der nautischen Instrumente, Berlin 1882. S. 179 ff. — [114] Handbuch ete. S. 80 ff. — [115] Torell-Nordenskiöld, Die schwe- dischen Expeditionen nach Spitzbergen und Bären-Eiland, deutsch von Passarge, Jena 1869. S. 370 ff. — [116] v. Boguslawski, Handbuch etc., $. 66 ff. — [117] Doyle, Deltaice growth, Nature, Vol. XIX. $S. 506. — [118] Higgin, Deltaie growth, ibid. Vol. XIX. S. 555. — [119] v. Boguslawski, Handbuch etc., $S. 69. — [120] Bessels, Die amerikanische Nordpolexpedition, Leipzig 1879, S. 321. — [121] Handbuch ete., S. 232 ff. — [122] Schmarda, Bericht über die Fortschritte unserer Kenntniss von der geographischen Vertheilung der Thiere, Wagner’s Geogr. Jahrbuch, 8. Band, Gotha 1881. S. 148. Kapitel III. Temperatur, Salzgehalt und chemische Zusammensetzung der Meere. $. 1. Geschichte der submarinen Thermometrie. Der erste See- mann, welcher planmässig, und zwar mit Hülfe eines von Hales her- gestellten Seetiefenthermometers, die Wärme in grösseren Tiefen be- III, $. 1. Geschichte der submarinen Thermometrie, 349 stimmte, wäre nach Peschel [1] der Engländer Ellis gewesen, der 1749 eine Fahrt nach der Nordwestküste von Afrika unternahm. Lange Zeit dauerte es nachher noch, bis auch dieser wichtigen Seite der Erdphysik die gebührende Beachtung geschenkt ward. Prest- wich, dessen Arbeit [2] auf sorgfältige Quellenstudien gegründet ist, berichtet, dass bis 1330 — Gehler’s Lexikon — nur 226 und bis 1833 — Dumont d’Urville — nur erst 421 derartige Messungen vorlagen. Der jüngere Parrot vervollkommnete jenen Hales’schen Apparat, und in dieser neuen Form diente er den Bestimmungen eines Cook und R. Forster (1772), eines Scoresby (1810 und 1822), eines v. Kotzebue (1815), Wenchope (1816), J. Franklin und Buchan (1818) und Lenz (1823). Letzterer ist der Urheber einer neuen ÄAenderung, durch welche in Gemässheit eines von J. Biot auf- gestellten Gesetzes der Thatsache Rechnung getragen werden soll, dass Thermometer und Wasserschöpfer Wasserschichten von nicht durchaus gleicher Wärme zu passiren haben. Auch ist es das Ver- dienst von Lenz, zuerst darauf hingewiesen zu haben, dass in grossen Tiefen auch den Tropenmeeren sehr niedrige Temperaturen eigen sind. Saussure (1780) und P&ron (1800) bedienten 'sich der Vorsicht, ihre Thermometer in schlecht leitende Stoffe eingehüllt zu versenken. All- mählig wusste sich das Six’sche Thermometer viel Anklang zu ver- schaffen, mit welchem besonders v. Krusenstern (1803) und John Ross (1817) arbeiteten. Ein weiterer Fortschritt bahnte sich bei Du Petit Thouars’ Reise im Jahre 1832 an, indem nunmehr die (Bunten’schen) Wärmemesser durch umschliessende Cylinder gegen den Wasserdruck geschützt wurden; 59 Messungen stellie man in dieser Weise an, von denen jedoch Arago blos 21 zu verwerthen vermochte. Martins und Bravais benützten bei ihrer Nordfahrt (1839) ein Tiefseethermometer von Walferdin, und Pullen brachte (1857) ein neues Werkzeug zu Ehren, welches von dem bekannten Admiral Fitzroy angegeben worden war. — Prestwich reducirte sämmtliche Angaben auf die nämliche Thermometerskala, die nämliche Einheit für die Tiefendimension und den nämlichen Meridian und brachte so ‚drei umfassende Tabellen zusammen, in welchen resp. die Nordhalb- kugel, die Südhalbkugel und die Binnenmeere berücksichtigt sind; auch konstruirte er zuerst eine Karte der Tiefenisothermen. Auf diesen Vorarbeiten beruht grossentheils, was in den Werken v. Bo- guslawski’s [3], J. J. Wild’s [4] und der österreichischen Gelehr- ten [5] über Tiefseetemperaturen enthalten ist, doch hat namentlich auch der Erstere es sich angelegen sein lassen, mit wahrem Bienenfleisse alle neueren Arbeiten und Nachrichten zu sammeln, wie sich Jeder- mann durch einen Blick in die von Jenem früher geleiteten „Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie“ überzeugen kann. $S. 2. Luft- und Wassertemperatur in ihrem Gegensatze. An der Oberfläche des Meeres, längs welcher Wasser und Luft sich berühren, können erhebliche Wärmedifferenzen zwischen beiden Elementen nicht wohl auftreten und keinenfalls sich längere Zeit hindurch erhalten. Im Durchschnitte des Jahres pflegt die Temperatur der untersten Luftschiecht um 1° niedriger zu sein, als jene der obersten Wasser- schicht. Es liegt diess an der grösseren Wärmekapazität des FE int 350 Sechste Abtheilung. re und ee Physik. Wassers*), und da das Wasser zugleich ein schlechter Wärmeleiter ist und seine Oberflächenschichten sich in einer steten vertikalen Cir- kulation befinden, so ist die Wasser- und Lufttemperatur an der Meeres- fläche eine weit stabilere, als auf dem Festlande. Die Amplitude des täglichen Wärmeganges ist im ersteren Falle ebenfalls eine weit ge- ringere, und während auf dem festen Lande das tägliche Temperatur- maximum zwischen 2 und 3 Uhr Nachmittags fällt, tritt es über den Öceanen erst eine bis zwei Stunden vor Sonnenaufgang ein [7]. Uebrigens äussern, wie namentlich aus der von Toynbee dem „Meteorological Couneil* vorgelegten Diskussion von 25000 Einzelbeobachtungen im Atlantik hervorgeht, die Jahreszeiten immerhin einen gewissen Einfluss auf den Unterschied zwischen Luft- und Wassertemperatur. Im nörd- lichen Theile jenes Meeres ist die Luft im Herbst und Winter kälter, im Sommer wärmer und im Frühling ebenso warm, wie das Wasser. Selbstverständlich verliert die variable Lufttemperatur schon in einer verhältnissmässig geringen Tiefe ihren Einfluss auf die Wasser- wärme, und die Bestimmung dieser letzteren ist, sobald man nur von einer dünnen obersten Schicht absieht, ein Problem für sich, welches nicht mehr einen meteorologischen, sondern einen rein oceanographischen Charakter hat. Lange Zeit behalf man sich angesichts des geringen Erfahrungsmateriales, über welches man verfügte, mit theoretischen Spekulationen, denen zudem die Autorität eines J. Herschel und James Ross, welch’ Letzterer sich ja auf eigene Wahrnehmungen be- rufen konnte, eine unverdiente Stütze verlieh [8]. Es wird sich em- pfehlen, auf diese Hypothesen und auf deren allmählige Ueberwindung durch den Fortschritt der physikalischen Erkenntniss näher einzugehen. S. 3. Hypothesen über das Dichtigkeitsmaximum des Meerwassers. Bekanntlich zeigt sich süsses Wasser darin ganz verschieden von an- deren Flüssigkeiten, dass es seinen höchsten Koncentrationsgrad nicht erst bei’'m Gefrierpunkte, sondern schon bei —- 4° Celsius erhält und somit bei weiterem Sinken der Temperatur sich wieder ausdehnt. Unbesehen übertrug man diese Eigenschaft auch auf das Meerwasser und kombinirte sich danach folgendes System der oceanischen Wärme- vertheilung zurecht, welches, wenn es nur der Natur entspräche, den Vorzug grosser Einfachheit für sich hätte: In den Meeren zwischen dem Aequator und (ungefähr) dem 56. Parallel nimmt die Wärme mit der Tiefe ab, bis sie 4° erreicht, in der Gegend jenes Parallel- kreises ist die Temperatur auf beiden Halbkugeln eine durch die ganze Wassermasse hindurch gleichmässige, nämlich eben gleich 4°, und weiter gegen die Pole hin soll sogar die Temperatur nach unten zu steigen. Man ersieht leicht, dass dieses Lehrgebäude mit der ihm zu Grunde gelegten Annahme von der Identität des Dichtigkeitsmaximums bei süssem und salzigem Wasser steht und fällt. Nun ist allerdings schon von einer Reihe von Forschern der *) Neue und scharfe Werthe für die spezifische Wärme des Wassers hat uns Velten gegeben [6]. Dieselbe ist zwischen 7°,31 und 10°,87 = 0,015365, zwischen 10°,87 und 14°,59 = 0.015461, zwischen 14°, 59 und 189. 36 = 0.015613, zwischen 18°.36 und EL = 0.015461, zwischen 27°,67 und 40°58 = 0.015219, zwischen 40°,58 und 56°.13 = 0,015349 und endlich gegen 100° hin = 0.015506. Als Mittelwerth ist ee 0.015 zulässig. 1 er OR a - EN TEL, III,$.3. Hypothesen über das Dichtigkeitsmaximum des Meerwassers. 351 Nachweis geführt worden, dass diese Identität in Wahrheit gar nicht vorhanden sei. Marcet (1819), P.Erman (1827 und 1837), G. Kar- sten (1845), v. Neumann (1861) hatten sich, gestützt auf Experi- mente, in diesem Sinne vernehmen lassen, allein das Gewicht der vor- erwähnten Namen liess alle diese Stimmen nicht recht aufkommen, und Mühry gab [9] zwar zu, dass ein Dichtigkeitsmaximum des Meer- wassers bereits bei einem Kältegrade liege, allein er glaubte aus seiner Theorie der Meeresströmungen den Schluss ziehen zu müssen, dass noch ein zweites Maximum zwischen 0° und 4° gelegen sein müsse. Heute kann diese Frage als eine zum Abschlusse gebrachte gelten, und dass dem so, ist hauptsächlich das Verdienst von L. Weber, Rosetti und Zöppritz. Der Erstgenannte legt dar, dass man durch dreierlei Methoden die dem Maximum entsprechende Temperatur finden könne: durch die galvanometrische Methode Exner’s, durch die Abkühlungsmethode und durch die hydrodynamische Me- thode [10]. Bei letzterer, die auf Joule zurückgeht, werden zwei Ge- fässe neben einander gestellt, die unten durch eine verschliessbare Röhre, oben durch eine Rinne mit einander verbunden sind. Sind die in beide Gefässe eingefüllten Flüssigkeiten ungleich dicht, so muss, wenn die untere Verbindung hergestellt ist, in der oberen Rinne ein Strom von der leichteren zur schwereren Flüssigkeit hinübergehen, und wenn trotzdem kein solcher Strom bemerklich ist, während doch die in die beiden Gefässe eingeführten Thermometer verschieden hoch stehen, so ' liegt der Temperatur t, des einen dieser Thermometer ebensoviel über der Temperatur t„ des Dichtigkeitsmaximums, wie die Temperatur t, ; ; 1 des anderen Thermometers darunter liegt. Es ist somit t„ — > (t, + t2). Anders ging Rosetti vor [11]. Sein Dilatometer hat die Gestalt eines grossen Thermometers. Das getheilte Rohr ist an dem. einen Ende verbunden mit einem cylindrischen Gefässe, am anderen mit einem Trichter, auf welchen ein abgeschliffener Glashut passt. Man bestimmt die Kapazität des Apparates bei 0°, ebenso sein Gewicht und das der Luft, endlich den kubischen Ausdehnungskoeffhicienten und die Kapazität zwischen zwei Theilstrichen. Hierauf füllt man den Apparat mit der zu untersuchenden Flüssigkeit, lässt ihn solange im Eisbade stehen, bis die Flüssigkeitssäule stabil bleibt und liest nun sowohl an dem Rohre, als auch an dem in das Bad eingetauchten Thermometer ab. Jetzt wiegt man das Ganze, subtrahirt von dem ermittelten Gewichte dasjenige des leeren Apparates und erhält so das Gewicht P, der Flüssigkeit, welche bei der Temperatur t bis zum Theilstriche n reicht. Ist V, deren Volumen, d, die Dichte, so ist d,=P;,:V,. Wenn nun die Kapazität des Apparates bis zum Theil- striche 0 bei 0° durch R, und der mittlere kubische Ausdehnungs- koefficient zwischen 0° und t’ mit k bezeichnet wird, so ist = R, (1 + kt). Endlich sei II das Gewicht des zwischen zwei Theilstrichen enthaltenen Quecksilbers, D dessen Dichte, dann ist a das Volumen zwischen den zwei Theilstrichen, und wenn die Flüssigkeit bis zur nten Abtheilung hinaufreicht, so ist Il Il P.:-B KeR+ , =BÜtkM) + d na enig 352 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Unter Anwendung eines von Schiaparelli [12] angegebenen Aus- gleichungsverfahrens gelangt Rosetti [13] zu folgender das Volumen V, zwischen — 5° und + 100° recht genau darstellenden Relation: V, = 1 + 0,00000837991 (t — 4°) — 0,000000378702 (t — 4)’* —- 0,0000000224329 (t — 4’). Werthet man diese Formel aus, so gelten für Meerwasser nach den Jahreszeiten die nachstehend angegebenen Beziehungen *): Juli: Spezifisches Gewicht = 1,0266987; Dichtigkeitsmaximum bei — 3°,21; Gefrierpunkt bei — 1,90; November: Spezifisches Gewicht — 1,0281413; Dichtigkeits- maximum bei — 3°,90; Gefrierpunkt bei — 2,10. An diese Bestimmungen knüpft die gehaltreiche Abhandlung von Zöppritz [14] an. In derselben werden umfängliche Versuchsreihen mitgetheilt, durch welche thunlichst die im freien Meere obwaltenden Verhältnisse nachgeahmt sind [15]. Dieselben passen |16] sehr gut zu den submarinen Thermometerbestimmungen des „Porcupine“*, durch welche der Möglichkeit einer homothermischen Tiefenerfüllung der Öceane und nicht minder derjenigen eines hoch gelegenen Maximums für die Dichte des Meerwassers endgültig der Lebensfaden abgeschnit- ten ward. Mit Zöppritz |17) können wir das erreichte Resultat aus- sprechen, wie es hier geschieht: Im strömungslosen Meere nimmt das Wasser bis zu seinem Gefrierpunkte hin an Dichte zu, wodurch es sich principiell von gewöhnlichem Wasser unter- scheidet, und wenn trotzdem in Ausnahmefällen mit wachsen- dem Drucke eine Zunahme der Temperatur beobachtet wird, so ist an eine Abkühlung von der Oberfläche her zu denken. $. 4. Tiefsee-Thermometer. Wenn es sich so verhält, so ist da- mit zugleich entschieden, dass eine aprioristische Theorie nicht aus- reicht, um von der vertikalen Wärmevertheilung im Meere ein treues Bild zu liefern. Hiezu können uns vielmehr ganz allein wirkliche Be- obachtungen verhelfen, deren Werth von der Güte der Instrumente abhängt. Eine kurze Uebersicht über diese letzteren ward bereits oben in $. 1 geliefert, gegenwärtig aber können blos drei Modelle als wirklich brauchbar und weiterer Verbesserung fähig in Betracht kommen, nämlich diejenigen von Neumayer, von Miller-Casella und von Negretti-Zambra. Auch diese Apparate genügen keineswegs dem Ideale, und gerade je vorsichtiger ein Forscher verfährt, desto mehr Ursache hat er häufig, mit denselben unzufrieden zu sein; konstatirt doch z. B. Mohn in seinem uns aus dem vorigen Kapitel bekannten Berichte über die Vöringen-Expedition, dass auch die besten Instru- mente mit einer gewissen „Launenhaftigkeit* behaftet seien und oft- mals ohne erkennbaren Grund eine Indexverschiebung ergäben**). *) Bei bewegtem Wasser rückt das Maximum nach Wyville Thomson bis zu — 2°,55 hinauf. **) Dass auch aus anderen Gründen strenge Vorsicht bei unterseeischen Wärmemessungen geboten ist, darüber belehrt uns neben anderen auch eine An- gabe von J. Girard [18]. Eine einzige Stunde Fahrzeit des Dampfers führte eine Veränderung von 7 Temperaturgraden herbei; man war eben aus der einen ja- panischen Strömung in die andere hinübergelangt. io, as ES Een III. $S, 4. Tiefsee-Thermometer. 353 Die nachfolgende Beschreibung stützt sich theilweise auch auf die de- taillirten Schilderungen des offiziellen deutschen Handbuches [19]. a) System Neumayer. Dieser sinnvolle Registrirapparat, desscn Ausführung indess, soweit uns bekannt, noch nicht nach Wunsch ge- diehen ist, beruht auf der photographischen Abbildung der Quecksilber- säule eines gewöhnlichen Thermometers [20]. Eine Geissler’sche Röhre ist in dem in’s Wasser versenkten Gehäuse neben dem Thermo- meter angebracht, und durch Schliessung eines Stromes kann in ersterer ein elektrischer Funke zum Ueberspringen gebracht werden. Die Röhre des Thermometers wird durch den Funken erleuchtet, ihr Schatten fällt auf Talbot’sches Papier; dasselbe ist auf eine Trommel auf- gewickelt, die mittelst Uhrwerk in bestimmter Zeit sich einmal um- dreht. Auch die Skala bildet sich richtig ab, wenn nur für eine genaue parallele Stellung der Axen beider Röhren Sorge getragen ist. Neumayer ist der Meinung, dass durch das Leuchten keine mess- bare Erwärmung herbeigeführt wird, während allerdings Gintl (Prager Technische Blätter, 1874. S. 64) die hier angedeutete Gefahr einer Fehlerquelle nicht für ausgeschlossen erachtet. Michaelis hat die momentane Funkenwirkung durch eine Glühlichtlampe ersetzt, nach- dem er sich vorher durch viele Versuche von der photographischen Kraft dieser Art von Licht überzeugt hatte [21]. b) System Miller-Casella. Wir haben es hier zu thun mit einer Verbesserung der gewöhnlichen Registrirthermometer (S. 102 ff.) dieses Bandes. Die Thermometerröhre hat eine U-förmige Krümmung und ist an dem einen Ende bedeutend, an dem anderen dagegen sehr wenig erweitert. Der als thermoskopische Substanz dienende Al- kohol füllt die grosse Ausbauchung gänzlich, die kleinere aber nur zum Theile aus und ist in der Gegend der Umbiegung durch einen Quecksilberfaden getheilt. Wenn sich nun die Temperatur ändert, so dehnt sich der Inhalt beider Erweiterungen aus oder er zieht sich zusammen, und da somit auf die Endllächen des Quecksilbercylinders ein verschieden starker Druck ausgeübt wird, so muss das Quecksilber in dem einen Schenkel sinken, in dem anderen steigen. Die beiden Schenkel sind in Folge dessen durch die Aufschriften „Wärme“ und „Kälte“ charakterisirt, und je nachdem die Säule in einem der beiden ihren höchsten Stand erreicht hat, wird die Maximal- und Minimal- temperatur angezeigt. In jedem Schenkel ruht auf dem Meniskus des Quecksilbers ein Eisenstiftchen, welches von der Flüssigkeit fort- geschoben wird, bei deren Zurückweichen aber nicht herabtällt, da elastische Härchen dasselbe an der Glaswand festhalten. Mit Hülfe eines Magneten werden diese Indices, ehe der Apparat in’s Wasser gelassen wird, auf ihren normalen Stand herabgezogen. c) System Negretti-Zambra. Bei demselben wird, wie die Erfinder hervorheben [22], direkt diejenige Temperatur bestimmt, welche zur Zeit der Beobachtung gerade an jenem Punkte besteht, bis zu welchem das Instrument gelangt ist. Fig. 69 zeigt, durch welche Mittel dieser Zweck erreicht wurde. Die Thermometerröhre hat jetzt eine Biegung, wie ein auf dem Kopfe stehendes U, bei a finden wir eine Verenge- rung, bei c eine nach beiden Seiten langsam verlaufende Erweiterung vor. Dass das 'Thermometergefäss d in eine selbst wieder grössten- theils mit Quecksilber angefüllte Glaskapsel e eingesetzt ist, hat ledig- Günther, Geophysik. II. Band. 93 354 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. lich den prophylaktischen Zweck, die direkte Einwirkung des starken hydrostatischen Druckes hintanzuhalten. Nachdem das Rohr graduirt ist, füllt man, ehe man zum eigentlichen Gebrauche schreitet, durch Umdrehung des Apparates alles vorhandene Quecksilber Fig. 69. in jene Seite der Röhre hinüber, auf welcher sich auch das Gefäss befindet. Wenn man dann das in ein Messing- gestell eingesetzte Thermometer an jene Stelle ge- bracht hat, deren Erwärmungszustand man erkennen will, lässt man es daselbst solange ruhig stehen, als man ihm zur Akkommodation an die Umgebung Zeit lassen will, und holt es dann wieder ein. Die erste Bewegung dieser Art veranlasst aber eine im Gestelle unter dem 'Thermometer angebrachte Schraube dazu, das letztere um seine Axe zu drehen, dadurch reisst das Quecksilber bei a ab und fliesst hinüber nach dem anderen Schenkel, wo nunmehr b den höchsten Punkt des abgerissenen Stückes markirt. Weiter kann sich id das Thermometer nicht drehen, da sich gleich wieder eine Hemmung einschiebt. — Manchen Vorzügen dieses Instrumentes stehen auch Mängel entgegen, deren haupt- sächlichster wohl der ist, dass ein heftiges Schaukeln des Schiffes die Umdrehung des 'Thermometers ganz leicht schon in einem Zeitpunkt veranlassen kann, da man eigentlich eine solche noch nicht bewirkt haben will.e J. Wolf, Luksch und Köttstorfer ertheilen deshalb den Rath, „Negretti-Zambra und Miller- Casella vereint zur Anwendung zu bringen“ [23] *). D S. 5. Allgemeine Sätze über die Wärmevertheilung im Meere. Um nun mit Hülfe der vorstehend be- schriebenen Werkzeuge nicht blos gelegentliche Daten, sondern systematisch verwerthbare Zahlwerthe zu er- halten **), nimmt man mit denselben sogenannte Reihentemperaturen [26]. Man senkt das Ther- mometer ein bis zu einer Tiefe von beiläufig 2700 m, über die hinaus die Temperatur erfahrungsmässig ziem- lich konstant bleibt, und lässt nun stets wieder andere hinab und jeweils nach 100 m (50 Faden) zurückgelegter Vertikal- distanz stille stehen, um eine neue Aufzeichnung zu erhalten. Für die Schicht zwischen der Oberfläche und 100m Tiefe nimmt man eine Anzahl von Bestimmungen in beliebigen Abständen vor. Mit An- wendung dieses einfachen, sich gleichsam von selbst darbietenden — [2 *) Werner Siemens’ Gedanke, dass man die verschiedenen Seetempera- turen durch die Verschiedenheit elektrischer Leitungswiderstände ersichtlich machen könne, ist theoretisch unangreifbar, doch hat der „Challenger“ den Nachweis er- bracht, dass schon ein schwacher Seegang der praktischen Verwerthung dieses Gedankens hinderlich wird [24]. **) Richtigen Anschauungen darüber, dass nur in verschiedenen Tiefen kon- sequent gemessene Wärmen einen wissenschaftlichen Werth besässen, begegnet man in einer fast nirgends ceitirten Abhandlung [25] von Castberg, welche demnach der Vergessenheit entrissen sein möge. III. $S. 5. Allgemeine Sätze über die Wärmevertheilung im Meere. 355 Verfahrens hat man einige generelle und von lokalen Einflüssen un- abhängige Theoreme über Wasserwärme gewonnen, welche nach v. Bo- suslawski’s Vorgang (a. a. O.) etwa die folgende Fassung erlauben. I. Die Temperatur des Meerwassers nimmt gewöhnlich von der Oberfläche zum Boden hin ab, und zwar um so langsamer, je weiter man fortschreitet, am langsamsten von jener 730 bis 1100 m tief be- findlichen Schicht an, in welcher die Temperatur —4 4° beträgt. Die Bodentemperaturen pflegen sich innerhalb der Grenzen + 2° (Tropische Meere) und — 3° (Polargewässer) zu bewegen. II. Die Temperatur des Meeresbodens und der über ihm liegen- den Wasserschicht ist, wenn die Gegend nur mit einem der beiden Polarmeere in freier Verbindung steht, niedriger, als nach der mitt- leren niedrigsten Wintertemperatur an der Oberfläche erwartet wer- den müsste, | III. Diese durchgehende Erniedrigung der Boden- und Tiefsee- temperatur kann nicht von den polaren Oberflächenströmen herrühren, deutet vielmehr darauf hin, dass die unteren Schichten in einer gegen den Aequator gerichteten progressiven Bewegung begriffen sind. IV. Aus dem vorigen Satze folgt als Korollar, dass der stille und indische Ocean unter sonst gleichen geographischen Verhältnissen in ihren tieferen Theilen kälter sind, als der Atlantik, weil sie mit dem antarktischen Meere in freiester Kommunikation stehen. V. Die Bodentemperatur ist am Aequator und unter niedrigen Breiten eine geringere, als sie unter mittleren Breiten auch in sehr grossen Tiefen vorkommt. Ueber die Ursache der diesen unerwarteten Gegensatz zweifellos bedingenden antarktischen Strömung gehen die Meinungen zweier der ersten Sachkenner, Carpenter’s und Wyville Thomson’s, sehr aus einander [27]. VI. Die Oertlichkeit und namentlich die Verschiedenheit der Bodengestaltung kann es bedingen, dass in den Polarmeeren stellen- weise die Temperatur der oberen Schichten eine geringere ist, als die- jenige der unteren, dass ferner in sehr abgeschlossenen Meeren, wie es unser romanisches Mittelmeer ist, die Temperaturen von jener Schicht an nach abwärts gleichförmig bleiben, welche mit der den Abschluss bildenden Bodenschwelle gleiches Niveau hat. Eine ähnliche Erschei- nung tritt im westlichen Theile der Südsee und im ostindischen Archi- pel insoferne hervor, dass von einer gewissen Tiefe ab die durch unter- seeische Riffe und Bergzüge abgeschlossenen Becken dieselbe Temperatur aufweisen, wie die entsprechend tiefen Gebiete des freien Oceanes. — Handelt es sich wieder darum, durch ein graphisches Diagramm den Modus der Wärmeaustheilung verständlich zu machen, so kann sanz ebenso ein doppelter Weg eingeschlagen werden, wie wir es oben ($. 4 des vorigen Kapitels) für die Meerestiefen kennen gelernt haben. Man kann entweder alle Punkte im Meere, welche die näm- liche Temperatur haben, durch Kurvenzüge verbinden, um die schon in $. 1 erwähnten Meeresisothermen oder, wie Wyville Thomson sich ausdrückt, Isothermobathen zu erhalten*), oder man kann auch *) Es leuchtet ein, dass ein einziger Blick auf ein Tableau der Wasser- isothermen einige Anhaltspunkte über die Vertheilung der Temperatur gewährt. Je enger die Kurven sich an einander drängen, desto grösser ist innerhalb ge- Be Ad ae a N aan ae, N ERW I EN EEE N ER Fr f ; { . ne j ar “ vw Ma 356 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Wärmeprofile herstellen, indem man auf der Abseissenaxe eines rechtwinkligen Koordinatensystemes die Tiefen abträgt und jeder solchen Abseisse als Ordinate den entsprechenden Temperaturbetrag zugeselt. Dieser Verzeichnung liegt die Annahme zu Grunde, dass die Tempe- ratur eine stetige Funktion der Tiefe sei*), und in der That berech- tigen uns die obigen Sätze, eine solche Beziehung als aus der Natur sich ergebend vorauszusetzen. Fig. 70 stellt nach Wild das Tem- peraturprofil der Golfstromgegend dar. Fig. 70. 2000 m. 2000rmm. $. 6. Temperatur-Charakteristik der Oceane. Den Handbüchern der Meereskunde liegt die Pflicht ob, im Detail nachzuweisen, welche Folgerungen aus unseren ‘allgemeinen Lehrsätzen für die einzelnen Meere dann entfliessen, wenn man den besonderen morphographischen und physikalischen Bedingungen Rechnung trägt, unter welchen die- selben stehen. Soweit sind wir natürlich nicht zu gehen im Stande, doch sollen wenigstens einige Hauptpunkte hervorgehoben werden, auf welche auch v. Boguslawski [28] und das österreichische Werk [29] besonderes Gewicht legen. a) Atlantischer Ocean. Die Sonnenwärme macht sich noch in Tiefen bis zu 160 m bemerklich; von da ab bis zu einer Tiefe von 2750 m ist das Wasser im nördlichen Theile des Oceans wärmer, als ringer Tiefenunterschiede die Temperaturveränderung, oder, wie wir kürzer sagen können. desto grösser ist der thermometrische Gradient. *) Während die ältere Analysis mit Leibniz und Joh. Bernoulli zwei variable Grössen x und y nur dann als durch das Band der Funktion verbunden anerkannte, wenn sich zwischen beiden eine wirkliche Gleichung ansetzen liess, betrachtet Dirichlet, dem alle neueren Mathematiker folgen, die Veränderliche y dann als eine Funktion von x, wenn innerhalb eines gewissen Intervalles zu Jedem Werthe von x auch ein zugehöriger Werth von y existirt. Diess ist aber gerade der Fall, mit welchem wir es oben zu thun hatten. Br III. $. 6. Temperatur-Charakteristik der Oceane. 357 im südlichen. Nach v. Schleinitz scheinen die unteren Wassertem- peraturen von beiden Seiten her gegen 36° Norderbreite zuzunehmen. In dieser Gegend begegnet sich also, wie es scheint, das arktische und das antarktische Bodenwasser. Zwischen 20° und 40° nördlicher Breite ist das Wasser an der Westseite des Nordatlantik oberhalb der Tiefe von 900 m wärmer, als an der Ostseite, eine gleich nachher zu besprechende Stelle ausgenommen, und zwischen denselben Breiten ist das Wasser unterhalb jener Tiefe im Westen kälter, als im Osten. In dem vom 30. und 40. Nordparallel und vom 40. und 70. Meridian eingeschlossenen Trapeze begegnen wir einer aussergewöhnlichen war- men Wassermasse, die aber, ihres Namens Golfstrom-Drift unerachtet, mit jener grossen Meeresströmung wahrscheinlich nichts zu thun hat. Für die Nordsee charakteristisch ist die geringe Mächtigkeit jener Schicht, welche noch von dem Wechsel in der Stärke der Insolation beeinflusst wird, und an deren Unterfläche übergangslos eine sehr niedrige Temperatur eintritt [30]. Vom mittelländischen Meere wurde bereits gesagt, dass es sich unterhalb einer Tiefe von 550 m durch eine sehr gleichförmige Temperatur (von etwa 13°) auszeichnet, wäh- rend, wie noch hinzuzufügen ist, die Oberflächentemperatur ziemlich senau dem Gange der Lufttemperatur folgt. Die Nebenmeere dieses Meeres verhalten sich ganz ähnlich, nur bringen für den nördlichen Theil des schwarzen Meeres die zahlreich dort einmündenden Flüsse manche Modifikation zuwege [31]. Wie das Mittelmeer, so wird auch das Karaibenmeer durch eine nur 1300 m vom Meeresspiegel abstehende Bodenschwelle vom offenen Ocean abgesperrt und zeigt deshalb ein analoges Verhalten, wie das zuerst genannte. Die gleichmässige Tem- peratur der tieferen Theile beträgt 4,2°. Dass der aus dem mexika- nischen Meerbusen kommende sogenannte „Golfstrom“ eine beträcht- liche Erhöhung der Wasser- und Lufttemperaturen bewirkt, ist bekannt und schon im klimatologischen Abschnitte besprochen; zwischen ihn und die nordamerikanische Küste schiebt sich aber eine unter dem Namen Kalter Wall („cold wall*) bekannte Zwischenschicht von sehr niedriger Temperatur ein, auf deren Herkunft im fünften Kapitel einzugehen sein wird; dieselbe bewirkt eine Abkühlung gegen die entsprechenden Tiefen der Golfstrompartie von durchschnittlich 10° [32]. Auf die Einwirkung dieses kalten Walles wurde eben vorhin angespielt. Uebrigens ist auch der Golfstrom nicht etwa ein durchaus gleich tem- perirtes Gewässer, vielmehr wechseln, wie von den Gelehrten des „Challenger“ konstatirt wurde, zwischen Halifax und den Bermudas- Inseln kalte und warme Streifen mit einander ab. b) Stiller Ocean. Aus den vom „Challenger“ und von der „Tus- carora®* gemessenen Reihentemperaturen kann man schliessen, dass jener Gegensatz zwischen Ost und West, welchen wir als für den Atlantik maassgebend kennen gelernt haben, auch für den Pacifik be- steht [33]. Besondere Verhältnisse trifft man natürlich innerhalb und in der Umgebung des mächtigen japanischen Küstenstromes, des „Kuro- siwo®“. Auch in ihm wechseln kalte und warme Streifen ab, ja nach neueren Feststellungen des Kapitäns v. Reibnitz verschwindet dieser warme Strom stellenweise unter dem kalten arktischen Wasser, welches ihm aus dem Berings-Meere entgegenströmt [34]. In den tropischen Theilen der Südsee, oder sicherlich wenigstens 358 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. in deren centralem Inneren, sind die Temperaturen solange niedriger, als im westlichen Theile, bis man zu einer Tiefe von 365 m gelangt, während sie in grösseren Tiefen gleich oder höher werden. Während ferner im Atlantik der Ausgleich zwischen dem arktischen und ant- arktischen Bodenwasser ziemlich weit nördlich vom Aequator eintritt (s. 0.), wird im Pacifik der Berührungspunkt um ebensoviel nach dem Süden verlegt, er liegt zwischen 30° und 36° Süderbreite [35]. Für die zwischen Pacifik und indischen Ocean eingelagerten Mittel- und Randmeere liess sich a priori annehmen, dass in ihnen von einer ge- wissen Tiefe ab jene gleichmässige Temperaturvertheilung zu Tage treten werde, welche wir als ein Charakteristikum aller abgeschlos- senen Becken erkannt haben, und dass dieser Erfahrungssatz sich auch in diesem Falle bewahrheitet, das zeigt uns die durch v. Boguslawski [36] ausgearbeitete Darstellung der Wärmeschichtung in den ge- nannten Meeren *). c) Indischer Ocean. Was wir von diesem Ocean wissen, ist leider nicht viel, im Wesentlichen auch erst durch die Fahrten des „Chal- lenger“ und der „Gazelle* gesammelt. Zwischen den Parallelen von 34° und 52° lat. austr. und zwischen dem 18. und 70. Östmeridian nimmt die Oberflächentemperatur zur Sommerszeit von 23° (im Agulhas- Strom) bis 00° (bei den Macdonald-Inseln) ab. Die Bodentemperaturen zwischen dem Kap und den Kerguelen-Inseln bewegen sich in einer Tiefe von 2900 bis 3500 m in den Grenzen zwischen 1,7° und 0,7°. Oestlich vom 30. Meridian, und namentlich östlica von den Crozet- Inseln, nehmen die Temperaturen aller Tiefen rasch in westöstlicher Richtung ab. Das rothe Meer scheint dem bereits für mehrere Rand- und Mittelmeere als bindend erkannten Gesetze zu unterliegen und in grösseren Tiefen eine konstante Temperatur von 21° zu besitzen, a die Wintertemperatur der über dem Meere ruhenden Luft ist [38]. d) Nördliches Eismeer. Die Temperatur des Oberflächenwassers nimmt von der Küste Norwegens nach allen Seiten hin ab. Schichten besonders kalten Wassers keilen sich zwischen Island und Jan-Mayen, sowie zwischen dieser Insel und Spitzbergen ein. Die Grundtempe- *) Einen guten Ueberblick über das wechselseitige Verhalten der beiden oben und unten geöffneten — und deshalb auch allein vergleichbaren — Haupt- meere gewährt eine Tabelle v. Boguslawski’s [37]: Zwischen 40® und 0° nördl. Breite | Zwischen 0° und 40° südl. Breite Isotherme 7, 25 Won ee DEE au von Nordatlantik Nordpaeifik Südatlantik Südpacifik Tiefe in m Tiefe in m Tiefe in m Tiefe in m 25 °°0. | 0— 50 0— 175 0- 7 0— 175 20 0— 275 0— 225 0— 175 0— 250 15 0— 700 40— 350 75— 275 0— 450 10 | 450— 850 100— 575 200— 550 200— 650 5 I 700-1650 275—1375 400— 900 725—1200 2,5 | 2200 —3000 1100— 2100 1300 — 2900 1450— 2100 1,7 | 3650 — 6950 2375 — 2750 3300 —5500 2375 — 2750 III, $. 7. Der Salzgehalt der Meere. 359 ratur steht in innigem Zusammenhange mit dem Bodenrelief. In den grösseren Tiefen schwankt die Temperatur zwischen 0° und — 1,7°, wogegen die Küsten meistentheils von verhältnissmässig warmem Wasser bespült werden. Von der Oberfläche nimmt die Wassertemperatur gegen den Grund hin im Grossen und Ganzen ab. Strenge genommen gilt diess Alles freilich nur für den Sommer, und im Winter nimmt die Temperatur von Om bis zu 180 m Tiefe sogar langsam zu. Nur die Mohn’sche Wärmeaxe, d. h. die durch die Umbiegungspunkte der Meeresisothermen hindurchgelegte Linie, zeichnet sich durch gleich- mässige Durchwärmung aller Schichten aus [39]. Für die hochnordi- schen Meere zwischen Novaja-Semlja und dem neu entdeckten Franz- Josephs-Land glaubt deren gründlichster Kenner, Weyprecht, die folgende Norm aufstellen zu können [40]: „Aus der Vergleichung der Monate geht hervor, dass im Juni die Zufuhr von wärmerem Wasser aufhört; die letzten Reste desselben liegen als unterste Schicht am Grunde und werden im Laufe des Sommers durch kaltes Wasser ganz verdrängt, das sich bis Ende September von der Oberfläche bis zum Boden sehr konstant nahezu auf der gleichen Temperatur erhält. Um diese Zeit beginnt wieder die Zufuhr von wärmerem Wasser...“ Die Meere im Norden von Sibirien sind uns seit Nordenskiöld’s Fahrt mit der „Vega“ einigermassen bekannter geworden, und wir wissen, dass dort das eiskalte Wasser durchgehends schon in recht geringen Tiefen zum Vorschein kommt, und dass zwischen 30 und 52m die Temperatur zwischen — 1° und -—— 2,4° schwankt [41]. Für den nörd- lichen Smithsund und die noch weiter polwärts sich ausbreitenden Meere scheint eine höhere Temperatur des Bodenwassers den ober- flächlicheren Schichten gegenüber konstatirt zu sein, was gewiss nicht der Fall sein würde, wenn, wie Petermann glaubte, der Golfstrom auch in jenen Gewässern noch zu verspüren wäre*). e) Südliches Eismeer. Die wenigen vertrauenswerthen Messungen eines James Ross, Wilkes und Nares sind trotzdem nicht geeignet, zur Stütze für weiter tragende Schlüsse zu dienen, und der „Chal- lenger* hat nur den Nordsaum dieses Meeres berührt. Doch scheint wenigstens für einige Theile desselben eine bereits bei’m nördlichen Eismeere wahrgenommene Erscheinung sicher, dass nämlich zwischen dem kalten Oberflächen- und dem gleichfalls kalten Bodenwasser eine wärmere Mittelschicht eingebettet liegt [43]. $S. 7. Der Salzgehalt der Meere. Wie gleich im Eingang dieser Abtheilung bemerkt ward, erkennen wir nur dann eine grössere Wasser- ansammlung als Meer an, wenn dieses Wasser den schon durch den unangenehmen Geschmack zu konstatirenden Salzgehalt besitzt. Früher meinte man, wie Muncke bemerkt [44], dass die Ursache der Bitterkeit des Seewassers in dem demselben beigemengten Erd- harze liege, und noch Graf Marsigli (s. o. $. 7 des ersten Kapitels) *) Nach Bessels,. der sowohl während der Hinfahrt, als während der Heimfahrt eifrig nach dem Golfstrome suchte und deshalb sogar einen ziemlich vollständigen meteorologischen Apparat in das schwanke Rettungsboot mitnahm, offenbart sich der Golfstrom weder in der Melville-Bay, noch auch in der Davis- Strasse an irgend einem Orte, der nördlich des 75. Breitenparalleles gelegen wäre [42]. g 2. a NE AS? 2 ET N N, a a en a a al ER a 3 ne A m 5 D 3 Dia" Rt Ti lc 360 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. bekannte sich zu dieser Ansicht. Bergman sammelte alle älteren Arbeiten [45], in welchen das Wasser des Meeres auf seinen Gehalt an Salzen geprüft war, doch befanden sich darunter noch keine solchen, die zu ganz brauchbaren Ergebnissen geführt hätten. Um genaue Analysen vornehmen zu können, musste man natürlich zuerst Wasser- proben aus verschiedenen Tiefen des Meeres zur Verfügung haben, und so konstruirte man, um derartige Proben zu erlangen, alle mög- lichen Wasserschöpfapparate, über deren Einrichtung es nöthig sein wird, Einiges beizubringen. E. Mayer beschreibt mustergültig diejenigen Apparate [46], deren man sich gegenwärtig zu diesem Be- hufe bedient, doch ist man zu diesen praktischen Vorrichtungen na- türlich erst auf Grund langer, aus der Geschichte geschöpfter Er- fahrung gelangt. | | Hales’ „Bucket Sea-gage“ [47] war eigentlich nur ein ganz einfacher Eimer mit doppeltem Boden, und zwar konnte das zwischen diese Böden eingedrungene Wasser durch das Zufallen passend an- gebrachter Klappen an diesem Orte festgehalten werden. Trotz dieses seines primitiven Charakters blieb der Apparat bei den Seefahrern im Gebrauche, bis er durch denjenigen von Marcet [48] verdrängt wurde. Derselbe involvirte insoferne einen Fortschritt gegenüber seinem Vorgänger, als für einen guten und selbst durch grosse Schwan- kungen nicht zu alterirenden Verschluss der Ventile gesorgt war. Auch Carey-Scoresby’s „Marine diver“ greift in Wahrheit auf die alte Hales’sche Idee zurück [49], und selbst noch die „Porcupine*- Expedition verfuhr nach diesem einfachen Grundsatze. Heutzutage sind besonders im Gebrauche die Apparate von Buchanan, Sigsbee und Jacobsen-Behrens, doch scheinen uns dieselben sämmtlich zu- rückzustehen hinter demjenigen von H. A. Meyer, welcher bei der Untersuchung der deutschen Meere glänzend seine Probe ‚bestanden hat [50]. Der Hohlraum eines starken Messingeylinders ist am oberen Rande konisch verengt, am unteren dagegen ebenso erweitert. Durch Kegelventile wird der Hohlraum an jenen konischen Enden hermetisch verschlossen, sobald das gewünschte Wasserquantum aufgenommen ist. Der Cylinder wird mittelst eines Hakens an der Senkleine angehängt, und die Kegelventile stehen offen, solange ersterer durch das Wasser streicht. Sowie der Cylinder den Grund erreicht hat, dreht sich der Haken abwärts, der Cylinder fällt in einer Kulissenführung auf die Kegelerweiterung, und damit ist der Abschluss erzielt. In dieser Form dient das Instrument offenbar nur zur Aufholung eigentlicher Grund- wasserproben; man kann es aber auch so aptiren, dass aus einer be- liebigen Tiefe das Wasser heraufgebracht werden kann. Die älteren quantitativen Salzanalysen, wie sie von Baily, Hor- ner, Marcet (s. o.), Lister, Schmidmeyer u. a. gemacht worden sind, wurden von Muncke mit anerkennenswerthester Sorgfalt zu- sammengestellt und diskutirt [51]. J. Davy’s Experimente [52] fanden zu ihrer Zeit vielen Beifall, können aber doch nicht sehr genau ge- wesen sein, weil aus ihnen ein allenthalben gleicher Salzgehalt der See gefolgert wurde. Wir versagen es uns, auf die späteren Bestim- mungen von Gay-Lussac, Lenz, v. Bibra, Webster u. A. hier des Näheren einzugehen, denn dieselben sind ausnahmslos antiquirt durch eine grossartige Arbeit Forchhammer’s [53], welche auch IH, $. 7. Der Salzgehalt der Meere. 361 den späteren Bearbeitungen des Gegenstandes durch J. Roth [54] und v. Boguslawski [55] zur Basis gedient hat. Im offenen Meere, entfernt von den Küsten, sind die Schwankungen in der Anordnung der salzigen Bestandtheile hiernach keine sehr grossen, und im Mittel besteht nach Forchhammer die durch nachstehende Tabelle zum Ausdruck gebrachte Anordnung: Promille Procent des des Oceanwassers | Totalsalzgehaltes Chlornatrium (Kochsalz) . . . 26.862 2, Eelormasnesium‘ . . .. oz. 3.239 ’ 9,44 Magnesiasulfat (Bittersalz). . . 2.196 6.40 Kalksılfub (Gips)... .... . .... 1,350 3,94 orkalıtım. u 220. ans 0.582 1.69 Auf 1000 Theile Meerwasser kommen hiernach also im Durchschnitte 934,3 Theile verschiedenen Salzes. Um die zweite Rubrik seiner Tabelle auszufüllen, bediente sich Forchhammer eines Verfahrens, von wel- chem in 8. 9 weiter gesprochen werden soll. Als Maxima des Salz- gehaltes sind bislang ermittelt: 3,69 °o im atlantischen, 3,68 o ım grossen und 3,67 °%o im indischen Ocean. Die Frage nach dem Ursprung des Salzes im Meerwasser ist schon vielfach aufgeworfen worden, kann aber noch keineswegs als gelöst gelten. Schon Aristoteles beschäftigt sich mit ihr im zweiten Buche seiner „Meteorologie* und stellt die Ansicht auf, dass die durch die Sonnenstrahlen in ihrer Natur veränderten Ausdünstun- sen des Meeres nach ihrer Rückkehr zu demselben ihm einen bitteren oder salzigen Geschmack verliehen. Die beliebte Anschauung, dass auf dem Meeresboden grosse Steinsalzlager sich ausbreiteten, wurde von Fichtel [56] unter Hinweis auf die hiefür gar nicht zu verwerthen- den Grundproben verworfen*). Die auf Halley zurückzuführende Hypothese, dass der Grund der Salzigkeit des Meeres in dem dem- ‚selben durch die Flüsse zugeführten Materiale zu suchen sei, hat auf den ersten Anblick Vieles für sich, allein nach der sorgfältigen Unter- suchung, welche J. Roth an Flusswasserproben vorgenommen hat, kann man eine so einflussreiche Rolle wenigstens den Flüssen der geo- logischen Gegenwart nicht wohl zuertheilen [58]. Die Flüsse führen besonders viel kohlensauren Kalk mit sich, und im Meerwasser ist doch (s. 0.) von diesem Stoffe nur eine fast verschwindend geringe Menge enthalten; man müsste somit annehmen, dass die kohlen- und schwefelsauren Verbindungen des Kalkes, welche uns in den Korallen- bauten, in den Muschelschalen und Coceolithen entgegentreten, den Ueberschuss für sich beansprucht hätten. — Nach Kuntze ist die Versalzung der Meere nichts als eine unmittelbare Folge der Gesteins- *) Es sei nicht verschwiegen, dass eine modifieirte Form dieser Halley- schen Hypothese in v. Boguslawski einen Vertreter findet [57]. Derselbe meint, dass die in allen Sedimentärschichten der Erde von der Silur- bis zur Tertiärzeit vorkommenden Steinsalzlager uns einen indirekten Aufschluss über die Provenienz des Seesalzes ertheilen könnten. 362 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. zersetzung |59]. Hören wir endlich noch, wie sich Schleiden die Sache zurechtlegt [60]. Der Kant’schen Kosmogonie (I. Kapitel der I. Abtheilung) zufolge befand sich der Erdkörper dereinst einmal in einem Zustande äusserster Erhitzung, eine Menge der uns jetzt nur in festem Zustande bekannten Stoffe war damals in Gas- oder Dampf- form unserer Atmosphäre einverleibt, und letztere war demzufolge weit schwerer, als sie gegenwärtig ist. Natrium und Chlor dürften sicher einen Bestandtheil jener Lufthülle gebildet haben. Das all- mählig tropfbarflüssig werdende heisse Wasser stürzte auf die Erde herab, nahm das leicht lösliche Kochsalz in sich auf und bildete so das Salzwasser der vorzeitlichen Meere. Es wäre damit ausgesprochen, dass das Meerwasser von allem Anfange an salzig und nicht, wie die anderen Erklärungsweisen wollen, ursprünglich süss gewesen sei. — Dass das Meerwasser im Haushalte der Natur eine bedeutsame Stellung einnimmt, darf als eine bekannte Thatsache gelten; Beweise dafür bietet hinlänglich die Monographie von Schrenck [61]. Aber auch für den Menschen schafft die Durchsetzung des Meerwassers mit Salz mancherlei Nutzen, und in manchen Gegenden hat sich die See- salzgewinnung zu einer regen Industrie entwickelt*). Allerdings ist auch für den Seefahrenden ein nicht unerheblicher Nachtheil mit der an sich so wohlthätigen Eigenschaft verbunden, indem das Meer- wasser seines Geschmackes und Geruches halber dem menschlichen Organismus widersteht und zunächst nicht als Trinkwasser verwendet werden kann. Die Fortschritte der Chemie ‚haben diesem Uebelstande jedoch zu steuern erlaubt**). Versuche, welche man im Laboratorium in der Weise anstellte, dass man das Meerwasser zur Verdampfung brachte und den Rückstand analysirte, haben auch über die Zeit- und Reihenfolge Klarheit gebracht, in welcher sich die einzelnen Salzarten und sonstigen Beimengungen aus dem Wasser abscheiden. Zumal die von Uziglio im Jahre 1843 mit Wasser aus dem mittelländischen *) Genau beschreibt den Process Kayser [62], indem er dabei haupt- sächlich die Reiseberichte v. Maltzan’s von der Insel Sardinien zu Grunde legt [63]. Man höhlt nahe am Meer eine Anzahl flacher Bassins (Salzgärten oder Meeressalinen, französisch „Marais salants“, spanisch „Marinhas“) aus und lässt dieselben durch das zur Fluthzeit über seine Ufer tretende Meer mit Wasser füllen. Zur Ebbezeit lässt man die Mutterlauge ab, das Salz bleibt aus- geschieden liegen. Hie und da wird das Meerwasser allerdings auch durch Pump- werke in die wasserdicht ausgefütterten Becken hineingeleitet. Eine wie hohe nationalökonomische Bedeutung der Seesalzhandel für den Osten Deutschlands im vorigen Jahrhundert besass, darüber belehren uns die schlichten und gewiss wahrheitsgetreuen Erzählungen eines Betheiligten, des pommerischen Schiffers Nettelbeck, der zum Zwecke solcher Handelsgeschäfte die bretagnischen See- häfen Pollien, Croisice und Olonne besucht hatte [64]. **) Eine dunkle "Ahnung von der Möglichkeit, salziges in süsses Wasser umzuwandeln, scheint der alte Plinius gehabt zu”haben [65]. Wie Muncke darlegt [66], wollten Leibniz, Marsigli und Leutmann durch Filtrirung zum Ziele kommen, während Lister, Chapman, Poissonnier,Irvingu.A. mit Recht der Destillation den Vorzug gaben, durch welche das Meerwasser in Dampf, dieser Dampf aber, von den fremden Bestandtheilen gesäubert, in Trinkwasser übergeführt wird. R. Forster’s Bedenken, dass kein Schiff das zu dieser Procedur erforderliche Brennmaterial mit sich führen könne, ward späterhin sehr drastisch durch Hayes widerlegt, der ohne andere Apparate, als einen Thee- kessel und Flintenlauf, die Mannschaft seiner „United States“ mehrere Tage lang mit diesem nothwendigsten aller Bedarfsmittel versorgte |67]. Ill, S. 7. Der Salzgehalt der Meere. 363 Meere angestellten Abdampfungsversuche haben diese Art unserer Er- kenntniss gefördert [68]. Weiter liegt es nahe, zu fragen, ob denn — da uns Bezugs- quellen terrestrischer Art für den Salzgehalt des Meeres sogut wie gar nicht zur Kenntniss gekommen sind — nicht auch von der Natur selbst ein Abdampfungsprocess eingeleitet und wenigstens solchen Meeresbecken, die mit dem freien Weltmeere in keiner Verbindung stehen, der Salzgehalt nach und nach entzogen werde, und es hat allerdings den Anschein, dass solche natürliche Salzpfannen vor- handen sind. Peschel bezeichnet als eine solche [69], im Anschluss an v. Bär, den unter dem Namen „Karabugas“ bekannten Busen des kaspischen Meeres, in welchem ohne Aufhören durch ein enges und seichtes Eingangsthor das Wasser aus den übrigen Theilen jenes Meeres einströme, ohne seinen Rückweg zu finden; ob aber diese zwar un- leugbare Thatsache hinreicht, um den merkwürdigen Umstand zu er- klären, dass das kaspische Meer selbst im Süden nur 14 — statt der zu erwartenden 30 bis 40 — Promille fester Bestandtheile enthält, dafür möchte Peschel selbst sich nicht entscheiden. Immerhin verdient auch auf die stets fortschreitende Aussüssung des Mansfelder Salzsee’s (westlich von Halle) hingewiesen zu werden, der sich heute von dem in seiner Nähe befindlichen Süsswassersee gar nicht mehr in nennens- werther Weise unterscheidet. Alle unselbstständigen Meeresräume, als deren Typus wir unser baltisches Meer betrachten können, weichen, wie Ackermann be- tont [70], von den Oceanen dadurch ab, dass ihr procentischer Salz- gehalt denjenigen der offenen Meere entweder überragt oder, wie es hier und überhaupt bei Becken mit zahlreichen Zuflüssen der Fall ist, um ein Namhaftes hinter jenem zurückbleibt. Die Ostsee entbehrt nicht gänzlich des Salzes, doch wird ihr durch die sehr zahlreich in sie sich ergiessenden Ströme mehr süsses Wasser zugeführt, als bei der ziemlich hohen geographischen Breite des Meeres verdunsten kann, und so würde sie längst ganz ausgesüsst oder doch zum mindesten ein Brackwasser geworden sein, wenn nicht durch die drei Ein- gangspforten (Sund, grosser und kleiner Belt) noch immer ein regel- mässiger Zufluss von Salzwasser stattfände. Aus diesem Grunde ist auch der Salzgehalt der einzelnen Meerespartieen ein sehr veränder- licher. G. Karsten bemerkt [71], dass der Gehalt von Osten nach Westen und von der Oberfläche nach der Tiefe wächst; bei Hela be- trägt er °Ja %o, bei der Insel Alsen aber 2 °%b. Die Halbinsel Dars und die Inseln Bornholm und Rügen scheinen sich wie eine Barriere dem Nordseestrom vorzulegen, weshalb der von ihnen gegen Ost und Nordost abgesperrte Meeresraum besonders arm an Salz bleiben muss. Neuerdings haben H. A. Meyer und Karsten die Frage durch eine wichtige Veröffentlichung noch weiter gefördert [72]. Bringt man die jährlichen Oscillationen für die Ostsee, das Kattegat und das Skager Rack in bekannter Weise durch Kurven zur Anschauung, so zeigt sich, dass der Gesammtcharakter der drei Kurven, bei aller Verschie- denheit in der Grösse der Amplituden, derselbe ist. Im März und April macht sich der Einfluss des Eis- und Schneeschmelzens allent- halben erkennbar, nachdem sich den Winter über der Salzgehalt mit geringen Schwankungen auf seiner Höhe erhalten hatte [73]. Für den 364 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. östlichen Theil des baltischen Meeres liegt eine 181 Einzelaufzeich- nungen umfassende Beobachtungsreihe von v. Sass vor |74]l. Das arithmetische Mittel betrug 1,005 625 Procent, 1,007 755 war das Maxi- mum, 1,002 355 das Minimum. Bei Landwinden steigerte sich der Salz- gehalt, bei Seewinden nabm er ab, wenigstens soweit das Küstenwasser in Frage kam, auch schien derselbe zu der Stärke des herrschenden Windes im umgekehrten Verhältnisse zu stehen. Die Beziehungen zwischen dem Salzgehalt und den anemometrischen Verhältnissen und dem von diesen letzteren abhängigen Wellen- und Seegang müssen noch zum Objekte besonderer Erforschung gemacht werden*®). Die geographische Vertheilung des Salzgehaltes wird durch ge- wisse allgemeine Gesetze geregelt, welche v. Boguslawski, wie folgt, formuliren zu können glaubt |76]|: I. Der Salzgehalt des Meeres nimmt im Allgemeinen von der offenen See aus nach den Küsten hin ab; I. der Salzgehalt ist am grössten innerhalb der beiden Passatzonen, am kleinsten in der äquatorialen Kalmenregion und nimmt in der Hauptsache von den höheren Breiten bis in die Mitte der Passatzonen zu. Spezielle Folge- rungen aus diesen (Grundregeln abgeleitet und für sämmtliche Meere deren Salinitätsstufe, wie man sich wohl auch ausdrückt, bestimmt zu haben, ist das grosse Verdienst Buchanan’s, des Ohemikers der „Challenger“-Expedition [77]. Wir werden die Resultate seiner Arbeit, wie er es ja auch selber gethan, erst im übernächsten Paragraphen, d. h. im Zusammenhange mit den aus den verschiedenen Salinitäts- graden für die Dichtigkeit des Meerwassers zu entnehmenden Daten, behandeln. $S. 8. Weitere Mittheilungen über die Chemie des Meerwassers. Im Ganzen sind jetzt nahe an 70 chemische Elemente oder Grund- stoffe bekannt; über den wahren Charakter einiger unter ihnen sind die Akten noch nicht geschlossen. Von diesen Stoffen wurden 32 bis jetzt als dem Meerwasser eigenthümliche Stoffe erkannt, doch ist es nicht unmöglich, dass die fortschreitende Scheidekunst noch mehrere andere zu diesen 32 hinzugesellen werde [78]. Die Spektralanalyse, die Untersuchung der Asche der Meerespflanzen und der Aussonde- rungen der Seethiere und endlich die schon erwähnte Prüfung der Verdampfungs-Rückstände mussten zur Erzielung der angegebenen Resultate ineinandergreifen. Relativ häufig und in grösseren Quanti- täten kommen vor: Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Kohlen- stoff, Chlor, Natrium, Maenesium, Schwefel und Phosphor. Das Brom wurde sogar durch Balard made Specz [79] zuerst aus *) Einen Beitrag hiezu liefern jedenfalls die fleissigen Beobachtungen von Hautreux [75], durch welche die Abhängigkeit des Salzgehaltes von den Ge- zeiten ermittelt werden sollte. Es fand sich, dass das Maximum mit den Ge- zeiten der Syzygien zusammenfiel, wenn also die vom Monde und von der Sonne nach der Erde gezogenen Linien einen flachen Winkel bilden, und dass das Mi- nimum auf die Gezeiten der Quadraturen traf, wenn jene Linien einen rechten Winkel einschliessen. Uebrigens scheinen an jenem Theile der französischen Küste an sich schon bedeutende Unregelmässigkeiten in der Vertheilung des Salzes zu herrschen, wie denn (a. a. OÖ.) auch versichert wird, dass am Ausflusse der Ga- ronne zwischen deren beiden Ufern einmal eine Differenz von fünf bis sechs Dich- tigkeitsgraden bestanden habe. Kira a un. INES..e. Weitere Mittheilungen über die Chemie des Meerwassers. 365 dem Meerwasser dargestellt, und erst später kamen andere Arten der Bereitung dieses Elementes hinzu. Blei, Silber und Kupfer, selkst- verständlich nur in geringen Mengen, wurden durch Malaguti und Durocher im Meere nachgewiesen, und wenn es möglich wäre, den Gesammt-Silberbetrag aller Oceane in Barren zu konsolidiren, so würden dieselben doch immer die stattliche Summe von 3,5 Billionen Mark re- präsentiren [80]. Im Uebrigen müssen wir bezüglich der festen Stoffe im Meere auf die abschliessende Arbeit des Norwegers Schmelck verweisen |S1|; die Menge derselben, soweit sie nicht zu den Salzen gerechnet werden können, beträgt etwa 0,07 Promille. Es kann diese Anzahl keine Verwunderung erregen, eher möchte man sich vielleicht wundern, dass nicht mehr feste Stoffe im Meere vorkommen, wenn man bedenkt, welch’ grosse Quanta derselben durch den fallenden Regen jenem einverleibt werden. Durch neue Untersuchungen von Karsten und Flögel, die man im fünften Jahresberichte des natur- wissenschaftlichen Vereines für Schleswig-Holstein niedergelegt findet, ist dargethan, dass im Regenwasser stets eine Unzahl fester Kügelchen vorkommt, die zu den Nägeli’schen Sphärokrystallen gehören und hauptsächlich aus kohlensaurem Kalk bestehen. Die vertikale Cirku- lation könnte jene Eindringlinge sehr wohl aber auch nach grösseren Tiefen bringen. Da das Chlor allüberall im Meere reichlich vertreten ist, so spielt bei den Untersuchungen Forchhammer’s (s. o.) der sogenannte Chlor- koefficient eine gewisse Rolle. Derselbe wird dadurch erhalten, dass man die Summe der Mengen aller Bestandtheile durch die Menge des Chlorgehaltes dividirt. Der mittlere Chlorkoefficient aller Oceane ist gleich 1,811; am geringsten fällt er aus im stillen Ocean zwischen den Aleuten und den Gesellschafts-Inseln (1,807) und am stärksten (1,814) 'ım atlantischen Ocean zwischen 0° und 30° lat. austr. und im indischen Ocean zwischen Afrika und der Halbinsel von Malakka. Diese Zahl _ darf mithin nahezu als eine physikalische Konstante gelten. Das Wasser der Meere enthält in sich auch Gase, theils blos mechanisch absorbirt, theils auch chemisch assimilirt. Ausser Schwefel- wasserstoff, der durch die verfaulenden organischen Substanzen geliefert wird, sich aber nur durch schwache Spuren kenntlich macht, sind Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure stets vorhanden [82]. Passende Vorschriften für die quantitative Luftanalyse des Meerwassers gab zuerst Jacobsen in seinen den Berichten der deutschen Meeres- Kommission (s. o.) einverleibten „Beitr. z. Chemie des Meerwassers“, und Tornöe, der Chemiker der Mohn’schen Forschungsreise, trat in seine Fussstapfen. Ein Liter Nordseewasser enthielt, nach v. Petten- kofer’s Methode untersucht, 50 Kubikcentimeter Kohlensäure, und zwar scheint es nach Tornöe’s feinerem Prüfungsverfahren, dass die Karbonate und Bikarbonate in diesen 50 kem sich der Quantität nach etwa wie 5:4 verhalten. Für die Meeresluft aber gelten die folgen- den Sätze [83]: I. Sobald dieselbe von der Kohlensäure befreit ist, verhalten sich ihre Sauerstoff- zu ihren Stickstoffbestand- theilen in dem einen extremen Falle, wie 31:69, im anderen wie 35:65, doch scheint auf den wechselnden Werth dieses Verhältnisses auch die Temperatur einen erheblichen Ein- fluss auszuüben; II. die Gesammtmenge der Luft ist in der Ba EEE Ar 366 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Tiefe grösser, als an der Oberfläche, und zwar hat ein Luft. quantum, welches in einer gewissen Tiefe eine bestimmte. Temperatur aufweist, sich vorher an der Oberfläche befun- den und daselbst eine fast genau gleiche Temperatur er- langt. Es wird hiemit der für die innere Mechanik des Meeres be- deutsamen Thatsache Ausdruck verliehen, dass die Luft nur durch, vertikale Cirkulation von der Oberfläche in grössere Tiefen des Meeres. hinab gelangen könne. $. 9. Das spezifische Gewicht des Meeres. Das „spezifische Ge-. wicht“, welches in der Praxis genau dasselbe besagt, wie es sonst die. Wörter „Dichte* oder „Dichtigkeit* thun, ist stets eine reine, un- benannte Zahl; dieselbe giebt das Gewichts-Verhältniss an, in welchem, ein beliebiges Volumen des betrachteten Stoffes zu dem gleichgrossen, Volumen destillirten Wassers im Zustande höchster Koncentration steht. Dass das Meerwasser ein spezifisches Gewicht > 1 besitzen muss, folgt eben aus den ihm beigemengten Quantitäten von Salz und an-. deren Fremdstoffen, deren Existenz durch die vorhergehenden beiden, Paragraphen dargethan wurde. Zur Bestimmung des spezifischen @e-. wichtes einer Flüssigkeit verwendet man Instrumente, welche die Namen Volumeter, Hydrometer und — gewöhnlich — Aräometer, (apatög, dünn) führen und im Wesentlichen alle nach demselben Principe kon- struirt sind*). Es ist diess kein anderes als jenes, welches Archi- medes in seinem nur in Uebersetzung auf uns gekommenen Werke. „De iis, quae in aqua vehuntur“ aufstellte; für unseren Fall handelt es sich also darum, einen leicht kubirbaren Körper, d. h. am besten eine cylindrische Röhre mit Gradeintheilung, in das Seewasser ein-. zutauchen und das Volumen der von ersterem verdrängten Wasser-. menge zu messen. Der Wasserschöpfapparat hat vorher die Proben geliefert, welche aräometrisch untersucht werden, und zwar empfiehlt. es sich bei dieser Gelegenheit, wo Temperaturveränderungen sehr: *) Ueber die Erfindungsgeschichte des Aräometers verbreitet eine Abhand- lung E. Gerland’s [84] ziemliches Licht, zu welcher M. Schmidt [85] einige, Nachträge geliefert hat. Die erste unverkennbare Beschreibung giebt der gelehrte. Bischof Synesius (IV. Jahrhundert n. Chr.) in der 15. Epistel an seine Freundin Hypatia; dieselbe kannte das Werkzeug offenbar nicht, doch geht auch aus den Worten des Briefstellers keineswegs hervor, dass er etwa als der Erfinder ange- sehen sein wollte. Ein gewisser Rhemnius schreibt die Erfindung in einem hexametrischen Gedichte dem Archimedes, Andere schreiben sie dem ihrer auch erwähnenden Priscianus zu, doch erfand es wahrscheinlich keiner von beiden, sondern der uns unbekannte Erfinder dürfte eben erst im IV. Jahrhundert gelebt haben; Schmidt setzt ihn in die Zeit zwischen 200 und 400 n. Chr. Jedenfalls leiteten den Erfinder medieinische Beweggründe. Im Mittelalter wusste man, wie von vielem Anderen. so auch nichts mehr vom Aräometer. Thölden’s Salz- werkkunde, die im Jahre 1603 herauskam, spricht aber wieder von demselben, wie von einer bekannten Sache, anlässlich der Bestimmung des Koncentrations- srades von Salzsoole [86], und ganz zum gleichen Zwecke lehrt Daniel Schwen- ter [87] „ein Instrument zu machen, darmit zu erfahren, wieviel jedes gesaltzenes Wasser Saltz halte“ — es ist diess eine Holzspindel. die in freilich sehr ursprüng- lich-naiver Weise mit einer Gradeintheilung versehen wird. Seit Deschales und Boyle. welch’ letzterer durch das Aräometer falsche von ächten Münzen zu unterscheiden gedachte und dadurch jedenfalls für die Verwendbarkeit desselben zu feinen Messungen das richtige Verständniss zeigte, steht die Aräometrie aul- der wissenschaftlichen Tagesordnung. > | Air > i Run! 0) . 5 . re {) D {} A ‘ . . D ANywyAlTN - s wi Ray ve Ser a 0ETO TI LI » 0820 1Ca RT "SER TC! 09 Tu AO 90T ESS VO TTA ES C920 7 Cmpra iz g\ een aa FEIBSERNErIT,| an Oo ee 28 I = FIRE Lurabn Marne | - ANNO TERN) KRYANKKORNKKRN KRONE ERAREN TR KINN ERNNNREZZT I e a ec WÄR UINN RUDI DAUNRNAN DER HLDLAOMIMMUN MKDIR WOMUNURDLKMMME NG DOM GREEN KUN RNNN Do UNONKKKNNN RK KKRRN VRR NN RR KUN N) BEN NKNKANOONKNKKN) er 75 INDIEN UHR INN UNI UL NULL MONO EINEN LUMEN © no KU LRNRENLRR INFOR na m Rt ARD OÜDONVARNAREREN NRRLRNRNERRTNEERTN 2 u tn en u KDD ASSULNDENN DDMMMLLDDDILL Be 208 AN NRRNN NN N \INNTTERSRUTININNNNNNN N ee Kopie \\ IN \\\\ N \ NNNNSSSRRUNNNN. N N m 2 g & \ oh \ \ \ N | lem) dur RN R KT URRRRRRERL UN U] 3 58 Bu ak _._ .n 1 NN NN | \ © = @) Be NN ee \ a) \ RI ( \ Ss RER Er MN \ \ NER RER. N \ N 5 N. en , RSS \ RYN RR \ | = N A | NN SR N a © BE > s ne ES ARRRRRERRRÜRRÄR RN Hi H E Bu ® = © na (Ness ) TU ea: Eu 2 N en IR I : Nee A —S ld S,| 0 AIR ie Br .. 0 S ST d N re A TS. Ak E us, us BERRZT Wärmeeinflüsse bereits isolirten Wasserschö sikers Ekman zu wählen [88]. \ I la 3 & störend auf das Endresultat e | 2;% [89]. Der ‚ als der- .. ımmt rösser Ss ıst 8 .. Die Temperatur ist es nämlich, welche in Gemeinschaft mit der tät die Dichte des Meerwassers maassgebend best in1 kubische Ausdehnungskoefficient des Seewasser Sal jenige des reinen Wassers el wächst mit steigendem Sulrgchalz Es ei; ist somit nothwendig, das Verhalten des Salzgehaltes zur Wärme einer besonderen Untersuchung zu unterziehen, und es fehlt auch nicht an Bemühungen dieser Art. Gewöhnlich findet man die von Hann [90] entwickelte Formel angeführt, welche das spezifische Gewicht s in folgender Art als eine Funktion des in Procenten ausgedrückten Salz- gehaltes p und der Temperatur t ausdrückt: s — 1,02946 — 0,000006 (6,7 + t) t + 0,0077 (p — 3,5). Die Konstante 1,02946 bedeutet die Normaldichte, wie sie bei einer Temperatur von 0° und bei einem mittleren Salzgehalt von 31 %o gefunden wird. Für die Abhängigkeit des Volumens V, von der Temperatur t tragen wir zu 8.352 die folgenden beiden Formeln nach: V, = 0,99746 — 0,00004 t + 0,00000 t?, V.—= 1 -- 0,000057682 t + 0,0000060715 t” — 0,000000032983 t°. Diese letztere Formel ist von Thorpe und Rücker mit Hülfe der Dilatometer (s. o. $. 3) von Kopp und Pierre hergeleitet worden, gilt aber zunächst nur für Wasserproben aus dem Nordatlantik [91]. Betreffs der Temperatur, welche für das Dichtigkeitsmaximum des Meerwassers charakteristisch ist, musste das Erforderliche schon früher beigebracht werden. In unserer Figur 71 ward die Karte nachgebildet, mit welcher Buchanan (s. o.) seine grundlegende Abhandlung über die Verthei- lung des Salzgehaltes, resp. über die geographischen Schwankungen des spezifischen Gewichtes des Meerwassers begleitet. Der Umstand, dass es uns nicht möglich war, die Kopie auch in der Farbengebung dem Originale nachzubilden, mag wohl die Uebersichtlichkeit ein wenig beeinträchtigen, doch treten wenigstens die Gegenden sehr stark und sehr schwach ausgeprägter Dichte hinlänglich hervor. Was die ersteren anlangt, so lassen sie sich etwa folgendermassen kennzeichnen: Dem Atlantik eignen zwei Gebiete von der (relativen) Maximal- dichte 1,0275; das eine bildet ein geschlossenes Oval, dessen grosse Axe annähernd mit dem Wendekreise des Krebses zusammenfällt, während das andere eine vom 20. Südparallel halbirte und westlichvon der brasilianischen Küste begrenzte Halbellipse darstellt. Im Pacifik breitet sich ein geschlos- senes Gebiet von der Dichte 1,0270 zwischen dem 100. und 150. Meridian westlicher Länge und zwischen 10° und 25° lat. austr. aus. Die Maximaldichte im indischen Ocean beträgt 1,0265, und zwar liegen die Grenzlinien des betreffenden, gleichfalls ovalen Gebietes ziemlich gleichweit von Mada- gascar und von der australischen Küste entfernt, während eine zweite schmale Zone sich südwärts vom Kap der guten Hoffnung hinzieht*).. Liebscher [93] rückt auch hier das Maximum hinauf bis 1,0275. *) Inwieweit diese Oertlichkeiten eines relativen Dichtigkeitsmaximums durch die meteorologischen Verhältnisse der auf ihnen ruhenden Luftschichten mit bedingt sind, wie Buchanan andeutet [92], darüber werden spätere For- schungen zu entscheiden haben; „in fact“, meint derselbe, „the saltness of the water at any place becomes ultimately a function of the relative dryness of the atmosphere in the locality.“ Diese relative Trockenheit wäre also das Gegenstück der uns geläufigeren relativen Feuchtigkeit. 5 A y 5 Pr es wis Citate. 369 [1] Peschel-Ruge, Geschichte der Erdkunde bis auf Alexander v. Humboldt und Carl Ritter, München 1877. S. 738. — [2] Prestwich, Tables of temperatures of the sea at various depths below the surface, taken between 1749 and 1868, Proceed. of the royal society, 1873/74. S. 462 ff. — [3] v. Boguslawski,. Handbuch der Oceanographie, 1. Band, Stuttgart 1884. S. 221 ff. — [4] J. J. Wild, Thalassa; an essay on the depth, temperature, and currents of the ocean, London 1877. S. 27 1#.S. 58 ff. S. 88 ff. — [5] Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteorologie, 1. Band, Wien 1883. S. 284 fi. — [6] Velten, Ueber die spezifische Wärme des Wassers, Ann. d. Phys. u. Chem., (2.) 21. Band. S$. 31 ff. — [7] v. Bo- guslawski, Handbuch ete., S. 223. — [8] Ibid. S. 236. — [9] Mühry, Ueber die Lehre von den Meeresströmungen, Göttingen 1869. 8. 38 ff. S. 72 ff. — [10] L. Weber, Untersuchungen über die Temperatur der Maximaldichtigkeit für destillirtes Wasser und Meerwasser, Kiel 1877. — [11] Rosetti, Ueber das Dichtigkeitsmaximum und die Ausdehnung des destillirten Wassers aus dem adriatischen Meere und einiger Salzlösungen, Ann. d. Phys. u. Chem., 5. Ergänzungsband. S. 258 ff. — [12] Schia- parelli, Sur le principe de la moyenne arithmötique, Astron. Nachr., (2) N. 87. — [13] Rosetti, Ueber etc., S. 270. — [14] Zöppritz, Das Verhalten des Meeres in der Nähe des Gefrierpunktes und die Statik der Polarmeere, Ann. d. Phys. u. Chem., 5. Ergänzungsband. S. 497 ff. — [15] Ibid. S. 508 ff. — [16] Ibid. S.536. — [17] Ibid. S. 525 ff. — [18] Girard, Sondages de l’oc&an pacifique, Bull. de la soc. de geogr. de France, 1874. S. 530. — [19] Handbuch der nautischen Instru- mente, Berlin 1882. S. 164 fi. — [20] Neumayer, Ueber ein neues Instrument zur Messung von Tiefseetemperaturen, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 1. Band. S. 20 fi. — [21] Michaelis, Tiefseephotometer, Ann. d. Hydrogr. u. mar. Meteor., 11. Band. S. 475 ff. — [22] Negretti-Zambra, On a new deep -sea-thermometer, Proceed. of the royal society, 1873/74. $S. 238 ff. — [23] Handbuch etec., S. 107. — [24] Ibid. S. 109. — [25] Castberg, Versuch über die Temperatur des Meeres in verschiedenen Tiefen, Gilbert’s Ann. d. Phys., 19. Band. $. 349 ff. — [26] v. Bo- guslawski,. Handbuch etc., S. 242 ff. — [27] Ibid. S. 244. — [28] Ibid. S. 250 ff. — [29] Handbuch ete., S. 294 ff. — [30] v. Boguslawski, Handbuch ete., S. 260. — [31] Handbuch ete., S. 315. — [32] v. Boguslawski, Handbuch etc. S. 269. — [33] Ibid. S. 281. — [34] Ibid. S. 285. — [35] Ibid. S. 295. — [36] Ibid. S. 301. — [37] Ibid. S. 311. — [38] Ibid. S. 316. — [39] Handbuch etc. S. 306 ff. — [40] Weyprecht, Die Metamorphosen des Polareises, Wien 1881. S. 352. — [41] v. Bo- guslawski, Handbuch ete., S. 350. — [42] Bessels, Die amerikanische Nordpol- expedition, Leipzig 1879. S. 457. S. 486. — [43] v. Boguslawski. Handbuch etec.. S. 397 ff. — [44] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 6. Band, 3. Ab- theilung, Leipzig 1837. S. 1619. — [45] Bergman, Opuscula physica et chemica, Vol. I, Upsalae 1779. S. 179 ff. — [46] Handbuch etc., S. 93 ff. — [47] Hales, On some trials to keep water and fish sweet with lime-water. Phil. Transact., 1754. S. 213 ff. — [48] Marcet, On the specific gravity and temperature of seawater and account of their saline contents, ibid. 1879. S. 161 ff. — [49] Scoresby, An account of the arctie regions with a history and description of the northern whale-fishery, Vol. I., Edinburgh 1820. S. 185. — [50] Jahresbericht der Kommission zur wissen- schaftlichen Erforschung der deutschen Meere, I, Berlin 1873. $S. 5. — [51] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 6. Band, 3. Abtheil., S. 1625 fi. — [52] J. Davy, On the temperature of the ocean and atmosphere, and on the density of sea-water, Phil. Transaet., 1817. II. S. 275 ff. — [53] Forchhammer, On the composition of sea-water in the different parts of the ocean, ibid. 1865. S. 203 ff. — [54] J. Roth, Allge- meine und chemische Geologie, 1. Band, Berlin 1879. S. 490 ff. — [55] v. Bogus- lawski, Handbuch ete., S. 127 ff. — [56] Fichtel, Mineralogische Bemerkungen von den Karpathen, 1. Theil, Wien 1791. S. 195. — [57] v. Boguslawski, Handbuch etc., S. 132. — [58] J. Roth, Allg. u. chem. Geol. S. 494. — [59] Kuntze, Phytogeo- genesis, Leipzig 1884. S. 64 ff. — [60] Schleiden-Voges. Das Meer, Leipzig 1885. S. 32 ff. — [61] Schrenck, Ueber die Bedeutung des Salzgehaltes des Seewassers im Haushalte der Natur, St. Petersburg 1876. — |62] Kayser, Physik des Meeres, Paderborn 1873. S. 118 ff. — — [63] v. Maltzan, Reise nach der Insel Sardinien, Leipzig 1869. S. 121 ff. — [64] Haken, Joachim Nettelbeck, Bürger von Colberg, Leipzig 1845. S. 131. — [65] Caji Plinii Secundi Historiae naturalis libri XXXVIL, lib. XXXI. cap. 6. — [66] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 6. Band, 3. Abtheil., S. 1653 ff. — [67] Hayes, Das offene Polarmeer, deutsch von Martin, Jena 1868. S. 383. — [68] v. Boguslawski, Handbuch etc.. S. 133. — [69] Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde, Leipzig 1879. S. 174. — [70] Ackermann, Beiträge zur physischen Geographie der Ostsee, Hamburg 1883. S. 148. — Günther, Geophysik. II. Band. 24 370 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. [71] G. Karsten, Die Beobachtungen über die physischen Eigenschaften des Wassers der Ostsee und Nordsee, Kiel 1879. — [72] H. A. Meyer, Periodische Schwankungen des Salzgehaltes im Oberflächenwasser in der Ostsee und Nordsee; G. Karsten, Die Beobachtungen in den Küstenstationen und Schiffsbeobachtungen, Kiel 1884. — [73] Ibid. S. 9. — [74] v. Sass, Resultate aus Untersuchungen über die Varia- tionen im Salzgehalte des Ostseewassers, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 2. Band. S. 481 ff. — [75] Hautreux, Observations sur la densite de l’eau, faites a Royan. Mem. de la soc. des sciences phys. et nat. de Bordeaux, (2) tome V. S. XXVI. — [76] v. Boguslawski, Handbuch ete., S. 134. — [77] Buchanan, On the distribution of salt in the ocean, as indicated by the specific gravity of the waters, Journal of the royal geogr. soc., 1877. S. 72 ff. — [78] v. Boguslawski, Handbuch ete., $. 127 ff. — [79] v. Specez, Etwas über Brom. (Baumgartner’s) Zeitschr. f. Phys. u. Math., 2. Band. S. 484 ff. — [80] Handbuch ete., S. 244. — [81] Schmelck, Ueber die im Seewasser enthaltenen festen Bestandtheile. Journ. f. prakt. Chemie, (2) 22. Band. S. 168 ff. — [82] Handbuch ete., S. 251. — [83] v. Boguslawski, Handbuch etec.. S. 136 ff. — [84] E. Gerland, Zur Geschichte der Erfindung des Aräometers, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 2. Band. $. 150 fi. — [85] M. Schmidt, Recension hiezu, Philol. Wochenschrift, 3. Jahrgang. S. 1224 ff. — [86] Gehler's Phys. Wörterb., 2. Aufl.., 1. Band, Leipzig 1825. 8. SS [87] Schwenter, Deliciae physico-mathematicae, Nürnberg 1626. S.306. — [88] Handb. d. naut. Instrum., S. 171 fi. — [89] v. Boguslawski, Handbuch ete., $S. 142. — [90] Hann, Das spezifische Gewicht des Eismeerwassers, Mittheil. d. k. k. geogr. Ges. zu Wien, 1875. S. 351 ff. — [91] Thorpe-Rücker, Phil. Transact., 1877. I. S. 405 ff. — [92] Buchanan, On the distribution ete., S. 86. — [93] Mittheil. d. Ver. f. Erdk. zu Halle, 1882. S. 139 ff. Kapitel IV. Die Welienbewegung des Meeres; Ebbe und Fluth. S. 1. Ueber Wellenbewegung im Allgemeinen. Alle Bewegungen auf der Erde, welche wir wahrnehmen und messender Betrachtung unterstellen können, sind entweder translatorisch oder schwingend (oscillatorisch), indem wir die rotatorische Bewegung als einen besonderen Fall der schwingenden betrachten können. Mit letzterer beschäftigen sich in erster Linie die physikalischen Disciplinen der Akustik und Optik, da der Schall auf eine Vibration der Lufttheilchen, das Licht auf eine Vibration der Aethertheilchen zurückgeführt werden kann. Die allgemeine Wellenlehre begründeten die Gebrüder E.H. und W. Weber durch ihr heute noch als klassisch dastehendes Werk, welches diesen Titel trägt [1]. Wir unterscheiden diesem zufolge die fortschreitende und die stehende Welle; zur Erläuterung des Wesens dieser ersteren dient das gespannte Seil, welches durch einen Vertikalstoss eben in eine entsprechende Bewegung versetzt wird. Mit ihnen hat auch die Physik der Erde sich besonders eingehend zu beschäftigen, da die Wellenbewegung des Wassers im Meere, in Seen und Flüssen ganz den für die Seilwellen bestehenden Gesetzen unterworfen ist, doch werden wir sehr bald sehen, dass auch die andere Art von Wellen von der Geophysik nicht ausser Acht gelassen werden darf. Wenn ein Massentheilchen m eines Körpers durch irgend eine Kraft aus seiner Gleichgewichtslage gebracht wird, so strebt es mit einer Kraft, welehe mit wachsendem Abstande selbst wächst und bei „Ss. 1. Ueber Wellenbewegung im Allgemeinen. Su elastischen Körpern diesem Abstande proportional ist, wieder zurück nach dem Gleichgewichtszustande, über den es aber sofort in entgegen- gesetzter Richtung wieder hinaus geführt wird. Eine solche hin- und hergehende Bewegung heisst Schwingung oder Osecillation, die Distanz der beiden entferntesten Punkte, welche das Atom m erreicht, ist die Schwingungs-Amplitude, der Abstand irgend eines beliebigen Punktes von der Gleichgewichtslage ist die Elongation, die zur Vollendung einer Schwingung erforderliche Zeit ist die Schwingungs- dauer, und den in einem beliebigen Punkte der Bahn erreichten Be- wegungszustand nennt man die Phase. Es leuchtet ein, dass die ma- thematischen Ausdrücke, durch welche alle diese Grössen darzustellen sind, periodische Funktionen von reellem Argumente sein müssen, d. h. Ausdrücke, welche sich immer selbst wieder reproduciren, sobald das Argument sich um ein Multiplum einer gewissen konstanten Grösse, der sogenannten Periode, vergrössert. In der That werden, wie die Analysis zeigt, die Geschwindigkeit v, welche m zur Zeit t besitzt, und die Elongation s, welche ihm im nämlichen Augenblicke zukommt, durch ITr rer Int ve —-. on ——— jm| I== rm 2 PR T ausgedrückt, wo r eine Konstante, T aber die Schwingungsdauer bedeutet. Bringt man, etwa durch Hineinwerfen eines Steines, eine ruhende Wasserfläche an einer bestimmten Stelle aus ihrem Gleichgewichts- zustande, so bilden sich um den getroffenen Punkt herum sofort kon- centrisch-kreisförmige Erhöhungen und Vertiefungen, die Wellenberge und Wellenthäler. Eine Welle an sich besteht aus einem Berge und aus einem Thale, und die Distanz zwischen dem Beginne eines Berges und dem Ende des nächstanliegenden Thales wird die Länge der Welle genannt. Die Gesammtheit aller von dem nämlichen Mittelpunkte ausgegangenen Wellen ist ein Wellensystem. Studirt man die Bewegung in einem solchen Wellensysteme eingehend dadurch, dass man leichte Körperchen in die Flüssigkeit einstreut und sein Augenmerk längere Zeit hindurch mit Ausschliesslichkeit auf eines derselben richtet*), so nimmt man wahr, dass zwar die Wellen, nicht aber die Wassertheilchen in fortschreitender Bewegung begriffen sind. Letztere bewegen sich blos auf und nieder, während die Wellen gewissermassen horizontal unter ihnen weggleiten. Allerdings ist die Bewegung eines be- is 12 stimmten Theilchens nicht gerade eine geradlinige, @: sondern mehr eine ovale und im Allgemeinen auch es \ nicht geschlossene. An theoretischen Untersuchungen über die Gestalt der Kurve, von deren häufigst vor- kommenden Formen Fig. 72 ein Bild giebt, hat es zu keiner Zeit ge- *) Zu diesen Studien eignet sich ganz besonders die eben von den beiden Weber konstruirte Wellenrinne, ein langer, enger und möglichst tiefer Kasten, in dessen parallele Längs-Seitenwände Glasienster eingesetzt sind. Dieser Kasten wird mit Wasser gefüllt, das mit Bernsteinpulver versetzt ist; alsdann zieht man an einem Ende durch eine Saugröhre ein kleines Quantum Wasser senkrecht empor, lässt es wieder herabfallen und beobachtet durch die Fenster die entstehenden Oseillationen. ER FR NL Ra EHE NER EEE SER 2, F | zen er I F AR f PARAT, 372 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. fehlt. Wir verweisen den, der die von Newton, Laplace, La- gsrange, Plana, Bidone, Poisson, Cauchy u. A. erzielten und freilich oft mehr das mathematische als das eigentlich physikalische Interesse auf sich ziehenden Resultate kennen lernen will, auf Muncke’s treffliche Bearbeitung [2] und verweilen nur kurz bei den Angaben von Flaugergues |3] und Gerstner [4]; auf diese letztere wurde eine eigene Konstruktionsmanier von Dämmen gegründet. „Nach Flau- Sergues ist der hintere Theil der Welle, von der Spitze des Berges an gerechnet, parabolisch gekrümmt, der vordere dagegen nach einer Kurve, die er eine Begleiterin der Cykloide nennt; nach Gerstner ist die Krümmung von einer Spitze bis zur anderen eine gemeine oder eine geschleifte Cykloide“ [5]*). Darin trifft die Theorie jedenfalls das Richtige, dass hohe Wellen nur in Gewässern von grösserer Tiefe sich bilden können; es verwandeln sich nämlich jener zufolge die cykloi- dischen Bahnen in unendlicher Tiefe in horizontale Gerade. Ueber das Fortschreiten der Wellen giebt jedoch keine der genannten Theo- rieen eine vollkommen befriedigende Erklärung. Wenn eine Wasserwelle an eine feste Wand anstösst, so findet eine Reflexion derselben statt, und in der reflektirten Welle geht Berg oder Thal voran, je nachdem in der einfallenden Berg oder Thal an erster Stelle war; der Vorgang ist somit der umgekehrte, wie bei einer Seilwelle.e Auch ist der Reflexionswinkel dem Einfallswinkel gleich. Nicht minder findet unter den geeigneten Umständen auch eine Brechung und Beugung der Wellen statt (s. den akustischen Nachweis ersterer Erscheinung auf Seite 89 dieses Bandes). Wenn endlich zwei Wasserwellen aneinander stossen, so interferiren sie, d. h. gleichartige Phasen verstärken, ungleichartige vernichten sich gegenseitig. Interferenz ist auch wesentlich bei der in der Randnote *) Für den Fall, dass man es mit einer einzigen periodischen Bewegung zu thun hat, welche nicht in eine begrenzte Anzahl von Bewegungen verschiedener Perioden zerlegt werden kann, ist die Kurvengleichung neuerdings von Boussinesgq und St. Venant in anderweiter Form hergeleitet worden [6]. Die Welle als in einer einzigen Ebene liegend vorausgesetzt, wird das rechtwinklige Koordinaten- system so gelegt, dass die Axe der x in dieser Ebene horizontal, die Axe der z also vertikal ist. Die Tiefe der sonst unendlich ausgedehnten Wassermasse sei konstant = H, die halbe Wellenlänge sei = L. Dann soll, wenn x,, y, die Koordi- raten eines gewissen Fixpunktes bedeuten, jene Gleichung die folgende Gestalt haben: (x—x,)” . Sin? En (z—2,)°. a L = L == h, Cos? (H—z,) Sin? r(H—z,) L L wo h die Wellenhöhe bezeichnet. Die in Cursiv gedruckten Funktionen Sin und Cos haben für eine gleichseitige Hyperbel von der halben grossen Halb- axe 1 genau denselben Sinn, wie ihn sin und cos für einen Kreis vom Radius 1 besitzen. Die Bahn ist in diesem Falle eine elliptische. — Für eine Woge der angedeuteten Art, welche als ein Ganzes für sich zu betrachten ist, hat die französische Sprache das Wort „houle“. Wohl angeregt durch die Arbeit von St. Venant, hat es Mottez [7] unternommen, die Bewegung in einer solchen isolirten Woge synthetisch zu verfolgen, und es ist ihm gelungen, verschiedene Sätze der Wellenlehre, deren wir oben gedachten, mit elementaren Beweisen zu versehen. Namentlich sucht er die Gründe darzulegen, welche dafür maassgebend sind, dass verhältnissmässig kleine Meereswogen bei der Annäherung an die Küste eine unheilvolle Intensität erhalten können [8]. IV. $S. 2. Stehende Wasserwellen oder Seiches. 373 erwähnten Thatsache im Spiele, dass nämlich die Abflachung der Wellenberge in dem Maasse schroffer wird, als die Welle einem Hindernisse sich nähert, und dass in Folge derselben die sogenannte Brandungswoge ein Maass lebendiger Kraft besitzt, wie nicht ent- fernt dieselbe Woge auf hoher See Supan hat die hier in Frage kommenden Vorgänge richtig charakterisirt [9]. Durch die Reibung am Meeresgrunde werden die vorne und unten befindlichen Theile der Welle weit mehr in ihrer Bewegung behindert, wie die hinten und oben befindlichen, die Vorderseite wird kürzer und steiler, die Wellenköpfe stürzen nach vorn über und branden, wie der technische Ausdruck lautet, und wenn in diesem Stadium verschiedene Wellen von gleicher Phase auf einander treffen, so können jene ungeheuren Fluthen sich bilden, deren, als eines Schreckens der Küstenbewohner, wir gleich nachher zu gedenken haben werden. Der sogenannte Windstau, d.h. die kumulative Einwirkung eines stetig aus derselben Richtung wehen- den steifen Windes, ist dabei ebenfalls nicht gering zu schätzen. $.2. Stehende Wasserwellen oder Seiches. Sowohl im freien Meere, als auch — und zwar weit entschiedener — bei Binnenseen von grösserer Ausdehnung ereignet es sich nicht selten, dass eine lebhafte Bewegung des Wassers von unten nach oben sich bemerklich macht, ohne dass ein Grund für diese plötzliche Aufwallung leicht nachweisbar wäre. Der- artige Bewegungen heissen in der Lokalsprache des Bodensee’s Grund- wellen, in derjenigen des Genfersee’s Seiches, und diese letztere Be- zeichnung ist auch die wissenschaftlich herrschende geworden. Vielfach findet man in neueren Werken die Sache so dargestellt, als seien die 'Seiches erst in neuerer Zeit Gegenstand aufmerksamen Studiums ge- worden, allein in Wirklichkeit verhält es sich damit ganz anders. Wolf erzählt [10], dass der Genfer Physiker Jallabert bereits um 1740 eifrig „les seiches ou les crües d’eau subites et passageres qui se forment en et aux deux bouts du lac de Gen£ve“ beobachtete und auch zwei Jahre darauf der französischen Akademie einen Aufsatz darüber einreichte, der betitelt war: „Observation sur le flux et reflux du lac de Geneve“*. Späternahm Muncke eine Zusammenstellung und Sichtung aller bezüglichen Materialien vor [11], die uns nicht nach Verdienst bekannt geworden zu sein scheint. Danach hat bereits um 1689 La Hontan jene Seiches der grossen kanadischen Seen beobachtet, auf welche neuerdings wieder Ratzel hinwies; Bergman konstatirte etwas Analoges am Wettersee, und auch vom Ochrida-See wird be- richtet (Ami Bou£), dass er solche Bewegungen zeige. Ferner sagt Horner in einem unter’'m 7. April 1826 an A. Gautier gerichteten Briefe von einem Mechaniker Oeri [12]: „Il a trouv& & Lucerne dans le Prof. Ineichen un homme fort instruit qui accepta avec plaisir la tache que l’on allait lui imposer. Ce monsieur m’a Ecrit qu’il y avait au lac des 4 cantons aussi le ph&enomäne qu’on appelle Seiches & Gen&ve.“ Ihr klassischer Tummelplatz blieb jedoch der Leman, und zwar er- kannte man allmählig, dass die Seiches am stärksten in der unmittel- baren Umgebung von Genf, am schwächsten nahe bei’m Einfluss der Rhone auftreten. Fatio de Duiller leitete ihr Entstehen her von heftigen Stosswinden, Jallabert (s. o.) von einem plötzlichen An- wachsen der gleich bei Genf einmündenden Arve, Bertrand von elek- 374 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. trisch geladenen Wolken, welche attraktiv auf das Wasser des See’s wirken sollten, Saussure erachtete als maassgebend den verschieden starken Luftdruck*). Vaucher, ein Genfer Theologe und Natur- forscher, nahm zuerst eine mehr zusammenhängende Bearbeitung vor [13] und stellte darin den Satz auf, dass die Seiches des heimathlichen See’s von ähnlichen unmotivirt scheinenden Gleichgewichtsstörungen anderer Binnengewässer sich nur graduell durch die Grösse ihrer Amplituden, nicht aber prineipiell unterschieden**). Sachlich stellte sich Vaucher auf den Standpunkt Saussure’s, nur wollte er auch dem bereits im See sich geltend machenden fliessenden Wasser der Rhone eine gewisse Mit-Urheberrolle zutheilen. Wieder nach Anderen, als deren Wort- führer ein gewisser — uns sonst unbekannter — Sartorius auftritt, wäre das Rhonewasser der eigentliche Hauptfaktor; dasselbe staue sich an den Unebenheiten des Bodens und löse dadurch die Grundwellen aus [14]. Unerwiesen ist noch, ob eine gewisse Erscheinung in die hier behandelte Kategorie gehört, welche Vaucher am Genfer-, Escher v. d. Linth am Zürich- und Patrin am Baikalsee öfters wahrgenommen zu haben versichern; an Sommerabenden soll man einen lauten, donner- ähnlichen Knall hören, worauf nach Umfluss von Y» bis °a Minuten sehr grosse Luftblasen aus dem Wasser in die Höhe stiegen. Einen ausdauernden und glücklichen Monographen hat die Lehre von den Seiches neuerdings in Forel (Il. Band, S. 17) gefunden, von dem schon im Jahre 1876 eine bezügliche "Erklärung der schweizeri- schen Naturforscherversammlung vorgelegt ward |15l. Der gewöhn- liche Anstoss zur Bildung von Seiches ist hiernach ein in vertikaler Richtung erfolgender Stoss, den das Wasser er- hält, und für dessen Erfolgen plötzliche Störungen des at- mosphärischen Gleichgewichtes— z.B. Oyklonalwinde — die wichtigste, wo nicht einzige Ursache abzugeben scheinen. Die auf den ersten Anblick gewiss gar nicht abzuweisende Vermuthung, dass auch seismische Gleichgewichtsänderungen Seiches bewirken müssten, hat sich nach Forel [16] nicht bestätigt, die am Fig. 73. Limnimeter angestellten Pegelbeobachtungen C; p lassen niemals ein zeitliches Zusammenfallen | 5 von Erdbebenstössen mit besonders stark aus- c, u geprägten Seiches hervortreten. Fig. 73 führt uns die Bildung einer Seiche nach Forel vor Augen. AB ist ein Durchschnitt des Seebeckens; in A wird die Wasser- masse durch einen Stoss, wie ihn etwa ein heftiger Sturm, plötzlich aus dem Gebirge losbrechend, auszuüben vermag, in die Höhe gehoben resp. gesenkt, und der früher horizontal verlaufende Spiegel zwischen A und dem Halbirungspunkte K von AB verwandelt sich in eine ge- krümmte Fläche, deren Profildurchschnitt die Kurve AO,K ist. Da die Gesammtwassermenge die gleiche geblieben ist, so muss die andere *) Wir erinnern hier nur an das, was im I. Bande ($. 194) anlässlich der jestimmung des Geoides über den Einfluss der Luftdruckschwankungen auf die augenblickliche Gestaltung der Meeresoberfläche gesagt wurde. **) Von den Seiches sind nach Vaucher zu unterscheiden die „Fontaines“, gekräuselte Stellen im See, welche ringsum von einer ganz glatten Oberfläche umgeben sind und wohl auch durch lokale Luftströmungen zu erklären sein dürften. IV, $S. 2. Stehende Wasserwellen oder Seiches. 375 Hälfte eine konkave Krümmung aufweisen, wie sie der Durchschnitt KD,B darstellt. Wenn jener Zustand erreicht ist, wird momentan Stillstand eintreten, alsdann flachen sich die Bäuche AC,K und BD,K mehr und mehr in entgegengesetztem Sinne ab, und die Profilkurve AC,KD,B geht durch die Gleichgewichtslage hindurch in die (gestri- chelte)KurveAQC,KD,B über. Die SchwingungsdauerTT ist nach Forel gleich —, wo | die Länge des Durchschnittes*), h die mittlere Tiefe 5 des See’s, g die bekannte Beschleunigung der Schwere vorstellt. Der Punkt K ist ein Knotenpunkt, wie solche aus der Theorie der Saiteninstrumente zur Genüge bekannt sind, und die Welle der Seiches ist eine einknotige**). Beobachtungen von Sarasin, bezüglich deren-wir uns auf das Referat von Zöppritz [17] berufen müssen, haben uns aber darüber belehrt, dass auch zweiknotige Seiches- Wellen vorkommen, und in diesem Falle eignet den beiden Endpunkten des Durchschnittes AB die nämliche Phase. Die Frage, ob auch die Gravitation der Himmelskörper bei der Erregung von Seiches mit betheiligt ist, scheint für die Binnenseen verneint werden zu müssen; eine allenfalls in diesem Sinne zu inter- pretirende Stelle des alten Irländers Dieuil***) ist zu vag gehalten, um zu weiteren Forschungen anzureizen. Um so auffallender ist es, dass der Wasserspiegel in den durch eine subterrane Katastrophe „er- säuften* Kohlenbergwerken des nördlichen Böhmens Schwankungen aufweist, welche zur Zeit der oberen Mondkulmination sich am stärk- sten offenbaren und auch mit grösserer Annäherung an die Sonne einem Maximum zuzustreben scheinen. Die Thatsache dürfte nach Klönne’s vorurtheilsfreier Würdigung der rein faktischen Momente [19] wohl *) Dieser Durchschnitt kann sowohl ein longitudinaler als ein transversaler sein. Es giebt demnach Seiches von der Beschaffenheit, dass — vgl. das in Fig. 74 mitgetheilte Kärtchen des Genfersee's — die Pegelstände von Genf (resp. Nyon) und Villeneuve abwechselnd zwischen gewissen Extremen schwanken, während diejenigen von Evian und Ouchy ein neutrales Ver- halten zeigen, und andererseits kommen auch wieder Seiches vor, bei welchen unsere vorige Strecke A B mit der Verbindungslinie Evian-Ouchy zusammenfällt, wogegen die Knotenpunkte in die Längsaxe des See’s zu liegen kommen. **) Wenn eine Saite auf der Violine mit dem Bogen gestrichen wird, so muss, um Töne zu erhalten, der Finger im Allgemeinen stark aufgedrückt werden. Nur zur Erzeugung gewisser Töne, der sogenannten Flageolettöne, reicht schon ein leises Anlegen des Fingers aus; diese Töne bilden sich eben da, wo auf der in Schwingung befindlichen Saite sich Knotenpunkte gebildet haben. Dass in diesen Punkten die Saite wirklich nicht vibrirt, kann man durch Aufsetzen von Papier-Reiterchen augenfällig nachweisen, denn diese bleiben auf der tönenden Saite ruhig sitzen, während sie, irgendwo sonst angebracht. bei’m leisesten An- streichen unverzüglich abfallen. *=*) Die Stelle lautet [18]: „In cosmographia legitur, quod Salinarum lacus in Africa, qui est in Tripolitana provincia et in regione Byzatio, lunari mense ereseit et decreseit.“ ® Ft Fr, t Bra 376 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. ausser Zweifel stehen, dagegen hat Zöppritz gewiss Recht, wenn er eine Sacherklärung vorläufig mit den Worten ablehnt [20]: „Nach den gegenwärtigen Fluththeorieen müssen diese Erscheinungen geradezu als unerklärlich bezeichnet werden.“ An sich erscheinen Seiches-artige Pendelbewegungen des Meeres- spiegels unter dem Einflusse der von Sonne und Mond ausgehenden Anziehungskräfte nicht unmöglich. Allbekannt ist eine ganz eigen- thümliche Meeresbewegung im Euripus, jener Meerenge, welche die Insel Euböa vom griechischen Festlande trennt. Eine griechische Sage will wissen, dass Aristoteles durch das Unvermögen, ein Gesetz in jener regellosen Bewegung zu erkennen, in Verzweiflung gerathen sei; sicher ist, wie Siber berichtet [21], dass des Stagiriten genialer Schüler Theophrast jenen Strudel auf eine Umkehrung der Strömungen zurück- führen wollte, welche jeweils durch die Land- und Seewinde verursacht werden. Neuerdings jedoch ist mit Glück versucht worden [22], Forel’s Formel (s. o.) auf die Vorausberechnung der Euripus-Fluth anzuwen- den, und eben durch das Gelingen dieses Versuches scheint dargethan zu sein, dass jene Fluth nichts anderes ist, als eine Seiche. Es wäre wohl der Mühe werth, mit diesen neu erworbenen Kenntnissen auch einmal an die Kausalerklärung jener sonderbaren Wirbel heranzutreten, welche als die Fluth der Scylla und COharybdis uns aus dem Alterthum bekannt sind; vielleicht, dass auch hier, wie bei’m Euripus, die Theorie der Seiches zu einem besseren Verständnisse verhelfen würde, als es uns zur Zeit zu erreichen möglich ist, da noch immer Spallanzanis Angaben uns die besten Anhaltspunkte liefern *). Dass im offenen Mittelmeere wirkliche Seiches auftreten, ist wenigstens gewiss. Ob der von Th. Fischer [24] erörterte sicilianische Ma- robbio und die Resaca der spanischen Küste (Ann. d. Hydrogr. und marit. Meteor., 4. Jahrgang, S. 161) auch zu den auf die Seiches der Binnenseen zurückzuführenden Bewegungen gehören, ist ungewiss, aber ziemlich wahrscheinlich. 8. 3. Die Meereswogen unter dem Einflusse des Windes. Wäre die Richtung des Windes eine in aller Strenge horizontale, so würde *) Spallanzani’s Aufsatz [23] ist jedenfalls schon darum nicht unver- dienstlich, weil er eine auf gründlicher Selbstbeobachtung beruhende Lokal- beschreibung der klassischen Oertlichkeiten liefert. Unweit der calabrischen Stadt Scylla steigt der gleichnamige Felsen steil aus der Meerenge von Messina empor; an ihm brechen sich die Wogen mit einem bis in sehr grosse Entfernungen noch vernehmbaren Getöse, wozu die vielen in seinen Fuss hineingewaschenen Höhlungen ihr Theil beitragen. Homer’s Schilderung traf damals, als Spallanzani die Gegend bereiste, noch ganz gut zu. Die Charybdis liegt in der Meerenge selbst; sie wird von Homer als ein eigentlicher Strudel geschildert, und dieser Kenn- zeichnung des Dichters ward von geographischen Schriftstellern der Folgezeit, z. B. von Strabon und von Buffon, unbedingt beigeptlichtet. An diesem Orte soll der berühmte Taucher Cola Pesce seinen Tod gefunden haben. Der italienische Naturforscher stellte indessen fest, dass von einem Strudel im richtigen Wortsinne bei der Charybdis keine Rede sein könne, denn wenn ein solcher existirte, SO müssten sich Hohlkegel im Wasser mit einer spiraligen Bewegung der Wasser- theilchen erkennbar machen, was nicht der Fall ist. Spallanzani behauptet, dass hier blos eine von den Gezeiten des offenen Meeres abhängige und durch die topischen Eigenthümlichkeiten der Meeresstrasse beeinflusste Strömung vor- liege; beim Auf- und Untergange des Mondes wechsle diese Strömung ihre Rich- tung. und in der Zwischenzeit bestehe eine nicht lange andauernde Stille. AI’ diess wäre mit der Annahme von Seiches wohl vereinbar. IV:.S 93... Die Meereswogen unter dem Einflusse des Windes. a derselbe der Meeresfläche gerade parallel wehen und blos durch die Reibung der untersten bewegten Luftschicht am Wasserspiegel kleinere Wellen erzeugen. Wir wissen aber aus dem sechsten Kapitel der fünften Abtheilung, dass jene Windrichtung zu den allergrössten Seltenheiten sehört. Im Allgemeinen trifft er stets unter einem von Null verschie- denen Winkel auf den Meeresspiegel, und so entstehen jene grossen, ja gigantischen Wellenzüge, in denen wir die resultirende Bewegungs- form aus unzähligen und oft räumlich sehr weit auseinanderliegenden Impulsen zu betrachten haben. Man pflegt, wenn solche Wellensysteme sich durch den Ocean verbreiten, zu sagen, derselbe habe einen mehr oder minder grossen Seegang. Auf ihn wirken verschiedene Um- stände ein; namentlich wird er dann weit stärker ausfallen, wenn der er- zeugende Wind vielSeeraum, d. h. eine weitgestreckte Wasserfläche vor sich hat. Luksch und J. Wolf konstatiren beispielsweise (a. a. O.), dass die Bora trotz ihrer Intensität an der Ostküste des adriatischen Meeres keinen so kräftigen und nachhaltigen Seegang im Gefolge hat, wie der an anemometrisch nachweisbarer Kraft jener nachstehende Scirocco, der sich aber über die ganze Adria hin ausbreiten kann. Auch die Meerestiefe kommt in Betracht, wie wir schon bei der Be- trachtung der seismischen Wasserwogen auf Seite 378 des ersten Bandes erfuhren. Der Seegang führt im Besonderen dann den Namen Dünung („swell®), wenn die bewegende Ursache nicht mehr unmittelbar sich bethätigt; dieselbe pflanzt sich oft weit über die Grenzen des eigent- lichen Sturmfeldes hinaus fort. Eine recht regelmässige Dünung heisst todte See, während überschlagende See jene Form des See- ganges genannt wird, bei welcher der Wind fortwährend noch ver- stärkend und befördernd sich äussert ”). Komplicirt sich der Seegang durch interferirende Wellenzüge, so ist die Bezeichnung Kreuzsee, verworrene oder wilde See. Unter Umständen steigert sich die- selbe durch das Aneinanderprallen zweier Gegenströmungen zur Kab- belung. „Schreitet der Seegang, welcher an fernen Orten oder ın früherer Zeit gebildet wurde, der Luftströmung entgegen, so heisst man ihn Muhr-See. Ist er "jedoch speziell vom Lande reflektirt, so heisst er auch Wider-See oder, in der Nähe von Steilküsten und bei besonderer Heftigkeit, Surf“ [25]. Um für die Grösse des See- gsanges eine vergleichbare Skala zu gewinnen, schlug der internationale Meteorologenkongress folgende Gradation vor: Brerzresiverhn zung Wellenhöhe in m Vollkommen glatte See N Behraruneehseer Nenn, von Ruhige See : Leicht bewegte See. Mässig bewegte See Ziemlich grobe oder bewegte See Grobe oder unruhige See Hohe See —_ ‚Sehr hokessee 3 — Gewaltig schwere (Sturm- See 2elzleies Sau PumH+o DO p$oOmmoOo @DTO-Jun Pam — m. =) [@) fd , s kD) ’ ’ FA a ®) Der Name rührt daher, dass die sogenannten Wellenköpfe vorne über- stürzen und dabei zu energischer Schaumbildung den Anstoss geben. „Weisse 378 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Wegen der individualistischen Kennzeichnung der einzelnen Formen verweisen wir auf die lebhafte und theilweise sogar poetisch gefärbte Beschreibung v. Schweiger-Lerchenfeld’s [26]. In neuerer Zeit hat man angefangen, die Schiffe mit Anweisungen zu einer mög- lichst genauen und für die spätere wissenschaftliche Bearbeitung ge- eigneten Beobachtung des Seeganges auszurüsten, und namentlich ist der bekannte englische Mathematiker Stokes in diesem Sinne thätig gewesen. Um z. B. die wahre Periode T einer Welle aus der vom Schiffsbord aus beobachteten scheinbaren Periode T,, aus der Schiffs- geschwindigkeit v und aus dem von der Richtung des Wellenzuges mit der vom Bug des Schiffes eingehaltenen Richtung gebildeten Winkel % zu finden, existirt die Relation ur: Br 2rv:cosV”.T, 2 4 g Der beobachtende Schiffsoffizier hat somit, da v aus dem Tage- buche ersichtlich ist, nur T, und % zu bestimmen; der seine Auf- zeichnungen bearbeitende Rechner findet aus ihnen T und nachgerade auch die horizontale Fortpflanzungsgeschwindigkeit V der Welle ver- mittelst der Gleichung V =gT': 2r. Ueber nichts pflegen Laien sich so leicht zu täuschen, als über die Höhe der auf offener See beobachteten Wellen. Schon "die obige internationale Skala mag darüber Auskunft ertheilen, dass die „thurm- hohen“ Wellen, deren die Reiseberichte so häufig erwähnen, meistens in das Reich der Phantasie gehören, während freilich die in ihrer freien Ausbreitung behinderte Brandungswoge sehr ungewöhnliche Dimensionen anzunehmen vermag. Eine Periode von 24 Zeitsekunden, eine Länge von 800m und eine Höhe von 20m können nach über- einstimmender Ansicht der Fachmänner als die überhaupt erreichbaren Grenzwerthe für Windwellen angesehen werden; selbst für Sturm- wellen sind 6 bis 9°, 70 bis 140m und 5 bis 7m resp. die Durch- schnittswerthe |27|. Dass in Ausnahmsfällen diese Grenzen wchl auch überschritten werden können, soll natürlich nicht in Abrede gezogen werden. Muncke hat [28] eine Anzahl älterer Zeugnisse über diesen Punkt zusammengebracht. Im Pacifik hat Wilkes Wellenhöhen von 32 m beobachtet. Kurze Wellen scheinen die stärkste Böschung der Wellenflächen darzubieten. Nach Paris sind die mittleren Perioden der Wellen für die verschiedenen Meeresräume durch die folgenden Zahlen (Zeitsekunden) auszudrücken: Passatregion des Atlantik 5,8; Region der westlichen Winde im Atlantik 6,5; indischer Ocean 7,6; chinesische See 6,9; westlicher Theil des Pacifik 8,2. Die Wind- stärke scheint nach den Entwickelungen von Coupvent Desbois so im Zusammenhange mit der Wellenhöhe zu stehen [29], dass die dritte Potenz der Wellenhöhe dem Quadrate der Geschwindigkeit des erzeugenden Windes direkt proportional gesetzt werden kann. Im freien Meere fürchtet kein tüchtiger Seemann Sturm und Wasserwogen, solange das Fahrzeug dem Steuer gehorcht. Gleich- T = Köpfe“ gelten auch auf grösseren Landseen als Vorboten eines herannahenden Sturmes, IV, $S. 4. Sturmfluthen. 379 wohl hat man in neuerer Zeit auf ein schon früher bekanntes, aber der Neuzeit fast fremd gewordenes Mittel wieder Bedacht zu nehmen angefangen, durch dessen Anwendung auch ein ganz heftiger Wogen- gang kalmirt und sogar in partielle Meeresstille soll verwandelt werden können. ”) $. 4. Sturmfluthen. Wenn wir dieses Wort in seiner vulgären Bedeutung nehmen wollten, so müssten wir zu den Sturmfluthen auch jene ungewöhnlich hohen Anschwellungen des Wassers rechnen, welche durch eine der Attraktionswirkung besonders günstige Kon- stellation der flutherzeugenden Gestirne veranlasst werden. Hievon soll jedoch an diesem Orte noch nicht die Rede sein, wir meinen viel- mehr nur solche Küstenwellen, die sich allein von der Wirkung des Windes abhängig erweisen. Wir schliessen uns also einfach der kom- petenten Ansicht eines v. Sonklar an, dessen Definition diese ist [35]: „Unter Sturmfluthen versteht man jene heftigen Bewegungen des Meeres, welche durch Stürme erzeugt werden, und wobei die Wasser- masse der See in Wogen von oft sehr grosser Höhe nach der Rich- tung des Windes zu treiben scheint.“ Von den Wirkungen, welche solche Fluthen auf das Festland ausüben, an dessen Küste sie ernstem Widerstande begegnen, handelt Kap. II der nächstfolgenden Ab- theilung, während hier nur von den physikalischen Entstehungs- und Fortschreitungsbedingungen gesprochen werden soll. Die Schrift *) Wir haben hier das Delen der See im Auge. In einem dieses Kunst- stückchen der nautischen Technik nach allen Seiten hin besprechenden Aufsatze von Virlet d’Aoust [30] wird, freilich ohne genauere Quellenangaben, erzählt, es sei schon bei Aristoteles, Plinius und Plutarch davon die Rede, dass durch Aufgiessen von Oel das unruhigste Meer geglättet werden könne. Nicht minder soll, gemäss einer anderweiten Angabe [31], bei dem Byzantiner Theo- phylaktos Simokatta der Satz vorkommen: „Ich habe sagen hören, dass die Schiffer. um Wind- und Meeresstille herbeizuführen, Oel in das Meer giessen.“ Wissenschaftliche Versuche stellte in dieser Richtung Franklin an [32]; seine theoretische Auffassung gieng dahin, dass das Oel in einer äusserst dünnen Lage rasch sich über einen beträchtlichen Theil der Wasserfläche ausbreite und dadurch die Reibung zwischen der bewegten Luft und der Flüssigkeit aufhebe. Virlet d’Aoust sagt aus, er habe 1830, als er von Thasos nach Samothrake fuhr... den Versuch mit glücklichem Erfolge ausführen sehen; übrigens verfahre die Natur selbst nach diesem Recept, denn die am Isthmus von Tehuantepec und nahe bei Asow in die betreffenden Meere mündenden Petroleumquellen liessen daselbst gar kein Wellengekräusel aufkommen. Seit einigen Jahren beginnen unsere see- männischen Kreise, durch ausgedehntere Experimentaluntersuchungen Licht in die jedenfalls beachtenswerthe Angelegenheit zu bringen. So wurden in die Hafen- einfahrt zu Peterhead grosse Quantitäten hineingepumpt, und sofort legten sich in eklatanter Weise die Wogen. Natürlich ist damit noch kein Grund zur Hegung sanguinischer Hoffnungen gegeben, vielmehr müssen, ehe das Oelfass zum noth- wendigen Inventar eines Seeschiffers gerechnet werden darf, noch weitere Proben abgewartet werden [33]. Nach anderen Berichten hat das Oelen der See übrigens noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vortheil für den Seemann; die davon ausgehende Beruhigung erhöht auch nicht unbedeutend die Durchsichtig- keit des Wassers. So gelang es einem Schiffe, welches an der apulischen Küste seine Anker verloren hatte, durch Aufopferung einer einzigen Oelflasche das Meer in so hohem Grade diaphan zu machen, dass die verlorenen in einer Tiefe von etwa 20 m sammt den an ihnen hängenden Ketten wieder deutlich sichtbar wurden und durch Taucher heraufgeholt werden konnten [34]. — van der Menssbrughe erklärt (Compt. rend. Vol. XCI. S. 1055 ff.) die vom Oel herrührende Beruhigung zahlenmässig. indem er nachweist, welches Quantum Bewegungsenergie des Wassers auf diese Art in potentielle Energie umgesetzt werde. 380 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. v. Sonklar’s ignorirt dieselben keineswegs, doch verbreitet sie sich, ebenso wie die Eilker’sche Monographie [36], mit besonderer Vor- liebe über die mechanisch-zerstörende und geologische Aktion der Fluthwoge, wogegen diese selbst von Lentz in eingehendster Weise studirt worden ist [37]. Lentz kann insbesondere das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, zuerst recht bestimmt die Thatsache betont zu haben [38], dass die Gesammtheit der Wirkungen des Windes während eines längeren Zeitraumes auch dann nicht zu einem Endzustande völliger Ausgleichung gelangen kann, wenn das Wehen des Windes kein be- sonders energisches ist, sondern dass die vorherrschende Richtung des Windes an einem Orte sich in der für diesen Ort berechneten Durch- schnittshöhe des Wasserstandes deutlich abspiegeln muss, Wenn der Östseespiegel bei Pillau und Memel für gewöhnlich um etwa 3dm höher liegt, als bei Kiel, so ist diese scheinbare Anomalie einzig dem Vorherrschen der westlichen Winde über dem baltischen Meere zuzu- schreiben, und in der That zeigt sich, dass die Differenz sich ver- mindert, sobald der Wind einmal längere Zeit hindurch ausnahmslos aus Osten weht |39|. Dieser sogenannte Windstau ist mithin nicht zu unterschätzen, und wir haben allen Grund, uns über die T'heorie zu freuen, welche Zöppritz für denselben entworfen hat [40]. Der- selbe hatte in seinem Wohnorte Königsberg i. Pr. gute Gelegenheit, die Stauwirkung der Dauerwinde kennen zu lernen, durch welche es z. B. einmal dahin gebracht ward, dass der Pegel mit einer Im in der Sekunde übersteigenden Geschwindigkeit aufwärts strömte. Um unnöthige Komplikationen zu vermeiden, denke man sich ein überall gleichmässig tiefes Meer durch eine geradlinig verlaufende, ver- tikale Küste begrenzt und den Wind mit ebenfalls gleicher Stärke segen diese Küstenwand wehend. Selbst unter diesen doch ganz ein- fachen Verhältnissen ist die Hydrodynamik trotzdem nicht im Stande, die Bewegung a priori zu bestimmen, doch kann man wenigstens einige Sätze allgemeinen Charakters aufstellen. Einmal lässt sich nämlich behaupten, dass ein Theilchen, welches zu irgend einer Zeit nicht an.der Oberfläche des Wassers sich befand, bei stetiger Bewegung niemals an diese gelangen kann, während umgekehrt solche Wasser- theilchen, welche sich in irgend einem Momente an der Oberfläche be- fanden, dieselbe auch nicht wieder verlassen *). Zum zweiten aber ist eine wirklich kontinuirliche Fortbewegung selbst nur des Oberflächen- wasserswährend der Dauer des Windstauesnichtnachgewiesen. Zöppritz schildert den schliesslichen Uebergang vom Stau zur normalen Wellen- bewegung folgendermassen (a. a. O.): „Wenn erfahrungsgemäss der Windstau auch bei andauerndem Winde gewisse ziemlich enge Grenzen nicht überschreitet, so kann diess wohl nur daran liegen, dass schon *”) Damit ist die Unhaltbarkeit der Car- penter’schen Theorie erwiesen, welche sonst einen ganz plausiblen Eindruck machen würde. Das in Fig. 75 gegebene Diagramm erläutert dieselbe genugsam ; der grosse Pfeil versinnlicht die Bewegungsrichtung des Windes, jeder kleine diejenige eines Wasser- theilchens. IV, S. 4. Sturmfluthen. 381 die Vorwärtsbewegung der oberflächlichsten Wassertheilchen in un- stetiger, zusammenhangsloser Weise stattfindet. Bei merklichem Winde erheben sich immer Wellen, auf deren Kämme der Wind stärker ein- wirkt, als auf ihre tiefer gelegenen Theile. Dadurch finden Ueber- schiebungen und Umkippungen, also unstetige Bewegungen statt. Bei solchen lokalen Lösungen des Zusammenhanges können aber leicht zwischen und unter den vorwärts geschobenen Massen rückläufige Aus- gleichsströmungen entstehen, so dass also, wenn die Stauhöhe ihre Maximalgrenze erreicht hat, der ganze Vorgang des Verschiebens der Oberflächentheilchen und des ausgleichenden Rückflusses gleicher Wasser- mengen innerhalb einer sehr dünnen oberflächlichen ‚Schicht in un- stetiger Weise stattfände, während die tiefer selesenen Schichten ganz in Ruhe bleiben.“ Am 13. November 1872 ereignete sich an den Küsten der deut- schen Meere eine Sturmfluth von so gigantischen Dimensionen, dass deren Charakteristik uns ein besonders typisches Bild von den neben eintretenden Verhältnissen geben kann. Wir geben es in treuem An- schluss an die beredte Schilderung von Lentz [41]. Wenn man den ganzen Theil der Ostsee südlich einer von der Südspitze Laaland’s nach der livländischen Stadt Windau gezogenen Linie als ein einziges Becken betrachtet, so hat der dasselbe nach seiner grössten Ausdehnung durchstreichende — also ein Maximum von Seeraum vor sich findende — Wind das Wasser von der östlichen Seite nach der westlichen hin- übergeweht, und da das Becken eine trichterförmige Höhlung besitzt, so fiel die durch den Stau bewirkte Erhöhung des Seespiegels viel srösser in der westlichen Abtheilung aus, als in der östlichen die ent- sprechende Senkung. Am Mittage des bewussten Tages fiel das Ost- seewasser bei Memel 0,42 m unter seinen mittleren Stand, nachdem es kurz zuvor noch 0,32 m darüber gestanden hatte. Schon westlich von Pillau beginnt die Hebung, und diese steigerte sich mehr und mehr, be- sonders da, wo durch die vorliegende Insel Rügen das Becken eine Verengerung erfährt. Das Wasser der Trave wurde bis Travemünde hinauf gepeitscht, und am Lübecker Pegel ward eine Höhe von 3,38 m abgelesen, während in dem langen Zeitabstande von 1625 bis 1872 dort keine Sturmfluth höher als bis zu 2 m hinan gereicht hatte. Man kann bei dem Fortschreiten der Fluth durch das baltische Meer deut- lich verfolgen, wie ursprünglich die riesige mechanische Kraft des Or- kanes das Wasser hebt, und wie allmählig diese Kraft auf die vom Sturme erzeugte Welle übergeht, die sich nach bekannten Gesetzen fortpflanzt und dem Stevenson’schen Erfahrungssatze gemäss*) sich immer höher und höher aufthürmt. Colding bestätigt diesen Schluss. S. 5. Beschreibung des Gezeitenphänomenes. Es ist nunmehr an der Zeit, jene Wellenbewegungen zu verlassen, deren Ursachen an- *) Dieser Satz ward von seinem Entdecker in einem uns unbekannt ge- bliebenen Werke über den Bau von Leuchtthürmen gelegentlich ausgesprochen und hat nach der Quelle, auf welche wir uns angewiesen sehen [42], den folgenden Inhalt: Die Wellenhöhen nehmen zu, wie die Quadratwurzeln ihrer Entfernungen von der Küste, von welcher sie ausgegangen sind. Ist hiernach die Wellenhöhe in einer Entfernung von 36 km von jener — im obigen Falle der livländischen — Küste gleich a, so ist sie in einer Entfernung von resp. 100.250 und 400 km = 1,66a, 2,35a und 3,393. 382 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. erkanntermassen terrestrischer Natur sind, und uns denjenigen zuzu- wenden, welche durch das Spiel kosmischer Faktoren regulirt werden. Diess sind die Gezeiten des Meeres, die sich aus einer Ebbe und einer Fluth zusammensetzen*) und in regelmässiger Aufeinanderfolge an den Küsten der Oceane wahrzunehmen sind. Die verschiedenen Anschauungen, welche die Gelehrten verschiedener Zeiten sich über diese durch ihren regelmässigen Charakter ausgezeichnete Erscheinung gebildet hatten, sollen im nächstfolgenden Paragraphen zur Erörterung kommen, aber vorläufig kommt blös der wirkliche Hergang in Frage, wie er ohne jedwede theoretische Voreingenommenheit beobachtet wird. Die beiden Schriften von Lentz [44], vorab die zweite derselben, empfehlen sich Demjenigen, der das Phänomen allseitig kennen lernen will, wiewohl den Arbeiten der allerneuesten Zeit darin nicht durch- weg gebührend Rechnung getragen wird. Das frühere Alterthum hatte wenig Gelegenheit zur Beobachtung der Gezeiten (s. u.), und so war es ein Chaldäer, der von Strabon senannte Seleukos, der sich zuerst wissenschaftlich für die von den Phöniciern an der atlantischen Küste Spaniens gemachten Wahrneh- mungen von einem periodischen Sinken und Steigen des Meeres in- teressirte [45]. Fluthhöhen maass als der Erste der kühne Entdecker Pytheas [46]. Bei den arabischen Schriftstellern begegnen wir zahl- reichen, wennschon oft missverständlichen Angaben über Ebbe und Fluth [47]. Im XVI. Jahrhundert finden wir bereits einen erheblichen Fortschritt in der Beobachtung, insoferne man die Modifikationen der Erscheinung durch lokale Besonderheiten zu studiren sich anschickte und, wie die von Cabot für.die Polarfahrer seiner Zeit (1553) ausgearbei- teten Anweisungen darthun, für verschiedene Hafenplätze den Termin des Eintreffens einer bestimmten Tide tabellarisch fixirte [48]. Auf diese Art gelangte man allgemach zu einer Summe von T'hatsachen, deren Quintessenz nachstehend gezogen wird. Das Niveau des Meeres ist einem periodischen Schwanken unterworfen, es hebt sich und es senkt sich zweimal im Verlaufe eines Tages, und zwar wies sich diese Öscillation bald in der Weise als vom Mondlaufe bestimmt aus, dass der höchste Wasserstand (das Hochwasser) einige Zeit nach der oberen und unteren Kulmination des Mondes eintritt, während der tiefste Stand (das Niedrigwasser) annähernd mit den Auf- und Unter- gangszeiten dieses Himmelskörpers zusammenfällt. Die Höhe ist für den nämlichen Ort nicht immer die gleiche, schon einmal lokaler Ur- sachen halber, dann aber auch deshalb, weil neben demjenigen des Mondes auch ein ganz erheblicher Einfluss der Sonne sich geltend macht. Stehen beide Gestirne so, dass ihre Mittelpunkte mit dem- jenigen der Erde annähernd eine gerade Linie bilden, wie bei’m Neu- und Vollmond, so gestalten sich die Fluthen zu den über den gewöhn- lichen Stand des durchschnittlichen Hochwassers hinausreichenden Springfluthen, während der Quadraturenstellung (erstes und letztes ”) Das Wort Tide bringt Lentz wieder zu Ehren, und daran thut er wohl. Es ist dasselbe nämlich kein fremdes, sondern ein gutes niederdeutsches Wort, welches von uns zu den Engländern übergegangen ist. Philologisch ist dieser Umstand bei der Bearbeitung des für die Geschichte der Nautik höchst bemerkenswerthen „Seebuches“ festgestellt worden, welche man Koppmann und den von ihm zu seiner Unterstützung herangezogenen Gelehrten dankt [49]. IV, $. 5. Beschreibung des Gezeitenphänomenes. 383 Mondviertel) die geringfügigeren Nippfluthen entsprechen. Das sogenannte Mittelwasser eines Ortes muss durch Rechnung oder graphische Interpolation gefunden werden; Blatt 5 und 6 des Lentz- schen Werkes lassen dasselbe, sowie auch den regelmässigen Verlauf der Tiden, für das hamburgische Hafenstädtchen Kuxhaven erkennen. Im Interesse der Nautik liegt es natürlich, das Eintreffen jeder Phase der Tiden für alle Seeplätze bestimmen zu können. Man brachte zunächst, wie Whewell rieth, an der Zeit des Meridiandurchganges des Mondes eine dem individuellen Falle angepasste Korrektionsgrösse (Mond- fluthintervall) an, die sich natürlich mit jedem Tage änderte. Das arithmetische Mittel aus sämmtlichen Mondfluthintervallen eines Jahres ist die mittlere Hafenzeit. „Unter der wahren Hafenzeit oder der Hafenzeit schlechtweg (,etablishement‘ oder ‚tide-hour‘, ‚stabilimento‘, ‚etablissement‘) versteht man dagegen die wahre, astro- nomische Ortszeit des ersten Hochwassers nach Voll- und Neumond, unter der Annahme, dass Sonne und Mond in mittlerer Entfernung von der Erde und überdiess im Himmelsäquator stehen“ |49]. Die Hafenzeiten bedeutenderer Küstenorte werden in den Navigations- kalendern und Segelanweisungen verzeichnet und durch Berücksichti- sung der neuesten Forschungen evident gehalten. Das Gezeitenphänomen ist hiernach als besonderer Fall in der allgemeinen Theorie der Wasserwellenbewegung mit enthalten, doch scheint es, dass diese gelegentlich allerdings schon von Laplace be- merkte Thatsache in voller Klarheit erst von Bessel erkannt und ausgesprochen worden ist. Wenn er freilich sagt [50]: „indem die Be- wegung der Fluth von Osten nach Westen fortgeht, strömt das Wasser des Meeres in derselben Richtung des Meeres um die Erde,* so ist seine Darstellungsweise keine korrekte, denn wir wissen aus $. 1, dass die Wellenbewegung etwas von der Strömung grundsätzlich und ur- sächlich Verschiedenes ist. Richtiger müsste man so sagen: Der schein- baren täglichen Bewegung unseres Trabanten angepasst um- kreist eine grosse Wasserwelle die Erdkugel derart, dass, wenn dieselbe gleichmässig mit Wasser bedeckt wäre, für jeden Meridian je zwei um zwölf Stunden von ein- ander abstehende Hoch- und Niedrigwasserstände im Laufe eines Tages sich ergeben würden. — Voll und ganz kann diese Fluthwelle natürlich nur an den Ge- staden der freien Meere in die Erscheinung treten. Die Höhe, bis zu welcher das Wasser ansteigt, ist jedoch sehr verschieden und nicht leicht unter ein präcises geographisches Gesetz zu bringen. Brandes’ Notizen [51] zufolge verhalten sich z. B. die Hochwasserstände der Gesellschafts- zu denjenigen der Sandwichs-Inseln wie 1:2,5, die- jenigen der brasilianischen Küste nahe bei Rio Janeiro zu denjenigen am Ausflusse des Amazonenstromes wie 4:15. Durch besonders starkes Anschwellen der Fluthwoge ist der Golf von Bristol bekannt, den eben Pytheas besucht hat; dort kam einem Forscher der im ersten Bande (S. 182) näher ausgeführte Gedanke, aus der Mächtig- keit der in die enge Rinne gewaltsam hineingepressten Wassermasse einen Schluss auf die Dichtigkeit des Erdkörpers zu machen. An der Küste Japan’s wurde einmal eine Welle beobachtet, durch deren Öscillation im Verlaufe von 10 Minuten ein auf 2,1m ansteigender 384 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser hergestellt ward, doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass dabei weniger lunarer, als vielmehr seismischer Einfluss im Spiele war |52]. Zahlreiche Data über Fluthhöhen enthält ein älteres Navigationshandbuch von Romme [53]. Die Rand- und Nebenmeere zeigen das Fluthphänomen gewöhnlich nicht sehr ausgeprägt, unter Umständen wohl auch ver- zerrt. Dem mittelländischen Meere sprach man längere Zeit hindurch sogar die Tiden gänzlich ab, allein durch einen im Hafen von Toulon aufgestellten Selbstregistrator ist, wie Vigan berichtet [54], der Nach- weis geführt, dass die dortigen Gezeiten, abgesehen von der Grösse der Amplitude, mit denjenigen des Weltmeeres übereinstimmen. In einer Spezialschrift desselben Verfassers begegnen uns verschiedene merkwürdige Angaben über Mittelmeerfluthen [55]. Am stärksten offenbaren sich selbe im Golfe von Gabes an der tunesischen Küste, wo sie — bei Sfax — schon auf 2m gestiegen sind. In der Adria steigt der Fluthwechsel in dem Maasse, als man nach Norden hin fortschreitet, bei Brindisi beträgt er durchschnittlich 0,19 m, bei Venedig 0,50 bis 0,60 m und bei Triest 0,70 m. Die Hochwasserhöhe bei Venedig hatte Toaldo, wohl zu gross, für die Syzygien auf 3, für die Quadraturen auf 1,5 englische Fuss angesetzt [56]. Die Ost- see ist nach Ackermann bezüglich ihrer Tiden von der Nordsee abhängig, obwohl ihr die Existenz einer selbstständigen Fluthwelle nicht wohl abgesprochen werden kann [57]*). Natürlich wirkt die Anziehungskraft der Himmelskörper ebenso auf kleine, wie auf grosse Wasseransammlungen, und es müsste also, strenge genommen, jeder kleine Binnensee seine Ebbe und Fluth haben, deren Amplitude nur eben in der Vielzahl der Fälle zu klein ist, um sinnenfällig zu werden. Leipoldt theilt mit [60], dass selbst noch der Michigansee ein regel- mässiges Steigen und Fallen erkennen lasse, und zwar belaufe sich ın Milwaukee die Differenz zwischen Spring- und Nippfluthhöhe auf 1.61cm, in Chicago sogar auf 3,66 cm. Wir wollen ein Bedenken, das uns angesichts dieser Zahlen aufsteigt, nicht zurückhalten; es be- steht darin, ob nicht vielleicht hier eine Verwechselung der Mondfluth mit einer Seiche Seitens der amerikanischen Beobachter vorliegt. Nach dem, was oben in $. 2 über die klar nachgewiesenen Seiches der kanadischen Seen. ausgesagt worden, ist unser Zweifel gewiss kein ganz ungerechtfertigter zu nennen. — Zu den verzerrten Fluth- erscheinungen gehört insbesondere diejenige an der Küste von Tongkin, wo nach Davenport und Knox im Laufe eines Tages nur je eine Fluth und eine Ebbe mit einander abwechseln sollten [61]. Neuere Untersuchungen haben diese Unregelmässigkeit allerdings einigermassen geklärt, doch bieten in der That die Verhältnisse Ostasiens viel des *) Der ältere v. Schult£n freilich spricht auf Grund der Analyse eines um- fangreichen Materiales der Ostsee eigentliche Tiden ab [58]; nur der Luftdruck sei daran schuld, dass regelmässige Vermittelungsströmungen zwischen Nord- und Ostsee im einen wie im anderen Sinne stattfänden. Mag auch diese Ansicht zu unseren modernen Ansichten über Meeresströmungen (s. das nächste Kapitel) nicht ganz passen, so ist doch gewiss nicht zu leugnen. dass gerade im baltischen Meere der Luftdruck sich besonders fühlbar macht. Rothe und v. Lorenz führen wenigstens aus [59], dass der bald in den Mälarsee hinein-, bald wieder aus dem- selben herausgehende stetige Strom sieh nur durch Luftdruckschwankungen er- klären lasse. IV. $S. 5. Beschreibung des Gezeitenphänomenes. 385 Abnormen dar. In dem chinesischen Hafen Wusung z. B. dauert nach genauen Aufschreibungen der neuesten Zeit das Steigen 4, das Fallen aber 8 Stunden [62]. Durch das Sichbegegnen zweier aus verschiedenen Meeren kommender Fluthwellen können Interferenzen entstehen, die sich in der Form gefährlicher Wirbel bemerkbar machen; vielleicht sehören hierher die berüchtigten Meeresstrudel zwischen den Inseln Jura und Skarba an der Westküste und in der Pentlandstrasse an der Nordküste Schottland’s, sowie der Mälstrom der Loffoten [63]. Nach Heger ist bei dem letzteren die sechsstündige Periodicität nicht zu verkennen [64], jedoch wird heutzutage seine „schiffszermahlende* Kraft, die ihm den Namen verliehen haben soll, kaum mehr gefürchtet. Man sieht jetzt nicht selten Schiffe den Strudel durchfahren. | Zum Schlusse dieses nur das thatsächliche Material enthaltenden Paragraphen mögen noch einige Worte über Fluthhöhenmessung ihren Platz finden. Man bedient sich jetzt fast ausschliesslich in dieser Absicht der selbstregistrirenden Pegel oder Mareographen. Im Anfange der dreissiger Jahre ward durch Palmer ein solches In- strument in den Docks zu London aufgestellt [65], ihm folgten rasch andere nach, und heute giebt es deren wenigstens in allen grösseren Seehäfen. Die Verfasser des österreichischen Handbuches gehen so- wohl auf die Anfertigung der Instrumente [66], als auch auf die Be- rechnung der Pegelnotate [67] des Näheren ein. Gewöhnlich bildet den wichtigsten Bestandtheil des Mareographen ein Schwimmer, der auf dem Wasser ruht und dessen vertikal-oscillatorische Bewegungen getreulich mitmacht, sei es, dass er sich im Meere oder in einer mit dem Meere kommunicirenden Röhre befindet. Die Bewegung des Schwimmers wird auf einen Schreibstift übertragen, und dieser fährt über einen Papierstreifen hin, der mit gleichförmiger Geschwindigkeit durch ein Uhrwerk unter ihm weggezogen wird. In dieser Weise ist z. B. Stahlberger’s sehr gut funktionirender Apparat für den unga- rischen Hafenplatz Fiume hergestellt worden [68]. In Deutschland liefert der Mechaniker Reitz treffliche Selbstregistratoren, denen er eine sehr erhebliche Vervollkommnung in dem Sinne zu ertheilen wusste, dass sie nunmehr die Laufgeschwindigkeit und den Weg heliebiger im Wasser befindlicher Gegenstände — auch der Schiffe — zu messen erlauben und so zu Seewegintegratoren werden. Es knüpfen sich an die Konstruktion dieser Instrumente interessante Probleme rein mathematischer Natur, über welche eine Note von H. Schubert [69] nachgesehen werden kann“). *) Hierher gehört auch der von Plantamour und Forelim Genfer See an- gebrachte Limnimeter („limnographe enregistreur“), dessen wir früher bei der Beobachtung der Seiches gedachten. Auch für die Wasserstandsmessung von Flüssen, die früher auf sehr primitive Art — nach Maassgabe der bekannten Nilo- meter — betrieben zu werden pflegte, brechen sich jene Selbstaufzeichner mehr und mehr die Bahn. So hat neuerdings W. Hess einen Pegel verfertigt [70], der auch bei Ueberschwemmungen ungestört weiter funktionirt. Das Prineip ist auch hier dasjenige des selbstthätigen Aufzeichnens von Kurven auf sorgfältig liniirtem Koordinatenpapier. welches jedoch diessmal auf einem sich drehenden Cylinder- mantel aufgerollt ist. Alle zwölf Stunden wird das Diagramm abgenommen, und eine neue Aufzeichnung beginnt. Eine besondere Art von W.asserstandsmesser musste auch Klönne (s. o. $. 2) bei seinen Messungen in überschwemmten Berg- werken anwenden. Günther, Geophysik. II. Band. 95 N RE REN En ran STD DE TEL ENE a SLR NT HF ER RER T IP Ba ARE na Fu PETE N N 386 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. $S. 6. Die Theorieen der Gezeiten in ihrer historischen Entwicke- lung. Diese Darstellung will begreiflicherweise keine vollständige sein, sondern nur die wichtigsten der älteren Hypothesen im Zusammen- hange aufführen und zeigen, wie allmählig das Wahre, das fast nie- mals ganz fehlt, vom Falschen gesondert wurde. Im dritten Buche der Geographie giebt Strabon zugleich mit einer ziemlich exakten Beschreibung der Erscheinung auch die Erklärung ab, dass nach Posi- donius das Meer in seinem Steigen und Fallen eine dreifache, mit dem Laufe der Gestirne übereinstimmende Periodicität erkennen lasse; dem Plutarch zufolge [71] hatte schon Pytheas die Abhängigkeit des Fluthstandes von den Stellungen des Mondes erkannt. Diese Er- kenntniss, ja noch mehr, spricht sich auch aus in den Worten des sonst so kritiklosen Plinius [72]: „Et de aquarum natura complura dieta sunt: sed aestus maris accedere et reciprocare, maxime mirum: pluri- bus quidem modis, verum causa in sole lunaque.* Die Örientalen giengen in Folge ihrer Hinneigung von dieser einfachen Lehre wieder vielfach ab, doch äusserte Demitschki [73] ganz gesunde Ansichten über die wasserhebende Kraft der Sonne. Von den mittelalterlichen Gelehrten des Abendlandes brachten Roger Bacon, Robert von Lincoln, Honorius Augustodunensis — nach neueren Er- mittelungen kein Franzose aus Autun, sondern ein Deutscher aus Augs- burg — ihre Hypothesen zu Markte, unter denen namentlich die, dass das Meer an gasartigen Auftreibungen leide, Beifall gefunden zu haben scheint [74]. Galilei leitete die Gezeiten von der Axendrehung der Erde ab, doch erhält man durch eine Notiz Favaro’s [75] den Ein- druck, als seien dem grossen Manne seine bezüglichen Behauptungen selbst späterhin ein wenig bedenklich geworden, da er seinen „Dialogo sopra il flusso e riflusso del mare“, der einem an den Kardinal Or- sino gerichteten Briefe zufolge schon 1616 fertiggestellt war, der Ver- öffentlichung durch den Druck entzog. Wir werden aber gleich sehen, dass seine Auffassung ihre Nachahmer fand. Ausnahmsweise hatte jedenfalls Bacon von Verulam einmal Recht, als er gegen Galilei polemisirte, doch war freilich dasjenige, was er an Positivem bot, noch viel weniger probehaltig; ihm lag der Schlüssel der Erklärung in der Konfiguration der Landmassen der alten und neuen Welt [76]. Weit höher steht Stevin’s Versuch [77], der seinen Urheber bereits dazu befähigte, für gegebene Erdorte die Hafenzeit mit Rücksicht auf den Mondlauf vorauszubestimmen, obwohl das Wort Anziehung hier noch vermieden wird. Zweifellos die korrekteste Stellung von allen Autoren bis zu seiner Zeit nahm Kepler in der Einleitung zur „Astronomia nova“ ein; er erkannte, wie von Kästner ganz richtig ausgeführt wird [78], die Abhängigkeit der Flutherscheinungen von der vereinten Anziehungskraft aller betheiligten Weltkörper und meinte z. B., wenn die Erde plötzlich aufhörte, attraktiv auf das ihr angehörige Wasser zu wirken, so würde dasselbe sofort dem Monde zueilen; auch weist er für andere geophysikalische Fragen, wie die Entstehung von Sandbänken, die Bedeutung der Tiden nach. Wir glauben auch nicht, dass Kepler, als er später, im vierten Buche der „Harmonice mundi“, die Gezeiten mit den Athemzügen des beseelten Organismus „Erde“ verglich |79], seine frühere "Theorie habe verleugnen wollen, durch welche er sich den sicheren Ruhm eines Vorläufers von Newton erworben IV,$.6. Die Theorieen der Gezeiten in ihrer historischen Entwickelung. 387 hat). Wallis modifieirte die Lehre Galilei’s in dem Sinne [81], dass er die Bahn des Erdcentrums mit jener Bahn verglich, welche der gemeinsame Schwerpunkt von Mond und Erde um die Sonne beschreibt, und die Bewegungen des Meerwassers aus der verschiedenen gegenseitigen Lage dieser beiden Kurven her- leitete. Die Wirbeltheorie des Oartesius schien insoferne ganz gut verwendbar zur Erklärung des viel umstrittenen Phänomenes, als die zwischen Erde und Mond zusammengepressten Aetherwirbel allerdings das Wasser zum Ausweichen zwingen mussten, nur wäre, sollte man denken, doch zu fragen gewesen, weshalb jenes denn serade gegen den Mond hin auswich. Der trefflichke Varenius scheint trotz dieses Dilemma’s diese Wirbel noch immer für das beste Erklärungsmittel gehalten zu haben [82]. Sehr eingehend, aber frei- lich mit theilweise befangenem Blicke, behandelt der Hydrograph Four- nier den Gegenstand |83], sei es, dass er die Dämpfe und Aus- dünstungen als Vergleichsobjekt heranzieht, welche sich um den thie- rischen Körper gebildet haben, sei es, dass er die alte Hypothese Platon’s wieder hervorholt, nach welcher das Innere der Erde un- geheure Wassermassen enthalten soll, welche stossweise aus ihr heraus- dringen, sei es, dass er auf die — ihm selber freilich nicht recht be- hagende — Theorie des Galilei mit den von Gassendi daran angebrachten Verbesserungen zurückgreift. Gleichwohl ist Peschel’s Urtheil über Fournier ein allzu absprechendes [84]; er ist ein Kind seiner wenig exakten Zeit, aber er legt ein redliches Bestreben nach exakter Forschungsweise an den Tag und ist durchaus nicht immer ohne Geist, wie z. B. bei seiner Erklärung der Nadirfluth [85]. Das Erscheinen von Newton’s „Principia* schaffte auf diesem Gebiete, wie auf zahllosen anderen, plötzlichen Wandel, und seit seiner Zeit ist die Theorie der Gezeiten ein einfaches, wenn auch wichtiges Kapitel der allgemeinen Lehre vom Gleichgewichte und ven der Be- wegung der Flüssigkeiten geworden und nimmt an den Fortschritten dieser Disciplinen ihren Antheil. Principiell ist der Standpunkt nicht mehr verrückt worden, den Newton einnahm, als er die Aufgabe stellte |86]: „Man soll die Kraft finden, welche die Sonne auf die Be- wegung des Meereswassers ausübt.“ Im nächsten Paragraphen werden wir Newton’s Lösungsweise kennen lernen. Verfeinerungen und Ver- schärfungen bedurfte aber die neue Theorie noch gar sehr, und so sehen wir denn auch das ganze XVII. Jahrhundert eifrig an der Ar- beit, ihr diese zu Theil werden zu lassen. Im Jahre 1740 stellte die Pariser Akademie die mathematische Theorie der Gezeiten als Preis- frage, und drei hervorragende Geometer Maclaurin, Euler und D. Bernoulli, theilten sich in den Preis als Verfechter Newton- scher Grundsätze**). Ihre Arbeiten sind in einem Sammelbande der *) Galilei war mit den Anschauungen Kepler'’s, seines intimen wissenschaft- lichen Freundes, nicht unbekannt. Doch nennt er diesen Namen nicht bei Ge- legenheit seiner Auseinandersetzungen über die Ursache der Gezeiten; freilich kann ihn der mit der Sache Vertraute zwischen den Zeilen lesen. Als Haupt- argument gegen die von Kepler behauptete Schwerewirkung des Mondes dient der — angebliche (s. 0.) — Mangel der Gezeiten im Mittelmeere [80]. ; **) Einen Theil des Preises empfieng ein gewisser Antoine Cavalleri, der in seiner Bewerbungsschrift dem damals noch von vielen gelehrten Grössen Frank- LEE 388 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. nr Akademieschriften vereinigt [87]; sämmtlich verfolgen sie den Zweck, die uns bald näher beschäftigende statische Theorie auszubilden und den Wassermantel der Erde geometrisch auf seine Form zu prüfen, Bernoulli’s Methode, Gezeitentafeln zu berechnen, hat sich, wie Zöppritz bemerkt [88], bis zu unseren Tagen herab in Ansehen und Geltung zu erhalten gewusst. Laplace vertiefte die Untersuchung dadurch, dass er nicht blos nach der Niveaufläche des Meeres fragte, sondern die hydrodynamischen Grundgleichungen mit Erfolg auf die Vorausbestimmung der Oscillationen des Meeres anwandte und scharf die drei Hauptgattungen dieser Oscillationen auseinanderhielt. Zumal das vierte, theilweise aber auch das dreizehnte Buch der „Me&canique celeste* ist diesen feinen Untersuchungen gewidmet. Dass noch mancherlei Missverständnisse nebenherliefen und kleine partielle Rückschritte in der Erkenntniss bewirkten, kann nicht be- fremden. So wollte, wie schon dem Galilei, auch manchen Epi- gonen es nicht einleuchten, dass kleinere Meere, wenn doch die An- ziehung eine allgemeine sei, der Fluth entbehren sollten*). Hube erneuerte die alte Galilei’sche Hypothese, dass eigentlich die Erd- rotation die prima causa bei der Entstehung von Ebbe und Fluth sei [90]; wie wichtig diese Durchkreuzung der damals schon konven- tionell gewordenen Newton’schen Lehre den Zeitgenossen vorgekommen sein muss, erhellt u. a. aus den langathmigen und ernsthaften Entgeg- nungen von Fulda [91] und J. C. Fischer [92]; doch muss der letztere einräumen, dass Wahres in Hube’s Opposition gegen die angebliche Gleichgewichtsfigur des Wassermantels enthalten sei [93]. Auch darin irrte der Kritiker nicht so gänzlich, dass er einen gewissen Einfluss der Erdumdrehung auf den Verlauf von Ebbe und Fluth zulassen wollte, nur dass er diesen Einfluss gewaltig überschätzte**). Wieder eine andere Ausstellung wusste Parrot zu machen [96]: Newton’s Theorie sei zur Erklärung der Nadirfluthen nicht ausreichend. Drobisch wies diesen Einwand durch eine detailirte Analyse der Laplace’schen Beweis- methode zurück [97]. — Seitdem sind von Physikern und sachkundigen Geographen principielle Bedenken nicht mehr geltend gemacht worden, man müsste denn den Vertretern der sogenannten Naturphilosophie aus dem Anfange dieses Jahrhunderts die Ehre erweisen wollen, ihre Phan- reich’s — darunter J. Cassini de Thury und Fontenelle — gebilligten carte- sianischen Wirbeltheorie seinen Tribut dargebracht hatte. *) Sehr bemerkenswerth erscheint, als Gegenstück, die folgende Aeusserung von Kies [89]: „In maribus Euxeno et Caspio non solum ob minimam aut nullam cum Oceano communicationem, sed etiam ob parvitatem horum marium nullus observatur aestus; hince quid in vase clauso et fluidis reperto contingat, facile quilibet ipse judicabit. Minuitur et fere sistitur aestus in maribus, ubi plures sunt insulae, ut in Moluceis, Philippinis, Antillis ete.* Demnach scheint es damals Leute gegeben zu haben, die sich wunderten, dass nicht jeder gefüllte Wasser- eimer ein periodisches Steigen und Fallen zeigte. **) Schon in Maclaurin’s preisgekrönter Dissertation begegnen wir der These [94]: „Ob motum terrae diversa est ratio aestus maris.“ Besonders gründlich beschäftigte sich in neuerer Zeit mit dieser Angelegenheit William Thomson [95]. Gewisse auffallende Verschiedenheiten im Verlaufe der Tiden an der englischen und an der gerade gegenüberliegenden französischen Küste des Kanales sollen nach ihm eine zureichende Deutung nur dadurch finden, dass die Wellen (auf der Nordhalbkugel) von links nach rechts gedrängt werden und in diesem Sinne eine abnehmende Amplitude bekommen. ee a N I RT EN a EL TE ET a Bean I IV.S. 6. Die Theorieen der Gezeiten in ihrer historischen Entwickelung. 389 tasmen ernstlicher Beachtung zu würdigen. Systematisch findet man diese Theorie „des athmenden Erdkörpers“ in einer Schrift von Hugi [98] entwickelt. Sehr viel Aufsehen machte ihrer Zeit eine Arbeit Whewell’s [99], durch welche das in so vielen Zweigen der Erdphysik als nutzbar er- kannte Prineip der graphischen Darstellung auch für die Gezeitenlehre verwerthet werden sollte; schon 1833 war von ihm ein erster „Essay towards a first approximation to a map of cotidal lines“ erschienen, und Lubbock, ein gewiegter Mathematiker, gieng mit Eifer auf diese neue Untersuchungsmethode ein [100]*). Alle Punkte des Meeres, resp, der Meeresküsten, für welche das Hochwasser genau zur nämlichen Zeit eintrat, wurden durch Kurven verbunden, welche eben Whewell Kotidallirien, H. Berghaus aber Isorachieen (toog gleich, payta Fluth) und Leipoldt [102] Homopleroten (von nAnpodv füllen) zu nennen vorschlugen. Whewell’s Zweck war dabei, zu erweisen, . dass die grosse Fluthwelle der Erde, von welcher wir oben zusammen- fassend sprachen, wirklich eine einheitliche Woge (im Sinne des er- wähnten französischen Kunstwortes) sei, im Pacifik entspringe und sich alsdann nach dem indischen und atlantischen Ocean hinüber fortpflanze. Doch nahm der Erfinder dieser Linien später selbst diese aus dem Ver- laufe seiner Kurven erschlossene Theorie zurück, wie sie denn auch mit keiner der beiden zur Zeit maassgebenden Auffassungen des Ge- zeitenphänomenes in Einklang zu bringen ist. Zur Orientirung über das Fortschreiten der Fluthwelle innerhalb eines bestimmten Meeres- beckens verbleibt übrigens den Homopleroten ein gewisser unbestreit- barer Werth. $. 7. Die statische Theorie der Flutherscheinungen. Wir haben uns soeben überzeugt, dass erst durch Laplace der wirklich statt- findenden Bewegung des Wassers auch die er- forderliche kalkulatorische Rücksicht gegönnt ward. Bis zu ihm herrschte uneingeschränkt die von Newton begründete statische Theo- rie der Gezeiten, welche dem natürlichen Vor- gange allerdings nicht eigentlich entspricht, gleichwohl aber schon um deswillen nicht entbehrt werden kann, weil die dynamische Theorie nur als eine Reihe an der vori- gen angebrachter Korrektionen sich darstellt. Wir geben nunmehr ein Bild dieser ersteren und stützen uns dabei auf W. Thomson [103], von dem auch die jetzt allein übliche Namen- gebung herrührt. Eine allseitig homogene und gleichmässig tiefe Flüssigkeit lagere sich um einen ellipsoidi- schen, aber nur wenig von der Kugel abweichenden Kern herum, der in Fig. 76 mit E bezeichnet ist. Ein weit entfernter Körper M Fig. 76. *) Wer die jetzt allerdings antiquirten, früher aber des höchsten Ansehens sich erfreuenden Ansichten der englischen Forscher an der Quelle kennen lernen will, findet alles Nöthige in Germar’s deutscher Bearbeitung, die von Nürn- berger in dessen bekanntes astronomisches Lexikon aufgenommen worden ist [101]. 390 i Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. | soll auf Kern und Hülle anziehend wirken, und zwar im Sinne des Newton’schen Gesetzes. Wir legen durch die Schwerpunkte von E und M eine beliebige Ebene und nehmen die Verbindungslinie d der Schwerpunkte als Axe eines in jener Ebene gelegenen Polar- koordinatensystemes (r,%), dessen Pol der Schwerpunkt von E ist. Die Masse beider Körper resp. mit e und m bezeichnend, suchen wir die Gleichung der Flächen gleichen Potentiales mit Bezug auf e und m. Wenn irgend ein Punkt vom Schwerpunkt von M den Abstand h hat, so kann man der Gleichung jener Flächen eine der beiden Formen ertheilen: Bi m e m — — = = Konst., —+ — — —— — —— — Konst. Sen a‘ r:d ist als ein kleiner Bruch zu betrachten; wenn man also 1 2 (d’ — 2dr cos® +4 r?) ® auf die Form d". (1 = cos% + 7) e bringt und nach dem binomischen Lehrsatze in eine Reihe entwickelt, so kann man bei dem zweiten Gliede verbleiben; es ist somit © m r 2+2(1 E- es?) — Konst. unsere neue Gleichung. Bildet man hieraus den Differentialguotienten dr:d® und vernachlässigt (r: d)’, so wird dr: d$ = f (n,®) —r- r:d ist aber unter allen Umständen ein sehr kleiner Bruch, und da ein Faktor des Produktes fast gleich Null ist, so kann auch der Dif- ferentialguotient selbst keinen erheblichen Werth erreichen. Damit ist aber gesagt, dass die Flüssigkeit ihre Kugelgestalt nicht verliert, son- dern einfach mit deren Beibehaltung um ein gewisses Stück nach dem attrahirenden Körper m hin gezogen wird; ihr Mittelpunkt, der vor- her mit demjenigen des Kernkörpers einerlei war, ist jetzt gegen diesen um eine Strecke verschoben, welche sich zum Radius des Kernes ver- hält, wie die Anziehung des sollicitirenden Körpers auf einen Punkt der Flüssigkeitsoberfläche zur Anziehung des Kernkörpers auf den nämlichen Punkt. Der Werth dieses Verhältnisses ist für Erde und Mond ungefähr gleich 1:300000. Nunmehr denken wir uns die eine Hälfte des Körpers M entfernt und in gleicher Entfernung von E, wie früher, aber diametral entgegengesetzt angebracht; diese — eben von Thomson in Aufnahme gebrachte — Hypothese deckt sich mit den realen Verhältnissen, da ja der Mond in 24 Stunden jemals beide Stellungen gegen die Erde einnimmt. Nehmen wir dann noch an, es stehe in jedem Punkte der freien Oberfläche diese selbst auf der Resultante der sämmtlichen aufsie wirkenden Kräfte normal, so haben wir die Gleichgewichtstheorie der Ebbe und Fluth. Nach ihr stellt sich die Fluthhöhe, da ja ausser dem Monde auch die Sonne ihren Einfluss übt, dar als eine Summe von je drei auf den Mond und von je drei auf die Sonne bezüglichen Gliedern. Diese drei Glieder lassen sich folgendermassen trennen [104]. Es existirt I. die halbtägige Mond- und Sonnenfluth, proportional einer Funktion des von einem bestimmten Meridian aus gezählten 1V. $. 7. Die statische Theorie der Flutherscheinungen. 39] Stundenwinkels und mit einer Amplitude, welche proportional dem Quadrate des Cosinus der Deklination des fraglichen Gestirnes — so- mit sehr langsam — variirt; es existirt Il. die tägliche Mond- und Sonnenfluth, deren Periode das doppelte der vorigen ausmacht; es existirt endlich III. die halbmonatliche Mond- und die halb- jährige Sonnenfluth. Um für erstere einen sichtbaren Anhalt zu Sewinnen, denke man sich auf einer der Erde koncentrischen Kugel- fläche vom Radius der Mondbahn die zwei Parallelkreise nördlicher und südlicher Deklination des wirklichen und des (imaginären) Gegen- mondes ausgezogen und auf jedem dieser beiden Kreise die halbe Mondmasse vertheilt. Diese Massenkreise oscilliren im Verlaufe von 14 Tagen zwischen dem Aequator und dem Parallel grösster Dekli- nation hin und her, und die dadurch erzeugte Fluth ist eben die vor- hin genannte halbmonatliche. Für die Halbjahrfluth der Sonne gilt ganz das Nämliche; indem die homogene Massenvertheilung jetzt zwei zwischen dem Aequator und den Wendezirkeln auf- und abschwebende Parallelkreise betrifft. In mehr populärer Weise kann die Nothwendigkeit einer zwei Antipodenpunkte der Erde stets gleichzeitig treffenden Hochfluth etwa durch folgende Schlüsse erwiesen werden, aus denen zugleich ein sehr einfacher Werth für die Maximalhöhe folgt.*) AA, (Fig. 77) sei der Aequator der mit einem gleichtiefen Meere ganz gleichmässig bedeckten Erdkugel A’A‘,, deren Mittelpunkt M ist, N sei der Nord-, S der Südpol. Die beiden fAlutherzeugenden Körper mögen sich resp. in C und D so befinden, dass beide auf der verlängerten AA, liegen. Die in A befindlichen Theil- chen erhalten ein Bestreben, sich gegen © und D hin zu bewegen, doch kann nur der allernächste Punkt A dieser Tendenz ganz ungehindert Folge leisten, und so wird der- selbe nach a versetzt. ile in grösserer Nähe befindlichen Wassermolekel strömen auf a zu, weshalb die Oberfläche in der Umgebung der beiden Pole sinken muss; A‘ hat im Augenblicke Hochwasser, denn statt der normalen Dicke A’A der Wasser- bedeckung ist diese Dicke jetzt A’a— A’A-- Aa, N und S haben dagegen Niedrigwasser, weil die sonstige normale Dicke N’N und S’S auf N’n und Ss = N’N — Nn und = S’S — Ss gefallen ist. Da nun aber doch in Folge der Attraktion anderer Weltkörper die Gesammtwassermasse der Erde nicht geändert wird, so muss der Zenitfluth bei A eine Nadirfluth bei A, ent- sprechen, und während früher die Begrenzungsfläche ANA,S kugelförmig war, ist sie jetzt die ellipsoidische Fläche ana,s *) Es war dem Verf. erfreulich zu sehen, dass Luksch und J. Wolf sich zur Ableitung der Wirkung der im Aequator befindlichen Gestirne sich eines Raisonnement’s bedienen [105], ganz ähnlich demjenigen, welches er selbst vor längerer Zeit in Vorschlag gebracht hat, um die Nothwendigkeit der Antipoden- fluth in einfacherer Weise, als es sonst zu geschehen pflegt, zu begründen [106]. 392 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. geworden”). Setzt man den Meeresradius MA —=:[r, die Strecke Ma —g, die Strecken Mn=Ms=h, so hat man obigem Satze zufolge die | Gleichungen = eh, — ns r”r,r”—=gh’” Wird ferner noch Nn — Ss 3 3 durch i bezeichnet, so st h=r— i, somit a u Be a 37 Hi Se nl Da schon das dritte Glied dieser letzteren Reihe ohne Schaden vernachlässigt werden darf, so kann mit ziemlicher Genauigkeit u rn (g — r) gesetzt werden, in Worten: Das Einsinken des Meeres an den beiden Polen ist gleich der Hälfte der Differenz, welche man erhält, wenn man vom Ansteigen im Aequator den normalen Radius abzieht — das Umlaufen der flutherzeugenden Gestirne im Aequator vorausgesetzt. Auf weitere Auseinandersetzungen über die Gleichgewichtstheorie glauben wir hier verzichten zu sollen, da dieselbe, wie schon gesagt, die Verhältnisse der Natur nur mit unvollkommener Treue darstellt. Nach F. Neumann’s Berechnung [107] würde Fluth und Ebbe des Mondes höchstens eine Abweichung von 0,314m, Fluth und Ebbe der Sonne nur die Hälfte davon hervorbringen können, so dass selbst zwischen einer Springfluth und der tiefsten Ebbe blos ein Abstand von etwa 0,9m sich ergäbe. Um diese schreienden Widersprüche mit der Erfahrung zu beseitigen, begründeten scharfsinnige Analytiker die im nächsten Paragraphen zu erörternden Berechnungsmethoden. $. 8. Die dynamische Theorie der Flutherscheinungen und die harmonische Analyse. Laplace gieng, wie bereits erwähnt, als der Erste von den allgemeinen Grundgleichungen der Hydrodynamik aus**), * Ein wirkliches Ellipsoid ist die Wasserfläche nicht, wenigstens nicht ein solches, das, wie bei der Rechnung angenommen ward, eine mit der Strecke sn nach Lage, Richtung und Grösse übereinstimmende kleine Axe besitzt. Wäre dem nämlich so, so wäre auch A,a, genau gleich Aa, während die Nadirfluth stets um ein Geringes kleiner ist, als die Zenitfluth. Annähernd aber kann die Fläche als Sphäroid gelten (s. auch $. 85 in diesem Bande). Die Kugel smnr ist dem Ellipsoide eingeschrieben. **) Diese Gleichungen sind von Euler und Lagrange aufgestellt worden und gelten, nachdem hierüber manch’ wissenschaftlicher Kampf ausgefochten wurde, ebensosehr als nothwendig, wie als ausreichend für die Bewegung ideell tropfbarer und unzusammendrückbarer Flüssigkeiten (das Wasser ist nach Oersted in kaum nennbarem Grade kompressibel). Für den in der Physik fast überall stattfindenden und von Challis [108] speciell für das Tidenproblem als gültig nachgewiesenen Fall. dass ein Geschwindigkeitspotential V existirt, resp. dass die nach den Koordinatenaxen genommenen Seitenkräfte X, Y, Z sich als partielle Differentialquotienten einer und derselben Funktion V nach x, y, z dar- stellen lassen, haben [109] die Euler’schen Gleichungen die Form du... 94V PB) „dv „. 9MXV-BD), „dw. BB p -/® ERNEST Fe eu De namen a Tee) N ine) Z p dt ou hart, ee Voden und ie, ORTE diese: kr s en d’x 0X m 0% Z PROIER _ Be: a 0a, T di oHar a Ba a u, v, w sind hier die Geschwindigkeitskomponenten, p ist der Druck im Punkte x, y, z; p die dort sich findende Dichte; a, b, ce sind gewisse neue und irgendwie zu wählende Koordinaten jenes Punktes, unter t endlich versteht man die Zeit. IV, $. 8. Die dynamische Theorie der Flutherscheinungen etc. 393 integrirte sie unter gewissen Voraussetzungen und zog daraus den Schluss, dass jedes Wassertheilchen in Folge der Gezeiten einer drei- fachen Art von Oscillationen unterworfen sei, welche die Rechnung getrennt darzustellen vermag, obwohl uns die Natur nur deren Ge- sammtwirkung vor Augen führt. In der Sprache der Analysis ist so- mit die Wasserhöhe eine Summe von einzelnen periodischen Gliedern, deren Periodieitätsmoduln zugleich die Perioden der Bewegungskom- ponenten von Sonne und Mond sind. Die hiemit inaugurirte dyna- mische Theorie bildete Airy [110] weiter aus, und W. Thomson gab ihr diejenige Gestalt, unter welcher sie heutzutage als Basis für die Berechnung von Fluthtafeln sich so trefflich bewährt. Aendert man in ihrem Sinne die statische Theorie entsprechend um, so treten an die Stelle unserer obigen drei Fundamentalsätze drei neue oder doch modificirte Theoreme, die Auerbach [111] so kurz und bequem formulirt hat, dass wir das Wesentliche seiner Fassung für sehr mit- theilenswerth halten müssen. I. Die halbtägige Fluth hat ihr Maximum nicht genau im Momente der oberen oder unteren Kulmination des sollieitirenden Körpers, sondern etwas früher oder — gewöhnlich — später; dieses Maximum ist eine ziemlich verwickelte Funktion der geographischen Breite und ist in reducirtem Maasse auch an den Polen einer mit Wasser bedeckten Erdkugel vorhanden**). II. Ganz das- selbe gilt von der täglichen Fluth, deren Betrag sich ebenso, wie der- jenige der halbtägigen, auch von der geographischen Länge abhängig ausweist. Ill. Die halbjährigen Sonnen- und die halbtägigen Mond- fluthen anlangend, so existirt zwar auch für die dynamische Theorie eine Polhöhe ®,, bei welcher diese Fluthen verschwinden, während sie für jede andere Polhöhe einen bestimmten Werth — Konst. (sin’p, — sin’o) — Konst. sin (#, + P) sin (9, — P) besitzen, allein @, hat jetzt einen anderen Werth, als früher. Jeweils für die statische und dyna- mische Fluthentheorie selten nämlich die Gleichungen = o, = arc sin Me die Zahl ö ist der Mittelwerth des Ausdruckes (3sin’@ — 1) für den ganzen mit Wasser bedeckten Theil der einen oder anderen Erd- hemisphäre**). Für die Nordhalbkugel wird &° — — 0,1584, &, = 31° 59°; für die Südhalbkugel wird ö = 0,0893, ©, = 37° 3°. _ Frei- Y, = arc sin *) Die Berechnung von Laplace, soweit sie sich auf die halbtägige Fluth bezieht, ist von W. Thomson gründlich revidirt und durch Vergleichung mit der 2 ums für verschiedene Meerestiefen kontrolirt worden [112]. ‘*) Wäre die Erde überall, oder doch wenigstens für den ganzen Zug eines Parallelkreises, in gleichförmiger Weise mit Wasser bedeckt, so würde ö einem bestimmten Integrale gleich sein; es wäre T 2 BE Deosgde DIE, U Te N 3 T T 2 | RD ın 0 Man hätte mithin °= 0 und 1 po = are sin) / 5 — 39° 16°. Wir bemerken, dass die oben erwähnte Durchschnittsberechnung, da eine andere ; Rx e i a % a ; 2 394 Sechste Abtheilung. ÖOceanographie und oceanische Physik. lich ist mit diesen drei Partialfluthen die Sache noch lange nicht erschöpft, vielmehr kommen, wenn man mit Roberts [113] alle Mög- lichkeiten erschöpfen will, im Ganzen nicht weniger denn 20 Gezeiten- Komponenten in Betracht, als da sind: die mittlere halbtägige Mond- Auth; die erste und zweite „overtide* hievon; zwei halbtägige Lunar- futhen, welche auf der Ellipticität der Mondbahn, zwei weitere eben solche, welche auf der Evektion*) beruhen, eine Variations-Lunarhalb- tagsfluth, die mittlere tägliche Sonnenfluth, die mittlere halbtägige Sonnerfluth; die halbtägige Lunisolarfluth, die tägliche Lunisolarfluth, die tägliche Mond- und die tägliche Sonnenfluth, eine elliptische Luni- solarfluth und eine elliptische Lunarfluth von Tagesperiode, eine zu- sammengesetzte Halb- und auch vierteltägige Lunisolarfluth, endlich eine halbjährliche und eine jährliche Solarfluth. Der zahlenmässigen Darstellung all’ dieser Einzelfluthen gegen- über würde der gewöhnliche Rechnungsapparat versagen, während Thomson’s harmonische Analyse die Schwierigkeiten überwindet. Mit diesem Worte, welches seinen Namen von einer mehr zufälligen Ter- minologie der Engländer herschreibt, hat es in Kürze folgende Bewandt- niss: Die Höhe h des Seespiegels zur Zeit t soll durch eine trigonometrische — Bessel’sche (s. S. 116 dieses Ban- des) — Reihe ausgedrückt werden, so dass, unter a und b gewisse Zahlenkoefficienten verstanden, h=3,-+3 cosnt+3%cosnt—+..—-bsnnt+bsinnt—+... werde. Dabei setzen sich die Argumente n,t zusammen aus den Vielfachen der mittleren Stundenwinkel von Sonne und Mond, aus denen der mittleren Bahnlänge jener Gestirne, aus jenen der mittleren Längen der aufsteigenden Knoten und Perigäen und eventuell noch aus denjenigen anderer Winkel, wie sie sich als einflussreich herausstellen. Nähere Anweisung zum Rechnen nach den Regeln der harmonischen Analyse ertheilen Peters [115] und Luksch-J. Wolf [116]; bei den letzteren wird auch der sogenannten Helmholtz-Tiden Erwähnung gethan, welche demselben Entstehungsgesetze folgen, wie in der Akustik die sogenannten Kombinationstöne |117]**). Den Praktikern hat neuer- dings Börgen durch eine dem 12. Jahrgang der „Ann. d. Hydrogr. u. marit. Meteor.“ einverleibte Anweisung diesen Kalkul mundgerecht gemacht. Den eigentlichen Rechnungsprocess abzukürzen, kann man zur Zeit nicht vorliegt, von Auerbach selbst ausgeführt wurde; doch wäre eine möglichst scharfe Mittelwerthbestimmung sehr wohl durchführbar und wünschens- werth. *) Bei der Bewegung des Mondes ergeben sich gewisse Ungleichheiten, von denen namentlich drei durch ihre Grösse schon vor Entdeckung des Fernrohres den Astronomen nicht entgangen waren. Es sind diess, wenn wir mit R. Wolf [114] die chronologische Ordnung einhalten, die von Hipparch entdeckte Glei- chung, die von Ptolemäus entdeckte Evektion und endlich die nach der her- kömmlichen Erzählung von Tycho Brahe, nach Sedillot aber bereits von dem Perser Abul Wafä aufgefundene Variation. *#) Die Kombinationstöne zweier Töne besitzen Schwingungszahlen, welche der algebraischen Summe der Schwingungszahlen der primären Töne entsprechen. Je nach dem Vorzeichen hat man also die bereits von Tartini und Sorge ent- deckten, wenn auch nicht erkannten Differenztöne und die zuerst von Helm- holtz der Untersuchung unterzogenen Summationstöne [118]. IV, $. 9. Anderweite Untersuchungen über Tiden. 395 sich der von Thomson’s mechanischem Genie in’s Leben gerufenen eigenartigen Rechenmaschinen bedienen. *) Eine grosse Anzahl von Resultaten, welche nach dieser Methode für verschiedene Küstenpunkte der Erde errechnet wurden, hat Thom- son in den Jahren 1868, 1872, 1876 und 1878 der britischen Natur- forscherversammlung vorgelegt. Diese Rechnung ergab beispielsweise, dass für die europäischen Westküsten und für einen Theil der ameri- kanischen Ostküste die Eintagsfluthen eine sehr kleine Amplitude haben, und daraus folgt von selbst die grosse Regelmässigkeit, mit welcher die halbtägigen Gezeiten an jenen Ufern sich ausprägen. Bei San Diego in Kalifornien hat nach der harmonischen Analyse die Grösse der Mondtide zu derjenigen der Sonnentide gerade das Verhältniss (21:10), wie es die statische Theorie fordern muss; ebendort verzögert sich auch das Eintreten der Springfluth fast gar nicht gegen die theo- retisch vorausbestimmte Zeit. Zwei weit aus einander liegende Punkte können in einer bestimmten Fluthkomponente sehr gute Ueberein- stimmung zeigen, während sie bezüglich einer anderen wieder sehr weit sich von einander entfernen können; ein bemerkenswerthes Beispiel dieser Art konstatirt Thomson [122] mit den Worten: „The diurnal tide at Liverpool and Freemantle was about the same, but the semi- diurnal tide at Liverpool was about two hundred times as great as at Freemantle.*“ Ausser den bisher einzig in Betracht gezogenen astro- nomischen Faktoren wirken auch noch andere mit, und darunter solche, die, sei es für sich, sei es in Kumulativwirkung, auch durch die feinste Rechnung ihren Strich ziehen können. S. 9. Anderweite Untersuchungen über Tiden. Die Frage nach dem Einflusse der Küstengestaltung auf Grösse und Ankunft der Fluthen ist zuerst von Airy gestellt, von W. Thomson aber mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse des englischen Kanales sründlich studirt worden [123]. Nähere Angaben über Airy’s Kanal- theorie, deren Schwerpunkt eben doch mehr in ihrer schönen mathe- matischen Durchführung lag, findet man bei Auerbach [124]. Als wesentliche Frucht von Thomson’s Arbeit erscheint die Ziehung zweier Grenzlinien im Kanal selbst und in der Nordsee, diesseits und jenseits deren die Gezeiten sich so, wie gegenwärtig, ereignen würden, auch wenn die Verbindungsstrasse gar nicht vorhanden wäre. Viel zu wenig ist in früheren Zeiten die Bedeutung des Windes gewürdigt worden, und erst seit dem Erscheinen des Werkes von Lentz [125] kann auch dieser Faktor so in Rechnung gezogen werden, wie es sich gehört. Wenn der Wind gegen die Küste steht, so wird durch ihn sowohl das Hoch- als auch das Niedrigwasser erhöht, und *) Den ersten Anstoss hiezu bot für Thomson der Versuch, eine Maschine herzustellen, welche das Produkt zweier Funktionen der Variablen x nach diesem x integriren sollte [119]. James Thomson adaptirte für die mechanische Be- stimmung von /ydx das Dynamometer von Morin [120], und sein genialer Bruder William konstruirte, jenen Apparat als erste Staffel benutzend, den „Harmonic-Analyzer“, der aus fünf Scheiben, einem Cylinder und einer zwischen Scheiben und Cylinder eingelagerten schweren Kugel besteht [121]. „Der Tide- Prediceter“ von Roberts ist für denselben Zweck bestimmt. In Verbindung mit diesen bedeutenden Erfindungen stehen auch Thomson’s neue instrumentale Vor- riehtungen zur Auflösung beliebiger Systeme von linearen Gleichungen. FR MER Rn DR 396 ee Pe Oecanographie und ne Physik. e zwar um so mehr, je grösser seine Geschwindigkeit ist. Natürlich verhält es sich bei entgegengesetzter Richtung des Windes auch gerade umgekehrt. Stehen grosse Meeresflächen unter dem Einfluss von Dauer- winden, so wird zu den übrigen die Grösse der Fluthoscillation bestim- menden Komponenten auch eine der Windwirkung Ausdruck verleihende Komponente hinzutreten müssen. In den zahlreich vorhandenen Fluth- kurven des Lentz’schen Werkes spricht sich das Wehen des Windes vielfach ebenso deutlich oder noch deutlicher aus, wie irgend eines der kosmischen Momente, etwa eine ungewöhnlich grosse Deklination des Mondes und dergleichen mehr. Wir verweisen z. B. auf die Kurve von Triest vom 19. Februar 1873, deren Deformität ersichtlich der Bora auf Rechnung zu setzen ist [126]. Bereits damals, als wir uns im I. Bande (S. 315 ff.) mit dem inneren Zustande der Erde beschäftigten, drängte sich uns der Zweifel auf: Sind die von uns wahrgenommenen Tiden nicht viel- leicht blos Differentialtiden, indem auch der feste Erdkörper unter dem Einflusse der anziehenden Himmelskörper eine Formveränderung erleidet? Es ward dort daran erinnert, dass über diese Frage hauptsächlich durch den Nachweis oder Nicht-Nach- weis von Gezeiten sehr langer Periode entschieden werden könne. G. Darwin hat auch für andere Aggregat- und Dichtigkeitszustände unseres Erdkörpers, als denjenigen vollkommenster Starrheit, die Unter- suchung durchgeführt |127] und gefunden, dass Fluthhöhen und Fluth- eintrittszeiten bei einem Sphäroid aus zähflüssiger Masse in dem Maasse sich verringern, beziehungsweise verzögern, je höher der Grad der Zähigkeit ist. Wichtiger, als für die T'heorie der aktuellen Gezeiten, sind diese Studien wahrscheinlich für die Klarstellung der Rolle, welche Ebbe und Fluth in früheren geologischen Zeitaltern bei der Erdbildung zu spielen berufen gewesen sind.*) $. 10. Das Eindringen der Fluth in die Ströme. Bei vielen Flüssen in allen Theilen der Erde begegnet uns eine Erscheinung, welche im Deutschen als Rastern bezeichnet wird. An den Ufern der Dordogne spricht man von „Mascaret* oder von „Rat de maree,* bei’'m Ganges gilt die Bezeichnung „Bore* oder „Kenterung*, bei’'m Maranhon *) Auch diesen Cyklus von Fragen finden wir am Gründlichsten durch Darwin [128] beleuchtet. Indem Sonne und Mond auf die bereits hergestellten Flutherhöhungen, sei es des Wasseroceanes, sei es des mehr oder weniger flüssigen Kernes selbst wirken, bringen sie eine Verschiebung der Theilchen zuwege, die dem Quadrate des Sinus der geographischen Breite proportional ist. Soweit wir dieselbe heute kennen, ist sie zur Erklärung irgend einer Schichten-Verbiegung oder Verstellung absolut unzureichend, weil viel zu klein; bedenkt man aber, dass nach Darwin die verschiebende Kraft der sechsten Potenz der Mondesdistanz umgekehrt proportional ist, so könnte in der geologischen Vorzeit diese jetzt nicht mehr merkliche Kraft bei der Gestaltung der heutigen Kontinente sich wohl be- thätigt haben [129], und damit wäre der in der Randnote auf Seite 326 dieses Bandes erwähnte Gegenstand exakter Behandlungsweise weit näher gerückt. Ball will übrigens [130] die vorzeitlichen Riesenfluthen auf die eozoische Periode be- schränkt und die Kohlenzeit bereits denselben entrückt wissen; auch Newberry [131] und Hull [132] lassen sich darüber aus, dass zum Heile der Menschen die schlimmsten Spring- und Sturmfluthen verschwindend gegenüber denjenigen seien, welche die paläo- und mesozoische Formation erlebten. Ueber hohe Fluthen an sich vergleiche man die darüber von Moseley, Haughton, Elegram, Miller und Yeats gepflogenen Diskussionen [133]. IV, $. 10. Das Eindringen der Fluth in die Ströme. 397 „Barre“ oder „Pororoca“, und auch ausser diesen giebt es noch mehrere Provinzialbenennungen [134]. Die Wellen des Meeres dringen. rasch und rauschend in den Fluss ein, bewegen sich eine oft ziemlich weite Strecke stromaufwärts, werden allmählig kleiner und verschwinden gänzlich. Wenn die Mondfluth mit srosser Intensität das Meerwasser an’s Ufer treibt, oder wenn der Windstau gross genug ist, um sogar die Stromrichtung umzukehren, so ist diese Erscheinung gerade keine auffällige; man gedenke nur dessen, was in 8.4 über Pregel und Trave gesagt ward. Wenn aber (a. a. O.) von glaubwürdigen Zeugen, wie Lagrave Sorbie und Brunelli, berichtet wird, dass das Phänomen gerade bei Niedrigwasser, und dann oft mit verheerender Gewalt, eintrete, so stehen wir vor einem Räthse. Condamine sah drei, vier, fünf und selbst noch mehr „Vorgebirge* von 4—5 m Höhe den Amazonas hinaufeilen [135], und Dryden will am chinesischen Tsien-Tang sogar Boren von 10 m Höhe beobachtet haben |136]. Ob die Aufstauung in Engen des Fluss- bettes nach La Condamine’s Ansicht, ob ein Interferiren mehrerer Wellen, wie Leipoldt (a. a. O.) meint, hiebei in Mitte liege, lassen wir dahingestellt, jedenfalls darf die Wirkung der Gezeiten nicht un- beachtet bleiben, mag sie auch bei der Dordogne in ganz unerwar- teter Weise sich äussern. Uebrigens sollte ein Erklärer sich vorzugs- weise mit den sowohl für das thatsächlich-beschreibende, wie für das kausal-entwickelnde Moment bedeutsamen Untersuchungen von Bre- montier [137] beschäftigen. Auch sonst hat gerade die neueste Zeit sehr viel von der Theorie zu verwendenden Stoff angehäuft*). Die Wasserbautechniker hatten sich von je aus praktischen Grün- den mit dem Eindringen der Fluthwelle in die Flüsse zu beschäftigen, und ihren bezüglichen Arbeiten dankt auch die Geophysik manch’ nützlichen Wink. In erster Linie denken wir dabei an die Denkschrift des Holländers van der Wyk [140]. Es wird dort der Versuch ge- macht, aus den gegebenen Werthen für die Strömungsgeschwindigkeit, Durchschnittstiefe u. s. w. eines Flusses im Zusammenhalte mit den für die Tiden an der. Flussmündung ermittelten Konstanten die Ent- fernung von der Küste zu bestimmen, bis zu welcher das Rastern sich *) Mathematisch behandelt die Bewegung einer in den Fluss eindringenden Meerfluthwelle Guieysse [138]. Ein Punkt im Wasser habe zur Zeit o die Ab- seisse x und die Ordinate y, zur Zeit t die Koordinaten X und Y; wenn dann A, m und n Konstante sind. k die Flusstiefe und v die Geschwindigkeit bedeutet, so sollen die Beziehungen . X=2ACosmy cos(nt — mx), "= —2A Sinmy sin(nt— mx), v= u Tangmk j m bestehen. Die Bahnen der Wassertheilchen sind elliptisch geformt, am Grunde geradlinig, oben hängt es von der Grösse der Welle ab, ob die Excentricität einen grossen oder kleinen Werth erlangt. Wird durch die eindringende Woge die Tiefe des Flusskanals merklich erhöht, so wird Cosmy nahe gleich 1, Sinmy nahe gleich 0, weswegen die vertikale Bewegung eines jeden Punktes gegenüber der horizontalen vernachlässigt werden kann. — Eine interessante physikalische Untersuchung hat Ekman [139] angestellt. Indem er nämlich nahe bei der Einmündung des Göta-Elf das Kattegat auf seinen Salzgehalt prüfte, fand er, dass dem in das Meer sich ergiessenden Süsswasserstrom stets ein Salzwasserstrom entspricht, der stromaufwärts geht und sich mehr und mehr der Oberfläche nähert. Schwimmer können zum Nachweise dieser Strömung dienen, welche uns im nächsten Kapitel, wenn auch aus anderen Beweggründen, wiederum beschäftigen wird. 398 noch bemerklich macht. v. Schleinitz lehrt Beobachtungen der Ge- zeitenströme richtig anzustellen und nach einer von Boussinesg an- gegebenen Formel zu diskutiren [141]. [1] E. H. und W. Weber, Wellenlehre auf Experimente gegründet, Leipzig 1825. — [2] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 10. Band, 2. Ab- theilung, Leipzig 1842. S. 1314 ff. — [3] Flaugergues, Verhandeling over de be- weging en gedaante der golven, Haarlem 1793. — [4] Gerstner, Theorie der Wellen sammt einer daraus abgeleiteten Theorie der Deichprofile, Prag 1804. — [5] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl.. 10. Band, 2. Abtheil., $. 1284. — [6] St. Venant, Du roulis sur mer houleuse M&m. de la soc. des sc. natur. de Cherbourg, (2) Vol. VI. S. 1 f. — [7] Mottez, Du courant alternatif dans la houle, ibid. (2) Vol. VI. S. 360 ff. — [8] Ibid. S. 368 ff. — [9] Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884. S. 152. — [10] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 4. Theil, Zürich 1862. S. 152. — [11] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 8. Band, Leipzig 1836. S. 737 ff. — [12] R. Wolf, Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte, Nr. 352. — [13] Vaucher, Memoire sur les seiches du lac de Geneve, Mem. de la Soc. de Gen&ve, 1833; daraus in Voigt’s Magazin für das Neueste aus Physik und Naturkunde, 10. Band, $. 503 ff. — [14] Ibid. 12. Band, S. 57. — [15] Forel, Les seiches; vagues d’oscillation des lacs, Luzern 1876. — [16] Forel, Seiches and earthquakes, Nature, Vol. XVII., S. 281. — [17] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik. Wagner’s Geogr. Jahrb., 9. Band, Gotha 1883. S. 32. — [18] Letronne, Recherches geographiques et critiques sur le livre de mensura terrae par Dicuil, Paris 1814. S. 64. — [19] Klönne, Die periodischen Schwankungen des Wasserspiegels in den inundirten Kohlenschächten von Dux, Wien 1880. — [20] Zöppritz, Die Fortschr. ete., $S. 5. — [21] Siber, Fragmente zu einer Geschichte der Meteorologie, Arch. f. Chem. und Meteorol., 6. Band. S. 377. — [22] A tidal probleme, Nature, Vol. XXI. S. 186. — [23] Spallanzani, Beobachtungen über Scylla und Charybdis, Gilbert’s Ann. d. Phys., 5. Band. S. 98 ff. — [24] Th. Fischer, Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeer- länder, Leipzig 1877. S. 92 ff. — [25] Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteorologie, 1. Band, Wien 1883. S. 401. — [26] v. Schweiger-Lerchenfeld, Wogen- gang und Brandung, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat.,. 6. Jahrgang. S. 275 fi. — [27] Handbuch ete., S. 409. — [28] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 6. Band, 3. Abtheilung, Leipzig 1837. S. 1740. — [29] Handbuch ete., S. 411. — [30] Virlet d’Aoust, Action de l’huile sur les vagues de la mer, L’Astronomie (de Flammarion), 1882. S. 384 ff. — [31] Wirkung des Oeles auf die Meeresbrandung, Das Wetter (von Assmann), 1. Jahrgang. 8. 35. — [32] Franklin, On the stilling of waves by means of oil, Phil. Transact., 1774. — [83] Handbuch etc., $. 402. — [34] Das Oelen der See, Gaea, 17. Jahrgang. S. 694. — [35] v. Sonklar, Von den Ueber- schwemmungen, Wien-Pest-Leipzig 1833. $. 14. — [36] Eilker, die Sturmfluthen in der Nordsee, Emden 1876. — [37] Lentz, Fluth und Ebbe und die Wirkung des Windes auf den Meeresspiegel, Hamburg 1879. S. 115 ff. — [38] Ibid. S. 119. — [39] Ibid. S. 120. — [40] Zöppritz, zur Theorie der Meeresströmungen, Gaea, 15. Jahrgang. S. 344 ff. — [41] Lentz, Fluth ete., S. 124 ff. — [42] Wellenhöhe und Wellenkraft, D. Rundschau für Geogr. und Stat., 4. Jahrgang. $. 125. — [43] Koppmann-Walter-Breusing, Das Seebuch, Bremen 1876, S. 31. — [44] Lentz, Von Ebbe und Fluth des Meeres, Hamburg 1874; vgl. [37]. — [45] Ruge, Der Chaldäer Seleukos, Dresden 1865. S. 17. — [46] Peschel-Ruge, Geschichte der Erd- kunde bis auf A. v. Humboldt und C. Ritter, München 1877. S. 69 ff. — [47] Ibid. S. 152. — [48] Ibid. S. 485 ff. — [49] Handbuch etec., S. 447. — [50] Bessel, Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände, herausgeg. von Schu- macher, Hamburg 1848. S. 167. — [51] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 3. Band, Leipzig 1827. S. 54 ff. — [52] Fluthwelle im Hafen von Nagasaki, Gaea, 14. Jahr- gang. S. 608 fi. — [53] Romme, Tableaux des vents, des mar6es et des courans, Paris 1817. — [54] Vigan, Note sur les mar&es de la mediterrane, L’Astronomie (de Flammarion), 1884. S. 113 ff. — [55] Vigan, Etudes sur la mediterranee, Paris 1882. — [56] Toaldo, Epistola de reciproco aestu maris, Phil. Transact., 1777. 8. 144 ff. — [57] Ackermann, Beiträge zur physischen Geographie der Öst- see, Hamburg 1883. S. 142 ff. — [58] v. Schulten, Försök, att förklara orsaken till vattnets stigande och fallande, samt derigenom uppkommande strömdrag i Citate. 399 Oestersjön,. Stockholm 1806. — [59] v. Lorenz-Rothe, Lehrbuch der Klimatologie mit besonderer Rücksicht auf Land- und Forstwirthschaft, Wien 1874. S. 190. — [60] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band, Leipzig 1881. S. 32. — [61] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl.. 3. Band, S. 56. — [62] Ableitung der Fluth- konstanten zu Wusung und Amoy, Ann. d. Hydrogr. u. marit. Meteor., 11. Jahr- gang. S. 206. — [63] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk,, 2. Band. $. 31. — [64] Heger, Die physische und mathematische Geographie, Lübeck 1853. S. 92 ff. — [65] Palmer, Description of a graphical registrer of tides and winds, Phil. Transact., 1831. 1. S. 209 #. — [66] Handbuch etc., S. 119 ff. — [67] Ibid. S. 460 ff. — [68] Stahl- berger, Die Ebbe und Fluth in der Rhede von Fiume, Budapest 1874. — [69] Schubert, Konstruktion der Fadenkurve des verbesserten Seewegintegrators, Mittheil. d. math. Gesellsch. zu Hamburg, Nr. 23. — [70] W. Hess, Hydrometrische Instrumente, Würzburg 1884. — [71] Plutarchi Placita Philosophorum, lib. II. cap. 17. — [72] €. Plinii Secundi Historiae naturalis libri XXXVLU, lib. II. cap. 99. — [73] Cosmographie de Shems-ed-din de Damas, ed. Mehren, Copenhague 1874. S. 4. — [74] Peschel-Ruge, Gesch. ete., S. 222 ff. — [75] Favaro. Intorno ad una nuova edizione delle opere di Galileo, Venezia 1881. S. 11. — [76] Bacon de Verulamio, De fluxu et refluxu maris,. Opera, Francofurti 1665. S. 639 ff. — [77] Stevin, Trait&E de la theorie des mardes, Oeuvres math&m.., revues et aug- mentees par A. Girard, Vol. II., Leyde 1634. S. 177 ff. — [78] Kästner, Geschichte der Mathematik, 4. Band, Göttingen 1800. S. 241 fi. — [79] Ibid. S. 281. — [80] Galilei, Dialogus des systemate mundi, Lugduni 1641. S. 311. — [81] Wallis, De aestu maris hypothesis nova, Oxoniae 1668. — [82] Varenius, Geographia generalis, Amstelodami 1664. lib. I. Cap. 14. — [83] Fournier, L’hydrographie ceontenant la theorie et la pratique de toutes les parties de la navigation, Paris 1643. S. 449 ff. — [84] Peschel-Ruge, Gesch. etc., S. 437. — [85] Fournier, L’hydrogr. etc., S. 455. — [86] Sir Isaak Newton’s Mathematische Principien der Naturlehre, deutsch von Wolfers, Berlin 1872. S. 448. — [87] Pieces qui ont remporte le prix propose par l’academie irancaise pour 1740, Vol. IV., Paris 1740. — [88] Zöppritz, Der gegenwärtige Standpunkt der Geophysik, Wagner’s Geogr. Jahrbuch, 8. Band, Gotha 1881. S. 12. — [89] Kies, De influxu lunae in partes terrae mobiles, Tubingae 1769. S. 21. — [90] Hube, Vollständiger und fasslicher Unterricht in der Natur- lehre, 3. Theil, Leipzig 1794. S. 240 ff. — [9] Fulda, Bemerkungen über Herrn Prof. Hube’s Erklärung der Ebbe und Fluth, Gren’s Neues Journal der Physik, 4. Band. S. 28 ff. — [92] J. C. Fischer, Geschichte der Naturlehee, 6. Theil, Göttingen 1805. S. 781 fi. — [93] Ibid. S. 796 ff. — [94] Pieces ete., Vol. IV. S. 224. — [95] Will. Thomson, On vortex motion gravitational oseillations in rotating water, Nature, Vol. XIX. S. 571 fi. — [96] Parrot, Mängel der Theorie der Ebbe und Fluth, Ann. d. Phys. u. Chem., 4. Band. $. 219 fi. — [97] Drobisch, Versuch zur Beseitigung der von Herrn Professor Parrot angegebenen Mängel in der Theorie der Ebbe und Fluth, ibid. 6. Band. S. 233 ff. — [98] Hugi, Grundzüge einer all- gemeinen Naturansicht, Solothurn 1841. — |99] Whewell, Recherches on the tides, Phil. Transact., 1836, 1837, 1839, 1840, 1848, 1850. — [100] Lubbock, Elementary treatise on the tides, London 1839. — [101] Nürnberger, Populäres astronomisches Handwörterbuch, 1. Band. Kempten 1856. S. 266 ff. — [102] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 2. Band. $. 22. — [103] W. Thomson-Tait, Handbuch der theoretischen , Physik, deutsch von Helmholtz und Wertheim, 1. Band, 2. Theil, Braunschweig 1874. S. 362 ff. — [104] Ibid. S. 369 f. [105] Handbuch etc., S. 432 ff. — [106] Günther, Elementare Behandlung einiger Punkte der mathematischen Geo- graphie, Zeitschr. f. math. u. naturw. Unterricht, 7. Jahrgang. $S. 97” fi. — [107] F. Neumann, Einleitung in die theoretische Physik, herausgeg. von Pape, Leipzig 1883. S. 138. — [108] Challis, On the mathematical principles of Laplace's theory of the tides, Phil. Mag., Vol. L. S. 544 ff. — [109] Auerbach, Die theore- tische Hydrodynamik, nach dem Gange ihrer Entwickelung in der neuesten Zeit in Kürze dargestellt, Braunschweig 1881. S. 15. — [110] Airy, Tides and waves, London 1846. — [111] Auerbach, Die theor. Hydrodyn. ete., S 52 ff. — [112] W. Thomson, On an alleged error. in Laplace’s theory of the tides, Phil. Mag.. Vol.L. S. 227 ff. — [113] Roberts, Preliminary note on a new tide-predieter. Nature, Vol. XX. S. 581 ff. — [114] R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877. S. 48 fi. — [115] Neumayer, Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, Berlin 1874. S. 82 ff. — [116] Handbuch etec., S. 465 ff. — [117] Hand- buch ete., S. 471. — [118] Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik, Braunschweig 1863. S. 227 ff. — [119] W. Thomson, On an instrument for caleulating /o (x) VL (x) dx, Proceed. Je DEREN. 2 TEN E3n San, 3 Tan a RR Be a a a nt BIUERIRFEN O \ ee Feat 400 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. of the royal society of London, 1876. S. 266 ff. — [120] J. Thomson, On an no grating machine having a new kinematie principle. ibid. 1876. $. 262 #. — [121] W. Thomson, Harmonic-Analyzer, ibid. 1878. 8. 371 f. — [122] W. Thomson, On the tides of Port Luis (Mauritius) and Freemantle (Australia), Nature, Vol. XVI. S. 405. — [123] W. Thomson, Influence of the straits of Dover on the tide of the British Channel and the North-Sea, ibid. Vol. XIX. S. 152 ff. — [124] Auer- bach, Die theor. Hydrodyn. ete., S. 41 ff. — [125] Lentz, Fluth und Ebbe ete,, S. 115 fl. — [126] Ibid. S. 101. — [127] Darwin, On the bodily tides of a viscous and semi-elastic spheroid and on the ocean tides on a yielding nucleus, Phil, Transaect, 1879. S. 1 ff. — [128] G. Darwin, Problems connected with the tides of a viscous spheroid, ibid. 1879. S. 839 ff. — [129] Handbuch ete., 8. 474. — [130] Ball, A glimpse trough the corridors of tides, Nature, Vol. XXV. 8. 79 ff. S. 103 ff. — [131] Newberry, Hypothetical high tides, ibid. Vol. XXV. 8.357 ff. — [132] Hull, Ancient tidal action and planes of marine denudation, ibid. Vol. XXV. S. 177 ff. — [133] Moseley, The highest time on record, ibid. Vol. XIX. $. 263. — [134] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 8. Band, Leipzig 1836. $. 1217. — [136] Ibid. S. 1219. — [136] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 2. Band, $. 29. — [137] Bremontier, Sur le Mascaret, Journal de physique, Vol. LXXIX., S. 220 ff. — [138] Guieysse, De la propagation des marees dans les rivieres, Journ. des math. pures et appli- quees, (3) Vol. I. S. 399 ff. — [139] Ekman, Notice sur le mouvement de l’eau dans le voisinage de l’embouchure des fleuves, Arch. des sciences phys. et nat.. Vol. LIV. S. 62 ff. — [140] van der Wyk, Ueber die niederländischen Flüsse und die Mittel zu ihrer Verbesserung, Deventer 1832. 8.19. — [141] v. Schleinitz, Ein Beitrag zur Theorie der Wasserbewegung in Strömen, Ann. d. hydr. u. marit. Meteorol., 6. Jahrgang. S. 225 ft. Kapitel V. Die Strömungen im Meere. S. 1. Gegensätzlichkeit der Wellen- und der Strombewegung. Wäh- rend bei der Wellenbewegung, möge sie nun durch Wind oder kos- mische Attraktion veranlasst sein, ein bestimmtes Wassertheilchen seine Bewegungen nur innerhalb eines sehr enge begrenzten Raumes voll- führt, giebt es im Meere auch anderweite Bewegungen, nämlich solche progressiver oder translatorischen Natur. Die von diesen Be- wegungen ergriffenen Wassermassen werden in bestimmten Richtungen mit ziemlich gleichförmiger Geschwindigkeit fortgeführt; ein Theil des Meeres tritt zu zwei anderen in ein ganz ähnliches Verhältniss, wie es zwischen einem festländischen Strome und seinen beiden Ufern ob- waltet, nur dass die Lage dieser Ufer keine gleich unveränderliche, sondern eine innerhalb gewisser Grenzen veränderliche ist*). Man ist demnach völlig berechtigt, von Meeresströmungen zu sprechen. Muncke’s Eintheilung [2] in ganze Ströme — von den Briten „bo- dily ceurrents® genannt —, Oberströme und Unterströme ist an *) In der weitaus verdienstlichsten Schrift, die zur systematischen Begründung der Lehre von den Meeresströmungen in neuerer Zeit erschienen ist, in derjenigen von P. Hoffmann, wird die Analogie mit den Flüssen deswegen verworfen, weil bei'm Mangel wirklicher Ufer die Bewegung der Stetigkeit entbehre [1]. Wir denken jedoch, dass unter den angegebenen Kautelen ein Vergleich zulässig ist, giebt es doch auch Süsswasserströme, welche durch Ueberschwemmung und un- ausgesetzte Erosion es dahin bringen, dass an ihnen gar keine sicheren Uferlinien mehr zu erkennen sind. V.$. 2. Aeltere Beobachtungen über Meeresströmungen. 401 sich leicht verständlich; im ersteren Falle herrscht der nämliche Be- wegungszustand vom Wasserspiegel bis zu sehr beträchtlichen Tiefen hinab, im zweiten sind nur oberflächliche, im dritten nur die tiefer liegenden Schichten in Mitleidenschaft gezogen. Die sonst wohl auch viel gehörte Eintheilung in eigentliche Ströme („stream-currents“) und Driftströmungen („drift-currents“) lassen wir, im Einverständnisse mit Hoffmann [3], fallen, da dieselbe mit den neueren Ansichten über die wahre Causa movens der fortschreitenden Meeresbewegung nicht mehr im Einklange stehen. Dass die mathematische Theorie der Wasserwellen eine völlig andere sein muss, als diejenige der Meeresströme, leuchtet an sich ein. Die letztere hat zur Grundlage die Lehre von den stationären Be- wegungen, d. h. von jenen Bewegungen, deren Zustand sich mit der Zeit nicht mehr verändert. Erst in allerneuester Zeit ist ernstlich Hand an die Aufgabe gelegt worden, die allgemeinen Sätze, welche man aus anderen Zweigen der Physik, namentlich aus dem Kapitel von der Wärmeleitung, abstrahiren konnte, gründlich für die uns hier beschäftigende hydrodynamische Frage zu verwerthen. $S. 2. Aeltere Beobachtungen über Meeresströmungen. Solche Beobachtungen mussten sich in dem Maasse mehren, als die Küsten- schifffahrt des Alterthums und Mittelalters sich unter den Auspicien der muthigen Portugiesen zur freien Seefahrt ausbildete. „Den Golf- strom,“ sagt Peschel [4], „fanden schon die Portugiesen im XV. Jahr- hundert, den Mocambiquestrom muss bereits Vasco de Gama bemerkt haben, denn er gab dem Kap Üorrientes seinen Namen*), den Golf- strom nahe an seiner floridanischen Enge fand Antonio de Alaminos im Jahre 1513, den Labradorstrom Sebastian Cabot vielleicht schon auf seiner Fahrt im Jahre 1497, mit dem kalten peruanischen Küsten- strome mussten schon die ersten Entdecker kämpfen, und da er in den alten Lootsenbüchern bereits erwähnt wird, so hat A. v. Hum- boldt sich lebhaft verwahrt, dass jene Erscheinung nach ihm benannt, werde.“ Im Jahre 1665 stellte Athanasius Kircher, der uns schon früher (S. 25 dieses Bandes) als sachverständiger Freund graphischer Darstellung begegnete, Alles, was man um jene Zeit von den Meeres- strömungen wusste, auf einer Karte zusammen [7]. Zumal der einfluss- reiche und schon sehr bald als Witterungs-Regulator angesprochene Golfstrom, von welchem uns Kohl [8] eine sehr schätzbare Geschichte geliefert hat, zog mehr und mehr die Aufmerksamkeit der Geographen auf sich, in erster Linie des grossen Varenius, der dessen Ursprungs- stätte sehr wohl erkannt hatte. Sehr eingehend beschäftigte sich J. Vossius mit den Meeresströmen in einer bei allen Mängeln doch originellen und auf ein für jene Zeit beträchtliches empirisches Ma- terial sich stützenden Schrift [9]. Derselbe hebt besonders hervor *) Der Kampf, den die portugiesischen Segler gegen diese mächtige Strömung aufnehmen mussten, war kein leichter, denn Gama sah sich dadurch, wie Ruge berichtet, genöthigt, von seinem sonst ziemlich strenge innegehaltenen Principe der Küstenschifffahrt abzugehen und nach Madagaskar hinüber zu lenken [5]. Auch Cabotto machte seine Entdeckung in für ihn widerwärtiger Weise, indem ihn die von der Polarströmung herbeigeführten Eismassen zu raschem Verlassen der neu entdeckten Küste von Labrador zwangen [6]. Günther, Geophysik. II. Band. 26 402 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. einen „motus perpetuus“ in der heissen Zone, welcher genau dem täg- lichen Laufe der Sonne folge und am kräftigsten zwischen der pe- ruanischen Küste und den Molukken sich offenbare [10], eine zweite ähnliche Bewegung, welche durch den jährlichen Lauf der Sonne be- dingt sei, eine meridionale Richtung einhalte, in ihrem Verlaufe aber auch durch die Küstenkonfiguration Afrika’s wesentlich beeinflusst werde [11], und endlich einen „modus tertius priori semper contrarius“, von welchem der Golfstrom sich als ein Theil darstellt [12]. Auf die theoretischen Ansichten, welche Vossius mit diesem von ihm begrün- deten Systeme verknüpft, wird später einzugehen sein. Jedenfalls steht dieser Theil der Meereskunde der Darstellung nach bei Vossius schon auf einem viel höheren Standpunkte, als in der zwanzig Jahre früher veröffentlichten nautischen Encyklopädie des Fournier, deren Verfasser in dem Abschnitte „Des courants qui se trouvent en divers lieux de la mer“ [13] zwar eine recht fleissige Liste aller ihm bekannten Lokal- strömungen, zwanzig an der Zahl, mittheilt, aber nur zum Zwecke der Segelanweisung und ohne Versuch der Aufsuchung geographischer Bindeglieder. — Das XVIII. Jahrhundert vermehrte den Vorrath des Wissens auf unserem Gebiete nicht sehr erheblich, selbst in Kant’s trefflichen Vorträgen ist der Gegenstand ziemlich oberflächlich ab- gehandelt [14], und von Originalbeiträgen selbstständiger Forscher scheinen nur einige mehr gelegentliche Aeusserungen Franklin’s [15] in Betracht zu kommen. Eine Aenderung zum Besseren trat in den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts ein, als drei Forscher ersten Ranges, Sabine, Scoresby und Rennell, dem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit zu- wandten. Rennell’s Darstellung der atlantischen Strömungen [16] kann recht eigentlich als der Markstein der neuen Aera gelten. Als dann noch Maury’s „Sailing Directions“ den Praktikern an’s Herz gelegt hatten, wie wichtig für die Erzielung kurzer Seereisen neben der Berücksichtigung der Dauerwinde auch diejenige der Strö- . mungen sei, begann Vertrautheit mit diesen letzteren als für den Oceano- graphen selbstverständlich betrachtet zu werden. $. 3. Hülfsmittel für das Studium der Meeresströmungen. Nur in Ausnahmsfällen wird es möglich sein, direkt, d. h. etwa durch Beobachtung des von Schwimmkörpern zurückgelegten Weges, sich über Richtung, Lage und Geschwindigkeit von Meeresströmen ein Ur- theil zu bilden. Man muss deshalb gewöhnlich zu indirekten Beob- achtungen seine Zuflucht nehmen. So ist man häufig von einem Erfahrungssatze ausgegangen, welcher sich auffallenderweise fast nir- gends klar formulirt findet, dem man aber unschwer diese Fassung ertheilen kann: Sobald für eine Anzahl von Punkten auffallende Sprünge im Salzgehalt und in der Meerestemperatur gegen- über Nachbargebieten hervortreten, liegt die Vermuthung nahe, dass die Verbindungslinie der fraglichen Punkte ein stromloses Meeresgebiet von einem stromerfüllten trennt. Wer sich für die Anwendung dieser Regel auf ein konkretes Beispiel interessirt, der möge den Abschnitt in Krümmel’s Theorie der at- lantischen Strömungen studiren, welcher aus der Wärmevertheilung in den Oberflächenschichten des Atlantik Schlüsse vorgenannter Art N Ir e y V.$S. 83. Hülfsmittel für das Studium der Meeresströmungen. 403 ziehen lehrt [17]. Das, was dort als thermische Stratigraphie der Meere bezeichnet wird, dient zur Korrektion der aus den Ver- hältnissen der oberflächlichen Partieen entnommenen Schlüsse. Wenn man mit J. J. Wild [18] ein generelles Diagramm der oceanischen Strömungen entwirft, so findet man, dass die Strömungen der Luft wie die der Oceane um die Centren der Luftdruckvertheilung über den Oceanen ceirkuliren. Damit ist ein neuer hodegetischer Fingerzeig ge- geben. Hann konstatirt als Thatsache |19]: „Die Meeresströmungen folgen den vorherrschenden Winden, nur die warmen Strömungen an den Nordostküsten der Kontinente bilden eine Ausnahme insofern, als im Winter die kalten kontinentalen Nordwestwinde fast rechtwinklig auf die Meeresströmungen hinaus wehen, ohne dieselben wesentlich von ihrem Kurse abzulenken.* Wir nehmen diess einstweilen als ein durch vielfache Erfahrung gestütztes Faktum hin, dessen kausale Grundlage später einleuchten wird. — Wenn ein Kapitän die Route seines Schiffes für die oceanische Stromkunde verwerthen will, so erreicht er seinen Zweck dadurch, dass er die aus den astronomischen Besteckaufnahmen berechnete Distanz — die astronomische — zweier Orte mit der durch die Logrechnung gefundenen — der geometrischen — vergleicht. „Die beste Art, aus einer grossen Zahl von Einzelbeobachtungen zu einem Ueberblicke über die thatsächlichen Verhältnisse zu kommen, dürfte sein: alle Beobachtungen zusammenzustellen, der Richtung nach getrennt nach Quadranten, aus den Quadranten das arithmetische Mittel für die Geschwindigkeit zu berechnen und die Stromrichtung nach vier Quadranten neben den Stromstillen anzugeben nach Procenten aus der Gesammtzahl der Beobachtungen“ [20]. Freilich wird man, wie Hoffmann (a. a. O.) betont, auch bei vorsichtigster Anwendung der vorbezeichneten Methoden, nicht immer den Verlauf der Ströme richtig erkennen, und es wird sogar nicht aus- bleiben, dass die so aufgenommenen Stromdiagramme Einzelheiten auf- weisen, welche den elementaren Gesetzen der Mechanik widersprechen. Aus diesem Grunde ist der theoretischen Betrachtung ein grösseres Feld einzuräumen, als es vielfach üblich war und ist. Sehen wir nun zu, wie sich uns das Bild der für die einzelnen Meere charakteristischen Ströme darstellt. Unserer Beschreibung liegt Fig. 78 zu Grunde*). S. 4. Die Strömungen des atlantischen Meeres. Wie leicht zu erklären, ist dieser Ocean der am Genauesten erforschte. Die Publi- kationen des englischen meteorologischen Komite’s [22] und eine Ar- beit von Koldewey |23] dienten als Basis für Krümmel’s sorgfältige Monographie (s. 0.); in neuester Zeit haben Attlmayr und E. Mayer eine höchst ausführliche Schilderung des atlantischen Strömungssystemes veröffentlicht [24], und auch P. Hoffmann [25] beschäftigt sich mit ihm als mit einem trefflichen Belege für seine theoretischen Ansichten. Hier, wie sonst, haben wir zweierlei Gattungen von Strömen zu unter- scheiden: die äquatorialen oder warmen Strömungen und die polaren oder kalten Strömungen. Allerdings sind dabei *) Maassgebend war für dieses Tableau hauptsächlich das Supan’sche [21]. doch sind nach Krümmel und Th. Fischer mannigfache Abänderungen und Zusätze angebracht worden. re 404 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. | die Worte „kalt“ und „warm“ cum grano salis zu verstehen. Des Ferneren steht jeder Aequatorialströmung von West nach Ost eine Aequatorialgegenströmung von Ost nach West zur Seite. Fig. 78. 5 e it m se 272 N a N! a“ Ai “ | SA NN Se 4 N GE A: E mar un an } Ponmmmmm. 2 a il A men, ; IB ü a —- e_ a. EN EN \ | ee 7 I —— ! 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Der Aequatorial- strom des Nordostpassates wird häufig als nordafrikanische Strömung bezeichnet, welcher Name aber nach Hoffmann besser dem Küstenstrome zwischen Sierra Leone und Kap Palmas vorbehalten bleiben sollte. Das Vorhandensein zweier verschiedener Aequatorial- strömungen und einer zwischen beide eingelagerten Gegenströmung ist, nach Krümmel, im Gegensatze zu Rennell, zuerst von Findlay erkannt worden [26]. Der sogenannte Guineastrom unterliegt hin- sichtlich des von ıhm beherrschten Raumes starken periodischen Schwankungen, deren Durchschnitt unser Bild zu repräsentiren ver- sucht [27]. Südlich scheint der durch seine blaue Farbe charakteri- sirte Guineastrom etwa bis zum Kuilu zu reichen. Von der afrikani- schen Küste weg wendet sich der Südäquatorialstrom nach Westen, durchschnittlich bis gegen 3° Norderbreite sich ausdehnend; allmählig wächst die nördliche Breite der Grenzlinie bis zu seiner Annäherung an die Küste von Brasilien [28]. Die Stromaxe des Aequatorialstromes entspricht in diesem westlichen Theile völlig der Linie grösster Inten- sität des Südostpassates, und mit dieser biegt sie, an dem vorspringenden Winke des brasilischen Küstenrandes angelangt, nordwestlich um. Zwischen den Rocas und der Insel Trinidad wird die Aequatorialströmung zum Guianastrom [29]. Im Herbste hält dieser letztere eine nörd- lichere Richtung ein, als in den übrigen Theilen des Jahres; auch bleibt er vom Gestade ziemlich weit entfernt und hindert z. B. den Amazonenstrom nicht, noch auf bedeutende Entfernungen sich als selbstständige Küstenströmung geltend zu machen. Durch die Kanäle, welche die einzelnen Bestandtheile der Antillen-Gruppe trennen, dringt ein Theil der von Westen kommenden — und deshalb auch nach der eigenthümlichen Ausdrucksweise des Seefahrers*) als West- strom zu bezeichnenden — Strömung in den mexikanischen Busen ein, während ein Zweigstrom an der Ostsee jener Inselkette hinauf- seht und an seinem Theile mit den Anstoss zu der Antillenströ- mung giebt. Während nämlich früher der auch noch auf den Berghaus- schen Karten zum Ausdrucke gelangte Glaube herrschte, dass alles Wasser des warmen nordatlantischen Strömungskomplexes dem mexi- kanischen Golfe entstamme, ist durch die von Krümmel [30] bear- beiteten Beobachtungen des „Challenger“ ausser Zweifel gestellt worden, dass die Hauptmasse jenes Wassers von der nördlichen Aequatorial- strömung her ausserhalb der Antillen nordwestwärts geht, sodann nörd- lich und schliesslich nordöstlich umbiegt. Bis zu einer Tiefe von 510 m hinab begegnen wir hier einer gleichmässigen Temperatur von 15°. Mit diesem Strome vereinigt sich, aus der relativ engen Strasse nörd- lich von Kuba hervorbrechend und durch seine Intensität den Antillen- strom zunächst ganz in Schatten stellend, die Floridaströmung. Nachdem, Hoffmann’s Wortausdruck beizubehalten [31], die „Riegel von Bennini“ passirt sind, treten beide vereinigte Zweige als der *) Die Richtungsbezeichnung ist für Meeresströme die umgekehrte wie für Winde. 406 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. wohlbekannte Golfstrom auf, der nun mit ziemlich gleicher Ge- schwindigkeit und mit wenig wechselnder Breite dem Küstenlaufe bis gegen Charleston hin folgt. Seitens der amerikanischen Küstenver- messungskommission sind, unter der speziellen Leitung von Hilgard, Howell, Sigsbee und Bartlett, seit mehr denn zehn Jahren Unter: suchungen über die Fortpflanzung und die Bezugsquellen des Golf- stromes angestellt worden, über welche auch ein zusammenfassender Bericht in deutscher Sprache vorliegt [32]. Zunächst ist durch diese festgestellt worden, dass das Wasser im Golfe nicht einen eigentlichen Kreislauf beschreibt, und dass die hohe Temperatur hauptsächlich von der Windward-Passage herrührt, zu welcher das der stärksten Inso- lation ausgesetzte Wasser über zahlreiche flache Bänke hinweg gelangt. In gewissen Tiefen stimmt die Temperatur auch späterhin noch mehr- fach mit derjenigen der Windward-Passage überein. Die Strömung geht über ein ziemlich ebenes Plateau dahin, welches sich sanft in östlicher Richtung abdacht und gegen Norden zu immer schmäler wird. Bei Kap Hatteras tritt das fliessende Wasser in grössere Tiefen ein, „es verliert den Boden unter den Füssen“ und wendet sich ost- wärts [33]. Nun prägt sich auch sein Stromcharakter deutlicher aus, seine T'’emperatur wird höher, seine Dichte grösser, die Farbe ein tieferes Blau. Allmählig treten Stromtheilungen hervor. Der Haupt- arm ergiesst sich zwischen Island auf der einen, Grossbritannien und Skandinavien andererseits in das nördliche Eismeer, ein minder starker Arm ist sehr weit in die Davis-Strasse hinein zu verfolgen, indem er das thermale Uebergewicht des westlichen Grönlandufers über das öst- liche bewirkt, und der als Rennellströmung bekannte südöstliche Seitenzweig dringt durch den biscayischen Busen hindurch zur West- küste Irlands empor*). Rennellströmung und nordafrikanische Strömung laufen hiernach neben einander her. Was den Hauptstrom anlangt, so hat derselbe, wie gezeigt, in der Hauptsache eine nordöstliche Richtung, doch muss es fast scheinen, als würden seine Gewässer ab und zu auch nach Nord und Nord-Nordwest getrieben **). Die polaren Ausläufer des Golfstromes werden uns in einem der nächsten Para- graphen noch besonders beschäftigen. Das warme Wasser des Golfstromes hat an drei verschiedenen Stellen seinen Besitzstand gegen das eindringende Wasser kalter Polar- ströme zu vertheidigen. Eine dieser Stellen (s. die Figur) gehört bereits den Eismeeren, eine zweite liegt zwischen Island und Grönland, *) Es ist die allgemeine Ansicht [34], dass die günstigen klimatischen Ver- hältnisse England’s, Irland’s und Norwegen’s grossentheils auf Rechnung des Golf- stromes zu setzen sind, und es hätte diess auch kaum etwas Wunderbares, wenn man berücksichtigt, dass nach Croll’s Rechnungen [35] jener Strom täglich aus den Aequatorialgegenden eine Wärmemenge hinwegführt, welche als mechanisches Aequivalent die gigantische Zahl von 154959300000000 Fusspfund haben würde. Gleichwohl ist Carpenter [36] gegen diese Ansicht aufgetreten, ohne dass bisher, soweit wir sehen können, viele Fachmänner sich bisher in ihrer Zuneigung für eine meteorologisch jedenfalls sehr wohl beglaubigte Hypothese hätten irre machen lassen. Nur v. Klöden trat auf Carpenter’s Seite. ı **) Irminger berichtet nämlich [37], dass in Thorshavn (Fär-Öer) und sogar in Julianehaab (Südgrönland) schon oft Glaskugeln angetrieben seien, die nur von den auf den Shetlands-Inseln in Gebrauch stehenden Fischernetzen her- rühren könnten. V.$.4. Die Strömungen des atlantischen Meeres. 407 eine dritte östlich von Newfoundland. Wir haben zunächst also auf die ostgrönländische Strömung Bedacht zu nehmen, welche vom Kap Farewell an auch noch eine kalte Strömung längs eines kleineren Theiles des westgrönländischen Küstensaumes hinaufsendet, als wich- tiger aber kommt die aus der Baffinsbay, resp. aus den Engen der nordwestlichen Durchfahrt stammende und auch von Seiten der Hud- sonsbay aus gespeiste Labradorströmung in Frage [38]. Dieselbe giebt ihr kaltes Wasser zum kleinen Theile in den St. Lorenz-Golf ab, doch vereinigt sich dasselbe grösstentheils wieder mit dem Haupt- aste, der sich jetzt zwischen die Unionsküste und den warmen Golf- strom hineindrängt, bis über Süd-Karolina hinaus sich geltend macht und nach und nach aus einem Oberstrome sich in einen Unterstrom verwandelt. Noch jetzt findet man vielfach die Angabe, dass jener kalte Wasserwall („cold wall“), der bis zu den Tortugas-Inseln den Nordsaum des Floridastromes umgeben soll, auf die Labradorströmung zurückzuführen sei. Allein das scheint mit Bartlett’s Angaben nicht recht verträglich zu sein. Nach diesen wäre nämlich der kalte Wall nichts Stabiles, Dauerndes und noch dazu nicht um so viel kälter als ler Golfstrom, dass man wirklich an eindringendes arktisches Wasser zu denken gezwungen wäre. Auch die hierauf zurückgeführten kalten Bänder, die man oft in das warme Floridagewässer eingebettet sieht, haben einen zufälligen Charakter und rühren vermuthlich von inten- siven Regenfällen her. Nachdem wir sonach die Strömungen des offenen Nordatlantik genügend abgehandelt haben*), wenden wir uns dem Südatlantik zu. Hier fällt unser Auge zunächst auf die Brasilienströmung, welche vom 6. bis zum 40. Grade lat. austr. sich dahinzieht und dann in scharfem Winkel nach Ost und Nordost abspringt. Die Genese dieser Strömung ist vielfach, selbst noch im österreichischen Admiralitäts- handbuche |39], insoferne falsch aufgefasst, als man eine Stromtheilung ohne Ursache in das freie Meer verlegte. Nach Krümmel’s auch von uns respektirter Kartenzeichnung und Begründung [40] ist das Verhältniss jedoch ein anderes. Zwischen den südlichen Aequatorial- cyklus und den Guineastrom schiebt sich eine kalte, grün gefärbte Strömung ein, der Benguelastrom, eine Fortsetzung der mächtigen aus der Südsee kommenden Strömung**), welche wir Kap-Hoornstrom nennen wollen. Der Benguelastrom bleibt der afrikanischen Küste nahe bis zur Mündung des Congo, dessen Wasser er nordwestlich weit abführt [43]***). Westlich der Insel St. Thom& wendet sich diese *) Erwähnt sei anhangsweise, dass der vom Golfstrom nördlich und vom Aequatorialstrom südlich begrenzte Meerestheil jene zahleichen Meerpflanzen be- herbergt, die ihm (vgl. Kap. 1. S. 8 dieser Abtheilung) den etwas übertriebenen Bei- namen „Sargasso-See“ verschafit haben. **) Ob auch zwischen dem Feuerland und dem Kontinent eine Strömung nachzuweisen sei, darüber sind, Mangels genauer Beobachtungen, die Akten noch nicht geschlossen. Varenius sprach von einem „motus ineitatissimus“, der in jener Enge herrsche [41], und auch Mühry hält dafür [42], dass die marinen Wärmeverhältnisse für eine aus dem Atlantik in den Paecifik sich ergiessende Strömung sprächen. ***) In unsere Karte haben wir auch einen kalten Strom eingezeichnet, der an den Westküsten Portugal’s und Marokko's, resp. Senegambien’s zu Tage treten soll. Dieser Strom ist hypothetisch; sein Dasein vermeinte Th. Fischer [44] 408 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. kalte Drift genau äquatorial nach Westen und ist bis zur Insel St. Paul hin als erkaltender Faktor zu verspüren. Ein zweiter Ast des Kap- Hoornstromes bleibt mit progressiver Verschmälerung der südamerika- nischen Küste parallel, verschwindet aber gänzlich, noch ehe er Rio erreicht hat; die Bahnen der Treibprodukte und der antarktischen Eisberge sind charakteristisch für die Existenz dieser Falklandströ- mung [46]. Dieselbe drängt, ganz ähnlich, wie es der Labradorstrom bei’'m Golfstrome macht, die brasilianische Strömung vom Festlande ab, und diese wieder bohrt sich mit ihrem Knie tief zwischen die beiden Aeste der Kap-Hoorndrift hinein. Von der Umbiegungsstelle ab heisst die Brasilienströmung — nach Rennell — Verbindungs- strom, und indem dieser in der Breite des Kaps nach Norden sich wendet, vollzieht sich die Vollendung des Kreislaufes, der annähernd durch die Inseln Tristan d’Acunha, St. Helena, Ascension und (das brasilianische) Trinidad markirt erscheint. Da wir die in der See südlich vom Vorgebirge der guten Hoffnung vor sich gehenden Be- wegungen als dem indischen Ocean angehörig betrachten, so schliessen wir jetzt mit der Betrachtung der Strömungen im offenen Atlantik ab und werfen noch einen Blick auf dessen Rand- und Nebenmeere. Von der Karaibenströmung war bereits die Rede. Es übrigt lediglich, nachzutragen, dass selbe Seitenströme ‚gegen die Mississippi- mündung und, zwischen Kuba und Haiti hindurch, gegen die Bahama’s entsendet. Die Strömungsverhältnisse des romanischen Mittelmeeres sind von denjenigen des freien Weltmeeres bis zu einem gewissen Grade abhängig. Durch die Strasse von Gibraltar geht nämlich ein aus der Rennellströmung stammender Zweigstrom in das mittel- ländische Meer hinein, der allerdings nur in der centralen Partie jener Meerenge klar ausgesprochen ist, an den Küsten dagegen durch ent- gegengesetzte Gezeitenströmungen abgelöst wird |47|. Von dieser Strömung war man naturgemäss bereits in sehr früher Zeit ganz gut unterrichtet, und mit Vorliebe grübelte man, wie Muncke’s Bericht [48] darthut, über den Grund dieser Erscheinung nach, mit welcher man hypothetisch einen aus dem mittelländischen in das atlantische Meer sich ergiessenden Unterstrom in Verbindung brachte*). So wechselnd auch die Strömungen im Mittelmeer erscheinen, so ist ein Kreislauf der Gewässer dennoch unverkennbar. Längs der ganzen afrikanischen Nordküste hin geht ein Strom von West nach Ost, um sodann längs der syrischen Küste nordwärts, längs der kleinasiatischen westwärts zu verlaufen. Für das jonische und adriatische Meer liegen tiefgehende Forschungen von J. Wolf und Luksch vor [50]. Da- nach ist westlich von Corfu deutlich ein Zweig der allgemeinen Mittel- aus meteorologischen Indicien und nicht zum wenigsten aus den feuchten Nebeln erschliessen zu sollen, welche nur zu oft über jenen Gegenden lagern und eine Plage des Seemannes bilden. Dass der emporgewirbelte Wüstensand auch das Seinige zur Verdunkeluug der Atmosphäre beitrage, ward früher ($. 72 dieses Bandes) erwähnt, allein er allein vermag blos trockene Nebel hervorzubringen. Wir erfahren von Ruge, wie hinderlich sich dieses afrikanische Dunkelmeer den hochfliegenden Plänen des Infanten Heinrich erwies, indem es dessen Send- linge von weiterem Vordringen abschreckte [45]. *) Hauptsächlich scheint der Slovene Popowitsch, ein Gelehrter von sehr eigenartigen Lebensschicksalen, sich um die Lösung dieser Fragen bemüht zu haben; leider ist das davon handelnde Werk [49] so gut wie unzugänglich. V,$.4. Die Strömungen des atlantischen Meeres. 409 meerströmung wahrnehmbar, der an der Insel Fand eine Westab- lenkung erfährt und die Adria-Einfahrt kreuzt. Bei der Bocche di Cattaro findet die Vereinigung einer salzigen, den Golf von Drin durch- kreuzenden und einer mehr süssen Strömung statt, welch’ letztere an der albanesischen Küste herunterkommt. Die dalmatische Inselbarriere lässt nur einen Theil des geeinten Stromes hindurch, während ein zweiter Zweig nach Westen abgedrängt wird und bei’'m Monte Gargano mit der in mehrfacher Abzweigung herankommenden istrischen Strömung sich verbindet. Aus dem schwarzen Meere dringt durch Bosporus und Dardanellen ebenfalls ein nicht unkräftiger Strom in den griechischen Archipelagus ein, und eine analoge Strömung verbindet im Durchgang von Kertsch das asow’sche mit dem schwarzen Meer*). Für die Ost- see ward das Strömungsbild am Ende des XVIII. Jahrhunderts von dem schwedischen Admiralitätsrath Nordenanker (1722—1804) ent- worfen [52], und Ackermann führt dessen Grundlinien schärfer aus |53]. Wir haben auseinanderzuhalten den auslaufenden — oder Östsee-Strom, der schon im hohen Norden des bottnischen Busens sich geltend zu machen beginnt und wesentlich auf die im Verhält- nisse zum Areale des Baltik ganz gewaltigen Süsswassermassen, die ihm zugeführt werden, sich zurückleiten lässt**), und den ein- fliessenden — oder Nordsee-Strom. Derselbe entstammt einer durch den Aermelkanal sich windenden Abgliederung des Golfstromes, der von der Doggersbank aus quer durch die Nordsee an die jütische Halbinsel vordringt, dieselbe bis über Skagen hinaus begleitet, dann ım Kattegat abwechselnd unter dem auslaufenden ÖOstseestrome ver- schwindet und endlich an der norwegischen Küste wieder nach Osten abbiegt, um dann als schottisch-englische Küstenströmung den Kreis- lauf abzuschliessen. Die Hauptströmung der Nordsee ist dagegen eine Tiefen-(Unter-)Strömung, welche von dem seichten Skager-Rack einigermassen aufgehalten wird. Ihren weiteren Gang kennzeichnet Ackermann in folgender Weise [54]: „Sie verbreitet sich über die nördliche Hälfte der Nordsee bis zur Ostküste Grossbritannien’s nörd- lieh von Flamborough-Head; an ihrer Südgrenze bespült sie die Nord- abhänge der Bänke zwischen den beiden Nordseehälften. Aus der nördlichen Hälfte der Nordsee gewinnt sie dann anscheinend einen Abfluss nach Süden, indem sie unter der oben erwähnten Küsten- strömung längs Grossbritannien’s Ostküste südlich fliesst und auf dem Grunde der tiefen Rinne der südlichen Nordsee in den Aermelkanal gelangt.“ S. 5. Die Strömungen der Südsee. Der grosse Ocean ist aus- gezeichnet durch seine gewaltige Aequatorialströmung, -welche in ”) Auf K. E. v. Bär machte die unerwartete Stärke dieser Strömung solchen Eindruck, dass er aus derselben Kapital für seine bekannte Theorie der homerischen Oertlichkeiten Kapital schlagen zu können glaubte [51]; hierher sollen die Griechen die Ausströmung entweder des ganzen oder doch wenigstens eines Seitenarmes des die Erde umgebenden „Okeanos“ verlegt haben. **) Ueber die Fortsetzung des auslaufenden Stromes ist man nicht völlig im Klaren, wennschon Ackermann es für wahrscheinlich hält, dass derselbe nördlich von Bergen in die Seitengewässer des an der norwegischen Küste dahin- ziehenden Golfstromes einmünde. 410 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. | einer beiläufigen Breite von fünfzig Graden und mit ziemlich gleicher Vertheilung zu beiden Seiten des Gleichers sich nach West bewegt. Eine Gegenströmung, die im westlichen Theile des Pacifik besonders fühlbar ist, läuft nördlich vom Aequator in entgegengesetzter Richtung und scheidet erstere dadurch in zwei Parallelstreifen [55]. Die Insel- schwärme Polynesien’s bringen Theilungen, Zerreissungen und Lokal- strömungen von verschiedenem Charakter zuwege, wie sich diess auf unserer Karte bemerklich macht. Zwischen 20° und 26° lat. austr. gabelt sich die südliche Strömung; die Rosselströmung geht theils nach der Korallensee und der Torresstrasse, theils um Neu-Guinea herum, ein anderer Zweig erscheint als ostaustralische Strömung. Unmittelbar an der Ostküste Australien’s bis gegen Tasmanien hin walten periodische Strömungen vor [56]. Im Südtheile des stillen Meeres begegnen wir zwischen 40° und 60° südlicher Breite einer Ostströmung, welche als Fortsetzung der durch Neuseeland nur theil- weise aufgehaltenen und gespaltenen grossen Ostströmung aller süd- lichen Meere gelten muss. Dieser Strom erfährt, ehe er an die West- küste des südamerikanischen Festlandes gelangt, eine Zweitheilung*), in Folge deren ein gewaltiger Kaltwasserstrom um Kap Hoorn herum- gesandt wird, um dort (s. $. 4) die Falklandströmung zu bilden. Der andere 'Theil wendet sich nordostwärts gegen Valdivia und Valparaiso. Man nennt diesen Strom Chilestrom und in seiner Fortsetzung Perustrom; der byzantinisch missbräuchliche Name Humboldt- strom (s. $. 2) verdient verworfen zu werden. Sehr genaue Nach- richten über diese Küstenströmung hat uns Hettner vermittelt [57]. Indem derselbe die sehr zerstreuten Beobachtungen eines Duperrey, Findlay, Kerhallet genau prüft und mit den theoretischen An- nahmen anderer Gelehrter vergleicht, gelangt er zu einer befriedigen- den Gesammtdarstellung. Wir vernehmen, dass die nördliche Strö- mung häufigen Unterbrechungen ausgesetzt ist, und- dass die ganze Küstenströmung in hohem Maasse von den wechselnden Windrich- tungen beeinflusst erscheint [58]. Eine im strengen Sinne polare Entstehung hat das kalte Wasser an der Westküste von Südamerika nicht, dazu ist es thermisch zu neutral, und ihre Kraft, die Temperatur herabzusetzen, beweist die Strömung erst bei ihrem Abschwenken nach Norden [59]. Bei Kap Blanco verlässt jene die südamerikanische Küste und geht — nach Th. Wolf [60] — bei den Galäpagos in die ostwestlich gerichtete Aequatorialströmung über, während ein ge- ringerer Arm bis zur Landenge von Darien der Küste nahe zu ver- bleiben scheint. Der nördlich der Gegenströmung dahinfliessende Hauptast der pacifischen Aequatorialströmung entspringt ungefähr unter dem 20. nörd- lichen Breitegrade, bis über welchen hinaus ein an der californi- schen Halbinsel hinstreichender Zug kalten Wassers vordringt. Unter 10° Breite erfolgt die Umbiegung nach Westen, während andere Strahlen sich zwischen die quitensische Küste und den Küstenstrom einschieben. *) Die angeblich bereits in dem Intervalle zwischen 120° und 110° west- licher Länge von Greenwich von dem polaren Hauptstrome sich abzweigende Seitenströmung, der sogenannte Mentorstrom, welchem von Labrosse eine nordöstliche Richtung angewiesen wird, ist, als zu unsicher, auf unserer Karte noch nicht zur Darstellung gebracht. V,$. 5. Die Strömungen der Südsee. 411 Die Nordränder der Hauptströmung sind wenig markirt. Westlich von den Marianen verengt sich die Strömung, welche zugleich eine leichte Direktion nach Norden erhält; unweit Formosa’s strebt ein Theil direkt auf die japanesische Küste zu, ein zweiter geht in die chine- sische See, und ein dritter biegt gegen die Pelew-Inseln hin ab. Jener zweite liefert jedoch nicht etwa eine ganz selbstständige chinesische Strömung, denn die Monsune lassen es zu einer solchen nicht kom- men |61]. Weitaus am wichtigsten ist die japanesische Strömung oder der Kuro-Siwo*). Er biegt, wie wir sahen, bei Formosa und den Majico-Sima-Inseln nordwärts von der Aequatorialströmung ab, wendet sich mit Umkreisung der Lutschu-Inseln gegen Nordost, sendet Seitenströme in's gelbe und japanische Meer, deren Vorhandensein selbst noch an der Küste von Sachalin bemerkt wird, geht sodann zwischen den Inseln Ohosima und Kiusiu hindurch und fängt in dem Meridian von Tokio an, sich fächerförmig auszubreiten. Die östlichen Ausläufer dieses Fächers bilden den Tessanstrom [63], der einer Vereinigung mit der nördlichen Aequatorialströmung wieder entgegen- strebt. Die grosse Aehnlichkeit des Kuro-Siwo mit dem Floridastrom scheint zuerst von J. J. Wild [64] hervorgehoben worden zu sein; „a similar phenomenon,“ sagt er bei Besprechung des letzterwähnten, „oceurring under similar conditions, may be observed in connection with the Kuro Siwo current.* Wie trotz des Monsunspieles die Bildung eines nach jeder Hinsicht so typischen und relativ recht konstanten Meeresstromes erfolgen konnte, das klärte besonders Hoffmann (a. a. O.) auf, in- dem er darauf hinwies, dass der Nordostmonsun erheblich verstärkend auf die Aequatorialströmung wirkt, während in der Zeit des Südwest- monsuns zum Ersatze für letzteren ein aus der China-See vordringen- der Monsunstrom hinzutritt. Die Nordgrenze des Kuro-Siwo und des Tessanstromes bildet eine tiefe und kalte Beringsströmung, die aber nicht aus dem Eismeere zu stammen, sondern dem Berings-Meer eigen- thümlich zu sein scheint [65!. Kalte Ströme durchfurchen das Meer längs beider Ränder der Halbinsel Kamtschatka, und auch die man- dschurische Küste, bis hinab nach Korea, ist von einem solchen Strome umsäumt. Die Namen Kamtschatkastrom und Kurilenstrom charakterisiren an sich schon die Bewegungen in jenem Theile des nördlichen Pacıfik zur Genüge. Die Strömungen im australasiatischen Archipelagus sind nicht wohl zu klassificiren. Im Allgemeinen kann man nur sagen, dass einer- seits die Monsune, andererseits die gestaltlichen Verhältnisse der Küsten von bestimmendem Einflusse sind [66]. $. 6. Die Strömungen des indischen Oceanes. Segelt ein Schiff von der Südspitze Amerika’s hinüber nach derjenigen Afrika’s, so be- merkt man bei vorgenommenen Messungen etwa bei’m 8. Grad öst- licher Länge von Greenwich ein plötzliches Ansteigen der Wasser- temperaturen ; man ist in den Bereich des Agulhasstromes getreten; eine schmale Zunge indischen Wassers dringt hier bis in den Atlantik vor [67]. Nicht leicht anderswo im Meere ist ein Stromknie so scharf umgebogen. Dieser Strom weicht sodann, die kalte Ostströmung *) Nach Hoffmann [62] richtiger „Kuro-Schio“ = schwarzer Strom. En AS 412 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. momentan durchbrechend, südlich aus und verliert sich in antarktischen Breiten, andererseits aber kann er als Glied der grossen indischen Aequatorialströmung aufgefasst werden. Dieselbe bewegt sich [68] im Gebiete des ständigen Südostpassates, jedoch in Grenzen und Durchmesser sehr veränderlich, von Ost nach West und theilt sich nahe bei Rodriguez in zwei Ströme, deren einer nach Reunion und Mauritius weiterzieht, während der andere in der Gegend von Kap Delgado die afrikanische Ostküste erreicht. Hier theilt sich dieser Strom abermals. Der eine Ast erstreckt sich nördlich bis zum Kap Guardafui, jedoch nur in günstiger Jahreszeit, denn der Nordwest- monsun ist im Stande, ihn östlich umzulenken und eine nördliche “ äquatoriale Gegenströmung daraus zu machen. Der andere Ast passirt als reissender Mozambiquestrom die Meeresstrasse westlich von Madagaskar und sendet später einen Theil seiner Wassermassen als Agulhasstrom nach Westen vor, während ein anderer Theil nach Osten abfliesst und so die südliche äquatoriale Gegenströmung bildet. Dieselbe wird späterhin durch einen kalten Strom sgekreuzt, der sich von der allgemeinen antarktischen Strömung abtrennt und selbst den Wendekreis des Steinbockes noch überschreitet, doch sind auch an den australischen Küsten Spuren dieser Strömung wahr- zunehmen, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch Tasmanien und die Bass-Strasse in ihren Bereich zieht. Der persische Golf [69], die Küsten Vorderindien’s [70] und Hinter- indien’s [71] unterliegen durchaus Wechselströmen, welche der Halbjahr- monsun bestimmt. Es ist also nothwendig, für jedes abgegrenzte See- gebiet den Verlauf der Strömungen im Zusammenhalte mit der Folge der Jahreszeiten zu schildern, eine Aufgabe, deren Lösung von einem Lehrbuche nicht erwartet werden kann. Die Strömungen des rothen Meeres kennen wir aus einer Arbeit von Kropp [72]. Nordwest: winde pflegen eine Südostströmung, Südostwinde eine Nordwestströmung auszulösen. Die Nordströmungen begünstigen die arabische, die Süd- strömungen die ägyptische Seite. Im Golf von Aden ist noch, neben den Monsunströmen, eine Nachwirkung der grossen indischen Aequa- torialströmung zu verspüren [73]. $. 7. Arktische und antarktische Strömungen. Von den grön- ländischen und nordamerikanischen Polarströmungen ist bereits das Nöthige beigebracht worden, da dieselben sämmtlich in den Atlantik hineinreichen. Es übrigt aber die Verfolgung des Golfstromes in den arktischen Meeren. Wir sahen, dass ein Zweig derselben bis in die Baffıns-Bay hinaufgeht, den Smith-Sund aber nicht erreicht (Kap. III. 8. 6). Die Hauptarterie spaltet sich nordöstlich von Is- land, und zwar bespült ihr einer Ausläufer die Westküsten Spitzbergen’, während der andere anscheinend von Novaja Semlja aufgehalten wird*). Hören wir, was Petermann über den westlichen dieser beiden Aeste sagt [75]: „Ausschliesslich dem Golfstrome ist es zu danken, dass man mit solcher Leichtigkeit jedes Jahr bis 80° n. Br. gelangen kann... *) Nach Hoffmeyer erstirbt im Winter die Golfstromwirkung bereits in ziemlich weit niedrigerer Polhöhe, als im Sommer, auf den sich wesentlich unsere Angaben beziehen. V,S. 7. Arktische und antarktische Strömungen. 413 In keinem einzigen anderen Gebiete der Erde im hohen Norden giebt es eine einzige ähnliche Stelle, wo man so weit gegen den Pol vor- zudringen vermag“*). Erachtet man diesen Ausspruch als durch die Entdeckung von Franz-Josephs-Land antiquirt, so ist zu bedenken, dass wohl auch diese dem Golfstrome verdankt wird. Wenn wir den östlich von Spitzbergen aus zwei Theilströmen zusammenlaufenden Polarstrom überschreiten, welcher in die erwähnte Gabelung des Golfstromes ein- mündet, so befinden wir uns in dem südlichen Zweigstrome des letz- teren, in dem von v. Middendorff |77] genau beschriebenen N ord- kapstrome. Derselbe geht, kaum merklich abgekühlt, bei'm weissen Meere vorbei auf die karische Pforte los, wo der „Warjäg“ im Juli _ Wassertemperaturen bis zu — 10° maass. Vom Meridian der Halb- insel Kanin aus wird er zum Kaninstrom, der nach Bessels eine Ausdehnung von vier Breitegraden gewinnen kann. Ein Seitenast läuft als eine schwache Strömung an der Westseite der Nordinsel von Novaja Semlja entlang. Glaskugeln von den Loffoten wurden an der Pe- tschoramündung aufgefunden. Novaja Semlja wird nicht unmittelbar vom Golfstrome berührt; schwach, wie er hier schon ist, scheint er eine tiefe, sich quer vorlegende 'Thalfurche voll kalten Wassers nicht überwinden zu können. Die Verbreitung des Golfstromes im weissen Meere ist, wenn Grigorjew richtig aussagt [78], durch den nördlichsten Theil der trichterförmigen Mündung im Meere begrenzt, und aus diesem heraus geht ein kalte Strömung in der Richtung nach der Halbinsel Kanin; noch bei Koguljew aber verräth sich der Golfstrom noch durch Bläue, Wärme und hohen Salzgehalt. Da man weiss, dass eisfreie Meeresstreifen — Polynja — sich allenthalben längs der sibirischen Nordküste hinziehen, so liegt die Annahme nicht ferne, dass zwischen den Mündungen des Ob und der Lena warme Strömungen vorhanden seien. Leipoldt hat fleissig die hiefür sprechenden Zeugnisse v. Wrangell’s, Nordenskiöld’s u. A. zusammengestellt |79], und es scheint uns diese Deutung der Polynja auch so einleuchtend, dass wir uns auf unserer Karte zu ihr bekannten. Anders denkt sich freilich Supan den Sachverhalt [80]: „Wenn auch im Spätsommer, wenigstens im September, eine eisfreie Rinne die Schifffahrt vom Jenissei bis zum Kap Tscheljuskin ermöglicht, so ist diess nur ein Werk der grossen sibirischen Flüsse, deren Gewässer nach dem Austritte in’s Meer durch die Erdrotation nach Osten ab- gelenkt werden.“ Von den Strömungen höherer südlicher Breiten wissen wir so gut wie nichts. Fest steht, dass ein Gürtel verhältnissmässig kalten Was- sers, jene uns so oft begegnende antarktische Strömung, den Erd- ball mit geringen Unterbrechungen umgiebt. Aequatorial ist dieselbe nicht, auch polar ist sie nach Hettner (s. o.) nicht im strengsten Wort- sinne, doch musste sie auf der Karte, die nur zweierlei Strömungs- *) Die schwedischen Spitzbergen-Fahrer fanden bei Shoal Point unter den dort angeschwemmten Treibprodukten eine Bohne von Entada gigalobium, einer 'westindischen Hülsenfrucht [76]. Samen der nämlichen Pflanze ward von Kapitän Mack an der Nordküste von Novaja Semlja angetroffen. Uebrigens kommt in Spitzbergen auch Treibholz vor, das nur von den Mündungen der grossen sibirischen Flüsse nach jener Insel gelangt sein kann und durch eine warme, eislösende Strömung fortgeschafft worden sein muss. N 414 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. formen kennt, wohl oder übel den polaren Strömungen zugerechnet werden, da ihre Wirkung doch mehr eine erkältende ist. 8. 8. Hypothesen über das Entstehungsgesetz der Meeresströmungen. Die Anzahl dieser Hypothesen ist eine grosse, und nicht jede einzelne davon ist eingehenderer Erörterung würdig, vielmehr wird eine gewisse Auswahl zu treffen sein. Hat doch ein Amerikaner Beebe sogar den Erdmagnetismus als Erklärungsgrund in Anspruch genommen |81]. Wenn wir bis auf das Kindesalter unserer Disciplin zurückgehen, so begegnen wir im Wesentlichen zwei Anschauungen: die eine denkt sich die Meeresströmungen als eine Folge der Erdumdrehung, die andere als Konsequenz einer Störung des thermischen Gleichgewichtes. Chorführer der ersteren Schule ist Kepler. „Experientia nautica,* so äussert er sich in der „Epitome astronomiae Copernicanae* [82], „deprehensum est, difficilius et longiori temporis spatio navigari oceanum Africanum in orientem quam in occidentem, propterea quod is motu perenni ruat in occasum.“* Freilich hatte der grosse Astronom dabei nicht bedacht, dass zwar die Rotation auf jeden einmal bewegten Körper richtungverändernd einwirkt (S. 220 des ersten Bandes), dass sie aber von sich aus eine Bewegung nicht hervor- zubringen vermag. Kepler’s mechanische Kenntnisse durften sich mit diesem Erklärungsversuche zufrieden geben, während Kant, als er seine uns bekannte Theorie der Passatwinde auf die Meeresströme über- trug, gegen phoronomische Sätze von damals schon anerkannter Trag- weite verstiess*”). Lionardo da Vinci war vielleicht der Erste, der das Aufsteigen der Gewässer unter dem Einflusse der Tropenhitze und das dadurch bedingte Hineinströmen der polaren Fluthen in die entstandenen Hohlräume als den wahren Grund der in meridionaler Richtung vor sich gehenden Meeresströmungen ansah |84]. Wie unter dem Einflusse der Wärmewirkung einer bewegten Sonne überhaupt Strombewegungen zu Stande kommen könnten, resp. müssten, das hat Vossius in ganz origineller Weise zu erläutern gesucht [85]. AB und UD (Fig. 79) seien die geradlinigen und parallelen Uferlinien eines Kanales, in dessen Mitte ein Kahn Fig. 79. von F nach G fortbewegt wird. Indem das Fahrzeug in das Wasser einschneidet, verdrängt es einen Theil desselben, der sich zu beiden Seiten anstaut und dadurch be- m wirkt, dass von @ gegen F ein langsames Sinken des Niveau’s ein- tritt. Das gestörte Gleichgewicht muss wieder hergestellt werden, und das geschieht dadurch, dass von A und C die Gewässer nach der Einsenkung bei F hinströmen. Ein analoger Vorgang finde nun auch *) Allerdings legt Kant auf die „allgemeine Bewegung des Oceanes von Osten nach Westen“, die von der Erdumdrehung herrühre, ein wesentliches Gewicht [83], und damit hat er Unrecht. Es will uns aber doch fast bedünken, als hätten die vielen Autoren, welche der Kant’schen Lehre Erwähnung thun, sich etwas zu oberflächlich mit ihr beschäftigt, denn wenn man tiefer in dieselbe eindringt, so begegnet man Gedanken, welche sich den von der Gegenwart gehegten Ideen überraschend nähern, wie sich gleich nachher zeigen wird. V,$.8. Hypothesen über das Entstehungsgesetz der Meeresströmungen. 415 in der Natur statt; „quamvis dispar sit causa solis, qui aquam facit intu- mescere, et cymbae, quae aquam prora sua propellit etattolit versusG, idem tamen est effectus.* Die fortschreitende Sonne hebt die Wassermassen längs der Linie, in welcher eine durch ihre Bahn am Himmel gelegte Vertikalebene den Wasserspiegel schneidet, durch ihre wärmende Kraft empor und löst so eine Bewegung aus, ähnlich der vorhin geschil- derten Wechselströmung des von einem Schiffskiele durchfurchten Kanal- wassers. Dass die bekannten Strömungen nicht ohne ein ziemliches Aufgebot von Phantasie dieser einfachen Theorie angepasst werden können, lässt sich freilich denken. Wenn, wie oben (in $. 2) bemerkt ward, unser thatsächliches Wissen von den Strömungen im Meere im Verlaufe des XVIII. Jahr- hunderts keine grosse Bereicherung erfuhr, so darf man sich auch nicht darüber wundern, dass es mit dem Fortschritte in der Erkennt- niss sich ähnlich verhielt. Sehr allgemein vertreten war die Ueber- zeugung, dass die Ströme zur Ausgleichung der in Folge allzustarker Verdunstung einzelner Meeresräume sich ergebenden Niveaudifferenzen dienten*). Franklin dachte zuerst daran (s. o. $. 2), den Florida- strom als ein Ergebniss heftigen Windstau’s (Kap. IV. $. 3) aufzu- fassen und überhaupt die Passatwinde zu den herrschenden Meeres- strömungen in enge kausale Beziehung zu setzen. Die Einseitigkeit und der Doktrinarismus, diese noch aus scho- lastischer Zeit überkommenen Hindernisse exakter Forschungsarbeit, fanden, soweit unser Gegenstand in Betracht kommt, einen energischen Gegner in A. v. Humboldt, der deutlich erkannte, dass man einem so komplicirten Phänomen gegenüber wohl kaum mit einer einzigen Er- klärung ausreichen könne, dass vielmehr an verschiedene Ursachen zu denken sein werde. „Dahin gehören: die um die Erde fortschrei- tende Erscheinungszeit der Ebbe und Fluth, die Dauer und Stärke der herrschenden Winde, die durch Wärme und Salzgehalt unter verschie- denen Breiten und Tiefen modifieirte Dichte und spezifische Schwere der Wassertheilchen, die von Osten nach Westen successiv eintreten- den und unter den Tropen so regelmässigen stündlichen Variationen des Luftdruckes“ [87]. Das Folgende lehrt, dass das klare Auge Hum- boldt’s bereits alle die Faktoren richtig erkannte, die möglicher- weise bei der kausalen Begreifung des Wesens einer Meeressströmung in Betracht kommen können; Niemand wird es ihm zum Vorwurfe machen, dass er die einzelnen Momente noch als gleichberechtigt hin- stelite und keine nähere Auswahl traf. Ein weit später aufgestellter Satz Carpenter’s [88] lautet: Für die aus dem baltischen Meere kommenden Strömungen sind Höhen-, Salinitäts-, Tempera- tur- und Windströmungsunterschiede maassgebend. Diess ist *) Namentlich die Gibraltarströmung bildete ein Kreuz für die Erklärer, da ja doch aus dem schwarzen Meere genug Wasser zugeführt werde, um erstere überflüssig zu machen. „Schon Kircher suchte diese Schwierigkeit durch An- nahme unterirdischer Kanäle zu heben, die unter der Landenge zwischen Asien und Afrika vorhanden sein sollten. Halley und Buffon nahmen ihre Zuflucht zu der starken Verdunstung, die nach Popowitsch noch durch unterirdische Wärme verstärkt werden soll, Bergman aber findet durch Berechnung, dass der Spiegel des Meeres jährlich gegen 22 Fuss wachsen müsste, wovon nur 30 Zoll durch Verdunstung wieder abgehen würden“ [86]. RE TER NN SEEN EEE ETEN DIET ET ER w s ee % FE ELANEZEESTE RI ETET ee h R f RRn, { a { ” 2 AST EEE, Si EN ‚a en a N be Br 416 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. im Wesentlichen ganz dasselbe Resultat, zu welchem auch der deutsche Forscher gekommen war. | Die Unterschiede der Dichte und der Salinitätsstufe schienen Maury in erster Linie Betracht zu verdienen. Das spezifisch schwerere kalte Wasser fliesst am Meeresgrunde vom Pole nach dem Aequator hin, während das leichtere warme, an der Oberfläche dahinfliessend, einen Kompensationsstrom bildet. „In studying the system of oceanic circulation,* sagt der grosse Oceanograph |89], „I have found it necessary to set out with the very obvious and simple principle viz: that from whatever part of the ocean a current is found to turn, to the same part a current of equal volume is obliged to return.* Diese Theorie enthält insofern einen richtigen Kern, als sie die Nothwendig- keit einer Cirkulation der Wassermasse betont, sie vergreift sich aber völlig bezüglich des Grundes, durch welchen zuerst die Bewegung ein- geleitet werden sollte. Forchhammer und Buchanan haben uns (s. Kap. III. 8. 9) überzeugt, dass die Dichtigskeitsschwankungen durchaus keine so beträchtlichen sind, als man früher annahm, und dass die grossen oceanischen Bewegungen denn doch auf minder winzige Unterschiede zurückzuführen sind. Mit der durch die Anziehung von Sonne und Mond erregten Fluthwelle sollen nach der in einer besonderen Schrift [90] vertretenen Ansicht v. Schilling’s auch die translatorischen Bewegungen des Meerwassers im Wesentlichen einerlei sein. Man hätte es demgemäss nicht sowohl mit der im vierten Kapitel betrachteten Fluthwelle, als vielmehr mit Gezeitenströmungen zu thun. Am Aequator, welcher den attraktiven Körpern näher ist, entsteht eine Fluth- strömung, in höheren Breiten entsteht eine Ebbeströmung, der Ausgleich beider Gattungen von Strömungen soll unter einer Polhöhe von 30° vor sich gehen. Die Herstellung einer Konkordanz zwischen den T'hathsachen und der auch mechanisch nicht unbedenklichen Hy- pothese kann nicht anders als sehr künstlich und gezwungen erfolgen. Einen eigenartigen Gedanken hat der böhmische Mathematiker Blazek formulirt und durchzuführen gesucht [91]; sein kunstgerecht auferbautes System, welches man der Hauptsache nach als eine Ver- werthung des Foucault’schen Pendelversuches (I. Band, S. 227) be- zeichnen könnte, steht und fällt nur leider mit einem kinematischen Hülfssatze, dessen Unhaltbarkeit von Zöppritz [92] klar nachgewiesen worden*) ist. Blazek denkt sich einen ruhenden, kreisförmigen W asser- cylinder von sehr kleinem Basisdurchmesser plötzlich über einem festen Punkte der Erde von der geographischen Breite ß aufgehängt, unter ihm wird sich die Erde mit einer Geschwindigkeit —= W sin ß, wo W die Winkelgeschwindigkeit der Erdkugel ist, hinwegdrehen, d. h. der Cylinder wird anscheinend eine Rotation mit entgegengesetztem Dreh- sinne erhalten. Dann heisst es weiter, dass für eine aus unzählig vielen solchen Elementarcylindern zusammengesetzte kreisförmige Röhre, deren jeder sich analog um seine Axe drehe, ganz das Nämliche sich ergeben würde; „in einem mit unseren idealen Cylindern erfüllten *) Bei derselben Gelegenheit verurtheilt Zöppritz ein von Jarz [93] auf- gestelltes System so entschieden, dass wir hier von demselben absehen zu dürfen £ glauben. V,$.8. Hypothesen über das Entstehungsgesetz der Meeresströmungen. 417 Becken welcher Gestalt immer werden sich geschlossene, der Erdrotation entgegengesetzte Strömungen bilden, deren Centra zwischen dem 30. und 35. Breitegrade liegen, wenn letzteres die geographische Lage des Beckens überhaupt zulässt“ [94]. Nun stelle aber unsere Fig. 80 eine kreisförmige Schicht solcher äusserst dünner Oylinder vor, deren jeder im nämlichen Sinne, wie die Pfeile es anzeigen, um seine Längsaxe rotiren möge. Wenn wir einen Punkt A der Seitenlinie in’s Auge fassen, längs welcher zwei solche Elementarcylinder einander berühren, so wirken auf diesen Punkt, wie man sieht, zwei gleiche und entgegengesetzte Bewegungen ein, der Punkt A und’ mit ihm die ganze Seitenlinie, ja das gesammte Cylindersystem bleibt in Ruhe. Die korrekte analytische Behandlung der Details hilft über diesen Grundmangel nicht hinweg. Die thermische Cirkulation ist als das eigentliche Hauptmoment der Strombewegung zuerst von E. Schmid an- erkannt worden |95]. In Deutschland hat in einer wenig beachteten, aber namentlich durch den Reichthum des gebotenen Materiales sehr schätzbaren Abhandlung [96] Baader alle bekannten Meeresströme auf Temperatur- differenzen zurückgeführt. „Das in den Aequatorialgegenden stärker erwärmte und verdunstende Wasser zwingt das kältere, zur Herstellung des Gleichgewichtes sich zu ihm hinzubewegen. Da aber die Erwär- mung nicht gleichzeitig in der ganzen heissen Zone stattfindet, sondern von Osten nach Westen täglich fortschreitet, so muss eben das kältere Wasser diesem Impulse folgen und mit physischer Nothwendigkeit jenen Kreislauf beschreiben, welchen wir in der That sehen“ [97]*). Carpenter glaubte durch ein von ihm angegebenes Experiment den Nachweis geführt zu haben, dass wenigstens die Meridionalströmungen thermischer Natur seien |98], allein so belehrend jenes in seiner Art sein mag, so kann es doch für die wirklichen Verhältnisse keine Be- deutung beanspruchen**). Als der scharfsinnigste und umsichtigste Verfechter der 'Thermalhypothese muss aber gewiss Mühry gelten, dessen Werk [99] besonders dadurch eine Förderung der bisherigen Anschauungen bietet, dass nunmehr dem ÖOceane zweierlei funda- mentale Cirkulationssysteme zugeschrieben werden: die longi- tudinale oder Rotations-Cirkulation und die latitudinale oder Thermal-Cirkulation. Erstere bestehe primär aus dem durch die Erdumdrehung ausgelösten Aequatorialstrom und aus zwei Anti- rotationsströmen, welche jenen zu beiden Seiten, in Halbkreisen zurückströmend, umgeben sollen, so dass das Sargasso-Meer ruhig zwischen ihnen eingebettet liege; die zweite Stromgattung zerfalle wiederum in zwei Unterarten, nämlich in die kälteren und schwereren Polarströmungen einerseits und in die wärmeren, leichteren, also *) Offenbar wird durch Baader sowohl Vossius (s. o.), als auch der alte Lionardo da Vinci wieder zu Ehren gebracht. **) Die in Carpenter’s am einen Ende erwärmter, am anderen Ende ab- gekühlter Wasserwanne sich bewegenden Wassermassen tauchen unter und kommen wieder an die Oberfläche. Allerdings zeigen auch die Karten — die unsrige nicht ausgenommen —- vorläufig ein solches Verhalten einzelner Meeresströmungen, allein die Lagrange’schen Bewegungssätze, die für stationäre Wasserbewegungen gelten, lassen ein derartiges Verhalten nicht wohl zu. * Günther, Geophysik. II. Band. 97 a rt Nast y ER a et AR, j i ER ee DAaEN: RE RN PER =: EN mau \ 418 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. — in Maury’s Sinne — kompensirenden Antipolarströmungen andererseits. Man erkennt leicht, dass Mühry’s System der Dove- schen Konstruktion zweier entgegengesetzt gerichteter Strömungen in der Atmosphäre jeder Erdhalbkugel nachgebildet ist, allein wenn man auch, wie wir es thun, die Sache aus einem ganz "anderen Gesichts‘ punkte betrachtet, so wird man doch aus der Mühry’schen Schrift Vieles lernen können. Krümmel ist auf die von Mühry vertretenen Ansichten mit einigen Modifikationen zurückgekommen [100]. Er nimmt zwei Ascendenzströme, den einen im nördlichen, den anderen im süd- lichen Atlantik an und lässt die Guineaströmung kompensirend die Lücke zwischen beiden ausfüllen. Die Rolle, welche dabei der Cen- trifugalkraft zugetheilt wird, scheint jedoch von dieser nicht gespielt werden zu können. — Die Thermalhypothese irrt nicht sowohl in ihrem Grundgedanken, der theoretisch ganz unangreifbar ist, wohl aber darin, dass sie die mechanische Leistungsfähigkeit der im Wasser entstan- denen Wärmeunterschiede ganz ungeheuer überschätzt; diess wird durch die Rechnungen von Croll [101] zur Evidenz bekundet. Derselbe betrachtet ein gleichmässig tiefes Wasserbecken, dessen Länge mit der- jenigen eines Erdquadranten übereinstimmt, und nimmt zwischen dessen beiden Enden einen Temperaturgegensatz von 30° an. Selbst in diesem doch gewiss sehr extremen Falle hat die entstehende Strömung eine Geschwindigkeit von unerwartet geringem Werthe, und damit ist für das konkrete Beispiel unserer Erde bewiesen, dass das Aufsteigen der kalten Bodenschichten am Aequator ein äusserst langsames, jedenfalls ein sehr viel langsameres sein würde, als es die Carpenter-Mühry- sche Lehre fordert. Neuere Untersuchungen von Haughton und Emerson Reynolds [102] haben Croll Recht gegeben, und Car- penter hat denn auch in der oben citirten Arbeit über Meeresstrassen- ströme seinen früheren Aufstellungen eine erheblich einschränkende Deutung gegeben. Es liegt uns nun noch ob, von einzelnen Spezialuntersuchungen zu sprechen, welche nicht sowohl für eine generelle 'Theorie sämmt- licher Meeresströmungen, sondern mehr nur für die wichtigen Einzel- phänomene die Grundlage zu legen beabsichtigen. Wir denken hier zunächst an die Arbeiten von Witte [103] über den „Cold wall* (s. o. $. 4). Er denkt sich dieses kalte Zwischenwasser zwischen Golf- strom und Küste als von unten emporquellend und meint, die Axen- drehung der Erde lenke die Golfstromgewässer in dem Sinne ab, dass dieselben keine horizontale Fläche mehr bildeten, sondern sich gegen die Küste hin dachförmig senkten. Die rechte, höhere Seite drücke nun stärker als die linke, niedrigere, und so werde das kalte Boden- wasser emporgepresst. Abgesehen von der Thatsache, dass die von der Rotation bewirkte Deviation hier.nicht richtig interpretirt scheint — es begegnet uns die bereits bekämpfte Ansicht, dass Bewegungen im Parallelkreise keiner solchen Deviation unterlägen —, möchten wir Witte’s Auffassung insbesondere auch die oben erwähnten Forschungs- resultate der Amerikaner entgegenhalten, denen zufolge man sich von dem eigentlich gar nicht vorhandenen kalten Wall eine viel zu for- malistische Vorstellung gebildet zu haben scheint. Eine ganz besondere Stellung nehmen die durch Süsswasser- zufuhr bedingten Küstenströmungen ein. Auf jener beruhen, in Nase 9, Erklärung der Meeresströme durch Luftadhäsion und Reibung. 419 Verbindung mit periodisch wehenden Winden und mit der ablenkenden Kraft der Erdumdrehung, die uns bekannten Ausströmungen der Ost- see und die in dem oben ($. 4) angeführten Werk ven J. Wolf und Luksch eingehend studirten sonderbaren Strömungsbewegungen der Adria. Durch Ekman [104] sind wir mit den den Flussmündungen eigenthümlichen Reaktionsströmungen (s. o. Kap. IV. $. 10) bekannt geworden, deren Namen Zöppritz [105] in Aspirationsströmungen umgewandelt sehen möchte. Wenn die Mündung eines Flusses trichter- förmig gebildet ist, so tritt dessen Wasser als halbeylindrischer Strahl aus und in das Meer ein. An der Berührungsfläche zwischen Strom und ruhendem Wasser werden unaufhörlich Wassertheilchen mit fort- gerissen, die eines Ersatzes bedürfen. Ein solcher kann aber nur da- durch geleistet werden, dass eine der Bewegung des Flusswassers ent- gegengesetzt gerichtete Meeresströmung sich am Boden hin nach innen bewegt. Auf diese Erscheinung wird künftig mehr, denn bisher, das Augenmerk beobachtender Geographen gerichtet sein müssen, die grossen Cirkulationsbewegungen der Weltmeere dagegen wird man mit Hülfe der Ekman’schen Ströme allein nicht zu erklären vermögend sein, da für deren Entstehung das Vorhandensein einer als Strahl be- wegten Wassermasse unerlässliche Vorbedingung ist. $S. 9. Erklärung der Meeresströme durch Luftadhäsion und Reibung. Auf die Lehrmeinung, dass bewegte Luft, über eine Wasserfläche hin- streichend, dieselbe in Mitleidenschaft ziehe und in analoge Bewegung versetze, ist schon früher ein Streiflicht gefallen. „Wenn lang an- haltende Winde,“ sagt Kant ganz treffend [106], „nach Einem Striche gehen, so bewegen sich auch die Ströme, die durch sie verursacht werden, nach Einem Striche.* Rennell, John Herschel, Croll, Laughton huldigten in England der Drifttheorie (s. o. $. 1), der sie jedoch einen allzu beschränkten Geltungsbezirk anwiesen [107]. Auch Muncke spricht sich [108] ganz sachgemäss darüber aus, dass es durchaus nichts Widersinniges habe, wenn man sich die Luft durch ihre Adhäsion an das Wasser dieses letztere mit sich fortziehend vor- stelle. Allein viele Gelehrte konnten nicht mit den hergebrachten An- schauungen zusammenreimen, dass ein solcher Impuls von aussen auch noch in grösserer Tiefe einen nachhaltigen Effekt sollte hervorbringen können*), und so schien die Adhäsionstheorie auf schwachen Füssen zu stehen, bis sie durch ihre Verbindung mit der Lehre von der inneren Flüssigkeitsreibung plötzlich erstarkte und nun rasch in den Augen einer grossen Mehrzahl aller Fachmänner an die Spitze aller für das Phänomen der Meeresströmungen ausgesonnenen Hypo- thesen trat. Die Anregung ist in einem wesentlich nach der Seite der theo- retischen Hydrodynamik gravitirenden Aufsatze von Zöppritz [110] enthalten. Wir gedenken nicht im Detail auf die darin enthaltenen analytischen Deduktionen einzugehen, sondern heben nur den für uns besonders wichtigen Umstand hervor, dass sich darin ein Ausdruck entwickelt findet [111], welcher ein Maass für das Eindringen *) Die Passate sollten nach einer freilich ungenauen Berechnung Findlay’s [109] schon in einer Tiefe von etwa 10 m aufhören, sich geltend zu machen. 420 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. eines Oberflächenantriebes in die Tiefe im Verlaufe einer gewissen Zeit liefert. Es ergiebt sich nämlich nun der fundamentale Satz: Wird für die Einwirkung eines mit gleicher Stärke und in gleicher Richtung unaufhörlich wirkenden Windes auf eine Flüssigkeitsmasse ein hinreichend langer Zeitraum zur Ver- fügung gestellt, so ist kein Punkt der Tiefe vor dem schliess- lichen Erreichtwerden durch jene Aktion geschützt. Wie diess zugeht, übersehen wir am besten an der Hand eines zweiten Aufsatzes von Zöppritz |112], in welchem die Betrachtungen seines Vorgängers in ein mehr elementares Gewand gehüllt erscheinen. Wird eine durch zwei Parallelebenen von äusserst geringem Ab- stande begrenzte Menge einer tropfbaren Flüssigkeit, eine sogenannte Schicht, in einer selbst zu jenen Ebenen parallelen Richtung mit konstanter Geschwindigkeit fortbewegt, so erhält die ihr nächst an- liegende Schicht, die mit der ersteren in molekularem Zusammen- hange steht, ebenfalls einen Bewegungsimpuls, und zwar wird die aus diesem sich ergebende Geschwindigkeit für die zweite Schicht in dem Maasse wachsen, je länger die Bewegung der ersten Schicht andauert. Die Geschwindigkeit der zweiten Schicht nähert sich derjenigen der ersten mehr und mehr. Wie die erste auf die zweite, so wirkt diese zweite Flüssigkeitsplatte auf eine dritte, die dritte zieht eine vierte in Mitleidenschaft, und dieser Vorgang der Bewegungsübertragung findet erst dann sein Ende, wenn er die ganze Masse durchlaufen hat. Die von der Reibung ausgeübte beschleunigende Kraft ist unabhängig vom Drucke und proportional der Geschwindigkeitsdifferenz. Zwei benachbarte, d. h. nur durch den unendlich kleinen Abstand & von einander getrennte Schichten haben somit auch nur eine unendlich kleine Geschwindigkeitsdifferenz A, und man kann dann die durch die Flüssigkeitsreibung für die Flächeneinheit bedingte Beschleunigung dem Quotienten A:& proportional setzen. Um also die Gesammtbe- schleunigung herzustellen, müssen wir diese Grösse noch mit einem Faktor f, mit dem Koefficienten der inneren Reibung, multi- pliciren. Da, wo die Flüssigkeit an eine Wand angrenzt, die irgend einem anderen Stoffe von sonst beliebiger Beschaffenheit angehören möge, tritt an die Stelle des obigen Faktors ein anderer, der K.oeffi- cient der äusseren Reibung. Durch die Bemühungen von O. E. Meyer [113], Obermayer [114], Haughton [115] u. A. sind die Werthe dieser Koeffieienten für eine grosse Anzahl tropfbarer und elastischer Flüssigkeiten bestimmt worden*). Nun betrachte man einen gegebenen Meerestheil als eine zwischen zwei horizontalen Ebenen von unbegrenzter Ausdehnung eingeschlossene Wassermasse, deren unterste Schicht einer festen Wand anliegt, deren Oberfläche dagegen durch einen konstanten Dauerwind und durch die Adhäsion der Wassertheilchen an die bewegten Lufttheilchen in einen bestimmten Bewegungszustand versetzt werde. Wird auch, da der Wind einen Wellenschlag zuwege bringt, dieses ideale Verhältniss in Wirklichkeit nur annähernd erreicht, so ist doch diese Annäherung gerade für die wichtigste Erdgegend, für den Tropengürtel nahezu *) Das Verhältniss des inneren Reibungskoefficienten zum äusseren ist der Gleitungskoefficient der Flüssigkeit bezüglich der abschliessenden Wand [116]. V.$.9. Erklärung der Meeresströme durch Luftadhäsion und Reibung. 42] vollständig erreicht. Gesetzt nun, die Oberflächenschicht habe sich seit unendlich langer Zeit ganz genau in dem nämlichen Bewegungs- zustande befunden, dann ist der Bewegungszustand für die Gesammt- masse der Flüssigkeit ein stationärer (s. o. $. 1) geworden, und die Geschwindigkeitsabnahme ist der Zunahme der Tiefe proportional, um am Grunde den Werth Null zu erhalten. Die Grösse des Reibungs- koefficienten ist in diesem Falle irrelevant; einem unendlich grossen Zeitraum gegenüber ist die beweglichste Flüssigkeit ebenso machtlos, wie die zähflüssigste. Anders stellt sich die Sache natürlich, sobald man mit endlichen Zeiten rechnet. Den Reibungskoefficienten des Meerwassers — 0,0144 gesetzt, bringt man heraus, dass nach 239 Jahren die halbe Oberflächengeschwindigkeit bis zu 100 m eingedrungen ist. „Ist die Geschwindigkeit der Oberfläche mit der Zeit periodisch ver- änderlich, wie diess alle von Jahreszeiten und Tagesstunden abhängigen Winde sind, so wird, nachdem dieser periodische Zustand eine unend- lich lange Zeit hindurch geherrscht hat, die Geschwindigkeit in jeder Tiefe eine periodische Funktion der Zeit von gleicher Periode, aber mit nach abwärts schnell abnehmender Amplitude der Veränderlichkeit und verzögertem Eintritte der Maxima und Minima“ [117]. Kurz zu- sammengefasst können wir also das Facit der von Zöppritz ange- stellten Betrachtungen dahin ziehen: Momentane, wenn auch noch so heftige Gleichgewichtsstörungen der Oberfläche pflanzen sich so gut wie gar nicht abwärts fort*), periodische er- lahmen sehr bald, Dauerbewegungen aber setzen sich bis in beliebige Tiefen fort. Demnach ist auch die grösste Mächtigkeit einer Meeresströmung in vertikaler Ausdehnung durchaus nicht als Gegen-Argument anzusehen. $. 10. Vergleichung der Theorie mit der Erfahrung. Soweit bis jetzt eine exakte Vergleichung dieser Art durchgeführt worden ist, hat sich eine höchst erfreuliche Uebereinstimmung ergeben. Die Hoffmann’sche Monographie widmet sich dieser selbst gewählten Aufgabe mit dem grössten Eifer. Der Autor betont aber, dass neben dem primären Einfluss der stetigen Winde auch noch zwei andere Umstände in Betracht zu ziehen seien: die Konfiguration der Meeresbecken [119] und die Erdrotation [120], welch letztere als für eine einmal bestehende Strömung bedeutungsvoll bereits früher erwähnt ward. Das sich einer ankommenden Strömung entgegen- stellende Land giebt Anlass zu jenen Stromtheilungen und Strom- verzweigungen, deren mehrere auf unserer Karte dem Auge be- Sesnen, deren wissenschaftliche Erklärung aber erst seit den Ver- öffentlichungen von Zöppritz [121] auf ganz festen Füssen steht. *) Diesen Umstand hat man mehrfach falsch aufgefasst. Einem besonders auffallenden Missverständnisse begegnen wir bei Eichler [118], der die Resultate von Zöppritz vollkommen fälschlich auffasst und das Wehen eines Orkanes mit dem Wehen eines Dauerwindes vollständig verwechselt. Das wichtige Ergebniss der neueren Strömungstheorie besteht eben in der Aufdeckung des tief gehenden Unterschiedes zwischen den minimalen Dauerwirkungen auch der aller- heftigsten Momentanbewegungen und zwischen dendem Maximum zustreben- den Dauerwirkungen an sich ganz schwacher. dafür aber kontinuirlich sich bethätigender Impulse. N 2 CH 422 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Wenn ein mit gleichförmiger Geschwindigkeit fliessender Strom aus unendlicher — d. h. in der Anpassung an konkrete Fragen aus sehr grosser — Entfernung an eine vertikalihm entgegenstehende Wand trifft, so geht er, wie schon G. Kirchhoff fand, in zwei der Wand parallele Ströme aus einander, welche je die halbe Breite des ursprünglichen Stromes erhalten. Umgekehrt vereinigen sich zwei längs einer Wand sich einander nähernde Ströme schliesslich zu einem senkrecht von jener Wand fortfliessenden Strome, dessen Breite, wenn auch nicht sofort, dem Doppelten der Breite jedes einzelnen Stromes gleichkommt. Doch wird, wie Zöppritz bemerkt [122], das Zustandekommen regel- mässiger Stromfiguren meist dadurch gehindert, dass die Küsten- wand nicht senkrecht, sondern geböscht aus der See emporsteigt. Hoffmann erörtert (a. a. O.) auch den Fall eines schiefen Stosses bei vertikalem Hinderniss*). Die uns aus $. 4 und 5 bekannten Aequatorialgegenströme finden ihre Erklärung als rücklaufende Strö- mungen der in den Passatströmungen durch die Ostküsten der Konti- nente erzeugten Verzweigungen. Dass die Erdumdrehung Deviationen der Ströme bewirken muss, ist uns aus dem ersten Bande (S. 226) bekannt. Ausgerüstet mit diesen Hülfsmitteln, schickt sich nun Hoffmann an, die einzelnen Strömungen individuell zu prüfen. So findet er z. B., dass die Guineaströmung durch gewisse periodische Südwest- winde bedingt ist, dass aber ihre Rechtsablenkung auf Rechnung der Erdrotation kommt [129]. Der Südäquatorialstrom bewegt sich neben hin [130] ganz entsprechend dem Zöppritz’schen Satze [131], dass zwei parallel derselben Geraden in entgegengesetzter Richtung fliessende Ströme sich nicht im Geringsten gegenseitig zu stören brauchen. Das Abbiegen der Strömung von Peru gegen Nordwesten musste einer- seits wegen der Küstenform, andererseits wegen des hier ganz be- sonders deutlich — nach Coffin-Wojeikoff [132] — sich aus- sprechenden Passates erfolgen [133]. Besonders bedeutsam werden Hoffmann’s Aufklärungen für die aus dem hohen Norden kommenden Strömungen, denn diese können sonst als der schwache Punkt der Adhäsionstheorie erscheinen. In Julien’s wegen mannigfacher Excen- *) Der schiefe Stoss einer bewegten Flüssigkeit gegen einen unbeweglichen festen Körper — und ebenso derjenige einer ruhenden Flüssigkeit gegen einen in ihr sich fortbewegenden festen Körper — steht seit mehr denn 100 Jahren als ein schwieriges Problem auf der wissenschaftlichen Tagesordnung. Smeaton [123], v. Gerstner [124], v. Langsdorff [125], Lorgna [126], vor Allem auch Beaufoy, von dessen zahlreichen Arbeiten nur das Hauptwerk eitirt sein möge [127], haben die Frage studirt. Nach v. Langsdorff soll die Stosskraft dem Quadrat des Sinus des Einfallswinkels proportional sein, und von dieser Annahme geht auch Hoffmann (a. a. O.) aus, wogegen Heinemann [128], in Uebereinstimmung mit Scheffler und Bidone, die zweite Potenz durch die erste ersetzt wissen will. — Wenn also ein Wasserstrom unter dem Winkel o, auf eine Vertikalebene trifft, so wird, den Druck des rechtwinkligen Stosses zur Einheit genommen, der Druck auf die gestossene Fläche sin?o, falls das Wasser nach beiden Seiten hin ausweichen kann, dagegen 2. sin? wenn dem Wasser nur nach der Einen a * Seite hin der Abfluss ermöglicht ist. Der auftreffende Strom wird sonach vornämlich nach der Seite des stumpfen Winkels hin ausweichen, doch wird der Theorie nach auch der spitze Nebenwinkel nicht leer ausgehen, was denn auch durch die Be- obachtung bestätigt zu werden scheint. V, 8.10. Vergleichung der Theorie mit der Erfahrung. 423 trieitäten nicht eben brauchbarem Werke [134] kommt z. B. der für jene Zeit ganz berechtigte Einwurf vor, ob man denn z. B. die La- bradorströmung auch blos als Winddrift definiren könne [135]. In der That ist auf diesem Punkte noch Manches zu thun, denn Mohn’s An- sicht, dass der Labradorstrom eine Aspirationserscheinung im Sinne Ekman’s ($. 9) sei, ist nach Nordenskiöld nicht aufrecht zu er- halten [136]; auch die „Golfstromdrift“ längs Skandinavien bietet ihrer eigenartigen Salinitätsverhältnisse halber [137] der Erklärung Schwie- rigkeiten. Dagegen gelingt Hoffmann [138], in Anlehnung an Dall’s Spezialuntersuchung [139], sehr gut die Deutung der oft ziemlich ver- wickelten Strömungsverhältnisse des Berings-Meeres. „Wir erhalten für den nördlichsten Theil des nördlichen stillen Oceanes das Bild einer Strombewegung im cyklonalen Sinne um ein über diesem Ge- biete lagerndes Minimum“ [140]. Dass ein so schwieriges Problem, wie dasjenige der Meeres- strömungen, noch ungeklärte und dunkle Punkte enthält, ist ebenso- wenig zu leugnen, wie zu verwundern. Auch an den herrschenden Ansichten werden, wie Krümmel andeutet |141], noch Korrektionen aller Art anzubringen sein, allein davon glauben wir überzeugt sein zu dürfen: Principiell wird an der von Zöppritz und Hoffmann begründeten Theorie der fortschreitenden Bewegung des Meerwassers nicht mehr gerüttelt werden*). [1] P. Hoffmann, Zur Mechanik der Meeresströmungen an der Oberfläche der Oceane; eine Vergleichung der Theorie mit der Erfahrung, Berlin 1884. 8.1. — [2] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 6. Band, 3. Abtheilung, Leipzig 1837. $S. 1757. — [3] Hoffmann, Zur Mechanik ete., $. 3. — [4] Peschel- Ruge. Geschichte der Erdkunde bis auf A. v. Humboldt und C. Ritter, München 1877. 8. 437. — [5] Ruge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, Berlin 18831. S. 114. — [6] Ibid. $. 502. — [7] Kircher, Mundus subterraneus, tomus I, Am- stelodami 1678. 8. 134. — [8] Kohl. Geschichte der atlantischen Strömungen, (Ber- liner) Zeitschr. f. Erdkunde, 1861. S. 330 ff. — [9] Vossius, De motu marium et ventorum liber, Hagae Comitum 1663. — [10] Ibid. S. 1 ff. — [11] Ibid. S. 4 fi. — [12] Ibid. S.8 ff. — [13] Fournier, Hydrographie contenant la th£&orie et la pratique de toutes les parties de la navigation, Paris 1643. S. 478 ff. — [14] J. Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. S. 490 ff. — [15] Franklin, Letter containing sundry maritime discoveries, Transact. of the Amer. phil. society, Vol. Il. $S. 315 ff. — [16] Rennell, An investigation ot the ' eurrents of the Atlantic ocean, London 1832. — [17] Krümmel, Die äquatorialen Meeresströmungen des atlantischen Oceanes und das allgemeine System der Meeres- eirkulation, Leipzig 1877. S. 13 fi. — [18] J. J. Wild, Thalatta; an essay on the depth, temperature and currents of the ocean, London 1877. S. 57. — [19] Hann, Handbuch der Klimatologie, Stuttgart 1883. S. 126. — [20] Hoffmann, Zur Mechanik ete., 8. 25 ff. — [21] Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884. Tafel 15. — [22] Currents and surface temperatures of the North Atlantic ocean from the equator to lat. 40° N., published by the authority of the meteorological committee, London 1872. — [23] Koldewey, Die äquatorialen Strömungen des atlantischen Meeres, Ann. d. Hydr. u. marit. Meteorol., 3. Jahrgang. S. 133 ff. S. 166 fl. — [24] Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteorologie, 1. Band. Wien 1883. $. 478 ff. — [25] Hoffmann, Zur Mechanik etec.. S. 28 ff. S.51ff. — [25] Krümmel, Die atlantischen Meeresströmungen, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 4. Jahrgang. $. 153. — [27] Ibid. S. 157. — [28] Hoffmann, Zur Mechanik etec., *) Auch bei den nachweislich durch Niveauunterschiede bedingten, durch die Gezeiten modificirten Strömungen, die im Suez-Kanal vom rothen nach dem mittelländischen Meere gehen, spielen die Südwinde nach Lemasson [142] eine entscheidende Rolle. 424 De, S. 34. — [29] Ibid. S. 38. — [30] Krümmel, Die atlant. ete., $. 158. — [31] Hoft- mann, Zur Mechanik etec., S. 52. — [32] Der Golfstrom nach den neuesten ameri- kanischen Forschungen, Zeitschr. f. Schulgeogr., 4. Jahrgang. S. 271 ff. — [33] Hoff- mann, Zur Mechanik ete., S. 54. — [34] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band, Leipzig 1884. S. 67. — [35] Croll, On ocean currents, London 1870. — [36] Jeffreys-Carpenter, The „Valorous“-Expedition, London 1876. $. 230 fi. — 137] Irminger, Die Temperatur im nördlichen atlantischen Meere und der Golf- strom „ Petermann’s geogr. Mittheil., 1870. S. 245. — [38] Handbuch ete., S. 493. — [39] Ibid. S. 496. — [40] Krümmel, Die atlant. ete., S. 209 ff. — [41] Varenius, Geographia generalis, ed. Newton, Cantabrigiae 1681. $. 119. — [42] Mühry, Die Frage einer Meeresströmung in der Magallanes-Strasse, Petermann’s geogr. Mittheil., 1879. S. 25. — [43] Hoffmann, Zur Mechanik ete., $. 32. — [44] Th. Fischer, Studien über das Klima der Mittelmeerländer, Ergänzungsheft Nr. 58 zu Peter- mann’s Mittheil., Gotha 1879. S. 25. — [45] Ruge, Geschichte ete., $. 87 ff. — [46] Krümmel, Die atlant. ete., S. 213. — [47] Handbuch etec.. S. 494. — [48] Gehler’s Phys. Wörterb.,. 2. Aufl., 6. Band, 3. Abtheil., S. 1768 ff. — [49] Popowitsch, Untersuchungen vom Meere, Leipzig und Frankfurt 1750. — [50] J. Wolf-Luksch, Physikalische Untersuchungen im adriatischen und siecilianisch-jonischen Meere, Wien 1881. — [51] v. Bär-Stieda, Ueber die homerischen Lokalitäten der Odyssee, Braunschweig 1878. — [52] Nordenanker,. Die Strömungen der Ostsee, Stock- holm 1792. — [53] Ackermann, Beiträge zur physischen Geographie der Östsee. Hamburg 1883. S. 133 ff. — [54] Ibid. S. 139. — [55] Handbuch ete., $. 518. — [56] Ibid. S. 520. — [57] Hettner, Das Klima von Chile und Westpatagonien, 1. Theil, Bonn 1881. S. 37 ff. — [58] Ibid. S. 48. — [59] Ibid. $. 51. — [60] Th. Wolf, Bemerkungen über die Galäpagos-Inseln, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 6. Band. S. 245. — [61] Handbuch etec., S. 524 fi. — [62] Hoffmann, Zur Mechanik etc.. S. 57. — [63] Handbuch etc., S. 527. — [64] Wild. Thalatta, $. 66. [65] Handbuch etc.. S. 529. — [66] Ibid. S. 522. — [67] Krümmel, Die atlant. etec., S. 217 ff. — [68] Handbuch etc., 8. 500 ff. — [69] Ibid. S. 509 ff. — [70] Ibid. S.512 ff. — [71] Ibid. S. 516 ff. — [72] Kropp, Beitrag zu den Segelanweisungen und zur physikalischen Geographie des rothen Meeres, Berlin 1872. — [73] Hand- buch etec., S. 508. — [74] Supan, Grundzüge etc., S. 165. — [75] Petermann, Der Golfstrom und der Standpunkt der thermometrischen Kenntniss des nordatlantischen Oceanes und Landgebietes. Geogr. Mittheil., 1870. S. 242. — [76] Torell-Norden- skiöld, Die schwedischen Expeditionen nach Spitzbergen und Bären-Eiland, deutsch von Passarge, Jena 1869. S. 171. — [77] v. Middendorff, Der Golfstrom ostwärts vom Nordkap, Petermann’s geogr. Mittheil., 1871. 8. 25 fi. — [78] Grigorjew, Temperatur und Dichtigkeit des Wassers in dem murmanischen und dem weissen Meere, Mittheil. d. kais. russ. geogr. Ges., 14. Band. $. 327 ff. — [79] Peschel- Leipoldt,. Phys. Erdk., 2. Band. $S. 70 ff. — [80] Supan, Grundzüge ete, S. 165. — [81] Beebe, The dense water of the ocean, its rivers and its currents, Battle Creek 1883. — [82] Kepleri opera omnia, ed. Frisch, Vol. VI., Francofurti et Erlangae 1866. S. 180. — [83] Kant’s Schriften, ed. Schubert, S. 490. — [84] Venturi, Essai sur les ouvrages physico-math&matiques de Leonard da Vinci, Bologne 1797. — [85] Vossius, De motu etc.. 8. 9 ff. — [86] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 6. Band, 3. Abtheil., S. 1768. — [87] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1845. $. 326. — [88] Carpenter, Ocean eirculation, Nature, Vol. XXI. S. 217 ff. — [89] Maury, Explanation and sailing directions, Washington 1852. S. 46. — [90] v. Schilling. Die beständigen Strömungen in der Luft und im Meere, Berlin 1874. — [91] Blazek, Entwurf einer Theorie der Meeresströmungen, Prag 1876. — [92] Zöppritz, Recension hiezu, Gött. Gel. Anz., 1878. S. 513 ff. — [93] Jarz, Die Strömungen im nordatlantischen Ocean mit besonderer Rücksicht des Golfstromes, Leipzig 1877. — [94] Blazek, Entwurf etc., 8. 18. — [95] E. Schmid, Lehrbuch der Meteorologie, Leipzig 1860. 8. 461 fi. — [96] Baader. Ueber die tägliche successive Erwärmung der Oceane durch die Sonne als Ursache der äqua- torialen Meeresströmungen, Ber. d. Senckenberg’schen naturf. Gesellschaft, 1875. S. 124 ff. — [97] Ibid. S. 146. — [98] Das Problem der Meeresströmungen, Gaea, 15. Jahrgang. 8. 32 ff. — [99] Mühry, Ueber die Lehre von den Meeresströmungen, Göttingen 1869. — [100] Krümmel, Die äquat. etc., $. 40 ff. — [101] Croll, Climate and time, London 1875. $. 119. — [102] Haughton-Emerson Reynolds, Experi- ments to determine the „drag“ of water upon water at low velocities, Proceedings of the royal Irish Academy, 23. Febr. 1880. — [103] Witte, Die Meeresströmungen, Pless 1878. 8. 15 ff.; Zur Theorie der Meeresströmungen, Zeitschr. f. wissensch. Geogr.. 1. Jahrgang. $. 51 ff. — [104] Ekman, On the general causes of the ocean- itate. | 425 currents, Nova acta reg. soc. scient Upsal., (3) Vol. X. fasc. 1. — [105] Zöppritz, Der gegenwärtige Standpunkt der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrb., 8. Band, Göttingen 1880. S. 163. — [106] Kant’s Schriften, S. 493. — [107] Krümmel, Die äquat., etec., 'S. 32 ff. — [108] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl.,. 6. Band, 3. Abtheil., $. 1758. — [109] Findlay, A directory for the navigation of the pacific ocean. Vol. II., Lon- don 1851. S.1238. — [110] Zöppritz, Hydrodynamische Probleme in Beziehung zur Theorie der Meeresströmungen, Ann.d. Phys. u.Chem. (2) 3.Band. $. 582 ff.— [111] Ibid. S. 588. — [112] Zöppritz, Zur Theorie der Meeresströmungen, Gaea, 14. Jalırgang. S.515 ff. — [113] O. E. Meyer, Zur Theorie der inneren Reibung Journal. f.d. reine u. angew. Math., 78. Band. S. 130 ff.; 80. Band. S. 315. — [114] Obermeyer, Versuche zur Bestimmung der Abhängigkeit der inneren Reibung der Gase von der Tem- peratur, Tagebl. d. 48. Naturforschervers., Graz 1875. 8. 95. — [115] Vgl. [102]. — [116] Bohn, Ergebnisse physikalischer Forschung, Leipzig 1878. S. 170. — [117] Zöpp- ritz, Zur Theorie etc.. $S. 518. — [118] Eichler, Die Gezeiten, Zeitschr. f. d. Real- schulwesen. 5. Jahrgang. S. 402. — [119] Hoffmann, Zur Mechanik etec., S. 6 ff. — [120] Ibid. S. 9 ff. — [121] Zöppritz, Hydrodynamische Probleme etc.,. Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 6. Band. S. 599 ff.;, Ueber Stromtheilung und Zusammensetzung, Gaea, 15. Jahrgang. $. 340 ff. — [122] Ibid. S. 343. — [123] Smeaton, An experimental inquiry concerning the natural powers of water and wind to turn mills and other machines, depending on a circular motion, Phil. Transact., 1759. S. 100 ff. — [124] v. Gerstner, Theorie des Wasserstosses in Schussgerinnen, Prag 1795; Me- chanische Theorie der oberschlächtigen Wasserräder, ibid. 1811. — [125] v. Langs- derfi, Ausführliches System der Maschinenkunde, 1. Band, Heidelberg 1826. S. 245 ff.; Lehrbuch der Hydraulik, mit beständiger Rücksicht auf die Erfahrung, Alten- burg 1794. Kap. XIV. — [126] Lorgna, Sperienze idrauliche, Torino 1771. — [127] Beaufoy, Nautical and hydraulie experiments with numerous scientific mis- cellanies, London 1834. — [128] Heinemann, Die Rationaltheorie der Bewegung des Wassers als Lehrbuch der Hydrodynamik und für den praktischen Gebrauch des Hydrotekten auf vollständig neuen Grundlagen bearbeitet, Hagen 1872. 5. 248. — [129] Hoffmann, Zur Mechanik ete., S. 33. — [130] Ibid. $. 36 ff. — [131] Zöppritz, Hydrodyn. Probl., Ann. d. Phys. und Chem., (2) 3. Band S. 605. — [132] Coffin, The winds of the globe, Washington 1875. S. 708. — [133] Hoffmann, Zur Mechanik etc.,. S. 72. — [134] Julien, Courants et revolutions de l’atmosphere et de la mer comprenant une theorie nouvelle sur les deluges periodiques, Paris 1860. — [135] Ibid. S. 132. — [136] Hoffmann, Zur Mechanik etc., $. 90. — [137] Tornöe, Ueber den Salzgehalt des Wassers im norwegischen Nordmeere, Wien 1880. — [138] Hoffmann, Zur Mechanik ete., $. 82 ff. — [139] Dall, Report on the currents and temperatures ofthe Beringsea, United States coast survey report for the year 1880; Hydrologie des Beringsmeeres und der benachbarten Gewässer, Petermann’s geogr. Mittheil., 1881. — [140] Hoffmann, Zur Mechanik ete., $. 85. — [141] Krümmel, Recension hiezu, Zeitschr. f. wissensch. Geogr.. 5. Band. $. 126 ff. — [142] Lemasson, Regime des eaux dans le canal maritime de Suez et a ses embouchures, Compt. zendi.de Lac, frane., Vol. EXXXVM. 8. 142. S. 155. Kapitel VI. Das Eis des Meeres. $. 1. Die Entstehung des Meereises. Noch bis an die Grenze unseres Jahrhunderts galt bei den Physikern und Geographen das Dogma: Aus Meerwasser bildet sich kein Eis. Wisotzki [1] und Horner [2] führen verschiedene klassische Zeugen dafür an, dass dieser Punkt gar nicht angezweifelt wurde; Buffon, Lomonossow, Higgins, Parrot, in erster Linie aber Cook und R. Forster [3], vertraten diese Ueberzeugung. Man hatte wahrgenommen, dass ge- schmolzenes Polareis nicht Salzwasser, sondern süsses Wasser lieferte, AR 426 Sechs Abtheilung. Oceanographie Sinn, Beeaeche Physik. B und daraus glaubte man folgern zu müssen, „dass das Eis nur an den Küsten, am Abhange der Inseln und Kontinente und an den Mündungen der Flüsse sich bilde, weil salziges Wasser nur salziges Eis liefern könne.* Da man nun doch im Pacifik so häufig auf Eis stiess, so suchte man nach einem „Stützpunkt“ der dortigen Eisbildung und fand denselben in jenem hypothetischen Australkontinent, dessen Ent- stehungsgeschichte wir im ersten Kapitel dieser Abtheilung darzulegen versuchten. Heute weiss man im Gegentheile, dass auch das See- wasser gefrieren kann und von dieser seiner physikalischen Eigenschaft einen recht ausgedehnten Gebrauch macht. Allerdings sind die mit dem Gefrieren verbundenen chemischen Processe keine so ganz ein- fachen, wie man zuerst annahm. Es wird nach Saporta |4] nicht etwa das gefrierende Meerwasser einfach in reines Wasser und in eine mehr oder minder koncentrirte NSalzlösung zerlegt, sondern beide Pro- dukte des Zerlegungsvorganges, das feste, wie das flüssige, sind salzig, wennschon in ihrer chemischen Zusammensetzung verschieden, der erstere Bestandtheil ist nämlich reicher an Sulphaten und der andere („la’saumure“*) reicher an Chlorüren. Das Eis giebt die letzteren mehr und mehr ab, während es die ersteren beibehält, und zwar vollzieht sich diese Abgabe ganz allmählig unter dem Einflusse der Teemperatur- schwankungen ®). Dem Gefrieren pflegt ein Phänomen vorherzugehen, welches — obwohl auch den Binnengewässern nicht fremd — gleichwohl auf dem offenen Meere weit bestimmter hervortritt und dem Seefahrer sehr ‘unangenehm werden kann, nämlich der sogenannte Frostrauch [8]. Derselbe entsteht in hohen Breiten gemeiniglich dann, wenn die Luft bereits eine weit intensivere Durchkältung erfahren hat, als das einer grossen Wärmekapazität sich erfreuende Meer; heftiger Wind, »ee- gang und Meeresströmungen wirken befördernd auf die Dampfbildung. Nach Mitchell und Albers [9] soll die Differenz in den Tempera- turen von Salzwasser und Luft einerseits und von Süsswasser und Luft andererseits resp. im Minimum 14,4 und 10,6 Grade betragen müssen, wenn Frostrauchbildung stattfinden soll. $. 2. Allgemeine Eigenschaften‘ des Meerwassereises. Vom Ge- frieren und vom Dichtigkeitsmaximum des Seewassers handelte bereits unser drittes Kapitel ziemlich eingehend. Wir brauchen hierauf also nicht weiter mehr unsere Aufmerksamkeit zu richten und wollen nur bemerken, dass dem Meerwasser die Fähigkeit der Ueberkühlung mit dem Süsswasser gemein ist. Bei vollkommener Windstille ver- mag das seichte Küstenwasser, welches, wie wir früher sahen, zwischen *) In seiner uns aus Kap. III bekannten Arbeit über Ausdehnung des See- wassers stellte Zöppritz u.a. auch fest [5], dass die Salzausscheidung erst gerade im Momente des Ueberganges aus dem flüssigen in den festen Aggregatzustand sich vollzieht. Von einigen anderen, hierher gehörigen Untersuchungen berichtet v. Boguslawski [6]. Nach Buchanan kommt, was ja auch mit den Erfahrungen von Peterson [7] und Saporta (s. 0.) stimmt, das Salz im Seewassereis nicht blos als Soole, sondern auch als krystallinische Substanz vor, und was der englische Chemiker für das antarktische Eis ermittelt hatte, das fand Weyprecht für das arktische bestätigt. Sowie das Eis eine gewisse Dicke erreicht hat, hört diesem scharfen Beobachter zufolge das Einfrieren von Salz nahezu ganz auf, während die eingefrorene Salzsoole in Form von Eisnadeln krystallisirt. VI, $. 2. Allgemeine Eigenschaften des Meerwassereises. 4927 — 2’ und — 3° gefrieren sollte, eine ziemlich viel niedrigere Tempera- tur anzunehmen und dabei doch tropfbar-flüssig zu verbleiben. Die Wassertheilchen befinden sich aber alsdann in einem ganz labilen Gleichgewichtszustande, und es genügt eine so geringe Störung, wie sie z. B. ein Ruderschlag bewirkt, um ein plötzliches Gefrieren der gesammten Wassermasse bis zum Grunde zu veranlassen. Für die Seefischerei ist diess nicht ohne Bedeutung. Die Ausdehnungsverhältnisse des Meereises sind neuer- dings von Peterson (s. o.) und Saporta |10] zum Gegenstande eines besonders eingehenden Studiums gemacht worden, nachdem die Be- stimmungen früherer Forscher nicht die wünschbare Uebereinstimmung ergeben hatten. Der lineare Ausdehnungskoefficient des Meer- wassers ward von H. Schumacher gleich 0,00006424, von Porth gleich 0,00006387, von Moritz gleich 0,00006469, der kubische*) ward von Brunner gleich 0,000113, von Geissler und Plücker > 0,000153 < 0,000170 gesetzt. Bei Anwendung von Peterson’s Dilatometer ergab sich, dass die Ausdehnung durchaus keine gleich- mässige sei, dass vielmehr bei —0',35 eine Anomalie sich geltend mache. Folgende Tabelle giebt darüber zureichenden Aufschluss: Ve Kub. Ausdehn- er Kub. Ausdehn- en Kub. Ausdehn- B- koeff. D: koeff. Dis, koeff. — 0°.02 a A — 0°.25 — 0.001663 — 2°.05 + 0.000170 — 0°.03 — 0.096685 — 0°.35 — 0.000361 — 3°,.05 + 0.000170 — 0°.05 — 0.036387 — 0°.55 | + 0,000089 — 4°,05 — 0.000170 — 0°.15 _ 0.008057 I — 1°.05 + 0.000100 — 7°.05 | + 0.000169 | Je bessere Vorsichtsmaassregeln angewandt wurden, um das Wasser von Fremdkörpern zu befreien, um so näher rückte die Grenze zwischen 4 und — an 0” heran. In der Umgebung von — 2° fängt das Eis an, seine Zerbrechlichkeit zu verlieren und eine gewisse Plasticität zu gewinnen. Reich mit Salzen imprägnirtes Eis gelangt früher, als anderes, in diesen Zustand, wie denn das Eis der Polar- meere oft durch die Fusstritte der darüber Hingehenden merkbare Eindrücke erhält. In erster Linie scheinen Peterson’s Angaben aller- dings nur für das eigentliche Polarmeereis zu gelten, denn bei dem in Meeren von sehr geringfügigem Salzgehalte entstandenen Eise schwankt die Uebergangstemperatur zwischen + und — zwischen —o und — 14°, und das im freien Ocean gebildete Eis zeigt keinen derartigen Zeichenwechsel in der Ausdehnung, wie wir aus der von Saporta [11] hinzugefügten Zusammenstellung ersehen können: *) Haben wir für einen langen dünnen Stab, dessen Materie sich gleich- förmig ausdehnt, bei 0° eine Länge 1 angenommen, und ist « N lineare Aus- nn ts + at sein. Denken wir uns ferner aus dem gleichen Stoffe einen Würfel mit der Einheit als Kante konstruirt, so ist dessen Volumen bei 0° gleich 1° = 1, dagegen bei einer Temperatur von t Graden gleich d+oWy’=1+3 ut +30, 40° 18. Da die letzten beiden Glieder von verschwindender Kleinheit sind, so setzt man den kubischen Ausdehnungskoefficienten = 3 a,, somit (1 + «t)’=1-+ aut. dehnungskoefficient, so wird bei t° die Länge jenes Stabes =1 + “4 428 Sechste Abtheilung. Öceanographie und oceanische Physik. Kub. Ausdehn- Kub. Ausdehn- Kub. Ausdehn- up koeff. Ternp. koeff. Temp. koeff. | | ED aan r pi Er . 6,0 0.001478 12,20 0.000257 — 180.20 -— 0.000029 — 10°.20 | — 0.000440 — 16,20 — 0.000085 B R Geophysikalisch ist dieser Gegensatz zwischen den verschiedenen Arten von Eis hinsichtlich ihrer Ausdehnung von entschiedenster Be- deutung. Besässe das Polareis eine so regelmässige Ausdehnung, wie das Eis der Binnengewässer oder selbst nur wie dasjenige der grossen Weltmeere, so wäre nicht zu verstehen, wie sich die Packeisblöcke so rasch, so plötzlich und in so gefahrdrohenden Grössendimensionen bilden könnten; jetzt aber lehrt ein Blick auf unsere erste Tabelle, dass von einem übergangslos eintretenden Froste allerdings derartige Wirkungen erwartet werden müssen. Auch über das spezifische Gewicht des Meereises bestand lange keine rechte Einhelligkeit unter den Fachmännern. Horner setzt, hauptsächlich mit Rücksicht auf die Versuche von Placidus Heinrich [12] und Dumas, jene Zahl > 0,905 und < 0,95 [13]. Nach Bunsen muss dagegen 0,9167 angenommen werden [14]. Da, wie aus Kap. III erinnerlich, das spezifische Gewicht des Seewassers immer grösser als die Einheit ist, so muss von schwimmendem Eise stets ein beträchtlicher Theil über die Wasserfläche emporragen. Wie viel, das lässt sich dann, wenn der Eiskörper regelmässig geometrische Formen besitzt, durch eine ganz einfache Rechnung ermitteln. Es sei jener etwa ein rechtwinkliges Parallelepipedum, dessen dem Wasser- spiegel parallele Fläche den Werth F haben möge, während die darauf senkrechte Kante a bis zur Tiefe x eintaucht, so dass also (a— x) über dem Wasser sichtbar ist. Nach dem hydrostatischen Satze, dass jeder in einer Flüssigkeit schwimmende Körper so tief einsinkt, bis das Gewicht der von ihm verdrängten Flüssigkeitsmenge seinem eigenen Gewichte gleich ist, haben wir, die Dichte des Seewassers — 1,028 gesetzt, die Relationen 0,917 a 1.0287. ne IT na, en. woraus die Proportion a:(a— x) = 1,028: 0,111 sich ergiebt. Treibt also ein solch’ spathförmiges Eisstück im Meere, so kann angenommen werden, dass seine Vertikaldimension neun- bis zehnmal grösser ist, als das mit den Augen zu verfolgende Stück derselben. Während die bisherigen Angaben sich wenigstens der Hauptsache nach auf das wirkliche Meereis bezogen, gilt das, was im Folgenden noch über physikalische Eigenschaften des Eises bemerkt werden soll, für die verschiedenen Arten desselben generell, indem es nicht scheint, als nehme jenes eine Sonderstellung ein. Mit Untersuchungen über die Festigkeit des Eises haben sich früher Mairan und Joseph Weber vielfach beschäftigt; Horner berichtet |15| über ihre Experi- mente und namentlich über die von dem Letztgenannten angestellten Schiessversuche mit Eismörsern und Eiskanonen. In St. Petersburg hatte man schon früher Sechspfünder aus Newa-Eis hergestellt, deren VI, $S. 3. Grundeis. 429 Eisenkugeln noch bei einer Entfernung von etwa 50 m ein zwei- zölliges Brett durchschlugen. Neuere Bestimmungen der absoluten und rückwirkenden Festigkeit des Eises hat man von Moseley [16]. Damit Eis von Menschen begangen, ja sogar von Wagen befahren werden könne, braucht es nicht einmal besonders dick zu sein. In den Polargegenden beurtheilen ortskundige Männer, und mit noch schärferem Instinkte vielleicht die Ziehhunde der Eskimo’s, die Trag- kraft einzelner Eispartieen nach deren Färbung. Die Widerstands- fähigkeit der Eismassen, namentlich der marinen, gegen die Explosiv- wirkung von Sprengstoffen ist den von Bessels |17| darüber gemachten Mittheilungen zufolge eine ungemein grosse*). — Das Eis ist diaphan, ziemlich in eben demselben Grade, wie das Wasser selbst, und von Farbe bläulich-grün, sein Brechungsvermögen ist ein wenig geringer, als dasjenige des flüssigen Wassers. Brennlinsen von Eis sind von v. Tschirnhaus und Mairan mit Erfolg zur Entzündung und Ver- flüchtigung brennbarer Substanzen angewendet worden [19]. Die polarisirende Kraft des Eises verhält sich zu derjenigen des Berg- krystalles nahe wie 1 zu 9. — Was die Wärmeleitungsfähigkeit des gefrorenen Wassers anlangt, so lässt sich aus den von Dalton [20] darüber angestellten Versuchen nur ungefähr das entnehmen, dass in diesem Punkte zwischen beiden Aggregatzuständen kein besonderer Unterschied obwaltet. Jedenfalls aber hat P. Erman dargethan [21], dass Eis kein Elektricitätsleiter ist. — Das Aufthauen des Eises, welches also denselben Vorgang darstellt, welchen man bei Metallen als Schmelzen bezeichnet, versetzt diesen Körper in einen porös- brüchigen Zustand. Salzwassereis scheint rascher zu zergehen als Süss- wassereis; das hat, wie Horner anführt [22], schon der alte Martens bemerkt, dessen scharfes Beobachtungstalent bereits der erste Band (S. 22) rühmend hervorhob. — Strenge genommen würden in diese Zusammenstellung noch ein paar andere für die Glacialphysik wichtige Momente, wie die Bläschenbildung und die Regelation, gehören; wir ziehen es aber vor, uns deren Erörterung bis zu jenem Kapitel der achten Abtheilung aufzusparen, in welchem von einer ganz anderen Seite her an die Würdigung des Eises als eines geophysikalischen Faktors heranzutreten sein wird. Dagegen gestatten wir uns jetzt schon, eine diesem Kapitel dem strengen Wortsinne seiner Ueberschrift nach fremde Einschaltung vorzunehmen, weil der an sich eine ziemlich isolirte Stellung einnehmende Gegenstand auch späterhin nicht leicht organisch einzuflechten sein möchte. $S. 3. Grundeis. Jenes Eis, welches auf dem Boden der Gewässer sich bildet, heisst dieser seiner angeblichen Entstehung gemäss Boden- eis oder Grundeis. Wenn Horner vor nunmehr fast sechzig Jahren seine Schilderung unseres Wissensstandes in dieser Hinsicht mit den Worten anhebt [23], dass „die Art, wie dieser Gegenstand von den meisten physikalischen Schriftstellern abgefertigt worden ist, zu den *) Ein sprechendes Zeugniss für die Festigkeit des Eises nördlicher Flüsse — hier der Newa — war der bekannte Eispalast, den die Kaiserin Anna im Jahre 1740 erbauen liess, und den Krafft vom Standpunkte des Naturforschers aus beschrieb [18]. 2® % Br a Ya ar Di: Er TEEN DALE TG Ku > x wg Kat Bee 2, kur Den Re a ae DE 3 a a ER Fe Fu > E N Te BEL ST 2 h r « ’ 4 4 y x 430 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Schattenseiten unserer Naturlehre gehört“, so dachte er wohl kaum daran, dass eine dreissig Jahre später erschienene Monographie, die- jenige von Scoppewer [24], im Wesentlichen seine Klagen zu wieder- holen genöthigt sein werde. Durch die kritische Sonde, welche dieser spätere Bearbeiter, gestützt auf eigene Erfahrungen, an die massen- haft vorhandenen Hypothesen über Grundeisbildung anlegte, sind wir aber doch in unserer Erkenntnis um ein gutes Stück gefördert worden *). Grundeis unterscheidet sich von dem klaren Oberflächeneise durch sein poröses, schwammiges Aussehen und seine graue Farbe; es ist aus zahlreichen, dünnen und runden Eisscheibehen zusammengesetzt und kommt nur bei sehr anhaltender Kälte zum Vorschein. Soviel steht fest, dass sich diese Eismassen an hervorragenden Stellen des Grundes ansetzen und allmählig — sei es durch die Gewalt der Strömung, sei es durch den von seiner geringen Dichte abhängigen natürlichen Auf- trieb — an die Oberfläche gelangen, wie sie denn, als untrüglichen Zeugen ihrer Herkunft, Sand, Steine und andere Dinge mit herauf zu bringen pflegen. Trotzdem steht man ersichtlich vor der folgenden Alternative: Ist das Eis wirklich am Boden erzeugt worden, oder ist es nur nachträglich erst zum Grunde herabgesunken? Werfen wir jetzt einen Blick auf die Gründe für und wider, welche im Laufe einer fast zweihundertjährigen und äusserst lebhaft geführten Diskussion zu Tage kamen. Nachdem Plott [25] die Behauptung aufgestellt hatte, dass die englischen Flüsse stets vom Grunde aus zuzufrieren begännen, gieng Hales [26] an eine wissenschaftliche Behandlung der Frage. Eis- tafeln sollten den von ihm gesammelten Nachrichten zufolge über das Wasser emporgeschossen und eine Zeitlang in dieser unnatürlichen Lage verblieben sein, bis sie sich dann auf die Seite gelegt hätten. Nollet trat dieser Angabe entgegen [27], da seine thermometrische Sondirung des Grundes verschiedener Flüsse ihm nirgendwo die zur Eisbildung erforderliche Kälte dortselbst ergeben habe. Er hielt da- für, dass jene Stellen im Flusse, welche sich durch eine besonders ruhige und gleichförmige Strömung auszeichneten, sich mit einer zarten Eishaut überzögen, welche den Fluss hinabschwimme und in Schollen zerbreche, oder unter dem Einflusse ungleicher Geschwindigkeiten des Wassers allmählig zerbröcklee Scoppewer macht dem gegenüber mit Recht darauf aufmerksam, dass die Eisdecke stets zuerst am Ufer, niemals aber im eigentlichen Stromstriche entstehe [28]. Gehler er- klärte sich ganz und gar mit Nollet einverstanden |29], wogegen Desmarest [30] an der Decane und Brauns [31] an der Elbe Beobach- tungen anstellten, welche wieder mehr für die ältere, Hales’sche Theorie zu sprechen schienen. Desmarest glaubt, dass im Fluss- bette einzelne Wassermengen durch Hindernisse aller Art von der Strömung völlig losgetrennt und folglich so gut wie unbewegt seien; *) Dass der Gegenstand immerhin auch in diesem Kapitel behandelt zu werden verdient, folgt aus einer geschichtlichen Erinnerung an Peron’s Hypothese, welche die Tiefe des Meeres mit ewigem Eise bedeckt sein liess und die Eisfelder nur als abgerissene Stücke dieses marinen Grundeises anerkannte. Der 19. und 20. Band der Gilbert’schen „Annalen“ enthalten die betreffenden Dokumente sammt der von L. v. Buch an der Hypothese geübten Kritik. VI, $. 3. Grundeis. ’ 431 auf diese Miniaturseen vermöge eine plötzlich einfallende Kälte Eis erzeugend einzuwirken, und es gefriere das Wasser dann nicht sowohl auf dem Grunde, sondern in dem Grunde, innerhalb der umgebenden Sand- und Erdmasse. Freilich gieng Desmarest zu weit mit seiner Behauptung: Wo kein sandiger Untergrund ist, da giebt es auch kein Grundeis. Glaubwürdige Zeugen, deren Horner [32] eine ganze An- zahl namhaft macht, berichten in einem mit Desmarest’s Wahrneh- mungen übereinstimmenden Sinne; die merkwürdigste Aussage dieser Art ist wohl die von Steenke, der selbst sah, dass die abgerissenen Ketten einer Leucht-Boye im Hafen von Pillau, eingeschlossen in Eis, zum Wasserspiegel emporgehoben wurden. Die abenteuerliche Theorie des Naturphilosophen Hugi [33] schliesst Scoppewer von den auch für die Neuzeit noch beachtenswerthen Erklärungsweisen aus, dagegen scheinen dem Letzteren die Arbeiten Lichtenberg’s [34] und Zschokke’s |35] entgangen zu sein. Ersterer wägt die Gründe ab, welche jeweils zu Gunsten von Hales oder Nollet zu sprechen scheinen, und kommt endlich zu dem Schlusse, dass die Bildung des schwammigen Eises doch mit weit grösserer Wahrscheinlichkeit an den Grund, als an die Oberfläche der Gewässer zu verlegen sei, wie auch P. Merian [36] der Meinung war, dass „eine Folge der gleichmässigen Temperatur eines fliessenden Gewässers in verschiedenen Tiefen die Bildung des Grundeises“ in der Tiefe sei, Zschokke dagegen ist der Ansicht, dass bei einer auf oder unter 0° abgekühlten Temperatur der oberflächlichen Wasserschichten ein rasches Sinken der Aussentemperatur die Kongelation herbeiführe; der häufig von den Strömen mitgeführte Treibschnee sei in seiner Art ganz dasselbe, wie das fälschlich so senannte Grundeis [37]. Hatte Zschokke sich ganz auf Selbsterlebtes und Selbstgesehenes beschränkt, so suchte gegentheils Arago [38] die gesammte vorhandene Literatur zu durchdringen und ihr Anhaltspunkte zu einer befriedigenden Kausalerklärung der Erscheinung abzugewinnen. In stehenden Wassern, so argumentirt er, werden die tieferen Schichten keine niedrigere Temperatur annehmen, als die dem Dichtigkeits- maximum entsprechende, fliessende Gewässer aber können bis auf den Grund durchkältet werden, und am Boden kann dann, weil dort fast volle Ruhe herrscht und die Krystallisation allenthalben Stützpunkte findet, Eis entstehen, das sich nach und nach loslöst und emporsteigt. Arago nahm selbst daran Anstoss, dass seine Lehre nicht alle Theil- phänomene ausreichend begründe, z. B. das Wachsen des treibenden Grundeises von unten auf. Strehlke glaubte die Entstehung des Bodeneises zu den Schwankungen der Luftfeuchtigkeit in Beziehung setzen zu sollen [39]; auch waren seine Beobachtungen und Wärme- messungen ausreichend, um Gay-Lussac’s Hypothese zu beseitigen, nach welcher die Eisbildung erst bei — 8° beginnen sollte [40]. Mohr machte einen anderen Grund gegen jene geltend, den nämlich, dass Eisnadeln bei’'m Herabsinken sich bis zur Durchschnittstemperatur der ganzen Wassermasse erwärmen müssten [41]. Für die oberflächliche Erzeugung des angeblichen Grundeises ist C. W. Weber in einer besonderen Schrift [42] eingetreten, bei deren Ergebnissen sich auch Scoppewer grossentheils beruhigt. Sein Haupt- satz lautet: Grundeis entsteht auf dem Wasser und ist unent- wickeltes Treibeis oder, wie man mit Berufung auf die zu wenig 432 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. # sewürdigten Beobachtungen von Zschokke wohl besser sagen könnte, es repräsentirt den Uebergang vom Treibschnee zum eigent- lichen Treibeis. Durch die Wellenbewegung werden zahllose kleine Blättchen dieses Eisschnee’s zum Sinken gebracht, haften an den Steinen, Gewächsen und sonstigen Erhabenheiten der Sohle fest an und steigen bei sich steigernder Temperatur wieder in die Höhe, indem sie Bruchstücke der Gegenstände, an welche sie angefroren waren, mit sich fortreissen. Scoppewer erwartet sich [43] die definitive Ent- scheidung über die Richtigkeit der beiden sich gegenüberstehenden Doktrinen von Versuchen, welche an solchen Stellen des Flussbettes anzustellen wären, zu denen die Eisnadeln unmöglich gelangen können. — Es scheint, dass die neuerdings von Rae |44] bekanntgegebenen An- sichten über Grundeisbildung den Weber’schen zur Stütze dienen können. Recht hat Rae zweifellos, wenn er seichtes Wasser und lebhafte Wirbelbewegung für günstige Vorbedingungen erklärt, aber auffallen muss es, dass er Felsboden ebenfalls für ein beförderndes Moment hält. Wir sahen oben, dass Desmarest gerade umgekehrt in felsigem Grunde ein Hinderniss zu erkennen glaubte. In der durch Rae angeregten Diskussion lässt sich übrigens Macdougall [45] da- hin vernehmen, dass etwas Aehnliches, wie Grundeis, auch in den grossen amerikanischen Seen vorkomme. $. 4. Klassifikation und Charakteristik der im Meere treibenden Eismassen. Es wäre ein Irrthum, anzunehmen, dass alles Eis der Meere den gleichen Ursprung hätte. Ausser dem eigentlichen Salz- wassereis begegnet man in demselben auch Süsswasser- und Gletschereis, welch’ letzteres durch Lostrennung von den zahlreichen in das Meer hineinreichenden Polargletschern selbstständig geworden ist. Das Süsswassereis im engeren Sinne entstammt den Flüssen und Bächen der Polargegenden; es ist hart, spröde und krystallhell, während das Gletschereis porös ist und die Durchsichtigkeit nur in sehr beschränktem Maasse besitzt [46]. Aus dem reichen Schatze seiner Erlebnisse schöpfend, hat der allzufrüh aus seiner gesegneten Wirksamkeit gerissene Polarforscher Weyprecht die verschiedenen Erscheinungsformen des Polareises in einem rasch berühmt gewordenen Spezialwerke geschildert [47], das auch von uns, wennschon keines- wegs mit Ausschliesslichkeit, als Fundgrube des Wissens geschätzt und ausgebeutet wird. Während vom polaren Süsswassereis nur vereinzelt kleinere Platten in das Meer hinausgetrieben werden, die dort rasch in der Masse aufgehen und nicht die mindeste individuelle Rolle spielen, tritt uns das abgerissene Gletschereis stets in sehr prägnanter Form, näm- lich als Eisberg, entgegen. Die Binnenlandgletscher befinden sich, wie wir später sehen werden, in ununterbrochen fortschreitender Be- wegung und fallen häufig sehr steil geböscht gegen den Meeresrand ab. Eine Eisschicht, welche dem Abhange bereits nahe gekommen ist, muss deshalb Risse bekommen und endlich unter dem Zuge ihres Kigengewichtes von der übrigen Gletschermasse sich loslösen; der (Zletscher muss kalben [48]. Das abgetrennte Stück schwimmt, da sein spezifisches Gewicht geringer ist, als dasjenige des Salzwassers, im Meere und führt dann den Namen Eisberg. Solche Eisberge VI, $S. 4. Klassifikation und Charakteristik der Eismassen. 433 können durch die Strömungen in weit entlegene Gegenden verführt werden, es ist aber auch möglich, dass sie stranden, d. h. von vor- springenden Land- oder Gletscherzungen aufgehalten werden und dann an der Küste längere Zeit hindurch festsitzen bleiben. Die sehr ver- schiedenen Modalitäten, unter welchen das Binneneis gegen das Meer hin, wie man zu sagen pflegt, absetzt, stellt uns die vonNordenskiöld [49] entworfene Fig. 81 vor Augen. In Fig. a und b erscheint der Rand des Inlandeises mit kleinen runden und eckigen Blöcken besetzt, dam m n N ml NM Erde. Wasser. WIZD Jnlandeıs. doch sind derselben nur so wenige, dass bei’m Verschwinden des Eises keine eigentliche Moräne zurückbleibt. Am Fusse bleibt oft eine kleine Erdbank bestehen, die häufig durch einen mit Schlamm und Blöcken erfüllten See abgelöst wird. In Fig. c beobachten wir die Abtrennung eines Stückes, die jedoch noch nicht unmittelbar an der Küste vor sich geht und deshalb nur einen isolirten Eispfeiler, keinen Eisberg im gewöhnlichen Wortsinne, liefert. Zwischen Fig. c einer- seits und Fig. d und e andererseits waltet also ein Unterschied ob, zu dessen Klarstellung die Worte unseres Originales (a. a. O.) eitirt sein mögen: „Der eigentliche Gletscher verhält sich zum Inlandeise, wie ein reissender Strom oder Bach zu einem grossen, ruhigen See. Während der Gletscher sich in fortwährender Bewegung befindet, ist das Inlandeis, wie das Wasser eines See’s, in verhältnissmässiger Ruhe, mit Ausnahme eben der Punkte, wo es in breiten, aber kurzen Gletschern in das Meer abfällt. Läuft nun einer dieser Gletscher, durch welche der Eissee in das Meer hinausströmt, über ein glattes Terrain, wo der Meeresboden allmählig und ohne besonders steile Unterbrechung in das Land übergeht, so entstehen steile, schroffe Gletscher, deren ab- stürzende Eismassen wohl eine beträchtliche Grösse haben, aber nicht zu eigentlichen Eisbergen werden. Ist hingegen die Mündung des Fjordes schmal, die Tiefe des äusseren Meeres gross und die Neigung der Küste beträchtlich, so wird das Resultat jedesmal einer jener grossartigen Eisfjorde sein, wie sie Rink*) in so bewundernswerther *) Auf die Arbeiten von Rink wird im zweiten Kapitel der nächsten Ab- theilung näher einzugehen sein, welches ebenso, wie das dritte der achten, zu den hier behandelten Dingen die allernächsten Beziehungen hat. Günther, Geophysik. II. Band. 28 434 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. Weise beschrieben hat.“ Speziell Fig. e verdeutlicht uns einen solchem Eisfjord, wie sie in Grönland häufig vorkommen; auf Spitzbergen findet man sie auch, jedoch weit weniger ausgeprägt. Die Lebens- dauer eines solchen Eisberges, wie wir ihn gerade vor unseren Augen entstehen sahen, ist eine sehr beschränkte, keiner überdauert, wenn. Weyprecht im Rechte ist, ein Decennium. Die Vernichtung geht vom Inneren aus; das Gletschereis ist nämlich voll von Spalten und kleinen Höhlungen, in denen das Schmelzwasser sich sammelt, und da. dasselbe bei'm Gefrieren sich ausdehnt*), so erfolgt bald da, bald dort eine kleine Sprengwirkung, bis schliesslich der ganze Eisberg, oft mit furchtbarem Krachen, selbst wieder „kalbt“ und in das Meer versinkt. Die fortschreitende Zerstörung bringt es mit sich, dass ältere Eisberge sich in bizarren und grotesken Formen darstellen; weit verbreitet ist ein Bild des sogenannten Pinnakel, der nahe bei Port Foulke „vor Anker gegangen“ war und den Begleitern Kane’s als Landmarke diente [52]. Da auf jedem Gletscher sich viel Geschiebematerial an- sammelt und mit demselben abwärts wandert, so bringt auch jeder Eisberg derartige Gesteinstrümmer aus seiner polaren Heimath mit, und, wenn ihn schliesslich der Untergang ereilt, so lagert er jene Trümmermassen auf dem Meeresgrunde ab, denselben mehr und mehr erhöhend. Dass die New-Foundland-Bank auf diese Art und Weise entstanden sei, ist z. B. sehr wahrscheinlich. Es sind schon Eisberge bis zu 440 m beobachtet worden, und es ist leicht begreiflich, dass solche Ungethüme, wenn sie gesellig vereinigt in den Atlantik hinaus- geführt werden und die Schifffahrtsroute der zwischen Amerika und Europa verkehrenden Kreuzer durchschneiden, sehr gefürchtet werden. Einmal wurden vom Mastkorbe eines Schiffes unter 44!/2° Norderbreite und 491° westlicher Länge von Greenwich zu gleicher Zeit nicht weniger als 55 grosse Eisberge beobachtet, während man deren vom Verdecke aus wenigstens 22 zählte [53] **). Im Gegensatze zu den Eisbergen ist das sogenannte Feldeis immer marinen Ursprunges; wenigstens gilt diess für die arktischen Meere, während in den antarktischen auch marine Eisbildungen Formen annehmen, die an die Eisberge der nördlichen Halbkugel erinnern. Wir unterscheiden mit Weyprecht eigentliche Felder, deren Verti- kaldimension gegenüber der Länge und Breite nur gering ist, sodann Flarden, Schollen und Brocken [54]. Eis, nicht älter als zwei *) Dass die Sprengkraft des von seinem Dichtigkeitsmaximum aus gegen 0° sich ausdehnenden Eises eine sehr bedeutende ist, dafür haben wir schon im I. Bande ($. 362) ein drastisches Beispiel angeführt; Hagenbach-Bischoff liess eiserne Hohlkugeln durch Gefrieren des darin enthaltenen Fig. 82. Wassers explodiren, und es trat alsdann das Eis so aus der durch Fortschleudern der Verschlussschraube entstandenen Oeffnung her- vor, wie es Fig. 82 veranschaulicht [50]. Andere Belege findet man bei Horner [51]. Felder aus Seewassereis unterliegen diesem Zerstörungsprocesse nicht, weil die Temperatur grösster Kon- centration des Seewassers nicht über, sondern unter dem Gefrier- punkte liegt. *#) Ehedem waren die Meteorologen auch sehr geneigt, plötzliche Temperaturrückfälle von einer Vielzahl von Eisbergen, die bis zu niedrigeren Breitegraden vorgedrungen wären, herzu- leiten. Diese Ansicht ward beseitigt, als man bessere Erklärungsgründe kennen lernte. v1$. 4. Klassifikation und Charakteristik der Eismassen. 435 Jahre, heisst Treibeis, war es dagegen mehrere Jahre hindurch den Einwirkungen des Frostes ausgesetzt, so wird es zum Packeis, welches sich zu sehr soliden Barrieren ansammelt („Hummocks*). Wenn die Schollen vom Winde hin- und hergetrieben werden, so ent- fernen sie sich stellenweise von einander, es bilden sich zwischen ihnen Waken, welche theilweise durch Gasch — eine Mischung von Eis- brocken und Wasser — ausgefüllt erscheinen. Zusammenstossende Schollen werden durch den Frost rasch „aneinandergeleimt“. Eine einigermassen jähe Aenderung der T’emperatur bringt (oberflächliche) Risse und (hindurchgehende) Spalten zuwege, der Druck des See- sanges, des Windes und der anstossenden Schollen schiebt einen Theil des zertrümmerten Stückes über den anderen weg, in die Zwischen- räume fällt Schnee hinein, der als Kitt dient, bis neu entfesselte Kräfte eine wiederholte Zertrümmerung bewirken. Nur wenige und kräftige Schollen überdauern den Winter. Man weiss z. B., dass die Mannschaften der „Hansa“ und ein Theil der Mannschaften der „Polaris* auf solchen Schollen Reisen von entsetzlicher Ausdehnung zu unternehmen gezwungen waren; im ersteren Falle hielt die Scholle sehr lange aus, während im anderen die Schiffbrüchigen sich zuletzt mittelst des ihnen noch verbliebenen Bootes von Eisfragment zu Eis- fragment retten mussten. Jedenfalls ist Weyprecht’s Namengebung „Metamorphosen des Polareises“ eine sehr wohlbegründete. Schieben sich die Schollen um ein Schiff herum so zusammen, dass dasselbe einfriert, so wird das eingeschlossene Schiff besetzt, und es ist fraglich, ob es je wieder erlöst werden wird; Kane’s Schiff z. B. war nicht so glücklich, während Hayes durch Werpen und Sägen das seinige zu befreien vermochte. Eine treffliche Abbildung der Eis- wildniss um die eingeschlossene „Polaris“ herum giebt Bessels [55], während uns der Anblick einer im Allgemeinen freien und nur mit unzählig vielen Treibschollen bedeckten See nicht besser als durch v. Heuglin’s Abbildung |56] der spitzbergischen Freeman-Strasse vergegenwärtigt werden zu können scheint). Man kann annehmen, dass warme Winde und Meeresströmungen pro Jahr etwa 32000000000000 Kubikmeter Eis vernichten, d.h. in Wasser auflösen, wenn man sich auf die Nordhalbkugel beschränkt. Die Fortschreitungsgeschwindigkeit der Treibeismassen ist einer von Dorst entwickelten Formel zufolge keine beträchtliche. Die äusserste Linie gegen den Aequator hin, bis zu welcher die Eisschollen treiben, *) In dem erwähnten Werke Nordenskiöld’s werden als besonders aus- gezeichnete Hohlräume die Eisdocks und Eiskanäle unterschieden; erstere sind tiefer als letztere, aber immer nur von geringer Ausdehnung. v. Wrangell beobachtete an der Nordküste von Sibirien gewisse eigenthümliche Eismauern, deren dann natürlich auch Nordenskiöld bei der Vega-Fahrt ansichtig wurde. Von ihm wird der Grund ihrer Entstehung in der Volumenänderung gesucht, welche das Eis bei Temperaturschwankungen erleidet. Wir führen an, wie er sich, nachdem er auf die Grösse des kubischen Ausdehnungskoefficienten des Eises (s. 0. $. 2) hingewiesen, über die Sache ausdrückt: „Demnach müssen, wenn das Eis von 0° auf — 15° abgekühlt wird, Risse in demselben entstehen, die auf 1000 m eine Breite von 32 Zoll haben werden. Die Risse frieren natürlich bald nach ihrem Entstehen wieder zusammen, und wenn das Eis wieder, z. B. auf — 5°, erwärmt wird, so muss eine Aufschichtung von 21 Zoll pro Kilometer stattfinden.“ 1 schwed. Fuss ist gleich 3,36821"! m. 436 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. ehe ihr Untergang sie ereilt, heisst Treibeisgrenze. Dieselbe ist nicht konstant, pflegt aber auf der amerikanischen Seite des nördlichen Atlantik zwischen 35° und 40° zu verlaufen, während in Europa selbst noch das Nordkap nicht von ihr erreicht wird. Auf der südlichen Hemisphäre kann die Grenze unter Umständen bis zu 50° hinauf- reichen |57J. Kälte, Ruhe der Luft und geringe Eispressung wirken zusammen, um die Linie nach unerwartet niedrigen Breiten zu verlegen. $. 5. Paläokrystisches Meer; eine Streitfrage. Als der englische Polarforscher Nares die bis dahin noch nicht überschrittene Breite von 82° erreicht hatte, begegnete er Eismassen von 16 m Dicke, welche er als paläokrystisches Eis („paleocrystiec floes“) bezeichnete [58]. Im Deutschen würde man dafür wohl Ureis sagen müssen. Vielfach hat man diess so aufgefasst, als ob der Entdecker damit die Existenz eines paläokrystischen Meeres, eines Meeres säkulärer Eismassen, habe behaupten wollen, wenigstens fassen Weyprecht (a. o. O.), Chavanne [59] und die Verfasser des österreichischen Admiralitätswerkes |60] Nares’ Ausspruch in diesem Sinne auf. Es erscheint aber fraglich, ob Jener so weit gehen wollte; des Wortes „paleocrystic sea* bedient er selbst sich nicht, und er hat anscheinend nur andeuten wollen, dass sehr hohen Breiten eine ganz spezifische Eisformation entspreche.. Damit dürfte es aber seine Richtigkeit haben, und so können sich wohl bei dieser Annahme Alle beruhigen, die an der Frage des vorzeitlichen Eismeeres Interesse haben *). Wenn man allerdings den kurzen Polarsommer mit der Länge des furchtbar strengen Polarwinters vergleicht, so möchte man sich wundern, dass nicht endlich völlige Vereisung der Polargegenden erfolgt**). Das Hinderniss liegst in der stetigen Einwirkung der Meeresströmungen. Die von ihnen bewirkte Cirkulation der Gewässer hat zur Folge, dass die Tiefentemperatur der Eismeere konstant oberhalb des Gefrier- punktes des Salzwassers verbleibt; nähern sich im Winter die oberen Schichten der Temperatur der Maximaldichtigkeit, so werden sie schwerer, sinken unter und machen wärmeren Schichten Platz, welche von unten aufsteigen. Solange das Meer mit der freien Luft in direktem Kontakte steht, geht allerdings die Eisbildung rasch vor sich, bei einer gewissen Dicke der Eishaut aber wird die vertikale Wassercirkulation ausreichen, um das Wachsen jener Decke nach unten unter eine ge- wisse Grenze hinab zu verhindern. Um überhaupt über das Dickenwachsthum des Eises einiger- massen in's Klare zu kommen, hat v. Boguslawski die im dritten und vierten Theile der „Contributions to our knowledge of the meteo- rology of the arctic regions“ mitgetheilten Beobachtungen von Strachan, *) Wenig bekannt ist wohl, dass schon E. de Beaumont in seiner Weise die Frage nach der Existenz eines paläokrystiseib‘’n Meeres anregte [61]. Er ent- schied sich gegen ein solches und gab eine Formel an, um die Dicke des Polar- eises eines Ortes als Funktion von dessen mittlerer Jahrestemperatur und von dem geothermischen Gradienten (I. Band, $. 303 ff.) auszudrücken. **) Dass eine solche periodisch mit fast gänzlicher Eisentblössung abwechseln könne, ist bekanntlich schon mehrfach (s. Kap. IX der vorigen Abtheilung) zu beweisen versucht worden. VI, $S. 6. Die geographische Vertheilung des Polareises. 437 Nares u. a. einer sorgfältigen Diskussion unterzogen [62]. Er zieht aus diesem reichhaltigen Material elf Erfahrungssätze, welche grossen- theils zur Bekräftigung Weyprecht’scher Angaben dienen*). Be- merkt sei noch, dass nach neueren Forschungen Dall’s der Kurosiwo (s. Kap. V. $. 5), dem man früher eine ähnliche Rolle zuwies, wie sie der Golfstrom anerkanntermassen für die Freihaltung der See zwischen Island und Norwegen spielt, sich als ziemlich einflusslos er- wiesen hat**). $. 6. Die geographische Vertheilung des Polareises und die offene Polarsee. Es ist für den Geographen schon deshalb wichtig, das Auf- treten des Meereises in quantitativer Hinsicht für die höheren Himmels- striche schätzen zu können, weil den verschiedenen Eiszeithypothesen oft recht phantastische Annahmen zu Grunde liegen. Wenn man die Croll’schen Zahlen [66] zur Norm nimmt, so ergiebt sich für die nördliche Halbkugel blos 0,08 %, für die südliche 1 °, für die Erde also 1,1 °o der gesammten Wassermenge als in Eis gebundenes Meer- wasser. In früheren geologischen Zeitaltern war die Menge des Eises selbst nach sehr gemässigten glacialistischen Vorstellungen eine un- gleich erheblichere, auf unserer Hemisphäre dürfte ein zehnfach grösseres Areal mit Eis überdeckt gewesen sein als heutzutage. Nach Penck’s Berechnung [67] würden 11203000000000 Quadratmeter in Europa auf die ehemalige Uebereisung kommen; die Antheile von Nord-, West-, Mittel- und Osteuropa würden sich verhalten, wie 21:5:9:47. Als eine durchgängig wiederkehrende Thatsache hat die folgende *) Die wichtigsten der elf Sätze sind diese: I. Die Eisdicke erreicht im Laufe eines arktischen Winters eine Mächtigkeit von 1 bis 2,5 m. II. In Gegenden, deren Meere tief und in fortwährender Bewegung sind (Discovery-Bucht, Melville- Bay), ist die Eisdecke minder dick als in geschlossenen Golfen und Häfen. IV. Als der Monat, in welchem das junge Eis sich zu bilden anfängt, kann fast ausschliess- lich der September gelten. VIII. „Der Verlust durch Verdunstung kommt dem Eise selbst wenig zu gute, da alles Eis derart in Schnee gehüllt ist, dass nur vereinzelte Zacken und Flächen mit der Luft in Berührung stehen“ [63]. X. Das Eis kann durch Gefrieren nur so weit anwachsen, dass seine Zunahme im Winter seiner Abnahme im Sommer gleich ist [64]. Die Berücksichtigung der topischen Eigenschaften ist trotz der Allgemeingültigkeit dieser Regeln ja nicht zu unterlassen. **) Auf einen ganz anderen Faktor, dessen Aktion noch sehr in Dunkel gehüllt erscheint, ist unsere Aufmerksamkeit durch v. Schleinitz gerichtet wor- den [65]: die von der Sonnenfleckenperiode (Kap. V. $.4 der fünften Abtheilung) abhängige grössere oder geringere Wärmemenge, welche der Erde vom Central- gestirn zugeht, soll auf die polaren Eisverhältnisse bestimmend wirken. Als Jahr- gänge, während welcher ein besonders starkes Eistreiben beobachtet wurde, sind 1772— 74, 1828—30. 1839—40, 1853 —56, 1858—60 und 1878—79 aufgeführt, und wirklich fallen vier von diesen Epochen ziemlich auf die Sonnenfleckenmaxima der Wolf’schen Periode. Einigermassen bedenklich kommt es uns allerdings vor, dass auch zwei Minima mit heftigem Eisgange sich decken, überhaupt liegen doch im Ganzen noch nicht genug genaue Aufzeichnungen vor. Gleichwohl ist man dem genannten hervorragenden Vertreter der wissenschaftlichen Seemanns- kunde Dank schuldig für die von ihm ausgegangene Anregung, die, wenn weitere Studien zu Bestätigungen führen sollten, für die Polarforschung insofern sehr be- deutungsvoll werden könnte, als man darauf hin einen günstigen Zeitpunkt für das Eindringen in’s Eis sich auswählen könnte. So würde nach v. Schleinitz der Zeitraum 1855—56 besonders geeignet für einen nach dem südlichen Pole gerichteten Vorstoss gewesen sein. 2, Ka NE Er FR AL PN En ; a a 438 _ Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. zu gelten [68]: die Ostküsten eines Polarlandes haben un- günstigere Eisverhältnisse als die Westküsten. Von keinem Lande ist diess so allgemein bekannt wie von Grönland, dessen ÖOst- küste heute noch allen Kolonisationsversuchen beharrlichen Wider- stand entgegensetzt. Von einigen Territorien, die sich namentlich durch gleichmässig wehende Winde auszeichnen, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, welche Eiszustände man an ihren Küsten an- treffen werde. Manche lange fortgepflanzte Unrichtigkeiten hat die Forschung allgemach beseitigt. So ist z. B. das karische Meer keines- wegs der Eiskeller, als welchen es K. E. v. Bär ansah; wenn irgend ein Meerestheil auf diesen Namen Anspruch machen kann, so möchte es die vom Smith-Sund östlich abzweigende Melville-Bay sein. Im Vordergrunde des Interesses stehen natürlich zwei Fragen: giebt es ein offenes Polarmeer und giebt es Verbindungsstrassen freien Wassers längs der Küsten von Nordamerika und Nordasien? Diesen beiden Fragen, deren Lösung schon so manche Opfer gefordert hat, wird nunmehr noch etwas näher zu treten sein. Die erstgenannte Frage zerfällt, soweit die Interessen der Polar- forschung mitspielen, selbst wieder in zwei Theile; es kann um den Nordpol herum ein Festlandkomplex sich ausbreiten, es kann aber auch derselbe in einem Eispanzer begraben liegen, welcher, ohne im streng physikalischen Sinne paläokrystisch zu sein, für die Schiffbar- keit doch die gleichen unvortheilhaften Bedingungen darbieten würde. Meteorologische Beobachtungen und Erwägungen hatten zumal unserem grossen deutschen Geographen Petermann die Ueberzeugung beige- bracht, dass eine freie und schiffbare Polarsee vorhanden sei, und diese Ueberzeugung ward sowohl durch die auf Autopsie beruhenden Beob- achtungen von Morton [69] und Hayes [70], als auch durch die mehr und mehr sich herausstellende Insularität Grönlands [71] be- stätigt. Petermann beschäf- tigte sich mit seiner Lieblings- idee in sehr vielen Artikeln und Aufsätzen, deren in seiner für die deutsche Polarfahrt von 1868 aufgesetzten Instruktion [72] sämmtlich Erwähnung geschieht; auch andere Gelehrte traten auf seine NSeite*). Unsere Fig. 83 zeigt uns, in welcher Weise sich Petermann sein offenes Meer ie Be mit dem von Kane so weithin I Mini in me he By durchforschten Smith-Sund in 1 Mortons (1854) 2.Hayes (1861) N Parrys(1827)fernster Punkt, Verbindung setzen wollte. Man darf sagen, dass heute, wesent- lich unter dem Einflusse der von Payer, Weyprecht und Bessels aus dem hohen Norden mitgebrachten Anschauungen, die Hypothese NT rdnol *) Baruffi sagt [73] in seinem Nekrologe des berühmten Mathematikers Plana, dass derselbe noch kurz vor seinem Tode eine theoretische Untersuchung über die Vertheilung der Wärme auf der Erdoberfläche abgeschlossen habe, aus welcher er den Schluss auf das Vorhandensein zweier Cirkumpolarmeere ge- zogen habe. % E" 3 N F R- E £ } ; 2 _ VL8.7. Eisblink und Wasserhimmel. 439: des Polarmeeres gänzlich verlassen ist*). Bessels suchte persönlich jenes Gestade auf, an welches Hayes die Wogen eines unabsehbar nach Norden sich erstreckenden Meeres hatte schlagen sehen, und konnte von diesem nicht das Geringste finden, wie ihm denn überhaupt seine scharfe Analyse des von Hayes geführten „Feldbuches“ Miss- trauen gegen die Zuverlässigkeit der darin niedergelegten Beobach- tungen eingeflösst hatte [74]. Mehr und mehr brach sich die Meinung Bahn, dass es ein ausgedehntes Polarfestland geben müsse, eine Meinung, welcher von Behm [75] ein sehr präciser Ausdruck ver- liehen wurde. Allein durch die unter so erschwerenden Umständen erfolgte Heimkehr der Greeley’schen Expedition scheint abermals eine Verschiebung der Ansichten eingetreten zu sein, insofern die zweite der Möglichkeiten, in welche wir oben die Frage des Polar- meeres überhaupt zerlesten, in den Vordergrund tritt. Originalschrift- stücke waren uns nicht zugänglich, doch können wir für unsere An- gabe den folgenden Bericht Rachel’s [76] anführen: „Es ist die Ansicht Lieutenant Greeley’s und seiner Begleiter, dass die Er- reichung des Nordpoles schwer möglich sein wird. Das Nordpolarmeer, über dessen Existenz jetzt wohl kaum noch ein Zweifel bestehen kann, ist für Schiffe unfahrbar und wegen der vielen offenen Stellen auch für Schlittenreisen ungeeignet.“**) Was den Südpol anbetrifft, dessen Erreichung noch kaum ernstlich angestrebt wurde***), so ist ein gewisser Umstand vorhanden |77], der für solche Versuche günstig in die Wagschale fällt. Allenthalben nämlich, wo es in den antarktischen Meeren gelang, den Packeisgürtel zu durchbrechen, stiess man bald auf freies Wasser in ziemlich grosser Ausdehnung. Die sogenannte nordwestliche Durchfahrt ist ein Laby- rinth von Inseln und Kanälen, welch’ letztere fast stets von Packeis besetzt sind und eine regelrechte Schifffahrt zur Unmöglichkeit machen. Einigermassen anders ist es mit der durch Nordenskiöld eröffneten nordöstlichen Durchfahrt bestellt, über deren Eigenart wir einen vorzüglichen Bericht v. Boguslawski’s [78] besitzen. Es kommt dabei nicht sowohl darauf an, dass ein und dasselbe Schiff die Umsegelung des asiatischen Nordrandes bewerkstellige, sondern mehr darauf, dass ein gesicherter Verkehr zwischen Europa und den Mündungen von Ob, Jenissei und Lena einerseits und zwischen Lena und Beringsstrasse andererseits hergestellt werde. Und dazu scheinen die physikalischen Vorbedingungen gegeben. $. 7. Eisblink und Wasserhimmel. Unter Eisblink („ice- blink*) versteht man jenen glänzend weissen Streif am Hori- zonte, der aus weiter Entfernung das Vorhandensein ausgedehnter *) Das Polarland geht über den mathematischen Pol hinweg; die Ostküste (Europa und Asien zugewendet) ist zwischen 23° und 170° ö. L. von Greenwich in einer durchschnittlichen Breite von 84° und 85°, die Westküste (Amerika zu- gewendet) zwischen 90° und 170° w. L. von Greenwich in einer wechselnden Breite von 86° bis 80° anzutreffen. £ **) Angeblich soll eine Strömung aus dem Berings-Meer in den Smith-Sund entdeckt sein. ***) Eine auf die Förderung der Südpolforschung abzielende Resolution ist vom vierten deutschen Geographentag, der in München zusammengetreten war, angenommen worden. A ee 440 Sechste Abtheilung. Oceanographie und oceanische Physik. | Eisfelder verkündigt und nicht selten sogar von dem sonst überall den Himmel bedeckenden Gewölke sich deutlich abhebt. Dieser Streif scheint hauptsächlich auf die Wirkung der Refraktion zurückzuführen zu sein. Wäre die ganze Umgebung des Poles von glatten Eismassen bedeckt, so würde natürlich eine starke Verbreiterung des dünnen Bandes sich ergeben, obwohl selbst dann noch ein nordlichtähnliches Farbenspiel, wie es die W olfert’sche Hypothese (S.58 dieses Bandes) fordert, weder durch Zurückwerfung, noch durch Brechung der Strahlen zu erklären wäre. „Ein Eisfeld bringt den hellsten Eisblink mit einem Anstriche von Gelb hervor; 'T'reibeis von grosser Ausdehnung giebt sich durch ein reineres Weiss, und neu entstandenes Eis giebt sich durch ein grauliches Licht zu erkennen* [79]. Diese Angaben Horner’s sind wesentlich dem Tagebuche des schärfsten Beobachters aller optischen Erscheinungen der Polarlande, Scoresby’s, entnommen, dem zufolge auch schneebedeckte Landmassen den Horizont aufzuhellen vermögen. Ausgedehnte Waken und noch mehr offene See verrathen sich durch tiefblaue oder schwarze Färbung des Himmels; solche Flecke zeigen sich hie und da mitten im Eisblink und weisen dem Seefahrer seine Richtung an. Die deutsche Seemannssprache hat für diese dunkle Schattirung, welche Parry bezeichnender „Water-sky* nennt, die Bezeichnung Wasserhimmel. | [1] Wisotzki, Die Vertheilung von Wasser und Land auf der Erdoberfläche, Königsberg 1879. $S. 33 ff. — [2] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 5. Band, Leipzig 1827. 8. 140 ff. — [3] G. Forster’s sämmtliche Schriften, 2. Band, Leipzig 1843. $. 411. — [4] Saporta, La glace dans les mers polaires, Revue scientifigue, 1884. S. 488 ff. — [5] Zöppritz, Das Verhalten des Meerwassers in der Nähe des Gefrierpunktes und die Statik der Polarmeere, Ann. d. Phys. u. Chem., 5. Ergänzungsband. $. 508 ff. — [6] v. Boguslawski, Handbuch der Oceanographie, 1. Band, Stuttgart 1884. S. 359 ff. — [7] Peterson, On the properties of water and ice, Stockholm 1883. — [8] Gehler’s Phys. Wörterbuch, 2. Aufl., 5. Band. S. 142 ff. — [9] Albers, Amerikanische Annalen für Arzneykunde, Naturgeschichte, Chemie und Physik, 1. Heft, Bremen 1802. $. 105 ff. — [10] Saporta, La glace ete.. $. 482 ff. — [11] Ibid. S. 486 ff. — [12] Pl. Heinrich, Pyrometrische Versuche über die Ausdehnung des Eises und der Holzkohle, München 1806. — [13] Gehler’s Phys. Wörterb.. 5. Band. $. 113. — [14] v. Boguslawski, Handbuch ete., $. 361. — [15] Gehler’s Phys. Wörterb.. 5. Band. $. 120 ff. — [16] v. Boguslawski, Hand- buch ete., S. 363. — [17] Bessels, Die amerikanische Nordpolexpedition, Leipzig 1879. S. 223 u. 298. — [18] Krafft, Wahrhaftige und umständliche Beschreibung und Abbildung des im Jahre 1740 in St. Petersburg aufgerichteten merkwürdigen Hauses von Eis, St. Petersburg 1741. — [19] Gehler’s Phys. Wörterb., 5. Band. $. 124. — [20] Dalton, On the power of fluids to conduct heat, Mem. of the society of Man- chester, Vol. V, 2. 8. 373 ff. — [21] P. Erman, Versuch einer physikalischen Theorie der Volta’schen Säule, Gilbert’s Ann. d. Phys., 11. Band. S. 166 ff. — [22] Gehler’s Phys. Wörterb., 5. Band. S. 126 ff. — [23] Ibid. S. 127. — [24] Scoppewer, Ueber Grundeis, Brandenburg 1859. — [25] Plott, The natural history of Oxfordshire, being an essay towards the natural history of England, Oxford 1705. 8. 28. — [26] Hales, Vegetable statics or an account of some statical experiments on the sap in vegetables, London 1727. App. S. 398. — [27] Nollet, M&moire sur la maniere dont se forment les glacons qui flottent sur les grandes rivieres, Hist. de l’ac. des sc. de Paris, Annee 1743. $. 51 ff. — [28] Scoppewer, Ueber Grundeis, S. 5. — [29] Gehler’s Physik. Wörterb., 1. Aufl., 1. Band, Leipzig 1788. $. 676. — 130] Desmarest, Pr&eis d’un m&moire sur le lieu et les autres eirconstances de la formation des glagons spongieux que les rivieres charrient, Journ. de phys., Vol, AXII S. 50 ff. — [31] Hannoverisches Magazin für Naturkunde, 1783. Nr. 20 ff. — [32] Gehler’s Phys. Wörterb., 2. Aufl., 5. Band. S. 130 ff. — [33] Hugi, Notice sur la glace du fond des eaux courants, Bibl. univers.,. Vol. XLI. $. 201 fi. — Citate. | 441 [34] Lichtenberg, Ueber Gegenstände der physischen Geographie, Phys. u. math. Schriften, herausgeg. von Kries, 4. Band, Göttingen 1806. S. 317. — [35] Zschokke, Das Grundeis auf der Aare, Verhandl. d. naturf. Ges. in Bern, 1855. S. 169 ff. — [36] P. Merian, Ueber die Gleichheit der Wärme fliessenden Wassers an der Ober- fläche und am Grunde. Neues Jahrb. f. Min., Geogn.,. Geol. u. Paläont., 1837. S. 690. — [37] Zschokke, Das Grundeis etc., S. 186. — [38] Arago, Annuaire pour l’an 1843. S. 244 ff. — [39] Strehlke, Beobachtung von Grundeis in Berlin, Ann. d. Phys. u. Chem., 28. Band. $. 223 ff. — [40] Scoppewer, Ueber Grundeis, S. 15. — [41] Mohr, Ueber Grundeisbildung, Ann. d. Phys. u. Chem., 43. Band. S. 527 fi. — [42] C. W. Weber, Die Entstehung des Grundeises, nach Erfahrungs- sätzen und physikalischen Regeln erläutert, Spandau 1856. — [43] Scoppewer, Ueber Grundeis, $. 20. — [44] Rae, Anchor-Ice, Nature, Vol. XXI. S. 538; Vol. XXI. S.54. — [45] Macdougall, Anchor-Ice, ibid. Vol. XXI. S. 612. — [46] Hand- buch der Oceanographie und maritimen Meteorologie, 1. Band, Wien 1883. S. 327. — [47] Weyprecht, Die Metamorphosen des Polareises, Wien, Pest, Leipzig 1880. — [48] Handbuch etc., S. 340 ff. — [49] Die Nordpolreisen Adolf Erik Norden- skiöld’s 1858 bis 1879, Leipzig 1880. S. 147 ff. — [50] Hagenbach-Bischoff, Spreng- wirkungen durch Eis, Verhandl. der naturf. Ges. in Basel, 7. Theil. $S. 185 ff. — [51] Gehler’s Phys. Wörterb., 5. Band. S. 114 ff. — [52] Kane, Arktische Fahrten und Entdeckungen der zweiten Grinnell-Expedition zur Aufsuchung Sir John Franklin’s, Leipzig 1879. $S. 143. — [53] Ungewöhnliche Eismassen auf dem at- lantischen Ocean im Frühjahr 1841. Ann. d. Phys. u. Chem., 55. Band. $. 639 ff. — [54] Handbuch ete., S. 329 ff. — [55] Bessels, Die amerik. Nordpolexped., $. 133. — [56] v. Heuglin, Reisen nach dem Nordpolarmeere in den Jahren 1870 und 1871, 1. Theil, Braunschweig 1872. S. 146. — [57] Handbuch etc., S. 337 ff. — [58] Nares, The official report ofthe recent arctic expedition, London 1877. 8.86. — [59] Chavanne, Die englische Nordpolexpedition 1875/76 unter Kapitän Nares und ihre Resultate, Wien, Pest, Leipzig 1877. — [60] Handbuch etc., $S. 332 ff. — [61] E. de Beaumont, Ueber die Temperatur der Erdoberfläche in der tertiären Periode, Neues Jahrb. f. Min., Geogn.. Geo]. und Paläont., 1837. S. 63 ff. — [62] v. Boguslawski, Meteo- rologische und physisch-oceanographische Beobachtungen im amerikanisch-ark- tischen Archipel, ausgeführt von verschiedenen englischen arktischen Expeditionen in den Jahren 1819 bis 1854, Ann. d. hydr. u. marit. Met., 11. Band. $. 395 ff. S. 509 ff. — [63] Weyprecht, Die Metam. ete., $. 81. — [64] Ibid. $. 131 fi. — [65] v. Schleinitz, Ueber die von der internationalen Meteorologenkonferenz in Hamburg, Oktober 1879, geplante Polarforschung, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 7. Band, $. 206 ff. — [66] Croll, Climate and time, London 1875. S. 3883 ff. — [67] Penck, Schwankungen des Meeresspiegels, München 1882. S. 27 ff. — [68] v. Boguslawski. Handbuch ete.. $. 381. — [69] Kane, Arkt. Fahrten ete., S. 169 ff. — [70] Hayes, Das offene Polarmeer, deutsch von Martin, Jena 1868. S. 299. — [71] Peschel-Leipoldt. Physische Erdkunde. 2. Band, Leipzig 1884. S. 24. — [72] Petermann, Die deutsche Nordpolexpedition,. Gotha 1868. — [73] Baruffi, Der Senator Baron Plana, deutsch von Curtze, Arch. d. Math. u. Phys., Lit.-Ber. CLXIV. S. 4. — [74] Bessels, Die amerik. Nordpolexped., S. 188 fi. — [75] Behm, Die bedeutenderen geographischen Reisen in den Jahren 1872 und 1873, Geogr. Jahrb., 5. Band, Gotha 1874. S. 214. — [76] Rachel, Aus Amerika, Gaea, 20. Jahrgang. S. 648. — [77] v. Boguslawski, Handbuch ete., S. 385. — [78] v. Bogus- lawski,. Die Nordenskiöld’sche Expedition von 1878/79, Verhandl. d. Ges. f. Erd- Es zu Berlin, 7. Band. S. 164 ff. — [79] Gehler’s Phys. Wörterbuch, 5. Band. . 149. PO RER EA NAn 3.1 he a ae de ET ae Siebente Abtheilung. Dynamische Wechselbeziehungen zwischen Meer und Land. Kapitel 1. Dauernde Verschiebungen der Grenzlinien zwischen festem und flüssigem Elemente. $. 1. Ueber Niveauschwänkungen im Allgemeinen. Im ersten Bande (S. 193 ff.) war davon die Rede, dass ein absolut fixes Niveau für sämmtliche irdische Meere nicht vorhanden sei, und im ersten Ka- pitel der vorigen Abtheilung musste die nämliche wichtige Frage unter einem anderen Gesichtspunkte erörtert werden. In diesem Abschnitte haben wir die näheren Umstände dieser Niveauschwankungen zu prüfen, die thatsächlichen Verhältnisse geographisch festzustellen und schliesslich nach Gründen für die den uns innewohnenden Vorstellungen von der Wechselbeziehung zwischen Fest und Flüssig zuwiderlaufende Erscheinung zu suchen. Erleichtert wird uns diese Untersuchung sehr wesentlich durch den wie immer geistreich und anregend gearbeiteten Essay Peschel’s [1], den Leipoldt dem fortgeschrittenen Wissen der Neuzeit entsprechend umgearbeitet hat [2], und noch mehr durch die inhaltsreiche Monographie von Hahn [3], durch welche besonders die Kriterien für den Nachweis einer Hebung oder Senkung systematisch fixirt worden sind. Der bezügliche Abschnitt des österreichischen Ad- miralitätsbandbuches [4] enthält keine eigentlich neuen Materialien. Das nächstliegende, wo nicht vorläufig einzige Mittel der Er- kenntniss, ob die Uferlinie eines Landes nach oben oder unten sich verschoben habe, scheint die Beobachtung fixer Marken im festen Fels zu sein, sei es, dass diese bereits von der Natur oder erst vom Menschen zu Beobachtungszwecken angebracht sind. Die frühesten Beobachtungen dieser Art hat v. Hoff [5] sorg- fältig gesammelt und diskutirt. Celsius sorgte dafür, dass an ver- schiedenen Orten der schwedischen Küste Marken in den Stein ge- hauen wurden; es geschah diess zuerst 1731, sodann wiederum 1752 und 1755, und als im Jahre 1785 jene Zeichen verschoben gefunden wurden, I, $. 2. Kennzeichen der Niveauverschiebungen. 443 konnte man sich der Ueberzeugung nicht mehr entschlagen, dass ent- weder der Spiegel der Ostsee gesunken sei, oder dass anderenfalls das Land sich über denselben emporgehoben habe, Celsius selber sprach sich im ersteren Sinne aus [6]. Andere schwedische Forscher, wie Linne& [7] und Chydenius [8], traten auf Celsius’ Seite, während ein weit zahlreicherer Bruchtheil derselben — Muncke führt ihrer nicht weniger als neun an [9] — die Richtigkeit der Wahrnehmungen und der aus ihnen gezogenen Folgerungen bestritt. Jessen erkannte die ersteren völlig an, deutete den Sachverhalt jedoch im Sinne einer Land- hebung [10], und diese letztere Auffassung war die herrschende, nach- dem L. v. Buch das Schwergewicht seiner Autorität dafür eingesetzt hatte [11]. Wir werden auf diese Erklärungsversuche später zurück- kommen, für jetzt genügt es, zu sagen, dass durch sie die Frage in Fluss gebracht war, dass man auch anderweite Meeresküsten auf Ni- veauschwankungen zu prüfen begann und auf diese Weise die Grund- lagen zu einem ganz neuen, stattlichen Kapitel der physischen Geo- graphie legte. Um der richtigen Theorie nicht vorzugreifen, sprechen wir für's Erste von Hebungen und Senkungen und von einem Zurück- weichen oder Vordringen des Meeres nur konventionell, bestimmt dagegen nur von positiven und negativen Niveauverschie- bungen — erstere zu Gunsten des Landes, letztere zu Gunsten des Wassers angenommen. S. 2. Kennzeichen der Niveauverschiebungen. Um eine genaue Angabe und Musterung dieser Anzeichen hat sich besonders Hahn (s. 0.) verdient gemacht. Die besten und sichersten Anhaltspunkte, deren wir oben gedachten, sind in der Mehrzahl der Fälle nicht vor- handen, so dass man sich mit indirekten Merkmalen begnügen muss. Sind die Küsten steil, so deuten vorgelagerte Inseln und Riffe, Neigung zur sogenannten Scheerenbildung*) auf eine positive Ver- schiebung hin, und diese Indicien steigern sich, wenn nachweislich eine solche Vorlagerung durch eine Brücke mit dem eigentlichen Festlande in Verbindung getreten ist. War die Küste eine flache, so giebt das Auftreten zungenförmiger Nehrungen, die vielleicht auch am anderen Ende wieder mit dem Lande zusammenwachsen und dann einen Strandsee einschliessen, einigen Grund, zu vermuthen, dass die Niveauschwankung eine positive sei. Wenn die Küste vorgelagerter Massen entbehrt, so ist in letzterem Falle der Umriss gewöhnlich ein glatter, es entstehen Sümpfe und Altwasser, die Flüsse verrathen eine Tendenz, von der geraden Richtung ihres Laufes abzuweichen, und damit steht das häufigere Vorkommen von Deltas in Verbindung. Als indirekte Kriterien einer negativen Verschiebung haben zu gelten die zerrissenen Konturen einer Flachküste, während von einer Steilküste, längs deren sich gar kein Vorland hinstreckt, im Allgemeinen anzu- nehmen ist, dass das Meer ihr Terrain abgewinne. Trichterbildungen der Flüsse sprechen ebensosehr für eine negative Verrückung der Ufer- *) Dieser Ausdruck ist schwedischen Ursprunges. „Mit wenigen Ausnahmen @Jäderen in Norwegen, Halland und Skäne in Schweden),“ sagt C. F. Frisch [12], „ist diese Küste felsig und zerrissen und geschützt durch vorliegende grössere und kleinere Felseninseln, welche man Skjären (Scheeren) nennt.“ 444 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. | linien, wie diess Deltabildungen im entgegengesetzten Sinne thun. Nächstdem kommen versunkene Wälder und Torfmoore in Betracht, auf deren Bedeutung namentlich von Grisebach [13] hingewiesen wurde, sodann Koralleninseln und Veränderungen des Pflanzenwuchses an Flachküsten und sogenannte Holz- oder Baumstubben*) Für gewöhnlich sind negative Veränderungen minder leicht zu erkennen oder doch wenigstens minder leicht als solche zu erweisen wie posi- tive Veränderungen, denn neben jenen indirekten Merkmalen findet das kundige Auge des Geologen für diese letzteren auch einige direk- tere und positivere heraus. Er erblickt, wie im nächsten Kapitel ge- zeigt werden wird, an scheinbar hoch über dem Meeresspiegel für alle Zeiten gelegenen Küstenpartieen die Spuren dereinstiger Meeresbrandung, Rollsteine, Reste von Thhieren, die nur im Salzwasser gedeihen, Strand- linien, Haufen von Muschelschalen**), die allem Anscheine nach am Ufer selbst zusammengetragen worden waren. Hiemit ist die Unter- suchung bereits auf solche Anzeichen eines früheren höheren Standes der See hinübergeleitet, bei deren Bethätigung der Mensch selbst eine Rolle spielt. So kann man aus der Etymologie mancher Ortsnamen einen Schluss auf die Lage dieses Ortes in alten Zeiten machen, man kann geschichtliche Nachrichten über das Auftauchen von Inseln und Klippen sammeln und Forschungen darüber pflegen, wie wohl Gegen- stände, die wir unter normalen Umständen uns nur in engster Be- ziehung mit dem Meere denken können, nach jenen Orten des Binnen- landes gelangt sein mögen, an welchen wir sie thatsächlich antreffen. Celsius z. B. und Dalin hatten Kähne und Anker in grosser Ent- fernung vom Lande gefunden und daraus gefolgert, dass das Land fortwährend in das früher vom Meere innegehabte Territorium über- greife [17]. — Wenn endlich Gebäulichkeiten und gepflasterte Strassen jetzt unter Wasser stehen, so kann diess wohl als ein vollgültiger Be- weis dafür angesehen werden, dass das Meer erst in einer ver- hältnissmässig späten Zeit den gegenwärtigen hohen Stand erreicht habe***). Wenn wir im nächsten Paragraphen daran gehen, die Küsten der einzelnen Erdtheile und Inseln musternd zu umschreiten, wird sich Veranlassung bieten, einzelne der vorstehend skizzirten Regeln mit Be- legen zu versehen. In Fig. 84 sehen wir auf einer Erdkarte die zur *) Ueber die Bildung dieser künstlichen Erhöhungen des Meeresbodens, an welche der Name Stubbenkammer (auf Rügen) deutlich erinnert, spricht sich Ackermann des Näheren aus [14]. Eine Sturmfluth oder auch die stetige Erosion der brandenden Wogen löst ansehnliche Trümmer vom Lande los, die mit Bäumen bestanden sind, und diese graben sich in den weichen Meeresboden mehr oder weniger tief ein. Eventuell freilich kann auch ein grosser Fluss, wie der Missis- sippi, solche Baumstäimme — Snags — in’s Meer hinausführen. Die gewaltigen Stubben an den Küsten der dänischen Inseln lehrt uns J. G. Forchhammer kennen [15]. **) Es sind diess die aus der Urgeschichte des Menschen wohlbekannten Kjökkenmöddings, „Haufen von Küchenresten, nämlich den Schalen essbarer Muscheln, besonders der Auster, Fischgräten, Knochen von Vögeln und Vier- füsslern“, zu deren Bildung wohl die Thätigkeit einer ganzen Reihe von Gene- rationen erfordert wurde [16]. *##) Selbstverständlich ist die innere Güte der Indicien eine sehr verschiedene, was auch Hahn selbst keineswegs entgangen ist. Ueber die Vorzüge und Nach- theile derselben verbreitet sich ziemlich ausführlich Krümmel [18]. 1,$.3. Geographische Vertheilung der verschiedenen Uferschwankungen. 445 Zeit in vertikaler Bewegung befindlichen Uferlinien (nach Leipoldt) verzeichnet. GE EI BR |, es RUHE u) Verschiebung der Uferlinie nach oben. WZZHR Verschiebung der Uferlinie nachunten, ve | 2 F y \ & U B | > Sr j : = » | 1 ; I Z ’ — B se | er ER NEN & Sale e x | £ 1; 12: if : $. 3. Geographische Vertheilung der verschiedenen Uferschwan- kungen. Wir beginnen unsere Wanderung mit Europa. Von Spanien und Portugal ist so gut wie nichts zu berichten, nur der Nordrand der Halbinsel hat eine Tendenz zu negativer Bewegung, und ein Gleiches 446 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. gilt für die atlantische Küste Europa’s bis zur jütischen Halbinsel und für Irland und das südliche England [19]. Die Westküste Schott- land’s, England’s und Wales’ unterliegt der entgegengesetzten Ten- denz [20], doch ist die Veränderung dortselbst keine rasche; auf alte Hochterrassen an der Küste von Lochaber glaubt J. Smith den Schluss begründen zu dürfen [21], dass einmal das Meer durch mindestens 40 Jahre genau das nämliche Niveau beibehielt. Die gewaltigen Einbrüche, mit welchen das Meerin historischer Zeit Ost- und Nordfriesland heimgesucht hat, wurden durch Landsenkungen vorbereitet und erleichtert; merk- würdigerweise hält diese Bewegungstendenz an der dänischen Küste inne; Jütland hat Landgewinne zu verzeichnen, wie Forchhammer zu konstatiren in der Lage war [22]. Auf die gleiche Quelle ist die Nachricht von einer negativen Verschiebung der Elementengrenze für das südliche Schweden zurückzuführen. Im Uebrigen ist die Schwan- kung der gesammten skandinavischen Halbinsel, wie wir schon in &. 1 erfuhren, eine positive, und dasselbe gilt für Finnland und die nörd- lichen Ostseeprovinzen*). „Auch die baltischen Küsten Deutschland’s,* lesen wir bei Leipoldt [24], „sind stark gesunken;* allerdings ist diess die jetzt herrschende Ansicht, allein dieselbe scheint noch keineswegs ausser Zweifel zu stehen. Ackermann begleitet [25] mehrere der von Hahn [26] beigebrachten Wahrscheinlichkeitsgründe mit einem „vielleicht“, aber P. Lehmann, ein durch scharfen Blick ausgezeichneter Beobachter, sieht sich überhaupt ausser Stande, pro oder contra zwingende Gründe anführen zu können |27]; dass bezüg- lich der so oder so gerichteten Bewegung der deutschen Ostseeküste zur Zeit noch ein „non liquet* am Platze sei, erhelle schon daraus, dass Paschen bei der Berechnung der Pegelbeobachtungen und Geinitz bei der geologischen Landesaufnahme Mecklenburg’s zu ganz entgegen- gesetzten Resultaten gekommen seien. Anhangsweise sei noch bemerkt, dass Jan Mayen, Spitzbergen und Nowaja Semlja einer positiven Be- wegung unterliegen, dass an den Küsten des weissen und karischen Meeres ähnliches beobachtet wurde, und dass wahrscheinlich auch die Obi-Mündung und die Nordspitze Sibiriens dem gleichen Gesetze unterliegen |28]. Island scheint sich völlig neutral zu verhalten. Springen wir nunmehr zu den Küsten des mittelländischen Meeres über, so be- gegnen wir in rascher Abwechselung Ufersäumen, deren Bewegungs- richtung die entgegengesetzte ist; vieles, was wir darüber wissen, danken wir der schon oft erwähnten Monographie Th. Fischer’s [29]. Ligurien, die Balearen, Corsica und Sardinien sind positiv bewegt, Sizilien wenigstens grossentheils. Die äusserste Westküste dieser Insel ist so- gar sehr energischen Schwankungen unterworfen, denn während der Hafen von Trapani, nach dem Berichte des Polybios, noch die See- schlacht zwischen Römern und Karthagern ermöglichen konnte, ist erheute nur wenig über einen halben Meter tief. Die toskanische Küste be- trachten wir mit Reyer als aufsteigend [30], obwohl wir nicht ver- schweigen wollen, dass T'h. Fischer [31] einige der von Jenem bei- gebrachten Beweisgründe nicht als beweiskräftig erachtet. Das Sinken der venetianischen Küste wird durch augenfällige Beweise, wie ver- *) Im Archipel von Oesel dürfte nach Hahn [23] der neutrale Punkt zwischen Hebung und Senkung gelegen sein. I,$.3. Geographische Vertheilung der verschiedenen Uferschwankungen. 447 sunkene Bauten und Mosaikböden, dargethan, für Dalmatien hatte es schon v. Klöden [32] aus der Gestalt der vorgelagerten Inselkette erschlossen. Sehr auffallende Zeugnisse für ein jähes Sinken und Auf- steigen der Küste enthält die Umgebung des süditalischen Puzzuoli; ein im III. Jahrhundert unserer Zeitrechnung angelegter Tempel war so hoch vom Wasser überfluthet worden, dass die Bohrmuscheln des Meeres ganze Kränze von Löchern in den chemisch erweichten Stein hineinzubohren vermochten, und heute wiederum erhebt sich selbst der untere Rand dieser Kränze 4 m über den Wasserspiegel — freilich müssen wir es mit Peschel [33] dahingestellt sein lassen, ob hier nicht vulkanische Kräfte mitwirkten (s. u.). Soweit die Gestade des ägäischen Meeres genau untersucht sind, oscilliren sie im Augenblicke vertikal nach oben [34], auch das gesammte schwarze Meer erscheint vom positiven Vorzeichen beherrscht, in erster Linie die Südküste und die Krim. Folgen wir von nun an dem Uferrande des Mittelmeeres. Die früher vielfach gehegte Meinung, dass längs der Dardanellen ein er- heblicher, in letzter Instanz auf Ansteigen der Küste zurückzuführender Landgewinn seit den homerischen Zeiten stattgefunden habe, wird von Calvert schlagend widerlegt [35], ja es scheint sogar, wie auch Vir- chow betont [36], das Land weit eher eine Einbusse erlitten zu haben. Die Behauptung, dass das alte Troja mehr in’s Innere gerückt worden sei, ist unhaltbar. Kleinasien oscillirt, die lykische Küste ausgenommen, positiv, Cypern und die syrische Küste thun ein Gleiches, nur bei “Beirut soll auf kleiner Strecke eine negative Bewegung bemerkt wor- den sein [37]. Bei Suez hebt sich nach v. Kremer [38] die Küste, im Nildelta senkt sie sich, und nur die gewaltigen Alluvionen des. Flusses lassen die abwärts gehende Bewegung nicht so deutlich her- vortreten. Für Nordafrika gilt in Kürze folgendes Bewegungsschema: Unterägypten —, Cyrenaika —, Tripolitanien —, Tunis —-*), öst- liches Algerien — , westliches Algerien und angrenzende Theile von Marokko 4. Allerdings ist es schwer, das auch von Fischer beob- achtete Austrocknen früherer Häfen und Verschwinden früherer Buchten [41] sich anders als im Zusammenhange mit einer vertikal-positiven Niveauschwankung zu erklären. Der afrikanische Kontinent ist rasch umschritten; östlich von der Kapstadt, bei Port Natal und am nördlichen Ausgange der Strasse von Mocambique finden sich Spuren einer positiven Bewegung, der auch die Westküste von Madagaskar sammt den Maskarenen unterworfen ist; die Comoren und Seychellen scheinen dem sogenannten grossen Senkungsfelde des indischen Meeres anzugehören, das bei den Malediven beginnt und sich bis zur Küste von Sansibar erstreckt [42]. Dass die Ufergrenzen Arabiens an verschiedenen Stellen sich nach oben verschieben, weiss man seit Niebuhr’s Zeit [43]. Ein analoges Gebiet verläuft vom Nordende des persischen Golfes bis zur Insel Ceylon, dieselbe mit inbegriffen, nur unterbrochen durch eine die Indus- ea *) Dieses Plus verdient allerdings, wie es auch auf der Karte geschah, mit einem Fragezeichen versehen zu werden. Es sind nämlich die von v. Tehihatcheff auf Hebung gedeuteten Spuren [39] nach Th. Fischer [40] einer anderen und besseren Interpretation fähig. 448 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. mündung umschliessende Zone negativer Oscillation, welch’ letztere eben hiedurch den uns aus Band I (S. 379 ff.) bekannten Angriffen der See ausgesetzt ist. Ganz Hinterindien ist, soweit es überhaupt zu den erforschten Ländern zählt, im Aufsteigen befindlich, nur Tongkin und Cochinchina scheinen eine Ausnahme zu machen. Hier beginnt ein Saum mit Senkungserscheinungen, der sich durch Südchina bis zum Ausflusse des Yangtzse hinaufzieht [44]. Die nordchinesische, mand- schurische und koreanische Küste steigen hingegen ebenso wie Sachalin mit der Mündung des Amur, wie ganz Kamtschatka und wie die ost- asiatische Inselschnur von den Kurilen bis Formosa. Dass insbesondere Japan diese positive Bewegung mitmache, begründet Rein [45] durch den Hinweis auf zahlreiche alte Strandlinien und Bohrmuschelresiduen. Die Nordseite Neu-Guinea’s und der grösste Theil der Ostküste Neu- Holland’s verhalten sich negativ, Tasmanien und die ihm zunächst liegenden Ufer Australiens heben sich, und Neu-Seeland bietet, wie v. Hochstetter fand [46], das merkwürdige Beispiel einer durch seine Längsaxe in einen sinkenden (westlichen) und in einen steigenden (öst- lichen) Abschnitt zerlegten Insel. Die etwas bunten und keineswegs schon ganz geklärten Bewegungsverhältnisse Polynesien’s sind aus der Karte zu ersehen. Wir wenden uns jetzt der neuen Welt zu, und zwar zunächst der südlichen Hälfte derselben. Die negative ÖOscillation der pata- gonischen Westküste ist strittig, um so wahrscheinlicher dagegen die positive Schwankung längs der Küsten von Chile und Peru [47]. Dar- win’s berühmtes Werk über Südamerika [48] ist mit zahlreichen Nach- richten über diesen Punkt erfüllt, und eine gewisse langsame Ver- schiebung der Niveaulinie scheint aus diesen Nachrichten doch auch dann zu folgern, wenn man mit Suess [49] viele derselben als unzulänglich und nicht beweiskräftig betrachtet. Nördlich grenzt viel- leicht eine Stelle schwacher Senkung an. Brasilien’s Küste steigt anscheinend in ihrem südlichen Theile, sinkt anscheinend in ihrem nörd- lichen; ersteres wird namentlich durch die Sambaquis, das bra- silianische Analogon der Kjökkenmöddinger, bewiesen [50]. Die Um- gegend von Panama ist, ebenso wie die Küste von Venezuela, in der Erhebung begriffen*), auch Guyana participirt möglicherweise an der- *) Reiss konstatirte diesen Umstand [51] fast zu seiner Verwunderung, denn als er seine Barometermessungen in Südamerika mit denjenigen von älteren wissenschaftlichen Reisenden verglich, kam ihm zuerst der Eindruck, als sei das ganze Massiv der Cordilleren, und mit ihm der Kontinent, im stetigen Sinken. Es zeigte sich jedoch, dass nur die unzuverlässigen Methoden der Physik des XVII. Jahrhunderts die Schuld an jener stetigen Abnahme der Höhendimensionen einzelner Gipfel trugen. Der Konquistador Castellanos erkannte die Hebun der Bucht des Magdalenenstromes schon 1545 und charakterisirte sie treffend [52 in folgenden Oktaven, deren deutschen Text der Verfasser Herrn Vizekonsul Knapp in Nürnberg verdankt: „Hay campo por alli muy estendido, „Schau das Gefild dort weithin ausgebreitet, Ya poblado, de vacas y de yeguas, Belebt vonRinderheerden, led’gen Rossen — Cujo compas se ve que mar ha sido Wohin des Forschers Blick auch suchend gleitet, Por espacio de dos y aun de tres leguas,| Schien es vom Ocean einst überflossen ; E ya de tal manera retraido Wohl lang ist’s, seit er mählig rückwärts schreitet (Jue tiene para siempre hechas treguas, | Und Waffenruhe mit dem Land geschlossen, TE $. 4. Einstweilige allgemeine Ergebnisse. 449 selben, und nicht minder dürfte die Mündung des Amazonas, die man, auf einen Ausspruch von Agassiz hin, zu den Senkungsgebieten zählte, sich neuerlich wieder einer entgegengesetzten Bewegung er- geben haben; wenigstens schliesst diess Reiss daraus, dass im Brack- wasser des genannten Flusses alte Sedimente wieder zum Vorschein kamen. — Die grossen und kleinen Antillen scheinen durchaus Land- erwerb aufzuweisen, wogegen die Bermudas Terrain an das Meer ver- lieren [53], und von der Bahama-Gruppe lässt sich dasselbe aussagen, wie von Neu-Seeland. Die Westküste Nordamerika’s bietet wenig deutlich ausgesprochene Zeichen für die eine oder andere Art der oscillirenden Bewegung; am stärksten manifestirt sich ein Steigen gegenüber der Insel Vancouver und an einzelnen Küstenpunkten des früher russischen Besitzantheiles.. An der Ostküste tritt die Vertikal- verschiebung stärker hervor; 'Texas, Louisiana und Florida, New- Foundland und Labrador bewegen sich in positivem, die dem Atlantik zugewandten Uferstaaten der Union in negativem Sinne Mit am besten sind wir über die Schwankungen des grönländischen Uferrandes unterrichtet, wo Pingel Merkmale einer unzweideutigen Landsenkung entdeckte |54.] Alle Nordpolfahrer, welche durch den Smith-Sund vor- drangen, lieferten weitere Beiträge zur schärferen Bestimmung der Grösse und Art dieser Niveauverschiebung, welche im höheren Norden ihr Zeichen wechselt. In vielleicht allzu poetischer Sprache schildert Bessels den gegenwärtigen Stand unseres Wissens von der Bewe- gung Ostgrönland’s, wie folgt [55]: „Die Hauptaxe der Oscillationen liegt zwischen dem vierundsiebzigsten und fünfundsiebzigsten Parallel- kreise. Wie der Brustkorb des Menschen bei sehr tiefem Athemzuge sich hebt und eine Senkung des Leibes bedingt, so strebt dort der nördliche Theil der Küste nach oben, während die Hauptmasse des Südgestades langsam in die eisige Fluth sich senkt.“ $. 4. Einstweilige allgemeine Ergebnisse. Ehe wir es versuchen, uns über die Ursache oder die Ursachen dieser langsamen ÖOsecil- lationen der Erdrinde theoretisch klar zu werden, haben wir zu- nächst die Frage aufzuwerfen, ob unsere geographische Synopsis uns die spätere Untersuchung erleichtert, ob aus ihr etwa ein Zusammen- hang der geographischen Lage mit gewissen Formen jener Niveauschwankung erschlossen werden kann. Die Ausbeute ist Dejando gran espacio descubierto Denn fern am Horizont schwingt sich die Welle Desde donde residen, que es el puerto. Um Thurm und Leuchte an des Hafens Schwelle. Y ansi por las cabanas y el aprisco Dort, wo zerstreut die Hütten und dieStälle, Do pastan los ganados destas gentes, WoWeidevieh benagtdiedürft’genSchollen, Se ven muchas horruras, mucho cisco, | Sieht man von Meeres-Abraum mächt’ge Wälle, De marinas menguantes y crecientes, |Wie Ebb’ und Fluth sie hin und wieder rollen; Y aqui y alli montones de marisco, Der Salzfluth Muschelschmuck, dieTuritelle, Con otros muestras claras y patentes, | Cypräen,Nautilus,vonTangdurchquollen — Por do conocerä quien puede vello Dort hat ringsum, davon ist man durch- drungen, Ser mar antiguamente todo ello.“ Neptun den mächt’gen Dreizack einst ge- schwungen.“ Günther, Geophysik. II. Band. 29 450 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. - keine sehr reiche, und es ist nicht zu verkennen, dass Peschel zu weit gieng, als er die ihm später von unbarmherzigen Kritikern zum herben Vorwurfe angerechneten Worte niederschrieb [56], ein geschärftes Auge müsse schon an gewissen Aeusserlichkeiten der Küste den dort sich vollziehenden Process erkennen. Selbst die Behauptung [57], dass die Hebungen den Norden und Westen, die Senkungen den Süden und Osten der Kontinente bevorzugen sollen, ist nur bedingt, nämlich für die neue Welt, zutreffend. Auch für Polargebiete besteht keineswegs jene Gesetzmässigkeit, welcher zufolge in jenen die positive Niveau- verschiebung mit Ausschliesslichkeit herrschen sollte. Was sich an Regeln aus dem bislang angesammelten Beobach- tungsstoffe entnehmen lässt, hat Hahn zusammengestellt [58]. In einer unseren Zwecken besonders entsprechenden Kürze hat aber wie- derum Zöppritz aus den von Hahn erzielten Resultaten einen Auszug veranstaltet, der deshalb vollinhaltlich hier seinen Platz finden möge [59]: „Tiefe, inselleere oder nur von Korallenbauten besetzte Meerestheile bilden sehr häufig Senkungsfelder, denen auch begrenzende Küsten zugerechnet werden können. Mittelmeere zeigen vorwiegend aufsteigende Küsten. Auf sinkenden Gebieten fehlen thätige Vulkane. Eine Küste mit thätigen Vulkanen befindet sich in der Hebung. Diese beiden Sätze lassen aber keine Umkehrung zu, denn auch viele vulkanfreie Gebiete, z. B. Skandinavien, steigen. Die geologische Zusammen- setzung und das geologische Alter der Gebiete scheint auf die Rich- tung ihrer Bewegung ohne Einfluss zu sein. Das anscheinende Vor- wiegen von Hebungen gegen Senkungen erklärt sich durch die leichtere Nachweisbarkeit der ersteren. Die Vertheilung von Hebung und Sen- kung ist einem unaufhörlichen Wechsel unterworfen.“ In allerneuester Zeit hat sich gegenüber jenem vertrauensvollen Eifer, der allerorts nach Spuren einer Vertikalverschiebung der Utfer- linien suchte, eine ziemlich skeptische Anschauung unter den Geo- sraphen und Geologen verbreitet, deren erstes Auftreten allerdings noch in eine weit frühere Periode zurückreicht*). Man geht jetzt viel- fach von der Ueberzeugung aus, dass zahlreiche sonst auf der- artige Schwankungen zurükgeführte und hinwiederum selbst als Kriterien ersterer verwendete Erscheinungen thatsäch- lich mit anderen und zwar besonders mit den vom Land auf das Wasser ausgeübten Gestalt-ändernden Kräften zu- sammenhängen. Von Kompendien unserer Wissenschaft hat zu- vörderst dasjenige Supan’s mit der üblichen dogmatischen Darstel- lungsweise gebrochen [61], gewiss mit vielem Rechte. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass seine Beseitigung mangelhaft beglaubigter Spiegelschwankungen etwas weit geht; das Fragezeichen spielt auf seiner Karte eine noch weit eingreifendere Rolle, als auf der unsrigen, *) So soll sich z. B. der bekannte Bergbaukundige Russegger über das in $, 3 herangezogene Beispiel des Tempeis von Puzzuoli dahin geäussert haben [60]: „Ich kann mich gar nicht des Gedankens entschlagen, dass die Pholadenlöcher schon von vornherein im Kalksteine vorhanden waren, aus welchem die Säulen sebrochen wurden und dass die Alten, ohne zu ahnen, welch’ harte Nuss sie dadurch den Gelehrten späterer Zeiten zu knacken gaben, sich kühn über diesen kleinen Uebelstand hinwegsetzten.“ Eine Lösung des Knotens gewährt diese radikale Auslegung wohl nicht, 1, 8.5. Aeltere Theorieen. 451 und findet sich bei Gegenden, wie bei manchen im indischen Ocean gelegenen Inselgruppen, deren Bewegung für Andere ausser Zweifel gesetzt ist. Mit Energie bekämpft Supan [62] eine Lieblingsidee Peschel’s, diejenige der Schaukel- oder Schwengelbewegung, als deren klassiches Land besonders Neu-Seeland angeführt wurde, zu deren Verfechtern aber, wie wir oben sahen, auch der sonst sehr kühl reflektirende Bessels gehört. Wir glauben auch, dass mit diesem Bewegungsschema früher ein etwas gewagtes Spiel getrieben worden ist, möchten aber gleichwohl die Akten darüber, ob dasselbe gänzlich zum Ballaste veralteter Ansichten zu zählen sei, noch lange nicht für geschlossen halten. $S. 5. Aeltere Theorieen. In S. 1 erfuhren wir, dass eine ältere Zeit nicht im Lande, sondern im Wasser das eigentlich Beweg- liehe erblickte. Den einzigen Jessen ausgenommen, der noch dazu seine Ansichten über Landerhebung mit ganz sonderbaren krystallo- graphischen Spekulationen vermengte und jenen dadurch allen Kredit nahm, dachten alle Fachmänner an ein Sinken des Meeres, resp. an eine progressive Versandung. Erst v. Buch (a. a. OÖ.) appellirte an ein in diesem Sinne gar nicht vorhandenes Gleichgewicht der Meere, welches ein auch nur lokales Schwinden des Niveau’s nicht gestatte; die wahrgenommenen Erscheinungen könnten nur davon herrühren, dass entweder das Land aus dem Meere aufsteige oder in dieses versinke; der grosse Geologe war in diesem Sinne der Begründer der zwar dem Namen, nicht aber dem Begriffe nach noch heute anerkannten Lehre von den säkulären Hebungen und Senkungen. Es wird er- forderlich sein, die Gründe kennen zu lernen, durch welche man diese ältere Doktrin stützen zu können vermeinte, ehe wir uns -den besser beglaubigten Erklärungen des Öscillationsprocesses zuwenden. L. v. Buch selbst bethätigte sich auch in diesem Falle als grund- satztreuer Vulkanist; die im Erdinneren sich entwickelnden Dämpfe hoben, wenn es gerade zu keiner Explosion kam, die Felsmassen in die Höhe, welche an anderen Orten wieder in’s „Nachsacken“ geriethen und sanken. Dass man mit diesen Anschauungen auch in unserem Jahrhundert noch Anklang findet, hat uns schon in Band I (S. 398) das Beispiel Möhl’s [63] gezeigt. Wesentlich verfeinert erscheint die plutonistische oder magmatische Hypothese bei Pilar [64], der sich zum Theile auch auf die Ansichten von Rickets [65] stützt und auch auf die von Phillips in dessen Werk „Vesuvius“ vorgetragene Deutung der skandinavischen Hebungserscheinungen hinweist. In Einem Punkte hat Pilar, wie uns scheint, wohl das Richtige getroffen; wenn man sich zu seiner Lehre von den in’s feurigflüssige Erdinnere hinab- tauchenden Schollen bekennt, so braucht man sich vor dem Einwurfe Derer nicht zu fürchten, die behaupten, es müsse jeder an einem Orte beobachteten Hebung eine ebenso grosse Senkung an einem anderen Orte entsprechen*). Trotzdem kann die Buch’sche Auffassung heute *) Dieser Einwurf, welcher der Gleichgewichtstheorie v. Buch’s entspringt, ist insbesondere von F. Pfaff [66] erhoben worden. Auch Krümmel huldigt [67] jener bis zu einem gewissen Grade, nur scheint ihm damit die Lehre von chronischen Hebungen und Senkungen in keinem Widerspruche zu stehen, da er ja das völlige Gleichgewicht des Meeres und des Festlandes, beides vom Meeresboden als 452 Siebente Abtheilung. Dynan. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land = keinen Anspruch mehr auf ausschliessliche Berücksichtigung erheben; J. Herschel’s Begründung der Schaukelbewegung wird sogar von Peschel [68], wenn auch nur zögernd, zurückgewiesen*). Prüfen wir jetzt die im Laufe der Zeiten erhobenen Einwände. Nachdem Chambers [69] den vorsichtigen Vermittelungsvorschlag gemacht hatte, von einer Verquickung der Namengebung mit der Er- klärung überhaupt abzusehen und, wie es oben geschah, blos von Ver- schiebungen der Elementengrenze schlechtweg zu sprechen, begann Tyler [70] den Rückgang der Meere als den wahren Grund der um- strittenen Erscheinung zu betrachten, und Trautschold pflichtete ihm bei [71], indem er vorschlug, das Wort „apres nous le deluge* durch „apres nous la secheresse et le froid“ zu ersetzen. Die unauf- hörlich sich erneuernde Hydratbildung entziehe den Meeren das Wasser, Senkungen dagegen — resp. was man gewöhnlich mit diesem Namen bezeichne — würden hervorgebracht durch das Zusammensintern von Schlammablagerungen, sowie durch Unterwaschung und Auflösung von Ufergestein. Später hat der baltische Geologe auch den paläonto- logischen Beweis für die Richtigkeit seiner Auffassung anzutreten ver- sucht [72]. Folgt man diesen Erwägungen, so erkennt man in dem zu lösen- den Probleme vom eigentlichen Wesen der vertikalen Niveauverschie- bungen einen blossen Unterfall der hochwichtigen geophysikalischen Frage: Ist das Massenverhältniss von Land und Wasser auf der Erde ein annähernd konstantes oder ist es erheb- licheren Schwankungen unterworfen?*) Für die letztere Anschauung haben sich, ausser Trautschold (s. o.), besonders Lem- berg [73] und Reyer |74] entschieden. Wenn man jedoch bedenkt, dass in historischen Zeiten diese Annahme sich noch keineswegs fühl- bar gemacht hat, wenn man weiter bedenkt, dass der Salzgehalt der See so gut wie gar keinen zeitlichen Schwankungen unterliegt, so muss man sich eher für die erstere Alternative aussprechen. Selbstverständ- lich müsste für die Binnengewässer, wenn die Austrocknungshypothese gemeinsamer Basis aus gerechnet, nachgewiesen zu haben glaubt (s. Kap. II, $. 9 der vorigen Abtheilung). *) Man kann eine an sich bedenkliche Lehrmeinung nicht zugleich klarer und rhetorisch schöner darstellen, als es von Peschel geschieht. Er geht davon aus, dass das in jedem Falle labile Gleichgewicht zwischen dem Magma und der festen Erdkruste in einem gegebenen Augenblicke gestört sei, und fährt dann fort (a. a. O.): „Dadurch erfährt das geschmolzene Erdinnere unter der Sohle der See einen Druck, der es aus dem Gleichgewichte und seiner Ruhe ver- drängt. Der flüssige Brei wird also seitlich zu entschlüpfen suchen und an den Rändern der Decke die Centralmassen der Gebirge emporpressen. Hier gleichen also Festland und Meeresboden zweien Wagschalen: wenn die eine be- lastet wird, steigt die andere empor... Wenn wir demnach zögern, diesen Auf- schluss uns anzueignen, so geschieht es, weil er immer nur zulässig wäre, wenn wir noch die erstarrte Rinde der Erde uns als sehr dünn vorstellen dürften.“ Die Autorität von Lyell und Hopkins (Band I, S. 315) war für Peschel’s Ent- sagen bestimmend. **) Die hiemit allerdings in verwandtschaftlicher Beziehung stehende, jedoch nichts weniger als identische Frage, ob die heutigen Kontinente und Weltmeere auch schon in der geologischen Vorzeit Kontinente und Weltmeere gewesen seien, behalten wir uns vor, da zu behandeln, wo ihr eigentlicher Platz ist: in dem der Morphologie gewidmeten fünften Kapitel der nächstfolgenden Abtheilung. Kkle ape a m are SE ee TR; ER N NER ENRA FL rd} ea = a N “ Deri . s u 4 ’ 1% Sa Die Theorieen der neuesten Zeit. 453 mit der Wirklichkeit stimmte*), dasselbe, wenn auch in kleinerem Maassstabe, gelten, wie für die Oceane. Man hat jedoch gerade hier- über in der Jüngsten Zeit ziemlich umfassende Studien angestellt und glaubt mit ziemlicher Sicherheit ermittelt zu haben, dass die da und dort wirklich nachgewiesenen Abnahmen des Flüssigen niemals gross genug seien, um nicht mit Zuziehung meteorologischer Momente eine ausreichende Erklärung zu finden**). Zudem hat Jentzsch [80] auf ein Argument gegen Trautschold aufmerksam gemacht, welches volle Beachtung verdient: Das in die Spalten und Poren der Erd- rinde eindringende Wasser wird dort nicht durchweg gebunden, viel- mehr wird ein grosser Theil desselben durch die Hitze des benach- barten Magma’s in Dampf verwandelt und in dieser Gestalt durch vulkanische Ausbrüche u. dgl. die Erdoberfläche zurückgegeben. Damit sind wir jedoch bereits zu der der Gegenwart angehörigen Reform unserer Ansichten über Küstenschwankungen gelangt, die uns in einem besonderen Paragraphen beschäftigen soll; sehr nützlich bei Abfassung desselben ist uns die orientirende Arbeit von v. Drasche [81] gewesen. $. 6. Die Theorieen der neuesten Zeit. In ein ganz anderes Fahr- wasser ward die uns hier beschäftigende Untersuchung geleitet, als E. Suess seine von Vielen für paradox erachtete und trotz dem rasch in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückte These auf- stellte [82]: Es giebt keine irgend namhaften Vertikalbewe- sungen der Erdrinde, durch welche ein bestimmter Theil derselben dem Erdmittelpunkt genähert oder von ihm ent- fernt würde, vielmehr lassen sich alle bisher auf diese Be- *) Wir stellen, beiläufig bemerkt, nicht durchaus in Abrede, dass eine ge- wisse asymptotische Annäherung des Zustandes unserer Erde an denjenigen unseres Satelliten stattfinden kann (Band 1, S. 97), nur halten wir die Jahrtausende, von denen doch bei Trautschold u. A. allein die Rede sein kann, für einen verschwindend kleinen Zeitraum gegenüber den zur Herbeiführung jenes Endzu- standes nothwendigen Aeonen. **) Berghaus — in den Vierziger — und Wex—-in den Siebziger Jahren — lenkten die Aufmerksamkeit auf die angeblich progressive Abnahme des Wassers der deutschen Flüsse [75], allein anderswo schienen diese Abnahmen auch wieder durch das Anschwellen mancher Ströme und Seen kompensirt zu werden. Der Entwaldung alle Schuld an ersterwähntem Vorgange aufzubürden, wie man aller- dings vielfach geneigt war ($. 247 dieses Bandes), gieng nicht gut, wenn man die Nachrichten aus anderen Welttheilen zur Vergleichung herbeizog. So erlebte die Antillen-Insel St. Cruz ihre grösste Dürre im Jahre 1661. und doch war da- mals ihr Baumwuchs noch ein jungfräulicher [76]. Hagen that denn auch durch eine gründlichere Diskussion dar, dass der behauptete Defekt, insonderheit bei’m Rhein, gar nicht vorhanden sei [77]. Für eine grössere Anzahl in- und ausser- europäischer Gewässer hat Fritz die analoge Vergleichung durchgeführt und, was er fand, in folgenden Sätzen gesammelt [78]: „Trotz der theilweise sehr entschieden ausgesprochenen Wechsel in den Niederschlägen und abfliessenden Wassermengen ist eine weitgehende Veränderung derselben auf der Gesammt- erdoberfläche nicht möglich, da sich die Ursachen dazu in anderen Erscheinungen, namentlich in den Temperaturen, leicht bemerklich machen müssten, was nicht der Fall ist; es können nur schwache Oscillationen um ein allgemeines Mittel sein, wobei aber für einzelne Ländergebiete sehr auffallende Unterschiede dadurch ‚hervortreten können, dass die Windrichtungen sich periodisch ändern.“ Meteoro- logisch zu erklären — wenn überhaupt begründet — ist auch die Notiz italieni- scher Zeitungen, dass der ungewöhnlich milde Winter von 1882 ein beträchtliches Sinken des Mittelmeerspiegels längs der ligurischen und südfranzösischen Küste bewirkt habe [79]. wegungsform zurückgeführten Phänomene ungezwungener durch Seespiegelschwankungen, durch Gestaltverände rungen der Hydrosphäre, erklären. Mit diesen Worten ist der akute Gegensatz der neuen gegenüber der alten Vorstellung ge kennzeichnet*). Suess steht, wie allerdings vor ihm schon Leconte und Dana**), auf dem Standpunkte , dass einzig die Kontraktions- und Faltungsbewegungen der in Abkühlung begriffenen Erdkruste das Erklärungsmittel abgeben könnten, wozu dann vielleicht noch eme& eben auch mit der Abkühlung zusammenhängende — Aenderung der Rotationsdauer der Erde hinzutrete (Band I, S. 213 ff.). Wir werden in dem von der Gebirgsbildung handelnden Kapitel der achten Ab- theilung auf die Anschauungen von Suess, A. Heim u. A. ebenso zurückzukommen haben, wie wir dieselben bereits in früheren Ab- schnitten (Band I, S. 324 ff., S. 360 ff., S. 401 ff.) zu streifen hatten. Leider konnte die für den dritten Theil der Gesammtdarstellung Suess- scher Ideen („Antlitz der Erde“) in Aussicht gestellte nähere Aus- führung der in jener einleitenden Note blos skizzirten Gedanken für das vorliegende Buch nicht abgewartet werden. F. Pfaff sucht alle Faktoren auf [84], welche eine Hebung oder Senkung des Meeresspiegels bewirken könnten, räumt dabei jedoch auch der Hebung oder Senkung der Festlandmassen noch immer einen Platz ein. Toula [85] geht insoferne einen Mittelweg, als er zwar auch Druck und Zusammenziehung ungleicher Art zwischen den ein- zelnen Theilen der sich kontrahirenden Erdkruste in den Vordergrund stellt; da er aber, ähnlich wie Pilar, diese Kruste als aus Schollen zusammengesetzt sich denkt, so sind energischere Radialbewegungen nicht gänzlich in Abrede zu stellen. Dass Schmick ein Gegner der- jenigen Lehre ist, welche auch die Festlandmassen aktiv an der Be- wegung betheiligt sein lässt, versteht sich von selbst; alle wann immer und wo immer am Pegel nachgewiesenen Niveauschwankungen sind ja, im Sinne seiner bekannten Hypothese (vgl. S. 285 dieses Bandes), auf Attraktionswirkungen der Himmelskörper zu beziehen [86]. Schon vielfach, so besonders auch bei F. Pfaff (s. o.), ward der Ablagerung von Detritus, der Sedimentbildung und den daraus resultirenden Verlegungen anziehender Kräfte eine gewisse Rolle bei der Erklärung der sogenannten säkulären Hebungen und Senkungen zugewiesen. Den festen Untergrund für alle Betrachtungen dieser Art liefert die uns von früher her bekannte analytische Arbeit von Zöpp- ritz |87] (S. 166 des ersten Bandes). Auch Fisher verbreitet sich hierüber in dem von allen höheren Rechnungsweisen Abstand nehmen- den siebzehnten Kapitel („Geological movements explained*) seiner trefflichen Physik der Erdrinde [88]. Rozet hatte schon früher er- *) Der Geschichtschreiber steht hier vor der fesselnden Erscheinung, dass eine längst zu den Todten geworfene, ja belächelte Ansicht ihre Auferstehung erlebt; wie manchen Spott hatte der alte v. Hoff von den Jüngern L. v. Buch’s zu erleiden! Eine ähnliche historische Umwälzung begegnete uns schon bei den IIypothesen über die Natur der Sonnenflecke (Band I, $S. 54 ff.); etwas Analoges wird theilweise später die Entwickelung der Gletschertheorieen ergeben. **) Neuerdings scheint Dana selbst von seiner früheren „rigidistischen® Auffassung zurückgekehrt und zu einem Anhänger der Lehre vom Magma ge- worden zu sein [83]. gr nie a ad Gb TE I. S. 6. Die Theorieen der neuesten Zeit. 455 wogen [89], ob nicht Aenderungen im Potentiale des Alpengebirges die geognostisch nachzuweisenden Ueberfluthungen des Pariser Beckens verursacht hätten, und Bruchhausen (Band I, S. 195) versuchte sich an einer umfassenden Ausführung solcher Aufgaben, doch fehlte damals noch zu sehr die mathematische Strenge, welche allein vor Ausschreitungen der Phantasie bewahren kann. Dieser die nöthige Rücksicht geschenkt und zugleich betreffs des Stoffes, der in wech- selnder Gestalt und Mächtigkeit allerdings eine recht verschiedene An- ziehung auf die leicht bewegliche flüssige Hülle der Erde ausüben kann, eine tiefgreifende Aenderung angeregt zu haben, ist das unleug- bare Verdienst von Penck. Das Schriftchen [90], in welchem er seine Vorschläge niederlegt, ist auch sonst durch eine Fülle frischer Gedanken und durch sorgsamste Beachtung der einschlägigen Literatur ausgezeichnet. Dasselbe gelangt zu folgendem generellen Ergebnisse: Die Suess’sche Theorie trifft insoferne völlig das Richtige, als sie lediglich von Bewegungen des Meeres, nicht aber von solchen des Landes wissen will; ihre wesentliche Ursache aber fanden und finden noch diese Bewegungen in dem Wechsel der auf das flüssige Element nach den Gesetzen der Gravitation einwirkenden Eisbedeckung des Festlandes. Dass ein solcher Wechsel der Attraktion Niveauschwankungen bedingen kann und muss, ist a priori zuzugeben, wenn schon die In- tensität dieser Schwankungen, die Grösse der Amplituden, von Penck etwas überschätzt wird*). Sehr vortheilhaft erweist sich das von Penck erdachte Auskunftsmittel bei der Erklärung der prähistorischen Strandlinien und Strandterrassen Grönland’s, die allerdings erst im nächsten Kapitel ihre meritorische Besprechung finden können. Hier sei nur soviel erwähnt, dass selbst an nicht sehr weit von einander ' entfernten Orten die Niveau’s dieser Grenzmarken des Meeres nicht genau übereinstimmen; nimmt man nun an, dass die Eisdecke nicht allenthalben mit der gleichen Geschwindigkeit vom Ufer sich zurück- zog, so hat man einen Fingerzeig für die Aufklärung des an sich räthselhaften Umstandes |91]. Noch unbegreiflicher erschien Bravais’ — deshalb auch von vielen Forschern bestrittene — Bemerkung, dass nicht alle Strandlinien genau parallel seien [92]. Nach Penck haben wir hier an periodische Anomalieen zu denken [93]; wir wissen (Band I, S. 200 f#.), dass nicht einmal die wirklichen Niveauflächen der Erdrinde genaue Parallelflächen im geometrischen Sinne sind, um so weniger also braucht die mit jenen Niveauflächen doch nur sehr angenähert sich deckende Meeresfläche sich selbst zu verschiedenen Zeiten parallel zu sein. Endlich hat man jetzt auch den Schlüssel zum Verständniss der von Pettersen [94] betonten ruckweisen Spiegelschwankungen in der Hand [95]: bewegte sich der In- landgletscher stetig, so war auch das Meeresniveau in relativer Be- *) Er berechnet für die sogenannte Eiszeit das durch das Gravitations- potential der vergletscherten Kontinente hervorgebrachte Ansteigen des Meeres auf etwa 100 m. Legt man dagegen die von Zöppritz [84] angegebene Formel zu Grunde, so ergiebt sich, unter Festhaltung der übrigen Annahmen Penck’s, eine um 80 m geringere Höhe. Doch gilt diess zunächst nur für die glatt ver- laufende Küste; das Wasser jener Meerestheile, welche tiefer in die Eiswelt ein- dringen, wird auch entsprechend stärker gehoben. 456 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. TER ständigkeit, machte er einen instantanen Vorstoss, so zog er das Meer- wasser rasch und kräftig zu sich heran, schwand ein beträchtlicher Theil seiner Eismasse plötzlich, so sank ebenso plötzlich das Niveau unter seinen bisherigen Stand. Bemerkt sei noch, dass Penck, wie wir aus einem grösseren Werke ersehen, sämmtliche Meeresküsten an der Hand seiner Hypothese prüfend durchmustert und zahlreichen Detailerscheinungen Belege für dieselbe abgewinnt. — Von eigenem abschliessendem Urtheile über jene Theorie, welche Alles am besten und sichersten erklärt, glauben wir Abstand nehmen zu sollen. In der Hauptsache scheint uns Suess’ Ansicht, im Vereine mit der durch Penck ihr gewordenen Fortbildung, das Richtige zu treffen, ob aber nicht doch auch das Landmassiv als solches durch eine — nach Pilar oder Toula zu konstruirende — Schollenbewegung in radialer Richtung einen gewissen Beitrag zu den positiven und negativen Schwankungen der Uferlinie seinen Beitrag leistet, das wird erst durch fortgesetzte Forschung in einem bestimmten — und viel- leicht nicht in rein negativem — Sinne zu entscheiden sein *). [1] Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde, Leipzig 1878. S. 97 ff. — [2] Peschel-Leipoldt. Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1884. S. 375 f. — |3] Hahn, Untersuchungen über das Aufsteigen und Sinken der Küsten; ein Beitrag zur allgemeinen Erdkunde, Leipzig 1879. — [4] Handbuch der Oceanographie und maritimen Meteorologie, 1. Band, Wien 1883. S. 160 ff. — [5] v. Hoff, Geschichte der durch Ueberlieferung nachgewiesenen natürlichen Ver- änderungen der Erdoberfläche, 1. Band, Gotha 1822. S. 401 ff. — [6] Celsius, Om vattnets forminsking sa i Oestersjön som vesterhavfet, K. Vetensk. Akad. Handl., Vol. V. 8.25 ff. — [7] Linne, Dissertatio de telluris habitatae ineremento, Upsalae 1743. — [8] Chydenius, Disputatio de decremento aquarum in sinu bottnico, ibid. 1749. — [9] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 6. Band, 3. Abthei- lung, Leipzig 1837. S. 1596 ff. — [10] Jessen, Kongeriget Norske fremstillet efter det naturlige og borgerlige tiestand. Kopenhagen 1763. — [11] v. Buch, Reise durch Norwegen und Lappland, 2. Band, Berlin 1820. $. 291. — [12] C. F. Frisch, Schweden, Berlin 1869. S. 5. — [13] Grisebach, Die Bildung des Torfes in den Emsmooren, Göttingen 1845. $. 88. — [14] Ackermann, Beiträge zur physischen Geographie der Ostsee, Hamburg 1883. S. 35 ff. — [15] Forchhammer, Ueber die veränderte Wasserhöhe an den dänischen Küsten, (Berliner) Zeitschr. f. allgem. Erdkunde, 1856. S. 477. — [16] F. Pfaff, Die neuesten Forschungen und Theorieen auf dem Gebiete der Schöpfungsgeschichte, Frankfurt 1868. $. 51 ff. — [17] Dalin, Geschichte des Reiches Schweden, 1. Theil, Stockholm 1747. 8. 42 ff. — [18] Krümmel. Recension zu Hahn’s Unters. etc.. Gött. gel. Anz., 1879. $. 856 fi. — 19] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 404 ff. — [20] Ibid. S. 412. — [21] J. Smith, Ueber die Anzeichen einer Aenderung in der relativen Höhe von Land und See im Westen von Schottland, N. Jahrb. f. Min., Geogn., Geol. u. Paläont., 1837. S. 477 ff. — [22] Forchhammer, Over niveauforändringar, der in den nuvärende jordperiode have funde stet ved de danske kyster, Goetheborg 1829. — [23] Hahn, Unters. ete., $S. 158. — [24] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 409. — [25] Acker- mann, Beitr, ete., $. 102. — [26] Hahn, Unters. ete., 8. 164 fi. — [27] P. Lehmann, *) Die geschichtliche Gerechtigkeit verpflichtet uns, hier noch festzustellen, was uns erst später bekannt ward, dass nämlich genau gleichzeitig mit Suess, also ohne von Letzterem beeinflusst zu sein, H. J. Klein sich entschieden auf den gleichen Standpunkt gestellt hat. In einer an die neueren Arbeiten über Deltabildung u. 8. w. anknüpfenden Arbeit über Vertikalbewegungen sagt er [96]: „... Daraus würde der Schluss folgen, ‘dass diese Hebungen und Senkungen grösstentheils nur Scheinbewegungen sind, hervorgerufen durch einen veränder- lichen Niveaustand des Oceanes.“ Citate. ' 457 Das Küstengebiet Hinterpommern’s,. Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 19. Band. $S. 394 ff. — [28] Hahn, Unters. etc., $. 124 ff. — [29] Th. Fischer, Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerländer, Leipzig 1877. — [30] Reyer, Aus Toskana; geologisch-technische und kulturhistorische Studien, Wien 1884. — [31] Th. Fischer, Recension hiezu, Zeitschr. f. wissensch. Geogr.. 5. Jahrgang. $. 67 ff. — [32] v. Klöden, Ueber das Sinken der dalmatinischen Küste, Ann. d. Phys. und Chem., 43. Band. S. 361 ff. — [33] Peschel, Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, herausgeg. v. Löwenberg, 2. Band, Leipzig 1878. $. 529 ff. — [34] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 401. — [35] Calvert, Ueber die asiatische Küste des Hellespont, Zeitschr. f. Ethnologie, 1880. S. 31 ff. — [36] Virchow, Die Küste von Troas; ibid. 1880. $. 40 fi. — [37] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk.., S. 400. — [38] v. Kremer, Aegypten, 1. Band, Leipzig 1863. 8. 35. — [39] v. Tchihatcheff, Spanien, Algier und Tunis, Leipzig 1882. S. 510 fi. — [40] Th. Fischer, Recension hiezu, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 4. Jahrgang. S. 51. — [41] Th. Fischer, Beitr. ete., S. 22. — [42] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk.., S.398. — [43] Niebuhr, Beschreibung von Arabien, Kopenhagen 1772. S. 403 ff. — — [44] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 395. — [45] Rein, Japan nach Reisen und Studien, 1. Band, Leipzig 1881. S. 64 ff. — [46] v. Hochstetter, Neuseeland, Stuttgart 1863. S. 40 fi. — [47] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., 8. 382 ff. — [48] Ch. Darwin, Geologische Beobachtungen über Südamerika, übers. v. Carus, Stuttgart 1878. — [49] Suess, Das Antlitz der Erde, 1. Abtheilung, Leipzig 1883. S. 137. — [50] Peschel-Leipoldt. Phys. Erdk., S. 384. — [51] Reiss, Sinken die Anden?, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 7. Band, $. 45 fl. — [52] Ibid. S. 53. — [53] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk.. $. 387. — [54] Pingel, Notiz über einige Thatsachen,. welche die allgemeine Senkung eines Theiles der Westküste Grönland’s beweisen, N. Jahrb. f. Min. ete., 1837. S. 339 ff. — [55] Bessels, Die amerikanische Nordpolexpedition, Leipzig 1879. S. 156. — [56] Peschel, N. Probl., S. 100. — [57] Ibid. S. 116. — [58] Hahn, Unters. etc., 8. 133 ff. — [59] Zöppritz, Der gegenwärtige Standpunkt der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrbuch, &. Band, Gotha 1880. S. 42. — [60] Der Vulkanismus und die Geologie, Gaea, 2. Jahrgang. S. 159. — [61] Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884. $. 188 ff. — [62] Ibid. S. 197. — [63] Möhl, Erdbeben und Vulkane, Berlin 1878. — [64] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik, Agram 1881. S. 112. ff. — [65] Rickets, On sub- sidence as the effect of accumulation, Geol. Mag.. 1872. S. 119 ff. — [66] F. Pfaff, Allgemeine Geologie, Leipzig 1873. S. 195. — [67] Krümmel, Rec. etc., $S. 864. — [68] Peschel, N. Probl.. S. 94. — [69] Chambers, Ancient sea-margins, as memorials of changes in the relative level of sea and land. Edinburgh 1848. — [70] Tyler, On the formation of deltas, and on the evidence and causes of great changes in the sea-level during the glacial epoch, Geol. Mag., 1872. S. 392 ff. — [71] Trau- tschold, Ueber säkuläre Hebungen und Senkungen der Erdoberfläche, Bull. de la soc. imp. des natur. de Moscou, 1869. $. 68 ff. — [72] Trautschold, zur Frage über die periodische Bewegung des Erdoceanes, ibid. 1873, II. S. 341 ff. — [73] Lem- berg, Ueber Silikatumwandlungen, Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft, 28. Band. S. 519 ff. — [74] Reyer, Beitrag zur Plıysik der Eruptionen und Eruptivgesteine, Wien 1877. — [75] Veränderlichkeit der Wassermengen von Flüssen und Seen, Gaea, 18. Jahrgang. $S. 393 ff. — [76] Ibid. S. 396. — [77] Zöppritz, Die Fort- schritte der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrbuch, 9. Band, Gotha 1883. $. 38. — [78] Fritz, Die Veränderlichkeit der Wassermengen der Gewässer des Festlandes, Petermann’s geogr. Mittheilungen. 1880. S. 245 ff. — [79] Sinken des Meeres, Zeitschr. f. Schulgeographie, 4. Jahrgang. S. 43. — [80] Jentzsch, Ueber die Statik der Kontinente und die angebliche Abnahme des Meerwassers, Tagebl. d. 53. deut- schen Naturforscherversammlung, Danzig 1880. S. 167 ff. — [81] v. Drasche, Be- merkungen zu den neueren und neuesten Theorieen der Niveauschwankungen, Leopoldina 1880. S. 29 ff. S. 38 ff. — [82] Suess, Ueber die vermeintlichen säkulären Schwankungen einzelner Theile der Erdoberfläche, Verhandl. d. k. k. geol. Reichs- anstalt, 1880. $. 171 ff. — [83] Dana, Manual of geology, New York 1880. S. 794 fi. — [84] F. Pfaff, Allg. Geol., 8. 212 ff. — [85] Schriften des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, 20. Band. S. 681 fi. — [86] Schmick, Das Fluthphänomen und sein Zusammenhang mit den säkulären Schwankungen des Seespiegels, Leipzig 1874. S. 170 ff. — [87] Zöppritz, Ueber die Schwankungen des Meeresspiegels in Folge von geologischen Veränderungen, Ann. d. Phys. u. Chem., (2) 11. Band. S. 1016 fi. — [88] Fisher, Physies of the earth’s erust, London 1881. S. 217 fi. — [89] Rozet, Extrait d’un m&moire sur quelques unes des irregularites que presente la structure du globe terrestre, Bull. de la soc. g&ol. de France, Vol. XII. S. 176 fi. — [90] Penck, Schwankungen des Meeresspiegels, München 1882. — [91] Ibid. S. 37 ff. — [92] Bravais, Rapport sur un m&moire relatif aux lignes d’ancien niveau de la mer dans la Finmark, Compt. rend. de l’acad. franc., Vol. XV. 8. 817. — [93] Penck, Schwankungen etc, S. 37 ff. — [94] Pettersen, The slow secular rise and fall of continental masses, Geol. Mag., 1879. S. 296 ff. — [95] Penck, Schwankungen ete., S. 53 fi. — [96] Klein, Die langsamen Veränderungen der Erdfeste, Gaea, 16. Jahrgang. $. 385. Kapitel II. Die Küstenbildung. $S. 1. Die mechanische Arbeit der Brandungswoge. Das vierte Kapitel der vorigen Abtheilung machte uns, zunächst blos vom hydro- graphischen Standpunkte aus, mit der Brandungswoge bekannt, welche, indem sie in beträchtlicher Höhe und mit ebenfalls beträcht- licher Geschwindigkeit an das Ufer schlägt, anbrandet*), eine erhebliche mechanische Arbeit leisten muss. Wäre die Küste ein absolut starrer Körper, so würde diese Arbeit nichts als eine Erhitzung der von der Woge zunächst getroffenen Wände erreichen, allein jene Voraussetzung trifft gar nicht, oder höchstens in seltenen Fällen, zu, und so muss sich denn die Arbeitsleistung in einer Umänderung der Küsten- gestalt offenbaren, die Küste wird, mit Peschel zu sprechen [1], durch das Wasser modellirt. Der Akt dieser Modellirung ist jedoch ein doppelter; wir haben die langsam und unmerklich wirkende Thätig- keit der Erosion, wie Hahn [2] zutreffend bemerkt, zu unterscheiden von der energischen Aktion der Abrasion. Allerdings schlägt die Brücke zwischen beiden Processen wiederum der Umstand, dass die Erosion für die Abrasion den Boden erst vorbereiten muss. Indem das Wasser mit Gewalt*) in die Ritzen und Poren des Ufergesteines hineingetrieben wird, durchfeuchtet es dasselbe, und macht es so einerseits widerstandsunfähig gegen stärkere Angriffe der Wellen, während es andererseits auch zur chemischen Auflösung und Zersetzung der Felsen den Anstoss giebt. Im Winter wirkt auch die Expansionskraft der im Inneren der Küstenwand zurückgebliebenen Eis- massen zerstörend. Wir gehen an dieser Stelle auf die Erosion weniger tief ein, weil uns das fünfte Kapitel der achten Abtheilung auf die- selbe ohnehin zurückführt. Die Woge wirkt jedoch nicht allein durch die ihr selbst inne- wohnende mechanische Potenz, sondern sie schleudert auch Festkörper gegen die Abhänge des Gestades und äussert auf diese Weise zumal *) Nach den am Selbstregistrator vorgenommenen Messungen Stevenson’s üben an der Basis des bekannten Thurmes von Eddystone, den die empörte Brandung schon zweimal weggefegt hat, die Wogen in den Wintermonaten durch- schnittlich einen Druck von 10184 kg auf den qm aus; im Sommer ist der Druck 3'emal geringer [3]. Ein recht schlagendes Beispiel für die Energie des in die Spalten einer bereits angefressenen Küste hineindringenden Wassers werden uns später, bei der Lehre von den Quellen, die bekannten „Meermühlen von Argostoli“ darbieten. IE $. 2. Wirkung der Wogen auf vertikal oscillirende Küsten. 459 Steilküsten gegenüber einen gewaltigen Einfluss. Geikie, dem wir die wichtigsten Nachweisungen über diese Art oceanischer Aktion zu danken haben [4], durfte mit Recht von einer „Artillerie des Meeres“ sprechen. Die Riesenblöcke („travellers“), mit welchen der Leucht- thurm bei Bell Rock in Schottland von dem fast immer aufgeregten Meere bombardirt zu werden pflegt, beschrieb schon Hibbert [5]. Hartes Gestein wird zwar nicht zertrümmert, aber doch so geschrammt, als ob ein Gletscher darüber hingegangen wäre, weiches erleidet Verluste aller Art; Sandstein wird aus seiner Umhüllung von Ur- oder plutonischem Fels herausgerissen, und es bilden sich jene thorartigen Höhlen, welche die Insel Mull und die Fär-Oer auszeichnen. Wenn umgekehrt weiches Gestein in hartes eingebettet ist, so bleiben von letzterem bizarre Thürme und Pfeiler übrig, während ihre Umgebung weggewaschen wird. Die Klippen und die schwedischen Scheeren (s. $. 1 des vorigen Kapitels), sowie die aus reihenweise angeordneten Klippen be- stehenden Riffe*) sind auf diese Art entstanden zu denken. Es brauchen gerade nicht Gesteinstrümmer zu sein, deren sich das Meer zu seinen Angriffen auf das Festland bedient, vielmehr erfahren wir durch Hind [7], dass Eisschollen, sogenannte „pans“, wenn sie vom arktischen Strome an die Küste von Labrador getrieben werden, den stärksten Fels abreiben oder doch zum mindesten glatt poliren. Wir haben hier also eine Erosion des Eises, wovon wir einstweilen Notiz zu nehmen unsere Gründe haben — allein freilich kann von dieser Erosion nur dann die Rede sein, wenn das bewegte Eis ein hohes Maass von lebendiger Kraft mitbringt**). Bislang ward stets vorausgesetzt, das Durchschnittsniveau des Meeres ändere sich nicht, während es mit dem Lande in Konflikt liest. Es ist nunmehr Zeit, diese im Allgemeinen nicht stichhaltige Annahme fallen zu lassen, $S. 2. Wirkung der Wogen auf eine mit Vertikalverschiebung be- haftete Küste. Es war v. Richthofen, dem sich bei seinen so frucht- bringenden Wanderungen durch China die Wahrnehmung aufdrängte [9], dass die Schichten einer übergreifenden Gebirgsformation nicht einem gebirgigen Boden aufgelagert waren, wie man es doch bei einer durch das Meer bedingten Sedimentbildung hätte erwarten müssen, sondern dass sie gleichförmig auf einer für den Niederschlag gewissermassen prädisponirten Fläche aufruhten. Welche erosive Kraft mochte diese in’s Grosse gehende Erscheinung bedingt haben? „Unter allen me- chanisch zerstörenden Agentien,* so sagt der berühmte Geograph, „giebt es ein einziges, welches die regionale Abrasion im weit- sreifendsten Maasse hervorzubringen vermag. Es ist die Wirkung der gegen das Innere eines Kontinentes vordringenden Brandungswelle.“ *) Wir haben uns hier der Terminologie v. Sonklar’s [6] angeschlossen. **) Von der Grösse dieser Kraft geben vielleicht auch die eigenthümlichen canadischen Eisvulkane Zeugniss, welche man insbesondere an den Gestaden des Ontario-See’s beobachtet haben will [8]. Auf den Eissedimenten am Ufer sollen sich Hügel von 6 bis 10 m Höhe gebildet haben, welche eine kraterförmige Öeffnung aufwiesen; durch diese, die mit dem darunter befindlichen Wasser kommunicirt habe, seien bei stürmischem Wetter von jeder Woge Schaum, Eis- schlamm und sogar massive Eisbrocken so lange emporgeschleudert worden, bis der Kanal wieder zugefroren sei. Es wird demgemäss dreierlei für sich betrachtet [10]: ve Bi der Brandung bei konstantem Meeresniveau, Wirkung der Brandung bei positiver Niveauverschiebung, Wirkung der Brandung bei negativer Niveauverschiebung. Im ersteren Falle wirkt die Brandung angreifend entlang einer schmalen Hori- zontalzone, begrenzt durch die Spiegelflächen des Hoch- und Niedrig- wassers. Wenn das Meer sich zurückzieht, resp. wenn — der anderen Auffassung zufolge — die Küste ansteigt, so findet ein allmähliges, gleichmässiges Abhobeln der Abhänge statt, die oberste Parallelschicht der Böschung wird abgelöst, eigentliche Denudationsflächen vermögen sich nicht zu bilden. Ganz anders, wenn das Land dem flüssigen Elemente successive weicht und an dieses Terrain verliert; dann treten Vorgänge ein, die als Ganzes eben erst durch v. Richthofen’s „aulehiaie uns zum Verständ- nisse gebracht wurden*®). Sei tbdf (Fig. 85) der Abfall eines Küstengebirges gegen die Meerestiefe. Während des zuerst betrachteten Zeitabschnittes varürt die Brandung zwischen den Tidenniveau’s m und m, und furcht in Fig. 85. Lern N jan an 208 ST ale ar den Berg eine Terrasse aa’ ein; dann kann das prismatische Stück aa’b sich nicht mehr halten, es wird durch Unterspielung und Nach- stürzen ein Raub der Wellen. Nun beginne die negative Uferverschie- bung. Nach Ablauf des ersten Zeitabschnittes ist das Land um ac gesunken, zwischen den Niveau’s m, und m, entsteht eine neue Ter- rasse cc’, und diese erscheint dann als Basis des herabstürzenden und in den Fluthen verschwindenden Gebirgstheiles cbde‘. Eine dritte Periode sieht das Entstehen der Terrasse ee‘ zwischen den nunmehrigen Niveau’s m, und m, und das Zusammensinken des Stückes edfe‘. In dieser Weise schreitet die Zerstörung fort. Es ist gestattet, von einer allmähligen Abschleifung des Festlandes zu sprechen; an ist *) Der Autor selbst thut jedoch des englischen Vorgängers Ramsay [11] selbst ehrende Erwähnung; derselbe habe den Charakter der Abrasionsplateau’s klar erfasst gehabt, dieselben aber als „planes of marine denudation“ bezeichnet. U, 8.3. Strandwälle und Strandlinien. 461 die — oben erwähnte — schliesslicbe Schlifffläche. Ein ganzes Faltengebirge kann so über einer den letzten Meeresgrund darstellenden Schliffläche an abgetragen werden*). Es leuchtet ein, dass diese regionale Abrasion nur durch die vorwärts schreitende, immer tiefer in’s Gebirge sich einbohrende Brandungswelle bewerkstelligt werden kann. Wenn nicht das weggeschliffene Schuttmaterial durch irgend- welche andere Kraft entführt wird, muss sich eine „transgrediente Lagerung“ herausbilden [12]. — Geologisch wird das Auftreten dieser progressiven Brandungswoge konstatirt durch das Vorhandensein so- genannter Abrasionsplateaux, welche sich sehr scharf von den Schichtungsplateaux abheben. Ein Plateau ersterer Art überragt das Thal der Yangtzse [13]; ebensolche giebt es in den belgischen Steinkohlenrevieren bei Namur und Dinant, wo Gornet-Briart [14] zufolge die Woge einer fernen geologischen Vorzeit Gebirgsmassive von 5000 bis 6000 m Höhe hinweggefegt zu haben scheint. S. 3. Strandwälle und Strandlinien. v. Richthofen charakteri- sirt die als Einleitung zur Abrasion dienende Erosion des ersten obigen ' Zeitraumes (a. a. O.) so: Die Brandung höhlt längs der schmalen Zone, welche zu bearbeiten sie ausschliesslich angewiesen ist, einen konkaven Raum — einen Halbeylinder mit horizontaler Axe — aus; die Terrassen, welche auf diesem Wege in das Küstengebirge ein- geschnitten werden, sind selbst nicht ganz horizontal, sondern senken sich etwas nach einwärts. H. Reusch, der sich dem Studium der norwegischen Erosionsformen mit besonderer Vorliebe gewidmet hat [15], sedenkt dieser Terrassen besonders neben den Höhlen und Klippen- ruinen (s. o. $. 1), neben den Riesentöpfen, die wir bei der glacialen Geologie mit behandeln werden, und neben den Strandwällen”*). Es wird somit angezeigt sein, der Entstehung dieser merkwürdigen ter- rassenförmigen Seespiegelmarken einen besonderen Paragraphen ein- zuräumen. Für Terrassenbildung u. dgl. begann man sich erst seit jenem Zeitpunkte zu interessiren, als der französische Physiker Bravais (s. Kap. I, $. 5) den Bericht über seine an den Berghängen Finnmarkens vorgenommenen Messungen alter Niveaustände des Meeres veröffentlichte; auch Martins, des Genannten Reisegefährte, giebt Nachrichten von diesen Messungen und bewundert den Scharfsinn des Genossen, der bei’m Mangel schärferer Spuren sich an die dem Fels entlang sich hinziehenden Konglomerate von solchen Meerespflanzen gehalten habe, welche ausserhalb der Salzfluth ihr Leben nicht fristen können [17]. *) In der Figur ist nebenstehend, nach v. Richthofen, das Bild eines theilweise abgetragenen Gebirgszuges darzustellen versucht worden; hat derjenige, welcher vorbereitungslos die Struktur eines solchen Residuums feststellen will, die weggenommenen Falten nicht vor Augen, so fällt ihm die Orientirung über- aus schwer. **) Diese letzteren sollen am schönsten ausgeprägt bei Goskö vor- kommen [16]; die irischen Schotterwälle werden nach Kinahan von der Bran- dung angehäuft, von der Gezeitenströmung aber da- und dorthin geführt. Be- sonders schöne Uferwälle erbaut die Cal&ma genannte uns durch Pechuel- Lösche’s „Loango-Expedition“ bekannter gewordene eigenartige Brandung Unter- Guinea’s. Später beschäftigten sich mit den fraglichen Objekten Mohn [18] und Pettersen, dessen bedeutendste Arbeit uns R. Lehmann durch eine gelungene Uebersetzung zugänglich gemacht [19]. Pettersen unterscheidet bestimmter, als diess andere Schriftsteller thun, zwischen Terrassen und Strandlinien; erstere finden sich nur in losem Gerölle, letztere sind tief in den anstehenden Fels eingeschnitten. Ein Terrassensystem wird durch mehrere aufeinanderfolgende Stufen gebildet, und zwar hat jede Stufe eine annähernd horizontale Stufen- fläche („trinflade*) und eine vertikal ansteigende Stosslehne („stöd- trin®). Nach umsichtigster Individualbeschreibung aller der Oertlich- keiten, welche ihm auf etwa vorhandene Strandlinien zu prüfen vergönnt war, fasst Pettersen sein Urtheil in zwölf Thesen zusammen, deren Gesammttenor etwa der ist: Strandlinien und Terrassen sind Zeugnisse der Meereserosion, zugleich aber energischer Klimaverschiebungen in früheren Zeiten*). Der Ansicht v. Richthofen’s zufolge haben auch schwimmende Eisschollen bei der Ausgrabung der ganz gut als Scheuermarken bezeichneten alten Uferlinien mitgeholfen (s. o. $. 2). Von deutschen Forschern ist R. Lehmann als ein eifriger Förderer der Strandlinienfrage aufgetreten, und zwar beschränkt sich sein Verdienst nicht etwa blos auf die Zu- gänglichmachung anderer Arbeiten, sondern er hat auch selbst an der norwegischen Westküste vielfache Erfahrungen gesammelt und die- selben in einer inhaltsreichen Schrift [21] zur Grundlage einer syste- matischen Behandlung des Gegenstandes gemacht. Auch er erklärt diese Gebilde, „welche da, wo sie gut erhalten sind, dem Beschauer *) Die Thesen sind [20]: I. Strandlinien und Terrassen sind nicht eigentlich an bestimmte Niveau’s gebunden; II. beide treten häufig nur lokal und fragmen- tarisch auf, während sie sich anderen Ortes meilenweit hinziehen; III. diese letzteren sind die typisch ausgeprägteren, halten sich strenger an ein gewisses Niveau und sind namentlich im Norden Norwegens — Pettersen wohnt in Tromsöe — zu finden; IV. jede einzelne der in anstehenden Fels eingeschnittenen Linien bewahrt überall einen nahezu horizontalen Lauf, mag sie nun der Uferlinie parallel oder mehr nach innen zu sich erstrecken; V. die verschiedenen Stufen dagegen stellen eine vom Gestade nach dem Binnenlande zu ansteigende Riesen- treppe dar, und je tiefer eine Bucht in das Land eintritt, umso höhere Niveau’s erreichen die Strandlinien; VI. die Bedingungen für die Bildung der Strandlinien scheinen hiernach in der Richtung von innen nach aussen zur Küste hin immer später eingetreten zu sein. was sich, beiläufig bemerkt, mit den von Penck und Zöppritz (s.o. Kap.1l. $.5) angegebenen Annahmen über die hebende Kraft des Inlandeises sehr wohl vereinbaren lässt; VII. Strandlinien und Terrassenstufen sind in der Strandzone entstanden; VIII. ausser der scheuernden und brechenden Thätigkeit des Meeres scheinen auch andere scheuernde Kräfte — v. Richthofen’s Eisschollen — bei der Strandlinienbildung wirksam gewesen zu sein; IX. die Bildung der stärker ausgeprägten und mehr an bestimmte Niveau’s geknüpften Strandlinien ist wahrscheinlich zum Theile durch verschiedene periodische — die Verwitterung begünstigende — klimatologische Wechsel bedingt gewesen; X. die Strandlinienbildung hat am obersten Rande der Stosslehne begonnen, und die Ausgrabung ist dergestalt von oben nach unten vor sich gegangen, während sich gleichzeitig der Küstensaum im Zustande einer positiven Niveauverschiebung be- fand; XI. diese Bewegung muss bis zu einer Höhe von mindestens 63m über dem heutigen Meeresspiegel langsam und gleichmässig, sie kann nicht stoss- und ruckweise vor sich gegangen sein; XII. die während der postglacialen Zeit in den Küstenstrichen des nördlichen Norwegen’s in dem gegenseitigen Verhältnisse von Meer- und Land vorgegangenen Niveauveränderungen lassen sich am leichtesten durch die Annahme eines veränderlichen Meeresstandes erklären. 1I, $. 4. Die Fjorde und die Gesetze ihrer Entstehung. AN völlig den Eindruck einer Kunststrasse machen können“ *), für ein Erzeugniss der von der Brandungswoge mitgeführten, scheuernden Geröllsteine im Vereine mit der Sprengwirkung des in den Fugen zu- rückgebliebenen Eises. Für gewöhnlich sind die Strandlinien einander parallel, jedoch selbst dann, wenn sie einen natürlich sehr stumpfen Winkel mit einander einschliessen würden — und es scheint diess auch von Lehmann als möglich zugegeben zu werden —, braucht nach Penck (s. $. 5 des vorigen Kapitels) die allseitig angenommene Er- klärung dieser Brandungsgrenzen nicht aufgegeben zu werden [23]. Bisher hatten wir ausschliesslich es mit den skandinavischen Strandlinien zu thun, doch fehlt die gleiche Erscheinung auch in an- _ deren Erdräumen keineswegs. R. Lehmann veröffentlicht [24] einen Brief des bekannten Staatsgeologen der Republik Ecuador, Th. Wolf's, aus dem erhellt, dass an dem steilen Ufer der Provinzen Manabi und Esmeraldas jenes Staates allerdings in Bildung begriffene Ufer- plattformen vorkommen, die an die Strandlinien erinnern und zur Zeit der tiefsten Ebbe von den Uferbewohnern zur Herstellung einer sonst fast unmöglichen Verbindung benützt zu werden pflegen; sollte die dortige Küste sich heben, so wäre in einigen Jahrhunderten die Analogie wahrscheinlich eine vollständige Identität [25]. Auch die schottische Küste lässt sich zur Vergleichung heranziehen. Die Parallel- streifen von Glen Roy sind nicht, wie man ehedem glaubte, in losen Stoff oder Gerölle, sondern, nach einer später von Daykins vor- genommenen Untersuchung |26], ebenfalls in festen Fels eingeschnitten. Seit Pennant (1771) dauert, wie W. Jolly berichtet [27], der Streit um die schottischen Strandlinien; diluviale, marine und lakustre Theo- rieen lösten einander ab. Jolly selbst verlegt, im Einklange mit Horne und Banff, die Entstehung derselben in die zweite Glacial- periode, doch wird, wenn auch das Eis (s. o.) als erosiver Faktor nicht zu unterschätzen ist, die Entstehung der schottischen und der skandi- navischen Uferstreifen im Wesentlichen auf die nämlichen Ursachen zurückzuführen sein. $. 4. Die Fjorde und die Gesetze ihrer Entstehung. Das dänische Wort bedeutet ursprünglich dasselbe, wie das deutsche Föhrde und *) Unsere Fig. 86 giebt ein Bild von einer doppelten Strandlinie, auf welche sich der Vergleich Lehmann’s besonders gut anwenden lassen dürfte. . Fig. 86. —n nn nn _— = 1.Strandlinie nn 1. Strandlinie Dieselbe befindet sich am Sarabyfjeld auf der Ostseite des Vargsundes im Norden der Halbinsel; die erste Stufe erhebt sich 21m, die zweite 48m über den See- spiegel [22]. 464 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. das englische Firth, eine enge Meeresbucht oder Meeresstrasse. Da jedoch die Einschnitte, welche das Meer in die skandinavische Küste gemacht hat, der Mehrzahl nach einen ganz bestimmten, unverkenn- baren Charakter der Gemeinsamkeit an sich tragen, so ist es allmählig üblich geworden, dieses Wort in engerem Sinne zu gebrauchen. Peschel, der in den Fjorden ein besonders günstiges Beispiel zur Darlegung seiner Ideen über vergleichende Morphographie und Morphologie der Erdoberfläche erkannte, widmete ihnen einen mit besonderer Vorliebe bearbeiteten Abschnitt seines Hauptwerkes [28], der mit vielen Er- weiterungen auch in die Leipoldt’sche Ausgabe der Vorlesungen übergieng [29]*). Dort wird definirt: Fjorde sind tiefe und steile Schluchten an Festlands- und Inselküsten, die senkrecht oder doch unter wenig von 90° abweichenden Winkeln in das Land eindringen“). Es wäre irrig, anzunehmen, dass die Fjorde etwa den Küsten des Meeres eigenthümlich wären; sie fehlen auch den Binnenseen nicht, ja an diesen letzteren erweisen sie sich, wie wir von Ratzel hören [31], nicht selten als besonders vielgestaltig und belehrend. Gewöhnliche Landkarten täuschen aus leicht begreif- lichen Gründen über dieses Verhältniss, umso klarer ergiebt sich das- selbe aber aus den von der „Survey of the northern and northwestern lakes“ besorgten Spezialdarstellungen der grossen amerikanischen Binnen- gewässer, und selbst ganz kleine Seen im Staate New-York tragen das Gepräge einer Fjordregion. Für eine solche ist nach Ratzel [32] namentlich ein früher wohl kaum der Beachtung werth gehaltener Um- stand typisch: das Vorkommen kleinerer Seen auf den Inseln der Seen selbst. Die Fjordbuchten oder Fjordschluchten sind, als am einen Ende geschlossen, von den beiderseits offenen Fjord- strassen zu unterscheiden. Man findet in der Ratzel’schen Abhand- lung auch einige generelle Regeln zur Beurtheilung des physiographi- schen Verhaltens einer Erdgegend, welche auf ihre Augehöniezei zu den Fjordregionen zu prüfen wäre |33]**”). Durchgreifende Gesetze für die geographische Verbreitung der Fjorde suchte Peschel ausfindig zu machen. Indem er die Karte sorgfältig zu Rathe zog, erkannte er zuerst [34], dass Fjorde nur unter hohen Breiten vorkommen; die Jahresisotherme von 10° sollte von ihnen nicht überschritten werden. Des Ferneren sollte als ein Hinderniss für deren Vordringen gegen den Aequator ‚hin die Polargrenze der subtropischen Winterregen gelten; selbst im #) Nicht Peschel war es übrigens, der die erste Theorie der Fjorde schrieb, vielmehr gieng ihm darin, wie Reclus hervorhob [30], der Amerikaner Dana voran. **) Der Lümfjord, welcher den Norden Jütland’s vom europäischen Konti- nente trennt, würde zu dieser Definition freilich nur schlecht passen, doch soll einzelner Ungehörigkeiten halber an der nun einmal allseitig anerkannten Fest- setzung nicht gerüttelt werden. *##) „I. In der Richtung der Elemente einer Fjordküste, also vorzüglich der Halbinseln, Landzungen, Inseln, Klippen, Buchten und Strassen ist ein durch- greifender Parallelismus nicht zu verkennen; II. die Gesammtheit der Oberflächen- formen, welche die Fjordbildungen zusammensetzen, ist auf’s Innigste verbunden; III. die Fjorde selbst sind durchaus ausgezeichnet durch geringe Breite; IV. durch diese geringe Breite tritt die Uebereinstimmung der Halbinseln und Inseln der Fjordregion in Oberflächengestalt und Umriss besonders klar hervor.“ II, $. 4. Die Fjorde und die Gesetze ihrer Entstehung. 465 eigentlichen Polarterritorium wäre die Entwickelung der Fjorde da eine minimale, wo aus irgend einem Grunde die Niederschläge nur dürftig erfolgten, wie z. B. im Archipelagus der nordwestlichen Durch- fahrt [35]. Man muss anerkennen, dass Peschel’s komparativ-klimato- logische Studien, denen selbst sein strenger Kritiker P. Lehmann die Verdienstlichkeit nicht absprechen möchte [36], ihn in der Haupt- sache den richtigen Weg hahen gehen lassen. Dagegen irrte Peschel, indem er das Auftreten von Fjorden mit demjenigen von alten Gletscher- spuren in unmittelbare Verbindung bringen wollte; für Amerika aller- dings stimmt, wie Hahn bemerkt [37], die Verbreitungsgrenze beider Erscheinungen leidlich überein, doch fehlt es auch hier nicht an Aus- nahmen; dagegen giebt es in der alten Welt Fjorde an vielen Orten, ‘wo man sie nach Peschel nicht suchen sollte. Die Bretagne besitzt dergleichen in ziemlicher Abwechselung, dieselben nehmen in Rüti- meyer’s Monographie dieser Provinz [38] sogar einen Ehrenplatz ein; aber auch Nordwestspanien, Corsica und Sardinien lassen Fjordregionen erkennen; dass es am persischen Golfe solche gäbe, war bereits von C. Ritter wahrgenommen worden; Madagaskar zeigt Ansätze zur Fjordbildung, und ein Gleiches gilt für China, Korea und Ostsibirien wie auch für Tasmanien [39]; die Freude, welche Peschel empfand, als er erkannte, dass die nach seiner Theorie des Fjordcharakters unmöglich entbehrenden neuseeländischen Inseln einen solchen nach v. Hochstetter auch wirklich besässen, dass also die Probe auf das Exempel stimme, spricht sich klar in seinen Worten aus (a. a. O.). Was endlich Japan betrifft, so bezeugt dessen bester Kenner, Rein, dass eine Fahrt durch das japanische Binnenmeer völlig an eine schwedische Skjärenfahrt*) gemahne [40]. — Auf die Schwellen, welche angeblich vor die meisten Fjorde sich lagern und bewirken sollten, dass der Hintergrund eines Fjordbusens durch eine seichte Barre vom Meere abgeschlossen sei, gehen wir hier nicht näher ein, da’ uns die Tiefenverhältnisse dieser Meerestheile überhaupt noch nicht hinlänglich klar gestellt scheinen; es genügt uns, mit Ratzel [41] zu konstatiren, dass die Fjordregionen gewöhnlich: sehr tiefes Meer haben. Auf eine wichtige Unterscheidung haben wir jedoch noch hinzuweisen, die in Deutschland erst von den Glacialgeologen, zumal von Penck [42], in’s richtige Licht gestellt ward. Alle Fjorde, deren wir bisher ge- dachten, kennzeichnet die Landessprache, wenn sie im Bereiche des ewigen Inlandeises auftreten, als Strömfjorde, es giebt aber ausser diesen noch die Eisfjorde, mit welchen uns bereits Kap. VI. $. 5 der vorigen Abtheilung bekannt gemacht hat. Dieselben kommen, nach den maassgebenden Schilderungen von Rink [43], ausschliesslich in den ver- sletscherten Gegenden des hohen Nordens vor, der Gletscher schreitet in ihnen bis direkt an das Meer vor, um daselbst zu kalben und sich in Eisberge aufzulösen. Bei’'m Strömfjord wird der Uebergang vom Gletscherende zum Meeresspiegel durch Moränenspuren bezeichnet, bei’m Eisfjord fehlen solche. Ueber die physikalischen Bedingungen der Entstehung eines Fjord- busens oder Fjordsundes ist viel gegrübelt und geschrieben worden, ohne dass man bisher zu einer völlig befriedigenden Deduktion hätte *) Scheeren und Fjorde bedingen sich eben gegenseitig. Günther, Geophysik. II. Band. 30 a 2 u PN RE a en ei, END. BE ES nr 466 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Tand. = durchdringen können. Die nachfolgende Uebersicht erstreckt sich über die wichtigeren Lehrsysteme. | a) Die Senkungstheorie. Wie wir von Ratzel vernehmen [44], erblickt Dana in den Fjorden gesunkene Gebirgsthäler; namentlich sollen die Küstenrisse des Washington- und Oregon-Territoriums durch- weg Zeugnisse jüngerer Senkungen sein. Vorhandene Thäler können durch Landsenkung oder, was wahrscheinlicher ist, durch Vordringen des Meeres überschwemmt worden sein, worauf z. B. Suess hin- weist [45]; zumal bei der dalmatinischen Küste würde diese Art der Erklärung sich eignen, freilich nur dann, wenn man ersterer über- haupt den Fjordcharakter zuerkennen will. b) Die Spaltungstheorie. Vorsichtig zurückhaltend, hat Peschel selbst mehr nur angedeutet, dass er dieser Ansicht zuneige; Leipoldt hat diese Andeutungen für eine abgeschlossene Theorie zu verwerthen sich bemüht [46]. Es wird mit Nachdruck betont, dass Fjorde mit besonderer Schönheit an aufsteigenden, zumal an den skandinavischen Küsten sich entfalten*), und daran wird der Satz geknüpft: Die Zertrimmerung und Zersplitterung der Küste war mit dem Aufsteigen derselben verknüpft. Ursprünglich war die Zerspal- tung nichts weiter als ein Aufsteigen der Schichten, die in Folge der Hebung sich wölbten; sie mochte sich aber später erweitern durch ein Zusammenschrumpfen in Folge einer Massenverminderung, die nicht aus- bleiben kann, wenn die Felsarten krystallinisch werden [49]. c) Die Glaeialtheorie. Wir können uns mit dieser erst später so eingehend befassen, wie es ihre Stellung im geologischen Lehrgebäude unzweifelhaft verdient. Ihr Grundgedanke ist: Fortrückende Glet- scher vermögen erodirend auf ihre feste Unterlage zu wirken. Dass die Arbeit, welche rasch bewegtes Eis trotz seines geringen spezifischen Gewichtes dann zu leisten vermag, wenn es mit senügender Geschwindigkeit fortgetrieben wird, keine geringfügige ist**), ward uns schon oben (in $. 1) deutlich, allein sehr fraglich ist es noch, ob auch der langsam fortschreitende Gletscher wirklich in erheblichem Maasse. als erodirender Faktor gelten dürfe. Jeden- falls theilt sich auch die Schule der Glacialgeologen in zwei Abthei- *) Diese grossartige Entwickelung der Fjorde an der schwedischen und noch mehr an der norwegischen Küste ist unbestreitbar. Von Oppel erfahren wir [47], dass der Küstensaum Norwegen’s von der schwedischen Grenze bis zur russischen eine Länge von 7500 km besitzt, während die Uferlänge, der Fahrt eines Küstendampfbootes nach gemessen, nur 2700km ausmacht. Die Einschnitte konsumiren sonach fast zwei Drittel der Gesammtausdehnung. Als der land- schaftlich schönste gilt obiger Quelle zufolge der Hardanger-Fjord, während der Sogne-Fjord besonders tief in’s Land eindringt. Noch weit zerrissener und in seiner Küstenentwickelung grotesker erscheint übrigens das Gebiet der Magelhaöns- strasse auf der trefflichen Spezialkarte von Rogers [48]. **) Man erinnere sich stets an die mechanische Fundamentalwahrheit, dass, wenn ein mit der Geschwindigkeit v sich fortbewegender Körper von der Masse m eine Arbeit in dem Sinne verrichtet, dass er einen Körper vom Gewichte P in der Zeiteinheit durch den Weg s bewegt, die Identität besteht: Mechanische Arbeit = lebendige Potenz; Ps = e mv?, ei treibenden Eisschollen ist m klein, allein die im Quadrate auftretende, an sich grosse Geschwindigkeit bewirkt doch, dass Ps relativ gross ausfällt; bei Gletschern dagegen ist zwar m gross, v aber fast verschwindend. II, $. 4. Die Fjorde und die Gesetze ihrer Entstehung. 467 lungen. Die gemässigtere Richtung vertritt der Schotte Ramsay [50], ‚der — im Anschlusse an eine ältere Aeusserung De Mortillet’s [51] — namentlich auch die oberitalienischen Seen als Fjorde des der- einstigen lombardischen Randmeeres anerkannt sehen möchte. Die See- und Fjordbecken wurden durch den Druck der über ihre frühere Oberfläche hingleitenden Eismassen wo nicht allein ausgefurcht, so doch wesentlich vertieft. Während also Ramsay die Möglichkeit ein- räumt, dass eine Disposition zu Fjordthälern vorhanden war, besorgt in der Auspflügungslehre von Tyndall der Gletscher Alles, er vermag die grössten Felsen zu entwurzeln. "Seine Vertheidigung einer so ausgiebigen Gletschererosion |52] dürfte dieselbe gleich- wohl nur in den Augen der Wenigsten retten. Eine gute Darstellung der gegen eine so ungestüme Aktion des Gletschereises geltend zu machenden Gründe giebt A. Müller [53], während Penck die An- sichten der Glacialfanatiker mit grösster Sachkenntniss erörtert [54]. Er selbst, obwohl unter den Vertretern der modernen Geologie mit obenanstehend, verfällt nicht in diesen bedingungslosen Fanatismus, sondern charakterisirt seinen Standpunkt mehr als einen vermittelnden*). Uebrigens sind auch die Gegner bereit, eine konservirende Thätig- keit bei der Fjordbildung insoferne den Gletschern zuzubilligen, als dieselben sich in die auf irgend eine Weise entstandenen tiefen Mulden ergossen und sie damit vor der Ausfüllung durch nachrückende Schutt- massen bewahrt hätten. d) Die Erosionstheorie. Penck’s Hinweis auf die nicht zu unter- schätzende ausnagende Aktion des bewegten Wassers vermittelt den Uebergang zu der unserem subjektiven Gefühle nach meistberechtigten Theorie der Fjordentstehung. Dass die Fjorde wenigstens unter Um- ständen das Resultat eines der in $. 1 beschriebenen Erosionsakte sind, erkannte v. Lasaulx an der irischen Küste bei Galway, wo sechs benachbarte Fjorde ebensovielen in den Kohlenkalk gemachten Höh- lungen, die dazwischenliegenden Landzungen ebensovielen Zonen alten Rothsandsteines entsprechen |56]. Dass die bretagnischen Fjorde keiner Gletscherwirkung, sondern allein der „sägenden Tendenz“ der Bran- dungswoge ihr Dasein zu danken haben, stellte Rütimeyer (a. a. OÖ.) fest. Er verfolgte den Process bis zu seinen ersten Anfängen zurück und fand, dass dieselben an dem Erscheinen kleiner schwarzer Felsen- riffe („Pens“) zu erkennen sind, zwischen welchen sich einstweilen noch der weisse Strand („Plages“) mit seinen Dünen ausbreitet, die aber selbst schon in zahllose kleine Schluchten zertheilt sind**). Nachdem Umlauft Rütimeyer’s Doktrin weiteren Kreisen bekannt gegeben hatte [58], gab Rittau [59] die öffentliche Erklärung ab, dass ver- *) Penck’s Glaubensbekenntniss geht dahin [55]: „Die Fjorde gelten uns in ihrer Allgemeinheit nicht ausschliesslich als die Produkte glacialer Wirkungen. Nur theilweise sind sie es, und an der Ausbildung der vielfach verzweigten Fjorde gebirgiger Küsten haben Wasser und Eis vereint gearbeitet.“ **) Gestützt auf alte Karten und Annalenangaben, schildert uns Quenault mit lebhaften Farben [57] die Gewalt, mit welcher das Meer die bretagnischen und normannischen Steilküsten heimsucht — insbesondere die Halbinsel Cotentin. Die bekannte Abtei St. Michel ist nur zu oft das Opfer des Anpralles; sie war früher von einem ausgedehnten Walde umgeben, den im März 799 n. Chr. das Meer begrub, wie denn das suchende Auge dort noch immer auf submarine Wälder stösst. 468 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. wandte Ansichten früher bereits von Rein in dessen Marburger Vor- lesungen mitgetheilt seien; namentlich sei dort hervorgehoben wor- den, dass die Meeres-, resp. Gezeitenerosion krystallinische Gebiete stärker angreife, als geschichtete. K. Vogt hatte schon vorher ein Vorherrschen der Fjorde an solchen Küsten nachgewiesen [60], deren anstehendes Gestein plutonischen Ursprunges ist. Wie heute die Dinge liegen, möchten wir die naturgemässe Ero- sionstheorie bevorzugen und der Beihülfe der Gletscher nur einen be- scheidenen Platz eingeräumt wissen. Aber auch die sub a) angeführten Vorgänge können recht wohl gegebenen Falles fjordähnliche Erschei- nungen in’s Leben rufen*). S. 5. Flachküsten unter der Einwirkung der Meeresbrandung. Wenn auch die dynamischen Beziehungen zwischen Meer und Steil- küste dem Geophysiker weitaus die lockendsten Probleme stellen, so sind doch auch diejenigen zwischen Meer und Flachküste der Beach- tung sehr würdig. Den richtigen Tummelplatz für die Bethätigung der landlüsternen Absichten des Wassers bietet in dieser Hinsicht die Nordsee, deren Küsten grossentheils in negativer Verschiebung sich befinden (Kap. I. $. 3), und dass die zerstörende Thätigkeit der Wellen einer „sinkenden“ Küste gegenüber ganz andere Erfolge erzielt, als einer stabilen oder gar einer „sich hebenden“* gegenüber, braucht nicht besonders beglaubigt zu werden. Die Art der Aktion ist hauptsächlich eine ab- und unter- spülende. Es müssen wohl nicht gerade, wie man aus der Dar- stellung im Ackermann’schen Werke [61] entnehmen könnte, steil aufragende Küsten sein, welche bei’m Abrutschen sammt Steinmassen und Baumbeständen als Erzeuger eigenartiger Untiefen, der Stein- gründe und der uns von früher her bekannten Holzstubben er- scheinen; nahe der Küste von Usedom, welche man gewiss nicht zu den Küsten der ersten Art rechnen wird, begegnen wir z. B. dem berüchtigten Steinriff, welches die Sage mit der versunkenen Wenden- stadt Vineta identifieirt. Genauer analysirt den Abwaschungsvorgang, welcher bei den friesischen Strandbewohnern das Saugen der See heisst, die Abhandlung von Eilker [62]. Wie in dem einleitenden Paragraphen der Lehre von der Wellenbewegung ausgeführt ward, fällt die einzelne Welle, indem sie auf ein sich ihrer Bewegungsrichtung vorlagerndes Hinderniss trifft, vorne über, es steht also den sich heran- wälzenden Wassermassen stets eine Rückströmung zur Seite. Der Anprall löst Erde und Gesteinstheile ab, die Rückströmung führt das erodirte Material dem freien Meere zu. Thonige, kalkige, moorige Ufer werden stärker mitgenommen, als sandige. Die friesische Küste, von Holland bis Jütland er hat unter der saugenden Thätigkeit des Meeres am meisten zu leiden gehabt. Ob wirklich in nicht allzulange hinter uns liegender Zeit das deutsche Nordmeer noch ein ruhiger Busen des Atlantik war, bis endlich die — von Strabon angezweifelte**) — kimbrische Fluth den Aermel- *) Fjorde, die nach innen tiefer werden, mögen wohl auf diese Art ent- standen sein. **) An sich hätte sonst diese Erklärung nicht übel in das etwas gewaltsame geodynamische System des Lampsaceners Straton gepasst, welches Strabon II, $. 5. Flachküsten unter der Einwirkung der Meeresbrandung. 469 kanal schuf, das lassen wir mit Francke [64] dahingestellt, doch ist allerdings gewiss, dass stets die aus jener Meeresstrasse heranwogenden Tiden das meiste Unglück über die friesische Küste gebracht haben. Am schlimmsten traf es sich natürlich dann, wenn ohnehin schon die Stellung der attrahirenden Gestirne für eine hohe Fluthwelle sorgte, und wenn dann noch ausserdem der Windstau gegen das Gestade stand”). Die verheerendsten unter den historisch verbürgten Sturm- fluthen waren diejenigen von 1170, 1277, 1570, 1717, 1825; nähere Berichte darüber hat Arends gesammelt [65]. Die am 19. November 1421 eingetretene Fluth war mehr lokal für Holland eine verwüstende; sie vernichtete ganz oder theilweise 72 Dörfer und erzeugte den früher weit grösseren, seit lange jedoch schon wieder in Versandung begriffenen Biesboschbusen [66]. Minder sicher festgestellt ist Datum und Art der Entstehung des Dollart. Die Inselguirlande, welche sich vor den Mündungen der Ems und Weser ausbreitet, hatte in früheren Jahr- hunderten einen weit weniger fragmentarischen Charakter, als heut- zutage; auch Helgoland, jetzt eine kleine und die Leistungen der Brandungserosion an jedem Quadratmeter Küstenfläche bethätigende Steilinsel, hatte vordem ein grösseres, flaches Vorland**). Besonders ungünstig ist noch in unserer Zeit die Situation der nordfriesischen Küsteneilande, der sogenannten Halligen, betreffs deren auf die aus- führliche Schilderung von Weigelt [70] zu verweisen wäre. Auf ihnen kann sich der zähe friesische Landmann nur dadurch halten, dass er sein Wohnhaus einem künstlich aufgeworfenen Hügel anver- traut. Diese Warfen oder Terpen geben freilich, ebenso wie die längs der bedrohten Küste aufgeworfenen Deiche, nur einen unzuläng- lichen Schutz. — Was an der deutschen Nordseeküste geschah und noch geschieht, wiederholt sich selbstverständlich an sehr vielen anderen Orten; diesen allen im Detail nachzugehen, kann hier nicht unsere Aufgabe sein ***), vielmehr musste es genügen, ein besonders typisches selbst sich angeeignet hatte; stand es, wie H. Fischer im Einzelnen auseinander- setzt [63], für dieses System doch fest, dass der Bosporus und die Strasse der Herkules-Säulen durch einen Durchbruch entstanden seien, den das überfüllte schwarze Meer nur zu dem Zwecke bewirkt habe, damit sich das gestörte hydro- statische Gleichgewicht des oceanischen Wassers wieder herstellen könne. *) Nach Prestel, der die meteorologischen Verhältnisse Ostfrieslands ge- nau kannte, scheinen, wie wir der Eilker’schen Arbeit entnehmen, auch Wirbel- stürme mit in Frage gekommen zu sein; wenigstens würde ein Meteorologe der Neuzeit Preste]l’s noch ganz unter dem Banne Dove’scher Gesetzmässigkeit niedergeschriebene Aeusserungen sich in diesem Sinne zurechtlegen. **) Früher hegte man etwas abenteuerliche Vorstellungen über Helgoland, das man sich als eine Halbinsel und mit Nordschleswig zusammenhängend dachte [67]. Hahn widerlegt diese selbst in anerkannt treffliche Werke überge- gangenen geschichtlichen Mythen treffend [68], und da H. Wagner in seinem grossen Werke [69] ebenfalls mit jenen Phantasmen aufräumt, so darf man zu- versichtlich hoffen, dieselben bald gänzlich aus der Literatur verschwinden zu sehen. Als der beträchtlichste Landverlust bleibt derjenige bestehen, durch dessen Eintritt die feste Verbindung zwischen der eigentlichen Insel und der sogenannten „Düne“ unterbrochen worden ist. ***) Umfassendere Nachweisungen dieser Art sind in einem lesenswerthen Essay [71] von J. Girard enthalten. Speziell für Frankreich und England ver- fügt man über die Monographie von Peacock [72], aus welcher zu ersehen ist, dass Yorkshire und Lincolnshire im Laufe der Zeiten vom Meere hart mitgenommen worden sind. Besonders instruktiv erscheint der Process der Unterspülung an der südrussischen Steppe, welche, obwohl hie und da 30—40 m tief abfallend, gleich- 470 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. Beispiel herauszugreifen und näher zu beleuchten. Erwähnt sei aber noch, dass die Gestalt ändernden Folgen der Sturmfluthen ganz neuer- dings eine den physikalischen Standpunkt betonende Erörterung in einer Abhandlung Keller’s [74] gefunden haben. S. 6. Das Meer als Landbildner. Wie so häufig in der Welt ein Uebel sein Korrektiv bereits in sich selber trägt, so verhält es sich auch hier, und man kann behaupten, dass die See, mitten in ihrem Zerstörungswerke, schon wieder dazu beiträgt, die angerichteten Schäden zu heilen. So verschiedenartig die aus der aufbauenden Arbeit des Meeres erwachsenden Gebilde sind, so vollzieht sich der Vorgang doch im Grossen und Ganzen stets nach derselben Schablone. Die Woge rollt so weit in das Land hinein, bis die Reibung mit der Unterfläche sie zum Stillstehen und Umkehren zwingt; diese Rückströmung führt, wie wir oben sahen, Sand und Gesteinsfragmente suspendirt mit sich, und diese fallen, sobald die Geschwindigkeit nachlässt, zu Boden, den Grund des Meeres nahe der Küste mehr und mehr dem Wasser- spiegel annähernd. Der den Boden bedeckende Sand geräth dabei in ganz eigenthümliche Bewegungen, analog denen, welche später bei der Anhäufung des flüchtigen Meeressandes auf dem Festlande zu beob- achten sind*). Allein damit nicht genug. Der rückströmenden Welle wird von der neu ankommenden ein Quantum der von ihr getragenen Sinkstoffe wieder entrissen und näher dem Ufersaume wieder abgelagert. Grobe Steinfragmente ballen sich in den uns bereits bekannten Strand- wällen zusammen, deren Bedeutung als Landbildner keine hohe ist; die aus feinem Sande bestehenden Dünen dagegen sind ein für die Morphologie des Strandes besonders wichtiges Element. Als solches sind sie besonders auch durch Peschel’s plastische Darstellung an- erkannt worden [76], durch welche darauf gedrungen ward, dass Dünen nicht mit Sandbänken oder Barren verwechselt würden. wohl ihres geognostischen Gepräges halber nicht wohl zu den Steilküsten gezählt werden kann. Fig. 87 giebt uns nach Kohl [73] ein Bild von jener zerklüfteten Küste („Obruive“-Abriss). In a sehen wir vor uns den Beginn des Vorganges; A ist die hohe Steppe, E ein dem Meere B entgegensinkendes Stück, dessen Nachgeben auf eine vom Meerwasser in Fig. 87. der Basis von A ausgewaschene Höhlung C zurückzuführen ist. In b erblicken wir die Fortsetzung, D, E und F sind noch halb zusammenhängende Bruchstücke des Step- penrandes, die Höhle C ist durch den Schub von oben bedeutend verkleinert. c endlich führt uns eine wirkliche Obruive vor, wie sie von den Gartenkünstlern Odessa’s scenisch ausgebeutet wird, die Trümmer A, D, E, F, G ragen in maleri- scher Unordnung aus dem Meere B auf, und diese Trümmer haben zugleich den früheren Hohlraum © vollständig wieder ausgefüllt. *) G. A. Darwin legte am 22. November 1883 der Royal Society die Er- gebnisse seiner Experimentaluntersuchungen über regelmässige Rippungen im Sande des Bodens bewegter Wasserbehälter vor. Der vorläufige Bericht be- sagt [75]: „Die Bildung unregelmässiger Rippungen oder Dünen durch einen Strom rührt her von dem Wirbel, der auf der Leeseite einer jeden Ungleichheit der Bodenfläche existirt; der direkte Strom führt den Sand an der Wetterseite herauf, und der Wirbel an der Leeseite... Die regelmässige Rippung wird vom Wasser erzeugt, das im Verhältniss zum Boden in Schwingung ist.“ II, $. 6. Das Meer als Landbildner. 471 Wenn von Dünen im Allgemeinen, d. h. von losen, sich fort- bewegenden Sandhaufen gesprochen wird, so hat man nach Musch- ketov’s Durchforschung der Umgebungen des Aralsee’s, von denen uns allerdings nur ein kurzer Auszug [77] vorliegt, dreierlei Gattungen auseinanderzuhalten: Meeresdünen, durch ihren Parallelismus mit der Küstenrichtung und die in ihnen enthaltenen Seemuschelfragmente kenntlich, gips- und thonhaltige Flussdünen, welche nur eine sehr geringe Vertikaldimension erreichen zu können scheinen, und eigent- liche Winddünen, Konglomerate aus zusammengewehtem Wüsten- und Steppensande, die auch nicht bis über 10 m Höhe ansteigen. Klunzinger hatte bereits davor gewarnt [78], die an den Ufern des rothen Meeres nicht selten zu findenden Sandhügel als wahre Meeresdünen anzusprechen, und Sokolow hat jüngst bei Sestroryetsk am östlichen Ende des finnischen Golfes beide Gattungen nicht weit von einander entfernt nachgewiesen [79]*). Dass nicht, wie man dereinst wohl glaubte, die binnenländischen Dünen Reste einer früheren Seebedeckung sein können, hat wenigstens für die Sahara v. Zittel ausser Zweifel gesetzt, indem er darthat, dass ein diluviales Sahara- meer niemals existirt haben kann [83]**) Durch Beobachtungen von Livingstone (8. 252 dieses Bandes), Fraas, Mösta u. A. glaubt Peschel sich zu der Behauptung autorisirt, dass durch die grellen Temperaturunterschiede der tropischen Gegenden die dortigen Gesteine zersprengt und aufgelöst würden, diese Splitter führe der Wind fort, und indem sie über Felswände dahinstreichen, vermehre sich ihre Menge fortwährend durch Zerreibung der oberflächlichen Gesteins- schichten [84] ***). Ob mit dieser Erklärung auch die Binnenlanddünen Turkestan’s und Ingermannland’s zu bezwingen seien, erscheint uns fraglich; zum Glücke ist die Genese der Küstendünen eine deutlicher vor Augen liegende. Wir wenden uns jetzt diesen letzteren zu. Damit Dünen entstehen können, müssen erstens alle Bedingungen fehlen, durch welche dem Sande seine freie Beweglichkeit genommen wird, und zweitens ist das Vorwalten einer frischen Seebrise erforder- *) Auf die Aehnlichkeit der in der Umgebung der Stadt Dresden vor- kommenden Sandbildungen mit echten Dünen wies v. Gutbier hin [80]; auch er ist geneigt, dieselben von einem Diluvialmeer abzuleiten, welches bei Meissen durch einen Damm abgesperrt und zum Binnensee gemacht worden wäre; dessen Wellenschlag habe Sandbänke angehäuft, deren Material dann ein Spiel des Windes geworden sei. Die dortigen Westwinde hätten nach Lösche [81] diese Aufgabe recht wohl erfüllen können. Durch eindringendere geologische Unter- suchung der auf dem Sande befindlichen Geschiebe vermochte dann allerdings Jentzsch [82] der Ansicht v. Gutbier’s den Boden zu entziehen. **) Allerhöchstens könnten die tunesischen Schott’s ein Anhängsel des mittelländischen, die Oasengegenden im Osten (Jupiter-Ammon) ein solches des rothen Meeres gewesen sein. NLaea, ***) Diese mechanische Leistung der Sonnenhitze wäre nach der von Peschel (a. a. O.) reproducirten Meinung Letronne’s die Ursache des bekannten Tönens der Memnonssäule gewesen, und ebendarauf wäre wohl das von Lenz bemerkte Ertönen von Sandbergen zurückzuführen. Trink fand solchen Sand auch auf Hawaii; nahm man von ihm beide Hände voll und schlug dieselben dann zu- sammen, so erscholl ein Laut, ähnlich dem Rufe einer Eule [85]. Man nahm an, dass die Sandkörner hohl seien, und dass die in ihnen eingeschlossene Luft vibrire, wie bei einer Orgelpfeife, allein Noll, der am Rheine tönende Sandbänke ent- deckt hat, huldigt wohl mit Grund der Ansicht, dass der durch eine solche Minia- turluftsäule erzeugte Ton auch verstärkt nicht die nöthige Intensität gewinne [86]. ra a EEE a 472 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. lich [87]. Die Gezeiten sind nicht in gleichem Maasse bei der Dünen- bildung betheiligt, doch ist allerdings richtig, dass die Dünen am Ufer jener Meere, die keine oder nur eine geringe Tidenbewegung haben, nur kümmerlich sich entwickeln. Die Entstehung einer Elementar- düne, wenn dieser an sich wohl verständliche Ausdruck gestattet ist, glauben wir nicht besser, als mit den Worten Senft’s [88] veranschau- lichen zu können: „Stellt sich den sandführenden Luftströmungen in der Entfernung von 14 bis 17 m von der gewöhnlichen Fluthlinie irgend ein Körper, z. B. ein Steinblock, entgegen, dann setzen jene an der ihnen zugewendeten Seite desselben solange Sand ab, bis der- selbe ganz mit Sand belegt ist. Hat in dieser Weise die Sandbelegung die volle Höhe eines Körpers erreicht, dann schieben die weiter noch nachfolgenden und am Boden hinstreichenden Lufströmungen den theils schon abgesetzten, theils noch aus ihnen niedersinkenden Sand über den Gipfel oder Rücken des übersandeten Körpers hin nach dessen Rückenabfall, so dass zuletzt über dem ganzen Körper ein Sandhügel entsteht, welcher an der Vorder- oder Seeseite ganz allmählig ansteigt, an der Hinter- oder Landseite aber schroff abfällt und, je nach der Gestalt des seinen Kern bildenden Körpers, bald einen stumpf ab- gerundeten Kegel, bald einen dachförmigen Rückenhügel darstellt.“ Fig. 88 verdeutlicht den Hergang. Aus dem Meere M wird der Seesand E- TITTEN durch die in Gestalt kleiner Pfeile sich darstellende Luftströmung fort- geführt, als erstes Hinderniss trat ihr der Pfahl P’P’ entgegen. Dieses fi _ Hinderniss ist bereits längst überwunden, der Pfahl ist völlig in die Düne eingebettet, und dieselbe hat sich nunmehr bei weiterem Vordringen mit dem höheren Pfahle PP abzufinden. Ein Theil des Seewindes sammt suspendirtem Sande kommt anstandslos über die Spitze des Pfahles hinweg und lässt, wie man sieht, in Folge der Reibung das mitgeführte Material fallen, aus welchem sich der annähernd nach einer logarith- mischen Linie als Profilkurve (Band I, S. 332) geböschte Hügel in Lee bildet. Die tieferen Windmassen stossen am Pfahle an, es bilden sich diesseits kleine Windwirbel, und die Folge derselben ist die, dass der Sand, ehe er noch den Pfahl erreicht, gleichfalls in steiler Böschung abstürzt. In der Regel befindet sich also vor dem Hinderniss, solange dasselbe noch nicht vollkommen überwunden ist, eine kleine Grube. Das Material, aus welchem eine Düne aufgebaut wird, braucht kein ganz homogenes zu sein, Stürme z. B. können weit gröbere Sand- Me u, u Zn er II, $. 6. Das Meer als Landbildner. 473 qualitäten heranbringen, als die gewöhnlichen Seewinde [89]. Unser idealer Durchschnitt der Düne zeigt uns eine solche Schicht bei A*). Die Geschwindigkeit des Vorrückens ist bei den Dünen je nach ihrem Baumaterial, nach der Intensität und Beständigkeit der Winde, nach der Beschaffenheit des Untergrundes u. s. w. eine ver- schiedene. In Pommern wird nach P. Lehmann**) eine Maximal- geschwindigkeit von 9m pro Jahr beobachtet |92]. Der Stoff, aus dem sie bestehen, ist vorwiegend zerstörtes Diluvium; sie erreichen eine ansehn- liche Höhe und präsentiren sich z. B. bei Stolpmünde als eine zu einem förmlichen Dünengebirge gewordene Aneinanderreihung von Dünenwällen mit Gipfeln von 20 bis 30 m Höhe [93]. In Holland kommen nach Reclus [94] Dünenkämme von 40 m, an der afrikani- schen Westküste solche von 120 und 180 m Höhe vor. Keller giebt Normen für die Breite der Küstenzone, welche von den Dünen erfüllt zu werden pflegt |95]. Die Dünen erweisen sich vielfach als ein Danaergeschenk des Meeres, indem sie unter ihren Sandmassen Bau- werke und Kulturen begraben. Man sucht sie deshalb festzumachen, und diess gelingt dadurch, dass man dem Sande gehörige Mengen ge- eigneter Pflanzen anvertraut. Sandhalm und Strandhafer eignen sich hiezu besonders gut; die Wurzeln der Gräser bilden ein verfilztes Geflechte, in welchem sich der wandernde Sand verfängt [96]. All- mählig: siedelt sich dann auch anderweite Vegetation an, und in Frank- reich hat man es sogar dahin gebracht, die Dünenketten von hoch- stämmigen Bäumen bestanden zu sehen. Freilich hat gerade dieses Land auch am meisten gesündigt; die „Landes“ in Guyenne waren früher ein fruchtbarer Landstrich, und erst nach der sinnlosen Ab- holzung der Uferstriche gelang es den Dünen, die Gegend in einen sterilen Moor- und Sumpfdistrikt zu verwandeln. Jenseits der Dünenreihen breitet sich in vielen Küstengegenden ein Streifen Landes aus, der ebenfalls der landbildenden Thätigkeit des Meeres, wenigstens theilweise, seine Entstehung verdankt. Es ist diess das Marschland (kurzweg die Marsch genannt), über dessen Bildung hervorragende Geologen, wie J. G. Forchhammer [97] und Senft |98], sich haben vernehmen lassen. Die Abhandlung des Letzt- genannten soll uns zur Führerin dienen. Marschen ***) können sich bilden an Flüssen, Seen und Meeren. Der Fluss, dessen Ufer mit grossen und tiefen, an ihrem Eingange aber engen Ausbuchtungen ausgestattet ist, bewirkt dadurch, dass er immer neue Wassermassen in jene Buchten *) So fand Schumann bei Cranz auf der kurischen Nehrung in einem 9m hohen Dünenwalle, in der Richtung von oben nach unten, Sedimente aus folgenden Materien [90]: Waldhumus, grauen Dünensand, Humus mit Baumstümpfen eines verschütteten Waldes, kalkigen weissen Sand mit Humusschichten eines noch älteren Waldes, hellgrauen Sand, Torf mit Moos, Erlen- und Fichtenresten, grauen Sand, Torf, grauen Sand, Torf. Man kann an dieser Reihenfolge die einzelnen Stadien des Dünenbau’s studiren, denn offenbar konnte sich das Pflanzenkleid, welches unier den von einem gewissen Momente ab wieder in’s Vorrücken ge- kommenen Sandmassen sein Grab fand, nur in Perioden verhältnissmässiger Ruhe bilden. **) Lehmann lieferte schon früher ein treffliches physisches Gemälde eines Theiles der Ostseeküsten [91]. ***) Die Etymologie des Wortes „Marsch“ ist nach Senft dieselbe, wie die von „Morast“, 1. Pe a, „Paul # .>r% U Ta Ans Eu u te Mi ee wa pn TE Ta Perl % 8 er Im. 6, ’ r N he fe EEE PEN N SATIRE: Eat ji BEN Bet, 52 £ 3 RER \ ee DE a y ARENA : ce? f 5 LEN BERT > ER EN v 474 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. hineinsenden will, während dieselben doch schon völlig angefüllt sind, eine Wirbelbewegung und Stauung, deren Konsequenz ein aus den nunmehr niederfallenden Festkörpern sich bildender und rasch anwach- sender Schlammwall ist. Im Sommer trocknet der Schlamm aus, im Winter bilden sich während der Hochfluthen neue Schlammbänke, und so entsteht der morastische Flussmarschboden, der durch Kanali- sirung und Schutzbauten in fruchtbaren Werder umgewandelt werden kann. Die Seemarsch hat einen im Wesentlichen ähnlichen Ur- sprung. „Unter sonst günstigen Bildungsverhältnissen,* so resumirt Senft [99], „zeigen sich hiernach Marschablagerungen: I. in becken- förmigen, mit buchtigen Ufern versehenen, nicht zu tiefen Binnen- seen immer zunächst in den Uferbuchten und zu beiden Seiten der Einmündung von schleichenden Zuflüssen, wachsen aber dann von diesen ihren Ablagerungsstätten nach der Mitte der Seen zu, bis ın diesen nur noch ein kleiner, allmählig immer seichter werdender und zuletzt sich mit Erdschlamm ganz schliessender Wassertümpel übrig bleibt; II. in Seen dagegen, welche eine von der Einmündung ihres Zuflusses an schief abfallende Sohle besitzen, zunächst zu beiden Seiten des Einflusses und wachsen dann, aber sehr langsam, einseitig nach der Seemitte zu, so dass die vordere Hälfte des See’s ganz morastig erscheint, während die hintere Seehälfte noch aus verhältnissmässig reinem Seewasser besteht.* Auch wenn von den Marschen des Meeres die Rede ist, hat man die auf Fluthstauung zurückzuführenden Strom- mündungs- oder Brackwassermarschen zu trennen von den Salz- wasser- oder Meeresmarschen im engeren Sinne, welch’ letztere ein reines Sediment des Meeres sind und deshalb reichen Vorrath von Seesalz enthalten [100]. Zwischen der Inselkette, welche das Land der Friesen umsäumt, und dem eigentlichen Festlande erstreckt sich ein seichtes, zur Zeit der Ebbe fast trockenen Fusses zu begehendes Meer, das Wattenmeer, dessen Tiefe durch den vom Meere ab- gelagerten Schutt noch fort und fort zu Gunsten der friesischen Marsch vermindert wird. Zuerst hebt sich aus den Watten ein einzelner festerer Fleck, ein sogenannter Blick, da und dort hervor; verschiedene Blicke gerinnen so zu sagen zusammen und bilden den Blickenboden, dessen üppiger Humus die verschiedensten Gewächse anlockt. Haben sich erst allenthalben Wiesengräser angesiedelt, so nennt der Friese den Blickenboden Heller, versieht ihn mit Drainage und Deichen und schafft sich so das zu Kulturzwecken vorzüglich geeignete Neuland (Polder). Die Sommermarschbildung weicht in ihrer Zusammen- setzung von der Wintermarschbildung einigermassen ab; im Ueb- rigen unterscheidet man dreierlei Hauptarten des Marschbodens [101]: den Knick, einen gelbbraunen, knet- und formbaren Thon, den Klei, eine aus Thon, Sand und kohlensaurem Kalk bestehende Substanz voll von thierischen Ueberresten, und den Schlick, ein graues oder bläuliches Konglomerat aus Thon, Quarzmehl und Humusbestandtheilen. Das Alluvium des Meeres besteht, von Dünen und Marschen ab- gesehen, noch aus anderen Bodenformen, für welche sich, wie nament- lich aus dem Berendt’schen Begleittexte zu Meyn’s geologischer Spezialkarte Nordalbingien’s zu ersehen ist [102]*), in Nordfriesland *) Am Kamme des längs der Longitudinalaxe der Halbinsel hinstreichenden Höhenzuges beginnt der unfruchtbare Haiderücken oder diehohe Geest, II, $.7. Kombinirte Thätigkeit von Meer und Fluss; Lagunen, Delta’s. 475 und Dithmarsen eine reichhaltige Terminologie herausgebildet hat, welche namentlich in agronomischer Beziehung wichtig ist. $. 7. Kombinirte Thätigkeit von Meer und Fluss; Lagunen und Delta’s. Es liegt auf der Hand, dass die Konsequenzen der bisher von uns verfolgten Meeresaktion andere, als die bisher erörterten, sein werden, wenn an gewissen Theilen der Küste die bewegten Süsswasser- massen eines aus dem Inlande kommenden Stromes jener Aktion entgegenarbeiten oder auch unter Umständen sich mit derselben zu gemeinsamem Werke vereinen. Der geniale Strabon besass für die Erkundung der Erfolge dieser Doppelthätigkeit ein besonders ge- schultes Auge; mehr als die Hälfte der schönen Abhandlung, in welcher H. Fischer den Altmeister von Amasia als Hydrographen schildert, musste den Wechselbeziehungen zwischen Salz- und Süsswasser ein- geräumt werden [104]. In erster Linie bringt man die Thätigkeit der Flüsse mit den von v. Sonklar zuerst so bezeichneten Aufstauungsseen in Ver- bindung. Dieselben entstehen nach dem genannten Forscher (s. o. $. 1) dann, wenn Dünen eine Flussmündung verlegen; es bilden sich dann Strandseen, Lagunen, Haffe, Wieke. Diess ist auch im All- gemeinen richtig; wenn Inseln oder Halbinseln einen Meerestheil bis zu einem gewissen Grade abschliessen, so gewähren sie den einmün- denden Strömen die Möglichkeit, die mitgeführten festen Stoffe weiter, als es sonst möglich wäre, in’s Meer hinauszutragen, und eben diese Sinkstoffe tragen dann zur Verstärkung der abschliessenden Barre bei [105]. Näher untersucht den Process der Strandseebildung Acker- mann [106]; er zeigt, wie sogenannte Inselkerne (Kempe) den An- stoss zu diesem Vorgange geben, und unterscheidet drei verschiedene Stadien der Entwickelung bis zum vollkommenen Strandsee; auch er- läutert er [107] die grosse Vergänglichkeit solcher Wasseransammlungen, die einerseits durch fluviatile Anschwemmung verkleinert, andererseits durch Vertorfung überhaupt in einen ganz anderen Zustand übergeführt werden. Die schmalen Landzungen, welche häufig vor einem Haff sich hinziehen, führen den Namen Nehrung (frische und kurische Nehrung in Altpreussen). Nehrungen giebt es fast an allen Meeres- küsten, wie schon daraus erhellt, dass die verschiedensten Idiome ein eigenes Wort dafür besitzen; im Italienischen sagt man Litorale oder Lido, im Russischen Peressip. Allbekannt ist der Lido von Venedig, ein schönes Beispiel eines Peressip ist die Landzunge von Arabat am asow’schen Meere. Wir geben in Fig. 89 nach Kohl (a. a. OÖ.) die Charakteristik eines Peressip b, der durch einen Steppen- fluss gebildet ist. Er schliesst den Strandsee a, russisch Liman, vom bedeckt mit diluvialem Geschiebesand, zwischen zwei benachbarten Haiderücken dehnt sich das bereits altalluviale Blachfeld aus. Dieses senkt sich schliesslich als Vorgeest herab, an deren Rande beginnt die fruchtbare Marsch, häufig mit vorgelagertem Gründlandmoor, der Vormarsch. Wo der für die Marschbildung erforderliche Schutz der Inseln fehlt, grenzen an die Geest die trostlosen Meeres- dünen. Uebrigens hat Schleswig-Holstein auch Binnenlanddünen; die von Lauen- burg bis zum Nissum-Fjord vielfach die Grenze von Marsch und Geest markirende Reihe von kleinen Erhebungen hatte bereits v. Maack [103] als des Gepräges einer Meerbildung baar bezeichnet. BE a a ER na N IE a N 3 a as N at .r Eh B \ K we 4 1 N ERENN ER A476 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. E; Meere ab, jedoch nicht vollständig, da er durch eine Oeffnung (Girl)ceunter- brochen ist. Der gegen den Fluss abfallende Höhenzug der Steppe dd pflanzt sich, wie man sieht, in verschiedenen Abstufungen auf die Nehrung fort. ee ist die offene See. Das auffallende Beispiel eines mit zwei geschlossenen Nehrungen versehenen und bereits Ansätze zur dritten darbietenden Strandsee’s bietet die Halbinsel des Monte Argentario an der toskanischen Küste [108]. Jener Strandsee ist den Inländern als „Stagno“ bekannt — dasselbe Wort, welches auch die bie Franzosen für ihre bekannten fieber- ns )), schwangeren Lagunen, die Etang’s, Ur Fr gebrauchen. — Besonders berühmt N waren von je die Lagunen von Ve- AN nedig, die ihrer Zeit schon Stra- 1 2 bon’s Aufmerksamkeit auf sich „AN gezogen hatten (s. o.). Hier sehen wir einen Strandsee der Vernich- tung durch fortschreitende Sandausfüllung überantwortet; die Ursachen davon sind uns genau bekannt durch die Schilderung von Kovatsch [109], aus welcher Keller das Bedeutsamste mittheilt [110]. Die venetiani- schen Lagunen sind theils lebendige, d. h. auch zur Ebbezeit mit Wasser bedeckt, theils todte, morastige, dem Lande anliegende Mulden, die nur durch die Fluth meeresähnlich werden. Erstere verlieren an Terrain zu Gunsten der letzteren, dadurch wird die mechanische Leistungsfähigkeit der Rückströmung eine immer geringere, und die Sandbänke wissen der Saugkraft dieses Stromes mit jedem Jahre bes- seren Widerstand zu leisten. Dadurch, dass man die an Sinkstoffen reichen Flüsse, zumal die Brenta, mittelst Kunstbauten von den La- gunen ferne hält, sowie dadurch, dass man die Ausgänge (Porti) regu- lirt, kann man vielleicht nach dem bisher ungleichen Kampf zu Gunsten des Wassers entscheiden, allein die Gefahr ist keine geringe, und vor Allem erscheint Chioggia durch die Laguna morta ernstlich bedroht. Die Strandseen spielen eine Rolle in v. Sonklar’s Klassifikation der Flussmündungen, welche vier wesentliche Formen aufweisen sollen [111]. Eine einfache Mündung ist vorhanden, wenn der Fluss, wie es z. B. bei mehreren spanischen Flüssen und bei’m Colo- rado des Westens der Fall sein soll, ungetheilt und ohne auffällige Erweiterung seines Rinnsales sich in’s Meer ergiesst. Ein negatives Delta oder Aestuarium ist dann vorhanden, wenn der Fluss sich vor seinem Austritte zu einer mit Brackwasser gefüllten, das Rastern begünstigenden Bucht erweitert (Amazonas, La Plata, Lorenzstrom, Weser, Elbe, Loire, Garonne, Themse, Tejo). Die Haffmündung, charakterisirt durch Oder und Weichsel, ist v. Sonklar’s dritte Mo- dalität, und an vierter Stelle erscheint die Deltamündung. Gegen diese Eintheilung erhebt G. R. Credner, dessen in recht vielen Be- ziehungen grundlegende Arbeit [112] uns für den weiteren Verlauf dieses Paragraphen zur Leitschnur dient, einen nicht ungerechtfertigten Protest [113]. Warum sollen nicht z. B. Deltamündungen zugleich auch Haffmündungen sein können? Warum sollen Aestuarien und Delta’s Gegensätze sein, während sie es doch bei’m Parana und La II, $S.7. Kombinirte Thätigkeit von Meer und Fluss; Lagunen, Delta’s. 477 Plata nicht sind? Credner selbst begründet eine andere Kategorieen- bildung auf die Rolle, welche den Flüssen als geologischen Werkzeugen zufällt, und es entsteht so (a. a. O.) folgendes Tableau: - Mündungen ohne vorgelagerte Aluviatile Schwemmland- bildungen. Ohne Rinnsal- | Mit Trichter- Erweiterung. öffnung. Mündungen mit vorgelagerten fluviatilen Schwemm- landbildungen. Einfache Oeff- Getheilte Oeffnungen. nungen. Ohne Mit mueue, alba, Wann, | Emm, Zum, erweiterten Mündungskanälen. Guadiana, |Themse, Seine} Hoang-Ho, Letina, Loire, Garonne Pei-Ho DT a TE Limpopo, Po, Rhöne, Ganges, Niger, Cunene . Mahanaddi Irawaddi Wiewohl auch diese Eintheilung angesichts der Neigung der Natur zur Varietätenbildung ihre Mängel haben muss*), so wollen wir uns doch vorläufig bei derselben beruhigen, da wir eine bessere weder anderweitig kennen, noch selbst zu geben im Stande sind. Wenn wir einen Wunsch hätten, so wäre es der, dass auf die Stellung des den Fluss aufnehmenden Meeres zur Gezeitenbewegung auch im Systeme Bedacht genommen worden wäre, denn dass diese die Art der Mün- dung mit bestimmt, ist eine nicht erst von van der Wyk wahr- genommene, aber doch von ihm zuerst |115] scharf accentuirte Thhatsache. Wenn wir nunmehr von den Deltabildungen der Flüsse im Einzelnen reden, so lassen wir die Entstehung dieses Namens insoferne unberücksichtigt, als die dreieckige Form nicht mehr das hervorstechendste Unterscheidungszeichen für uns bildet, vielmehr rechnen wir hierher mit Credner sämmtliche Gruppen unserer obigen zweiten Haupt- kategorie, schliessen aber, worauf schon v. Hoff und v. Humboldt**) hinwirkten [116], alle Formationen aus, welche aus zufälligen Gründen den geometrischen Charakter an sich zu tragen scheinen. Entscheidend für die Frage, bis zu welchem Punkte des Flusslaufes ein Delta sich ausdehne, ist „der fluviatile Ursprung des betreffenden Areales und dessen Unterlagerung durch recente Gebilde stehender Gewässer“ [117]. Da, wo ein Delta allmählig in eine Alluvialniederung übergeht, wie bei’m Po und Ganges, ist eine scharfe Abgrenzung kaum durchführbar. Nach ihrer Gestalt kann man unsere Gebilde in vorgeschobene Delta’s (Mississippi, Lena) und in Ausfüllungs-Delta’s (Nil, Donau) eintheilen, allein der Schwerpunkt einer ganz gesunden Ein- theilung liegt weniger im morphographischen, als im gene- tischen Verhalten der Delta’s. Deshalb hat auch die Klassifikation nach der Anzahl der das Delta bildenden Zweige [118] — ein Haupt- strom, mehrere äquivalente Arme, wirres Netz von Flussadern — nur ”) So bemerkt Krümmel, die Auffassung müsse im Einzelfalle allzusehr von der Güte der gebrauchten Spezialkarte abhängen; der Limpopo z. B. lasse auf der englischen Admiralitätskarte deutlich eine trichterförmige Mündung er- kennen [114]. **) Es eignet sich für diese binnenländischen Stromverzweigungen der Humboldt’sche Ausdruck Anastomosen. 478 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer undLand. einen bedingten Werth. Aeusserlich stellen sich die Delta’s dar als horizontale, wenig über den Seespiegel erhabene Ebenen, selten mit spärlichen Terrainwellen, häufig mit einem sumpfigen Küstensaume versehen. Die Mächtigkeit der Schwemmlande ist natürlich eine sehr verschiedene, das vielberufene Nildelta ist z. B. weniger kompakt, als das Rhönedelta bei Aigues-Mortes, wo in 100 m Tiefe das, Liegende noch nicht erreicht ward [119]. Den Grundstock des Ma- teriales bilden die von den Flüssen mechanisch fortgeführten und ab- gesetzten Schlamm- und Sandtheilchen, Quarz in fein zerriebenem Zu- stande, thonige Zersetzungsprodukte, endlich in geringerer Menge vege- tabilische und in noch geringerer animalische Substanzen. Diese or- ganischen Beimischungen bewirken ab und zu in den Delta’s das Auftreten kleiner Gaskrater („Mud-lumps“ am Mississippi) [120]. Die Lage- rung der Sedimentschichten ist den Untersuchungen Tyler’s [121] zufolge gewöhnlich eine horizontale, wenigstens bei Meeresdelta’s, denn die Schwemmlager der in Binnenseen sich ergiessenden Wasserläufe sind begreiflicherweise oft stark geböscht.*) Die Wachsthums- stärke ist bei jedem Delta eine andere, bestimmte Normen scheinen sich dafür nicht angeben lassen zu wollen; sehr stark ist die Zu- nahme bei dem in’s kaspische Meer fliessenden Terek (495 m), bei’m Fig. 90. 9094 Alluvüun; Z REDE Y 7, — 7 / 2 N ÄG A, kalic z Nil beträgt sie 4m, bei’'m Tiber blos lm [123]. Die Deltabildung bringt es mit sich, dass das Bett im Unterlaufe der Flüsse sich er- höht, ja theilweise eine totale Verlegung erfährt**), das Mündungs- *) Desor macht mit Rücksicht auf diese grundsätzliche Verschiedenheit den beachtenswerthen Vorschlag [122], die Giessbachdelta’s („delta torrentiel*) von den marinen Delta’s überhaupt zu trennen. **) Auf diese Stromverlegungen näher einzugehen [124], hatte Acker- mann allen Grund, denn sowohl an der livländischen, als an der westpreussischen und pommer’schen Küste (Elbinger Weichsel, Rega) begegnet man Ablenkungen der Stromläufe, die meist auf eine am Ufer hinstreichende Meeresströmung zu- rückzuführen sind. „In Folge dessen lagern sich in dem Winkel zwischen der tichtung des einströmenden Flusswassers und der gewöhnlichen Richtung der an die Küste schlagenden Wellen Sinkstoffe ab, und der Fluss wird genöthigt, senk- recht oder wenigstens nahezu senkrecht zu der Richtung der Wellen seine Mün- dung weiter und weiter zu verlegen.“ Die grossartigste Flussbettverlegung, welche man kennt, ist das „pendelartige Hin- und Herschweifen“ des Hoang-Ho, der seinen 1856 plötzlich und unter verheerenden Ereignissen genommenen Weg vor nicht II,$.7. Kombinirte Thätigkeit von Meer und Fluss; Lagunen, Delta’s. 479 system selbst wird mit der Zeit ein anderes, wie denn der Nil von den sieben bei Strabon erwähnten Mündungen [126] heute nur noch zwei benützt. Verschiedene Delta’s können sich zu Einem verschmelzen, wie es z. B. bei’m Rhein und den nahe seiner Mündung in den Boden- see sich ergiessenden Zuflüssen aus Vorarlberg, ferner bei’'m Euphrat und Tigris der Fall war, kleinere Binnengewässer und Meeresgolfe werden nicht selten durch die fortschreitenden Delta’s ausgefüllt oder doch getheilt. Unsere Fig. 90 versinnlicht nach Credner [127] einen besonders charakteristischen Abschnürungsprocess, denjenigen nämlich, durch welchen das Adda-Delta nahe bei der alten spanischen Zwing- burg Fuentes den oberen Theil des Comersee’s von dessen Rumpfe loslöste. Inseln werden vom Delta erfasst und landfest gemacht; so ist z. B. das kleinasiatische Ladegebirge, das noch zu Herodot’s Zeit allseitig von Wasser umgeben war, von v. Hoff [128] für eine Er- werbung des Mäander-Delta’s erklärt worden*). Das Alter der Delta’s ist häufig ein sehr hohes, allein genaue Berechnungen können darüber nicht existiren**). Die Deltastatistik Credner’s wird in Krümmel’s Besprechung um 37 Fälle vermehrt, so dass jezt auf Europa 58, auf Asien 70, auf Afrika 17, auf Amerika 28, auf Australien 7 derartige Bildungen zum mindesten entfallen. Irgendwelche Regelmässigkeit in Bezug auf deren geographisches Verhalten ist nicht vorhanden; die sonderbare Behauptung Ritter’s, dass die Delta’s auf mittlere und niedere Breiten beschränkt seien [132], findet im Lenadelta ihre voll- gültigste Widerlegung. — Die Bildung des Delta’s näher analy- sirend, stellt Credner nochmals fest [133], dass die Sedimentablage- rung der Flüsse die primäre Ursache ist***), doch würde man irren, wenn man sich mit diesem Faktum zufrieden geben wollte, denn nicht alle sinkstoffhaltigen Ströme bilden Delta’s. Ebensowenig thut es die Stromgeschwindigkeit allein, und auch der Gegensatz von Flach- und Steilküsten scheint für die Deltabildung ziemlich irrelevant zu sein. Die Gezeiten bieten für die Ablagerung der Sinkstoffe jedenfalls kein Hinderniss [137], Meeresströmungen und Winde mögen ihren lokalen Einfluss ausüben, allein keiner der verschiedenartigen Beeinflussungen langer Zeit wieder aufgab, um in sein altes Rinnsal zurückzukehren. Guy de Contenson hat eine beide Flussläufe darstellende Karte geliefert [125]. — In erkennbarerer Weise, nämlich durch eine Eisstopfung veranlasst, vollzog sich der bekannte Weichseldurchbruch bei Neufahrwasser. *) Andere Vorkommnisse dieser Art führt Strabon auf, der nur, durch die typischen Verhältnisse der in’s Mittelmeer mündenden Flüsse verführt, irrig deren landbildende Eigenschaften für eine Naturnothwendigkeit erklärte [129]. ”*) Wie weit hier die Schätzungen auseinandergehen, darüber belehre uns nachstehendes Beispiel [130]: Nach Vogt wird im Mississippi-Delta 126000, nach Lyell ebendort 67000, nach Humphreys und Abbot 4400 Jahre lang Schlamm abgesetzt! Kjerulf warnt vor allen übertriebenen Berechnungen [131]. #7) Genaue Messungen der von Flüssen fortgeführten Sinkstoffmengen fehlen leider sehr. Weiche Quantitäten häufig in Rede stehen, zeigen uns die Nachwei- sungen von Guppy [134] über die Ablagerungen des Yang-tzse und von Doyle [135] über das von den hinterindischen Strömen bewirkte Seichterwerden des Golfes von Artaban. Die Transportkraft des Wassers durch Versuche zu be- stimmen, war ein glücklicher Gedanke Vogt’s [136], doch ist es betreffs dieser Versuche bei den ersten Anfängen geblieben. Das erdige Material. welches der Ganges im Laufe eines Jahres stromabwärts schafft, würde nach Everest’s relativ genauen Messungen ausreichen, um eine Fläche von etwa 14000 Quadratkilometern um (0,3 Meter zu erhöhen. - 480 sSiebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. ; des Sedimentationsprocesses kann eine so tiefgreifende Bedeutung bei- gemessen werden, um aus ihr das Fehlen oder Vorhandensein der Delta’s im Allgemeinen herzuleiten |138|. Als das neben der Schlammablagerung wichtigste Moment für Entstehung und Fortbildung der Delta’s erscheint die Vertikalbewegung der Uferlinie (s. Kap. I). Senkungen erweisen sich als ein Hinder- niss, dem Wachsthum des Nil-Delta’s ist ein Ziel gesetzt, die Delta’s des Hudson und des Connecticut-River sind versunken. Umgekehrt verhält es sich mit den Hebungen; dass diese die Deltabildung in günstigem Sinne beeinflussen, kann als ein durch Uredner’s mit hingebendem Fleisse gearbeitete Tabelle [139] bewiesener Lehrsatz gelten. Credner prüft die analogen Verhältnisse auch bei den Binnenseen und gelangt zu dem Schlusse, dass für sie chronische Verminderung des Wasserspiegels dieselbe Wirkung habe — heutzutage würde er diesen Unterschied vielleicht nicht so sehr betont haben, als es damals, vor sieben Jahren, allerdings noch erforderlich schien. Indem wir diese durch die Darlegungen unseres ersten Kapitels gebotenen Modifikationen anbringen, können wir dem Schlusssatze unserer Vorlage [140] folgende Formulirung ertheilen: Positive Verschiebungen der Küste sind es, unter deren Ein- fluss die Anschwemmungen der Flüsse trotz sonst vorhan- dener ungünstiger Verhältnisse über den Seespiegel hervor- treten, während im Gegentheile negative Uferverschiebungen die Bildung neuer Delta’s verhindern und früher entstandene wieder unter den Fluthen verschwinden lassen. Der Po aller- dings und die Rewa auf den Viti-Inseln wollen nach Krümmel [141] dieser Regel sich nicht unterordnen, doch möchte dieselbe, als in einem sehr vollständigen Induktionsschlusse begründet, durch vereinzelte Aus- nahmen wohl nicht ernstlich erschüttert werden können. $. 8. Morphologie der Seehäfen. Unter diesem Titel hat Krümmel eine interessante Abhandlung erscheinen lassen [142], deren Ergebnisse offenbar in dieses von der Modellirung der Küsten handelnde Kapitel gehören. Als erste Bedingnisse erscheinen für einen guten Seehafen ordentlicher Ankergrund und Fernehaltung des Seeganges. Anker- gründe schlechtweg und Rheden haben, weil auf ihnen die Schiffe der Gewalt des Sturmes noch immer preisgegeben sind, nicht die Bedeu- tung eines Hafens; werden sie, wie es bei Madras geschah, durch Wellenbrecher u. dgl. vor der Dünung geschützt, so verwandeln sie sich in künstliche Seehäfen, und diese liegen ausserhalb des Rah- mens unserer Betrachtung. Genetisch zerfallen die natürlichen Häfen in drei Klassen: Einbruchshäfen, Fluss- oder Mündungs- häfen, Verbauungshäfen. Natürlich sind diese drei Typen nicht strenge gesondert, sondern durch Uebergangs- und Zwischenformen unter einander verbunden. Häfen der ersten Art bilden sich besonders an Gesteinsküsten, die im Zustande einer negativen Niveauschwankung sich befinden, Stürme und Brandung wirken bei der Entstehung mit, auch das gesellige Auftreten dieser Hafengattung, wie wir es zumal bei den „Ria’s* in Nordspanien erblicken, ist für dieselbe bezeichnend. tio de Janeiro und San Francisco lassen ein Hinterland erkennen, welches vom Meere nach dem Durchbrechen des vorgelagerten Ufer- Citate, 481 walles überschwemmt ward, auch die Yeddo-Bay mit Yokohama macht, von Einzelheiten abgesehen, einen ähnlichen Eindruck. Das letzte, vor- seschrittenste Stadium der Einbruchshäfen repräsentiren die Inselhäfen, wie Tyrus und Alexandria im Alterthum, die Insel Wight mit Southampton und Brighton im heutigen England; auch der Hafen von New-York mit Brooklyn kann hierher gerechnet werden, obwohl sich auch hier bereits die Mitwirkung einer Flussmündung geltend macht. Wenn die Inseln vor einer Flachküste sich ausdehnen, so kommen, wie das Beispiel Norddeutschland’s beweist, minder gute Häten zu Stande, es bilden sich Barren, die gewöhnlich nur der Gewalt eines grösseren Flusses weichen (Jadebusen, Ems- und Wesermündung). An Korallenküsten eignen sich die Flussmündungen um dess willen sehr gut zur Hafenanlage, weil die Korallenthiere im süssen Wasser nicht bestehen können. Die Flusshäfen eignen sich besser für Aestuarien, als für Deltamündungen, weil die Gezeitenströme das Aus- und Einlaufen der Fahrzeuge zur richtigen Zeit begünstigen und die Schifffahrtsrinne vertiefen. Frei- lich ist diese letztere ohne zeitweilige Baggerung immer der Gefahr der Versandung ausgesetzt; auch die im vorigen Paragraphen be- sprochene Verlegung der Stromrichtung muss als schädlicher Faktor mit in Rechnung gezogen werden, wie denn der Emsarm, der noch im späteren Mittelalter die Stadt Emden berührte, seither nur durch Kunst wieder mit letzterer in Verbindung gesetzt werden konnte [143]. Am seltensten sind die Verbauungshäfen, welche dann entstehen, wenn durch vulkanische Aufschüttung oder durch Anschwemmungen schützende Wälle an Küsten sich bilden, durch welche das Hafenbassin vom Meere abgesondert wird. [1] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1884. S. 461. — [2] Hahn, Inselstudien, Leipzig 1883. S. 129 ff. — [3] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 465. — [4] Geikie, The scenery of Scotland, London-Cambridge 1865. S. 39 ff. — [5] Hibbert., Description of the Shetland islands, Edinburgh 1822. — [6] v. Sonklar, Allgemeine Orographie, Wien 1873. 8. 53 ff. — [7] Hind, Ice-work- in Labrador, Nature, Vol. XXIII. S. 569. — [8] Eisvulkane in Canada, D. Rund- schau f. Geogr. u. Stat., 7. Jahrgang. S. 136. — [9] v. Richthofen, China; Ergeb- nisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien, 2. Band, Berlin 1882. S. 766 ff. — [10] Ibid. S. 768 ff. — [11] Ramsay, Physical geography and geology of Great-Britain, London 1864. S. 140 ff. — [12] v. Richthofen, China, S. 773 ff. — [13] Ibid. S. 130 ff. — [14] Colnet-Briart, Sur le relief du sol en Belgique apres les temps pal&ozoiques, Ann. de la soc. geol. de Belge,. 1877. S. 71 ff. — [15] H. Reusch-Baldauf, Einiges über die Wirkung des Meeres auf die Westküste Norwegens, N. Jahrb. f. Min.. Geol. u. Paläont., 1879. S. 244 ff. — [16] Ibid. S. 254. — [17] Martins, Von Spitzbergen zur Sahara, deutsch von Vogt, 1. Ab- theilung. Jena 1872. S. 151 ff. — [18] Mohn, Bidrag til kundsgaben om gamle strandlinier i Norge, Nyt Mag. f. Naturvidenskaberne, 1876. S. 19 ff. — [19] Pettersen, Terrassen und alte Strandlinien, deutsch von R. Lehmann, Zeitschr. f. d. ges. Naturw., 53. Band. S. 783 ff. — [20] Ibid. $S. 837 fi. — [21] R. Lehmann, Ueber ehemalige Strandlinien im anstehenden Fels in Norwegen, Halle 1879. — [22] R. Lehmann, Zur Strandlinienfrage, Zeitschr. f. d. ges. Naturw., 53. Band. S. 280. — [23] Penck, Schwankungen des Meeresspiegels, München 1882. S. 57 ff. — [24] R. Lehmann, Zur Strand]. ete., S. 282 ff. — [25] Ibid. S. 285. — [26] Day- kins, The parallel roads of Glenroy, Geol. Mag., 1879. S. 529 ff. — [27] W. Jolly, The parallel roads of Lochaber, the problem and its various solutions, Nature, Vol. XXI. $. 68 ff. — [28] Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde. Leipzig 1881. S. 9 ff. — [29] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 495 ff. — [30] Reclus, La terre, tome II., Paris 1876. S. 158 ff. — [31] Ratzel, Ueber Fjordbildungen an Günther, Geophysik. II. Band. St 482 Citate. Binnenseen, nebst allgemeinen Bemerkungen über die Begriffe Fjord und Fjord- strasse und die nordamerikanischen Küstenfjorde, Petermann’s geogr. Mittheil., 1880. S. 387 ff. — [32] Ibid. S. 393. — [33] Ibid. 8. 395 ff. — [34] Peschel- Lei poldt, Phys. Erdk.., S. 501. — [35] Ibid. S. 5038. — [36] P. Lehmann, Kritischer Exkurs über Peschel’s Morphologie der Erdoberfläche, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 10. Band. S. 101. — [37] Hahn, Inselstudien, $. 152 ff. — [38] Rüti- meyer, Die Bretagne; Schilderungen aus Natur und Volk, Basel 1883. — [39] Hahn, Inselstudien, S. 140 ff. — [40] Rein, Japan, 1. Band, "Leipzig 1881. 8 7 EZ [41] Ratzel, Physikalische Geographie und Naturcharakter der vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. 8. 144. — [42] Penck, Schwankungen etc., S. 52 ff. — [43] Rink, On den geografiske beschaffenhed af de danske handels- distrikter i Nord-Gronland tilligened on udsigt over Nord-Gronlands geognosi, K. Dansk. Vid. selskabs skrifter, 1852. S. 37 ff. — [44] Ratzel, Phys. Geogr. etc., S. 150. — [45] Suess, Die Entstehung der Alpen, Wien 1875. $. 92. — [46] Peschel- Leipoldt, Phys. Erdk.,. $. 513 ff. — [47] Oppel, Landschaftskunde; Versuch einer Physiognomik der gesammten Erdoberfläche, Breslau 1884. S. 35 ff. — [48] Reise im südwestlichen Patagonien von J. T. Rogers und E. Ibar 1877, Petermann’s geogr. Mittheil., 1880. 8. 47 ff. — [49] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 515. — [50] Ramsay. On the glacial origin of certains lakes in the Switzerland, Quart. Journal of the geol. soc. of London, 1862. $. 185 ff. — [51] De Mortillet, Carte des anciens glaciers du versant italien des Alpes, Atti della soc. Ital. delle scienze naturali. 1861. S. 44 ff. — [52] Tyndall, In den Alpen, Braunschweig 1872. S. 209 fi. — [53] A. Müller, Ueber Thalbildung durch Gletscher, Ann. d. Phys. u. Chem., 152. Band. $. 480 ff. — [54] Penck, Die Vergletscherung der deutschen Alpen, ihre Ursachen, periodische Wiederkehr und ihr Einfluss auf die Boden- gestaltung, Leipzig 1882. S. 368 ff. — [55] Ibid. S. 430. — [56] v. Lasaulx, Aus Irland, Bonn 1878. S. 86 ff. — [57] Quenault, Les mouvements de la mer, ses invasions sur les cötes de l’oc&an atlantique, Coutances 1869. — [58] Umlauft, Eine neue Theorie zur Erklärung der Fjordbildung, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 5. Jahrgang. S. 228 ff. — [59] Rittau, Die neue Theorie zur Erklärung der Fjordbildung, ibid. 5. Jahrgang. S. 282. — [60] Vogt, Nordfahrt entlang der nor- wegischen Küste, Frankfurt a. M. 1863. S. 403 ff. — [61] Ackermann, Beiträge zur physischen Geographie der Ostsee, Hamburg 1883. $S. 32 ff. — [62] Eilker, Die Sturmfluthen der Nordsee, Emden 1876. $. 7 ff. — [63] H. Fischer, Ueber einige Gegenstände der physischen Geographie bei Strabo, Wernigerode 1878. S.5 ff. — [64] Francke, Die nordfriesischen Inseln vormals und jetzt, Gaea, 9. Jahrgang. S. 648. — [65] Arends, Physische Geschichte der Nordseeküste und deren Veränderungen durch Sturmfluthen, 2. Band. Emden 1825. S. 192 ff. — [66] Eilker, die Sturmfl. ete., $. 19. — [67] Ibid. $S. 22. — [63] Hahn, Inselstudien, S. 139. — [69] Guthe-Wagner, Lehrbuch der Geographie, 2. Band, Hannover 1883. S. 539. — [70]: Weigelt, Die nordfriesischen Inseln vormals und jetzt; eine Skizze des Landes und seiner Bewohner, Hamburg 1873. — [71] J. Girard, Considerations sur les transformations litorales, Bull. de la soc. de geogr., 1878, I. S. 452 ff. — [72] Peacock, Sinkings of land on the north and west .coasts of France and south- west coasts of England, London 1868. — [73] Kohl, Reisen in Südrussland, 2. Theil, Dresden 1841. S. 63 ff. — [74] Keller, Studien über die Gestaltung von Sandküsten, Zeitschr. f. Bauwesen, 31. Band. $. 189 ff. S. 301 ff. 8.411 fi. — [75] Ueber die Bildung der Wellenfurchen im Sande, Naturforscher, 17. Jahrgang. — [76] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., S. 288 ff. — [77] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrbuch, 9. Band, Gotha 1883. $. 28. — [78] Klun- zinger, Statistisch-topographisch-ethnographische Schilderung von Kosseir, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 1. Band. S. 244 ff. — [79] Dunes and moving sands, Nature, Vol. XXIII. S. 569. — [80] v. Gutbier, Die Sandformen der Dresdener Haide, Isis, 1864. S. 42 ff. — [81] Lösche, Vertheilung der Windstärke in der Windrose von Dresden, Dresden 1868. S. 10. — [82] Jentzsch, Das Quartär der Gegend von Dresden und die Bildung des Löss im Allgemeinen, Zeitschr. f. d. ges. Naturw., (2) 6. Band. S. 17. — [83] Der geologische Bau der Sahara, Gaea, 20. Jahrgang. $. 623 ff. — [84] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 483 fi. — [85] Tönender Sand, Gaea, 14. Jahrgang. S. 671 ff. — [86] Noll, Tönender Sand, ibid. 15. Jahrgang. S. 61. ff. — [87] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 485. — [88] Senft, Im Reiche des Sandes, Gaea, 15. Jahrgang. $. 83. — [89] Peschel- Leipoldt, Phys. Erdk., $. 489. — [90] Schumann, Geologische Wanderungen durch Altpreussen , Königsberg 1869. S. 66. — [91] P. Lehmann, Pommern’s Küste von der Dievenow bis zum Darss, Breslau 1878. — [92] P. Lehmann, Das Küstengebiet III, $. 1. Morphologische Versuche aus früherer Zeit. 483 Hinterpommern’s, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 19. Band. S. 374. — [93] Ibid. S. 369. — [94] Reclus, La terre, tome II. S. 253 ff. — [95] Vgl. [74]. — [96] Peschel- Leipoldt. Phys. Erdk.. S. 493. — [97] Forchhammer, Ueber die Entstehung und Veränderung der Marschen, Falck’s Staatsbürgerliches Magazin, 1. Band. — [98] Sentt, Die Marschbildungen, Gaea, 16. Jahrgang. S. 13 ff. S. 79 ff. — [99] Ibid. S. 19. — [100] Ibid. S. 22. — [101] Ibid. S. 86 ff. — [102] v. Fritsch, Neuere Erfahrungen über den geognostischen Aufbau der Erdoberfläche, Wagner’s geogr. Jahrb., 9. Band, Gotha 1883. S. 485. — [103] H. Fischer, Ueber einige Gegenst. ete., S. 8 fi. — [104] v. Maack, Der bernsteinführende Eridanus der Alten, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 3. Band. S. 21. — [105] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 474. — [106] Ackermann, Beiträge etc., $S. 50 ff. — [107] Ibid. S..55 ff. — [108] Peschel- Leipoldt, Phys. Erdk., S. 479. — [109] Kovatsch, Die Versandung von Venedig und ihre Ursachen, Leipzig 1882. — [110] Keller, Die Versandung der Lagunen von Venedig, Humboldt, 2. Jahrgang. S. 220 fl. — [111] v. Sonklar, Allg. Orogr., S. 161 fi. — [112] Credner, Die Delta’s, ihre Morphologie, geographische Ver- breitung und ihre Entstehungsbedingungen, eine Studie auf dem Gebiete der physischen Erdkunde, Ergänzungsheft Nr. 56 zu Petermann’s geogr. Mittheil., Gotha 1878. — [113] Ibid. S. 5. — [114] Krümmel, Recension hiezu, Gött. Gel. Anz., 1879, I. S. 203 f. — [115] van der Wyk, Vermuthungen und Beobachtungen über die Ausmündung des Rheinstromes im Weltmeere, N. Journ. f. Min., Geogn., Geo]. u. Paläont., 1838. S. 256 ff. — [116] v. Hoff, Geschichte der durch Ueberlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche, 1. Band, Gotha 1822. S. 229. — [117] Credner, Die Delta’s ete., $S.8. — [118] Ibid. S. 10. — [119] Ibid. S. 12. — [120] Ibid. S. 18. — [121] Tyler, On the formation of delta’s, Geol. Mag., 1872. S. 485 ff. — [122] Zöppritz, Die Fortschritte etc., S. 28. — [123] Credner, Die Delta’s etc., S. 25. — [124] Ackermann, Beiträge etc., S. 75 fi. — [125] Guy de Contenson, Les inondations dans les plaines du Tien-Tsin, Bull. de la soc. de geogr., 1874. S. 1 fi. — [126] Strabonis Geographia, lib. XVI. cap. 1. — [127] Credner, Die Delta’s ete., S. 31. — [128] v. Hoff, Gesch. etc., 1. Band. $. 260. — [129] H. Fischer, Ueber einige Gegenst. etc.,. $. 9. — [130] Credner, Die Delta’s ete., S. 35. — [131] Kjerulf, Einige Chronometer der Geologie,. deutsch von R. Lehmann, Berlin 18380. — [132] C. Ritter, Die Erdkunde im Verhältniss zur Natur und Geschichte, 2. Theil, 1. Band, Berlin 1832. $. 83. — [133] Credner, Die Delta’s ete., S. 40. — [134] Guppy. The banks of the Yang-tzse at Hankow, Nature, Vol. XXIII. S. 50 ff. — [135] Doyle, Deltaie growth, ibid. Vol. XIX. S. 506. — [136] Vogt, Lehrbuch der Geologie und Petrefaktenkunde, 2. Band, Braunschweig 1871. S. 105. — [137] Credner, Die Delta’s ete., S. 53. — [138] Ibid. S. 59. — [139] Ibid. S. 67 ff. — [140] Ibid. S. 74. — [141] Krümmel, Recension, S. 223. — [142] Krümmel, Die Morphologie der Seehäfen, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin. 10. Band. S. 94 ff. — [143] Ibid. S. 96. Kapitel II. Charakteristik und Klassifikation der Inseln. $. 1. Morphologische Versuche aus früherer Zeit. Die ersten Ansätze, die verschiedenen Formen der Inseln auseinanderzuhalten, finden wir vor bei Strabon, dessen Standpunkt, seiner ganzen sonstigen Betrachtungsweise gemäss, ein genetischer war; die Hochseeinseln liess er durch vulkanische Kräfte aus der Tiefe gehoben sein, von den der Küste benachbarten Inseln nahm er an, dass irgend ein Durchbruchs- process — und mit solchen schaltete er, wie wir wissen, ziemlich un- bekümmert — sie vom Festlande losgelöst habe [1|. Unser grosser Geograph Varenius macht gleichfalls Andeutungen in diesem Sinne [2], und Humboldt durfte ihm seine „Studien über Inselvertheilung“ zu AS4 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. besonderem Ruhme anrechnen [3]. Dass nicht sehr lange Zeit nach dem Auftreten Varen’s ein anderer Deutscher die erste Monographie der Inseln schrieb, ist selbst hervorragenden Geschichtschreibern ent- sangen. Es ist diese Inauguralrede, mit welcher der völker- und sprachenkundige Wülfer sein Lehramt am Gymnasium 'Aegydianum zu Nürnberg antrat, freilich keine systematische Arbeit im Sinne des neunzehnten Jahrhunderts, aber doch ein ernst gemeinter Versuch, sich zu einer gewissen Systematik hindurchzuringen [4]. Mit Rück- sicht auf die Nachrichten der alten Schriftsteller werden alle Fluth- durchbrüche und Landtrennungen aufgezählt, über welche etwas in Erfahrung zu bringen war; der Verfasser ist offenbar ein Anhänger der Hypothese, nach welcher es früher weit ausgedehntere Kontinente gegeben habe, als heutzutage; es schwebt ihm so etwas wie Lemurien vor; „infinitas quoque alias Mexicani sinus insulas cum coeteris majo- ribus Cuba, Jamaica etc. unam continentem olim constituisse, ex anti- quissima incolarum illorum traditione constat“ [5]. Nach einer Beschrei- bung der bekannteren Inseln wendet sich Wülfer zu den schwimmenden und zu den vulkanischen Inseln (insulae natantes, insulae ignivomae). Man sieht, dass, wenn man die Schrulle mit den schwimmenden Inseln“) als selbstständiger Spezies ausnimmt, Strabon’s Charakteristik auch hier noch durchschimmert. Zum Schlusse wendet sich Wülfer noch gegen die Annahme gewisser mythischer Inseln, wie derjenigen des heiligen Brandan, die auf Martin Behaim’s „Erdapfel“* ihre Stelle fand, und derjenigen eines Inselarchipels „Frislandia*, den die Geo- graphen des XVI. Jahrhunderts zwischen Schottland und Island ein- gelagert sein liessen [12]. Während also bis‘ vor etwa 100 Jahren genetisch-geologische *) Diese schwimmenden Inseln sind eigentlich auf Binnengewässern daheim, und nur alte Vorurtheile verschuldeten das Aufführen derselben auch unter den Meeresinseln. Seitdem Anno 1711 ein gewisser Munz in einer Dissertation [6] Alles, was man damals von schwimmenden Inseln zu wissen glaubte, zusammen- gefasst hatte, scheint man dieselben ganz aus den Augen verloren zu haben, und nur Muncke hat einige Lesefrüchte aus jener Arbeit in seinen Lexikon-Artikel „Sumpf“ aufgenommen [7]. „Insulae natantes sunt“ — nach Munz — „in lacubus terrestres, ex varia levioris et viscosae materiae miscella aggestae, portiones, quae a vento hinc inde agitatae, nullo loco firmae fixaeque sunt.“ Seneca, Plinius und Macrobius erwähnten dergleichen treibender Massen öfter, und nach Pom- ponius Mela habe es bei’'m Ausflusse der Garonne eine solche Insel gegeben. Nicht minder sei die Cykladeninsel Delos von den Alten als schwimmend bezeichnet worden; Munz wagt nicht, diese Behauptung geradezu zu bestreiten, sondern meint, man könne ja zur Erklärung sich auf die submarinen Vulkanausbrüche von San- torin beziehen. Eine Schwimminsel, deren Herodot gedenkt, soll sogar Gebäude getragen haben. Zuverlässiger ist die Nachricht vom „Schwimmbruch“ bei Gerdauen in Ostpreussen [8]. Was die „Aetiologia“* angeht, so könne man mit Kircher und Sponius an eine „pinguis materia“ denken, die vom Grunde aufsteige und sich dann mit Pflanzen bedecke, oder auch an „pumex“,. der auf dem Boden wachse und durch einen Erdstoss von diesem abgelöst werde [9]. Die schwimmenden Inseln der chinesischen Binnenseen annektirt Munz ganz mit Unrecht für seine Zwecke, denn diese, die wir durch die Beschreibung [10] von Huc und Gabet sehr gut kennen, sind ausschliesslich Menschenwerk, Bambusgeflechte mit einer dichten Lage von Ackererde bedeckt, und zwar nationalökonomisch, nicht aber geophysikalisch von Interesse. Kant, der noch einige nicht sehr fest beglaubigte jeispiele von schwimmenden Inseln anführt, möchte dieselben übrigens dem Meere noch nicht gänzlich absprechen [11]. III, $. 2. Das biologische Klassifikationsprincip. 485 Kennzeichen als die einzigen galten, auf welche man sich behufs wissen- schaftlicher Eintheilung der verschiedenen Inselformen zu verlassen habe, ward später auch ein anderer Gesichtspunkt durch den bekannten Begründer der Thiergeographie, A. W. Zimmermann, in die Unter- suchung hineingetragen [13]. Da kein Geringerer, als Peschel, für die fast ausschliessende Berechtigung gerade dieses Gesichtspunktes eingetreten ist, so haben wir uns mit demselben im nächsten Para- graphen durch eine besondere Auseinandersetzung abzufinden. $. 2. Das biologische Klassifikationsprineip. Mit der an ihm ge- wohnten Feinsinnigkeit führt Peschel in den „Ueber den Ursprung der Inseln“ [14] und „Die Thier- und Pflanzenwelt der Inseln“ [15] betitelten Abschnitten seines Hauptwerkes die jenem Principe zu Grunde liegenden Gedanken aus. Man kann deren Inhalt kurz so bezeichnen: Begegnet man auf einer Insel einer Organismenwelt von völ- lig selbstständigem Charakter, so liegt es nahe, der ersteren auch eine marine Entstehung zuzuschreiben, weisen dagegen die Organismen verwandtschaftliche Züge mit denjenigen eines mehr oder minder benachbarten Festlandes auf, so ist an einen früheren Zusammenhang der Insel mit dem Festlande zu denken. Die grossartigen Fortschritte, welche zoogeographisches Wissen und zoogeographische Methode gerade in der jüngsten Zeit gemacht hatten, mussten für Peschel einen starken Anreiz bieten; war es doch Wallace auf diesem Wege geglückt [16], das rein geographische Problem der Auffindung einer richtigen Scheide- grenze zwischen den Erdtheilen Asien und Australien zu lösen und zu zeigen, dass alle Thiere, merkwürdigerweise sogar die leichtbeschwing- testen nicht ausgenommen, links von der zwischen Bali und Lombok, zwischen Borneo und Celebes sich hindurchziehenden Linie den asiati- schen, rechts davon den australischen Typus an sich tragen. Manch’ hübscher Fund ist sicher bei Anwendung dieser Methode gemacht worden, so z. B. der, dass die Insel Anticosti noch in der silurischen Zeit, vor dem Auftreten der dort ganz fehlenden Batrachier, von dem canadischen Festlande abgetrennt worden sein muss |17]. Junge Inseln, wie wir deren in den Atollen der Südsee kennen zu lernen haben werden, können nicht wohl andere Thiere beherbergen, als solche, die durch menschlichen Import — man denke an die für die Mäoriratte so verderbenbringend gewesene Einschleppung der englischen Ratte nach Neuseeland — oder durch die Meeresströmungen ihren Weg nach solch’ entlegenen Eilanden gefunden haben. Peschel berichtet von sehr belehrenden Ereignissen dieser Art. Was für die Thiere, gilt bis zu einem gewissen Grade auch für die Pflanzen; St. Helena erinnert ın seinem Pflanzenkleide mehr an die Kapgegend, als an näherliegende Theile Afrika’s, allein ein Blick auf die Wind- und Strömungskarten beweist uns, dass dem so sein muss |18]. Kleine Meerinseln, die vom Festlande abgelöst wurden, bekommen in Kürze eine an Varietäten arme organische Bevölkerung; grosse, wie Island, können ihren Be- wohnern mehr Zufluchtsstätten bieten und bewahren sich so einen grösseren Artenreichthum [19]. Von Peschel’s Klassifikation wird nachher zu sprechen sein; für jetzt erhebt sich die Frage, ob sein Ver- fahren, dessen hodegetischen Werth ihm wohl Niemand zu verkümmern 486 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. „ geneigt sein wird, nicht blos Sa ein in seiner Art gewiss nothwendiges, sondern auch als ein hinreichendes anzuerkennen ist. Bedenken hiegegen, mit denen wir selbst vollständig überein- stimmen, formulirt die für die Inselkunde als ein treffliches Lehr- und Hülfsmittel anzuerkennende Schrift von Hahn [20]. Man hat, so legt dieselbe dar, keinerlei Garantie dafür, dass nicht T'hierarten in einer für uns unkontrolirbaren Weise an die Küsten fremder Länder ver- schlagen wurden; wir möchten hinzufügen, dass man recht oft auch von der Pflanzen- und Thierbevölkerung einer bestimmten Insel zu wenig Bescheid weiss, um auf das Vorherrschen oder Fehlen gewisser Arten weittragende Schlüsse zu gründen. Dass die botanisch-zoolo- gische Schlussweise mit begründeteren Ergebnissen der physischen Erdkunde in argen Konflikt kommen kann, dafür ist uns ein redender Zeuge der Sclater-Peschel’sche Kontinent Lemuria. Die Lemurinen, oder so ziemlich alle Halbaffen, haben ihren Wohnsitz in Ceylon und Madagaskar, mithin folgerte man [21]: „Im indischen Ocean, also im Süden und Osten der alten Welt, muss ehedem ein srösseres Festland gelegen haben, das sogenannte Lemuria oder die Heimath der Halb- affen. Zu ihm gehörten Madagaskar, die granitischen, jetzt sinkenden Seychellen, die Malediven, Ceylon, ja, es mag sich vielleicht bis zu den Killing-Inseln oder noch weiter östlich erstreckt haben.“ Die mit Recht grosse Autorität eines Peschel verhalf dem tertiären Kontinente Lemurien rasch zu einer Art von Bürgerrecht; die platonische Insel Atlantis (Band I, S. 3), die auch der ritterliche Dichter Rudolf v. Hohenems dem „buochmaister Plätö“ entnommen hatte [22], war wieder erstanden. Nachdem aber die Tiefenmessungen den nüchternen Nachweis ergeben hatten, dass gerade an diesen Stellen der indische Ocean seine grössten Tiefen hat, war, wie besonders bestimmt von Krümmel hervorgehoben ist [23], die Hypothese von einem ver- sunkenen indo-afrikanischen Welttheile sofort beseitigt (vgl. übrigens Abth. VIII, Kap. V. $. 4). Gleichwohl verdient Peschel’s Klassifi- kation, bei deren Aufstellung ja nicht blos biologische, sondern auch geologische Momente mitwirkten, vollste Beachtung, und diese werden wir ihr auch im nächsten Paragraphen angedeihen lassen. 8.3. Die genetischen Inselsysteme der neueren Zeit. Einen durch- schlagenden Grund gegen die Peschel’sche Methode hat v. Richt- hofen geltend gemacht [24]: Die physikalische Erdkunde habe in erster Linie von der Pflanzenbekleidung und Bewohnerschaft der Erd- oberfläche abzusehen und sich lediglich an die anorganische Natur zu halten. Die Dinge liegen hier offenbar ebenso, wie sie (s. S. 235) bei der Definition des Wortes „Klima“ gelagert waren. Wir nahmen damals Rücksicht darauf, dass die Erde auch dann noch verschiedene klimatische Verhältnisse darbieten würde, wenn gar keine Menschen auf ihr lebten, und ebenso haben wir nunmehr dessen eingedenk zu bleiben, dass der Charakter der verschiedenen Inselformen auch dann noch ein verschiedener bleiben würde, wenn sie sämmtlich und mit Einem Schlage sämmtlicher ihnen angehöriger Bewohner verlustig giengen. Der geophysikalische Gesichtspunkt muss voll und ganz in seine Rechte eingesetzt werden. Eine allseitig befriedigende Umschreibung des Wortes „Insel“ III, $. 3. Die genetischen Inselsysteme der neueren Zeit. 487 giebt es nicht*). Wir behelfen uns bei der Definition deshalb mit den von strengen Logikern verpönten negativen Merkmalen und setzen fest: Insel ist jeder beliebig grosse, ganz von Wasser um- schlossene Landbezirk, der nicht mit der alten Welt (Europa, Asien, Afrika) oder mit der neuen Welt (Nord- und Südamerika) oder mit der Kontinentalinsel Australien in beständig trockener Verbindung steht. Diese Bestimmung hat wenigstens den Vortheil, nicht missverständlich zu sein. Ein Inselsystem, das auf biologische Merkmale verzichtet, kann nun ein morphographisches oder ein genetisches sein. Eine Diskrepanz von tiefgehender Natur waltet zwischen diesen beiden System- gattungen nicht vor. Denn, wie sich gleich zeigen wird, spricht sich eben gewöhnlich die Verschiedenheit der Entstehung auch schon in der äusseren Gestalt aus, und auch jene Autoren, welche auf diese letzteren besonderes Gewicht legten, hatten doch auch die physikali- schen Ursachen, durch welche die fragliche Gestalt bedingt erscheint, mit im Auge. Wir werden jetzt die Forscher, welche sich um diesen Zweig der physischen Erdkunde verdient machten, in chronologischer Ordnung aufführen und mit jedem Namen eine gedrängte Skizzirung des an ihn sich knüpfenden Inselsystemes verbinden. a) Forster. Die Höhenverhältnisse und — in zweiter Linie — der geologische Bau sind für den Weltumsegler maassgebend. Er stellt in seinem Essay „Von der Enstehung der Inseln“ [29] einerseits tropische und ektropische, andererseits hohe und niedrige Inseln ein- ander gegenüber.: Rittau’s Analyse [30] führt zu dem Schlusse, dass Forster als besondere Glieder seines Systemes Koralleninseln, vulkanisch gehobene Inseln und Festlandbruchstücke angenommen habe. Ein anderer weitgereister Naturforscher, A. v. Chamisso, trat im Wesentlichen derselben Auffassung bei [31]. b) Buffon. Der mit genialem Blicke begabte Naturhistoriker unterscheidet [32] die Inseln des offenen Meeres von den der Küste benachbarten. ZErstere sind stets plutonischen Ursprunges, letztere können auch durch Hebung, nicht minder durch Aufschüttung und endlich durch Lostrennung vom Festlandkörper das geworden sein, was sie heute sind. ce) v. Buch. Die langgestreckten und runden Inseln, welche als Gegensätze figuriren [33], sind zugleich geologische Typen. Erstere tragen mehr den festländischen, letztere mehr den rein marinen Cha- rakter; langgestreckt ist zumal die „westaustralische Kette“. d) Fr. Hoffmann. Auf den Schultern des Vorgenannten stehend, unterscheidet Hoffmann [34] bestimmt Kontinental- und pela- gische Inseln. Die pelagischen können Korallenbauten sein, dann sind *) Nachdem Kant [25] in fast spöttischer Weise die Zulässigkeit einer ge- nügenden Begriffsbestimmung verneint hatte, betonten H. Wagner [26] den klimato- logischen und Ratzel [27] den anthropogeographischen Standpunkt. Insel ist nach Ersterem ein Festlandtheil, der auch in seinem Herzen noch die klimatischen Einflüsse des Meeres erkennen lässt; Hahn meint [23], dann würde man vielleicht auch Madagaskar den Kontinenten beigesellen müssen. Gegen Ratzel’s an sich untadelhafte und für den Historiker gewiss sehr werthvolle Auffassung des Kon- tinentes als eines durchaus selbstständigen kulturgeographischen Individuums richtet sich aber v. Richthofen’s Einwendung (8. 0.). 488 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. Ei, sie niedrig, sie können aber auch durch Revolutionen des Erdinneren sich gebildet haben, dann sind sie hoch. Diess ist im Grossen und Ganzen Peschel’s Standpunkt, und es mag. wunder nehmen, dass Jener von seinem Vorläufer so gar nichts gewusst hat, da doch die Hoffmann’sche Dichotomie auch von den Kompendiographen gerne adoptirt ward. Erst neuerdings wurde der geschichtliche Sachverhalt durch v. Richthofen vollständig klar gestellt [35]*). e) Peschel.e. Es giebt Inseln, die niemals Festland waren, und Bruchstücke früherer Festlande [37]. In die erste Kate- gorie gehören die Atolle des Pacifik und des indischen Meeres, die jungen vulkanischen Inseln (nördliche Gruppe der Marianen, St. Paul, Neu-Amsterdam) und die alten Inselvulkane (Ascension, St. Helena, Bourbon, Mauritius, die Galäpagos)**). Der zweiten Kategorie sind zuzurechnen die frisch abgetrennten Inseln (Sumatra, Java, Formosa, Tasmanien, Grossbritannien)***), die alten Kontinentalinseln, welche sich schon in geologischer Vorzeit abtrennten (Antillen, Neu-Guinea) und die zusammengeschrumpften Weltinseln (Madagaskar, Neu-See- land). Die Sonderstellung der alten Inselvulkane hat eine bedenk- liche Seite. f) Wallace. Von den nämlichen Ueberlegungen ist das System des englischen Zoologen beherrscht. Die jüngeren Kontinentalinseln sind auf seichten Bänken gelegen und allenthalben von wenig tiefen Meeren umgeben; die älteren Kontinentalinseln sind tiefer aus dem Meere herausgehoben, erinnern aber an das Festland noch durch zahlreiche verwandtschaftlich- gemeinsame Züge; die Oceaninseln sind weit vom nächsten Festlande entfernt und rings von tiefen Ab- stürzen des Meeres umschlossen [40]. &) Ratzel. Wie zu erwarten, steht bei diesem Vertreter der um den Menschen als Mittelpunkt sich gruppirenden Erdkunde das physi- kalisch-genetische Prineip mehr zurück. Die Inseln sind theils selbst- ständige — mit den Kontinenten auf gleicher kultureller Stufe stehende — theils unselbstständige Landkomplexeyr) [41]. *) Die Hoffmann’sche Terninologie wiederholt sich wörtlich bei Kapp [36]. **) Von den vulkanischen Inseln ist bereits im ersten Bande, gelegentlich der dort mitgetheilten Vulkan-Statistik, das Nöthigste gesagt worden. Für einige Inseln des griechischen Archipelagus ist die vulkanische Abkunft durch Gorceix sehr wahrscheinlich gemacht worden [38], besonders für Kos und Nisyros. Von Jan Mayen, dessen Vulkancharakter uns allerdings bereits bekannt ist (Band I, S. 340), sagt Mohn [39], es könne weder mit Europa (Island), noch mit Spitzbergen und Grönland irgendwann einmal eine feste Verbindung gehabt haben; allent- halben isolirt, steige es als ein Produkt vulkanischer Aktion aus tiefen Meeres- Abgründen empor. *#%*) Die nähere Bildungsgeschichte dieser Art Inseln ist die denkbar mannig- ([altigste. Es können Sturmfluthen die Trennung herbeigeführt haben, es kann aber auch eine Landsenkung der massgebende Grund gewesen sein. Auch die Aufschüttungsinseln müssen wohl, da sie sonst nicht leicht einen Platz finden, hier untergebracht werden, +) Die weiteren Unterabtheilungen sind rein morphographischer Natur. In unmittelbarster Nähe vom Festlande sind die unselbstständigen Landmassen Küsteninseln (Euböa), dann kommen etwas weiter draussen die nahen Inseln (Hainan, Formosa), die Inseln der Binnen- und Mittelmeere bilden eine dritte Serie (Dänemark), und den vierten Platz erhalten die strenge zusammengehörigen Gruppeninseln mit dem Prototyp des Tahiti-Archipelagus. 7311..82. 98... Die genetischen Inselsysteme der neueren Zeit. 489 h) A. Kirchhoff. Eine feinsinnige Kritik leitet über zu den eigenen Aufstellungen Kirchhoff’s, die sich selbst als eine Weiterbildung derjenigen von Peschel und Wallace einführen [42]. Das neue Tableau ist dieses: I. Festländische Inseln; a. Abgliederungs- inseln, b. Restinseln; II. ursprüngliche Inseln; a. submarin entstandene vulkanische Inseln, b, Aufschüttungsinseln, ce, nichtvulkanische Hebungsinseln. Bezüglich der letzteren wird bemerkt, es wäre nicht unmöglich, dass sie, die vorher hochgelegene Stellen eines seichten Meeres waren, bei schwindender Lokalattraktion des Festlandes über dem Meeresspiegel zum Vorschein kämen. i) Hahn. Die „Inselstudien“, denen wir in dieser Abtheilung bereits viel werthvolles Material zu entnehmen hatten, enthalten auch eine neue und sorgfältige Klassifikation des Autors [43]. Indem der- selbe die bathometrischen Verhältnisse aller Weltmeere der Verglei- chung unterzieht, ermittelt er, dass an drei Stellen eine ausgesprochene Neigung zur Bildung tiefer, gar nicht oder nur in beschränkter Weise mit dem freien Ocean oder mit Nachbarmeeren kommunicirender Becken vorwaltet: im romanischen Mittelmeere, in den Mittel- und Randmeeren Östasiens und im amerikanischen Mittelmeere. Die Inseln sind hoch, besitzen unabhängige Gebirgssysteme und zeichnen sich durch Halb- inselreichthum aus. Es wird für sie, bei deren Hervorbringung viel- fach seismische und vulkanische Kräfte thätig waren, der Sammelname tektonische Inseln in Vorschlag gebracht. „Bei den tektonischen Inseln ist immer der Einfluss, welchen die Bewegungen und Falten- bildungen der Erdrinde ausübten, der überwiegende, die verschiedenen Arten der Erosion wirken erst sekundär“ [44]. Hierher rechnet Hahn die den Nordpol umgebenden Inseln, Novaja Semlja, Waigatsch, das wohl weniger durch die Meeresströmungen als durch eine Längs- falte von Afrika losgelöste Madagaskar, nicht jedoch Ceylon. Die tektonischen Inseln werden, wie folgt, nach sieben Unterabtheilungen gegliedert [45]*). Als zweite Hauptkategorie stellt sich neben die- selben diejenige der Erosionsinseln [46], wobei dieses Wort in seinem denkbarst umfassenden Sinne gebraucht wird**), und zur dritten endlich gehören die Aufschüttungs-, resp. Anschwemmungs- *) I. Inseln, die Trümmer alter Vulkangebäude, selbst aber kraterlos sind (St. Paul, Fernando da Noronha, Salas y Gomez); II. halbmondförmige Inseln, die aus einem einzigen, vom Meere schon theilweise ausgefüllten Vulkan bestehen (Deception Island im antarktischen Meere); III. kegelförmige Inseln, deren wesent- licher Bestandtheil ein wohl erhaltener Vulkan ist (Ascension, Rangitoto); IV. Inseln mit mehr als einem Hauptberge., deshalb schon mehr langgestreckt., als gerundet (Savaii und Upolu); V. Inseln, die überwiegend mit vulkanischen Inseln bedeckt sind (die Canarien, Santorin); VI. Inseln mit vulkanischen, in geringerer Stärke auftretenden Kennzeichen (Sicilien, Sardinien, Neu-Seeland); VII. Inseln von rein geodynamischem Ursprung (Corsica, die meisten Cykladen, die Balearen, die un- vulkanischen Inseln des westindischen und des Sunda-Meeres). **) ]. Norwegischer Typus. Festlandstrümmer, geringe Grösse, Auftreten in Schwärmen; II. schwedischer Typus, Bruchstücke eines niedrigeren Tafellandes, auch für Finnland und theilweise die Hudsons-Bay massgebend; III. gotländischer Typus, Fragmente eines Hügellandes mit geringen Erhebungen (Gotland, Oesel, Dagoe, Bornholm — ob auch Anticosti [s. 0. $.2]?); IV. dänischer Typus, Ueber- bleibsel eines leichtwelligen oder ganz ebenen Landes, recenten geologischen Formationen angehörig; V. britischer Typus, durch Brandung und Wellenstoss abgegliederte Stücke eines Festlandes, mit welchem sie früher durch einen schmalen Isthmus verbunden gewesen waren. EE m Ne 490 Siebente Abtheilung. Dynam. Wechselbezieh. zwischen Meer und Land. Pa 3 inseln, das Resultat unausgesetzter Sedimentbildung [47]. Unter letzteren werden natürlich am häufigsten die minerogenen sein, welche wieder in zwei deutlich gesonderte Unterarten zerfallen*), es giebt jedoch auch phytogene und zoogene Aufschüttungsinseln. — Zumal mit der Bildung dieser dritten Hauptgruppe hat Hahn, wie uns scheinen will, einen sehr glücklichen Griff gethan. Erstens treten jetzt die Koralleneilande, die bei den älteren Systematikern den vulkanischen und Relikteninseln ganz koordinirt sind, bescheiden auf als das, was sie wirklich sind, als eine Spezialität der zoogenen Inseln, und zweitens kann jetzt leicht gewissen Inselformen ihr Platz im Systeme zugewiesen werden, die vordem ziemlich obdachlos waren **), k) Supan. Dieser Gelehrte tadelt an Hahn’s Eintheilungsmodus eine Einseitigkeit, deren Charakter er jedoch nicht näher angiebt; auch meint er, es sei die Rolle der Erosion bei der Inselbildung überschätzt worden [53]. Da ausdrücklich eine ganze Anzahl der verschieden- artigsten Processe der Erosion subsumirt worden sind, so vermögen wir uns dieses Bedenken nicht anzueignen. Supan selbst stellt, ganz im Sinne Kirchhoff’s festländische und ursprüngliche Meeresinseln einander gegenüber [54]. Wir überlassen es dem Leser, sich an der Hand unserer wesent- lich referirenden Darstellung für das eine oder andere System zu entscheiden. Was uns selbst für die Hahn’sche Charakteristik der Inseln besonders günstig stimmt, deuteten wir oben bereits an. $. 4. Bau der Korallenriffe. So ziemlich von all’ den Kräften geo- dynamischer oder erosiver Art, die wir bei der Schaffung genetischer Inselsysteme in Frage kommen sahen, ist in diesem Buche bereits die Rede gewesen, und wir brauchen deshalb auf sie nicht mehr besonders *) I. Inseln, welche wesentlich durch Meeresbewegung entstanden (Inseln vor der Bay von Mobile, Sandy-Inseln vor der Mündung des Jukon, in ferner Zu- kunft vielleicht die Steingründe der Ostsee); II. Aufschüttungsinseln in der Nähe eigentlicher Vulkaninseln (Insel Brescou an der Küste von Languedoc ist ein isolirter Lavablock, unweit Santorin’s traten 1866 kleine Inseln aus reiner Lavamasse aus dem Meere hervor). **) Hierher gehören z. B. die Inseln an der Südküste Istrien’s, Sandkon- glomerate, welche Stache und Marchesetti auf Deltabildungen eines grossen, ' langsam fliessenden und zu Ueberschwemmungen geneigten Flusses zurückführen, der jene Ansammlungen als letzte Andeutung einstiger Wirksamkeit zurückgelassen habe [48]. Die phytogenen Inseln endlich, Pflanzenbarren grossen Maasstabes, sind für die tropischen Meere vielfach charakteristisch, wenn auch selten ganz rein ausgeprägt. Da, wo der Kuilu in’s Meer austritt, finden sich z. B. Eilande, die nach Pechuäl-Lösche sowohl den mit den Jahreszeiten periodisch wechselnden Hoch- und Niedrigwassern, als auch dem Gezeitenstrome und der üppigen Vege- tation ihr Dasein verdanken [49]. Bei’'m Entstehen der „Everglades“ in Florida haben Korallen die Hauptarbeit gethan, allein die unerlässliche Befestigung des Grundes ward nach Ratzel [50], der auf diese Art der Inselbildung zuerst mit Nachdruck hinwies, von dem Wurzelgeflechte der Manglebäume besorgt, deren . Früchte ins Wasser fallen, dort im Schlamme Wurzeln schlagen und dann solange Seetang und Treibholz auffangen, bis das Gerüste einer Insel oder Halbinsel fertig dasteht. Auch für das Sunda-Meer bezeugt v. Lehnert [51], dass sich der Mangle- (oder Mangrove-)Sumpf als ein erstes Stadium der beginnenden Landbildung quali- fieiren lasse. „Noch einer anderen Pflanze fällt die Vermittelung der Landbildung zu, und zwar der stammlosen Nipa-Palme, die vornehmlich die Ufer einsäumt und sowohl im Fluss- als auch im Seewasser gedeiht. Ihr dichtes, wenn gleich nicht ausgedehntes Wurzelwerk ist vorzüglich geeignet, alle Anschwemmungsstoffe fest- zuhalten* [52]. br: m Bi ; III, $. 4. Bau der Korallenriffe. 491 einzugehen. Ganz ein anderes ist es mit den von den Korallenthieren erbauten Inseln und Riffen; von ihnen zu sprechen, bot sich uns noch gar keine Veranlassung, und doch gehört die Betrachtung dieser merkwürdigen Gebilde zu den interessantesten Kapiteln der physischen Geographie. J. R. Forster erstaunte, als er mit Cook tief in das Innere bisher unbekannter Meeresräume eindrang und daselbst zahlreich ge- wisse niedrige Inseln antraf, wie sie ihm bis dahin ebensowenig vor- sekommen waren, wie vor ihm anderen Reisenden. Mit dem ihn auszeichnenden Scharfblick erkannte er diese Inselchen sofort als Korallenbauten. „Das Riff,“ diess sind seine Worte [55], „wird von den Lithophytenwürmern bis auf eine geringe Distanz von der Ober- fläche des Meeres auferbaut. Die Wellen spülen nach und nach aller- hand Muscheln, Tang, Korallenstücke, Sand u. dgl. auf diese neu erbaute Mauer, welche, durch all’ diese Zusätze erhöht, zuletzt aus dem Wasser hervorsteigt.* Auch sonst enthalten Forster’s Bemerkungen über die Beschaffenheit dieser zoogenen Eilande des Zutreffenden viel; dass seine Bezeichnungsweise nicht allen Erscheinungen ganz gerecht wird, kann nicht verwundern, wenn man erwägt, dass auch gegenwärtig noch unsere Terminologie der Korallenbauten eine schwankende ist. Die riffbildenden Korallen, welche in eine Unzahl von Ab- und Unterarten zerfallen, sind sämmtlich gallertartige Zellen, aus welchen eine Kalksubstanz ausgeschieden wird. Jede Familie bildet mit leben- den wie abgestorbenen Gliedern zusammen einen festen Stock, und dieser vergrössert sich durch Knospung. Ihre geographische Verbrei- tung ist erheblich eingeschränkt durch die Existenzbedingungen der Thiere, von denen wir gleich nachher mehr mitzutheilen haben werden; sie gedeihen blos in den Tropenmeeren, fern von allen Kaltwasser- strömungen, doch auch da nicht überall, wo man sie nach der Ana- logie ähnlicher Oertlichkeit erwarten sollte. Auch hat man Saum- oder Küstenriffe und selbstständige Inselriffe zu unterscheiden; Manche stellen den letzteren, den eigentlichen Koralleninseln oder Atollen, noch als besondere Form die Wall-, Barritre- oder Damm- riffe zur Seite, welche sich langgestreckt, aber in ziemlicher Ent- fernung von der Küste, der letzteren vorlagern [56]. Namentlich gilt diess für das 1770 km lange Wallriff an der Nordostküste Australien’s, aber auch die Atolle sind vielfach von solchen Gürteln umgeben. Die seichten Oeffnungen der runden Dammriffe hatte bereits Forster (a. a. OÖ.) wahrgenommen; von ihm rührt auch das Wort Lagune für den ruhigen See her, den das Riff umschliesst, und aus dem häufig keinere, selbst wieder Salzwasserteiche tragende Inselchen empor- tauchen. Für einige weitere morphographische Bemerkungen wird, weiter unten, bei den theoretischen Erörterungen, der richtige Platz sein*). — Der atlantische Ocean besitzt kein einziges Wallriff und nur Ein Atoll, die Bermudas. „Häufiger sind sie im indischen Ocean, wo die drei grossen Atollgruppen, die Lakkediven, die Malediven und der Chagos-Archipel eine meridionale Kette bilden. Ihre eigentliche Hei- math ist aber die Südsee. Die grössten Anhäufungen von Korallen- *) Nur der arabische Naturforscher Albiruni im XI. und der Seefahrer Pyrard im XVII. Jahrhundert scheinen das abweichende Aussehen der Korallen- inseln herausgefühlt zu haben. a A N TE N une - Re EHE ER NEE NEL, re ce En ß inseln sind hier der Karolinen-, Marshall-, Gilbert-, Elice- und Paumotu- Archipel, aber obwohl jede dieser Gruppen aus tausenden von Eilanden besteht, so ist doch keine grösser, als eines der kleinen thüringischen Fürstenthümer“ [57] *). ‚Nachdem durch die Arbeiten eines Forster, v. Chamisso, La Beche u. A. das Interesse der Geographen und Geologen den Korallenbauten in erhöhtem Maasse zugewandt war, unternahm es Darwin, dem die von ihm mitgemachte Weltumsegelung des „Beagle“ (Kapitän Fitzroy) zu einer auf gründlichster Autopsie beruhenden Kenntniss der Riffarchitektonik verholfen hatte, alle Einzelheiten der- selben durch eine geistvolle Theorie aufzuklären. Seine bezügliche Schrift [60] machte ein grosses und berechtigtes Aufsehen; späterhin. ward sie auch in’s Französische übertragen [61]; eine deutsche Bear- beitung erschien 1876 in Stuttgart. Als das Muster, an dessen Be- schauung sich die theoretischen Ansichten Darwin’s heranbildeten, sind die Keeling-Inseln im indischen Meere (12° 5° lat. austr., 99% 55° ö. L. von Greenwich) zu nennen. Ein Korallengebäude ist, wie schon v. Chamisso (s. o. $. 3) bemerkt hatte, an eine Zone von gewissen Tiefengrenzen gebunden, innerhalb deren die Polypen allein leben können, ferner ist die Höhe der Inseln bestimmt durch die Höhe der das anorganische Baumaterial herbeitragenden Meereswogen. An- nähernd gleichmässige, temperirte Wärme des Wassers und ein ge- wisser, nicht zu geringer Salzgehalt (s. o.) sind weitere unerlässliche Vorbedingungen. Endlich ist nach Darwin das Entstehen eines Riffes gebunden an ein langsames Sinken des Meeresgrundes. Diess alles vorausgesetzt, geht der Process nach Maassgabe unserer Fig. 91 vor sich. SS, S’S’ und S”S” repräsentiren den Meeresspiegel — der als in positiver Bewegung begriffen gedacht wird — zu drei verschiedenen Zeiten. Der einen submarinen Hügel darstellende Meeresgrund F ward von den riffbildenden Ansiedlern zur Anlegung des Strandriffes C be- nützt, dann sank F, das Wasser erhob sich bis zu der Linie 8’S‘, und nun hatten die Polypen freien Spielraum zur Entfaltung ihrer Thätigkeit; natürlich ward diese am intensivsten an den Rändern aus- geübt, diese verstärkten sich, und die von ihnen, dem Dammriff, ein- geschlossene Lagune nahm an Tiefe und Ausdehnung zu. Als die äusserste Spitze von F gerade unter den Wasserspiegel gesunken war, waren die Korallenbauten auch bis an diesen fortgeführt, und ebenso’ *) In der geologischen Vorzeit waren freilich die Verbreitungsverhältnisse der Korallenpolypen ganz andere. Von vielen hiefür maassgebenden Beispielen seien nur zwei angeführt. Dupont beschreibt ausführlich die riffbildenden Or- ganismen des belgischen Devon-Gebietes [58], die hauptsächlich Stromatoporen, dann aber auch wirkliche Korallen waren, und zwar bildeten diese letzteren sowohl Saumriffe, als auch wirkliche Atolle. Mitten in Deutschland hat Liebe [59] ein altes, aus der Zechsteinperiode stammendes Korallenriff aufgefunden, welches im Thale der thüringischen Orla dahinstreicht. Allerdings sind es nicht die Korallen- bildner der Südsee, welche diese Hügelkette aufgethürmt haben, und in Folge dessen sind auch die von ihnen erbauten Gerüste minder kompakt und derb. Man hat es hier vielmehr mit sogenannten Mooskorallenthierchen (Bryozoen) zu thun, welche aus Horn- und Kalksubstanz weit zierlichere Bauten herstellen, als es ihre oceanischen Vettern thun. Die mittlere Zechsteinzeit schnitt, weil damals das Wasser salziger zu werden begann, die Thätigkeit der Thierchen rasch ab, wie die scharfe Grenze heute noch beweist. III, $. 4. Bau der Korallenriffe. 493 haben wir uns zu denken, dass dieselben durch die Ausscheidungen der Thiere schliesslich sich bis zum augenblicklichen Meeresniveau SS” erhoben. In freier Luft hört jene Sekretion aus physiologischen Gründen auf, allein Muscheln und Meeresalgen, die sich ansetzten, brachten doch schliesslich eine runde, über die See sich erhebende und ganz flache Bank zuwege, auf welcher, als die Meeresströmungen triebfähige Keime herzugetragen hatten, nach und nach auch eine gewisse Vegetation gedeihen mochte. C ist in unserer Zeichnung das embryonale Küsten- riff, C’ das Dammriff, C” das fertige Atoll mit der Lagune L*), und wer sich also bedingungslos auf Darwin’s Standpunkt stellt, kann ill Il) II Il | III nl!" mit Fug, wie es Rittau thut [62], alle verschiedenen Gestaltungen des Korallenriffes als Entwickelungsphasen eines unter sonst gleichen Umständen überall gleich verlaufenden Processes betrachten. Forscher ersten Ranges, wie v. Hochstetter [63], Reclus [64], Bocecardo [65], Stoppani [66] und Malfatti [67|**), schlossen sich denn auch an Darwin und an seine Erklärung der Riffgenese an. Die ersten Zweifel äusserte wohl A. Agassiz auf Grund seiner von ihm und seinem Sohne eingehend gemachten Studien über die Florida- Bänke |69], deren Terrain nicht zur Senkung, wohl aber zur Hebung und Landbrückenbildung eine entschiedene Tendenz verrieth. Le Uonte knüpfte an Agassiz an [70]; der mit bekannter Intensität (Kap. V, $. 3 der vorigen Abtheilung) sich zwischen Florida und Cuba hindurch- zwängende Meeresstrom lässt ihm zufolge Sedimente in genügender Menge fallen, dass dadurch der Meeresboden erhöht und für die Nieder- lassung der Korallenthiere vorbereitet werden konnte. Dana, der als Theilnehmer der Expedition Wilke’s auch über eine reiche Erfah- rung verfügte, bekämpfte wesentlich blos den von den Küstenriffen handelnden Theil der Darwin’schen Ansichten [71]***). Eine grössere Gefahr erwuchs den letzteren, als Rein, der bei längerem Aufenthalte auf den Bermudas-Inseln nur mit negativem Erfolge sich bemüht hatte, *) Wir unterliessen es, die üblichen Atollbilder unserem Texte einzuver- leiben, und zwar aus dem Grunde, weil einer der gründlichsten Kenner Polynesien’s dem Verfasser versicherte, dass diese Bilder sämmtlich einen falschen Begriff von der Wirklichkeit gäben. **) Unsere Bekanntschaft mit den italienischen Autoren ward durch den auch sonst für die Lehre von den Koralleninseln wichtigen Essay [68] Marinelli’s (Band I, S. 27) vermittelt. ***) Von hier ab ward mehrfach ein namentlich an geschichtlich-literari- schem Materiale reicher Artikel [72] der Zeitschrift „Kosmos“ zu Rathe gezogen. die Identität dieser unbezweifelten Korallenbildung mit einem Darwin- schen Atoll zu erkennen, mit seinen wohlbegründeten Zweifeln hervor- trat [73]; freilich blieb diese Publikation zunächst noch Vielen unbe- kannt, und manche darin enthaltene Thatsache ward den Interessenten erst von anderer Seite zugeführt. Zunächst ergieng es Semper im Pelew-Archipel ganz ähnlich, wie es Rein bezüglich des atlantischen Riffes ergangen war [74]. Er konstatirte, dass dort auf kleinem Raume alle drei Riffgattungen neben einander vorkommen, und dass nirgends Anzeichen einer säkulären Senkung bemerkbar sind, wohl aber solche einer recenten Hebung; er konstatirte weiter, dass sowohl die Gezeiten, als auch andere Meeresströmungen in einem von Darwin jedenfalls nicht geahnten Grade bei der Fortbildung einer Korallenkolonie mit- wirken, indem das Wachsthum der Korallenknollen sich ganz ver- schieden gestaltet, je nachdem ein Strom trüben oder klaren, salzigen oder brackischen ee an sie herankommt. Auf Semper folgte Murray, der ein grösseres selbstständiges Werk über unseren Gegen- stand schrieb |75]; als der Grundzug seiner Auffassung kann der folgende, selbst von ihm als Quintessenz derselben betrachtete Satz gelten [76]: „It was shoun, that foundations hawe been prepared for barrier reefs and atolls by the disintegration of volcanic islands, and by the building up. of submarine volcanoes by the deposition of their summits of organie and other sediments.*“ Nunmehr hielt es Rein für angezeigt, die eigene Priorität zu wahren und seine Stellung zur Korallenfrage von Neuem fest zu begründen. Indem er diess that [77], gelangte er zu folgendem Resultate: Korallenriffe können sich überall da bilden, wo die Grundbedingungen für die Existenz und Ansiedelung der sie erzeugenden Polypen — bestehend in mässig hoher Temperatur, Klarheit des Wassers und Nahrungszufuhr durch Wellenschlag — zu- gleich mit einer festen Unterlage gegeben sind, mag nun diese eine untergetauchte Küste oder eine submarine Bodenerhebung, und mag letztere vulkanischen Kräften oder organogener Aufschüttung zuzuschreiben sein. Das hervorragend Verdienstliche der Rein-Murray’schen Theorie liegt nach unserem Dafürhalten darin, dass sie nicht principiell die Darwin’sche Hypothese, sondern deren Einseitigkeit aufhebt und dem allenthalben so stark ausgeprägten Individualismus der Naturkräfte gebührend Rechnung trägt. — Später hat Rein dieser Darlegung noch einen Nachtrag folgen lassen [78], in welchem die von Darwin und Dana angestellten Dicken-Berechnungen als unrichtig nachgewiesen werden, mit Rücksicht auf eine durch v. Fritsch bewerkstelligte geo- gnostische Erforschung der aus geologischer Vorzeit stammendenKorallen- ablagerungen (s. o. die Randnote). Zu Darwin’s Zeit sei allerdings ein Zweifel darüber gestattet gewesen, ob es jene submarinen Bänke, wie sie Rein fordert, auch wirklich in grösserer Menge gebe, allein dieser Un- sicherheit sei durch die Lothungen des „Challenger“, der „Tuscarora“ etc, einfürallemal ein Ende gemacht worden. Eine werthvolle Stütze erhielt die neuere T'heorie durch die Mittheilungen Th. Studer’s, des Zoologen der „Gazelle“ [79]. Er fand die günstigsten Umstände für ein Korallen- riff kei der Tonga-Insel Wawau vereinigt. Eine über 50 m tiefe Meeresbucht dortselbst entbehrt völlig etwaiger in sie einmündender Citate. 495 'Süsswasserbäche, gleichwohl ist der Boden nicht von lebenden Ko- rallen, sondern nur von deren Detritus und von Schlamm erfüllt, und erst bei 40 m Tiefe treten plötzlich Korallenbauten in Gestalt einer schmalen, terrassirten Mauer auf, welche sich an den Korallenkalk des Ufers anlehnt. Wenn also in Darwin’s Sinne jähe, durch Boden- senkung entstandene, Abstürze in kausaler Verbindung mit Riffbauten stünden, so wäre uns mit dieser Beobachtung ein schlimmes Räthsel aufgegeben*). Allenthalben giebt es Meeresinseln mit steilem Absturze, allein für die Ansiedelung der Riffkoralle braucht es noch besonderer Momente, die, wie wir gerne zugeben, noch nicht in absoluter Voll- ständigkeit ergründet sind. Trotzdem scheint uns die von Rein und Murray angebahnte Theorie zur Zeit als die für unser Kausalitätsbedürfniss befriedigendste anerkannt werden zu müssen”*). Es liegt kein empirisches Faktum vor, zu dessen Erklärung jene nicht entweder schon ausreichte oder doch mit sicherer Hoffnung auf Erfolg herangezogen werden könnte, [1] H. Fischer, Ueber einige Gegenstände der physischen Geographie bei Strabo, Wernigerode 1878. $S.3. — [2] Varenius, Geographia generalis, Amstelodami 1650. S. 625 ff. — [3] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart und Augsburg 1854. S. 747. — [4] Wülfer, De majoribus oceani insulis earumque origine brevis disquisitio. Norimbergae 1691. — [5] Ibid. S. 23. — [6] Munz, Exercitatio academica de insulis natantibus. Atdorfi 1711. — [7] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 8. Band, Leipzig 1836. S. 1233 ff. — [8] Munz, Exercitatio ete., 8. 7. — [9] Ibid. S. 10 ff. — [10] Huc-Gabet, Wanderungen durch das chinesische Reich, deutsch von Andree, Leipzig 1855. 8. 215. — [11] Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. v. F. W. Schubert, Leipzig 1839. $S. 521. — [12] Wülfer, De majoribus etc., S. 50 ff. — [13] Zimmermann, Specimen zoologiae geographicae, Lugduni Batavorum 1777. S. 623 fl. — [14] Peschel, Neue Probleme der ver- gleichenden Erdkunde, Leipzig 1881. $. 24 ff. — [15] Ibid. S. 44 ff. — [16] Wallace, The Malay Archipelago, Vol. I., London 1869. 8. 18 ff. — [17] Peschel, N. Probl. etec., S. 35. — [18] Ibid. S. 51. — [19] Ibid. $. 55. — [20] Hahn, Inselstudien, Leipzig 1883. S. 10 ff. — [21] Peschel, N. Probl. ete., S. 117. — [22] Doberentz, Die Erd- und Völkerkunde in der Weltchronik des Rudolf von Hohenems, Zeitschr. f. d. *) Die „Gazelle“ fand 254m von der Insel Amsterdam im indischen Ocean eine Tiefe von 1624m; wir haben also für den Böschungswinkel ß die Relationen eotang B = 127:812 = 1: 6,395, B = 81° (appr.). Diess ist also ein Steilabfall, wie er im Hochgebirge kaum je vorkommt, und doch fehlen die Korallen. Ein steiler Berg, wie die Windgälle der Gotthardt- strasse, würde also, so meint Studer (a. a. O.), ganz in der gleichen Lage sein, wenn er plötzlich in die Tiefe versänke. **) Wir dürfen nicht verschweigen, dass auch in neuester Zeit noch ent- schiedene Anhänger der älteren Anschauung aufgetreten sind. Issel hielt in dieser Absicht einen Vortrag vor den Mitgliedern des internationalen geographi- schen Kongresses zu Venedig, und Henrich schliesst seine streng objektive Ver- gleichung beider Lehrmeinungen [80] mit dem Satze: „Nach allem dem kommen wir zu dem Schlusse, dass die Darwin’sche Senkungstheorie durch die Ausfüh- rungen des Herrn Rein in Betreff der Bermudas-Inseln nicht erschüttert worden ist.“ Allerdings ist, worauf Henrich besonderes Gewicht legt, auch jene Insel- gruppe schon der Schauplatz einer Senkung gewesen, allein Rein will ja auch nicht beweisen, dass Koralleninseln niemals etwas mit einer Bodensenkung zu thun hätten, sondern nur, dass Hebungen für gewöhnlich den Thieren einen be- quemeren und zugänglicheren Bauplatz liefern. Gerade dieser „freiere Horizont“ Rein’s, wie Henrich doch selber sich ausdrückt, will nicht die ihm inne- wohnende richtige Würdigung finden. 1% Fr Wıf, Dauer u Fr TE el an = ET an a a a Band, eane eL N h a N s TR A a Bra CH “N IE A Be ee u N SR KR, has a a Nee a BR ; a Er ns Er 1 SEN, VAR EÄRERN N ybre TORRENT N = RR f : WR RT ' N RL u Fee 496 Citale. Philol., 13. Band. S. 201. — [23] Krümmel,. Bemerkungen zur Tiefenkarte des indischen Oceanes, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 2. Jahrgang. S. 117. — [24] v. Richt- hofen, China, 1. Band, Berlin 1877. S. 730. — [25] Kant’s Schriften ete., $. 456. — [26] Guthe-Wagner, Lehrbuch der Geographie, 1. Band, Berlin 1881. S. 85. — [27] Ratzel, Anthropogeographie. Stuttgart 1882. S. 90 ff. — [28] Hahn, Insel- studien, Leipzig 1883. S. 24. — [29] Forster, Bemerkungen auf einer Reise um die Welt, Berlin 1783. $. 126 ff. — [30] Rittau, J. R. Forster’s Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt, Hanau 1881. S. 6 fl. — [31] v. Chamisso, Kotzebue’s Ent- deckungsreise nach der Südsee und nach der Beringsstrasse, 3. Band, Weimar 1821. 5.29 ff. — [32] Buffon, Histoire naturelle, Vol. II.. Zweibrücken 1785. S. 250 ff. — [33] v. Buch, Ueber die Zusammensetzung der basaltischen Inseln und über Er- hebungskrater, v. Leonhard’s Miner. Taschenb., 1821. $S. 391 ff. — [34] v. Richt- hofen, Bemerkungen zum genetischen Inselsystem, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 3. Jahrgang. S. 240 ff. — [35] Hoffmann, Physikalische Geographie, Berlin 1837. S. 101 ff. — [36] Kapp, Philosophie der Erdkunde, 1. Band, Braunschweig 1845. S. 73. — [37] Peschel, N. Probl. ete., S. 24 ff. — [38] Gorceix., L’ile de Kos, L’Institut, 1874, II. S. 78; Phenomenes volcaniques de Nisyros, Compt. rend. de Yac. franc., Vol. LXXVIII. S. 444 ff. — [39] Mohn, Die norwegische Nordmeer- expedition, Petermann’s geogr. Mittheil.. 1880. S. 6. — [40] Wallace, Island life, London 1880. $S. 234 fi. — [41] Vgl. [27]. — [42] A. Kirchhoff, Das genetische Inselsystem, Zeitschr. f. wissensch. Geogr.. 3. Jahrgang. S. 169 ff. — [43] Hahn, Inselstudien, S. 34 ff. — [44] Ibid. $. 56 ff. — [45] Ibid. S. 110 ff. — [46] Ibid. S. 116 ff. — [47] Ibid. $. 154. — [48] Marchesetti. Cenni geologiei sull’ isola di Sansego, Trieste 1882. — [49] Pechuäl-Lösche, Das Kuilu-Gebiet, Petermann’s geogr. Mittheil., 1877. S. 10. — [50] Ratzel, Physikalische Geographie und Natur- charakter der vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. $. 137 ff. — [51] v. Lehnert, Ueber Landbildungen im Sundagebiete, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 5. Jahrgang. 8. 56. — [52] Ibid. S. 58. — [53] Supan. Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1834. S. 233. — [54] Ibid. S. 213 ff. — [55] Forster, Bemerkungen ete., S. 127. — [56] Supan, Grundzüge ete., S. 224 ff. — [57] Ibid. S. 229. — [58] Dupont, Les iles coraliennes de Roly et de Philippeville, Bruxelles 1882. — [59] Liebe, Ein Bryozoenriff, Humboldt, 2. Jahrgang. $. 264 ff. — [60] Ch. Darwin, On the structure and distribution of coral reefs, London 1842; 2. Aufl., ibid. 1874. — [61] Ch. Darwin, Les recifs de corail, leur structure et leur distribution, trad. par Cosserat, Paris 1878. — [62] Rittau, J. R. Forster’s Bem. etc., S. 8. — [63] Hann - v. Hochstetter - Pokorny. Allgemeine Erdkunde, Prag 1831. S. 382. — [64] Reclus, La terre, Vol. I., Paris 1869. S. 793. — [65] Boccardo, Pirosismologia. Genova 1869. 8. 355 fi. — [66] Stoppani, Dinamica terrestre, Milano 1871. S. 487 fi. — [67] Malfatti, Seritti geografici ed etnografici, Milano 1869. S. 186 ff. — [68] Marinelli. Carlo Roberto Darwin e la geografia, Venezia 1883. — [69] A. Agassiz, On the Tortuga and Florida reefs, Transact. of the Amer. society, Vol. XI.; L. Agassiz, On the physical condition of the Florida reef, Merc. Mar. Mag., 1870. $S. 289 ff. — [70] Le Conte, On the agency of the Gulf-Stream in the formation of the penninsula and the keys of Florida, Albany 1856. — [71] Dana, Corals and coral islands, New-York 1872. — [72] Die Entstehung der Korallenriffe, Kosmos, (2) 1. Band. $. 210 ff. — [73] Rein, Beiträge zur physikali- schen Geographie der Bermudas-Inseln, Jahresber. d. Senckenberg’schen Gesellsch. zu Frankfurt, 1870. S. 158 ff. — [74] Semper, Reisebericht an Kölliker, Zeitschr. f. wissensch. Zool., 13. Band. $. 563 ff.; Die Philippinen und ihre Bewohner, Würzburg 1869. S. 100 ff. — [75] Murray, The structure and origine of coral reefs and islands, Edinburgh 1880. — [76] Murray, The structure and origine of coral reefs and islands, Nature, Vol. XXII. S. 35 ff. — [77] Rein, Die Bermudas-Inseln und ihre Korallenriffe, nebst einem Nachtrage gegen die Darwin’sche Senkungs- theorie, Verhandl. d. I. deutschen Geographentages, Berlin 1882. 8. 30 ff. — [78] Ibid. S. 39 ff. — [79] Th. Studer, Ueber einige wissenschaftliche Ergebnisse der Gazellen-Expedition. namentlich in zoogeographischer Beziehung, Verhandl. d. II. deutschen Geographentages, Berlin 1882. S. 23 ff. — [80] Henrich, Korallen- bauten, Humboldt, 1. Jahrgang. $. 252 ff.; 2. Jahrgang. $. 374 ff. Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Kapitel I. Geogonie und Geognosie. S. 1. Von dem Verhältniss der Geogonie zur Kosmogonie. Das erste Kapitel der ersten Abtheilung war dazu bestimmt, Rechenschaft von den Ansichten abzulegen, welche in Fachkreisen über die Ent- stehung unseres Sonnensystemes und insbesondere des als „Planet Erde“ bekannten Bestandtheiles dieses Systemes gehegt wurden und noch ge- hegt werden. Bis dahin reicht die Weltentstehungslehre, die Kosmogonie, als deren vorläufigen, wenn auch freilich noch lange nicht allen Anforderungen genügenden Abschluss wir die Kant-Laplace’sche Theorie gelten lassen mussten. Die Erdkugel ist nunmehr ein Ge- gebenes, wenn schon in chaotischem Zustande, und so richten sich denn unsere weiteren Absichten darauf, die Umbildung der Erdkruste und Erdoberfläche — vom Erdinneren ward (Band I, S. 314 ff.) gesondert gehandelt — aus jenem ursprünglichen in ihren gegenwärtigen Zustand forschend zu verfolgen und die einzelnen Stadien dieses Vorganges klarzustellen. Dieser Theil der Forschungsarbeit kann füglich als Geogonie bezeichnet werden. Kosmogonie und Geogonie werden häufig mit Bewusstsein identifieirt, häufig auch einfach verwechselt, und es wird sich auch nicht in Abrede stellen lassen, dass es nicht ganz leicht ist, stets eine strenge Scheidelinie zu ziehen. Wir selbst werden im Folgenden genöthigt sein, in unserer Erzählung auch einige schon früher (Band I, 8. 37) kurz berührte Punkte abermals zu streifen, allein in der Hauptsache halten wir daran fest: Die Geo- gonie hebt erst indem Momente an, in welchem der Erd- körper sein Dasein als astronomisch selbstständiges Individuum beginnt. Eine treffliche Uebersicht über die geogonischen Hypothesen der älteren Zeit, deren wir selbst uns mit grossem Nutzen bedienten, giebt Muncke’s Lexikon-Artikel „Geologie“ [1]. Mit steter Beziehung auf die Stellung der betreffenden Hypothesen zum biblischen Berichte Günther, Geophysik. II. Band. 32 498 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. unterzieht Zöckler dieselben [2] einer sehr sorgfältigen Analyse; die mit solcher Rücksichtnahme verbundene Einseitigkeit der Betrach- tung kann für die Zeit des XVII. und XVII. Jahrhunderts nicht nachtheilig wirken, denn es gilt eben, was der genannte Schriftsteller als für ihn bestimmend anführt [3]: „Diluvialismus ist der Grund- charakter der schöpfungsgeschichtlichen 'Theorieen unseres Zeitraumes.* $. 2. Die geogonischen Spekulationen bis zum Auftreten Werner's. Ohne dass diese erst einer etwas späteren Periode angehörigen Kampfes- namen damals schon in Gebrauch gewesen wären, kann man doch vom ersten Anfange an deutlich zwei Heerlager der Geologen unterscheiden: Plutonisten und Neptunisten. Um mit Einem Worte die Gegen- sätzlichkeit der hiedurch gekennzeichneten Anschauungen auszudrücken, können wir kurz sagen: Den Plutonisten ist die Erdrinde in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung das Produkt eines Erstarrungsprocesses den Neptunisten das Produkt eines Sedimentationsprocesses. Der Chorführer der erstgenannten Schule ist unzweifelhaft Cartesius, dessen Bedeutung erst durch das Er- scheinen von Daubr&e’s schöner Monographie |4] der Neuzeit ganz erschlossen worden ist. Wir werden uns im letzten Kapitel dieser Abtheilung mit seiner Lehre von einer das Uentralfeuer umschliessenden „voute terrestre* noch weiter zu beschäftigen haben. Dass Leibniz bei Abfassung seiner gleichfalls ein rein plutonistisches Gepräge tragen- den „Protogaea* von Descartes nicht völlig unbeeinflusst war, geht aus den Paragraphen 2 und 3 dieser Schrift [5] klar hervor. Einen höheren, weil objektiveren Standpunkt nimmt der Däne Steno ein, der in einem ebenso kleinen, als inhaltsreichen Werke |[6]*) die Noth- wendigkeit einer Scheidung der Gesteine in geschichtete und massige hervorhob, dabei aber doch dem plutonistischen Gedanken insoweit Rechnung trug, dass er die vielfach zu beobachtende Abweichung der Schichten von der Horizontalebene durch die vom Üentralfeuer aus- gehenden Dämpfe verschuldet sein liess. Wo aber der geniale Steno noch vorsichtig mit der langsamen, aber stetigen Aktion gespannter Dämpfe zurechikam, da arbeiteten bereits ein Lazaro Moro [9] und ein Withehurst [10] mit gewaltigen Erdkatastrophen; sogar die im Meere abgesetzten Schichtungen wurden auf jähe Durchbrüche des inneren Feuers durch die dünne Kruste und auf die bei solchen vul- kanischen Ausbrüchen emporgeschleuderten Eruptivmassen zurück- geführt. Die „Kometomanen*, von denen bereits früher (a. a. O.) die Rede war, Burnet, Whiston, Wiedeburg, Buffon u. s. w,, müssen ebenfalls den Plutonisten zugezählt werden, wiewohl sie ge- sebenenfalls sich auch nicht scheuten, starke Anleihen bei der mechani- schen Gestaltungskraft des Wassers zu machen. Inzwischen waren auch die eigentlichen Neptunisten nicht müssig. Ein geordnetes und wegen seiner Konkordanz mit der mosaischen Geo- *) In sehr erfreulicher Weise hat uns Epigonen Elie de Beaumont den nicht ganz leicht herauszufindenden Kern von Steno’s System zugänglich zu machen gewusst [7]. Auch Daubre6e erklärt [8] jene Schrift für eine der merk- würdigsten geologischen Leistungen aller Zeiten, sowohl in materieller, wie auch in formeller Beziehung. Plenkers (Der Däne Niels Stensen, Freiburg 1885) schildert biographisch das Wirken des vielseitigen Naturforschers. I, $.2. Die geogonischen Spekulationen bis zum Auftreten Werner’s. 499 gonie seinen Zeitgenossen gewiss sehr annehmbares Programm für die- selben stellte Woodward auf [11]; seine Grundsätze gipfeln in dem folgenden Satze [12]: „Zur Zeit der Sintfluth, als das Wasser den ganzen Erdboden bedeckte, wurden die Steine, der Marmor, die Me- talle, alle mineralischen Körper und mit Einem Worte alle Fossilia, welche zuvor nur einige Härte gehabt, gänzlich aufgelöst, und die Theil- chen, woraus sie zusammengesetzt waren, zertrennt und von einander gerissen, nachdem ihre Cohäsion ganz aufgehoben war.“ Ray [13] und Pallas [14] suchten eine Vermittlerrolle zu spielen; die totale Wasser- bedeckung der Erdoberfläche wirkte allerdings in erster Linie gestal- tend auf diese letztere ein, aber vulkanische Ejektionen und das Ein- dringen erhitzter Massen in die Niederschläge kamen doch auch nebenbei zur Geltung. Auch J. E. Silberschlag, der auf dem Titel seines voluminösen Werkes |15] das Wort „Geogonie“* wohl zuerst in diesem Sinne gebrauchte, lässt bei seiner Theorie der Gesteinsbildung Feuer und Wasser in gleicher Weise thätig sein; „es lassen sich,* so for- mulirt er sein durch eingehende geognostische Studien im Harzgebirge gewonnenes Glaubensbekenntniss |16]|, „weder die Eigenschaften, noch die Ortsumstände aus der Feuerhypothese, und ebensowenig aus der Wasserhypothese, sondern allein aus einem Durchbruche einer elasti- schen unterirdischen Kraft herleiten“ *). Die Beweismittel, deren sich beide Richtungen bedienten, hat Reyer [18] zum Gegenstande eines tief eindringenden, vergleichend- geschichtlichen Studiums gemacht. Als ganz unzweideutiges Merkmal vulkanischen Ursprunges betrachtete man anfänglich die glasartigen Stoffe, allein Ferber wies in seinen Reisebriefen aus Italien (Prag 1783) das Vorhandensein verglaster Materien auch in Sedimentbildungen nach. Alsdann erhob sich ein lebhafter Streit betreffs der sogenannten Gänge cylindrischer oder prismatischer Protrusivmassen, die sich in fremdem Gesteine vorfinden**). Gerade diese Gänge gewannen mehr und mehr *) Dieser Silberschlag ist nicht zu verwechseln mit seinem jüngeren Bruder, der ein Werk von verwandter Tendenz, jedoch minder bedeutenden In- haltes, verfasst hat [17]. **) Um nicht genöthigt zu sein, auf diese Polemik zurückzukommen, schalten wir gleich hier das Nothwendigste aus der Theorie der Gänge ein. Schon der alte Bergmann Mathesius brachte in seinem Lehrbuche [19] jene mit den Schmelz- und Sublimationsprocessen der Alchymie in Verbindung. Daran knüpfte, wenn auch unbewusst, der Neptunist v. Trebra [20] an; das in der Tiefe befindliche Wasser wurde ihm zufolge durch die innere Erdwärme erhitzt, gieng in Gährung über und drang so in die Spalten des Felsgerüstes ein, um als’ Niederschlag die Mineral- gänge zu liefern. So wurden Granit- und Basaltgänge — z. B. von Saussure und Goethe — als aus Wasser niedergeschlagene Gebilde betrachtet. Den Um- stand, dass die doch zweifellos plutonische, resp. vulkanische Lava immer in Gang- form erscheint, beutete Strange, hierin offenbar auch seinerseits zu weit gehend, für den plutonischen Ursprung der Gänge aus [21]. Dass bei der Entstehung der Erzgänge nicht immer an ein einheitliches Bildungsgesetz gedacht zu werden braucht, scheint aus Sandberger’s monographischer Behandlung der Frage [22] zu erhellen, durch welche als möglich, wenn auch nicht als gleichberechtigt, eine Ascensions-,. eine Descensions- und eine laterale Sekretionstheorie an- erkannt werden, welch’ letztere besonders an dem Beispiele der Erzgänge von Schapbach im Elsass erläutert wird. Nach Reyer [23] ist ein stichhaltiger Be- weis für die plutonische Natur der eingekeilten Granitmassen weder petrographisch, noch tektonisch zu erbringen, vielmehr liefert einen solchen nur die innige Ver- knüpfung derselben mit als vulkanisch anerkannten Felsarten (Band I, $. 352). Aus der Länge und Dünne der dem südöstlichen Ungarn eigenthümlichen Eruptiv- De Re N N a ” 500 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner ee den Werth und die Bedeutung eines Kriteriums für die Güte einer geogonischen Hypothese, und vor Allem war es der Basalt, der den Prüfstein abgeben musste. Diese Gesteinsart, der „Basanites® der Alten, der jedoch nach A. v. Humboldt’s Untersuchung [26] doch nicht ganz zu den von Plinius und Strabon angegebenen Kenn- zeichen zu stimmen scheint, tritt allenthalben in Gestalt schwärzlicher Säulenbündel hervor, welche den Scharfsinn der Forscher des aus- gehenden XVIII. Jahrhunderts ganz besonders angeregt zu haben scheinen. Wolfgang v. Goethe schildert uns in seinen mineralogisch- geologischen Fragmenten die einzelnen Episoden dieser Forschung [27]: „1760 oder 1763 stritten Desmarest und Monnet um die Ehre ver- meintlicher Entdeckung: der Basalt sei ein vulkanisches Produkt. Der erste Gedanke gehört also den Franzosen; auch leisteten sie nicht wenig schon früh genug für die Geschichte des Basaltes.. 1771 und 1773 erschienen Raspe und Ferber als deutsche Vulkanisten, der letztere jedoch — s. 0. — sehr mässig gesinnt. In demselben De- cennium stimmten Oharpentier, Reuss, Rössler gegen die Vul- kanität, Baumer gleichfalls. 1771 erklärte sich Brünnich, 1777 Bergman, vom Auslande her, für die Neptunität, sowie später Kirwan. Die Gallier und Italiäner im Ganzen blieben dem Feuer- system getreu, so auch jetzt.“ Alsdann geht Goethe zu Werner über, zu dessen Lehren er sich mit einer an Fanatismus grenzenden Hingabe bekannte*), und der auch in der That, man mag über sein System im Einzelnen denken, wie man will, einen Markstein in der Geschichte der geogonischen Forschung bezeichnet. 8. 3. Werner und Hutton. Abraham Gottlob Werner, der gefeierte Begründer der Oryktognosie als eines selbstständigen Wissenszweiges, gieng in seinen das Programm desselben entwerfenden Schriften [28] davon aus, dass ursprünglich der ganze Erdball eine tropfbar flüssige Masse gewesen sei, und dass vom Centrum aus der Festwerdungsprocess radial fortgeschritten sei. So hätten sich zuerst die Urgebirgsarten (Granit, Gneiss, Glimmer- und Thonschiefer) konsolidirt, wobei die Flüssigkeitsmenge "bereits zur Hälfte zurückgieng, alsdann hätten sich aus den obersten Schichten jener die Ueber- gangsgebirge abgelöst, und eine Erdrevolution habe von diesen und den Urgebirgen nachgerade genug "Trümmer losgeschält, um daraus die Flötzgebirge zu bilden. Als jüngste Formation sei der Basalt zu betrachten. Das ziemlich gleichzeitig mit dem Werner’schen ent- standene System des Genfers Deluc [29] war insoferne das kon- sequentere, als es die Erdrevolutionen beseitigte und an deren Stelle das Spiel stetig wirkender Kräfte setzte. Allein gerade die Ueber- fluthungshypothese, für welche auch missverstandene religiöse Argu- mente zu sprechen schienen, fand Anklang bei dem selbst in bürger- gänge schliesst PoSepny [24], dass die Eruptivmassen nicht selbst trieben, sondern durch benachbarte sinkende Massen getrieben wurden. — Mineralgänge bleiben oft, wenn Verwitterung und Erosion das sie umschliessende, mürbe Ge- stein bese itigt haben, als gigantische Gebirgspfeiler aufrecht stehen; Supan bildet einige besonders schöne Fälle dieser Art ab [25]. *) Bekannt ist sein glühender Hass gegen die Plutoniker, der sich u. a. in einzelnen „Xenien“ ausspricht: „Kaum kehrt der alte Werner den Rücken, zerstört man das poseidaonische Reich .. .* I, $. 3. Werner und Hutton. 501 licher und politischer Wallung begriffenen Zeitalter, und getragen von dieser Stimmung schuf Cuvier seine gewaltthätige Lehre von den geogonischen Kataklysmen, welch’ letztere dafür zu sorgen hatten, dass immer ein ausgebildeter koncentrischer Ring der Erdschale von Wasserfluthen vollständig begraben und zur Grundlage einer neu sich ansetzenden Schicht gemacht wurde [30. Buckland [31] und Jameson [32] fanden in diesen kühnen Konstruktionen der Erdge- schichte die Lösung so manchen paläontologischen Räthsels und brachten dieselben auch mit anderen geologischen Problemen in Verbindung. Dem gegenüber bahnte Lamarck [33] die Rückkehr zu einer minder sewaltsamen Deutung der Naturbegebenheiten auf neptunistischem Wege an. Auch bei ihm gebricht es nicht an den damals modernen Ueberschwenglichkeiten; „vergleichen wir indessen Lamarck’s Hydro- geologie mit den zu seiner Zeit in Mode stehenden erdgeschichtlichen Theorieen, so hat sie neben vielen anderen besseren Gedanken haupt- sächlich das grosse Verdienst, zur Erklärung blos heute noch wirkende Ursachen und Kräfte herangezogen und auf das Falsche der Lehre von den allgemeinen und plötzlichen Katastrophen hingewiesen zu haben“ [34]. Ein gefährlicher Gegner erstand jedoch dem ganzen Neptunismus in der Person des Schotten Hutton, der [35] in Gemeinschaft mit seinem ihn auch schriftstellerisch unterstützenden Freunde Playfair [36] die längere Zeit hindurch unterdrückte plutonistische Lehre von Neuem zu Ehren brachte. Für seine Zwecke war es wichtig, dass gerade jetzt eine wissenschaftliche Krystallographie, wie sie Cäsalpin und Steno (s. o. $. 2) blos geahnt hatten, unter den Händen eines Hauy und Rome Delisle zu erstehen begann, denn eben die Struktur der Gesteine erscheint bei Hutton als das Wichtige; das krystal- linische oder amorphe Gefüge der Felsen wird von ihm als Prüfungs- mittel für die Entstehungsart des betreffenden Felsens festgehalten, und er weiss auch bereits, dass nur die Zeitdauer der Abkühlung eine verschiedene zu sein "braucht, um einem erhitzten Mineral beim Erstarren eine granit- oder basaltartige Struktur zu ertheilen. Das geologische Experiment unterstützte überhaupt Hutton in nicht zu unterschätzender Weise, namentlich als noch J. Hall seine dem näm- lichen Zwecke dienenden Versuche zu veröffentlichen begann [37]. Deine Erzeugung von Sandstein durch erhitztes Salz, welches er auf gewöhnlichen Sand einwirken liess, erregte damals das grösste Auf- sehen. Unbeeinflusst von den zu jener Zeit nur erst in vorläufiger Skizze bekannt gewordenen Ansichten Hutton’s hatte Dolomieu in seinen Untersuchungen über die Bildung des Basaltes und eines aus Magnesia und kohlensaurem Kalke gemischten, von ihm selbst darge- stellten Minerales*) sich von Neuem als Vulkanist bethätigt [38], und Breislak wies mit Glück einen der scheinbar kräftigsten Gegengründe der Neptunisten zurück, indem er darthat [39], dass auch im plutoni- schen Wasser-Gluthfluss Flüssigkeitsreste sich erhalten können **). *) Dasselbe führt seitdem den Namen Dolomit; das Gestein kommt viel- fach in unseren Alpen vor, wennschon auch manche Gebirgsgruppen, z. B. die- jenige von Ampezzo, diese Bezeichnung zu Unrecht tragen. ”*) Hätte Mohr auf diese älteren Feststellungen von Spallanzani und Breislak gebührend Rücksicht genommen, so würde er nicht, wie Klein be- 502 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. R $. 4. Die Geogonie im neunzehnten Jahrhundert. Die ersten Jahr- zehnte sahen den alten Kampf mit ziemlicher Erbitterung sich fort- setzen. Einen starken Stoss erlitt der Neptunismus, als zwei seiner Vertreter, die im sächsischen Kohlenbecken und unter dem Drucke der Werner’schen Autorität für ihn gewonnen worden waren, als A. v. Humboldt und L. v. Buch unter fernen Breiten zu ebenso energischen und wissenschaftlich fortgeschritteneren Anhängern der plutonistischen Theorie sich umwandelten*). Allerdings blieben Werner, vorwiegend in Deutschland, verschiedene Gelehrte getreu, unter denen wir K. v. Raumer, Nepomuk Fuchs und A. Wagner nennen wollen**); dieneuere Zeitsahnoch einesogenannte jung-neptunistische Schule entstehen, deren Vorkämpfer Mohr, Volger und der als Ver- fasser eines der ersten geologischen Handbücher |43] weitberühmte G. Bischof waren. Letzterer gieng in dem richtigen Gefühle, dass ein Anhänger der Kant-Laplace’schen Kosmogonie auch plutonisch denken müsse, soweit, der Erde ihre aus jener Hypothese allerdings nothwendig entfliessende ellipsoidische Gestalt abstreiten zu wollen (s. Band I, S. 150). Behutsamer erklärte D’Aubuisson [44], er wolle Werner’s Theorie der Gangausfüllung gerne für gewisse Fälle an- nehmen, allein namentlich dann müsse er dieselbe zu Gunsten einer plutonischen Auffassung verwerfen, wenn mehrere benachbarte oder gar sich durchkreuzende Spalten von verschiedener Gangmasse er- füllt seien. Der Plutonismus, der an sich schon durch die hervorragendsten Forschernamen getragen war, und dem, wie wir soeben sahen, selbst von der Gegenseite gewichtige Zugeständnisse gemacht werden mussten, würde bald als anerkannter Sieger aus diesem Kampfe hervorgegangen sein, wenn nicht durch eine vollständige Verschiebung des Operations- feldes der Kampf selbst eine ganz andere Wendung genommen hätte. Seit den vierziger Jahren nämlich hat der Gegensatz zwischen Plu- tonisten und Neptunisten mehr und mehr an Schärfe verloren, und an seine Stelle ist ein anderer getreten: der Gegensatz zwischen den Anhängern der geologischen Katastrophenlehre und den An- hängern des geologischen Quietismus. Jene ersteren stehen noch auf dem von Cuvier bereiteten Boden, ihre Zahl hat sich mehr und mehr gelichtet, doch fanden sich in ihren Reihen noch bis in die neueste Zeit herein bedeutende Männer, wie Elie de Beaumont, richtet [40], aus den Wassereinschlüssen der von Kühnert analysirten kurhessischen Stangen-Braunkohlen den apodiktischen Beweis dafür gezogen haben, es seien jene Kohlen niemals mit gluthflüssigem Basalt in Berührung gewesen. *) Wir betonten schon bei einer früheren Gelegenheit (Band I, S. 356), dass der engbegrenzte regionalistische Gesichtskreis, aus welchem Werner sich nie erhob, ihn seinen Schülern gegenüber, deren Blick durch weite Reisen geschärft war, bei aller ihm eigenen Genialität doch den kürzeren ziehen lassen musste. **) Für die von Fuchs zur Erdbildungsfrage eingenommene Stellung ist namentlich die von ihm gegen Berzelius gerichtete Abwehr [41] charakteristisch. Von der chemischen Seite der Polemik abgesehen, legt letzterer ein Hauptgewicht darauf, dass nach Fuchs die von der allmählig krystallisirenden weichen Masse erfüllten Spalten nie völlig gefüllt sein könnten, und Fuchs führt eben hier auf die Hohlräume der Erdrinde zurück. Aber auch die auf Schafhäutl’s Versuche [42] sich gründende Behauptung, dass die chemische Wechselwirkung zwischen Säuren und Salzbasen gegen Druck völlig neutral sich verhalte, muss heute be- denklich erscheinen. I, S. 4. Die Geogonie im neunzehnten Jahrhundert. 503 dessen uns aus Band I (S. 277, 8. 402) bekannte Lehre vom „Reseau pentagonal* der Erdoberfläche zumal in seinem Vaterlande begeisterten Anklang fand und von Vezian und Chancourtois weitergebildet, von Pilar dagegen wohl mit Recht als Hinderniss für eine nicht formalistisch, sondern genetisch zu Werke gehende Geologie bezeichnet wurde [45]. Dieser Schule der geologischen Umwälzungen trat Lyell in seinem zuerst 1830 bis 1833 ausgegebenen, dann aber noch nicht weniger als elfmal aufgelegten Hauptwerke [46], dem dann auch ein gedrängterer Lehrbegriff [47] nachfolgte, entgegen*). Für ihn genügt das stille Walten der uns bekannten Naturkräfte, um jede beliebige Veränderung der oberflächlichen Erdschichten daraus zu erklären, so- bald nur die Verfügung über beliebig grosse Zeiträume freigestellt ist. Von Uebertreibungen nach dieser letzteren Seite hin ist nun allerdings die Lyell’sche Richtung nicht frei zu sprechen, und deren Furcht vor Katastrophen ist vielleicht allzu gross, allein die Grund- gedanken derselben werden durch Ausschreitungen nicht getroffen. Man kann vielmehr als das Ziel, zu welchem die geogonische Forschungs- arbeit in der Jetztzeit gelangt ist, dieses formuliren: Auf der von Lyell vorgezeichneten Grundlage hat nicht sowohl eine Ver- söhnung, als vielmehr eine Verschmelzung und gegenseitige Durchdringung der sich früher so schroff gegenüber- stehenden Anschauungen, der plutonistischen und der nep- tunistischen, sich vollzogen. Die letztere hat ihre Tendenz des Alles-Erklären-Wollens erheblich beschränkt und sich mehr auf die ihr anstandslos zu überlassende Erdoberfläche zurückgezogen, die letztere hat, wie aus Kap. II unserer dritten Abtheilung zu ersehen, mit der Hypothese eines wirklichen Oentralfeuers endgültig gebrochen und den Sitz der vulkanisch-seismischen Störungen sehr nahe an die Oberfläche verlegt. Gemässigt-plutonisch ist die Erklärung der Gang- erfüllung fast bei allen neueren Geologen gehalten, sei es, dass die- selben das Vorhandensein einer magmatischen Schicht für wahrschein- lich erachten (Zöppritz, Reyer, Pilar), sei es, dass sie die beobachtete Schmelzhitze auf rein geotektonische Ursachen zurückleiten (Reusch, Mallet, Suess). Mit dieser Erkenntniss beschliessen denn auch wir unsere Uebersicht über die Entwickelungsgeschichte der Geogonie, in- dem wir uns den Objekten, aus deren Betrachtung jene Disciplin ihre Argumente entnahm, selbst zuwenden **). *) Im Jahrgang 1882 des „Ausland“ zeichnet Penck mit markigen Strichen Lebens- und Studiengang dieses grossen Geologen. **) Eine unseres Erachtens sehr plausible Darstellung, resp. Rekonstruktion des Herganges, wie er sich bei der Entstehung unserer heutigen Erde abspielte oder wenigstens abgespielt haben kann, gab Sterry Hunt in einem Vortrage, den er 1876 vor der „Royal Institution of Great Britain“ hielt. Wir eitiren nach H. J. Klein’s wortgetreuer Uebertragung [48]. Es wird, ähnlich wie im ersten Bande ($. 322), geschildert, wie bei sinkender Temperatur aus der Urmasse disso- ciirter Gase zuerst die feuerbeständigsten chemischen Verbindungen sich abschieden, wie dann immer weitere Urstoffe flüssig wurden — das Festwerden der aller- innersten Theile ist keine für das Folgende unumgänglich erforderliche Bedingung. Die bei der Bildung der Erdrinde thätig gewesenen Einflüsse waren nach Sterrey Hunt die nämlichen, welche stattfinden würden, wenn heute noch Land. Meer und Luft eine sehr hohe Temperatur besässen; die Uratmosphäre war sehr dicht und mit sauren Gasen überladen. Die Kondensation erfolgte also auch bei einer vergleichsweise sehr hohen Temperatur, Lösungen von Salzsäure wurden gefällt. 504 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. $. 5. Geognosie, Petrographie und Petrefaktenkunde. Als Geo- gnosie bezeichnen wir gemeiniglich jenen vorbereitenden Theil der all- gemeinen Geologie, welchem die naturhistorische Beschreibung der die Erdrinde bildenden Bestandtheile zufällt. Dieselbe gehört als solche nicht eigentlich in den von uns ohnehin schon sehr weit ge- steckten Bereich der tellurischen Physik, wohl aber hat die letztere sehr häufig Veranlassung, auf geognostische Begriffe und Definitionen zurückzugreifen. Wir verweisen zum Studium derselben auf den kleineren Leitfaden von Kner [49], sowie auf die umfänglicheren Lehrbücher von Naumann [50] und H. Credner [5l]. Auch die Schöpfungsgeschichte von F. Pfaff giebt [52] von dem geognostischen Klassifikationswesen gerade das für physikalisch-geologische Studien Nothwendige in guter Auswahl und Darstellung. Von der eigentlichen Geognosie hat sich neuerdings wieder als ein besonderer Bestandtheil die Gesteinskunde (Petrographie oder Lithologie) abgetrennt, für welche O. Lang einen Handweiser [53] geliefert hat. Von nahe an 700 selbstständig vorkommenden Mineralverbindungen können nur etwa 12 als solche gelten, welche bei der Zusammensetzung der Erdkruste wesentlich betheiligst sind [54]. Zu erforschen ist in jedem Einzelfalle die Struktur des Gesteines, d. h. um mit Nau- mann [55] zu reden, „das durch die Form, die Grösse, die Lage, die Vertheilung und die Verbindung der Gesteinselemente bedingte innere Gefüge derselben“. Man unterscheidet eine körnige, ungleichartig- schiefrige, transversal-schiefrige, kugelige und Porphyr- Struktur, die Gesteine selbst aber trennt man (s. o. $. 2) in ge- schichtete oder massige. Wird eine Gesteinsschicht gegen ihre Ränder hin immer dünner, so sagt man, sie sei ausgekeilt, wird ihr paralleler Verlauf dadurch beeinträchtigt, dass sie zwischen andere Schichten eingezwängt erscheint, so spricht man von einem Absetzen der Schicht; eine Schicht streicht aus und zeigt einen entwickelten Schichtenkopf, wenn sie mit unveränderter Mächtigkeit an der Oberfläche zu Tage tritt. Die Lage der Schichten genau zu erkennen, ist eine der Hauptaufgaben des Geognosten und noch mehr des eigentlichen Bergmannes, der in diesem Beginnen von einer besonderen Abtheilung der praktischen Geometrie, der Markscheide- kunst, unterstützt wird*). Die geometrischen Kenntnisse, deren es zu einer solchen Bestimmung bedarf, sind keine anderen, als diejenigen, welche eine jede Punktbestimmung im Raume voraussetzt. Es sei OXYZ (Fig. 92) ein rechtwinkliges Koordinatensystem, und zwar die auf die Silikate zersetzend einwirkten, und so entstanden jene Chlorverbin- dungen der verschiedenen Metalle, welche in ihrer gegenwärtigen Form Meer- wasser heissen. Die Atmosphäre jener Vorzeit unterschied sich von der gegen- wärtigen' durch ihren Reichthum an Kohlensäure, und diese schuf als zersetzendes Element eine neue Erdoberfläche. *) Diese „Geometria subterranea“ erscheint in wissenschaftlicher Form zu- erst um die Mitte des XVI. Jahrhunderts bei dem uns von früher her (Band I, $S. 15) bekannten Montanisten Agricola [56]. Mehr nach der mathematischen Seite hin bildete dieselbe aus der von Melanchthon hoch geachtete Witten- berger Professor Reinhold [57], der die vorkommenden Grössen trigonometrisch zu berechnen lehrte. Den um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erreichten Stand kennzeichnet das Lehrbuch v. Oppel’s [58], unser heutiges Wissen und Können aber das treffliche Werk v. Bauernfeind’s [59], an welches auch wir uns direkt angeschlossen haben, I, $S. 5. Geognosie, Petrographie und Petrefaktenkunde. 505 möge OX dem Südpunkte, OY dem Westpunkte zugewandt sein. AB sei eine auf der Oberfläche der Schicht der Richtung der letzteren parallel gezogene Gerade, eine fallende Linie. Wir fällen aus ihrem Anfangspunkte A eine senkrechte AC auf die X Y-Ebene; dann nennt man C den Seigerpunkt, die Linie CB aber die Sohle. Fig. 92. Das Fallen der Linie wird ge- messen durch den Fallwinkel ABO = arc tang en Damit ist die Richtung der Geraden AB je- doch noch nicht völlig fixirt; viel- mehr gehört hiezu noch die Kennt- niss des Streichens der Linie. Dieses richtet sich nach dem StreichwinkelBC X’, deneine durch C der OX parallel gezogene Ge- | rade OX’ mit CB bildet. Die senkrechte AC heisst in der Regel die Seigerteufe; bezeichnet man sie mit z, die beiden in der Ebene XY gelegenen Koordinaten des Punktes B mit x und y, und endlich die Koordinaten OF und OG des Seigerpunktes mit & und 9, so gelten, wenn @ und ®% den Fall- und den Streichungswinkel bedeuten, die folgenden Relationen: ; z=AB.snpg, y=n-+ AB.cosp.sind, x=&-+AB.cosp.cos t. Zum Messen der vorkommenden Winkel bedient man sich gemeinig- lich einer Magnetnadel. Der Reisende, der keinen Grubenkompass zur Stelle hat, verwendet zur Bestimmung des Fallwinkels wohl auch das ohnehin mitgeführte Klinometer, sei es, dass dasselbe mit einer Libelle oder auch blos mit einem Bleilothe ausgerüstet ist. In Fig. 93 ist die Anwendung des auch für jeden Bergsteiger nützlichen Instrumentchens verdeutlicht, und zwar nach dem von Kaltenbrunner hiefür gegebenen Vorbilde [60]; der Neigungswinkel ist beidemale gleich ». Würden, wie es stellenweise ja wirklich der Fall ist, die Schichten in genau parallel-horizontaler Anordnung aufeinanderfolgen, so würde die Bestimmung ihres relativen Alters nicht mit besonderen Schwierig- keiten verbunden sein. Allein schon früher (Band I, S. 326 ff.) mussten wir erfahren, dass sowohl durch instantane vulkanische Störungen als auch durch die aus der langsamen Kontraktion der sich 506 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. abkühlenden Erdrinde entfliessenden Beeinträchtigungen des Gleich- gewichtes Verwerfungen, Faltungen u. s. w. entstehen, welche die Auffindung des wahren Zusammenhanges oft auf das Aeusserste er- schweren. Um diese Arbeit thunlichst zu erleichtern, beschloss der internationale geologische Kongress von Bologna, auf Grund von A. Heim’s Preisschrift „Projet d’unification des proc&des graphiques dans les cartes geologiques“ [61] die geognostische Kartenzeichnung und Namen- wie Farbengebung einheitlich zu gestalten [62]. Mit diesen geologischen Karten selbst aber hat es eine doppelte Be- wandtnis. Man kann von einem Theile der Erde einen vertikalen Profildurchschnitt geben, wie es in Fig. 94 geschah; hier sind die in Fig. 94. Murtschenstock. a Leistkamm. mw Me nm f TIL S PS In N ' N BERN R V./2 DIES ee @ DE GER: ZINN ee Se a ae ZA Mi Ai, NIE 3 | ll Y- Re I er BEE Hr = GE n A ATI il VS Se RN IN 1% rr./,. 72.0. i m) 7 I, N SEN SZ AHMNN Il) re Baer Profil am Wallenstädter See. BEER ocan nit Nummuliten. E=&FIMolasse.. WMLias. IM Sonstige Juraformalion. Cretaceische Formation. GaulE: Schrattenkalk. einander eingelagerten Schichten deutlich in ihrem Verlaufe zu er- kennen, und solche Schichten, welche ersichtlich dereinst zusammen- gehörten, in ihrem Zusammenhange aber durch irgendwelchen Trennungs- process unterbrochen wurden, sind durch eine ideale Fortführung — die sogenannten Luftsättel — wieder zu einander in Beziehung gesetzt. Andererseits kann man auch, wenn die Lagerung der Schichten eines Grebirges eine mantelförmige ist, mit Vortheil ein der deskriptiven (Geometrie abgeborgtes Verfahren zur Anwendung bringen. Aus jedem Punkte der Kurve, welche eine Schicht an der Aussenseite gegen die benachbarte abgrenzt, denkt man sich ein Loth auf die Horizontal- ebene gefällt, und jeder so entstehende Cylindermantel schneidet auf jener eine Kurve aus, so dass der das Kurvensystem überblickende Geologe sich ganz ebenso ein Bild von der inneren Zusammensetzung des Gebirgsstockes zu machen im Stande ist, wie man sonst aus der Betrachtung einer Isohypsenschaar auf die wechselnden Böschungsver- hältnisse schliesst. Allerdings wird sich diese zweite Methode mehr nur dann empfehlen, wenn die Schichten eine dachförmige oder antiklinale Lagerung besitzen, während die geologischen Durch- schnitte ihren Werth unter allen Umständen besitzen, mag nun die Lagerung eine antiklinale oder eine muldenförmige (synklinale) sein. — Die Bestandtheile der Erdrinde sind die mineralischen Massen, welche nach den Bologneser Anordnungen in Bezug auf ihre Beschaffen- heit Felsen, in Bezug auf ihren Ursprung Formationen heissen. Mit Rücksicht auf das geologische Alter gilt folgende stratigraphische 1, $. 5. Geognosie, Petrographie und Petrefaktenkunde. 507 Eintheilung der mineralischen Massen. I. Das Wort Gruppe umfasst drei bis vier grosse Unterabtheilungen. II. Diese Unterab- theilungen tragen den Namen System (z. B. jurassisches System). III. Die Abtheilungen erster Art der Systeme heissen Sektionen oder Serien. IV. Die Abtheilungen zweiter Art der Systeme sind die Stockwerke oder Stufen („etage“, „stage“, „piano*, „pisso*). V. Gliedert man ein System noch weiter, so heissen diese neuen Untergruppen Schichten im engeren Sinne („assise,* „couche*), VI. Mehrere Schichten können als Theilstufe („sous-etage*) zu- sammengefasst werden. VIi. Das Wort Stratum soll mit Schicht synonym gebraucht werden. Dieses Klassifikationsprineip ist rein räumlich, man kann ein solches aber auch der geologischen Chronometrie entnehmen. Geschieht diess, so gelten die nachstehenden Identitäten: Aera = Gruppe; Periode = System; Epoche = Serie; Alter = Stufe. Von der Farbendarstellung wird weiter unten zu sprechen sein. Nachdem sonach eine Verständigung über die repräsentative Seite des geognostischen Systemes erreicht ist, muss noch die Frage nach den materiellen Hülfsmitteln der Altersbestimmung gestellt werden, die dann anzuwenden sind, wenn, bergmännisch gesprochen, korrespon- dirende Schichtflächen unter verschiedenen Horizonten liegen, wie es z. B. Fig. 95 zur Anschauung bringt. Kaltbrunner stellt die hiefür dienlichen Gesichtspunkte treff- lich zusammen [63]: ein vulkani- sches Gestein, welches auf Sedi- mentgestein lagert, ist älter als dieses; wenn ein Sediment und ein vulkanisches Gestein ein- GE ander gegenseitig durchsetzen, = so ist im Allgemeinen für beide XS das gleiche Alter anzunehmen, : = u. dgl. mehr. Allein das weitaus sicherste Mittel der Altersschätzung bietet die Untersuchung der in eine Schicht eingeschlossenen Ueberreste von Organismen, der sogenannten Petrefakten*). Man möchte vielleicht ein- *) H. J. Klein bemerkt [64], dass um die Mitte des XVI. Jahrhunderts zuerst „der geniale Töpfer“ Bernhard Palissy die Identität der von ihm ge- sammelten Versteinerungen mit wirklichen Lebewesen der Vorzeit anerkannt habe. Allein noch vor ihm sprach der noch weit genialere Lionardo da Vinci das- selbe mit wünschenswerthester Klarheit aus. „Der Schlamm des Meeres überzog,“ so lauten seine Worte in Cantor’s Verdeutschung [65], „die Thiere selbst; dann trat das Meer zurück, der Schlamm wurde zu Stein um und in den Muschelschalen, wohin er vorgedrungen war.“ Solch’ klarer Auffassung gegenüber konnte noch in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts ein geistreicher Mann die Frage anregen, ob nicht vielleicht die in Italien selbst auf Bergen und Hochplateaux sich vorfindenden Muscheln den mittelalterlichen Pilgern vom Hute gefallen wären! Und doch hatte um diese Zeit schon der Altdorfer Professor Baier eine in ihrer Art musterhafte Anleitung zur regionalen Petrefaktenkunde geschrieben [66], in welcher er freilich, wie Reess neuerlich urgirte [67], die Belemniten noch als „lusus naturae“ registriren zu sollen vermeinte. Derjenige, welcher mit vollem Bewusstsein zuerst darauf drang, die geognostische Schichtenlehre mit der Petre- faktenkunde innig zu verschmelzen, ist, wie leider häufig verschwiegen wird, der I RE N Rt 7% RE AAN ER UTANE, Br 508 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. RN.) wenden, es sei gegen diese Art der Klassificirung dasselbe Argument geltend zu machen, auf welches gestützt wir oben (S. 235 dieses Bandes und 8. 485 desselben) die Humboldt’sche Definition des Klima’s und die Peschel’sche Insel-Charakteristik ablehnten, allein hier liegt die Sache doch insoferne ganz anders, als eben ohne Zuziehung der Petrefakten eine halbwegs genügende Lösung überhaupt nicht zu er- bringen wäre. Da wir die Geognosie nur als Hülfswissenschaft be- trachten, so muss es uns genügen, den Schichtenbau der Erdrinde nur in ganz allgemeinen Zügen vorzuführen. Wir thun diess in schematisch- tabellarischer Form, indem wir die beiden von Peschel-Leipoldt [70] — nach H. Credner — und von Boyd Dawkins [71]*) ge- gebenen Schemate — die übrigens beide strenge den Lyell’schen Grundsätzen sich fügen — zu einem einzigen Schema vereinigen. Auf der linken Seite unserer Zusammenstellung verzeichnen wir den Namen der bezüglichen Formation nebst kurzem Hinweise auf besonders ausgezeichnete, daselbst zu findende Mineralschätze, und daneben er- scheinen als Typen diejenigen pflanzlichen und thierischen Ueberreste, welche der Formation in organographischer Hinsicht ein bestimmtes Gepräge aufdrücken. S. 6. Tabelle der Formationsfolge. Wenn wir von den ältesten Zeiten beginnen, gewinnt unsere Tabelle folgende Gestalt**): Archaistische Formationsgruppe. Laurentische Gneissformation. Eozoon Canadense ***). Huronische Schieferformation. Vereinzelte Tange, Graptolithen (?), Krinoideen. Deutschböhme v. Born gewesen [68]. Auf diese Arbeit ist, wie dem Verfasser gerade noch rechtzeitig vor Abschluss des Druckes bekannt wurde, von Neuem aufmerksam gemacht worden in Studnicka’s dankenswerthem „Bericht über die mathematischen und naturwissenschaftlichen Publikationen der k. böhm. Gesell- schaft der Wissenschaften während ihres hundertjährigen Bestandes“ (1. Heft, Prag 1884. S. 24 ff... Ebenso bestimmt hatte schon 1735 ein gewisser Billiet in seiner zu Genf unter dem Präsidium des berühmten Mathematikers G. Cramer vertheidigten Dissertation „Specimen physicum de hodierna terrae structura“ sich dahin ausgesprochen: „Les matieres heterogenes, c’est-A-dire les ossemens de divers animaux, les coquillages, les plantes, les poissons ete., contenus dans les assises, designent evidemment des sedimens form&s dans l’eau, qu’il faut necessairement attribuer au deluge universel.“ An dieser Stelle werden einige Elementarkennt- nisse der Lehre von den Versteinerungen und Fossilien vorausgesetzt; zur Er- werbung eines solchen naturhistorischen Wissens dürften sich ganz besonders gut die Schriften von Quenstedt [69] eignen. Weiterstrebenden dient das treffliche Handbuch v. Zittel’s. *) Nach einem vor der Anthropologenversammlung zu Southampton ge- haltenen Vortrage. **) Die archäische Formation erhält nach den Beschlüssen von Bologna ein verschieden abgestuftes Rosa, für die paläozoische Gruppe ist Beschluss ebenso vorbehalten, wie für das Quartär. Trias soll violett, Jura blau, Kreide grün, Tertiär gelb angelegt werden. ***) Nach O. Hahn [72], der ebenso originelle wie sonderbare Ansichten über die Natur der Gesteine aufgestellt hat [73], sind die mit obigem Namen belegten Serpentinknollen, die nach Gümbel und v. Hochstetter auch dem bayrisch- böhmischen Grenzgebirge nicht fehlen, vonLogan und Carpenter für Foraminiferen gehalten worden, wogegen King, Rown ey, Zirkel und Möbius den organischen Charakter des Fossils überhaupt in Abrede zogen. Hahn selbst entscheidet sich natürlich für die Pflanzennatur desselben. Ka Er NEN ins I, $S. 6. Tabelle der Formationsfolge. 509 Paläozoische Formationsgruppe. Silurische Formation. Seetange, wirbellose Thiere, spär- liche Fische. Devonische Formation. Die ersten Gefässkryptogamen, Kephalopoden, Brachiopoden, Fische mit Knochenpanzer. Karbonische oder Steinkohlen- Entwickelung der Kryptogamen, Formation *).- Spinnen, Insekten, Auftreten der Amphibien (Labyrinthodon). Dyas oder Zechstein-Formation, | Verkieselte Farne, Koniferen, I. Untersystem das des Rothliegen- | Aufhören der Trilobiten, Schmelz- den, Il. das des Zechsteines. schupper, Amphibien und Reptilien (Proterosaurus). Mesozoische Formationsgruppe. Trias-Formation **) Schachtelhalme, Nadelhölzer, Am- mit den Sektionen Buntsandstein, | moniten, Meeres-und Froschsaurier, Muschelkalk, Keuper. Vogelspuren, Beutelthier-Art. Jura-Formation Kryptogamen, Koniferen, Cyka- mit den Sektionen des schwarzen, | deen, Ammoniten, Belemniten, Riff- braunen und weissen Jura (Lias, | korallen, Fischsaurier, Archäopt- Dogger und Malm). eryx von Solnhofen (Vogel oder Reptil ?). Kreide-Formation Neben zahlreichen Kryptogamen mit den Sektionen Neokom, Gault, | die ersten Laubhölzer, Foramini- Cenoman, Turon und Senon. feren, Schwämme, die Meereidechse Mosasaurus (von Maestricht). *) Die Steinkohlenbildung ist nichts anderes als ein Vermoderungs- process, indem Pflanzenstoffe bei Gegenwart von Wasser und bei gehindertem Luftzutritt sich entmischen. Der Unterschied von Braun- und Schwarzkohlen ist kein sehr scharfer; doch sind Braunkohlenlager gewöhnlich daran zu erkennen, dass in Verbindung mit ihnen harzige und bituminöse Stoffe, namentlich der be- rühmte Bernstein, das „Elektron“ der Alten, vorkommen [74]. Die Bernstein führenden Schichten Europa’s erstrecken sich von der Ostsee bis nahe zu der Quelle der Weichsel. Mit den Schwarzkohlen vergesellschaftet treten uns entgegen gewisse Kohlenwasserstoffverbindungen, namentlich das Stein- oder Erdöl (Petroleum), dessen reinste, namentlich den Kaukasusgegenden eigenthümliche Varietät Naphtha heisst, während als seine Abarten Bergtheer und Asphalt gelten müssen [75]. Die aus reinem Kohlenstoff bestehende (bitumenfreie) Kohle ist als Anthracit bekannt. Peschel hat uns eine sehr dankenswerthe Statistik der annoch im Schoosse der Erde ruhenden Kohlenschätze geliefert [76], die aber neuerlich manche Bereicherungen erfahren hat. Namentlich China kommt hiebei in Frage, ein Land, für welches die in England erst unter Eduard I. anerkannte Kohle schon lange vorher ihre segensreiche volkswirthschaftliche Bedeutung ge- offenbart hat, denn nach v. Richthofen [77] erzählen Ibn Batuta und Marco Polo von dem daselbst als Feuerungsmaterial verwendeten schwarzen Steine wie von einer längst bekannten Sache. Dem genannten Autor zufolge hat das Kohlen- becken von Peking keine grosse Zukunft, wohl aber der Anthracit der Tatsau- Gruben. **) In der Trias, dem Salzgebirge der älteren Halurgen, sind die reichsten Steinsalzlager anzutreffen. Ausschliesslich eigenthümlich sind sie demselben frei- lich nicht; die Bergwerke von Wielizka liegen z. B. im Tertiär, einzelne nord- amerikanische kommen im Silur vor. Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen über Salz führende Gebirge stellte der Berner F. S. Wild an [78], und zwar ist seine Leistung eine um so verdienstlichere, als er an den ihm bekannten Stellen 510 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. "ee Känozoische Formationsgruppe. Tertiär - Formation, zerfallend in | Die placentalen Säugethiere fan- 4 Sektionen: sen an, durch Formen vertreten zu sein, welche an diejenigen der Gegenwart anklingen; Erscheinen Eoeän. der Lemuriden und Simiaden, Eogen ausserdem noch Paläotherium und Oligoeän. Xiphodon; Europa’s Flora ist tro- pisch, Braunkohlenlager und Sedi- mente sind häufig. Erscheinen gewisser unverändert Mioeän. bis heute erhaltener Arten, beson- Neogen *) ders der südeuropäischen Simiaden; Plioeän. Mastodon, Dinotherium, Ausbrei- ? ? tung der Laubhölzer. Quartär-Formation, zerfallend in | Höhlenbär,Mammuth, Riesenhirsch, Diluvium und Alluvium, deren | Auftreten des Menschen **) (paläo- gar nicht bis auf den eigentlichen Salzfelsen hinab gelangte, was vielmehr erst 1823 Charpentier gelang. Später pflegten diesen Theil der Geologie Franklin, Claiss und vor Allem A. v. Humboldt, dessen kartographische Darstellung der deutschen Salzquellen leider in den Akten des preussischen Berg-Departements begraben zu sein scheint [79]. Er glaubte sich zu der freilich wohl utopischen Hoffnung berechtigt, dass man gewisse Linien auf der Karte müsse ziehen können, auf welchen von Meile zu Meile ein Salzlager gelegen sei. ”) Die zweite Hälfte der Tertiärzeit, die eine grossartige Entwickelung der eruptiven Erdthätigkeit sah, war der Bildung goldführender Gänge, wie v. Richthofen zeigt [80], besonders günstig, obwohl an sich das Gold bezüglich seines Vorkommens an gar keine bestimmte Formation gebunden ist. Die Edel- metalle haben, wie z. B. ein interessanter Akademie-Vortrag Baumgartner's beweist [81], ihre unvergängliche Bedeutung als Werthmesser und Tauschmittel, und kein anderes Metall kann, diess lehrt klärlich das von Humboldt voraus- gesagte Fiasko des russischen Platingeldes [82], dauernd mit jenen konkurriren. Humboldt’s Werk über Mexiko [83] begründete die moderne Edelmetall-Statistik, um deren Betrieb sich später Soetbeer besonders verdient gemacht hat. Ihm zufolge wird der Fortschritt der Gewinnung edler Metalle geschichtlich so dar- gestellt [84]: Millionen-Gesammt- Zeit. Silber in kg. Gold in kg. betrag in Mark 1495 — 1520 47 000 5 800 | 25 1601—1620 422 000 8 520 100 1701 -- 1721 355 000 12 820 100 1801—1810 894 000 17 778 211 1871— 1875 1 969 000 170 675 831 Suess’ „Zukunft des Goldes“ (Wien 1877) beseitigt alle Befürchtungen über Er- schöpfung der Goldvorräthe, wenigstens für eine absehbare Zeit, denn eine schliess- liche Erschöpfung der Vorräthe muss nach ihm als möglich gelten. **) Whitney will den Menschen mit seinen Anfängen, wohl mit Unrecht, bereits in’s Pliocän verlegen [85]. Dass der paläolithische Mensch seine Spuren nie innerhalb vergletscherter Gebiete, sondern höchstens an deren Saume zurück- gelassen hat, betrachtet Penck [86] als einen wichtigen Wahrscheinlichkeitsbeweis für dessen Koexistenz mit der Eiszeit, ja der genannte Forscher hält es [87] sogar nicht für unmöglich, dass es auch präglaciale Menschen gegeben habe. I. $S. 7. Die Geschiebe-Formation und die subaerische Formation. 511 ersteres die sogenannte Eiszeit ent- | lithischer oder Flusskies- Jäger), hält, während das letztere in die Abfallhaufen, Höhleninhalt, Sedi- historische Zeit und -Gegenwart mente, submarine Wälder, Block- hereinreicht; nach Dawkins ein- | lehm und Moränenreste, Meersand, zutheilen in das Plistocän (das | dann allmählig Zeichen, die auf Lyell’sche Postplioecän) und in | Hausthiere, Kulturfrüchte, Ge- die prähistorische Zeit. , werbe, Handel,verbesserteWaffen *) hinweisen. Hiemit sind wir zu unserer gegenwärtigen Bodendecke und zur geschichtlichen Zeit gelangt. Die Geophysik als solche stützt sich auf die Schichten-Klassifikation der Geologen, ist aber selbst unmittel- bar — ausser bei den schon vielfach besprochenen Alluvialbildungen — nur bei gewissen diluvialen Formationen interessirt, welche des- halb noch in einem eigenen Paragraphen der Erörterung zu unter- ziehen sind. S. 7. Die Geschiebe-Formation und die subaerische Formation. Wir sprachen oben davon, dass das Quartär vielfach sogenannten Block- lehm und die Rudera alter Gletschermoränen aufweise. Alle diese Gebilde gehören der „Geschiebe-Formation“ der Glacialperiode an und finden mit anderen verwandten Dingen ihre eingehende Besprechung im dritten Kapitel dieser Abtheilung. Des Ferneren aber begegnen wir im Quartär auch gewissen diluvialen Lehmablagerungen, für welche schon von je die agronomische Bezeichnung „Löss“ üblich ist. Man hatte denselben in Europa vielfach an T'halgehängen aufgefunden, meistentheils in Form eines gelblichen, leicht zerreib- und knetbaren Kalkschlammes, wohl auch als feinen Lösssand, mit oder ohne Einbettung rundlicher Rollsteine, der sogenannten Lösskindel. Die mikroskopische Prüfung von Lössmassen ergab das übereinstimmende Resultat, dass nur die Reste von Landschnecken, nicht aber von Süsswasserthieren darin vor- kommen, so dass derselbe unmöglich als Rückstand früherer wässriger Lösungen angesehen werden kann. Etwas anders verhält sich nach Ratzel [88] der amerikanische Löss („Bluff-Silt*), welcher von den dortigen Geologen als das Kennzeichen ihrer „Champlain-Periode* aufgefasst wird und, namentlich am unteren Mississippi, auf eine theil- weise marine Vergangenheit hinweist. Man nimmt an, dass die Bil- dung des Löss dortselbst in stagnirenden und nachher durch eine dar- über hingegangene Fluthwelle salzig gewordenen Gewässern vor sich gegangen sei. Während bei alledem in Europa und Nordamerika der Löss hauptsächlich als fruchtbare Ackererde das Interesse der Forscher auf sich gezogen hatte, offenbarte er sich mit einem Male in Central- asien als ein geologischer Faktor von höchster Bedeutung. Der zweite Band des grossartigen Reisewerkes v. Richthofen’s lehrte uns den *) Dem paläolithischen Zeitalter folgt das neolithische und diesem die schon stark in die Periode der schriftlichen Ueberlieferung eingreifende Bronzezeit. L. Beck freilich (Die Geschichte des Eisens, Braunschweig 1884) und O. Schrader (Sprachvergleichung und Urgeschichte, Jena 1883) wollen eine „Bronzezeit“ nur sehr bedingt gelten lassen, eher eine „Kupferzeit“. Löss von dieser neuen Seite kennen, und v. Middendorff lieferte wichtige Bestätigungen [96]. Sowohl an der Westseite des Pamir- Plateau’s (im alten Sogdiana), als auch im östlichen und nördlichen China hat der Löss Konglomerate von einer Mächtigkeit bis zu 700 m gebildet. Dörfer sind in diese Masse hineingebaut, Strassen mussten mit Mühe durch sie gebrochen werden. v. Richthofen bemerkt [90], dass keine Gegend sich besser unter dem strategischen Gesichtspunkte zur Vertheidigung ihrer Engpässe und Hohlwege eigne, wie eben eine Lössgegend. Unsere Fig. 96 stellt, nach dem genannten Gewährs- mann, eine Strassenanlage jenes Territoriums dar; K ist anstehender Kohlenkalkstein, L geschichteter Löss, der ehedem bis zur Grenze MM reichte, aber zu Gunsten der beide Formationen zugleich angreifenden Landstrasse S sich eine Verkleinerung gefallen lassen musste. Die staubfeine Masse enthält TE . nichts als Reste von Steppengräsern und von #7 Landschneckengehäusen. / X Auf diesen Befund hin entwickelte v. Richthofen eine speziell den asiatischen Verhältnissen angepasste Theorie der von ihm als äolisch oder subaörisch bezeichneten Lössformation. Diese Staub- massen sind das Verwitterungsprodukt der mit der Luft in Berührung stehenden Gebirgsschichten; die den Chinesen wohlbekannten Staub- winde führen die pulverförmigen Massen fort und lagern sie in Mulden und Thälern ab. Die Feuchtigkeit des Winters thut das Ihrige, um die dünne, im Laufe des Sommers neu hinzugekommene Schicht zu ver- festigen; der Frühling treibt wohl Pflanzen hervor, allein dieselben vertrocknen im Sommer wieder und sind bald durch die sommerliche Zufuhr begraben. Das Wachsthum der Lössablagerungen geht in Folge dessen mit so grosser Regelmässigkeit vor sich, dass man es, wie jenes der Tropfsteingebilde, einer Berechnung unterstellen kann. Die Mon- golei liefert für v. Richthofen |91] den besten Beweis für die Richtig- keit seiner Lösstheorie.. Kurz zusammenfassend können wir sagen: Viele Lössländer waren früher abflusslose Steppen, welche die Schuttausfüllung ihrer Depressionen und die Lössbe- deckung in ihrer Mitte in geringerem Maasse der Abspülungs- thätigkeit des Wassers, in stärkerem der Transportations- kraft der Staubwinde zu danken haben“). Es giebt auch andere Stoffe, die hinsichtlich ihrer allgemeinen physikalischen Eigenschaften und ihrer landwirthschaftlichen Bedeutung sich wohl dem Löss an die Seite stellen können“*). Allein als gestalt- DT: 7 G GL, GE I, ; ser Als *) Im anthropogeographischen Abschnitte werden wir sehen, welch’ geist- volle Schlüsse geschichtlicher Art Meitzen [92] auf diese Theorie der Lössbildung begründete. **) Wir meinen hier besonders die Südrussland eigenthümliche Schwarz- erde, mit der sich E. E. Schmid beschäftigt hat [93]. Auch sie ist durch Ver- witterung entstanden, ein graubraunes Staubpulver mit eingestreuten rundlichen Knollen. Ehrenberg’sche Phytolithen kommen, obzwar in geringer Menge, in ihr vor. „Die Schwarzerde,“ sagt Schmid (a. a. O.), „passt nicht in unser System der Bodenkunde hinein“. Neuere Mittheilungen hierüber sind uns durch die russischen Geologen Agapitoff und Bogdanoff geworden [94], welch’ letzterer a nr Citate. 513 bildendes Moment kommen sie nicht besonders in Betracht, und so bilden sie denn auch einen wichtigen Untersuchungsstoff zwar für die Boden- kunde*), nicht aber eigentlich für die physikalische Geographie. [1] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Auflage, 4. Band, 2. Abtheilung, Leipzig 1828. S. 1245 fi. — [2] Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft, 2. Abtheilung, Gütersloh 1879. S. 130 ff. — [3] Ibid. S. 123. — [4] Daubree, Descartes l’un des createurs de la cosmologie et de la geologie, Paris 1880. — [5] Leibniz, Protogaea, sive de prima facie telluris et antiquissimae historiae vestigiis in ipsis naturae monumentis, ed. Scheidt, Gottingae 1748. — [6] Steno, De solido intra solidum naturaliter contento disser- tationis prodromus, Lugduni Batavorum 1679. — |7] Elie de Beaumont, Fragments geologiques tir&s de Stenon, de Kazwini, de Strabon et de Boun-Debesch, Ann. des sc. natur., Vol. XXV. S. 337 ff. — [8] Daubree, Descartes etc., $. 8. — [9] Moro, De’ crostacei e degli altri marini corpi, che si trovano su’ monti libri due, Venezia 1740; deutsch, Leipzig 1751. — [10] Whitehurst, Inquiry into the original state and form of the earth. London 1770; deutsch, Leipzig 1788. — [11] Woodward, Naturalis historia illustrata et aucta, una cum defensione contra El. Camerarium, Londini 1714; franz., Amsterdam 1735. — [12] Joh. Woodward’s Physische Erdbeschreibung oder Versuch einer natürlichen Geschichte des Erd- bodens, Erfurt 1744. S. 79. — [13] Ray, Physico-theological discourses concerning the primitive chaos, the general deluge and the dissolution of the world, London 1692. — [14] Pallas, Observations sur la formation des montagnes et les changemens arrives au globe, St. Pötersbourg 1777. — [15] J. E. Silberschlag, Geogonie oder Erklärung der mosaischen Erderschaffung nach physikalischen und mathematischen Grundsätzen, Berlin 1780. — [16] Ibid. $. 26. — [17] G. C. Silberschlag, Neue Theorie der Erde, Berlin 1764. — [18] Reyer, Neptunisch oder plutonisch ?, Gaea, 19. Jahrgang. S. 140 ff. — [19] Mathesius, Sarepta oder Berg-Postill, darinnen von allerlei Bergwerk und Metallen Bericht erstattet wird, Nürnberg 1562. — [20] v. Trebra, Erfahrungen vom Inneren der Gebirge, Dessau und Leipzig 1786. — [21] Strange, On two giants causeways or groups of prismatic basaltine columnes and other eurious volcanic concretions in the Venetian state in Italy, London 1775. — [22] Sandberger, Untersuchungen über Erzgänge, Wiesbaden 1882. — [23] Reyer, Neptunisch ete., S. 157 ff. — [24] Posepny, Geologische und montanistische Studien über die Erzlagerstätten von Rezbänya, Budapest 1874. — [25] Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884. S. 240. — [26] A. v. Humboldt, Minera- logische Bemerkungen über einige Basalte am Rhein, Braunschweig 1790. — [27] Goethe, Sämmtliche Werke in vierzig Bänden, 40. Band, Stuttgart 1869. S. 53. — [28] A. Werner, Kurze Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gebirgsarten, Dresden 1787; Neue Theorie von der Entstehung der Gänge, Frei- berg 1791. — [29] Deluc, Lettres sur l’histoire physique du globe, Paris 1779. — [30] Cuvier, Discours sur les revolutions du globe, Paris 1812; deutsch von Nöggerath, Bonn 1822. — [31] Buckland, Reliquiae diluvianae, Londini 1823. — [32] Jameson, Essay on the theory of the earth by Baron G. Cuvier, with geological illustrations, London 1827. — [33] Lamarck, Hydrog£ologie ou recherches sur l’influence qu’ont les eaux sur la surface du globe terrestre, Paris 1802. — [34] A. Lang, Lamarck in Daghestan Berge von 9000 m Höhe, einzig und allein aus Schwarzerde bestehend, gefunden haben will (?). Es scheint, dass dieser Stoff als eine recentere Varietät des Löss wird anerkannt werden müssen. *) Dieser Wissenszweig steht nach seiner geologisch-chemischen Seite hin kaum mehr mit der physischen Erdkunde in Verbindung. Etwas mehr kann eine solche für den jüngsten Spross der Bodenkunde, die Bodenphysik, in Anspruch genommen werden. Dieselbe trat erst vor Kurzem in die Reihe der exakten Disciplinen ein, denn seit Schübler war sie, wie ein interessanter Essay v. Liebenberg’s [95] ausführt, stationär geworden, und erst seit etwa 15 Jahren ist neues Leben in sie gekommen, hauptsächlich durch die Arbeiten des genannten Autors über die Bedeutung der Bodentemperaturen [96], durch diejenigen A. Mayer’s [97] über das Wasser im Boden und durch diejenigen Wollny’s [98] über den Zusammenhang zwischen Färbung und Wärmekapazität des Bodens. Der letzteren gedachten wir bereits in der Forstmeteorologie ($. 243 dieses Bandes). | Günther, Geophysik. II. Band. 33 514 Citate. und Darwin, ein Beitrag zur Geschichte der Entwickelungslehre, Kosmos, 1. Band, S. 250. — [35] J. Hutton, Theory of the earth, Edinburgh 1795. — [36] Playfair, Illustrations of the Huttonian therory of the earth, Edinburgh 1802. — [37] J. Hall, Experiments on whinstone and laves, Transact. of the Edinb. Society, Vol. V. S. 43 ff. — [38] Dolomieu, Sur la question de l’origine du basalte, Journ. de phys., Vol. XXXVIL;, Sur un genre de pierres calcaires tres-peu effervescentes avec les acides et phosphorescentes par la collision, ibid. Vol. XXXIX. — [39] Breislak, Memorie sulle osservazioni fatte da celebri geologi posteriormente a quello di Conte Marzavi intorno alla giacitura di graniti di Tirolo meridionale, Milano 1824. — [40] H. J. Klein, Entwickelungsgeschichte des Kosmos, Braunschweig 1870. S. 15. — [41] Sendschreiben des Oberbergraths N. Fuchs an Andr. Wagner, München 1844. — [42] Schafhäutl, Die Geologie in ihrem Verhältnisse zu den übrigen Naturwissenschaften, München 1843. S. 64 ff. — [43] G. Bischof, Lehrbuch der chemischen und physikalischen Geologie, Bonn 1847 — 1855. — [44] D’Aubuisson, Traite de geognosie, Vol. II., Strasbourg 1819. S. 650 ff. — [45] Pilar, Grund- züge der Abyssodynamik, Agram 1881. $S.3. — [46] Lyell, Principles of geology, London 1833. — [47] Lyell, Manual of geology, London 1838. — [48] Klein, Ent- wickelungsgesch. ete., $. 21 ff. — [49] Kner, Leitfaden zum Studium der Geologie mit Inbegriff der Paläontologie, Wien 1851. — [50] Naumann, Lehrbuch der Geognosie, Leipzig 1858— 1860. — [51] H. Credner, Elemente der Geologie, Leipzig 1872; 2. Aufl., ibid. 1876. — [52] F. Pfaff, Schöpfungsgeschichte mit besonderer Berücksichtigung des mosaischen Schöpfungsberichtes, Frankfurt a.M. und Erlangen 1858. $. 311. — [53] O. Lang, Grundriss der Gesteinskunde, Göttingen 1878. — [54] Pfaff, Schöpfungsgesch. etc., $. 316. — [55] Naumann, Lehrbuch ete., 1. Band. S. 443. — [56] Agricola, Vom Bergwerck zwölf Bücher, Basel 1557. — [57] Rein- hold, Vom Marscheiden kurtzer unnd gründtlicher Unterricht, Erfurt 1574. — [58] v. Oppel, Anleitung zur Markscheidekunst, Dresden 1749. — [59] v. Bauern- feind, Elemente der Vermessungskunde, 2. Band, Stuttgart 1879. $. 414 ff. — [60] Kaltbrunner-Kollbrunner,. Der Beobachter, Zürich 1882. 8. 55 ff. $S. 320. — [61] Congres geologique international, compte rendu de la 2”e session, Bologne 1882. S. 281 ff. — [62] Ibid. S..196 ff. — [63] Kaltbrunner, Der Beobachter, S. 335 ff. — [64] Klein, Entwickelungsgesch. ete., $. 105. — [65] Cantor, Lionardo da Vinci, Westermann’s Monatshefte, (3) 12. Band. $. 375. — [66] Baier, Oryeto- graphia Norica, Norimbergae 1708. — [67] Reess, Ueber die Pflege der Botanik in Franken von der Mitte des XVI. bis zur Mitte des XIX. Jahrhunderts, Erlangen 1884. S. 54. — [68] v. Born, Ueber die Anwendung der Conchylien- und Petre- faktenkunde auf die physikalische Erdbeschreibung, Abhandl. einer Privatgesellsch. in Böhmen, 4. Band. $. 305 ff. — [69] Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde, Tübingen 1852; Sonst und jetzt, populäre Vorträge über Geologie, ibid. 1856. — [70] Peschel-Leipoldt, Physische Erdkunde, 1. Band, Leipzig 1879. 8. 337 ff. — [71] Dawkins, Das Alter des Menschengeschlechtes, Gaea, 18. Jahrgang. $. 728. — [72] O. Hahn. Das Eophyllum im Laurentian-Kalk von Canada, Ausland 1879. S. 561 ff. — [73] O. Hahn, Die Urzelle, Tübingen 1879. — [74] Kner, Leitfaden etc., 5. 88. — [75] Ibid. 8. 91. — [76] Peschel-Leipoldt, Phys. Erdk., $. 339 ff. — [77] v. Richthofen, China, 2. Band, Berlin 1882. S. 333 ff. — [78] F. S. Wild, Recueil concernant les mines de sel et les salines, particuliörement celles du canton de Berne, Berne 1792—1795; Essai sur la montagne salifere du gouvernement d’Aigle, Geneve 1788. — [79] Bruhns, A. v. Humboldt, eine wissenschaftliche Biographie, 3. Band, Leipzig 1872. S. 109. — [80] v. Richthofen, Ueber das Alter der goldführenden Gänge und der von jenen durchsetzten Gesteine, Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch.. 21. Band. $. 73 ff. — [81] Baumgartner, Die edlen Metalle und ihre natürliche Rangordnung als Geldstoffe, Wien 1857. — [82] Bruhns, A. v. Humboldt, $. 435. — [83] Humboldt, Essai politique sur le royaume de la Nouvelle-Espagne, Paris 1811. — [84] Soetbeer, Edelmetallproduktion und Werth- verhältniss zwischen Gold und Silber seit der Entdeckung Amerika’s bis zur Gegenwart, Ergänzungsheft Nr. 57 zu Petermann’s geogr. Mittheil., Gotha 1879. — [85] Dawkins, Das Alter ete., S. 730. — [86] Penck, Mensch und Eiszeit, Braun- schweig 1884. 5. 6. — [87] Ibid. $. 16. — [88] Ratzel, Physikalische Geographie und Naturcharakter der vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. 5. 135. — [89] v. Middendorff, Einblick in das Ferghana-Thal, St. Petersburg 1881. — [90] v. Richthofen, China, 2. Band. $. 372. — [91] Ibid. $. 348 ff. — (92] Meitzen, Das Nomadenthum der Germanen und ihrer Nachbarn in West- europa, Verhandl. des II. d. Geographent., Berlin 1882. S. 73 ff. — [93] E. E. Schmid, Ueber die Schwarzerde im südlichen Russland, Bull. de la cl. phys.-math. de l’ac. II,$.1. DieBegründung der Lehre von den Reliefformen durch Humboldt. 515 imp. de St. Petersbourg, Vol. VII. S. 161 ff. — [94] Ueber Löss und Schwarzerde, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 2. Jahrgang. S. 244 ff. — [95] v. Liebenberg, Ueber den gegenwärtigen Standpunkt der Bodenphysik, (Wollny’s) Forsch. auf dem Geb. d. Agrikulturphysik, 1. Band. S.1 ff. — [96] v. Liebenberg, Untersuchungen über Bodenwärme, Halle 1875. — [97] A. Mayer, Untersuchungen über das Verhalten des Wassers zum Boden, Halle 1873. — [98] Wollny, Untersuchungen über den Einfluss der Farbe des Bodens auf dessen Erwärmung, Forsch. auf dem Geb. d. Agrikulturphysik, 1. Band. S. 60 ff. Kapitel II. Orographischer Bau und Bodenplastik der Erdfeste. $. 1. Die Begründung der Lehre von den Reliefformen durch Hum- boldt. Die wissenschaftliche Betrachtung der Erdgebirge gehört ganz der Neuzeit an; schon früher haben wir (Bd. I, 8. 16) auf die Schwie- rigkeiten hingewiesen, welche sich derartigen Untersuchungen ent- gegenstellten. So oft wir in früheren Perioden Versuche antreffen, auch diesen Theil der allgemeinen Erdkunde rationeller an- und auf- zufassen, ebenso oft werden dieselben durch die Sucht naturphiloso- phischen Schematisirens vereitelt. Der sonst so kritische Eratosthenes schadete der richtigen Erkenntniss ungemein durch das von ihm aus- geklügelte Diaphragma, welches als kontinuirliche, von den Säulen des Herkules bis zum fernsten Scythenlande zu verfolgende Boden- schwellung die y7j otxovnevn in eine Nord- und Südhälfte zerlegen sollte [1] und diese seine imaginäre Eigenschaft, zum entschiedensten Schaden der Länderkunde, bis tief in’s XVII. Jahrhundert hinein bewahrte [2]. In eine andere Kategorie montanistischer Phantasmen gehört der in der Kirchenväterzeit viel besprochene „Judenwall“, der Iran gegen Turan abgrenzen sollte [3]. Auch von den Arabern, unter denen Albiruni und Demitscki einige Neigung zur Zusammenstellung der Gebirgs- züge nach gewissem Systeme an den Tag legten, kann Peschel im Allgemeinen nur konstatiren, dass sie sich wenig um die vertikale Gliederung der Erdoberfläche gekümmert hätten [4]. Etwas besser, meint derselbe Autor [5], habe es bei den Scholastikern ausgesehen; wenigstens deuten die Angaben Odorico’s und Ruysbroek’s über die Gebirge von Hocharmenien und Centralasien auf richtigen Beob- achtungssinn hin. Die Gebirgskunde litt damals und noch lange an dem . Uebelstande, dass man sich fast ausschliesslich für die höchsten Gipfel interessirte, welche doch in keiner Weise bestimmend auf den Allgemeincharakter eines Gebirges einwirken können*). Aus diesem Grunde hatte auch die physische Geographie als solche nicht eben besonderen Vortheil von den raschen Fortschritten der Höhenmessung und von den Erweiterungen des geographischen Horizontes in Süd- amerika und im Himälaya, durch welche der Montblanc die ihm bisher beigelegte Eigenschaft einbüsste, die höchste Erhebung der Erde zu sein. *) Nach der didaktischen und anthropogeographischen Seite hin wird dieser Gedanke von E. Richter drastisch, aber zutreffend, weiter ausgeführt [6]: „Ein Pass im Gebirge ist wichtiger für den Menschen, als alle Gipfel.“ u OR RE RR N PR REED PR RTL RE REN ” - TAB Be ER RM ne “ [% - ’ ar, Ar, x P a 516 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts beginnt ein Umschwung zum Besseren sich anzubahnen. Die ein neues Programm der „geo- graphie physique“ aufstellende Abhandlung von Buache [7] ist, wie wir schon mehrfach hervorheben mussten, nicht frei von nachtheiligen Absonderlichkeiten, allein für die schärfere Charakteristik der geo- graphischen und zumal der geoplastischen Begriffe ist doch durch sie vieles geleistet worden; ihr sind die Definitionen des wasserscheidenden Gebirgszuges und des Plateaulandes zu danken [8]. Gleich bei Kant begegnen wir Eintheilungen, die auf Buache’s Einfluss hinweisen; „bei der natürlichen Anlage des festen Landes sind drei Stücke vornäm- lich zu merken: 1. die Landrücken, 2. die Bassins*) und 3. die Platte- formen“ [9]. Allein es waren eben erst Anfänge; die geographische Spekulation begnügte sich nicht mit solch’ ernsten, aber anspruchs- losen Keimen, sondern suchte gleich mit Einem Schlage alle Probleme zu lösen, wie denn F. Schultz [10] ein Schema des europäischen Gebirgssystemes lediglich auf die hydrographische Karte des Erdtheiles begründen wollte. Es war A. v. Humboldt, der, was wir ihm schon im ersten Bande (S. 21) zum unvergänglichen Verdienste anrechneten, die Ge- birgskunde zuerst rein deskriptiv und onomatologisch auf eigene Füsse zu stellen begann, denn deutlich hatte sich ihm die Erkenntniss auf- gedrängt, dass die physikalische Lehre von den bei der Gebirgsbildung thätigen Kräften erst nach Erledigung jener Vorfragen betrieben wer- den könne*).. Humboldt’s Leistungen auf diesem Gebiete hat mit Meisterhand Peschel, für den ja Studien dieser Art etwas besonders Anziehendes hatten, gezeichnet [15]; der erste Band der „Kleinen Schriften® enthält das thatsächliche Material, doch sind bezügliche Angaben auch in anderen Humboldt’schen Schriften zu finden. Jene längs der Longitudinalaxe eines Gebirgszuges gemachten Vertikal- durchschnitte, auf welche Pasumot (Band I, S. 292) die Aufmerk- samkeit der zeichnenden Geographen zuerst hingelenkt hatte, boten auch für Humboldt den Ausgangspunkt. Indem er die bisher fast ausschliesslich gemessenen und untersuchten Gipfelhöhen nur als ein einzelnes Element, Pass- und Kammhöhen aber als gleichberechtigte orographische Elemente aufzufassen lehrte, gewann er zugleich die Mittel, mit Hülfe von relativ wenigen Zahlenwerthen ein für den Kenner vollkommen anschauliches Bild von dem individualistischen Gepräge eines Gebirgssystemes entwerfen zu können**). Wir verweilen bei *) Die Arbeiten von Desmarest [11], Otto [12], J. C. Zimmermann [13] mussten zeigen, wie nothwendig eine solche bisher mangelnde Grundlage sei. Ihnen allen gemeinsam war nach H. Berghaus das — freilich unbewusste — Bestreben, „an die Stelle der wirklich beobachteten Erscheinungen die Gebilde einer irregeleiteten Einbildungskraft zu setzen“ [14]. **) „Noch jetzt müssen wir staunen, dass es Humboldt dadurch gelang, das Physiognomische einer Gebirgserhebung auf einfache Zahlenausdrücke zurück- zuführen; denn wenn die Kammhöhe der Pyrenäen noch um 300 Fuss die Kamm- höhe der Alpen überragen kann, während doch der höchste Gipfel der letzteren fast um die Hälfte noch höher ist, als der Pic Nethau, so spiegeln sich in solchen Ziffern die Grundzüge beider Gebirge deutlich ab, denn die Pyrenäen werden wir uns mit mauerartigen Umrissen ohne hochstrebende Gipfel oder tiefe Lücken, die Alpen im Gegentheil aufgeschlossen von bequemen Pässen und verherrlicht durch kühne Bergformen vorstellen müssen“ [16]. E ; £ 5 £ H, $. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffe. Bar, Humboldt’s Terminologie in dieser Einleitung deshalb nicht länger, weil dieselbe heute zu den gesicherten Besitzthümern unserer Wissen- schaft gehört, und erwähnen nur noch, dass diese Seite der Thätigkeit des grossen Naturforschers mit seinen uns bereits bekannten Bemühun- sen um die mittlere Höhe der Kontinente in allerengster Beziehung steht. Humboldt hatte die Freude, zu sehen, dass der von ihm aus- gestreute Same auf guten Boden fiel. Früh im neuen Jahrhundert erschien das achtbare Werk [17] Ebel’s, eines genauen Kenners der Alpen, und in ihm ist manch’ richtiger Satz formulirt, darunter einer, der uns demnächst in allgemeiner Fassung wieder begegnen wird. Die erste Systematik der Reliefformen des Festlandes lieferte (vgl. S.338 dieses Bandes) Börsch in Marburg [18]. Hier werden „Hochland“ und „Niederung“, „wesentliche* und „unwesentliche* Gebirgstheile scharf seschieden; was Rücken-Abfall, Fuss, Joch, Mulde, Platte, Pass ist, wird zu definiren versucht; schliesslich liefert der Verfasser eine Klassifikation der Gebirge nach Längenausdehnung, Durchschnittshöhe, Gestalt, Zusammenhang und Pflanzenbedeckung. Als geographischen Faktor brachte die Gebirge Carl Ritter zu ihrer Ehre; genaue morphographische Schilderung derselben ist ihm Herzenssache, und oft erheben sich seine berühmten „Vergleiche® zwischen verschiedenen Gebirgsländern zu hohem, wo nicht allzugenialem Schwunge, wie uns z. B. die von ihm zwischen Südamerika und dem indischen Dekhan gezogene Parallele [19] beweisen kann. $. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffee In A. v. Hum- boldt’s Fussstapfen trat mit Geschick und Takt ein der auf allen Gebieten der wissenschaftlichen Erdkunde gleich bewanderte öster- reichische Offizier Sonklar v. Jnnstädten, den gerade während der Niederschrift dieser Zeilen ein allzu früher Tod von seinem gesegneten Arbeitsfelde abrief. Er begann, einzelne Gebirgsgruppen in seinen geliebten Alpen als Individuen herauszugreifen und als Individuen zu schildern, und indem er so seine trefflichen Monographieen einer An- zahl besonders hervortretender Bergsysteme erscheinen liess [20], gewann er allmählig jene Anschauungen, auf die er ein streng wissen- schaftliches Lehrbuch der von ihm als Orographie scharf umschrie- benen Disciplin zu begründen sich befähigt fühlte [21]*).. Was wir im Folgenden geben, ist wesentlich nur ein Auszug aus diesem mustergültigen Werke, welches sich seine autoritative Stellung innerhalb des von Humboldt mit dem Namen stereometrische Geognosie gekennzeichneten Bereiches wohl für ferne Zukunft bewahren wird, wogegen allerdings nicht geleugnet werden kann, dass die dynamisch- geologischen Ansichten v. Sonklar’s — seine Orogenie — von Einseitigkeit nicht freizusprechen ist und deshalb nicht mit gleich *) Wir bemerken hier gleich, dass v. Sonklar mehrere Nachfolger gefunden hat, welche bei Anwendung seiner Methoden dieselben im Einzelnen noch ver- bessert haben. Hierher rechnen wir v. Barth und Pfaundler [22] und vorzüg- lich Waltenberger, dessen Arbeiten [23] allerorts die Hand des gründlich geschulten Geodäten bekunden. Allein auch harmlose kleine Gebirgsschilderungen, wie sie die touristischen Journale bringen, lassen mehr und mehr das Eindringen des durch v. Sonklar geweckten und gepflegten Sinnes für Exaktheit in weitere Kreise erkennen. ik gutem Gewissen in einem Werke, wie dem vorliegenden, als Basis der Darstellung gewählt werden könnte *). Nach kurzer Erwähnung des uns von früher bekannten Unter- schiedes zwischen absoluten und relativen Höhen und nach Auf- zählung der für einige Gipfel gemessenen Höhen — der Gaurisankar wird wohl die ihm hier noch zugewiesene erste Stelle nach den neueren Forschungen der englischen Topographen gewissen Spitzen des tibe- tanischen Himälaya abtreten müssen [25] — scheidet v. Sonklar [26] die Erdfeste in ebenes Land (Ebene) und bergiges Land (Berg- land). Je nach der Entfernung vom Meeresspiegel unterscheidet man Tief- und Hochebenen, ohne natürlich zwischen beiden eine ganz feste Grenze ziehen zu können. Verbreitet sich eine Tiefebene über einen ansehnlichen Theil der Erdoberfläche, so nennt man sie Tief- land (sarmatisches, sibirisches, turanisches Tiefland). Die wichtigsten Tiefländer sind tabellarisch zusammengestellt die folgenden: Europa. Asien. Amerika. Afrika. | TE | Sarmatisches Sibirisches. | Arktisches. Tiefländer am Nil. (zwischen Weichsel Turanisches. | Savannen des Tiefländer am und Ural). Indisches. Mississippi. Senegal. Germanisch-hollän- | Kirghisen-Steppe. Atlantisches. disches. Syrisch-arabisches. |Salvas desMaranhon. Französisches. Chinesisches. Pampas am La Plata. Neuholland. Englisches. Hinterindische Tier-| Küstenebene’ der Eee Halbinseln Kanin länder. Westküste. und Kola. Dsungarische Tief- Llanos am Orinoko. Ausgedehnte Kom- Niederungarisches. länder. Tiefland am Magda-| plexe im Inneren. - lenenstrom. Tiefland vonGuyana. Selbstverständlich ist dieses Schema kein abgeschlossenes, vielmehr scheint die neuere afrikanische Forschung mancherlei Bereicherung desselben in Aussicht zu stellen. Kleinere, wenn auch langgestreckte Hügelreihen, wie die englischen „Downs“, nehmen einer Gegend den Charakter eines Tieflandes nicht. Will man jedoch auch ihnen ihr Recht angedeihen lassen, so bezeichnet man sie selbst als Landrücken oder Bodenschwellen (Fläming an der Elbe) und das von ihnen durchsetzte Tiefland speziell als Flachland [27]. Als Hochebene schlägt v. Sonklar vor jede Ebene zu bezeichnen, wenn sie an sich schon 180 m sich über das Meer erhebt oder, wenn sie als Fortsetzung einer Tiefebene erscheint, von einer Seehöhe von 360m ab. Wir bemerken, dass wir hier bereits die Fussmaasse durch *) Näher spricht sich über diese Schwäche der Sonklar’schen Arbeits- methode der im Uebrigen selbstverständlich nur anerkennende Nekrolog aus, welcher dem Verstorbenen von Partsch gewidmet ward [24]. Es wird ein- geräumt, dass die Betonung des rein morphographischen Elementes in den beiden ersten Abschnitten des Lehrbuches eine durchaus gerechtfertigte war, dass jenem dagegen in der rein geologischen dritten Abtheilung ebenfalls der Ehrenplatz eingeräumt wird, glaubt der Biograph tadeln zu müssen. IS I & x IL, $. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffe. 519 möglichst angenäherte und doch runde Zahlen im Metermaasse ersetzt haben. Macht die Hochebene den höchsten Theil eines Gebirgsstockes aus, so nennen wir sie Plateau oder Platte, im anderen Falle Terrasse oder Gebirgsstufe. Wachsen die Horizontaldimensionen, so stehen sich Tafelland und Terrassenland gegenüber. Anahuac z. B. ist ein Tafelland; einem solchen können natürlich auch, wie es im Dekhan und in Arabien zu sehen ist, isolirte Berge oder Berg- ketten aufgesetzt sein. Europa besitzt keine 'Tafelländer im eigent- lichen Sinne, ihr sozusagen klassisches Land ist Afrika mit der Sahara, mit dem Tafellande der Mandingo’s zwischen Senegambien und dem Sudän und mit der Kalahari-Wüste, wogegen dem Lande Abessynien der Charakter eines Tafellandes nicht wohl beigelegt werden zu können scheint*). Terrassenländer sind nichts weniger als selten: in Europa rechnen wir hierher die kastilische Ebene, den nördlichen Abfall der Pyrenäen, die Causse’s westlich der Cevennen, die schwäbische, frän- kische, thüringische, oberpfälzische Hochebene, das österreichische und steyrische Hügelland und die skandinavische Seenterrasse, in Asien Ostturkestan mit der angrenzenden Mongolei, den Abhang des Altai, Birma und Laos, in Afrika die Nordseite des Atlasgebirges, Habesch (?), Sennaar, Senegambien, Oberguinea, Kapland und den ganzen Sudän, in Amerika die Prairieenterrasse östlich von den Felsengebirgen, die Alleshanies, das Stufenland von Mendoza in Argentinien, endlich Pata- gonien, wo acht getrennte Stufenabsätze zu unterscheiden sein sollen. Der Uebergang vom höheren zum tieferen Niveau ist häufig durch ein stelles Randgebirge vermittelt. Hiemit sind die wesentlich nur nach zwei Raumabmessungen ausgedehnten Oberflächenformen erschöpft**). Wenn wir jetzt auch *) Von einem englischen Militär, der die Expedition nach Magdala mitmachte, wird der bezeichnende Ausspruch berichtet: Wenn diess Land eine Tafel ist, so ist es doch nur eine, welche ihre sämmtlichen Beine nach oben kehrt. **) In v. Sonklar’s Aufzählung der Ebenenformen vermissen wir hier die bestimmte Heraushebung der Depression, einer unter dem Meeresspiegel gelegenen Inlandebene; da, wo sie später erscheint, gehört sie weniger hin. Die Physik der Erde hat von je auf zwei dieser Depressionen ein wachsames Auge gerichtet gehabt, auf diejenige der Sahara und auf diejenige des todten Meeres. Auf erstere bezieht sich das grossartige Projekt Roudaire’s, ein afrikanisches Binnenmeer herzustellen; seine Denkschrift [28] beschäftigt sich in erstem Theile mit dem historischen Nachweise, dass noch im Alterthum die algerisch-tunesischen Schott’s mit dem Mittelmeere eine Verbindung gehabt hätten, alsdann sucht dieselbe die Entstehung eines Isthmus zwischen beiden zu begründen, wobei in etwas eigenthümlicher Weise auf die allerdings im Golfe von Gabes ungewöhnlich stark hervortretenden Gezeiten ($. 384 dieses Bandes) Bezug genommen wird, und zuletzt werden praktische Vorschläge zur Durchgrabung dieses Isthmus gemacht. Allein gerade die grossen nationalökonomischen Vorzüge des Roudaire’schen Projektes [29] werden von Martins, Desor und Cosson geleugnet, und es wird die meteorologisch wohl begründete Vermuthung ausgesprochen, dass ein algerisches Inlandmeer die Dattelkultur eher hemmen als fördern möchte [30]. Uebrigens ist auch der Abschluss der Salzsümpfe wohl nicht auf blosse Ver- sandung, sondern auch auf eine langsame Landhebung zurückzuführen. Ein anderes Depressionsgebiet wollte Rohlfs in der libyschen Wüste entdeckt haben, er empfahl deswegen das Mittelmeer mittelst eines an der Rassemquelle beginnenden Durchstiches in die — nach Aneroidmessungen — stellenweise mehr denn 100 m unter das Meeresniveau sich hinabsenkende Mulde zu leiten. Allein Zenker wies [31] das Illusorische dieses Planes nach, und in der That haben auch die Forschungen v. Zittel’s keinen geologischen Anhaltspunkt nach dieser Richtung 520 Achte Abtheilung. Das Bestand Br ee ea die dritte Dimension mit berücksichtigen, ergeben sich für die Definition Anstände, bei deren Ueberwindung eine gewisse Schwierigkeit nicht umgangen werden kann. „Unter einem Hügel oder Berg ver- stehen wir — mit v. Sonklar — eine wenig ausgedehnte, schwach oder auch gar nicht gegliederte Reliefform, die sich entweder durch isolirte Stellung oder durch mehr oder minder tief einschneidende Kammsättel sammt den beiderseitigen Kammhängen als eine physisch individualisirte Bodenmasse darstellt.“ Als Marke zwischen Berg und Hügel will unser Gewährsmann wiederum die Horizontalebene von 180 m Niveaudistanz betrachtet wissen. An sich einleuchtend sind die Worte Hügelkette, Bergkette, Hügelgruppe, Berggruppe. Viele näher beisammen liegende Gruppen und Ketten erfüllen ein Hügelland und ein Gebirgsland; das Wesen des letzteren ist darin zu suchen, dass sich die Höhenverhältnisse benachbarter Punkte rasch und energisch ändern. Das Gebirge selbst ist ein gegliederter Komplex von ungegliederten Massirungen (Bergen) und von verhältnissmässig bedeutender Horizontalerstreckung. Die einzelnen Glieder müssen unter sich in erkennbarer Verbindung stehen, der Ursprung der Theile muss geodynamisch auf eine gleiche Ursache hinweisen. Jedes Gebirge muss eine wasserscheidende Höhen- linie in sich aufgenommen haben. Mehrere nahe oder sonst geometrisch zusammenhängende Gebirge fasst man zusammen zu einer höheren Einheit, zu einem Gebirgssystem. Die wichtigsten Gebirgssysteme werden nachstehend in Bezug auf ihre Longitudinalerstreckung ver- glichen. Es verhalten sich nämlich Südam. Cordilleren : Nordam. Cor- dilleren : Ural : Thian-Schan : Nanling : Himälaya : Küen-Lün (mit Kul- kun) : Skandinav. Kette: Ost-Ghats (Indien): Jünling : Alburs - System (Persien) : Karpathen (inclus. „kleine*) : Peling : Vinchya (Indien) :West- Ghats: Alpen : Apenninen wie die Zahlen 110 :80:53:49: 40:38 :35:32:30:25:23:22:20:20:18:15:14. Die Scheidelinie zwi- schen zwei nahe an einander heranreichenden Systemen lässt sich häufig erst bei sehr genauem Zusehen an dem veränderten Streichen der Ketten, sowie an plastischen und geognostischen Momenten er- kennen. So ist z. B. die Grenze zwischen Seealpen und Apennin die Bocchetta bei Genua. Scheidet man innerhalb eines Systems wieder einzelne besonders zusammengehörige Bestandtheile aus, so erhält man die Gebirgsgruppe (Wettersteingruppe mit Zugspitz, Karwändelgruppe). . Unter den Hügeln des Tieflandes besteht im Allgemeinen so gut wie gar keine physiognomische Verschiedenheit; höchstens spricht hin ergeben, indem die Ammons-Oase höchstens mit dem rothen Meere kor- respondirt haben könnte [32]. So besteht denn auf diese Weise keine Hoffnung, der Wüste Terrain abgewinnen zu können, und auch die Bewässerung der Schott’s wird im Stadium der Pläne verbleiben, da die vorläufigen Nivellements die französische Nationalversammlung eher von der Kostenbewilligung abschreckten, und da zudem nach dem Tode Roudaire’s und seines Gönners Chanzy die eigentliche Triebkraft fehlen dürfte. — Die Geologie des todten Meeres ist von Ö. Schneider eifrig erforscht worden [33]. Die tiefe und lange Längsspalte — denn bereits oberhalb des Huleh-See’s beginnt das Thal des Jordan unter den Horizont des mittelländischen Meeres hinabzutreten — scheint nicht, wie Russegger meinte, das Resultat einer einmaligen vulkanischen Kraftäusserung zu sein, sondern nach Lartet auf kontinuirliche, durch Erdbeben vielleicht beschleunigte, Zusammen- brüche jener Kreideschichten , "welche für Palästina charakteristisch sind , zurück- geführt werden zu müssen [34]. U, $. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffe. 521 man bei’m Vorhandensein von sanften Böschungen und flachmuldigen Zwischenräumen von Boden- oder Terrainwellen. Eine um so grössere Formen-Mannigfaltigkeit bekunden die eigentlichen Berge. Unsere Fig. 97 repräsentirt nach v. Sonklar’s Mustern [35] eine Reihe aus- Fig. 97. sesprochener Typen, zu deren konciser Onomatologie die Dialekte des Hochgebirges werthvolles Material liefern. a ist die Spitze (Pie, Piz im Ladinischen, wie z. B. Ortler und Adamello sie besitzen), b die schiefe Spitze, z. B des Wiesbachhornes*), ce das Horn (Glockner, Venediger, Dent du midi), d die Kuppe (Kogel, Kopf, Kofel im Bereiche des deutschen Dolomitterritoriums), wie sie am Oetscher und Pyrgas vor- kommt, e der Dom oder die Kuppel (Belchen, Similaun, Riesen- koppe, Kasbek, besonders ausgesprochen am Wendelstein), f der kärthnerische Nock, & der Thurm (Floitenthurm, Matterhorn), h der Tafelberg (Berg bei der Kapstadt, Raxalpe bei Wien), i das Krummhorn (Wildgall im Antholzer Thal, Kriwan in der Tatra, Glockerin, Schafberg), k der die Vorlandformen auszeichnende Berg- buckel, | die Schneide**), m und n Giebelspitze und Giebelhorn (Cima di Brenta), o Doppelspitz, p Doppelhorn (Wazmann), q Schultergipfel, r Stock (z. B. 'der des Monterosa), das Verbin- dungsglied zwischen Einzelberg und Gebirgsgruppe. Am Berge selbst bethätigt sich unsere Terminologie in folgender Weise [36]. Der eigentliche Bergkörper wird Rumpf genannt, die ihn einschliessenden Flächen sind die Gehänge. Ist ein Gehänge eben und nicht allzu steil, so heisst es Lehne, Hang, Fluh, ein kantiger, schroff abfallender Theil des Gehänges wird als Rippe, eine *) Aus dem oben eitirten Aufsatze von Diener muss man schliessen, dass überhängende Bergformen dem Himälaya im überwältigendsten Maasse eigen sind. **) Vorliegenden Abbildungen zufolge scheint der hellenische Parnass das Muster einer solchen Bergschneide abzugeben. 522 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Br schmale Wasserrinne als Siefe und Riss („ravin“) bezeichnet. Mulden sind breite, schalenförmige Vertiefungen, Runsen tief in das Bergmassiv eingegrabene Falten, die auch, namentlich, wenn sie mit Geröll erfüllt sind, den Namen Tobel führen. Sehr steile Partieen bilden einen Absturz („precipice*), Absturzwände heissen in Tyrol Schrofen*). Unter Bergfuss versteht man die freilich nicht immer zusammenhängend hergestellte Verbindungslinie aller Punkte von der relativen Höhe Null, ein vorspringender Bergtheil wird als Zehe, Schleppe, Sporn, Nase (8.323 dieses Bandes) charakterisirt. Sekun- däre Formen der Berghänge sind [37] die Sturzkegel, Trümmer- halden, Schutt- und Schwemmkegel, auf deren Entstehung ein- zugehen hier noch nicht der Ort ist. Sturzhalden („nappes d’&coule- ment“, im höheren Gebirge als Schuttkaare bekannt) haben meist eine starke Neigung gegen den Horizont, mitunter gerade die dem Reibungswinkel entsprechende**), wo dann, wie der Nordpolfahrer Kane öfter zu konstatiren Gelegenheit hatte, die leiseste Berührung ausreicht, um starke Rutschungen herbeizuführen. Die Schuttkegel sind eben nicht sehr gross, doch hat z. B. der aus der Diluvialzeit (S. 6 des vorigen Kapitels) stammende Kegel von Wiener-Neustadi einen Umfang von 10 Stunden mit einem Maximalgefälle von 35 ° [38]; auch Innsbruck ist auf einem so gigantischen Schuttkegel erbaut [39]. Der meist synonym gebrauchte Ausdruck Muhre bedeutet, wie sich in dem den Ueberschwemmungen gewidmeten Abschnitte ergeben wird, doch eigentlich etwas anderes ***). *) Ungefähr — denn die Scheidung ist immer mehr oder weniger eine willkürliche — bestehen für die Neigungswinkel der einzelnen Kategorieen nach- stehende Grenzwerthe: Lehne: > 0° < 15°; Hang 15° < 25°; Absturz 2 25° <45°; Wand Z 45° 90%. **) Wir erinnern zum Verständnisse dieser Angabe an einen bekannten Satz der Statik. Ist f der sogenannte Reibungskoefficient, so wird ein auf einer schiefen Ebene von der Neigung «a. befindlicher Körper, dessen Gewicht Q ist, von einer Kraft = Q sin «a — fQ) cos a abwärts getrieben. Für Q sin u; — fQ cos «; —=0 ist somit f= tg o,; dieser Winkel o, = arc tg f wird gewöhnlich als Reibungs- winkel definirt. *#**) Wichtige mathematische und sowohl für die praktische Hydraulik, wie für die darstellende Erdkunde verwerthbare Untersuchungen über Steilheit der Gehänge verdankt man Boussinesq [40]. Wir sehen hier noch davon ab, dass durch dieselben eine Art mathematischen Maasses für die Erosionskraft strömender Gewässer geschaffen wird, und beschränken uns auf die thatsächlichen Fest- setzungen über ausgezeichnete Terrainlinien. Hier begegnen wir zunächst dem Thalweg, längs dessen eine Wassermasse die kürzeste Verbindung ihres augenblicklichen Ortes mit der Horizontalebene herstellt, und für den auffallender- weise die französische Sprache kein besonderes Kunstwort zu bilden verstanden hat („Aux points ou la declivit€ du sol est considerable, le poids m&me des materiaux tend & les detacher et facilite leur entrainement, surtout lorsque quel- ques-unes de leurs couches sont, ou rendues glaissantes, ou d&elay6es et emportees par les eaux d’infiltration qui affluent dans le thalweg“),. Man kann mit Boussinesq sagen [41]: Alle auf den beiden Wänden eines Thales zu kon- struirenden Linien stärksten Falles („lignes de plus grande pente“) haben den Thalweg zur Asymptote. Mit dem Worte Bassin wird der geometrische Ort aller Linien stärksten Falles bezeichnet. Camille Jordan’s Definition des Thal- weges, die er in einer geometrisch höchst inhaltsreichen Abhandlung gab [42], wird von Boussinesq mit Recht deshalb bestritten, weil sie eine von der Natur nicht nothwendig geforderte lokale Einsenkung des Bassinrandes voraussetzt [43]. Jene Linie, von welcher die Kurven grösster Neigung einer Thalwand beidseitig = F i . B ID, $S. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffe. 523 Eine Reihe enge verbundener Berge heisst Gebirgsrücken oder Gebirgskamm; jene Linie, welche das Gebirge, von ferne gesehen, gegen das Firmament abgrenzt und welche im Allgemeinen auch die Schei- dung der meteorischen Gewässer besorgt, ist die Kammlinie. Der tiefste Punkt eines gegen das Erdinnere konvexen Astes der Kamm- linie gilt als Einsattelung oder Sattel, im hohen Alpengebirge als Joch, als tiefer und enger Riss wird er Scharte, wenn zum Begehen praktikabel, Pass genannt. Das schweizerische Wort Scheidegg hat einen analogen Sinn. Addirt man — diess ist ein von Humboldt (s. o. $. 1) ausgehender Vorschlag — die Höhen der m kulminirenden Gipfel und der n Einsattelungen eines Rückens und dividirt in die er- haltene Summe mit der Zahl (mn), so hat man die mittlere Kammhöhe erhalten [47] (s.u.). Was die Morphographie der Kämme anlangt, so unterscheidet man Rücken im engeren Sinne und Grat, welch’ letzterer sonach, wenn die Fläche des Rückens durch eine Glei- chung darstellbar wäre, eine lineare Diskontinuität der letzteren dar- stellen würde. Läuft zu beiden Seiten der Kammlinie je eine Berg- terrasse her, so hat man einen Rampenkamm, wenn der Grat in Zinken und Felsthürme zerrissen ist, so spricht man von einem Säge- srat. Bergterrassen der bezeichneten Art heissen in Tyrol und nament- lich im Unterinnthal, nicht aber auch im Erzgebirge, wo ein homo- nymer Ausdruck vorkommt, Mittelgebirge. Wenn n die mittlere Kammhöhe, m die kürzeste Entfernung eines von der Kammlinie auf die Horizontalebene gefällten Lothes vom Fusse des Berges bedeutet, so ist (vel. Band I, S. 288 ern mittlere Neigsungs- S , en 5 8 winkel der Kammgehänge. Was die Termini mittlere Gipfel- höhe, mittlere Sattelhöhe, mittlere Schartung bedeuten, ist nunmehr leicht einzusehen; die für benachbarte Gebirge bestimmten numerischen Werthe dieser Längen weisen oft überraschende Unter- schiede auf [48]. Die Sonklar’sche Eintheilung der Gebirge in Nieder-, Mittel-, Alpen- und Hochgebirge hat, soweit wir sehen können, wenig Anklang finden können und in der That stützt sie sich auf allzu äusserliche Merkmale. Wichtig und anerkannt ist dagegen sein System der Ge- birgsgliederung |49]. Die Gliederung kann eine sechsfache sein, wenn man von den Vor- und Widerlagen eines Hauptkammes als sekundären Erscheinungen Abstand nimmt. Diese sechs Modalitäten sind die folgenden: a) Lineare Gliederung. Beispiele: ungarischer Vihorlat, deut- scher Jura. b) Parallele Gliederung. Beispiele: Schweizer und französischer Jura, nördliche Kalkalpen, Sudeten. c) Transversale Gliederung. Vom höheren inneren Kamme laufen, wie die Rippen von der Wirbelsäule, Neben- oder Seitenkämme ausgehen, heisst First („faite*); die Firste sind die Arterien, die Thalwege die Venen des Gebirgs-Organismus [44]. Zuletzt giebt unser Autor noch die Be- dingungen an, nach welchen sich die Linien grösster und geringster Steil- heit richten müssen [45]; die Aufgabe führt auf Differentialgleichungen der zweiten Ordnung. — Hübsche Uebungsbeispiele für die Lösung ähnlicher Aufgaben gab Quidde [46]. 4 EISEN, \ ERTES TE RT KA x & 524 Achte rentete Das Festland mit seiner Süsswasserhedeckung Wi, r aus, deren Anschlusspunkte die Gebirgsknoten a Beispiele: centrale Alpen, Kaukasus, Waldkarpathen. d) Diagonale oder divergente Gliederung; gabelförmige Spaltung des Hauptkammes. Beispiele: südlicher Ural, Abruzzen. e) Radiale Gliederung. Das Gebirge der ‚Auvergne sendet 13, das Vogelsgebirge 12, der Schwarzwald in seinem südlichen Theile 7 bis 8, der Oetzthaler Stock (von der Weisskugel an) 12 Fächer- ketten aus. Ein Berg, wie die genannte Weisskugel, kann füglich Radialknoten heissen. f) Stockförmige Gliederung; in vulkanischen Gebirgen nicht selten. Geradezu typisch ist die Form für die alpinen Kalkgebirge des Salz- burger- und Steyrerlandes, wie Tännengebirge, Höllengebirge, todtes Gebirge, Dachstein, Grimming u. a. darthun. v. Sonklar hält vier Höhenregionen auseinander [50], nämlich von unten nach oben zu die Basisregion, die Waldregion, die Region der Alpenweiden und endlich diejenige der unwirthlichen Felsen und des ewigen Schnee’s. Schon älteren Datums ist die Scheidung der Gebirge in Massen- und in Kettengebirge, je nachdem eine der beiden Horizontaldimensionen nicht oder besonders stark vorwiegt. Mit Humboldt, und dessen Angaben nur verschärfend und vertiefend, verlangt unsere Quelle [51], dass die Beschreibung eines Gebirges Auskunft gebe über fünf Hauptrichtungslinien. a) Longitudinalaxe; bei den Mittel- und Ostalpen eine die Städte Lyon und Waitzen (in Ungarn) verbindende Gerade. b) Kammlinie; nach den obigen Bestimmungen zu definiren als geometrischer Ort der Punkte grösster Höhe eines jeden Querprofiles. c) Streichungslinie der Schichten; die „geognostische“ Gebirgsaxe*). *”) An diesen Winkel der Längsrichtung mit dem Meridian knüpfte bekannt- lich A. v. Humboldt’s und Elie de Beaumont’s „Geognosie d’alignement“ an, das neben manch’ guten Erfolgen doch auch viel Irrthümliches zu Tage förderte. Ersterer hatte sich in dieser Hinsicht, ganz gegen seine Gewohnheit, ein natur- philosophisches Schema zurechtgemacht, von welchem er selbst in einem Briefe A. Werner folgende Nachricht giebt [52]: „Ich werde beweisen, dass das Streichen und Fallen der Gebirge sich nicht auf Richtung und Abfall der Gebirge, sondern auf etwas weit Grösseres bezieht, dass alle umfänglichen Gebirge in der grossen europäischen Gebirgskette das Hauptstreichen R. 3—4 und Fallen gegen Mitter- nacht und Abend, alle Flötzgebirge dasselbe Streichen und Fallen gegen Mittag und Morgen haben.“ In einer Abhandlung von Krümmel [53] wird der Ver- such gemacht, auf Grund geschichtlicher Prüfung den gesunden Kern jener formalistischen Theorieen herauszuschälen. Er hält dafür, dass in den Erhebungs- linien allerdings kein Parallelismus, wohl aber ein gewisser Loxodromismus zu erkennen sei, und unterscheidet namentlich auf der pyrenäischen Halbinsel ein charakteristisches Netz geradliniger Systeme (asturisches, kastilisches, iberi- sches, granadinisches oder atlantisches System). Für Amerika sei das Antillensystem demjenigen der Anden und Felsengebirge ebenbürtig [54]. Auch Kjerulf glaubt aus dem Gebirgssysteme Norwegens vier bestimmt vortretende Spaltensysteme fixiren zu können [55]. und im ersten Bande des grossen China- Werkes v. Richthofen’s werden sechs Systeme unterschieden (dasjenige des Küen-Lün, des Himälaya, des Thian-Schan, des Altai, das sinische und das hinterindische). Der Min-schan und der östliche Küen-Lün einerseits und der Hsi-king-schan und Tsing-ling-schan andererseits fallen allerdings mit ihren Längs- axen fast genau in dieselbe gerade Linie. — Diesen zweifellos berechtigten Er- fahrungssätzen steht gegenüber die groteske Hypothese v. Petrino’s [56], wonach alle Gebirgszüge Südamerika’s senkrecht aus der Cordillerenkette entspringen sollen! a A ie in ,4 9 06 ven > I. S. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffe. 525 d) Linie der Wasserscheiden. Klar ausgesprochen für den ein- zelnen Gebirgskamm, ist dieselbe bei grösseren Systemen oft nur sehr schwer herauszufinden”). Zum Glücke denkt man seit Ebel (s. o. $S. 1) minder gross von der geographischen Bedeutung der Wasser- scheiden, mit deren alleiniger Hülfe eine aprioristische Konstruktion des Gebirgsbaues im Sinne von Schultz (a. a. O.) absolut unmög- lich ist. e) Grenzlinie der Gebirgsformationen; Kurven mit oft verwickelten Durchschlingungen. Nachdem v. Sonklar noch einige Gebirgs-Spezialitäten**) be- sprochen hat, wendet er sich den Hohlformen des Bodens zu, welche jetzt, nachdem Ebenen und konvexe Gebilde abgethan sind, natur- gemäss an die Reihe kommen. Diese Hohlformen können Landbecken (Strombecken, Landsenken in Hannover und Oldenburg, Fluss- seebecken,kontinentale Binnenräume)*”), sie können auch Thäler im engeren Sinne, Vertiefungen zwischen Bergen (Hügeln) sein. Was Thalhänge und Thalwände sind, folgt bereits aus dem Früheren; zwischen den Linien, welche beiderseits den Fuss der Thalwände markiren, breitet sich die Thalsohle aus. Häufig ist der Uebergang vom Thalhang zur Thalsohle nur ein sehr allmähliger, hie und da, wenn Uferterrassen vorhanden sind, ein ruckweiser, in seltenen Fällen ist die Thalsohle so eingeschrumpft, dass eben nur der dem Thale eigenthümlich zugehörende Wasserlauf in ihr Platz findetr). *) Supan nennt [57] normale Gebirge jene, in denen die höchste Kette zugleich die Wasserscheide ist, anomale jene (Himälaya). welche ihrer ganzen Breite nach von Flüssen durchbrochen werden. „Einige von den anomalen Ge- birgen, wie der Jura, die Alleghanies und vor Allem das südliche China, besitzen nach v. Richthofen’s Ausdruck einen rostförmigen Bau, welcher darin be- steht, dass die Gewässer abwechselnd den muldenförmigen Einsenkungen zwischen den Parallelketten folgen und die letzteren in kurzen Querthälern durchbrechen. In diesem Falle wandert die Wasserscheide regellos von einer Kette zur anderen und bildet eine vielfach gebrochene Zickzacklinie.“ Besonders eigen geartete Verhältnisse scheinen nach Stapff [58] die schwedisch-norwegischen Grenz-Fjelde darzubieten, wo die Zuflüsse des der Ostsee und dem Atlantik resp. tributären Mistä-Elf und Nea-Elf „fingerartig“ ineinander greifen. Dass die Wasserscheiden ihre Lage ändern hönnen (Oxus, Hoang-Ho), ist bekannt [59]. **) Vom Karst handelt das fünfte Kapitel. „Unter Steinwäldern versteht man die aus ebenem oder welligem Grunde aufragenden, mehr oder minder dicht beisammen stehenden und oft ein phantastisches Gewirre bildenden isolirten Fels- formen, Reste von Kalk- oder Sandsteinmassen“ [60]. Hierher gehören die Ditters- bacher und Adersbacher Felsen ($. 88 dieses Bandes) und das von O. Buchner [61] beschriebene Felsenmeer am Feldberg im Odenwald. Von weggewaschenen Thonlagern bleiben mitunter lange dünne Säulen übrig, die sie gegen die Wirkung der Atmosphärilien schützenden Steinblöcke auf dem Kopfe tragend. Diese Erd- pyramiden kommen nirgends schöner vor, als auf dem Bozener „Ritten“; Midgley will dergleichen auch am Hechtsee wahrgenommen haben [62]. ***) Wie oben schon erwähnt, scheinen uns so gewaltige Depressionen, wie die afrikanische Wüstenregion, doch mehr den ebenen als den Hohlformen bei- gezählt werden zu sollen. +) Diess gilt z. B. nach Pechu&l-Lösche [63] für das ganze Congo-Gebiet, dessen künftige Landstrassen ihren Weg nicht entlang den Flüssen, sondern quer über die Hügelrücken hinweg zu nehmen gezwungen sein werden. Charakteristisch erscheint uns der Mangel einer eigentlichen Thalsohle für viele Gebirge Nieder- rhätiens; für das kleine Walser-(Mittelberger-)Thal merkt Regnet [64] diese Eigenschaft besonders an. 526 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Für die gestaltlichen Verhältnisse*) der Thäler sind v. Sonklar’s Kategorieen maassgebend [65]. a) Siefen und Regenrisse; veranlasst durch unmittelbare Wirkung der meteorischen Gewässer. b) Gründe; breitere Einschnitte in ein Plateau mit sanft geneigter Sohle (Plauen’scher Grund bei Dresden). c) Mulden; wannenförmige Aushöhlungen, weiter oben im Gebirge Kaare genannt. d) Runsen und Tobel; schon oben erklärt. e) Gräben; sehr kurze Seitenthäler mit scharf abfallender Sohle (Adlitzgraben am Semmering). f) Schluchten; enge, tief eingeschnittene, geradlinig verlaufende Gebirgsöffnungen. | &) Schlünde; Schluchten von besonders ausgeprägter Steilheit und mit gewundener Sohle, besonders grossartig entwickelt in den später zu besprechenden Cannon’s Nordamerika’s. h) Thalengen; bei grösserer Länge Thalkehlen genannt. Die- selben verursachen dem sie durcheilenden Flusse Schwierigkeiten, geben zu Stauungen, Stromschnellen und Katarakten Veranlassung (Donau bei Hainburg, Inn bei Finstermünz, Drau in Oberkärnthen). Der Lauf der Donau von Passau bis Linz ist eine Thalkehle, zu diesen ist auch das Eisackthal vor Bozen (Kuntersweg) zu rechnen. Die engsten Stellen eines Thales heissen Klausen oder — in anderem als dem oben festgestellten Sinne — Pässe, richtiger Engpässe (Klausen am Inn, Scharnitz, Pass Lueg, Pass Gacht, Ehrenberger Klause). Eine besonders zerklüftete und tief eingerissene Enge wird Klamm ge- nannt”*) (Seissenberg-Klamm am Hirschbühel-Pass, Klammen der Gisela- Bahn, Unkener Klamm). i) Thalbecken; so genannt, wenn die Hänge weit zurücktreten. Thalbecken sind häufig zwischen Klammen gelegen (Thalbecken von Hofgastein, Sterzing, Terrassenfolge der Thalbecken zwischen Splügen und Thusis). Erweiterte Thalbecken mag man Thalebenen nennen, wenn nur die einschliessenden Wände noch innerhalb der Sehweite liegen (Grazer Feld, Ebene von Aussee und Cortina, wohl auch der „Boden“ von Bozen. *) Wir betonen nochmals, dass wir ausschliesslich die morphographische Seite von v. Sonklar’s Orographie, weil auf unübertroffene alpine Autopsie sich stützend, für uns adoptiren und keinerlei physikalische Reflexion mit der Ein- theilungsart der Berge und Thäler verbinden. **) Um eine Thalenge als Klamm scharf zu kennzeichnen, würden wir vor- schlagen, so zu definiren: Von einer Klamm kann erst dann die Rede sein, wenn das den Riss durchströmende Wasser eine solche Geschwindigkeit erlangt hat, dass auf dessen Oberfläche gelegte schwere Körper (Steine) nicht mehr untersinken. Die Beobachtung selbst ist im Hochgebirge alltäglich, die Erklärung leicht mit Hülfe des Satzes vom Kräfteparallelogramm zu erbringen. Es ist nämlich das Nicht-Untersinken nur ein scheinbares; die Fallbeschleunigung ist g, die Strömungs- geschwindigkeit sei v; dann bildet die — annähernd — gerade Linie, in welcher der Körper sich während der ersten Zeit bewegt, mit dem Thalweg einen Winkel F gleich arc tg °_, Wenn also v sehr gross gegen g ist, wie diess bei solch’ engen V tinnsalen der Fall ist, so ist der Winkel nicht viel von Null verschieden. Natür- lich trägt auch die Kompression des wirbelnden Wassers dazu bei, den Fall zu verlangsamen. II, $. 2. Die orographischen Fundamentalbegriffe. 527 k) Cirkus- und Kesselthäler; Thalbecken von annähernd kreisrunder Form*) Caldera auf Palma, Tejeda auf Gran Canaria, Val del Bove am Aetna, die „Cirques“ oder „Oules“ in den Pyrenäen, Cirkus von Macugnaga (am Monterosa), Cirkusse des Adamello-Stockes. l) Maare und Karstkessel; Spezialformen, die nicht rein morpho- graphisch, sondern (vgl. Band I, S. 343) nur im Hinblick auf ihre Entstehung zu behandeln sind. m) Stromthäler; von Boussinesq (a. a. O.) als annähernd cy- lindrische Hohlflächen definirt, deren tiefst gelegene Erzeugende zu- gleich die tiefste Linie des Flussbettes darstellt. Alles bisherige bezog sich auf das Querprofil des Thales, und nunmehr muss auch das Längenprofil in seinen charakteristischen Momenten zur Geltung kommen [67]. Dieses Profil wird abgeschlossen durch das dem sich quer vorlagernden Kamme angehörige Hinter- sehänge. Man spricht mehrentheils von einem Thalschluss (z. B. das landschaftlich berühmte Käferthal in den Tauern), sollte aber korrekter Thalanfang sagen. Das Thalgefälle wird ganz in der gleichen Weise bestimmt, wie der Böschungswinkel eines Gebirgszuges. Lange Thäler pflegen ein kleines und stetiges, kurze ein starkes und unregelmässiges Gefälle zu besitzen. Die Worte Thalterrasse, Thal- stufe, Thalabsatz bedürfen der Erklärung nicht**), Man unter- scheidet, wie bekannt, Haupt- und Nebenthäler [68]***). Es kann aber auch vorkommen, dass ein Thal sich in zwei vollkommen ko- ordinirte und wchl auch noch in mehr Thäler theilt oder zwieselt (Werra-Fulda, Brigach-Brege, Gabelung des Oetzthales in Vend- und Gurgl-Thal bei dem daher seinen Namen führenden Weiler Zwiesel- stein, Dreitheilung des Oberstdorfer Illerthales am Wetterschrofen, Vier- theilung des Zillerthales). Mit Bezug auf den geognostischen Charakter eines Gebirges sind die mit den Schichten parallel streichenden, meist ebenen Längsthäler und die auf der Longitudinalaxe normal stehen- den Querthäler als Gegensätze zu betrachten [70]. Längssättel und Quersättelf) stellen zwischen verschiedenen T'hälern derselben Gattung die Verbindung her; so bilden Rhöne-, Urseren- und Hinter- rheinthal fast nur eine einzige gerade Linie, deren Lücken die Sättel des Furka- und des Oberalppasses ausfüllen. Die weiteren Subdivi- sionen v. Sonklar’s lassen wir, als gar zu kleinlich, bei Seite. *) Die chilenischer Anden zeichnen sich nach Güssfeldt [66] durch eine ganz von den uns geläufigen Mustern abweichende Form der Thalbildung aus. Viele Hauptthäler heissen nämlich in der Landessprache nicht „valle“ (Thal), sondern „cajon“ (Kasten); bei geringem Gefälle führen dieselben zu einem Kessel mit steil aufragenden Wänden, die unten mit Grün bekleidet, oben mit Eis be- deckt sind. Sollte nicht der Abschluss des Schnalser-Thales in Tyrol in ver- kleinertem Formate ein Analogon darbieten ? **) Das Gasteiner Thal zerlegt sich in vier, das Oetzthal in noch mehr Ab- stufungen. ***) Etwas zu schematisch ist Tyndall’s Eintheilung [69]. Zuerst kommen die Thäler der ersten Ordnung (Rhöne- oder Rheinthal), sodann die ihrer Längs- richtung nach senkrecht auf ersteren stehenden Thäler der zweiten Ordnung; die Thäler der dritten Ordnung gehen aus denen der zweiten hervor, wie diese aus jenen der ersten Ordnung, sind also näherungsweise parallel zu den Hauptthälern, und endlich sind die Thäler der vierten Ordnung, enge Schluchten und Risse, parallel zu denjenigen der zweiten Ordnung. +) Statt dieser Bezeichnung ist wohl auch das Wort Riegel im Gebrauche. 528 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Se Tiefe Einschnitte, welche bis auf das Niveau der Gewässer herab- gehen, sind Gebirgsdurchbrüche [71]. Sie können total sein (Reuss- thal zwischen Andermatt und Flüelen) oder auch subtotal, wenn sie zwar nicht ganz so tief sind, wie die totalen, aber doch tief genug, um den Charakter von Kammsätteln zu verlieren (Durchbruch bei Zell am See). Geblendet sind sie, wenn trotz ihrem Vorhandensein der unterbrochene Gebirgskörper noch eine beträchtliche Höhe beibehält (Fernpass, Seefelder Ebene, Hirschbühel, Hallthurm-Pass zwischen Untersberg und Lattengebirge, Durchbruch der Misurina bei Höhlenstein). $. 3. Orometrie. Hierunter verstehen wir mit v. Sonklar [72] „die Ausmittelung jener allgemeinen Abmessungen der Gebirge, wo- durch dieselben nach ihren räumlichen Verhältnissen unterschieden werden.“ Indem wir einzelne schon aus $. 2 bekannte Dinge re- kapitulieren, stellen wir als nothwendige und hinreichende oro- graphische Elemente folgende auf: 1. Mittlere Gipfelhöhe, bezieht sich 2. Mittlere Sattelhöhe, auf Höhe und 3. Mittlere Schartung, Beschaffenheit 4. Mittlere Kammhöhe, der 5. Mittleren Neigungswinkel der Kammgehänge, ; Kammlinie. 6. Mittlere Höhe der Thäler, charakteristisch für 7. Mittleres Gefälle der Thäler, Tiefe und Neigungs- 8. Allgemeine Sockelhöhe des Gebirges, }verhältnisse der Thäler. 9. Allgemeine Höhe der Kämme, 10. Volumen aller Kämme und des Sockels, 11. Totalvolumen des Gebirges, 12. Höhe des massiven Plateau’s, welches durch Ausgleichung aller Kämme und Thäler entstehen würde. Die Ermittelung dieser zwölf Elemente gestattete die Begründung einer — nicht blos im üblichen, vagen Sinne — vergleichenden Orographie. Zur Erklärung diene Nachstehendes. Mittlere Gipfel- und Sattelhöhe ist, wie wir bereits wissen, das Mittel aus den absoluten Höhen sämmtlicher Gipfel und Sättel. Die Differenz zwischen beiden liefert die mittlere Schartung, deren Grösse dem pittoresken Effekte eines Gebirgszuges proportional gesetzt werden dürfte. Nimmt man von mittlerer Gipfel- und Sattelhöhe abermals das Mittel, so erhält man in der mittleren Kammhöhe das eigentliche allgemeine Höhenmaass des Kammes, also orographisch etwa dasselbe, was bei Temperaturmessungen die Mitteltemperatur ist. A. v. Hum- boldt’s Vorschlag [73], das arithmetische Mittel aus den Höhen aller Gebirgsübergänge als Maass der mittleren Kammhöhe zu nehmen, trifft nicht ganz den Kern der Sache. Will man Kammhöhe und Schartung für ein ganzes Gebirge haben, so sind die für die einzelnen Kämme erhaltenen Zahlen mit den Längen der Kämme zu multiplieiren, und in die Summe dieser Produkte ist mit der Summe der Kammlänge zu dividiren. Für die mittlere Höhe eines Thales gilt gewöhnlich die Regel, das arithmetische Mittel aus Anfangs- und Endhöhe zu nehmen. Genau ist diess Verfahren natürlich nicht, denn wenn ABCD (Fig. 98) eine Längenprofil des Thales vorstellt, und wenn y=f(x) die Glei- chung der Profilkurve ist, so muss die mittlere Höhe II, $. 4. Beziehungen zwischen Geognosie und Oroplastik. 529 - fi CD F= -— : I (z),d CD ei ( ) dx 0 gesetzt werden, und damit EF in aller Strenge gleich n (AD -+ BC) würde, müsste die Kurve AB mit einer Geraden identifieirt werden dürfen. Mittleres Thalgefälle endlich bedeutet den Winkel, der die von der Thalmündung nach dem Schlusspunkt gezogene Gerade mit der horizontalen einschliesst. Sehr verdienstlich ist v. Sonklar’s Abgrenzung des Begriffes Ge- Fig. 98. birgssockel. „Unter dem Sockel des Ge- A birges versteht man jene im Meeresniveau be- 9 ginnende prismatische Erdmasse von horizon- taler Oberfläche, auf welcher die Gebirgskämme als dreiseitige Prismen aufgebaut sind. Sie hat die horizontale Area des Gebirges zur Grund- fläche, deren Grösse mittelst der Karte be- « D stimmt werden kann. Durch die rationale Ermittelung der Sockelhöhe wird die Gebirgsmasse in zwei Körper von bekannten Dimensionen getheilt, und zwar in den Sockel einerseits und in die zu einer Summe vereinigten Gebirgskämme andererseits. Sockelhöhe ist die Summe der Produkte der mittleren Thalhöhen in die dazu ge- hörigen Thallängen, dividirt durch die Summe eben dieser Thallängen.“ Zum Schlusse noch ein Wort über Volumbestimmungen bei Ge- birgen [74]. Kubikinhalt des Sockels ist naturgemäss das Produkt aus Area und Sockelhöhe. In Fig. 99 ist A der Gebirgssokel, B der aufgesetzte Kamm, dessen Kantenlänge nach Vorschrift, wenn | eine einzelne Länge bedeutet, durch Z1 auszudrücken ist. b ist die mittlere Kammhöhe, a die Sockelhöhe, b— a=c also die relative mittlere Kamm- höhe, ® der mittlere Neigungswinkel der Kammgehänge, F die Area. Unter diesen Umständen bestehen, wenn V,, V; und V die Volumina des Sockels, der ver- einigten Kämme und des Gesammtgebirges bedeuten, die folgenden Gleichungen *®): Me tar, V,=}21.c.cotg p, Veh, S. 4.. Beziehungen zwischen Geognosie und Oroplastik. Es ist im Allgemeinen kein Zufall, wenn der Reisende in gewissen Gegenden auch ganz bestimmte Gebirgsformen antrifft, vielmehr kann als ein ganz durchgreifender Satz der folgende ausgesprochen werden: Der seognostische Aufbau eines Gebirges spiegelt sich wieder in der Physiognomik desselben“). v. Sonklar giebt einige *) Im Originale sind diese Relationen leider durch mancherlei Irrungen entstellt. - **) Eine unbewusste Ahnung von diesem Verhalten überkommt auch den gewöhnlichen Touristen, den sein Weg aus den Centralalpen mit ihren majestätisch- ruhigen Formen in die Dolomitwildniss von Ampezzo und Buchenstein führt. Günther, Geophysik. II. Band. 34 530 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner. Süsswasserbedeckung. generelle Gesichtspunkte zur Beurtheilung dieser Wechselbeziehung [75]. Krystallinische Massengesteine, Gneiss und Urschiefer bilden meist Hügel und Berge mit sanft geböschten Hängen; da wo sie von einer stärkeren Kraft zu grösserer Höhe emporgetrieben wurden, erscheinen diese Gesteine mehr in prallen, massiven Formen mit scharfkantigen Rändern. Kalkstein, Dolomit und zum Theil auch Sandstein pflegen, was mit ihrer geringeren Widerstandsfähigkeit gegen erosive Wir- kungen zusammenhängt, im Hochgebirge plateauartig ausgebreitete Massive mit wild zerklüfteter Oberfläche zu liefern. Thongebilden sind sanfte, von Felsen freie Gehänge eigen. Granit und Syenit entwickeln sich in grösserer Höhe zu einem Relief von plastischer Grossartigkeit, wie — weit mehr als die von unserer Vorlage mit aufgezählte Mont- blanegruppe — Tatra und Himälaya beweisen. Porphyr und Mela- phyr kommen gerne in Gestalt unregelmässig abfallender Plateaux vor, der Phonolith charakterisirt sich durch die sonderbare Hügelform der Hegauer Erhebungen (Hohentwiel mit Annexen. Am unab- hängigsten von irgend einer festen Regel halten sich die plutonischen Gesteine Basalt und Trachyt*). Bei geschichteten Gesteinen bestimmt selbstverständlich die Streichungsrichtung den Steilheitsgrad, wie wir aus Fig. 100 entnehmen. Wenn man monographische Schilderungen Fig. 100. “ bestimmter Oertlichkeiten vergleicht, kann man zu den vorstehenden Angaben mancherlei Belege sich sammeln. So hebt Delitsch den sanft welligen Charakter des Devons und Silurs im rheinisch-belgischen Stein- kohlengebirge hervor; ebenderselbe Autor sagt von der am Harz und am Thüringer Walde sich vornämlich bethätigenden Formation [77]: „Die Trias tritt, als ein bereits vor der Jura- und Kreidezeit der Erd- bildung gehobener Meeresboden, hauptsächlich in Plateauform auf, und die einzelnen Abtheilungen pflegen sich terrassenförmig zu gliedern.“ Sehr hübsche Beiträge zur besseren Kenntniss der uns hier beschäf- tigenden Fragen liefert ferner eine Abhandlung von Hammer [78], in welcher namentlich die als Klingen oder Einschläge bekannten Seitenthälchen morphographisch analysirt werden. Ihre Bildung ist ganz verschieden im Buntsandstein — Schwarzwald — und im Keuper — rauhe Alp. Auf geognostische Verhältnisse wird auch stets bis zu einem gewissen Grade zurückgegriffen werden müssen, wenn es sich *) Ob wohl mit Rücksicht auf diese Neigung der Steinart zu regelloser Gestaltung der Abbe Giraud-Soulavie in seiner „Histoire naturelle de la France meridionale“ den Satz leistete: „Die Bewohner basaltischer Gegenden sind schwer zu regieren, aufrührerisch, irreligiös; Basalte sind ein Beförderungsmittel zur schnellen Ausbreitung der Reformation“ [76]? Citate. ır um Eintheilung eines grösseren Gebirgssystemes in distinkte Unter- gruppen handelt*). Eine ebenfalls rein geognostische Eintheilung der Thäler in Komben und Klusen, die resp. ein synklinales und ein antiklinales Einfallen der Schichten aufweisen, sei hier nur erwähnt. Man führt dieselbe häufig in regionalen Detailbeschreibungen an**), doch wird sich im orogenetischen Theile die Nothwendigkeit anderer Bestimmungen herausstellen. [1] H. Berger, Die geographischen Fragmente des Eratosthenes, neu ge- sammelt, geordnet und besprochen, Leipzig 1880. S. 19. — [2] Peschel-Ruge, Ge- schiehte der Erdkunde bis auf A. v. Humboldt und C. Ritter, München 1877. S. 63 ff. — [3] Ibid. S. 94. — [4] Ibid. $. 148. — [5] Ibid. S. 220. — [6] E. Richter, Die historische Geographie als Unterrichtsgegenstand, Salzburg 1878. $S. 19. — [7] Buache, Essai de g&ographie physique, ol l’on propose des vues gen£rales sur l’espece de charpente du globe, composee de chaines de montagnes qui traversent les mers comme les terres, M&m. de l’acad. des sciences de Paris, Annee 1756. S.399 ff. — [8] Ibid. S. 408. — [9] J. Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. v. F. W. Schubert, Leipzig 1839. 8. 523. — [10] F. Schultz, Ueber den allgemeinen Zusammenhang der Höhen, Weimar 1803. — [11] Desmarest, Artikel „Geographie physique“ der Gr. Encyklopädie. — [12] Otto, Vermischte Beiträge zur physikalischen Erdbeschreibung, Brandenburg 1773. — [13] J. C. Zimmermann, Ueber die Strukturverhältnisse der Gebirgsarten, Heidelberg 1805. — [14] H. Berg- haus, Allgemeine Länder- und Völkerkunde, 2. Band, Stuttgart 1838. S. 436. — [15] Bruhns, A. v. Humboldt, eine wissenschaftliche Biographie, 3. Band, Leipzig 1872. S. 194 ff. — [16] Ibid. S. 196. — [17] Ebel, Ueber den Bau der Erde in den Alpengebirgen und über den Bau der Erde überhaupt, Zürich 1808. — [18] Börsch, Von den Unebenheiten des festen Landes, insbesondere vom Gebirge, Marburg 1817. — [19] C. Ritter, Die Erdkunde im Verhältniss zur Natur und Geschichte des Menschen oder allgemeine vergleichende Geographie, 5. Theil, 2. Buch, 4. Band, Berlin 1835. $. 651. — [20] v. Sonklar. Die Gebirgsgruppe des Hochschwab, Wien 1859; Die Gebirgsgruppe der hohen Tauern, ibid. 1866; Die Oetzthaler Gebirgsgruppe, Gotha 1860; Die Zillerthaler Alpen, ibid. 1872. — [21] v. Sonklar, Allgemeine Orographie, Die Lehre von den Reliefformen der Erd- oberfläche, Wien 1873. — [22] v. Barth-Pfaundler, Die Stubayer Gebirgsgruppe, Innsbruck 1865. — [23] Waltenberger, Orographie der Allgäuer Alpen, Augsburg 1881; Orographie des Wettersteingebirges und der Miemingerkette, ibid. 1881. — [24] Partsch, Carl v. Sonklar, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver.. 1885. $. 23 ff. — [25] Diener, Mr. W. W. Graham’s Hochtouren in Sikkim, Gurhwal und Kaanoor., ibid. 1885. S. 38. — [26] v. Sonklar, Allg. Or., $. 29. — [27] Ibid. $. 32 ff. — [28] Roudaire, Une mer interieure en Algerie, Paris 1874. — [29] Ibid. $. 24 ff. — [30] Martins-Desor, Observations sur le projet de la creation d’une mer interieure *) Wir haben hier in erster Linie die Eintheilung unserer Alpen im Sinne, un: die sich seit den sechziger Jahren Viele — es seien nur v. Sonklar, v. Haardt, Ilwof und Emmrich genannt — bemüht haben. Neuerdings hat der KlaSsifikationsversuch von Czech viel von sich reden gemacht, durch welchen in den Westalpen 8, im Mittelstück 12 und in den Ostalpen ebenfalls 12 distinkte Unterabtheilungen unterschieden werden, und zwar eben wesentlich auf Grund gseognostischer Scheidungsmomente [79]. Dass schon die Umgrenzung der Alpen nicht blos auf rein morphographischem Wege erfolgen könne, hat ©. Neumann ausser Zweifel gesetzt [80]; allerdings unterschätzt dieser gründliche Forscher auch die Reliefverhältnisse nicht, denn [81] „durch die Irregularität der Kamm- und durch die Wildheit der Gipfelbildung stehen die Alpen im schärfsten Kontrast zu den unmittelbar an sie herantretenden Gebirgen“. **) So beschreibt z. B. [82] V. Hartmann den westlichen Theil des vom Össiacher See (in Kärnthen) erfüllten Längsthales als ein Klusenthal und den östlichen Theil ebendesselben als ein ausgesprochenes Kombenthal. 532 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. dans le Sahara oriental, Compt. rend. de l’ac. franc.,. Vol. LXXXVIII. S. 265 fi. — [31] Zenker, Ueber das Depressionsgebiet der libyschen Wüste und den Fluss ohne Wasser, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 7. Band. $S. 209 ff. — [32] Der geologische Bau der Sahara, Gaea, 20. Jahrgang. S. 623 ff. — [33] O. Schneider, Ueber die Entstehung des todten Meeres, ibid. 7. Jahrgang. $. 325 ff. — [34] Ibid. S. 336 ff. — [35] v. Sonklar, Allg. Or., S. 57 ff. — [36] Ibid. 8. 64 ff. — [37] Ibid. S. 66 ff. — [38] v. Sonklar, Der grosse Schuttkegel von Wiener-Neustadt, Sitzungsber. d. k. k. Ak. d. Wissensch., M.-ph. Kl., 43. Band. $. 233 ff. — [39] v. Sonklar, Der Schwemmkegel von Innsbruck und die Grundwasserverhältnisse desselben, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 5. Jahrgang. S. 18 fi. S. 66 ff. 5. TiTzm= [40] Boussinesq, Essai sur la theorie des eaux courantes, M&m. pr&sentees pour divers savants, tome XXIII. S. 154 ff. — [41] Ibid. S. 165. — [42] C. Jordan, Sur les lignes de faite et de thalweg, Compt. rend. de l’ac. franc., Vol. LXXIV. S. 1457 ff.; Vol. LXXV. S. 625 fi. S. 1023 ff. — [43] Boussinesq. Sur les lignes de faite et de thalweg, ibid. Vol. LXXV. S. 198 ff. S. 835 ff. — [44] Boussinesq, Theorie etec., S. 170. — [45] Ibid. S. 173 ff. — [46] Quidde, Kurven gleicher Steilheit auf Flächen zweiten Grades, Stargard 1879. — [47] v. Sonklar, Allg. Or., S. 70 ff. — [48] Ibid. $. 84 ff. — [49] Ibid. S. 80 ff. — [50] Ibid. S. 95 fi. — [51] Ibid. S. 97 f. — [52] Bruhns, A. v. Humboldt, 1. Band. S. 171.7 — [53] Krümmel, Beiträge zur allgemeinen Orographie, Ausland, 1882. S. 703 ff. S. 731 ff. — [54] Ibid. S. 734. — [55] Kjerulf, Die Geologie des südlichen und mittleren Norwegen, deutsch von Gurlt, Bonn 1880. S. 332. — [56] v. Petrino, Entstehung der Gebirge, Wien 1879. 8. 57 ff. — [57] Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1834. S. 313. — [58] Stapff, Ueber Veränderungen im Abflusse von Seen, N. Jahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., 1882. S$. 110 ff. — [59] Supan, Grundzüge etc., $. 367. — [60] v. Sonklar, Alle. Or., $. 112. — [61] Buchner, Nochmals das hessische Erdbeben, Gaea, 7. Jahrgang. S. 356 fi. — [62] Midgley, Earth pillars, Nature, Vol. XVII. S. 569. — [63] Pechu&l-Lösche, Der Gebirgslauf des Congo, Verhandl. d. III. d. Geographentages, Berlin 1883. S. 12 ff. — [64] Regnet, Aus dem Alleäu, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 5. Jahr- gang. S. 509. — [65] v. Sonklar, Allg. Or., S. 119 fi. — [66] Güssfeldt’s Reise in den centralen chileno-argentinischen Anden, Gaea, 20. Jahrgang. S. 577 ff. — [67] v. Sonklar, Allg. Or., 8. 125 ff. — [68] Ibid. $. 31 ff. — [69] Tyndall, In den Alpen, Braunschweig 1872. 8. 219 ff. — [70] v. Sonklar, Alle. Or., S. 133 ff. — [71] Ipid. S. 135 ff. — [72] Ipid. S. 175 ff. — [73] Humboldt, Versuch, die mittlere Höhe der Kontinente zu bestimmen, Ann. d. Phys. u. Chem.. 57. Band. S. 411 ff. — [74] v. Sonklar, Allg. Or., $. 189 fi. — [75] Ibid. S. 74 fi. — [76] Bruhns, A. v. Humboldt, 1. Band. S. 94. — [77] Delitsch, Deutschland’s Oberflächenform, Breslau 1880. $. 40. $S. 46. — [78] Hammer, Die orographische Gestaltung Württemberg’s und sein geologischer Bau, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 3. Jahrgang. 8. 93 ff. S. 148 ff. — [79] Czech, Beitrag zur naturgemässen Ein- theilung der Alpen, Düsseldorf 1883. — [80] C. Neumann-Partsch, Die Grenzen der Alpen, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver., 13. Band. $. 189 ff. — [81] Ibid. S. 203. — [82] V. Hartmann, Das Össiacher Seethal und seine Ränder, Klagen- furt 1882. Kapitel III. Schnee und Eis der Hochgebirge; Glacialphysik und Glacialgeologie. $S. 1. Schnee- und Firngrenze. Je höher wir uns in die Atmo- sphäre erheben, um so mehr nimmt (S. 255 dieses Bandes) die Wärme derselben ab*). Die Luft wird immer dünner und büsst dadurch an *) Neuere Beobachtungen geübter und wissenschaftlich gebildeter Alpinisten, 2. B. Penck’s, haben keinen Zweifel mehr darüber gelassen, dass diese Behaup- tung nur bedingt richtig und dass im Winter die Temperatur auf Berggipfeln oft eine ca a Fe Ill. $. 1. Schnee- und Firngrenze. | 39 Fähigkeit, sich zu erwärmen, ein, und hiedurch wird, wie man aus der diese Fragen zum erstenmale recht gründlich mit den Hülfsmitteln der neueren Physik diskutirenden Abhandlung von Güssfeldt lernt [1], der Kreislauf des Wassers wesentlich modificirt. Die in die Nähe hoher Gebirge gelangenden Wasserdämpfe werden kondensirt und in Eis verwandelt, allerdings nicht für ewige Zeiten, da sich das Eis in Folge seines Schwergewichtes nach unten bewegt. In der Ebene ändert sich dieses Verhältniss insoferne, als das Eis gegen den Sommer hin sich wieder in flüssiges Wasser umsetzt. Es muss sonach eine Grenze geben, längs deren beide Gebiete eines verschiedenen Verhaltens an einander stossen. Diese Linie heisst Schneegrenze; oberhalb der- selben fällt mehr Schnee, als weggethaut wird, während unterhalb der Schneefall nicht mehr die gleiche Energie besitzt. Nicht allein die Jahresisothermen, sondern auch die Niederschlagsmengen bestimmen den Verlauf der Schneegrenze, welche sonach ersichtlich klimatologi- schen Schwankungen unterliegt, welche dauernd zu überschreiten je- doch nur ein Recht der Gletscher ist. Aehnlich definirt v. Sonklar ]|2]: Die untere Grenze an den Berghängen, jenseits deren der im Winter sefallene Schnee den vereinigten Einwirkungen der Sonnenwärme und der Verdunstung dauernd widersteht, heisst untere Grenze des ewigen Schnee’s*). Oberhalb der Schneegrenze beginnt die Schnee- region. Es ist diesen doch wahrlich wohl beglaubigten 'Thatsachen gegenüber schwer verständlich, dass ein Gebirgskenner ersten Ranges, wie Payer, das Dasein einer Schneegrenze überhaupt in Abrede stellt; es gäbe nur eine Firngrenze, die obere Grenzlinie des eigentlichen Gletschereises [3]. Allerdings ist diese letztere auch vorhanden, allein sie kann, regellos und in einzelne Stücke zerrissen, wie sie ist, keinen Anspruch auf gleiche Berücksichtigung erheben, wie erstere, deren Zug immerhin eine gewisse Gesetzmässigkeit verräth, es müsste denn die von Stapff (s. u.) ausgesprochene Vermuthung von der Koincidenz der unteren Firngrenze mit einer bestimmten Temperaturkurve sich vollkommen bestätigen. Die einzige uns bekannte Tabelle gemessener Schneelinienhöhen kat Hällström ausgearbeitet [4]. Dieselbe beruht hauptsächlich auf den Messungen von Bouguer [5], A. v. Humboldt [6], L.v. Buch [7], De la Condamine [8], Ali Bey [9], Wahlenberg [10], Parrot [11], und D’Aubuisson [12]. Obzwar ein wenig veraltet, scheint sie uns ihres umfassenden Charakters halber gleichwohl würdig, auch an diesem Orte ihren Platz zu finden. Nur wurden die Angaben in das uns geläufige Maassystem umgerechnet **). weit höhere ist, als unten im Thale. Natürlich muss diese Anomalie eine obere Grenze haben, weil ausserdem der „ewige“ Schnee der Hochgebirge schmelzen müsste. ”) v. Sonklar macht (a. a. O.) darauf aufmerksam, dass zur richtigen Würdigung der Schneelinie die Betrachtung eines Gebirgszuges aus einiger Ferne die unerlässliche Vorbedingung sei. Natürlich kommen auch jenseits der Schnee- grenze von Schnee entblösste Stellen vor, schroffe Wände, an denen kein fremder Körper haften bleibt. **) Ein Pariser Fuss ward gleich > m gesetzt, Decimaltheile aber wurden ) grundsätzlich, da bei solchen Beobachtungen an grosse Genauigkeit doch nicht zu denken ist, zu Ganzen abgerundet. dog en | Ort 2 E S Autor. Set Ort. ob 0° 0‘ |Pichincha | 785 Bouguer 45°30’| Schwz. Alpen| 458 |v. Buch 0 0 Quito 787 [Humboldt 45 80 | Cramont 452 ‚Saussure 0 0 Quito 795 „ 45 45 | Montblane 419 3 0 3 |Popayan 184 ” 46 0 |Schwz. Alpen! 442 |Wahlenberg 0 10*) Pichincha | 790 |DelaCondamine] 48 30 | Tyr. Alpen | 376 |Schultes 19 0 [Mexiko 734 |Humboldt 49 11 | Karpathen 430 ‚Wahlenberg 13 12 Nevada 762 a 50 34 | Schneekoppe | 373 |v. Buch 20 0 Mexiko 78 = 53 0|Kamtschatka | 183 |Wahlenberg 20 0 |Mexiko 616 60 01|Norw. Küste | 258 |v. Buch 2317 PicdeTeyde 741 |Borda 61 0 |Suletind 248 R 30 0 |Himälaya | 612 Humboldt 62 0 | Snöhättan 301 |Wahlenberg 31 0 |Atlas 621 |Ali Bey 62 0| Norwegen 290 v. Buch 3130 ‚Himälaya | 587 Humboldt 62 0|St. Eliasberg | 247 |Wahlenberg 33 0 |Libanon**) | 489 |Wahlenberg 6212|! 282 |Hisinger 33 16 ' Ostindien 583 [Webb 62 30 | OTWEgEen | 961 |v. Buch 350 581 |IHumboldt 63 0 eg 266 Hisinger 3733 |Aetna 532 |Saussure 63826 9 °° 77 as 40 0 Alpen 516 [Humboldt 65 0| Island 161 |Olafsen 42 31 Pyrenäen 469 |Saussure 66 30 | Schweden 216 iv. Buch 42 45 452 |IHumboldt 67 5 |Sulitelma 167 |Wahlenberg 43 0 |Elbrus. 531 |Parrot 67 6 | Valli inSchw.| 220 „ 43 0 Mont Perdu| 435 \Wahlenberg 67 20 | Tulpajegma | 161 „ 43 0 |Süds.d.Pyr.| 404 |Ramond 70 0 | AlteninNorw.! 177 |v. Buch 45 0 ,29üds. der| 414 |Humboldt 70 38 | Hammerfest | 135 a 4530 |) Alpen |496 |D’Aubuisson 71 0| Nordkap 118 „ Zu dieser Tabelle, an welche Hällström manche interessante Be- lassen sich selbstverständlich massenhaft Nach- merkung anknüpft N, *) Die einzige Messung aus der südlichen Hemisphäre, welche in der Tafel enthalten ist. **) Hällström verweist wegen dieses Gebirges auf die „Orthographia“ eines gewissen Gregorius, welcher zufolge „Lebanon“ einen weissen Berg bedente. *#*) Nachdem Hällström aus seiner Tabelle alle der Herrschaft des Küsten- klima’s unterworfenen Beobachtungsstationen ausgeschieden und sich ferner dahin entschieden hat, dass Europa und Südamerika gesondert zu betrachten seien, geht er (a. a. 0.) dazu über, das seine Zahlen beherrschende Gesetz ausfindig zu machen; die Schneegrenze sei ihrer Meereshöhe nach für einen bestimmten Platz eine Funktion von dessen mittlerer Jahrestemperatur, und diese wiederum sei eine Mit Rücksicht auf Tobias Mayer’s Temperatur-: formel [13] setzt er die Seehöhe A der Schneelinie, unter m und n gewisse Erfahrungskonstante verstanden, gleich m —n sin? p, alsdann a-+bsin» + csin’o, wo auch wieder a, b, ce durch Erfahrung zu bestimmen sind. Die vierzig nach Hällström’s Auffassung vergleichbaren Werthe, welche in den obigen fünfzig enthalten sind, liefern ihm 40 Bedingungsgleichungen; dieselben werden, wie wir auf Seite 115 dieses Bandes lernten, nach Maassgabe des Ver- fahrens der Wahrscheinlichkeitsrechnung behandelt, und es ergeben sich die Gleichungen Funktion der Polhöhe Y. 39.0000 a + 25.8816 b + 20,3867 e = 51 361.00; 25.8816 a + 20.8867 b -+ 17,4414 c 20.8867 a + 17.4414 b + 14,8781 c — 296 214,74, — 19 317.89. aber gleich Daraus folgt: A = 2462,4 + 293 sin 9 — 2501,8 sin? 9; der wahrscheinliche Fehler Für den Pol (p = 9°) folgt A = 253.6 m, was aller- soll 20.5 Meter betragen. dings a proiri nicht zu erwarten ist und von Hällström auf lokale Ursachen zurückgeführt wird — mit denen derselbe überhaupt nichts weniger denn spar- sam umgeht. Dass die für A erhaltene Formel ein wirkliches Naturgesetz involvire, davon kann natürlich keine Rede sein; wir selbst würden übrigens aus theoreti- II, $. 1. Schnee- und Firngrenze, | 535 träge aus neuerer Zeit erbringen, doch müssen wir uns hier mit Wenigem begnügen. Hermann v. Schlagintweit bestimmt [14] die Höhe der Schneegrenze für den Südabhang des Himälaya zu 4930 m, für dessen Nordabhang zu 5671 m, für die tibetanische Karakorumkette zu 5823 m, für Süd- und Nordseite des Küen-Lün resp. zu 4817 und 4604m*). Für den Kaukasus liegen neuere Messungen Stebnitzki's vor [15]. Danach läuft am Südabfall die Schneelinie 2933 m hoch im Westen, 3232 m hoch im Mitteltheile, 3719 m im Osten, während sie sich im nördlichen T'heile des Gebirges, wo andauernd trockene Nordwinde wehen, um 300 bis 450 m nach oben verschiebt. Die aus- giebigsten Zusammenstellungen aus neuerer Zeit verdankt man H. Berg- haus, der in seinen Hypsometertafeln |16] überall, wo ihm Daten vorlagen, auch den Zug der Schneegrenze vermerkte Auch Grad gab in seinem Vortrage „La limite des neiges persistantes et la lisiere des glaces fixes & la surface du globe*, gehalten vor der „Association francaise* am 26. August 1875, eine Liste dieser Art für vierzig Ge- birgsländer der Erdoberfläche. Auf diesen Angaben weiterbauend hat Penck eine schöne Karte der europäischen Linien gleicher Schnee- srenzenhöhe, der Isochionen, konstruirt, welche von ihm seinem Vortrage über Glacialreste aus der Eiszeit [17] beigegeben ward. Derselbe gieng jedoch noch um einen Schritt weiter und verzeichnete auf der nämlichen Karte die Isochionen der Eiszeit**). Seine Dar- stellung liefert uns so ein übersichtliches Bild für jene Verschiebung der klimatischen Verhältnisse, durch welche wir im neunten Kapitel der fünften Abtheilung das Eintreten der Eisperiode bedingt erfanden. Feste Regeln zu geben, nach denen sich, wenn gewisse Data bekannt sind, die Schneelinie mit leidlicher Sicherheit verzeichnen liesse, wird niemals angehen; nur allgemeine Anhaltspunkte kann die Wissenschaft liefern, und diese hat A. Heim in seinem grossen, für dieses Kapitel unsere Hauptquelle bildenden Werke über die Gletscher formulirt [19]***). schen Gründen der Formel (m — n sin’») den Vorzug geben, da dieselbe für positive und negative Werthe der geographischen Breite unterschiedslos gilt. Hie- von abzugehen, halten wir nicht für erlaubt. *) Diese Zahlen beziehen sich allerdings eigentlich auf jene Grenzmarke, welche bei v. Schlagintweit den Namen mittlere Schneehöhe führt, und jenseits deren wenigstens 45 von den 90 Tagen der betreffenden Jahreszeit Dauer- schnee aufzuweisen haben. Die Höhe des ewigen Schnee’s im Karakorum erscheint als die zur Zeit überhaupt bekannte Maximalhöhe der Schneegrenze, was mit der Geringfügigkeit der dortigen Niederschlagsmenge zusammenhängt. **) Der genannte Gelehrte gieng dabei aus von dem durch Höfer [18] wahr- scheinlich gemachten Erfahrungssatze, dass für eine Anzahl heute noch bestehender Gletscher (Pasterze, Gepatsch-, Mittelberg-, Gorner-, Lys-Gletscher) die absolute Höhe der Firnlinie das genaue Mittel zwischen der Umrahmung des Firnfeldes und der Höhe des Gletscherrandes sei. ***) Heim unterscheidet vier Möglichkeiten. „1. Schneefall gross, Schmelz- wärme gross. Daraus resultirt ein relativ mittlerer Stand der Schneelinie, wie wir ihn z. B. in den Alpen, im südlichen Himälaya und in Norwegen finden. 2. Schneefall gross, Schmelzwärme klein. Giebt den relativ tiefsten Stand der Schneelinie, wie wir ihn auf der Südhalbkugel, südlich von 46° Breite, finden. 3. Schneefall klein, Schmelzwärme gross. Giebt die relativ höchste Lage der Schneelinie, wie z. B. im nordamerikanischen Felsengebirge, in den Tropen von Amerika und Afrika. 4. Schneefall klein, Schmelzwärme klein. Giebt einen mittleren bis hohen Stand der Schneelinie, wie z. B. im britischen Nordamerika, in Nordsibirien.“ Die Jahresisothermen, welche stellenweise in ihrem Verlaufe mit Theilen der Schneegrenze sich decken, können auf 20 Grade auseinandergehen. IR U TED a a Sn an ER 00 U Die RE ER In u a Sn > War: ke air DH % TER: 2 ER R re Kan Br DIT IRRE REES w 7, in NE Eon BEN Fe Zar EN re 3 # .- .. 536 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. N Die Frage, ob in historischen Zeiten eine merkliche Vertikal- schwankung der Grenze der Schneeregion nachzuweisen sei, wurde im Jahre 1820 von der schweizerischen Gesellschaft der Naturwissen- schaften zum Gegenstande einer Preiskonkurrenz gemacht, an welcher Venetz [21] und Kasthofer sich betheiligten; letzterer konnte sich dabei auf eine ältere Veröffentlichung [20] stützen. Venetz kam zu dem Schlusse, dass eine Depression der Schneelinie nicht zu ver- kennen sei, auch Kasthofer gab ein Zurückweichen der Vegetations- grenze vor der erobernden Schneeregion zu, deren Fortschritte z. B. die früher im Hasli-Thale schwunghaft betriebene Obstbaumzucht un- möglich gemacht hätten. Immerhin ist Dufour [22] geneigt, zwar ein Herabsteigen der Waldgrenze, nicht aber ein solches der Schnee- grenze zuzugestehen. | $S. 2. Lawinen. Viel berufen und viel gefürchtet, hat dieses grossartige Naturereigniss doch erst in den allerletzten Jahren eine entsprechende wissenschaftliche Beachtung und eine modernen An- sprüchen genügende Behandlung in Coaz’s trefflicher Monographie [23] gefunden*). Die Lawine (im Schweizer Idiom „Laui* oder „Löwene“, im Tyroler Deutsch „Lähn“, französisch „avalanche“*, italienisch „ava- langa* und dialektisch „luvina“) bedeutet, wie schon die Etymologie des Wortes andeutet (labor, ich gleite, falle), eine fallende Schnee- masse. Man hat, wenn der Vorgang analysirt werden soll, zu be- achten, welches das Sammel- oder Abrissgebiet der Lawine ist, welchen Weg sie nimmt, d. h. auf welcher Sturzbahn sie sich be- wegt, und wo die von ihr fortgeführten Massen liegen bleiben (Ab- lagerungsgebiet). Die Sammelgebiete liegen meistens oberhalb der Waldregion; die Lawinen reissen verwüstend ihre Furchen in die Wälder, kommen aber selten bis zu den tieferen Partieen der Thäler herab — wenigstens in den Alpen, denn in Skandinavien erreichen sie häufig die Fjorde. Jene Rinnen, in welchen der stets massenhaft auf- gespeicherte Verwitterungsschutt des Hochgebirges zu Thal stürzt (Steinschlagrinnen), werden auch von den Lawinen des Winters und Frühlings gerne zu ihrer Fortbewegung benützt. Lawinen sind in den Bergen nicht etwa eine Seltenheit, die Gotthardgruppe allein meist 530 deutlich ausgeprägte Zugstrassen auf**). Da, wo der fallende Schnee sich ungestört ansammeln kann, konsolidirt er sich entweder zu dicken Schneelagern, für die jeder Schweizer-Kanton so ziemlich seine eigene Provinzialbezeichnung hat, oder zu diinnen, überhängenden Schneeschildern („neige en surplomb“, ladinisch „carungas*) [26]**”). *) Einen sehr vollständigen Auszug daraus hat Heim in sein Werk auf- genommen [24], den Gegenstand aber selbst gründlich durchgearbeitet und seine Erkenntniss gefördert. Von anderen Gebirgsforschern Helvetien’s ist zunächst Dufour der Frage näher getreten, ob wohl eine gewisse Disposition der Atmo- sphäre den Lawinensturz begünstige; er knüpft dabei an an die Warnungen der Mönche vom grossen Bernhard, im Winter bei dauernd bedecktem Himmel ihren Berg zu überschreiten [25]. **) Alle steilgeböschten, schneereichen Gebirge haben auch ihre Lawinen. Den Cevennen und Vogesen scheinen sie zu fehlen, dem Schwarzwald aber nicht. ***) Auch ohne Hochgebirge kann jeder Eisenbahnreisende sich oft genug von dem Vorhandensein solcher Schneeschilder an den Böschungen der beschneiten Bahndurchschnitte überzeugen. III. $. 2. Lawinen. Dat Indem ein solcher Schneeschild durch seine eigene Schwere abbricht*), giebt er gewöhnlich den Anstoss zur Bildung einer Lawine, die rut- schenden Theilchen reissen andere — nicht blos Schnee, auch Erde, Holz und Verwitterungsprodukte aller Art — mit sich fort, und es entsteht so nicht sowohl jener abrupte, diskontinuirliche Sturz, von welchem man in populären Beschreibungen liest, als vielmehr ein mehr plastischer als elastischer Strom, dessen Bewegungsart sich um so mehr derjenigen einer tropfbar flüssigen Masse nähert, je mehr Schnee fort- gewälzt wird. „Die Lawinen sind periodische Schneeströme, ihre Bewegung ist vorwiegend ein Fliessen,* Eis- oder Gletscher- lawinen, die in seltenen Fällen auch — nach einem heftigen Hagel- wetter — als Hagellawinen auftreten können, bilden eine Aus- nahme; Staublawinen und Grundlawinen sind das Gewöhnliche. Erstere kommen mehr im strengen Winter vor, der rieselnde Schnee wirft sich als Sturzbach in die Tiefe, während die Grundlawinen („avalanches de fond“) durch das Frühjahrs-Thauwetter ausgelöst werden. Das den Schnee durchsickernde Schmelzwasser vermindert die Adhäsion desselben an den Boden oder höhlt dessen Massen wohl auch so sehr aus, dass durch irgend einen leisen Anstoss von aussen, etwa durch einen unvorsichtigen Tritt, das Schneelager in’s Rutschen kommt. Im Inneren der Lawine vollziehen sich während ihres Falles Bewegungen aller Art, welche zu den seltsamsten Schneeballenbildungen führen. Wenn endlich der Kopf der Lawine an einem unüberwindlichen Hindernisse an- selangt ist, dann pressen sich die noch in Bewegung befindlichen rück- wärtigen Partieen auf die bereits zur Ruhe gekommenen, die Lawine „schreit“ (knirscht), und es bildet sich ein Lawinenkegel, der, ohne zu den grossen zu zählen, leicht ein Volumen von 10000 bis 20000 cbm hat. Diese Kegel pflegen die in ihnen enthaltenen Fremdkörper — Pflanzentheile, Gerippe von Thieren und Menschen — allmählig aus- zustossen und schmelzen im Sommer zu einem kothigen Trümmer- haufen zusammen. Der Schaden, den eine Lawine bewirkt, kann ein doppelter sein. Staublawinen entfesseln durch ihre Aspirationswirkung einen heftigen Windschlag, der die stärksten Bäume zu knicken vermag, Grund- lawinen wirken direkter durch ihren Schneeschlag [27]. Durch Verbauungen, Terrassirungen u. dgl. an Stellen, deren Heimsuchung durch Lawinen bekannt ist, kann vielem Unheil gesteuert werden, nicht minder auch durch gründliche Aufforstung an Wealdblössen. Es ist bekannt, dass manche Ortschaften der Schweiz durch ihren Bann- wald geschützt sind und dessen Integrität mit gutem Grunde ängst- lich zu erhalten suchen**). Dass man dabei oft des Guten zu viel that und den Wald, statt ihm eine rationelle Pflege angedeihen zu lassen, geradezu verwildern liess, ist neuerdings von Stichler [28] als ein Grund für das Ausbleiben des von solchen Pflanzungen er- warteten und früher auch gewährten Schutzes angeführt worden. *) Es ist diess im Kleinen der uns von früher ($. 437 dieses Bandes) be- kannte Process des „Kalbens“. 2) „Und die Lawinen hätten längst Den Flecken Altorf unter ihrer Last Verschüttet, wenn der Wald dort oben nicht Als eine Landwehr sich entgegenstellte.“ (Wilhelm Tell, III. Aufzug, 3. Scene.) 538 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. $. 3. Von den Gletschern im Allgemeinen. Die wissenschaftliche Erforschung der Gletscher gieng naturgemäss von deren Heimathland, von der Schweiz aus, und so kann es auch nicht Wunder nehmen, dass für die Anfangsgeschichte der Glacialforschung das biographische Werk eines schweizerischen Gelehrten, R. Wolf’s, uns die werth- vollsten Aufschlüsse ertheilt [29]. J. Scheuchzer studirte auf seiner grossen Reise von 1705 zuerst die Gletschererscheinungen, um welche sich vor ihm höchstens der Kosmograph Münster (S. 13 des ersten Bandes) einigermassen bekümmert hatte, und wies auf den damals noch allgemein verkannten Unterschied von Eis und Krystallen hin. In seine Fussstapfen trat Altmann, dessen Werk [30] als eine ganz wissenschaftliche Monographie im Style jener Zeit gelten kann, der übrigens selbst so aufrichtig ist, eine von einem gewissen Hottinger dem englischen Geologen Woodward gewidmete „Montium glacialium helveticorum descriptio* als eine Vorläuferin zu nennen, die ihm selber den Weg bereitet habe [3l]l.e. Altmann selbst drängt sein Wissen von den Gletschern in dem teleologisch gefärbten Satze zusammen [32]: „Die helvetische Eisberge, sind nichts anders als ein wahrhaftes und in allen Stücken vollkommenes Eismeer, welches von dem mächtigen und weisen Schöpffer auf diese hohe Berge gesetzet worden, damit da- durch die Luft der angränzenden Oerter gereiniget, und die Schweitz samt noch etwelchen anderen Ländern Europä mit Brünnen und Strömen versehen und bewässert würde.“ Bald nachher erschien Gruner’s erstes Gletscherwerk [33], welchem später ein zweites nachfolgte [34]; steht dieser Autor auch noch im Wesentlichen auf einem ähnlich un- fertigen physikalischen Boden, wie Altmann, so spricht er doch auch schon originelle glacialgeologische Ansichten aus. Ueber diese Vor- gänger hinaus gieng Saussure, und diesem gefeierten Namen reihen sich diejenigen anderer hochverdienter Gletscherforscher an, unter denen es genügen möge, Venetz, Charpentier, A. Agassiz, Desor, Dollfus-Ausset, Hugi, Fröbel, Heer, Mousson, Tyndall, Grad, Forel, Rendu, Torell, E. Richter, Klocke, F. Pfaff und Simony zu nennen — eine stattliche, aber trotzdem alles eher als vollständige Reihe. Dem Züricher Mousson verdankt man das erste und für seine Zeit wahrlich erschöpfende Lehrbuch der Gletscherkunde [35], während Simony sich durch Ausarbeitung seiner bekannten Gletscherbilder [36] bestens um die Förderung des geographischen Lehrmittel-Apparates verdient gemacht hat. Der thätigste und glücklichste Arbeiter auf diesem ebenso schwierig als reizvoll zu bebauenden Felde ist jedoch, wie Jedermann neidlos einräumen wird, Albert Heim, der uns mit dem schon mehrfach ceitirten Handbuche beschenkt hat, nachdem schon vorher eine den Kern seiner theoretischen Ansichten enthaltende Studie von ihm publieirt worden war [37]. „Ueberall auf der ganzen Erde, wo ein zusammenhängenderes Relief in der Schneeregion liegt, entstehen Gletscher. Sie sind eine allgemeine Erscheinung“ [38]*). Zum Beweise dieses Einleitungssatzes *) So hat denn auch jede Sprache ihre Bezeichnung dafür. Der Gletscher heisst im Französischen „glacier“ („serneille“), im Italienischen „ghiacciajo“ („vedretto“, „ruize“), im Dänischen „sneebrae“ oder „isbrae“, im Lappländischen „jegna“, im Isländischen „jökull“. In deutschen Gebirgsmundarten finden sich die Worte „Firn“, „Ferner“, „Kees“, „Kahr“ vor. Bezüglich der Eskimosprache III, $. 3. Von den Gletschern im Allgemeinen. 539 von Heim wollen wir gleich an der Hand seines Buches [39] die geographische Vertheilung der Gletscher uns vergegenwärtigen. Inner- halb der Tropenzone fehlen die Gletscher gänzlich den Welttheilen Asien, Australien und Afrika, obwohl in letzterem verschiedene Berge in die Schneeregion hineinragen. Trotz der kolossalen Entwickelung der Cordilleren nach der Vertikaldimension sind Gletscher dort etwas Seltenes, und die vorhandenen sind unbedeutend. Was die nördliche gemässigte Zone anlangt, so sind die Alpen das klassische Land der Gletscher*), minder grossartig entfalten sich selbe in den Pyrenäen, während den höchsten Gipfelpunkten des Kaukasus eine starke Ver- gletscherung eignet. Isolirte Gipfel, mögen sie auch eine Höhe er- reichen, wie der Demavend und der Fuji-no-jama, bringen es nicht zu eigentlicher Gletscherbildung. Der Himälaya ist, namentlich in dem westlichen Theile, ein grossartiges Gletschergebirge, nicht minder reich ist die Gletscherentwickelung da, wo Karakorum und Hindukusch an- einanderstossen [42])**). Der Thian-schan ist vergletschert, so gut wie gar nicht aber der Altai, was schon durch v. Cotta richtig auf die vom Himälaya auf alle darüber hinstreichenden feuchten Luft- strömungen ausgeübte Kondensationswirkung zurückgeführt worden war [44]. Der gleiche Grund ist für den Gletschermangel Central- asien’s überhaupt entscheidend. Der Ural ist selbst noch im hohen Norden gletscherfrei, von Kamtschatka ist Sicheres noch nicht zu berichten. In Norwegen ist Ueberfluss an grossen Gletschern vor- handen, Island hat deren viele, aber meist kleine [45]. „Nordamerika weist trotz seiner Höhen reich vergletscherte Gebirge nur in der Nähe des grossen Oceanes, und auch da nur nördlich von 43 ° n. Br. auf.“ Im Bereiche der südlichen gemässigten Zone begegnen wir namhaften Glacialerscheinungen in den südlichen Anden***) und auf der Südinsel von Neuseeland, mit welch’ letzterem uns Haast genau bekannt ge- giebt Heim (a. a. O.) an, sie bezeichne Gletscher durch „Soak“, allein diese An- gabe möchte doch wohl einem Missverständnisse entsprungen sein. Bei Kane u. A. ist oft davon die Rede, dass die Eingeborenen das übereiste Grönland mit „Sermik-Soak“ bezeichneten; hierin ist Soak das Adjektivum, welches „gross“, und Sermik das Hauptwort, welches „Gletscher“, „Eisfeld“ bedeutet. *) Der nördlichste Gletscher der Alpen ist das von E. Richter beschriebene, reizend gelegene „Blau-Eis“ in den Schlünden des Hochkalter bei Berchtesgaden, der mit dem durch den gleichen Autor bekannter gewordenen südlichsten Gletscher Europa’s (in der Sierra Nevada) die Eigenthümlichkeit einer ungemein tiefen Lage gemeinschaftlich hat [40]; der östlichste Gletscher Italiens und so ziemlich der südöstlichste der gesammten Alpenkette ist das .„‚Flitscher Kahr‘‘ am Monte Canino, welchem Marinelli eine eigene Abhandlung gewidmet hat [41]. ”*) Shaw giebt in seinem turkestanischen Reiseberichte eine schöne Ilu- stration einer der grossartigsten Glacialbildungen der Erde, des „Eismeeres“ am Ursprung der Shayok-Quelle des Indus. Dasselbe verdiene diesen Namen ganz unvergleichlich besser, als das mehr einem .„Eisfluss“ ähnelnde „Mer de Glace“ von Chamouni [43]. ®*#*) Immerhin ist, wie Güssfeldt betont [46], die Art, wie das Eis im chilenischen Hochgebirge auftritt, eine von der alpinen Erscheinungsform sehr verschiedene. Der mauerartige Aufbau des Gebirges will es nicht recht zu An- sammlungen von Schnee und Eis kommen lassen, und wenn passende Firnmulden vorhanden sind, liegen sie häufig in zu geringer Höhe. Der Hochschnee erscheint gar oft zu bizarren Eisfiguren (.„„penitentes“) emporgekräuselt; die Winde wehen den losen Schnee empor. und die Insolation bewirkt das Entstehen solcher Gestalten. | 540 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. macht hat [47]. Heim, der von diesem Gletscherlande eine detaillirte topische Beschreibung entwirft, bemerkt am Schlusse derselben [48]: „In dem so mächtig vergletscherten Neuseeland sehen wir wieder, wie im Himälaya, in Südamerika, in Norwegen u. s. w. den Fall vor uns, dass warme oceanische Winde ziemlich unvermittelt auf ein hohes Gebirge stossen. Je dauernder und warmfeuchter der Wind, je höher und rauher das Gebirge, desto stärker der Schneefall und desto mächtiger die Gletscher.“ Wir wenden uns nun den kalten Zonen zu. Novaja Semlja besitzt in seinem südlichen Theile keine erhebliche Vereisung, weil es zwar im Winter ein kontinentales, im Sommer dagegen ein insulares Klima hat, Franz-Josephs-Land und Spitzbergen lassen das ewige Eis in allen Formen erkennen, und zwar tritt in letzerem Lande — vgl. die hieher gehörigen Bemerkungen in Kap. VI der sechsten Abtheilung — der Unterschied zwischen dem selbst- ständigen Lokalgletscher und dem Ausläufer des Binnen- eises deutlich hervor [49]. Jan Mayen hat Gletscher, Bären-Eiland hingegen nicht [50]. Für Grönland gilt, was schon von Spitzbergen gesagt ward; selbstständig individualisirte Gletscher finden sich mehr im Nordosten, wo das reicher gegliederte Relief der Berge günstigere Anlagestätten darbietet [51]. Westlich von Grönland hindern die niedrigen Jahres- temperaturen das Zustandekommen einer richtigen Vergletscherung, und Nordasien steht unter analogen klimatologischen Bedingungen, wie die Länder der nordwestlichen Durchfahrt, so dass man behaupten kann: Zwei Drittel des cirkumpolaren Umfanges der arktischen Region sind gletscherlos, und wenn das letzte Drittel andere Verhältnisse dar- bietet, |so ist dafür in erster Linie die thermische Aktion des Golf- stromes verantwortlich zu machen [52]. Die Verhältnisse des ant- arktischen Gürtels sind wenig erforscht, doch scheint daselbst auch für die Gletscherkunde kein grosses Ergebniss erwartet werden zu dürfen; „das in enormen Schichten gefrorene Meer hat hier die Ober- hand, alles ist erstarrt — auch die Gletscher“ [53]. Die schon halb- polaren Kerguelen-Inseln haben einige Gletscher aufzuweisen, und auch dem Viktoria-Lande fehlen dieselben nicht gänzlich. Jeder Gletscher muss ein Nährgebiet sein eigen nennen, Firn- mulden, in welchen sich der grobkörnige Firnschnee ablagert, und Gletscher im engeren Sinne ist der aus der Mulde ab- fliessende Eisstrom*). Das Firngebiet („glacier reservoir“) gehört der Schneeregion an, jenseits der Schneegrenze beginnt die Gletscherzunge („glacier d’&Ecoulement‘). Diese von dem Bischof Rendu, einem der gründlichsten Kenner des Gletscherphänomenes, herrührenden Bezeichnungen [55] hat A. Heim adoptirt [56] **), und damit sind dieselben überhaupt der wissenschaftlichen Terminologie fest einverleibt. E. Richter möchte im Nährgebiete selbst wieder zweierlei Territorien unterscheiden: ‚‚die Firnfelder der meisten grossen sog. primären Gletscher lassen sich in zweierlei Räume scheiden, m *) Von Helmholtz erfahren wir [54], dass der Vergleich der Gletscher mit Strömen auf Goethe zurückzuführen sei. Bei welcher Gelegenheit sich dem feinsinnigen Beobachter der Natur diese so richtige Wahrnehmung aufdrängte, sind wir leider nicht vermögend zu sagen. **) Ein eingehendes Referat über Rendu’s Glacialtheorie hat Hayes in seinen Reisebericht über die zweite Grinnell-Expedition aufgenommen [57]. II, $S. 4. Die physikalische Beschaffenheit des Gletschereises. 541 die hochgelegenen Mulden und Berglehnen, welche die Ueberfülle des Schnee’s enthalten, dann in eine Art von Sammelbecken; in welchem die Firnmassen zusammenströmen, um dann von hier aus erst als Gletscherzunge abzufliessen‘“ [58]. Manche Gletscher sind einfach, viele aus einer Anzahl koordinirter Theile’zusammengesetzt. Die grossen, tief hinabsteigenden Gletscher unterscheiden sich von den auf das Hoch- gebirge selbst beschränkten kleineren selbst so vielfach, dass man erstere als Thalgletscher — nach v. Hochstetter — oder Glet- scher erster Ordnung — nach Saussure — den Jochgletschern, Hochgletschern oder Gletschern zweiter Ordnung gegenüber- stellte [59]. Die Trennung ist natürlich keine scharfe, die für Gletscher- längen angegebenen Zahlen machen auch niemals auf absolute Genauig- keit Anspruch *). Verschieden ist auch der alpine, der norwegische und der grönländische Gletschertypus**), welch’ letzterer sich namentlich quantitativ gegen die beiden anderen '[ypen abhebt; nur vereinzelte Felsgipfel, die Nunatak’s der Eskimo’s, steigen dort aus der Eiswüste empor, deren äusserer Rand kaum durch die Expeditionen von Helland und Nordenskiöld durchbrochen werden konnte. Wenn ein Gletscher an einen besonders steilen Absturz des Ge- birges gelangt, so kalbt er mitunter, bricht in seiner ganzen Mächtig- keit ab und stürzt als Gletscherlawine in die Tiefe [61]; die Besucher der Wengernalp wissen meist von solchen zu erzählen. Von den durch Gletscherbrüche nicht selten entstehenden Gletscherseen wird im nächsten Kapitel zu sprechen sein. $. 4. Die physikalische Beschaffenheit des Gletschereises. Genaue Vergleichung der ombrometrischen Aufzeichnungen scheint dafür zu sprechen, dass in höheren Regionen das Quantitätsverhältniss des fallen- den Schnee’s zum fallenden Regen sich mehr und mehr zu Gunsten des ersteren verschiebt. Es ist zu vermuthen, dass, wenigstens in den Alpen, das Maximum des jährlichen Schneefalles in den unteren Theil der Schneeregion fällt, und dass schon dort mehr als die Hälfte der jährlichen Niederschlagsmenge in Schnee besteht, welcher dann noch höher oben das tropfbar flüssige Wasser so gut wie ganz ver- drängt |62]. Der mehlige, trockene Schnee dieser hochgelegenen Gegen- den heisst bei Agassiz „neige poudreuse“, bei H. v. Schlagint- weit Hörnerschnee, bei Hugi Hochschnee; er ist als eine feinkörnige Mischung von Eis und Luft anzusehen. Schon dieser Hochschnee macht in seinem eigentlichen Gebiete alle möglichen Processe der Umwandlung in wirkliches Eis durch, sei es, dass an seiner Oberfläche eine dünne Kruste, der sogenannte Eisfirniss, entsteht, sei es, dass das Sickerwasser minder mächtige Schneeschichten ganz durchdringt und bewirkt, dass diese zum Hocheis zusammen- gebacken werden [63]. Je geringer die Meereshöhe eines Schneelagers ist, um so mehr wird die bereits längere Zeit liegende Masse zu Ballungen geneigt, und auch dem Hochschnee ergeht es nicht anders, *) Nach v. Sonklar [60] ist der längste Gletscher Europa’s der grosse Aletsch-Gletscher, der längste überhaupt gemessene aber findet sich in der Mustagh-Kette am oberen Indus. **) Vielleicht wäre, mit Rücksicht auf Güssfeldt’s Eröffnungen (s. o.), noch ein vierter, ein chilenischer Typus zu kreiren. 542 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. er verwandelt sich, mitunter sehr allmählig, mitunter auch un- gemein rasch, in Firn (neve), in eine feste, körmnige Substanz ohne die bekannten, flimmernden Krystallnädelchen |64]. Natür- lich vermag der kundige Forscher zwischen beiden Arten von Schnee mancherlei Uebergangsformen zu konstatiren. Der Firn ist ge- schichtet, indem Schmelzperioden und Schneefälle mit einander ab- wechseln. Der mit Flüssigkeit durchtränkte Schnee geht nach und nach in Eis über, zumal wenn die höheren Lagen durch den Druck ihres Gewichtes die Metamorphose beschleunigen; dieses Firneis ist zwar oft schon ganz fest, lässt aber durch die eingeschlossenen Blasen, die weisse Farbe und die unvollkommene Körnung deutlich erkennen, dass es nicht aus flüssigem Wasser durch Veränderung des Aggregat- zustandes hervorgegangen ist |[65]*). „Das Gletschereis bildet 'sich durch ganz allmählige, wahrscheinlich vorwiegend mechanische Um- formung aus dem Firneis heraus“ [67]. Während die für Eis sonst charakteristischen Kapillarspalten dem Firneise fehlen, sind sie im Gletschereis ausgiebig vorhanden; dieses Spaltennetz trennt die Gletschereismasse in einzelne polyedrische Stücke, die Gletscher- körner, welche eines verbindenden Zwischenmittels — Firncement — gänzlich entbehren. Je weiter thalabwärts das Gletscherkorn ge- langt, umso blasenfreier, um so ähnlicher dem Flusseise wird es, und umso stärker prägt das Haarspaltennetz sich aus. Trotzdem finden sich auch im scheinbar reinsten Eise der Gletscher noch Fremdkörper- Einschlüsse aller Art vor [68]. — Im Uebrigen ist die Struktur des (Grletschereises noch von mehreren Umständen abhängig, auf die wir nunmehr in der von Heim gewählten Reihenfolge näher eingehen wollen. a) Das Gletscherkorn. Nach Hagenbach-Bischoff, der hier- über eine sehr anregende Abhandlung schrieb |69], war es Hugi, der zuerst auf das Gletscherkorn als einheitliches Krystall-Individuum hinwies [70]. Um diese seine Eigenschaft unzweifelhaft zu erkennen, muss man ein Korn mit der erwärmten Hand abschleifen und es dann im Polarisationsapparate untersuchen. Da treten dann die bekannten optischen Eigenschaften einaxiger Krystalle deutlich hervor, näm- lich die Savart’schen Interferenzstreifen und die farbigen Hyperbeln in weissem Lichte bei zwei gekreuzten Platten. Die von Agassiz bemerkten und von Forel [71] durch Wachs- und Gipsabgüsse be- sonders genau untersuchten Oberflächenstreifen, welche an die Runzeln der Haut erinnern, stehen in enger Beziehung zur Krystall- struktur, insoferne sie einer zur Krystallaxe senkrechten Ebene ange- hören. Auch Tyndall’s Schmelzfiguren [72], bald als Scheibchen, bald als schneeflockenähnliche Sternchen erscheinend, stehen mit ihrer Ebene senkrecht zur optischen Hauptaxee Grad und Dupr& waren der Meinung [73], dass jedes einzelne Gletscherkorn im Allgemeinen als die Weiterbildung eines Firnkornes anzusehen sei, allein, so wahr- scheinlich die T'ransmutation auch a priori ist, für erwiesen kann sie noch keineswegs gelten. „Die Entstehung des Gletscherkornes ist *), Helmholtz konstruirte eine cylindrische Presse, um die Erzeugung von Eiscylindern aus Schnee durch starken Druck sogar im Vorlesungsversuche zu demonstriren [66]. £ - N ; III, S. 4. Die physikalische Beschaffenheit des Gletschereises. 543 noch nicht aufgeklärt. Vom Hochschneenädelchen durch den Firnschnee bis zum Gletscherende wird das Material des Gletschers stets grob- körniger, die Kontinuität dieser Umwandlung ist aber noch nicht sicher erwiesen [74] *). b) Die Infiltrirbarkeit des Gletschereises.. Ob das Spaltennetz in dem Grade die Erscheinungen der Porosität darbietet, um Flüssig- keiten den Eintritt zu verstatten, ist noch nicht mit Sicherheit bekannt. Jedenfalls ist die äusserste Schicht der Infiltration am zugänglichsten. Forel [77] und Heim [78] finden, dass da, wo drei verschiedene Körner an einander grenzen, am ehesten wirkliche Kanäle oder Flüssig- keitswege auftreten. c) Die wirkliche Schichtung. Dass eine solche Schichtung in den oberen Partieen des Gletschereises vorhanden ist, unterliegt keinem Zweifel, doch ist es nicht so leicht, wie Hugi es sich vorstellte, die einzelnen Lagen wirklich abzulösen. Durch die ganze Masse des Gletschers hindurch ist die Schichtung bisher nicht zu verfolgen ge- wesen. d) Die oberflächlichen Schmutzbänder. Auf den meisten Gletschern beobachtet man oberflächliche Streifungen von dunklerer Farbe, welche von den Rändern her unter scharfem spitzem Winkel gegen die Längs- axe des Gletschers vordringen. In Fig. 101 geben wir nach Tyndall Fig. 101. DL m . [79] ein Bild von den Streifen des „Mer de Glace“. Dieser Forscher benannte sie Schmutzbänder (,„dirtbands“), während v. Schlag- intweit und Agassiz dafür die Namen Ogiven und Chevrons**) gebrauchten. Tiefer hinab können die Streifen nicht gelangen, denn *”) Eine bisher strittig gewesene Frage kann seit den neueren Untersuchungen Klocke’s [75] als geklärt gelten. Grad-Dupr& hielten dafür, dass die optischen Axen der Gletscherkörner nach einer bestimmten Richtung orientirt seien, und spätere Forschungen Bertin’s, J. Müller’s u, A. gaben kein sicheres Ergebniss für oder wider. Klocke aber ermittelte am Morteratsch-Gletscher, dass jene Regelmässigkeit in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Es ist diess schon deshalb klar, weil nach einer von Heim aufgemachten Rechnung [76] die von den Spältchen abgegrenzten Gletscherkörner der höher und tiefer gelegenen Partieen einander durchaus nicht entsprechen. **) Diese Bezeichnung scheint uns der Sachlage gut zu entsprechen; in der Zeichnung sieht manche Gletscherzunge gerade so aus, wie der Rockärmel eines altgedienten Soldaten der Kaiserzeit mit seinen zahlreichen Chevrons (Dienst- altersauszeichnungen). 544 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. das Material dazu wird lediglich von Staub, Sand und Schlamm geliefert, welcher sich auf dem Gletscher ablagert und in Folge der Gletscher- bewegung in der angegebenen Weise auseinandergezogen wird. Ander- seits hängen übrigens die Schmutzbänder mit der sofort zu be- sprechenden Erscheinung zusammen [80]. e) Blaublätterstruktur. Im Allgemeinen ändert sich gegen das Gletscherende hin die Beschaffenheit des Eises insoweit, als stets deut- licher ein Lamellenbau hervortritt. Quer zu diesen Plättchen gesehen, behält das Eis seine bekannte, weisslich-trübe Farbe, wogegen es, wenn man das Auge in die Ebene einer solchen Lamelle bringt, als von schön blauen, durchsichtigen Streifen durchzogen erscheint. An der Oberfläche bilden diese Bänder, weil das blasige Eis viel leichter schmelzbar ist, als das blaue, Furchen, die, weil auf sie eine gleiche Dehnungsursache einwirkt, eine ähnlich gekrümmte Form annehmen, wie die Schmutzbänder (s. 0.) und deshalb wohl auch Ogiven genannt werden. Diese Bandstruktur oder Blaublätterung („structure lamellaire*, „riboned structure“) ist seit Guyot [81] ein beliebtes Untersuchungsobjekt der Glacialisten, doch hat es lange gedauert, bis man über ihre eigentliche Natur klar wurde. Agassiz rang sich, wenn auch nur mit Mühe und nach manchem Fehlgriffe, zu der Kennt- niss durch [82], dass die Bänder nicht mit den Schichten einerlei seien, und Heim konnte unser geläutertes Wissen in dem Satze zusammenfassen |83]: „Alle Forscher, welche sich ganz speziell mit der Blaublätterstruktur abgegeben haben, wie Forbes, Schlagint- weit, Tyndall, Agassiz, Seve, v. Sonklar, der Verfasser, sind durch ihre Beobachtungen, nicht durch Theorieen, zur Erkenntniss gezwungen werden, dass die Blaublätterstruktur nicht Schich- tung, sondern Schieferung ist.“ f) Die weissen Blätter. Diese Bezeichnung („white ice-seams“, „bandes lactees‘‘) bezieht sich auf die zwar blasenreichen, aber völlig von Fremdkörpern freien Eislamellen von blendend weisser Farbe, welche, in sehr wechselnder Breite und in das kompaktere bläuliche Eis ein- gebettet, sich oft über einen grossen Theil des Gletschers hin erstrecken, jedoch gar nicht tief in diesen eindringen. ‚Sie entstehen dadurch, dass der Winterschnee die Querspalten der Gletscherbrüche erfüllt und in denselben am Fusse des Bruches zusammengedrückt und einge- klemmt wird, bevor er schmelzen konnte“ [84]. Damit kann einstweilen das Kapitel von der Eisstruktur verlassen werden*). Die folgenden Abschnitte werden uns Gelegenheit geben, immer wieder auf einzelne Punkte dieser Lehre zurückzukommen. $. 5. Thatsächliches über die fortschreitende Bewegung des Glet- schereises. Schon die älteren Gletscherforscher waren sich dessen wohl bewusst, dass das Gletschereis nicht in Ruhe verharre. Altmann hat zwar keine vollkommen deutliche Vorstellung von der Art der *) Tyndall unterscheidet [85] aus später zu erläuternden Gründen dreierlei verschiedene Strukturen des Gletschereises: die transversale, die durch Druck und Neigungswechsel, namentlich nahe dem Gletscherfusse, bedingt ist, die longitudinale, durch den beidseitigen Druck zweier lateraler Gletscher bewirkt, und die Randstruktur, veranlasst durch den aus der schnelleren Bewegung der Gletschermitte resultirenden Druck. ILS. 5. Thatsächl. über die fortschreit. Bewegung des Gletschereises. 545 Bewegung, doch schliesst er auf eine solche aus der ihm bekannten Thatsache, dass Gegenstände, welche in eine Gletscherspalte fielen, lange nachher am unteren Ende wieder an’s Tageslicht kommen, dass sie also „mit dem Gletscher fortgestossen“ sein müssen [86]*). Doch dauerte es noch längere Zeit, bis eigentliche Messungen an Stelle oberflächlicher Schätzungen traten. Um 1840 begann Agassiz seine Messungen am Gletscher der Aare, und aus dieser Arbeit, bei welcher Johannes Wild den geodätisch-topographischen Theil auf sich nahm, gieng endlich die treffliche Darstellung des Unteraargletschers hervor. Forbes, v. Schlagintweit, Tyndall u. A. folgten nach, wie man aus der die älteren Versuche sämmtlich registrirenden Zusammen- stellung Heim’s ersehen kann [88], und neuerdings haben diese Ver- messungsarbeiten eine so systematische Gestalt angenommen, dass man sanz wohl von einer glacialen Geodäsie zu sprechen sich be- rechtigt fühlen könnte. Das einfache und zweckdienliche Verfahren, welches Agassiz in die Gletscherkunde einführte, bestand darin, längs der Queraxe eines 'Gletschers eine Reihe von Pfählen einzuschlagen und jeweils in be- stimmten Pausen die Verschiebungen dieser Pfähle sowohl unter sich als auch gegen fixe Marken am Gletscherrande nachzumessen**). Fr. Pfaff verfeinerte die Messungen durch Anwendung seines Mikro- soniometers, einer Vorrichtung, welche sehr kleine und an sich nicht mehr messbare Longitudinalverschiebungen in Winkelveränderungen umzusetzen und auf diese Art messbar zu machen gestattet [90]. Von Klocke wird, im Hinweis auf Pfaff, eine analoge Methode zur Bestimmung des Gletschervorrückens während sehr kleiner Zeiträume empfohlen [91]***), und Pfaff selbst giebt Mittel an die Hand [92], um die Bewegungen der Skalen graphisch darzustellen, wodurch die Art der Bewegung bequemer ersichtlich wird. Auch zeigt derselbe, wie er bei seinen Beobachtungen an der Pasterze, wo übrigens gleich- zeitig vier Horizontal- und Vertikalskalen abgelesen werden mussten, *) Die Eigenschaft des Gletschers, an sich selbst einen Reinigungsprocess fremden Körpern gegenüber zu vollziehen, ist im Drucke zuerst von Seb. Münster hervorgehoben worden [87]. **) Unvermögend, sich bei der Untersuchung des mächtigen Bruder-Johannes- Gletschers am Foulke-Fjord länger aufzuhalten, griff Bessels [89] zu einem sinn- vollen „„Manoeuvre de force“, welches von Polarforschern gewiss im Auge behalten werden wird (s. Band I, S. 285). Er ersetzte in der Kamera seines photographi- schen Apparates deren matte Scheibe durch eine gewöhnliche Glastafel, deren Rückseite mit geöltem Seidenpapier überklebt war. stellte dann senkrecht zur Bewegungsrichtung des Gletschers zwei Reihen dünner Holzlatten auf, deren schmale Seite sich dem Apparate zukehrte, und fixirte dann zu einer bestimmten Stunde h; die als Linien von verschiedener Dicke sich projieirenden Bilder der Latten auf dem ÖOelpapier mit einer Nadelspitze. und zwar unter zehnfacher Lupenvergrösserung. Nach Ablauf der Stunde hy ward die Messung wiederholt, die Abstände entsprechender Latten wurden durch Multiplikation mit dem Ver- grösserungsfaktor in Linearmaass verwandelt, und so hatte man ein leidlich ge- naues Maass für die Thalbewegung des Gletschers während der Zeit (hy — hj) erhalten. **#) „Man befestigt an einem in das Eis eingesetzten Pfahle eine horizontale und eine vertikale Skala und beobachtet dieselben durch ein am Ufer absolut fest aufgestelltes, mit Fadenkreuz versehenes Fernrohr. Bewegt sich das Eis mit den Skalen. so wandern deren Theilstriche durch das Fadenkreuz und kann die Grösse und Richtung der Bewegung somit direkt abgelesen werden.“ Günther, Geophysik. II. Band, 39 546 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. des Nachts für deren Erleuchtung Sorge trug [93]. In neuerer Zeit lässt sich von äusserst umfassenden Unternehmungen glacialgeodätischer Natur berichten. Forel liess bei seiner Aufnahme des Rhönegletschers [94] die diskontinuirlichen Pfahlreihen durch stetig an einander gereihte taustgrosse Steine ersetzen, welche je nach ihrer Lage mit Farben kenntlich gemacht wurden; auch wurde, um Anhaltspunkte über die wechselnde Tiefe des Gletschers zu erlangen, auf jeder der Querlinien, welche in der Epoche 1874 mit Steinen belegt worden waren, ein Querprofil nivellirt [95]. Dasselbe Verdienst, welches sich Forel in den Westalpen erwarb, muss E. Richter bezüglich der östlichen Gletscher zuerkannt werden; seine Studie über den Obersulzbach- gletscher [96] ist eine Arbeit von entschieden fundamentaler und paradigmatischer Bedeutung, und insbesondere eröffnen seine mit aus- dauerndstem Fleisse ausgeführten Querschnittsberechnungen [97], wie wir bald sehen werden, der Theorie wichtige Perspektiven. Alle diese Messungsarbeiten, denen noch manche andere, z. B. diejenigen See- land’s an der Pasterze, Helland’s an norwegischen Gletschern u. s. w. anzureihen wären, lieferten nun die von Heim zu einem wohlgeord- neten Ganzen [98] verarbeiteten Thatsachen, über welche nunmehr zu berichten sein wird. Für die schweizerischen, skandinavischen und die kleineren nor- wegischen Gletscher kann angenommen werden, dass die centralen Theile der Oberfläche im Jahre um eine Strecke von 40 bis 100 m sich fortbewegen. Sichergestellt — und schon durch die Konfiguration der Ogiven (s. o. $. 4) angedeutet — ist das Faktum, dass die progressive Bewegung des Gletschers vom Rande nach der Mitte hin wächst. Ueber die Modalitäten dieser Zunahme kann man sich eben mittelst der von Forel (s. o.) angeführten Zahlen besonders gut unterrichten, wie nachstehende Tabelle darthut. In ihr sind die quer vom West- nach dem Ostrande des Rhönegletschers sich erstrecken- den Steine durch fortlaufende Nummern bezeichnet, und die Rubrik B ergiebt die zugehörige mittlere Jahresbewegung in Metern: Nr, | B. Nr. B. | Nr. B: ıı Ne | B: | Il | | 1bis4| 2? | 125 | 91 |) 383 | 958 | 31 |-97,1 || 39) 89.0. | Auer 5) 12.9 16 82.4 24 96,7 82 97.0 || 40 | 87.4 || 48 | 60,7 8 | 43,3 17 85,8 25 | 98.2 83 19.9 || Al | 85,5 || 49 | 50.7 10 | 50,9 18 | 88.2 26 98:0 34 | 95,1 || 42 | 83.4 || 50 39.2 11 | 580 || 19 | 902 | 27 | 980 | 35 |942 | 43 | 813 | 51 ı2 |651 | 20 | 921 | 28 |98,4 | 36 934 | 44 | 793 || 52 13 |704 | 21 |943 | 29 | ssı | 37 | 921 | 45 | 75,9 |. 58 14 Ba 22 | 95.8 | 30 | 98.0 || 38 | 90.3 || 46 | 713 | | Lokale Unregelmässigkeiten, Spalten u. dgl. verhindern das Zutage- treten eines klaren Gesetzes; auch hängt das Verhältniss der Rand- geschwindigkeit zur Mittelgeschwindigkeit von der Jahreszeit ab. Uebrigens ist die Zunahme der Bewegung von aussen nach innen eine kontinuirliche [99]. Wenn das Gletscherbett regelmässig gebaut und regelmässig geböscht ist, so bewegt sich der Gletscher nahe der Firn- III,$.5. Thatsäch]. über die fortschreit. Bewegung des Gletschereises, 547 linie am schnellsten, während umgekehrt z. B. das Mer de Glace nach unten zu rascher fliesst. Im ersteren Falle drängt das sich nachschiebende Eis die tieferen Theile seitlich auseinander, es entstehen Lateralbe- wegungen, die sich vielleicht sogar nahe der Mitte zu einer rein vertikalen Bewegung zusammensetzen [100]. Dass die Bewegung von oben nach unten zu ziemlich rasch an Intensität verliert, ist durch Tyndall’s Beobachtungen sicher nachgewiesen. Auch an der Ober- fläche fällt, wie schon aus unserer obigen Tabelle erhellt, die Linie der Maximalbewegung nicht mit der Gletscheraxe zusammen; in Fig. 102 stellt ABODE die erstere, FGH die letztere so dar, wo Tyndall [101] dieses Verhältniss darstellt. Heim ist es gelungen, | Fig. 102. ziemlich scharfe und allgemeingül- tige geometrische Beziehungen zwi- schen beiden Kurven nachzuweisen [102]; entsprechende Gesetze regeln ihm zufolge [103] auch das Verhält- niss der Geschwindigkeit zur Form und Grösse des Gletscherquerschnittes. Diese Einengungen des Querschnit- tes sind oft, zumal beim Suldener Gletscher, ausnehmend beträchtlich, und es müssen damit nach bekannten hydraulischen Sätzen ebenso beträchtliche Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeit korrespon- diren. Eigentlich rückläufige Bewegungen lassen sich für kurze Zeit- räume nur unmittelbar an den Rändern nachweisen, nach Pfaff’s Ansicht sind sie auch sonst nicht unmöglich, kommen aber nur in streng lokaler und zeitlicher Begrenzung vor [104]. Aus den Dia- grammen des genannten Forschers geht hervor, dass die Bewegung alles eher als eine gleichförmige ist, doch ist sie ebensowenig eine ruckweise, vielmehr erfolgt sie kontinuirlich [105]. Dem allen zufolge ist die Analogie zwischen der Bewegung eines Gletschers und derjenigen einer schwerflüssigen Masse unverkennbar. Damit allein ist allerdings noch kein völlig bestimmtes Urtheil aus- gesprochen, denn die schwerflüssigen Massen zerfallen [106] selbst wieder in zwei Klassen: in die zähflüssigen oder viskosen, bei welchen die innere Kohäsion die innereReibung (S. 420 dieses Bandes) überwiegt, die auf Druck plastisch reagiren und „Fäden ziehen“ (Syrup), und in die diekflüssigen, bei welchen das arithmetische Verhält- niss von Kohäsion und Reibung das umgekehrte ist, die auf Druck sich ähnlich, wie die viskosen, äussern, die aber stärkeren Zug gar nicht vertragen können*). „Die Beobachtungen über die Spaltenbildung *) Die Theorie der Bewegung solcher Körper bietet natürlich insoferne besondere Schwierigkeiten, als auf sie die Fundamentalgleichungen der Hydro- dynamik (S. 392 dieses Bandes) nicht direkt anwendbar sind. Für den Fall, dass nur zwei Dimensionen zu berücksichtigen sind, hat St. Venant [107], für den Fall, dass auch noch die dritte Dimension hinzukommt, hat Levy [108] die fünf, resp. neun Relationen aufgestellt, welche als die Grundgleichungen der Plastikodynamik gelten müssen. Werthvolle Beiträge zur Begründung dieser neuen mechanischen Theildiseiplin liefern auch Tresca’s Untersuchungen der bei’m Stempeln der Metalle vor sich gehenden Molekularveränderungen [109] und noch mehr diejenigen desselben Autors über den Ausfluss der Metalle [110], von denen der offizielle Bericht sagt [111]: „Mr. Tresca vous presente aujourd’ hui les &pures des coupes faites dans les jets de matieres ductiles“. Es muss aus den überaus #; RT N z » a 1 s - wer: h Ka“ a 4 Er % “ce ar vn - f na re 548 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. der Gletscher beweisen uns, dass die Vergleichung der Gletscher- bewegung mit einem zähflüssigen Körper unrichtig ist, dass der Gletscher vielmehr, als Ganzes genommen, als dickflüssige Masse angesehen werden muss. Er zieht nicht Fäden, er zerreisst auf Zug“ [114]. Den Spalten im Gletscher haben wir also zunächst unsere Auf- merksamkeit zuzuwenden. Auf jeden Punkt im Inneren der bewegten Masse wirken Zug- und Druckkräfte, und man kann sich für einen jeden durch Resultantenbildung die Richtung des stärksten Zuges und die Richtung des stärksten Druckes konstruirt denken. Die ganze Masse zerlegt sich so in zwei einander zugeordnete Kurvenschaaren: in das System von Kurven des Maximalzuges und in das System von Kurven des Maximaldruckes. Selbst für das menschliche Knochen- gerüste hat sich die Unterscheidung dieser beiden Kurvensysteme als nothwendig und durchführbar erwiesen. Fig. 104 stellt uns dieselben vor Augen. Solche Kräfteverthei- lung beherrscht nun auch den Gletscher, und zwar kann man das Vorhandensein derselben im Einzel- falle mit Hülfe der folgenden — an sich der Plastikodynamik als solcher angehörigen, von Heim aber [115] den speziellen Ver- hältnissen der Gletscherkunde an- gepassten — Sätze ermitteln: -——_ Kurven des grössten Druckes. Die klaffenden Spalten stehen überall senkrecht auf den Richtungen grösster Streckung, den Zugkurven; Wülste und Blaublätterstruktur stehen senkrecht auf den Richtungen grösster Pressung, den Druckkurven. Durchmustern wir nun, ausgerüstet mit diesen hodegetischen Wahrheiten, in Kürze die morphologischen Verhältnisse des Gletscher- Er _ Kurven des grössten Zuges merkwürdigen Modellen, die Tresca hergestellt hat, geschlossen werden, dass bei sehr hohen Druckgraden auch feste Körper in einen halb beweglichen, dick- flüssigen oder, wie man in geologischen Kreisen die Sache ausdrückt, latent plastischen Zustand gerathen, in welchem der Druck sich nicht mehr ein- seitig,.sondern allseitig fortpflanzt. Unsere Fig. 103, gerade auch für die Gletscher- theorie wichtig, versinnlicht uns nach Tresca[112]dieinneren Verschiebungen erhitzter Eisenplatten, welche durch den Schlag des Fabrikhammers gezwungen wurden, sich theilweise durch eine kreis- förmige Oeffnung hindurchzuzwängen. — Dieses Hindurchwinden einer schwer- flüssigen Masse durch Löcher vergleicht Tyndall [11%] mit dem Durchwinden des Gletschers durch eine Thalenge; nur darin findet er einen Unterschied beider Erscheinungen, dass das Gletscher- eis seinen Zusammenhang einbüsse, 1I,$S.5. Thatsächl. über die fortschreit. Bewegung des Gletschereises. 549 eises! Die weitesten Klüfte finden sich oben in dem minder spröden Firneise vor, welches oft durch solche Schlünde in ein Chaos wild durcheinander liegender Eisbrocken — die Serac’s*) — zerrissen ist. Diese Firnklüfte sind die gefährlichsten Feinde des Hochtouristen. Regelmässiger tritt die Zerklüftung in dem kompakt dahinfliessenden Eisstrome auf; das bald singende, bald knallartige Geräusch, mit wel- chem sich immer neue Spalten bilden, wird nach Tyndall oft stunden- lang gehört**). Man hat dreierlei Gattungen von Spalten zu unter- scheiden. a) Randspalten (,erevasses marginales“). Dieselben fehlen niemals sanz, weil sie aus der Natur der fliessenden Bewegung mit Natur- nothwendigkeit sich ergeben |118]. Im Grossen und Ganzen schliessen die weiterhin nach Art der Ogiven sich krümmenden Randspalten mit der Uferrichtung Winkei von nahe 45° ein. b) Querspalten (,„erevasses medianes“)., Das Auftreten dieser Spalten ist bestimmt durch plötzliche Aenderungen in der Neigung des Gletscherbettes gegen den Horizont. Sie finden sich also nur bei gewissen Gletschern und auch bei diesen nicht allerorts [119]. ©) Längsspalten („erevasses longitudinales“) treten stets und nur da auf, wo ein Gletscher aus einer Thalverengerung in eine Thal- erweiterung tritt [120]. Jene Struktur-Klassifikation, deren wir oben als von Tyndall ausgehend gedachten, bezieht sich strenge genommen nur auf die Dlau- blätterstruktur, welche allerdings, je nach ihrer Lage im Eisstrome, ein dreifaches Aussehen zeigt, von eigenartigen Lokalstrukturen ganz abgesehen. Ob man es hier mit einer Druckschieferung — Tyndall — oder mit einer Schlierenstruktur — Forbes — zu thun hat, das stehe dahin [121]. Zum Schlusse betont Heim, dass Tyndall’s Einwand hinsicht- lich des Kontinuitäts-Verlustes nach der nunmehr gewonnenen tieferen Einsicht in die plastikodynamischen Verhältnisse seine Bedeutung ver- loren hat. Die Schlussfolgerungen unseres trefflichen Führers sind es werth, hier in extenso wiedergegeben zu werden: „I. Auf Druck verhält sichder Gletscher stets plastisch. Je grösser lokal der Druck der eigenen Schwere ist und je ungehemmter er wirkt, desto schneller wird, wie bei einer Flüssigkeit, die Bewegung. Ge- steigerter Druck erzeugt Quetschung, seitliches Ausweichen und da- durch Blaublätterstruktur, die im Allgemeinen senkrecht auf seiner Richtung steht. II. Auf Zug verhält sich der Gletscher stets spröde, er zerreisst. Senkrecht auf der Richtung des grössten Zuges entstehen die Spalten um se zahlreicher, je grösser, je stärker der Zug ist.“ *”) Das Wort bedeutet im savoyischen Patois nach Martins „Gletscher- käse“, nach Analogie eines im Chamounithale producirten Handelsartikels [116]. **) Namentlich der unerfahrene Gletscherwanderer muss, wie Tyndall betont, unter den auf sein Gehör eindringenden Tönen sorgfältig unterscheiden, um das Geräusch der Spaltenbildung richtig herauszufinden, weil ausser dem Lärm ferner Lawinenstürze nicht selten auch die von einem unterirdischen Eissee beim Durchbrechen seiner Dämme verursachten Schallerscheinungen sich geltend machen [117]. Den richtigen Ton erkennt sofort wieder, wer je den unheim- lichen Gang über einen oberflächlich zugefrorenen See gemacht hat. 550 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung, S. 6. Theoretische Ansichten über Gletscherbewegung. Seit Scheuchzer, kann man sagen, ist die theoretische Spekulation über Wesen und Ursache der Gletscherbewegung eine dauernde geblieben, und zahlreiche Hypothesen haben einander abgelöst. A. Heim führt [122] nicht weniger als 47 Forscher auf, die bis zum Jahre 1882 auf diesem Gebiete thätig gewesen sind, und aus der Spanne Zeit, die seitdem verstrichen, lassen sich schon wieder neue, würdige Namen — Stapff, Oldham u. A. — den in jener Liste aufgeführten anreihen. Ausser Heim hat auch Grünwald eine hübsche genetische Entwicke- lungsskizze der Gletschertheorieen gegeben [123]. Ehe wir aber in deren Darstellung selbst eintreten, senden wir, wie der schweizerische Grletscherforscher es thut [124], gewisse Prolegomena voraus. a) Verflüssigung des Eises durch Druck. Bei starkem Druck sinkt, wie zuerst von den Gebrüdern W. und J. Thomson bemerkt ward, der Schmelzpunkt des Eises unter 0°, und es wird mithin ein Theil des letzteren in Wasser verwandelt. Dasselbe gefriert zum grössten Theile wieder, sobald der Druck nachgelassen hat. b) Regelatiin. Faraday ist der Entdecker*) dieser mit der soeben erwähnten verwandten Naturerscheinung. Zwei angefeuchtete Eisstücke frieren, wenn das eine an das andere gepresst wird, zu einem einzigen Stücke an einander; sie thun diess jedoch auch ohne Druck, wenn man die beiden Stücke genügend lange in Berührung lässt. Eine völlig einwurfsfreie Erklärung der Regelation ist — hierauf haben sich Tyndall und Helmholtz geeinigt |126] — bis vor Kurzem noch nicht erbracht gewesen. Indem Heim [127] die Analogie des Rege- lationsprocesses mit dem Schweissen der Metalle hervorhob, trug er, wie sich später zeigen wird, ein neues Ferment in diese Lehre hinein. c) Die Härte des Eises. Bei grosser Kälte hart und spröde, wie Glas, beginnt Eis, schon ehe es bis zum Grade der Schmelzung er- wärmt ist, plastisch zu werden (vgl. S. 427 dieses Bandes), ohne seine Krystalleigenschaft zu verlieren [128]. d) Die Festigkeit des Eises. Hierüber handelt bereits $. 2 des sechsten Kapitels der sechsten Abtheilung. e) Die Temperatur im Inneren des Gletschers. Gletschereis be- sitzt in hohem Grade die Eigenschaft der Diathermansie. J. Müller giebt hiefür [129] die Belege, indem er sich auf Experi- mente von Dollfus-Ausset und von Forel stützt. Es trifft sich wohl, dass tief im Inneren des Gletschers Steine stecken, um welche herum eine kleine Höhle ausgeschmolzen ist. Die Wärmestrahlen sind in solehen Fällen eben anstandslos durch die Eismasse hindurchgegangen und haben den Stein mit fast ungeschwächter Kraft erwärmt, erst durch die Leitung ist dann allmählig die höhere Temperatur auch dem umgebenden Eise übermittelt worden. Aus Messungen von Hugi, der allerdings nicht immer vorurtheilsfrei operirte**), sowie aus den von *) Die Originalmittheilungen Faraday’s und die daran sich knüpfenden Bemerkungen von Tyndall und James Thomson findet man in Band 9 und 10 der „Proceedings of the Royal Society“. Deutschen Lesern ist das Studium der trefl- lichen Uebersicht anzurathen, welche Helmholtz von jenen Diskussionen gab [125]. **) So wollte er z. B. [130] die Helligkeit des Firn’s nicht durch blosse Insolation, sondern durch eine um die Firnmasse herum nach besonderen — unbekannten — Gesetzen sich verdichtende Atmosphäre erklären. II, $. 6. Theoretische Ansichten über Gletscherbewegung. 551 Moseley und Forel angestellten Betrachtungen ist zu schliessen, dass zwar das Massiv des Gletschers sich thermisch in vier gesonderte Theile zerlegt, dass jedoch für den räumlich weit überwiegendsten Bestandtheil eine konstante Temperirung von 0° besteht [131]. Die Gletschertheorieen selbst können nach zwei einander scharf gegenüberstehenden Klassen gruppirt werden [132]; in die erste Klasse gehören alle Theorieen der selbstständigen Triebkräfte, in die zweite die reinen Gravitationstheorieen. Bei der nun folgenden Einzelbesprechung sind die unter a, b und c erörterten Lehrmeinungen prineipiell der ersten, alle übrigen der zweiten Kategorie zuzuweisen. a) Dilatationstheorieen. Der Begründer derselben ist zugleich auch der Vater der ganzen Lehre von den Gletschern, J. J. Scheuchzer*). Bei’m Gefrieren treibt das in die Ritzen und Spalten ein- gedrungene Wasser, welches nunmehr sich ausdehnt, die Masse vorwärts. Biselx und die beiden Charpentier pflichteten Scheuchzer bei, indem sie dessen etwas grobsinnliche Anschauung auch auf die zarten und, wie wir sahen, bis zu einem gewissen Grade infiltrirbaren Haarspalten übertrugen. Unter den von Heim [134] an- geführten Gegengründen erscheint uns als der zwingendste der, welcher betont, dass jenes Wachsthum doch nicht einzig und allein in der Longitudinalrichtung sich sicht- und fühlbar machen könnte*”). b) Gletscherkorn-Wachsthums-Theorieen. Die einzelnen Gletscher- körner wachsen nach dieser zuerst von Hugi vertretenen Ansicht durch Ankrystalliren neuen Eises. Ladame, Nicolet, Bertin, Grad, ganz besonders aber Forel [135], haben diese Theorie weiter gebildet, und zumal der Letztgenannte verfeinerte sie sehr. Er unterscheidet im Gletscher drei Partieen, die Finregion, welche den Gletscher in seiner Kindheit darstellt und von der Firnlinie — zugleich nach Stapff mit der Isogeotherme von 0° zusammenfallend [136] — begrenzt wird, den in seiner Vollkraft befindlichen Gletscher („glacier adolescent“), der da aufhört, wo unter dem Gletscher der Bach sich zu bilden beginnt, und den alternden Gletscher („glacier s@nile*). In der ersteren Partie waltet ein Uebermass von Schnee vor, alles Wasser wird zur Eisbildung verwendet, im zweiten Theile macht sich bereits die Sommerwärme mehr geltend, alles Infiltrationswasser wird vom Gletscher absorbirt, im dritten Theile endlich liefert die Sommerwärme mehr Infiltrationswasser, als der Gletscher selbst zu beherbergen ver- mag. Der Durchkältungsgrad der Eismasse im Winter und der Durch- tränkungsgrad im Sommer bedingt nach Forel die Grösse des Korn- wachsthums, und so erscheint dieses letztere als Funktion eines neuen Werthes, des Gletscheralters. Heim erkennt voll und ganz die *) Folgendes sind (nach Heim) Scheuchzer’s Worte [133]: „Es muss das vom Rücken der vereisten Berge und Felsen abfliessende Wasser, wenn es in den Sprüngen und Lücken des Eises sich sammelt und gefriert, weil es in diesem Zustande einen grösseren Raum einnimmt, nach allen Seiten drängen und den- jenigen Gletschertheil, der nach der freien Luft und nach abschüssigen Wänden blickt, vorwärts stossen .. .* **) Gerade dieses Argument, obwohl Scheuchzer’'s eigene Darstellung zur Aufstellung und Verwerthung desselben geradezu herausfordert, wird von Grün- wald [134] unterdrückt, und seine übrigen Argumente ersetzen das Fehlen dieses Einen keineswegs. It ba, a 559 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. a: a vielen richtigen Gedanken in diesem sehr durchdachten Systeme an, erklärt sich aber trotzdem gegen dasselbe [137], hauptsächlich auf Grund einer höchst originellen Berechnung des schliesslichen Kornvolumens, die leider für eine Mittheilung an diesem Orte zu umfangreich ist. c) Die Theorie der Temperaturwechsel. In einer Reihe von Ab- handlungen, welche in den verschiedenen Jahrgängen des „Philosophical Magazine* von 1855 bis 1870 zerstreut sind, hat Moseley den Ge- danken ausgeführt, dass die das Gletschereis bewegende Kraft in den abwechselnden Zusammenziehungen und Dilatationen zu suchen sei, welche die wechselnde Temperatur bedinge; weiter oben sollen die ersteren, weiter unten die letzteren eine kräftigere Wirkung äussern. Heim bemerkt dazu [138], dass dann nicht abzusehen sei, wie in den einzelnen Theilen der nämlichen Vertikalschicht die Bewegung eine so völlig verschiedene sein sollte, und Matthews hält seinem Lands- manne mit Recht den von uns schon erwähnten Umstand entgegen, dass Veränderungen der Luftwärme nur so wenig tief in die Gletscher- masse eindringen [139]. d) Theorie der vorübergehenden Verflüssigung des Eises. Ent- weder blos durch Sonnenwärme — Croll — oder mehr durch hohen Druck — J. Thomson — soll sich das Eis theilweise verflüssigen. Das Wasser wird aber im nächsten Augenblicke wieder gefrieren, und da hierdurch der Druck an den vorher vom Wasser eingenom- menen Plätzen vermindert ist, so rückt das aufwärts gelegene Eis gleitend nach. Sowenig Geschmack Heim der Croll’schen Auffassung abgewinnen kann, der zufolge in der That bei bedecktem Himmel die Gletscherbewegung eine Geschwindigkeits-Abnahme erkennen lassen müsste, ebenso bereitwillig gesteht er derjenigen Thomson’s zu, dass sie Einen Faktor des ganzen Erscheinungskomplexes zutreffend ge- deutet habe [140]. e) Die Lehre von der plastischen Umformung des Gletschereises. Nachdem Bordier schon 1750 dem Eise Plastieität zugeschrieben hatte [141], begann diese Hypothese bei Rendu [142], v. Schlag- intweit [143] und Forbes [144] eine exakte Gestalt anzuehmen. Der Letztere begründete durch zahlreiche Experimente und Modelldarstel- lungen die von ihm behauptete Analogie der Gletscher- und Lava- bewegung. Pech, Wachs, Kolophonium, Körper von muscheligem Bruche, die aber durch ihr Eigengewicht auf schiefer Unterlage lang- sam fortrücken, wurden zum Vergleiche herangezogen*). Doch war sich Forbes des oben schon in’s Licht gesetzten Gegensatzes von zäh- und dickflüssigen Massen durchaus nicht klar bewusst; auf die Un- bestimmtheit der von ihm gebrauchten Begriffe haben auch Thomson und Tait aufmerksam gemacht [146]. Jedenfalls aber war durch diese Untersuchungen den von Moseley [147] und Croll [148] aufgestellten Behauptungen, dass die Gravitation und die inhärenten Eigenschaften des Gletschereises für sich noch keine Erklärung des Fortrückens der Gletscher liefen könnten, wirksam begegnet, Dass unter hohem Drucke selbst die festesten Körper in einen dem flüssigen sich annähernden Aggregatzustand übergehen und einen beliebig hohen Grad von Pla- sticität gewinnen, muss nach den rasch berühmt gewordenen For- *) Solche Experimente mit Schusterpech beschreibt Bottomley [145]. 111. $S. 7. Auflösung der Gletscher. 553 schungen von Spring [149] als unbestreitbare T'hatsache gelten”), wie dieselben denn auch in der Theorie der Regelation recht eigentlich ihren Ausgangspunkt haben. Experimente von Matthews, F. Pfaff, Bianconi u. A. verbreiteten Licht über das plastische Verhalten des 'Eises gegen Druck und Zug, Tyndall und Helmholtz deckten auch die von der Regelation gespielte Rolle auf (s. 0.) und man überzeugte sich von der Richtigkeit des Fundamentalsatzes [150]: Massen mit körniger Breccienstruktur**) besitzen eine weit höhere Um- formungsfähigkeit, als solehe ohne Kornstruktur, und die Deselatıon, weit entfernt, die Gletscherkörner als solche zu beseitigen, erhöht deren Fähigkeit, Umformungen erleiden zu können. „Nach den obigen Betrachtungen ergiebt sich die Schwere des Eises als die treibende Kraft, das Gletscherkorn als die vorherrschende mechanische Einheit der Bewegung, es verhält sich zum Gletscher, wie ein Molekül Wasser zum Strome.* Und mit diesen Ergebnissen der vergleichenden Untersuchung dürfen wohl auch wir uns vollkommen zufrieden geben, indem wir allerdings auch noch des Umstandes gedenken müssen, dass der Gletscher auf seiner Unter- fläche wirklich gleitet [152]. Es ist diess indess nur eine sekundäre, die Progressivbewegung der Gesammtmasse nicht erklärende Erscheinung. $. 7. Auflösung der Gletscher. Durch Abschmelzung von oben, durch Abschmelzung von unten und durch innere Schmelzung wird dem Gletscher unaufhörlich ein recht beträchtlicher Substanzverlust zugefügt, dessen sprechendes Zeugniss der dem Eise entströmende Gletscherbach ist [153]. Die oberflächliche Ablation ist von Fig. 105. vielen lokalen Bedingungen, haupt- sächlich aber von der mehr oder minder intensiven Besonnung ab- hängis und hat demgemäss auch eine Tages-undJahresperiode. Fels- schutt und einzelne Felsblöcke schützen die unter ihnen befind- lichen Gletscherpartieen gegen die Ablation; solche Blöcke bleiben oft — genau so, wie es bei den Erdpyramiden (S. 525 dieses Bandes) der Fall ist — auf einem schmal gewordenen Eisfusse liegen und heissen dann Gletschertische (Fig. 105). Kleinere Fremdkörper schmelzen dagegen in’s Eis hin- ein [154], feiner Schutt befördert also die Abschmelzung. Das *) Blei, Wismuth, Antimon, Zinn, Kupfer und andere Metalle wurden von Spring in Form gewöhnlicher Stücke einem Drucke von 10000 Atmosphären ausgesetzt und so zu homogenen, plastischen Blöcken von metallisch glänzender Oberfläche komprimirt. Stoffe, welche heteromorph auftreten, konnten durch ent- sprechenden Druck aus der einen ihrer Erscheinungsformen in die andere über- geführt werden, so dass mithin der Druck nunmehr neben der Temperatur und der Molekularverwandtschaft in die Stellung eines einflussreichen chemischen Faktors eingesetzt erscheint. Manche Elemente und Gebilde, Kieselsäure z. B., verhalten sich den bisher angewandten Druckgraden gegenüber noch neutral. =) Trümmergestein führt in der geognostischen Terminologie dann den Namen Breccie, wenn es aus grösseren, ‚scharfkantigen,. möglichst enge unter sich verbundenen Bruchstücken besteht [151]. ln, > S m & KERN Di TE SE at TE Fe Ve TE EN Im N > 1965 iR ARE AN KR Ri Hr 5 j 2 Bu 2 y 5 fa vr A 554 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Ablationswasser bildet auf dem Gletscher kleine Bäche, die theils an sich versickern, theils in Spalten sich ergiessen und Gletscher- mühlen („moulins“) bilden, oft bis zu 200 m tiefe Schächte. Die Verdunstung des Gletschereises ist geringfügig gegenüber der ihm durch Thauungsprocesse zugeführten Wassermengen. Was die Schmel- zung von unten anlangt, so participiren an dieser zunächst die Wasserläufe der Thalhänge, aber auch die in den Eishöhlen sich ausgleichenden und durch die Gletschermühlenwasser — nach Art der Trommelgebläse — bedingten Luftströmungen wirken mit. Die Bäche unter dem Gletscher vereinigen sich zu einem Hauptabfluss, der sich weiter unten das gewölbeartige Gletscherthor bricht [155] *). Auch warme Quellen thun dem Besitzstande des Gletschers Eintrag, und durch Heim’s Untersuchungen ist auch festgestellt, dass der an der inneren Erdwärme Theil nehmende Untergrund Wärme an die unteren Gletscherschichten abgiebt. Bezüglich der internen Schmelzung ist theils an infiltrirende kleine Mengen von Schmelzwasser und Luft, theils an die Verflüssigung durch Druck (s. o.) zu denken [156]. Die zerstreuten Notizen über die von den Abflüssen der Gletscher gelieferten Wassermengen hat unser Gewährsmann gesammelt [157]; ihm zufolge schwankt das Erträgniss eines Gletscherbaches nach der Tages- und Jahreszeit, nach der Witterung und nach unregelmässigen Lokalperioden. 8. 8. Gletschertrümmer und Moränen. Erosion und Verwitterung bringen es mit sich, dass auf den Gletscher Gesteinsschutt aller Art herabfällt**) und von dem sich fortbewegenden thalabwärts transpor- tirt wird. Da, wo der Gletscher nicht von Hochspitzen überragt wird, fehlt diese Zugabe natürlich, so in Grönland und, nach Penck’s ausdrücklicher Konstatirung [164], auch in Norwegen. Man nennt solche Schuttansammlungen Moränen, und da dieser Name von der Geologie später auch in übertragener Bedeutung gebraucht ward, so charakterisirt man die erwähnten Konglomerate speziell als Ober- moränen. Halten sich dieselben, wie nach ihrer Entstehung zu er- warten ist, an den Randpartieen, so heissen sie Rand- oder Seiten- *) Ein sehr schönes Portal hatte vor Jahren die bekannte .„‚Eiskapelle“ am Königssee, allein dasselbe ist seitdem, wie bei anderen Gletschern, durch Einsturz zerstört worden. **) Es mögen hier, wo von den dem Gletscher selbst nicht eigentlich an- gehörigen Gegenständen die Rede ist, auch einige Worte über die organische Belebung der Gletscher am Platze sein. Im Werke Heim’s wird denselben ein kurzes Kapitel eingeräumt [158], aber Wittrock hat neuerdings in Norden- skiöld’s „Studien“ die glaciale Fauna und Flora noch weit eingehender monographisch behandelt [159] und das Bemerkenswertheste über letztere stellt auch W. Kaiser zusammen [160]. Seit Saussure [161] stehen glacialbotanische Untersuchungen auf der Tagesordnung, aber ein besonderes Interesse gewannen dieselben in weiteren Kreisen erst durch John Ross’ Entdeckung der berühmten polaren Karmesinklippen, rothgefärbter, in’s Meer abstürzender Gletscher- wände, deren landschaftlichen Charakter man aus Wittrock’s Zeichnung [162] kennen lernen kann. Man hat es hier nicht, wie ©. Vogt annalım, mit winzigen Thieren, sondern nach Agardh und Wittrock mit mikroskopischen Algen (.„.Sphaerella nivalis“) zu thun. Alle Pflanzenformen der Schnee- und Eisflora sind mikroskopisch klein, aber durch schöne Farben aus- gezeichnet [163]. — Von autochthonen Thieren der Eisregion sind Räder- thierchen, Poduriden und eine vom Raube lebende Spinne zu nennen; der schweizerische Gletscherfloh (,‚Isotoma saltans““) scheint in Grönland nicht vorzu- kommen, wohl aber fand Kjellman dort die blane Abart „Podurida nivalis“. III, $.9. Vorstoss und Rückgang der Gletscher in geschichtlicher Zeit. 555 moränen („moraines laterales“), während die an dem Ufer des Gletschers sich aufbauenden Wälle von. Trümmergestein Ufermoränen heissen [165]. Die Mittelmoränen oder Gufferlinien („moraines medianes“) bilden Wälle oder dünnere Linien von Verwitterungs- produkten ziemlich genau in der Längsaxe des Gletschers und ent- stehen durch Vereinigung der auf zwei zusammenfliessenden Gletscher- strömen bereits aufgebauten Seitenmoränen. Auch unter dem Gletscher liegt natürlich Felsschutt vor, der die — uneigentlich so genannte — Grundmoräne („moraine profonde“) bildet; doch ist dieselbe keine so feste und regelmässige Begleiterin des Gletschers, wie die wahren Moränen. Wir werden uns mit dieser Form in $. 10 ganz besonders zu beschäftigen haben. Da, wo der Gletscher sein Ende erreicht, vermischen sich die Bestandtheile der Obermoränen mit denjenigen der Grundmoräne, und als Resultat dieser Vereinigung kommt am Gletscherfusse der Stirn- wall oder die Endmoräne („moraine frontale*) zu Stande [166]. Die Ausläufer des grönländischen Binneneises beziehen ihr Material, weil Obermoränen sich dort nur spärlich um die Nunatak’s (8. 4) herum bilden können, fast allein von der Grundmoräne, der auch die Kontri- butionen der Nunataker durch Einsinken in die zahlreichen und tiefen Spalten einverleibt zu werden pflegen. - 8. 9. Vorstoss und Rückgang der Gletscher in geschichtlicher Zeit. Es ist eine jedem Besucher der Alpen bekannte 'Thatsache, dass Perioden des Wachsens und Schwindens bei den Gletschern abwechseln; wir erinnern uns, dass (S. 293) man mit solchen Schwan- kungen auch erhebliche Veränderungen des Klima’s verbunden glaubte. Wohlbekannt sind die Oscillationen des Vernagtgletschers im Oetzthale und des Gletschers von Grindelwald, von welchem seit 1540 neun aus- gesprochene Vorstoss- und Rückgangsphasen bekannt sind [167]. Die Schwankung ist nicht etwanur eine solche der Längenausdehnung, sondern sie erstreckt sich über das ganze Volumen [168], auch ist die Ge- schwindigkeit der Gletscherbewegung viel stärker während der positiven, als während der negativen Periode [169]. Die von Diener [170] geäusserte Vermuthung, dass das Zurückweichen der grossen Gletscher des Schwarzensteingrundes innerhalb der letzten Jahrzehnte kein stetiges gewesen, sondern durch kurze Perioden eines partiellen Vorstosses unterbrochen gewesen sei, wäre, wenn begründet, sehr geeignet, die an sich schon schwierige Frage noch mehr zu kompliciren, doch stützen sich nach Biermann [171] jene Beobachtungen auf unrichtige karto- graphische Daten. Dehnen wir, soweit uns diess die sparsamen Notate der Chronisten gestatten, unsere Nachforschungen auch über entlegenere Zeiträume aus, so erkennen wir |172], „dass im Mittelalter die Gletscher der Alpen durchweg eine bedeutend geringere Ausdehnung gehabt haben, als selbst jetzt nach einer so auffallend grossen Periode des Schwindens.* Auch andere vergletscherte Gebirge sind dem an den Alpen erkannten Gesetze der Schwankung unterworfen, und zwar tritt ein freilich nur in grossen Zügen erkennbarer Parallelismus in dem Verhalten der Gletscher verschiedener Erdgegenden unverkennbar hervor [173], die nach so vielen Richtungen eine separate Stellung einnehmenden Polargletscher allerdings ausgenommen. | 556 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Die Gründe, von welchen die Variation des Gletschervolumens abhängt, sind jedenfalls sehr vielgestaltig und schwer erkennbar. Auf Grund eines mit staunenswerthem Fleisse zusammengebrachten That- sachenmateriales studirte Fritz [174] die Beziehungen dieser Periodieität zu derjenigen der Sonnenfleckenfrequenz und fand, dass allerdings fleckenreiche Jahre auch gewöhnlich Jahre des Gletschervorrückens sind, womit diese letztere Erscheinung — nach den in Kap. V. der fünften Abtheilung gegebenen Aufschlüssen — als eine Funktion des meteorologischen Jahrescharakters erkannt wäre. E. Richter, der selbst, wie wir wissen, die Gletscherbewegungen sorgfältig kontrolirt und der auch mit Forel’s Ergebnissen sich an Ort und Stelle genau bekannt gemacht hat, glaubt es aussprechen zu dürfen [175], „dass nicht etwa das Eintreten wärmerer oder kälterer Decennien, son- dern das Eintreten regenärmerer und regenreicherer Jahresreihen die Veranlassung für Vorstösse und Rückgänge der Gletscher bildet“. Derselbe Gelehrte hatte aber schon früher eine, wie uns scheinen will, höchst fortbildungsfähige Idee angedeutet [176], durch welche der unleugbare Umstand, dass der Gletscher zu Vorstössen weit weniger Zeit gebraucht als zum Rückgang, erklärt werden kann. Ungewöhn- lich starke Ansammlungen von Firn, die von einer Reihe besonders schneefreier Winter herrühren, bewirken einen plötzlichen kaskaden- artigen Ablauf, durch welchen die Vorwärtsschiebung der Gletscher- massen beschleunigt wird *). | Von der Gietscherschwankung in geschichtlicher Zeit vollzieht sich ungezwungen der Uebergang zur Betrachtung der Gletscher- schwankungen in dem uns aus Kap. IX. der fünften Abtheilung be- kannten Zeitalter der Eisperiode. Da wir aber die Existenz dieser Periode nur durch die aus ihr nachgebliebenen Wirkungen und Ueber- reste erkennen können, so haben wir uns, ehe wir zur Glacialgeologie selbst vorschreiten können, noch mit einer ebenso wichtigen als schwie- rigen Frage abzufinden. $. 10. Vermögen Gletscher erodirend zu wirken? Gründe, auf deren Würdigung im Einzelnen allerdings erst im nächsten Paragraphen wird eingegangen werden können, haben diese Frage zu einer brennen- den gemacht. Es waren hauptsächlich britische Forscher, welche den Satz verfochten, dass die Gletscher erodirend, ausschleifend, ab- hobelnd auf ihre Unterlage einzuwirken pflegten; Tyndall glaubte in dieser ihrer Fähigkeit einen der wichtigsten Faktoren der Thal- bildung anerkennen zu müssen [180], und Ramsay sprach eine Reihe von schweizerischen Seebecken direkt als das Produkt der Gletscher- erosion an [181]. Es entspann sich ein äusserst lebhafter Streit über die Richtigkeit dieser Erklärung, von dessen einzelnen Phasen Penck *) Im Privatgespräche mit Prof. Eduard Richter sah sich Verfasser ver- anlasst. die grosse Analogie jener Kaskadenbewegung mit der diskontinuirlichen Bewegung des Wassers im sogenannten hydraulischen Widder hervorzuheben, und es war ihm deshalb sehr erfreulich, seine Vermuthung neuerdings durch Zöppritz [177] bestätigt zu sehen. Eine gründliche Untersuchung der Oetzthal- gletscher durch v. Frey [178] ist gleichfalls diesen Annahmen günstig gewesen; es wird dort betont [179], „dass die Reibung eine gleichförmige Bewegung in einen rhythmischen Wechsel von Beschleunigung und Verzögerung auflöst“. III, S. 10. Vermögen Gletscher erodirend zu wirken? 557 mit gewissenhafter Treue Bericht erstattet [182] Lyon, Murchison, Ratzel, Hellandu. A. sind Anhänger der Erosion, Ball, A. Favre, v. Moisisovics, Grad u. A. bekämpften dieselbe vom geologischen Standpunkte aus. Penck selbst ist in jener früheren Publikation (a. a. OÖ.) und noch bestimmter in einem vor dem vierten deutschen Geographentage gehaltenen Vortrage [183] zu Gunsten jener Hypothese eingetreten. Allein es will uns doch scheinen, dass die physikalischen Vorbedingungen der ganzen Erscheinung bislang noch zu wenig geklärt seien, um schon weiter tragende geologische Schlüsse zu rechtfertigen. Dass Eis als solches, wenn mit entsprechender Geschwindigkeit fortbewegt*), auch von festen Körpern Theile loszusprengen vermag, unterliegt nach den verschiedenen Proben, welche wir in der siebenten Abtheilung anlässlich der Küsten- und Inselbildung konstatiren konnten, gewisslich keinem Zweifel. Ganz ein anderes Ding ist es, wenn einer weichen, plastischen Masse, wie dem Gletschereise, die sich am Boden nur mit geringer Geschwindigkeit gleitend fortbewegt, ein erheblicher mechanischer Eingriff in ihre Unterlage angesonnen wird. Die physika- lischen Fundamentalfragen, von deren vorheriger Lösung ein ab- schliessendes Urtheil über die Möglichkeit und Unmöglichkeit einer erodirenden Gletscherwirkung abhängt, sind von Zöppritz einst- weilen formulirt worden [185]**), doch wird deren endgültige Lösung zunächst noch nicht zu erwarten sein, und es ist gut, dass auch von anderer Seite schon schätzenswerthe Beiträge zur Klarstellung der Angelegenheit geliefert worden sind. In erster Linie ist hier Old- ham’s Untersuchung über die Kohäsion des Eises [186] zu nennen ***), deren Voraussetzungen allerdings nicht völlig dem entsprechen, was die Glacialgeologie forden muss, allein, wenn Penck mit Recht sagt, „Oldham’s Rechnungen gelten nur für starres, gleitendes Eis, nicht für Gletscher“ [187], so möchten wir ihm erwiedern, dass eine solche harte Masse kleine Felsbuckel noch immer weit eher wird zerreiben *) Sehr interessante Versuchsreihen von Perkins, Pleischl, Darier, Colladon und Allou, welche wir zu unserer Verwunderung in der Polemik über Gletschererosion noch niemals citirt gefunden haben, lassen keinen Zweifel darüber, dass weichere Körper härtere zerstören können, wenn sie sich geschwind genug bewegen. Scheiben aus weichem Eisen, die man sehr rasch rotiren liess, machten Einschnitte in darangehaltene Feilen und Grabstichel von hartem Stahle [184]. **) Die beiden Fragen sind diese: „I. Eine Eisschicht von gegebener Höhe liegt auf einer horizontalen ebenen Unterlage, deren Masse einen gegebenen Kohäsionsmodul besitzt. Ein Körper von gegebener Form ist theilweise in das Eis, theilweise in die Unterlage eingesenkt. Es ist die Gleichgewichtslage und die Bahn dieses Körpers zu bestimmen, wenn die Geschwindigkeit der Eismasse in erster Annäherung eine konstante, sehr kleine Grösse ist. II. Zwischen der Eis- masse und dem Untergrund liegt eine Trümmerschicht von gegebener Höhe: Wie tief wird sich die von dem Eise auf die Oberfläche dieser Schicht übertragene Bewegung in deren Inneres fortpflanzen?“ ***) Die hieraus abstrahirten Ergebnisse fasst Oldham dahin zusammen (a.a.0.): „I. That no lake-bassin exceeding 700 feet in depth or 5 miles in length could possibly owe its origin to glacial erosion, tough the true limits are probably not one tenth of these quantities; II. that no glacier could be pushed, en masse over a plain for more than 5 miles; III. that, consequently, no ice-cap could travel, en masse over large areas independently of the ground over which is travelled.“ Eine Anwendung seiner Formeln macht Oldham auf den Genfer See, für dener die Data absichtlich sich von dem der Erosionshypothese so geneigten Ramsay geben lässt. 558 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Ä können, als ein Gletscher, der Hindernissen durch plastisches Aus- weichen entgehen kann. Gerade der Mangel in Oldham’s Berech- nungen ist für die Lehre von der Gletschererosion gefährlich. Es ist nun nicht zu leugnen, dass gerade Penck, gewohnt, eine Sache unter verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten, nicht sowohl . das Gletschereis selbst, sondern die von diesem an seiner Unterfläche mitgeführten festen Körper die Erosion besorgen lässt. „Das Eis an und für sich,* bemerkt er [188], „erodirt eben nicht; es ist nur der Kitt, in welchen die Schleitsteine gefasst sind... indem es an seiner Sohle Gesteinstrümmer fortschleift, erhält es die Wirkung einer Feile.* Zöppritz meint (a. a. O.), zusammengekittete Stahlkörner lieferten deshalb noch keine brauchbare Feile, denn statt den harten Gegenstand anzugreifen, auf welchen sie wirken sollen, werden diese Stahlstücke sicher den Kitt zerbrechen, in welchen sie gefasst sind. So kommt es denn auch uns ungleich wahrscheinlicher vor, dass ein spitzer Stein, der in die unterste Schicht eines Gletschers eingebacken ist, sobald er an ein ernsteres Hinderniss gelangt, sich in die plastische Masse des Eises, als dass er sich in den harten Untergrund einbohren werde. Dass der Stein, solange er über eine leidlich glatte Fläche hinstreift, dieselbe leicht zu ritzen und noch mehr abzu- glätten im Stande ist, muss dagegen zugestanden werden. Der moderne Kodex der Glacialtheorieen, Heim’s Werk, ist der Erosionslehre nichts weniger als günstig [189]. Der Gletscher selbst verrichtet erodirend „nur untergeordnete Detailarbeit“, er nutzt sehr langsam die Ecken und Kanten ab, aber zur Veränderung der einmal vorhandenen Thalform trägt er seinerseits nichts mehr bei. Durch Heim, der sich, wie schon seine Untersuchungen über Gebirgsbildung zeigen, von allen Fachmännern das Wesen der Plasticität wohl am klarsten gemacht hat, ist den Befürwortern der Gletschererosion eine kräftige Stütze durch den Hinweis auf den Umstand entzogen worden, dass der Druck des Gletschers nicht proportinal seiner Mächtigkeit wächst, dass vielmehr von einer gewissen Grenze ab die Druckvermeh- rung sich in energischerer plastischerer Umformung des Eises be- thätigt [190]. — Wollte man aber einwenden, ohne eine entsprechende Inanspruchnahme der Erosion lasse sich das Dasein der Grundmoräne nicht erklären, so antworten wir mit Heim und auf die Ausführungen des vorigen Paragraphen Bezug nehmend, dass ein guter Theil der Grundmoräne eingesunkenes Material der Obermoräne ist, dass schon vor der Vergletscherung in den nach und nach vom Eise überzogenen Thälern Verwitterungsschutt vorhanden war, und dass dann allerdings der vielfach vorhandene Schleifschlamm und Schleifsand auf die Reibung zwischen dem Untergrunde und dem fortschreitenden Gletscher hinweist [191]. Diese Ueberzeugung nehmen wir mit, indem wir uns jetzt dem jüngsten und vielleicht reizvollsten Zweige der geologischen For- schung zuwenden, der eben seiner Jugend halber sich noch wenig zur systematischen, um so mehr aber zur historischen Darstellung eignet. In dem Werke von Penck erhalten wir eine solche in trefflichster Form. 8. 11. Die glacialen Formationen und ihre Besonderheiten. Ueber die Abhänge des schweizerischen Jura und über die Ebenen des nörd- lichen Deutschland bis tief in’s sarmatische Land hinein findet man Ill, $. 11. Die glacialen Formationen nnd ihre Besonderheiten. 559 vielfach isolirte Steine von allen Grössenverhältnissen verstreut, deren geognostischer Charakter von demjenigen der örtlichen Formationen grund- verschieden ist, und die man deshalb erratische Blöcke oder Findlinge zubenannte. Vergleiche zwischen diesen Steinen und den Bestandtheilen der Alpenmoränen wurden von Playfair, Esmark und Bernhardi angestellt, ohne dass durch die in diesen Vergleichungen steckende sesunde Idee das wissenschaftliche Publikum besonders angeregt worden wäre [192]. In bestimmteren Umrissen trat diese Anschauung zuerst hervor, als Venetz im Jahre 1829 der schweizerischen naturforschen- den Gesellschaft seine Gletschertheorie entwickelte [193]; ihm zufolge sind sämmtliche Findlinge wirkliche Ueberbieibsel von Mo- ränen, durch seitdem längst verschwundene Gletscher in einer Zeit ausgedehnterer Uebereisung der Erdoberfläche an jenen Ort verbracht, an welchem sie sich heute befinden. J. Charpentier entdeckte ein neues wichtiges Beweismittel für diese Auffassung, indem er geglättete und geschrammte Gesteinsflächen als Schliffe vorzeitlicher Gletscher nachwies [194]. Agassiz trat in seinem uns bereits wohlbekannten „Essai sur les glaciers* aut die Seite von Charpentier, unterschied sich aber von ihm durch die Annahme einer periodisch wiederkehrenden Totalvereisung der Erde (Kap. IX, $S. 2 und 3 der fünften Abtheilung), während Ersterer vor- sichtig nur ein lokales Hinauswachsen der Gletscher über ihre gewöhn- lichen Grenzen zuzugestehen bereit war. Mag man auch in diesem Punkte heute wohl mehr für Charpentier als für Agassiz Sym- pathie fühlen, so muss man doch dem Letzteren unbedingt die Ehre lassen, die glaciale Formation als solche dem Besitzstande der Geologie einverleibt zu haben. Er hatte das Glück, die Gletscherresiduen auch in anderen Ländern, als blos in der Schweiz, studiren und den Unterschied zwischen alpiner und nordischer Ueber- eisung klar legen zu können [195]. Bald begannen tiefer greifende Meinungsverschiedenheiten bezüg- lich jener Eisspuren des Nordens unter den Gelehrten sich geltend zu machen, die Drifttheorie suchte die Glacialtheorie im engeren Sinne zu verdrängen [196]*).. Man nahm theilweise zu der Vorstel- lung seine Zuflucht, dass das jetzige Norddeutschland dereinst von einem ausgedehnten Meere, von einer mächtig vergrösserten Ostsee, bedeckt gewesen sei, auf welcher zahlreiche Eisberge, die Ueberreste gekalbter skandinavischer Eisberge, umherschwammen [199]. Beim Stranden fielen die von diesen Eisbergen mitgeführten Steine und Ge- röllmassen — s. S, 430 dieses Bandes — zu Boden und blieben als erratische Blöcke im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Sedimentär- boden liegen, welcher sich aus den mehr und mehr verlaufenden Ge- wässern abzuscheiden begann. Die vielen Reste von Süsswasser- Konchylien, welche sich vorfinden, legten die Frage nahe, ob jenes Diluvialmeer denn auch wirklich einen solchen Salzgehalt, wie die Meere der Gegenwart, besessen habe; die Antwort auf diese Frage *) Zur Orientirung über den Kampf zwischen Drifttheoretikern und Glacia- listen sehr geeignet ist ein älterer Aufsatz von Penck [197], in welchem das Beweismaterial nicht einen so bedeutenden Raum einnimmt, wie in dem grösseren Werke. Populär und übersichtlich hebt Schunke [198] die wichtigsten Streit- punkte heraus. 560 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. gestaltete sich sehr verschieden bei den einzelnen Anhängern der Drift- theorie, von denen z. B. J. Roth |200] für einen mehrmals wieder- holten Wechsel von Versalzung und Aussüssung sich entschied. Auch Erosionswirkungen sollten nach Lyell u. A. die treibenden Eisschollen ausgeübt haben; dass diess an sich nicht unmöglich ist, wissen wir zur Genüge, aber freilich sind jene, die wir als wirklich bestehend erkannt haben, von den regelmässigen Kritzungen und Schürfungen, um welche es sich hier handelt, sehr verschieden*). Nachdem die Drifttheorie in Deutschland sich eine Zeit lang nur noch durch Kompromisse mit der ihr entgegenstehenden Ansicht einigermassen zu behaupten vermocht hatte**), unterlag sie zuletzt endgültig. In Skandinavien war es be- sonders Torell, der in einer besonderen Schrift***) die Ueberlegen- heit der Glacialtheorie begründete, in Deutschland wirken in diesem Sinne hauptsächlich H. Oredner und Penck mit einem zahlreichen geologischen Nachwuchse, während in anderen Ländern die Lehre vom Diluvialmeere noch immer festgehalten und z. B. in Lapparent’s neuem Lehrbuche ‘der Geologie mit Ausschliesslichkeit vorgetragen wird [204]. B. Studer (N. Jahrb. f. Miner. 1838, S. 278) meinte, Agassiz solle es sich doch „noch zehnmal überlegen“, ob er nicht das Abglättungswerk lieber den Diluvialströmen, als den Gletschern übertragen wolle, und der Nestor der deutschen Geologen, v. Dücker, spricht sich in seinem Schriftchen „Die Eisperiode in Europa“ (Minden 1881) in demselben Sinne aus, ohne freilich die Glacialthätigkeit gänzlich auszuschliessen. Dass man neuerdings die Wirkungen des strömenden Wassers neben denjenigen des fliessenden Eises etwas zu gering ge- schätzt hat, soll dabei freilich nicht in Abrede gestellt worden; es ist in dieser Beziehung auf Heim’s Nebeneinanderstellung beider Kraft- wirkungen, wie sie sich in ihren Spuren offenbaren, zu verweisen [205]. Wir haben uns nun zuerst zu fragen, welches denn die Eigen- thümlichkeiten der glacialen Formation in geognostischer Hinsicht sind. Charakteristisch für dieselbe sind, wie wir schon wissen, zu- nächst grosse Gesteinsblöcke, Geschiebe, welche den anderen Namen Geschiebeformation als einen berechtigten erkennen lassen. Diese Steine jedoch sind eingebettet in eine Sedimentmasse, welche Ge- schiebelehm oder — als unerhebliche petrographische Varietät des ersteren — auch Geschiebemergel benannt wird und theilweise als eine Masse von grosser Mächtigkeit über die norddeutsche Tiefebene ausgebreitet ist, theilweise auch nur wie eine lose Decke über dem Sande liegt. Jene Steinbrocken, deren wir so oft Erwähnung thaten, sind stets dazu geeignet, den suchenden (reologen auf die richtige Spur zu leiteny), doch bestimmen sie allein den geognostischen Cha- *) Nach Heim [201], sind diese Differenzen am abgeschlagenen Handstücke freilich so gut wie verwischt; in der freien Natur aber fehlt es auch ihm zufolge nicht an Hülfsmitteln für den geübten Geologen, um den Unterschied heraus- zufinden. | **) Es war besonders Berendt, der eine solche Ausgleichung zwischen den beiden geologischen Systemen befürwortete [202]. ***) Das Schriftehen hat durch Quaglio eine deutsche, jedoch leider nicht strengeren Anforderungen entsprechende Bearbeitung erfahren [203]. +) Der bekannte Mineraloge Hausmann (Band I, S. 23), der unter den vorurtheilslosen Interpreten der von den Findlingsblöcken gebotenen Räthsel mit an erster Stelle genannt werden muss [206], wies u. a. auch darauf hin, dass die III, S. 11. Die glacialen Formationen und ihre Besonderheiten. 561 rakter der Formation noch nicht. Ueber diesen spricht sich vielmehr Penck aus, wie folgt [207]. „Der Geschiebelehm Deutschland’s wird aus Gesteinsmaterial zusammengesetzt, welches mehr oder minder weit südwärts transportirt worden ist. Seine Hauptmasse ist jedoch im Allgemeinen nicht allzu weit verschleppt und entstammt dem Unter- grunde. Da dieser auf grosse Strecken lediglich aus losen Gebilden der Tertiärformation, zum Theile auch aus älteren Diluvialschichten besteht, so kann es nicht Wunder nehmen, dass der Geschiebelehm im Allgemeinen ziemlich gleichbleibende Zusammensetzung hat und sich vorzugsweise aus sandigem und thonigem Materiale aufbaut, wäh- rend die Geschiebe kaum 5, höchstens 10 °%o seiner Masse ausmachen *).“ Natürlich fehlt es nicht an regionalen Abweichungen, die Geschiebe- formation der Mark [209] ist eine etwas andere, wie diejenige Preussen’s [210], und von diesen wieder ist verschieden der Blocklehm des Königreichs Sachsen, von dem wir durch Penck’s geologische Auf- nahme der Colditzer Gegend [211] und durch Mehner’s Beschreibung aller Ablagerungen im nördlichen Sachsen |212] Genaueres wissen. Gemeinsam allen diesen Gegenden ist aber nach H. Credner [213] das Vorkommen von Rundhöckern, Schlifflächen, Schrammen, Furchen und Ritzen, wie denn z. B. bei Taucha spiegelglatte Schliffe sich an den — durch Steinbruchanlagen aufgedeckten — Porphyrklippen hinauf- ziehen**). Weiche Massen erlitten in ihren Schichten durch den Gletscher- “ schub Stauchungen, Zusammenschiebungen, Ueberkippungen und selbst Zerreissungen. Vor Allem aber begegnen wir im Gefolge der Ge- schiebebildungen sehr häufig zwei eigenartigen Bodenaushöhlungen, den geologischen Orgeln und den Riesentöpfen. Unter einer geologischen Orgel versteht man eine energische, vertikal abwärts gehende Aushöhlung des festen Gesteines, welche durch einen mit der darüber gelagerten Lettenmasse zusammenhängenden Lehmzapfen ausgefüllt ist. In Fig. 106 sehen wir eine von Penck [215] aufgefundene und beschriebene geologische Orgel aus der Um- ie von Crimmitzschau vor uns. Bronguiart scheint [216] zuerst Südgrenze des Verbreitungsbezirkes der erratischen Blöcke mit der Südgrenze der — grossentheils aus solchem Materiale aufgebauten — „Hünengräber“ zusam - mentreffe. *) Die amerikanische Abart der Geschiebeformation ist uns durch Ratzel [208] gleichfalls genau bekannt geworden. Ueber die als „Coteau des prairies“ und als „Coteau du Missouri“ bezeichneten Tafelländer sind ungeheure Schuttmassen hin- gelagert, die als eiszeitliche Gebilde anerkannt, von den wesentlich auf Lyell’schem Boden fussenden Geologen der Union aber als Drift bezeichnet werden. Zu unterst liegt ein ungeschichteter, zäher, blauer Thon, der Gerölle und Blöcke umschliesst und Schollenthon („Boulder clay“) genannt wird — der „Erie clay“ ist nur eine Spielart desselben —, höher aber begegnet man vielfach im Westen einer mit Baumstümpfen erfüllten kohligen Schicht („Forest bed“), und darüber hin erstrecken sich Schwemmprodukte („Lacustrine deposits“), feine, sandige Thone., die mit dem Löss ($. 6 des ersten Kapitels) Aehnlichkeit haben, als Uferbildner aber gewöhnlich „Bluff formation“ heissen. Ueber allen diesen Bildungen liegt endlich die eigentliche Eisberg- oder Gletscher-Drift ausgebreitet, welche mit ihrer europäischen Schwester in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt. **) Besonders schöne Belege für die schrammende Gletscherwirkung sind durch den Forschungseifer Wahnschaffe’s herbeigeschafft worden [214]. namentlich aus den braunschweigischen Sandsteinbrüchen von Velpke. Auf die Kompassbe- obachtungen an Schrammen, welche dieser Forscher anstellte, werden wir gleich nachher zurückkommen. Günther, Geophysik. II. Band. 36 at 562 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. von diesen „puits naturels“ berichtet zu haben, Matthieu schilderte sie [217] als „Erdpfeifen von Mastricht“; auch aus England, Venezuela und aus der Eifel liefen Nachrichten über das Vorkommen solcher Gebilde ein. Genetisch werden die Orgeln auch von den Anhängern der Gletschererosion nicht mit der Geschiebeformation in Beziehung gesetzt, man nimmt vielmehr mit Prestwich [218] an, dass die Tages- wässer durch die Ritzen der Lehmdecke hindurch in den unteren Kalkstein einsickerten, diesen chemisch zersetzten und so die Oeff- rungen schufen, in welche der Geschiebelehm durch seine eigene Schwere hineingepresst wurde*). Die Riesentöpfe sind dagegen nach Credner (a. a. OÖ.) brunnenartige Vertiefungen, die man zu- erst im Muschelkalk von Rüdersdorf, im Fig. 106. Gips von Wapnow, im Diluvialthon von Uelzen und im Jura der Odermündungen entdeckte**). Man denkt an Gletscher- mühlen und Gletscherbäche als die Er- zeuger dieser Hohlräume, und es finden sich auch, wie Berendt, der gründlichste Er- forscher dieser Phänomene, darthat [226], an heutigen Gletschern noch die Bedin- gungen für das Zustandekommen der gewal- tigen Erosionsstrudel zusammen, denen allein eine so mächtige geologische Korkzieher- == Bunte Leiten. == Zechstein. wirkung zuzuschreiben ist. Natürlich können BE Schwarze Thonerde. solche Kessel, für welche die Bezeichnung Gletschertöpfe somit eine viel zu enge ist, auch durch andere, als durch glaciale Faktoren entstehen; „nur genaues Studium des einzelnen Falles kann entscheiden, ob ein be- stimmter Riesentopf zu den Zeugen der Eiszeit zu rechnen ist oder nicht* [227]. Die Karrentrichter besprechen wir, als nicht-glacial, erst in Kap. V. Unsere Erörterungen bezogen sich bis jetzt ziemlich ausschliesslich auf das schweizerische Alpenvorland und die nordische Tiefebene; es fehlt Jedoch keineswegs an Zeugnissen***) für andere Länder. Zwei muster- *”) Der Leser möge die ungemein grosse Aehnlichkeit beachten, welche zwischen der Schichtenausbiegung des durch ein Loch sich senkenden Mergels und der in Fig. 103 dargestellten Schichtenkonfiguration einer ausgepressten Metall- masse obwaltet. **) Einige neuere Arbeiten über Riesentöpfe seien hier kurz besprochen. Berendt schilderte, wie erwähnt, die bei der geologischen Erforschung der preussischen Monarchie entdeckten hannöver’schen Kessel [219], von den Arbeitern der Gruben „Sandbüchsen“ genannt, Nötling [220] und Penck [221] verbreiteten sich über die Rüdersdorfer Bildungen, welche dem letzteren zufolge übrigens grossentheils postglaciale Sicker- und Auswitterungslöcher sind. Für Schlesien, Kurland und Livland ist das Vorhandensein der Strudellöcher resp. von H. Gruner [222], von v. Helmersen [223] und von Grewingk [224] nach- gewiesen worden; Commenda fand solche auch in Oberösterreich [225]. *##*) Die Grenzen des bis zum Emmenthal reichenden Rhöne-Gletschers wurden, um von zahlreichen Arbeiten dieser Art nur einige hervorragende zu nennen, durch Morlot [228] und Baehmann [229] festgestellt. Das Rhöne-Bassin auf franzö- sischem Gebiete studirte eingehend Falsan [230], der u. a. auch bemerkt, dass die eigenthümlichen Rollsteine des Lyoner Territoriums schon 1765 einen ge- wissen All&on Dulac zur Aufstellung einer selbstständigen Drifttheorie veranlasst hätten [231]. Dana wies eine nach seiner Schätzung 1200— 1500 m dicke Eisschicht III, S. 11. Die glacialen Formationen und ihre Besonderheiten. 563 gültige Monographieen, diejenigen von Partsch [238] und von Penck (s. 0.), haben unsere Kenntnisse nach dieser Seite hin erheblich be- reichert. In dem ersteren wird an der Hand der glacialgeologischen Beweisführung gezeigt, dass das ungarisch-galizische Grenzgebirge, dass Sudeten, Schwarzwald, Vogesen (s. o.) und sogar der Harz Mo- ränenreste aufweisen, wogegen für Thüringerwald und Erzgebirge der Autor sich mit einem negativen Resultate begnügen musste. Jene Kessel- oder Cirkusthäler allerdings, die das mitteleuropäische Gebirge vielfach mit dem norwegischen gemein hat, rechnet Partsch, der überhaupt der Gletschererosion mit anerkennenswerther Reserve gegen- übertritt, nicht eigentlich der glacialen Formation zu |239], wiewohl bei ihnen, die meist durch hohe Riegel allseitig abgeschlossen sind, die Erklärung durch Erosion des fliessenden Wassers ihre besonderen Schwierigkeiten bietet”). Das Penck’sche Werk **) führt uns in anregender Darstellung zur genauen Kenntniss jener Moränenlandschaft, welche vom Fusse der bayerischen Alpenkette sich weit gegen die Donau hinabzieht. Frühere Beobachtungen von Gümbel, Stark, v. Zittel u. A. ver- werthend, schildert es uns eingehend die schwäbisch-bayerische Grund- moräne, „ein Gemisch aller jener Gesteinsarten, über welche der Gletscher geschritten ist“ [244]. Es verfolgt die Wege, auf welchen der Isar- und der Inn-Gletscher ***) in’s Flachland hinaus geschritten sind, und stellt die interessante Thhatsache fest, dass der — damals wohl überhaupt noch nicht vorhandene — Fern-Pass von jenen Gletschern nicht als Strasse gewählt wurde [245]. Darin, dass „der Haupt- Sesteinstransport nicht auf dem Rücken der Gletscher, sondern unter deren Sohle durch die Grundmoränen geschah“ [246], ähneln (s. o. $. 9) die alten tyrolisch-bayerischen Gletscher sehr dem polaren Binneneise. Eine wichtige Entdeckung Penck’s ist diejenige [247], durch welche Gümbel’s erratische Geschiebe als Glacialschotter der Mo- e für die geologische Vorläuferin der heutigen canadischen Seengegend nach [232], Ch. Darwin konstatirte erratische Blöcke und Gletscherspuren in Patagonien [233]. Die Eiszeit der Pyrenäen ist durch eine zum Zwecke ihrer Erforschung unternom- mene Studienreise Penck’s aus erschlossen worden [234], und die glacialgeologischen Erscheinungen im Kaukasus sind merkwürdigerweise weit eher jenen der Pyrenäen, als jenen der Alpen vergleichbar [235]. Im Himälaya und seinen Adjacenten hatten die Gletscher dereinst eine weit grössere Ausdehnung, als heutzutage, wogegen die inner- und nordasiatischen Gebirge, Kleinasien, das australische Festland und fast ganz Afrika — am Atlas sollen Moränenspuren vorkommen — zu gar keiner Zeit vergletschert gewesen zu sein scheinen. „Ueberblicken wir das Ganze,“ sagt Heim [235], „so müssen wir zugestehen, dass in früherer Zeit grosse Gletscher fast nur da gewesen sind, wo auch jetzt noch Gletscher vorkommen. — Eine treffliche Anleitung zur glacialgeologischen Forschung im Detail repräsentirt G. Gerland’s Durchsuchung der Vogesen [237], durch welche auf der einen Seite einer in ihrer Lage eben von dem genannten Forscher fixirten „Höhenaxe“ massen- hafte Gletscherüberreste aufgefunden und bestimmt worden sind. *) Für die glaciale Entstehung der amphitheatralischen Bildungen war eifrig der Norweger Helland eingetreten [240]. Bonney widerlegte ihn mit guten Gründen [241]. ==) Die Bedeutung des Penck’schen Werkes wird neben anderen bekundet durch die ausführlichen und lehrreichen Besprechungen v. Richthofen’s [242]. und H. J. Klein’s [243]. **), Für diesen letzteren, der bis in die Nähe von Burghausen reichte, steht eine besondere Spezialschrift von Brückner in naher Aussicht. 564 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. « ränenformation eingereiht wurden. Dabei ist zwischen oberem und unterem Glacialschotter ein Unterschied zu machen [248]; wie auf der bayerischen Hochebene, so gieng auch im Thale des Inn eine Schotteranhäufung der Ablagerung der Moränen unmittelbar voraus. Ferner gelang es Penck, das als diluviale Nagelfluh bekannte Cementirungsgebilde als mit den charakteristischen Eigenschaften „einer echten Glacialschwemmung“ behaftet zu erkennen [249]. Von Penck’s Theorie der Seenbildung sehen wir hier ab, einmal, weil schon im vorigen Paragraphen ein Hinweis darauf zu finden ist, dann aber, weil dieser Gegenstand im nächsten Kapitel noch besonders zu behandeln sein wird. — Noch aber bleibt uns die Pflicht, das wich- tigste bereits auf S. 286 dieses Bandes kurz anticipirte Ergebniss in Penck’s Forschungscyklus namhaft zu machen. Derselbe fand näm- lich bei der Untersuchung der Breccie von Höttingen (bei Innsbruck) (s. 0. $. 6), dass deren Struktur nur durch die Annahme eines mehrmaligen Wechsels von Vergletscherungs- und Erosions- perioden zu erklären sei. Jenediluvialen Kohlenlager, welche Güm- bel’s Kennerblick in den bayerischen Alpen — am Kochelsee und bei Sont- hofen — aufgefunden hat [250], sindnach Penck ebenfalls intraglacialen Ursprunges [251]. Da die Höttinger Breceie auch nach einer aber- maligen Prüfung von fachmännischer Seite*) ihren Charakter eines be- weiskräftigen Zeugnisses für mehrmalige Vergletscherung beibehielt, so nehmen wir heute keinen Anstand mehr, es auszusprechen: Durch die glacialgeologische Forschung der neuesten Zeit ist es so gut wie gewiss gemacht, dass wenigstens die Nordalpen mit ihrem Vorlande eine mindestens zweimalige, wahrscheinlich aber dreimalige Totalvergletscherung erfuhren. Angesichts des Umstandes, dass durch Keilhack [253] die schon durch Torell wahrscheinlich gemachte**) Identität deutscher und is- ländischer Diluvialablagerungen dargethan worden ist, wird jene Modi- fikation der alten Lehre von der Eiszeit wohl auch auf andere Länder übertragen werden müssen. Es sprechen für ähnlichen Wechsel u. a. die abweichenden Richtungen der von Wahnschaffe (s. o.) an ab- geglättetem Gestein nachgewiesenen Schrammensysteme. [1] Güssfeldt, Ueber die Eisverhältnisse im Hochgebirge, Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 6. Band. 5. 87 ff. — [2] v. Sonklar, Allgemeine Orographie, Wien 1873. S. 107 ff. — [3] Payer, Die zweite deutsche Nordpolexpedition, Peter- mann’s geogr. Mittheil., 1871. S. 123 ff. — [4] Hällström, De termino atmosphaerae terrestris nivali dissertatio, Aboae 1823. — [5] Bouguer, Figure de la terre, Paris 1749. S. XLVI ff. — [6] A. v. Humboldt, De distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium prolegomena, Paris 1817. S. 122 ff.; Essai sur la geographie des plantes, ibid. 1807. S. 32 ff.; Recueil d’ob- servations trigonomötriques et de mesures barometriques, redigees par J. Olt- manns, Paris 1819. S. 329; Sur la limite inferieure des neiges perpetuelles dans ”) A. Böhm konstatirt ausdrücklich [252], dass man mit der Annahme, die Eisbedeckung habe für den fraglichen Ort gewisse Schwankungen durchgemacht, nicht auskommen könne; es müsse ein gänzliches Schwinden des Eises in der Zwischenzeit stattgefunden haben. **) Dass Keilhack’s hierauf bezügliche Beobachtungen sachlich nieht mehr neu, sondern eine Bestätigung Torell’scher Funde seien, hat Nathorst bemerkt [254]. Citate. 565 les montagnes d’Himalaya et les regions &quinoxiales, Ann. de chim. et de phys., Vol. XIV. — [7] v. Buch, Ueber die Grenzen des ewigen Schnee’s in Norwegen (Gilbert’s) Ann. d. Phys., 35. Band. $. 319 ff. — [8] De la Condamine, Journal de voyage & l’equateur, Paris 1751. 8.48 ff. — [9] Travels of Ali Bey in "Maroeco, Vol. IL. London 1816. S. 40 ff. — [10] Wahlenberg, Berättelse om mäteingar och observationer för att bestämma Lappska-Fjällens höjd och temperatur, Stockholm 1808. S. 33 ff.; Flora Carpathorum, Gottingae 1814. S. LXXIII. — [11] Parrot, Grundriss der Physik der Erde und Geologie, Riga und Leipzig 1815. S. 174 ff. — [12] D’Aubuisson, Traite de geognosie, deutsch von Wiemann, 1. Theil, Dresden 1821. S. 422 ff. — [13] Tob. Mayer, De investigandis legibus variationum thermo- metri. Op. ined. ed. Lichtenberg, Vol. I., Gottingae 1764. $S. 4 ff. — [14] H. v. Schlagintweit, Meteorologische Resultate aus Indien und Hochasien, München 1865. S.25 ff. — [15] Stebnitzki, Die Höhe der Schneegrenze im Kaukasus, Petermann’s geogr. Mittheil., 1879. S. 111. — [16] H. Berghaus, Höhentafel von 100 bekannteren Gebirgsgruppen der Erde. besonders der Alpen. Behm-Wagner’s geogr. Jahrb., 1. Band. Gotha 1866. S. 256 ff.; Höhentafel von 100 Gebirgsgruppen aus allen Erdtheilen,, ibid.. 5. Band, Gotha 1874. S. 472 ff. — [17] Penck, Geographische Wirkungen der Eiszeit, Verhandl. d. IV. d. Geographent., Berlin 1884. 8. 66 If. — [18] Höfer, Gletscher- und Eiszeitstudien, Wien 1879. — [19] A. Heim, Handbuch der Gletscherkunde, Stuttgart 1885. S. 156 [20] Venetz, M&moire sur les varia- tions de la temperature dans les Alpes, Denkschr. d. allgem. schweiz. Ges.. 1. Band, 2. Theil, 1833. — [21] Kasthofer, Bemerkungen auf einer Alpenreise über den Susten,. nebst Betrachtungen über die Veränderungen des Klima’s des bernischen Hochgebirges, Aarau 1822. — [22] Coaz, Die Lawinen in den Schweizer Alpen, Bern 1881. — [26] Heim, Handbuch, $S. 25. — [27] Ibid. S. 35. — [28] Stichler, Alpenlawinen und deren Abwehr, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 1885. S. 47. — [29] — R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 1. Band, Zürich 1858. S. 192; 3. Band, Zürich 1860. S. 139. S. 163 ff. — [30] Altmann, Versuch einer historischen und Beschreibung der Helvetischen Eisberge, Zürich 1751. — [31] Ibid. S. 5. — [32] Ibid. S. 99. — [33] S. Gruner, Die Eisgebirge des Schweitzerlandes, Bern 1760. — [34] Gruner, Reise durch die merkwürdigsten Gegenden Helvetiens, Bern 1778. — [35] Mousson. Die Gletscher der Jetztzeit, Zürich 1854. — [36] Simony, Gletscherphänomene, Tableau in Lichtdruck, Wien 1881. — [37] A. Heim, Ueber Gletscher, Ann. d. Phys. u. Chem., 5. Ergänzungs- band. S. 30 if. — [38] Heim, Handbuch, $. 39. — [39] Ibid.S. 414 ff. — [40] E. Richter, Der Blaueisgletscher am Hochkalter bei Berchtesgaden. Ausland, 1882. S. 13 ff.; Der südlichste Gletscher von Europa, ibid. 1882. S. 256 ff. — [41] Marinelli, I piü orientali ghiacciai d’Italia, Padova 1883. — [42] Heim, Handbuch, S. 426. — [43] Shaw, Reise nach der hohen Tartarei, Yärkand und Kaschgar und Rückreise über den Karakorum-Pass, deutsch von Martin, Jena 1872. S. 369. — [44] v. Cotta, Die Geologie der Gegenwart, Leipzig 1874. S. 336 fi. — [45] Heim, Handbuch, S. 440. — [46] Güssfeldt’s Reise in den centralen chileno-argentinischen Alpen, Gaea, 20. Jahrgang. S. 582 ff. — [47] Haast, Notes on the mountains and glaciers of the Canterbury Province, New-Zealand, Journ. of the geogr. society, Vol. XXXIV. S. 87 ff. — [48] Heim, Handbuch, S. 456. — |49] Ibid. S. 466. [50] Ibid. Ser SL] Ibid. As [52] Ibid. S. 485 ff. — [53] a S. 490. [54] Helmholtz, Eis und Gletscher, Populäre wissensch. Vortr., 1. Heft, Braune schweig 1865. 8. 99. — [55] Rendu, Theorie des glaciers des Alpes, Cham- bery 1843. — [56] Heim, Handbuch, S. 41. — [57] Hayes, Das offene Polar- meer, deutsch von Martin, Jena 1868. S. 170 ff. — [58] E. Richter, Beobachtungen an den Gletschern der Ostalpen, Zeitschr. d. d. u. öst. es 14. Band. S. 61. — [59] Heim, Handbuch, S. 45. — [60] v. Sonklar, Allg. Orogr., S. 108 ff. — [61] Heim, Handbuch, S.58. — [62] Ibid. S. 90. — [63] Eid [64] Ibid. S. 99. — [65] Ibid. 3: 107: — [66] Helmholtz, Eis und Gletscher, S. 120 ff. — [67] Heim, Handbuch, 8. 108 ff. — [68] Ibid. S. a [69] Hagenbach-Bischoff, Das Gletscher. korn, Verhand]. d. naturw. Ges. zu Basel, 7. Theil. S. 192 ff. — [70] Hugi. Die Gletscher und die erratischen Blöcke, Solothurn 1843. S. 10 ff. — [71] Forel, Le grain du glacier, Arch. des sciences phys. et nat. de Geneve, tome VII. S. 329 ff. — [72] Tyndall, Glaciers of the Alps, London 1860. S. 354 ff. — [73] Grad-Dupre, Observations sur la constitution et le mouvement des glaciers, Compt rend. de Pac. franc., vol. LXIX. S. 955 ff. — [74] Heim, Handbuch, S. 125. — [75] Klocke, Ueber die optische Struktur des Gletschereises, N. Jahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., 1881. S. 23 fi. — [76] Heim, Ueber Gletscher, S. 38. — [77] Forel, Le grain etc., S. 346. — [78] Heim, Handbuch, $. 128. — [79] Tyndall, Das Wasser in seinen 66 Citate. Formen als Wolken und Flüsse, Eis und Gletscher, Leipzig 1873. $. 152. — [80] Heim, Handbuch, S. 134. — [81] Guyot, Sur les cr&vasses des glaciers, Neu- chätel 1838. — [82] Agassiz, Systeme des glaciers (auch deutsch), Solothurn 1841. S. 301. — [83] Heim, Handbuch, $. 138 fi. — [84] Ibid. S. 140. — [85] Tyndall, In den Alpen, Braunschweig 1872. S. 333. — [86] Altmann, Versuch ete., $. 83. — [87] Döderlein, Seb. Münster, ein Wiedererwecker des Ptolemäus, Bl. f. d. bayr. Gymn.- u. Realschulwesen, 15. Band. $. 435. — [88] Heim, Handbuch, $. 143 ff. — [89]. Bessels, Die amerikanische Nordpolexpedition,, Leipzig 1879. S. 399. — [90] F. Pfaff, Das Mikrogoniometer ein neues Messinstrument und die damit be- stimmten Ausdehnungskoefficienten der Metalle, Erlangen 1872. — [91] Klocke, Die Art der Gletscherbewegung, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver., 11. Band. S$. 66. — [92] Pfaff, Einige Bemerkungen zu den Beobachtungen über Gletscherbewegung von den Herren Koch und Klocke, ibid. 11. Band. S. 198 ff. — [93] Pfaff, Unter- suchungen über die Bewegung des Pasterzengletschers, ibid. 12. Band. $. 1 ff. — [94] Forel, Die Vermessung des Rhönegletschers durch den Schweizer Alpenklub, ibid. 13. Band. S. 301 ff. — [95] Ibid. S. 310. — [96] E. Richter, Beobacht. etc., S. 38 ff. — [97] Ibid. S. 50. — [98] Heim, Handbuch, S. 144 ff. — [99] Ibid. S. 156. — [100] Ibid. S. 161 ff. — [101] Tyndall, In den Alpen, $. 382 ff. — [102] Heim, Handbuch, S. 166 ff. — [103] Ibid. S. 168 ff. — [104] Piaff, Einige Bemerk. etc., S. 203. — [105] Heim, Handbuch. $. 187. — [106] Ibid. $. 190 ft. -- [107] St. Venant, Sur l’etablissement des equations des mouvements interieures operes dans les corps solides ductiles au del& des limites oü l’elastieite pourrait les amener & leur premier etat, Compt. rend. de l’ac. franc., vol. LXX. S. 477 ft. — [108] Levy, Memoire sur les &quations generales etc., ibid. vol. LXX. $. 1323 ff. — [109] Tresca, Memoire sur le poinconnage des metaux, M&m. pesentes par div. sav.. tome XX. $. 617 ff. — [110] Tresca, Memoire sur l’&coulement des corps solides, ibid. tome XX. S. 75 ff. — [111] Tresca, Sur l’&coulement des corps so- lides malleables pousses hors d’un vase circulaire par un orifice circulaire, Compt. rend., vol. LXX. S. 217 ff. — [112] Tresca, Me&m. sur l’ecoulement etc., S. 77. — [113] Tyndall, In den Alpen‘, $. 315 ff. — [114] Heim, Handbuch, $. 191. — [115] Ibid. S. 196. — [116] Martins, Von Spitzbergen zur Sahara, deutsch von Vogt, Jena 1872. S. 316. — [117] Tyndall, In den Alpen, S. 289. — [118] Heim, ' Handbuch, S. 205. — [119] Ibid. S. 209. — [120] Ibid. S. 211. — [121] Ibid. $. 216. — [122] Ibid. S. 290 ff. — [123] Grünwald, Zur Geschichte der Gletscherfor- schung etc., Zeitschr. d. d. un. öst. Alpenver., 13. Band. $. 330 fi. — [124] Heim, Handbuch, S. 284 ff. — [125] Helmholtz, Eis und Gletscher, S. 130 ff. — [126] Tyn- dall, In den Alpen, $. 352. — [127] Heim, Ueber Gletscher, $. 43. — [128] Heim, Handbuch, $S. 286 ff. — [129] J. Müller, Lehrbuch der kosmischen Physik, Braun- schweig 1875. S. 544 ff. — [130] Hugi’s Bemerkungen über das Leuchten der Firnmassen „ (Kastner’s) Arch. d. Chem. u. Met., 2. Band. $. 390. — [131] Heim, Handbuch, S. 289. — [132] Ibid. $. 292. — [133] Scheuchzer, Itinera per Helvetiae alpinas regiones facta, Vol. IV.. Lugduni Batavorum 1723. S. 287. — [134] Grün- wald, Zur Gesch. ete., $. 333. — [135] Vgl. [71]. — [136] Stapfti, Ueber das phy- sikalische Verhalten der Gletscher, Zeitschr. d. d. geol. Ges., 34. Band. S. 80 ff. — [137) Heim, Handbuch, $. 299 ff. — [133] Heim , Ueber Gletscher, S. 477 = [139] Matthews, On tbe contributions of the glacier motion and the present state of the problem, Alpine Journal, 1870. $. 411 ff. — [140] Heim, Handbuch, S. 307 ff. — 1141] Ibid. $. 311. [142] Vgl. [55]. — [143] A. u. H. v. Schlagintweit, Neue Untersuchungen über die physikalische Geographie und Geologie der Alpen, Leipzig 1854. S. 124 ff. — [144] Forbes. Illustrations of the viscous theory of glacier motion, Phil. Trans., 1846, U, Part 1, S. 143 fi... Part 2, 8. 157 fi... Part 3, STE [145] Bottomley, Flow of viscous materials — a model glacier, Nature, Vol. XXI. S. 159. — [156] Thomson-Tait, Handbuch der theoretischen Physik, deutsch von Helmholtz-Wertheim, 2. Band, 2. Theil. Braunschweig 1874. S. 290 ff. — [147] Mo- seley, On the mechanical impossibility of the descent of the glaciers by their weight only, Phil. Mag.. 1869. S. 363 ff. — [148] Croll, On the cause of the mo- tion of glaciers, ibid. 1870. $. 210 ff. — [149] Spring, Recherches sur la propriete des corps solides de se souder par l’action de la pression,, Bull. de l’ac. belge des sciences, (2) Vol. LXIX. 8. 323 ff. — [150] Heim, Handbuch, $. 322. — [151] H. Credner, Elemente der Geologie, Leipzig 1872. S. 21. — [152] Heim, Handbuch S. 334 ff, — [153] Ibid. S. 219. — [154] Ibid. $S. 226. — [155] Ibid. S. 244. — [156] Ibid. S. 247 ff. — [157] Ibid. $. 255 ff. — [158] Ibid. S. 410 ff. — [159] Nordenskiöld, Studien und Forschungen, veranlasst durch meine Reisen im hohen Norden. Leipzig 1885. S. 65 ff. S. 112 ff. — [160] W. Kaiser, Die Flora des Schnee’s und Eises,. Citate. 567 Gaea, 20. Jahrgang. S. 275 ff. — [161] Saussure, Voyages dans les Alpes, Vol. II.. Neuchätel 1786. S. 44 ff. — [162] Nordenskiöld, Studien ete., S. 68 ff. — [163] Ibid. S. 97. — [164] Penck, Die Gletscher Norwegen’s, Leipzig 1879. — [165] Heim, Handbuch, $. 343. — [166] Ibid. $S. 356. — [167] Ibid. S. 502. — [168] Ibid. $. 506. — [169] Ibid. S. 510. — [170] Diener, Beobachtungen an den Gletschern des Schwarzensteingrundes, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 9. Band. $. 77 fi. — [171] Biermann, Ueber die vermutheten Veränderungen der Gletscher des Schwarzen- steingrundes, ibid. 9. Band. S. 323 ff. — [172] Heim, Handbuch, S. 512. — [173] Ibid. S. 520. — [174] Fritz, Die Beziehungen der Sonnenfleckenperiode zu den mag- netischen und meteorologischen Erscheinungen der Erde, Harlem 1878. S. 130 ff. — [175] E. Richter, Ueber Beobachtungen an den gegenwärtigen Gletschern, Ver- handl. d. IV. d. Geographent., Berlin 1884. S. 87. — [176] E. Richter, Beobach- tungen ete., S. 57 ff. — [177] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrb., 10. Band, Gotha 1885. S. 53. — [178] v. Frey, Ueber die Ursachen der Gletscherschwankungen, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver.. 14. Band. $. 244 ff. — [179] Ibid. S. 253. — [180] Tyndall, In den Alpen, $. 209 ff. — [181] Ramsay, On the glacial origin of certains lakes in Switzerland, Quart. journal of the geol. society, Vol. XVIll. S. 185 ff. — [182] Penck, Die Vergletscherung der deutschen Alpen, ihre Ursachen, periodische Wiederkehr und ihr Einfluss auf die Boden- gestaltung, Leipzig 1882. $. 372 ff. — [183] Penck, Geogr. Wirk. etc., S. 66 fi. — [184] Fortschritte der Physik, (Baumgartner’s) Zeitschr. f. Phys. u. Math., 1. Band. S. 86 ff. — [185] Zöppritz, Die Fortschr. ete., S. 28 ff. — [186] Oldham, On the modulus of cohesion of ice, and its bearing on the theory of glacial erosion ‘of lake-bassins, Phil. Mag., 1879, II. S. 240 ff. — [187] Penck, Die Ver- gletsch. ete., S. 379. — [188] Ibid. S. 380. — [189] Heim, Handbuch, $. 383 f. — 7190] Ibid. S. 385. — [191] Ibid. S. 400 ff. — [192] Penck, Die Vergletsch. etec., S. 3. — [193] Venetz, Memoire sur l’extension des anciens glaciers, Neue Denkschr. d. allg. schweiz. Ges., 18. Band, 1832. — [194] J. Charpentier, Sur la cause pro- bable du transport des blocs erratiques de la Suisse, Paris 1835; Essai sur les glaciers et sur le terrain erratigque du bassin du Rhöne, Lausanne 1841. — 1195] Penck, Die Vergletsch. etc., $S. 9. — [196] Ibid. S. 14 ff. — [197] Penck, Die Geschiebeformation Norddeutschland’s, Zeitschr. d. d. geol. Ges., 31. Band, S. 117 ff. — [198] Schunke, Die Entstehung der norddeutschen Tiefebene, Zeitschr. f. wiss. Geogr., 8. Jahrgang. S. 101 ff. S. 138 ff. — [199] Penck, Die Gesch. ete., Ss. 141 ff. — [200] J. Roth, Die geologische Bildung der norddeutschen Ebene, Berlin 1879. — [201] Heim, Handbuch, $. 406. — [202] Schunke, Die Entste- hung etc., S. 105. — [203] Quaglio, Die erratischen Blöcke und die Eiszeit nach . Prof. O. Torell’s Theorie, Wiesbaden 1831. — [204] Lapparent, Trait& de geologie, Paris 1883. — [205] Heim, Handbuch, S. 402 ff. — [206] Hausmann, De origine saxorum per Germaniae septentrionales regiones arenosas dispersorum, Gottingae 1827. — [207] Penck, Die Gesch. etc.. S. 125 ff. — [208] Ratzel, Physikalische Geographie und Naturcharakter der vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. S. 121 ff. — [209] Penck, Die Gesch. etc., S. 152 ff. — [210] Ibid. S. 161 ff. — [211] Credner-Penck, Erläuterungen zu der geologischen Spezialkarte des König- reichs Sachsen, Bl. 44, Leipzig 1879. S. 41 ff. — [212] Mehner, Ueber ältere Ab- lagerungen der skandinavisch-sarmatisch-germanischen Diluvialregion, Wurzen 1883. — [213] H. Credner, Ueber die Vergletscherung Norddeutschlands während der Eiszeit, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 7. Band. $. 363 ff. — [214] Neueste Auffindungen von Grundmoränen und Gletscherschrammen in Norddeutschland, ibid. 7. Band. $. 443. — [215] Penck, Die Gesch. etc., S. 134. — [216] Bronguiart, Essai sur la geographie mineralogique des environs de Paris, Paris 1811. S. 87. — — [217] Matthieu, Note sur les orgues g&ologiques, Journal des mines, 1813. S. 197 ff — [218] Prestwich, On the origin of the sand- and gravel-pipes, Quart. journ. of the geol. society, Vol. XI. S. 64 ff. — [219] Berendt, Riesenkessel bei Uelzen, Berlin 1880. — [220] Nötling, Ueber das Vorkommen von Riesenkesseln im Muschelkalke von Rüdersdorf, Zeitschr. d. d. geol. Ges., 31. Band. $. 359 ff. — [221] Penck, Ueber das Vorkommen von geologischen Orgeln und Riesenkesseln zu Rüdersdorf, ibid. 31. Band. S. 627 fi. — [222] H. Gruner, Ueber Riesenkessel in Schlesien, ibid. 32. Band. S. 183 ff. — [223] v. Helmersen „ Riesentöpfe in Kurland, ibid. 32. Band. S. 631. — [224] Grewingk, Ueber cylindrische Strudel- und Sicker- gruben im devonischen Gipslager bei Dünhof oberhalb Riga, Dorpat 1880. — 1225] Commenda, Riesentöpfe bei Steyeregg in Oberösterreich, Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1884. S. 308 ff. — [226] Berendt, Ueber Riesentöpfe und ihre allgemeine Verbreitung in Norddeutschland, Zeitschr. d. d. geol. Ges., 32. Band, 568 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. S. 56 ff. — [227] Heim, Handbuch, 8. 545. — [228] Morlot, Ueber die Diluvial- und Gletschergebilde zwischen Solothurn, Burgdorf und Langenthal, Verhandl. d. naturf. Ges. zu Bern, 1855. S. 25 ff. — [229] Bachmann, Ueber die Grenzen des Rhönegletschers im Emmenthal, ibid. 1882, II. S. 25 ff. — [230] Falsan, Esquisse geologique du terrain erratique de la region centrale du bassin du Rhöne, Bull. de la soc. de geogr. de Lyon, tome IV. S. 97 fi... — [231] Ibid. S. 117 fi. — [232] Dana, Manual of geology, Boston 1874. S. 541 ff. — [233] Ch. Darwin, On the distributions of erratic boulders, Trans. of the geol. society, (3) Vol. VI. S. 415. — [234] Penck, Die Eiszeit in den Pyrenäen, Leipzig 1883. — [235] Heim, Hand- buch $. 552. — [236] Ibid. S. 556. — [237] G. Gerland, Die Gletscherspuren der Vogesen, Verhandl. d. IV. d. Geographent., Berlin 1884. S. 92 ff. — [238] Partsch, Die Gletscher der Vorzeit in den Karpathen und den Mittelgebirgen Deutschland’s, Breslau 1882. — [239] Ibid. S. 78 ff. — [240] Helland. On fjords, lakes and cirques in Norway and Greenland, Quart. journal of the geol. society, Vol. XXIII. S. 142 ff. — [241] Bonney, On Mr. Helland’s theory of the formation of eirques, Geol. Mag., 1877. S. 273 ff. — [242] v. Richthofen, Besprechung von Penck’s Werk, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 9. Band. S. 565 ff. — [243] Klein, Die Ver- gletscherung der Alpen und die Eiszeit, Gaea, 18. Jahrgang. S. 587 fi. — [244] Penck, Die Vergletsch. ete., 8. 46. — [245] Ibid. S. 59. — [246] Ibid. S. 9. — [247] Ipid. S. 130 ff. — [248] Ibid. S. 145. — [249] Ibid. S. 243. — [250] Gümbel, Geognostische Beschreibung des bayerischen Alpengebirges und seines Vorlandes, Gotha 1861. $. 803. — [251] Penck, $. 251 ff. — [252] Böhm, Die Höttinger Breccie, Verhandl. der k. k. geol. Reichsanstalt, 34. Band. S. 147 ff. — [253] Keilhack, Vergleichende Beobachtungen an isländischen Gletscher- und norddeutschen Di- luvialablagerungen, Jahrb. d. k. pr. geol. Landesanstalt. Berlin 1883. — [254] Nat- horst, Ueber die Beziehungen der isländischen Gletscherablagerungen zum Diluvial- sand und Diluvialthon, N. Jahrb. f. Min.,. Geol. u. Paläont.. 1885. S. 74 ff. . Kapitel IV. Stehende und fliessende Gewässer. 8.1. Seen. Mit dem Worte See bezeichnet man eine jede nam- haftere Bodenaushöhlung, welche mit Wasser gefüllt ist. Seen kommen unter allen Breiten vor; auch die Polarregion besitzt ihre kleinen, blaugrünen Wasserbecken. Dass der provincielle Name Meer für Binnensee mitunter vorkommt, ward schon früher (S. 308 dieses Bandes) erwähnt; umgekehrt bezeichnet in Oberschlesien das Volk als Teiche gewisse stehende Wasseransammlungen, welche anderwärts nicht mit dieser oder der synonymen Benennung Weiher belegt, son- dern als vollgültige Seen anerkannt werden würden |l]. Zwischen Oberflächengrösse und Tiefe *) besteht keinerlei Relation, vielmehr sind gerade kleine Gebirgsseen oft ungemein tief. Der Wassergehalt der Seen ist im Allgemeinen ziemlich konstant, indem jenen Wasser- mengen, welche das Becken durch Flüsse, Bäche und meteorische Gewässer gewinnt, ein annähernd gleicher Verdunstungsverlust gegen- übersteht. Selbstverständlich hat jeder See seine Schwankungen im *) An sich sind natürlich die nämlichen Apparate, welche wir als für die Meeressondirung tauglich erkannt haben ($. 327 ff.) auch hier verwendbar. In- dess eignet sich für seichtere Gewässer auch sehr gut eine v. Jolly am Königs- see erprobte und in den Münchener Sitzungsberichten von 1862 beschriebene Vorrichtung, über welche man sich auch in dem schon mehrfach angeführten Werke von Gelcich [2] Aufschluss erholen kann. IV, $S. 1. Seen. 569 Wassergehalte; in einzelnen Fällen — namentlich in Gegenden mit ausgesprochener Regenzeit — können jene ziemlich beträchtlich sein, was nach Fritz z. B. besonders vom Ukerewe und Tanganijka gilt [3]. Die jährliche Periode der Wasserhöhe stimmt nach Wojeikoff's Mes- sungen gut überein für die drei südlichen nordamerikanischen Seen, die Periode des Ladoga-See’s ist die gerade entgegengesetzte, während der obere See zwischen beiden Extremen ziemlich die Mitte hält [4]. Schneeschmelze und Windstau sind die entscheidenden Faktoren *). Was die physikalischen Eigenschaften des in den Seen befind- lichen Wassers anbelangt, so ist über die Färbung bereits im ersten Kapitel der sechsten Abtheilung mit berichtet worden. Die Tem- peratur**) richtet sich im Allgemeinen nach den Jahreszeiten, wie ein Gleiches ja bekanntlich auch für die oberflächlichen Schichten des Meeres gilt. Im Inneren der Wassermasse bedingt die Wärmever- schiedenheit eine vertikale Cirkulationsbewegung, die nicht blos durch die Theorie gefordert [9], sondern durch F. Pfaff [10] am Achensee auch wirklich nachgewiesen worden ist. Wenn nämlich kälteres Wasser nahe der Oberfläche sich auf 4° erwärmt hat, so erreicht es seine grösste Koncentration, die erlangte grössere Schwere zwingt es zum Untersinken, und so bildet sich für tiefere Seen von einer gewissen oberen Grenze ab eine ziemlich gleichmässige Temperatur heraus. Einströmende Flüsse, unterseeische Quellen und — nach Buchanan — die von Dampfblasen begleitete Oxydation der Bodenbedeckung ver- mögen begreiflicherweise dieses Durchschnittsverhältniss gar sehr abzu- ändern; im ersten Bande der Zeitschrift ‚Hertha‘ (S. 100) wird gar von einer Quelle nahe bei’m Niagara-Falle erzählt, welche im Sommer zufrierende, im Winter eisfrei bleibende Seen bilden soll. Eine Anzahl neuerer Seetemperaturmessungen, die Forel im Leman, Buchanan in den schottischen, Simony in den oberösterreichischen, Ripley Nichols in amerikanischen Seen erhielten, hat Zöppritz zusammen- gestellt und diskutirt [11]. Als eine besonders beachtenswerthe That- sache scheint die angesehen werden zu müssen, dass in kleineren Seen *) Eine — wenn sie sich bestätigt — ebenso merkwürdige als zunächst noch räthselhafte Wahrnehmung will Miklucho Maklay an einem See in Neu-Guinea gemacht haben: bei Tage sank dessen Niveau eben so regelmässig, als es zur Nachtzeit stieg [5]. **) Die ersten vertrauenswürdigen Wärmemessungen stellte Saussure im Genfer-See und in einigen jurassischen Seen an [6], indem er sich dabei eines von Micheli du Crest (S$. 101) konstruirten Weingeistthermometers bediente. Ganz neu waren solche Bestrebungen freilich schon zu jener Zeit nicht mehr, denn nach R. Wolf [7] ist schon in einer noch handschriftlich vorhandenen Einsendung Lambert’s an die Berner physikalische Gesellschaft vom Jahre 1768 davon die Rede, dass in verschiedenen Tiefen des Züricher-See’s Temperaturmessungen vor- genommen worden seien. — So vollkommene Instrumente, wie ihrer die submarine Thermometrie bedarf, sind für lakustre Beobachtungen natürlich nicht gerade erforderlich. Die früheren Bemühungen, Thermometer für die Messung der Wärme des Wassers in geringeren Tiefen zu adjustiren, schildert C. Lang, der selbst ein Verfahren zu diesem Behufe angegeben hat [8]. Das Thermometer erscheint hier in einen Hohlcylinder aus starkem Messingblech eingesenkt. dem ein Rohr zum Schutze der Thermometerröhre aufgeschraubt ist. Das Innere des Cylinders kommunieirt nach aussen durch drei Kugelventile, die sich beim Heraufziehen schliessen. Damit die Versenkung bequem vor sich gehe, ist der Boden des Cylinders mit einer massiven Bleiplatte verschraubt, welche nur eine dem unteren Ventil entsprechende Oeffnung besitzt. 570 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. die Isothermfläche von 4° den wärmeren Innentheil von dem kälteren Strandwasser scheidet, womit vielleicht die eigenthümlichen glatten Uferstreifen mancher Seen, namentlich desjenigen von Neuchätel, zu- sammenhängen. Die bayerischen Alpenseen hat Geistbeck [12] um- sichtig in thermometrischer Hinsicht studirt*) und ist dabei darauf verfallen, alle Seen in kalte — mit geringen Variationsextremen der einzelnen Schichten und mit verzögertem Temperaturgange — und in warme zu trennen, welch’ letztere also in den erwähnten Punkten sich gerade umgekehrt verhalten wie die kalten und sonst eine gleich- mässigere T’emperaturabnahme nach der Tiefe hin erkennen lassen **). — Hiemit in Verbindung steht Geistbeck’s Eintheilung der Seen in eisfreie und eisbildende; zu den letzteren gehören die meisten kalten Seen, der Königssee jedoch nicht. Die Eisdecke bildet sich erst, wenn eine durchgreifende Abkühlung der Wassermasse bis auf 4° eingetreten ist; bis zum Grunde gefrieren einigermassen tiefe Wasserbecken niemals zu***). Man muss im Sinne Geistbeck’s [14] dreierlei Eis auseinanderhalten, nämlich Küsteneis, pelagisches Eis, wofür wir doch lieber lakustres sagen möchten, und Treibeis. Die grösste Mächtigkeit gewinnt altes Ufereis; am Staffelsee ist solches von 20 bis 30, am Schlier- und Königssee solches von 30 bis 40, am Kochel- und Tegernsee von 40 bis 50 und am Ammer- und Chiemsee sogar von 50 bis 70 Centimeter Dicke nachgewiesen worden. Untersuchungen über Tiefen- und Böschungsverhältnisse der Seen dankt man hauptsächlich Simony [15]. Seine Maximal- Tiefentabelle der Seen in den Ostalpen ist folgende: Traunsee 191 m|St. Wolfg.-See 113 m/Krottensee ... 44 m|Schwarzensee . 54 m Königssee 188 \Mondsee .... 67 |H. Gosau-See... 43 |V.Langbath-See 33.5 Achensee 181 |Toplitzsee ... 106 |Offensee .... 36 |Zellersee i. $.. 30 Attersee 171 |V. Gosau-See 68 |Grundlsee ... 64 |H.Langbath-See 19 Hallst. See 125 |Fuschlsee .. 65 |Alt-AusseeerSee 55 Dem reihen wir gleich nach Marinelli [16] *) noch einige auf andere Seen sich beziehende Zahlen an: Baikalsee .. 1373 a, diGarda 825 m|Zuger-See . 390 (Gert 334m Kasp. Meer . 946 |LagodiComo 588 |Ladoga-See . 375 |ObererSee 810 Lagomaggiore 850 ‚Todtes Meer 560 |Seevon Albano 340 |[Michigan-See300 Lago d’Iseo 300 *) Wie wir hören, soll demnächst eine umfänglichere Arbeit des genannten Autors über den nämlichen Gegenstand erscheinen. **) Ein besonders warmer See — Temperatur 31° — wäre der oben er- wähnte See in Neu-Guinea. Auch die Seen Savoyen’s gehören nach Forel zu den warmen. *##) Fore] hat [13] die Eisverhältnisse der schweizerischen Seen untersucht und manch’ Anomales dabei gefunden. Es frieren dort zu — oder können doch in kalten Jahren zugefrieren — gänzlich die allermeisten Seen, theilweise nur sefriert der Vierwaldstätter-See, ganz eisfrei bleiben Genfer-, Walen- und Bourget-See. +) Dieses treffliche Werk, unter Leitung Marinelli’s von einem Konsortium angesehener italienischer Fachmänner verfasst, erscheint in Lieferungen und konnte leider erst in diesen letzten Abschnitten unseres Buches eine Verwerthung finden, wie sie schon früher wünschenswertli gewesen wäre. 4 e ; i IV, $S. 1. Seen. 374 Die Seiten der Becken besitzen im Grossen und Ganzen die- selbe Böschung, wie die begrenzenden Ufer, jedoch sind Steilabfälle natürlich nicht ausgeschlossen. Besonders ist der Traunsee durch solche ausgezeichnet. Der Seegrund ist stets auf weite Strecken hin eben, doch giebt es auch Plateaux unter dem Wasser, welche einen See — z. B. den Attersee — durch eine Untiefe in zwei nur ganz oberflächlich mit einander Verbindung haltende Einzelbecken zerlegen. Das Wasser der Seen ist gewöhnlich süss. Doch giebt es, von den eigentlichen Meeren völlig abgesehen, salzige Seen, aus deren Wasser die Chemie theils reines, theils auch durch salzsauren Kalk, Bittererde, schwefelsaures Natron, verunreinigtes Kochsalz ausscheidet. Die meisten dieser Seen enthält Asien — Kirgisensteppe, Elton-See bei Astrachan —, in Europa kommen diese. Seen, da der Mansfelder See (S. 363) kaum mehr zu rechnen ist, wesentlich in Siebenbürgen vor [17]. In Ungarn giebt es, wie in Aegypten, Natronseen. Im irischen Lough-Near sollen so viele Eisentheilchen suspendirt sein, dass angeblich ein hineingeworfenes Stück Holz ganz von ihnen durch- drungen wird; vielleicht steht mit ähnlichen Eigenschaften mancher Seen auch die bekannte Sage in Verbindung, wonach dieselben keine Leeichname mehr zurückgeben sollen. Wir werden auf die Verdunstung der Salzseen im nächsten Kapitel, anlässlich der Steppenbildung, wieder zu sprechen kommen. Von je hat man sich viel mit den unterirdischen Zu- und Ab- flüssen der Binnenseen beschäftigt. Zuvörderst war es der Zirknitzer See in Krain (Band I, S. 28), welchen Hypothesenbildung sich zum Tummelplatze wählte, obwohl schon in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch Steinberg [18] und Gruber [19] ganz zutreffende Aufschlüsse über den wirklichen Sachverhalt gegeben worden waren. Dieser See (der lugea palus der Römer und des Ariosto) ist ein ge- wöhnlicher Landsee, in welchem sich während regenreicher Jahre viel Wasser anzusammeln pflegt, während er in trockenen Jahren nahezu ganz eintrocknet. Allerdings scheint bei dieser Eintrocknung nicht blos die Verdunstung ihre Rolle zu spielen, sondern es müssen wohl auch die vielen, den Karstboden durchziehenden Risse und Klüfte als Abzugskanäle dienen *); von diesen ist die „Karlouza-Grotte* nach Frischauf 474m weit begangen und erforscht worden, ohne dass man das Ende des verzweigten Röhrensystemes erreicht hätte. Anderen Auffassungen zufolge meinte übrigens der römische Dichter das Moor von Laibach. Das Karstgebiet enthält auch andere Seen dieser Art: einer derselben findet sich z.B. auf der Insel Cherso”*). Der Kopais-See in Böotien ist ebenfalls mit einem solchen natürlichen Drainage-System *) Kant sprach die Ansicht aus [20], dass das Verschwinden und Wieder- erscheinen dieses See’s nach dem physikalischen Principe vom Heber sich richte, und dass eine unseren Augen entzogene Verbindung mit dem Meere keinesfalls angenommen werden dürfe. **) Im „Ausland“ (1883. S. 919) stand die Notiz, dass im August jenes Jahres das Niveau eines der Schwarzseen am Triglav um 2 m in 9 Stunden ge- fallen sei. Obwohl der Triglav nicht mehr dem eigentlichen Karstterrain an- gehört, wird man doch auch an Hohlräume, die sich nach anderen Wasserläufen hin öffnen, zu denken geneigt sein. 572 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. versehen *),,. Nicht minder wird man dem Neusiedler-See bei Oeden- burg ein solches zuerkennen müssen, da sonst der von dem Grafen Bela Sezechenyi [23] geschilderte Hergang der Ent- und Bewässerung nicht zu verstehen wäre. Seit 1854 nämlich begann dieser ziemlich ausgedehnte See zu schwinden, 1865 waren von ihm nur noch ver- einzelte Reliktensümpfe vorhanden, und 1868 verzogen sich auch diese, allein schon das Jahr darauf waren wieder kleine T'ümpel vorhanden, und seit 1876 bedeckt wieder eine schöne Wasserfläche nahe an 400 Quadratkilometer. Dagegen geht man wohl zu weit, wenn man mit A. Kircher [24] für alle Steppenseen, welche zwar Zufluss, aber keinen Abfluss haben — kaspisches Meer, Aral, Issikul, Balkasch, Lob Nor — das Vorhandensein unterirdischer Kanäle stipuliren wollte, die z. B. nach der Behauptung eines gewissen April Pflanzen aus dem kaspischen See bis in den persischen Golf hinausgeführt haben sollten [25]. Anders, wenn ein See, wie der Ybera-See in Südamerika, nachweislich Flüsse speist, starker Verdunstung unterliegt und durch Regenfall nicht den nöthigen Ersatz bekommt; da muss man wohl annehmen, dass die Mündungen einiger Zuflüsse unter dem Wasser- spiegel gelegen sind. A. Boue glaubt [26], dass solche Ausflusslöcher — slavisch „Ponor* — in den Seen der Balkanhalbinsel etwas ganz gewöhnliches sind, und dass ihr Dasein sich stets durch einen beson- ders glatten Seespiegel verräth. Die Alten scheinen ferner den arme- nischen Wan-See noch nicht als solchen gekannt zu haben; sie sprechen von zwei durch einen Landriegel getrennten Seen Arsissa und Tho- spitis, die aber durch subterrane Spalten kommunicirt hätten, und Strecker hält es [27] gar nicht für unmöglich, dass der stets stei- gende und fast gänzlich der Entleerung entbehrende See allmählig die Brücke überschwemmt oder durchbrochen und so die Oberflächen- verbindung zwischen beiden Seebecken hergestellt habe. 8. 2. Genetische Klassifikation der Seen. Die Versuche, die ein- zelnen Seen nach genetischen Merkmalen in Gruppen zusammen- zustellen, sind verhältnissmässig neuen Datums. Wir sind in der Lage, neben den in engerem Kreise sich bewegenden Aufstellungen von Desor, Kohl und Rütimeyer fünf Seen-Systeme dieser Art anzuführen, die wir nunmehr in chronologischer Ordnung besprechen wollen. a) Peschel’s System. Das geistvolle dreizehnte Kapitel der Pe- schel’schen Morphologie, „Die Entwickelungsgeschichte der stehenden Wasser auf der Erde* überschrieben [28], enthält die Grundzüge dieser Eintheilung. Viele Seen sind hiernach sogenannte Relikten- seen, einstige Meerbusen oder Fjorde, welche durch partielle Land- hebung vom Hauptkörper abgetrennt und nach und nach ausgesüsst wurden. Maassgebend für die Einreihung eines bestimmten See’s in *) Mit Ausnahme eines kleinen Bassins nächst der Insel Topolia verhält sich nach P. W. Forchhammer der Kopais ganz so, wie der Zirknitzer See [21]. Die Eingänge der natürlichen Abzugskanäle, deren Entstehung Forchhammer nach der Humboldt’schen Aufblähungstheorie (Band I, S. 357) erklärt, heissen auf griechisch „Katabothra*. Gegenwärtig geht man daran, den sumpfartigen und im Sommer Fieberdünste aushauchenden See mit grossen Opfern vollständig auszutrocknen [22]. II, S. 2. Genetische Klassifikation der Seen. 573 diese Kategorie war für Peschel die Existenz einer sogenannten Reliktenfauna. Das kaspische Meer, der Aral, der Baikal enthalten Ärten, die sonst dem Meere eigenthümlich sind. „Alle grossen und seräumigen Seen Nordamerika’s, am Südabhange der Alpen, in Schweden und Nordrussland, in Centralasien und Sibirien sind oceanischen Ur- sprungs“ [29]. Schon bei der Eintheilung der Inseln ward der Ge- fahren gedacht, welche ein so einseitig biologisches Klassifikationsprineip mit sich bringt, und in diesem Falle verführt dasselbe gewiss zu ernst- lichen Fehlern *). In eine zweite Kategorie stellt unser Gewährsmann die Einsturzseen, die Verwerfungs- und Faltungsseen, denen er z. B. die drei Seen der Jordan-Spalte zurechnet, die Kraterseen (Fuciner See, Lago di Nemi), die durch Gletschervorstoss oder Berg- rutsche entstandenen Abdämmungsseen **) und die orographischen Seen, welcher Name besagt, „dass die Gestalt der Beckensohle un- mittelbar oder mittelbar mit den Krümmungen ihres Schichtenbaues zusammenhänge“ [31]. Zu diesen letzteren würden somit auch die Komben- und Klusenseen von Desor gehören. b) v. Sonklar’s System. Die Seen sind, wenn man nicht auf ihren Zu- und Abfluss als charakteristisches Element den Hauptnach- druck legen will ***), entweder Tiefland- oder Hochlandseen [32]. Ihrer Entstehungsart gemäss sind sie einzutheilen in Füllungsseen — durch Wasser überfluthete Depressionen —, in Spaltenseen (Pangang-See im Pendschab) — gefüllte Thalspalten, die durch ein von der Erosion erschlossenes Thor eventuell rasch entwässert wer- den —, in Abdämmungsseen und Eisseen. c) A. Boue’s System. Soweit wir dasselbe zu verstehen ver- mögen 7), werden runde Seen — durch vulkanische Kataklysmen oder Ponor’s (s. o.) entstanden —, rund-ovale, fast-ovale und Spaltenseen neben einander gestellt. Als ausgefüllte Thalspalten figuriren z. B. der Wetter-, Brienzer- und Comer-See. d) R. Credner’s System. Ganz strenge trifft diese Bezeichnung hier nicht zu, denn Credner’s Kritik lässt eben das Voreilige und Unzureichende manches früheren Systematisirungsversuches erkennen, und die Aufstellung positiver Merkmale wird von Credner nur sehr *) Bei’m Baikal-See, bezüglich dessen Peschel allerdings ganz in Hum- boldt’s Fussstapfen trat, galt Ersterem das Vorkommen von Seehunden als ein ganz sicheres Kriterium der marinen Abstammung, und Dybowski’s Nachweis eines pelagischen Baikalschwammes diente zur Bekräftigung. Allein neuerdings hat Özerski das Territorium zwischen Baikal und Eismeer genau geologisch durchforscht und erkannt, dass seit der Tertiärzeit jenes seine Grenzen nicht mehr verändert haben kann [30]. Nur waren ehedem die Ströme grösser und breiter, und die Seehunde können auf ihnen weit in’s Land hinein gelangt sein. ”*) Peschel’s Vorschlag, diese Stauungsbecken Sonklar’sche Seen zu nennen, ist von dem Gefeierten selbst angenommen worden, kaum aber von an- derer Seite. ”##) v. Sonklar begründet hierauf (a. a. O.) noch eine besondere Einthei- lung. Flussseen und Quellseen bilden die eine, Binnenseen, die speziell auch Steppenseen sein können, die andere Klasse. 7) Der Styl dieser Abhandlung [33], einer der letzten, die aus der Feder des fruchtbaren Autors geflossen sind, ist nicht selten so dunkel. dass man nur schwer die Verantwortung für eine völlig sinngetreue Wiedergabe des Inhaltes übernehmen kann, A Fe N Re De lg 23a 5 BO, AT Br ES a en Fr nen en, IR JE , WE ke as u ve , fi 4 h « # f ar v7, “ a \ vorsichtig angedeutet [34]*). Er begnügt sich, darauf hinzuweisen, dass viele Seen unter Wasser gesetzte Theile von Alpenthälern sind, in denen sich der durchziehende Wasserlauf aufstaute, dass ferner Niveauverschiebungen der Gebirgsmassen **), Faltungen der Schichten — Urner See —, endlich das Sinken einzelner 'Thalpartieen — ober- italienische Seen — eine stehende Wasseransammlung zuwege brach- ten [35]. e) Davis’ System. Die feinste, ja manchmal vielleicht gar zu feine, Scheidung der einzelnen Seen nach naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten ist diejenige des Amerikaners Davis [36], dessen neue Kunstausdrücke Credner deutsch wiedergegeben hat. ÖOro- graphische Strukturbecken können siebenerlei verschiedenen Ur- sachen ihre Entstehung verdanken, nämlich 1. der allseitigen Gebirgs- umwallung, 2. der Bergfaltung, 3. der Schichtenverwerfung, 4. der ungleichmässigen Niveauveränderung in Thälern — wohl nur eine Konsequenz von 2 und 3 —, 5. den seismischen Einsenkungen, 6. dem Zusammensturz unterirdischer Lava-Räume, 7. dem Einbruch gusge- laugter Gips- und Kalklager. Erosive Destruktionsbecken können l. durch Erosion der Gletscher (?), 2. durch Erosion des Windes, 3. durch auflösende Aktion des Wassers, 4. durch Explosion sub- terraner Gasansammlungen zu Stande kommen. Abdämmungsbecken können die allermannigfaltigsten Ursachen haben, ja es lassen sich dieselben sogar in zwei sehr verschiedene Unterabtheilungen sondern. Die Abdämmungsbecken im engeren Sinne („Barrier Bassins“) können 1. durch Schuttkegel, 2. durch Gletschereis ***), 3. durch End- ”) Die Vertheilung der eigentlichen Alpenseen, selbstständiger Wasser- becken, welche Krümmel durch die Bezeichnung Alpenweiher für kleine, zufällig entstandene Wassertümpel noch bestimmter charakterisiren möchte, ist nach Credner (a. a. O.) durchaus keine gleichförmige. Pyrenäen und Sierra Nevada, Karpathen, Kaukasus und Ural besitzen keine ächten, in den Fels ein- segrabenen Wasserbecken, die Alleghanies sind ganz seenlos, die Anden wenig- stens in ihren centralen Theilen. Hochasien besitzt im Himälaya wirkliche Alpen- seen, auch der Baikal verdient völlig diesen Namen, am meisten jedoch ähnelt die Physiognomie der neuseeländischen Gebirgsseen der uns geläufigen. Peschel’s Versuch. das Fehlen der Bergseen mit der Häufigkeit der atmosphärischen Nieder- schläge in Beziehung zu setzen, durch welch’ letztere eine frühzeitige Verschüttung allenfalls vorhandener Mulden begünstigt werden sollte, ist, wie Credner aus- führt, nicht geglückt. Skandinavien und Neuseeland haben reichlich Regen, und im araukanischen Theile der Cordilleren beginnen die Seen gerade da sich zu vermehren, wo das regenärmere subtropische Gebiet aufhört. Weder durch me- teorologische. noch auch durch solche geologische Argumente, welche sich auf das Alter der Gebirge beziehen, und endlich auch nicht durch frühere Vereisungs- perioden lässt sich die Art der Seenverbreitung genügend erklären. **) Für die gleich einer Perlenschnur sich an einander reihenden Seen im südlichen Chile nimmt auch A. Kirchhoff, wie er in einer Besprechung des Credner’schen Vortrages erklärte, Niveauverschiebungen als Entstehungsgrund an. Der Westfuss der Cordilleren habe zuerst eine negative, und der Küstensaum habe nachher eine positive Niveauverschiebung erlitten. *##) Mit diesen Eisseen im engsten Wortsinne beschäftigt sich eingehend J. ©. Beer [37]. Ihm zufolge giebt es in unseren Alpen nur vier, welche diese 3ezeichnung wirklich verdienen, nämlich die Langthaler „Eislacke* bei Gurg], den Weissen-See im Stubachthale. den Mattmark-See im Saaser-Thale und den Märjelen-See am Südabsturze der Berner Centralalpen. Häufig brechen diese Gletscher- seen aus, und ihre frühere Stätte bleibt dann längere Zeit leer; so ist jener IV. $ 2, Genetische Klassifikation der Seen. 575 moränen, 4. durch ungleichmässige Ablagerung glacialer Schotter- massen *), 5. durch Lava-Ströme, 6. durch Sandbarren, Dünen und Nehrungen **), 7. durch Korallenriffe, 8. durch Sedimentablagerung der fliessenden Gewässer (Altwasser, „River Lagoons®, „Ox-bows“, „Aigues-mortes“), 9. durch Bergstürze, 10. durch thierische Kunst- bauten sich bilden. In diesem Falle also legte sich fliessenden Gewässern irgend ein Hinderniss vor und staute dieselben auf; bei den Umwal- lungsbecken dagegen („Encelosure Bassins*) war die den Binnensee bildende Wassermasse schon vorher in Ruhe. Hier erscheinen als morphologische Faktoren 1. Deltabildungen, 2. Sedimentanhäufungen, die durch säkuläre Hebung über der Wasserfläche des Meeres oder des schon bestehenden See’s erscheinen („New Land Bassins“), 3. Krater- mauern”**), 4. ungleichförmige Anhäufung von Glacialschutt, 5. Empor- wachsen von Lagunenriffen. — Desor’s oben erwähnter Eintheilung wird von Davis, da Komben- wie Klusenseen nur durch die ausnagende Kraft des Wassers entstünden, höchstens ein gewisser physiographi- scher, jedoch kein genetischer Werth zugestanden, und in dieser Aut- fassung begegnet er sich mit Löwlj). Im Ganzen ist das Studium der See-Charaktere ungemein er- schwert durch den Umstand, dass auf diesem Gebiete die beste Karte noch weniger als in anderen Fällen einen Ersatz für mangelnde Autopsie im oberen Oetzthale seit mehr denn 100 Jahren verschwunden. — Bei unserer Be- griffsbestimmung des Eissee’s als eines durch Gletschereis gebildeten Abdämmungs- see’s im Sinne von Davis dürfte wohl E. Richter’s Einwand gegen die Herein- ziehung des Mattmark-See’s viel an Gewicht verlieren; gegen v. Sonklar bleibt derselbe bestehen. *) Nummer 3 und 4 tragen das gemeinsame Gepräge der Moränenseen, über welche eine Monographie von Lüdecke vorliegt [38]. Es wird dort gezeigt. dass die uns bereits bekannte Moränenlandschaft stets sehr günstige Vorbedingungen zur Entstehung kleinerer Wasserbehälter darbietet, wenigstens so lange, bis auch die Erosion in ihr Recht tritt. Allein Lüdecke hat zu rasch verallgemeinert und sich mit den Thatsachen zum öfteren in Widerspruch gesetzt. So weist ihm E. Richter nach [39], dass der Mattmark-See «Jurchaus nicht die Merkmale eines Moränensee’s an sich trage, und Penck wirft ihm vor [40], als Moränenseen die verschiedenartigsten Gebilde zusammengefasst zu haben, ohne einen Beweis für deren Zusammengehörigkeit zu versuchen. Penck’s eigene Definition der baye- rischen Alpenseen (a. a. O.) ist musterhaft. Der Eibsee ist ihm zufolge ein Ein- sturzsee, der Walchensee ist ein Erosionssee [41], der Achensee ein Abdämmungs- see, und auch der Alpsee bei Immenstadt scheint durch eine Geröllablagerung aufgestaut zu sein [42]. Höchst wichtig erscheinen uns ferner Penck’s Erörte- rungen über den ephemeren Charakter der durch die Erosion in dem Glacial- schotter eingegrabenen Seebecken [43], während wir, wie schon bemerkt, seiner Theorie einer rein-glacialen Seebildung nicht ebenso beipflichten können. Am meisten würde uns noch die von Taramelli [44] und Stoppani [45] vertheidigte Ansicht zusagen, durch welche dem Gletschereise wesentlich nur die Rolle eines Konservators der schon vorher vorhandenen Thalfurchen und Thalbecken zu- ertheilt wird. **) Diesen Gegenstand betrachten wir als unserer siebenten Abtheilung an- gehörig. ***) Der von den alten Schriftstellern viel erwähnte Palikensee bei Cala- tagira in Sicilien, mit dessen Geschichte und Naturbeschaffenheit E. Krause uns bekannt macht [46], mag als Typus dieser Varietät gelten. +) „Wird dieser See,“ meint Löwl [47], „als Mulden-, jener als Kombensee angeführt, so erfährt man eben nur, dass der eine in einem synklinen, der andere in einem antiklinen Thale liegt; wie aber ihre Becken in der Thalsohle entstanden, wird damit keineswegs erklärt.“ 576 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. RS gewähren kann *). Wir erinnern in dieser Hinsicht an die mahnenden Worte v. Zittel’s auf dem zweiten deutschen Geographentage. $S. 3. Sümpfe und Moore. Den einzigen uns bekannten Versuch, auch dieses Kapitel als ein selbstständiges und anderen Abschnitten der physikalischen Geographie koordinirtes zu behandeln, hat Muncke gemacht [49], und an seine Darstellung soll sich deshalb auch die unsrige anlehnen. Ein Sumpf oder Morast, bei etwas festerem Ge- füge Bruch genannt, franz. „Marais“, engl. „March“, bedeutet eine in einer Niederung angesammelte Wassermasse, die jedoch keinen eigentlichen See bildet, sondern — ganz oder theilweise — von einer durch zahllose verfilzte Pflanzenwurzeln zusammengehaltenen Erdkruste bedeckt wird. Je niedriger die Breite, je energischer unter sonst gleichen Umständen die Verdunstung ist, um so seltener werden die Sümpfe. Zu den bekannteren Sümpfen gehört der Macquarie-Sumpf in Australien und das verzweigte Gebiet der pontinischen Sümpfe in Latium **), sowie der bekannte Cedernsumpf des Inneren von Florida. Der nördliche Theil der westsibirischen Tiefebene ist erfüllt von den sogenannten Tundren, „in denen der flache, versumpfte Boden zu einem grossen, im Sommer mit unzähligen Wasservögeln bedeckten Moraste wird, welcher sich längs der Küsten des Eismeeres in einer Breite von 400 bis 800 km bis zur Tschuktschen-Halbinsel fort- setzt“ [50] ***). Eine höchst eigenartige Spielart der Moräste findet sich nach Livingstone im östlichen Afrika. Rings um den Tan- kanijka-See breitet sich, wie Kiepert ausführt [54], überall eine baumlose, sumpfige Ebene aus; die ganze Mulde ist mit Feuchtigkeit gesättigt und ringsherum sind diejenigen Gebilde gelagert, welche Livingstone als Erdschwämme bezeichnet. Es sind diess !/, bis 2 km breite und 4 bis 20 km lange Wasserreservoirs, die allenthalben da vorkommen, wo eine Ebene sich gegen einen Spalt zwischen Bergen abdacht y). *) Nicht ohne Grund hat man sich scharf gegen Peschel’s Bevorzugung des Landkartenstudiums gewendet. Dass dasselbe einen so scharfsinnigen Be- obachter jedoch auch zu überraschend richtigen Schlüssen leiten konnte, beweisen seine Bemerkungen über den Abfluss der finnischen Seen in geologischer Zukunft, denn nach Modeen [48] ist dieser Process jetzt bereits im Gange. **) Diese Sümpfe sollen damals. als die das Land bewohnenden Volsker noch ein selbstständiges Volk waren, noch nicht existirt haben. doch ist diese An- gabe nicht recht glaublich, denn schon um 134 v. Chr. begann urkundlich Cornelius Cethegus mit ihrer Austrocknung. Auch unter den römischen Kaisern, selbst unter den Östgothenherrschern, ward mit diesem Werke fortge- fahren, allein erst Papst Pius VI. schränkte den Bereich der Sümpfe wirklich ein. Immerhin sind die von dort ausströmenden Miasmen als „aria cattiva“ im Hochsommer in Rom noch jetzt nur zu sehr bemerklich. **#*) vw, Middendorff, dem wir für die Erforschung der Tundrenregion in erster Linie zu Dank verpflichtet sind, macht — wir eitiren hier nach H. J. Klein [51] — darauf aufmerksam, dass „Tundra“ nicht eine Bodenform, sondern eine Vegetationsform bezeichne. Deshalb sind in den Tundren alle denkbaren Arten von Sümpfen und Mooren,. mit Ausnahme der eigentlichen Bebemoore, zu finden. Allgemeiner noch fasst Kjellman den Begriff, „nämlich als die nördlich der Baumgrenze gelegenen welligen Tiefländer oder baumlosen Hochebenen, vom Aussehen bald wie Sumpfmoore, bald wie feuchte Steppen“ [52]. DieGebrüderKrause unterscheiden ausdrücklich eine Moos-Tundra und eine Stein-Tundra [53]. ") Die Erklärung ist nicht schwierig. In der heissen Zeit erleidet der oden eine starke Austrocknung und wird brüchig. Sobald nun in der Regenzeit IV, $S. 3. Sümpfe und Moore. 977 Ein Morast, dessen Oberflächenbestandtheile bereits eine hin- längliche Konsistenz angenommen haben, um ein Einsinken des Dar- überhinschreitenden zu verhindern, wird Moor genannt. Den Ueber- gang von den eigentlichen Sümpfen zu den Mooren bilden die Bebe- moore, welche nach Marinelli [55] im Schriftitalienischen „praterie tremanti“, in Brasilien „tremendal*, auf Cuba „trembladeros“, in Ir- land „shaking bogs“, in den toskanischen Maremmen „pollini* heissen. Eines der grössten wirklichen Moore ist das wallonische von Eupen und Malmedy'; sehr reich an Mooren ist Holland, und von dort aus ziehen sich grosse Moorstrecken längs der Nord- und Ostseeküsten bis tief in’s Russische hinein. Der schädlichen Sitte des Moorbrennens ward bereits früher gedacht (S. 72). Bekannt sind die Moorgegenden des schwäbisch-bayrischen Alpenvorlandes, in welchem das Wort Moor durch „Moos“ ersetzt ist (Weilheimer Moos, Dachauer Moos, Erdinger Moos, vor Allem das jetzt grossentheils ausgetrocknete und urbar gemachte Donau-Moos). Den Charakter der Moore der nordwestdeutschen Tief- ebene beschreibt sehr eingehend, gestützt auf frühere Arbeiten von Hunäus [56] und Grisebach [57], ein Aufsatz von Salfeld [58]. Ihm zufolge sind drei Hauptgattungen zu unterscheiden: Wiesen- und Grünlandmoore, Dargmoore, die sich durch eine Ueber- wucherung rohrartiger Gewächse auszeichnen, und Hochmoore, die meist konvex gewölbt sind. Virchow lehrt das Alter der Darg- moore danach zu bestimmen [59], ob in ihnen auch Baumreste vor- kommen, oder ob sie aus reinem Schilfe bestehen. Die eingehendste klassifikatorische Arbeit über Moore verdankt man zweifellos in neuerer Zeit Jentzsch [60], dessen Resultate hier freilich nur eine summarische Erwähnung finden können *), Moor- und Sumpfgegenden liefern zwei verschiedene Arten von Brennmaterial. In den untersten Schichten kommen ab und zu, wie eben erwähnt, Baumstümpfe vor, die wohl zum grössten Theile an ihrem Fundorte gewachsen sind. Weit wichtiger ist der Stoff, aus welchem die oberen Lagen der Moore zusammengesetzt sind, der so- genannte Torf. Derselbe ist stets eine neuere Bildung, vorwiegend an den mehr wässrigen Stellen entstanden, und bildet sich, wenn ein- mal oberflächlich fortgenommen, stets wieder von Neuem. Torf be- steht aus Wurzeln, Fasern, Blättern und Moos (Sphagnum), ist meist braun gefärbt und, ähnlich der lockeren Braunkohle, von Erdpech durchdrungen. Seepflanzen kommen auch in solchen Torfmooren nicht vor, welche unter den Meeresspiegel hinabreichen. Die grössten Torf- lager besitzt in Europa Frankreich (bei Abbeville und Essonne). — Die älteste und für ihre Zeit ganz achtbare Theorie der Torfbildung die Niederschläge fallen, saugt sich der Boden voll und wird zum Moraste, ohne dass mehr als ein kleiner Bach durch die erwähnte Spalte abfliessen könnte. Zu- letzt ist der „Schwamm“ so von meteorischem Wasser vollgesogen, dass er gar keines mehr in sich aufnehmen kann, und dann treten Flüsse und Seen über ihre Ufer. Einer dieser Erdschwämme soll die Höhe von 1200 m erreichen. *) Es sind acht verschiedene Typen, die Jentzsch für Preussen zu unter- scheiden für nöthig hält, je nachdem die Moore mit dem Grundwasserstande kommuniciren oder offene Wasserflächen — „Blänken“ — in sich enthalten, oder in Flussthälern liegen, wie die eigentlichen Gründlandmore, u. s. w. Weiter süd- lich, im Masurischen, finden die Moore sich seltener, weil das dortige Kalkwasser dem Torfmoos ungünstige Bedingungen des Fortkommens bietet [61]. [9) Günther, Geophysik. II. Band. 37 578 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. rührt von Dau her [62]; später ist dieser Gegenstand wieder von A.v.Cha- misso [63] vorgenommen worden, der auf das Vorkommen von schwim- mendem Torf hinwies. Die neuesten und zunächst wohl abschliessenden Untersuchungen von Früh [64] gravitiren besonders nach der rein botanischen Seite hin*); dieselben stimmen gut zu den Ermittelungen Clessin’s [65]. Für die Geographie als solche ist die Entstehung der Torfmoore schon um deswillen von Bedeutung, weil so mancher kleinere See, dessen ältere Berichte Erwähnung thun, seitdem dem Vertorfungs- processe anheimgefallen ist. Dahin gehört z. B. der Fichtelsee, der angebliche Quellsee der vier auf dem Fichtelgebirge entspringenden Flüsse. Jedoch auch für erdphysikalische Fragen kommen die Torf- moore mehrfach in Betracht **). $.4. Quellen. Im Alterthum war eine allgemein anerkannte Theorie der Quellenbildung nicht vorhanden. Schon Aristoteles kennt ver- schiedene Hypothesen, neigt aber für seine Person der Ansicht zu, dass die Berge anziehend auf das atmosphärische Wasser wirkten, dass sich dieses so in Höhlen ansammle und aus diesen dann hervorbreche [69]. Auf dem gleichen Standpunkte stehen auch andere antike Schriftsteller, aber Seneca glaubte auch den innerhalb der Erde schon vorhandenen Wassermassen eine um so höhere Bedeutung zuschreiben zu müssen, als seiner Auffassung nach das Regenwasser nicht in grössere Tiefen einsickern kann; in diesen unterirdischen Wasserkammern war für neue Füllung theils durch Zufluss vom Meere her, theils durch die von *) Auf Grund geologischer und mikroskopischer Forschung gelangt Früh zu nachstehenden Thesen: I. Marine Torfbildungen giebt es nicht; II. das Auf- treten des Sphagnum genannten Mooses bedingt, wenn es als Massenvegetation erscheint, die gewöhnliche Hochmoorbildung; III. das Gedeihen des Sphagnums hängt nur wenig von der Beschaffenheit des Untergrundes, um so mehr aber, was ja auch Jentzsch (s. o.) fand, davon ab, dass das Nährwasser nicht zu hart ist; IV. viele Hochmoore ruhen auf Rasenmooren; V. diese letzteren bilden sogar in vielen Fällen den Ausgangspunkt der Hochmoorbildung; VI. Algentorf ward noch nicht beobachtet; VII. der von Schrötter und Doppler entdeckte Dopp- lerit ist kein Erdharz, sondern ein langsam und homogen gebildetes Produkt der Vertorfung. **) Ausgehend von dem durch De Candolle und Rennie in seinen An- fängen skizzirten Gedanken, dass Ort und Art der in einem Moore aufgefundenen Pflanzen auf den Zustand des Klima’s der Wachsthumszeit jener Pflanzen einen Rückschluss gestatte, hat Blytt, wie oben ($. 287) bemerkt ward, eine regel- mässige Aufeinanderfolge von kontinentalen und insularen Klimaten für Norwegen konstatiren zu können geglaubt [66]. Nachdem Cl. König schon vorher durch eine eingehende Schilderung des floristischen Charakters Norwegens jene Lehre zu entkräften versucht hatte [67], trat er in mehreren, durch Blytt’s Entgegnung unterbrochenen und veranlassten Noten gerade den aus den Torfmooren herge- leiteten Gründen näher [68]. König legt den Schwerpunkt seiner Polemik in den Umstand, dass das Lokalkolorit bei Betrachtungen über die Genese eines be- stimmten Torfmoores durchaus nicht vernachlässigt werden dürfe, und allerdings haben Salfeld’s und Jentzsch’s Forschungen (s. 0.) keinen Zweifel darüber gelassen, dass unter recht ähnlichen Verhältnissen sehr verschiedene Torfmoor- gattungen möglich sind. An der Trockenlegung der Moore war schon an sich eine so erhebliche Reihe verschiedener Faktoren betheiligt, dass bestenfalls der wechselnde klimatische Einfluss gar nicht klar zur Geltung kommen konnte. Auch ist es unzulässig, auf die eingeschlossenen Pflanzenreste eine genaue Chronologie begründen zu wollen, da die Wachsthumsverhältnisse der Moore nur wenig er- gründet sind. IV, $S. 4. Quellen. 19 Seneca warm befürwortete Umwandlung des einen Elementes in das andere stets gesorgt [70]. Was er mehr nur andeutete, bildete Lucre- tius [71] zu einer förmlichen Theorie aus, welcher zufolge ein wahrer Kreislauf zwischen Meer und Quellwasser bestehen sollte. Dass das Mittelalter (S. 395 des ersten Bandes) unverbrüchlich an dieser „Schwammtheorie“ festhielt, ist bekannt; sehr lehrreich sind in dieser Hinsicht die Ueberschriften, welche Ristoro der Aretiner dem fünften [72] und siebenten [73] Kapitel seines sechsten Buches verliehen hat („Della cagione perch’ egli fu mestieri che l’acqua che corre per la terra vegna dal mare e torni nel mare“; „Della cagione come l’acqua sale nelli monti, e della cagione perch® ella vi sale*). — Und doch hatte schon ein anderer, aber freilich nur mehr in engeren Fachkreisen gelesener Römer, der gelehrte Baumeister Vitruvius, eine im Wesent- lichen ganz korrekte Ansicht über Entstehung der Quellen verlaut- bart [74], der Hauptsache nach die gleiche, welche jetzt den Namen Mariotte’s trägt, und auf welche gleich nachher, wenn erst der Be- griff der Quelle näher festgestellt sein wird, näher eingegangen werden sol. Als kompendiarische Darstellung der Quellenkunde ist neben dem auch hier wieder literarisch sehr verdienstlichen Lexikon- Artikel Muncke’s [75] besonders das Werk von Lersch zu nennen [76], welches in der That eine Fülle nützlicher Materialien, vorwiegend allerdings nach balneotherapeutischen Gesichtspunkten geordnet, in sich vereinigt. Präcise Definitionen, wie sie bei ihm die Regel bilden, hat v. Sonklar [77] gegeben, dem wir in diesem Punkte auch hauptsäch- lich folgen. Unter einer Quelle („fons“, „source“, „spring“, „fountain*) ver- stehen wir demgemäss jeden spontanen, d. h. nicht durch Zuthun des Menschen bewirkten Hervortritt der unter der Erdoberfläche cirkuliren- den Gewässer an das Tageslicht. Künstlich eröffnete Quellen nennen wir zum Unterschiede Brunnen. Jenes Wasser, welches in der Nähe von Flüssen und stehenden Wassern den Boden nach dem Gesetze der kommunicirenden Röhren oft auf weite Entfernungen durchdringt, ferner jenes, welches in Diluvial- und Alluvialgegenden durch Einsickern der meteorischen, fliessenden und stehenden Gewässer in das Erdreich sich im Boden ansammelt, heisst Grundwasser*); tritt es irgendwo unter *) Auf die Wichtigkeit des Grundwassers als geophysikalischen Faktors ist unser Augenmerk insbesondere durch die seuchengeschichtlichen Forschungen v. Pettenkofer’s gerichtet worden, welchen zufolge ein hoher Grundwasserstand dem Auftreten gewisser Epidemieen sich günstig erweisen soll. Aerzte haben zwar vielfach Zweifel über das Bestehen eines solchen Zusammenhanges geäussert, allein Seidel’s unwiderlegliche Kontrole an der Hand der Wahrscheinlichkeits- rechnung [78] hat ihn zu dem Facit geführt: „Unzweifelhafte Spuren eines Kon- nexes sind vorhanden.“ Beobachtungen über die sehr starke Jahresschwan- kung des Grundwasserstandes, welche in einer sehr vertrauenswerthen sechzehn- jährigen Messungsreihe bis auf 220 cm stieg, theilt Liznar mit [79]. Für die Verhältnisse des Grundwassers in Gebirgsthälern formulirt v. Sonklar [80] zehn Sätze: I. Das Grundwasser rührt fast ausschliesslich von den hindurch strömenden Flüssen her; II. dieses Grundwasser liegt stets tiefer als der Flussspiegel; III. je weiter vom Flusse entfernt, um so tiefer fällt das Niveau des Grundwassers; IV. der geometrische Ort der Grundwasserstände ist keine ebene, sondern eine nach der Neigung der Thalsohle sanft sich krümmende Fläche; V. Schwemm- und Schuttkegel. dem Thalgrunde aufgelagert, stören den Verlauf des Grundwassers gar nicht; VI. vom Hauptgrundwasser kann sehr wohl durch eine undurchlässige 580 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. stärkerem hydrostatischem Drucke hervor, so spricht man von Seih- wasser oder aufquellendem Wasser. Nach ihrem Ertrage und nach der Art ihres Ausflusses kann die Quelle stark oder schwach, beständig oder intermittirend sein. Unter gewissen Umständen tritt aus dem Quellenloche gleich ein starker Bach hervor, so nament- lich bei der durch Petrarca’s Dichtungen bekannt gewordenen Quelle von Vaucluse, die nach Lersch [84] jährlich 450 000 000 bis 680 000 000 Kilogramm Wasser liefert. Schubring berichtet uns [85], dass man verschiedene Vorschläge für die Bezeichnung solch’ ungewöhnlich wasserreicher Quellen, eigentlicher Quellbäche oder Quellflüsse ge- macht habe; Fournet’s „Sources vauclusiennes® drangen nicht durch, vielmehr zog man Desor’s Bezeichnung „Doues“, weil längst schon in örtlicher Anwendung stehend (Doue de Neuveville, de Douane, de Doire), jener Neubildung vor. v. Sonklar rechnet [86] zu den Doues auch die Timavoquelle bei Triest und die Laibachquelle bei Ober- laibach, und es ist auch diese Klassifieirung insofern ganz berechtigt, als Timavo und Laibach gleich vom Ursprunge an schiffbar sind, allein beide Flüsse sind doch nur Fortsetzungen von Wasserläufen, welche vorher im Karstgebirge verschwunden waren. Dass das Grundwasser bei der Speisung mancher Quellen mit betheiligt ist, darf wohl nicht angezweifelt werden. In der Haupt- sache aber liefert das Material zu den Quellen das atmosphä- rische Wasser, welches in die Risse des Bodens einsickert, kleine Behälter im Inneren bildet und sich schliesslich, wenn ihm der Weg in die Tiefe versperrt ist, auf dem,den ge- ringsten Widerstand bietenden Wege den Ausgang in’s Freie bahnt. Diess eben ist die von Mariotte aufgestellte und durch recht scharfsinnige Versuche gestützte Quellenlehre [87]; die Gesammtheit der zahlreichen Wasseradern, welche zusammenwirken müssen, um eine namhafte Quelle zu liefern, nennt v. Sonklar (a. a. O.) deren Wurzelsystem. Man unterscheidet [88] bezüglich der gewöhnlichen Quellen, bei welchen das Wasser seiner Oeffnung horizontal oder schon mit einer gewissen Depression gegen den Horizont entströmt, und Schicht ein vom seitlichen Gebirge herkommender, höher stehender Grundwasser- lauf geschieden sein; VII. die Bewegung des Grundwassers richtet sich nicht nach den Flusskrümmungen,, sondern allein nach dem geradlinigen Zuge des Thales; VII. seitliche Nebenflüsse scheinen selbst kein Grundwasser zu führen; IX. die Vertikalbewegung des Grundwassers korrespondirt genau mit den Hebungen und Senkungen des Flusswassers; X. die Variationen der Brunnen-Wasserstände sind geringer, als die der Fluss-Wasserstände. — Die Fragen über die Füllung und Entleerung von Grundwasseransammlungen hat Lueger in einer für die Aetio- logie der Krankheiten beachtenswerthen Weise der mathematischen Behandlung unterzogen [81]. Für den Techniker interessant aber ist die klare Darlegung aller Beziehungen, welche zwischen dem Grundwasserstande und den Bedingungen der Wasserzufuhr für Städte obwalten, wie man sie in zahlreichen Abhandlungen Thiem’s, sämmtlich abgedruckt in der „Zeitschrift für Gasbeleuchtung und Wasser- versorgung“, kennen lernen kann. „Soll die Bestimmung der Reichhaltigkeit des Untergrundes an Wasser,“ so spricht sich Thiem in seiner Schrift über die Nürn- berger Quellenleitung aus [82], „systematisch und methodisch erfolgen, SO hat die Untersuchung die Grösse der einzig und allein maassgebenden drei Faktoren festzustellen: Grösse des Gefälles des Grundwasserstandes, Mächtigkeit der wasser- führenden Schicht und Durchlässigkeit des Untergrundes.“ Die Gleichung der Depressionskurve, eines bestimmten Durchschnittes jener Senkungsfläche v. Sonklar’s (s. o.), ward von Darci und Thiem entwickelt [83]. IV, $. 4. Quellen. 58l welche deswegen auch absteigende Quellen heissen, Schichtquellen, Ueberfallsquellen und Spaltquellen. Bei den ersteren trifft das einsickernde Meteorwasser auf eine geneigte, porenlose Schicht und gleitet an deren Oberfläche hinab, bei der zweiten Gattung sammelt es sich zwischen der porösen und der undurchlässigen Schicht in einer Mulde, welche, wenn überfüllt, ihre Flüssigkeit nach allen Seiten ab- strömen lässt, und bei der dritten Gattung, die den Kalkgebirgen eigenthümlich ist, reicht eine entleerende Spalte bis zum Sammelbecken hinunter. Mariotte’s Hypothese ward von Perrault und De la Hire be- kämpft, aber auch die alte Doktrin des Lucretius kam wieder zu Ehren. Descartes, Woodward, Kircher, Kühn u. a. wärmten direkt die alte Kanaltheorie wieder auf und übertrugen zugleich den unterirdischen Gängen das Amt von Destillatoren, welche das Seesalz zurückbehielten, während Varenius und Derham in etwas ver- feinerter Auffassung die Kapillaritätswirkung der Bodenspalten zu Hülfe nahmen [89]. Die allgemeinere Anerkennung der meteorischen Quellenlehre durchgesetzt zu haben, muss als ein Verdienst De la Metherie’s gelten |90]*). Lange Jahre hindurch war ihre Herrschaft eine fast unbestrittene, und auch heute wieder kann sie als eine um so fester begründete gelten, weil ein sehr heftiger Angriff gegen ihre Grundlagen sich nicht als vermögend zur Erschütterung derselben er- wiesen hat“**). Es geht aus dem Gesagten hervor, dass das Zustandekommen einer wirklichen Quelle von den verschiedensten physikalischen und geognostischen Momenten abhängt. Die Besonderheit der Schichten- stellung eines Erhebungsthales kann, wie es z. B. für einzelne Theile des Neckarthales der Fall ist, gänzlichen Quellenmangel zur Folge haben [98]. Jene geologischen Formationen, deren Gestein ein lücken- *) Weniger bekannt, aber für ihre Zeit geradezu mustergültig sind die Erörte- rungen von J. Vossius über das Quellenphänomen. Nachdem er sich energisch gegen Jene verwahrt hat, welche die Flüsse ihre Nahrung aus ungeheuren subterranen Wasserbecken ziehen lassen, stellt er an die Spitze seines fünften Kapitels [91] die Behauptung: „Omnia flumina ex collectione aquae pluvialis oriri.“ Dieser gut ver- theidigte Satz ermöglicht es ihm sodann auch, eine passende Antwort auf die von ihm selbst [92] aufgeworfene Frage zu ertheilen: „Unde fiat, ut plures in montibus quam in loeis planis inveniantur fontes?* Man möchte fast im Zweifel darüber sein, ob, da die betreffende Schrift des fränzösischen Physikers erst 1686 heraus- kam, Mariotte’s Quellentheorie nicht füglich die des Vossius heissen sollte. **) Wir haben hier die von Volger [93] aufgestellte und von dem phan- tasiereichen Geologen Mohr [94] weiter ausgeführte neue Theorie der Quellen- entstehung vor Augen, zu welcher Sonntag und Jarz eine längere, hauptsäch- lich auf die Infiltrationsfähigkeit von Sand- und Thonschichten Bezug nehmende Versuchsreihe geliefert haben [95]. Hiernach würde als Wahrheit zu gelten haben: Kaum minimale Quantitäten desQuellwassers stammen von ein- gedrungenem Regen her; alles Grund- und Quellwasser entsteht aus der Verdichtung des Wassergases, welchesin der vom Erd- boden aufgesaugten Luft enthalten ist. Gegen diese Neuerung ist Hann in zwei inhaltsreichen Abhandlungen aufgetreten [96], in denen er z. B. darthat, dass in Wien während eines ganzen Monates für eine Bodenschicht von 30 m Tiefe der Luftwechsel blos den winzigen Betrag von 3 Kubikmetern hatte, und auch Wollny lieferte [97] eine detaillirte Kritik der Volger’schen Lehre, in der u. a. bewiesen wird, dass Volger die im Boden verschwundene Ober- flächenfeuchtigkeit irrthümlich als der Aussenseite durch Verdunstung entzogen angenommen hatte. Dt Ben RER SIR LE HN A ENTER NH RR uni r 582 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. haftes ist, begünstigen das Vorkommen von Quellen |99], und indem Metalladern eben nur in solch’ wenig kompaktem Fels vorkommen, hatte Vitruv wohl nicht Unrecht mit seinem Prognostikon, dass nahe bei Metallbergwerken auf zahlreiche, wenn auch freilich kein gutes Trinkwasser liefernde Quellen zu rechnen sei [100]. Höher als 3300 m über dem Meere sind Quellen noch nicht nachgewiesen worden [101]; die Ausbruchsöffnung senkt sich nicht selten im Verlaufe der Zeiten. Der hydrostatische Zusammenhang der verschiedenen Adern einer bestimmten Quelle unter sich und mit anderen Wasserklüften ist durch zahlreiche Beispiele sicher gestellt [102]; so hängen z. B. die Aachener Thermen bei aller Verschiedenheit in Wärme und chemischer Zu- sammensetzung und trotz grosser Distanzen ihrer Ausbruchsstellen in der Tiefe enge zusammen. Minder Sicheres weiss man von der Kom- munikation einzelner Quellen mit dem Meereswasser; von einzelnen ist allerdings behauptet worden, dass sie Ebbe und Fluth des Meeres in ihren Schwankungen reproducirten*), und auch die gleich nachher zu besprechenden „Meermühlen®* machen eine solche Verbindung überaus wahrscheinlich. Bei den Arbeiten zur Fassung der Vöslauer Quelle blieben alle Bäche der Umgegend aus |105]. Auch darf hier an das im I. Bande (S. 381) besprochene Versiegen gewisser Quellen in Folge von Erdstössen erinnert werden. Wohl die merkwürdigste Entdeckung, welche auf diesem Gebiete gemacht ward, ist jedoch diejenige von Knop [106], der durch Einschütten von Farbstoffen den unbestreitbaren Nachweis dafür erbrachte, dass aus einer der Donauquellen im badischen Schwarzwald zugleich auch die Quelle der in den Rhein fliessenden Aach — mitunter ausschliesslich, in regenreicheren Jahren jedoch nur theilweise — gespeist wird**). Im Wesentlichen war bislang nur von den absteigenden Quellen die Rede. Es giebt aber auch aufsteigende Quellen, bei denen die Ausströmungsrichtung eine gewisse, bis zu 90° steigende Elevation segen den Horizont besitzt. Auch für ihre Erklärung genügt der Hinweis auf den hydrostatischen Druck, durch welchen die Gebirgs- feuchtigkeit an einer besonders geeigneten Stelle unter den zahllosen das Gestein durchsetzenden Rinnen zum Emporsteigen gebracht wird. Freilich aber ward bisher die Lehre von den Quellen nur ganz generell, ja, wenn man will, sogar schematisch behandelt. Geht man auf’s Einzelne ein, so tritt bei den Quellen sowohl hinsichtlich ihrer chemischen Beschaffenheit, bezüglich deren wir für nähere Kenntniss auf einen Aufsatz von Leuze [107] verweisen, als auch hinsichtlich ihrer Temperatur ***) und hinsichtlich der physikalischen Gesetze ihres *) So sagt beispielsweise Plinius [103]: „Contra Timavum amnem insula parva in mari est cum fontibus calidis, qui pariter cum aestu maris crescunt minuuntque.“ Und Leipoldt berichtet [104], theilweise nach Reclus, dass man solche Niveauoscillationen der Brunnen bei Wasa in Finnland, bei Royan an der Gironde, auf mehreren Bahama-Inseln, auf Sylt und auf Föhr beobachtet habe. **) Es wäre vielleicht angezeigt, Diejenigen, welche noch immer an der Abstammung des bekannten Gollinger Wasserfalles von dem „Kuchler Loch“ im Königssee festhalten, durch einen unschwer anzustellenden Versuch im Sinne Knop’s zu widerlegen. #**) Sehr umfängliche Materialien zur Kenntniss der Quellentemperaturen hat Kämtz gesammelt [108], hauptsächlich um daraus Schlüsse auf den Verlauf der Isogeothermen ziehen zukönnen. Kämtz’s Ansicht, dass Quellen jenseits der Isogeo- IV, S. 4, Quellen. | 585 Ausflusses eine so grosse Verschiedenheit zu Tage, dass uns nur übrig bleibt, den einzelnen hervorstechenden Formen auch je einen besonderen Abschnitt anzuweisen *). a) Mineralquellen. Je nach dem Reichthum an Salzen und sonstigen Mineralstoffen, der sich in.einer gewissen Quelle befindet, kann das Trinken derselben oder das Baden in ihrem Wasser dem erkrankten oder geschwächten menschlichen Organismus sich nützlich erweisen. Nicht die Geophysik, sondern eine besondere medicinische Disciplin, die Balneotherapie, hat sich mit dem Studium und der Verwendung dieser Heilwässer zu befassen, und jeder ärztliche Kalender gewährt denn auch eine Uebersicht über die sanitären Kräfte der Quellen eines jeden Kurortes.. Im Ganzen sind zu beachten [113] die mit Kohlen- säure mehr oder weniger geschwängerten Säuerlinge, von denen die Eisensäuerlinge eine durch Eisen und Alkalien ausgezeichnete Abart bilden, die relativ seltenen Kochsalzthermen, die Alaun- und Natronquellen, die Bitter- und Glaubersalzquellen, die ‚Schwefel- und Salpetersprudel, die Jod- und Bromquellen, die Naphthaquellen, deren bereits in dem vom Vulkanismus handeln- den Kapitel Erwähnung gethan ward, und jene inkrustirenden oder versteinernden Quellen, deren Wasser kieselhaltigen Kalksinter absetzt. Der bekannte, zu allerlei Schmuckgeräthschaften verarbeitete Sprudelstein von Karlsbad hat schon vor 100 Jahren in Uebelacker einen Monographen gefunden [114]. Die schon von den Alten gehegte Meinung, dass tief hinabsteigende Quellen dem Gesteine einzelne seiner Bestandtheile entzögen und sich mit diesen sättigten, muss als zutreffend anerkannt werden, zumal seitdem es Struve gelang, seine bekannten künstlichen Mineralwässer chemisch durch Zerlegung gewisser Gebirgsbestandtheile herzustellen [115]. Natürlich ist diese chemische Erosion, durch welche nach G. Bischof’s bezeichnendem Ausdruck Quellen entstehen, kein einfacher Zerstörungsprocess; die Aktion der Kohlensäure, deren Bedeutung erst durch den genannten Forscher erkannt ward, spielt dabei eine sehr wichtige und in ihren Besonderheiten noch therme von O° nicht mehr vorkämen, lässt sich heute nicht mehr aufrecht erhalten. Uns persönlich scheinen z. B. nach den von Klutschak gegebenen Beschreibungen und Zeichnungen [109] die „gefährlichen Stromschnellen“ des Backflusses, welche nicht einmal eine Kälte von — 41° mit einer Eishaut zu überspannen vermochte, das Vorhandensein von Quellen unter dem Wasser anzuzeigen. — Adolf v. Schlag- intweit unterscheidet [110] zweierlei Gruppen von auf die Quellentemperatur influirenden Faktoren. In die eine gehören die allgemeinen klimatischen Faktoren, Luftwärme, Stärke der Ein- und Ausstrahlung, Quantität und Qualität der Nieder- schläge, Tiefe der winterlichen Eisbildung, Höhe der Schneedecke, vielleicht auch die Eigenwärme der Erde, während in die zweite Gruppe die Exposition der Hänge, ihre Beschattung durch gegenüberliegende Berge, die Tiefe der Sammel- becken, die Bodenbeschaffenheit, namentlich die herrschende Wärmekapacität, und ähnliche rein tellurische Elemente zu stellen wären. *) Auf alle diese Dinge hat sein Augenmerk zu richten, wer das mühselige und häufig undankbare Geschäft der Quellenfindung ausüben will. Von abergläubischen Spielereien mit der Wünschelruthe ($. 4) sehen wir hier ab; lediglich durch richtige Auffassung der Bodenverhältnisse haben Richard, Beratz u. A. entschiedene Erfolge im Entdecken verborgener Wasseradern gehabt, und für manche Departements Frankreichs hat die Thätigkeit des Abbe Paramelle reichen Segen gebracht. Emsmann schildert uns diesen Mann näher [111], der eine gute geognostische Vorbildung besass und seine Methode in einem achtbaren Werke [112] anseinandersetzte. 584 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. nicht vollständig aufgeklärte Rolle [116]. Lediglich der Vollständig- keit halber möge erwähnt sein, dass verschiedene Naturphilosophen, Steffens [117] an ihrer Spitze, die chemische Erosionstheorie durch die haltlose Hypothese von einem ungeheuren elektromotorischen Apparate ersetzen wolıten, der in den Eingeweiden der Erde seinen Sitz haben und alle möglichen Zersetzungen bewirken sollte*). .b) Indifferente Thermen. Heisse Quellen, deren chemische Zu- sammensetzung sich auch bei sorgfältigster Analyse als eine mit dem gewöhnlichen süssen Wasser durchaus übereinstimmende erweist, kommen in allen Ländern, jedoch nur in plutonischen und vulkanischen Gesteinsbildungen vor [118]. Woher die spezifische Heilwirkung für rheumatische Leiden bei diesen Bädern kommt, von denen nur Gastein und Wildbad namhaft gemacht sein mögen, darüber sind die Fach- männer noch immer im Ungewissen. Die Temperatur dieser Thermen ist oft eine sehr hohe; gewisse Quellen Island’s und Neuseeland’s geben kochend heisses Wasser ab [119]. Bekanntlich giebt es auch heisse Springquellen, bei welchen oberflächliche Dampfexplosionen vorkommen, und auf sie ist schon im I, Bande (S. 333) hingewiesen worden; die- selben sind jedoch auch zugleich von derselben Natur, wie die unter der nächsten Rubrik zusammengefassten Quellen **). c) Intermittirende Quellen. Die Mehrzahl der Quellen fliesst kon- tinuirlich, wenn auch nicht mit immer gleicher Stärke. Andere ver- siegen zeitweise; man spricht dann von intermittirenden und, wenn die Zeiten des Fliessens und Nicht-Fliessens regelmässig abwechseln, von periodischen Quellen. Auf die Art der Periodicität weisen die engeren Bezeichnungen Jahresquellen, Frühlings- und Sommer- quellen, Stundenquellen hin [121]. Jahresquellen, die nur in be- sonders regenreichen und deshalb unfruchtbaren Jahren auf kurze Zeit hervorbrechen, kennt der Volksmund als Hungerbrunnen***). Aus der Schweiz und aus England liefen in Theuerungsjahren die meisten Nachrichten über solche Hungerbrunnen ein. Was die eigentlichen intermittirenden Quellen anlangt, so wird man Muncke auch jetzt noch Recht geben müssen, der dreierlei unter sich abweichende Ursachen *) Auch unser gewöhnliches Trink- und Gebrauchswasser wird durch die Menge der darin suspendirten Mineralbestandtheile insoferne beeinflusst, als es durch sie einen verschiedenen Härtegrad erhält. Man legt nach Fehling’s Skale dem Wasser den Härtegrad n bei, wenn 100 Gramm Wasser 0,00n Gramm Kalecium- oxyd oder ihm äquivalente Bestandtheile enthalten. Für n > 18 ist das Wasser weder zum Trinken, noch zum Kochen und Waschen mehr gut zu verwenden. **) Die nahe Verwandtschaft zwischen Thermalquellen und vulkanischen Gebilden betont Lyell sehr entschieden [120]. Allerdings lasse sich bei Aufstellung dieser Analogie die Frage aufwerfen, wo denn bei den Thermen die enorme, den Vulkanen eigene Triebkraft nach oben bleibe. Darauf aber, meint Lyell, liege die Antwort in der grossen Menge fester und gasförmiger Stoffe, welche jede Therme, wenn auch ziemlich geräuschlos, an ihre Oberfläche treibe; nach Ram- say’s Berechnung müssten die Sulphate und Chloride der Heilquellen von Bath binnen Jahresfrist einen festen Körper von 1170cbm liefern können. **#) Bezüglich des „Bauerngrabens“ im Harz kann man zweifeln, ob derselbe mehr mit einer intermittirenden Quelle oder mehr mit dem Zirknitzer See (s. o. $. 1) in Parallele zu stellen wäre. Streng nimmt an [122], dass dieser bald gefüllte, bald wieder entleerte Kessel das Resultat eines doppelten Erdrutsches sei, und dass kleinere Einstürze und Vorfälle in den rings um den See gelagerten Gipsmassen noch immer an der Tagesordnung seien. Geklärt ist die Erscheinung noch keineswegs, IV, $. 4. Quellen. 985 für denkbar hält [123]: „Diese Ursachen sind erstlich Ansammlungen von Luft oder Gasarten in den Kanälen der Quellen, zweitens der un- gleiche Druck der Luft in unterirdischen Höhlen auf das in ihnen zu- gleich eingeschlossene Wasser, und drittens heberförmige Kanäle, welche das periodische Fliessen mancher Quellen auf gleiche Weise bedingen, als dieses bei’m sogenannten künstlichen Tantalus oder dem Vexir- becher geschieht.* Beispiele dafür, dass der wechselnde Luftdruck die Ergiebigkeit einer Quelle nicht unerheblich zu beeinflussen vermag, kann man bei Lersch [124] angeführt finden (vgl. 8. 226)*). Doch wird zweifel- los in den meisten Fällen die Hebertheorie ihr Recht behaupten, auf welche sich unsere Fig. 107 bezieht. Q ist hier die subterrane Quellmün- dung, Q, die Tagesmündung, KK der beide verbindende gekrümmte Quellkanal, dessen höchster Punkt S mit @ mindestens im gleichen Horizonte gelegen sein muss. Wenn sich im Quellbehälter U Regen- wasser angesammelt hat, so steigt dasselbe in der Röhre auf und er- giesst sich nach dem Hebergesetze so lange durch die Oeffnung Q,, bis der Vorrath erschöpft ist, der treibend wirken kann, oder bis die innere Mündung des Hebers frei geworden ist. Zeitweiliges, unperio- disches Versiegen der Quellen wird meist durch vulkanische und seis- mische Ereignisse, oder auch durch tektonische Verwerfungen bedingt; gänzliches Aufhören eines längere Zeit beobachteten Wasserergusses steht, wie wir schon wissen (Kap. VII, 8. 8 der fünften Abtheilung) fast immer mit Entwaldungen in Verbindung. d) Artesische Brunnen. Das Gesetz der kommunicirenden Röhren erklärt auch einfach die Möglichkeit der Bohrquellen oder artesischen Brunnen. Das Kloster Lillers in Artois liess im Jahre 1126 einen solchen Brunnen graben**), und von der Grafschaft, in welcher diess geschah, erhielten diese künstlichen Quellen ihren Namen. Die erste Nachricht über artesische Brunnen findet sich nach Lersch [126] in der merkwürdigen Schrift des Paläontologen und Keramikers Palissy (S.507 dieses Bandes) [127], allein recht bekannt scheinen dieselben auch da- durch noch in ihrem Vaterlande nicht geworden zu sein, denn der Astronom D. Cassini, der vor seiner Berufung nach Frankreich in Urbino grossartige Bohrungen fraglicher Art selbst geleitet hatte, machte durch seine hierauf bezügliche Beschreibung [128] den Gegen- stand in seiner neuen Heimath erst recht bekannt. Den Sachverhalt erläutert Fig. 108. AA’ sei eine gegen unten konvexe, wasserführende Schicht, welche zwischen zwei undurchlässigen Schichten BB’ und CC’ eingebettet liege. Ein aus D bis zu einem tief gelegenen Punkte hinabgetriebenes Bohrloch bewirkt, dass ein Wasserstrahl bis zu einem *) Der gelehrte Mediciner Cartheuser sagt u. a. [125]: „Memorari hoc loco merentur fontes barometrici, Wetterbrunnen, qui pluvia imminente tur- bidi evadunt, restituta autem coeli serenitate pristinam limpiditatem recuperant, et sic mutationes tempestatis praesagiunt.“ **) Unter den — theilweise — sehr tiefen Bohrbrunnen China’s dürften sich wohl ältere befinden. 586 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Punkte E emporspringt, der mit A“ in gleicher Horizontalebene liegt. Die gleiche Erscheinung wird sich ergeben, wenn aus einem anderen Punkte F der Erdoberfläche ein Brunnenloch bis an einen unterirdischen Kanal gebohrt wird, der mit dem unterirdischen Reservoir M kom- municirt. Namentlich in diesem letzteren Falle wird nicht selten der Fig. 108. artesische Brunnen zugleich auch ein intermittirender sein — dann nämlich, wenn die verlängerte Niveaufläche unterhalb des Punktes F vorübergeht*).. Die berühmtesten artesischen Brunnen stellt uns mit ihren Maassverhältnissen folgende Tabelle von Lersch [131] vor Augen: *) Ein intermittirender Brunnen dieser Art im trachytischen Karpathen- gebirge schleudert nach Ludmann [129] sein kohlensäurehaltiges Wasser in heftiger, '/ bis 1 Stunde dauernder Eruption in die Luft, und dann tritt wieder eine Ruhepause von 8 bis 20 Stunden ein. Ludmann bemerkt, dass er eine völlig befriedigende Theorie des Phänomenes nicht zu. erbringen in der Lage sei, und in der That ist erst später durch Henrich [130] die Grundlage zu einer solchen unter allgemeinen Gesichtspunkten gelegt worden. Von den verschiedenen mög- lichen Fällen, welche derselbe der Rechnung unterstellt, sei hier nur der erste besprochen. Es sei h die Tiefe, Q der Querschnitt des Bohrloches, k ein Er- fahrungskoefficient; dem Bohrloche sollen durch Spalten fortwährend Quantitäten mit Kohlensäure gesättigten Wassers zugeführt werden. In der Tiefe y steht das Wasser unter dem Drucke von or Atmosphären, ein Kubikmeter Wasser vermag y) daselbst ag Kubikmeter Kohlensäure zu absorbiren, und es ist demnach das ’ ganze Kohlensäurequantum @, welches vom Wasser absorbirt wird, durch die Relation h + 10,33 kq 5 kqh nee dy= —— ! RE Ta IT 10,33 ausgedrückt. Bei plötzlicher Befreiung vom hydraulischen Drucke würden kgh? () — kgh = 0ER Kubikmeter Kohlensäure von gewöhnlicher Pressung ent- 4 bunden werden. Die Auswerthung dieser und der an sie sich anschliessenden Formeln führt, wenn die Zahlwerthe für q und h den von G. Bischof her- rührenden Angaben über die intermittirende Kohlensäurequelle von Neuenahr entnommen werden, zu befriedigender Uebereinstimmung mit der Erfahrung. 1V, S. 4. Quellen. 587 Rute Reicht unter Kbsolute Reicht unter RR, den Ort. : den Tiefe. : 5 Tiefe. i Seespiegel. Seespiegel. Mondorf .. 730m 9259 m Kissingen 984 m 410m Oeynhausen 697 626 Grenelle 948 512 St. Louis... 670 ? Hamburg 513 | 318 Grossartige Erfolge für das wasserarme Land hat das von französischen Ingenieuren im umfassendsten Maassstabe betriebene Anlegen artesischer Brunnen in Algerien gehabt, wo General Desvaux — in der Oase von Sidi-Rasched — den ersten Anstoss zu solchem Unternehmen gab. Aus Dove’s |132] und Martins’ [133] Beschreibung der gigantischen Wassermassen, welche die dortigen Bohrquellen lieferten, erhellt, dass gerade die Wüstenlandschaft höchst günstige Vorbedingungen dar- bot*). — Ein Maass für die Ergiebigkeit artesischer Boh- rungen ist neuerdings von Thiem in mathematischer Form hergeleitet worden [134] **). e) Geysir's. Jetzt erst sehen wir uns in der Lage, unser früher (Band I, S. 333) gegebenes Versprechen einzulösen und uns mit den heissen periodischen Springquellen zu beschäftigen, als deren ausschliessliches Heimathland man früher Island anzusehen gewohnt war. Von den isländischen Heisswasserbrunnen soll bereits der dänische Geschichtschreiber Saxo Grammaticus gewusst und berichtet haben [135], doch datirt deren wissenschaftliche Untersuchung erst seit dem Ende des vorigen und dem Beginn des jetzigen Jahrhunderts, und zwar vorzugsweise seit dem Erscheinen der Reisewerke von Olafsen und Povelsen [136] einerseits, von Mackenzie [137] andererseits. Später besuchten Bunsen und Sartorius v. Waltershausen die isländischen Thermalgebiete, und der Letztere gab von ihnen eine die allgemeinen geologischen Verhältnisse erörternde Schilderung [138], während Bunsen die physikalische Theorie der Quellen studirte und in einem bis auf unsere Tage als Richtschnur anerkannten Aufsatze [139] feststellte. Die gesammte einschlägige Literatur ist in der neuesten Bearbeitung dieser Phänomene durch O. Lang [140] kritisch gesichtet worden; von Lehrbüchern, welche sich der Frage gründlicher an- genommen haben, wären diejenigen von G. Bischof [141] und J. Müller [142] zu nennen. — Die Landessprache bezeichnet die Siedwasserfontänen Island’s mit dem auch in die wissenschaftliche Terminologie übergegangenen Worte Geysir. Weitaus am berühmtesten in der ganzen vulkanischen Quellenregion ist der grosse Geysir, der südwestlich vom Hekla gelegen ist; er stellt sich dar als ein mit Kieselsinter ausgefütterter Brunnenschacht, dessen kreisförmiger Quer- *) Die bei den Arabern als Schreia’s und Saguia’s bekannten Oasen- quellen sind nach Martins (a. a. O.) natürliche artesische Brunnen. Dass von je her denselben mit Kunst ein wenig nachgeholfen ward, bezeugen Olympiodor, Photius und Ibn Khaldoun. **) Ist c die Kote des höchsten Wasserspiegels, der sich beim Ausfluss o im Steigrohr ergiebt, h die Kote des Wasserspiegels, bei welchem ein Ausfluss stattfindet, bedeuten k, und ky zwei von den Widerständen im Untergrunde und Rohre abhängige Konstante, so ist die Quantität Q durch die quadratische Gleichung gegeben: kıQ — kyQ? =c—h. 588 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. schnitt 3m lichten Durchmesser hat, während die lothbare Tiefe 23,5 m ausmacht; der Schacht erweitert sich oben zu einem flachen Becken von 17 m Durchmesser und von 2 m Tiefe. Für gewöhnlich ist Becken und Rohr mit krystallklarem Wasser von grünlicher Farbe angefüllt, dessen Ueberschuss an der Aussenseite des Beckens abfliesst. Alle 80 bis 90 Minuten aber vernimmt man unterirdischen Donner*), das. Wasser im Becken geräth in Wallung, Dampfblasen steigen auf und zerplatzen, und das siedendheisse Wasser wird in die Höhe geschleudert. So ist der normale Verlauf der Eruption, allein von Zeit zu Zeit — mitunter dauert [143] die Pause ihre drei Tage — nimmt jene weit grossartigere Dimensionen an; dann wird nämlich die Wallung im Wasserbecken weit energischer, und zuletzt schiesst ein in feinen Staub aufgelöster Strahl 25 bis 30 m hoch aus dem Bassin empor, gefolgt von weiteren Dampf- und Wassersäulen und von einer mächtigen Dampfballenentwickelung. Becken und oberer Theil der Zuflussröhre sind nach einer solchen Katastrophe momentan ganz von Wasser ent- blösst, und es dauert Stunden lang, bis die kleinen Abflussrinnen des Beckens wieder zu laufen anfangen. Unweit vom grossen Geysir liegt der Strokkr, eine ebenfalls mit heissem Wasser gefüllte, aber unter normalen Umständen niemals zum Ueberlaufen gelangende Quelle, deren Wasser einem beständigen Siedeprocesse zu unterliegen scheint und in häufigen, jedoch weit weniger gewaltsamen Auswürfen aus dem Rohre befördert wird. Der kleine Geysir liegt acht Meilen vom grossen entfernt [144]. Auch ihm sind periodische Eruptionen eigen, doch erfolgen dieselben minder abrupt, vielmehr steigt das Wasser langsam empor, bis es nach etwa zehn Minuten seine grösste Höhe erreicht hat und nun nach allen Seiten in Garben abfällt. Ein zweites Geysirgebiet, ausgedehnter noch als das isländische, ist uns durch v. Hochstetter’s berühmte Reisen in Neuseeland erschlossen worden [145]. Das Centrum der dortigen Nordinsel nimmt der Taupo- See ein, um welchen herum sich Thermalquellen der mannigfaltigsten Art gruppiren; unter ihnen ragen wieder die Puia’s — so heissen die warmen Sprudel in der Mäori-Sprache — von Orakeikorako am meisten hervor. Längs des Flusses Waikato ziehen sich dieselben hin, und zumal die „Puia te mimi a hamaiterangi“ ist ein ächter und rechter Geysir**). Eine dritte, wohl noch abwechselungsreichere Geysirgegend hat der treffliche Unions-Geologe Hayden im Quellengebiete der dem Missouri tributären Yellowstone- und Madison-Flüsse entdeckt [147]. *) Heftige unterirdische Geräusche vernimmt man im isländischen Vulkan- gebiete überhaupt sehr häufig; am bekanntesten durch sein Grollen ist der „Ansch- rollin“ oder brüllende Berg, der das Signal zu den Explosionen in der Nachbar- schaft zu geben pflegt. =) 0. Vogt sagt von dieser Puia [146]: „Die grosse Taratara- Quelle ist wohl das leibhafte Ebenbild des Geysir, nur mit dem Unterschiede, dass sie noch kaprieiöser in ihren Ausbrüchen ist.“ — Eine andere Merkwürdigkeit jener Gegend sind die grossen Terrassensprudel, mit denen uns eben auch v. Hochstetter zuerst bekannt gemacht hat. Otukapuarangi und Whakataratara sind die schönsten Typen dieser — nunmehr auch in Nordamerika aufgefundenen — Erscheinung. Der Abfluss des heissen Sprudels hat längs des Bergabhanges, an welchem er herabrinnt, ein System von Terrassen aus Kieseltuff gebildet, in deren Höhlungen sich theilweise selbst wieder kleine Warmwasserbecken befinden. Das Ganze soll den Eindruck erwecken, als ob ein in Kaskaden herabstürzender Wasserfall plötz- lich zu Stein erstarrt wäre. W, S. 4. Quellen. 589 In diesem — von der Washingtoner Regierung zum Nationalpark er- klärten — Territorium sind nach Hayden sieben charakteristische Geysir-Gruppen zu unterscheiden, ganz abgesehen von warmen Quellen, Terrassen-Seen und kleineren, ganz regelmässig mit Kieselsinterein- ' fassungen versehenen Becken, den sogenannten „Punschbowlen®. End- lich wäre noch an den allerdings nur hypothetisch den Geysir’s zu- gerechneten Paliken-See (s. o.) zu erinnern. — Was nun die Theorie der Geysirphänomene anlangt, so hat es darüber nicht an mancherlei Hypothesen gefehlt. Bischof (a. a. O.) begnügte sich mit einem Hinweise auf das Analogon des Heronsbrunnens und mit einem auf diese Analogie basirten Vorlesungsversuche. Mackenzie dachte an die Existenz grosser unterirdischer Dampfkessel; in einem mit der Geysirröhre seitlich zusammenhängenden Hohlraume sollten sich Dämpfe ansammeln, die sich bei hinlänglich gesteigerter Spannkraft den gewaltsamen Ausgang aus ihrem Gefängnisse erzwängen. An dieser Theorie brachte Krug zur Nidda einige Verbesserungen an |148], und Lang giebt zu, dass dieselbe für den kleinen Geysir recht wohl das Richtige treffen könne [149]. Bunsen’s Erklärung gieng von sorgfältigen Temperaturmessungen aus; der Kern jener lässt sich etwa so fixiren*): Der Geysir hat sich sein Rohr allmählig selbst gebaut; der Sitz der treibenden Kraft ist im Rohre selbst und nicht in irgendwelchen Hohlräumen ausserhalb derselben zu suchen. Um die Erscheinung im Kleinen nachzubilden, konstruirte J. Müller [150] eine etwa 1,5 m hohe, unten geschlossene Blechröhre, welche er oben in ein flaches Blechbecken von etwa fünf- mal grösserem Durchmesser münden liess. In der Mitte seiner Höhe wurde an das Rohr ein von durchlöchertem Blech gebildetes Kohlen- becken angeheftet; der ganze Apparat wird durch einen hölzernen Ring auf drei Beinen getragen. So justirt, wird das Rohr ungefähr *) Bunsen’s wörtliche Darstellung (a. a. O.) ist folgende: „Denkt man sich eine einfache inkrustirende Thermalquelle, welche das Wasser von ihrem Bassin aus über eine flach geneigte Bodenfläche ausgiesst, so ist es einleuchtend, dass das Bassin, in welchem das stets erneuerte Wasser der Verdunstung nur eine höchst unbedeutende Oberfiäche darbietet, von Kieselbildungen frei bleiben muss, während seine den Wasserspiegel überragenden Ränder sich mit einer Kieselerde- kruste bekleiden. Weiterhin, wo das Wasser sich auf der die Quelle umgebenden Bodenfläche ausbreitet, nehmen die Inkrustationen in dem Maasse zu, als seine Verdunstungsoberfläche wächst. Die dadurch bewirkte Bodenerhöhung setzt dem Abflusse des Wassers allmählig ein Hinderniss entgegen und leitet dasselbe gegen den tieferen Boden hin, wo das Spiel dieser Sinterbildungen sich von Neuem wiederholt, bis die veränderten Niveauverhältnisse immer wieder einen Wechsel des Wasserabflusses herbeiführen. Da das Quellenbassin an dieser Inkrustation keinen Antheil nimmt, so baut es sich, indem es sich mit einem Hügel von Kiesel- tuff umgiebt, zu einer tiefen Röhre auf, die, wenn sie eine gewisse Höhe erreicht hat, alle Bedingungen in sich vereinigt, um die Quelle in einen Geysir zu ver- wandeln. Ist eine solche Röhre verhältnissmässig enge, und wird sie von einer nicht zu langsam hervordringenden, durch vulkanische Bodenwärme von unten her sehr stark erhitzten Wassersäule erfüllt, so muss eine kontinuirliche Spring- quelle entstehen. Ist dagegen die durch den Inkrustationsprocess gebildete Röhre hinlänglich weit, um von der Oberfläche aus eine erhebliche Abkühlung des Wassers zu gestatten, und tritt der weit über 100° erhitzte Quellenstrang nur lang- sam in den Boden der weiten Röhre ein, so finden sich in diesen einfachen Um- ständen alle Erfordernisse vereinigt, um die Quelle zu einem Geysir zu machen, der periodisch durch plötzlich entwickelte Dampfkraft zum Ausbruche kommt und unmittelbar darauf wieder zu einer längeren Ruhe zurückkehrt.“ 590 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. bis zu seiner Mündung in das Becken mit Wasser gefüllt, dann wird sein unteres Ende in einen Kohlenofen gesenkt, und auch der mittlere Kohlenbehälter wird angefacht. Nach einiger Zeit beginnt bei dem oberen Kohlenbecken die Dampfbildung, allein die ersten Dampfblasen bringen nur ein momentanes Aufwallen zu wege, und erst nach mehreren vergeblichen Versuchen wird die Dampfbildung intensiv genug, um eine Explosion und ein Hinausschleudern des Wassers bewirken zu können *.. Lang’s wohldurchdachte Einwürfe gegen Bunsen’s Lehre gipfeln in dem Tadel [152], dass nicht gezeigt werde, wie eine so beträchtliche Wassermaasse endlich doch jäh und plötzlich zum Kochen kommen könne; Lang’s eigene Theorie, welche er der Bunsen’schen substituirt, lässt sich so formuliren [153]: Die Be- dingung einer Eruption ist, dass im nämlichen Augenblicke eine Wassermasse, weit beträchtlicher, als die im Rohre selbst enthaltene, unter hydraulischem Verschlusse auf- kocht). f) Meermühlen. Es mag auf den ersten Blick befremdlich er- scheinen, dass eine anscheinend weit mehr der sechsten oder siebenten Abtheilung unseres Werkes zuzuweisende Erscheinung gerade hier ihren naturgemässen Platz finden solle, und doch wird sich, wie wir hoffen, diese unsere Anordnung bald als eine berechtigte herausstellen. Mit dem Thatsächlichen hat es die folgende Bewandtniss***). Die der jonischen Gruppe angehörige Insel Kephalonia ist an sich durch ihren merkwürdigen geologischen Bau und zumal durch ihre theilweise bis unter den Grund des Meeres sich hinziehenden Kesselthäler ausge- *) Ein vervollkommnetes Instrumentchen dieser Art ward von K. L. Bauer in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Sektion der Karlsruher Philologen- versammlung demonstrirt [151]. **) Es wird von Lang namentlich auch betont, dass man den im Geysir- rohre vor sich gehenden, zuerst von Krug zur Nidda wahrgenommenen Strömungs- bewegungen mehr Gewicht beilegen müsse, als von Seite Bunsen’s geschehen sei. Das Erliegen eines Geysirs führt unser Gewährsmann [154] zurück auf ein Undicht- werden seines Verschluss-Apparates. Man wird sowohl der Lang’schen Kritik, als auch der neuen Theorie selbst die Anerkennung nicht versagen dürfen, tief in die Sache eingegangen zu sein, allein „das von Bunsen zuerst angegebene Spiel des Geysirs in selbst gebautem, geradem Steigrohr ist so einfach und natür- lich, dass sich nur Wenige der Lang’schen Theorie zuwenden dürften“. Diese von Zöppritz ausgesprochene Ansicht [155] ist auch im Wesentlichen die unsrige. ##*) Der bekannte Arzt und Physiker John Davy setzte im Jahre 1835 seinen Freund Forbes davon in Kenntniss, dass ein Kollege, ‚ein englischer Militärarzt, ihn von einem höchst merkwürdigen hydraulischen Vorgange auf der Insel Kephalonia benachrichtigt habe; Jameson hat die Drucklegung dieses Schreibens von Davy besorgt [156]. Unter dem wissenschaftlichen Gesichtspunkte untersuchte die Meermühlen nachmals Mousson, der konstatirte [157], „dass die Mühle von Argostoli, weil einzig in ihrer Art, eine der merkwürdigsten Erschei- nungen der physikalischen Erdkunde darstelle.“ Zwei Jahre später suchten der Botaniker Unger und der Astronom Jul. Schmidt umsonst den Schleier etwas mehr zu lüften [153], und der Engländer Ansted erstattete wenigstens einen sehr genauen Bericht über seine dort gemachten Wahrnehmungen [159]. Heutzutage verfügt die Literatur über die nach jeder Hinsicht erschöpfende Mono- graphie, welche K. W. M. Wibel in Verbindung mit seinem Sohne F. Wibel ausgearbeitet hat, und welche nieht blos alles über den Gegenstand irgendwann Geschriebene verarbeitet, sondern auch überall die gründlichste Lokalkenntniss und einen hingebenden Forschereifer erkennen lässt [160]. Wir sind Dank dem freundlichen Entgegenkommen von Herrn Direktor F. Wibel in der Lage, dessen allerneueste Forschungsresultate für unser Buch verwerthen zu können. IV. S. 4. Quellen. 891 zeichnet. Namentlich die Halbinsel Argostoli an der Westseite ist in hohem Grade karstartig zerklüftet, und Brackwasserquellen brechen dort allerorts hervor, während es an eigentlichen Wasserläufen fast völlig mangelt. An der äussersten Halbinselspitze nach Norden hin scheint der Strand auf das Meerwasser einen geradezu attraktiven Einfluss auszuüben, und der Engländer Stevens konstatirte, dass das Meer dortselbst von unterirdischen Klüften aufgesogen wird, in welche es mit grosser Gewalt hineinstürzt. Stevens legte an einer jener Oeffnungen eine Getreidemühle an, die „alte Mühle“, zu welcher dann später noch die unweit ostwärts gelegene „neue Mühle“ hinzukam. Im Jahre 1855 machte das Mühlrad seine Umdrehung in 9—10 Se- kunden, und diese Geschwindigkeit behält es ziemlich gleichmässig bei, soferne nicht einmal die Oeffnungen der aufsaugenden Klüfte sich zeitweilig durch den in grosser Menge umhertreibenden Seetang ver- stopfen [161]. Nach genauen Messungen verschwindet pro Tag eine Masse von 58300 Kubikmetern Seewasser im Boden, über deren Ver- bleib zunächst nicht die mindeste Auskunft gegeben werden kann, wes- halb wohl mit Recht von einem „geophysikalischen Räthsel* gesprochen ward. — Mit Uebergehung älterer und an sich unzulässiger Erklärungs- versuche*) verweilen wir blos bei den wichtigeren Theorieen; diess sind aber einzig die von Mousson (a. a. O.) und von Wibel auf- gestellten. Mousson nimmt an, dass ein stets sich erneuernder Aus- tausch zwischen den in die Bodenspalten einströmenden Wassermengen und dem freien Weltmeere stattfinde. „Wenn das Wasser durch ein- greifende Risse der Erdkruste in eine Tiefe gelangt, wo es um eine Anzahl Grade sich erwärmt — dazu genügen einige tausend Fuss voll- kommen — und andere Wege zum Wiederemporsteigen findet, so wird unter dem ungleichen Drucke der kälteren sinkenden und wärmeren steigenden Säule eine Cirkulation sich herstellen, die einmal begonnen nicht wieder aufhört, eine Cirkulation, die von den oberflächlichen Veränderungen durch Wind- und Wasserstand ganz unabhängig ist. Freilich bleiben die Stellen unbekannt, wo das emporsteigende wärmere Wasser sich wieder in das weite Becken des Meeres ergiesst, Stellen, die möglicherweise bedeutend entfernt unter dem Spiegel des letzteren liegen können“ [163]. Giebt man Mousson Recht, so trennt man die Meermühlen allerdings von jedem Kausalnexus mit den Inland- quellen los, allein vor Wibel’s Kritik will die Cirkulationshypothese auch nicht recht Stand halten [164]. Eine sehr ansprechende Kon- kordanz zwischen Beobachtung und Theorie wird dagegen erreicht, wenn man mit Wibel den negativen Seitendruck in Röhren strömender Flüssigkeiten als die dem Geheimnisse zu Grunde liegende Erscheinung betrachtet, ein hydrodynamisches Prineip, auf welches durch die Arbeiten von Magnus [165] und v. Feilitzsch [166] *) Wir meinen hier zumal jene Auffassung, welche das Einströmen auf — in Wahrheit gar nicht vorhandene — Niveauunterschiede zurückführen wollte, und jene, welche das Phänomen mit den vulkanischen und seismischen Processen einer ziemlich entfernten Umgebung in Verbindung brachte. Die „Schwamm- theorie“ (S. 395 des ersten Bandes) hätte die Meermühlen allerdings trefflich fruk- tifieiren können. Dass das vom Lande aufgenommene Seewasser unmöglich durch blosse Verdunstung wieder zurückgegeben werden könne, hat Strickland bereits im Jahre 1835 nachgewiesen. [162]. 5923 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. volles Licht gefallen ist. Das Wesen des Principes lässt sich am besten an der von F. Wibel konstruirten Saugluftpumpe erläutern, die sich in den Sektionsverhandlungen der Wiesbadener Naturforscher- versammlung beschrieben findet*). Hiernach hat man sich die das Meermühlenphänomen in seiner Gesammtheit darstellenden natürlichen Vorgänge so zu denken, wie Fig. 110 sie darstellt. C ist das zer- klüftete Strandgebirge, mm der Meerespiegel, M die Mühle. BeiM stürzt das Seewasser in eine zu- nächst annähernd vertikale Kluft KK hinab, welche sich später wieder aufwärts krümmt und bei L seitlich in einen von Süsswasser erfüllten Quellstrang QQ mündet, der selbst bei R seine Tagesmündung hat. r . Das strömende Süsswasser wirkt ZZlkermasser. WEM Süssmwasser. 3 Brackmasser. saugend auf das in der Röhre KK schon von selbst — gemäss dem Gesetze von den kommunicirenden Röhren — bis zu einer gewissen Höhe angestiegene Meerwasser, dasselbe dringt in den Quellkanal QQ ein, vermischt sich daselbst mit dem süssen Wasser, und so tritt bei R eine der zahllosen Brackwasserquellen hervor, von denen oben berichtet ward**). Man kann sonach mit grosser Wahrscheinlichkeit den Satz aufstellen: Die beiden der Insel Kephalonia eigen- thümlichen und oft als Vereinigung zweier Seltenheiten be- wunderten Erscheinungen der Meermühlen und der zahlreich vorkommenden Quellen mit Salzwasserbei- mischung stehen in engster Kausalbeziehung zu ein- ander, und gerade durch diese Verbindungan sich schwer zu erfüllender Vorbedingungen erklärt sich das, soweit bislang bekannt, völlig isolirte Auftreten des Phäno- menes von Argostoli. *) Wenn der Raum © (Fig. 109) evakuirt werden soll, so verbindet man ihn mit der kurzen Seitenröhre $ der den Apparat hauptsächlich bildenden längeren Metallröhre A B. Das Ende A wird durch einen Kautschukschlauch Fig. 109. mit der Wasserleitung W, die allerdings unter hinreichend starkem Drucke stehen muss, verbunden, während das Wasser bei B aus W der Röhre ausströmt. Bei S entwickelt sich dann ein ausgiebiger A Aufsaugungsprocess, und die dem Raum © entzogene Luft wird durch das Wasser mit fortgerissen. Bei ausströmenden Gasen war der Umstand, dass bewegte Massen einen minder starken Druck auf ihre Seitenwände ausüben, als ruhende, schon früher von g Clement und Desormes wahrgenommen worden, und in & = Giffard’s sogenanntem Injektor sehen wir das Princip nach seiner praktischen Seite, nämlich zum Nachfüllen der Dampfkessel, aus- genützt [167]. **, Die Wibel’sche Pumpe ermöglicht es, den Vorgang | im Laboratorium nachzuahmen. Man verbindet das Seitenrohr hr Bi nicht, wie vorhin, mit einem Recipienten, sondern mit einer Wanne, > die gefärbte Flüssigkeit enthält. Eine Federklemme hindert zu- erst die Kommunikation; sowie aber letztere eröffnet ist, zeigt sich gleich auch im Abflusswasser der Farbstoff. Ob wohl der Versuch von Knop (8. 0.) auch bei den Meermühlen von Erfolg begleitet wäre ? IV, 8. 5. Flüsse und Bäche. 593 $.5. Flüsse und Bäche. Die Quellen, mit welchen sich unser voriger Paragraph zu beschäftigen hatte, liefern weiterhin die verschiedenen Wasserläufe, deren morphographische Besonderheiten am besten im Anschlusse an die Definitionen v. Sonklar’s geschildert werden [168]. Der Abfluss einer schwächeren Quelle über eine geneigte Bodenfläche heisst Riesel („Rieselfelder* der Grossstädte); mehrere Riesel bilden in ihrer Gesammtheit einen Bach, mehrere Bäche einen Fluss, mehrere Flüsse einen Strom. Die Komponenten kann man Quellflüsse nennen (Werra und Fulda für die Weser, Paraguay und Paranä für den La Plata. Küstenflüsse finden schon nach kurzem Laufe ihr Ende im Meere, Steppenflüsse verrinnen im Sande ohne eigentliche Seenbildung. v. Helmersen meint |169], dass „in der allgemeinen Definition Centralasien’s* als eines die Verdunstung befördernden und niederschlagsarmen Atmosphärengebietes zugleich der Schlüssel für das Versiegen von Seen und Flüssen gegeben sei. Der Murghab in Afgha- nistan, der Wadi Guir in Marokko, der Rio Primero uffd Secundo können als Beispiele solcher Steppenflüsse dienen. Zwillingsströme vereinigen sich kurz vor ihrer Einmündung in das Meer (Euphrat und Tigris, Ganges und Brahmaputra). Das Flussbett ist vom Rinnsal sehr verschieden, denn, während letzteres oft nur von einem dünnen Wasserfaden durchzogen wird, nimmt das Bett, ganz besonders bei Gebirgsflüssen, einen recht beträchtlichen Flächenraum ein. Selten — z. B. bei’m Congo (S. 525) — stimmen Flussbett und Rinnsal voll- ständig überein. Jeder Hauptfluss nimmt Nebenflüsse auf, allein nicht immer ist die in der geographischen Wissenschaft übliche Bezeichnung auch die morphographisch korrekte, wie denn bei rich- tiger Vergleichung der bisherigen Lauflänge und der mitgeführten Wassermengen die Namen Donau und Mississippi von Rechts wegen durch Inn und Missouri zu ersetzen wären. Peschel verbreitet sich mit gewohnter Literatur- und Kartenkenntniss über die bewusst oder unbewusst bei der Namengebung der Flüsse in Anwendung ge- kommenen Prineipien [170] und zeigt, dass da, wo die Onomatologie seographische Fehler der genannten Art begieng, meist der bevorzugte Wasserlauf geschichtlich und wirthschaftlich mehr Bedeutung für das den Namen ertheilende Volk besass, als der an sich zurückgesetzte. Indem wir jetzt noch eine Reihe von Normen aufstellen, welche für alle strömenden Gewässer ohne Unterschied Gültigkeit haben, lassen wir den nur quantitativen, nicht aber grundsätzlichen Unterschied zwischen Flüssen und Bächen ganz bei Seite. Blos eine besondere Abart dieser letzteren nimmt eine Sonderstellung ein: es sind diess die Wildbäche der Gebirge, mit deren Eigenthümlichkeiten uns ein vortreffliches Schriftehen von P. Lehmann [171] sehr genau vertraut gemacht hat*). *) Die erste „torrentium ratio“ hat J. Vossius zu geben versucht, doch begnügt er sich im Wesentlichen mit dem Hinweise darauf, dass selbe den nied- rigen Breiten eigenthümlich seien (?) [172]. Die wissenschaftliche Behandlung des Gegenstandes beginnt mit einer Dissertation des Innsbrucker Mathematikers Zal- linger zum Thurn [173], von dem uns durch Schrank mehrere tüchtige Arbeiten hydraulischer Natur aufbehalten sind [174], und mit einer französischen Denkschrift von Fabre [175]; die späteren Arbeiten von Surell, Streffleur, Duile, A. Koch, C&zanne u. A. findet man mit kurzer Inhaltsangabe zusammen- Günther, Geophysik. II. Band. 38 594 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Ein Stromsystem nimmt alle Zu- und Nebenflüsse in sich auf, und an ihm sind wesentlich drei hydrographische Merkmale zu beachten: Stromgebiet, Stromentwickelung und Wassermenge). Ersteres ist identisch mit dem oroplastischen Begriffe des Strom- beckens — „bassin* nach Boussinesgq (S. 522) —, während die auch vorkommende Bezeichnung Quellenbezirk minder prägnant ist. Dass die freilich oft recht unkenntlichen Grenzen zweier Strom- gebiete Wasserscheiden heissen, ist bereits aus Kap. II, S. 2 bekannt. Stellen, an denen sich zwei Flüsse von sonst sehr verschiedener Lauf- richtung so nahe kommen, dass man vom einen zum anderen Boote und Handelsgüter auf dem Landwege befördert, sind als Trageplätze oder Portagen bekannt; hierher gehört z. B. die Landenge zwischen Düna und Dnjepr bei Witebsk, aber am häufigsten finden sie sich in den weiten Jagdgründen der amerikanischen Pelzkompagnieen. In wenigen Ausnahme- fällen ereignet es sich, dass die Wasserscheide vollkommen verschwindet, und dass sichtbar zwischen zwei verschiedenen Flusssystemen eine Verbindung hergestellt ist, wie wir sie unterirdisch nach den in $. 4 erwähnten Untersuchungen von Knop wohl für viele Systeme stipuliren müssen. Man spricht alsdann von einer Bifurkation oder Gabelung. In Europa sind schwache Spuren solcher unnatürlich er- scheinender Verbindung nur in Italien, in der schwedischen Provinz Norbotten und im östlichen Westphalen (nicht weit von Bielefeld) nach- zuweisen; mannigfache Verschlingungen scheint in Hinterindien das Netz der Flüsse Irawaddi und Salween erkennen zu lassen, doch treten alle diese Vorkommnisse in den Hintergrund gegenüber der im Durchschnitt 280 m über dem Meere gelegenen natürlichen Kanal- gestellt bei Lehmann [176]. Diesem zufolge markiren sich deutlich drei Theile, das Sammelgebiet, der Sammelkanal und der Schuttkegel, von denen jeder der beiden ersten den Berghängen, der dritte dem Thalboden angehört, und die oft nahe genug bei einander liegen, um von einem geeigneten Aussichstpunkte aus mit Einem Blicke überschaut werden zu können. Das Sammelbecken hat meist eine Cirkusform, nach dessen Boden vom umschliessenden Kamme aus zahl- reiche Furchen laufen, für gewöhnlich grossentheils leer oder doch nur mit schwachen Wasseräderchen erfüllt. Nur eines einzigen Platzregens aber bedarf es, und es kommt ein grossartiges Leben in diese Stille. Je steiler und kürzer das Bett des Wildbaches ist, um so schneller entwickelt sich die Katastrophe dessen, was man in Tyrol einen Muhrgang oder Muhrbruch nennt; oft genügt eine einzige Schuttwalze, um grosses Verderben zu bringen, oft auch folgen einander meh- rere solch’ halbflüssiger Lawinen. Ob ein solcher Wasserlauf als eigentlicher Wildbach oder als Gebirgsstrom zu gelten habe, darüber kann man in vielen Fällen zweifelhaft sein; Surell theilt die Alpenwasserläufe in „rivieres“, „rivieres torrentielles“, „torrents“ und „ruisseaux* [177]. Dass fast einzig und allein starke Regengüsse im Hochgebirge das Anwachsen der Wildbäche herbeiführen, und dass sekundäre Einflüsse dabei kaum in Betracht kommen, ist durch Lehmann’s sta- tistische Nachweise sicher gestellt. Der nächste Paragraph wird uns nochmals zu dem Gegenstande zurückführen. *) Stromgebiete richtig zu trennen, ist oft eine schwere Aufgabe für den darstellenden Geographen. Zumal Afrika, über dessen Stromsysteme man sich jetzt in einer sehr zeitgemässen Monographie von Chavanne [178] Raths erholen kann, bietet Schwierigkeiten dieser Art, und zwar besonders deshalb, weil die Quell- gebiete der drei grössten Ströme verhältnissmässig nahe bei einander liegen. Die durch Livingstone und Junker einerseits, durch Cameron und Serpa Pinta andererseits nach Möglichkeit ermittelten Wasserscheiden zwischen Nil und Uelle, Congo und Zambesi sind schwankend — grösstentheils wohl deswegen, weil aus den in $.3 erwähnten Erdschwämmen das Wasser nach allen Seiten hin abfliesst. IV,$.5. Flüsse und Bäche. 595 verbindung zwischen Orinoko und Amazonenstrom*), welche im ersteren Flusse bei der Mission Esmeraldas ihren Anfang nimmt. Wenn die Wasserscheide eine geschlossene, in sich zurücklaufende Kurve bildet, so umschliesst sie einen Binnenfluss oder kontinen- talen Fluss (Stromgebiet des kaspischen Meeres, des Lob-Nor-, des Tsad-See’s, Jordan) |180]. Unter Stromentwickelung, um nun auch diesem zweiten Funda- mentalbegriffe gerecht zu werden, versteht man die räumliche Aus- bildung eines Stromgebietes, wie sie sich in der Lauflänge**), im direkten (Luftlinien-)Abstande von Ursprung und Mündung, in den Krümmungen des Flusslaufes, im Gefälle und in der Mün- dungsform offenbart. Die letztere hat uns schon in Kap. II der vorigen Hauptabtheilung beschäftigt. Die beiden erstgenannten Be- stimmungselemente haben selbstverständlich oft einen sehr verschiedenen Zahlenwerth; bei’'m Amazonas ist das numerische Verhältniss beider annähernd — 0,5, bei’'m Rhein —= 0,6, bei’'m Nil = 0,8. Das Gefälle ist durch den Winkel arc tang — bestimmt, wo m die absolute Seehöhe der Ursprungsstelle, n die Projektion der genannten Luftlinie auf eine durch die Mündung geleste Horizontalebene bedeutet. Der Stromlauf selbst pflegt in Oberlauf, Mittellauf und Unter- lauf abgetheilt zu werden [183]. Der Uebergang vom ersten zum zweiten Theile ist nicht selten durch eine Seenbildung charakterisirt (Rhein-Bodensee, Jordan-See Tiberias). Da, wo das Flussbett plötz- lich enge und steil wird, müssen Stromschnellen entstehen. Solche hat die Donau in ihrem Mittellaufe (Strudel und Wirbel bei Grein) und in ihrem Oberlaufe, sowie auch in ihrem Unterlaufe zwischen Basiasch und Orsowa (Eisernes Thor). Ferner sind sehr bekannt die Rapid’s des Missouri, die Stromschnellen von Maypures im Orinoko, die neuerdings viel genannten 10 Nil-Katarakte zwischen Khartum und Assuan und die reissenden Stellen im Congo. Jäh abstürzende Wände, über welche sich das Wasser eines Baches oder Flusses be- wegen muss, verwandeln eine Stromschnelle in einen wirklichen Wasserfall***). | *) Nach H. Wagner, der spanische Originalquellen citirt, muss der berühmte, von Humboldt zwar nicht entdeckte, aber erstmalig klar in seiner Eigenschaft erfasste Stromkanal Casiquiare geschrieben werden [179]. **) Setzt man die Länge des Themselaufes = 1, so hat nach Muncke [181] der Rhein eine solche von 5,25, die Donau von 7, die Wolga von 9,5, der Indus von 9,9, der Euphrat von 8,5. der Ganges und Brahmaputra von 9,5, der Jenisseivon 10, der Ob von 10,5, der Amur von 11, die Lena von 11,5, der Hoang-ho von 13,5, der Nil von 12,5, der Mississippi von 8, der Maranhon von 15,75. Genau sind solche Ver- gleichungen nicht leicht anzustellen, wie uns deutlich das von Zöppritz [182] bekanntgegebene Resultat einer unlängst von v. Tillo unternommenen Arbeit zeigen kann, durch welche mehrere anscheinend feststehende Werthe von Lauflängen als falsch eruirt worden sind. **#), Was man bis zum Jahre 1836 von Wasserfällen wusste, hat Muncke sehr gut zusammengestellt [184]. Zu den höchsten Fällen Europa’s gehört der Staubbachfall im Thale von Lauterbrunnen, der Fall der Krimler Ache in den westlichen Tauern und der Gusta in der norwegischen Provinz Thelemarken; die grösste Absoluthöhe (390 m ohne Absatz) erreicht vielleicht der Gavarnie- Fall in den Pyrenäen. Californien besitzt den noch höheren Yosemite-Fall. d. Pfaff, dem wir diese Notiz entnehmen, beschreibt auch andere Wasserfälle näher, unter denen in Afrika der Zambesi-Fall hervorragt [185]; die Congo-Fälle sind 596 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Was die Wassermassen anlangt, welche ein Strom mit sich fort- führt, so sind dieselben natürlich erstens von der Grösse seines Quellen- bezirkes, zweitens von der Menge und Lauflänge seiner Zuflüsse und drittens in sehr hohem Grade von den meteorologischen Verhältnissen des durchströmten Gebietes (vgl. S. 266) abhängig. Alle angegebenen numerischen Werthe haben deshalb nur einen Durchschnittscharakter, so wenn v. Sonklar die Stundenquantitäten verschiedener Ströme durch die Proportion Mississippi : Ganges : Nil : Donau : Rhein : Theiss : Drau — 1980 : 1753 : 1267 : 1074 : 265 : 138 darstellt [190]. Bei euro- päischen Flüssen fällt die Jahreszeit freilich auch in’s Gewicht, aber keineswegs so wie bei den Flüssen in niedrigen Breiten, welche eine Regenzeit aufweisen. Bei’m Nil verhalten sich die Jahresextreme der Quantität nach wie 11:1, bei’m Indus wie 8:1. Genaue Aichungen, wie sie Forel bei’'m Ausflusse des Rhöne aus dem Leman in’s Werk gesetzt hat [191], lassen übrigens auch die Verschiedenheit der Monate sehr deutlich in die Erscheinung treten, wie wir aus der von genanntem. Forscher angefertigten Tabelle ersehen können: i Mittlere i Mittlere » Monat. a air Wassermasse Monat. | a ns Wassermasse “ |pro Sekunde. “ | pro Sekunde. Januar nr. 88 cm | 183 cbm | Juli . . . 202cm 460 cbm Februar. . 86 180 Ausust . 208 473 Marz... 84 170 September 179 410 IND, 95 200 Oktober . 141 323 ram) ei: 111 250 November. 116 260 und .t.: .. 160 370 December . 101 227 Höchst erwünscht wäre es, aus den für die Wassermengen angegebenen Zahlen die darin enthaltenen Quanta mitgeführter fester Sink- stoffe ausscheiden zu können; hat sich doch die Sedimentablage- rung bei den neueren Untersuchungen über die Gestalt der Erdober- fläche mehr und mehr als ein wichtiges morphologisches Element heraus- nicht so grossartig, als die ersten Nachrichten erwarten liessen, Pechu&l-Lösche erkennt sogar nur den Fall von Isangila wirklich als solchen an und fährt dann fort [186]: „Die übrigen als Fälle betrachteten unbefahrbaren Stellen des Congo sind im strengen Sinne des Wortes nur als Stromschnellen aufzufassen, viele freilich als Stromschnellen der grossartigsten Form.“ .Süd-Amerika besitzt in Guyana einen Wasserfall von 240 m Höhe, dessen Strahl zuletzt jede Aehnlich- keit mit Wasser einbüsst und in die bekannte Raketenschweifform des Staub- baches (s. o.) übergeht [187]. Das grossartigste Phänomen dieser Art ist natür- lich der Fall des Niagara zwischen Erie- und Ontario-See; wäre es möglich, was neuestens angestrebt werden soll, die ungeheure aktuelle Energie dieses Wassersturzes durch Akkumulatoren und elektrische Transmissionen mechanisch zu verwerthen, so würden dadurch alle Dampfmaschinen der vereinigten Staaten überflüssig gemacht werden. Seit dem 17. November 1877, an welchem Tage ein grosser Theil des Absturzfelsens auf der Canada-Seite zusammenbrach, hat übri- gens das weltbekannte Hufeisen des Niagara mehr eine rechtwinklige Form an- genommen [188]. — In höchst origineller Weise haben A. und E. Heim es unter- nommen [189], eine akustische Analyse des Wasserfallgeräusches zu liefern. Je freier das Wasser in sein Becken fällt, je weniger der Ton durch Nebengeräusche getrübt wird, um so deutlicher tritt der C-Dur-Dreiklang hervor. Die Töne C, E, G und F, letzterer besonders ausgesprochen, wiederholen sich bei allen rau- schenden Gewässern, bei grossen Wasserfällen oftmals in verschiedenen Oktaven. IV, $. 5. Flüsse und Bäche. 597 sestellt. Leider sind (vgl. S. 476) in dieser Hinsicht nur erst Anfänge zu verzeichnen *). Eine der ersten und wichtigsten Fragen, welche die Hydrographie der Flüsse zu beantworten hat, ist die nach ihrer Strömungs- seschwindigkeit. Die Lösung der Aufgabe, Flussgeschwindig- _ keiten zu bestimmen, scheint sich zu allererst den Hydrotechnikern Italien’s, des klassischen Landes der Stromregulirungen, als eine Noth- wendigkeit aufgedrängt zu haben: Guglielmini [194], Zendrini [195], Michelotti [196], Leechi [197] u. A. haben Anweisungen zu diesem Zwecke entworfen und ein reiches, der Praxis entnommenes Material angehäuft. Die Jetztzeit verfügt über mehrere Geschwindigkeits- messer, die eine grosse Genauigkeit gewährleisten**). So entstand als besondere Disciplin die Hydrometrie. Bis in die Mitte dieses unseres Jahrhunderts herein begnügte man sich mit der sogenannten parabolischen Theorie, welche die Italiener begründet hatten, deren schliessliche Gestaltung aber dem niederländischen Mathematiker Hennert zu danken ist [205]. Elementar hat diese Theorie sehr hübsch Reis [206] darzustellen gewusst. *) Für gewisse chinesische Flüsse sind interessante Bestimmungen durch Guppy geliefert worden, zu denen noch Beiträge von Mellard Reade hinzu- kommen [192]. Die drei grossen chinesischen Flüsse würden in etwa 100000 Jahren durch ihre Sedimente das ganze gelbe Meer ausfüllen können (vgl. $. 479). — Mit grosser Hingebung hat ferner ein Naturforscher ersten Ranges, Spring, die Schwemmprodukte der heimathlichen Maass quantitativ !estgestellt [193]. Dieser Fluss führte im Laufe eines Jahres durch Lüttich hindurch 361 920 093 kg Fest- körper, nämlich 238 191 417 kg suspendirte, 101 884 322 kg gelöste und 21 844 354 kg organische Substanzen. **) Wer sich im Einzelnen über diesen Theil der Hydrotechrik unterrichten will, den verweisen wir auf die Werke von Engelbreit [198], Hunäus [1997 und ganz besonders von v. Bauernfeind [200], an welch’ letzteres wir uns selbst gehalten haben. Der primitivste und den meisten Fehlern ausgesetzte Messungs- process ist derjenige der Schwimmkugel, welche man von einem Orte zum anderen treiben lässt, und von welcher man voraussetzt, dass sie sich genau mit der Geschwindigkeit des fliessenden Wassers selbst fortbewege. Höher steht der Stromquadrant, mit welchem die Italiener fast ausschliesslich arbeiteten. In Fig. 111 sei MN die Richtung der stärksten Strömung, der Quadrant OCP werde mit seinem Limbus in die durch MN be- stimmte (die Papier-) Ebene gebracht; dann Fig. 111. wird sein Bleiloth, das vorher längs des verti- kalen Schenkels CO herabhieng, sowie der Qua- drant mit Beibehaltung seiner Stellung in den Fluss eingetaucht ist, vom Strome um einen Winkel OCF = o abgelenkt werden. Kon- struirtt man das Kräfteparallelogramm EABD, so ist X ADE= o, und es wird somit, wenn p das — im Wasser etwas geringer gewordene i — Gewicht der Bleikugel darstellt, der Wasser- 0 3 D stosss = AE=AB.tango=p.tang o. sein. Die Hydraulik lehrt, dass, unter M eine Konstante verstanden, der Wasserstoss s mit der Geschwindigkeit v durch die Relation s —= Mv? zusammenhängt, und es ist sonach v= 2. vüne @. Wie man sich bei der Bestimmung von M zu verhalten habe. zeigt v. Bauernfeind ausführlich [201]. Die Pitot’sche Röhre [202] besteht ursprünglich aus einer rechtwinklig umgebogenen Glasröhre, in welcher das Wasser um so höher hinaufgetrieben wird, je geschwinder es fliesst. Endlich sind noch als sehr brauchbar die schon durch ihren Namen auch ihrem Wesen nach gekennzeichneten hydrometrischen Flügel von Woltman [203] und Amsler-Laffon [204] zu erwähnen. | 598 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Man nimmt dabei an, dass das Wasser sich, dasselbe vollständig ausfüllend, in einem parallelepipedischen Gerinne fortbewege, und zwar nach derjenigen Richtung hin, nach welcher ein überwiegender Druck ausgeübt wird. Im abwärts geneigten Gerinne wird dieser Druck durch das Gewicht des Wassers selbst erzeugt; ist h die senkrechte Ent- fernung der durch zwei Punkte des Stromes gelegten Horizontalebenen, so kommt nach einem bekannten Satze der Dynamik, wie auch immer das Flussbett gekrümmt sein möge, das Wasser am tiefer gelegenen Punkte mit einer Geschwindigkeit gleich Y2gh an. Natürlich sind da- bei alle Bewegungshindernisse ausser Acht gelassen, vorab die Reibung, welche der Grösse des Gefälles umgekehrt proportional ist. Wie wir noch aus der Lehre von den Meeresströmungen wissen, reibt sich’ nicht blos die unterste Schicht am Boden, sondern es reiben sich die ein- zelnen Schichten an einander. Versuche lehrten, dass die Reibung nicht nur von der Länge, sondern auch von der Breite des Bettes ab- hängt und mit dem Quadrate der Geschwindigkeit wächst. Die Rei- bung kann so gross werden, dass die Geschwindigkeit durch den Fall gar nicht mehr zunimmt, dass vielmehr die Zunahme der Fallgeschwindig- keit in den Reibungswiderständen absorbirt wird. Die Geschwindigkeit ändert sich dann nur bei Aenderungen des Querschnittes und des Wasserstandes*). Für die Geschwindigkeit der einzelnen Strom- schichten ist folgendes Bild (Fig. 112) maassgebend.. Zieht man eine Tiefenlinie AB und trägt in Fig. 112. deren einzelnen Punkten C, D,EF, - G, H, J auf den dortselbst errichte- ten Perpendikeln Strecken AA, CC, DD,, EE, FF, GG, HEZzEE ab, welche den Geschwindigkeiten an den bezüglichen Stellen proportio- nal sind, so liegen die Punkte A,, O,, D,, E,, Fı, Gı, Hı, Jı auf einer Parabel, welche auch durch den Fusspunkt B geht. Von diesem Satze trägt die ältere Theorie ihren Namen. Führen wir die Zeichnung in der Art aus, dass wir die Parabel vollenden, bis sie in K die Linie AB ein zweitesmal trifft, so überzeugen wir uns durch den Augenschein, dass die Axe der Kurve nicht mit der Oberflächenlinie, sondern mit der tiefer gelegenen Linie EE, zusammen- fällt, was der Luftreibung und der an der Oberfläche sich bildenden, aktuelle in potentielle Energie verwandelnden Flüssigkeitshaut (S. 379 dieses Bandes) zuzuschreiben ist. Diese Axe der Parabel führt den Namen Stromstrich; sie liegt in derselben Vertikalebene mit jener Kurve, welche wir auf S. 522 als Thalweg kennen gelernt haben. Bei verschiedenen Flüssen fällt selbstverständlich AE verschieden gross aus, bei'm Mississippi ist AE = 0,317. AB. Auf diesem Boden haben denn nun die Hydrauliker unseres Jahr- hunderts rüstig weiter gearbeitet. In Deutschland wirkte Eytel- wein |208], in Frankreich Prony [209], in Holland Delprat, über *) Für Röhren und Kanäle sind die zwischen Reibung, Druckhöhe und Ge- fälle eine gesetzmässige Verbindung herstellenden Formeln von Weisbach an- gegeben worden [207]. N Take Eng ins a 9 N rg WG > 2. E 4 * x 4 N, IV, $. 4. Flüsse und Bäche. 599 dessen grosse und bei uns fast unbekannte Verdienste um die Förde- rung der fluviatilen Hydrodynamik die treffliche Biographie seiner dank- baren Freunde und Schüler aufklärt [210]. Den modernen Standpunkt ‚zeichnet trefflich das fünfte Kapitel im „Handbuch des Wasserbaues“ von Frantzius-Sonne, bearbeitet von Schmitt und betitelt „Vor- untersuchungen über die Gewässer des Binnenlandes*. Eine vielfach von den bestehenden Ansichten abweichende Darstellung der hydro- dynamischen Grundgesetze ist von Heinemann (s. o. S. 422) gegeben worden [211]. Für diese theoretischen Arbeiten ausserordentlich nutz- bringend haben sich die in grossartigem Umfange betriebenen Indi- vidualstudien des Mississippilaufes erwiesen, welche Humphreys und Abbot [212] betrieben haben*). Dieser Arbeit haben sich allmählig noch andere von ähnlicher Tendenz zugesellt**), und die Gelehrten sind zur Zeit damit beschäftigt, aus den ihnen massenhaft zufliessenden Thatsachen generelle Gesetze abzuleiten. Hervorragend sind besonders Harlacher’s Messungen an der Donau und Elbe, vorgenommen im Auftrage des uns bereits aus der Meteorologie (S. 262) bekannten hydrographischen Landeskomite’s für Böhmen [218]. Harlacher thut mit Hülfe neuer hydrometrischer Vorrichtungen dar, dass selbst in Flüssen, deren Querprofil eine möglichst günstige (rechteckige) Form besitzt, die Ortskurven der Punkte gleicher Stromgeschwindig- keit oder Isotachen weder der Gestalt noch der Lage nach eine leicht herauszufindende Regelmässigkeit bekunden, und dass auch unter normalen Verhältnissen die Wasserfläche niemals genau eine horizon- tale Ebene ist. Eine tief eingehende analytische Studie über die Bewegung des Wassers in Flüssen, von der wir schon früher (S. 525) einige Proben anzuführen hatten, ist diejenige von Boussinesg, und da durch sie die schematischen Vorstellungen, welche man sich früher von der Bewegung der Wassertheilchen gemacht hat, vielfach modifieirt und berichtigt werden, so müssen wir bei ihr noch einen Augenblick ver- *) Diesen amerikanischen Ingenieuren zufolge wird, wenn d die Flusstiefe, u das arithmetische Mittel aus einer möglichst grossen Anzahl beobachteter Lokal- geschwindigkeiten, b den Ausdruck 1.69. Va + 1.05 vorstellt, das Quadrat der mittleren Stromgeschwindigkeit v — in englischen Fussen — durch die Gleichung v?= y108u + 0,02b — 0,045 Y b dargestellt. Diese Formel gestattet das oben erwähnte Abschätzen der Wasser- mengen eines Flusses; man multiplieirt nämlich mit v die Grösse F eines senk- recht zum Stromstrich gelegten Querschnittes, und dieses Produkt Fv ist gleich dem in der Sekunde jenen Querschnitt passirenden Wasserquantum. Sollte der Querschnitt kein blos ideeller, sondern ein wirklich vorhandener Durchpass sein, so wäre die Contractio venae zu berücksichtigen. Andere Formeln für die Ge- schwindigkeit des Flusswassers giebt Heinemann an [213]. **) Wir nennen Belgrand’s Untersuchungen über die Seine [214] und die von Lauterburg geleiteten Zusammenstellungen der hydrometrischen Beobach- tungen in der Schweiz. Den unteren Ganges hat Cunningham zum Schauplatz eines ausgedehnten hydrographischen Forschungs-Unternehmens gewählt [215], und Aehnliches leistete Gordon für den Irawaddi [216], dem er auf die gemessenen Wassermengen hin einen grösseren Quellenbezirk, als ihm nach der allgemeinen Meinung zukommt, zuschreiben zu sollen glaubte. Von Zöppritz erfahren wir [217], dass für die badischen Flüsse, ähnlich wie für die schweizerischen, eine fortlaufende Statistik von Honsell veröffentlicht werden wird. 600 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Bei; weilen [219]. Der treffliche Analytiker unterscheidet [220] grund- sätzlich zwischen „rivieres® und „torrents“, zunächst allerdings nur mit Rücksicht auf die mathematische Bestimmbarkeit der Wirbel („remous de gonflement et d’abaissement*). Die Wirbelbewegung („action turbillonaire*) wird als von drei verschiedenen Momenten abhängig erkannt [221]. Später nöthigen Boussinesq mathematische Erwägungen über die für die einzelnen Charaktere aufgestellten Grenz- werthe, noch eine Zwischenklasse einzuführen, und daraufhin modi- fieirt er die ursprünglich gegebenen Definitionen, wie folgt [222]: „La premiere categorie est la seule chez laquelle le liquide se releve tres-graduellement, c’est-A-dire sans ressaut, aux endroits ol une cause retardatrice, telle qu’un barrage, detruit le regime uniforme: c’est done la seule qui m£rite la denomination de riviere. La seconde et la troisieme comprennent, par suite, tous les cours d’eaux auxquels convient le nom de torrent; on peut les distinguer en appelant tor- rents de pente moderee ceux de la seconde categorie et torrents rapides ceux de la troisieme.* Bei diesen letzteren darf die mathe- matische Betrachtung ohne Fehler die Krümmung der Stromfäden vernachlässigen. Später giebt der Autor noch ein weiteres Unier- scheidungszeichen zwischen „tat tranquille* und „etat torrentueux* an [223]. Geophysikalisch interessant, namentlich für solche Auf- gaben, wie sie uns das Phänomen der Karstseen (s. o. $. 1) stellt, ist die Bestimmung der Geschwindigkeit, mit welcher ein zu den unter- irdischen Wasseransammlungen einer Gegend hinzukommender Zu- wachs sich daselbst ausbreitet [224]. Was aber eben diese Einzel- ergebnisse erst recht fruchtbar, resp. überhaupt erzielbar macht, das ist die neue Auffassung, welche Boussinesq in die Lehre von der Flüssigkeitsreibung hineingetragen hat [225]. Ueberall da, wo be- deutende (seschwindigkeiten und Unregelmässigkeiten der Querschnitte den molekularen Zusammenhang der einzelnen ‚Schichten aufheben, und abgerissene Flüssigkeitstheile eine besondere Wellen- und Wirbel- bewegung für sich ım Inneren der Flüssigkeit ausführen, ergeben sich Reibungswiderstände, weit stärker, als die durch die gewöhnliche mole- kulare Reibung veranlassten. Alle die zahlreichen Versuchsresultate, die Darcy und Bazin in ihrer mühsamen Experimentaluntersuchung über fliessende Gewässer ermittelten [226], sieht sich Boussinesgq in der Lage durch Rechnung verificiren zu können. — Die Gestalt der Wasserfäden zu beiden Seiten des Stromstriches hat Möller neuerdings als gegen diesen letzteren symmetrische Spiralkurven be- stimmt [227]. Diese Untersuchungen sind auch technisch von Be- deutsamkeit, namentlich weil bei der jetzt wieder sehr in den Vorder- grund tretenden Frage der Kanalbauten vorhergehende theoretische Veranschlagungen über die Fortbewegung in diesen Kanälen nicht umgangen werden können*). Damit verlassen wir die Flüsse im *) Die physikalischen Verhältnisse des projektirten Kanales von Darien schildert ein officieller Bericht des für denselben ernannten internationalen Aus- schusses [228]. Für die deutschen Schifffahrtskanäle der Zukunft kommen mehr wirthschaftspolitische Gesichtspunkte in Frage, über welche sich der Statistiker Meitzen mit gewohnter Meisterschaft verbreitet [229]. Ein grossartiges System von Bewässerungskanälen hat seit 200 Jahren viele unfruchtbare Distrikte der Provence in ihr Gegentheil verwandelt; eine Charakteristik dieses Kanalnetzes und der bei Anlegung desselben bestimmend gewesenen Grundsätze gab Keller [230]. IV, S.. 6. Spezielle Flussbettgestaltungen. 601 Allgemeinen*) und wenden uns noch einigen Besonderheiten im Fluss- laufe zu. $. 6. Spezielle Flussbettgestaltungen. Mit diesen lokalen morpho- logischen Verhältnissen des Flusslaufes und des Flussbettes hat sich besonders Peschel eifrigst beschäftigt. Seine und anderweite Unter- suchungen zusammenfassend, können wir fünf der Diskussion besonders würdige Punkte herausheben. a) Der Bau der Ströme in ihrem Mittellaufe. Peschel’s feiner Blick leitete ihn bei der Abfassung dieses Abschnittes seiner „Probleme“ [234] zu einer Erkenntniss, der er ungefähr den folgenden Wort- ausdruck verlieh: Jeder Seitenfluss sucht möglichst lange seine Vereinigung mit dem Hauptflusse hinauszuschieben und unter möglichst spitzem Winkel in diesen zumünden”*). Diess führt zu einer neuen Eintheilung der Ströme in Querströme, welche ihren Lauf von der Erhöhung ihres Ursprunges aus auf möglichst kurzem Wege nach der Küste richten, und in Längsströme, welche der Longitudinalaxe eines grossen kontinentalen Gebirgszuges parallel laufen. Die letztere Gattung zerfällt wieder in zwei Unterarten, je nachdem die Nebenflüsse dem Längsstrom nur von einer oder von beiden Seiten zugehen. b) Mäanderbildungen. Es ist von Peschel sehr treffend darauf hingewiesen worden, dass, sobald an irgend einer Stelle und aus irgend einer Ursache das Ufer von seiner geradlinigen Richtung ab- weicht, der Strom unausgesetzt daran arbeitet, den Krümmungshalbmesser der Biegung zu verkleinern, die Anzahl der Stromkniee zu vermehren und so den nach einem kleinasiatischen Flusse benannten Mäanderlauf herzustellen |236]. James Thomson hat diesen Vorgang einer ge- naueren theoretischen Untersuchung unterzogen [237], und Möller (s. 0.) konnte sich nur bestätigend über die Ergebnisse seines Vor- gängers äussern. Bei Flussbiegungen wird der Stromstrich nach dem *) Fast in allen Lehrbüchern der tellurischen Physik, sogar in Munke’s sonst so fleissigem Lexikon-Artikel „Strom“, ist ein Gegenstand mit völligem Still- schweigen übergangen, der doch wahrlich nicht ganz bedeutungslos ist, nämlich die Temperatur der Flüsse. Wir wissen auch nur eine einzige darauf be- zügliche Monographie zu nennen, diejenige von Hertzer [231]. Derselbe zieht aus langjährigen Beobachtungen diesen Schluss [232]: „Insoweit es sich um Zu- oder Abnahme der im Wasser enthaltenen Wärmemenge handelt, wird man die Berührung des Wassers mit der Luft, die Insolation und Wärmeemission, sowie die Berührung mit dem Boden als die wichtigsten Faktoren bezeichnen müssen, während sich als ein mehr formbestimmendes Element namentlich noch die Wärme- kapazität des Wassers hinzugesellt.* — Beobachtungen über Flusseis fehlen uns noch in bedauerlichem Maasse. Es wären solche nach den überaus umsichtig auf- gestellten Normen anzustellen, nach welchen v. Sass alle physikalisch wichtigen Beziehungen für das baltische Küsteneis zu erforschen versucht hat [233]. **) Genau denselben Gedanken hat (s. S. 522) Boussinesq ausgedrückt, als er sagte, der Thalweg sei die Asymptote aller von den Thalhängen kommender Wasserläufe. Was in der Theorie asymptotisches Nebenherlaufen, das ist eben in der Praxis stark verzögerte Vereinigung. — Eine Ausnahme erleidet dieses Gesetz allerdings durch die Zeitwirkung, denn nach Näher [235] „gilt als ein hydro- technischer Grundsatz: Wenn sich ein stark fallender, geschiebeführender Seiten- fluss mit einem ruhiger fliessenden Hauptstrome verbindet, so wird er an der Ausmündungsstelle immer mehr nach aufwärts gedrängt. R Beispiel: Das Delta des Neckar bei Mannheim. 602 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. konkaven Ufer gedrängt, weil die Centrifugalkraft ihn zu verlegen strebt, die Spiralbahnen auf dieser Seite (s. o. $. 5) degeneriren, bis die Wassertheilchen gar keine progressive Bewegung mehr zeigen, „und die ganze Wassermasse bewegt sich am konkaven Ufer in die Tiefe, am konvexen in die Höhe“. Auf der einen Seite wird sonach vermehrte Erosion, auf der anderen vermehrte Sedimentablagerung eingeleitet *). c) Die Bär’sche Theorie. Der auf zahlreichen Gebieten bewan- derte russische Akademiker K. E. v. Bär glaubte einer Ursache auf die Spur gekommen zu sein, durch welche die Veränderung der Strom- betten in ganz besonders hohem Grade beeinflusst werden sollte. Noch befangen in dem auf Seite 207 dieses Buches gekennzeichneten Irrthum des Hadley’schen Principes stellte er die folgende — von übereifrigen Bewunderern nicht glücklich als Bär’sches Gesetz promulgirte — These auf [239]: „Auf der nördlichen Halbkugel muss an Flüssen, die mehr oder weniger nach dem Meridian fliessen, das rechte Ufer das angegriffenere, steilere und höhere, das linke das überschwemmte und deshalb verflachte sein, und zwar in dem- selben Maasse, wie sie sich dem Meridian nähern.* Sowohl die russi- schen Flüsse [240] als auch der Missouri [241] schienen v. Bär treff- liche Bestätigungen seiner Regel zu liefern. Allein Zöppritz wies durch einfache Rechnung das Unzulässige von Bär’s Argumentation nach [242]. Es ist nach S. 222 des ersten Bandes einzuräumen, dass auf unserer Halbkugel die Erdumdrehung eine Erhöhung des Wasser- standes um h auf der rechten Seite der Flüsse — aber nicht etwa blos der annähernd meridional fliessenden — bewirkt. Sei (Fig. 113a) MN Fie. 113. ein Vertikaldurchschnitt längs der Queraxe des Flusses, MH die Horizontalprojektion von MN, A ein zwischen M und N befindliches Wassertheilchen. Auf dieses wirkt die von der Rotation herrührende Deviation p horizontal, die Fallbeschleunigung g vertikal, die Diagonale des Kräfteparallelogrammes ist AR, und der von AR mit g gebildete Winkelgeist=<{NMH. Man hat alsotangg=p:g, NH=h= *) Die erste Theorie der Entstehung von Flussbiegungen enthält ein Bruch- stück des Kant’schen Nachlasses „Von der Figur des Wasserbettes der Ströme“ [238]. Den Möller’schen Satz, dass der Stromstrich sich dem einspringenden Ufer nähern müsse, hat Kant mit klarem Blicke antieipirt, nicht minder die oben erwähnte Thatsache von dem Wechselspiele zwischen Ablagerung von Sinkstoffen und Erosion. Einfache geometrische Ueberlegungen über die Böschungsverhältnisse führen zu dieser richtigen Anschauung. IV, $S. 6. Spezielle Flussbettgestaltungen. 603 b.tang ©. Rechnet man nach den a. a.0. gegebenen Formeln und setzt MH wieder=b, die Polhöhe=ß, so wird b.tang » = 0,00002981. b.sinß. Für b = 1000m, 8 = 90°, also unter ausserordentlich gün- stigen Umständen, wäre h= 3cm, und eine solche Differenz ist aus den Beobachtungsfehlern nicht mehr herauszufinden. Aber, wendet man ein, das Flussbett selbst wird eine Aenderung seiner Lage erleiden. Wäre dasselbe eine Halbellipse, deren kleine Axe MN (Fig. 113,b) horizontal, deren grosse Halbaxe vertikal läge, so würde jene durch die Erdrotation im Sinne v. Bär’s um einen kleinen Winkel seitwärts gedreht werden und der vertikale Radius Vektor AO würde nicht mehr mit derselben zusammenfallen ; die äqui- distanten Tiefen BB, und CC, würden sich also nicht mehr als gleich erweisen. Selbst die besten Bathometer würden aber unzureichend sein, um auch auf dem glattesten Boden die Differenz zu konstatiren. Nun wirken aber, wie wir durch Harlacher (s. o.) wissen, so viele Umstände zusammen, um das Querprofil der freien Wasseroberfläche krummlinig und geneigt zu machen, dass sich schon in jenen der Tiefenunterschied verlieren müsste. „Die Länge der Zeit, während welcher diese abgelenkte Schwerkraft gewirkt hat, kann hiebei gar nicht in Frage kommen, denn ebensolange wirken diese Unregel- mässigkeiten“ *). d) Die Lateralverschiebung der Flussuferr. Wenn auch nicht durch die Axendrehung, so wird doch durch andere minder entfernt liegende tellurische Ursachen häufig eine Veränderung der Flussbette bewirkt, welche deren genauester Erforscher, der ungarische Hydro- techniker Stefanovic v.Vilovo ein seitliches Rücken nennt [246]. Bis jetzt ist diese Erscheinung vorwiegend an ungarischen Flüssen erkannt worden **). *) Der Verf. hat die gesammte ihm bekannte und zugängliche Literatur ‚über das Bär’sche Gesetz bereits bei einer früheren Veranlassung gesammelt und besprochen [243], so dass er sich näheren Eingehens auf die doch schon obsolet gewordene Sache hier überhoben halten darf. Es genüge zu erwähnen, dass Denzler, Schweinfurth, Peters, W. Schmidt und Benoni für, Buff, Dunker und Jarz gegen v. Bär sich erklärten. B. Hoffmann’s Dissertation [244] kann als eine sachliche Erörterung der strittigen Punkte in einem @er Bär’- schen Regel wenig günstigen Sinne gelten. Weitaus am gründlichsten hat es mit der Widerlegung derselben Dunker genommen, dessen eine Arbeit [245] besonders die mechanischen Gesichtspunkte hervorhebt; von seinen anderen Arbeiten wird im nächsten Kapitel anlässlich der Thalbildung die Rede sein. **) Als ersten Grund bezeichnet unsere Quelle die Ablagerungen von Sand und Gerölle an den Einmündungen der Nebenflüsse, wodurch der Hauptstrom gegen das der Mündungsstelle gegenüberliegende Ufer hingedrängt wird und dieses stärker angreift. Als zweiter Grund gilt ein für gewisse Zeiten regelmässig wehender Wind, die Koschava (S. 270), deren Bewegungsrichtung die mehr meri- dional fliessenden ungarischen Flüsse unter Winkeln zwischen 45° und 90° trifft. Durch ihre Dauerwirkung entstehen Stromserpentinen, deren Hauptaxen senkrecht auf der Stromrichtung stehen; diese Serpentinen werden momentan zwar wieder durch einen starken Andrang des Hochwassers zu Gunsten des geradlinigen Stromlaufes beseitigt, allein sofort bilden sich neue Kniee, und zudem verschütten die von der Koschava herzugeschleppten Sandmengen das Flussufer an der Wind- seite. Der Flugsand lagert sich bei’'m Niederfallen in parallelen Riegeln, Semla’s, welche zwischen sich gar kein Wasser dulden, und so muss das Flussbett immer mehr nachgeben. Die Donau wird von der Koschava nach Südwesten verschoben. während rechts Sandbänke sich aufschütten, die theils in Altwasser, theils in waldige Inseln verwandelt werden. 604 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. e) Das zeitweilige Verschwinden der Flüsse. Dass Flüsse in Höhlen verschwinden und erst weit davon entfernt wieder an das Tageslicht hervortreten, war bereits im Alterthum bekannt*.. Der Mole in England und der Guadiana in Spanien haben einen auf kurze Strecken verdeckten Lauf [250]. Ganz besonders häufig und typisch aber ist diese Erscheinung im zerrissenen Karstlande. Die „Poik* z. B. ver- schwindet nach Frischauf's ortskundiger Schilderung [251] in der Poikhöhle bei Adelsberg, kommt bei Planina wieder aus einem See hervor an die Oberwelt, durchfliesst als „Unz“ das Planina-Thal, ver- birgt sich abermals unter dem Erdboden und strömt endlich bei Ober- laibach unter dem Namen „Laibach“ als mächtige „Doue* (S. 580) wieder hervor. Dieser Fall ist jedoch in jener Gegend alles eher als ein vereinzelter; am bekanntesten ist das Verhältniss zwischen „Reka“ und „Timavo®. An den nördlichen Abhängen des Deli Orman, so erzählt v. Kanitz [252], entspringen zahlreiche Flüsse und Bäche, die sich zweifellos dereinst in die Donau ergossen, heutzutage aber srossentheils schon auf halbem Wege in dem mit Löss bedeckten Kalk- boden verschwinden. Möglicherweise ist diess nur ein Uebergangs- zustand, aus welchem mit der Zeit Verhältnisse, wie sie heute in den Karstterritorien beobachtet werden, sich entwickeln. S. 7. Physikalische und geographische Vorbedingungen der Ueber- schwemmungen. Das regelmässig sich wiederholende Austreten des Nils mit seinen segensreichen Wirkungen für das Aegypterland reizte den Scharfsinn des Alterthums mehr, wie irgend ein anderes Problem der physischen Erdkunde. Durch Adolf Bauer’s geschichtliche Studie |253] haben wir einen Einblick in dieses Labyrinth von Hypo- thesen bekommen. Herodot handelt von den Doktrinen des Thales, des Hekataeus, welche nachmals ein gewisser Euthymenes wieder aufnahm, und des Anaxagoras, die nach dem Zeugnisse der Tragiker in Attika Anklang fand. Die Meinungen des Demokrit und Oino- pides hat uns Diodor überliefert, der in Gemeinschaft mit Aelius Aristides den Erklärungsversuch des Herodot, eine Art Anticipation der Schmick’schen Hypothese [254], bestritt. Dem Eudoxos war di> Nilüberschwemmung nur eine Konsequenz der Gestalt der y7) otnoup.eyn. Eratosthenes, der schon eine dunkle Kenntniss von dem Vorhanden- sein wasserreicher Zuflüsse aus Abessynien besass [255], und Aga- tharchidas brachten die Streitfrage zu einem vorläufigen, natur- gemässen Abschlusse, und Pomponius Mela, Plinius, Seneca, *) Plinius [247] liess den arkadischen Alpheus versinken, unter dem Meere hindurchgehen und in Sicilien wieder als Quelle Arethusa emporsprudeln. „Von Flüssen,“ sagt Berger bei Erwähnung des dem Tigris von Eratosthenes und Ammianus Marcellinus zugeschriebenen unterirdischen Laufes [248], „deren Bett streckenweise verborgen ist, von unterseeischen und unterirdischen Wasserver- bindungen überhaupt ist in der alten Literatur von je her häufig die Rede.“ Der turkestanische Heri-Rud verliert sich als ächter Steppenfluss in Sümpfen; Lessar bemerkt nach Rawlinson, dass auch Ptolemäus von diesem Sachverhalte schon richtig gedacht habe, wogegen der Fabulist Ammian frischweg einen unterirdi- schen Kanal zwischen. dem Flussende und dem kaspischen Meere in Scene setzte [249]. Die heillose Verwirrung, welche arabische Kartenzeichner in den afrikanischen Stromsvstemen anrichteten, kommt theils auf die Rechnung der Annahme sonder- barer Bifurkationen, theils auf die der fest eingewurzelten Ueberzeugung von einem geheimen Zusammenhange zwischen Niger und Nil. IV,$.7. Physik. und geogr. Vorbedingungen der Ueberschwemmungen. 605 Lucanus folgten ihren Darlegungen, die zweifellos unangetastet ge- blieben wären, wenn nicht der Maure Juba wieder eine neue Theorie aufgestellt hätte. Isaak Vossius machte dem Hypothesenspiele in seiner schon mehrfach von uns eitirten Monographie ein Ende, indem er die „ratio canonica pluviarum in Zona torrida“ ganz treffend be- sründete [256] und, wenigstens für den blauen Fluss, die Lage der Nilquellen näher bestimmte [257]. Die wissenschaftliche Theorie der Ueberschwemmungen als solcher | ist ein Kind der Gegenwart; erst vor zwei Jahren erschien v. Son- klar’s diesen Gegenstand selbstständig und allseitig behandelnde Schrift darüber [258]. Wenn wir die seismischen Fluthen als im vierten Kapitel der dritten Abtheilung und die Meeresfluthen als im vierten Kapitel der sechsten Abtheilung besprochen hier ausschliessen, so ver- bleiben uns blos die Ueberschwemmungen der Seen und die- jenigen der Flüsse. Erstere haben nach v. Sonklar [259] eine vierfache Ursache, indem entweder der Zufluss zu stark anwächst, als dass das Seebecken ihn aufnehmen könnte, oder indem der Abfluss nicht gehörige Wasserquantitäten entführt, oder indem durch Stauung und Abdämmung ein See sich neu bildet oder endlich indem der Windstau die Wogen über das Gestade treibt. Bei den Flüssen sind drei primäre Ursachen vorhanden [260]: es kann durch Regen und schmelzenden Schnee das gewöhnliche Bett überfüllt werden, es können Gletscherseen und Abdämmungsseen anderer Art durchbrechen (Ueber- schwemmungen des Oetzthales), es können endlich auch hier Störungen im Abflusse eintreten, „unter denen das Stocken des Eisganges, die Verlegung des Flussbettes durch Bergstürze und Muhrbrüche*) oder (bei tropischen Flüssen) durch Pflanzenbarren **) die wichtigsten sind“. Ektropische Flüsse und tropische Flüsse sind insoferne Gegen- sätze, als bei letzteren die Jahresüberschwemmungen etwas Natür- liches, Periodisches sind, während sie bei ersteren einen anomalen Charakter, den der Katastrophe, tragen und eben so schädlich wirken, wie im anderen Falle — vgl. den Nil — segensreich. Ueberblickt man die verschiedenen Momente, welche nach v. Son- klar einzeln oder kombinirt eine Ueberschwemmung bewirken können, so sieht man, dass Eine gemeinsame Ursache doch fast immer vor- handen ist: eine hohe Niederschlagsmenge. Mag man eine solche nun kosmisch ***) oder tellurisch erklären — wir selbst würden uns für *) Mit Rücksicht auf die Eröffnungen von P. Lehmann (s. o. $. 4) ist hier zweierlei auseinanderzuhalten: Ein niedergegangener Muhrgang wirkt selbst frei- lich als Stauvorrichtung und erzeugt so neue Ueberschwemmungen, allein er selbst ist doch auch wieder das Produkt einer Ueberschwemmung, die durch einen zu starken Zufluss von Regenwasser bewirkt ist. **) Hierüber belehrt uns des Näheren Emin Bey [261]. Früher waren in den ostafrikanischen Flüssen weite Flächen üppig mit Schilf, Papyrusstauden und anderen Wassergewächsen bestanden. Diese Vegetation wurde grossentheils vom Flusse fortgerissen und staute sich an engen Stellen des Flussbettes auf, halbfeste, zum Theil auf ihrer Oberfläche gangbare Massen bildend, die auf eine Länge bis zu 1200m das Wasser verdecken und die Schifffahrt hemmen. Bekannt ist der traurige Ausgang, welchen vor etlichen Jahren eine ägyptische Bootexpedition nach dem Sennaar durch solche Pflanzenbarren genommen hat. ***) Falb hat eine Schrift [262] erscheinen lassen, worin er mit gewohnter Energie, jedoch leider nicht immer mit der seine früheren Publikationen aus- zeichnenden Exaktheit für die Abhängigkeit der grossen Ueberschwemmungen von MEER Sa a Er ER SE Kut En EB TERM Be RN ir Ar 2 SE, END new De N : & © ei 6006 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. N das Zweite entscheiden —, jedenfalls muss man die Thatsache selbst festhalten und darf nicht, wenn einmal eine Inundation über ein ge- wisses Gebiet grosses Unheil gebracht hat, nach allen möglichen und theilweise recht ferne liegenden Ursachen herumsuchen. Meisterhaft klar und bestimmt wird dieser Gesichtspunkt in der Denkschrift fest- gehalten, welche Honsell unlängst den Ueberschwemmungen der Rhein- ufer im Spätjahre 1832 gewidmet hat [265]. Weder hydrotechnische Versehen in der Uferregulirung, noch auch Entwaldungen in irgend einem Theile des rheinischen Quellenbeckens, noch endlich Aende- rungen in den Wassermengen der Flüsse (S. 605) vermögen es zu erklären, dass damals das Hochwasser so rasch und plötzlich kam, wohl aber zeigt die Vergleichung der Rheinpegelstände mit den ombro- metrischen Aufzeichnungen der Schwarzwald-Station Höchenschwand*), ‚dass das Anwachsen des Stromes mit dem Anwachsen der Nieder- schlagsmengen genau gleichen Schritt gehalten hat. Dass natürlich nicht ganz allein der Regenfall für die Wassermenge der Ströme ent- scheidend ist, soll nicht bezweifelt werden, was für Faktoren’ dabei ihre Rolle spielen können, mag aus einer lehrreichen Arbeit von Pralle [266] ersehen werden. Keine menschliche Voraussicht kann einem Ereignisse begegnen, welches im eigentlichsten Sinne eine Funktion atmosphärischer Ver- änderungen ist. Wohl aber kann Technik und Wissenschaft zweierlei thun: es ist bis zu einem gewissen Grade möglich, durch Kor- rektions-Arbeiten die Gefahr der einzelnen Ueberschwem- mung abzuschwächen, und es ist in sehr hohem Grade mög- lich, durch ein wohlgeordnetes Warn-System, analog den Sturmprognosen (8. 300), die bedrohten Gegenden zur An- wendung geeigneter Vorsichtsmaassregeln zu befähigen**). den Konstellationen der beiden unsere Erde am stärksten attraktiv beeinflussenden Himmelskörper plaidirt. — Auf einen ganz anderen Standpunkt stellt sich Reis [263]. Dieser Physiker hat mit anerkennenswerther Sorgfalt ein reiches statisti- sches Material, theilweise aus den Annalen des Mittelalters, zusammengebracht, und indem er die auf diese Daten begründeten Inundationskurven mit denjenigen der Sonnenflecke, der Polarlichter und der erdmagnetischen Elemente verglich, welch’ letztere ja zweifellos etwas Gemeinsames in ihrem Gange haben ($. 33, 8. 57), fühlte er sich zur Formulirung des an die Spitze seiner ganzen Untersuchung ge- stellten Satzes berechtigt: „Die höchsten und häufigsten Ueberschwemmungen des Rheingebietes finden um dieselben Zeiten statt, wie die Hauptmaxima erster Klasse der Sonnenflecke, der Nordlichter und der Erscheinungen des Erdmagnetismus, kehren also in Perioden von 110 bis 112 Jahren wieder.“ Solche statistische Vergleiche haben stets etwas Missliches, und es erscheint gewagt, wenn Reis, fast blos auf Rheinbeobachtungen sich stützend und seiner eigenen Aussage nach ausser Stande, das Hochwasser von 1480 seinem Systeme anzupassen, trotzdem eine astronomische Vorherbestimmung der Inundationen für möglich erklärt [264]. *) Honsell’s Kurvenbilder stellen ohne weitere Kontrole den ungemeinkräftig ausgesprochenen Parallelismus beider Erscheinungen vor das Auge. **) Unter gewissen Umständen sind Kanalbauten angezeigt. Stefanovie v. Vilovo, dem wir oben schon begegnet sind, setzt in seinem Werke über Strom- korrektion [267] auseinander, dass das Ausgraben neuer Bette für Ungarn’s Flüsse, wie es Lanfranconi vorschlug, keinen rechten Nutzen schaffen könne, denn die Flussverlegung beruhe auf unveränderlichen Naturgesetzen (s. o. $. 6), und diese würden sich an den neu geschaffenen Rinnsalen bethätigen, wie an den alten. Der Stadt Szegedin z. B. sei endgültig nur mit einem Entwässerungsgraben zu helfen, der parallel der Theiss anzulegen wäre. Für Ungarn’s „Strompathologie“, mit Peschel zu reden, sind übrigens auch Toula’s sachkundige Artikel in der r ; 2 = L u. Der Citate. 607 [1] Gehler’s Physikalisches Wörterbuch, 2. Aufl., 8. Band, Leipzig 1836. S. 713 fi. — [2] Geleich, Grundzüge der physischen Geographie des Meeres, Wien 1881. S. 17 fi. — [3] Fritz, Die Veränderlichkeit der Wassermengen der Gewässer des Festlandes, Petermann’s geogr. Mittheil., 1880. S. 245 ff. — [4] Wojeikoff, Schwankungen des Wasserspiegels der grossen amerikanischen Seen und des Ladoga-See’s, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 16. Band. $. 287 ff. — [5] Die For- „Wiener Abendpost“ (Juni 1879) zu vergleichen. — Für jene Schutzarbeiten, die es nicht in erster Linie mit der Wiederbewaldung zu thun haben, sind literarische Handweiser jetzt in respektabler Anzahl und Inhaltlichkeit vorhanden. Zu nennen wären besonders die Denkschriften von Classen [268] und vom Verein deutscher Architekten und Ingenieure [269], ein Vortrag von Schlichting [270] und eine Abhandlung von Wollny [271], aus welch’ letzterer wir vornämlich geschöpft haben. Man wird hiernach künftig bei der Entwässerung von Mooren und Sümpfen, durch welche doch immer eine Menge Feuchtigkeit gebunden wird, mit etwas grösserer Vorsicht zu verfahren haben, man wird die Grasdecke der Thalhänge sorgfältig schonen müssen, man wird zur Aufspeicherung des Wassers und Zurück- haltung der Geschiebemassen Reservoirs und Thalsperren, horizontale Sicker- und Fanggräben, wie sie Haag mit grossem Erfolge in der Rheinpfalz einge- führt hat, Terrassirungen zur Mässigung der Abflussgeschwindigkeit des Wassers, Schutzdämme, Schlickzäune u. dergl. anbringen. Bei den Thalsperren ist allerdings die von dem ungeheuren hydrostatischen Seitendruck herrührende Ge- fahr wohl zu beachten, denn wenn auch das schöne Wasserbecken von Verviers mit einem Inhalte von 12300000 cbm sich bisher vortrefflich bewährt hat, so. wurden doch andererseits durch das Platzen des Sheffielder Behälters und neuer- dings durch den Durchbruch einer Thalsperre in Algerien entsetzliche Verwüstungen angerichtet. Im Flachlande bewähren sich besonders die von Classen im Quellen- gebiete der Rezat und Altmühl erprobten Sammelweiher, für den Mittel- und Unterlauf der Ströme sind Eindeichungen am Platze. Im Hochgebirge leistet schon eine Vermachung der Sammelkanäle von Wildbächen durch Faschinenbau guten Nutzen; „besonders an perennirenden Bächen, welche viel feinen, thonigen und kal- kigen Detritus führen, empfiehlt sich der Bau dieser Sperren, die dann bald ver- schlicken und lange widerstehen“ [272]. Es ist, wie Lehmann darthut [273], auch mit unvollkommenen Mitteln gar nicht so schwer, Sperren gegen Muhrbruch her- zustellen und zu sichern, !es muss aber dabei immer grosse Vorsicht angewandt werden, denn nach A. Heim ist eine schlechte Sperre gefährlicher, als gar keine [274]. Alles in Allem gilt Wollny’s Schlusswort [275]: „Auf dem wohlbemessenen Ausgleiche des zeitlich und örtlich auftretenden Mangels und Ueberflusses von Wasser beruht die regelmässige Wasserwirthschaft.“ — Den Einfluss der Entholzung hat man, wie schon Pfeil [S. 247] andeutete, wie aber Schlichting (a. a. 0.) und Honsell neu betonen, oft allzusehr überschätzt, denn in gewissem Sinne begünstigt ja der Wald den Regenfall. Immerhin muss auf rationelle An- pflanzung der Hänge eifrig Bedacht genommen werden, wie Demontzoy [276], Wondrak [277] und v. Raesfeldt [278] im Einzelnen ausführen — Wondrak auch mit Verwahrung gegen den Wald-Sanguinismus. Nicht minder vorsichtig sind G. A. Koch’s Thesen darüber, „welche Momente in der Bekämpfung der Wild- bäche und Hochwasserbildung zu berücksichtigen wären,“ abgefasst [279]. — Die Vorausberechnung der Hochwasserstände stammt aus Frankreich, wo Laval und Belgrand (s. 0.) vorangingen; Maas hat für die Elbe ein analoges Verfahren angewendet [280], und Sonne erörtert in einer für die hier in Rede stehenden Fragen höchst instruktiven Arbeit [281], wie mit der Zeit aus dem Verlaufe der Kurven gleicher Wassermengen das Eintreffen der Hochfluthwelle wird voraus- bestimmt werden können. Nach Sonne hat der Hochwasser-Warnungsdienst, wie ihn hoffentlich das von Vielen angestrebte hydrographische Institut des Deutschen Reiches dereinst einrichten wird, viererlei Pflichten zu erfüllen [282]:: „Die An- wendung und Vervollkommnung der Technik der Hochwasser- Prognosen, die AusbildungdesHochwasser-Nachrichtendienstes, die Pflege der hydrometrischen Beobachtungen, dieErrichtung hydrometrischer Haupt- und Centralstationen.“ Hirth macht die Mittheilung [283], dass die klugen Chinesen am Tai-hu-See ein ganz eigenthüm- liches System von Pegelaufzeichnungen eingerichtet haben, durch welches ein Aus- treten des See’s vorher erkannt und zugleich der Nachtheil der Ueberschwemmung für die Felder der Adjacenten ziffermässig fixirt werden soll. 608 Citate. schungsreisen Miklucho Maklay’s, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 10. Band. S. 107. — [6] R. Wolf, Biographieen zur Kulturgeschichte der Schweiz, 4. Cyklus, Zürich 1862. $. 258. — [7] Ibid. 2. Cyklus, Zürich 1859. $. 192. — [8] C. Lang, Ueber eine einfache Art, Thermometer zum Beobachten von Temperaturen in Brunnen, Flüssen und Seen zu montiren, Zeitschr. d. öst. Ges. f. Met., 18. Band. S. 365 fl. — [9] Gehler’s Phys. Wörterb., 8. Band. $. 741 ff. — [10] F. Pfaff, Notizen über Temperatur und Tiefe des Achensee’s, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 6. Band. S. 206. — [11] Zöppritz, Der gegenwärtige Standpunkt der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrbuch, 8. Band, Gotha 1881. $S. 65; Die Fortschritte der Geo- physik, ibid. 9. Band, Gotha 1883. $. 33 ff.; ibid. 10. Band, Gotha 1885. $. 43 ff. — [12] Geistbeck, Die Temperatur- und Eisverhältnisse der bayrischen Seen, Aus- land, 1882. S. 963 ff. S. 1006 ff. — [13] Forel, Temperatures lacustres, recherches sur la temperature du lac Leman et d’autres lacs d’eau douce,. Arch. des soc. phys. et nat., (3) Vol. IV. S. 89 ff. — [14] Geistbeck, Die Temp. ete., $. 1007. — [15] Simony, Ueber die Temperatur und Tiefe des Königssee’s, Wien 1876; Tourist, 1882, Nr. 5 u. 6. — [16] Marinelli, La terra, Milano - Napoli- Roma -Firenze 1884. S. 451. — [17] Gehler, 8. Band, $. 724 ff. — [18] v. Steinberg, Gründliche Nach- richt von dem im inneren Krain liegenden Czirknitzer See, Graz 1761. — [19] Gruber, Briefe hydrographischen und physikalischen Inhalts, Wien 1781. — [20] J. Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. S. 242. — [21] P. W. Forchhammer. Der Kopais-See und seine Abzugskanäle, N. Jahrb. f. Min.. Geogn.. Geol. u. Paläont.., 1837. S. 212 ff. — [22] Die Trocken- legung des Kopais-See’s, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 5. Jahrgang. $. 339 ft. — [23] Graf Sczechenyi, Funde aus der Steinzeit im Neusiedler-See, Budapest 1876. — [24] Kircher, Mundus subterraneus, tomus I., Amstelodami 1664. $. 83 ff. — [25] Gehler, 8. Band. S. 731 ff. — [26] A. Boue, Ueber die unterirdischen Wasser- läufe und Behälter und die Reinheit sowie Durchsichtigkeit gewisser Seen, dann über die wahrscheinliche Bildung von Seen überhaupt. Wien 1878. — [27] Strecker, Ueber die wahrscheinliche ältere Form des Wan-See’s, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 4. Band. $S. 549 ff. — [28] Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde, Leipzig 1878. S. 165 ff. — [29] Ibid. $. 175. — [30] Ueber die Ent- stehung des Baikal-See’s, Naturforscher, 18. Jahrgang. S. 45. — [31] Peschel, N. Probl., S. 179. — [32] v. Sonklar, Allgemeine Orographie, Wien 1873. S. 164 ff. — [33] Vgl. [26]. — [34] R. Credner, Die geographische Vertheilung der Alpenseen, Verhandl. d. II. d. Geographent., Berlin 1882. S. 84 ff. — [35] Ibid. $S. 90 ff. — 136] Davis, On the classification of the bassins, Proceed. of the Boston society of natural history, Vol. XXI. S. 315 ff. — [37] Beer, Die Eisseen im Alpengebiete, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 2. Jahrgang. S. 470 fi. — [38] Lüddecke, Ueber Moränenseen, Halle 1831. — [39] E. Richter, Recension hiezu, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 7. Band. $. 165. — [40] Penck, Die Vergletscherung der deutschen Alpen, Leipzig 1882. S. 346. — [41] Ibid. S. 362. — [42] Penck, Der Alpsee bei Immenstadt, Der Tourist, 1883. — [43] Penck, Die Vergletscherung ete., $. 366 ff. — [44] Taramelli, Dell’ esistenza dei lagi nel versante meridionale delle Alpe, in relazione coi baccini lacustri e dell’ origine dei terrezze alluvionali. Venezia 1871. — [45] Stoppani, Geologia stratigrafica, Milano 1873. S. 632. — [46] E. Krause, Die Paliken, Gaea, 5. Jahrgang. $. 198 ff. — [47] Löwl, Ein Profil durch den Westflügel der hohen Tauern, Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1881. S. 449. — [48] Modeen, Zur Hydrographie Finnland’s, Zeitschr. {. wissensch. Geogr., 2. Jahrgang. S. 38 fi. — [49] Gehler, 8. Band. S. 1233 ff. — [50] Guthe-Wagner, Lehrbuch der Geographie, 1. Theil, Hannover 1882. S. 473. — [51] H. J. Klein, An den Nordpol, Kreuznach 1870. S. 19. — [52] Drude, Bericht über die Fort- schritte der Geographie der Pflanzen (1882, 1883), Wagner’s geogr. Jahrb., 10. Band, 8. 159. — [53] Ibid. S. 167. — [54] Kiepert, Ueber die Resultate von Livingstone’s letzten Reisen, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin. 2. Band. $. 65. — [55] Ma- rinelli, La terra, S. 460. — [56] Hunäus, Kurze Darstellung der orographischen, hydrographischen und geognostischen Verhältnisse von Hannover, Hannover 1864. — [57] Grisebach, Ueber die Bildung des Torfes in den Emsmooren, Göttingen 1845. — [58] Salfeld, Die nordwestdeutschen und niederländischen Moore, Aus- land, 1882. S. 467 ff. $. 483 ff. — [59] Virchow, Das Kehdinger Moor, (Thiel’s) Landwirthsch. Jahrbücher, 1883. $. 83 ff. — [60] Jentzsch, Ueber die Moore der Provinz Preussen, Schriften d. phys.-ökon. Ges. für Königsberg, 19. Jahrgang. 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Fragm. etc., S.305. — [256] Vossius, De Nili ete., S. 32 ff. — [257] Ibid. S. 59 ff. — [258] v. Sonklar, Von den Ueber- schwemmungen, enthaltend allgemeine Beschreibung, Chronik der Ueberschwem- mungen und Mittel der Abwehr, Wien-Pest-Leipzig 1883. — [259] Ibid. $. 26. — [260] Ibid. S. 39. — [261] Emin Bey, Die Strombarren des Bahr el Djebel, Peter- mann’s geogr. Mittheil., 1879. S. 273 ff. — [262] Falb, Wetterbriefe; meteorolo- gische Betrachtungen mit besonderer Bezugnahme auf die periodischen Ueber- schwemmungen im Jahre 1832, Wien-Pest-Leipzig 1883. — [263] Reis, Die perio- dische Wiederkehr von Wassersnoth und Wassermangel im Zusammenhang mit den Sonnenflecken, den Nordlichtern und dem Erdmagnetismus, Leipzig 1883. — [264] Reis, Die 110jährige Periode der Hochwasser und des allgemeinen Witte- rungscharakters, Humboldt, 3. Jahrgang. $. 174. — [265] Honsell, Die Hochwasser- Katastrophen am Rhein im November und December 1882, Berlin 1883. — [266] Pralle, Beitrag zur Bestimmung des durch die Flüsse abgeführten Theiles der Niederschlagsmengen „ Zeitschr. d. Arch.- u. Ing.-Ver. zu Hannover, 1877. S. 77 fi. — [267] St. v. Vilovo, Ungarn’s Stromregulirungen, Wien 1883. — [268] Classen, Denkschrift betreffend die Ursachen und Folgen der jähen Ueber- schwemmungen und die Mittel zu deren Beseitigung, Ansbach 1876. — [269] Frauen- holz-Garbe, Denkschrift betreffend die bessere Ausnützung des Wassers und die Verhütung der Wasserschäden, München 1883. — [270] Schlichting, Ueber die Mittel, den Ueberschwemmungen unserer Flussläufe vorzubeugen, Vortrag geh. im Verein f. Fluss- und Kanalschifffahrt am 25. April 1883. — [271] Wollny, Die Hochwasserschäden und deren Verhütung in Rücksicht auf die Bodenkultur, Zeit- schrift d. landwirthsch. Vereins in Bayern, 73. Jahrgang. $. 554 ff. — [272] P. Leh- mann. Die Wildbäche ete.., S. 95. — [273] Ibid. S. 98 ff. — [274] A. Heim, Ueber Korrektion von Gebirgswässern, Jahrb. d. schweiz. Alpenklubs. 6. Band. S. 329 ff. — [275] Wollny, Die Hochwasserschäden ete., S. 561. — [276] Demontzoy, Studien über die Arbeiten zur Wiederbewaldung und Berasung der Gebirge, deutsch von v. Seckendorf, Wien 1881. — [277] Wondrak, Bewaldung und Hochwasser, Jahrb. d. d. u. öst. Alpenver., 14. Band. S. 70 ff. — [278] v. Raesfeldt. Die Wildbach- verbauung und Aufforstung in den deutschen Alpen, ibid. i4. Band. $. 431 fi. — [279] G. A. Koch, Die Ursachen der Hochwasser-Katastrophe in den Südalpen, ibid. 14. Band. $. 166 ff. — [280] Maas, Ueber die Vorausberechnung des Wasser- standes der Ströme, insbesondere des Wasserstandes der Elbe bei Barby, Zeitschr. f. Bauwesen, 1881. $. 25 ff. — [281] Sonne, Ueber Hochwasser-Vorausberech- nungen (Hochwasser-Prognosen), Berlin 1884. — [282] Ibid. S. 20. — [283 Hirth, Reise nach dem grossen See bei Su-chou, (Bremer) Geogr. Blätter, 7. Band. $. 280 ff. V.$. 1. Definition des Wortes Morphologie. 613 Kapitel V. Allgemeine Morphologie der Erdoberfläche. $. 1. Definition des Wortes Morphologie. Schon mehrfach haben wir uns dahin ausgesprochen, dass zwischen Morphographie und Mor- phologie ein scharfer Unterschied zu machen sei. Erstere Disciplin trägt einen deskriptiven, einen naturgeschichtlichen Charakter, letztere gehört zu den exakten Wissenschaften oder strebt doch wenigstens emergisch dahin, sich der Aufnahme unter jene würdig zu erweisen*). Unsere Begriffsbestimmung wird sofort einleuchtend, wenn wir als das in diesem Kapitel zu erreichende Ziel festsetzen: Genetische Erklärung der gegenwärtigen Oberflächenbeschaffenheit unseres Erdkörpers. Das von G. K. Gilbert in seiner auf Ver- anlassung der geologischen Aufnahme des Unionsgebietes bearbeiteten „Geology of the Henry Mountains“ gebrauchte treffende Wort Land- skulptur *#) besitzt einen ganz analogen Sinn. Alle die Einzelgesetze, deren Entwickelung uns bisher beschäf- tigte, kommen für die morphologische Forschung in ernste Frage. Selbstverständlich mussten schon früher einzelne hierher gehörige Fragen berührt werden; die zerstörende Wirkung der Winde, die Erosions- und Abrasions-Arbeit der Meereswoge, die bei der Bildung und Verlegung von Seebecken und Wassergerinnen thätigen Kräfte haben bereits ihre Erörterung gefunden. Was uns an dieser Stelle noch besonders obliegt, das ist die Theorie der Gebirgs- und Thalbildung, der Entstehung von Tiefländern und Steppen, soweit hiebei weder vulkanische, seismische und marine, noch auch die — unsicheren — glacialen Wirkungen, sondern ausschliesslich tektonische und erosive Agentien in Betracht kommen. Die all- gemeine Morphologie ist nicht allein ein hervorragend wichtiger Theil der Erdphysik, sondern auch eine unentbehrliche und noch zu wenig gewürdigte Huleswiesenschaft für den Historiker, der erst mit ihrer Unterstützung nicht selten Klarheit in die anscheinend widerspruchs- vollen Berichte alter Quellen zu bringen vermag ***), ”) Das zweite Kapitel "dieser achten Abtheilung kennzeichnet in seinem Verhältnisse zum fünften ziemlich genau den Gegensatz zwischen Morphographie und Morphologie. **) Der Ausdruck ist, in etwas allgemeinerer Beziehung, soweit wir sehen, zuerst von Geikie gebraucht worden [1]. ***) Ganz klar fasste dieses Verhältniss schon Strabon auf. Ein ganz in Strabon’s Geist gearbeitetes Literaturerzeugniss unserer Zeit sind Th. Fischer’s „Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerländer“, aus denen wir häufig zu schöpfen veranlasst waren. Ferner nennen wir eine sehr werthvolle Programm- abhandlung von Wimmer [2]; ein gelungener Versuch liegt hier vor, die grossen Züge der Aehnlichkeit im Aussehen der klassischen Oertlichkeiten sonst und jetzt aus einer Fülle von Verhüllungen herauszuheben. Natürlich kann ein solcher Versuch niemals mit apodiktischer Sicherheit unternommen werden; wenn z. B. Wimmer die heute so gänzlich veränderte Gestalt des Thermopylenpasses auf Dünen- und Deltabildung zurückführt, so muss er sich jetzt durch Schliemann belehren lassen, dass die Ablagerungen der für den Namen der Gegend bestim- mend gewesenen Thermalquellen am meisten formverändernd gewirkt haben [3]. In der Ebene von Olympia ward archäologische Forschung von morphologischer kräftig unterstützt [4]. 614 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. $.2. Die Frage nach der Konstanz der Weltmeere und Kontinente. Im Centrum des Interesses steht begreiflicherweise die Frage, ob das Wechselverhältniss von Festland und Meer, wenn auch selbstverständlich nicht in den Einzelheiten, so doch in grossen Zügen, früher dasselbe gewesen sei, wie jetzt. Lyell, der abgesagte Feind aller gewaltigen Umwälzungen (vgl. S. 502), huldigte gleichwohl der Ueberzeugung, dass ein und derselbe Kontinent zwar sehr lange, nicht aber dauernd seine Gestalt beibehalte, sondern diese in langsamen und ungeheure Zeiträume in Anspruch nehmenden Uebergängen wechsele [5]. Ch. Dar- win dagegen spricht sich für eine annähernde Konstanz aus; die heu- tigen Oceane seien weder in paläozoischer noch in mesozoischer Zeit durch Festland, resp. durch sehr ausgedehnte Inselgruppen erfüllt gewesen [6l. Die Alignements- Geologie Elie de Beaumont’s in Verbindung mit den Bestrebungen Dana’s, die grossen Richtlinien des Erdkörpers nachzuweisen, regten zu mehrfachen Versuchen einer aprioristischen Bestimmung der Gestalt der Kontinente an*). In neuester Zeit hat Wallace im achtzehnten Kapitel seines uns bekannten Insel- Werkes [11] mit grosser Entschiedenheit die Unveränderlichkeit der Kontinentalmassen als solcher betont, und H. Jordan hat [12], wesent- lich nach ihm, den momentanen Stand der Frage übersichtlich dar- gestellt. In der That hat der mit Glück geführte Nachweis (S. 486), dass es niemals einen Kontinent „Lemuria® gegeben habe, die Stellung der Anhänger von Wallace sehr gekräftigt; Fisher, Gardner, Wyville Thomson gehören zu diesen, und wenn auch eingeräumt wird, dass die Kontinente früher einmal theilweise von Wasser bedeckt sein mochten, so sollen die Tiefen des Meeres dort doch immer einen sehr bedeutenden Gegensatz gegen die Tiefen des umgebenden — eigentlichen — Oceanes aufgewiesen haben [13]. Dagegen wird von Mel- lard Reade u. A. geltend gemacht, dass die grossartige Bedeckung der Erdoberfläche mit Meeressedimenten mit der Darwin-Wallace- schen Ansicht sich nicht vertrage. Wie schon bemerkt, herrscht je- doch darüber nicht der mindeste Zweifel in beiden Lagern, dass par- *) Ein solcher Versuch, die gegenwärtige Vertheilung von Land und Wasser zu erklären, bei dem alle möglichen — wohl auch unmöglichen — kosmischen Faktoren herangezogen werden, rührt von Skalicky her [7]. Dorr sieht in den heutigen Begrenzungslinien der Kontinente die Linien grosser Brüche, durch welche die Erdkruste in dreieckige Schollen zerlegt ward; ein @estademeridian und ein Gestadeäquator, dessen Pole etwa unter 55° Breite liegen, kenn- zeichnen die Hauptspalten [8]. Sehr ähnlich gehalten ist die Theorie, welche Pater Kolberg in seinem Werke „Nach Ecuador“ entwickelt, und Jakob wei- teren Kreisen zugänglich gemacht hat [9]. Danach wären die Festlandmassive als die oberen Theile dickerer Erdkrustenschollen zu betrachten. Auch Kolberg erkennt einen Bruchäquator und Bruchmeridian an, welche beide sich das einemal im hinterindischen Archipel schneiden, doch behauptet er nicht, wie Dorr, dass diese Schollenränder etwas Definitives, seit grauer geologischer Vor- zeit Bestehendes seien. Alles wohl erwogen, scheinen uns diese sämmtlichen, in ihrer Art gewiss geistvollen und mit scharfer Berechnung den Verhältnissen angepassten Lehrgebäude der wirklichen Natur doch immer Gewalt anzuthun. Solche geometrische Beziehungen zwischen gewissen Kugelkreisen und den Längs- axen der Festländer wollten, wie Zöppritz berichtet [10], auch O’Reilly und K. Schröder eruiren; wenn bei diesen Versuchen die grossen Gebirgsketten eine hervortretende Rolle spielen, so ist daran zu erinnern, dass die Gebirge, eologisch betrachtet, oft ein nachweislich viel weniger hohes Alter haben, als der Rest der Kontinente. V,$.2. Die Frage nach der Konstanz der Weltmeere und Kontinente. 615 tiell dereinst die Begrenzung beider Elemente eine von der heute wahrgenommenen verschiedene gewesen sei *), Neue Perspektiven hat, wie bei jeder von ihm in Angriff ge- nommenen Frage, neuerdings Suess uns eröffnet [17]. Indem er das Alter der einzelnen Kontinente zu ermitteln sucht**), erklärt er Nordamerika für ein sehr altes Festland, welches diese seine Eigen- schaft seit dem Verschwinden des „Laramie-Meeres“ ***) besitze. Süd- amerika hat seine Meeresdecke ungefähr in der Mitte der Tertiär- periode verloren. Bei der alten Welt hingegen ergiebt sich, dass dieselbe kein einheitliches Ganzes, sondern aus verschiedenen Gebieten „zusammengeschweisst“ ist. Gestützt auf seine präcisen Definitionen der einzelnen Formen, welche die Störung des gleichförmigen Schichten- baues im Inneren der Erdrinde annehmen kann — Definitionen, die wir bereits an früherer Stelle zusammengestellt haben (Band I, S. 326 ff.) — ordnet Suess die Länder und Meere nach den Bruchlinien, die sich als die ausgezeichnetsten erweisen, die aber freilich weit davon ent- fernt sind, die von den Sanguinikern der geometrischen Geologie be- hauptete Regelmässigkeit erkennen zu lassen. Als wichtigstes Resultat der Suess’schen Forschung erscheint |21] die Trennung des Land- komplexes der alten Welt in zwei Hauptbestandtheile: Indo-Afrika, die grösste „Tafel“ der Erde, und Eurasia, ein durch vielfache Fälte- lung an seiner Südgrenze sich scharf gegen das Nachbargebiet abgren- zendes Stück Erde, dem auch unser kleines Europa angehört. Die Grenzlinien und die Sonderart dieser neu fixirten Erdtheile *) Einige Beispiele mögen zur Erläuterung dieser Angabe nach Höfler [14] angeführt werden. Die schweizerischen Seen scheinen zur Tertiärzeit unter ein- ander in Verbindung gestanden zu sein und einen verzweigten. nördlich weit über Solothurn hinaus erstreckten Binnensee oder besser ein Binnenmeer gebildet zu haben, welches nach und nach durch den Durchbruch des Rhöne-Flusses ent- wässert ward. Dass man die oberitalienischen Seen als Fjorde eines dereinstigen lombardischen Meeres ansieht, und dass man eine frühere nasse Verbindung der tunesischen Schott’s mit dem Mittelmeere für wahrscheinlich hält, ist uns bereits bekannt (S. 519 fi.).. Aus einer zwischen Blanchard, Milne Edwards, Daubr&e und H£ebert über die frühere Gestalt des mittelländischen Meeres ge- pflogenen Diskussion [15] erhellt zwar nicht so sicher, wie Blanchard glaubt. dass eine Landbrücke früher einmal dessen Nord- und Südgestade verband, wohl aber, dass die Grenzen des Meeresbeckens am Ausgang der Miocänzeit ganz andere waren, als sie heutzutage sind. Dass noch in der mittleren Zechsteinzeit das thüringische Inlandmeer ein Busen des Oceanes war und sich erst am Ende jenes Zeitraumes gegen denselben abschloss, weiss Liebe [16] sehr wahrscheinlich zu machen. Höfler kommt (a. a. O.) zu der Vermuthung, dass alle Tiefebenen mit nur wenig entwickelten Stromläufen in Ruhestand versetzte Meeresbecken seien. Einer Umkehrung ist jedoch dieser Satz gewiss nicht fähig, denn der Lauf des Oberrheines ist sicher sehr entwickelt, und doch wogte zweifellos ein Tertiär-Meer zwischen Schwarzwald und Vogesen, das einem von Lepsius in der Alpenvereins- Sektion Darmstadt gehaltenen Vortrage zufolge zugleich von drei Himmelsgegenden her in die Senkung sich ergossen haben soll. **) Einen eigenartigen mathematischen Weg zur Bestimmung des Alters und der Mächtigkeit einer geognostischen Formation, jene Worte im absoluten Sinne genommen, hat Haughton betreten [18], freilich dabei auf Voraussetzungen über Aenderung von Rotationsdauer und Rotationsaxe der Erde sich stützend, welche früher (Band I, S. 213 ff.) entwickelten Ansichten zuwiderlaufen. Rein geologischer Natur sind dagegen Mellard Reade’s Vorschläge für solche Alters- - bestimmungen [19]. *=®) Dieser riesige Brackwasser-See muss sich im Inneren des Kontinentes vom 33. bis zum 60. Grade nördlicher Breite ausgedehnt haben [20]. 616 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. bestimmt die geognostische Forschung. Aber es drängt sich dabei naturgemäss die Frage auf: Wie kommt es, dass Eurasia noch vor nicht sehr langer Zeit Faltungsprocesse über sich ergehen lassen musste, während Indo-Afrika seit unvordenklicher Zeit den grossen tektonischen Verschiebungen gegenüber sich neutral verhielt. Ob auf diese kon- krete Frage schon jetzt eine befriedigende Antwort ertheilt werden kann, das stehe dahin; wie aber überhaupt die Gleichgewichtsmodi- fikationen der Erdrinde zu Stande kommen, darüber soll uns der nächstfolgende Paragraph aufklären *). $. 3. Die innere Mechanik der sich abkühlenden Erdkruste und die Faltung. Wenn die Kant-Laplace’sche Kosmogonie eine inner- lich berechtigte ist, so befindet sich unser Planet, ebenso wie alle übrigen Mitglieder des Sonnensystemes, noch heute in einem Zustande progressiver Abkühlung. Mit dieser Abkühlung sind Kontraktions- erscheinungen nothwendig verbunden. Aus diesem Grunde betrachtet es die physikalische Geologie als ihre oberste Aufgabe, Kontinental- und Gebirgsbildung einzig und allein als das Ergebniss der Kontraktionsprocesse, denen unsere Erdrinde von jeher unter- lag und heute noch unterliegt, nachzuweisen. Wenn wir die allmählige Entwickelung dieser geodynamischen Theorie verfolgen **), so müssen wir in Cartesius den ersten Forscher verehren, der vollbewusst die Entstehung der hervorragendsten Un- ebenheiten unserer Erdoberfläche auf Gewölbeinstürze zurückführte***). *) Suess hat geleistet, was A. v. Humboldt fühlte und andeutete, selbst aber noch nicht in gleich befriedigender Weise auszuführen im Stande war: „Die räumliche Vertheilung der Feste und des Flüssigen, dem inneren Kausalzusammen- hang der Erscheinungen folgend“ zu ergründen [22]. Wie Habenicht's Theorie der „sphärischen Kraterbecken“ diese Aufgabe durch Zurückverfolgung des Erd- zustandes in die Anfänge der Weltentstehung zu lösen versucht [23], davon ward bereits in dem der Kosmogonie gewidmeten Kapitel (Band I, S. 45) Einiges be- richtet. Habenicht’s Hoffnung (?), der Process der Kontinentalbildung werde ein fortschreitender sein. lassen wir auf sich beruhen. **) Als einen guten Führer bei diesem Beginnen schätzen wir eine Abhandlung v. Czerny’s [24]. welche allerdings weiter ausholt und auch die von uns im ersten Kapitel dieser Abhandlung erledigten geo- gonischen Spekulationen mit behan- delt. Blos der dritte Theil des Artikels bezieht sich speziell auf die hier zu erörternden Dinge. *#%)) Diese fast ganz vergessene Thatsache der Mitwelt wieder in’s Gedächtniss zurückgerufen To 2.37 : ist Daubre&e’s Verdienst [25]. In EM lrdkern. =SMagma. MIN Aruste. Fig. 114 sehen wir das von Des- Ze Wasserhälle. DES Zufthille. cartes selbst entworfene Schema der Bildung einer Kontinentalscholle vor uns. Ueber dem teurigflüssigen Erdkern ist die starre Erdkruste gewölb- artig ausgespannt; eine interne Gleichgewichtsstörung brachte ein Stück der Kruste zum Bersten, und während dasselbe theilweise über die concentrisch an- liegende Wasserhülle emportritt, stürzt sich zugleich das Wasser in den entstan- denen Hohlraum. Man kann behaupten, dass die Art und Weise, wie sich z. B. Noak die Entstehung der Andenkette denkt [26], nicht grundsätzlich, sondern nur in der Form der geologischen Begründung von diesem alten Vorbilde verschieden ist. V,$.3. Die innere Mechanik der sich abkühl. Erdkruste und die Faltung. 617 Humboldt besass wohl eine Ahnung davon, dass die einseitig pluto- nistische Anschauung unzureichend für die Lösung solcher Probleme sei, ‚allein über blosse Andeutungen kam er nicht hinaus, und so blieb es Elie de Beaumont vorbehalten, die richtige Auffassung, dass nämlich der Lateraldruck der sich zusammenziehenden Gesteins- schichten Gebirge emporheben könne, bestimmter auszusprechen. Eine solche Darlegung ist bereits in dem in den „Ann. des sc. natur.“ von 1825 enthaltenen Aufsatze „Recherches sur les r&volutions de la surface du globe* enthalten, und dessen Verfasser kam noch mehrfach auf den Gegenstand zurück, ohne freilich sich zur Ausschliessung des nebenbei noch wirkenden Schubes von unten nach oben bequemen zu können. Durch die Amerikaner Leconte [27] und Dana, namentlich aber durch das vielgelesene Lehrbuch des Letzteren, „Manual of geology“, ward dem ersterwähnten der beiden obigen Momente mehr und mehr der Vorsprung gesichert, und nun begannen auch in Europa die Forscher für jene Theorie sich zu erklären, welche man im Anklang an das bei den Erderschütterungen Erkannte (Bd. I, S. 401 ff.) als die gSeotektonische bezeichnen muss. Ganz besonders günstig wirkten für die Aufnahme dieser letzteren die Ergebnisse des geo- logischen Experimentes*). Nach der theoretischen Seite hin dagegen wurde die neuere Lehre fest begründet durch E. Suess [33] und durch A. Heim, und da die Arbeiten des schweizerischen Geologen **) *) Geologische Experimente sind, wie wir uns aus Kap. I, $. 4 dieser Abtheilung erinnern, mit grossem Erfolge bereits von Hall gemacht worden, Später haben F. Pfaff und Daubr&e den Gegenstand von Neuem, unter grösseren Gesichtspunkten und mit vervollkommneten Hülfsmitteln, aufgenommen; Pfaff hat seinem grösseren Werke [28] eine Anzahl von Versuchsreihen beigegeben, und Daubr&e hat neben zahlreichen Einzelaufsätzen, von denen der eine oder andere uns noch zu beschäftigen haben wird, ein inhaltreiches Werk darüber geschrieben, welches nunmehr auch in einer trefflichen deutschen Ausgabe studirt werden kann [29]. Die Bewegungsverhältnisse der vom Wasser fortgeführten festen Körper, deren gegenseitige Zerreibung, die diese letzteren begleitenden chemischen Vor- gänge, das Ritzen und Schrammen einer ruhenden Gesteinsart durch eine in Be- wegung befindliche, Schichtenstörungen und Schichtenverbiegungen unter starkem Drucke, Uebergänge aus der geschichteten in die geschieferte Struktur, endlich Spaltenbildungen aller Art, das sind im Wesentlichen die Dinge, an denen Daubre&e darthut, dass in der Stille des Laboratoriums sich ein in kleinen Theilen ähnliches Minjaturbild der grossen tektonischen Metamorphosen herstellen lasse. — U. a. lehrt Daubr&e auch die Entstehung der Erdgebirge durch Seitendruck sehr hübsch nachzuahmen, indem er aus einem Kautschukballon die Luft langsam durch Auspumpen entfernt. Chancourtois verstärkt [30] den von Daubre&e hervor- gerufenen Eindruck noch dadurch, dass er den Ballon zuvor in heissflüssiges Wachs taucht, denn jetzt entstehen in der erkalteten Wachsrinde, wenn die Ballon- haut sich fältelt, bergähnliche Runzeln der verschiedensten Art. Hübsche Imi- tationen erhielt A. Favre [31], als er ein 1.6 cm dickes, 12 cm breites und 40 cm langes Stück von Gummi elastikum mit einer bis zu 6 cm dicken Thonschicht be- legte, das Stück sodann bis nahe an seine Elasticitätsgrenzen hin ausspannte und es dann in seine frühere Form zurückspringen liess. Die Faltungen der Thonmasse erinnerten lebhaft an Längengebirge; „it appears.“ sagt Favre, „probable, that, by pressures more powerful and more variadly employed, we might obtain again very different structures.“ Wallace und Ransom wenden ein, es sei aus Favre’s Experiment, das blos eine einzige Dimension berücksichtige, kein Analogieschluss auf die kugelförmige Erde zu ziehen [32], allein auch bei Ransom’s abgeändertem Versuche kommen nur zwei Raumabmessungen zur Geltung. Pfaff verwahrt sich ebenfalls gegen die „Verwechselung von Kugel und Cylinder“. **) Das Hauptwerk Heim’s [34] besitzt treffliche artistische Beilagen, allein da sein Preis eben aus diesem Grunde sich ziemlich hoch stellt (60 Mk.). so kann 618 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. RR gerade die physikalische Basis zu fundiren bestimmt sind, so werden wir zunächst bei ihnen Halt machen, indem wir uns vorbehalten, auf die geologischen Folgerungen von Suess im nächsten Paragraphen zurückzukommen. | | Jener Gebirgsstock, welchem Heim durch eingehende Detail- untersuchung die Materialien entnommen hat, auf welchen sein eigenes System, als eine Modifikation des Dana’schen, beruht, füllt den Zwischenraum zwischen den oberen Ausläufen des Glarner Thales und der Gotthardstrasse. Dieses Massiv ist ausgezeichnet durch die mannigfachsten Schichtenfaltungen, welche freilich auch noch in den angrenzenden Gebirgstheilen, bis hin zum Wallenstadter See, in grossartiger Entwickelung auftreten. Woher nun stammen diese Fälte- lungen, Ueberkippungen, Horste u. s. w.? Dass die Schichten nicht von Hause aus solch’ eigenartige Lagen angenommen haben, bedarf wohl keines besonderen Beweises. Es erheben sich demgemäss zwei wohl zu trennende Fragen, von denen die erstere die weitaus bedeut- samere ist. Wie ist es, da Gesteine doch im Allgemeinen nur einen sehr geringen Elasticitätsmodul besitzen, möglich gewesen, dass der starre Fels, anstatt brüchig zu werden, sich die theilweise fast aben- teuerlichen Verbiegungen und Verschlingungen gefallen liess, welche uns in den geognostischen Profilen so sonderbar anmuthen, und wie ist zweitens in jedem besonderen Falle die gerade dort beobachtete Schichtenstörung zu erklären [37]? Die erste Vermuthung ist naturgemäss die, dass damals, als jene Veränderungen des Schichtenbaues sich vollzogen, das Gestein sich noch in weichem, halbflüssigem Zustande befunden habe. Diese An- nahme ist aus vielen Gründen zurückzuweisen: mitten unter verbogenen Schichten finden sich auch zerrissene, abgebrochene, in Breceien (8. 561) verwandelte Felsmassen, und die störenden Kräfte haben ihre Tendenz der Gestaltveränderung auch an eingelagerten Petrefakten bethätigt, deren völlige Versteinerung in jener Zeit eine schon längst abgeschlossene war. Aber auch die sprödesten Felsarten weisen deutlich bruchlos vollzogene Umformungen von grosser Intensität auf. Für die bei dieser Umformung wahrgenommenen Modalitäten stellt Heim 16 „Ge- setze der Erscheinung“ auf [38]*) und aus diesen zieht er gewichtige es als solches leider nicht die zu erwünschende weite Verbreitung finden, und es ist deshalb sehr erfreulich, dass in einem vom Autor selbst besorgten Auszuge [35] wenigstens die Kernpunkte des Systemes für Jedermann zugänglich niedergelegt sind. Einige besonders schwierige Einzelfragen, an welche sich in der geologischen Zeitschriftenliteratur eine lebhafte Polemik geknüpft bat, werden von Heim in einer besonderen Abhandlung [36] diskutirt. *) Die nicht wohl angängige Wiedergabe dieser Gesetze möge sich mit den folgenden Andeutungen der wichtigsten Punkte entschuldigen lassen. Umformungen mit und ohne Bruch finden sich an nicht zu weit entfernten Stellen für die näm- liche Gesteinsart,. Der Umstand, dass die Falten an ihren Enden am dünnsten sind, spricht für eine nicht von innen nach aussen, sondern für eine von aussen nach innen wirkende Kraft. Plastischere Gesteine erleiden gewöhnlich eine Trans- versalschieferung oder Clivage, und zwar fällt die Streckungsrichtung eines etwa eingeschlossenen Petrefaktes in die Schieferungsebene des Gesteines. Es wird Ausweichungsclivage, Mikroclivage und Lamellarclivage unter- schieden. Bruchlose Umformung, die man auch Stauung nennen kann, nimmt mit wachsender Tiefe zu; unplastische Gesteine erleiden eine solche begreiflicher- weise nur in ganz besonders grossen Tiefen. “ . { E V,$.3. Die innere Mechanik der sich abkühl, Erdkruste und die Faltung. 619 ‚allgemeine Schlüsse [39]. Eine geschichtete Masse formt sich ihm zufolge leichter durch Druck um, als eine homogene; wendet Natur oder Kunst entsprechend grosse Kraft an, um auch für Körper der letzten Art analoge Wirkungen hervorzubringen, so ist das Resultat meist Schieferung. Die Erdrinde ist geschichtet, und so konnten ver- hältnissmässig leicht die Faltengebirge entstehen. Dass die Falten durchaus weit mehr in die Länge, als in die Breite sich erstrecken, erhellt aus dem Umstande, dass einem zugleich in zwei auf einander senkrechten Axen sich äussernden Drucke ein viel grösserer Wider- stand entgegengesetzt wird, als einem linear wirkenden Drucke. Frei- lich sind unter den Druckverhältnissen, welche uns auf der Erdober- fläche entgegentreten, solche Kraftleistungen nicht möglich, allein schon früher, als uns die Gletschertheorie zur Betrachtung der plastikodyna- mischen Gesetze nöthigte (S. 547 ff.), erkannten wir, dass bei ent- sprechender Druckverstärkung ein merkwürdiges Ereigniss eintritt: eine fortschreitende Annäherungdesfesten Aggregatzustandes an den tropfbarflüssigen. Der Gebirgsdruck pflanzt sich dann nicht mehr linear, sondern allseitig und radial fort, und selbst die sprödesten Materien gehen in einen Zustand über, der nach Heim der latent-plastische heissen soll. Stoffe in diesem Zustand werden durch einen Horizontalschub bruchlos umgeformt. In engster Beziehung zu dieser tiefgehenden Aenderung des Molekulargefüges steht die Lehre vom Gesteinsmetamorphismus*), für dessen Erklärung sich nun- mehr die früher als allein maassgebend betrachtete chemische Inter- pretation in ihrer Herrschaft nicht mehr zu erhalten vermag. „Manche Gesteinsmetamorphosen, wie z. B. die stellenweise Umwandlung von dichtem Kalkstein in Marmor in den Alpen, weit entfernt von Eruptiv- Sesteinen, die Umwandlung des Hämatit im Eisenoolith **) in Magnetit, stehen mit der Quetschung dieser Gesteine in nahem Zusammenhang, so dass eine Art Metamorphismus, der selbst chemische Umwand- *) Umgewandelt oder metamorphisch nennt man nach H. Credner [40] dann ein Gestein, „wenn es aus irgend einer Ursache eine Umgestaltung seiner chemischen Zusammensetzung, seiner mineralischen Konstitution oder seiner Strukturverhältnisse erfahren hat.“ Mineralquellen, Sickergewässer, Kohlenbrände, vulkanische Dämpfe sind nachweislich oft bei diesem Umsetzungsprocesse betheiligt; derRegional-Metamorphismus oder Kontakt-Metamorphismus, welcher. wie wir sahen (S. 361 des ersten Bandes), in der Vulkantheorie von H. Reusch eine so grosse Rolle spielt [41], ist Credner zufolge eine seltenere Erscheinung, als man erwarten sollte. Sehr häufig bemerkt man da, wo eine gluthflüssige Magma-Masse im umschliessenden Fels erstarrt ist, gar keine Veränderung dieses letzteren; in anderen Fällen allerdings, namentlich bei den Auswürflingen der Eifel und bei vielen Basalt-Durchbrüchen in deutschen Gebirgen, treten die für hohe Hitzegrade charakteristischen Phänomene der Verglasung, Frittung und Brennung zu Tage. Den Metamorphismus im Allgemeinen hat man immer theils plutonistisch, theils hydrochemisch erklärt [42]; die mechanische Deduk- tion werden wir weiter unten folgen lassen. — Etwas von der Metarmorphose Ver- schiedenes ist die Pseudomorphose, „wenn ein Mineral in der ihm nicht zu- kommenden Krystallform eines anderen, nach unseren Erfahrungen unlöslichen Minerales gefunden wird“ [43]. Wir haben von Spiess eine sehr gelehrte Zu- sammenstellung alles dessen erhalten [44], was man überhaupt von Pseudomor- phosen weiss. Neue merkwürdige Pseudomorphosen fügte G. Keller den bereits bekannten hinzu [45]. *#) Oolithisch heisst ein Gestein dann, wenn es aus lauter kleinen, kuge- ligen Konkretionen besteht [46]. Die Geologen vindieirten bisher diesen Gebilden (Erbsenstein von Karlsbad) eine rein minerogene Entstehung [47]. 620 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. lungen in sich begreift, als höchste Potenz der mechanischen Umwand- lung, welche eben die Starrheit in der Lage der Theilchen überwunden hat, erscheint.“ Heim, der sich (a. a. O.) in dieser Weise ausspricht, erhofft von einer späteren Vervollkommnung der Methoden eine experi- mentale Nachbildung dieser Vorgänge*). *) Sehr umfassende Versuche über Schieferung und über Formverände- rungen der in geschieferten Gesteinen häufig vorkommenden Fossilien sind von Daubr&e angestellt worden [48]. Es gelang ihm, jene „distorsions‘“ der Ein- schlüsse, welche (s. 0.) die Natur bewirkt, auch im Experimentirsaale hervorzu- bringen. Daubröe identifieirt übrigens .‚schistosite‘ und „fissilite‘‘. — Sehr werth- volle Beiträge zur Ausbildung der Heim’schen Lehre, namentlich soweit der Metamorphismus in Betracht kommt, lieferte Baltzer [49], der hervorhob, dass der allseitig wirkende Druck den Theilchen Zeit lasse, sich in ihren neuen Ko- häsionsverhältnissen gegenseitig zu assimiliren, umsomehr, da der Faltungs-Akt selbst wieder erhitzend auf die Gesteine wirkt. — Als ein entschiedener Gegner der Lehre von der latenten Plastieität ist F. Pfaff aufgetreten [50], und zwar hat Fig. 115. DUTY MV a u derselbe sich (vgl. Band I., $S. 361) so augenfällig der von ihm früher nicht ohne Schärfe bekämpften Doktrin von dem mächtigen Einflusse des Wassers zugewandt, dass ein Recensent der betreffenden Schrift in der englischen Zeitschrift „Nature“ (1880. S. 325 ff.) nicht ohne Verwunderung dem Autor entgegenhalten konnte: „Thoug hitherto no Neptunist, he now distinctly avows himselfs as a believer of the paramount power of water in the elevation of mountains.‘“ Es darf übrigens NOS 777708 x eig, Zn" A Mans FH—ıS V, $.3. Die innere Mechanik der sich abkühl. Erdkruste und die Faltung. 621 Die älteren Geologen der Humboldt-Buch’schen Schule waren der Meinung, dass Gebirge, wie die Alpen, durch Druck aus dem magmatischen Erdinneren empor gepresste Gebilde seien, die neuere (Suess-Heim’sche) Theorie nimmt an, es hätten sich Ur- und Sedi- mentärgestein den thatsächlich für die Gebirgsbildung verantwortlich zu machenden Kräften gegenüber ganz gleich, nämlich gleich neutral verhalten. Nicht unbeträchtlich ist die Anzahl Derjenigen, welche beide Möglichkeiten neben einander zulassen wollen und noch beträcht- licher ist die Zahl Derer, welche der gleichen Ansicht sind, der Natur aber noch andere Bethätigungsweisen ihrer Gestaltungskraft offen ge- halten wissen wollen. So nimmt v. Petrind |55] einen von der Erd- - rotation herrührenden Tangentialschub, Wettstein [56], wie mit ihm auch Pilar (a. a. O.), einen auf kosmische Wirkungen zurückführenden Gleitungsschub, Asterios, dessen — uns nur durch einen Bericht von Geinitz [57] zugänglich gemachte — Hypothese an die oben besprochene von Habenicht anzuklingen scheint, den Herabsturz kosmischer Körper zu Hülfe*). v. Sonklar nimmt [59] fünferlei Bildungsweisen an, ohne jedoch eine scharfe principielle Scheidung zwischen den Agentien zu treffen. Wir werden später, jedoch noch in diesem Paragraphen, die Frage ernsthaft erörtern, ob wohl die Kontraktionstheorie für sich allein als ausreichend zur Erklärung aller Erscheinungen anzusehen ist; vorläufig bleibt sie für uns die nicht verschwiegen werden, dass ein so genauer Kenner der Gebirgs-Mechanik, wie Stapff [51], ebenfalls der Gebirgsfeuchtigkeit oder dem Bergschweiss bei Faltungen und metamorphischen Transformationen eine einflussreiche Rolle zuweist. Stapff ist freilich auch kein unbedingter Anhänger der Heim’schen Theorie, er nimmt die Analogie mit den hydrostatischen Gesetzen nur für die durch Druck pulverisirten Felsmassen an und hält die bruchlose Umformung für das Aussergewöhnliche, die Umformung durch Zertrümmerung und Wiederverkit- tung dagegen für das Normale [52]. Auf die grossentheils in der Vereinszeit- schrift der geologischen Gesellschaft ausgetragenen Streitigkeiten zwischen Heim, dem Baltzer zur Seite stand. und seinen Gegnern — vgl. auch $. 360 ff. des ersten Bandes — ist hier einzugehen nicht der richtige Ort; die Frage ist haupt- sächlich, ob die den Alpen der Schweiz zugeschriebenen Faltungssysteme wirklich der Natur oder nur dem Konstruktionstalente der Erklärer ihre Entstehung ver- danken. Wir persönlich halten das Erstere für das Wahrscheinlichere, um so mehr, da im Jahre 1882 eine Vereinigung von Fachmännern auf Grund vor- genommener Beaugenscheinigung einstimmig die Existenz der meistbestrittenen Glarner Doppelfalte anerkannt hat [53]. — Eine jedenfalls sehr originelle Erklärung der Metamorphosenbildung und Fältelung giebt, wie Fig. 115 zeigt, Pilar mit Hülfe seiner uns aus Kap. II. $. 6 der dritten Adtheilung bekannten Theorie der Keilschollen [54], von denen die kontinentalen sich heben, die oceanischen sinken sollen. In a ist die allmählige Bildung der Fächerstruktur dargestellt, in b sehen wir, wie einzelne Leisten von starkem Seitendruck zum Sinken gebracht und allmählig überwölbt werden, c erklärt die aus einseitigem Drucke resultirenden Ueberschiebungen, und aus den drei Serien ist zu ersehen, wie die Lamellenstruktur des Gneisses sich verändert und der Granitstruktur sich nähert. d soll darthun, dass die ursprünglich vertikale Schieferung durch „Aus- walzung‘“ eine horizontal gestreckte werden kann. Ein auf granitischer Unter- lage ruhender Schichtenkomplex e wird entweder ganz oder im Falle des Vor- handenseins einer Verwerfungsspalte S nur theilweise gefaltet. Wenn in eine Hubscholle eine sekundäre Senkscholle eingeschaltet ist, so kommt Schema f zur Geltung, g endlich will den bogenförmigen Verlauf vieler Kettengebirge (Kar- pathen) veranschaulichen. A repräsentirt die aufsteigende „Kontinentalscholle“, A’ die sinkende „Oceanscholle‘. *) Nach v. Czerny ist F. Weiss als ein Vorläufer v. Petrinö’s anzu- sehen [58]. en NE San a N" A BER Er PER ; 622 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. TE 2 | allein maassgebende, und nur für ganz spezielle Fälle*) soll auch plutonische Protrusion, an deren Möglichkeit ja Niemand wird zweifeln wollen, als Gebirgs-bildender Faktor in Rechnung gezogen werden **). Wir halten uns an die Schriften Heim’s, neben welchen noch, als auf demselben Boden stehend, ein Vortrag von Toula [63] zur Orientirung empfohlen werden kann. Die innere Struktur der Centralmassive, in erster Linie der Alpen, spricht nach Heim [64] für Faltenbau***); die Massive er- scheinen „als die Gewölbetheile eines Faltensystemes der krystallini- schen Kruste“. Einzelne Sedimentbildungen auf der Höhe des Central- massives sind nicht, wie die Erhebungsgeologen wollten, Zerreissungs- reste, sondern Reste einer durch Denudation grossentheils zerstörten, ehedem zusammenhängenden Sedimentdecke. Aber auch jedes Ketten- gebirge ist eine Faltenschaar, welche nur meistens im Querprofil nach beiden Seiten hin ungleich ausgebildet ist |65]. Heim zeigt, wie man die Grösse des Zusammenschubes rechnerisch aus den Werthen her- *) Wir erinnern an die (Band I, $. 332 ff.) anerkanntermassen durch gluth- flüssige, aus der Erde langsam emporgequollene Massen in die aufgetriebenen Sedimente hineingepressten Laccolithe Nordamerika’s und Irland’s und überhaupt an die Domvulkane. Aber auch die bekannten Felsamphitheater des Adamello- Stockes sind nach Reyer [60] nur dann erklärbar, wenn man sich denkt, dass längs des ganzen Gebirgszuges Eruptiv-Magma emporgestiegen sei, dessen stärker aufgebauschte Massen gegen die Peripherie vorrückten und dort erstarrten, wäh- rend in den minder aktiven Gebieten die erhitzten Gesteine zurückblieben, um schliesslich Mulden und Kesselthäler zwischen jenen laccolithischen Buckeln zu bilden. ””) Peters leitet die Fältelung weniger vom Kontraktionsschub, als von ‘ dem seitlichen Drucke der Schollen her, in welche die Erdrinde zertheilt ist, und welche zum Theile stabile, von den tektonischen Umwälzungen verschont bleibende Urschollen sind [61]. Der Effekt kann allerdings in beiden Fällen ziemlich der gleiche sein. — Die von Vogt und Naumann gebilligte Ansicht, dass die bei der Verwandlung von Sedimentgestein in krystallinisches Gestein mitunter beob- achtete Volumenvermehrung von bedeutenderem Einflusse sein könne, erachten wir als durch Toula’s Gegengründe [62] erledigt. *#*) Die verschiedenen Strukturformen im Bau der Centralalpen werden von Heim (a. a. O.) folgendermassen gekennzeichnet. „Es giebt Centralmassive, welche vollständig erhaltene, breite, gewaltige Gewölbe der krystallinischen Schiefer mit auf der Höhe flachen Schiefern sind (Simplon, Monte Rosa u. s. w.), wie man sie bei den Sedimentgesteinen nicht regelmässiger finden kann. Eine Fig. 116. zweite Form, welche aus der ersten durch Abwitterung der Gewölbebiegung her- vorgeht, ist die Dachstruktur (Tauern). Die Parallelstruktur (Aiguilles rouges, Finsteraarmassiv zum Theile) entspricht Falten, deren Schenkel parallel gepresst, deren Umbiegung erodirt ist. Wenn endlich die Zusammendrängung noch weiter geht, entsteht das Centralmassiv mit Fächerstruktur (Gotthard, Finsteraarmassiv zum Theile, Montblane).“ Unsere Fig. 116 soll die Fächerstruktur versinnlichen. V.$.3. Die innere Mechanik der sich abkühl. Erdkruste und die Faltung. 623 leiten kann, welche für die Verkleinerung der Erdkugel in Folge von Abkühlung Geltung besitzen*), und stellt solchergestalt ein System auf, welches sich durch Abgeschlossenheit, innere Durchsichtigkeit und Harmonie mit den Erfahrungsthatsachen vortheilhatt von früheren Systemen unterscheidet. Nur einen einzigen ernst zu nehmenden, dafür aber freilich sehr gewichtigen Widersacher hat diese Lehre gefunden. Es ist diess Osmond Fisher, der schon früher gegen Wallace behauptet hatte [67], dass die Verhältnisse der Zusammenziehung für Erdkern und Erdrinde zu sehr abweichende wären, um die eine einheitliche Kontraktion der Erde voraussetzende Heim’sche Erklärung der Ge- birgsfaltung acceptiren zu können, und der dann neuerdings in seinem grossen geophysikalischen Werke wieder hierauf zurückkam. Aus einer analytischen Diskussion zieht er den Schluss, dass für näher an der Erdoberfläche gelegene Partieen der Lateralschub, wie ihn unsere Theorie voraussetzt, Alles zertrümmern müsse**). In freilich sehr ver- besserter Form erscheint Fisher’s eigene Theorie als eine pluto- nistische, Gebirgsbildung und Vulkanausbrüche sind nur graduell ver- schiedene Manifestationen eines und desselben Processes, nämlich des Eindringens der dem Magma entströmenden hochgespannten Wasser- dämpfe in die Spalten der über dem feurigflüssigen Kugelringe ge- wölbartig ausgespannten Erdrinde. | Angesichts dieses Gegensatzes zwischen zwei gleich verdienten Vertretern ihrer Wissenschaft ist es doppelt werthvoll, sich auf eine gleichfalls tief eingehende und zugleich entscheidende mathematische Untersuchung berufen zu können. Bauschinger hat sich nämlich die Aufgabe gestellt, ganz allgemein das Maass der in irgend einem Punkte der Erdrinde herrschenden Spannungen zu ermitteln [69]***). Wir halten die Methode und die Schlussfolge- *) Der hiebei befolgte Gedankengang ist: dieser. Wenn wir uns die sämmt- . liehen Längsgebirge der Erde ausgeglättet und das dadurch überschüssig gewor- dene Material längs der Oberfläche der Erde ausgebreitet denken, so wird die . Erdkruste dicker werden müssen, als sie im Augenblicke ist. Heim bestimmt die Grösse der Zusammenschübe, durch welche resp. Alpen und Jura erzeugt wurden, zu 120000 und 5000 m; der Erdumfang wird von ihm gleich 40023512 m gesetzt. und es hätte sich sonach der durch die Longitudinalaxe des Alpenzuges hindurchgelegte grösste Kreis der Erdkugel nur um '/s Procent verkleinert, wenn der Stauungs- und Faltungsvorgang, der jenes Gebirge erzeugte, ein instantaner gewesen wäre. .„‚Schätzen wir,“ so fährt Heim (a. a. O.) fort, „die Faltung der anderen von dem Centralalpen-Meridian geschnittenen Gebirge noch in ihrem Zu- sammenschub ab, so finden wir, dass die Umfangsverkürzung durch die gesammte Gebirgsbildung bis jetzt nicht ganz 1 Procent betragen hat.‘“ Mittel zur Prüfung des noch ausständigen Fragepunktes, ob die durch Wärmerverlust bedingte Verkleine- rung des Erdballes wirklich innerhalb der hier angenommenen Grenzen sich be- wege, hat G. A. Darwin durch seine numerische Berechnung der von Thomson (Band I, S. 311) entwickelten Formeln an die Hand gegeben [66]. **) „Ihe inference from this is that no shell is likely to have sufficient strength to resist the crushing effects of lateral pressure unless it be a very small distance from the centre“ [68]. =*#=) Werthvoll als Nebenumstand ist, dass Bauschinger nicht in allen Stücken mit Heim übereinstimmt, sondern dessen Deutung der Festigkeitsversuche, die er an dem berühmten Werder’schen Apparate des Münchener Polytechnikums angestellt hatte, von sich abweist. Umsomehr gilt uns die schliessliche Ueberein- stimmung beider Forscher. — Von Belli’s auf ein ähnliches Ziel gerichteten, je- doch keineswegs gleich exakten Arbeit |70] hatte Bauschinger keine Kenntniss. 624 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. rungen dieser Arbeit für wichtig genug, um dieselbe ihrem wesent- lichen Inhalte nach hier zu reproduciren. | ABCD (Fig. 117) sei irgend ein körperliches Element der Erd- kruste in Gestalt eines abgestumpften Kegels, doch sind dessen Deckflächen nicht Ebenen, sondern Kalot- ten vonKugeln, welche ihr gemeinsames Centrum im Mittelpunkte O der Erdkugel haben. OE sei die Sym- metrielinie des Elementes, und es sei ferner der unendlich kleine Winkel COE = DOE mit dp, OA mit z, somit AU = BD mit dz bezeichnet. Der Inhalt von ABCD ist nach einem bekannten Satze der Raumgeometrie = nz’ de” dz, und daraus erfolgt, wenn y das als konstant angenommene Gewicht der Volumeinheit, auf die Erdoberfläche versetzt, be- deutet, gemäss einer vom Autor selbst zuvor ange- stellten Potentialbetrachtung, der Gesammtbetrag der von der Kugel auf ABCD ausgeübten At- rn 3 i 5. dp! da, wo R den Halb- messer der Erdkugel vorstellt. Auf die Flächen AB und CD wirken die normalen Spannungen os, und 5, + „ pro Flächeneinheit, und demnach wirken auf die ganzen Flächen AB und CD Kräfte, welche durch zz? de’ s und z (z-+- dz)’ dp’ (° — n dz auszudrücken sind. Die Flächeneinheit des Mantels unseres konischen Elementes möge durch die tangential wirkende Spannung co, angegriffen werden, welche wir in eine auf OE senkrechte und in eine zu OE parallele Komponente zerlegen; letztere ist = o, sin dp. Die Grösse der Mantellläche ist — 2n(z = . dz) dp dz, und es ist demnach die Summe aller mit Fig. 117. traktion gleich x. OE in der Richtung übereinstimmenden Spannungskomponenten —22(z + ! dz) dp dz s,.sinde. Damit sämmtliche Spannungen sich im Grleichgewichte halten, muss die Gleichung z(z + dz)’ de» x (: = =) dz=rnz’dp’o,—+ 2r (% — S- dz) de dzo,sindop | Z —nY. RR: de’ dz zu Recht bestehen. Diese Gleichung lässt sich auf folgende einfache Form bringen *): re N x NRZ Te Tee Ve Z Nunmehr entnimmt Bauschinger den Lehrbüchern der Elastieitäts- theorie die von der Wissenschaft längst festgestellten Werthe für *) Die Herleitung erfolgt, indem man sind» durch dp ersetzt, allerorts mit dp? hebt, 2zdz und dz? gegen z? fortlässt und zuletzt die Gleichung mit 27? multipliecirt. V,$.3. Die innere Mechanik der sich abkühl. Erdkruste und die Faltung. 625 Sn. ©, und o,; versteht man unter BE die Dehnung in radialer, unter en: diejenige in tangentialer Richtung, unter G und M gewisse Kon- Z ns \ stante, so hat man | . | 2G ds S er ds S PEn=3 ee) Tee eg +t2z| Diese Werthe substituirt man in (1), und es ergiebt sich so für die Aenderung < des Radius eine Differentialgleichung von der zweiten Ordnung: So 1 m — 2 Ze Be. m ate Da sich in (2) die Trennung der Variablen von selber vollzogen hat, so kann man ohne weiteres integriren und findet, unter C, eine Kon- stante verstanden, le RR | a zZ" a ee ee N NE LE (3). Z m Nun multiplieire man in (3) beiderseits mit z’; es stellt sich dann heraus, dass z’. — —- 2 z das vollständige Differential von z’c, ge- nommen nach z, ist, und so lautet, wenn C, wieder eine Konstante ist, unser neues Integral*) so: e 1 m — 2 zZ 1 = 2 Tee megen © Mit Rücksicht auf (4) verwandeln sich die Fir 6% sa s, eruirten Werthe in diese: u 2G non... ml 20G m— 1] R 3 ; G, +m—9- |, ) Be 2G rF3m—1 El, Ze Nee c, Hier fehlen uns noch die Konstanten C, und C,. Wir folgen unserer Quelle nicht in der Ermittelung der Werthe derselben**), sondern erwähnen nur, dass durch gewöhnliche algebraische Rechnung und ohne jede analytische Schwierigkeit folgende Werthe aus (5) hervor- gehen: *) Es sei erwähnt, dass vorher noch eine Multiplikation mit z-°? stattge- funden hat. **) Fürz=R ist so, mit dem Drucke der atmosphärischen Luft, für z = dem inneren Radius der Erdrinde mit dem auf deren innere Wandung wirkenden Drucke ß identisch. Der Autor vernachlässigt ersteren als zu gering, was wohl gestattet ist, wenn schon G. A. Darwin die von der Erdatmosphäre herrührenden Gestaltveränderungen des Erdsphäroides als durch Rechnung kontrolirbar nach- gewiesen hat [71]. Günther, Geophysik. II. Band. 40 m 1 Az 1 s3m--1 Ar Hide _ 1 moı &)| R Hierin bedeutet Ar die Dicke der festen Erdrinde, Az die Tiefe, in welcher unser Element ABCD unter der Erdoberfläche liegt, es ist Az — R—z. o, lässt sich erheblich vereinfachen, da die in der Klammer sonst noch vorkommenden Grössen gegen 1 verschwindend klein sind. Wenn wir des Ferneren m durch {.”'! ersetzen und an Stelle von ß die Grösse yh treten lassen, so wird aus unserem Systeme (6) das neue System | h Se Pe a Br: 1. Ar, Ga Az | 2A NE l—y 7 Ar Diese Gleichungen (7) sind nun für unsere weiteren Betrachtungen ent- scheidend. Für den normalen Fall nämlich, dass an der Erdoberfläche, wo Az=o ist, die Spannung °, sich ebenfalls annullirt, folgt, wenn man mit h, den bezüglichen Spezialwerth von h bezeichnet und von höheren - r k Potenzen von —— absieht, R an Be 0 = — Az... Sn und es sind dann also, wie die Vorzeichen besagen, beide Gattungen von Spannungen in Druckspannungen übergegangen. Wäre da- gegen h = 5 + i, so ni: a i NEN Ant S-Ry. — «= —1(1+7,)Az (9); daraus aber folgt, dass für ein positives i unser o, an der Oberfläche zur Zugspannung werden kann, während für i <0 es Druckspannung bleibt. os, verliert diesen Charakter überhaupt nicht. Für isotrope Körper und inerhalb der unseren Versuchen ge- meiniglich gesteckten Grenzen hat {. nach Bauschinger den Durch- schnittswerth =, und dieser liesse sich weder mit (8), noch mit (9) gut vereinigen. Die Heim’sche Theorie fordert nämlich, wie wir wissen, dass der Druck sich schliesslich gleichmässig nach allen Seiten hin fortpflanzt, und dafür gilt als analytische Bedingung °, = 6,, was nach (8) mit — a Ei gleichbedeutend ist. Auf Grund ) seiner Festigkeitsversuche en aber Bauschinger [72]: Es ist höchst wahrscheinlich, dass bei Drückungen, wie siein einer Tiefe von mehreren tausend Metern statthaben 1 müssen, die@rösseprasch gegen cu konvergirt, und zwar V,$.3. Die innere Mechanik der sich abkühl. Erdkruste und die Faltung. 627 kann zuletzt x ohne grossen Fehler als ein für grössere Tiefen konstanter Werth angenommen werden. Damit ist, wie man sieht, die ganze Frage dem von Fisher geäusserten Zweifel entrückt, ob die Abkühlung sich in diesem oder jenem Sinne durch Druck äussere. Der Kernpunkt von Heim’s Theorie der Gebirgsbildung ist die Möglichkeit oder Un- möglichkeit eines latent plastischen Zustandes, und dieser erscheint nunmehr als die einfache und natur- semässe Konsequenz des Spannungszustandes, in wel- chem sich, lediglich kraft der Newton’schen Gravitation, die tiefer gelegenen Partieen unserer Erdrinde befinden. Mit Tresca’s und Spring’s Versuchen (S. 553) stimmt diese Annahme durchaus überein. Kleine tektonische Störungen offenbaren sich in Veränderungen des Nivellements *), grössere in den uns bereits bekannten Erdbeben **). #) Hierher gehört vielleicht Zeune’s Nachricht [73], es seien in Ulm, Ess- lingen und Jena Verschiebungen, ja das Verschwinden entfernter Fixpunkte beob- achtet worden. Studien über langsame Bewegungen des Bodens, wie wir sie im ersten Bande ($S. 219) betrachteten, haben neuerdings Uzielli [74] und Issel [75] veröffentlicht. Der geographische Kongress zu Venedig beschloss die Beihülfe der Geodäten zur Feststellung solcher Unregelmässigkeiten anzurufen, und v. Bauern- feind liess dem entsprechend die mit einem unerklärten Fehler behaftete „Fichtel- gebirgsschleife“ nochmals durchrechnen [76]. Das Resultat wies jedoch nicht auf spontane Bewegungen innerhalb der Erdrinde hin. **) Hier ist der Platz, Einiges über Höhlen einzuschalten. Dass dieselben vielfach geotektonischer Natur sind, haben wir bereits früher nach Reyer [77] festgestellt. Schon Buckland hatte gegen Daubeny, der Gasmassen, in das weiche Gestein eingedrungen, als die eigentliche Ursache der Höhlenbildung an- genommen hatte, „Rücken und Wechsel des Gebirges“ für die Ursache ausge- geben [78]. Freilich möchten wir nicht soweit gehen, ein pelomorphisches Zuwachsen entstandener Hohlräume für andere, als allenfalls für jene grossen Tiefen zuzugeben, denen ein Druck entspricht, wie er die latente Plasticität der Gesteine bedingt. J. Baumann entdeckte eine Höhle sehr nahe am Gebirgs- gipfel, wo also jede andere Entstehungsursache, als eine rein mechanische, von selbst ausgeschlossen ist [79]. Sonst natürlich können Höhlen auch recht wohl durch Auswaschung oder Einsinken ausgelaugter Gesteine zu Stande kommen; auf die Erosion des Wassers führt Mohr die Höhlen im Kalkgebirge zurück [80]. Leider pflegen die Alpenforscher den Hohlräumen im Gebirge fast ausschliesslich unter dem paläontologischen, prähistorischen und sagengeschichtlichen Gesichts- punkte ihre Theilnahme zuzuwenden; Fruhwirth hat in einer grossen Abhand- lung, deren zweite, mehr geophysikalische Hälfte leider noch aussteht, diesen Theil der Höhlenkunde trefflich bearbeitet [81]. — Die physische Erdkunde nimmt we- sentlich Antheil an drei Arten von Höhlen. | a) Heisslufthöhlen. Dieselben sind noch wenig erforscht. Die Heilkunde sucht die bekannte Höhle von Monsumano als Sanatorium zu Ehren zu bringen. Eine Höhle, die auch im Januar noch Luft von 14° Wärme ausstösst, entdeckte Krejci im nördlichen Böhmen [82]. b) Tropfsteinhöhlen. Mit diesen beschäftigt sich Huxley [83] weit ein- gehender, als es andere Lehrbücher thun. Wenn kalkreiches Wasser den Zutritt zu einer Höhle findet, so verdunstet es. und es bildet sich von ihm ein fester Niederschlag, der Tropfstein. Zuerst entstehen die von der Felsdecke herab- hängenden Stalaktiten (otakacseıv, tropfen); von ihnen träufelt reich mit kohlen- saurem Kalk beladenes Wasser zu Boden, und es wachsen so von unten nach oben die Stalagmiten (otailoype«, Tropfen). Beide Gattungen erscheinen oft in den bizarrsten Cylinder- und Kegelformen. Die bekanntesten Tropfsteinhöhlen sind wohl die krainische Grotte von Adelsberg und die istrische Grotte von St. Kanzian; berühmt sind auch die Grotten der englischen Insel Caldy und der griechischen Insel Antiparos, sowie die „Mammuthhöhle“ in Kentucky — vgl. die 628 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. So gewaltige, wie die Faltenbildung sie mit sich bringt, sind seit Menschengedenken nicht mehr bemerkt worden. $S. 4. Der Zusammenhang der Erdgebirge unter einander. Wir gedenken hier eine kurze Uebersicht über die Resultate zu geben, zu welchen Suess betreffs der von ihm geschaffenen vergleichenden Orologie gelangt ist. Es wird sich dabei unsere Darstellung der Kapitel-Eintheilung im „Antlitz der Erde* anzuschliessen haben. a) Das nördliche Alpenland. Vom südlichen Schweden her dringt durch das nördliche und mittlere Russland hindurch bis in’s östliche Galizien hinein die „russische Tafel“ [91], eine seit den ältesten Zeiten kaum aus ihrer Lage gebrachte ebene Platte, die nur am Rande theil- weise von den karpathischen Faltungen überwältigt ward. Westlich ruhen die Karpathen auf den sie unterteufenden „Sudeten“ auf. Dann zieht sich mit treppenförmigen Absätzen gegen den Fuss der Alpen das „fränkisch-schwäbische Senkungsfeld“* hin, ausgezeichnet durch Einsturzkessel im Riess und Hegau. Die süd- und mitteldeutschen Gebirge treten als „Horste“ (Band I, S. 327) aus diesen Depressionen hervor; am schärfsten ausgeprägt ist der als Pfahl bekannte und für den bayrischen Wald typische Quarzzug*). Abbildung bei Marinelli [84]. Landerer hat eine besonders schöne Höhle dieser Art in Attika entdeckt [85]. c) Eishöhlen. Grotten, in welchen sich das Eis ganz oder fast ganz durch’s Jahr hindurch erhält, sind in nicht eben geringer Anzahl bekannt und beschrieben. Wir nennen die Rother Eishöhle in der Eifel, perennirende Eisbildungen im Westerwald, die Grotte von Illetzkaja Zakhita bei Orenburg, als hauptsächlich durch die auch für die theoretische Seite des Gegenstandes bahnbrechenden Ver- öffentlichungen Schwalbe’s bekannter geworden [86]. Sehr interessante Exem- plare weist Ungarn bei Demonowa, Szilicze und Dobschan auf; namentlich dieses letzte ist schon mehrfach zum Objekte monographischer Behandlung ausersehen worden [87]; andere Beiträge lieferten Browne aus der Schweiz und Jarz aus Mähren. Supan meint, zwischen Tropfstein- und Eishöhlen bestehe nur der Unterschied, dass eben Tropfstein durch Eis ersetzt sei [88], allein ganz so ein- fach gestaltet sich, wie wir sehen werden, die Sache denn doch nicht. Fugger, der am Untersberg bei Salzburg mehrere Eislöcher — nicht zu verwechseln mit den dort gleichfalls häufigen Schneetrichtern — zu beobachten Gelegenheit hatte, äusserte sich am 10. August 1882 auf dem Salzburger Alpinisten- kongress dahin, dass es falsch sei, an ein Schwinden des Eises im Winter und an eine Neubildung desselben im Sommer zu glauben, vielmehr sinke im Winter ‚die Temperatur tief unter Null, während das Einsinken von Tropfwasser fortdaure, und nur selten vermöge dann im Sommer so viel wärmere Luft in die Kaverne zu dringen, um das Wintereis gänzlich zu vernichten [89]. Allein Schwalbe wendet mit Recht ein, dass diese Kausalerklärung mindestens keine in allen Fällen zutreffende sei; es spreche dagegen das Erstarren des Wassers bei’m Herabträufeln, die Eisbildung in solchen Höhlen, deren Eingang tiefer liegt, als der Ort, an welchem das Eis entsteht, und das notorische Wachsen des Eises im Frühling. Unser Gewährsmann, der den Gegenstand jedenfalls auf Grund der ausgedehntesten Autopsie behandelt, erblickt in dem Boden der Höhlen den Sitz der Abkühlung; es scheine, dass das Wasser in überkältetem Zustande aus dem Boden hervor- trete und bald erstarre. Nur bleibt aufzuklären, wieso der Sickerprocess zu einer solchen Kälte führen kann; möglich, dass der Luftzug in den Spalten dabei mit im Spiele ist. Dass einsinkende kalte Luft die Eisbildung fördert, wird natürlich zugestanden, aber nur in Ausnahmsfällen wird allein in ihr die Ursache jener gesehen werden dürfen. Der Bodentemperatur „mit ihren nachhinkenden Maxima’s und Minima’s“ gesteht E. Richter [90] grossen Einfluss zu. *) Das geognostische Wesen dieser durch ihre Geradlinigkeit oft an Kunst- bildungen erinnernden Erhebung ist uns besonders durch Gümbel [92] er- schlossen worden. V,$. 4 Der Zusammenhang der Erdgebirge unter einander. 629 b) Die Leitlinien des Alpensystemes. Die Alpen beginnen west- lich von Genua (8. 531), da, wo die Tangentialbewegung im Apennin eine entschiedene Umbeugung erlitt; innerhalb des Jura dehnt sich der Bogen ihrer Faltungen erst gegen Norden, dann mehr und mehr gegen Osten. Es sind hier mehrere koncentrische Leitlinien vorhanden, deren nördlichste den Bogen der Karpathen bildet [93]. Eine zweite Leitlinie, die Linie des ungarischen Mittelgebirges, verläuft längs des Plattensee’s. Man muss jedoch“) das Alpensystem auch nach Italien und über’s Meer hinüber nach Afrika verfolgen, und dann zeigt sich, dass die faltende Kraft innerhalb dieses Erdraumes nicht so ausschliess- lich eine nördliche, resp. nordöstliche Richtung innegehalten hat, wie die eigentlichen Alpen vermuthen lassen **). c) Die adriatische Senkung. Grosse Bruchlinien, die periadria- tischen Brüche, umsäumen in Gestalt annähernd koncentrischer Absenkungstreppen von Montenegro bis hin zum Lago d’Idro die Adria, welche den tiefsten Ort der Senkung bezeichnet [95]. Die Granit- masse des Cima d’Asta rast als gewaltiger Horst hervor. d) Das mittelländische Meer. Es werden nach dem Grade der Ausbreitung des Meeres in den verschiedenen geologischen Zeitaltern fünf Mediterranstufen unterschieden [96], deren erste als ihre Ablagerung den besonders in Oesterreich weit verbreiteten Schlier zurückgelassen hat. Grosse Einbrüche haben noch nach der glacialen Epoche stattgehabt. e) Die Wüstentafel. Eine flache Tafel erstreckt sich von der Mündung des Wadi Dra in den atlantischen Ocean, von einer Fal- tungszone (s. o. $. 2) nördlich begleitet, weit nach Ostnordost |97]. Südlich bis Darfur und bis zum Somali-Land, östlich bis zum Zweistrom- land reichend, weist diese wenig gestörte Platte ähnliche Charakter- züge auf, wie die ihr verwandte russische. Judäa mit der Bruchlinie des Jordanthales repräsentirt [98] eine „einseitige Grabenbildung“ (Band I, S. 327). | f) Das indo-afrikanische Tafelland. Für dieses ganze ausgedehnte Gebiet fehlt seit Beginn der Kohlenperiode jedes Anzeichen der Fal- tung [99]. Ein Zusammenbrechen der Schichten begann in Hindostan während oder nach der Liaszeit, in Südafrika zu einem noch nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkte. g) Nordindische Schaarungen. Charakteristisch ist für das nörd- liche Indien und das angrenzende Hochasien das Auftreten der mäch- tigen Ketten, unter denen als koordinirt die das Schwemmland des Pendjab umsäumende Salzkette, die tertiären Vorketten, der west- liche Himälaya mit der Mustagh-Kette, Karakorum und west- licher Küen-Lün, Hindukusch und Pamir mit den am Oberlaufe des Oxus sich hinziehenden Parallelketten und dem Kaschgar-Gebirge, der östliche Himälaya, die birmanischen Ketten und deren *) Man bemerke wohl, wie durch Suess’ neue Aufstellungen die Buache’sche Lehre vom Zusammenhang der Gebirge reformirt oder, besser gesagt, durch- geistigt wird. ==) Für die Alpen im üblichen Sinne stipulirt Supan [94] folgende fünf Hauptlinien: Martigny-Chur, Feldkirch-Wörgl, Zillerthal-Hieflau, Mur-Mürz-Linie, vereinigte Thäler von Rienz und Drau. Die Südalpen erscheinen uns bei dieser sonst scharfsinnigen Eintheilung zu wenig berücksichtigt zu sein. 630 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Fortsetzungen in den hinterindischen Archipel hinein unter- schieden werden. Das indische Tafelland ist mit dem nördlichen Theile des grossen Oceanes tektonisch nahe verwandt [100]. h) Verbindungsglieder zwischen den Alpen und den asiatischen Gebirgen. Wenn man die asiatischen Gebirgssysteme in fünf gegen Süden konvexe Bogenlinien — malayischer Bogen, Himälaya-Bogen, Hindukusch-Bogen, persischer Bogen, dinarisch-taurischer Bogen — gruppirt, so kann der das westliche Mittelmeer umspannende Bogen als eine Fortsetzung jener angesehen werden [101]. i) Südamerika. Kein Erdtheil ist so einheitlich gebaut, wie dieser [102]. Die Kordilleren sind eine jüngere, den Charakter einer gewissen Fremdartigkeit gegenüber dem Haupt-Landkomplex an sich tragende Bildung, welch’ letzterer wesentlich aus der mit paläozoischen Sedimenten kedeckten „brasilianischen Tafel“ besteht. k) Antillen. Drei Zonen, jungvulkanisch, tertiär und mitteltertiär, bilden ein System, welches Suess als die „Kordillere der Antillen“ zu bezeichnen vorschlägt [103]. l) Nordamerika. Der atlantische Ocean liegt, so schildert Suess mit grossen Zügen |104] den relativ höchst genau erforschten Bau dieses Erdtheiles, an der Innenseite eines aus dem höheren Norden herab streichenden Faltensystemes. Weiter gegen Westen werden die am kräftigsten in den Alleghanies sich ausprägenden Falten flacher, es beginnt eine grosse Transgression von Cenoman (Kap. I, S. 6 dieser Abtheilung), Kreideablagerungen schieben sich weit gegen Westen vor. Da, wo die Rocky Mountains sich erheben, treten mit Einem Male abrupte Aufkantungen, Verschleppungen und Vorfaltungen der mesozoischen Ablagerungen ein. Die genannten Höhenzüge haben den Charakter von Horsten. Die Sierra Nevada ist eine gegen West: überschobene Faltung, weiterhin beherrschen Eruptivbildungen das Terrain, und sodann gelangt man zur Fortsetzung der südamerikani- schen Anden. — Das Grossartige dieses Suess’schen Systemes der tektonischen Formen liegt eben in seiner Einheitlichkeit. Mag gegen einzelne Theile desselben auch Widerspruch erhoben werden, wie es z. B. von Seite Bittner’s geschehen ist — die Methode und die allgemeinen orographischen Züge werden dauernder Besitz der physischen Geo- graphie bleiben. $. 5. Erosion und Verwitterung. Von der Kraft der Erosion ist, namentlich in der siebenten Abtheilung, schon zu verschiedenen Malen die Rede gewesen, ohne dass wir gleichwohl bisher zu einer systematischen Untersuchung dieses umfassenden Begriffes genöthigt gewesen wären. Nunmehr aber tritt uns die Erosion, wie schon das ungemein nahe liegende Beispiel der Bergstürze *) beweist, als morpho- *) Als ein selbstständiges und die Beschäftigung mit ihm reichlich lIohnendes Untersuchungsobjekt müssen wir die Bergstürze seit den Veröffentlichungen von A. Heim [105] und von Pollack [106] anerkennen. Das Wort Bergsturz, Bergbruch oder Bergrutsch („&boulement“) umfasst in sich sehr verschieden- artige Erscheinungen, im Ganzen nicht weniger als sechs, welche nach Heim’s Analyse in ihrer Sonderart am besten durch das nachstehend mitgetheilte Schema, in welchem die eingeklammerten Orte als Belege dienen, gekennzeichnet werden können. V,$. 5. Erosion und Verwitterung. 631 logischer Faktor von höchster Bedeutsamkeit entgegen, und so können wir denn nicht mehr umhin, diesem hochwichtigen Faktor der Erd- skulptur näher zu treten. Es besteht nicht vollständige Uebereinstimmung unter den Ge- lehrten darüber, wie weit der Sinn des in alle Kultursprachen über- gegangenen Wortes Erosion, zu deutsch Ausnagung, zu erstrecken sei. Wohl am weitesten gehen in dieser Hinsicht Bernhard Studer 1117] und Hahn [113], nach deren Ansicht eine sechsfache Bethätigung erosiver Kräfte anzunehmen ist, nämlich Erosion in Folge von Temperaturschwankungen, Erosion des Windes, Erosion der meteorischen Niederschläge, Erosion durch Quellen und Flüsse, Erosion durch Strömungen und Wellenschlag des Schuttbewegungen | I. Schuttrutschungen (Herdern, Fetom), (Schuttbrüche) I. Scehuttstürze (Bilten, Sonnenberg), Felsbewegungen III. Felsschlipfe (Goldau), (Felsbrüche) n— Felsstürze (Plurs, Felsberg, Elm), V. Gemischte Bergstürze (Brienz in Graubündten) und zusammen- gesetzte Bergstürze (Vitznau), VI. Besondere Einstürze, wozu die Erdfälle im engeren Sinne und die Einstürze ausgenagter Ufer gehören. Pollack adoptirt von diesem Schema [107] nur die mehr in’s Einzelne gehende Klassifikation; nicht aber das Eintheilungsprincip der Bergstürze nach Fels- und Nicht-Fels. Die von Rothpletz geäusserte Ansicht, dass die Bewegung der fallenden Massen weniger auf einer Rutschbahn, als in einer Wurfbahn — grossentheils durch die freie Luft — erfolgte [108], ward von Heim bestritten? und stimmt auch nicht zu Pollack’s Nachweis, dass, zwar nicht immer, aber doch sehr häufig, Rutschflächen — der Autor theilt sie in Schicht-, Absonde- rungs-undBruchflächen — zum Abgleiten prädisponiren. Entfernung stützender Massen, vornämlich durch die Erosion bewirkt, und Vergrösserung der Belastung sind die für die Auslösung des Sturzes bestimmenden Momente; auch können lokale Ursachen, Auftreibungen durch Senkung höher gelegener Massen, einen Sturz veranlassen, wie Th. Wolf in Ecuador beobachtet hat. Jedenfalls kann man mit Heim stets Abrissgebiet, Sturzbahn und Ablagerungsgebiet — letzteres theils mit Blöcken besäet, theils mit Schlammströmen bedeckt — unterscheiden. — Dem Publikum meist bekannt ist wohl der verderbliche Fels- schlipf des Goldauer Rossberges, durch welchen der Lowerzer See zum Theile aus- gefüllt ward. Weit verderblicher aber waren der mittelalterliche Absturz (wohl auch Felsschlipf?) des Dobratsch in das Gail-Thal (bei Villach), der Felssturz, durch welchen das Städtchen Plurs am Hochrhein seinen Untergang fand, und von dem die Münchener Hof- und Staatsbibliothek eine merkwürdige Zeichnung bewahrt, und die Katastrophe von Elm in Glarus, welcher Buss und Heim eine besondere Monographie [109] gewidmet haben. Die „Fleimser Breccie“ in Grau- bündten ist nach sorgfältiger Durchsuchung von Seiten Hartung’s [110] und Heim’s [111] nicht sowohl als alter Bergsturz, sondern vielmehr als grossartiges Bergsturzgebiet erkannt worden. Viele Nachrichten über indische und neuer- dings vorgekommene englische Erdsenkungen mit kraterförmigen Oeffnungen bringt die Zeitschrift „Nature“ [112]. Historisch interessant ist die Thatsache, dass, als gegen Ende des XVII. Jahrhunderts ein starker Bergrutsch im Eichs- feld stattfand, kein Gelehrter an ein solches Vorkommniss glauben wollte, bis dann endlich Lichtenberg — auf eine von seinem Schüler Benzenberg vor- genommene ÖOkularinspektion hin — die Realität des Sturzes anerkannte und ihn zu jenem von Plurs in Parallele stellte [113]. Ein Analogon zu der berüchtigten Skepsis der Pariser Akademiker ($. 78 des ersten Bandes) den Meteoriten gegen- über! — Die morphologische Aktion rutschender loser Massen und deren Be- kämpfung durch die Technik erörtert sehr eingehend Reyer [114]. Was die theoretische Grundlage für die Bewegung solcher wenig fester Massen und die Bedingungen der sogenannten Pilotirung anlangt, so hat Boussinesq dieselbe in vollständigster Form geliefert [115], und G. A. Darwin’s Bestimmung des Seitendruckes derartiger Massen [116] enthält dazu einen Nachtrag. a I ara ie er, 8 er Xu Meeres*), Erosion durch Gletschereis**). Man wird der Berech- _ tigung dieser weiten Begriffsbestimmung kaum entgegentreten können, aber ebensowenig wird zu leugnen sein, dass eine Vertiefung und Detaillirung der Begriffe und zumal eine Trennung der blos mecha- nischen und der mehr chemischen Vorgänge sich empfiehlt. „Das grosse Drama des Zerstörungsprocesses zerfällt,“ wie Supan diesen Gegensatz formulirt [119], „in zwei Akte: Verwitterung und Denu- dation. Erstere wird durch die Luft eingeleitet, durch Wasser und Pflanzen fortgesetzt; die Denudation besorgen Schwerkraft, Wasser, Eis und Luftströmungen“ ***). Die Verwitterung lernen wir am besten durch eine Schrift A. Heim’s [126] kennen. Die mannigfachsten Ursachen können chemisch zerstörend auf das Gestein der Gebirge einwirken; dass der Blitzschlag oberflächliche Schmelzungen und Frittungen an Felsen hervorbringen kann, hat nichts Verwunderliches, wenn man sich des früher [S. 175] über Blitzschläge Gesagten erinnert; ein von Blitz- schlägen besonders stark angegriffenes Gestein der kleinasiatischen Berge nannte Abich Fulguritandesit [127]. Weit energischer wirken Sauerstoff und Kohlensäure, deren Thätigkeit ja keinen Augenblick unterbrochen ist, und solcher Thätigkeit gegenüber er- weisen sich auch solche Mineralien als schwach, welche sich im *) Als Steigerung der Erosion erscheint die Abrasion (s. $. 460 in diesem *Bande). **) Auf Seite 557 erkannten wir die sehr geringfügige Bedeutung dieses Erosionsfaktors. *#%) Die morphologische Aktion des Windes war es wohl werth, von v. Czerny zum Gegenstande einer besonderen Untersuchung gemacht zu werden [120]. Dass der Wind aus fortgewirbeltem Detritus nicht blos Bänke, sondern dichte Massive aufbauen kann, ist durch.die hier mitgetheilten Beispiele und durch v. Richt- hofen’s Lösstheorie ($S. 512) zur Genüge erwiesen. Dass der Wind ebenso ero- dirend wirkt, ist zwar minder augenfällig, aber nicht minder gewiss [121]; er schaufelt Hohlwege durch: lose angehäufte Massen hindurch und bringt nach Rohlfs in der Sahara, besonders nahe bei Murzuk, ganz eigenthümliche Boden- bildungen („Neulinge* und „Zeugen“ in der arabischen Landessprache) zuwege. Wir würden es nicht für unmöglich halten, dass auf eine besondere Richtung und Stauung des sandführenden Wüstenwindes jene eigenthümliche Bodenform der arabischen Sandwüste „Nefud“ zurückzuführen wäre, von welcher Lullies — nach Blunt — nachstehende Schilderung entwirft [122]: „Eine grosse, neu entdeckte Eigenthümlichkeit der Nefud sind die Fuldjes, Vertiefungen von der Form eines Pferdehufes, nach der Zehe zu mit steil abfallendem Rande, nach der Hacke allmählig steigend, am Boden von Wasserrinnen durchfurcht, die alle der tiefsten Stelle zustreben.“ Wir haben uns in $. 11 des dritten Kapitels dieser Ab- theilung überzeugt, dass Gletscherschliffe im nördlichen Deutschland gar nichts Seltenes sind, aber noch vor wenigen Jahren vermochte H. Credner bei ein- zelnen solchen Fällen nicht die Zustimmung anderer Fachmänner für seine Auf- fassung zu erwerben, weil jene die Flächenpolitur der Winderosion zuschreiben zu müssen glaubten [123]. Als Erbauer von Dünen haben wir den Wind schon früher kennen gelernt. — Von einer neuen und wichtigen Bestätigung der Erosions- und Transportkraft der Luftströmungen erfahren wir durch Zöppritz [124]: „Die trockenen Flussbette des Amu-Darja und deren Umgebungen sind von dem, Fürsten A. Gedroiz näher untersucht worden. Dabei hat sich herausgestellt, dass bei weitem der grösste Theil des Gebietes südlich vom Aral-See seine jetzige Öberflächengestaltung den Winden verdankt, welche die feinen Zerkleinerungs- produkte von Kreide und Tertiärschichten zusammen mit den Flussablagerungen des Amu und des Syr weithin verbreitet haben.“ Dieser Fund wirft auch auf manche der von Lochtin in fraglichem Territorium ermittelte Thatsachen [125] ein neues Streiflicht. V.$. 5. Erosion und Verwitterung. 633. Laboratorium den Ruf der Unlöslichkeit erworben haben*). Die Verwitterung richtet sich auch nach den Molekularstrukturverhält- nissen des Gesteines, sie greift isotrope Körper anders an, als solche mit einer Krystallaxe oder mit zwei derselben **),. Wie bei Metallen, die eine oberflächliche chemische Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft eingehen, zuerst der eine Verbrennung der Theilchen signalisirende Rost erscheint, so ändert sich auch bei’m anstehenden Gestein zuerst die Farbe der äussersten Kruste, und erst nach und nach pflanzt sich die Farbenveränderung tiefer in’s Innere hinein fort [129]. „Ursprüng- lich glashelle Krystalle werden allmählig trübe und undurchsichtig, und deren Spaltungsflächen verlieren den Glanz, der Bruch wird erdig, das Gefüge der einzelnen Mineralkörner und des ganzen Gesteines lockert sich, und endlich fällt Alles in Brocken und Grus auseinander.* Auch die Pflanzdecke betheiligt sich sowohl mechanisch ***), als auch chemisch beim Verwitterungsprocese.. Man muss mit J. Roth die einfache Verwitterung, bei welcher der Fels direkt durch von aussen kommende Kräfte beschädigt wird, und die komplicirte Ver- witterung unterscheiden, bei welcher auch die schon aus dem ein- fachen Verwitterungsakte hervorgegangenen Lösungen ihre chemisch- erosive Mitwirkung leihen |130]. Der feste Fels wird so in Stein- schutt und Gerölle aufgelöst; das letzte Stadium der Zersetzung, welches ohne die für die Bildung humussaurer Alkalien nothwendige Aktion der Pflanzen nicht erreicht wird, tritt uns als pulverisirte Erdkrume tagtäglich vor Augen. — Sehr wahrscheinlich muss auch jene sonderbare Gestaltung des Terrain’s, welche als Karstbildung bekannt ist, der chemischen Erosion zugeschrieben werden fJ. Karst *) Quarz z. B. gilt als unlöslich, und doch findet man Quarztropfsteine in Grotten und Krystalle dieses Stoffes in Klüften von Gesteinen, welche selbst wässe- rige Niederschlagsprodukte sind. **) Es geht dies u. a. hervor aus Pape’s auch in mathematischer Beziehung bemerkenswerthen Arbeiten über die Verwitterungsellipsoide der Kry- stalle [128]. ***) Nach Heim (a. a. O.) ist die Zerstörungskraft mancher Pflanzen (dar- unter der seinen Namen vollberechtigt führende Steinbrech, aber auch Alpenrose, Berglatsche, Dryas octopetala) gar keine kleine. Man findet oft Gesteinstrümmer von allen Grössen, noch umgeben von dem Wurzelgeflecht, dessen Triebkraft sie lossprengte. 7) Das Karstterritorium wird gewöhnlich auf Krain sammt den angrenzen- den Partieen von Istrien, Bosnien, Dalmatien und Kroatien beschränkt. Allerdings haben, wie Supan hervorhebt [131], auch Theile von Australien und Südbrasilien, Kentucky, Wisconsin, Palästina, Westphalen. Pyrenäengebiet, französischer Jura, endlich Livland mit der Insel Oesel ähnliche Bildungen aufzuweisen, allein keines- wegs So rein ausgeprägt, wie am ersteren Orte. Charakteristische Karsterschei- nungen sind: Eigenthümliche Mulden oder Dollinen (besonders berühmt die Doppeldolline von Lesetsche), Kesselthäler (meist langgestreckte Ovale, wie die Ellipse von Livno mit 60km langer Hauptaxe). Höhlen, welche als unter- irdische Räume den Kesselthälern entsprechen, verschwindende und wieder empor- tauchende Flussläufe (vgl. S. 604), endlich natürliche Brücken als Rudera von eingestürzten Decken. Beiläufig bemerkt, können solche Naturbrücken auch durch andere Agentien erzeugt werden, namentlich durch Inkrustationen, wofür die be- kannte Travertinbrücke von Clermont [132] Zeugniss ablegt. Betreffs theoreti- scher Erklärung der Karstphänomene liegen drei Theorieen namhafter österreichi- scher Geologen vor. a) Theorie von Reyer. Hiernach sind tektonische Momente auch für die Karstbildung maassgebend gewesen [133]. Dislokationen der Stauung und Verwerfung haben auch im Karst meist die Höhlen zuwege gebracht, und das 634 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. (ital. „carso®, slov. „kras“) bedeutet an sich zerklüfteten Kalkstein- boden. Die Aussenseite der Gebirge wird von der Verwitterung in der buntesten und für deren pittoresken Charakter meistbestimmenden Weise mitgenommen. Kalksteinflächen erhalten durch die Nässe, d.h. durch die chemische Zersetzungsarbeit des auflagernden Wassers Ver- tiefungen, zwischen denen allgemach steile Riffe emporzuragen be- ginnen. Diese zerhackten Kalkflächen heissen Karrenfelder oder Schratten („Lapiatz“); sie weisen oft messerscharf geschliffene Schneiden auf und sind schwer zu begehen; charakteristisch für ihre chemische, nicht mechanische Entstehung ist ihr Gebundensein an gewisse Gesteinsarten. Unsere Fig. 118 liefert ein Karrenprofil. Gebirge, die an der Aussenseite aus sehr reinem Kalkstein bestehen, besitzen die grossartigsten Karren*), Gips ist zu leicht löslich, um der Erhaltung einmal gebildeter Schratten günstige Bedingungen darzubieten. Schnee bleibt in den Karrenfeldern gerne für längere Zeit liegen **), aber Verständniss der Dollinenform erhält z. B. einen Fingerzeig dadurch, dass die Tropfsteingrotte von Caniale heute noch die effektive Verbindung einer Höhle mit einer Dolline wahrnehmen lässt. b) Theorie von Tietze. Die ältere Auffassung, wonach Auslaugungen und Auswaschungen unterirdische Hohlräume gebildet haben, die dann zu Einstürzen Veranlassung gaben, wird von Tietze [134] energisch aufrecht erhalten. c) Theorie von v. Mojsisovies. Der Grundzug dieser Theorie [135] ist: Das Karstphänomen begann sich zu entwickeln, als eine Thalbildung durch Gebirgs- faltung im Kalkgebirge eine Störung erlitt. Sowie dies eingetreten war, ent- faltete die Erosion eine mächtige und ungehinderte Thätigkeit. Die Trogthäler (bosnisch „Polje“) legen dafür Zeugniss ab, die „Karsttrichter* oder Dollinen haben keinen anderen Ursprung, als die uns schon (vgl. $. 562) bekannten geo- logischen Orgeln. Die blättersteppigen mit Trichtern dicht besetzten Berg- hänge repräsentiren eine Uebergangsform vom Karst zum Karrenfeld (s. o.). Einen warmen Anhänger fand v. Mojsisovics in Hörnes [136], der auch später die Vertretung dieser Ansichten gegen Tietze übernommen hat [137]. — Wir wollen eine bestimmte Stellung nicht einnehmen, sondern halten uns an die sehr beherzigenswerthen Schlussworte der Tietze’schen Abhandlung (8. 0.): „Die kombinirten Wirkungen‘ einer theils oberirdischen theils unterirdischen Wassereirkulation nach den gewöhnlichen hydrostatischen und hydrodynamischen Gesetzen, Erosionseffekte im Inneren von Kalkgebirgen, chemische Auslaugungen, mechanische Auswaschungen, Bildung von Hohlräumen und Einstürze der Decken dieser Hohlräume, Gleichgewichtsstörungen und Wiederherstellungen des Gleich- gewichtes, das sind die Ursachen...“ — Ein österreichischer Forstmann, v. Gutten- berg. berechnet [133], dass 1100000 Bewohner Cisleithaniens, 340 000 Bewohner Transleithaniens auf Karstgebiet wohnen, und macht, gestützt auf historische Studien, beachtenswerthe Vorschläge zu der keineswegs für unmöglich zu erach- tenden Wiederbewaldung dieser Oede [139]. *) Vorzügliche Abbildungen von Karrenfeldern — und Karrenbrunnen — hat uns in jüngster Zeit Simony zugänglich gemacht [140]. **) Die Schneetrichter des Untersberges (s. 0.) müssen somit auch den Karrenbildungen zugerechnet werden, und es hat deswegen Fugger gewiss das tichtige getroffen, als er in ihnen die vereinte Wirkung von chemischer und mechanischer Erosion erblickte [141]. V,$. 5. Erosion und Verwitterung. 635 auch die Vegetation siedelt sich daselbst mit Vorliebe an. Die Karren- bildung nimmt ihren ungestörten Fortgang, und höchstens klimatische Veränderungen von Belang vermöchten ihr erfolgreich entgegen- zuarbeiten. f Berge aus Ur- und Eruptivgestein werden durch denselben Ver- witterungsprocess, welcher Kalksteinflächen zu Karren machte, in Blockgipfel (Gotthardtgruppe, Schwarzhorn im Wallis) und Felsen- meere (vgl. S. 525) umgewandelt [142]. Für jede Felsart von be- stimmter Zerklüftung und Lagerung giebt es, solange das Klima stabil bleibt, eine — vom Reibungswinkel (S. 522) abhängige — Maximal- böschung, welche nicht überschritten werden darf, wenn die Ver- witterungstrümmer dauernd an ihr haften sollen; ausserdem entsteht ein Rutschen und Nachbrechen, bis der genannte Grenzzustand wieder hergestellt ist. So schreitet die Runsenbildung von unten nach oben fort, wie am schönsten die „Churfirsten®* des’ Toggenburger Thales ersehen lassen. Wenn über einer der Verwitterung stark ausgesetzten Masse eine widerstandsfähigere gelegen ist, so kann erstere leicht „herauswittern“, und dadurch entstehen die an sich seltenen dachförmig überhängenden Wände (vgl. S. 521)*). Wenn im Gebirge feste und weiche Felsarten rasch und häufig abwechseln, so entstehen die auf weite Entfernungen hin sichtbaren Verwitterungs- terrassen, die, weil auf ihnen der Pflanzenwuchs leichter gedeiht, wohl auch den Namen Rasenbänder führen [143]. Der Stock des Glärnisch ist mit vielen und scharf markirten Bandstreifen dieser Art versehen. Am auffälligsten aber wird diese Verwitterungsstruktur dann, wenn der frisch gefallene Schnee zwar die Treppen- Absätze, nicht aber die steil abfallenden Wände dazwischen bedeckt. Das Gestein erleidet durch die Verwitterung eine Erniedrigung, die aber erst dann augenfällig wird, wenn ein kräftiger Abtrag (Denudation, Ablation) die Wegführung der Verwitterungsprodukte ermöglicht **). Die Ungleichheit im Maasse der Denudation kann neue Berge, wie die Schweizer Mythen, erzeugen, welche, selbst aus festem Kalkstein bestehend, ehedem von leicht zerstörbarem Flysch umgeben waren. Abrutschende Verwitterungsprodukte geben, wenn auch nicht immer zu den gefährlichen Bergstürzen, so doch zur Bildung von Schutthalden und Schuttkegeln (8. 522) Veranlassung. Die Bö- *) Etwas anders war der Hergang bei Entstehung der geneigten „Balmen“ in der Schweiz. ==) Der Denudation fehlt an sanft geneigten Flächen gewöhnlich eine Energie, wie sie dieselbe unter günstigeren Verhältnissen offenbart, und es schreitet dann der Zersetzungsprocess, wenn auch langsam, tiefer, denn sonst, gegen das Innere der Felsmassen hinein vor. Der Amerikaner Pumpelly, den wir uns bescheiden müssen, nach einem Referate von Zöppritz [144] zu eitiren, dessen geologische Arbeiten über Innerasien aber Barnard [145] zu den ersten Fachleistungen der neueren Zeit rechnet, bezeichnet diesen Zustand als den säculärer Verwitterung. Dieselbe führt, wie uns v. Richthofen zeigte, etweder zur lehmigen Zer- setzung, oder. falls ein höherer Gehalt von Eisenoxyd vorhanden ist, zur Laterit- bildung [146]. Nach Pechuel-Lösche muss man Laterite von zelligem Gefüge in ursprünglicher Lagerung und Laterite von dichtem Gefüge in secundärer Lagerung unterscheiden [147]. Wunderlichere Erosionsformen, als sie dem genannten Autor zufolge in den Lateritgebieten des Congo und der Loango-Küste sich vorfinden, dürfte man vielleicht auf der ganzen Erde vergeb- lich suchen. 636 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. schung dieser Halden beträgt durchschnittlich meist 30° [148]*). Genaue Untersuchung des durch seine paläontologischen Einflüsse be- rufenen Schuttkegels der Tiniere hat nach Uhlmann [150] zu dem Ergebnisse hingeleitet, dass das Wachsthum solcher Ablationsgebilde kein der Zeit genau proportionales: ist. Die Erosion des fliessenden Wassers, welche zum Unterschied von anderen von nun ab Korrasion genannt werden möge, hat in diesem Paragraphen eine Stelle noch nicht gefunden. Sie ist unzer- trennlich von der Lehre der Thalbildung. i S. 6. Entstehung der Thäler, Flussterrassen und Tiefländer, In v. Sonklar’s Eintheilung der Thäler [151] werden Spaltenthäler, Verwerfungsthäler, Sattelthäler, Einsturzthäler, negative Thäler und Erosionsthäler unterschieden. Diese äusserliche Klassi- fikation lässt sich nicht aufrecht erhalten, doch liegt ihr immer- hin ein gesunder Kern zu Grunde, und diesen glauben wir heraus- zuschälen, wenn wir behaupten, dass es zwei principiell und kausal verschiedene Gattungen von Thälern giebt: die seltener vorkom- menden tektonischen Thäler und die die Regel bildenden Erosionsthäler. Die ersteren können selbst wieder Spaltenthäler und Ver- werfungsthäler sein. Durch Daubre&e’s schöne Experimentalunter- suchungen sind uns die mechanischen Gesetze der Spaltenbildung in grosser Vollständigkeit erschlossen worden**), und es ist umso- weniger abzusehen, weshalb die Möglichkeit einer Thalbildung auf diesem Wege geleugnet werden sollte, da es an Exempeln nicht fehlt, welche der Erklärung durch Korrasion die allergrössten Schwierig- keiten entgegenstellen***). Statt durch Bruch oder Aufberstung sich *) Die Bedingungen der Ablation suchte Milne mathematisch zu fassen [149]. Wenn C,, Cy, Cz je eine Konstante, Q das Gewicht eines Erosionstrümmerstückes, y der Neigungswinkel des Hanges ist, so soll die ablösende Kraft = CO, Q sin #, die Anfangsgeschwindigkeit = Cy, sec und die Reibung auf der Unterlage = 0;Q cotang y sein. Es gälte, aus diesen drei Daten ein Maass der Ablation zu kombiniren. *=) Ausser auf Daubr&e’s Hauptwerk [152] verweisen wir noch auf einen die Grundgedanken desselben heraushebenden Aufsatz von v. Lasaulx [153]. Spalten im Allgemeinen heissen Lithoklasen (AtWoc, Stein, »AGorc, Bruch); die- selben können Leptoklasen, Diaklasen und Paraklasen sein. Erstere heissen, wenn molekulare Veränderungen die Spaltung bewirkten, Synklasen, wenn äussere Pressung den Anstoss lieferte, Piesoklasen. Diaklasen sind die zu platten- oder quaderförmiger Absonderung führenden Spaltensysteme, welchen man, allerdings in Verbindung mit der Erosion, die merkwürdigen Figuren des Elbsandsteines (sächsische Schweiz) zu danken hat. Grosse Verwerfungsspalten endlich nennt Daubr6&e Paraklasen, und solche glaubt er aus dem Thälergewirre Frankreich’s mehrfach herausgefunden zu haben. ”**) So zeigt Kjerulf, dass für die norwegische Landskulptur vier grosse Systeme von Bruchlinien a priori bestimmend gewesen sind [154], ausnahmsweise haben sich dieselben bis jetzt erhalten; wer hieran Heim’s Aeusserungen zuliebe (s. 0.) Anstoss nehmen wollte, der bedenke, dass diese Aeusserungen nur für Ge- biete mit vielen und starken tektonischen Störungen — also eben nicht für Nor- wegen — gelten wollen. Das Schluchtenthal Jutulhuget („Riesenhieb“) im süd- lichen Norwegen ist eine Thalspalte ohne jeglichen Wasserlauf, von der Har- tung, sonst ein Freund der Korrasionstheorie, ausdrücklich erklärt, dass hier an irgendwelche Erosionswirkungen gar nicht zu denken sei [155]. Reusch glaubt [156], dass diese ursprünglich nur messerrückenbreite Sprungspalte allmählig durch Erd- stösse erweitert und vertieft worden sei. Auch Tietze giebt das sporadische V,$. 6. Entstehung der Thäler, Flussterrassen und Tiefländer. 637 gebildet zu haben, kann ein tektonisches Thal auch eine einfache Konsequenz des die Berge bildenden Faltungsprocesses sein, obgleich allerdings, wie Heim sehr richtig betont [162], im Allgemeinen solche Faltenthäler sich selten durch lange geologische Zeiträume hindurch in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten dürften. Erdhebungen können die Einleitung zu einer Thalaushöhlung bilden, wo dann die Erosion das Uebrige thut; einen merkwürdigen Fall dieser Art (Entwässerung des Winipeg-See’s) hat uns Warren überliefert [163]. Um nun zu den durch Korrasion entstandenen Thälern über- zugehen, so müssen wir zuerst von einigen generellen Gesetzen spre- chen, welchen dieser Process unterliegt. Eines der - wichtigsten ist das von Krümmel näher bestimmte der einseitigen Erosion [164]. Von je bemerkte man, dass die im Inneren von Kettengebirgen ent- springenden Flüsse eine Neigung haben, die umschliessende Mauer nur nach der einen und nicht auch nach der anderen Seite hin zu durchbrechen *); nach Krümmel ist letztere Seite stets auch die vom Regenfalle begünstigte, wo also eine gewisse Prä- disposition des Gesteines für's Zernagtwerden vorhanden ist. Penck studirt die Beziehungen, welche zwischen der Flusserosion und den Vertikalschwankungen des Flussgebietes obwalten [165], und zeigt, dass jede Hebung ein kräftigeres Einschneiden des Stromes in seine Unterlage nach sich zieht. Neu und bestrickend, wenn auch zu Be- denken Anlass gebend, ist Penck’s Vermuthung [166], dass in Afrika Depressionsgebiete sich mit Wasser gefüllt und durch das über ihre Randumwallung hinauslaufende Wasser Flussthalbildungen eingeleitet haben könnten. Das anerkannt grossartigste Beispiel der Korrasion sind die berühmten Canon’s von Nordamerika; aus ihnen, diesen zweifellosen und alleinigen Wirkungen der Erosion, konnte gewisser- massen das Gesetzbuch dieses Erscheinungskomplexes geschöpft wer- den, und dieser Aufgabe hat sich denn auch mit grossem Eifer und Erfolge Dutton unterzogen |167|. Ein „labyrinthisches und gross- artiges Erosionssystem,* wie sich v. Richthofen ausdrückt, hat sich in die sogenannte „Plateauprovinz“ eingesenkt, theilweise, wie bei’m Marble Canon und bei’'m Grand Oanon, bis zu einer Tiefe, die zwi- schen 3230 und 5160 m schwankt [168]. Ausgezeichnet sind die Wände der Canon’s durch Verwitterungsbänder **), Wenn wir uns die Frage vorlegen, wie haben wir uns die Vorhandensein klaffender Spalten zu [157], wenn er auch mit Fug [158] gegen die von Stur [159] aufgestellte Lehre von der paraklastischen Entstehung des Donauthales polemisir. Nach Ami Bou& [160] wiesen auch insbesondere die kanalartigen Thäler auf einen klastischen Ursprung hin. — Wir wollen übrigens nicht verschweigen, dass Penck sich mit Kjerulf und Hartung nicht ‚einverstanden erklärt [161]. *) Himälaya und Anden illustriren treffend die einseitige Erosion. Aber ‚auch bei den Karpathen, Abruzzen, Westalpen, bei’m asturischen Gebirge, bei’m Atlasplateau und beim daghestanischen Kaukasus ist die Vorliebe für einseitigen Durchbruch unverkennbar. **) Die Entstehung so langer und tiefer Erosionsschlünde ist nach Dutton an die grosse Erhebung des Gebietes, an die Horizontalität der Schichten, an das Abwechseln von leicht und minder leicht durch Verwitterung zerstörbaren Schichten und an die Trockenheit des Klima’s gebunden. — Die östlichen Canons — oder, wie er stets schreibt, Canyon’s — nebst den sie durchziehenden Eisenbahnen ‚schildert anschaulich R. v. Schlagintweit [169]. 638 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. Thalausfurchung durch Korrasion im Einzelnen zu denken, so müssen wir darauf antworten |170], dass die Erosion des Wassers nicht blos das nur leise im Boden vorgezeichnete Bett fortwährend vertieft*), sondern auch eine Verlängerung dieses Bettes anbahnt und bewirkt. Hierüber sind die Geologen einig, aber über die Fort- schreitungsrichtung der Korrasionsarbeit bestehen abweichende Ansichten. Tietze (a. a. O.) ist der Ansicht, dass gewöhnlich die Aushöhlung von oben nach unten fortschreitet, d. h. dass der Ober- lauf längst ausgebildet ist, wenn der Unterlauf erst anfängt, modellirt zu werden, und Löwl hält dafür, dass, wenigstens in der grossen Mehrzahl der Fälle, der Process die Richtung von unten nach oben einhalte [172] **). In seiner Vertheidigung gegen Tietze macht Löw] die unseres Erachtens ebenso richtige als wichtige Bemerkung [174], dass seine Auffassung sich sehr wohl mit Thalgabelungen ver- trage, die denn auch in der Natur eben nichts Seltenes sind (S. 527), nicht jedoch mit Flussbifurkationen im Gebirge, und von solchen weiss auch die Geographie nicht zu berichten. Ein besonders schwie- riges Problem wird den Geophysikern durch das Vorhandensein von Durchbruchsthälern mit knieförmiger Umbiegung (Salzachthal) vorgelegt |175]. Neben Löwl’s rückläufiger Erosion spielt hier viel- leicht auch die einseitige Erosion (s. 0.) ihre Rolle; findet das nagende Wasser in direkter Richtung unbesiegliche, in einer seitlichen Richtung dagegen nur geringe Schwierigkeiten, so ist ein Umschwenken des Korrasionsprocesses sehr wohl verständlich. Indem wir damit das Prineip einer erosiven Bildung der Thäler auf leise vorgezeichneter tektonischer Grundlinie festgestellt zu haben glauben ***), wenden wir uns einer Nebenfrage *) Sehr genau und in allen seinen Stadien scheint man dieses Einbohren des Wassers in den Grund in den südrussischen Steppen beobachten zu können. Kohl verbreitet sich hierüber im Zusammenhange mit seinen Berichten über den Ent- stehungsprocess von Obruive und Peressip (Kap. II der vor. Abth.). Dort ist der vom Boden geleistete Widerstand freilich ein sehr geringer, und in härterem Gestein erfordert der Process ganz andere Zeitmaasse, allein daran darf man auch keinen Anstoss nehmen. „Die Thätigkeit des Geologen,“ sagt Heim [171], „ist manchmal vollkommen ähnlich derjenigen des Mathematikers bei Differential- und Integral- rechnung. Er beobachtet fast unendlich kleine Veränderungen in der unorganischen und organischen Welt der Gegenwart und er summirt diese durch unendliche Zeiträume. Die Grössen, mit denen er rechnet, kann seine Vorstellung kaum fassen und in Beziehung bringen, aber sein Verstand weiss doch, dass er richtig rechnet. Das Resultat ist ein sichtbares von bestimmter, endlicher Grösse.“ **) Löw] hat seine Ansichten in einer eigenen Schrift [173] systematisch dargestellt. Er untersucht hier genau und mit einleuchtender Klarheit, wie aus den Quelladern Erosionstrichter und allmählig Scharten entstehen. Auch studirt er eingehend die tektonischen Vorbedingungen der Thalbildung und gründet darauf eine neue Eintheilung der Thalformen. Minder billigenswerth erscheint uns ein zu engherziges Festhalten an dem durch Peschel eingeführten Sinne des Wortes „Fjord“ (vgl. S. 464 ff.). *#*) Bestätigungen für das allgemeine Vorwalten dieses Prineipes lieferten K. Schneider [176] und Reyer [177]. Ersterer konstatirt an zahlreichen Bei- spielen [178], „dass sich die Zuflüsse eines Erosionsthales von diesem aus rück- wärts in das Gestein einschneiden“, was ganz zu Löwl’s Ansicht stimmt. Reyer zeigt, wie oft die Erosion ein Thal — hier das Chiana-Thal — besser als alle Anstrengungen der Hydrotechniker zu entwässern vermag. — In einer Reihe schöner Aufsätze, erschienen in der „Zeitschr. f. d. ges. Naturw.“, führt uns Dunker an der Weser jene ächten Gesetze der Thalbildung vor, welche (vgl. $. 602) eine y R; 2 } r V. 8. 6. Entstehung der Thäler, Flussterrassen und Tiefländer. 639 zu. Supan bemerkt, dass die Thäler von heute nur noch ausnahms- weise — wir denken etwa an die Via Mala oder an den in regen- armem Gebiete trefflich konservirten Erosionsschlund, den Bessels abgebildet hat [179] — direkte Kennzeichen ihrer erosiven, resp. korra- siven Entstehung an sich tragen, dass aber die Thalstufen und Terrassen an diesen Ursprung gemahnen, und dass zu ihm auch jeder Versuch einer genetischen Erklärung der Wasserfälle (S. 596) hinführt [180]. Unser Gewährsmann unterscheidet von den Aus- füllungs- oder Diluvialterrassen, wie sie durch Dana’s Zeichnung der Ufer des Oonnecticut River allen Freunden der physischen Erd- kunde wohl bekannt sind, Felsterrassen und Abdämmungsstufen. Bodmer, der sich mit diesem Gegenstande sehr vertraut gemacht hat [181], erklärt einen kleinen Theil sämmtlicher beobachteter Ter- rassen für Verwitterungsbänder, der weitaus grössere dagegen sei ein Erzeugniss der Flusserosion. Man wird im Ganzen den fünfzehn von ihm aufgestellten Thesen“) umso eher beipflichfen können, als sich auch die Beobachtungen anderer Forscher in Einklang mit denselben bringen lassen **). Allein ganz sicher ist es auch, dass dann, wenn die Mächtigkeit einer Geröllschicht mit der Höhe der Terrasse sich deckt, eine andere Erklärung unumgänglich ist, und diese ward von Penck gegeben |184]l. „Es war das Thal bis zu seiner heutigen Tiefe bereits gebildet, diess beweist der Umstand, dass die Gerölle der Terrasse bis auf den Thalboden herabreichen. Dann begann der Fluss, seine Gerölle anzuhäufen und sein Thal anzuschütten, und zwar solange, bis er ın der Höhe fliesst, welche die Terrasse besitzt. Darauf endlich schnitt der Fluss wiederum in den eben aufgeschütteten missbräuchliche Auffassung mit einem in Wirklichkeit gar nicht vorhandenen (Bär- schen) Gesetze der Rotations-Erosion konfundirte. *) Diese Thesen lauten [182]: „I. Thalstufen und Terrassen kommen in allen Alpenthälern in ausgezeichneter Ausbildung vor; II. in allen bilden sie nach ihrer Höhe eine Reihe verschiedener, übereinanderliegender Systeme; III. die Thalstufen und Terrassen des gleichen Systemes müssen wir als Reste eines früheren Thal- bodens auffassen ; IV. die alten Thalböden sind sehr häufig, sogar gewöhnlich auf beiden Thalseiten in deutlichen Resten enthalten; V. die Thalhohlräume, welche je zwei Systeme trennen. bezeichnen Perioden rascherer Hebung der Alpen; VI. jedes Terrassensystem zeigt thalauswärts ein bestimmtes Gefälle, ähnlich demje- nigen jetziger unterer Thalsohlen; VII. in kleinen Flussbetten ist das Gefälle stärker, als in grossen; VIII. in Quer- und Längsthälern, Haupt- und Nebenthälern desselben Flussgebietes finden sich ganz entsprechend Terrassen und Thalstufen; IX. in verschiedenen Hauptflussgebieten sind die Terrassensysteme in Zahl und Niveau etwas verschieden; X. die Systeme der ähnlich gelegenen und fliessenden Ströme, wie Aare, Reuss und Linth, sind sehr ähnlich; XI. Thalstufen und Terrassen wiederholen sich im Hügellande in ausgezeichneter Weise; XII. die Art des Gesteines hatte keinen Höhe-bestimmenden Einfluss auf die Terrassensysteme; XIII. je resistenzfähiger der Fels, desto deutlicher sind die Terrassen ausgebildet und erhalten; XIV. die Fälle, in denen die Terrassen unklar sind oder nicht stimmen, lassen sich meistens durch Verwitterung, Abrutschungen, Schuttan- häufungen u. s. w. erklären; XV. die frühere Zusammengehörigkeit jetzt getrennter Thalstrecken lässt sich an Gleichheit der Richtung und an Uebereinstimmung der Terrassensysteme erkennen.“ — Nach Miihlberg würden die Terrassen grossentheils der interglacialen Zeit (a. a. OÖ.) angehören [183]. **) Da, wo in der Eifelgegend der Muschelkalk herrscht, finden sich nach K. Schneider (a. a. O.) immer auch Thalterrassen, und zwar erscheinen sie, was auf ihr Hervorgehen aus Korrasionswirkungen hindeutet, da, wo eine weichere Schicht, etwa Buntsandsein, auftritt. 640 Achte Abtheilung. Das Festland mii Seiner Süsswasserbedeckung. Thalboden ein. Die stehengebliebenen Reste erscheinen nunmehr als Flussterrassen, und zwar im Gegensatz zu den oben erwähnten Ero- sionsterrassenals Aufschüttungs- oder Akkumulationsterrassen. Die meisten Flussterrassen Europa’s sind solche Akkumulations- terrassen“ *). | Von der Genese der Tiefländer ist im Allgemeinen weit weniger zu sagen, als von derjenigen der Berge und Thäler. Meist tritt in ihnen der Schichtenbau unverhüllt und ungestört zu Tage. Supan will die kontinentalen Tiefländer den peripherischen gegenübergestellt wissen, unter welchen wieder die meist alluvialen Küstenebenen eine ausgezeichnete Stellung einnehmen [187]. Höheres Interesse für die Geophysik besitzt nur jene Varietät der Tiefländer, mit welcher es der der nächste Paragraph zu thun. $. 7. Steppen- und Wüstenbildung. Wir haben es hier mit einem ausserordentlich verwickelten, weil sowohl meteorologischen, als auch geologischen Probleme zu thun. Ideen, den Wüstencharakter genetisch zu erklären, begegnet man in einem leider unvollständigen Manuskripte Kant’s „Von den Wüsten“ [188]; den Grund der Dürre scheint derselbe allerdings mit Unrecht weniger im Regenmangel, als viel- mehr in allzu grosser Durchlässigkeit des Bodens, wodurch ein schnelles Verschlucktwerden des meteorischen Wassers bedingt sei, zu suchen. Humboldt’s geistvoller Essay über diesen Gegenstand [189] ist, wie bei dem Autor nicht zu verwundern, durch scharfe Betonung des klimatologischenElementes ausgezeichnet ; den morphographischen Gegen- satz zwischen den Llanos und der Sahara erblickt er |190] darin, dass hier ein tropischer Seewind, dort ein über heisse Kontinental- flächen hinstreichender Luftstrom sich geltend macht. Dagegen ist Peschel’s Studie [191] über Wüsten, Steppen und Wälder zwar in seinem beschreibenden Theile klassisch, allein die meteorologischen Erörterungen, die sich ganz im Kreise Dove’scher Ansichten be- wegen, sind darin minder glücklich. Neuerdings hat Klein die Mor- phologie der Wüste zum Gegenstande eines interessanten Artikels gemacht, auf welchen [192] wir uns hier mehrfach beziehen. Zunächst haben wir uns der thatsächlichen Momente zu ver- sichern und festzustellen, welches die Abstufungen sind, die vom vegetationsarmen Gebiete zur eigentlichen Wüste hinüber- leiten. Diese Abstufungen können, wie Ratzel darthut, wohl in keinem anderen Lande so bequem studirt werden, wie im Gebiete der nord- amerikanischen Union. Das Klima der Westhälfte dieses Landes ward *) Penck knüpft an diese seine Erklärung die weitere Bemerkung [185], dass, da nicht allein europäische Flüsse, sondern auch solche Nordamerika’s, sowie Nil und Indus, korrespondirende Thalaufschüttungen erkennen lassen, eine allge- meine und durchlaufende Phase in der Entwickelung der Ströme vorzuliegen scheine. Wir können die, wie bei diesem Forscher nicht anders zu erwarten ist, stets spannenden und anregenden Betrachtungen Penck’s über den Zusammen- hang dieser Aufschüttungsstadien mit der früher wahrscheinlich gemachten drei- maligen Vergletscherung der Alpenlande und mit periodischen Vereisungen hier nicht näher verfolgen, sonden wollen nur die interessante Angabe notiren, dass Perioden der Thalaufschüttung Bifurkationen zu begünstigen scheinen [186]. — Ueber die Periodieität der für die Terrassenbildung erforderlichen Erosionsverstär- kung äussert sich auch Löwl in seiner Broschüre über Thalbildung (8. 0.). V,$. 7. Steppen- und Wüstenbildung. 641 bereits von Fr&emont als ein asiatisches gekennzeichnet [193]. Es ist hier ein Hochebenen-Klima vorhanden, das nur allerdings nicht so scharf, wie im centralen Asien, zur Ausprägung gelangt *). Die sogenannten Prairieen des Mississippi, die auch bei den Anwohnern gar nicht so, sondern zutreffender „Plains* genannt werden, sind noch feucht und fruchtbar; erst jenseits derselben beginnt [196] die Prairieen- oder Steppenregion**), die südlich und westlich scharf, östlich und nördlich aber durch sehr allmählige Uebergänge abgegrenzt ist. Auf die Steppenregion folgt die der Halbwüsten, fast grasloser, mit niedrigem Gebüsch bestandener Flächen (Nevada, Utah, Wyoming, Texas, Neu-Mexiko, Reservations der Indianer). Dann folgen endlich die ächten Wüsten („Desert“) mit spärlicher oder gar keiner Vege- tation (Gila Desert in Arizona, Mohave Desert in Californien mit einer Flächenerstreckung von 125000 qkm); doch ist auch in ihnen der eine Wüstentypus nur da markirt, wo entweder Gerölle und Fels den Pflanzenwuchs gänzlich unmöglich machen, oder wo in den „Sink’s“ ***) sich harte, mit Salz durchtränkte Thonplatten gebildet haben. Die Llanos von Südamerika sind ein Mittelding zwischen Prairie und Halbwüste; an sie erinnern, auch dem Namen nach, die Llanos esta- cados im nordwestlichen Texas, wie wir einem nach Wheeler und Löw gearbeiteten Artikel [199] entnehmen. Einen noch sterileren Eindruck erwecken die Pampas der La-Plata-Staaten, die Humboldt mit-den Llanos und den Steppen Nordamerika’s in eine anregende Parallele stellt |200]7). Im Uebrigen sind zwei Wüstentypen als die hervorstechenden zu bezeichnen, die Sandwüste, an die sich recht *) Wojeikoff macht für die Waldlosigkeit vieler Theile der Unionsstaaten namentlich die mangelnde Schneedecke verantwortlich [194] und findet diesen Defekt durch drei Ursachen veranlasst: Relativ kleine Niederschlagsmengen, gesteigerte Evaporation und besonders Ansammlung von Schneewehen in tiefer gelegenen Oertlichkeiten. Von Kapitän Dutton’s Untersuchungen über das Canon-Klima war schon oben die Rede; derselbe ist der Ansicht [195], dass die aus dem Paeifik kommenden Nordwestwinde da, wo sie warm auf das kalte Land hereinwehen, ihre Feuchtigkeit abgeben und schon als trockene Winde nach Californien gelangen, so dass auch ohne eine Sierra Nevada der Steppencharakter von Utah u. s. w. besiegelt wäre. **) Die Prairieen und ihren Naturcharakter haben in R. v. Schlagintweit, der sie nach allen Richtungen durchkreuzt hat, einen hingebenden Beschreiber gefunden [197]; derselbe betont, dass auch menschliche Schuld — man denke an die meist angelegten Prairiebrände ($. 223) — an der gegenwärtigen Gestaltung dieser Oberflächenform betheiligt ist. Allerdings giebt es feuchte und sumpfige Einsenkungen („Swale’s“ und „Slough’s“), und Korrasion erzeugt nicht selten tiefere, bewaldete Einschnitte, die „Bottom’s“, deren Abhänge „Bluff’s“ heissen. Doch ist der Wiesencharakter vorherrschend. — Humboldt rechnet derselben Kategorie die europäischen Haideländer zu, „welche, von einem einzigen, Alles verdrängenden Pflanzenzuge bedeckt, von der Spitze von Jütland sich bis an den Ausfluss der Schelde erstrecken“ [198]. Diess seien „wahre Steppen‘. . *#*%) Diesem Worte kommt nach Ratzel eine doppelte Bedeutung zu: es bezeichnet einen verdunstenden Tümpel und — korrekter — einen durch Absorption verschwindenden Wasserlauf. r) Dass Deutschland zur Diluvialzeit ein Steppenland in grossem Maassstabe gewesen sei, schliesst Nehring [201] aus der Beschaffenheit der damaligen Fauna; nach der Glacialzeit sei die Bewaldung Mitteleuropa’s ungemein redueirt gewesen. Dass dieser Steppencharakter nicht allein nach den durch v. Richthofen für die abflusslosen Steppen Innerasien’s mustergültig fixirten Kennzeichen (S. 512) beurtheilt werden dürfte, diess scheint uns allerdings durch Jentzsch ausser Zweifel gesetzt worden zu sein [202]. Günther, Geophysik. II. Band. 41 642 Achte Abtheilung. Das Festland mit seiner Süsswasserbedeckung. eigentlich die vulgäre Vorstellung von einer Wüste knüpft, und die Salzwüste (Salzsteppe). a) Sandwüsten. Maassgebend ist für diese Gattung die afrikanische Sahara. Ihr Sand bildet sich nach Picard lokal aus dem Sand- stein des aus Quarzkörnern bestehenden. Untergrundes*.. Da wo der Quarzsand örtlich zurücktritt, ist, wenn auch nur wenig Regen fällt, doch sofort Neigung zur Pflanzenansiedelung vorhanden, sowohl in der Sahara, wie in der Wüste Gobi. Die Wüstenthäler — Wadi’s — sind oft Zeugen wolkenbruchähnlicher Regengüsse, deren Andenken aber bald wieder verwischt ist. b) Salzwüsten. Durch Auslaugungs- und Verdunstungs- processe entstehen, wie Zittel am Beispiele der Sahara nachweist [207], mit Salz und Borax bedeckte Räume oft mitten in der Sandwüste **). S. 8. Zoogene Bildungen. Auch die freie Thätigkeit der Thiere kann morphologisch in Betracht kommen. In $. 5 war von der Humus- bildung die Sprache, und bei ihr wirken die Würmer in gar nicht un- verächtlicher Weise mit. Ch. Darwin hat ein eigenes, wie immer gedankenreiches Werk [212] hierüber geschrieben, aus dem Reichen- bach [213] einen Auszug besorgte. Die Würmer schaffen unauf- hörlich Material aus den tieferen Schichten der Erde an die ÖOber- fläche herauf und wirken bei der Bildung der Sedimente ebensogut mit, wie die Verwitterung, sei es durch ihre Ernährungsthätigkeit direkt, sei es indirekt durch Verkleinerung der Gesteinsfragmente. Auch die Ameisen helfen die Aussenseite der Erde umgestalten, wie jeder zugeben wird, der Serpa Pinto’s Abbildung [214] gigantischer Termitenbauten sich angesehen hat. Dass die Korallenthiere Insel- bildner sind, und dass wahrscheinlich alle Kalk- und Dolomitriffe unserer Alpen auf dereinstige thierische Aktion hinweisen, sahen wir schon in Kap. III der siebenten Abtheilung. Die Bohrmuscheln be- reiten durch ihre Zerstörungsarbeit der erosiven Thätigkeit von Luft und Wasser den Weg. — Auch höher entwickelte Thiere sind hier zu nennen. „Der Biber,“ sagt H. Credner [215], „zieht seine Dämme quer durch die Thäler, staut die Bäche zu grossen, oft seeähnlichen Teichen an, entwässert die Sümpfe durch kunstvoll angelegte Kanäle und giebt dadurch Anstoss zu Wandelungen in der Vegetation und der Neubildung von Wasserläufen.* So haben denn auch Supan [216] und Davis — bei seinem genetischen Seen-System (Kap. IV, 8. 2) — dem Biber als morphologischem Faktor Rechnung getragen. Den Glacialgeologen sind ferner die Schafschliffe wohl bekannt, die *) Ueber die Sandhügel wird beiKlein, dem wir obige Notiz entnahmen [203], sowie schon mehrfach in diesem Buche ($. 471. 8. 632), Einiges mitgetheilt. Ueber die Verfestigung der Sandbedeckung durch die Vegetation — wie bei den $. 473 ge- schilderten Dünen — äussern sich Lomonossow [204] und Barrande [205], wäh- rend Rolland’s Note „Sur le terrain er&tace et sur les grandes dunes du Sahara“ [206] neue Beiträge zur Entstehungsgeschichte dieser ganz lokalen Sandmassive liefert. **) Die Salzgewinnung in der Sahara war schon dem Herodot bekannt [208]. weiter berichtet ausführlich über die salzführenden Sümpfe der Kalahari-Wüste, von den Boers „Braakpans“ genannt [209]. Von der südamerikanischen $alz- wüste ist im nächsten Paragraphen die Rede. PoSepny ist der Meinung [210], dass der Regen die Zufuhr des Salzes bewirke, und dass alle Salzlager Residuen von Salzsteppen seien, doch ist gegen diese Ansicht Tietze [211] mit guten (Gründen aufgetreten. | V,$. 8. Zoogene Bildungen. 643 nach Heim [217] der Ungeübte am Handstück leicht mit Gletscher- schliffen verwechselt, die der Kenner, wie Böhm erklärt [218], aber leicht als mit Fett imprägnirt nachweist. Eine sehr merkwürdige Erscheinung ist auch der Guano (Vogel- mist), dessen dicke Lagen die bekannten peruanischen Inseln geo- gnostisch fast unbestimmbar gemacht haben. Neuere Untersuchungen thaten dar, dass in der Wüste Atacama (s. o.) [219] der Guano noch eine andere, mehr aktive Rolle spielt. Die dort ausgebeuteten, reichen Borax- und Salpeterlager verstand man früher nicht recht zu erklären, obwohl in Harding [220] und D. Forbes [221] kenntnissreiche Geo- logen der Sache sich angenommen hatten. Sieveking dachte haupt- sächlich an die Seepflanzen, Pissis glaubte, dass alkalische Karbonate in Verbindung mit oxydirbaren Zersetzungsprodukten aus der Luft Salpetersäure ausscheiden können [222]. Neuerdings aber analysirt Ochsenius [223] den verwickelten Vorgang, wie folgt: Eine Hebung brachte Steinsalzlager mit Einschlüssen von Mutterlauge zu Tage; letztere floss ab, staute sich im Küstengebirge und erzeugte unter der Einwirkung der dort stets heimischen vulkanischen Kräfte kohlensaures Natron, welch letzteres, unterdemZutritte vonGuano, der dort stets neu sich erzeugt, die eigentlichen Natronsalpeterlager geliefert hat; „die spezifisch schweren Guanotheile blieben dagegen als sogenannter Phosphatguano mit sehr geringem Stickstoffgehalt auf den Inseln und Strandfelsen, auf denen durch die Seevögel die Guanolager abgesetzt wurden, zurück.“ [1] Geikie, Earth-Sculpture, Nature, Vol. IX. S. 51. — [2] Wimmer, Die historische Landschaft, München 1879. — [3] Die Thermopylen, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat.,. 5. Jahrgang. S. 539. — [4] Die geologische Untersuchung von Olympia, Gaea, 19. Jahrgang. S. 606 fi. — [5] Lyell, Principles of geology, Vol. IL. London 1873. S. 258. — [6] Ch. Darwin, Ueber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl, deutsch von Carus, Stuttgart 1872. S. 458 ff. — [7] Scalicky, Ueber die Ursachen der ungleichen Land- und Wasservertheilung auf der Erde, Gaea, 14. Jahrgang. S. 293. — [8] Dorr, Ueber das Gestaltungsgesetz der Fest- landumrisse und die symmetrische Lage der grossen Landmassen, Liegnitz 1874. — [9] Jakob, Unsere Erde, astronomische und physische Geographie, Freiburg 1883. S. 288 fi. — [10] Zöppritz, Der gegenwärtige Standpunkt der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrb., 8. Band, Gotha 1881. S. 49. — [11] Wallace, Island life, London 1880. — [12] H. Jordan, Beständigkeit oder Unbeständigkeit der Kontinente, Humboldt, 1. Jahrgang. $S. 398 ff. — [13] Zöppritz, Die Fortschritte der Geophysik, Wagner’s geogr. Jahrbuch, 9. Band, Gotha 1883. S. 18 ff. — [14] Höfler, Ver- schwundene Meere, Humboldt, 1. Jahrgang, $. 62 fi. — [15] Blanchard, Milne Edwards und Daubree, Ueber die Entwickelung des Mittelmeeres, Ausland, 1882, S. 121 ff.; Professor Hebert über den Zustand des Mittelmeeres in der mittleren und späteren Tertiärzeit, ibid. 1882. S. 172 ff. — [16] Liebe, die Seebedeckungen Ostthüringens, Gera 1881. — [17] Suess, Das Antlitz der Erde, 2. Abtheilung, Prag-Leipzig 1885. S. 764 ff. — [18] Haughton, Notes on physical geology, Proceed. of the r. society, Vol. XXVI. S. 534 ff. — [19] Mellard Reade, Limestone as an index of geological time, ibid. Vol. XXVIII. S. 281 ff. — [20] Suess, Das Antl. ete. S. 767. — [21] Ipid. S. 773 &. — [22] A. v. Humboldt, Kosmos, 1. Band, Stuttgart-Augsburg 1845. S. 301. — [23] Habenicht, Einige Worte über die gerechte Würdigung astronomischer Beobachtungen bei Lösung geologischer Probleme, Gotha 1881. — [24] v. Czerny, Ueber die Entstehung der Gebirge, D. Rundschau f. Geogr. u. Stat., 2. Jahrgang. S. 209 ff. S. 266 ff. S. 327 fi. — [25] Daubree, Descartes l’un des createurs de la cosmologie et de la geologie, Paris 1880. — [26] Noak, Ueber die Bildung der Kontinente, N. Jahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., 1875. S. 90 ff. — [27] Leconte, Structure and origin of the mountains, Am. Journal 644 Citate. of science and arts, 1878. S. 95 ff. — [28] F. Pfaff, Allgemeine Geologie, Leipzig 1873. — [29] Daubree, Synthetische Studien zur Experimentalgeologie, deutsch von Gurlt, Braunschweig 1880. — [30] Chancourtois, Compt. rend. du congr£&s internat. de Paris, Paris 1878. S. 43 fi. — [31] A. Favre, The formation of mountains, Nature, Vol. XIX. S. 103 ff. — [32] Wallace-Ransom, The formation of mountains, Ibid. Vol. XIX. S. 121. — [33] Suess, Die Entstehung der Alpen, Wien 1875. — [34] Heim, Untersuchung über den Mechanismus der Gebirgsbildung im Anschlusse an die geologische Monographie der Tödi-Windgällen-Gruppe,. Basel 1878. — [35] Heim, über Stauung und Faltung der Erdrinde, Basel 1878. — [36] Heim, Zum Mechanismus der Gebirgsbildung, Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch., 32. Band. S. 262 ff. — [37] Heim, Ueber Stauung etc., $. 17 ff. — [38] Ibid. $. 19 ff. — [39] Ibid. S. 22 fi. — [40] H. Credner, Elemente der Geologie, Leipzig 1872. 8. 220. — [41] H. Reusch, Ueber Vulkanismus, deutsch von Herrmann, Berlin 1883. S. 26 ff. — [42] H. Credner, Elemente etc., $. 228 ff. — [43] Ibid. S. 142. — [44] Spiess, Zur Geschichte der Pseudomorphosen im Mineralreich, Leopoldina 1878. S. 28. fi. 8. 53 fl. — [45] G. Keller, Ueber Pseudomorphosenbildung von Göthit, Limonit und Hämatit, München 1882. — [46] Credner, Elemente ete., $. 21. — [47] Ibid. S. 218. — [48] Daubree, Experiences sur la schistosit6 des roches et sur les deformations de fossiles corr&latives de ce phönomene; consequences g&o- logiques qu’on peut en deduire, Bull. de la soc. g&ol. de France, (3) tome VI. 8. 529 ff. — [49] Baltzer, Beiträge zur Geognosie der Schweizer Alpen, N. Jahrb,. f. Min., Geol. u. Paläont., 1875. S. 462 ff.; Mechanischer Kontakt von Gneiss und Kalk im Berner Oberland, Bern 1880. 8.225 ff. — [50] F. Pfaff, Der Mechanismus der Gebirgs- bildung, Heidelberg 1880. S. 121 ff. — [51] Stapff, Wie am Monte Piottino die Parallelstruktur des Gneisses in Schichtung übergeht, N. Jahrb. f. Min., Geol. und Paläont., 1882. S. 75 ff. — [52] Stapff, Betrachtungen über den Mechanismus der Schichtenfaltung, ibid. 1879. S. 292 ff. S. 792 ff. — [53] Excursionsprotokoll des Schweizer Feldgeologenvereines, September 1882. — [54] Pilar, Grundzüge der Abyssodynamik, Agram 1881. S. 205 ff. — [55] v. Petrinö, Entstehung der Gebirge, Wien 1879. — [56] Wettstein, Die Strömungen des Festen, Flüssigen und Gasförmigen und ihre Bedeutung für Geologie, Astronomie, Klimatologie und Meteorologie, Zürich 1880. — [57] Geinitz, Ueber eine neue Hypothese der Gebirgsbildung, Leopoldina, 1883. 8.70 ff. — [58] v. Czerny, Ueber etc., 8. 711. — [59] v. Sonklar, Allgemeine Orographie, Wien 1833. S. 195 ff. — [60] Reyer, die Eruptivmassen des südlichen Adamello, N. Jahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., 1881. S. 447 ff. — [61] Peters, Die relativ festen Punkte in der Erdrinde, Ausland. 1881. $. 272 ff. — 162] Toula, Die Entstehung der Kettengebirge, ibid. 1877. S. 301 ff. — [63] Toula, Ueber den Bau und die Entstehung der Gebirge, Wien 1876. — [64] Heim, Ueber Stauung etc., $. 25. — [65] Ibid. S. 31. — [66] G. A. Darwin, The formation of mountains and the secular cooling of the earth, Nature, Vol. XIX. S. 313. — 167] Fisher, The formation of mountains, ibid. Vol. XIX. S. 172 ff. — [68] Fisher, Physics of the earth’s erust, London 1881. S. 42. — [69] Bauschinger, Bemer- kungen zu einigen Stellen in Heim’s Untersuchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung, Zeitschr. f. Bauwesen, 1879. S. 269 ff. — [70] Belli, Pensieri sulla consistenza e sulla densitä della crosta solida terrestre, Milano 1851. — [71] ©. A. Darwin, On the mechanical effects of barometrical pressure on the earth’s surface, Phil. Mag., 1882. S. 409 ff. — [72] Bauschinger, Bemerkungen ete., $. 282. — [73] Zeune, Hebungen und Senkungen des Erdbodens, (Berghaus) Ann. d. Erd-, Völker- und Staatenkunde, 1836. $. 221 ff. — [74] Uzielli, Sulle oscillazioni terrestre, Bull. della soc. geogr., 1883. S. 141 ff. — [75] Issel, Sulle oscillazioni lente del suolo o bradisismi, Genova 1883. — [76] v. Bauernfeind, Das bayrische Präcisions- nivellement, Sechste Mittheilung, München 1883. S. 4. — [77] Reyer, Höhlen und Einstürze, Gaea, 18. Jahrgang. S. 628 ff. — [78] Buckland, Ueber die Entstehung der Höhlen, N. Jahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., 1837. S. 74. — [79] Baumann, Eine Höhle im Wendelstein, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenvereins, 9. Jahrgang. $. 261 ff. — [80] Mohr, Ueber die Entstehung der Kalkhöhlen, Gaea, 6. Jahrgang. S. 42 fi. — [81] Fruhwirth, Ueber Höhlen, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenv., 14. Jahrgang. $. 1 ff. — [82] Krejei, Ueber die Exhalationen auf dem Gipfel des Kahlenberges bei Lobositz, Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. d. Wissensch., 1881. 8. 59 ff. — [83] Huxley, Physiographie. eine Einleitung in das Studium der Natur, Leipzig 1884. 8. 149 ff. — [84] Marinelli, La terra, Milano 1884. 8. 398. — [85] Landerer, Eine neu aufgefundene Stalaktitenhöhle, Gaea, 12. Jahrgang. $. 566. — [86] Schwalbe, Beitrag zur Frage über die Entstehung der Eishöhlen, Mittheil. d. Sektion f. Höhlenkunde des öst. Touristenkl., 1883, Nr. 2; Beobachtungen an einigen Citate. / | 645 Eishöhlen, Verhandl. d. physik. Ges. zu Berlin vom 17. November 1882; Ueber Eishöhlen, ibid. 19. Januar 1883; Ueber die lokale Verbreitung der Eishöhlen, Centralorgan f. d. Inter. d. Realschulw., 1884, 1. u. 2. Heft. — [87] Krenner, Die Eishöhle von Dobschan, Budapest 1874; Pelech, Das Stracenaer Thal und die Dobschaner Eishöhle, Iglau 1878; Lowe, The ice caverne of Dobschan, Nature, Vol. XX. S. 151 fi. — [88] Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884. S. 251. — [89] Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 8. Band. $. 53. — [90] E. Richter, Zur Frage über die Entstehung der Eishöhlen, Petermann’s geogr. Mittheil.,. 1876. S. 316. — [91] Suess, Das Antl. etc., 1. Abtheilung, Prag-Leipzig 1883. S. 240 ff. — [92] Gümbel, Geognostische Beschreibung des Königreiches Bayern, 2. Band, München 1861. $S. 372 ff. — [93] Suess, Das Antl. etc.,. S. 302 ff. — |94] Supan, Grundzüge etc., S. 305 ff. — [95] Suess, Das Antlitz ete., 2. Abth., .S. 351. — [96] Ibid. S. 444 ff. — [97] Ibid. S. 462 ff. — [98] Ibid. S. 480. — [99] Ibid. S. 534. — [100] Ibid. S. 591. — [101] Ibid. S. 647 fi. — [1021 Ibid. S. 689. — [103] Ibid. S. 698 ff. — [104] Ibid. S. 713 fi. — [105] A. Heim, Ueber Bergstürze, Neujahrsblatt d. naturf. Ges. zu Zürich, 1882. — [106] Pollack, Beiträge zur Kenntniss der Bodenbewegungen, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1882. S. 565 ff. — [107] Ibid. S. 584. — [108] Rothpletz, Zur Mechanik der Bergstürze, Zeitschr. d. d. geol. Ges., 32. Band. S. 430 ff.; 33. Band. S. 540 ff. — [109] Buss- Heim, Der Bergsturz von Elm, Zürich 1881; The landslip at Elm, Nature, Vol. XXIV. S. 505 ff. — [110] Hartung, Das alte Bergsturzgebiet von Flims, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 19. Band. S. 161 ff. — [111] A. Heim, Der alte Bergsturz von Flims, Jahrb. d. schweiz. Alpenklubs, 18. Jahrgang. S. 295 ff. — [112] Landslips, Nature, Vol. XXI. S. 505 ff.; Archibald, The Naini-Tal landslip, ibid. $. 533; Ward, Landslips, ibid. Vol. XXIII. S. 144 ff.; Read, Landslips, the Chesire subsi- dence, ibid. $. 219 f. — [113] Lichtenberg, Ueber den neulichen Erdfall von Wintzingerde, Math. u. phys. Schriften, herausgeg. v. Kries, 3. Band, Göttingen 1804. S. 39 ff. — [114] Reyer, Ueber die Bewegung loser Massen und ihre Rolle bei der Modellirung der Erdoberfläche, Gaea, 18. Jahrgang. S. 277 fi. — [115] Boussinesg „ Essai theorique sur l’Equilibre des massifs pulverulentes compar& & celui de massifs solides et sur la poussee des terres sans cohesion, M&m. cour. par l’acad. Belgique, Vol. XI., Bruxelles 1876. — [116] H. Darwin, On the horizontal thoust of a mass of sand, Proc. of the institut of civil engineers, Vol. LXXI, 1. — [117] B. Studer, Lehrbuch der physikalischen Geographie und Geologie, 1. Band, Bern-Chur-Leipzig 1844. S. 333 ff. — [118] Hahn, Inselstudien, Leipzig 1883. S. 166 f#. — [119] Supan, Grundzüge etc.,. S. 234. — [120] v. Czerny, Die Wirkungen der Winde auf die Gestaltung der Erde, Ergänzungsheft N. 48 zu Petermann’s geogr. Mittheil. Gotha 1876. S. 33 ff. — [121] Ibid. S. 38. — [122] Lullies, Geo- graphische Reisen in Asien während der Jahre 1876—1882. Wagner’s geogr. Jahrb.,. 9. Band. S.591. — [123] H. Credner, Eine Exkursion der deutschen geo- logischen Gesellschaft durch das sächsische Gebirge, Zeitschr. f. d. ges. Naturw., 44. Band. S. 213 ff. — [124] Zöppritz, Die Fortschr. ete., 10. Band. $. 35 ff. — [125] Lochtin-Kohn, Historische Angaben über die Veränderungen, die in den Niederungen des Amu vorgegangen sind, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 1. Jahrgang. S. 18 ff. — [126] A Heim, Ueber die Verwitterung im Gebirge, Basel 1879. — [127] Ibid. S. 8. — [128] Pape, Ueber das Verwitterungsellipsoid wasserhaltiger Krystalle, Ann. d. Phys. u. Chem., 124. Band, $. 329 ff., 125. Band 8.513 ff. — [129] A Heim, Ueber Verw., S. 12. — [130] Supan, Grundzüge ete., $. 237 ff. — [131] Ibid. S. 251. —[132] Huxley-Jordan, Physiogr., S. 149. — [133] Reyer, Studien über das Karstrelief, Wien 1881. — [134] Tietze, Zur Geologie der Karsterscheinungen, Jahrb. d. k. k. geol. Reichanstalt, 1880. S. 729 ff. — [135] v. Mojsisovies, Zur Geologie der Karsterscheinungen, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver., 11. Band. S. 111 ff. — [136] Hörnes, Zur Erklärung der Karsterscheinungen, Gaea, 16. Jahrgang. S. 699. — [137] Hörnes, Zur Würdigung der theoretischen Speculationen über die Geologie von Bosnien, Graz 1832. — [138] v. Guttenberg, Der Karst und seine forstlichen Verhältnisse, Zeitschr. d.d. u. öst. Alpenver., 12. Band. $. 28. — [139] Ibid. S.55 ff. —[140] Simony, Beiträge zur Physiognomik der Alpen, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 5. Jahrgang. S. 83 ff. — [141] Fugger, Der Untersberg; wissenschaftliche Beobachtungen und Studien, Zeitschr. d. d. u. öst. Alpenver., 11. Band. S. 191 ff. — [142] Heim, Ueber Verw. etc., $S. 23. — [143] Ibid. $. 26 ff. — [144] Zöppritz, Der gegenw. Standp. etc.. 8. Band. S. 55 ff. — [145] Barnard, Die neueren Fortschritte der Wissenschaft, deutsch von v. Klöden, Berlin 1869. $. 22. — [146] Supan, Grundzüge etc., 8. 243 ff. — [147] Pechuel-Löche, Westafrikanische Laterite, Ausland, 1884. S. 401 fi. — [148] Heim, Ueber Verw. etc., S. 35. — [149] Milne, Across Europa and Asia; 646 Citate. travelling notes, Geol. Mag., 1878. S. 64 ff. — [150] Uhlmann, Neue Untersuchungen über den Schuttkegel der Tiniere bei Villeneuve, sein Alter und die in ihm ent- haltenen Thierreste, Gaea, 5. Jahrgang. $. 297. — [151] v. Sonklar, Allg. Orogr., S. 222 fi. — [152] Daubree-Gurlt, Synth. Studien ete., $.267 ff. — [153] v. Lasaulx, Die Spalten in den Gesteinen, Humboldt, 2 Jahrgang. S. 133 ff. — [154] Kjerultf, Ein Stück Geographie in Norwegen, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 14. Band. S. 129 ff. — [155] Hartung, Eine Thalspalte, ibid. 15. Band. S. 161 ff. — [156] Reusch, Träk of havets virkninger par Norges Vestkyst, Nyt. Mag. f. Naturvidenskaberne, Vol. XXI. S. 169 ff. — [157] Tietze, Einige Bemerkungen über die Bildung von Querthälern, Jahrb. d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1882. S. 685 ff. — [158] Ibid. 8. 707 ff. — [159] Stur, Ueber die Ablagerungen des Neogen, Diluvium und Alluvium im Gebiete der nordöstlichen Alpen und ihrer Umgebung, Sitzungsber. d. k. k. Ak. d. Wissensch., M.-ph. Kl., 1855. $. 477 ff. — [160] Ami Bou&, Ueber die kanalartige Form gewisser Thäler und Flussbetten, Petermann’s geogr. Mittheil., 1865. S. 199 ff. — [161] Penck, Norwegens Oberfläche, Ausland, 1882. S. 190 ff, — [162] Heim, Untersuchungen ete., S. 271 fi. — [163] Warren, Valley of the Minnesota River and of the Mississippi River, Am. Journal of science and arts, 1878. S. 417 ff. — [164] Krümmel, Beiträge zur allgemeinen Orographie, Ausland, 1882. S. 30 fi. — [165] Penck, Einfluss des Klimas auf die Gestaltung der Erdoberfläche, Verhand. d. III. d. Geographent.. Berlin 1883. S. 81. — [166] Ibid. S. 91. — [167] Dutton, The physical geography of the Grand Cannon District, Sec. Ann. Rep. of the Un. St. Geol. Survey 1880—1881, Washington 1882. S. 47 ff. — [168] v. Richthofen, Recension hiezu, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 11. Band. $. 313 fi. — [169] R. v. Schlagintweit, Der grosse Arkansas- und Clear-Creek-Canyon, Gaea, 17. Jahrgang. S. 65 ff. — [170] Supan, Grundzüge. S. 265 ff. — [171] Heim, Was ist und was will Geologie?, Zürich 1872. S. 29. — [172] Löwl, Ueber die Ent- stehung der Durchbruchsthäler, Petermann’s geogr. Mittheil.,. 1882. S. 405 fi. — [173] Löwl, Ueber Thalbildung, Prag 1884. — [174] Löwl, Ueber das Problem der Flussdurchbrüche, Verh. d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1883. $. 3. — [175] Grundzüge etc.. S. 315 ff. — [176] K. Schneider, Studien über Thalbildung in der Vordereifel, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 18. Band. $. 27 ff. — [177] Reyer, Aenderung der Flussläufe in Toscana, ibid. 18. Band. $. 287 ff. — [178] Schneider, Studien ete.. S. 46. — [179] Bessels, Die amerikanische Nordpolarexpedition, Leipzig 1879. S. 153. — [180] Supan, Grundzüge etc., $S. 270. — [181] Bodmer, Terrassen und Thalstufen der Schweiz, Gaea, 17. Jahrgang. S. 413 ff. — [182] Ibid. $. 418 fi. — [183] Mühlberg, Eine für die Bestimmung des Alters und der Entstehung der Flussterrassen entscheidende Thatsache, Mittheil. d. Aarg. naturf. Gesellsch., 3. Heft. S. 177 ff. — [184] Penck, Ueber Periodieität der Thalbildung, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 11. Band. $. 40 ff. — [185] Ibid. S. 44 ff. — [186] Ibid. S. 49. — [187] Supan, Grundzüge etc.. S. 353 ff. — [183] I. Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. von F. W. Schubert, Leipzig 1839. $. 779 ff. — [189] Humboldt, Ansichten der Natur mit wissenschaftlichen Erläuterungen, Stuttgart-Augsburg 1859. S. 1 ff. — [190] Ibid. S. 16 fi. — [191] Peschel, Neue Probleme der ver- gleichenden Erdkunde, Leipzig 1878. S. 180 ff. — [192] H. J. Klein, Die Gesetze der Wüstenbildung, Gaea, 13. Jahrgang. S. 646 ff. — [193] Ratzel, Physikalische Geographie und Naturcharakter der vereinigten Staaten von Nordamerika, München 1878. S. 805. — [194] Wojeikoff, Ueber die Waldlosigkeit der nordamerikanischen Prairieen, Ausland, 1877. 8.458 ff. — [195] Ueber die Ursache des Steppenklima’s des nordamerikanischen Westens, ibid. 1882. S. 47 ff. — [196] Ratzel, Physik. Geogr. ete., 8. 378 ff. — [197] R. v. Schlagintweit, Die Prairieen des amerikanischen Westens, Gaea, 10. Jahrgang. $. 449 ff. — [198] Humboldt, Ansichten etc., S. 5. — [199] Die Wüsten Nordamerika’s, Ausland, 1877. S. 601 ff. — [200] Humboldt, Ansichten ete., S. 51 ff.— [201] Nehring, Die ehemalige Verbreitung der Lemminge in Europa, Gaea, 16. Jahrgang. $. 352 ff.; Ueber die letzten Ausgrabungen bei Thiede, ibid. 19. Jahrgang. S. 88 ff. — [202] Jentzsch. Ueber Baron v. Richthofen’s Lösstheorie und den angeblichen Steppencharakter Centraleuropas am Schlusse der Eiszeit, Schr. d. phys.-Öökon. Ges. zu Königsberg, 18. Jahrgang. S. 161 fi. — [203] Klein, Die Gesetze etc., 8. 652. — [204] Lomonosow, L’expedition au Lob- Nor par N. Prshewalski, Bull. de la soc. de geogr., 1879. S. 586. — [205] Barrande, Le chemin de fer de l’Asie centrale, ibid. 1879. 8. 376. — [206] Congres internat. g6ol., compte rendu de la 2me session, Bologne, 1882. S. 233 ff. — [207] Der geo- logische Bau der Sahara, Gaea, 20. Jahrg. $. 623 ff. — [208] Klein, Die Gesetze etc., S. 723. — [209] Reiter, Die Kalahara, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 5. Jahrg. S. 111 ff. — [210] PoSepny, Zur Genesis der Salzablagerungen, besonders jener im Citate. 647 nordamerikanischen Westen, Wien 1878. — [211] Tietze, Zur Theorie der Entstehung der Salzsteppen und der angeblichen Entstehung der Salzlager aus Salzsteppen, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1877. S. 375 ff. — [212] Ch. Darwin, Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer mit Betrachtungen über deren Lebensweise, deutsch von Carus, Stuttgart 1882. — [213] Reichenbach, Darwins neuestes Werk über die Arbeit der Würmer, Humboldt, 1. Jahrgang. S. 59 fi. — [214] Serpa Pinto’s Wanderungen quer durch Afrika, Gaea, 17. Jahrgang. $. 400. — [215] H. Credner, Elem. etc., S. 189. — [216] Supan, Grundzüge etec., S. 613. — [217] A. Heim, Handbuch der Gletscherkunde, Stuttgart 1885. S. 404. — [218] A. Böhm, Ueber Schafschliffe, Mittheil. d. d. u. öst. Alpenver., 8. Jahrgang. S. 92 fi. — [219] Die Salzwüste Atacama, Petermann’s geogr. Mittheil., 1879. S. 301 ff. — [220] Harding, The desert of Atacama (Bolivia), Journal of the r. geogr. society, 1877. S. 252. — [221] D. Forbes, Report on the geology of South-America, Part I, London 1861. — [222] Pissis, Salpetres et Guanos du desert d’Atacama, St. Denis 1877. S. 22 fi., S. 44 ff. — [223] Ochsenius, Chile, Land und Leute, Leipzig-Prag 1834. S. 64. Anhang (Neunte Abtheilung). Biologie und physische Erdkunde in Wechselwirkung”). 8.1. Anthropogeographie. Geschichte und Erlebnisse des Menschen- seschlechtes zu den Naturverhältnissen, unter welchen dasselbe in seinen verschiedenen Verzweigungen zu leben gezwungen ist, in kausale Be- ziehung zu setzen, das musste denkenden Geographen stets als eine lohnende Aufgabe erscheinen. In der 1775 niedergeschriebenen Ab- handlung Kant’s „Von den verschiedenen Racen der Menschen“ [1] treten uns solche Gedanken bereits recht bestimmt entgegen, und Kant’s eifriger Schüler, in dessen Gedankengang freilich auch genug ursprünglich von Spinoza**) und Montesquieu herrührende Ideen mit unterlaufen, war Herder, dessen vielfach eigenartige Ansichten über die Abhängigkeit des Menschen von der ihn umgebenden Natur von P. Lehmann [3] zum Gegenstande einer reizvollen Darstellung gemacht wurden***). Weit über Herder hinaus gieng der geniale Carl Ritter, dessen vergleichende Erdkunde, von Peschel viel *) Es möge nochmals, wie schon in der Vorrede zum ersten Bande, darauf hingewiesen sein, dass dieser Anhang eine selbstständige Bedeutung nicht be- ansprucht, dass vielmehr lediglich für solche Leser des Buches, welche die Erd- kunde nicht als Hauptfach betrachten, eine kurze Andeutung über die Anwendung geographischer Forschungsresultate auf die Organismenlehre zu geben beabsich- tigt ward. **) Diess ist nicht etwa so zu verstehen, als habe der grosse niederländische Philosoph sich selbst mit geographischen Dingen befasst. Lediglich seine teleo- logische Weltanschauung spiegelt sich in Herder’s anthropogeographischen An- sichten zum Öfteren wieder, so namentlich der berühmte Lehrsatz von der Un- freiheit des Menschen [2]: „Es ist unmöglich, dass der Mensch nicht ein Theil der Natur sei, und dass er nur Veränderungen erleiden könne, welche aus seiner Natur allein verstanden werden können, und deren vollständige Ursache er ist.“ **#) Herder stellte sich z. B. auf einen ganz richtigen Standpunkt hinsicht- lich der Beurtheilung des Einflusses, welchen Höhenlage und Küstengliede- rung in kultureller Beziehung auf ein Volk ausüben [4], doch finden sich freilich bei ihm auch unklare und phantastische Behauptungen vor, von denen Kant mit vollem Grunde sagen durfte, dass mehr dahinter gesucht würde, als wirklich darin stecke [5]. Gleichwohl wird man Ritter nicht Unrecht thun, wenn man Herder als seinen Vorläufer bezeichnet; die Betrachtungen über den erziehlichen Einfluss, den eine ungünstige Boden- und Landesbeschaffenheit auf die Phönicier hatte [6], klingen ganz an Stellen in Ritter’s Werken an. $. 1. Anthropogeographie. ...649 zu ungünstig beurtheilt, erst die neuere Zeit wieder nach ihrem wahren Werthe zu würdigen sich anschickt*). Ritter war allerdings, was Peschel an ihm tadelt, Teleologe, allein der von ihm festgehaltene Begriff einer höheren Zielstrebigkeit ist auch der fortgeschrittenen Naturwissenschaft unserer Tage keineswegs fremd und verdiente, selbst wenn eine schonungslose Philosophie nicht umhin könnte, mit ihm zu brechen, schon um der grossen Dienste willen, die er hodegetisch den Forschern geleistet hat, in Ehren gehalten zu werden**), Mit Ratzel’s glücklicher Wortbildung hat die Anthropo- geographie zugleich erhalten, was ihr trotz der insämmtlichen Werken Ritter’s zahlreich verstreuten Keime und Andeutungen noch gemangelt hatte, nämlich eine systematische Darstellung in Form eines abge- schlossenen Werkes |13]***). Der Zweck, welchen wir in diesem Para- graphen zu erreichen streben, kann kaum besser erreicht werden, als wenn wir unsere Leser mit der allgemeinen Disposition des Ratzel’- schen Werkes bekanntmachen. Ratzel unterscheidet Naturwirkungen, deren Eingreifen ein vorübergehendes Ereigniss, z. B. das Standhalten einer Völkerwanderung an einem Gebirgszuge}), und *) Hiezu trug an seinem Theile Spörer bei, dessen nur freilich etwas un- durchsichtig geschriebener und von der Stofffülle fast erdrückter Essay über Das, was sich der Autor als „historische Erdkunde“ zurechtlegt [7], viel Material zum besseren Verständniss Ritter’s beibringt. In kritischer Beleuchtung aller der in neuerer Zeit über Ritter erschienenen Schriften hat H. Wagner die Thatsache festgestellt, dass ein Wiederanknüpfen an die Forschungsmethode jenes genialen Mannes heute noch, und selbst bei Fragen, die dem Bereiche der physikalischen Geographie angehören, eine Nothwendigkeit sei [8]. Unter jenen Spezialarbeiten steht obenan Marthe’s feinsinnige Rede zu Ritter’s Säkularfeier [9]; die mehr pädagogische Seite der Sache hat schon in früherer Zeit einen sehr sorgfältigen Bearbeiter in v. Liechtenstern [10], neuerdings auch in Oberländer [11] ge- funden. **) Wir ceitiren nur folgenden, auch von dem Gegner als gross gedacht an- zuerkennenden Satz [12]: „Erst alle Theile des Erdballes im Zusammenhange, d. h. in ihrer inneren und äusseren gegenseitigen Spannung, mit allen ihnen in- wohnenden Kräften, in gegenseitiger lebendiger Zusammenwirkung genommen, bilden das planetarische Ganze, das wir unser Erdsystem nennen, einen grossen, gottgeschaffenen Organismus, der sich in dem Entwickelungsprocesse seiner ver- nünftigen, geistig begabten Bevölkerung, der Menschheit selbst, überall in seinen Einwirkungen nach Jahrtausenden offenbart hat.“ ***) Neben dem Werke selbst sei zur allgemeinen Orientirung die auch von uns hier benützte „Selbstanzeige“ des Verfassers [14] empfohlen. 7) Die Völkerwanderungen als geographisches Problem erfasst zu haben, ist gleichfalls ein Verdienst Ratzel’s [15]. Es wird gezeigt, dass die Verhältnisse sich meist sehr komplicirt erweisen, dass Gebirge ein ziemlich, Flüsse ein wenig erhebliches Hinderniss für Völkerzüge bilden, und dass sogar Fluss- thäler (Rhein, Irawaddi u. a.) als Strassen benützt wurden, dass dagegen Wüsten und Meere die Bedingungen dauernder Völkerscheiden weit treuer erfüllten. Mit Bezug auf diese letzteren sagt Ratzel [16]: „Die Bevölkerungen der Inseln sind in einigen Fällen völlig andere, als die des nächstgelegenen Festlandes oder der nächsten grösseren Insel; aber auch da, wo sie ursprünglich derselben Race oder Völkergruppe angehörten, sind sie immer weit von derselben verschieden, und zwar, kann man hinzusetzen, in der Regel weiter, als die entsprechenden festländischen Abzweigungen dieser Race oder Gruppe unter einander.“ In dem grösseren Werke bringt Ratzel.,. der übrigens auch die der Völkerwanderung gegenüber stehende geregelte Auswanderung an dem typischen Beispiele China’s behandelt hat, diese Züge der Menschen in geistreicher Weise in Ver- bindung [17] mit dem von Moritz Wagner formulirten Migrationsgesetz der Organismen [18]. Dieses, von seinem Urheber mehr nur als eine Zusatz- 650 Neunte Abtheilung. | Biologie und phys. Erdkunde in Wechselwirkung. Naturwirkungen, deren Eingreifen einen dauernden Zustand, z. B. einen geistigen oder materiellen Fortschritt eines Theiles der Menschheit, zur Folge hat [20]. Trefflich ausgewählte Beispiele für die Möglichkeit solcher Entwickelungsfortschritte findet man in dem Vortrage „Darwinismus in der Völkerentwickelung“, welchen A.Kirchhoff vor dem Plenum der Magdeburger Naturforscherversamm- lung gehalten hat. Mit steter Beziehung auf seine Vorläufer Ritter, Kapp, Kriegk, Kohl*), Kutzen u. A., denen wohl auch der geist- volle Philosoph K. Ch. F. Krause hinzuzurechnen sein möchte **), untersucht Ratzel, wie sich im einen oder anderen Sinne die Lage und Gestalt der menschlichen Wohnsitze [24] — Kontinente, Inseln, Halbinseln, Grenzlinien der Länder, wie sich ferner Raum- verhältnisse [25] und Oberflächengestalt [26] — Unebenheiten der Erdoberfläche, Ebenen, Steppen, Wüsten, Küsten —, dann das Mitwirken des flüssigen Elementes [27] -—- Meer und Seen, Flüsse und Sümpfe —, endlich das Klima [28] und die Pflanzen- und Thierwelt [29]***) im Entwickelungsleben des Menschen bethätigten und bethätigen musstenf). Es gelingt so, eine Basis zu schaffen für eine streng wissenschaftliche Völkerkunde, welche, wie wir ver- nehmen, die Fortsetzung des Ratzel’schen Werkes bilden soll. Diese bestimmung zum Darwin’schen Gesetze der Artenentstehung eingeführt, in Wirklichkeit aber eine sehr einschneidende Modifikation desselben darstellend, konstatirt an einer Fülle gut gewählter Beispiele die Artentrennung durch Hochgebirge, Flüsse und Meere. Besonders bemerkenswerth erscheint da- selbst die auch geophysikalisch interessante Definition der Gebirgsstufen und Inseln als natürlicher Versuchsstationen zu neuen Racenbildungen [19]. — In origineller Weise weiss Meitzen (vgl. S. 512) an der Hand der Richt- hofen’schen Lösstheorie den Nachweis zu erbringen, dass für die grosse germa- nisch-indische Völkerwanderung gewiss keine erhebliche Zustandsveränderung des angeblichen Stammsitzes dieser Völker, der Hochebene Pamier, angenommen werden dürfe. *) Kohl’s wesentliche Bedeutung liest darin, dass er das Entstehen von Städte-Ansiedelungen zuerst als ein in den natürlichen Zuständen eines bestimmten Erdstriches begründetes nachgewiesen hat [21]. Für die von ihm angeführten Regeln der Weiterbildung jeder — ursprünglich meist kreisrunden oder quadra- tischen — Stadt liefert die Neuzeit Belege in Hülle und Fülle Janssen [22] führt verschiedene der von Kohl nur aphoristisch hingeworfenen Gedanken weiter aus. **) Wir haben hier besonders Krause’s Spekulationen [23] über die rela- tiven Vorzüge der einzelnen Erdtheile im Auge. Der Weltplan fordert ihm zu- folge: „Freie Geselligkeit und Freundschaft der Menschheiten auf Erdtheilen der zweiten Theilung und Verein derselben in Menschheiten auf Erdtheilen der ersten Theilung oder auf den Haupterdtheilen.“ *##) Ueber die eminente Bedeutung pflanzengeographischer Grenzen in der Völkerkunde belehrt z. B. Klutschak’s Aussage [30], dass die Grenze des Holzwuchses auch zugleich die Grenze der Jagdgebiete zwischen den so un- gemein verschiedenen Nationen der Eskimo’s und Indianer sei. +) Durch Ratzel’s Wort [31] von der Nothwendigkeit einer „Lehre von den Entfernungen“, zu welcher Hahn mit Rücksicht auf Galton’s isochro- nische Passatkarte einen hübschen Beitrag lieferte [32], ist auch die Berechtigung von Paultischke’s Verkehrsgeographie [33] erhärtet, von der man sehr unglücklich behaupten wollte, sie repräsentire nur einen „Auszug aus dem Kurs- buch“. Dieselbe erscheint vielmehr als ein integrirender Bestandtheil Dessen, was Götz wirthschaftliche Geographie genannt [34] und sehr mit Recht als die — in Fachwerken oft vermisste — „physische Grundlage der Nationalökonomie“ bezeichnet hat [35]. Des genannten Schriftstellers treffliche Monographie der Donau- länder [36] zeigt am besten, welches Ziel er verfolgt. $. 2. Thiergeographie. 651 in neuerer Zeit zu hoher Vollendung gelangte Disciplin liegt völlig ausserhalb des Rahmens, in welchem sich unsere Darstellung der phy- sischen Erdkunde zu bewegen hat*). S. 2. Thiergeographie. Die geographische Verbreitung der Thiere musste in dem Maasse das Interesse denkender Männer auf sich ziehen, als überhaupt mit der Erweiterung des geographischen Horizontes die Kunde von neuen Arten und Gattungen im Abendlande sich verbreitete. Zöckler führt aus der patristischen Periode einige sehr merkwürdige Fälle solch’ klarerer Auffassung an**). Systematisch blieb die Lehre lange unbearbeitet. „Die Ortskunde der Thiere ist viel früher ent- standen, aber viel später gereift, als die Pflanzengeographie. Mit Benützung wichtiger Vorarbeiten Buffon’s und Pallas’ entwarf E. A. W. Zimmermann, Professor der Mathematik in Braunschweig, 1777 die erste Erdkarte für die Verbreitung der Säugethiere* [40]. Zimmermann’s Werk (vgl. Band I, S. 19 und Band IL, S. 485) ist nicht blos durch diesen kartographischen Versuch, sondern mehr noch durch manche der an diese geknüpften Reflexionen achtungswerth ***), Es folgen die rastlosen Bemühungen eines Owen und Treviranus um die Wirbelthiere im Allgemeinen, eines Schlegel um die Schlangen, eines A. Günther um die Fische u. s. w.7); so sah sich Andreas Wagner in den Stand gesetzt, uns neue und treffliche Karten der Verbreitungsgrenzen zu liefern, die sich in den Abhandlungen der k. bayr. Akademie für die Jahre 1844 und 1846 finden, und als auch durch die Bemühungen eines Ehrenbergjjr), Wallich, Huxley, Loven, Nordenskiöldu. A. und durch die damit Schritt haltenden Verbesserungen des Dredsch-Verfahrens die submarine Zoologie einen ungeahnten Aufschwung nahm, da sammelten sich rasch die Materialien, auf deren Ordnung die systematischen Werke von Schmarda [44] und Wallace [45] beruhen. Zumal das letzterwähnte ist als klassisch anerkannt. Der wichtigste von all’ den Faktoren, welche bestimmend auf die Verbreitung der Thiere einwirken, ist selbstverständlich die Tem- peratur, so dass sowohl gegen die Pole hin, als auch bei’m vertikalen =) Es schwebt uns bei dieser Behauptung der durch G. Gerland [37] ge- führte Nachweis vor, dass die Sprache und der „an bestimmte Gesetze gebundene Sprachentausch“ die eigentliche Basis der Ethnologie bilden. **) Der grosse Kirchenvater Basilius, sonst in Vorurtheilen aller Art be- fangen, äussert doch gesunde Ansichten betreffs der Fahrten, welche die Fische zur Laichzeit in genossenschaftlichem Zuge unternehmen [38]. Weit höher steht der sogenannte „hibernische Pseudo-Augustinus“, der überhaupt in Sachen der Erdkunde sich gut beschlagen zeigt und aus geographischen Gründen sich für eine dereinstige trockene Verbindung zwischen gewissen Festländern und Inseln erklärt [39]. | =#=®) Insbesondere gilt diess von dem Versuche, das Auftreten gewisser Thier- formen mit den Krümmungen der Isothermen an den Rändern der Kontinente (S. 253) in ursächlichen Zusammenhang zu bringen. 7) Eine auch geschichtlich zu beachtende Studie über das Verhalten der verschiedenen Zoologen und Zoogeographen den Selachiern gegenüber hat Eich- wald publieirt [41]. In populärer Weise schildert die Austheilung der Fische in den Erdgewässern Dambeck [42]. +7) Von diesem Altmeister der Thierkunde rühren mit die ersten brauch- baren Vorschriften her [43], aufgeholte Grundproben auf ihren Gehalt an Lebe- wesen zu untersuchen. 652 Neunte Abtheilung. Biologie und phys. Erdkunde in Wechselwirkung. Aufsteigen von der Erde aus das Thierleben ein immer einförmigeres wird*). Temperaturexcesse sind für das Fortkommen einer be- stimmten Spezies weit schädlicher, als niedrige Mitteltemperaturen. Des Weiteren kommen gewisse von Ch. Darwin ermittelte Momente wesentlich in Betracht, durch welche den Thieren das Anpassen an ihre Umgebung erleichtert wird. Namentlich die sogenannten Schutz- farben spielen hier eine grosse Rolle**). Auf die von Wallace durchgeführte Eintheilung der Thiere in geographische Regionen können wir hier, als zu weit in das systematische Gebiet abführend, um so weniger eingehen, als uns doch sofort die Pflanzengeographie nochmals zu demselben Gegenstande zurückführen wird. Von sonstigen Problemen, die gerade für die Physik der Erde als solche eines gewissen Interesses sich rühmen dürfen, sei nur eines, und zwar ein noch immer der endgültigen Lösung harrendes erwähnt, nämlich dasjenige der Vogelflugslinien**”). *) Auch hier hat man sich vor Ueberschätzungen in Acht zu nehmen. Durch Dana und Fuchs [46] ist festgestellt, dass für die marine Fauna die Diaphanitätsverhältnisse des Meerwassers — vgl. 8.318 — von minde- stens eben so hoher Bedeutung sind, wie die Wärmeverhältnisse. Litoralthiere (Echinodermen und Würmer), die sich aus der Litoralfauna über die 400 m-Linie hinaus in die eigentlich pelagische Fauna verirren, sind durch- weg Nachtthiere, die für Lichteinwirkung abgestumpft zu sein scheinen. Da die Durchsichtigkeit der Oceane früher kaum eine erheblich andere gewesen sein dürfte, als sie heute ist, so scheint die vielgehörte Behauptung, die Tiefseefauna unserer Tage schlage die Brücke zur Fauna der geologischen Vorzeit, nicht das Richtige zu treffen. Dafür, dass die Meeresbewohner sozusagen zwei über resp. unter einander gelagerte Schichten bilden, die sehr wenig mit einander gemein haben, lieferten Milne Edwards Forschungen auf dem „Travailleur“ wichtige Anhaltspunkte; merkwürdig ist die von ihm erkannte und durch viele Holothurien belegte Thatsache, dass der Lichtmangel das schöne Farbenspiel nicht beein- trächtigt [47]. Pflanzen steigen nach Milne Edwards bei weitem nicht so tief hinab, wie niedrig organisirte Thiere (vgl. $. 346). Eine besondere Eintheilung ist diejenige Th. Studer’s [48]: Die Bewohner der pelagischen Zone können während ihrer ganzen Lebensdauer frei schwimmend im Meere leben, während in der subpelagischen Zone sich unter diese Thiere auch solche mischen, die nur während ihres Larven- und Geschlechtslebens frei schwimmen, sonst aber dem festen Grunde angehören. — Die Thierwelt der Süsswasserseen ist nach Forel [49] eine litorale, pelagische und der Tiefenregion angehörige; erstere ent- stand und entsteht gleichzeitig durch aktive und passive Einwanderung aus den Seen anderer Länder, die zweitgenannte bildete sich durch passive Einwanderung der schon differentiirten pelagischen Thiere, und die Tiefseefauna gieng aus der Differentiirung der schon angepassten Litoralfauna hervor. Die Analogieen zwischen der lJakustren und maritimen pelagischen Fauna erklärt Forel [50] für zahl- reich und augenfällig. **) So ist es z. B. v. Reichenau geglückt, den überzeugenden Nachweis dafür zu führen [51], dass die Eier der verschiedenen Schwalben-Arten in dem Maasse mehr eine auffallende, gegen ihre Nachbarschaft abstechende Farbe be- sitzen, als schon durch die Art der Nistung von selbst für den Schutz der Eier gesorgt ist. *##) Aelteren Untersuchungen von Derham, De Serres, Brehm, v. Midden- dorff über diese schwierige Frage ist die geistvolle Arbeit des Finnen Palmen gefolgt, betreffs deren wir uns allerdings auf das übrigens sehr eingehende Re- ferat von Ph. Müller beziehen müssen [52]. v. Middendorff hatte bereits an- geregt, auf einer Karte für eine bestimmte Art die Isepiptesen, d. h. die alle Orte von gleichem mittleren Ankunftstage verbindenden Kurven zu verzeichnen, und hiedurch war man denn auch zu einigen der Vergleichung fähigen Ergeb- nissen gelangt, Palm&n nimmt im Sinne der Darwin’schen Theorie an, dass die Wanderungen ursprünglich nicht periodisch, sondern mehr nur gelegentlich — » $. 3. Pflanzengeographie. 653 S. 3. Pflanzengeographie. Bereits im ersten Bande (S. 365) ward erwähnt, dass das Wort „Pflanzengeographie* zuerst von Menzel gebraucht ward*), Tournefort, Linne, Saussure und Wahlen- berg sind diejenigen Forscher, durch deren vereinte Bestrebungen die junge Disciplin am Ende des vorigen Jahrunderts bereits einen recht achtunggebietenden Stand erreicht hatte, Wahlenberg hatte nament- lich auch erkannt [59], dass die Variabilität der Temperatur — wie auch in der Zoogeographie (s. 0.) — ein weit einflussreicherer Faktor ist, als die Mitteltemperatur, und Humboldt war es möglich ge- worden [60], durch seine in den Tropen gemachten Erfahrungen und durch seine Isothermlinien jene Wahrheit in der mannigfaltigsten Weise zu bekräftigen**). Durch die Werke von Schouws [63] und De Can- dolle [64], durch welch letzteres namentlich die klimatologischen Vor- bedingungen für das Gedeihen gewisser Pflanzenformen im Geiste einer klassischen Methodik ermittelt wurden **”*), ward der Boden bereitet zu dem in seiner Art mustergültigen und anscheinend abschliessenden Handbuche von Grisebach [67], neben welchem auch die von dem gleichen Verfasser für das „Geogr. Jahrbuch“ bearbeiteten Jahres- berichte, von Drude ebenso fortgeführt, den Fortschritt der Disciplin trefflich zur Darstellung bringen?). Erst in neuester Zeit ist, wie nach Art derer der Wechsel- oder Strichvögel — waren und erst allmäh- lig auf dem Wege der Vererbung zu ihrer gegenwärtigen bewundernswerthen Regelmässigkeit gelangten. Auch durch spätere Arbeiten v. Homeyer’s [53] und Ph. Müller’s [54] scheint in Hinsicht auf die Kausalerklärung ein wesentlicher Fortschritt über den bereits von Palm&n gewonnenen Standpunkt hinaus nicht er- reicht worden zu sein. Um Thatsachen von Glaubwürdigkeit zur Verfügung zu bekommen, hat sich [55] in England ein Komite von Gelehrten zum Studium der Vogelflugslinien gebildet; alle Strand- und Leuchtschiffswächter Grossbritannien’s erhielten Anweisungen zur Anstellung von Beobachtungen. zu denen sie bei der bekannten Neigung der Zugvögel für Leuchtfeuer — besonders bekannt ist hiefür die Kattegat-Insel Anholt — vollauf Gelegenheit haben. 123 von 196 Formularen hat die Gesellschaft ausgefüllt zurückerhalten, und es erhellt aus diesen Auf- zeichnungen mit Sicherheit, dass die Vögel bei der Hin- und Herreise genau die nämliche Zugstrasse einhalten [56]. Möbius macht die geistvolle Andeutung, dass vielleicht die sich stets gleich bleibende Dünungsrichtung in gewissen Meeren ebenso den Vögeln die Orientirung erleichtern könne, wie sie eine solche einzelnen polynesischen Stämmen hinsichtlich ihrer Schifffahrt ermöglicht [57]. *) Es geschieht diess in der nur handschriftlich auf uns gekommenen „Flora von Japan“, welche um 1683 abgefasst wurde [58]. **) Martins, dessen kurzer Abriss der Pflanzengeographie viel Lesens- werthes enthält [61], erkennt auch dem Abb& Giraud-Soulavie (vgl. S. 530) und dem Engländer Arthur Young, dem Begründer der vergleichenden Agrono- mie, ein bedeutendes Verdienst zu. — Nicht jedoch Humboldt, wie man meist annimmt. sondern Goethe war es, der, wie Ruge feststellte [62], als der Erste die vertikalen Verbreitungsgrenzen der Gewächse graphisch zum Aus- druck brachte. MM ==) So erkannte er insbesondere, dass Alpenpflanzen starke Licht-, aber nur geringe Wärmemengen brauchen. Schon Scheuchzer hat in seiner „Stoicheio- logia ad Helvetiam applicata* (Tiguri 1700) die Verkümmerung alpiner Formen mit der dünnen Luft in Verbindung gebracht. — Dodel-Port’s Ansicht [65], dass relativer Mangel an Insekten die Farbenpracht der Alpenblume bedinge, wird von H. Müller [66] bekämpft. 7) Die historische Bedeutung Grisebach’s ist neuerdings vielfach verkannt worden. In seinem warm gefühlten Lebensabriss des grossen Naturforschers weist A. König nach [68], dass man die Bedeutung der originellen Leistungen der letzteren Jahre voll anerkennen könne, ohne doch einer ungerechten Würdigung des theilweise einem ganz anderen Ziele zugewandten Grisebach’schen Strebens ‚ verfallen zu müssen. 654 Neunte Abtheilung. Biologie und phys. Erdkunde in Wechselwirkung. wir gleich sehen werden, durch Hineintragung geologischer Gesichts- punkte der frühere Gesichtskreis abermals um ein Beträchtliches er- weitert worden”). Die Pflanze ist in erster Linie vom Klima, dann aber auch von den Bodenverhältnissen**) abhängig; ausserdem sind die Winde, die Meeresströmungen und der Transport durch Thiere und Menschen***) für ihre Verbreitung thätig und maassgebend. Pflanzen, die jetzt nur an weit entlegenen Orten der Erde gefunden werden, sind wahrscheinlich die letzten Ueberreste einer weit verbreiteten Tertiärflora; wenn ihr Standort dagegen ein völlig vereinzelter ist, so war die gegenwärtige Heimath zugleich das Entwickelungscentrum, und es fehlten alle Bedingungen der Verbreitung [75] 7). Die klimatische Abhängigkeit der Pflanzen bringt es mit sich, dass Tropenzone, gemässigte Zone und kalte Zone sich in ihrem Vege- tationskleide wesentlich von einander unterscheiden. Das Charakte- ristikum des erstgenannten Erdgürtels bilden die Palmen, den Ueber- gang zur gemässigten Zone leitet die Region der immergrünen Laub- bäume ein; darauf folgt diejenige der sommergrünen Laubbäume und hierauf die Koniferenzone [79]. Die arktische Waldgrenze bleibt im Allgemeinen der 10°-Isotherme des wärmsten Monates getreu. Den Uebergang vom waldigen zum waldlosen Lande vermitteln die Savanen, Grasfluren mit einzelnen Bauminseln, und an sie wieder schliessen sich jene Grassteppen (Pussten, Pampas) an, deren in $. 7 des vorigen Kapitels gedacht wurde [80]. Da die Temperatur auch in vertikaler Richtung abnimmt, so ist die Anordnung der Pflanzen- *) Bei der Schilderung dieser neuesten Phase konnte ein — nach einem Vortrage des schwedischen Botanikerss Wittrock -— gearbeiteter Aufsatz W. Kaiser’s [69] mit Vortheil zu Rathe gezogen werden. **) Thurmann [70] und Contejean [71] sind der Meinung, dass nicht sowohl die chemische Beschaffenheit. als vielmehr die mechanischen Zersetzungsbedingungen des Bodens Fortkommen und Verkümmerung der Arten bedingen. Nach Contejean gäbe es folgende vier Vegetationsgruppen: die maritime, welche salzigen Boden braucht, die calcicole, welche auf Kalk- boden am besten gedeiht, die calcifuge, das Widerspiel der vorigen, und die kosmopolitische indifferente. — KraSan’s Ansicht [72] (vergl. Band I. S. 303), dass die innere Erdwärme neben den Insolationsverhältnissen eine Rolle spiele, will zu den a. a. OÖ. entwickelten Sätzen über die neutrale Erdschicht nicht recht stimmen. *##) Die hohe Bedeutung, welche für den ganzen Haushalt der Natur die Befruchtung der Blumen durch Insekten besitzt, ist, nachdem schon früher Sprengel, R.Brown, Ascellsich eingehend mit den bezüglichen Fragen beschäftigt haben, in unseren Tagen durch die Arbeiten von Delpino [73] und H. Müller [74] vollkommen klar gestellt worden. — Vögel tragen häufig an den Füssen Erdklumpen mit Pflanzensamen in weit abgelegene Gegenden. — Pflanzen- siedelungen sollen sich genau an jenen Stellen der Eisenbahnen bilden, an welchen diese eineKrümmung machen, an welchen somit die Centrifugalkraft ein Hinaus- schleudern der im Gepäckwagen allenfalls mitgeführten Pflanzenkörper begünstigt. +) Mit diesem Endemismus der Pflanzen macht uns Palacky [76] näher bekannt. Am kräftigsten entwickelt zeigt sich derselbe in Brasilien und auf den Antillen, wogegen die arktische Flora kaum einen einzigen Beleg dafür aufweist. Gewiss der merkwürdigste Fall für das endemische Vorkommen einer bestimmten Art ist die blaue „Wulfenia Carinthiaca*, die nach Gilbert-Churchill ganz ausschliesslich an einem Punkte in der Umgebung von Pontafel zu finden ist [77]. — Eine originelle mathematische Theorie über das Verhalten von Pflanzen- gattungen. welche auf dem nämlichen Flecke ihr Dasein zu fristen angewiesen sind, ist von Nägeli aufgestellt worden [78]. Citate. 655 welt in radialer Richtung derjenigen, die sich bei’m Fortschreiten nach den Polen hin ergiebt, ganz analog *). Jener neue und inhaltsschwere Gedanke, der nach dem Erscheinen von Engler’s bahnbrechendem Werk |82] die Pflanzengeographie be- herrscht und noch für lange beherrschen wird, lässt sich dahin präci- siren: Die moderne Pflanzenwelt ist nur eine Reminiscenz an die dereinstige Tertiärflora, und deren spezifische Elemente — das arktisch-tertiäre, das paläotropische, das neotropische und das altoceanische — haben die Fingerzeige zu liefern, nach welchen die Eintheilung in Florenreiche und Florengebiete auch für die heutigen Verhältnisse zu erfolgen hat. [1] Kant’s Schriften zur physischen Geographie, herausgeg. v. F. W. Schubert, Leipzig 1839. S. 313 ff. — [2] Spinoza, Ethik, deutsch von V. Schmidt, Berlin-Stettin 1812. S. 277. — [3] P. Lehmann, Herder’s Bedeutung für die Geographie, Berlin 1883. — [4] Ibid. S. 6 fi. — [5] Ibid. S. 15. — [6] Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 3. Theil, 98. Band der Samm]. deutscher Klassiker, Karlsruhe 1820. S. 90 ff. — [7] Spörer, Zur historischen Geographie, Behm’s geogr. Jahrb., 3. Band, Gotha 1870. S. 326 ff. — [8] H. Wagner, Bericht über die Entwickelung der Methodik der Erdkunde, ibid. 8. Band. S. 527 ff.; ibid. 9. Band. S. 674 fi. — [9] Marthe, Was bedeutet Carl Ritter für die Erdkunde?, Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 14. Band. S. 356 ff. — [10] v. Liechtenstern, Die neuesten Ansichten der Erdkunde in ihrer Anwendung auf den Schulunterricht, Braun- schweig 1846. — [11] Oberländer, Der geographische Unterricht nach den Grund- sätzen der Ritter’schen Schule historisch und methodisch beleuchtet, Grimma 1869. — [12] €. Ritter, Allgemeine Erdkunde, Berlin 1862. $S. 197. — [13] Ratzel, Anthropogeographie oder Grundzüge der Anwendung der Erdkunde auf die Ge- schichte, Stuttgart 1882. — [14] Ratzel, Selbstanzeige hiezu, Ausland, 18832. S. 671 fi. — [15] Ratzel,. Ueber die geographischen Bedingungen und die ethno- graphischen Folgen der Völkerwanderungen, Verhandl. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 7. Band, S. 297 ff. — [16] Ibid. S. 302. — [17] Ratzel, Anthropogeogr. $. 464 ff. — [18] M. Wagner, die Darwin’sche Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen, Leipzig 1868. — [19] Ibid. S. 27. — [20] Ratzel, Anthropogeogr., S. 61. — [21] Kohl, Der Verkehr und die Ansiedlungen der Menschen in ihrer Abhängigkeit von der Gestaltung der Erdoberfläche, Dresden-Leipzig 1841. — [22] Janssen, Die Bedingt- heit des Verkehrs und der Ansiedlungen des Menschen durch die Gestaltung der Erdoberfläche, nachgewiesen insonderheit an der cimbrischen Halbinsel, Kiel 1861. — [23] Krause, Das Urbild der Menschheit, Dresden 1811. S. 251 ff. — [24] Ratzel, Anthropogeogr., $S. 83 fi. — [25] Ibid. S. 157 ff. — [26] Ibid. $. 181 ff. — [27] Ibid. S. 251 fi. S. 273 ff. — [28] Ibid. S. 296 fl. — [29] Ibid. S. 333 ff. — [30] Klut- schak, Als Eskimo unter den Eskimos, Wien-Pest-Leipzig 1881. S. 11. — [31] Ratzel, Anthropogeogr. 8.177. — [32] F.G. Hahn, Ueber Galton’s Isochronic Passat Chart und über eine Idee Carl Ritter’s, Ausland 1882. S. 521 ff. — [33] Paulitschke, Ueber die Behandlung verkehrswissenschaftlicher Themen im geographischen Unterrichte, Verhandl. d. U. d. Geographent.. Berlin 1882. S. 138. — |34] Götz, Die Aufgabe der wirthschaftlichen Geographie, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 17. Band. S. 354 fi. — [35] Ibid. S. 364. — [36] Götz, Das Donaugebiet mit Rücksicht auf *) Für ein bestimmtes Florengebiet dürfte wohl Rein die Absteckung der vertikalen Vegetationsgrenzen am schärfsten durchgeführt haben. Er unter- scheidet [81] fünf Höhenzonen in Japan, nämlich diejenigen der Kiefern und des Wachholders (bis zu 400 m Seehöhe), diejenigen der Kryptomerien, Cypressen und Eiben (bis zu 1000 m), diejenige der Tanne und des mittleren Laubwaldes (bis zu 1500 m), diejenige der Lärchen (bis zu 2000 m) und diejenige des Knieholzes (bis zu den höchsten dortigen Spitzen). Solches Knieholz (Krummholz, Latschen) reicht auch im europäischen Hochgebirge weit höher hinauf als die manchen Schwankungen (S. 283 ff.) unterworfene alpine Waldgrenze. 656 Citate. seine Wasserstrassen nach den Hauptgesichtspunkten* der wirthschaftlichen Geo- graphie dargestellt, Stuttgart 1882. — [37] G. Gerland, Ueber das Verhältniss der Ethnologie zur Anthropologie, Verh. d. 1I. d. Geographent., $. 54 ff. — [38] Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft, 1. Abtheil., 1877. 8. 194. — [39] Ibid. S. 278 ff. — [40] Peschel-Ruge, Geschichte der Erd- kunde bis auf A. v. Humboldt und C. Ritter, München 1877. S. 785. — [41] Eich- wald, De selachis Aristotelis zoologiae geographicae specimen inaugurale, Vilnae 1814. — [42] Dambek, Die geographische Verbreitung der Fische, Gaea, 7. Jahrg.. S. 275 ff. — |43] Ehrenberg, Einige Betrachtungen über das noch unbekannte Leben am Nordpol, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, 1. Band. $. 201 fi. — [44] Schmarda, Die geographische Verbreitung der Thiere, Wien 1853. — [45] Wal- lace, Die geographische Verbreitung der Thiere, deutsch von A. B. Meyer, Dresden 1876. — [46] Th. Fuchs, Was haben wir unter der Tiefseefauna zu verstehen ?, Gaea, 18. Jahrgang. $. 598 fi. — [47] Die Tiefseeforschung an Bord des „Le Travailleur“, Naturforscher, 16. Jahrgang. $S. 84 ff. — [48] Th. Studer, Ueber einige wissenschaftliche Ergebnisse der Gazellen-Expedition, namentlich in zoogeo- graphischer Beziehung, Verhandl. d. II. d. Geographent., $. 9 ff. — [49] Forel., Faunistische Studien in den Süsswasserseen der Schweiz, Biol. Centralbl., 2. Bd. Ss. 383 ff. — [50] Forel, Die pelagische Fauna der Süsswasserseen, ibid. 2. Band. S. 305. — [51] v. Reichenau, Die Farbe der Vogeleier, Kosmos, 1. Band. $. 209 ff. — [52] Ph. Müller, Palmen’s Untersuchungen über die Zugstrassen der Vögel, Gaea, 12. Jahrgang. $. 715 ff. — [53] v. Homeyer, Die Wanderungen der Vögel mit Rücksicht auf die Züge der Säugethiere, Fische und Insekten, Leipzig 1881. [54] Ph. Müller, Die Wanderungen der Vögel. Gaea, 17. Jahrgang. $. 724 ff. — 155] Report on the migration of birds in the spring and autumn of 1881. London 1882. — [56] Die Wanderungen der Vögel in England, Gaea, 20. Jahrgang. S. 625 ff. — |57] Möbius, Ein Beitrag zur Frage über die Orientirung der wandern- den Vögel. Ausland. 1882. S. 648 ff. — [58] Peschel-Ruge, Gesch. etc., $. 774. — [59] Wahlenberg. De vegetatione et climate in Helvetia septentrionali, Turici 1813. S. XXV ff. — [60] Humboldt, De distributione geographica plantarum, Paris 1817. — [61] Martins, Von Spitzbergen zur Sahara, deutsch von Vogt, 1. Abtheilung, Jena 1872. S. 1 ff. — [62] Ruge, Die erste biblische Darstellung von Höhenskalen der Gewächse, Zeitschr. f. wissensch. Geogr., 5. Band. $. 136. — [63] Schouw, Grundzüge der Pflanzengeographie, aus dem Dänischen, Berlin 1823. — [64] De Candolle, Essai el&mentaire de geographie botanique, Geneve 1820. — [65] Dodel- Port, Ueber Farbenpracht und Grösse der Alpenblumen, Kosmos, 1. Bd. $. 396 ff. — [66] H. Müller, Ueber Farbenpracht und Grösse der Alpenblumen, ibid. 1. Bd. S. 541 ff. — [67] Grisebach, Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen An- ordnung, Leipzig 1872. — [68] Cl. König, Ueber Grisebach’s Denken und Schriften, Humboldt, 3. Jahrgang. S. 398 ff. — [69] W. Kaiser, Der gegenwärtige Stand des pflanzengeographischen Studiums, Gaea, 19. Jahrgang. S. 360 ff. — [70] Thurmann, Essai de phytostatique, Neuchätel 1849. — [71] Contejean, Geographie botanique; influence du terrain sur la vegetation, Paris 1881. — [72] Krasan, Die Erdwärme als pflanzengeographischer Faktor, Engler’s bot. Jahrb.. 2. Band. S. 185 ff. — [73] Delpino, Sugli apparecchi della fecondazione nelle piante antocarpee, Firenze 1867; Pensieri sulla biologia vegetale, Pisa 1867. — [74] H. Müller, Die Befruch- tung der Blumen durch Insekten und die gegenseitige Anpassung beider, Leipzig 1873. — [75] Supan, Grundzüge der physischen Erdkunde, Leipzig 1884. $. 388. — [76] Palacky, Ueber die Gesetze des Endemismus, Sitzungsber. d. k. böhm. Ges. d. Wissensch.. 1881. S. 437 ff. — [77] Gilbert-Churchill, Die Dolomitberge, deutsch von Zwanziger, Klagenfurt 1865. $. 189. — [78] Nägeli, Verdrängung der Pflanzen- formen durch ihre Mitbewerber, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch., M.-ph. Kl., 1874. S. 109 ff. — [79] Supan, Grundz. ete., $. 394. — [80] Ibid. S. 407 fi. [81] Rein, Japan nach Reisen und Studien, 1. Band, Leipzig 1881. — 82) Engler, Versuch einer Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt; insbesondere der Floren- gebiete seit der Tertiärperiode, Leipzig 1879—82. Namen-Index. A. Abbot 479. 599. 611. — Abich 207. 230. 233. 632. — Abogard 67. — Abul Wai& 394. — Ackermann 311. 321. 337. 347. 363. 369. 384. 398. 409. 424. 444. 446. 456. 468. 475. 478. 482. 483. — Adalbert (Prinz) 128. — Adam 300. — Adhemar 283. 284. 285. 294. — Aepinus 155. 161. — Agapitoff 512. — Agardh 554. — Asassiz (A.) 286. 294. 344. 449. 493. 496. 538. 543. 544. 545. 559. 566. — Agassiz (L.) 493. 496. — Agricola 504. 514. — Aime 329. — Airy 10. 12. 35. 116. 121. 152. 153. 161. 340. 393. 395. 399. — Aitken 73. — Alaminos 401. — Albers 426. 440. — Alberti 328. — Albiruni 491. 515. — Albrecht (Herzog) 17. — Alhazen (Jbn Haitham) 85. 86. 124. 138. 140. 160. — Ali Bey 533. 534. 565. — Alkhazini 100. — Allan Broun 44. 185. — Alle&on Dulac 562. — Alliacus 312. — Allou 557. — Altmann 538. 544. 565. 566. — Ammian 604. — Ampere 6. 42. 45. — Amsler-Laffon 597. — Andrews 71. 90. — Andries 225. 231. 233. 234. — Angerer 247. 257. — Ansstiröm 55. 65. — Anna (Kaiserin) 429. — Ansted 590. — Apian (Peter) 91. — Apian (Philipp) 312. — April 572. — Arago 31. 55. 60. 31. 89. 128. 132. 133. 135. 157. 169. 172. 177. 228. 234. 288. 349. 431. 441. — Arbuthnot 229. 234. — Archimedes 366. — Arends 469. 482. — Aretaeus 305. — Argelander 41. — Ariosto o7l. — Aristoteles 31. 55. 60. 81. 89. 128. 132. 133. 135. 157. 169. 172. 177.. 228. 234. 288. 349. 431. 441. 656. — Armstrong 70. — Arnell 241. — Arzberger 330. 347. — Asklepiades 304. — Assmann 72. 90. 102. 120. 204. 297. 398. — Atkinson 262. 278. — Attlmayr 221. 224. 225. 302. 321. 403. — Aubin 70. — Auerbach 393. 394. 395. 399. 400. — August 98. 99. 120. — Augustin 262. 278. — Averroes 304. — Ayrton 483. 46. B. Baader 417. 424. — Babinet 110. 135. 150. 152. 158. 161. — Baceialli 329. — Bache 340. 344. — Bachmann 68. 90. 562. 568. — Bacon (Roger) 11. 386. — Ba- con (Franeis) 100. 202. 326. 386. 399. — v. Bär 363. 409. 424. 438. 602. 603. 611. 612. — v. Baeyer 196. 314. — Baier 507. 514. — Bajlak 11. — Baily 360. — Balard 364. — Baldauf 481. — Balfour Stewart 34. 37. — Baliani 186. — Ball 396. 400. 557. — Baltzer 620. 644. — Bamberg 13. — Banff 463. — Barlow 6. 9. 12. 359. — Barnard 635. 645. — Barnet 328. — Barrande 642. 647. — Barros 312. — v. Barth 517. 531. — Bartholinus 320. — Bartlett 406. 407. — Baruffi 438. 441. — Bauer (A.) 604. 612. — Bauer (K. L.) 590. 610. — v. Bauernfeind 82. 83. 91. 108. 109. 110. 121. 125. 126. 127. 159. 504. 514. 597. 627. 644. — Baumann 627. 644. — Baumer 500. — Baumgartner 7. 9. 370. 510. 524. 567. — Baumhauer 62. 66. 230. — Bauschinger 623. 624. 626. 644. — Battaglini 164. — Baxendell 32. 36. 186. — Bazin 600. 611. — Beaufort 94. 119. — Beaufoy 93. 119. 422. 425. — van Bebber 6. 9. 203. 204. 206. 215. 218. 221. 223. 225. 228. 232. 233. 234. 235. 254. 257. 264. 267. 278. 296. 299. 306. — Beccaria 61. — Beck 511. — Becquerel 166. 176. — Günther, Geophysik. II. Band. 42 658 Namen-Index. Beebe 417. 424. — Beer 574. — Beetz 6. 9. 315. — Beguelin 143. — Behaim 484. — Behm 313. 314. 441. 565. 655. — Behrens 360. — Belcher 333. — Belgrand 599. 607. 611. — Bellani 94. 119. 229. — Belli 623. 644. — Belknap 330. 333. 347. — Belt 223. — Benedetto 312. — Bennet 163. — Beneke 305. — Benoni 201. 202. 232. 603. — Bentivoglio (Marchese) 290. — Benzenberg 83. 631. — Berendt 474. 560. 562. 567. — Berg (Graf) 218. 233. — van den Berg 611. — Berga 312. — Berger (J.) 212. 232. — Berger (H.) 531. 604. 612. — Berghaus 260. 309. 325. 389. 405. 453. 516. 531. 535. 865. — Bergman 51. 56. 105. 309. 326. 338. 343. 348. 360. 369. 373. 415. 500. — Bernhardi 559. — Bernoulli (Dan.) 18. 20. 36. 181. 387. 388. — Bernoulli (Jak.) 76. 91. 150. — Bernoulli (Joh.) 137. 160. 356. — Berryman 333. — Bert 303. — Bertelli 14. 35. — Bertholon de St. Lazare 61. — Berthollet 83. — Bertin 543. 551. — Bertrand 373. --- Bertus 95. — Berzelius 80. 502. — Bessel: 10. 85. 56. 108. 116. 117.118. 120. 12T. ‚122. 125. 175. 177722238 72 2 394. 398. — Bessels 89. 92. 164. 176. 346. 348. 359. 369. 413. 429. 435. 488. 489. 440. 441. 449. 451. 457. 545. 566. 639. 646. — Beudant 175. — v. Bezold 66. 68. 104. 120. 136. 138.139. 140. 141. 160. 170. 171: 172. 173. 174. 177. 2182 E35 187. 188. 191. 205. 206. 231. 232. — Bianconi 553. — v. Bibra 360. — Bidone 372. 422. — Biedermann 305. — Biehringer 82. 91. 198. 232. — v. Biela 178. — Biermann 555. 567. — Billiet 508. — Billwiller 144. 161. 204. 206. 212. 232. — Biot (E.) 288. 294. — Biot (J.) 39. 45. 61. 132. 145. 161. 349. — Birnbaum 34. 37. 159. — Bischof 3. 5. 8. 9. 502. 514. 586. — Biselx 551. — Bittner 630. — Black 69. — Blake 167. — Blancanus 312. 328. 347. — Blanchard 615. — Blanford 185. 267. 274. 278. — Blavier 289. 294. — Blazek 416. 424. — Blunt 632. — Blytt 287. 578. 609. — Boas 315. 318. 322. — Boccardo 493. 496. — Bode 313. — Bodmer 639. 646. — Böhm 564. 568. 643. 647. — Börgen 5. 34. 37. 105. 120. 394. — Boerhave 318. — Börsch 336. 348. 517. 531. — Bösser 259. 278. — Böttger 309. 318. 321. — Böttiger 175. 177. — Bogdanoff 512. — v. Boguslawski (G.) 92. 309. 314. 315. 318. 320. 321. 322. 327. 332. 333. 334. 340. 344. 345. 347. 348. 349. 353. 356. 358. 361. 364. 369. 370. 426. 436. 439. 440. 441. — v. Boguslawski (P. H. L.) 127. — Bohn 425. — Bohnenberger 164. — Bolivär 315. — Boltzmann 82. — Bonnet 69. 90. — Bonney 563. 568. — Bonpland 131. — Bontius 304. — Borda 18. 3801. 534. — Bordier 552. — v. Born 508. 514. — Bothe 325. — Bottomley 552. 566. — Bouchut 303. 307. — Bou& (Ami) 58. 65. 373. 572. 573. 637. 646. — Bouguer 3. 93. 119. 130. 131. 143. 151. 157. 318. 322. 533. 534. 564. —7Boun- Debesch 513. — Bouquet de la Groye 225. — Bourdon 96. 97. — Boussinesq 372. 398. 522. 532. 599. 600. 611. — Boussingault 70. 131. 246. 257. — Bouvard (A.). 89. 181. 187. — Bouvard (E.) 181. 187. — Bove 337. — Boyd Dawkins 508. 511. 514. — Boyle 69. 81. 320. 366. — Boys 94. 119. — Bradley 125. — Brahe (Tycho) 67. 124. 288. 394. — Brander 104. 126. 133. 138. 383. — Brandes 105. 107. 126. 133. 152. 158. 161. — Branky 318. 322. — Brauns 429. — Bravais 80. 89. 137. 151. 153. 161. 349. 455. 458. 461. — Brehm 652. — Breitenlohner 102. 120. — Breislak 501. 517. — Bremontier 397. 400. — Breuhing 12. 95. 333. 398. — Brewster 135. 160. 250. — Brocard 67. 89. 184. 187. 231. 263. 278. 297. 306. — Broch 111. — Brongniart 561. 567. — Brooke 309. 330. 344. — Brounow 218. 220. 233. — Browne 628. — Browning 55. — Bruce 223. — Bruchhausen 284. 294. 455. — Brücke 140. — Brückner 563. — Brünnich 500. — Bruhns 35. 36. 123. 159. 177. 297. 299. 306. 342. 514. 531. 532. — Brunelli 397. — Brunner 427. — Brun 318. — Bruns 197. 232. — Buache 309. 327. 338. 343. 516. 581. — v. Buch 112. 113. 121. 183. 187: 229. 234. 338. 429. 443. 451. 454. 456. 487. 496. 502. 533. 534. 565. — Buchan 191. 231. 289. 294. 349. — Buchanan 346. 360. 364. 368. 370. 416. 426. 569. — Buchner 525. 532. — Buckland 501. 513. 627. 644. — Bühler 228. 234. — Bülau 110. — Büsch 144. 161. — Buff 196. 603. — Buffon 143. 309. 325. 376. 415. 487. 496. 656. — Bunsen 130. 136. 251. 316. 322. 428. 589. 610. — Bunten 349. — Burck- hard-Jezler 134. 141. 160. — Burian 225. — Burmann 58. — Burmeister 226. 230. 233. 258. 394. — Burmester 103. — Burnet 498. — Burroughs 25. — Buss 631. 645. — Buys-Ballot 179. 201. 202. 203. 206. 207. 212. 214. 215. 216. 232. 264. 270. 296. 297. 300. 306. C. Cabeus 19. 35. — Cabotto 15. 384. 401. — Cäsalpinus 501. — Cailletet 71. — Cäldas 110. 121. — Camerarius 514. — Cameron 594. — Campbell 287. — Canton 60. 61. 320. — Cantoni 94. — Cantor 507. 514. — Capper 224. — Capron 55. 65. — Cardano 2, 12. — Carey 360. — Carl 134. 176. — Carove 120. — Car- Namen-Index. 659 penter 342. 347. 355. 380. 406. 415. 417. 418. 424. 508. — Cartellieri 226. — Carus 457. 643. 647. — Casella 352. 353. 354. — Cassini (D.) 155. — Cassini (J.) 15. 30. 107. 388. — Castberg 354. 369. — Castellanos 448. — Castelli 100. — Cauchy 372. — Cavalleri 387. — Cavallo 110. — Cavendish (Physiker) 19. 69. — Cavendish (Weltumsegler) 301. — Celoria 185. 290. 295. — Celsius 51. 60. 70. 101. 107. 442. 443. 444. 456. — Celsus 305. — Cethegus 576. — C£zanne 593. — Chacornac 296. — Challis 392. 399. — Chambers 452. 457. — v. Chamisso 487. 492. 496. 578. 608. — Chanzy 519. — Chancourtois 503. 617. 644. — Chapman 362. — Chappius 71. 90. — Charassieu d’Andebert 305. — Charpentier (J.) 3. 287. 500. 510. 538. 551. 559. 567. — Charpentier (T.) 551. — Chavanne 341. 348. 436. 594. — Chladni 176. 177. 222. — Chydenius (K). 345. — Chydenius (S.) 443. 456. — Claiss 510. — Clarke 223. 322. — Classen 607. 612. — Classon 70. — Classen 607. 612. — Clausius 48. 65. 82. 129. 131. 133. 134. 136. 138. 143. 146. 153. 156. 158. 159. 160. 161. 162. 296. 306. — Clave 245. 257. — Clement 592. — Coaz 225. 242. 536. 565. — Cock 295. 306. — Coffin 202. 232. 267. 275. 278. 422. 425. — Cola Pesce 376. — Colding 381. — Colladon 557. — Colnet-Briart 461. 481. — Co- lumbus 2. 14. 15. 24. 207. 311. 312. — Columella 67. 179. — Commenda 562. 567. — Constantinus (Kaiser) 154. — Contejean 654. 656. — Cook 147. 312. 333. 349. 425. 491. — Coppernicus 17. 83. 91. 295. 312. 321. — Cornelius 68. 89. — Cornu 44. — Cortez (H.) 15. — Cortez (M.) 2. 15. 35. — Cosserat 496. — Cosson 519. — v. Cotta 539. 565. 609. — Cotte 68. 86. 89. 91. — Coulomb 5. 21. 163. — Coup- vent Desbois 378. — Cramer 51. 59. 91. 160. 508. — Credner (G. R.) 476. 477. 479. 480. 483. 573. 574. 608. — Credner (H.) 504. 508. 514. 560. 561. 562. 566. 618. 642. 647. — Crelle 93. 119. — Croll 284. 285. 294. 406. 418. 419. 437. 441. 552. 566. — Crouste 231. — Crova 251. — Cumbary 297. — Cunningham 599. 611. — Curman 268. 278. — Curtze 85. 91. 441. — Cusa (Kardinal) 81. 328. — Cuvier 501. 502. 513. — Czech 531. 532. — v. Czerny 43. 46. 186. 188. 280. 285. 286. 288. 290. 294. 295. 309. 321. 616. 621. 632. 645. — Czerski 574. D. D’Abbadie 111. 121. — v. Dalberg 93. — D’Alembert 180. 181. 187. — D’Alibard 163. 171. — Dalin 444. 456. — Dall 423. 425. 437. — Dalton 61. 83. 91. 429. 440. — Dambek 651. 656. — Dampier 224. — Dana 454. 457. 464. 466. 493. 494. 496. 562. 568. 614. — Daniel 322. — Daniell 98. 120. — v. Dankelman 169. 177. 228. 234. — D’Annone 292. — Darcy 600. 611. — Darier 557. — Darwin (Ch.) 348. 448. 457. 492. 493. 494. 495. 496. 514. 563. 568. 614. 642. 643. 647. 650. — Darwin (G.) 396. 400. 470. 628. 644. — Darwin (H.) 631. 645. — Da St. Martino 98. — D’Aubuisson 502. 514. 533. 534. 555. — Daubeng 6297. — Daubree 2. 498. 513. 616. 617. 628. 644. — Daug 6. 9. — Daval 161. — Daven- port 384. — D’Avezac 112. 121. — Davis 574. 575. — Davity 200. — Davy (H.) 316. 317. 360. 369. — Davy (J.) 590. — Dawson 2. 87. — Daykins 463. 481. — Dayman 333. — De Andrade Corvo 25. 36. — De Bordes 612. — De Candolle 292. 295. 653. 656. — De Castro 25. 36. — De Dominis 147. 161. — Delabar 347. — De la Condamine 397. 533. 534. 565. — De la Hire 86. — Delambre 126. — De la Rue 7. 9. 61. 62. 64. 98. 130. 140. 230. 287. — Deleros 226. — Delesse 260. — Delisle 101. — Delitsch 530. 532. — Dellmann 163. 166. 167. 176. — Delprat 596. 611. — Delpino 654. 656. — Deluc 79. 91. 98. 101. 107. 108. 119. 121. -229. 292. 500. 513. — Demitschki 386. 399. 515. — Demokrit 604. — De Mortillet 467. 482. — Demosthenes 210. — De Motta 25. — Denham 333. — De Noort 301. — D’Entrecasteaux 18. — Denzler 330. 603. — Derham 329. 347. 652. — De Romas 163. — De Rossel 18. — Desaguliers 330. — Descartes (Carte- sius) 58. 125. 147. 149. 153. 159. 387. 388. 498. 513. 616. 643. — Deschales 366. — Deschmann 174. 177. — Desmarest 429. 430. 432. 440. 500. 516. 531. — Desor 198. 238. 287. 478. 519. 531. 538. 872. 573. 575. — Desvaux 587. — De Seue 223. — Desormes 592. — Dicuil 375. 398. — Diekmann 149. 161. — Diener 520. 531. 555. 567. — Dietrich 18. — Dines 99. 120. — Dingler 176. 347. — Dio Cassius 234. — Diodor 284. 604. — Dippe 202. 232. — Dirichlet (Lejeune) 41. 356. — Discher 176. — Dittmer 13. 35. — Doberentz 277. 279. 495. — Dodel-Port 653. 656. — Dodghon 34. 37. — Döderlein 566. — Dollfus-Ausset 198. 232. 538. 550. — Dolomieu 501. 514. — Donati 60. 64. 66. — Dorbi 58. — Dorr 614. 643. — Dorst 435. — Dove 17. 32. 35. 68. 113. 121. 169. 199. 201. 202. 204. 207. 213. 219. 224. 225. 230. 232. 233. 250. 258. 261. 267. 272. 273. 274. 275. 278. 288. 294. 313. 321. 660 Namen-Index. 469. 640. — Doyle 345. 348. 479. 483. — Drake 301. — Draper 288. 294. — v. Drasche 453. 457. — Drebbel 100. — Drobisch 339. 348. 388. 399. — Drude 241. 319. 322. — Dryden 397. — Dufour 128. 227. 228. 237. 280. 291. 292. 293. 294. 295. 586. — Duile 593. — Dumas 428. — Dumont d’Urville 333. 349. — Dunker 603. 612. — Duperrey 28. 36. 410. — Du Petit Thouars 349. — Dupont 492. 496. — Dupr& 542. 565. — Duprez 165. 176. — Durocher 316. 365. — Dutton 637. 641. 646. — Dybowski 574. BE. Ebel 517. 524. 531. — Eberhard 259. 277. — Ebermayer 94. 242. 243. 244. 245. 257. — Edelmann 27. 35. — Edlund 61. 62. 167. — Eduard (1., König) 509. — Ehrenberg 2. 42. 320. 322. 512. 651. 656. — Eichler (G.) 47. — Eichler (H.) 421. 425. — Eichwald 651. 656. — Eilker 380. 398. 468. 469. 482. — Eisenlohr (O.) 181. 187. 295. 306. — Eisenlohr (W.) 610. — Ekman 367. 397. 400. 419. 423. 424. — Elegram 396. — Elie de Beaumont 326. 436. 441. 498. 502. 513. 524. 614. 617. — Elliot 181. — Ellis 349. — Ellner 179. 296. 306. — Emerson Reynolds 418. 424. — Emin Bey 605. 612. — Emmrich 531. — Emsmann 305. 329. 330. 347. — Engel- hardt 313. 321. — Engelman 80. 91. — Engelmann 177. — Engler 71. 257. 322. 655. 6586. — Eratosthenes 515. 531. 604. 612. — Erk 104. 120. — Erman (G. A.) 19. 42. 45. 178. 186. 204. 351. — Erman (P.) 429. 440. — Ernst (Herzog) 1. — Escher v. d. Linth 198. 199. 200. 287. 374. — Esmark 559. — Espy 202. — Ethe 65. 189. — Euler 10. 18. 38. 45. 88. 387. 392. — Eusebius 154. — Euthymenes 604. — Evans 18. 35. 302. 306. 333. — Everest 479. — Exner 351. — Eytelwein 598. 611. v. Fabre 593. 611. — Fahrenheit 100. 101. 110. — Falb 141. 180. 182. 187. 605. — Falck 483. — Fallmerayer 291. — Falsan 562. 568. — Faraday 7. 19. 43. 61. 550. — Fatio de Duiller 373. — Fautrat 243. 244. 257. — Favaro 37. 45. 386. 399. — Favre 287. 557. 617. 644. — Faye 166. 176. 178. 186. 194. 221. 231. — v. Feilitzsch 591. 610. — Felberg 189. 231. — Ferber 499. 500. — Ferdinand (T., König) 17. — Ferdinand (I.. Kaiser) 98. — Ferrari 170. 172. 177 Ener 201. 232. 252. — Feussner 77. 91. — Fichtel 361. 369. — Fick 171. — Findlay 405. - 410. 419. 425. — Finger 197. — Finke 72. 90. — Finley 222. — Finsch 253. 258. — Fischart 295. — Fischer (A.) 127. 159. — Fischer (E. G.) 83. 91. — Fischer (H). 469. 475. 482. 483. 495. — Fischer (G. C.) 15. 35. 36. 388. 399. — Fischer (Th.) 269. 280..291. 295. 376. 398. 407. 424. 446. 447. 457. 613. — Fisher 2384. 294. 454. 457. 614. 623. 644. — Fittbogen 70. — Fitzgerald 102. 120. — Fitzpatrick 345. — Fitzroy 349. 492. — Flammarion 65. 90. 91. 142. 158. 160. 162. 295. 398. — Flaugergues 181. 187. 372. 398. — Fleck 70. — Fleischer 147. 161. — Flesch 128. 191. — Fleurieu 310. 313. 321. — Flinders 12. — Flögel 2. 8. 51. 55. 65. 88. — Fludd 100. 175. — v. Fodor 70. 90. — Förstemann 3. 4. 5. 8. — Förster 60. 63. 64. 66. 96. 119. — Foissac 305. — Fonvielle 91. — Fontana 69. — Fontenelle 388. — Forbes 49. 133. 134. 141. 160. 252. 544. 545. 549. 562. 566. 590. 643. 647. — Forchhammer (J. G.) 360. 361. 365. 369. 416. 444. 446. 456. 473. 483. — Forch- hammer (P. W.) 572. — Forel 324. 374. 376. 385. 398. 538. 542. 543. 845. 800. 551. 556. 565. 566. 569. 570. 652. 656. — Forskäl 320. — Forster (G.) 65. 253. 321. 348. — Forster (J.R.) 47. 65. 309. 317. 320. 321. 322. 326. 343. 348. 349. 362. 425. 440. 487. 491. 492. 496. — Forster (Th.) 141. 160. — Forssman 57. 689. — Forti 116. 122. — Foster 89. — Foucault 416. — Fouchy 151. — Fournet 143. 211. 580. — Fournier 309. 321. 387. 399. 402. 423. — Fox 6. — Fraas 471. — Fracastoro 2. — Franceschini 296. 306. — Francke 469. 482. — Frankland 287. — Franklin (B.) 61. 171. 173. 229. 379. 398. 402. 415. 423. 510. — Franklin (J.) 349. 441. — Frantzius 599. — Fraunhofer 55. 136. 153. 156. 158. 161. — v. Freeden 90. — Free- man 167. — Freiesleben 3. 5. — Freitag 290. 295. — Frerichs 71. — v. Frey 556. 567. — Friedrich (II.. König) 204. — Friedrichsen 25. — Frisch (Chr.) 424. — Frisch (C. F.) 443. 456. — Frischauf 110. 121. 571. 604. 612. — Frisi 181. — v. Fritsch 483. 494. — Fritsch 239. 240. 262. 289. 294. — Fritz 33. 97. 44. 46. 49. 50. 51. 52. 58. 54. 56. 57. 58. 61. 64. 65. 66. 169. 177. 183. 184. 185, Tezeser 228. 233. 289. 295. 459. 457. 556. 567. 569. — Frobesius 58. — Fröbel 538. — Frölich 183. 187. 372. 398. — Fromond 312. — Fruhwirth 627. 644. — Fuchs (N.) 502. 514. — Fuchs (Th.) 652. 656. — Fugger 628. 634. 645. — Fulda 388. 399. — Funck 132. 138. 159. 160. — Fuss 126. Namen-Index. 661 G. Gabet 484. 495. — Galenus 304. — Galilei 37. 45. 81. 100. 120. 186. 386. 387. 388. 399. — Galle 51. 153. 156. 161. — Galton 202. 203. 232. 289. 650. 655. — Gama (Vasco de) 401. — Gambey 15. — Gannett 341. 348. — Garbich 13. — Gardner 613. — Garthe 297. — Gassendi 47. 51. 387. — Gatterer 338. — Gauss 1.497920. 22.23. 26. 27. 30. 35. 36. 39: 41. 42. 43. 45. 115.121. 300. —: Gautier 32. 36. 187. 373. — Gay Lussac 81. 82. 89. 91. 96. 360. 431. — Gedroiz (Fürst) 632. — Gehler 9. 35. 36. 40. 90. 91. 92.- 119. 120. 121. 160. 162. 175. 192. 233. 322. 349. 369. 370. 398. 399. 400. 423. 424. 425. 430. 440. 441. 456. 513. 607. 608. 610. — Geigel 307. — Geikie 459. 481. 613. 643. — Geimäo 25. — Geinitz 340. 446. — Geisler 48. 55. 62. 96. 353. 427. — Geistbeck 570. 608. — Geleich 11. 12. 12.35. 200. 225. 232: 233. 301. 306. 309. 321. 568.607. — .Gelibrand 10. 29. 36. — Gemmel 231. 234. — Gerland (E.) 98. 119. 336. 370. — Gerland (G.) 311. 321. 563. 568. 651. 656. — Gerling 116. 121. — Germar 389. — Gessner (J.) 202. 289. — Gessner (K.) 47. 64. — Gilbert-Churchill 654. 656. — Gilbert (G. K.) 613. — Gilbert (L. W.) 9. 45. 91. 161. 177. 329. 330. 347. 369. 429. — Gilbert (William) ti 19. 29730: 34.35. 36. 39. 41.42. 45. 115. 121..300.. — :Gilm 70. — Gintl 110. 111. 121. 353. — Gioja (Flavio) 12. 35. — Giordano 166. 176. — Girard (A.) 399. — Girard (J.) 352. 369. 469. 482. — Giraud-Soulavie 530. 653. — Gissler 51. — Glaisher 86. 91. 289. — Gladstone 135. 160. — Gmelin 69. 80. — Gnau 146. 161. — Goad 178. 186. — Godin 51. — Goethe 133. 160. 499. 500. 513. 540. — Götz 650. 655. — Goldfuss 3. — Gonzales Oviedo 15. — Gorceix 189. 231. 488. 496. — Gordon 599. 611. — Gough 83. — Grablowitz 178. 186. — Grad 200. 239. 269. 278. 535. 538. 551. 552. 557. 565. — Graham (Physiker) 19. 29. 30. — Graham (Reisender) 243. 531. — Gravez 322. — Greeley 277. 439. — Green (G.) 39. 40. 45. — Green (J. H.) 333. — Gregorius 534. — Gren 8. 399. — Grewingk 562. 567. — Grigorjew 413. 424. — Grimaldi 147. — Gringmuth 43. 46. — Grinnell 441. 540. — Grisebach 444. 456. 653. 656. — Gronau 181. 187. 234. — Groneman 63. 66. — Groth 134. — Grube 269. 278. -— Gruber 144. 161. 571. — Grünwald 550. 551. 566. — Gruner (H.) 562. 567. — Gruner (F.) 538. 565. — Grunert 69. 76. 91. 125. 152. 154. 159. 161. 306. 339. 348. — Grunmaclı 96. 101. 119. 120. — Gümbel 508. 563. 568. 628. 645. — Günther (A.) 651. — Günther ($.) 89. 159. 186. 187. 188. 232. 294. 306. 346. 347. 399. 611. — v. Guericke 81. 82. 92. 94. 96. 119. 143. 162. 176. — Güssfeldt 527. 532. 533. 539. 541. 364. 565. — Guieysse 397. 400. — Guiot de Provins 11. — Guldberg 193. 194. 231. — Gunter 29. — Guppy 479. 483. 597. — Gurlt 532. 644. — v. Gutbier 252. 471. 482. — Guthe 482. 496. 608. 611. — v. Guttenberg 634. 645. — Guttwasser 184. 188. — Guy de Contenson 479. 483. — Guyot 544. 566. — Guy Tachart 29. H. Haag 607. — v. Haardt 531. — Haast 539. 565. — Habenicht 616. — Hachette 175. — Hadley 200. 201. 208. — Häbler 178. 186. — Häckel 346. — Hällström 86. 65. 117. 118. 122. 241. 257. 533. 534. 564. — Hagen (E. B.) 96. 314. 453. — Hagen (G. H.L.) 116. 121. — Hagenbach-Bischoff 135. 157. 227. 316. 434. 441. 542. 569. — Hahn (F. G.) 184. 185. 186. 187. 188. 246. 257. 442. 443. 444. 446. 450. 456. 457. 458. 465. 469. 481. 482. 485. 489. 490. 495. 496. 631. 645. 650. 655. — Hahn (0.) 508. 514. — Haken 369. — Hales 330. 348. 349. 360. 369. 430. 431. 440. — Hall 501. 514. — v. Haller 305. — Halley 20. 25. 36. 37. 38. 45. 60. 61. 106. 107. 108. 120. 200. 313. 315. 361. 415. — Hamilton 289. 294. — Hammer 342. 348. 530. 992. — Hammerl 150. 161. — Hann 69. 90. 94. 104. 119. 120. 141. 142. 160. 185. 195. 198. 199. 200. 207. 210. 211. 217. 231. 232. 235. 236. 237. 238. 241. 244. 249. 290. 252. 254. 255. 256. 257. 258. 259. 260. 261. 262. 269. 272. 274. 276. 277. 278. 279. 285. 306. 307. 368. 370. 403. 429. 496. — Hansteen 10. 19. 33. 35. 39. 45. 61. — Harding 643. 647. — Hardt 3. — Harlacher 599. 603. 611. — Hartel 127. 159. — Hartmann (G.) 17. 18. — Hartmann (V.) 531. 532. — Hartung 637. 646. — Hassel- bach 70. — Hassenfratz 127. — Hauer 286. — Hauff 322. — Haug 4. — Haughton 250. 286. 396. 418. 420. 424. 615. 643. — Hausburg 299. — Hausmann 560. 567. — Hautefeuille 71. 90. — Hautreux 364. 370. — Hauy 501. — Hawkins 301. — Hayden 588. — Hayes 277. 362. 369. 435. 438. 439. 441. 540. 565. — Hebert 615. — Heer 279. 292. 293. 538. — Hegemann 83. 119. — Heger 385. 399. — Heiler- mann 149. 150. 161. — Heim (A.) 454. 506. 535. 536. 538. 539. 540. 542..543. 544. 662 Namen-Index. 545. 546. 547. 548. 549. 550. 551. 552. 554. 558. 560. 563. 566. 567. 568. 617. 618. 619. 620. 621. 622. 625. 630. 631. 632. 633. 637. 638. 643. 647. — Heim (E.) 59%. — Heine 70. 90. — Heinemann 422. 425. 599. 611. — Heinrich (Infant) 408. — Heinrich (Placidus) 428. — Heis 134. 135. 160. — Hekataeus 612. — Hell 31. 58. — Helland 541. 546. 557. 563. 568. — Heller (A.) 14. 35. 91. 160. 161. — Heller (K.) 176. — Hellmann 47. 51. 64. 65. 68. 90. 152. 159. 160. 175. 177. 202027 232. 233. 234. 242. 259. 256. 257. 258. 267. 272. 278. — Hellwag 151. 161. — v. Helmersen 562. 567. 593. 610. — Helmert 116. 121. 314. 322. -- Helmes 68. 90. — Helmholtz 45. 394. 399. 540. 542. 553. 565. 566. — Helmuth 51. — Hemmer 104. — Henneberg 70. — Hennessey 130. 160. 193. — Hennert 107. 126. 159. 597. — Henrich 495. 496. 586. — Henry 83. 260. — Hensen 333. — Herder 648. 655. — Hermann 170. 177. — Herodot 304. 479. 484. 612. — Heron (Alexandrinus) 81. — Herrmann 644. — Herschel (A.) 55. 65. — Herschel (J.) 179. 237. 310. 350. 419. 452. — Herschel (W.) 186. — Hertzer 601. 611. — Hesiod 67. — Hess 385. 399. — Hettner 410. 413. 424. — v. Heuglin 435. 441. — Hevelius 154. 156. 167. — Hibbert 2. 459. 481. — Hiekisch 338. 348. — Higgin 345. 348. — Higgins 425. — Hildebrandson 51. 206. 214. 221. 225. 232. 233. 241. 257. — Hilgard 406. — Hind 459. 481. — Hindenburg 159. — Hiorter 60. — Hipp 103. — Hipparch 394. — Hippokrates 67. 304. -- Hirn 88. 92. — Hirt 304. 307. — Hirth 224. 233. 607. 612. — Hirsch 305. — Hisinger 534. — Hochheim 81. 91. 176. — v. Hochstetter 289. 340. 448. 457. 465. 493. 496. 508. 541. 588. — Höfer 535. 565. — Höfler 615. 643. — Höltschl 97. 119. — Hörnes 634. 645. — Höhlin 56. — v. Hoff 181. 187. 442. 454. 456. 477. 479. 483. — Hoffmann (Fr.) 487. 488. 496. — Hoffmann (H. H.K.) 239. 240. 241. 257. — Hoffmann (P.) 400. 401. 403. 405. 411. 421. 422. 423. 424. 425. — Hoffmeyer 296. 298. 300. 306. 412. — Hoh 174. 175. 176. 177. 304. 308. 307. — Hojel 611. — Holtz 62. 185. 183. — Holzmüller 262. 278. — Homer 67. 376. — v. Homeyer 653. 656. — Hondius 348. — Honorius Augustodunensis 386. -- Honsell 599. 607. 612. — Hooke 95. 329. 330. 347. — Hopfgartner 330. 347. — Hopkins 366. 452. — Hoppe 171. 177. — Horne 463. — Horner 15. 19. 38. 74. %. 116. 173. 177. 360. 373. 425. 428. 429. 430. 434. 440. — Hornstein 44. 46. 57. 183. 185. — Horrebow 107. — Hoskyn 333. — Hottinger 538. — Houzeau 68. 90. — Howard 77. 78. 91. — Howell 406. — Hrabanus Magnus 67. — Hube 388. 399. — Huber 74. 115. — Huc 484. 495. — Hübsch 58. — Hughes 22. 36. — Hugi 389. 399. 430. 440. 538. 541. 542. 543. 551. 565. 566. — Hull 302. 306. 396. 400. — Hult 241. 257. — v. Humboldt 3. 5. 8. 10. 14. 19. 25.. 80. 31. 35.36. 39. 45.90. 58.00202: 65. 89. 110, 116.:127. 128. 129. 131. 132. 159. 178. 177. 178. 186. Je aaa 232. 234. 235. 246. 253. 256. 262. 309. 313. 318. 319. 320. 321. 322. 326. 328. 338. 341. 347. 348. 369. 398. 401. 415. 423. 424. 477. 483. 495. 500. 502. 508. 510. 513. 514. 516. 5817. 524. 528. 531. 532. 533. 534. 864. 572. 616. 621. 641. 647. 653. 656. — Humphreys 479. 599. 611. — Hunäus 577. 597. 608. 611. — Hunter 185. — Hutt 20. 21. 36. -— Hutton 501. 514. — Huxley 345. 627. 644. 645. — Huygens 95. 126. 155. 159. — Hypatia 366. Tr: Jacobi 6. — Jacobsen 333. 360. 365. — Jacques de Vitry 11. — Jahjä ben Said 142. — Jahn 68. 89. — Jakob (I., König) 119. — Jakob 614. 643. — Jakson 220. — Jallabert 373. — Jameson 501. 513. 590. — Jamin 74. 75. 90. — Jarz 416. 424. 581. 609. 628. — Janssen 650. 655. — Janssen 135. 160. — Ibanez 300. — Ibar 482. — Ibn Batuta 509. — Ibn Khaldoun 587. — Ideler 35. 69. 89. 230. 322. — Jeffreys 328. 347. 424. — Jentzsch 453. 457. 471. 482. 577. 578. 641. 647. — Jesse 51. 86. 91. — Jessen 443. 451. 456. — Jevons 186. — Jilek 309. 321. — Ihne 239. 256. — Iwof 531. — Ineichen 373. — Ingenhouss 69. — Johannsen 169. — Johnston 259. 278. — v. Jolly 568. — Jolly 463. 481. — Jordan (C.) 522. 532. — Jordan (J. L.) 4. 8. 157. — Jordan (K. J.) 162. 164. 166. 167. 169. 172. 177. — Josephus 173. — Joule 351. — Jourdanet 303. — Irminger 406. 424. — Irving 362. — Juba 605. — Isidorus Hispalensis 67. 112. — Issel 495. 627. 644. — Julien 283. 294. 422. 425. — Jurine 146. K. Kämtz 68. 75. 89. 90. 109. 121. 156. 157. 162. 296. 306. 580. — Kästner 91, 95. 107. 119. 120. 386. 399. — Kaiser 554. 566. — Kaltbrunner 505. 507. 514. Kane 434. 435. 441. 522. 539. — v. Kanitz 604. 612. — Kanold 65. — Kant 59. N Namen-Index. 663 65. 66. 146. 202. 209. 232. 309. 338. 343. 362. 402. 414. 419. 423. 484. 487. 495. 496. 497. 502. 516. 531. 571. 602. 612. 640. 646. 648. 655. — Kapp 488. 496.- 650. — Kappeller 102. 120. — Karl (IX., König) 162. — Karl (von Anjou) 14. — Karsten (D.L. G.) 608. 610. — Karsten (G.) 64. 169. 174. 235. 256. 333. 351. 363. 310. — Kastner 68. 89. 91. 176. 177. 566. — Kasthofer 292. 536. 5865. — Kayser 309. 320. 321. 322. 334. 347. 362. 369. — Ke-a-tsung-chy 14. — Keber 325. — Keilhack 564. 568. — Keilhau 19. — Keill 134. 160. — Keith-Johnston 262. — Keller (G.) 619. 644. — Keller (H.) 470. 473. 476. 482. 483. 611. 617. — Kelley 61. — Kepler 67. 79. 86. 91. 124. 178. 386. 387. 414. 424. — Kerhallet 410. — Khanikoff 100. 120. — Kjellman 554. 576. — Kjerulf 479. 636. 637. 647. — Kie- pert 576. 608. — Kjerulf 479. 483. 532. 636. 646. — Kies 181. 388. 399. — Kiess- ling 142. 143. 160. — Kinahan 461. — King 508. — Kirch (Ch.) 47. — Kirch (G.) 47. — Kircher 25. 198. 401. 415. 423. 484. 572. 581. — Kirchhoff (A.) 238. 289. 294. 324. 325. 331. 346. 489. 490. 575. 650. — Kirchhoff (G.) 160. 422. — Kirwan 59. — Kisch 304. 307. — Klaproth 11. 35. — Klauprecht 235. 256. — Klein (H. J.) 68. 90. 169. 172. 177. 179. 184. 187. 297. 456. 458. 501. 503. 507. 511. 569. 568. 576. 640. 642. 647. — v. Kleist 174. — v. Klenze 168. 177. — Kleomedes 123. — Klinkerfues 98. 120. 178. 186. — Klocke 538. 543. 545. 865. 866. — v. Klöden 325. 406. 447. 457. — Klönne 375. 385. 398. — Klügel 161. — Klunzinger 471. 482. — Klutschak 583. 650. 655. — Knapp 448. — Kner 504. 514. — Knipping 224. 233. — Knoch 4. 9. — Knop 582. 592. 534. — Knorr (Meteorologe) 181. 187. — Knorr (Nautiker) 302. 306. — Knox 384. — Koch 593. — Köhl 172. 177. — Köllicker 496. — König 287. 578. 609. 653. 656. — Köppen (F.) 184. — Köppen (W.) 94. 119. 184. 186. 188. 206. 216. 217. 219. 223. 225. 232. 233. 235. 239. 256. 291. 208. 261. 277. 315. 322. — Körner 111. 121. — Köttstorfer 321. 354. — Kohl A401. 423. 475. 482. 572. 650. 655. — Kohlrausch 22. 23. 32. 36. 97. 103. 116. 122. — Kohn 278. 645. — Kolberg 614. 643. — Koldewey 403. 423. — Kollbrunner 514. — Konicky 329. — Kopp 68. 90. 368. — Koppmann 382. 398. — Koreudes 328. — Kornmann 229. — v. Kotzebue 333. 349. 496. — Kovatsch 476. 483. — Krafft 20. 51. 429. 440. — Kramer 125. 159. — Kramp 107. 125. 159. — Kratzen- stein 181. — Krause (E.) 575. — Krause (K.) 650. 655. — Krause (Gebrüder) 916. — Krebs 71. 90. 297. 306. — Kreil 45. 46. 102. 120. 180. 187. — v. Kremer 447. 457. — Krenner 628. 645. — Krejei 627. 644. — Krichenbauer 288. 294. — Kriegk 650. — Kries 91. 159. 177. 234. 441. — Krimmel 325. 346. — Krokisius 333. — Kropp 306. 412. 424. — Krümmel 262. 278. 282. 293. 295. 310. 311. 313. 314. 321. 322. 324. 325. 326. 334. 335. 336. 337. 340. 342. 343. 344. 346. 347. 348. 402. 403. 405. 407. 423. 424. 425. 444. 451. 456. 457. 477. 479. 480. 483. 486. 496. 524. 532. 574. 637. 646. — Krug zur Nidda 589. 590. — v. Krusenstern 349. — Kühn 581. — Kühnert 502. — Künzer 243. 257. — Kuhn 82. 91. — Kuhse 154. 155. 161. — Kulmus 50. — Kundt 174. — Kuntze 319. 320. 321. 322. 361. 369. — Kunze 111. 121. — Kunzek 119. — Kupffer 20. — Kutzen 650. L. La Beche 492. — Labillardiere 320. — Labrosse 410. — La Caille 20. 140. — Lacour 283. — Ladame 551. — v. Lär 72. 90. — Lagrange 372. 392. 419. — Laisant 103. — Laiunowitsch 227. — Lakowitz 174. 177. — Lalande 125. 159. — Lamanon 18. — Lamarck 343. 344. 348. 501. 513. — Lambert 98. 107. 109. 116. 120. 122. 126. 131. 136. 137. 138. 160. 181. 187. 231. 318. 322. 569. — Lamey 44. 46. 179. 186. — Lamont 7. 8. 9. 10. 16. 21. 32. 34. 35. 43. 44. 46. 62. 83. 91. 101. 102. 113. 120. 121. 165. 167. 176. 183. 199. 250. 299. — Lampadius 98. 180. 229. — Lancaster 68. 90. — Landerer 627. 644. — Landolt 246. 257. 292. — Lanfran- coni 606. — v. Lang 30. 36. — Lang (A.) 343. 358. 513. — Lang (C.) 170. 177. 231. 569. 608. — Lang (O.) 504. 514. 587. 590. 591. — Lange 242. — Langberg 44. — Langley 183. 251.— v. Langsdorf (G. W.) 103. 120. — v. Langsdorf (K. Chr.) 422. 425. — Langwith 150. 161. — La Peyrouse 18. — Laplace 21. 60. 84. 87. 91. 107. 115. 120. 125. 159. 181. 187. 218. 341. 372. 383. 388. 389. 392. 393. 399. 497. 502. — Lapostolle 228. 234. — Lapparent 560. 567. — Lartet 304. 307. 519. — v. Lasaulx 467. 482. 636. 646. — Latham 144. 161. — Latini (Brunetto) 11. — Laughton 90. 231. 419. — Lauterburg 599. — Laval 607. — Lavoisier 69. — Le Baillif 4. 9. — Lecchi 597. 611. — Le Conte 283. 496. 617. 643. — Lecoq 287. — Lecount 21. — Lee 333. — Leeuwenhoek 312. — Legendre 115. — Le Gentil 151. 310. 322. — Legrave-Sorbie 397. — Lehmann (P.) 326. 347. 446. 456. 465. 473. 664 Namen-Index. 482. 593. 607. 610. 648. 655. — Lehmann (R.) 462. 463. 481. 483. — Le Hon 283. 294. — Le Hontan 373. — Leibniz 10. 356. 362. 498. 513. — Leipoldt 9. 112. 121. 219. 233. 266. 273. 278. 341. 342. 348. 384. 389. 399. 400. 413. 441. 442. 445. 446. 456. 457. 464. 466. 481. 482. 483. 508. 514. — Lemasson 423. 425. — Lemberg 452. 457. — Le Monnier 15. 59. 162. — Lender 71. 90. — Lentz 380. 381. 382. 383. 395. 396. 398. 400. — Lenz 349. 360. 474. — v. Leonhard 496. — Le Roi 74. — Lersch 579. 585. 586. — Leslie 98. 237. — Lespiault 289. 294. — Lessar 604. 612. — Letronne 398. 471. — Leutmann 94. 362. — Leupold 98. — Leuze 582. 609. — Le Verdun 301. — Leverrier 294. — Levy 70. 547. 866. — Ley 77. 78. 90. 91. 201. 216. 217. 218. 225. 231. 233. 267. — Leyst 182. 187. — Liagre 116. 121. — Liais 88. — Libri 100. 120. 161. — Lichtenberg 61. 79. 91. 130. 159. 163. 173. 177. 222. 229. 234. 431. 441. 465. 631. 645. — Liebe 492. 496. 615. 643. — v. Lieben- berg 513. 514. — Liebscher 368. — Lieutaud 19. — Liguine 103. — Linder 29. 45. — v. Lindenau 106. 120. — Linne 443. 456. 653. — Linsser 240. 257. — Lionardo da Vinci 133. 300. 414. 417. 424. 503. 514. — Lippich 131. 159. — Lister 360. 362. — Livingstone 252. 471. 576. 594. — Liznar 16. 21. 30. 34. 35. 36. — Lloyd 43. 46. — Lochtin 265. 278. 632. 645. — v. Löffelholz-Colberg 290. 295. — Lösche. 113. 121. 471. 482. — Löw 640. — Löwenberg 8. 457. — Löwl 575. 638. 646. — Logan 508. — Lommel 112. 113. 121. 140. 158. 162. — Lomonossow 425. 642. 647. — Long 313. — Loomis 24. 56. 59. 65. 188. 197. 213. 231. 232. — Lorenz v. Liburnau 202. 232. 235. 242. 245. 256. 257. 298. 299. 306. 384. 399. — Lorgna 422. 425.— Loven 651. — Lowitz (G. H.) 98. — Lowitz (J. T.) 155. 161. — Lub- bock 181. 389. 399. — Lucanus 175. 604. — Lucretius 579. 581. — Lucilius 2. 8. — Ludmann 586. — Lüddecke 575. — Lueger 580. — Luksch 321. 333. 354. 377. ° 391. 394. 408. 419. 424. — Lullies 632. 645. — Lullo 11. — Luther 47. — Lyell 287. 294. 459. 479. 503. 508. 511. 514. 557. 560. 614. — Lykosthenes 158. M. Maack 475. 483. — Maas 607. 612. — Macaulay 92. — Mae Clintock 333. 345. — Macdonald 30. — Macdougall 432. 441. — Mackenzie 587. 589. — Maclaren 271. 278. — Mac Lean 333. — Maclaurin 387. 388. — Mack 413. — Maerobius 179. 484. — Mädler 186. — Magelhaens 301. — Magener 259. 277. — Maggi 6. — Magnus 591. 610. — Maier 59. — Maignan 98. — Mairan 47. 51. 56. 64. 65. 79. 91. 122. 138. — Main 186. — Makay 223. — Malaguti 365. — Malfatti 493. 496. — Mallard-Chatelier 226. — Mallet 18. 20. 503. — Malte Brun 313. 321. — v. Maltzan 362. 369. — Manfred (Hohenstaufe) 14. — Mann (R.) 90. — Mann (T. A.) 181. 231. — Marcet 351. 360. 369. — Marchand 321. — Marchesetti 490. 496. — Marco Polo 11. 509. — Marek (von Kronland) 147. — Marie Davy 201. — Maricourt (Pierre de) 14. 35. — Mariotte 81. 82. 86. 91. 106. 107. 120. 153. 202. 579. 580. 581. — Marinelli 299. 306. 493. 496. 539. 565. 570. 577. 628. 644. — Marsigli (Graf) 318. 322. 359. 362. — Martens 429. — Martin (H.) 1. 8. — Martin (J. E. A.) 369. 440. 564. — Martini 6. 9. — Martins 89. 144. 161. 198. 222. 232. 269. 278. 316. 349. 461. 481. 519. 531. 544. 566. 653. 656. — Mascart 73. 172. — Maskelyne 107. 183. — Mathieu 89. — Mathieu de la Dröme 182. — Matthews 522. 553. 566. — Matthieu 562. — Mauch 273. — Maurer 289. — Mauritii 305. 307. — Maury 225. 275. 302. 306. 309. 317. 321. 322. 335. 347. 402. 416. 418. 424. — Maximilian (I.,. Kaiser) 295. — Maydell 220. 233. — Mayer (A.) 513. 514. — Mayer (E.) 15. 35. 321. 334. 340. 360. 403. — Mayer (R.) 61. — Mayer (Tob., I) 10. 20. 39. 114. 121. 534. 565. — Mayer (Tob., II) 79. — Mayr 228. — Mazeas 143. — Meech 248. 250. 257. — Mehner 561. 567. — Mehren 399. — Meibauer 85. 91. — Meitzen 512. 514. 600. 611. 659. — Melanchthon 504. — Melanderhjelm 87. 91. — Meldrum 185. 224. — Mellard Reade 597. 615. 643. — Melloni 4. 5. — Mendoza 301. — Menzel 150. — Menzzer 29. 36. 321. — Mercator 342. 348. — Merian 80. 91. 115. 227. 431. 441. — Merkel 304. 307. — Merrifield 319. 322. — van der Mensbrughe 379. — Meton 181. — Meurer 68. 89. 119. — Meyen 320. — Meyer (F.) 41. 45. — Meyer (H. A.) 333. 360. 363. 370. — Meyer (L.) 79. — Meyer (0. E.) 420. 425. — Meyer (W.) 141. — Meyn 474. — Michaelis (Archäolog) 173. — Michaelis (Physiker) 353. 369. — Michaelis (Zoolog) 320. 322. — Micheli du Crest 101. 569. — Michelotti 597. 611. — v. Middendorff 273. 277. 413. 424. 512. 514. 576. 652. — Midgley 525. 532. — Miklucho-Maklay 569. — v. Miller-Hauenfels 217. 233. — Miller 153. 161. 352. 353. 354. 396. — Milne 636. 645. — Milne Edwards 615. 652. — v. Miltitz 301. 307. — Minasi 144. 161. — Mitchell 426. — Modeen Namen-Index. 665 576. — Möbius 320. 322. 333. 346. 508. 659. 686. — Möhl 451. 457. — Möller 70. 90. 223. 233. 601. 602. 611. — v. Möllendorff 6. 9. 264. 278. — Mösta 252. 471. — Moffat 185. — Mohn 68. 74. 75. 90. 119. 120. 169. 170. 177. 189. 193. 194. 223. 231. 233. 333. 337. 347. 352. 359. 365. 423. 462. 481. 488. — Mohr 59. 66. 230. 231. 234. 431. 441. 501. 502. 581. 627. 644. — Moigno 185. 188. — v. Mojsisovies 557. 634. 645. — Molinelli 329. 347. — Mollweide 39. 45. — Molyneux 98. — Monge 145. 161. — Mongez 229. — Monnet 500. — Monro 93. — Montesquieu 655. — Montigny 49. 65. 128. 159. 193. 231. — Montucla 81. 91. — Montufar 129. — Mooney 328. — Moreau de Jonnes 246. 257. — Morin 395. — Moritz 427. — Morland 95. — Morlot 562. 568. — Moro (Lazaro) 498. 513. — Morse 103. 300. 330. — Morton 438. — Moseley 396. 400. 429. 551. 552. 566. — Mottez 372. 398. — Mousson 199. 538. 565. 590. 591. 610. — Mühlberg 639. 646. — Mühry 165. 166. 176. 201. 202. 220. 232. 233. 235. 256. 266. 274. 305. 307. 351. 369. 407. 417. 418. 424. — Müller (A.) 467. 482. — Müller (J.) 49. 65. 77. 120. 130. 132. 134. 135. 144. 146. 156. 159. 160. 161. 162. 163. 173. 176. 177. 230. 234. 300. 306. 315. 322. 543. 550. 566. — Müller (Ph.) 50. 65. 652. 656. — Münster (Seb.) 312. 538. 545. 566. — Müntz 70. — Mulgrave 19. — Muncke 8. 61. 69. 75. 79. 83. 88. 92. 133. 160. 175. 221. 230. 318. 320. 359. 360. 372. 374. 375. 400. 408. 419. 443. 484. 497. 576. 594. 601. — Munz 484. 495. — Murchison 6. 497. — Muret 292. — Murhard 68. 90. — Murphy 68. 89. — Murray 494. 495. 496. — Muschketov 471. — Musschenbroek 28. 30. 89. 94. 229. — Myer 296. 297. N. Nachtigal 265. 273. 278. — Näher 601. 611. — Nägeli 365. 654. 656. — Nagel 325. 346. — Nairne 20. — Nares 54. 333. 359. 436. 437. 441. — Narducei 321. — Nasse 226. 233. — Nathorst 564. 568. — Naudet 119. 121. — Naumann 622. — Neckam 11. — Necker 49. — Negretti 352. 353. 354. 369. — Nehring 641. 647. — Nelli 100. 120. — Nettelbeck 362. 369. — v. Neumann 351. — Neu- mann (C.) 504. 514. 531. 532. — Neumann (F.) 83. 84. 91. 392. 399. — Neumayer 13. 29. 36. 42. 104. 119. 120. 142. 160. 181. 275. 296. 302. 306. 352. 353. 369. 399. — Newberry 396. 400. — Newcomb 285. — Newton 86. 133. 147. 148. 149. 155. 156. 180. 315. 322. 372. 386. 387. 388. 389. 390. 399. 424. 627. — Nicholson 3. 91. — Nicol 135. — Nicolet 551. — Niebuhr 447. 457. — Niemeyer 305. — Nikius 178. 186. — Nissen 290. — Noak 616. 644. — Nöggerath 4. — Nöllner 230. — Nötling 562. 567. — Noll 471. 482. — Nollet 320. 430. 440. — Nonius 137. 160. — Nordenanker 409. 420. — Nordenskiöld 2. 3. 8. 53. 54. 56. 63. 65. ‚230. 268. 280. 287. 337. 345. 348. 359. 413. 423. 424. 433. .435. 441. 541. 554. 566. 567. 651. — Nordhoff 290. 295. — Norman 18. 29. — Nürnberger 389. 399. 0. Oberbeck 32. 36. 194. 231. — Oberländer 649. 655. — Obermayer 420. 425. — Ochsenius 643. 647. — Odorico 515. — Odstreil 44. 46. — Odysseus 288. — Oeri 373. — Oersted 228. 392. —, v. Oettingen 240. 257. — Ohlert 197. — Ohm 108. 121. — Olavsen 534. 587. — Olaus Magnus 2. — Oldham 549. 557. 598. 867. — Olivarius 129. 159. — Olmham 266. — Olmstedt 56. 62. 65. 230. — Oltmanns 564. — Olympiodor 587. — v. Oppel 504. 528. — Oppel 466. 482. — v. Oppolzer 127. 159. — O’Reilly 614. — Osann 99. 120. — Otto 309. 321. 516. 531. — Overzier 58. 182. 187. 295. — Owen 651. BR: Palacky 654. 656. — Palissy 507. 585. — Pallas 326. 499. 528. 656. — Palmen 653. 656. — Palmer 385. 399. — Palmieri 162. 163. 164. 165. 167. 171. 177. — Pape 91. 399. 633. 645. — Papin 110. — Paracelsus 2. — Paramelle 583. — Parker 43. 46. 333. — Pare 162. — Parfait 333. — Paris 378. — Parmenides 261. — Parrot 59. 132. 343. 388. 399. 425. 533. 534. 565. — Parry 54. 80. 440. — Partsch 259. 278. 518. 531. 532. 563. 568. — Pascal 105. 106. 120. — Paschen 446. — Passarge 424. — Pasteur 304. — Pasumot 516. — Patrin 59. 374. — Paugger 13. — Paulitschke 650. 655. — Paulsen 51. 65. — Payer 438. 532. 563. — Peacock 469. 482. — Pechuel-Lösche 58. 65. 461. 490. 496. 525. 596. 635. 645. — 666 Namen-Index. Peez 305. — Peichl 13. 85. — Peirce 344. — Peltier 163. 165. 176. 222. — Pemberton 151. — Penck 282. 285. 286. 294. 437. 441. 455. 456. 458. 462. 468. 465. 467. 481. 482. 503. 510. 514. 532. 535. 554. 556. 557. 558. 559. 560. 561. 562. 963. 864. 567. 568. 575. 608. 637. 639. 640. 646. — Pennant 463. — Perier 100. — Perkins 557. — Peron 349. 430. — Perrault 582. — Perrey 180. — Perry 43. 46. — Peschel 1. 8. 9. 36. 112. 121. 191. 232. 233. 266. 273. 276. 278. 285. 3117321. 325. 336. 338. 339. 342. 347. 348. 349. 363. 369. 387. 398. 399. 401. 423. 424. 441. 442. 447. 449. 451. 452. 456. 457. 461. 465. 466. 470. 481. 482. 483. 485. 486. 488. 489. 495. 496. 507. 508. 509. 514. 515. 516. 531. 572. 573. 574. 576. 601. 606. 612. 638. 646. 656. — Peter (der Grosse) 10. 92. — Petermann 65. 121. 176. 232. 233. 234. 241. 294. 324. 334. 335. 347. 348. 359. 412. 424. 438. 457. 482. 483. 514. 645. 646. — Peters 603. 622. 644. — Petersen 42. 45. — Peterson 426. 427. 440. — v. Petrinö 524. 532. 621. 644. — v. Pettenkofer 70. 304. 365. 579. — Pettersen 455. 458. 462. 481. — Peyroux de la Condreniere 59. — Pfaff (C.H.) 56. — Pfaff (F.) 127. 159. 245. 257. 258. 314. 322. 328. 347. 451. 454. 456. 457. 504. 538. 545. 553. 566. 569. 595. 617..620. — Pfannstiel 23. 56. — Pfaundler 517. 531. — Pfeil (Graf) 59. 65. — Pfeil 247. 257. 612. — Phillips 6. 451. — Photius 587. — Piazzi Smyth 136. 296. — Piecolomini 312. 321. — Piche 94. — Pick 109. 121. — Pickering 93. — Piddington 185. 224. 225. — Pierre 368. — Pigafetta 19. — Pilar 178. 186. 226. 233. 279. 284. 285. 288. 293. 294. 451. 454. 456. 457. 503. 621. 645. — Pilgram 56. — Pingel 449. 457. — Pirner 333. — Piso 304. — Pissis 643. 647. — Pitot 597. 611. — Pius (VI., Papst) 576. — Plana 372. 438. 441. — Planer 222. — Plantamour 118. 122. 385. — Plante 172. — Platon 387. — Playfair 501. 514. 559. — Pleischl 557. — Plenkers 498. — Plinius 1. 8. 46. 67. 155. 161. 320. 362. 369. 379. 386. 399. 484. 500. 604. 612. — Plott 430. 440. — Plücker 427. — Plutarch 328. 379. 399. — Poey 78. 91. 141. 160. 185. — Poggendorff 2. 8. 14. 25. 30. 35. 36. 97. 106. 120. 169. — Pogson 178. — Poisson 13. 201. 372. — Pois- sonnier 362. — Pollack 631. 645. — Polluge 280. 290. 294. 295. — Polybios 446. — Pomponius Mela 308. 484. 604. — Popowitsch 408. 415. 424. — Porta 15. 308. 321. — Porth 427. — PoSepny 500. 513. 642. 647. — Posidonius 386. — Poske 146. 161. — Postellus 312. — Pothenot 330. — Pouillet 77. 91. 167. 176. 183. 237. — v. Pourtales 344. 348. — Povelsen 587, — Prechtl 229. 234. — Prestel 59. 71. 72. 76. 77. 90. 91. 99. 113. 212. 214. 233. 469. — Prestwich 349. 369. 562. — Prevost 132. 159. — Priestley 61. 69. 143. 146. 150. 160. 161. — Prinsep 102. — Priscianus 366. — Probus (Kaiser) 268. — v. Prondzynski 325. — Prony 15. 89. 596. 611. — Prowe 289. 295. — Prshewalski 274. — Pseudo-Augustin 651. — Ptolemäus 1. 124. 308. 394. 566. 604. — Pühler 329. 447. — Pullen 349. — Pumpelly 635. — Pyrard 491. — Pytheas 277. 382. 383. 386. Q. Quaglio 560. 567. — Quatremere 296. — Quenault 467. 482. — Quenstedt 508. 528. — Quet 44. 46. — Quetelet 19. 165. 240. — Quidde 523. 532% R. Rachel 439. — Radau 121. — Radicke 150. 156. — Rae 432. 441. — v. Raes- feldt 607. 612. — Raffaeldanzio 318. — Ragona 117. 122. 141. 160. 165. 188. — Rahn 240. 257. — Ramazzini 304. 305. 307. — Ramond 107. 109. 120. 534. — Ramsay 460. 467. 481. 482. 556. 557. 567. 584. — Ransom 617. 644. — Raspe 500. — vom Rath 223. 233. — Ratzel 202. 232. 260. 278. 296. 306. 341. 348. 373. 464. 465. 466. 481. 482. 487. 488. 490. 496. 511. 514. 557. 561. 567. 640. 641. 647. 649. 650. 655. — Raulin 39. 45. 163. 278. — v. Raumer 502. — Rawlinson 604. — Ray 499. 528. — Reaumur 100. 101. 117. — Recknagel 93. 119. 304. — Reclam 161. — Reclus 464. 481. 483. 493. 496. 582. — Redfield 223. 224. — Reess 507. 514. — Regnault 74. 81. 82. 96. 98. 111. 120. — Regnet 525. 532. — v. Reibnitz 357. — Reich 4. 5. 9. — Reichel 228. — v. Reichenau 652. 656. — Reichenbach 326. 642. 647. — Reid 224. — Rein 448. 457. 465. 468. 482. — Reinhold 504. 528. — Reis 88. 92. 597. 606. 611. 612. — Reiset 70. — Reiss 109. 121. 189. 231. 448. 449. 457. — Reiter 642. 647. — Reitz 385. 538. — Rendu 540. 552. 556. — zennell 289. 402. 405. 408. 419. 423. — Rennie 578. — Renou 230. 238. — Reusch 460. 481. 503. 636. 646. — Reuschle 310. — Reuss 3. 500. — Reye 194. 222. 223. 224. 231. 233. — Reyer 446. 457. 499. 503. 528. 622. 631. 645. — Rhemnius = 273% : Be Namen-Index. 667 366. — Riccardi 229. 234. — Riccasoli 290. — Ricci 81. — Riccioli 12. 35. 76. 90. 312. 321. — Richard 583. — Richmann 177. — Richter 242. 257. 515. 531. 532. 538. 939. 940. 545. 556. 865. 867. 575. 628. 645. — v. Richthofen 72. 281. 459. 460. 461. 462. 481. 486. 487. 488. 496. 509. 510. 511. 512. 517. 524. 525. 563. 568. 632. 635. 697. 641. — Rickets 451. 457. — Riess 167. 176. — Rigaud 313. 321. — Rikatscheff 182. — Rink 433. 465. 482. — Ripley Nichols 569. — Ristoro (von Arezzo) 311. 312. 321. 579. — Ritchie 168. — Rittau 317. 322. 467. 489. 493. 496. — Ritter (A.) 87. 91. — Ritter (C.) 309. 313. 321. 322. 324. 325. 338. 369. 398. 423. 465. 479. 483. 517. 5831. 648. 649. 655. — Ritter (J. W.) 4. — Robert (von Lincoln) 386. — Roberts 394. 395. 399. — Robinson 93. 105. — Roche 39. — Rodriques 25. — Röhl 348. — Röllinger 248. 250. 257. 258. — Röntgen 70. 97. — Rössler 500. — Rogers 466. 482. — Rohlfs 168. 177. 245. 257. 519. — Rolland 642. — Rome Delisle 501. — Romershausen 163. — Romme 384. 398. — Romstöck 229. 234. — Roscoe 65. 136. 251. — Rosenberger 91. — Rosenthal (G. E.) 107. 222. — Rosenthal (J.) 304. — Rosetti 351. 352. 369. — Ross (James) 26. 27. 29. 276. 333. 350. 359. — Ross (John) 349. 554. — Roth (F.) 73. 90. 197. 231. — Roth (J.) 361. 369. 560. 633. — Rothe 202. 232. 235. 286. 399. — Rothmann 124. — Rothpletz 631. 645. — Rottee 170. 177. — Roudaire 519. 520. 531. — Rowland 45. — Rowney 508. — Rozet 454. 457. — Rudberg 29. — Rudolf (von Hohenems) 277. 2719. 486. 495. — Rücker 5. 70. 368. 370. — Rühlmann 107. 108. 109. 120. 121. 330. 347. — Rüter 4. 9. 41. — Rütimeyer 465. 467. 482. 572. — Ruge 11. 15. 39. 86. 232. 301. 306. 308. 321. 347. 369. 398. 399. 401. 408. 423. 424. 531. 653. 656. — Rumford 110. — Rumphius 319. — Rundlund 257. — Russegger 449. 450. 520. — Rutherford 102. 120. — Ruysbroek 515. — Ruysch 1. — van Ryssel- berghe 103. 104. 120. S. Saalschütz 237. 256. — Sabine 19. 21. 23. 29. 32. 36. 181. — Sabler 126. 159. — Sachau 142. — Safränek 2. 8. — Salcher 321. — Salfeld 577. 578. 608. — — Sandberger 499. 514. — Sands 344. — Saporta 283. 426. 427. 440. — Sarasin 375. — Sartorius 374. — Sartorius v. Waltershausen 280. 288. 293. 294. 587. — v. Dass 364. 310. 601. 611. — Saussure 19. 70. 98. 109. 119. 130. 131.°132. 159. 1072108. 176. 2371. 296. 349. 315. 499. 534.538. 541. '554. 567. 569. 653. — Savart 175. 942. — Savioli 98. — Saxo Grammatikus 587. — Sayce 178. — Scara- -mello 12. — Schafhäutl 502. 514. — Schanz 228. — Schaub 13. 25. — Scheele 69. — Scheffler 63. 66. 422. — Scheiner 154. — Scheidt 514. — Schellen 172. 174. 177. 384. 347. — Schelling 4. — Schering 8. 9. 10. — Scheuchzer 75. 90. 106. 107. 120. 538. 549. 566. — Schiaparelli 57. 65. 83. 92. 180. 182. 137. 352. 369. — v. Schilling 285. 294. 416. 424. — v. Schlagintweit (A.) 131. 159. 566. 583. 609. — v. Schlagintweit (H.) 70. 130. 131. 159. 303. 307. 535. 541. 543. 544. 545. 592. 569. 966. — v. Schlagintweit (R.) 637. 641. 646. 647. — Schlegel 651. — Schleiden 362. 869. — v. Schleinitz 242. 257. 282. 285. 294. 317. 333. 397. 398. 400. 437. 441. — Schlemüller 82. 91. 200. 232. 248. 250. 257. — Schlesicke 140. 160. — Schliemann 271. 278. 613. — Schlömilch 112. 121. 339. 348. — Schley 333. — Schlichting 607. 612. — Schmarda 346. 348. 651. 656. — Schmelck 365. 370. — Schmick 285. 286. 294. 454. 457. — Schmid 68. 86. 89. 91. 417. 424. 512. 524. — Schmidmayer 360. — Schmidt (B.) 167. 177. — Schmidt (E.) 343. 348. — Schmidt (G. G.) 21. 87. 91. — Schmidt (J.) 590. — Schmidt (M., Geodät) 110. 121. — Schmidt (M., Philolog) 366. 370. — Schmidt (V.) 655. — Schmidt (W.) 605. — Schmieder 59. — Schmitt 599. — Schneider (F. A.) 178. 186. — Schneider 638. 639. 646. — Schneider (O.) 520. 532. — Schnurrer 304. — Schoch 252. 258. — Schoder 110. 121. 170. — Schön 296. 306. — Schöner 187. 312. 321. — Schönbein 71. 90. 99. — Schönfeldt 61. — Schöttl 290. 295. — Scholz 152. 161. — v. Schor- lemmer 65. — Schott 95. 119. — Schouw 19. 653. 656. — Schrader 511. — Schrank 593. 610. — Schreiber 103. 110. 113. 120. 121. 330. 347. — Schrenck 362. 369. — Schröder 614. — Schrötter 578. — Schubert (H.) 385. — Schubert (F. W.) 69. 232. 423. 424. 531. 611. 646. — Schubring 580. — Schück 210. 223. 224. 233. 302. 303. 307. — Schübler 165. 181. 187. 230. 296. 306. 513. — Schultes 534. — Schultz (F.) 516. 525. — Schultz (H.) 299. 306. — Schultze 525. — v. Schulten 384. 398. — Schumacher (C.) 35. 398. 427. — Schumacher (H. A.) 110. 121. — Schumann 173. 473. 482. — Schunke 559. 567. — Schwaab 230. 234. — Schwabe 32. — Schwalbe 628. 644. — Schwartz 68. 90. — Schwedoff 227. 233. 230. — v. Schweiger- 668 Namen-Index. Lerchenfeld 378. 398. — Schweigger 8. 160. — Schweinfurth 603. — Schweizer 129. 159. — Schwenter 366. 370. — Schwerd 162. — Schwirkus 97. 119. — Selater 486. — Scoppewer 430. 431. 432. 440. — Scoresby 21. 80. 91. 146. 161. 317. 349. 360. 369. 402. 440. — Scultetus 296. 306. — Sczechenyi (Graf) 572. 608. — Secchi 61. 103. 120. 128. 136. 160. — v. Seckendorf 612. — Sedillot 394. — Seebeck 7. — Segner 180. 181. 187. — Seibt 314. 322. — Seidel 579. 609. — Seleukos 308. 321. 382. 398. — Semper 494. 496. — Senebier 69. 90. — Seneca 67. 161. 312. 484. 578. 604. 609. — Senft 472. 473. 474. 482. 483. — Serpa Pinto 594. 642. 647. — Serret 91. — Seve 544. — Seyffer 15. — S’Gravesande 101. — Shaw 539. 565. — Siber 67. 75. 89. 376. 398. — Siemens (Werner) 22. 36. 44. 45. 46. 63. 166. 167. 168. 176. 354. — Siemens (William) 44. 330. 331. 332. 347. — Sieveking 647. — Sigaud de la Fond 181. — Sigorgne 181. — Sigsbee 320. 347. 360. 406. — Silber- schlag (C.) 499. 528. — Silberschlag (J. E.) 50. 51. 65. 157. 162. 499. 523. — Silvestri 2. — Simler 143. 160. — Simonoff 17. 35. — Simony 293. 295. 538. 569. 570. 634. 645. — Simpson 125. 159. — Sinclair 106. 120. — Sirks 63. — Six 74. 102. 349, — Skalicky 614. 643. — Skalweit 43. 46. — Smeaton 122. 425. — Smith (A.) 13. 29. 35. — Smith (J.) 446. 456. — Smith (R.) 122. 123. 135. 159. — Snellius 125. — Socin 292. — Sötbeer 510. 514. — Sofka 182. — Sohncke 300. 306. — Sokolow 471. — Sonderhof: 127. 159. — v. Sonklar 379. 380. 398. 459. 475. 476. 481. 483. 517. 518. 519. 520. 521. 523. 524. 825. 526. 527. 528. 529. 5831. 532. 533. 941. 544. 564. 573. 575. 579. 580. 593. 596. 605. 609. 611. 612. 644. — Sonne 599. 607. 612. — Sonntag 581. 609. — Soret 146. 316. 318. 322. — Sosa 611. — Spallanzani 376. 398. 501. — v. Specz 364. 370. — Spiess 619. 644. — Spinoza 147. 648. 695. — Spörer (G.) 271. — Spörer (J.) 649. 655. — Sponius 484. — Sprengel 654. 656. — Spring 315. 317. 319. 322. 553. 566. 597. — Sprung 93. 104. 119. 120. 196. 197. 199. 200. 203. 231. 232. 272. — Stache 490. — Stahlberger 285. 330. 347. 385. 399. — Stanley 273. 278. — Stapff 525. 5932. 533. 549. 551. 621. 644. — Stark 563. — Staub 240. 241. 257. — St. Claire Deville 317. 322. — Stebnitzki 535. 565. — Steenke 431. — Steenstrup 289. — Stefanovi& 603. 606. 612. — Steffens 584. 609. — v. Steinberg 571. 608. — Steinhauser 326. — Steinhäuser 37. 45. — v. Steinheil 6. 9. — Steller 312. 321. — Stellwagen 334. — Steno 498. 523. — Stentzel 231. 234. — Sterrey Hunt 503. — Stevens 591. — Stevenson 94. 101. 119. 203. 204. 212. 381. 458. — Stevin 386. 399. — Stichler 536. 565. — Stipriaan Luiscius 329. 347. — Stokes 39. 238. 378. — Stoppani 493. 496. 575. 608 — Stoll 137. 160. — Stow 251. 258. — Strabon 284. 308. 312. 324. 376. 382. 386. 468. 475. 479. 482. 483. 500. 514. 613. — Strachan 90. 195. 231. 436. — Strachey 142, — Strange 499. 514. — Straton 468. — Strecker 572. 608. — Streffleur 595. — Strehlke 222. 232. 431. 441. — Streintz 181. 187. — Streng 2. 8. 584. 609. — Strickland 591. — Stromberg 119. — Struve 583. 609. — Struyck 310. 321. — Studer (B.) 560. 631. 645. — Studer (Th.) 320. 322. 494. 495. 496. 631. 645. — Studnicka 262. 508. — Stur 637. 646. — Sturm 10. 34. 98. — Suess 220. 285. 448. 453. 454. 456. 457. 466. 482. 503. 510. 615. 616. 617. 618. 628. 629. 630. 645. — Suger 14. — Suhle 113. 121. — Supan 68. 89. 195. 202. 212. 213. 214. 231. 232. 236. 259. 256. 259. 261. 267. 269. 270. 271. 272. 273. 274. 275. 278. 279. 334. 340. 348. 378. 403. 413. 423. 424. 450. 451. 457. 490. 496. 500. 514. 525. 532. 629. 632. 633. 639. 645. 646. 647. 656. — Surell 593. 594. — Swensen 81. — Symmons 90. 119. 331. — Synesius 366. T. Tacitus 46. — Tait 167. 225. 399. 552. 566. — Tanstetter 91. — Taramelli 575. 608. — Tarry 297. 306. — Taylor 114. — v. Tehihatcheff 291. 447. 457. — Texeira 36. — Thalen 6. 9. — Thenard 70. — Theobald 292. — Theodorich 147. — Theophrast 67. 376. — Theophylaktos Simokatta 379. — Theorell 103. 120. — Thevenot 14. — Thiel 299. 608. — Thiem 580. 587. 610. — Thietmar (Bischof) 318. Thölden 366. — Thomson (F.) 333. — Thomson (J.) 395. 400. 550. 552. 601. 611. — Thomson (William) 163. 165. 176. 328. 388. 389. 390. 393. 394. 395. 399. 400. 552. 566. — Thomson (Wyville) 284. 294. 345. 346. 347. 352. 354. 614. — Thorpe 70. 368. 370. — v. Thünen 339. — Thurmann 654. 656. — Tiedgen 290. 300. — Tietjen 10. 24. — Tietze 634. 636. 642. 645. 647. — Tissandier 2. 8. 72. 91, v. Tillo 25. 286. 297. 595. — Tizard 336. — Toaldo 181. 187. 384. 398. — Töpfer 264. 278. — Töpler 23. 30. 36. 62. — Toldt 247. 257. — Toner 341. 348. — Torell 345. 348. 424. 538. 560. 564. 567. — Torelli 291. 295. — Tornöe 365. 425. — Torricelli 81. 94. 95. 96. 105. — Toscanelli 312. — Toula 454. 456. 622. 606. 612. * gr Ber ie Namen-Index. 669 622. — Tournefort 653. — Townley 106. — Toynbee 267. 278. 302. 306. 350. — Tralles 83. — Trautschold 452. 453. 457. — v. Trebra 4. 499. 514. — Trebuchet 320. — Treiber 122. 159. — Trembley 107. — Tresca 547. 548. 566. 627. — Treutlein 610. — Treviranus 651. — v. Triewald 58. — Trientl 292. 295. — Trink 471. — Truchet 70. — Tromholdt 50. 58. 62. 64. 184. — Tschudi 292. — Tyndall 80. 89. 91. 92. 316. 317. 318. 322. 467. 482. 527. 538. 542. 543. 544. 545. 547. 549. 550. 556. 565. 566. 567. — Tyler 452. 457. 478. U. Ucke 69. 90. — Uebelacker 583. 609. — Uhlmann 636. 645. — Ullrich 326. — Ulloa 157. — Umlauft 270. 278. 467. 482. — Unger 590. 610. — Urdaneta 301. — Ure 110. 121. — Ussher 49. 60. 66. — Uzielli 627. 644. — Uziglio 362. V. Varenius 87. 309. 310. 321. 387. 399. 401. 407. 424. 483. 484. 495. 581. — Vaucher 374. 398. — Velten 350. 369. — Veltmann 285. — Venable 55. — Venetz 536. 538. 559. 564. 567. — Venturi 147. 154. 161. 424. — Verbeck 191. — Ver- gilius 67. 179. — Verver 70. — Vespucci 320. — Vettin 225. 233. — Vezian 503. — Vieth 4. 8. — Vidi 96. — Vigan 384. 398. — Vince 146. 161. — Vinta 34. — Violle 249. — Virchow 447. 457. 577. 608. — Virgilius (Bischof) 67. — Virlet d’Aoust 379. 398. — Viscovich 68. 90. 225. 233. — Vitruvius 93. 328. 579. 582. 609. — Viviani 81. — Vogel (H.) 160. 183. 187. 251. 318. — Vogel (K. A.) 230. 283. — Vogel (P.) 198. — Voges 369. — Vogler 116. 121. — Vogt 161. 232. 278. 468. 479. 481. 482. 485. 554. 566. 622. — Voigt 398. — Volger 502. 581. 600. — Volland 305. 307. — Volta 59. 69. 163. 167. 175. 229. 234. — Vossius (G.) 124. 159. — Vossius (J.) 309. 321. 401. 402. 414. 417. 423. 581. 593. 605. 609. 610. W. Wächter 4. 8. — Wähner 226. 227. 230. 233. 234. — Wagner (A.) 502. al4. 651. — Wagner (H.) 86. 183. 278. 282. 309. 313. 314. 322. 333. 348. 332. 398. 399. 424. 457. 469. 482. 483. 487. 496. 565. 567. 595. 608. 610. 645. — Wagner (M.) 649. 655. — Wallentin 8. — Wahlenberg 533. 534. 565. 653. 656. — Wahn- schaffe 561. 564. — Waitz 162. 163. 167. 171. 177. — Wales 155. — Walferdin 349. — Wallace 285. 294. 485. 489. 495. 496. 614. 617. 651. 656. — Wallich 346. 651. — Wallis 382. 399. — Wallmann 316. 322. — Walter 398. — Walten- berger 139. 160. 517. 531. — Walther 124. — Wanklyn 167. — Wargentin 56. 60. 204. — Watt 103. — Webb 534. — v. Weber 229. 234. — Weber (C. W.) 431. 432. 441. — Weber (E. H.) 370. 371. 390. — Weber (J.) 428. — Weber (L.) »4. 351. 369. — Weber (W.) 10. 22. 36. 370. 371. 398. — Webster 360. — Weigelt 469. 482. — Weihrauch 78. 91. 118. 122. — Weilenmann 255. — Weinberg 326. 347. — Weisbach 598. 611. — Weiss 50. 621. — Wells 74. 90. — Wenchop 349. — Wenckebach 24. 35. — Werder 623. — Werner (A.) 2. 500. 502. 513. 524. — Werner (J.) 179. 187. — Wertheim 399. 566. — Westermann 160. 514. — Wett- stein 25. 26. 42. 46. 167. 176. 199. 232. 621. 644. — Wex 453. — Weyer 123. 126. 159. — Weyprecht 359. 363. 426. 432. — Wheatstone 135. 160. — Wheeler 640. — Whewell 328. 389. 399. — Whipple 185. — White 328. 347. — Whitehurst 498. 528. — Whitney 283. 510. — Whiston 498. — Wibel (F.) 590. 591. 592. 610. — Wibel (K. W. M.) 590. 610. — v. Wickede 333. — Wiedeburg 498. — Wiedemann (G.) 10. — Wiedemann (M.) 257. — Wiemann 565. — Wiener 249. 257. — Wieser 312. 321. — Wijkander 61. 62. 66. — Wilcke 18. 25. 36. 60. — Wilezek (Graf) 105. — Wild (H.) 8. 23. 36. 93. 95. 96. 101. 103. 119. 130. 131. 205. 206. 232. 319. — Wild (J. J.) 332. 347. 349. 356. 369. 403. 423. — Wild (Joh.) 545. — Wild (S.) 509. 514. — Wilde 146. — Wilke 493. — Wiikes 359. 378. — Wilson 74. — Wimmer 613. 643. — Winchell 253. 258. — Winnecke 58. — v. Winterfeld 158. 162. — Wisotzki 310. 311. 312. 321. 343. 440. — Witelo 85. 91. 124. — Witte 418. 424. — Wittmann 296. 306. — Wittrock 654. 656. — Wittstein 317. — Wittwer 220. 233. — v. Wohlgemuth 48. 49. 65. -- Wohlwill 100. 120. 186. — Wojeikoff 237. 255. 256. 258. 259. 260. 261. 262. 263. 265. 266. 267. 270. 273. 275. 277. 278. 280. 281. 282. 285. 294. 422. 569. — v. Wolf 20. 93. 98. 119. 670 - Namen-Index. — Wolf (J.) 321. 333. 354. 377. 390. 394. 408. 419. 424. — Wolf (R.) 7.9. 20.32. 33. 84. 35. 36. 37. 57. 71. 90. 98. 115. 119. 120. 121. 132. 137. 159. 160. 168. 177. 185. 186. 187. 188. 202. 232. 294. 373. 394. 398. 399. 437. 538. 565. 569. — Wolf (Th.) 410. 424. 645. — Wolfers 399. — Wolfert 58. 65. 440.- — Wolkenhauer 327. 347. — Wollaston 110. — Wollny 243. 256. 257. 513. 515. 581. 607. 609. 612. — Wolpert 304. — Woltman 144. 597. 611. — Wondrak 607. 612. — Woodward 499. 513. 538. — v. Wrangell 271. 413. 435. — Wülfer 484. 495. — v. Wüllerstorff- Urbair 315. 322. 333. — van der Wyk 397. 400. 477. — Wyse 611. N. Yeats 396. — v. Yelin 21. 36. 174. — Young (A.) 653. — Young (Th.) 152. 153. 157. 2. v. Zach 4. 15. 35. — Zallinger zum Thurn 593. 607. 612. — Zamboni 164. — Zambra 352. 353. 354. 369. — Zantedeschi 135. — v. Zech 141. 166. 166. — Zehfuss 62. 63. 66. — Zehnder 167. 176. — Zendrini 597. 611. — Zenger 174. 177. 182. 185. 187. 188. — Zenker 44. 77. 81. 519. 532. — Zernikow 93. 119. — Zeune 338. 627. 644. — v. Zichy 278. — Ziegler 240. — Zimmermann (A. W.) 485. 495. 651. 656. — Zimmermann (G.) 289. 294. — Zimmermann (J.) 38. 516. 531. — Zirkel 508. — v. Zittel 70. 421. 508. 510. 563. 576. — Zöckler 498. 528. 651. 656. — Zöllner 44. 46. — Zöppritz 14. 35. 111. 121. 196. 235. 273. 278. 286. 294. 315. 325. 326. 347. 351. 352. 369. 375. 376. 380. 388. 398. 399. 416. 421. 422. 423. 424. 425. 426. 440. 450. 455. 457. 462. 482. 513. 556. 557. 558. 867. 569. 590. 995. 899. 602. 608. 609. 610. 611. 614. 622. 645. — Zschokke (der Aeltere) 143. — Zschokke (der Jüngere) 431. 441. — Zuallert 301. — Zuckermann 137. 166. — Zylius 71. 79. S. S. Berichtigungen und Zusätze. 8, 2. 25 v. u. 1. 271 statt 138. nn Z. 4 v. u. ergänze vor dem Semikolon: oder mit diesem einen be- kannten Winkel bildet. S. 17, Fig. 5 fehlt am Centrum der Buchstabe C, am Spiegel F; statt F ist zu lesen F. stabe P; -92,7:82 v.o.1l.dp= NANANMNNUNUWRNUNURNURnnnmnnnnmnnnm n m m mn m . 27, 2. 31 v. o. ]. noch nicht genug bekannt. . 31; Z. 22 v. o. l. 2a statt 3a. . 40, Fig. 13 fehlt da, wo CZ die kleinere Kugel schneidet, der Buch- da, wo AZ sie schneidet, B‘. Bl. _ 19 ist <[ FCW nicht = «, sondern = «‘. 1 5 a,.dt.p dv= > Bd v. 84, 2.5 v.u.1.rcos’» und rsinpcoso statt rcosy und r sine. IT Brolb—-h=h 1 = 10% 2.2.0.1. Di statt WR 117, 2. 17 v. 0. 1. o9 sin 2iz statt «9 sin iz. BER. 1. u 3. vau.l:,cos a Ta) el u a) a 22-1) ). . 124, Fig. 32 fehlt dem unteren Buchstaben S der Index. Bm 27 031. Estate 1, 2.31 v. 0.1. e; statt 1. 155, Fig. 40 fehlt zwischen 2 und Z der Buchstabe %,. I 212, Z. 25 v. u. |. isobarische statt isolarische. 226. Z. 2 v. u. ]1. Lersch statt Pilar. 238, 2. 11 v. o. 1. 48 statt 49. 241, 2. 15 v. o. 1. 8 statt 7a und entsprechend die folgenden SS. 252, 2. 19, 22 und 23 v. u. l. w statt w. 254, Z. 1 v. o. 1. wirklicher statt winterlicher. 259, 2. 2 v- u. 1. Johnston. 287, Z. 8 v. u. l. achten statt neunten. 289. Z. 6 v. o. 1. Skrälinger statt Skälinger. . 301, Z.4 v. u. l. von West nach Ost; Z. 1 v. u. 1. ostwestlichen Kurs. 314, Z. 11 v. o. 1. auch statt nicht. 324, Z. 4 v. u. ergänze nach I. Band: $. 17. 325, 2.21 1. EB statt.K. 327. Z. 8 v. o. 1. Lombock- und Allasstrasse. Tr ER ..3839, Z. 1 v. u. ist der Bruchstrich des ersten Bruches verschoben. 460, Z. 13 v. u. 1. Unterspülung. 915, Z. 19 v. u. 1. Demitschki. 886, 2. 17 v. u. E weist statt meist. 624, Fig. 117,1. x + & statt ..dz, 2.23 v. 0.1 % statt co. 625,4. 8: vu. 1. ne statt z>. 628, 2. 28 v. o., 8. 645. Z. 4 u. 5 v. o. 1. Dobschau statt Dobschan. es, 2. 12 v. 0.1. Schouw statt Schouws. . 658, Z. 4. v. u. 1. Cl. König statt A. König. Wi A n gr ER a ni > 2 2 # ne a Mr. a j . NEE Ri. ie De FR RA ai Nr Do y & RA Fer or RE Urır 1% "en vi N [> N ? 3 r um | - ir x = n) & At, RE hund an ! Ru N KILL, N A j . Br ’ a vn " Ir l F N ’ 1 ‚od ee, Br Me‘ 3 BUN Be ) SE; 1 f vo % R N Be ” h A ne Bo Kite Eh NN in BT i R h nr een, Mr 0 er 2 > e = N “ er Klo; ni EN N a a . h mn 4 h vr n Wi En, (pi N fü 1 ur n 5 Nr N) > Fe N si it N in Ir Mr u e {MT v f EN i ul" - | \ a k Y, a \ L In ni H ü, B ID, a 2 = g ee ee 3 a8 Re 38 ER Eee ed: I > E HrEr Be Fer N ER Hi PR ANET nu in nma .G9 2 v. 2 Lehrbuch der Geophysik und physik