z£\&-f& PROPERTY OF THE Public Library ofthe City of Boston, DEPOSITEDIN THE Boston Medical Library. •€ oN^rxa^cAo ^> ^ Digitized by the Internet Archive in 2011 with funding from Open Knowledge Commons and Harvard Medical School http://www.archive.org/details/lehrbuchderpharmOOflck LEHRBUCH DER PHARMAKOGNOSIE DES PFLANZENREICHES NATUEGESCHICHTE DER WICHTIGEREN ARZNEISTOFFE VEGETABILISCHEN URSPRUNGES VON DR- F. A. FLÜCKIGER DO CENT AN DER UNIVERSITÄT IN BERN. ©IBS VERLAG VON RUDOLPH GAERTNER. AMELANG'SCHE SORTIMENTS-ISUCHUANDLUNG. 18G7. L@Ne;ÖÜ«. päres. WILLIAMS & NORGATE. HAAR & STEINERT. 14 MKN'KJKTTA-STUEET, CO VENT- GARDEN. 9 KUK JACOB. LEHRBUCH DER PHARMAKOGNOSIE DES PFLANZENREICHES NATURGE S CHICH TE DER WICHTIGEREN ARZNEISTOPPE VEGETABILISCHEN URSPRUNGES 6^3. '^' DR- F. A. FLOCKIGER DOCENT BN DER UNIVERSITÄT IN BERN. KAMIN- VERLAG VON RUDOLPH GAERTNER. AMELANG'SCHE SORTIMENTS-BUCHHANDLUNG. 1867. WILLIAMS & NORGATE. HAAR & STEINERT. 14 HENRIETTA-STREET, COVENT-GARDEN. 9 RUE JACOB DEM APOTHEKER -VEREINE DER SCHWEIZ ZUM DANKE FÜR VIELFACHE ANREGUNG GEWIDMET SEINEM LANGJÄHRIGEN PRÄSIDENTEN. Vorwort. Die Zahl der in diesem Lehrbuche behandelten Gegenstände ist eine beschränkte, indem sowohl veraltete als auch noch nicht allgemeiner ein- geführte Drogen weggelassen wurden , um die Aufmerksamkeit desto mehr den wichtigeren zuzuwenden. Da jedoch ein absoluter Werthmesser für die- selben nicht denkbar ist, so gaben mitunter auch Erwägungen anderer Art den Ausschlag bei der Aufnahme oder Ausschliessung dieses oder jenes Stoffes. Die Beschreibung der wenigen Waareu, wTelche an sich gar nicht eigentlich Arzneistoffe sind, oder trotz untergeordneter Bedeutung hier eine Stelle erhalten haben, wird — so hoffe ich, den inneren Grund ihrer Einfügung leicht hervortreten lassen und sollte er auch nur in naher lehr- reicher Beziehung zu unzweifelhaft sehr wichtigen Stoffen liegen. Umge- kehrt ist manches weggeblieben, was vielleicht doch nach dem Gefühle Vieler Berücksichtigung verdient hätte. In zweifelhaften Fällen hat die Betrachtung geleitet, ob der fragliche Stoff allgemeineres Interesse dar- biete oder nicht. Der Mangel z. B. an chemisch oder geschichtlich oder botanisch gehaltreichen Momenten entschied gegen die Aufnahme. Aber auch höchst wichtige Dinge blieben ausgeschlossen, wenn der Schwerpunkt ihrer Bedeutung weit ausserhalb der Pharmakognosie gesucht werden muss, wie z. B.Zucker, Kaffee, Thee, welche in der chemischen Technik, im Welt- handel, im Haushalte eine unverhältnissmässig grössere Bolle spielen, als in der Pharmacie oder Medicin, daher füglich den wissenschaftlichen Ver- tretern jener Fächer überlassen bleiben mögen. Auf der Grenze liegt der Cacao; dass er in unsern Kreis herübergezogen wurde, möge unentschuldigt bleiben. Diese Erörterungen führen darauf, die Pharmakognosie überhaupt etwas bestimmter abzugrenzen. Sie ist ja keine für sich abgeschlossene Wissen- schaft, ist es ganz besonders nicht in unserer Zeit der gegenseitigen Durch- yj Vorwort. dringung und des Zusammenwirkens aller Naturwissenschaften. Vielmehr kann die Pharmakognosie nicht anders gefasst werden, denn als eine gleichzeitige Anwendung verschiedener wissenschaftlicher Disciplinen zum Zwecke einer allseitigen Kenntniss der Arzneistoffe. Welche Zweige der Naturgeschichte zunächst herbeizuziehen sind, springt in die Augen ; zur Vervollständigung des Bildes einer Droge gehören aber auch noch die hervorragendsten Züge ihrer Geschichte und der Handels- verhältnisse. Die Besprechung der arzneilichen Leistung hingegen ist Auf- gabe der Pharmakodynamik und Toxikologie mit nothwendiger Ausnahme vereinzelter bezüglicher Andeutungen, welche z. B. durch das Vorkommen mehrerer Sorten einer Waare geboten werden. Es kann uns nicht irre machen, dass wir in England und Frankreich diese Fächer häufig noch ungetrennt von unserer Pharmakognosie als „Materia medica" behan- delt sehen. Mit nicht geringerem und nicht grösserem Rechte beansprucht die Pharma- kognosie eine Selbstständigkeit als z. B. die Geographie, welche zu ihren Zwecken und auf ihre Weise in noch weit ausgedehnterem Masse sammelt, bearbeitet und erweitert, was andere Wissenszweige ihr zuführen. Die Pharmakognosie findet leicht ihre Grenzen da gesteckt, wo eine einzelne andere Disciplin eben so gut und besser eintreten kann. Sie hat beispielsweise nicht nöthig, die Mehrzahl der ätherischen und fetten Oele in ihren Bereich zu ziehen, indem die Chemie allein die meisten dieser Substanzen vollkommen ausreichend zu behandeln vermag. Allerdings dürfen dieselben bei der pharmakognostischen Schilderung der Drogen nicht mit Stillschweigen übergangen werden, aber die erschöpfende Darstellung ist nur von der Chemie zu erwarten. Wenige Ausnahmen von dieser Regel (Camphora, Oleum Rosae u. s. f.) drängen sich durch das Ueberwiegen pharmakognostischer Momente trotz der scheinbaren Inconsequenz auf. Um so mehr aber darf und soll die deutsche Pharmakognosie sich nach dem eben ausgesprochenen Grundsatze beschränken, als wir in dem Lehr- buche der Pharmacie von Ludwig und Hallier (Mainz 1865, 186G) eine ganz vorzügliche chemische Bearbeitung aller hierher gehöriger Dinge besitzen, daher auch nach dieser Seite hin eine vollkommene Arbeitstheilung durchgeführt ist. Doppelt schwierig wird nach diesen Erklärungen die zweckmässige Anordnung des Stoffes, und wohl berechtigte Einwendungen gegen das Fachwerk jedes eigentlich pharmakognostischen Lehrgebäudes sind leicht genug zu begründen. Die möglichste Einfachheit und Anspruchslosigkeit des Systems hat mir unter diesen Umständen am besten geschienen. Wer aber grundsätzlich damit nicht einverstanden ist, findet in der Uebersichts- Vorwort. VII tafel II die Möglichkeit gegeben, z. I». beim Unterrichte den Lehrstoff ohne Schwierigkeit in ganz anderer Eintheilung abzuhandeln. Die Grundzüge der Methode, welche im übrigen in dem vorliegenden Buche eingehalten wurde, um von den verschiedenen Gesichtspunkten aus allmälig dem idealen Bilde jedes einzelnen Gegenstandes näher zu rücken, folgen mit Notwendigkeit aus den obigen Andeutungen und wurden vor dem Drucke Berg, dem hoch verdienten Meister des Faches, vorgelegt, auf den ich mich so vielfach stütze. Ich kann mir nicht versagen, anzu- führen, dass Derselbe mir noch am 15. Juni 1866, wenige Monate vor seinem allzufrühen Hinschiede, seine Billigung in ermuthigender Weise aus- sprach und mich in der üeberzeugung von der Zweckmässigkeit des Planes an sich bestärkte. In Betreff der Ausführung bemerke ich, dass das Buch im ganzen nur wenige Quellenangaben enthält. Wer bedenkt, wie vollständig die Jahres- berichte der Chemie alle betreffenden Ergebnisse der naturwissenschaft- lichen Forschung aufnehmen, wie übersichtlich W iggers im Cannstatt'schen Jahresberichte alle Fortschritte der gesammten Pharmacie ordnet, wird es gut heissen, dass hiermit einfach auf diese Fundgruben verwiesen wird. Um jedoch das Nachschlagen der grossen Sammelwerke oder der verschie- denen Fachzeitschriften zu erleichtern , wurde häufig statt weiterer Citate die Jahreszahl einer Untersuchung oder des Referates genannt, worin zugleich auch bisweilen statt aller Kritik ein Wink über den relativen Werth der angeführten Resultate erblickt werden mag. — Unschwer wird der Kenner der Literatur da und dort Ergebnisse eigener Forschung des Verfassers niedergelegt finden. Die wenig zahlreichen für das Yerstänclniss wünschenswerthen chemi- schen Formeln sind den neueren Anschauungen entsprechend geschrieben. Der angehende Fachgenosse kann sich der Bekanntschaft mit denselben nicht mehr entziehen und dem Freunde der jetzt noch üblicheren früheren Ausdrucksweise kann es nicht schwer fallen, sich diese einfachen Formeln zurecht zu legen. Zur Beschreibung der mikroskopischen Verhältnisse dienten Schnitte, die ich selbst angefertigt habe und noch aufbewahre; nur für einige China- rinden wurden auch Präparate von der geschickten Hand Rodig 's in Hamburg benutzt. Nach den glänzenden Leistungen Berg's und seiner wenigen Vorgänger, nach den trefflichen mikrochemischen Arbeiten Vogl's und anderer bedarf die Anwendung des Mikroskops zu unsern Zwecken so wenig der Rechtfertigung wie die der Teleskope in der Astronomie. Freilich kann man Rhabarber, Sarsaparilla, Opium, Gummi ohne Mikroskop beurtheilen, wenn es darauf ankömmt, sich mit möglichst wenigen Hülfs- yill Vorwort. initteln zu behelfen. Das aber ist gewiss nicht die Aufgabe, welche die Wissenschaft stellt. Die zahlreichen Grössenangaben in Mikromillimetern (Tausendsteln eines Millimeters) wolle man nicht missverstehen. Nur deshalb sind diese unter gleichen Umständen ausgeführten Messungen von Werth, weil sie für sehr viele Anschauungen den kürzesten und bestimmtesten Ausdruck gewähren. Einfach darum handelt es sich, nicht um absolute Masse, welche, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten der Mikrometrie, schon deshalb nicht leicht zu gewinnen sind, weil die in den meisten Fällen unerlässliche Durchtränkung der Objekte mit Wasser oder Glycerin ihr Yolum sehr beeinflusst. Meinen hiesigen Freunden, den Herren Professoren Fischer, Valentin und Sprenger bin ich für manigfache Belehrungen, welche ich bei dieser Arbeit sorgsam zu verwerthen strebte, dankbar verpflichtet, ebenso für freundlichste Unterstützung den Herren Apothekern Daniel Hanbury in London, Jos. Dittrich in Prag, A. Oberdörffer in Hamburg und Kindt in Bremen. Dem Buche den Schmuck des Titelbildchens mitzugeben, wurde mir durch die Gefälligkeit des Herrn Dr. Weddell in Poitiers ermöglicht. Der Verfasser. Berichtigungen. Seite Zeile 34 Anmerkung 1 zu lesen: huic statt binc 67 15 von oben „ •n : Enguiieb 8 Engurich 102 8 y> r> » n : Mesopotamien „ Kleinasieu 96 22 » unten „ „ : Citionelle-grass n Citronoil-grass 210 Anm erkung 1 „ » ' si se 457 11 von unten „ n • Pensee Panacee 460 16 r> n y> •n '• : Buxus » Bucus 478 16 n oben „ Gärtner w L 115 13 „ unten „ ■n '• Oxyphänsäure Phäusäure 53 2 r> n n „ : grüne y> blaue 183 19 r oben: nach 1781 einzuschalten : hauptsächlich 418 9 ,, „ : nacli Mutis einzuschalten: : 1772 IX Inhalts -Uebersicht. Erste Classe: Pflanzenstoffe ohne organische Structur pag. 1. Gummiarten Gummi arabicum 1 „ senegalense 6 Tragacantka 7 2. Gummi gemengt mit Zucker Manna 13 3. Gummi gemengt mit Harz Gutti 19 4. Gummi gemengt mit Harz und äthe- rischem Oele Asa foetida 20 Galbanum 25 Ammoniacum 28 Olibanum 31 Myrrha 34 5. Milchsäfte im engeren Sinne Lactucarium (anglicum et germ.) 37 Scammonium 247 Opium 40 Euphorbium 57 6. Harze Colophonium 74 Sandaraca 60 Benzoe 61 Mastix 64 Resina Guajaci 67 7. Harze gemengt mit ätherischem Oele Terebinthina Veneta 70 „ communis 72 Elemi 77 Balsamum Copaivae 80 8. Balsame im engeren Sinne Styrax liquidus 84 Balsamum peruvianum 88 n tolutanum 92 9. Aetherische Oele und Campher Oleum Cajeput 93 pag. Oleum Rosae1).. . 95 Campbora 97 10. Extracte Süsse Succus Liquiritiae 103 Bittere Aloe 105 Lactucarium gallicum 39 Adstringirende Gambir 114 Catecbu 116 Kino 118 Extr. Ratanbiae 206 Zweite Classe: Stoffe von zelligem, aber erst durch das Mikroskop erkennbarem Bau. Lycopodium 121 Glandulae Lupuli 123 Kamala 125 Amylum Marantae 709 Dritte Classe: Unmittelbar als Pflanzengewebe kenntliche Stoffe. Erste Reihe. Pflanzen oder Pflanz entheile mit ge- fässlosem Gewebe. Seeale cornutum 129 Fungus Laricis 136 Lieben islandicus 137 . Liehen parietinns 139 Carrageen 140 Paleae Cibotii (Pengawar Djambi) . . .142 i) die übrigen äth. Oele bei ihren Stammpflanzen nachzuschlagen. Inhalts-Uebersicht. pag. Zweite Reihe: von Gefässen durchzogene Gewebe f Gebilde ohne morphologische Bedeutung. Gallae halepenses 145 „ chinenses 149 ff Halb oder ganz unterirdische Axen (Wurzeln nach dem gewöhnlichen Sprach- gebrauche) I. Mit isolirten, zu einem sehr unter- brochenen Kreise geordneten Gefäss- bündeln in gleichartigem Parenchym, ohne Kernscheide. (Gefässkrypto- gamen) Rhizoma Filicis 151 „ Polypodii 154 II. Gefassbündel auf dem Querschnitte zerstreut oder zu einer Zone zusam- mengestellt, aber nicht strahlig. Grenze der Rinde und des centralen Theiles durch eine Kernscheide bezeichnet. (Monokotylen) A. Wurzeln und WurzelstöcJce. 1. nicht aromatische : Rhiz. Graminis 155 „ Caricis 157 , Veratri 159 Rad. Sarsaparillae 160 , Chinae 169 Rh. Iridis 171 2. aromatische: Rh. Zingiberis 172 „ Curcumae 174 3 Zedoariae 176 „ Galangae 177 „ Calami 179 B. Knollen. Tuber Colchici 180 , Salep 183 C. Zwiebeln. Bulbus Scillae') 185 III. Gefassbündel auf das Innere be- schränkt, nicht in der Rinde vorkom- mend , kreisförmig oder strahlig an- geordnet, durch eine mehr oder weni- pag. ger deutliche, oft etwas dunklere Cani- biumzone von der Rinde abgegrenzt. In der letztern oft strahlenförmige Basttheile. (Dikotylen) A. Geschmack indifferent Rad. Althaeae 188 B. Geschmack vorwaltend süss oder süsslich Rad. Rubiae 191 „ Liquiritiae 194 u. 199 C. Geschmack vorwaltend ad- stringirend Rhiz. Bistortae 202 Rad. Ratanhiae 203 D. Geschmack bitterlich oder bitter 1. Wurzelbildungen ohne Milchsaft Rad. Rhei 209 „ Rhapontici 221 Rhiz. Rhei Monachorum 223 Rad. Lapathi 224 „ Bardanae 226 „ Ipecacuanhae 228 „ Caiucae 230 „ Gentianae 233 „ Calumbo 236 2. Wurzeln mit eigenen Milchsaft- gefässen Rad. Cichorii 240 „ Taraxaci 241 „ Scammoniae 244 „ Jalapae 248 „ orizabens. (Stipites Jalapae) 254 „ Turpethi 256 E. Geschmack kratzend, kein A m y 1 u m Rad. Saponariae 259 , Senegae 262 F. Geschmack sehr scharf bren- nend, höchst gefährlich Rad. Belladonnae 267 Rhiz. Hellebori 270 u. 274 Tuber Aconiti 281 G. Geschmack aromatisc h 1. amylumfreie Wurzelbildungen Rad. Enulae 287 „ Pyrethri 289 u. 291 Rh. Arnicae 292 Rad. Carlinae 294 2. amylumhaltige Rh. Valerianae 295 „ Serpentariae 297 Rad. Sassafras 299 , Pimpinellae 301 i) strenge genommen zu den Blattern gehörig. Inhalts- Uebernicht. XI pag. Rad. Levistici 303 „ Angelicae 305 „ Sumbul 307 Rh. Imperatoriae 310 ftt Oberirdische Pf lanzentheile. I. Stengel. Stipes Dulcaraarae 313 II. Hölzer. Lign. Juniperi .315 „ Sassafras 299 „ Santali . 316 , Quassiae 319 u. 321 , Guajaci .326 III. Rinden. A. Kork. Suber quercinum 334 B. Adstringir ende Rinden Cort. ülmi 337 „ Quercus 838 , Granati . . . . 340 C. Bittere Rinden Cort. Chinae 343 „ Strychni 427 „ Frangulae 429 „ Quassiae 319 „ Angosturae 431 D. Aromatische Rinden Cort. Cascarillae 435 „ Cort. Cinnamomi 439 u. 446 „ Sassafras 299 E. Brennend scharfe Rinden Cort. Mezerei 447 IV. Blätter und Kräuter. A. mit Fruchthäufchen verse- hene (Blätter der Farne) Folia Capilli 449 „ Scolopendrii 450 B. ausschliesslich frisch in Ge- brauch gezogene Hba. Taraxaci 243 „ Chelidonii 451 „ Cochleariae 452 Fol. Laurocerasi 454 C. Blätter und Kräuter von in- differentem oder doch nicht bedeutendem Geschmack, ohne Geruch Fol. Althaeae 456 „ Malvae 456 Hba. Jaceae 457 . Fumariae 458 pag. D. vorwaltend adstringirender Geschmack Fol. Uvae ursi 459 „ Toxicodendri . . . 461 E. Geschmackbitter Fol. Sennae 463 Hba. Millefolii 474 „ Absinthii 475 „ Cardui benedicti. .,..,, .478 „ Centaurii 480 Fol. Trifolii fibrini 482 „ Digitalis 483 Hba. Gratiolae 486 Fol. Stramonii 488 „ Hyoscyami 489 , Belladonnae 490 F. Geschmack scharf oder wider- lich salzig bitterlich Fol. Nicotianae 491 Hba. Lobeliae 496 ; Conii 497 Fol. Aconiti 499 G. Kräuter und Blätter der La- biaten, von aromatischem, oft bitterlichem, seltener indif- ferentem Geschmacke. Blätter gegenständig. Fol Menthac 500 u. 502 „ Salviae 505 „ Rosmarini 506 , Thymi 508 Hba. Serpylli 510 „ Hyssopi 511 Fol. Melissae 513 Hba. Galeopsidis 514 „ Marrubii 515 H. Kräuter und Blätter von aro- matischem Gerüche und Ge- s chmacke Summitates Sabinae 517 Hba. Matico 520 B Cannabis 521 , Chenopodii ambrosioidis .525 Fol. Lauri 526 , Aurantii 526 , Juglandis 527 , Bucco 528 „ Rutae 530 Hba. Meliloti 532 V. Blüthen. A. Blüthentheile Crocua 533 Fl. Verbasci 536 „ Rhoeados 538 , Rosae 539.540 B. Vollständige Blüthen Fl. Chamomillae 541 . Chamomill. rom 543 XII Iubalts - Uebersicht. pag. Fl. Millefolii 474 „ Cinae 544 „ Arnicae 548 „ Sambuci . . . 550 „ Lavandulae 551 „ Malvae 553 „ Tiliae 554 Caryophylli 556 Kosso 562 VI. Früchte. A. Fruchtschaien Cort. Citri 565 „ Aurantiorum 567 „ Granati 568 B. Fruchtmus Tamarindi 570 C. Früchte und Fruchtstände 1. von öligem oder von süssem Ge- sch. ra acte Fr. Cannabis 574 Caricae 576 Fr. Sambuci 580 Jujubae 581 Siliqua dulcis 582 2. von bitterem Geschmacke Fr. Cocculi 587 „ Papaveris 589 „ Colocynthidis 593 Aurantia immatura 597 Fr. Rhamni catharticae 600 Fr. Sabadillae 602 3. von brennend scharfem Geschmacke Fr. Capsici 603 4. aromatische Früchte und Frucht- stände Fr. Juniperi 606 Vanilla 607 Cardamomum 611 Cubebae 612 Piper nigrum 615 pag. Piper longum 619 Strobili Lupuli 620 Fr. Lauri 622 „ Petroselini 623 „ Carvi 625 , Anisi ; 627 „ Phellandrii 628 , Foeniculi 631 , Conii 633 , Coriandri 636 „ Anisi stellati 638 VII. Samen. A. von süsslichem, öligem, mil- dem oder etwas adstringirend bitterlichem Geschmacke, oder Schleim gebend S. Quercus 642 „ Papaveris 643 „ Cacao 645 , Liui 655 „ Cydoniae... 659 „ Foeni graeci 662 Amygdalae dulces 664 B. von entschieden bitterem Ge- schmacke Amygdalae amarae 669 S. Colchici 673 „ Strychni 675 , Ignatii 678 , Stramonii 680 , Hyoscyami 682 C. von scharfem oder kratzendem Geschmacke S. Sinapis albae 684 „ ,, nigrae 687 „ Ricini 692 „ Tiglii 696 D. aromatische Samen S. Paradisi 699 Piper album 700 S. Myristicae (und Macis) . . 702. 706 Uebersicht der behandelten Drogen nach natürlichen Pflanzenfamilien. XIII Uebersicht der behandelten Drogen nach natür- lichen Pflanzenfamilien. Thallophyta. pag. Fungi. Seeale cornutum 129 Fungus Laricis 136 Lichenes.' Liehen islandicns .137 „ parietinus . 139 Algae. Carrageen 140 Cryptogamae vasculosae. Lycopodiaceae Lycopodium , 121 Filices Rhizoma Filicis 151 „ Polypodii 154 Folia Capilli : 449 '„ Scolopendrii ... .450 Paleae Cibotii (Pengawar.) 142 Phanerogamae. A. Gymnospermae. Coniferae Lignum Juniperi 315 Fruct. Juniperi G06 Summitates Sabinae 517 Saudaraca 60 Terebinthina veneta 70 x communis 72 Colopbonium und Resina Pini .... 74. 75 B. Monoeotyledones. Gramineae Rhiz. Graminis 155 Cyperaceae Rhiz. Caricis 157 Melanthaceae Rhiz. Veratri 159 Fruct. Sabadillae . 602 Tub. Colchici 180 Sem. Colchici 673 , Liliaceae Aloe' 105 Asphodeleae Bulbus Scillae 185 Smilaceae Rad. Sarsaparillae 160 „ Chinae 169 Irideae Rhiz. Iridis 171 Crocus 533 Orchideae Tub. Salep 183 Vanilla 607 Zingiberaceae (Amomeae) Rh. Zingiberis 172 , Curcumae 174 8 Zedoariae 176 , Galangae 177 Cardamomum 611 Sem. Paradisi 699 ^Cannaceae (Marantaceae) Amylum Marantae 709 Aroideae Rhiz. Calami 179 C. Dicotyledones. I. Apetalae. Piperaceae Piper nigrum 615 „ album 700 , longum 619 Cubebae .612 Herba Matico 520 Cupuliferae Cort. Quercus 338 Sem. Quercus 642 Gallae balepeuses 145 Ulmaceae Cort. Ulmi, 337 Moreae Caricae 576 Cannabinae Hba. Cannabis 521 Fructus Cannabis 574 Strobili Lupuli 620 Glandulae Lupuli 123 Balsamifluae Styrax liquidus 84 Chenopodeae Hba. Chenopodii ambrosioidis 525 Polygoneae Rad. Rhei 209 XIV Uebersicht der behandelten Drogen nach natürlichen Pflanzenfamilien. pag. Rad. Rhapontici • 221 Rhiz. Rhei Monachor 223 Rad. Lapathi 224 Rhiz. Bistortae 202 Laurineae Camphora 97 Cort. Cinnaniomi zeylanici 439 , „ chinensis 446 Fol. Lauri 52G Fruct. Lauri 622 Rad. Sassafras 299 Santalaceae Lign. Santali 316 Daphnoideae Cort. Mezerei 447 Aristolochieae Rhiz. Serpeutariae 297 II. Gamopetalae. Valerianeae Rhiz. Valerianae 295 Compositae Rad. Enulae 287 Fl. Chamomillae rom 543 Rad. Pyrethr. rom 289 „ „ german 291 Fl. Chamonrillae vulg 541 Hba. Millefolii 474 Hba. Absiüthii 475 Fl. Cinae 544 Fl. Arnicae 548 Rhiz. Arnicae 292 Rad. Bardanae 226 Rad. Carlinae 294 Hba. Cardiii benedicti 478 Rad. Cichorii 240 Lactucarium 37 Rad. Taraxaci 241 Lobeliaceae Hba. Lobeliae ; 496 Rubiaceae Rad. Rubiae 191 , Ipecacuanhae 228 „ Ca'incae 230 Cort. Chinae 343—426 Gambir 114 Lonicereae Fl. Sambuci 550 Fr. Sambuci 580 Oleaceae Manna 13 Loganiaceae Cort. Strychni 427 Sem. Strychni 675 , Ignatii 678 Gentianeae Rad. Gentianae 233 Folia Trifolii fibr 482 Hba. Centanrii 480 pag- Labiatae Flor. Lavandulae 551 Folia Menthae piperitae 500 , „ crispae 502 „ Salviae 505 „ Rosmariui 506 , Thymi 508 Hba. Serpylli ... 510 „ Hyssopi 511 Fol. Melissae t 513 Hba. Galeopsidis 514 „ Marrubii 515 ConvoJvulaceae Rad. Scammoniae 244 Tub. Jalapae 248 Bad. orizabeusis 254 „ Turpethi 256 Solauaceae Fol. Nicotiauae ..... 491 , Straraouii 488 Sem Stramonii 680 Hba. Hyoscyami 489 Semen „ 682 Stipes Dulcamarae 313 Fruct. Capsici 603 Rad. Belladounae 267 Fol. „ 490 Scrophulariaceae Fl. Verbasci . 536 Fol. Digitalis 483 Hba. Gratiolae 486 Styraceae Benzoe' 61 Ericaceae Fol. Uvae ursi 459 III. Dialypetalae. Umbelliferae Fr. Petroselini .. 623 , Carvi 625 R. Pimpinellae 301 Fr. Anisi 627 , Phellandrii 628 „ Foeniculi 631 R. Levistici 303 „ Angelicae 305 „ Sumbul 307 Rhiz. Imperatoriae 310 Asa foetida 20 Galbanum 25 Amtnoniacum 28 Hba. Conii 497 Fr. Conii 633 „ Coriandri 636 Menispermaeae R. Calumbo 236 Fr. Cocculi 587 Myristiceae Sem. Myristicae 702 Macis 706 Ucbersirht dor behai u lirlichen Pflanzen faiuilien. XV pag. Magnolie F- 638 .^ellebori nigri 274 viridis 270 Tal). Aconiti 281 Folia , ....499 Papaveraceae Hba. Chelidonii 451 Fruct. Papaveris 589 Sem. „ 643 Ophim , 40 FL Rhoeados 538 Hba. Fumariae 458 Cruciferae Hba. Cocbleariae 452 Sem. Sinapis albae 684 „ „ nigrae ... 687 Violarieae Hba. Jaceae . , 457 Cucurbitaceae Fr. Colocyuthidis 593 Caryophylleae R. Saponariae 259 „ „ levanticae 261 Malvaceae R. Althaeae 188 Fo\ • 1 • 456 „ Malvae ) Fl. Malvae sylvestv. ) --„ „ „ arboreae } ' " Büttneriaceae Sem. Cacao 645— G55 Tiliaceae Fl. Tiliae , 554 Clusiaceae Gutti 19 Aurantiaceae Cort. Citri fruetus 565 Fol. Aurantii 526 Aurantia immatura 597 Cort. Aurantiorum 567 Polygaleae R. Senegae 262 „ Ratanhiae 203 Rhamneae Jujubae 581 Fr. Rbamni catb 600 Cort. Frangulae 429 Euphorbiaceae Euphorbium 57 Sem. Ricini 692 „ Tiglii 696 Cort. Cascarillae 435 Kamala 125 Juglandeae Fol. Juglandis 527 pag. Terebinthac eae Mastix 64 Fol. Toxicodendri .461 Burseraceae Olibanum 31 Myrrha 34 Elemi 77 Simarubeac Liguum Quassiae surinamense 319 „ , jamaicense 321 Diosmeae Cort. Angosturae 431 Fol. ßueco. , 528 Rutaceae Fol. Rutae 530 Zygophylleae Lign. Guajaci 326 Lineae Sem. Liui , 655 Myrtaceae Ol. Cajeputi 93 Fr. Amomi 561 Caryophylli 556 Cort. Granati rad 340 „ , fruct 568 Pomaceae Sem. Cydoniae 659 Rosaceae Ol. Rosae 95 FL Rosae centifol 539 , gall 540 „ Kosso 562 Amygdaleae Amygdalae dulces 664 „ amarae 669 Fol. Laurocerasi 454 Papilionaceae Sem. Foeni graeci 662 Hba. Meliloti 532 Rad. Liquiritiae hisp 194 „ „ rossic. 199 Tragacantha 7 Kino 118 Lign. Santali 316 Bals. peruvianum 88 „ tolutanum 92 Caesalpinieae Tamarindi 570 Bals. Copaivae 80 Siliqua dulcis 582 Folia Sennae 463 Mimoseae Gummi arabicum 1 „ senegalense , 6 Catechu 116 XVI lieber sieht nach praktischen Merkmalen. Uehersicht nach praktischen Merkmalen. Erster Kreis: nicht aus Zellen bestehende Stoffe. I. Flüssigkeiten. A. vollkommen flüchtige farblos oder gelblich in der Kälte krystallinisch Oleum Rosae. grünlich , nicht erstarrend Oleum Gajeput. B. nur theilweise flüchtige oder gar nicht ohne Zerset- zung destillirbare gelb oft etwas dickflüssig Balsamum Copaivae. schwarzbraun ziemlich dünnflüssig Balsamum joeruvianum. II. Sehr dickflüssige zähe Stoffe. A. klar oder opalisirend, ohne krystallinischen Absatz . Terebinthiua veneta. B. krystallhaltig trübe weiss oder gelblich, Geruch an Macis und Anis erinnernd Elemi. gelblich; Terpenthingeruch . .- Terebinthiua communis. grau oder schwarzbraun; Benzoegeruch Styrax liqicidus. III. Feste Stoffe. A. formlose gleichartige Massen 1) ohne Geruch und Geschmack, farblose eckige rissige Stücke Gummi arabicum. 2) vonsüsssemGeschmacke Succus Liquiritiae. 3) von adstringirendem Geschmacke spröde braune Massen = • Catechu. dunkel braunrothe eckige Körner Kino. 4) von bittterem Geschmacke a. grau gelblich, innen weisslich, narkotisch riechend . . Lactucarium. b. braunroth, von eigenthümlichem Gerüche homogene geflossene Masse, in Weingeist, aber nur zum Theil in Wasser löslich Aloe flueida). mehr oder weniger aus Körnern gebildete Masse mit Hohlräumen , weder in Wasser noch in Weingeist ganz löslich Myrrha. extraetartig, Feuchtigkeit anziehend, in Wasser und Weingeist löslich Lactucarmm gallictim. 5) von kratzendem Geschmacke, ohne erheblichen Geruch von gelbrother Farbe Gutti. braungrün Resina Guajaci. B . unverbundene bim- oder mandelförmige (gerundete) Körner 1 ) wenig o d e r gar nicht gefärbt a. in W;isser langsam löslich, etwas rissig im Inuern . . . Gummi seneyalense. b. in kochendem Alcohol vollständig löslich kugelige, im Munde erweichende Körner Mastix. verlängerte Formen, im Munde nicht erweichend . . Sandaraca. c. weder in Wasser noch in Alcohol ganz löslich Olibanum. 2) bräunlich gelblich oder röthlich a. in Weingeist lösliches balsamisches Harz Benzol' (siehe unten E.2). Uebersicht nach praktischen Merkmalen. XVII b. in Weingeist und in Wasser nur zum Theil lösliche Gummiharze stinkend, an der Luft roth anlaufend Asa foetida. nicht eben unangenehm riechend, balsamisch, innen weisslich, aussen grau gelblich Ammoniacum. balsamisch, gelblich bräunlich, oft schmierig, sich mit Salzsäure schön roth färbend Galhanum. rothbraun, innen oft weiss, nicht unangenehm bitter Myrrha (siehe unten III. A.) C. Körner , Mandeln oder Thränen, verklebt oder in dichte Massen eingesprengt in Weingeist löslich Benzoe (siehe unten E. 2) in Weingeist und in Wasser nur zum Theil lösliche Gummiharze (siehe oben B. 2) D. Characteristische Formen meist zweihörnige Stücke mit Pflanzenresten Euphorbium. geschichtete bandförmige, wurmartig gedrehte oder flach muschelige Stücke , Tragacantha. E. Krystallisirte oder zum Theil krystallinische Stoffe 1) unmittelbar kenntliches Krystallgefüge aromatische farblose Masse Camphora. süsse, weissliche Masse Manna (canellata). 2) mikrokrystallinisches (nur unter dem Mikroskop sichtbares) Gefüge a) süsse schmierige Masse Manna (communis). b) adstringirende Würfel Gambir. c) bittere Stoffe von aromatischem aber eigenthümlichem Gerüche, in kaltem Wasser wenig veränderlich Aloe [hepatica). von narkotischem Gerüche, in kaltem Wasser er- weichend Opium. d. balsamische Stoffe weissliche Körner oder Mandeln in gelblich grauer bis bräunlicher Masse, erst gegen 80—90 ° C. schmelzend, bei 40 — 50° nicht erweichend- .Benzoe. homogene braun gelbliche Masse , bei 60 — 65° schmelzend und schon bei 30° erweichend . .Balsamum tolutanum. weiss oder schwach gelblich, homogen, nach Ma- cis und Anis riechend Elemi (siehe oben IL) Zweiter Kreis : Drogen von zelligem aber erst durch das Mikroskop erkennbarem Baue. geschmack- und farblos Amylum Marantae. geschmacklos, hellgelb Lycopodium. „ roth Kamala. balsamisch, braun , Glandulae Lupuli. Dritter Kreis : unmittelbar als Pflanzengewebe kenntliche Drogen. Erste Reihe: Pflanzen oder Pflanzentheile mit gefässlosem Gewebe. I. haarförmige Gebilde Paleae Cibotü. IL lederig-knorpelige, flache, blattartig getbeilte oder zerschlitzte farblos oder schwach gelblich und geschmacklos Carrageen. graulich, grünlich oder bräunlich, bitter Liehen islandicus. gelb Liehen parietinus. XVIII Uebersicht nach praktischen Merkmalen. III. derb cy lind ri sehe, hornartige schwärzliche innen weissliche Gebilde Seeale cornutum. IV. kopfföriniger oder halb conis eher Pilz, korkig mürbe , farblos oder schwach bräunlich gelb. Fungus Laricis. Zweite Reihe: Pflanzentheile aus Gewebe, welches von Gefässen durchzogen ist. f Gebilde ohne morphologische Bedeutung. Kugelige höckerige sehr feste nussartige Gebilde Gallae halepenses. Blasen mit hornartigen Auftreibungen Gallae chinenses. ff Gebilde von leicht erkennbarer morphologischer Bedeutung. Erste Abtheilung: Wurzeln (Radices) , unterirdische einfache oder verzweigte Axen, welchen Blätter, Blattreste oder Knospen fehlen. I. Grenze der Rinde und des centralen Theiles durch eine Kern- scheide1) bezeichnet lange dünne ganz einfache Wurzeln (mit oder ohne Wurzel- stock) Bad. Sarsaparillae. dicke, stellenweise knollige oder abgeplattete Wurzeln. . .Bad. (Tuber) Chinae. rübenförmige zu zwei (oder mehr) verwachsene Wurzeln. . Tuber Aconiti, s.u. ILA. II. Grenze der Rinde und des Holzkörpers durch eine Cambium- schicht von meist dunklerer Färbung eingenommen; gewöhnlich sind auch Baststrahlen bemerklich. A. Gestalt der Wurzel knollig, konisch, jedenfalls sehr verkürzt 1) weiss aderig schwammig nach Moschus riechend. . .B. Sumbul. 2) gelb, innen weiss, aber roth geädert B. Bhei. 3) missfarbig, graulich oder bräunlich kleine oben quer verbundene rübenförmige Knollen . . Tuber Aconiti. bis faustgrosse , höchst unregelmässige Stücke Tuber Jalapae. 4) schön gelbe Quer Scheiben B. Calumbo. B. Wurzeln verlängert conisch, schlank eylindrisch oder hin- und hergebogen, einfach oder ästig 1) Farbe entschieden gelb a. rein gelb , dünne Schnitte mit Kalilauge befeuchtet werden carminroth ästige holzige Wurzeln mit braunem Korke, (im Kleinhandel meist geschnitten) B. Lajiathi. einfache vorherrschend cylindrische und meist ge- schälte Wurzeln B. Bhapontici. b. gelb mit grau oder bräunlich, durch Kali nicht roth werdend von süssem Geschmacke B. Liquiritiae. von bitterem Geschmacke B. Gentianae. 2) Farbe roth sehr ästige knorrige und holzige Wurzel von adstrin- girendem Geschmacke, braunrotb oder violettroth . B. Batanhiae. schwache brüchige Wurzeln, süsslich oder bitterlich, wenig zusammenziehend, roth bis gelbroth B. Bubiae. brüchige aussen braunrothe innen schön hellgelbe Wurzeln , nicht strahlig B. Saponariae. 1) vergl. pg. 164. Uebersicht nach praktischen Merkmalen. XIX 3) Wurzeln von weisser Farbe, wenigstens im Innern faserige schleimige W B. Althaeae. derb hornartig, süsslich bitterlich und kratzend . . . .B. Saponariae levanticae. 4) Wurzeln von unbestimmter Färbung: grau- lich, bräunlich, missfarbig, nicht entschieden gelb oder roth a. von aromatischem Geschmacke * einfache, nicht oder wenig verästelte Wurzeln, nicht Amylum enthaltend cylindrisch bis 2 Millimeter dick, meist von Blatt- und Stengelresten gekrönt B. Pyrethri germanici. cylindrisch, bis 2 Centimeter dick, sehr fest . .B. Pyrethri romani. etwas kantig, der Länge nach netzig aufgerissen und zerklüftet, oft um die Axe gedreht B. Carlinae. ** ästige amylumhaltige Wurzeln mit dunklern Harzpunkten in der Rinde a) Geschmack beissend, Geruch unangenehm bockartig B. Pimpinellae. ß) Geschmack scharf aromatisch, Geruch nicht unangenehm balsamisch Balsamräume (Harzpunkte) weiter als die Gefäss«, Nebenwurzeln klein und zahl- reich B. Angelicae. Balsamräume nicht weiter als die Gefässe, Holz gelb B. Levistici. *** ästige amylumfreie Wurzel, meist auch in horn- artigen graulichen Querscheiben B. Enulae. b. nicht aromatische Wurzeln * amylumhaltige a) dicke sehr grobfaserige zähe unregel- mässige seltener deutlich strahlige Stücke von brauner Farbe B. orizabensis (R. Jalapae levis). ß) vorwaltend cylindrische Wurzeln von einfach strahligem Querschnitte geringelt, einfach, nur bis 5 Millim. dick B. Ipecacuanhae. meist geschält und gespalten, missfarbig hell graugelblich, sehr brüchig, gefähr- lich scharf B. Belladonnae. y) cylindrische oder beinahe möhren- förmige Wurzeln mit sekundären Holz- körpern1) im Centrum oder in der Rinde . sehr ästige, sehr holzige Wurzel, oft hin- und hergebogen, aussen braun bis roth- braun, oft mit Hohlkehlen, auf dem Querschnitte sehr fein strahlig, ohne Harz, secundäre Holzkörper in der Rinde B. Caincae. : einfache oder wenig ästige Wurzeln, von weniger dichtem, sehr grob porösem Holzkörper, worin secundäre Bündel abgegrenzt sind. Holzbündel auch in der Rinde . . . B. Turpethi. Holzkörper auf das Centrum be- schränkt , . B. Scammoniae, ') Pg. 231. XX TJebersicht nach praktischen Merkmalen. ** am y lumfreie nicht aromatische Wurzeln a) von süsslich- bitterlichem Geschmacke und concentrisch geschichteter dicker Rinde, höchstens 1 5 Millim. stark ...22. Taraxaci. ß) bitterlich, von strahlig-blätterigem Bau, innen markig, oft über 20 Millim. dick 22. Bardanae. y) bitter, strahlig, hell gelblich, sehr derb holzig , . 22. Cichorii. o) sehr bitter, aussen rothbraun, innen gelb- bräunlich, biegsam B. Gentianae (s. obenB.l.) e) bitterlich, sehr widerlich kratzend; schwache ästige gedrehte "Wurzel mit sehr dickem röthlichem Wurzelkopfe B. Senegae. C. Sehr grosse knorrige braunrothe Wurzel mit miss- farbigern leichtem Holze , von angenehmem Anis- oder Fenchel-Gerüche. (Im Kleinhandel fast nur geschnitten) B. Sassafras (siehe bei den Hölzern und bei d. Rin- D. Knorrige braunrothe Wurzel, mit dickem Wurzel- den III. B.) köpfe und langen ziemlich einfachen Wurzelästen, ohne Aroma, von stark adstringirendem Geschmacke . .B.Batanhiae (s.obenB. 2.) Zweite Abtheilung: "Wu.r ^elstöclte (Rhizomata) , halb oder ganz unterirdische Axen mit Ansätzen, Narben oder Resten von Blättern, oft auch von Nebenwurzeln. I. Gefässöündel zerstreut, weder strahlig, noch zu einem ge- schlossenen Ringe geordnet. lang gestreckt, ohne Schuppen, höchstens 4 bis 7 Millim. dick , Bh. Polypodii. kurz zusammengeschoben, dicker, mit braunen Schüppchen, sofern die Rinde nicht weggeschält ist Bh. Filicis. II. Gefässbündel von einer Kernscheide1) umschlossen. A. sehr lang gestreckte , 2 bis 3 Millim. dicke Rhizome (im Kleinbandel nur geschnitten) strohgelb , hohl , ohne Amylum 22/i. Graminis. graulich bis bräunlich, derb holzig, amylumhaltig 22/j. Caricis.. B. dickere, gestreckte, mehr oder weniger plattgedrückte Rhizome 1) von sehr geringem feinem Wohlgeruche und unbedeutendem Geschmacke, innen weiss, mehlig, derb Bh. Iridis. 2) sehr aromatisch, von brennendem Geschmacke auf der oberen Seite mit zickzackförmigen Blatt-, narben, unterseits mit ebenso gestellten Narben der Nebenwurzeln, nicht verästeltes, fast zylindri- sches Rhizom, brüchig Bh. Calami. stark platt gedrückt, mit gerundeten Aesten, ohne Nebenwurzelnarben Bh. Zingiberis. C. Knollen oder stellenweise etwas knollig verdickte cylindrische Rhizome von sehr aromatischem Gerüche und Geschmacke gelb, hornartig, meist ganze Knollen Bh. Curcumae. braunroth, holzig, gestreckt, nur stellenweise verdickt Bh. Galangae. graulich, Querscheiben oder Längsviertel von Knollen Bh. Zedoariae. i) vgl. pg. 164. Uebersicht nach praktischen Merkmalen. XXI D. stumpf conischer schwärzlicher Wurzelstock, mit zahlreichen strohartigen Nebenwurzeln oder auch nur mit den Narben derselben -. Rh. Veratri. III. Gefässbündel kreisförmig gestellt, durch Cambium von der Rinde abgegrenzt, in welcher keine Gefässe vorkommen. Im Centrum des Wurzelstockes, nicht in den Nebenwurzeln, ein Mark. A. nicht aromatische Rhizome. 1) von adstringirendem Geschmacke innen röthlich, oo förmig gekrümmt Rh. Bistortae. innen gelb , etwas platt gedrückt , unterseits mit Nar- ben zahlreicher Nebenwurzeln; von bitterlichem Beigescbmacke Rh. Rhei Monachorum. 2) Geschmaek bitter, etwas scharf. Cylindrische, auf- und absteigende , verzweigte und bewurzelte Rhi- zome von dunkel graubrauner bis schwärzlicher Farbe. Querschnitt der Nebenwurzeln nicht ein strahliges oder lappig getheiltes Gefässbündel zeigend oft von lederartigen fussförmig getheilten Blättern begleitet Rh. Hellebori nigri. Blätter papierartig, scharf gesägt. Rhizom sehr bitter Rh. Hellebori viridis. B. Rhizome von aromatischem Gerüche und Geschmacke 1) dünn, bogenförmig gekrümmt, holzig, bewurzelt, amylumfrei Rh. Arnicae. 2) starkes stellenweise etwas knollig aufgetriebe- nes verzweigtes Rhizom meist ohne Nebenwurzeln, amy- lumhaltig Rh. Imperatoriae. 3) Rhizom sehr kurz zusammengeschoben, äus- serst dicht mit Nebenwurzeln und oberseits mit Narben von Stengeln und Blättern besetzt. Holz gelb, excentrisch Rh. Serpentariae. 4) Wurzelstock aufrecht, bewurzelt, fast immer ganz einfach, im Innern hohl, mit Querscheidewänden . . . .Rh. Valerianae. Dritte Abtheilung: Z^vielbeln nnd. Knollen (vergl. auch Wurzeln IL A) I. blätterige Zwiebel, oder fleischig -hornartige Stücke ■ der innern Zwiebelschalen von rother oder weisser Farbe, amylumfrei Bulbus Scillae. II. hornartig spröde durchscheinende eiförmige oder auch handförmige Knollen reich an (aufgequolle- nem) Amylum Tuber Salep. 111. mehliger herzförmiger Knollen oder nierenför- mige Querscheiben desselben Tuber Colchici. Vierte Abtheiluig. Stengel kurzgeschnitten , chlorophyllhaltig, hohl Stipes Dulcamarae. Fünfte Abtheilung: Hölzer I. ohne bedeutende Färbung ohne Geschmack oder sehr schwach aromatisch L. Juniperi. sehr bitter L. Quassiae. II» missfarbig, braunröthlich, angenehm aromatisch L. Sassafras. III. grünlich, bräunlich, gelblich, nicht spaltbar L. Guajaci. IV' Schön roth, geschmacklos L. Santali. XXII Uebersicht nach praktischen Merkmalen. Sechste Abtheilung: Rinden. I. reiner Kork Suber quercinum. II. sehr langfaserige zähe Rinden vorherrschend schleimig, braunröthlich Cortex Ulmi. adstringirend, bräunlich, Aussenrinde weisslich bis dunkel- grau C. Querem. gefährlich brennend, innen glänzend grünlichgelb, bandartig aufgerollt C. Mezerei. IIB. mehr oder weniger brüchige kurzfaserige Rinden A, kürzere oder längere Röhren 1) aromatische geschälte lange Röhren von brauner Farbe C. Cinnamomi. bedeckte kurze grauliche Röhren C. Cciscarillae. 2) nicht aromatisch widerlich bitter; wässeriger Auszug von gelber Farbe, nach Zusatz von Kali schön carminroth, durch Eisenchlorid nicht verändert C. Frangulae. rein bitter; kalter wässeriger Auszug kaum gefärbt, durch Eisenchlorid grün gefällt. Rinde beim Erhitzen im Glasrohr die Grahe'sche Reaction (pg. 410) ge- bend. Baströhren dick, kurz, fast ohne Höhlung1) C. Chinae fuscus. B. offene rinnenfö'rmige Stücke 1) graulich, stellenweise schwarzblau angelaufen, höchstens 2 Millim. dick, spröde, sehr bitter C. Quassiae surinamensis 2) schwärzlich braun, bis 10 Millim. dick, zähe, sehr bitter C. Quassiae jamaicensis. 3) gelbbräunlich a. kalter wässeriger Auszug durch Eisenchlorid grün- lich gefällt oder gefärbt . . C Chinae fuscus (siehe oben A.2)) b. Verhalten zu Eisenchlorid ehenso; die Grahe'sche Reaction tritt aber nicht ein , Gewebe im Innern mit dichtem Steinzellenring, ohne verholzte Baströhren, oft von schön rothgelbem Korke bedeckt. Geschmack gefährlich bitter (Rinde nicht mehr im Handel) . . . . C. Strychni. c. kalter wässeriger Auszug durch Eisenchlorid roth- braun gefällt. Rinde bitter und etwas aromatisch, auf der Innenfläche abblätternd, im Gewebe Oel- zellen C. Angosturae. d. kalter wässeriger Auszug durch Eisenchlorid blau ge- fällt. Geschmack stark adstringirend, Querschnitt mehr fein gefeldert als strahlig. Rindenstücke klein, verbogen, oft mit fest anhaftenden Holzspänen . . . . C. Granati. 4) rein gelbe oder ein wenig in das rothe spie- lende, etwas faserige Rinden, von rein bitterem nicht aromatischem Geschmacke C. Chinae (s. bei A. 2 oben.) 5)braunrothe, sehr aromatische schwammig - korkige Rinde, deren wässeriger Auszug durch Eisenchlorid nicht verändert wird C. Sassafras. C. Fast oder völlig flache dickere oder dünnere , oft sehr breite Rinden, mit oder ohne Kork, von gelber, gelbrother oder dunkelrother Farbe. Geschmack rein bitter. Anato- mischer Bau und chemisches Verhalten wie oben bei A.2) C. Chinae (vorzüglich Ch. Calisaya und Ch. rubra. i) cf. Seite 389. Uebersicht nach praktischen Merkmalen. XXIII Siebente Abtheilung: Xn'sLt'tex". f. Frisch in Gebrauch gezogene Folia Lawocerasi. 11. Unterseits mit Friiclithäufchen versehene zart gefiederte F. Capilli. uugetheilte F. Scoloperidrii. HS. nadeiförmige Blättchen bis 0,030>» lang F. Rosmarini. bis 0,01 2m lang F. Thymi. IV. lederige, nur wenig eingerollte oder ganz flache Blätter A. geruchlose, von adstringirendem Geschmacke F. Uvae ursi. B. von bitterlichem Geschmacke F. Sennae. C. aromatische gesägte oder gekerbte F. Bucco. ganzrandige, mit welligem Rande F. Lauri. ganzrandige, mit geflügeltem Blattstiele F. Aurantä. V. krautige runzelig zusammengeschrumpfte Blätter A. einfache 1) ganzrandige höchstens gegen 0,20m lange F. Belladonnae. 2) ganzrandige mehr als fusslange F. Nicotianae. 3) gelappte oder gebuchtete a. schleimige wenig oder nicht behaarte F. Malvae. b. schleimige dicht filzige F. Althaeae. c. von widerlichem salzig bitterlichem Ge- schmacke in den Blattstiel verschmälert, kahl F. Stramonii. die meisten Blätter sitzend, stengelumfassend, zottig F. Hyoscyami. 4) gesägte oder gekerbte a. von bitterem Geschmacke, Aroma fehlend oder zurücktretend filzig behaart, lang gestielt, bis fusslang F. Digitalis. filzig behaart, länger oder kürzer gestielt, von kreisförmigem Umrisse, Durchmesser nur 0,04t1» F. Marrubü. spinnewebig -zottig, oft von gelben stacheligen Blüthenköpfchen begleitet F. Cardui benedicti (siehe unten Kräuter IV. B) b. von vorwaltend aromatischem Gerüche und Ge- schmacke , höchstens ein wenig bitterlich graulich bis weissfilzig, grob geädert F. Salviae. grünlich, fein adernetzig, von Pfeffermünzgeruch F. Meuthae piperitae. , , „ „ Krausemünzgeruch F. Menthae crispae. , „ „ „ schwachem feinem Wohlgeruche, Blatt eiherzförmig F. Mclissae. B. zusammengesetzte Blätter 1) d reitheil ige von adstringirendem Geschmacke F. Toxicodendri. 2) dreitheilige von bitterem Geschmacke F. Trifolii fibrini, 3) breit handförmig, in lineale Zipfel zerschlitzt ..F. Aconiti. 4) gefiederte Blätter a. mit 5 bis 9 ganzrandigen sehr ansehnlichen Ab- schnitten F. Juglandk. b. dreifach oder mehrfach fiedert heilig, Ab- schnitte sehr zahlreich, klein * sehr bitter und sehr aromatisch, Abschnitte kahl, lederartig, drüsig pnnktirt F. Rutae. XXIV Uebersicht nach praktischen Merkmalen, ** sehr bitter und aromatisch, seidenhaarig, dünn F. Absirithii) , ~ .. *** widerlich narkotisch, kahl F. Conti \ (s. Krauter **** bitterlich, fast geruchlos F. Milkfolii ) lL) Achte Abtheilung: Kräuter. Von Stengeln, Blüthen oder Früchten begleitete Blätter; in die vorige Abtheilung gehörig, wenn die Blätter allein vorliegen. I. Frisch in Gebrauch gezogene. j f %o^0; II. Mehr oder weniger cylindrische oder schuppige Blätter. A. am Stengel gegenständig und entfernt . . . . j f ; f||J^ (^ *W* °M B. gegenständig, sich deckend, den Stengel dicht einhüllend, damit ohne Gliederung verwachsen H. Sabinae. III. Blätter sehr schmal, eingerollt, beinahe rinnig H.Hyssopi (s.\xntAY.A..3) IV. Flach ausgebreitete dünne eingeschrumpfte Blätter. A. gegenständig, einfach 1) stumpf, höchstens 0,010m lang und oft eben so breit. Blüthen purpurn oder weisslich H. Serpylli. 2) stumpf eiförmig oder fast kreisrund. Blüthen- quirle weiss, kugelig, sehr dicht gedrängt H. Marrubü (siehe oben Blätter V. A. 4) 3) spitz eiförmige bis lanzettliche Blätter a. rein und stark bitter, ohne Aroma, gegen 0,02m breit Trugdolden von rothen Blüthen . H. Centaurii. Langgestielte weissliche gelb gefleckte Einzel- blüthen //. Graiiolae. b. fast geruch- und geschmacklose, lanzettliche bis 0,015m breite oder borstliche Blätter. Schön gelbe Lippenblüthen mit stechendem Kelche II. Galcopsidis. c. angenehm a romatische Kräuter * schmal lanzettliche, 5 Millim. breite eingerollte, fast rinnige Blätter , Blüthen blau , ährenartig geordnet //. Hyssopi. ** breit eiförmige Blätter von weissen Blüthen begleitet H. Melissae j (s. Blätter von blassviolett-röthl. Blüthen begleitet . .H. Menthae 1 V. A. 4) B. zerstreute einfache oder fingerig getheilte nicht ge- fiederte Blätter. 1) mit leierförmig fiederspaltigen Nebenblättchen von der Grösse des Hauptblattes. Blüthen violett oder gelb II. Jaceae. 2) Blatt fingerig 3 bis 9theilig, rauh, narkotisch, mit holzigen Stengeln, missfarbig, oft verklebt und zer- knittert. Blüthen unscheinbar H. Gannabis. 3) Blätter einfach a. aromatisch schön grün, kahl, Blüthen unansehnlich und grün IL Chenopodii ambr. duukelgraugrün , unterseits filzig , von sehr lan- gen cylindrischcn Frucht- oder Blüthcnähren begleitet IL Matico. b. von sehr scha.rf kratzendem Geschmacke, ohne Aroma , Fruchtkapsel bauchig. (Im Handel in ta- felförmige Pakete gepresst) // Lobeliae. Uebersicht nach praktischen Merkmalen. XXV c. von rein bitterem Geschmacke, zottig, spinne- webig, stechend sägezähnig. Blütben gelb, stachelig II. Cardui benedicti. V. kleine gedreite Blättcheu, kaum 4 Millim. lang, immer von gelben Blüthenträubchen begleitet, sehr angenehm riechend //. Meliloti VI. in lineale Zipfel zerschlitztes handförmiges sprödes Blatt H. Aconiti (s. Blatt. V. B.) VII. gefiederte Blätter A. von Blüthenköpfchen der Compositen begleitet schwach aromatisch, bitterlich, Blüthen ansehnlich, weiss H. Millefolii. sehr aromatisch, stark bitter, Blüthen unansehnlich, bräunlich , Blätter seidenhaarig H. Absinthii. B. von zarten breit sackartig gespornten röthlichen Blüthen und glatten kugeligen 2 Millim. messenden grünen Frücht- chen begleitet H. Fumariae. C. von weissen Blüthendolden oder wellig gerippten 3 Millim. grossen Früchtchen begleitet. Beim Befeuchten mit Kalilauge stark narkotisch riechend H. Conii. Neunte Abtheilung: Blütliexi. I. Blüthentbeile A. ßöthliche Blumenblätter Flores Rosae centi/oliae. B. Dunkelrothe etwas steife BlumenT^ätter von Rosengeruch Fl. Rosae gallicae. C. Dunkelrothe sehr weiche, fettig anzixfühlende Blumen- blätter ohne Aroma Fl. Rhoeados. D. Fünflappige schön gelbe Blumenkronen Fl. Verbasci. E. Rothe fadenförmige sehr aromatische Narben (und gelbe Griffel) Crocus. II. Nicht aufgeblühte BlütSien A. ohne Kelch Fl. Rosae gallicae (s.ob.I.) B. vollständige sehr kleine grünlichgelbe Blüthenköpfchen. .Fl. Cinae (s. unten IV. A.) C. vollständige braune sehr aromatische vierzähnige Blüthen- knospen Caryophylli III. vollständige und entwickelte Einzelnblüthen von blauer Farbe, aromatisch Fl. Lavandulae. von blauer Farbe, schleimig, ohne Aroma Fl. Malvae sylvestris. von violettschwarzer Farbe, schleimig, ohne Aroma Fl. Malvae arboreae* IV. Blüthenstände. A. Köpfchen von Compositen. 1) gelblichgrünlich bis bräunlich, nur 3 Millim. lang, geschlossen, widerlich aromatisch Fl. Cinae. 2) Blüthen des Randes (Strahlenblüthen. Zungen- blüthen) weiss Köpfchen in ganzen Trugdöldchen, Randblüthen nur 5 FL Millefolii (s. Kräuter VII.) Köpfchen einzeln, Blüthenboden kahl, hohl Fl. Charnomillae. Köpfchen, einzeln, Blüthenboden mit Spreublättchen besetzt, nicht hohl Fl. Charnomillae roman. 3) Sämmtliche Blüthen gelbroth, mit gelblichem Haarkelch (Pappus) Fl. Arnicae. B. Doldige Blüthenstände, Trugdolde höchstens 9blüthig; Stiel meist mit einem grossen Deckblatte verwachsen Fl. Tiliae. Sehr reichblüthige wiederholt gabelige ausgebreitete Trugdolde Fl. Sambuci. C. Sehr reichblüthige grosse Rispe Fl. Kosso. XXVI Uebersicht nach praktischen Merkmalen« Zehnte Abtheilung: ITriielite. I. Theile VOll Früchten (mit Ausschluss der Samen) A. Fruchtschalen aromatische , in Spiralbändern C. Citri. aromatische , in spitz elliptischen Stücken C. Aurantiorum. adstringirende , ohne Aroma G. Granati. B. Fruchtmus (Pulpa) von schwarzer Farbe und saurem Geschmacke Tamarindi. II. Einzelfrüchte A. Früchtchen von Umbelliferen, bisweilen in ihre beiden Hälften getrennt 1) kugelig aromatisch Fr. Coriandri. 2) eiförmig länglich, höchstens 4 Millim. lang a. sehr fein behaart, angenehm süss aromatisch, gegen 4 Millim. hoch (lang) Fr. Anisi. b. kahl, mit welligen Rippen, bis 3 Millim. hoch. . . .Fr. Conii. c. kahl zweiknöpfig, 2 Millim. hoch Fr. Petroselini. 3) 5 bis 8 Millimeter lang, Fruchthälften sehr schlank a. Fruchthälften fast immer getrennt, sichelförmig, 1 Millim. dick, grau bräunlich, mit je 4 grossen Oelgängen Fr. Carvi. b. Fruchthälften nicht gekrümmt, über 1 Millim. dick, weniger leicht auseinander fallend * aussen braunschwärzlich, Fugenfläche weiss, schwach gefurcht. Geschmack widerlich. . . .Fr. Phellandrii. ** gelblichgrünlich bis bräunlich, 8 bis 12 Millim. lang, sehr angenehm süss aromatisch Fr. Foeniculi. B. Einfache annähernd kugelförmige Früchtchen, nicht über 15 Millim. gross 1) gestielt, 5 Millim. gross, aromatisch Cubebae. 2) ungestielt, oder Stiel leicht abfallend a. einsamige Früchtchen * aromatische, beissend scharfe, runzelige Piper nigrum. ** aromatische, bitterliche, etwas längliche Fr. bis 15 Millim. lang Fr. Lauri. *** nicht aromatische bittere Fr., 1 Centim. gross Fr. Cocculi. **** nicht aromatisch, ölig, nur 5 Millim. messend Fr. Cannabis. b. mehrsamige Früchte * weich, runzelig, schwärzlich oder dunkelblau ekelhaft bitter, Kelch unterstäudig Fr. Rhamni catharticae. süsslich ohne Aroma, Kelch oberständig . . . Fr. Sambuci. süsslich aromatisch, zugleich oft säuerlich. .Fr.Juniperi (s.unt. III.A.) ** trockene harte Früchte Frucht oberständig, bis über 1 Centim. gross, aromatisch bitter Aurantia immatura. Frucht unterständig, von der Kelchnarbe ge- krönt, 4 Millim. gross, aromatiscb, an Nel- ken und Pfeffer erinnernd. Fruchtgehäuse zerbrechlich, oft einsamig Fr. Amomi. C. Einfache kugelig-eiförmige Kapselfrucht, 3 bis 6 Centi- meter gross, von der 8 bis 20 strahligen Narbe gekrönt. Fruchtgehäuse dünn, mürbe, zerbrechlich Fr. Papaveris. D. Kugelige 6 bis 10 Centim. grosse geschälte Fr., Mark weiss, schwammig, äusserst bitter Fr. Colocynthidis. E. Dreikantige oder gerundet - dreikantige geschnäbelte Frucht mit strohartigem geschmacklosem Gehäuse und zahlreichen höckerigen aromatischen Samen Fr. Cardamomi. Uebersicht nach praktischen Merkmalen. XXVII F. Eiförmige weiche lederige oder fleischige Früchte, roth oder rothbraun einsamig, süss , mit Steinkern, 3 Centim. hing Fr. Jujubae. vielsamig, brennend scharf, bis 10 Centim. lang Fr. Capsici. G. Früchte von 2 bis 3 Decim. Länge flache mürbe Gliederhülse, Fleisch süss, Samen gegen 1 Centimeter breit Siliqua dulcis. stengelig, weich, zähe, zahllose schwarze Samen von \ Millimeter Grösse, lieblich riechend Vanilla. III. Sanirnelfrüchte A. Fleischige 1) beerenartige scheinbare Einzelfrucht, schwarzblau, am Grunde mit 6 kleinen braunen Schuppen. Drei knö- cherne aufrechte Samen Fr. Juniperi. 2) birnförmige (im Handel gewöhnlich zu dicken platten Scheiben gedrückte) lederige Frucht, sehr zahlreiche kleine Samen einschKessend Caricae. B. Trockene mehrtheilige Sammelfrüchte 1) dreitheilig (oft getrennt); 3 vielsamige, aufrechte, aufspringende papierartige Schläuche mit braunen oder braunschwarzen Samen (siehe bei Samen E. 5.) Fr. Sabadillae. 2)achtstrahlig; 8 einsamige horizontale oder aufstre- bende holzige Schläuche von aromatischem Gerüche und Geschmacke Fr. Anisi stellati. 3) Früchtchen äusserst zahlreich, sehr klein a. in eine gemeinschaftliche Spindel eingesenkt, dicht gedrängt ; Fruchtstand cylindrisch , beissend aro- matisch Piper longum. b. in den Winkeln zahlreicher sehr ansehnlicher papier- dünner Deckblätter von grünlich gelber Farbe; Frucht- stand einen lockern schwach aromatischen Zapfen darstellend Strobili Lupuli. Eilfte Abtheilung: Samen. I. Samenkerne ohne Schale A. amylumhaltige aromatische, von länglich runder Form Semen Myristicae. adstringirend-süssliche, von halbeiförmiger Gestalt . . . S. Quercus. B. amylumfreie von ölig-süsslichem Geschmacke Amygdalae dulces. ölig, sehr bitter Amygdalae amarae. II. Vollständige Samen A. klein, annähernd kugelig, nicht in die Länge gezogen 1) brennend aromatisch weisslich, fast genau kugelig, fein gerippt (geschält) . Piper album. braun, kantig-höckerig, glänzend S. Paradisi. 2) scharf ohne Aroma gelb über 2 Millim. im Durchmesser S. Sinapis albae. braun, 1 Millim. gross S. Sinapis nigrae. 3) bitter, braun, matt, fein runzelig, ohne Aroma S. Colchici. B. verkehrt- eiförmig, flach, scharfrandig, ölig-schleimig . S. Lini. C. nierenförmig, netzig überstrickt 1) weiss oder blau schwarz, milde ölig, kaum 1 Millim. gross S. Papaveris. 2) graugelblich, ölig und bitter, 1 Millim. gross . S. Hyoscyami. 3) schwarz, ölig und bitter, 4 Millim. erreichend .S. Stramonii. XXVIII Uebersicht nach praktischen Merkmalen. D. scheibenförmig, 2^ Centim. im Durchmesser, mit strah- lig gerichteten angedrückten und glänzenden Haaren . . .S. Strychili. E. unregelmässig kantig oder abgeplattet länglich 1) hellgelblich bis graulieb, widerlich ölig- schleimig, 3mm lang *S'. Foenigraeci. 2) braun, milde schleimig, zu 8 bis 14 verklebt, bis 1 Centim. lang , . S. Cydoniae. 3) braungrau, gerundet kantig, abgerieben, sehr hart, sehr gefährlich bitter, bis 0,025m lang S. Ignatii. 4) glänzend rothbraun, höckerig, aromatisch. .. .S. Paradisi (s. oben A. 1) 5) bräunlich bis braunschwarz, runzelig, bis 7mm lang, spitzig, am andern Ende schräg abgeflacht, höchst widerlich bitter (meist noch im schlauchförmigen mehrsamigen Fruchtgehäuse, siehe Früchte III. B.). . . .S. Sabadillae. F. Samen in zerbrechlicher leicht und vollständig trenn- barer Schale von länglich eiförmiger Gestalt oder et- was abgeplattet 1) ohneEiweiss, Kern braun, sehr leicht zerbröckelnd, angenehm oder etwas bitterlich schmeckend S. Cacao. 2) mit blattartigen Kotyledonen in sehr ansehnlichem Eiweisse von öligem kratzendem Geschmacke a. ungefähr 10 Millim. lang, braun, matt S. Tiglii. b. ungefähr 15-MilI. lang, braunschwarz, weiss mar- morirt, am Nabel mit einer weissen Wulst S. Ricini. G. Samen in zerbrechlicher oder sehr harter löcheriger Schale von spitz eiförmiger Gestalt, scharfrandig. Kern weiss , ohne Eiweiss , hornartig , amylumfrei , milde ölig und süss Amygdalae dulc. (siehe oben LB.) Zwölfte Abtheilung: Sameiilxiilleii (AriUus). Glockenförmig, aber blattartig zerschlitzt, gelbröthlich , aro- matisch fettig Macis. Erste Classe. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Gummi arabicum. Gummi Acaciae v. Mimosae. Arabisches Gummi. Korclofan- Gummi. Gomme arabique. Arabic gum. 1. Acacia nilotica Delile. — Mimoseae. Syn. A. arabica Willdenow. Mimosa arabica Lamarck. 2. Acacia Seyal Delile. 3. Acacia tortilis Hayne. 4. Acacia Ehrenbergiana Hayne. Diese und noch mehrere andere Gummibäume sind über Nordafrika vom Senegal durch Sudan bis Aegypten und über das Gebiet des Rothen Meeres verbreitet. Die erste Art, ein hoher Baum mit unregelmässigem knorrigem Ast- werke, der oft bei niederem Wüchse der langen weisslichen Stacheln wegen1) ein undurchdringliches Gestrüppe bildet, ist der im ganzen Nilthale wohl bekannte Sant, Sont oder Schont. Sein dauerhaftes Holz dient zu vielen technischen Zwecken. Der Sant liebt sandigen Boden und bildet jetzt in Aegypten nur noch hier und da kleine Wäldchen , tritt aber kolossal auf in den vegetationsreicheren Ländern Kordofan und Sennaar und ganze Wälder bildend in Abyssinien. Die drei anderen Arten sind durch weite ästige Kronen ausgezeichnet, welche besonders bei der hochstämmigen A. tortilis einen Schirm darstellt. Dieser Baum, und nicht die zweitgenannte Art (Talch arabisch) wird eigent- lich in Aegypten unter der Bezeichnung Sejaleh, Sijaleh oder Seyäl ver- standen. Sie scheint am Rothen Meere auf der diesseitigen Küste nicht über Suakim hinauszugehen, aber wieder mit A. Seyal in Arabien (bei Loheia und *) Schont, koptisch = Dorn. Griechisch äkantha, damit zusammenhängend : Traganth und Acacia. Flückiger, Pharmakognosie. 1 2 I. PflanzeH&tqffe ohne organische Structur. anderswo) aufzutreten. In 'den Felsenthälern des mittleren Nilgebietes ist A. tortilis der höchste Waldbaum, scheint aber nicht westwärts über die Ba- hiuda-Steppe hinaus verbreitet zu sein. A. Ehrenbergiana , Seghah ani- obern Nil, bleibt immer strauchig 3 bis 4m hoch. A. Seyal findet sich am Senegal so gut wie am Nil. A. gummifera Willdenow, der Talhah-Baum, ist bei Khartum, aber auch in Marocco häufig und liefert kein werthvolles Gummi. Doch wird es in nicht unerheblicher Menge in Mogador als berberisches oder marok- kanisches Gummi verschifft. Die Acacien sind durch doppelt gefiederte Blätter1) mit paarigen Fie- dern ausgezeichnet. Die letztern tragen, wenigstens bei den hier in Betracht gezogenen Arten, 8 bis 13 Paar kleiner länglich linealer Fiederblättchen. Die starren, weissen, über 0,04 m langen Dornen überragen oft das Blatt, eben so die einzeln oder zu mehrern auf schlanken Stielchen aus den Win- keln hervortretenden und zu zierlichen gelben kugeligen Köpfchen zusam- mengedrängten Blüthen. üeber die Entstehung des Gummis in den Mimoseen liegen Beobach- tungen wie die Mohl'schen über Traganth noch nicht vor. In der Rinde jüngerer Zweige aus Herbarien traf Berg2) die Markstrahlen unverändert, aber freilich auch im übrigen Bindenparenchym keine Gummibildung. Es lässt sich daher mit vollem Recht vermuthen, dass das Auftreten des Gummis auch hier auf dem bei Gummi Senegal erörterten Yorgange beruhe. Es scheint, dass das Gummi in der Regel freiwillig reichlich genug austritt, um Einschnitte in die Stämme überflüssig zu machen. Man schlägt, wenigstens in Kordofan nach Hartmann's3) Berichten, die Klumpen mit der sudanischen Holzaxt los und sammelt sie in Körbe. Das am höchsten geschätzte kordofanische Produkt der Provinz Dejara geht nördlich aus Bara und Obed (el Obei'd) nach Dabbeh am Nil und von da zu Wasser stromabwärts. Geringer ist das Gummi aus Sennaar am Blauen Nil , von der wüsten Hochebene Takka am Atbara und Mareb und der Hochsteppe der Bischarin (Besari) zwischen dem Unterlaufe des Blauen Flusses und dem Rothen Meere. Es schlägt den Stromweg über Khartum ein oder wird in Suakin (Savakim) am Rothen Meere verschifft, daher das schlechteste Gummi in Aegypten als Samagh (Gummi) Savakumi bekannt ist. Besseres liefert das südlichste Gebiet des Rothen Meeres von Massua oder Arkiko an, die ganze Samhara-Küste bis gegen Berbera, die voller Gummisträucher ist (Munzinger). Dieses und das abyssinische Produkt gelangt über Mas- sua und Dschiddah (im arabischen Küstenstriche Hidschaz) nach Aegypten, wo es daher als Samagh Hidschazi bezeichnet wird. Aber auch Zeila und *) Bei manchen Arten, namentlich in Australien, verkümmert das Blatt zu einem soge- nannten Phyllodium. 2) Bei seiner Abbildung von Acacia Seyal. 3) Reise des Frhrn. von Barnim 1859— 18G0. Berlin 1868. S.29. und Anhang S.30. Gummi arabicum. 3 Berbera ausserhalb der Meerenge am Busen von Aden liefern noch Gummi nach Dschidda, das als berberisches oder Gummi von Dschidda (Gedda) bekannt ist. Wohl der grössere Theil des Produktes aus dem äussersten Nordosten Afrikas schlägt aber wie Myrrhe und Weihrauch den Seeweg über Ostindien ein, um Europa zu erreichen. Arabien selbst erzeugt keine namhafte Menge Gummi. Alexandrien ist hiernach der Hauptplatz für ostafrikanisches Gummi; auf dem Nil allein gingen z. B. 1860 durch Assuan 60,000 Kantar zu 44,4Kilogr.1). Es ist wohl begreiflich, dass das Gummi je nach Herkunft in Form und Farbe wechseln muss, doch sind diese Unterschiede noch nicht auf die einzelnen Stammpflanzen zurückgeführt. Im allgemeinen bietet es im Gegensatze zu Traganth wenig eigenthümliche Formen. Das allein zum officinellen Gebrauche zulässige Gummi aus Kordofan bildet weit überwiegend länglich runde oder kugelige bis nussgrosse, seltener wurmförmige Stücke , von etwas abgerieben rundlicher oder mehr kantiger Oberfläche. Sie sind von zahlreichen Rissen durchsetzt, brechen leicht und vollkommen glasartig; das Innere ist oft weniger rissig, doch finden sich grössere Stückchen selten frei von Risschen. Bei 100° erweitern und ver- längern sich dieselben, so dass das Gummi äusserst bröckelig wird. In reinster Form vollkommen klar und farblos, bietet das Kordofan-Gummi in geringerer Sortirung braunröthliche oder gelbliche Färbung. Weit mehr dunkel rothbraune Körner mischen sich dem staubigen Suakin-Gummi bei. — An sich farblose rissige Stücke zeigen sich durch Interferenz der Licht- strahlen irisirend. Die vonRoussin2) beobachteten Farbenerscheinungen des Gummis im polarisirten Lichte sind durchaus nichts diesem Stoffe eigenthümliches, sondern rühren einfach von starken, infolge des Eintrocknens im Innern der Masse eintretenden Spannungen her. Lässt man fütrirte Gummilösung auf dem Objektglase freiwillig eintrocknen , so beobachtet man unter dem Pola- risationsmikroskop dieselben Doppelbrechungen. Sie sind daher nur auf die schon vonBrewster z.B. an Gallerte und Hausenblase wahrgenom- menen Verhältnisse zurückzuführen3). Das specifische Gewicht des Gummis, zwischen 1,35 und 1,60 schwan- kend, ist der eingeschlossenen Luftblasen wegen nicht leicht mit Genauig- keit zu bestimmen. Das Gummi löst sich bei gewöhnlicher Temperatur, ohne Aenderung der- selben und sehr langsam im gleichen Gewichte Wasser zu einer opalisiren- den dicken kleberigen, immer entschieden sauer reagirenden Flüssigkeit von fadem Geschmacke. !) v. Krem er in dem bei Herba Carmabis angeführten Werke. 2) Journ. de Pharm. 37. S. 401 (1860). 3) vergl. Valentin, Pflanzen- und Thiergewebe im pol. Lichte. Lpzg. 1861. S. 172. 4 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. In der Wärme erfolgt die Lösung nur wenig rascher und das Wasser nimmt selbst bei 100° nicht viel mehr Gummi auf. Bei 100°C. getrockne- tes Gummi von möglichster Reinheit gibt mit 2 Th. Wasser einen Schleim von 1,149 spec. Gew. bei 15° C, verglichen mit Wasser von derselben Tem- peratur. Die Gummilösung mischt sich mit Glycerin und lässt sich ohne Aus- scheidung des Gummis bis zur Gallertconsistenz eindampfen. Auf festes Gummi dagegen wirkt concentrirtes Glycerin nur wenig. In andern Flüssigkeiten ist das Gummi nicht oder nur wenig löslich, so- bald nicht das Wasser bedeutend vorwaltet. So vermögen 100 Theile ver- dünnten Weingeistes, der 22 Yolum-Procente Alcohol enthält, 57 Theile Gummi zu lösen, bei 40 pC. Alcoholgehalt aber nur noch 10 Theile, bei 50 pC. 4 Theile. Ein wässeriger Weingeist von 60 Vol.-Proc. nimmt schon kein Gummi mehr auf, sondern entzieht demselben je nach der Sorte nur noch eine kleine Menge (ungefähr V3 bis V2 pC.) Harz, Farbstoff, Trauben- zucker, Chlorcalcium und andere Salze. Die wässerige Lösung des Gummis dreht die Polarisationsebene des Lichtes um ungefähr 4° nach links, wird aber bei sehr langem Stehen unter Zuckerbildung stark sauer und rotirt dann nach Fermond, nicht nach Maumene, im entgegengesetzten Sinne. Alkalisches Kupfertartrat wird auch beim Kochen durch Gummilösung nicht reducirt, wenn das Gummi nicht etwa eine erheblichere Menge (durch Weingeist ausziehbaren) Zucker enthielt. Wässerige neutrale BleizuckerlÖsung fällt den Gummischleim nicht, wohl aber wird durch Bleiessig noch in höchst verdünnter Gummilösung eine Verbindung von bestimmter Zusammensetzung niedergeschlagen. Lösliche Silicate , Borate und Eisenoxydsalze, beim Kochen auch ange- säuerte Albuminlösung trüben die Gummilösung oder verdicken sie zur Gal- lerte. Keine Veränderung bewirken Silbersalze , Quecksilberchlorid, Jodlö- sung. Oxalsaures Ammoniak fällt daraus den Kalkgehalt. Wässeriges Kupferoxydammoniak löst das Gummi auf. Das Gummi zieht nicht begierig Feuchtigkeit an, in einer mit Wasser- dampf gesättigten Atmosphäre nehmen dünne Splitter in 8 Tageu um 6,8 pC. zu. Bei 100 °C. verlieren kleine lufttrockene Stückchen 12 bis 16 pC, Gibt man dem Gummi, von seinem Kalkgehalte abgesehen, die Formel £12 JJ22 0ii + 3H2 O, so würde der Austritt der 3 Molecüle Wasser einer Gewichtsabnahme von 13,6 pC. entsprechen; ich finde bei sorgfältigst ausgesuchten farblosen Stücken 13,14pC. Schon bei längerem vollständigem Austrocknen in einer Temperatur, welche 100° C. durchaus nicht übersteigt, nimmt das Gummi einen leichten Röstgeschinack an. In höherer Temperatur, bis etwa 150° C., wo noch 1 Molecül H2 -0 weggeht, büsst es seine Löslichkeit ein. Wird arabisches Gummi in kaltem Wasser gelöst und mit etwas Salz- säure augesäuert, so entsteht durch Alkohol eine Fällung von Ära bin oder Gummi arabicum. 5 Arabin säure. Diese Substanz löst sich nach völliger Beseitigung der Salzsäure in Wasser zu einer durch Alkohol nicht mehr fällbaren Flüssig- keit, welche alle Eigen Schäften einer Säure besitzt. Einmal getrocknet, quillt sie in reinem Wasser nur noch auf, löst sich aber durchaus und selbst beim Kochen nicht wieder, bis wässerige Alkalien zugesetzt werden, welche nun einen dem gewöhnlichen Gummischleime gleiche Auflösung bilden. Neubauer, der (1854 — 1857) diese Thatsachen ermittelt hat, zeigte, dass das arabische Gummi wesentlich nichts anderes ist, als ein saures Kalksalz der Arabinsäure. Die letztere entspricht bei 100° C. der Formel £12H220n und verliert bei der Vereinigung mit Basen H2 0. Jedoch verbinden sich vorzugsweise mehrere Aequivalente Arabinsäure mit 1 Aeq. Basis. Ein derartiges Kalksalz etwa von der Zusammensetzung: O12 H20 Ca2 O11 4- 6 (O12 H22 0n) würde 1 ,63 pO. Calcium enthalten, entsprechend 3,4 pC. Kalkcarbonat. N e u- bauer, so wie Heckmeije r haben ähnliche Salze dargestellt. Nun liefern in der That die ausgesuchtesten farblosen Stücke arabischen Gummis immer ungefähr 2,7 bis gegen 4pC. einer grossentheils aus Kalk- carbonat bestehenden Asche, worin indessen auch Kali und Magnesia nicht fehlen. Dagegen scheint Phosphorsäure niemals vorzukommen; Gummilö- sung wird desshalb auch durch Ammoniakzusatz nicht getrübt. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass das natürliche Gummi wirk- lich ein Arabinsäure-Salz mit weit vorwiegender Säure ist, oder vermuthlich ein Gemenge solcher Salze des Calciums, Kaliums und Magnesiums. Nur der Gegenwart der Basen verdankt das Gummi seine Löslichkeit; dieselben stammen wohl ohne Zweifel von der Zellwand her, aus welcher der Gummi hervorgegangen sein mag. Die Cellulose selbst vermag vielleicht schon als schwache Säure zu fungiren. Unerklärt bleibt hierbei, warum nichtlösliche, sondern nur aufquellende Gummiarten und Pflanzenschleime , die doch auch nicht frei von minera- lischen Stoffen sind, ein so abweichendes Verhalten zum Wasser darbieten. Als Typus derartiger Gummisorten wird das sogenannte Bassora- Gummi Guibourt's betrachtet, dessen Abstammung ganz ungewiss ist. Nach M a r t i n y ist dieses Basra-Gummi (auch Gummi von Tor, oder P s e u d o - Traganth geheissen) einer geringeren bräunlichen Traganthsorte zu ver- gleichen und ebenfalls stärkmehlhaltig. Doch zeichnet sich das Bassora-Gummi durch Klarheit, zitzenformige Gestalt und schwach aromatischeu Geschmack aus. Wigand zeigte, dass es eben so gut wie Traganth aus geschichteten Verdickungsschichten von Zell wänden besteht, welche Amylum einschliessen. Es scheint verschieden zu sein von dem oftmals damit zusammengewor- fenen Kutira- Gummi1) dem sogenannten sauren Traganth aus Ostindien. Er zerfällt in Wasser zu stark aufquellenden Flocken, welche sich auch beim l) Ketira ist der persische Name des Tragauths. 6 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Kochen nicht lösen und kein Amylum enthalten. Die stark saure Reaktion, welche dieses Gummi zeigt, erinnert an Arabin. Sogenanntes geflossenes ostindisches Gummi, welches sich in neuester Zeit im Handel findet, besteht aus nussgrossen glänzenden klaren Stücken, welche entweder farblos oder bräunlich aussehen und zu grösseren Klumpen verklebt sind. In Wasser zergehen sie zu einer wenig klebenden, nicht sauren Gallerte, worin das Mikroskop nur sehr vereinzelte Stärkekörner ohne Zell- fragmente zeigt. In unserem Handel nehmen alle diese letztgenannten Gummisorten, denen sich noch sehr viele andere von zum Theil ebenso ungewisser Herkunft anreihen Messen, keine Stelle ein. Ludwig1) hat nicht weniger als 15 Ar- ten genauer charakterisirt. Das Gummi, auch die adstringirenden Früchte und Rinden der Acacien waren schon im Alterthum gebräuchlich. Auch die wohlriechenden Blüthen der A. nilotica dienten zu Salben. Yon jeher war Aegypten das Hauptland, wenn nicht gerade für die Produktion, doch für den Bezug des Gummis, darauf deuten die antiken Bezeichnungen des Gummis als G. acanthinum (nach der Stadt Akanthos, welche von Acacienhainen umgeben war), G. alexandrin um, G. thebaicum. Erst Serapion, vermuthlich im XIII. Jahrhundert, sprach von ara- bischem Gummi, das aber wohl auch damals nicht oder nur zum kleinsten Theile aus Arabien stammte. Gummi senegalense. Gummi Senegal. Senegal-Gummi. Gomme du Senegal. 1. Acacia Verek Guilleinin und Perrottet. — Mimoseae. 2. Acacia Adansonii Guill. und Perr. Diese westafrikanischen Acacien gleichen den bei Gummi arabicum er- wähnten Arten; namentlich die erstere bildet in der französichen Colonie und den anstossenden Gegenden am Senegal ganze Wälder. Ausser den beiden obigen Bäumen wird aber noch eine ganze Reihe anderer genannt, welche eine Menge verschiedener Gummisorten liefern, wovon seit einigen Jahrzehnten im Ganzen jährlich etwa 2 bis über 3 Millionen Kilogr. ausge- führt werden. Das Produkt Senegambiens dürfte somit der Quantität nach dein ostafrikanischen nahe kommen. Was die Entstehung des Senegal -Gummis betrifft, so verdanken wir W ig and2) den Nachweis, dass sie mit derjenigen des Kirscligummis über- einstimmend auf einer Verflüssigung der peripherischen Schichten des Horn- bastproseuchyms beruht. Der allmälige Uebergang des Gewebes in Gummi !) Archiv der Pharm. LXXXII. (1855) S. 33 u. 153. 2) In der bei Tragacantha angeführten Arbeit. . Gummi Senegal ense. — Tragacantha. 7 lässt sich an Rindenstücken verfolgen , welche man in der Handelswaaare trifft, ist aber so vollständig, dass das einmal ausgestossene Gummi selbst weder Amylum noch Gewebsfragrnente einhüllt. Das meiste Senegal-Gummi scheint von A. Verek zu stammen und bil- det runzelige eiförmige, kugelige oder auch wurmförmige, bis etwa 0,06 m grosse, im Innern oft hohle Stücke. Yom arabischen Gummi sind sie ver- schieden durch geringere Zerklüftung und glanzloses Aussehen. Der Mangel an .Risschen bedingt auch, dass diese Sorte seltener irisirt. Obwohl das Se- negal-Gummi der besten Sorte sich etwas langsamer als das arabische löst, so verhält es sich doch chemisch vollkommen dem letzteren gleich und löst sich vollständig im Wasser auf. Das Gummi der A. Adansonii, Gonake genannt, schildert Soubeiran als roth und bitter schmeckend, dasjenige von A. Senegal Willdenow (A. albida Delile) als kleinen Grus oder thränenförmige Stückchen von grüner, gelber oder rother Farbe und ebenfalls bitterem Geschmacke. Aus Galam, am Zussammenflusse des Faleme mit dem Senegal, und aus Bondu, etwas südlich von ersterem Landstriche, gehen noch andere Sorten stromabwärts. Diese Sorten vom oberen Gebiete des Senegal werden als Gomme du haut du fleuve unterschieden von denjenigen des unteren Fluss- gebietes, welche ihres besseren Aussehens wegen als Gomme du bas du fleuve vorgezogen werden. Was ich als Galam besitze , besteht aus schönen wurmförmigen leicht löslichen und geschmacklosen Stücken. Das Senegal-Gummi ist erst seit Anfang des XYII. Jahrhunderts im euro- päischen Handel bekannt. Eine eigene Compagnie de la gomme, welche 1784 das Privilegium des Gummihandels erhalten hatte, ging in der französischen Revolution alsbald unter. Eine spätere Compagnie du Galam scheint auch das Schicksal aller derartiger französischer Unternehmungen getheilt zu haben. Neuerdings (1865) wird das Senegal-Gummi wieder von Bordeaux aus faktisch monopolisirt. Tragacantha. Gummi Tragacantha, Traganth. Gomme adraganthe. Tragacanth. 1. Asträgalus creticus Lamarck. — Papilionaceae. 2. A. verus Olivier. 3. A. Parnassi Var. Cyllenea Boissier und Heldreich. Die erstere Art ist einheimisch auf den Gebirgen Griechenlands und Kreta's bis 5000 F. Meereshöhe, die zweite in Kleinasien, Armenien, Nord- persien1). Die zuletzt genannte Art bewohnt in grosser Menge alle Berge des nördlichen Peloponnes , wo Traganth meist auf den Bergen Phteri und Boi'dias (Panachai'kon im Alterthum) bei Vostizza und Patras gesammelt !) Traganth (Ketira) in Persien nur zwischen Ispahan und Kaschan. Polak, in dem bei Manna angeführten Werke II. S. 287. 8 I. Pflanz enstoffe ohne organische Structur. wird. Astragalus gummifer Labillardiere liefert wahrscheinlich keinen verkäuflichen Traganth, wohl aber vermuthlich noch andere der vielleicht 10 bis 13 Arten, welche ausserdem in Kleinasien vorkommen. Die Traganthpflanzen sind kleine bis etwa 1 m hohe und sehr ästige Sträucher mit holzigen zusammengeschobenen Stämmchen und Aesten. Die Spindeln der unpaarigen Fiederblättchen überdauern dieselben und wachsen zu derben bis 0,03 ra langen holzigen und sehr spitzen Stacheln aus, welche die Aeste dicht besetzen und erst sehr allmälig absterben. Der schönste Traganth wird über Smyrna ausgeführt und stammt aus dem Innern Kleinasiens , vorzüglich aus der Gegend von Kaisarieh , der Hauptstadt des alten Kappadociens, aus Angura im westlichen Galatia, dann aus den Landschaften bei Jalobatsch, Buldur und Isbarta, im Norden des .Busens von Adaria, dem jetzigen Bezirke Hamid (früher z. Th. Pisidien). Nach den Berichten von Maltass (1855) erhält man den am höchsten geschätzten Blättertraganth besonders bei Jalobatsch und Kaisarieh durch Einschnitte, welche im Juli und August der Länge nach in die unteren Starnm- theile gemacht werden, nachdem ihr Grund von Erde befreit ist. Schon nach 3 bis 4 Tagen kann der schichtenweise herausquellende und rasch erhär- tende Schleim gesammelt werden. Er fällt bei trockener windstiller Witte- rung am schönsten aus. Eine geringere Sorte liefern einfache Stiche , welche vielleicht eben nur da angebracht werden, wo Längschnitte nicht leicht zu ziehen sind. Frei- willig ausgetretener Traganth bildet wie es scheint die unansehnlichste Waare. Ueberhaupt sieht dieselbe äuserst verschieden aus und wird an den See- plätzen erst sortirt. Kützing (1851), H. von Mohl (1857), am überzeugendsten und aus- führlichsten aber Wigand1) (1862) haben gezeigt, dass der Traganth ähn- lich wie die verwandten Gummi- und Schleimarten überhaupt durch eine Um- bildung der Zellmembran entsteht. Schon Kützing machte auf unverkenn- bare Reste der Zellen und auf die ursprünglich darin abgelagerten Stärke- körnchen aufmerksam, welche im Traganth noch erhalten sind. Nach Mohl wird von dieser Umwandlung in Schleim das Parenchym des Markes in seinen centralen Theilen betroffen, so wie die mittleren Schich- ten der Markstrahlen. Die ursprüngliche Zellwand wird mit vielen sehr dünnen Schichten ausgekleidet, welche allmälig mehr und mehr mit einan- der verseil i nelzen und zuletzt als structurlose Masse die Ueberbleibsel der früheren Zellen und ihres Inhaltes einhüllen und nun im Wasser ausseror- dentlich aufzuquellen vermögen. Durch Behandlung dünner Schnitte des Stammes mit Jodzink lässt sich der Fortschritt der Veränderung leicht verfolgen, da die Zellmembran, nicht aber der Traganth, dadurch violett gefärbt wird. *) In der ausgezeichneten Arbeit über Deorganisation der Pflanzeuzelle, in Pringsheim Jahrbuch für wissenschaftl. Botanik 1IT. Tragacantha. 9 Nicht alle Markstrahlen einer bestimmten Strecke des Stammes erliegen gleichzeitig der Umwandlung, so dass wohl das Durchbrechen des Traganths am gleichen Stammstücke mehrere Jahre hindurch anhalten kann. Das Mark dagegen wird wohl ein für allemal an einer Stelle die Metamorphose durchmachen und daun für immer geschwunden sein. Mohl hat die Traganthbilduug bei 30 Astragalus-Arten aus der Abthei- luug Tragacanthae verfolgt, auch bei einigen aus der Abtheilung Incani; bei vier Arten der ersteren war keine Spur der Traganth-Metamorphose aufzu- finden. Bei seinem Besuche Kretas (zwischen 1700 und 1702) hatte bereits Tournefort die ersten genaueren Beobachtungen über das Austreten des Traganths auf dem Ida angestellt und wenigstens den Sitz der Bildung rich- tig angegeben. Auch Pierre Belon hatte um 1550 schon im Norden Kleinasiens (Bithynien) die Einsammlung der Droge mit angesehen und be- schrieben. Durch Wigancl sind Mohl's Ansichten sehr erweitert und in allgemeiner Fassung auch auf die eigentlichen Gummiarten, die Harze und Gummiharze übertragen worden. Eben so gut, ja zum Theil noch weit besser als bei Traganth lassen sich bei allen diesen Ausscheidungen Einschlüsse auf- finden, welche den Uebergang der Zellmembranen in die genannten Produkte darbieten. Nirgends aber ist auch nur die Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass Gummi oder Harz durch die Zellwände hindurch gehen kann , im Ge- gentheil hat Hofmeister direkt die Undurchdringlichkeit derselben z. B. für Gummilösung bewiesen. Alle diese Produkte sind daher mit W ig and im wahren Sinne des Wor- tes nicht einer exosmotischen Absonderung (Secretion) des Gewebes zuzu- schreiben, sondern der Umbildung der Celiulose selbst. Die frühere Vorstel- lung besonderer Gummi- oder Harzgänge, in welche sich solche „Secrete" ergössen, ist daher beseitigt. In den Traganthsträuchern ist eine ganze Ge- websform mit einem Theile ihres Inhaltes der Rückbildung in Schleim fähig, während z. B. bei Radix Althaeae und bei Salep, auch bei Cortex Cinnamomi nur gewisse einzelne, oft etwas grössere, aber im übrigen gar nicht ausge- zeichneten Zellen in der Weise dieser Metamorphose anheirn fallen, dass nur die Yerdickungschichten sich verflüssigen , die Zellwände aber vorerst we- nigstens unangetastet bleiben. Scheinbare Schleimgänge oder Gummigänge entstehen da, wo diese Metamorphose sich auf grössere Zellenpartieen und die Zellenwände selbst erstreckt, ohne jedoch geradezu ganze Gewebsele- mente, wie im Falle des Traganths, zu umfassen. Beispiele hierfür bieten Cortex Rhamni Frangulae, einigermasseu auch Semen Foenigraeci, die Kirschbäume. Bei vielen Samen hingegen ist es wieder eine bestimmte Gewebsform, die Oberhaut nämlich , deren sämmtliche Zellen den Schleim liefern. Die Verdickungsschichten nehmen Wasser auf, schwellen an und sprengen die primäre Wand, sofern dieselbe nicht ebenfalls löslich oder doch quellbar ge- worden ist. So bei Semen Cydoniae, Lini, Psyllii, Sinapis albae u. s.f. 10 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. In noch andern Fällen hingegen scheint die ganze Zellwand von vornher- ein in ihren Eigenschaften sich mehr dem Schleime (Bassorin) als der eigent- lichen Cellulose zu nähern. So bei Carrageen, bei der Mittelschicht des Liehen islandicus, im Parenchym der Wurzel von Symphytum officinale. Uebe-r den Austritt des Traganths fehlen neuere sorgfältige Untersu- chungen. Nach älteren Berichten soll die Hitze denselben begünstigen, wo- gegen Labillardiere (1768 — 1787) auf dem Libanon wolkige Nächte und starken Thau nothwenclig fand. Ohne Zweifel ist die Beschaffenheit der Atmosphäre von grossem Ein- flüsse auf die Ausstossung des Traganths. Nach der Auflockerung der Mark- strahlen muss beim Eintritte grosser Hitze durch Wasserentziehung ein Ein- schrumpfen , vielleicht auch eine Drehung der Holzstränge stattfinden, wo- durch eine Zerfaserung der Stämme entsteht, wie wir sie an Herbarien-Exem- plaren von Traganthpflanzen wahrnehmen. Hierauf folgender Regen dringt, namentlich wenn etwa die Rinde auch zerrissen, angestochen oder ange- schnitten ist, leicht ein , sättigt die in der Schleimbildung begriffenen Ge- webe, schwellt sie an und treibt sie durch den eigenen gegenseitigen Druck aus den den Markstrahlen entsprechenden Spalten heraus. Hierdurch erklären sich auch die eigenthümlichen Formen des Traganths. Die ausgezeichnetste derselben, welche der am höchsten geschätzte Blät- ter-Traganth Kleinasiens (Smyrna) darbietet, besteht aus flachen halb- mondförmigen Stücken, welche in grosser Zahl aneinander, zum Theil auch übereinander gereiht sind. Sie liegen entweder alle in derselben Ebene oder sind zum Theil zu derselben etwas geneigt. Die Form derselben wird leicht verständlich, wenn man annimmt, dass aus den Yertikal- Spalten oder Einschnitten der Ausfluss des zähen Schleimes in ihrer unteren Hälfte reichlicher erfolgt. Die etwas grössere Geschwindig- keit, welche die Masse dadurch hier erlangt, muss die Curven bedingen, welche die schönsten bis 0,05 m langen Stücke des Blätter- Traganths in hohem Grade charakterisireu. Bisweilen zeigt sich auch an fast farblosen durchscheinenden und gleichmässigen Stücken eine feine Längsstreifung, welche oft durch Luftblasen bedingt ist, die beim Aufquellen der Blätter zum Vorschein kommen. Die dünne und fast gerbstofffreie Rinde der Astra- galus-Arten lässt diese schönste Sorte fast farblos austreten. Die hornartige Masse ist sehr dicht, ohne Risse und nicht irisirend. Denselben Charakter bietet im Grunde auch die geringere Waare dar, welche als syrischer Traganth bezeichnet wird. Seine Schichten sind aber nicht getrennt, sondern zu mehr kugeligen, knolligen, traubenförmigen oder stalaktitenartigen Massen von bräunlicher oder gelblicher Färbung und beschränkter Durchsichtigkeit zusammengeflossen. Sehr oft haften noch Rindenstückchen an. Vielleicht sind diese Massen freiwillig ausgetreten. Griechenland erzeugt mehr faden- oder wurmförmigen Traganth, Tra- gacantha vermicularis (Vermicelli). Er besteht eigentlich nur aus schma- len Streifen von derselben Bildung wie die Blättersorte. Selten sind cylin- Tragacantha. 11 arische Stücke vorhanden, dagegen die fast bandartigen Streifen häufig in zierlichster Weise geknäuelt oder mehr traubenähnlich oder knollenförmig zusammengeflossen. Manche Stücke sind aber so ungefärbt und durch- sichtig, wie die des schönsten Blättertraganths, während sich dieser Faden- oder Morea-S orte auch oft gelblich bis fast braunröthlich gefärbte Klümp- chen beimischen. In sehr unförmlichen grossen grauen bis dunkelbraunen Knollen erscheint der sogenannte Traganton, die unreinste Sorte, welche aber durch ihre Schichtung und den Stärkegehalt auch noch das gemeinschaftliche Gepräge des Traganths zeigt. Zum Traganth gehört ferner das sogenannte Bassora-Gummi (siehe Seite 5). Der Traganth ist zähe schneidbar und lässt sich selbst nach dem Trock- nen nur schwierig pulvern. Unter dem Mikroskop zeigen die verschiedenen Traganths orten bei Be- feuchtung mit Wasser sehr verdickte geschichtete Zellen , in deren kleiner Höhlung sehr häufig nocli Gruppen kugeliger oder halbkugeliger Stärke- körner von etwa 1 5 bis 20 Mikromillimeter Durchmesser stecken. Durch längere Einwirkung von mehr Wasser quellen die Zellen stark auf, so dass zuletzt nur da und dort einzelne Streifen der Wand, sowie die Stärkekörn- chen sichtbar bleiben. Die letzteren sind in den geringsten Sorten, nament- lich im Traganton am häufigsten. Je weiter die Metamorphose fortgeschrit- ten, desto reiner ist das Produkt. Die Betrachtung des Traganths im polarisirten Lichte gewährt keine weiteren Aufschlüsse, da es sich hierbei nicht um Spannungen, sondern gerade um Auflockerung der Zellmembranen handelt. Bei der Traganthbildung scheint wohl das Amylum, soweit es nicht er- halten bleibt, die gleiche Veränderung zu erleiden, wie die Zellwände. Rührt man gepulverten Blätter -Traganth rasch mit viel Wasser an und filtrirt nach Kurzem, so zeigt Jod im klar ablaufenden Filtrate kein Amylum oder Dextrin an, während der auf dem Filtrum gebliebene Schleim sich stark bläut. In alkalischem Kupfertartrat erzeugt das Filtrat bei sehr gelinder Er- wärmung eine Reduktion, so dass also wohl eine geringe Menge von Zucker vorhanden zu sein scheint. Ludwig fand durch direktes Ausziehen mit Weingeist im wurmförmigen Traganth, nicht im blätterigen, Spuren von Zucker. Im Filtrate, das vollkommen klar vom Traganthschleime abläuft, erzeugt ferner Bleizucker sowohl als absoluter Alkohol einen Niederschlag von wirklich aufgelöstem Gummi, der ansehnlichere Theil des Traganths aber bleibt als nicht sehr trüber, schlüpferiger, doch nicht klebender Schleim zurück, der jedoch nach dem Trocknen sehr stark bindet. Noch mit dem fünfzigfachen Gewichte Wasser bildet der Traganth einen dicken Schleim, welcher, wie die Lösung des arabischen Gummis, Lakmuspapier röthet. Aber erst nach sehr langem Stehen verflüssigt sich der Schleim vollständig, indem er den Geruch der Buttersäure annimmt und die Zellenreste und 12 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Stärkekörner absetzt. Kochen mit wässrigen Alkalien , auch mit verdünn- ten Säuren führt rasch die gänzliche Verflüssigung herbei. Der von kaltem Wasser gelöste Theil des Traganths besteht, abgesehen von einer geringen Menge Zucker (und Dextrin ?) aus Gummi, das wegen seiner Fällbarkeit durch Bleizucker vom arabischen Gummi unterschieden werden muss. Das übrige dagegen kommt mit dem Bassorin überein, ist aber auch als Traganthin oder Adraganthin bezeichnet worden. Da das Gummi, wenigstens das Arabin, durch ein plus von H2-0- vom Bassorin O12H20Olü abweicht, so ist erklärlich, dass die Analyse des gan- zen Traganths nicht constante Zahlen geben kann. Denn' aus der Entste- hung desselben folgt von selbst, dass er ein der Hauptsache nach wechseln- des Gemisch von Bassorin und Gummi sein muss. Je weiter die Metamor- phose fortschreitet, desto mehr dürfte wohl das letztere zunehmen. Nach Guerin-Yarry und nach Bucholz soll dasselbe sogar mehr als die Hälfte ausmachen können. Bei der Unmöglichkeit, die Gränze zwischen eigentlicher Lösung und blosser Aufquellung zu ziehen, ist aber bis jetzt eine genauere Trennung von Gummi und Bassorin unausführbar. Das letz- tere ist nicht unlöslich , sondern nur schwer löslich. Schüttelt man Stücke des reinsten Traganths mit dem tausendfachen Gewichte Wasser tagelang, so lösen sie sich vollständig zu einer klar wenn auch langsam filtrirbaren Flüssigkeit, während die nicht umgewandelten Zellreste als leichte gar nicht ins Gewicht fallende Flöckchen zurückbleiben. Es kommt also sehr auf das Verhältniss des Lösungsmittels an. — Schmidt fand in ausgesuchtem Tra- ganth 1,75 pC. Asche, Guerin-Yarry 2,5, Löwenthal und Haus- mann (nach Abzug von Sand) 3,19 pC., worin über die Hälfte kohlensau- rer Kalk, auch gegen 3 pC. Phosphorsäure. Ausgesuchte Stücke des schönsten Blätter -Traganths, die ich während 4 Tagen einer mit W7asserdampf gesättigten Atmosphäre bei -f- 5° aus- setzte, nahmen nur 4,5 Feuchtigkeit auf. Dieselbe Waare, lufttrocken ge- nommen und bei 100° C. vollkommen ausgetrocknet, verlor 14,67 pC. Blätter -Traganth, zuvor bei 100° C. getrocknet, verbrannte langsam unter Beibehaltung seiner Form und Hess 3,16 pC. Asche. Während reinster Traganth geschmacklos ist, zeigen sich unreinere Stücke etwas bitterlich. Der Bitterstoff nebst einer Spur Zucker lässt sich, beide jedoch in äusserst geringen Mengen, durch kochenden Weingeist aus- ziehen. Die Bekanntschaft mit dem Traganth geht bis in das höchste Alterthum zurück. Theophrastus nennt schon im III. Jahrhundert v. Chr. Kreta, den Peloponnes und Nordpersien (Medien) als Vaterland. In Deutschland begegnen wir der Droge im zwölften Jahrhundert z. B. unter dem Namen Draganti. Manua. 13 Manna. Manna. Manne. Fraxinus Ornus L. — Oleaceae. Syn. Ornus europaea Persoon. Die Mannaesche ist ein kleines im nördlichen und östlichen Gebiete des Mittelineeres einheimisches Bäumchen, das aber auch in Mitteleuropa als Zierbaum gezogen und hier sogar noch stärker, bis 30 Fuss hoch wird. Durch die zahlreichen überhängenden gelblichweissen Blüthen- Rispen ge- währt derselbe im Frühjahr einen sehr schönen Anblick. Nicht das wildwachsende Bäumchen, sondern nur gewisse, fast aus- schliesslich in Calabrien und Sicilien durch Pfropfen erzielte und cultivirte Abarten derselben {Fraxinus rotundifolia Lamarck, Ornus rotundifolia Persoon) liefern die Manna. Diese letzteren sind z. B. in Griechenland, wo Fraxinus Ornus technisch benutzt wird, ganz unbekannt. Die ausgedehntesten Manna-Pflanzungen finden sich längs der Ostküste der drei calabrischen Provinzen, vorzüglich bei Cariati, Campana, Stron- goli, dann besonders bei Gerace (zwischen Castelvetere und Cap Sparti- vento), endlich auf Sicilien bei Capace, Cinesi, Fabarotta. Unter- Italien und Sicilien scheinen die Einführung der Manna- Cultur der arabischen Herrschaft im Mittelalter zu verdanken. Die Mannaesche wird in den Pflanzungen mehr buschartig gehalten, doch liefern erst kräftigere, ungefähr 8 Jahre alte und bis 20 Fuss hohe Stämmchen etwa 1 0 bis 1 2 Jahre hindurch eine lohnende Ausbeute, indem man immer wieder im Vorjahr unberührte Stellen oder Seiten der Stämm- chen in Angriff nimmt. An denselben werden während der Sommer- und Herbstmonate nach dem Aufhören des Blatttriebes in Menge Schnitte in die Rinde gemacht, aus welchen sich ziemlich reichlich und nicht eben sehr langsam der klare, zähe und süsse Saft ergiesst und entweder am Bäumchen selbst gesteht oder sich , über eingeschobene Eschenblätter oder Grashalme herabträufelnd, am Grunde auf hingelegten Blättern (oft von Opuntia) ansammelt. Aeltere Stämmchen, so wie die unteren Regionen der jüngeren geben einen unreineren, trotz des Nachtrocknens immer mehr oder weniger schmierig bleibenden Saft und nur die oberen Wunden jüngerer Stämme liefern ein reines klares, zu fast farblosen kantigen Stalaktiten von krystallinischem Gefüge erstarrendes Produkt. Die Menge und mehr noch die Beschaffenheit der Manna ist demnach sehr durch den Betrieb der Cultur bedingt, aber auch in hohem Grade von der Gunst der Witterung abhängig. Beständige trockene Wärme befördert nothwendig die regelmässige Erhärtung der am höchsten geschätzten, schon am Bäumchen erstarrenden reinen Stücke , vermuthlich aber überhaupt die reichlichere Bildung der Manna selbst. Es steht ausser Zweifel, dass die wild wachsende Mannaesche wie viele andere Pflanzen, auch freiwillig in geringer Menge Manna heraustropfen 14 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. lässt, namentlich wenn die verinuthlich gerade deshalb diese Esche liebende Cicada OrniL. (Tettigonia Orni Fabricius) die Blätter nnd die zarten Zweige derselben mit dem Saugrüssel ansticht oder vermittelst des Lege- stachels ihre Eier hineinsenkt. Die Körnchen der auf diese Weise ausge- flossenen Manna sind aber nicht Gegenstand des Grosshandels. Bei der beschriebenen Manna -Cultur spielt jene Cicade durchaus keine Rolle , sondern die vermehrte Bildung des süssen Saftes ist wahrscheinlich im Sinne von Wi gan d's 1) Ansichten die Folge einer Umbildung der Cellulose. Jedoch ist hier der Vorgang noch vollständig unaufgeklärt, und als ein- ziger höchst zweifelhafter Anhaltspunkt liegt nur das vielleicht bloss zufäl- lige, höchst spärliche Vorkommen von Stärke in der Manna vor. Nach Analogie der z. B. bei Tragacantha erörterten Erscheinungen dürfte freilich auch für Manna ein ähnlicher Ursprung anzunehmen sein. Der Handel liefert hauptsächlich zwei Sorten: 1) Stengelige Manna, Manna in Stücken, Manna longa, s. cannellata. Bei langsamem aber reichlichem und gleichmässigem Austreten des Saftes aus den oberen oder überhaupt aus jüngeren Stammtheilen entsteht diese Sorte , wenn ruhige warme Witterung zugleich das Eintrocknen befördert und kein Wind Schmutz herbeiführt. Der Saft erstarrt alsdann durch und durch krystallinisch in unregelmässig concentrischen sehr locker aufeinander folgenden Schichten von schwach gelblicher Färbung. In Folge des allmälig nachlassenden Aus- flusses entsteht eine sehr unebene oft fast kantige oder flach rinnenförmige Oberfläche , während die Innenseite der Stücke die flache Rundung nebst etwaigen kleineren Eindrücken oder Erhöhungen des Stammes wiedergibt und deutlich die Wege des zuerst ausgetretenen Saftes erkennen lässt. Die Masse dieser Stücke ist sehr locker, trocken, leicht brüchig und besonders in den zahlreichen Höhlungen mit Krystallsäulchen erfüllt. In schönster Waare erscheint diese Sorte als fast dreikantige oder bisweilen rinnenför- mige bis über 0,15 m lange und 3 — 4 Centimeter breite, von Rindenstücken freie, nur auf der Innenseite etwas gelbliche Stengel, aber keineswegs eigent- liche Röhren bildend. Was sich nicht leicht und in grösseren Stücken von den Stämmen wegnehmen lässt, wird abgekratzt und gibt die Manna can- nellata in fragmentis. In etwa 6 Theilen Wasser von gewöhnlicher Temperatur, in weniger heissem , löst sich die stengelige Masse zu einer klaren neutralen Flüssig- keit von rein süssem Geschmacke. Sie enthält neben dem Mannit nur ge ringe Mengen Zucker und Gummi. !) In Pringsheim, Jahrbuch für wissenschaftl. Botanik III. (1862) S.164. — In dem verschwindend kleinen unlöslichen Antheile stengcliger Manna finde ich so gut wie keine Amylumkümer, im Rückstande gewöhnlicher Sorte da und dort allerdings einzelne sehr grosse Körner , deren Abstammung aber doch erst noch zu erforschen wäre. In beiden Sorten at verhältnissmässig in grosser Menge nur wenige Mikromillim. grosse Körnchen, welchen Jod eine gelbe Farbe ertheilt (Hefezellen? Proteiustoffe?), so wie Pilzfäden von schwach violetter Färbung. Manna. 15 2) Weiche Manna, M. in Klumpen, Manna communis s. pinguis, geineine oder fette Manna. Aeltere Stämme , überhaupt die älteren unteren Theile auch jüngerer Bäumchen liefern nicht mehr den reinen fast aus- schliesslich Mannit enthaltenden, sondern einen mit mehr oder weniger be- deutenden Mengen von Gummi und gährungsfähigem Zucker gemischten Saft, welcher ausserdem noch verschiedene Unreinigkeiten einschliessen kann. Die ungünstigere Witterung des Spätsommers und Herbstes befördert in hohem Grade diese Veränderung in der Zusammensetzung des Saftes, wodurch derselbe die Fähigkeit, zu einer wenig gefärbten trockenen zer- reiblichen und ganz krystallinischen Masse zu gestehen, verliert. Nur ein- zelne kleinere oder grössere Körner oder Klumpen der letzteren erscheinen alsdann eingebettet in der im übrigen weichen schmierigen und missfarbi- gen Manna, die nun auch einen schleimigen kratzenden Beigeschmack zeigt. Das Yerhältniss der einzelnen Gemengtheile dieser weichen Manna wechselt sehr in den verschiedenen Sorten dieser Art, wovon die besseren als Manna granulosa, Manna calabrina, M. in sortis, M. Capace oder Ge- race, M. vulgaris bezeichnet zu werden pflegen. Herrschen Zucker und Gummi noch mehr vor und gesellen sich beträchtliche Mengen von Unrei- nigkeiten bei, so heisst die Waare Manna crassa, M. spissa, M. sordida oder vorzugsweise Manna pinguis. Yorwaltender Bestandtheil , wenigstens der besseren Mannasorten ist der Mannazucker oder Mannit 06H1406, der auch, obwohl bei weitem spar- samer in vielen andern Pflanzen1) vorkommt und künstlich durch direkte Reduktion des gewöhnlichen Zuckers vermittelst Natrium-Amalgams oder indirect bei der Gährung desselben entsteht. Er ist isomer mit Dulcit (Me- lampyrin. Evonymin.). Der Mannit krystallisirt in glänzenden Prismen oder Tafeln des rhombischen Systems, schmilzt bei 165° und kann in sehr klei- ner Menge bei grosser Vorsicht unzersetzt sublimirt werden. Er löst sich bei gewöhnlicher Temperatur in 6 Th. Wasser, schwieriger in wässerigem und sehr wenig in absolutem Weingeist, nicht in Aether. Die Lösung dreht die Polarisationsebene nicht und erleidet durch Kochen mit verdünnten Säuren oder Alkalien oder mit alkalischem Kupfertartrat keine Veränderung. Berthelot hat gezeigt, dass der Mannit gährungsfähig ist, wenn auch nicht so leicht wie die zu den Kohlehydraten gehörigen Zuckerarten. Mit feuchtem Platinmohr gemengt, erhitzt sich der Mannit sehr stark und liefert unkrystallisirbare Mannitsäure O6 H12 O7 und Mannitose, einen dem Trau- benzucker höchst ähnlichen und damit vermuthlich isomeren, jedoch optisch unwirksamen Zucker, der noch nicht krystallisirt erhalten wurde. Mit Salpetersäure gibt der reine Mannit weder Weinsäure noch Schleim- säure, sondern Zucker- und Kleesäure neben etwas Traubensäure. Bei der trockenen Destillation werden Acrolein, Ameisensäure u. s.f. erhalten. *) In der gleichen Familie z. B. in den Blättern von Phillyrea, Syringa, Ligustruni, sowie in den unreifen Oliven. 16 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Das gesammte chemische Verhalten des Mannits weist demselben eine Stelle in der Classe der Alkohole an; er ist am nächsten mit dem Glycerin vergleichbar. Der Mannitgehalt der besten Manna schwankt zwischen ungefähr 60 bis über 80 pC. Wird eine Mannalösung mit alkalischem Kupfertartrat versetzt, so tritt schon in der Kälte sehr bald Reduction von Kupferoxydulhydrat ein, ver- anlasst durch die Gegenwart eines eigentlichen Zuckers, welcher nach B ack- haus gewöhnlicher Rechts- Traubenzucker ist. Er kann bis 16pCt. betra- gen und kömmt schon in der frischen Manna vor, am reichlichsten in den schmierigen Sorten, aber immer auch in den besten stengeligen. Bleizucker schlägt aus Mannalösung die Bleiverbindung eines darin vor- handenen schleim- oder gummiartigen Stoffes nieder, welcher auch durch Fällung mit Weingeist erhalten werden kann. Backhaus, wie früher Leuchtweiss, fand diesen Schleim (in der Verbindung mit 3 PbO) der Formel Gl2H16-0-10 entsprechend, also von gewöhnlichem Gummi abwei- chend und dem Leinsamenschleime nahe kommend. Dieser Stoff gibt bei der Behandlung mit Salpetersäure Schleimsäure, welche sich daher unter den Oxydationsprodukten der Manna oder des unreinen Mannits findet. Die Menge dieses Schleimes oder Gummis scheint immer nur wenige Procente zu betragen. Nicht bedeutender ist die Summe der Aschenbestand- theile in der Manna. Aether nimmt aus wässeriger Mannalösung eine sehr geringe Menge rothbraunen widrig riechenden und kratzend schmeckenden Harzes auf, begleitet von Spuren einer Säure, welche Silbersalze reducirt und leicht zu verharzen scheint. Der Wassergehalt der geringeren Mannasorten beläuft sich leicht auf 10 bis 15 pC. Die grünliche Färbung einzelner Mannaproben wurde von Kupfergehalt abgeleitet, bis Gmelin sie wegen der Fluorescenz ihrer Lösungen dem Aes- culin zuschrieb. Sie ist bedingt durch einen dem letzteren sehr ähnlichen Körper Fr ax in (Fraxinin, Paviin) G-16 H18 G10 , welcher der Rinde der Mannaesche, sowie auch derjenigen der gewöhnlichen Esche angehört und, neben Aesculin, auch in Aesculus Hippocastanum und Pavia rubra L am. enthalten ist. Das Fraxin krystallisirt in weissen schwach gelblichen Pris- men von schwach herbem und bitterem Geschmacke , die sich in heissem Wasser und Weingeist leicht lösen. Verdünnte Säuren spalten es in Fraxe- tin O10H8O5 und 06H1206 (Zucker). Die Gegenwart einer kleinen Menge dieses Fraxin s verräth sich durch das allerdings nur schwach bläuliche Schillern der Manna -Auflösung, na- mentlich bei den geringsten Sorten. Lässt man aus einer concentrirten Auf- lösung in der Kälte den meisten Mannit anschiessen und richtet nun ver- mittelst einer gewöhnlichen Sammellinse einen Lichtkegel unter die Ober- fläche der Flüssigkeit, so zeigt sich die Fluorescenz am deutlichsten. Steu- gelige Manna pflegt frei von Fraxin zu sein. Manna. 17 Die (richtiger das) Manna der Bibel ist, wie schon Ritter (Erdkunde XIV. S. 665—695) in anziehender Weise erörtert und neuerdings wieder Tischendorf1) überzeugend bestätigt hat, die durch Stiche einer Schild- laus, Coccus manniparus Ehrenberg, hervorgerufene Ausschwitzung der zarten Zweige des Tarfa Strauches, Tamarix gallica Var. mannifera Ehren- berg. Der etwa 20 Fuss hohe Strauch kommt auch anderwärts im Oriente vor2), gibt aber nur in der Sinaitischen Wüste Manna und zwar auch hier gerade nur an der von den Israeliten auf dem Auszuge aus Aegypten berühr- ten Stelle. Die glänzend weissen honigdicken Tropfen dieser eigenthümlich angenehm riechenden Tamarisken-Manna träufeln in der Sonnenwärme des Juni und Juli von den obersten Zweigen herunter, werden von den Leuten des St. Katharinaklosters am Sinai in lederne Schläuche gesammelt und seit Jahrhunderten theils genossen, theils den Sinaipilgern theuer verkauft, da die ganze Ernte im günstigsten Jahre nur 500 bis 600 Pfund beträgt. Auf Brot schmeckt diese Manna trefflich. Sie enthält, von vielem Wasser abgesehen, nach Berthelot 55 pC. Rohrzucker, 25 pC. Invertzucker, 20 pC. Dextrin und Umwandlungsprodukte desselben, welche letzteren wohl auch hier auf einen den oben erwähnten Ansichten Wigand's entsprechen- den Yorgang deuten. Manche ganz anderen Familien als den Oleaceen angehörige Pflanzen sondern, zumal in wärmeren Gegenden, ebenfalls süsse Säfte aus, welche da und dort wenigstens als Zuspeise genossen werden oder zum Arznei gebrauche dienen. So z. B. die strauchige Leguminose, Alhagi Maurorum Tournefort (Hedysarum Alhagi L.) in Aegypten, Syrien, Arabien, Nordost- Persien bis Buchara. Die grünlich gelben Brote, welche aus dieser Manna geformt werden, riechen nach Senna, schmecken süss und wirken leicht ab- führend. In Persien, wo dieses Produkt Terengebin (Feuchthonig) heisst, ersetzt es unsere Manna und wird sogar Kameelen verfüttert3). In Mesopotamien (Diarbekir), Kurdistan und Persien schwitzen Zwerg- eichen, besonders Quercus infectoria (vergl. bei Gallae halepenses), Q. mannifera Kotschy, Q. Aegilops , Q. coccifera L., eine angenehm süsse körnige Manna aus, welche für den Küchengebrauch gesammelt wird. Ihre Zusammensetzung entspricht der Tamarisken-Manna. In sehr reichlicher Menge geben einige auf dem australischen Continente, sowie auf Tasmania häufige Eucalyptus -Arten, besonders E. dumosa Cun- ningham, E. mannifera Mudie, E. resinifera Smith, die sogenannte, seit etwa 1832 bei uns bekannte Lerp-Manna, welche zu gewissen Zeiten die Sträucher (shrub) dieser Myrtaceen ganz bedeckt und durch den Stich von Blattläusen (Psylla) hervorgerufen wird. Sie sieht der Eschenmanna sehr !) Aus dem heiligen Lande. Lpzg. 1862. S. VI u. 54. 2) Z. B. in Persien und hier höchstens bei Isfahan und in der Provinz Kerman etwas Manna gebend. (Polak). 3) Ueber diese und noch andere persische Manna-Arten vergl. Polak, Persien, das Land und seine Leute. Lpzg. 1865. Bd. II. S. 278 ff. Flückiger, Pharmakognosie. 2 18 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. ähnlich, schmeckt weniger süss und gibt mit Wasser gekocht eine trübe schleimige Auflösung, in welcher nach Hanbury durch Jod eine tiefblaue Färbung hervorgerufen wird. An Aether tritt sie etwas Wachs ab. Die Lerp-Manna enthält nicht Mannit, sondern Berthelot zufolge einen eigen- tümlichen rechts rotirenden Zucker Melitose O12 H22 Q11 -f- H20 (bei 100°), der alkalisches Kupfertartrat nicht verändert. Mit Bierhefe in Be- rührung erleidet die Melitose die Weingährung, aber nur zur Hälfte, indem hierbei ein nicht gährungsfähiger Zucker, das syrupartige Eucalyn 06H1206 frei wird. Auch verdünnte Schwefelsäure zerlegt die Melitose in gleiche Theile Traubenzucker und Eucalyn. — Die Manna der einzelnen Eucalyp- tus-Arten scheint jedoch nicht übereinstimmend zu sein. Auch Coniferen schwitzen ganz eigenthümliche Zuckersäfte aus. So in bedeutender Menge die kalifornische Pinus Lambertiana Douglas den hauptsächlich aus Pinit ü12H24010 bestehenden Fichtenzucker. In gerin- gerer Menge liefern kleinasiatische Cedern die Cedern- Manna. In der sehr seltenen l) sogenannten Manna von Brian^on (Departement des Hautes Alpes), welche an Larix decidua, der gemeinen Lärche, entsteht, hat Berthelot gleichfalls einen besonderen nur schwierig gährenden Zucker G12 H22 -Q11 (bei 110°), die Melezitose, nachgewiesen. Im Ural sondert derselbe Baum das sogenannte Orenburgische Gummi aus, das möglicherweise eine ähnliche Zusammensetzung besitzt. Endlich führen auch süss schmeckende Auswüchse verschiedener Art oder ganz andere Gebilde den Namen Manna. So die Trehala2) oder Tri- cala, eine den Galläpfeln nicht ganz unähnliche Auftreibung, welche in der syrisch-mesopotamischen Wüste durch den Stich von Rüsselkäfern, beson- ders von Larinus subrugosus Chevrolat (Coleoptere) auf einem Echinops entsteht. Berthelot hat auch hier einen eigenthümlichen Zucker Treha- lose O12H22011 (bei 100°) gefunden, den er später identisch mit Mycose (vgl. bei Seeale cornutum) erklärte. In noch grösserer Menge, bis über 66 pC., enthält jedoch die Trehala Stärke, auch 4,6 pC. Gummi und die Cocons der Käfer. Im Neugriechischen heissen die als Naschwerk beliebten Wurzel- knöllchen von Cyperus esculentus L., welche im Wüstenboden Aegyptens trefflich gedeihen, auch Manna. Nach dem oben über die Tamarisken- oder Tarfa- Manna angeführten ist es nicht wahrscheinlich, dass diese Knollen die biblische Manna sind. Dasselbe gilt auch von den merkwürdigen kleinen Manna-Flechten, Lecanora esculetita Eversmann und L. affinü Ev. (Parrnelia Acharius), welche in den Wüsten und Steppen Nordafrikas, Südrusslands und Hochasiens oft massenhaft vorkommen und vom Winde i) Mit Mühe vermochte sieh Hanbury an Ort und Stelle Proben davon zu verschaffen. Pharm. Journ. und Transact. VI. p. 248. 2) Abgebildet in liuchner's N. Repertor. VIII. S. 535 (1859), sowie in Moquin- Tandon, Zoolog, medic (1860) p. 138. Gutti. 19 weithin getragen werden. Sie sind erdig, quellen im Wasser auf und schmecken dann fade, etwas an Pilze erinnernd. Kalkoxalat und eine theil- weise lösliche Form der Cellulose (vergl. bei Liehen islandicus) scheinen die Hauptbestandteile dieser Flechten1) zu sein, welche ein geringes Nahrungsmittel abgeben. Gutti. Gummi-resina Gutti. Cambogia. Gummigutt. Gommme-gutte. Gamboge. Garcinia Morella Desrousseaux. — Clusiaceae. Syn. G. elliptica Wallich. G. Gutta Wight. Hebradendron gambogioides Graham. Von diesem bis 50Fuss hohen Baume, der in Siam, in den Wäldern Ceylons, auch wohl in Vorderindien einheimisch ist und in einer Varietät (ß. pedicellata) mit gestielten männlichen Blüthen auf Singapore eultivirt wird, leitet Hanbury (1864) das Gutti ab und löst endlich, wie es scheint mit zureichenden Gründen, die früheren Zweifel über die Stamm- pflanze dieser Droge. Clusius erhielt 1603 durch den Holländer Garet zuerst dieses Pro- dukt als Flechtenmittel unter dem Namen Ghittajemon aus China und beschrieb es 1 605, worauf es bald Eingang in den Arzneischatz fand. Ueber die Gewinnung des Gutti in Hinterindien liegen ungenügende Berichte von König aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts vor, die der- selbe in Indien von einem Missionär aus Cochinchina erhalten hatte. Hier- nach würde der beim Brechen der Zweige reichlich austretende Milchsaft auf Blättern oder Cocosschalen aufgefangen und in irdenen Schalen ein- getrocknet. Nach Walker und Graham werden auf Ceylon vielmehr grosse Streifen der Stammrinde abgeschält und der Saft am Baume selbst erhärten gelassen. Laut den neuesten Erkundigungen von Schomburgk (1861) wird in Cambodscha der in Folge von Einschnitten ausfliessende Saft in Bambusröhren aufgefangen und diese nach dem Trocknen zerschlagen. Hiermit stimmt nun auch die Form der jetzt vorzugsweise zu uns gelan- genden Waare überein, deren bis armsdicke walzenförmige Stücke gewöhnlich Längsstreifen zeigen, welche sehr wohl von jenen Röhren herrühren mögen. Bisweilen sind sie in Blätter eingerollt und zu mehreren verklebt. Auch kömmt wenigstens diese beste Sorte nach allen Berichten aus den östlichen Ländern der hinterindischen Halbinsel, nach einigen aus Gebirgswäldern der Ost-Küste des Golfes von Siam unweit Schantibun (Tschentabon). Eine geringere Sorte soll auch, wie die Benzoe, aus Laos stammen. Die Haupt- ausfuhrplätze sind Singapore, Penang und Canton. !) Vergl. darüber Wittstein's Vierteljahrsschrift X. S. 86, oder Wiggers' Jahres- bericht 1860 S. 45, auch Journ. de Pharm. Vol. 37, p. 413 und Ausland 1864 S. 886, 959. 2* 20 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Das walzenförmige Gutti ist sehr dicht und vollkommen gleichförmig, von schön rothgelber, auf der bestäubten Oberfläche fast etwas grünlich- gelber Farbe und bricht sehr leicht und grossmuschelig glänzend. Selbst kleine Splitter sind kaum durchscheinend. Es ist ein Gemenge von Harz mit wenig Gummi, das indessen doch hinreicht, um sofort bei der geringsten Benetzung das erstere in klebrige gelbe Emulsion zu bringen. Das Harz löst sich in Weingeist sehr leicht mit schön gelbrother Farbe zur klaren Flüssigkeit, welche zwar nicht oder nur schwach sauer reagirt, aber mit Ammoniak und fixen Alkalien dunklere klare Lösungen, mit Blei- essig eine reichliche Fällung gibt. Eisenchlorid färbt die Lösung der „Cambogiasäure" tief braunschwarz. Die Formel dieser Harzsäure steht noch nicht fest. Beim Schmelzen des gereinigten Guttiharzes mit Kali erhielten Hlasiwetz u. Barth (1866) neben Fettsäuren nnd eigen- thümlichen Säuren auch ungefähr 1 pC. Phlorogluzin (siehe bei Kino). In dem von Weingeist nicht gelösten Gummi zeigt das Mikroskop nur ganz unbestimmbare Andeutungen von Pflanzentheilen und keine Stärkekörner. Geringere Guttisorten in Klumpen oder Kuchen, welche indessen bei uns seltener gehalten werden, enthalten verschiedene fremde Beimengungen, worunter nach Christison auch gewöhnlich etwas Amylum. Doch kömmt auch die geringste Waare oft in Walzenform vor und zeigt sich porös, von schmutzig gelber Farbe. Gutti schmeckt brennend scharf und äussert schon bei wenigen Grammen sehr gefährliche Wirkungen von kaum geringerer Intensität als die des Crotonöles. Vergiftungsfälle, welche durch die berüchtigten Morisonpillen veranlasst werden, dürften meist auf Rechnung des Gutti zu schreiben sein. Ob verschiedene, nur in Indien und China, zum Theil auch als Farb- stoff verwerthete Gutti- Sorten von andern Bäumen abstammen und abwei- chende Eigenschaften zeigen, ist noch nicht genügend ermittelt. Asa foetida. Gummi-resina Asa foetida. Asant. Stinkasant. Teufelsdreck. Ase fetide. Asafoetida. Scorodosrna1) foetidum Bunge. — Umbelliferae-Peucedaneae. Syn. Fcrula Assa foetida L. Diese bis über 2 m hohe mächtige, schön gelb blühende Dolde wächst gruppenweise und in den wenigen Wochen der Dauer ihres steif aufrechten Stengels auf unabsehbaren Strecken förmliche Wäldchen bildend, in den Steppen zwischen dein persischen Meerbusen und dein Aralsee und zwar i) Skörodon Knoblauch, osm^ Gernch. Asa foetida. 21 ausschliesslich auf kieselsancligem *) Boden mit wasserdichtem, salzreichem Untergrunde. Im Südwesten Persieus, im Berglande der Bachtijari2) (Pro- vinz Luristan), sowie in der Gegend des alten Persepolis erreicht Scoro- dosma nicht ganz das nördliche Gestade des persischen Busens und hält sich hier mehr an Hochregionen von ungefähr 1000m über Meer, während die centralpersischen und aralo-caspischen Hauptstandorte mehr im Norden sich sehr bedeutend senken und z B. am Nordostufer des Caspimeeres tiefer liegen als der Meeresspiegel. Zwischen Caspi- und Aral-See, in der Hochsteppe Ust-ürt, fehlt Scorodosma, findet sich aber von den persischen Südwestprovinzen Luristan und Farsistan an, durch ganz Persien bis gegen das untere und mittlere Gebiet des Ssyr-Darja (Jaxartes) und von hier süd- ostwärts über Samarkand hinaus noch an den Abdachungen des Pamir (westlich vom Belut-Tag). In Chorassan (bei Turschiz), Herat und Chiwa scheint die Pflanze am massenhaftesten vorhanden zu sein. Wo der Kiesel- boden in die vegetationsarme Lehmwüste übergeht, fehlt Scorodosma und ist durch andere verwandte Urnbelliferen, vorzüglich Ferula persica Willd., ersetzt. Den Ssyr-Darja überschreitet das Scorodosma nicht. Die fleischige, stark beschopfte Wurzel, einfach von der Gestalt und Grösse einer Rübe oder schenkeldick und sparrige Aeste aussendend, ent- wickelt sich während einer Reihe von Jahren und treibt alljährlich einen blaugrünen, flaumigen Blätterbüschel, aber zuletzt erst, um Buchara z. B. gegen Ende März, den blühbaren, wenig beblätterten Stengel. Schon in der Mitte des April erreichen die behaarten Früchtchen ihre Reife; die Stengelblätter und die grossen wiederholt dreitheiligen Wurzelblätter werden schlaff und im Mai stirbt die ganze Pflanze vollständig ab. Der welke Stengel erhält sich noch einige Zeit und rings herum gehen bald wieder neue Blätterbüschel auf. Die Blätter werden von den Schafen sehr gerne gefressen, ertheilen aber der Milch den unerträglichen Asantgestank. Doch werden die zarteren Theile der Pflanze z. B. von den Afghanen als Lecker- bissen genossen. Die bräunlichgelbe bis violette Wurzel der Asantpfl anze ist sehr fleischig und von zahlreichen Milchgefässen durchzogen, welche zu starken in mehrere Kreise geordneten Bündeln zusammengestellt3) und besonders im Frühjahr sehr saftreich sind. Auch die übrigen Theile der Pflanze enthalten die- selben Saftgefässe, wenigstens finden sich an den Doldenstielen auch erhär- tende Tröpfchen von gelbrother Farbe und fürchterlichem Asantgeruche. Es scheint demnach das ätherische Oel in der Pflanze schon fertig gebildet vorzukommen und nicht erst wie andere schwefelhaltige Oele in Folge von !) In der Asa foetida in Klumpen findet sich häufig auch kohlensaurer Kalk in Menge. 2) So deutet ßorszczow den von Kämpfer angegebenen Standort, der also nicht, wie vielfach geschieht, nach den Südprovinzen (Laristan und Farsistan) Persiens zu verlegen wäre. 3) Nach dieser Schilderung Borszczow's muss die Bildung des Gummiharzes ganz vorzüglich in die Bastschicht der Wurzel verlegt werden und nicht, wie Wigand (Prings- heim's Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik III. S. 147) vermuthet, in das Mark. 22 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Zersetzungen aufzutreten. Grössere braune Harz -Klumpen pflegt der ansehnlich aus dem Boden hervorragende Wurzelschopf zu bergen. Der ekel- hafte in der Nähe kaum erträgliche Geruch erhält sich auch nach dem Absterben noch lange in der Wurzel. Die Pflanze führt im aralo-caspischen Gebiete den Namen stinkendes Rohr (Keurök-Kurai), bei den Persern Anguzeh, woraus unser Asa entstanden zu sein scheint,1) sowie auch das chinesische Awei. Nach Kämpfer' s älteren Berichten wird zur Zeit des Abblühens der Stengel und Wurzelschopf der etwa 4 jährigen Pflanze weggeschnitten, aber der Wurzelkopf zum Schutze vor der Sonne wieder mit Blättern und Erde gedeckt, nachdem er innerhalb der Hülle blos gelegt worden. Erst nach Monatsfrist wird nun der Wurzelkopf angeschnitten, wieder bedeckt und am zweitfolgenden Tage das ausgetretene erhärtende Gummiharz gesam- melt, worauf in gleichen Zwischenräumen von derselben Wurzel noch zweimal Querscheiben abgeschnitten werden. Nach dieser dreimaligen Aus- beutung lässt man die Wurzel 10 Tage ruhen und schneidet sie alsdann wieder wie angegeben dreimal an. Diesen beiden Operationen folgen in gleichen Abständen noch zwei weitere von je 3 Schnitten. Mit diesen auf Luristan bezüglichen Angaben stimmen ungefähr die neuesten Berichte Bellew's2) (1863) sowie Cook e's3) aus Afghanistan überein, welche aber eine andere gleichfalls Asant gebende Umbellifere, N arthex Asa foetida Falconer betreffen. Hiernach werden im April und Mai um Herat und Furrah auch jüngere noch stengellose Wurzeln bearbei- tet, nachdem rings um dieselben eine kleine Grube gemacht ist. Die ge- waltige Wurzel, welche weit über den Boden hervorzuragen scheint,4) wird in Zwischenräumen von 3 — 4 Tagen an mehreren Stellen angeschnitten, worauf der Saft während 7 bis 15 Tagen unaufhörlich ausfliesst und theils an den oberen Theilen zu Körnern erstarrt, theils sich rings um die Wurzel in der Grube massig ansammelt. In der Zwischenzeit während dieser Be- handlung der Wurzel wird dieselbe durch Blätter, Zweige oder Gras vor dem allzu raschen Vertrocknen geschützt. Je nach ihrer Grösse wechselt die Ausbeute bei einer einzelnen Wurzel von wenigen Unzen bis zu ein paar Pfunden. Nach Cooke wird immer an Ort und Stelle Gerstenmehl oder Gyps zugesetzt und nur das feinste Produkt, das aus dem Centrum des Blattbüschels junger Wurzeln gewonnen wird, unverfälscht und zu weit höherem Preise zu Markte gebracht. Nach dem nordwestlichen Indien ge- *) Polak, in der bei Mamia angeführten Schrift II. S. 282. — Andere leiten, nicht viel einleuchtender, von Laser ab und dieses wieder von Silphion, Silphi, Sirphi, Sirpe, woraus lac serpicium und zuletzt laserpitiura. Vergl. Schroff in Buchner's N. Repertor. XI. S. 145 über Silphium. 2) Wittsteins Vierteljahrsschrift XIII S. 233. 3) Pharm. Journ. und Transact. V. p. 583. (1864). 4) wie sich aus der bildlichen Darstellung der Asantgewiunung im Pereira' scheu Ma- nual of Materia medica von Farre (London 1865 p. 373) ergibt. Asa foetida. 23 langt aus diesen Gegenden jährlich für 2200 Pfd. Sterling Asa foetida, die hier meist zu Küchenzwecken dient. Borszczow hat im Aralgebiete die Gewinnung der Droge nicht ge- sehen. Aus Persien geht der Asanttheils (wie bei Flores Chinae erwähnt) über das Caspi-Meer nach Astrachan zur grossen Messe von Nischnei-Nowgorod, oder über Bombay nach Europa, theils auch durch das Rothe Meer nach Aegypten. Der Betrag der letzteren Ausfuhr über Dschedda erreicht etwa 4000 Francs jährlich. Der weisse Milchsaft des Scorodosma nimmt an der Luft sehr bald eine oberflächliche zart rothe , dann roth violette, später in braun übergehende Farbe an, welche sich in der käuflichen Waare nach dem Trocknen nur bis zu geringer Tiefe fortgeschritten zeigt, so dass der wachsglänzende Kern weiss bleibt. Die beste Sorte , Asa foetida in granis , erscheint weniger häufig im Handel und besteht aus sehr ungleichen meist gelblichen oder braunen, ganz unregelmässig abgerundeten, bis etwa 0,03 m grossen Körnern oder mehr abgeplatteten Stücken, welche je nach dem Grade ihrer Weichheit etwas zusammenkleben oder nicht. Im Innern sind sie wie Wachs schneidbar, in nur wenig höherer Temperatur erweichend und klebend, in der Kälte spröde und ein Pulver liefernd, das mit Wasser leicht eine Emulsion giebt. Die reinsten Körner zeigen sich unter dem Mikroskop vollkommen gieichmässig aus feinen Tröpfchen gebildet und hinterlassen beim Verbrennen nur sehr wenig Asche. Die gewöhnlichere Sorte, Asa foetida amygdaloides, s. in massa, ent- hält in einer mehr körnigen Grundmasse einzelne grössere oder kleinere der vorigen Sorte entsprechende Stücke eingebettet, begleitet von mancherlei fremden Beimengungen, welche oft die Hälfte des Gewichtes betragen. Sie bestehen aus Erde, kohlensaurem Kalk, krystallisirtem Gyps und verschie- denartigen Pflanzentheilen1). Die Farbe der ganzen Masse wechselt sehr von schmutzigem Grau bis dunkel violettbraun. Oft sind die Mandeln oder Körner etwas heller, bisweilen fehlen sie auch fast. Im Innern ist die Masse sowohl als die der Körner oder Mandeln milch weiss, an der Luft sehr bald schön röthlich anlaufend, dann braun bleibend. Das Auftreten der rothen Färbung wird nicht durch Wasser, wohl aber durch Chlor beschleunigt, während Salzsäure und noch besser Salpetersäure eine stellenweise prächtig malachitgrüne Färbung hervorrufen. Wird Asa foetida mit Yitriolöl ange- rieben, der Brei verdünnt und die wenig gefärbte Lösung neutralisirt, so nimmt sie eine schöne Fluorescenz an , wie dies bei gleicher Behandlung bei manchen organischen Stoffen der Fall ist. Der höchst unangenehme Geruch des Stinkasants erinnert an Knob- lauch. Der Geschmack ist sehr widerlich, scharf bitter und aromatisch, 1) Es dürfte doch wohl schwer fallen, hier den Beweis zu führen, dass ein Uebergang des Gewebes in Gummibarz vorliege, wie Wigand annimmt. 24 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. lange anhaltend. Meist zeigt sich die zweite Sorte in Geruch und Ge- schmack kräftiger als die Körner. Der Geruch der letzteren erinnert bei •vorsichtigem Schmelzen bisweilen etwas an Benzoe. Der Asant besteht aus Harz, Gummi und ätherischem Oele in wechseln- der Menge, welche das Verhalten der Droge zu den Lösungsmitteln bedingt. Auch die in den ümbelliferen vielverbreitete Aepfelsäure fehlt nicht und das wässerige Destillat hält Essig- und Ameisensäure. Zucker lässt sich in dem Gummiharze nicht nachweisen. Nur das ätherische Oel der Asa ist näher untersucht. Es beträgt etwa 3 bis gegen 5 pC., das Harz meist über die Hälfte der Waare. Seines Schwefelgehaltes wegen muss das Asa-foetida-Oel aus Glasge- fässen destillirt werden. Es ist hellgelb, von höchst widrigem sehr durch- dringendem und lange haftendem Asantgeruche , ohne Reaction auf Lakmus, schmeckt erst milde, dann kratzend und wirkt äusserlich nicht scharf wie das Senföl. In Wasser ist das Asa-Oel etwas löslich. Es nimmt an der Luft saure Reaktion an; verändert seinen Geruch und gibt, wie übrigens auch schon das Gummiharz selbst, Schwefelwasserstoff aus. Frisch ist das Oel sauerstofffrei; es beginnt bei 135 — 140° zu sieden, aber unter fortwährender Entwickelung von Schwefelwasserstoff, so dass selbst Hla- siwetz die Darstellung eines Oeles von bestimmter Zusammensetzung nicht gelang; der Schwefelgehalt wechselte von 20 bis 25,4 pC. Es scheint ein Gemenge von Schwefelverbindungen eines Radikals 06Hn zu sein, dessen Beziehungen etwa zum Allyl G3H5 (vergl. bei Senföl unter Semen Sinapis nigrae) noch weiterer Aufklärung bedürfen, welcher der unerträg- liche Geruch des rohen Oeles sehr im Wege steht, Das Asa-Oel liefert bei Behandlung mit Oxydationsmitteln ausser Oxalsäure die Säuren der Fett- säurereihe bis zur Baldriansäure; Kalium bildet mit dem Oele unter Gas- entwickelung Schwefelkalium, nach dessen Zersetzung durch Essigsäure das rückständige Oel nun Zimmtgeruch besitzt. Das Harz der Asa besteht grossentheils aus der (1866) von Hlasiwetz und Barth entdeckten F er ula säure O10 H10 O4, welche in irisirenden rhombischen Nadeln krystallisirt und sich in kochendem Wrasser löst. Mit Kali geschmolzen liefert sie Oxalsäure, Kohlensäure, Fettsäuren und auch Protokatechusäure. Von der Ferulasäure ist die oben erwähnte Fluoresenz der schwefelsauren Asa -foetida -Lösung bedingt. Das Harz selbst gibt in gleicher Weise ausserdem auch Resorcin wie Galbanum (S. 28), wenn es zuvor durch Weingeist und Wasser vom Gummi befreit war. So gerei- nigtes Harz gibt beim Schmelzen für sich grün, blau, roth bis violett ge- färbte Oele. Bei der unter Radix Sumbul angegebenen Behandlung gewinnt man aus dem Harze etwa U,28 pC. Umbelliferon. Es bleibt noch zu untersuchen, ob zwischen den Produkten von Scoro- dosma und von Narthex ein chemischer Unterschied besteht. Der Asant ist vermuthlich im Orient seit sehr langer Zeit gebräuchlich und war auch den arabischen Aerzten des XIII. Jahrhunderts, nicht aber Asa foetida. 25 den alten Griechen und Römern bekannt. Nach Borszczow wenigstens ist es durchaus zweifelhaft, dass das Silphion oder Laser der Alten unserer Asa entsprach. Die europäischen Berichte des XVI. und XVII. Jahrhun- derts über die Pflanze und ihr Produkt sind mangelhaft bis auf Kämpfer, den deutschen Reisenden, welcher 1684 in Südwestpersien die Gewinnung des Gummiharzes sah und die Pflanze als Asa foetida Disgunensis *) beschrieb. Linne nahm sie später als Ferula Assa foetida auf. Nach Borszczow2), welcher 1857 und 1858 die aralo-caspischen Länder durchzog und interessante Nachforschungen über die Asa foetida anstellte, lässt sich aus Kämpf er's Nachforschungen und Angaben mit Bestimmt- heit die Identität seiner Pflanze mit Scorodosma foetidum erweisen. Die Pflauze wurde erst .1841 durch Lehmann östlich von Samarkand wieder aufgefunden, 1846 von Bunge veröffentlicht und 1858 und 1859 von dem Letzteren selbst in Persien beobachtet. Inzwischen hatte Falconer 1838 in Kaschmir eine riesige nachStink- asant riechende Umbellifere gefunden, 1846 als Narthex Asa foetida be- schrieben und mit Kämpfer 's Asantpflanze identisch erklärt. Schon der blattlose Stengel unterscheidet jedoch Falconer's Pflanze hinlänglich von Scorodosma. Aber es ist sehr wohl möglich, dass Narthex in der That, wie oben nach Beilew undCooke angeführt, diejenige Asa foetida ganz oder zum Theil liefert, welche aus Afghanistan und dem Pandschab nach Indien geht. Schon Ritter hatte angegeben, dass Asa foetida aus Sind (am unteren Indus) mit Ochsenkaravanen nach Marwar (oder Joudpoor) in Radschputana gehe, auch westlich von Sind bei Kelat in Balutschistan vorkomme. Beides dürfte sich auf Narthex beziehen, wie überhaupt noch andere Umbelliferen der iranisch -turanischen Steppen denselben oder doch ähnlichen stinkenden Milchsaft führen. Die Früchte der Ferula teterrima Karelin & Kirilow, einer noch wenig bekannten weit nördlicher in der Dsungarei vorkommenden Umbelli- fere, sollen ebenfalls sehr stark wie Scorodosma riechen. Galbanum Gummi-resina Galbanum. Mutterharz. Gomme-resine galbanum. Galbanum. Ferula erubescens Boissier. — Umbelliferae-Peucedaneae. Syn. F. gummosa Boissier et F. rubricaulis Boiss. Das häufigere Vorkommen dieser etwa mannshohen kräftigen Dolden- pflanze, deren Kenntniss übrigens noch sehr viel zu wünschen übrig lässt, scheint sich auf den nördlichen und mittleren Strich Persiens zu beschrän- l) Disful, Fluss und Stadt nördlich von der Euphrat-Tigris- (Schatt-el-Arab) Mündung. 2J Die pharmaceutisch wichtigen Ferulaceen der aralo-caspischen Wüste. Petersbg. 1860. 26 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. ken. Sie wird angegeben an den Abhängen des Elwend (unweit der Gränze Kurdistans bei Hamadan), bei Chaf am Nordostrande der grossen Salz- wüste von Chorassan, in den Bergen bei Subzawar (Ssäbsewar) südlich von Herat. Ganz isolirt, aber in Menge, tritt sie ferner am Demawend bis 8000 Fuss hoch auf, stellenweise auch im Nordgebiete Persiens. In ihrem Habitus nähert sich diese Pflanze mehr dem Scorodosma als Dorema, ist aber schwächer als beide, der Stengel am Grunde zolldick, die sehr grossen vierfach gefiederten Blätter mit grossen aufgeblasenen Scheiden versehen, auf welche sich die obersten Blätter beschränken. Die kleinen Fiederlappen der Blätter herablaufend und gewimnert; Blattschei- den, Stengel und Früchte zuletzt rosenroth angelaufen. Das Gummiharz dieser Umbellifere tritt am untern Theile des Stengels und an den Blattscheiden in grossen gelben Tropfen aus. Es wird nach Buhse am Demawend, nach Borszczow's immerhin nicht auf eigener Anschauung beruhenden Angaben jedoch nur bei Hamadän (dem alten Ekbatana) für die Ausfuhr gesammelt. Nach dem Letzteren ist dieses Galbanum- Gummiharz bernsteingelb, von stark aromatischem Gerüche, schwach bitterem Geschmacke und zwischen den Fingern erweichend. — Da auch Buhse nicht Augenzeuge der Einsammlung der Droge war, so bedürfen alle diese Nachrichten noch sehr der Bestätigung. Eine andere stark nach Galbanum riechende , etwa 1 Meter hohe Um- bellifere, Ferula ßchdir, entdeckte Borszczow in der lehmigen Salz- wüste unweit Fort Per offski (Ak - Metschid) am Ssyr-Darja, östlich vom Aralsee. Die Pflanze heisst hier Scharr, was in der Kirgisen-Sprache Harz bedeutet. Der Entdecker hat von derselben in seinem bei Asa foetida er- wähnten Werke eine sehr schöne Abbildung gegeben. Die Wachsthums- verhältnisse der Schair-Dolde scheinen mit denen des Scorodosma überein- zustimmen. Freiwillig ausgetretenes Gummiharz bemerkte Borszczow an der Pflanze nicht, wohl aber beim Anschneiden des Stengels zähen aromatisch bittern Milchsaft vom Gerüche des Galbanum. Es bleibt demnach dahingestellt, ob diese nicht weiter beobachtete Dolde vielleicht irgendwo auch unsere Droge liefert. Das persische Mutterharz gelangt seltener zu uns, häufiger auf dem schon bei Asa foetida angedeuteten Wege nach Russland. Silier in Dor- pat *) beschreibt davon eine Sorte in meist nur erbsengrossen oder kleine- ren Körnern und eine in Klumpen von sehr verschiedener Beschaffenheit. Die hell- bis dunkelgelben Körner backen etwas zusammen, namentlich sehr leicht beim Kueten zwischen den Fingern. Die gewöhnlich stark ver- unreinigten Massen der zweiten Sorte sind nach Silier von gelbbräuulicher, olivengrüner bis grünlichbrauner Färbung, oft durchsetzt von zahlreichen gelblichen Stückchen. Frische sehr kleberige und fast teigartige Waare riecht ungemein scharf und durchdringend, ältere bedeutend schwächer. 1) Lehrb. d. Pharmacie (1850) II. 641. Galbanum. 27 Nach Wiggers1) soll das persische Produkt niemals grünlich aus- sehen, im Gerüche aber an Stinkasant erinnern. Das bei uns gewöhnlich vorkommende Galbanum besteht aus mehr oder weniger verklebten kleinen unregelmässigen, höchstens 0,0 10m grossen Körnern von bräunlich gelber, ein wenig in's grünliche fallender, selbst innen nur schmutzig weisslicher Färbung. Der schwache Stich in's grün- liche unterscheidet sie namentlich von den wenigstens im Innern milch- weissen Körnern des Ammoniaks, welches sich durchaus nicht grünlich zeigt. Eine geringere Sorte in weichen Massen scheint vollkommen der obi- gen Schilderung Siller's zn entsprechen. In einer solchen finde ich Um- belliferen-Früchte , welche in jedem Thälchen nur einen Oelgang besitzen, also jedenfalls nicht einer Ferula angehören. Nach Wiggers käme diese bei uns gebräuchlichere Waare, deren Verschiedenheit von der in Russland verwendeten nicht einleuchtet, aus Mittel- Afrika 2) (?) über Triest und Mar- seille. Die englische Pharmacopoeia lässt ihre ebenfalls grünliche Sorte aus Indien und der Levante eingeführt werden, andere aus Arabien. Der eigenthümliche Geruch des Galbanums ist sehr stark aromatisch, weit weniger widerlich als der des Ammoniaks und nicht der Asa ähnlich. Ebenso ist die Bitterkeit des Galbanums nicht so scharf und unangenehm, zugleich an Terpenthin erinnernd. Mit Wasser gibt das Galbanum leicht eine weisse Emulsion ; es ist reich an ätherischem Oele, wovon Mössmer (1861) aus einer festen, aber nicht näher characterisirten Waare etwa 7 pC. erhielt und dasselbe rechts roti- rend, mit Terpenthinöl gleich zusammengesetzt und zunächst verwandt befand. Das Harz ist sehr weich; es beträgt meist über die Hälfte und löst sich nach Mössmer in Kalkmilch und Aether. Bei 100° längere Zeit hindurch mit Salzsäure erhitzt, gibt es ohne Bildung von Zucker nach Sommer etwa 0,8 pC. Umbelliferon (vgl. bei Radix Sumbul) und bei der trocke- nen Destillation für sich ausser Umbelliferon auch ein aromatisches pracht- voll blau gefärbtes Oel O2OH3O0, welches constant bei 289° siedet. Das- selbe wird durch Natrium entfärbt und zu farblosem schwach riechendem Oele O20H30 von 254° Siedepunkt reducirt. Wahrscheinlich steht jenes blaue Oel in Beziehung zu dem Azulon oder Coerulei'n der Flores Chamo- millae (vergl. diese). Nach Hlasiwetz wäre eine Spaltung des Gal; banumharzes G26H3805 unter Austritt von 2H20 in jenes blaue Oel = G20H30O und Umbelliferon == G^-G2 nicht unwahrscheinlich. Die For- mel des Harzes würde verlangen: C 72,5 pC., H 8,8. Gefunden wurde: C 71,9 bis 72 und H 8 bis 8,2. Durch Schmelzen des Galbanumharzes mit Kali erhielten Hlasiwetz !) Vermuthlich frühereu Angaben L u d e w i g's folgend. 2) Was mag die „Asa foetida" sein, welche aus Timbuktu nach Marocco ausgeführt wird, wie Barth, Reisen in Afrika V. 37 Note angibt? 28 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. u. Barth Krystalle von Resorcin (ungefähr 6 pC.) neben Oxalsäure und flüchtigen Fettsäuren. Die Formel des Resorcins O6H6-0-? ist zugleich die des Brenzcatechins und des Hydrochinons (vergl. bei Gambir und bei Folia Uvae ursi) und homolog mit der des Orcins. Das Gummi des Galbanums ist nicht näher untersucht. Im harzig- schleimigen Rückstande nach dem Abdestilliren des mit Terpenthinöl iso- meren Kohlenwasserstoffes fand Mos sin er flüchtige Fettsäuren. Salpetersäure liefert mit dem Harze des Galbanums Camphresin- und Styphninsäure. Durch kalte, massig concentrirte Salpetersäure oder besser durch Salz- säure wird mit Weingeist befeuchtetes Galbanum nach kurzem prachtvoll violett gefärbt, Asa und Ammoniak nicht. Jedoch tritt diese ausgezeich- nete Reaction nur bei der schönsten Körnersorte ein, bei der massigen nicht, daher wohl zu vermuthen ist, dass dieselbe verschiedenen Ursprun- ges ist. Die durch Salzsäure hervorgerufene Farbe hält sich einige Tage. Ohne Zweifel sind diese Reactionen von Resorcin abzuleiten. Die weingeistige Auflösung des Galbanumharzes reagirt sauer; wird sie vorsichtig mit Ammoniak neutralisirt, so fluorescirt sie; weiterer Zusatz von Ammoniak veranlasst aber die Ausfällung des Harzes. — Das letztere für sich gibt die Salzsäure-Reaction am reinsten. Zucker in Galbanum nachzuweisen gelang mir nicht. Wird der wässe- rige Auszug mit Bleiessig gefällt, so schmeckt das von Blei befreite Fil- trat nach dem Eindampfen nicht süss und vermag nicht Kupferoxyd zu re- duciren. Die Chalbane der Alten lässt sich nicht zuverlässig mit unserem Gal- banum identificiren ; die Benennung stammt aus dem Hebräischen, wo chalob Milch bedeutet, zusammenhängend mit halab im Arabischen, gala im Griechischen, ebenfalls für Milch. Ammoniacum. Gummi - resina Ammoniacum. Ammoniak - Gummiharz. Gomme - resine ammoniaque. Ammoniac. Dorema Aininöniacüm Don. — Umbelliferae- Peucedaneae. Syn. Diserneston gummifermn Jaubert und Spach. Die Ammoniakpflanze ist eine starke , nur wenig niedrigere Dolde als Scorodosma und ebenso ausschliesslich sandigen1) Standorten derselben Gegenden angehörig. Doch stellt sich der Verbreitungsbezirk der ersteren wenigstens ostwärts etwas beschränkter heraus. Die Westgränze derselben verläuft vom Ostufer des Aralsees ungefähr in die südöstliche Nachbarschaft vonlsfahan, wo z. B. zwischen der merkwürdigen Stadt Jezdechast und l) Atuuius, Saud. Ammoniacum. 29 Aminabad ganze Dorema- Wäldchen getroffen werden (Polak). Die Süd- gränze scheint hier zugleich ihren äussersten Punkt zu erreichen und geht von hier durch die grosse Salzwüste in gerader Richtung nach Herat. In grosser Menge und immer von Scorodosma begleitet, tritt Dorema dann be- sonders in den ungeheuren Wüsten westlich vom Aral auf, besonders zwischen den Flussbetten des Dschang-Darja und Kuwan. Im Gegensatze zu Scorodosma überschreitet jedoch die Ammoniakpflanze den unteren Lauf des Ssyr-Darja (des alten Jaxartes) und verbreitet sich nordöstlich nach dem südlichsten Sibirien, in die Kirgisen-Wüsten um die Seen von Balchasch und Alakul, oder selbst in die chinesische Dsungarei, während sie dem Ge- biete zwischen dem oberen Ssyr-Darja und dem oberen Oxus (Amu-Darja) zu fehlen scheint. Zwischen Caspi- und Aral- See findet sich Dorema so wenig wie Scorodosma. In die ostpersischen Hochebenen und Gebirge ge- gen die Gränze von Herat erhebt. sich Dorema wenigstens so hoch, wenn nicht höher als Scorodosma. Die kleinen einfachen kopfigen und weiss- lichen Dolden des Dorema sind kurz gestielt und ohne alle Deckblätter an nicht sehr langen einfachen ruthenförmigen Aesten zerstreut oder fast ge- knäuelt zu einer lockeren endständigen traubenartigen Rispe geordnet. Die- ser Blüthenstand unterscheidet sich demnach sehr von den grossen lang- gestielten und zusammengesetzten Dolden des Scorodosma. Der ganze nur Blattschuppen tragende Stengel und der Blüthenstand, auch die Unterseite der grossen bodenständigen Blätter sind reichlich mit weissen Sternhaaren bestreut. Der starke Stengel ist aufrecht1), obwohl nach Borszczow's schönen Abbildungen zu schliessen, bisweilen wenigstens etwas hin und her gebogen. Aus dem Wurzelkopfe entwickelt sich jedes Frühjahr ein Büschel drei- theilig fieder spaltiger Blätter, welche allmälig einen dichten Schopf ihrer abgestorbenen Theile zurücklassen. Die graue oder schwärzliche rübenförmige schwammige Wurzel ist ent- weder oben mit einigen wenigen starken Aesten versehen oder theilt sich an der Spitze in dünnere Aeste. Sie scheint durchschnittlich schwächer zu sein als die Wurzel des Scorodosma, zeigt aber dieselben Vegetations- verhältnisse und ist gleichfalls bis nach dem Abschlüsse der Stengel- und Fruchtbildung sehr reich an Milchsaft. Aber auch der Stengel und seine Aeste strotzen nach Bors zczow von Milchsaft, welcher freiwillig , oder nach anderen Angaben "auch wohl in Folge des Stiches von Insekten sehr reichlich austritt und zu weissen Körnern erstarrt, die in verschiedener Grösse, von wenigen Millimetern an bis zum Umfange einer Nuss, die feinste Sorte der Droge, Ammoniacum in granis, darstellen. Aus der Untersuchung eines zwei P'uss langen in einer Wiener Samm- lung vorhandenen Stengels der Ammoniakpflanze schliesst Vogl, dass jedenfalls dieser vorzugsweise das Gummiharz liefere. Die Harzgänge sind L) Daher der Gattimgsname: A6pu die Lanze. 30 I, Pflanzenstoffe ohne organische Structur. auch hier aus der Desorganisation ganzer Zellstränge der verschiedenen Gewebe hervorgegangen, hauptsächlich aus den Gefässbündeln des Markes, ' von wo die Umbildung nach aussen hin fortzuschreiten scheint. Im Wurzelschopfe oder an dem über den Boden herausragenden Theile der Wurzel sammelt sich, ebenfalls wie es scheint nur freiwillig, das Gum- miharz in Klumpen, Ammoniacum amygdalöides s. A. in massa an, Yon einer Bearbeitung der Wurzel in ähnlicher Weise wie bei der Ge- winnung des Stinkasants ist nichts bekannt ; vermuthlich würde sich eine solche wegen der geringen Grösse hier nicht lohnen. Das Ammoniak scheint in der Gegend von Jezdechast gesammelt zu werden , nach British Pharmacop. auch im Pandschab1), nach Borszczow nur in Persien. Die etwas durchscheinenden Körner des Ammoniaks sind von weisser, aussen bräunlicher, niemals röthlicher oder grünlicher Farbe, wachsglän- zend und wenigstens in der Kälte spröde und lose oder etwas zusammen- geklebt. Schon zwischen den Fingern lassen sie sich erweichen und durch Wasser leicht zur Emulsion anreiben. Der Geruch des Ammoniaks ist eigenthümlich, bei weitem nicht so unangenehm wie der des Asants, der Geschmack bitter und etwas scharf, widerlich aromatisch. Frisch soll das Gummiharz süsslich riechen2). Grössere weissliche Körner oder Mandeln finden sich mit kleineren durch eine oft sehr zurücktretende gleiche Grund- masse zu den äusserlich etwas braunen Klumpen oder Kuchen der zweiten Sorte dicht verbunden. Stengelreste, Früchte von Dorema und fremdartige Pflanzenreste pflegen durchschnittlich in nur geringer Menge beigemischt zu sein. Die Blätter der Pflanze dienen frisch als Schaffutter. Das Ammoniak ist ein Gemenge von ätherischem Oele mit Harz und Gummi in wechselnden Verhältnissen. Die grössere oder geringere Weich- heit der Waare ist, wie bei allen ähnlichen Gemischen, zum Theil auch durch Wassergehalt bedingt. Das ätherische Oel bis etwa 4 pC. betragend, ist farblos und frei von Schwefel, jedoch ebenso wenig näher untersucht als das Gummi und Harz, welches letztere gewöhnlich ungefähr 70 pC. der Waare ausmacht. Im Gegensatze zu den meisten anderen Umbelliferen liefert das (gerei- nigte) Harz des Ammoniaks nach Sommer kein Umbelliferon , hingegen in der S. 27 erwähnten Weise etwas Resorcin. Die Geschichte des Ammoniaks ist eben so wenig sicher herzustellen wie die der Asa foetida, da in keiner Weise ermittelt , überhaupt gar nicht wahrscheinlich ist, dass das Amoniakon des Dioskorides aus der Oase Siwah (westsüdwestlich von Cairo), wo im Alterthum Jupiter A m m o n verehrt wurde, mit dem Produkte von Dorema Ammoniacum identificirt werden J) Bei ßamian westlich von Kabul nach Percira's Manual of mat. med. Ausgabe von Farre (Lond. 1865). '■*) weshalb bei den Kirgisen die Stammpflanze Bal-Kurai, Honigrohr, heisst. In Persicn Oscbuk oder Weschak. Olibanum. 31 darf. Dieses letztere ist bis jetzt wenigstens nicht in Afrika aufgefunden, sondern wahrscheinlich auf die erwähnten iranisch-turanischen Steppen beschränkt. Hier wurde es erst durch Wright bei Jezdechast entdeckt und von Don 1829 beschrieben. Andere später in Persien beobachtete Dorema-Arten scheinen weniger verbreitet zu sein und kein Gummiharz in den Handel zu liefern. So z. B. D. glabrum Fischer & Meyer und D. Aucheri Boissier, welche mehr im Westen einheimisch sind, auch noch in Armenien, wo D. Ammoniacum ganz fehlt. D. paniculatum Karelin & Kirilow in der Dsungarei hält Borszczow für nicht verschieden von dem letzteren. Olibanum. Gummi- resina Olibanum. Thus. Weihrauch. Encens. Incence. 1. Boswellia papyrifera Hochstetter. — Burseraceae. Syn. Amyris papyrifera Delile Ploesslea floribunda Endlicher Boswellia floribunda Royle, 2. Boswellia Sacra nov. spec. Boswellia papyrifera gehört dem Nordosten Afrikas an und ist schon seit Her odot nachgewiesen längs der Somaliküste vom Cap Guardafui an bis in einigen Abstand von Berbera und durch das Flussgebiet des Blauen Nils (Fatsokl) mit Mimosen ganze Wälder bildend bis Kordofan. Bei Chartum und weiter abwärts scheint der Baum zu fehlen. Ein zweiter Weihrauchbaum, der hier als Boswellia sacra einge- führt werden möge, findet sich in ungeheurer Menge in dem uralten Weih- rauchlande, einem beschränkten Saume (Sahil arabisch) der mittleren Süd- ostküste Arabiens, heutzutage meist Mahrah , in der Bibel Scheba genannt. Dieser schmale, durch Fruchtbarkeit höchst ausgezeichnete Landstrich zwischen Cap (Ras) Nus und Cap Schedscher (Seger, Sajar, Schär, Dsched- scher) erhebt sich gegen das Innere allmälig zu vegetationsreichen Hügeln und steigt endlich durch ein nur von Weihrauchbäumen bestandenes sonst kahles bis 5000 Fuss hohes Kalkgebirge (Nedschdi) zu der grossen centralen Wüste Arabiens hinan. Morbat, al Ahmar, Thafar1) und weiterhin Dunkot sind als Hauptplätze dieser Weihrauchproduktion zu bezeichnen und bis in das höchste Alterthum zu verfolgen. Durch Russegger, Hochstetter, Schimper und Yaughan ist Boswellia papyrifera hinreichend bekannt geworden, da der massenhaft auftretende Baum sich höchst phantastisch und eigenthümlich darstellt. Aus dem unten mannsdicken, oben etwa nur 1 Fuss starken und höchstens 20 Fuss hohen Stamme streckt er lange ruthenförmige Zweige aus, welche *) Dhofar auf der englischen Admiralitätskarte, Sephar oder Zafar im Alterthum. 32 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. im December blühen und im April reife Früchte, aber wenig zahlreiche Blätter nur vom Juni bis October tragen. Vom Stamme lässt sich die braune, geöltem Papier ähnliche Aussenrinde in äusserst dünnen festen Blättern leicht abziehen. Nach einer Verum thung Henkel 's1) wäre der Weihrauchbaum von der Somaliküste nicht identisch mit B. papyrifera, Hanbury besitzt, zu- folge gütiger Privatmittheilung (Juni 1864), von dort drei verschiedene Boswellia -Arten, wovon eine den unten zu erwähnenden Matti- Weihrauch liefert. Von Boswellia sacra liegt nur eine dürftige Abbildung und Beschrei- bung 2) Carter 's vor, welcher bei Gelegenheit der englischen Küstenauf- nahme den Baum Ende Mai 1846 mit Blättern, Blüthen und Früch- ten bei Rakheote an dem oben genannten Cap Schedscher traf. Die Ge- stalt der unpaarigen, etwas krausen3) stumpf eiförmigen Fiederblättchen, 7 bis 13 an der Zahl, scheint mir offenbar von denen der B. papyrifera, welche entschieden lanzettlich und viel länger sind, abzuweichen. Vielleicht ist auch der Blüthenstand der B. sacra einfacher und die birnförmige Frucht von halber Grösse einer Olive, mehr gedrungen. Das gleichzeitige Vorkom- men von Blättern, Blüthen und Früchten dürfte auch sehr ins Gewicht fallen. In der uralten Cultur der Länder zwischen dem persischen Busen, dem rothen und mittelländischen Meere mit Einschluss Aegyptens war Weih- rauch das am allgemeinsten und frühesten gebrauchte Genussmittel aus der Klasse des Rauchwerkes. Während im hohen Alterthum der Weihrauch aus Mahrah durch Kameel- karavanen, deren Richtung Sprenger4) festgestellt hat, ganz zu Lande nach den phönikisch-hebräischen Gegenden, besonders nach Gaza, bezogen wurde und später, vermischt mit dem ostafrikanischen Produkte, seinen Weg durch das Rothe Meer über Suez nach dem Abendlande nahm , schlägt er jetzt, wie auch die Myrrhe, durch ausschliessliche Vermittlung der Englän- der fast immer den Weg über Bombay ein. Die afrikanische Waare wird zum Theil aus Berbera und Zeila erst nach Aden oder Makalla geschafft. Die Somaliküste liefert jetzt jährlich nur für ungefähr 300,000 Francs Weih- rauch nordwestwärts durch das Rothe Meer über Dschidda5). Der meiste Weihrauch stammt heutzutage nach Hanbury's Ermitte- lungen von der Somaliküste und gelangt über Indien nach Europa. Daher wurde hier seit der Festsetzung dieser Bezugsrichtung von einem indi- 1) In Bnchner's Repertor. XIII. 10. (1864). — Vergl. auch Vaughau in Cannstatt's (Wiggers) Jahresbericht 1852. S. 88. 2) Die Abbildung genau wiedergegeben in der Schweiz. Wochenschrift für Pharm. 1864. Xo. 20. — Auch Wittsteins Vierteljahrsschrift XIII., S. 526, doch ohne die Abbilduug. 3) Als kraus, kurz und breit hatte auch Cruttenden (1837) schon die Blätter des bei Dhofar gefundenen Weihrauchbaumes bezeichnet. 4) Ausland 1866. S. 350. •r>) v. Kremer, in dem bei Horba Cannabis angeführten Werke. Olibanum. 33 sehen Weihrauch gesprochen, über dessen Herkunft sich dann ein völli- ges Missverständniss einschlich, als Colebrooke 1809 bei Nagpur mitten in Vorderiudien die Boswellia serrata auffand. Diese vom Ganges-Gebiet bis zur Coromandelküste verbreitete und den ächten Weihrauch bäumen nahe verwandte Art gibt ebenfalls ein aromatisches Harz oder Gummiharz, das in jenen Gegenden den Weihrauch ersetzt, aber niemals in grösserer Menge in den europäischen Handel gelangt ist. Trotzdem wurde bis in die neueste Zeit B. serrata als Quelle eines angeblich aus Indien nach Europa kom- menden Weihrauches betrachtet. In Folge von Einschnitten in den Stamm des Weihrauchbaumes fliesst der milchweisse1) Saft sehr reichlich aus und wird nach dem Eintrocknen theils als beste Sorte vom Baume selbst gesammelt, theils weniger rein vom Boden aufgelesen. Hierauf sind wohl je nach der Auswahl die fünf Sorten der somalisch -arabischen Waare hauptsächlich zurückzuführen, welche Vaughan aufgezählt hat. Ob die von demselben hervorgehobene Thatsache, dass der arabische Weihrauch aus Mahrah in Bombay am höchsten bezahlt werde, in einer bedeutenderen Verschiedenheit des Produktes der B. sacra ihren Grund habe, ist vorerst nicht ersichtlich. Nach Hanbury's Beurtheiluug der von Vaughan erhaltenen Proben ist wenigstens die eine, Luban-Matti genannt und von der Somaliküste stam- mend, durch Citronengeruch 2) sehr ausgezeichnet, worin eine Bestätigung der Angabe liegt, dass Nordostafrika verschiedene Weihrauchbäume berge. Darunter mag auch wohl B. sacra sein. Die schönste Sorte des in unserm Handel vorkommenden Weihrauchs bildet sehr unregelmässige lose, bis einige Centimeter grosse Körner oder mehr in die Länge geflossene Stalaktiten, abwechselnd mit kleinen kuge- ligen, birn- oder keulenförmigen oder traubenartigen Stücken. Oft sind sie von ansehnlichen Spalten durchsetzt und tragen auch da und dort noch anhängende Rinde oder Lappen des braunen Papierkorkes, der die Boswellia auszeichnet. Nach Wigand3) gibt es auch dickwandiges, Harz ein- schliessendes Bindenge webe , welches unverkennbare Uebergänge in die homogene Gummiharzmasse darbietet oder unregelmässig von letzterer durchdrungen ist. Die Farbe des Weihrauches schwankt zwischen gelblich- weiss und blass röthlichweiss. Kleinere wenig gefärbte Körner sind trübe durchscheinend, die Splitter ziemlich durchsichtig; grösseren fehlt auch, abgesehen von der weisslichen Bestäubung, die Durchsichtigkeit ganz. Die kleinsplitterige Bruchfläche erscheint wachsglänzend. Geringere Sorten sind dunkler, mehr zusammenhängend und mit Pflanzenresten verunreinigt. In Wasser zerfällt der Weihrauch bei nur wenig erhöhter Temperatur *) lebonah heisst im Hebräischen weiss, daher das griechische libanos, das arabische lubän und das lateinische olibanum. 2) Schon Braconnot fand das Olibanumöl nach Citronen riechend. 3) In der bei Tragacantha erwähnten Abhandlung p. 146. Fliickiger Pharmakognosie. 3 34 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. leicht und gibt eine neutrale trübe Flüssigkeit, worin das Mikroskop grosse Oeltropfen zeigt. Schon im Munde wird er knetbar und schmeckt dabei nicht unangenehm aromatisch, kaum merklich bitterlich und schleimig. Deutlicher tritt der angeuehme Geruch beim Schmelzen des Weihrauches auf, welches nur unter theilweiser Zersetzung vor sich geht. Das specifi- sche Gewicht ist ungefähr 1,2. Das Harz scheint durchschnittlich mehr als die Hälfte auszumachen. Die weingeistige Lösung reagirt schwach sauer, trübt sich aber bleibend mit Kalilauge. Das ätherische Oel, nach Braconnot 8pC, nach Sten- house 4pC. betragend und bei 162°C. kochend, ist vermuthlich grössten- theils ein mit Terpenthinöl isomerer Kohlenwasserstoff. Das Gummi scheint zum Theil als Bassorin vorhanden zu sein. Beim Verbrennen bleiben 3 pC. Asche zurück. Mit Weingeist und Salzsäure oder Salpetersäure befeuchtet, zeigt der Weihrauch keine auffallende Veränderung. Myrrha. Gummi -resina Myrrha. Myrrhe. Myrrhe. Myrrh. Balsamodendron Ehren!) er giaimm Berg. — Burseraceae. Diese unzweifelhaft, wenn auch vielleicht nicht ausschliesslich unsere Myrrhe liefernde Art ist von Ehrenberg 1825 im südarabischen Küsten- striche (el Tehameh) am Rothen Meere, unweit Dschison (Gison. Dizon), der Insel Farsan Kebir gegenüber, sowie auf den nahen Bergen Djara und Kara aufgefunden worden. Vor der Ehren b er g'schen Reise (1820 — 1826) galt Balsamophloeos KatafBerg, die frühere Amyi^is Kataf ForskoYs, als Stammpflanze, scheint aber keine Myrrhe zu liefern. Als Myrrhenpflanze hatte Nees von Ehrenberg eine ebenfalls durch diesen in der arabischen Wüste gesammelte Art erhalten und in der be- kannten Düsseldorfer Sammlung officineller Pflanzen (Tafel 357) als Bal- samodendron Myrrha Nees abgebildet. Erst Berg hat (1862) den Nach- weis geliefert, dass im Ehrenberg'scheu Herbarium zwei ähnliche Arten vorhanden sind, wovon gerade die durch Nees beschriebene und abgebildete nicht als Myrrhe liefernd bezeichnet ist. Die andere von Berg entdeckte, in seiner Darstellung und Beschreibung officineller Gewächse vortrefflich charakterisirte und nach Ehrenberg benannte Art hingegeu trägt von des letztern Hand eine Bemerkung1), welche zur Annahme berechtigt, dass in derselben die wahre Stammpflauze der Myrrhe anzuerkennen ist. Wenn neuerdings Hartmann2) sowie Schweinfurth8) den ächten !) „ex hinc simillima arbore ad Gison ipse Myrrham effluentem legi." (Berg.) 2) Reisen des Frhrn. v. Barnim. 3) Flora 1865. No. 31 p. 493 und Petermann's Mittheilungen IX. S. 334. Myrrha. 35 Myrrhenbauni auch in Abyssinien , letzterer Botaniker z. B. in den graniti- schen und basaltischen Bischarin-Bergen unweit der Küste zwischen Suakin und Cap Edineb (Elba oder Olba), gefunden haben wollen, so bezieht sich dieses Vorkommen wohl auf Bahamodendron Gileadense Kunth (Amyris Opobalsamum Forskol), dessen Harzsaft der früher so hochberühmte Mekka- Balsam ist. Bisher war diese Art nur aus Arabien bekannt1). Balsamodendron Ehrenbergianum ist ein ästiges Bäumchen mit büsche- ligen gedreiten und feinbehaarten ganzrandigen Blättern. B. Myrrha unter- scheidet sich durch stachelige Zweige , kahle , ungestielte und gesägte Blättchen. Schweinfurth schildert "seinen Myrrhenbaum zur Zeit des Blatt- wechsels einer entlaubten Birke oder Trauerweide ähnlich, die duften- den Ruthenzweige von köstlichem Harze strotzend, die zarte Rinde ab- blätternd. Nach Berg's Untersuchung lässt sich das Vorkommen der Balsam- gänge, wenigstens in B. Ehrenbergianum völlig mit dem der entsprechenden Gänge in älteren Stämmen von Pistacia Lentiscus (vergl. bei Mastix) ver- gleichen. Wie hier der Mastix, so scheint auch die Myrrhe nur dem Bast- parenchym anzugehören. Nach Ehrenberg fliesst die Myrrhe freiwillig als dicklicher blassgelber Saft aus und nimmt erst beim Trocknen röthliche oder braune Färbung an. Ob das Austreten des Gummiharzes irgendwo auch durch Einschnitte be- fördert werde, ist nicht bekannt. Aus dem westlichen Südarabien geht die Myrrhe grösstentheils über Bombay nach Europa, nur ein sehr geringer Theil heutzutage noch über Dschidda und Suez. Da nach Vaughan die Myrrhe auch auf der grossen Messe zu Berbera an der Somali -Küste erscheint und von da nach dem gegenüberliegenden Aden (und weiter nach Bombay) geht, so muss auch, wie schon Strabo und Dioskorides erwähnten, das gegenüberliegende Nordostafrika gleichfalls etwas von dieser Droge liefern, obgleich uns genauere Aufschlüsse von hier noch mehr als aus Arabien abgehen. Mög- lich, dass dort andere Pflanzen eine Myrrhe von gleicher oder ähnlicher Beschaffenheit geben. Das Aussehen der Myrrhe ist wenig gleichmässig. Sie bildet ungestaltete bis über nussgrosse Körner oder zusammenhängende mehr als faustgrosse löcherige Massen. Auch die Farbe schwankt zwischen gelblich, röthlich und braun, indem die Stücke entweder gleichförmig oder aussen dunkler, innen oft weit heller, stellenweise beinahe weiss gefleckt oder geädert sind. Der Bruch ist fett, glänzend, eher kleinkörnig als glatt und grossmuschelig, die Splitter wenig durchscheinend. Wasser löst den grössten Theil zu einer fast nur aus ungefärbten Tropfen bestehenden Emulsion auf, worin unter dem Mikroskop schön gelbe Körnchen des Harzes sichtbar werden. !) Yergl. über dieselbe Berg in Bot. Zeitung XX. (1862) S. 158. 162. 36 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Weingeist lässt eckige nicht krystallinische Stückchen zurück und löst das Harz. Hierbei kommen auch braune Stückchen der Borke des Myrrhen- bäumchens zum Vorschein, welche nach Wigand einzelne Gewebspartieen in unverkennbarer Metamorphose darbieten, so dass auch hier die Ent- stehung des balsamischen Gummiharzes auf einer Umbildung und Verflüs- sigung der Zell wand beruht wie bei Traganth. Ich finde im Parenchym nur zahlreiche kleine Balsamgänge, welche ganz an die entsprechenden Gebilde in den Wurzeln der Compositen oder Umbelliferen erinnern. Der Geruch der Myrrhe ist eigenthümlich, schwach aromatisch und nicht unangenehm. Sie schmeckt bitterlich und anhaltend kratzend. Beim Kauen klebt sie ver- möge ihres bedeutenden Gehaltes an Gummi stark an den Zähnen. Das- selbe beträgt in der That 40 bis 60 pC. der Droge, das Harz gegen die Hälfte oder weniger. Das Gummi ist zum Theil durch Bleizuckerlösung fällbar, also vom arabischen Gummi verschieden. Mit Weingeist und etwas Salpetersäure oder Salzsäure befeuchtet nimmt das Harz langsam eine trüb violette Färbung an, ähnlich, doch lange nicht so schön wie das Galbanum- Harz. Doch scheint nach vorläufiger Mittheilung vonHlasiwetz u. Barth (1864) die Myrrhe beim Schmelzen mit Kali in der bei Galbanum angedeu- teten Art nicht Resorcin , sondern einen andern krystallisirbaren Körper zu liefern. Das Harz ist zum Theil löslich in Alkalien, auch in Schwefelkohlen- stoff. Nur die von letzterem gelöste Hälfte gibt die Reaction mit Salpeter- säure (Hager). In Chloroform und Weingeist löst sich das Harz ganz; durch Eisenchlorid wird die letztere Lösung nur wenig dunkler gefärbt. Die farbigen Reactionen mit Salzsäure und Salpetersäure kommen auch dem ätherischen Oele zu, wovon die Myrrhe 2 bis bis 3 pC. liefert. Dieses Myrrhol scheint nach Ruickoldt der Formel G10Hl4O zu entsprechen, wonach es mit Thymol (vergl. bei Folia Thymi) und Carvol isomer wäre. Die chemischen Eigenschaften des Myrrhols sind aber sehr abweichend. Es zieht Sauerstoff an, wird dunkler, verdickt sich und enthält schliesslich Ameisensäure. Daher gibt auch ältere Myrrhe ein saures Destillat. Nach Gladstone (1863) zeigt das Myrrhenöl 1,018 spec. Gewicht und eine ganz auffallende Linksdrehung der Rotationsebene (136°). Beim Erwärmen der Myrrhe mit Kalilauge entwickelt sich Ammoniak. Ob in der Myrrhe auch ein eigener Bitterstoff vorkömmt, ist noch zu ermitteln. Zucker ist wenigstens in irgend erheblicher Menge nicht nach- zuweisen. Die Myrrhe ist seit den ältesten Zeiten neben Weihrauch als Räucherungs- mittel uud Medicament in Anwendung gewesen. Der Name scheint aus dem Hebräischen zu stammen und findet sich schon im alten Testament.1) Dunkel ist, was im ersten Jahrhundert nach Christus der berühmte Periplus (Umschiffung) des Rothen Meeres über die hier Stakte genannte Myrrhe 1) Exodus XXX, 23. -- Hohelied V, 5 u. 13. Lactucarium. 37 berichtet und noch unklarer die Beschreibung der acht Sorten Myrrhe, welche Dioskorides gegeben. Der Myrrhe beigemischt finden sich oft Stücke arabischen Gummis, welche den Geruch und Geschmack der ersteren angenommen haben. Als Bdellium bezeichnet man Stücke eines ebenfalls hier und da unter der Myrrhe vorkommenden Gummiharzes, das dunkler ist, schärfer bitter schmeckt als Myrrhe und sich von derselben bei aller Aehnlichkeit doch leicht dadurch unterscheidet, dass weder die weingeistige Lösung noch die Substanz selbst mit Salpetersäure oder Salzsäure die rothviolette Farbe gibt. Auch tritt die als aus Afrika stammend bezeichnete Sorte des Bdellium an Wasser nur etwa lOpC. ab, da das Gummi in der Form von Bassorin vorhanden ist. Man leitet das Bdellium ab von Balsamodenclron africanum Arnott (Heudelotia africana Guillemin u. Perrottet) , welcher Strauch aber Sene- gambien angehört, oder von B. Mukul Hooker, in Sindh (am untern Indus) und dem benachbarten Balutschistan. Wie sich Bdellium aus so entlegenen Ländern unserer Myrrhe beimischen könnte, ist aber schwer einzusehen. Schon in der alten Welt spielte Bdella oder Bdellion aus Indien und Gedrosia (Südpersien) eine Rolle neben der Myrrhe. Seine Geschichte ist noch dunkler als die der letztern. Lactucarium. Lactuca virosa L. — Compositae-Cichoriaceae. Der Giftlattich ist an felsigen Stellen und in Hecken des westlichen und südlichen Europas durch Frankreich bis nach dem südlichen England zu Hause, doch bei weitem nicht allgemein verbreitet. In Deutschland ist sein Vorkommen auf wenige Punkte des südlichen und mittleren Rheingebietes beschränkt, in der Schweiz auf das Wallis und den südwestlichen Jura. Dem Norden, auch schon Süd Sibirien, scheint der Giftlattich zu fehlen. Die mannshohen einjährigen Stengel sind mit zahlreichen zerstreuten, scharf gezähnten Blättern besetzt, welche der Pflanze auch dadurch ein besonderes Aussehen verleihen, dass sie, vom Stengel fast wagerecht abstehend, mit der breiten eiförmigen Fläche etwas um ihre Axe gedreht sind und am Grund den Stengel mit tief herzförmiger Basis umfassen. Die zahlreichen kleinen gelben Blüthenköpfchen bilden eine sehr verzweigte Rispe. Alle grünen Theile der Pflanze, auch derBlüthenboden, sind von einem Gefässsystem durchzogen, welches bei der Verwundung, zumal während der Blüthezeit, augenblicklich weissen Milchsaft1) hervorquellen lässt. Der anfangs derb markige, später hohle Stengel verdankt seine Festigkeit einem zwar schmalen, aber völlig geschlossenen Kreise von etwa 30 kurz radialen L) Daher auch der Name der Pflanze: lac, die Milch. 38 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Holzbündeln. Vor jedem derselben steht ein Cambialstrang, der durch Aus- läufer mit den benachbarten verbunden ist und gewöhnlich auch ein Bast- bündel enthält. An der Gränze zwischen dieser Cambium- und Bastzone und der Mittelrinde streicht das System derMilchsaftgefässe1), auf dem Querschnitte einen einfachen oder doppelten Kreis dünnwandiger Röhren darbietend, deren Höhlung dankelbraune Klumpen des geronnenen Saftes zeigt. Auf dem Läugsschnitte erweisen sie sich in ganz ähnlicher Art verzweigt und quer verbunden, wie die Milchsaftgefässe von Taraxacum. Die ansehnlich- sten dieser Röhren, von 35 Mikromillimeter Durchmesser, entsprechen in Lactuca ihrer Stellung nach ziemlich regelmässig den Gefässbündeln. Yon dem weitmaschigen Markgewebe ist jeder der letzteren ebenfalls durch einen Strang oder Bogen von Cambium abgegränzt, in dessen Peripherie sich ein- zelne schwächere Milchgefässe auch vorfinden. Das System derselben ist also ein doppeltes, einerseits dem Marke, anderseits der Rinde angehörig, beide durch das saftfreie Holz geschieden. Die Milchsaftgefässe der Rinde sind von nur 4 bis 6 Reihen nach aussen an Grösse rasch abnehmender Pa- renchymzellen der Mittelrinde und diese selbst von einer nicht sehr dick- wandigen Oberhaut bedeckt, so dass leicht ersichtlich ist, wie der geringste Schnitt oder Stich gerade die reichsten Milchsaftschläuche treffen kann. An der Luft erhärten die Tropfen des Milchsaftes bald zu dunkel gelb- braunen innen weisslichen Klümpchen, welche in grösserer Menge von kul- tivirtem Giftlattich gesammelt, zu Kugeln von etwa 0,04m Durchmesser ver- einigt und vor dem völligen Trocknen in acht ungefähr gleiche Theile zer- schnitten werden. In derartigen Kugelsegmenten, oder auch in weniger regelmässigen, ziemlich harten zerreiblichen Stücken von graubrauner, nur im Innern noch weisslicher Farbe pflegt das Lactucarium germanicum im Handel vorzukommen. Es besitzt in hohem Grade den eigenthümlichen narkotischen Geruch der Pflanze und schmeckt äusserst bitter. Mit Ausnahme einzelner gelber Harzklümpchen lassen sich im Lactucarium durch das Mikroskop besondere Bestandtheile nicht unterscheiden; im polarisirten Lichte verräth sich aber die krystallinische Beschaffenheit der Masse durch die Doppelbrechung, welche viele Theilchen darbieten. Es ist ein Gemenge sehr verschiedener organischer Stoffe, denen sich bis zu 8 pC. (auf Trockensubstanz bezogen) anorganische beigesellen, weshalb es auch von keinem Lösungsmittel voll- ständig aufgenommen wird und in der Wärme nur erweicht, nicht schmilzt. Unter Zusatz von Gummi kann es in Emulsion gebracht werden. Durch Weingeist, Aether oder ätherische Oele lässt sich dem Lactucarium bis zur Hälfte seines Gewichtes Lactucerin oder Lactucon 016H26 O entziehen und in schmelzbaren Krystallen erhalten. Dasselbe ist völlig indifferent und seine chemischen Funktionen noch nicht erforscht. Weingeist nimmt ferner *) sehr schön dargestellt in Hans t ein, die Milchsaftgefässe nnd verwandten Organe der Rinde. Berlin 1864. S. 68. Taf. VIII. 1 — 5 und Taf. IX. 13—15. Lactucarium. 39 etwa 0,3 pO. eines krystallisirbaren Bitterstoffes L a c t u c i n O1 ^ H12 O3 -h H2 0 auf, welcher, obwohl alkalisches Kupfertartrat reducirend, keine gepaarte Zuckerverbinclung ist. Beides gilt auch von der nach Ludwig eigen- tümlichen ebenfalls krystallisirenden und bitter schineckenden Lactuca- säure. In geringer Menge findet sich endlich das, wie es scheint, aus Lactucin entstandene amorphe Lactucopicrin O44HG4021, nach Kro- mayer ebenfalls sehr bitter und in Wasser löslich. Die Lactucasäure dürfte ein Derivat des Lactucopicrins sein, vielleicht alle 3 Stoffe von Lactucerin abstammen. Von den allgemeiner verbreiteten Stoffen enthält das Lactu- carium auch Harz, gegen 7pC. Eiweiss, Gummi, Oxalsäure, Citron- und Aepfelsäure, Bernsteinsäure, Zucker, Mannit (2pC. nach Ludwig), Aspa- ragin, dann Kali, Kalk- und Magnesiasalze der Salpetersäure und Phosphor- säure. Die Asche beträgt bis 10 pC. Bei der Destillation mit Wasser geht ein ätherisches Oel vom Gerüche des Lactucariums in sehr geringer Menge über; es soll bisweilen Schwefel absetzen. Dem Lactucin kömmt einTheil der schlafmachenden übrigens ungefähr- lichen Wirkungen des Lactucariums zu, welche dasselbe sehr lange zu behalten vermag. Das Lactucarium anglicum in dunkleren unregel- mässigen und spröderen, sonst dem deutschen Produkte gleichen Klumpen, steht 6mal höher im Preise, ohne dass entsprechende Unterschiede nach- gewiesen wären. Nicht nur Lactuca virosa, sondern auch die nahe verwandten Arten L. Scariola L. und die durch Kultur vielleicht daraus hervorgegangene L. sativa enthalten denselben bittern Saft, obwohl weniger reichlich. Das englische Lactucarium soll ohne Unterschied aus der letzteren sowohl als aus L. virosa gewonnen werden. Eine Kulturform ist auch vermuthlich die bis 3m hohe Lactuca altissima^) welche Aubergier in Clermont-Ferrand im Grossen baut und auf Lactucarium benutzt. In Frankreich wird sonst Lactuca sativa bevorzugt und hauptsächlich aus ihren Stengeln durch Pressen und Eindampfen des Saftes ein dunkel- braunes hygroskopisches Extract gewonnen, das meist als Thridax,2) auch Lactucarium gallicum s. parisiense geht. Die Hauptmasse dieses noch mehr gemengten Präparates besteht aus Gummi, Zucker und Salzen, während die wirksamen Stoffe des Milchsaftes in relativ viel geringerer Menge vorhanden sind. Eine Prüfung dieser Droge ist noch weit weniger ausführbar, daher leicht Yerfälschungen derselben vorkommen. Ein Gehalt von 20 pC. Traubenzucker, den Magnes-Lahens z.B. gefunden, dürfte wohl kaum ursprünglich vorhanden sein. Samen und Saft des Giftlattichs wurden schon von den Alten gebraucht und letzterer bereits mit dem Opium verglichen. In allgemeinere Anwen- dung kam das Lactucarium jedoch, wenigstens in Deutschland, erst im vorigen Jahrhundert. *) angeblich aus dem Caucasus stammend. 2) Der griechische Name der Pflanze schon im III. Jahrh. v. Chr. bei Theophrast. 40 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Opium. Laudanum. Meconium. Unter den bei Fructus Papaveris genannten Gegenden der Mohncultur kömmt in rein pharmakognostischer Hinsicht nur Kleinasien in Betracht, indem gegenwärtig die Pharmacopöen das dortige, am gewöhnlichsten in Smyrna oder Konstantinopel verschiffte Opium allein vorschreiben. Die Opium-Bereitung findet durch ganz Kleinasien, besonders in den höher gelegenen Landstrichen, meist durch kleine Bauern statt, da die Pflanze eine sehr sorgfältige Pflege und reichlich gedüngten Boden bedarf. Die Aussaat geschieht nach den Herbstregen bis zum November. Frühjahrs- fröste, anhaltend regenloser Sommer, auch die Heuschrecken können ganze Felder vernichten. Der kleinasiatische Mohn entspricht der Varietät a) Papaver nigrum DC.j1) seine fast ganz kugeligen Früchte werden nicht grösser als anderswo. Man verwundet sie wenige Tage nach dem Abfallen der Blumenblätter mittelst eines Messers so, dass das Fruchtgehäuse nicht ganz durchschnitten wird. Das Messer wird zu diesem Zwecke bis auf die Spitze mit Bindfaden umwickelt und nur in der unteren Hälfte der Kapsel mehrmals rund um dieselbe herumgeführt, jede Frucht aber nur einmal angeschnitten. Ein einziger oder ein paar ringsumlaufende Schnitte genügen vollkommen. Längsschnitte, so wie überhaupt mehrmalige Behandlung der gleichen Frucht lohnt sich nicht, wie Bourlier als Augenzeuge (1858) berichtet. Werden die Schnitte des Nachmittags gemacht, so kann der Saft schon am folgenden Morgen abgeschabt und auf Blätter gestrichen werden. Er fällt am reinsten in windstillen, trockenen Nächten aus. Nach dieser Behandlung der Früchte reifen sie immer noch ihre Samen, welche jedoch zur Aussaat nicht brauchbar sein sollen. Schliesslich dient das Kraut als Viehfutter. Eine Kapsel vermag ungefähr 2 Centigr. Opium zu liefern. Die mit Hülfe hölzerner Keulen zu kleinen Broten vereinigten Klümpchen (Thränen) des etwas erhärteten und an der Luft getrockneten Mobnsaftes werden in Blätter der gleichen Pflanze geschlagen, in kleine baumwollene Säcke verpackt und versiegelt. Maulthiere bringen je zwei mit diesen Säcken gefüllte Körbe nach Smyrna oder im Norden an Küstenplätze des Marmara- Meeres oder des Schwarzen Meeres. In Smyrna und Konstantinopel erst scheint hauptsächlich die Verfälschung des Opiums, vorzüglich durch Zusatz geringer Traganth- oder Gummisorten vorgenommen zu werden und eben so die Verpackung mit Ruin ex-Früchten. Das erstere setzt eine nachträgliche l) Nach Guibourt (Joum. dePharm. 41. p. 7) gehört aller Mohn Kleinasiens, Aegyptens, Persiens und Indiens im Gegentheil der Var. ß) album an. Maltass (1853) gibt dem klein- asiatischen Mohn ganz bestimmt fast ganz runde, nur wenig längliche Früchte und weisse oder purpurne Blumen, so wie schwarze, gelbe, braune oder — weisse Samen. Opium. 41 Umformung der Brote voraus, wobei also auch neue Mohnblätter zur Hand sein müssten. Nach einigen Angaben soll auch schon von den Producenten selbst das Opium mit Traubensaft und Mehl verfälscht werden, was aber schwerlich in grösserem Umfange möglich ist, da z. B. nach Maltass (1854) in Smyrna die Waare von öffentlichen Opium-Kennern einer im Ganzen sehr richtigen Prüfung unterzogen wird, bevor man definitiv handelt. Dem zu uns gelan- genden Opium pflegt auch Stärke zu fehlen. Afjun (Opium) — Kara (schwarz) — Hissar (Schloss) und Uschack im alten Phrygien, jetzt Kermian, so wie etwas südlich davon Isbarta und Bul- dur1) liegen im Centrum der bedeutendsten Opium-Produktion; doch scheinen in letzter Zeit der nördliche Theil Klein-Asiens, nämlich die Gegenden von Amasia und Angora (Engurieh), so wie der äusserste Nordwesten, Haupt- sitze dieser Kultur zu werden und erzeugen bereits (1864) jährlich bis etwa 400,000 Kilogr. Namentlich zeichnet sich seit kurzem besonders Geiwa (Geive, Gueve) am Unterlaufe des ins Schwarze Meer mündenden Sa- karia (Sangarius) aus und liefert eine ganz vorzügliche Sorte über Iskimid (Nikomedia) am Marmara-Meer nach Konstantinopel. Ebenso Lidscha in der Nähe von Geiwa. Die Ausfuhr Smyrna's beträgt durchschnittlich eben- falls über 400,000 Kilogr. und wurde z. B. 1858 auf ungefähr G Millionen Francs gewerthet. In der unmittelbaren Nähe Smyrna's wird so gut wie kein Opium erzeugt. Das kleinasiatische oder Smyrnaische Opium, von welchem ein be- sonderes konstantinopolitanisches durchaus nicht zu unterscheiden ist, bildet runde mehr oder weniger abgeplattete oder etwas kantige ungleiche Kuchen von ungefähr 300 bis 700 Gramm Gewicht. Die Mohnblätter, welche be- sonders die kleineren sorgfältiger bereiteten Brote umhüllen, sind gewöhn- lich mit lose haftenden Ampferfrüchten (Rumex) bestreut. Wo die Hülle abgescheuert ist, erscheint die braune Farbe des Opiums, welches sich be- sonders im Innern grösserer Brote sehr häufig noch feucht und kleberig zeigt. Völlig ausgetrocknete Brote hingegen springen unter dem Hammer. Auf dem grobkörnig unregelmässigen Bruche sind Andeutungen von Schich- tung gewöhnlich nicht zu verkennen und da und dort treten aus der porösen übrigens gleichartigen Masse einzelne etwas hellere fast durchscheinende Körner oder Linsen, sogenannte Thränen, heraus. Fremde Körper sind in guter Waare nicht ohne weiteres sichtbar; das Mikroskop dagegen zeigt unmittelbar die nicht eben sehr charakteristischen kleinen Bruchstücke der Mohnkapsel, welche nach der bei Fructus Papa- veris gegebenen Beschreibung unschwer kenntlich sind, wenn man etwas trockenes Opium abschabt und unter Benzol betrachtet. Meist erweisen sich diese Stückchen als ausschliesslich der Fruchtoberhaut angehörig, so dass sie wohl nicht von absichtlicher Beimengung herrühren. *) schon bei Tragacantha (ö. 8) genannt. 42 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Nach Wiggers1) wird in der europäischen Türkei ein schlechtes Opium in Salonik (Makedonien) dargestellt, unter türkischem Opium wird jedoch das klein asiatische verstanden. Von jeher wird auch ein ägyptisches Opium aufgeführt, wie denn früher das Opium überhaupt mit Bezug auf die oberägyptische Stadt Theben (unweit des heutigen Karnak und Luksor) als Opium thebaicum bezeichnet zu werden pflegte. Der Ruf des ägyptischen Opiums datirt aus dem späteren Alterthum oder aus dem Mittelalter; wenigstens war es den alten Einwohnern des Lan- des nach Unger unbekannt. Gegenwärtig findet sich im Handel noch bisweilen ein ägyptisches Opium in sehr harten, ziemlich flachen und ungefähr 0,05 bis 0,10 m im Durchmesser erreichenden Kuchen, bis etwa 170 Gramm schwer, welche in ein dünnes fein geädertes Blatt von lebhaft grüner Farbe gewickelt sind. Dasselbe mag wohl, wie Allen und auch Bentley vermuthet, von Plata- nus orientalis stammen. Auf dem Bruche erscheinen solche Brote klein- porig, dunkel leberfarbig, stellenweise durch eingesprengte Quarzsplitterchen, auch durch Gummi, glänzend. Da und dort kommen auch rothgelbe Pünkt- chen (Harz?) vor. Das Mikroskop zeigt in den mir vorliegenden Broten zahlreiche Stärkekörner. Diese fehlen einer anderen, angeblich ebenfalls ägyptischen Sorte in grösseren Broten, welche ich von Merck erhalten habe. Sie sind in Mohnblätter gehüllt, aber nicht mit Ampferfrüchten be- streut, auf dem Bruche matter als gutes Opium aus Smyrna. Der Morphin- gehalt beträgt 6 pC. Wie vonKremer2) anführt, sind gegenwärtig in Ober-Aegypten bei Esneh, Kenneh (Gegend der alten Thebai's) Siut 10,000 Feddan3) Landes mit Mohn bestellt, woraus im März Opium, im April Samen gewonnen wird. Nach Hartmann4) wird jedoch diese Kultur von der Regierung und nur für den Bedarf des Sanitätsdienstes betrieben. Noch 1833 führte Aegypten etwa 1 8,000 Kilogr. Opium aus, heut zu Tage aber so gut wie keines mehr. Gastinel, Direktor des Versuchsgartens in Cairo und viceköniglicher Apo- theken-Inspektor, hat (1865) gezeigt, dass die Opium-Gewinnung in Aegyp- ten ein recht gutes Produkt mit 10 bis 12 pC. Morphin liefern könnte, dass aber an der schlechten Beschaffenheit desselben gegenwärtig die allzu reich- liche Bewässerung der Pflanze und das zu frühe Anschneiden der Frucht schuld ist, wodurch der Gehalt, ganz abgesehen von der üblichen Verfäl- schung, auf 3 bis 4 pC. fällt. Stafford Allen hat 1861 die Opiumbereitung etwa 400 Meilen (?) oberhalb Cairo bei Gheuch (?) am Nil mit angesehen. Man baut dort weiss- blumigen Mohn, um dessen Kapsel ein zweimal ringsumlaufender Horizontal- 1) Jahresb. 1863. 43 u. 1864. 92. 2) in dem bei Herba Cannabis erwähnten Werke. 3) 5 Feddan = 2 Hectaren. 4) naturgeschichtl. medicin. Skizze d. Nilländer. Berlin 1866. S. 353. Opium. 43 schnitt geführt wird. Nach 4- bis ömaligem Abkratzen ist die Frucht erschöpft. Die spärliche Ausbeute reicht kaum für den inländischen Be- darf hin. Auch von anderer Seite1) wird bestätigt, dass die Ausfuhr ägyptischen Opiums aufgehört hat und die jetzt so genannte Sorte nichts anderes ist als in Snryrna oder Konstantinopel hergerichtetes anderweitiges Produkt, welches niemals mit Ampferfrüchten oder mit Samen bestreut ist. Pe r s ie n , vermuthlich die eigentliche Heimat des verderblichen Opium- genusses, baut gegenwärtig Mohn vorzüglich in den mittleren Provinzen. "Von Yezd und Ispahan ist die Ausfuhr von Opium nach Indien und auch nach dem Abendlande nicht unbedeutend. Das stärkste Opium (Teriak in Persien und Turkestan) liefert die Gegend von Disful und Schuschter öst- lich vom unteren Tigris; auch dasjenige aus Sari und Barfurusch, Provinz Masenderän am Caspi-See, ist sehr gut, wogegen in Kaschan Stärke zu- gesetzt wird'-)- Sehr viel Opium scheint ferner in Turkestan um Chokand erzeugt zu werden. Das persische Opium gelangt auch, ungefähr seit 1856 häufiger, wie- wohl wenig regelmässig, vermuthlich über Trapezunt nach Konstantinopel, wo es nach Merck3) in die gewöhnliche Form des kleinasiatischen Opiums umgearbeitet, aber mit Zusätzen versehen wird. Unverändert soll es von hier zum Theil auch nach China gehen. In einer Probe solchen vermuthlich umgearbeiteten persischen Opiums in Kugelform ohne alle Hülle finde ich etwas Amylum. In ursprünglicher Form gelangt persisches Opium nach Merck nur ganz ausnahmsweise auf andere Plätze. Es bildet entweder 0,1 5m lange, gegen 0,010m dicke Stängelchen oder oft sehr weiche etwa 0,03 m grosse Kugeln, in weisses oder auf der Aussenseite rothes Papier eingewickelt, welches bei den Cylindern in der Mitte durch Baumwollgarn festgehalten wird. Auf dem rothen Papier finden sich oft chinesische (nicht persische) Charaktere in Golddruck. Dieses persische Produkt in Stangen und Kugeln ist von reiner Leber- farbe, vollkommen homogen, an der Luft rasch erweichend und fast zer- fliessend. Unter dem Mikroskop zeigt es sich ausgezeichnet krystallinisch und so weit meine Proben reichen, frei von Stärke, überhaupt ohne auffal- lende Beimengungen. Dieselben sollen meist in Aprikosensaft bestehen, indessen durchaus nicht immer in betrügerischer Absicht gemacht werden. So gab schon Kämpfer (1712) an, dass ein eigenes Präparat aus Opium und Honigt gewürzt mit Cardamomen, Macis, Muskatnuss und Zimmt, üblich sei. In weichen Laiben persischen Opiums fand Reveil (1860) ein- mal 31,6 pC. Traubenzucker; er hält es für wahrscheinlich, dass man in Persien oft auch Brot in den Mohnsaft knete. !) Wiggers, Jahresb. 1864. 91. 2) Polak, iu dem S. 17 citirten Werke II. 248, 3) briefliche Angabe 1863. 44 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Auch Kandahar in Afghanistan scheint etwas Opium auszuführen. Ein arabisches Opium gibt es nicht mehr; es wird in Arabien im Gegen- theil welches aus Indien eingeführt. In Algerien ist schon seit 1828 auf die Anregung des Generals La- marque zum Theil ganz vortreffliches Opium aus weissblühendem und weissamigem Mohn gewonnen worden, aber immerhin noch nicht in einer zur Ausfuhr genügenden Menge. In neuester Zeit (1865) traf Gerhard Rohlfs1) auch in der nördlichen Sahara, in der Oase Tuat, starke Opiumkultur. Durch vielfache Versuche in Griechenland, Italien, Frankreich, in der Schweiz, in Deutschland, England, selbst in Schweden ist hinlänglich er- wiesen, dass auch in diesen Ländern ein nicht minder gutes, ja sehr oft ein gehaltreicheres Opium erzielt werden kann als im Orient. Am meisten hat man sich in den verschiedensten Gegenden Frankreichs vom Departement des Landes an bis zum Kanal mit Opiumgewinnung be- fasst, wozu schon 1553 Pierre Belon nach seiner Heimkehr aus Klein- asien gerathen hatte. Trotzdem dass Guibourt2) dieses Geschäft aufs wärmste empfohlen und sogar in einem Opium aus dem Norden (Puche- villers, Departement de la Somme) den höchsten bis jetzt irgend beobach- teten Morphingehalt (22,88 pC., auf getrocknete Substanz bezogen) nach- gewiesen hat, scheinen doch auch in Frankreich grössere Mengen noch nicht dargestellt worden zu sein3). Mit grosser Ausdauer jedoch betreibt seit 1844 der schon S. 39 genannte Aubergier in Clermont die Opium- gewinnung. Zu der Pariser Ausstellung 1855 lieferte derselbe ein Produkt von beinahe 15 pC. Morphingehalt aus rothbJühendem Mohn in kleinen Kuchen von ungefähr 48 Gramm. Obwohl das in verschiedenen Ländern Afrikas und Europas gewonnene Opium sich mit dem kleinasiatischen übereinstimmend zeigt, so wird eine schwunghaftere Erzeugung desselben , wenigstens in Europa, vermuthlich immer an der grösseren Höhe des Arbeitslohnes scheitern.4) Für den Arzneibedarf Europas fallen diese Länder daher nicht in die Wagschale und eben so wenig Ostindien, wo die allergrössten Mengen Opium dargestellt werden, aber nicht einmal auf den englischen Markt ge- langen. British Pharmacopoeia (1864) kennt nur kleinasiatisches. Die Opiumproduktion Indiens ist gegenwärtig durch das ganze mittlere Gangesgebiet, ungefähr von Murschidabad (genauer Hazaribagh) bis Schahabad und Agra in Nordwesten und Gorakpur im Norden verbrei- tet, am ausgedehntesten in den dicht bevölkerten ebenen Provinzen Behar !) Petermann, Geogr. Mitthlgn. 1865. 414. 2) Journ. de Pharm, et de Chim. 41. (1862) p. 184, 201. 3) Dass wirklich 1857 im genannten Departement für 1,900,000 Francs Opium gewonnen worden, wie Journ. de Pharm. d'Anvers XVI. 477 angibt, wird von Guibourt nicht erwähnt. 4) gegentheilige Hoffnungen suchte neulich wieder Odeph in Luxueil (Depart. Haute- Saone) zu begründen. Opium. 45 (Bahar) und Benares. In zweiter Linie, und zwar in neuester Zeit mit sehr bedeutender Zunahme steht das weite gebirgige Tafelland von Malwa, besonders die Holkar-Länder am Nordabhange des Windhja. Schon im XVI. Jahrhundert und wohl noch früher wurde in Malwa Opium gebaut und 1861 — 1862 überflügelte dieser Landstrich in Betreff der Quantität sogar ganz Bengalen. Was ausserhalb dieser Bezirke, in der Präsidentschaft Bombay, im Pandschab, in Radschputana (Mewar) und auf Ceylon noch ge- wonnen wird, ist nicht von Belang. Die wenigstens 1200 englische Quadratmeilen umfassenden Opium- bezirke Bengalens sind von der englischen Verwaltung in die Agentschaften Behar und Benares mit den Hauptfaktoreien Patna und Ghazipur und zahl- reichen Unterfaktoreien eingetheilt. Behar liefert dreimal so viel wie Be- nares. In beiden Bezirken wird ausschliesslich die bei Fruct. Papaveris be- zeichnete Varietät ß) des Mohns angebaut1). Wie in Kleinasien ist auch in Indien ein gut gedüngter und bewässerter Boden für das Gedeihen des Mohns unerlässlich und derselbe durch Insekten, übermässigen Regen, Hagel oder gar durch die lästige Orobanche indica oft bedroht. In Behar wird er Anfangs November gesäet und im Fe- bruar oder März (März oder April in Malwa) angeschnitten, wenn die Blu- men abgefallen oder abgestreift sind, die Kapsel aber noch nicht reif ist. Hierzu bedient man „ sich eines besonderen Instrumentes aus Eisenblech, Naschtar2) genannt, das aus spateiförmigen, aber vom tief gekerbten und geschärften Klingen gebildet ist , welche man zu 3 , 4 oder seltener 5 pa- rallel durch Bindfaden getrennt aufeinander bindet. Jede Kapsel wird nun dreimal oder, wenn sie sehr gross ist, sogar bis sechsmal geritzt, indem man jenes Lanzettenbündel an der herabgebogenen Frucht 4 bis 6 Mal senk- recht von unten nach oben herauf führt. Doch scheint man in manchen Bezirken Bengalens nur Querschnitte zu machen, wie in Klein-Asien. Be- merkenswerth ist aber, dass dort die Kapsel nicht nur mit dem weit zweck- mässigeren Naschtar, sondern auch mehrmals angeschnitten wird. Damit zusammenhängend wird der Durch schnittsertrag einer bengalischen Kapsel weit höher, bis zu 8 Centigr., angegeben. Die Spitzen des Naschtar besitzen, wie es scheint, nur eben die Länge, die zum Anschneiden des Frucht- gehäuses erforderlich ist, aber das Durchschneiden nicht leicht zulässt. Die Verwundung geschieht in den heissesten Nachmittagsstunden, wo der ausfliessende anfangs weissliche Milchsaft sich bald mit einem dunkelen Häutchen überzieht, das den Verlust, nicht aber das Nach- fliessen während der Nacht hindert. Am folgenden Morgen werden die Thränen mit einem von Zeit zu Zeit reichlich geölten kellenartigen Schabe- eisen (Situah) gesammelt und von demselben auf flache irdene Schalen ge- !) Eatwell, Ann. d. Ch. u. Ph. 84. 389 — nachRoyle „schwarzer* Mohn (?) 2) abgebildet im Wiggers'schen Jahresberichte 1852. 63 und Annalen der Chem. u. Pharm. 84 S. 390 — 403. Naschtar heisst ein scharfes Messer, vorzüglich das Rasirmesser. 46 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. strichen, dann öfter durchgearbeitet und endlich in die Faktoreien gebracht. Hier formt man daraus in ziemlich umständlicher Weise1) Kugeln von etwa 2 Kilogr. Schwere, indem man das Opium noch weich in eine schalen- artige Umhüllung drückt, die zuvor in einer messingenen Hohlkugel be- reitet wird. Diese Schale erhält man vermittelst der Blumenblätter des Mohns (poppy leaves), welche vor der Opiumernte abgestreift und durch schwaches Erwärmen zu vielen miteinander verklebt werden. Die kleinen so dargestellten Kuchen werden sortirt, je nachdem sie für die innere oder äussere Wand der Schale oder für deren Masse besser passen. Ihre Festig- keit verdanken sie einem Brei „Lewa"2), wozu man geringes Opium und „Passewa" sowie das Waschwasser der Opiumgefässe nimmt. Der benga- lische Mohnsaft scheint nämlich flüssiger zu sein als der kleinasiatische; in den flachen Gefässen, welche den ersteren zunächst aufnehmen, sammelt sich eine anfangs röthliche, dann tief dunkelbraune saure Flüssigkeit an, welche Passewa3) heisst und sorgfältig zu dem angegebenen Zwecke ge- sammelt wird. Für die Neuerung, statt der Tabaksblätter Mohnblumen mit Lewa zu verarbeiten, wurde Flemming von der Compagnie mit ungefähr 120,000 Francs belohnt. Die fertigen Opiumkugeln (cakes) rollt man in poppy trash, zerkleinerten Stengeln, Kapseln und Stengelblättern des Mohns und trocknet sie erst in irdenen Schüsselchen an Luft und Sonne, dann auf Hürden in eigenen Trockenräumen. Tritt Gährung ein, so werden die betreffenden Kugeln oder Brote aufs Neue in Arbeit genommen. Im Juli ist die Opiumbereitung be- endet, die Kugeln erfordern aber immer noch gute Aufsicht und werden erst im Oktober zu je 40 mit poppy trash in Kisten mit ebenso vielen Fächern verpackt. Die Schale wird zuletzt sehr hart. Mit grösserer Sorgfalt bereitet man in Patna auch quadratische, ungefähr 1 Kilogr. wiegende und ganz ein- fach in geöltes Papier gewickelte Kuchen, die nur für den inländischen Ge- brauch dienen und reicher an Morphin zu sein scheinen. Malwa liefert auch flache kreisrunde Laibe von vorzüglicher Güte. Das indische Opium in Kugeln, welche Form allein ausgeführt wird, ist im Innern noch ziemlich weich, da die schliesslich sehr feste schalenartige Umhüllung, welche oft 1 Centimeter dick angebracht wird, die Masse vor Verdunstung noch weit vollständiger schützt, als die klein asiatische Ver- packung. Der rohe Milchsaft, welcher mit einem Wassergehalte von minde- stens 32 bis 36 pC. in die Manufakturen abgeliefert wird, gelangt daraus immerhin noch mit einem Gehalte von durchschnittlich 25 bis 30 pC.4) in *) sehr genau beschrieben von Eatwell, Ann. der Chem. u. Pharm. 84. S. 385—409. 2) „lewa = plaster that which is spread ou the outside of a new pot." Shakespear, diction. engl, and hindi. Das Wort bedeutet also wohl die letzte Lehmschicht, womit Töpfe überzogen werden. 3) vielleicht zusammenhängend mit dem Hindi-Worte pasana = abschöpfen, abgiessen. 4) Diese Angabe dürfte denn doch viel zu hoch gegriffen sein. Guibourt wenigstens fand im indischen Opium nur 3,5 bis lOpC. Wasser. Opium. 47 den Handel. Die oft nicht unbeträchtliche Menge Leinöl, welche, wie oben erwähnt, wenigstens in Malwa, beim Abkratzen des Opiums in dasselbe ge- langt, trägt gleichfalls dazu bei, die fertige Waare im Innern weich zu er- halten. Namentlich verräth sich, nach Wiggers, bei den in Bombay vor- kommenden Sorten aus Malwa und dem Pandschab, ein bedeutender Oel- gehalt schon beim Drücken auf Papier. In Kugeln aus Patna finde ich dagegen unter dem Mikroskop kein Oel. Das indische Opium zeigt im allgemeinen das Aussehen und den Geruch der kleinasiatischen Sorten. In Malwa ist die Gewinnung des Opiums (1802) frei, aber indirekt durch Ausfuhrbewilligungen beschränkt, in Bengalen dagegen Monopol der Regie- rung, früher der Compagnie. Die Licenzei , welche dazu ermächtigen, sind an die Bedingung geknüpft, den Ertrag nur an die Faktoreien der Regierung zu verkaufen. Die früher durch Hindostan viel weiter verbreitete Opium- cultur ist deshalb auch von der englischen Verwaltung seit 1797 auf Behar und Benares eingeschränkt worden1). Das von derselben bereitete Opium wird endlich in Calcutta an die Grosshändler versteigert. Nicht nur das sämmtliche in Indien erzeugte Opium , sondern auch ein guter Theil d«s vorderasiatischen geht nach China. Ursrpünglich scheint dasselbe diesem Lande durchaus fremd gewesen zu sein, wie denn auch der chinesichen Sprache so gut wie dem Sanskrit ein eigener Ausdruck dafür fehlt. Erstere bildete nach dem arabischen Afjun die Bezeichnung a-pien oder o-fu-jung 2). Die chinesische Naturwissenschaft schildert auch das Opium als Produkt Indiens und Persiens. Die Araber, welche seit Beginn des IX. Jahrhunderts (vergl. die geschichtlichen Bemerkungen bei Cortex Cinnamoni zeylanici) die Südkreise des chinesischen Reiches besuchten, brachten schon frühe Opium dorthin. Später, wenigstens bis ins sechs- zehnte Jahrhundert nahmen die Chinesen selbst welches als Rückfracht auf ihren Dschunken aus Indien mit3). Doch diente das Opium bis gegen das XVII. Jahrhundert immer nur als Heilmittel gegen die Ruhr. Als es aber im Westen begann die Rolle eines Genussmittels zu spielen, hob sich auch, seit 1717, die bis dahin nur etwa jährlich 200 Kisten zu 140 Pfund betra- gende Ausfuhr Indiens nach China. Die Portugiesen, welche beinahe ausschliesslich diesen Geschäftszweig betrieben, setzten schon i. J. 1717 und in den nächstfolgenden Jahren 1000 Kisten mit bedeutendem Gewinn in Macao, dem damals allein zugänglichen Hafen Chinas, ab. Das oft wiederholte Einfuhrverbot der chinesischen Regierung, welche das Uebel !) Ritter, Asien IV. 2. 783. 2) Das zunächst folgende grösstenteils nach Neumann, Ostasiatische Geschichte vom ersten chines. Kriege bis zu den Verträgen in Peking. Lpzg. 1861. S. 8 und 318. — Die Angaben derNovara stimmen mehrfach nicht ganz damit überein. 3) Ritter, Asien III. 853 u. IV. 781. — In diesem letztern Bande, 2. Abthlg. S. 773 bis 800 findet sich eine vielseitige anregende Schilderung des Opiums überhaupt. 48 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. richtig erkannte1), hatte nur vermehrte Nachfrage und die Einrichtung des Schmuggels zur Folge, was dann die Aufmerksamkeit der englisch-ostin- dischen Compagnie herausforderte und sie veranlasste , die Opium-Cultur in Bengalen an die Hand zu nehmen und 1773 zu monopolisiren. Ihr erster Versuch der direkten Einfuhr in China mit einem kleinen Posten scheint 1773 stattgefunden zu haben2). 1778 folgten schon 2800Kistenzu 140 Pfund, welche jedoch nicht ganz Absatz fanden, 1829 über 5000, 1835 über 9600 Kisten und seit 1820 ausserdem noch jährlich über 4000 Kisten aus Malwa. Gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts verbreitete sich die Unsitte des „ Opium trinkens" wie die Pest von den Südprovinzen aus über das ganze ungeheure Reich der Mitte und in gleichem Masse die gewinnreiche Ausfuhr des Giftes aus Indien. Von 1798 an, wo die Compagnie bereits 4170 Kisten an Mann brachte, gestaltete sich das Geschäft ganz regelmässig und wie bekannt trotz aller Massregeln der chinesischen Regierung mit wissen- der Zunahme, so dass die Gesammtmenge der bengalischen Lieferungen nach China von 1798 bis 1855 auf 1,197,000 Kisten3) veranschlagt wird. Im letzten Jahre erscheint Bombay mit 12500 Kisten, Malwa mit 16500, Bengalen mit 29000, zusammen aus Indien 67000 Kisten4), nicht gerech- net was ausserdem von Smyrna und Konstantinopel nach China verschifft wurde. Die j ährlich e indische Ausfuhr nach China betrug zwischen 1852 und 1862 von 70000 bis 71000 Kisten im Verkaufswerthe von 153 Mill. bis 275 Mill. Francs! Der jährliche Reingewinn belief sich 1858 auf 100 Mill. Francs. China bezahlte 1858 über 160 Mill. für Opium an den englischen Handel, theils allerdings in Seide und Thee. 1862 setzte die indische Regierung die Opium-Lieferungen aus Malwa (inclusive Bombay?) auf 40000, diejenigen aus Bengalen auf 50000 Kisten jährlich fest. Nicht nur dem auswärtigen Drucke der englischen Spekulation erlag zuletzt die chinesische Regierung5), sondern sie konnte sogar den Anbau des Mohns im eigenen Lande nicht hindern ; im Gegentheil empfahlen (1853) die revolutionären Taipings denselben aus volkswirtschaftlichen Gründen öffentlich mit der Bemerkung, dass er heimlich bisher schon stark betrieben x) ein merkwürdiger kaiserlicher Erlass vom Jahre 1801 (abgedruckt bei Reich, Nahrungs- und Genussmittelkunde. Göttgn. 1860. IL 2. 273.) schildert dasselbe sehr warm. 2) So nach den Berichten der Novara, anders nach Ritter IV. 797. 3) ausser den Kisten von 40 Kugeln (Ballen) zu 2 Kilogr. scheinen auch wohl solche von nur 80 Pfund vorzukommen, daher die Gewichtsberechnungen nicht immer richtig sind, die in statistischen Angaben figuriren. Man scheint bisweilen Kugeln und Pfunde verwechselt zu haben, so z. B. Novara II. 114 u. 115, wo das übliche Gewicht der aus Bengalen nach Singa- pore kommenden Kisten zu 40 Pfunden angegeben wird. 4J Ausland 1862, S. 839. 5) Erlass des chines. Kaisers vom Jahre 1840: „...ich kann die Einfuhr des Giftes nicht „hindern. . ., aber nichts wird mich bewegen, aus dem Laster und dem Elende meines Volkes Gewinn zu ziehen." Novara IL 118. — Jetzt geschieht letzteres in Form eines ansehnlichen Eingangszolles. Opium. 49 worden. Das in Jünnau im Süden, auch in den Provinzen der Südostküste so wie am mittleren Kiang (YangtseMang) gewonnene chinesische Opium, jetzt schon jährlich auf 20,000 bis 30,000 Kisten veranschlagt, hat bereits die Aufmerksamkeit des indischen Finanzministeriums auf sich gezogen. Doch wird es vorläufig amtlich für sehr gering erklärt'). Sogar im äusser- sten Nordwesten des Reiches, am Iliflusse unweit der sibirischen Grenze scheint Opium von Tartaren gebaut zu werden 2). Die Chinesen bereiten daraus in ganz kunstgerechter Weise zum Theil durch gelindes Rösten, nochmaliges Auflösen und Wiedereinkochen ein steifes Extract. Tschandu genannt. Diese Arbeit wird durch gut bezahlte Leute mit sehr grosser Genauigkeit ausgeführt, um ja den kostbaren Roh- stoff nicht zu gefährden. Sie gibt nur die Hälfte bis gegen drei Viertel rauchbares Tschandu von gehöriger Zähigkeit. In Singapore wird es ge- radezu mit Silber aufgewogen. Davon wird ein Stückchen von der Grösse einer Erbse auf die eigenthümlich geformte Pfeife genommen und von Zeit zu Zeit durch Annäherung an die Flamme eines Lämpchens die sehr man- gelhafte Verbrennung unterhalten. Was halb verkohlt zurückbleibt, wird unter dem Namen Tye oder Tinco an weniger bemittelte Raucher verkauft, und was auch hier noch der Verbrennung entgeht (Samsching), geniesst schliesslich die ärmste Klasse der Opiumfreunde. Wenige Gramme Tschandu genügen zu einer starken Narkose. Das ganze Verfahren beim Opiumrauchen, die Einrichtung der dazu dienenden Anstalten (Papan Meras) und die Wirkungen des Genusses finden sich in höchst geistreicher Weise geschildert von Cooke: The seven sisters of sleep3). Im Rauche des Opiums hat Reveil Cyanammonium undDecharmes (1861) Morphin nachgewiesen, was wohl begreiflich erscheint, wenn man bedenkt, dass sich das Alkoloi'd bei grosser Vorsicht auf kurze Entfernungen sublimiren lässt. Aber auch direkt in Pillenform oder als Latwerge dient im Orient, sogar auch in Amerika, das Opium in ungeheurer Menge als Berauschungsmittel. Das Opium riecht eigenthümlich narkotisch und schmeckt rein und scharf bitter , brennend , aber nicht kratzend. Das durchschnittliche speci- fische Gewicht beträgt ungefähr 1,3. Ueber ein Drittel des Opiums besteht, wie unten gezeigt ist, aus eigenthümlichen Stoffen, welche in reinem Zu- stande meist gut krystallisiren und zum Theil schon in der Droge selbst sich in dieser Form vorfinden. Alle Opiumsorten erweisen sich in der That bei Betrachtung durch da^^BkröskojE>a^r oder weniger krystal- linisch, wenn man trockene S^üclfchen mit Benzol' zerreibt. In Betreff der f !) Ausland 1862. S. 839. -\ Nach Cooke (S. 161) ist es keineswegs so gering. 2) wenigstens finden sich dort Opiumfelder augegehen auf der/'Karte des Iligebietes in Petermann's Geogr. Mittheilungen 1866, Heft III 3) London 1862 (?) S. 182—198. Flückiger, Pharmakognosie. 4 50 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Formen zeigen sich Verschiedenheiten; Nadeln und kurze ganz unausgebil- dete Kry ställchen enthält das kleinasiatische Opium meist in nicht sehr grosser Menge, während das indische und mehr noch das persische in Stan- gen und Kugeln nicht nur durch und durch krystallinisch erscheinen, sondern auch verschiedene Formen darbieten, welche sich bei Anwendung des Pola- risationsmikroskops sehr schön ausnehmen. In der persischen Sorte lassen sich neben Nadeln und Prismen auch rhombische oder vielleicht rectanguläre Tafeln und wetzsteinartige Krystalle unterscheiden. Letztere gehören viel- leicht der Meconsäure oder ihrem Morphinsalze an , die Tafeln dem Codem oder Thebai'n, die Nadeln vielleicht dem Narcotin. Jedoch sind die Formen zu wenig ausgebildet, um sichere Schlüsse zu gestatten ; auch vermögen die reinen Opium-Stoffe unter wenig veränderten Umständen sehr abweichende Formen, die oft wenig charakteristisch sind, anzunehmen. Daran schei- tert das Bestreben , durch Ausziehen des Opiums mit Wasser oder Wein- geist und Eindampfen Krystalle zu gewinnen , welche sich mit den reinen Stoffen vergleichen Hessen. Einen immerhin sehr interessanten derartigen Versuch haben Deane und Brady1) gemacht. Der Mohnsaft ist wie alle derartigen milchigen Flüssigkeiten ein Gemisch sehr verschiedenartiger Stoffe , die allerdings hier in höchster Zahl und Ab- wechslung vereinigt sind. Wahrscheinlich beeinflussen auch äussere Bedin- gungen die Zusammensetzung des Opiums in der Weise, dass einzelne Bestandteile manchen Sorten fehlen oder in geringerer Menge darin vor- handen sind. Noch allzu wenig erforscht sind diejenigen allgemeiner verbreite- ten Stoffe, welche den grössten Theil des Opiums ausmachen. In erster Linie, vom Wasser abgesehen, scheint darin ein bassorinartiges Gummi (Pektin?) vorzukommen, oft zugleich mit löslichem Gummi und Albumin. Dass letzteres bisweilen vorherrsche, wie aus Analysen von Biltz (1829) hervorgehen würde, erheischt wohl noch Bestätigung. Die Gesammtheit dieser Körper (mit Einschluss unvermeidlicher Kapselstücke) dürfte durch- schnittlich wohl die Hälfte des Opiums übersteigen. Gelöst findet sich neben diesen Stoffen im Mohnsafte noch Zucker, wovon z.B. im französischen Opium 6,5 bis 8 pC. vorkommen und zwar, wie es scheint, immer Trauben- zucker. Bei ausländischer Waare ist es freilich nicht ausgemacht, wie weit derselbe als Zusatz zu betrachten ist. Die Salze der anorganischen Basen, hauptsächlich des Kalkes , der Magnesia und des Kalis gehören theils all- gemeiner verbreiteten, theils eigenthümlichen Säuren an. Von ersteren sind Phosphorsäure, S c 1 1 w ef el^Mayu u dS aUftäure zu nennen. Gutes kleinasiati- sches Opium, bei lOC^^SJ^etf^SSfe^henbestandtLeilen im Ganzen 1) Pharm. Journ. Ind TiJftM.Vviöp^3fc».l YII. p. 1*3 (1864—1865) mit 4 schönen Tafeln Abbildungen der\fttetallanschüsse aus Extr. uu#T/»ct. opii, so wie der reinen Stoffe selbst. - Wird der SaftN^js in wuseru Gegenden gezogeneu Mohns durch geringen Glycerin- zusatz vor raschem KiutrockuclS^ll/ß^A'^^ip^-11 ^'■nin aucn Krystalle an. Opium. 51 8 pC. Bei weitem reicher daran sind die Mohnkapseln (vergl. bei Fructus Papaveris). Auch der grösste Theil, wenn nicht die ganze Menge der orga- nischen Salze ist in dem immer sauer reagirenden Safte gelöst. Die wässerige Flüssigkeit hält in Emulsion einige ebenfalls noch nicht genau genug gekannte Stoffe, welche mit Kautschuk, Harz, Wachs oder Fett verglichen werden. Ihre Menge darf auf ungefähr 10 pC. angesetzt werden. Sie bleiben mit Bassorin, Albumin, unlöslichen Erdsalzeu im Rück- stande, wenn das Opium mit Wasser behandelt wird. Ueber den Farbstoff und eine äusserst kleine Menge eines pfefferartig riechenden flüchtigen Kör- pers fehlen genügende Kenntnisse vollends. Fällt man den ersteren durch Bleiessig aus dem wässrigen Opium-Auszuge, so färbt sich letzterer doch wieder an der Luft. Stärkmehl fehlt dem Mohnsafte, ebenso die Gerbsäure. Das Vorkommen dieser leicht nachweisbaren Stoffe gibt oft schon einen An- halt zur Beurtheilung der Reinheit des käuflichen Opiums. Der Wassergehalt desselben ist, wie aus der Bereitungsweise hervor- geht, ein sehr wechselnder. Gutes kleinasiatisches Opium gibt bei 100° leicht noch 9 bis 14 pC. ab, wenn es sich durch und durch ziemlich trocken anfühlt. Im Innern grösserer Laibe bleibt es lange weich und kann bis 24 pC. Wasser zurückhalten. Trägt man diesem Umstände nicht Rech- nung, so werden natürlich analytische Resultate nicht vergleichbar. Da die wirksamen Stoffe, wenigstens das Morphin, sich durch Wasser allein schon vollständig ausziehen lassen, so ist die Gewichtsbestimmung ihrer Gesammtheit von praktischer Wichtigkeit. Dieses Extract beträgt (auf 100° C. bezogen) bei gutem klein asiatischem Opium immer 55 bis 66 pC., meist über 60 pC. Die eigenthümlichen Bestandtheile des Opiums sind theils indifferent, theils saurer oder basischer Natur. Schon im XVII. und XVIII. Jahrhundert wurden derartige Stoffe be- merkt und als Magisterium opii bezeichnet. Vergebens suchte Buch olz 1802 aus dem Extracte ein Salz durch Krystallisation zu gewinnen. Beim Verdünnen des syrupdicken wässrigen Auszuges bemerkte dagegen 1803 Derosne, Apotheker in Paris, Krystalle (das nachmalige Narkotin), die er rein darstellte und den gleichen Körper glaubte er auch durch Fällung der Mutterlauge mit Alkali zu erhalten (Morphin). Einem nicht wieder abzu- scheidenden Gehalte an letzterem schrieb er es zu, dass dieses nach der zweiten Methode dargestellte „Opiumsalz" Veilchensyrup grün färbte. Und doch gelang es ihm nicht, dem zuerst erhaltenen durch Fällung aus saurer Lösung ebenfalls dieselbe Wirkung auf Pflanz§n£arbstoff zu ertheilen. Das auf die eine oder andere Weise dargestellte Öpiumsalz fand Derosne von gleicher physiologischer Wirkung, wie grössere Mengen Opium. So scharfsinnig auch diese Beobachtungen waren, so blieb doch dem Apotheker Sertürner zu Eimbeck (gestorben 1841 zu Hameln in Han- nover) ihre Deutung vorbehalten. Schon seit 1805 hatte er sich ebenfalls mit dem Opium beschäftigt, und fasste nun 1816 (December) seine Erfah- 4* 52 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. r im gen in dem Satze zusammen1) dass er die "Wissenschaft bereichert habe „nicht nur mit der Kenntniss einer merkwürdigen neuen Pflanzensäure (Meconsäure — bereits 1806 von ihm bekannt gemacht als Opiumsäure), „sondern auch mit der Entdeckung einer neuen alkalischen salzfähigen „Grundlage, dem Morphium, einer der sonderbarsten Substanzen, welche „sich dem Ammoniak zunächst anzuschliessen scheint." Mit aller Bestimmtheit erkannte Sertürner demnach die basische Natur und die organische Zusammensetzung des Morphins und stellte eine Reihe seiner krystallisirten Salze dar. Auch die Giftigkeif des Körpers setzte er durch Yersuche an sich selbst und an Anderen ausser Zweifel. Endlich wies Ser- türner auch, wiewohl zunächst ungenau2), den Unterschied zwischen seinem Morphin und dem sogenannten Opiumsalze (Narcotin) von Derosne nach. Es ist möglich, dass letzterer gleichzeitig mit Sertürner oder noch früher Morphin in Händen gehabt hat und das Gleiche wurde auch später für S e - guin in Anspruch genommen, welcher merkwürdigerweise eine Unter- suchung des Opiums von 1804 erst 18143) veröffentlichte. Unbestrittenes Eigenthum Sertürners ist aber die höchst folgenreiche Erkenntniss alkalischer Körper im Pflanzenreiche. Das Morphin eröffnete die unabsehbare Reihe der Alkaloide und das Opium selbst ist dadurch eine reiche, immer noch nicht erschöpfte Fundgrube interessanter Stoffe geworden. Die Reaktion des Morphins auf Pflanzenfarben und die Eigentümlich- keit (des Hydrats), in kurzen Säulen (des zweigliedrigen Systems) zu kry- staflisiren, hob schon Sertürner hervor. Seine Lösungen in Säuren und Alkalien zeigen Molecularrotation nach links. Das Alkaloi'd gehört zu den Aminbasen, indem sich darin Wasserstoff durch Alcoholradicale ersetzen las st. Während das Morphin im Opium an Meconsäure gebunden ist und sich deshalb leicht in Wasser löst, ist das Narcotin (oder Opian) in freiem Zustande vorhanden und kann leicht durch kochenden Weingeist, durch Aether, Chloroform und ätherische Oele ausgezogen werden. Es löst sich in 20 Th. des ersteren, in 40 kochendem Aether, in 3 Chloroform. Bei seinen zweifelhaften oder doch schwach alkalischen Eigenschaften, die sich z. B. auf Pflanzenfarben gar nicht äussern, vermag selbst die freie Säure des Opiums das Narcotin nicht zu lösen. Seine meist amorphen, sauer reagirenden bitteren Salze sind leicht zersetzbar; es krystallisirt aus kochen- dem Weingeist in Nadeln und besitzt Rotationsvermögen nach links. Durch Zersetzung vermittelst Schwefelsäure liefert das Narcotin die unzweifelhafte Base Cotarnin neben Opiausäure und weiteren Derivaten der letzteren. Merkwürdigerweise ist das Narcotin auch in Tuber Aconiti (vgl. dieses) aufgefunden worden; dass es verschiedene homologe Arten desselben gebe, !) in Gilbert's Annalen der Physik. Lpzg. 1817. 55. S. 57. 2) besser Robiquet. Gilbert'* Annalen 57. S. 177 (1817). 3; Annalea de Chimie 92. p. 225. Opium. 53 ist von Matthiessen und F oster mit grösster Wahrscheinlichkeit wider, legt worden. Die Entdeckung einer weiteren Base, des C od eins, folgte erst 1832 durch Robiqu et. Es krystallisirt mit und ohne Krystallwasser, löst sich in 17 Theilen kochenden Wassers zu einer stark alkalischen Flüssigkeit, welche nach links rotirt. Dieses Alkaloi'd sättigt die Säuren vollkommen und reagirt stark alkalisch. Ebenfalls 1832 fand Pelletier das Narcein, welches, obwohl in wässeriger Lösung nicht alkalisch reagirend, doch mit Säuren krystallisirbare, freilich zum Theil nicht sehr beständige Verbindungen gibt. Seine Mole- kularrotation nach links ist bedeutend schwächer, als bei Narcotin. Das Narcein schmeckt schwach bitter, mehr styptisch, und löst sich sehr leicht in kochendem Wasser. Unvollständig bekannt und überhaupt nur drei Male gefunden, ist das 1835 von Pelletier und Thiboumery dargestellte Pseudomorphin. Es scheint eine schwache Base zu sein. Im gleichen Jahre fand der zuletzt genannte Chemiker das T h e b a i n , auch Paramorphin genannt, eine entschiedene Base von mehr scharfem und metallischem als bitterem Geschmacke. Von zweifelhafter chemischer Funktionist das zuerst 1838 vonE. Merck in bengalischem, später auch von Riegel in türkischem Opium bemerkte Porphyroxin, ausgezeichnet durch die rothe Färbung, welche seine an- fangs farblosen Lösungen in Mineralsäuren beim Kochen annehmen. Bestimmt alkalischer Natur ist das Papaverin, 1848 von G. Merck aufgefunden. Die Base selbst und ihre Salze sind schwer löslich, von ge- ringem Rotationsvermögen. — Ganz andere Eigenschaiten zeigt das bei Fructus Papaveris erwähnte Papaverin von Deschamps. 1851 wies Hinterberger im Opianin eine bestimmte alkalisch reagirende bitter schmeckende Base nach, die für sich selbst in kochendem Weingeist sehr wenig löslich ist und sich in salpetersäurehaltiger Schwefel- säure blutroth löst. Von Gerhardt und von Weltzien wurde das Opianin für identisch mit Narcotin erklärt; der hohe Sauerstoffgehalt spricht jedenfalls gegen die Basicität. Nur einmal aus Opiumrückständen von der Tinkturbereitung erhielt Wittstein 1860 das Metamorphin von schwach beissendem nicht bitterem Geschmacke, bemerkenswerth durch seine leichte Löslichkeit in kaustischen und kohlensauren Alkalien, so dass es aus den Salzen gar nicht gefällt werden kann. Ein neues Alkaloi'd ermittelten 18641) T. undH. Smith; durch Schwe- felsäure wird es tief blau, ein Splitter Kalisalpeter ruft schön blaue Fär- bung hervor. 1) Pharm. Journ. und Transact. VI. p. 240. 54 I. Pflanzenstoffe ohne organische Struetur. Das (bei Fructus Papaveris erwähnte) Papaverosin mttsste sich auch im Opium finden, wenn sich seine Existenz bestätigt. 1865 endlich hat Hesse im Opium auch das Rhoeadin (s. bei Flores Rhoeados) angegeben, das vielleicht in Beziehung zu Porphyroxin steht. Unter den eigenthümlichen nicht basischen Bestandteilen des Opiums ist wie oben angedeutet die merkwürdige Meconsäure (Opiumsäure) 07H407 schon 1805 von Sertürner entdeckt worden. Sie ist durch die rothe Farbe ausgezeichnet, welche sie und ihre Salze auch bei grosser Ver- dünnung den Eisenoxydlösungen ertheilen. In 4 Theilen kochenden Wassers löst sich die Säure, aber es tritt alsbald OO2 aus und statt der glimmer- artigen Krystallschuppen der Meconsäure schiessen aus der (am besten mit Salzsäure gekochten) Flüssigkeit beim Erkalten harte körnige Krystalle von Comensäure 06H405 an. Aus mehr als zwanzig verschiedenen Opiumproben haben T. und H. Smith1) eine zweite, wie es scheint eigenthümliche Säure, die The- bolactinsäure, gewonnen und 1862 nebst ihrem Kupfer- und Morphin- salz in London ausgestellt. Als unzweifelhaft indifferenter Bestandtheil des Opiums ist das Meconin (oder Opianyl) O10H10O4, 1832 von Dubl an c aufgefunden, zu nennen. Es krystallisirt in sechsseitigen, unter Wasser bei 77° C. schmelzbaren Säulen, welche sich bei 100° in etwa 20 Theilen Wasser zu einer bitter schmeckenden Flüssigkeit lösen. Künstlich lässt es sich auch durch Erwärmen des Narcotins mit Salpetersäure erhalten. Durch Chlor wird das Meconin zu Mechloinsäure oxydirt. Die bis jetzt feststehenden Formeln der Opium - Alkaloide zeigen un- verkennbare Beziehungen unter sich, wie aus folgender Uebersicht hervor- geht: unzweifelhafte Basen: ; schwache Basen : nicht sicher: Opianin 33 37 1 11 nicht analysirt: Metamorphin, Porphyroxin, Pseudomorphiu. Die eigentliüinlichen Stoffe des Mohnsaftes sind in sehr verschiedener Menge vorhanden. In erster Linie steht das Morphin, wovon Guibourt in dem schon erwähnten Opium des Departement de la Somme (bei 100° C. getrocknet) nicht weniger als 22,88 pC. gefunden hat, welche Zahl als Maximum dasteht. Doch fand Guibourt auf genau gleiche Weise 0 H N 0 Morphin 17 19 1 3 Codein 18 21 1 3 Thebain 19 21 1 3 Papaverin 20 21 1 4 Narcotin 22 23 1 7 Narcein 23 29 1 9 l) Pharm. Journ. und Transact. VII. p. 50. Opium. 55 auch in einem kleinasiatischen 21,46 pC, Biltz in deutschem Opium bis 20 pC. Indessen fällt der Morphingehalt oft bis unter 1 2 pO. Erweist er sich geringer als 10 pC, so muss, wenigstens bei kleinasiatischer Waare, eine Fälschung angenommen werden. Als Mittelzahl für gutes officinelles kleinasiatisches (oder auch französisches) Opium ist daher 12 bis 15 pC. zu betrachten. Die englische Pharmacopöe begnügt sich mit 6 bis 8 pC. Gehalt, Pharmacopoea Germaniae verlangt mindestens 10 pC. von ge- trockneter Waare. Aermer an Morphin erscheint durchschnittlich das ostindische Opium. Guibourt, so wie De Yrij, auch Haines, fanden nur 5 bis 9 pC. Ob daran nur die Eigenthümlichkeit der Darstellung des Opiums Schuld ist, bleibt noch dahingestellt. Es ist denkbar, dass ein Theil des Morphins im „Passewa" (siehe oben S. 46) verloren geht, da diese Flüssigkeit oft lange herumsteht und durch Gährung oder den Sauerstoff der Luft ver- ändert wird. Fast scheint es, dass Opium ausMalwa und dem Pandschab, wo vielleicht anders verfahren wird als in Bengalen, durchschnittlich mehr Morphin enthält als das vom Ganges, wie denn überhaupt das Produkt der Berggegenden in Indien bevorzugt wird. Leider fehlen noch genügende Yergleichungen in dieser Hinsicht, namentlich auch genauere Untersuchung des Passewa. Zusatz von Wasser soll dasselbe trüben. Persisches Opium kömmt trotz des sehr gewöhnlichen Zusatzes von Zucker doch auch mit llpC. bis 13,4pC. Morphin vor, freilich aber auch oft sehr arm daran. Keinem ächten Opium fehlt das Morphin. Das Codein ist in klein- asiatischem, französischem und indischem Opium nur zu % bis 2/öpC. gefunden worden. Das Patna- Opium scheint bisweilen verhältnissmässig reich daran zu sein; Ohristison's Angabe von 8pC. Codem in solchem steht aber ganz vereinzelt da und hat keine Bestätigung gefunden. Etwas mehr, ungefähr lpC. nach Merck, beträgt das auch in französischem Produkte schon nachgewiesene Thebam. In kleinasiatischem fanden T. u. H. Smith nur IV2 p. Mille, dagegen 1 pC. Papaverin. Auf weit beträchtlichere Mengen beläuft sich der Gehalt an Narcotin. Kleinasiatisches Opium, nur ausnahmsweise ärmer an Morphin als an Narcotin,1) liefert 6 bis gegen 10 pC, sehr häufig 4pC. des letzteren. Aus Opiumtinctur setzt sich dasselbe bisweilen vorzugsweise ab. Auf irgend einem Yersehen beruhen ohne Zweifel die 33 pC. Narcotin, welche Biltz (1829) in einem bei Erfurt erzielten Opium angab. In französischem Opium aus Papaver somniferum Var. a) nigrum (Pavot-oeillette) ist mehrmals die Abwesenheit des Narcotins und auch des Thebam s dargethan worden. In indischem Opium hingegen scheint es ganz regelmässig reichlicher vorzukommen, als das Morphin, indessen doch nicht viel 6pC. zu über- !) Seput (Journ. de Pharm, et de Ch. 39. p. 165) erwähnt eines Smyrnaischen Opiums mit 7,7 Narcotin neben nur 2,5 Morphin. 56 I. Pflanzenstoffe ohne organische Struktur. steigen. Eatwell (1850), Opinmprüfer des Benares-Distriktes, fand in frischem, ganz unverändertem indischem Mohnsafte, den er noch am gleichen Tage untersuchte, 0,55 pC. Morphin neben 1,63 pC. Narcotin. Einen weit geringeren Unterschied weisen die Analysen auf, welche 1,845 bis 1849 in der Opium- Agentur Benares ausgeführt wurden. Als Durchschnitt berechnet sich (aufgetrocknetes Opium bezogen) 6,7 pC. Narcotin und 3,5 Morphin. — Auch in zwei Proben persischen Opiums hat Reveil (1860) mehr Narcotin als Morphin getroffen. Yon Narcei'n erhielt Couerbe 1 p. Mille, T. u. H. Smith 1/b p. Mille, Schindler 0,71 pC, Mulder dagegen 6 bis 13 pC. (? !) Ohne Zweifel hatte der Letztere nicht das wahre Narcein dargestellt. Nimmt man im Opium einen Durchschnittsgehalt von 15pC. Morphin an und setzt es als drittelsaures Meconat l) voraus, so würden 3,4 pC. Mecon- säure schon zur Sättigung genügen. Wittstein erhielt etwas über 3 pC. derselben, T.u. H. Smith-) 4pC. Die von den übrigen muthmasslich auch als Salze vorhandenen Basen, namentlich von dem Thebam und Papaverin beanspruchte Säuremenge ist demnach verschwindend klein und zum Theil vielleicht auf Rechnung der Thebomilchsäure zu setzen. Von dieser fanden die zuletzt genannten Chemiker lVkpC. Die Angaben über die Menge des Meconins wechseln von Vio P- Mille (Smith), 3 p. Mille (Schindler) bis 1,3 pC. (Mulder) Die W er thbe Stimmung des Opiums muss daher auf die Abscheidung des Morphins ausgehen, wozu eine Menge von Vorschlägen gemacht worden sind. Sie beruhen darauf, das Morphiusalz entweder mit Wasser oder mit verdünntem Weingeist auszuziehen und mit Alkali die Base zu fällen. Ueberschuss des Fällungsmittels wirkt nicht nur lösend, sondern auch bei längerer Berührung durch Begünstigung der Sauerstoffaufnahme zersetzend auf das Morphin. Eine Schwierigkeit liegt hierbei darin, dass das letztere doch nur nach mehreren Stunden vollständig fällt. Das so herauskrystalli- sirte Morphin inuss durch Chloroform von Narcotin und durch Umkrystal- lisiren aus kochendem 90 pC. Alkohol von den Meconaten des Kalkes, der Magnesia und des Kalis befreit werden. Der Kalkgehalt lässt sich auch zuvor durch Oxalsäure beseitigen. Aus den Untersuchungen Claude Bemard's8) (1864) folgt, dass die schlafmachende Wirkung des Opiums im höchsten Grade dem Narcei'n zukömmt, in Mächtigkeit und Qualität derselben weichen sowohl Morphin als Oodei'n von ersterem ab. Als Gift nimmt das Tlielutin den > rsten, dasCodein den zweiten Rang ein, hierauf folgen Papaverin, Narcein, !; Wohl mag ein säurereiebes Morphiumeconal vorhanden sein, vielleicht aber auch Sulfat neben freier Meconsäure. Einen Theil der letztern erhall oian bei der Darstellung der Alka- loide aurlj ;ils krystalünitjches Kalium-, Calcium- und Magncsiumsalz. 2) Pharm. Journ. and Transact. VII. p. 183. 3) Journ. de Pharm, et de Chim. 46. p. 241 -252 u. 298. Euphorbium. 57 Morphin, Narcotin. Iu anderer Hinsicht befolgt der Wirkungswerth der Alkaloide wieder eine andere Ordnung. Als krampf erregend scheint nach A l b e r s das Morphin obenan zu stehen. Nach demselben sind auch Porphyr- oxin, Meconsäure und Meconin physiologisch wirksam. Es ergibt sich hieraus, wie sehr verschieden die Gesammt Wirkung des Opiums von der- jenigen seiner einzelnen Stoffe sein mnss. Die Bekanntschaft mit den medicinischen Eigenschaften des Mohns geht iu das höchste Alterthum zurück. Schon Theophrast (im Anfange des III. Jahrhunderts vor Chr.), dann auch Dioskorides, Plinius, Galen (1. und IL Jahrhundert nach Chr.) beschreiben die Gewinnung des Mohnsaftes Mekönion, Opös oder allgemeiner Opion (6tc6c= Saft, Milch- saft), woraus Araber und Perser Afjun bildeten, welcher Klang in Indien und China1) Eingang gefunden hat, wo das Opium wenigstens als Genuss- mittel nicht ursprünglich im Gebrauche stand. Die Einführung desselben dürfte in den ersteren Gegenden mit der Ausbreitung des Islam zusammen- hängen und durch das mohammedanische Verbot des Weintriukens begün- stigt worden sein. Wohl mag sich die Mohnkultur von Persien her in Indien zunächst in Malwa festgesetzt haben2) und zu dem Einzüge mohamme- danischer Herrscher in der Mitte des XIII. Jahrhunderts in Beziehung stehen. Garcia d'Orta kannte in der Mitte des XVI. Jahrhunderts Opium aus Malwa, dessen Genuss in Indien und Persien damals schon allgemein gebräuchlich war. Der Portugiese erwähnte auch ägyptisches Opium aus Thebae und arabisches, das seine Landsleute in Aden kauften. Euphorbium. Euphorbia resinifera Berg. — Euphorbiaceae. Mehrere westafrikanische Euphorbien zeichnen sich durch kantige flei- schige am Grunde verholzende Stengel aus, welche in kurzen regelmässigen Abständen an den Kanten ein wenig erhöhte zahlreiche Polster tragen, aus denen sich je ein kurzes auseinander fahrendes Stachelpaar, aber niemals ein eigentliches Blatt entwickelt. Zwischen zwei Stachelhöckerchen findet sich immer eine kleine scharf umschriebene Vertiefung, aus welcher zu oberst an den blühbaren Aesten der oft sehr stark verzweigten Pflanze der kurz gestielte , wenn nicht sitzende unscheinbare Blüthenstand hervorgeht. Die unteren Vertiefungen des altern Stengels dagegen treiben Aeste. Die durch Schacht3) bei seinem Aufenthalte auf Madeira genau untersuchte Euphorbia canariensis L. zeigt im höchsten Grade diesen völlig an Cactus erinnernden Habitus, der auch vielen andern Arten der tropischen und sub- tropischen Länder zukömmt. Aus der ausserordentlich weithin verzweigten -1) Selbst bei den heutigen Griechen heisst der Mohn 'Acpitovi. 2) Ritter, A.>ien IV. p. 781. 786. 3) Madeira und Tenerife mit ihrer Vegetation. Berlin 1859. S. 127 (Habitusbild). 58 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Pfahlwurzel der E. canariensis erhebt sich ein anfangs ganz einfacher Säulen* schaft, der nach einigen Jahren aus den Achseln der Stachelhöcker ganz regellos armsdicke Aeste aussendet, welche sich in geringer Entfernung senkrecht bis 5 m hoch aufrichten , so dass eine einzige Pflanze ein starres undurchdringliches, bis 20 Fuss im Durchmesser erreichendes blaugrünes Buschwerk bilden kann und ein Hauptstamm nicht mehr zu erkennen ist. Die Rinde und auch die Peripherie des Markes ist von zahlreichen ästi- gen und dickwandigen Milchsaftgefässen durchzogen, welche bei der gering- sten Verwundung in Menge dicken scharfen weissen Saft austreten lassen oder sogar ausspritzen. Ein Einschnitt kann in 5 Minuten eine Theetasse davon liefern. Der Saft trocknet leicht zu einer weisslichen spröden l) Masse ein, welche auf Teneriffa von den Eingebornen übermässig gefürchtet und, wie es scheint, gar nicht gesammelt wird. Euphorbia canariensis gibt auf Teneriffa und Lanzaro te, wo sie sich hoch in das Gebirge erhebt, hauptsäch- lich Feuerungsmaterial ab. Das officinelle Euphorbium wird aus Säle und Mogador ausgeführt und im marokkanischen Atlas in geringer Menge gesammelt, indem man die Pflanze anschneidet und den herabträufelnden Saft an derselben eintrocknen lässt. Nach älteren Berichten von Jackson soll jede Pflanze nur je alle 4 Jahre reichliche Ausbeute gewähren und die Arbeit sehr gefährlich sein. Das kauf liehe Euphorbium enthält in reichlicher Menge Reste der Stamm- pflanze, worin Berg eine von Euphorbia canariensis verschiedene Art er- kannt und als E. resinifera beschrieben hat. Sie zeichnet sich, im Gegensatze zu der erstem, so weit jene Bruchstücke urtheilen lassen, hauptsächlich dadurch aus, dass die Blüthenstände nicht sitzend oder nur kurz gestielt sind, sondern von einem bis 0,015 m langen Stielchen getragen werden. Dasselbe endigt meist dreitheilig gabelig in 3 fast sitzenden Blüthenhüllen (Kelchkätzchen), seltener sind deren bis 7 vorhanden. Sie zeigen den ge- wöhnlichen Bau der Euphorbien-Blüthe. Die etwa 5 Millim. hohe fein run- zelige graugelbliche Fruchtkapsel besteht aus 3 auseinander fahrenden zwei- klappig aufspringenden derben Fächern. Jedes enthält einen kugeligen 3 Millim. grossen Samen, der mit hellgraulichen Schürfern besetzt ist und einen feinen dunklem Nabelstreifen zeigt. Während die Blatt- oder Stachel- polster der Euphorbia canariensis sehr stark gewölbt aus den Stengelkanten hervortreten, sind die rothbraunen oder grau angelaufenen Polster der E. resinifera zwischen den Stacheln selbst am Scheitel der Axe, wo sie sehr genähert stehen, beinahe flach und nicht gewölbt. Ohne Zweifel ist das Aussehen der E. resinifera mit dein der E. cana- riensis übereinstimmend. Die Stengel- oder Aststücke der ersteren, die sich in der käuflichen Waare vorfinden, bieten trocken einen rhombischen Quer- l) Die auf Gran Canaria häufige Euphorbia balsamifera, eine buschige aber bläftertragende Art, ergiesst eben so reichlich einen weniger dicken süsslichen, durchaus nicht scharfen Milch- saft, der nur zum zähen Firniss, nie zu zerreiblicher Masse eintrocknet. Euphorbium. 59 schnitt von ungefähr 0,02 m Diagonale dar; die Seiten sind jedoch immer sehr stark, beinahe bis auf die rautenförmig gestellten Gefässbünclel ein- gesunken. Die Aeste der E. canariensis hingegen werden nach Schacht armsdick. Die Milch saftschläuche der E. resinifera sind sehr einfach, un- gefähr 70 Mikromill. dick, mit sehr starken Wänden versehen. Der über die Pflanze herabträufelnde Saft erhärtet an derselben, indem er ihre verschiedenen Theile überzieht. Beim Abreissen des Euphorbiums werden dann sehr unregelmässige 1 bis 3 Centimeter grosse oder kleinere Stücke erhalten, deren Formen den zweistacheligen Blattpolstern, den Blüthengabeln, oder den dreiknöpfigen Früchten entsprechen. Seltener fin- den sich auch kleinere ganz reine Stücke des erhärteten Saftes, dagegen ist die Droge ausserdem immer von zahlreichen bald grün berindeten, bald mit gelblichem Korke bedeckten Resten der Euphorbia , so wie auch von Trümmern anderer Pflanzen begleitet. Das Euphorbium bildet eine matt hell gelbliche zerreibliche Masse, deren dünne Splitter unter dem Mikroskop, selbst im polarisirten Lichte keine besondere Struktur oder Gemengtheile wahrnehmen lassen, namentlich kein Anxymin, welches doch z. B. der Milch unserer einheimischen Euphorbien nicht fehlt. Erst bei grösseren Mengen oder beim Erwärmen wird der an Weihrauch erinnernde Geruch des Euphorbiums deutlich. Es schmeckt sehr anhaltend und gefährlich brennend scharf; der Staub bewirkt heftiges Niesen, Entzündung und Blasen. An Wasser gibt das Euphorbium nur wenig durch Weingeist fällbares Gummi ab und bildet keine Emulsion. Alkohol nimmt daraus 40 bis 60 pC. eines hell gelbbraunen spröden Harzes, vermuthlich Träger der Wirkung, auf. Das Harz besitzt nur schwach saure Eigenschaften, die weingeistige Lösung wird durch Alkalien bleibend getrübt, von Eisenchlorid wenig verdunkelt. Es ist ein Gemenge mehrerer Harze, deren eines, das Gammaharz von Rose, nur in siedendem Alkohol, nicht in Alkalien löslich ist und sich in unkrystallinischen fast geschmacklosen Flocken ausscheidet. Zwei andere Harze dagegen lösen sich in Alkalien und sind von scharfem Geschmacke. Ob Krystallwarzen, welche Dragendorffund Alberti (1864) in alter Tinctura Euphorbii beobachteten, mit jenem Rose'schen Harze übereinstimmen, ist noch nicht erwiesen. 13 bis 19 pC. des Euphorbiums bestehen aus einem nicht näher unter- suchten wachsartigen Stoffe und ebenso viel betragen ungefähr die äpfel- sauren Salze, vorzüglich Kalkmalat, wovon Braconnot schon 1809 über 20 pC. nachgewiesen hat. Zucker fehlt in dem wässerigen Auszuge. Kleinere sorgfältig ausge- lesene von Pflanzentheilen ganz freie Stücke gaben mir 9,2 pC. zerfliess- licher Asche, worin neben Kalisalzen Phosphate vorhanden waren. Das Euphorbium verbrennt nur schwer vollständig und stösst einen scharfen Rauch aus. 60 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Es war schon den Alten bekannt; Dioskorides beschrieb bereits dessen Gewinnung. Saiidaräca. Resina Sandaraca. Sandarak. Sandaraque. Callitris quadrivalvis Ventenat. — Coniferae-Cupressineae. Syn. Thuja articulata Vahl. Dieses strauchartige bis etwa 20 Fuss hohe vom Grunde an sparrig ästige Bäumchen ist eines der gewöhnlichen Nutzhölzer Algeriens, des At- las und der übrigen nordwest-afrikanischen Gebirge, kömmt aber, zu uns verpflanzt, im Freien nicht fort. Das Sandarakharz fliesst theils freiwillig, theils häufiger in Folge von Einschnitten aus der Stammrinde und erstarrt, wie es scheint, sehr rasch zu schwach gelblichen bis fast bräunlichen durch- sichtigen Tropfen von bald mehr kugeliger oder birnförmiger , bald mehr verlängerter stalaktitischer Gestalt. Ausgesuchte fast cylindrische Stücke erreichen bis 0,03 m Länge bei etwa 0,005 m Dicke, fliessen aber häufig zu- sammen und breiten sich platt aus. In den schönsten Sorten sind dieselben vollkommen klar und durchsichtig, nur schwach weingelb gefärbt. Der San- darak ist sehr spröde, bricht scharfkantig muschelig und glasglänzend, daher die käufliche "Waare pulverig bestäubt ist. Das specifische Gewicht der reinsten Stücke ergibt sich zu 1,066, sie erweichen erst über 100° und schmelzen unter Aufblähen bei 135° C, wobei sich ein aromatischer nicht eben feiner Geruch entwickelt. Stärker erhitzt verbrennt der Sandarak an der Luft rasch und vollständig. Im Munde zerkaut er sich ohne Erweichung sandig und schmeckt schwach bitterlich aromatisch. Der Sandarak löst sich leicht in heissem absolutem Alkohol, weniger leicht und nur theilweise in ätherischen Oelen und Benzol. Man hat durch successive Behandlung der alkoholischen Lösung mit Kali, Wasser, Salz- säure das Harz in drei Antheile zerlegt, welche zu Lösungsmitteln etwas verschiedenes Verhalten zeigen, sonst aber noch nicht näher untersucht sind. Dieses Harz scheint schon beim Ausfliessen wohl nur von sehr wenig ätherischem Oele begleitet zu sein; im käuflichen Sandarak kommen nur Spuren davon vor. Der Sandarakbaum hiess bei den Alten kleiner phönikischer Kedros (Dioskorides), das Harz daher Kedria, bei den Arabern Sandarüs oder auch Kiträn. Es diente den Aegyptern zum Einbalsamiren. Aristoteles, im IV. Jahrhundert vor Chr., später auch Dioskorides und Andere, be- schrieben jedoch unter dem Namen Sandaräche unzweifelhaft das natürliche rothe Schwefelarsen, Realgar. Das heutige Sandarakharz scheint fast nur in Mogador verschifft zu werden. Benzoe. 61 Benzoe. Benzoi'num. Resina Benzoe. Benzoeharz. Benjoin. Benzoin. Styrax Benzoin Dryander. — Styraceae. Syn. Benzoin offlcinale Hayne. Der ächte Benzoebauin ist von mittlerer Grösse mit mannsdickem Stamme und hübscher Krone, welche dadurch eine sehr eigentümliche Färbung erhält, dass die ansehnlichen lang zugespitzten Blätter unterseits mit kurzen angedrückten weissen Sternhaaren dicht besetzt sind. Die starken Nerven und das feine Adernetz tragen rostfarbene Schülfern, wäh- rend die dunkelgrüne kahle Oberseite schwach glänzt. Auch die Blattstiele und Blüthenrispen erscheinen weisslich bis bräunlich filzig, letztere durch gehäufte und zierlich gebüschelte Haare; die Blüthen selbst aussen glänzend weiss, innen ebenfalls bräunlich. Der Baum wächst hauptsächlich auf der hinterindischen Halbinsel, sowohl in Cochinchina oder Annam, als auch tief im Innern Siams, im Berg- lande der Lauas oder Laos im oberen Stromgebiete des Salain und Mekhong (Cambodscha). Auch Sumatra, wie es scheint die Batta-Länder des Innern, liefert etwas Benzoe, nicht aber Java und Borneo, wo der Baum ebenfalls vorkömmt. Durch Einschnitte in den gefällten Baum erhält man ungefähr von seinem fünften bis gegen das zwanzigste Jahr das sehr langsam und in ge- ringer Menge ausfliessende und nur allmälig erhärtende Benzoeharz. Ob es in ätherischem Oele gelöst als Balsam austritt und durch Abdunstung oder etwa durch Oxydation des ersteren fest wird, findet. sich nicht angegeben. Doch erwähnt Schomburgk1), dass das auf natürlichem Wege aus- schwitzende Harz stärker rieche , als das aus Einschnitten gewonnene , und Hlasiwetz2) hat in überraschender Weise auf synthetischem Wege That- sachen ermittelt, welche zur Ueberzeugung führen, dass Styrax Benzoin Bittermandelöl und daraus einen Theil des Benzoeharzes erzeugen müsse. Jüngere Bäume sollen ein nur wenig gefärbtes Harz liefern, das vorzugs- weise zu einzelnen Körnern (Thränen oder Mandeln) oder grösseren ab- geplatteten Stücken erstarrt, während das Produkt älterer Bäume mehr bräunliche Massen bildet, in denen eingesprengte hellere Mandeln zurück- treten. Man unterscheidet demnach im Handel: 1) Benzoe in losen Stücken, Benzoe* in lacrymis. Häufiger als die kleinen fast röthlichen durchsichtigen Tropfen oder Thränen sind flache bis über 20 Quadrat-Centimeter grosse, aussen braungelbe, innen milchweisse wachsartige doch spröde Stücke. Sie sind bis 0,010 m dick und auf der einen Seite häufig mit kleinen anhaftenden Kork- oder Holzstückchen ver- *"■) Buchner's Repertorium XI. (1861) S. 202. 2) Ann. der Chem. u. Ph. CXXXIX. S. 89. 62 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. sehen. Auch durch die Andeutung von Schichtung im Inneren und durch die gerundeten Ränder charakterisiren sie sich als genossene , verrnuthlich an dicken sanft gerundeten Stämmen erstarrte Massen. Diese schönste wie es scheint aus Siam stammende Sorte ist vollkommen homogen, erweicht beim Kauen und schmilzt schon bei 75° C zur klaren wasserhellen Flüssig- keit, welche beim Erkalten nicht krystallinisch erstarrt. 2) Mandelbenzoe, Benzoe amygdalo'ides. Die mehr gerundeten hellen mit der Zeit nachdunkelnden, bis etwa 0,030 m grossen opalartigen Körner breccienartig von einer mehr oder weniger graulichen bis schwach bräunlichen Masse dicht eingeschlossen. Das relative Yerhältuiss beider Antheile schwankt. Der Schmelzpunkt der letzteren scheint durchschnittlich etwas höher, bei 95° C, zu liegen, als der der Mandeln (85° C). 3) Block benzoe, Benzoe communis. Weniger zahlreiche und kleinere Körner, eingebettet in einer bräunlichen bis fast gelbröthlicheu, oft von Höhlungen durchsetzten Masse, welche durch allerlei Pflanzen- trümmer verunreinigt ist und in grossen Blöcken über Calcutta in den Handel gelangt. Die Pflanzenreste werden ohne Zweifel dem Harze durch eine Art von Schmelzung einverleibt. 4) Seit etwa 10 Jahren wird, anfangs unter dem Namen Pen an g- Ben- zoe, später als Sumatra- Benzoe, eine Sorte eingeführt, die entweder mit der vorigen Aehnlichkeit hat, oder aber mehr aus ansehnlichen schmutzig gelblichen innen weissen Körnern besteht, welche durch eine etwas blasige lichtbraune Masse verkittet sind. Ihr Geruch erinnert, doch nicht eben sehr auffallend an Storax. Die Benzoe riecht besonders beim Erwärmen eigenthümlich und sehr angenehm und schmeckt kratzend aromatisch. Stärker erhitzt, gibt sie stechende, erstickende Dämpfe aus und liefert eine etwas schwer verbrenn- liche Kohle, welche aber schliesslich keine Asche hinterlässt. Die Hauptmasse der Benzoe besteht aus in Weingeist und in Kali völlig- löslichen Harzen von schwach sauren Eigenschaften, welche sich zu Lösungs- mitteln etwas verschieden verhalten, daher als Alphaharz, Betaharz u. s. f. bezeichnet wurden, aber im Wesentlichen übereinzustimmen scheinen. Beim Schmelzen der Benzoe in der bei Aloe erwähnten Weise wird der geringere Theil derselben angegriffen und liefert nach Hlasiwitz u. Barth unter anderem Protocatechusäure (über 5pC), Paraoxybenzoesäure und Brenz- catechin (vergl. bei Gambir). Bei der trockenen Destillation der Benzoe wird neben nicht genauer untersuchten Brenzprodukten hauptsächlich Benzoe- säure erhalten. Dieselbe ist aber schon in wechselnder Menge, zu 14 bis 18 pG. oder darüber, fertig gebildet in der Droge .vorhanden, wie die mikroskopische Betrachtung etwas grösserer dünner Splitter derselben unter Terpenthinöl sogleich zeigt. Man nimmt diese Krystalle ebenso gut wahr in der Masse, welche die helleren Mandeln verbindet, als in diesen letzteren selbst oder in den losen flachen Stücken. Die Benzoesäure G7H60* ist in heissem Wasser ziemlich reichlich Benzoe. 63 löslich, doch ist das umhüllende Harz der Einwirkung des Wassers hinderlich. Vollständig wird die Säure erst durch Alkalien, am zweckmässigsten durch Kalkhydrat ausgezogen. Die meisten Pharmakopoen verlangen aber nicht die reine Säure, sondern die durch Sublimation gewonnene, welcher empy- reumatische Produkte anhängen. Durch wiederholte Behandlung des Harzes liefert dieses Verfahren auch bis 14 pC. Säure. Sie ist nicht vorzugsweise in den Mau dein enthalten, und nach manchen Angaben scheint sogar die erstgenannte nur aus losen Stücken bestehende Sorte nicht einmal die säurereichste zu sein. Das vielleicht ursprünglich vorhandene Bittermandelöl fehlt der käuf- lichen Benzoe, wie überhaupt ätherisches Oel. Der weingeistigen Lösung von Benzoe ertheilt Eisenchlorid eine tief dunkelbraune etwas grünliche Färbung, welche der wässerige Auszug des gepulverten Harzes nicht annimmt. Die Reaction rührt daher nicht von Gerb- stoff her. In kalter concentrirter Schwefelsäure löst sich die Benzoe mit prächtiger Carminfarbe; Wasser scheidet aus der Lösung Krystalle von Benzoesäure ab. Kolbe u. Laute mann entdeckten (1860) in Benzoe der Sorten 4 u. 1 neben der Benzoesäure eine davon verschiedene Säure, welche sie (1861) als Z im mt säure G9H802 erkannten. Aschoff fand (1861) in einer Sumatra-Benzoe ausschliesslich nur die letztere (11,2 pC), in einer Penang- Sorte, sowie in siamesischer Mandelbenzoe und in losen Stücken derselben Herkunft ausschliesslich nur Benzoesäure. In einer Probe der letzteren Waare, welche ich, wie Asch off, dem Hause Gehe u. Comp, in Dresden ver- danke, finde ich Zimmtsäure, doch nur in einzelnen Stücken. Zerreibt man dergleichen mit wenigstens gleich viel Bleihyperoxyd und kocht anhaltend mit viel Wasser, so entwickelt sich deutlich der Geruch des durch Oxy- dation der Zimmtsäure entstehenden Bittermandelöles O7H6-0-. Schärfer lässt sich letzteres nachweisen, wenn aus der weingeistigen Lösung der zu prüfenden Benzoe alles Harz durch Wasser gefällt und die Auflösung der Säuren zuletzt unter Zusatz von übermangansaurem Kali gekocht wird. Möchte auch das Vorkommen der Zimmtsäure in Benzoe der zuerst von Wiggers1) geäusserten und später von Henkel2) allerdings mit guten Gründen unterstützten Vermuthung Raum geben, dass diejenigen Sorten, welche sie enthalten, eher einem andern Baume, wie z. B. dem Rasamala angehören könnten, so spricht doch das gleichzeitige Vorkommen !) Canstatt's Jahresbericht 1 86 i . 84. - Die beschränkte Verbreitung des Liquidambar Altingianum und die nicht eben reichliche Menge seines Harzes oder Balsams (vergl. unter Styrax liquidus) empfiehlt nicht die Annahme, dass von ihm zimmtsäurehaltige Benzoe ab- stamme. 2) Zeitschr. d. österr. Apoth.- Vereins 1865. — Wenn Garcia d'Orta anführte, dass die Chinesen den Styrax liquidus Rac^nialha nennen, so konnte darunter immer noch unser Styrax liquidus verstanden worden sein. Anderswo gibt derselbe auch an: multis enim male olent Styrax liquida et Algalia. Diese Verwirrung ist kaum mehr zu lösen. 64 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. der beiden Säuren in einigen Fällen, sowie in andern das Fehlen derZimmt- säure bei Sorten, die sie manchmal wieder darbieten, eben nur dafür, dass ein und dasselbe Harz unter Umständen, die freilich noch nicht erklärt sind, von der einen oder der anderen oder von beiden Säuren zugleich begleitet sein kann. In einer Penang-Sorte hat Henkel auch ätherisches Oel (Styrol?) und Styracin nachgewiesen, welche im Rasamala-Balsam oder Harze neben Zimmtsäure gleichfalls vorhanden sein sollen. Mir gelang der Nachweis von Styracin nicht, wohl aber erhielt ich bei der Destillation von 250 Gramm Penang-Benzoe wenige Tropfen sehr angenehm, doch nicht ganz nach Styrax liquidus riechenden Oeles. Für den medicinischen Gebrauch ist zimmtsäurehaltige Waare auszu- schliessen, was um so leichter durchzuführen ist, als die billigeren Sorten 2 u. 3 reich an Benzoesäure zu sein pflegen. Die Benzoe' wurde erst im XY. Jahrhundert, seit der Entdeckung des Seeweges nach Indien, in Europa bekannt und im folgenden Jahrhundert von spanischen und portugiesischen Aerzten gebraucht. Schon Ros eil o um 1557 und Libavius um 1595 unterwarfen die Benzoe der trockenen Destillation, aber erst B. de Y ig euere bemerkte gegen Ende desselben Jahrhunderts hierbei die krystallisirte Benzoesäure. Turquet de Mayerne aus Genf (1573 — 1655) lehrte dieselbe durch Erhitzung der mit Sand gemischten Benzoe in eine übergestülpte Tüte subli- miren, Ha gen dorn zog sie 1671 zuerst mit (Weingeist und) Wasser aus. Mastix. Mastiche. Resina Mastix. Mastix. Mastic. Mastich. Pistacia Lentiscus L. — Terebinthaceae. Die Mastix-Pistacie ist als kleines ästiges bis 5 m hohes Bäumchen oder als kräftiger Strauch an den Küsten des Mittelmeeres und des Oceaus von Portugal und Algerien bis Cypern verbreitet; in Griechenland z. B. in grosser Menge bis 300 m in der untern und mittlem immergrünen Region und hier oft zu einem ziemlich ansehnlichen Baume erstarkend. Auch auf Capri im Golf von Neapel bildet der Mastix-Strauch einen Hauptbestand- theil des immergrünen Buschwerkes. Die lederigen lebhaft glänzenden Blätter tragen an der starken gemein- schaftlichen kantig geflügelten Spindel drei bis sieben (meistens vier oder fünf) Paare lanzettlicher bis eiförmiger Fiederblättcheu. Die Spielart y.-chia De Cand. unterscheidet sich namentlich ein wenig durch vorherrschend eiförmige, gegen 0,02'" in der Breite und 0,03 m in der Länge erreichende vorn gerundete und kurz bespitzte Blattabschnitte. Nur diese baumartige übrigens kaum abweichende Spielart, nicht der Strauch, ist es, welche zum Zwecke der Mastix-Gewinnung schon seit Pli- nius Zeit ausschliesslich in den Mastixdörfern (Mastichöchora) des nörd- Mastix. 65 liehen Theiles der Insel Chios, unweit der kleinasiatischeu Küste gebaut wird. Die Türken nennen dieselbe auch Sakkis-Ada, die Mastix-Insel, ihr Südkap heisst Mastiko. Die Mastix-Pistacien des griechischen Festlandes geben wenig Harz oder dasselbe ist zu hart oder zu weich; doch haben auf Amorgos und Antiparos angestellte Versuche gezeigt, dass auch andere Inseln als Chios ein gleiches Produkt recht wohl liefern können. Die letztere nimmt für ihre jährlich über 50000 Ctr. betragende, aber allerdings oft auch bedeutend geringere Ernte leicht ungefähr 1% Million Francs ein. Der Harzsaft des Mastix-Baumes hat, im Gegensatze zu Styrax liquidus, seinen Sitz in eigenen Gängen, welche der Innenrinde allein angehören. Bei den jüngsten Zweigen ist dieselbe durch einen schmalen aber fest zu- sammenhängenden Kreis ansehnlicher Steinzellen von der Mittelriude ab- gegrenzt. Einen nicht minder dichten Kreis stellt auf dem Querschnitte die vorherrschend aus dünnen verdickten Röhren gebildete Bastschicht dar. An einzelnen Stellen, etwa 10 bis 15 an der Zahl, jedoch buchtet sich dieser Bastkreis stark aus und in diesen kreisförmigen oder quer elliptischen Lücken findet sich je ein Harzgang, umgeben von zartem, bald mehr bald weniger dickem Parenehym, das durch die geringe Grösse seiner Zellen mit dem übrigen dickwandigen groben Bin denge webe kontrastirt. In der Rinde der gemeinschaftlichen Blattspindel kommen nur 5 bis 7, im Blattstielchen des Fiederblättchens nur 1 bis 3 Harzgänge, immer in der- selben Weise hinter einem vortretenden Bastbogen in zarteres Parenehym eingebettet vor. Auch im starken Mittelnerv der Blättchen ist die gleiche Bildung von Harzgängen wenigstens angedeutet. In jüngeren Zweigen und in den Blattstielen treten somit die Harzgänge als ansehnliche, zu einem weitläufigen Kreise geordnete Lücken der Bastschicht auf. In der Stammrinde selbst hingegen weicht die Bastschicht durch reich- liche Entwicklung krystallführenden Bastparenchyms zu mehrfachen con- centrischen Lagen auseinander, welche von schmalen geschlängelten Mark- strahlen durchschnitten werden. In den parenehymatischen Zonen zwischen den Gruppen der Baströhren oder noch ganz von solchen umschlossen, erscheint auch in älterer Rinde jenes zartere Gewebe der Harzgänge, dessen kleine tafelförmige Zellen in Beziehung zu den Gängen dieselbe tangentiale Anordnung zeigen, wie etwa bei den Balsamgängen der Compositen- oder der Umbelliferen- Wurzeln, auch bei Myrrha. In der altern Mastix-Rinde findet man neben ausgebildeten Harzräumen auch Stellen'jenes zarten Parenchyms, welche noch keinen grösseren Raum im Innern umschliessen. Dieses Yerhältniss scheint doch wohl darauf hin- zuweisen, dass die Harzgänge auf Kosten des zarten Bastgewebes entstehen. Jedoch ist sicher, dass die Harzbildung in keinem anderen Gewebe auch nicht im Holze, soweit ich die Sache verfolgen kann, auftritt, wodurch allerdings Unger's Ansicht1) unterstützt wird, dass das Harz hier nicht ein x) Unger u. Kotschy. Die Insel Cypern, Wien 1865, p. 424. Flückiger Pharmakognosie. 66 I. Pflanzenstoffe ohne organische Structur. Umwandlimgsprodukt der Zellenwände selbst sei, sondern durch bestimmte Zellen abgesondert und in die Harzgänge ergossen werde. — Anders ver- hält sich die Balsambilduug in Liquidambar Orientale (vergl. bei Styrax liquidus). Die Borkenbildung scheint bei dem Mastixbaume nicht sehr tief zu grei- fen, wenigstens findet sich der Steinzellenring in der Rinde der Stämmchen von einigen Centimetem Durchmesser1) noch erhalten. Immerhin werden die Harzgänge durch das Abwerfen der Borken schuppen der Aussenrinde so nahe gerückt, das eine geringe Verwundung derselben genügt, um das Ausfiiessen des Harzsaftes herbeizuführen. Auf Chios2) ritzt man die Stämmchen von der Wurzel bis an die Aeste. Aus den senkrechten, in grosser Zahl nahe bei einander gezogenen Ein- schnitten fliesst der klare aromatische Saft nach wenigen Stunden vollstän- dig aus und erstarrt bald zu fast kugeligen oder ein wenig in die Länge gezogenen Körnern, welche indessen doch erst nach 15 bis 20 Tagen in kleinen mit Papier oder Baumwollzeug ausgelegten Körbchen gesammelt werden können. An den Zweigen schwitzen auch von selbst Thränen (&a>tpua) von vorzüglicher Reinheit aus. Das herabträufelnde Harz (7U7fTTa) wird von Steinplatten, die unter die Bäume gelegt werden, aufgehoben. Was dazwischen auf die Erde selbst fällt, gibt die geringste Sorte (cplouoV.). Die Einsammlung nimmt zwei Monate in Anspruch , ein Baum liefert bis 8 — 10 Pfund Mastix. Gegen Frost sind die Bäume empfindlich, selbst auf Chios erfroren sie z. B. 1850 sämmtlich. Die strauchartige Mastix-Pistacie gibt kein Harz. Dennoch finde ich in Aesten derselben (von Capri) die Harzgänge wenigstens der Anlage nach, aber weit kleiner, auch vor. Die Mastix-Erzeugung ist daher wohl nur des- halb auf Chios beschränkt, weil man anderswo das Bäumchen nicht gehörig erstarken lässt. Die schönsten Sorten des Mastix sind nur ungefähr 1 Centimeter messende kugelige vollkommen durchsichtige Körner oder etwas verlängerte dün- nere walzen- oder birnformige Stücke. Vollkommen frisch zeigen sie, ver- muthlich von dem Chlorophyll der Rinde her, einen schwachen Stich ins grünliche, der sich mit der Zeit verliert und völliger Farblosigkeit oder einem gelblichen Tone Platz macht. Geringere WTaare ist von vornherein mehr trübe gelblich und mit Pflan- zentrümmern und Staub verunreinigt; die Stücke sind weniger regelmässig und grösser. Das speeifische Gewicht ausgesuchter Körner ist unbedeutend höher als das des Wassers. Sie erweichen bei 99° und schmelzen erst bei 108° C. Gewöhnlicher Mastix erweicht schon bei 93° und schmilzt bei 103°. Den- noch wird er schliesslich bei langsamem Kauen schon im Munde knetbar. x) wovon ich Querscheiben aus Chios selbst Herrn Oberdörffer in Hamburg verdanke. 2) v. Held reich. Nutzpflanzen Griechenlands, Athen 18G2. S. 60. Resina Guajaci. 67 Die Körner sind spröde uud bieten muschelige glänzende Bruchflächen dar. Erst beim Erwärmen entwickelt sich ein balsamischer Geruch, bedingt durch eine nur äusserst geringe Menge ätherischen Oeles. Den Blättern fehlt ätherisches Oel ganz ; in ihrem Parenchym finden sich keine Oelräume. Der grössere Theil des Mastix bis 90 pC. löst sich in kaltem Weingeist auf, der Rückstand (Mas ti ein) ist nach Johns ton ärmer an Sauerstoff und indifferent, während dem ersteren Antheile (Mastixsäure) saure Eigenschaften zukommen. Im Orient dient der Mastix als Kaumittel l) , auch in geringer Menge gelöst als Zusatz zu einem besonders in Griechenland sehr beliebten Brannt- wein Raki oder Mastichi , womit häufig schlechtes Trinkwasser verbessert wird. Zum Kauen dienen aber auch die ähnlichen Harze anderer Pistacia- Arten , in Persien z. B. unter dem Namen Sakkis die bernsteinähnlichen schon bei 40° C. knetbaren Körner von P. mutica, noch andere in Afgha- nistan und Balutschistan. Die Gegend von Angura (Engurich, im Westen des alten Galatia) im Innern Kleinasiens liefert auch eine Art Mastix. Ob von Pistacien oder vielleicht von einer Boswellia (vergl. bei Oliba- num) der sogenannte Mastix von Bombay stammt, ist nicht ermittelt. Unter dieser Bezeichnung kommen kleine Körner vor, welche ihrer vor- herrschend gelbbräunlichen Farbe wegen kaum der geringsten Sorte des chiotischen Mastix ähnlich sehen , beim Schmelzen unangenehm terpenthin- artig riechen und sich in warmem Weingeist lösen. Dem im Alterthum wohlbekannten Mastix begegnen wir z. B. als „gra- nomastice" auch im XII. Jahrhundert, im deutschen Mittelalter in dem bei Sem. Hyoscyami erwähnten Arzneibuche. Pierre Belon aus Mans schil- derte nach eigener Anschauung (1546 — 1549) die grosse Sorgfalt, womit die Chioten die Mastix-Terebinthe pflegen, nnd erwähnte schon, dass dieselbe in Südfrankreich und Italien nicht Mastix gebe. Resina Guajaci. Guajacum. Guajakharz. Resine de gaiac. Guaiac resin. Die inneren oder überhaupt die älteren Schichten des Guajakholzes sind (wie bei Lignum Guajaci erwähnt) mit reichlichen Harzablagerungen ver- sehen, welche freiwillig oder in Folge von Einschnitten aus dem Stamme austreten und zu Körnern erstarren können. Doch sollen solche Körner bis zu Nussgrösse von Guajacum sanetum abstammen. Im Handel trifft man fast ausschliesslich nur das Harz in Massen , welche entweder vermittelst Salzwasser aus zerkleinertem Holze ausgekocht und abgeschöpft oder ge- wöhnlicher in der Weise gewonnen werden, dass man der Länge nach durch- bohrte lm lange Stamm- oder Aststücke am Feuer erwärmt und das aus- schmelzende Harz in Calebassen auffängt. Resina Guajaci in granis besteht *) Daher auch der Name: (J.a während Kaffee 3 — 5 pC. Fett enthält. 2) Taraxis Störung, Unruhe und akeomai heilen. Flückiger, Pharmakognosie. 16 24:2 Wurzelbildungen der Dikotylen. förmiger einfacher oder ein wenig ästiger Wurzel. Die Pflanze selbst wechselt je nach dem Standorte in ihrem Aussehen bedeutend und steigt von unse- ren Niederungen bis in die höchsten Alpen. Die im frischen Zustande flei- schige vollsaftige und milchende, gegen 0,20m, seltener bis 0,40m lange Wurzel fällt beim Trocknen sehr zusammen, ihre ursprünglich hell gelblich- braune Farbe geht in etwas dunkleres braungrau über und die Rinde schrumpft zu dicken, oft spiralig verlaufenden Längsrunzeln ein. Nur an dem breit kegelförmigen Wurzelkopfe zeigen sich auch stärkere Querrunzeln. Die trockene Wurzel ist höchstens gegen 0,0 15m dick; ihre Aeste selten stark entwickelt, schwächere nicht sehr lange Zasern kommen häufiger vor; in der Regel ist die Wurzel eine einfache oder wenig verzweigte Pfahlwurzel. An dem Querschnitte fällt (nach dem Aufweichen) vor allem die Dicke der Rinde auf; ihre Breite kömmt mindestens dem Durchmesser des Holz- kernes gleich oder übertrifft ihn bedeutend. Letzterer bildet einen gelblichen, sehr porösen, aber nicht strahligen Kreis ohne Mark, dessen massig grosse Gefässe bisweilen gelbes Harz enthalten. Eine ziemlich breite, aber nicht besonders ausgezeichnete Cambiumzone trennt den Kern von der Rinde, welche 12 bis 30 scharf unterschiedene concentrische Zonen oder Schichten zeigt. Sie sind entweder auf grösseren Strecken ganz zusammenhängend oder stellenweise unterbrochen, so dass bisweilen diese Stellen eine den Markstrahlen entsprechende radiale An- ordnung darbieten. Die concentrischen Zonen der Rinde bestehen aus ab- wechselnden dunkleren und aus hellen, etwa viermal breiteren Schichten, deren äusserste allein die nur schwach entwickelte Mittelrinde darstellt, welche von einer schwachen Korklage bedeckt ist. Die Mittelrinde enthält gegen 20 Reihen kugeliger oder eiförmiger grösserer tangential gestreckter Zellen, welche allmälig in das etwas engere Gewebe der Innenrinde übergehen. Dieses besteht aus ziemlich gleich- massigen , im Querschnitte nur wenig tangential gestreckten oder rundlich eckigen, aber im Sinne der Axe verlängerten und fast keilförmig in einander greifenden Zellen , so dass sie besonders auf dem radialen Längsschnitte, weniger im Querschnitte, eine vollkommen regelmässige Anordnung zeigen. Yon den Mittelrindenzellen sind sie durch ihre längliche ovale Streckung unterschieden. Auf je ungefähr 6 bis 10 Reihen dieser Zellen folgt eine der schmalen Zonen von nur 2 bis 6 Reihen ähnlicher, doch weit engeren Zellen , welche zum Theil den Milchsaft führen , den die frische Wurzel im Frühjahr bei jeder Verletzung ergiesst, zum Theil aber Inulin enthalten. Der Milchsaft erfüllt lange dünne, sehr reich verzweigte Schläuche von etwa 13 Mikromill. Weite, die sich im ganzen senkrecht, aber seitlich vielfach anastomosirend durch das Gewebe dieser Zonen erstrecken x). Die Schläuche 1) Vergl. Hanstein, Milchsaftgefässe und verwandte Organe der Rinde. Beil. 1864. S. 72. 73. u. Tab. IX. und die vortreffliche Abhandlung von Vogl in den Sitzungsberichten d. Wiener Akademie 1863. VI. S. 668. Radix Taraxaci. 243 senden ihre Aeste nur nach den Seiten , nicht radial nach innen oder nach aussen; doch bleiben die Aeste meist kurz, entweder blind, oder biegen sich um ein nahes Zellenende herum und schlagen alsbald wieder selbst- ständig die vertikale Richtung ein. Die Milchsaftschläuche besitzen eine sehr zarte Hülle aus einem Zellstoffe, der nach Yogi in der Umwandlung zu Pektose begriffen ist, was jedoch Nägeli1) bestreitet. In den inneren Milchsaftzonen sind die Schläuche auch von kurzen Siebröhren begleitet. In der trockenen Wurzel zeigen erstere feinkörnigen bräunlichen Inhalt, den erhärteten Milchsaft, der durch Wasser nicht wieder aufgeweicht werden kann und auch dem Weingeist widersteht. Der trübe Milchsaft und der grössere Inulingehalt der benachbarten Zellen bedingen die dunklere Färbung dieser Zonen. Das dazwischen lie- gende viel breitere Gewebe ist sehr viel weitmaschiger und ohne festen In- halt, daher es so bedeutend zusammenfällt. — Einzelne Milchsaftschläuche finden sich auch in der Mittelrinde. Der Holzkern besteht vorherrschend aus grossen, nicht deutlich strahlig gestellten Treppen- oder Netzgefässen, umgeben von spärlichem , nur sehr wenig verdicktem weitem Parenchym ohne Milchsaftschläuche. Die Wurzel kömmt im Kleinhandel nur geschnitten vor, ist aber an ihrer weissen hornartigen breiten und concentrisch geschichteten Rinde und dem schwachen gelblichen Holzkern immer leicht kenntlich. Ihr süsslicher und bitterer Geschmack ist von sehr verschiedener Intensität, je nach der Boden- beschaffenheit und der Jahreszeit. Im Frühjahr ist die ganze Pflanze reich an Milchsaft, im Herbste fehlt er und es tritt jetzt erst in der Wurzel reichlicher Inulin auf, welches vor dem Blühen fehlte. Der Zucker dagegen scheint zur Zeit der kräftigsten Entwickelung der Pflanze in grösster Menge erzeugt zu werden und gegen den Herbst abzunehmen , so dass vor und nach der Blüthezeit der bittere Geschmack um so reiner und kräftiger hervortritt. Fetter Kulturboden begünstigt die Zuckerbildung; auf magerem Boden gewachsene Pflanzen schmecken bitterer. Auch das Trocknen der Wurzel scheint die Bitterkeit zu vermindern. Die frische mit dem Kraute beim Beginne der Blüthezeit verarbeitete Wurzel, wie manche Pharmakopoen sie verlangen, muss demnach nothwendig ein anderes Extract liefern als die im Spätjahr ohne das Kraut genommene (und getrocknete) Wurzel. Die betreffenden gesetzlichen Vorschriften sind daher genau einzuhalten. Yergleichende Yersuche Frickhinger's über die den verschiedenen Vegetation sperioden entsprechenden Wurzeln verdienen weitere Ausführung. Derselbe fand in der Wurzel auch Spuren von Gerbstoff und Mannit, Smith Pektin, oder, nach Vogl, vielmehr Pektose, welche durch Umbil- dung der Cellulose in den Zwischenzellenräumen entsteht. Der frische Milchsaft des Löwenzahns ist sehr bitter, neutral und weiss, !) Nägeli u. Schwendener. Das Mikroskop. Leipzig 1867. S. 510. 16* 244 Wurzelbildungen der Dikotylen. nimmt, aber bald saure Reaction und röthlich braune Färbung au, indem er zu bröckeligen Massen gerinnt, die Krornayer als Leontodoniuni1) bezeichnet und daraus durch heisses Wasser den Bitterstoff, Taraxacin, erhalten hat. Dasselbe schmeckte höchst bitter und zeigte die Eigenschaften des schon früher von Pol ex auch aus Milchsaft dargestellten Taraxacins. Krornayer gelang es aber nicht, dasselbe krystallisirt zu erhalten. Der Milchsaft ist der Hauptsache nach eine Emulsion von Harz und einem wachsartigen Stoffe, welchen Krornayer krystallinisch , der empirischen Formel 08H160 entsprechend zusammengesetzt befunden und, an das Lactucerin erinnernd, Taraxacerin benannt hat. Der Bitterstoff ist auch direkt aus der Wurzel selbst in äusserst geringer Menge zu erhalten. In den Blättern und Stengeln, nicht in den Wurzeln und Blüthen des Löwenzahns hat Manne (1864) den der Milchsäuregährung fähigen, Kupfer- tartrat nicht reducirenden Inosit, £,2H24012, nachgewiesen, der in den Papilionaceen so wie in thierischen Muskeln verbreitet ist, Die Gegenwart eines anderen reducirenden Zuckers verräth sich bei der Behandlung der Milchsaftschläuche mit alkalischem Kupfertartrat (Yogi). Im Extracte des Löwenzahns schiesst bisweilen körniger milchsaurer Kalk an, wahrscheinlich, nach Ludwig's Yermuthung, erst aus dem Zucker durch langsame Gähruug entstanden, wie auch ohne Zweifel der von F rickhing er beobachtete Mannit. Nach demselben ist die Wurzel auch reich an unorganischen Bestandteilen; sie gab im Frühjahr 7,8 pC. Asche, im Herbste 5,5 pC. Bei Theophrasthiess die Pflanze Aphake (Phake, Sonmierfleck), doch steht die Identität nicht fest; später bei Fuchsius Hedypnois (ruhiger Athem — wegen der Wirkung des „Leontodoniums"). Auch die arabischen Aerzte des früheren Mittelalters benutzten dieselbe. Radix Scammoniae. Scammonia- Wurzel. Racine de scammonee. Scammony root. Convolvulus Scainmoiiia L. — Convolvulaceae. Die Scammonia-Winde sieht mit Ausnahme ihrer etwas grösseren grün- lich-gelben Blume unserem Convolvulus arvensis ähnlich. Sie wächst in Hecken oder an Felsen windend in Rumelien und der Krim, im Kaukasus, um Trapezunt, durch ganz Kleinasien (am Busen von Adalia z. B. von der Küste an in das Taurus-Gebirge bis 5000 Fuss über Meer) und Syrien (Gegend von Marasch , nördlich von Aleppo. — Amanus- Kette) bis nach Mesopotamien, auch auf Cypern, Rhodus, Kos und Kreta. Besanders häufig 1) schon im XVI. Jahrhundert dem Lactucarium analog als einschläferndes Mittel em- pfohlen. Radix Scammoniae. 245 findet sich die Pflanze auch in der näheren und weiteren Umgebung Smyrna's. Die meist ziemlich einfach möhrenförmige mehrstengelige Wurzel er- reicht bis 1 m Länge, zu oberst an dem starken Wurzelkopfe gegen 0,10 m Dicke und entsendet gewöhnlich nur aus dem untersten Theile einige Neben- wurzeln. Meist jedoch scheint die Wurzel weit unter der angegebenen Stärke zu bleiben und zeigt sich mehr walzenförmig; der Standort ist ohne Zweifel vom grössten Einflüsse auf ihren Umfang und Gehalt. Die milchsaftreiche Rinde ist im Verhältnisse zum Holzkörper nur wenig entwickelt und schrumpft beim Trocknen selbst an grösseren Stücken auf ein paar Millimeter ein. Sie schmiegt sich hierbei den sanften Vorsprüngen des im Querschnitte übrigens ungefähr kreisförmigen Holzes enge an, so da ss die hellbraune Oberfläche der Wurzel der Länge nach von gestreckten glatten Runzeln durchzogen ist, denen sich seltener untergeordnete Quer- höckerchen beigesellen. Der Querschnitt durch die Rinde der Hauptwurzel bietet ziemlich verworren ineinander greifende Keile dunkleren Bastes und hellerer gegen die Peripherie breit in die sehr schmale Mittelrinde ver- schwimmender Markstrahlen dar. Zahlreiche grössere braungelbe Harzzel- len unterbrechen ohne Regelmässigkeit einzeln oder in tangentialer Rich- tung zu mehreren an einander gereiht das Gewebe der Innenrinde. Der hell bräunlich graue sehr faserige und grossporige Holzcylinder ist aus zahlreichen einzelnen Strängen gebildet, welche von schmalen weissen oder zum Theil braun gefärbten Parenchymstreifen umschrieben sind. Die ersteren nehmen nur gegen die Peripherie einen regelmässigeren Verlauf an und treten als breite Markstrahlen in die Rinde ein. Sekundäre nur ein- reihige Markstrahlen, welche die Holzbündel geradlinig durchschneiden, treten gewöhnlich nicht in -die Rinde über. In ihrem Verlaufe durch die Länge der oft gedrehten Wurzel sind die einzelnen Holzstränge manigfach gekrümmt, ihr Bild auf dem Querschnitte daher sehr veränderlich. Der Holzkörper der Wurzeläste erscheint fast strahlig und etwas gelappt, sein ansehnliches Mark nimmt gewöhnlich nicht genau das Cen- trum ein. Die Mittelrinde beschränkt sich auf wenige Reihen schlaffer Zellen , oft zum Theil gefüllt mit kleinen Rosetten oder vereinzelten rhomboederähn- lichen Krystallen von Kalkoxalat, zum Theil mit kleinen Stärkekörnchen. In älteren Wurzeln finden sich da und dort auch wenig auffallende meist nur massig verdickte Steinzellen. Die Mittelrinde pflegt aber schon frühe der Verkorkung anheim zu fallen. Die Innenrinde ist vorherrschend aus grosszelligem etwas axial verlän- gertem Bastparenchym gebildet, welches von dünnen Hornbaststrängen durchzogen wird. Auch dünnwandige Steinzellen finden sich hier und da ein- gestreut. Die Harzzellen gehören ebenfalls dem Parenchym der Innenrinde an und sind beträchtlich weiter als die Zellen des übrigen Gewebes. Ihr höchst einfacher Bau stimmt mit dem der Harzzellen der anderen Convolvu- 246 Wurzelbildungen der Dikotylen. laceen (vergl. z. B. Rad. Turpethi) überein. In der käuflichen Wurzel ent- halten die Harz- oder Milch saftz eilen schön gelbes festes Harz. In dünnen Wurzelästen erweisen sich diese Saftzellen als ganz einfache kurze Sieb- röhren, nicht unähnlich denen von Fructus Papaveris, mit halbflüssigem grau bräunlichem Inhalte. Das übrige Bastparenchym führt entweder kleine Amylumkörnchen oder rhomboederartige Oxalatkrystalle in sehr grosser Menge. Die grossen netzförmigen oder getüpfelten Gefässe des Holzes sind von schief abgeschnittenen, stark verdickten und grossporigen Holzzellen in grosser Zahl begleitet und bisweilen gleichfalls von tief gelbem Harze erfüllt. In älteren Wurzeln, wo die einzelnen Holzsysteme reichlicher von Paren chym umgeben sind, enthält dasselbe auch Harzzellen, zeigt überhaupt den Bau des Rindengewebes und strotzt meist von Amylum und ansehnlichen einzelnen Oxalatkry stallen, nicht Rosetten. So sehr hiernach der Bau und Inhalt der Scammonia- Wurzel im allge- meinen mit demjenigen der übrigen drastischen Convolvulaceen -Wurzeln übereinstimmt, so unterscheidet sie sich doch bestimmt durch die Anord- nung ihrer Gewebe. Die Orizaba- Wurzel (vergl. Radix Orizabensis) pflegt vorherrschend bei weitem grössere unregelmässige aber unverkennbar con- centrisch-strahlig gebaute Stücke aufzuweisen, deren Holzkörper nicht aus einzelnen selbstständigen Strängen, sondern aus zusammengehörigen durch Markstrahlen getrennten kurzen Keilen gebildet ist. Auch die Turbithwurzel (vergl. Radix Turpethi), welche derjenigen von Scammonia am ähnlichsten sieht, besitzt einen centralen strahligen Holz- cylinder, neben welchem allerdings sekundäre Holzstränge ziemlich selbst- ständig anftreten. Sie sind aber immerhin concentrisch mit unverkennbarer Beziehung zum Hauptkerne geordnet. Was jedoch die Turbithwurzel am meisten kennzeichnet, sind die auch in der Rinde vorhandenen Holzstränge, welche bei Scammonia fehlen. Einzelne Stücke der Turbithwurzel, wo die Holzstränge in der Rinde sehr wenig ausgebildet sind, können der Scammo- nia sehr nahe kommen. Tuber Jalapae endlich ist schon durch die äussere Form hinlänglich von Scammonia verschieden. Die Gewebe beider Wurzeln stimmen im ein- zelnen wohl überein, aber die zonenweise Abwechselung von Harzzellen und harz- oder milchsaftfreiem Parenchym findet sich im Kerne der Scam- moniawurzel nicht, wogegen der Jalape eigentliches Holz abgeht. Von geringerem Belange ist der grössere Reichthum der Scammonia an Kalkoxalat, welches hier vorwiegend in ansehnlichen einzelnen etwa 20 Mi- kromill. grossen Krystallen und weniger häufig in Drusen (Rosetten) abge- lagert ist, wie in der Jalape und der Orizabawurzel. Die Stärkekörner der Scammonia, höchstens etwa 10 bis 20 Mikromill. erreichend, bleiben ob- wohl gleich gestaltet oder ähnlich zusammengesetzt, an Grösse sehr hinter denjenigen der verwandten Wurzeln zurück. Die Zellen, welche den Harz- oder Milchsaft führen, zeigen in der Scam- Radix Scammoniae. 247 moniawurzel denselben Bau wie in den erwähnten Wurzeln, kommen aber weniger häufig vor1) und bleiben durchschnittlich nur halb so weit wie etwa in der Jalape. Demgemäss ist auch der Geschmack und Geruch der ersteren höchst unbedeutend. Der getrocknete Milchsaft der Scammonia, welcher vor der Blüthezeit am reichlichsten vorhanden ist, wird seit dem Alterthum unter dem Namen Scammonium ( Gummi -resina s. resina Scammonium) vorzüglich aus Smyrna und Aleppo in den Handel gebracht. Man gräbt2) zur Blüthezeit die Erde rings um die etwa vierjährigen Wurzeln weg, schneidet diese in schiefer Richtung an oder durch und schiebt in die Wunden flache Muscheln ein, auf denen der Saft bis zu ziemlicher Dicke getrocknet, hierauf zu grösseren Massen vereinigt und vollends ausgetrocknet wird. Dieses rohe Verfahren ist seit undenklichen Zeiten üblich. Eine Wurzel soll hierbei höchstens etwa 8 Gramm, meist weit weniger trockenes Produkt geben, wächst aber bei nicht allzu arger Misshandlung wieder fort. Dasselbe sieht bräunlich gelb bis dunkelbraun oder fast schwarzgrün aus und ist mehr oder weniger durchscheinend, häufig etwas blasig, auf der Oberfläche meist graulich bestäubt. Es gibt ein hellgrauliches kratzend schmeckendes Pul- ver; der Geruch beim Reiben erinnert an den des rohen Jalapenharzes. Mit sehr wenig Wasser gibt das Scammonium eine Emulsion oder doch eine kleberige fadenziehende Masse, verhält sich also in dieser Hinsicht wie der Inhalt der Milchsaftzellen der käuflichen Jalape. Das Scammonia-Harz , abgesehen von etwa 10 pC. Gummi, flüchtigen Fettsäuren und anderen Stoffen, welche es im rohen Milchsafte begleiten, hat sich durch die Untersuchung von Spirgatis (1860) als identisch er- wiesen mit dem Harze der Radix Orizabensis (vergl. diese), dem sogenann- ten Jalapin (besser Orizabin). Auch die Löslichkeitsverhältnisse des S cam- in on ins sind die gleichen, während das eben so zusammengesetzte Tur- pethin sich z. B. in Aether nicht löst (vergi. bei Rad. Turpethi). Frühere Untersuchungen hatten unklare Resultate ergeben, vermuthlich weil sie mit unreineren Sorten des käuflichen Scammoniums ausgeführt worden waren. Von jeher, schon zur Zeit von Dioskorides, wird dasselbe nämlich auf die manigfaltigste Weise verfälscht, entweder indem man die schon durch Anschneiden des Milchsaftes grösstentheils beraubte Wurzel noch auskocht und so ein harzarmes Extract erhält, oder indem man reinerem Milchsafte Mehl, Kreide, Gyps u. s. f. beimischt. Der Handel bietet daher Scammoniumsorten, welche an Aether bisweilen nur 25 pC. , statt 80 bis 90 pC. des reinen Harzes abgeben. Dieser Unfug veranlasste 1859 endlich den in Kleinasien ansässigen Engländer Clark eine zweckmässigere und ehrlichere Gewinnung des Har- zes anzuregen. Er sandte getrocknete Wurzeln an William son in London, J) Marquart fand in einer zu Bonn gezogenen Wurzel nur 4 pC. Harz. !) £xa[A{jux, das Gegrabene. Daher auch das arabische Sukmunia für Scamnioniuin. 248 Wurzelbildungen der Dikotylen. nach dessen Anleitung das Haus MacAndrew&Son sich ein Verfahren patentiren Hess, um das Harz in der für Resina Jalapae allgemein üblichen Weise darzustellen. Dieses Patent-Scaminonium unterscheidet sich daher vom besten käuflichen Scammonium durch die Abwesenheit des wirkungs- losen, in Weingeist unlöslichen Antheiles des Milchsaftes, weshalb es sich nicht in Emulsion bringen aber gänzlich in Aether auflösen lässt. Es zeigt auch einen weniger unangenehmen Geruch. British Pharmacopoeia (1864) hat sich nicht damit begnügt (neben käuflichem Scammonium !) das reine Harz aufzunehmen , sondern auch die Wurzel selbst, aus Syrien, vorgeschrieben, um die Darstellung des ersteren in der Pharmacie einzubürgern. — Pharm. Germaniae (1865) folgt ganz diesem Vorgänge und es ist zu hoffen , dass der Anstoss genüge , um regel- mässige Zufuhren der Wurzel, vielleicht auch den Anbau der Pflanze im grossen , in Gang zu briugen. Yermuthlich wird sich die Kultur sogar in Südeuropa wohl lohnen. Das Scammonium gehört zu den ältesten Arzneistoffen, allein die Schil- derung von Dioskorides deutet auf eine andere Stammpflanze, vielleicht Convolvulus sagittaefolius Sibthorp hin. Tuber Jalapae. Radix s. caudex Jalapae ponderosae v. tuberosae. Jalapenknollen. Jalapa- wurzel. Jalap. Vrai Jalap. Jalap tubereux. Jalap. Ipomoea1) Purga Hayne. — Convolvulaceae. Syn. : Convolvulus Purga Wenderoth. Ipomoea Schiedeana Zuccarini (non Hamilt.). Exogonium Purga Bentham. Ipomoea Jalapa Nuttal. Convolvulus officinalis Pelletan. Die Wurzeln vieler exotischer Convolvulaceen verdicken sich zu aus- dauernden Knollen , die entweder heftig purgirenden Milchsaft führen oder geniessbar sind, wie die bekannten Bataten von Convolvulus Batatas L. (Batatas edulis Choisy). Von ersteren wurden bald nach der Entdeckung Amerikas , besonders aus Mexico , mehrere verschiedene Arten in den euro- päischen Arzneigebrauch eingeführt; jetzt sind allein die Knollen der oben genannten Winde2) noch officinell. Die Heimat der Jalapenwinde ist das zerrissene Bergland der ost- mexikanischen Cordillere, welches den. östlichen Abhang der gewaltigen !) Ipomoea von Ips, ipos, — Name eines Wurmes — Anspielung auf den windenden Stamm der Jalape. 2) Wohl zu unterscheiden von Batatas Jalapa Choisy (Syn.: Convolvulus Jalapa L., Ipom. Jalapa Pursh, Convolv. Mechoacan Vand.), welche früher als Stammpflanze unserer Jalapa galt, vermuthlich aher Bad. Mechoacannae liefert. Sie wächst nicht nur in Mexico, sondern auch in Brasilien, Florida, Carolina, Georgia. Tuber Jalapae 249 Vulkankette vom Cofre de Perote zum Pik von Orizaba bildet. In den feuchten, schattigen Wäldern der Höhenregion von 5000 bis 6000 Fuss, der Tierra templada, wächst die Winde theils hoch an Bäumen empor- kletternd, theils kultivirt, hauptsächlich bei Huachinango, Cordoba, Hua- tusco, kaum mehr bei Xalapa, nicht in tieferen Regionen. Die Pflanze selbst wurde erst 1829 durch Schiede bei Chiconquiaco *) unweit San Salvador am Cofre de Perote aufgefunden. Die Wurzeln werden das ganze Jahr hindurch, hauptsächlich aber nach derPtegenzeit im Mai, gesammelt und über Vera-Cruz in den Handel gebracht, welcher Hafen davon z.B. 1856 etwas über 1000 Ctr., 1860 über 1200 Ctr., im Werthe von etwa Vk Million Franken, ausführte. Der Export von Tam- pico erreichte 1858 nur denWerth von 70,000 Franken. Das Wurzelsystem besteht in seiner Grundform aus einem ganz einfachen kugeligen, etwa faustgrossen Knollen ohne Spuren von Blattorganen. Nach oben treibt er mehrere Stengel , nach unten ist er plötzlich in eine schwanzartige, lange, ziemlich dünne, hin- und hergebogene, gewöhnlich etwas ästige Wurzel zusammengezogen oder endigt in zwei solcher Wur- zeln. Die Stengel kriechen oft als Ausläufer weit fort und sind mit kleineren sitzenden Knollen besetzt, welche mehr länglich und oft eingeschnürt, sonst aber dem Hauptknollen gleich gebildet sind. Aus demselben entspringen bisweilen auch verlängerte Wurzeläste, welche sich ihrerseits wieder zu bewurzelten Knollen verdicken können, an welchen neue Ausläufer ent- stehen. Die käufliche Jalape bietet demnach sehr verschiedenartige, höchst unregelmässige Stücke dar, theils eiförmige oder verlängerte grössere Knollen, theils dickere Ausläufer, theils kleine Knöllchen. Das ganze reichlich mit klebrigem Milchsafte erfüllte fleischige Wurzelsystem muss über anhaltendem Feuer getrocknet werden , was bei den grösseren Knollen durch mehr oder weniger tief geführte Einschnitte befördert wird. Früher wurden sie öfter in Querscheiben geschnitten. Die kleinen Knollen bleiben ganz und unter- scheiden sich gewöhnlich durch breite, kurze, verästelte Längsleisten, die durch tiefe, sehr schmale Längsfurchen getrennt werden. Bei den grösseren Knollen verlaufen die Furchen und Leisten sehr unregelmässig, fast netz- artig und sind mit Kork ziemlich reichlich bedeckt, der in den Furchen durch das von der Hitze ausgetriebene Harz dunkelbraune , auf den Längs- leisten graugelbliche, matte Färbung zeigt, während die (vielleicht einer andern Art angehörenden) kleineren Knollen eine mehr glänzende, schwärzlich- braune Aussenfläche darbieten. — Eine Querstreifung findet sich seltener angedeutet. Im Innern lassen die Gewebe selbst der grössten Knollen nur Andeu- tungen von strahlenförmiger Anordnung wahrnehmen. Der Querschnitt, von ziemlich gleichförmiger graulicher bis bräunlicher Färbung, zeigt in einem Abstände von nur 0,00 lm bis 0,002™ unter der Oberfläche und [) Chiconquiera nach anderen. 250 Wurzelbildungen der Dikotylen. parallel mit derselben wellenförmig verlaufend eine einfache oder doppelte dunkle, feine Cambiumlinie. Die ausserhalb derselben liegende Rinde zeichnet sich durch eine grosse Menge dunkler, oft in der Nähe der Cambium- linie beinahe zu regelmässigen Kreisen geordneter Harzpunkte aus und besitzt überhaupt meistens eine dunklere Färbung. Aehnliche Zonen von nur etwa 3 — 4 Reihen dunkler Harzzellen folgen nach innen, immer mit der Rinde gleichlaufend. Sie sind durch 1 Millim. breite Zonen helleren Parenchyms auseinander gehalten, in welchen noch (sekundäre) einreihige , weitläufige Kreise von Harzpunkten oder ganz ver- einzelte Harzzellen auftreten. Gegen das Centrum zu nimmt der Harzreich- thum sehr ab und damit auch die deutliche Entwicklung der Kreise. Gefässbündel kommen nur spärlich und ganz unregelmässig einge- streut vor. Harzärmere Wurzeläste oder Knollen enthalten im Innern ganz verein- zelte und nur in der Rinde zahlreiche Harzgänge ; bieten also einen mehr einförmigen als durch concentrische Zonen bezeichneten Querschnitt dar. Die mit sehr regelmässigen concentrischen Harzringen versehenen Knollen lassen sich , nach dem Einweichen , in tangentialer Richtung leicht in die einzelnen schalenartigen Schichten spalten, an deren Peripherie die Harz- gänge liegen. Demnach würden die einzelnen Lagen des Knollens Jahres- schichten entsprechen, wobei aber auffällt, dass in den äussersten das Harz am reichlichsten abgelagert ist. — Bei dem sehr harzreichen Guajakholze sind die äusseren Holzlagen (Splint) frei von Harz. Die Jalape ist sehr dicht und schwer; faustgrosse Stücke von 100 — 200 Gramm sind nicht selten. Der Bruch ist gleichmässig hornartig oder im Innern mehlig; bei harzreichen Stücken fast muschelig, aber nicht holzig oder faserig. Die Korkschicht besteht aus etwa 12 Lagen gewöhnlicher tafelförmiger Korkzellen, deren äussere Hälfte dunkelbraune, die innere farblose Wan- dungen besitzt. Zahlreiche braun gefärbte Klümpchen oder Körnchen finden sich dagegen zwischen dßm Korke und der anstossenden äussersten Parenchym- schicht der Rinde abgelagert, zugleich mit kleinen (20—30 Mikromill. messenden) Krystallrosetten von ähnlichem Bau wie etwa in der Rhabarber, nur mehr abgerundet. Diese Kry stalle sind wenig zahlreich und fehlen im Innern. Das Parenchym der Rinde besteht sehr gleichförmig aus grossen, etwas dickwandigen , tangential gedehnten Zellen , die gegen den Kork hin keiner sind. Markstrahlen fehlen. Die sehr zahlreichen Harzgänge erinnern bisweilen durch ihre Gruppirung einigermassen an Bastkeile; sie erscheinen auf dem Querschnitte als runde, von zarten gelblichen Wänden eingefasste Hohlräume , deren Durchmesser (Vi0 bis 7s Millimeter) weit beträchtlicher ist als der der anstossenden Parenchymzellen, welche hier keine besondere Anordnung oder Form besitzen. An die letzte Reihe der Harzzellen in der Rinde stösst das Cambium, zarte, prosenchymatische, verworrene Zellen, deren etwas gelbliche Wände Tuber Jalapae. 251 auf dem Querschnitte sehr unregelmässige , schlängelige Biegungen zeigen. Etwa 3 — 6 Reihen derselben sind in einander verfilzt, und bisweilen findet sich eine zweite schmalere derartige Cambialzone noch vor, von der ersteren durch einige Reihen mehr parenchymatischer Zellen getrennt. Das innerhalb der Cambiumzone folgende Gewebe bietet im Gegensatze zur Rinde eine deutlich ausgesprochene radiale Anordnung und geringe radiale Streckung der Parenchymzellen dar, obwohl keine bestimmten Mark- strahlen. Ein Streifen dieses Gewebes von der ungefähren Breite der Rinde ist frei von Harzzellen und nach innen wieder durch eine etwas lockere bast- oder cambiumartige Schicht abgegrenzt, an welche nun erst wieder ein Kreis von Harzzellen anstösst, worin auch da und dort Gefässbündel vorkommen. Alle weiteren Harzzonen sind ähnlich gebaut, mit einem schmalen vorliegenden Prosenchymgürtel. Die höchstens gegen Vi0 Millim. starken Netz- oder Tüpfelgefässe sind von spärlichem, dünnem, gelblichem, nicht verholztem Prosenchym umgeben und gewöhnlich von krummem, wurmförmigem Verlaufe. Diese Gefäss- bündel kommen nur ganz vereinzelt, nirgends in strahlenförmiger Anord- nung vor. Das ganze Parenchym, sowohl in der Rinde als im Innern, strotzt von sehr grossen (bis gegen 60 Mikromill. messenden), geschichteten, vor- herrschend kugeligen Amylumkörnern , die sehr häufig zu 2 — 5 vereinigt zusammengesetzte Körper darstellen und zu den allergrössten Stärkearten gehören. Durch die beim Trocknen sehr lange auf die saftreiche "Wurzel einwirkende Hitze erleidet, die Stärke der äusseren Schichten mehr oder weniger bedeutende Veränderungen oder gänzliche Verkleisterung, welche mit dem ausgetretenen Harze die hornartige Beschaffenheit der Wurzel bedingt. Häufig trifft man daher auch in der Jalape Stärkekörner, die nur noch eine leere aufgerissene Kugelschale darstellen. Kleinere Knollen scheinen wohl ohne künstliche Wärme getrocknet zu werden, da sie häufig ganz unverändertes Amylum enthalten. Die Anlage der Harzgänge lässt sich auf dem Längsschnitte deutlich erkennen. Sie durchziehen parallel mit der Axe die betreffenden Schichten der Knollen, doch in ihrem Verlaufe häufig durch bogige Krümmungen von der Senkrechten abweichend, wie auf dem tangentialen Längsschnitte am besten zu erkennen ist. Die Harzgänge sind nicht sowohl eigentliche Gänge, wie etwa die Behälter des ätherischen Oeles und Balsams in den Wurzeln der ümbelliferen (Angelica. Levisticum) und Compositen (Arnica. Anacyclus. Enula) , sondern nur senkrecht auf einander gestellte einzelne Zellen von kubischer oder kugeliger Form mit dünnen, oft etwas eingefallenen, schwach gelblichen Wänden , umgeben von gewöhnlichem, nur wenig gestrecktem Parenchym oder von der erwähnten mehr prosenchymatischen Zone. Häufig aber sind die zarten Querwände der Zellenreihe stellenweise verschwunden, so dass dann allerdings die übrig gebliebenen Seitenwände einen grösseren 252 Wurzelbildungen der Dikotylen. gangartigen Raum darstellen. Oft sind diese Zellenreihen sehr lang, oft aus nur 10 — 20 Zellen gebildet, aber niemals verzweigt, wie etwa die Milchsaftgefässe von Taraxacum oder Lactuca. Der fast farblose Milchsaft ist in den Zellen der getrockneten Knollen noch in halbflüssiger Form ent- halten; befeuchtet man einen zarten Schnitt, so wird die dunkle Harzmasse heller, rundet sich zu einem grossen gelblichen, trüben Tropfen ab, der sehr bald austritt, mit dem Inhalte benachbarter Zellen zusammenfliesst und sich endlich über den ganzen Schnitt verbreitet, so dass die harzführenden Zellenreihen völlig entleert und jetzt sehr deutlich erkannt werden. Wasser, Glycerin, Chlorcalciumlösung, Schwefelsäure, Kalilauge wirken gleich auf das Harz und stellen die Emulsion, den ursprünglichen Milchsaft, wieder her. Alkohol und ätherische Oele lösen das Harz und heben die Emulsion auf. In andern Milchsaft führenden Wurzeln lässt sich derselbe nach dem Eintrocknen durch Zusatz von Wasser nicht wieder emulgiren. So z. B. in Rad. Taraxaci. Der schwache Geruch der Jalape erinnert an Rauch; sie schmeckt erst fade, dann kratzend. Die hervorragenden Bestandtheile der Jalape, Stärke (bis 18 pC.), unkrystallisirbarer Zucker (bis 19 pC, Guibourt), Gummi, Farbstoff und Harz, scheinen in ihrer Menge bedeutenden Schwankungen unter- worfen zu sein. Der Harzgehalt wird bisweilen scheinbar dadurch erhöht, dass das Amylum durch Insektenfrass vermindert ist. Das Harz beträgt 10 bis 17 pC. und erscheint unabhängig vom Alter der Knollen; nach Marquart gab in Bonn gezogene Wurzel 12 pC. Harz, nach Widnmann eine in München cultivirte sogar 22 pC. Das Harz ist ausgezeichnet durch seine grosseLöslichkeit in Weingeist, Essigsäure und Essigäther. 1 Theil verdünnten Weingeistes von 70 Yol. pC. löst bei gewöhnlicher Temperatur schon 1 Th. des Jalapenharzes , von anderen Harzen weit weniger. Auch in allen übrigen Beziehungen unter- scheidet sich das Jalapen harz so sehr von den Harzen, dass es im Grunde dieser Klasse von Verbindungen nicht beigezählt werden darf. Aether, auch Chloroform, entzieht dem durch Weingeist dargestellten rohen Harze 5 bis 7 pC. eines oft mit Jalapin identificirten, doch noch nicht näher untersuchten Harzes, das nach längerer Zeit krystallisirt (Sandrock's „Gammaharz"). Der nicht gelöste Theil wurde von W. Mayer mit dem Namen Convol- vulin ]) belegt und nach der Formel G31H50O16 zusammengesetzt befunden. Es ist vollkommen gereinigt farblos , dem arabischen Gummi ähnlich , löst sich sehr leicht in den fixen Alkalien und wird durch Zusatz von Säuren nicht wieder gefällt, indem es sich durch Wasseraufnahme in die in Wasser lösliche amorphe Convolvulin säure verwandelt. Convolvulin sowohl als Gonvolvulinsäure zerfallen durch massiges Erwärmen mit verdünnten J) früher Rhodeoretin ; zweckmässig wäre es gewesen, diesem Körper den ursprünglichen Namen Ruchners u. Herberger's, Jalapin, zu lassen. Tuber Jalapae. 253 Säuren oder auch mit Emulsin in das krystallisirbare Convolvulinol O26H5o-0-7 und Zucker. Jenes geht in Berührung mit wässerigen Alkalien in die krystallisirbare, wenig in Wasser lösliche Convolvulinolsäure 026H4806 über. Die mit der Sebacylsäure isomere Ipornsäure G10H18-9-4 wird durch Behandlung des Convolvulins (und auch des Jalapins) oder seiner Abkömmlinge mit Salpetersäure neben Oxalsäure erhalten. — Das Convolvulin schmilzt (nach vollständigem Trocknen) bei 150° C, ein ge- ringer Wassergehalt macht es jedoch schon unter 100° schmelzbar. Es ist unlöslich in Terpenthinöl und Ammoniak, löst sich (nach dem Reinigen durch Aether) ohne Färbung und ohne Gasentwickelung in kalter verdünn- ter Salpetersäure. Chloroform darf ihm (nach Hager) nur 5 — 7 pC. in der Wärme entziehen. Dieses Verhalten des Jalapenharzes ermöglicht seine Prüfung und sichere Erkennung. — Das Convolvulin besitzt in hohem Grade die purgirende Wirkung der Jalape, nicht aber das Convolvulinol. Die beschriebene Jalapenwurzel oder andere ähnliche und gleich wir- kende Wurzeln verwandter Pflanzen wurden gegen Ende des XVI. Jahr- hunderts durch die Eingeborenen Mexico's den Spaniern bekannt und 1570 zuerst von Monardes beschrieben. Solche Wurzeln von mehr weisslicher Farbe führten wegen ihres häufigen Vorkommens in Michoacan (oder Valladolid) , einer der westlichen Provinzen des mittleren Mexico , den Na- men Radix Mechoacannae, so dass dann unsere etwas später bekannt gewordene Jalapa auch wohl Mechoacanna nigra, bei Bauhin (1620) Bryonia mechoacanna nigricans, hiess und endlich auch umgekehrt die Mechoacanna als Jalapa alba bezeichnet wurde (vergl. bei Rad. orizabensis). Hierdurch und durch die damalige Herbeiziehung noch anderer ähnlicher Wurzeln wird es unmöglich, unsere Jalapa in früherer Zeit bestimmt zu ver- folgen. Sicher war sie bald nach dem Jahre 1600, nach Caspar Bauhin seit 1609 in Frankreich und Deutschland verbreitet und 1634 ihr Harz allgemein im Gebrauche. Ihrer Wirkung wegen hiess sie auch wohl Rha- barbarum nigrum. Verwechselungen der Jalape sind nur möglich mit Wurzeln der ver- wandten Convolvulaceen , welche im allgemeinen, auch in chemischer Hin- sicht, bedeutende Aehnlichkeit mit ihr besitzen und in der That unter der käuflichen Jalape bisweilen vorkommen. So wird aus Tampico neuerdings eine an Harz sehr arme leichte und holzige Jalape von unbekannter Ab- stammung ausgeführt, Sie ist lang, birnenförmig und sehr stark zusammen- gefallen, zum Theil sogar hohl. Guibourt hat auch eine finger- oder hand- förmige Wurzel beschrieben. Die bereits erwähnte Mechoacanna scheint schon frühe in mehreren Sorten nach Europa gebracht worden, aber schon in Mexico selbst manigfach verwechselt worden zu sein. So ganz beson- ders mit der Wurzel von Asclepias Contrayerva l) , auch mit der soge- nannten Radio; Matalistae oder Metalistae. Diese wird von Mirabilis J) Guibourt, J. de Ph. (1866) IV. p. 98. 254 Wurzelbildungen der Dikotylen. longiflora L. oder auch von Mirabilis Jalapa L., Familie der Nyctagineen, abgeleitet, deren bei uns gezogene (einjährige) Wurzeln mit der Jalape keine Aehnlichkeit, namentlich keinen Harzgehalt besitzen. Ihre Stärke ist weit kleiner, das Kalkoxalat in grosser Menge, aber in Nadeln krystallisirt vor- handen. In Europa endlich ging häufig die Wurzel von Bryonia- Arten als Mechoacanna oder weisse Jalape. Wie die ächte Jalape werden in Brasilien als „Batata purgante" die noch grösseren, stark bewurzelten Knollen der in Minas Geraes, Goyaz und S. Paulo einheimischen Ipomoea operculata Martius (Syn. : Convolvulus operculatus Gomez, Piptostegia Gomezii et Pisonis Mart.) angewandt. Sie sind locker, aussen hell graubräunlich , innen gelb oder grünlichgelb ge- streift, von ähnlichem Gerüche und Geschmacke und gleicher Wirkung wie die mexikanische Jalape. Ihr Harz, nach Peckolt 12 pC. betragend, zeigt ähnliches Verhalten wie das Jalapenharz , im einzelnen aber doch Ab- weichungen. Das brasilianische Harz scheint in Weingeist und Kali weit weniger löslich zu sein und an Aether nur 11 pC. abzugeben. Es ist dem- nach wohl eher homolog als identisch mit dem Convolvulin. Betrügerischer Weise werden auch Jalapenkn ollen in den Handel ge- bracht, denen das Harz zum Theil entzogen ist, was schon durch das Mi- kroskop ersichtlich ist. — Knollen, welche weniger als lOpC. Harz liefern, sind nach dem Vorgänge der Preussischen Pharmakopoe zu verwerfen. Radix orizabensis. Radix Jalapae fibrosae, s. levis, s. fusiformis. Stipites Jalapae. Jalapen- stengel. Spindelige Jalape. Orizabawurzel. Jalap fusiforme ou leger. Jalap stalk or wood. Ipomoea orizabensis Le Danois. — Convolvulaceae. Syn.: Convolvulus orizabensis Pelletan. Ipomoea mestillanica Choisy? Ipomoea batatoides Bentham? Diese, übrigens botanisch nicht hinreichend gekannte Winde gehört der- selben ostmexikanischen Gebirgslandschaft an, wie Ipomoea Purga, in deren Gesellschaft sie bis in die Gegend von Orizaba vorzukommen pflegt. Sie besitzt eine bis 2Fuss lange spindelförmige, nicht knollige und mehr holzige und faserige als saftige Wurzel, welche nach L e Danois und nach Schiede in Xalapa als „Purgo macho" (männliche Jalape) unterschieden wird. Diese Wurzel , vielleicht aber auch ähnlich beschaffene Wurzeln noch anderer Ipomoea- Arten , gelangte etwa seit 1833 als „Jalap leger" nach Frankreich und bald darauf unter dem Namen „Jalapenstengel" nach Deutschland. Nach Guibourt's Ansicht (186G) war sie aber auch schon in früherer Zeit, jedoch unter der Bezeichnung Radix Mechoacannae, aus der westmexikanischen Provinz Michoacan nach Europa gekommen. DieWaare erscheint bald als höchst unregelmässige kantige, gekrümmte Radix orizabensis. 255 oder plattenförinige, auch wohl ästige Stücke einer offenbar sehr grossen der Länge nach getheilten Wurzel , bald mehr der ächten Jalape ähnlich, in ganzen, aber spindelförmigen kleineren Wurzeln , nicht in kugeligeü Knollen. Alle diese Orizaba -Wurzeln pflegen eine etwas hellere Farbe als die Jalape und weit tiefere Längsrunzeln zu besitzen. Grössere Stücke zeigen sowohl auf der Innenfläche als auf der äusseren Seite öfters tiefe Axt- oder Messerhiebe; seltener kommen Querscheiben vor. Obwohl durchschnittlich leichter als die Jalape, ist die Orizaba -Wurzel doch von sehr dichtem, oft hornartigem Gefüge. Yon der Jalapa unter- scheidet sie sich, wenigstens in ihren kleineren Stücken, sehr durch den strahligen Querschnitt und die starken zahlreichen, aus dem Bruche faserig herausragenden Gefässbündel. Dieselben erscheinen im Querschnitt als nicht sehr lange, unregelmässige, häufig gabelspaltige und oft etwas gekrümmte, helle Keile, welche zu 2 — 3 concentrischen strahligen Kreisen zusammengestellt sind. Ausserhalb jedes Kreises liegt eine feine schwarze Linie oder eine breitere dunkle, harzreichere Zone; aber auch das vom inner- sten Gefässbündelkreise umschlossene Gewebe (Mark) enthält noch viel Harz. Bau und Inhalt der einzelnen Gewebe in der Orizaba -Wurzel stim- men überein mit denen der Jalapa, höchstens mit folgenden geringen Abweichungen. In ersterer sind manche Zellen der Korklage und des benachbarten Parenchyms ziemlich stark zu weiten Steinzellen verdickt; Krystallrosetten zahlreich, auch im Innern verbreitet, die meist etwas weiteren Harzgänge übrigens von derselben Beschaffenheit wie bei Jalape. Das Amylum zeigt sich in unversehrten Körnern, bis etwa gegen 20 Mikronnil. messend. Sehr verschieden sind dagegen die Gefässbündel der Orizaba- Wurzel, deren grosse zahlreiche Netzgefässe in grösseren strahlenförmigen Gruppen, durch reichliches kurzes und stark verdicktes poröses Holz- prosenchym zusammengehalten werden. Diese Holzstrahlen bedingen die faserige, leichtere Textur der Wurzel. Geruch und Geschmack wie bei der Jalapawurzel , doch schwächer. — Auch die chemischen Bestandteile stimmen überein, aber das von W. Mayer als Jalapin1) bezeichnete Harz der Orizaba -Wurzel ist in Aether ganz löslich und von der Zusammensetzung O34 H56 -O-16, also mit dem Convol- vulin nur homolog ; die durch gleiche Behandlung erhaltenen Zersetzungs- produkte des Jalapins, die Jalapinsäure, das Jalapinol, so wie die Jalapinol- säure sind gleichfalls homolog mit den betreffenden aus dem Convolvulinol erhaltenen Körpern. Aus allen gewinnt man auch durch Salpetersäure die Ipomsäure. — Das Jalapin schmilzt erst über 150° C., wenn es zuvor voll- kommen getrocknet war. Das Orizaba -Harz besitzt, nach Hagentorn, dieselbe drastische Wirkung, wie das Convolvulin ; letzteres wirkt aber doppelt, nach Bernatzik *) Zweckmässiger wären die Namen „Orizabin" für dieses Harz und „Jalapin" für das der Ipomoea Puvga. 256 Wurzelbildungen der Dikotylen. nur etwa IV3 mal so stark. Das Jalapinol („Orizabinol") ist wirkungslos. — Die im obigen beschriebene Orizaba -Wurzel gab mir 11,8 pC. bei 100° C. getrocknetes Harz. Yollkommen ausgewaschen, entfärbt und in 2 Theilen Weingeist gelöst, drehte dieses reine Orizabin die Rotationsebene des po- larisirten Lichtes um 9,8° nach links bei einer Säule von nur 50 Millim. Länge. — Convolvulin drehte unter gleichen Umständen nur um 5,3° links (d-Linie der Natriumflamme). Das Orizabin (Mayer's Jalapin) löst sich in fixen Alkalien wie das Jalapenharz (Mayer's Convolvulin) und wird durch Säuren nicht wieder ausgeschieden. Im Gegen salze zum letzteren ist es im Aether vollständig und in allen Verhältnissen löslich, überdies auch in Benzol und Chloroform, aber schwierig in Stein öl und Terpenthinöl. Das Harz des Scammonia- Milchsaftes (vergl. Rad. Scammoniae) ist identisch mit dem Orizabin. Radix Turpethi. Turpithwurzel. Turbith vegetal. Ipomoea Turpethum R. Brown. — Convolvulaceae. Syn.: Convolvulus Turpethum L. Diese Winde, in Ostindien, Australien und ganz Polynesien1) einhei- misch, treibt eine bis 6 Fuss tief in die Erde dringende ziemlich gerade, innen röthliche und mit gelbem Milchsafte erfüllte Wurzel, die sich durch ihre holzige leichte Beschaffenheit und hellere Färbung sehr von der Jalapa- und der Orizaba- Wurzel unterscheidet. Es scheint wohl im wesentlichen eine etwa armsdicke knorrige Pfahlwurzel zu sein, die sich in dünnere cylindrische bis- weilen um die Axe gedrehte Aeste2) theilt, welche neben der Hauptwurzel im Handel 0,01m bis 0,04 dick und bis etwa 0,2 m lang vorzukommen pflegen. Ihre graugelbliche ziemlich glatte Oberfläche ist gleichsam von starken oft krumm verlaufenden Sehnen durchzogen, daher grob und breit längs- runzlig, daneben auch mit kleinen Korkhöckerchen oder Querleistchen be- setzt. — Die sehr unregelmässige Hauptwurzel gleicht einigermassen der Orizaba-Wurzel. Der anatomische Bau der Turpeth-Wurzel zeigt in seiner Anlage einige Analogie mit dem der Orizaba-Wurzel durch strahlige Anordnung der Ge- fässbündel und abwechselnde, von wenigen aber breiten und hellen Mark- strahlen durchschnittene Kreise von Gefässen und harzreichen etwas dunklern Zonen. Jedoch sind die Gefässbündel der Turbithwurzel weit zahlreicher, relativ grösser und das Holz überwiegt selbst in den schwächsten Stücken. Der Querschnitt sehr dünner Wurzeln (Wurzeläste) von nur 0,004 ra bis 0,005 m Durchmesser bietet einen sehr einfachen Bau dar. Der blass gelbliche Holzkern, etwa die Hälfte des ganzen Durchmessers einnehmend, *) Auf den Gesellschafts- und Freundschafts -Inseln, den Neuen Hebriden , auf Taheiti werden die saftigen süssen Stengel der Pflanze von Kindern ausgesogen (Unger). 2) unterirdische Wurzelsprossen nach Vogl. Radix Turpethi. 257 ist durch 5 oder 6 ziemlich schmale weisse Markstrahlen m eben so viele breite Keile getrennt. Den Holzkern umgibt ein halb so breites weisses von Amylum und Oxalatdrusen strotzendes Rindenparenehym, das von einer dünnen hell gelbbräunlichen Korkschicht bedeckt ist. Amylum und Oxalat erreichen dieselbe Grösse wie in der Jalapa- oder Orizabawurzel, bleiben aber doch durchschnittlich kleiner. Im Rindengewebe finden sich in sehr weitläufigen unterbrochenen Kreisen weite tangential gestreckte Harz- oder Milchsaftgänge. Ihrer Lage und Anordnung nach vertreten sie den Bast- theil der Gefässbündel, indem sie keilförmig am zahlreichsten und grössten den letzteren gegenüber vorkommen, dagegen in dem von den Markstrahlen eingenommenen Theile der Rinde fehlen. Cambium nncl ein centrales Mark lassen sich nicht unterscheiden. Der Kork besteht aus mehr kubischem als tafelförmigem dünnwandi- gem und nicht (wie in der Orizaba- Wurzel) verdicktem Gewebe, das Rinden- parenchym aus dickwandigen, in den äussersten Schichten tangential ge- streckten eiförmigen Zellen, von denen sich die der Markstrahlen mehr nur durch radiale Streckung unterscheiden. Die Holzbündel enthalten sehr weite, im Durchmesser bis lj-6 Millim. erreichende Netzgefässe, umgeben von sehr zahlreichen kurzen prosenchymatischen Holzzellen mit zierlichen grossen Poren. Dieser einfache Bau erleidet aber beim weiteren Auswachsen der Wur- zel bedeutende Veränderungen. Die Markstrahlen werden mehr und mehr vom Holze verdrängt, so dass oft nur noch 2, zuletzt oft gar keiner mehr übrig bleibt; auch in der Rinde werden sie unkenntlich und die Regelmässig- keit in der Anordnung der Harzgänge verschwindet. Bisweilen finden sich dann einzelne Reihen ganz verdickter Baströhren mit Siebwänden vor; im- mer aber treten merkwürdiger Weise bei etwas älterer Wurzel ganz selbst- ständige Holzstränge mitten im äusseren Rindengewebe auf. Sie stehen, jeder für sich von weissem mehligem Parenchym umschlossen und gewöhn- lich ungleich entwickelt, in einem weitläufigen Kreise, welcher durch eine mehr oder weniger breite harzreiche oft etwas dunklere Schicht vom ur- sprünglichen Holzkern getrennt ist. Innerhalb dieser Schicht wiederholt sich bei noch höherem Alter die Bildung dieser sekundären Holzstränge, so dass die Rinde schliesslich mehrere Kreise derselben enthält. Allmälig überwuchern sie das Parenchym und machen sich auch an der Oberfläche der Wurzel durch sträng- und sehnenartige Auftreibungen der Rinde be- merklich , ähnlich wie bei der Cai'nca- Wurzel. In dieser Weise bietet der Querschnitt älterer Stücke innerhalb der schmalen Rinde einen starken oft hohlen x), oder ganz zusammenhängenden oder durch 2 bis 6 Markstrahlen !) hierdurch so wie durch die vom dikotylen Typus abweichende Anordnung der Gefasse erhält die Wurzel mehr das Aussehen monokotyler Stämme, worauf schon der Araber Mesne (um das Jahr 1000) hingewiesen, indem er treffend angab, diese einer milchenden Pflanze an- gehörige Wurzel sei oft hohl und rohrartig. Flückiger, Pharmakognosie. 17 258 Wurzelbil düngen der Dikotylen. getheilten Holzkern dar, concentrisch umgeben von 1 bis 3 sehr unregel- mässigen Kreisen gleich gebauter kleinerer Holzkerne oder Stränge, welche von oft nur sehr schmalen oder oft ganz zerrissenen Parenchymschichten umschrieben sind. An der Peripherie des centralen Kernes bleibt immerhin der Hauptsitz des Harzes, dessen Gänge hier bei älteren Wurzeln in zahl- reichen Kreisen eine fast ununterbrochene dunkle Zone von etwa 0,001 ra Breite darstellen. Aber auch die sekundären Holzkörper besitzen sehr häu- fig an dem nach aussen gerichteten Theile ihrer Peripherie eine ähnliche Harzzone. Die Gänge dieses Harzes oder Milchsaftes sind meistens enger, aber von gleicher Beschaffenheit wie in Rad. Jalapae; doch scheinen in der Turpeth- wurzel die siebartig porösen Querwände schon sehr früh zu verschwinden, so dass dann statt der Harz (Milchsaft) führenden Zellenreihen mehr eigent- liche Schläuche vorkommen. Der Inhalt ist wie bei Jalapa- und bei Orizaba- Wurzel nicht ganz fest; dagegen findet man häufig an der Aussenfläche der Turpethwurzel grössere Ausschwitzungen des völlig erhärteten blassgelb- lichen Harzes. Die Wurzel ist ohne Geruch, aber von scharf kratzendem, kaum an Ja- lapa erinnerndem Geschmacke. Das Harz, ungefähr 4 pC. betragend, fand Spirgatis gemengt aus einem weichen in Aether löslichen Antheile und einem in Aether, Benzol, Schwefelkohlenstoff und ätherischen Oelen unlös- lichen Harze, welches er Turpethin nannte. Das erstere beträgt nur 720 und besitzt allein den Jalapengeruch. Das Turpethin löst sich unverändert in Essigsäure, starke Säuren und Alkalien hingegen spalten dasselbe in glei- cher Weise wie das Jalapin (Orizabin) und Scammonin. Alle drei Harze besitzen die gleiche Zusammensetzung und scheinen in ihren Spaltungs- produkten höchstens durch verschiedenen Wassergehalt abzuweichen. Die Eigenthümlichkeit des Turpethins beruht auf den Löslichkeits Verhältnissen. Die Wirksamkeit des rohen Turpethharzes ist nach Yogi geringer als die des Jalapen- und des Orizabaharzes, aber stärker als die des Scammonium- harzes. Garcia d'Orta berichtete (um 1563) zuerst über die Stammpflanze dieser Droge, welche schon früher (doch erst seit Ende des XVII. Jahrhunderts in grösserer Menge) aus Indien, wo sie jetzt noch als Purgans dient, durch die arabischen Aerzte des Mittelalters nach Europa gelangte. Ihr Name (früher auch Terbat oder Turbat) ist arabischen Ursprunges oder eigentlich vielleicht aus dem Sanskrit stammend. Im Laufe der Zeiten verwechselte man damit andere Wurzeln, z. B. diejenige von Globularia Alypum, Eu- phorbia Myrsinites u. s. w., und übertrug bekanntlich den Namen auch auf das basische Quecksilberoxydsulfat (Turpethum minerale). In Europa wird die Turpithwurzel wenig mehr gebraucht; sie wurde seit Ende des vorigen Jahrhunderts durch die Jalape verdrängt. Von Djedda am rothen Meer gingen z. B. 18G0 noch etwa 100 Ctr. nach Suez (von Kremer). Radix Saponariae. 259 Für die Turbithwurzel ist das Vorwalten des Holzes und besonders das Auftreten selbstständiger Stränge desselben mitten im Rindengewebe im Vergleiche mit den übrigen Convolvulaceen - Wurzeln (vergl. namentlich Radix Scammoniae) sehr bezeichnend. E. Wurzeln von kratzendem Geschmacke, ohne Amylum. Radix Saponariae. Radix Saponariae rubrae. Seifenwurzel Saponaire. Savonniere. Soap wort. Sapoiläria officinalis L. — Sileneae (Caryophylleae). Syn.: Silene Saponaria Fries. Durch den grössten Theil Europas, auch in Kleinasien, in sandigem, feuchtem Boden, in Hecken und Gebüschen einheimisch, doch wie es scheint, nicht im äussersten Süden und Norden, wenigstens in Griechenland selten, auch vermuthlich in Südsibirien fehlend, dagegen noch in Aragonien und Portugal vorkommend. In England, nach De Candolle, ursprünglich viel- leicht nur eingewandert, in den atlantischen Staaten Amerikas von Canada bis Georgia jetzt eingebürgert. Die fusslange , mit abblätterndem , längsfurchigem , rothbraunem Korke bedeckte, im ersten Jahre nur ganz einfache Wurzel wird bis über 0,0 10m dick und trägt zahlreiche Warzen und starke Aeste. Von gleichem Aus- sehen, jedoch anfangs weniger röthlich, ohne Warzen und durch 0,01 0m bis 0,030m aus einander liegende Knoten geringelt, sind die starken, weithin kriechenden, besonders in sandigem Boden vorkommenden Ausläufer, welche aus ihren verdickten, reich bezaserten Knoten sowohl Nebenwurzeln als oberirdische, blühbare Stengel treiben. Die käufliche Waare pflegt jetzt meist aus jüngeren Wurzeln bis zu 0,005™ Dicke, ohne Ausläufer zu bestehen, welchen graugelbliche, mit stark auf- getriebenen Knoten versehene Stengelstumpfe beigemengt sind. Der Kork gelangt zu keiner bedeutenden Entwicklung , sondern wird schon in Jüngern Trieben immer in Fetzen abgestossen. Die ganze Rinde erreicht selbst in den dicksten Theilen der Wurzel (nach dem Aufweichen) höchstens 0,002m Breite und zeigt nicht strahligen Bau. Durch ihre rein weisse Farbe kontrastirt sie scharf mit dem im frischen Zustande schwach, trocken aber lebhaft und schön gelben, braun gesäumten, sehr dichten Holz- körper, worin im Alter 2 bis 4 Jahresringe deutlicher zu unterscheiden sind als die sehr schmalen unterbrochen und unregelmässig verlaufenden Markstrahlen. Der Durchmesser des Holzes erreicht in älteren Wurzeln das 4fache von der Breite der Rinde, in jüngeren, wo noch Mark vorhanden, theilt sich der Querschnitt ziemlich gleichmässig zwischen Rinde, Holz und das lockere, oft zum Theil resorbirte Mark. 17* 260 "Wurzelbildungen der Dikotylen. Die Rinde schneidet sich hörn artig-mehlig, das Holz spröde, so dass die ganze Wurzel leicht und kurz bricht. Die Aussenrinde ist scharf unterschieden durch die tafelförmige Gestalt ihrer Zellen, welche in 2 Lagen von je ungefähr 10 sehr regelmässigen Reihen getheilt sind. Die äussere, absterbende Lage besitzt dünne, roth- braune Wände, die innere, noch lebensthätige besteht aus farblosem, dick- wandigem Korkgewebe oder fehlt in den ausgewachsenen Wurzeln. Die Mittelrinde enthält nur wenige Reihen grosser, kugeliger oder läng- licher Zellen. Yiel breiter ist die Innenrinde, deren einzelne Bestandtheile nicht bestimmt geschieden sind und allmälig in das Cambium übergehen. Die Gefässe des Holzes zeigen in Betreff ihrer Anordnung und Grösse wenig Regelmässigkeit. Die älteren Netz- oder Tüpfelgefässe sind von verholzten Prosenchymsträngen begleitet, die jüngeren von mehr dünnwandigen. In der Peripherie des Holzkörpers finden sich abrollbare Spiralgefässe. Das Mark zeigt den Bau der Mittelrinde. In der Mittel- und Innenrinde so wie im Marke sieht man unter Terpen- thinöl das Gewebe grösstentheils von durchsichtigem, formlosem Inhalte erfüllt, welchen das Wasser sofort auflöst, Daneben sind vereinzelte, bis gegen 80 Mikromill. messende eckige Krystallrosetten , besonders in der Mittelrinde, eingestreut. Amylum fehlt der Wurzel gänzlich, sowohl im Frühjahr als im Herbste. Die älteren Gefässe sind sehr häufig mit gelbem, bisweilen noch halbflüssigem Harze getränkt. Gerbstoff ist nicht vorhanden. Die Wurzel schmeckt erst süsslich, dann aber höchst unangenehm kratzend. Cultivirte Wurzeln werden nicht scharf. Als Träger des Geschmackes wurde schon 1809 von Sehr ad er ein eigentümlicher Stoff, das Saponin, unterschieden, dessen ausgezeichnete Eigenschaft, mit Wasser (selbst noch bei Gegenwart von nur Viooo Saponin) eine beim Schütteln schäumende Lösung zu geben, längst bekannt war. Das Saponin ist amorph, geruchlos, beim Zerreiben zum heftigsten Niesen reizend, von süsslichem, dann brennend kratzendem Geschmacke. Die Lösung wirkt giftig auf kleinere Thiere und bewirkt im Auge heftige Schmerzen und Erweiterung der Pupille. In Wasser und wässerigem Wein- geist, nicht in absolutem, noch in Aether, löst es sich leicht zur neutralen Flüssigkeit. Verdünnte Mineralsäuren spalten das Saponin in ein Kohle- hydrat und S apogenin, jedoch ist die Zersetzung nur bei mehrstündigem Einleiten von Salzsäuregas durch kochende Lösung vollständig. Alsdann erst verwandelt sich das austretende Kohlehydrat in Zucker und das Sapo- geniu in weisse, in Weingeist, nicht in Wasser lösliche Krystalle. Die Spaltung verläuft nach Rochleder (18G2) folgendermassen: Saponin kryst. Sapogeniu Zucker 43^io6.Q36 + 4 (H2 0) ^ö^h42 O4 -+- 6 (G6 HTs Q*) Wird die Zersetzung nicht vollständig zu Ende geführt, so treten weniger als 6 Aeq. Zucker aus und es entstehen Zwischenprodukte, unter welche Raclix Saponariae. 261 z. B. Fretny's Aesculinsäure, Overbeck's Saporetin und das bei Cortex Chinae besprochene Chinovin zu gehören scheinen. Das Säponin hat sich nach und nach als ein im Pflanzenreiche, zumal iu der Familie der Caryophylleen (Sileneen) weit verbreiteter Stoff heraus- gestellt. Martius1) führt über 20 Pflanzen auf, welche in Wurzeln, Blättern, Rinden, Blüthen oder Früchten Saponin enthalten. Sie gehören zu den Familien der Bromeliaceen , Liliaceen, Mimoseen, Caesalpinieen, Phytolacceen, Spiraeaceen, Polygaleen, Berberideen, Hippocastaneen, Sapin- daceen, Caryophylleen. Am besten scheint sich zur Gewinnung des Sapo- nins die Rinde des chilenischen Baumes Quillaja Saponaria2) Molina (Spiraeaceae) zu eignen. Das Senegin (vergl. bei Radix Senegae) ist wahrscheinlich von Saponin nicht verschieden und das Caincin (vergl. Radix Caincae) damit homolog. Die übrigen Bestandteile der Seifenwurzel sind nicht näher gekannt, so namentlich nicht das von Osborne angegebene Saponarin, ein angeblich krystallisirbarer, in Aether und Weingeist löslicher Bitterstoff, der sich in der Wurzel nur vor der Blüthezeit finden soll. Die deutschen Botaniker zu Ende des Mittelalters hatten die Saponaria für die im Alterthum sehr hochgeschätzte Arzneipflanze Struthion erklärt. Wahrscheinlicher ist darunter die der gleichen Familie angehörige peren- nirende Gypsophila Slrüthium L. zu verstehen, Avelche im Gebiete des Mittelmeeres und Schwarzen Meeres, von Spanien (laMancha und Castilien) bis in die Krim und in Mordafrika vorkömmt. Ihre grosse, schwere Wurzel, Radix Saponariae aegyptiacae, s. hispanicae s. levanticae, dient in derselben Weise technisch oder ökonomisch als Ersatzmittel der Seife wie die unserer Saponaria. Sie ist eine einfache, mehrköpfige, fusslange und bis 0,050m dicke, spindelförmige Pfahlwurzel, bisweilen etwas um ihre Axe gedreht. Die graugelbliche Oberfläche ist durch meist ziemlich seichte Längsfurchen und horizontale, oft abgescheuerte Korkleisten oder Quer- risschen fast gefeldert. Den Querschnitt nimmt vorwiegend das sehr harte, dichte und feiustrahlige, marklose, gelbe Holz ein. In die weisse bis 0,010m breite Rinde dringen zahlreiche keilförmige oder geschlängelte braune Bast- strahlen vor. Abgesehen von den weit grösseren Dimensionen und der deutlich aus- gesprochenen regelmässig strahligen Anordnung und Unterscheidung der einzelnen Gewebe stimmt der anatomische Bau, sowie der Zellinhalt und das chemische Verhalten der Gypsophila -Wurzel mit dem der Saponaria überein. Die Innenrindenzellen der ersteren sind fein spiralig gestreift, ihre grossen Treppen- oder Netzgefässe nicht von eigentlichen Spiralgefässen begleitet, Auch die Markstrahlen des Holzes enthalten grosse Krystall- rosetten. Nach Bley enthält die Wurzel Gummi, Harz, Zucker, Aepfelsäure und Kalisalze neben Saponin. Rochleder fand auch etwas Zucker. J) B u c Im e r's Repert. d. Pharm. XI, S. 345. 2) Wi gger s' (Cannstatt's) Jaliresb. 1 S63, S. 64. 262 Wurzelbildungen der Dikotylen. Als Radix Saponariae albae waren früher die Wurzeln unserer ein- heimischen Lychnis diurna Sibthorp und Lychnis vespertina Sibth. (Sileneae) gebräuchlich. Sie sind fast von der Stärke der Saponaria -Wurzel, aber weiss oder schwach gelblich und weit mehr ästig, doch ohne Aus- läufer. Sie enthalten grosse Krystallrosetten, kein Amylum und in der Mittelrinde einen weitläufigen Kreis gelber, axial gestreckter Steinzellen. Das gelbliche Holz ist deutlich strahlig und schliesst Mark ein. Radix Senegae. Rad. Polygalae Senegae, R. Polygalae virginianae. Senegawurzel. Racine de polygala de Virginie. Senega. Senega root. Polygala Senega L. — Polygaleae. In trockenen felsigen Wäldern der östlichen Länder Nordamerikas von Canada bis Georgia, besonders in Kentucky, Ohio, Tennessee häufige kleine Staude. In den atlantischen Staaten ist sie schon seltener geworder, so dass die Wurzel in neuester Zeit meist aus dem Westen, z. B. aus Jowa, kömmt. Der kurze sehr knorrige bis 0,04 m dicke Wurzelkopf treibt zahlreiche beblätterte nur 1 ,001 m dicke einfache Stengel, deren sehr kurze an der käuflichen Wurzel noch erhaltene Reste oft mit kleinen röthlich violetten schuppenartigen Blättchen besetzt sind. Die Stengel entspringen auf allen Seiten der wenigen gewöhnlich gar nicht entwickelten Aeste des Wurzel- kopfes, so dass dadurch in der That die Wurzel in sehr charakteristischer Weise einen sogenannten Kopf erhält. Dieselbe erreicht zu oberst höchstens 0,0 lm Dicke und läuft seltener ganz allmälig in eine einfache, um ihre Axe gedrehte und gebogene mit nur wenigen schwächeren Aesten besetzte bis 0,03 m lange Hauptwurzel aus. Weit häufiger theilt sich die Wurzel schon dicht unter dem Kopfe in 2 oder 3 fast gleich starke Aeste, welche bald einen mehr oder weniger spitzen Winkel bildend ungefähr parallel abgehen, bald aber, fast wagerecht auseinander gespreizt, entgegengesetzte Rich- tungen einschlagen. Feinere Wurzelzasem kommen an der käuflichen Wur- zel nicht eben reichlich vor. Die hell gelblich graue bis braungraue Oberfläche der Rinde ist mit tiefen Längsrunzeln, Schwielen und Höckern besetzt und wenigstens in ihren oberen Theilen etwas geringelt. Sehr häufig tritt eine Schwiele scharf kielförmig hervor und lässt sich, wenn auch mit stelleuweiser Unterbrechung der Länge nach um die ganze Wurzel herum als sehr weitläufig gewundene, oft fast vertikal gerichtete oder doch sehr steile Spirale verfolgen. Würde der Beobachter in derselben abwärts steigen, so läge ihm die Axe der Wur- zel zur linken. Wo dieser Kiel besonders scharf ausgeprägt ist, zeigt die entgegengesetzte Hälfte der Rinde oft sehr ansehnliche Auftreibungen, welche durch weit klaffende bis auf den Holzkörper gehende Qüerrisse in ähnlicher Weise abgeschnürt zn sein pflegen, wie dies bei Radix Jpecacuanhae regel- mässig über die ganze Kinde der Fall ist. Jedoch bilden die abgeschnürten Radix Senegae. 263 Rindenstücke der Senega weit unregelmässigere Höcker und Wülste. An der Stelle dieser Auftreibnngen findet man bisweilen im Gegentheil die Rinde zusammengefallen, eine Verschiedenheit, welche wohl durch die Jahreszeit der Einsammlung bedingt sein dürfte. Sehr häufig sitzen diese eingeschnür- ten Rinden Wucherungen gerade an den stärksten Krümmungen und zwar auf der convexen Seite, so dass der auf der andern Seite wie eine straffe Bogen- sehne verlaufende Kiel auffallend mit der Wölbung der aufgetriebenen Rinde kontrastirt, als ob durch den Widerstand des Kieles die Wurzel zu den Krümmungen und Drehungen veranlasst worden wäre. Die an der trockenen Wurzel sehr zusammengefallene Rinde quillt in Wasser stark auf, wobei dif Schärfe selbst des ausgeprägtesten Kieles sehr zurücktritt. Offen- bar muss derselbe daher an der frischen Wurzel weniger auffallend sein und sich beim Trocknen erst dadurch recht bemerklich machen, dass sein Gewebe verhältnissmässig weniger zusammensinkt als das grosszellige, lockere Parenchym der Mittelrinde. Nach dem Auf weichen in Wasser lässt sich die Rinde leicht vom schwach gelblichen Holzkörper losschälen, dessen Durchmesser von der Rindenbreite nach dem Aufweichen höchstens an den aufgetriebenen Stellen erreicht wird. Das Holz bildet nur im allgemeinen einen glatten, fest geschlossenen Cylinder, der aber von sehr zahlreichen kurzen und in straffer Spirale ver- laufenden, allerdings meist nicht tief gehenden, feinen Längsspalten zerklüftet ist. Dieselben nehmen ihren Ursprung im Innern des Holzkörpers durch allmäliges Auseinanderweichen der einzelnen Holzkeile, daher man im Längs- schnitte durch die ganze Wurzel im Holze diese Klüfte deutlich verfolgen kaum Durch Verschiebung der getrennten Holzkeile entstehen oft maser- artige Verschlingungen. Manche dieser Spalten durchsetzen den ganzen Holzkörper vom Centrum aus bis in die Rinde. Oft klaffen ihre Ränder weit aus einander, legen sich zurück und verflachen sich schliesslich ganz oder wölben sich sogar rückwärts, so dass durch dieses einseitige Schwinden des Holzkörpers zuletzt an solchen Stellen der ursprüngliche Cylinder auf die Hälfte oder noch weniger reducirt ist. Selten ist aber die in solcher Weise abgeflachte, gleichsam angefressene Seite des Cylinders wirklich flach, sondern ihre Ränder bleiben häufiger noch durch einzelne übrig gebliebene Querbänder von Holzgewebe in Zusammenhang. Alle durch das Schwinden des Holzes entstehenden Ausschnitte, Spalten oder Lücken werden durch das Parenchym der Markstrahlen und der Mittel- rinde erfüllt; ihre Auftreibungen bedecken gerade diejenigen Strecken, wo der Holzcylinder einseitig abgeflacht oder doch zerklüftet ist. Der radiale Längsschnitt durch solche Auftreibungen der Rinde zeigt bisweilen darin auch die Ansätze unentwickelter Aeste, ähnlich wie bei Radix Ipecacuanhae. Der Kiel dagegen, welcher auf der Oberfläche oft so stark hervortritt, zeigt sich ohne alle Beziehung zum Holzkörper; er verdankt sein Entstehen nur einer einseitigen Ausbildung des Bastes, dessen Gewebe durch dunklere Färbung mit dem Parenchym der Markstrahlen und der Mittelrinde kontrasjtirt- 264 Wurzelbildungen der Dikotylen. Nothwendig müssen demnach die Querschnitte durch die Senegawurzel ein sehr verschiedenartiges Bild gewähren je nach der Stelle, welcher sie entnommen werden. Niemals verläuft der Umriss des Holzkörpers in mathe- matisch genauer Kreislinie oder Ellipse, sondern er ist immer durch mehr oder weniger tief eingreifende, von Eindengewebe erfüllte, seichte Aus- schnitte oder Spalten unterbrochen. Bisweilen sind diese Bindenkeile sehr schwach, der Querschnitt des Holzes daher annähernd kreisrund, weit häufiger aber bilden die Keile tiefe, meist ins Centrum gehende Kreis- ausschnitte, oder die eine Hälfte des Holzcyliuders ist ganz durch die Rinde verdrängt, oder eudlich es bleibt sogar von demselben nicht einmal mehr die Hälfte übrig. In diesem Falle bilden die Radien, welche den übrig gebliebenen Holzkörper einschliessen, einen mehr oder weniger stumpfen Winkel. Der Holzkörper ist durchschnittlich so dick wie die Rinde und besteht aus dicht gedräugten kleinen, ziemlich kurzen Tüpfelge fassen , die nur von sehr schmalen Markstrahlen durchsetzt sind. Das Mark fehlt, das Cambium ist wenig ausgeprägt, die breite Innenrinde durch abwechselnde Markstrahlen und bogenförmig vor den Gefässbündeln zusammenstrebeude, wenig ausgezeichnete schmale Bastkeile strahlig. Die Bastbildung fehlt auf denjenigen Stellen, wTelche durch Rindenkeile eingenommen sind. Die Mittelrinde ist von der sehr dünnen , hellbräunlichen Korkschicht bedeckt und im Kiele fast ganz von der Innenrinde verdrängt. An den übrigen Stellen des Rindenumfanges erreicht sie dagegen die Breite der Innenrinde. Die in das Holz eingedrungenen Rindenkeile sind durch Auswachsen der Markstrahlen entstanden und enthalten zartes, grosszelliges, in Reihen geordnetes Parenchym, aber keine Baststrahlen, so dass sie unmerklich in die Mittelrinde übergehen. Der Kork enthält 2 — 3 Reihen ansehnlicher Tafelzellen, nach innen einige Lagen noch in der Entwicklung begriffener, zarter, farbloser Kork- zelleu. Das ziemlich dickwandige, tangential gedehnte Mittelrindenparenchym zeigt dieselben zarten, spiralförmigen Streifungen wie manche andere ent- sprechende Gewebe, z.B. bei Rhizoma Arnicae, Valerianae, Hellebori viridis, Tuber Aconiti. In der Rinde der Senegawurzel sind diese zierlichen Spiral- linien ziemlich genähert, steil aufsteigend und besonders im Längsschnitte deutlich sichtbar. Das Bastgewebe ist, ohne eigentliche Baströhren, aus ziemlich engem, doch wenig verdicktem, das Cambium aus dem gewöhnlichen zarten Prosenchym gebildet. Die in etwa 12 bis 20 oder mehr concentrische Kreise gestellten. Tüpfel- gefässe sind von sehr dünnem, porösem Holzprosehchym sehr dicht umgeben. In ungleichen Abständen dringen schmale Markstrahleu durch diesen festen Holzkörper und theilen denselben in ungleich breite, sehr spitze Keile, in deren ärissefster fteihe, dicht am Cambium, 1 bis 6, gewöhnlich aber nur 2 grosse Gelasse, von Holzprosenchym umgeben, stehen, während die Radix Senegae. 265 Markstrahlen (vor dem Auswachsen zu Rindenkeilen) in der Breite nur 1 oder 2 Reihen feinporiger, radial gestreckter, eckiger Zellen enthalten. Der sehr dichte Holzkörper bricht ziemlich kurz und spröde ab, wo- bei die Rinde leicht mitfolgt, da ihr schwacher Bast nicht widerstands- fähig ist. Im Rindengewebe und in den Markstrahlen sind zahlreiche grosse, gelbliche Oeltropfen verbreitet, neben denen auch, besonders in der Innen- rinde, feinkörnige Ablagerungen (Protei'nstoff?) vorkommen. Amylum und Krystalle fehlen dieser Wurzel ganz. Sie riecht eigentümlich schwach ranzig und schmeckt sehr scharf kratzend. Der kratzende Stoff ist schon 1804 von Gehlen als Senegin unter- schieden worden. Damit scheint die Polygälasäure von Quevenne (1836) und von Procter (1859) identisch zu sein und ebenso nach Bolley das Saponinund nach Vogel auch das (krystallisirbare) Pikrolichenin aus Variolaria amara. Das Senegin ist amorph, in Aether, so wie in kaltem Wasser unlöslich, mit kochendem Wasser eine schäumende Lösung gebend, von sehr schwach sauren Eigenschaften und in Alkalien1) mit grünlichgelber Farbe löslich. Es erregt, wie das Saponin, heftiges, gefährliches Niesen. Verdünnte anorganische Säuren fällen beim Erwärmen aus verdünnter Seneginlösung eine flockige Gallerte von Sapogenin,2) während die Flüssig- keit unkrystallisirbaren Zucker enthält. Auch Alkalien veranlassen die- selbe Spaltung des Senegins, welche aber immer nur schwer vollständig durchzuführen ist. Die verschiedenen für das Sapogenin aufgestellten Formeln scheinen in unvollkommener Zersetzung des Senegins ihren Grund zu haben. Aber auch die Formel des letzteren selbst steht noch nicht fest; die Wurzel gibt davon nach Procter 572 pC., nach früheren Angaben weit mehr. Die Senegawurzel enthält ferner eine Spur ätherischen Oeles, etwas Harz (im Centrum des Holzes) und Gummi, Aepfelsäuresalze, gelben Farbstoff und Zucker (7 pG. Rebling). Die von Quevenne darin angegebene Virgin säure (vielleicht eine flüchtige Fettsäure), so wie ein von Pe schier angenommener Bitterstoff, Isolusin, sind noch ganz zweifelhafte Körper. — Auch das Fett der Senega ist nicht näher untersucht. Die Senegawurzel wurde 1736 von John Tennent in Philadelphia zuerst wissenschaftlich angewandt, nachdem er in Erfahrung gebracht, dass sie schon lange zuvor, ähnlich wie Rhiz. Serpentariae, von den Einge- bornen gegen Schlangenbiss gebraucht wurde. Noch 1779 fand sich die Wurzel selten in den deutschen Apotheken, trotz Linne's Empfehlung im Jahre 1749. Die höchst eigenthümliche Gestalt der Senegawurzel macht jede Ver- wechslung derselben unmöglich. — Die schwache, einfache, höchstens 1) Kali färbt die Wurzel sofort schön gelb. 2) vergl. bei Radix Sapouariae. 266 Wurzelbildungen der Dikotylen. etwa 0,00 lm dicke Wurzel unserer einheimischen Polygala amara L., (früher als Herba cum radice Polygalae amarae officinell) besitzt wohl einen im allgemeinen ähnlichen anatomischen Bau, jedoch ohne jene für die Senega so charakteristischen Besonderheiten des Holzkörpers. Aehnlicher sieht der letzteren nach der Abbildung von Martius die Wurzel der in den Hügelländern von S. Paulo und Minas Geraes (Brasilien) vorkommenden und dort ähnlich wie Ipecacuanha gebrauchten Polygala Poaya Martius. Doch scheint die Poayawurzel häufiger gerade zu verlaufen als die Senega. Sehr häufig finden sich hingegen der käuflichen Senega andere nicht mit ihr zu verwechselnde Wurzeln in geringer Menge beigemischt. So z. B. diejenige des Panax quinquefolius L , einer in der Heimat der Senega und weiter nach Nordwest häufigen Araliacee. Diese sogenannte Radix Ginseng americana ist eine einfache rübenförmige, bis über 0,0 lm dicke Pfahl wurzel, welche meist in zwei gleich starke gespreizte oder stark gekrümmte Aeste ausläuft, so dass die Gesammtlänge der Wurzel oft 0,1 0m erreicht. Sie ist vom dünnen Stengelreste gekrönt, besonders oben stark geringelt, von schwach gelblich grauer Farbe und erst bitterlichem, dann süssem Geschmacke, welcher von einem einigermassen dem Glycyrrhizin ähnlichen, nicht genauer untersuchten Stoffe, dem Panaquilon, bedingt zu sein scheint. Diese amerikanische Ginsengwurzel sieht der in China so ausser- ordentlich hochgeschätzten ächten Ginseng von Panacs Sckin-seng Nees (in Nord -China bis zum Amur und Ussuri wild und cultivirt) so ähnlich, dass schon früher von Amerika aus versucht wurde, die Chinesen mit der ersteren zu betrügen. So sollen schon 1 7 1 8 die Jesuiten *) damit ein gewinu- reiches Geschäft gemacht haben; 1779 wurde die Wurzel aus Nutka in Britisch Nordamerika (Vancouver- Insel) nach China ausgeführt,2) 1859 dasselbe wieder aus Minnesota3) unternommen. Jetzt freilich sind die Chi- nesen, wie übrigens auch schon früher, auf den Unterschied aufmerksam geworden.4) Die chinesische so hochberühmte Wurzel ist nach einem mir vorliegenden Exemplare derYarietät aus Korea5) länger, weit heller und soll oft sogar (ohne Zweifel durch Brühen) fast durchscheinend sein, wie z. B. diejenigen Proben, welche von den Franzosen im kaiserlichen Palaste zu Peking (1860) erbeutet wurden.6) — Trotz der fabelhaften Preise,7) welche für die angeblich wunderbar wirkende Wurzel in China bezahlt werden, hat sie sich in Europa, wo sie zuerst durch Bourdelin 1697 bekannt wurde, als indifferente, schleimige, zugleich etwas bitterlich süsse !) Martiny, Rohwaarenkunde II, S. 481. 2) Ne um an n, Ostasiatische Geschichte (1S61), S. 150. 3) Proceedin^s of the Amcric. Pharm. Associat. 1859, S. 61. 4) Reis.eberii hte der österr. Fregatte Nnvara (1859), II, 313. 5) Die übrigen Varietäten haben nach der Abbildung iu der Düsseldorfer Sammlaug (Nees von Esenbeck) III, Tab. 70, mehr Aehnlichkeit mit der amerikanischen Wurzel. ' c ptes rendus. 31. Decbr. 1860, S. 1101. 7) Ausland 1865, S. 131, 548. Radix Belladoimae. 267 werthlose Droge erwiesen. — Einen braunrothen knotig aufgetriebenen und nach allen Seiten reich mit hellen dünnen Nebenwurzeln besetzten Wurzel- stock, den ich schon der Senega beigemengt gefunden habe, vermag ich mit keiner bezüglichen Angabe zu identificiren. Derselbe ist bis 0,1 0m lang, innen weiss, höchst ausgezeichnet durch tief trichterförmige , über 0,0 10m weite Stengelnarben, aus welchen starke Gefässbündel herausragen. Er schmeckt unangenehm bitterlich und herbe. Das Rhizom von Gillenia trifoliataMönch, welches als Beimischung der Senega genannt wird, scheint, nach den dürftigen Beschreibungen zu schliessen, anders auszusehen. F. Scharf brennend schmeckende Wurzelbildungen. Radix Belladoimae. Belladonnawurzel. Racine de Belladone. Belladonna root. Atropa1) Belladonna L. — Solaneae. Die Tollkirsche wächst von England und Deutschland an durch das ganze mittlere und südliche Europa (doch selten in Griechenland), auch in Kleinasien (Taurus) stellenweise sehr häufig in Gebüschen und Wäldern, bis in die Bergregion, und wird auch wohl zuweilen cultivirt. Dem Norden Europas und Asiens scheint sie zu fehlen. Die gelblich weisse ästige Pfahlwurzel ist ausdauernd, wird gegen 0,50m lang und oben (im trockenen Zustande) bis etwa 0,05m dick. Jüngere Wur- zeln sind im Frühsommer so saftig, dass sie beim Trocknen einen Gewichts- verlust von 85 pC. erleiden, im Alter mehr verholzt, daher für den Arzneigebrauch Wurzeln und Wurzeläste von mittlerer Stärke und zwar am besten während oder unmittelbar nach der Blüthezeit zu sammeln sind. Diese im frischen Zustande fleischigen glatten und spindelförmigen Wurzeln erhalten durch Zusammenfallen ihres Gewebes beim Austrocknen sehr zahl reiche tiefe Längsrunzeln; nur zu oberst kommen auch kurze Querleisten auf der hell bräunlichgrauen Rinde vor, welche gewöhnlich durch die Sammler schon beseitigt ist. Um das Trocknen noch mehr zu befördern , wird die geschälte Wurzel meist in Stücke von 0,10 bis 0,15™ Länge zerschnitten und der Länge nach gespalten, worauf sie sich sehr häufig etwas rück- wärts krümmen. — Im Innern ist die Wurzel schmutzig weiss, aber trocken immer mit einem deutlichen missfarbigen Stiche ins gelblichbraune. Der Querschnitt ist deutlich strahlig; die Breite der Rinde pflegt nicht 0,001 bis 0,002m zu übersteigen, also nur etwa % bis Vio des Gesammt- durchmessers zu betragen. Die Hauptwurzel enthält ein starkes, sehr weit- inaschiges Mark, das von einem nicht sehr breiten dichten Kreise kurzer schön gelber Holzstrahlen umschlossen ist, dereu verschmälerte Fortsetzun- gen etwas in das Mark eindringen. Eine doppelt so breite Zone zwischen !) xtponoc, (atropos) unabwendbar, unerbittlich (d. b.. giftig). 268 Wurzelbildungen der Dikotylen. dem nur von schmalen porösen Markstrahlen durchsetzten Holzkreise und dem Carnbium besteht aus Parenchym , das nur vereinzelte , sehr schmale aber lange und oft etwas geschlängelte Holzstrahlen enthält. Das etwas dunklere Cambium ist wenig auffallend ; die Rinde wird zur Hälfte von der Bastschicht, zur Hälfte von weitmaschigem, etwas tangential gestrecktem Parenchym (Mittelrinde) gebildet. Eigentliche Baströhren fehlen in der Bastschicht. Die dünne lockere gelbliche Korklage besteht aus schlaffen rundlich kubischen Zellen. Ein ziemlich verschiedenes Bild gewährt der Querschnitt der Wurzel- äste, deren Centrum von einem starken Gefässbündel statt des Markes eingenommen wird. Die übrigen, sehr weitläufig auseinander gestellten Gefässbündel bilden nur sehr unregelmässig strahlen- oder kreisförmig ge- ordnete Gruppen in dem schlaffen , vorherrschend radial gerichteten Paren- chym, das keine besonderen Markstrahlen erkennen lässt. Die Gefässbündel enthalten nur grosse Tüpfelgefässe ohne eigentliches Holzprosenchym und sind unmittelbar an der feinen bräunlichen Cambiumzone zu einem schmalen sehr weitläufigen Kreise geordnet. Die Gefässe sind sehr weit, in der Hauptwurzel z. B. bis 175 Mikromill. Durchmesser erreichend. Das Rindengewebe geht allmälig in die weiten tangential gedehnten Mittelrindenzellen über. Während die Gefässgruppen in der Regel nur aus wenigen Gefässen gebildet sind, treten sie bisweilen zahlreicher zusammen und umgeben sich mit braungelben prosenchymati sehen Zellen , deren dicke Wände auf dem Querschnitte sehr zusammengefallen oder geschlängelt erscheinen. Oft herr- schen solche sehr unregelmässig gestellte , nicht deutlich strahlige Gefäss- bündel auf dem Querschnitte vor und sind scharf umschrieben von dem helleren Markstrahlengewebe. Solche Stücke bieten daher in Betreff ihres anatomischen Baues wieder im Vergleich mit den oben geschilderten Ver- hältnissen bedeutende Abweichungen dar. Alle Gewebe der Belladonnawurzel, hauptsächlich aber die Rinde, zei- gen im Querschnitte einzelne schon durch die Loupe wahrnehmbare, von weissem pulverigem Inhalte erfüllte Zellen. Bei stärkerer Vergrösserung erweist sich derselbe als einzelne lauter sehr kleine (höchstens etwa 5 bis 7 Mikromill, gewöhnlich weit weniger messende) Quadratoktaeder, die sich in Essigsäure nicht lösen , wohl aber in Salzsäure — also wohl Kalk Oxalat sind. Immer sind jene Zellen aufs Dichteste mit diesen an und für sich durchsichtigen Krvstallen erfüllt, die aber in ihrer Häufung und Licht- brechung (unter Wasser oder Glycerin) ganz dunkel erscheinen. Man er- blickt gewöhnlich nur die eine (dreieckige) Fläche des Oktaeders; immer sind dieselben isolirt, niemals zu Drusen vereinigt. Weit reichlicher ent- hält das Gewebe Stärkmehlkörner von vorherrschend kugeliger Gestalt und sehr ungleicher Grösse (bis etwa 20 Mikromill. im Durchmesser). Wegen des Mangels an Baströhren und des auch in der Hauptwurzel nur kurzen, in den Aesten aber sehr zarten oder fehlenden Holzprosenchyms Radix Belladonnae. 269 bricht die Belladonnawurzel glatt, nicht faserig, zugleich durch den reich- lichen Gehalt von Stärke und Oxalat stäubend. Die Wurzel ist geruchlos und schmeckt fade süsslich , dann bitter und sehr gefährlich scharf. Mein hat (1831) aus derselben, Geiger u. Hesse dann (1833) aus dem Kraute, und Buchner später auch aus dem Samen das äusserst giftige krystallisirbare Alkaloi'd Atropin dargestellt. In der Wurzel scheint es reichlicher als im Kraute und im Samen vorzukommen , aber doch immer- hin nur etwa xj\ pC. zu betragen. Procter erhielt von im October gesam- melter, zu New-Lebanon, New- York, gepflanzter Wurzel 3 p. Mille. Vor und nach der Blüthezeit ist, nach Schroff, der Gehalt an Atro- pin geringer. Planta fand die Zusammensetzung und die Eigenschaften des Atro- phes übereinstimmend mit denen des „Daturins" (vergl. Semen Stramonii). Das Atropin ist namentlich in Auflösung sehr zur Zersetzung geneigt. Hierbei, so wie auch bei der Behandlung mit concentrirter Natronlauge oder mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure, oder bei der trockenen Destilla- tion des Atropins treten zum Theil angenehm riechende Zersetzungspro- dukte auf. Schon Richter hatte 1837 bei seiner Darstellung des Atropins, wobei vielleicht eine Spaltung desselben eintrat, eine der Benzoesäure ähn- liche Säure, Atropasäure, erhalten. Ludwig u. Pfeiffer ermittelten (1861), dass durch Zersetzung des Atropins mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure in der That Benzoesäure und Propylamin erhalten werden. Andere Produkte entstehen , wenn die Spaltung des Atropins mit rauchender Chlorwasserstoffsäure , mit Natron- lauge oder mit Barytwasser vorgenommen wird. Bei letzterer Reaktion spaltet sich nach Kraut das Atropin G17NH23-03 unter Aufnahme von Wasser (H20) in Atropasäure x) 09H8-02 und eine neue Base C*NH1702, das Tropin, womit wohl das von Ludwig u. Pfeiffer angegebene Pro- pylamin identisch sein wird. — Das atropasäure Tropin scheint nicht die Eigenschaften des Atropins zu besitzen. Kraut fand weder in der Wurzel noch in den Blättern der Belladonna Atropasäure oder Tropin. Schon Ber- zelius hatte in dem widrigen Gerüche, den das in feuchter Luft sich zer- setzende Atropin ausstösst, eine neue Basis vermuthet und Tropin genannt. Hübschmann hat (1858) in der Belladonnawurzel ein zweites aber unkrystallisirbares Alkaloid von harzartigem Aussehen und deutlich alka- lischer Natur, das Bella donnin2) nachgewiesen, welches ebenfalls beim Erhitzen den „Geruch der Hippursäure" verbreitet. Die Wurzel scheint ferner, nach Richter und nach Hübschmann, einen dem Aesculin ähn- lichen schillernden Stoff, nach letzterem auch einen rothen Farbstoff, Atro- *) Nach Lossen treten daneben noch andere Säuren auf. 2) Ein von Lübekind (1839) durch die Destillation der Blätter mit Kali erhaltenes Belladonnin war vermuthlich ein Zersetzungsprodukt. 270 Wurzelbildungen der Dikotylen. sin, zu enthalten, welcher in den Früchten der Belladonna mit grösster Intensität auftritt. Die Belladonnawurzel unterscheidet sich von der ihr nicht unähnlichen rein weissen Althaeawurzel durch den glatten nicht faserigen Bruch und die Missfarbe; von Rad. Bardanae schon durch Stärkegehalt und die nicht holzige Beschaffenheit. Den Alten scheint die Belladonna unbekannt geblieben zn sein. Sie wurde erst von den deutschen Botanikern und Aerzten des Mittelalters be- nutzt. Conrad Gessner wandte den Saft der Blätter an; Matthiolus verbreitete hauptsächlich den heutigen, aus dem Italienischen stammenden Namen der Pflanze. Xthizonia Hellebori viridis. Radix Hellebori viridis. Radix Ellebori. Grüne Nieswurz. Schwarze Nies- wurz (Pharm. Borussic). Racine d'ellebore vert. Helleborus1) viridis L. — Ranunculaceae. Diese weit verbreitete aber in vielen Gegenden fehlende oder nur sehr spärlich vorkommende Staude gehört den gemässigteren Strichen Europas und Nordamerikas an. Sie findet sich von den Pyrenäen an durch West- Frankreich bis Schottland , zerstreut durch die niedrigeren Berggegenden der Schweiz (um den Genfer See) und Süddeutschlands bis Westfalen, Thü- ringen, Sachsen, Schlesien, zum Harz, dann in Tirol, Steiermark, Böhmen, auch häufig in Italien und am Kaukasus. Dem Norden scheint sie zu fehlen. Das ein paar Jahre hindurch ausdauernde Wurzelsystem treibt zahl- reiche, nur spärlich beblätterte, fusshohe Stengel, welche sich aus kur- zen, gerade aufsteigenden Aesten des Wurzelstockes (sogenannten Wurzel- köpfen) erheben. Die grünen krautigen Stengel sterben alljährlich ab und nur die mit bräunlicher Oberhaut bekleideten Wurzelköpfe bleiben erhalten und sind durch die vertieften Stengelnarben und die ringsum laufenden Einfügungsstellen abgestorbener Blätter bezeichnet. Aus diesen obersten Gliedern der Wurzeläste entwickeln sich im Frühjahr grosse Wurzelblätter, welche im Herbste absterben , und die Knospen neuer Verzweigungen des Wurzelsystems. Der Wurzelstock selbst liegt der Hauptsache nach ziemlich horizontal in der Erde und erreicht etwa 0,1 Om Länge bei ungefähr 0,010ni Durchmesser. Sehr gewöhnlich lässt sich aber bei älteren Exemplaren ein eigentlicher Hauptstamm desselben nicht unterscheiden, indem die einzelnen mehrköpfigen Aeste sich oft gleichmässig entwickelt zeigen. Durch reichliche Verzweigung des Wurzel- !) Auch wohl HelleborM?w; angeblich nach dem gleichnamigen Flüsschen unweit der Stadt Antikyra (Antikirrha) in der Nähe des heutigen Meerbusens von Salona, woher die alten Griechen ihre Wurzel bezogen hätten. Andere leiten das Wort ab von ello, ich wälze, und bora , Speise, im Hinblicke auf die gefährliche Wirkung der Helleborus-Wurzeln. Rhizoma Hellebori viridis. 271 Stockes erleidet derselbe übrigens in der Regel sehr bedeutende seitliche oder auf- und absteigende Verkrümmungen und Ablenkungen vom wage- rechten Verlaufe , so dass eine allgemein zutreffende Schilderung seiner äusseren Gestalt nicht durchgeführt werden kann. Er ist, obwohl durch zahlreiche Blattnarben geringelt, doch nicht eigentlich knotig oder gegliedert, aber sammt seinen Aesten auf allen Seiten sehr dicht mit (Neben-) Wurzeln besetzt, welche nach allen Richtungen gewöhnlich in unentwirrbarem Knäuel gerade, doch etwas hin- und hergebogen, abwärts dringen. Sie sind bis über0,10m lang, fast ganz einfach cylindrisch, im frischen Zustande fleischig, trocken sehr brüchig, längsstreifig und am Ursprünge bis 0,002m, nach dem Aufweichen 0,00 6m dick. Ein massig starkes Wurzelsystem zeigt leicht 10 — 12 und mehr Stengelnarben, so dass der Wurzelstock mehrere Gene- rationen durchlebt und am hintern Ende verhältnissmässig langsam abstirbt. Die Farbe der ganzen Wurzelbildung ist braun, bisweilen schwarzbraun,1) im Innern bis auf das gelbliche oder bräunliche Holz weiss, besonders in den (Neben-) Wurzeln meist rein weiss. Der geringen Entwickelung des Holzes wegen lässt sich die Wurzel kurz und glatt brechen und hornartig schneiden. Der Querschnitt des Wurzelstockes bietet eine nach dem Aufweichen etwa 0,003m breite, von einer sehr dünnen Oberhaut bedeckte, gleich- förmige, durchaus nicht strahlige Rinde dar, welche einen unregelmässig unter- brochenen, meist ziemlich schmalen Kreis von 6 bis 10 Holzbündeln ein- schliesst. Wie in ihrer Zahl sind dieselben auch in der Grösse und Gestalt verschieden. Ihre Länge beträgt im Querschnitte meistens weniger als 0,001m und wird oft von der Breite erreicht, so dass sie häufiger die Form eines Quadrates oder eines Rechteckes zeigen als die sonst gewöhnlichere eines nach innen gerichteten Keiles. Auch die von nicht scharf hervor- tretenden Markstrahlen eingenommenen Abstände der einzelnen Bündel sind von sehr ungleicher Breite, sehr häufig ausgedehnter als die Bündel selbst, welche auch wohl in einzelne lose Stränge zerstreut sind. Der Durchmesser des lockeren Markes , welches das Centrum des Rhi- zomes einnimmt, kömmt gewöhnlich der Breite der Rinde gleich. Sehr abweichend gestaltet sich der Querschnitt der Wurzeln, welcher bis auf einen höchstens 0,001m dicken, gewöhnlich aber bedeutend dünneren Kern nur von der Rinde gebildet wird. Letztere ist nicht strahlig, von einer einzigen Reihe brauner Oberhautzellen bedeckt. Der Holzkern wird von der Rinde durch ein paar Reihen engerer prosenchymatischer Zellen getrennt, deren äusserste mit den benachbarten viel weiteren Rindenzellen bedeutend zu kontrastiren pflegt, so dass sie an die Kernscheide der mono- kotylischen Wurzelstöcke und Wurzeln (vergl. z. B. Rhizoma Graminis, Rhizoma Veratri, Radix Sarsaparillae) erinnert. Die Gefässbündel innerhalb dieser stets kreisrunden Kernscheide sind von sehr wechselnder Form und *) an cultivirten, sehr starken Wurzelstöcken fällt namentlich die schwärzliche Färbung auf. 272 Wurzelbildungen der Dikotylen. Anordnung, nämlich entweder mehr in kleinere durch Markparenchym, aber nicht durch Markstrahlen, getrennte Gruppen oder gar in ganz ver- einzelte Gefässe aufgelöst, oder aber zu 3, 4 oder 5 Bündeln zusammen- gestellt. Da keine Markstrahlen vorhanden sind, so lassen sich aber diese Gefässbündel gewöhnlich nicht bestimmt abgrenzen. Sehr oft sind sie so nahe an einander gerückt, dass auf der Berührungslinie gar kein Mark- parenchym mehr die Trennung andeutet. Meistens finden sich dann gerade hier die grössten Gefässe zusammengehäuft und bilden 3 , 4 oder am häu- figsten 5 weit gegen die Kernscheide vorspringende Kanten, welche durch mehr oder weniger tief ausgeschweifte Buchten verbunden sind. Dieser geschlossene 4- oder 5 strahlige Holzkern schliesst oft Mark ein, manchmal aber nicht. Seine Ausbuchtungen werden von Baststrängen *) eingenommen. Bilden die Gefässe scharf getrennte Gruppen oder Bündel, wie namentlich da, wo ihrer nur 3 vorhanden und durch breite Markpartieen auseinander gehalten sind, so kömmt es sonderbarerweise da und dort einmal vor, dass die Baststränge gerade vor jenen Markpartieen und nicht vor den zugehörigen Gefässbündeln stehen. — Anderen Nebenwurzeln pflegt das Mark regel- mässig zu fehlen. Wurzelstock und Nebenwurzeln sind mit einer Oberhaut (Epiblema, Wurzeloberhaut) bekleidet, welche aus einer einzigen Reihe kubisch-rund- licher Zellen gebildet ist, deren peripherische und Seiten Wandungen etwas verdickt und braun gefärbt sind. Die nach aussen gekehrten Wandungen der Oberhautzellen des Wurzelstockes pflegen gewölbt zu sein ; in den Nebenwurzeln nehmen diese Zellen mehr die Tafelform an. Die Mittelrinde besteht im Wurzelstocke aus ansehnlichen, fein porösen, kugelig-eckigen Zellen, in den Nebenwurzeln aus ähnlichem, aber etwas in der Richtung der Axe gedehntem Parenchym. Die Cambiumzone des Wurzelstockes ist ziemlich breit, obwohl übrigens nicht durch besondere Färbung auffallend, diesseits derselben finden sich, den Gefässbündeln entsprechend, nur eben schwache, im Querschnitte bogenförmige Andeutungen des Bastes. Die kurzen, höchstens 20 bis 30 Mikromill. dicken, oft krumm verlaufenden, bräunlichen Netzgefässe, welche meist dicht gedrängt und sehr zahlreich die Bündel zusammen- setzen, sind von sehr spärlichem, porösem, kaum verdicktem Holzprosenchym, häufiger von Holzparenchym, begleitet. Das Mark stimmt mit der Mittelrinde überein und besitzt höchstens grössere und in den Nebenwurzeln mehr in der Richtung der Axe vertikal gestreckte Zellen. Die Kemscheide der Nebenwurzeln ist im Längsschnitte weit weniger auffallend als im Querschnitte , da sie aus dünnen , im Sinne der Axe sehr lang gestreckten , aber nicht verdickten , sondern nur zart quergestreiften Zellen zusammengefügt ist. Aehnliche nur wenig kürzere Zellen umgeben Cambhiinstränge nach Berg. Rhizoma Hellebori viridis. 273 die Gefässbündel, die gleiche und eben so grosse, aber mehr gerade Gefässe enthalten wie der Wurzelstock. Doch fehlt in den Nebenwurzeln das Holz- prosenchyni ganz, der dünne Kern lässt sich daher nicht aus der Rinde herausschälen, sondern bricht mit derselben kurz und glatt ab. Oeltropfen und sehr zahlreiche Stärkekörner bilden den Inhalt des Zell- gewebes. Letztere, vorherrschend kugelige Formen, messen durchschnittlich etwa 6 Mikrom. , sind aber häufig sehr viel kleiner, bisweilen auch weit grösser; Krystalle fehlen. Bei aller Einfachheit des anatomischen Baues zeigt die obige Wurzel doch sehr grosse Eigenthümlichkeit, hauptsächlich in dem einförmigen, deutlicher Mark- und Baststrahlen entbehrenden breiten Rindengewebe, in der grossen Veränderlichkeit der Anordnung ihrer Gefässbündel, im Mangel eigentlichen Holzprosenchyms , in der Kernscheide und in dem (sonst fehlenden) Marke der Nebenwurzeln. In allen diesen Punkten und auch äusserlich stimmt sie nur mit den Wurzelsystemen verwandter Helleborus- Arten überein, besonders mit dem des Helleborus niger (vergl. Rhizoma Hellebori nigri). Mit Recht schreibt daher z. B. Pharinacopoea Borus- sica edit VII. vor , dass die von ihr aufgenommene Radix Hellebori viridis von den Wurzelblättern begleitet sein müsse. Dieselben sind gebildet aus 7 bis 11 oft ihrerseits wieder 2- oder 3theiligen, handförmig auseinander- fahrenden Blattabschnitten, welche alle von demselben Punkte ausgehen und gegen 0,1 5m Länge erreichen. Sie sind länglich-lanzettlich, von der Mitte an, wo ihre Breite bis 0,03m beträgt, nach beiden Seiten spitz zulau- fend und am Rande, besonders nach vorn, sehr scharf und dicht gesägt. Auf der etwas helleren, glänzend hellgrünen, unteren Blattfläche tritt der starke Mittelnerv und einige unter sehr spitzem Winkel von ihm abgehende Seitennerven stark hervor. Das übrige viel feinere Adernetz bildet ziemlich weite, in die Länge gezogene Felder mit glatter, nur sehr fein gekörnter Oberfläche. Im Herbste fallen diese Blätter ab und sind übrigens trocken sehr dünn papierartig, aber brüchig, somit nach allen erwähnten Merk- malen leicht und bestimmt von denjenigen des Helleborus niger zu unter- scheiden. Der rettigartige Geruch der frischen Wurzel verliert sich beim Trocknen. Sie schmeckt sehr stark und rein bitter, nach kurzem aber zugleich bren- nend scharf. Im April und October gesammelt, zeigt die Wurzel, aber nur im frischen Zustande, nach Schroff einen vorübergehenden süssen Bei- geschmack. Die Blätter besitzen, wenigstens in trockenem Zustande, nur den bitteren Geschmack in ziemlich hohem Grade. Die chemischen Bestandtheile des Helleborus viridis scheinen dieselben zu sein wie die des H. niger, jedoch in andern Verhältnissen. An fettem Oele ist die Wurzel des ersteren namentlich ärmer, obwohl sie an Wirksam- keit die des H. niger nach Schroff bei weitem übertrifft, daher wohl an Helleborin und Helleboracrin (vergl. bei Rhizoma Hellebori nigri) reicher sein muss. Am wirksamsten erweist sie sich nach Schroff im Mai. Flückiger, Pharmakognosie. 18 274 Wurzellbildungen der Dikotylen. You den Botanikern des XYI. Jahrhunderts war Helleborus viridis zwar unter dem Namen H. niger zum Theil auf den Helleboros der Alten bezogen, indessen doch von unserem EL niger schon bestimmt unterschieden worden. Die Seltenheit des letzteren in manchen Gegenden, wo dessen "Wurzel verlangt wurde, gab aber Veranlassung, ihr sehr häufig diejenige des viel weiter verbreiteten H. viridis unterzuschieben , deren Unterschei- dung nicht so leicht war, wenn die Blätter fehlten. Einzelne wenige Pharma- copöen hatten schon früher bestimmt Radix Hellebori viridis vorgeschrieben, schon bevor Schroff 's Uutersuchungen (1859) sie in den Vordergrund gestellt haben. Rhizoma Hellebori nigri. Radix Hellebori nigri. Radix Veratri nigri s. Melampodii. Schwarze Nies- wurzel. Racine d'ellebore noir. Black hellebore. Helleborus niger L — Ranunculaceae. Der Verbreitungsbezirk dieser Art scheint beschränkter und mehr südlich zu sein als der des Helleborus viridis. Für den ersteren ist anzugeben die Provence, Piemont, in der Schweiz einzig und allein der Monte Salvadore bei Lugano, dann Oberbaiern, Salzburg (häufig) Oesterreich, Krain, Böhmen, Schlesien. In Griechenland fehlt Helleborus niger nach H e 1 d r e i c h ; gegen- theilige Angaben dürften auf Verwechselung mit Helleborus orientalis Lamarck (Synonym: H. officinalis Salisbury, H. antiquorum A. Braun) beruhen. Dagegen wird H. niger seiner schönen, mitten im Winter erscheinenden Blüthe zuliebe häufig in Gärten gezogen. — Hayne hat die Varietäten altifolius und humilifolius unterschieden, welchen nach Berg auch einige Besonderheiten im Baue der Wurzel entsprechen sollen , die von andern nicht bestätigt gefunden wurden. Das Wurzelsystem gleicht in Bau und Aussehen dem des Helleborus viridis, erlangt jedoch bedeutendere Stärke, der Wurzelstock eine mehr vertikale oder schief aufsteigende Richtung und die Färbung des Ganzen ist mehr rein braun. Der Querschnitt des Wurzelstockes unterscheidet sich einigermassen von dem des H. viridis durch geringere Entwickelung der Rinde, welche durchschnittlich nur 0,002ul breit ist, während der Gefässbündelkreis sich meistens gleich breit oder etwas breiter erweist als bei H. viridis. Oft erreichen die einzelnen Gefässbündel nämlich im Querschnitte eine Länge von 0,00 lm. Die Breite dagegen bleibt bedeutend zurück, so dass die Keil- form unter den Gefässbündeln vorherrscht und quadratische Querschnitte wie bei H. viridis nicht oder doch nur selten vorkommen. Sie sind gewöhn- lich zahlreicher und einander mehr gleichmässig nahe gerückt, die einzelnen Gefässe aber mehr durch Holzparenchym getrennt. Immerhin sind diese Unterschiede nur für die Mehrzahl der Fälle gültig, im einzelnen aber oft durch Uebergänge verwischt. Rhizoma Hellebori nigri. 275 Durch die mehr gegen das Centrum vorgeschobenen Gefässkeile ist das Mark etwas beschränkt und erreicht höchstens in seinem Durchmesser die Breite der Rinde. Der Querschnitt der Xebenwurzeln stimmt nahezu mit dem von H. viridis überein . jedoch sind die Gefässbündel fast immer zu einem geschlossenen Kreise zusammengerückt,1) welcher wohl mitunter zu mehr vierkantiger, aber nicht zu scharf 3- bis ostrahliger Form ausgeschweift ist. Häufiger als bei H. viridis finden sich in dem übrigens gleich gebauten Marke ver- einzelte Gefässe. Die Kernscheide ist weniger von den benachbarten Zellen- lagen ausgezeichnet. — Die Xebenwurzeln sind mit feinen, braunen Wurzel- haaren besetzt, welche an der käu fliehen "Waare meist abgestossen sind. Der anatomische Bau der einzelnen Gewebe stimmt mit Helleborus viridis überein. Die Stärkekörner des H. niger sind gewöhnlich im Durchschnitte etwas grösser, manchmal aber auch sehr klein. Ihre Menge wechselt gleich- falls sehr. An Fettropfen ist das Parenchym des H. niger wohl immer viel reicher. In älteren Wurzeln ist das Fett von gelblicher Farbe. Die Unterschiede zwischen den beiden oben verglichenen Wurzeln sind, wie erwähnt, im einzelnen oft nicht scharf genug ausgeprägt und überhaupt erst durch genauere Untersuchung nachweisbar, weshalb mit Recht von manchen Pharmakopoen verlangt wurde, dass Rhizoma Hellebori nigri von seinen 2 oder 3 sehr auffallenden Blättern begleitet sein müsse. Das einzelne Wurzelblatt ist, wie bei H. viridis, aus 7 bis 11 Blattabschnitten, immer in ungerader Zahl, gebildet, welche aber nicht vom Endpunkte des bis 0,40m langen Blattstieles ausgehen. Derselbe ist vielmehr selber getheilt und auf seinen beiden in sehr stumpfem Winkel ausgespreizten Schenkeln sitzen die Blattabschnitte, jeder für sich kürzer oder länger gestielt. Der mittlere Abschnitt allein bildet die gerade Fortsetzung des Blattstieles und erreicht die grösste Länge, bis 0,20m. Die übrigen Abschnitte oder Theil- blätter sind meist etwas ungleichhälftig ; bei sämmtlichen, im ganzen länglich- lanzettlichen Abschnitten liegt die grösste Breite , gegen 0,05m höchstens, etwas ausserhalb der Mitte , gegen die Blattspitze zu. Nur dieser äussere Theil des Blattes ist mit wenig zahlreichen , grossen Sägezähnen versehen, das untere Drittel aber ganzrandig. Von der Form abgesehen, sind die Blätter des H. niger auch schon durch ihre derb lederartige Beschaffenheit leicht kenntlich. Die Wurzel besitzt auch in frischem Zustande keinen besonderen Geruch. Ihr Geschmack ist nicht auffallend, nur etwas kratzend oder ölig-ranzig und süssüch, entfernt an den der Senega erinnernd. Ein bitterer und scharfer !) nach B erg bei H. niger, Var. humilifolius durch ziemlich breite Markstrahlen getrennt, ■wovon ich mich nicht überzeugen konnte. — Schroff, so wie auch Koch finden die Auf- stellung von Varietäten bei H. niger nicht gerechtfertigt. 18* 276 Wurzelbildungen der Dikotylen. Beigeschmack fehlt, oder es soll sich höchstens die Bitterkeit, nach S ch r o f f , in geringem Masse an der im Mai gesammelten "Wurzel finden. Hierin liegt ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen H. niger und H. viridis. Die älteren Untersuchungen der (schwarzen) Nies wurzel durch Gmelin, Feneulleu. Capron, dann durch Riegel, hatten nur allgemein verbrei- tete Stoffe nachgewiesen. Bastick dagegen wollte (1853) daraus einen besonderen , nicht flüchtigen , krystallisirbaren Stoff erhalten haben , den er Hellebor in nannte. Dasselbe soll bitter und kratzend schmecken, sich in Wasser schwer lösen, zwar stickstoffhaltig, aber doch indifferent sein. Eine organische Säure, welche das Helleborin begleitet, hielt Bas tick für Aconitsäure. Aus der Wirkungsweise der Wurzel von Helieborus niger und anderen unten genannten Arten schloss Schroff (1859), dass darin zwei eigen- thümliche Stoffe, ein narkotischer, vorzugsweise in Wasser löslicher und ein scharfer, besser durch Aether oder Alkohol ausziehbarer, enthalten sein müssen. In alkoholischen Extracten der Helieborus -Wurzeln nach einiger Zeit, oft erst nach Jahren, anschiessende mikroskopische Krystalle von süsslich bitterem Geschmacke erwiesen sich als die Träger der narkotischen Wirkung, woran das fette Oel ganz unbetheiligt ist. Nur einmal (bei Helie- borus officinalis) gelang es Schroff, solche Krystalle schon unmittelbar auf einem mikroskopischen Schnitte der Wurzel entstehen zu sehen. Marine und A. Husemann glückte (1864) die Reindarstellung dieser Sehr off sehen Krystalle aus Blättern und Wurzeln der beiden oben genannten Arten durch Fällung mit Phosphormolybdänsäure. Sie erkannten darin ein stickstofffreies, sehr schwach saures Glykosid, unzweifelhaft das schwach giftige Princip der Nies wurzeln, dem sie zuerst den Namen Helle borin, später Helle bor ein beilegten. Verdünnte Säuren spalten beim Kochen das farblose Helleborein G26H44-Q15 ganz einfach in schön veilchen- blaues Helleboretin O14H2O03 und Zucker 012H24O12. Das Helleboretin ist merkwürdigerweise ohne physiologische Wirkung. Dem fetten Oele aus den Wurzeln beider genannten Helieborus - Arten entzieht heisses Wasser ein zweites Glykosid, das Hellebor acrin G36H42-0-6.*) Es krystallisirt in Nadeln, welche sich leicht in Alkohol und Chloroform lösen und scharf bitter kratzend schmecken. Concentrirte Schwefelsäure färbt das Helleboracrin hochroth und spaltet es in Zucker und Hellebor esin G30HJ,8-O4. Vollständige Spaltung wird jedoch erst durch Chlor zink erreicht. Mar m e u. Husemann halten dafür, dass B a s t i c k ' s Helleborin nicht existire, sondern nichts anderes als ihr Helleboracrin (Helleborin später) sei. Gerbstoff scheint zu fehlen. Die alten griechischen Aerzte kannten einen weissen und einen schwarzen Helieborus, welche die Römer als Veratrum album undV. nigrum bezeich- Von Marme u. Husemann später als Helleborin bezeichnet. Rhizoma Hellebori nigri. 277 neten, so dass auch später Helleborus niger und Veratrum nigrum völlig gleichbedeutend genommen wurden und die Botaniker und Aerzte zu Ende des Mittelalters unsern heutigen Helleborus niger (vergl. auch Rhizoma Hellebori viridis) für jene Arzneipflanze der Alten hielten und in Gebrauch zogen. Namentlich geschah dies auf die Empfehlung von C 1 u s iu s (Charles del'Ecluse. 152(3—1609). Tournefort (1700— 1702) schon überzeugte sich aber im Oriente selbst davon, dass unsere Pflanze nicht der Helleborus niger der Alten gewesen sein konnte, was dann (1853 und 1860) durch die schon erwähnten ausgezeichneten Untersuchungen Schroff's zur Gewissheit erhoben worden ist. Unser H. niger scheint in Griechenland (Parnassos, Oeta, Delphi, Olenos) durch Helleborus officinalis Sibthorp (Syn.: H. orientalis Lamarck, vermuthlich auch H. antiquorum A. Braun und H. oiympicus Bot.) vertreten zu sein, während um das Schwarze Meer, z. B. bei Trapezunt, H. ponticus A. Braun vorkömmt, den wohl Tourne- fort mit H. officinalis zusammengeworfen hatte. Schroff hat gezeigt, dass die Wirkungsweise unseres H. niger nicht mit der von den Alten geschilderten übereinstimmt, wohl aber mit derjenigen, welche ihm der aus Athen bezogene H. officinalis darbot. Die Alten ver- wendeten ferner nicht die ganze Wurzel , sondern nur die vom Holzkerne abgezogene Rinde derselben. Wie bei Rhizoma H. viridis erwähnt wurde und auch für Rhizoma H. nigri gültig ist, wäre bei diesen Wurzelsystemen eine Schälung der Nebenwurzeln oder des Wurzelstockes nicht möglich, wohl aber bei H. officinalis. Diese Art allein hat die Eigentümlichkeit, dass sich die Rinde sehr leichtvon dem stark entwickelten Holzkörper trennt. Es ist demnach ausser allem Zweifel, dass der ursprüngliche Ruf der Nieswurz nur der von den Alten verwendeten Art H. officinalis Sibthorp zukömmt und daher erklärlich , dass der eigentümlicherweise bis in die neueste Zeit dafür gebrauchte H. niger die Erwartungen nicht befriedigte. Nach Schroff besitzen allerdings die vier genannten Arten alle die wirk- samen Stoffe, aber in sehr verschiedener Menge. Bei weitem am wirksamsten fand er H. orientalis und demselben sehr nahestehend H. viridis. — R.foe- tidus1) L. reiht sich, wiewohl mit Modifikationen, zunächst an, dann H. purpurascens Waldst. u. Kit. , hierauf folgt H. ponticus und die alier- schwächste Wirkung zeigt gerade H. niger. Das Wurzelsystem des H. orientalis weicht hauptsächlich nur durch bedeutendere Stärke von denjenigen des H. niger und viridis ab; der Holz- körper der Nebenwurzeln ist 4- bis 7strahlig. So wie man bei dem Bestreben, den Helleboros melas (niger) der Alten !) Die Wurzel dieser vorzüglich in den Kalkgebirgen Mitteleuropas einheimischen Art ist eine reine Pfahlwurzel, bis 0,0 1 5 m dick und mit ihren starken Aesten gegen 0,20 m lang, also aufs bestimmteste schon äusserlichvon den geringelten Wurzelstöcken der übrigen erwähn- ten Helleborus-Arten abweichend. Die Rinde ist äussert schmal, das Mark fehlt, so dass die Wurzel fast nur aus Holz besteht und auch wenig Geschmack besitzt. Eine Verwechselung mit den Rhizomen von H. niger oder viridis ist unmöglich. 278 Wurzelbildungen der Dikotylen. auch in unseren Gegenden aufzufinden , auf H. niger und viridis gerathen hatte, so verfiel man nebenbei auf noch zwei andere, merkwürdigerweise aber doch zu den Ranunculaceen gehörige Pflanzen, nämlich auf Adonis ver- nalis L., worin schon Hieronymus Bock (Tragus 1498 — 1554) die berühmte Arzneipflanze der Alten erblicken wollte,1) und auf Actaea spi- cata L. Die Wurzelsysteme beider Pflanzen sind denen der Helleborus- Arten sowohl äusserlich als auch in Betreff des anatomischen Baues ähnlich und wurden daher in der That vielfach damit verwechselt. Adonis vernalis wächst sehr zerstreut, doch in grösserer Menge gesell- schaftlich in der südlichen Schweiz (Wallis, Tessin), im Elsass, am Rhein, in Oberbaiern, Böhmen, Thüringen, da und dort in Norddeutschland bis nach Nordasien. Die Aeste des Wurzelstockes trennen sich leicht von diesem ab und ent- wickeln sich selbständig weiter, so dass das Wurzelsystem der Adonis nicht so stark, nicht so vielköpfig und mit dünneren, kürzeren Nebenwurzeln ringsum versehen ist als die Rhizome des Helleborns niger und viridis, von welchen es sich auch durch seine mehr schwarze Farbe unterscheidet. Ein zuverlässigeres Merkmal aber gewährt der Querschnitt der Nebenwurzeln, deren Holzkern durch 3 oder 4 von breiten, keilförmigen Markstrahlen auseinandergehaltene Gefässbündel ein 3- oder 4strahliges Bild zeigt. Geruch und Geschmack der Adoniswurzel sind nach Berg schärfer als bei Helleborns niger; sie dient in Russland als drastisches Purgirmittel , ist aber noch nicht chemisch untersucht. In Griechenland (am Kyllene) wird auch wohl die Wurzel der Adonis Cyllenea Boissier u. Orph. statt derjenigen des dortigen Helleborus offici- nalis gebraucht. Actaea spicata L. ist vorzugsweise in Nordeuropa (bis ins mittlere Lappland), in Deutschland und der Schweiz bis in die Alpenthäler ver- breitet, aber in sehr vielen Gegenden fehlend. Ihr Wurzelstock war früher als Radix Christophorianae s. Aconiti racemosi, für sich im Gebrauch. Wenn derselbe auch mit Aesten und besonders mit Neben wurzeln reichlich versehen ist, so tritt doch der wagerechte, sehr deutlich geringelte Haupt- wurzelstock, im Gegensatze zu Helleborus viridis und niger, sehr stark her- vor, namentlich da die Nebenwurzeln vorherrschend aus seiner unteren Hälfte entspringen. Er erreicht auch einen bedeutenderen Durchmesser, bis gegen 0,02m und oftmals, da er seiteuer von der geraden, horizoutalen Richtung abgelenkt wird, eine Länge von 0,1 5m. Die schwärzlichen, gewöhnlich etwas kantigen Nebenwurzeln pflegen nur wenig in einander gewirrt zu sein, obwohl sie gegen ihre Spitze mit zahlreichen Zasern besetzt sind. Auf den ersten Blick fällt hier auf, dass das Yerhältniss des Holz körpers zur Kinde ein von den eben genannten Helleborus -Wurzeln ver- schiedenes ist. Bei Actaea trennt sich nämlich die Rinde unschwer vom ]) daher dieser Wnrzclstocl früher Rad. Hellebori Hipgocratiß lriess. Rhizoma Hellebori nigri. 279 Holze ab, so dass beim Trocknen da und dort der weisse Holzkern zu Tage tritt. Bricht eine Nebenwurzel von H. niger oder viridis , so bricht auch immer der schwache, dünne Holzcylinder mit ab. In den Nebenwurzeln der Actaea aber enthält das Holz 3 bis 5 strahlenförmig oder kreuzförmig aus- einander fahrende sehr starke holzreiche widerstandsfähige Gefässbündel, welche durch breite Markstrahlen getrennt sind. Bisweilen umschliessen die Holzkeile noch ein enges Mark, meistens aber wird auch das Centrum selbst von grossen Gefässen und Holzprosenchym eingenommen. Eine feine bräunliche, oft wenig ausgeprägte Cambiumzone trennt das Holz von der schmalen Innenrinde, in welcher vor jedem Holzkeile ein eben so breiter bogenförmiger oder stumpf dreieckiger Strang zarten Bastgewebes liegt. Eine ähnliche braune Kernscheide, wie sie in den Helleborus-Neben wurzeln vorkömmt, trennt auch hier, obwohl nicht so scharf, die Innenrinde von der Mittelrinde, deren äussere Lagen dickwandige tangential gestreckte Zellen mit gestreiften Wänden und häufig mit braunem Inhalte zeigen. Der Querschnitt dieser Nebenwurzeln ist oftmals von vollkommener mathemati- scher Regelmässigkeit und grosser Zierlichkeit. Auch der Querschnitt des Actaea - Wurzelstockes selbst unterscheidet sich zunächst durch seine holzige Beschaffenheit bestimmt von Helleborus, indem er einen unregelmässigen Kreis von 10 bis 20 starken, mehr geraden als keilförmigen Holzstrahlen darbietet, welche durch breite Markstrahlen getrennt sind. Mit dem fortschreitenden Wachsthum des Wurzelstockes setzen immer neue sekundäre Markstrahlen ein, so dass zuletzt bei stärke- ren Wurzeln ein gedrängter Kreis von langen schmalen Holzlamellen ent- steht, die durch zerklüftetes Markparenehym auseinander gehalten sind. In der ziemlich schmalen Mittelrinde des Wurzelstockes liegt vor jedem Gefässbündel und davon durch eine breite Cambiumzone getrennt ein gelbes bogenförmiges Bündel starker Baströhren, welche in den Helleborus- Arten niemals vorkommen. Die Amylumkörner der Actaea sind vorherrschend vereinzelte, selten zusammengesetzte kugelige, höchstens 10 Mikrom. mes- sende, aber meistens viel kleinere Gestalten. — Fetttropfen fehlen der Actaea wurzel gänzlich, ebenso der bittere und scharfe Geschmack der Nies- wurzeln. Erstere schmeckt vielmehr durch ansehnlichen Gerbstoffgehalt unangenehm adstringirend und nachträglich schwach süsslich, soll aber emetisch -purgirend wirken. Scharf giftig scheinen die Samen der Actaea zu sein. Aehuliche Wachsthumsverhältnisse und ähnliches Aussehen wie Actaea spicata zeigt das Wurzelsystem der in Nordamerikas Wäldern von Canada bis Florida einheimischen Actaea racemosa L. (Syn. : Cimicifuga race- mosa Torrey, Cimicifuga Serpentaria Pursh, Macrotis1) racemosa Eat.), welche dort seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts als Radix Cimicifugae J) macrotes, langgestreckt, ganz treffend auf den allerdings langgestreckten Wurzelstock zn beziehen, obwohl das Beiwort noch mehr von der schönen Blüthentraube gilt. 280 Wurzelbildungen der Dikotylen. Serpentariae , black snakeroot, black cohosh, officinell ist. Es erinnert in seinem Bau an Rhizoma Arnicae, scheint aber wohl noch stärker zu werden wie dasjenige von Actaea spicata. Yon dem letzteren unterscheidet sich das noch deutlicher geringelte Rhizoma Cimicifugae sehr sicher durch eine ganz abweichende noch stärkere Holzbildung und sehr bitteren Geschmack. Der ziemlich schmale Holzring des Wurzelstockes nämlich ist entweder ganz geschlossen oder von nur 4 bis 6 schmalen Markstrahlen durchschnitten , so dass eben so viele bogenförmige , nicht keilförmige oder gar lamellenförmige Gefässbündel entstehen, welche ein breites, ausge- schweift viereckiges Mark einschliessen. Die ziemlich breite Innenrinde und die Mittelrinde werden durch eine bräunliche Kernscheide getrennt, worin zahlreiche zerstreute oder zu kleineren 2 — 3 reihigen Gruppen ver- einigte dickwandige Baströhren vorkommen. Hier findet sich also im Gegen- satze zu den oben beschriebenen Wurzelbildungen die Kernscheide im Hauptwurzelstocke und fehlt den Nebenwuzeln der Cimicifuga oder ist in letzteren doch fast gar nicht ausgeprägt. Sie enthalten ein einziges cen- trales, nicht strahliges (und nicht kreuzförmiges) Holzbündel, umgeben von einer schmalen Cambium- und Bastzone , so dass sich hier die Rinde noch leichter vom Holzkerne ablöst als bei den Nebenwurzeln der Actaea spicata. Das von Procter aus Rad. Cimicifugae dargestellte Cimicifugin oder Macrotin, wovon die Wurzel gegen 5 pC. gibt, ist wie es scheint ein un- reines Harz. Mit den Helleborus-Wurzeln soll auch nach einigen Angaben der Wurzel- stock einer auf Bergwiesen durch fast ganz Europa häufigen Ranunculacee, des Trollius europaeus L., verwechselt werden. Derselbe ist aber immer sehr viel schwächer, nur bis etwa 0,02m lang und 0,004m dick, fast senk- recht und aufs dichteste von dünnen schwarzen Nebenwurzeln eingehüllt. Das ganze Wurzelsystem ist sehr brüchig, der Wurzelstock oft durch früh- zeitiges Absterben im Innern hohl. Seine Rinde ist durch sehr starke kurze dickwandige Baströhren ausgezeichnet. Zahlreiche Reste abgestorbener Blätter, welche als dichter fahlgelber Schopf den Wurzelstock krönen, machen vollends eine Verkennung desselben unmöglich. Frisch ist er von äusserst scharfem brennenden Geschmacke. Wenn auch noch der Wurzelstock von Astrantia major L. 1), einer den- selben Standorten wie Trollius angehörenden Umbellifere , als der Ver- wechselung mit Rhiz. Hellebori fähig bezeichnet wird, so darf nur erinnert werden, dass derselbe ähnlich wie die meisten Umbelliferenwurzeln auf dem Querschnitte schon dem unbewaffneten Auge einen Kreis ansehnlicher Bal- samgänge darbietet. *) vergl. bei Rhiz. Imperatoriae. Tuber Aconiti. 281 Tuber Aconiti. Radix Aconiti. Eisenhutknollen. Sturmhutknollen. Racine d'aconit. Aconite root. Aconitum IVapellus L. — Ranunculaceae. Syn.: A. variabile Hayne. Diese weit verbreitete und in Menge gesellschaftlich wachsende Art findet sich hauptsächlich in der Bergregion des mittleren Europas und Süd- sibiriens, namentlich an steinigen1) gedüngten Stellen, oft auch in die Thäler hinabsteigend. Sie ist sehr häufig durch die ganze Alpenkette und den Jura, auf den deutschen Mittelgebirgen bis Siebenbürgen, auch noch in England (seltener), Dänemark und Schweden, fehlt aber dem Süden. Als Zierpflanze zieht man diese und andere Arten auch in Gärten. Es ist nicht erwiesen, dass die grosse Veränderlichkeit im Blüthenstande dieser Pflanze sich auch auf ihre unterirdischen Theile erstrecke. Der blü- hende oder fruchttragende Stengel findet sich in seinen untersten unent- wickelten Gliedern rübenförmig 2) verdickt. Dieser fleischige Knollen ist mit ziemlich zahlreichen einfachen oder gegen ihre Spitze hin bezaserten Nebenwurzeln besetzt und läuft allmälig, bisweilen aber sehr plötzlich in eine schwanzförmige Spitze aus. Die Länge des ganzen Knollens übersteigt mitunter 0,10m, der grösste Durchmesser (nach dem Trocknen) 0,02m. Aehnlich wie bei manchen Orchideen (vergl. Tuber Salep) entwickelt sich aus einem sehr kurzen, an der Stengelbasis entspringenden und aufstreben- den Aste ein zweiter ganz ähnlicher Knollen, gekrönt von einer starken Knospe, welche in trockenhäutiger Umhüllung schon die Anlage zum nächst- jährigen beblätterten blühbaren Stengel enthält. Dieser Knollen steht ge- wöhnlich etwas höher und ist im Spätsommer vollsaftig , während der zum eben fruchttragenden Stengel gehörige Knollen langsam einschrumpft und oft schon hohl ist. Jedoch stehen beide Knollen einige Zeit ungefähr gleich kräftig neben einander, bald sehr genähert, bald stark divergirend. Beim Trocknen erhält die matt braungraue Oberfläche sehr starke Längs- runzeln, auch die gewöhnlich helleren und glänzenden Nebenwurzeln wer- den fein längsstreifig. Das Innere , ganz besonders das Mark des kräftigeren Knollens ist rein weiss, mitunter allerdings missfarbig, trocken mehlig und glatt brechend. Sein Saft färbt sich an der Luft rasch röthlich. Der Querschnitt bietet ein rundliches, braun umschriebenes Mark dar, dessen Durchmesser die Breite der Rinde etwas übertrifft. In den oberen Regionen des Knollens ist der Querschnitt des Markkörpers unregelmässig !) Daher der Name des Genus von ak6ne (axövrj) Fels, nach anderen eher von kone (xovrj) Mord. 2) Daher Napellus, Dirainutivum von napus, Rübe. 282 Wurzelbildungen der Dikotylen. rundlich oder elliptisch, fünf- bis siebeneckig, mit oft ziemlich stark hervor- tretenden Ecken. Im absterbenden Knollen ist das Mark bis auf den schwachen Gefäss- bündelkreis geschwunden. Derselbe ist aber in der Regel weder durch Farbe noch durch Consistenz ausgezeichnet. In der Rinde verläuft dicht unter der Oberfläche eine feine braune Linie, die Kernscheide. Weit schärfer tritt diese Kernscheide in den Neben wurzeln hervor und schneidet einen dichten Kern von gleichem Durchmesser wie die Breite der Rinde ab. Im Holzkerne nimmt man 5 bis 7 mehr oder weniger deutlich getrennte bogenförmige Gefässbündel wahr, deren Zwischenräume mit star- ken Holzbündeln besetzt sind. Die mit ihrer schwach concaven Seite nach aussen gerichteten Gefässbündel ragen weit in die von der Kernscheide scharf begrenzte Innenrinde hinein , während das Holz ein sehr veränder- liches rundliches oder fünf- bis siebeneckiges Mark umschliesst. Die Aussenrinde besteht zunächst aus einer Reihe braunwandiger , be- sonders in den Nebenwurzeln stark gewölbter Wnrzeloberhautzellen (Epi- blema), worauf in den Knollen 10 bis 12 Reihen sehr stark tangential ge- streckter Zellen mit dicken, fein porösen Wänden folgen. Nicht sehr zahl- reiche ansehnliche gelbliche Steinzellen sind unregelmässig in dieses Gewebe eingestreut, sehr oft namentlich in der Nähe der Kernscheide, welche das- selbe gegen die Mittelrinde abgrenzt. Die Kernscheide" ist aus einer Reihe bedeutend kleinerer, wenig tangential gestreckter oder im Querschnitte fast quadratischer Zellen gebildet, welche sich namentlich durch dünne Quer- wände sehr unterscheiden. Gewöhnlich auch noch an dunkelbräunlicher Färbung leicht kenntlich , ist indessen diese Kernscheide bisweilen weniger in die Augen fallend und kann auch wohl, in den Knollen, sammt dem zwischen ihr und der Oberhaut liegenden Aussenrindengewebe durch Bor- kenbildung ganz verschwinden. Die bei weitem breitere Innenrinde enthält zunächst innerhalb der Kern- scheide gleiche Zellen wie die Aussenrinde, weiter gegen innen zu verlieren sie mehr und mehr die tangentiale Streckung und gehen unmerklich in die mehr kreisrunden oder etwas radial gedehnten Formen der Markstrahlen und Baststrahlen über. Dieses letztere übrigens wenig ausgezeichnete Gewebe ist durch vereinzelte zarte kreisrunde Baststränge charakterisirt. Dieselben stehen in sehr unregelmässiger Anordnung in weiten Kreisen oder lockeren, durch breite Bastparenchyinstreifen getrennten, radialen Reihen, keineswegs genau den Gefässbündeln entsprechend. Eine ziemlich breite mehrreihige Zone ansehnlicher, sehr regelmässiger Oam bin m zellen schliesst die Innenrinde ab. Das Cambium beschreibt im Querschnitte der unteren Knollenhälfte annähernd eine Kreislinie, geht aber oberhalb meist in die Form eines unregelmässigeu , wenig ausgezackten Siebeneckes über. Zahl und Form der schwachen, immer dicht an die Cambiumzone gerückten Gefässbündel sind sehr unbestimmt. Wo das Tuber Aconiti. 283 Cambium sich der Kreisform nähert, stehen die Gefässbündel als zwei- schenkelige oder dreischenkelige , nach aussen geöffnete Bogen einander ziemlich gleichmässig nahe. Wo dagegen das Siebeneck auftritt, finden sich die Gefässbündel , wenigstens die stärkeren , immer in den Ecken und zwar mehr in einzelne kurze und schmale Keile aufgelöst. Die Gefässbündel enthalten nicht sehr zahlreiche , manchmal nur sehr wenige Tüpfelgefässe von massiger Grösse. Eigentliches Holz fehlt dem Knollen ganz , sein Cen- trum wird nur von grosszelligem kubischem Markgewebe eingenommen, wenn es nicht, im absterbenden Knollen, hohl ist. In den Nebenwurzeln ist die Rinde von der Kernscheide bis zur Ober- haut aus gleichförmigen grossen, nur wenig tangential gestreckten Zellen gebaut. Die Aussenrinde besteht nur aus der einzigen Oberhautzellenreihe. In der übrigen Rinde finden sich zahlreiche gelbe, meist kreisrunde und fast ganz verdickte Steinzellen eingestreut , welche sich durch ihre bedeu- tende Länge von den immer nur ziemlich kurzen ähnlichen Zellen in der Aussenrinde des Knollens unterscheiden. Diese sehr auffallenden Stein- zellen der Nebenwurzeln erreichen eine Länge von 270 bis 350 Mikromill. bei etwa 35 Mikrom. Durchmesser, ihre Wände sind sehr deutlich ge- schichtet und von Porenkanälen durchzogen , an den Enden gerade abge- stutzt oder sehr stumpf abgerundet. Die Kernscheide zeigt denselben Bau wie im Knollen selbst und wird fast von den Bastkeilen berührt, welche den Gefässbündeln entsprechen. Das Bastgewebe ist aus engem Prosenchym mit ziemlich dicken verbogenen Wänden gebildet und geht allmälig in das zartere , nur wenig entwickelte Cambium über. Zwischen den Bastkeilen erfüllen ziemlich deutliche, nach aussen bedeutend an Breite zunehmende Markstrahlen das von der Kern- scheide umgrenzte Innenrindegewebe. Von dem braunen Farbstoffe der Aussenrinde des Knollens abgesehen, erblickt man im ganzen Parenchym des Aconitum mit Ausnahme des Cam- bium nur Stärkekörner, sehr ungleich grosse (bis 15 Mikromill. im Maxi- mum) kugelige oder halbkugelige Gestalten. Im frischen Zustande besitzt der Aconitumknollen einen scharfen Rettig- geruch, der bald verschwindet. Er schmeckt schwach süsslich und alsbald auch äusserst gefahrlich brennend scharf. Von den chemischen Bestandteilen der Aconitknollen ist am besten bekannt das schon von Pe schier vermuthete, zuerst aber (1833) von Hesse aus den Blättern dargestellte, dann von Bley auch in den Knollen nachgewiesene Alkaloid Aconitin, O30H47NO7 nach Planta, Es wird meist amorph, seltener undeutlich krystallisirt erhalten und reagirt stark alkalisch ; auch die Salze krystallisiren nicht leicht, am ehesten noch das Sulfat. Das Aconitin scheint immer nur etwa lfa P- Mille, auf frische Knollen bezogen, zu betragen, obwohl es hier viel reichlicher vor- kömmt als im Kraut und Samen. Etwas hoch erscheint die Angabe Procter's, welcher aus in New-Lebanon (New- York) gezogenen Knollen 284 Wurzelbildungen der Dikotylen. 0,85 pC. Aconitin, allerdings auf getrocknete Substanz berechnet, erhalten hatte. Aus Deutschland bezogene schöne Knollen gaben ihm halb so viel. — Hager fand sogar 0,95 bis 1,25 pC. und selbst in sehr alten Knollen noch 0,64 pC. Aconitin. Schroff hat (1854) gezeigt, dass im Aconitum neben dem furchtbar giftigen narkotischen Aconitin noch ein weit gefährlicherwirkender scharfer Stoff vorkommen muss. Ein in England von Morsson, wie es scheint, schon seit längerer Zeit dargestelltes und dort vielfach angewandtes Aconitin hat sich durch Schroff 's weitere Versuche (1857) gerade als jener scharfe Stoff herausgestellt. Mit der Wirkung dieses englischen1) Aconitins stimmt diejenige der Wurzel des Aconitum ferox Wallich (A. virosum Don) über- ein, welches in seinem Vaterlande Nepal im Himalaya längst2) als äusserst heftiges Gift bekannt und als Pfeilgift benutzt ist. Nach den Beschreibungen von Schroff und von Berg stimmen die Knollen desselben nahezu mit denen des A. Napellus überein, sind aber stärker und gelangen gebrüht, daher sehr dicht und schwer nach England, wo sie zur Darstellung des Aconitins von Morsson zu dienen scheinen. — In Konstantinopel wurden 1865 solche Knollen sonderbarerweise aus Calcutta als Jalapa eingeführt, welche Verwechselung mehrere Vergiftungsfälle zur Folge hatte. 0,2 Gramm der Knollen sind nach Schroff unbedingt tödtlich. Für das Morsson 'sehe Präparat hat Wi gg er s (1857) die Bezeich- nung Nap ellin vorgeschlagen, welche von Hübschmann aber schon 1852 einem anderen Körper beigelegt worden ist, so dass es wohl zweck- mässiger wäre, das Präparat von Morsson mit Bezug auf die Heimat des Aconitum ferox etwa Nepalin zu benennen. Hübschmann's Napellin hat Schroff von gleicher Wirkung wie das (deutsche) Aconitin befunden; die von Hübschmann3) angegebenen Löslichkeits Verhältnisse desselben sind aber so sehr vom Aconitin abweichend, dass die Existenz dieses Napellins denn doch nicht ohne weiteres geläugnet werden darf. Es löst sich schwerer in Aether, leichter in Wasser als das Aconitin, krystallisirt durchaus nicht und kömmt in nur sehr geringer Menge in den Knollen vor und zwar sowohl in denen des A. Napellus als auch in A. Cammarum (variegatum). T. u. H. Smith haben 1863 ein ferneres, durch Krystallisationsfähigkeit ausgezeichnetes Alkaloi'd aus den Knollen von A. Napellus erhalten und Aconellin genannt. Es scheint aber merkwürdigerweise mit dem Nar- kotin G22 H23 N O7 des Opiums identisch zu sein. *) Pereira's Manual of Mat. med. (1865), so wie British Pbarmacop. (1864) ignoriren dasselbe. Letztere schreibt nur die Wurzel von A. Napellus zur Darstellung ihres Aconitins vor, welchem sie auch die Planta'sche Formel beilegt. 2) wie es scheint, schon im XI. Jahrhundert, wo Avicenna unter dem Namen Bisch (oder Bikh) vermuthlich diese Pflanze verstand. So oder Ativischa wird Aconitum ferox jetzt in Nepal genannt. 3) Schweizerische Zeitschrift für Pharm. 1857, S. 66, auch Wiggers - Cannstatts Jahresbericht 1857, S. 55. Tuber Acouiti. 285 Die von Peschier (1820) in den Blättern von A. Napellus in ziem- licher Menge entdeckte Aconitsäure 06H606 dürfte wohl in den Knollen ebenfalls vorkommen. Sie findet sich nach Wicke auch in den Blättern von Delphinium Consolida, und ist nach Liebig, Baup, Dessaignes identisch mit der aus mehreren Equisetum- Arten zu gewinnenden Equiset- säure Braconnot's so wie mit der durch Erhitzen der Citronsäure von Baup erhaltenen Citridicsäure. Die übrigen Bestandteile der Aconitumknollen sind nicht genauer bekannt; bei der Darstellung der Alkaloide erhält man reichlich ein dunkel- grünes Gemenge von Harz und Fett. Neben Mannit enthalten die Knollen Rohrzucker und einen schon in der Kälte das Kupferoxyd reducirenden Zucker. Gerbstoff fehlt oder ist in geringer Menge auf das Epiblema beschränkt. An Kalksalzen ist der Knollen weit ärmer als die Blätter. Erst die meisterhaften pharmakologischen Forschungen Schroff's (seit 1853) haben zu einer allgemeineren Anwendung der Aconitknollen Anstoss gegeben, indem sie zeigten, dass dieselben, und zwar beide Knollen gleichmässig, in ihrer Wirksamkeit wenigstens um das 6 fache dem bisher üblichen (kurz vor dem Blühen gesammelten) Kraute überlegen sind. Cultivirte Pflanzen sind wegen geringerer Wirksamkeit1) nach Schroff unzulässig. Aconitum Napellus hat sich als die wirksamste der blau blühenden europäischen Arten erwiesen. Bei der so grossen Aehnlichkeit und Ver- änderlichkeit derselben un d bei ihrem gleichzeitigen massenhaften Yorkommen an manchen Standorten wird es aber in der Praxis schwer fallen , immer nur die Knollen von Napellus mit Ausschluss aller andern Arten zu erlangen. Sehr ausgezeichnet ist das Wurzelsystem des in den Alpen nicht seltenen, dagegen z. B. im Jura fehlenden Aconitum Störckeahum2) Reichenbach. Hier findet eine weit reichlichere Knollenbildung statt, indem nicht nur zu beiden Seiten des eben blühenden oder fruchttragenden Hauptknollens schon zwei weitere oft getheilte Knollen vorhanden sind, sondern dergleichen auch oft noch über dem ersteren aus den untersten Stengelgliedern hervorbrechen. Sehr häufig stehen die beiden Seitenknollen mit dem rascher als bei Napellus absterbenden Hauptknollen nicht in gerader Front, sondern im Dreieck; die Knollen pflegen durchschnittlich etwas kräftiger zu sein als bei A. Napellus, sonst aber von demselbeu Aussehen. Der anatomische Bau, obwohl im allgemeinen mit dem des letzteren übereinstimmend, zeigtdochbei A. Stoercke- anum sehr bestimmte Unterschiede, zumal in den Nebenwurzeln. Der Quer- schnitt des Markkörpers ist in den oberen Theilen des Knollens scharf siebeneckig und weit tiefer ausgeschweift als bei Napellus. Nach unten zu nimmt dieser Querschnitt allmälig fünfeckige, zuletzt mehr nur rundliche Form an. Das Bild, welches die Knollen dieser Art darbieten, wechselt *) vergl. dagegen die oben angeführten Erfahrungen Procter's 2) von Stoerck selbst mit A. Napellus verwechselt. 286 Wurzelbildungen der Dikotylen. also sehr, je nach der Höhe, in welcher der Querschnitt gemacht wird. Dimension, Bau und Inhalt der einzelnen Gewebe in den Knollen des A. Stoerckeanum entsprechen ganz dem A. Napellus. Die Nebenwurzeln des A. Stoerckeanum zeigen bei aller sonstigen sehr genauen Uebereinstimmung doch einen schmaleren , aber mehr zusammen- hängenden Gefässkreis, worin sich kaum einzelne bestimmt abgegrenzte Bündel unterscheiden lassen und welche nicht von Holzprosenchym begleitet sind. Dagegen ist die Cambiumzone hier viel breiter. Endlich ist die Mittel- rinde in den Neben wurzeln des A. Stoerckeanum frei von jenen höchst ausgezeichneten stabförmigen Steinzellen des Napellus. Die botanische Eigenthümlichkeit jener oft verkannten Art ist hierdurch fest begründet. Ob ihre chemischen Verhältnisse ebenfalls eigenartig sind, ist nicht ermittelt, zumal noch Schroff sie zu Aconitum variegatum L. gezogen und mit diesem, wenigstens in der Gartenform, wenig wirksam gefundenhat. Hager dagegen gewann aus einer solchen 0,75 pC. Aconitin. Aconitum variegatum L. (Syn. : A. Cammarum Jacquin) ungefähr in demselben Verbreitungsbezirke wie A. Stoerckeanum, doch vielleicht noch etwas weniger häufig vorkommend, besitzt ganz ähnliche, aber kleinere namentlich kürzere, mehr kugelig -eiförmige Knollen. Von den gelb- blüh enden Arten steht die Wurzelbildung des auf das südlichere Gebiet Mittel-Europas beschränkten A. Anthora L. den oben beschriebenen nahe. Jedoch sind seine nur wenig wirksamen Knollen , nach Berg, bedeutend kleiner, mit oft ganz engem Marke und sehr deutlich strahliger Innenrinde. Das Wurzelsystem des Aconitum Lycoctonum L., welches wohl eben so weit oder noch weiter verbreitet ist als Napellus, ist dagegen von ganz anderer Beschaffenheit. Es besteht nicht aus Knollen , sondern aus einem aufrechten , mehrköpfigen , sehr reichlich bewurzelten und in höchst eigen- thümlicher "Weise zerfaserten, gleichsam zerfressenen Rhizom, das unmöglich mit den Knollen von Napellus verwechselt werden kann. Ihre narkotische Wirkung besitzt jenes Rhizom in noch höherem Grade, nicht aber die Schärfe, so dass nur Aconitin darin enthalten zu sein scheint und kein oder nur wenig Nepalin (Napellin vonWiggers). Zur Darstellung des Aco- nitins dürfte sich daher nach Schroff das Rhizom von A. Lycoctonum vorzugsweise eignen. Hübschmann hingegen fand (1865) darin kein Aconitin, sondern zwei neue Alkaloi'de, Acolyctin und Lycoctonin, welche noch genauerer Untersuchung harren. Die Alten kannten die Aconitum-Arten jedenfalls als Giftpflanzen, wenn auch nicht als Heilmittel. Radix Enulae. 287 G. Wurzelbildungen von aromatischem Geschmacke. 1. amylumfreie. Radix Enulae. Radix Helenii. Radix Inulae. Alantwurzel.1) Racine d'aunee. Elecampane. Inula Helenium2) L. — C ompo sitae- Aster eae. Diese stattliche perennirende Pflanze ist sehr weit und an höchst ver- schiedenen Standorten verbreitet. Wir besitzen sie zuverlässig wild vom Olympos in Thessalien, an dessen Fusse, nicht aber in Griechenland, sie in grosser Menge wächst. Ebenso unzweifelhaft wild findet sie sich in einzelnen Küstengegenden Englands, so wie Finnlands und des südlichen Norwegens (Schübeier), dann im Karadagh. südlich vom Araxes, unweit des Caspi- Sees (Buhse). In Menge traf sie auch Ledebour am Altai, z. B. um Buchtarmin sk an Bächen. Sie findet sich ferner, wiewohl sehr zerstreut, durch Mittel- und Südeuropa und durch Mittelasien.3) In Nordamerika ist sie wohl nicht ursprünglich einheimisch. Der Alant wird zudem als Arzneipflanze, früherauch als Küchengewächs, sehr häufig in Gärten gezogen und ist in dieser Weise selbst bis Nordamerika und Japan gewandert. In etwas grösserem Massstabe wird er in Holland und einzelnen Gegenden der Schweiz angebaut. Man sammelt die Wurzel 2 — ojähriger Pflanzen; in höherem Alter ver- holzt sie zu sehr. Frisch ist sie fleischig, innen weisslich, an der Luft einen Stich ins Röthliche annehmend. Der hellgraue Kork wird häufig entfernt und die dickeren Wurzeln in Scheiben geschnitten, welche sich unregel- mässig krümmen und eine gelblich- graue Farbe annehmen. Die Hauptwurzel ist sehr kurz und theilt sich sogleich in mehrere starke, nach dem Trocknen längsrunzelige, hier und da auch quergeringelte Aeste, welche häufig etwa 0,0 15™ dick und 0,1 5m lang werden. Die Wurzel bricht glatt, nicht holzig und schneidet sich spröde hörn artig oder zähe , wenn sie etwas feucht ist. Der nicht sehr deutlich strahlige Querschnitt der Aeste zeigt eine gewöhnlich etwas dunklere Cambiumzone, welche die Rinde von dem 3 — 4mal dickeren Holzkerne trennt; das Mark ist nicht scharf abge- grenzt, oft lückig und hohl. Sehr unregelmässig im ganzen Gewebe zerstreut finden sich mehr oder weniger zahlreiche grössere Lücken, gelbbraunen Balsam oder glänzende, farblose Krystalmadeln enthaltend, mit welchen letzteren übrigens die ganze Schnittfläche länger aufbewahrter W7urzel besäet ist. Weniger in die Augen fallend sind die Oeflnungen der unregel- !) vielleicht deutet der Name Alaut auf die finnischen Alandsinseln, wo in der That die Pflanze viel wächst. Schwedisch heisst sie Alandsrot. 2) Inula von ungewisser Ableitung; daher der Ausdruck Enula der salernitanischen Schule immer noch sein Recht behaupten mag. Helenium von rjXio? Sonne , oder von f]Xo? Sumpf. 3) In Indien und Persien ist die Wurzel sehr gebräuchlich (Ainslie). 288 Wurzelbildungen der Dikotylen. massig zerstreuten, nicht sehr grossen Gefässe. In der Hauptwurzel ist die Rinde relativ weit schwächer, der ganze Querschnitt sehr gleichförmig, nicht strahlig. Die Aussenrinde der Alantwurzel bilden einige Reihen grosser, fast kubischer Korkzellen von nicht sehr regelmässigem Bau. Das Rinden- parenchym besteht, von den Oelgängen abgesehen, nur aus zartwandigen, in den äusseren Schichten sehr grossen kugeligen oder (im Querschnitte) ein wenig tangential gedehnten Zellen , die in den inneren, dem Baste ent- sprechenden Schichten weit kleiner werden, im Sinne der Axe gestreckt sind und unmerklich in das zarte Cambialgewebe übergehen; Baströhren fehlen. Die Gefässbündel bestehen aus wenigen oder ganz vereinzelten Ring- oderlSetzgefässen, umgeben von dünnwandigen weiten, nicht porösen prosenchymatischen Zellen und getrennt durch schmale Mark strahlen, deren kugelige Zellen im Querschnitte denen der äusseren Rinden schichten und des Gefässbündelprosenchyms gleichen. Einige grössere Gefässe finden sich im Marke vereinigt und (in der käuflichen jüngeren Wurzel) nur hier von eigentlichen Holzzellen begleitet. Bisweilen sind die Gefässbündel der Wurzeläste ganz von hellem Harze (amorphem Helenin ?) durchdrungen und erhalten dadurch ein völlig kornartiges Aussehen; ihre strahlige Anord- nung tritt alsdann zurück und die Markstrahlen zeigen einen sehr unregel- mässigen Verlauf. Die Oelgänge, sowohl in der Rinde als im Innern unregelmässig ein- gestreut, sind häufig über Vk Millimeter weit, aber nur etwa doppelt so lang, und von kleineren tangential gestreckten, tafelförmigen Zellen eingefasst. Erstere enthalten einen braungelben Balsam oder sehr häufig einzelne oder büschelförmig vereinigte farblose Prismen von Helenin (oder Alant- campher) O21H2803,*) welche sich durch vorsichtiges Erhitzen eines feinen Schnittes verflüchtigen lassen, bei 72° C. schmelzen, in Weingeist leicht löslich sind und nur schwach gewürzhaft schmecken. Nach John kömmt in der Wurzel 0,4 pC. , nach Schultz nur 0,25 pC. Helenin vor. Dasselbe dürfte wohl in naher Beziehung zu dem Balsame oder Harze stehen , das abwechselnd mit ihm dieselben Räume einnimmt. — In noch geringerer Menge (V? p. Mille, Raybaud) scheint ätherisches Oel vor- handen zu sein. Hauptinhalt des mittleren Rindenparenchyms , der Markstrahlen und des Markes ist das Inulin. Es tritt in diesen Zellen in glashellen Splittern oder etwas abgerundeten Klumpen von etwa 70 Mikromill. Grösse an bis zu verschwindender Kleinheit auf, woran sich keinerlei bestimmte Form oder Struktur wahrnehmen lässt und welche sich bei 50° C. in Wasser klar lösen. Im polarisirenden Lichte erweisen sich die Splitter nicht doppelt- brechend, zeigen nicht die kreuzförmige Schattirung wie das Amylum und werden von Jod unter keinen Umständen blau gefärbt, sondern nur gelblich. *) nachHuyer (1864) €1,;H2805. Eadix Pyrethri romani. 289 Schultz fand 13 pC. Inulin in der Wurzel, John fast das dreifache. — Wenn auch der grösste Theil desselben im Zellsafte gelöst ist, so trifft man es doch schon während des Sommers auch in fester Form im Parenchym abgelagert; niemals aber ist das Iuulin in dieser Wurzel, oder in denjenigen anderer Compositen, von Amylum begleitet. Anderseits scheint auch das Inulin nur der Familie der Compositen anzugehören und mit Bestimmtheit in keiner andern Pflanze nachgewiesen zu sein. Selbst für das von Ander- son in der südaustralischen Lerp-Manna (vergl. am Schlüsse von Manna) angegebene Inulin dürfte noch nähere Vergleichung abzuwarten sein. Es scheint vielmehr das Inulin trotz übereinstimmenden chemischen Charakters und gleicher Zusammensetzung (G12H20O10) zu dem Amylum in einem bestimmten Gegensatze zu stehen und dasselbe in den Wurzel- systemen der Compositen zu vertreten. Nach Vo gl tritt jedoch in Rad. Bardanae und Rad. Cichorii auch Amylum auf. (Vergl. bei Rad. Bardauae.) — Von Valentin Rose 1804 in unserer Wurzel entdeckt, wurde das Inulin nach und nach in manchen andern Compositen gleichfalls getroffen und daher auch wohl als Alantin, Synantherin oder Dahlin bezeichnet. — Sachs1) zeigte, dass dasselbe durch geeignete Behandlung mit Alcohol oder Glycerin in Geweben oder aus Lösungen in Form kugeliger Aggregate von Krystallnadeln niedergeschlagen werden kann, welche nun unter dem Polarisationsmikroskop ein ähnliches Kreuz zeigen wie die Stärkekörner. Die Alantwurzel war schon Dioskorides bekannt und stand auch bei der Salernitanischen Schule als Heilmittel, zum Theil auch eingemacht als Gewürz im Ansehen, wie sie heute noch unter anderm auch zur Bereitung des Wermuth (Extrait d'Absinthe) Verwendung findet. In Deutschland war sie schon früher, z. B. um 1150 der heiligen Hildegard wohl bekannt. Der Name Alant findet sich schon vor dem XII. Jahrhundert. Das Helenin wurde bereits 1660 von Lefebvre beobachtet. Der höchst eigenthümliche , nicht unangenehme, gewürzhafte, nur schwach bitterliche Geschmack und entsprechende Geruch der Alantwurzel, vom Harz und ätherischen Oele herrührend , lässt dieselbe leicht von der Radix Belladonnae unterscheiden , welche den Wurzelästen von Helenium ähnlich sieht. Doch fehlen der Belladonnawurzel die grossen Oelgänge und sie wird durch Jod gebläut. Radix Pyrethri romani. Rad. Pyrethri veri. Römische Bertramswurzel.2) Pyrethre. Salivaire. Pellitory of Spain. Anacyclus Pyrethrum De Cand. — Compositae-Senecionideae. Syn.: Anthemis Pyrethrum L. zum Theil. Perennirende niederliegende Pflanze Maroccos, der südlichen Küsten- !) Botan. Zeit. 1864, S. 77. — Nach demselben kömmt Iuulin auch unzweifelhaft in der Alge Acetabularia mediterranea vor. — 2) Bertram aus Pyrethrum verdorben. Zwei deutsche Arzneibücher des XII. u. XIII. Jahrh. (bei Sem. Hyosciarai erwähnt) haben bald piretrum, bald pertheram, die heil. Hildegard um 1150 Bertram, noch früher findet sich auch Perchtram. Flückiger, Pharmakognosie. 19 290 Wurzelbildungen der Dikotylen. länder des Mittelmeeres, Arabiens und Syriens, deren Wurzel hauptsächlich aus Tunis zu uns gelangt. Sie ist gewöhnlich ganz einfach, bis 0,1 Om lang und bis über 0,0 10m dick, gerade und cylindrisch oder spiüd eiförmig, an beiden Enden abgestutzt, oder seltener oben noch mit weisslichfilzigen Stengelresten versehen und nur wenige haardünne Wurzelzasern tragend. Durch Einschrumpfung ist die Wurzel oft breit und tief furchig oder kantig. Die braungraue, sehr unregelmässig gerunzelte Oberfläche nur zu oberst etwas geringelt; die Wurzel selbst sehr fest und hart, auf dem Bruche strahlig holzig, ohne Mark. Die höchstens 0,00 lm breite Rinde ist fest mit dem Holzkörper verbunden und davon nicht scharf durch eine schmale Cambiumzone geschieden. Die zahlreichen gelben Holzstrahlen sind durch ziemlich breite, weisse, glänzende Markstrahlen getrennt und, in diesen, so wie in der Rinde zahlreiche dunkelbraungelbe Oelzellen regellos vertheilt. Der anatomische Bau der Bertramswurzel entspricht im Allgemeinen dem dei; Rad. Enulae, ausgezeichnet ist jedoch die starke Aussenrinde und die mehr holzige Beschaffenheit der ersteren. Die Aussenrinde verdankt ihre Festigkeit mehreren mit braunen Lagen von krummwandigen, kleinen Kork- zellen abwechselnden Reihen ziemlich grosser farbloser, kubischer Steinzellen, die nur in ihrer sehr kleinen Höhlung braunes Harz enthalten. Das übrige Rindengewebe ist so beschaffen wie bei Enula, doch pflegt das Inulin in der Rad. Pyrethri noch weit reichlicher (57 pC. Koene) und in verhältniss- mässig grösseren Klumpen abgelagert zu sein , welche die Zellen fast ganz ausfüllen, als ob nur erst das Eintrocknen einen geringen Abstand zwischen der Zellwand und dem Inulin herbeigeführt hätte. Diese Klumpen bieten ganz den Anblick des in manchen Wurzeln durch Kochen formlos gewor- denen Amylums (Rad. Sarsaparillae zum Theil, Rhiz. Curcumae, Tuber Chinae zum Theil), erweisen sich aber durch das Verhalten zum polarisirten Licht und zu Jod als Inulin. Die Gefässe sind von zartem, wenig gestrecktem Prosenchym umgeben, worin einzelne Stränge poröser, stark verdickter, gelber Holzzellen vor- kommen. Die Oelzellen sind kugelig, kleiner und weniger regelmässig gesäumt als in Rad. Enulae; sie enthalten meist noch hell braungelben Balsam , aber keine Krystalle. Im Kern der Wurzel findet sich ein Holz- bündel. Die geruchlose Bertramswurzel besitzt einen sehr anhaltenden bren- nenden1) und speichelziehenden Geschmack, den sie dem Harze (und einer Spur ätherischen Oeles) verdankt, neben welchem sie auch Zucker, Fett, Gummi, 7 pC. Aschenbestandtheile und eine Spur Gerbsäure enthält. Das sogenannte Pyrethrin ist ein gemischter Körper; der Menge nach ist unzweifelhaft das Inulin Hauptbestandteil. Sehr häufig findet man die Bertramswurzel von Jnsekten durchlöchert, aber ohne Beeinträchtigung ihres scharfen Geschmackes. Frisch soll ihr L) daher der Name, von ~'jo, Feuer. Eadix Pyrethri germanica 291 Saft wenig scharf schmecken; sie dient in Konstantinopel und Kairo auch eingemacht als Gewürz. Das Pyrethron von Dioskorides war nicht die hier beschriebene Wurzel, sondern die des Thysselinum palustre Hoffm. (Umbelliferae). Ana- cyclus Pyrethrum wurde in Deutschland schon im XYI. Jahrhundert gezo- gen. — Die Wurzel ist auch in Indien , wohin sie aus Arabien zu gelangen scheint, wohlbekannt. Radix Pyretliri germanici. Deutsche Bertramswurzel. Anacyclus officinarum Hayne. — Co?npositae-Senecio?iideae. Ein- oder zweijährige, übrigens dem Anacyclus Pyrethrum ähnliche, jedoch, nach Bisch off, unzweifelhaft davon verschiedene Pflanze , deren Heimat (vermuthlich Süd -Europa) nicht sicher bekannt ist. Man hatte sie auch als einjährige Spielart von Anacyclus Pyrethrum betrachtet. Sie wird in Böhmen und bei Magdeburg, nicht in Thüringen, angebaut. Die Wurzel ist heller grau, so lang oder länger wie die römische, aber nur halb so dick, sehr lang zugespitzt, durch starkes Zusammenfallen beim Trocknen mehr längsfurchig und am oberen Ende immer noch mit einem laugen, reichlichen Schöpfe von (geschmacklosen) Blatt- und Stengelresten, häufig noch mit ganzen Blättern und Blüthen besetzt. Auch dünne Wurzel- zasern kommen bei der deutschen Wurzel häufiger vor, sogar schwache Aeste. Ihre oft etwas dunklere Rinde ist bis 0,002m dick, also an sich schon doppelt so stark wie in der römischen Bertramswurzel, die Cambiumzone und Baststrahlen nach dem Aufweichen deutlich wahr- nehmbar. Der Holzkern deutlich schlängelig strahlig, mit gelben Gefäss- bündeln und weissen Markstrahlen, die Gefässe nach aussen zahlreicher; das Mark fehlt. Nur in der äussern Rindenschicht, unmittelbar unter dem Korke, finden sich 4 bis 8 ganz regellos gestellte grosse Oelzellen; häufig sind sie durch eine feine dunkle Linie harzreichen Parenchyms gleichsam mit einander verbunden. Der Bruch glatt, stark glänzend, hornartig. Die Aussenrinde ist nur aus einer mehrreihigen Korklage von zarten, braunen, fast kubischen Zellen, ohne alle Steinzellen, gebildet, das Pro- senchym der Gefässbündel nicht verholzt; die übrigen Gewebe stimmen nach Form und Inhalt mit denen des römischen Bertram s überein. Ebenso der Geschmack und die chemischen Bestandteile; doch scheint die deutsche Wurzel schärfer, reicher an ätherischem Oele zu sein. Diese Bertramswurzel ist nur in Deutschland, Skandinavien und Russ- land gebräuchlich, zum Theil neben der römischen. 19 292 Wurzelbildungen der Dikotylen. XUiizoma Arnicae. Radix Arnicae. Arnicawurzel. Wolferleiwurzel.1) Racine d'Arnica. Arnica root. Arnica montana L. — Compositae-Senecionideae. Perennirende Wiesenpflanze der süd- und mitteleuropäischen Gebirge, aber in einzelnen Gegenden, z. B. im Jura fehlend, während sie in den Pyre- näen , den Cevennen , in Auvergne, in den Yogesen , im Schwarzwalde und in den Alpen häufig vorkömmt. Im Norden, schon in Norddeutschland, wächst sie in der Ebene und findet sich auch in Labrador, nicht aber, wie es scheint, im übrigen Amerika. Der schief in der Erde liegende einfache oder, etwas weniger häufig, an der steil aufstrebenden Spitze 2 — Stheilige und alsdann mehrköpfige Wurzelstock erreicht eiue Gesammtlänge von über 0,10m und etwa 0,01 0m Dicke; er ist röthlichbraun , kurz längsfurchig, durch schwarze, den abge- storbenen Blattscheiden entsprechende Bänder dicht, aber nicht sehr regel- mässig geringelt. Die Kreuzung dieser etwas erhabenen Blattnarben mit den Längsrunzeln verursacht über den ganzen Wurzelstock kleine Höckerchen. Zahlreiche 0,001m dicke und etwa bis 0,10m lange, hellere, längsstreifige Wurzeln gehen von der Unterseite des Rhizoms ab. Nach dem Abblühen des Stengels bleibt an der Spitze des Wurzelstockes eine trichterförmige tiefe Narbe zurück und dicht unter derselben, etwas seitlich, entwickelt sich ein einfacher oder ästiger neuer Jahrestrieb, deren ungefähr 3 die stärksten Rhizome („ Sympodien") zusammenzusetzen pflegen, wenn dieselben nicht einfach geblieben sind. Vom trägt das Rhizom noch die Reste der lederigen Blätter und des Stengels mit zahlreichen weisslichen oder röth- lichen wolligen Haaren ; das hintere Ende des Wurzelstockes oder seiner einzelnen Triebe ist etwas dünner und das Ganze nimmt beim Trocknen eine sehr starke bogenförmige Krümmung an , so dass die Wurzeln an die nach unten gekehrte convexe Seite zu stehen kommen. Ungeachtet des stark entwickelten schwammigen Markes, das im Rhizom % des Querschnittes ausmacht, ist letzteres sehr hart durch den festen, dicht unter der nur 0,00 lm dicken Rinde liegenden Holzring. Derselbe besteht aus unregelmässigen, öfters halbkreisförmigen, nicht strahligen Gruppen stark verholzten Prosenchyms, umgeben von zahlreichen zerstreuten, nicht sehr weiten Treppengefässen. Die Mittelrinde enthält dicht vor dem Cambium einen weitläufigen Kreis sehr ungleicher, ganz unregelmässig gestellter Lücken (Oelgänge), wovon einzelne auch weiter nach aussen gerückt sind. Die sehr dünne Aussenrinde ist braun, die Harzgänge gelb- braun gesäumt, der ganze übrige Querschnitt weisslich oder gelblich. !) mit Wolf zusammenhängend: Wolfesgelegena im XII. Jahrhundert bei Hildegard, Wolfesgele schon vor dem XII. Jahrhundert — also einfach Wolfsgelb. Aehnlich wie damals auch Rint«ele für Calendula. Rhizoma Arnicae.' 293 In den Wurzeln waltet die Rinde vor; die enge eckige Markröhre ist durch einen schmalen Holzring von der Rinde getrennt, welche nur wenige kleine Oelgänge aufzuweisen hat. Die Aussenrinde wird von wenigen Reihen brauner rundlicher, nicht tafelförmiger, oft Harz führender Korkzellen gebildet; die zunächst folgenden Schichten der Mittelrinde aus etwas gestrecktem, inhaltslosem, sehr dick- wandigem Parenchym, dessen Zellen nach der mittleren Zone der Rinde etwas an Grösse zunehmen; die Yerdickungsschicht ihrer Wandungen findet sich in Form zierlicher Spiralbänder abgelagert. Die inneren Rindenschichten bestehen aus kleineren, weniger verdickten Zellen, die allmälig in das nicht scharf abgegrenzte Cambium übergehen. Die Gefässe zeigen häufig krummen Verlauf; das Holzprosenchym besteht aus nicht sehr langen, bald engeren, bald weiteren porösen Zellen. Das Mark besitzt grössere, mehr eckig kugelige, weniger verdickte Zellen als die Mittelrinde; auch hier zeigen die Wandungen feine spiralige Streifung. Die Mittelrinde der Nebenwurzeln besteht aus ebenfalls sehr fein spiralig gestreiften, im Sinne der Axe lang gestreckten weiten Zellen. Die grossen Oelgänge der Mittelrinde sind von engerem, zartem Parenchym umgeben und besitzen keine eigene Wand; ihr blassgelbes Oel ist gewöhnlich ausgetreten und in kleineren und grösseren Tropfen durch das ganze benach- barte Gewebe verbreitet. Inulin ist nicht mit Bestimmtheit wahrzunehmen. Die Arnicawurzel riecht schwach aromatisch, schmeckt aber anhaltend scharf gewürzhaft, zugleich etwas bitterlich. Sie enthält Harz, Gerbstoff, Fett, Farbstoff und ungefähr 1 pC. schweres gelbliches, ätherisches Oel, das von dem in den Blüthen derselben Pflanze enthaltenen verschieden ist; Walz fand für ersteres die Formel O12H2402, welche dem capronsauren Caproyloxyd entsprechen würde. Das Fett der Wurzel enthält nach dem- selben eine Fettsäure von der Formel G13H2602, deren Magnesiumsalz aus den Blättern der Arnica erhalten wurde. Auch der scharfe Bestandteil, dasArnicin, wurde von Walz aus dem Wurzelstocke dargestellt, der aber weniger (nur 1 pC.) davon enthält als die Blumen (vergl. Flores Arnicae). Die Arnica war den Alten nicht bekannt und kam erst im vorigen Jahr- hundert zu allgemeinerer medicinischer Anwendung, obwohl schon Mat- thiolus, Gessner, Camerarius und Tabernaemontanus auf ihre Heilkräfte aufmerksam gemacht und Clusius die Pflanze zuerst genauer beschrieben hatte. Als Volksmittel scheint sie in Deutschland schon früher gebraucht worden zu sein. Unter allen Wurzeln , welche als Verwechselung des Rhizoma Arnicae genannt werden, hat blos der früher gleichfalls officinelle Wurzelstock von Fragaria vesca L., der gewöhnlichen Erdbeere, bedeutende Aehnlichkeit mit Arnica. Rhizoma Fragariae zeigt dieselben Wachsthumsverhältnisse und sehr ähnliches Aussehen, ist aber weit fester, holziger und dunkelbraun, tief 294 Wurzelbildungen der Dikotylen. längsrunzelig, nicht geringelt, und weit mehr in die Länge gezogen. Ferner ist der Geschmack der Erdbeerwurzel schwach herbe, nicht im mindesten scharf oder gewürzhaft, wie ihr denn auch Oelgänge ganz fehlen. Der innere Bau ist völlig abweichend von dem der Arnica; es genügt anzuführen, dass das Erdbeer-Rhizom vonAmylum und Oxalatdrusen (wie die der Rhabarber) strotzt und beide der Arnica abgehen. Radix Carlinae. Radix Cardopatiae. Eberswurzel. Rosswurzel. Racine de Carline des Alpes. Carlina acanlis L. — Compositae- Cynareae. Syn.: Carlina caulescens Lamarck. C. subacaulis DC. An sonnigen trockenen Stellen der niedrigeren Gebirge und der Vor- alpen des mittleren Europa strichweise häufige schöne Distel, vorzugsweise auf Kalkboden; nicht im Süden, wenigstens z. B. nicht in Griechenland; auch nicht in England. Die bis über 0,20m lange und 0,02m dicke, gewöhnlich einfache Pfahl- wurzel ist zweijährig und pflegt an den ziemlich langen Wurzelköpfen einen reichlichen schopfigen Besatz von filzigen und strahligen Blatt- und Stengel- resten zu tragen. Sie zeigt meistens eine Drehung um ihre Axe und ein bis auf den Kern eingerissenes Netz von Furchen und Leisten; ältere Wur- zeln bestehen fast nur aus dem Kern und diesen Resten der Rinde. Die Wurzel ist aussen bräunlich oder gelblich grau , innen gelblich mit dunkel braungelben Oel- oder Balsamgängen. Die Rinde erscheint auf dem Querschnitte jüngerer Wurzeln beinahe so breit wie der Durchmesser des Holzkerns, doch auch hier SGhon in ihrer mittleren Schicht durch Absterben der den Markstrahlen entsprechenden Stelleu lückig, im übrigen ist der ganze Querschnitt von sehr regelmässigem strahligem Bau ohne eigentliches Mark. Nicht sehr zahlreiche braungelbe, ziemlich weite Oelgänge sind besonders in den Markstrahlen älterer Rinde in wenig regelmässigen Kreisen zerstreut, ausserdem manche der grossen Gefässe mit braunem Balsam erfüllt. Der deutlich keilige Basttheil der Rinde ist bedeutend breiter als die schwache bräunliche Korklage und die lockere Mittelrinde. Bei älteren Wurzeln stirbt letztere und die Markstrahlen fast ganz ab (doch weniger regelmässig als bei Radix Bardanae) , so dass nur die strahligen , durch schmale Reste der Märkstrahlen getrennten Ge- fässbündel übrig bleiben, lose bedeckt mit den als erhabene Längsrunzeln erscheinenden, jetzt etwas dunkleren Baststrängen und den Resten der Aussenriude. Eigentliche Holzbildung kömmt in der Carlina nicht vor, oder es finden sich höchstens im Centrum einige Holzzellen; das Bastgewebe enthält keine Baströhren. Die Oelgänge der Rinde erweisen sich als vertikal lang- gestreckte, von zartem Pareuchym umgebene IntercellulaiTäume, welche Rhizoma Valerianae. 295 blassgelbliche Oel- oder dunklere Balsamtropfen enthalten. In der Mittel- rinde, den Markstrahlen und dem Gewebe der Gefässbündel ist häufig Inulin abgelagert ; doch trifft man es nicht immer in der Wurzel. Die Gefässe und manche benachbarte Prosenchymzellen sind von gelbem Harze oder Balsam durchdrungen. Geruch eigenthümlich, nicht gerade angenehm aromatisch und sehr be- ständig, Geschmack süsslich, scharf aromatisch. Das ätherische Oel be- trägt ungefähr 1 pC., Harz und Zucker wohl bedeutend mehr. Zarte Schnitte frischer Wurzeln lassen beim Befeuchten mit einigen Tropfen Wasser einen milchigen Strom austreten, welcher hauptsächlich äusserst kleine Nädelchen von Kalk Oxalat, wie es scheint hauptsächlich aus den Markstrahlen herausführt. Die Sage bringt den Namen der Pflanze mit Karl dem Grossen in Zu- sammenhang, doch findet sich der Name Ebirwurz im Althochdeutschen schon vor dem XII. Jahrhundert. Die holzige Wurzel der Carlina vulgaris L. ist kriechend, nicht senk recht, etwas ästig, dunkler, hin und her gebogen, reich an Inulin, aber arm an Harz und ätherischem Oel. 2. amylumh altige aromatische Wurzelbilclungen. Rhizoma Valerianae. Radix Valerianae minoris. Cormus Yalerianae. Baldrianwurzel. Katzen- wurzel. Tannmark. Racine de Yaleriane. Valerian. Valeriana officinalis L. — Valerianeae. Durch das ganze mittlere und nördliche Europa, von Frankreich bis Finnmarken, in Norwegen und Island, in Ebenen und mittleren Gebirgen; in Nordamerika (Vermont) gebaut, doch in geringer Güte. Das Wurzel- system zeigt, wie die ganze Pflanze, je nach dem Standorte ziemliche Ver- schiedenheiten; unter mehreren Varietäten sind hauptsächlich a) major, mit höherem Stengel und durchweg gezähnten Blättern, und ß) minor (Va- leriana angustifolia Tausch) , mit ganzrandigen oder wenig gezähnten Blät- tern, zu unterscheiden. Letztere liefert vorzugsweise die officinelle Wurzel. Sie besteht aus der aufrechten, wenig verdickten, durch die Insertionsstellen abgestorbener Blätter dicht aber undeutlich geringelten Stengelbasis und den sehr zahlreich daraus entspringenden dünnen Wurzeln (Nebenwurzeln), deren ursprünglich regelmässige Anordnung selten mehr zu erkennen ist. Die Stengelbasis (Wurzelstock, Knollstock), bis über 0,0 10m dick und etwa doppelt so lang, am unteren Ende jeden Herbst an bestimmter Stelle ab- sterbend (abgebissen), treibt häufig kurze seitliche Ausläufer, die sich all- mälig wieder zu einem gleichen W^urzelstocke entwickeln und nach ein paar Jahren zur Blüthe gelangen. Bei starken Wurzelstöcken ist das markige 296 Wurzelbildungen der Dikotylen. Innere oft ganz aufgelockert oder bis auf einige Querfächer hohl. Die ge- wöhnlich bis über 0,10™ langen, aber auch oft 0,30m erreichenden und 0,002m dicken (Neben-) Wurzeln sind längsstreifig oder furchig, an ihrer Austrittsstelle ein wenig verdickt und laufen, besonders in fruchtbarem Boden, in zahlreiche, sehr dünne hellere Seitenwürzelchen aus. Die im frischen Zustande hell bräunlichgelbe Farbe des Wurzelsy stein s wird durch das Trocknen und mehr noch durch das Alter dunkler. Der Querschnitt ist hornartig glänzend zähe, nicht holzig, von weisslichgelber Farbe, im Wurzelstocke oft dunkel missfarbig. Derselbe besitzt eine schmale, durch eine tiefbraune Cambiumzone von einem weitläufigen Kreise hellerer unregelmässiger Gefässbündel getrennte Rinde. Dieser Holz- kreis schliesst ein breites, aber sehr oft schwindendes Mark ein. In den Wur- zeln ist die Rinde drei- bis viermal stärker als der dünne, von einer sehr engen Markröhre durchzogene und von dunklem Cambium umschlossene rundliche Holzkern. Dia braune Aussenrinde besteht aus kubischen, nicht tafelförmig ge- streckten Korkzellen ; die Mittelrinde aus sehr vielen rundlichen , im Sinne der Axe gestreckten Zellen, mit ziemlich dicken und sehr fein spiralig ge- streiften Wandungen. Diese Zellen nehmen nach beiden Seiten hin an Grösse ab und sind auch meist etwas tangential gestreckt. In der Rinde älterer Wurzelstöcke treten bisweilen Gruppen von Steinzellen auf. Das Cam- bium bildet eine breite Zone zartwandigen , in der Mitte farblosen, nach aussen und innen aber braun gefärbten Gewebes. Die Tüpfelgefässe sind in den Wurzeln von ansehnlicher Länge, im Wurzelstocke kürzer und hier von wenig verdicktem kurzem Holzprosen- chym umgeben, in welchem sich auf dem Querschnitte die Markstrahlen nur undeutlich verfolgen lassen. Das Rinden- und Markgewebe , auch die Markstrahlen , enthalten zahl- reiche kugelige, verschieden grosse Stärkekörner; daneben, besonders in den missfarbigen stärkearmen Gewebetheilen , in grösserer oder geringerer Menge kleinere braungelbe Körnchen oder Klumpen. In der trockenen Waare finden sich gelbliche Tropfen ätherischen Oeles oder röthlichbraune Harzklumpen nur in der Aussenrinde. — Der eigenthümliche kampherartige, nicht eben angenehme Geruch der Wurzeln entwickelt sich erst beim Trocknen kräftiger; der Geschmack ist süsslich-bitterlich und gewürzhaft. Der Träger des Geruches, das Baldrianöl, ist in der trockenen Waare zu V2 bis 2 pC. enthalten; die bedeutenden Schwankungen in dessen Menge erklären sich zum Theil durch die verschiedene Ausbildung des Wurzel- systems, das wohl in den Nebenwurzeln relativ mehr Oel erzeugt als im Wurzelstock; von noch grösserem Einflüsse ist aber der Standort der Pflanze. Steiniger trockener und sonniger Boden liefert eine ölreichere Wurzel als die der Pflanze sonst gut zusagenden feuchten Stellen. Auch scheint , nach Z e 1 1 e r , das Oel im Herbste" reichlicher vorhanden zu sein als im Frühjahr. Das Baldrianöl ist ein Gemenge von Baldriansäure (etwa Rhizoraa Serpentariae. 297 5 pC. des Oeles), Yaleren oder Borneen (etwa 25 pC.) O10H16, und (70 pC.) sauerstoffhaltigen, bei 0° zum Theil krystallisirenden , leicht verharzenden Verbindungen, deren Natur noch nicht ganz feststeht. Man hat in denselben Yalerol £6H1Ü-Q und einen mit dem Dryobalanops-Camphor, dem Borneol (vergl. bei Camphora) O10H18O identischen Campher gefunden. — Das Yaleren gleicht sehr dem Terpenthinöl. Nach der Destillation des Oeles bleibt neben viel Harz ein stark saurer Rückstand, der nach Asch off hauptsächlich Aepfelsäure enthält. — Ein von Trommsdorff angegebener „Baldrianstoff" ist nicht näher ge- kannt. — Die Baldriansäure wurde im Baldrianöl zuerst 1819 von Pentz, dann 1830 von Grote bemerkt. — Im Cambium findet sich etwas Gerb- stoff (Yogi). Die Baldrianwurzel war unter dem Namen Nardus gallicus (Plinius), nicht als Valeriana, schon den Alten bekannt und auch im Mittelalter und später immer sehr viel im Gebrauche. — Der Name dürfte mit valere, ge- sund sein, im Zusammenhang stehen, nach Jakob Grimm nicht mit dem altnordischen Gotte Balder. ' — Im deutschen Mittelalter, um 1150 z. B. bei der heiligen Hildegard, hiess die Pflanze übrigens nicht Baldrian, sondern Denemarcha, noch früher Tenemarg, wie noch heutzutage in einem Theile der Schweiz. Die nicht mehr gebräuchliche , weniger aromatische Rad. Valerianae majoris ist das weit stärkere, schief liegende, entfernter geringelte und nur nach unten bewurzelte Rhizom der südeuropäischen Valeriana Phu L. — Verwechselungen der Baldrianwurzel sind bei genauer Vergleichung ihres Baues und des eigenthümlichen Geruches nicht wohl möglich. Rhizoma Serpentariae. Radix Serpentariae virginianae. Schlangenwurzel. Serpentaire de Virginie. Serpentary root. Aristolöchia Serpentaria L. In feuchten Bergwäldern des mittleren Striches der östlichen Staaten Nordamerikas (Pennsylvania bis Carolina; nördlicher, z.B. im Staate New- York, schon seltener und in den atlantischen Gegenden nachgerade fast aus- gerottet) einheimische Staude mit gewöhnlich einfachem, auf- und absteigen- dem, wurmförmig gekrümmtem Wurzelstocke von etwa 0,03m Länge und 0,003™ Durchmesser. Er ist etwas plattgedrückt und auf der oberen Seite mit einer dichten Reihe von schief aufsteigenden Resten der abgestorbenen Stengel besetzt. Die am vorderen Ende stehenden ein oder zwei Stumpfe der noch lebenden Stengel tragen häufig einige Blüthenstiele und Blätter. Von den übrigen Seiten des Wurzel Stockes gehen sehr zahlreiche dünne zer- brechliche, hell graugelbe, bis 0,1 0m lange (Neben-) Wurzeln aus, welche mit feinen Wurzelfasern nicht eben reichlich besetzt sind. Der Querschnitt des Wurzelstockes zeigt eine dünne braune Rinde, einen 298 Wurzelbildungen der Dikotylen. gelben, aus mehreren breiten Kreisen bestehenden, excentrischen Holzkern mit grossen Spiroiden, durchbrochen von zahlreichen weissen Markstrahlen von sehr verschiedener Breite. Im Innern ein dünnes weisses, von dem Centrum weg mehr nach oben gerücktes Mark. Rinde, Markstrahlen und Mark sind mitAmylum gefüllt; im ersteren kommen hier und da grosse Oel- zellenvor; das Mark besteht aus grossem polyedrischem porösem Parenchym. Die Wurzeln besitzen innerhalb der dicken weissen stärkereichen Rinde einen dünnen gelben cylindrischen oder fünf- bis sechsseitigen Holzkern; im übrigen den Bau und Inhalt des Wurzelstockes selbst. Krystalle schei- nen der Serpentaria zu fehlen. Geruch an Baldrian erinnernd, Geschmack mehr kampherartig und bitter. — Das von Chevallier als wirksamer Bestandtheil der Wurzel angegebene Aristolochin ist eben so wenig be- friedigend untersucht als das vielleicht damit identische Clematitin, welches Walz aus den Wurzeln von Aristolochia Clematitis L. als gelben amorphen Bitterstoff dargestellt hat. — Das ätherische Oel beträgt nach Bucholz nur 72 pC, nach anderen noch weniger. Daneben enthält die Wurzel auch Harz. Der geringe Gehalt an ätherischem Oele macht eine sorgfältige Aufbewahrung dieser Wurzel nothwendig. Die Schlangenwurzel wurde wie noch mehrere andere Wurzeln von den Eingeborenen Nordamerikas gegen Schlangenbiss gebraucht und seit 1633 durch Jakob Cornutus und den Londoner Apotheker Thomas Jonson auch in Europa, zu anderen Heilzwecken, bekannt. Aristolochia Serpentaria scheint nicht allein diese Wurzel zu liefern; sie soll auch von einigen anderen, zunächst verwandten nordamerikanischen Arten (z.B. A. reticulata Nutt., A. officinalis Nees, welche letztere indessen Berg mit A. Serpentaria vereinigt) noch gesammelt werden, welche nicht abweichende Wurzeln zu besitzen scheinen. Dagegen finden sich in der käuflichen Serpentaria auch ganz fremdartige Wurzeln, welche leieht zu erkennen und daraus zu entfernen sind. So z. B. die amerikanische Gin- seng1), von Panax quinquefolius L. — Araliaceae, eine rübenförmige gabeJtheilige Hauptwurzel ohne Fasern, von süsslichem, nicht gewürzhaftem Geschmacke, dann das schon an der schwarzen Farbe kenntliche Rhizom von Asarum virginicum L. Die Wurzel von Spigelia marylandica L. unterscheidet sich durch einen kürzeren Wurzelstock, welcher überdies dunkelbraun ist und einen bogenförmigen Holzkörper einschliesst. Sie körn rat meist mit den Stengeln und daran sitzenden Blättern vor, die sich sehr von den langgestielten Aristolochia -Blättern unterscheiden. Grössere Aehnlichkeit mit der Rad. Serpentariae hat der Wurzelstock von Cynanchum Vincetoxicum Pers. (Rad. Hirundiuariae). Hier ist aber die Mittelrinde weit stärker entwickelt, dagegen Mark und Markstrahlen fast fehlend. Ferner besitzt die Rad. Yincetoxici sehr zahlreiche Krystallrosetten , ein weit stärkeres Rhizom und einen widrigen eigentümlichen Geruch. 1) Sie findet sich auch bisweilen der Rad. Senegae beigemischt. Vergl. bei dieser. Kadix Sassafras. 299 Radix Sassafras. Liguuni et cortex Sassafras. Sassafrasholz und Sassafrasrinde. Fenchel- holz. Bois et ecorce de Sassafras. Sassafras. Sassafras officinalis Nees ab Esenb. — Laurineae. Syn.: Lauras Sassafras L. Schöner Baum der atlantischen Staaten Nordamerikas, vorzüglich in den mittleren (New-Jersey, Pennsylvania, Virginia) und südlichen (Carolina, Florida) Gegenden, wie es scheint, auch noch in Central- Amerika, Venezuela und sogar in Paraguay, in Wäldern und an Flussufern. Der Baum dauert in Mittel -Europa im Freien aus; er besitzt eine sehr grosse, ästige, zum Theil kriechende, knorrige, bis über 0,1 0m dicke Wurzel, die mit reichlicher, schwammiger Borke bedeckt ist. Dieäusserste dünne Schicht der Rinde ist grau, durch zahlreiche Furchen und Höcker sehr uneben. Das' innere rothbraune Gewebe bietet je nach der mehr oder weniger fortgeschrittenen Borkenbildung ein etwas verschie- denes Aussehen. Bald ist die äussere, dunkel roth braune, weiche und abgestorbene Borkenschicht noch reichlich (bis 0,00 5m dick) vorhanden, bald aber bis auf die hellere, noch lebensthätige und dichtere Innenrinde abgeblättert. Beide sind von zahlreichen schmalen Markstrahlen durch- zogen; vereinzelte oder nach innen etwas zahlreichere dunklere Oelgänge und glänzende Bastzellen finden sich unregelmässig eingestreut. Die Rinde bricht glatt; sie kömmt für sich als Cortex Sassafras in kurzen, bis etwa 0,0 10m dicken, gegen 0,04m breiten, mehr oder weniger rinnenförmigen und gekrümmten Stücken in den Handel. Das leichte, lockere, gut spaltbare Holz ist glänzend graulichweiss oder bräunlich bis fahl röthlich. Es zeigt concentrische Jahresringe und zahl- reiche feine , besonders auf dem radialen Schnitte dunkler röthliche Mark- strahlen. Im inneren Theile jedes Jahresringes sind die Gefässe grösser und zahlreicher. Dieses Wurzelholz mit oder ohne Rinde, seltener das gehalt- lose Stammholz , bildet das Lignum Sassafras , welches der Kleinhandel gewöhnlich zerschnitten liefert. Der äussere, schwammige Theil der Rinde enthält weite, schlaffe, poröse Zellen mit dunkelrothem Farbstoff; einzelne wenige sind auch mit gelbem, ätherischem Oele gefüllt. Nach innen geht dieses Parenchym allmälig in das engere, gleichfalls*braunwandige Gewebe der Innenrinde über, in welchem neben grossen und zahlreichen Oelzellen auch vereinzelte oder zu 2 bis 4 zusammengestellte, ziemlich grosse, im Querschnitt rundlich-eckige, Jfast ganz verholzte Baströhren vorkommen. In jüngerer Rinde sind dieselben zu weitläufigen Kreisen geordnet und durch tangentiale Parenchymstreifen getrennt. Auf dem radialen Längsschnitte zeigen die grösseren Parenchym- zellen eine rhombische Gestalt und lassen weite, leere Räume zwischen sich, die hauptsächlich auch zur Lockerheit der Rinde beitragen. Im Rinden- gewebe entwickeln sich hellere concentrische Bänder dünner, tafelförmiger 300 "Wurzelbildungen der Dikotylen. Korkzellen, welche eine eigentliche Borkenbildung durch x\bsterben der an ihrer Peripherie liegenden abgeschnürten Gewebe veranlassen. Es zeigen sich im Querschnitte der Sassafrasrinde 1 bis 3 solcher Korkbänder von wellenförmigem Verlaufe ; jedes derselben aus einer grösseren Zahl (bis über 10) von Korkzellenreihen gebildet. Das gesammte Rindengewebe wird in radialer Richtung von schmalen, 1 bis 3 reihigen Markstrahlen durchschnitten , in deren getüpfelten Zellen hauptsächlich braunrother Farbstoff und Amylum abgelagert ist. Letzteres ist auch reichlich im Innenrindenparenchyin vorhanden; Oxalatprismen hingegen sehr spärlich. Die Rinde trennt sich leicht vom Holzkörper, welcher vorherrschend aus vertikal verlaufendem Prosenchym besteht und vorzüglich an der Grenze der Jahresringe zahlreiche , sehr weite , dicht genäherte Spiral- oder Gitter- gefässe enthält. Innerhalb jeder dieser Gefässzonen ist das Prosenchym enger und in radialer Richtung sowohl als nach den Seiten in genau regel- mässige Reihen (Felder) geordnet. Das lockere Gewebe entspricht dem im Frühjahr gebildeten Holze, das dichtere, anGefässen ärmere, ist das Herbst- holz. Im Längsschnitt zeigen die zugespitzten , ziemlich langen Zellen des Holzprosen chy ms zarte Spiralstreifen. Die Markstrahlen erscheinen auf dem tangentialen Schnitt als lange, spitz zulaufende Spalten, welche über einander 10 bis 30 Zellenreihen von rundlichem Querschnitt enthalten; der radiale Schnitt zeigt sie von mauerförmigem Aussehen. Auch im Holze sind die Markstrahlen hauptsächlich Sitz der Stärkekörner und des Farb- stoffes; doch strotzt auch das Holzpro senchym in der Regel von kugeligen, bis 20 Mikr. messenden Amylumkörnern. Weit seltener als in der Rinde finden sich Oelzellen im Holze. Geruch und Geschmack der Sassafraswurzel sind eigentümlich ange- nehm süsslich aromatisch, an Fenchel erinnernd, aber weit kräftiger in der ölreicheren Rinde als im Holze. Das ätherische Oel scheint in sehr schwankendem Verhältnisse vorzu- kommen. Das Holz liefert nach dem Durchschnitte verschiedener Befunde etwa 1 Y2 pC., die Wurzelrinde das doppelte. Stamm und Blätter des Baumes scheinen daran sehr arm zu sein. Das Oel besitzt den specifischen Sassafras- Geruch, ist sauerstoffhaltig (O18H20-Q4, empirische Formel), wahrscheinlich ein Gemenge verschiedener Oele, und setzt in der Kälte Krystalle eines Camphers G-°H20O4 ab. Baltimore ist der Hauptplatz für Sassafras. Es kommen daselbst jährlich etwa 30,000 Pfund Rinde und 15,000 bis 20,000 Pfund Sassafras -Oel zu Markte. Dasselbe dient in Nord- Amerika selbst grösstenteils zum Aromatisiren kohlensäurehaltiger Wasser und zur Ver- fälschung des Gopaiva-Balsams. Es ist schwerer als Wasser, und ich finde es (selbst dargestelltes Oel) optisch unwirksam. Als Sassafrid hat Rein seh einen durch Alkohol aus der von Oel befreiten Wurzelrinde ausgezogenen krystallisirenden Körper bezeichnet, aber nicht genauer untersucht. Er steht vielleicht in Beziehung zu der Radix Pimpinellae. 301 Gerbsäure, welche die Rinde auch in geringer Menge enthält. Noch weniger gekannt sind die von Hare als Sassarubin und Sassafrin beschriebenen Zersetzungsprodukte des ätherischen Oeles. — Endlich enthält die Rinde auch etwas Harz. Den Eingebornen Floridas war das Sassafrasholz längst bekannt, bevor es 1555 durch die Franzosen von dort in Europa eingeführt wurde. M o n a r d e s in Sevilla gab 1565 die frühesten Berichte darüber. Später erst erkannte man die grössere Wirksamkeit der Rinde. Den Sassafras -Geruch zeigen die Rinden noch anderer Laurineen und Sassafras-Nuss heisst aus demselben Grunde der Same von Nectandra Puchury, die sogenannte Pichurim -Bohne. Radix Pimpinellae. Rad. Pimpinella albae. Biberneilwurzel. Racine de boucage. Burnet root. 1) Pimpinella Saxifraga L. — Umbettiferae. 2) Pimpinella magna Pollich. Ausdauernde, in mehreren Varietäten von Kleinasien an durch ganz Europa mit Einschluss Englands und Finnlands bis nach Mittelasien weit verbreitete Wiesenpflanzen ; die zweite besonders erhebt sich auch, häufig alsVar. rosea, hoch in die Voralpen. Die spindelförmige, ziemlich einfache und gerade oder etwas ästige und ein wenig gedrehte Wurzel wird bis über 0,20m lang, an dem gewöhnlich mehrstengeligen Wurzelkopfe bis über 0,01 5m dick und verjüngt sich ganz allmälig in das lang ausgezogene Ende. Die hell graugelbliche Oberfläche ist mehr oder weniger tief und breit längsrunzelig, oben ziemlich dicht und fein geringelt, gegen die Spitze hin nur querhöckerig. An verletzten Stellen der Rinde sind auch da und dort rothbraune Flecken von ausgetretenem Balsam bemerklich. Die Wurzel der erstgenannten Art pflegt etwas schwächer zu bleiben und ist nur unmerklich dunkler als die der zweiten. Das Mark beider Wurzeln verliert sich schon in geringer Tiefe unter- halb des Wurzelkopfes ; die breit-keilförmigen, oft zweisch enkeligen Gefäss- bündel, durch schmale Markstrahlen auseinander gehalten, reichen alsdann bis ins Centrum. Eine sehr schmale oft etwas gelbliche Cambiumzone trennt den Holzkern von der Rinde, deren Breite (nach dem Aufweichen) bei P. magna den Durchmesser des ersteren erreicht oder übertrifft, während der Holzkern der P. Saxifraga dicker ist als die Rinde. Letztere besteht zum grössten Theile aus schlängelig- strahliger, zu äusserst grosslückiger Innenrinde und nur wenigen Lagen tangential geordneten Mittelrinden- Gewebes, welches von einer hellen, dünnen Korkschicht bedeckt ist, Vor- züglich die Bastsrahlen der Innenrinde, seltener der Holzkern, enthalten grosse rothgelbe Balsamgänge, welche einreihig radial geordnet stehen und in P. magna weit zahlreicher vorkommen. Das übrige Rindengewebe ist weiss; die Markstrahlen, welche in den äusseren Lagen der Innenrinde weit 302 Wurzelbildungen der Dikotylen. breiter werden als die Baststrahlen, erscheinen durch ihre mit Amylurn voll gepfropften Zellen ganz dunkel. Das Holz ist hellgelb. Die bis 70 Mikromill. weiten Treppen- und Netzgefässe sind von kurzem, nicht eigentlich verholztem Prosenchym umgeben; die Markstrahlen ent- halten wenige Reihen radial gestreckter Zellen. Die Baststrahlen sind aus hier und da etwas verdicktem, zierlich spiralig gestreiftem Prosenchym, aber ohne eigentliche Baströhren gebildet; das weite Parenchym der Mittel- rinde ist in den peripherischen Lagen kleinzellig und dickwandig. Der Kork zeigt die gewöhnlichen, ziemlich weiten, fast kubischen Tafelzellen. Die Balsamgänge besitzen den bei Radix Levistici beschriebenen Bau und Inhalt; sie pflegen bis höchstens 70 — 80 Mikromill. weit zu sein. Die grössten finden sich unmittelbar unter der Korkschicht zu einem weit- läufigen Kreise zusammengestellt. Die auch in der Rinde sehr reichlich vorhandenen kugeligen, oft etwas eckigen Stärkmehlkörner erreichen etwa 12Mikrom. im Maximum. Sie sind am zahlreichsten in den Markstrahlen, weniger im Basttheile der Rinde enthalten, daneben zeigen sich auch da und dort Oeltropfen, wenigstens in der P. magna. In Norddeutschland, z. B. in der Gegend von Berlin und Frankfurt an der Oder, findet sich häufig die Pimpinella nigra Willdenow's, eine Varie- tät der P. Saxifraga, deren schwarze oder schwarzbraune Wurzel in ihren Balsamgängen besonders im Frühjahr einen schön blauen Balsam in grosser Menge enthält, im Uebrigen aber mit derjenigen von P. Saxifraga überein- stimmt. Dieser merkwürdige blaue Balsam verliert sich in der aus- gegrabenen Wurzel nach wenigen Tagen allmälig und nach dem Trocknen vollständig. Er verdankt seine Farbe einem blauen ätherischen Oele, das aber selbst bei sorgfältigster Aufbewahrung rasch grün und miss- farbig wird. Die Pimpinellwurzeln sind von eigenthümlichem, bocksartigem Gerüche und sehr starkem, beissend scharfem Geschmacke. Das ätherische Oel fand Bley nach Petersilie riechend, bei P. nigra 0,38 pC. betragend. Daneben 10 pC. Harz und gegen 4 pC. zum Theil krystallisirbaren Zucker; auch Benzoesäure, jedoch weniger als in P. Saxifraga. Pimpinella magna dürfte der verhältnissmässig stärkeren Rinde und der zahlreicheren Balsam- gänge wegen kräftiger sein als P. Saxifraga, deren Balsamgänge auch etwas enger sind. Die Biberneilwurzel, und zwar ursprünglich die der P. magna, wurde durch die Botaniker des XVI. Jahrhunderts, vorzüglich durch Matthioli, Dodonaeus und Tabernaemontanus in den Arzneischatz eingeführt.1) — Denselben Namen trugen früher übrigens auch die nicht aromatisch, 1) Schon im Xllltcn Jahrhundert finden wir in einem deutschen (bei Semen Hyoscyami erwähnten) Arzneibuche pibinella, noch früher auch boberella. boborellen. Im holländischen heutzutage bevernel. Radix Levistici. 303 sondern adstringirend und bitterlich schmeckenden Wurzeln von Pote- rium Sanguisorba und Sanguisorba officinalis („Rad. Pimpinellae italicae") Nach Berg gelangt bisweilen statt der Bibernellwurzeln die ihnen nicht unähnliche Wurzel von Heraeleum Sphondylium in den Handel. Gewöhn- lich besteht letztere mehr aus Wurzelästen und Wurzelstöcken als aus der früh absterbenden Hauptwurzel. Sie ist weit heller, von scharfem beissendem, aber zugleich bitterlichem Geschmacke, der von dem der Bibernellwurzeln sehr abweicht. Immer ist die lockere Rinde viel breiter als der Durchmesser des Holzkernes, namentlich in den Aesten um das mehrfache. Die Rinde ist undeutlich strahlig und von wenigen zahlreichen Balsamgängen durch- setzt, welche von weiten, nicht tafelförmigen Zellen umgrenzt sind. Die Rinde lässt sich leicht vom Holzkerne trennen und letzterer ist vollständig als fester Cylinder herauszuschälen, was bei Pimpinella nicht der Fall ist. Das Holzprosenchym des Heraeleum besteht nämlich grösstentheils aus eigentlichen dickwandigen, porösen Holzzellen, welche beim Brechen Wider- stand leisten, während die Biberneilwurzel ganz glatt abbricht. Radix Levistici. Radix Ligustici. Liebstöckelwurzel.1) Racine de Liveche. Lovage. Levisticum officinale Koch. — Umbelliferae. Syn.: Levisticum vulgare Kchbck. Ligusticum Levisticum L. Angelica Levisticum Allione. Diese ausgezeichnete Umbellifere ist in den Gebirgen Süd-Europas ein- heimisch, z. B. auf den Pyrenäen, in Südfrankreich, auf den Apenninen, (daher der frühere Name Ligusticum, — von den ligurischen Apenninen) in Savoien, Siebenbürgen, nach einer Angabe auch im Lüttich'schen. Als beliebte Arzneipflanze wird sie sehr häufig in Bauerngärten gezogen, besonders in Gebirgsgegenden, in der Schweiz (Graubünden, Wallis u. s. f.) bis zu 5000 — 6000 Fuss Meereshöhe, auch weit nach Norden. Die bis ungefähr 0,40m erreichende hell braungraue Wurzel theilt sich entweder schon ganz oben , oder erst in einiger Entfernung von dem mit häutigen Blattresten umgebenen Wurzelkopfe in nicht sehr zahlreiche Aeste. Fast nur das ungetheilte Stück, welches (trocken) oft über 0,02m Dicke hat, ist ziemlich dicht und fein geringelt und die ganze Wurzel überall längsrunzelig. Sie ist weich, kurz und glatt brechend und schneidet sich wachsartig; sie gelangt meist gespalten und aufgefädelt in den Handel. Der Querschnitt zeigt strahligen Bau, eine starke weissliche Mittelrinde, !) Lubestechenwurz , Lubestechil , Lustecheu , auch „rinde ab dem lubstechen" im XIII. Jahrhundert, in den Arzneibüchern des deutschen Mittelalters, Lubestuckel bei Hildegard um 1150, lauter Verstümmelungen von Aiyutf-nxbv. 304 Wurzelbildungen der Dikotylen. dunkelbraune Innenrinde und Cainbiurnzone und einen hellgelben Holz körper; sehr häufig aber ist das Innere etwas missfarbig. Die Rinde quillt beim Aufweichen sehr stark auf, so dass alsdann ihre Breite , auch in der Hauptwurzel, den Durchmesser des Holzkörpers übertrifft. Die feinen Mark- strahlen des letzteren setzen bis in die Mittelrinde fort, während die Innen- rinde auch noch kürzere sekundäre Markstrahlen zeigt. Die Baststrahlen verlaufen nach aussen etwas schlängelig und zeigen beim Uebergange in die Mittelrinde grosse Lücken. Das ganze eigentliche Rindengewebe, nicht die Markstrahlen, enthält zahlreiche braungelbe Balsam- gänge, deren Durchmesser den der Gefässe übertrifft; sie sind in unregel- mässige Kreise geordnet und am häufigsten in kurzem Abstände vom Cam- bium. Nur die Hauptwurzel enthält ein lockeres, nicht scharf abgegrenztes Mark von geringem Geschmacke. Die wenig entwickelte Korklage ist aus tafelförmigen Zellen mit zarten? geschlängelten Wänden gebildet. Damit kontrastirt sehr die unmittelbar folgende äusserste Schicht der Mittelrinde, welche besonders in den Wurzel- ästen aus sehr dickwandigen, hier wenig, in der Hauptwurzel aber stark in tangentialer Richtung gestreckten Zellen besteht. Die Innenrinde ist in den Wurzelästen so breit, in der Hauptwurzel breiter als die Mittelrinde und aus (im Querschnitte) mehr eckigen als kugeligen, etwas dickwandigen, ziemlich regelmässig radial geordneten Zellen gebildet, welche gegen die Cainbiurnzone zu an Grösse sehr abnehmen und im Längsschnitte axial gestreckt sind, ohne aber in eigentliche Baströhren überzugehen. Die Balsamgänge erscheinen im Querschnitte als rundlich -elliptische Höhlungen von höchstens 100 Mikromill. Durchmesser, welche von wenigen Reihen platter Zellen mit zarten gelben Wandungen umgeben sind. Sie erreichen eine Länge von 0,002 bis 0,003m, bleiben aber ganz einfach, ohne Aeste und Querwände. Der Bau dieser Balsamgänge kömmt also mit dem der entsprechenden Bildungen in den Compositen -Wurzeln (z. B. Rad. Pyrethri, Rhiz. Arnicae u. s. f.) überein, ebenso der klare, dickflüssige Inhalt, welcher oft grösstentheils ausgetreten ist und das benachbarte Gewebe mit braunen oder rothgelben erhärteten Flocken erfüllt. Frisch ist der Balsam farblos. Die Markstrahlen , welche die Innenrinde durchsetzen , enthalten nur 2 — 4 Reihen schmaler, radial gestreckter und dadurch vom Rindengewebe scharf unterschiedener Zellen. In vertikaler Richtung sind die Markstrahlen meist über 30 Reihen mächtig. Die Netzgefässe oder Spiralgefässe, selten über 40 Mikromill. dick, stehen in radialen Reihen einzeln oder zu mehreren genähert; sie sind von nur wenig gestrecktem, spitzendigem und nicht verholztem, aber gleich dem Iuuenrinde-Prosenchym äusserst fein spiralig gestreiftem Gewebe umgeben, welches keine Balsamgäuge umschliesst, wohl aber Stärkeköruer enthält. Letztere sind reichlicher in der Rinde, weniger in den Markstrahlen ent- halten, von kugeliger oder halbkugeliger Gestalt und bis 10 Mikromill. Durchm. Radix Angelicae. #05 Kalkoxalat-Krystalle fehlen dieser Wurzel, wie auch den übrigen officinellen Wurzeln der Umbellifereu. Der Geruch der Levisticum -Wurzel ist stark und sehr eigenthümlich, der Geschmack scharf aromatisch-bitterlich, zugleich etwas süsslich. Aetherisches Oel und Harz in geringer Menge bedingen den Geruch und Geschmack; ausserdem enthält die Wurzel die gewöhnlichen Bestandteile der Umbelliferen -Wurzeln , Gummi, Zucker, Pektin, Aepfelsäure (letztere zur Blüthezeit sehr reichlich, Dessaignes), wohl auch Angelicasäure. Die Blätter riechen kräftiger als die Wurzel, welche ungeachtet ihres starken Geruches kaum 1 p. Mille ätherisches Oel gibt. Das Harz liefert bei der trockenen Destillation auch Umbelliferon (vergl. bei Rad. Sumbul). Der Liebstöckel wurde im Mittelalter irriger Weise für das Ligusticum der Alten (vermuthlich Trochiscanthes nodifloriis Koch) angesehen und in den Arzneischatz eingeführt. Schon Karl der Grosse hatte den Anbau von „Levisticum" in den kaiserlichen Gärten befohlen. Diese Wurzel ist sehr dem Insektenfrasse ausgesetzt und zieht leicht Feuchtigkeit an , wes- halb sie wohl verschlossen aufzubewahren ist. Ihr Bau, weniger ihr Aus- sehen, gleicht der Bad. Angelicae. Radix Angelicae. Rad. Angelicae sativae. Engelwurzel. Racine d'Angelique. Angelica root. Ueber die Stammpflanze dieser sehr ausgezeichneten Wurzel herrschen noch Zweifel. Man nimmt gewöhnlich Archangelica officinalis Hoffmann (Syn. : Angelica sativa der Botaniker des XVI. Jahrhunderts, Angelica officinalis Mönch, Angelica Archangelica Linn.) an, eine der grössten Umbelli- feren, welche hauptsächlich dem hohen Norden angehört, wo sie bis zur Disko-Bai in West-Grönland, in 70° nördl. Breite, auf Island, in ganz Skan- dinavien bis zum Nordkap , durch Sibirien bis Kamtschatka , vom Meeres- ufer bis über die Birkengrenze in den Gebirgen sehr häufig ist. Nach Süden scheint sie durch Norddeutschland nur bis zu den deutschen Mittelgebirgen (Sudeten, Böhmerwald, Karpathen) stellenweise vorzukommen. Süddeutsch- land, Frankreich und der Schweiz fehlt sie schon ganz, wird indessen noch für Steiermark und Kärnthen angegeben. (?) Nach Berlin (1848) ist die zweijährige, in der Kultur, wie es scheint, perennirende Wurzel dieser Pflanze eine schwammige, lange, mit nur 3 bis 6 dicken Aesten besetzte Pfahlwurzel , welche weniger aromatisch ist als die officinelle Engelwurzel. Schübeier1) dagegen findet sie aromatischer als die z. B. von Hamburg in Norwegen eingeführte Wurzel der Apotheken und hält dafür, dass diese kaum von Archangelica officinalis abstammen könne. In der That hat auch Fries die Stammpflanze unserer officinellen !) Culturpflanzen Norwegens S. 95. Flückiger, Pharmakognosie. 20 306 Wurzelbildungen der Dikotylen. Wurzel als Archangelica sativa (Syu. : Angelica Archangelica Var. sativa Linn., A. sativa Miller) getrennt. Bei den durch Kultur veränderten Wurzeln der Doldenpflanzen, z. B. bei Daucus Carota und Pastinaca sativa unterscheidet sich die Kulturform durch einfachere, vollere Gestalt und Mangel an Aesten. Bei Angelica würde das Gegentheil stattfinden, wenn die gewöhnliche Annahme richtig wäre, dass Archangelica sativa höchstens eineYarietät der in der arktischen Region wildwachsenden Archangelica sei. Die Handelswaare stammt von Pflanzen, welche in Thüringen und im Erzgebirge gezogen werden und ist, im Gegensatze zu der skandinavischen Wurzel, ausgezeichnet durch die sehr zahlreichen und starken Aeste, welche überall aus der mit Blattresten besetzten Stengelbasis (Wurzelstock) ent- springen, so dass die eigentliche Hauptwurzel nur kurz bleibt, oder kaum zu unterscheiden ist. Der Wurzelkopf ist bis 0,050m, die Aeste am Ursprünge über 0,0 10m dick und bis 0,30m lang, das ganze von braungrauer, oft etwas röthlicher Farbe, zu oberst fein geringelt und im Uebrigen breit längs- furchig. Die Wurzeläste sind abwärts gebogen , zu einem wirren Zopfe vereinigt, tragen zahlreiche vereinzelte Querhöcker chen und lösen sich oft noch in zahlreiche kleinere, zum Theil haarfeine Zasern auf. Da und dort finden sich auch rothbraune Körner ausgetretenen Balsams auf der Oberfläche. Der Querschnitt (der Wurzeläste) erinnert an die übrigen officinellen Umbelliferen -Wurzeln, zunächst etwa an Pimpinella Saxifraga. Doch ist Rad. Angelicae noch regelmässiger strahlig gebaut, besitzt auffallend weitere, in den Baststrahlen zu einfachen radialen Reihen geordnete Balsamgänge, ihr gelblicher Holzkern ist gleich dick oder viel dicker als die Breite der aufgeweichten Rinde und die Markstrahlen pflegen im Holze so breit oder breiter zu sein als die oft zweischenkligen Gefässbündel. Bei der noch ähnlicheren Rad. Levistici sind die Markstrahlen nur sehr schmal, der Durchmesser des Holzkernes höchstens von der Breite der Rinde, die Balsam- gänge vielleicht zahlreicher als bei Angelica , aber mehr zerstreut , nicht in regelmässigen radialen Reihen und weniger weit. Die Hauptwurzel und ihr Kopf unterscheiden sich durch noch stärkere Entwicklung des Holzkernes, welcher hier auch noch ein lockeres Mark einschliesst. Die einzelnen Gewebe der Angelica sind, von der angegebenen Verschie- denheit in ihrer Anordnung und relativen Ausdehnung abgesehen, gleich be- schaffen wie bei Rad. Levistici oder Rad. Pimpinellae. Die Stärkmehlkörner der Angelica pflegen nur 3 bis 5 Mikromill. zu messen, dieGefässe, im Durch- schnitt 60 — 70Mikrom. weit, werden von den bis 200Mikrom. erreichenden Balsamgängen übertroffen. Die grössten derselben stehen sehr vereinzelt an der äussersten Grenze der lückigen Innenrinde und zeigen den gewöhn- lichen Bau, bisweilen im Innern eine Querfalte. Der Balsam ist im frischen Zustande licht goldgelb. Die Engelwurzel ist von schwammiger Consistenz, schneidet sich wachs- Radix Sumbul. 307 artig und bricht, wegen der Abwesenheit eines eigentlichen derben Holz- körpers, glatt ab. Sie ist weniger hygroskopisch als Rad. LevisticiT aber noch weit mehr dem Angriffe der Insekten ausgesetzt und in der That schwer, vor dem kleinen Bohrkäfer Anobium paniceum Fabric. (Ptinideae) zu schützen. Geruch und Geschmack der Wurzel stimmen nahezu mit dem Aroma der Rad. Levistici überein, doch riecht und schmeckt die Engelwurzel noch kräftiger durchdringend und weit angenehmer. Das ätherische Oel beträgt nur % bis % pC. , das Harz etwa 6 pC. Aus dem Gemenge beider, dem Angelicabalsam, erhielt Buch n er durch Kali das harzartige, krystallisirbare Angelicin, welches den Geschmack der Wurzel besitzt, aber nicht näher untersucht ist. Wird die alkalische Masse mit Schwefelsäure destillirt, so geht (etwa ^3 pC») Angelicasäure G5 H8 -G-2 über. Sie krystallisirt, ist mit Oel- und Acrylsäure homolog und kann auch aus Radix Sumbul (siehe diese), aus dem ätherischen Oele der Anthemis nobilis (siehe Flores Chamomillae romanae) , so wie durch Spaltung des Peucedanins (siehe Rhizoma Imperatoriae) und des Laser- pitins erhalten werden. Das Harz liefert in ähnlicher Weise Umbelliferon wie das der Rad. Sumbul. Bei der Darstellung der Angelicasäure gewinnt man auch Baldriansäure. Ferner enthält die Wurzel Zucker, Fett, Wachs, Gerbstoff und wie es scheint, noch einen besonderen Bitterstoff. Im Norden ist die Wurzel der dortigen Archangelica officinalis seit den ältesten Zeiten eines der beliebtesten Gewürze und Hausmittel. In Grön- land, Island und Skandinavien werden auch die Stengel und Blattstiele, von den Lappen sogar die Dolden begierig verzehrt; es wird hauptsächlich der süsse Geschmack der Pflanze hervorgehoben, welcher unsere Wurzel wenigstens nicht auszeichnet. Die norwegische und isländische Gesetz- gebung beschäftigte sich schon im XL Jahrhundert mit „Angelica- Gärten;" im Mittelalter gelangte solche nordische Wurzel nach Deutschland, wo die Mönche sich schon frühe gleichfalls mit dieser Kultur befassten. Die Wurzel der in ganz Europa sehr gemeinen Angelica sylvestris ist hellgelb , nur sehr wenig ästig , aber mit einem starken , festen Holzkörper versehen. Die Innenrinde allein enthält wenige engere Balsamgänge, deren Inhalt aber bei weitem nicht so angenehm und kräftig gewürzhaft riecht wie die Engelwurzel. Schon im September ist die Wurzel der A. sylvestris sehr zusammengefallen und frei von Stärke. Radix Sumbul. Rad. Sunbul s. Sanbul. Moschuswurzel. Racine de musc ou de Sumbul. Diese Wurzel wurde etwa seit 1835 aus der Bucharei über Nischni- Nowgorod zunächst zu Parfümerie- Zwecken als Ersatz des Moschus, dann als Mittel gegen die Cholera in Russland eingeführt, ohne dass aber bis jetzt 20* 308 Wurzelbildungen der Dikotylen. ihre Heimat und Abstammimg ermittelt wäre. In Deutschland gab zuerst Dierbach1) Bericht über dieselbe. Es ist eine einfache oder nur in einige wenige Aeste ausgehende , bis gegen 0,1 00m dicke, und wie es scheint, etwa eben so lange rübenförmige Pfahlwurzel, welche besonders oben dicht geringelt und mit zahlreichen haardünnen, hellgelblich grauen Zasern besetzt ist. Selten scheint sie mehr- köpfig zu sein. Die grauliche Oberfläche ist runzelig und höckerig, an grösseren Stücken aber etwas bräunlich mit grünlichem Schimmer, glatt und glänzend. Der Kork lässt sich hier in grossen papierartigen Lappen abreissen. Manche Stücke tragen noch die vertiefte , wenig oder gar nicht beschopfte Stengelnarbe. Eine dichtere, röthlichere Sumbulwurzel von schwächerem Gerüche, welche aus Bombay nach England kam, dürfte verschiedenen Ursprunges sein. Der Querschnitt zeigt eine ungefähr 0,005m breite, von etwas gebogenen Strahlen durchsetzte, schmutzig weisse Rinde, eine sehr unregelmässig ver- laufende schmale, dunklere Cambiumzone und innerhalb derselben ein höchst charakteristisches, unregelmässiges Gewirre von schmalen gelblichen, geraden oder manigfach gekrümmten Holzlamellen. Das mehlige, schnee- weisse oder manchmal etwas missfarbige Füllgewebe (den Markstrahlen entsprechend), in welches das Holz eingebettet ist, zeigt nicht strahlige Anordnung, und im Centrum ist ein bestimmt abgegrenztes reines Mark auch nicht zu unterscheiden. Gefässe sind fast nur in der äussersten peri- pherischen Region der Holzlamellen vorhanden , da wo dieselben tief aus- gezackt, fast kammförmig in die Innenrinde eingreifen. Einzelne der gelb- lichen Lamellen des Innern convergiren zu geschlängelten, strahligen Wirbeln. Der ganze sonderbare Bau erinnert an den der Rhabarber und tritt aufs zierlichste zu Tage , wenn man einen dünnen Schnitt mit Jodwasser tränkt, wodurch sich die dem Marke und den Markstrahlen entsprechenden Theile blau färben. Es zeigt sich hierbei, dass in der Rinde die Markstrahlen fast ganz geschwunden sind und häufig an ihrer Stelle nur grosse Lücken die Baststrahlen auseinander halten und der Rinde eine schwammige Textur verleihen. Auch im Innern kommen häufig grosse Lücken vor. Die Handelswaare besteht theils aus grösseren und kleineren kegel- oder rübenförmigen Pfahlwurzeln, theils aus Querscheiben oder der Länge nach gespaltenen grösseren Stücken. Die Schnittflächen sind oft durch reichlich ausgetretenes Harz hell graulich gefärbt und glänzend. Das markige Innere der Wurzel ist aus sehr grossen (bis 100 Mikromill. messenden), im Wasser stark aufquellenden kugeligen Zellen gebildet, welche ganz unregelmässig nach allen Richtungen von dünnen Lamellen gelblichen Holzprosenchyms durchsetzt werden. Die Zellen der letzteren siud dicht gedrängt, aber nicht porös und ziemlich dünnwandig; Gefässe kommen selten vor, etwas häufiger Balsamgänge. Eigentliche, aber immerhin nicht *) in Geigers pharm. Botanik 1840. Radix Sumbul. 309 ansehnliche Gefässbündel finden sich nur an der Peripherie; sie enthalten eine etwas grössere Zahl, ungefähr bis 70 Mikromill. weiter, häufig stark gebogener Tüpfelgefässe und greifen strahlenförmig in die Innenrinde ein. In derselben entsprechen grosse Baststrahlen den Gefäss bündeln und nehmen den grössten Theil der Rinde ein. Zwischen den Gefässbündeln durchbrechen nur schmale Markstrahlen das Cambium, verbreitern sich aber etwas in der Innenrinde und verlieren sich gegen die nur sehr schmale, kleinzellige Mittelrinde. In der Innenrinde sind die Markstrahlen aus etwa 2 Reihen radial gestreckter, grosser, eiförmig-eckiger Zellen gebaut, der dunklere Bast aus kurzen, spitzendigen, etwa 25 Mikrom. dicken, ästigen und dicht verfilzten, biegsamen Baströhren. Ihr Verlauf erinnert an den des Bastprosenchyms der Rhabarber, indem einzelne starke Baststränge sich theilen und um ganze Parenchyrnpartieen herumbiegen. Immerhin ist bei Radix Sumbul diese Anordnung der Baststränge nicht regelmässig genug, um der Wurzel ein ähnliches gefeldertes Aussehen zu geben, wie es die Rhabarber aufweist. Die Baststrahlen schliessen nicht sehr zahlreiche vereinzelte Balsam- oder Harzgänge von etwa 70 bis 140 Mikrom. Durch- messer ein, welche den gewöhnlichen Bau (vergl. z. B. Rad. Levistici) besitzen und häufiger durchsichtige , eckige , gelbliche Harzklümpchen ein- schliessen als Balsamtropfen. Die Aussenrinde ist aus etwa 50 Lagen brauner Kork-Tafelzellen gebil- det. Kleine Kreise derselben (Rindenkapseln) finden sich mitunter in der Mittelrinde. Das Parenchym der Sumbulwurzel enthält sehr zahlreiche bis 40 Mikromill. messende, eiförmige oder kugelige Amylumkörner, welche also weit grösser sind als die der (officinellen) Umbelliferenwurzeln. Der Geruch der Sumbulwurzel erinnert sehr an Moschus und zugleich an Radix Angelicae. Sie schmeckt aromatisch und bitterlich. — Als Speci- ficum gegen Cholera hat sie sich nicht bewährt. Sie liefert gegen 9 pC. eines weichen in Aether löslichen Balsams, der nur sehr wenig ätherisches, nach Angelica riechendes Oel gibt. Den Moschus- geruch nimmt der Balsam erst durch Berührung mit Wasser recht an. Er löst sich mit prächtig blauer Farbe in concentrirter Schwefelsäure und erhält auch bei der trockenen Destillation dieselbe Farbe, indem ein blaues Oel übergeht. Kalilauge verwandelt den Balsam in eine kristallinische Masse, welche grösstentheils aus dem Kalisalze der von Reinsch(1844) krystallisirt erhaltenen, aber nicht näher untersuchten Sumbulamsäure besteht. Sie riecht sehr stark nach Moschus und scheint verschieden zu sein von einer zweiten Säure, Sumbul- oder Sumbulolsäure, deren Kalisalz sich der erwähnten krystallinischen Salzmasse durch Wasser ent- ziehen lässt. Nach Ricker u. Reinsch (1848) ist diese Säure, wovon die Wurzel ihnen gegen 3A pC. lieferte, nichts anderes als Angelicasäure, auch hier wie in Rad. Angelicae begleitet von etwas Baldriansäure. Sehr der Bestätigung bedürftig ist das (1853) von Murawjeff 310 Wurzelbildungen der Dikotylen. dargestellte Sumbulin, welches sich mit Säuren zu krystallisirten Salzen verbinden soll. Sommer zeigte (1859), dass bei der trockenen Destillation des Sumbulharzes so gut wie bei gleicher Behandlung der Harze aus Gal- banum, Sagapenum, Asa foetida, oder aus Cortex Mezerei, so wie aus Rad. Angelicae, Meu, Levistici und Rhizoma Imperatoriae das merkwürdige Umbelliferon 06H402 auftritt. Obwohl farblose Krystalle bildend, gibt es doch blau irisirende Lösungen und ist zum Theil Ursache der schon von Re in s c h wahrgenommenen blauen Färbung der Destillationsprodukte seines Sumbulbalsams. Das Umbelliferon ist procentisch gleich zusammengesetzt wie das Chinon. Rein seh hatte unter der Sumbulwurzel Blüthen und Früchte einer unbekannten Dolde gefunden , welche er für die Stammpflanze der Wurzel hält und Sumbulus moschatus nennt. Das Vorkommen der Angelicasäure n der Wurzel und ihr übriges chemisches Verhalten sprechen gleichfalls für die Ableitung der Droge aus dieser Pflanzenfamilie. Auch ihr anatomischer Bau bietet im allgemeinen die freilich nicht sehr eigenthümlichen Verhält- nisse der Umbelliferenwurzeln dar. Sumbul scheint bei den Arabern und Persern überhaupt eine wohl- riechende Droge zu bezeichnen. Sie nennen z. B. auch Valeriana celtica so oder Simbil. Rhizoma Imperatoriae. Rad. Imperatoriae s. Ostruthii. Rad. Imperatoriae albae. Caudex Impe- ratoriae. Meisterwurzel. Weisse Abstränze. Racine d'Imperatoire. Master wort. Imperatoria Ostruthiuin L. — TJmbelliferae. Syn.: Peucedanum Ostruthium Koch. Ausdauernde Doldenpflanze der mitteleuropäischen Gebirge (Auvergne, Alpen, Erzgebirge), auch noch in Pommern und Island vorkommend, stellen- weise wie z. B. im Jura fehlend.1) Bisweilen wird sie auch eultivirt, wobei aber die Wurzelbildung abweicht. Das Wurzelsystem der Imperatoria ist ziemlich eigenthümlich, wenigstens von dem der übrigen (officinellen) Umbelliferen sehr abweichend. Der Hauptsache nach besteht es aus einem bis etwa 0,1 0m langen, meist stark plattgedrückten, 0,01 5m breiten Wurzelstocke von graubrauner Farbe. Der- selbe ist gewöhnlich unregelmässig gekrümmt, durch Blattnarben geringelt, kurz längsfurchig und mit zahlreichen starken Höckern und erhabenen Wurzelnarben oder Querwülsten besetzt, so dass die Oberfläche ein sehr eigenthümliches Aussehen darbietet, das entfernt an den Wurzelstock des Rumex alpinus (vergl. Rhizoma Rhei Monachorum) erinnert. l) das von Sibthorp angegebene Vorkommen auf Cypern ist nach Unger vermuthlich unrichtig. Rhizoma Imperatoriae. 311 Gewöhnlich ist der Wurzelstock der Imperatoria ästig oder doch mehr- köpfig; er treibt neben kleineren Wurzeln mehrere ihn an Länge oft über- treffende bis 0,005m dicke, cylindrische , holzige Ausläufer, welche gerade oder bogenförmig zur Erdoberfläche dringen, dort neue Stengel entwickeln und sich, nachdem dieselben abgestorben, an der Spitze zu selbständigen Wurzelstöcken verdicken. Die Ausläufer sind entfernt knotig gegliedert, etwas bewurzelt, gegen die Spitze geringelt, sehr tief längsrunzelig, aber nur wenig höckerig. Manchmal sind 2 — 3 verkürzte , etwas aufgetriebene Wurzelstöcke durch nur sehr wenig entwickelte astförmige Ausläufer verbunden und erhalten dadurch ein unregelmässig knollenartiges, fast den Aconitum -Knollen (vergl. Tuber Aconiti) vergleichbares Aussehen. Die Wurzelköpfe oder Knollen tragen entweder eine vertiefte Stengelnarbe oder sind vom Stengel- stumpfe oder von wenig zahlreichen häutigen, rothbraunen Blattresten gekrönt, nicht beschopft. Niemals trifft man in der Handelswaare das ganze Wurzelsytem unversehrt an. Der Querschnitt durch den Wurzelstock bietet einen ganz geschlossenen, sehr schwach gelblichen, nur ungefähr 0,001m breiten Holzring dar, dessen einzelne breit keilförmige Gefässbündel durch etwas schmalere Markstrahlen auseinander gehalten sind. Die Rinde, wenig breiter als der Holzring, enthält in der inneren Hälfte dunklere, keil- oder bogenförmige, glänzende Bastpartien, unterbrochen von lockerem, oft lückigem Parenchym der Markstrahlen. Die Mittelrinde ist von wenigen Lagen bräunlicher Korkzellen bedeckt. Die Gefässbündel enthalten nach innen zu starke Holzstränge, wovon oft zwei benachbarte zusammenfliessen, so dass zweischenklige Gefäss-- bündel mit einfachen abwechseln. Den Kern des Wurzelstockes wie auch der Ausläufer nimmt ein bedeutendes lockeres Mark ein, welches sehr weite, oft im Durchmesser gegen 0,00 lm erreichende Balsamgänge besonders in seinen äusseren Theilen einschliesst. Auch im Basttheile der Rinde, so wie in der Mittelrinde finden sich dergleichen doch gewöhnlich etwas engere Balsamgänge , welche denselben Bau besitzen , wie in andern Umbelliferen- oder Compositen -Wurzeln. Einen sehr abweichenden Querschnitt bieten die nicht zu neuen Wurzel- stöcken auslaufenden (Neben-) Wurzeln. Es fehlt ihnen das Mark, so dass sich die schmalen Gefässbündel bis in das Centrum verlängern, von welchem sehr regelmässige Markstrahlen ausgehen und sich in der Rinde zwischen den Bastkeilen ausbreiten. Der Holzkern, worin auch Jahresschichten angedeutet sind, ist hier ganz frei von Balsamgängen, welche nur in den Bastkeilen vereinzelt zu 4 bis 6 in radialer Reihe auftreten. Der Mangel an Balsamgängen in dem strahligen Kerne lässt also die letztere Neben- wurzeln von den Ausläufern, Knollen und Wurzelstöcken wohl unter- scheiden. Immer bleiben die Gefässe an Durchmesser (höchstens 70 Mikromill.) 312 Wurzelbildungen der Dikotylen. weit hinter den Balsamgängen zurück, welche einen dicken, gelben Balsam führen, der oft auch die Gefässe durchtränkt. Die einzelnen Gewebe zeigen, im Vergleiche mit den übrigen Umbelli- feren, in ihrem Bau keine sehr erhebliche Besonderheit. Die Zellen der Markstrahlen sind auffallend kubisch, Baströhren fehlen, die Gefässe sind gegen innen von porösem, stark verdicktem Holzprosenchym begleitet; das grosszellige , fein poröse Markparenchym so wie die Markstrahlen und die Mittelrinde strotzen von kleinen (höchstens 7 Mikromill.) kugeligen oder eiförmigen Amylumkörnern , neben welchen auch Oeltröpfchen und bräunliche Körnchen (Farbstoff? Gerbsäure?) sichtbar sind. Der derbe Holzring verleiht der Meisterwurzel bedeutende Festigkeit und kurzen Bruch; nur die marklosen, im Centrum ganz vom Holzkerne eingenommenen Nebenwurzeln brechen eigentlich langfaserig holzig. Die Wurzel besitzt einen starken aromatischen, eigenthümlichen , nicht unangenehmen Geruch und entsprechend beissend scharfen Geschmack. Sie ist, wie die meisten Umbelliferen -Wurzeln, arm an ätherischem Oele, wovon sie etwa % pC. gibt. Dasselbe ist ein Gemenge eines mit Terpen- thinöl isomeren Kohlenwasserstoffes mit sauerstoffhaltigen Oelen. Weit grösser ist der Harzgehalt der Wurzel. Osann erhielt (1831) daraus das Imperatorin, einen nicht sublimirbaren , in Prismen krystallisirenden, in weingeistiger Lösung brennend aromatisch schmeckenden Körper. Wagner zeigte (1854), dass dasselbe identisch ist mit dem Peuce- danin 012H1203, aus der Wurzel von Peucedanum officinale L. Das Peucedanin oder Imperatorin spaltet sich durch Kali in weingeistiger Lösung in Angelica säure O5H8-0-2 und krystallisirbares , nicht flüch- tiges Oreoselonhydrat £7 H4 Q 4- aq. Alte Wurzel gibt mehr Peuce- danin als frische junge. Das Mikroskop lässt im Gewebe selbst keine Krystalle desselben wahrnehmen , wie überhaupt Krystallbildungen in den Umbelliferen - Wurzeln zu den Ausnahmen zu gehören scheinen. Nur das früher auch als schwarze Meiste rwurzel officinelle Rhizom von Astrantia major (Rad. Imiperatoriae nigrae) enthält Drusen von Kalk- oxalat. — Durch trockene Destillation der Meisterwurzel oder ihres Harzes erhält man Umbelliferon (vergl. bei Radix Sumbul). Aus einem stickstoffhaltigen Körper, den Wagner aus Rhiz. Impera- toriae darstellte, erhielt er bei der Behandlung mit Kali eine flüchtige Base, welche er für Coniin erklärte, was indessen noch der Bestätigung bedarf. Die Meisterwurzel wurde im Mittelalter in den Arzneischatz eingeführt, Mac er floridus schilderte im IX. Jahrhundert ihre Heilkräfte, Fuchs und Tragus beschrieben sie oder bildeten die Pflanze in der ersten Hälfte des XYI. Jahrhunderts ab; ersterer als Laserpitium germanicum. Sie dient jetzt fast nur noch in der Veterinärpraxis. Stipes Dulcamarae. 313 fff Oberirdische Pflanzentheile. I. Stengel. Stipes Dulcamarae. Stipites Dulcamarae. Bittersüss. Douce-amere. Morelle grimpante. Bitter- sweet. Solanum Dulcamara L. — Solaneae. Durch ganz Europa von Spanien und Portugal bis zum Polarkreise, auch in Syrien und Kurdistan, so wie jetzt bereits in Nordamerika ver- breitete ausdauernde strauchartige Pflanze, vorzüglich feuchte schattige Standorte liebend. Ihre am Grunde holzigen, oberhalb mehr schlaffen Stämme sind entweder niederliegend oder erheben sich mannshoch klim- mend und rechtsläufig windend. Nur die ein- und zweijährigen Triebe werden vor der Entwickelung oder im Spätjahre nach dem Abfallen der Blätter gesammelt. Sie sind mehrere Fuss lang, bis ungefähr 0,005m dick, hell grünlichbraun, bald cylindrisch, bald undeutlich fünf- (oder vier-) kantig, schwach längsfurchig oder auch etwas höckerig. Der Stengel bildet eine (aus successive von einander abstammenden Zweigen bestehende) Schein- axe, ein sogenanntes Sympodium, woran die endständigen, wickelartig ver- zweigten Blüthenstände überdies durch Anwachsungen extraaxillar erschei- nen1). In sehr ungleichen, bis höchstens gegen 0,1 0m weiten Abständen gehen Zweige und Blätter vom Stämmchen ab. Das obere und untere an- stossende Stengelglied (Internodium) bilden jeder solchen Austritts stelle eines Zweiges (Knoten) gegenüber einen sehr stumpfen Winkel. Die Knoten folgen sich in abwechselnder Stellung am Stengel, so dass dessen Axe eine sehr unregelmässige, von Knoten zu Knoten in verschiedener Richtung ge- knickte Linie darstellt. Die dünne bräunlichgraue glänzende Korkschicht blättert leicht ab und lässt die chlorophyllreiche Mittelrinde zu Tage treten. Im Innern sind die Stengel meist hohl, nur zum Theil noch mit weissem oder missfarbigem Marke versehen. Der Holzring ist etwa y2 oder y3 so breit wie der Durch- messer der Höhlung, die grüne Binde noch bedeutend schmäler als das gelbe deutlich strahlige poröse Holz, dessen 2 oder 3 Jahresringe in älteren Sten- geln scharf abgegrenzt sind. Die jüngeren Triebe sind mit einer Lage grüngelber flacher dickwandiger Epidermiszellen bedeckt, von denen manche sich zu einem kurzen stumpfen Haare ausstülpen. Die unter der Epidermis liegende Schicht grosser zart- wandiger würfelförmiger Zellen bildet sich sehr bald zu ungefähr 6 Schich- *) genau erörtert von Wydler: Mittheilungen d. Naturf. Gesellsch. in Bern 1861. 314 Stengel. ten gewöhnlicher Korkzellen um , wobei die Oberhaut noch eine Zeit lang erhalten bleibt; ihre Haare, wo sie dichter stehen, sind durch die Loupe schon sichtbar. Die Mittelrinde enthält ungefähr 10 Reihen Chlorophyll führender, dick- wandiger tangential gestreckter Zellen, die in den mittleren Reihen am grössten werden. An der Grenze der Innenrinde, zu einem sehr weitläufigen Kreise geordnet, stehen vereinzelte farblose, stark verdickte Baströhren, tangential gestreckt und von gleicher Grösse wie die Mittelrindenzellen. Das enge, aus zahlreichen Lagen gebildete, fast prosenchymatische Gewebe der Innenrinde ist weniger reich an Chlorophyll; einzelne Zellen- gruppen sind mit äusserst kleinen dunkeln Körnchen gefüllt, die bei stär- kerer Vergrösserung eckig und im polarisirten Lichte doppelt brechend er- scheinen — also vermuthlich Kalkoxalat von der Form wie z. B. in der Belladonna -Wurzel. Das Holz enthält stark verdicktes poröses, im frischen Zustande grün- liches Prosenchym mit sehr zahlreichen grossen Gefässen, die in radialen und tangentialen Reihen stehen. Die Gefässbündel werden von sehr zahlreichen Markstrahlen durchschnitten, deren poröse ein- oder zweireihige Zellen auch oft noch Chlorophyll enthalten. Das Gewebe des Markes ist zunächst am Holze noch aus dickwandigen Zellen gebildet, zwischen welchen einzelne Baströhren wie in der Innenrinde vorkommen; ausserdem enthält dieses Gewebe Chlorophyll, ferner jenes bei der Innenrinde erwähnte dunkle (muthmas suche) Oxalat und Amylum in sehr kleinen kugeligen Körnern, welche meist nur 4 — 5 Mikromill. und häufig noch weit weniger messen, also zu den allerkleinsten Formen gehören. Die inneren Theile des Markes bestehen aus grösseren zartwandigen kugeligen Zellen. Der narkotische Geruch der Bittersüsstengel verliert sich beim Trocknen ziemlich ; sie schmecken bitterlich , nach kurzem Verweilen im Munde aber süss. Die Bitterkeit herrscht im Frühjahr mehr vor als im Herbst. Das von Pf äff als Träger dieses merkwürdigen Geschmackes angegebene Pikro- glykion (21,8 pC. !) scheint ein Gemenge von nicht näher untersuchtem Zucker mit Solanin zu sein. Desfosses wies in Blättern und Stengeln, Pe schier noch mehr in den Beeren des Solanum Dulcamara das (1820) vom ersteren aus den Beeren des Solanum nigrum zuerst dargestellte So- lanin nach, welches sich auch (nach Haaf 1 bis 2 p. Mille der lufttrockenen Substanz) in den unreifen Kartoffeln findet. Es schmeckt bitter kratzend. Winckler machte (1841) aber darauf aufmerksam, dass das Alkaloid der Bittersüsstengel (Va p. Mille) nur amorph zu erhalten sei und sich auch gegen Platinchlorid und Quecksilberchlorid vom Solauin der Kartoffel ab- weichend verhalte. Moitessier bestätigte (1856) diese Verschiedenheit und erhielt nur amorphe Salze des Dulcamara-Solanins. Z wenger u. Kind einerseits und 0. Gmelin andererseits fanden (1859 u. 1858), dass das Solanin eine aus Zucker und einem eigenthüm liehen krystallisirbaren Al- kaloid Solanidin gepaarte Verbindung ist. Letzteres gibt durch Einwir- Lignum Juniperi. 315 kung von concentrirter Salzsäure unter Wasserabscheidung das amorphe, gleichfalls basische Solanicin. Endlich ist auch von Wittstein (1852) in den Stipites Dulcamarae ein von Solanin abweichendes bittersüss schmeckendes amorphes Alkaloid Dulcamarin1) (kaum 1 p. Mille) beob- achtet worden , dessen Reactionen weder mit dem Kartoffel-Solanin , noch mit dem Winckler'schen aus Dulcamara übereinstimmen. Es dürfte wohl nach diesen noch nicht hinlänglich aufgeklärten Ver- hältnissen die Yermuthung gerechtfertigt sein, dass in der Natur selbst das Alkaloid der Dulcamara Veränderungen erleide und nicht oder nicht zu jeder Zeit mit dem anderer Solaneen identisch ist. — Das von Jonas in den Frühjahrs Stengeln angegebene Inulin mag wohl Pektin sein. Die dem Bittersüss einigermassen ähnlichen Ranken von Humulus Lu- pulus unterscheiden sich durch ihre scharfkantigen Stengel und die nicht abwechselnden, sondern gegenüberstehenden Blattnarben. Letzteres Merk- mal besitzen auch die Stengel von Lonicera Periclymenum. Diejenigen des nur einjährigen Solanum nigrum bleiben immer krautig. Die Bittersüsstengel scheinen nicht von den Alten, sondern erst von deutschen Aerzten im XVII. Jahrh. verwendet wTorden zu sein. Sie gelangen fast nur geschnitten in den Handel. II. Hölzer. Lignum Juniperi. Reckholder- oder Wachholderholz. Bois de Genevrier. Juniper wood. Abstammung siehe bei Fructus Juniperi. Das weisse oder röthliche Holz der Wurzel und der jüngeren Aeste, ge- wöhnlich (unzweckmässigerweise) von der Rinde befreit. Das Holz ist sehr dicht, doch leicht; sein Querschnitt zeigt hellere und dunklere Zonen (Jahresringe) und feine Markstrahlen. Die bräunliche, leicht ablösbare Rinde besteht (bei jüngeren Aesten) zu äusserst aus einer zarten Korkschicht, unter welcher grössere mit dunkelbraunem Harz, Gerbstoff und Farbstoff gefüllte Zellen folgen. Die Mittelrinde enthält Amylum und Chlorophyll , die Innenrinde abwechselnde Lagen von dünnwandigem Bast- prosenchym und eckigen, fast ganz verdickten, glänzenden Baströhren, wo- von einzelne auch in die Mittelrinde eingestreut sind. Die verdickten Zellen bilden einreihige unterbrochene Kreise; ein zartes, oft bräunliches Cam- bium trennt sie vom Holze. Dieses besteht aus jenen langgestreckten , in einander gekeilten, für die Coniferen bezeichnenden Tüpfelzellen, welche auf ihren Wänden nicht spiralige Ablagerungen zeigen , sondern zahlreiche Poren , die sich nach aussen trichterförmig öffnen. Der äussere Rand er- *) Denselben Namen, oder Dulcarin, führte auch das Pikroglycion von Pf äff. 316 Hölzer. scheint, von oben gesehen, als Hof der eigentlichen Pore. Dieses Holz- prosenchym wird nur von schmalen, gewöhnlich einreihigen Markstrahlen durchschnitten , welche im Winter Amylum enthalten. Die Zellen des im Frühjahr entstandenen Holzes sind weiter, die des Herbstholzes kleiner, stärker verdickt und oft auch etwas tiefer gelblich 'gefärbt. Hierdurch ent- stehen jene auf dem Querschnitte wahrnehmbaren Zonen. Das Mark ist sehr unbedeutend und pflegt Harz zu enthalten, welches im Holzprosenchym nur sehr spärlich und nicht in eigenen Gängen auftritt. Die Rinde schmeckt harzig, schwach adstriugirend; das Holz um so weniger, je älter es ist. Sein schwach balsamischer Geruch wird erst beim Erhitzen deutlicher. — Trockenes , von Rinde befreites , älteres Holz gibt 0,6 pC. Asche. Das weit dichtere Gefüge unterscheidet auch das von Rinde befreite Holz des Wachholclers von demjenigen anderer Coniferen. In der Volksmedicin ist noch durch einen grossen Theil Europas , von Frankreich bis Norwegen, der durch trockene Destillation erhaltene schwarze dicke Theer des Wachholderholzes als Oleum Juniperi ligni s. nigrum berühmt1). Im Süden wurde er ursprünglich aus ;dem um das Mittelmeer wachsenden Juniperus Oxycedrus L. (franz. Cade — vielleicht mit dem deutschen Kaddig zusammenhängend) bereitet nnd als Oleum cadinum, huile de Cade, unterschieden. Lignum Santali. Lignum Santali rubrum. Lignum sandalinum. Sandelholz. Santelholz. Bois de santal rouge. Sandal or sanders woocl. Pterocarpus santalinus Linn. fil. — Papilionaceae-Dalbergieae. Ein sehr grosser Baum der Gebirge von Coromandel, Ceylon, Malabar, auch in Malacca und auf Timor vorkommend. Vielleicht liefern noch an- dere Pterocarpus -Arten gleichfalls die Droge. Das Holz wird in grossen , von der Rinde und dem weisslichen Splinte befreiten Blöcken in den Handel gebracht, im Kleinverkehr aber gewöhnlich nur in geschnittener oder gepulverter Form gehalten. Es ist sehr dicht, doch nicht besonders schwer, schneidet sich leicht und ist gut spaltbar, ob- wohl die Holzfasern schief aufsteigen und in verschiedenen Schichten nicht parallel laufen. Dunklere schwerere, in Wasser sogleich untersinkende und einer besonders schönen Politur fähige Stücke dienen 'unter dem Namen Caliaturholz der Kunsttischlerei. Das officinelle Holz ist auf der längere Zeit der Luft ausgesetzten Ober- fläche schwärzlich roth mit einem sehr schwache Stiche ins grünliche, im innern satt dunkelroth, das Pulver von noch reinerer tieferer Farbe. Quer- schnittflächen des zerkleinerten Holzes zeigen oft lebhaften grünen Metall- glanz. 1) Wie auch in Russland der Birkentheer, oleum Rusci, schwarzer Dägeu. Lignum Santali. 317 Der polirte Querschnitt bietet in der zonenweise unregelmässig heller und dunkler rothen Grundmasse sehr zahlreiche hellere Gefässöffnungen (Poren) dar, welche entweder einzeln stehen oder zu Gruppen von 2 bis 4 vereinigt, aber ohne Ordnung zerstreut sind. Im ganzen sind die Gefässe allerdings ziemlich gleichmässig durch das Holz verbreitet. Sehr feine, äusserst zahlreiche , oft ziemlich lang fortlaufende , oft kurz abbrechende, hellere Wellenlinien stellen zwischen den Gefässen eine Querverbindung her, ohne aber zusammenhängende Kreise zu bilden. In radialer Richtung folgen diese Wellenlinien so nahe auf einander, dass ihre übrigens sehr ungleichen Abstände selten 1 Millimeter betragen. Die noch weit zarteren, sehr gerade laufenden Markstrahlen entziehen sich dem unbewaffneten Auge fast ganz, ertheilen jedoch durch ihre grosse Regelmässigkeit dem seidenglänzenden . Längsschnitte, sowohl in tangentialer wie in radialer Richtung, eine feine, rechtwinkelig gefelderte Zeichnung. Hier erblickt man auch schon ohne Loupe stockwerkartig über einander aufgestapelte Krystalle von Kalkoxalat, deren genau vertikale Reihen sich durch ganze Stammstücke hindurch verfolgen lassen. Die Hauptmasse des Sandelholzes besteht aus langen, spitzendigen Holz- zellen, deren dicke , rothe Wände nur wenig porös sind und immer noch eine mehr oder weniger ansehnliche, im Querschnitte häufiger querelliptische als kreisrunde Höhlung einschliessen. Die Räume zwischen diesen grösseren, etwas weiteren, radial und tangential regelmässig in Reihen gestellten Holzzellen Werden von bedeutend engerem, übrigens gleichartigem Pro- senchym dicht ausgefüllt. Die dem unbewaffneten Auge schon sichtbaren Wellenlinien erweisen sich als weite, kubische oder axial gestreckte, immer rechtwinkelig quer getheilte, wenn auch spitzendige Zellen, deren massig dicke Wandungen von grossen Löchern durchbohrt oder öfters mit zarten Spiralbändern belegt sind. Die Streifen dieses Holzparenchyms , welche sich in das prosenchy- matische Gewebe einschieben, sind durchschnittlich aus 3 bis 5 Zellen- reihen gebaut, gewöhnlich aber in der Nähe der Gefässe um einige Reihen vermehrt, so dass jedes Gefäss ganz von Parenchymzellen umgeben ist, welche dann in Beziehung zu demselben (im Querschnitte) tangential gestreckt sind. Die bis über 300 Mikromill. weiten, sehr langen Gefässe sind durch derbe, oft zertrümmerte Wände quer getheilt und mit ansehnlichen , dicht gedrängten, von einem Hofe umsäumten Poren versehen. Die Markstrahlenzellen füllen zu 5 bis 1 1 einfachen Reihen über ein- ander vertikale Spalten von 100 bis 200 Mikromill. Höhe und höchstens 35 Mikromill. Breite aus. Auf dem Querschnitte erscheinen die Mark- strahlen mit einfacher, seltener doppelter Zellenreihe so, dass sie nur 2 bis 4 Radialreihen der Parenchymzellen oder des weiteren Holzprosenchyms einschliessen, und demnach die einzelne Holzlamelle immer schmäler bleibt als eine Gefässmündung. Die kleinen, porösen, höchstens 15 Mikromill. 318 Hölzer. breiten Markstrahlenzellen sind in radialer Richtung bedeutend gestreckt und ihre Reihen nur durch die grossen Gefässe, welche sich über die Breite mehrerer Holzlamellen erstrecken, lokal von ihrem geraden Verlaute abgelenkt. In den Gefässen finden sich häufige Splitter des rothen Harzes abgelagert, welches die Wände auch des übrigen Gewebes, mehr jedoch diejenigen des Prosenchyms als die der Markstrahlen und des Holzparenchyms durchdringt. Die kubischen Zellen des letzteren schliessen je einen grossen, oft bis V2 Millimeter erreichenden, nicht gut ausgebildeten Kry stall von Kalkoxalat ein. Im ganzen ist jedoch die Menge desselben unerheblich, und das bei 100° getrocknete Holz hinterlässt nur 0,8 pC. Asche. Das rothe Sandelholz ist geruch- und geschmacklos und gibt an kaltes Wasser kaum etwas ab; auch heisses färbt sich damit nur wenig. Die schwach bräunlichrothe , nach der Concentration kratzend und nicht süss, sondern etwas adstringirend schmeckende Lösung wird durch Eisensalze dunkler, enthält aber weder Kalk noch Schwefelsäure in irgend erheblicher Menge. Der harzartige Farbstoff wird von Aether, Weingeist, Alkalien, concen- trirter Essigsäure leicht aufgenommen, weniger oder fast gar nicht von ätherischen Oelen. Trocken besitzt die dunkelrothe Masse des Farbstoffes einen grünen Schimmer. Daraus lässt sich in rothen mikroskopischen Kry- stallen die S an tal säure G15H1405 gewinnen. Ein farbloses krystal- linisches San talin, woraus nach Preisser durch Oxydation erst der rothe Farbstoff Santalein entstehen sollte, scheint Bolley's Versuchen zufolge nicht zu existiren. Ebenso wurde das Santaloxyd Leo Meyer's von andern nicht wieder erhalten, und auch die von demselben durch Wasser ausgezogenen Stoffe S a n t a 1 i d , S a n t a 1 0 i d (gelbe mikroskopische Prismen), Santalidid und Santaloidid bedürfen wiederholter Untersuchung. Das Sandelholz scheint durch seine prachtvolle Farbe schon sehr frühe bekannt geworden zu sein, wie denn auch der Name aus dem Sanskrit (Zandama) abgeleitet wird. Marco Polo gab im XIII. Jahrhundert den Baum auf den Nikobaren (isola Necaran) an.1) Die arabischen Aerzte des Mittelalters, Avicenna im XL Jahrh. zuerst, führten das Holz in den Arzneischatz ein. Mit dem sehr wohlriechenden weissen bis gelbröthlichen Holze von Santalum album L. aus der Familie der Santalaceae hat das rothe Sandel- holz ausser dem Namen und Vaterlande nichts gemein. Das weisse oder gelbe Sandelholz wird heutzutage noch weniger gebraucht als das eben beschriebene rothe. Welches der beiden Masudi (Mitte des X. Jahrh.) und Edrisi (Mitte des XII. Jahrh.) im indischen Archipelagus kennen lernten, ist nicht mehr zu entscheiden: vermuthlich das angenehm riechende erstere. 1) In der bei Radix Rhei erwähnten italienischen Ausgabe S. 159: „i loro boschi sono di alheri preziosi, cioe legno di sandalo vermiglio, noci d'India, garofani . . . . * Lignum Quassiae suriüamense. 319 Lignum Quassiae surinamense* Lignum Quassiae verum. Quassiaholz. Aechtes Quassiaholz. Surinam- Quassiaholz. Fliegenholz. Bitterholz. Bois de Surinam. Bois amer. Quassie. Quassia. Quassia amara L. — Simarubeae. Kleiner bis 15 Fuss hoher Baum oder Strauch, in Surinam und den Antillen einheimisch, auch daselbst sowie in Cayenne und im nördlichen Brasilien gezogen. Er ist durch seine prächtig rothen, ansehnlichen Blüthen ausgezeichnet. Wir erhalten davon höchstens 0,1 0m dicke Stammstücke, meist aber nur etwa 0,020 bis über 0,030m starke, oft gabelige Aeste, bekleidet mit der 1 oder an gröberen Prügeln höchstens gegen 2 Millim. dicken, mehr spröden als zähen Rinde, deren Färbung zwischen gelblich braun und grau schwankt. Die Aussenfläche ist ziemlich glatt oder ein wenig höckerig. Die äusserste, sehr dünne, lockere Korkschicht wird nicht leicht abgescheuert, so dass die schwärzliche Mittelrinde nur an seltenen Stellen von sehr beschränktem Umfange zu Tage tritt. Wenn auch Längsrisschen nicht immer fehlen, so bleiben sie doch kurz und gehen niemals bis auf den Holzkörper , von welchem sich die Rinde leicht als geschlossene brüchige Röhre ablöst. Die Rinde bricht kurz blätterig, nur in der innersten, sehr dünnen Schicht lang faserig und setzt dem Messer einigen Widerstand entgegen. Der Querschnitt zeigt eine dunkelgraue bis schwärzliche, nicht strahlige Innenrinde, worin kaum durch die Loupe Bastkeile sichtbar werden. Die hellgraue Mittelrinde ist fast doppelt so breit als die Innenrinde und enthält in ihrer inneren Hälfte eine schmale, zusammenhängende, körnige, lebhaft gelb gefärbte Zone. Die nicht eben glatte, sehr fein längsstreifige, aber nicht gefelderte Innenfläche der Rinde zeigt nur an wenigen Stellen noch ihre eigentliche hellgelblich graue Farbe, sondern pflegt über und über blauseh warz angelaufen zu sein. Das Holz gleicht dem Picrasma- Holze (vergl. Lignum Quassiae jamai- cense), besitzt aber einen etwas feineren Bau, so dass Markstrahlen für das unbewaffnete Auge kaum noch wahrnehmbar sind. Die scheinbaren Jahres- ringe des Surinam -Holzes folgen sich in kürzeren und regelmässigeren Abständen und nähern sich in ihrem Verlaufe mehr der Kreislinie^ ohne die wellenförmigen Biegungen der Ringe des Jamaica-Holzes zu besitzen. Auch der ächten Quassia fehlen die bei der jamaikanischen Sorte erwähnten blauschwarzen Pilzfäden nicht, besonders häufig bedecken und durchziehen sie, wie schon angedeutet, die Innenfläche der Rinde und die Peripherie des Holzes. Unter den dünnen Fäden finden sich hier oft- mals bis 15 Mikromill. dicke, kurze Stücke von gleicher Farbe vor, welche durch zarte, gerade Querwände gegliedert sind. 320 Hölzer. Die Korkschicht ist mit der höchsten Regelmässigkeit aus sehr zahl- reichen Lagen meist dünnwandiger Tafelzellen zusammengesetzt, ganze Reihen derselben sind jedoch mit verdickten gelblichen Wänden versehen. Auf dem tangentialen Schnitte erscheinen die Korkzellen von regelmässig sechseckiger Form. Die Mittelrinde besteht aus ungefähr 25 Schichten tangential gedehnter Zellen, welche bisweilen knorpelig verdickte und etwas verwachsene oder gebogene, meist aber dünnere, ziemlich straffe Wände besitzen. Die bereits erwähnte , schon ohne Loupe sichtbare , schön gelbe Zone erweist sich aus äusserst dicht gedrängten kugeligen oder ein wenig verlängerten oder durch gegenseitigen Druck facettirten Steinzellen mit zahlreichen Porenkanälen bestehend. Die Mächtigkeit dieser Zone wechselt zwischen 150 bis 250 Mikromill., die Grösse der einzelnen Zellen beträgt wenigstens 30 Mikromill. Immer sind sie fast völlig verdickt. Die gelbe Zone bezeichnet die Grenze der Mittelrinde und der Innenrinde; einzelne Steinzellen oder kleinere Gruppen derselben finden sich aber auch noch ausserhalb der Zone selbst. Trotz seiner grossen Dichtigkeit werden doch bisweilen die Intercellular- räume selbst dieses Steinzellenringes von den Pilzfäden durchsetzt. In der Innenrinde wechseln Schichten von zarterem , kubischem Bast- parenchym mit verworrenem , sehr dickwandigem , im Sinne der Axe sehr lang gestrecktem Prosenchym (Hornbast) unregelmässig ab. Die ganze Bastschicht wird von einreihigen, kurzen, weit aus einander gerückten Markstrahlen durchschnitten , von denen sich einige aber sehr bald ansehn- lich erweitern und als umgekehrte Keile mit sehr bedeutend tangential gestreckten Zellen zwischen die Baststrahlen einschieben, welche den Stein- zellenring meist erreichen. Das Holz besitzt im allgemeinen denselben Bau wie das jamaikanische, jedoch sind die Holzzellen des surinamischen um ein geringes enger, aber mit etwas dickeren Wänden versehen und auf dem Querschnitte von mehr regelmässig radialer Anordnung. Die Markstrahlen bestehen hier gewöhn- lich aus nur einer, seltener zwei Reihen Zellen, deren Breite sehr wechselt, aber oft 30 Mikromill. erreicht oder gar übersteigt, so dass sie durch- schnittlich fast weiter sind als die des Jamaika-Holzes. Auch in vertikaler Richtung ist der einzelne Markstrahl oft aus 12 — 20 Zellenreihen aufgebaut. Der Durchmesser der Tüpfelgefässe bleibt meist unter 70 Mikrom. und sie nehmen seltener die ganze Breite einer Holzlamelle ein. Wo dieses nicht der Fall ist, tritt zwischen dem Gefässe oder der Gefässgruppe und den Markstrahlen Holzparenchyin auf, welches denselben Bau besitzt wie das entsprechende Gewebe im jamaikanischen Holze. Die Parenchym streifen sind aber hier mehr auf dieses Vorkommen beschränkt und treten seltener unabhängig von den Gefässbündeln auf. Das Holzparenchym ist also über- haupt weniger entwickelt und namentlich, wenigstens im Querschnitte, nicht so sehr in die Augen fallend und oft nicht leicht vom Holzprosenchym zu unterscheiden. Darin liegt auch der Grund der etwas grösseren Regel- Lignum Ouassiae Jamaicense. 321 mässigkeit der scheinbaren Jahresringe dieses Holzes, die sich mit der Loupe besser übersehen lassen als bei stärkerer Yergrösserung. Das Mark ist gleich gebaut und nicht stärker wie im Jamaica -Holze, enthält aber durchaus nicht dieselben Krystalle, sondern nur selten da und dort einmal eine rosettenförmige Druse. Dieser Unterschied in der Form des Kalkoxalates ist durchgreifend, denn auch in der Mittelrinde der ächten Quassia finden sich, besonders zunächst innerhalb des Korkes, nur Rosetten von 12 bis 30 Mikromill. Durchmesser in sehr grosser Zahl, niemals einzelne wohl ausgebildete Krystallindividuen. Dem Holzparenchym fehlen aber hier die Oxalatablagerungen ganz und gar. Hiermit steht im Einklänge, dass dieses Quassiaholz, bei 100° C. getrocknet, nur 3,6 pC. Asche gibt, die Rinde aber 17,8 pC. In der Picrasma (vergl. Lignum Quassiae jamaicense) stellen sich diese Werthe sehr abweichend heraus. In Betreff des Harzgehaltes und der übrigen chemischen Verhältnisse, so wie des Geschmackes gilt für die ächte Quassia das beim Picrasma-Holze angeführte. Es scheint, dass die Eingebornen Surinams mit den medicinischen Eigen- schaften ihrer Quassia bekannt waren und dass dieser Name auch aus der Landessprache stammt. Schon 1714 werden die Blüthen als Magenmittel der Eingebornen erwähnt. Die Rinde gelangte bereits 1730 nach Amsterdam und zu Haller's Zeit (1742) war die Quassia etwas allgemeiner bekannt, obwohl erst eine Abhandlung Linne's 1763 ihre Kenntniss mehr ver- breitete. Von Rolander aus Surinam nach Stockholm mitgebrachte Stücke des Holzes erregten 1756 daselbst noch besondere Aufmerksamkeit. Dahlberg brachte 1760 einen blühenden Zweig, welchen er in Surinam von einem Neger Quassi erhalten hatte, der das Holz als Geheimmittel gegen Fieber gebrauchte. Linne benannte die Pflanze nach dem Neger, der 1772 in Paramaribo noch andern Europäern bekannt war. Erst später scheint das Holz der Picrasma aus Jamaica in den Handel gelangt zu sein. Lignum Quassiae jamaicense. Lignum Picrasmae s. Picraenae. Lignum Quassiae novae. Jamaica- Quassiaholz. Bois de Quassia de la Jamai'que. Bois amer. Quassia. Picrasma excelsa Planchon. — Simarubeae. Syn.: Picraena excelsa Lindley. Simaruba excelsa De Candolle. Quassia excelsa Swartz. Das jamaikanische Bitterholz ist ein 60 bis 100 Fuss hoher, unserer Esche ähnlicher Baum der Gebirgswälder Jamaikas und der kleinen Antillen mit unscheinbaren Blüthen. Bis über 1 Fuss dicke, im Querschnitte rundliche oder elliptische Stamm- stücke oder Aeste bilden die Handelswaare , welche gewöhnlich noch mit Flückiger, Pharmakognosie. 21 322 Hölzer. der bis 0,0 lm dicken, schmutzig braunschwarzen, sehr festen, zähen Rinde bekleidet ist. In ihrer äussersten Lage besteht dieselbe aus einer dunkeln, V2 Millimeter starken, spröden, fast hornartigen Korkschicht, welche leicht abblättert und die grünliche oder grauweisse Mittelrinde entblösst. Die Aussenfläche der Rinde ist durch sehnige, wenig erhöhte gerundete, gerade oder etwas schief verlaufende Längsrippen geädert. Die helleren, graulichen, breiten Zwischenräume sind ziemlich tief, oft bis an das Holz aufgerissen und bilden unregelmässige Längsfurchen. Die Rinde bricht faserig, lässt sich gut schneiden und zeigt auf dem Querschnitte eine schwarzbraune, feinstrahlige Innenschicht, welche durch eine stellenweise nur sehr schmale weisse Mittelrinde vom Korke getrennt ist. An andern Stellen dagegen werden die breiten Bastkeile durch sehr ansehnliche Partieen der hellen Mittelrinde aus einander gehalten. Bisweilen zeigen sich einzelne Stränge der letzteren völlig von Bastkeilen umschlossen, indem diese in der Anordnung ihres von feinen, hellen Markstrahlen durch- setzten Bastes insofern grosse Unregelmässigkeiten darbieten, als die Mark- strahlen und demgemäss auch die etwas breiteren einzelnen Baststrahlen nicht gerade radial gerichtet, sondern zickzackförmig oder schlängelig gebogen sind. Da endlich auch die schwarze oder grünschwarze Korkschicht tief in die Mittelrinde eingreift, so entsteht eine ziemlich eigenthümliche, geflammte und feinstrahlige Zeichnung der ganzen Rinde. Ihre ziemlich glatte, fein längsstreifige, braungrauliche Innenfläche erhält zugleich durch die in kurze Yertikalreihen gestellten hellen Markstrahlen ein äusserst fein gefeldertes Ansehen. Das leichte, weisse Holz ist gut spaltbar, von dichtem Gefüge, dem unbewaffneten Auge eben noch die äusserst zahlreichen genäherten , feinen und gerade laufenden Markstrahlen darbietend, welche die unregelmässig kreisförmig auf einander folgenden Grenzlinien der verschiedenen Holz- schichten durchschneiden. Diese an die Jahresringe unserer einheimischen Hölzer erinnernden wellenförmigen Kreislinien folgen sich in etwas ungleichen Abständen und sind sowohl durch sehr geringe Unterschiede in der abwech- selnd ein wenig helleren oder dunkleren, sehr schwach gelblichen Färbung als auch durch die Anordnung der feinen Gelasse und nach aussen zu- nehmende Weite ihrer Höhlung bezeichnet. Das Centrum wird von einem lockeren, helleren, nur ein paar Millimeter dicken Markcylinder ein- genommen. Der Längsschnitt sowohl in tangentialer als in radialer Richtung er- scheint durch die geringe Yertikalhöhe der Markstrahlen quer gestreift, glänzend. Ganz unabhängig von diesen Strukturverhältnissen zeigen sich da und dort auf dem Querschnitte durch einen ganzen Stamm blauschwarze, zarte Zeichnungen, entweder leichte, landkartenähnliche Umrisse, Zickzacklinien oder grössere zusammenhängende Klekse. Diese Figuren erscheinen so- wohl in der Rinde, besonders auf ihrer Innenfläche, als in der Cambialzone Lignum Quassiae Jamaicense. 323 und im Innern des Holzes bis zum Marke und lassen sich in vertikaler Richtung durch ganze Stammstücke hindurch verfolgen, wenn dieselben der Lauge nach gespalten werden. Der Kork enthält sehr zahlreiche Lagen tafelförmiger, gewölbter oder oft fast kubischer Zellen, welche in den äusseren Schichten mit dunkel- braunem Inhalte versehen sind und stark verwittern , während die inneren zartere , grünlich braune , die innersten aber farblose Wände besitzen und keinen Inhalt führen. Obwohl der Kork oft in tiefen Buchten in die Mittel- rinde eindringt, so kömmt doch nicht eigentliche Borkenbildung1) vor und die Mittelrinde ist nirgends ganz verdrängt. Sie ist aus tangential gestreckten Zellen mit oft knorpelig verdickten und manigfach verbogenen Wänden gebildet, nur die an den Kork grenzenden Schichten enthalten mehr kubische Zellen, welche mit Kry stallen gefüllt sind, von denen selten einer im Korke selbst vorkömmt. Vielleicht steht gerade die grosse Anhäufung der Kry- stalle in dieser niemals fehlenden Schicht im Zusammenhang mit der Kork- bildung. Die Innenrinde ist aus dünnwandigem, weitmaschigem Bast- parenchym und vorherrschendem prosenchymatischem oder wenigstens axial gestrecktem Gewebe zusammengesetzt. Beide Formen bilden auf dem Quer- schnitte abwechselnde, doch selten scharf begrenzte Schichten. Die gelb- lichen Wände des gestreckten Bastgewebes sind etwas knorpelig verdickt, mannigfach verbogen und oft fast zahnartig in einander greifend; entweder umschliessen sie weitere Höhlungen baströhrenartiger, zu Gruppen ver- einigter Zellen, oder aber die Wandungen sind so sehr eingesunken, dass die Zellhöhlung kaum mehr zu unterscheiden ist, namentlich da auch die Wandungen ganzer Zellenreihen dieses eigentlichen Hornbastes zusammen- fliessen. Noch inniger verwachsen und weniger zu entwirren ist dieses Gewebe auf dem Längsschnitte, wo selbst die gerundeten Enden jener zu Gruppen oder Bündeln vereinigten weiteren Bastzellen nicht leicht zu er- kennen sind. Sie unterscheiden sich daher bestimmt von den eigentlichen, in scharfe, spitze Enden auslaufenden, starren und mit sehr deutlichen Porenkanälen versehenen Baströhren anderer Rinden. Diese letztere Zellen- form, sowie auch die Steinzellen, fehlt der Quassia ganz. Bietet dieses Gewirre von Parenchym und Hornbast der Innenrinde schon keine grosse Regelmässigkeit dar, so wird dieselbe durch die zahl- l) Berg dagegen beschreibt ausdrücklieb eine wahre Borkenbildung. Auch sonst ergeben sich einige Abweichungen zwischen Bergs Darstellung und den hier geschilderten Verhältnissen, welche sich nur daraus erklären lassen, dass vermuthlich beiden Beschreibungen nicht dieselbe Droge zu Grunde gelegen hat. Schon Bischoff (Med. ph. Botanik 1847, Nachtrag 17) ge- dachte einer zweiten „dunkelriudigen" Sorte jamaicanischen Quassiaholzes, welcher vielleicht meine Stücke angehören. Bischoff vermuthete, dieses Bitterholz stamme von Simaruba medicinalis Endlicher (Quassia Simaruba Wright — Simaruba amara Hayne) , welche auch, auf Jamaica wächst und deren Wurzelrinde als Cortex Simarubae vorkam. Diese letztere weicht aber jedenfalls vollständig von der hier als Jamaica-Quassia beschriebenen (Stamm-) Rinde ab, welcher die ausgezeichneten Steinzellen der Simaruba schon ganz abgehen. Zur vollständigen Aufklärung der Sache fehlt mir authentisches Material. 21* 324 Hölzer. reichen Markstralilen nicht eben erhöht, welche sich, allerdings unter ein- ander einigermassen parallel, in vielfach gekrümmter Richtung durch die ganze Bastschicht schlängeln. Die Markstrahlen sind zwei- oder dreireihig, ihre radial gedehnten Zellen 20 bis 30 Mikromill. breit, die Wände zart, im Umrisse (auf dem Querschnitte) im ganzen rechtwinkelig oder rhom- bisch , jedoch sehr oft stark wellig verbogen. In der Mittelrinde verlieren sich die Markstrahlen, ohne sich zu erweitern. Die Markstrahlen pflegen auch die Erklärung der schon erwähnten blauschwarzen Figuren zu gewähren, welche Holz und Rinde stellenweise durchziehen. Bei etwas stärkerer Vergrösserung sieht man, dass diese Zeichnungen durch zarte , fadenartig an einander gereihte , meistens etwa 5 Mikromill. dicke Zellen hervorgebracht werden. Die einzelne Zelle ist meist etwa 30 bis 50 Mikromill. lang, gerade oder stellenweise etwas auf- getrieben, durch und durch von klarer eigenthümlicher Färbung, welche unter dem Mikroskop schwarzbräunlich mit einem violetten Stiche erscheint und durch Eisenlösung nicht verändert wird. Diese Zellenfäden lassen sich beliebig weit verfolgen , sind unter sich vielfach durch Queräste verbunden und durchdringen überall die Intercellulargänge , in der Rinde besonders die der Markstrahlen , wo der Widerstand offenbar am geringsten ist. Im Holze dringen sie auch wohl in die grossen Tüpfelgefässe ein. Fast jeder Schnitt durch die Rinde bringt diese blauschwarzen Fäden zur Anschauung. Wo sie, oft in zierlicher Weise, die manchmal schwierig zu verfolgenden Markstrahlen durchwirken , heben sich dieselben sehr scharf von dem hel- leren Baste ab. Die Fäden gehören ohne Zweifel dem Mycelium eines Pilzes au, welcher, wie es scheint, hier niemals zu weiterer Ausbildung gelangt. Ob derselbe sich schon in dem lebenden Stamme einnistet, oder etwa erst in Folge von Feuchtigkeit, welcher die Waare später ausgesetzt sein kann, ist noch zu ermitteln. Die äusserste würfelzellige Schicht der Mittelrinde strotzt von Kalk- oxalat in etwa 20 bis 50 Mikromill. messenden Hendyoedern. Sehr verein- zelt kommen dergleichen, meist aber weniger gut ausgebildete, auch im Bastparenchym vor. In den Markstrahlen und in der Mittelrinde finden sich sehr kleine Stärkekörnchen in geringer Menge. Eisensalze zeigen keinen Gerbstoff an. Das Holz besteht vorwiegend aus spitzendigen , ziemlich weiten , sehr dicht in einander gekeilten Zellen von bedeutender Länge und 12—15 Mikrom. durchschnittlicher Dicke. Die höchstens 3 — 4 Mikromill. starken Wände sind nur sehr fein porös. Dieses Holzprosenchym wird in der Weise von geraden ein- bis drei- aber nicht vierreihigen Markstrahlen durchschnitten, dass jede von je zwei der letzteren eingeschlossene Holzlamelle (Holzstrahl) 3 bis 1 0 fast parallele Radialreihen von Holzzellen enthält. Die Markstrahlen- zellen sind lang radial gestreckt, porös und oft schiefwinkelig. Im tan- gentialen Längsschnitte erscheint einer der stärksten Markstrahlen etwa 60 Mikromill. breit und aus ungefähr 15 Vertikalreihen von Zellen gebaut. Lignum Quassiae Jamaicense. 325 Eine einzelne Zelle des Markstrahles ist höchstens gegen 20 Mikromill. breit. Die bis über 100 Mikromill. weiten dünnwandigen und fein getüpfel- ten Spiroi'den finden sich unregelmässig bis zu 4 zusammengestellt in sehr ungleichen Abständen meistens fast die gauze Breite eines Holzstrahles ein- nehmend. Die Tüpfelgefässe sind umgeben von nicht sehr zahlreichen wür- feligen oder im Sinne der Axe verlängerten parenchymatischen porösen Zellen , welche oft zwischen den Gefässen und den Markstrahlen enge zu- sammen gepresst erscheinen. Nicht sehr scharf abgegrenzte Streifen dieses Holzparenchyms durchziehen auch in tangentialer Richtung die Holzstrahlen und verbinden so die durch eine Holzlamelle getrennten Gefässgruppen. Diese Parenchymstreifen sind an ihrer beträchtlicheren Höhlung im ganzen sehon auf dem Querschnitte leicht von dem engerem Holzprosenchym zu unterscheiden. Der Wechsel beider Gewebsformen des Holzes bewirkt die dem unbewaffneten Auge schon deutlich auffallende, annähernd con- centrisch kreisförmige Zeichnung des Querschnittes durch den Stamm. Dieselbe entspricht also keineswegs den Jahresringen der Holzpflanzen un- serer Klimate, wo im Frühling nach einer Periode der Ruhe eine energischere Neubildung eintritt, deren Gewebe wesentlich gleichartig wie das während der vorausgegangenen Jahreszeit erzeugte ist, aber, von geringeren Farben- unterschieden abgesehen, reicher und weiter angelegt erscheint und dadurch allein kontrastirt. Das vom Holze scharf abgegrenzte Mark enthält ansehnliche kugelig- eckige Zellen, deren derbe poröse Wände durch Jod eine braungelbe Färbung annehmen. Die hier zahlreich abgelagerten Oxalat- Krystalle sind noch grösser als die der äussersten Mittelrindenschicht. Auch im Holzparenchym sind diese Krystalle vorhanden. Im übrigen trifft man da und dort im Holze in geringer Menge braungelbe Harztropfen oder, namentlich in den Gefässen der Peripherie, schön gelbe feste splitte- rige Harzklumpen. Der Geschmack des Quassiaholzes und seiner Rinde ist rein und an- haltend bitter; er kömmt im höchsten Grade dem von Winkler (1835) daraus rein dargestellten Qu assiin (Quassit) O10H12-9-3 (nach Wiggers) zu. Dieser, wie es scheint, nicht spaltbare indifferente Bitterstoff krystal- lisirt aus verdünntem Weingeist und löst sich nicht in Aether. Das Holz liefert davon nur etwa 1 p. Mille. Aus dem officinellen Extracte ist es nicht mehr gut zu erlangen. Auch die Blüthen und Blätter des Baumes schmecken bitter. Die Rinde1) der gleichfalls den Simarubeen angeho- rigen Samadera indica Gärtner in Ostindien, vorzüglich auf Ceylon, soll reicher an Quassiin sein (Dittrich). Die schwach narkotischen Wir- kungen des Quassiins zeigen sich bekanntlich an Insekten (Fliegen) deutlich. Nach Bennerscheidt liefert das Quassiaholz bei der Destillation eine geringe Menge eines krystallisirbaren Kamphers. Auf dem radialen Längs- l) Von Berg beschrieben: Zeitschr. d. allg. Österreich. Apoth.-Vereins 1865. 326 Hölzer. schnitte des Holzes sieht man oft grosse farblose Tropfen , vielleicht äthe- risches Oel. Das Extract scheint Aepfelsäure, auch Weinsäure zu enthalten. Der wässerige Auszug der Quassia fluorescirt äusserst schwach; selbst bei Anwendung der Rinde von Picrasma allein und nach Zusatz von Alkalien oder Säuren ist das Schillern kaum wahrnehmbar und entfernt nicht mit einem Auszuge der Rinde von Aesculus Hippocastanum zu vergleichen. Eine weingeistige Tinctur dagegen fluorescirt recht deutlich und scheint sich spektroskopisch vom Aesculin verschieden zu verhalten. Bei 100° C. völlig getrocknetes Holz lieferte mir 7,8 pC. Asche, die Rinde 9,8 pC. Das Holz der jamaikanischen Quassia ist schon seit Ende des vorigen Jahrhunderts als völlig gleichwerthig neben demjenigen aus Surinam in Gebrauch gezogen worden. British Pharm acopoeia (1864) hat nur das erstere aufgenommen, während Pharm. Borussica (1862) es verbietet. Lignum Guajaci. Lignum benedictum s. sanctum. Lignum vitae. Pockholz. Franzosenholz. Guajakholz. Bois de gaiac ou de gayac. Guaiac wood. Guajacum officinale L. — Zygophylleae. Immergrüner bis 40 Fuss hoher Baum mit schenkeldickem Stamme und gabeltheiligen ausgebreiteten Aesten, vorzüglich auf Jamaika, St. Thomas, St. Domingo und anderen westindischen Inseln einheimisch. Der Grosshandel liefert davon bedeutende oft centnerschwere Stamm- stücke oder einfache starke Aeste, welche alle gewöhnlich der Rinde beraubt sind. Das Holz ist durch sein hohes, wohl von keinem anderen Holze über- troffenes specifisches Gewicht (etwa 1,3) und seine Dichtigkeit auffallend und lässt sich nur sehr unvollkommen spalten und schneiden , weshalb es auch im Kleinhandel nur geschnitten oder geraspelt gehalten wird. Die glatte oder etwas querwulstige, hell graugelbliche Oberfläche mitt- lerer Stämme von ungefähr 0,20m Durchmesser, wie sie von der Rinde be- freit, aber sonst unversehrt häufig vorkommen, ist von sehr zahlreichen genäherten, wenig aber scharf hervortretenden Streifen der Länge nach durchzogen, welche in sehr gestreckten Curven oder in sanften Wellenlinien verlaufen. Die Linien eines Wellensystems sind unter sich parallel, nicht aber die verschiedenen Systeme, welche sich vielmehr spitzwinkelig schnei- den, so dass die im grossen wellenförmige Streifung stellenweise eine aller- dings hier weniger auffallende rhombische Zeichnung darbietet, wie sie z. B. auch der Oberfläche der Rhabarber eigen ist. Einzelne Wellenlinien erwei- tern sich zu feinen Längsspalten. Der Querschnitt eines Stückes von angegebener Dimension zeigt eine hellgelbliche, etwa 0,02™ breite Zone (Splint), welche vom inneren grünlich- braunen Kerne scharf abgegrenzt ist. Sowohl in diesem letzteren als auch Lignnm Guajaci. 327 im Splinte finden sich abwechselnd hellere und dunklere Schichten, welche besonders im Splinte auch noch durch die schichtenweise Gruppirung der Gefässe bezeichnet sind. Es entstehen dadurch sehr zahlreiche, an Jahres- ringe erinnernde Kreise, deren Gesammtbild sehr deutlich in die Augen fällt, obgleich die Peripherie der einzelnen Ringe sich nicht gut verfolgen lässt und auch selten einen geschlossenen Kreis (oder Ellipse) beschreibt. Im Splinte jenes Stückes lassen sich z. B. über 20, im Kernholze über 30 solcher Ringe zählen; das gemeinschaftliche marklose Centrum liegt in den meisten Fällen nicht in der Axe des Stammes oder Astes. Die feinen Markstrahlen des Guajakholzes sind für das unbewaffnete Auge nicht sichtbar; die Loupe zeigt sie in sehr grosser Zahl und in äusserst geringen gleichmässigen Abständen. Die Höhlungen der Gefässe (Poren des Holzes) lassen sich bis in das Centrum wahrnehmen und ent- halten im Kerne und in den inneren Lagen des Splintes bräunliches Harz, während die unmerklich weiteren Gefässe in der Peripherie des Splintes leer sind. Den dicksten Stücken fehlt der Splint; schon z. B. bei 0,25m Stamm- durchmesser ist er auf 0,005m beschränkt. Seltener und weniger auffallend tritt auch im Guajakholze ein ähnlicher oder wahrscheinlich derselbe Pilz auf wie in Quassia (vergl. Lignum Quas- siae jamaicense). Die Zellenfäden des Guajakpilzes sind, vielleicht nur des grösseren Widerstandes wegen, bedeutend kürzer. Von starken Querscheiben des Guajakholzes lassen sich in der Richtung der concentrischen Ringe mit Mühe splitterige zackige Platten von geringer Ausdehnung absprengen, auf denen sich die wellenförmigen Zeichnungen der Stammoberfläche (nach Beseitigung der Rinde) wiederholen. Die Holz- bündel sind aufs dichteste mit einander verflochten und nur auf kurze Strecken gerade und gleichlaufend. Den Scheinringen entsprechend folgen sich Stränge dieses Flechtwerkes von innen nach aussen in einigermassen geordneten Lagen, obwohl in abweichender Richtung streichend. Seitlich aber greifen die Holzstränge ihres wellenförmigen Verlaufes wegen sehr un- regelmässig in einander , so dass das Holz sich in radialer Richtung nicht spalten lässt. Den besten Aufschluss über diese Verhältnisse gewähren dünnere Querscheiben ganzer Stämme, welche man zerschlägt. Es zeigt sich dann deutlich, dass in jeder der concentrischen Lagen die Holzbündel un- gefähr in derselben Ebene verlaufen, aber in der Projektion auf dieselbe (oder eigentlich auf die Cylinderfläche) nicht vertikal, sondern mit wellen- förmigen Aus- und Einbiegungen aufsteigen. Das Wellensystem eines Ringes ist ziemlich unabhängig von demjenigen der benachbarten, annähernd pa- rallelen Holzlagen, und die gefässreicheren Ringe sind ja überhaupt durch Parenchymzonen etwas getrennt. Indessen erfolgt auch hier, den Schein- ringen entsprechend, der Bruch oder die Spaltung nicht glatt, da die Holz- bündel auch in radialer Richtung einigermassen verflochten sind. Die einzelnen Markstrahlen sind immer nur einreihig, besitzen eine 328 Hölzer. geringe Mächtigkeit von nur 60 bis 70Mikromill. in der Vertikalen und sind häufig um die Gefässe herumgebogen , so dass sie auf die Spaltbarkeit des Holzes ohne Einfluss sind. Dieselbe wird vielmehr in radialer Richtung durch die erwähnten Wellensysteme der Holzstränge bestimmt, welche von Schicht zu Schicht, ohne scharf abgegrenzt zu sein, doch nicht mit einander übereinstimmen. Jede durch das Centrum eines Stammes oder Astes ge- legte, mit der Axe parallele Ebene durchsetzt daher nicht vertikale Holz- bündel, sondern links und rechts ausbiegende Curven von sehr veränder- licher, oft der Vertikalen genäherter Richtung. Zerbricht man nun eine Querscheibe mitten durch ihr Centrum, so wird die Richtung der Bruch- linie, nur durch die Curven der Holzbündel bestimmt, zickzackförmig zur linken und zur rechten vom Radius abweichend ausfallen müssen. Beide Hälften der zerbrochenen Scheibe passen nicht ohne weiteres zusammen, sondern greifen zahnartig in einander. Nur in der Mitte des Stammes wer- den die Curven durchgängig steiler, mehr gerade. Ein konstanter Neigungs- winkel der Holzbündel lässt sich daher nirgends festhalten, so wenig als für die Holzstränge oder Lamellen eine seitliche Begrenzung zu fin- den ist. Auf dem radialen Längsschnitte durchsetzen die Markstrahlen als feine, ganz regelmässige Horizontalstreifen die Holzbündel ziemlich rechtwinkelig. Der radiale Schnitt gibt in so fern Aufklärung über die Richtung der letzte- ren, als einige derselben der Länge nach , andere schief oder quer getroffen werden und man daher auch die Gefässe in allen möglichen Richtungen durchschnitten findet. Dagegen erscheinen nun hier nothwendig keine Cur- ven, indem dieselben ja in der tangentialen Ebene (Cylinderoberfläche) nicht in der radialen aufsteigen. Der tangentiale Schnitt lässt die Markstrahlen weniger hervortreten, und hier kreuzen sich die Reihen ihrer quer durchschnittenen Spalten schief- winkelig mit den Holzbündeln , wo dieselben eben eine stark gekrümmte oder gar geknickte Curve beschreiben. Wo' die Curve mehr gestreckt ist, entstehen mehr rechtwinkelige Zeichnungen. Das Holz ist für die mikroskopische Untersuchung schwer zu schneiden, doch ist der Splint weit lockerer und schwimmt auf dem Wasser, während das Kernholz sogleich untersinkt. Die Hauptmasse des Guajakholzes besteht aus geraden oder gekrümm- ten, massig langen, cylindrischen spitzendigen Holzzellen, welche sehr dicht in einander gekeilt und verwachsen sind , und nur noch eine äusserst be- schränkte Höhlung besitzen, von welcher aus zahlreiche enge Kanäle die fein geschichteten Wände durchbrechen. Die Dicke dieser prosenchymati- schen Zellen beträgt ungefähr 15 bis 20 Mikromill. , ihre Länge lässt sich nur schwer verfolgen. Im Kernholze sind sie gelbbräuulich, im Splinte nur sehr schwach* gelblich gefärbt, aber von gleichem Baue. Im polarisirten Lichte zeigen sie innerhalb einer hellen Membran einen dunkeln Kern, der (im Querschnitte) ein noch dunkleres Kreuz annimmt. Lignum Guajaci. 329 Auf dem Querschnitte bildet das Holzprosenchym weder in tangentialer noch in radialer Richtung Reihen , wie sich schon aus dem bereits geschil- derten Gesammtverlaufe der Holzbündel mit Notwendigkeit ergibt. Die Markstrahlen dagegen erscheinen ziemlich gerade und unter sich parallel und durchschneiden das Holz in der Weise, dass jeweilen etwa 3 bis 6 oder 10 Holzzellen von einem Markstrahle zum andern gezählt werden können. Die Zellen der letzteren stehen in einer einzigen, sehr schmalen Reihe von 2 bis 7 Mikrom. Breite. Ihre ziemlich dicken "Wände sind porös und durch den Druck der benachbarten Holzzellen oder der grösseren Gefässe etwas verbogen. Im radialen Längsschnitte sind die Markstrahlen von der gewöhn- lichen mauerförmigen Gestalt, auf dem tangentialen Schnitte erscheinen sie als höchstens 10 Mikrom. breite, von 3 bis 6 quer durchschnittenen über einander gelagerten Zellen eingenommene Spalten. Die dickwandigen, höchstens bis 150 Mikromill. weiten cylindrischen Gefässe (Spiroiden) stehen einzeln und nehmen, mit Ausnahme der kleinsten, die ganze Breite einer von zwei Markstrahlen begrenzten Holzlamelle ein, sehr oft aber sogar die Breite mehrerer Lamellen, indem die Markstrahlen von ihrem geraden Verlaufe abweichend , sich um die Gefässe herumbiegen oder auch vor dem Gefässe abbrechen. Schmale Holzlamellen sind oft auf grossen Strecken ganz frei von Gefässen. Die letzteren sind durch sehr zahlreiche kleine Poren getüpfelt, in kurzen Abständen mit dünnen Quer- wänden versehen und oft von sehr bedeutender Länge. In der Nähe der Tüpfelgefässe sieht man das Holzprosenchym da und dort unterbrochen von Lücken, deren Weite durchschnittlich der Dicke der Holzzellen gleichkömmt. Oft sind zwei durch einen oder mehrere Mark- strahlen und Holzlamellen getrennte Gefässe durch eine Reihe solcher Lücken quer verbunden. Ueberhaupt durchziehen einreihige Querbänder dieser Lücken oder Zellen da und dort das Holzparenchym in ziemlich unregel- mässiger Weise. Immer bilden sie nur einfache, gerade oder etwas gebogene Reihen , welche aber sehr häufig wieder durch einzelne prosenchymatische Holzzellen unterbrochen sind , so dass sie die Markstrahlen sehr oft schief kreuzen. Im radialen Längsschnitte stellen sich diese Lücken als senkrecht in grösserer Zahl über einanderstehende kubische oder axial gestreckte Zellen mit nicht sehr dicken Wänden dar. Sie entsprechen also dem Holz- parenchym in Lignum Quassiae surinamense, sind jedoch schwächer aus- geprägt. Die concentrischen Ringe auf dem Querschnitte des Guajakstammes sind noch weniger durch die Holzparenchym -Bänder oder Zonen bedingt, als bei Quassia, sondern vielmehr durch die Anordnung der Gefässe. Hauptbestandteil des Guajakholzes ist das Harz (vergl. Resina Guajaci), welches ungefähr y4 des Gesammtgewichtes beträgt. Den äusseren Schichten des Splintes fehlt es ganz und gar, in den inneren erfüllt es die Spiroiden als braungelbe, splitterige Masse, oder, auf dem irischen Bruche, als schön rothgelbe, klare Körner, welche, im polari- sirten Lichte geprüft, keine Krytallisation erkennen lassen. Ebenso ist das 330 Hölzer. Harz in den Gefässen des Kernholzes und in dessen Markstrahlen abgelagert, im Holzprosenchyni dagegen weniger reichlich in halbflüssiger Form als gelbbraun liehe Tropfen. In grosser Menge ausgesondert trifft man es auch auf Spalten, welche sich da und dort im Holze finden. Das Harz färbt sich bekanntlich durch verschiedene Oxydationsmittel schön blau, so dass das längere Zeit der Luft ausgesetzte Kernholz einen Stich ins grünlich blaue annimmt, was in ausgezeichneter Weise auch ein- tritt, wenn man Splitter oder feine Schnitte mit sehr verdünnter Eisen- chloridlösung tränkt und mit etwas Weingeist befeuchtet. Der Splint erleidet durch diese Behandlung keine Veränderung oder es färben sich nur die Spiroiden der inneren Schichten, wo die Harzbildung schon begonnen hat. Es scheint demnach, dass dieselbe erst nach längerer Zeit eintritt und wohl nicht auf einer Metamorphose der Zellwand beruht, indem die zu äusserst stehenden jüngeren Gefässe, welche ganz frei von Harz sind, im übrigen vollkommen den harzhaltigen Spiroiden des Kernholzes gleichen. Da harz- freie Schichten (Splint) den dicksten Stämmen ganz zu fehlen scheinen, so muss wohl im Alter das Gewebe zu einer rascheren Harzbildung befähigt sein. Auf dem radialen Längsschnitte sieht man , dass in den Vertikalreihen des Holzparenchyms die Zellen einzelne, fast kugelige, nicht gut ausgebildete, gleichsam abgeschliffene Krystalle einschliessen , ohne Zweifel Kalkoxalat, weil sie sich ohne Brausen in Salzsäure lösen, nicht aber in Essigsäure. Dem Splinte fehlen diese Krystalle. Sie sind aber in so geringer Menge vor- handen , dass sie auf den Aschengehalt ohne Einnuss sind. Der sorgfältig getrennte Splint, bei 100° C. getrocknet, gab mir nur 0,91 pC. Asche, das Kernholz 0,60 pC, also sogar noch weniger. Die anorganischen Bestand- teile sind demnach ohne allen Einfluss auf die Schwere und Dichtigkeit dieses Holzes. Landerer's Guajacin, als Krystallabsatz aus der Tinctur erhalten, so wie Righini's Guajaksäure waren vermuthlich Bestandteile des Harzes (siehe Resina Guajaci) in unreiner Form. Denselben Namen gab Trommsdorff auch einem unten bei der Guajakrinde zu erwähnenden Bitterstoffe, der im Holze nur in geringer Menge vorkömmt. Der Splint ist geschmacklos, das Kernholz besitzt einen schwach aroma- tischen, zugleich ein wenig kratzenden Geschmack und entwickelt beim Erwärmen einen schwachen angenehmen Geruch, der übrigens schon beim Reiben und Schneiden des Holzes merkbar ist. Das Wort Guajak ist westindischen Ursprunges und findet sich z. B. in den Ortsbezeichnungen Guajama, Guanica, Guayavas auf Porto Rico wieder, lautete aber, wie Hütten schon erzählte, eigentlich Hujacum. Die Anwen- dung des Holzes lernten die Spanier von den Eingebornen St. Domingos und brachten dasselbe schon 1508 unter dem Namen Palo santo (lignum vitae, lignum sanetum) nach Europa, wo es noch 1532 sehrtheuer (1 Pfund 11 Ducaten) war. In Deutschland trugen Nicolaus Poll (1517) und Leon- Lignum Guajaci. 331 hard Schmaus1) zur Verbreitung des „heiligen oder indischen Holzes" bei, ganz vorzüglich aber Ritter Ulrich von Hütten,2) welcher nach langem, vergeblichem Gebrauche des Quecksilbers seine Heilung von heftiger Syphilis (1506 — 1509) dem neuen, hochgepriesenen „Lebensholze" verdankte. Man unterschied aber damals von dem aus St. Domingo kommenden Holze das- jenige aus San Juan de Puerto Rico (Portorico), welches in dem weit beträchtlicheren weisslichen Splinte einen nur sehr geringen, fast bläulichen Holzkern einschloss, unter dem Namen Lignum sanctum sine matrice, als eigentliches Heiligenholz. Andere nahmen selbst eine dritte Sorte an. Noch jetzt führen in Süd- Amerika mehrere verwandte Bäume den Namen palo (Holz) santo, und ersetzen dort unser Guajacum officinale. So vor- züglich G. sanctum L., auf den Bahamas, den Floridanischen Inseln (Key West), auf St. Domingo, in Brasilien, Paraguay, welches wohl ursprünglich jenes Lignum sanctum lieferte. Guajacum jamaicense Tausch scheint nur eine Abart des G. officinale zu sein. Die sehr spröde Rinde des Guajaks trennt sich leicht vom Holze und kömmt daher nicht oder nur selten mit demselben im Handel vor. Feüher war sie seit Linne's Empfehlung bisweilen als Gortex Guajaci für sich officinell, ist aber ganz in Vergessenheit gerathen. Sie bildet schwere, kurze, bis 0,10m breite und 0,002 bis 0,010m dicke, flache oder etwas gerollte Stücke, welche entweder mit dem blätterigen, schmutzig gelblich grauen Korke bekleidet sind oder, wo derselbe abgestossen ist, die dunkelgrüne Mittelrinde zu Tage treten lassen. Dieselbe ist dann häufig mit flachen und wenig vertieften, rundlichen Narben (ähnlich den „Conchas" der Calisaya China) der abgestossenen Korkschuppen besetzt. Die Aussenfläche ist sehr unregelmässig höckerig und rissig, wo sie noch vom Korke bedeckt ist, die glatte mit hell glänzenden Pünktchen flimmernde Innenfläche zeigt oft die- selbe feine Längsstreifung wie die Oberfläche des Splintes. Je nach dem lokalen Verlaufe der im grossen wellenförmigen Streifen kreuzen sie sich schief oder rechtwinkelig mit den kurzen Markstrahlen (und Krystallzellen) des Bastes und erzeugen damit ein sehr feines, dem unbewaffneten Auge kaum mehr sichtbares, zierliches Netzwerk. Häufig wird die hell gelbgraue Farbe der Innenfläche durch dasselbe blauschwarze Pilzmy- celium gefleckt, welches bei Lignum Quassiae erwähnt ist. Die sehr !) Lucubratiuncula de morbo gallico et cura ejus noviter reperta cum Ugno indico. Aug. Vindelicor. 1518. 2) durch die für jene Zeit klassische Schrift: Ulrichi de Hütten eq. de Guajaci medi- cina et morbo gallico liber unus. Moguntiae in aedib. Joannis Scheffer 1519, 43 S. in Quart. Es erschienen davon andere Ausgaben: 1521 zu Bologna, 1523 und 1531 zu Mainz, dann, deutsche (Strassburg 1519), englische (London 1536) und französische (Paris) Uebersetzungen. Hütten verglich den Baum nicht unpassend mit der Esche, das Holz mit dem des Buxes, Jedoch sei dasselbe im Innern schwärzlich, fettig, sehr schwer und hart, nicht spaltbar harzreich. 332 Hölzer. harte1) Rinde bricht ausgezeichnet regelmässig blätterig, ohne jenes zahn- artige Eingreifen der Schichten zu zeigen, welches den unregelmässigen Bruch des Holzes bedingt. Der Querschnitt lässt eine in dickeren Stücken nur sehr schmale, grüne, durch gelbe Steinzellen körnige Mittelrinde erkennen, während der grösste Theii des Schnittes von der fein gefelderten Innenrinde eingenommen ist. Der anatomische Bau bietet verschiedene Eigenthümlichkeiten dar. Der Kork besteht zunächst aus vielen Reihen gelber oder gelbgrüner , nach aussen und den Seiten sehr auffallend knorpelig verdickter Tafelzellen , auf welche einige Reihen etwas gewölbter, weniger dickwandiger, durch Luft- gehalt gewöhnlich etwas dunkler Korkzellen folgen. Dieselben bedecken eine zusammengefallene Schicht tangential gestreckten, durch Chlorophyll grün gefärbten Parenchyms. Dergleichen grüne Zonen wechseln nach innen mehrfach ab mit sehr dicht gedrängten Schichten gelber Steinzellen von bald würfeliger, bald mehr kugelig-eckiger oder gestreckter Form. Dte regel- mässigsten derselben nehmen auf dünnen Querschnitten im polarisirten Lichte ein scharf ausgeprägtes schwarzes Kreuz auf hellem Grunde an, ähnlich wie grosse Stärkmehlkörner. Deutliche Markstrahlen fehlen hier. Weiter nach innen findet sich zwischen diesen Steinzellenschichten stärke- haltiges, etwa 3reihiges Parenchym, das allmälig in die Bastschicht über- geht, welche dieselben Steinzellen, jedoch öfter axial gestreckt, enthält. Hier wechseln ihre dicht gedrängten Schichten ab mit Bastparenchym, dessen nur wenig vertikal gestreckte Zellen fast immer einen Krystall von Kalkoxalat einschliessen. Diese in sehr grosser Zahl vorkommenden, an beiden Enden zugespitzten Prismen erreichen eine Länge von etwa 100 Mikromill. bei ungefähr 15 Mikromill. Dicke. Ihre Länge entspricht nämlich den Markstrahlen, welche aus einer einzigen Yertikalreihe von 4 bis 6 Zellen bestehen. Ebenso regelmässig sind auch die Oxalat- Prismen vertikal gestellt und von ziemlich gleicher Breite wie die Markstrahlen. Der tangen- tiale Schnitt aus der Innenfläche der Rinde , wo die Steinzellenschichten durch Hornbast ersetzt sind, zeigt daher vorwiegend gleich hohe, hori- zontale oder etwas geneigte Reihen aus sehr regelmässig abwechselnden Markstrahlen und krystallführendem Bastparenchym, da und dort unter- brochen durch mehr kubische, von Oxalat freie Bastzellen. Gegen die Mittelrinde hin verlieren sich die Markstrahlen, ohne sich zu erweitern. Besonders auf dem radialen Längsschnitte durch die innersten Schichten des Bastes erscheinen die Prismen oft mit einem einspringenden Winkel von 141° nach Holzner2) versehen, welcher durch Hemitropie der dem mono- klinischen System angehörigen Krystalle entstellt. Diese Gestalt des Kalk- oxalates entspricht daher ohne Zweifel der Formel G2 Ca2 O4 H- H2 0, 1) Hütten (1519) nannte sie schon „haud ita densns, sed immodice durus", im Ver- gleiche mit dem Holze. 2) in der bei Cortei Strychni angeführten Abhandlung S. 16. Lignum Guajaci. 333 während die im Parenchym des Kernholzes sparsam abgelagerten, freilich sehr unvollkommen ausgebildeten Krystalle vermuthlich dem quadratischen Systeme angehören und 3 H2 0 halten dürften. Löst man die schönen Pris- men der Guajakrinde in heisser Salzsäure , so schiessen bei langsamem Er- kalten ausgezeichnete Combinationen der quadratischen Säule mit dem Quadratoktaeder an ; bei etwas mangelhafter Ausbildung treten sie manch- mal zu Drusen zusammen , welche an die so viel verbreiteten Krystallroset- ten erinnern, wie sie z. B. in der Rhabarber vorkommen. Das Kalkoxalat der Guajakrinde (Cort. ligni sancti) wurde schon 1785 von Scheele er- kannt, dann vielfach für Gyps, Arragonit oder gar für Benzoesäure gehalten und erst in neuester Zeit chemisch und krystallographisch festgestellt. Gleiche Krystalle wie in der Guajakrinde sind bis jetzt nur erst in der Rinde von Quillaja Saponaria Molina (Rosaceae) nachgewiesen. Wie das Mikroskop zeigt, ist die Guajakrinde sehr reich an Kalkoxalat. Sie gibt in der That (bei 100° C. getrocknet) nicht weniger als 23 pC. Asche, also etwa dreissigmal mehr als das Holz. Yock hat unter meiner Leitung die Oxalsäure direkt titrirt. 4,587 Gramm, bei 100° C. getrockneter Rinde lieferten ihm 0,819 krystallisirter Säure £2H606, entsprechend (0,949 Gramm, oder) 20,7 pC. Oxalat O2Ca2044-H20. Diese Menge würde beim Einäschern 14 pC. kohlensauren Kalk geben, während 15 bis 20 pC. davon gefunden wurden. Der Ueberschuss des Kalkes scheint an Weinsäure gebunden zu sein. Manche Proben der Rinde enthalten überdies auch kohlensauren Kalk und brausen stark mit Salzsäure. Der Harzgehalt der Guajakrinde ist nur höchst unbedeutend, da er fast ganz auf die geringe Höhlung der noch nicht vollständig verholzten Steinzellen beschränkt ist, sofern der Inhalt derselben nicht vielmehr aus Farbstoff besteht. Das Harz ist verschieden von dem des Holzes und bläut sich nicht mit Salpetersäure. Die Rinde schmeckt schleimig, dann ziemlich stark bitter und entwickelt weder beim Kauen noch beim Erwärmen das Aroma des Holzes. Trommsdorff hat den Bitterstoff durch Fällung des alkoholischen Auszuges mit Schwefelsäure erhalten und Gu aj acin genannt. Er verdient nähere Untersuchung. Die chemische Constitution der Rinde und des Holzes geht demnach so sehr auseinander, dass sie als zwei grund- verschiedene Drogen zu betrachten sind. Bei Guajacum sanetum scheint auch das Holz, nicht nur die Rinde einen Bitterstoff zu enthalten. 334 Rinden. III. Rinden. A. Kork. Suber quercinum. Kork. Liege. Cork. 1. Quercus Suber L. — Amentaceae. 2. Quercus occidentalis Gay. Nahe verwandte immergrüne Bäume von massiger Höhe, im Gebiete des Mittelmeers und der benachbarten atlantischen Küsten einheimisch; der zweitgenannte in Portugal und dem südwestlichen Frankreich bis Bor- deaux, der erstgenannte in Nordafrika (bis ins Innere von Marocco), auf den Balearen , in Ober-Estremadura und Vizcaya in Spanien , dem südöst- lichen Frankreich und Süditalien, selten in Griechenland, häufiger in Klein- asien. In neuester Zeit hat man die Kultur der Korkeichen in Südaustralien begonnen. Obwohl die Korkbildung mehr oder weniger reichlich an sehr vielen anderen Bäumen auftritt, so liefern doch nur diese beiden Korkeichen — man nennt höchstens auch noch in beschränktem Masse Quercus Pseudo- Suber Santi in Ligurien — den zur technischen Verwendung brauchbaren Kork. Bis zum dritten Jahre ist die Rinde der Korkeiche mit einer Oberhaut bekleidet, unter welcher sich schon früh eine zarte farblose korkartige Schicht bildet; auf diese folgt nach innen die chlorophyllhaltige Mittelrinde (Rindenparenchym) und die Innenrinde (Bastschicht). Erst gegen das dritte oder vierte Jahr vermag die Oberhaut dem Wachsthum der inneren Rinden- schichten nicht mehr Schritt zu halten und wird der Länge nach gesprengt. Die jetzt zu Tage tretende Korkschicht enthält in ihren äusseren Lagen dünnwandige kubische verkorkte und abgestorbene Zellen, während die Wandungen der inneren noch lebensthätigen und saftigen Zellen aus Cel- lulose bestehen. In diesen letzteren , dem Korkcambium , findet eine regel- mässige Vermehrung der Zellen durch Theilung derselben in tangentialer Richtung statt, indem sich eine zarte Scheidewand in der Mutterzelle bildet. In der ganzen Korkmasse lassen sich deutliche Jahresschichten unterschei- den. Die Zellen der zwei oder drei innersten Reihen jedes Jahresringes bleiben nämlich tafelförmig, wachsen nicht zu Würfeln aus und erscheinen wegen ihrer genäherten und etwas dickeren Wände als dunklere Zonen (Periderma). Diese Zonen folgen sich bei etwas älteren Bäumen in sehr geringer Entfernung von höchstens 1 Millimeter Abstand, so dass das ganze Gewebe nicht gleichraässig, wenig zusammenhängend und kaum elastisch ist, wozu noch die häufig darin vorkommenden Steinzellengruppen bei- tragen. In der Richtung der Jahreszonen lässt sich dieser Kork sehr leicht Suber quercinum. 335 zerreissen. In der That ist auch dieser sogenannte männliche Kork nicht brauchbar und dient nur zur Feuerung oder zur Bedachung. Er wird daher in der Saftzeit, wo er sich sehr leicht von der Mittelrinde ablösen lässt, durch die Axt entfernt. In Algerien geschieht dieses „demasclage" nach Casimir de Candolle vom Mai bis zum Herbste. Die Mittelrinde, Bast- schicht und das Cambium bleiben hierbei als „Korkmutter" zurück und setzen ihre Entwicklung nicht nur ungestört fort, sondern die Korkbildung geht weit reichlicher vor sich, selbst wenn das „demasclage" gelegentlich durch die Eingeborenen in barbarischer Weise vermittelst Feuer geschieht ; jedoch in etwas abgeänderter Weise. Im Innern der Korkmutter, aber in sehr wechselnder Tiefe unter der Oberfläche, bisweilen sogar in die Bastschicht eingreifend, bildet sich schon wenige Monate nach dem Schälen (demas- clage) eine zarte Korkzone, welche rasch fortwächst, aber viel breitere Jahresschichten ansetzt. Die dunkleren wellenförmigen (Periderm-) Zonen, welche diese letzteren trennen, bestehen meist aus Steinzellen in drei bis vier Reihen. Neben denselben verlaufen in gleicher Richtung noch andere ähnliche Zonen, aus gewöhnlichen kubischen Korkzellen gebaut, deren Wände aber sehr zusammengefallen sind und nicht zu ihrer vollen straffen Ausdehnung zu gelangen vermochten *). Sie bekommen die- selbe durch Erwärmung in kochendem Wasser und behalten sie auch nach dem Erkalten bei, so dass diese falschen Jahresringe im käuflichen Korke wenig mehr sichtbar sind. Hierin liegt ein Hauptgrund der grösse- ren Elasticität dieses künstlich erzeugten Korkes , welcher nun erst die be- kannten werthvollen Eigenschaften des Handelsgutes zeigt. Dieser soge- nannte weibliche Kork unterscheidet sich also vom natürlichen (männ- lichen) durch abweichenden Bau der Jahresringe so wie durch viel grössere Gleichmässigkeit und Elasticität, welche hier von den sehr weit aus einan- der gerückten Jahresringen wenig gestört werden. — Diesem weiblichen Korke gleicht auch die ganze Korkbildung an jüngeren Bäumen. Die Korkeiche erreicht ein Alter von etwa 15 Jahren bis sie weiblichen Kork zu liefern beginnt. Nach der ersten Schälung erneuert sich die Kork- schicht allmälig und kann nach je 8 bis 10 Jahren wieder in gleicher Güte und Stärke gesammelt werden, bis der Baum ungefähr 150 Jahre zählt. In Berggegenden wächst der Kork langsamer, wird aber feiner. Die künst- liche Beförderung der Korkbildung soll die Lebensdauer der Eiche eher er- höhen als beeinträchtigen. Weitaus den meisten Kork liefern Catalonien und Andalusien, dann auch Portugal , weniger Sardinien und Toscana. Nicht viel versprechend sind die Pflanzungen an der biscayischen Küste Frankreichs , bei Castets und St. Girons (Departement des Landes). !) Der Grund dieser Pressung dürfte in der Art der Vermehrung der Korkzellen liegen, ■welche vermuthlich in centripetaler Richtung vor sich geht, indem von zwei durch eine tan- gentiale Theilung der Mutterzelle entstandenen Tochterzellen immer die innere sich wieder theilt. 336 Rinden. England allein verbraucht jährlich bei 5000 Tonnen Kork. Die Gewinnung des Korkes findet in Algerien *) , wo jetzt seit einigen Jahren im Sanhadscha-Gebiet (Provinz Constantine) grosse von der fran- zösischen Verwaltung gepachtete Korkwälder durch Deutsche systematisch ausgebeutet werden , von Mitte April bis Mitte August Statt. Die Rinde wird oben und unten geringelt, durch zwei Längsspalten in gleiche Hälften getheilt und nun mit dem Stiele der Axt in der Regel mit einem Rucke leicht abgelöst. Erst später werden in den Magazinen die mit abgesprengten Reste der Korkmutter beseitigt (demerage) und der Kork zu Platten gepresst. Die Dicke derselben beträgt höchstens 0,05m, ihre braune Oberfläche ist längsrissig, runzelig, die Innenfläche heller, glatt oder stellenweise durch die ausgefallenen Theile der Mittelrinde etwas vertieft. Die 8 bis 10 Jahres- ringe sind auch auf dem radialen Längsschnitte der Platten deutlich als wellenförmige Zonen wahrnehmbar. Die kleineren Korkstöpfel pflegen in tangentialer Richtung aus den Platten geschnitten zu werden , also parallel mit den Jahresschichten ; die grossen hingegen senkrecht auf dieselben. — In radialer Richtung ist der Kork auch von Spalten durchsetzt, die mit braunen Resten der Mittelrinde und mehr noch mit dickwandigen knorpe- ligen Steinzellen ausgekleidet sind. Je zahlreicher und weiter diese Spalten, desto geringer der Kork. Die Hauptmasse desselben ist ganz und gar aus mehr oder weniger würfelförmigen, radial geordneten, grossen, 70 bis 100 Mikromill. messenden Zellen mit etwas geschlängelten Wänden gebil- det; nur die dunkleren Zonen, welche die Jahresringe nach innen begrenzen, zeigen sich aus 1 bis 3 Reihen dunkler gelblicher Steinzellen bestehend, worin braungelbe Harzklumpen sichtbar sind. Das Korkgewebe enthält für die unmittelbare Wahrnehmung nur Luft, welche nicht leicht vollständig daraus entfernt werden kann. Aber selbst dann ist es immerhin leichter als Wasser. Die eigentliche Korksubstanz ist mit Wahrscheinlichkeit als ein sekundäres Häutchen zu betrachten, welches sich auf der Innenseite der jungen Zellwand ablagert und von der Cellulose physikalisch und che- misch verschieden ist. Im Gegensatze zu dieser haben direkte Versuche von Sanio die Un- durchdringlichkeit des Korkes z. B. für Zuckerlösung dargethan, wie ja auch seine technische Verwendung gerade auf dem Widerstände beruht, den er dem Durchgange der Flüssigkeiten und Gase entgegensetzt, so wie auf seiner geringen Hygroskopicität. In optischer Hinsicht ist der Kork durch starke Lichtbrechung ausgezeichnet, welche seine Zellwände dnnkel und scharf gezeichnet erscheinen lässt. — Eben so sehr unterscheidet sich der Kork- stoff, das Suberin, in chemischer Hinsicht von Cellulose. Durch Jodzink- lösung oder durch Jod nach vorgängiger Behandlung mit Schwefelsäure nimmt es erst nach sehr anhaltendem Kochen mit Kali eine blaue !) Ausfuhr 1861 : 1 Million Kilogr. Cortex UJmi interior. 337 Färbung an, löst oder verändert sich in Kupferoxyd ammoniak nicht und gibt, mit Schwefelsäure behandelt, kein lösliches Kohlehydrat. Auch die durch Salpetersäure erhaltenen Oxydationsprodukte unterscheiden sich wesentlich von denen der Holzfaser und enthalten neben Oxalsäure nament- lich auch höhere Glieder ihrer homologen Reihe, wie Bernsteinsäure und Korksäure (10 pC. vom Kork), dann Spuren von Benzoesäure, Ammoniak und Bitterstoff. Explosive Verbindungen fehlen. Die Formel des Korkes steht nicht fest; er enthält weit mehr (über 60 pO.) Kohlenstoff und weniger Sauerstoff (unter 30 pC.) als die Cellulose, auch IV2 bis 3 pC. Stickstoff, der indessen vielleicht nur als Beimengung zu betrachten ist. Der Kork verbrennt mit eigenthümlich schwach aromatischem Gerüche und hinterlässt nur etwa V2 pC. Asche. Durch Aether oder Alkohol lassen sich dem Kork nach Chevreul ungefähr 2V2 pC. eines wachsartigen Stoffes, Korkharz, Oer in1) oder Kork- wachs genannt , entziehen , das in gelblichen Nadeln krystallisirt. B 0 u s - singault nannte dieselben Korkharz und erst das durch Salpetersäure erhaltene Oxydationsprodukt Cerin oder Korkwachs. Dieses letztere be- schrieb Döpp ing als Cerinsäure. B. Adstringirende Rinden. Cortex Ulmi interior. Ulmenrinde. Rüsterrinde. Ecorce d'orme pyramidal. Elm bark. 1) Ulmus campestris L. 1 TT1 pC. „ „ „ des Stammes . . 0,1 0,2 0,5.] In Zweigrinden von C. Uritusinga traf Howard3) bereits 2 pC. Chinin, während die übrigen Basen zusammen nicht so viel betrugen. Welcher qualitativer Veränderungen der Alkaloidgehalt einer Art durch den Einfluss der Cultur fähig ist, zeigt eine von Howard4) untersuchte 2V2Jährige C. micrantha aus Utacamund, welche fast nur Chinidin und Spuren von Cinchonin neben etwas Aricin enthielt, während dieselbe Art in ihrem Vaterland e (Huanuco) als eine ganz vorzugsweise Cinchoninhaltige Rinde bekannt ist. In der rothen China aus Ecuador pflegt das Chinin meist vorzuwalten, in Utacamund cultivirte C. succirubra jedoch ergab einmal 1,8 pC. Cin- chonin neben 0,9 in Aether löslicher Alkaloide (Chinin und Cinchonidin). §51. Es ist nach den wenigen , aber schlagenden analytischen Ergebnissen, welche hier zusammengestellt sind, einleuchtend, dass äussere Merkmale mit Einschluss der histologischen Verhältnisse nur sehr ungefähre Anhaltspunkte zur chemischen Beurtheilung der Chinarinden gewähren. Wenn wir es auf- geben müssen, für eine und dieselbe Cinchona einen beständigen Durchschnitts- 1) ad C. nitid. 3. 2) Ueber Chinarinden etc. S. 47. 3) N. Quinol. ad C. Uritusing. 3. 4) Ph. J. and Transact. VII. 420. 408 Rinden. gehalt auszuniitteln , so gilt das in noch weit höherem Grade von den Handelssorten, deren Werthbestirnmung der chemischen Analyse zufällt, indem zwischen gänzlichem Mangel an Basen, wie ihn allzu junge Rinden darbieten und dem bis jetzt beobachteten Maximum von 8,6 pC. (§ 47) in Quantität und Qualität zahlreiche Abstufungen vorkommen. Für die wenigen officinellen Rindensorten , welche oben hervorgehoben wurden, können die nachstehenden Durchschnittszahlen als der praktischen Erfahrung einigermassen entsprechend, aufgestellt werden. An Alkaloiden (nicht Sulfaten1)) pflegt enthalten zu sein in Procenten: Chinin Chinidin Cinchonin in flacher Calisaya 2—4 0,6 0,4—0,6 „Huanuco .... 0,1—0,3 0,6—1,2 „ Loxa 0,1—0,6 0,4—0,8 „ flach, roth. China 1,5—2,6 0,6 — 2,0 und aus der Reihe nicht officineller gut charakterisirter Handelssorten geben ungefähr : Chinin Chinidin Cinchonin China flava dura . . . 0,05—0,7 0,5 0,1—0,4 „ „ fibrosa . . 0,7—1,5 0,2 „ rubra in Röhren 1,0—1,4 0,4 0,5—1,0 „ Jaen (pallida) . 0,5—0,7 0,3—0,6 „ Pitayo 2—8 1 Wie wenig jedoch diese Zahlen auf allgemeine Gültigkeit Anspruch haben, ist genügend erörtert worden. §52. Ausser den oberirdischen Rinden der Cinchonen sind in neuester Zeit auch schon gelegentlich Wurzelrinden im Handel erschienen. Diese so- wie auch die übrigen Organe der Chinapflanzen müssen nothwendig in den Kreis der Betrachtung gezogen werden, um eine tiefere Einsicht in den chemischen Haushalt dieser wichtigen Gattung zu begründen. Ueber den Bau der Wurzelrinden liegen nur von C. Calisaya die oben (§31) angeführten Beobachtungen vor, in Betreff des chemischen Gehaltes hingegen sind unsere Kenntnisse bereits durch de Vrij und durch Howard beträchtlich erweitert worden. Auch Weddell2) hatte schon auf die Bitterkeit der Wurzelrinde besonders seiner C. Josephiana aufmerksam !) es ist zu bedauern, dass der Gehalt der Chinarinden so oft in Sulfaten angegeben wird , da diese Salze je nach der Darstellung von verschiedener Zusammensetzung ausfallen müssen. 2) S. 21. 35. Cortices Chinae. § 52. 53. 409 gemacht und sie im Baue mit Calisayarinde übereinstimmend gefunden. Howard1) traf 1864 und früher die meisten Zufuhren bolivianischer Cali- saya mit leicht kenntlichen gekrümmten Stücken der Wurzelrinde gemengt. Die Häute (Suronen), welche solche Waare enthielten, fanden sich oft durch ein aufgebranntes X besonders bezeichnet. Die Wurzelrinde lieferte in aus- gesuchten Stücken nur ungefähr V^pC. Chinin und doppelt so viel Chinidin, also an ersterer Base zehnmal weniger als gute Stammrinde. Allein schon in demselben Jahre fand deYrij2) bei seinem Besuche der englischen Pflanzungen auf Ceylon und in den Nilagiris die Rinden der Wurzeln von C. Calisaya, micrantha, Pahudiana und succirubra bei weitem alkaloid- reicher als diejenigen ihrer Stämme. Für Calisaya und lancifolia bestätigte die Untersuchung javanischer Rinden dieses Verhältniss nicht durchgängig, im höchsten Grade aber fand es sich wieder ausgeprägt bei C. Pahudiana aus Java. Ein 3 1/± Jahre altes Bäumchen zeigte in der Wurzelrinde 1,9, in der Stammrinde 0,09 pC. Alkaloid, vorwiegend Chinin, und 100 Bäum- chen von 2V2 Jahren durchschnittlich 2V3 pC in der Wurzelrinde, während der Stamm gar keine Basen ergab. Ein 4 V2 jähriges Bäumchen, 5m hoch und am Grunde gegen 0,06m dick, in 2000m Meereshöhe, an schattenlosem Standorte gewachsen, gab in Wurzelrinde 4,2, in der Stammrinde 0,46 pC. Alkaloid. Freilich soll M u 1 d er 3) im Stammbaste einer achtjährigen C. Pahu- diana auch 3 pC. Chinin nachgewiesen haben. Die Yerhandlungen über den Werth dieser auf Java voreilig so ausserordentlich stark vermehrten Art sind mit vieler Bitterkeit geführt worden und die Regierung soll weiterer Vermehrung derselben Einhalt gethan haben.4) Die Wurzelrinde von C. pitayensis scheint wenigstens bei jüngeren Bäumen reicher zu sein als die der Stämme, wie denn überhaupt diese Art vielleicht die allerwerthvollste ist. §53. Das fast ganz geschmacklose Holz enthält Spuren der Basen5) neben viel Chinovin (vergl. oben § 43) ; es ist übrigens zu technischer Verwen- dung nicht brauchbar. Die Blätter der Cinchonen schmecken säuerlich bitter und riechen auch trocken noch theeähnlich. Ein unbedeutender Gehalt derselben an Alkaloiden steht ausser Zweifel;6) ihre Reindarstellung gelingt aber hier schwieriger als aus der Rinde. Nach allerdings nur erst wenig zahlreichen Erfahrungen englischer Aerzte in Indien verdienen die Blätter der C. succi- !) Ph. J. and Transact. V. 343. 2) ibid. Y. 597. •3) nach Oudemans, Handl. tot. de Pharmacogn. 106. 4) Hasskarl in Flora 1862, No. 21. 5) de Vrij, Journ. de Pharm, et de China. 37 (1860) 256, auch Wiggers Jahresb. 1860,41. 6) Pharm. J. and Tr. V. 597 u. 513. 368. 410 Rinden. rubra z. B. als Fiebermittel alle Beachtung.1) Sie verdanken ihren Ge- schmack hauptsächlich dem Chinovin , wovon sie , z. B. bei letzterer Art bis 2 pC. und durchschnittlich, wie es scheint, überhaupt mehr als die Rinde enthalten. Die Menge des Chinovins steht vermuthlich im umge- kehrten Verhältnisse zum Alkaloi'dgehalte. Noch bitterer als die Blätter schmecken die Blüthen, deren Bitterkeit aber nicht in den wässerigen Aufguss übergeht.2) Ob den gleichfalls bitter schmeckenden3) Cinchonen fruchten die Basen ganz fehlen, wie 0. Henry (1835) gefunden, dürfte noch sehr frag- lich sein. §54. Werden Chinin oder Cinchonin mit flüchtigen organischen oder anor- ganischen Säuren oder mit solchen Stoffen , welche dergleichen zu liefern vermögen, vorsichtig erhitzt, so tritt ein prächtig rothes Zersetzungsprodukt auf. Grabe hat 1858 gezeigt, dass sich dasselbe auch aus den Chinarinden sehr schön und einfach darstellen lässt. Keine anderen Basen verhalten sich so, auch geben Binden , welche keine Chinabasen enthalten, dieses rothe Produkt nicht. Selbst bei Cinchonenblättern , worin Howard 0,1 pC. Chinin fand, zeigte sich die Grahe'sche Reaction nicht, so dass sie ein ganz vortreffliches Mittel abgibt, um z. B. in Verbindung mit der einfachsten mikroskopischen Untersuchung den Beweis zu liefern, ob eine wirkliebe Chinarinde vorliegt oder nicht. Bei gänzlichem Mangel oder äusserst ge- ringem Gehalte an Chinabasen muss diese Reaction ausbleiben, wenn man auch mit einer Cinchonarinde zu thun hat; so z.B. bei der China aus Para (§ 40). Zur Gewichtsbestimmung der Alkaloide dienen am besten die von Claus (1863) und von deVrij (1864) angegebenen Methoden. Ersterer erschöpft bei 100° getrocknete Rinde mit kalter, verdünnter Schwefelsäure, dampft den Auszug mit überschüssiger Magnesia ein, zieht mit Aether das Chinin aus und mit Alkohol die übrigen Basen. De Vrij mischt die Rinde mit V4 gelöschtem Kalk, kocht mit dem lOfachen Weingeist mehrmals aus, verdampft mit Ueberschuss von Essigsäure zur Trockne, nimmt mit Wasser auf, concentrirt und versetzt diese Lösung mit etwas Kalkhydrat. Der Niederschlag wird mit Wasser gewaschen, getrocknet und mit Weingeist ausgekocht, welcher nach dem Eindampfen die Gesammtmenge der Alka- loide hinterlässt. Man löst sie in wenig verdünnter Essigsäure, schüttelt mit Natronlauge und Aether, welcher (nach einigen Stunden) Cinchonin, Cinchonidin und Chinidin kaum angreift, während Chinin durch Filtration erhalten wird. Der von Aether nicht aufgenommene Rückstand wird in ') Engl. Blaubuch über die ostind. Chinapflanzungen von 1863. S. 264. 2) Wdl. 21. — Vergl. auch oben § 2 u. § 40. 3) Markham 1. c. pg. 194. Cortices Chinae. § 54. 55. 411 Essigsäure gelöst und mit Jodkalium versetzt, worauf (erst in 1250 Th. Wasser lösliches) Hydriod- Chinidin niederfällt, wenn dieses Alkaloi'd vor- handen ist. Das Filtrat enthält Cinchonin und Cinchonidin, letzteres kennt- lich durch sein Verhalten zum polarisirten Lichte , die Unlöslichkeit seines Tartrates und die Leichtigkeit, womit das Sulfat von Glaubersalzlösung (von y4 Gehalt) aufgenommen wird.1) §55. Die bereits vorliegenden, wenn auch noch bei weitem nicht abgeschlos- senen chemischen Thatsachen über die Verbreitung der Alkaloide in den Cmchonen, im Zusammenhange mit den anatomischen Studien haben zu lehrreichen Erörterungen über den eigentlichen Sitz der Alkaloide geführt. Wenn die Eigenschaften so mancher Milchsäfte berücksichtigt werden, so liegt es nahe, auch dem Inhalte der Saft schlau che der Cinchonen eine hervorragende Bedeutung im chemischen Haushalte dieser Bäume zu- zuschreiben. Noch ist aber zweifelhaft, ob in der That die Chinasaft- schläuche den Milchsaftgefässen anderer Pflanzen zugezählt werden dürfen (vergl. z. B. bei Caricae, bei Fructus Papaveris, Lactucarium, Radix Tara- xaci) und jedenfalls ist uns die Natur des vorläufig sogenannten Milchsaftes der Chinarinden noch allzu wenig bekannt und zwar namentlich in Betreif seiner etwaigen Beziehung zu den Basen. Während z. B. Delondre und Henry2) (1835) in dem nach dem Anschneiden der Rinde ausfliessenden Safte ausser Harz (?), Fett und Chinaroth auch Basen gefunden, erwies sich der Saft von C. succirubra frei von solchen und enthielt nur Chinovin (de Vrij ,3) 1864). Vor weiterer Bestätigung darf gewiss aus dem letzteren Versuche nicht geschlossen werden, dass die Alkaloide in der lebenden Pflanze in fester Form abgelagert sein müssen. Jedenfalls aber spricht die vollkommenere oder doch reichlichere Entwickelung der Saftschläuche in den Ladenbergia- und Cascarilla - Arten dagegen, dass dieser Gewebeform in den basenhaltigen Cinchonen eine besondere Bedeutung im erwähnten Sinne zukomme. Nach Karsten verschwinden die Saftschläuche sogar gerade vorzugsweise früher in den werthvollsten Arten. Den frischen Saft lebender Chinarinden, welcher meist farblos und klar zu sein scheint, nennt übrigens Weddell4) mehr adstringirend als bitter und nur bisweilen milchig (§6, No. 14). Weddell hat zuerst versucht, einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bau und dem Gehalte der Chinarinden nachzuweisen. Er ging dabei *) wichtige Einwürfe van derBurg's gegen diese Methoden in Fresenius, Zeitschr. für analyt. Ch. IV. 273 (und V. 199!) 2) Gmelin, Handb. d. org. Chemie V. S. 55. 3) Ph. J. and Tr. V. 597. 4) 19. 33. 412 Rinden. von der zu seiner Zeit noch voll berechtigten Ansicht aus , dass die Bast- platten der Calisaya unter allen Chinarinden am meisten Chinin enthalten und dass in den „grauen", oder allgemeiner in den jüngeren gerollten Rinden verhältnissmässig mehr Cinchonin vorkomme. Hierin schien einer- seits eine Beziehung der Bastschicht zum Chinin und anderseits eine solche des Cinchonins zur Mittelrinde zu liegen. In ersterer Hinsicht verlegte Weddel den Sitz des Chinins in das Parenchym des Bastes, da ihm die Dichtigkeit der verholzten Baströhren zu gross erschien, um darin eine Ablagerung von Alkaloid anzunehmen. Diese Hypothese musste jedoch so- gleich nach zwei Richtungen hin in ihrer allgemeinen Gültigkeit beschränkt werden. "Weddell fügte nämlich bei, dass die reichliche Ausbildung des Bastparenchyms nur bis zu einem „gewissen Grade" das Auftreten des Chi- nins zu begünstigen vermöge. Sei dieser Punkt überschritten, so beginne der Chemismus des überwuchernden Bastparenchyms sich demjenigen der Mittelrinde zu nähern, d. h. es werde nun Cinchonin entstehen. Es fällt auf, dass hierbei die Thätigkeit der Markstrahlen nicht in Rechnung gebracht wurde.1) Dass zweitens ein ausserordentliches Vorwalten der Baströhren der Alkaloi'dbildung überhaupt nicht hinderlich sein müsse , ergab sich aus den Vordersätzen von selbst. Karsten, welcher im Laufe seines zwölfjährigen Aufenthaltes in Colum- bien mit botanischen Beobachtungen auch zahlreiche Bestimmungen des Alkaloidgehaltes der Rinden an Ort und Stelle verbunden hatte, erklärte gleichfalls das nicht verholzte Gewebe der Innenrinde als höchst wahrschein- lichen Sitz der Alkaloi'de, deren „Behälter" die Baströhren nicht sein könnten. Den Zusammenhang der anatomischen Struktur mit dem Gehalte fand er jedoch darin ausgedrückt, dass die reichsten Rinden zugleich auch die dicksten und am vollständigsten verholzten Baströhren aufweisen. Wie oben (§ 8, 10, 47) ausgeführt, räumt Karsten aber dem Klima und der Witterung den grössten Einfluss auf den Gehalt der Rinden ein und deutet sogar die Möglichkeit an, dass mit dem letzteren gleichzeitig auch durch dieselben kosmischen Faktoren die Stärke der Baströhren herabgedrückt werden dürfte. Howard hält ebenfalls den parenchymatischen Theil der Rinde für den Sitz der Alkaloi'de und findet denselben regelmässig in den reichsten Sorten am meisten ausgebildet. Da es nun hauptsächlich die verholzten Baströhren sind, welche die Struktur einer Rinde bedingen und Howard dieselben ausser Beziehung zu den Alkaloi'den glaubt, so ergibt sich mit Nothweudig- keit der Schluss, dass analoger Bau der Rinden noch keineswegs auch einen gleichen chemischen Gehalt andeute. In so fern erwiesenermassen kühlere Standorte der reichlicheren Entwicklung des Parenchyms der !) Weddell hielt eigentlich Bastpareuchym uud Markstrahlen hier nicht auseinander und sprach ohne nähere Bezeichnung nur von dem zwischen den verholzten Baströhren gele- genen Parenchym. Cortices Chinae. § 55. 413 Innenrinde günstig sind, gelangt Howard1) ebenfalls zu dem durch Kar- sten begründeten Satze von dem entscheidenden Einflüsse klimatischer Bedingungen auf die Alkaloidbildung , welcher in den bereits angeführten Ergebnissen der Chinaculturen in Indien volle Bestätigung gefunden. Weddel's Lehre, dass das Chinin mehr der Innenrinde, das Cinchonin der Mittelrinde angehöre, fand Howard wenigstens bei den so reichen C. lancifolia und succirubra nicht bestätigt. Er theilte z. B. flache Stücke der Rinde dieser Art mechanisch in ihre beiden Hauptgewebe und fand die Mittelrinde nicht nur an Chinin , sondern auch an den andern Alkaloi'den im ganzen reicher, ja sogar die Bastschicht frei von Chinin. Dünnere Röhren, wo die letztere noch nicht vorwaltete, gaben nicht viel weniger Cinchonin (mit Einschluss des Cinchonidins) als Chinin. Dass die Alkaloi'de , wenn auch vielleicht nicht ausschliesslich , so doch hauptsächlich im Parenchym enthalten seien, wird durch das Auftreten von Kryställchen in manchen Chinasorten unterstützt. Werden z. B. feine Schnitte von China rubra dura oder Ch. Pitayo mit Ammoniak oder schwacher Kalilauge befeuchtet und mit Wasser sofort abgewaschen , so erblickt man sehr gewöhnlich das ganze Gewebe, vorzugsweise das der Mittelrinde, auch sogar den schon durch Binnenkork abgeschnittenen Theil derselben mit büschel- oder sternförmig vereinigten feinen Nadeln übersäet.2) Ausserdem und im ganzen eigentlich häufiger finden sich gerundete, krystallinische, oft roth gefärbte Körner vor. Yermuthlich sind die Kry stalle die durch das Alkali aus ihren (amorphen) Verbindungen frei gemachten Chinabasen; denn sie zeigen sich erst nach der angegebenen Behandlung. Dieser Um- stand, so wie die Form der Krystalle, ihre Löslichkeit in Aether, Weingeist, Essigsäure lässt sie bestimmt von dem Kalk -Oxalat unterscheiden, das oft auch sehr reichlich abgelagert ist. Erinnert man sich, dass in noch anderen alkaloi'dh altigen Pflanzengeweben (z. B. in Semen Strychni) bei längerer Aufbewahrung feiner Schnitte Krystalle auftreten, welche ursprünglich nicht ausgebildet waren, so kann wohl in dem entsprechenden Verhalten der Chinarinden auch nichts besonderes gefunden werden, als die Bestätigung der Ansicht, dass die Basen nicht in freiem Zustande vorhanden seien. Howard, welcher die Krystalle in der rothen China abgebildet3) hat, erklärt sie für in der Rinde präexistirende Verbindungen der Alkaloide mit Chinovasäure (Chinovin?) und Chinovagerbsäure. Da nun dergleichen Ver- bindungen noch nicht untersucht worden sind, so ist es vorerst nicht mög- lich, diese Vermuthung näher zu erörtern. !) Nueva Quinol. Microscop. observ. 4. 2) Sie wurden vermuthlich zuerst von Oudemans (Aanteekeningen etc. der Pharmacop. Neerlandica pg. 221) 1854—1856 in China Calisaya und Ch. rubra beobachtet. 3) N. Quinol. Taf. 2 und Ph. J. and Trans. VI. 584. — Vergl. auch Ph. J. and Tr. V. 76. 414 Rinden. §56. Eine vollkommen abweichende Ansicht über den Sitz der Alkaloi'de ist von Wigand1) (1862) entwickelt und durch scharfsinnige Versuche gestützt worden. Er hält es für ausgemacht, dass die Baströhren ausschliesslicher Sitz der Alkaloi'de seien und daher auch unmittelbar als Werthmesser der Rinden dienen können. Dass das letztere nicht der Fall ist, scheint mir z. B. schon aus der Untersuchung anderthalbjähriger Rinden von C. succi- rubra und wahrscheinlich nicht älterer von C. Pahudiana hervorzugehen. Erstere aus Hakgalle auf Ceylon verdanke ich Howard, letztere aus Java der besonderen Gefälligkeit von Oudemans. In jener Probe von C. succi- rubra und zwar sowohl in gewöhnlicher als auch in „gemooster" (§ 48) Rinde sind der verholzten Baströhren nur noch äusserst wenige; auf Ceylon und in den Nilagiris gezogene , gleich alte Pflanzen dieser Art hatten aber de Vrij2) in den Stammrinden 2, 2,6 bis 8 pC. Alkaloi'd ergeben. Umge- kehrt finde ich, ganz übereinstimmend mit Howard,3) bei Pahudiana eine sehr grosse Menge der stärksten Baströhren , während sich doch die (ober- irdische) Rinde dieser Art auf Java unzweifelhaft als eine sehr arme erwiesen hat,4) wenigstens bis zum Alter von 7 Jahren. Die rothe China ist überhaupt eine sehr alkaloidreiche Rinde, unbedingt reicher als die der C. scrobiculata; aber die Baströhren sind in letzterer weit häufiger. Ebenso gestaltet sich der Vergleich zwischen der äusserlich ähnlichen Calisaya mit C. scrobiculata. Erstere ist wenigstens nach den meisten Erfahrungen bei weitem reicher an Alkaloi'den, letztere durch- schnittlich ebenso sehr an Zahl der Baströhren überlegen. Das auffallendste Beispiel liefert aber die Pitayo-China, welche nach allen analytischen Daten zu den allerreich sten Sorten gehört, mag sie nun auch nicht immer von C. pitayensis, sondern mitunter von C. lancifolia und andern Arten her- rühren. Aus verschiedenen Bezugsquellen mir vorliegende alkaloidreiche Pitayo- Rinde zeichnet sich übereinstimmend durch die auffallend und in jeder Hinsicht unbedeutende Entwickelung der Baströhren (oben § 32, No. 11) und entschiedenes Vorwiegen des Parenchyms aus, sowie durch # regel- mässige Erhaltung der Mittelrinde. Sehr bemerkenswerth ist auch das be- reits (S. 413) erwähnte Auftreten von Krystallen in vollkommen bastfreier Borke von C. succirubra. Alle diese Thatsachen zusammengenommen erscheinen unvereinbar mit einer besonderen Bedeutung der verholzten Baströhren. Immerhin mögen dieselben auch Spuren von Alkaloi'd enthalten, da sie rings umgeben sind von dem parenchymatischen Gewebe, worin die angeführte Behandlung mit Kali unmittelbar die Alkaloi'de nachweist. Den direkten Beweis für diese !) Bot. Ztg. XX. No. 18. 2) Ph. J. and Trans. V. 597. 3) Microsc. obs. Taf. 3 fig. 23. 24. 4) Ph. J. and Trans. VI. 17. — Vergl. jedoch § 52. Cortices Chinae. § 56. 57. 415 Ansichten habe ich1) an der auf S. 375 beschriebenen China boliviana zu führen gesucht. Sorgfältig mit Hülfe von wenig kaltem Wasser daraus iso- lirte Baströhren , deren fast vollständige Reinigung mikroskopisch verfolgt wurde, zeigten sich z. B. vermittelst der Grahe'schen Reaction (§54) frei von Basen, während das gleichzeitig gewonnene Parenchym dergleichen reichlich enthielt. Auch für C. lancifolia fand sich dieses Yerhältniss bestätigt. — Zum gleichen Schlüsse gelangte auch neuerdings C. Müller.2) §57. Auffallend bleibt es freilich, dass alle die sogenannten falschen Chinarinden, welchen Alkaloide fehlen, nicht verholzte, sondern noch offene Baströhren besitzen. Ihr ganzer Bau ist aber überhaupt abwei- chend. Man hat als Ausdruck aller dieser Verhältnisse den Satz aufgestellt, dass Chinaalkaloide nur in denjenigen Rinden vorkommen, welche nach den hier entwickelten morphologischen und anatomischen Anschauungen der Gruppe der Cinchonen im engeren Sinne angehören. Phoebus3) vor- züglich hat denselben angefochten, gestützt auf wiederholte Beobachtungen von Delondre u. Bouchardat, welche 6 Zehntausendstel (!) Cinchonin- sulfat, nebst Spuren (!) von Chinin aus einer sogenannten afrikanischen China erhalten hatten. Diese immer noch räthselhafte4) Rinde soll von den Lagos-Inseln an der Bai von Benin (Busen von Guinea) herstammen ; sie hat nicht die geringste Aehnlichkeit mit ächten Chinarinden. Kloete- Nortier5) hat jedoch in öVa Pfunden dieser ihm von Delondre selbst gelieferten Rinde keine Basen gefunden, so dass jene Schlussfolgerung zum mindesten noch bezweifelt werden darf. Nicht widersprochen ist bis jetzt der Angabe von DB.,6) dass columbische Ladenbergia- Rinden 2 Zehn- tausendstel (!) Alkaloi'd sulfate lieferten. Aber auch für diese vereinzelte Wahrnehmung so geringer Mengen muss noch weitere Aufklärung verlangt werden, bevor sie Beweiskraft ansprechen darf. Wenn somit ein vollgültiger Nachweis der Alkaloide in den falschen Chinarinden von Ladenbergia -Arten u. s. w. noch fehlt, so ist umgekehrt (§ 40) erwiesen , dass den wahren Cinchonen unter Umständen die Basen auch abgehen, und leicht möglich ist es, dass einzelne Arten dergleichen niemals zu bilden im Stande sind. Höchst interessant wäre in dieser Hinsicht die chemische Untersuchung z. B. der in § 2 (Anmerk.) erwähnten C. heterocarpa, welche denüebergang zwischen wahren Cinchonen und den zunächst stehenden Gattungen bildet. !) in Schweiz. Wochenschrift f. Pharm. 1866, No. 47. 2) Pringsheim, Jahrb. f. wiss. Bot. 1866. 238. 3) S. 52, 56, 60, 63. 4) Berg ist geneigt, sie der Nauclea Cinchona DC. (Cinchona globifera P.) zuzu- schreiben. 5) Wiggers' Jahresb. 1858. 59. 6) S. 40. - Auch Phb. 55. 56. 416 Rinden. • § 58. Es wurde schon anfangs erwähnt, dass die wissenschaftliche Kenntniss der Cinchonen mit Condamine beginnt. Die frühere Geschichte der Chinarinden verliert sich in Ungewisse Angaben. Aus der Zeit des spanischen Einfalles in Peru sind keine Beweise alter Bekanntschaft des eingeborenen Yolkes mit der Chinarinde überliefert worden, obwohl Con- damine so wie Jus sie u in Loxa davon erzählen hörten, und übereinstim- mend mit Ruiz u. Pavon die Berichte glaubwürdig fanden. Diesen zu- folge hätten die Peruaner den Spaniern die Heilkräfte der China verschwie- gen und in Loxa z. B. wären dieselben weit früher bekannt gewesen, als in Lima. Diese Annahme scheint wenigstens gegen Ende des XVII. Jahr- hunderts allgemein verbreitet gewesen zu sein *) , wo die Erinnerungen aus der Vorzeit noch lebendiger waren. Dass genaue Angaben fehlen, erklärt sich durch den gänzlichen Mangel geschriebener Dokumente aus dem alten Reiche der Incas. Ihrer Sprache gehört jedoch das Wort Quina (Rinde) an und die Verdoppelung Quina-quina scheint medicinische Eigenschaften andeuten zu sollen2). Während diese Bezeichnung von den Europäern aufgenommen wurde, gewann bei den Eingeborenen schon zu Condami- ne's Zeit der Ausdruck Cascarilla die Oberhand. Da die Peruaner mit grösster Zähigkeit an überlieferten Gebräuchen fest- halten und heute noch die China nicht anwenden , im Gegentheil fürchten, so schliesst Humboldt, dass ähnliches bei ihren Vorfahren der Fall gewe- sen sein müsse. Einer der neuesten Augenzeugen, Markham, welcher 1859 Peru be- reiste (§ 62) bestätigt3), dass in den Apotheken der nach uraltem Gebrauche im ganzen Lande, ja selbst von der Plata- Mündung bis Ecuador herumzie- henden eingeborenen Aerzte4) die China zu fehlen pflege, obwohl diese noch heute hochberühmten „Botanicos del Imperio de los Incas" in der westbolivianischen Provinz Munecas , im Bereiche der besten Fieberrinden- bäume wohnen. Ueberhaupt herrscht, wie auch Pöppig (1830) und Spruce (1859) fanden, gerade in den China-Gegenden ein starker Wider- wille gegen dieses Heilmittel, sogar in Guayaquil. Als wahrscheinlichste Ansicht ergibt sich wohl, dass die früheste Kennt- niss der China auf die Gegend von Loxa beschränkt geblieben war. Hier, im Dorfe Malacatos, soll ein vorüberreisender Jesuite durch einen Kaziken vermittelst China vom Fieber geheilt worden sein und die Kunde des Heil- stoffes verbreitet haben. Demselben Orte und Mittel soll auch 1630 der spanische Corregidor von Loxa, Don Juan Lopez de Cafiizares seine 1) Wdl. pag. 15. 2) bezieht sich aber auch auf Myrospermum peruiferum und noch andere zu Heilzwecken brauchbare Bäume. 3) in der oben § 22 Note 2 angef. Schrift 186. 4) vergl. über dieselben Reck in Petermann, Geogr. Mittheilungen. 1866. 377. Cortices Chinae. § 58. 59. 417 Genesung vom Wechselfieber verdankt haben. Als im Jahre 1638 die Gemahlin des Vicekönigs von Peru, Don Geronimo FerDandez de Cabrera y Mendoza, Grafen von Chinchon, im Palaste zu Lima am Fieber darnieder lag, sandte jener Corregidor von Loxa China an den vicekönig- lichen Leibarzt Juan de Vega. Auch an der Gräfin Chinchon bewährte sich das Mittel , so dass sie davon in Lima austheilen Hess. Schon hier nahm die gepulverte Rinde den Namen Polvo de la condesa (Gräfin-Pulver) an , bald aber mehr die Bezeichnung Polvo de los Jesuitos , als sich die Jesuiten des Mittels bemächtigten und 1643 ihrem Provincialen einen Vorrath desselben nach Rom an ihren Ordensbruder, Cardinal de Lugo mitgaben. Inzwischen hatte aber jener Leibarzt V e g a bei der Rückkehr des Vicekönigs nach Spanien schon 1640 ebenfalls China mitgenommen und z. B. in Sevilla zu 100 Realen das Pfund verkauft1). Eine Schrift von Barba in Valladolid, welche 1642 erschien, eröffnete die heute unabseh- bare Reihe der China-Literatur. So verbreitete sich der Ruf des neuen wichtigen Heilmittels sehr rasch. Durch die Jesuiten wurde Rom zu dessen erstem Stapelplatze; 1650 galt es dort sein gleiches Gewicht Silber, nachdem Papst Innocens X. durch seinen Leibarzt die China hatte begutachten lassen. Jedoch gelangte die Rinde auch schon 1658 nach England und wurde in diesem Jahre durch den Antwerpen er Kaufmann Thompson ausgeboten. In London beutete der Arzt und Apotheker Robert Talbor 1671 bis 1681 die China aus und wandte sie zuerst in richtiger Dosis an. 1679 soll er damit den Dauphin von Frankreich geheilt haben, worauf Louis XIV. gegen eine hohe Rente und sonstige Entschädigung das Geheimniss er- kaufte — ähnlich wie das auch bei Rhizoma Filicis und Rad. Ipecacuanhae der Fall war. Als 1681 nach Talbors Tode der König die Zusammen- setzung des Mittels bekannt machen liess, stellte sich erst China als dessen Hauptbestandtheil heraus und zog nun die erneute Aufmerksamkeit der Aerzte auf sich. § 59. Bis auf die Zeit von Condamine kümmerte sich Niemand um die Abstammung der Chinarinden, obwohl der Handel sich in grossem Massstabe damit beschäftigte und z. B. schon damals in Payta eine Prüfung der Rinde auf Verfälschungen stattfand, welche in Loxa eingerissen waren. Man glaubte die Chinabäume auf diese Gegend beschränkt, bis 1752 der Intendant der Münze zu Santa Fe, Miguel de Santesteban, dergleichen in der Gegend von Popayan und Pasto nachwies. 1760 langte in Cartha- gena in Neu-Granada der vicekönigliche Leibarzt Jose Celestino Mutis aus Cadiz an und nahm sofort die Bearbeitung der Flora dieses Landes in An- !) Nach von Bergen scheint aber die China schon 1639 oder gar 1632 in Spanien nicht unbekannt gewesen zu sein. Flückiger, Pharmakognosie. 27 418 Rinden. griff. Besonders seit 1782 verfolgte er, erst von Real del Sapo und Mari- quita am Fusse des Quindiu, endlich von Santa Fe de Bogota aus diese Aufgabe unermüdlich bis zu seinem Lebensende (1808). Mutis hatte 1772 seinen Posten verlassen, um einem geistlichen Orden beizutreten und war 1782 von der Regierung mit der Gründung und Leitung eines grossen naturgeschichtlichen Museums (Expedicion real botanica) , anfangs in Mariquita, dann in Santa Fe, beauftragt worden. Am Collegium der letzteren Stadt lehrte er zugleich Mathematik und Astronomie. Die ersten Chinabäume (C. lancifolia) entdeckte Mutis in der Nähe von Santa Fe; im folgenden Jahre auch bei Honda im Magdalenenthale. Eine ähnliche Stellung wie die von Mutis in Neu-Granäda wurde im südlichen Peru den Botanikern Hippolito Ruiz u. Jose Pavon (1777 — 1778) angewiesen, woraus die berühmte Flora Peruviana et Chilensis (1798 — 1802) hervorging. 1776 hatte Francisco Renquizo1) auch in der Gegend von Huanuco Chinabäume gefunden, welche alsbald das Mono- pol der Gegend von Loxa brachen , aber zahlreichere und noch weit wichti- gere chinologische Entdeckungen gingen um diese Zeit, zum Theil schon früher, von Mutis und seinen Schülern Zeau. Caldas, sowie von Ruiz u. Pavon und ihren Nachfolgern Tafallau. Manzanilla aus. Während Mutis zu keinem Abschlüsse kam und sein grossartiger botanischer Nach- lass, vielleicht nicht einmal vollständig, erst gegen 1820 nach Madrid ge- langte und dort liegen geblieben ist2), legte Ruiz 1792 in seiner Quinolo- gia und 1801 gemeinschaftlich mit Pavon im Supplement dazu, die wich- tigsten hierher gehörigen Arbeiten nieder. Der Nachlass des letztern wurde in unsern Tagen zur Grundlage des Prachtwerkes von Howard. Die äusserst werthvolle von Mutis aufgefundene Cinchona lancifolia beschrieb er 1793 nebst der C. cordifolia in einem einfachen Lokalblatte von Santa Fe. Humboldt u. Bonpland nahmen 1801 daselbst von seinen Samm- lungen Einsicht und hoben daraus besonders prachtvoll ausgeführte, ge- malte Darstellungen der Pflanzen seiner Gegend hervor. Humboldt hat in einer mit warmer Anerkennung geschriebenen Biographie3) dem Manne ein ehrenvolles Denkmal gewidmet, welchen schon Linne rphytologorum americanorum princeps" genannt. Zwischen den Schülern von Mutis einerseits und Ruiz u. Pavon anderseits wurde ein heftiger Streit über ihre Entdeckungen geführt, in welchem sich der in wissenschaftlicher Hin- sicht ausgezeichnete Caldas4) in wenig edelmüthiger "Weise zuletzt gegen seinen Lehrer Mutis wandte. *) auch Renquifo, Renjifo geschrieben. 2) vgl. Pich. pag. 14. 3; Biographie universelle. Tome XXX. Paris 1821. — Ihre berühmten Plantes equinoct- iales haben Humboldt u. Bonpland mit dem schönen Bildnisse von Mutis geschmückt. 4) D. B. pag. 13. — Andere nehmen Caldas in Schutz. In der Revolution Hess ihn 1816 der spanische General Morillo erschiessen; noch existiren werthvolle Manuscripte von ihm. (Engl. Blaubuch 1866. 262.) Cortices Chinae. § 59. 60. 419 Die Forschungen aller dieser Botaniker , welchen wir die erste Kennt- niss der meisten Cinchonen verdanken, bewirkte auch einen baldigen Um- schwung in den Handelsverhältnissen der Rinden, indem allmälig gegen 1785 Mittel- und Süd-Peru, so wie Neu-Granada mit der Gegend von Loxa in Konkurrenz traten und Rinden über Callao und die am caraibischen Meere gelegenen Häfen auszuführen begannen. Die Auswahl der damals bevorzugten Rinden beschränkte sich auf Ast- und Zweigrinden, obwohl Condamine in Loxa selbst erfahren hatte, dass ursprünglich die stärksten, also vermuthlich die Stammrinden, höher ge- schätzt gewesen seien. Die grössere Schwierigkeit des Trocknens scheint zu dem Vorurtheil zu Gunsten der dünnsten Rinden beigetragen zu haben. Als unbegründet Hess sich dasselbe erst nach der Entdeckung der China- basen erkennen und beseitigen. §60. Aber auch die botanische und pharmakognostische Erforschung des Gegenstandes nahm um dieselbe Zeit einen neuen Aufschwung, welchem wir z. B. die Bearbeitungen von Laubert1), Lambert2) und besonders 1826 Heinrich von Bergen's „Versuch einer Monographie der China- rinden" verdanken. Als Drogenmakler auf dem für die China von jeher sehr wichtigen Platze Hamburg verwerthete dieser fleissige Mann in seinem Werke nicht nur langjährige praktische Erfahrung, sondern stellte auch in jeder anderen Hinsicht alles zusammen, was die damalige Wissenschaft über den Gegenstand nur irgend bieten konnte , namentlich muss auch in Betreff der Geschichte des Heilmittels auf die von Bergen' sehe Monogra- phie verwiesen werden3). Nur die Aufzählung der einschlagenden Litera- tur bis 1826 nimmt hier 72 Quartseiten in Anspruch. Eine werthvolle Beigabe sind 7 gemalte Tafeln mit trefflichen Abbildungen von China rubra, Huanuco, Calisaya, flava, Huamalies, Loxa und Jaen und die Beschreibungen dieser Rinden leisten alles, was ohne Hülfe des Mikroskops erreichbar ist. Die Herbeiziehung dieses letztern wichtigsten Hülfsmittels zum Studium der Chinarinden und die ersten bildlichen Darstellungen der dadurch ge- wonnenen anatomischen Anschauungen verdanken wir Weddell. Die ungemeine Bedeutung seiner Hist. naturelle des Quinquinas, der Frucht ausgedehnter Reisen (1845 - 1848) in Bolivia und Peru, ist im vorstehen- den überall hinlänglich gewürdigt. Ebenso die weitere erfolgreiche Aus- bildung dieser Untersuchungsmethode durch Berg und Howard. In der- selben Richtung behandelte auch Schieiden 1857 den Gegenstand in seinem Handbuche der botanischen Pharmakognosie, wovon ein Sechstel den Chinarinden gewidmet ist. 1) Recherches bot., chim. u. pharm, s. 1. Quinquina 1816. 2) Illustr. of the genus Cinchona 1821. 3) \rergl. auch Sprengel, Gesch. d. Arzneikunde Bd. V. 2V 420 Rinden. Wie viel die Chinologie den beiden oben häufig erwähnten Werken Karsten 's verdankt, ergibt sich aus dieser ganzen Darstellung. In den Flor. Columbiae terrarumq. adj. specimina sei. gab derselbe (ausser den schon angeführten C. cordifolia, lancifolia, corymbosa, tucuyensis) pracht- volle Abbildungen der von ihm entdeckten C. barbacoensis , Henleana, rnacrophylla, pedunculata, so wie einer Reihe nahe verwandter (von ihm hier auch als Cinchonen aufgefasster!) Arten. Eine äusserst wichtige Bereicherung erhielt die Kenntniss der China durch die gleichfalls oben erwähnte „Quinologie", zu deren Herausgabe sich der Chininfabrikant Delondre und der Chemiker und Apotheker Bouchardat (1854) vereinigt hatten, nachdem ersterer (zufällig) in Wed- dell's Gesellschaft einen Besuch in den Wäldern von Santa Ana bei Cusco gemacht hatte. Auf den 23 Tafeln dieser Quinologie finden sich nicht nur die officinellen, sondern überhaupt sämmtliche im heutigen Grosshandel vor- kommende sammt einigen falschen Chinarinden sehr naturgetreu wieder- gegeben und zugleich die fabrikmässige Ausbeute an Alkaloi'den verzeich- net. Phoebus (vergl. § 21) unternahm später die Zurückführung dieser Rinden auf ihre Stammpflanzen. § 61. Der Abschluss so mancher noch offener Fragen in Betreff der Cinchonen steht zn hoffen von der forstwirth schaftlichen Cultur derselben. Schon Condamine hatte versucht, China -Pflänzlinge nach Europa zu schaffen , verlor sie aber durch die Wellen an der Mündung des Amazonen- stromes. Weddell1) brachte erst wieder Samen, welche im Pariser Gar- ten keimten und forderte nachdrücklichst zum Anbau der Cinchonen auf, welchen Gedanken zuerst Royle 1835 in seiner Flora des Himalaya aus- gesprochen und wiederholt (1839. 1847. 1852. 1853. 1856) verfochten hatte. Auch für Java hatte 1837 Fritze, der Yorstand des dortigen Medicinal wesens , und 1846 Miquel die Sache angeregt, in Frankreich Fee, doch vorerst ohne Erfolg. Durch Vermittelung der Jesuiten fand 1851 eine Uebersiedelung von Cinchonen nach Algerien statt, welche jedoch missglückt zu sein scheint, indem 1863 die Engländer derselben durch Pflänz- linge aus Kew nachhalfen und die französische Regierung vom August 1865 bis April 1866 dergleichen wieder zu verschiedenen Malen aus Ootacamund kommen Hess. Wie diese schwächlichen Anläufe zu einem Ergebnisse führen können (Frankreich bezog jeweilen monatlich 45 junge Pflanzen aus Indien, während z. B. der einzige englische Gutsbesitzer M oney, freilich in Indien selbst, mehr als zehnmal je 25,000 Stück nahm!), ist um so we- niger einzusehen, als neuerdings verlautet, es sei für diese Cultur eine — algierische Oase Ghamra ausersehen. Geeigneter erscheinen jedenfalls die Culturversuche auf der französischen Insel Reunion (Bourbon), an den *) pag. 1 u. 13. Cortices Chinae. § 61. 421 Abhängen ihrer bis 9000 Fuss ansteigenden Vulkane , wo im Mai 1866 Samen aus Paris keimten. In Holland war man auf die algierischen Versuche aufmerksam gewor- den, so dass endlich 1851 Miquel's wiederholte Anregungen den Beifall des Colonialministers Pahud erhielten, welcher nun den schönen Gedanken verwirklichte, auch später, 1855 zum General- Gouverneur von nieder- ländisch Indien befördert, kräftig durchführen half und so in schönster Weise frühere Verirrungen der holländischen Handelspolitik1) sühnte. Zu- nächst veranlasste Pahud die Sendung des Botanikers Hasskarl nach Süd-Amerika, welcher im December 1852 von Southampton abging, 1853 von Lima durch die Gegend von Cusco bis Sandia an der bolivianischen Grenze reiste und endlich nach einem wiederholten Besuche Bolivias die Ausbeute glücklich in 21 Ward'schen Kästen auf einer Fregatte einschiffte, welche die Regierung eigens nach Islay geschickt hatte. Hasskarl brachte trotzdem die Pflänzlinge nicht sehr wohlbehalten im December 1854 nach Batavia und besorgte ihre Ansiedelung auf Java. Von ihm mitgebrachte Samen waren gleichzeitig den Universitätsgärten in Holland übergeben worden. Aber auch anderweitig waren die Holländer schon thätig gewesen und hatten 1852 aus dem Pariser Handelsgarten von Thibaut u. Kete- leer bereits C. Calisaya nach Java verpflanzt, so wie auch 1854 von Karsten aus Neu -Granada Samen der werthvollen C. lancifolia Var. dis- color dorthin bezogen. Bald lieferten ferner die Gärten in Holland aus Hasskarl 's Samen kräftige junge Pflanzen nach Java; jedoch entsprach der erste Erfolg aller dieser Bestrebungen wenig den Erwartungen. Hass- karl, der im Juni 1856 seine Stellung aufgab, hinterliess seinem Nach- folger Junghuhn als Gesammtbestand der Chinapflanzungen auf Java nur 64 Stück von c. Calisaya 2 n » n lancifolia 5 n •>•> 55 lanceolata 96 55 55 55 ovata im ganzen 167 Pflänzlinge, während allein von Calisaya 400 Stück in Islay eingeschifft worden waren. Die hier als C. ovata bezeichnete Art, welche von Hasskarl in Uchu- bamba (Mittel - Peru) unter dem Namen Cascarilla crespilla chica getroffen worden war, hielt Junghuhn für C. lucumaefolia, bis Howard in ihr eine neue Art erkannte und sie als Cinchona Pahudiana beschrieb. Sie unterscheidet sich durch stumpfeiförmige Blätter von der mehr spitzblätte- rigen C, carabayensisW dl.; auch bleibt letztere ein höchstens 3m errei chender Strauch, während C. Pahudiana bis 10m hoch wächst. 1) vergl. bei Cortex Cinnamomi zeylanici, bei Macis und Caryopbylli! 422 Rinden. §62. Den Anstoss zu energischer Betreibung der Verpflanzung von China- bäurnen gab auf englischer Seite im Juni 1852 ein von Royle an die ost- indische Cornpagnie gerichtetes Gutachten, worin derselbe aufmerksam machte, dass ihre Verwaltung in Indien jährlich jetzt schon über 175,000 Francs für China auszugeben habe1) und dass Bolivia seit Januar 1850 seine Binden monopolisire. Der keuntnissreiche Botaniker empfahl für die Ansiedelung in Indien die Blauen Berge (Nilagiris, Neilgherries) derMalabar- küste und die südlichen Vorberge des Himalaja. Nach wenig befriedigenden Versuchen der Regierung, durch Vermitte- lung der englischen Agenten in Süd -Amerika zum Ziele zu gelangen, trat endlich im April 1859 Clemens Markharn mit dem Anerbieten hervor, sich der Sache anzunehmen, wozu er durch genaue Bekanntschaft mit Land und Leuten der bolivianisch- peruanischen Grenzgebiete sowohl als mit der spanischen und der Quichua- Sprache und auch schon mit den wichtigsten Fieberrindenbäumen befähigt sei. Wohl bewusst der in der Natur der Sache liegenden Schwierigkeiten und trotz aller Begeisterung für das Unternehmen drang Markhain umsichtig darauf, dass nichts versäumt werde, um den Erfolg zu sichern2) und verlangte namentlich wiederholt ein eigenes Dampf- schiff zur schleunigen Beförderung der Pflänzlinge über den stillen Ocean, was unglücklicher Weise nicht genehmigt wurde. Um so wichtiger war es, dass er die Anstellung des damals eben in Ecuador reisenden ausgezeich- neten Botanikers Sprue e zur Erlangung der C. succirubra durchsetzte, sowie auch des in Süd- Amerika ebenfalls schon eingelebten Pritchett für die Gegend von Huanuco. Später (1861) wurde noch in Cross, einem ursprünglichen Begleiter Spruce's, ein sehr tüchtiger Gärtner gewonnen, welcher noch mehr C. succirubra, Calisaya und Condaminea sammelte und eigenhändig in Indien ansiedelte. Markharn selbst hatte sich die Grenzländer Perus und Bolivias vorbehalten, um auf C. Calisaya auszugehen, wozu er im März 1860 von Islay aus aufbrach. Ueber Arequipa und Puno Mitte April in Crucero , der Hauptstadt von Caravaya , angelangt , traf er unweit Sandia die ersten Büsche der C. Josephiana, dann auch C. boliviana, C. Calisaya, micrantha, ovata und pubescens, wovon 456 Pflänzlinge haupt- sächlich der drei ersteren gegen Ende Juni glücklich in Islay eingeschifft werden konnten. Die Samenreife der Calisaya, welche in den August fällt, durfte wegen der dem Unternehmen höchst feindseligen Stimmung3) des ganzen Landes nicht abgewartet werden. Ueberhaupt galt es hierbei sehr grosse Schwierigkeiten zu besiegen, wovon der Leiter der ganzen Expe- !) dazu aber noch z. B. für die Jahre 1857 und 1858 über 1,325,000 Francs für Chinin! 2) rif the thing is worth doing at all, itis worth doingwell" — erklärte Markham von vornherein den Behörden! 3) Ecuador, wo Sp ruce gesammelt hatte, erliess 1861 ein Verbot, Samen oder Pflänz- linge der Cinchonen auszuführen, wie früher Markham gegenüber auch die Bolivianer. Cortices Chinae. § 62. 423 dition ein eben so lehrreiches als anschauliches Bild entworfen hat.1) Die Regierung beging den unbegreiflichen MissgrifF, die werthvolle Ausbeute nicht direkt an ihre Bestimmung zu befördern, sondern über Panama, Eng- land, Suez und Bombay nach den Mlagiris zu senden, wo sie, obwohl unter Markham's persönlicher Obhut im October 1860 in üblem Zustande ein- traf. Ein unvorhergesehener Aufenthalt in Bombay hatte namentlich viel geschadet. Aehnliches Schicksal hatten die Pflänzlinge Pritchett's; doch gingen seine Samen (von C. micrantha, C. nitida und peruviana) sowohl im Garten von Kew (bei London) als in Ostindien, auf Trinidad und auf Jamaica gut auf. Ebenso keimten von Spruce gesammelte Samen der C. succirubra in Kew, während nicht weniger als 463 kräftige Stamm chen derselben Art die 1861 zur Chinacultur ausersehenen ostindischen Regie- rungspflanzungen von Utacamund erreichten. Weitere Ansiedelungen der kostbaren Pflanzen wurden begonnen 1861 in Hakgalla, im centralen bis 5000 Fuss ansteigenden Gebirgslande Cey- lons; 1862 in Dardschiling (Darjeeling) , im südlichen Theile Sikkims im südöstlichen Himalaya; 1865 inNeu-Seeland und auf dem austra- lischen Continente ; 1 8 6 6 in Brisbane (Queensland, Ostküste Australiens) zum Theil durch Privatleute. Als Mittelpunkt des ganzen Unternehmens ragt aber Utacamund (Ootacamund) hervor mit seinen Filialen bis zur Südspitze der vorderindischen Halbinsel , zum Theil auf Höhen bis gegen 7000 — 8000 Fuss über Meer. Yor der Ankunft Markhams mit den ersten Pflänzlingen aus Bolivia hatten die sorgfältigsten Untersuchungen in meteo- rologischer und geologischer Hinsicht auf diese Standorte geführt. Dazu kam der glückliche Umstand, dass die Pflanzungen hier dem eben so ge- wandten als energischen Gärtner Mac Ivor übergeben wurden, welcher den grössten Eifer darauf verwandte und namentlich die trefflichsten Metho- den zur raschen Vermehrung der Cinchonen ausfindig machte. 1864 ver- vollständigte Gross die indischen Pflanzungen durch die höchst werthvolle Cinchona pitayensis, welche sich nach seinem Zeugnisse durch sehr rasches Wachsthum ausserdem ganz besonders empfiehlt und vermuthlich eine be- deutende Zukunft haben wird. Welcher Erfolg diese grossartigen Leistungen Englands2) begleitet hat, geht daraus hervor, dass Utacamund im August 1862 über 72000 China- bäumchen zählte, worunter beinahe die Hälfte C. succirubra, 1000 Calisaya und nur 425 C. Pahudiana. Ende October 1863 war die Gesammt- zahl schon auf 248,000 gestiegen. Cinchona Uritusinga, welche *) Clements R. Markham. Zwei Reisen in Peru. Deutsche Uebersetzung, Lpzg. 1865. Vergl. auch Wittstein's Viertel] ahrsschr. XIII. 52. — Vollständiger und höchst anziehend aber in dem englischen Blue book (East-India, Chinchona Plant) von 1863, wo auch die nicht minder werthvollen von wahrhaft wissenschaftlichem Geiste getragenen Berichte von Spruce und C ross. 2) eine ansprechende Uebersicht derselben hat 1866 R. v. Schlagintweit in der Zeit- schrift der Gesellsch. 1. Erdkunde zu Berlin I. 361 — 880 gegeben. 424 Rinden. Howard1) 1862 in einem einzigen aus Uritusinga bei Loxa bezogenen Exemplare beigesteuert hatte, ist durch Mac Ivor's Geschicklichkeit in Utacamund im Laufe von 18 Monaten auf 4733 Pflänzlinge vermehrt wor- den. Im Mai 1866 war der Bestand in Utacamund in runden Zahlen Cinchona succirubra 297,000 Stück] zusammen, mit „ Calisaya 37,000 „ ! Einschluss einiger „ officinalis (S. 376 Anmerk.) 758,000 „ ! weiterer in gerin- Graue Rinden liefernde Arten 29,000 „ j ger Zahl vertrete- Cinchona lancifolia und pitayensis . . 198 „ ner Arten = Pahudiana 425 „ J 1,123,000 Stück. Hakgalla auf Ceylon hatte Ende 1863 in ungefähr gleicher Mischung ebenfalls 22,000 Chinabäumchen, im November 1865 aber über 500,000, worunter C. succirubra und C. officinalis (vereinigte C. Chahuarguera, Condaminea und Uritusinga) am zahlreichsten. Darjeeling und Rungbee in Sikkim besassen im Mai 1866 über 300,000 Stück, gleichfalls vorherr- schend in den beiden oben genannten Arten. Aus Jamaika wurde 1864 das Gedeihen von C. micrantha, nitida und succirubra gemeldet. Zur Vervollständigung des Bildes dieser segensreichen Bestrebungen muss hervorgehoben werden, dass M'Ivor aus Utacamund, so wie T h w a i t e s , der Vorsteher der Ceylon'schen Pflanzschulen , aus Hakgalle, ganz abgesehen von den so eben aufgeführten Beständen, seit 1862 nach und nach schon Hunderttausende von jungen Chinabäumchen an Private abgegeben haben, von denen manche zu wiederholten Malen Hunderte und Tausende von Stücken bezogen und zwar nicht nur nach allen Theilen Indiens, dem Pandschab, nach Assam, Rangun, Bengalen, Mauritius, Reu- nion, Java, Burma, sondern auch nach Melbourne, Neu- Seeland, Jamaica u. s. f. Eine der bedeutenderen Privatpflanzungen scheint die von Neu- Quito im Kangra-Thale, in den östlichen Bergen des oberen Pandschab, unweit Dschallandhor (Jullundhur) , dem Capt. Nassau Lees gehörig, zu werden. — Der Verkaufspreis für das Stück junger Cinchonen ist 1866 von der Regierung in Madras, in deren Bezirk Utacamund liegt, auf 1 Anna (== 14,2 franz. Centimes) herabgesetzt worden und es geschieht überhaupt alles, was die Privatthätigkeit ermuntern kann, sich auf diese Cultur zu verlegen. So ist denn die Einführung dieser edlen Bäume in allen dazu geeig- neten Gegenden des weiten anglo -indischen Reiches bereits jetzt in einer Weise gelungen, welche Markham's enthusiastischen Ausruf2) wohl recht- fertigen mag, er habe sich in Hakgalle auf die peruanischen China-Pajonales3) 1) N. Quinol. pg. XV. und Ph. J. and Tr. V. 595. 2) Blaubach 1866. S. 188, 214, 377. 3) vergl. oben S. 353. Cortices Chinae. § 62. 425 versetzt geglaubt oder er finde bei nochmaligem Besuche Iudiens, im Februar 1866, die Nilagiris zu wahren Chinabergen mit aller Farbenpracht der schönen Bäume umgewandelt. Ganz besonders scheint Utacamunds Klima denselben zuzusagen, wenigstens der stattlichen succirubra mit ihren fuss- langen Blättern , während Ceylon sich besser für die verschiedenen Spiel- arten der C. officinalis (S. 376, Anmerk. 1) anlässt. Ueber einen 1859 vom amerikanischen Patentamte angebahnten Ver- such1) zur Einführung der Cinchonen in Californien fehlen weitere Berichte; auch die von Martius2) ausführlich erörterte Wahrscheinlichkeit des Gedeihens der Fieberrindenbäume in Brasilien scheint daselbst unbe- achtet geblieben zu sein. Sogar Kaiser Maximilian fand im April 1866 noch Zeit, sich um China -Pflänzlinge aus Indien für Mexico zu be- mühen.3) Auf Java gestaltete sich der mangelhafte Zustand der von Hasskarl begonnenen Pflanzungen unter Junghuhn's Verwaltung bald in so fern günstiger, als im December 1862 auf 10 verschiedenen Plätzen schon 1,360,000 Setzlinge und Bäumchen vorhanden waren, worunter aber die werthvollsten in Minderzahl, nämlich Calisaya 8984 Stück, lancifolia 145, micrantha 1, succirubra 71, während C. Pahudiana mit über 1 Million ver- tretenwar, obwohl der Werth gerade dieser Art noch gar nicht feststeht (§ 56). Es scheint, dass Hasskarl hauptsächlich in der Wahl der Standorte nicht glücklich war, während Junghuhn vielleicht mit Unrecht die zuletzt genannte Art so unverhältnissmässig bevorzugte, weil sie rasch keimfähige Früchte lieferte. Allerdings scheint dieselbe weit besser zu gedeihen4) als Calisaya, welche auch in den englischen Colonien bis jetzt immer noch sehr hinter der viel härteren, grossblätterigen C. succirubra zurückgeblieben ist, ja sogar Ausartung befürchten lässt. Junghuhn huldigte ferner allzu sehr der verderblichen Ansicht, dass die Chinabäume vorzugsweise den Schatten lieben, während die oben (§ 8) angeführten Thatsachen und die glänzenden Ergebnisse in Utacamund , ganz abgesehen vom Zeugnisse der Reisenden, welche die Heimat der Cinchonen besuchten, wenigstens für erstarkte Pflanzen einstimmig das Gegentheil auf das bestimmteste lehren.5) Ferner wurde in Java die Vermehrung durch Ableger, Steckreiser und Augen ver- nachlässigt, welche von den Engländern (zuerst durch Mac Ivor, Direktor des Gartens von Utacamund) mit so ausserordentlichem Erfolge betrieben wird. Alle diese Erfahrungen auf Java haben zu lebhaften und theil weise sehr bitteren Erörterungen geführt,6) denen einerseits J u ngh uh n's Tod (20. April J) Proc. of the Americ. Pharm. Ass. 1859. 385. 2) in Buchner's Repertor. XII. 386-392. 3) Blue book. S. 198. 4) in neuester Zeit begann C. Pahudiana auf Java zu erkranken. (J agor 1866.) 5) so auch Martius in Buchner's Repertor. XII. 367. — Auch zahlreiche Stellen der englischen Blaubücher. 6) vgl. Ausland 1863. 952 u. 964. — Oudemans, Handl. tot de Pharm. 102 — 109. 426 Rinden. 1864) und anderseits die höchst verdienstlichen analytischen Untersuchungen von de Yrij ein Ende gemacht haben. Holland hatte 1857 denselben eigens nach Java abgeordnet, um die ganze Chinafrage in chemischer Hin- sicht zu verfolgen. Die oben gelegentlich benutzten Ergebnisse dieser schönen Mission haben bereits bewiesen, dass die Pflanzungen unzweifelhaft zu den besten Hoffnungen berechtigen. Gewiss werden weitere chemische Studien eine Reihe von Fragen lösen , die zur Erweiterung unserer Kennt- niss der Cinchonen sowohl als des allgemeinen phytochemischen Wissens mächtig beitragen müssen. In praktischer Hinsicht geben die Engländer schon jetzt zu verstehen, dass die Cultur sich noch lohnend erweise, wenn auch der gegenwärtige Erlös von ungefähr 10 Francs für das Kilogr. Galisaya- Rinde auf 2V2 Fr. herabgegangen sein werde.1) Bereits schicken sie sich an, aus indischen Rinden die Alkaloide in der Präsidentschaft Madras fabrikmässig darzustellen und den dortigen ungeheuren Chinin- bedarf von vielleicht 5000 bis 6000 Pfund jährlich im Lande selbst zu gewinnen. Es gewährt eine hohe Befriedigung, die AktenstÖsse zu durchmustern, welche, auf Befehl des englischen Unterhauses gedruckt,2) eine vollständige Einsicht in den ganzen Gang und Stand dieser wichtigen Unternehmung darbieten und ehrenvolles Zeugniss ablegen für den humanen Sinn, die unerschütterliche Ausdauer und Anstelligkeit der dabei leitend oder aus- führend betheiligten Männer, welche vom Kolonialminister an bis zum Arzt und Gärtner herab von dem Gedanken beseelt sind, ein für die Gesundheit der indischen Bevölkerungen unschätzbares Heilmittel denselben, zumal auch in den untersten Kreisen, fast unentgeldlich zu liefern. Von oberster amtlicher Stelle3) wurde erklärt und in begeisterten Worten durch den viel verdienten Markhain wiederholt, dass reichliche Versorgung der Arbeiterbevölkerung und ihrer Familien mit dem Fiebermittel als ein Hauptziel ins Auge zu fassen sei und dass die Regierung selbst nur eben gehörigen Ersatz der aufgewendeten Kosten beanspruche, das übrige aber alsdann mit vollkommenster Liberalität der Privatthätigkeit anheimgebe. In diesem Sinne wird von weiterer Ausdehnung der Regierungspflanzungen jetzt abgesehen. !) Ph. Jomu. and Tr. VII. 521. 2) Papers relating to the introduction of tlie Chinchona-Plant into India. — Die im obigen oft angeführten sogenannten Blaubücher, 272 und 379 Folioseiten umfassend. 3) Sir Charles Wood's Weisung an die Regierung von Madras, 30. Sept. 1865. Cort. Strychni. 427 Cortex Strychni. Cortex Angosturae spurius. Cortex Pseud-Angosturae. Falsche Angostura- Rinde. Fausse Angusture. False Angostura. Bis etwa 0,004m dicke, meist nur 0,1 0m lange, oder noch kürzere Bruchstücke der Stammrinde desselben Bauines , welcher Semen Strychni (vergl. dieses) liefert. Es kommen sowohl gerollte als auch flache oder rückwärts gekrümmte Stücke vor, immer bedeckt von hellwarzigem grau- lichem oder gelblichem lockerem Korke, welcher aber sehr häufig, stellen- weise sogar ganz vorherrschende lebhaft rothgelbe Flecke trägt. Ober- fläche glatt oder etwas querwulstig, nicht rissig. Die hellgrauliche bis blauschwarze glatte Innenfläche mit zahlreichen helleren kurzen Strichel- chen besetzt. — Flechten oder Pilze pflegen auf dieser Rinde nicht oder nur sehr spärlich vorzukommen; der farbige Kork ist frei von solchen. Der Querschnitt ist besonders nach innen deutlich strahlig; im äussern Drittel oder Yiertel desselben , auch auf der Bruchfläche , bezeichnet eine schmale, körnige, gewöhnlich hellere, meist ziemlich parallel mit der Ober- fläche verlaufende Zone, die Grenze zwischen Mittel- und Innenrinde. Auch der radiale Längsschnitt bietet diese Zone als ununterbrochene Wellenlinie in grösserer oder (bei älteren Stücken) geringerer Tiefe unter der Kork- schicht dar. Seltener und weniger deutlich tritt bisweilen in der Innen- rinde eine ähnliche, aber unterbrochene Zone auf. Die falsche Angostura- Rinde ist etwas mürbe und bricht kurz und körnig, weder blätterig, noch faserig. Der Kork besteht aus zahlreichen Lagen weiter kubischer Zellen mit dünnen Wänden, welche besonders da rothgelbe Färbung zeigen, wo das Korkgewebe die reichlichste Entwickelung erlangt hat. Die innerste Schicht enthält häufig noch lebensthätige, dünne, tafelförmige, ungefärbte Korkzellen. Das ziemlich weite kubische Parenchym der Mittelrinde, in regelmässige radiale Reihen geordnet, ist je nach dem Alter des Stückes bald sehr mäch- tig, bald von nur geringer Breite. Nur in seiner innersten Lage nehmen die Zellen eine geringe tangentiale Streckung an. Eigentliche Borkenbil- dung scheint nicht vorzukommen, sondern nur einfach allmälige Yerkor- kung des Mittelrinden- Gewebes. Die bereits erwähnte, schon dem unbe- waffneten Auge auffallende dichte körnige 70 bis 200 Mikromill. breite Zone ist aus gelben, kugelig -eckigen, sehr dicht zusammengefügten Stein- zellen gebildet. Sie messen durchschnittlich 30 — 40 Mikromillim. und sind fast ganz durch deutlich geschichtete poröse Ablagerungen verdickt. Aehnliche aber ganz vereinzelte oder nur zu kleinen Gruppen vereinigte Steinzellen finden sich auch in der Innenrinde eingestreut. Das Gewebe dieser letztern gleicht im übrigen dem der Mittelrinde , ist aber mehr in tangentialer Richtung gedehnt, vorzüglich in den breiten, obwohl nicht sehr ausgezeichneten Markstrahlen. Die Baststrahlen pflegen jene vereinzelten Steinzellen zu enthalten, welche in den inneren Lagen der Bastschicht oft 428 Rinden. etwas axial gestreckt, bisweilen senkrecht zu mehreren übereinander gestellt und von kurzen, dünnen, prosenchymatischen Zellen , nicht eigentlichen Baströhren, umgeben sind. Im Querschnitt zeigen einige dieser letzteren Baststellen wellenförmig gebogene "Wände (Hornbast). Die Mittel- und Innenrinde enthalten kleine nur etwa gegen 6 Mikrom. messende kugelige Amylumkörnchen und äusserst zahlreiche bis 30 Mikro- meter erreichende monoklinische Krystalle von Kalkoxalat, meist Hen- dyoeder mit abgestumpfter Randkante, welche durch Verlängerung in der Richtung der Hauptaxe ein fast oktaedrisches Aussehen haben. Häufig sind auch Zwillingskrystalle mit einspringendem Winkel1). Manche Kry- stalle sind etwas krummflächig, wie angefressen. Sie lösen sich ohne Brausen in Salpetersäure, nicht in Essigsäure. Die Bastschicht ist noch reicher daran als die Mittelrinde; jede einzelne Zelle pflegt nur einen grossen Krystall einzuschliessen. In der Nähe der Korkschicht treten bisweilen auch braunrothe Körner (oder Tropfen?) von Farbstoff oder Harz auf. Die falsche Angostura-Rinde schmeckt sehr stark und anhaltend bitter, gar nicht aromatisch. Als Träger des Geschmackes und der heftig gifti- gen Wirkung ermittelten 1819 Pelletier u. Caventou das nachher auch in den Brechnüssen und den Ignatiusbohnen angetroffene Alkaloid Brucin2) €-23H26N2-9-4, welches auch in dieser Rinde von Strychnin be- gleitet ist. — Diese beiden Alkaloide wirken in gleicher Weise giftig, das Brucin jedoch 12 bis 20 mal schwächer als Strychnin. Wie das Igasurin (vgl. Semen Strychni) soll nach Schützenb erger auch das Brucin durch fraktionirte Krystallisation in 9 verschiedene Basen getrennt werden können. Die Rinde enthält auch Gerbstoff; ihr wässeriger Auszug gibt daher (vergl. Gort. Angosturae) mit Eisenchloridlösung eine dunkelgrüne Trübung. Auf feinen Schnitten, die man mit Eisenvitriollösimg tränkt, nimmt besonders die Mittelrinde , nicht die Steinzellenschicht eine dunkle Färbung an. Der rothgelbe Farbstoff des Korkes wird durch Alkalien braun, durch Salpeter- säure und Schwefelsäure grün gefärbt; Pelletier u. Caventou nannten ihn Strychnochrom. Das ätherische Oel, etwa % pCt. der Rinde betragend, hat Herzog der empirischen Formel -G13H24-0- entsprechend gefunden. Es kocht wie das der ächten Angostura bei 266° C. Die falsche Angostura-Rinde war nie eigentlich officinell; sie wurde zuerst 1804 von Rambach, Stadtphysikus in Hamburg, unter der ächten Angostura-Rinde (vergl. Cortex Angosturae) aufgefunden, nachdem diese ungewohnte giftige Wirkung gezeigt hatte. Der Hamburger Magistrat be- *) vergl. Holzner, Krystalle in den Pflanzenzellen. Inaugural-Abhandl. München 1864. 2) von Brucea ferruginea Heritier (Br. antidysenterica Miller), einem abyssinischen Strauche aus der Familie der Xanthoxyleae abgeleitet, den man für die Stammpflanze der falschen Angostura-Rinde gehalten hatte. — Nach der Widerlegung dieser Ansicht schlug Geiger für das Alkaloid den Namen Caniramin vor, der nicht Eingang gefunden hat. Cortex Frangulae. 429 fahl deshalb am 1,1. Mai 1804 genaue Prüfung der Rinde. Auch ander- wärts wurde diese gefährliche Beimischung bemerkt und ihre höchst giftige Natur von der Wiener Fakultät festgestellt, ohne dass die Urheber dersel- ben je ermittelt werden konnten. Man vermuthete, die Fälschung werde in Amerika vorgenommen, aber die Rinde selbst stamme aus Ostindien. Nach andern hätte sie ein englischer Grosshändler an Hamburger Häuser geschickt. Als Pelletier u. Caventou in derselben die Strychneen- Alkaloide nachwiesen, sprach zuerst Batka die Ansicht aus, Strychnos Nux vomica sei die Stammpflanze dieser räthselhaften Rinde. Andere stellten abweichende Yermuthungen auf, bis Schieiden (1857), gestützt auf die Yergleichung eines Stammstückes von Strychnos Nux vomica, Bat- ka's Ansicht bestätigte, welcher (1863) Berg ebenfalls, nach Untersuchung eines solchen Stammes, beigetreten ist. Diese Rinde kömmt in neuerer Zeit gar nicht mehr vor. Cortex Frangulae. Faulbaumrinde. Ecorce de bourdaine ou d'aune noir. Rhammis Frangula L. — Rhamneae. Schlanker , oft fast baumartiger Strauch feuchter schattiger Standorte durch ganz Europa von Spanien an bis zum Polarkreis und in Mittelasien bis zum Altai. Man sammelt die Rinde des Stämmchens und der stärkeren langge- streckten Zweige in fusslangen gerollten Stücken von höchstens IV2 Millim. Dicke. Ihre Oberfläche ist matt grau bräunlich , im Alter mehr grau , die Innenfläche mehr oder weniger dunkelbraun, der kurzfaserige Querbruch vorherrschend gelblich. Die wenigstens in jüngerem Zustande glatte Korkschicht ist hübsch besprengt mit weisslichen aufgerissenen Wärzchen, welche an älteren Stücken mehr kurze rissige und hellere Querbänder bil- den, denen sich schliesslich noch sanfte Längsrunzeln beigesellen. Die Aussenrinde trennt sich beim Trocknen stellenweise durch Ein- schrumpfung; in der Innenrinde lässt sich durch die Loupe kaum schon die fein gefelderte Zeichnung des sehr kleinzelligen Gewebes wahrnehmen. Die Aussenrinde enthält eine grössere Anzahl zu äusserst flacher, innen mehr gewölbter Tafelzellen , welche besonders an der Oberfläche tief pur- purroth bis braunroth gefärbt sind. Auf diese kleinen dicht gedrängten Korkzellen folgt ohne Uebergang das weitere sehr dickwandige Parenchym der Mittelrinde , dessen anfangs enge verbundene kugelige , oder etwas tan- gential gedehnte Zellen allmälig an Grösse zunehmen, sich ein wenig im Sinne der Axe strecken und grössere Räume (Schleimgänge) zwischen sich frei lassen. An der Grenze der Innenrinde finden sich gewöhnlich ausgezeichnete Gruppen von Hornbast , mehr nach innen starke Bündel gelber verdickter 430 Rinden. und sehr langer Bastrohreri oder auch vereinzelte Röhren. Diese im Alter einigermassen in tangentiale Reihen geordneten Bastbündel sind umgeben von Strängen krystallreichen Parenchyms , worin kleine rhom boederartige Gestalten vorherrschen, während die Krystalle, welche auch in der Mittel- rinde und im übrigen Bastparenchym zahlreich eingestreut sind, wenigstens in Jüngern Rinden mehr rosettenförmige Drusen darstellen. Die Innenrinde wird durchschnitten von schmalen einreihigen bis drei- reihigen Markstrahlen mit radial gestreckten Zellen, welche Chlorophyll oder gelben körnigen Inhalt zeigen. Auch die Mittelrinde enthält Chloro- phyll mit kleinen wenig zahlreichen Amylumkörnchen. Frisch riecht die Rinde widerlich und schmeckt ekelhaft bitterlich. An Wasser gibt sie sofort einen gelben Farbstoff ab , der durch Eisensalze kaum verändert wird, aber nach Zusatz der geringsten Menge von Alkalien in prächtiges Karminroth übergeht. Es wurde (1849) von B ins wanger und Buchner zuerst aus der ätherischen Lösung in gelben sublimirbaren Krystallen erhalten und Rhamnoxanthin genannt. Der erstere fand weiter in der Stammrinde eisengrünenden Gerbstoff, Harz, unkrystallisirten Zucker und Bitterstoff, Aepfelsäure, Fett, so wie 5,4 pCt. Aschenbestand- theile. Dem wässerigen Destillate ertheilt die frische Rinde ihren Geruch, ohne dass sich ätherisches Oel oder Blausäure nachweisen lässt. Buchner zeigte, dass auf der Wurzelrinde nach längerer Aufbewah- rung ebenfalls Krystalle des Rhamnoxanthins anschiessen, und "Winkler wies es in dem Samen nach. Ca s seimann (1857) fand dasselbe der Formel C-6H603 entsprechend und nannte es (zur Verhütung von Ver- wechselung mit andern Rhamnus-Farbstoffen) Frangulin. Es bildet ge- schmack- und geruchlose mikroskopische Tafeln oder Nadeln von citrongel- ber Farbe , die sich in heissem Alkohol , besser in Benzol und ätherischen Oelen, fast gar nicht in Aether und Wasser lösen. Säuren fällen das Fran- gulin unverändert aus der schön purpurnen Lösung in den Alkalien. Noch schönere Farben zeigen die Salze der Nitro-Frangulinsäure, welche durch Salpetersäure aus dem Frangulin entsteht. Nach Phipson lässt sich das letztere aus dem alkoholischen Extracte durch Sublimation (es schmilzt bei 249°), oder am besten aus der Rinde durch Schwefelkohlenstoff gewinnen. Aeltere Rinde liefert nach Casselmann mehr Frangulin; es scheint theil- weise erst beim Liegen derselben gebildet zu werden. Das Frangulin scheint nicht eine gepaarte Zuckerverbindung zu sein, wie das Xanthorhamnin 023H28014 aus den Gelbbeeren, den Früchten der Rhamnus tinctoria und anderer südeuropäischer und orientalischer Rham- nus-Arten. Kubly gewann aus der Faulbaumrinde (1865) nach der gleichen Me- thode, die er bei der Darstellung der Cathartinsäure (siehe unt. Fol. Sennae) befolgt, eine ganz ähnliche, vielleicht identische Substanz von gleicher pur- girender Wirkung. Dieselbe scheint aber in Cortex Frangulae in freiem Zustande vorzukommen und ist auch von wenig Schleim begleitet, überhaupt Cortex Angostnrae. 431 reichlicher vorhanden. Die Frangula- Substanz enthält gleichfalls Schwe- fel- und Stickstoff und erweist sich als Glykosid. Aether fällt aus der alko- holischen Flüssigkeit nach der Abscheidung jeues wirksamen, der Cathartin- säure ähnlichen Stoffes das amorphe Glykosid, Avornin G8H9-0-4. Salzsäure erzeugt daraus die in schönen rothen Nadeln krystallisirende Avornin säure, OJ1Hu'-0-4, welche in naher Beziehung zum Frangulin stehen dürfte und sich in Alkalien mit prachtvoll purpurrother Farbe löst, Die Faulbaumrinde wurde gegen Ende des Mittelalters, zumal von deut- schen Aerzten , mit richtigem Blicke als Surrogat der Rhabarber erkannt und besonders von Dodonaeus in der zweiten Hälfte des XYI. Jahrhun- derts empfohlen. Später gerieth sie ganz in Vergessenheit , welcher sie 1813 durch Gumprecht wieder entrissen wurde. Die Rinde von Rhamnus cathartica (vergl. bei Fructus Rhamni cath.) kann wegen der bei weitem reicheren Verzweigung dieses Strauches nicht in so langen Stücken abgezogen werden, wie von Rh. Frangula. Auch in trockenem Zustande ist übrigens die Rinde der ersteren stark glänzend, mehr rothbraun , querstreifig . an den Aesten mit nur äusserst zerstreuten wenigen Korkwärzchen versehen, im Bruche viel zäher, der Bast aus weit längeren Fasern gebildet. In chemischer Hinsicht scheinen beide Rinden übereinzustimmen; doch soll diejenige von Rh. cathartica einen krystallisir- baren Bitterstoff enthalten (Binswanger). Sie schmeckt sehr scharf bitter. Die ziemlich ähnliche Rinde von Prunus Padus ist dünner, nicht so regelmässig mit Korkwärzchen besetzt, aber stark längsrunzelig, mit feine- rem weissem, nicht gelbem Baste versehen und von adstringirendem Ge- schmacke. Sie enthält sehr grosse rhomboederartige Oxalatkry stalle. Cortex Angosturae. Cortex Angusturae verae. Angostura- Rinde. Ecorce d'Angusture vraie. Angostura bark (Cusparia bark). Galipea officinalis Hancock. — Diosmeae. Diese Galipea ist ein kleiner bis 20 Fuss hoher Baum, der in 7° bis 8° nördl. Breite im Gebiete des Carony (vorzüglich bei S. Joaquin) wächst, welcher unterhalb Angostura auf der rechten Seite in den Orinoco mündet. Auch westwärts von Cumana findet sich das Bäumchen am Busen von Santa Fe und die Insel Trinidad scheint ebenfalls diese Rinde zu liefern. Sie bildet entweder fingerdicke Röhren oder gewöhnlicher kurze, bis 0,060m und darüber breite, flache, halbgerollte oder auch ein wenig zurückgekrümmte Stücke von höchstens 0,003™ (nach dem Aufweichen bis 0,00 6m) Dicke. Die Röhren sind nicht dünner als die flacheren Stücke. Die Färbung der Aussenfläche ist ziemlich eigenthümlich hell bräunlichgrau oder gelblich bis grünlich, niemals gelbroth, übrigens ziemlich verschieden 432 Rinden. je nach dem Zustande der Korkschicht. Dieselbe ist nämlich entweder dünner und mehr blätterig oder ein wenig reichlicher entwickelt und schwammig, durch Längsfurchen und kurze Querrisse fast gefeldert, oder durch Höckerchen unregelmässig bezeichnet. Im ganzen haftet der Kork ziemlich fest, wird er aber abgestossen, so zeigt die mehr oder weniger braune Mittelrinde nicht undeutlich die oberflächlichen Unebenheiten der Aussenrinde, welche häufig mit kleinen schwarzen Flechten besetzt ist. Die hell gelbbraune Innenfläche ist körnig-rauh, fast immer blätterig aufgerissen und haftet offenbar fest am Holze, wovon oft noch einzelne Streifen an der Rinde vor- kommen. Die schiefen Schnittflächen am Rande deuten auch darauf, dass die Rinde nur mit einiger Mühe durch das Messer abgelöst werden kann. Der glänzende, besonders nach innen dunkelbraune Querschnitt zeigt in der inneren Hälfte einen strahlig gefelderten Bau , die äussere Hälfte oder oft nur ein Drittel ist mehr gleichmässig körnig. In der Innenrinde bemerkt man schon mit der Loupe derbe, schön gelbe Baströhrengruppen, häufiger durch das ganze Gewebe eiförmige braungelbe Punkte (Oelzellen), am zahlreichsten aber und schon mit unbewaffnetem Auge weisse Strichelchen (Krystallbündel). Die spröde, harte Rinde bricht sehr leicht, in der peripherischen Hälfte kurz und körnig, in der Bastschicht blätterig, nicht faserig. Der Kork besteht aus zahlreichen Lagen ansehnlicher kubischer Zellen, welche entweder sehr dünne, ungefärbte Wände besitzen oder ringsum stark verdickt sind. Eine regelmässige Yertheilung der dickwandigen, gelblichen Zellen ist nicht ersichtlich. Die innersten, noch lebensthätigen Korkzellen- reihen gehen unmerklich in das tangential gedehnte Parenchym der Mittel- rinde über. Ziemlich zahlreiche, etwas grössere, bis 100 Mikromill. mes- sende, eiförmige Zellen enthalten gelbliche Tropfen ätherischen Oeles oder bräunliche Harzklümpchen , andere nicht besonders ausgezeichnete Zellen dagegen schliessen eine Garbe äusserst zahlreicher Nadeln von Kalkoxalat ein, welche meist parallel mit der Längenaxe liegen. Selten sind auch klei- nere, nicht zusammenhängende Gruppen der Mittelrinde zu porösen Stein- zellen verdickt und mit braungelbem Harze getränkt. An der Grenze der Innenrinde treten gewöhnlich vereinzelte Gruppen sehr dicht gedrängter, zahlreicher Baströhren von prächtig goldgelber Farbe auf. Sie sind ganz verdickt und höchstens 30 Mikromill. stark. Noch umfangreichere derartige Bastgruppen kommen tiefer in der Inuenrinde, aber immer nur sehr ver- einzelt vor. In manchen Stücken fehlen sie ganz oder sind auf die innersten Lagen der Bastschicht beschränkt oder auch durch einige wenige zerstreute Röhren vertreten. Dieser Verschiedenheit in der Ausbildung des Bastes ent- sprechen keiue anderweitigen Ungleichheiten. Rinden, welche arm an Bast- röhrenbündeln sind, sehen solchen durchaus gleich, welche viele dergleichen enthalten. Die Innenrinde ist gebaut aus etwas im Sinne der Axe gestreck- ten, aber gerade abgeschnittenen, nicht spitzendigen Zellen, welche auf dem Querschnitte eine regelmässige, radiale Anordnung darbieten. Auf je etwa Cortex Angosturae. 433 3 bis 10 Reihen dieses ungefärbten, dünnwandigen Bastgewebes folgt immer eine gelbe, sehr viel schmälere Zone, gebildet aus nur 1 — 3 gedrängten Reihen sehr zusammengefallener Zellen mit dicken, oft stark verbogenen Wänden (Hornbast). In den grösseren Stücken zählt man leicht 30 — 40 solcher dunkler Zonen, wodurch die ganze Innenrinde in eben so viele concentrische Schichten abgetheilt ist und ihr blätteriges Gefüge erhält. Nicht minder regelmässig wird sie aber auch von zahlreichen 2- oder 3-reihigen primären und sekundären Markstrahlen durchsetzt, so dass die von zwei der letzteren eingeschlossenen Baststrahlen häufig nur 3 bis 10 Radialreihen einnehmen. Durch die Kreuzung der Markstrahlen mit den Hornbast- Zonen ist die gefelderte Zeichnung der Innenrinde bedingt. Die schon erwähnten Baströhrengruppen erstrecken sich, wo sie vorkommen, bisweilen über mehrere benachbarte Felder der Innenrinde und werden als- dann von den Markstrahlen durchschnitten. Die hier in die Baströhren eingekeilten Zellen der Markstrahlen verdicken sich oft zu gelben, radial gestreckten Steinzellen. Die verschiedenen Theile der Innenrinde sind ziem- lich gleichmässig von Oel- und Krystallzellen unterbrochen. Gegen die Grenze der Mittelrinde hin erweitern sich die Markstrahlen sehr plötzlich, ihre bisher in radialer Richtung gedehnten Zellen nehmen bedeutende tangentiale Streckung an, gehen in das Mittelrindengewebe über und drängen den Bast in schmale, sehr spitz auslaufende Strahlen aus einander. Dennoch lässt sich in den letzteren immer noch die regel- mässige Abwechslung von Hornbast und gewöhnlichem Baste verfolgen. Mittelrinde und Markstrahlen, weniger das Bastgewebe, enthalten ziem- lich reichlich Amylumkörner von kugeliger Form und etwa 5 — 10 Mikromill. Durchmesser. Die Krystallnadeln der gleichmässig durch das Gewebe mit Ausnahme des Korkes vertheilten Oxalat-Drusen erreichen über 100 Mikrom. Länge bei verschwindender Dicke. Ausserdem aber finden sich in den Bast- zellen da und dort auch einzelne oder reihenförmig auf einander folgende, bis 10 Mikromill. dicke kürzere oder längere vierseitige Prismen, wie es scheint, durch Oktaeder-Flächen zugespitzt. Körnchen von braungelbem , in Ammoniak mit gelber Farbe löslichem Farbstoffe sind vorzüglich in der Mittelrinde und den Markstrahlen abge- lagert. Die Rinde riecht schwach gewürzhaft und schmeckt sehr anhaltend und rein bitter, zugleich ein wenig milde aromatisch, nicht scharf. Das ätherische Oel, wovon die Rinde höchstens % pC. gibt, riecht nach Radix Levistici. Es ist ein Gemenge von Kohlenwasserstoff (G5H8?) mit sauerstoffhaltigem Oele und entspricht nach Herzog der empirischen Formel 013H24-Q. Mit alkalischen Bisulfiten verbindet es sich nicht. Als Träger des bitteren Geschmackes der Angostura gab Saladin (1834) das Cusparin an, einen durch Tannin fällbaren, in Alkohol und in heissem Wasser löslichen, gut krystallisirenden Bitterstoff, dessen Zusammen- setzung der Entdecker nicht ermittelt hat. Die Rinde soll davon 1,3 pC. Flückiger, Pharmakognosie. ÜO 434 Rinden. geben. Herzog gelang (1858) die Darstellung des Cusparins nicht; es schien ihm sehr wenig beständig zu sein. Der mit kaltem destillirtem Wasser erhaltene Auszug der Rinde wird durch Eisenchlorid reichlich roth braun gefällt, feine Schnitte derselben nehmen durch Eisenvitriollösung keine Färbung an , so dass Gerbstoff zu fehlen scheint. Die catalonischen Kapuziner in den südlichen Missionen am Carony- Flusse waren zu Ende des vorigen und anfangs unseres Jahrhunderts mit der Angostura-Rinde so wohl bekannt, dass sie sich aus dem Verkauf eines daraus bereiteten Extractes eine Erwerbsquelle machten. Vermuthlich ver- dankten sie diese Kenntniss den caraibischen Eingebornen, welche den Baum Cuspare oder eigentlich Cuspa nannten. Schon 1759 scheint Mutis, der spätere Förderer unserer Kenntniss der China, in Madrid mit der Augo- stura bekannt geworden zu sein, 1788 brachte sie Ewer, Arzt auf Tri- nidad, aus Dominica nach England, von wo aus sie auch bald in Deutsch- land Eingang fand. Sie wurde als Fiebermittel unter dem Namen Quina de Carony oder Cascarilla del Angostura, China von Neu - Andalusien, empfohlen. Auf Humboldt's1) Veranlassung nannte Willdenow den Angostura- Baum von den Hügeln bei Copapui , Upata , Alta Gracia , in der Gegend des östlichen Ufers des Carony Bonplandia trifoliata. Nach Hancock (1829) aber, welcher sich 1816 lange in derselben Gegend als Arzt auf- hielt, wäre bei Humboldt's Nachforschungen ein Irrthum vorgefallen und der ächte Angostura-Baum (nicht Cuspa, sondern Orayuri der Eingebornen) zu Galipea2) gehörig, während die Humboldt'sche Pflanze, jetzt Galipea Cusparia St. Hilaire mit allerdings sehr ähnlicher Rinde in Cumana, am unteren Orinoco und in Brasilien zu Hause sei. Die Vermischung dieser Rinde mit der sogenannten falschen Angostura- Rinde (vergl. Cortex Strychni) kömmt nicht mehr vor und wäre übrigens durch die hier angegebenen Merkmale beider Rinden mit aller Sicherheit an jedem einzelnen Stücke zu erkennen. Nur wenige Exemplare der Strychnos- Rinde mit ungefärbten Korkhöckerchen sehen auf den ersten Blick der Angostura ähnlich; doch verräth sie schon die dunkle, glatte Innenfläche und der Steinzellenring. Auch die ächte Rinde ist nur wenig mehr gebräuch- lich und wurde sogar z. B. in Baden (1815) verboten, um die gefährliche Verwechslung unmöglich zu machen , durch welche da und dort Unglücks- fälle entstanden waren. !) Reise in die Aequinoct. Gegenden. Stnttg. 1860. I. 300 u. IV. 252. 2) Hnmboldt selbst hatte den Baum zuerst richtiger als Galipea febrifuga bezeichnet- Cortex Casearillae. 435 D. Aromatische Rinden. Cortex Casearillae. Cortex CrotoDis s. Eluteriae s. Eleutheriae. Cascarill- Rinde. Ecorce de cascarille ou chacrille. Cascarilla. 1. Croton Eluteria Bennett. — Euphorbiaceae-Crotoneae. Syn.: Clutia Eluteria L. 2. Croton Cascarilla Bennett. Syn. : Clutia Cascarilla L. 3. Croton Sloanei Bennett. Syn. : Clutia Eluteria L. Croton Eluteria Swartz. Die genannten Sträucher oder Bäumchen finden sich neben wenigstens noch 3 nahe verwandten Arten in Westindien, besonders auf den Bahamas (Lucayos- Inseln) und zum Theil auch in den benachbarten Staaten Nord- Amerikas. Daniellhat 1857 und 1858 bei seinem Aufenthalte in jenem Archipel diese früher unter einander viel verwechselten Croton-Arten botanisch fest- gestellt, im Vereine mit Bennett beschrieben und dabei ermittelt, dass die gegenwärtig in den Handel gelangende Cascarilla von der ersten Art abstammt. Long-Islaud, Andros und Eleuthera führten davon z. B. im Jahre 1852 etwa 120 englische Centner, 1857 dagegen 1370 Ctr. aus. Auf Pro- vidence und mehreren andern Inseln aber ist diese Art nahezu ausgerottet. Die ursprünglich seit dem Ende des XVII. Jahrhunderts als Cascarilla nach Europa gelangte Rinde scheint der zweitgenannten Art angehört zu haben. Ihre anatomische Struktur ist nicht untersucht, so dass sich einst- weilen nicht mit Bestimmtheit entscheiden lässt, ob eine der in neuerer Zeit wieder der gewöhnlichen Waare beigemischte etwas abweichende Rinde von Croton Cascarilla herzuleiten ist. Dieser kleine Strauch wächst auf denselben Inseln wie Cr. Eluteria, ausserdem auch auf Hayti. Das bäum- oder strauchartige Croton Sloanei, auf Jamaica, nicht auf den Bahamas, so wie Croton lineare Jacquin (Syn.: Clutia Cascarilla L.), eine auf den Bahamas, den westindischen Inseln und in den Südstaaten Nord-Amerikas einheimische kleinstrauchige Art, werden auch wohl (z. B. Ph. Boruss. ed. VIT und Ph. Germaniae) als Cascarilla liefernd aufgeführt. Die vollständige Unkenntniss des anatomischen Baues der Rinden der beiden Pflanzen steht diesen Annahmen im "Wege, obwohl es richtig sein mag, dass einzelne nicht eben sehr abweichende Beimischungen unserer Droge auf die letztgenannten Arten zu beziehen wären. Die gegenwärtige Cascarill -Rinde pflegt aus 0,005m — 0,0 15m dicken, geraden oder gebogenen Röhren zu bestehen, deren Länge selten 0,1 0m viel übersteigt. Sehr gewöhnlich aber erhalten wir weit kleinere Bruchstücke, denen allerdings bisweilen auch sehr viel stärkere Röhren beigemischt sind. 28* 436 Rinden. Häufig haften noch grössere oder kleinere Splitter sehr dichten, feinporigen Holzes an den Rinden. Ein sehr hellgrauer oder durch mancherlei kleine Flechten (Sphaeria, Verrucaria, Graphis) und Pilze etwas dunklerer Kork haftet nur an den kleinsten Stücken fest, wo er durch feine Längsfurchen und etwas stärkere Querrisse unregelmässig gefeldert ist. Der Kork erreicht höchstens eine Mächtigkeit von O,002m und bietet an älteren Stücken mehr regelmässig rechteckige Felder mit etwas aufgeworfenen Rändern dar. Rinden, welchen diese Zeichnung fehlt, scheinen wohl abweichenden Ursprunges zu sein. Von stärkeren Rindenstücken springt der Kork leicht ab , hinterlässt aber auf den entblössten graugelblichen bis braunen Stellen das deutliche netz- förmige Gepräge seiner oberflächlichen Zeichnung. Die bräunliche Innen- fläche der Rinde ist gleichmässig feinkörnig. Sie bricht kurz und uneben und zeigt nur im inneren Theile des etwas ölglänzenden Querschnittes sehr feinstrahliges Gefüge, das in den erwähnten stärkeren, doppelt so dicken Rinden sehr deutlich entwickelt ist. Der Kork der gewöhnlichen Handeiswaare wird von zahlreichen Schich- ten grossen Würfelzellen gebildet, deren nach aussen gerichtete, schwach gelbliche Wände verdickt sind. In den inneren Schichten bleibt eine ansehn- liche mit kleinen Körnchen gefüllte Zellhöhlung übrig, während die weit beträchtlichere Verdickung der äussersten Zellen das Lumen derselben sehr einschränkt. Bisweilen umschliesst der Kork wenig ausgedehnte Strecken des Parenchyms der inneren Rinde. Wenn auch diese Borkenbildung nicht ausgezeichnet ist, so tritt sie doch so frühe auf, dass selbst in den jüngsten Stücken nur wenige, etwas tangential gedehnte Zellenreihen der Mittelrinde zu unterscheiden sind. In stärkeren Exemplaren grenzt die Innenrinde fast unmittelbar an den Kork. Die gelben Bastkeile derselben lassen sich durch die Loupe sehr gut verfolgen, obwohl sie meist nur in ihren letzten Aus- strahlungen vereinzelte Gruppen von 2 — 9 (seltener mehr) geschichteten und ganz verdickten, 15 — 30 Mikromill. dicken Baströhren zeigen. Das übrige Gewebe der Innenrinde ist aus kubischem Parenchym gebildet, ab- wechselnd mit axial verlängerten, doch nicht spitzendigen Zellen, deren wenig verdickte Wände im Querschnitt oft etwas verbogen sind (Hornbast). Die 2- bis 3 reihigen Markstrahlen, welche in ungleichen Abständen die Innenrinde durchsetzen und sich im peripherischen Gewebe bedeutend er- weitern, sind wenig ausgezeichnet. Durch das ganze Parenchym, mit Ausnahme des Korkes, kommen zahl- reiche, übrigens nicht abweichend gebaute Zellen mit festem, dunkelbraunem Inhalte vor, besonders zahlreich und ununterbrochene, oft sehr ausgedehnte Streifen oder tangentiale Reihen darstellend, sind diese Farbstoffzellen in den äussersten Schichten, aber auch in den verbreiterten Markstrahlen bilden sie oft radiale, unterbrochene Reihen. Ihr Inhalt widersteht dem Kali ziem- lich, wird aber von Schwefelsäure hellgelb, von Eisensalzen dunkler gefärbt und von Weingeist nur wenig gelöst. Cortex Cascarillae. 437 Zahlreiche andere, ül)erall zerstreute Zellen führen mehr oder weniger gelb gefärbtes ätherisches Oel. Die Markstrahlenzellen enthalten sehr häufig eine Krystallrosette von Kalkoxalat, aber auch iu dem übrigen Gewebe sind dieselben nicht selten. Statt der Krystalldrusen schliessen manche Zellen der äussersten Schichten ein einzelnes, grösseres, wohl ausgebildetes Krystall- individuum, meist kurzes monoklinisches Prisma, ein. Die grössten der- selben messen ungefähr 30 — 35 Mikromillimeter. Drusen und einzelne Krystalle kommen oft dicht neben einander in ganz gleich gebildeten Zellen vor, bisweilen finden sich Prismen, welche im Innern die Umrisse kleinerer Krystalle erkennen lassen, als ob die grösseren Formen einem Aggregate kleinerer ihren Ursprung zu verdanken hätten. Den Hauptinhalt des ganzen Gewebes jedoch bilden kleine , höchstens 6 — 8 Mikrom. messende kugelige Stärkekörner, welche ziemlich gleich- massig durch die ganze Rinde verbreitet sind, wo nicht Krystalle, Farbstoff- zellen oder ätherisches Oel den Raum einnehmen. Sogar die innersten Zellenreihen des Korkes enthalten zum Theil Stärke. Die Cascarill- Rinde riecht schwach, aber eigenthümlich , doch nicht eben augenehm und schmeckt stark bitter und aromatisch. Stoffe der letzteren Art sind sonst in der Familie der Euphorbiaceen nicht gerade häufig. Das ätherische Oel, wovon die Rinde höchstens etwa % — 1 pC- liefert, riecht eigenthümlich, etwas campherähnlich und ist nach Völckel ein Gemenge von schon bei 173° C. siedendem Kohlenwasserstoffe mit einem sauerstoffhaltigen Oele von höherem Siedepunkte. Es scheint bisweilen auch von blauer Farbe erhalten zu werden. Nach Trommsdorff enthält die Rinde 15 pC. Harz, aus einem sauren, d. h. in Alkalien löslichen und einem indifferenten Antheile bestehend. Dasselbe entspricht vermuthlich dem Inhalte der oben beschriebenen Farb- stoffzellen. Ungefähr gleichviel beträgt, wie es scheint, das Gummi der Rinde. Duval hat (1845) den Bitterstoff der Rinde, das Cascarillin, in höchst bitteren, farblosen Nadeln oder sechsseitigen Tafeln erhalten, welche sich in Wasser wenig lösen und deren Zusammensetzung und chemische Funktionen noch unbekannt sind. Die Cascarilla wurde in Europa zuerst 1684 von Stisser in Braun- schweig beschrieben und empfohlen, 1692 auch von Salat in Valence. Die Spanier brachten damals die Rinde etwa seit 1670, und zwar zunächst zum Aromatisiren des Tabaks, nach Europa und benannten sie mit dem allgemeinen Ausdrucke Cascarilla, feine Rinde (Diminutiv von Cascara, Rinde), den sie auch den Chinarinden beilegten. Dieser Umstand und das nicht unähnliche Aussehen dünnerer Chinarinden mag Veranlassung gewor- den sein, die Cascarilla als falsche oder aromatische Chinarinde aufzuführen, wie das schon 1693 von Dale geschah, obwohl der Geschmack allein sie 438 Rinden. leicht unterscheiden lässt. Uebrigens bedeutet ja auch Quina (vergl. S. 41(3) nichts anderes als Rinde. Den bei uns ganz eingebürgerten und unzweideutigen Namen Cascarilla verdrängen zu wollen, ist unzweckmässig. Eine in harten, rinnen- oder röhrenförmigen, bis 0,005m dicken Stücken unter der Cascarilla vorkommende, ihr im ganzen ähnliche Rinde unter- scheidet sich hauptsächlich dadurch, dass die dünne, hellgraugelbliche Kork- schicht fester haftet und da, wo sie etwas abgescheuert ist, ein feines Netz- werk quer gestreckter, enger Maschen zeigt. Die hellgelbliche Mittelrinde ist höchstens 1 Millimeter stark, die dunkelbraune, deutlich schlängelig- strahlige und kurzfaserig brechende Innenrinde daher bei weitem vorherr- schend. Die Mittelrinde enthält sehr zahlreiche Gruppen von ansehnlichen Steinzellen, in der Innenrinde kommen nicht nur an der Grenze grössere Bündel schön geschichteter, ansehnlicher Baströhren vor, sondern kleinere Gruppen derselben finden sich zahlreich in jedem Baststrahle. Im übrigen stimmt das Gewebe nach Inhalt und Form mit dem der Cascarilla überein. Gortex Copalchi unterscheidet sich von der eben beschriebenen Rinde nur durch viel feinere, neben zahlreichen seichten und kurzen Längsfurchen schon auf der Oberfläche wahrnehmbare Querrisschen. Der Kork zeigt den- selben Charakter wie bei der Cascarilla, doch sind seine Zellen weniger verdickt. In der Mittelrinde sind die Steinzellen vorherrschend, sehr lang in tangentialer Richtung gestreckt und zu dicht gedrängten Schichten vereinigt. Der Geschmack etwas feiner, aber ähnlich, doch schwächer, wie bei der Cascarilla. Die Copalchi -Rinde kam 1817 als Cascarilla de Trinidad aus Cuba nach Hamburg, später auch aus Mexico und Peru, zum Theil als Quina blanca. Nach Schiede (1829) stammt sie von dem mexi- canischen Strauche Croton Pseudo- China Schlechtendal. Cortex Copalchi scheint für sich nicht mehr im Handel vorzukommen, sondern nur, wie an- gedeutet, als Beimengung der Cascarilla, welcher sie sehr nahe steht. Für Copalchi muss ich auch eine von Job st als falsche Cascarilla erhaltene Rinde erklären, welche sogar in den kleinsten Stücken sich durch faserigen Bruch der Innenrinde schon äusserlich auszeichnet. Eine 1855 von Howard in der Copalchi-Rinde angegebene Base bedarf sehr der Bestätigung. Unter dem Namen Cortex Malambo oder M ati a s kommen verschiedene, zum Theil der Cascarilla ähnliche Rinden vor. Die eine stammt nach Karsten (1860) von einein in den Küstengegenden Venezuelas und Neu- Granadas massenhaft wachsenden Bäumcheu Croton Malambo Karsten, welches dort Torco oder Palo Matias heisst. Den ausgezeichneten Sammlungen der Herren Dittrich in Prag und Oberdörffer in Hamburg verdanke ich Malambo -Rinde, welche der Abbildung vou Karsten1) wohl entspricht. Sie bildet mehr flache, bis über 0,005"' dicke, mit weichem, hellgrauem, starkwarzigem Korke bedeckte Stücke von gelblichem, mehr marmorirtem *) im ersten Hefte der Flor. Golomb. Cortex Cinnarnomi zeylanici. 439 als strahligem Querschnitte. Die Korkschicht ist sehr entwickelt und besteht — im Gegensatze zur Cascarilla — aus äusserst zahlreichen Lagen gewöhnlicher würfeliger oder etwas verlängerter Zellen mit dünnen, ver- bogeneu Wänden. Mittel- und Innenrinde sind reich an schön gelben Steinzellen, letztere auch an verdickten dünnen Baströhren. Die dunkel- braunen Farbstoffzellen der Cascarilla fehlen, dagegen enthält diese Rinde viel ätherisches Oel , führt auch kleine Amylumkörner und Kalkoxalat so- wohl in Rosetten als in grossen, ausgebildeten Einzelkrystallen. Beim Schnei- den riecht die Malambo -Rinde angenehm zimmtartig, ihr Geschmack ist aber scharf aromatisch, widrig und anhaltend bitter. Schon Bonpland u. Humboldt hatten (1814) Angaben über die Abstammung der Malambo -Rinden gemacht, welche der Vergleichung mit denen von Karsten bedürftig sind. Die Malambo- Rinde dient jetzt in Nordamerika in grossem Masstabe zur Verfälschung von Gewürzen.1) Nach dem obigen erscheint für die Cascarill- Rinde besonders bezeich- nend die starke Verdickung der Korkzellen , vorzüglich in den äussersten Schichten, der körnige Inhalt derselben, die dunkelbraunen Farbstoffzellen, der Mangel an Steinzelleu, die verhältnissmässig schwache Ausbildung des Bastes, vorzüglich seine Armuth an eigentlichen Baströhren, daher auch der mehr körnige und ebene als splitterige Bruch, endlich das weitläufige, nicht engmaschig-querfurchige Netzwerk der Oberfläche oder der von dem leicht abspringenden Korke entblössten Mittelrinde. Eine genauere, auf ausreichendes und authentisches Material gestützte anatomische und chemische Bearbeitung aller hier unter Cascarilla erwähn- ten Rinden bleibt sehr zu wünschen übrig. Cortex Cinnamomi zeylanici. Cinnamomum acutum. Zinnat. Ceylon-Zimmt. Kaneel. Cannelle de Ceylan. Cinnamom. Cinnamomum zeylanicum Breyn. — Laurineae. Syn.: Laurus Cinnamomum Linne. Kleiner, höchstens 50 Fuss hoher, mit schönen immergrünen Blättern reich besetzter Baum, hauptsächlich im südwestlichen Küstenstriche Cey- lons Gegenstand grossartiger Kultur. Die in andern Theilen der Insel vor- kommenden Bäume geben eine weniger feine Waare; eben so wenig gelingt es, in andern Tropenländern, wohin der Zimmtbaum verpflanzt wurde, z.B. in Vorderindien , Java, Sumatra, Malacca, Cayenne, Brasilien, eine dem Ceylon-Zimmt gleichartige Rinde zu erhalten. Obwohl, nach Emerson Tennant vielleicht ursprünglich eher in l) Proc. of the American. Pharm. Ass. 1859. 255. 440 Rinden. Nordost-Afrika (??) als auf Ceylon einheimisch,1) scheint dennoch die Pflanze nur auf letzterer Insel im vollen Masse die günstigsten Kulturbediugungen zu finden und zwar ausschliesslich in jenem beschränkten Bezirke der Insel. Feiner weisser Quarzsand oder sehr sandiger Thonboden mit gutem Untergründe, reichlich der Sonue und dem Regen ausgesetzt, eignet sich am besten für die „Zimmtgarten", deren verschiedene Lage und Pflege aber immerhin noch von grossem Einflüsse auf die Güte der Sorte ist. Die besten Zimmtgärten liegen ausschliesslich in dem 4 — 5 Stundeu breiten, ebenen Küstensaume zwischen Negumbo, Colombo und Matura bis höch- stens 1500 Fuss über Meer. — Die Erde der weitläufigen Gärten bei Colombo fand John Davy schneeweiss, aus 98V2pC. Kieselerde bestehend und erst in einer Tiefe von einigen Zollen grau. Zu üppiger Boden erzeugt geringe, schwammige Rinde. Die Kultur unterdrückt durch Zurückschneiden die eigentliche Stamm- bildung des Zimmtbaumes und erzieht nur jeweilen einen Busch von 4 — 5 etwa 10 Fuss hohen Schösslingen (Stockausschlägen), welche im Alter von IV2 — 2 Jahren geschnitten werden, sobald die grau -grüne Oberhaut der Rinde sich durch reichliche Korkbildung zu bräunen beginnt; die Triebe sind alsdann etwa 0,0 15m dick. Man lässt aber auch, wie es scheint, die "Wurzel selbst nicht allzu alt werden, sondern erneuert durch Aussaat oder durch Stecklinge von Zeit zu Zeit die Pflanzung; 2- — 3 Jahre genügen, um aus Samen gute Rinde zu gewinnen. Schon die äusseren Schösslinge liefern eine geringere als die in der Mitte des Busches stehenden; namentlich die Spitzen der letzteren geben die feinste Waare, welche durchaus nur durch eine solche Kultur erzielt werden kann. Aeltere Triebe , Aeste oder gar Stämme bieten in ihren Rinden nicht mehr die gewünschte Mischung der chemischen Bestandteile dar. In Folge vermehrten Safttriebes, welcher nach starken Regengüssen im Mai und Juni und dann wieder im November und December eintritt, lässt sich in diesen zwei Zeitpunkten die Rinde leicht vom Holzkörper ablösen, so dass im Frühjahr eine Haupternte und im Spätjahr die Nachernte, kleine Ernte, stattfindet. An den entlaubten abgeschnittenen Schösslingen wird in Entfernungen von je etwa 1 Fuss die Rinde ringsherum durchgeschnitten, hierauf der Länge nach aufgeschlitzt und durch Einschieben eines eigenen Messers, nöthigenfalls nach einigem Klopfen mit dem Hefte, leicht und vollständig abgezogen. Die bitterlich-zusammenziehend schmeckende Oberhaut (Aussen- rinde) wird durch sichelförmige Schabeisen abgeschält, wobei man die Rinde auf oder um einen Stock von entsprechender Dicke legt. Die im x) Thwaites (Enumerat. plant, zeylanic) hält dagegen wohl mit mehr Grund Cinnam. zeylanicum für unzweifelhaft auf Ceylon einheimisch; der Baum finde sich in mehreren Varie- täten von der Küste bis zu 8000 Fuss. — Nach Scherzer wäre er auch in Cochinchiua (Facton) ursprünglich zu Hause. — Tennant's Ausicht gründet sich wohl nur auf eine uralte Herodotische Eabel. Cortex Cinnamomi zeylanici. 441 frischen Zustande weissliche Farbe der Rinde geht erst durch das Trocknen in braun über. Je 8 — 1 0 Halbröhren werden in einander gesteckt , durch die Scheere in bestimmter Länge abgeschnitten, im Schatten getrocknet, sortirt und in kleinere Bündel zusammengelegt, woraus schliesslich grössere Ballen (Far- delen *) geformt werden, die man häufig, nach einem eigenthümlichen Handels- gebrauche, in den Schiffsräumen mit schwarzem Pfeffer bedeckt, angeblich um die Feuchtigkeit vom Zimmt abzuhalten. — Nach Schätzler beträgt dieselbe bei lufttrockenem Ceylon-Zimmt 12 pC. Auch die übrigen Theile des Zimnitbusch.es ausser der Rinde werden verwerthet. Die schwach, aber unangenehm riechende Blüthe entwickelt eine kleine wachholderbeerartige Frucht, welche ein schwach aromatisches, festes Fett liefert ; die sehr ästige "Wurzel gibt bei der Destillation mit "Wasser Kampher, der indessen nicht Gegenstand des Handels ist. Die Blätter riechen und schmecken beim Zerreiben nicht nach Zimmt, sondern nelkenartig;2) ihr schweres , dunkles , ätherisches Oel ist ein Gemenge von Nelkensäure, Benzoesäure und einem mit Terpenthinöl isomeren Oele und gleicht sehr dem Gewürznelkenöle, unter welchem Namen es auch in den Handel zu gelangen scheint. Die Rindenabfälle werden zur Destillation des ächten Zimmtöles benutzt und dienen auch wohl schliesslich noch zum Düngen der Zimmtgärten. — Das Holz des Zimmts ist sehr wenig gewürzhaft. Der käufliche Ceylonzimmt besteht nach dem obigen aus der Mittel- rinde und Innenrinde (Bastschicht) mit Ausschluss der Aussenrinde und eines mitabgeschabten kleinen Theiles der Mittelrinde, so dass die Dicke der trockenen Waare nur etwa V'4 Millimeter erreicht. Die einzelnen , dicht in einander steckenden Rinden sind nicht einfach spiralig, sondern von bei- den Seiten eingerollt („Doppelröhren") und bilden zusammen eine etwa 0,0 lm dicke und bis lm lange, etwas platte Röhre von hellbräunlich ge- färbter, matter Oberfläche, welche von sehr zahlreichen glänzenden, weissen Längsstreifen durchzogen ist und da und dort Narben oder Löcher an der Abgangsstelle der Blätter oder Zweige trägt. Breite, Abstand und Rich- tung der hellen Streifen von Bastfasern auf der Oberfläche der Handels- waare wechseln manigfach; doch sind unregelmässige Biegungen, Wellen- linien oder Kreuzungen vielleicht etwas weniger häufig als paralleler, ziem- lich geradliniger Verlauf. Bisweilen ist auch eine Andeutung von Quer- streifung bemerklich , vermuthlich den Rissen der beseitigten Aussenrinde entsprechend. Die unebene Innenfläche der Rinde ist etwas dunkler, stellenweise warzig ; der Querschnitt bietet eine äussere helle , scharf abgegrenzte und *) Fardelo, fardello der romanischen Sprachen bedeutet Bündel. 2) Die Rinde von Cinnamomum citriodorum Thwaites enthält ein Oel von Citronen- geruch. 442 Rinden. eine innere, dunklere Hälfte. Aus dem kurzfaserigen Bruche ragen zahl- reiche weisse Bastbüudelchen hervor. Die Oberfläche des Ceylon -Zimnits ist gebildet aus einer 2— 3reihigen Lage braunrother, etwas tangential gestreckter, durch das Schälen zum Theil aufgerissener Zellen der Mittelrinde. Die glänzenden weissen Streifen, welche diese Reste der Mittelrinde durchziehen, sind kleine, in grösserer Zahl zu vereinzelten Bündeln vereinigte, farblose, ganz verholzte Baströhren, die aus einer hellen, körnigen Schicht von Steinzeiten hervortreten. 'Diese bilden einen ununterbrochenen , fest zusammenhängenden Ring von 1 — 3 Reihen grosser, dickwandiger, poröser, eckig-kugeliger oder etwas tangen- tial tafelförmig gestreckter Zellen, zwischen welche nur einzelne Bastgruppen eingestreut sind. Dieser schwach gelbliche Steinzellenring hebt sich sehr scharf von dem nach innen folgenden braunrothen Mittelrinden-Parenchym ab, welches ganz dem dünnen, die Steinzellen bedeckenden Gewebe gleicht, aber noch mehr tangential gestreckt ist; es enthält nur ungefähr 10 Reihen verhältnissmässig sehr dickwandiger Zellen und da und dort einzelne Bast- röhren. Diese letzteren treten zahlreicher, in weitläufige Reihen geordnet, in der Innenrinde auf, die ausserdem von schmalen, etwas dunkleren Mark- strahlen durchschnitten und von einzelnen, sehr grossen Gummizellen unter- brochen ist. Das ausfüllende (Bast-) Gewebe der Innenrinde besteht beson- ders in den innersten Schichten aus zartem Prosenchym, dessen Wände im Querschnitte häufig unregelmässige Windungen zeigen. Auf dem Längsschnitte erscheinen die Baströhren von bedeutender Länge , besonders zierlich auf dem tangentialen Schnitte durch die Stein- zeiten, welche sie durch leichte Biegungen in unregelmässige Felder abtheilen. Die grossen Gummigänge der Innenrinde erblickt man im Längsschnitte als eiförmige , nur wenig gestreckte , meist entleerte Schläuche mit derber Wandung. Sie sind nicht von besonderen , zarteren Zellen umgeben , wie z. B. die Oelgänge in den Wurzeln der Compositen. Die Mittelrinde, zum Theil auch die Steinzellen, enthält reichlich kleine Amylumkörner; braunrother Farbstoff durchdringt alle Zellwände und Zwischenräume, besonders in der Mittelrinde und in den Markstrahlen, mit Ausnahme der Steinzellen, der Baströhren und der Gummigänge. Diese letzteren zeigen trüben, feinkörnigen, farblosen oder nur schwach gelblichen Inhalt, vermuthlich in der That Gummi. Eigene Oelzellen fehlen; das äthe- rische Oel dürfte wohl, vielleicht mit Harz, in den tief braunrothen Zwischen- räumen und den dicken Zellwänden sitzen. Der Geruch des Ceylon -Zimmts zeigt das bekannte feine, specifische Aroina; der Geschmack ist feurig gewürzhaft, zugleich süss und sehr wenig schleimig, aber nicht zusammenziehend. Der hervorragendste Bestandteil des Zimmts ist das ätherische Oel, wovon nach Seh mar da die Abfälle ungefähr l/a pC. geben. Auch nach andern Angaben scheint die Ausbeute an ätherischem Oele überhaupt nie 1 pC. zu erreichen. Cortex Cinncimomi zoylanici. 443 Dieses Oel besteht grösstenteils aus O9H80 (Cinnamylwasserstoff), dem Aldehyd der Zimmtsäüre (O9H8-02), neben einem veränderlichen Antheile von Kohlenwasserstoffen; es ist etwas schwerer als Wasser. Durch Sauerstoffaufnahme geht es, zum Theil schon in der Rinde, leicht in Harz und Zimmtsäüre über, wie Trommsdorff schon 1780 bei destillirtem Zimmtwasser wahrnahm. Es unterscheidet sich also wesentlich vom äthe- rischen Oele der Blätter. Auch Zucker, Gummi und Gerbsäure kommen in der Zimmtrinde reich- lich vor; letztere wohl in grösster Menge in der (abgeschabten) Aussenrinde. Der feinste Ceylonzimmt gab Seh ätz ler getrocknet 5 pC. Asche, vorherr- schend aus Kalk- und Kali-Carbonat bestehend. In jedem anderen Laude, wohin Cinnamomuin zeylanicum noch ver- pflanzt wurde , hat man , zum Theil wegen seiner Neigung zum Ausarten, zum Theil auch wohl wegen nicht sorgfältiger Kultur, eine durch grössere Dicke oder durch abweichende Mengenverhältnisse der chemischen Bestand- teile bestimmt verschiedene Rinde erhalten. So besitzt der sonst ähnliche oder etwas dickere Java-Zimmt schwächeren Geruch und Geschmack; die in Cayenne und Brasilien gewonnenen Sorten sind weit stärker und dunkler, erstere zumal noch mit der Aussenrinde bedeckt, schmecken schleimig und scharf adstringirend. — Die 1825 begonnene javanische Produktion, von 1853 — 1857 durchschnittlich jährlich gegen 2000 Centner, ergab nicht befriedigende Resultate. Auf dem Festlande Indiens (Malabar, Silhet und Ost- Bengalen) artet Cinnamomum zeylanicum, obwohl vielleicht dort ursprünglich einheimisch, so aus, dass schon Linne diese Varietät als Laurus Cassia unterschied. Die Rinde dieses 50 — 60 Fuss hohen Baumes kömmt meist noch mit dem grauen Korke bedeckt und nicht in einander steckend, als Holzkassia, Malabar -Zimmt, Cassia lignea in den Handel und dient wohl nur zur Verfälschung des (gepulverten) ächten Zimmts. Sie riecht und schmeckt schwach zimmtartig, nicht angenehm (bisweilen an den Wanzengeruch der Cort. Massoy erinnernd), vorherrschend schleimig und herbe. Es fällt auf, dass in dieser Rinde der Steinzellenring nur sehr wenig entwickelt ist. Unter dem Namen Cassia vera und Cassia lignea finden sich übrigens im Handel äusserst verschiedene Rinden von nicht näher bekannter Ab- stammung, welche sich zur Verfälschung des Zimmts eignen, obwohl sie alle mehr schleimig und herbe schmecken als gewürzhaft süss und weit dicker zu sein pflegen. Manche dieser Rinden kommen aus Canton und mögen wohl Stämmen oder dickeren Aesten des Cinnamomum aromaticum entnommen sein. — Eben so wenig lässt sich der Ausdruck Caneel genau definiren, da er sowohl dem ceylonischen als auch (seltener) dem chinesi- schen Zimmt beigelegt wird, und ursprünglich in der Sprache der früheren Vermittler des Gewürzhandels, der Venetianer oder Portugiesen, cannella oder canella nur eben (aromatische) Röhren bezeichnete. Der Name Zimmt, Cinnamomum, scheint aus dem Singhalesischen 444 Rinden. Kacyn (Holz) — nama (süss) oder dem Malaischen Kaina (Holz) und manis (süss) zu stammen und auf den hinterindischen Ursprung des Ge- würzes hinzudeuten, welches schon Phönicier und Hebräer unter Kinuamon,1) die Griechen unter Kinnämömon verstanden und das später die Araber und Perser noch deutlicher als Dar (Holz oder Rinde) Chini (der Chinesen) be- zeichnet hatten. In Indien fehlt ein altes Sanskritwort für Ceylon-Zimmt. Schon zu Alexanders des Grossen Zeit, bis ins XL Jahrhundert, gelaugte Zimmt durch den Persischen Golf und durch Mesopotamien ins Abendland. Woher aber die damals noch seetüchtigen Chinesen oder später, wenigstens seit dem Y. Jahrhundert, die Araber den Zimmt brachten, ist nicht ermit- telt; Ceylon wird so früh noch nicht als sein Vaterland genannt. Es ist da- her sehr wohl möglich, dass das Alterthum nur unsern heutigen chinesischen Zimmt, die Zimmtcassia, oder aber den Malabarischen Zimmt hatte und dass erst später Zimmt von Ceylon durch die Araber geholt wurde. Unge- wiss ist es, ob Cinnamomum zeylanicuin , nach Emerson Tennant's Meinung, ursprünglich auf Ceylon fehlte, oder in frühester Zeit eben nur nicht zum Export ausgebeutet wurde. Ibn Batuta erwähnt schon 1340 Zimmtbäume bei Colombo, und im folgenden Jahrhundert besuchte und schilderte der venetianische Kaufmann Nicolo Conti2) um 1444 die Zimmtinsel „Saillana" (Ceylon). Treffend sagt er: „Cinnamomum quoque fert plurimum. Arbor ea est simillima ,,crassioribus salicibus nostris, praeterquam quod rami non in altum, sed „patuli extenduntur in latuin: folia simillima licet majora, laurifolüs: ra- „morum cortex melior est, isque subtilior: trunci crassior inferior que „sapore. Fructus ejus baccis lauri similis, ex quibus elicitur oleum odori- „ferum unguentis quibus admodum Indi utuntur accomodatum. Ligna nudato „cortice comburuntur." Die Umschififung des Caps hatte die Auffindung Ceylons durch die Por- tugiesen (1505) und, hauptsächlich des Zimmts wegen, von 1518 — 1536 ihre dauernde Niederlassung auf der Insel zur Folge. Erst seit dieser Zeit beginnen genauere Nachrichten über den Zimmt; man unterschied nun (Garcias ab Horto, um 1600) bestimmt den „aus feinen Röhrchen innerer Rinde" bestehenden ceylonischen Zimmt von dem unächten aus Malabar und Java. Ersterer war damals vierzigmal, 1644 nur noch fünfmal theurer als der zweite. Schon 1571 sah Clusius einen Zimmtbaum in Brügge. Aber dieser Ceylonzimmt mag wohl unserer heutigen durch die Kultur veredelten Waare noch nicht gleich gekommen sein, indem er in den AVäl- dern des Kandy- Reiches, im Innern der Insel, geschnitten wurde, dessen Königen die Portugiesen bedeutenden Tribut in Zimmt auferlegten. Eine be- sondere Kaste von Zimmtschälern, Chaliahs, welche erst gegen Anfang 1) In den Rccepten des unlängst von D ümicheu entdeckten uralten Tempcllaboratoiitims von Edfu in Aegypten erscheint auch, lieben Myrrhe und anderen Gewürzen Kainn-maa (Brugscl) et Du mich eu, Recueil de monuni. <''gypt. Lpzg. 1S66). 2) Kunstraann, Kenntnis- Indiens im XV. Jahrb.. — München 18C.3, S. ?>9. Cortex Cinnamomi zeylanici. 445 des XIII. Jahrhunderts Dach Ceylon berufen worden sein sollen, lieferten den Portugiesen die Rinde. Die unmenschliche Sklaverei dieser Chaliahs wurde durch die Holländer nicht erleichtert, welche von 1658 an völlig Meister der Insel waren und ihrer ostindischen Compagnie den Zimmthandel als äusserst einträgliches Monopol überliessen, das sie mit grösster Härte handhabte. — Die Rinde wurde durch eigene Revisoren, Apotheker und Aerzte, genau untersucht, um Betrügereien der Chaliahs zu verhüten. De Koke hatte um 1770 den glücklichen Gedanken, im Widerspruche mit dem allgemeinen Vorurtheile zu Gunsten des wild wachsenden Zimmts, dessen künstlichen Anbau zu versuchen, was unter den Gouverneuren Falck und van der Graff mit ausserordentlichem Erfolge durchgeführt wurde, so dass die Holländer jetzt völlig unabhängig vom Kandy- Reiche alljährlich etwa 400,000 Pfund zu erzeugen, damit den ganzen europäischen Bedarf zu decken und dieses Geschäft völlig zu beherrschen vermochten, so dass sogar nach einigen Berichten in Holland Zimmt verbrannt wurde, nur um den Preis in der gewünschten Höhe zu erhalten. Nach der Besitznahme Ceylons durch England (1796) wurde der Zimmt- handel Monopol der englisch- ostindischen Compagnie, welche nun wieder mehr Zimmt aus den Wäldern ausführte, besonders seit 1815, wo das Reich Kandy eingezogen wurde; doch scheint die jährliche Zimmtproduktion höchstens 1/o Million Pfund erreicht zu haben (ein Ueberschuss sollte sogar verbrannt werden) , obwohl die Zahl der Chaliahs auf 16,000 gestiegen war. Ihre Lage wurde erst besser, als 1833 endlich das der Compagnie verliehene Monopol aufgehoben wurde. Der Zimmt blieb aber mit einem Ausfuhrzolle von % — lji seines Werthes belastet, so dass die Kultur nach und nach unter der Konkurrenz des von den Holländern auf Java erzeugten und des chinesischen Zimmts zu leiden begann. Erst 1853 fiel dieser Zoll weg. — Jetzt nehmen die sämmtlichen Zimmtgärten Ceylons etwa 1 geogr. Quadratmeile1) ein und erzeugen jährlich gegen 900,000 Pfd. Rinde, im Werthe von über 1 Mill. Franken. Zwischen 1836 und 1857 producirte Ceylon durchschnittlich etwa 400,000 i^ Zimmt jährlich; zwischen 1855 und 1860 über 700,000 ^f jährlich; 1842 nur 121,000^, 1844 aber 1 Million jf, 1860 wieder 675,000 //, 1861 ebenfalls 845,000 Pfd. — Der Gesammtwerth der ganzen jährlichen Ernten an Ceylon -Zimmt dürfte nach Scherz er IV4 Million Francs kaum mehr übersteigen, während für die Cassia (Cortex Cinnamomi chinensis und Surrogate) 7 Y2 Millionen an- zunehmen sind. Der Kaffee beginnt* in neuester Zeit den Zimmt fast von Ceylon zu verdrängen. ]) Nach anderen Angaben ans den Jahren 1860 -1861 nur 14,400 Acres = 5827 Hectares = 23,000 pieussische Morgen. 446 Rinden. Cortex Cinnamomi chinensis. Cort. Cinnainomi Cassiae. Cort. Cassiae ckmamomeae. Chinesischer Zimmt. Zirnmtkassie. Kaneel. Cannelle de Chine. Chinese cinnarnoin. Cassia bark. Cinnamomum Cassia1) Blume. — Laurineae. Syn.: Cinnamomum aromaticum Chr. Nees. In Annarn (Cochinchina) und der anstossenden südlichsten Provinz Chinas, Kuangsi;2) auch noch wenig nördlich in der Provinz Hnnan ein- heimischer, dort so wie auf den Sunda-Inseln und in Yorderindien (Malabar) culti vir ter Baum, durch höheren Wuchs und hellgrüne, lanzettliche, 3nervige Blätter von Cinnamomum zeylanicum verschieden, dessen dunkelgrüne, ovale Blätter 3 — 5 Nerven tragen. Der chinesische Zimmt unterscheidet sich vom ceylonischen durch be- deutend stärkere und festere Röhren, deren Dicke selten weniger als 0,00 lm, aber oft über das doppelte beträgt. Gewöhnlich kommen sie einzeln, sel- tener zu mehreren in einander gesteckt vor und meist nur einfach spiralig eingerollt. Die Oberfläche ist weniger glatt, einförmig und etwas dunkler braun, stellenweise noch mit grauem Korke bedeckt. Noch dunkler, etwas ins Röthliche spielend, ist die Innenfläche. Der Bruch ist nicht faserig ; in der Mitte der Rinde erscheint eine feine weisse Linie und einzelne weisse Punkte ausserhalb derselben. Die Aussenrinde, welche besonders die Ränder noch stellenweise bedeckt, besteht aus mehreren Schichten rundlich -eckiger, flacher Kork- zellen , von denen einzelne Reihen braunrothen Farbstoff enthalten. Das lockere, selbst lückige Parenchym der Mittelrinde ist aus tangential gestreck- ten, porösen, braunen Zellen gebildet, zwischen denen einzelne grössere, dickwandige Zellen, sehr vereinzelte Baströhren und mehr nach innen Gruppen von zahlreichen Baströhren vorkommen, auf welche eine Zone gleicher Steinzelien folgt , wie im ceylonischen Zimmt. In der chinesischen Rinde aber bilden diese Steinzellen nicht einen fest zusammenhängenden Ring, sondern sind häufig durch das Parenchym unterbrochen, und zer- streute Gruppen von Steinzellen sind auch in der Innenrinde nicht selten. Dieselbe besitzt ausserdem zerstreute Baströhren und grosse Gnmmigänge und wird von ziemlich breiten Markstrahlen durchschnitten. Der innerste Theil der Innenrinde besteht aus im Querschnitte engen , sehr regelmässig geordneten Zellen , welche allmälig gegen die Steinzellenregion hin grösser werden, so dass dieses Gewebe dem entsprechenden des Ceylon -Zimmts nicht gleicht. Der Inhalt der Gewebe des chinesischen Zimmts ist derselbe wie beim ceylonischen; nur ist ersterer an Amylum verhältnissmässig reicher, indem !) nicht zu verwechseln mit den verschiedenen Lauras Cassia älterer Autoren, Spielarten von C. zeylanicum. -) das Wort soll Zimmtwald bedeuten. Cortex Mezerei. 447 das ganze Gewebe, selbst die nicht ganz verholzten Steinzellen, davon er- füllt ist. Auch die Gummigänge sind im chinesischen Zirnmt zahlreicher und die Gerbsäure in grösserer relativer Menge vorhanden. Dem entsprechend schmeckt auch dieser Zimmt weniger fein gewürz- haft, mehr scharf adstringirend und schleimig als süss. Trotzdem ist der Verbrauch desselben sehr gross. Hamburg allein führte z. B. 1863 davon über 20,000 Kisten und 33,000 Matten ein. In England, dessen Bedarf etwa V/2 Million Pfund jährlich ausmacht, hat er den Ceylonzimmt über- flügelt. Das ätherische Oel, Oleum Cassiae, beträgt ungefähr 1 pC, durch- schnittlich, wie es scheint, etwas mehr als im ceylonischen Zimmt und stimmt im wesentlichen mit dem des letzteren überein,1) obwohl sein Geruch weit weniger fein ist. — Eine sorgfältige Kultur, wie die ceylonische, scheint auf Cinnamomum aromaticum nicht verwandt zu werden, dürfte aber wohl in jüngeren Trieben auch ein feineres Oel ergeben. E. Brennend scharfe Rinde. Cortex Mezerei. Seidelbastrinde. Kellerhalsrinde. Zeiland.5) Ecorce de Laureole femelle ou de Garou, bois gentil. Spurge laurel bark. Daphne Mezereum L. — Daphnoideae. Die Stammrinde, bisweilen auch die Wurzelrinde dieses in den meisten Ländern Europas und Nordasiens ziemlich verbreiteten Strauches. Er geht bis gegen den Polarkreis und erhebt sich in unsern Breiten hoch in die Yoralpen, ist aber seltener in England (vielleicht eingewandert?) und fehlt in Irland. Die sehr zähe, faserige Rinde lässt sich leicht in langen Streifen sowohl vom Stämmchen und den Zweigen als auch von der langen Wurzel ab- ziehen. Sie wird zur Winterszeit gesammelt und in runde oder längliche Rollen mit etwa 0,0 2m breitem Bande und nach aussen gekehrtem Baste aufgewickelt. Die Dicke der Rinde übersteigt nicht leicht 0,00 lm; aussen ist sie mit graubraunem, je nach dem Alter plattem oder etwas höckerigem und rissigem Korke belegt, welcher sich ablösen lässt und eine dünne, grüne Schicht bedeckt. Die schwach gelblich -grüne Innenseite der Rinde ist sehr glatt und glänzend, fein und kurz längsstreifig. Die Seidelbastrinde lässt sich leicht quer schneiden, aber nicht brechen, sondern nur zerfasern. Die Wurzelrinde ist hell grau-gelblich oder bräunlich, ohne Chlorophyll- schicht, aber etwas dicker, stark längsrunzelig , mit schwammigem Korke. Derselbe bildet sehr zahlreiche Lagen dünner, tangential ge- streckter Tafelzellen mit braunem Inhalte , welche zu äusserst durch tan- *) nach Buignet jedoch (1861) wären die Brechungsexponenten wesentlich verschieden. 2) Cilaut im althochdeutschen schon vor dem XII. Jahrhundert. 448 Rinden. gentiale Theilung sehr schmal, im IrmerD, besonders in der Wurzel, etwas weiter sind. Die letzte Korkzellenreihe ist farblos und hängt fest zusammen mit grossen, tangential gedehnten, oft etwas gestreiften, chlorophyllhaltigen Parenchymzellen , welche in etwa 10 Reihen die Mittelrinde bilden. Diese hängt nur lose mit der Innenrinde zusammen , in welcher zahlreiche Grup- pen enger Baströhren auftreten, die weiter nach innen völlig in glänzendes, farbloses Bastprosenchym übergehen, das von schmalen, einreihigen Mark- strahlen durchschnitten ist. Dieser Bast zeigt theils weitere, bandartige Zellen mit geschlängelten Wänden, abwechselnd mit lockerem Parenchym, theils dünne, einfache Baströhren von sehr bedeutender Länge. Die Mittelrinde enthält nicht sehr reichlich Amylumkörner, doch nur in der Wurzel von ansehnlicher Grösse. Frisch riecht die Rinde unangenehm, trocken gar nicht mehr, schmeckt aber immer, selbst nach langer Aufbewahrung, äusserst scharf und anhal- tend brennend, Röthung der Haut bewirkend oder selbst Blasen ziehend. Der blasenziehende Bestandtheil , vermuthlich Harz (Fett?), scheint in der Mittelrinde allein enthalten zu sein; die Früchte des Seidelbastes („Semen Coccognidii") lieferten Martius über 40 pC. fettes, blasenziehendes Oel, das auch in der Stammrinde enthalten zu sein scheint. Als Daphnin war schon ein 1808 vonVauquelin aus Daphne alpina dargestellter krystallisirter Stoff bezeichnet worden, den später L. Gmelin und Bär auch in der Rinde von D. Mezereum nachwiesen. Das Daphnin wurde 1860 von Zw enger als indifferentes, nicht flüchtiges Glykosid er- kannt, auch das Spaltungsprodukt Daphnetin näher untersucht. Das Daphnin schmeckt nur bitter und adstringirend und ist in der Rinde in so sehr ge- ringer Menge enthalten, class es bei ihrer Wirkung nicht in Betracht kommen kann. Aeltere Rinde enthält weniger Daphnin; es scheint je nach den Vege- tationsbedingungen in sehr wechselnder Menge aufzutreten. Durch trockene Destillation des Alcohol-Extractes der Seidelbastrinde erhielt Zw enger, neben Daphnetin auch Umbelliferon (vergl. bei Radix Surnbul). Nach L an derer lässt sich durch Destillation der Rinde mit Wasser ein scharfes, Haut röthendes Oel gewinnen, das schon Vauquelin bemerkt hatte. Hoyer erhielt von getrockneter Rinde 4 pC. vorwiegend aus Kalk- und Kalisalzen bestehender Asche. In Frankreich und ganz Südeuropa benutzt man mehr die Rinde von Daphne Gnidium L. (Garou. Sain-bois), auch wohl von Daphne Lau- reola L. (Laureole male) , letztere ist aber bedeutend weniger scharf. Die Unterschiede dieser Rinden wurden von Guibourt (1867) angedeutet, aber nicht festgestellt. Die Alten gebrauchten, freilich zu andern Wirkungen, mehr nur die Früchte von Daphne Gnidium. Erst Tragus lieferte zu Anfang des XVI. Jahrhunderts eine Beschreibung und Abbildung des gemeiuen Seidelbastes unter dein Namen Mezereum germanieuin. Ersteres Wort scheint wohl ara- bischen Ursprunges zu sein. Folia ,Capilli. 449 IV. Blätter und Kräuter, A. Blätter von Farnen. Folia Capilli. Folia Adianti. Herba Capillorum Veneris. Frauenhaar. Capillaire de Montpellier. Ladies hair. Adiantum Capillus Yeneris L. — Filices. Das Frauenhaar wächst häufig an feuchten,1) schattigen Felsen und Mauern wärmerer Gegenden, namentlich im ganzen Gebiete des Mittelmeeres, auf den Azoren, Canarien und CapYerden, sogar in den milden Küsten- strichen Südenglands und Irlands, überschreitet aber vom Süden her die Alpen nicht.2) Es findet sich weiter in Abyssinien, Syrien, im Kaukasus, in ganz Hochasien, am Cap, auf Madagascar, den Sandwich -Inseln, in Mexico, Central- Amerika und Westindien. Die Blätter (Wedel) erheben sich büschelförmig bis 0,50m hoch aus einem kurzen Wurzelstocke, an dem nur 0,00 lm dicken, sehr elastischen, aussen und innen glänzend dunkel- braun-schwarzen Blattstiele, der frei von Spreuschuppen bleibt. Sie sind doppelt gefiedert; die Stielchen, welche die Fiedern und Blättchen tragen, sehr dünn , so dass die Blätter von Wänden und Decken der Grotten und des Gemäuers sehr zierlich herabhängen und vom leisesten Windzuge ge- schaukelt werden. Die sehr dünnen, hellgrünen Blättchen sitzen auf kurzen Stielchen abwechselnd auf dem Blattstiele der Fiedern, sind fast halbkreis- förmig, mit ungleichem, keilförmigem Grunde, 3 lappig, die stumpfen Lappen zweitheilig und gezähnt. Das Endblättchen der Fieder ist grösser, bis0,03m Durchmesser erreichend, und tiefer getheilt. Die Form der Blättchen ist im ganzen sehr unregelmässig und veränderlich. Strahlenförmig vom Blatt- stiele ausgehende feine, blassgrüne Nerven durchziehen die Blattfläche, indem sie sich 3 — 5 mal gabelig theilen, aber nicht wieder zusammen- fliessen. Der vordere Rand der Blattlappen entwickelt ein häutiges, nur 0,00 lm breites, durchsichtiges Schleierchen, das sich auf die untere Blattseite zurückfaltet und auf seiner inneren Fläche die Früchtchen (Sporangien) trägt, welche bei der Reife das Schleierchen dunkelbraun erscheinen lassen. Die Blätter überwintern nicht; sie werden mit den Blattstielen gesam- melt, verlieren leicht ihre schöne grüne Farbe und zeigen nur beim Zer- reiben einen schwach aromatischen Geruch. Geschmack süsslich-bitterlich. 1) Atatvw ich benetze; äoiav-GV unbenetzbar. 2) In der Schweiz, nördlich von den Alpen, nur auf einen einzigen Standpunkt beschränkt; in den Alpen selbst an den Thermen von ßoroiio (Veltlin), 1300 m über dem Meer, auch bei Meran und Botzen. Flückiger, Pharmakognosie. 29 450 Blätter und Kräuter. Enthalten wie alle Farne Gerbstoff und Zucker; wohl auch Bitterstoff. Das Frauenhaar wurde schon von den griechischen und römischen Aerzten gebraucht. Statt des Adiantum Capillus Veneris wird in Frankreich häufig das deut- licher aromatische Adiantum pedatum L. aus Canada und den nördlichen Unionsstaaten bis Yirginien unter dem Namen Capillaire du Canada ange- wendet und sogar höher geschätzt. Es ist einer der zierlichsten nordamerikani- schen Farne, grösser als das Frauenhaar und durch den starken hellbraun- rothen, glänzenden, innen lebhaft citrongelben Blattstiel ausgezeichnet, welcher sich in zwei kurze Aeste theilt, deren jeder 6 — 7 einfach gefiederte Blätter trägt, welche strahlenförmig (fussformig) gegen die Gabelung des Blattstieles gestellt sind. Die Blättchen zeigen dieselbe Grundform wie die des Frauenhaares, sind aber weit regelmässiger, fast dreieckig; dem durch zwei sehr ungleich lange geradlinige Seiten gebildeten rechtwinkligen Grunde gegenüber liegt eine bogenförmig gezähnte oder gekerbte Seite, mit ähnlichen zurückgeschlagenen, fruchttragenden Schleierchen, wie bei Adiantum Capillus Veneris. Dieses kanadische Frauenhaar kömmt zu grossen parallelipedischen Kuchen fest zusammengepresst nach Europa. Bisweilen geht statt desselben auch das ähnliche Adiantum trapezifonm L. aus Mexico und Südamerika. Folia Scolopendrii. Hirschzunge.1) Zungenfarn. Scolopendre. Langue de cerf ou de boeuf. Scolopendrium officinarum B'wartz. — Filices. Wächst an ähnlichen Standorten wie Adiantum Capillus Yeneris durch das mittlere und südliche Europa, nicht im nördlichen. Auch in Asien und Nordamerika; hier jedoch selten. Die etwas lederartigen, überwinternden Blätter stehen büschelförmig, doch nicht zahlreich spiralig an dem fleischigen Wurzelstocke. Die am Grunde verdickten Blattstiele kürzer als das Blatt, das bis 0,50m lang und 0,060m breit wird. Es ist am Grunde tief herz- förmig, länglich lanzettlich, spitz, flach uud ganzrandig (selten gelappt, wellig- kraus oder gekerbt), hellgrün, oberseits etwas glänzend. Die Blatt- stiele tragen bis über die Mitte des Blattes hinauf braune, zum Theil haar- förmige, doch nicht röhrige Spreublättchen. Von der Mittelrippe aus gehen in einem spitzen Winkel, etwas nach oben geneigt, zahlreiche, einmal oder zweimal gabelig getheilte, nicht zusammenfliessende, parallele Nerven gegen den Rand des Blattes, vor welchem sie iu einen etwas verdiokten, blasseren Punkt endigen. Auf diesen Nerven und parallel mit ihnen entstehen die linienförmigen Schleierchen, welche die Fruchthäufchen bergen. Je zwei solcher Schleierchen [) hircescuuga im althochdeutschen des XI. Jahrhunderts. Herba Chelidonii; 451 stehen so nahe, dass sie einander berühren und zusammenfl-iesseu. Ihre Schleierchen sind an der äusseren Seite angeheftet und öffnen sich an der Yereinigungslinie , indem sie sich wie zwei Klappen nach aussen zurück- schlagen. Geschmack schwach süsslich adstringirend. Nicht genauer chemisch untersucht. B. ausschliesslich frisch in Gebrauch gezogene Blätter und Kräuter. Herba Chelidonii. Schöllkraut. Chelidoine. Calandine. Chelidöiiium niajus1) L. — Papaveraceae. Schwaches durch ganz Europa gemeines Kraut mit ansehnlicher aus- dauernder Wurzel, aus welcher sich meist mehrere etwa lm hohe hohle, behaarte Stengel erheben. Die zahlreichen abwechselnden Blätter erscheinen an den Stengelknoten den gabeligen Aesten gegenüber. Aus den Winkeln gehen später einzelne lange blüthentragende , oben am Stengel blattlose Aeste hervor. Die zarten schlaffen , im ganzen breit eiförmigen Blätter sind unpaarig, 2- bis 4jochig entfernt gefiedert, die ovalen gekerbten Lappen gestielt oder, wenigstens die oberen, wieder gelappt und mit der Spindel zusammen- fliessend, das bedeutend grössere Endstück des Blattes oft durch seine beiden tiefen Einschnitte fast umgekehrt herzförmig. Die schöne grüne Farbe der Blätter spielt unterseits stark ins matt bläulich weisse. Die erst endständigen, dann durch Auswachsen der Stengeläste zur Seite gedrängten einfachen Dolden tragen 5 — 8 gelbe vierblätterige Blü- then, womit -die Pflanze den ganzen Sommer durch versehen ist; die beiden behaarten Kelchblätter fallen sehr bald ab. Die zweiklappig aufspringende schotenartige Frucht schliesst in ihrem einzigen Fache zahlreiche, glänzend braunschwarze, etwa 1 Millim. grosse Samen ein, die sich durch eine weisse fleischige, verhältnissmässig sehr ansehnliche Nabelwulst auszeichnen. Die ganze Pflanze ist von einem scharfen, schon beim Austreten schön rothgelben Milchsafte erfüllt, welchem sie den bitteren, brennenden Ge- schmack verdankt. Der widerliche Geruch ist nach dem Trocknen am Kraute kaum mehr bemerklich. Polex zuerst stellte aus Chelidonium, vorzüglich aus älteren Wurzeln, ein Alkalokl Pyrrhopin dar, welches später von Probst als C h e 1 e r y t h r i n genauer untersucht wurde. Schiel zeigte (1855), dass es identisch ist mit dem schon 1819 von Dana in der Wurzel der nordamerikanischen Papave- racee Sanguinaria canadensis L. entdeckten Sanguinarin und stellte *) Chelidonium minus hiess früher Rauuuculus Ficaria L. 29 452 Blätter und Kräuter. dafür die Formel OU)H17N04 auf. Im Schöllkraute selbst kömmt dieses narkotisch giftige Alkaloid nur in geringer Menge vor, bedingt aber zum Theil die Farbe des Milchsaftes , indem es sich an der Luft gelblich , durch Säuren roth färbt. Nicht giftig ist ein zweites, ebenfalls in der Wurzel reich- licher als im Kraute enthaltenes Alkaloid, das Chelidonin (vielleicht O19H17N3-03), das (1838) ebenfalls von Probst rein dargestellt wurde. Es schmeckt bitter und liefert bittere, krystallisirende Salze. Als Cheli- doxanthin bezeichnete derselbe einen indifferenten, in gelben Nadeln krystallisirenclen Bitterstoff aus der gleichen Pflanze, der nicht näher unter- sucht ist. Auch verschiedene Säuren finden sich im Kraute und der Wurzel, namentlich Aepfelsäure (woraus bei der Gährung des Krautes Bernstein- säure entseht) und Citronsäure , so wie Chelidon säure OUH1Ü013 und Chelidoninsäure 014H22013, beide letztere der Pflanze eigen thümlich, aber vielleicht zu Mekonsäure (siehe bei Opium) oder Bernsteinsäure in naher Beziehung, übrigens in nur sehr geringer Menge vorhanden. Die Chelidonin säure ist sublimirbar und wird nicht von neutralem, sondern nur von basischem Bleiacetat gefüllt, ist aber im Ueberschuss desselben löslich (Zwenger). Die ganze Pflanze gibt nach Rüling 6,8 pC. Asche, hauptsächlich aus Kali, Kalk, Phosphorsäure und Kohlensäure bestehend. Chelidonium ist schon seit dem Alterthum in medicinischem Gebrauche. Die an Alkaloiden reichere Wurzel würde eigentlich den Vorzug verdienen. Herl>a Cochleariae. Löffelkraut. Skorbutkraut. Cochlearia. Scurvy-grass. CocMeäria officinalis L. — Cruciferae, Latiseptae. Das Löffelkraut findet sich in Menge durch die ganze kalte Zone an den Küsten der nordischen Meere, von der Nordsee und Ostsee an längs der skandinavischen , so wie der jenseitigen arktischen Gestade bis Labrador, ja bis Grinnell-Land unter 80° n. Br. Es ist eine der am weitesten gegen den Pol gehenden Phanerogamen. Im Innern der nordischen Continente tritt die Pflanze da und dort in salzreichem Grunde auf, merkwürdiger- weise auch unzweifelhaft wild an einzelnen Stellen der Voralpen Berns, höher als 100CT über Meer. In unsern Gärten gedeiht sie recht wohl und wird zum officinellen Gebrauche gezogen. Die zwei Jahre dauernde, kräftige Wurzel treibt erst im zweiten Früh- ling etwa fasshohe, schwache, kantige Stengel, welche ineist schon am Grunde mit aufsteigenden Aestcn versehen sind. Im ersten Jahre erscheint nur ein Büschel zahlreicher, sehr lang gestielter, schön grüner Blätter von stumpf und breit eiförmiger oder herzförmiger Gestalt. Am Rande sind diese etwas dicklichen, 0,02™ bis 0,03m messenden Blätter sanft ausge- Herba Cochleariae. 453 schweift oder beinahe gekerbt; zur Zeit der Blüthe welken sie. Den klei- neren, ziemlich weit aus einander gerückten Stengelblättern von mehr spitz- eiförmigem Umrisse fehlt der Stiel; die oberen wenigstens umfassen pfeil- förmig den Stengel und tragen an jedem Rande 1 — 3 meist wenig hervor- tretende Sägezähne. Die weissen Blüthen, vom gewöhnlichen Bau der Cruciferen, bilden endständige , unbeblätterte Trauben , welche sich während der Fruchtreife noch bedeutend strecken. Jedes der zwei Fächer des gedunsenen, aber seit- lich ein wenig zusammengedrückten Schötchens enthält meist 4 kleine, rothbraune, rauhe Samen. Die Fruchtstielchen übertreffen an Länge mehr- mals die kleinen Schötchen. Das Löffelkraut entwickelt beim Zerquetschen einen schwach senfartigen Geruch und schmeckt nicht unangenehm scharf und salzig. Beim Trocknen büsst es Geruch und Geschmack ein. Das frische, blühende Kraut liefert höchstens etwa V4 — V2 P- Mille ätherisches Oel, das nach Geiseler (1858) der Formel G^H^S-G- oder G3H5^ G3H5J^^ entspricht, woraus sich sofort die Beziehungen zum Senföl (vergl. bei Semen Sinapis nigrae) so wie zum Knoblauch öle O6H10S, auch zu demjenigen der Asa foetida ergeben. In der That verdankt auch das Löffelkrautöl seine Entstehung einem dem Myrosin des schwarzen und des weissen Senfs ähnlichen oder damit identischen Eiweisstoffe. Wird Myrosin des letzteren mit trockenem Löffelkraute zusammengebracht, so erhält man Löffelkrautöl, nicht aber aus dem Kraute für sich, wenn es einmal getrocknet war. Das Löffelkrautöl siedet bei 148° und scheint etwas leichter als Wasser zu sein (nachWill von 1,009 specif. Gew. bei +15°; 0,942 nach Gei- seler). Mit NH3 tritt es ohne weiteres, ganz dem Senföl analog, zu einer krystallisirenden Base zusammen. Aus dem officinellen Spiritus Cochle- ariae setzen sich nach längerer Zeit bisweilen Nadeln von der Zusammen- setzung 06HU02, oft auch Schwefelkrystalle ab. — Das Oel der Wurzel von Cochlearia Armoracia L. (Meerrettig) scheint mit Senföl übereinzukommen. Das Löffelkraut hinterlässt beim Verbrennen 20 pO. Asche (Geiseler), welche reich an Alkali ist, das zum Theil an organische Säuren, zum Theil an Salpetersäure gebunden war. Je nach dem Standorte scheint bald Kali, bald Natron vorzuwalten. Das Löffelkraut wurde 1557 durch Wier zuerst gegen Skorbut em- pfohlen. Cochlearia danica L. hat lauter gestielte Blätter, C. anglica weit grössere Schötchen und tief herzförmige Stengelblätter. Beide Pflanzen kommen mit C. officinalis zugleich vor und dürften dieselben chemischen Eigenschaften besitzen, doch soll C. anglica milder schmecken. 454: Blätter und Kräuter. Folia Laurocerasi. Kirschlorbeerblätter. Feuilles de laurier-cerise. Cherry-laurel leaves. Prunus Laurocerasus L. — Amyydahae. Syn.: Cerasus Lauro-Cerasus Loiseleur. Der Kirschlorbeer, ein bis über 6m hohes, immergrünes Bäumchen der pontischen Länder und Persiens, ist jetzt durch alle gemässigten Gegenden Europas als Zierpflanze verbreitet. Er reift noch in Holland (Walcheren) seine Früchte, hält das englische, bei einigem Schutze selbst das süd- norwegische Klima aus und gedeiht z. B. am Tlmner See bis gegen 600m über Meer ganz frei. Die einfachen, abwechselnden, glänzend grünen, lederigen Blätter er- reichen mehr als 0,2 lm Länge und 0,07m Breite, meist aber nur ungefähr die Hälfte; frisch sind sie 72 Millim. dick. Der derbe Blattstiel bleibt unter 0,0 lm lang und setzt sich, besonders unterseits sehr hervortretend, als starke Mittelrippe bis in die kurze, breite Spitze fort; beide Blatthälften sind meist etwas zu der Rippe geneigt. An dem ein wenig umgerollten Rande treten nach unten zu immer weiter aus einander gerückte, scharfe, aber sehr kurze Sägezähne etwas hervor. Am Grunde ist das Blatt sanft und breit gerundet, doch pflegt die grösste Breite in oder über der Mitte zu liegen. Die blassere Unterseite trägt auf jeder Hälfte, längs der Rippe und davon in sanftem Bogen aufsteigend, ungefär 12 gegen den Rand anastomosirende Nerven. In der unmittelbaren Nähe des untersten, dicht an der Mittelrippe, finden sich ein bis drei flache, nackte Blattgrübchen, welche bald eine bräunliche Farbe annehmen. Die unversehrten Blätter sind geruchlos , entwickeln aber , so lange sie frisch sind, beim Zerquetschen einen an Bittermandelwasser erinnernden Geruch, welcher sich jedoch an getrockneten Blättern nicht mehr zeigt. Gekaut schmecken die Blätter bitterlich, etwas herbe und aromatisch, aber kaum adsfringirend; die Bitterkeit steigt und verschärft sich nach kurzem. Die Mittelschicht der Blattfläche enthält die zahlreichen Gefässbüudel- chen, in deren Nähe allein Gerbstoff in sehr geringer Menge vorkömmt, wie die blass-bräunliche Färbung andeutet, welche durch Eisenchlorid auf dem Querschnitte hervorgerufen wird. Nach oben ist das Blattgewebe aus länglichen, in drei bis vier dichten Reihen senkrecht über einander stehen- den Zellen gebildet und bedeckt von einer farblosen Epidermis aus ansehn- lichen, würfeligen oder etwas gewölbten, nicht sehr dickwandigen Zellen, über welchen ein dünnes Oberhäutchen liegt. Die untere Hälfte des Gewebes hingegen besteht aus etwas grösseren, lockeren, kugeligen oder schlauch- artig verlängerten Zellen, welche ungefähr 6 — 8 unregelmässige Schichten darstellen. Sie sind ebenfalls von einer ungefärbten Epidermis bedeckt. Sämmtliches übrige Gewebe ist mit Chlorophyll gefüllt, doch führen nicht wenige Zellen sehr ansehnliche Drusen oder einzelne gut ausgebildete hen- Folia Laurocerasi. 455 dyoedrische Kry stalle von Kalkoxalat und wenige andere röthliche Klumpen (Harz?). Eigene Oelräume oder Drüsen fehlen den Blättern ganz und gar. Mit Wasser der Destillation unterworfen , liefern die Blätter blausäure- haltiges Bittermandelöl, hervorgegangen aus der Zusammensetzung von Amygdalin (siehe bei Amygdalae amarae), welches jedoch aus Kirsch- lorbeerblättern noch nicht krystallisirt erhalten werden konnte. Auch ist der Körper, welcher hier die Spaltung veranlasst, nicht näher gekannt. Der Blausäuregehalt des Destillates zeigt nicht so grosse Schwankungen, wie bei den bitteren Mandeln. Kirschlorbeerblätter vom Thuner-See z. B. lieferten zehnjähriger Beobachtung zufolge bei vollständiger Erschöpfung durchschnittlich ein Destillat, dessen Gehalt an Cyanwasserstoff 0,120 Th. von je 100 Th. frischer Blätter betrug, einmal aber auch 0,172. Jedoch hält das nicht vom Wasser gelöste ätherische Oel hartnäckig Cyanwasser- stoff zurück. Es scheint, dass das Maximum des Cyangehaltes sich unmittel bar vor der Fruchtreife einstellt. Yergleicht man die erwähnten Beobach- tungen vom Thuner-See,1) sowie frühere von Bischoff (1841) aus Zwickau in Sachsen mit dem von Adrian2) ermittelten Gehalte der Blätter aus Südfrankreich und Nizza, so ergibt sich keine Abnahme desselben an den nördlichen Standorten des Kirchlorbeers, sondern vielleicht eher eine Zu- nahme des Oeles oder wenigstens des Cyans. Nach Lepage und nach Hübsch mann entzieht sich bei der Destil- latioli ein Theil des Amygdalins der Zersetzung, so dass der Rückstand nach Zusatz von Emulsin (siehe bei Amygdalae clulces) aufs neue Bitter- mandelöl zu entwickeln vermag. Nach meinen Erfahrungen ist das jedoch sehr oft nicht der Fall. Auch die Rinde und Samen, nicht aber das Fruchtfleisch geben Bitter- mandelöl. Ausser den bei der Bildung des letzteren betheiligten Stoffen enthalten die Blätter Zucker, welcher in der Kälte Kupferoxyd reducirt, eine geringe Menge eisengrünenden Gerbstoffes, so wie einen fett- oder wachsartigen Stoff. Pierre Belon entdeckte 1546 den Kirschlorbeer in der Gegend von Trapezunt und nannte ihn schon Lauro-Cerasus oder Cerasus trapezuntina. Clusius erhielt 1576 durch den kaiserlichen Gesandten in Konstan- tinopel die Pflanze und verbreitete sie von Wien aus in die deutschen Gärten. Doch gelangte sie auch nicht viel später aus Florenz durch Cysat3) in Luzern nach der Schweiz und nach Deutschland. Die giftigen Eigenschaften des Kirschlorbeers wurden wenigstens im XVIII. Jahrhundert schon erkannt und das destillirte Wasser 1746 von Langrish in den Arzneischatz eingeführt. 1802 wies Schrader darin die Blausäure nach. *) Schweiz. Wochenschrift für Pharm. 1864, No. 46 und daraus in Wiggers' Jahresb. 1864, 143. 2) Journ. de Pharm, et de Chim. 42, 177 (1862). 3) Schweiz. Wochenschr. f. Pharm. 1866, No. 22. 456 Blätter und Kräuter. C. Blätter und Kräuter von unbedeutendem Gerüche und Geschrnacke. Folia Althaeae. Eibischblätter. Ibschenblätter. Feuilles de guimauve. Marshmallow leaves. Aus der Wurzel des Eibischs (vergl. bei Radix Althaeae) geben über lm hohe kurzästige, am Grunde verholzende Stengel hervor, welche mit ab- wechselnden ansehnlichen etwas faltigen Blättern besetzt sind. Dieselben zeichnen sich aus durch ziemlich derbe, nach dem Trocknen spröde Beschaf- fenheit und weichen Filz von 3- bis 8 strahligen, nicht ästigen Sternhaaren, welcher beide Blattflächen dicht bedeckt. In ihrem Umrisse wechseln die Blätter von rundlich elliptischer bis spitz drei- oder fünflappiger Form, mit gerade abgeschnittenem, herzförmigem oder seltener fast keilförmigem Grunde. Der Rand ist ungleich gekerbt bis scharf gesägt, die Lappen der untern Blätter nur eben angedeutet, an den obersten Blättern wenigstens der Mittellappen breit und scharf entwickelt. Die grösseren Blätter pflegen etwa 0,08m zu messen, die Blattstiele halb so viel, an den obern Stengel- theilen aber bedeutend weniger. Die schmal linealen Nebenblätter fallen bald ab. Die graulich grüne Farbe der Blätter erhält sich auch nach dem Trock- nen gut. Dieselben schmecken schleimig. Die Blätter der Althaea taurinensis (vergl. am Schlüsse von Rad. Al- thaeae) sind von derselben Grundform, aber bei weitem schärfer und tiefer gelappt und gesägt. Folia Malvae. Malvenblätter. Pappelkraut1). Käsekraut. Feuilles de mauve. Mallow leaves. 1. Malva2) vulgaris Fries. — Malvaceae. Syn. : M. neglecta Wallroth. M. rotundifolia C. Bauhin. 2. Malva sylvestris L. Diese einjährigen oder während 2 bis 3 Jahren ausdauernden Kräuter sind von Spanien und Griechenland an durch fast ganz Europa bis in das südliche Skandinavien, so wie in Mittelasien von Cypern an bis Persien und Südsibirien einheimisch, jetzt auch in Nordamerika augesiedelt. Die zweite, überhaupt weniger gemeine Art geht vielleicht etwas weniger weit nach Norden. Beide steigen in die mittlem Gebirge an. Die erste besitzt einen ausgebreitet- ästigen niederliegenden gerillten und spärlich flaumhaarigen Stengel und schlanke bogenförmig gestreckte, !) Papula, altdeutsch vor dem XU. Jahrhundert, auch wegebapele, poppet. 2) ij.aAaxo; weich, erweichend. Herba Jaceae. 457 mitunter gegen 0,30™ lange Blattstiele. Auch die obersten Blätter werden noch an Länge von ihren Stielen übertreffen. Der Umriss der Blätter ist fast kreisrund, bis etwa0,08in im Durchmesser erreichend, oder mehr nieren- förmig, am Grunde jedoch immer sehr tief und gerundet herzförmig aus- geschnitten. Ihr genähert, aber ungleich gekerbt-gesägter Rand zeigt mehr oder weniger deutliche, obwohl nicht tief gehende Neigung zu 5- oder 7 lappiger Theilung, weicherauch, wenigstens bei den grössern Blättern, eine gleiche Zahl vom Blattgrunde ausstrahlender starker Nerven entspricht. Die Behaarung der Pflanzen wechselt etwas, findet sich aber regel- mässig reichlicher in Form weicher anliegender einfacher Börstchen am Blattgrunde, am Ende des Blattstieles, so wie an allen Jüngern Theilen der Pflanze. Hier mischen sich auch sternförmige Härchen bei. Die aufrechte oder aufstrebende bis lm hohe weit kräftigere Malva sylvestris besitzt Blätter von gleicher Anlage, aber durchschnittlich etwas bedeutenderer Grösse wie die der erstgenannten Art. Sie entfernen sich aber von unten nach oben mehr und mehr von der Kreisform. Bei den untersten schon öffnet sich der herzförmige Ausschnitt am Blattgrunde, spreizt sich bedeutend bei den mittleren und ist bei den obersten nur noch durch einen sehr stumpfen Winkel angedeutet, wenn nicht das Blatt gerade- zu senkrecht zum Blattstiel abgeschnitten erscheint. Gleichzeitig setzen auch die Einschnitte tiefer ein, so dass die obersten Blätter breit fünflappig oder fast nur dreilappig erscheinen. Diese Art ist auch durchschnittlich mehr behaart, die Börstchen aber länger, starrer und gerade abstehend. Der unteren Blattfläche finden sich häufig Sternhaare eingesenkt, der Blattgrund ist bisweilen purpurn bemalt. Ausser dem Schleime (Gummi), welchem die Malven -Blätter ihren in- differenten Geschmack verdanken , sind von denselben keine besondern Be- standteile nachgewiesen. Die Malven waren neben Althaea schon im Alterthum gebräuchlich. Herba Jaceae.1) Freisamkraut. Stiefmütterchen. Panacee sauvage. Pansy. Viola tricolor L. — Violarieae. Das Ackerveilchen ist eines der gemeinsten Unkräuter fast der ganzen nördlichen Halbkugel bis zum Mittelmeergebiete , das hoch in die Gebirge ansteigt und je nach dem Standorte in ziemlich abweichenden Spielarten auftritt, welche sich aber nicht scharf auseinander halten lassen. Aus der schwachen ein- oder zweijährigen Wurzel gehen aufrechte oder doch aufstrebende kantige etwa fusshohe Stengel hervor, welche kahl oder etwas behaart und innen hohl sind. Die Knoten der Stengel sind nur wenig verdickt und mit gestielten länglich lanzettlichen, zu unterst eiförmigen oder *) vielleicht von iov Veilchen und a/EOfiat heilen. 458 Blätter und Kräuter. nahezu herzförmigen, fast ganz kahlen Blättern besetzt. Die obern gegen 0,04m langen tragen bis 5 Paare kleiner Sägezähne, die untern sind mehr aus- geschweift und deutlicher gestielt. Der Blattstiel wird an Länge übertroffen von den beiden leierförmig fiedersp altigen Nebenblättern, deren ansehn- licher Endlappen oft fast dem Hauptblatte gleich kömmt. Aus den Blattwinkeln erheben sich die schlanken bis 0,08lü langen Blüthenstiele mit je einer ungleich 5 blätterigen fast lippenförinigen Blume von vorherrschend blass violetter oder mehr weisslich gelber Farbe mit violetten Streifen. Noch beträchtlichere Abwechslungen in der Färbung und Grösse der Blumenkrone entstehen sehr leicht in der Kultur. Der fünf theilige bleibende Kelch erhält ein eigenthümliches Aussehen durch die 5 Läppchen, in welche seine Abschnitte nach unten endigen. Sie treten um so mehr hervor, als das oberste Stück des Blüthenstieles hakenförmig ge- krümmt zu sein pflegt. Die Pflanze trägt in unsern Gegenden vom Mai bis zum Winter Blüthen und die grünen eiförmig- dreiseitigen gleich den Blumen abwärts gebogenen Kapselfrüchte, welche sich zuletzt in 3 Klappen öffnen und zahlreiche Sa- men austreten lassen. Die trockene Pflanze zeigt einen sehr schwachen angenehmen Geruch und keinen erheblichen Geschmack. Sie enthält die allgemeiner verbreite- ten Pflanzenstoffe, auch Salpeter. Die Wurzel schmeckt scharf. Die schon von Alters her als Zierpflanze gezogene Yiola tricolor wurde von Matthiolus u. Leonhard Fuchs schon in der Mitte des XVI. Jahr- hunderts gegen Hautkrankheiten empfohlen, gelangte aber erst durch Strack in Mainz°(1776) in allgemeineren Gebrauch, der sich jedoch kaum über Deutschland und Holland hinaus erstreckt. Herba Fumariae. Erdrauch. Fumeterre. Fumitory. Fumäria officinalis L. — Fumariaceae. Kleines einjähriges Kraut, das durch den grössten Theil des nördlichen gemässigten und kalten Erdgürtels, von Portugal und Griechenland bis Sibirien, Finnland, Skandinavien und Canada besonders auf den Aeckern der Ebenen und der Gebirge verbreitet ist. Der zarte röhrig - kantige , etwa fusshohe Stengel ist gewöhnlich stark verzweigt, vermag sich indessen trotz seiner saftigen und brüchigen Be- schaffenheit noch eben aufrecht zu erhalten. Die meergrünen schlaffen langgestielteu Blätter von fast dreieckigem Umrisse sind dreifach oder zweifach unregelmässig gefiedert, die schmalen Fiederläppchen spatelig oder verkehrt eiförmig und vorn oft kurz zwei- zähnig. Die schön rothen wagerecht liegenden Blüthen ordnen sich zu lockern blattgegenständigen Trauben; ihre vierblätterige breit sackartig ge- Folia Uvae ursi. 459 spornte Krone überragt um das doppelte die beiden bald abfallenden Kelch- blätter; die 2 seitlichen Blumenblätter hängen an der Spitze zusammen und sind hier nach dem Trocknen von dunkelrother fast schwärzlicher Färbung. Das grünliche fast kugelige, etwa 2 Millim. messende einsamige Schliess- früchtchen ist von oben etwas abgeplattet und wird von einem etwas lan- gem feineu Stielchen getragen. Da das Kraut den ganzen Sommer hindurch blüht , so ist es immer von den körnig rauhen Früchten und den Blumen begleitet. Der etwas widerliche Geruch der frischen Pflanze verschwindet beim Trocknen. Der Geschmack ist unangenehm salzig bitterlich, ein wenig scharf. 1) Wink ler hat (1833) im Erdrauche die Fumarsäure O4 H4 O4 nach- gewiesen, wrovon ihm das frische Kraut 0,15 pC. lieferte. Sie findet sich auch in Liehen islandicus, in Pilzen, in Glaucium luteum, in Corydalis- Arten und lässt sich künstlich durch Erhitzen der Aepfelsäure oder der Maleinsäure, so wie durch Behandlung von Eiweisskörpern mit Königs- wasser gewinnen. Im Extra cte der Fumaria schiesst nach einiger Zeit fumarsamer Kalk in geringer Menge an. Daneben findet sich auch Chlorkalium. Nach Hannon (1853) wäre die Fumarsäure im Kraute zum Theil mit einem bitter schmeckenden krystallisirbaren Alkaloid, dem Fumariu, ver- bunden, das etwa 3 bis 6 pC. des (trockenen) Krautes betragen soll. Bei näherer Prüfung stellt es sich vielleicht als identisch heraus mit dem eben- falls noch nicht genugsam untersuchten Corydalin aus den Wurzeln mehre- rer Corydalis- (Bulbocapnos-) Arten. Die weniger häufige Fumaria Vaillantii Loiseleur ist der obigen Art sehr ähnlich und auch wohl in chemischer Hinsicht nicht abweichend. F. Vaillantii ist weniger reichblüthig , ihr Kelch sehr unscheinbar und mehr- mals kürzer als die Krone, die Frucht kugelig ohne Abplattung. Den Alten scheint F. capreolata bekannt gewesen zu sein. D. Blätter von adstringirendem Geschmacke. Folia Uvae ursi. Bärentraube. Busserole. Bearberry. Arctostapliylos uva ursi Sprengel. — Ericaceae. Syn.: A. officmalis Wiramer u. Grabowsky. Arbutus uva ursi L. Kleiner niederliegender ausdauernder Strauch, über den grössten Theil der nördlichen Hemisphäre bis Island verbreitet, im mittlem und südlichen *) eigentlich scharf scheint die südeuropäische Fumaria capreolata L. zu sein; ihre gleich dem Rauche (Fumus) zu Thränen reizende Schärfe hätte der Pflanze den Namen ver- schafft. Nach andern bezöge sich derselbe eher auf die rauchgrüne Farbe des Krautes. 460 Blätter und Kräuter. Gebiete in Gebirgen, im Norden z. B. durch ganz England in Nadelhölzern und auf Haiden der Niederung. Die fusslangen Stämmchen, zu mehreren aus der Wurzel entspringend, sind sehr verästelt und im Stande sich zu bewurzeln , so dass der Strauch umfangreiche, besonders im Gebirge ziemlich dichte Rasen bildet. Die an- fangs krautigen und flaumigen Zweigspitzen verholzen sehr bald , werden kahl und bedecken sich mit dunkelbraunem Korke , der später in grossen Blättern oder ringförmig abgestossen wird und die hell braungelbe glatte Innenrinde entblösst. Die überwinternden, erst im zweiten Jahre absterben- den Blätter sind nur in der Jugend und mehr nur an jüngeren Trieben zart gewimpert. Sie stehen zerstreut, im ganzen fast zweizeilig, sind oben breit gerundet, selten mit Andeutung einer kurzen Spitze, nach unten ziemlich rasch in den kurzen Blattstiel auslaufend. Yorn erscheinen sie oft dadurch wie ausgerandet, dass die lederige starre und oberseits etwas rinnige Blatt- fläche hier sanft zurückgebogen ist. Durch das besonders oberseits sehr stark ausgeprägte Adernetz erscheint das Blatt fast höckerig-gerunzelt, am Rande durch die Ausläufer der Adern kaum merklich wellig verdickt. Die höchste Breite des Blattes beträgt 8 Millim. , die Länge mit Einschluss des Stieles durchschnittlich 0,02m. Die urnenförmigen nickenden weisslichen und schön roth angelaufenen Blüthen stehen wenig zahlreich in vereinzelten Träubchen am Ende der Zweige und bringen kleine glänzend rothe unschmackhafte Früchtchen hervor. Man sammelt die blühenden oder schon zum Theil fruchttragenden Zweiglein. Getrocknet zeigen die glänzenden, in der grossen Mehrzahl ganz kahlen Blättchen eine dunkelgrüne, unterseits etwas lebhaftere Farbe und schmecken sehr herbe mit fast süsslichem Nachgeschmäcke. Die Blätter des ungefähr gleich verbreiteten, der Bärentraube ähnlichen Vaccinium vitis idaea L. sind am Rande umgebogen, unterseits matt und punktirt, nicht netzaderig. Die Blätter von Bucus semperuirens L. sind vorn verschmälert, nicht breit abgerundet. Andere den Bärentraubenblättern ähnliche Blätter sind von zarterer, nicht spröde lederartiger Beschaffenheit. Arctostaphylos alpina Sprengel hat kleingesägte welkende Blättchen. Die Familie der Ericaceen ist in neuester Zeit eine wahre Fundgrube merkwürdiger Stoffe geworden. So hat Kawalier (1852) gezeigt, dass die Abkochung der Bärentraubenblätter mit Bleiessig sofort einen Nieder- schlag von gallussaurem Bleioxyd gibt, dessen Säure demnach unzweifel- haft fertig gebildet vorhanden sein muss. Die filtrirte Abkochung lässt bei gehöriger Concentration bitter schmeckende Nadelbüschel von Arbutin G24 H32 öu -h H2 G anschiessen. Durch Emulsin und verdünnte Säuren wird dasselbe nach Strecker in Hydrochinon (früher Arctuvin genannt) und Traubenzucker gespalten, durch Braunstein und Schwefelsäure in Chi- non und Ameisensäure. Bei längerem Stehen der Auszüge erhält man auch wohl in Folge Zersetzung der Arbutins schon aus dem Kraute etwas Hydro- chinon O6 H6 O2. Folia Toxicodendri. 461 In der Mutterlauge, woraus das Arbutin krystallisirt, bleibt ein dunkles durch Säuren fällbares Harz , das vielleicht durch Austritt von Wasser aus jenem entstanden ist. Ausserdem enthält diese Mutterlauge in geringer Menge das amorphe äusserst bittere Ericolin, welches in andern Erica- ceen reichlicher vorkömmt. Es zerfällt beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure in Zucker und Ericinol, ein rasch verharzendes Oel, das mit Laurineencampher isomer ist. H. Trommsdorff erhielt (1854) durch Aether aus den Blättern das krystallisirte, bei 200° schmelzende Urson G20 H34 -G-2, das in Wasser un- löslich und wie es scheint unzersetzt sublimirbar ist. Uloth unterwarf das Extract der Bärentraubenblätter der trockenen Destillation, entfernte durch Bleizucker das übergegangene Brenzcatechin und erhielt durch Eindampfen des Filtrates und öftere Sublimation des Rückstandes Nadeln von Erici- n o n , die auch aus andern Ericaceen gewonnen wurden und sich später als identisch mit Hydrochinon erwiesen , welches auch bei der trockenen De- stillation des Arbutins auftritt. Ohne Zweifel stehen Chinon und Hydro- chinon im Zusammenhange mit Chinasäure, welche Zwenger 1860 in den Ericaceen nachgewiesen hat. Neben etwas eisenbläuendem Gerbstoffe scheint kein besonderer Gerb- stoff in den Bärentraubenblättern vorzukommen. Die Bärentraube, schon von Tragus und Clusius beschrieben, fand erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Eingang in den Arzneischatz. Folia Toxicodendri, Folia Rhoi's. Giftsumachblätter. Feuilles de sumac veneneux. Poison oak. Ulms Toxicodendron Michaux. — Terebinthaceae. In Nordamerika von Canada bis Virginien einheimischer diöcischer Strauch, der ein etwas verschiedenes Aussehen zeigt, je nachdem er 1 bis 2m hoch bleibt und sich selbstständig etwas aufrichtet (Rhus Toxicodendron L. — Rh. Toxicodendron ß) quercifolium Michaux) oder aber mehr nieder- liegt und aus dem Stämmchen Wurzeln treibt, mit deren Hülfe die weitläu- figen Aeste sich bis 10m hoch an Bäumen oder Felsen und Mauern erheben können. Diese letztere Yarietät (a. vulgare Michaux) hatte Linne als Rhus raclicans unterschieden. Bei uns findet sich der Giftsumach bisweilen halb verwildert in der Nähe von Gärten, wo er gezogen wird. Die Blätter stehen dreizählig zusammengesetzt auf derben , halb stiel- runden, häufig über 0,20m langen Stielen. Die einzelnen breit eiförmigen Theilblätter , bis 0,1 5m in der Länge und 0,1 0m in. der Breite erreichend, sind von etwas veränderlichem Umrisse, nämlich entweder ganzrandig, kurz zugespitzt, am Grunde beinahe ungleich hälftig herzförmig, oder hier etwas keilförmig verschmälert und oben zur langen Spitze ausgezogen. Oft zeigt sich der Rand grob und weitläuftig gekerbt, mit einem einzelnen spitz 462 Blätter und Kräuter. aufgesetzten Sägezahn versehen oder selbst fast gelappt. Das gewöhnlich etwas ansehnlichere Endblatt überragt auf seinem uugefähr 0,05m langen Stiele die beiden andern sitzenden oder kurzgestielten Theilblätter und ist am Grunde gleichhälftig. Die parallel nervige Blattfläche ist von zarter Consistenz ; völlig kahl oder unterseits, besonders in der Jugend und längs der unter 50 bis 70° abgehenden Nerven etwas flaumig. Die Bastbündel der Rinde sind auf ihrer im Querschnitte bogenförmig convexen Innenseite von eigenen Saftschläuchen begleitet, welche durch die Blattstiele in die Blattnerven übertreten und eine nicht sehr trübe unge- färbte Flüssigkeit enthalten. Bei der Verwundung der Pflanze tritt dieser scharfe Saft nicht besonders reichlich aus, nimmt alsbald eine schwarze sehr beständige Farbe an und verdickt sich. Die Blätter schmecken adstringirend. Obgleich ein Geruch an denselben nicht wahrnehmbar ist, so vermögen doch die Ausdünstungen des Gift- surnachs besonders im Vaterlande oder in wärmeren Gegenden auf der Haut Jucken und Entzündung hervorzurufen. Diese Wirkungen treten stärker bei unmittelbarer Berührung mit dem Milchsafte auf, jedoch durchaus nur so lange derselbe frisch ist. Die Wirkung frischer Blätter steht unzweifelhaft fest, ist aber je nach der Individualität und wohl auch je nach dem Klima sehr verschieden in ihrer Intensität, während nach Clarus selbst das Extract innerlich indifferent ist, überhaupt kein Präpa- rat sich als giftig erweist. Nach Khittel (1858) enthalten die Blätter eisengrünende Gerbsäure und die übrigen allgemeiner verbreiteten PflanzenstofTe neben einer flüch- tigen Base und geben (bei 100° getrocknet) gegen 8 pC. Asche, welche fast ausschliesslich aus Kali und Kaiksalzen besteht. Maisch dagegen fand (1865), dass eine eigen thümliche flüchtige Säure als wirksames Princip des Giftsumachs angesehen werden muss und dass ein flüchtiges Alkaloi'd durchaus nicht vorhanden ist. Jene Toxicodendron-Säure scheint der Ameisen- und der Essigsäure nahe zu stehen, unterscheidet sich aber be- stimmt von beiden, indem sie rothes Quecksilberoxyd nicht reducirt, wohl aber aus salpetersaurem Silberoxyd schon in der Kälte Metall ausscheidet. — Dass der Milchsaft Cardol, den wirksamen Stoff der Anacardia (Früchte des Anacardium occidentale L.) enthalte, bedarf noch sehr des Beweises. Die medicinische Verwendung des Giftsumachs geht bis zum Jahre 1788 zurück. Ftelea trifoliata L. (der Hopfenbaum), aus der Familie der Xantho- xyleae, in den Südstaaten Nordamerikas, jetzt auch in unsern Aulagen vor- kommend, besitzt ganz ähnliche Blätter, wie Toxicodendroo. Sie sind aber durchschnittlich kleiner, unterseits filzig, am Rande fein gekerbt, ihr Eud- blatt nicht gestielt, sondern mit keilförmig verschmälertem Grunde sitzend. Alle Theiie dieser Pflanze schmecken aromatisch bitter. Folia Sennae. 463 E. Blätter und Kräuter von bitterem Geschmack e. Folia Seimae. Senuesblätter. Feuilles de sene. Senna. 1. Cassia lenitiva Bischoff. — Caesalpinieae. Syn, : Senna acutifolia Batka. Cassia acutifolia Delile (?) C. alexanclrina autor. veter. nonnullor. C. lanceolata autor. nonnullor. 2. Cassia angustifolia Vahl. Syn, : Senna angustifolia Batka. C. lanceolata1) autor. C. ligustrinoides Schrank. C. medicinalis Bischoff. 3. Cassia obovata Colladon. Syn.: Senna obovata Batka. C. Senna ß) Linne. C. italica autor veter. C. obtusata Hayne. Die Abtheilung Senna des Genus Cassia zeichnet sich durch breite, papierartige, flach zusammengedrückte Früchte aus, welche nur von den kleinen Samen ein wenig aufgetrieben sind, kein saftiges Fruchtfleisch (Mus) eiuschliessen und bei der Reife höchstens am Rande durch Ablösung der Naht etwas klaffen, nicht aber aufspringen. Die Samen sind durch leicht zerreissende Häutchen getrennt und in zwei wechselnden Reihen umgekehrt an langen, haarförmigen Nabelsträngen hängend. Diese laufen auf die ge- schnäbelte Spitze des Samens zu , krümmen sich aber unmittelbar vor der- selben, um dicht darunter in den schwieligen Nabel einzutreten. Die 6 — 10 Samen sind fast spatel- oder umgekehrt herzförmig, am breiteren , freien Ende mehr oder weniger ausgerandet, ihre braune, weiss- liche oder grünliche Schale hornartig und runzelig. Dicht unter dem Nabel bezeichnet eine kleine geschlitzte Vertiefung in derselben Schwiele die Mikropyle. Weniger deutlich tritt vorn, mitten in der Ausrandung, die Cha- laza hervor, welche durch eine randständige Bauchnaht (Raphe) mit der Mikropyle verbunden ist. Das kurze, gerundete, ein wenig gebogene Schnä- J) Die wahre Cassia lanceolata -wurde von F orskol (1762 oder 1763) inWadi Surdncl und bei Mor, iu der nächsten Umgebung Loheias, gefunden, später auch von Schirnper im südlichen Hedschas, Die Blattspindel trägt über der Basis in ihrer Rinne eine ansehnliche Drüse und die schmale, an den etwas verdickten Rändern aufspringende Frucht sieht wesent- lich anders ans als die der eigentlichen Senna- Arten, wie Bisch off 's Abbildung (Bot. Zeit. 1850, Tab. X) zeigt. Die bald stumpf eiförmigen, bald spitz lanzettlichen Blättchen kommen nicht unter den Sennesblättern vor. Cassia lanceolata aus Südarabien gehört somit nicht in die Unterordnung Senna, sondern zu Chamaesenna De Caud. 464 Blätter und Kräuter. belchen des Samens sendet auf beiden Flächen desselben je eine glatte, seichte Furche (Callus lateralis) aus, welche sich gegen die Mitte der Saruen- fläche hin etwas erweitert (das Spiegelchen Batka's). Endlich zeichnen sich die Sennapflanzen auch dadurch vor andern Cassien aus, dass die ge- meinschaftlichen Spindeln ihrer ausehnlichen Fiederblätter, so wie die kurzen Stielchen der letzteren selbst nicht mit Drüsen versehen sind. Gestützt . auf diese zum Theil recht charakteristischen Merkmale ist schon seit Bauhin und Tournefort mehrfach vorgeschlagen worden, die Abtheilung Senna zu einem eigenen Genus zu erheben. In den ausgezeich- neten monographischen Arbeiten von CarlMartius1) und noch bestimmter in derjenigen von Batka2) ist in der That das Genus Senna angenommen, während die Mehrzahl der Botaniker nicht genügenden Grund zur Trennung erblickt. Die drei an der Spitze genannten Arten sind mehr krautige als strauch- artige Gewächse, indem die ausdauernden oder doch mehrjährigen Pfahl- wurzeln meist zahlreiche, gewöhnlich runde Stengel aussenden, welche 0,7 5ra bei No. 1. erreichen, während C. angustifolia bis lm und C. obovata nach Batka auch l,5m hoch wird. Von den Stengeln gehen zerstreute ruthenartige, aufwärts strebende und mit ansehnlichen gefiederten Blättern besetzte Aeste. ab. Die Blatt- spindeln, am Grunde mit zwei halb geohrten Nebenblättchen versehen und etwas verdickt, oben und unten gefurcht, tragen bis 3 — 9 Paare einfacher, ganzrandiger, ziemlich steifer Theilblättchen. Vermöge ihrer etwas lederigen Beschaffenheit erhalten sie sich selbst in der weitest transportirten Waare noch flach. Hinsichtlich des Umrisses lassen sich die Sennesblätter unter- scheiden theils als lanzettliche (C. angustifolia) oder nur spitz eiförmige (C. lenitiva), theils als stumpfe, sei es ovale (C. pubescens), sei es geradezu gestumpfte oder verkehrt eiförmige bis herzförmige (C. obovata). Die Fieder- blättchen mittlerer Grösse sind am Grunde ungleichhälftig, etwas über 0,0 10m breit, bei angustifolia bis 0,06m lang, bei den übrigen bedeutend kürzer. Wie sehr aber die Form der Blättchen auch sogar bei der gleichen Art, selbst bei einer und derselben Pflanze, wechseln kann, hat namentlich Bisch off3) eingehend erörtert und deshalb auch mehrere Varietäten auf- gestellt, welche früher vielfach verkannt waren. Daher schreibt sich auch ein Theil der ganz ausserordentlich verworrenen Synonymik der Senna- Arten, welche Batka mit grosser Vollständigkeit auseinandergesetzt hat. Von den achselständigen, die Blätter meist überragenden Blüthentrauben mit höchstens etwa 16, besonders bei No. 3. recht ansehnlichen Blumen finden sich in der käuflichen Waare bisweilen einzelne der gelben, roth geäderten Blumenblätter vor. Häufiger siud die Blätter von Früchten begleitet. !) Versuch einer Monographie der Sennesblätter. Leipz. 1857, 158 S. 2) Monographie der Cassien-Gmppe Senna. Prag 186G. 52 S. mit 5 Tafeln. 3) Botan. Ztg. 1850, S. 833. Folia Sennae. 465 Die Droge besteht daher grösstentkeils nur aus den Fiederblättchen und Stücken der Blattspindel, in der nubischen Sorte mit einer sehr regel- mässigen, fremdartigen Beimischung (Solenostemma). Die Sennapflanzen gehören dem grossen afrikanisch -arabischen Vege- tationsgebiete an, das ungefähr durch den 28. Parallel im Norden abgegrenzt ist und südlich über den 19. oder 20. Breitengrad sich bis gegen dasCapland erstreckt. Als nördlichste Vorkommnisse erscheinen die Sinai -Halbinsel, Esneh in Said (Ober-Aegypten) und die Oase Tuat1) in der nordwestlichen Sahara; als südlichste Standorte das Capland und die portugiesische Colonie Senna2) am Zambesi. Jedoch ist C. angustifolia auf den östlichen Theil des genannten Gebietes beschränkt. Sie geht von den Südgestaden des Rothen Meeres längs der afrikanischen Ostküste bis Mosambik hinab. Dass sie in Vorderindien ursprünglich auch einheimisch war, findet Batka nicht wahrscheinlich,3) während Martius nach Stocks zu ersterer Ansicht hinneigt. Die beiden Arten 3. und 1. gehören ganz besonders der grossen afrikanischen Wüste an , von der äussersten Nordostspitze Afrikas durch das Nilthal bis in den mittleren Sudan (Sokoto, Timbuktu) und pflegen sehr gewöhnlich neben einander vorzukommen. Bei weitem das ausgedehnteste Areal bewohnt C. obovata; sie findet sich auf der Sinai- Halbinsel (wenn nicht noch weiter ostwärts) dann bei Cairo , am Senegal, im Sudan, im Caplande und, wie es scheint, auch in Ostindien (?). Dieser natürlichen Verbreitung der Senna reiht sich noch die Cultur der angustifolia im südlichen Theile Vorderindiens an, so dass auf dem Markte zu unterscheiden sind a) die Blätter aus dem oberen und östlichen Nilgebiete im weiteren Sinne, b) diejenigen aus dem Sudan und endlich c) die ara- bischen, welche letztere zum Theil mit den in Indien gebauten als indische Sennesblätter zusainmengefasst werden. Den Hauptstapelplätzen entspre- chend, werden diese Sorten gewöhnlich als alexandrinische, tripolitanische, Mecca- (und Tinnivelly-) Sennesblätter bezeichnet. Die über Alexandria ausgeführte Waare, früher allgemein auch nach dem italienischen appalto (Pacht) als Palt- Senna bezeichnet, war unter MehemetAli von 1808 — 1828 Monopol der ägyptischen Regierung, welche den Handel damit verpachtete. Was nicht in den Hafen von Bulak bei Cairo abgeliefert wurde, verfiel der Confiscation. Diese jetzt frei gegebene Sorte stammt theils aus den nubischen Landschaften Sukkot, Dar Mahass, Dar Dongöla, längs des Nils, unterhalb seiner grossen Südbiegung, so wie aus Berber, östlich von derselben, theils aber aus den höher gelegenen Bischarin- !) nach Gerhard Rohlfs 1865. 2) Livingstone nennt hier Senna acutifolia ohne nähere Bezeichnung. In Mosambik wächst zuverlässig C. angustifolia. 3) auchFarre, in der kleinen Ausgabe von Pereira's Mat. med. London 1865, 419 hält die Pflanze für vermuthlich nur kultivirt in Indien. Flückiger, Pharmakognosie. 30 466 Blätter und Kräuter. Distrikten,1) so dass diese Sorte der Sennesblätter (wie das Gummi ara- bicum) sowohl stromabwärts über Assuan, als auch über Suakim und das Rothe Meer Alexandria erreicht. Auch Karawanen vom Sinai sollen gele- gentlich Senna nach Bulak bringen. In Nubien rindet die Haupternte im August und September, eine etwas spärlichere Mitte März statt. Aegypten erhielt 1860 über Assuan gegen 140,000 Kilogr. Sennesblätter (v. Krem er). Der Hauptsache nach und zwar in letzter Zeit oft auschliesslich gehören diese Blätter der C. lenitiva und gewöhnlich fast blos der Hauptform, heut- zutage nur noch selten ihrer Spielart ß) Bischof fimia Batka (= C. lenitiva ß) acutifolia Bischoff) an. Die Pflanze blüht in den 3 — 4 letzten Monaten des Jahres; als Eigenthümlichkeit wird hervorgehoben, dass ihre Blätter sich des Abends zusammenlegen. Die Blättchen sind länglich und zuge- spitzt eiförmig, 1 — 2 oder höchstens 3 Centimeter lang und 4 — 9 Milli- meter breit, besonders an den Nerven etwas abstehend behaart oder im Alter ziemlich kahl. Südlich von dem angegebenen nubischen Bezirke, nämlich oberhalb Khartum, in Sennaar, Kordofan, Darfur, aber auch schon in Dongola tritt die genannte Spielart auf, ausgezeichnet durch lanzettliche, bis 0,036 — 0,040m lange und stärker behaarte Blättchen. Ihr Rand er- scheint durch die ziemlich lang hervorragenden Härchen gewimpert. Bei der breiteren Hauptform pflegt der Mittelnerv durch etwas röthliche Fär- bung sich von der grünen , unserseits etwas bläulich-grünen Blattfläche ab- zuheben. Früher fanden sich unter diesen Blättchen häufiger auch die der Yar. Bisch offiana, so wie die der C. obovata, seltener die der angustifolia. Die letzteren sind jetzt so gut wie ganz verschwunden und die stumpfen Blätt- chen der C. obovata fehlen je länger je mehr. Immer aber, und auch heute noch sind die alexandrinischen Sennesblätter begleitet von sehr wechselnden Mengen der Blättchen und der hübschen, weissblühenden Trugdöldchen der Asclepiadee Solenostemma Arg hei Hayne (Cynanchum Arghel Delile). Dieser gewöhnlich lm hohe Strauch vom Aussehen unseres Cynanchum Yincetoxicum begleitet im oberen Nilgebiete, nicht aber, oder doch nur äusserst spärlich im Sudan, die Senna-Cassien. Auch in Arabien fehlt der Argheistrauch nicht ganz. Seine im frischen Zustande etwas fleischigen, trocken steif lederigen Blätter kommen zwar in Gestalt und Grösse mit spitz-lanzettlichen Senna- Blättern wohl überein. Allein die Solenostemma -Blätter sind dicker, von graulich grüner Farbe und sehr runzeliger, meist verbogener Oberfläche, welche beiderseits dicht besetzt ist mit kurzen, starren, ganz einfachen, mehrzelligen Härchen. Dadurch werden die Nerven des Blattes sehr ver deckt und nur die starke Mittelrippe bleibt, zumal unterseits, deutlich wahr- *) deshalb in Aegypten als Berg senna, Sena dschebili, bekannt nnd, wie es scheint, der besseren Besorgung wegen beliebt. Folia Sennae. 467 nehmbar. Auch die hohlen Stengel, so wie die spitzen Kapselfrüchte des Solenostemma sind mitunter in dieser Sorte vorhanden. Zur Zeit, wo das Geschäft von der ägyptischen Regierung nionopolisirt war, gab der Pächter den Sennesblättern absichtlich und in gewissen Verhältnissen Arghel- Blätter bei und bildete überhaupt je nach den Umständen bestimmte Gemische der verschiedenen Senna-Species. Jetzt ist deralexandrinischenWaare bald viel, bald wenig Solenostemma beigemengt, vermuthlich weil diese Blätter nur noch zufällig mitgesammelt werden. Bei den Arabern sollen sie sehr beliebt sein. Die Solenostemma-Blätter besitzen nach Batka einen eigenthümlichen Geruch, der sich den Sennesblättern mittheilt. Erstere schmecken stark und rein bitter, nachträglich süsslich und geben an Wasser viel Schleim ab. Das Mikroskop zeigt darin Krystallrosetten von Kalkoxalat. Obwohl dem Solenostemma bedeutende physiologische Wirkung abgeht,1) sind seine Blätter in grösserer Menge doch als eine ungehörige Beimischung der Waare zu betrachten. Bis jetzt haben aber alle Aufforderungen zur allge- meinen Zurückweisung der arghelhaltigen Sennesblätter den Ausschluss derselben, so leicht er auch scheint, nicht herbeizuführen vermocht. Nicht der Rede werth sind anderweitige gelegentliche Beimengungen, wie z. B. die filzigen, vielnervigen Blätter der Tephrosia Apollinea DeC. (Leguminosen). Die alexandrinischen Sennesblätter pflegen ziemlich zerknittert, doch meist noch schön grün zu uns zu gelangen. Die tripolitanischen oder besser sudanischen Blätter erhalten wir in Folge der ungeheuren drei- monatlichen Landreise, welche dieselben in losen Ballen aus Binsenhalmen vom mittleren Niger her, z. B. aus Timbuktu, Sokoto und Katsena (im Fellatah-Lande) zurückzulegen haben , gewöhnlich noch stärker beschädigt und sie scheinen auch wohl durchschnittlich weniger rein gesammelt zu werden. Die Sudan-Karawanen bringen diese Blätter durch die seit Barth's grossartiger Reise uns bekannter gewordenen Tuareg- Gebiete über Murzuk nach Tripoli, hauptsächlich auch, wie durch Batka ermittelt ist, um da- gegen Salz einzutauschen. Barth, der dem äusserst wichtigen Salzhandel Sudans alle Aufmerksamkeit geschenkt hat, erwähnt indessen der Sennes- blätter nicht und berichtet ausführlich, dass das Salz aus Taodenni (Tau- deny), nördlich von Timbuktu, geholt wird. Bekannt ist auch, dass Bilma, nördlich vom Tsad-See, dergleichen liefert. Besondere Verhältnisse mögen freilich auch den Bezug des Salzes vom Meere her gebieten. Die Sudan-Senna enthält neben Blättern der C. lenitiva in wechselnder,2) 1) Nach Pugnet soll es so gut purgiren wie Senna und an jungen Trieben scharfes, aro- matisches Gummiharz ausschwitzen. 2) Bischoff's Befund, dass die Tripoli -Sorte (1850) ganz der C. lenitiva angehöre, erklärte Batka (1854. — Bot. Zeit. 109) für grundfalsch; die Sorte bestehe beinahe ganz allein aus C. obovata. Gegenwärtig sind entschieden die der letzteren sehr selten. 30* 468 Blätter und Kräuter. aber oft sehr geringer Menge, die der C. obovata nebst Hülsen und Stengel- stücken, aber nur sehr selten hier und da einmal ein Blatt von Soleno- stemma. Diese Sorte verdient daher, wenn sie gut ausfällt, vor der alexan- drinischen sogar den Vorzug. Freilich kömmt sie oft sehr unsauber vor. C. obovata ist die kräftigste und verbreitetste Senna und in ihrer Blatt- form bedeutender Abänderungen fähig. Die Blättchen sind im allgemeinen nämlich schief verkehrt- eiförmig, mit kurz gestutztem bis kielförmigem Grunde sitzend, vorn stumpf gerundet in eine sehr kurze Spitze ausgehend (C. obovata oc) genuina Bischoff), oder aber ganz gestutzt, sogar oft aus- gerandet und mit sehr kurz aufgesetzten Stachelspitzehen (C. obovata ß) obtu-sata Bischoff) versehen. Höchst ausgezeichnet sind die Hülsen dieser Art durch ihre stark sichelförmige Krümmung und durch gelappte, fast kammförmige Auswüchse, welche den dicken Samen entsprechend die etwas erhöhte Mitte beider Flächen der Frucht besetzen und in deren Nähe die Samen bei der Reife herausfallen. Von den Rändern her laufen scharf aus- geprägte gabelige Aederchen auf den Kamm zu. Ferner fällt auch die dunkle grau grünliche in der Mitte röthliche Farbe dieser Hülsen in die Augen. Die Blättchen wechseln in ihrer Behaarung und im Grade ihrer Steifheit je nach dem Standorte, so dass z. B. die Pflanze von der Sinai- Halbinsel und aus der Gegend von Dschidda sich durch kurze, besonders unterseits oft dichte angedrückte Haare auszeichnet (Var. pilosa Batka). Diese unverkennbare und so sehr verbreitete Art ist auch schon frühe den europäischen Botanikern bekannt und von der spitzblätterigen unter- schieden worden. Sie findet sich z. B. als Sena, Senet dargestellt bei Leonhard Fuchs 1542 und bereits im XL Jahrhundert erwähnt Mesue Senna sativa und sylvestris. Cassia obovata wurde auch, wie es scheint, in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts schon, in Italien eingeführt und bei Florenz im grossen gebaut, daher sie sich noch in den beiden folgenden Jahrhunderten als Senna italica, florentina s. vulgaris aufgeführt findet. Die Cultur in Italien sowohl als die ähnlichen Versuche in Spanien scheinen aber längst vollständig aufgegeben zu sein. Dagegen ist Cassia obovata in der Gegend von Port- Royal auf Jamaica so gut wie verwildert und wird gegenwärtig dort gebraucht1). — In Europa wird die Pflanze einjährig. Pierre Belon aus Maus (1546 — 1549) fand schon bei seinem Be- suche Aegyptens zwei Arten Sennesblätter, die geringere von C. obovata, die bessere von G. lenitiva stammend und beschrieb die sichelförmigen Früchte der ersteren. Die Sennesblätter der frühesten Zeit jedoch gehörten nach Batka 's Vermuthung der arabischen C. angustifolia, wie denn auch Senna aus dem arabischen zu stammen scheint und die in Aegypten jetzt noch geläufige Bezeichnung der Blätter, Sene-Mekki, auf Arabien hinweist. Erst später hätte mau in Aegypten die nubische C. lenitiva (und C. obo- vata) gesammelt und die ursprüngliche arabische Waare vergessen, bis das l) Pharm. Journ. uutl Transact. VII. 448. Folia Sennae. 469 Monopol in Aegypten oder Missernten, wolil auch Unruhen in Nubien, ge- legentlich wieder die Einfuhr aus Dschidda herüberlockten. Die Höhe der vom Vicekönig willkürlich geschraubten Preise veranlasste auch die Eng- länder, sich für ihren Bedarf Arabien zuzuwenden und die Kultur der C. angustifolia in Vorderindien einzuführen. Die Fiederblättchen der C. angustifolia sind derber, länger und spitzer als die der übrigen Arten, obwohl die Spindel zarter bleibt. Als Hauptform (a. genuina) betrachten sowohl Bisch off als Batka die Pflanze aus dem südarabischen Küstenstriche (el Tehameh) zwischen Dschidda und (dem schon bei Myrrha genannten) Dschison. Ihre Blättchen verschmälern sich nur allmälig und erst oberhalb der Mitte, daher Marti us sie als schmal breitbasig, angustifolia basi dilatata, bezeichnet. Aus diesen Blätt- chen besteht die Mekka Senna hauptsächlich. Pilger-Karawanen beför- dern sie nach Dschidda, dem Hafen Mekka's, welcher z. B. 1860 über Suez 165,000 Kilogr. Senna ausgeführt hat, also mehr als Nubien (v. Krem er). Gelegentlich gehen diese arabischen Blätter auch aus Dschidda über Kos- seir und Keneh nach Aegypten. Langgestreckt, auch am Grunde wenig verbreitert, daher lineal-lanzett- lich zugespitzt zeigt sich eine zweite, vielleicht besserem Boden entspre- chende Form, welche Martius als genuina anspricht, Bischoff als Var. y. Ehren b ergii unterscheidet. Sie wächst auf demselben Küstensaume in der Landschaft Abu-arisch und auf den Farsan-Inseln, Dschison gegenüber. In Arabien ist übrigens, Ritter 's Nach Weisungen zufolge, die Senna keineswegs auf die Küstengegenden beschränkt, sondern auch im nördlichen Theile des Innern (Nedschd) so gut wie im Nordosten, in Oman, verbreitet. Als dritte schmalblätterige Form tritt in Vorderindien (Sind, Delhi. Bombay. Madras. Tinnivelly) Bischoff 's Yar. ß) Royleana (Cassia elongata Lemaire-Lisancourt) auf, von Martius in angustifolia arcuata umgetauft. Diese Blättchen sind unterhalb der Mitte am breitesten und nach oben rasch zugespitzt, dabei etwas weniger derb. Bischoff und Batka, nicht aber Martius, halten diese Spielart für reine Kulturform, deren üppigere Blattbildung durch. Ausbrechen der Fruchtansätze befördert werde. Batka schreibt schon der wildwachsenden C. angustifolia über- haupt einen geringeren Geruch und Geschmack zu, und in der That schei- nen wenigstens die in Indien kultivirten Blätter in Betreff der Wirksamkeit hinter den alexandrinischen zurückzustehen. Sie werden deshalb auch z. B. von Pharm. Borussica und Germaniae ausgeschlossen, von British Ph. da- gegen als gleichwerthig unter dem Namen Senna indica neben die alexan- drinische Sorte gestellt. In Tinnivelly (Tenavelly. Tirawalli), unweit der Südspitze Vorder- indiens, wird Senna Royleana mit grosser Sorgfalt gebaut, die Blättchen, welche bis 0,06m in der Länge und 0,02m in der Breite erreichen können, vor der Fruchtreife gesammelt, an der Sonne getrocknet und sehr 470 Blätter und Kräuter. fest in Ballen verpackt. Von irgend welcher Beimengung ist hier keine Rede; selbst Blattspindeln fehlen ganz. Durch Auslesen grösserer Fiederblättchen aus Mecca-Sennesblättchen wird in Livorno und andern contineutalen Häfen eine indische oder so- genannte Tinnivelly - Sorte hergestellt, welche an Schönheit und Grösse immer hinter der ächten Waare zurückbleibt. Diese gelegentliche sehr schlecht ausfallende Substitution mag auch wohl dem Rufe der Tinnivelly- Waare geschadet haben. Als Aleppo-Senna fand sich vorübergehend auf dem Triester Markte nach Batka ein dort bereitetes Gemisch von arabischen Blättern der C. angustifolia mit denen der C. obovata. Ein derartiges Gemenge, worin die letzteren vorwalten und noch von C. pubescens begleitet sind, habe ich einmal unter dem Namen Folia Sennae indica vom Hause Feh r Walser u. Söhne in Livorno erhalten. Wild gewachsene ostindische Sennesblätter kommen nicht vor, wie sich von selbst versteht, wenn es sich bestätigen sollte, dass wenigstens die schmalblätterige Senna dort überall nur gepflanzt ist. Schon vor 1820 aber verschafften sich die Engländer südarabische Blätter, neuerdings meist aus der Gegend von Loheia, Mocha, Aden, Makalla, welche dann , ähnlich wie andere Drogen mehr, der Speditionsrichtung wegen den Namen folia Seunae indica angenommen und neben denjenigen aus Tinnivelly behalten haben. Sie gehen theils über Surat und Bombay in das Innere Indiens, theils aus letzterem Hafen nach Europa. Deutschland erhielt Mekka- Sennesblätter erst 1 840 direkt über Cairo. Der Mekka-Senna finden sich selten und immer nur in geringer Menge beigemischt einzelne Blättchen der C. pubescensü. Brown (Syn. : C. Schim- peri Steudel. — C. holosericea Fresenius. — C. aethiopica Guibourt), noch seltener der alexandrinischen Senna. Reichlich Hessen sie sich aus der oben erwähnten Senna indica von Livorno gewinnen. Batka hat diese kleine krautige Art in seiner Monographie (1866) Taf. IV sehr schön abgebildet und mit dem allerdings ganz treffenden Namen Senna ovalifolia belegt, nachdem er dieselbe schon 1 849 l) als Senna tomentosa eingeführt hatte. Die ovalen oder kaum etwas länglichen Fiederblättchen von grau grünlicher Farbe sind nur mit einem sehr kurzen Stachelspitzchen versehen, vorn ge- rundet oder vertieft gestutzt (retusa) und stark, oft dicht filzig behaart. Die Pflanze wächst auf beiden Küsten des südlicheren Rothen Meeres (Dschidda, Aden und Massua), wie es scheint auch, aber vermuthlich nicht zahlreich, in Nubien und sogar im unteren Indus-Gebiete (Sinde). Batka findet diese Blättchen geringer riechend als die der C. obovata, doch von Sennageschmack. Der Geruch der Sennesblätter ist schwach, aber eigeuthümlich ; in der alexandrinischen Sorte soll er durch Solenostemma bedeutend erhöht werden. l) Bot. Ztg. 1849. 190 und 1854. 115. Folia Sennae. 471 Der Geschmack, unbedeutend schleimig, dann schwach süsslich und etwas bitterlich kratzend , ist am stärksten ausgeprägt bei C. lenitiva und zwar, nach Batka, im höchsten Grade bei der oben (pag. 466) angeführten Var. ß) Bischoffiana. Cassia obovata besitzt schon weniger den specifischen Geruch und Geschmack, am wenigsten aber C. angustifolia. Mehr aroma- tisch bitter, kaum sennaartig und darum auch gar nicht gebräuchlich ist die von Batka (1866) beschriebene und abgebildete Senna Hookeriana aus Aden, welche von der sehr ähnlichen Cassia obovata durch die nicht mit kammförmigen Erhöhungen versehenen Hülsen abweicht. Nachdem Braconnot in den Sennesblättern neben unvollkommen charakterisirten Stoffen1) 12 p.C. essigsauren und äpfelsauren Kalk gefun- den, ergaben (1821 — 1824) die Untersuchungen von Lassaigne u. Fe- neulle ausser allgemeiner verbreiteten Pflanzenstoffen (Chlorophyll, Ei- weiss, Fett, Schleim) Aepfel- und Weinsäure und deren Salze, Spuren ätherischen Oeles, gelben Farbstoff und endlich einen besonderen Bitterstoff, der Cathartin2) genannt, aber nicht vollständiger isolirt wurde . H e e r 1 e i n konnte (1843) in diesem schmierigen Stoffe nicht den wirksamen Bestand- teil der Senna erkennen. Auch Bley u. Diesel (1849) gelang die Reindarstellung des Cathar- tins nicht; sie erhielten ein gelbes Harz, Chry so retin, das sich ebenfalls wirkungslos zeigte, neben Pektin, gummiartigem Stoffe und einem brechen- erregenden braunen Harze. Aepfelsäure und ätherisches Oel fehlt diesen Chemikern zufolge. — Rau fand auch etwas Gallussäure und Zucker. Den Gehalt der Senna an Weinsäure bestätigte (1855) Casselmann; das Kalksalz schiesst reichlich aus dem wässerigen Extracte an. Die sorgfältige Arbeit von Martius zeigte aufs neue, dass ein reiner Körper (Carthartin) nach den Angaben von L as saigne u. Feneulle nicht erhalten wird und dass das Chrysoretin ebenfalls noch ein Gemenge, ver- muthlich von Margarin, harzartigen Stoffen (Phaeoretin ?) und Chrysophan- säure ist. Den interessanten Nachweis dieser letzteren (siehe darüber auch unter Rad. Rhei) verdanken wir Martius. Sie lässt sich nach Batka noch leichter aus den Blüthen als aus den Blättern der Senna gewinnen, wenn dieselben mit Kali ausgezogen werden ; dem durch Salzsäure im Filtrate erhaltenen und getrockneten Niederschlage entzieht Chloroform die Chryso- phansäure, nach meiner Erfahrung jedoch ziemlich unrein. Nach Sawicki (1857) wird der wirksame Stoff der Sennesblätter durch Wasser schon auf- genommen und ist durchaus nicht Chrysophansäure. Martius fand im übrigen sehr geringe Spuren ätherischen Oeles, Weinsäure neben Oxal- säure 3) und etwas Apfelsäure, dann Zucker, nicht aber Pektin. Die Asche der Sennesblätter beträgt nach Meischel, Burton und *) yergl. bei Martius in der oben (pag. 464 Note 1) angef. Schrift pag. 112. 2) nicht zu verwechseln mit dem Rhamnocathartin der Fructus Rhamni (siehe diese). 3) Das Mikroskop zeigt in der Mittelschicht des Blattparenchyms sofort ziemlich zahl- reiche Oxalatkrystalle, theils Rosetten, mehr noch gut ausgebildete Hendyoeder. 472 . 'Blätter und Kräuter. Schreiber 9 — 12pG. und besteht zu etwa % aus Kalk-, Magnesia- und Kalicarbonat, woraus sich auf die grosse Menge organischer Säuren (Weinsäure) schliessen lässt. Neue Aufklärungen hat Ludwig (1864) durch Stütz veranlasst. Dem weingeistigen Auszuge der Sennesblätter wurde nach Yerjagung des Alkohols vermittelst Knochenkohle ein Gemenge zweier Bitterstoffe ent- zogen, welche wieder durch kochenden "Weingeist aufgenommen und nach der bei so vielen Bitterstoffen üblichen Methode (z. B. bei Digitalen, — vgl. Folia Digitalis) gereinigt wurden. Durch Aether liess sich das Produkt in darin lösliches terpenthin artiges Sennacrol und in unlösliches Senna- pikrin theilen. Letzteres ist gelblich, amorph, zerreiblich, schwer in Wasser, leicht in Weingeist löslich, von süsslich-bitterem erwärmendem Geschmacke. Durch verdünnte Säuren wird das Sennapikrin in Zucker und ein aromatisches Oel gespalten. Das Sennacrol schmeckt gleichfalls bitter und ist einer ähnlichen Spaltung fähig. Kubly u. Dragendorff erkannten (1865) als wirksamen Bestand- teil der Sennesblätter die amorphe Cathartinsäure, deren Formel O18OH192N4S082 wohl noch der Bestätigung bedarf. Ihr Kalk- und Magnesia- salz wird den Blättern durch Wasser entzogen und daraus mit Weingeist gefällt; Alkalien und Säuren spalten sie in Zucker und Cathartogeninsäure, in welche letztere Stickstoff und Schwefel ebenfalls übergehen. Wird das weingeistige Filtrat nach der Abscheidung der Cathartinsäure eingedampft, mit Aether von Fett und Chrysophansäure befreit, so lässt sich mit schwä- cherem Weingeist ein warzig krystallisirender Zucker O21H44-0-19 (bei 110°) gewinnen, welchen Kubly u. Dragendorff als Cathartomannit be- zeichnen. Er dreht die Polarisationsebene nach rechts, reducirt Kupferoxyd nicht und gährt nicht. — Rau will (1866) durch Fällung mit Bleiessig den wirksamen Stoff in farblosen Krystallen — Sennin — erhalten haben. Nach den ausführlichen Erörterungen von Martius lässt sich die Be- kanntschaft mit Senna nicht weiter als bis zu Serapio dem älteren (gegen Ende des VIII. Jahrh.) zurückverfolgen, so dass die Droge dem Alterthum bestimmt unbekannt war und auch wohl nicht vor dem Mittelalter in das Abendland gelangte. Erst die späteren arabischen und griechischen Aerzte des IX. — XI. Jahrh. erwähnen sie häufiger, und auf diesen Zeitraum dürfte auch wohl die Einführung der nubisch-äthiopischen Senna neben oder statt der arabischen fallen. Aber erst der jüngere Mesue (wahrscheinlich im Anfange des XI. Jahrh.) nennt bestimmt die Blätter. Früher waren aus- schliesslich die Früchte, Folliculi Sennae, im Gebrauche,1) welchen auch Mesue grössere Wirksamkeit zuerkennt. Immer noch haben sich auch bei uns in derVolksmedicin diese „Sennes bälge" einigermassen behauptet, obwohl sie in neuerer Zeit oft sehr selten wurden und jahrelang fast völlig im Handel fehlten. x) Serapion beschreibt genau die gebogenen Früchte (vaginas obtortas) der C. obovata und ihre Einsammlung. Folia Sennae. 473 Derselbe lieferte sonst gewöhnlich die Früchte der Cassia lenitiva, ge- mengt mit einer geringeren Zahl der meist überreifen Hülsen von C. obo vata, welche letztere nach der obigen Beschreibung (S. 468), so wie auch an ihren dunkelen, dick keilförmigen, nicht flachen Samen leicht kenntlich sind. Die Früchte der ersteren Art sind nicht sichelförmig, sondern schief rundlich , fast rhombisch und an der Spitze völlig stumpf oder sogar etwas ausgerandet, so dass der kleine Griffelrest gewöhnlich kaum den Rand überragt. Die flachen Samen veranlassen nur sanfte Auftreibungen der Hülsenfläche, welcher auch lappenförmige Anhängsel ganz fehlen. Die Hülsen der C. lenitiva bleiben immer kurz, höchstens 4 Centimeter lang und halb so breit. Die Früchte der C. angustifolia hingegen erreichen bei nicht bedeuten- derer Breite oft beinahe 6 Centim. Länge und sind mit einer deutlich auf- geworfenen seitlichen Spitze versehen. Ihre flachen Samen zeichnen sich durch stärkere Ausprägung und Verschlingung der Runzeln aus, welche auch über die Ränder in einander greifen, während diese letzteren bei C. lenitiva glatt bleiben. Meist ist auch der vordere (untere) Rand der Samen von 0. angustifolia fast herzförmig ausgeschnitten. Den käuflichen Folliculi Sennae fehlen in der Regel jedoch die Hülsen der letzteren Art, während sie in der Mecca Senna getroffen werden. Aus dieser liest man sie jetzt auch bisweilen in Europa rein aus. Batka gibt an, in den Sennahülsen ausser allgemein verbreiteten Stoffen Sennacrin (nicht bitter) , Sennaretin und Sennagerbsäure gefunden zu haben, was noch weiterer Untersuchung bedürftig ist. Die Hülsen schmecken ziemlich stark kratzend, weit weniger die Samen. Was der Handel unter dem Namen Folia Sennae parva s. fragmenta Sennae bietet, pflegt der Abfall vom Auslesen oder Absieben der Rohwaare zu sein, welcher sich zur arzneilichen Verwendung nicht empfiehlt. Der Verbrauch der Sennesblätter scheint im allgemeinen in Abnahme begriffen zu sein. Nach Martius empfing Triest von 1846 — 1850 durch- schnittlich 430,000 Pf und jährlich, Hamburg 65,000 Pfund jährlich zwischen 1851 — 1856. Die Gesammteinfuhr Frankreichs erreicht jährlich (1846 bis 1855) nur 190,000 Kilogr., diejenige Englands (1845—1854) etwas über 450,000 Pfd. England erhält fast immer den weitaus grössten Theil aus Indien. Verwechselungen der Sennesblätter sind heutzutage selten. Die Blätt- chen von Colutea arborescens L. (Papilionaceae) sehen denen der Cassia obovata ß) obtusata ähnlich, sind aber noch kürzer, verbiegen sich beim, Trocknen stark und unterscheiden sich auch sicher durch matt grau-grüne Farbe und runzelig- aderige Oberfläche. Die Blätter der süd- europäischen Coriaria niyrtifolia L. (Coriarieae) könnten auf den ersten Blick mit den- jenigen der C. angustifolia ß) Royleana zusammengeworfen werden. Erstere sind aber weit schärfer zugespitzt, am Grunde symmetrisch und dreinervig. Des giftigen Coriamyrtins wegen, das sie enthalten, wäre jedoch eine Bei- mischung dieser Blätter in grösserer Menge sehr bedenklich. 474 Blätter und Kräuter. Herba Millefolii. Herba Millefolii florens. Folia et flores Millefolii. Summitates Millefolii. Garbe. Schafgarbe. Millefeuille. Herbe aux charpentiers. Milfoil. Acliillea Millefölium L. — Compositae-Senecionideae. Kleines ausdauerndes, durch den ganzen mittleren Gürtel der nördlichen Halbkugel bis Finnland, in Niederungen und in Gebirgen bis in die Vor- alpen1) verbreitetes Kraut, das je nach dem Standorte ziemlichen Abände- rungen seiner Tracht unterworfen ist. Man sammelt entweder die ganzen beblätterten, vom Juni bis October blühenden Spitzen oder die zusammengesetzten flachen Doldentrauben der Blüthen, getrennt von den vielpaarig zwei- bis dreifach fiederspaltig und in kleine, fein stachelspitzige Läppchen zertheilten Blättern. Im Umrisse sind die letzteren schmal lanzettlich , in sehr zahlreiche , etwas krause Fieder- blättchen, diese wieder meist in 3 — 7 Läppchen zerschlitzt, zottig oder fast kahl. Die grundständigen Blätter werden fusslang, die zerstreuten Stengel- blätter bleiben bedeutend kleiner. Durch der Unterseite eingesenkte Oel- drüschen sind die Theilblättchen im frischen Zustande fast durchscheinend, je nach der Behaarung von bald mehr , bald weniger dunkelgrüner Farbe. Durch Einschrumpfung verlieren sich beim Trocknen die Oelräume. Die kantig-rinnigen Blattspindeln sind etwas zottig , am Grunde halb stengel- umfassend, die Stengel selbst gerillt. Die Blätter riechen sehr schwach und nicht eben angenehm aroma- tisch und schmecken salzig, kaum etwas bitterlich. Getrocknet geben sie etwa 0,6 p. Mille eines dicken dunkelblauen ätherischen Oeles, das dem Kraute ähnlich, doch stärker riecht und schmeckt. Die für eigenthümlich gehaltene Achilleasäure ist nach Hlasiwetz (1857) Aconitsäure; ein besonderer Bitterstoff der Schafgarbe, von Zanon (1846) als Achillein bezeichnet, bedarf noch näherer Untersuchung. Das Kraut enthält wenig Harz und Gerbstoff, ist reich an Phosphaten, Nitraten und Chlorüren und gibt nach Ogston u. Way getrocknet 13,4 pC. Asche, die weit überwiegend aus Kalisalzen besteht. Durch Destillation des frischen, der Gährung überlassenen Krautes mit Wasser erhielt Bley neben dem erwähnten blauen ätherischen Oele noch ein sogenanntes, aus der wässerigen Lösung durch Aether ausziehbares Fermentöl von wenig gewürz- haftem Gerüche. Der sehr gedrungene ästige Blüthenstand bildet im ganzen eine ziem- lich lang gestielte Doldentraube mit sehr zahlreichen, im einzelnen traubig zusammengesetzten filzigen Verästelungen. Die spärlicher behaarten becher- förmigen 0,00 5,n hohen Blüthenköpfchen sind von einer bleibenden Hülle aus zahlreichen, ungleich langen stumpf-lanzettlichen Blättchen umgeben, l) am Demawend im Eiburs bis 12,000 Fuss hoch, ßuhse. Herba Absinthii. 475 deren brauner Rand stark bewimpert, der grünliche Rücken mehr kahl ist. Sie schliessen in der Regel 5 weibliche Randblüthen ein , deren sehr breit zungenförmige dreizähnige Blumen aus dem Köpfchen heraustreten und sich zuletzt aussen bis gegen dessen Mitte zurückschlagen. Die röhrig-glockigen Kronen der 3- bis 20 zwitterigen Scheibenblüthen überragen die Hülle nicht und lassen auch die Staubbeutelröhre und den zweischenkeligen Griffel nicht heraustreten , so dass die Köpfchen oben ein ziemlich flaches abgestutztes Aussehen gewinnen. Die Röhren aller ßlüthen sind grünlich, mit nur wenigen, sehr kleinen gestielten Drüschen versehen, der Saum weiss, häufig rosenroth oder violett-röthlich. Der kleine Blüthen- boden ist durch die langen Deckblättchen der Blüthen spreuig, den letzteren fehlt der Pappus. Die Blüthen schmecken bitter und riechen weit kräftiger aromatisch als die Blätter, obwohl nicht eben angenehm. Sie geben ungefähr doppelt so viel ätherisches Oel wie die Blätter, welches durch Gehalt an flüchtigen Fettsäuren sauer reagirt, sonst aber mit dem der Blätter übereinzustimmen scheint. Ohne Zweifel enthalten die Blüthen hauptsächlich auch den Bitterstoff. Die Achillea, wenn auch vielleicht eher A. nobilis, als die obige Art, gehört zu den ältesten Arzneipflanzen. Im Mittelalter wurde sie wieder von Arnoldus Villanovanus zu Ende des XIII. Jahrhunderts empfohlen, im vorigen Jahrhundert dann besonders durch Stahl. Herba Absinthii. Summitates Absinthii. Wermutkraut.1) Absinthe commune. Grande2) absinthe. Wormwood. Artemisia Absinthium L. — Compositae-Senecionideae. Syn.: Absinthium vulgare Lauaarck. Der Wermut ist vorzüglich in Gebirgsländern zu Hause und von Nord- afrika und der Sierra nevada an durch Europa und das nördliche Asien bis Kamtschatka verbreitet. In England geht er bis 57° nördl. Br., in Nor- wegen und Finnland findet er sich wild bis 61°, in der Schweiz nur in einigen Alpenthälern des Wallis und Graubündens , aber massenhaft und bis zur Höhe von 1700m über Meer. Er scheint dagegen zum Theil im Orient, z. B. in Palästina, nach Heldreich auch schon in Griechenland, zu fehlen,3) ist aber in Südrussland und den südkaspischen Gebirgen (Eiburs) einheimisch. Aus der starken vieljährigen Wurzel erheben sich krautige Blattbüschel, !) Wermuda schon im XII. Jahrhundert, Wermuota noch früher. 2) Gegensatz zu Artemisia pontica L.: petite absinthe. 3) A. judaica L. in Palästina und A. arborescens L. auf den griechischen Inseln sind dem ächten Wermut nicht unähnlich und häufig damit verwechselt worden. 476 Blätter und Kräuter. welche im zweiten Jahre über lm hohe, am Grunde verholzende, jedoch im Herbste absterbende Stengel treiben. Dieselben sind rundlich, etwas gerillt und nach oben in schlanke pyramidale Rispen verzweigt. Die dünnen Zweige erster Ordnung und die kleinen , nicht sehr zahl- reichen Zweiglein zweiter Ordnung tragen in den Blattwinkeln je ein fast kugeliges 3 Millim. messendes Blüthenkörbchen, das auf kurzem Stielchen seitlich oder abwärts nach aussen geneigt ist. Seltener erhebt sich aus dem- selben Blattwinkel ein zweites, weit länger gestieltes Körbchen. Die im Umrisse breit dreieckig -rundlichen, bis 0,25m erreichenden bodenständigen Blätter sitzen auf über 0, 1 0m langen, am Grunde nur wenig verbreiterten schwachen Stielen und sind dreifach gefiedert. Die untersten Abschnitte erster Ordnung stehen oft sparrig ab, die oberen, unter spitzem Winkel aufwärts strebend, treten näher zusammen, so dass die höheren Blattabschnitte dicht in einander gewirrt erscheinen. Die äussersten Fiederlappen sind breit zungenförmig, drei- oder fünftheilig, abgerundet oder sehr kurz bespitzt. Nach oben , bei den gleichgestalteten, doch weit kleinern und nur zweifach fiedertheiligen Stengelblättern tritt der Blattstiel je länger je mehr zurück. Die Deckblättchen der Blüthentrauben sind nur noch schmal dreizipfelig, die obersten ganz einfach lanzettlich. Kleine, genau anliegende, sehr weiche Haare von bandförmiger, aber lang zugespitzter Gestalt überziehen fast die ganze Pflanze mit theilweiser Ausnahme der untersten holzigen Stengelstücke mit dichtem grauen Filze, der die hellen Geldrüschen der Blätter verdeckt und nur auf der Oberseite die dunkelgrüne Farbe der letzteren durchscheinen lässt. Unten zeigen sich die Blätter mehr weisslich. In der Kultur, wo die Pflanze höher wird, nimmt die Behaarung sehr ab. Die langzottigen, am Bande durchscheinenden Blättchen der Hülle neigen fast glockenförmig zusammen und bergen den stark gewölbten, aber sehr kleinen und lang behaarten Blüthenboden , welchem die zahlreichen gelben Blüthchen eingefügt sind. Den wenigen weiblichen Randblüthen fehlt ein zuugenförmiger Saum, ihre schmächtige Röhre ist ganzrandig oder nur zweizähnig und kürzer als die beiden ziemlich gerade herausragenden stumpfen Narben. Die längeren und dickeren , oben fünflappigen Röhren der Scheibenblüthen erreichen ungefähr die Höhe der Randblüthennarben, so dass das ganze Köpfchen eine sanfte convexe Rundung erhält. Die Scheibenblüthen sind zwitterig, sämmtliche Blümchen aussen durch sehr kleine Drüschen glänzend. Den zusammengedrückten bräunlichen, kaum 1 Millim. langen Frücht- chen geht der Pappus (Fruchtkrone) ab. Man sammelt das Kraut von den dicksten Stengeln befreit im Spät- sommer zur Zeit der Blüthe. Es riecht eigenthmlich gewürzhaft, doch nicht angenehm und schmeckt sehr stark und rein bitter, dabei scharf aromatisch. Die Kultur vermindert diese Eigenschaften. Der Wermut gibt % bis 2 pC. ätherisches Oel; die sehr zahlreichen an- Herba Absinthii. 477 sehnlichen Oelräume der Blätter sind der Hauptsitz desselben, wie denn auch Zeller in der That von den Körbchen nur halb so viel erhielt wie von den Blättern. Nach dessen Zusammenstellungen schiene auch der nordische Staudort die Menge des Oeles zu vermehren. Das Oel besitzt in hohem Grade den Geruch und den aromatischen Ge- schmack des Krautes und eine grünliche Farbe, die bei der Rectification nicht verschwindet, aber durch Luft und Licht in schmutziges Braun über- geht. Die Farbe soll durch 3 pC. Azulon (siehe bei Flores Chamomillae) und gleichzeitige Anwesenheit von gelbem gelöstem Harze bedingt sein. Das Wermutöl rotirt rechts , besitzt gleiche Zusammensetzung , denselben Siedepunkt und gleiche Dampfdichte wie der gewöhnliche Campher und liefert mit Salpetersäure die nämlichen Produkte (vergl. Camphora). Nach Gladstone enthält es zugleich noch einen Kohlenwasserstoff. Auch dieses Oel wird bei der Destillation von flüchtigen Fettsäuren begleitet, wie das der Flores Chamomillae. Den Wermutbitter stoff, das Absinthiin, versuchte zuerst Caventou (1828) darzustellen. Rein erhielten es Mein (1834), Luck (1851) und vorzüglich Kromayer (1861). Letzterer fällt es in dem wässerigen Aus- zuge mit Gerbstoff, zersetzt den Niederschlag mit Bleioxyd und zieht mit Alkohol aus, wodurch farblose körnig-krystallinische Krusten vom Gerüche und Geschmacke des Wermuts gewonnen werden, die in Aether leicht, in Wasser, selbst in siedendem, kaum löslich sind. Das Absinthiin, £4OH5S09, nach Kromayer, zerfällt beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure in Harz und ertheilt der Flüssigkeit eine röthliche gelbgrün schillernde Farbe, ohne dass hierbei Zucker auftritt. Die Lösung in concentrirter Schwefel- säure wird durch Zusatz von wenig Wasser dunkelblau. Das Absinthiin scheint zu den Aldehyden zu gehören und in naher Beziehung zum ätheri- schen Oele der Pflanze zu stehen. Aus der Reaction von 8 -0- auf 4 Aequi- valente des ätherischen Oeles = -G-40 H64 -O4 könnte hervorgehen G40 H58 O9 (Absinthiin) unter Austritt von Wasser HB G3 und Aufnahme von O5. Luck 's Absinthiin soll saure Eigenschaften besitzen und scheint der For- mel O40 H64 -9-12 zu entsprechen, welche ebenfalls auf einen Zusammenhang mit dem Kromayer' sehen Körper hinweist1), wenn der erstere wirklich nicht damit identisch sein sollte. Der Bitterstoff ist auch in den Blüthen vorhanden, da sie wie alle übri- gen weichern Theile der Pflanze bitter schmecken. Sie enthält ausserdem Harz, einen der Catechugerbsäure ähnlichen Gerbstoff, so wie in den ober- irdischen Theilen Aepfelsäure und Bernsteinsäure. Diese beiden Säuren treten nach T ich ano witsch (in Südrussland) erst im Juli auf und zwar zunächst nur die erstere allein, vorzüglich in den Blüthen. Die Bernstein- *) vgl. Ludwig, in Fresenius, Zeitschrift für analyt. Chemie I. 18 (1862). In der ein- zigen Verbindung, mit Gerbstoff, scheint das Absinthiin mit der Formel 04ü H56 O8 ent- halten zu sein. 478 Blätter und Kräuter. säure hatte hier schon Braconnot (1815) bemerkt, aber für eigenthürn- liche „Wermutsäure" gehalten. Zwenger erkannte (1843) ihre wahre Natur und erhielt davon x/% pro mille aus trockenem Kraute. Den Reichthum des Wermutes an Salzen, namentlich den Salpetergehalt, hatte ebenfalls Braconnot schon hervorgehoben. Trockenes Kraut gibt nach Schulze (1863) 2,7 pC. Salpeter. Die Alten scheinen wohl unter Apsinthion oder Absinthion, dessen Etymologie nicht klar ist, nicht nur unsern Wermut, sondern mehr noch Artemisia pontica verstanden zu haben. Die Israeliten hielten ihn (Artemi- sia judaica?) für giftig. Artemisia pontica, durch sehr dicht weisslich grau filzige und weit fei- ner zertheilte Blätter verschieden, gehört mehr dem Süden an. Herba Cardui benedicti. Folia Cardui benedicti. Kardobenediktenkraut. Chardon benit. Blessed thistle. Cnicus benedictus L. — Compositae-Gentaureae. Syn. : Centaurea benedicta L. Calcitrapa lanuginosa Lamarck. Die Spinnendistel ist ein einjähriges sehr lästiges Imkraut, das durch die Steppen Persiens , Transkaukasiens (Muganer Steppe am untern Kur) und Syriens , auf den Inseln und dem Festlande Griechenlands einheimisch ist. Im übrigen Südeuropa ist es verwildert und durch Gartenkultur jetzt auch bis in das südliche Norwegen und nach Nordamerika verbreitet. In Südsibirien scheint die Pflanze zu fehlen. Zum officinellen Gebrauche dienen die zur Blüthezeit gesammelten Blätter oder die beblätterten obern Yerzweigungen des krautigen gerillten Stengels, welche eine lockere Doldentraube darstellen. Die beinahe fusslangen boden- ständigen Blätter sind buchtig fiederth eilig, mit rundlichen, in eine starre Stachelspitze auslaufenden Sägezähnen und breitem kantigem geflügeltem Blattstiele. Die obersten als Deckblätter die grossen einzelnen endständigen Blüthenköpfchen einhüllenden Stengelblätter weichen von den untersten Blättern durch breit eiförmige scharf zugespitzte Form sehr ab. Sie sind tief stachelspitzig gezähnt, am Grunde herzförmig stengelumfassend. An den mittlem Theilen des Stengels sitzen Blätter, welche die verschiedenen Uebergangsformen von jenen langen in den Blattstiel verschmälerten und getheilten untern Blättern zu den sitzenden breiten Deckblättern darbieten. Das fast kegelförmige, bis 0,03™ hohe, am Grunde 0,015 dicke Köpf- chen zeigt mehrere dachig geordnete Reihen häutiger, in derbe spitze Stacheln auslaufender Hüllblättchen. Die untersten kleinsten tragen einen gerade aufstrebenden einfachen Stachel, die innersten Blättchen schliessen oben fest zusammen, ihr bis 0,02!n langer Stachel ist fast rechtwinkelig Herba Absinthii. 479 zurückgebrochen und trägt etwa 4 bis 5 Paare vertikal abgehender bis 0,005m langer Stachelästchen, die sich nicht genau gegenüberstehen. Die schön gelben röhrigen Blüthen erreichen trotz einer Länge von über 0,025m kaum die Höhe der Hüllstacheln; die 4 bis 6 randständigen sind einzig aus der schmächtigen oben drei zipfeligen Röhre gebildet, die innern 20 bis 25 von dem gewöhnlichen Bau der zwitterigen Compositen-Blüthe. Die genabelte Frucht trägt eine 10 zähnige Krone und innerhalb derselben einen zweireihigen Pappus. Der feste gemeinschaftliche Blüthenboden ist dicht mit starren weissen Borsten besetzt. Stengel, Blätter und Hülle sind mehr oder weniger behaart, namentlich ist die letztere durch lange einfache Haare stark spinnwebig filzig. Am Stengel, zumal in den Achseln seiner Verzweigungen und auf der ebenen Blattfläche kommen neben zahlreichen langen, aus kurzen sackförmigen Stücken sehr charakteristisch zusammengesetzten Haaren noch ungestielte kleberige Drüsen vor. Diese finden sich auch gewöhnlich fast allein und spärlich über die untere glänzende Blattfläche zerstreut, wo die kahlen Nerven mehr hervortreten. Die Kultur vermindert die Behaarung. Durch allerlei Schmutz, welcher sich in dem weichen zusammenfallenden aber für sich ungefärbten Haarbesatze fängt, erscheint das Kraut meist ziemlich unsauber. Dasselbe, so wie auch die Stengel, schmeckt stark und sehr rein bitter, nicht aromatisch. Der von Nativelle darin aufgefundene Bitterstoff, C nie in oder Cen- taurin, krystallisirt und ist in kaltem Wasser kaum löslich. Die wein- geistige Lösung dreht die Polarisationsebene nach rechts. Schon durch Kochen mit Wasser scheint das Cnicin eine Zersetzung zu erleiden, welche näherer Untersuchung bedarf. Es entspricht nach Scribe1) der empiri- schen Formel O,4H1805 und soll auch in anderen bitter schmeckenden Centaureen vorkommen. Das Kraut ist reich an Salzen des Kalis und Kalkes. Frickhinger erhielt aus dem Extraete reichliche Krystallisationen von äpfelsaurer Magne- sia mit wenig Kalksalz. Man glaubte im Mittelalter im Cnicus die heilkräftige Akarna des Theo- phrastos oder die Atraktylis des Dioskorides zu erkennen und führte sie deshalb, besonders nach der Empfehlung des Arnoldus Yillanova- nus (um 1350) in den Arzneischatz ein. !) er fand C = 62,16 bis 62,9 pC, Luck im Absinthiin 65,18, so dass vielleicht ein Zusammenhang beider Stoffe besteht. Zu Scribe's Analysen passt auch die Formel fc? ri tr < , die sich nur durch ein minus von H tt vom Absinthiin unterscheidet. 480 Blätter und Kräuter. Herba Centaurii. Flores s. summitates Centaurii minoris.1) Tausendgüldenkraut. Rother Aurin. Petite centauree. Centaury tops. Erythräea Centäurium Persoon. — Gentianeae. Syn.: Gentiana Centäurium L. Dieses zierliche einjährige Kraut ist an lichten Waldstellen und in Wiesen bis in die Bergregion sehr verbreitet. Es findet sich von Nordpersien an durch ganz Vorderasien , rings um das Mittelmeer , auf den Azoren und in allen europäischen Ländern, in England z. B. bis 58° nördl. Breite, in Finn- land, ferner auch in Canada und New- York. Aus der schwachen ein- oder zweijährigen ästigen Pfahlwurzel erhebt sich gewöhnlich ein einzelner , über fusshoher 4- bis 6 kantiger , etwas ge- flügelter glatter Stengel oder auch mehrere derselben, wenn etwa die Haupt- axe verkümmert. Die schön rosenrothen ,2) selten weissen Blüthen bilden einen endständigen traubigen, aber meist doldenförmig flachen Blüthenstand. Die zahlreichen, aus den Winkeln der obersten Blätter hervorgehenden Aeste verzweigen sich wieder trugdoldenartig-gabelig, wobei aber zuletzt die Spindel in eine sitzende Blüthe endigt, welche gabelig von den gestielten Seitenblüthen überragt wird. Die meisten Aeste strecken sich schliesslich zu fast gleicher Höhe. Die wenig gefärbte, gegen 0,0 10m lange, trocken walzenförmige Blumen- röhre tritt aus dem spitz fünfspaltigen Kelche heraus und breitet sich in die fünf- lappige, nach dem Trocknen wieder fast glockenförmig geschlossene Krone aus, welche die grossen, nach dem Verstäuben schraubenförmig gedrehten Antheren kaum wahrnehmen lässt. Die spitzeiförmigen oder zu oberst in der Blüthendolde schmal linealen Blätter sitzen paarweise einander gegenüber; die grundständigen rosetten- artig zusammengedrängt, sind breiter, stumpf, kurz bespitzt und in einen kurzen Blattstiel auslaufend. Die über 0,04m langen, gegen 0,02m breiten unteren Stengelblätter, nach oben allmälig spitzere Form annehmend, zeigen auf jeder Hälfte zwei oder doch einen unter sehr spitzem Winkel abbiegenden Seitennerven. Am Grunde berühren sich die Blätter jedes Paares und senden am Stengel schwache Flügelkanten abwärts. Sämmtliche Blätter sincT ganzrandig von etwas derber Consistenz und, wie übrigens die ganze Pflanze, völlig kahl und glänzend. Die krautigen Theile der Pflanze wie auch die Blumen schmecken stark und rein bitter. Durch Aether hat Mehu (1863 — 18G6) aus dem wässerig-alkoholischen Extracte das merkwürdige Erythrocentaurin O27H*408 gewonnen. !) Centäurium majns der älteren Botaniker war Centaurea Centäurium L., eine in den Ge- birgen Italiens einheimische Composite. ^) Daher der Genusnamo: ipuvpög roth. Herba Centaurii. 481 Getrocknetes Kraut gibt davon höchstens Va pro Mille, frisches verhältniss- mässig mehr. Die grossen farblosen Krystalle sind vollkommen indifferent und geschmacklos und werden kaum von Chlor angegriffen. Sie schmelzen bei 136° C. unverändert und lösen sich in 35 Th. kochenden, in 1600 Th. kalten Wassers, auch in 48 Alkohol und 13 Th. Chloroform bei 15°. Von Aether bedarf das Erythrocentaurin das 245 fache zur Lösung. Ohne irgend eine weitere Aenderung nimmt dasselbe im Lichte eine lebhaft rothe Farbe an, deren Auftreten z. B. durch Chlor, nicht aber durch ungefärbte Gase verschiedenster Art gehindert wird. Das geröthete Erythrocentaurin gibt farblose Auflösungen, aus denen es im dunkeln ungefärbt anschiesst; die feste Substanz verliert bei 132° ebenfalls die Farbe. Neben einem noch weniger untersuchten Bitterstoffe fand Mehu auch Harz und Wachs im Tausendguldenkraute, so wie gegen 6 pC. Asche, hauptsächlich aus Gyps bestehend. Bei der Destillation mit Wasser gibt besonders die getrocknete Pflanze Baldriansäure. In der bei Herba Millefolii angegebenen Weise hat Büchner aus Ery- thraea ein gewürzhaftes, doch nicht angenehm riechendes Fermentöl dar- gestellt. Das Tausendguldenkraut scheint bereits den Alten bekannt gewesen zu sein, vermuthlich schon Dioskorides als Kentaürion. In dem bei Semen Hyoscyami erwähnten deutschen Arzneibuche des XIII. Jahrhunderts finden wir auch „Centauriam daz chrüt." Die mehr auf Norddeutschland und Holland beschränkte Erythraea UnariaefoliaV 'ersoon (E. angustifolia Wallroth) sieht der obigen Art ähnlich, ist aber vielstengelig , besitzt schmälere Blätter und breitet sich rispenartig in einen lockeren, verlängert gabelästigen Blüthenstand aus. Die krautigen Theile sind zudem sehr fein und etwas scharf gewimpert. Die viel schwächere Erythraea pulchella Fries (E. ramosissima Persoon) scheint, obwohl im ganzen weniger häufig, doch eben so weit verbreitet zu sein wie E. Centaurium. Sie ist von Grunde an rispig ver- zweigt, ohne grundständige Blätter und bleibt durchschnittlich etwa 0,10mhoch. E. pulchella sowohl als die vorhergehende Art schmecken übrigens gleichfalls stark bitter. Statt Erythraea hat British Pharmacopoeia als Chirata oder Chiretta eine nordindische Gentianee, die Ophelia Chirata De Cand. (Gentiana Chirayta Roxburgh, Agathotes Ch. Don) aufgenommen, welche auf dem europäischen Kontinente unter dem Namen Stipites Chirayitae noch wenig Eingang gefunden hat und auch wohl für uns sehr entbehrlich ist. Der Handel bringt Bündel der ganzen mit einfacher kurzer Pfahlwurzel ver- sehenen, etwa lm hohen Pflanze, welche meist aus einem höchstens 4 Millim. dicken, glänzend bräunlichen kahlen Stengel besteht. Derselbe ist walzen- rund , doch mit 4 schwachen Flügelkanten und zwei weniger ausgeprägten Längsrillen versehen und bildet nach oben eine etwas gedrängte, lang gabel- Flückiger, Pharmakognosie, 31 482 Blätter und Kräuter. ästige Rispe mit gelben, den kurzen Kelch überragenden Blumen. Blätter sind nur sehr spärlich vorhanden. Der Geschmack der Chirata ist sehr bitter. Sie ist in ihrem Yaterlande ein altberühmtes Arzneimittel, dessen Ruf schon in früher Zeit nach dem Abendlande gedrungen zu sein scheint (vergl. bei Rhizoma Calami). In ähnlicher Weise wird in Chili und Peru die kleine einjährige Chiro- nia chilensis Willdenow (Erythraea chilensis Persoon — Gentiana peru- viana Lamarck) zumal als Fiebermittel hochgeschätzt und unter dem Namen Herba Cachen-Laguen in geringer Menge ausgeführt. Folia Trifolii fibrini. Folia Menyanthis. Biberklee. Bitterklee. Treue de marais. Bog bean. Menyänthes trifoliata L. — Gentianeae. Kleine Staude sumpfiger Stellen x) der Niederungen und der Gebirge im kälteren Theile der nördlichen Halbkugel, sehr häufig z. B. durch das mitt- lere Europa bis Schottland, in Skandinavien bis zum Nordkap, dann im Altai und in Sibirien, in Labrador (Nain) und den Yereinigten Staaten. Der ausdauernde , weithin kriechende und geringelte Wurzelstock , fast von der Dicke eines Fingers , treibt aus den Astgipfeln einige langgestielte wechselständige Blätter. Aus dem Winkel eines etwas tiefer stehenden scheidenartigen vorjährigen Blattes erhebt sich bis fusshoch und den Blätter- büschel überragend der blattlose Blüthenschaft mit den zahlreichen hüb- schen, zu einer nicht sehr dichten Traube zusammengestellten Blumen von zarter weisser und rosenrother Färbung. Die Blätter umhüllen mit einer langen und weiten Scheide den schwam- migen Wurzelstock , dessen Glieder zu oberst etwas gestreckt sind. In ge- ringem Abstände vom Stengel bleibt die Scheide plötzlich zurück und der ungefähr bis 0,1 0m lange walzenrunde derbe, doch von Luftröhren durch- zogene Blattstiel breitet sich in ein dreitheiliges Blatt aus. Die rundlich eiförmigen gegen 0,0 8m langen und halb so breiten Abschnitte sind von einer breiten runzeligen oft bräunlichen Hauptrippe durchzogen, aus welcher zahlreiche feine Nerven in sanftem Bogen steil aufsteigen. Die breite Spitze des Blattabschnittes endigt in ein stumpfes weisses Höckerchen. Dergleichen sind auch in geringer Zahl und bisweilen von sehr kurzen breiten Säge- zähnen getragen dem Blattrande aufgesetzt. Doch sind die meisten Blätter ganzrandig oder nur wenig ausgeschweift, alle völlig kahl, wie die ganze Pflanze, mit Ausnahme der durch zierliche weisse Papillen zottigen Blumenkrone. Frisch sind die Blätter wegen der zahlreichen kleinen Luftröhren ihrer Rippen und Nerven etwas dicklich, fallen aber beim Trocknen nicht eigent- lich runzelig zusammen. Sie schmecken kräftig und rein bitter. 1) pwjviito ich zeige an (d. h. Sumpf) und av&o; Blume. Folia Digitalis. 483 Der Bitterstoff des Biberklees, dasMenyanthin, vermuthlichO30H46Qu, wurde 1860 von Kromayer nach der bei Absinthiin und Digitalin er- wähnten Methode zuerst rein dargestellt und als gepaarte Zuckerverbindung erkannt. Es ist ein farbloses amorphes, durch Wasseraufnahme kleberig werdendes Pulvervon höchst bitterem Geschmacke, beim Erhitzen beissende, an Senföl erinnernde Dämpfe ausgebend. Wasser und Weingeist, nicht aber Aether lösen das Menyanthin. Die wässerige Lösung trübt sich beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure durch Tröpfchen eines farblosen Oeles Meny- anthol, welches abdestillirt und angenehm nach Bittermandelöl riecht. Neben harzartigen sekundären Produkten bleibt gährungsfähiger Zucker im Rückstande. Dem rohen Menyanthin wird durch Aether ein kratzender Stoff entzogen, ähnlich wie dies bei Digitalin und Gratiolin der Fall ist. Ein sehr gewürzhaftes Fermentöl, welches Bley aus Biberklee in der bei Herba Millefolii angedeuteten Weise gewonnen hat, steht möglicherweise in Beziehung zum Menyanthol. Menyanthes der Alten war vermuthlich nicht unsere gleichnamige nor- dische Pflanze, welche wohl zuerst von den deutschen Botanikern des XYI. Jahrhunderts empfohlen wurde und in der zweiten Hälfte des XVII. Jahr- hunderts in die Pharmakopoen Eingang fand. Conrad Gesner nannte sie Biberklee, Tabernaemontanus Trifolium fibrinum. Zweifelhaft ist die Biverwurz oder Bibirwurz, welche um 1150 von der heiligen Hildegard aufgeführt wurde. Folia Digitalis. Fingerhutblätter. Feuilles de digitale. Grande digitale. Purple foxglove, leaves. Digitalis purpurea L. — Scrophulariaceae. Der Fingerhut wächst in Gebirgswäldern durch den grössten Theil Europas, den Nordosten und den äussersten Süden ausgenommen. Erfindet sich in Centralspanien , in den Pyrenäen, durch ganz Frankreich und Eng- land bis ins nördlichste Schottland, in Ober-Italien, Deutschland, im süd- lichen und westlichen Norwegen bis 62° nördl. Breite noch sehr häufig. Jedoch ist die Verbreitung der Pflanze eine sehr ungleiche. In grosser Menge tritt sie z. B. in den rheinischen Gebirgen, besonders in den Vogesen und dem Schwarzwalde auf, fehlt aber dem benachbarten Jura, der Schweize- rischen Hochebene und den Alpen vollständig. Der schönen Blüthen wegen, welche in endständiger, mehr als fuss- langer Traube nach einer Seite herabhängen, wird die Pflanze auch sehr häufig in Gärten gezogen. Aus der zweijährigen Wurzel erhebt sich auf- recht und bis mannshoch ein kantiger einjähriger Stengel, der bisweilen einige Aeste treibt, da wo er in die Blüthentraube übergeht. Die zahlreichen bodenständigen Blätter verschmälern sich ziemlich rasch 31* 484 Blätter und Kräuter. in den geflügelten, bis 0,1 8m langen kantigen Blattstiel, das Blatt selbst erreicht bei stumpf eiförmigem Umrisse bis 0,25m Länge und 0,1 0m Breite. Die an Grösse rasch abnehmenden, weit aus einander gerückten Stengel- blätter nehmen allmälig scharf zugespitzte Form an und verschmälern sich in den kürzeren Blattstiel, der mit breiter Basis am Stengel sitzt. Zuletzt folgen kleine ungestielte lang zugespitzte Deckblättchen der Blüthen- traube. Die durch ein helles Drüschen gekrönten Sägezähne sind bei den unter- sten Blättern sehr breit und sanft gewölbt, kleiner und etwas eckiger, doch auch nicht eben scharf hervortretend bei den oberen Blättern. Durch starke spitzwinkelige, besonders unterseits sehr ausgeprägte Nerven wird das Blatt etwas uneben und starr und fühlt sich der reichlichen Behaarung wegen rauh an. Auf der unteren Blattfläche, besonders längs der Nerven, stehen dicht gedrängte weiche grauliche Haare, welche aus einer Anzahl band- artig zusammenfallender, kurz gegliederter Zellen bestehen. Die spär- licheren Haare der oberen Blattfläche zeigen weniger Glieder, das äusserste etwas verdünnt stumpflich auslaufend. Trotz der derben dicklichen Be- schaffenheit der Blattfläche lässt sie doch die feinsten Verzweigungen des Adernetzes bei durchfallendem Lichte sehr scharf hervortreten. Die älteren bodenständigen Blätter sind schon weit dünner behaart, in der Kultur wird die Pflanze vollends kahl. Der widerige, etwas narkotische Geruch der Blätter verliert sich beim Trocknen ; sie schmecken ekelhaft scharf und bitter. Ihre gefährliche "Wir- kung äussern sie nur dann in vollem Masse, wenn sie von wild gewachsenen blühenden oder eben aufblühenden Pflanzen stammen. Zur Darstellung des wirksamen Stoffes des Digitalis wurden sehr zahl- reiche Versuche angestellt. Homolle erhielt das Digitalin zuerst (1845) in reinerer Form als amorphe, äusserst bittere Masse oder in undeutlichen Krystallschüppchen und gab schon an, dass es stickstofffrei sei und sich in concentrirter Salzsäure mit smaragdgrüner Farbe löse. Sein Verfahren be- ruht auf der Fällbarkeit des Digitalins durch Gerbsäure, liefert aber bei nur wenig abweichender Ausführung ein verschiedenes Produkt, das nach Walz immer ein Gemenge ist. Aether entzieht demselben namentlich fettartige krystallisirbare (Digitalinfett und Digitaloi'nsäure) und harzartige, sehr scharf brennend schmeckende (Digitalisschärfe) Stoffe , welche alle anfangs von Walz als Digitalacrin oderDigitalicrin zusammengefasst worden waren. Wird nach demselben der in Aether unlösliche Antheil des rohen Digitalins mit Wasser Übergossen, so nimmt es das eigentliche Digitalin (früheres Digitasolin von Walz) auf, das zur Reinigung nochmaliger Behandlung mit Gerbsäure und Bleioxyd bedarf, und lässt Digital et in in krystallinischen Warzen zurück. Dieses letztere scheint, Walz zufolge, identisch zu sein mit Homo 11 e's ursprünglichem (reinem) Digitalin, während Homolle und Quevenne ihr Produkt später für ein Gemenge erklärten aus (le) Digi- talin, (la) Digitalins und Digitalose. Wieder ein anderes Digitalin hat Kos- Folia Digitalis. 485 mann durch kaltes Wasser ausgezogen, welches aber an Aether noch grüne Nadeln einer Fettsäure, Digitole'insäure, abtritt. Wasser nimmt gefärbte Stoffe weg und lässt endlich weisse mikroskopische Schüppchen des reinen Digitalins von Kosmann. Das Digitalin von Walz ist amorph, bei 137° schmelzbar, in Weingeist, Chloroform und heissem Wasser, nicht in Aether löslich ; es zerfällt beim Kochen mit verdünnten Säuren in Zucker und Digitaletin. Längere Ein- wirkung spaltet das letztere weiter in Zucker, Digitaliretin und das durch Mindergehalt von 2 H2 O vom Digitaletin verschiedene Paradigitaletin. Durch Kochen mit fixen Alkalien scheint das Digitalin ohne Zuckerbildung und unter sehr geringer Sauerstoffaufnahme in krystallisirende Digitalin säure übergeführt zu werden. Walz erhielt 0,7 pC, Wittstein bis 1,4 pC. Digitalin aus frischen getrockneten Blättern, 0. Henry 1 pC. Stimmen somit alle Untersuchungen darin überein, dass der höchst giftige Träger der Digitaliswirkung eine sehr bittere indifferente gepaarte Zuckerverbindung ist, so herrscht doch über dieses Digitalin, seine Begleiter und seine Abkömmlinge noch grosse Unklar- heit. Walz gibt seinem Präparate die Formel 028H48O14. Kosmann's Digitalin verliert bei 100° C. 10,5 pC. Wasser und entspricht dann der Formel G27H45-0-15, ist aber so hygroskopisch, dass alles gewöhnliche Digi- talin als das Hydrat mit 4H20 zu betrachten sei. Engelhardt hat 1862 aus Digitalisblättern ein demConiin und Nicotin ähnliches und ebenso riechendes flüchtiges Alkaloid dargestellt und für den eigentlichen wirksamen Bestandtheil der Pflanze erklärt. Als Digitalosmin bezeichnet Walz (1852) Schuppen eines nach Digitalis riechenden, ekelhaft kratzend schmeckenden Stearoptens, das durch Destillation der Blätter mit Wasser in geringer Menge erhalten wird. Hier- bei geht auch die schon (1845) von Pyram Morin bemerkte ölartige An t irr hin säure über, deren unangenehmer betäubender Geruch an die Pflanze selbst erinnert. Vermuthlich ist diese Säure ein Gemenge von ätherischem Oele mit Fettsäuren (hauptsächlich Baldriansäure?). Eigen- thümlich ist vielleicht die von demselben Chemiker dargestellte Digital- säure, welche in sehr leichtlöslichen, stark sauren Nadeln aus dem wässe- rigen Aufgusse der Blätter erhalten wird. Marine hat im Digitaliskraute (1864) auch Inosit nachgewiesen. Es enthält ferner nach Henry Gallussäure. Das Digitalin ist auch in den braunen netzig-grubigen, höchstens gegen 1 Millim. grossen Samen vorhanden, welche reich an fettem Oele sind, und ebenso in den übrigen Digitalis - Arten , z. B. in D. grandiflora Lamarck, D. lutea L., D. parvißora Lamarck (in Italien) verbreitet. Namentlich scheint die südeuropäische D. ferruginea L. sehr stark zu wirken. Da die Blätter der Digitalis purpurea zur Blüthezeit gesammelt werden sollen, so ist eine Verwechselung mit jenen zuerst genannten, in unsern Gegenden häufigen, gelb blühenden Arten nicht leicht denkbar. D. grandi- 486 Blätter und Kräuter. -ßora (Syn. : D. ambigua Murray, D. ochroleuca Jacquin) hat übrigens un- gestielte, höchstens 0,0 6m breite, lang eiförmig zugespitzte Blätter mit weniger ausgeprägtem Adernetze und, wenigstens an den Stengelblättern sehr scharfen Sägezähnen ; die mehr borstliche Behaarung ist weit spär- licher. Aehnlich sind die Blätter der D. lutea. Die vorherrschend ungestielten , meist herablaufenden Blätter der Ver- bascum-Arten sind durch ästige, unter derLoupe deutlich erkennbare Stern- haare dicht filzig, die von SymphytumofficinaleL. durch vereinzelte Borsten sehr rauh, übrigens spröde, ganzrandig und eben so wenig bitter wie die Verbascum- Blätter. Auch die lebhaften grünen Blätter der Inula Conyza DeC. (Conyza squarrosa L.) sind brüchig, durch abstehende Haare rauh, dazu nur wenig oder gar nicht gesägt und frisch etwas aromatisch. Die Digitalisblätter sind erst 1775 durch Withe ring in Birmingham in den Arzneigebrauch eingeführt worden. Leonhard Fuchs, dem die Pflanze (1542) den heutigen Namen verdankt, kannte ihre Wirkung nicht. Herfea Gratiolae. Gnadenkraut. Gottesgnadenkraut. Gratiole. Petite digitale. Hedge hyssop. Gratiola officinalis L. — Scrophulariaceae. Perennirende Sumpfpflanze, durch Europa (mit Ausnahme Englands) bis Südsibirien und in die Dsungarei, auch in Nordamerika einheimisch, doch nur sehr zerstreut und mehr auf die Niederungen beschränkt. Man sammelt das blühende Kraut, befreit von dem kriechenden ästigen, sehr schwammigen, höchstens gegen 5 Millim. starken Wurzelstocke und den unteren, spärlicher beblätterten Stengeltheilen. Das mehr oder weniger niederliegende gegliederte Stämmchen erhebt sich zu einem über fusshohen, meist ganz einfachen blühbaren Stengel und treibt wenige kürzere beblät- terte Aeste. Der gegliederte saftige und markige, nicht knotig aufgetriebene Stengel wird nach oben allmälig gerundet vierkantig und ist mit ziemlich weit aus einander gerückten Blätterpaaren besetzt, die in gekreuzter Stellung auf ein- ander folgen. In der mittleren und oberen Höhe des Stengels, wo die Blätter am vollständigsten entwickelt sind, erreichen sie bis 0,04m Länge und gegen 0,0 15m Breite. Die Internodien des Stengels bleiben kürzer als die Blätter. Die Basis der beiden jeweilen gegenübersitzenden Blätter fliesst zusammen, jede Blatthälfte trägt an ihrem vorderen Rande 3 bis 6 Sägezähne, welche erst bei den oberen Blättern zugeschärft erscheinen, doch immer in ein rundliches Drüschen endigen. Die unteren Blätter sind mehr eiförmig stumpf lieh, die oberen länglich und spitz auslaufend. Gegen die vordere Hälfte des Blattes verlieren sich die beiden äusseren der 5 Längsnerven all- mälig in den Rand, wodurch manche Blätter 3nervig erscheinen. Die Blüthen entstehen einzeln in dem einen Winkel der Blattpaare, so dass sie sich abwechselnd einmal zur rechten, dann zur linken von Glied Herba Gratiolae. 487 zu Glied am Stengel folgen. Die ansehnliche weissliche oder röthliche Blume ragt auf langem schlankem Blüthen stielchen oft über das Stützblatt heraus oder bleibt nicht weit hinter demselben zurück. Der tief und regel- mässig fünfspaltige Kelch ist von 2 linealen längeren Deckblättchen begleitet und bleibt bei der Fruchtreife, während die aus gekrümmter gelblichbräun- licher Röhre fast zweilippig ausgebreitete viertheilige Krone abfällt. Den beiden unteren der 4 der Röhre aufgewachsenen Staubfäden fehlen die Staub- beutel. Der Schlund der feinnervigen Blumenröhre trägt gebüschelte gelbe Haare, im übrigen ist die Pflanze kahl. Die sehr zahlreichen, äusserst kleinen Samen der zweifächerigen, zweiklappig aufspringenden Kapsel glei- chen denen der Digitalis, sind aber mehr länglich. Die Blätter sind ohne Geruch, aber von sehr starkem, rein bitterem Geschmacke; ein sehr anhaltender, scharf kratzender Nachgeschmack macht sich erst nach einiger Zeit bemerklich. E. Marchand hat 1845 einen Bitterstoff, Gratiolin, vermittelst Weingeist aus dem Kraute erhalten, dessen Reindarstellung in farblosen Krystallnadeln nach der bei Digitalin (siehe unter Folia Digitalis) angedeu- teten Methode dann durch Walz ausgeführt wurde. Die umfangreichen Untersuchungen desselben (184 8 — 1858) haben daneben in etwas grösserer Menge einen zweiten Bitterstoff, G r ati o s o lin (anfangs Gratioline genannt !), so wie die Thatsache zu Tage gefördert, dass beide gepaarte Zuckerverbin- dungen (Glykoside) sind. Dem Gratiolin kömmt die Formel O2oH34-0-7 zu; durch Austritt von H2-0 scheint daraus krystallisirendes Gratioletin hervor- zugehen; kochende verdünnte Schwefelsäure zerlegt das Gratiolin in Zucker und harzartiges amorphes Gratioleretin , wobei auch Gratioletin und Harz auftreten. Dem rohen Gratiolin entzieht Aether hauptsächlich Fett (Gratioloin) und Harz, aus welchem (von Walz zuerst als Gratiolacrin bezeichneten) Gemenge sich Krystalle der Fettsäure, Gratioloi'nsäure , gewinnen lassen. Nach der Behandlung mit Aether tritt das rohe Gratiolin an kaltes Wasser das amorphe rothgefärbte Gratiosolin ab, welches schon in Mittelwärme ohne Trübung durch verdünnte Alkalien oder. Säuren in Zucker und Gra- tiosoletin zerfällt. In der Wärme aber spalten die Säuren das letztere noch- mals in Zucker und in das in Aether unlösliche Hydrogratiosoleretin, welches zum Theil H20 abgibt und dadurch in Gratiosoleretin übergeht, das in Aether und Weingeist, nicht in Wasser löslich ist. Unter allen diesen Stoffen, welche wiederholter Untersuchung bedürfen, scheint allein das ekelhaft bittere Gratiosolin eigentlich giftige Eigenschaften zu besitzen. Wird das Gratiolakraut mit Wasser destillirt, so gehen sehr geringe Mengen flüchtiger Fettsäuren (vorzüglich Baldriansäure ?) über, von Walz als Gratiolasäure bezeichnet. Ausserdem enthält die Pflanze auch eisengrünende Gerbsäure und fettes Oel. 488 Blätter und Kräuter. Die rnedicinische Brauchbarkeit der unscheinbaren Gratiola war schon Matthiolus und Dodonaeus im XYI. Jahrhundert nicht entgangen. Die etwas allgemeinere Anwendung begann erst später. Die eigenthümliche Blüthenbildung der Gratiola schliesst eine Verwechs- lung der Pflanze aus; davon abgesehen hat sie grosse Aehnlichkeit mit der an denselben Standorten aber weit häufiger wachsenden Labiate Scutella- ria galer iculata L. Letztere besitzt jedoch deutlich, wenn auch kurz- gestielte am Grunde herzförmige Blätter, welche vorzüglich gegen die Basis seicht gekerbt sind. Die obersten Blätter hingegen sind fast ganzrandig. Folia Stramonii. Herba Daturae. Stechapfelblätter. Feuilles de stramoine. Thorn apple. Der krautige hohle, anfangs einfach angelegte Stengel des Stechapfels (vergl. bei Semen Stramonii) treibt später aus den Winkeln des obersten die Gipfelblüthe stützenden Blattpaares dichotome, etwas ungleich starke, ebenfalls in Gipfelblüthen abschliessende Yerzweigungen J), an welchen die normale Lage der Blätter durch Anwachsungen verändert erscheint. Unter- halb jeder der kurzgestielten Gipfelblüthen nämlich entstehen neben jedem der beiden nach aussen gewendeten Stützblätter zwei gegenständige Seiten- blätter, deren Stiele mit dem der erstem verwachsen. Aus dem Winkel der letztern geht ebenfalls eine kurzgestielte Blüthe hervor. Unterhalb jeder Astgabel findet sich ein einzelnes grosses Blatt. Diese bei sämmtlichen Verzweigungen wiederholten Verhältnisse *) geben der buschig ausgebreite- ten Staude ein eigenthümliches Aussehen. Die weichen sehr leicht welkenden Blätter sind im Umrisse alle spitz- eiförmig, sehr ungleich buchtig gezähnt, die grossen Zähne oder Lappen nochmals mit einem oder zwei Paaren kleinerer Zähne versehen, alle kurz stachelspitzig. Am Grunde gehen die Blätter keilförmig, gerade abgeschnitten oder fast herzförmig und etwas uneben in den bis 0,1 0m langen schlanken Blattstiel über. Die grössten Blätter messen gegen 0,20m in der Länge uud ungefähr 0,10m in der durchschnittlichen Breite, von den Lappen oder Zähnen abgesehen. Obwohl in der Jugend sammt den zarten Stengeltheilen und Blattstielen etwas flaumig, sind die ausgewachsenen Blätter doch völlig kahl, bis auf sehr vereinzelte weiche Haare , welche sich hier und da längs der ziemlich feinen Nerven vorfinden. Die letzteren gehen unter 35° bis 40° oder weniger von der nicht sehr derben Hauptrippe gerade ab. Der sehr widerliche narkotische Geruch der Blätter verliert sich beim Trocknen. Ihr Geschmack ist alsdann unangenehm bitterlich salzig. Die Daturablätter enthalten in sehr geringer Menge dasselbe Alkaloi'd *) erschöpfend dargestellt von Wydler: Botan. Zeitung 1844. 689. — Flora 1851. 403. Folia Hyoscyami. 489 wie Semen Stranionii und sind reich an Salpeter. Bei 100° getrocknete ausgesuchte Blätter gaben mir 17,4 pC. Asche. Datlira Tatula L., ungefähr in denselben Gegenden, aber weit seltener vorkommend als D. Stramonium, unterscheidet sich trotz der grössten Aehulichkeit von letzterer durch bläuliche bis violette Färbung der Stengel und Blattstiele und blaue Blume. Tatula ist auch im allgemeinen kräftiger, besonders in Venezuela, von wo oder aus Mexico sie stammt. Ihre Blätter sind länger, tiefer buchtig und noch spitzer als die der D. Stramonium, aber im einzelnen nicht davon zu unterscheiden. Vermuthlich stimmen sie auch in chemischer Beziehung überein. Die gewöhnlich herzförmigen Blätter von Chenopodium hybridum L. sind ungefähr gleich gestaltet wie die von D. Stramonium und können auch dieselbe Grösse erreichen. Die Stengelblätter bleiben jedoch kleiner, tragen nur 2 oder 3 grosse Sägezähne an jeder Seite und sind in eine lange spiess- förmige Spitze ausgezogen, während dem Ende der Daturablätter eine breite kurze Spitze aufgesetzt ist. Folia Hyoscyami. Herba Hyoscyami. Bilsenkraut. Feuilles de jusquiame. Henbane leaves. Das Bilsenkraut (siehe bei Semen Hyoscyami) gelangt meist erst im zweiten Jahre zur Blüthe , bei frühzeitiger Aussaat oft aber auch schon im Spätsommer des ersten Jahres. Die letztere nur einjährige Form (Hyoscya- mus agrestis Kitaibel), mehr mageren Stellen angehörend, treibt einen ein- fachen, die gewöhnlichere zweijährige Pflanze hingegen einen etwas ästigen über fusshohen Stengel. In beiden Fällen ist derselbe ziemlich reich besetzt mit zerstreuten weichen spitz eiförmigen Blättern, welche zu oberst als an- sehnliche Stützblätter der einseitigen Blüthenähre halb stengelumfassend sitzen und an beiden Rändern mit ein paar grossen Zähnen versehen sind. In der mittlem Höhe des Stengels tragen die Blätter deren etwa 4 auf jeder Seite und der Endlappen ist bald mehr bald weniger spitz ausgezogen. Die grössten Stengelblätter erreichen etwa 0,20m Länge bei einer mittlem Breite von ungefähr 0,1 0m, wenn von den Zähnen abgesehen wird. Nur die untersten Blätter, so wie die der nicht blühenden Triebe sind allmälig von breit eiförmigem Umrisse in den bis 0,05m langen Blattstiel verschmä- lert und mehr seicht und grob gezahnt. Stengel, Blätter und Kelch des Bilsenkrautes sind von sehr langen weichen und breit bandartigen Glieder- haaren zottig. Das letzte lang zugespitzte Stück vieler Haare läuft in eine mit schmierigem Inhalte versehene Drüse aus , so dass die frische Pflanze sich sehr kleberig anfühlt. In der Kultur nimmt die Behaarung ab und die Blätter werden noch bedeutend umfangreicher. Nach dem Trock- nen tritt die breite helle Mittelrippe, welche unter etwa 50° bis 60° gerade Nerven aussendet, stark hervor, während das Blatt übrigens sehr ein- schrumpft und eine graugrünliche Missfarbe annimmt. 490 Blätter und Kräuter. Der stark narkotische Geruch der frischen Blätter ist nach dem Trock- nen weniger mehr bemerklich, der Geschmack salzig, sehr schwach bitter- lich und kaum etwas scharf. Ausser dem Hyoscyamin (siehe bei Semen Hyoscyami) sind vom Bilsen- kraute keine besonderen Bestandtheile bekannt. Es scheint reich an Salzen zu sein. Häufig ist das käufliche Bilsenkraut begleitet von der unregelmässig, fast zweilippig fünftheiligen Blume, deren zierlich violette Adern auf gelbem Grunde sie auch nach dem Trocknen noch sehr auszeichnen. Eben so charakteristisch sieht die bei Semen Hyoscyami erwähnte Kapselfrucht aus. Durch blassere rein gelbliche und nicht geäderte Blüthen unterscheidet sich die übrigens gleich beschaffene Spielart H. pallidus (H. niger ß. palli- dus Koch) der einjährigen Form. In Südeuropa dient auch Hyoscyamus albus L. , dessen sehr zottige mehr rundliche oder herzförmige reicher gezahnte Blätter langgestielt sind. Die fleischige möhrenartige Wurzel des H. niger riecht sehr stark nar- kotisch und wirkt, wie Schroff gezeigt hat, besonders im zweiten Jahre giftig, doch weniger als das Kraut. Die saftige nicht verholzte Wurzel des ersten Jahres wirkt noch schwächer, hat aber doch schon bei Verwechslung mit geniessbaren etwas ähnlichen Wurzeln Vergiftungen veranlasst. Folia Belladonnae. Tollkraut. Tollkirschblätter. Feuilles de belladone. Belladonna leaves. Die Tollkirsche (siehe bei Radix Belladonnae) treibt starke mannshohe krautige Stengel , die sich nach oben meist in 3 wiederholt gabelige Aeste theilen und eine reichliche wickeiförmige Verzweigung1) ausbilden. Die Eigenthümlichkeit derselben spricht sich auch in der Vertheilung und Grösse der Blätter aus. Die untern nämlich, bis ungefähr 0,20m lang und 0,1 0m breit, spitz eiförmig und keilförmig in den bis 0,0Sm langen, etwas schlaffen Stiel aus- laufend, finden sich zerstreut unterhalb der Haupttheilung des Stengels. An den Aesten hingegen stehen immer zwei Blätter von ungleicher Grösse so neben einander, dass die sämmtlichen kleineren Blätter sich nach innen der Hauptaxe zuwenden , während die mehr als doppelt so grossen äussern Blätter aller Paare mehr aufgerichtet und nach aussen gekehrt sind. Die Grundgestalt der Blätter bleibt immer dieselbe, nur sind die kleineren ver- hältnissmässig viel breiter, auch kürzer zugespitzt. Aus dem geringen Zwischenräume der gepaarten Blätter brechen die kurzen einblumigen Blüthenstielchen hervor. Alle Blätter sind ganzrandig, von einer breiten Rippe durchzogen, von welcher unter ungefähr 40° ziemlich gerade Nerven *) sehr gründlich erörtert voivWy d 1 er: Flora 1851 uud 1859, und Mitteilungen der Naturf. Gesellschaft ia Bern 1861. Folia Nicotianae. 491 abgehen. Die zarteren Stücke des Stengels sind flaumig, die jüngeren Blätter am Grunde und unterseits längs der Nerven mit langen weichen bandförmig gegliederten Haaren spärlich gewiinpert. Die ausgewachsenen Blätter aber tragen höchstens noch an den Nerven der blassgrünen Rück- seite vereinzelte Flaumhaare. Wo dieselben am reichlichsten erscheinen, sind sie von einer kugeligen Drüse mit gelbbraunem schmierigem Inhalte gekrönt. Beide Blattflächen, etwas spärlicher die dunkelgrüne obere, sind mit sehr zahlreichen weissen Pünktchen besetzt, welche ausser höchst feiner Streifung eine besondere Organisation nicht darbieten und sich auch beim Einäschern nicht etwa als Sitz von Kieselsäure erweisen. Häufig kommen auch von einem Korkrande umschriebene Stellen vor, wo das Blattparen- chym allen Inhalt verliert, durchsichtig wird und endlich ganz schwindet, so dass grössere oder kleinere Löcher zurückbleiben. Trocken sind die Blätter papierdünn und brüchig; sie nehmen leicht oberseits eine bräunliche, unterseits eine grauliche Färbung an. Ihr schwach narkotischer Geruch verliert sich beim Trocknen, der Geschmack ist wider- lich, aber schwach bitterlich; sie müssen zur Blüthezeit gesammelt werden, um ihre volle "Wirksamkeit zu besitzen, wie Schroff (1852) dargethan hat. Ausser dem bei Radix Belladonnae erwähnten Atropin, welches die Blätter in nur sehr geringer Menge enthalten, und allgemeiner verbreiteten Stoffen findet sich im Tollkraute auch Asparagin (vergl. unter Radix Al- thaeae), welches bei längerer Aufbewahrung des Extractes nach Biltz reichlich auskrystallisirt. Durch Dialyse erhielt Attfield aus den Blättern Kali- Salpeter, Ammoniaksalze und vermuthlich auch äpfelsaure Magnesia, so wie Traubenzucker. Ausgesuchte Blätter bei 100° getrocknet, gaben mir 14,5 pC. Asche, welche bei weitem vorherrschend aus Kalk- und Alkali-Carbonat bestand. F. Scharf oder widrig salzig bitterlich schmeckende Kräuter und Blätter. Folia Mcotianae. Folia Tabaci. Herba Nicotianae virginianae. Virginische Tabaksblätter. Tabac. Tobacco leaves. Mcotiäiia Tabäcum L. (Metzger). — Solaneae. Die Nicotiana- Arten sind grossblätterige meist drüsig- behaarte Kräuter oder Halbsträucher. Die allgemein angebauten bei uns einjährigen Arten stammen aus Amerika, die obige namentlich aus dessen südlichen Tropen- Unter den verschiedenen zur Herstellung des Rauch- und Schnupftabaks kultivirten Arten ist die oben genannte bei weitem die häufigste und wird für die arzneiliche Verwendung von den Pharmacopöen meistens ausschliess- lich gewählt. Ihre einfachen zu oberst rispig- ästigen bis mannshohen 492 Blätter und Kräuter. Stengel tragen lang zugespizte ganzrandige Blätter. Die bodenständigen, etwas breiter lanzettlichen, bis 0,60™ lang und 0,1 5m breit, versclirnä- lern sich in den kurzen Stiel. Derselbe fehlt den stengelständigen am Grunde halb umfassenden und her ablaufen den Blättern oder ist bei man- chen aus der Kultur hervorgegangenen Spielarten kurz entwickelt, bald mehr bald weniger geflügelt und umfasst oft mit ohrförmigen Anhängseln den Stengel. Der Umriss der Blätter ist breit elliptisch, oder, zumal nach oben, mehr schmal lanzettlich. Die kleinen Deckblättchen der schön röth- lichen Blüthenrispe bleiben schmal lanzettlich oder lineal. — Die Kultur erzeugt übrigens auch sogar herzförmig-eirunde, bald glatte, bald am Rande mehr oder weniger unebene bis fast krause Blattformen. Alle krautigen Theile der Pflanze sind mit langen weichen aus breit bandartigen fein gestreiften Zellen zusammengesetzten Haaren versehen. Die letzten Glieder derselben, zu äusserst drüsenartig aufgetrieben, schwitzen einen gelblichen schmierigen Stoff aus , der an der irischen Pflanze sehr kleberig ist. Ungestielte Drüschen finden sich auch da und dort auf der feinkörnigen oder etwas schülferigen Fläche des nach dem Trocknen papier- dünnen spröden Blattes. Die Seitennerven gehen in gerader Linie unter einem Winkel von 40° bis 75° von der starken Mittelrippe ab, erst in der Nähe des Blattrandes nach oben eine sanfte Curve beschreibend. Beim Trocknen nehmen die Blätter dieser Art unvermeidlich eine braune Färbung an; selbst bei der sorgfältigsten Behandlung eines einzelnen Blattes gelingt es nicht, die grüne Farbe zu erhalten. Der Geruch der Blätter ist narkotisch, ihr Geschmack widrig und scharf bitter. Die Tabaksblätter sind auffallend reich an unorganischen Bestandteilen, deren Menge zwischen 16 und 27 pC. schwankt. Trocken enthalten sie nach Boussingault, vom Kalke abgesehen, etwa 1 pC. Phosphorsäure, 3 pC. Kali neben (2,5 Ruchte bis) 4,5 pC. Stickstoff, so dass offenbar zum Gedeihen des Tabaks ein reicher Boden oder nachhaltige Düngung er- forderlich ist. Der Kalk, % bis Va der ganzen Aschenmenge betragend, ist in den Blättern vorzugsweise an organische Säuren, besonders an Aepfelsäure (etwa 3 pC.) und wohl auch an Citronsäure gebunden, die Magnesia (oft 7 bis 15 pC. der Asche, oft bedeutend weniger) vielleicht vorherrschend an Phosphorsäure. Der Kaligehalt schwankt sehr stark und kann bis gegen 30 pC. der Asche steigen. Das Kalium ist mit Schwefelsäure, Chlor oder auch mit organischen Säuren verbunden. Die leichte Einäscherung der Blätter, d. h. also die richtige Brennbarkeit des Rauchtabaks, ist nach Schlösing abhängig von der Gegenwart organischer Kalisalze, welche daher nötigenfalls auch noch bei der Beize, z. B. in Gestalt von Weinstein, den Blättern beigefügt werden können. Schlecht brennender Tabak liefert eine an Kalisulfat und Chlor- Folia Nicotianae. 493 kalium1) reiche, aber von Kali-Carbonat freie Asche. Nicht minder wich- tig für das Verhalten des brennenden oder glimmenden Tabaks ist aber auch die Salpetersäure, welche sich oft auf 2 pC. in dem von der Haupt- rippe befreiten Blatte, in der letztern sogar auf 6 pC. belaufen kann. Sie ist ebenfalls an Kali gebunden. Schwarzenbach fand in frischen Blättern so gut wie keinen Salpeter, sehr viel aber in den getrockneten, und schliesst daraus, dass die Salpeter- säure sich erst während des Trocknens bildet. Der Kieselsäuregehalt der Asche schwankt von 4,5 bis 19 pC. Natron, Thonerde und Eisenoxyd pflegen in geringer Menge vorzukommen. Der wirksame Stoff des Tabaks ist das (1828) zuerst von Posselt und \05 H7 Reimann isolirte Nicotin, N2n5Ti7 > em bei — 10° noch flüssiges, unter 200° destillirbares, aber erst gegen 250° nicht ohne Zersetzung siedendes Alkaloid von etwa 1,03 spec. Gewichte. Das Nicotin ist eine tertiäre Diaminbase von stark alkalischer Reaktion, die Polarisationsebene des Lichtes nach links drehend. Dem Tabake lässt es sich als äpfelsaures Nicotin leicht durch Weingeist, noch besser durch Wasser, nicht aber durch Aether vollständig entziehen. Alkalien, ihre Car bonate und Bicarbonate, auch Ammoniak und sogar kohlensaurer Kalk ver- mögen das Nicotin auszutreiben. An der Luft zieht es sehr begierig Wasser an und löst sich auch leicht in demselben, so wie in Weingeist, Aether und in Oelen. Längere Zeit der Luft ausgesetzt verharzt es. Das in Gaben von wenigen Centigrammen schon sehr gefährliche Nicotin ist im höchsten Grade der Träger des scharfen ätzenden Geschmackes und Geruches, so wie der giftigen Wirkungen des Tabaks. Der Gehalt an Nicotin unterliegt bedeutenden Schwankungen. Schlö- sing bestimmte denselben in entrippten Blättern zu 3 bis 6, ja sogar über 8 pC., andere Chemiker fanden immer viel weniger, z. B. Witt stein (1862) in bester lufttrockener Waare aus der Pfalz 1,5 bis 2,6 pC., F. F. Mayer in Blättern aus der Gegend von New -York (1864) 1,36 pC. Der letztere zeigte auch aufs neue, dass das Nicotin schon in der ganzen frischen Pflanze verbreitet ist, sogar in den Samen z. B. zu 0,45 pC.2). Mayer zufolge ist dagegen die lebende Pflanze frei von Ammoniak und Trimethylamin, während trockene oder gar gegohrene zum Rauchen, Kauen oder Schnupfen hergerichtete Blätter oft mehr Ammoniak als Nicotin zeigen. Guter Rauchtabak enthält nach Schlösing 2 bis 4 pC. Nicotin. Husemann3), der Schlösing's Zahlen, wohl nicht mit Unrecht, zu hoch *) in 300 Liter (unter Zusatz von Wasser gepressten) Saftes frischer Blätter von Nico- tiana rustica fand Lies-Bodart im Elsass als bei weitem vorwaltenden Bestandtheil 389 Gramm Chlorkalium auf 956 Gr. fester Stoffe. 2) B ran dl fand in denselben gegen 42 pC. fettes Oel, aber (in etwa 140 Gramm Samen) keine Spur Nicotin. — Wittstein's Vierteljahrsschrift XIII. 169 (1864). 3) Handb. d. Toxikologie. 479. 484. 494 Blätter und Kräuter. oder wenigstens nicht allgemein gültig findet, zeigt, dass nach denselben eine Cigarre schon die Dosis toxica an Nicotin enthalten müsste.1) Geringere Tabakssorten pflegen reicher an Nicotin zu sein; doch ist überhaupt dessen Menge auch von der Zubereitung (Beize) abhängig, welcher der Tabak unterworfen wird und wobei ein Verlust an Alkaloid unver- meidlich ist, z. Th. sogar indirekt angestrebt wird, um dessen Menge auf das richtige Mass herabzusetzen. Das Nicotin findet sich alsdann auch, wenigstens im Schnupftabak , als Essigsäuresalz vor und kann nun durch Aether aufgelöst werden. Bei der unvollständigen Verbrennung, welche der Tabak beim Rauchen erleidet, gesellen sich dem Nicotin noch andere flüchtige Basen, so wie Blausäure, Schwefelwasserstoff, flüchtige Säuren, Kohlenoxyd u. s. w. bei. Im unveränderten Kraute ist ein zweites Alkaloid nicht aufzufinden; das Nicotin ist auf die Tabaksarten beschränkt, tritt jedoch bei der Spaltung des Solanins auf (Kletzinsky). Frische oder trockene Tabaksblätter geben mit Wasser ein trübes Destil- lat, auf welchem sich, wie schon Hermbstädt (1823) bemerkte, nach einigen Tagen Krystalle von Nicotianin (Tabakscampher) bilden. Sie betragen nur ein oder wenige Zehntausendstel des Krautes und theilen einigermassen dessen Geruch und Geschmack. Nach Barral enthält das Nicotianin 7,12 pC. Stickstoff, nach anderen wäre es vielmehr nur ein durch Nicotin verunreinigtes Stearopten — möglicherweise der Inhalt der Oeldrüsen, welcher die frische Pflanze kleberig macht. Beim Zusammen- bringen trockenenNicotins mit Chromsäure-Krystallen bemerkte Kletzinsky den Geruch des Nicotianins. Von allgemein verbreiteten Stoffen enthalten die Tabaksblätter noch Eiweiss, Harz, Gummi. Beim Rauchen würden diese, so wie die Cellulose der starken Blattrippen dem Geschmacke der Consumenten nicht zusagende Verbrennungsprodukte (Horngeruch , Kreosot) liefern. Die Industrie besei tigt daher die Rippen und bezweckt auch durch die weitere Zubereitung überhaupt die theilweise Zerstörung jener unwillkommenen Stoffe neben der Bildung nicht näher gekannter Gährungsprodukte (Fermentöle), welche zum Aroma des Tabaks beitragen mögen, namentlich, wenn der Beize noch zuckerhaltige Stoffe oder Weingeist zugesetzt werden. Die Spanier trafen 1492 schon die Sitte des Rauchens und trugen sehr bald zu ihrer Verbreitung zunächst über ganz Mittelamerika bei. Auch das Schnupfen und Kauen des Tabaks scheint den dortigen Eingebornen bereits bekannt gewesen zu sein. Auf Haiti fand sich der Name Tabaco für Cigarre oder Pfeife vor. Fra Romano Pane, ein Reisegefährte Colons, schickte 1518 Tabaks- samen an Karl V. *) vergl. auch Jolly, otudes hygir'niques et mcdicales sur lc tabac. Paris 1865. Folia Nicotianae. 495 Im Oriente scheinen die Chinesen seit undenklichen Zeiten Nicotiana chinensis Fischer zu Cigarren zu verwenden. Die erste genauere Beschreibung einer Tabaks -Pflanze gab 1525 Gon- zalo Hernandez deOviedo yValdes, Statthalter von St. Domingo; er verglich sie mit Bilsenkraut. Sie gelangte jedoch erst um die Mitte des Jahrhunderts nach Europa, zuerst als Arzneikraut nach Lissabon, von wo der französische Gesandte Jean Nicot die Samen (zwischen 1559 u. 1561) nach Frankreich sandte. Kurze Zeit nachher erhielt auch Conrad Gesner (f 1565) indirekt von Occo in Augsburg das Kraut und erkannte es durch Vergleichung mit einer Abbildung, welche ihm Aretius in Bern nach von letzterem selbst aus Samen gezogenen Pflanzen entworfen hatte. Gesner machte in Deutschland zuerst auf den Tabak und seine medicinischen Eigen- schaften aufmerksam.1) 1563 hatte auch Dodonaeus eine Abbildung und Beschreibung der Pflanze veröffentlicht. Gegen Ende des Jahrhunderts kannte man in Spanien, Portugal, bald auch in England und Holland, 1605 auch bereits in Konstantinopel, Aegypten und Indien allgemeiner das Rauchen , dessen ausserordentlich rascher Ver- breitung geistliche und weltliche Mächte vergebens entgegentraten.2) In Deutschland waren die Heere des dreissigjährigen Krieges die Hauptförderer des Rauchens. 1615 wurde in Holland, wenig später in England, um 1660 auch in der Rheinpfalz, in Ungarn, in der Mark Brandenburg der Anbau des Tabaks im grossen begonnen, der jetzt in den meisten Ländern zwischen dem 15ten und 35ten bis 50ten Breitengrade betrieben wird. Selbst im südlichen Skandinavien gedeiht noch Tabak. — Heutzutage erzeugt die ganze Erde gegen 9, Europa allein nach von Reden (1854) 3 Millionen Centner Tabak und verbraucht dazu noch fernere 2 Mill. Centner. England allein führt hauptsächlich aus Virginien über V2 Mill. ein. Nordamerika baut un gefähr 2 Mill. Ctr. und Frankreichs Staatsmanufakturen setzen jährlich für 180 Millionen Francs Tabak ab. Den Botanikern des XVI. Jahrhunderts war zuerst nicht Nicotiana Taba- cum, sondern die mehr in Mexico und dem nördlichen Theile Mittelamerikas einheimische Nicotiana rustica L. unter der Bezeichnung peruanisches oder gelbes Bilsenkraut bekannt.3) Sie unterscheidet sich auffallend durch die grüngelben Blüthen und die gestielten eiförmigen oder rundlichen bis schwach herzförmigen Blätter, welche bei etwa 0,20m Länge oder mehr leicht über 0, 1 5m Breite zeigen. Trotz ihrer derberen Beschaffenheit trocknen sie leichter und bei einiger Sorgfalt mit Beibehaltung der grünen Farbe. Ihre mehr x) später auch Ziegler: „Von dem gar heilsamen Wundkraute Nicotiana." Zürich 1616. 2) in kenntnissreicher und launiger Weise ausführlich geschildert in Cooke, The seveu sisters of sleep. London 1863. pg. 19—113. 3) Doch erwähnte z. B. der Apotheker Renward Cysat in Luzern 1613 ausdrücklich die rothblühende Nicotiana und scheint sie wohl schon um 1581 gekannt zu haben. Clusius hatte schon 1 574 als Petum latifolium die N. Tabacum beschrieben. 496 Blätter und Kräuter. bogenförmig aufstrebenden Nerven sind in Winkeln von 50 — 80° zur Mittel- rippe geneigt. Diese gleichfalls in mehreren Formen gezogene Art scheint im allgemeinen schärfer zu sein als N. Tabacum und darf daher nicht statt der letzteren verwendet werden, ist übrigens weit weniger angebaut. Von N. Tabacum ist der Maryland -Tabak, A7. macrophylla Metzger, hauptsächlich durch die weniger ausgebreitete ebensträussige Rispe und die breiteren , kurz oder gar nicht gestielten Blätter verschieden , deren Nerven ziemlich rechtwinkelig auf der Mittelrippe stehen. Die Art oder Spielart gehört mit zu der ursprünglichen Linne'schen N. Tabacum, von der sie auch wohl chemisch nicht abweicht. Die Geschichte des Tabaks ist in sehr eingehender und erschöpfender Weise von Friedrich Tiedemann1) dargestellt worden. Herba Lobeliae. Lobeliakraut. Lobelie enflee. Indian tobacco. Lobelia2) inflata L. — Lobeliaceae. Einjähriges bis 2 Fuss hohes Kraut mit kantigem aufrechtem einfachem oder häufiger oben ästigem Stengel, welches durch den östlichen Theil Nordamerikas von Canada bis in das Missisippi- Gebiet sehr verbreitet ist und in unsern Gärten gut fortkömmt. Die zerstreuten, kaum gestielten oder sitzenden eiförmigen, wenig zuge- spitzten Blätter erreichen 0,060m Länge und 0,055m Breite. Die sanften, wenig tief gekerbten oder welligen Ausschnitte des Blattrandes tragen kleine weissliche Drüsen, dazwischen vereinzelte Börstchen , welche häufiger auf der Unterfläche des Blattes , seltener auf der entgegengesetzten Seite vor- kommen, in grösster Zahl aber den unteren und mittleren Theil des Sten- gels zu bekleiden pflegen. Das spitzwinkelige Adernetz tritt auf den zarten Blättern hauptsächlich an der unteren Fläche deutlich hervor. Der unten röthliche, oben grünliche Stengel lässt bei der Verwundung etwas scharfen Milchsaft austreten. Die unansehnlichen Blüthen bilden entweder eine einfache reichblüthige endständige Traube oder , wo der Stengel verästet ist , eine rispenartig zu- sammengesetzte Traube. Die einzelnen Zweiglein der letzteren überragen ihr Stützblatt und sind nur gegen ihre Spitze mit nicht sehr zahlreichen Blüthen besetzt. Jede derselben wird von einem kleinen spitzen und krausen Deckblättchen begleitet , welches (trocken) fast die doppelte Länge des nur 3 Millim. erreichenden dünnen Blüthenstielchens besitzt. Die spitz eiförmige oder kugelige bis 0,005m dicke gerippte Frucht ist !) Gesch. d. Tabaks und anderer ähnlichen Genussmittel (Hanf, Opium, Betel, Guru, Coca). Frankfurt 1854, S. 1—399. 2) Obel oder de l'Obel (1538 — 1616) aus Flandern, Arzt, dann Botaniker in Hackney bei London. Herba Conii. 497 von dem 5 theiligeu Kelche gekrönt , dessen sehr verlängerte , zuletzt haar- förmige Zipfel fast halb so lang sind wie die reife Fracht. Die ungleich 5 spaltige zweilippige Krone ist von zart bläulicher Farbe mit gelbem Fleck auf der Unterlippe, ihre Röhre von der Länge der etwas abstehenden Kelchzipfel. Die dünnwandige bauchige, halb unterständige und kahle Kapselfrucht trägt in ihren zwei oder drei, am Scheitel mit 2 kurzen Klappen aufsprin- genden Fächern sehr zahlreiche braune eiförmige, höchstens 1/j Millim. lange Samen von netzig - grubiger , ziemlich eigenthümlicher Oberfläche, deren Zeichnung aber schon der Yergrösserung bedarf. Das ganze wild wachsende oder auch cultivirte Kraut wird während oder gleich nach der Blüthezeit gesammelt und vorzüglich von der Firma Tilden & Comp, in New-Lebanon, Staat New- York, in viereckig geschnit- tenen, stark gepressten Paketen von verschiedener Grösse in den Handel gebracht. Es schmeckt sehr unangenehm scharf und kratzend, namentlich sind die öligen Samen von sehr gefährlicher Schärfe. Der an Tabak erinnernde Geschmack hat der Pflanze im Yaterlande den Namen Indian tobacco ver- schafft. Keiner ihrer Bestandteile ist genauer bekannt. Das Lobelin scheint nach Procter (1842) und Bastick (1851) ohne Zweifel ein flüch- tiges, dickflüssiges Alkaloid von giftigen Eigenschaften zu sein, das krystal- lisirende Salze liefert und in der Pflanze an die ihr eigenthümliche krystalli- sirbare Lobeliasäure gebunden ist. Das von Reinsch (1843) beschrie- bene Lobeliin war vielleicht dieselbe Base, nur weniger rein. Noch mangelhafter charakterisirt ist Per eira's Lobe lianin. Das Kraut enthält auch eine Spur ätherischen Oeles, Harz und Gummi, die Samen nach Procter 30 pC. fetten, äusserst rasch trocknenden Oeles. Den Eingeborenen Amerikas längst bekannt, wurde die Lobelia zu Anfang unseres Jahrhunderts auch von den dortigen Aerzten und seit 1829 in England zur Anwendung gezogen. Herba Conii. Herba Cicutae. Schierling. Feuilles de grande cigue. Hemlock leaves. Conium maculatum (siehe bei Fructus Conii) treibt im ersten Jahre nur einen wurzelständigen Blattbüschel, welchem im zweiten Jahre der ein- jährige, mehr als Mannshöhe erreichende, nicht sehr starke Stengel folgt. Derselbe ist unterhalb in zerstreute, oben in gegenständige oder wirtelige, sämmtlich gabelförmige Aeste getheilt, welche im ganzen eine sehr ansehn- liche Doldentraube darstellen und sowohl an ihren Spitzen als in den Gabeln doppelt zusammengesetzte Dolden tragen. Die grössten der bodenständigen Fiederblätter, über 0,20m lang und eben so breit, sind von unregelmässigem, breit eiförmigem Umrisse , von einem oft gleich langen röhrigen Stiele getragen , welcher am Grunde den Flückiger, Pharmakognosie. . *»_« 498 Blätter und Kräuter. Stengel mit einer häutigen Scheide umfasst. Nach oben nehmen die Blätter allmälig sehr an Umfang ab, sind kürzer gestielt, weniger reich gefiedert, spitziger und zu 2 oder 3 — 5 gegenüber gestellt. Die randhäutigen, leicht abfallenden Hüllblättchen der Dolde sind einfach spitz - lanzettlich und nur ungefähr 8 Millim. lang. Wenig kürzer, aber auswärts einseitig erscheinen die breiteren und am Grunde verwachsenen Hüllchen der Dolden zweiter Ordnung. Die grösseren Blätter sind dreifach gefiedert, die Abschnitte erster Ord- nung 4- bis 8 paarig, gestielt und den allgemeinen Umriss des ganzen Blattes wiederholend, das unterste Fiederpaar oft etwas entfernt. In gleicher Weise sind diese Blattabschuitte wieder 5 paarig gefiedert und schliessen in einem grob und tief gesägten oder gefiederten Endstücke ab, das den Fiedern dritter Ordnung gleich sieht. Dieselben sind nämlich wenig regelmässig, aus 4 oder 5 Paaren breit eiförmiger, länglicher oder mitunter fast etwas sichelförmiger Zipfel gebildet, welche am Grunde zusammen- fliessen und vorn ein paar breite Sägezähne tragen. Die letzten Theilungen des Blattes zeigen sich viel mehr länglich abgerundet als pyramidal zuge- spitzt, jedoch ist der Blattrand jedes einzelnen Zipfelchens oder Sägezahnes zu äusserst in ein sehr kurzes trockenhäutiges Spitzchen ausgezogen. Der hohle walzenrunde oder etwas gerillte, nicht stark kantige Stengel ist bläulich bereift, nach unten meist braunroth gefleckt; die Blätter glanz- los, oberseits dunkelgrün. Der ganzen Pflanze fehlt eine Behaarung voll- ständig. Bei nicht sorgfältiger Aufbewahrung verlieren die Blätter leicht ihre dunkelgrüne Farbe und werden feucht. Sie riechen auch trocken narkotisch, zumal wenn sie mit Kalilauge getränkt werden , und schmecken widerlich salzig, etwas bitterlich und scharf. Das Kraut zeigt sich zur Blüthezeit am wirksamsten. Es enthält, wiewohl in geringer Quantität, dieselben Alkaloi'de wie die Früchte, namentlich auch zur Blüthezeit des Conydrin. Geiger erhielt aus frischem Kraute noch nicht 1 Zehn tausendstel Coniin (vergl. bei Fructus Conii). Südliche Standorte scheinen jedoch die Bildung des Alkaloides sehr zu begünstigen. Den Gesammtgehalt an Stickstoff bestimmte Wrightson in getrock- neten Blättern zu 6,8 pC., die Asche zu 12,8 pC. In letzterer sind haupt- sächlich Kali-, Natron- und Kalksalze, besonders Chlornatrium und Kalk- Phosphat vorwaltend. In der bei Herba Millefolii beschriebenen Weise lässt sich auch aus Conium ein Fermentöl gewinnen. Die Blätter der Cicuta virosa L. können unmöglich mit denen des Conium verwechselt1) werden. Aehnlicher sehen denselben die der A et husa !) Cicuta der Römer war unser Conium. Cicuta virosa wächst nicht im Süden, namentlich gar nicht in Griechenland. Die Namensverwechslung schlich sich im Mittelalter ein, wo sich dann nicht mehr entscheiden lässt, was z. B. im XIII. Jahrhundert unter „Schärlinch, das ist Zicnta", gemeint war. Folia Aconiti. 499 Gynapium. Doch sind die letzteren in ihren äussersten Abschnitten spitz lanzettförmig und lebhaft glänzend, der Blattstiel nicht hohl. Der Dolde fehlen die Hüllblättchen , während die Döldchen von drei solchen gestützt sind, welche herabhängen, aber an Länge den Strahlen ihres Döldchens wenigstens gleich kommen oder dieselben übertreffen. Noch grössere Aehn- lichkeitmitConium zeigen besonders die unteren Blätter von Ghaerophyllum bulboswn L., welche Doldenpflanze sich aber im ganzen durch spitzigere Blattumrisse unterscheidet und vorzüglich an den bis 2 Millim. langen Börstchen kenntlich ist, welche sehr zerstreut auf den Blättern und Stengeln vorkommen. Ghaerophyllum temulum besitzt breite, fast gelappte Fieder- chen, Gh.aureum sehr lang zugespitzte; beide Pflanzen sind überdies auch etwas behaart oder doch gewimpert. Von allen genannten Umbelliferen weicht übrigens Conium auf das be- stimmteste durch die Gestalt der Frucht ab , deren Eigenthümlichkeit sich schon lange vor der Reife hinlänglich ausprägt. Ferner entwickelt nur Conium bei Befeuchtung mit Kalilauge die widrig riechenden und alkalisch reagirenden Dämpfe des Coniins. Folia Aconiti. Herba Aconiti. Eisenhutkraut. Sturmhutkraut. Feuilles d'aconit. Aconite leaves. Die mehr als mannshohen, starr aufrechten Stengel des Aconitum Napellus, der am allgemeinsten verbreiteten unter den hier in Betracht kom- menden Arten (vergl. bei Tuber Aconiti), sind mit zerstreuten langgestielten Blättern reichlich besetzt. Der Gesammtumriss der bis auf den Grund schmal keilförmig zer- schlitzten und flach ausgebreiteten Blätter ist wenig regelmässig, breit eiförmig bis fast herzförmig, in der Quere bisweilen gegen 0,20™ messend. Der schlanke rinnige, zu unterst am Stengel gegen 0,1 0m erreichende, an den oberen Blättern allmälig an Länge bedeutend abnehmende Blattstiel setzt sich in gerader Richtung in den mittleren, gewöhnlich am weitesten hervorragenden Blattabschnitt fort. Derselbe wird nach vorn sehr allmälig etwas breiter, theilt sich in 5 — 6 am Grunde zusammenfliessende Lappen, deren jeder mehr nach vorn wieder in drei oder mehr schmal lineale gerade oder sichelartig gebogene und meist nicht gegenständige Zipfel zerfällt. Diese letzteren sind schliesslich auch noch oft mit ein paar langen schmalen und spitzigen Zähnen versehen. Aus der Ansatzstelle des mittleren Blattabschnittes erster Ordnung geht zur linken und zur rechten je ein ähnlicher und nicht minder tief getheilter und gerippter Abschnitt hervor, dessen einzelne Lappen aber meist bis auf den Grund getrennt zu sein pflegen. Ist dies nicht vollständig der Fall, so stellt sich das ganze Blatt als dreitheilig, sonst aber als siebentheilig dar. Die obersten Stengelblätter sind einfacher und gehen nach und nach in 32* 500 Blätter und Kräuter. Deckblätter der schönen Blüthentraube oder Rispe über, welche dem käuf- lichen Kraute gewöhnlich nicht beigegeben wird. Trotz der tiefen und vielfachen Theilung der Blätter ist ihnen eine ge- wisse Derbheit eigen; trocken sind sie brüchig und nicht hygroskopisch, die einzelnen Lappen von der Seite her etwas gerollt, oberseits dunkelgrün und vertieft gefurcht, unterseits etwas weisslich, von erhabenen Rippen durchzogen. Bei Aconitum Stoercheanum (vergl. bei Tuber Aconiti) erscheinen die Blätter weit deutlicher in 3 oder 5 Hauptabschnitte getheilt, deren weniger zahlreiche Lappen und Zipfel breiter keilförmig bleiben und mehr zusammen- fliessen. Noch weniger tief, in ihren Hauptabschnitten fast rhombisch getheilt sind die Blätter von A. variegatum. Die überhaupt sehr ausgeprägte Veränderlichkeit der Arten dieser Gattung erstreckt sich übrigens auch einigermassen, zunächst wohl durch Bodenverhältnisse bedingt, auf die Blattform. Chemische Yerschiedenheit der Blätter von Art zu Art ist nicht nach- gewiesen. Sie schmecken erst fade, dann sehr anhaltend und gefährlich brennend. Das bei Tuber Aconiti erwähnte Aconitin ist in geringerer Menge in den Blättern enthalten, die Aconitsäure, zumal an Kalk gebunden, dagegen weit reichlicher in letzteren. Sie enthalten ausserdem in geringer Menge Zucker, eisengrünenden Gerbstoff und Ammoniaksalze. Ueber Aconit- blätter abdestillirtes Wasser riecht narkotisch. In länger aufbewahrtem Extracte der Blätter zeigt das Mikroskop ausser aconitsaurem Kalk auch spiessige Krystalle von Salmiak. Bei 100° getrock- nete Blätter gaben mir 16,6 pC. Asche. Während nach Schroff und anderen die Blätter nur von wild wach- senden Pflanzen zur Blüthezeit die volle Wirksamkeit zeigen, schreibt z. B. die englische Pharmacopoeia (1864) cultivirte Blätter vor. G. Kräuter und Blätter der Labiaten. Folia Menthae piperitae. Pfefferminze. Menthe poivree. Peppermint. Mentha piperita L. — Labiatae. Die Pfefferminze scheint unzweifelhaft wild bis zum 56° nördl. Br. in England vorzukommen, während sie an den wenigen Standorten, wo sie auch in Deutschland wild wachsend angegeben wird, z. B. bei Mühlheim in Ober-Baden, bei Kufstein in Tirol, unweit Regensburg, doch vielleicht nur ein Gartenflüchtling sein mag. In vielen Ländern der gemässigten Zone wird die Pflanze sehr im grossen gebaut, ganz besonders z. B. in England, wo Mitcham in Surrey, südlich von London, 1864 allein 219 Acres1) mit Pfefferminze aufzuweisen !) 1 Acre = 0,40 Hectare. Folia Menthae piperitae. 501 hatte, welche 2190 Pfund Oel lieferten. In Nordamerika waren in Michigan 1859 etwa 2100 Acres und im westlicheu Theile des Staates New- York 500 Acres damit bestellt, die zusammen etwa 10,000 Pfund Oel ergaben. Ganz Nordamerika überhaupt scheint aber 3- bis 6 mal soviel zu erzeugen. St. Josephs County in Michigan lieferte 1863 allein 24,000 Pfd. Oel.1) In Europa geht die Kultur nicht weit nach Norden und ist z. B. in Nor- wegen nur noch sehr gering. Der lange holzige Wurzelstock der Pfefferminze ist ausdauernd, ver- zweigt sich und treibt wie bei den meisten Minzenarten Ausläufer, aus denen sich die krautigen, nach oben ästigen Stengel bis lm hoch erheben. Die Blätter, bis etwa 0,07m lang und 0,030m breit, sind spitz-eiförmig, mit bis 0,0 lm langem Blattstiele und am Grunde sanft wellenförmig, gegen die Spitze hin scharf gesägt. Von dem starken Mittelnerv gehen unter spitzem Winkel in ziemlich gerader Richtung unterseits besonders scharf hervor- tretende Nerven ab. Die Neigung zur Haarbildung ist bei dieser Art im allgemeinen nicht gross, jedoch erscheinen neben völlig kahlen Formen auch solche, wo sich an den Blattstielen, den jüngeren Stengeltheilen und besonders längs der Nerven der Unterseite der Blätter, auch an den Kelchzähnen, lange weiche Haare einstellen. Seltener werden Kelche und Stengel, so wie die unteren Blattseiten durch abwärts gerichtete Haare zottig. Die Blattfläche ist eben, unterseits mit zahlreichen eingesenkten Oel- drüschen besetzt, welche auf der oberen Seite weit spärlicher vorkommen oder hier bei älteren Blättern ganz fehlen. Die bald nur gewimperten, bald zottigen Kelche tragen immer zahlreiche Drüsen. Die Blüthen stände sind schlanker und weniger gedrungen als bei Mentha aquatica y. crispa, meist mehr verlängert, doch auch hierin nicht sehr beständig. Die deutlich und oft ziemlich lang gestielten Blätter unterscheiden diese Pflanze von den meisten ähnlichen Arten, mehr noch aber der ganz eigen- thümliche aromatische und kühlende Pfefferminzgeruch. Der Reichthum der Pflanze an ätherischem Oele und die Feinheit des- selben wird sehr durch Bodenbeschaffenheit und klimatische Verhältnisse bedingt und wohl noch mehr durch die Auswahl der zur Destillation be- stimmten Pflanzen und Pflanzentheile , da z. B. die Stengel in geringerer Menge ein weniger feines Oel enthalten. Zur Blüthezeit gesammeltes und getrocknetes deutsches Kraut liefert im Durchschnitte, doch mit bedeutenden Schwankungen, etwa 1 pC. Oel. Wie sehr grosse Schwankungen die Aus- beute aber zeigt, ergibt sich aus Berichten von Stearns, wonach in Michi- gan 2 — 20 Pfund Oel vom Acre gewonnen werden, während Warren für Mitcham 8 — 12 Pfund ermittelte. Hinsichtlich der Feinheit und der Menge !) Hauptproducent ist hier das Haus Hotchkiss; in neuester Zeit scheint aber der gross- artige Getreidebau Michigans die Minze verdrängen zu wollen. 502 Blätter und Kräuter. des Oeles erweist sich die Pfefferminze sehr empfindlich für Verschieden- heiten des Bodens und der Pflege und muss, alle paar Jahre neu gepflanzt werden, um auf der Höhe des Ertrages zu bleiben. Ein massig warmes feuchtes Klima sagt ihr gut zu. Das Pfefferminzöl beginnt etwas unter 190° C. zu sieden und besteht grossentheils aus einem Campher G10 H1S -f- H2 0, dem Menthol, welches sich in der Kälte von dem flüssigen nicht genauer untersuchten Antheile trennt. Der Pfefferminzcampher krystallisirt in Säulen, welche bei 36° schmelzen und ohne Zersetzung bei 210° C. kochen. Er besitzt den Ge- ruch des rohen Oeles und dreht die Polarisationsebene nach links. Wasserfreie Phosphorsäure entzieht dem Campher H2 -0- und verwan- delt ihn in das flüssige bei 163° C. siedende Menth en -O10 H18. Salpeter- säure gibt mit dem Oele Camphresinsäure (vergl. bei Camphora). Der Ge- halt der Oele von verschiedener Herkunft an Menthol ist sehr ungleich, und seit einigen Jahren erhalten wir auch aus Japan das reine krystallisirte Menthol. Dieses feste japanische Pfefferminzöl riecht und schmeckt sehr kräftig, ist aber freilich auch schon mit über 10- pC. Bittersalz vermengt vorge- kommen. Das Menthol entspricht (in der Acryl-Pteihe) dem Borneol und liefert mit Säuren ätherartige Verbindungen. Die Pfefferminze wurde zuerst in England beobachtet und von Ray 1696 beschrieben. In Deutschland wurde man erst im letzten Viertel des XVIII. Jahrhunderts darauf aufmerksam, vorzüglich dann seit 1780 in Folge von Knigges Abhandlung darüber. Das jetzt gebräuchliche Adjec- tiv piperita ist verdorben aus den richtigeren , anfangs in England üblichen Bezeichnungen Mentha piperata oder Mentha Piperltis. In Deutschland hat sie den Gebrauch der ursprünglich dort ausschliess- lich angewendeten Krauseminze sehr zurückgedrängt. Folia Menthae crispae. Krauseminze. Krause Münze. Menthe crepue. Curled mint. Die Mentha -Arten zeigen sich schon im freien Zustande in Behaarung, Blattform und Blüthenstand höchst veränderlich, mehr noch in der Kultur. Bei einigen nehmen die Blätter im letztem Falle, nicht im Freien, leicht jene blasig-runzelige, am Rande wellige Beschaffenheit an, welche sie eben als Krauseminze unterscheiden lässt. Damit ist zugleich auch eine bei den verschiedenen Arten oder Spielarten im allgemeinen nahezu überein- stimmende Veränderung im Geschmacke und Gerüche verbunden, deren Ursache wohl hauptsächlich in den chemischen Verhältnissen des ätheri- schen Oeles zu suchen wäre. Dieser eigentümliche Krauseminzgeruch bildet einen bestimmten Gegensatz zu dem der Pfefferminze, ist jedoch Folia Menthae crispae. 503 leichter und sicherer wahrzunehmen als zu definiren. Der kühlende Ge- schmack der letztern geht der Krauseminze ab. Eine der verbreitetsten Formen der officinellen Krauseminze ist die be- treffende Yarietät der durch Europa und Mittelasien wild wachsenden Men- tha aquatica L., welche bald durch lange, etwas starre fein punktirte Gliederhaare rauh, bald fast gänzlich kahl auftritt und auf beiden Blatt- flächen mit nicht sehr zahlreichen Oeldrüsen bestreut ist. Ihre kultivirte Spielart, M. aquatica y. crispa Bentham l) , treibt krautige aufrechte, über fusshohe ästige Stengel. Die sehr kurz gestielten oder sitzenden rundlich- eiförmigen Blätter laufen in eine kürzere oder längere, aber immer scharfe Spitze aus. Auch der welligkrause Blattrand trägt auf jeder Seite etwa 1 0 ungleiche verbogene Sägezähne. Die grössten, nach beiden Dimensionen gegen 0,03 Om erreichenden Blätter sind am Grunde herzförmig ausgeschnit- ten, die andern mehr elliptisch in kurze starke Blattstiele übergehend. Die zahlreichen, unter spitzem Winkel bogenförmig meist krummläufig aufstre- benden Nerven treten besonders unterseits stark hervor. Längs derselben, am Stengel, besonders an den Knoten, finden sich auch vorzüglich die mehr oder weniger zahlreichen Haare, welche denselben Bau zeigen wie bei der wilden Stammpflanze. Die zahlreichen Oeldrüschen sind auf die untere Blattseite beschränkt. Diese Pflanze, vorzüglich in Skandinavien 2) und Norddeutschland, auch in der Schweiz, die Krauseminze der Apotheken liefernd, scheint durchaus die ursprünglich in diesen Ländern officinelle Minze zu sein, welche schon Valerius Cordus im ersten Drittel des XVI. Jahrhunderts als Mentha crispa beschrieben und eben so die späteren Botaniker bis auf Linne. Man unterschied sie auch an den zu kugeligen oder länglichen, wenig unter- brochenen Köpfchen zusammengedrängten Blüthenständen. Die durch fast sitzende, schmaler eiförmige bis lanzettliche Blätter und verlängerte unterbrochene Blüthenähren ausgezeichnete Rossminze, Mentha sylvestris L., demselben Yerbreitungsbezirke angehörend, wie M. aquativa, liefert in der Kultur eine Krauseminze, die sich mehr in Süddeutschland findet. Diese Spielart, M. sylvestris 7). crispa Bentham (Syn. : M. undulata Willdenow. — M. crispa Geiger), besitzt ungestielte, fast stengelumfassende Blätter, welche unterseits dicht und weich behaart sind, wie die gewöhn- liche Form der wilden M. sylsetris , deren Haare denselben Bau zeigen wie die der M. aquatica, jedoch länger und viel weicher sind. Diese Krauseminze riecht weniger angenehm als die von der ziemlich wohlriechenden M. aquatica abstammende zuerst beschriebene. In den mittel- und niederrheinischen Ländern, auch in England (Spear- mint) ist Mentha viridis L. y. crispa Bentham (M. crisptata Schrader) sehr gebräuchlich. Die Stammart, von manchen als kahle Spielart der M. syl- !) Koch hat sie als Varietät von Mentha piperita betrachtet! 2) In Norwegen jedoch nur noch im Süden bei Stavanger kultivirt. 504 Blätter und Kräuter. vestris betrachtet, ist durch Mitteleuropa bei weitem weniger häufig als M. acmatica und M. sylvetris ; sie zeichnet sich aus durch ungestielte zugespitzte und lang gesägte schön grüne, meist kahle, höchstens unten an den Nerven sparsam behaarte Blätter von angenehmem eigenthümlichem Gerüche. Die Blüthenstände sind sehr verlängert, auch bei der kultivirten krausen Form, welche im übrigen nicht wesentlich abweicht. Sie wird auch in Nord- amerika sehr geschätzt. Zu Mentha sativa L. scheint die in Böhmen viel gebaute sehr aroma- tische Krauseminze M. hortensis Tausch zu gehören. Die gestielten, scharf gesägten, an der Spitze ganzrancligen Blätter sind beiderseits rauhhaarig- zottig. Mit derselben stimmt nahezu überein Mentha sativa o\ crispa et pilosa Koch (M. sativa Tausch), welche nach Bisch off früher in Deutsch- land die allgemein gebaute Krauseminze war, jetzt aber selten geworden ist. Ihre beiderseits ziemlich dicht behaarten Blätter sind durch sehr spitzige und lange Sägezähne ausgezeichnet, aber von ziemlich veränderlicher Ge- stalt. Authentische Exemplare dieser Form, aus der Hand von Bischoff selbst, bestätigen mir vollkommen dessen Angabe, dass dieselbe ein weit feineres Aroma besitzt, als die zuerst beschriebene Krauseminze. Der Ge- ruch erinnert in der That an Melisse. Die über und über graufllzige Mentha rotundifolia L., in West- und Südeuropa bis zur Schweiz und an den deutschen Oberrhein einheimisch, besitzt ein sehr angenehmes Aroma und eirundliche bis 0,03™ breite, wenig gesägte herzförmig sitzende Blätter. Dieselben nehmen auch die krause Form an und scheinen nach einigen als solche schon von Conrad Gesner unter dem Namen Mentha nobilior, rotundioribus et rugosis seu crispis foliis beschrieben worden zu sein. Demnach würde diese Pflanze als die eigentliche Krauseminze zu betrachten sein. Der Gehalt der verschiedenen Krauseminzen an ätherischem Oele scheint durch die Kultur und die Ausbildung der krausen Beschaffenheit befördert zu werden und im allgemeinen den der Pfefferminze zu über- treffen. Die Ausbeute beträgt gegen 1 bis über 2 pC. aufgetrocknetes Kraut bezogen; frisches gibt verhältnissmässig mehr. Das Oel scheint chemisch vom Pfefferminzöle wesentlich verschieden zu sein. Wenigstens kocht z. B. dasjenige von Mentha viridis nach Kane schon bei 160° C. und gehört wohl der Hauptsache nach zum Radical O10H16, hält jedoch 4,5 pC. Sauerstoff. Es setzt in der Kälte einen Campher ab. Ausser dem Oele enthalten die Minzen auch eisengrünenden Gerbstoff. Welche Art die alten Griechen unter Mtvdv) , die Römer unter Mentha oder Menta verstanden , lässt sich nicht mehr ermitteln , auch führt heutzu- tage wenigstens die Pfefferminze in Griechenland den auch im Alterthum schon üblichen Namen TI6'jo<7fj.ov. Der deutsche Ausdruck lautet daher, dem griechischen entsprechend, richtiger Minze als Münze. Doch findet sich schon im XII. Jahrhundert altdeutsch mwnzun neben dem gewöhn- Folia Salviae. 505 lichern rmnzun, so wie rossesimnze *) und mancher Volksdialekt hält Münze fest, wie auch die Holländer ihr munt. Folia Salviae. Salbeiblätter. Feuilles de sauge. Garden sage. Sälvia officinalis L, — Labiaiae, Die halbstrauchige Salbei gehört vorzüglich dem nördlichen Gebiete der Mittelmeerflora an. In Griechenland wächst sie wild nur selten, z. B. auf Syros. Dagegen gedeiht sie in der Kultur noch in Norwegen bis über den Polarkreis hinaus und reift sogar in Christiania ihre Früchte. In Gärten und halb verwildert ist sie daher durch alle etwas geschützteren Lagen Europas sehr verbreitet. Der verzweigte holzige über fusshohe graufilzige Stamm ist mit krau- tigen gegenständigen Aesten des laufenden Jahres besetzt, welche die grau- lichen, etwas entfernt in gekreuzter Stellung auf einander folgenden Blatt- paare tragen. Die Blätter werden vor oder bei Beginn der Blüthezeit gesammelt, indem man die vierkantigen bald dichter bald spärlicher filzigen Stengel beseitigt. Die im allgemeinen eiförmige Gestalt der Blätter ist ziemlichem Wechsel unterworfen. In der Kultur (Var. latifolia) werden sie sehr breit, bis über 0,05m und gegen 0,1 0m lang, dabei etwas spitz aus- laufend, bis 4 mal länger als der Blattstiel. Bei der kleinblätterigen Form bleibt das stumpfliche Blatt an Länge oft hinter dem schlanken rinnigen Blattstiele zurück. Fast lanzettliche bespitzte Blätter und stumpf eirunde bei sehr wechselnden Längenverhältnissen der Blattstiele finden sich an einem und demselben Stengel. Sämmtliche Blätter sind dicht gekerbt, am Grunde plötzlich, bisweilen fast herzförmig in den Blattstiel übergehend , durch ein sehr verzweigtes engmaschiges und etwas starres Adernetz derb runzelig. Ihre dunkelgrüne Farbe ist durch den Filz, womit namentlich die Jüngern Blätter und die der kleinblätterigen Spielart bedeckt sind , mehr oder weniger verdeckt. Doch besteht dieser Ueberzug immer nur aus kürzern anliegenden und nicht sehr dicht gedrängten Haaren. Unter dem Mikroskop zeigen sie sich aus einigen wenigen einfachen Gliedern zusammengesetzt, deren äusserstes etwas spitz zuläuft. Das ganze Haar oder nur diese Spitze pflegt hakenförmig oder krause gebogen zu sein. Die Haare des Stengels sind weit länger und we- niger gegliedert. Beide Seiten der Blattfläche, reichlicher die untere, sind mit zahlreichen glänzenden gelblichen, etwas eingesenkten Oeldrüschen ganz unregelinässig bestreut. Dieselben fehlen dem Stengel, so wie auch der Oberseite grösserer Blätter, treten aber in weit bedeutenderer Zahl und Grösse an den Kelchen *) daneben auch bei der heiligen Hildegard um 1150 romesse minze und romesch mynte. 506 Blätter und Kräuter. und an den schön violett blauen, bisweilen auch weissen sehr ansehnlichen Blumen auf. Die Blätter riechen angenehm, wenn auch nicht sehr kräftig. Im Ge- schmacke zeigen sie neben dem Aroma eine süsslich und adstringirend schleimige nicht unangenehme Bitterkeit. Frische in Deutschland gezogene Blätter geben nach Zeller ungefähr Vi pC. grünliches bis gelbes ätherisches Oel, trockene ungefähr die drei- fache Menge. Je nach der Spielart und dem Standorte zeigen sich aber be- deutende 'Schwankungen in der Ausbeute. Das Oel besitzt den Geruch und ungefähr den Geschmack der Blätter, ist aber von wenig beständiger Zu- sammensetzung. Es scheint aus verschiedenen Oxydationsstufen eines Kohlenwasserstoffes C-12 H20 zu bestehen , daher auch der Siedepunkt zwi- schen etwa 130°C. und 150 schwankt. Durch Salpetersäure erhielt Roch- leder daraus Campher. Hlasiwetz stellte einmal durch Kochen des Senföles (siehe bei Semen Sinapis nigrae) mit wässerigem Natron ein Oel G12 H2Ü 0 dar, das den Ge- ruch des Salvia-Oeles besass. Hierdurch wäre ein Zusammenhang des letz- tern mit dem Radical Allyl angedeutet. Eine andere Probe Senföl gab aber dieses künstliche Salbeiöl nicht. Aus dem rohen Oele, besonders wie es scheint aus demjenigen südlicher Länder (Spanien) , krystallisirt bisweilen ein schwach nach Salbei riechen- der Campher aus. Durch Gährung der fast geruchlosen Blätter von Salvia pratensis hat Bley in höchst geringer Menge ein aromatisches Fermentöl gewonnen. Die Blätter der südeuropäischen Salvia Sclarea L. sind grösser, herz- förmig, die obersten scharf und lang zugespitzt, sehr gross gezahnt; die- jenigen unserer Salvia pratensis am Grunde herzförmig, nicht aromatisch. Welche Art unter der Salvia der Alten gemeint ist, bleibt ungewiss. Im Süden dienen mehrere in derselben Weise wie unsere officinelle Pflanze, deren Einführung in Mitteleuropa wohl Karl dem Grossen (durch sein Ca- pitulare de villis) zu verdanken ist. — Die Benennung der Pflanze , abge- leitet von salvere, gesund sein oder von salvare, heilen, retten, spricht für die hohe Werthung derselben in der alten Welt. Folia Rosmarini. Folia v. herba Rorismarini s. Authos. Rosmarinblätter. Feuilles de romarm. Rosemary. Rosmarinus officinalis L. — Labiatae. Der Rosmarin ist durch das ganze Gebiet des Mittelmeeres und der be- nachbarten atlantischen Küsten verbreitet, jedoch selten in Griechenland. Obwohl ein starker bis mannshoher holziger Strauch, kömmt er doch bei uns im Freien nicht gut fort, wird aber desto häufiger als Topfpflanze gezogen. Folia Rosmarini. 507 Der hin- und hergebogene, mit hellbraunem rissigem und abblätterndem Korke bekleidete Stamm trägt ziemlich zahlreiche auseinanderstrebende, etwas gedrungene Aeste, welche nur in jüngerem Zustande mit kurzen ästi- gen Sternhaaren bestreut sind. Die paarweise gegenständigen immergrünen Blätter folgen sich in regelmässig abwechselnder Stellung an den jüngeren deutlich vierkantigen Trieben, während später nach der Entwicklung zahl- reicher achselständiger Blatt- und Blüthenknospen die älteren Aeste reicher und dichter, aber weniger regelmässig beblättert erscheinen. Die nach dem Trocknen fast nadeiförmig zusammengeschrumpften, aber stumpflichen, bis 0,03m langen und frisch bis 6 Milium, trocken aber höchstens IV2 Millim. breiten Blätter richten sich etwas aufwärts oder sind gerade bis sichelförmig zurückgebogen von der Axe abgewendet. Gegen ihre Basis sind sie nur wenig verschmälert und ihre Einfügungsstellen durch eine feine Leiste verbunden, welche auf den beiden freien Seiten der vierkantigen Axe nur wenig hervortritt und an älteren Kork bildenden Aestchen nicht mehr erkennbar ist. Die obere stark gerunzelte kahle Blattseite ist von einer ein- fachen unverzweigten seichten Rinne durchzogen und an den Rändern zurückgerollt. Diese beiden Randwülste verdecken mehr oder weniger voll- ständig die untere Blattseite bis auf den hier stark hervortretenden grau- filzigen Mittelnerv, der sich aber nicht bis zur Höhe der eingerollten Blatt- ränder erhebt, so dass die untere Blattseite eine tiefe Rinne oder vielmehr, im Querschnitte, eine doppelte mehr oder weniger offene Hohlkehle darstellt. Die Aussenseite des Blattes, auch der ungerollte Theil desselben, ist bis auf den ein wenig filzigen Grund glänzend graugrün, kahl und äusserst feingrubig. Weder diese Pünktchen, noch die gröbern eingefallenen Runzel- stellen entsprechen aber den Oeldrüschen. Dieselben sind vielmehr nur sehr dünn gesäet und ganz vereinzelt auf der Blattoberfläche zu treffen1). Kaum häufiger zeigen sie sich in der Rinne der Unterseite. Ein Querschnitt durch das Blatt lehrt erst, dass gerade der von den umgeschlagenen Rän- dern bedeckte Theil des Blattes der Sitz der Oeldrüschen ist, welche hier ausserdem, in nicht sehr grosser Zahl, in dichten Filz von ästigen Stern- haaren eingebettet sind. Die Drüschen gleichen denen der Folia Salviae. Der Mittelnerv in der Rinne der Unterseite besteht aus einem starken Holzbündel mit einem nach aussen stark convexen bogenförmigen Strange sehr dickwandiger Baströhren. Die obere Wölbung des Blattes, auch der Mittelnerv wird von sehr dickwandigen kleinen und farblosen Oberhaut- zellen bedeckt, unter denen noch eine einfache oder doppelte Reihe weit grösserer, ebenfalls ungefärbter und dickwandiger Zellen liegt. Der Gesammt- heit dieser sehr derben Zellen verdankt das Blatt seinen Glanz und seine Steifheit. Von denselben dringen 4 kurze Keile in das lockere mit Chloro- phyll und eisengrünendem Gerbstoff gefüllte innere Parenchym ein, das *) so an der auf Capri wild gesammelten blühenden Pflanze, wie an der Handelswaare. 508 Blätter und Kräuter. dann nach der unteren Blattseite hin durch verzweigte lockere Zellen all- mälig in den filzigen Besatz der unteren Blattrinne übergeht. Die oben ge- schilderte Beschaffenheit der Blätter wurde schon 1667 von R. Hooke mikroskopisch bemerkt — gewiss eines der ältesten Beispiele pharniako- gnostisch-mikroskopischer Untersuchung ! Die Rosmarinblätter riechen und schmecken stark kampherartig und bewahren, Dank der geschützten Lage ihrer Oeldrüschen, das Aroma sehr gut. Der schwach bitterliche adstringirende Beigeschmack ist unbedeutend und tritt neben dem brennend schmeckenden ätherischen Oele zurück. Von letzterem liefern die getrockneten Blätter gegen 1 pC. Es ist gemengt aus einem links rotirenden, dem Terpenthinöle sehr nahe stehenden, schon bei 165° C. kochenden Kohlenwasserstoffe und einem oxydirten, bei 200 — 210° übergehenden , rechts rotirenden Antheile. Letzterer setzt bei starker Ab- kühlung oder bei Behandlung mit verdünnter Salpetersäure Campher ab, der sich vom gemeinen Campher nur durch ein um wenig geringeres Drehungs- vermögen nach rechts unterscheidet. Spanisches Oel scheint diesen Campher bei der Verdunstung leicht und bis zu 10 pC. zu liefern. Der Rosmarin wurde schon von den Alten gebraucht, namentlich auch von den Griechen zum Räuchern, daher sie die Pflanze Libanötis nannten. Ros maris, auch marinus ros hiess sie bei den Römern. Karl der Grosse gab in ähnlicher Weise wie bei Folia Salviae erwähnt, den Anstoss zu ihrer Verbreitung in Mitteleuropa. Arnoldus Villanovanus, der bekannte Chemiker des XIII. Jahrhunderts, stellte schon das ätherische Oel dar. Die stark gewürzhaften ölreichen Blätter des nordischen Ledum pa- lustre L. (Ericaceae) sehen denen des Rosmarins nicht unähnlich, sind aber trocken durchschnittlich doch 3 Millim. breit und oberseits neben dem Hauptnerv auch mit Seitennerven versehen. Besonders kenntlich macht sie aber der rothbraune Filz der unteren Blattfläche, der aus wurmförmigem, dicht in einander gewirrten langen Haaren gebildet ist. Unter den käuflichen Rosmarinblättern finden sich selten mehr die 4- bis 8-blüthigen blattwinkelständigen Blüthentrauben , obwohl dies wegen des Oelgehaltes der mit ziemlich zahlreichen Drüschen besetzten graufilzigen Kelche ganz zweckmässig wäre. Der geruchlosen, zart blassblauen, trocken jedoch meist bräunlichen Blume fehlen die Drüschen. Folia Thymi. Thymian. Kölm.1) Römischer Quendel. Thyin. Thyme. Thymus vulgaris L. — Labiatae. Der Thymian gehört Südeuropa an, gedeiht jedoch in der Kultur auch in kälteren Gegenden, in Norwegen z. B., wo er die beliebteste Gewürz- pflanze der Bauern ist, noch bis 68V20 nördl. Breite, selbst in Throndhjem noch die Samen reifend. *) wahrscheinlich von Cunila — vergl. bei Herba Serpylli. Folia Thymi. 509 Die sehr ästigen aufrechten Stämme sind weit mehr verholzt und daher viel kräftiger als bei Thymus Serpyllum , obwohl von demselben Aussehen und ebenfalls kaum fusshoch. Durch kurze starre, in stumpfem Winkel meist abwärts gebogene Haare erscheinen die bräunlichen oder grünlichen jüngeren Aeste mehr oder weniger grau , die älteren tragen bräunlichen rissigen Kork. Die dicklichen, bis 8 Millim. und darüber langen und ungefähr halb so breiten Blätter von länglieh eiförmigem bis schmal lanzettlichem Umrisse verschmälern sich in den sehr kurzen Blattstiel und sind am Rande etwas umgerollt; trocken so stark, dass die Blätter der Handels waare stumpf nadeiförmig erscheinen. Sie sind mehr oder weniger, vorzüglich unterseits, mit deuselben kurzen knieförmigen oder einfachen Härchen besetzt wie die Stengel und auf beiden Seiten mit zahlreichen ansehnlichen Oeldrüsen ver- sehen. Hierdurch, so wie durch geringere Länge (durchschnittlich 6 Millim. bei käuflichen Blättern) und Dicke unterscheiden sie sich von den ober- flächlich kahlen und drüsenlosen Folia Rosmarini. Die Kultur vermindert die im ganzen knappe Behaarung der Thymianblätter noch sehr. Aus den unteren Blattwinkeln entstehen kurze büschelige Blatttriebe, die in der Handelswaare neben den einzelnen Blättchen vorkommen^ Mehr nach oben enthalten die Blattwinkel lockere entfernte Scheinquirle, welche zuletzt zu einem traubigen oder fast kopfigen Blüthenstande genähert sind. Der drüsenreiche Kelch und die kleine blass blauröthliche Blume zeigen denselben Bau wie bei Thymus Serpyllum. Da auch die Blumenröhre des Thymian noch einige Oeldrüsen besitzt, so stellt sich derselbe als eine sehr aromatische Pflanze dar.1) Ihr ätherisches Oel, durchschnittlich V2 — 1 pC. betragend, riecht feiner als das des Th. Serpyllum. Kultur und südlicher Standort der Pflanze scheinen den Oelgehalt sehr zu vermehren. Das Thymianöl ist ein sehr zusammengesetztes Gemenge. In der Kälte setzt es oft kampherartiges Thymol OloH,4-0- in bei 44° C. schmelzenden Rhomboedern oder rhombischen Tafeln ab, welche weniger leicht auch durch Auffangen des bei etwa 230° C. übergehenden Antheiles erhalten werden können und oft beinahe die Hälfte des rohen Oeles ausmachen. Das Thymol löst sich in wässerigen Alkalien, ist optisch unwirksam und auch im Gerüche verschieden von dem rohen Oele, welches unbedeutend links rotirt. Es kömmt auch im Oele der Blumen von Monarda punctata L. (Labiatae) , sowie in den Früchtchen von Ptychotis Ajowan DeC. (Umbelli- ferae) vor und kann durch Oxydation von Cymen (01UH14) oder Thymen (01UH16) künstlich dargestellt werden. Das Thymol ist homolog mitPhenyl- alkohol und isomer mit Carvol (vergl. bei Fructus Carvi). Durch Behandlung mit Oxydationsmitteln und andern Agentien liefert !) daher die Bezeichnung Thymus von Oüp.o;, Muth, des belebenden Geruches wegen. 510 Blätter und Kräuter. dasThymol eine Menge höchst merkwürdiger Abkömmlinge, durch Salpeter- säure namentlich auch Camphresinsäure (vergl. bei Camphora). Rektificirt man Thymianöl, so geht unter 165° C. ein mit Terpenthinöl isomerer Kohlenwasserstoff, Lallemand's Thymen, über, welcher stark links rotirt. Bei 170° bis 180° C. kocht dann Cymen (Cymol — vergl. bei Fructus Carvi) weg. Unter dem Thymus der Alten war vermuthlich auch Th. capitatus Link (Th. creticus Brotero, Thymbra capitata Grisebach) mit verstanden. Th. vul- garis gelangte im Mittelalter aus Italien über die Alpen. Herba Serpylli. Wilder Thymian. Quendel.1) Serpolet. Mother of thyme. Thymus Serpyllum L. — Labiatae. Der Quendel ist ein kleiner niederliegender aufstrebend-ästiger Halb- strauch , der in grosser Menge auf Haiden, trockenen Wiesen und sonnigen Waldstellen vom Gebiete des Mittelmeeres an bis Island und Finnmarken, in Nordamerika, Mittel- und Nordasien (Himalaya, Altai), auch in Abys- sinien einheimisch ist. Aus den verworrenen holzigen, nur etwa 3 Millim. starken fusslangen Stämmchen erheben sich zahlreiche , am Grunde verholzende , sehr häufig röthliche Aestchen mehr oder weniger bogenförmig, selten fusshoch. Die ganzrandigen und stumpfen Blättchen, höchstens 0,00 7m breit und bis 0,0 10m lang, im Umrisse rundlich oder eiförmig bis schmal lanzettlich, verschmälern sich keilförmig in das sehr kurze, bis 3 Millim. lauge Blatt- stielchen. Die unter sehr spitzem Winkel etwas bogig von der starken Mittelrippe aufsteigenden Nerven treten auf der Rückseite des Blattes meist scharf hervor. Derselben sind auch die verhältnissmässig sehr ansehnlichen Oeldrüschen so tief eingesenkt, dass sie häufig auch auf der Oberseite des Blattes bemerklich werden und dasselbe im durchfallenden Lichte punktirt zeigen. Oft trägt aber auch die obere Blattfläche selbst Drüsen. Die Behaa- rung ist gebildet aus 1- bis 8-gliederigen, etwas starren Haaren, welche sich aus breiter Basis sehr lang zuspitzen. Entweder ist damit die ganze Pflanze in allen ihren krautigen Theilen sehr reichlich besetzt, oder aber nur die Knoten nebst 2 oder allen 4 Kanten des Stengels, die Blattstiele und die Kelche, während die Blätter nur gewimpert sind oder, etwa den Grund ausgenommen , ganz kahl bleiben. Die Haare selbst zeigen sich übrigens auch nach Grösse, Richtung und Steifheit oder Weichheit ziemlich ver- änderlich. *) Quenala, Konala im althochdeutschen vor dem XII. Jahrhundert, Kwenela nm 1150 hei der heiligen Hildegard, entsprechend dem alten Cunila, worunter mehrere Labiaten verstanden waren, noch bei Linne z.B. der Bentham'sche Thymus Serpi/llwn Yar. (i) mon- tamis, früher mehr Suturcia hortensis L. Herba Hyssopi. 511 Die Scheinquirle sind zu gedrungenen endständigen Köpfchen geknäuelt oder bilden lockere traubige verlängerte , im ganzen sehr reiche Blüthen- stände (Blüthenschwänze). Der zehnstreifige röthliche oder grünliche Kelch mit pfriemförmig zwei- theiliger Unterlippe ist gleichfalls, besonders reichlich bei den schmalblätte- rigen Formen, mit Oeldrüsen versehen. Die unscheinbar purpurne bis weissliche Blume lässt bei den zwitterigen Blüthen die Staubfäden heraustreten, iu den andern sind sie verkümmert oder fehlen. Zu den erwähnten Unterschieden in der Tracht dieser vielgestaltigen Art gesellen sich noch bedeutende Schwankungen in der Länge und der Richtung ihrer Aeste, welche sich mehr aufrichten oder kriechen und sich bewurzeln können. Auch die Grösse der Blumen und die Ausprägung des Adernetzes der Blätter ist sehr ungleich. Nach allen diesen Unterschieden haben die Botaniker ein paar Dutzend Spielarten aufgestellt, von denen einige in der That wohl eine bestimmte lokale Abgränzung darbieten. So sehr leicht auch die Endglieder der ganzen Formenreihe sich z. B. durch die breit rundlichen oder fast linealen Blätter aus einander halten lassen , so sind doch Uebergänge reichlich genug vor- handen, um die Zusammenhörigkeit sämmtlicher Abarten darzuthun. "Wären auch Gründe für die praktische Bevorzugung dieser oder jener Spielart vorhanden, so lässt sich doch eine derartige Auswahl nicht durch- führen. Es scheint übrigens fast, als seien bei den schmalblätterigen Formen die Kelche um so ölreicher. Geruch und Geschmack des Quendels sind angenehm, wenn auch nicht eben fein aromatisch. Doch zeichnet sich die Varietät Thymus citriodorus Schreber bisweilen durch lieblichen Geruch aus. Die Ausbeute an ätherischem Oele, dessen Eigenschaften auch beträcht lieh abwechseln, schwankt je nach dem Standorte und der Art der Pflanze sehr. Selbst aus frisch getrockneten Spitzen werden höchstens etwa 0,4 pC., häufig aber weit weniger Oel gewonnen. Im Süden ist der Gehalt grösser und das Oel auch feiner. Es scheint der Hauptsache nach ein Kohlenwasser- stoff zu sein. Die Asche der Blätter, ungefähr G pC. betragend, ist reich an Kali- salzen. Schon Dioskorides unterschied den Quendel als Herpyllos vom Thymian. Herba Hyssopi. Ysop. Hysope ou isop. Hyssop leaves. Hyssöpus officinalis L. — Labiatae. Mehr als fusshoher Halbstrauch Südeuropas (bis in die Schweiz: Tessin, Unterwallis, Yisper-Thal) und Südsibiriens, auch in Kaschmir, Caucasien 512 Blätter und Kräuter. und Südrussland vorkommend, der häufig in Küchengärten, selbst noch im mittleren Norwegen (Throndhjem), gezogen wird und sich daher auch da und dort verwildert findet. Das aufrechte holzige Stämmchen theilt sich meist in zahlreiche schlanke, fast gleich hohe und besenartig gedrängte Aeste, die sich ihrerseits wieder etwas verzweigen können. Zu oberst stehen die 1 0- bis 1 6blüthigen Schein- quirle meist einerseitswendig zu dichten endständigen Trauben (Blüthen- schwänzen) geordnet, welche nach unten allmälig lockerer werden. Der mittlere und untere Theil der vierkantigen Stengel ist weitläuftig beblättert, seine gewöhnlich wenigstens um die Länge der Blätter auseinander gerück- ten Knoten fast unmerklich aufgetrieben. Die steifen schmal lanzettlichen und rundlich zugespitzten Blätter erreichen bis 0,02 5m Länge bei höchstens 0,005m Breite. Gegen den Grund sind sie allmälig verschmälert und fast ungestielt; aus den Blattwinkeln entstehen fast immer kleinere spitzigere Blattpaare. Die Deckblätter der Blüthentraube sind von gleicher Gestalt, nur allmälig an Grösse abnehmend, doch meist noch die Quirle oder wenig- stens die Kelche überragend. Alle Blätter sind ganzrandig, kahl, etwas dicklich und zeigen beim Trocknen Neigung, sich am Rande umzurollen, wie denn auch die Handelswaare vorwiegend aus mehr oder weniger längs- rinnig gebogenen Blättern besteht. Nur unterseits tritt ein einziger 'nicht sehr derber Nerv etwas deutlicher hervor, welchem oberseits eine äusserst feine Rinne entspricht. Beide Blattflächen sind übrigens durch sehr zahl- reiche mit Oeldrüschen versehene Grübchen grob runzelig und bis auf ein- zelne sehr zerstreute, höchstens am Rande etwas häufigere, starre zierlich punktirte Knotenhaare völlig kahl. Etwas zahlreicher kommen dergleichen doch kürzere hakenförmige Härchen auf den Jüngern Stengelgliedern vor, so wie auf den ebenfalls drüsentragenden spitz fünfzähnigen , oft röthlich angelaufenen Kelchen. Aus letzteren breitet sich die satt blaue weit zwei- lippige Krone kurz aus , trocken bedeutend überragt von den dünnen , zu äusserst dunkelblauen Staubfäden und dem noch längeren zweispaltigen Griffel. Der Krone fehlen die Oeldrüschen, sie ist aber auch mit den beschrie- benen Börstchen bestreut. Das käufliche Kraut enthält gewöhnlich die Blüthenähren nicht. Es riecht und schmeckt angenehm aromatisch, kaum bitterlich und liefert, bei uns gezogen, ungefähr 1 pC. ätherisches Oel, welches der Hauptsache nach ein schon unter 150° 0. siedender, doch bis jetzt noch nicht isolirter Kohlenwasserstoff zu sein scheint , gemengt mit sauerstoffhaltigem indiffe- rentem Oele. Ausserdem enthält das Kraut auch eisengrünenden Gerbstoff. Obwohl die Abstammung des Wortes Hyssop vom hebräischen Esobh feststeht, so ist doch darunter nicht gerade vorzugsweise unsere Pflanze verstanden worden. Dieselbe wurde schon im Mittelalter vor dem XII. Jahr- hundert in Deutschland von Mönchen gezogen und im XVI. Jahrhundert von Matthioli in den Arzneischatz eingeführt. Folia Melissae. 513 Folia Melissae. Melissenblätter. Citronenmelisse. Feuilles de melisse. Citronnelle. Balm. Melissa officinalis L., a) citrata Bischoff. Labiatae. Die Melisse wächst in Südeuropa, namentlich häufig in Südfrankreich. Buhse fand sie auch in Transkaukasien , andere im Süd- und Ostgebiete des Caspi-Meeres , so wie um Aleppo; auch der Name Arabian balm, den sie nach Ainslie in Indien führt, deutet wohl auf ihre Herkunft aus dem südwestlichen Asien. Im mittlem Europa wird sie häufig gezogen und ge- deiht noch, freilich nur einjährig, im südlichen Norwegen. Die zahlreichen bis lm hohen Stengel entspringen aus dem holzigen Wurzelstocke oder an den fleischigen Ausläufern und sind reichlich mit ein- fachen ruthenförmigen Aesten besetzt. Dieselben tragen an den obern Thei- len, besonders an den ziemlich weit auseinander gerückten Knoten, auch am Blattstiele, nicht sehr zahlreiche weiche lange und abstehende Haare oder sind, wenigstens nach unten, kahl. Vereinzelte langgliederige Haare finden sich auch auf den Blättern und zwar beinahe häufiger auf der dunk- leren Oberseite, reichlicher aber dann am Kelche. Die Haare sind aus brei- ter Basis sehr lang und dünn pfriemförmig ausgezogen und an den Knoten kaum merklich aufgetrieben. Die Blätter, bis etwa 0,040m lang und höchstens 0,030m breit, von breit eiförmigem Umrisse oder zu unterst herzförmig, laufen in eine stumpf- liche Spitze aus und tragen beiderseits am Rande 5 bis 10 rundliche Säge- zähne. Bei den obern Blättern setzen dieselben erst gegen die Mitte des Randes ein, so dass der Grund des Blattes keilförmig in den 0,005 bis 0,01 5m langen schlanken Blattstiel übergeht. Die kleinen Oeldrüschen sind nicht eben sehr zahlreich der unteren Blattfläche eingesenkt, wo die in spitzem Winkel ziemlich gerade verlaufenden Nerven schärfer hervortreten. Nur die Jüngern Kelche haben Oeldrüschen aufzuweisen, obwohl immerhin noch spärlicher als die Blätter. Die eckig-nervigen Kelche öffnen sich weit in eine aufrechte, sehr scharf und lang zweispitzige Unterlippe und eine kürzer dreizähnige Oberlippe. Die weisse oder röthlich angelaufene geruchlose und unansehnliche Blume überragt nur mit ihrer ausgebreiteten zweilippigen Krone den Kelch um ein bedeutendes und lässt die Staubgefässe und den Griffel etwas hervor- treten. Die achselständigen kurzgestielten Scheinquirle stehen etwas ent- fernt in einseitswendigen Büscheln. Die beschriebene Kulturform der Melisse riecht nicht stark, aber beson- ders nach dem Trocknen äusserst lieblich , entfernt an Citronen erinnernd, ist jedoch eine der an ätherischem Oele ärmeren Labiaten. Trockenes frisches Kraut liefert davon im Maximum ungefähr 7* pC., aber häufig nicht einmal 1 p. Mille. Das Oel enthält nach Bizio einen Campher gelöst. Der Geschmack der Blätter ist höchst unbedeutend. Fliickiger, Pharmakognosie. 33 514 Blätter und Kräuter. Die in Italien gebrauchte, auch in Griechenland häufige Melissa offici- nalis ß. villosa Bentham (M. romana Miller, M. hirsuta Hoffrn. , M. altis- sima Sibthorp et Smith, M. cordifolia Persoon) scheint die eigentliche Form der wilden Pflanze zu sein. Sie besitzt grössere, länger gestielte und häufiger herzförmige Blätter, welche wie die ganze Pflanze zottig, aber von schwachem wenig angenehmem, wie es scheint bisweilen im Alter selbst wanzenartigem Gerüche, daher zum Arzneigebrauche zu verwerfen sind. Der ächten Melisse ähnlich riecht hingegen Nepeta Cataria L. Var. citriodora Becker, deren herzförmige Blätter aber weissfilzig sind. Die Melisse, Meliphyllon oder Melissöphyllon l) der Griechen, Apiastrum der Römer, ist seit den ältesten Zeiten im Gebrauche. Herba Galeopsidis. Lieber'sche Kräuter. Blankenheimer Thee. Galeopside. Chanvre bätard. Galeöpsis ochroleuca Lamarck. — Labiatae. Syn.: G. grandiflora Roth. G. villosa Hudson. Fusshohes jähriges Kraut, stellenweise durch den grösseren Theil Mittel- Europas verbreitet, in Deutschland z. B. in den rheinischen und westfäli- schen Gegenden, in der Schweiz bei Bern, auch in den Vogesen und Ar- dennen, in Mittelfrankreich, in England, aber nicht in Italien, Griechenland und Kaukasien. Der Stengel ist besonders oberhalb mit langen sparrig abstehenden krummen Aesten versehen , die nur sehr locker beblättert sind und in den Achseln bis lOblüthige sehr ansehnliche Scheinquirle tragen. Erst an den Spitzen der ruthenförmigen Aeste sind die Blüthenstände einander etwas näher gerückt. Die länglich lanzettlichen kurzgestielten Blätter, höchstens gegen 0,05m lang und 0,0 15m breit, sind spitznervig und an jedem Rande durch etwa 4 rechtwinkelig abgesetzte grobe Zähne weitläufig gesägt. Die beiden obersten sind der rundlichen Spitze genähert, während das unterste Paar Sägezähne vom Blattgrunde weit entfernt ist. Der borstige, in 5 stechende Zähne endigende, etwa 6 Millim. lange Kelch wird von den schön gelben, trocken bis über 0,020m erreichenden Blumen überragt. Ihre schlanke Röhre öffnet sich allmälig sehr weit in eine gewölbte vierzähnige Oberlippe und die grosse dreispaltige Unterlippe, welche mit einem intensiv gelben Flecken bemalt ist. Die ganze Pflanze ist mit Ausnahme der dicksten Stengelstücke mehr oder weniger mit kurzen, etwas gebogenen und knotig gegliederten starren Börstchen besetzt. Hauptsächlich der Kelch, seine dornigen Deckblättchen und die jüngeren Stengelglieder zeigen dazwischen auch gelbliche Oel- 1) Melissa die Biene. Herba Marrubii. 515 drüschen , welche aber von breiten weichen bandartigen gegliederten Haa- ren getragen werden. Denselben verdankt die Pflanze den unbedeutenden aromatischen Geruch und Geschmack. Letzterer wird beim Trocknen mehr indifferent, kaum etwas bitterlich-salzig. Der Geruch verschwindet so gut wie ganz. Geigers Analyse hat nur die allgemeiner verbreiteten Stoffe ergeben; das ätherische Oel ist in geringen Spuren vorhanden. Einige andere Galeopsis - Arten sehen der G. ochroleuca ziemlich ähn- lich, z. B. G. Tetrahit L., G. versicolor Curt. , G. pubescens Besser. Sie unterscheiden sich durch knotige Verdickungen des Stengels unterhalb der Gelenke. Galeopsis Ladanum L. hat bei weitem schmälere, zu oberst fast lineale Blätter und auch nach dem Trocknen noch röthliche Blumen. Bei den gelb- blühenden Stachys- Arten endlich überragen die Kronen den Kelch nicht oder nur um weniges. In Köln und den niederrheinischen Gegenden schon längst als Volks- mittel bekannt, auch wohl bereits von Aerzten beachtet, gelangte die be- schriebene Pflanze zu grossem Rufe, als es sich (1811) herausstellte, dass sie seit etwa 1802 oder 1807 dem Reg.-Rathe Lieber in Kamberg unweit Frankfurt zu dem geheimnissvollen „Lieber'schen Auszehrungskräutern a diente, wie schon früher einer Fräulein Libertin Malmedy als Bestand- teil eines Brusttrankes. Eine bezügliche Bekanntmachung der preussischen Behörden von 1824 machte dem ausserordentlich gewinnreichen Schwindel Lieber's ein Ende. Herba Marrubii. Herba Marrubii albi1). Andorn. Marrube blanc. White horehound. Marrübium vulgare L. — Labiatae. Der Andorn ist über ganz Vorderasien (Kaschmir, Persien, Arabien) und Europa (Insel Ösel in der Ostsee, Aragonien, Canarische Inseln, Eng- land und Schottland) verbreitet und bereits auch in Nordamerika (Canada, New- Jersey, Californien, Mexico) und Südamerika (Chili) eingewandert. Die Pflanze liebt unbebaute Stellen, ist jedoch in manchen Ländern, wie z. B. in der Schweiz (Sitten) , nur sehr zerstreut zu finden und scheint in Ostasien zu fehlen. Die ausdauernde starke Wurzel treibt mehrere über fusshohe weiss- filzige hohle und nach oben etwas ästige Stengel. Sie sind nur wenig ver- holzt, oft etwas gebogen und zeigen die bei den Labiaten gewöhnliche Form und Blattstellung. Die Blätter sind verschiedengestaltig, niemals herzförmig, sondern kurz eiförmig, jedoch bald einigermassen annähernd kreisrund, *) herba Marrubii nigri biessen die Blätter der Ballota nigra L. Sie sind herzförmig, nicht filzig, so gut wie nicht runzelig. 33* 516 Blätter und Kräuter. bald vom Blattstiele rechtwinkelig oder stumpf abgeschnitten , bald mehr in denselben verschmälert, bis etwa 0,04m lang und oft fast eben so breit. Die unteren und mittleren Stengelblätter hängen schlaff an etwa halb so langen ziemlich breiten Blattstielen oder sind gerade abstehend. Bedeutend kürzer sind die Stiele der obern Blätter, die der obersten Stützblätter des Blüthen Standes fast verschwindend. Die letzteren, überhaupt mehr die klei- neren Blätter, sind scharf und grob gesägt, die grösseren ungleich wellen- förmig gekerbt. Besonders unterseits an jüngeren Blättern tritt das grob runzelige Adernetz stark hervor. Die ganze Pflanze mit Ausnahme der Blumenröhre wird von weichem grauem Filze mehr oder weniger dicht be- deckt. An den sehr stark verfilzten Kelchen jedoch zeigt sich derselbe ziem- lich starr, indem sich hier den langen knotig gegliederten und sehr spitz zulaufenden Haaren auch derbe Sternhaare beimischen. Die dünnwandigen einfachen Glieder der breiteren Haare des Stengels fallen hingegen band- artig zusammen. Spärlicher behaart und deshalb dunkler grün ist die Ober- seite der Blätter, besonders im Alter. In nicht sehr grosser Zahl finden sich namentlich auf der Rückseite der Blätter ansehnliche farblose Oel- drüschen eingestreut. Die kleinen Blüthen sind sehr zahlreich zu kugeligen Scheinquirlen zu- sammengeknäuelt, welche aus den "Winkeln der besonders an den unteren Stengelth eilen weit auseinander gerücktem Blattpaare hervortreten. Die becherförmige Kelchröhre läuft in 10 abwechselnd längere, an der sehr lan- gen derben Spitze in kahle Haken endigende Zähne aus, welche die Pflanze sehr auszeichnen. Durch die schmale aufrechte Oberlippe und die abwärts gerichtete breitere Unterlippe erhält die weisse unscheinbare Blüthe ein ziemlich eigenthümliches Aussehen. Das Kraut schmeckt stark bitter und etwas scharf aromatisch. Der Bitterstoff, das Marrubiin, ist in nur äusserst geringer Menge vor- handen und wurde zuerst von Mein 1855 in Nadeln dargestellt. Eß ist durch Gerbstoff und Metallsalze nicht fällbar, daher Harms es mit Aether dem weingeistigen Extra cte des Krautes entzog. Kromayer be- nutzte dazu die Knochenkohle, welche den Bitterstoff begierig aufnimmt. Er tritt sowohl in farblosen ansehnlichen, bei 160°C. schmelzenden Krystal- len, als auch wie es scheint harz- oder terpenthiuartig in amorpher Modifi- cation auf. Selbst in kochendem Wasser löst er sich nur wenig, ertheilt ihm jedoch einen sehr bitteren Geschmack. Die Zersetzungsprodukte des Marrubiins bei stärkerer Erhitzung riechen nach Senföl. Eine von Geuther ausgeführte, doch nicht endgültige Analyse des Mein 'sehen Präparates würde zu der Formel G24Hs205 führen können. Das Marrubiin zeigt sich auch dadurch von manchen andern Bitterstoffen verschieden , dass es sich nicht als gepaarte Zuckerverbindung erweist. Das Marrubiumkraut enthält nur sehr wenig ätherisches Oel, das noch nicht näher gekannt ist; mehr beträgt der eisengrünende Gerbstoff. Auch an Salzen scheint das Kraut reich zu sein. Bley hat endlich daraus in der Summitates Sabinae. 517 bei Summitates Millefolii erwähnten Weise auch ein Fermentöl in sehr ge- ringer Menge erhalten. Der Andorn, Prasion der Griechen, war schon im Alterthum gebraucht, aber vermuthlich öfter mit Labiaten von etwas ähnlichem Aussehen zu- sammengeworfen. Im deutschen Mittelalter findet sich Andorn und Maru- bium aufgezählt sowohl in den bei Semen Hyoscyami erwähnten Arznei- büchern aus dem XII. und XIII. Jahrhundert als auch in den Schriften der heiligen Hildegard um 1150. Marrubium ist auf das hebräische mar (bitter) zurückzuführen. H. Aromatische Blätter und Kräuter (mit Ausschluss derjenigen der Labiaten). Summitates Sabinae. Folia s. herba Sabinae. Sadebaumkraut. Sevenkraut. Sevi.1) Sabine. Savine. Juniperus Sabina L. — Coniferae-Cupressineae. Syn.: Sabina officinalis Garcke. Kleiner niederliegender holziger diöcischer Strauch mit gedrängten Aesten ; er wächst stellenweise in grosser Menge in den südlichen Alpen Oesterreichs (Krain, Oetzthal) und der Schweiz (Eingang des Nicolaithaies im Wallis, bei Finstermünz in Graubünden), auch im westlichen (Eifel am Rhein) und südlichen Europa (Provence, Spanien, Italien — Sabiner- land, seltener in Griechenland), dann auch im Kaukasus, in Persien, Süd- sibirien (Altai) und Klein-Asien, vorzüglich an dürren heissen gebirgigen Standorten. — In Gartenanlagen wird er überdies sehr häufig kultivirt und alsdann, mit Zustimmung der Pharmakopoen, gleichfalls verwendet; er ist hier mehr aufrecht, bis 2 — 3m hoch, doch wächst die Krone immer mehr in die Breite. Die jüngeren frucht- oder blüthen tragenden Zweige werden zum offici- nellen Gebrauche gesammelt. Ohne Gliederung (Unterschied von Juniperus communis) wachsen die kleinen, 0,001 — 0,003m langen schuppenförmigen Blättchen, je zwei gegenüber in abwechselnder Stellung und dadurch 4zeilig aus dem Zweige, denselben ziegeldachartig ganz bedeckend und fallen erst im 4ten Jahre mit dem Korke ab. An den jüngeren Zweigen sind die Blättchen dicht angedrückt, höch- stens an der stumpf liehen, nicht stechenden Spitze ein wenig abstehend; sie sind etwas dicklich, innen concav, grünlich weiss, aussen nicht kantig, sondern gerundet , grün , mit einer runden oder länglichen dunkleren ver- tieften Oeldrüse, welche nur die Mitte der Rückenlinie einnimmt. Die Zweig- *) seviboum, sevinum, sevene, sevina schon im XII. Jahrhunderte (in dem bei Semen Hyoscyami erwähnten Arzneibuche). Sybenbaum bei Hildegard um 1150. 518 Blätter und Kräuter. lein erhalten dadurch ein mehr gerundetes als scharf vierkantiges Aussehen. Aber schon die äussersten Blättchen der Zweigspitzen und die der älteren Aeste verlängern sich etwas, werden spitzig, mehr von der Axe abstehend, weitläufiger aus einander gerückt und tragen eine verlängerte Oelfurche, ja es finden sich auch an einer und derselben Pflanze, durch das Vorherr- schen angedrückter oder aber mehr abstehender, bisweilen auch dreizeiliger, scharf zugespitzter längerer Blättchen, Aestchen von verschiedenem Aus- sehen. Man hat demnach Pflanzen, welche vorwaltend den letzteren Habitus zeigen, als Varietät: pungens oder cupressifolia , die erstereForm, mit kleinen stumpf liehen angedrückten Blättchen dagegen als Var. : tamarisci- folia l) unterschieden. Gestalt und Anordnung der Blätter wechseln somit sehr bedeutend, namentlich in der Kultur; wildwachsende Pflanzen der Alpen gehören beständiger zu tamariseifolia. — Man wollte auch zwischen männlichen und weiblichen Pflanzen einen Unterschied in den Blättern ge- funden haben. Ein wichtigeres Kennzeichen bilden die überhängenden beerenartigen, an kurzen gekrümmten Zweiglein traubenartig endständigen Früchtchen (Beerenzapfen, Scheinbeere), welche im ersten oder auch im zweiten Jahre reifen (vergl. bei Fructus Juniperi) und sich in der käuflichen Herba Sabinae vorzufinden pflegen. Sie sind kugelig, trocken etwa 0,005m messend, sehr unregelmässig eingeschrumpft und zeigen noch undeutlich entweder an ihrem Scheitel oder oft weit unterhalb desselben, die Spitzen der 4 — 6 Fruchtblätter, welche diesen beerenartigen Fruchtstand zusammensetzen. Aussen sind diese Beerenzapfen schwarz und graublau bereift; in dem grünen ölig-harzigen Fruchtfleische stecken 1 — 4 knöcherne Samen, welche am Grunde von einigen sackartigen Oeldrüsen umgeben sind. Grosse Oel- zellen enthält auch das Fruchtfleisch selbst. Ausser dem gedrängten buschigen Wüchse des Strauches ist auch sein wideriger eigenthümlicher Geruch ein beständiges Merkmal. Er kömmt dem ätherischen OeJe zu, welches in den Zweigspitzen (etwa 2 pC.) und Frücht- chen (10 pC), nicht aber im Holze enthalten ist. Das Oel, isomer mit Terpenthinöl und stark rechts rotirend, ist ein irritirendes Gift von betäuben- dem Gerüche. Es fulminirt mit Jod sehr heftig. Blätter und Früchte enthalten reichlich Chlorophyll, Gerbstoff, Zucker und Harz, das Holz auch Amylum, 1) Die Begriffsverwirrung in Betreff des Ausdruckes tamariseifolia ist so gross, dass der- selbe verdient gestrichen zu werden. Nach Henkel u. Hochstetter, Synopsis der Nadel- hölzer (1865), ist die alpinische Sabina die Var. cupressifolia = Juniperus foetida a) Sabina Spach = Sabina officinalis Garcke, durch etwas zugespitzte Blätter und 1- bis 4samige Früchtchen ausgezeichnet. Juniperus foetida ß) tamariseifolia Spach = J. Sabina ß) Linne aber ist von Grisebach zur eigenen Art Juniperus sabinoides erhoben worden und besitzt oft pfriemenfürmige, halb abstehende, oberseits sehr oft bläulich weissgrüne Blätter, so wie meist einsamige Früchte. Diese Art oder Varietät gehört den Gebirgen Spaniens, Siciliensund Griechenlands an. Kosteletzky's cupressina ist Linne's tamariseifolia. Berg stellt die Spach'schen Varietäten Sabina und tamariseifolia unter Garcke's Sabina officinalis und gibt der tamariseifolia sämmtlich angedrückte oder nur später etwas abstehende Blätter. Summitates Sabinae. 519 aber kein Harz oder nur ein wenig im Marke. Im getrockneten Frucht- fleische kommen einzelne mit einer weissen wachsartigen Substanz erfüllte Räume vor. Unter dem Mikroskop zeigt sich die Substanz amorph, von splitterigem Bruche , vollkommen durchsichtig. Vermuthlich ist es ein Fett oder Stearopten. Mehrere andere Coniferen haben mit dem Seveustrauche grosse Aehn- lichkeit, namentlich die baumartige Juniperus Virginiana L, , die rothe Ceder der Amerikaner, welche von Canada bis Florida und am mexica- nischen Golfe einheimisch und seit 1664 in europäischen Anlagen sehr häufig ist. Die stechenden, locker anliegenden abstehenden Blätter sind an älteren Zweigen vierreihig, an jüngeren dreireihig, scharf zugespitzt, der Varietät pungens von Sabina gleich. Der virginische Baum ist jedoch aus- gezeichnet durch den höheren, flatterigen, spreizenden Wuchs, der sich selbst an den kleineren Aesten noch durch die sparrig abstehenden, sogar nach aussen zurückgekrümmten, nicht gedrängten Zweige bemerklich macht. Im Vaterlande erreicht diese Art 20 — 40 Fuss Höhe; in einer Varietät mit dünneren hängenden Zweigen und Aesten auf Barbadoes selbst 60 Fuss. Der Geruch des virginischen Sevenbaums ist ähnlich, doch schwächer als bei unserer Sabina, statt welcher er in Amerika angewendet wird. Sein Oel wirkt gleich wie das der Sabina, ist aber nach Gladstone wesentlich verschieden. Wie nahe sich übrigens beide Pflanzen stehen, geht auch daraus hervor, dass Hook er sie für identisch erklärt hatte. Der Variet. cupressifolia der Sabina gleicht Juniiperus phoenicea L., im Gebiete des Mittelmeeres , jedoch besitzt dieser Strauch weit abstehende Aeste und Zweige, denen der specifische Geruch der Sabina ganz abgeht. Auch die in denselben Gegenden wachsende Cypresse, Cupressus sempervirens L., wird als Verwechselung des Sevenstrauches genannt. Die Blätter der Cypresse stehen aber an den Aesten so weitläufig, dass sie dieselben nicht decken; an den Zweigen, wo sie dichter sitzen, lassen sie sich dadurch unterscheiden , dass sie zwei Längsfurchen auf dem Rücken tragen, wodurch die Mitte der Länge nach erhöht ist. Die Zweige sind weit abstehend; Geruch fehlt fast ganz. Die Thuja -Arten, deren Geruch an Sabina erinnert, sind durch ihre flachen Aeste sehr verschieden. Hauptkennzeichen der Sabina sind also der gedrängte Wuchs, der durch die sehr zahlreichen angedrückten, nicht abstehenden Zweige entsteht; die fast immer vierzeilige Anordnung der Blätter, die nickenden Früchte und endlich vorzüglich der kräftige eigenthümliche Geruch, zumal der Früchte. Die Blättchen allein gewähren nicht ausreichende Merkmale. Die Sabina und ihre Wirkungen waren schon den Alten bekannt. Dios- korides so wie Plinius unterschieden bereits die cypressenähnliche — weibliche — und die tamariskenähnliche — nach ihnen männliche Form. Karl der Grosse befahl (im Capitulare de villis et cortis imperialib.) den Anbau der Savina in Deutschland. 520 Blätter und Kräuter. Herba Matico. Folia Maticae. Matico. 1. Artanthe1) elongata Miquel. — Piperaceae. Syn.: Piper angustifolium Ruiz et Pavon. P. elongatum Vahl. Steffensia elongata Kunth. 2. Artanthe adunca Miquel. Syn.: Piper aduncum L. P. arborescens Miller. Steffensia adunca Kunth. Der erstere Strauch wächst in feuchten Wäldern der Cordilleren in Chili und Peru (bei Huanuco), der zweite ist im Osten des tropischen Ame- rika, von Jamaika bis Bahia, verbreitet. Die knotigen, etwa 0,003m dicken Stengel beider Pflanzen tragen an- sehnliche eiförmige zugespitzte netzaderige, abwechselnd gestellte Blätter, welchen die nur 0,003m dicken, bei der erstgenannten Art bis etwa 0,20m langen, bei der zweiten aber kürzeren und fast hakenförmig zurückgebogenen Blüthenähren (Kätzchen) gegenüberstehen. Die aufs dichteste gedrängten grünlichen Blüthen sind meist schon verblüht. Wir erhalten hauptsächlich die Blätter der A. elongata, welche sehr kurz gestielt, über 0,1 Om lang, etwa 0,0 3m breit und ziemlich dick sind. Im Umrisse länglich eiförmig, wenig und kurz zugespitzt, unterscheiden sie sich sehr von den breiteren, sehr lang zugespitzten und ganzrandigen Blät- tern der A. adunca, welche zudem ein weitmaschiges Adernetz besitzen und überhaupt grösser werden. Beide sind am Grunde unsymmetrisch ab- gerundet. Die stumpf gekerbten Blätter der A. elongata sind sehr enge geädert, so dass die ganze obere dunkelgrüne und nur von vereinzelten starren knotigen Gliederhaaren spärlich besetzte Blattfläche ziemlich regel- mässig in 1 Millim. grosse gewölbte, körnig rauhe Quadrate abgetheilt er- scheint. Sie treten noch schärfer, aber weniger regelmässig auf der grau- lichen , kurz filzigen Unterfläche hervor , ebenso der starke Mittelnerv und die 3— 5 Seitennerven jeder Blatthälfte. Die Blätter und die Fruchtähren, welche sie gewöhnlich begleiten, pflegen noch an ziemlich ansehnlichen flaumigen Stücken der Stengel zu sitzen; meist ist aber das ganze durch die Packung stark zerknittert, da diese Blätter sehr brüchig sind. Ihre Unterseite gleicht derjenigen der Digitalis purpurea, ist aber mit längeren Haaren besetzt. Die nur unterseits sehr wenig behaarten oder überhaupt ganz kahlen zähen Blätter der A. adunca wurden 1864 aus Colon (Isthmus von Panama) in London eingeführt und zuerst von Bentley beobachtet. Fruchtähren kommen bei dieser Sorte seltener vor, sind aber eben so dicht mit !) 'AoTüu-a, Gewürz. Herba Cannabis. 521 sitzenden Früchtchen besetzt wie die mehr geraden Aehrchen der erst- genannten Art. Die kauf liehen Matico-Blätter riechen schwach aromatisch nach Cubeben oder Minze und schmecken angenehm oder ein wenig scharf bitterlich und aromatisch, im Alter etwas terpenthinartig. Sie enthalten weder Piperin, noch Cubebin, noch einen ähnlichen besonderen Stoff, den man bereits als Maticin vorausgesetzt hatte , sondern als wirksame Bestandteile nur Harz und ätherisches Oel neben Gerbstoff. Ein spanischer Soldat, Matico,1) soll die blutstillende Wirkung dieser Blätter zuerst durch Zufall an sich erprobt haben, daher auch die spani- schen Bezeichnungen derselben : Yerba soldado oder palo (Baum) del sol- dado. Die Erzählung klingt wenig glaubwürdig, da auch ganz andere Pflanzen noch Matico heissen. Piso erwähnte in seiner Naturgeschichte Brasiliens (1648) schon der Heilkraft der Artanthe, ebenso zu Ende des XVII. Jahrhunderts Sloane. Die kleinen Früchtchen der beiden angeführten Arten und wohl noch anderer dienen im tropischen Amerika auch statt Pfeffer. Durch Jeffreys in Liverpool wurden die arzneilichen Wirkungen der Blätter 1839 zuerst in Europa bekannt, nachdem sie schon 1827 in Nordamerika Beachtung ge- funden hatten. Herba Cannabis. Herba s. summitates Cannabis indicae. Hanfkraut. Chanvre indien. Indian hemp. In Indien zeigt die bei Fructus Cannabis erwähnte Hanfpflanze Verschie- denheiten, welche schon im XVII. Jahrhundert von Rumphius erkannt wurden, so dass derselbe, wie auch in neuerer Zeit L am arck, sie zu einer eigenen Art, Cannabis indica, erhoben. Nach dem letzteren bleibt sie nämlich im Vaterlande niedriger, wird aber ästiger, die Blätter stehen auch am unteren Theile des Stengels nicht einander gegenüber, der Bast ent- wickelt sich nicht zu einer weichen spinnbaren Faser, sondern verholzt mehr. Diese äusseren Merkmale haben sich aber zu geringfügig erwiesen, um Cannabis indica festzuhalten und sind durchaus nur klimatischen Einflüssen zuzuschreiben. Sehr abweichend zeigt sich hingegen die chemische Be- schaffenheit und die physiologische Wirkung der indischen Pflanze. Einen etwas betäubenden Geruch verbreitet auch die in unseren Gegenden wach- sende, und ihre Wirkungen scheinen im Grunde dieselben zu sein, äussern sich aber 50 bis 60 mal schwächer als die des indischen Krautes. Die Blätter des Hanfes bestehen am unteren und mittleren Theile des ästigen Stengels aus 3 — 9 fingerig zusammengestellten schmal-lanzettlichen x) Diminutiv des spanischen Mateo (Matthäus). 522 Blätter und Kräuter. Theilblättchen, nach der Spitze des Stengels oder der Aeste hin nehmen sie an Grösse ab und werden zuletzt ganz einfach. Von den Theilblättchen des gestielten zusammengesetzten Blattes ist das mittlere unpaarige grösser, alle sind nach oben und gegen den Grund verschmälert, grob sägezähnig und wie die meisten der kieselreichen Blätter der Urticaceen rauh anzu- fühlen. Der Blattstiel ist von einem Paare kleiner Deckblättchen gestützt, aus dem Blattwinkel erheben sich die lockeren Rispen der männlichen Blüthen, oder bei den weiblichen Pflanzen die bei Fructus Cannabis bespro- chenen, dicht gedrängten beblätterten Aehren der weiblichen Blüthen, jede ausser der Scheide von einem Deckblatte gestützt. Jedes Paar ist überdies noch mit einem gemeinschaftlichen Deckblatte versehen. In Indien, besonders in Nepal, schwitzt vorzugsweise die weibliche Pflanze in reichlicher Menge ein gelblich-grünes Harz aus, dort Churus oder Tschers, auch wohl, in bester Sorte, Momeka genannt, das man abkratzt oder in verschiedener Weise abstreift und in Kugeln formt. Es gelangt nicht in den europäischen Handel, dient aber in Indien als Berauschungsmittel und scheint der wirksamste Bestandtheil des Hanfes zu sein. Der in Europa oder Nordamerika gezogenen Pflanze fehlt das Harz fast ganz. Das Kraut der indischen, fast immer ausschliesslich der weiblichen, kömmt in zwei Formen vor. Zu der einen werden vorherrschend nur die Spitzen der blühenden oder im Beginne der Fruchtreife stehenden Aeste oder ihre einzelnen Aehren genommen und von gröberen Stengeln befreit. Sie erscheinen daher durch Pressung ziemlich kurz gebrochen. Die Deckblätter zeigen zahlreiche bräunliche Harzdrüsen. Diese, wie es scheint, meist in den Niederungen Indiens, aber auch um Herat gesammelte Sorte heisst Bang oder Guaza, auch Subdschi, und wird jetzt hauptsächlich nach Europa gebracht, z. B. auch von der englischen Pharmacopoeia (1864) verlangt. Eine zweite Sorte, aus oft lm langen holzigen Stengeln und Aesten be- stehend, heisst Gunjah oder Ganjika und wird in Bündeln von gewöhn- lich 24 Stück aus Calcutta ausgeführt. Sie ist von den grösseren Blättern befreit, so dass an den starken Stengeln (Blüthenschwänzen) fast nur die Deckblätter und Blüthen oder halbreifen Früchte in gedrängten, grünlich braunen Aehren übrig bleiben , welche durch Harz dicht verklebt und von kräftigem narkotischem Gerüche sind. Diese höher geschätzte Sorte scheint in den Gebirgsländern Nordindiens gewonnen zu werden, nach anderen auch im mittleren Bengalen, um Patna, jedoch trotz ihres Harzreichthums seltener nach Europa zu gelangen. Fast in der ganzen mohammedanischen Welt, so wie bei den Hindus und auch in West- und Südafrika dient das Hanf kraut als narkotisches Genussmittel, so dass es allgemein mit dem arabischen Ausdrucke Ha- schisch bezeichnet wird, der in seiner ausgedehntesten Bedeutung nichts anderes heisst als unser „Kraut.1' Meist werden jedoch unter jenem Namen Präparate des Hanfes, oft mit manigfaltigen Zusätzen, verstanden, welche Herba Cannabis. 523 theils ohne weiteres in Substanz oder auch als Aufgnss genossen, theils nur geraucht werden. In Algerien z.B. kocht man das scharf getrocknete Pulver der Spitzen weiblicher Pflanzen mit Honig zu einer Latwerge , welcher Ge- würze zugesetzt werden oder die man auch dem Backwerke oder verschie- denen Süssigkeiten aus Datteln , Feigen , Weinbeeren u. s. f. beimischt. In der Türkei und in Aegypten formt man aus dem gepulverten Kraute mit Hülfe von Gummi oder Zucker feste Massen von grünlicher Farbe, die noch in hohem Grade den specifischen Geruch und bitteren Geschmack des Hanfes behalten. Zum Rauchen wird häufig Tabak, in Algerien auch die Blätter eines muthmasslichen Hyoscyamus beigemischt. Eine der gebräuchlichsten Zubereitungen besteht darin, dass das frische Kraut mit Butter ausgekocht wird , welche das Harz aufnimmt und sich grünlich färbt. Durch Zusatz von Campher, Ambra, Moschus, Canthariden, selbst Opium, oder aber von milderen Stoffen wie Zucker, Pistacien, Man- deln und ätherischen Oelen und schön färbenden Stoffen werden zu beson- deren Zwecken eine grosse Menge von Präparaten erhalten, welche meist sehr lange wirksam bleiben können. Für einen sehr grossen Theil der Menschheit ist daher der Hanf in den verschiedensten Formen ein Aequivalent des Opiums, der Coca oder des Alkohols, vor allen aber ausgezeichnet durch unmittelbare, doch höchst unregelmässige Wirkung auf die Gehirn thätigkeiten , zumal auf das Vor- stellungs vermögen und auf das Herz. So bedauerlich auch bei anhaltendem Genüsse des Hanfes die Folgen sind , so ist er doch nicht als tödtendes Gift *) anzusehen , sofern nicht die häufig gefährlichen Zusätze ins Spiel kommen. Die betreffende Literatur ist ausserdentlich umfangreich ; es möge hier das Urtheil nur eines genauen Augenzeugen genügen, des österreichischen Konsuls v. Krem er,2) welcher in der grossen Verbreitung des Haschisch -Rauchens den verderblichsten Einfluss auf die unteren Volksklassen der orientalischen Städte gefunden hat. Dieselben werden dadurch unbeschreiblich verthiert. Interessante allseitige Schilderungen des indischen Hanfes und seines Genusses enthalten die Kapitel Nepenthes und Gunja in dem Buche „The seven sisters of sleep" von Cooke.3) Nach Stanislaus Julien waren die Hanfpräparate in sehr früher Zeit, jedenfalls schon im III. Jahrhundert nach Christus, bei den Chinesen als chirurgisches Betäubungsmittel gebräuchlich. Doch ist auffallend, dass sie kein eigenes Wort für die Pflanze besitzen , sondern sie mit dem auf das Sanskrit weisenden Ausdrucke Huang bezeichnen (vgl. bei Fruct. Cannabis). !) Frösche erholten sich von bestem in Konstantinopel gekauftem Haschisch sowohl als von hier bereitetem Extracte wieder (Valentin). 2) Aegypten. Forschungen über Land und Volk während eines 10jährigen Aufenthaltes. Leipzig 1863. 3) London 1862. pg. 212—249. 524 Blätter und Kräuter. Kenntniss und Gebrauch derselben haben sich wahrscheinlich langsam durch Indien und Persien zu den Arabern verbreitet, bei welchen sie im frühen Mittelalter auftauchte und der berüchtigten Sekte der Haschaschins oder Assassinen (1090 — 1256) Namen und ein Hauptmittel zu ihren Zwecken verlieh. Sonnerat, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, scheint zuerst Haschisch nach Europa, wenigstens nach Frankreich, gebracht zu haben. Napoleons Feldzug in Aegypten machte aufs neue darauf aufmerksam. Den Griechen und Römern scheinen nur die technischen Eigenschaften des Hanfes bekannt gewesen zu sein, doch wollen manche das homerische sorgenbrechende Nepenthes von Hanf (andere von Mohn) ableiten. Das Harz, wovon die Gunjah 6 — 7 pC. gibt, scheint nach Procter aus Terpenthinöl zu krystallisiren , ist jedoch nicht näher untersucht. Es besitzt in hohem Grade den Geruch des Krautes , löst sich in den gewöhn- lichen Lösungsmitteln der Harze, ist gegen Alkalien indifferent und schmilzt unter 50° C. Man hat es als Cannabin oder Haschischin bezeichnet, doch steht nicht fest, dass es das (allein) wirksame Princip des Hanfes ist. Da das nur im indischen Kraute reichlich vorhandene Harz in Alkalien unlöslich ist, so sind Extracte aus anderem Kraute daran kenntlich, dass sie sich klar in Alkalien zu lösen vermögen. Durch Destillation mit Wasser erhielt Personne (1857) neben Ammo- niak ätherisches Oel, das er in flüssiges, bei 235 — 240° siedendes Canna- ben 018H2° und krystallisiren den Cannaben-Wasserstoff 018H42 trennte. Ersteres zeigt heftige physiologische Wirkungen, obwohl von ge- ringerer Energie als die des Harzes, das letztere riecht schwach nach Hanf. Auch Bohlig hatte ähnliche Wirkungen an dem Oele bemerkt und davon 0,3 pC. aus frischem, eben verblühtem Kraute erhalten. Nach Per- sonne verdankt jenes Harz Cannabin seine Wirkungen nur einem Gehalte an ätherischem Oele. Lefort gibt dem letzteren die Formel OnH2202 und auch G. Mar tiu s (1855) hat es sauerstoffhaltig, aromatisch, aber ohne besondere physiologische Wirkung befunden.1) Derselbe erhielt aus dem Extracte auch Salmiak, Salpeter, Zucker und Gummi. In einer bei 100° C. getrockneten Probe des Krautes von der Sorte Bang fand er 18 pC. Asche, worin Kieselsäure, dann Kalk, Kali und Magnesia, zum Theil als Phosphate, vorherrschten. Aus den Stengeln des gewöhnlichen Hanfes erhielt Kane 4,5, aus den Blättern 22 pC. Asche. *) Das Mittel der Formeln von Cannaben und Cannabenwasserstoff kann nahezu durch die Formel des Terpenthinöles O10H16 ausgedrückt werden; zieht man von der Formel Le- fort's Wasser H -tr ab, so entspricht der Rest auch beinahe dem Kohlenwasserstoffe 01ÜH16. Herlba Chenopodii ambrosioidis, 525 Herba Chenopodii ambrosioidis. Herba Botryos mexicanae. Jesuiten-Thee. Mexikanisches Traubenkraut. Ambrosie. The du Mexique. Mexican goosefoot. Chenopödium ambrosioides L. — Chenopodieae. Syn.: Ambrina ambrosioides Spach, Dieses einjährige bis 2 Fuss hohe Kraut war ursprünglich in Südame- rika, Westindien und Mexiko einheimisch. Caspar Bauhin zog die Pflanze 1619 zuerst aus mexikanischen Samen; nach andern sollen die Jesuiten sie auch eingeführt haben. Jetzt ist sie unkrautartig über die mei- sten wärmeren und gemässigten Länder, stellenweise in grosser Menge ver- breitet, auch da und dort in Süd-Deutschland verwildert. Es haben daher vermuthlich mehrere Naturalisationen stattgefunden. Der schwach flaumige drüsige und gefurchte Stengel ist nach oben py- ramidal verästelt; die schlanken Aeste schlaff abstehend, zu oberst mehr aufrecht, reichlich mit lanzettlichen , bis gegen 0,04m langen Blättchen be- setzt und in den Winkeln derselben die sehr zahlreichen unscheinbaren grünlichen Blüthenknäuelchen tragend, welche fast den ganzen Sommer blühen. Die blüthenstützenden Blätter sind ganzrandig oder ein wenig ge- schweift, stumpflich bespitzt, allmälig in einen kurzen Stiel verschmälert. Bedeutend grösser, spitzer und fast buchtig gezahnt sind die Stengelblätter am Grunde der Aeste; ihre Länge übertrifft meist die der Stengelglieder. Sämmtliche Blätter sind von sehr dauerhaftem glänzendem Grün, unterseits mit kleinen gelblichen Drüschen versehen, kahl oder in der Jugend nur wenig flaumig. Dem Kraute ist ein besonderer kampherartiger Geruch und Geschmack, auch lange Zeit nach trockener Aufbewahrung, eigen. Es gibt Vs (Bley) bis 1,1 pC. (Becker) ätherisches Oel, dessen Ge- ruch an Pfefferminze erinnert. Hirzel bestimmte sein spec. Gewicht zu 0,902, den Siedepunkt zwischen 179° und 181°, wonach es wahrscheinlich wird, dass es zu den Terebenen gehöre. Es löst sich schon in 30 Theile Wasser. Im übrigen scheint die Pflanze reich an Salzen zu sein. Chenopödium Botrys L., in Südeuropa und Mittelasien, auch noch in wärmeren Gegenden Oesterreichs und der Schweiz einheimisch, sieht der obigen Art ähnlich, ist aber weniger ästig und mit klebrig drüsigen und tief buchtigen, fast fiederspaltigen Blättern versehen, welche mit Ausnahme der oberen lang gestielt sind. Das ätherische Oel dieser Pflanze riecht feiner, ist jedoch wenig beständig, daher das trockene Kraut bald geruch- los wird. Chenopödium Schraderianum Römer u. Schultes, eine ebenfalls sehr aromatische Art, die häufig unter dem Namen Ch. ambrosioides ge- zogen wird und vermuthlich aus Nordafrika stammt, ist bei weitem kräf- 526 Blätter und Kräuter. tiger, bis über lm hoch, meist nur wenig ästig. Die Blüthenstände der un- teren Blattwinkel stellen zuletzt ansehnliche reich verzweigte Rispen dar; die Blätter , auch die der endständigen Blüthenähren , sind sämmtlich tief buchtig getheilt. Folia Lauri. Lorbeerblätter. Feuilles de Laurier. Laurel leaves. Die immergrünen lederartigen Blätter des Laurus nobilis (siehe Fructus Lauri) sind länglich, bis über 0,1 0m lang und 0,05m breit, mehr oder we- niger stumpflich zugespitzt, kurz gestielt, mit ganzem, ungesagtem, aber wellig krausem gelblichem und etwas verdicktem Rande. Eine starke gelb- liche, auf beiden Flächen hervortretende Mittelrippe und ziemlich derbe Seitennerven durchziehen das ausserdem fein geäderte , glatte und ganz kahle Blatt, dessen Parenchym helle Oelräume durchscheinen lässt. Geruch und Geschmack den Lorbeeren ähnlich. Folia Aurantii. Pomeranzenblätter. Feuilles d'oranger. Orange leaves. Die lederigen immergrünen Blätter des bei Aurantia immatura erwähn- ten Pomeranzenbaumes, entweder bei uns gezogen oder aus Südeuropa. Die Blätter stehen zerstreut und einzeln auf einem ungefähr 0,02m lan- gen gegliedert eingelenkten und daher leicht abfallenden Stiele, welcher beiderseits gerundete, fast den Blattgrund berührende Flügel trägt, die als unentwickelte Fiedern des eigentlich der Anlage nach zusammengesetzten Blattes zu betrachten sind. Die Blätter, von spitz eiförmigem Umrisse, sind bis über 0,1 0m lang und ungefähr halb so breit, fast unmerklich entfernt gekerbt. Auf jeder Blatthälfte gehen von der besonders unterseits stark hervortretenden Mittelrippe unter etwa 50° gegen zehn anfangs gerade Nerven ab, welche sich weiterhin verzweigen und dem Blattrande an- schmiegen. Trocken sind die Blätter oberseits (oft fleckig) dunkelgrün und ziemlich eben , unterseits graugrün und durch ein krummliniges Maschenwerk zwi- schen den Nerven unregelmässig geädert. Im durchfallenden Lichte scheinen die kleinen, bis gegen 200 Mikrom. erreichenden, im Parenchym des Blattes liegenden zahlreichen Oeldrüsen1) als hellere Pünktchen durch. Sie sind wie die meisten derartigen Organe ölreicher Blätter von kleinen mit Chloro- phyll gefüllten Zellen umgeben. Unter der Oberhaut finden sich sehr zahl- reiche ähnliche Oxalatkrystalle wie in Aurantia immatura in einzelnen der im übrigen Chlorophyll führenden Zellen. *) abgebildet bei Ou dem ans, Aanteekeningen Taf. CC Fig. 124. Folia Juglandis. 527 Auch nach dem Trocknen behalten die Blätter noch einen Theil ihres feinen Wohlgeruches. Sie schmecken unbedeutend aromatisch, kaum merk- lich adstringirend , etwas bitterlich. Das ätherische Oel, nach Ray bau d etwa l/% pC. der frischen Blätter betragend, ist noch nicht näher unter- sucht. — Eisenchlorid gibt mit dem wässerigen Auszuge nur eine dunkel- braune Färbung, aber keinen Niederschlag. Die sehr ähnlichen Blätter mancher der zahlreichen verwandten Arten unterscheiden sich durch den kürzeren und nicht oder nur sehr schmal ge- flügelten Blattstiel, so wie durch geringeren, namentlich wenig oder gar nicht bitteren Geschmack. Den käuflichen Blättern fehlen aber oft die Blattstiele. Folia Juglandis. Walnussblätter1). Feuilles de noyer. Walnut-tree leaves. Juglans regia L. — Juglandeae. Der Nussbaum ist in Vorderasien , von den kaukasischen Ländern bis Nordindien, vom Libanon bis Südpersien, ganz vorzüglich auch in Kasch- mir einheimisch und schon seit sehr langer Zeit durch Europa verbreitet. Noch unter dem 6 1 . Breitengrade reift er in Norwegen seine Früchte. Der starke, bis 0,30m lange Blattstiel trägt ein bis vier, am gewöhnlich- sten drei Paare nicht genau gegenüber stehender eiförmiger Blätter mit meist kurz aufgesetzter Spitze. Das gegen 0,20m in der Länge und 0,10ra in der Breite erreichende Endblatt übertrifft an Grösse häufig die nächsten seitlichen Theilblätter und letztere sind immer grösser als die tiefer stehen- den. Sämmtliche Theilblättchen sind ganzrandig, nur sehr schwach ge- schweift, am Grunde ungleichhälftig, nur das Endblatt langgestielt. Beim Trocknen werden die Blätter sehr leicht schwarz. Frisch riechen sie eigen- thümlich und nicht unangenehm balsamisch, weniger mehr nach dem Trock- nen. Der Geschmack ist etwas aromatisch und anhaltend kratzend. Jüngere Blätter sind unterseits, zumal längs der Nerven, mit weichen Gliederhaaren besetzt und mit ansehnlichen hellgelben Drüschen bestreut, welche (ähnlich wie Glandulae Lupuli) aus einer äusseren zarten und einer inneren straffen Hälfte bestehen und eine ungestielte abgeplattete Kugel darstellen. Später verlieren sich die Haare und die Drüsen mehr und mehr, Das Parenchym der Blätter zeigt in reichlicher Menge Oxalatdrusen. Eisenchlorid färbt den Querschnitt tief dunkelgrün. Der gelbgrüne Saft frischer Blätter wird durch Ammoniak nicht violett, sondern braun, scheint also das in den unreifen Früchten (1858) von Vogel und Reischauer gefundene Nucin nicht zu enthalten. *) wal, walch, welsch so viel als fremd. 528 Blätter und Kräuter. Folia Bucco. Folia Buccu s. Buchu s. Diosmae. Bucco-Blätter. Barosma-Blätter. Feuilles de bucco. Buchu. 1. Barosma crenulata Hooker. — Diosmeae. 2. B. crenata Kunze. 3. B. betulina Bartling. 4. B. serratifolia Willd. Diese und noch andere Barosmen sind ästige, lra hohe Sträucher oder kleine Bäumchen des Caplandes, ausgezeichnet durch meist gegenständige lederige Blätter, welche an dem gezähnten, gesägten oder gekerbten, übri- gens ungetheilten Rande sowohl als im Gewebe der Blattfläche selbst an- sehnliche Drüsen tragen. Die letzteren sind kleiner und treten auf der un- teren Blattfläche deutlicher zu Tage. Auch die jüngeren Zweige und die Blüthentheile sind noch mit Drüsen versehen. Alle führen ein eigenthüm- lich und sehr stark riechendes ätherisches Oel1). Durch die meist fünf- zähligen, gewöhnlich einzeln aus den Blattwinkeln hervortretenden Blüthen von weisser Farbe und ansehnlicher Grösse erhalten die Buccosträucher ein sehr hübsches Aussehen. Den käuflichen Blättern findet man häufig, ausser den vierkantigen jün- geren Zweigspitzen und den Blüthen auch Früchtchen beigemengt. Sie sind aus meist 5 aufrechten , an der inneren Naht verwachsenen Karpellen gebildet, welche sich zuletzt trennen , an jener Bruchnaht aufreissen und eine gelbe (durch Fehlschlagen) einsamige Steinschale entblössen, die schliesslich auch in 2 Klappen aufspringt. Hauptsächlich von, den vier oben genannten, weniger häufig, aber auch noch von einigen anderen Arten werden die Blätter ohne Unterschied ge- sammelt und je nach dem Vorherrschen der einen oder andern Blattform als breite oder lange Buccoblätter bezeichnet. Die letzteren, vielleicht im ganzen etwas weniger im Handel verbreitet, pflegen vorherrschend der bei Zwellendam häufigen B. serratifolia anzugehören. Ihre spitz lanzett- lichen Blätter sind am häufigsten ungefähr Ü,04m lang und in der Mitte etwa 4 bis 6 Millim. breit, an der Spitze gestumpft und mit einer Drüse versehen. Die Blattränder sind sehr genähert, schief sägezähnig; in dem etwas spitzen Winkel sitzt jeweilen eine Oeldrüse. Das Blatt ist von einem starken Mittelnerv und 2 bis 4 schwächeren Seitennerven durchzogen. Nicht so oft finden sich den langen Buccoblättern auch die des Em- pleurum serrulatum Aiton aus derselben Familie beigemischt. Dieser Strauch unterscheidet sich mehr durch blumenblattlose braunrothe Blü- then und einfache sichel- oder fast schötchenförmige Frucht von Ba- rosma, als durch die Blättchen, welche noch schmäler und spitzer sind als die der B. serratifolia. Ganz besonders ist dies der Fall bei der Varietät *) worauf sich der Gattungsname bezieht: ßapu? schwer, o?[j.7, Geruch. Folia Bucco. 529 Empleurum serrulaturn ß) angmtwsimum, wo sogar die Sägezähne fast verschwinden, an denen sonst Empleurum sehr leicht kenntlich ist. Die- selben setzen nämlich rechtwinkelig ein, das oberste Paar ist ziemlich abge- rundet und lässt die drüsenlose und nicht gestumpfte Spitze des Blattes lang hervortreten. In den mir zu Gebote stehenden Proben von Buccoblättern , die dem gegenwärtigen Verkehr entnommen sind , ist Empleurum nicht vertreten und fehlt auch z. B. unter den von British Pharm, aufgeführten Stamm- pflanzen. Eine breite Sorte der Buccoblätter stammt vorzüglich von der zuerst genannten Art, auch wohl von der wenig verschiedenen zweiten. Dazu gesellen sich noch in der am meisten vorkommenden und wohl- feilsten dritten Sorte die Blätter der B. betulina. Sehr oft herrschen die letzteren bei weitem vor; sie sind leicht kenntlich an ihrem verkehrt eiför- migen , bis etwa 0,0 1 5m breiten und oft nicht viel längeren Umrisse. Die breite kurze Spitze schlägt sich gewöhnlich zurück, wodurch das Blatt ein eigenthümliches Aussehen gewinnt. Der dickliche Rand ist scharf und dicht gezähnt, indem neben den mehr hervorragenden stärkeren Spitzen auch noch kleinere Zähne auftreten. Zwischen denselben findet sich immer eine sehr ansehnliche Drüse. Bei Barosma crenulata und crenata sind die Blätter eiförmig, aber doch entschieden länger als breit, bei beiden Arten übrigens in dieser Beziehung etwas variirend, bald schmäler, bald breiter. Die Blätter von B. crenulata, durchschnittlich 0,03m lang, bei fast 0,0 lm Breite, sind nicht nur gestumpft, sondern vorn oft gerundet, die Ränder sehr seicht und häufig etwas entfernt gesägt, die Drüsen am Grunde der Sägezähne meist so gross wie diese selbst. Die Verhältnis smässig noch etwas breiteren Blätter der B. crenata sind sanft gekerbt, übrigens den vorhergehenden am ähnlichsten. Berg hat in der „ Darstellung und Beschreibung der officinellen Gewächse" die Buccoblätter in vorzüglicher Weise charakterisirt. Hierauf muss nament- lich auch in Betreff der zahlreichen Synonyme der Stammpflanzen ver- wiesen werden. Die Buccoblätter sind von durchdringendem, sehr haltbarem Rauten- geruche und von bitterlichem aromatischem Geschmacke. Chemische Unter- schiede der einzelnen Sorten sind nicht bekannt. Sie geben etwa 1 pC. ätherisches Oel, das nicht näher untersucht ist. Bedford erhielt aus B. serratüoiict 0,66 pC., aus kurzen Blättern (B. betulina?) 1,2 pC. im Mittel, andere aber sehr viel weniger. Die Existenz eines eigenthümlichen Stoffes, den man bereits Diosmin genannt hat, ist erst noch zu erweisen. Er stellt sich vielleicht als Quercitrin oder Rutin (vergl. bei Folia Rutae) heraus. Im Caplande sind die Buccoblätter bei den Eingeborenen längst ge- bräuchlich gewesen. Die Hottentotten bereiten aus dem Pulver derselben und anderer aromatischer Pflanzen, das sie Bucco nennen, mit Fett eine Flückiger, Pharmakognosie, 34 530 Blätter und Kräuter. Hautsalbe. Englische Aerzte, vorzüglich R e e c e , verwendeten seit 1823 die Blätter als Heilmittel, so dass schon 1824 davon 30,000 Pfund ausge- führt wurden. In Deutschland wurden sie seit 1825 zuerst durch Job st verbreitet, sind aber jetzt wenig mehr gebräuchlich. Folia Rutae. Herba Rutae hortensis.1) Rautenblätter. Gartenraute. Weinraute. Feuilles de rue. Rue leaves. Ruta graveolens L. — Rutaceae. Halbstrauch trockener Stellen der Mittelmeerländer, welcher seit langer Zeit auch in Mitteleuropa und England, aber kaum mehr in Skandinavien in Gärten gezogen wird. Die bis lm hohen verholzten, an der Spitze absterbenden Stämmchen sind oben ästig und mit aufrechten krautigen walzenrunden Zweigen besetzt, welche zwar im Spätjahre oben absterben, aber schon die unentwickelten nächstjährigen Triebe aufweisen. Die unteren Blätter sind langgestielt, im Umrisse ziemlich breit drei- eckig und gegen 0,1 0m lang, entfernt doppelt fiedertheilig oder, durch noch- malige Theilung der Fieder zweiter Ordnung, stellenweise dreifach gefiedert. Die bis ungefähr 0,0 2m langen Lappen von spateiförmiger oder verkehrt eirunder Gestalt sind am Rande sanft und weitläufig gekerbt, vorn breit gerundet, ein wenig ausgeschnitten oder seltener sehr kurz und stumpf ge- spitzt. Das Endstück des Blattes und auch wohl das der Fiedern erscheint durch Zusainmenfliessen zweier oder dreier Läppchen regelmässig grösser und breiter. Es entsteht hierdurch im ganzen eine ziemlich veränderliche Theilung des Blattes, welche in der Kultur noch mehr wechseln kann. Die oberen Blätter sind kürzer gestielt, nur einfach gefiedert, zuletzt als Deck- blättchen in den Verzweigungen der endständigen Trugdoldentraube auf ein einziges, verkehrt eiförmiges, in den Stiel verschmälertes Blättchen be- schränkt, das gewöhnlich deutlicher gekerbt ist, als die Fiederläppchen der zusammengesetzten Blätter. Die Blätter sind von dicklicher, fast lederartiger Beschaffenheit, auch im Winter nur allmälig absterbend. Sämmtlichen krautigen Theilen der frischen Pflanze ist eine meergrüne, beim Trocknen in dunkelgrün übergehende Farbe eigen. Sie sind kahl, in ihrem Parenchym mit ansehnlichen Oelräumen versehen, welche die Blätter durchscheinend punktirt erscheinen lassen. Der Geruch der Raute ist sehr stark eigenthümlich , nicht eben ange- nehm, der Geschmack aromatisch und bitterlich. Nach Berg erinnert die Wurzel im Gerüche an Pimpinella. *) Gegensatz zu Peganum Harmala L., welche Ruta sylvestris hiess. Folia Rutae. 531 Die Blätter geben (trocken) im Durchschnitte auffallender Weise nicht über Vi pC. ätherisches Oel; je nach Standort und Vegetationszeit oft viel weniger. Doch liefert selbst südfranzösisches Kraut zur Blüthezeit nach Ray baud nicht bedeutend grössere Ausbeute, die Früchte dagegen beinahe 1 pC. Das Oel vermag gefährliche irritirende und subnarkotische Vergiftungs- erscheinungen, z. B. beim Einsammeln grösserer Mengen des Krautes, hervorzurufen. Es ist grünlich -gelb, nach Geiss (1861) bei — 22,5° noch flüssig, wenn es vor der Blüthezeit destillirt wird, während aus blühendem Kraute erhaltenes bei — 20° erstarrte. Das Oel reifer Früchte krystallisirte bei — 2,5° und schmolz bei -f- 7,5°. Das Rautenöl ist ein Gemenge von wenig mit Terpenthinöl isomerem Kohlenwasserstoffe mit sauerstoffhaltigen Oelen, aus welchen sich in ziem- licher Menge die nachWilliams bei 213°, nach Harbordt bei 228°C. siedende Verbindung OllH22-0- durch fraktionirte Destillation oder durch Schütteln mit alkalischen Bisulfiten gewinnen lässt. Williams hatte sie als Enodylaldehyd bezeichnet, Harbordt zeigte, dass sie durch Oxydation nur Säuren von geringerem Kohlenstoffgehalte (Caprin- und Caprylsäure u. s. f.) liefert, daher nicht zu den Aldehyden gehört, sondern als Methyl- caprinol n -rr3 \Q zu betrachten ist. Von dieser bei -f- 7° krystalli- sirenden Verbindung hängt wohl der Erstarrungspunkt des rohen Oeles ab. Ausser derselben kömmt darin auch ein dem Borneol (vergl. bei Camphora) isomerer , wenn nicht damit identischer Körper vor. Das Methylcaprinol riecht mehr nach Früchten als nach Raute. Weiss hatte 1842 aus der Raute das in hellgelben Nadeln krystallisir- bare Rutin dargestellt, Bornträger dasselbe als Rutin säure näher untersucht und Hlasi wetz (1855) es als gepaarte Verbindung von Quer- cetin und Zucker erkannt. Zwenger u. Dronke (1862) bewiesen, dass das RutinO25H28015-+-2H2-9- (bei 100° C.) dennoch nicht identisch mit Quercitrin ist und durch verdünnte Säuren in Quercetin O13Hlo-0-6 und un- krystallisirbaren Rutinzucker £,2H1809 gespalten wird. Letzterer wurde fast farblos erhalten, optisch unwirksam und nicht gährungsfähig befunden. Salpetersäure gibt damit nur Oxalsäure, alkalisches Kupfertartrat wird da- durch schon in der Kälte reducirt. Leichter als aus der Raute, lässt sich das Rutin aus den sogenannten Cappern, den Blüthenknospen von Capparis spinosa L. , so wie aus den sogenannten chinesischen Gelbbeeren in Kör- nern1) gewinnen. In der Raute ist es nämlich nach Zwenger u. Dronke von schwer trennbarem Harze, so wie von einem eben so hartnäckig anhaf- tenden, dem Cumarin (vgl. bei Herba Meliloti) höchst ähnlichen Körper begleitet. !) auch Waifa geheissen. Es sind die Blüthenknospen von Sophora japonica L. (Papilionaceae). 34* 532 Blätter und Kräuter. DasRutin scheint übrigens im Pflanzenreiche noch weiter vorzukommen, bisher aber oft mit Quercitrin verwechselt zu sein, womit es allerdings grosse Aehnlichkeit besitzt. Die weit verbreitete Aepfelsäure fehlt auch in der Raute nicht. Die Schärfe der Raute, auch ihre abortive Wirkung , war schon den Alten bekannt; doch diente das Kraut auch als Gewürz. Zum Anbau des- selben in Mitteleuropa gab Karl der Grosse Befehl. Noch schärfer scheint die südeuropäische, durch fein lineal zerschlitzte Blätter verschiedene Ruta montana L. zu sein. Herba Meliloti. Steinklee. Melilot. Melilötus officinalis Persoon. — Papüionaceae. Mannshohe schlanke Staude, durch den grössten Theil Europas und Mittelasiens bis Persien einheimisch. Die von unten an ausgebreitet ästigen Stengel erscheinen aus der zweijährigen Wurzel in grösserer Zahl erst zu Anfang des zweiten Jahres. Sie sind kantig, holzig, innen hohl, mit nicht sehr zahlreichen zerstreuten, dreizählig zusammengesetzten Blättern ver- sehen. Dieselben werden von einem ziemlich langen Stiele getragen ; auch das oft nur wenig grössere Endblättchen ist noch gestielt, die Seitenblättchen beinahe sitzend. Alle sind gestutzt lanzettlich, das mittlere oft etwas breiter eiförmig, sämmtliche spitz gezähnt, 0,02m — 0,04m lang. Die Blättchen sind kahl, höchstens unterseits, längs der Mittelrippe, da und dort mit Här- chen besetzt, welche am Stiele reichlicher vorkommen. Weit kleiner sind die pfriemförmigen Nebenblättchen. Die sehr reichblüthigen zahlreichen Blüthentrauben, welche sammt dem Kraute gesammelt werden , tragen kleine , einseitig herabhängende , schön gelbe Blüthen vom gewöhnlichen Bau der Kleeblüthe und umgekehrt, eiför- mige bespitzte , bei der Reife schwarzbraune Früchtchen. Ihre wenig ge- wölbten Flächen sind netzig grubig, nicht sehr dicht behaart. Vor anderen verwandten Arten ist die obige durch den besonders nach dem Trocknen kräftig hervortretenden und sehr beständigen Wohlgeruch1) ausgezeichnet. Das Kraut schmeckt unbedeutend bitterlich und salzig. Mitunter zeigen sich an länger aufbewahrtem Kraute farblose harte Krystallprismen jenes Riechstoffes, der als Cumarin zuerstvon Guibourt und Guillemette in den Samen von Dipterix odo?'ata^Nilld. (Couma- rouna odorata Aublet), einer baumartigen Papilionacee Guyanas, erkannt wurde. Das Cumarin dieser sogenannten Toncobohnen wurde nach und nach in einer ganzen Reihe anderer Pflanzen der verschiedensten Familien aufgefunden. In sehr reichlicher Menge finden sich z. B. Cumariukrystalle am Stengel der nordamerikanischen Liatris odoj*atissima Willd. (Compositae- Eupatorieae). J) daher die Erinnerung an Honig, \xOj. Crocus. 533 Die Untersuchungen von Zwenger, Dronke u. Bodenbender (1862 — 1863) haben jedoch bewiesen, dass das Cumarin verschiedener Pflanzen durchaus nicht identisch ist und sich namentlich schon durch den Schmelzpunkt sehr unterscheidet. Für den bisher als Cumarin bezeichneten Stoff der Melilotus fanden sie denselben unter Umständen zwischen 98° und 200° C. schwankend. Aus altem käuflichem Steinklee wurden noch y2 pro Mille Krystalle erhalten, welche die Zusammensensetzung 018H1605 zeig- ten. Durch Ammoniak, theilweise auch durch Bleiessig werden sie getrennt in Cumarin 09H602 und Melilotsäure (Hydro cum ar säure) O9H10-9-3. Erst dieses aus seiner salzartigen Verbindung abgeschiedene Cumarin ist wirklich identisch mit dem der Toncosamen. Freies Cumarin ist wie es scheint im Steinklee nicht vorhanden und vermuthlich eben so wenig in den meisten der übrigen als Cumarin gebend bekannten Pflanzen (vergl. bei Folia Rutae). Die physiologischen Wirkungen des Cumarins scheinen nach einigen Angaben nicht ganz unbedenklich zu sein. Der von den Alten benutzte Melilotus war vermuthlich eine andere Art als unser Steinklee. V. Blüthen. A. Blüthentheile. Crocus. Crocum. Stigmata Croci. Crocus orientalis. Safran. Safran. Saffron. Crocus sativus L. — Irideae. Syn.\ Crocus officinalis Persoon. Der Safran wächst in Yorderasien, auch in Griechenland (Attika, Syros, Tenos) wild und wird augebaut in Kaschmir, Persieu (Herat, Najin in Cho- rassan, Hamadan, Baku), im südlichsten Arabien und gegenüber in Nord- ost-Afrika (Härrär) , bei Manisa (Magnesia) in Klein-Asien , so wie in den wärmeren Gegenden Europas, z. B. Macedonien, Italien, Spanien. Sogar in Oesterreich, im südlichen England, zu beschränktem lokalem Gebrauche, auch stellenweise in Deutschland und der Schweiz. Das Hauptproduktions- land für uns dürfte aber gegenwärtig die Landschaft Gätinais bei Orleans (Arrondissement Pithiviers) im französischen Loiret-Departemeut sein, deren sehr geschätzte und weit verbreitete Sorte die orientalische bei uns ver- drängt hat. Auch bei Avignon und in der Normandie wird Safran gebaut. Der spanische Safran aus Valencia erreicht die Schönheit des französischen, der aus Alicante dagegen steht zurück. Die Safranblüthe hat einen langen , unten farblosen , nach oben gelben Griffel, welcher sich in drei bis 0,030m lange röhrige, am obern Rande er- weiterte verdickte und gezähnte, an der inneren Seite aufgeschlitzte Narben 534 Blüthen. von tief gelbrother1) Farbe theilt. Die Blumen werden im Herbste ge- sammelt, die Narben schnell herausgelesen und in gelinder Wärme getrock- net. Zu 100 Gramm frischer "Waare fand Marquart in Bonn 2000, zu eben so viel lufttrockener Waare 12000 Blüthen erforderlich. Da übri- gens die Pflanze nur 1 oder 2 Blüthen treibt und sehr häufig durch klima- tische Einflüsse leidet2), so ist der hohe Preis der Waare (um 150 Franken das Kilogr.) gerechtfertigt. Je weniger Griffel mit eingemengt sind, desto dunkler gefärbt und desto werthvoller ist der Safran, wie namentlich der bei Wien, St. Polten, Melk in Oesterreich gebaute; schon das untere Ende der Narbe ist etwas blasser. Der käufliche Safran ist ein loses Haufwerk einzelner oder noch zu drei am oberen gelben Griffelende sitzender Fäden, welche sich fettig anfühlen, zähe und biegsam sind. Farbe gesättigt braunroth , Geruch eigenthümlich gewürzhaft, etwas betäubend, Geschmack bitter und etwas scharf. — Das Gewebe besteht aus sehr dünnen hin und her gebogenen zarten , dicht ver- filzten fadenförmigen Zellen und kleinen Spiralgefässen. Der gelbrothe Farb- stoff durchdringt das Ganze und ist zum Theil in Körnern abgelagert; ausserdem zeigt das Mikroskop Oeltropfen und Klümpchen , wahrscheinlich eines Fettes, auch einzelne grosse Polleukörner fehlen nicht. Der Safran ist hygroskopisch und schon deshalb nicht-leicht zu pulvern ; gute Waare von gewöhnlicher Beschaffenheit verliert durch Trocknen bei 100° C. 12 pC. Feuchtigkeit, die sie bald wieder aufnimmt und deshalb in geschlossenen Gefässen aufbewahrt werden muss. Bestandtheile : der prachtvolle, in trockenem Zustande rothe amorphe Farbstoff wurde als Polychroit, Safrangelb oder Safranin, zuletzt von Roch leder als Crocin (vielleicht = O30 H44 -9-16) bezeichnet. Concentrirte Schwefelsäure färbt das Crocin wie den Orleanfarbstoff blau , dann violett, Salpetersäure grün. Es löst sich mit gelbrother Farbe in Alkohol, Wasser und Alkalien, sehr wenig in Aether. Das Färbungsvermögen des Crocins ist so ausserordentlich kräftig, dass 1 Theil Safran 200,000 Theilen Wasser eine auch in durchfallendem Lichte noch sichtbare gelbliche Färbung ver- leiht. Verdünnte Säuren spalten das Crocin in Crocetin und Traubenzucker ; durch Sauerstoff wird es leicht verändert. Den Farbstoff und, wenigstens im frischen Zustande, auch einigermassen das Aroma des Safrans besitzen die chinesischen Gelbschoten, von Garde- nia grandiflora Loureiro und G. florida L. (Kubiaceae). Den Geruch ver- dankt der Safran einem gelben ätherischen Oele, welches zu etwa 1 pC. darin vorkömmt3), schwerer als Wasser ist und darin in ein geruchloses Stea- ropten übergeht. Ausserdem enthält der Safran Fett, Traubenzucker, eine vielleicht eigentliümliche Säure (Aepfelsäure) und liefert 8,9 pC. Asche (Quadrat). 1) Koo/.o: griechisch = gelb; assfar, arabisch = gelb, roher Safran, Safäran persisch. 2) Ueber Safrankultur siehe Gasparin, Cours d'agriculture. IV. 3) Nach Henry und nach ßouillon-Lag ränge 7 bis 9 pC.!? Crocus. 535 Unter dem Namen Fe min eil wurde früher in Nürnberg eine sehr ge- ringe Sorte Safran meist aus den wenig gefärbten Griffeln und anderen Ab- fällen hergestellt. Als mögliche Verwechslungen und Verfälschungen des Safrans werden ausser den Staubfäden des Crocus sativus selbst verschie- dene Blüthen von Compositen (Carthamus tinctorius, Calendula officinalis u. s. f.), auch wohl die des Crocus vernus L. genannt. Sie würden sich alle durch die von Safran angegebenen Merkmale unterscheiden lassen, zumal beim Aufweichen. Dagegen liefern auch wohl Crocus odorus Biv. (C. sero- tinus R. u. S) in Sicilien und Dalmatien, Cr. Pallasii Goldb. in Taurien, Cr. susianus Ker. in Kleinasien und andere, wenigstens lokal, zur Färberei brauchbaren Safran. Zu verwerfen ist aller Safran , der sich mit "Wasser (Syrup) oder Oel befeuchtet oder durch theilweises Auslaugen an Farbe und Geruch ge- schwächt zeigt. Weit gröberen Verfälschungen ist die gevulverte Waare ausgesetzt, die zum medicinischen Gebrauche nicht dem Handel entnommen werden darf. Schon seit den frühesten Zeiten, bereits in der ältesten indischen Medicin, spielt der Safran als Heilmittel, Gewürz und Farbstoff eine bedeutende Rolle in der Handelsgeschichte und wurde bei den Alten als „König der Pflanzen" hochgefeiert. Auch die Araber, z. B. Masudi im X. Jahrhun- dert, stellten ihn unter die 5 hauptsächlichsten kostbaren Gewürze. Das Mittelalter fahndete in Deutschland mit besonderer Strenge auf Safran- fälschung. — Eine eigenthümliche Vorliebe dafür hat sich in einzelnen Gegenden in hohem Grade erhalten. Der kleine Bezirk des Berner Ober- landes (Schweiz) z. B. verbraucht alljährlich für 12000 bis 30000 Franken dieses völlig entbehrlichen Gewürzes. Als Farbematerial wird der Safran kaum mehr benutzt; im Orient höchstens noch bei den reichen Araberinnen zum Gelbfärben der Augen- lider, Fingerspitzen und Zehen. Nach den Berichten der arabischen Geographen, z. B. Istachri und Edrisi, lässt sich die Cultur des Safrans in Persien (um Isfahan) bis in die Mitte des X. Jahrh. zurück verfolgen, scheint aber jetzt unbedeutend zu sein. Kaschmir erzeugte nach Hügel um 1840 noch gegen 5000 Kilogr. jähr- lich, während heut zu Tage Europa ungefähr eben so viel nach Ostasien ausführt. Durch die arabische Herrschaft in Spanien gelangte der Safranbau zu- erst in die Gegend von Granada und von da vermuthlich nach Frankreich. Im übrigen Europa wurde er wohl durch die Kreuzfahrer bekannt; in Deutschland scheint im XV. und XVI. Jahrhundert die Safrankultur von Belang gewesen zu sein. Gatinois erntet jährlich ungefähr 15000 Kilogr. Safran, Arragonien doppelt so viel. In neuester Zeit scheint in Frankreich eine Ausartung der Pflanze diese Kultur zu bedrohen. In Niederösterreich (bei Melk, Wagram, Meissau u. s. f.) wird etwa seit 1770 vorzüglicher Safran erzeugt, der jedoch nicht einmal für den inlän dischen Bedarf ausreicht. 536 Blüthen. Flores Verbasci. "Wollblurneu. Fleurs de molene, fleurs de bouillon-blanc ou de bonhomme. 1. Verbascuin thapsiförme Schrader. — Scrophulariaceae. Syn.: V. Thapsus Meyer (non Linne). 2. Verbascum phlomoides L. 3. Verbascum Schraderi Meyer. Syn.: V. Thapsus L. (nach Fries). Die grossblumigen Arten der Wollkräuter sind durch den grössten Theil Europas verbreitet; die erstgenannte namentlich von Norddeutschland bis Griechenland, die zweite mehr im mittleren und südlichen Gebiete. Die dritte Art wächst durch fast ganz Europa, im Gebiete des schwarzen und des caspischen Meeres, selbst in Südsibirien und in Nordamerika. Diese stattlichen zweijährigen Kräuter zeigen Neigung zur Bastard- bildung und sind überhaupt etwas veränderlich. Die schönen gelben , bei uns im Spätsommer erscheinenden Blüthen, welche bei der ersten Art am grössten sind , sitzen an dem im zweiten Jahre auswachsenden aufrechten Stengel zu einer einfachen oder am Grunde ästigen, sehr dichten, mehr als fusslangen Aehre (Blüthenschwanz) geordnet. Bei Y. phlomoides ist die oft fast traubige Blüthenähre unterbrochen. Die untersten Blüthen der Haupt- axe entwickeln sich zuerst. Jede Blüthe wird von einem etwas längeren einfachen zugespitzten Deckblatte gestützt, das eben so filzig ist wie die weit grösseren Stengelblätter. Der fü nfsp altige , aussen sternhaarig filzige Kelch wächst nach dem Abfallen der nur einen Tag geöffneten Blamenkrone weiter. Die 5 gerundeten Lappen der letzteren breiten sich aus der kurzen engen und wellenförmig -zackig rings von der Axe gelösten Röhre ziemlich flach und bei Y. phlomoides bis etwa 0,040™ im Durchmesser erreichend aus. Der mittlere der unteren Kronlappen ist am breitesten und grössten, die beiden oberen kleiner als die seitlichen, alle breit eirund, oberseits schön gelb (sel- ten weiss variirend) mit feinem bräunlichem Adernetze. Die Rückseite, mit Ausnahme des kahlen längsrunzeligen Röhrenansatzes , ist aufs dichteste mit kurzen starren, 6 bis 9- und mehrstrahligen, oft quer verbundenen Sternhaaren besetzt, welche ziemlich den bei Kamala beschriebenen ähnlich sehen. Völlig abweichenden Bau zeigen die dicht verfilzten , sehr langen Haargebilde des gelben Bartes, der die 3 etwas kürzeren Staubfäden bis zu ihrer unteren Hälfte einhüllt und die quer aufliegenden Antheren verdeckt. Es sind nämlich einfache weiche bandartig zusammenfallende und keulen- förmig auslaufende Haare, welche mit äusserst feinen länglichen spiralig geordneten Höckerchen übersäet sind. Die zwei längeren, in ihrer oberen Hälfte der Länge nach mit den Antheren verwachsenen Staubfäden sind fast gänzlich kahl ; alle 5 den tief gehenden Einschnitten der Blumenkrone entsprechend über der Stelle entspringend, wo sich dieselbe zur Röhre verengert. Am häufigsten werden wohl in unseren Gegenden die Blumen von Flores Verbasci. 537 V. thapsiforme gebraucht und die Pflanze deshalb auch angebaut. Yerbas- cum phlomoides unterscheidet sich durch die am Grunde abgerundeten, nicht breit angewachsenen , wenig und nicht von Blatt zu Blatt herablaufenden Stengelblätter. Die Blüthen sind nicht von denen des ersteren abweichend. Die Blüthen der dritten Art, welche in ihren herablaufenden Blättern der erstgenannten gleicht, sind mehr glockig als flach ausgebreitet und nur halb so gross, wie die von Y. thapsiforme und phlomoides , dessen ausgebreitete Krone auch trocken noch gegen 0,0 3 0m Durchmesser besitzt. Im Süden dienen noch andere Arten in gleicher Weise, in Griechenland z. B. Y. undulatum Lam. und das kleinblüthige Y. sinuatum L.1) in den Niederungen, im Gebirge Y. thapsiforme var. macrurum. In Portugal Y. crassifolium Hoffmannsegg u. Link, in Spanien Y. macranthum H. u. L., in Italien Y. densiflorum Bertoloni u. s. f. Der widerige Geruch der frischen Blüthen wird beim Trocknen ange- nehmer nnd etwas an Honig erinnernd. Der Geschmack des dunkelbraunen Aufgusses ist süss und schleimig ; er reducirt in der Kälte schon alkalisches Kupfertartrat. Die getrockneten Blumen müssen wohl verschlossen aufgehoben wer- den; gestattet man der atmosphärischen Feuchtigkeit Zutritt, so werden sie weich und missfarbig. In einer Flasche verwahrte, sehr schöne und voll- kommen spröde Blüthen verloren bei 100° C. noch 8,4 pC. Feuchtigkeit und zogen dann bei nasser Witterung an der Luft im ganzen wieder 16,5 pC. an. Die schmutzig bräunliche Farbe, welche die Blumen bei schlechter Besorgung so leicht annehmen, wird nicht durch Ammoniak hervorgerufen. Aether entzieht in reichlicher Menge schön gelbgefärbtes schmieriges Fett. Bei 100° C. getrocknete Blumen hinterlassen 4,8 pC. Asche. — Nach Rebling beträgt der Zucker 11 pC. Darin mag vielleicht die Hygroskopi- cität ihren Grund haben; doch will Morin (1827) auch essigsaures Kali, Gummi, ausserdem eine Spur ätherischen Oeles gefunden haben. Die verschiedenen Wollblumen wurden schon im Alterthum als Arznei- mittel benutzt. Die Blätter dienten auch zu Species. Ein zum Gelbfärben verwendetes Kraut Thapsia oder Thapsos von der gleichnamigen griechi- schen Insel war schwerlich ein Yerbascum , gab aber zur Benennung der gelben Blumen Anlass. J) trockene fruchttragende Stengel dieser Art werden bündelweise zum Fischfänge ge- braucht, wirken also wie es scheint betäubend, wie die zum gleichen Zwecke in Griechenland gebrauchte Euphorbia Wulfenii Hoppe und E. dendroides L. (Heldreich). Auch den Samen von V. phlomoides werden gleiche Eigenschaften zugeschrieben. 538 Blüthen. Flores Rhoeaclos. Petala Rhoeados. Klatsclirosen. Feuerblumen. Klapprosen. Fleurs de coquelicot. Red-poppy petals. Papaver Rhoeas L. — Papaveraceae. Die Klatschrose findet sich auf Aeckern durch den grössten Theil Euro- pa's oft in sehr grosser Menge, Fast immer tritt dieses einjährige Kraut nur als Begleiter der Getreidekultur auf und verschwindet oft wieder aus einer Gegend1), wo dieselbe aufhört, oder wo die Aussaat keine Klatschrosen- samen mehr enthält. So erschien die Pflanze z. B. vorübergehend auch schon im südlichen Norwegen. In Griechenland , auch auf den Inseln bis Kreta ist Papaver Pthoeas sehr gemein und geht durch Kleinasien bis Süd- persien. Diese wie es scheint nach Osten zunehmende Häufigkeit der Pflanze und ihre Beziehung zu unserem Ackerbau unterstützen die Ansicht, dass sie ursprünglich dem Oriente angehöre. Immerhin trifft man nach Heer bereits in den Pfahlbauten der Schweiz verkohlte Fruchtkapseln derselben2). Jeder der doldentraubigen Aeste des aufrechten , höchstens gegen lm hohen Stengels endigt mit einer sehr ansehnlichen langgestielten Blume, bei deren Aufblühen die beiden Kelchblätter abfallen. Die 4 zarten, präch- tig scharlachrothen 3) Blumenblätter sind quer elliptisch, mit sehr kurzem schwarz violettem Nagel unter dem Fruchtknoten eingefügt. Da sie weit mehr in die Breite als in die Länge entwickelt und ziemlich flach ausge- breitet sind, decken sie sich mit ihren Rändern. In der Knospe sind sie höchst unregelmässig zusammengeknittert, nach der Entfaltung aber völlig glatt, lebhaft glänzend und fettig anzufühlen. Sie fallen sehr bald ab, schrumpfen beim Trocknen leicht ein und nehmen selbst bei der grössten Sorgfalt eine bräunlich violette Missfarbe an. Obwohl die Blumen nicht wie die Pflanze Milchsaft führen, riechen sie doch, so lange sie frisch sind, aber nicht mehr nach dem Trocknen, stark narkotisch und schmecken schleimig, nur sehr schwach bitterlich. Sie ent- halten Fett, Zucker und Salze. Ihr Farbstoff, der schon von Wasser reich- lich aufgenommen wird, scheint nach Leo Meier' s sehr mangelhaften Angaben saure Eigenschaften zu besitzen und in Klatschrosensäure und Rhoeadinsäure zerlegt werden zu können. Das dunkelviolette Blei- salz der ersteren, nicht aber das der letzteren, soll in Wasser löslich sein. — Der wässerige Auszug der Blumen wird durch Eisenchlorid schwarz ge- färbt. Opium-Alkaloide sind in den Blumen nicht nachzuweisen. Der Milchsaft der Pflanze ist sehr wässerig, riecht jedoch kräftig nach Opium und scheint auch bestimmt, aber schwach narkotisch zu wirken. *) daher der bezeichnende ältere Name Papaver crraticnm schon bei Plinius. 2) Später gewann Heer die Ueberzeugung, dass diese Kapseln und Samen von Papaver somniferum herrühren (Die Pflanzen der Pfahlbauten. Zürich 1865. 33). Vergl. bei Semen Papaveris. 3) darauf soll sich Rhoeas beziehen : Rhoia, der Granatapfel. Flores Rosae centifoliae. 539 Aus dem Safte mehrerer Pfunde frischer, fast reifer Kapseln war es mir nicht möglich, ein Alkaloi'd zu gewinnen. — Hesse erhielt jedoch ein krystallisirbares farbloses Alkaloi'd, Rhoeadin O21 H21 N -O-6, das in Wasser und Alkalien löslich ist und durch Säuren unter prachtvoll rother Färbung zersetzt wird, ähnlich wie das Porphyroxin. In der Reihe der Alkaloi'de des Opiums (vgl. S. 54) — denn auch hier lässt es sich nachweisen — er- öffnet das Rhoeadin die Unterabtheilung der schwachen Basen , indem es seine Stelle zwischen Papaverin und Narcotin einnimmt. Die Blüthen von Paeonia festiva Tausch sehen getrocknet den Klatsch- rosen ähnlich, geben aber an Wasser bei weitem weniger Farbstoff ab , so dass Bleizucker den Auszug nur hellgelblich fällt. Papaver Rhoeas, ohne Zweifel viel mit P. dubium L. zusammen- geworfen, das nur kleinere blassere, aber trocken nicht zu unterscheidende Blumenblätter besitzt, war schon den Alten wohl bekannt. Flores Rosae centifoliae. Flores s. petala Rosarum incarnatarum s. pallidarum. Centifolienrosen. Petales de roses pales. Cabbage-rose petals. Rosa eentifolia L. — Rosaceae. Die gewöhnliche Gartenrose gehört demselben Gebiete an wie Rosa gallica und wird noch weit allgemeiner gezogen. Die erstere wird bis 2m hoch , ihr starkes Wurzelsystem ist nicht weit ausgebreitet und nur wenig kriechend, die drüsig- gesägten Blättchen nicht lederig, die Blüthen meist überhängend, fast immer gefüllt. Man benutzt, hauptsächlich zur Darstellung des Rosenwassers und (nach manchen Pharmacopöen) des Rosenhonigs, die Blumen der gefüllten Spielarten, worin der grösste Theil der Staubgefässe und auch wohl die oberen (äusseren) Fruchtblätter sich zu Blumenblättern ausbilden. Die übrigen Karpelle pflegen ebenfalls nicht auszureifen, da der Fruchtbehälter (Unterkelch) nach dem Aufblühen welkt und bald abfällt. Die Blumenblätter sind weniger flach als die von Rosa gallica, mehr zusammengewölbt, breiter als lang, von zarterer Beschaffenheit und rein rosenroth. Dieselben werden vor der völligen Entfaltung gesammelt und ohne Kelchblätter und Fruchtbehälter rasch getrocknet oder auch in Salz auf- bewahrt. Sie riechen frisch sehr angenehm, wenn auch nicht eben kräftig und schmecken zusammenziehend. Durch das Trocknen vermindert sich der Geruch merklich. In chemischer Hinsicht scheinen sie bis auf den Farbstoff mit den Blumen von Rosa gallica übereinzustimmen. In unsern Gegenden erhält man selbst bei der Destillation von Rosen in grösserem Masstabe kaum wägbare Mengen ätherischen Oeles. Etwas davon wird indessen gelegent- lich in Südfrankreich dargestellt. Rosa alba L. riecht und schmeckt weit schwächer als R. eentifolia. 540 Blüthen. Flores Rosae gallicae. Flores s. petala Rosaruin rubrarum, Knopfrose. Essigrosenblätter. Damascenerrosen. Hamburgerrosen. Petales de roses rouges. Roses de Provins. Red-rose petals. Rosa gallica L. — Rosaceae. Die französische Rose ist am Kaukasus und in Südeuropa einheimisch und wird von Griechenland an durch die Mittelmeerländer bis in das mitt- lere Europa in Gärten in zahlreichen Formen sehr viel gezogen. Der nur etwa lm erreichende, weithin Ausläufer treibende Strauch ist mit etwas steifen lederigen Blättern und aufrechten Blüthen versehen, deren fünf oder gewöhnlicher zahlreichere Blumenblätter flach ausgebreitet sind. Die Farbe derselben wechselt in der Kultur vom dunkelsten , ins violette schillernden roth bis rosenroth oder gar weisslich. Der kurze Nagel des Blumenblattes ist gelb. Man sammelt die Blüthen der halbgefüllten dunkelen Spielarten, so lange sie noch geschlossen sind, befreit sie vom Kelche sammt Staubfäden und schneidet auch in manchen Gegenden den gelben Grund der Blumen- blätter vorsichtig weg, so dass die Knospe nicht auseinanderfällt. Rasch im Schatten getrocknet, färben sie sich noch sammtartig dunkler und halten sich bei Abschluss von Luft und Licht sehr lange. Zu 1 Kilogr. trockener Waare sind etwa 400 Knospen erforderlich. Der Geruch dieser Rose ist nicht sehr kräftig, büsst jedoch beim Trocknen wenig ein. Die Blumenblätter schmecken adstringirend. An Aether treten sie ohne Farben Veränderung ein grünlich-gelbes weiches Gemenge von festem Fette und Quercitrin ab. Das letztere und nicht eine Gerbsäure, welche hier kaum spurweise vorhanden ist, veranlasst in Eisen- oxydsalzen einen grünlichen Niederschlag, wie Filhol gezeigt hat. Der- selbe fand in den rothen Rosenblättern ferner 20 pC. Traubenzucker (Invert- zucker, links rotirend), welcher nebst dem Farbstoffe und einer Spur Gallus- säure durch Alkohol aus den mit Aether erschöpften Rosen erhalten wird. Ausserdem enthalten die Blumen Gummi, Protei'nstoffe, Phosphate und Spuren von ätherischem Oele. Die meisten rothen Rosenblätter des Handels stammen aus Südfrank- reich, aus Provins1) in der Champagne (Departement Seine-et-Marne), aus Holland (Wassenaar, Noordwijk), den Hamburgischen Yierlanden , sowie aus Südengland (Mitcham in Surrey), auch aus der Umgebung Nürnbergs. — In Griechenland werden die Blumen zu Confect (Glyko) eingemacht. !) Rosa provincialis ist ohne Bezug auf die Stadt Provins eine kleine Spielart der Rosa centifolia mit stark gefärbten und gefüllten Blumen genannt worden. Flores Chamomillae. 541 B. Vollständige Blüthen. Flores Chamomillae. Flores Chamomillae vulgaris. Kamillen. Chamillen. Fleurs de Camomille d'Allemagne. Matricäria Chamomilla L. — Compositae-Seneäonideae. Die gemeine Kamille ist viel weiter verbreitet als die römische und findet sich vom mittleren und südlichen Norwegen und Finnland an durch ganz Europa, doch nicht oder nur wenig in Gebirgen, bis Griechenland, Cypern (wo sie noch sehr häufig ist) und Transcaucasien. In Australien ist sie auch bereits ganz eingebürgert. Ihre Kultur scheint einstweilen noch nirgends im grossen betrieben zu werden. Aus der schwachen einjährigen Wurzel erheben sich einer oder mehrere krautige, bis über 1 Fuss hohe ästige Stengel, die wenig zahlreiche unschöne kahle, doppelt oder zu oberst einfach fiederspaltige Blätter mit linealen dicklichen Läppchen tragen. Die ansehnlichen Köpfchen stehen einzeln aufrecht auf langen hohlen Blüthenstielen am Ende der Stengel oder ihrer doldentraubenartig zusammen- gestellten, mit einem kleineren einfacheren Blatte gestützten Aestchen, im ganzen einen wenig regelmässigen ausgebreiteten, doch nicht sehr reichen Blüthenstand zusammensetzend, dessen Entwickelung und Abblühen lang- sam von statten geht und bei uns fast den ganzen Sommer dauert. Das centrale endständige Köpfchen jedes Stengels und jedes Astes geht gewöhn- lich den übrigen zugehörigen voraus, während im einzelnen Körbchen die innersten Blüthchen die spätesten sind. Die ziemlich zahlreichen stumpfen, trockenhäutig berandeten Kelch- blättcheu bilden eine ziegeldachartige schüsseiförmige kahle Hülle, die den anfangs wenig gewölbten Blüthenboden einschliesst. Bis zum Aufblühen der letzten centralen Scheibenblüthen aber streckt sich derselbe kegelförmig bis zur Höhe von fast 5 Millim. bei einer Dicke von nur IV2 Millim. im trockenen Zustande ,. wo er beträchtlich eingeschrumpft ist. Diese Gestalt, verbunden mit dem gänzlichen Mangel an Spreublättchen oder Haaren und den tiefgrubigen Einfügungsstellen der Früchtchen zeichnen den Blüthen- boden der Matricäria sehr aus. Er ist zudem hohl und bietet somit untrüg- liche Merkmale genug dar, welche zusammen bei keiner andern der sonst so ähnlichen verwandten Compositen wiederkehren. Die weissen , breit lanzettlichen , vorn rundlich dreizähnigen Strahlen- blüthen, 12 — 18 an der Zahl, sind anfangs flach ausgebreitet, dann senk- recht zurückgeschlagen und von der Länge des ausgewachsenen Frucht- bodens. Staubgefässe sind nicht vorhanden, sondern nur ein zweischenke- liger Griffel mit stumpfen aus einander fahrenden Narben. Die Blumenröhre trägt wenig kleine Oeldrüschen. Ebenso die zahlreichen kleinen gelben Scheibenblüthchen, deren Röhre am Grunde etwas aufgetrieben ist. 542 Blüthen. Sämmtlichen Blüthen fehlt der Pappus, dagegen sind die bräunlichen gekrümmten Früchtchen oben mit einem etwas erhöhten Rande versehen. Die Kamillen schmecken wenigstens bei uns bitter; nicht so, sondern nach Heldreich äusserst angenehm aromatisch in Griechenland. Der eigenthümliche Geruch ist ziemlich stark, nicht eben unangenehm. Die An- wendung der gewöhnlichen Kamille ist am verbreitetsten in Deutschland und den nordischen Ländern. In Russland scheinen auch die davon nur wenig verschiedenen Arten Matricaria suaveolens L. (von Indien durch Kaschmir bis Wolhynien einheimisch) , M. coronata Gay und M. lithu- anica Besser zu dienen, am Cap die sehr aromatische M. capensis L. Frankreich und England kennen fast nur die römische Kamille. Die gewöhnliche Kamille enthält neben allgemeiner verbreiteten Stoffen Phosphate, Chlorüre, Tartrate und Malate. Die Blüthen liefern ungefähr 6 pC., die ganze Pflanze aber, nach Rüling, ungefähr 9 pC. Asche, bei weitem vorwiegend aus Kalisalzen bestehend. Genauer gekannt ist nur das durch prachtvolle blaue Farbe bemerkenswerthe ätherische Oel der Blüthen, dessen Menge je nach dem Alter und der Beschaffenheit derselben, so wie je nach der Darstellungsweise bedeutende Schwankungen zeigt, welche von Zeller (1855) sehr ausführlich erörtert worden sind. Die reichlichste Aus- beute erhält man nach demselben, wenn frische Blumen in kleinerer Menge auf einem Siebboden der Dampfdestillation unterworfen werden. So gewann Zell er im Maximum 0,36 pC. Oel, auf getrocknete Blumen be- rechnet (unter der Voraussetzung , dass erfahrungsgemäss 4 Theile der destillirten frischen Blüthen ihm 1 Th. trockene ergaben), aber im Mittel nur 0,26 pC. Verarbeitete er getrocknete Kamillen verschiedenen Alters, so erhielt er bei gewöhnlicher Destillationsmethode 0,07 — 0,09 pC., aber durch Dampfdestillation 0,106 pC. durchschnittlich. Abfälle der Blumen, oder überhaupt geringe Waare liefert weit weniger und missfarbiges oder sich bald entfärbendes Oel. Auffallend gross erscheint jenen sorgfältigen Ver- suchen gegenüber Steer's Ausbeute von 0,416 pC. aus ungarischer Waare. Das Oel riecht und schmeckt stark aromatisch nach Kamillen und be- hält nur bei Abschluss von Licht und Luft seine Farbe , desto länger übri- gens, von je frischeren Blumen es stammt. Bei der Rectification geht zuerst ein kleiner farbloser Antheil, wie es scheint, ein Camphen (Tereben), über. Dem blauen Theile aber kann selbst durch Destillation mit fettem Oele und Kochsalz die Farbe nicht entzogen werden. Dieses blaue Oel, von Piesse (1863) Azulon genannt, soll die Zusammensetzung Gl6H24-|-H20 zeigen, bei 302° sieden und blaue Dämpfe geben. Es wäre dem Entdecker zufolge das färbende Princip der blauen ätherischen Oele überhaupt, so wie auch, bei gleichzeitiger Anwesenheit gelben Harzes , die Ursache der grünlichen Färbung mancher anderer Oele (Bergamottöl , Wermutöl, Cajeputöl, Pat- choulyöl). Im Kamillenöl nun soll von diesem Azulon nur 1 pC. enthalten sein und doch zur Erzeugung der herrlichen tiefblauen Farbe ausreichen. Gladstone hat (1863) die Existenz eines solchen blauen Oeles, das er Flores Chamomillae romanae. 543 Coerulei'n nennt, bestätigt, dasselbe aber stickstoffhaltig gefunden. (Vgl. auch bei Galbanum). Das bei gewöhnlicher Temperatur dünnflüssige, dann dickliche und erst unter — 20° 0. (Bizio) erstarrende Kamillenöl beginnt erst bei 240° zu sieden, aber ohne diesen Temperaturgrad einzuhalten. Nach Bizio ist es wahrscheinlich, wie das Oel des Rhizoma Zingiberis, ein zum Theil in Hydrat übergegangenes Camphen. Die Resultate seiner Analysen deuten ein Gemenge von 2O10H16 mit 3 (GloH16-+-H20) an. Eslässt sich denken, dass übrigens der Grad der Hydratation ein wechselnder sein kann und daher auch die physikalischen Eigenschaften desOeles nicht beständig sind. Wie bei manchen andern Compositen, so treten auch bei der Destillation der Kamillen Spuren von Säuren der Fettsäurereihe auf. Ueber Kali recti- ficirt, hinterlässt das Oel etwas Yalerianat. Die Kamille gehört zu den ältesten Arzneimitteln, besonders der Volks- medicin. Plinius leitete den Namen Chamaemelum, woraus Chamomilla entstand, vom äpfelartigen Gerüche der Blüthen ab: [at^ov Apfel, yv^js/l niedrig. Joachim Camerarius, gegen Ende des XVI. Jahrhunderts, kannte schon das blaue ätherische Oel. Flores Chamomillae romanae. Römische Kamille. Camomille romaine. Chamomile flowers. Anthemis nöbilis L. — Compositae-Senecionideae. Die römische Kamille ist hauptsächlich in Spanien , durch ganz Frank- reich bis Süd- England, dann in Italien einheimisch, der Schweiz fehlend, und wird zum Arzneigebrauche auch viel und sehr im grossen angebaut, namentlich in Frankreich, England l) und Deutschland (Zeiz und Borna in Sachsen, ganz besonders aber Kieritzsch zwischen Leipzig und Altenburg, auch in Thüringen). Die ausdauernde zusammengesetzte und befaserte Wurzel verlängert sich zu einem kriechenden ästigen Stämmchen, aus welchem sich ein Rasen krautiger, reich beblätterter Aeste über die Erde erhebt. Dieselben ver- mögen sich ausläuferartig weiter zu entwickeln und zu bewurzeln und treiben auch die ziemlich einfachen blühbaren, gegen 1 Fuss hohen Stengel, die mit zahlreichen, doppelt und fein gefiederten Blättern dicht besetzt sind. Sie endigen in einzelne aufrechte ansehnliche, bis 0,0 lm breite Köpf- chen aus 12 — 18 weissen weiblichen Randblüthen und zahlreichen gelben Scheibenblüthen, welche dem mehr oder weniger bis zu 0,005ra kegelförmig erhöhten markigen Blüthenboden eingefügt und von der blätterreichen Hülle gestützt werden. Der Rand der ovalen behaarten Blättchen der letzteren ist wimperig gesägt und trockenhäutig. Aehnliche, aber kahnförmige, ziemlich breite Spreublättchen sind den Einzelblüthen im Köpfchen beigegeben und !) Mitcham allein erzeugt jährlich über 11,000 Kilogr. (1864). 544 Blüthen. erreichen nahezu die Länge der Blumenrohren, auf welchen hier und da kleine Oeldrüschen sitzen. Die beiden stumpfen zurückgebogenen Narben ragen wenig aus der glockenförmigen Mündung der Zwitterblüthe heraus, die Staubbeutelröhren meist gar nicht. Die stumpf dreigezähnten Zungen- blumen sind zuletzt weit über den Hauptkelch bis zu seinem Grunde zurück- geschlagen. Ein Pappus fehlt den Blüthen ganz. In der Kultur verlieren die Köpfchen bisweilen die Strahlenblüthen und werden in dieser Form als Anthemis nobilis Var. ß) flosculosa Persoon (Anthemis aurea DeC.) unterschieden. Häufiger aber und hauptsächlich die Handelswaare bildend, ist die gefüllte Varietät, welche durch mehrere Reihen weisser unfruchtbarer Strahlenblüthen ausgezeichnet ist. Seltener sind die gelben Scheibenblümchen völlig durch jene weissen verdrängt. Die römische Kamille, ganz besonders die einfache Form, schmeckt stark aromatisch bitter und riecht eigenthümlich sehr gewürzhaft, obwohl nicht eben fein. Sie liefert gegen 0,5 pC. ätherischen Oeles von gelber oder grün- licher bis bläulicher Farbe, das hauptsächlich aus einem nach Citronen riechenden, mit Terpenthinöl isomeren Kohlenwasserstoffe besteht, worin aber Angelicasäure (oder doch das Aldehyd derselben) und in geringerer Menge auch flüchtige Fettsäuren gelöst sind. Das rohe Oel rotirt stark nach rechts. Nach den Zusammenstellungen Zeller's *), welche noch der Bestäti- gung bedürfen, will es fast scheinen, als wären die in Frankreich wild ge- wachsenen Blumen ärmer an Oel als die in nördlicheren Gegenden gebauten. Der Bitterstoff ist ganz unbekannt und näherer Untersuchung werth. Das ebenfalls mit gefüllten Blumen variirende Crysdnthemum Parthe- nium2) Persoon steht auch durch den sehr ähnlichen Geruch der römischen Kamille nahe; seine kleineren Köpfchen besitzen aber einen mehr flachen, nicht kegelförmigen Blüthenboden , welchem die Deckblättchen (Spreu- blätter) ganz fehlen. Die römische Kamille gelangte erst zu Ende des Mittelalters, wie es scheint, aus Spanien nach Deutschland. Tragus (1498 — 1554) scheint sie zuert ateChamomilla nobilis, Camerarius (1534 — 1598) als römische Kamille bezeichnet zuhaben. Letzterer hatte sie in Menge bei Rom gesehen. Flores Cinae. Anthodia Cinae. Santonica. Semen Cinae. Semen Santonici s. sanctum. Wurmsamen. Zitwersamen. Wurmknospen. Barbotine. Semen -contra.3) Wormseed. Unter dem Namen Wurmsamen versteht man die noch nicht geöffneten aromatischen und bitteren Blüthenköpfchen mehrerer Artemisia- Arten, die !) Aetherische Oele. Stuttgart 1855. 103. 2j über dessen ätherisches Oel vgl. S. 100. 3) Verdorben aus Semen contra vermes. Flores Cinae. 545 noch äusserst mangelhaft bekannt sind. Die bei uns jetzt allein gebräuch- liche Sorte dieses Arzneistoffes gelangt aus den aralo-caspischen Ländern oder vielleicht aus dem centralen Hochasien über das Caspi-Meer nach Astrachan, oder nördlicher über Orenburg und Troitzk am Ural, zur grossen Messe von Mschnei- Nowgorod und von da nach dem westlichen Europa. Die Stammpflanze dieses sogenannten levantischen Wurmsamens, von Berg vorläufig als Artemisia Cina unterschieden, ist noch unbekannt1). DieWaare besteht fast ausschliesslich aus ziemlich rein gehaltenen gleichmässigen Blüthenköpfchen mit nur wenigen schmal linealen rinnigen Blattzipfeln und dünnen kahlen Stengelresten. Die grünlich-gelben, mit der Zeit ins bräunliche nachdunkelnden 3 Millim. langen, einzeln oder viel seltener zu zwei an kurzen Stielchen sitzenden Köpfchen sind aus etwa 12 stumpf lanzettlichen Blättchen gebildet, welche ziegeldachartig geordnet zu einer oben meist sanft gerundeten Hülle zu- sammenschliessen. Am Grunde ist dieselbe dadurch sehr verschmälert, dass die wenigen untersten Blättchen bedeutend kürzer sind. Ist das Köpfchen nicht ganz kurz abgebrochen, so gesellen sich demselben bisweilen noch einige der obersten, nur wenig längeren schmalen und ganz einfachen Stengelblättchen (Deckblättchen) zu. Ungeachtet des festen Zusammenschlusses ihrer Blättchen erhält die Hülle doch ein unregelmässiges höckeriges und gerundet-kantiges Aussehen, weil die dicklichen Blättchen sich nach aussen in einen stark vortretenden grünlichgelben oder bräunlichen Rückenkiel erheben. Derselbe läuft bis dicht an die stumpfe Spitze des Blättchens und ist von sehr feinen Gefäss- bündelchen durchzogen, so wie mit kleinen gelben ungestielten Oel- oder Harzdrüsen besetzt, welche beide dem glashellen farblosen dünnhäutigen Rande fehlen. Letzterer ist äusserst fein gestreift und erscheint auch bei stärkerer Yergrösserung kahl, nur hier und da etwa an der Spitze etwas ausgebissen. Der Kiel trägt einige weiche lange ungefärbte Haare, die aber kaum für die Loupe wahrnehmbar sind. Hier und da findet sich aber auch ein spinnwebig behaartes, offenbar noch ganz junges Köpfchen in der sonst kahlen fast glänzenden Droge. Die 3 bis 5 Einzelblüthen lassen sich bei manchen Proben selbst in den dicksten Köpfchen noch gar nicht erkennen. Sie sind mit kurz -glockenförmigem bräunlichem Saume versehen, etwas länger als das Früchtchen, welches nicht von einem Pappus gekrönt ist. Der Wurmsamen riecht kräftig aromatisch und schmeckt widrig bitter und kühlend gewürzhaft. Er gibt im Durchschnitte gegen 1 pC. ätherisches Oel , das den Geruch und Geschmack der Droge besitzt und schon bei 175° C. siedet. Der Hauptsache nach besteht es, Kraut's Untersuchungen (1862. 1863) zufolge, aus O10H18-G (Cinaebencampher Hirzel's), wovon sich aber bei der Destillation leicht ein Molekül H20 trennt, so dass !) NachPolak dienen iu Persien die Spitzen mehrerer Artemisia -Arten, besonders aus der Gegend von Täbris, als Wurmmittel. Flückiger, Pharmakognosie. 35 546 Blüthen. ein Theil des Oeles in O10H16 und Wasser zerfällt, welches letztere in dem vorher entwässerten Oele eine Trübung veranlasst. Der Kohlenwasserstoff dreht die Polarisationsebene gar nicht, das rohe Oel nur sehr wenig nach links. Schon ursprünglich ist dem letzteren ein vielleicht verschiedener isomerer Kohlenwasserstoff, C in aeben Hirzel's oder Cinen Völckel's beigemengt; das bei der Destillation übergehende Wasser reisst auch flüch- tige Säuren der Fettsäurereihe und (wie bei dem Oele der römischen Ka- millen) Angelicasäure mit. — Die Identität der ätherischen Oele der ver- schiedenen Wurmsamensorten ist nicht erwiesen. Obschon ein Theil der Wirkung des Wurmsamens auf dem ätherischen Oele beruht, so ist doch der eigentliche Träger derselben das S antonin O15H18-0-3, 1830 fast gleichzeitig von Kahler in Düsseldorf und von Alms im Mecklenburgischen entdeckt. Es beträgt IV2 bis 2 pC. der Waare, scheint aber beim Aufblühen der Köpfchen sehr abzunehmen. Durch Kalk- milch wird es leicht ausgezogen, da es sich, obwohl nicht sauer und selbst in kochendem Wasser wenig löslich, mit Basen verbindet. Es ist ohne Ge- ruch, aber, besonders in Chloroform oder Weingeist gelöst, von bitterem Geschmacke. Seine grossen farblosen rechtwinkeligen Tafeln des rhombi- schen Systems lassen sich mikroskopisch in der Droge nicht nachweisen, da sie vielleicht die leichtlösliche, ja zerfliessliche Kali - Verbindung des Santonins enthält. Die Krystalle des Santonins nehmen im Sonnenlichte, auch im blauen oder violetten Strahle, nicht in den übrigen Farben des Spectrums, gelbe Farbe an, wobei sie ohne chemische Veränderung1) zer- springen. Die gelben Lösungen in Alkohol oder Aether entfärben sich rasch wieder. Bei grosser Yorsicht lässt sich das Santonin unzersetzt sublimiren, weshalb auch schon zu bezweifeln war, dass es (nach Kosmann's An- gabe) ein Glykosid sei. Es liefert in der That weder durch Säuren, noch durch Alkalien Zucker. Kletzinsky hat durch Spaltung des Hyoscyamins (vergl. bei Semen Hyosc.) Santonin erhalten. — Das Verhalten des Santonins zum Lichte er- innert an das Erythrocentaurin (vgl. Herba Centaurii). In verhältnissmässig grösseren Gaben steigert sich die wurmtreibende Wirkung des Santonins bis zu Vergiftungserscheinungen. Der Wurmsamen enthält ferner Harz, Zucker, wachsartiges Fett, Kalk- und Kalisalze, Aepfelsäure, und gibt 7,3 pC. Asche, worin nach Eylerts fast Va Kieselerde. — Sehr schöne in kleiner Menge sorgfältigst ausgesuchte Waare verlor im Wasserbade 10,6 pC. und hinterliess 6,5 pC. Asche, worin Jahns, unter meiner Leitung, 18 pC. Kieselerde fand. Dieser ansehnliche Kieselgehalt deutet vielleicht auf einen sandigen Standort der Stammpflanze. Die wurmwidrigen Eigenschaften mehrerer Artemisia- Arten der Mittel- meerflora waren schon frühe benutzt, wie z. B. im VI. Jahrhundert nach *) nach Sestini tritt eine Reduction des Santonins zu einem kohlenstoffreicheren Körper P hotosantonin ein und zugleich entsteht wie es scheint auch Ameisensäure; nach Mehu schmilzt farbloses Santonin bei 170°, gelbes bei 155°. Flores Cinae. 547 Chr. Alexander Trallianus schon angibt, aber das Abendland wurde erst durch die Kreuzzüge mit dem ächten Wurmsamen bekannt. Er scheint damals einen mehr südlichen Handelsweg durch das Rothe Meer über Alexandria eingeschlagen zu haben, da er in Palästina und Syrien auf- tauchte, was ihm die Bezeichnung Semen sanctum, später auch Semen Cinae Halepense (Aleppo) eintrug. Dass man aber damals schon um seine Herkunft wusste, deutet der Name Semen Cinae oder Sinae, Samen aus China, an. Für den schon frühe gebrauchten deutschen Namen Zitwer fehlt die Erklärung. Artemisia Vahliana Kosteletzky (A. Contra Vahl) , eine in Persien wachsende Art, besitzt einen knäuelig-ährenartigen gedrängten Blüthenstand (Blüthenschwänze) mit eiförmigen Köpfchen, welche kürzer sind als die oben beschriebenen, dazu etwas spinnwebig behaart und mit eirunden Kelch- blättchen versehen. Dass daher von dieser Art die officinelle Wurmblüthe nicht abstammen kann , wie fast allgemein behauptet wurde, hat Berg1) durch Yergleichung des Vahl' sehen Original -Exemplares der Pflanze dar- gethan. Ebensowenig stimmen die nicht nach Wurmsamen riechenden, fast ku- geligen und weit grössern Köpfchen der A. judaica, oder die stark filzig- drüsigen Kelche der A. Sieben Besser (A. glomerata Sieber) mit der Handels- waare überein. Noch weniger passt darauf A. Chiajeana Kunze, deren Bruchstücke einmal von delle Chiaje in Neapel ganz vereinzelt in Wurm- samen aufgefunden wurden2). Die Köpfchen dieser Pflanze, welche noch unvollständiger gekannt ist als die vorher genannten, sind gleichfalls filzig. In den Wolgagegenden, in den Gouvernements Pensa, Saratow, Sarepta, wächst A. paueiflora Stechmann, im unteren Wolgagebiete, weiterhin im Kaukasus und im südlichen Sibirien Artemisia Lercheana Stechm. und einige andere nahestehende Arten oder Yarietäten. Ihre Blüthenköpf- chen, welche von bräunlicher oder durch filzige Behaarung weisslicher Farbe und meist mit zugespitzten Kelchblättchen versehen sind, dienen in jenen Gegenden wie die ächten Wurmknospen. Hauptsächlich wie es scheint durch die deutschen Herrnhuter- Ansiedelungen bei Sarepta gelangten die- selben vor einiger Zeit als Flores Cinae Rossici, russischer Wurmsamen, auch in den europäischen Handel. Diese Produktion hat sich jedoch als unergiebig erwiesen3) und die Sorte ist vom Markte verschwunden. Aus Nordafrika, zum Theil aus Marocco, wird noch bisweilen berberi- scher Wurmsamen, Semen Cinae barbaricum, in Livorno eingeführt. Da- selbst gekaufte Waare finde ich aus noch ganz unentwickelten, fast kuge- ligen, höchstens IV2 bis 2 Millim. messenden, meist geknäuelten Köpfchen bestehend, welche von einfachen, fast walzlichen Deckblättchen gestützt 1) officinelle Gewächse Heft XXIX. Taf. C. 2) Geiger (Nees v. Esenbeck u. Dierbach) Pharm. Bot. 1839. 789. 3) Briefliebe Mittheilung von Prof. Dragen dorff. 35* 548 Blütnen. sind. Wie die Köpfchen selbst, sind auch die sehr zahlreich vorhandenen Stengel- und Blattreste von brauner Farbe , welche aber fast ganz durch dichten weissen Filz verdeckt ist. Auch fremdartige Pflanzentrümmer ver- unreinigen diese Sorte in ziemlich hohem Grade. Geruch und Geschmack stimmen mit dem ächten Wurmsamen überein, sind aber bei weitem schwächer und weniger unangenehm, der Geruch feiner, der Geschmack nur wenig bitter. Unmöglich kann ihr Oelgehalt höher sein als der der offi- cinellen Sorte, und an Santonin ist sie sehr arm. Als Stammpflanze nennt Berg Artemisia ramosa1) Smith. In früherer Zeit herrschte in Betreff der verschiedenen Sorten der Cina sehr grosse Verwirrung, so dass sogar ostindische und amerikanische Waare grundlos aufgeführt wurde. Nach dem jetzigen Stande der Dinge ist allein zulässig und auch ausschliesslich zur fabrikmässigen Santoninbereitung die- nend die hier zuerst beschriebene sogenannte levantische Sorte, deren Her- kunft noch dunkel ist. Selbst die britische Pharmacopöe hat nur diese aus Russland kommende kahle „Santonica" aufgenommen. Flores Arnicae. Arnikablumen. Wolferleiblumen. Gemsblumen. Fallkrautblumen. Fleurs d'Arnica ou d'Arnique. Arnica flowers. Der krautige einfache oder nach oben mit einem, weniger oft mit zwei Paaren gegenständiger, ziemlich langer Aeste versehene Stengel der Arnica montana (vergl. bei Rhizoma Arnicae) trägt 1 oder 3, seltener 5, im Spät- sommer blühende schön gelbe Köpfchen. Jedes derselben ist umgeben von einer zweireihigen 20- bis 24blätterigen Hülle, welche nebst dem Blüthenstiele mit zahlreichen Haaren dicht besetzt ist; nur die braun- gefärbten kürzeren dieser Härchen endigen in ein kleberiges Drüschen. Dem hochgewölbten, im Durchmesser (trocken) 0,006m erreichenden spreu- haarigen Blüthenboden sind am Rande gegen 20 bis 0,02m lange, weit über die Hülle hinausragende Zungenblüthen eingefügt, in der Mitte dagegen zahlreiche röhrige, weit kürzere Blüthen. Die letzteren sind zwitterig, den Rand- oder Strahlenblüthen fehlen die Staubgefässe oder bleiben doch, wie bei der im Norden wachsenden Pflanze, verkümmert. Die dünnen kantigen, bis 0,OOGm langen gelblichgrauen, bei der Reife schwärzlichen Früchtchen (Achaenien) tragen zahlreiche kurze Börstchen und werden von einem Pappus aus weisslichen scharfen und starren Haa- ren, die bis 0,00Sm messen, gekrönt. Die lanzettlichen zarten, vorn ge- stutzt-dreizähnigen Randblüthen sind von etwa 10 dunkelbraunen Längs- nerven durchzogen. Die Scheibenblüthen werden nur eben vom Pappus überragt, die dunk- ler bräunliche Staubbeutelrölire tritt etwas aus der Blumenröhre heraus, *) Geiger 1. c. 787. (1 8.3 0) Artemisia ramosa L. v. Buch. Florcs Arnicac. 549 beide sind ötheilig, ihre Lappen abwechselnd. Die beiden kopfigen Narben des Griffels rollen sich gegen die Mündung der Blumenröhre zurück. Ziem- lich häufig sind die Blüthenböden schon in der Natur von der glänzend schwarzen, bis 3 Milliin. langen Larve der Trypeta arnicivora Low, einer Bohrfliege (Familie der Muscidae) , bewohnt und fast ausgefüllt. Deshalb schreiben auch manche Pharmacopöen z. B. die Deutsche und die Preus- sische vor, die Blüthen vom Hüllkelche (Peranthodium) und Blüthenböden zu befreien. Diese Theile besitzen aber auch in hohem Grade den bitteren scharfen Geschmack der ganzen Blüthe, daher es kaum gerechtfertigt er- scheint, dieselben zu opfern. Die gefürchtete Trypeta-Larve hat sich als unschädlich erwiesen, ist aber allerdings bisweilen in so grosser Menge vor- handen, dass sie ausgelesen werden muss. Der Geruch der Blüthen ist eigen thümlich , nicht unangenehm, aber schwach. Die erwähnten Eigenthümlichkeiten im Blüthenbau , dann auch das Aroma, der Geschmack und die bei der Aufbewahrung sehr beständige gelbrothe Färbung der Blüthen lassen die Arnica leicht von anderen Co- rymbiferen-Blüthen unterscheiden. Die der Cichoraceen sind an ihren gleich- artigen zungenformigen Blumen kenntlich. 9 Theile frischer Blüthen liefern durchschnittlich 2 Th. getrockneter. In letzterem Zustande geben sie nur etwa V'io bis 2/io pro Mille ätherisches Oel, frisch aber verhältnissmässig bedeutend mehr. Dasselbe ist von saurer Reaktion, gelblich, bläulich oder grün, nach Kamillen riechend. Mehrere Chemiker, die sich mit der Aufsuchung eines eigenthümlichen Arnicins beschäftigt, haben unter diesem Namen verschiedene nureine Körper erhalten. Erst Walz erkannte (1861) als wirksamen Bestandtheil der Blüthen einen goldgelben, nicht krystallisirbaren Bitterstoff. Dieses Ami ein. ist leicht in Aether, wenig in Wasser löslich, aus der weingeisti- gen Auflösung durch Gerbstoff oder Wasser fällbar , vom speeifischen Ge- rüche und scharf kratzenden Geschmackß der Arnica. Walz legt ihm die Formel O20H30-9-4 bei, welche noch der Bestätigung bedarf. Es scheint nicht, dass das Arnicin ein Glykosid ist, obwohl es durch verdünnte Säuren zersetzt wird. Die Blumen geben davon über 1 pC., weniger der Wurzelstock und das Kraut. Walz fand in den Blüthen ferner zwei verschiedene Harze, krystallisi- rendes Fett und Wachs ; auch Gerbstoff und gelben Farbstoff. Hesse (1864) hat entscheidend nachgewiesen, dass die Arnica (Blüthe?) bei der Destillation mit Alkalien keine besondere flüchtige Base , sondern nur Ammoniak oder Spuren von Trimethylamin liefert. 550 Blüthen. Flores Sambuci. Holunderblüthe. Fliederblumen. Holderblumen. Fleurs de sureau. Eider flowers. Sambücus nigra L. — Lonicereae. Der Holunder ist durch ganz Europa, Yorderasien, die Kaukasusländer und Südsibirien bis China und Japan einheimisch, den höhern Norden aus- genommen. In Norwegen z. B. , wo der Strauch in guten Sommern noch bei Throndhjem seine Früchte reift, ist er vielleicht nach Schübeler's Yermuthung im Mittelalter durch Mönche eingeführt worden. Man sammelt die ganzen, sehr ansehnlichen und reichblüthigen Trug- dolden , deren langer kantiger Blüthenstiel sich erst in 5 , hierauf ein oder mehrmals in 3 bis 5 Aeste theilt und zuletzt in wiederholt gabelige feine gerillte, bis etwa 6 Millim. lange Blüthenstielchen mit einer einzelnen Blume endigt. In den Gabeln zweiter oder dritter Ordnung bleibt die mittelständige Blüthe sehr kurz oder gar nicht gestielt sitzen und öffnet sich früher. Eben so pflegt an den äussersten kleinen Gabeln nur das eine Btüthchen lang- gestielt zu sein. Dieser ganze, reich gegliederte Blüthenstand breitet sich zu einer ziemlich flachen schirmartigen Trugdolde aus, welche gänzlich kahl ist und auch der Deckblätter entbehrt. Ueber den sehr kurzen 5- (oder weniger häufig 4-) zähnigen mehrkan- tigen Kelch erhebt sich der freie, schwach gewölbte Gipfel des Frucht- knotens , gekrönt von der dicken dreiknöpfigen (seltener nur zweitheiligen) stumpfen Narbe von gelber Farbe. Mit den Kelchzähnen alterniren in glei- cher Zahl die dreimal längeren ovalrundlichen und flach ausgebreiteten Lappen der weissen, etwas ins gelbliche spielenden Blumenkrone, überragt von den verhältnissinässig sehr ansehnlichen gelben Staubbeuteln, welche auf etwas derben Staubfäden aus den Abschnitten der Korolle hervortreten. Der schön gelbe Pollen, unter dem Mikroskop dreifurchig und dreiporig er- scheinend , bepudert in reichem Masse die Blüthen, welche beim Trocknen eine mehr schmutzig gelbe Färbung annehmen und bei sorgloser Behand- lung leicht missfarbig werden. Der widrige Geruch , welcher der ganzen lebenden Pflanze , besonders aber der Rinde eigen ist, findet sich in den trockenen Blüthen in ein eigen- thümliches , nicht unangenehmes Aroma umgeändert. Der Geschmack ist unbedeutend schleimig, etwas süsslich, nachträglich ein wenig kratzend. Die Holunderblüthen geben kaum einige Zehntelprocente ätherisches, zum Theil krystallisirbares ätherisches Oel, das im höchsten Grade ihren Geruch besitzt und gewürzhaft schmeckt, aber an der Luft leicht veränder- lich ist. Bei der Destillation mit Wasser geht auch flüchtige Säure (Essig- und Baldriansäure wie es scheint) über. Die Alten gebrauchten schon Sambücus nigra neben S. Ebulus. In Nordamerika dient statt unserer S. nigra die äusserst ähnliche Flores Lavandulae. 551 S. canadensis L. , in deren schlafferen Trugdolden wenigstens die oberen Gabeln durch verkümmerte Deckblättchen gestützt sind. Die Pflanze bleibt immer strauchig, ihre Blüthen riechen schwächer, aber feiner und die mehr röthlichen Früchtchen schmecken süsser. Flores Lavandulae. Lavendelblumen. Fleurs de lavande commune. Lavender flowers. Lavändula officinalis Chaix — Labiatae. Syn. : Lavändula Spica a. Linne. L. vulgaris a. Lamarck. L. vera De Candolle. L. angustifolia Ehrhart. Der halbstrauchige, über fusshohe Lavendel gehört dem westlichen Theile des Mittelmeergebietes an, vom Atlas an durch Spanien, Südfrank- reich (bis Lyon), Oberitalien, Corsica bis Calabrien. Er kömmt jedoch im Freien bis Norwegen recht gut fort und zeichnet sich dort z. B. bei Throndh- jem noch durch ganz vorzügliches Aroma aus. Die vereinzelten Stand- orte Süddeutschlands und der Schweiz, wo Lavendel angegeben wird, mögen sich daher auf verwilderte Pflanzen beziehen. Da und dort wird La- vendel auch sehr im grossen gebaut, wie z. B. zu Hitchin, nördlich von London, so wie zu Mitcham in Surrey, wo 1864 über 170 Acres damit be- pflanzt waren, welche je 10 — 12, sogar bis 24 Pfund ätherisches Oel, im ganzen etwa 2060 Pfd. lieferten. Der krumme holzige Stamm theilt sich in zahlreiche gedrungene, zuletzt sehr schlanke ruthenförmige Aeste , welche in der Jugend graulich und mit verzweigten Sternhaaren bestreut, im Alter glatt sind und gleich dem Stamme hell graubraune Korkschuppen abwerfen , wodurch die hellbraune Innenrinde zu Tage tritt. Die schmal linealen ganzrandigen Blätter, etwa 0,05m lang und 0,004m breit, sind besonders in der Jugend durch Sternhaare grau filzig, am Rande ein wenig umgerollt und unterseits mit sehr kurz gestielten Oeldrüschen versehen, deren kugelige Höhlung von einer gelben zusammengesetzten Membran umschlossen ist. Aus den Winkeln der mittleren Blattpaare ent- wickeln sich blattreiche kürzere Triebe. Die obersten Blätter sind sehr weit aus einander gerückt und erst in noch bedeutenderem Abstände , bisweilen erst 0,20m über dem letzten Blattpaare, erscheint die lockere, ungefähr 0,0 6m lange, am Grunde unterbrochene, fast kopfige Blüthenähre, meist aus 6 Scheinquirlen gebildet. Jeder derselben zählt durchschnittlich 6 Blü- then , welche am Grunde fest umfasst werden von kurzen breiten eckigen und scharf zugespitzten, zuletzt trockenhäutigen Deckblättchen. Der 5 Mill. lange walzig-glockige zehnstreifige Kelch trägt am Rande 4 kleine, in dem hier äusserst dicht gehäuften weissen Filze verborgene Zahn- 552 Blüthen. chen und einen grösseren blauen rundlichen Zahn. Der ganze mehr oder weniger stahlblaue oder bräunliche Kelch ist aussen mit denselben, hier aber zum Theil bläulich angelaufenen, etwas grösseren und weniger ästigen Sternhaaren dicht bekleidet, welche auch am Stengel und auf den Blättern vorkommen. Im Filze des Kelches stecken zahlreiche Oeldrüschen. Die letzteren fehlen oder sind doch weit seltener auf der ebenfalls stark filzigen Blumenröhre, welche um des Kelches Länge denselben überragt. Sie ist von schön violettblauer, trocken meist graubräunlicher Farbe und erweitert sich in zwei fast flach aus einanderfahrende gerundete Lippen von bestän- digerer blauer Farbe. Die grössere Oberlippe ist breit zwellappig und be- deckt den rundlichen Zahn des Kelches. Die Staubgefässe treten nicht aus dem Schlünde hervor. Die Lavendelblumen schmecken bitter aromatisch und riechen sehr lieblich. Frische in Deutschland gezogene Blumen geben bis 1,5 pC. ätherisches Oel, die käuflichen aus Südfrankreich (getrocknet) über 3 pC. Da dasselbe hauptsächlich in den Drüsen des Kelches enthalten ist, so liefert die ganze Pflanze weit weniger und auch nicht so feines Oel. Das feinste, freilich in geringer Menge, liefern die Blumen, das aus den Stengeln erhaltene mag wohl zum Theil als Spiköl in den Handel gelangen. Das Lavendelöl setzt in der Kälte bisweilen Campher ab und enthält einen bei 200 — 210°C. siedenden, mit Terpenthinöl isomeren Kohlen- wasserstoff, welcher wie das rohe Oel selbst, die Polarisationsebene des Lichtes nach links dreht. Der sauerstoffhaltige Antheil verhält sich wie der des Rosmarinöles. Bei der Destillation des Lavendelöls gehen auch flüchtige Fettsäuren, namentlich Essigsäure, vermuthlich auch Baldriansäure, über. Werden frischem Oele diese Säuren durch Alkalien entzogen, so erhält man doch wieder ein saures Destillat. L allem and vermuthet daher, die Essigsäure z. B. möchte als Essigäther (Amylacetat?) vorhanden sein. Geringer und weniger angenehm ist der Geruch des ätherischen Oeles der Lavandula Spica Chaix (L. latifolia Ehrhart), Nardus italica der alten Botaniker, grande Lavande der Franzosen, welche in denselben Gegen- den einheimisch ist, aber bei uns nicht mehr im Freien gezogen werden kann. Ihre drüsenreichen Kelche unterscheiden sich leicht durch den zu- sammenhängenden, aber spärlicheren, dichter angedrückten, nicht gefärbten Ueberzug aus fast fingerförmigen Sternhaaren. Die Blüthen ragen aus den Kelchen weniger lang hervor; der Blüthenstand ist meist kürzer und ge- drängter, bisweilen dreigabelig. Das Oel dieser Pflanze, oleum Spicae, essence d'aspic, besteht aus einem bei 175°C. kochenden, rechts rotirenden Kohlenwasserstoffe und einem bei 210° C. übergehenden Antheilc, woraus sich bei Behandlung mit Salpetersäure viel Campher absetzt (vergl. bei Camphora). Die in ganz Südeuropa und im Oriente wachsende Lavandula Stoe- Flores Malvae arboreae. 553 chasL. riecht noch lieblicher als L. officinalis und scheint allein dieLavan- dula der Alten gewesen zu sein und ihren Namen von lavare (waschen) vielfacher kosmetischer Anwendung wegen erhalten zu haben. Doch soll nach Dierbach in Deutschland die heilige Hildegard schon um 1150 L. officinalis und L. Spica unterschieden haben. Flores Malvae sylvestris. Flores Malvae vulgaris. Malvenblumen. Pappelblumen. "Waldpappelblumea. Fleurs de mauve. Mallow flowers. Die Blumenkronen der Malva vulgaris (siehe bei Folia Malvae) sind nur doppelt so lang wie die Kelche, bei M. sylvestris dagegen 3- bis 6mal so lang. Man sammelt deshalb nur die ohnehin stärker gefärbten Blüthen der letzteren. Ihre aufrechten langen, zu 3 bis öblattwinkelständigenBlüthenstielchen tragen einen etwa 5 Millim. hohen fünfspaltigen Kelch, ausserhalb dessen sich noch drei schmal lanzettliche Hüllblättchen finden. Die fünf, über 0,02m langen, vorn ausgerandeten Blumenblätter sind am Grunde mit der viel kürzeren Staubfadenröhre verwachsen und hier bärtig. Ihre sehr zarte, hell rosenrothe oder ins lilafarbene spielende Fläche ist von einigen dunkel- purpurnen Streifen durchzogen. Beim Trocknen geht die Farbe in schönes gleichförmiges Blau über, das durch Säuren in Roth, durch Alkalien in Grün umgeändert wird. Der innere Kelch ist dicht mit Sternhaaren besetzt, die Hüllblättchen und Blüthenstiele mit langen abstehenden Börstchen. Die Blüthen schmecken schleimig. Flores Malvae arboreae. Flores Alceae. Winterrosen. Stockrosen. Pappelrosen. Fleurs de mauve arboree ou de rose tremiere. Garden mallow. Althaea rösea Cavanilles. — Malvaceae. Syn.: Alcea rosea L. Stattliche, bis 3m hohe Staude, welche auf Hügeln und Bergen Griechen- lands, Syriens und der benachbarten Länder einheimisch ist, aber seit langem im grössten Theile Europas (bis Throndhjem in Norwegen) ihrer schönen, in mancherlei Farben und Formen abwechselnden Blumen wegen kultivirt wird. Die ziemlich starke zwei- oder mehrjährige befaserte Wurzel treibt meist einfache und gerade jährige Stengel, welche in eine sehr lange beblätterte Blüthentraube endigen. Zum pharmaceutischen Gebrauche dienen nur die dunkel schwärzlich-violett, roth oder braun blühenden Spielarten und zwar vorzugsweise solche mit mehr als den normalen 5 Blumenblättern. Die- 554 Blüthen. selben sind rundlich dreieckig oder fast herzförmig, sehr ansehnlich, ziem- lich flach ausgebreitet, aber trocken unregelmässig zu einer etwa 0,040m laugen blauschwärzlichen Rolle zusammengeknittert, welche am Grunde auf der Innenseite mit der derben Röhre der sehr zahlreichen ungefärbten Staubfäden verwachsen und hier mit langen zum Theil farbigen Zotten- haaren besetzt ist. Der Kelch ist gebildet aus einer inneren Reihe von 5 breit lanzettlichen spitzen, am Grunde verwachsenen Blättern und einer 6- bis 9spaltigen, etwas kürzeren äusseren Hülle von schwach gelblicher Färbung. Sämmt- liche Zipfel sind durch sehr grosse Sternhaare auf der Aussenseite filzig. In chemischer Hinsicht verhalten sich diese Blumen wie die von Malva sylvestris; der wässerige Auszug der ersteren wird durch Eisenchlorid dunkel braunschwarz gefärbt. Sie verrathen auch wohl durch den Geschmack eine Spur Gerbstoff. Flores Tiliae. Lindenblüthe. Fleurs de Tilleul. 1. Tilia parvifölia Ehrhart — TMaceae. Syn.: T. ulmifolia Scopoli. T. microphylla Ventenat. T. vulgaris Hayne. T. europaea y. Linne. Spätlinde. Winterlinde. Steinlinde. 2. Tilia grandifölia Ehrhart. Syn. : T. platyphyllos Scopoli. T. pauciflora Hayne. T. europaea ß, 8, s Linne. Frühlinde. Sommerlinde. Holländische Linde. Die erstere Art ist durch den grössten Theil Europas, von den höheren Gebirgen Griechenlands an bis 61° nördl. Breite in Norwegen, durch Finn- land und den westlichen Theil Südsibiriens, doch nicht jenseits des Irtysch, verbreitet; vorzugsweise in Ebenen, in Mitteleuropa auch in niedrigeren Gebirgen. Der Baum wird übrigens eben so häufig in Anlagen gezogen. Die doldenartig-gabelig, in den Winkel eines länglichen netzaderigen Deckblattes1) neben den Blattstiel gestellten Blüthen pflegen sich in unsern Gegenden Anfangs Juli zu öffnen. Das steif papierartige, oft ungleichhälftige Deckblatt erreicht die Länge des Trugdöldchens, ist aber mit seiner Mittel- rippe der unteren Hälfte des Blüthenstieles angewachsen. Derselbe trägt ?) — 15, am gewöhnlichsten vielleicht 13 gestielte, weisslich gelbe Blüthen in anfangs ziemlich ebener, später mein; gewölbter und etwas übergeneigter Trugdolde, welche im Centruin zuerst aufblüht. !) Daher der Name Tilia, von 7CT(Xov, Flügel, womit das Deckblatt Aehulichkeit bat. Flores Tiliae. 555 Die fünf, auf der inneren Seite filzigen eiförmigen Kelchblättchen sind kürzer als die mit ihnen in gleicher Zahl abwechselnden Blumenblätter. Die mehrreihigen zahlreichen Staubfäden überragen namentlich im trockenen Zustande ein wenig die Blumenblätter. Der oberständige, vom Griffel bespitzte, meist öfächerige Fruchtknoten wächst zum kleinen dünnschaligen und zerbrechlichen, dicht filzigen Nüss- chen aus, welches zuletzt durch Fehlschlagen regelmässig nur einen Samen reift und nicht aufspringt. Die Blüthen verbreiten einen sehr lieblichen, aber nicht kräftigen Wohl- geruch, den sie einer äusserst geringen Menge ätherischen Oeles verdanken. Frische Blüthen, von ihren Deckblättern befreit, liefern höchstens etwa 1 pro Mille derselben , oder gewöhnlich nur Bruchtheile dieser Quantität, wenn die Deckblätter mit der Destillation unterworfen werden. Als höchste Ausbeate (jähriger) trockener, von den Deckblättern nicht befreiter Blüthe erscheint die Angabe von Walz: 0,26 p. Mille. Zeller, so wie Ficinus fanden das Oel butterartig, krystallinisch erstarrend. Beim Trocknen büssen die Blüthen ziemlich von ihrem Gerüche ein; sie schmecken angenehm schleimig. Fast völlig geschmacklos sind die Deckblätter, die daher auch besser beim Sammeln wegbleiben. Wachs und Zucker enthalten die Lindenblüthen in geringer Menge. Eine ziemlich reichliche Ausschwitzung der Blätter des Baumes, welche Biot, auch Langlois einmal beobachteten, hat sich ihnen als aus Rohr- zucker, Traubenzucker, Mannit, Gummi, Eiweiss und Salzen bestehend erwiesen. Ohne Unterschied werden auch die Blüthen der Tilia grandifolia gesammelt, welche mehr auf Mitteleuropa beschränkt ist, hier aber höher in die Gebirge ansteigt, übrigens gleichfalls sehr häufig in Anlagen ge- zogen wird. Ihre ansehnlicheren, aber nur 3 oder 4 Blüthen zählenden, etwas dunkler gelben Dolden sind gleich gestaltet, wie bei der vorigen Art, und auch von denselben chemischen Eigenschaften. Sie blühen in unsern Gegenden schon vor Mitte Juni auf, jedenfalls durchschnittlich volle 2 Wochen vor der Spät- linde. Die doppelt so grosse fünfkantige Frucht der ersteren ist holzig, bei weitem derber. Die schöne weissfilzige Tilia argentea Desfontaines, welche von Thes- salien und Macedonien bis Ungarn häufig wächst, auch wohl bei uns da und dort vereinzelt gezogen wird, liefert ebenfalls in jenen Ländern Blüthen von kräftigem und feinem Wohlgeruche. In Nordamerika wird Tilia cana- densis Michaux (T. glabra Yentenat) gerühmt. Die Blüthen der Linden werden erst seit dem Mittelalter medicinisch verwendet; die Alten benutzten nur die Blätter und den Bast des Baumes in dieser Weise. 556 Blüthen. Caryophylli. Caryophylli aroinatici. Caryophyllum. Alabastri s. flores Caryophylli. Gewürznelken. Girofles. Cloves. Caryophyllus aroinaticus L. — Myrtaceae. Syn. : Eugenia caryophyllata Thimberg. Der Archipel der Gewürzinseln oder Molukken, vorzüglich Amboma, vielleicht auch noch Gilolo (Halmahera) und Neu -Guinea scheint die aus- schliessliche Heimat des Gewürzuelkenbaumes gewesen zu sein. Er ist jetzt durch Cultur auf den Mascarenas, Penang, Sumatra (Bengkulen seit 1798), Jamaica, in Cayenne (seit 1771), Trinidad, Brasilien, Ostafrika (Zanzibar seit 1830) und andern Tropenländern verbreitet. Auf Amboma, wo 450,000 Bäume 1856 über 600,000 Pfd. Nelken, im folgenden Jahre aber nur noch 160,000 Pfd. lieferten, ist die Cultur im Verfall, ebenso auf Reunion (Bourbon), dessen Ernte von fast l1/* Mill. Pfd. im Jahre 1849 auf 42,000 Pfd. im Jahre 1858 gesunken ist. Dagegen führte 1858 Jamaica etwa 17,000 Ctr. in England ein, das Hauptproduktionsland, mit 60,000 Ctr. jährlich, ist aber jetzt Zanzibar. Englands Gesammteinfuhr belief sich 1860 auf fast 1 Million Pfund; diejenige Hamburgs 1864 auf 427,000 Pfund. DerWerth der jährlichen Produktion aller Länder darf auf etwa l1/* Million Francs geschätzt werden. Der 30 — 40 Fuss hohe Baum ist vom 10 — 12ten Jahre bis zum 24ten, oder nach andern gar bis zum 50ten — 60ten am ertragsfähigsten, kann aber ein noch höheres Alter erreichen. Die zahlreichen schönen Blüthen, einzeln zu kleinen endständigen, drei- mal 3theiligen Trugdolden vereinigt, bestehen aus einem prächtig rothen, gerundet 4-kantigen, 0,0 10m — 0,0 15m langen unterständigen Fruchtknoten mit 4 kurzen fleischigen aus einander fahrenden Kelchlappen , aus welchen sich die 4 reinweissen mit den Lappen abwechselnden Blumenblätter kugel- förmig zusammengeneigt1) und die Geschlechtsorgane einschliessend er- heben. Man sammelt die Blüthen als Knospen, daher die beim Aufblühen deckel- artig verbunden abfallenden Blumenblätter an der Handelswaare noch er- halten sind. Die Farbe der frischen Knospen geht beim Trocknen schon nach wenigen Stunden in „nelkenbraun" über. Die noch von Rumphius aus der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts herrührende Angabe , dass auf Amboina die Nelken geräuchert und gebrüht würden, ist wenig wahrscheinlich. — Ein Baum liefert durchschnittlich je 6 — 7 Pfund, bisweilen wohl das doppelte. !) Diese Form der Blumenblätter wird mit einem Nüsschen (xaouov) verglichen und daher der griechische Name abgeleitet. Wahrscheinlicher aber dürfte Caryophyllum nur der gräci- sirte arabische oder persische Ausdruck Karuufal (Nelken) seiu, oder^nach Lassen vielleicht vom indischen WTorte Kurukaphulla, Granutblüthe, abstammen. Caryophylli. 557 In dem Stadium, wo die Nelken übungsgemäss in den Handel gelangen, scheinen sie die grösste Menge ätherischen Oeles zu enthalten, in noch jün- gerem Zustande riechen sie feiner und milder, nach dem Aufblühen nimmt aber das Aroma an Quantität und Qualität ab, und die Frucht ist sehr wenig kräftig. Die etwas helleren , gegen den Rand fa,st farblosen , einander fest uni- schliessenden Blumenblätter sind an der Droge dick häutig runzelig, durch kleine Gefässbündelchen geädert und besonders wegen der sehr zahlreichen Oelzellen durchscheinend. Der zugespitzte Griffel erhebt sich aus der kreis- runden Vertiefung einer quadratischen, am Rande wallartig erhöhten (epigynisehen) Scheibe, deren Winkel den Kelchlappen zugewendet sind. An den Seiten der Scheibe und zwar am äussern Fusse des Walles ent- springen die 4 Blumenblätter, an deren Grunde die zahlreichen Staubfäden eingefügt sind. Sie schmiegen sich in der Knospe genau der Kugelwölbung der Blumenblätter an. Der sehr lange Fruchtknoten ist ganz mit der Kelchröhre verwachsen und enthält nur zu oberst dicht unter dem Griffel zwei vieleiige Fächer, deren Scheidewand in die kürzere Diagonale des spitz rhombischen Quer- schnittes des Fruchtknotens fällt. Der tiefere Theil desselben (Unterkelch, Hypanthium) ist nicht hohl und wie die Kelchlappen von spröder Con- sistenz und sehr runzeliger, nicht eben glänzender Oberfläche. Der Querschnitt einer Gewürznelke unterhalb der Fruchtknotenfächer bildet eine Raute, deren Seiten jedoch in unregelmässiger Wellenlinie mit abgerundeten Winkeln verlaufen und fast eine Ellipse beschreiben. Das äussere schwammige Zellgewebe schliesst eine viel dichtere, dunkler braune und schärfer ausgeprägte, stark ölglänzende Raute ein, deren helleres, äusserst lückiges Füllgewebe von einem dunklen centralen Gefässbündel durchzogen ist. Der geringste Druck genügt, um Oeltropfen aus dem Gewebe auszupressen. Bei stärkerer Vergrösserung erscheint die äussere schwammige Schicht als dünnwandiges, ziemlich kleinzelliges Gewebe, dessen peripherische Reihe fast kubische Zellen enthält, die von der knorpeligen, 15Mikromill. dicken, wellenförmig verlaufenden Oberhaut bedeckt sind. Mehr nach innen folgen radial gestreckte Zellen, welche allmälig in sehr schlaffes Gewebe mit eiförmigen, etwas dickwandigen Zellen übergehen. Dieses ganze Rinden- gewebe enthält, auch noch in den Kelchlappen, im Griffel und in der epi- gynischen Scheibe, sehr zahlreiche eiförmige, bis 300 Mikromill. messende Oelzellen. Sie sind ziemlich horizontal gelagert und in 2- bis Sfacher Reihe dicht unter der Oberhaut sehr enge zusammengedrängt, so dass ein dünner Querschnitt leicht gegen 200 dieser grossen Oelräume aufweist. Mehrere Reihen sehr zusammengefallener kleiner und flach tafelförmiger Zellen bilden die Einfassung derselben. Jener dichten dunklen rautenförmigen Zone, welche schon dem unbe- waffneten Auge wahrnehmbar ist, entspricht eine Reihe von ungefähr 30 558 Blüthen. Gefässbündeln, welche durch schlaffes dickwandiges Parenchym von ein- ander und von den Oelräumen getrennt werden. Ihre Stärke ist durch- schnittlich geringer als die Weite der Oelräume. Jedes Gefässbündel (Fihrovasalstrang) enthält in einem sehr kleinzelligen prosenchymatischen Gewehe eine einzelne oder mehrere kleine Gruppen zarter abrollbarer, höchstens 10 Mikromill. dicker Spiralgefässe. In der Peripherie eines jeden solchen Gefässstranges stehen entweder vollkommen unregelmässig zerstreut oder zu einem dichten Kreise vereinigt, 6 — 20 fast ganz * verholzte Baströhren von etwa 500 — 800 Mikromill. Länge und höchstens 50 Mikr. Dicke. Sie sind von senkrechtem Bastparenchym begleitet, dessen kubische Zellen je eine Krystallrosette von Kalkoxalat einschliessen. Die Gefässbündel sind an Grösse verschieden, stehen in ziemlich un- gleichen Entfernungen von einander und sind in der Nähe der beiden spitzen Winkel des Querschnittes mehr gehäuft. Die einzelnen Gewebe erscheinen in manchen Bündeln strahlig geordnet. Das schlaffe Parenchym, das die Gefässbündel umgibt, wird nach innen zu immer dickwandiger und lockerer, so dass zuletzt sehr grosse Luftlücken darin auftreten, welche ganz unregelmässig von wurmförmigen Zellenreihen durchzogen und begrenzt sind. Die Axe der Nelke endlich wird von einem grossen centralen Gefässbündel eingenommen, das in seinem Bau nur da- durch von den schon beschriebenen Gefässträngen abweicht, dass ihm die verdickten Baströhren fehlen , obwohl das krystallführende Bastparenchym im centralen Gefässbündel sehr stark entwickelt ist. In den Gefässbündeln bemerkt man gelbbraunes Harz; das ätherische Oel verbreitet sich aus seinem ursprünglichen Sitze, den grossen Oelräumen, in Tropfen durch das ganze Gewebe. Als hauptsächlich und in grosser Menge Gerbstoff enthaltend, erweisen sich durch Befeuchten mit Eisenlösung die Gefässbündel und die Wandungen der Oelräume. Stärke fehlt ganz. Die Gewürznelken schmecken feurig aromatisch und zwar weit stärker als die übrigen Organe des Baumes, welche alle auch mehr oder weniger ölhaltig sind. Die derbe lederige Oberhaut der Nelken erschwert den Austritt des ätherischen Oeles, so dass die verschiedenen Angaben über die Ausbeute zum Theil durch ungenügendes Zerkleinern und unvollständige Destillation erklärlich sind. Eben so ist ohne Zweifel auch die Güte der Waare je nach der Herkunft veränderlich und es kann ihr wohl gar schon ein Theil des Oeles in betrügerischer Weise entzogen worden sein. Als höchster Ge- halt an ätherischem Oele können volle 25-pC. angenommen werden, als ein oft vorkommendes Verb ältniss 16 — 18 pC. Wenigen Pflanzenorganen dürfte ein grösserer Keichthum an ätherischem Oele eigen sein. Das Nelkenöl ist ein schwankendes Gemenge von indifferentem, nach Terpenthinöl riechendem und damit isomerem Kohlenwasserstoff und einem Oele G1UH12-Ö-2 von sauren Eigenschaften, daher Nelkensäure genannt. Specifisches Gewicht (0,901) und der Siedepunkt (251° C) des ersteren Caryophylli. 559 liegen auffallend höher als bei Terpenthinöl. Die Nelkensäure, von 1,068 specif. Gewicht, besitzt den Geschmack und Geruch der Nelken, und siedet bei 251 — 253° C. Mit Alkalien, besonders mit Baryt, liefert sie krystalli- sirbare, sehr beständige Salze. Die Nelkensäure findet sich nach Sten- house auch im Oele der Blätter von Cinnamomum zeylanicum (siehe Cor- tex C. zeylanici), nach Gladstone in Fructus Lauri (vgl. diese) und nach 0 e ser auch im Piment (s. unten). Cortex Canellae albae und die sogenannte Cassia caryophyllata (von Persea caryophyllata Martius, Laurineae) ent- halten gleichfalls Nelken säure. Ein Theil der bei der Destillation im Wasser gelösten Nelkensäure scheidet sich nach einiger Zeit daraus in Krystall- blättchen des indifferenten, aber der Säure gleich zusammengesetzten Eugenins ab. —Geruch- und geschmacklose Nadeln von Caryophyllin OloH16-0-, isomer mit dem gewöhnlichen Campher, erhält man in geringer Menge durch siedenden Weingeist oder Aether aus den Nelken. Die Carmuf ellin säure,1) welche Muspratt u. Danson nach Di- gestion eines wässerigen Nelkenauszuges mit Salpetersäure erhielten, ist ohne Zweifel ein Produkt dieser Behandlung. Gummi enthalten die Nelken in reichlicher Menge. Früher fanden sie, wie es scheint, ihres hohen Gerbstoffgehaltes (17 pC. Trommsdorff) wegen in der Färberei Verwendung. Die Benutzung wohlfeilerer Stoffe zu diesem Zwecke hat sehr zur Verminderung der Nachfrage für Nelken bei getragen. Die verschiedenen im Handel vorkommenden Sorten bieten nicht sehr erhebliche Eigenthümlickeiten dar. Die Nelken von Amboina entsprechen der obigen Beschreibung und sind am schönsten, diejenigen von Bourbon etwas schlanker, mit Stielen und Blattresten verunreinigt, die Zanzibar- Sorte ebenso und zugleich bedeutend dunkler und dünner. Letztere kömmt jetzt hauptsächlich auf den Markt. Die Nelken wachsen zu einer einfächerigen einsamigen trockenen Beere aus, welche noch vom Kelche gekrönt ist, aber durch die dick cylindrische oder bauchig-keulenförmige Gestalt sehr von der Knospe abweicht. Vor der völligen Reife gesammelt, waren diese Früchte früher unter dem Namen Anthophylli, Mutter nelken, gebräuchlich. Sie sind oben etwa 0,008m dick, nach unten in den kurzen Stiel auslaufend, bis 0,025m lang, von mehr graulicher als nelkenbrauner Farbe. Das kaum % Millim. dicke Frucht- gehäuse schliesst zwei dicke, aussen schwärzliche, in ihrer Mitte das starke Würzelchen bergende Samenlappen, ohne Eiweiss, ein. Das Fruchtgehäuse besteht aus dickwandigem, tangential gestrecktem Parenchym , bedeckt von derselben Oberhaut wie die Nelken. Die Antho- phylli enthalten in der äusseren Schicht des Fruchtgehäuses gleichfalls viele Oelräume , die aber doch meist kleiner, bei weitem weniger zahlreich und ärmer an Oel sind als in den eigentlichen Nelken, Die innere Schicht *) Karanful, Kermful, arabischer Name der Gewürznelken. 560 Blüthen. des Fruchtgehäuses wird von Gefäs strängen durchzogen. Die Kotyledonen riechen mehr nach Kamillen als nelkenähnlich und strotzen von sehr grossen (bis 30 Mikromill.) eiförmigen Stärkekörnern in dickwandigem porösem Parenchym, das an der tief braun gefärbten Peripherie von einigen Oel- räumen unterbrochen ist. Durch das ganze Gewebe der Anthophylli sind zahlreiche Krystalldrusen von Kalkoxalat zerstreut. Unter dem Namen Festucae s. Stipites Garyophyllorum, ffustif) Nelkenholz oder Nelkenstiele, finden sich noch jetzt die Blüthenstiele der Nelken im Handel. Sie sind dreimal dreigabelig, gehen in abwechselnder Stellung unter sehr spitzem Winkel von der gemeinschaftlichen, etwa 0,004m dicken, kurz abgeschnittenen und sanft quadratisch 4 kantigen Spindel ab und bilden zusammen einen dichten, gegen 0,040m langen Büschel. Der Querschnitt eines Stieles zeigt ein ansehnliches weitmaschiges Mark, umgeben von einem strahligen dichten Holzkreise, welcher von einer lockeren , ungefähr gleich breiten primären Rinde eingeschlossen ist. Die- selbe ist von dem Oberhäutchen bedeckt und enthält eine Menge grosser zierlicher Steinzellen, neben wenig zahlreichen Oelräumen, deren ein feiner Querschnitt etwa 20 aufweist. Der Holzkreis ist gegen die Mittelrinde und gegen das Mark von Baströhren gesäumt, welche ebenso gebaut sind, wie die der Anthophylli und der Nelken selbst und gleichfalls von kry stall- führendem Parenchym begleitet werden. Das Holz besteht aus Spiralgefässen und zartem Prosenchym. Im Marke treten noch vereinzelte Steinzellen auf. Die Nelkenstiele schmecken weit kräftiger aromatisch als die Antho- phylli und enthalten noch 4 bis 5 pC. Nelkenöl. Die wohlfeilen Nelkenstiele werden sehr gewöhnlich den Nelken bei- gegeben, welche in gepulverter Form in den Handel gelangen.2) Die Stern- zellen der ersteren , welche in den Nelken selbst fehlen , lassen eine solche Verschlechterung der Waare mikroskopisch, besonders nach Behandlung mit Kali unter Glycerin, erkennen. Den alten Griechen scheinen die Gewürznelken nicht bekannt gewesen zu sein, und Garyophyllon des Plinius ist wohl kaum mit der Sicherheit auf die Nelken zu beziehen, wie Peschel3) annimmt.4) Unzweideutig aber werden sie von den griechischen Aerzten des VI. und VII. Jahrhunderts, z. B. von Aetius, Alexander Trallianus und Paulus Aegineta erwähnt und später von den arabischen Aerzten sehr viel gebraucht, so dass sie im Mittelalter r') in Europa wohl gekannt und hoch geschätzt waren. !) Fusto, italienisch, = Stiel. — Französisch: griffes de girofies. 2) Eine Substitution, welche z. B. der Rath von Bern schon 1518 verbot. 3) Geschichte der Erdkunde. München 1865. 15. 4) auch die Angabe von Merat u. de Lens (Dictionn. de mat. med. II. 119), dass Caillaud eine ägyptische Mumie mit einem Halsbande aus Nelken versehen gefunden habe, steht vereinzelt da. 5) Das bei Semen Hyoscyami erwähnte Arzneibuch aus dem XII. Jahrhundert schreibt sie unter anderem vor „contra ficum«, auch die heilige Hildegard um 1150 erwähnt gariofel, andere um dieselbe Zeit carioffer. Nicolo Conti (vgl. bei Piper nigrum) gariofali. Caryophylli. 561 Erst Marco Polo erwähnte 1272 den Gewürznelfcembaum1) in einem Lande Caindu, das wir vermutlilicli in Hintermdien, im Stromgebiete deslrawaddi, zu suchen haben. Allerdings ein auffallendes, doch nicht unmögliches Vor- kommen! Ritter beanstandete Polo's Angabe, dass die Nelkenblüthe weiss sei — aber mit Unrecht. Gerade der Zusatz,2) dass sie sich beim Reifen dunkel färbe, spricht sehr für Caryophyllus aromaticus, dessen Blumen- blätter freilich weiss sind und nicht roth, wie Ritter meinte. Beim Abfallen derselben bleibt der dunkelrothe Fruchtknoten ja allein übrig, so dass auch hier des wackeren Yenetianers Beobachtung ganz richtig erscheint. Nachdem die Portugiesen sich seit 1524 auf den Molukken festgesetzt, gelangten die Nelken reichlicher nach Europa. — Clusius erhielt 1600 in Amsterdam ziemlich frische Zweige des Nelkenbaumes. Die Holländer, welche 1599 die Molukken in ausschliesslichen Besitz nahmen, monopoli- sirten die Cultur und den Handel dieses Gewürzes mit allen Härten ihrer (bei Cortex Cinnamomi und Semen Myristicae erwähnten) Handelspolitik. Poivre, dem französischen Intendanten von Bourbon und Ile de France, gelanges aber 1769 — 1771 dennoch, sowohl den Nelkenbaum als auch die Myristica dorthin zu verpflanzen und dadurch den Grund zu der jetzigen ausgedehnteren Cultur der Gewürznelken zu legen. Eine sehr bedeutende Rolle im Gewürzhandel spielt der Nelken- pfeffer, auch Piment, Neugewürz, Nelkenköpfe, Fructus Amomi s. Pimentae, in England Jamaica-pepper oder Allspice genannt. Es sind die Früchte der in "Westindien , vorzüglich auf Jamaica und in Mexico (Tabasco) einheimischen, daselbst so wie in Südamerika und Ostindien auch eultivirten Myrtacee Pimenta officinalis Berg (Syn. : Myrtus Pimenta L., Eugenia Pimenta DeC.) und ihrer. Yarietäten. Die kugelige, bis 0,007m messende ungestielte, von dem Griffel und Kelchrande gekrönte Frucht ist mit einer körnig rauhen graubräunlichen Schale versehen, die nur etwa 1/2 Millimeter dick und leicht zerbrechlich ist. Sie schliesst meist in zwei Fächern zwei eiweisslose dunkelbraune Samen ein. Dicht unter der dünnen Oberhaut und zum Theil warzenförmig mit derselben hervortretend, nimmt eine Reihe dicht gedrängter, dunkelbraun gesäumter Oelräume die äusserste Schicht des Fruchtgehäuses ein. Sie sind gleich gebaut wie in den Nelken, doch mehr kugelig und durchschnittlich nur 150 — 180 Mikromill. weit. Im übrigen schlaffen , mit Krystallrosetten besäefen Parenchym herrschen grosse harzreiche Steinzellen vor, da und dort von einem Gefässbündel J) „Prosperano quivi i garofani, che nascono da un alberetto il quäle ha le foglie come ,1'alloro, un poco piu iunghe e piu strette; il fiore e bianco, piecolo come uu garofano." Italienische Ausgabe von Pasini. 2) Derselbe findet sich in Bürck's Ausgabe der Reisen von Marco Polo, nicht in der- jenigen von Pasini, Venedig 1847. — Marco Polo ist daher der erste, der uns mit der Nelkenmyrte bekannt machte, nicht erst Bartema (1506), wie Peschel 1. c. 315 annimmt. — Ernst Meyer fragt, ob M. Polo nicht vielleicht blos Syzygium caryophylli- folium DeC. gesehen habe? Fli'ickiger, Pharmakognosie. 36 562 Blüthen. durchsetzt. Die Oberhaut, die innere Fruchthaut und das Gewebe der Oel- räume sind sehr reich an Gerbstoff. Der Piment, besonders das Fruchtgehäuse, riecht und schmeckt nelken- ähnlich, doch schwächer. Auch die Peripherie des stärkereichen Samens ist mit etwas kleineren Oelräumen besetzt. Derselbe schmeckt mehr herbe als aromatisch. Das ätherische Oel, wovon der Piment bis 10 pC, meist aber nur un- gefähr 3 pC. gibt, ist nach Oeser mit dem Nelkenöl übereinstimmend zu- sammengesetzt. Der Piment wurde zuerst 1G05 von Clusius unter dem Namen Amo- mum erwähnt. Jamaica führte davon 1799 etwa 2% Millionen, 1857 gegen 83A Mill. Pfund aus. 1862 gingen nach England allein über 3 Mill. Pfund. Der Gesammtwerth der jährlichen Pimentproduktion steht wenig unter dem der Nelken. Noch andere nahe verwandte Myrtaceen Central- und Süd -Amerikas liefern übrigens gleichfalls ähnliche Früchte. Flores Kosso. Flores Brayerae s. Kusso. Kosso. Qwuso. Cousso. Kosso. Hagenia abyssinica Willdenow. — Rosaceae-Dryadeae. Syn.: Banksia abyssinica Bruce. Brayera antheliumthica Kimth. Der hübsche, bis 20m hohe Kossobaum, auch Kussala genannt, gehört der abyssinischen Bergregion von 3000 bis gegen 4000m über Meer an, besonders im oberen Flussgebiete des Takazze den Hochebenen und zer- rissenen Alpenlandschaften von Lasta und Samän. Er würde sich daher wohl auch in Südeuropa ziehen lassen. Der Baum ist ausgezeichnet durch die grossen achselständigen Blüthen- rispen , welche in Folge unvollständiger Ausbildung des Stempels oder der Staubgefässe eingeschlechtige Blüthen enthalten. Der ganze weibliche Blüthenstand, einfach getrocknet, oder höchstens einzeln in Zöpfe oder Rol- len zusammengedreht, bildet das officinelle Kosso, das im December und Januar vor der Fruchtreife gesammelt wird. Die weiblichen Blüthen stehen weit zahlreicher auf abwechselnden ge- knickt auseinander fahrenden und oft etwas gebogenen Aestchen zu einer sehr stattlichen breiten und bis über 0,20ni hohen Trugrispe vereinigt. Die starke gemeinschaftliche , ebenfalls hin und her gebogene Spindel sammt allen Verästelungen ist durch lange, etwas starre dickwandige bräunliche Haare von ganz einfachem Bau zottig. Die Rispe ist überdies mit ansehn- lichen gelben Drüschen bestreut , welche von einem kurzen mehrzelligen Stielchen getragen werden. Die grossen Fiederblätter der Zweige gehen in der Nähe des Blüthen- ^tandes in einfache spitz eiförmige und ganzrandige Deckblättchen über, Flores Kosso. 563 welche jede Theilung der Spindel unterstützen. Am Grunde jeder Blüthe sitzen überdies noch zwei kleinere netzig-häutige Deckblättchen. Aus dem äusseren Rande des krugförmigen Fruchtbehälters (Unterkelches) gehen zwei Reihen von je vier oder fünf Kelchblättchen hervor, welche einen gleich- zähligen Kreis kleinerer weisslicher Blumenblätter einschliessen. Auch durch die grün röthliche Färbung ist der Kelch mehr ausgezeichnet, besonders aber in der weiblichen Blüthe dadurch, class die äusseren Kelchblätter nach der Blüthezeit auswachsen, bei einer Länge von etwa 0,0 lm die ganze Blüthe um das dreifache überragen und eine dunklere Purpurfarbe annehmen, welche in der Droge allerdings sehr blass erscheint. Die inneren Kelch- blätter neigen sich zuletzt zusammen, werden aber nicht grösser. Im Kelche der männlichen Blüthe verändern sich aber auch die kleineren Blätter der äusseren Reihe nicht und die Rispe bleibt lockerer, so dass die entwickelten weiblichen Blüthenstände als rothes Kosso leicht zu unter- scheiden sind. Der verengerte Schlund des zottigen Fruchtbehälters trägt 10 bis 25 kurze Staubgefässe; in der weiblichen Blüthe, wo ihre Zahl durchschnittlich auch kleiner bleibt, verkümmern die Antheren. Der Stempel, aus zwei Fruchtblättern gebildet, entsendet aus dem Grunde des Fruchtbehälters oder Fruchtbodens zwrei behaarte Griffel mit gelappter dicker Narbe fast zur Höhe der Staubgefässe. Der männlichen Blüthe fehlen die Narben. Das kleine Früchtchen, gewöhnlich durch Fehlschlagen einzeln, bleibt vom Fruchtbehälter eingeschlossen, der letztere von den schon erwähnten eiförmigen aderigen Kelchblättern der äusseren Reihe gekrönt. Die Frucht ist ein umgekehrt eiförmiges und einsamiges, durch den Rest des Griffels bespitztes Nüsschen. Unentwickelte weibliche Blüthenstände, so wie die männlichen, sind wenig wirksam, letztere zudem wie es scheint Brechen erregend. Das „rothe" Kosso wird daher vorgezogen. Es schmeckt zuerst schleimig, dann ''ekelhaft kratzend , anhaltend bitter und adstringirend. Der schwache Geruch erinnert an Holunderblüthe. Wittstein hat 1840 im Kosso neben allgemeiner verbreiteten Stoffen (Wachs 2 pC., Zucker 1, Gummi 7, Asche 15,7, Gerbstoff 24 pC.) ein ge- schmackloses und 6,25 pC. eines kratzenden bitteren Harzes gefunden, welches Saint-Martin krystallisirt erhielt und Kosein nannte. Willing (1855) stellte aus den Blüthen eine geringe Menge sauren ätherischen Oeles und 4,5 pC. Harz dar. Ersteres besitzt in hohem Grade den Geruch des Kosso, soll aber die Augen sehr stark reizen. Die nach Harms 6 pC. betragende Asche besteht hauptsächlich aus alkalischen Carbonaten und Phosphaten. Derselbe bemerkte auch, dass einem Theile des Harzes saure Eigenschaften zukommen. In die Tinctur geht eine Kalkverbindung desselben über, die beim Stehen kohlensauren Kalk abscheidet. Zum Ausziehen des sauren Harzes, Koussin oder Tae- niin, lässt sich daher nach Pavesi Kalkhydrat benutzen. 36* 564 Blüthen. Martius fand im ganzen 7,5 pC. Harz; Bedall wies ferner (1862) in den Blüthen und den Stielen Oxalsäure, Essigsäure, Yaleriansäure 1) und Stärke nach, so wie in der Asche etwas Borsäure. Das Koussin erhielt derselbe vermittelst Alkohol und Kalk völlig farblos, krystallinisch, in Alka- lien löslich. Es reagirt in weingeistiger Lösung sauer, schmilzt bei 193° C, aber nicht ohne Zersetzung. Die Ergebnisse von Bedall 's Analysen des bei 125° C. von hygroskopischem Wasser befreiten Koussins fuhren zu der Formel £26H44-9-5; sie passen aber merkwürdigerweise noch besser zu der Formel O2OH3404, welche einem von Anderson mit kochendem Alkohol der Kamala (siehe dort) entzogenen Harze zukömmt. Ob das letztere viel- leicht mit Koussin identisch ist, lässt sich vorerst aus den sparsamen An- gaben Anderson's nicht entnehmen. Das Koussin ist nach Bedall keine gepaarte Zuckerverbindung; es hat sich in Dosen von 1 bis 2,5 Grammen entschieden wurmtreibend erwiesen. Kosso, mit dumpfem o gesprochen, ist in Abyssinien seit Jahrhunderten bei Menschen und Schafen gegen Bandwurm gebräuchlich. Die Krankheit sowohl als das Heilmittel heisst Kosso2). Durch Karawanen wurde dasselbe an den Nil und nach Aegypten gebracht, von wo es auch nach Konstan- tinopel und hier (1822) zur Kenntniss des französischen Arztes Brayer gelangte, welcher die Droge 1824 in Paris durch Kunth bestimmen Hess. Dieser Botaniker verlieh ohne Berücksichtigung der beiden oben an der Spitze angegebenen Synonyme aus den Jahren 1790 und 1799 der Pflanze den Namen des Arztes. Obgleich die werthvollen Wirkungen des Kosso in London und Paris alsbald bestätigt wurden, fand das Mittel erst etwa seit 1842 oder 1848 allgemeinere Verbreitung, aber noch 1851 stand es sehr hoch im Preise, in Paris z. B. über 2 Francs das Gramm. In Abyssinien ist es Sitte, alle zwei Monate Kosso zu nehmen, entweder für sich oder mit Zusätzen in Substanz, oder in Form eines Aufgusses gegen den dort ausserordentlich verbreiteten Bandwurm und die Ascariden. Das Land ist aber auch mit einer ganzen Reihe von specifischen Heilmitteln ge- segnet, die bei uns noch nicht allgemeinen Eingang gefunden haben. Schon 1851 hat Martius3) nicht weniger als 16 derselben aus den verschiedensten Pflanzenfamilien, sowohl Wurzeln und Rinden, als Blätter, Blüthen und Früchte, aufgezählt. *) Hageniasäure von Viale u. Latini dürfte ein Gemenge sein. 2) Mnnzinger, mündliche Berichte. 3) Cannstatt-Wiggcrs'scher Jahresb. pag. 70—72. Cortex Citri. 565 VI. Früchte. A. Frucht schale n. Cortex Citri. Cortex fructus Citri. Pericarpiuin Citri. Cortex Lünonurn. Citronenschale. Liinonenschale. Ecorces ou zestes de citrons ou de lirnons. Leinon peel. Citrus Limouum Risso. — Aurantiaceae. Syn.: Citrus medica ß) L. Der Limonenbaum, Lknonier der Franzosen, findet sich noch jetzt wild in den Wäldern Nordindiens und hat sich in gleicher Weise verbreitet wie Citrus vulgaris. Von diesem unterscheidet er sich durch aussen roth ange- laufene , wenig wohlriechende Blüthen , ungeflügelte Blattstiele und beson- ders durch die eiförmige zugespitzte, oben und oft auch am Grunde mit einer Zitze versehene Frucht von heller, nicht röthlicher Farbe und saurem Fruchtfleische. Diese Frucht, die Limone, geht seit langem in Deutschland und Frank- reich unter dem Namen Citrone l) , welcher eigentlich der dickschaligen, schwach sauren Frucht von Citrus medica Risso (Cedratier, auch wohl zweideutig Citronnier) zukömmt. Linne hatte die Limone als Varietät zu der Hauptart C. medica gestellt. C. Limonum sowohl als C. medica werden in sehr zahlreichen Spiel- arten gezogen. Von der Eiform abgesehen, stimmt der Bau der Limone mit dem der Orange überein. Die weit dünnere, aber zähere Fruchtrinde der ersteren wird in höchstens 2 Millim. dicken (in Wasser auf das Doppelte anschwel- lenden) Spiralbändern abgeschält, welche sich an den Rändern stark um- biegen. Auf ihrer auch nach dem Trocknen mehr gelben als röthlichen Oberfläche treten die überdies grösseren Oelräume neben den geringeren Runzeln stärker hervor und machen sich auch wohl auf der Unterseite be- merklich. Die käuflichen Schalen scheinen mehr von gewissen Varietäten der Citrus medica Risso zu stammen als von der Limone. Das Gewebe stimmt mit dem von Cortex Aurantiorum überein und ist nur etwas dickwandiger, und die Zellen, auch von den erweiterten Zwischen- gängen abgesehen, da und dort groblöcherig. Auch hier fehlt es nicht an Kalkoxalat, obwohl es vielleicht etwas spärlicher auftritt. Die Citronenschalen riechen und schmecken nach dem Trocknen weit weniger aromatisch als frisch. Die Bitterkeit ist unbedeutend. Das ätherische Oel der Citrone (Oleum Citri) und der Limone (Oleum de Cedro) besitzt einen eigenthümlichen sehr angenehmen Geruch, steht aber in chemischer Hinsicht dem mit beiden isomeren Terpenthinöle äusserst l) Die Engländer aber nennen ihren officinellen Saft Limonis succus» 566 Früchte. nahe und unterscheidet sich mehr nur durch abweichendes optisches Ver- halten. Es dreht die Rotationsebene immer nach rechts und zwar weit be- deutender als die rechts rotirenden Modificatiouen des Terpenthinöles. Das Citronöl scheint übrigens ein Gemenge isomerer, sehr übereinstimmender Kohlenwasserstoffe zu sein. Die trockenen Schalen enthalten wenig Oel. Dasselbe wird aus frischen Früchten, Limonen oder Citronen, hauptsächlich in Sicilien durch Destillation, oft verbunden mit vorherigem Auspressen, gewonnen. Das weisse Parenchym der Schalen färbt sich durch Ammoniak eben- falls vorübergehend gelb, wie das der Orangen. Eisenchloridlösung zeigt darin nur wenig Gerbstoff an und von Jod wird das Gewebe gebräunt. Der Säuregehalt ist an der getrockneten Waare kaum mehr bemerklich. Frische Limonen, wie wir sie zu Anfang des Winters aus Oberitalien in unseren Gegenden erhalten, geben im grossen durchschnittlich etwa 30 Grammen Saft, welcher die Hälfte seines Volums Normalnatronlauge sättigt, was auf Citronsäure berechnet, 8,25 pC. derselben entspricht. Citrus medica Risso scheint bedeutend weniger zu enthalten. Der Saft unverkäuflicher Limonen und Citronen wird in Sicilien durch Gährung geklärt, mit Kalk gesättigt und das unlösliche Salz zur Darstellung der Citronsäure verwerthet. Aus den Samenkernen der Limonen und Apfelsinen (Orangen von Ci- trus Aurantium ß) sinensis L.) hat Schmidt das bittere rhombisch krystal- lisirende Limonin O42H50Q13 (?) dargestellt. Es scheint ein äusserst be- ständiger Körper zu sein, der nähere Untersuchung verdient. Der Limonenbaum und seine Frucht waren den Alten unbekannt und gelangten erst um das X. Jahrhundert durch die Araber nach Aegypten und Palästina, wo sie z. B. im XIII. Jahrhundert bestimmt genannt werden. Die Kreuzfahrer brachten sie vermuthlich um diese Zeit nach Südeuropa. Aus dem Sanskritnamen Nimbuka, hindustanisch Libu, Limu, machten die Araber Limun. Die Frucht von Citrus medica Risso hingegen gelangte zu Anfang un- serer Zeitrechnung nach Rom und zwar unter dem rein griechisch-lateini- schen Namen Kitron, Citreum für die Frucht, Citrus1) für den Baum. (Bidschapura im Sanskrit). Unter der römischen Herrschaft cultivirte man den Citrouenbaum in Palästina; die Juden hatten ihn wohl in Babylon kennen lernen. In Italien gelang seine schon früher versuchte Ansiedelung erst um das III. oder IV. .J all rh undert. Dass Citrus medica in Nordpersien (Medien) ursprüglich ein- heimisch sei, ist unwahrscheinlich, dagegen ist er durch Royle in Nord- indien wild nachgewiesen. Die deutschen Botaniker zu Ende des Mittelalters unterschieden be- stimmt Citrone und Liuione. ') Unter Citrus hatten die Römer ursprünglich Tamarix (mentalis Forsk. verstanden. Cortex Aurantiorum. 567 Cortex Aurantiorum. Cortex fructus Aurantii. Pericarpium Aurantii. Pomeranzenschale. Ecorces ou zestes d'oranges ameres. Bitter-orange peel. Die als Aurantia immatura beschriebenen Früchtchen entwickeln sich zu einer fleischigen kugeligen, etwa 0,05m grossen Beere mit meist 8 dünn wandigen trennbaren Fächern, deren schwammiges Gewebe mit sehr bitte- rem Safte erfüllt ist und je 2 bis 5 Samen einhüllt. Die Franzosen unter- scheiden diese Frucht als Bigarade oder Orange amere, die Deutschen als Pomeranze. Das gelbrothe lederige Fruchtgehäuse wird der Länge nach, gewöhnlich mit Beseitigung des Nabels und der Spitze, in 4 spitz elliptische Stücke ge- schnitten, welche beim Trocknen ziemlich die Form der Kugeloberfläche bewahren und an dem bis 0,00 5m dicken Bande nur wenig heraufgebogen sind. Die nach dem Trocknen blassere Oberfläche ist sehr unregelmässig höckerig-runzelig, durch zahlreiche eingesunkene Punkte grubig vertieft und erhebt sich bisweilen auch zu hornförmigen Auswüchsen. Die Bruch- oder Schnittfläche zeigt, dass die Unebenheiten der Schale grossentheils von den bis 1 Millim. weiten eiförmigen Oelräumen herrühren, welche in einfacher oder fast doppelter Schicht in die äussersten Lagen des Frucht- fleisches eingesenkt sind. Diese Räume und ihre Umgebung sind durch verharztes Oel gelblich bis rothbraun gefärbt, während das derbschwammige Gewebe der doppelt so starken inneren Fruchtschicht rein weiss und nur von gelben Gefässbündeln in geringer Zahl durchzogen ist. Die Schalen sind sehr brüchig oder nur in der äusseren Schicht etwas zähe. Der anatomische Bau der Pomeranzenschalen entspricht nach Form und Inhalt dem der Aurantia immatura, nur sind die im Wasser sehr aufquellen- den Zellen der ausgereiften Frucht weit stärker , grösser und mit kurzen, etwas aufgedunsenen Aesten versehen. Wo diese unregelmässigen Aeste be- nachbarter Zellen aufeinander treffen, sind ihre Wände dünner und sieb- artig porös, oft etwas von einander abstehend. Die Zwischenräume dieses lockeren Gewebes, welches da und dort von Gefässbündeln durchzogen und nur hier etwas dichter ist, sind bei weitem umfangreicher als die langen, fast sternförmig ästigen Zellen selbst, aber von höchst unregelmässigem Umrisse, da die Zelläste in sehr man igf altiger Richtung aufeinander stossen. Das Gewebe schliesst häufig Krystalle von Kalkoxalat ein, welche am reich- lichsten in den äussersten Schichten, oft bis zu einer Grösse von 30 Mikro- millim. vorkommen. Sie sind jedoch selten gut ausgebildet und zeigen häufig krumme Flächen. Trotz ihres meist oktaederähnlichen Aussehens gehören sie dem monoklinischen Systeme an. Die bei den unreifen Früchten erwähnten Klumpen sind hier fast nur in den äusseren Zellschichten abgelagert. Der Geruch und Geschmack der äusseren Fruchtschicht ist ähnlich wie bei den unreifen Pomeranzen, doch feiner. 568 Früchte. Das ätherische Oel der reifen Frucht, essence de bigarades ou d'oranges, weicht im Gerüche von dem der unreifen ab, entspricht aber auch der For- mel £10H16. Das specifische Gewicht desselben (0,835) ist niedriger, der Siedepunkt (180° C.) höher als bei Terpenthinöl, von dem es auch in op- tischer Hinsicht etwas verschieden ist. Das Hesperidin ist auch in den reifen Früchten enthalten, das weisse Zellgewebe nimmt bei der geringsten Berührung mit Alkalien, schon bei der Annäherung des Ammoniaks, eine schön gelbe, weit lebhaftere Farbe an, als die unreifen Früchte. Der Gerbstoffgehalt ist beträchtlicher, da sich hier auch die inneren Zellschichten durch Eisenchlorid sehr dunkel färben. Jod in Jodkaliumlösimg ertheilt den Zellwänden vorübergehend und in sehr ungleichem Masse eine blaue Färbung, die nach vorheriger Behandlung mit Kali oder Schwefelsäure etwas dunkler ausfällt. Da das ungefärbte Parenchym nur schwach bitter und gar nicht aro- matisch schmeckt, so wird es nach der Anweisung mancher Pharmakopoen beseitigt, und nur die übrig bleibende äussere Fruchthaut als Cortex Auran- tiorum mundatus s. expulpatus vel Flavedo Aurantiorum zur Anwendung- gezogen. Es ist unzweckmässig, zu diesem Ende die Schalen in Wasser einzuweichen , weil dadurch ein grosser Theil ihrer Bestandteile verloren gehen muss. Die Früchte einer auf der westindischen Iusel Cura^ao und auch wohl auf Barbadoes cultivirten Abart der bitteren Orange bleiben grün und waren •seit dem XVII. oder dem Anfange des XVIII. Jahrhunderts ihrer dünneu, sehr aromatischen Schalen wegen besonders beliebt. Jetzt erhält man statt dieser Curassavischen Schalen wohl immer nur die von unreifen französi- schen Früchten gesammelten oder wahrscheinlicher die Schalen einer dor- tigen grünfrüchtigen Spielart, da sie z. B. aus Nimes in gleicher Grösse geliefert werden wie die gewöhnlichen gelbrothen. Die Fruchtschale der süssen Orange von Citrus Aurantium Risso ist weit dünner, gewöhnlich (trocken) nur 1 Millim. stark, lebhafter gelbroth, weniger runzelig , weit weniger aromatisch und bitter als die Schale der bitteren Orange. Cortex Granati fructus. Cortex Granatorum. Malicorium. Granatschalen. Ecorce de grenades. Pomegranate peel. Die Frucht des bei Cortex Granati radicis erwähnten Granatbaumes, der sogenannte Granatapfel, ist eine trockene kugelige, aber etwas abgeplattete, ungefähr 0,08m bis 0,09ni im Querdurchschnitte messende (oder in der Cultur noch weit grössere) Beere, gekrönt von dem starken röhrigen 5- bis 9zähnigen Kelche und bei der Reife der Länge nach berstend. C bis 9 häutige, iu der Axe der Frucht zusammentreffende Scheidewände theilen die obere Halbkugel derselben in Fächer von gleicher Zahl wie die der Cortex Granati fructus. 569 Kelchblätter, während die untere Fruchthälfte nur halb so viel Fächer ent- hält. Diese beiden ungleich eingeteilten Stockwerke sind durch eine nach aussen geneigte Querwand getrennt. Die Fächer enthalten auf schwammi- gen Samenträgern sehr zahlreiche Samen *) , deren reichliches dickes , an- genehm säuerlich, oder in einigen kultivirten Yarietäten süss schmeckendes Epithelium als erfrischendes Obst genossen wird. Officinell ist nur die 1 bis 3 Millim. dicke Schale der Frucht, welche im frischen Zustande lederig2), trocken aber hart und spröde wird und da- her in unregelmässigen gewölbten oder verbogenen Bruchstücken in den Handel gelangt. Sie sind von der starken dicken Kelchröhre begleitet, welche oft noch die vertrockneten Staubfäden und den Griffel einschliesst. Die rothgelbe bis bräunliche Oberfläche der Schale ist grobkörnig runzelig, etwas glänzend , die durch den Druck der grossen Samen eckig gefelderte Innenfläche zeigt meist hell gelbgrünliche Färbung. Der Bruch fällt körnig- schieferig aus, der Querschnitt besitzt die Farbe der Innenfläche, mit Aus- nahme der dünnen rothgelben Peripherie. Die Oberfläche der Fruchtschale ist aus einer Reihe ziemlich ungleicher, mit einer dünnen Oberhaut belegter kubischer oder unregelmässig radial gedehnter Zellen gebaut. Ihre nach aussen verdickten Wandungen sind hauptsächlich von rothgelbem Farbstoffe durchdrungen. In dem zunächst folgenden kugeligen Parenchym verlaufen in verschie- dener Richtung dicht unter der Oberfläche feine Bündelchen von kleinen Spiralgefässen. Das Gewebe, welches die Mitte und den grössten Theil der Fruchtschale ausmacht, besteht aus dünnwandigen schlauchartig ver- längerten, da und dort ästig ausgewachsenen schlaffen Zellen, welche nach innen zu sich bedeutend erweitern, in der Nähe der Innenfläche aber wieder etwas abnehmen. Die letztere ist aus einer Reihe zarter kubischer Zellen zusammengesetzt und nur von einem sehr feinen Häutchen bedeckt. In der inneren Hälfte des Parenchyms finden sich stärkere strahlige Gefäss- bündel von zarten, etwas bräunlichen Cambial- oder Baststrängen umgeben. Ueberall sind einzelne grosse oder zu mehr oder weniger ansehnlichen Gruppen vereinigte Steinzellen eingestreut, welche zierlich geschichtet und von Porenkanälen durchsetzt sind. Manche sind kugelig und fast ganz ver- dickt, andere stabförmig und noch mit weiter Höhlung versehen. Besonders in der Nähe dieser vielgestaltigen Steinzellen, doch auch im übrigen Parenchym, treten sehr zahlreiche Kalkoxalat-Krystalle auf, theils einzeln (als Hen.dyoeder), theils in rosettenförmigen, bis etwa 30 Mikromill. messenden Drusen. Ziemlich ungleich vertheilt und im ganzen nicht in grosser Menge kommen kleine 5 bis 7 Mikromill. messende Stärkekörner in den Granat- schale vor. *) daher der Speciesname Granätum (malum granatum). 2j deshalb kurzweg als raali corrttm bezeichnet. 570 Früchte. Sie riechen bei gelindem Erwärmen schwach aromatisch, ihr Geschmack ist rein und stark adstringirend , der Hauptbestandteil Gerbstoff, da- neben Zucker und wenig Gummi. Bei 100° getrocknete Schalen gaben mir 5,9 pC. Asche. Die Granatäpfel waren schon im frühesten Alterthum hoch gefeiert, wie vielfache bildliche Darstellungen in den Trümmern von Persepolis und Niniveh und auf altägyptischen Denkmälern beweisen. Die Römer brachten dieselben während der punischen Kriege aus Karthago (Mala \m- nica) und sie kommen auf pompejanischen Wandgemälden häufig vor. Ganz vorzüglich gedeihen sie jetzt noch in ganz Persien, besonders schön um Täbris. Die Fruchtschalen wurden wohl von jeher neben ihrer schon bei Pli- nius erwähnten medicinischen Verwendung gegen Bandwurm, Fieber und Diarrhöe, auch zum Gerben benutzt. Iu ersterer Hinsicht sind sie bei uns fast ganz durch die wirksamere Wurzelrinde verdrängt. Im Mittelalter diente häufig der Presssaft der Früchte gegen Würmer. B. Frucht in us (Pulpa). Tamarindi. Pulpa Tamarindi cruda. Fructus Tamarindi decorticatus. Tamarinden. Tamarins. Tamariuds. Tainarindus iiidica L. — Caesalpinieae. Die Tamarinde ist ein starker, bis 40 Fuss hoher Baum von der Tracht unserer Eichen mit weit ausgebreiteten Aesten, welche einen gewaltigen domförmigen, reich belaubten, doch lichten Wipfel bilden. Durch die zarten, fein gefiederten Blätter, die purpurnen Blumenknospen und die roth geäder- ten weissen, zuletzt gelblichen Blüthen gewährt der Baum einen herrlichen Anblick und wird schon deshalb in den Tropenländern gerne als Zierbaum gepflegt, obgleich Araber und Indier es für gefährlich halten, in seinem Schatten zu schlafen. Indien, so wie Centralafrika und die heissen Länder Ostafrikas scheinen die Urheimat dieses Baumes zu sein. Er durchzieht das Gebiet des Sene- gals, des Nigers und Tsad-Sees, geht in die Nilländer, nach Mozambique, durch ganz Arabien und ist überall in Ostindien , namentlich auch auf den Inseln und in Cochinchina verbreitet. Einer der nördlichsten Standpunkte ist wohl das Ufer des Wan-Sees in Kurdistan. Die Cultur hat auch in West- iudien (Curacao) und Brasilien die Tamarinde schon eingebürgert. Die Frucht ist eine im allgemeinen dem Johannisbrote ähnlich gebaute, 0,05 bis 0,20m lange, 0,03,n breite, graulich oder gelblich braune Hülse, welche an einem ziemlich starken, 0,0 3m langen Stiele herabhängt. Sie ist jedoch, obwohl auch etwas seitlich zusammengedrückt, von gleichmässiger, voller und gerundeter Form, fein körnig- warzig, nicht ge- Tamarindi. 571 streift und kurz, aber scharf zugespitzt. Der Querschnitt ist eiförmig, ohne Randwülste. Die 3 — 12 Samen machen sich äusserlich durch holperige Anschwellungen der Hülse oder selbst durch einseitige sattelförmige Ein- schnürungen bemerklich. Die äussere, y2 Milium dicke Fruchthaut, aus ansehnlichen kugeligen Steiuzellen und lockerem Parenchym gebaut, besitzt, ganz abweichend von Siliqua dulcis, nur geringen Zusammenhang und zer- bröckelt leicht. Unter der äusseren Fruchthaut treten alsdann an der auf der Oberfläche nicht oder nur undeutlich kennbaren Bauchnaht zwei sehr starke und zwei schwächere Gefässbündel zu Tage und ein noch derberes an der Rückennaht, alle gegen die Spitze hinlaufend, aber seitlich oft fast rechtwinkelig dünne verzweigte Aeste von Gefässsträngen aussendend. Die innere Fruchthaut, welche die Samenfächer bildet, ist aus sehr langen biegsamen, fest verbundenen Fasern gewirkt und von einer mehr oder weniger dicken mürben Schicht bräunlicher, sehr groblöcheriger Steinzellen genau umschlossen. Die Dicke dieser Steinzellenschicht, welche die Samen- fächer auseinanderhält, ist sehr ungleich, ihre Oberfläche stellenweise auf- gelockert und tief grubig. Die Räume zwischen derselben und der äusseren Fruchthaut werden von den schon erwähnten Verzweigungen der rand- ständigen Gefässbündel durchzogen, die in einen bräunlichen oder schwärz- lichen sauren Brei (Fruchtmus, Pulpa) eingebettet sind, welcher aber wenigstens trocken die Frucht bei weitem nicht ganz ausfüllt. Die seitlich zusammengedrückten Samenfächer erscheinen in der durch beide Ränder der Länge nach aufgeschnittenen Frucht rundlich eckig, oft fast quadratisch oder abgerundet rechtwinkelig. Ihnen entspricht die wenig regelmässige Gestalt der bis 0,0 17m langen und bis 0,008m dicken Samen, welche bald kahnartig, bald mehr eiförmig oder stark abgeflacht auftreten. Der vom Nabelstreifen (Raphe) durchzogene Rand ist entweder schwach gekeilt oder öfter gefurcht. Die flacheren Seiten des glänzend braunen Samens, welche der Fachwand dicht anliegen, sind glatt oder fein gestreift, die übrige Samenschale grubig vertieft. Sie schliesst einen geraden, halb gegenläufigen eiweisslosen Keim ein, dessen dicke hornartige weissliche Lappen die Samenschale ganz ausfüllen. Am Nabel steckt in den Keim- lappen das dicke Würzelchen , welches ein kleines gelbes Knöspchen trägt, in dessen zwei Blättern schon die Fiedertheilung angedeutet ist. Für den europäischen Handel werden die reifen Früchte von der äus- seren, leicht trennbaren Haut, zum Theil auch wohl von den stärksten Gefässsträngen und von den Samen befreit, zu einer etwas zähen weichen, fast breiigen Masse von bräunlicher oder schwärzlicher Farbe zusammen- geknetet und in Fässer verpackt. Diese Waare, die Tamarindi, Fructus Tamarindorum des Handels, besteht demnach aus dem Fruchtmus und seinen Gefässbündeln , vermischt mit den Wänden der Samenfächer und einzelnen Samen. Trümmer der festeren Theile der Frucht lassen sich nicht oder doch nur ausnahmsweise auffinden, Steinzellen der Fruchthaut z. B. fehlen der Waare gänzlich. Sie zeigt vielmehr als weit überwiegenden 572 Früchte. Bestandteil zartwandige grosse auseindergerissene Zellen, dann sehr lange Bündel dünner, zum Theil abrollbarer Spiralgefässe, welche von Prosenchyro- strängen begleitet sind und endlich derbfilzige sackartige Samenfächer, die ans jenen biegsamen und farblosen, an die Baumwolle erinnernden Fasern gebildet sind. Die Samen, welche oft noch fest an den Fächern haften, sind mit einer äusseren, zum Theil braunen und einer inneren farblosen Schale bedeckt. Erstere enthält zwei Reihen sehr dicht gedrängter, radial gestreckter cylin- drischer Zellen , die peripherische Reihe von brauner Farbe , die innere, sehr leicht auseinander fallende farblos. Yon den dickwandigen Zellen des hierauf folgenden Parenchyms sind die der äussersten 2 — 3 Reihen radial, die der inneren 6 — 8 dagegen mehr tangential gedehnt oder zusammen- gefallen. Sie enthalten grünliche Körnchen von Gerbstoff, der auch ihre Wandungen durchdringt, gleich denjenigen der innersten 10 — 12 Zellen- reihen. Diese letzteren sind bei weitem grösser und bilden allein die Hälfte der ganzen Samenschale. Das sehr dickwandige poröse Gewebe der Keimlappen ist frei von Gerb- stoff und Stärkekörnern, schliesst aber in den engen Zellhöhlungen Klümp- chen eines (Protein-?) Stoffes ein, welcher durch Jod braungelb gefärbt wird. Die Zellwände selbst quellen in kaltem Wasser stark auf und lösen sich zum Theil , kochendes Wasser greift sie noch mehr an und gibt eine dickliche Lösung. Die Wandungen selbst, nicht die Auflösung, nehmen durch Zusatz von Jod inJodkaliuni (Jod wasser oder reines Jod allein wirken nicht sogleich) eine tiefblaue Farbe an. Alkalisches Kupfertartrat wird beim Kochen mit diesem Gewebe nicht reducirt. Diese Zellsubstanz zeigt also gleichzeitig Eigenschaften des Amylums, des Gummis und der Cellulose, ähnlich wie das so genannte Lichenin (vgl. bei Liehen islandicus). Schieiden hatte diese Modifikation der Cellulose als Amyloid bezeichnet und auch in den Samenlappen anderer Caesal- pinieen (z. B. Schotia und Hymenaea) und Phaseoleen (Mucuna) nach- gewiesen. Dem Verhalten dieses Körpers zu Jod hat Nägeli1) (1864) eine sehr ausführliche Untersuchung gewidmet. Als Inhalt des käuflichen Fruchtmuses findet man in allen Zellen kleine bräunliche Körnchen, welche durch Eisenchlorid nur wenig dunkler werden. Da und dort zeigen sich auch kleine Gruppen von kugeligen, bis 10 Mikro- millimeter messenden Stärkekörnern. Die Zellmembran selbst wird durch Jod schwach gebläut. Häufig kommen auch kurze spiessige Krystalle vor, vermuthlich Weinstein , da sie sich in ziemlich viel kochendem Wasser2) !) Bu ebner, Repertor. f. Pharm. XIII. 153. 2) Diese Krystalle hatte ich für weinsauren Kalk erklärt. Digerirt man aber die Handels- waare mit überschüssiger Kalilauge, so entsteht im Filtrat beim Kochen durchaus kein Nieder- schlag jenes Salzes. Salzsäure, nicht Wasser allein, nimmt allerdings aus dem Frucbtbrei etwas Kalk auf. Tamarindi. 573 lösen. Andere grössere scharfkantige , doch nicht kristallinische Splitter, welche fast eben so zahlreich sind, erweisen sich als Quarz. In nicht allzuviel Wasser lässt sich das Fruchtnius zu einer dicken zitternden, etwas kleberigen und trüben Flüssigkeit zertheilen, ohne dass die Zellwände merklich angegriffen werden; sie geben daher wohl nur Pektin ab. Das Fruchtnius schmeckt auch schon vor der Reife sehr stark und an- genehm sauer.1) Wasser nimmt daraus Zucker, Essigsäure und andere Glieder dieser Reihe, Weinsäure, Citronsäure und nach Vau quelin auch etwas Aepfelsäure, zum grössten Theil an Kali (nicht an Kalk) gebunden, auf. Die Lösung reducirt in der Kälte nach einiger Zeit alkalisches Kupfer- tartrat, enthält also wohl Traubenzucker. Beim Abdampfen der Auflösung schiesst reiner Weinstein und Zucker an. Die flüchtigen Säuren der Fett- säurenreihe, welche Gorup-Besanez hier zuerst nachgewiesen, finden sich bisweilen in grosser Menge. Gerbstoff sowohl als Oxalsäure fehlt. Die Citronsäure, welche nach Vau quell n vorwalten, nach Scheele2) ganz fehlen soll, ist in geringer Menge vorhanden. Uebersättigt man den Tama- rindenauszug mit heiss bereitetem Kalkwasser und kocht nach dem Filtriren, so entsteht ein unbedeutender Niederschlag von citronsaurem Kalk, der sich in Salmiak löst. — Die Weinsäure hat Scheele hier schon 1770 erkannt. Geruch zeigen die Tamarinden wohl nur in Folge der Gährung, welche sich bei längerer und ungeeigneter Auf bew abrang einstellt. Die erwähnten Bestandtheile der Tamarindenfrucht verleihen derselben einen sehr hohen Werth für die trockenen vegetationsarmen Binnenländer Afrikas. Barth3) erklärt die Frucht für eine unschätzbare Gabe der Vor- sehimg in diesen heissen Zonen, den Baum für den grössten Schmuck des Negerlandes. Mit Butter und Zwiebeln bildet die erstere dort eine höchst erfrischende Nahrung, mit Zwiebeln, Honig und Pfeffer das sicherste Mittel gegen die leichteren dortigen klimatischen Krankheiten. Auch für Darfor bezeichnet Munzinger4) die Tamarinde als die köstlichste Gabe der Natur. Dieser Bedeutung wegen wird die Frucht (Andeb arabisch) mit der für diese Gegenden nicht minder wichtigen der Dattelpalme (Tamar hebräisch, Tamr-hindi arabisch) verglichen und auch wohl als saure Dattel bezeichnet. In den oberen Nilländern Darfur , Kordofan , Sennaar , auch bei Medina in Arabien , nicht in Abyssinien , formt man grösserer Haltbarkeit und des bequemeren Transportes wegen den zerquetschten und gegohrenen Frucht- brei durch weiteres Austrocknen an der Sonne zu festen flachen braun- schwarzen Kuchen von ungefähr 0,10™ oder 0,1 5m Durchmesser und 0,02™ !) auch die Blätter schmecken sauer und purgiren. -) Phys. u. ehem. Werke, Aasgabe von Hermbstädt, Berlin 1793. II. 379. 3) Reisen in Afrika. Gotha 1858. 4) Ostafrikanische Studien. Schaffhausen 1864. 574 Früchte. Dicke , welche mit Haaren , Sand , Linsen und anderen Verunreinigungen mehr oder weniger bestreut zu sein pflegen und Trümmer der Stiele, Samen und des Fruchtgehäuses enthalten. Obwohl sie eine ziemliche Festigkeit erlangen können, werden diese Kuchen doch leicht etwas feucht. Sie ge- langen nicht oder doch nicht regelmässig nach Europa, sollen aber bisweilen in Griechenland, Marseille, Livorno, Malta in die gewöhnliche (indessen an den zerbrochenen Samen kenntliche) Handelswaare umgearbeitet werden. Dass man zugleich Weinstein beimische, ist der Preisverhältnisse wegen unmöglich. Die westindischen Tamarinden sind von herbem, weniger saurem Ge- schmacke, dem aber meist durch Zusatz von Zucker nachgeholfen wird. Sie sind schleimiger , weniger zusammenhängend , von hellbrauner Farbe. Die englische Pharmacopöe (1864) hat nur diese bei uns nicht gebräuch- liche Sorte. — In Zucker eingemachte ganze Früchte aus Westindien sind nicht eigentlich Gegenstand des Grosshandels. Gärtner hatte die dor- tige Form des Tamarindenbaumes seiner breiteren und kürzeren, an Samen ärmeren und meist eingeschnürten Hülsen wegen als Tamarindus occidentalis unterscheiden wollen; die Merkmale sind aber nicht durch- greifend. In Deutschland kannte man die Tamarinden im Mittelalter unter dem Namen Siliqua arabica, indem man sie den arabischen Aerzten verdankte. Den Griechen und Römern scheinen sie unbekannt geblieben zu sein. C. Früchte und Fruchtstände. 1. von öligem oder von süssem Geschmacke. Fructus Cannabis. Semen Cannabis. Hanfsamen. Chenevis. Semences de chanvre. Hemp seed. Cannabis sativa L. — Cannabineae. Der Hanf ist hauptsächlich im Gebiete des K aspischen Meeres, besonders massenheft am Unterlaufe des Urals und der Wolga zu Hause, aber auch im Altai, in Nordchina, Kaschmir und Nordindien eben so gut ursprünglich ein- heimisch. Nach Livingstone's und anderweitigen Berichten ist nicht zu bezweifeln, dass er auch den Flussgebieten des Congo und Zambesi, im Innern Südafrikas, angehört, wo z. B. der Stamm der Batoka, unter etwa 16° südl.Br., wie viele andere, sehr dem Haufrauchen fröhnt. Ebenso nach Du Chaillu die Aschiras an der Westküste Afrikas. Vielleicht ist auch in Algerien die Pflanze ursprünglich einheimisch. Die Kultur hat den Hanf seiner spiunbaren Faser und des ölreichen Samens wegen schon sehr frühe über die meisten Länder verbreitet, doch wohl etwas später als den eben so werthvollen Lein (vgl. bei Semen Lini). Das europäische Russland ist gegenwärtig das Hauptproduktionsland des Fructus Cannabis. 575 Hanfes. Ans der Sanskritsprache sind die Benennungen der Pflanze: Ang, Bang, Hang, Banga, Ganjika, Ganjali in alle alten und modernen Sprachen Europas1) übergegangen und deuten die Richtung ihrer Wanderung an. Die kurzen gedrängten Aehren der weiblichen Pflanzen bringen zahl- reiche kleine, ganz von einer krautigen Scheide umschlossene Früchtchen (Schliessfrüchtchen, Nüsschen) hervor. Die letzteren allein kommen in den Handel. Ihre graue oder ein wenig ins grünliche spielende zerbrechliche eiförmige Fruchtschale ist seitlich etwas zusammengedrückt, an beiden Rändern weisslich gekielt und zwar unmerklich schärfer auf derjenigen Seite, wo das schon äusserlich angedeutete Würzelchen liegt. Die ganze Fruchtschale ist mit einem feinen, nicht erhöhten hellen Adernetze zarter Gefässbündelchen bemalt, das von dem abgeflachten Grunde der Frucht und von dem eben erwähnten , das Würzelchen deckenden Rande ausgeht. Bisweilen haften an der Schale noch kleine bräunliche Fetzen der Frucht- scheide. Die Länge der Früchtchen beträgt 5 Millimeter, ihr Gewicht 4 Milligr. im Durchschnitte, so dass sie verhältnissmässig ziemlich leicht sind. Die Fruchtschale springt nicht auf, öffnetsich aber beim Keimen leicht längs der beiden Ränder. Sie ist ganz von dem in dünner dunkelbraungrüner Haut steckenden eiweisslosen Samen ausgefüllt, dessen dicke, sehr weiche Keim- lappen neben das Würzelchen heraufgebogen sind und das kleine Knöspchen bergen. Die äussere Samenhaut umschliesst das gegen die stumpfe Spitze des Samens gerichtete Würzelchen ganz , indem sie sich zwischen dasselbe und die Rückseite des einen Keimblattes einschlägt; nach unten ist die äussere Samenhaut mehr mit der Schale verwachsen. Der Nabel (Chalaza) ist besonders auf der Innenfläche der Samenhaut scharf umschrieben und hellbraun gefärbt. Der Embryo strotzt von farblosem Oele, das beim Aus- pressen durch das Chlorophyll der Samenhaut eine grünliche, bald ins bräunliche übergehende Färbung erhält. Beim Anreiben mit Wasser ent- steht eine ungefärbte, widrig schmeckende Emulsion. Der wässerige Auszug der unzerkleinerten Früchtchen schmeckt süsslich und reducirt schon in der Kälte alkalisches Kupfertartrat, wird aber durch Eisenchlorid nicht gefärbt. Das Fruchtgehäuse ist von einer dünnen Schicht braunrother kleiner Zellen bedeckt, aber grösstentheils aus radial gestellten, sehr hell grünbräun- lichen Steinzellen gebildet, deren ungleich und unregelmässig keilförmige, nach aussen sehr verschmälerte Höhlung weit geringer ist als die dicken porösen Wände, welche ganz genähert und von den benachbarten Zellen her zahnartig in einander greifen. Ein dicht unter der Oberfläche durch die Fruchtschale geführter Tangentialschnitt zeigt daher die zierlich verschlun- genen Umrisse der Querschnitte dieser grossen Steinzellen. Das dünn- wandige Parenchym der äusseren Samenhaut ist von kleinen Gefäss- bündelchen durchzogen und enthält Chlorophyllkörner und sehr wenig J) im althochdeutsches schon vor dem XII. Jahrhundert Hanaf oder Hanif. Canava im Capitulare Karl's d. Gr. 576 Früchte. Gerbstoff, das sehr kleinzellige Gewebe des Embryos Oeltropfen und kleine Körnchen von Proteinstoffen. Das Oel beträgt 25 — 35 pC. , der Stickstoffgehalt nach Anderson (1855) 3,6 pC., entsprechend 22,6 Eiweiss, die Phosphate 2,4, die übrigen Aschenbestandtheile 4 pC. Das Oel gehört zu den trocknenden Oelen, zeigt ungefähr 0,927 specif. Gewicht, erstarrt erst unter 0° und findet in Russland in Menge zur Dar- stellung der Schmierseifen Verwendung, welche diesem Oele die grünliche Färbung verdanken. Es wird leicht ranzig, daher auch die Früchte all- jährlich erneuert werden müssen. Caricae. Fructus Caricae. Feigen. Figues. Figs. Ficus Carica L. — Moreae. Die weite Urheimat des Feigenbaumes erstreckte sich von den ostara- lischen Steppenländern, zwischen Jaxartes und Oxus längs der Süd- und Süd westgestade des Kaspischen Meeres (Ghilan, Masenderan und Kaukasien), durch das obere und mittlere Mesopotamien, über Kleinasien, Syrien, Palä- stina und die Küstensäume des Rothen Meeres, westwärts vielleicht auch schon ursprünglich bis Griechenland. Er steigt in diesen Ländern bis in die Bergregion, im Taurus z.B. unzweifelhaft wild bis 4800 Fuss, fehlt aber in Südpersien und den heissen Tiefländern (Irak-Arabi) des unteren Euphrat und Tigris. Ritter (Asien VII. 2. 511) hat das Vorkommen des Feigenbaumes sehr ausführlich und anziehend erörtert. Die Kultur hat aber die Feige schon sehr frühe weiter verbreitet, zunächst wohl aus Syrien und Griechenland nach Italien und von da zur Zeit des Plinius nach Spanien und Gallien. Jetzt findet sich der Feigenbaum in sehr vielen wärmeren und gemäs- sigten Ländern, in Ostindien so gut wie in Chili und in Mexico, wohin er schon 1560 durch Cortez gelangte. Er ist ausserordentlich leicht zu behan- deln, durch Samen, Steckreiser oder durch Pfropfen zn vermehren, nimmt fast mit jedem Boden vorlieb und überwintert noch in geschützten Lagen Südenglands und Mitteleuropas. 1820 jedoch erfroren schon in der Pro- vence sämmtliche Feigenbäume. Das Genus Ficus zählt vorzüglich in den Tropenländern Asiens und Afrikas eine sehr grosse Menge von Arten, bald Sträucher, bald gewaltige prachtvolle Bäume. Sie sind ausgezeichnet durch die Milchsaftgefässe, welche ihre grünen Theile und die Innenrinde durchziehen und Säfte führen, welche entweder technisch als Kautschuk nutzbar sind oder scharfe bis geradezu giftige Eigenschaften zeigen, oder aber, wenigstens bei der Frucht- reife, geniessbar sind. Die gewöhnlich dikliuischen unscheinbaren Blüthen entspringen wie bei Caricae. 577 den nächst verwandten Artocarpeen, sehr zahlreich und dicht gedrängt auf einem gemeinschaftlichen Blüthenboden. Bei manchen Artocarpeen, z. B. bei Dorstenia, ist dieser Blüthenboden flach, ähnlich wie bei den Compo- siten, oder nur am Rande etwas heraufgebogen. Ficus aber erhält da- durch einen sehr eigenthümlichen Fruchtstand (Sammelfrucht) , dass der Blüthenboden oder Fruchtboden nicht nur heraufgebogen, sondern bis auf eine kleine Oeffnung geschlossen ist und eher einer birnförmigen bis kuge- ligen, oben etwas eingedrückten Einzelfrucht gleicht. Ficus Carica ist ein strauchartiger oder bis 30 Fuss hoher Baum mit breiter Krone , dem die langen, oft sonderbar gebogenen, sehr brüchigen Aeste. ein höchst eigen thümliches plumpes Aussehen verleihen, zumal vom December bis April, wo in Südeuropa der Baum entblättert ist. Die Feigen finden sich einzeln, von kleinen Deckblättchen gestützt, auf kurzem Stiele, in den Blattwinkeln oder dicht über den Narben abgeworfener Blätter. Der etwa 0,005m dicke Blüthenboden ist anfangs sehr zähe lederig, innen weiss, aussen grün und ergiesst bei der geringsten Verwundung aus den sehr zahl- reichen Milchsaftschläuchen weissen scharfen Saft. Die Mündung der Schein- frucht ist enge und durch kleine Deckblättchen fast vollständig geschlossen. Die innersten biegen sich in die Höhlung herein, welche mit den kleinen grünlichen oder röthlichen Blüthen und zwischen denselben mit kurzen dicken Börstchen ausgekleidet ist. Nur in der Nähe der Mündung sitzen männliche Blüthen , fehlen aber sehr häufig ganz , oder bilden sich nicht aus, besonders bei kultivirten Früchten, so dass die verhältnissmässig etwas kürzer gestielten Sternpelblüthen immer vorherrschen. Sie bestehen aus einem 3- bis 5 blätterigen Perigon und 2 spaltigem, seltener ungetheiltem Griffel. Der fast immer einfächerige Fruchtknoten wächst zu einem eiför- migen, 2 Millim. grossen harten Steinfrüchtchen aus, sofern dasselbe nicht fehlschlägt, wie bei einzelnen Spielarten regelmässig geschieht. Beim Heranreifen der Feige wird das Fruchtfleisch saftiger und weicher, bis gallertartig, innen gelblich bis purpurn; die Aussenfläche bleibt grün- lich oder färbt sich in sehr verschiedenen Abstufungen bräunlich, röthlich bis tief violett oder blauschwarz, oft mehrfarbig gestreift, wie angehaucht oder bereift. Die im allgemeinen birnformige bis kugelige, selten platt gedrückte Gestalt der Feige ist weniger Abänderungen unterworfen als die Grösse. Es gibt Spielarten (Fico rninutello in Neapel), die nur den Umfang einer Haselnuss erreichen. Gegen die Reife verliert der Milchsaft die Schärfe, verdickt sich und vermag nicht mehr auszufliessen, so dass der Geschmack der ganzen Fruchtbildung sehr angenehm süss und schleimig wird. Zuletzt platzt auch wohl die Feige und lässt dicken Zuckersaft austreten. Die trockenen käuflichen Feigen besitzen einen schwachen eigenthümlichen, nicht unangenehmen Geruch. Der Neapolitaner Gasparrini (1845) trennte Ficus Carica in 2 Gat- tungen und mehrere Arten, welche alle in ihren Früchten wieder Unter- schiede zeigen, je nachdem dieselben im Knospenzustande überwintern, erst Flückiger, Pharmakognosie. °* 578 Früchte. zu Anfang des Frühjahrs neben den Narben abgefallener Blätter anschwellen und bei Neapel z. B. vom April bis Juni reifen: Fichi fiori (Blumenfeigen) oder grossi , oder aber an frischen Trieben im Frühling auftreten und im Sommer vor dem Blattfalle reifen : forniti, oder endlich erst im Winter nach dem Blattfalle, vom October an zeitigen : cratiri. Den fiori, grossi oder orni fehlen immer keimfähige Samen. Die Reife der Feigen tritt übrigens nicht gleichzeitig ein, sondern schreitet am Baume von unten nach oben allmälig vor, so dass er fast fortwährend reife Früchte aufweist. Er gehört überhaupt zu den ertragreichsten Obstbäumen , da fast jeder Blattwinkel seine Feige bringt. — Die Unterschiede, wonach Gasparrini, wie übrigens weniger bestimmt auch schon Theophrast, Plinius, Dioskorides und Linne gethan, den verwilderten Feigenbaum als eigenes Genus Caprißcus, mit mehreren Arten von Ficus, dem kultivirten, trennen wollte, berechtigen aber höchstens zur Aufstellung von Varietäten , die bei diesem so äusserst werthvollen und viel gepflegten Baume, so gut wie bei unserem Obste, sehr zahlreich sind. Der königliche Gartendirektor in Neapel, Dehnhardt, hat (1859) z. B. nur allein aus seiner Umgebung über 50 Spielarten geschildert. Der wilde oder verwilderte Baum, Gasparrini's Caprificus insectifera, Caprifico der Italiener, zeichnet sich dadurch aus, dass sich in seinen kaum geniessbaren Früchten in sehr grosser Zahl eine kleine Wespe, Blastophaga Psenes Low (Psenes Caprifici Scacchi, Cynips Psenes L.) einnistet und in der Höhlung ihre Eier legt. Diese so besetzten Feigen, Caprifichi der Ita- liener, Orinia der Neugriechen, werden je zu zwei an Binsenhalme oder Reiser gesteckt und auf kultivirte Feigenbäume geschleudert, wo die Wespen ausschlüpfen, des Morgens und Mittags in Unzahl schwärmen und durch ihren Stich sehr belästigen. Sie sollen dann auch in die kultivirten Feigen eindringen, darin in Folge des Stiches (?) eine gewisse Vermehrung des Säftezuflusses und grössere Wärme erzeugen und dann zu Grunde gehen. Dieses ganze Verfahren, schon von den alten Griechen als Eriniasma, von den Römern als Caprificatio geübt, soll das Abfallen der Feigen vor der Reife verhindern und diese letztere beschleunigen, überhaupt den Ertrag des Baumes sehr steigern. Obgleich in Griechenland und in Süditalien der Volksglaube unerschütterlich an dieser Caprification festhält und sie seit Jahrtausenden mit ansehnlichen Opfern an Zeit und Geld (da die Caprifichi oft theuer angekauft werden müssen) betreibt, so ist sie doch nach Dehn- hardt und andern Augenzeugen ganz nutzlos. Niemals hat dieser Beob- achter das Insekt in eine kultivirte Feige eintreten sehen und v. Held reich berichtet, dass in Griechenland bei Mangel an „Orinia" auch mit demselben Erfolge mit Hülfe der ersten besten gallenartigen Auswüchse, welche z. B. Blattläuse auf Pappeln und Ulmen erzeugen, caprificirt wird! Endlich unterbleibt in manchen Ländern, z. B. auf Madeira, in Südfrankreich, selbst in einigen Theilen Griechenlands, die Caprification ganz. Die Feigen werden in ungeheuerer Menge in den südlichen Ländern als Caricae. 579 Nahrungsmittel, theils frisch genossen, theils zu etwas längerer Aufbewah- rung in Backöfen getrocknet oder halb gebraten. Ihre Haltbarkeit ist jedoch ziemlich beschränkt und nur einzelne Sorten werden in sehr grosser Menge ausgeführt. So vorzüglich kleinasiatische überSmyrna, welcher Platz allein 1858 z. B. über 95,000 Ctr. lieferte. Sie werden hier sortirt, die besten mit Lorbeerblättern in Holzschachteln , die geringeren auch in Körbe ver- packt und gelten allgemein als die besten und ansehnlichsten Feigen. Ein- zelne Sorten sind schwärzlich, die meisten graugelblich, wie auch die griechischen. Zu uns gelangen fast ausschliesslich die griechischen Feigen aus Kala- mata am Meerbusen von Messenien und von den Inseln Andros und Syros (Syra). Sie werden platt gedrückt, auf Bastschnüre oder Cyperus- Halme gereiht und in grosse Fässer verpackt, welche meist nach Triest gehen. Diese grossen, etwas lederig-dickhäutigen Kranzfeigen, Caricae in coro- nis, sind durch Haltbarkeit ausgezeichnet. Nach Jahresfrist werden sie jedoch auch sehr trocken, bedecken sich mit auswitterndem Traubenzucker und verlieren sehr an Schmackhaftigkeit. Häufig stellen sich auch Mil- ben ein. Aus Neapel werden in Körbchen calabrische Feigen ausgeführt, welche kleiner und weicher als die griechischen, aber weniger haltbar sind, jedoch im Spätjahr früher auf dem Markte erscheinen. In Indien gezogene Feigen schmecken nicht unangenehm , stehen aber den kleinasiatischen oder griechischen sehr nach und werden nicht ver- sandt. Das Gewebe der käuflichen Feige besteht aus schlaffem dünnwandigem Parenchym, dessen im Innern ansehnliche und etwas gestreckte Zellen nach aussen sehr an Grösse abnehmen, so dass diese weit dichteren und mit sehr zahlreichen kleinen Drusen von Kalkoxalat erfüllten Schichten eine Art von Rinde bilden, die sich durch grössere Zähigkeit und geringere Süssigkeit bemerklich macht. Das innere Gewebe durchziehen ohne Regel- mässigkeit ziemlich zahlreiche Gefässbündelchen und grosse, wenig ver- zweigte, bis über 30 Mikromill. dicke Milchsaftschläuche mit festem kör- nigem oder grossklumpigem , im Wasser nicht sichtlich lösbarem Inhalte, vermuthlich der Hauptsache nach Gummi (Bassorin). Daneben kommen grössere, nicht gut ausgebildete Oxalatkrystalle vor. Die innere "Wand der Feige ist zwischen den Blüthen oder Früchtchen mit spitzigen dickwandigen hohlen Börstchen von sehr einfacher Gestalt besetzt, die Früchtchen in süsses weiches gallertartiges Mus eingebettet. Hauptbestandtheil der Feigen ist der Traubenzucker, welcher 60 — 70 pC. der trockenen Waare ausmacht. Gummi und Fett scheinen nur in sehr geringer Menge vorhanden zu sein. Die Feigen spielten bekanntlich schon in der phönikisch- hebräischen, so wie in der griechisch-römischen Welt als Nahrungsmittel und Arzneistoff eine grosse Rolle. Die lateinische Bezeichnung carica (sc. ficus) weist auf 37* 580 Früchte. das kleinasiatische Karien hin, welcher Strich, Rhodus gegenüber, den Rö- mern vermuthlich eine vorzügliche Sorte lieferte, — die heutige Smyr- naische. Ficus scheint dem griechischen Ausdrucke SCßtov für Feige nach- gebildet zu sein. — Karl d. Gr. befahl den Anbau des Baumes in Mitteleuropa. Die Feigen des Ficus Sycomorus L., eines altberühmten grossen, in Unter- und Mittel -Aegypten und Palästina einheimischen Baumes, werden daselbst, obwohl weniger wohlschmeckend und etwas .gewürzhaft , gleich- falls gegessen. Die Frucht der jetzt in Südeuropa eingebürgerten westindi- schen Opuntia ficus indica Haw. (Cactus Opuntia L.) ist die sogenannte indische Feige. Fructus Sambuci. Baccae Sambuci. Holunderfrüchte. Holunderbeeren. Baies ou fruits de sureau. Eider fruit. Der halbunterständige Fruchtknoten der Holunclerblüthe (siehe bei Flo- res Sambuci) enthält 3 oder weniger oft 2 einsamige Fächer, welche bei der Reife von dem unteren Theile (Unterkelche) des ersteren eingeschlossen werden. Derselbe wächst zu einem länglich -runden, glänzend schwarzen weichen Früchtchen von etwa 6 Millim. Durchmesser aus, welches von dem wenig umfangreichen kreisrunden , nach dem Verblühen nicht weiter aus- gebildeten oberständigen (aus 3 oder 2 verwachsenen Fruchtblättchen her- vorgegangenen) Theile des Fruchtknotens, von den kleinen Kelchzähnen und von der eingeschrumpften Narbe gekrönt ist. Das sehr lockere Frucht- fleisch ist mit purpur-violettem1) , unangenehm süsslichem, schwach säuer- lichem Safte erfüllt. Die kleinen bräunlichen runzeligen Steinkerne sind aufrecht, länglich eiförmig, nach aussen etwas gewölbt und schliessen in der harten Schale einen eiweisshaltigen ölreichen Samen ein. Nach Enz kommen im Fruchtfleische vor : Spuren von ätherischem üele, flüchtige Säuren der Fettsäurenreihe (Baldriausäure u. s. f.), Wein- säure, Aepfelsäure, Wachs, Harz, Gummi, Eiweiss, gährungsfähiger Zucker, anorganische Salze, eisengrünender Gerbstoff, Bitterstoff. Der Farbstoff wird durch Bleizucker blau gefällt. Die Früchte werden frisch zur Darstellung des Rob Sambuci (Succus Sambuci iuspissatus) verwendet, dessen Geschmack vielleicht wegen der Verflüchtigung der Fettsäuren bei weitem angenehmer und milder ist als der des frischen Saftes. Beim Trocknen, wobei sie % ihres Gewichtes ver- lieren, schrumpfen die Früchtchen unförmlich ein. Sie führten früher den Namen Granu Actes nach der schon von Theophrast für Sambucus nigra gebrauchten Bezeichnung Akte, welche jetzt im deutschen Atticli auf Sambucus Ebuius übertragen ist. Die Früchtchen der letzteren sehen denen der S. nigra auch in chemischer Hinsicht sehr ähnlich, sind aber kleiner 1) daher der Name des Genus: £«(&ßv1; oder flFov§y§, rother Farbstofl" (Mennige). Jujubae. 581 und enthalten meist 4 Samen. Die Kelchreste treten an der trocken mehr bräunlichen Frucht stärker hervor. Jujubae. Zizypha. Baccae s. fructus Jujubae gallicae. Brustbeeren. Jujubes. Jujub. Zizyphus vulgaris Laniarck. — Rhamneae. Syn.: Z. sativa Duhamel. Ehamnus Zizyphus L. Ein kleiner, etwa 20 Fuss hoher Baum oder krummästiger und dorni ger Strauch , ursprünglich im Oriente von Syrien bis Persien einheimisch, jetzt in den Mittelmeerländern angebaut und verwildert. In den Blattwinkeln der lebhaft braunen, meist hin- und hergeknickten Zweige erscheinen gewöhnlich zu mehreren die hängenden glänzend schar- lachrothen Früchte. Sie sind länglich -eiförmig, etwa 0,03m lang, kaum halb so dick, an dem einen der breit gerundeten Enden von den sehr kur- zen spitzen Griffelresten gekrönt, am andern vertieft genabelt und kurz ge- stielt, nach dem Trocknen sehr grob runzelig eingeschrumpft. Die dünne, aber sehr zähe lederige Fruchthaut schliesst ein schwammiges, nicht sehr saftreiches kleberiges Fleisch ein , wovon sie sich nicht rein abziehen lässt. In der trockenen reifen Frucht ist das Fleisch weissiich bis bräunlich , von grossen radial gerichteten und zahlreicheren kleinen Höhlungen durchsetzt. Den grössten Theil des Centrums nimmt aber der knöcherne, ursprünglich zweifächerige Steinkern ein, der in runzeliger dicker, besonders nach oben scharf zugespitzter Schale nur einen Samen zu enthalten pflegt. Die braunrothe äussere Fruchthaut ist aus kleinen , sehr gedrängten, ziemlich dickwandigen Tafelzellen gebaut und aussen noch mit einer glas- hellen Epidermis bedeckt. Das lockere Gewebe des Fruchtfleisches, aus nicht sehr ansehnlichen kugeligen Zellen, zeigt spärlichen Inhalt von bräun- lichen körnig -wolkigen Klümpchen und da und dort eine kleine Oxalat- Druse. Die Brustbeeren schmecken angenehm schleimig-süss. Der Brustbeeren -Strauch wurde zur Zeit des Kaisers Augustus nach Italien verpflanzt. Die früher mehr als Nahrungsmittel verwendete Frucht wurde wohl hauptsächlich von den Arabern in die Medicin eingeführt; we- nigstens stammen ihre Namen vom arabischen Zizuf ab. Als Heilmittel fin- den wir sie bereits von Gargilius Martialis im dritten oder vierten Jahr- hundert nach Chr. aufgeführt; in Deutschland wurde der Strauch zuerst wohl von Albert d. Grossen im XIII. Jahrh. erwähnt. Zizyphus Lotus Lam., der Lotosbaum der Alten, in Nordafrika, weni- ger in Südeuropa einheimisch, besitzt nur halb so grosse, zähere, weniger süsse Früchte. Sehr wohlschmeckend sind dagegen diejenigen der ostindi sehen Z. Jujuba Lam., welche aber nicht zu uns gelangen. 582 Früchte. Siliqua dulcis. Fructus Ceratoniae. Johannisbrot. Caroubes1). Johnsbread. Ceratönia Siliqua L. — Caesalpinieae. Der Johannisbrotbaum, durch seine Tracht an den Apfelbaum erinnernd und wie dieser sehr ergiebig, scheint ursprünglich trockenen felsigen Strichen Nordafrikas und wohl auch Mesopotamiens anzugehören. Seine Verbreitung über das ganze Gebiet des Mittelmeeres bis Anato- lien, Dalmatien und Portugal dürfte hauptsächlich durch den arabischen Einfall in Sicilien befördert worden sein. In sehr grosser Menge wächst der Baum jetzt z. B. bis 1000 Fuss über dem Meere auf Cypern, wo die Bezirke Limasol, Kerinia, Mazota, Lefkara jährlich 90,000 bis 200,000 Ctr. seiner Früchte in einer sehr geschätzten Sorte ausführen. Auf Malta ist er fast der einzige Baum. Cypern, Chios und Kreta cultiviren eine durch Pfropfen veredelte Spielart mit grösseren, fleischigeren und süsseren Früch- ten. Ein Baum liefert bis 80 Pfund Früchte. — Die von den Reisenden in Südamerika (von Markham z. B. bei Yca, südlich von Lima) angegebenen Johannisbrotbäume sind nicht unsere Ceratönia, sondern die Algaroba Bäume, Prosopis Siliquastrum DC, Pr. dulcis H. B. u. Kth., Pr. flexuosa DC, Familie der Mimoseae. Ihre Hülsen werden gegessen. Wir erhalten das Johannisbrot meist aus dem Neapolitanischen (Mola), aus Sicilien (Avola) und Spanien. Die Frucht ist eine nicht aufspringende gerade oder etwas gebogene, bis über 0,20m lange Hülse von glänzend dunkelbrauner Farbe. Sie hängt in grosser Menge am dicken, kaum 0,0 10m langen Stiele vom Baume herab. Vom Stiele aus läuft an jeder Schmalseite der flach gedrückten, gegen 0,03ra breiten Hülse eine breite Furche nach der sehr kurz hervorgezogenen oder auch ganz unscheinbaren Spitze, welche gewöhnlich nicht genau den Schei- tel der Frucht einnimmt, sondern meist etwas gegen diejenige Furche her- übergerückt ist, welche durch eine oft kaum bemerkbare Naht als ursprüng- liche Bauchfläche bezeichnet wird. Die Ränder zu beiden Seiten der Längsfurchen sind stark wulstig ver- dickt, so dass die breiten Seiten der Frucht ihrer ganzen Länge nach tief eingesunken sind. Während die Dicke eines Randes 0,01 2ra beträgt, ist die Hülse in der Mitte nur 0,006m stark , quillt aber im Wasser auf feinen Querschnitten auch in der Mitte zu 0,012 Mill. Dicke auf. Die flachen Seiten sind mit zarten kurzen wellenförmigen Adern dicht besetzt, welche im ganzen so geordnet sind, dass sie in sehr spitzen Win- keln zusammenfliessen , deren Oeffhung gegen den Stiel gerichtet ist. Die Ränder sind mehr grob längssehnig. *) italienisch: Carobbe, arabisch: Karub oder Kharnub. Auch andere Hülsen heissen im arabischen so, z. B. diejenige von Acacia albida Willdenow, die in Nordostafrika gegessen wird: Kharrüb-el-'Arab (Hartmann). Siliqua dulcis. 583 Wird die starre mürbe Hülse so aufgeschnitten, dass das Messer der Länge nach, aber senkrecht zur Fruchtfläche tief durch eine Schmalseite geht, so findet man dieselbe ganz und gar eingenommen von zwei Reihen grosser, horizontal übereinander gelegter leerer Hohlräume mit glatten Wänden. Sie sind von eiförmiger oder elliptischer Gestalt, mit der Spitze gegen das Innere gewendet, so dass jeder der 4 Randwülste bis in die äusserste Spitze und an den Fruchtstiel seine besondere Vertikalreihe sol- cher Lücken einschliesst, welche nicht zu Tage tritt, wenn die Frucht der Länge nach in der Mitte durchschnitten wird. Die Hülse enthält bis 14 Samen einzeln in flachen spitz elliptischen Fächern, welche parallel mit den Fruchtflächen zusammengedrückt sind, so dass ihr Querschnitt eine nur 3 bis 4 Millim. breite und viermal so lange Ellipse beschreibt. Diese Fächer nehmen fast die ganze Breite der Frucht ein und sind , etwas gegen den Stiel hin geneigt , stockwerkartig über ein- ander aufgebaut, durch nur 0,005ra mächtige Lagen des Fruchtfleisches von einander geschieden, während die senkrechte Höhe eines Faches etwa das doppelte beträgt. Jedes Fach ist mit einer dünnen, aber sehr zähen Haut von gelblicher Farbe ausgekleidet. Obwohl diese innere Fruchthaut in der trockenen Hülse sehr eingeschrumpft ist, so füllt doch der übrigens entsprechend gestaltete, nur breitere, sehr harte Samen das Fach nicht aus oder treibt es nur zu geringen, auf den beiden Aussenflächen der Frucht wenig hervortretenden Erhöhungen auf. Der Same ist im Fache durch einen dünnen, bis 3 Millim. langen Nabel- strang der Bauchnaht angeheftet und durch die seitlich angedrückte Wand des Faches (innere Fruchthaut) in der Mitte desselben eingeklemmt. Mit Ausnahme des schwarz angelaufenen Nabels und des gleich gefärbten ent- gegengesetzten Endes des Samens (Chalaza) ist die Oberfläche glatt roth- braun und schwach glänzend. Mit der dünnen, aber sehr harten und zähen Samenschale ist ein grauliches durchscheinendes hornartiges Eiweiss fest verwachsen und birgt einen graden gegenläufigen Keimling, dessen dicke gelbe aderige Kotyledonen von der Gestalt des Samens etwas wellig zu- sammengelegt sind. Sie entspringen aus einem kurzen dicken Würzelchen. Die Hülse ist an der Bauchnaht und an der entgegengesetzten Schmal- seite von starken holzigen Bastbündeln durchzogen und enthält zwischen den Kammern (Lücken) der Randwülste und den Samenfächern ein gelb- liches saftiges, aber doch ziemlich derbes Fruchtfleisch, von welchem sich die dünne lederige äussere Fruchthaut so wenig als die Wandung der Samen- fächer abziehen lässt. Hierdurch wird der Wohlgeschmack des süssen kle- berigen Fleisches sehr beeinträchtigt. Dünne Querscheiben der Frucht quellen in "Wasser so auf, dass sie im Umrisse ein langes , an den Ecken abgerundetes und auf den Schmalseiten nur wenig eingebuchtetes Rechteck darstellen. Von den Buchten aus schlägt sich parallel mit der Längenaxe des Rechteckes die gelbe innere Frucht 584 Früchte. haut von beiden Seiten doppelt einwärts und bildet so in der Mitte die Sainenfächer. Die äussere, etwa 140 Mikromill. dicke Fruchtliaut zählt ungefähr 8 Reihen kleiner, etwas quer gedehnter Zellen mit sehr derben braunen Wän- den und ebenso gefärbtem Inhalte, der sich als Gerbstoff erweist. Diese Schicht ist mit einer Oberhaut von engeren, mehr kubischen oder gewölbten Zellen belegt, deren äussere glashelle Wandungen eine sehr fest zusammen- hängende widerstandsfähige Haut bilden. Ein feiner (Tangential-) Schnitt durch dieselbe, parallel zur Fläche, zeigt ihre kleinen, 3- bis ßeckigen Zellen aufs engste verbunden und nur durch Spaltöffnungen unterbrochen. Die innere Fruchthaut enthält, unmittelbar an die äussere anstossend, eine Reihe sehr starker, scharf umschriebener, schwach gelblicher oder fast farbloser Bündel aus zahlreichen, stark verdickten porösen Baströhren. Die einzelnen Baststränge sind durch dünnwandiges Parenchym oder durch grosse Steinzellen getrennt. Nach innen zu steht vor den Bastbündeln ein Streifen krystallführenden Bastparenchyms, dann weitmaschiges lockeres Gewebe, endlich zartes Cambialprosenchym und zuletzt feine krumme Spiral- gefässe. Durch diese verschiedenen, mit dem Fruchtfleische kontrastirenden Gewebe werden auf dem Querschnitte meist mehrere einzelne Bastbündel zu höchstens etwa 1 Millim. tief in das Fleisch eindringenden Keilen zu- sammengefasst. Innerhalb dieser durch die Loupe schon sichtbaren Keile ist das Fleisch, mit Ausnahme der Stellen, wo sich die innere Fruchthaut zu den Samenfächern einstülpt, frei von Gefässen und Baströhren. Die Bastbündel streichen nicht genau vertikal, ihr Verlauf zeigt sich im grossen vollkommen deutlich, ohne Vergrösserung auf der Oberfläche der Hülse. Wo sich aber die innere Fruchthaut einschlägt, um die Samen- fächer zu bilden, gehen nur die Baströhren und das sehr kry stallreiche Bastparenchym in die Zusammensetzung der pergamentartigen glänzenden Fachwand ein, eine ungefähr 70 Mikromill. starke Schicht bildend, deren Bündel aber horizontal liegen und welche innen noch mit einigen Reihen dickwandiger, Schleim führender Zellen ausgekleidet ist. Die den Randwülsten der Frucht angehörigen Kammern oder Lücken hingegen sind nicht mit einer eigenen Wand versehen. Das ganze Füllgewebe zwischen den 4 Reihen der leeren Kammern und den Samenfächern ist ein sehr grosszelliges Parenchym mit dünnen löche- rigen Wänden. In den äusseren Schichten und längs der Samenfächer und der eingestülpten Fruchthaut sind die Zellen dieses Fruchtfleisches kugelig oder eiförmig, in den mittleren Schichten nehmen sie aber eine sehr bedeu- tende radiale Streckung, bis gegen V2 Millimeter an. Sie sind im ganzen horizontal gelagert, greifen mit spitzen Enden in einander ein und werden daher ihrer ganzen Länge nach getroffen, wenn man einen Querschnitt oder einen Längsschnitt vertikal zu den Seitenflächen durch die Hülse führt. Schneidet man dieselbe aber parallel zu ihren Seitenflächen an, so erhält man den Querschnitt der langgestreckten Zellen des Fruchtfleisches. Siliqua dulcis. 585 Ein Theil des Fruchtfleisches, besonders häufig die langgestreckten Zellen seiner Mittelschicht und der Umgebung der leeren Kammern um- schliessen mit ihrer zarten Zellwand höchst eigen thümliche starke Säcke von kupferrother , etwas ins violette spielender Farbe. Jeder solcher Sack entspricht in seiner Gestalt ungefähr der umhüllenden Zelle , sitzt jedoch nur lose in derselben. Es gelingt daher sehr leicht, diese Zellsäcke in be- liebiger Zahl aus feinen Schnitten herauszudrücken. Manche derselben er- reichen eine Länge von 3/+ bis 1 Millim. bei etwa 100 bis 150 Mikromill. Breite, sind aber von höchst unregelmässiger Gestalt. Sie zeigen die ver- schiedenen Formen der Zellen , welchen sie angehören , sind also bald ku- gelig und nur klein, bald eiförmig, bald fast cylindrisch und sehr gross. Quetscht man sie, so zeigt sich bald, dass sie hohl sind und aus einer nur dünnen, aber sehr festen, fast spröden Haut bestehen, welche immer spira- lige Streifen oder Risse zeigt. Eine Regelmässigkeit im Vorkommen dieser Zellsäcke ist nicht wahr- nehmbar, sie sind aber sehr reichlich vorhanden und leicht aus jeder Re- gion des eigentlichen Fruchtfleisches zu gewinnen. Ueber ihre Bildung müsste die Untersuchung jüngerer Zustände der Frucht Aufschluss geben. Yermuthlich entstehen sie durch eine Verhärtung des Protoplasma. Die Spiralfaserzellen in der Vanille sind diesen Zellsäcken einigermassen ähn- lich, jedoch findet sich dort nur eine spiralförmige Ablagerung auf der Zell- wand, nicht ein derber zusammenhängender Sack, und Kali erzeugt dort keine Veränderung. Diese äusserst charakteristischen Zellsäcke müssten sich leicht in Süss- holzsaft auffinden lassen, wenn derselbe, wie man wohl angibt,1) mit Frucht- fleisch des Johannisbrotes versetzt wird. Noch weit auffallender ist das chemische Verhalten der Zellsäcke aus der Siliqua dulcis. Jod in Jodkaliumlösung, selbst nach vorheriger Durch- tränkung mit concentrirter Schwefelsäure, färbt sie nur gelb, Säuren etwas röthlich, Eisenvitriol oder Eisenchlorid aber aufs schönste violettblau. Dieselbe Färbung nehmen die Zellsäcke auch in kaustischem, nicht in kohlensaurem Kali oder Natron an, während Ammoniak sie selbst bei 100° nicht verändert. Starke Kalilauge bewirkt das Hervorquellen eines Stromes blauer Tröpfchen aus dem Sacke, dessen Haut selbst sich nicht vergrössert, sondern eher etwas eingeschrumpft zurückbleibt und dann die erwähnten Reaktionen nicht mehr zeigt. Die violettblaue Färbung, welche Kali selbst auf dem kleinsten Stücke des Fruchtfleisches hervorruft, ist von ausser- ordentlicher Intensität, geht aber nach einiger Zeit an der Luft, oder rascher durch Zusatz von Säure oder auch nur von viel Wasser in schmutziges braunroth über. Weder Aether noch Weingeist vermögen der alkalischen Flüssigkeit den prächtig blauen Stoff zu entziehen. !) Wittsteiu's Vierteljahrsschrift XII. 385. 586 Früchte. Diese Zellsäcke erinnern durch Struktur und chemisches Verhalten an die von Wiesner1) beschriebenen hohlen Harzkörner aus dem Holze einer australischen Protea und mancher inländischer Laubbäume. Solche Bildun gen scheinen als Zwischenstufen der Umwandlung von Stärke erst in Gerb- stoff, dann in Harz aufgefasst werden zu müssen und allgemeiner verbreitet zu sein, als bisher geahnt wurde. Sie kommen z. B. auch im Frucht- fleische der Kreuzbeeren (vergl. bei Fructus Rhamni catharticae) und der blauen Trauben vor. Hier jedoch sehen sie den Zellsäcken der Siliqua dulcis nicht ähnlich und sind schon von Morren2) mit dem Namen Corese be- legt worden. Die sehr zähe lederige Samenschale des Samens besteht aus einer sehr dichten äusseren Schicht bis über 150 Mikromill. langer radial gestellter Zellen und einer inneren, halb so breiten Schicht tangential gedehnter, aber sehr zusammengefallener Zellen mit braunen Gerbstoffkörnern. Die äussere Schicht ist von einer starren glasartigen Epidermis bedeckt. Die Samen- haut trennt sich nur nach dem Aufweichen von der Schale und enthält unter einer dünnen braunen Membran eine Reihe kugeliger oder fast kubi- scher, nach aussen knorpelig verdickter kleiner Zellen. Das Eiweiss gibt an "Wasser sehr viel Schleim ab und schliesst ferner in seinen sehr dickwandigen gestreckten Zellen körnige Klumpen, vermuth- lich von Protei'nstoffen , ein. Eben solche gelbliche Massen, aber keine Stärkekörner, sind in dem zartwandigen Gewebe der Kotyledonen abgelagert. Yor der Reife schmeckt die Frucht sehr herbe, reif aber ist sie so reich an Zucker (bis über 50 pC. Völker), dass sie aus Cypern z. B. sehr viel nach Triest ausgeführt wird, um auf Weingeist verarbeitet zu werden. Der Geschmack des Fruchtfleisches ist nicht unangenehm schleimig-süss. Der Zucker krystallisirt bisweilen in den Samenfä ehern aus; er ist nach Ber- thelot Rohrzucker. Auf feinen Schnitten, welche mit alkalischem Kupfer- tartrat befeuchtet werden, reduciren nur die Zellsäcke allmälig das Kupfer- oxyd. Auch Stamm und Aeste des Baumes sollen bisweilen Zucker aus- schwitzen. Der wenig angenehme Geruch des Johannisbrotes rührt von freier Butter- säure her, welche sich schon in der schwach sauren Reaktion des Frucht- fleisches verräth . Redten b acher, welcher 1846 die Natur der Säure erkannte , gewann durch Destillation der Frucht mit verdünnter Schwefel- säure 0,G pC. Buttersäure, so dass sich dieselbe in dieser Weise nicht un- vorteilhaft gewinnen lässt. Vermuthlich entsteht sie hier in Folge einer Gährung des Zuckers durch den Einfluss von Protein Stoffen, vielleicht erst beim Trocknen der Frucht. Doch soll dieselbe schon am Baume sehr un- angenehm riechen. — Bei der Gährung des Johannisbrotes hat schon Beissenhirtz (1818) Bernsteinsäure bemerkt. J) Sitzungsberichte der Wiener Akademie Bd. LH. Heft 1. pag. 119 (18G5). 2) vergl. Journ. de Pharm, et de Chim. 1866. III. 337. Fructus Cocculi. 587 Den Alten war das Johannisbrot unter dem Namen Keration1) oder Siliqua graeca bekannt. Prosper Alpinus scheint zu Ende des XVI. Jahr- hunderts zuerst die Bezeichnung Siliqua dulcis gebraucht zu haben. In wie geringer Achtung die Hülsen als Nahrungsmittel standen , deutet die Bibel an, indem Lucas2) sie als Schweinefutter bezeichnet. Ebenso führt H o r a z als Zeichen der Armuth an: Siliquis vivit. Auch heutzutage dient die Hülse in Süditalien hauptsächlich als Pferde- futter. Die Samen, welche durchschnittlich 0,18 Gramm wiegen, wurden unter dem von der Frucht abgeleiteten Namen Karat als Gewicht für Gold und Edelsteine gebraucht. 2. bittere Früchte. Fructus Cocculi. Cocculi indici s. levantici s. piscatorii. Kokkelskörner. Fischkörner. Coque du Levant. Cockles. Anamirta Cocculus Wight et Arnott. — Menispermeae. Syn.: Menispermum Cocculus L. Cocculus suberosus De Caud. Die dunkel purpurnen Früchte dieses starken, an felsigen Meeresküsten Ostindiens einheimischen und an den höchsten Bäumen aufklimmenden Schlingstrauches stehen zu mehr als fusslangen, 200- bis 300 früchtigen Trauben vereinigt. Die Malabarküste und die östlichen Inseln des Archipels liefern haupt- sächlich diese Frucht. Sie ist kugelig, von ungefähr 0,010ra Durchmesser, matt bräunlichgrau, fein runzelig-höckerig, selten noch mit dem Fruchtstiele versehen. Derselbe ist nicht radial gegen den Mittelpunkt der Frucht gerichtet, sondern mehr tangential. Ueber der Eintrittsstelle des Stieles ist das Fruchtgehäuse durch eine seichte Einsattelung ein wenig vertieft und erhebt sich jenseits der- selben zu einer kleinen scharfen Spitze. Der Fruchtstiel hinterlässt, wenn er abfällt, eine runde, wenig ausgezeichnete Narbe von 0,003m Durchmesser, von deren Centrum die Spitze der Frucht nur etwa 0,004m absteht. Beide Punkte sind durch ein horizontales Leistchen verbunden, so dass der Um- riss der Frucht von diesem Leistchen aus eine nierenförmige Gestalt zeigt. Auch auf der entgegengesetzten Seite durchzieht eine feine, oft kaum be- merkliche Naht die ganze Kugeloberfläche vom Fruchtstiele an bis zur Fruchtspitze. Das Fruchtgehäuse springt nicht auf und schliesst nur einen Samen ein; *) Reras das Hörn. 2) XV. 16. Luther hat den auch hier gebrauchten Ausdruck Keratia ungenau mit Traber übersetzt. 588 Früchte. es besteht aus einer äusseren faserigen braungrauen Schicht und einer inneren hellgrauen Steinschale, welche zusammen nicht ganz 0,00 lm dick sind. In der unmittelbar oberhalb des Fruchtstieles gelegenen Einsattelung stülpen sich zwei Stellen der Steinschale ein und ragen als flach keulen- förmige Einsackungen bis in die Mitte des Fruchtgehäuses hinein. Parallel mit der Fruchtnaht sind diese Einstülpungen etwas abgeflacht. Durch- schneidet man die Frucht in der Naht, so zeigt sich daher nur die eine Platte dieses doppelt eingestülpten Samenträgers; ein senkrecht auf die Naht durch die Mitte der Frucht geführter Schnitt dagegen gibt den Quer- schnitt beider Platten des Samenträgers. Im ersteren Falle also stellt der- selbe eine dicke, am Rande und in der Mitte etwas erhöhte keulenförmige Scheibe dar, welche sich im Innern des Fruchtgehäuses verbreitert, im zweiten Falle erblickt man dagegen die beiden Schenkel des Samenträgers säulen artig in das Fruchtgehäuse hineinragend. Sie sind nur in ihrer unteren Hälfte verwachsen und diese gemeinschaftliche Basis bildet die zwischen der Spitze und dem Fruchtstiele gelegene schmale Einsattelung an der Oberfläche des Fruchtgehäuses. Der Same umschliesst helmartig den ganzen Samenträger, seine Ränder sind so vollständig zwischen die beiden Schenkel des letzteren und bis zu ihrer Basis übergreifend, dass der Same nicht abgelöst werden kann. Er berührt nur rings um die Basis des Samenträgers die innere Fruchtwand und ist von ihr in allen übrigen Regionen , wenigstens in der trockenen Frucht, durch eine breite Kluft getrennt. Eine besondere Samenhaut fehlt; der Same ist durch eine häutige Leiste mit dem Träger fest verbunden und besteht grösstentheils aus dem Eiweisse, welches einen zarten Embryo einschliesst. Derselbe liegt parallel mit der an der Oberfläche der Frucht sichtbaren Naht, das kleine Würzelchen dicht unter der Fruchtspitze, die dünnen Keimblätter mitten im Eiweisse aus- gebreitet, wo es sich über den Samenträger wölbt. Das Fruchtgehäuse ist von einer Reihe kubischer Zellen bedeckt, auf welche eine breite Schicht etwas tangential gedehnter schlaffer bräunlicher, mit körnigem Inhalte erfüllter Zellen folgt, welche allmälig in rothbraunes Prosenchym übergehen, worin ansehnliche Spiralgefässe eingebettet sind. Wenige Reihen dünnwandiger poröser, schwach gelblicher Steinzellen trennen dieselben von der eigentlichen Steinschale, welche aus langen verzweigten bastartigeu Steinzellen gebildet ist. Dieselben sind sehr dicht in verschie- denen Richtungen in einander verfilzt, so dass sie durch jeden Schnitt so- wohl der Länge nach als auch quer oder schief getroffen zur Anschauung gelangen. Ihre fast ganz verholzten Wrandungen sind nur von wenig zahl- reichen Poren durchbrochen. Das Sameneiweiss besteht aus kubischen oder vieleckigen grossen dünn- wandigen Zellen, welche mit krystallisirtem Fette (und Pikrotoxin?) gefüllt sind. Die äusserste, radial geordnete Reihe derselben ist von einem dünnen Fructus Papaveris. 589 gelben Häutchen bedeckt. Sehr häufig findet sich in der käuflichen Frucht der Same verkümmert oder schimmelig. Das Fruchtgehäuse besitzt keinen, der Same aber einen sehr stark und anhaltend bitteren Geschmack, welcher vom Pikrotoxin (Cocculin) 012H14Q5, einem krystallisirbaren stickstofffreien, im Samen allein, zu etwa % — 1 pC. vorkommenden Körper herrührt. Dasselbe wurde schon 1812 von Boullay bemerkt. Es ist der Träger der giftigen Eigenschaften der Samen , welche bekanntlich betäubend auf die Fische1) wirken und ihrer Bitterkeit wegen auch wohl schon in unver- antwortlicher Weise dem Biere zugesetzt wurden. — Das Pikrotoxin redu- cirt in alkalischer Lösung das Kupferoxyd wie die Zuckerarten , aber fünf- mal weniger als Traubenzucker. Pelletier u. Couerbe erhielten aus dem Fruchtgehäuse das Meni- spermin und das Paramenispermin (etwa 2 pC), zwei krystallisirbare geschmacklose, nicht giftige Substanzen von gleicher Zusammensetzung, wovon die erstere ein Alkaloid zu sein scheint. Beide sind näherer Unter- suchung bedürftig. Das Fett des Sameneiweisses, früher für eigenthümlich gehalten und als Stearophansäure oder Anamirtsäure bezeichnet, fand Heintz iden- tisch mit Stearinsäure. Das Fett beträgt etwa die Hälfte des Gewichtes der Samen und wird in Indien technisch verwendet. Die betäubende Wirkung der Kokkelsfrüchte auf die Fische war schon den alten arabischen Aerzten bekannt. Im XVI ten Jahrhundert gelangten die Früchte unter dem Namen Gallae orientales oderBaccae cotulae elephan- tinae nach Deutschland. In Indien dient auch die Wurzel des Strauches als Heilmittel. Fructus Papaveris. Capita seu Capsulae Papaveris. Mohnkapseln. Mohnköpfe. Mohnkolben. Capsules ou tetes de pavots. Poppy capsules. Papäver somniferum L. — Papaveraceae. Der Mohn scheint ursprünglich im Ostgebiete des Mittelmeeres durch Kleinasien und Mittelasien verbreitet gewesen zu sein. Seine Kultur ist sehr alt und wird jetzt häufig in sehr grossem Masstabe in den meisten gemäs- sigten und wärmeren Ländern der alten Welt betrieben , so vorzüglich in Kleinasien (vgl. bei Opium), Persien, Vorderindien, Aegypten, Algerien, in Europa mehr in den mittleren Strichen als im Norden und Süden. In Griechen- land z. B. fehlt die Mohukultur fast ganz; in Nordamerika wird sie erst be- gonnen. Von den Gartenformen abgesehen, lassen sich zwei ziemlich beständige Varietäten dieser einjährigen Pflanze unterscheiden, nämlich l) wie merkwürdiger Weise auch das Cyclatniu. 590 Früchte. a) Papaver nigrum DeC. (Syn.: P. somniferum Gmelin, Pavot a oeillette der Franzosen), ausgezeichnet durch blass röthliche oder lilafarbige, am Grunde mit einem dunkelvioletten Flecken bezeichnete Blumenblätter und durch schwärzliche oder grau violette Samen, welche in einer gewöhn- lich mehr kugeligen Frucht enthalten sind. ß) Papaver album DeC. (P. officinale Gmelin, Pavot blanc der Fran- zosen) mit weissen, höchstens am Grunde lila gefleckten Blumenblättern, meistens weissen Samen und vorherrschend eiförmiger Frucht. Die Kapselfrucht des bei uns kultivirten Mohns erreicht häufig etwa 0,0 6 0m Durchmesser, sie wird aber oft zum Arzneigebrauche in halbreifem Zustande gesammelt, wo ihr Durchmesser nur erst etwa die Hälfte beträgt. Die Frucht ist durch 8 — 20 verwachsene Karpelle gebildet, deren Rän- der gleichsam eingeschlagen sind und scheidewandartig ins Innere gegen die Mitte der Frucht vorspringen , wodurch dieselbe in zahlreiche unächte Fächer abgetheilt erscheint, obwohl sie einfächerig ist. An der unreifen Frucht sind die Nähte der Karpelle aussen als seichte, gewöhnlich etwas hellere Längsstreifen deutlich sichtbar, im Fruchtstiel und dicht unter der Narbe erheben sie sich , hier zu scharf gekielten , dort zu abgerundeten Kanten. Als bestimmt ausgeprägte, dunkel sammthaarige Leisten (papillöse Narbenstreifen) von gleicher Zahl durchziehen jene Kanten auch die grosse flache Narbenscheibe, welche vor der Reife etwa 0,020m Durchmesser zeigt und die Frucht krönt. Zwischen diesen erhabenen Leisten ist die Narben Scheibe in tiefe Buchten ausgeschnitten, welche die bedeutend verschmälerte abgestumpfte oder gerundete Spitze je eines Fruchtblattes aufnehmen. Hierdurch bildet sich ein kurzer dicker cannellirter Säulen- fuss, welcher die Narbe trägt. Unter demselben erweitert sich die Frucht- kapsel rasch zur Kugelform oder Eiform, deren grösste Anschwellung in ihrer unteren Hälfte liegt, und zieht sich endlich plötzlich stielartig bis auf 0,005m Durchmesser (Fruchtknoten stiel) zusammen, um sich nur noch über der Gliederung, womit sie dem Fruchtstiele aufsitzt, wulstartig zu erweitern. Jene in den Ausschnitten der Narbenscheibe liegenden , rundlich drei- eckigen Zipfel der Fruchtblätter lösen sich in einigen Spielarten regelmässig von den Kanten (Samenträgern) ab und schlagen sich nach aussen zurück, so dass im Säulenfusse , dicht unter der Narbe , eben so viele Löcher als Narbenbuchten entstehen, durch welche die reifen Samen austreten können. Die Franzosen unterscheiden demnach Pavot ä yeux ouverts und Pavot aveugle. Vor der Reife ist die Frucht meergrün, kahl, aber fein bereift und nach dem Trocknen körnig höckerig. Später nimmt sie eine leichte, bräunlich gelbe Farbe, oft mit vielen schwärzlichen Flecken an, wird glatt und glän- zend. Nur die äusserste Schicht des bei uns höchstens 0,00 lm dicken Fruchtgehäuses ist spröde, das übrige Gewebe sehr locker und mürbe, bei Fructus Papaveris. 591 der geringsten Verletzung im frischen Zustande vor der Reife reichlich weissen bitteren Milchsaft ergiessend. Die innere , anfangs grünlich gelbe glänzende Wand der Frucht ist fein höckerig, sehr zierlich quer gestrichelt und etwas längsfurchig. Von ihren Nähten gehen in gerader Linie auf das Centrum gerichtet, die gelblichen papierartigen , aber mürben oder fast spröden Samenträger ab , welche auf ihren beiden senkrechten Flächen und auf der Kante äusserst zahlreiche Samen (vgl. Semen Papaveris) tragen. Durchschneidet man die halbreife Frucht, so nimmt man deutlich eine sehr dünne spröde durchscheinende farblose Oberhaut wahr, welche die lockere, etwas breitere grüne Mittelschicht bedeckt. Die blass gelblich grüne, ein wenig derbere Innenschicht lässt sich von derselben zum Theil ablösen. Die Oberfläche ist aus einer dünnen, reichlich mit Spaltöffnungen besetzten Cuticula gebildet, auf welche eine dicht gedrängte Reihe klei- ner, im Querschnitte rundlich -quadratischer oder etwas tangential ge- dehnter Zellen folgt, deren farblose, nur mit wenigen Poren versehene Wände besonders nach aussen sehr dick sind. Diese Zellen schliessen äusserst zahlreiche bräunliche Körnchen ein. Die folgende, sehr ähnliche Schicht enthält etwas grössere, mehr tan- gential gedehnte Zellen, welche allmälig in ein schlaffes grosszelliges, mehr und mehr dünnwandiges Parenchym übergehen, das von ansehnlichen Intercellularräumen durchzogen ist, aus denen man nur mit Mühe die Luft vollständig austreiben kann. An der Grenze der starren Epidermalzellen und jenes lockeren Paren- chyms enthält letzteres einen Kreis sehr zerstreuter Bündel kleiner Netz- gefässe und etwas tiefer, ungefähr in der Mitte des Querschnittes, einen ähnlichen, sehr weitläufigen Kreis grösserer Gefässbündel. Jedes derselben ist gebildet aus einem starken Strange kurzer weiter siebwandiger Bast- röhren, welcher durch zartes Cambialgewebe von einem stets viel kleineren Bündel ächter Spiralgefässe getrennt ist. Immer stehen die letzteren auf derjenigen Seite des Gefässbündels, welche der Innenfläche der Fruchtwand zugekehrt ist. Beide Kreise von Gefässbündeln sind durch quer abzweigende, bogen- förmig aufsteigende oder oft fast horizontale Stränge von Netzgefässen verbunden. Das Cambialgewebe der inneren Gefässbündel enthält die Milchsaft- schläuche, welche den entsprechenden Organen z. B. der Radix Taraxaci nach Form und Inhalt ähnlich, doch einfacher sind. Bei dem Mohn unserer Gegenden wenigstens ist die geringe Zahl und Grösse dieser Milchsaft- gefässe auffallend. Schwerlich aber wird sie geringer sein als bei anderswo gebautem Mohn, da die Erfahrung gelehrt hat, dass auch bei uns eine grosse Ausbeute an Milchsaft (vgl. Opium) erzielt werden kann. Die Innenwand der Frucht ist aus einer einzigen Schicht grosser inhalts- 592 Früchte. loser horizontaler Zellen von eigenthümlichem Bau gebildet. Quer durch- schnitten, also im radialen Längsschnitte der Frucht, erscheinen sie qua- dratisch, ungefähr 35 Mikromill. weit. Ihre Länge beträgt durchschnittlich 250Mikromill., die Enden sind gerade abgeschnitten, die höchstens öMikro- millimeter dicken Wände von zahlreichen kleinen, spiralig geordneten Poren durchbrochen, welche oft halbmondförmige oder zweischenkelige Gestalt zeigen. Die Querwände sind meist senkrecht und von gleichen Poren durchbrochen. Demselben Typus gehören auch jene Bastzellen der Gefässbündel an, nur dass sie weit mannigfaltigere Formen entwickeln. Bald sind sie an ihren Enden aufgetrieben und quer abgestutzt, bald aber keilförmig zuge- spitzt, bald bei sehr bedeutender Länge und oft über 45 Mikromill. Dicke ziemlich gerade verlaufend, bald hin- und hergebogen, sogar stellenweise einseitig eingebuchtet. Immer sind auch ihre Querwände durchlöchert. Ein weit stärkeres Gefässbündel liegt an jeder Stelle des Fruchtgehäuses, von wo ein Samenträger nach der Höhlung der Frucht abgeht. Hier erreichen jene ausgezeichneten Siebröhren des Bastes ihre grösste Entwicklung. Das schmale Cambialgewebe und die gewaltigen Spiralgefässe nehmen zusammen kaum die Hälfte oder ein Drittel dieser Gefässbündel ein. In der reifen Frucht erscheinen die Milch saftschläuche dieser Gefässbündel als dickere, ziemlich gerade, stellenweise bauchig aufgetriebene Röhren, welche bis gegen 20 Mikromill. Durchmesser erreichen. Einige dringen auch zwischen die Gefässe ein, die meisten stecken aber im Cambium. Das übrige Gewebe der Samenträger besteht aus denselben schlaffen, sehr weiten verzweigten und dünnwandigen, etwas porösen Zellen, deren sehr ansehnliche Zwischenräume, wie übrigens auch die Gefässe und Sieb- röhren, von Luft erfüllt sind. Die äusserste Zellschicht der Samenträger ist aus ähnlichen, doch hier nicht horizontal gelagerten und weniger regel- mässigen Zellen gebaut, wie die ganze Innenfläche der Frucht. Als Inhalt des Zellgewebes zeigt sich, nach Berg, im Parenchym des Fruchtgehäuses und der Samenträger vor der Reife Amylum. Aber schon in der halbreifen Frucht ist dasselbe von Chlorophyllkörnern verdrängt. Da und dort stösst man auch in den Siebröhren , in den Spiralgefässen und ihrer Umgebung, auch wohl hier und da in den grossen Zellen der inneren Fruchthaut auf vereinzelte ansehnliche kuboi'dische oder vielleicht oktaüdrische Krystalle. Der narkotische Geruch verliert sich beim Trocknen der unreifen Früchte ganz. Auch der äusserst widrig bittere Geschmack bleibt nur zum Theil erhalten. Ausgereifte Früchte, welche durch Anschneiden keinen Milchsaft mehr austliessen lassen, schmecken immer noch bitter, und man findet auch im Cambium der Gefässbündel am Ursprange der Samenträger immer noch sehr ansehnliche Milchsaftgefässe mit demselben Inhalte wie in jün- gerem Gewebe. Hiermit stimmen Untersuchungen z. B. von Merck und von Win ekler Fructus Colocynthidis. 593 überein , welche in reifen trockenen Früchten noch 1 — 2 pC. Morphin, neben andern Opiumbestandtheilen fanden. Während früher die reifen und dann gewöhnlich von den Samen be- freiten Früchte gebraucht worden waren, schreiben neuere Pharmacopöen die unreifen vor. Nach Meurein und nach Aubergier ist allerdings der Morphingehalt am grössten kurz vor der Reife. Allein die beruhigende Wirkung der Mohnkapseln scheint keineswegs allein vom Morphin abzu- hängen. Buchner fand reife Früchte weit wirksamer als unreife, ohne jedoch in ersteren Morphin nachweisen zu können, während unreife von derselben Ernte meconsaures Morphin enthielten. Auch Grandval traf kein Morphin in sehr wirksamen Früchten, wohl aber Des champs d'Aval- lon (1864). Nach dem letzteren kömmt auch bisweilen Narcotin in ge- trockneten Kapseln vor; erwies darin ferner nach: Ammoniaksalze, Mecon- säure, Weinsäure, Citronsäure, die gewöhnlichen Mineralsäuren, Wachs und endlich zwei neue krystallisirte Körper, Papaverin undPapave- rosin. Das erstere ist nicht identisch mit Merck's gleichnamigem Alka- loid (siehe bei Opium), sondern, obwohl stickstoffhaltig, von saurer Reak- tion (?) , das Papaverosin hingegen eine unzweifelhafte Base. Concentrirte Schwefelsäure ertheilt ihr eine violette, auf Zusatz von Salpetersäure dunkel gelbrothe Farbe. — In den reifen Mohnkapseln wies Hesse (1866) auch Rhoeadin (vgl. Flor. Rhoeados) nach, Win ekler Narcei'n. Reife, von den Samen befreite, sonst aber unversehrte inländische Mohnfrüchte, bei 100° -C. getrocknet, gaben mir 14,28 pC. Asche, zur grösseren Hälfte aus alkalischen Chlorüren und Sulfaten bestehend und nur wenig Phosphat enthaltend. Fructus Colocynthidis. Colocynthis. Fructus seu poma Colocynthidum. Colocyntha. Koloquinthe. Koloquinte.1) Coloquinte. Colocynth. Citrüllus Colocynthis Arnott. — Cucurbitaceae. Syn. : Cucumis Colocynthis L. Colocynthis officinalis Schrader. Die Koloquinthengurke bewohnt das ausgedehnte Areal von der kaspi- schen Südküste durch ganz Persien bis zum Golf, durch Mesopotamien, das Gebiet des Rothen Meeres und des Nils, durch die Sahara bis Marocco und tief nach dem Sudan, und tritt stellenweise, z. B. in der Bahiuda- (Bejudah-) Steppe in Nubien , auch am Rothen Meer bei Kosseir, in unge- heurer Menge auf. Sie findet sich ferner auch, wie es scheint, in Ostindien, Japan und am Cap2) und wächst auch in Menge wild auf Melos (Milos), *) attisch zoXo/üvrr], sonst ■/.oXoxüvicKs oder xoXoxiJVthr]. 2) Hier wohl eher Citrüllus amarus Schrader , eine nahe verwandte Art mit grösseren Früchten? Flückiger, Pharmakognosie 38 594 Früchte. nicht aber auf dem griechischen Festlande. Zum Arzneigebrauche wird sie da und dort angebaut, wie in Jeri bei Nicosia auf Cypern und in Spanien. Die kugelige oder etwas abgeplattete Beerenfrucht erreicht bis 0, 1 0m Durchmesser, kömmt aber im Handel meist bedeutend kleiner, etwa 0,060m bis 0,080™ gross vor und zwar befreit1) von der glatten, sehr feinkörnigen gelbbräunlichen spröden, kaum !/a bis 1 Millimeter dicken Schale. Dieselbe haftet fest am weissen trockenen und schwammigen oder fast blätterigen Fruchtfleische und wird davon durch das Messer sehr leicht uud sauber ab- geschält, dessen Schnitte stellenweise so tief gehen, dass die zahlreichen weissen oder braunen Samen sichtbar werden. Letztere sitzen in mehreren Vertikalreihen an 6 zum Rande vordrin- genden, dort aber wieder nach innen zurückgebogenen Samenträgern. Je zwei derselben wenden einander ihre Spitzen zu und sind getrennt durch das breite Gewebe einer wandständigen Scheidewand. Es sind demnach drei dieser mit der Fruchtschale verwachsenen Scheidewände vorhanden, welche als breite scharfkantige, aber sehr stumpfwinkelige Keile in die Mitte der Frucht hineinragen. Die erwähnten Samenträger bilden die ge- näherten oder etwas klaffenden Seiten oder Schenkel dieser Keile. Im Cen- trum der Frucht treffen dieselben fast zusammen, sind aber nicht verwachsen, sondern im Gegentheil oft ziemlich von einander entfernt. Die geschälte Frucht lässt sich leicht in diese 3 Vertikal-Theile zerbrechen; da jedes der 6 Fächer bogenförmig vorn Samenträger umschlossen wird, so kommen bei einer solchen Zertheilung der Frucht zunächst nur wenige Samen zum Vorschein. Der ganze Inhalt der Fruchtschale (mit Ausnahme der Samen) besteht aus einem weissen, von vereinzelten, in den Sameuträgern etwas zahlreiche- ren feinen gelblichen Gefässbündelchen durchzogenen Parenchym, das nur auf den 6 strahlenförmigen Flächen der Samenträger, den Seitenflächen der 3 Keile, ein wenig dichter und glänzend ist. In dieses lockere, elastische, aber doch mürbe Gewebe sind auch die einzelnen Samen lose eingebettet. Im Gegensatze zu den meisten übrigen Cucurbitaceen ist das Fruchtmark der Koloquinthe auch im frischen Zustande trocken, nicht fleischig und saftig. Die Samen sind flach eiförmig, 0,007™ lang und 0,002,n dick, am ab- gerundet spitzen Eude, indessen nicht genau im Scheitel, durch den weissen, bis 0,002m langen Nabelstrang mit dem Sameuträger verbunden. Auf jeder Fläche ist die Samenschale in zwei kurzen, ziemlich tief eingestochenen Narben aufgerissen, welche gegen die Spitze zusammenlaufen. Die ziemlich spröde Samenschale schliesst einen geraden, mit dem kurzen Würzelchen l) Die kleinen, noch mit der Fruchtschale versehenen Syrischen Koloquinthen kommen wie es scheint nicht eigentlich in den Grosshandel. Sie erreichen nur etwa 0,040,n Durch- messer und pflegen wenig Mark, aber desto mehr Samen zu enthalten. Fructus Colocynthidis. 595 dem Nabel zugewendeten Keim ein, dessen blattartige, etwas dickliche Ko- tyledonen die Höhlung ganz ausfüllen. Die Samen betragen gegen % vom Gewichte der geschälten Frucht. Die Fruchtschale besteht in ihrer äussersten Schicht aus einer 40 Mikro- mill. breiten Reihe radial gestellter Zellen, deren vorzüglich nach aussen verdickte unebene Wandungen noch von einem festen glasartigen, in Wasser nicht aufquellenden Oberhäutchen bedeckt sind, worin der tangentiale Schnitt da und dort eine Spaltöffnung zeigt. Die folgende, 140 Mikromill. breite Mittelschicht enthält nur dünnwandiges tangential gedehntes klein- zelliges Gewebe, die Innenschicht, von ungefähr gleicher Breite, dagegen sehr dicht gedrängte kugelig- eckige derbwandige poröse Zellen. In der äussersten Reihe messen dieselben nur etwa 30 Mikromill. , nehmen aber nach innen allin älig sehr an Grösse zu und gehen in das sehr grosszellige lockere Gewebe des Fruchtmarkes (Pulpa) über. An der Grenze der inneren Schicht des Fruchtgehäuses finden sich in weiten, ziemlich regelmässigen Abständen zu einem sehr unterbrochenen Kreise geordnet einzelne schwache Gefässbündelchen. Noch weiter nach innen, ganz innerhalb des Frucht- markes, treten etwas stärkere Gefässbündel auf, welche einige bräunliche Spiralgefasse und nur sehr schwache Prosenchymstränge enthalten. Die sehr grossen , schon für das unbewaffnete Auge wahrnehmbaren Zellen des Fruchtmarkes besitzen, ungeachtet ihrer dünnen, da und dort mit grossen Poren versehenen Wände, doch eine gewisse Festigkeit und sind daher an der trockenen Frucht keineswegs sehr zusammengefallen, sondern viel- mehr nur fein gefältelt. Das Wasser verdrängt die Luft aus diesem lockeren Gewebe, aber ohne sehr erhebliche Streckung der Zellwände oder bedeu- tende Yolumvergrösserung zu veranlassen, da es nicht vorzugsweise die Zellwände sind, welche Wasser aufnehmen und aufquellen. Sie erscheinen daher auch unter Terpenthinöl betrachtet fast gleich, wie nach dem Auf- weichen in Wasser. Durchfeuchtet man von Samen sorgfältig befreites Fruchtmark und lässt es abtropfen, so hält es das 12fache Gewicht Wasser zurück. Die Samenschale ist von einer glasartigen, nur wenig über 10 Mikromill. dicken Oberhaut bedeckt, unter welcher eine bis 40 Mikrom. breite Reihe dicht gedrängter radial gestellter Zellen mit besonders nach aussen stark verdickten farblosen Wänden folgt. Sie enthalten braungelbe Klümpchen. Die ganze, 400 Mikrom. breite Mittelschicht ist aus stark verdickten, zier- lich geschichteten Steinzellen gebaut, deren innerste Reihe sich durch mehr regelmässig kubische Form als innere Schicht unterscheiden lässt. Gegen die Spitze hin ist das Steinzellengewebe etwas lockerer. Die 4 hier in das- selbe narbenförmig eindringenden Lücken der Oberfläche sind mit grossen dünnwandigen Zellen ausgekleidet. Der Embryo ist aus sehr regelmässigem dünnwandigem, stark gestreck- tem Gewebe gebaut, welches neben grossen Oeltropfen den gewöhnlichen granulösen Inhalt (Protein stoffe) zeigt. 38* 596 Früchte. Die Zellen des Fruchtmarkes sind ohne festen Inhalt, schmecken aber äusserst bitter. Jodwasser ist selbst bei tagelanger Durchtränkung ohne Einwirkung auf das Gewebe und färbt nur die Gefässbündel gelblich. Eisen- salze zeigen die gänzliche Abwesenheit von Gerbstoff an; höchstens die Fruchtschale und Samenschale nehmen damit eine Spur von Färbung an. Der bittere, sehr schwach sauer reagirende wässerige Auszug der Kolo- quinthen ist nicht gallertartig, scheidet erst beim Eindampfen Pektin und viel rothbraunes Harz aus und enthält ausserdem hauptsächlich Gummi und Zucker. Den gefährlich drastisch wirkenden Bitterstoff, das Colocynthin, wollte Lebourdais krystallisirt erhalten haben. Walz beschrieb ihn als gelbes amorphes Pulver oder weissgelbe krystallinische Büschel, in 6 bis 8 Theilen Wasser löslich. Yerdünnte Säuren spalten das Colocynthin nach Walz in Zucker und harzartiges Colocynthein. Einen farblosen krystal- lisirten, in Wasser und kaltem Alkohol unlöslichen Körper, Colocynthi- tin, hat Walz nicht näher untersucht. Er fand ferner im Fruchtmarke auch etwas Fett. Dasselbe vollkommen vom Samen befreite und bei 100° getrocknete Gewebe gab mir 1 1 pC. Asche, vorwiegend aus Chlorüren, Carbonaten und Phosphaten bestehend, die Samen allein nur 2,7 pC. Asche. Die vom anhängenden Fruchtmarke ganz befreiten Samen schmecken nur höchst schwach bitter. Sie sind bei der Verarbeitung der Koloquinthen zu entfernen. Die Koloquinthe war schon den Alten bekannt, bei den Arabern unter dem Namen Hau dal, welcher sich für das Pulver erhalten hat, das man mit Hülfe von Gummi aus dem für sich allein seiner Elasticität wegen schwierig pulverisirbaren Fruchtmarke darstellt. — Schon Karl der Grosse scheint in Deutschland den Anbau einer Koloquinthe angeordnet zu haben, welche indessen nach Dierbach eine andere Art, vermuthlich die in Süd- russland einheimische Cucurbita ovifera L. war. a) Citrullus Colocynthis ge- deiht in Deutschland nicht. Es gibt überhaupt noch mehrere Cucurbitaceen mit bitteren Früchten, welche die Koloquinthe ersetzen können. So sind schon aus Brasilien die Früchte von Luffa purgans und Luffa drastica Mar- tins nach England gekommen, und in Südeuropa wird bisweilen Cucurbita aurantiaca Willdenow (C. Colocyntha Risso) gebaut. !) nach Meyer (Gesch. d. Botanik) vielleicht eher Ecbalium (Momordica) Elate- r ium Rieh. Aurantia immatura. 597 Aurantia immatura. Fructus Aurantii immaturus. Baccae s. poma Aurantiorum immatura. Unreife Pomeranzen. Orangettes. Petits grains. Orange peas. Citrus vulgaris Risso. — Aurantiaceae. Syn.: Citrus Aurantium a) amara L. Citrus Bigaradia Duhamel. Die Urheimat des bitterfrüchtigen Pomeranzenbaumes, Bigaradier der Franzosen, scheint der Nordosten Indiens (vielleicht Silhet) und Cochin- china oder selbst die südlichen Provinzen Chinas am Kiang-Strome gewesen zu sein. Schon sehr frühe wurde derselbe theils zu Wasser unmittelbar nach den Ländern des persischen Golfs, theils allmälig zu Lande durch Kabul und Persien nach Vorderasien, selbst in die Oasen der Gobi-Wüste verbreitet; etwas später erst über das ganze Gebiet des Mittelmeeres. Jetzt ist der Baum oder Strauch in vielen Varietäten in allen wärmeren Ländern angesiedelt. Dieselbe Herkunft ist auch für die meisten übrigen Citrus- Arten anzunehmen, namentlich für C. Aurmitium Risso (C. Aurantium 3) dulcis L.), die süsse Orange oder Apfelsine, welche möglicherweise, Linne's AufPassung entsprechend, nur eine sehr beständig gewordene Culturform der bitterfrüchtigen ist, obwohl beide Arten sich durch Samen fortpflanzen. Citrus vulgaris ist eine der härtesten Species und dient daher vielfach zum Veredeln. In Südfrankreich , woher wir vorzüglich die unreifen Pomeranzen er- halten, werden die von selbst abgefallenen Früchtchen gesammelt. Sie sind kugelig oder etwas länglich, 0,005m bis 0,0 15m messend, am Grunde mit einem ansehnlichen hellgelblichen, wenig vertieften rauhen Nabel versehen und an der Spitze zur kleineren hellgelben Stempelnarbe ausgezogen. Die im übrigen gleichmässig graugrünliche oder fast bräunliche matte Ober- fläche ist durch zahlreiche vertiefte Punkte sehr uneben. Ein durch die Mitte der harten spröden Frucht geführter Horizontalschnitt zeigt in ihrer Axe eine starke Mittelsäule, an welcher 10 oder 8, seltener 12 Fächer zu- sammentreffen, die von einem gelblichen lederigen, 2 bis 4 Millim. breiten Fruchtfleische eingeschlossen werden. Die äussere dunkle Fruchthaut ist nur sehr dünn. Der Vertikalschnitt durch die Mitte der aufrechten Frucht trifft gewöhnlich 2 der Fächer, deren äussere Wände, mit dem Umrisse der Frucht ungefähr parallel laufend, eine Ellipse beschreiben, während die in- neren senkrechten Wände mit der Mittelsäule zusammenfallen. Von dieser hängen die zahlreichen, noch ganz unausgebildeten kleinen Eichen in jedem Fache zu 2 Reihen geordnet herab , während von der concaven äusseren Wand jedes Faches weit zahlreichere keulenförmige Papillen tief in das Fach hereinragen. In der Mittelsäule bemerkt man einen Kreis von kleinen braunen Gefäss- bündeln, welche in Zahl und Stellung den Fächern entsprechen; auch im Fruchtfleische steht gewöhnlich vor jedem Fache ein Gefässtrang. Dicht 598 Früchte. unter der äusseren Fruchthaut findet sich eine Reihe ansehnlicher eiförmi- ger Oelbehälter in radialer Stellung. Die Oberfläche der Frucht wird von einem zarten, durch zahlreiche Spaltöffnungen unterbrochenen Häutchen gebildet, welches die einzellige Reihe der kleinen kubischen oder von oben gesehen 3- bis 6eckigen Zellen der eigentlichen Fruchthaut bedeckt. Von derselben sind die Oelbehälter durch ziemlich zahlreiche Lagen kleinzelligen Parenchyms getrennt. Nach innen hin nehmen die Zellen an Grösse zu und werden auch dick- wandiger. Die der Mittelsäule sind weder auffallend grösser, noch mehr verdickt. Die ansehnlichsten Zellen finden sich als Einfassung rings um die Oelräume, wo sie in mehrfacher Lage eine denselben entsprechende regelmässige (tangentiale) Streckung annehmen. Die sehr zarten Wandungen der innersten dieser Zellenlagen reissen leicht und zeigen keine besondere Membram als Auskleidung der Oelräume, welche bis über Vg Millim. radia- len Durchmesser erreichen. Die unregelmässig verlaufenden Gefässbündel enthalten zarte, sehr lange, bis 15 Mikromill. dicke Gefässe, deren derbe Spirale sich abrollen lässt, aber doch leicht bricht, auch wohl in die Treppenform übergeht. Sie sind besonders auf der der Peripherie der Frucht zugewendeten Seite von zartem Prosenchym begleitet. Die Papillen, welche von den äusseren Wänden des Faches in dasselbe hereinragen, enthalten zartwandiges, in den äusseren Schichten gestrecktes Parenchym ; zwischen, auch wohl an ihnen selbst finden sich einzelne rund- liche Anhäufungen von gelblichen Schleimzellen, die unter Wasser oder in Aetzkali bedeutend aufquellen. Vielleicht ist hier auch ein Sitz der Oel- bildung zu suchen. Die in Schleim eingebetteten Eichen sind noch unentwickelt. Das Pareachym der unreifen Pomeranzen enthält in grosser Menge wol- kige, sehr schwach gelbliche Klumpen, welche von Jod braungelb gefärbt und von Kali rasch mit schön gelber Farbe gelöst werden, worauf das Ge- webe leer erscheint und nur da und dort, zumal in den peripherischen Schichten, wie auch in den Papillen und in den Wänden der Samenfächer zerstreute, nicht gut ausgebildete Kalkoxalat-Krystalle aufweist. Die Oelräume enthalten selten ätherisches Oel in reichlicher Menge; es durchtränkt vielmehr die äusseren Fruchtschichten als rothbrauner Balsam. Die unreifen Pomeranzen schmecken besonders in ihren äusseren Schich- ten kräftig aromatisch und bitter, weit weniger in den inneren Theilen. Dem Geschmacke entspricht der angenehme Geruch. Der eigentümliche geruchlose, krystallisirbare Bitterstoff wurde von Lebreton 1830 dargestellt und Hesperidin1) genannt. Dasselbe ist ge- schmacklos, nimmt aber durch Kochen mit Essigsäure einen bitteren Ge- schmack an. Nach Wide mann schmeckt das Hesperidin sogar süsslich. l) Aurantiin, Brandes. Aurantia immatura. 599 In Alkalien löst es sich zu gelbrothen Verbindungen , daher die erwähnten, im Gewebe vertheilten Klumpen dasselbe wahrscheinlich und zwar vielleicht neben Eiweisstoffen enthalteu. Wie schon Jonas angedeutet, fand Dehn (1865) das Hesperidin durch Säuren spaltbar. Er erhielt daraus vermittelst Schwefelsäure einen gut krystallisirenden , mit Mannit isomeren Zucker. Etwaige Beziehungen zu dem in den Samen der Aurantiaceen enthaltenen Limonin (vergl. bei Gort. Citri) sind nicht ermittelt. In besonders reich- licher Menge ist das Hesperidin auch in den Blüthen der javanischen Citrus decumana L. enthalten. » Aus den frischen unreifen Orangen wird ein ätherisches Oel von be- sonderem Wohlgeruche, Essence de petit grain ou d'orangettes, x) gewonnen, welches, wie alle Oele der Aurantiaceen, mit dem Terpenthinöl isomer ist. In den trockenen Früchtchen ist der Oelgehalt gering. Das Oel der Blüthen ist von ausgezeichnetem "Wohlgeruche und sie werden höher geschätzt als die von Citrus Aurantium Risso. — Nur die äussere Fruchthaut enthält Gerbstoff. Den Alten waren die bitteren und süssen Orangen unbekannt, nirgends finden sich z. B. auf den Wandgemälden von Pompeji Aurantiaceen-Früchte dargestellt. Da die Verbindungen Roms bis zur indischen Küste, selbst bis Ceylon reichten, so mussten damals diese Pflanzen wohl noch nicht so weit gewandert sein. Die Araber verbreiteten vermuthlich um das IX. Jahrhundert zunächst die bittere Orange (Citrus vulgaris) durch Oman und Mesopotamien nach Syrien und Arabien , wo ihre Aerzte im X. Jahrhundert den bitteren Saft der „Narandsch" verordneten. Auch Sicilien, Spanien (Sevilla gegen Ende des XII. Jahrhunderts) und der Norden Afrikas verdanken den Arabern die Einführung der bitteren Orange, theils direkt, theils in Folge der Kreuz- züge, welche die Frucht auch in andere Mittelmeerländer brachten. Die Sanskritsprache hat gegen 20 verschiedene Benennungen des Pome- ranzenbaumes oder der Orangen; keine einzige derselben deutet einen süssen oder überhaupt angenehmen Geschmack der Frucht an , daher zur Blüthezeit jener Sprache die süsse Orange vermuthlich noch nicht vorhan- den war. Der Hauptname der Orangen im Sanskrit, Nagarunga, Naringi, ist in alle europäischen Sprachen übergegangen und liegt sowohl dem grie- chischen NspavT^iov, als auch dem Arancium, Arangium, Aurantium des mittelalterlichen Latein zu Grunde, da den Römern und Griechen selbst der Begriff und die Sache gefehlt hatte. Das Mittelalter kannte bis ins XV. Jahrhundert nur die bittere Orange. Mochte durch die Handelsbeziehungen der Venetianer und Genuesen end- lich auch die Kunde der süssen Pomeranze allmälig das Abendland erreicht haben, so brachten doch erst die Portugiesen dieselbe nach der Umschiffimg 1) auch wohl Essence de Portugal , worunter aber bisweilen ein Gemisch verschiedener Oele verstanden wird. 600 Früchte. des Caps (1498) aus Indien und Südchina und führten allgemeiner ihren Anbau ein. 1) Im Caplande gedeiht sie jetzt so vortrefflich , dass sich dort Orangenbäume von der Grösse deutscher Eichen finden (Novara). Fructus Rhamni catharticae. Baccae Spinae cervinae. Kreuzdornbeeren. Baies de nerprun. Buckthorn berries. Rhamnus cathartica L. — Ehamneae. Starker, gekreuzt gegenständig verzweigter Strauch, einheimisch durch ganz Europa, von Spanien bis zum südlichen Norwegen (nicht nördlicher als 60°), durch Persien bis Südsibirien, im ganzen wohl weniger gemein als Rhamnus Frangula. Die Blüthen der weiblichen Pflanzen bilden sich zu schwarzen glänzen- den kugeligen, gegen 0,010™ grossen Früchtchen aus, welche an der un- merklich abgeplatteten Spitze den kurzen Ansatz des Griffels tragen und am Grunde von einer kleinen achtstrahligen Scheibe (dem vertrockneten Unterkelche) gestützt sind. Das Fruchtstielchen fällt mit letzterer leicht ab. Yor der Reife sind die Früchtchen grün und deutlich vierknöpfig, später glatt, aber nach dem Trocknen sehr grob runzelig, indem das lockere grün- lich-bräunliche Fruchtfleisch stark einschrumpft. Es schliesst 4 holzige einsamige Fächer ein, welche in der Mitte rechtwinkelig zusammentreffen, wenn nicht etwa das eine verkümmert. Die Samen sind aufrecht, fast kreis- förmig gebogen, so dass eine vertikale Höhlung entsteht, in welche sich die Ränder des Samens zurückschlagen. Das Eiweiss und die gelben Keim- blätter erscheinen daher im Querschnitte hufeisenförmig mit nach aussen geöffneter Krümmung. Die glänzende Oberhaut der reifen Frucht besteht aus kleinen Tafel- zellen, worauf eine Reihe derber kubischer Zellen, dann ungefähr 6 bis 10 Schichten ziemlich fest zusammenhängender tangential gestreckter chloro- phyllreicher Zellen folgen. Diese derbe äussere Fruchthaut geht allmälig in das sehr lockere dünnwandige und grosszellige Fruchtfleisch über, dessen innere Schichten radial gestellt sind. Ein schmales kleinzelliges kry stall- führendes Parenchym trennt das Fruchtfleisch von den langgestreckten ver- holzten Prosenchym der Fachwände. Im Fruchtfleische nimmt man ausser Chlorophyll auch gleiche, doch etwas weniger feste Zellsäcke von roth- violetter Färbung wahr, wie bei Siliqua dulcis. Alkalien ertheilen ihnen eine blaue Färbung, welche aber durch gleichzeitige Anwesenheit gelben Farbstoffes grün erscheint. Yor der Reife sind diese Zellsäcke kaum etwas gelblich gefärbt und verändern sich in Berührung mit Kali nicht, werden aber durch Eisenchlorid dunkel 1) Grösstentheils nach A. De C and olle. Geogr. botan. 1855. Fruetus Rhamni catharticae. 601 gefärbt. Auch die äussere Fruchthaut ist bei der Reife mit violettem Farb- stoffe gesättigt. Der frische Saft ist grün, von saurer Reaktion und süsslichem, dann sehr ekelhaft bitterem Geschmacke und widerlichem Gerüche; Alkalien färben ihn gelb, Säuren roth. Der Saft trockner Früchte ist mehr braun- röthlich, und wird durch Alkalien gelbgrünlich, durch Säuren roth, durch Eisensalze dunkel braungrün gefärbt. Die verschiedenen gefärbten Stoffe, welche neben Zucker und Pektin, Gummi und organischen Säuren in den Kreuzbeeren vorkommen, sind noch nicht genügend bekannt. Als Rhamnin bezeichnete Fleury (1841) körnige oder blumenkohlartige Klumpen von gelber Farbe, die er nur ein- mal in Nadeln krystallisirt erhielt. Alkalien lösen das Rhamnin mit gelber Farbe, Säuren entfärben es, in heissem Wasser quillt es auf, in kaltem löst es sich nicht, wohl aber in heissem Weingeist. Aus der ammoniakalischen Lösung sollen sich goldgelbe Nadeln (Frangulin?) absetzen. Reiner und reichlicher als aus dem Safte, soll sich das Rhamnin aus dem Pressrück- stande der Früchte gewinnen lassen. Den Geschmack schildert Fleury als eigenthümlich , dem Mehlteige ähnlich (?). Diese Angaben verdienen weitere Prüfung, welche Lefort neuerlich angekündigt hat. Den Beeren fehlt wenigstens vor der Reife, nach Buchner, das Fran- gultn (vgl. bei Cort. Frangulae). Dem eingedampften Safte der Beeren entzog Win ekler (1849) durch Alkohol das (Rhamno-) Cathartin,1) einen hell goldgelben, auch in Wasser, nicht aber in Aether löslichen amorphen Bitterstoff. Alkalien lösen das Cathartin mit gelber Farbe, welche durch Eisenchlorid in braun übergeht. Auch dieser Stoff ist noch sehr erneuerter Untersuchung bedürftig. Er soll therapeutisch dem Aloeharze nahe stehen. S af tgrün , Succus viridis, heisst ein schon seit langem als Wasserfarbe dienender Lack, den man durch Fällung des Saftes reifer Kreuzdornbeeren vermittelst Alaun oder Pottasche als dunkelgrüne weiche Masse erhält. Sie löst sich in Wasser und Weingeist; Alkalien färben die Auflösung gelb, Säuren roth. Rommier, so wie Charvin haben in neuester Zeit die technische Verwendbarkeit dieses aus der Rinde oder den Früchten zu gewinnenden Farbstoffes näher geprüft und gezeigt, dass es sich in Wasser suspendirt, aber nicht eigentlich löst und blutrothe Färbung annimmt, welche durch reducirende Agentien wieder in Grün umgewandelt wird. Andere Säuren und Salze erzeugen unter Zersetzung die verschiedensten Farben , welche sich aber wenig beständig gezeigt haben. Unter dem Namen Lu-kao wird in China aus Rinden von Rhamnus !) Die Bezeichnung Catartbin rührt von Hubert (1830) her, war aber bereits früher einem Stoffe der Senna durch L assaigne u. Feneulle beigelegt worden (siehe bei Folia Sennae). 602 Früchte. chlor ophora und Rh. tdüis ein trockener, sehr reicher Farbstoff darge- stellt, welcher vermuthlich mit dem letzterwähnten Stoffe aus Rh. cathar- tica übereinstimmt. Dieses Chinesisch-Grün ist blau, von grünem Striche, violett und grün schimmernd. Die den Kreuzbeeren ähnlichen Früchte von Rhamnus Frangula sind roth, zuletzt erst schwarzblau, aber niemals vierfächerig, sondern nur 2- oder 3-kernig. Chemisch scheinen sie nicht verschieden zu sein. Andere Farbstoffe dagegen kommen in den sogenannten Gelbbeeren oder Avignonkörnern vor (vgl. unter Cort. Frangulae). Fructus Sabadillae. Semen Sabadillae. Sabadillsamen. Läusesamen. Cevadille. Cevadilla. Sabadilla officinarum Brandt. — Melanthaceae. Syn.: Sabadilla officinalis Nees. Veratrum officinale Schlechtendal. — Helonias Don. Schoenocaulon Asa Gray. — Asagraea Lindley. Diese Zwiebelpflanze wächst vorzüglich an grasreichen bewässerten Stellen am Ostabhange der gewaltigen mexicanischen Vulkanreihe des Cofre de Perote und Pik von Orizaba (Citl-altepetl) bei Teosolo, Huatusco und Zacuapan bis zum Meeresufer herunter, dann auch in Venezuela (Caracas). Zur Ausfuhr wird die Sabadilla angebaut bei Vera Cruz, Alvarado, Tlaca- talpan am mexicanischen Golf. Die Frucht besteht aus drei bis 0,0 15m langen, gelbbraunen trocken- häutigen zugespitzten Karpellen,1) welche meist noch nebst dem 6theiligen Perigon und den 6 Staubfäden auf dem kurzen Blüthenstielchen sitzen. Die kapselartigen Karpelle sind nur unten verwachsen, nach oben frei, etwas spreizend und längs der Bauchnaht aufgesprungen. Jedes enthält 1 — 6, höchstens 0,009m lange und 0,002m dicke braunschwarze glänzende längs- nervige Samen, welche an der Axe befestigt und durch gegenseitigen Druck unregelmässig kantig geworden sind. Die feste Samenschale umschliesst ein graubraunes öliges Eiweiss, in dessen Grunde der etwas geschnäbelten Samenspitze gegenüber der kleine Embryo liegt. Der Querschnitt zeigt unter der braunen, aus drei Reihen lockerer, tangential gestreckter dünnwandiger Zellen bestehenden Samen- hülle das concentrisch-strahlige Gewebe des Eiweisses, grosse, dickwandige, nicht poröse Zellen mit wellenförmiger Höhlung, welche durch körnig- schleimiges Protoplasma und Oeltropfen erfüllt ist. Das Eiweiss hat Aehn- lichkeit mit dem des Sem. Colchici. Die dünne gelbe Samenschale ist fest *) Die Karpelle sehen einigermassen der Gerste ähnlich, daher der Name, vom spanischen Cebada Gerste. — Caspar Bau hin nannte die Sabadillfrucht Hordeum causticum. Fruchis Capsici. 603 mit dem Eiweiss verwachsen; Amylum fehlt. Der Samen ist geruchlos, aber von brennend scharfem anhaltendem Geschmacke, beim Pulvern heftiges Niesen verursachend. Die Fruchtgehäuse sind fast ohne Wirkung,1) da- her ist auf reichliche Menge von Samen in der käuflichen Waare zu achten. Aus Porto Cabeilo (Venezuela) wird der ausgehülsete Samen in den Handel gebracht. In der Sabadilla fand Meissner 1818 das Alkaloi'd Veratrin 032H52N2-9-8, welches Pelletier u. Caventou (vgl. bei RhizomaVeratri) genauer untersuchten. Früher nur mit sehr viel Harz verunreinigt als amorphe Masse gekannt, wurde es 1855 von G. Merck in grossen rhombischen Prismen erhalten. Nach Buignet wäre das Veratrin ein Glykosid (ob das reine krystal- lisirte oder nur das harzhaltige ?) Die von den Fruchtgehäusen befreiten Samen liefern ungefähr x/2 pC. amorphes Veratrin , zu dessen Darstellung sie ausschliesslich dienen, enthalten aber noch ein zweites Alkaloi'd, das Sabadillin, welches nach Hübschmann nicht Niesen erregt und in Aether nicht, wohl aber in Ammoniak löslich ist. Ausserdem enthalten die Samen eine flüchtige Fettsäure, die Sabadill- (oder Cevadin-)säure , und die gleichfalls eigenthümliche Veratrum säure O9H10O4. Die Sabadillfrucht gelangte gegen Ende des XVI. Jahrhunderts aus Mexico zu uns. Monardes beschrieb sie zuerst 1572. In Mexico dient die sehr gefährlich wirkende Zwiebel der Sabadilla unter dem Namen Cebolleja auch als Wurmmittel. Veratrum Sabadilla Retzius, auf den Antillen, so wie im Innern Mexicos, früher irrigerweise für die Stammpflanze der officinellen Sabadill- samen gehalten , ist von Sabadilla officinarum verschieden durch die dunk- leren und mehr eirundlichen Früchte, welche sich nur sehr selten in der Handelswaare finden. 3. brennend scharfe Früchte. Fructus Capsici. Piper hispanicum s. indicum. Spanischer Pfeffer. Paprika (slavisch). Capsique. Poivre rouge. Poivre long. Red pepper. Cayenne pepper. Guinea pepper. Pod pepper. 1. Capsicum longum Fingerhut. 2. Capsicum annuum Fingerhut. — Solaneae. Einjährige krautartige, ursprünglich, wie es scheint, in Westindien und Südamerika einheimische Pflanzen , die jetzt in allen wärmeren Ländern durch Kultur verbreitet und vielfach ausgeartet, nirgends aber noch wild anzutreffen sind. !) Nach Schroff und andern nicht weniger wirksames Princip enthaltend. 604 Früchte. Der im Handel vorkommende spanische Pfeffer ist fast ausschliesslich die bis gegen 0,1 Om lange und am Grunde höchstens 0,04m dicke Beere der erstgenannten Art. Sie ist glatt blasig, etwas zugespitzt, schön glän- zend roth oder gelbroth, am Grunde noch mit dem fest haftenden, ziemlich flachen gezähnten grünlich braunen Kelche versehen, welcher allmälig in den starken gekrümmten (bei Capsicum annuum geraden) Stiel übergeht, der etwa die halbe Länge der Beerenfrucht erreicht. Diese selbst besteht aus einem lederartigen durchscheinenden trockenen, kaum % Millimeter dicken mürben Fruchtgehäuse von derber, fast spröder Consistenz. In ihrem oberen Theile ist die Frucht einfächerig, mit 2 — 3 wandständigen Samen- trägern versehen, welche im unteren Theile zusammentreffen und zu einem grossen markigen centralen Mittelkörper verwachsen, der das Fruchtgehäuse selbst grösstenteils leer last. Hierdurch entstehen in der unteren Hälfte der Frucht 2 oder 3 sehr weite Fächer mit zahlreichen gelblichen Samen, welche flache, unregelmässig rundliche, 0,005m messende Scheiben mit grubiger Oberfläche, etwas verdicktem Rande und klaffendem Nabel dar- stellen. Dem fast ringförmig gekrümmten Embryo entsprechen auf den beiden Flächen der Samenschale etwas hellere Erhöhungen. Im Wasser quillt das Fruchtgehäuse auf und lässt sich leicht in die derbe äussere und die lockere faserige innere Fruchtschicht trennen. Die letztere allein wird der ganzen Länge nach von zahlreichen feinen, hier und da anastomosirenden , meist aber parallelen Gefässbündeln durch- zogen. Die äussere Schicht ist aus 4 — 7 Reihen gelber tafelartiger Zellen zusammengesetzt, deren Wände viel dicker sind, als der Querdurchmesser ihrer Höhlungen. Im Querschnitt erscheinen diese Zellen in tangentialer Richtung etwas gestreckt, im tangentialen Längsschnitt dagegen von vor- herrschend quadratischer bis rhombischer oder etwas abgerundet eckiger Form und bedeutender Ausdehnung. Die Wände zeigen hier sehr zierliche Porenkanäle. Die innere Fruchtschicht, fast doppelt so breit) wie die äussere, enthält wenig gefärbte, tangential gestreckte flache Zellen mit sehr zarten zusammen- gefallenen, daher fast verfilzten Wänden ; nur die innerste Zellenreihe bietet einen derberen Bau dar, indem sie aus gelben, ausnehmend zierlichen Zellen besteht, welche mehr denen der äusseren Fruchtschicht gleichen. Sie stellen nämlich ebenfalls Tafeln dar, deren fein geschichtete Wandungen aber im tangentialen Schnitt höchst unregelmässigen geschlängelten Verlauf zeigen und von zahlreichen Porenkanälen durchbrochen sind. — An der Grenze dieser beiden, die innere Fruchthaut zusammensetzenden Schichten verlaufen die sehr lang gestreckten Bündel der nur etwa 10 Mikromillim. dicken, mit abrollenden Spiralen versehenen Gefässe, umgeben von sehr zarten Bastfasern. — Der Längsschnitt durch das Fruchtgehäuse gibt daher je nach der Tiefe, in welcher er geführt wird, ein sehr verschie- denes Bild. Fructus Capsici. 605 Die Zellen der äusseren Fruchthaut sind namentlich Sitz des fein- körnigen gelbrothen Farbstoffes, nach dessen Entfernung durch Kali und Weingeist ein Zellenkern zurückbleibt. Die Samen bestehen aus dickwandigem grossem, im Embryo aber viel kleinerem und zarterem, rundlich polyedrischem und mit trübem körnigem Inhalte erfülltem Gewebe, bedeckt von einer dünnen inneren und einer sehr dicken äusseren Samenschale, welche noch mit einem zarten Oberhäutchen belegt ist. Die dickwandigen, radial gestellten Zellen der äusseren Samen- schale sind von sehr unregelmässiger abwechselnder Form und Grösse und bedingen das grubig-runzelige Aussehen der Samen. Der Geschmack des spanischen Pfeffers, auch seiner Samen, ist von sehr anhaltender brennender gefährlicher Schärfe, welche auch äusserlich die Haut bis zur Blasenbildung zu reizen vermag. Als Träger dieser Schärfe hatte Buchholz und auch Braconnot (1816) einen anfangs schmierigen, nur schwer trocknenden Stoff, Cap- sicin, bezeichnet, den letzerer durch Aether auszog. Yon diesem, offenbar noch sehr unreinen , wohl harz- und fetthaltigen Präparate ganz verschieden erscheint Wittin g's in Wasser und Alkohol, nicht aber in Aether lösliches krystallisirtes Capsicin, welchem basische Natur zuge- schrieben werden müsste, sofern sich die Angaben des Entdeckers bestä- tigen sollten. Landerer's Mittheilungen (1854) haben zur Auf klärung dieses Stoffes kaum beigetragen. Einen krystallisirten farblosen Stoff, welcher jedenfalls im höchsten Grade die scharfen Eigenschaften des Capsicum besitzt, haben (1857) Parrish1) u. Taylor durch Ausziehen mit Aether, Reinigung mit Wein- geist und Fällung mit Bleiessig erhalten. Parrish vergleicht dieses Cap- sicin mit einem Steaoropten (?). Noch weniger gekannt ist der Farbstoff der Capsicumfrucht, in welcher Braconnot ausserdem noch Kalisalze der Citron- und der Phosphorsäure, Gummi und Harz gefunden hat. — Eine höchst unbedeutende Spur äthe- rischen Oeles scheint, nach Raybaud, nur in der ganz frischen reifen Frucht enthalten zu sein. Unter dem Namen Cayenne- Pfeffer kommen als Gewürz dem spa- nischen Pfeffer ähnliche, aber nur etwa 0,03m lange Früchte vor, welche von Capsicum crasswmWilld. , oder auch von C. frutescens Willd. und noch anderen Arten abgeleitet werden. — Viele Capsicum- Arten oder Varie- täten liefern übrigens scharfe, hauptsächlich in den Tropenländern als Ge- würze dienende, bald kirschen- oder olivenähnliche, bald grössere Früchte. Häufig gelangen sie mit Mehl zerrieben in den Handel. Der spanische Pfeffer wurde in Deutschland erst gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts, nach Leonhard Fuchs einige Jahre vor 1542, !) Practical Pharmacy. Philadelph. 1859. pg. 427. 606 Früchte. bekannt. Er scheint zuerst durch Da veiro aus Westafrika (Benin) nach Portugal gebracht worden zu sein, wo er durch Garcia d'Orta aufhöheren Befehl herabgesetzt wurde, damit der einträgliche monopolisirte Pfeffer- handel durch die neue Waare nicht leide. 4. aromatische Früchte und Fruchtstände. Fructus Juniperi. Baccae s. Galbuli Juniperi. Wachholder-, Pieckholder-1) oder Kaddigbeeren. Genie vre. Baies de Genie vre. Juniper berries. Juniperus communis L. — Coniferae-Cupressinae. Starker ästiger Strauch, durch den grössten Theil der arktischen und gemässigten nördlichen Zone verbreitet. Im südlichen Gebiete, in Spanien, auf der Balkan -Halbinsel, wächst er mehr strauchartig in den Gebirgen; im Norden wird er sehr kräftig, baumartig, 600 — 800 Jahre alt und geht bis Grönland, Island, Mageröe, Kamtschatka, durch Sibirien bis ins süd- kaspische Gebiet. Die kurzen Blüthenstände (Kätzchen) sitzen einzeln in den Blattwinkeln vorjähriger Triebe; die der weiblichen Pflanze bestehen aus 3 — 5 Reihen ziegeldachartig geordneter 3 blätteriger Wirtel von Deckblättern. Die 3 Blätter des obersten Wirteis werden fleischig schuppenartig; mit ihnen alter- niren 3 freie aufrechte, an der Spitze durchbohrte Eichen. Nach dem Ver- blühen verwachseu die drei Fruchtschuppen zu einer Scheinbeere und schliessen die Eichen ganz ein, indem an dem reifenden Fruchtstande nur noch oben die höckerigen Spitzen und Nähte der zusammentreffenden Fruchtblätter und nach dem Abfallen am Grunde ein oder mehrere Wirtel vertrockneter kleiner Deckblätter wahrnehmbar bleiben und die Entstehung dieser sogenannten Beere andeuten. Sie bleibt im ersten Jahre eiförmig, grün und wird erst im zweiten Herbste reif und kugelig (bis 0,009m Durch- messer) , dunkel schwarzbraun , blaugrau bereift. Der üebergang von der grünen in die dunkel schwarzblaue Färbung scheint sehr rasch einzutreten. Unter der dünneu Fruchthaut ist ein lockeres braungelbes Fruchtfleisch enthalten, das die drei harten, oben scharf dreikantigen Samen einschliesst. Sie liegen mit einer flachen oder gekielten Seite unmittelbar an einander, nur auf den äusseren Seiten und blos bis etwas über die untere Hälfte mit dem Fruchtfleische verwachsen. Die obere freie Hälfte dagegen ist aussen mit einem Samenhäutchen bedeckt. In Furchen der Samenschale liegen an der unteren Hälfte der Samen kleine, bis 0,002m lange Schläuche, die mit dem ätherischen Oele gefüllt sind. Ihre zarte Membran ist mit dem Frucht- l) vom altdeutschen Recan, rauchen, räuchern. Indessen findet sich im althochdeutschen auch Wechholder, Wachalderndorn, Wallechdorn und Kranabaum schon vor dem XII. Jahrh. Vanilla. 607 fleische verwachsen. Jeder Samen trägt auf der inneren Seite 1 oder 2, auf der konvexen Rückenfläche 4 — 8 dieser Oelschläuche , welche oft bei alten Früchten statt des Oeles krystallisirtes farbloses Stearopten (oder Harz?) enthalten. Aber auch bei unreifen grünen Früchten ist der Inhalt dieser Schläuche immer dickflüssig, so dass die Veränderung des Oeles demnach schon sehr früh beginnt. Die Aussenschicht der Frucht besteht aus einer farblosen glashellen durchsichtigen Oberhaut, welche einige Reihen kubischer oder tafelförmiger grosser Zellen mit dicken braunen porösen Wänden bedeckt. Diese Zellen zeigen dunkelbraunen körnigen Inhalt (Farbstoff) und Harzklumpen. Das Fruchtfleisch, bei der Reife aus grossen elliptischen dünnwandigen Zellen gebildet, deren Zusammenhang ganz gelockert ist, enthält Chlorophyll und Oeltropfen; vor der Reife aber auch Amylumkörner und grosse Oelzellen. Dieses Gewebe ist von sehr kleinen, Ring- und Tüpfelgefässe führenden Gefässbündeln von unten nach oben durchzogen. Die Wachholderbeeren riechen aromatisch und schmecken gewürzhaft süsslich-bitterlich und, wenn sie älter sind, etwas säuerlich. Ihr ätherisches Oel, isomer mit Terpenthinöl, beträgt bei reifen trockenen Früchten unge- fähr lVipC, bei unreifen weniger; letztere enthalten noch ein zweites Oel von niedrigerem Siedepunkte. Die Angaben über die Ausbeute schwanken zwischen % bis gegen 2 pC, und es sind bedeutende Abweichungen leicht erklärlich, theils durch verschiedene Reife der Früchte und ungleichen Standort, theils durch die schon angedeutete Hydratation und Oxydation des Oeles. — Im Süden scheint wohl der Oelgehalt regelmässig geringer zu sein, als in mehr nördlichen Ländern. Die Wachholderbeeren sind reich an Traubenzucker (13 pC. Steer, 33 pC. Trommsdorff), durch dessen Gährung bekanntlich ein eigenthümlicher Branntwein erhalten wird. Es scheint, dass bei der Gährung zugleich flüchtige Säuren der Fettsäurereihe, vielleicht auch "Milchsäure entstehen. Nach Steer enthalten die Früchte Aepfelsäure, Wachs, Gummi, Pektin und einen eigenthümlichen gelblichen, an Chrysophansäure erinnernden Stoff, Juniperin, welcher nicht genauer erforscht ist und hauptsächlich den Farbstoff der äusseren Fruchthaut zu enthalten scheint. Unreife grüne Früchte nehmen durch das Trocknen eine braunröthliche Farbe an, die sie leicht erkennen lässt. Vanilla. Siliqua Vanillae. Yaniglia. Baynilla. Fructus Vanillae. Vanille. Vanille. Vanilla planifolia Andrews. — Orchideae. Diese in Ost-Mexico einheimische, durch Cultur dort und in sehr vielen Tropenländern weit verbreitete Orchidee klimmt vermittelst ihrer Luft- wurzeln in feuchten schattigen und warmen Wäldern hoch an Bäumen 608 Früchte. empor. Ihr langer, etwas dreikantiger Fruchtknoten ist einfächerig; von jeder Wand ragt ein zweischenkliger Samenträger frei in das hohle Fach herein. Jeder Schenkel (oder Leiste) ist nochmals 2 lappig, die Lappen zurückgeschlagen, so dass also im Ganzen 12 gerundete Kanten mehr oder weniger frei oder genähert der Länge nach die Höhlung der Frucht durch- ziehen und die zahllosen schwarzen, höchstens XU Millimeter messenden Samen tragen. Diese glänzenden harten Samen sind mit einem hellgelben balsamischen Mus , dem eigentlichen Träger des Wohlgeruches , überzogen. Erst im zweiten Jahre reift der Fruchtknoten zu einer durchaus nicht aromatischen, kleberig milchenden schotenartigen a) fleischigen Kapselfrucht aus, welche sich ungleichhälftig in 2 Klappen der Länge nach öffnet. Man lässt sie jedoch nicht zu völliger Reife gelangen, sondern sammelt sie (in Mexico vom December bis März 2)) , wenn ihre grüne Farbe eben in braun überzugehen beginnt und trocknet sie nach einigen Angaben in sehr um- ständlicher Weise, indem man sie abwechselnd offen oder in wollene Tücher eingeschlagen, der Wärme aussetzt, wobei sie nachreift und erst das Aroma und die beliebte dunkelbraunschwarze Farbe der käuflichen Frucht ent- wickelt. Sie wird alsdann in Bündelchen (Mazos) von 50 Stück zusammen- gelegt und je 20 solcher zu grösseren Bündeln (Miliares) in Blechkistchen verpackt. Die mexicanische Vanille erreicht eine Länge von 0,30m, bei einer Breite von 0,0 10m, in Wasser eingeweicht, schwillt sie um die Hälfte auf; sie ist durch die Packung etwas plattgedrückt, tief längsfurchig , nach der Basis zu, oft aber nach beiden Enden etwas verschmälert, gegen die Basis zurück- gekrümmt und bisweilen um ihre Axe gedreht. Zahlreiche farblose Kry- stalle, entweder Blättchen, feine Nadeln oder kürzere dicke Prismen von Vanillin bedecken die schwarzbraune Oberfläche, bei den besten Sorten einen dichten Keif (givre der Franzosen) bildend. Geringere Sorten be- sitzen diesen glänzenden Ueberzug nicht. Der Querschnitt zeigt zwei deut- lichere Kanten, welche die abgeflachte Seite der Frucht einschliessen, wäh- rend die beiden anderen stark gewölbten Seiten nur undeutlich durch eine abgerundete Kante getrennt sind. Die Seiten verlaufen in wellig gebogener Linie. Von den zwei deutlicheren Kanten aus geht eine Reihe etwas engerer Zellen gegen das Innere, die beiden Richtungen schwach andeutend, in welcher die reife Frucht sich öffnet. Die innere Hälfte des Fruchtgehäuses enthält etwa 20 in einen weiläufigen Kreis geordnete Gefässbündel. Die äussere Fruchthaut wird von einer Reihe tafelförmiger dickwandiger Zellen, mit körnigem braunem Inhalte gebildet, die Mittelschicht des Fruchtgehäuses aus grossen dünnwandigen Zellen, welche in der äusseren Schicht etwas eckig und axial gestreckt, in der inneren mehr kubisch oder kugelig gestaltet 1) Bayna heisst spanisch Schote, Vaynilla Schötchen; portugiesisch Baonilha. 2) Nach J.W. von Müller Ende März bis Ende Juni. Vanilla. 609 sind. Alle enthalten gelbliche Fetttropfen, braune körnige Klümpchen, Nadeln von Kalkoxalat und Prismen von Vanillin. Sehr charakteristisch sind jene äusseren Zellen des Fruchtgehäuses, indem auf ihren Wänden zierliche Spiralfasern abgelagert sind, welche noch ausgezeichneter in den Luftwurzeln tropischer Orchideen (z.B. Aerides odo- rata) vorkommen. Das Parenchym der inneren Lage des Fruchtgehäuses dagegen zeigt etwas zusammengefallene, daher zart geschlängelte, fein poröse Wände. Die Samenträger sind mit zarten, dünnwandigen Zellen, dem lei- tenden Zellgewebe, bekleidet, die Innenwand selbst an den freien Stellen mit langen Papillen. Die Cultur der Vanille ist sehr einfach, da etwa 1™ lange Setzranken (Steckreiser), welche man an Bäume befestigt und kaum die Erde berühren lässt , sehr bald in die Rinde Wurzel schlagen und schon vom dritten Jahre an, während 30 — 40 Jahren, jährlich bis 50 Früchte treiben. Haupt- sitze der Vanille -Produktion sind die Küsten gegenden des Staates Vera- Cruz, vorzüglich Mizantla, Papantla, Nautla, Colipa, Tacuantla, Santiago, San Andres de Tuxtla. Aus diesem Striche wurden z. B. 1856 etwa 0V2 Millionen Früchte imWerthe von mehr als 2 Mill. Francs, 1860 etwa 8000 Kilogr. , 1864 etwa 20,000 K. ausgeführt, meist nach Bordeaux. Auch am Westabhange der Cordilleren im Staate Oaxaca, bei Teutila, Juquila, Sacatepec, wird Vanille gewonnen, weniger in den Staaten Tabasco, Chiapas und Yucatan. Die Frucht gewinnt durch die Cultur an Aroma, und wird am höchsten geschätzt, wenn sie lang und fleischig, stark aro- matisch, dunkel braunschwarz, mit Krystallen bedeckt und nicht aufge- sprungen ist (Vanille du Leg oder Lee). Wild gewachsene mexicanische Früchte sind trocken und wenig geschätzt (Vanilla eimarrona. Cimmarron b== wild). Die Befruchtung der Vanille wird durch Insekten vermittelt, da die Uebertragung der Pollenmassen auf die Narbe des eigenthümlichen Blüthen- baues wegen nicht ohne weiteres stattfinden kann. Seitdem M orren , Garten- direktor in Lüttich (1836), gezeigt hat, dass jede andere Uebertragung der Pollenmassen zur Befruchtung auch genügt, gelingt die Erzeugung der Vanille ohne die betreffenden Insekten in allen Tropenländern; sogar in den euro- päischen Gewächshäusern vermag man ausgezeichnet aromatische Früchte zu erzielen.1) Seit 1850 betreibt z. B. Teijsman, Direktor des gross- artigen Gouvernementsgartens in Buitenzorg (Java) die Vanillekultur ge- schäftsmässig mit dem besten Erfolge. Die Pflanzen werden daselbst im Freien an langen Stangen gezogen und die Befruchtung durch gewöhnliche Arbeiter vorgenommen. Auch in Westindien und auf den Mascarenas wird Vanilla planifolia angebaut, so dass Beunion (Bourbon) 1860 über 6000 Kilogr. und 1864 !) In Hamburg und Berlin gezogene Früchte fand Berg der mexikanischenVanille gleich bis auf geringe anatomische Unterschiede. Es fehlten z. B. die charakteristischen Spiral- faserzellen. Flockiger, Pharmakognosie. 39 610 Früchte. bereits 20,000 Kilogr. ausgeführt hat, obwohl sich diese Sorte wegen allzu grosser Weichheit nicht so sehr empfiehlt. Gewiss steht noch weiterer Ver- breitung nichts im Wege, als der durch allzu grosse Produktion gedrückte Preis und der immerhin nur beschränkte Verbrauch. *) Auch andere Vanilla- Arten liefern ähnliche, doch grössere, nicht so wohlriechende krystallreiche Früchte, z. B. V. Pompona Schiede, die Vanille von La Guayra oder Vanillon. Sie ist bis 0,02m breit, kömmt auch in Papantla und Colipa (Ost-Mexico) vor, und ist wenig haltbar. Auf diese bezieht sich wohl Humboldt's Angabe,2) dass Vanille in Menge auf der feuchten Küste Venezuelas , zwischen Porto Cabello und Ocumare, vor- komme, obwohl er die Pflanze als Epidendron Vanilla bezeichnete. Noch unbekannt sind die Stammpflanzen der grossen, nicht besonders aromatischen Brasilianischen Vanillesorten. Vanilla aromatica Swartz (Epidendron Vanilla L.) , irrigerweise früher für die Stammpflanze der officinellen (mexicanischen) Vanille gehalten, soll eine geruchlose Frucht besitzen. Die Vanille enthält kein ätherisches Oel, sondern verdankt ihren lieb- lichen Geruch dem balsamischen Ueberzug der Samen und besonders dem Vanillin. Ersterer dürfte wohl eine ähnliche Zusammensetzung besitzen wie Styrax- oder Peru- und Tolubalsam und steht vermuthlich in nächster Beziehung zu dem Vanillin, welches im Innern der Frucht und auf der Oberfläche auskrystallisirt. Es galt früher für Zimmt- oder Benzoesäure, endlich für Cumarin (€9H(;Ö2), bis Gobley seine schon vonBley behaup- tete Eigeuthümlichkeit erwies. Es ist nach dem ersteren von schwach saurer Fraktion und von dem sonst ähnlichen Cumarin durch seine Zu- sammensetzung O10H6O2 und den höheren Schmelzpunkt (77° C.) bestimmt verschieden. — Ganz abweichend von Gobley fand Stokkebye das Vanillin von unzweifelhaft saurer Natur, erst bei 82° C. schmelzend, der Formel G17H2201U entsprechend und bemerkenswerth durch die tief violette Färbung, welche es in wässeriger Lösung auf Zusatz von Eisenchlorid annimmt. — Ausser dieser Vanillesäure fand Stokkebye iu der Vanille noch Gerbsäure, fettes Oel, Wachs, Harz, Zucker, Gummi, Kalkoxalat. Die Blüthe der Vanilla planifolia ist geruchlos, ebenso das säuerliche Fruchtfleisch an sich. Die oben erwähnte Behandlung der noch nicht ausgereiften Frucht veranlasst vielleicht eine Art von Gährung, welche zu der Bildung oder Vermehrung des Vanillins in Beziehung stehen mag. Nachgemachte Vanille, etwa aus schlechten Sorten mit Hülfe von Peru- balsam und Benzoesäure hergestellt, lässt sich an der Verschiedenheit des Geruches leicht erkennen. Die Vanille gelangte schon zu Anfang des XVI. Jahrhunderts nach Europa. — Nach einigen Angaben soll V. planifolia ursprünglich in Westindieu einheimisch sein, jedenfalls aber trafen sie die Spanier 1519 bei der Erobe- rung Mexicos daselbst schon als Zusatz zur Chocolate im Gebrauch. !) Frankreich führt höchstens 50,000 K. jährlich ein. — 2) Reisen. Stuttg. 1859. II. 350. Fructus Cardamomi. 611 Fructus Cardamomi. Cardamomum. Semen Cardamomi. Cardamomen. Cardamomes. Cardamoms. 1. Elettäria Cardamomum White u. Maton. — Zingiberaceae. 2. Elettäria major Smith. Die länglichrunden oder kugeligen dreikantigen Kapselfrüchte mehrerer Zingiberaceen bilden die verschiedenen Cardamomumsorten. Sie sind am Grunde abgerundet, oft mit einem Stielchen versehen, gegen die Spitze etwas verschmälert und kurz geschnäbelt. Das längsstreifige weis slich graue oder braune geruch- und geschmacklose Fruchtgehäuse ist dünn lederartig oder strohig und springt an den Kanten in drei Längsspalten auf. Yon der Mitte der Innenseite jeder der drei Klappen geht nach der Axe zu eine papierartige Scheidewand, wodurch drei Fächer entstehen, deren jedes eine Anzahl im mittelständigen Winkel in zwei Reihen angehefteter kleiner brau- ner oder grauer gewürzhafter Samen einschliesst. Durch gegenseitigen Druck sind dieselben äusserst unregelmässig kantig, ausserdem quer runze- lig, vertieft genabelt und auf einer Seite mit einer Rinne (Raphe) versehen. Sie messen 0,004 bis 0,005m. Ein dünnes farbloses Häutchen (Samen- mantel) nmschliesst die einzelnen Samen, welche meistens reihenweise fest an einander hängen. Sie enthalten unter der braunen Samenschale ein weisses Endosperm mit dem Embryo und mehligem Eiweiss. Die Samenschale besteht aus drei sehr, verschiedenen Zellenschichten. Zu äusserst etwas in die Länge gezogene dickwandige spiralig ge- streifte Zellen, die auf dem Querschnitt eine fast quadratische, nicht sehr grosse Höhlung zeigen; hierauf eine Reihe sehr grosser weiter quer- gestreckter Zellen mit dünnen lockeren Querwänden, endlich als innerste Schicht eine fest geschlossene Reihe tiefbrauner radial gestellter Zellen, deren Wände so stark verdickt sind, dass blos zu äusserst ein kleines Lumen noch übrig ist. Das strahlig- körnige farblose Eiweiss schliesst ein hornartiges Endo- sperm ein, das einen nach oben etwas eingeschnürten Sack bildet, in wel- chem der Embryo bis an das frei herausragende, gegen den Nabel gerichtete Würzelchen steckt. Die grossen Zellen des Eiweisses sind länglich poly- edrisch und mit Amylum erfüllt, das im Innern formlose Klumpen, in den äusseren Zellschichten dagen sehr kleine (3 — 4 Mikromill.) Körnchen bildet. Das kleine, sehr zartwandige Paremchym des Embryos und des Endosperms ist mit fettem Oel (10 pC. Trommsdorff) erfüllt. Die Samen enthalten ferner 2 bis 4 pC. ätherisches , mit Terpenthinöl isomeres Oel, so wie auch Harz. Die beiden jetzt noch gebräuchlichsten Cardamom- Sorten sind 1. die malabarischen, C&rd&momim malabaricum, Card, minus, von 39* 612 Früchte. Eleitaria1) Cardamomum White u. Maton (Amonmm Cardamomum DC, Alpinia Cardamomum Roxbgh), welche auf der Westküste Vorderindiens in Curg, Wynaad und Malabar, auch noch auf den Nicobaren wild und culti- virt vorkömmt. Sie sind hellgelb, gestielt, deutlich geschnäbelt, bald rund- lich, bald in die Länge gezogen, 0,010 bis 0,020mlang und enthalten gegen 20 hellbraune oder graue, sehr grob runzelige Samen von fein gewürzhaftem Geschmacke, welche ungefähr 8/4 des Gesammtgewichtes der Frucht aus- machen. Malabar liefert jährlich gegen 800 Ctr. dieses im ganzen wenig mehr gesuchten Gewürzes. 2. Die Ceylon-Cardamomen, Cardamomum longum s. zeylanicum von Elettaria major Smith (Elett. media Link) auf Ceylon. Weit mehr (bis 0,040m) in die Länge gezogen als die vorigen, 0,008m bis 0,010m dick, oft etwas bogig gekrümmt, deutlich kantig, dunkelgrau. Samen zahlreich, von etwas weniger feinem, mehr scharfem Geschmacke. 3. Seltener kommen heutzutage noch vor die Siam-Cardamomen, Car- damomum racemosum s. Cardamomum rotundum^ von Amomum Carda- momum Linn., das auf den ostindischen Inseln und in Siam wächst. Diese Früchte sind kugelig, gerundet dreikantig; das Fruchtgehäuse lichtgrau, brüchig, nicht zähe, wie bei den vorigen, weniger gestreift, stellenweise kurz borstig. Samen braungrau, fein runzelig, fest zusammengeballt, in jedem Fache zu 9 bis 12, von kampherartigeni Geschmacke. Im Alterthum war namentlich diese Sorte sehr beliebt und kam, damals noch an dem ge- meinschaftlichen Stiel sitzend, als kleine Traube (raceinus) in den Handel. - 4. Die Javanischen Cardamomen, Card, majus s. javanicum, von Amomum maximum Roxburgh , auf den Inseln und dem Festlande Ost- indiens. Sie sind länglich (0,025 lang, 0,015 breit), braun, stark gerippt, die Rippen gegen die Spitze reichlich mit Kork bedeckt, der im Wasser flügelartig aufquillt. Samen mattgrau, fein streifig. » Die Cardamomen waren schon im Alterthum hoch berühmt. Von den sehr zahlreichen , früher vorgekommenen Sorten hat sich fast nur noch die von Malabar behauptet. Cubebae. Fructus Cubebae. Baccae Cubebae. Piper Cubeba. Piper caudatum. Cubeben. Cubebe. Cubebs. Cubeba officinalis Miquel. — Piperaceae. Syn.: Piper Cubeba L. fil. Kletternder holziger diöcischer Strauch, zuverlässig nur auf Java (Ban- tam im Wresten, Insel Kambangan im Süden, am Berge Salak bei Buiten- zorg, bei Tjikoya), vielleicht auch in Nepal, auf den Molukken und auf Madagascar (?) einheimisch; auf Java in der Kesidentie Banlam angebaut, *) Elettari, einheimischer Narae der Pflanze auf der Malabar-Kiiste. Otfbeb&e. 613 wie es scheint aber als kleines Bäumchen oder strauchförmig, niclit eigentlich kletternd, gezogen. Der jährliche Ertrag beläuft sich auf über 60.000 Kilogr. Die trocken ungefähr 0,005m inessenden Früchtchen sind anfangs sitzend, später aber in einen dünnen Stiel von der doppelten Länge aus- gezogen, auf welchem sie sehr zahlreich, bis über 50, an einer gemein- schaftlichen, etwa 0,040nl langen verdickten gestielten Axe (Spindel) stehen, wodurch sie sich von Piper longum sowohl als von Piper nigrum unter- scheiden, indem die Beeren des ersteren mit der Spindel und den Deckblät- tern verwachsen, die des Piper nigrum aber kurzgestielt frei aus der Spindel der Aehren hervorragen. — Verkümmerte Früchtchen der Cubeba bleiben sitzend. Die Cubeben werden vor der Reife gesammelt, vermuthlich weil sie nachher andere chemische Eigenschaften erlangen. Sie sind kugelig, oft am Grunde eingefallen, sehr wenig zugespitzt, durch Einschrumpfung der fleischigen Fruchthaut runzelig, graubraun oder schwärzlich, häufig noch aschgrau bereift. Der Stiel ist die verlängerte Basis der Frucht und gliedert sich daher nicht ab, sondern bleibt sitzen; auch die wert- losen Spindeln der Aehre sind der käuflichen Waare beigemischt. Die Fruchthaut schliesst eine harte glatte hochgelbe Steinschale ein, worin der Same steckt. Wenn derselbe ausgebildet ist, was aber gewöhnlich nicht der Fall, so ist er niedergedrückt kugelig, glatt und glänzend braun, nur am Grunde mit dem Fruchtgehäuse verwachsen (bei Piper ganz) und hier mit einem dunkleren abgeplatteten Nabel versehen. Die Spitze des Samens ragt etwas hervor oder ist eingedrückt. Das Eiweiss erscheint mehlig, weiss, gegen die Peripherie zu ölglänzend, nicht hohl, unter der Spitze den kleinen Embryo bergend. In der käuflichen Waare aber zeigt sich der Same zu einer unförmlichen schwarzen Masse eingeschrumpft, welche das Frucht- gehäuse grösstentheils leer lässt. Der anatomische Bau bietet sehr auffallende Eigenthümlichkeiten. Die äussere Fruchthaut unter der Epidermis wird durch kleine würfelige Stein- zellen gebildet, welche nur in einer einzigen, da und dort unterbrochenen Reihe stehen und halb so gross sind wie bei Piper nigrum. Die mittlere breite Fruchtschicht besteht aus kleinzelligem unentwickel- tem Gewebe, das Oeltropfen, Stärkekörner und Krystallgruppen von Cube- bin, vermuthlich auch Fett, enthält. Diese Mittelschicht ist von sehr grossen Oelzellen unterbrochen , welche auch oft Cubebinkrystalle in con- centrisch vereinigten Nadeln einschliessen. Die bei weitem schmalere innere Fruchtschicht besteht aus ungefähr vier Reihen etwas grösserer tangential gestreckter zarter Zellen, welche nur Oel enthalten. An diese schliesst sich die hellgelbe spröde Steinschale, aus einer dicht gedrängten Reihe fast ganz verdickter poröser und geschichteter, ra- dial gestellter länglicher Steinzellen. Der Samenkern endlich wird durch eine dünne braune Samenhaut bedeckt und zeigt den Bau und Inhalt des Eiweisses von Piper nigrum, nur dass bei Cubeba die Zeilen mehr rund- lich und die Krystallgruppen Cubebin, nicht Piperin, sind. 614 Früchte. Geruch und Geschmack durchdringend gewürzhaft, kampherartig, aber nicht scharf, die Fruchtwand mit bitterlichem Beigeschmäcke. Hauptbestandteil der Cubeben ist neben Harz das ätherische Oel, über dessen Menge die Angaben von 3 bis gegen 16 pC. (Bern atz ik 9,4 pC.) schwanken. Die Beschaffenheit der Waare, die Yeränderlichkeit des Oeles, die Art der Destillation des erst bei 250 — 260° C. unter theil weiser Zer- setzung übergehenden, sehr schwer vollständig zu gewinnenden Oeles bedingen diese wechselnde Ausbeute. Dazu noch vielleicht Verwechslung der Cubeben mit anderen ähnlichen Früchtchen. Jedenfalls zeigt schon das Mikroskop , dass die Cubeben an ätherischem Oele sehr reich sind. Das sehr dickflüssige Cubebenöl, alleiniger Träger des Aromas der Frucht, ist der Hauptsache nach isomer oder polymer mit Terpenthinöl. Es setzt häufig Rhombenoktaeder eines Stearoptens O10H16+2 (G10H16+H2Q) oder vielleicht einfacher ü1oH16-f-H20 ab. Mit diesem Cubebenkam- pher ist nicht zu verwechseln das Cubebin O10Hl0O3, dessen Krystalle bisweilen schon mit der Loupe in der Fruchtwand zu sehen sind. Schuck erhielt davon ]/5 pC, Engelhart wie auch Bernatzik das doppelte; An- gaben bis zu 4 oder 6 pC. beziehen sich auf andere, ohne Zweifel unreine, mit Unrecht als Cubebin bezeichnete Körper. — Das von Soubeiran und Capitaine entdeckte Cubebin ist indifferent geschmack- und geruchlos, nicht spaltbar ; seine chemischen Funktionen sind übrigens noch nicht er- forscht. Das aus dem (durch beigemengtes Cubebin) körnig-krystallinischen Ab- sätze des ätherischen Extractes nach Entfernung des Oeles erhältliche Harz ist eine amorphe Säure, die Cubebensäure von Bernatzik, welche ähnlich der Copaivasäure krystallisirende Salze liefert, z. B. mit Baryt. Sie beträgt 3,4 pC, ein zweites, in Alkalien nicht lösliches Harz 3,5 pC. Nach Bernatzik, dem wir eine vorzügliche Untersuchung der Cubeben (1865) verdanken, ist die Cubebensäure alleiniger therapeutisch wirksamer Stoff der Cubeben. Den Cubeben ähnlich und damit bisweilen verwechselt sind die Früchte von Cubeha canina Miquel (Piper caninum Blume, P. Cubeba Vahl), welche häufig auf Sumatra, Borneo und den übrigen ostindischen Inseln, auf Java z. B. in der Provinz Bandong wächst. Sie sind aber kleiner, wenig runzelig, ihre Samen gestrichelt, der Geschmack schwächer und anisartig, die Stielchen nicht länger als die Beeren. Zu einer Namenverwechslung könnten auch die Guinea-Cubeben von Cubeba Clusii Miquel, aus Westafrika, Anlass geben. Ihre Nelken- farbe unterscheidet sie. Diese Früchte (vorausgesetzt, dass keine Verwechs- lung Statt gefunden) sind interessant, weil sie, nach Stenhouse, Piperin, nicht Cubebin enthalten. Noch andere Arten der Gattung Cubeba scheinen sehr ähnliche Früchte zu besitzen; im deutschen Handel jedoch pflegen nur die der Cubeba officiualis vorzukommen. Unter dem Namen einer „Beisorte" kamen in neuester Zeit aus Nieder- Piper nigrum. 615 ländisch Indien abweichende Cubeben unbekannten Ursprunges nach Europa, die bald für ächte, jedoch ausgereifte Cubeben, bald aber für specifisch ver- schieden gehalten wurden. Eine von Job st gelieferte Probe dieser „Bei- sorte" zeigt grössere, nicht bereifte, sonst aber mit den gewöhnlichen Cu- beben äusserlich übereinstimmende Früchte. Der Geschmack jedoch ist abweichend, an Macis und Terpenthinöl erinnernd. Fast immer enthält diese Beisorte gesunde, ganz ausgebildete Samen. Ein Unterschied im ana- tomischen Bau liegt einzig darin, dass die Mittelschicht der Fruchtwand aus weitem schlaffem Parenchym besteht, dessen Zellen nur wenig Amylum, aber viele kleinere und grössere braungelbe Oeltropfen enthalten. Auch krystallisirtes Cubebin scheint zu fehlen, die Eiwefsszellen sind etwas mehr eckig. Die charakteristische Steinschale ist ganz gleich wie bei den ge- wöhnlichen Cubeben. — Demnach ist es sehr wahrscheinlich, dass diese „Beisorte" aus reifen Cubeben besteht. Jedenfalls ist dieselbe durchaus unzulässig. Der Nelkenpfeffer (S. 561) lässt sich an den ungestielten Früchten, so wie an dem ganz verschiedenen Aroma und an dem Kelchsaum erkennen, welcher die Frucht krönt; die Kreuzbeeren (S. 600) sind viersamig; der schwarze Pfeffer endlich, der auch wohl den Cubeben beigemischt sein könnte, stiellos und sein Samen mit der Fruchtwand verwachsen. Das Wort Cubeben stammt aus dem Hindostanischen Cubab, welchen Namen aber auch die sogenannten Flores Cassiae führen.1) Die javanische Bezeichnung ist Cumac. In der indischen Volksmedicin scheinen sie lange gebräuchlich gewesen zu sein; unwahrscheinlich ist es, dass die Griechen und Römer sie gekannt. Das Mittelalter erhielt vermuthlich unter diesem Namen verschiedene Früchte. Die Araber Masudi (X. Jahrh.) und Edrisi (XII. Jahrh.) nannten Cubeben als indisches Gewürz, ebenso im XL Jahrh. der Salernitaner Constantinus Africanus, auch die Aebtissin Hilde- gard erwähnte um 1150 „Cubebo." Noch Clusius beschrieb Cubeben, deren Identität mit den unserigen zweifelhaft ist. Die letzteren kannte zuverlässig um 1609 der holländische Botaniker D od onae us und die holländisch -ostindische Compagnie führte schon 1775 bis 1780 jährlich etwa 10,000 Pfund davon aus; doch gelangten die Cubeben bei uns erst im Anfange dieses Jahrhunderts von England aus in allgemeineren Gebrauch. 1838 wurden hier etwa 18,500 Pfund eingeführt. Piper nigrum. Fructus Piperis nigri. Bacca Piperis nigri. Schwarzer Pfeffer. Poivre commun ou noir. Black pepper. Piper nigrum L. — Piperaceae. Kümmernder oder kriechender Strauch, ursprünglich nur in Travancore und Malabar einheimisch, jetzt daselbst, so wie in Hinterindien (Pulo Pe- J) in Shanghai auch die Früchte von Daphnidium Cubeba (Laurineae). 616 Früchte. nang und Singapore) und den westlichen Inseln des Archipelagus , beson- ders auf Sumatra viel und ohne grosse Mühe vorzüglich durch Stecklinge angebaut. Die Pflanze klettert rebenartig 20 bis 25 Fuss hoch an Bäumen (Mangifera. Erythrina. Uncaria Gambir. Areca Catechu u. and.) empor, oder in der Kultur an Stangen. Hier wird sie aber meist niedriger, nur 3 bis 4 Fuss hoch gehalten und die Pflanzungen mit Schattenbäumen versehen. In sehr reichem Boden ist der Pfeifer schon vom ersten, sonst vom 3ten bis zum 20sten oder 2 Osten Jahre ertragsfähig und gibt bisweilen 2 Ernten,1) deren Zeitpunkt sehr von der Witterung abhängt, so dass sie oftmals in einander übergehen. Die runden beerenartigen Früchtchen sitzen zu 20 bis 30 ziemlich locker an dem gemeinsamen herabhängenden Fruchtstiel (Spindel) und sind erst grün, dann roth, zuletzt gelb, werden aber vor der vollkommenen Reife gesammelt, so wie die ersten (untersten) Beeren der Aehre sich zu röthen beginnen. Die meisten sind dann noch grün und werden durch das Trock- nen an der Sonne oder in Bambukörben am Feuer schwärzlich grau oder braun. Lässt man die Früchtchen ausreifen, so verlieren sie an Schärfe und fallen auch nach und nach ab. Diejenigen der weiblichen Blüthen sind weni- ger scharf als die aus Zwitterblüthen hervorgegangenen Beeren. Nach dem Trocknen sind sie kugelig runzelig, von etwa 0,005m Durchmesser, durch den Rest des sehr kurzen Blüthenstielchens undeutlich zugespitzt , auf der entgegengesetzten Seite noch weniger auffallend durch die drei oder vier- lappige Narbe gekrönt. Die dünne Fruchthaut schliesst einen einzigen Samen fest ein, dessen Embryo wegen der frühzeitigen Einsammlung des Pfeffers nicht entwickelt, sondern gewöhnlich nur durch eine unter der Spitze liegende Höhlung ver- vertreten ist. Der Samen selbst enthält in der dünnen braunrothen Samen- schale ein glänzendes, aussen grünlich graues hornartiges, im Innern weis- ses mehliges Eiweiss. Der Querschnitt zeigt eine zarte gelbliche Oberhaut, welche die äussere Fruchthaut bedeckt. Diese ist gebildet aus einer dicht zusammenschliessen- den gelben Schicht grosser , meist radial gestellter dickwandiger poröser Steinzellen, welche in ihrer kleinen Höhlung einen Klumpen dunkelbraunen Harzes enthalten. Die mittlere Schicht der Fruchthaut besteht aus zar- tem, etwas tangential gestrecktem Parenchym, welches reichlich kleine (höch- stens 6 Mikromill. messende) Stärkekörnchen und Oeltropfen zeigt. Durch das Zusammenfallen dieser lockeren Mittelschicht entstehen beim Trocknen der Beeren die starken Runzeln der Oberfläche. Die darauf folgende innere Fruchthaut zeigt gegen die Peripherie zu tangential gereihtes zartes Prosen- chym, dessen Zellen entweder spiralige Streifung oder Spiralfasern besitzen, nach innen dagegen lockeres stärkefreies Parenchym mit sehr grossen Oelzelleu . !) Nach Jackson (1865) scheint dem nicht so zu sein. In Travancore blüht der Pfeffer im September und October und reift die Früchte im März, so dass wohl in der Regel eine zweite Fruchtbildung im Jahre nicht möglich wäre. Piper nigrum. 617 Die Samenschale wird zunächst aus einer Reihe kleiner, sehr eigen- thümlicher gelber Zellen gebildet, auf deren innerer Wandung starke poröse Verdickungsschichten abgelagert sind, so dass ihr Querschnitt einigermassen an die Kernscheidezellen der Sarsaparillwurzel erinnert. Doch sind jene Sainenschalenzellen würfelig, nicht prismatisch; häufig liegen darin ein- zelne Krystallrosetten von Kalkoxalat. Auf diese Steinzellen folgt als eigent- liche Samenschale eine sehr dichte dunkelbraunrothe Schicht verholzter Zellen, deren Umrisse im einzelnen unkenntlich sind. Das Sameneiweiss besteht aus eckigem , radial geordnetem grosszelligem Parenchym mit zum Theil formlosem Amylum. Eingestreut siud zahlreiche grosse Oelzellen, bisweilen auch Prismen krystallisirten Piperins. Der bekannte beissend scharfe Geschmack des Pfeffers ist durch das Harz bedingt. Das ätherische Oel (nur 1 pC), isomer mit Terpenthinöl, besitzt mehr den Geruch als den Geschmack des Pfeffers. Sein interessan- tester Bestandteil (etwa 4 pC.),1) das schön krystallisirende , 1820 von 0 erste d entdeckte Piper in, ist geschmack- und geruchlos und lässt sich, wie Anderson 1850 gefunden, in Piperinsäure und Piperidin, eine flüssige flüchtige Base, spalten. — Vermuthlich enthält der Pfeffer auch noch fettes Oel in der mittleren Fruchthaut. — Die Aschenbestand- theile betragen gegen 5 pC. Der oben bezeichnete indische Kulturbezirk des Pfeffers allein ver- sieht fast die ganze Welt mit demselben und erzeugt jährlich (nach Crawfurd)2) etwa \fa Million Centner, wovon etwa ein Drittel nach Europa geht. England führte 1862 über 18 Millionen Pfund schwarzen und weis- sen Pfeffer ein, 1863 etwa 14 Mill., 1864 über 13 Mill. schwarzen und 900,000 Pfd. weissen Pfeffer; die Gesammtproduktion erreicht wohl 50 Mill. Pfund. Den besten liefert Malabar, den meisten aber Singapore und Pulo Penang in der Strasse von Malacca. Ostwärts nimmt die Kultur ab , schon Java erzeugt sehr wenig Pfeffer. Auch Cochinchina, Brasilien, Westindien und andere Tropengegenden liefern nicht viel. Der Pfeffer ist eines der ältesten Gewürze der indischen Welt und hat sich von da aus bei allen Yölkern instinktmässig unentbehrlich gemacht, hauptsächlich als Genussmittel, zumal in den Reisländern, weniger als Me- dikament. Der Sanskrit- Name des langen Pfeffers, Pippau, geht, auf den schwarzen Pfeffer (Maricha sanskrit) übertragen, durch fast alle Spra- chen, nachdem die Perser das ihnen fehlende 1 darin durch r ersetzt hatten. Im Alterthum und Mittelalter, wo allein von Malabar (dem „Pfefferland" 3) des Mittelalters) und Ceylon Pfeffer auf dem mühsamen Landwege oder *) Wert he im erhielt aus schwarzem und weissem Pfeffer, zu gleichen Theilen gemischt, direkt IV4PC Piperidin, entsprechend 4,4p C. Piperin. — Wittstein gewann aus schwarzem Pfeffer 2,4 pC. Piperin. 2) Aeltere Angabe. Nach Jackson erzeugt Travancore jetzt (1865) jährlich etwa 55,000 Pfund. 3) So nennt es schon Edrisi in der Mitte des XII. Jahrh. 618 Früchte. durch das unsichere Rothe Meer und die von den Sultanen beherrschte Landenge über Alexandria1) nach. Europa gelangen konnte, war derselbe das begehrteste kostbarste Gewürz, das Symbol2) des ganzen Gewürz- handels, dem Genua und Yenedig, so wie die süddeutschen Handelsstädte einen grossen Theil ihrer Reichthümer verdankten. Dass die Alten unter Peperi und Piper jedoch unsern Pfeffer ausschliesslich verstanden hätten, lässt sich z. B. aus den Berichten von Theophrast, Dioskorides und Plinius keinesweges mit Sicherheit entnehmen. Dagegen nennt Arrianos im Periplus des Rothen Meeres (Mitte des ersten Jahrb.. unserer Zeitrech- nung) bestimmt die Malabarküste als Heimat des Pfeffers, ebenso Kosmas Indicopleustes (Mitte des VI. Jahrh.), welcher die Pflanze ganz treffend mit dem Weinstocke verglich, wie auch 6 Jahrhunderte später Edrisi. Einer der ersten Westeuropäer, der aus eigener Anschauung die Pfefferrebe schilderte, war der Venetianer Nicolo Conti,3) welcher zu Anfang des XV. Jahrhunderts 25 Jahre im Oriente zubrachte. Er traf die Pflanze auf Sumatra und nannte sie dem Epheu ähnlich. Die Gewürze, und ganz besonders auch der Pfeffer, spornten die Portu- giesen zur Aufsuchung des Seeweges nach Indien an. Erst von dessen Ent- deckung an (1498) fiel der hohe Preis des Pfeffers sehr stark, indem zugleich seine Kultur sich nach den westlichen Inseln des Archipelagus verbreitete, auf welche sie sich noch jetzt beschränkt. Portugal machte den so höchst einträglichen Pfefferhandel bis in das XVIII. Jahrhundert zum Kronmonopol. Ritter (Asien IV. 865 — 875) hat eine höchst anziehende Schilderung dieser Verhältnisse gegeben. Auch jetzt noch nimmt der Pfeffer in der Handelswelt unter den Ge- würzen unbedingt die erste Stelle ein. DerWerth der jährlichen Produktion darf auf mehr als 20 Millionen Francs angeschlagen werden. Verwechslungen und Verfälschungen des Pfeffers sind nicht wohl mög- lich; mit demselben Namen werden aber noch manche andere Samen und Früchte belegt. So namentlich die ganz verschieden aussehenden und auch mehr aromatisch als scharf schmeckenden Früchte oder Fruchtstände der durch ganz Mittelafrika vorkommenden Habzelia aethiopica De Cand. (Unona !) Der Rath von Bern verbot noch 1518, in Ermangelung des alexandrinischen Pfeffers portugiesischen zu geben. 2) Im Mittelalter wurden Zölle in Pfeffer errichtet, Vergabungen davon hoch angeschlagen uud derselbe überhaupt im XIV. und XV. Jahrhundert bei Geldnoth als Zahlmittel gebraucht. Bei der Belagerung Roms im Jahre 408 forderte der Gothenkönig von der Stadt als Lösegeld unter anderem neben 5000 Pfund Gold und 3000 Pfund Silber auch 3000 Pfund Pfeffer (Gregorovius). — Nürnberg entrichtete in St. Gallen wegen Zollbefreiung jährlich 1 Pfund Pfeffer. — Die ägyptischen Sultane, so z. B. Bursbey (1422 — 1432), bemächtigten sich, zum Schaden der Venetianer, des Pfeffertrausites, wie schon im II. Jahrhundert unserer Zeitr. Roms Zollstätte in Alexandria unter den aus Indien durchgehenden Gütern auch Pfeffer be- steuerte. — Noch 1640 nahm Karl I. in erster Linie die Pfeffervorräthe der englisch-ostindi- schen Compagnie weg, um „Geld zu machen." 3) Kunstmann, Kenntniss Indiens im XV. Jahrhundert. München 1863. pag. 20. Piper longum. 619 aethiopica Dunal, Familie der Anonaceae) , welche noch im vorigen Jahr- hundert in Europa unter dem Namen Piper aethiopicum bekannt waren. Die alten Griechen scheinen dieses Gewürz unter ihrem Peperi (MsTuspi) verstanden zu haben, bis der Zug Alexander's d. Gr. sie auch den ächten, so wie den langen Pfeffer kennen lehrte. Als Cayenne-Pfeffer gehen mehrere Capsicum- Arten (S. 605), als Jamaica-Pfeffer Pimenta officinalis (S. 561), als Piper japonicum frü- her auch die Früchte von Xanthoxylon piperitum DeC. Piper longum. Spadices Chavicae s. Piperis longi. Langer Pfeffer. Poivre long. Long pepper. Chavica officiiiarum Miquel. — Piperaceae. Syn. : Piper longum Eumphius. Blume. Auf den Philippinen und den Sundainseln, auch in Nepal und Bengalen wildwachsender, besonders an den Küsten Javas kultivirter schöner Schling- strauch, der die höchsten Bäume erklimmt. Die kleinen, nur 0,002m langen beerenartigen Früchtchen sitzen sehr zahlreich, zu 100 bis 200, an einem gemeinschaftlichen faserigen, zum Theil gehöhlten Fruchtstiel (Spindel), sehr dicht in Spirallinien geordnet und gestützt durch kleine schildförmige Deckblättchen. Diese sind mit den Früchtchen fest verwachsen , so dass ein walzenförmiger, kätzchen- oder kolbenartiger geschlossener Fruchtstand von etwa 0,04m Länge und 0,006m Dicke entsteht, dessen gemeinschaftliche Axe nur da sichtbar ist, wo sie als Stiel, noch etwa 0,02m lang, unter dem Kolben heraustritt. Dieser ganze Fruchtstand bildet den langen Pfeffer des Handels; er enthält keine männlichen Blüthentheile , da die Pflanze diöcisch ist. Die Einsammlung geschieht vor der Reife. Die Oberfläche des langen Pfeffers ist durch die hervorragenden gewölb- ten Scheitel der einzelnen Beeren höckerig; in den Vertiefungen sitzen die zusammengeschrumpften Schildchen der Deckblättchen. Die rothbraune Farbe der Beeren pflegt durch einen ziemlich starken Ueberzug von grauer Erde verdeckt zu sein, wie wenn die Kolben in feuchtem Boden gelegen hätten. Der Querschnitt zeigt 8 bis 10 einzelne Früchtchen strahlenförmig mit ihrem spitzeren Ende der Axe zugewendet, am entgegengesetzten Ende die Narbe tragend. Unter der hellbraunen Fruchthaut schliesst die glänzend braunrothe dünne Samenschale ein weisses mehliges oder grauliches horn- artiges Eiweiss ein; der kleine, gewöhnlich nicht ausgebildete Embryo steckt im stumpferen Ende des Samens. Der anatomische Bau der Früchtchen gleicht im Allgemeinen dem des schwarzen Pfeffers, zeigt aber doch charakteristische Unterschiede. Die Fruchthaut hat zu äusserst tangential gestreckte dickwandige, sehr enge 620 Früchte. Zellen, welche Schleim enthalten; die mittlere Schicht der Frucht- haut besteht aus weiterem zartwandigem , Oeltropfen und Stärke füh- rendem lückigem Parenchym. In die äussere und mittlere Fruchtschicht sind zahlreiche grosse Steinzellen eingestreut, wie in der äusseren Frucht- haut von Piper nigrum; bei Chavica aber bilden sie keinen geschlossenen Kreis. Die innere Fruchthaut des langen Pfeffers wird aus einer Reihe grosser, doch zarter kubischer oder länglicher, radial gerichteter , mit äthe- rischem Oele erfüllter Zellen gebildet. Eine Reihe kleinerer, tangential gestreckter Zellen trennt diese Oelzellen von der festen braunrothen Samen- schale, welche aus ganz verholzten Zellen besteht, ähnlich wie die innere Schicht der Samenschale des schwarzen Pfeffers, aber ohne jene letzterem eigenthümlichen Steinzellen. Das Eiweiss der Chavica unterscheidet sich durch den Mangel des ätherischen Oeles von dem des Piper nigrum. Chemische Bestandteile wie beim schwarzen Pfeffer. Da an der ganzen Masse des langen Pfeffers nur die Fruchthaut ätherisches Oel und Harz führt, so ist der Geschmack nothwendig weit weniger intensiv. Aus Bengalen, den Küstengebirgen Vorderindiens, Ceylon, gelangen die ähnlichen, aber kürzeren langgestielten Kolben der Chavica Roxburghii Miquel (früher als Piper longumRoxbgh. mit Chavica officinarum zusammen- geworfen) gleichfalls als Piper longum in den englischen Handel, während die Wurzel dieser Art ein Lieblings -Heilmittel der Hindus ist, auch zur Würzung des Essigs dient. In früheren Zeiten den Ruhm des schwarzen Pfeffers theilend , ist der lange jetzt in Europa wenig mehr gebräuchlich. Nicolo Conti1) fand in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts auf Sumatra den langen Pfeffer neben dem schwarzen. Strobili Lupuli. Amenta s. Coni Lupuli. Hopfen. Hopfenkätzchen. Houblon. Hops. Hunilllus Lupulus L. — Cannabineae. Der zapfenförmige lockere Fruchtstand1) dieser sehr weit verbreiteten und häufig sehr im grossen kultivirten diöcischen Sclilingflanze. Sie findet sich wild vorzüglich in Gebüschen, an Flussufern durch ganz Europa von Spanien und Griechenland an bis gegen den Polarkreis, doch weniger im Süden; ferner im Kaukasus, in den südkaspischen Ländern, in Sibirien, im Altai, in Nordamerika. Der Fruchtstaud (weibliche Zapfen) ist gebildet aus einer graufilzigen, 8 — 9 mal im Zickzack hin- und hergebogenen, bis 0,04m langen, dünnen x) Kunstmann, in der pg. 618 angeführten Schrift S. 40. 1) Hopfen soviel als Efaufen, gehäufte Frucht, bei der heiligen Hildegard um 1150 ,,hoppha". — Humulus vom nordischen hamal, Früchte tragen. Strobili Lupuli. 621 Spindel,1) welche an jeder ihrer 8 — 9 Ecken ein unentwickeltes Aestchen mit je 2 Paaren von kurz gestielten Verblättern trägt. Jedes der 4 Vor- blätter umschliesst mit seinem am Grunde umgefalteten Rande ein kleines linsenartiges, etwa 0,003m messendes Schliessfrüchtcheu , das von einem häutigen runzeligen einblätterigen Perigon eingehüllt ist und in der dünnen zerbrechlichen braunen Fruchtschale einen eiweisslosen Samen enthält. Jedes Aestchen ist unterhalb der Vorblätter von 2 ein wenig grösseren, bis 0,02m langen Deckblättern gestützt. Diese sämmtlichen schuppenartig ziegeldachförmig gestellten Blattorgane sind länglich schief eiförmig, dünn- häutig, netzaderig, gelblich grün; bei der vollkommenen Fruchtreife fallen sie von ihren Stielchen und der Spindel ab. Diese letztere, noch reichlicher aber die Früchtchen , weniger die Basis der Vor- und Deck- blätter, sind mit zahlreichen gelben glänzenden durchscheinenden Balsam- drüsen bestreut, welche ungefähr lOpC. des Gesammtgewichtes der Frucht- zapfen ausmachen. Der aromatische Geruch und Geschmack, sowie die wichtigsten chemischen Eigenschaften des Hopfens sind durch diese Drüsen bedingt, welche als Hopfenmehl oder Lupulin eigens gesammelt werden (vgl. Glandulae Lupuli). Ausser den Stoffen der Drüsen enthält der Hopfen hauptsächlich nur noch 3 — 5 pC. nach Wagner der Moringerbsäure ähnlichen Gerbstoff, Chlorophyll, Gummi und 8,5 pC. Aschenbestandtheile (Lermer). Bei nicht sehr sorgfältiger Aufbewahrung verliert er leicht die grünliche Farbe, geht in braun über und nimmt, vermuthlich durch Oxydation des ätheri- schen Oeles (vgl. bei Glandulae Lupuli) zu Valeriansäure, einen widrigen Geruch an. Schwefelige Säure, deren Dämpfen man den Hopfen aussetzt, verhindert diese Veränderungen oder hält sie auf. Liebig hat die Bedenken, welche von Seiten der Bierbrauerei gegen das „Schwefeln" des Hopfens erhoben worden, widerlegt. — Für den medi- cinischen Gebrauch indessen darf jedenfalls ein nach schwefeliger Säure riechender Hopfen nicht verwendet werden; aber dieselbe wird ja sehr bald durch Oxydation zu Schwefelsäure oder durch Verdampfung völlig un- schädlich. Der Hopfen ist bekanntlich für den Geschmack und die Haltbarkeit des Bieres unentbehrlich. Nur in frühester Zeit hatte man statt desselben andere bitter- aromatische Pflanzen (Myrica Gale, Glechoma, Menyanthes) benutzt; schon 7G8 werden in Deutschland Hopfengärten genannt und seit dem XI. Jahrhundert, wo besonders der böhmische Hopfen berühmt war, wurde das „Hopfen" allgemein. Skandinavien kultivirte Hopfen schon im XIV. Jahrhundert, Eugland erhielt ihn erst 1524 aus den Niederlanden, nicht ohne grossen Widerstand. Guter Hopfen soll die Lupulindrüsen reichlich besitzen; vom Aroma ganz abgesehen, ist ihre Form so eigenthümlich, dass betrügerische Zusätze l) Die Fruchtzapfen wildwachsender Pflanzen pflegen etwas kleiner zu sein. 622 Früchte. (Lycopodium, Colophonium, Oker) durch das Mikroskop leicht ermittelt werden. Fructus Lauri. Baccae Lauri. Lorbeeren. Baies de Laurier. Laurel berries. . Laurus nobilis L. — Laurineen. Der kleine Lorbeerbaum stammt aus dem Oriente, wo er z. B. in Syrien und im cilicischen Taurus bis in die Bergregion, nicht aber in Palästina, sehr gemein ist. Schon im Alterthum wurde er über die Länder des Mittel- meeres verbreitet, wo er jetzt viel kultivirt und bis in südliche Schweiz, ja sogar durch England, Irland und Schottland (hier unter 58° noch lmhoch!) fast verwildert ist. Seine Früchte sind getrocknet braunschwarz , länglich rund, bis 0,01 5m lang, glänzend und unregelmässig runzelig, oben etwas zugespitzt, unten mit dem kurzen verdickten Fruchtstielchen oder, da es leicht abfällt, mit dessen heller vertiefter Narbe versehen. Das sehr dünne Fruchtgehäuse besteht aus zwei leicht trennbaren Schichten, der äusseren blauschwarzen bis bräunlichschwarzen, derb flei- schigen und der inneren durchscheinenden braunen und zerbrechlichen Stein- schale, welche mit der zarten, fest angewachsenen Samenhaut ausgekleidet ist. Der grosse bräunliche Sarnenkern liegt frei in der trockenen Frucht und zerfällt leicht in seine zwei plankonvexen Samenlappen, welche das kleine nach oben gerichtete Würzelchen einschliessen. Die fleischige schwärzliche Fruchtschicht ist von einer gelblichen Ober- haut aus dünnen tafelförmigen, tangential gestreckten Zellen bedeckt, auf welche noch eine oder zwei Reihen ähnlicher eckiger Zellen folgen, welche dann allmälig in das groszellige rundliche lockere Parenchym des Frucht- fleisches übergehen, worin grössere Oelräume zerstreut sind. Die Steinschale besteht aus einer Reihe blassgelblicher, radial gestellter, ganz verdickter Steinzellen, deren Wände aber nicht einfach cylindrisch sind, sondern in manigfachen Biegungen sternförmig aus- und eingestülpt, zahnartig in einander greifen. Ein tangential durch diese Steinschale ge- führter Schnitt bietet daher dicke, zierlich gebogene verschlungene Zell- wäude und nur sehr schmale, entsprechend sternförmig gekrümmte Höh- lungen. Die von der Steinschale nicht ablösbare Samenhaut ist gleich breit, wie jene, aber aus kleinem, tangential gestrecktem, sehr dünnem braunem und lückigem Parenchym gebildet, das sehr kleine kurze Spiralgefässe und im Grunde der Samenschale, am Nabel, auch Bastfasern enthält. Die Samenlappen bestehen aus grossen, rundlich eckigen dünnwandigen Zellen, welche nur in den 2 — 3 äussersten Lagen etwas kleiner, eckig und tangential gestreckt erscheinen. Die Lorbeeren riechen nicht unangenehm gewürzhaft und schmecken aromatisch bitter und adstringirend. Das Fruchtfleisch enthält kleine Amylumkorner, Chlorophyll, Gerb- Fructus Petroselini. 623 säure , einzelne rothbraune Klümpchen von Farbstoff oder Harz und in den grossen Oelzellen hell grünlichgelbes Fett. Die Samenlappen strotzen von Arnylum, dessen Körner hier grösser sind als im Fruchtgehäuse. Bonastre fand ausserdem Zucker, Gummi, ätherisches Oel (0,8 pC. Bonastre, 0,2 pC. Bley) und das indifferente, geruch- und geschmacklose L aurin oder Laurocerin (1 pC.) G22H30-Q3, welches Delffs aus den Kotyledonen rein dargestellt hat. Das ätherische Oel, zum Theil ebenfalls in den letzteren enthalten, ist ein Gemenge von O10H16 (bei 164° C. siedend) und 015H24 (bei 240° C. siedend) mit einem sauerstoffhaltigen Oele, das Gladstone für Nelkensäure, Blas für Laurostearin säure (Laurinsäure) erklärt. Das rohe Oel rotirt sehr wenig nach links. Die Kotyledonen enthalten ferner über 30 pC. eines festen Fettes, Laurostearin, das auch in andern Pflanzenfetten (Cocostalg, Pichurim- fett) noch vorkömmt. Die Laurostearinsäure 0l2H?4O2 gehört, zwischen Caprin- und Myristinsäure, als eilftes Glied der Fettsäurenreihe an. Durch Auskochen und Pressen der Lorbeeren stellt man, besonders am Garda-See (Lombardei), das schön grüne halbflüssige Oleum laurinum für sich dar. Es riecht nach Lorbeeren und besteht hauptsächlich aus dem Laurostearin, gemengt mit flüssigem fettem und ätherischem Oele und ge- färbt durch Chlorophyll, welches durch Bleichen zersetzt und abgeschieden werden kann. Das Laurostearin krystallisirt bei allmäligem Erkalten des erwärmten Lorbeeröles unter 45° C. in warzigen weisslichen Drusen aus. Fructus Petroselini. Semen Petroselini. Petersilienfrucht. Petersiliensamen. Fruit ou semence de Persil. Parsley fruit or seed. Petroselinum sativum Hoffmann. — UmbelUferae Syn. : Apium Petroselinum L. Zweijährige, an feuchten Standorten im östlichen Gebiete des Mittel- meeres bis Sardinien , besonders aber auf den griechischen Inseln einhei- mische Doldenpflanze, zum Küchengebrauche durch fast ganz Europa kulti- virt. In Norwegen erlangen ihre Früchte noch ein kräftiges Aroma bis Finnmarken. Die ungetheilte Frucht ist stark von den Seiten her zusammengedrückt; die Fugenfläche misst nur 0,00 lm, der darauf senkrechte Durchmesser das doppelte und die Länge der Frucht vom Stielchen bis zur Griffelbasis wenig mehr, so dass vor der völligen Reife die ganze Frucht, von der Seite ge- sehen, eine länglichrunde dicke Scheibe darstellt. An der reifen zwei- knöpfigen Frucht ist die Fugenfläche, so wie die Randrippen gebogen, so dass die beiden Theilfrüchtchen aus einander klaffen und sich sehr leicht trennen. Jedes derselben trägt ausserdem noch eine Rippe auf dem Rücken 624 Früchte. und zwei zu beiden Seiten derselben. In jedem der 4 breiten dunkel grün- graulichen, fein gestrichelten Thälchen scheint ein Oelgang undeutlich durch und zwei weitere auf der Fugenfläche. Die Rippen sind nur sehr schwach, durch hell gelbliche Färbung aber scharf hervortretend. Im Querschnitte zeigt das Ei weiss die Gestalt eines rundlichen trape- zoidischen Fünfeckes, dessen Basis die ziemlich gerade oder nach aussen gewölbte Fugenfläche darstellt. Eiweiss und Embryo sind von der gewöhnlichen Beschaffenheit; ebenso die innere Fruchthaut, deren braune, fast kubische Zellen einen derben Ring von etwa 30 Mikromill. Breite bilden. Die tief dunkelbraunen Oelgänge sind, im Querschnitte, von elliptischer oder planconvexer Form; ihre mehr gerade, bis 200 Mikromill. messende Seite ist nach aussen gerichtet und von einigen Schichten lockeren, tief braunen korkartigen Gewebes umgeben. Die Gänge selbst besitzen den- selben Bau wie etwa in Fructus Foeniculi. Die Mittelschicht des Fruchtgehäuses ist durchschnittlich nicht breiter als 140 Mikromill.; ihr Gewebe sowohl als das der schwachen Holzbündel unter den Rippen und dasjenige der Oberhaut ist von demselben anatomi- schen Baue wie bei Fructus Conii. Geruch und Geschmack der Petersilienfrucht sind ziemlich stark und sehr eigenthümlich, hauptsächlich bedingt durch das ätherische Oel, dessen Menge zwischen 0,8 und 3,2 pC. schwankt. Es ist mit Terpenthinöl isomer, aber sehr zur Oxydation geneigt, so dass aus dem wässerigen Destillate beim Abkühlen oder längeren Stehen Prismen eines Stearoptens (Peter- siliencampher), O12H1404 nach Blanchet u. Seil, O1OH140-4 nach Wän- de sieben anschiessen, während ein festes harzartiges, nicht flüchtiges Produkt zurückbleibt. Diese Verhältnisse, ganz abgesehen von der Herkunft der Frucht, mögen viel zu der ungleichen Ausbeute an Oel beitragen. Einen merkwürdigen Körper, das Apiol, haben (1852) Homolle und Joret aus den Petersilienfr ächten dargestellt und als Surrogat für Chinin empfohlen in Folge eines vom französischen Kriegsminister und der Pariser Societe de Pharmacie ausgesetzten Preises von 8000 Franken für künst- liche Darstellung des Chinins oder gleich wirkender Ersatzmittel. Das Apiol ist eine fast farblose ölige, nach Petersilie riechende Flüssigkeit von 1,078 spec. Gewicht, bei 12° C; man erhält es beim Ausziehen des durch schwachen Alkohol gewonnenen Extraktes vermittelst Chloroform oder Aether und Digestion mit Bleioxyd. Das Apiol ist nicht flüchtig und in Wasser unlöslich, von schwach saurer Reaktion, stickstofffrei. Eine Elemen- taranalyse desselben liegt nicht vor und seine chemischen Funktionen sind unbekannt. Sein brennend scharfer Geschmack rührt vielleicht von einer Verun- reinigung her, worauf auch wohl der Umstand hinweist, dass das Apiol sich bei — 12°C. trübt, ohne zu erstarren. — Gegen Fieber hat es sich wirksam erwiesen, obwohl bei weitem nicht in dem Grade wie das Chinin. Fructus Carvi. 625 Das dem Pektin ähnliche, in dem Kraute der Petersilie vorkommende Apiin ist in den Früchten noch nicht nachgewiesen. Das fette Oel der letzteren beträgt nach Rump 22 pC, die Asche, hauptsächlich aus Kalk- salzen bestehend, 6,5 pC. Von der Petersilie wurden schon im Alterthum sowohl die Früchte als das Kraut benutzt. — Karl der Grosse befahl ihren Anbau in den kaiser- lichen Gärten. Fructus Carvi. Semen Carvi. Mericarpium Cari. Kümmel. Carvi. Cumin des pres. Caraway. Carum Carvi L. — Umbelliferae. Im mittleren und nördlichen Europa, auch in Island und ebenso gut in Südsibirien und im Eibursgebirge (hier am Demawend bis 8000 Fuss) einheimische zweijährige Wiesenpflanze der Ebene und der Bergregion. Aus Skandinavien, wo der Kümmel bis Finnmarken und bis zur Birken- grenze geht, so wie aus Finnland, wird es in Menge ausgeführt. In Deutsch- land liefert die Gegend von Halle, auch Mähren und Sachsen sehr viel. Hier und noch mehr in Holland und England wird er zum Theil angebaut. Dem Süden fehlt diese Doldenpflanze.1) Die von der Seite her beträchtlich zusammengedrückte Frucht pflegt in ihre beiden, besonders am Rücken stark gekrümmten Theilfrüchtchen von 0,005m Länge und 0,00 lm Dicke getrennt zu sein oder nur lose an den Schenkeln des Fruchtsäulchens zu hängen. Die 5 sehr hervortretenden strohgelben Rippen sind fast halb so breit wie die dunkel rothbraunen glän- zenden Thälchen (Furchen), welche ganz von je einem erhabenen geschlän- gelten, stellenweise eingesunkenen Oelgange eingenommen werden. Ebenso sind die beiden Gänge jeder Fugenfläche nur durch ein dünnes Gefäss- bündelchen getrennt. Eine gewölbte Griffelbasis krönt die Frucht. Auf dem Querschnitte erscheint das im Umrisse regelmässig 5 eckige Eiweiss ziemlich tief rundlich 5 lappig, indem jedem Oelgange eine seichte Einbuchtung des ersteren entspricht. Auch gegen die gerade Fugenfläche hin entsteht in gleicher Weise noch ein sechster schwacher Lappen des Eiweisses. Die braune innere Fruchthaut ist bis 10 Mikromill. breit, die Mittel- schicht auf wenige Reihen etwas dickwandiger, tangential gestreckter Zellen beschränkt, die starke Oberhaut von demselben Baue wie z. B. bei Fructus Conii. Die mittlere Dicke des ganzen Fruchtgehäuses erreicht nur 70Mikro- millimeter, die Rippen erheben sich zu doppelter Stärke, schliessen aber doch nur schwache Holzbündel ein. — Eiweiss und Embryo sind so be- schaffen, wie bei den übrigen Umbelliferen-Früchten. *) Hart mann führt Kümmel, arabisch Karawieh, auch in den oberen Nillandern auf (?). Flückiger, Pharmakognosie. 40 626 Früchte. Die Oelgänge zeigen im Querschnitte auffallend gewölbt -dreieckige Form. Die an der abgerundeten, nach aussen gekehrten Spitze liegenden Seiten sind etwas geschweift, die gerade oder ein wenig nach innen ge- wölbte Seite (Grundfläche des Dreieckes) misst oft gegen 300 Mikromill., oft bedeutend weniger, während der kürzere Durchmesser (die Höhe des Dreieckes, welches der Querschnitt desOelganges darstellt) um öOMikrom. schwankt. Die Gänge der Fugenfläche bieten im Querschnitte eine breit schwertförmige Form dar, welche dem schief halbirten Dreiecke der übrigen Oelgänge entsprechen würde. Jedoch sind die Oelgänge der Fugenfläche nicht eben kleiner; alle zeigen im übrigen den bei Fructus Phellandrii angegebenen Bau. Der Kümmel ist von schwachem eigenthümlichem Gerüche, aber von beissend gewürzhaftem Geschmacke. Den bedeutenden Dimensionen der Oelgänge entspricht ein beträcht- licher Gehalt an ätherischem Oele. In der That ergibt sich, nach Zeller's gründlichen Erörterungen, die Menge desselben für in Deutschland wild gewachsene Frucht durchschnittlich beinahe zu 5 pC. , obwohl Schwan- kungen von 3 bis zu 6 pC., ja sogar ausnahmsweise bis gegen 9 pC. vor- kommen. Es scheint, dass ein nördlicher oder hochgelegener Standort eher der Oelerzengung förderlich ist. Die Grösse der Oelgänge und ihre Lage erklären hinlänglich, dass Zerkleinerung der Früchte die Ausbeute nicht zu steigern vermag. Kaum dürfte irgend eine andere Frucht unserer Gegenden so ölreich sein, wie der Kümmel. Das Kümmelöl ist, nach Schweizer und nach Völckel, ein Gemenge des dünnflüssigen, erst über 250° C. siedenden Carvols O1OHU0*) mit dem schon bei 173° kochenden Carven üluH1(\ welches letztere über % des rohen Oeles ausmacht. — Mit Schwefelwasser- stoff verbindet sich das Carvol zu grossen Krystallnadeln. Der Kümmel scheint im Mittelalter als Arzneimittel in Gebrauch ge- kommen zu sein, weil man darin das Karon oder Karos des Dioscorides, Careum des Plinius vermuthete — mit Unrecht, da unser Kümmel als unscheinbare nordische Pflanze von den Alten nicht beachtet war, und jenes Karon aus der kleiuasiatischen Landschaft Karien, Rhodus gegenüber, kam, wo Carum Carvi fehlt. Die karische Frucht der Alten war wohl eher Fenchel. Brunfels (1530 — 153G) beschrieb und bildete den Kümmel ab als Cunimum. Ganz verschieden ist der Römische oder Mutterkümmel; die borstige, auf jeder Hälfte mit 9 Rippen besetzte Frucht des orientalischen Cuminum Cyminu?nL., dessen ätherisches Oel auch in chemischer Hinsicht ganz vom Kümmelöl abweicht, da es aus Cymen (Cymol) O10H14 und dem zugehörigen Aldehyd Cuminol (Cumylwasserstoff) OI0H12-O- besteht. *) isomer mit Thymol (vgl. bei Ilerba Thymi), aber nicht mit Alkalien verbindbar; beide Antheile finde ich rechts dreheud, das Carven bedeutend stärker. Fructus Anisi. 627 Fructus Anisi. Semen Anisi vulgaris. Anis. Fruit ou semence d'Anis. Anisvert. Anisseed. Pimpinella Anisum L. — Umbelliferae. In Aegypten, im Archipelagus und in Kleinasien einheimische einjährige Dolde, welche jetzt durch fast ganz Europa stellenweise imgrossen kultivirt wird, wie z. B. in Spanien (Alicante), Frankreich (Touraine, Guyenne), Italien (Puglia), Malta, Deutschland (Franken, Thüringen, Sachsen, Mähren, Böhmen), Süd-Russland (Charkow). Noch in der Gegend von Christiania in Norwegen reifen die Früchte, indem der Anis weniger empfindlich ist als der Fenchel. Die birnförmige Frucht ist 0,002m dick und fast doppelt so hoch, durch die kurzen Griffel und ihre Basis gekrönt und von ziemlich einförmig grünlichgrauer Farbe, weil die 10 Rippen der fast immer ungetrennten Frucht wenig erhaben und nicht viel heller sind. Die Rippen an der Fugen- fläche sind genähert, von den übrigen entfernt und dadurch die Ränder kaum oder gar nicht klaffend. Die ganze Frucht ist durch sehr kurze farb- lose Börstchen rauh und matt; in den breiten Thälchen so wenig als auf der Berührungsfläche sind Oelgänge äusserlich sichtbar. — Sehr gewöhnlich ist die Waare durch anhängende Erde arg beschmutzt. Im Querschnitte erscheint das Eiweiss jeder Theilfrucht durch die tiefe doppelte Einbuchtung der Raphe innerhalb der geraden Fugenfläche fast halbmondförmig-zweiiappig mit unmerklichen, fast ganz abgerundeten, den Rippen entsprechenden Ecken. Nach Bau und Inhalt stimmen Eiweiss und Embryo mit den übrigen-Umbelliferenfrüchten (z. B. Fruct. Conii) überein.1) Samenhaut und innere Fruchthaut — letztere 1 2 Mikromill. breit — glei- chen den entsprechenden Geweben * des Fructus Petroselini, sind aber nur hell bräunlich gefärbt. Auch das durchschnittlich blos 70 Mikromill. breite, tangential gestreckte Gewebe der Mittelschicht des dünnen Fruchtgehäuses bietet an sich keine abweichenden Verhältnisse dar; erstere ist aber in ihrem ganzen Verlaufe an jedem Theilfrüchtchen von ungefähr 30 (im Querschnitte) flach elliptischen, tief braun gesäumten Oelgängen durch- zogen. Sie sind von ungleicher Weite, im grösseren Durchmesser zwischen 30 und 100 Mikromill. wechselnd; die 4 — 6 mächtigen, zunächst um das Fruchtsäulchen in der Fugenfläche streichenden Gänge aber erreichen oft 500 Mikromill. Weite, also gegen 1U des Durchmessers der ganzen Frucht. Die nicht sehr dicke schlaffe Wandung dieser Gänge stösst unmittelbar an das farblose (oder in der frischen Frucht chlorophyllhaltige) Gewebe der Mittelschicht an und ist nicht, wie in Fructus Foeniculi oder Fr. Petroselini, von braunen korkartigen Tafelzellen umgeben. Sehr häufig finden sich in !) Brandes u. Reimann geben nur SV^pC. fettes Oel an — dagegen 28 pC. Feuch- tigkeit!! 40* 628 Früchte. den Gängen noch Querwände erhalten; es gelingt leicht, durch einen schief geführten Querschnitt deutliche Einsicht in jene zu gewinnen. Zahlreiche Zellen der Oberhaut erheben sich aus verdickter Basis zu geraden oder etwas gebogenen glashellen und feinhöckerigen Borsten von höchstens 140Mikrom. Länge und 15Mikr. Dicke, mit abgerundetem Ende. Einzelne dieser starren dickwandigen Borsten sind gegliedert, die meisten bleiben aber ganz einfach. Die Holzbündelchen unter den bei stärkerer VergrÖsserung kaum mehr hervortretenden Rippen sind nur sehr schwach und enthalten wenige kleine Spiralgefässe in dem eigentlichen Holzprosenchym. Der liebliche Geruch und Geschmack des Anis erinnert zunächst an Fenchel, ist aber wohl etwas weniger mild und fein, indessen je nach der Herkunft der Waare ziemlich verschieden. Der Gehalt an ätherischem Oele scheint, weniger von Herkunft und Alter abhängig, trotz der zahlreichen Oelgänge ziemlich constant nur 2 pC. zu betragen. Sehr beliebt ist das durch Feinheit ausgezeichnete südrussische Oel. — Geringeres, an Stearopten reicheres Oel (kaum über 72 pC.) wird aus der „Anisspreu", den durch Absieben erhaltenen Abfällen, destillirt. Das Anisöl ist chemisch mit Fenchelöl (vgl. bei Fructus Foeniculi) identisch, erstarrt aber meist früher, schon bei -f- 17° C krystallinisch. Doch verändert sich dieser Erstarrungspunkt je nach dem verschiedenen Gehalte an Stearopten, und durch das Alter verliert das Oel zuletzt die Krystallisirbarkeit. Das Anisöl zeichnet sich auch durch äusserst geringes Piotationsvermögen nach links aus. Der Anis gehört zu den ältesten Arzneimitteln und Gewürzen; er hat sich schon frühe nach Deutschland verbreitet,1) nach England dagegen erst 1551. Die bisweilen, wie es scheint, im Anis vorkommenden gefährlichen Früchte des Conium maculatum sind wegen nahezu gleicher Grösse und Färbung leicht zu übersehen, obwohl (vgl. Fructus Conii) bei gehöriger Aufmerksamkeit sicher zu erkennen. Fructus Phellandrii. Semen Phellandrii. Semen Foeniculi aquatici. Wasserfenchel. Rossfenchel. Fruit ou semence de Phellandrie ou de Fenouil aquatique. Water hemlock fruit. Oenanthe Phellandrium Lamarck. — Umbelliferae. Sijn.: Phellandrium aquaticum L. Zweijährige Sumpfpflanze, durch den grössten Theil Europas (bis Finn- land) und Nordasiens, im Altai, auch im Taurus, so wie im Südwesten l) vielleicht in Folge des Capitulare Karls des Grossen, wo der Anbau von Anesum befohlen wird. Die Alten erhielten ihn aus Acgypten und Kreta. Fructus Phellandrii. 629 des Caspi-Sees (Ghilan) verbreitet, stellenweise aber doch seltener, wie z. B. in der Schweiz. Die grünlich braune, länglich eiförmige, gegen die Griffel zugespitzte, bis 0,005m lange Frucht pflegt meist ungetheilt vorzukommen; der mit der Fugenfläche parallele Durchmesser erreicht etwa 0,002m, der darauf senkrechte ist etwas länger, so dass die ganze Frucht ein wenig von den Seiten her gedrückt, jedoch fast cylindrisch, nicht zweiknöpfig, erscheint. Jedes Theilfrüchtchen trägt 5 breit-rundliche, wenig hervorragende, der Länge nach etwas gestreifte Rippen, welche zwischen sich nur schmale Thälchen (Furchen) frei lassen. Die Randrippen sind sehr viel stärker und nehmen bei der Trennung der Frucht den grössten Theil der gelblich weissen Fugenfläche ein, indem ausser ihnen neben dem schlanken Fruchtsäulchen nur 2 schmale bogenförmige dunkle Oelgänge sehr scharf hervortreten. Erst auf dem Querschnitte nimmt man deutlicher wahr, dass das Frucht- gehäuse in den 4 Thälchen jeder Fruchthälfte noch 4 fernere dunkelbraune Oelgänge birgt; das Ei weiss zeigt den Bau der Orthospermeen, d. h. seine der Fugenfläche zugekehrte Seite bildet eine etwas convexe oder fast gerade Linie. Ein glasartiges Oberhäutchen von demselben Baue, wie bei Fructus Conii und Coriandri und anderen Umbelliferen-Früchten, bedeckt auch hier das Fruchtgehäuse, dessen grösster Theil bei Phellandrium von starken hellgelben Holzbündeln eingenommen wird. Unter jeder Rippe liegt ein solches, im Querschnitte halbmondförmiges Bündel, dessen Bogen sich nach innen öffnet und von jedem seiner Enden noch einen schmalen Lappen aus- sendet, welcher wieder sichelförmig zurückgekrümmt den nächsten Oel- gang umspannt. Vor jedem dieser letzteren liegen also zwei schmale Aus- läufer der benachbarten Holzbündel, ohne jedoch zusammenzufliessen, so dass die Mittelschicht dieses Fruchtgehäuses nicht, wie etwa bei Coriandrum, einen ganz geschlossenen Holzring enthält. Auch in der Fugenfläche ent- hält jedes Theilfrüchtchen ein gleiches, doch nicht in zwei Schenkel aus- laufendes Holzbündel. Es sind fast ganz verdickte langgestreckte, nur sehr fein porige Zellen, welche diese Holzbündel zusammensetzen; nach aussen gehen sie aber in immer kürzere, zuletzt fast kubische und sehr viel weitere, obwohl immerhin noch etwas dickwandige Zellen mit zahlreichen grösseren Poren über. Dieses Holzparenchym , ebenfalls gelbwandig, wie das Pro- senchym, erfüllt namentlich zum grössten Theile die mächtigen Randrippen und bewirkt hauptsächlich die Rundung der Frucht. Nur ziemlich schmale Streifen lockeren Parenchyms umgeben die Holz- bündel und trennen sie von den sehr nahe liegenden elliptischen , im grös- seren Durchmesser 140 Mikromillim. weiten Oelgängen. Dieselben stossen unmittelbar an die innere Fruchthaut an und liegen demnach so tief unter der Oberfläche der Frucht, dass sie in den Thälchen nicht oder nur wenig durchzuscheinen vermögen. Die Oelgänge sind mit einer dunkelbraunen Schicht zarter tafelförmiger Zellen ausgekleidet, welche auf dem parallel 630 Früchte. mit dein Oelgange geführten Schnitte öeckig erscheinen; ausserdem er- blickt man darin häufig ganze oder zerrissene Querwände. Meist ent- halten die Gänge noch gelbe Tropfen ätherischen Oeles und Harzes. Die dünne, nur etwa 30 — 40 Mikromill. breite braungelbe innere Frucht- haut besteht aus wenigen äusserst dichten Lagen kleiner, radial ge- richteter, sehr dickwandiger Zellen. Das anstossende Eiweiss zeigt den gewohnten Bau und Inhalt; es ist von einer sehr dünnen braunen, der Fruchthaut ähnlichen, nur etwas weniger kleinzelligen Samenhaut bedeckt. Der Wasserfenchel riecht und schmeckt sehr eigentümlich, scharf aro- matisch, aber nicht angenehm; er enthält etwa 1 pC. neutrales ätherisches Oel von durchdringendem gewürzhaftem Gerüche, ohne narkotische Eigen- schaften. Man erhält daneben, nach Frickhinger, durch Destillation mit Kali wohl eine trübe ammoniakalische , aber von Alkaloiden freie Flüssig- keit. — Die derbe holzige Beschaffenheit des Fruchtgehäuses und die Lage der Oelgäuge gebieten das Zerkleinern der Früchte, wenn es auf die Gewiu- nung des ätherischen Oeles abgesehen ist. Träger der angeblich an der Pflanze bemerkten giftigen Eigenschaften sollte das Phellandrin sein, welches Devay u. Guillermond (1852) aus dem ätherischen Extracte der Früchte abdestillirt, indessen nicht ge- nauer untersucht haben. — Bouchardat vermuthet, das giftige Produkt könnte von zufällig beigemengten alkaloi'dhaltigen Umbelliferen-Früchten hergerührt haben. Irgend gefährliche Wirkungen des Phellandrium haben seither keine Bestätigung gefunden. Nicht näher gekannt ist das von Homolle u. Joret nach Analogie des Apiols (siehe Fructus Petroselini) dargestellte, doch nicht giftige Phellandrol. Nach Berthold geben die Früchte 8 pC. Asche. Unreife Früchte des Wasserfenchels werden bisweilen auf Haufen ge- worfen und einer Gährung überlassen, wodurch sie eine braunschwarze Farbe und stärkeren Geruch annehmen. Diese „geströmten" Früchte sind zu verwerfen. Eine bei Plinius schon vorkommende Arzneipflanze, Phellandrium, lässt sich nicht mit Sicherheit auf unsere Oenanthe Phellandrium beziehen. Dieselbe wurde erst seit 1739 auf die Empfehlung von Ernsting in Braunschweig („Phellandrologia physico-medica") allgemeiner angewandt. Die Früchte der an denselben Standorten wachsenden Doldenpflanzen Cicuta virosa L., Sium latifolium L. und Berula angustifolia Koch kommen bisweilen unter dem Wasserfenchel vor. Erstere sind kugelig, die des Sium haben 3 , die der Berula noch mehr deutliche Oelgange in jedem Thälchen. Fructus Foeniculi. 631 Fructus Foeniculi. Semen Foeniculi vulgaris. Fenchel. Fruit ou semence de Fenouil. • Sweet fennel fruit. Foeiiiculum officinale Allioue. — Umbelliferae. Syn.: F. vulgare Gärtner. Anethum Foeiiiculum L. Ausdauernde Doldenpflanze, an trockenen steinigen Standorten im Ge- biete des Mittelmeeres (vorzüglich in Italien und Griechenland) einheimisch, durch Spanien und Frankreich, auch am Kaukasus und in den siidkaspischen Gegenden verbreitet. Sie wird in den gemässigteren europäischen Ländern viel gebaut, in Deutschland z. B. in Sachsen, Franken, Würtemberg. — In Norwegen gelangen die Früchte nicht mehr zur Reife. In Deutschland erreichen dieselben bis etwa 0,008m Länge, einen Durch- messer von 0,003m auf der Fugenfläche und ungefähr eben so viel in senk- rechter Richtung auf dieselbe. Die ungetheilte Frucht ist daher im Umrisse cylindrisch, aber von 5 starken, grünlich gelben längsstreifigen Rippen auf jeder Hälfte durchzogen. Die randständigen Rippen stossen aneinander, sind stärker als die des Rückens und von denselben etwas entfernt. Zwei kurze dicke Griffel erheben sich aus starker brauner Basis auf der nur wenig zu- gespitzten Frucht. In jedem der breiten braungrünen, ziemlich ebenen Thäl- chen schimmert ein dunkler mächtiger Oelgang durch; eben so auf jeder Fugeufläche links und rechts von dem zweispaltigen Fruchtsäulchen. Fast immer zerfällt die Frucht beim Trocknen in ihre beiden Theile. Im Querschnitte erblickt man unter jeder der abgerundeten, obwohl be- deutend hervorragenden Rippen ein nicht sehr starkes rundlich dreieckiges Holzbündel von sehr engem grossporigem Prosenchym, welches gegen innen in sehr weite, etwas dickwandige Parenchymzellen übergeht, deren Wände durch grosse Löcher und breite Bänder ausgezeichnet sind. Die auf- fallendste Eigenthümlichkeit des Fenchels bieten aber die tief dunkelbraunen Oelgänge dar. Sie sind im Querschnitte meist von planconvexer Form ; die gerade, immer nach aussen gewendete Seite misst gegen 200 Mikromillim. Die Oelgänge werden von ziemlich flachen, nach inuen dickwandigen Zellen begrenzt, deren Durchschnitt parallel mit dem Gange eckig -rundliche Umrisse zeigt. Mehrere Lagen dieses schlaffen und tief dunkelbraunen Gewebes umgeben rings die Oelgänge und erinnern durch Farbe und sehr regelmässig mauerförmige Anordnung völlig an die gewöhnlichste Form des Korkes; auch hier treffen die kurzen Querwände in gerader Linie auf- einander. — In den mit hellgelbem ätherischem Oele erfüllten Gängen sind bisweilen noch die ursprünglichen Querwände sichtbar. In dem umgeben- den abgestorbenen Gewebe ist auch wahrscheinlich die ursprüngliche Bil- dungsstätte des ätherischen Oeles zu suchen. Durch Umbildung oder Ab- sterben der Zellwände wird dasselbe frei und es entstehen zugleich die Oel gänge oder Striemen. 632 Früchte. Die Mittelschicht des Fruchtgehäuses ist im übrigen aus demselben schlaffen, etwas tangential gestreckten Parenchym gebildet, wie bei den übrigen verwandten Früchten und eben so von einer gleichen glashellen radial gestreiften Oberhaut bedeckt. Die innere Fruchthaut besteht aus zwei Schichten weiter, im Längs- schnitte radial gestellter, im Querschnitte tangential gestreckter Tafelzellen, deren äussere Lage braune, die innere farblose Wände besitzt. Das Eiweiss ist von der auch bei den anderen Umbelliferen-Früchten vorkommenden Beschaffenheit und von einer dünnen braunen Samenhaut bedeckt, welche noch eine Reihe kleiner farbloser Zellen trägt. — In der Gegend der Oelgänge ist das Eiweiss etwas eingedrückt und erscheint daher im Querschnitte ölappig. Der Geruch des Fenchels ist sehr angenehm aromatisch, der Geschmack zugleich süss, nicht eben scharf gewürzhaft. Neben Zucker (2 pC. Rebling) und etwa 12 pC. fettem (im Eiweisse enthaltenen) Oele ist das ätherische Oel Hauptbestandtheil der Fenchel- frucht. Die Menge desselben ist je nach der Herkunft derWaare, wohl auch je nach dem Jahrgange, mehr schwankend als z. B. bei Fructus Anisi. Deutscher Fenchel gibt nach Zeller etwas über 3 pC. ätherisches Oel, weniger die Frucht aus südlicheren Ländern , allein das der letzteren ist von feinerem Gerüche und milderem Geschmacke. Vielleicht vermehrt die Kultur überhaupt den Oelgehalt, so dass schon deshalb der Norden eine reichhaltigere Frucht liefert. Da die Oelgänge nur von lockerem kork- ähnlichem Gewebe und der weichen Mittelschicht des Fruchtgehäuses, nicht aber wie in Phellandrium von Holzbündeln eingeschlossen sind, so ist bei der Gewinnung des ätherischen Oeles die Zertrümmerung der Früchte überflüssig. Die Wurzel des Fenchels ist wenig aromatisch und besitzt keine Oelgänge. Das Fenchelöl besteht grösstentheils aus dem bei 220° — 225° C. kochen- den Aniscampher oder Anethol O10H12-9- und wechselnden Mengen eines davon nur schwierig zu befreienden flüssigen, schon bei 190° C. sie- denden und mit Terpenthinöl isomeren Antheiles. Das Anethol tritt bald als krystallisirte , erst bei 16° — 20° C. schmelzende, bald als noch bei — 10° C. flüssige Modifikation auf, so dass der Erstarrungspunkt des rohen Oeles, sehr gewöhnlich bei etwa -+- 10° C. liegend, wenig constant ist. Südliches Oel scheint wohl früher zu erstarren. Auch die Oele des Anis, des Estragon (Artemisia Dracunculus) und des Sternanis (Fructus Anisi stellati) bestehen fast ganz aus Anethol. — Der flüssige Antheil dieser Oele (das Elaeopten) hat dieselbe Zusammensetzung wie der krystallisirbare Campher (das Stearopten). Aus Südfrankreich und Italien (auch aus Malta) erhalten wir den Rö- mischen Fenchel, Fructus Foeniculi ro?nani, von dem einjährigen Foeni- culium dulce DG. (F. officinale Merat und de Lens). Er ist bedeutend grösser (bis 0,012m lang) als die eben beschriebenen Früchte und häufig Fructus Conii. 633 stark gekrümmt. Die breiten gekielten, fast flügelartigen Rippen nehmen den grössten Theil der Oberfläche in Anspruch, so dass die Thälchen sehr zurückgedrängt werden und ihre Oelgänge oft kaum mehr durchscheinen. Dieser Fenchel erhält dadurch eine viel hellere Färbung; er riecht und schmeckt feiner und milder. Die Oelgänge sind im Querschnitte mehr herz- oder kreisförmig und selten über 150 Mikromill. weit, so dass sich schon hieraus auf einen verhältnissmässig etwas geringeren Oelgehalt schliessen lässt als bei dem gewöhnlichen Fenchel , dessen kleinere Frucht weitere Gänge besitzt. Beim römischen Fenchel sind die Gänge nur nach aussen von wenigen Lagen des braunen korkartigen Gewebes bedeckt. Der Haupt- unterschied im anatomischen Baue liegt aber darin, dass hier die ganze Mittelschicht des Fruchtgehäuses aus jenen grossen rundlich - eckigen Zellen besteht, deren nicht sehr dicke Wände grosse Löcher oder Netz- bänder zeigen. Apulien (Puglia) führt in Menge einen Fenchel aus, der in Betreff der Grösse, des Aussehens und des anatomischen Baues mit dem in Deutschland gezogenen übereinstimmt, aber feiner schmeckt. Er dürfte da- her vermuthlich derselben Pflanze angehören. In seiner Heimat wurde der Fenchel ohne Zweifel seit den ältesten Zei- ten benutzt. Zu seiner Verbreitung in Deutschland dürfte wohl die Verfü- gung Karls des Grossen beigetragen haben, wonach die Pflanze auch in den kaiserlichen Gärten gebaut werden sollte. Fructus Conii. Semen s. mericarpium Conii maculati. Semen Cicutae. Schierlingsfrucht. Schierlingssamen. Fruit ou semence de cigüe. Hemlock fruit. Cönium maculatum L. — Umbelliferae. Der Verbreitungsbezirk dieser vielleicht ursprünglich aus Asien stam- menden zweijährigen Doldenpflanze ist jetzt ein sehr weiter. Sie gedeiht vorzüglich an Wegen , Schutthaufen und bebauten Stellen durch fast ganz Europa, mit Ausnahme, wie es scheint, des äussersten Nordens. Ferner auf Candia, Cypern, in Syrien, Kleinasien, Transkaukasien bis zum Caspi-See, in Sibirien, sogar in Nord- und Südamerika, immerhin jedoch sehr ungleich verbreitet. Der Schweiz z. B. fehlt der Schierling fast ganz und findet sich dagegen massenhaft in Ungarn (Leopoldstadt. Tyrnau). Die kleine, etwa 0,00 3m lange und eben so dicke grünlich graue zwei- samige Frucht besitzt den Bau der Doldenfrüchte aus der Abtheilung der Campylospermeen , d. h. das Sameneiweiss ist nicht von einfach cylindri- scher Gestalt, sondern da, wo die beiden Theilfrüchtchen zusammenhängen, von einer tiefen, durch die Mittelschicht des Fruchtgehäuses ausgefüllten Längsfurche eingenommen, welche dem Querschnitte des Eiweisses einen nierenförmigen Umriss verleiht. Das Fruchtgehäuse ist sehr dünn, durchschnittlich nur 130 bis 140 634 Früchte. Mikromill. dick und auf jeder Fruchthälfte mit 5 starken, ungefähr 140 Mikroniill. hohen blassen Längsrippen besetzt. Dieselben beschreiben nach aussen nicht eine regelmässige Curve, sondern eine wellig gekerbte, zuletzt nur geschweifte Bogenlinie. Die 4 zwischen den Rippen gelegenen Thälchen oder Furchen, so wie die Berührungs- (Bauch- oder Fugenfläche) sind glatt, nur hier und da mit kurzen, ganz schwachen Höckerchen besetzt und ohne Oelstriemen. Die beiden an der Berührungsfläche anstossenden Rippen (Seitenrippen oder Randrippen) sind von denen des gegenüberstehenden Theilfrüchtchens durch eine ziemlich breite, fast bis zum Fruchtträger gehende Kluft getrennt, so dass die zweiknöpfige Frucht bei der Reife leicht in ihre beiden Theile zerfällt. Der auf die Fugenfläche senkrechte Querdurchmesser der unge- trennten Frucht ist länger als die erstere selbst, die Gesammtfrucht erscheint also von der Seite her etwas zusammengedrückt. Die Griffelbasis (Stempel- polster) und 2 kurze Griffel krönen die Frucht. Das Fruchtgehäuse ist mit einer derben glasartigen Epidermis bekleidet, welche aus sehr kleinen Zellchen besteht, deren fein gestreifte "Wandungen nach aussen ganz zu einer zusammenhängenden festen Haut verwachsen sind; nur die Querwände sind zarter. Die Hauptmasse des Fruchtgehäuses, die Mittelschicht, ist aus lockerem, etwas tangential gestrecktem Parenchym zusammengesetzt, welches vom Eiweisse durch eine besondere braungelbe Fruchthaut und eine Samenhaut getrennt wird. Die parenchymatische Mittelschicht wird von 5 in den Rippen und einem 6ten in der Berührungsfläche gelegenen Gefässbündeichen durch- zogen, deren peripherischer Theil aus sehr feinen spitzendigen porösen und mit zarten Spiralbändern belegten Prosenchymzellen besteht. Der dem In- neren zugekehrte Theil der Gefässbündel enthält dagegen kleine Netzgefässe, welche kaum dicker (5 Mikromill.) sind, als das ihnen vorliegende holz- artige Prosen chym. Die innere Fruchthaut ist ein geschlossener, 30 Mikromill. breiter Ring kubischer oder etwas länglicher Zellen mit zarten Querwänden ; nach aussen und nach innen dagegen sind die Wandungen sehr derb und tief braungelb gefärbt. Eine zweite ähnliche Zellenreihe trennt diese innere Fruchthaut vom Parenchym der Mittelschicht; jedoch sind ihre Zellen kleiner, weit zarter, etwas zusammengefallen und gegen die Mittelschicht hin ausge- schweift. Die Samenhaut besteht aus einer dünnen Schicht sehr kleiner dickwan- diger braungelber poröser Zellen, welche sich in der Furche, wo die Mittel- schicht in das Sameneiweiss eindringt, von der inneren Fruchthaut selb- ständig ablöst, indem sich hier noch ein 7tes Gefässbündeichen, der Raphe angehörig, einschiebt. Das Eiweiss enthält ziemlich grosse dickwandige und etwas strahlig ge- ordnete, eckig rundliche, der kleine Embryo zartere, mehr kubische oder platte Zellen. Fructus Conii. 635 Die Mittelschicht führt in ihren äusseren Schichten Chlorophyll, in den innersten sehr kleine, nicht sehr zahlreiche Stärkekörner; in der reifen Frucht ist ersteres missfarbig und letzteres verschwindet. Die weiten Würfel- zellen der inneren Fruchthaut sind ohne Zweifel Sitz des Coniins und des ätherischen Oeles, ersetzen also die Oelgänge der übrigen Urnbelliferen- Früchte. Der Saft frischer Früchte reagirt zwar nicht alkalisch, gibt aber mit Jodwasser eine braune, bald wieder verschwindende Trübung, welche man mit dem Safte der Blätter nicht erhält. Das Eiweiss strotzt von grossen Oeltropfen und kleineren festen Körn- chen (Proteinstoffe? Fett?) Das in geringer Menge in den Früchtchen vorkommende ätherische Oel ist nicht näher untersucht. — Der wichtigste Bestandtheil, das Coniin G8HU N J tt ist eine stark alkalisch reagirende , sehr giftige Flüssigkeit von tabaksähnlichem Gerüche, bei 163,5° C. ohne Zersetzung siedend. 1827 von Giesecke zuerst bemerkt, wurde das Coniin 1831 von Geiger als Alkaloi'd erkannt und besonders von Wertheim (1856. 1862) genau er- forscht. Es ist in den Früchten an eine Säure (Aepfelsäure ?) gebunden und von Ammoniak, so wie von einer zweiten, etwas weniger giftigen Base, dem krystallisirbaren Conydrin begleitet. Das letztere lässt sich durch Entziehung von Wasser in Coniin überführen. Das Radikal der Alkaloi'de, ein flüssiger, nicht giftiger Kohlenwasserstoff, Conylen G8H14, ist von Wertheim daraus abgeschieden worden. — In der Natur selbst findet häufig eine Substitution des im Coniin verfügbaren Wasserstoffatomes durch GH3 (Methyl) statt, daher das käufliche Coniin auch Methylconiin \G8H14 ^/nfj3 zu enthalten pflegt, wie Planta u. Kekule zeigten. — In der Art seiner giftigen Wirkung steht das Coniin dem Nicotin nahe, ist jedoch bei weitem weniger kräftig. Die reifen Früchte liefern gegen 1 pC. Coniin,1) die unreifen, wie es scheint, etwas mehr, vermuthlich weil später Bildung von Conydrin G8H17NO durch Wasseraufnahme eintritt. Nach Walz käme das Coniin auch in den Früchten der Aethusa Cyna- pium vor und Hesse sich nach Wagner ferner (als Zersetzungsprodukt?) aus der Wurzel von Imperatoria Ostruthium (vergl. Rhizoma Imperatoriae) gewinnen. Die Eigenschaften des Schierlings (Cicuta der Römer, Köneion2) der Griechen) waren den Alten wohl bekannt; ihr Schierlingstrank, womit sie Verbrecher tödteten, scheint auch wohl Opium enthalten zu haben. In Griechenland wächst Conium da und dort, früher in der Gegend von Athen z. B. häufig, ist aber jetzt daselbst ausgerottet. J) Barth erhielt 0,86 pC. bei Verarbeitung von 5 Pfunden, Wertheim bei 336 Kilogr. nur 0,21 pC. Coniin neben 0,012 pC. Conydrin. — Das Kraut enthält nur Spuren. 2) xwvaetv sich wie ein Kreisel drehen. 636 Früchte. Die Schierlingsfrüchte haben Aehnlichkeit mit den Früchten von Aethusa Cynapium, Cicuta virosa und andere Doldenpflanzen , sind aber sehr leicht zu unterscheiden an ihren wellig gekerbten Rippen, dem von den Seiten her eingerollten (gefurchten) Eiweisse, so wie am Mangel der Oelstriemen. Fructus Coriandri. Semen Coriandri. Koriander. Coriaudre. Coriander. Coriandrum sativum L. — Umbelliferae-Coelospermeae. Einjährige Doldenpflanze, im ganzen gemässigten Asien, von China bis Cypern, auch im Mittelmeergebiete bis Marokko einheimisch, in Deutsch- land, England u. s. w. angebaut und jetzt bereits bis Paraguay verbreitet. Die beiden Fruchthälften sind so genau verbunden, dass sie eine fast ganz regelmässige, im Durchschnitte bis 0,005™ messende, vom Stengel- polster und dem Griffel gekrönte Kugel darstellen. Das hellgelbe Fruchtgehäuse trägt auf jeder Hälfte 4 fast ganz gerade verlaufende, ziemlich scharf hervortretende Rippen (Nebenrippen nach dem gewöhnüchen S prach gebrau che) ; zwei fernere, oft an dunklerer Färbung kenntliche gehören gemeinschaftlich den beiden Hälften an und spalten selbst an der trockenen Frucht nur schwer. Die Trennung geschieht nicht in gerader Linie , sondern verläuft etwas uneben, schwach wellenförmig. Die Abdachung dieser Rippen in die Thälchen (Furchen) zeigt mehr oder weniger zickzackförmige Ausbiegungen und Einspränge und der Thalgrund selbst wird von einer entsprechend zickzackförmigen Rippe (gewöhnlich als Hauptrippe bezeichnet) eingenommen, deren also jede Fruchthälfte 5 zählt. Sie sind mehr abgerundet und weniger hervortretend als die geraden Rip- pen. Oelstriemen fehlen auf der Aussenfläche des Fruchtgehäuses. Von den 5 Kelchzähnen sind oft zwei, zu längeren spitzen Lappen aus- gewachsen , noch an der reifen Frucht erhalten ; sie rühren von den peri- pherischen (Strahlen-) Blüthen der Dolde her. So genau auch die Theilfrüchtchen verbunden sind, so hängen sie doch nur durch das dünne Fruchtgehäuse und den Fruchtträger zusammen, schliessen aber, in reifem Zustande, einen linsenförmigen Hohlraum ein. Auf jeder Hälfte desselben erhebt sich die Fruchthaut an zwei Stellen von der Samenschale und birgt hier zwei dunkelbraune Oelgänge (Oelstriemen). Im Querschnitte erscheint das Eiweiss von halbmondförmiger Gestalt; die concave Seite ist der Höhlung zugekehrt. Mitten in letzterer steht der Fruchtträger als freie, nur oben und unten mit dem Fruchtgehäuse ver- wachsene Säule, welche leicht mit dem Fruchtstiele herausfällt. Dem Frucht- säulchen gegenüber trennt sich von jeder Fruchthälfte die innere Frucht- haut, indem sie weit in die freie Höhlung hereinragt. Die dreieckige, da- durch zwischen Eiweiss und Fruchthaut entstandene Lücke ist mit sehr lockerem Parenchym und einem Bündel dünner Spiralgefässe ausgefüllt. Fructus Coriandri. 637 Die Eigentümlichkeit der Korianderfrucht liegt hauptsächlich im Baue des Fruchtgehäuses. Dasselbe ist von einer glashellen Epidermis bedeckt, welche eine breite parenchymatische lockere Mittelschicht einschliesst, deren innerste Schicht einen geschlossenen Ring kubischer, wahrscheinlich durch ätherisches Oel gelb gefärbter Zellen bildet. Diese innere Fruchthaut wird nur durch eine sehr dünne dunkelbraune Samenschale oder Samenhaut vom Ei weisse getrennt. In der Mittelschicht nun entsprechen nicht blos einzelne Gefässbündel den Rippen des Fruchtgehäuses , sondern der ganze mittlere Theil jenes Gewebes besteht aus verholztem Prosenchym, welches also, nach aussen und nach innen von einer Lage des Mittelschichtgewebes bedeckt, eine sehr derbe, fest zusammenhängende innere Schale darstellt. Die ziemlich kurzen Zellen derselben sind dickwandig, fein porös, spitzendig und nur von we- nigen kleinen Gefässen begleitet. In den zickzackförmigen Rippen weicht dieses Prosenchym so sehr von der geraden Richtung ab, dass ein Quer- schnitt durch diese Holzschicht gewöhnlich die einzelnen Zellen in allen möglichen Lagen, sowohl im Durchschnitte, als ihrer ganzen Länge nach zur Anschauung bringt. Das Sameneiweiss besitzt den gleichen Bau und Inhalt, wie bei anderen Umbelliferen-Früchten (z. B. Fructus Conii). Die Oelgänge sind im Querschnitte flach elliptisch im grösseren Durch- messer V2 Millimeter erreichend. Der Koriander riecht und schmeckt eigenthümlich angenehm und milde aromatisch, mit nur höchst geringem, an Wanzen1) erinnerndem Beigeruche. Yor der Reife aber ist dieser widerliche Geruch, auch am Kraute, sehr stark entwickelt. Worin die chemische Veränderung liegt, welche bei der Reife eintritt, ist nicht ermittelt; wohl dürfte sie aber auf einer Oxydation des ätherischen Oeles beruhen, welches der Formel GloH180 entspricht, also isomer ist mit Cajeputöl uudBorneol (vergl. bei Camphora). Entzieht man ihm durch Phosphorsäure die Elemente des Wassers, so verwandelt es sich, nach Kawalier, in widerlich riechendes Oel O10H16. Die Früchte liefern etwa V2 pC. ätherisches Oel; die durch das holzige Fruchtgehäuse gut geschützte Lage der Oelgänge und der ölhaltigen inneren Fruchthaut empfiehlt das Zerstossen der Früchte vor der Destillation. — Weit grösser ist der Gehalt an fettem Oele, nach Trommsdorff 13 pC. Jenes widerlichen Geruches wegen scheint der Koriander zum Theil im Alterthum zu den Giftpflanzen gerechnet worden zu sein. Doch benutzten ihn schon die Hebräer und die Römer als Gewürz. Plinius erwähnt, dass der beste aus Aegypten komme. !) daher der Name der Pflanze: Köpt? = Wanze. Oft heisst sie auch Koliandron, z. B, bei Simeon Seth im XI. Jahrhundert. 638 Früchte. Fructus Anisi stellati. Semen seu Capsulae Anisi stellati. Semen Badiani. Sternanis. Badiane. Anis de la Chine. Anis etoile. Star anise. Illicium anisatum Loureiro. — Magnoliaceae-Wintereae. Der in Cochinchina einheimische und in China cultivirte Baum, welcher den Sternanis liefert, ist gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von Lou- reiro unvollständig beschrieben worden. Ein schon von Kämpfer ein Jahrhundert zuvor abgebildeter Baum aus Japan, den später auch Thunberg mitbrachte, wurde für identisch mit Loureiros Illicium anisatum gehalten, bis Siebold ihn als Illicium reli- giosum bestimmt unterschied und zeigte , dass derselbe aus China stamme, aber nicht den officinellen Sternanis liefere. Er wird in Japan sehr häufig in der Nähe buddhistischer Tempel gezogen. Die Stammpflanze unserer Droge ist demnach bis heute noch nicht genauer bekannt. Die Frucht der Illicium -Arten ist gebildet aus 8 einsamigen, anfangs aufrechten Karpellen, welche später mehr oder weniger strahlenförmig aus- gebreitet im Quirl einreihig um eine kurze Centralsäule vereinigt sind. Bei der Reife sind die Karpelle verholzt und der Länge nach an der nach oben gekehrten Bauchnaht aufgesprungen, so dass der glänzende Same sichtbar ist. Die nach unten gerichtete Wölbung der Karpelle (Fruchtblätter) ent- spricht daher der Rückenfläche, ihre Spitze dem Griffel. Der etwas abgeflacht elliptische Same steht aufrecht im Karpell, ist an der dem Centralsäulchen benachbarten schmalen Seite flach abgestutzt und hier mit einem lockeren kurzen, schief aufsteigenden Nabelstrange befestigt, welcher in einer eigenen breiten Höhlung durch, die Fruchtwand dringt. Unter dem Nabel liegt eine kleine, etwas hellere warzenförmige Samen- schwiele. Der obere Rand des Samens ist zugeschärft, der untere ab- gerundet. Bei dem käuflichen Sternanis ist die Fruchtsäule ungefähr 0,008m lang, von kegelförmiger Gestalt und der Länge nach etwas geflügelt, wenn man die einzelnen Karpelle beseitigt. Das obere Ende der Säule stellt eine flach schüsseiförmige Yertiefung dar, umgeben von 16 Höckerchen, welche den am Grunde etwas verdickten Rändern der Fruchtblätter angehören. Die breitere Grundfläche des Kegels trägt häufig noch den gekrümmten, bis 0,02ra langen Fruchtstiel. Die einzelnen Karpelle sind fast immer zu 8 der ganzen Höhe nach der Fruchtsäule angewachsen , hängen aber unter sich nur an ihrer Ursprungs- stelle ein wenig zusammen. Die obere, meist aufgesprungene Seite der nachenförmigen Karpelle (die Ränder des Fruchtblattes) verläuft fast hori- zontal oder erhebt sich nur in der Mitte zu einer sanften Wölbung. Die mehr oder weniger geschnäbelten,1) doch nicht eben scharf zulaufenden !) Die sonst sehr ähnlichen Früchte des Illicium religiosuni unterscheiden sich durch einen sehr ausgebildeten zurückgebogenen Schnabel und sind übrigens wenig aromatisch. Fructus Anisi stellati. 639 Spitzen liegen in oder wenig unter derselben Ebene , wie das obere Ende der Centralsäule , von welcher sie durchschnittlich 0,0 17m abstehen. Die Karpelle reissen bis in ihre äusserste Spitze auf; ihr Kiel ist ziemlich breit abgeflacht. Die Aussenseite der Karpelle ist matt graubraun oder rostbraun, vor- züglich unten unregelmässig runzelig, in der oberen Hälfte mehr längs- nervig. Wo sich die einzelnen Karpelle berühren, entstehen hellere roth- braune glänzende und vielnervige Eindrücke. Die Innenseite der Karpelle ist gelblich braun, glatt und in der unteren, der Säule genäherten Hälfte der Gestalt des Samens genau entsprechend ausgehöhlt. Die etwas mattere Höhlung wird von einer besonderen, 7a Millim. dicken Wand gebildet, welche deutlich strahligen Bau zeigt. Die übrige Innenfläche des Karpells, welche nicht von Samen bedeckt ist, zeigt sich von sehr zahlreichen feinen Nerven durchzogen. Die glatte , lebhaft glänzende zerbrechliche Samenschale ist fast gleich beschaffen wie jene Wand oder Steinschale, welche den Samen einschliesst. Im bräunlichen weichen, von der dunkelbraunen innern Samenhaut be- deckten Eiweisse liegt zunächst am Nabel der sehr kleine Embryo. — Der Same beträgt etwa % des Gesammtgewichtes der Frucht. Die Fruchtsäule wird von einem im Querschnitte zackigen Kreise ziem- lich unregelmässig verlaufender Holzbündel durchzogen, welcher ein sehr lockeres braunes Mark einschliesst. Letzteres besteht aus denselben grossen porösen Zellen, welche auch den Holzring umgeben. Ihre dicken Wände werden durch Kali stark angegriffen. Da und dort sind in dieses Gewebe, sowohl innerhalb als ausserhalb des Holzringes, grosse citrongelbe Bast- zellen eingestreut, welche durch ihre Dicke und die zierliche Schichtung ihrer fast bis zum Verschwinden der Höhlung verdickten porösen Wände an die Bastzellen mancher Rinden , z. B. der Chinarinden , erinnern. Jedoch sind die Bastzellen des Sternanis nur sehr kurz. Die sehr zusammen- gefallene Rinde des Fruchtstieles enthält ähnliche, doch nicht so ganz ver- dickte Bastzellen. An den Karpellen ist sehr deutlich eine äussere lockere, tief dunkel- braune Schicht von der sehr derben inneren Wand zu unterscheiden. An der Grenze beider Schichten verlaufen kleinere Bündel langer dünner Spiral- gefässe. Die äussere lockere Schicht ist am stärksten entwickelt auf der unteren Seite (Rückenfläche) der Karpelle, wo sie aus weiten schlaffen Zellen mit dicken porösen Wänden zusammengesetzt ist, welche grössten- teils mit ätherischem Oele, rothbraunen Tropfen (Harz?) und Klumpen (Farbstoff?) gefüllt sind. An den vertikalen Wänden des Karpells sind die Zellen dieser äusseren Schicht weniger dickwandig und sehr unregelmässig eingeschrumpft. Vereinzelte grössere, sonst aber nicht abweichend ge- baute Zellen enthalten hier vorzugsweise das blassgelbe ätherische Oel. Die hellgelbe holzige Innenwand der Karpelle besteht aus langgestrecktem porösem, sehr derbem Holzprosenchym an denjenigen Stellen, welche ausser- 640 Früchte. halb der Samenhöhle liegen, also vorzüglich an den glänzenden, durch das Aufspringen der Bauchnaht blos gelegten Wänden oberhalb und ausserhalb des Samens. Hier folgen gegen 10 Reihen solcher Holzzellen auf einander, dann einige wenige Lagen verkürzter , aber dickerer Zellen und die Ober- fläche (Innenfläche des Karpells) selbst endlich setzt sich ganz aus gewal- tigen, fast kubischen, stark oder ganz verholzten Steinzellen von über 200 Mikromillimeter Dicke zusammen. Einen ganz abweichenden Bau aber zeigt diese Steinschale da, wo sie sich nach beiden Seiten zu der vom Samen eingenommenen Höhlung ver- tieft. Hier ist es eine einzige Zellenreihe, welche den holzigen Theil des Karpells ausmacht. Die Zellen sind gerade, unter sich genau parallele Röhren von mehr als 500 Mikromill. Länge und 70 Mikromill. Durchmesser, welche aufs dichteste gedrängt, senkrecht auf die Samenhöhle gestellt sind. Ihre Wände sind fast farblos, nicht dick, aber sehr spröde, fein spiralig ge- streift und mit kleinen Löchern versehen. Die prachtvollen Farben, welche diese cylindrischen Zellen im polarisirten Lichte annehmen, sprechen für eine beträchtliche Spannung ihrer Wände. Diese höchst eigenthümlichen Zellen zeigen keinen Inhalt; sie sind an beiden Enden gerade abgestutzt und gegen den Samen zu nur durch eine gelb- braune dünne Haut geschlossen. Je nach der Stelle und der Richtung, in welcher Schnitte durch das Karpell gelegt werden, muss demnach der Sternanis ein sehr verschiedenes, aber immer ausgezeichnet charakteristisches anatomisches Bild gewähren. Ein horizontaler Schnitt durch die obere aufgesprungene Wand z. B. zeigt die Gefässbüudel und Holzzellen in ihrer ganzen Länge, ein parallel zur Cen- tralsäule geführter Schnitt nur die Querdurchschnitte. Nicht weniger verschieden erscheinen die Umrisse der Zellen, welche die Steinschale rings um die SamenhöhJe bilden, je nachdem man sie ihrer Länge nach oder quer durchschnitten zur Anschauung bringt. Die Samenschale ist aus ganz ähnlich radial geordneten einreihigen, 70 Mikromill. langen blassgelben Zellen zusammengefügt, wie die eben er- wähnte Steinschale, jedoch sind die Zellen der ersteren stark verdickt und an den Enden abgerundet, d. h. von der gewöhnlichen Form der soge- nannten Stein- oder Sternzellen. An dieselben reiht sich die dünne braune innere Samenhaut aus tangential gestrecktem Gewebe, welche den Samen- kern einschliesst. Er enthält vorwiegend Ei weiss, zarte eckige, von Fett- tropfen strotzende ansehnliche Zellen. Aetherisches Oel und brauner Farbstoff sind hauptsächlich in der äus- seren lockeren Fruchtschicht der Karpelle und auch in der Centralsäule vorhanden. Die Steinzellen und Holzzellen dagegen führen nur in ihren be- schränkten Höhlungen braunen Farbstoff (Harz?), besitzen aber selbst blassgelbe oder fast farblose Wände. Selten trifft man in der Nähe der Steinschale, welche die Samenhöhle auskleidet, vereinzelte farblose kurze Prismen, vermuthlich von Kalkoxalat. Fructus Anisi ntellati. (J41 Stärke findet sich nur in der Rinde der Fruchtstiele.1) Das Gewebe der Fruchtsäule enthält Körner von gleicher Grösse , welche sich aber deutlich von Stärke unterscheiden. Der Sternanis schmeckt angenehm süss und aromatisch, eigentlich mehr an Fenchel als an Anis erinnernd, weshalb er anfangs auch wohl als Foeniculum sinense bezeichnet wurde, und riecht entsprechend angenehm. Gepulvert zeigt er einen säuerlichen Beigeschmack. Dem Samen geht das Aroma ab. Das ätherische Oel beträgt 2 — 3 pC. und scheint am reichlichsten in der unteren Hälfte der äusseren Karpellschicht enthalten zu sein. Es ist der Hauptsache nach chemisch gleich zusammengesetzt wie das Fenchelöl und Anisöl (vergl. bei Fructus Foeniculi) und erstarrt gewöhnlich unter -f- 2° C. Durch sehr gemässigte Einwirkung von Salpetersäure auf das- selbe erhielten Limpricht u. Ritter die krystallisirbare Anisoi'nsäure O10H18O6, welche sich vermuthlich auch aus den anderen verwandten Oelen gewinnen Hesse. Mit Sicherheit sind überhaupt die Oele des Fenchels, Anis und Stern- anis nicht zu unterscheiden. Das letztere wird nach Dragendorff von Natrium nicht gefärbt und bleibt flüssig , Anisöl aber in eine feste , erst bei 20° C. schmelzende Masse verwandelt. Werden die Oele in Aether gelöst und mit Natrium behandelt, so färbt sich nach Hager das Sternanisöl gelb, das Anisöl aber nicht. Der Sternanis ist reich an Zucker, vermuthlich Rohrzucker, da er in der Kälte alkalisches Kupfertartrat nicht reducirt; der wässerige Auszug der Frucht erstarrt auf Zusatz von Alkohol zur klaren Gallerte von Gummi und Pektin (?). Die Samen enthalten in grosser Menge fettes Oel. Der Sternanis gelangte gegen Ende des XVI. Jahrhunderts zuerst und zwar von den Philippinen her nach London, Clusius gab 1601 die erste Beschreibung der Frucht. Dieselbe wurde dann anfangs zu Lande über Russland nach Europa gebracht und z. B. in Moskau ähnlich wie jetzt der damals noch nicht bekannte Thee verwendet. In früherer Zeit war der Sternanis trotz der auffallenden Gestalt nicht beachtet und scheint auch in China keine bedeutende Rolle zu spielen. !) Meissner (1819) hatte 19,8 pC. Stärke in den Karpellen und 6,4 pC. in den Samen angegeben ; seine ganze Analyse ist der Berichtigung sehr bedürftig. Flückiger, Pharmakognosie. 41 642 Samen. VII. Samen, A. süsslich, ölig, milde oder etwas adstringirencl bitterlich schmeckende oder Schleim gebende Samen. Seinen Quercus. Glandes s. Fructus Quercus. Eicheln. Glands de chene. Oak seeds. Abstammung siehe bei Cort. Quercus. Der 3fächerige 6 eiige Fruchtknoten der (weiblichen Blüthe der) Eichen bildet nur einen, seltener zwei Samen aus, welcher in einer länglich runden Schliessfrucht (Nuss, Achenium) enthalten ist. Das dünne schalenartige zerbrechliche Fruchtgehäuse ist glatt, nach dem Trocknen glänzend braun- gelb, durch den vertrockneten Griffel oder die Perigonreste bespitzt, unten durch einen helleren rauhen Nabel abgeplattet. Derselbe ist am Rande durch Gefässbündel punktirt, womit er in der becherförmigen, durch Ver- wachsung von Deckblättern entstandenen holzigen Hülle (Cupula) aufge- wachsen ist. Innen ist das Fruchtgehäuse lose von einer braunen , stark einschrumpfenden Samenhaut ausgekleidet, in welche sich vom dunkleren abgeflachten Nabel her zahlreiche verästelte Gefässbündel verbreiten. In dieser Samenhaut hängt der eiweisslose Samen, aus zwei grossen gewölbten fleischigen, im trockenen Zustande sehr harten Keimblättern bestehend, welche sich leicht trennen und unter ihrer Spitze das kleine, aufwärts gerichtete Würzelchen sammt dem Knöspchen bergen. Die Kotyledonen selbst sind aussen durch Eindrücke der die Samenhaut durchziehenden Gefässbündel längsfurchig, auf der inneren flachen Seite glatt, bis 0,03m lang. Für den Handel werden die Fruchtgehäuse und Samenhäute entfernt, wobei der Same immer in seine beiden Keimblätter zerfällt. Es werden ohne Unterschied die Früchte beider bei Cort. Quercus an- geführten Arten verwendet; die der Q. sessiliflora sitzen zu 2 — 5 dicht an einer kurzen Spindel beisammen, die der Q. pedunculata zu 3 — 7 an einem längeren gemeinschaftlichen Fruchtstiel weiter aus einander gerückt. Letz- tere sind von etwas mehr länglicher Gestalt. — In unsern Gegenden tragen die Eichen selten zwei Jahre nach einander reichlich Früchte. Die Eicheln sind aus einem bräunlichen, rundlich eckigen Parenchym gebildet, das in ganz unregelmässiger Weise von sehr kleinen Gefassbündeln durchsetzt wird. Die äussersten, viel kleineren und fast würfelförmigen Zellen bilden eine etwas derbere Schicht. Das ganze Gewebe enthält reich- lich Stärke, in sehr verschieden gestalteten elliptischen, bis 15 Mikromillim. messenden Körnchen, vereinzelte eigene, durch Harz (Farbstoff und Gerb- stoff?) braunroth gefärbte Zellen und hier und da Oeltröpfchen. Der Geschmack der geschälten Eicheln ist sehr schwach süsslich, mit bald mehr, bald weniger starkem, bitterlich adstringirendem Beigeschmäcke. Semen Papaveris. 643 Bei manchen südlichen Arten (Q. Ballota, Q. Hex, Q. Esculus im Gebiete des Mittelmeeres) ist die Mischung ihrer Bestandteile so günstig, dass die Samen sehr wohl schmecken. Unsere Eicheln sind von Braconnot, Low ig, v. Bibra untersucht worden. Sie fanden darin: 7 — 9 pC. Gerbstoff, 35 — 38 Stärke, 7 — 8 unkrystallisirbaren Zucker, 3 — 4 fettes Oel, 2 — 5 Harz, ferner Gummi und Proteinstoffe, Spuren von ätherischem Oele und Citronsäure. Die Asche ist reich an Kali und Phosphaten. Nach der Gährung des Zuckers lässt sich aus den Eicheln noch ein süsser, von Braconnot für Milchzucker gehaltener, aber ganz dem Mannit ähnlicher Stoff, Eichelzucker oder Quercit 012H24010, gewinnen. Dessaignes hat gezeigt, dass er eigen- thümlich, mitPinit1) und Mannitan isomer ist; er lässt sich zum Theil sublimiren und wirkt nicht auf alkalisches Kupfertartrat. Zum medici- nischen Gebrauche werden die (geschälten) Eicheln schwach geröstet (GlandesQuercustostae, Eichelkaffee), wodurch sie 20 — 24 pC. an Gewicht abnehmen , aber ihr Volum etwas vergrössern. Es entstehen hierbei die gewöhnlichen Umwandlungs- und Zersetzungsprodukte der Stärke und des Zuckers (Dextrin, Essigsäure, Aceton, Assamar, Furfurol etc.), vermischt mit denen der Nebenbestandtheile der Eicheln. Semen Papaveris. Mohnsamen. Semence de pavot. Graiue de pavot. Poppy seed. Wie bei Fructus Papaveris erwähnt, ragen von den 8 — 20 Nähten der Kapsel eben so viele vertikale Samenträger in die hohle Frucht herein. Dieselben sind gegen die Axe der Frucht gerichtet, aber nur etwa 0,0 10m breit, so dass sie lange nicht das Centrum erreichen. Dicht an der Aus- trittsstelle jedes Samenträgers verläuft auf beiden Flächen seiner ganzen Länge nach eine schmale scharfe Leiste. Aus dieser etwa 0,002,u dicken Basis schärft sich der Sameuträger gegen innen papierartig zu, so dass seine Dicke an der freien, nicht verdickten Eudkante kaum 1/% Millimeter beträgt. Er lässt sich nur unvollkommen der Länge nach in 2 Blätter spalten, wr eiche im Wasser aufquellen, durchsichtig werden und sehr deut- lich das zierliche Adernetz ihrer Gefässbündeichen erkennen lassen, deren Endpunkte auf den beiden Flächen und der Kante des Samenträgers durch bräunliche, wenig erhabene Fleckchen in grosser Zahl bezeichnet sind. Nach dem Abfallen des Samens bleibt der kurze schwammige Nabelstrang oft noch einige Zeit auf dem Fleckchen sitzen. Der Same ist von fast halbkugeliger, nur unbedeutend abgeflachter Form, oder vielmehr durch mehr oder weniger seichte Einbuchtung der geraden Seite, am Nabel, von nierenformigem Umrisse. Die beiden ge- näherten Enden des Samens sind durch den kurzen kielförmigen Nabel- *) vgl. am Schlüsse von Manna. 41 644 Samen. streifen verbunden. Am Samenträger sitzt der Same vertikal, das dem Nabel gegenüberliegende, doch nur unmerklich zugespitzte Ende nach unten gerichtet. In Gestalt und Grösse sieht Semen Papaveris dem Semen Hyoscy- ami etwas ähnlich. Letzterer ist aber weit mehr abgeflacht und braungelb, während der Mohnsamen entweder rein weiss oder graulich bis violett- schwarz ist. Man pflegt zum officinellen Gebrauche nur die weissen Samen zu wählen. An den übrigens gleich gestalteten schwarzen treten die weiten unregelmässig 6 eckigen Maschen der Rippen deutlicher hervor, welche den Samen netz- artig üb er stricken. Die Samenkörner wiegen lufttrocken durchschnittlich V2 Milligramm (100 Stück = 0,0495 Gramm). Unter der dünnen, mehr zäh-elastischen als spröden Samenschale schliesst das Eiweiss einen verhältnissmässig ansehnlichen cylindrischen krumm- läufigen Embryo ein, dessen Würzelchen so laug ist, wie die beiden dicken Kotyledonen. Der Mohnsamen ist ausgezeichnet durch sein geringes specifisches Ge- wicht, das nur etwa 0,71 beträgt,1) und geringe Hygroskopicität. Luft- trockener Samen gibt nur 3 — 6 pC. Wasser ab. Die Oberfläche ist aus einer glashellen dünnen tafelartigen Cuticula gebildet, welche sich stellenweise zu jenen Rippen erhebt. Die höchstens 1 5 Mikromill. dicke Samenschale enthält einige Reihen sehr schlaffer Zellen mit derben farblosen, tangential gestreckten, aber ver- worrenen Wänden. In den dunkelsamigen Varietäten ist die innerste Zellen- reihe bedeutend weiter und mit braunen Klumpen gefüllt. Die von Oeltropfen und kleinen farblosen, mit Jod wasser gelb werdenden Körnchen von Protein- oder Pektinstoffen strotzenden dünnwandigen Zellen desEiweisses siud von polyedrischer Gestalt, die des Embryos mehr kubisch, von demselben Inhalte, aber weit kleiner. Der Geschmack des Mohnsamens ist milde ölig. Er gibt gegen die Hälfte seines Gewichtes an fettem wohlschmeckendem Oele, dem eine sehr geringe Menge eines flüchtigen Riechstoffes beigemengt ist. — Das Oel enthält, neben anderen Fettsäuren, Leinölsäure (vgl. bei Semen Lini), trocknet an der Luft noch rascher als das Leinöl, ist dickflüssiger und erstarrt bei — 1 8° C. — Frankreich allein erzeugt jährlich für 25 bis 30 Mill. Frcs. Mohnöl. Der Samen enthält ferner nach Sacc 23 pC. Pektinstoff (oder wohl eher Gummi), 12 pC. Eiweiss und hinterlässt blos 6 pC. Cellulose. Der Stickstoffgehalt betrügt 2 — 3 pC, die Asche, hauptsächlich Kalkphosphat, ß — 7 pC. Der von Accarie und von Meurein angegebene Morphingehalt (3 pro Mille) bedarf wohl noch der Bestätigung. Der sorgfältige Sacc fand durchaus kein AlkaloTd. !) d. h. in trockenem lufterfülltem Zustand«:, denn in Wasser sinkt er nach längerer Zeit unter. Seinen Cacao. 645 Mit Wasser zerrieben liefert der Mohnsamen eine milde schmeckende Emulsion. — Der vomOele befreite Presskuchen riecht und schmeckt nach Lechler dem Opium etwas ähnlich und wirkt narkotisch. Schon Celsus und Plinius kannten die Farben Verschiedenheit des Mohnsamens je nach der Varietät der Pflanze. Er diente übrigens bei den Persern und Aegyptern nicht nur zur Gewinuung des Oeles , sondern auch als Zusatz zum Brote, und wurde bei Römern und Griechen wie der Sesam- samen auf Backwerk und geröstet mit Honig genossen. Einen ähnlichen Gebrauch haben nach Heer1) auch die Bewohner der Pfahlbauten in unse- ren Gegenden vom Mohnsamen gemacht, welcher sich in grosser Menge in manchen Resten dieser Zeit findet. Semen Cacao. Semen Theobromae. Fabae Cacao. Cacaobohnen. Cacao. Feves du Mexique. Cocoa. Cocoa nuts. Theobröma Cacao L. — Büttneriaceae. Die Küstenländer und Inseln des mexikanischen Meerbusens, so wie das Stromgebiet des Cauca, des Magdalenenstromes, desOrinoco und Amazonas sind die Heimat des Cacaobaumes. Als äusserste Nordgrenze seines Vor- kommens dürfen die heissesten Thäler des Mississippi und des Altamaha in Louisiana und Georgia angenommen werden; doch findet er sich hier nur vereinzelt in günstigen Lagen. Die südlichsten umfangreichen Cacaopflanzungen besitzt etwa unter 13° südl. Breite die Provinz Bahia, weiterhin gegen den 20° zeigt sich der Cacaobaum nur noch in Gärten. Auch die jenseitigen Gestadeländer am Stillen Ocean beherbergen denselben, wie z. B. die mexikanischen Staaten Colima und Oaxaca, ganz Central-Amerika, dann die Gegend von Popayan und der Küstenstrich von Ecuador, wo vorzüglich der Cacao von Esme- raldas und Guayaquil durch Güte und Menge hervorragt. Auch Nord-Peru (Maynas) und Bolivia (Apolobamba, Moxas und Yungas) scheinen noch reich an vorzüglichem Cacao zu sein , obwohl sie so gut wie nichts davon auszuführen vermögen. Schon 1670 wurde der Cacaobaum nach den Philippinen verpflanzt. Manila liefert jetzt nicht unerhebliche Erträge, ebenso südlich davon der Sulu oder Jolo-Archipel und Menado. Weniger belangreich scheint die Pro- duktion von Bourbon (seit 1804) und Java zu sein. Es ist somit fast ausschliesslich Mittelamerika und die Nordhälfte Süd- Amerikas, welcher wir dieses für wenigstens 50 Millionen Menschen unent- behrliche Nahrungs- und Genussmittel verdanken. Wild trägt der Cacaobaum kleinere Früchte mit mehr bitteren Samen, l) Die Pflanzen der Pfahlbauten. Zürich 1865. 33. 646 Samen. so class fast nur cultivirte Waare in den Handel gelangt. Unter den wich- tigsten Produktionsgegenden nimmt durch die vorzügliche Güte seines Ca- caos der südlichste District Mexicos, Soconusco (früher zu Guatemala ge- hörig), den ersten Rang ein. Seine schöne goldgelbe kleine Bohne gelangt aber selten nach Europa. Neben ihm liefert von allen mexikanischen Ländern nur das benachbarte Tabasco nennenswerthe Mengen Cacao, so dass das heutige Mexico mehr davon verbraucht als erzeugt. In quantitativer Hinsicht steht der nördliche Theil von Venezuela mit Einschluss Trinidads in erster Linie und reiht sich auch in qualitativer Bezie- hung dem Produkte von Soconusco zunächst an. Porto-CabelloundLaGuayra, die Haupthäfen dieser Länder, versorgen hauptsächlich die südeuropäischen Nationen, die Hauptconsumenten des Cacaos. Humboldt1) schon schätzte bei seinem Besuche 1800 — 1806 den Ertrag des General-Capitanats Cara- cas auf jährlich 200,000 Fanegas (zu 110 span. Pfd. oder 50 Kilogr.), was heutzutage La Guayra allein exportirt und Trinidad liefert jetzt mehr als 'halb so viel. Die nordeuropäischen Völker erhalten vorzugsweise den gleichfalls sehr grossen, aber an Güte etwas geringeren Ertrag des paciflschen Gebietes von Columbia und Ecuador, wo Guayaquil z. B. 1855 über 2V2 Mill. Pfund ausführte. Der Cacao von Esmeraldas, gleich hoch geschätzt wie der von Soconusco, gelangt nicht zu uns. Auf den Inseln des mexikanischen Busens und des Antillenmeeres, vor- züglich auf Haiti, Martinique, Sta. Lucia und Granada, weniger auf Jamaica und fast gar nicht auf Cuba hatte die Cacao-Cultur schon seit der Mitte des XVII. Jahrhunderts von Zeit zu Zeit sehr grosse Ausdehnung gewonnen, so dass z. B. 1775 die beiden ersteren Inseln durch ihren beliebten „Cacao des ile£u fast den ganzen Bedarf Frankreichs deckten. Die wüthenden Or- kane, denen Westindien ausgesetzt ist, und wohl auch zeitweiliger Wasser- mangel neben grosser Bodenerschöpfung haben diese Pflanzungen zu Grunde gerichtet, erstere sowohl durch direkte Wirkung als auch in Folge der Herabsetzung und Veränderlichkeit der Temperatur. 2) Die Produktion Guyanas und Brasiliens (von Rio negro und Amazonas über Para, Maranham nnd ßahia) tritt, obwohl bebeutend genug, doch neben Caracas und Guayaquil in den Hintergrund. Der Cacaobaum ist schwieriger anzubauen als viele andere Tropen- pflanzen. Er verlangt einen lockeren tiefgründigen, nicht schon ausgenutzten Boden, anhaltende grosse und gleichmässige Feuchtigkeit, nicht aber hef- tige Regengüsse, welchen die schweren Früchte nicht widerstehen. Hin- reichende Beschattung durch starke Laubbäume muss auch die Atmosphäre der Pflanzungen mit Feuchtigkeit gesättigt erhalten. Die zu diesem Zwecke besonders viel verwendete Erythrina Corallodendron L., aus der Familie der Papilionaceen , fahrt daher den Namen Arbol madre oder madre del !) Reisen. Stuttgart 1850. II. 346. 2) 1862 führte Haiti über \ Mill. Pfd. aus, Cuba's Produktion belief sich auf 14 Mill. Dollars. Semen Cacao. 647 cacao. Auch Bananen dienen viel zum Schutze gegen direktes Sonnenlicht. Die Temperatur muss möglichst beständig zwischen 24° und 28° C. liegen, schon 22,8° reichen nicht mehr zur Erzielung reifer Früchte hin. Alle diese Yegetationsbedingungen finden sich am besten vereinigt an schattigen Küstenstrichen und in tiefer liegenden Flussthälern. Höher als 1000 bis 1200 Fuss über Meer erhebt der Baum sich gar nicht. Wild findet er sich immer nur vereinzelt im Urwalde, nicht für sich ganze Bestände bildend. — Donnelly1) hat nach eigener mehrjähriger Erfahrung eine ausführliche Schilderung der Cacao-Cultur veröffentlicht. Auch Feinde aus dem Thierreiche , besonders Affen , Insekten und Rat- ten, bedrohen unaufhörlich die Pflanzungen und den Ertrag, so dass durch- schnittlich überhaupt von je 3000 Blüthen nur eine einzige Frucht zu er- warten steht. Die Keimfähigkeit der Samen verliert sich sehr bald ; zur Aussaat kön- nen nur frische Früchte dienen, deren Samen allerdings nach 8 bis 10 Tagen keimen. — In europäischen Gewächshäusern ist es fast unmöglich, die Früchte zur Reife zu bringen. Die junge Pflanze blüht erst gegen das 3te oder 4te Jahr und gibt in manchen Lagen, z. B. in Centralamerika und Westindien, erst vom 8 — lOten Jahre an Früchte, am meisten jedenfalls zwischen dem 12ten und 30sten, manchmal bis zum öOsten Jahre. Der jährliche Durchschnittsertrag eines Baumes ist ungefähr 10 Früchte zu nur fyi Pfund (trockenen) Samen. Donnelly schätzt den Jahresertrag von 1000 Bäumen auf 1250 Pfd. — Die Temperatur und Feuchtigkeit der Tropenländer erlaubt keine lange Aufbewahrung des Cacaos. Der Baum ist 12 bis 40 Fuss hoch, sein oft gebogener knorriger, bis % Fuss dicker Stamm bildet vermöge der 4 oder 5 starken, in geringer Höhe oft fast horizontal abgehenden Aeste eine breite Krone, die durch ihre reiche dunkle Belaubung, ihre sehr zahlreichen zierlichen Blüthen und die grossen schön gelben Früchte einen wohlthuenden Anblick gewährt. In der Cultur variirt der Baum sehr. — Ein gutes Habitusbild desselben (ausser der vollständigen botanischen Analyse der Blüthe und Frucht) hat A. Mits eher lieh in seiner trefflichen Monographie: Der Cacao und die Chocolade, Berlin 1859, pag. 26 gegeben. Dieser erschöpfenden Arbeit folgt unsere Darstellung in den meisten Haupt- punkten. — Rinde und Holz des Stammes, wie übrigens auch die andern Theile der Pflanze, sind von Berg in seiner: Darstellung und Beschreibung der officinellen Gewächse gründlich behandelt. Die erste Beschreibung des Baumes gab Clusius schon 1593. Der Cacao liefert jährlich zwei Haupternten, Ende Juni und Ende De- cember in Venezuela, Ende Februar und Ende Juni in Brasilien, aber der blühbare Baum trägt das ganze Jahr hindurch Früchte und Blüthen. Die 1) Proceedings of the American Pharm. Associat. 1860. 197. 648 Samen. letzteren brechen merkwürdigerweise weit weniger aus den jungen Zweigen hervor als an den dicken Aesten und unmittelbar aus dem Stamme selbst oder sogar aus den oberirdischen Theilen der Wurzeln. Die hübsch rosen- rothen Blüthen, von höchstens 0,01 5™ Durchmesser, sind auffallend klein im Verhältnisse zu den bis 0,40m langen, meist einfach eiförmigen Blättern und den grossen Früchten, deren eine, welche mir eben (getrocknet) vor- liegt, z. B. 0,1 5m Länge und 0,07m Durchmesser in der Mitte zeigt. Durch 5 ziemlich scharf hervortretende Längsrippen ist das schwärzlich braune, sehr runzelige Fruchtgehäuse stumpf öeckig-eiförmig. 5 weitere Rippen sind an der getrockneten Frucht kaum mehr wahrnehmbar; im frischen Zustande jedoch erscheinen, nach Berg, sämmtliche 10 Rippen gleich stark. Anfangs grünlich weiss, nimmt die Frucht beim Reifen, wozu sie gegen 4 Monate bedarf, eine schön rothgelbe Farbe an. Ihr hartfleischig holziges, nicht aufspringendes Gehäuse wird beim Trocknen lederartig, etwa 0,0 10m dick. Das braungelbe blätterig - schwammige Parenchym schliesst grosse mit Schleim gefüllte Räume ein. Den weniger ausgeprägten Rippen entsprechend ragen 5 fleischige Scheidewände tief in die Frucht herein oder verwachsen in der Axe der- selben. Sie tragen auf jeder Seite eine Vertikalreihe horizontal dicht auf- einander gelagerter Samen, eingebettet in ein schwach röthliches, sehr saf- tiges Fleisch, welches die 5 Fruchtfächer ausfüllt. Allein dieses wohl- schmeckenden säuerlich süssen schleimigen Muses wegen öffneten noch zu Humboldts Zeit die Wilden am Orinoco die Frucht und warfen die für sie werthlosen Samen weg. In Mexico wird nach von Müller durch Gäh- rung aus diesem Fruchtbrei ein erfrischendes Getränk, durch Destillation eine Art Rhum erhalten. In der reifenden Frucht reissen die Samenträger, lösen sich von der Fruchtwand ab und legen sich an und zwischen die Samen zurück, welche nun zu 5 Vertikalreihen von je etwa 12 bis 14 Stück zusammengeschoben, durch das Mus und die Reste der Samenträger zu einer frei in der Axe der Frucht stehenden Säule verbunden sind. Die fleischigen , fast farblosen Samen werden beim Trocknen ziemlich spröde und braun bis braunroth. Sie sind bis über 0,025mlang und 0,0 15m breit,1) seltener voll und reiu eiförmig, als durch gegenseitigen Druck in manigfacher Weise gekantet oder höckerig, oder meist ziemlich parallel mit der Berührungsfläche der Kotyledonen platt gedrückt. Dicht unter dem breiteren und gewöhnlich auch dickeren Ende bezeichnet eine etwas hellere glatte Stelle den Nabel, von welchem der derbe Nabelstreifen (Raphe) zum stumpf zugespitzten Ende des Samens geht und sich hier in mehrere Gefäss- bündel auflöst, die nun im Innern der Samenschale verästelt wieder ab- wärts bis in die Nähe des Nabels auslaufen und auf der Oberfläche der ge- reinigten Samenschale als zarte Adern sichtbar bleiben. x) die schön erwähnte Soconusco-Sorte niisst kaum 0,020ni und 0,0 10m. Semen Cacao. 649 Die zerbrechliche dünne Samenschale, etwa 12 pC. des Samens betra- gend, erlangt auch durch das Aufquellen, wobei sie sehr weichfaserig und etwas schleimig wird, kaum die Dicke eines Millimeters und ist auf der in- neren Seite mit einem sehr zarten schlüpferigen farblosen Häufchen aus- gekleidet, das zum Theil fest dem Samen anhaftet, aber auch unregelmässig hin- und hergebogene, doch vorherrschend mehr der Längsrichtung des Samens entsprechende als querlaufende Falten nach innen entsendet. Im reifen Samen bilden sie schmale, bis fast in das Centrum des Kernes rei- chende Klüfte. Der Same füllt im übrigen die Samenschale vollständig aus, ist im frischen Zustande weiss und fleischig, trocken ölig, graulich und violett gesprenkelt bis braun schwärzlich, spröde und zerfällt durch jene ihn nach verschiedenen Richtungen gangartig durchsetzenden Klüfte bei mas- sigem Drucke in ungleiche, innen scharfkantige Stücke. Der Same ist eiweisslos , jeder der beiden dicken Lappen (Kotyledonen) auf der inneren Seite zu 3 starken, wenig divergirenden Längsrippen zusammengefaltet, welche durch tiefe Hohlkehlen getrennt sind. Letztere erstrecken sich bis in die Spitze des Samenlappens, entspringen jedoch nicht in seinem Grunde, welcher vielmehr von dem ungefähr 0,00 5m langen, ziemlich dicken WürzeL- chen eingenommen wird. Ansätze zu 2 weiteren Rippen oder Samenlappen- falten finden sich unmittelbar über dem starken harten Würzelchen, welches glockenartig von den herabsteigenden unteren Enden der Samenlappen um- hüllt ist. Die Rippen oder Nerven des einen Samenlappens greifen mehr oder weniger genau in die Hohlkehlen des anderen ein, so dass der Quer- schnitt nicht eine einfache Berührungslinie darbietet, sondern eine schmale Kluft mit wellenförmigen Rändern. In den verschiedenen Cacaosorten sollen auch die Samen anderer Theo- broma-Arten mit vorkommen, aber selbst Mit scherlich weiss keine be- stimmten Kennzeichen derselben anzugeben. Ihre Stammpflanzen, die übrigens botanisch noch nicht ganz feststehen, wären: 1) Theobroma bicolor, Humboldt u. Bonpland, in Columbia (Popa- yan) und am Rio negro. 2) Th. speciosum Willdenow, in Parä einheimisch. 3) Th. guyanense Aublet, in Guyana. 4) Th. sylvestre Martius. Rio negro. 5) Th. subincanum Mart. Ebenso. 6) Th. microcarpum Mart. Ebenso. 7) Th. glaucum Karsten. Am oberen Meta, einem linken Zuflüsse des Orinoco. 8) Th. angustifolium Sesse und 9) Th. ovalifolium Sesse sollen sogar die beiden ausgezeichnetsten Sorten, den Cacao von Soconusco und den von Esmeraldas liefern. Die Behandlung der Samen begründet Hauptunterschiede in ihrem Aus- sehen. Auch ihr bitterer Geschmack wird sehr gemildert, wenn man sie einem Gährungsprocesse, dem sogenannten Rotten unterwirft. Die durch 650 Samen. Reiben auf einem Siebe oder zwischen den Händen vom Frucktbreie be- freiten Samen werden nämlich auf der Erde in Haufen geschichtet und mit Blättern bedeckt, einer alsbald eintretenden Erwärmung über Nacht wieder- holt ausgesetzt und am Tage in der Sonne oder auch in künstlich erwärm- ten Räumen getrocknet. In einfacherer Weise wird dieses Rotten auch wohl bewerkstelligt, indem die Samen in Fässern oder Kisten 4 bis 6 Tage lang in der Erde einge- graben der Gährung überlassen werden (Cacao terre, terrage der Franzosen). Die gehörige Leitung des in chemischer Hinsicht noch nicht aufgeklärten Gährungsprocesses bedingt zum grossen Theil die Güte der Waare und hauptsächlich auch die dunklere Färbung. Ungerottet heissen diejenigen Sorten, welche ohne weiteres mit möglichster Schnelligkeit getrocknet wer- den, wie die von wilden Bäumen und in einzelnen Pflanzungen gesammelten. Sie besitzen noch den ursprünglichen bitteren herben Geschmack, welcher sich in den gerotteten Samen mehr milde ölig mit süsslichem Nachge- schmäcke zeigt. Namentlich schmecken die Soconusco- und Esmeraldas- Bohnen aromatisch und gar nicht mehr herbe. Das Aroma des Cacaos ist eigentümlich und angenehm, wenn auch nicht eben kräftig. Es scheint, dass dasselbe in frischer Waare noch wenig entwickelt ist, daher sie gewöhnlich erst etwa nach einem Jahre verkäuf- lich wird. Das südliche Gebiet, wo überhaupt die Güte des Cacaos schon abnimmt, liefert vorzüglich die ungerotteten, weniger geschätzten Sorten, wie z. B. diejenige von Bahia, aus hell rothbraunen, meist stark plattgedrückten klei- neren Samen bestehend. Hierher gehören weiter die Cacaos von Maranham (Maragnon), Para, Rio negro, der mehr grau bläuliche Samen von Surinam, endlich grösstenteils auch der Cacao des Res (Domingo, Jamaica). Durch Beschmierung mit Erde erhalten ungerottete Sorten leicht das Ansehen der gerotteten. Die gerotteten Cacaos, zu denen die wichtigsten und gesuchtesten Handelssorten zählen, nehmen einen je nach der Bodenart, mit der sie in Berührung gebracht werden, bald rothgelben, bald dunkelgrauen lehmigen Ueberzug an. Die erstere Farbe zeigen die grossen vollen oder plattgedrück- ten Samen von Caracas, welchen bisweilen noch kleine glänzende Glimmer- blättchen anhaften. Mehr grau sind diejenigen von Augostura am Orinoco, während die Guayaquil-Bohnen zwischen braun und grau schwanken. Zur Erkennung der Sorten gehört bei den im ganzen nicht sehr bedeutenden Unterschieden ein mit dieser Waare ganz speciell vertrautes Auge und noch delikater ist die Beurtheilung des Aromas. Zur Fabrikation der Chocolate werden sehr oft Mischungen verschiedener Sorten vorge- nommen, um das gewünschte Aroma zu erhalten. Der anatomische Bau sämmtlicher Cacao-Sorteu oder Arten scheint übereinzustimmen. Die meist noch von geringen undeutlichen Resten der Scheidewände oder des Fruchtbreies bedeckte Samenoberhaut ist eine starre Semen Cacao. 651 dünne, nur nach aussen und auch wohl auf den Seiten mit verdickten braunrothen Wänden versehene Schicht kleiner tafelförmiger Zellen. Das daruuter liegende, sehr zusammengefallene Gewebe zeigt nach dem Auf- weichen in kochender Kalilauge grosse, meist etwas in die Länge gestreckte braun wandige Zellen , die durch ihre verbogenen starken Wände zu einem fast faserartig zusammenhängenden Filze verbunden sind. In der etwas kleinzelligeren äusseren Schicht unmittelbar unter der Oberhaut entstehen durch theilweise Auflösung und durch Eiureissen der Zellwände grosse, mit Schleim gefüllte Räume, welche oft auf weite Strecken die Oberhaut vom inneren Gewebe ablösen. Ungefähr in der Mitte der Samenschale streichen die aus einer grossen Zahl dünner abrollbarer Spiralgefässe gebildeten Gefässbündel , in deren Nähe sich bisweilen auch noch Schleimhöhlen finden. In der Mitte zwischen der Gefässbündelregion und der inneren Samenhaut sitzt eine fest geschlos- sene Schicht einer einzigen Reihe von kleinen, im Querschnitte quadra- tischen und nur etwa 15 Mikromill. messenden Zellen, deren tief rothbraune Wände vorzüglich auf der inneren Seite stark verdickt sind. Das darunter liegende, noch 100 — 150 Mikromill. breite Gewebe ist gleich gebildet wie das Parenchym ausserhalb jener steinzellenartigen Schicht, nur enger und mehr gestreckt. Scharf abgegrenzt und ziemlich leicht davon trennbar ist die innere Samenhaut, eine einzige, etwa 10 Mikromill. breite Reihe farb- loser oder schwach gelblicher Zellen von flach tafelförmiger Gestalt. Sie zeigen auf dem tangentialen Schnitt polyedrische Umrisse , auf dem Quer- schnitte fast quadratische Form. Diese durchsichtige, nach dem Aufweichen sehr schlüpferige Haut ist es, welche in die Samenlappen eingefaltet ist und sie so brüchig macht. Der Samenhaut haften da und dort merkwürdige gelbe , kurz schlauch förmige, ungefähr 30 Mikromill. dicke und gegen 100 Mikr. lange Zellen an, welche zuerst Mitscherlich beobachtet hat. Sie sind mit wolkigem bräunlichem Inhalte gefüllt, der durch etwa 10 Querscheidewände getheilt ist. Einige dieser Abschnitte zeigen auch eine Trennung in der Längs- richtung. Eine organische Verbindung dieser Mit scher lieh 'sehen Kör- perchen mit der Sameuhaut ist vielleicht dadurch angedeutet, dass sich neben ersteren im Zellgewebe bisweilen auch Lücken finden, in welche die Körperchen hinein zu passen scheinen. Sie sind daher wohl nur als haar- artige Gebilde aufzufassen, obwohl nicht zu verkennen ist, dass sie auch manchen Infusorien, z. B. den Gregarmen, ähnlich sehen. Mit diesen Mitscherlich'schen Körperchen, welche sich vorzüglich in den Einstülpungen der zarten Samenhaut finden, sind die gelben Körner nicht zu verwechseln , die man häufig und schon mit unbewaffnetem Auge auf der Innenseite der Samenschale und in den Klüften der Kotyledonen wahrnimmt. Weingeist entzieht diesen Körnern den intensiven gelben Farb- stoff und man erkennt alsdann unter dem Mikroskop kugelige Haufwerke von kleinen farblosen Bläschen, daneben aber sehr zahlreiche Milben 652 Samen. (Tyroglyphen und Uropoden, nach der Bestimmung von Prof. Perty), welche vielleicht schon beim Rotten in den Cacao gelangen. Dergleichen gelbe Körner finden sich auch auf manchen andern Drogen, z.B. auf Radix Ratanhiae nicht selten. Die Samenlappen sind aus ansehnlichen dünnwandigen kugelig-eckigen oder besonders gegen die Peripherie hin radial gestreckten und hier regel- mässig geordneten Zellen gebildet. Die äusserste Reihe ist flach tafelförmig, im Querschnitt tangential gedehnt und durch braunen körnigen Inhalt aus- gezeichnet. Sehr zarte Bündelchen von feinen Spiralgefässen und dünnen prosenchymatischen Zellen durchziehen da und dort unregelmässig das Parenchym. Der Hauptinhalt der Kotyledonen besteht aus ungefärbten formlosen Fettklumpen. Einzelne Zellen oder Zellenreihen sind ganz von einem in den ungerotteten Samen schön violetten oder blauen Farbstoffe erfüllt, welcher durch das Rotten in trübes Rothbraun übergeht. Es scheint, dass an dieser Färbung die Behandlung der Waare sicher erkannt werden kann. Eine Domingo-Sorte z. B. , welcher das erdige Aussehen gerotteter Samen gegeben wurde, zeigt auf dem ersten besten Schnitt die violetten Farbstoff- zellen. Am schönsten bietet die Bahia-Sorte die violetten Zellen dar, aber auch hier ist der Farbstoff leicht veränderlich. Er löst sich in Wasser und Alkohol, sehr leicht auch mit rother Farbe in Essigsäure und verbindet sich mit Bleioxyd. Da die Cacao -Samen nach den übereinstimmenden Zeugnissen der Naturforscher, welche dieselben frisch untersucht haben, ursprünglich farblos sind, so vermuthet Mitscherlich für das Cacao- Pigment wohl mit Recht die nachträgliche Entstehung derselben unter dem Einflüsse des Sauerstoffes aus einem gerbstoff ähnlichen Körper, ähnlich wie es z. B. bei Chinaroth der Fall ist. Dieses Cacaoroth beträgt nach Mit- scherlich etwa 3 — 5 pC. Ein genaues Studium desselben wird nur da möglich sein, wo frische Samen in Arbeit genommen werden können. Entzieht man den Samen durch längeres Digeriren mit Aether oder mit Terpenthinöl das Fett vollständig, so gelangen erst ihre zahlreichen kleinen, 5 — 15 Mikromill. messenden Stärkekörnchen1) zur Anschauung. Sie sind von sehr wenig regelmässiger Gestalt, entweder einzeln und dann kugelig oder eiförmig, oder zu mehreren fast stabförmig oder wurmartig verwachsen. Oft ist die Oberfläche sehr uneben und die Mitte in einer einfachen oder zackigen Spalte aufgerissen. Sie zeigen nicht ohne weiteres Schichtung, wohl aber im polarisirten Lichte das gewöhnliche Kreuz. Die Stärke beträgt 10 — 18 pC. und ist in Form und Grösse sehr abweichend von den meisten andern Stärkearten, so dass Beimischungen stärkehaltiger Stoffe, wie z. B. Getreidemehl, in Cacao oder Chocolate leicht zu erkennen sind. Kleinere Körnchen, welche bei der obigen Behandlung mit Aether neben der Stärke im Parenchym zurückbleiben, scheinen einem Protei'nstoffe (Ei- weiss) anzugehören. Nach Mitscherlich enthalten die Samen, bei 120° *) neben Aleuron (vergl. bei Semen Lini). Semen Cacao. 653 getrocknet, gegen 3 pC. Stickstoff, was (nach Abzug des dem Theobromin zukommenden Antheiles) etwa 13 pC. Protein voraussetzt. Dasselbe ist zum geringsten Theile in Wasser löslich. Die Cacaosamen geben bei 120° nur 5 — 6 pC. hygroskopisches Wasser ab und hinterlassen beim Verbrennen 3,5 — 3,8 pO. Asche, welche gegen 40 pC. Phosphorsäure, gebunden an Kali, Kalk und Magnesia, enthält. Die Asche der Frucht gab Roostvan Tonn in gen nur 7 pC. Phosphorsäure. — Die verschiedenen Aschenanalysen von Roost, Zedeler u. Letellier zeigen auffallend wenig Uebereinstimmung. Die Samenschalen allein geben ungefähr dieselbe Aschenmenge wie die Samen, aber nach Lampadius vor- wiegend aus Carbonaten bestehend. Der Zuckergehalt des Cacaos beträgt nach Mitscherlich nur etwa V2 pC. Auch der Gehalt an Gummi scheint trotz der grossen, in den Schalen zum Theil damit gefüllten Räume nur wenig bedeutend zu sein. Das Fett der Cacaosamen, die Cacaobutter, schwankt zwischen un- gefähr 43 und 53 pC. Sie ist hart, bei etwa 30° C. schmelzend und bei 25° C. wieder erstarrend. Neben Stearin scheint darin, an Glycerin ge- bunden , noch eine vielleicht eigenthümliche Fettsäure von höherem Atom- gewichte vorzukommen. Seine grosse Haltbarkeit empfiehlt das Cacaofett sehr zu medicinischer Verwendung. Durch klare Löslichkeit im doppelten Gewichte Aether von 18° C. unterscheidet es sich, nach Björklund, von etwa beigesetztem Wachs und Talg. Der interessanteste Bestandteil der Cacaobohnen ist das 1841 von Woskresensky entdeckte Theobromin 07H8N4-9-9. Im Zellgewebe der Samenlappen zeigt die mikroskopische Untersuchung direkt keine Ablage- rung von Theobromin , wohl aber schössen Krystalle desselben sehr reich- lich in den bei Mitscherlich, Tafel II, Fig. 8 abgebildeten Formen an, als ich feine Schnitte 2 Jahre lang in Glycerin aufbewahrte. Die innere Samenhaut der käuflichen Bohnen ist stellenweise mit ansehnlichen, meist nicht gut ausgebildeten nadeiförmigen Krystallen besäet; Mitscherlich hat nachgewiesen, dass sie Theobromin sind. Ihre sehr ungleiche Verthei- lung auf der Haut und ihr reichlicheres Vorkommen in den eingestülpten Falten derselben spricht dafür, dass sie wohl erst beim Trocknen der Bohne auskrystallisiren. Mitscherlich hat aus Kotyledonen der Guayaquil-Waare 1,5 pC. Theobromin erhalten, aus den Schalen allein gegen 1 pC. In den letzteren gehört dasselbe vermuthlich nur der anhängenden inneren Samenhaut an. Das Theobromin , obwohl ohne alkalische Reaktion , geht doch wenig- stens mit den starken Mineralsäuren, aber nicht mit Oxalsäure, bestimmte, freilich schon durch viel Wasser zersetzbare Verbindungen ein. Es löst sich in Weingeist und Wasser nur beim Kochen reichlich, Wenig in der Kälte, so dass seine Bitterkeit , welche wohl nicht allein den Geschmack des Cacaos bedingt, sich auf der Zunge nur langsam entwickelt« 654 Samen. Seinem ganzen ehemischen Verhalten nach steht das Theobromin in nächster Beziehung zu dem mit ihm homologen Coffein. Nimmt ersteres OH2 auf, so entsteht in der That, wie Strecker gezeigt hat, Coffein O8H10N4O2. In physiologischer Hinsicht wirken beide auf gleiche Weise giftig, das Theobromin jedoch bedeutend weniger intensiv. Der Stickstoffgehalt des Theobromins, 31,1 pC, ist höher als der irgend eines Pflanzenstoffes (Coffein hält 28,8 pC., Asparagin 18,6 pC) und weist dem Cacao eine bedeutsame Stelle als Nahrungs- und Genussmittel an. Meist wird der Cacao gekocht, in der Form von Chocolate genossen, die im wesentlichen nur aus den mit Zucker und Gewürzen versetzten, möglichst fein gemahlenen Samenkernen besteht. Man befreit dieselben von den Samenschalen, indem man die letzteren durch eine Temperatur von 100 — 137° C. in geschlossenen eisernen Trommeln so spröde macht, dass sie sich gut brechen und dann vermittelst des „Windfegers" oder durch Sieben leicht beseitigen lassen. Obwohl die Temperatur hierbei nicht hoch genug geht und nicht lange genug anhält, um im Cacao sehr eingreifende Veränderungen zu veranlassen, so ist doch sein Geruch nach dem Rösten "ein wenig verschieden. Der ent- weichende Wasserdampf scheint nichts mit fortzuführen. Bei der Eroberung Mexicos (1519) fanden die Spanier daselbst eine ganz ausserordentlich grossartige Cacaocultur, welche sehr viel bedeutender war als die jetzt dort betriebene. Der Eroberer Cortez selbst war der erste Europäer, welcher, in einem an Kaiser KarlV. gerichteten Briefe, über den Cacao berichtete. Nicht nur wurde aus den Bohnen das hochgeschätzte Getränke Chocolatl, jedoch im Gegensatze zu uns, nur durch kalten Auf- guss, bereitet, sondern sie waren auch als Zahlungsmittel im Umlauf, und ganze Provinzen hatten dem Kaiser ihren Tribut in Cacao zu entrichten. Kurze Zeit nach der Eroberung galten z. B. 1000 Bohnen 5 Realen1) und noch heute sollen sie, zwar nicht in Mexico, wohl aber in Costa Rica, im Kleinhandel gelegentlich die Stelle des Kupfergeldes vertreten. — Zur Zeit der Eroberung soll die einzige Stadt Tezcuco jährlich 2% Millionen Centner (Fanegas) Cacao verbraucht haben. Bei den Spaniern, zumal unter der Geistlichkeit, fand der Genuss des Cacaos sehr bald leidenschaftliche Anhänger und Gegner. Benzoni z. B. nannte ihn (1572) angemessener für die Schweine als für die Menschen; Linne hat später durch seine Benennung des Baumes2) dieses Unrecht gesühnt. Schon von 1520 an bürgerte sich in Spanien der Cacao allmälig ein und sehr bald wurden Bohnen statt der fertigen Chocolate- Tafeln be- zogen und verarbeitet. Die Spanier erst waren es auch, welche die Einge- bornen Venezuelas und Central -Amerikas mit der Cultur (seit 1634) und !) 1 Real heutzutage = 0,27 Franc. 2j Theos: Gott, broraa: Speise. Semen Lini. 655 mit dem Gemisse des Cacaos bekannt machten. In Europa blieb er bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts auf Spanien beschränkt. 1606 verbreitete er sich von da nach Italien , in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erst nach Frankreich, England (seit 1657) und Deutschland. Europa verbraucht jetzt jährlich über 30 Millionen1) Pfund und Englands Einfuhr allein betrug z. B. 1862 etwa 10 Mill. Pfd., diejenige von Frankreich 1865 12 Mill. Pfd., die hamburgische 1864 über 2 Mill. Pfd. Am grössten ist der Verbrauch des Cacaos in Spanien, wo auf den Kopf seiner Bevölkerung jährlich über ein Pfund gerechnet werden muss. In Frankreich dürfte dieses Verhältniss schon 5mal weniger betragen und im übrigen Europa noch bedeutend tiefer stehen. Im allgemeinen scheint die Vorliebe für Cacao eher abzunehmen. Semen Lini. Leinsamen. Flachssamen. Semence de Lin. Linseed. Limim usitatissimum L. — Lineae. Der Lein scheint ursprünglich den pontisch-kaukasischen Gegenden anzugehören, wo er sich jetzt noch in Mingrelien wild findet. Nach De- beaux2) wird er in China, z. B. in der Südwestprovinz Jünnan, gebaut, was vielleicht doch auf eine ostasiatische Herkunft deutet. Seiner spinnbaren Bastfaser wegen, vielleicht aber auch zum zeitweiligen Genüsse der nahrhaften Samen ist der Lein schon in den ältesten Zeiten in den verschiedensten Ländern in mehreren Varietäten angebaut worden. Sehr frühe ist er namentlich nach Aegypten gelangt, dessen uralte Bau- werke viele bildliche Darstellungen der Flachskultur aufweisen. Die Faser der altägyptischen Grabgewänder gehört dem Leine, nicht der Baumwolle, noch dem Hanfe an und lässt sich hier nach Unger bis in das 33ste Jahr vor Chr. zurück verfolgen. 3) In grosser Menge trifft man die Leinfaser, nicht aber die des Hanfes, mit Leinkapseln und ihren Samen in den Pfahlbauten der Schweiz. Die Früchte und Samen findet Heer4) jedoch auffallend klein und mehr denen des in Deutschland wild wachsenden Linum perenne L. oder mehr noch denen des südeuropäischen Linum angustifolium Hudson ähnlich; er hält es daher für möglich, dass unsere einjährige Kulturpflanze von einer jener perennirenden Arten abstamme. Der Uebergang ist aber keineswegs erwiesen. In grossartigstem Masstabe wird heut zu Tage der Flachsbau besonders in den Ostseeprovinzen5) (wenig mehr in Norwegen), in England, in Aegypten, in Nordamerika betrieben. !) nach andern Schätzungen 20 Mill. 2) in der bei Camphora genannten Schrift S. 58. 3) Unger, Bot. Streifzüge auf dem Gebiete der Cult.-Gesch. (Wiener Acad. 1859 u. 1866). 4) Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Ges. 1864. 77. — Pflanzen der Pfahlbauten. Zürich 1865. 35. 5) Russland erzeugt jährlich S1/* Millionen Ctr. Leinfaser. 656 Samen. Die in 5 und schliesslich in 10 Klappen aufspringende Kapsel enthält 10 eiförmige, flach zusammengedrückte , 5 Millim. lange, lmm dicke und nicht ganz 5 Milligr.1) wiegende Samen. Dicht unter dem spitzeren abge- rundeten Ende sind sie ein wenig ausgerandet und mit dem unansehnlichen Nabel versehen. Die glänzende grünlich-gelbe oder gelb-bräunliche Ober- fläche erscheint nur unter der Loupe äusserst fein grubig punktirt und ist von dem schmalen, sanft zugeschärften farblosen Rande, besonders auf der Seite des Nabels hell eingefasst. Die dünne, nicht sehr harte Samenschale bricht spröde und lässt leicht den grünlich gelblichen Embryo mit dem dicken, 1 Millim. langen geraden Würzelchen hervortreten, während das geringe, mehr weissliche Eiweiss, das ihn enge umhüllt, nebst der braunen Samenhaut der Schale anzuhaften pflegt. Die beiden dicken gefässlosen herzförmigen Kotyledonen füllen somit die letztere grösstentheils aus. In kaltem oder warmem Wasser umgibt sich der Leinsamen mit einer dünnen schlüpferigen farblosen Schleimhülle, welche sich rasch zu einer neu- tralen Gallerte auflöst. Der Same selbst quillt nur wenig auf und verliert den Glanz. Unters acht man die Samenschale unter Terpenthinöl, so findet man zu äusserst eine farblose glasartige, 15 Mikromillim. dicke Oberhaut, worin nur da und dort sehr zarte vertikale (radiale) Scheidewände eine Theilimg in einzelne Zellen errathen lassen. Die eigentliche Samenschale ist aus einer Reihe äusserst dicht gedrängter, radial geordneter kleiner Steinzellen gebildet. Diese gelblichen, höchst feinporigen Zellen sind ringsum fast ganz verdickt und zeigen im polarisirten Lichte lebhafte Farben. Besonders gegen die Ränder des Samens hin ragen einzelne, etwas radial verlängerte Gruppen derselben in regelmässigen Abständen weiter heraus, so dass diese Schicht gegen die Oberhaut hin einen geschweiften Verlauf erhält. Die Grenze ist jedoch durch eine Lage sehr zusammengefallener Zellen etwas undeutlich. Eine ähnliche, aber schwächere Schicht trennt die Samenschale von der Samenhaut, welche aus tangential gestreckten tafel- förmigen Zellen besteht, die mit ausserordentlich feinen Poren versehen und ganz und gar von einem tief braunen festen, weder in Kali noch in Alkohol oder Aether löslichen Inhalte erfüllt sind. Demselben verdankt der Leinsamen seine Färbung weit mehr als der blassen Schale. Einzelne Splitter dieses Farbstoffes oder grössere Stücke der davon erfüllten Samen- haut sind bei der mikroskopischen Betrachtung des gepulverten Leinsamens sehr in die Augen fallend. In Wasser schwillt die Oberhaut zur 3- bis 5 fachen Dicke an, indem ihre Zellen jetzt deutlich hervortreten und ihre zarten Querwände sich senkrecht zur Samenschale aufrichten, wobei die bei weitem stärkeren Aussenwände reissen und oft in aufgerollten Bruchstücken an der Ober- fläche haften, bis die ganze Oberhaut, besonders beim Erwärmen, sich fast !) 100 Stück lufttrockener Samen = 0,470 Gramm. Semen Lini. 657 vollständig zu Schleim auflöst. Ein feines Skelett ihrer Zellwände wider- steht indessen selbst kaustischem Kali. Der Bau der Oberhaut wird durch Befeuchten mit Eisen vitriollösung vorzüglich klar, indem ihre Wandungen hierbei eine gelbe Färbung annehmen und nach aussen feine Schichtung zeigen. Ein tangentialer Schnitt durch die Oberhaut bietet den rundlich eckigen Quer- schnitt ihrer Zellen dar und lässt sie daher als Cylinder oder Prismen erschei- nen, welche senkrecht und dicht gedrängt der Samenschale aufgesetzt sind. Die Oberhaut des Leinsamens verhält sich demnach wie die des weissen Senfes, aber das schlaffe gelbliche, tangential gedehnte Gewebe zwischen der ersteren und der Samenschale des Leins besteht nicht mehr aus Schleim, daher sich bei dem Leinsamen das Aufquellen auf die einzige Zellenschicht der Oberhaut beschränkt. Nicht die nach allen Seiten ver- dickten Steinzellen der eigentlichen Samenschale sind es , welche sich hier strecken. Sie widerstehen vielmehr sogar dem Kali und die dichte Be- schaffenheit ihrer Wände verräth sich auch durch ihr Verhalten im polari- sirten Lichte. Das Gewebe des Eiweisses ist unter der Wölbung der flachen Seiten reichlicher abgelagert als an den Rändern und besteht aus kleinen zarten eckigen Zellen, welche nur durch ein dünnes Häutchen von den gleich ge- stalteten des Embryos geschieden sind. Die letzteren werden von ver- zweigten Strängen etwas längerer dünnwandiger Zellen, den ersten Anlagen der Gefässbündel, durchzogen. Eiweiss und Embryo strotzen von Oel- tropfen und zeigen bei geeigneter Behandlung (S. 667) auch Aleuronkörner. Der Leinsamen schmeckt ölig-schleimig und milde, obwohl nicht ange- nehm. Schon beim Trocknen des ganzen Samens im Wasserbade entwickelt sich ein scharfer unangenehmer Acrolem-Geruch. Hauptbestandteil des Leinsamens ist das fette Oel, wovon er gegen V3 seines Gewichtes enthält. Die Praxis gewinnt im grossen etwa 26 pC. Frisch und kalt gepresst ist es hellgelb, ohne unangenehmen Geschmack, bei — 20° C. noch nicht erstarrend; das käufliche Leinöl jedoch ist dunkel- gelb und von scharfem widerigem Gerüche und Geschmacke. Es hält in geringer Menge Schleim, Eiweiss und Farbstoff aufgelöst und trocknet, besonders nach dem Erhitzen mit Bleioxyd, an der Luft rasch zu einem durchsichtigen Firnisse ein. Bei der Verseifung liefert das Leinöl vorzüglich die selbst bei — 18° C. noch flüssige Leinölsäure 016H2802, gebunden an Glycerin. Diese sich an der Luft rasch verdickende Säure scheint in den sämmtlichen trocknenden Oelen vorzukommen, besonders auch im Mohnöl. Sie ist weder mit den gewöhnlichen Fettsäuren homolog, noch mit der Reihe der z. B. auch im Mandelöl enthaltenen Oleinsäure (Oelsäure) O18H34 02 Der zähe Schleim des Leinsamens wird erst nach dem Aufkochen filtrir- bar, enthält aber noch über 10 pC. Mineralstoffe. Hiervon befreit, entspricht er (bei 110°), wie der Althaea- Schleim, der Formel O12H20O10. Er wird durch Jod und Schwefelsäure nicht blau, von Kupferoxydammoniak nicht Flückiger, Pharmakognosie. 42 658 Samen. gelöst und gibt mit Salpetersäure auch Schleirnsäure , charakterisirt sich somit als Gummi und nicht als lösliche Cellulose. Der Stickstoffgehalt des Samens beträgt gegen 4 pC. , was auf Protei'n- stoffe bezogen, etwa 25 pC. der letzteren voraussetzt. Dieselben bleiben bei der Gewinnung des Oeles so vollständig in den Presskuchen zurück, dass letztere ungefähr 5pC. Stickstoff behalten. Die mineralischen Bestand- teile des Samens, der Hauptsache nach Kali- und Kalk-Phosphat, machen bis 4,5 pC. aus und gehen in den Schleim über. Als Sitze des geringen Gerbstoffgehaltes erweisen sich durch Behand- lung feiner Schnitte mit Eisenvitriollösung die Samenschale und die Samenhaut. Die Samenkapseln des Leins wirken , wenigstens auf Schafe , tödtlich narkotisch. Aehnliche, wenn auch nicht so gefährliche Wirkungen, sind von Linum catharticum L. wohl bekannt. "Werden dünne Schnitte des ausgereiften Leinsamens mit Jod und Wasser in Berührung gelassen, so bemerkt man auch nach längerer Einwirkung nur eine gelbe Färbung des festen körnigen Inhaltes im Eiweiss- oder Keimblatt- gewebe. Höchstens im ersteren nehmen da und dort einige Körnchen blaue Färbung an. Auch vermittelst des polarisirten Lichtes gelingt es nicht, Amylumkörner zur Anschauung zu bringen. Jod in Jodkalium gelöst, er- theilt den Wandungen der Eiweisszellen eine bläuliche Färbung, lässt aber den Inhalt gelb. Gleichwohl enthält der Samen nach Dragendorff 23,4 pC. Amylum, welches auch mikroskopisch sichtbar werden soll, wenn der Same 18 — 30 Stunden lang mit Aetzkali in absolutem Alkohol bei 100° C. erhalten wird. Die Amylumkörner werden hierbei nicht angegriffen, aber die meisten übrigen Bestandteile des Samens in Lösung gebracht. Ich habe Dragendorff 's Versuch zunächst mit getrockneten Lein- samen wiederholt, die ich nur entzwei geschnitten hatte. Feine, nach zwei- tägiger Einwirkung des alkoholischen Kalis den Schnittflächen entnommene Scheibchen des Eiweisses sowohl als der Kotyledonen zeigten allerdings zahlreiche Körnchen in dem sonst völlig entleerten Gewebe. Sie erwiesen sich aber schon durch ihr Aussehen und mehr noch durch ihr Verhalten nicht als Amylum. Kochendes Wasser veränderte sie nicht, in Berührung mit concentrirter Schwefelsäure schrumpften sie ein, ohne sich zu lösen, Jodwasser war ohne Wirkung. Jod in Jodkaliumlösung dagegen färbte augenblicklich das ganze Gewebe, nicht aber die Körnchen, tiefblau. Wurden derselben Behandlung 5,221 Gramm bei 100° C. getrockneter, möglichst unversehrter Samen unterworfen , so wogen sie nach gehörigem Auswaschen und Trocknen nur noch 0,754 Gr. = 14 pC. Sie wurden nun zerstossen und mit Wasser ausgekocht, aber auch in dem völlig erkal- teten (neutralen) Filtrat Hess sich keine Reaktion auf Amylum hervor- rufen, eben so wenig in der von den ganzen Samen abgegossenen Flüssig- keit nach dem Verjagen des Alkohols und der Abstumpfung des Kalis. Semen Cydoniae. 659 Gepulverter Leinsamen (3,732 Grm. bei 100° C. getrocknet) hinterliess bei gleichem Verfahren nur 10,9 pC. Rückstand,1) wovon sich noch 0,0785 Gr. als Aschenbestandtheile herausstellten, so dass der Netto- Rückstand des gepulverten Samens an organischen Stoffen (Cellulose, Schleim etc.) sich auf nur 8,8 pC. berechnet. — Gleichzeitige Controlversuche ergaben, dass unter denselben Umständen meine alkoholische Kalilösung z. B. Getreide- amylum durchaus nicht angriff. Ich kann daher im ausgereiften Leinsamen einen Gehalt von Stärke- körnern nicht bestätigen. Vor der Grünfärbung des Embryos dagegen schliessen die jetzt noch dünnwandigen Oberhautzellen Stärke ein und diese liefert nach Frank2) ohne Zweifel das Material für die Schleimablagerung an den Aussenwänden. Der in angegebener Weise erhaltene kaiische Auszug des Leinsamens reducirt nach dem Verjagen des Alkohols die Kupfertartratlösung nicht und eben so wenig geschieht dies durch den wässerigen Auszug des rückstän- digen Samens, daher derselbe überhaupt frei von Zucker ist. Semen Cydoniae. Semen Cydoniorum. Quittensamen. Quittenkerne. Quittenkörner. Semences ou pepins de coings. Quince seeds. Cydönia vulgaris Persoon. — Pomaceae. Syn.: Pyrus Cydonia L. Der Quittenbaum war ursprünglich in den transkaukasischen oder in den südkaspischen, ostiranischen und turanischen Ländern (am Hindukusch) bis Südostarabien (Oman) einheimisch und hat sich schon in sehr früher Zeit über Isfahan (dessen Quitten noch heutzutage als die grössten und feinsten der Welt gelten) , durch Persien und Syrien nach Südeuropa ver- breitet. In der Kultur gedeiht er noch durch Mitteleuropa, wo schon Karl der Grosse3) den Anbau befahl, aber nicht im Norden, z. B. nicht mehr in Norwegen. Die als Obst sehr beliebten Früchte können in verschiedener, bald mehr kugeliger, bald mehr birnartiger Form gezogen werden. Sie enthalten bei der Reife in jedem der 5 pergamentartigen Fächer 8 bis 14 den Aepfel- kernen ähnliche Samen, umgeben von einer schlüpferigen Haut, welche nach dem Trocknen die Samen eines Faches sehr fest zahnartig ineinander greifend zusammenklebt, was bei denen des Apfels nicht Statt findet. Die im frischen Zustande fleischigen Quittensamen werden durch das Trocknen ziemlich hart und ihre eigentlich spitzeiförmige Gestalt durch den gegenseitigen Druck verschiedentlich abgeflacht und zugeschärft. Von dem kleinen weissen , in der dünnen Spitze liegenden Nabel geht als ziemlich 1) Dragendorff: 54 pC. — 2) Pringsheim, Jahrb. f. wiss. Bot. V. (1866) 161—198. 3) in dessen Capitulare de villis heisst der Qaittenbaum cotoniarius, woher das alt- deutsche Chuttina, jetzt Quitte. 42* 660 Samen. gerader scharfer Kiel der Nabelstreifen (Raphe) nach dem entgegengesetzten stumpfen und durch einen wenig dunkleren, erhöht gerandeten Fleck (Cha- laza) bezeichneten Ende. Der dem Nabelstreifen gegenüberliegende Rand beschreibt eine Curve und der Rücken des Samens ist bald mehr, bald we- niger gewölbt oder abgeflacht, je nach der Lage des einzelnen Samens in dem engen Fache. Der Umriss des höchstens gegen 0,010ra langen Samens von der Seite her ist somit halb herzförmig oder fast keilförmig; seine Ober- fläche, wo sie nicht durch das Eintrocknen jener schlüpferigen Haut matt und verklebt ist, glatt und glänzend, hell rothbraun. Eine angeblich moskowitische Sorte zeichnet sich durch vollere, beson- ders stark zusammenhängende Samen von fast violettschwärzlicher Farbe aus. Sie sind sehr reich an Schleim. Die dünne zerbrechliche Samenschale schliesst zwei dicke aderige, et- was wellenförmig zusammengelegte Keimlappen und das nach dem Nabel gerichtete gerade Würzelchen ein. Die Samenschale trennt sich leicht vom Keime, reisst aber ringsum eine dünne Lage farblosen Gewebes von den Kotyledonen ab, welche als innere Samenhaut (weniger wahrscheinlich als Eiweiss) zu deuten ist. Betrachtet man feine Querschnitte unter Terpenthinöl durch das Mikros- kop, so findet man die braune Samenschale bedeckt von einer sehr dicht anliegenden glasartigen, 20 Mikromill. starken Oberhaut, an welcher nur sehr undeutlich feine zerknitterte Wände unterschieden werden können. Im polarisirten Lichte glänzt sie aufs lebhafteste. Befeuchtet man dagegen die Schnitte mit Wasser, so schwillt die Oberhaut an, die zarten Wände ihrer Zellen richten sich mit grosser Kraft senkrecht zur Samenschale bis 100 oder 170 Mikromill. hoch auf und lassen eine Menge klaren Schleimes deutlich wellenförmig ausströmen, welcher die Samen ganz in eine farblose, nicht sauer reagirende Gallerte einhüllt. Diese cylindrischen oder etwas bauchigen, ungefähr 20 Mikromill. weiten Schleimzellen sind so dicht ge- stellt, dass sie sich seitlich nicht ausdehnen können. Ihr Querschnitt ist daher rundlich-eckig. Im polarisirten Lichte leuchten sie nach der Streckung- wenig mehr. Bei reichlichem und raschem Zutritt von Wasser platzen die Oberhautzellen gewöhnlich nach aussen und lösen sich allmälig auf. Lässt man sie wieder etwas eintrocknen, so zeigen sich die Wände äusserst fein gestreift. Jod färbt dieselben schwach gelblich bis rosa. In ätherischen und fetten Oelen, in Alkohol und Aether findet das Auf- quellen der Oberhaut nicht statt. Sehr gut lässt es sich dagegen in etwas concentrirtem Glycerin verfolgen, wo die Streckung nur langsam eintritt. Die 50 bis GO Mikromill. dicke Samenschale enthält 4 bis 6 Reihen dichtgedrängter, tangential gedehnter Zellen, deren dicke unebene gelbliche Wände braune Gerbstoflkluinpen einschliessen. Nach innen ist diese Schicht etwas aufgelockert, endigt aber mit einer derben braunen Haut, die sich durch Jod schön braunroth färbt und an welche sich eine farblose knorpe- lige Haut anlegt, die im polarisirten Lichte prächtig hervortritt. Die letztere Semen Cydoniae. 661 hängt innig zusammen mit jener Lage von 2 oder 3 Reihen kubischer dick- wandiger, in Wasser nicht aufquellender Zellen, welche oben als innere Samenhaut bezeichnet wurde. Sie ist 35 bis 50 Mikrom. stark und wird durch eine mit ihr verbundene häutige wellig- faserige Schicht von 15 bis 30 Mikromill. Dicke von den Kotyledonen getrenut. Die zart wandigen rund- lich eckigen Zellen der letzteren sind im Innern stark radial gestreckt, in der äussersteu Lage aber bedeutend kleiner und mehr tangential gedehnt oder fast kubisch. Sie enthalten, wie auch die Zellen der inneren Samen- haut, eine wässerige Flüssigkeit, fettes Oel und wolkige Klümpchen von Protei'nstoffen, die von Jod gelb gefärbt werden. Amylum fehlt dem reifen Samen, auch Zucker scheint wenigstens nicht reichlich vorhanden zu sein. Unzerkleinert schmecken die Quittensamen rein indifferent schleimig, nach dem Zerstossen mit Wasser, wodurch eine sehr dicke Emulsion er- halten wird, macht sich aber der Geruch und Geschmack der bitteren Man- deln (vergl. Amygdalae amarae) bemerklich. Bei der Destillation geht in der That etwas Blausäure über. Der Schleim der Oberhautzellen ist so reichlich vorhanden, dass der Samen das 40fache Gewicht Wasser deutlich verdickt. Durch vollständige Erschöpfung des Samens werden gegen 20 pC. trockenen Schleimes erhal- ten. Seine Zusammensetzung O12H20-0-10 entspricht derjenigen des Lein- samenschleimes; mit Salpetersäure behandelt gibt er nur Oxalsäure, mit verdünnter Schwefelsäure leicht Zucker. Alkalisches Kupfertartrat wird selbst bei anhaltendem Kochen davon nicht reducirt. Jod färbt den Schleim nach kurzer Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure blau; er charak- terisirt sich daher, nach Frank, als veränderte Cellulose und nur einem geringen Theile nach als Product einer kleinen Menge vor der Reife nachweis- baren Amylums. Die Lösung des Quittenschleims ist von geringem Klebever- mögen und wird nicht durch Borax, wohl aber durch verdünnte Säuren und Alkalien, durch Metallsalze und Alkohol gefällt. Der gewaschene Niederschlag löst sich in heissem oder kaltem Wasser nicht wieder auf. Nägeliu. Oramer halten dafür, dass dieser Schleim sich nicht eigentlich in AVasser löse, sondern nur aufquelle, indem er nicht wie Gummilösung endosmotisch durch thierische Haut hindurchgehe. Die anscheinende Lösung nimmt auch immer sehr be- trächtliche Mengen Kalksalze und Eiweiss aus dem Samen auf und verdirbt rasch. Sie muss deshalb zum arzneilichen Gebrauche stets frisch dargestellt werden und zwar aus unbeschädigten Samen , um nicht dem Schleime den Blausäuregeruch mitzutheilen, der sich beim Befeuchten gebrochener Samen, ohne Zweifel durch Zersetzung einer kleinen darin vorkommenden Menge Amygdalins entwickelt. Der Namen Cydonia soll von einer alten Stadt Kydon auf Kreta her- rühren , wo sich der Baum oder Strauch besonders früh angesiedelt hätte. Im Alterthum fanden mehr die Früchte als die Samen medicinische Ver- wendung. Die mala aurea der Römer (gewöhnlich mala cotonea) waren vermuthlich Quitten und nicht Pomeranzen. 662 Samen. Semen Foeni graeci. Semen fem graeci s. Trigonellae. Bockshorn samen. Semence de fenugrec. Fenugreek. Yendiam. Trigonella foenum graecum L. — Papilionaceae. Der Hornklee ist eine krautige einjährige Pflanze, welche in Indien, in der Tartarei, in Persien, Arabien und im östlichen und südlichen Mittelmeer- Gebiete bis nach Südfrankreich einheimisch ist. Durch alte Cultur hat sie sich, zum Theil verwildert, bis nach Mitteleuropa verbreitet. In Südfrank- reich (Montpellier), Franken, Thüringen, auch in einzelnen Gegenden der Schweiz, wie in Indien wird der Hornklee in grösserem Masstabe angebaut und die sichelförmigen, bis 0,08m langen Hülsen nach der Reife ausgedroschen. Sie enthalten ungefähr 20 rautenförmige, aber oft verzerrte, bis 0,003m lange, 0,002m breite und ebenso dicke, sehr harte Samen von glatter oder wenig runzeliger Oberfläche, deren Farbe zwischen gelb, grün und bräun- lich, bisweilen auch bleigrau schwankt. In der Nähe eines der spitzigeren Eckes oder Winkels liegt, etwas vertieft in den auf dieser Seite kantig zu- geschärften Rand eingelassen, der wenig auffallende Nabel, von welchem aus auf jeder Seite der Samenfläche eine tiefe Furche diagonal zum ent- gegengesetzten Eck hinläuft. Hierdurch wird der Same in zwei ungleiche, fast dreieckige oder unregelmässig trapezoidische Hälften getheilt. Das klei- nere, oft fast cylindrische Dreieck, dessen Spitze in der reifenden Hülse vom Fruchtstiele abgewendet ist, birgt das dicke Würzelchen, in der grös- seren Samenhälfte dagegen stecken die beiden dicken, flach zusammen- schliessenden Samenlappen. Durch die Biegung des Würzelchens ist dessen unteres Ende in der Ebene der Samenlappenfuge heraufgerückt und ihrem Rande genähert. Die äusserst zähe dünne Samenschale wird in Wasser weich , ohne er- heblich aufzuquellen und lässt sich dann als lederige gelbliche Haut leicht ablösen. Yon ihrer inneren Seite gelingt es, noch ein besonderes dünneres und farbloses Häutchen abzuziehen. Der entschälte gelbe Keimling steckt nun erst ringsum in einer derben ungefärbten aufgequollenen Hülle, die ebenfalls als zusammenhängende, aber schleimige durchsichtige Haut getrennt werden kann. Berg erklärt dieselbe für Eiweiss, Wigand hält sie für die innere Schicht der Samen- schale. Eine genaue Entwickelungsgeschichte müsste den Beweis liefern, ob hier in der That ausnahmsweise ein Eiweiss vorkömmt. Die Samenschale ist aus sehr dicht gedrängten cylindrischen, oft etwas gekrümmten Zellen gebaut, welche radial gestellt eine GO bis 70 Mikromill. dicke Schicht bilden, die im polarisirten Lichte in den schönsten Farben glänzt. Nach aussen sind diese mit geringem Lumen versehenen oder fast geschlossenen Zellen in feine, 10 bis 20 Mikromill. lange ungefärbte Spitzen ausgezogen, während ihre nach innen gekehrten Wände von braunem Färb- Semen Foeni graeci. 663 stoffe durchdrungen sind. Eine farblose dünne Oberhaut aus kleinen rund- lich eckigen Tafelzellen, welche gleichmässig über die hervorragenden Spitzen der Samenschalenzellen ausgebreitet ist, glättet auf der Oberfläche fast vollständig die Unebenheiten aus, so dass der Same nur äusserst fein körnig-warzig erscheint. Unter der beschriebenen festen Schale liegen einige Reihen dünnwan- diger tangential gestreckter oder ein wenig nach aussen gewölbter farbloser Zellen, welche in Wasser nicht anschwellen. Yon dieser Schicht durch ein gelbbraunes Häutchen getrennt, folgt eine Reihe rundlich kubischer oder etwas tangential gedehnter ansehnlicher Zellen, welche durch ihre dicken porösen Wände auffallen und denselben Inhalt zeigen wie die Zellen der Kotyledonen. Nimmt man ein Sameneiweiss an, so entsprechen diese der- ben Zellen der inneren Samenhaut. Sie sind von den Keimlappen geschie- den durch wenige Reihen sehr zartwandigen Gewebes, das im Wasser sehr stark aufquillt und viel Schleim abgibt. Diese schleimige grosszellige Haut (Eiweiss) umgibt den Keimling aufs genaueste und dringt selbst in die Bucht zwischen Würzelchen und Keimlappen ein. Unter Terpenthinöl lassen sich ihre Zellen im einzelnen nicht verfolgen, sind aber nicht eben zusammen- gefallen, sondern bilden auf dem Querschnitte durch den Samen eine horn- artige, an den Langseiten und in den Ecken des Schnittes schon ohne Loupe wahrnehmbare graue Schicht. Bei manchen anderen Samen (vergl. z. B. Semen Sinapis albae, Semen Lini, S. Cydoniae) sind es die Oberhautzellen, welche Schleim abgeben, hier dagegen liegt das schleimführende Gewebe unter der Samenschale. Dieselbe muss daher zertrümmert werden, wenn man den Schleim gewinnen will, und in der That fehlt dem wässerigen Auszuge des unzerkleinerten Bockshornsamens der Schleim. Das rundlich- eckige, in den äusseren Lagen gestreckte und an der Peri- pherie kubische Gewebe der Keimlappen ist dünnwandig, sehr regelmässig geordnet und von zarten Prosenchym strängen (Gefässbündelanlagen) durch- zogen. Im Gewebe der Kotyledonen nimmt man Tröpfchen fetten Oeles wahr, so wie gelbe, in Kali lösliche Klumpen von Protein Stoffen. Stärke fehlt, Jod ertheilt den Geweben und ihrem Inhalte , selbst nach der bei Semen Lini erwähnten Behandlung mit weingeistigem Kali, nur gelbe Färbung. Der Bockshornsamen besitzt den Geruch und Geschmack, der den mei sten Samen aus der Familie der Leguminosen eigen ist, jedoch unangenehm modificirt durch geringe Mengen eines wie es scheint übelriechenden äthe- rischen Oeles und eines noch nicht isolirten Bitterstoffes. Die radial ge- streckten Zellen der Samenschale enthalten Gerbstoff, die Keimlappen einen gelben Farbstoff. Zucker fehlt. Jahns fand unter meiner Leitung, dass lufttrockener Samen bei 100° C. 10,4 pC. Wasser abgibt und hernach beim Verbrennen 3,7 pC. Asche zu- rücklässt, worin die Phosphorsäure beinahe y4 ausmacht. Aether entzieht 664 Samen. gepulverten Samen 6pC. fettes übelriechendes Oelvon bitterem Geschniacke. Amylalkohol nimmt ausser Oel auch ein wenig Harz auf. Im eingeengten wässerigen Auszuge wird durch Alkohol Schleim und Gummi (getrocknet) im Betrage von 28 pC. gefällt. Die Verbrennung mit Natronkalk lieferte Jahns 3,4 pC. Stickstoff, welche ungefähr 22 pC. Eiweisstoff voraus- setzen. Trotz des unangenehmen Geruches und bitteren Beigeschmackes diente der Samen bei den Römern (mit Datteln) als Krankenspeise und wird noch jetzt, freilich geröstet, in Aegypten, wo man den Hornklee (Helbeh arabisch) gleich nach derüeberschwemmung zieht, vom Volke genossen. Ebenso die nach Melilotus riechenden jungen Triebe. Wichtiger ist jedoch der Same als Viehfutter. Aegypten führt viel davon nach Arabien aus. Bei den Griechen scheint der Geruch des Samens sogar beliebt gewesen zu sein, da er bei einem Cosmeticuni , dessen Zusammensetzung Dioskorides gibt, Anwendung fand. Die Römer bezeichneten schon die Pflanze als Foenum graecum, die Hülsen schlechtweg als Siliqua. Im Mittelalter befahl Karl der Grosse dessen Anbau; der heiligen Hildegard um 1150 war der Samen wohl bekannt und das bei Semen Hyoscyami angeführte deutsche Arzneibuch aus dem XII. Jahrhundert empfiehlt fenum grecum gesotten gegen „swermagen" (Magenbeschwerden). Amygdalae dulces. Semen Amygdali dulcis. Sem. Amygdali dulce. Süsse Mandeln. Amandes douces. Sweet almonds. Amygdalus communis L. — Amygdaleae. Die Heimat des Mandelbaumes erstreckte sich schon ursprünglich , wie es scheint, vom Kaukasus bis zum Atlas. Noch jetzt findet er sich wild in den südkaukasischen Ländern, im Südosten Arabiens (Oman) und in Alge- rien.1) Eine sehr frühe Kultur hat ihn noch viel weiter durch das ganze Gebiet des Mittelmeeres , an günstigen Stellen bis tief in den europäischen Kontinent hinein verbreitet. So gedeiht die Mandel in einigermassen gün- stigen Jahren noch längs des Maines und des Rheines, ja sogar in einzelnen bevorzugten Lagen des südöstlichen Norwegens. Die Phönicier schon führten den Baum oder Strauch in Portugal ein, nach Italien gelangte er aus Griechenland. Er wächst jetzt auch in Arabien, Persien, China, kömmt aber in Indien nicht fort. Der höchstens durch seine weisslichen oder schön rosenfarbenen Blüthen auffallende schwache Baum wird in sehr zahlreichen Spielarten gezogen. Die Hauptproduktionsländer für den europäischen Bedarf sind Südfrank- *) nach He hl reich wächst auch an den griechischen Küsten der (bittersamige) Mandel- baum wild — ob ursprünglich? Amygdalae dulces. 665 reich, Spanien (Valencia, Malaga), Majorca, Portugal, Sicilien und Apulien, auch Marocco führt aus Rebat und Mogador bedeutende Mengen aus, ge- ringere die nordafrikanische Küste. Griechenland zieht besonders auf Aegina und Chios vorzügliche Mandeln. Das graugrünliche filzige, bitter schmeckende Fruchtfleisch (Pericar- pium) trocknet bei der Reife zu einer dünnen Lederhaut aus, reisst längs einer Randfurche und lässt sich leicht von der je nach der Varietät mehr oder weniger harten Steinschale trennen. Diese ist eiförmig, zugespitzt, auf der Seite der Bauchnaht scharf gerandet, bis 0,040m lang und gegen 0,03 0m breit. Es lassen sich an dieser Schale 2 Schichten unterscheiden, welche durch ein Netzwerk von Gefässträngen getrennt sind. Bei den hart- schaligen Spielarten ist die äussere, etwa 1 Millimeter dicke glatte und glänzende Schicht sehr hart, lässt sich aber unschwer vollständig beseitigen. Sie ist ganz aus ansehnlichen, oft nicht völlig verdickten Steinzellen gebaut und wird durch 1 Millim. weite Löcher oder schief eindringende Kanäle unterbrochen. Bei den weichschaligen Sorten hingegen ist die äussere Hälfte der Samenschale dünner, körnig-rauh, matt, zerreiblich, doch nach innen , wo die Steinzellen von dünnwandigem zähem Parenchym verdrängt sind, mehr lederartig, weniger deutlich porös. Sie lässt sich nicht gut von der inneren Schicht der Steinschale trennen. Dieselbe ist mit einem groben Netzwerke derber, oft bandartiger Gefässbündel überstrickt, welche stellen- weise, besonders bei den hartschaligen Mandeln, sehr regelmässig sechs- eckige, meist aber sehr verlängerte weite Maschen bilden, indem die Gefäss- bündel in tiefe Furchen eingelassen sind. Die zwischen denselben hervor- ragenden , bisweilen schön röthlich angelaufenen Erhöhungen gehören der inneren Hälfte der Samenschale an , welche trotz ihrer oft unbedeutenden Dicke ihren gleich wie in der äusseren Hälfte gebauten, doch öfter gestreckten und mehr verdickten Steinzellen eine grössere Festigkeit verdankt. Bei den weichschaligen Sorten erscheint die äussere lockere Hälfte der Samen- schale weniger von den Gefässbündeln geschieden, vielmehr als ihr leder- artiger oder zerreiblicher Ueberzug. Derselbe reagirt stark sauer auf Lakmuspapier, ist reich an Gerbstoff und Weinsäure (mit Spuren von Citron- säure und Aepfelsäure) und öfter mit weissen , undeutlich krystallinischen Efflorescenzen bedeckt, welche von Wasser sehr leicht gelöst werden und beim Verdunsten desselben wieder federförmig anschiessen. Sie bestehen aus Zucker und zwar, wie es scheint, einem Gemenge von Rohrzucker mit wenig Traubenzucker. Der scharfe sichelförmige, oft 0,005?° breite Kiel der Bauchseite ist ganz der inneren, bis 1 Millim. dicken Hälfte der Steinschale aufgesetzt und zieht sich von der dem Nabel entsprechenden Spitze bis zum entgegen- gesetzten, flach abgestumpften Ende der Samenschale. In diesem Kiele und an seinen Seiten liegen auch die stärksten und längsten Gefässbündel, vom stumpferen Ende des Samens zur Spitze aufsteigend. Die Innenwand der Steinschale ist sehr dicht, glatt und glänzend, auf der etwas dunkleren, 666 Samen. mehr konvexen Bauchseite in der Nähe der Spitze vom Nabelstrange durch- brochen, welcher den Samen etwas oberhalb oder unterhalb der Mitte seines Randes trifft und bis zur Spitze mit ihm verwachsen ist. Abwärts geht eine Naht (Raphe) zum breiteren abgerundeten Ende des Samens, wo seit- lich ein dunkler Fleck (Hagelfleck) die Chalaza bezeichnet. Aus derselben erheben sich in der Samenhaut etwa 12 — 18 verästelte Gefässbündel gegen die Spitze hin. Die Gestalt des spitz eiförmigen, etwas abgeplatteten Samens entspricht ungefähr der Samenschale, indem von den beiden ursprünglich in dem ein- fächerigen Fruchtknoten angelegten Eichen meistens nur das eine sich aus- bildet. Sind aber zwei Samen vorhanden, so werden sie infolge gegenseitigen Druckes etwas anders, meist planconvex geformt. Die braune äussere Samenhaut ist rauh und matt durch einen leichten, nur lose haftenden schülferigen Ueberzug. Sie lässt sich nach dem Einweichen in Wasser leicht abziehen und reisst alsdann die mit ihr fest verbundene zähe innere Saraenhaut mit, welche mit Ausnahme der braunschwarzen Chalaza farblos und durchscheinend ist. Der Keim besteht nur aus zwei grossen planconvexen weissen Samen- lappen von fleischig-öliger, brüchiger Konsistenz, an deren etwas ausge- randeter Spitze das kurze dicke Würzelchen zur Hälfte herausragt. Die andere, mit einem dicken cylindrischen Knöspchen gekrönte Hälfte ist von den flach auf einander liegenden Keimlappen eingeschlossen. Die äussere Samenhaut ist aus mehreren Reihen brauner, dicht ver- filzter dünnwandiger Tafelzellen von rundlicher Form gebaut. Nur die innerste hellere Reihe ist etwas weiter, die übrigen so flach gedrückt und verbogen, dass sich im Querschnitte die Umrisse der einzelnen Zellen nicht verfolgen lassen. Die ganze Haut ist nur ungefähr 50 Mikromill. dick, spaltet und erhebt sich aber an denjenigen Stellen, wo die Stränge der feinen Spiralgefässe durchziehen. Die dunkelbraune verwitternde Oberfläche der äusseren Samenhaut trägt einen Besatz von höchst eigenthümlichen Zellen von bald eiförmiger, bald kurz keulenförmiger, sackartiger oder mehr eckiger, aber im ganzen höchst unregelmässiger Form und Grösse. Da manche derselben über 300 Mikromill. erreichen, so sind sie im Vergleiche zu allen übrigen Zell- gebilden der Mandel wahrhaft kolossal zu nennen. Die Wände sind unge- fähr 15 Mikromill. dick, quellen durch anhaltendes Kochen mit Kali bis zu 35 Mikromill. auf und zeigen sich alsdann fein geschichtet. Vorzüglich in ihrer unteren Hälfte, wo diese Zellen der Samenhaut aufsitzen, sind ihre Wände von ziemlich zahlreichen kleinen Löchern und Ritzen durchbrochen. Die Zellen selbst siud leer, die braungelben Wände aber von Gerbstoff durchdrungen. Aus diesen spröden, leicht abfallenden Samenhautzellen und ihren Trümmern bestehen jene feinen Schüppchen, womit die Mandel be- stäubt ist. Die Zellen selbst geben ein ausgezeichnetes Objekt zur Betrach- Amygdalae dulces. 667 tung im polarisirten Lichte ab, indem sie schöne Farben und dunkle Bänder zeigen,, besonders nach dem Kochen mit Kali. Die innere Samenhaut ist aus einer 15 — 20 Mikromill. starken Schicht kleiner farbloser Zellen mit feinkörnigem Iuhalte gebildet. Im tangentialen Schnitte erscheinen dieselben rundlich oder etwas eckig, auf dem Quer- schnitte durch die Mandel quadratisch oder etwas gedehnt. Die Zellwände der äusseren Seite sind knorpelig verdickt und durch eine filzige Membran fest mit der äusseren Samenhaut verbunden , während der Zusammenhang mit den Keimlappen sehr leicht aufzuheben ist. Ihr Gewebe ist ein dünn- wandiges, in der äussersten Schicht kleinzelliges Parenchym. Die ansehn- lichen kugelig-eckigen Zellen des Innern sind da und dort von zarten Gefässbündelanlagen durchschnitten. Grosse Tropfen fetten Oeles sind der hauptsächlichste Inhalt des Keimes, weniger der inneren Samenhaut. Beseitigt man dasselbe durch Aether, so bleiben in den Zellen wenige runde, scharf umschriebene Kerne von Aleuron zurück, welche von Kali schnell gelöst werden , der feinkörnige Inhalt der inneren Samenhautzellen jedoch widersteht. Die sämmtlichen braunen Theile der Mandel und ihrer Schale sind reich an Gerbstoff. In der äusseren Samen- haut kommen auch einzelne Krystalle oder Drusen vor. Stärke fehlt; das Aleuron, vermuthlich (unklar geschichtete) Proteinablagerungen, zeigt das optische Yerhalten des Amylums. Die Mandeln schmecken sehr angenehm ölig, zugleich süss und schlei- mig, besonders, wenn zuvor die gerb stoffh altige Samenhaut abgeschält wird. Mit Wasser angerieben, gibt der Keim alsdann eine rein weisse wohl- schmeckende Emulsion, sofern die Mandeln nicht durch allzu lange Auf- bewahrung ranzig geworden sind, wogegen die Samenschale sie sehr gut schützt. Für den pharmaceutischen Gebrauch verwendet man aber wohl nur die von der Schale völlig befreiten Sorten. Das fette Oel beträgt über die Hälfte des Gewichtes der (entschälten) Samen, welche in der Praxis leicht 50 pC. Ausbeute gewähren. Das Mandelöl ist hellgelb, dünnflüssig, von beinahe 0,92 spec. Gewichte, erst zwischen — 10° und — 20° C. erstarrend. Frisch von sehr mildem Ge- sehmacke, oder vielmehr fast geschmacklos, wird es an der Luft bald ranzig, gehört aber nicht zu den trocknenden Oelen. Es besteht beinahe ganz aus der Glycerinverbindung der Oelsäure (Oleinsäure) 018H3402, welche derselben Reihe angehört wie die Crotonsäure (vgl. bei Semen Tiglii) und die Erucasäure (vgl. bei Semen Sinapis nigrae), aber nicht homolog ist mit der gleichfalls flüssigen Fettsäure (Leinölsäure) der trocknenden Oele, die z. B. im Leinsamen vorkömmt. Das Mandelöl löst sich in der Wärme leicht in gewöhnlichem Weingeist, in der Kälte bedarf es etwa das 25 fache Gewicht davon zur Lösung. Unzerkleinerten , von der Samenhaut befreiten Mandeln entzieht kaltes Wasser (ausser Eiweisstoffen) leicht den ganz nach Honig schmeckenden 668 Samen. Zucker , der schon in der Kälte alkalisches Kupfertartrat reducirt , daher vermuthlich Traubenzucker ist. Beim Zerreiben der Mandeln wird das Oel durch Gummi und eiweiss- artige Stoffe, Emulsin (Synaptase J)) und Pflanzencasei'n oder Legumin, in Emulsion gebracht. Das Gummi beträgt nach Boullay nur 3 pC., der Zucker 6 pC., die Eiweissstoffe dagegen 24 pC. Es ist auffallend, dass das Mikroskop im Zellgewebe der Kotyledonen, denen durch Aether das Oel entzogen ist, verhältnissmässig nur sehr wenig festen Inhalt zeigt, welcher dem Legumin oder dem besonderen Protemstoffe der Mandeln, dem Emul- sin, angehören könnte. Das letztere gerinnt weder durch Hitze noch durch Säuren und weicht auch durch niedrigeren Kohlenstoff- und Stick- stoffgehalt vom eigentlichen Pflanzenalbumin ab. Seine Formel steht noch nicht fest, da es nicht vollständig von den oft gegen x/% betragenden Erdphosphaten befreit werden kann. — Neben dem Emulsin enthalten die Mandeln reichlich das durch Säuren und beim Kochen gerinnende Pflanzen- casein (Legumin). Sorgfältig ausgesuchte süsse Mandeln, von der Samenhaut befreit, geben bei gelindestem Erwärmen mit sehr verdünnter Kalilauge reichlich und an- haltend Ammoniak aus. Es scheint demnach darin ein Salz dieser Base vorzukommen. Die Samenhaut für sich entwickelt bei gleicher Behandlung nur sehr wenig Ammoniak. Die Asche der süssen Mandeln, nach Zedeler 4,9 pC. betragend, besteht vorwiegend aus Kali-, Magnesia- und Kalkphosphat. Die Mandeln waren schon im Alterthum sehr beliebt. Griechenland schätzte diejenigen aus Naxos und Cypern hoch; bei den Römern hiessen sie auch nuces graecae , wurden aber zur Zeit von Plinius und wohl schon früher in Italien (Alba) und Thrakien gezogen. Karl der Grosse befahl den Anbau des Mandelbaumes , Amandalarius , in Deutschland , was zuerst bei Speier stattgefunden zu haben scheint. Die deutschen Botaniker des XYI. Jahrhunderts, Camerarius und Tragus, erwähnen der Mandel-Cultur in der Rhein-Pfalz. Von den bitteren Mandeln abgesehen, unterscheiden sich die Handels- sorten der süssen hauptsächlich durch die Gestalt, Grösse und Beschaffen- heit der äusseren Hälfte der Steinschale, welche bei den weichschaligen, den sogenannten Knack- oder Krachmandeln (Amandes princesses oder amandes ä coque tendre ou molle der Franzosen) erhalten bleibt. Bei den hartschaligen dagegen wird die äussere steinharte Hälfte der Samenschale entfernt, so dass die furchige, von Gefässbündeln überstrickte innere Schalenhälfte die Oberfläche bildet. Auch die Gestalt und Grösse des Samenkernes wechselt etwas. Am grössten und wohlschmeckendsten sind die aus Malaga, kleiner die aus Puglia und Südfrankreich, wo übrigens sehr viele Sorten gezogen werden. !) Zuva^Tfo, ich verbinde, d. h. hier Oel und Wasser. Amygdalae amarae. 669 Die unansehnlichsten, aber billigsten Mandeln liefert Marocco, auch Tunis und das übrige Nordafrika (berberische Mandeln). B. entschieden bittere Samen. Amygdalae amarae. Semen Amygdali amarae. Semen Amygdali amarum. Bittere Mandeln. Amandes ameres. Bitter almonds. Amygdalus communis L. — Amygdaleae, Der bittersamige Mandelbaum unterscheidet sich äusserlich durch keine beständigen durchgreifenden Merkmale von dem mit süssen Kernen. Häufig sind die Blüthen des ersteren lebhafter roth, die Blattstiele drüsenlos und der Griffel nicht länger als die Staubfäden, während bei dem gewöhnlichen Mandelbaume die Blattstiele gewöhnlich eine oder mehrere Drüsen tragen und der Griffel länger als die Staubfäden des inneren Kreises zu sein pflegt. Auf diese und noch geringere Unterschiede gestützt, haben manche Bota- niker zwei Varietäten oder gar Arten angenommen. Nach der gewöhnlichen Meinung soll der gewöhnliche Mandelbaum bei ungünstigen äusseren Verhältnissen bittere Früchte bringen. De Can- dolle stellt einen derartigen Uebergang in Abrede. In Betreff der ursprünglichen Verbreitung fällt der Bittermandelbaum mit dem andern zusammen , ist aber in seiner hartschaligen Spielart wohl als eigentlicher Typus der Art zu betrachten, welche im wilden Zustande auch mit Stacheln besetzt ist. Dafür spricht wohl ferner, dass die in Mittel- asien, Südrussland und Ungarn einheimische Amygdalus nana L. bittere Samen trägt. Die bitteren Mandeln werden ihrer geringeren Nutzbarkeit wegen weit weniger gezogen als die süssen. Der europäische Handel empfängt die meisten aus Nordafrika, auch von den benachbarten cana- rischen Inseln, so wie aus Südfrankreich. Die bitteren Mandeln ändern in Bezug auf die Gestalt und Beschaffen- heit ihrer Samenschale und der Kerne oben so sehr ab, wie die süssen. Wenn auch die bitteren oft kleiner sind , so lässt sich doch durchaus kein unterscheidendes Merkmal in ihrem äusseren oder inneren Bau nachweisen. Desto grösser aber ist der chemische Unterschied. Die bitteren Mandeln entwickeln nämlich sogleich bei der Zerkleinerung unter Wasserzusatz den Geruch nach Bittermandelöl und schmecken äusserst bitter. Die allgemeiner verbreiteten Stoffe sind in beiden Modificationen der Mandeln dieselben, namentlich das fette Oel der süssen identisch mit dem der bitteren, sofern sich dem letzteren durch ungeeignete Darstellung nicht ätherisches Oel beimengt. Jedoch enthalten die bitteren Mandeln durchschnittlich weniger fettes Oel, nämlich 30 — 50 pC. der trockenen Kerne. 670 Samen, Auch das Leguinin und Emulsin kommen gleichfalls in den bitteren Mandeln vor. Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man, dass das wässerige Destillat der bitteren Mandeln Blausäure und ein eigenthümliches Oel ent- hält, welche aus süssen Mandeln nicht gewonnen werden können. Robi- quet u. Boutron-Charlard stellten aus den bitteren Mandeln 1830 einen krystallisirten Stoff, das Amygdalin, dar und fanden, dass Bitter- mandelöl und Blausäure aus den bitteren Mandeln nicht mehr erhalten werden, wenn ihnen das Amygdalin (durch Weingeist) entzogen ist. L i e b i g u. "Wo hier ermittelten 1837, dass es allerdings nur dieser Körper ist, der durch Zersetzung jene beiden Stoffe liefert und zwar, von Neben- produkten (Ammoniak und Ameisensäure) abgesehen, der Hauptsache nach der folgenden Gleichung gemäss : O20H27 NO11H-2H2O==O7H6O-t-OHN-r-O12H24012 wasserfreies Wasser Bitter- Blausäure wasserfreier Amygdalin mandelöl Traubenzucker. Diese mehrfach denkwürdige Untersuchung lehrte zuerst einen Körper aus der jetzt so zahlreichen Klasse der Glykoside kennen. Man erhält das Amygdalin mit 2H20 krystallisirt beim Auskochen der durch Pressen entölten Mandeln mit Weingeist von 84 — 94 pC, wovon das Amygdalin in der Siedhitze das 11 fache Gewicht zur Lösung erfordert. Die Ausbeute beläuft sich auf höchstens 2,5 pC. — 3 pC. Das Amygdalin löst sich nicht in Aether, wohl aber in 15 Th. Wasser von 8 — 12° C. zu einer neutralen bitteren und geruchlosen Flüssigkeit, ohne alle giftige Eigenschaften. Werden zerstossene bittere Mandeln von Amygdalin und fettem Oele be- freit, so entzieht kaltes Wasser dem Rückstande hauptsächlich Emulsin und Legumin, welches letztere durch Essigsäure abgeschieden wird, worauf das Emulsin nach Zusatz von Weingeist in dicken Flocken fällt , welche nach dem Abtropfen mit kaltem Wasser eine schwach opalisirende Lösung geben. Diese nun bewirkt unter Trübung in wässeriger Amygdalinlösung sofort die Entwickelung des Bittermandelölgeruches. Die Reaktion tritt in gleicher Weise ein , wenn das Emulsin nicht zuvor durch Essigsäure und Weingeist gereinigt war, oder wenn man sich einfach einer Emulsion von süssen Mandeln bedient. Aber nach dem Kochen vermag die Emulsinlösung, ob- wohl dadurch nicht gerinnend, das Amygdalin nicht mehr zu spalten. Ob und welche Veränderungen das Emulsin selbst bei dieser sogenannten Bittermandelölgährung erleidet, ist noch nicht aufgeklärt. Vielleicht ver- dankt ein gummiartiger, durch Weingeist fällbarer Stoff demselben seine Entstehung. Es scheint nicht, dass die Reaktion an atomistische Gewichts- verhältnisse gebunden sei. Sie hört erst auf, wenn das Emulsin etwa die zehnfache Menge Amygdalin zerlegt hat, vorausgesetzt, dass immer Wasser genug vorhanden war, um alle Produkte zu lösen. In den Blättern von Amygdalae amarae. 671 Prunus Lauro-Cerasus, in der Rinde von Prunus Padus, überhaupt in vielen Amygdaleen und Pomaceen, ist ebenfalls Emulsin enthalten, und in manchen botanisch den Mandeln nicht verwandten Samen, wie im Senf, Hanfsamen, Mohn, sogar im Eigelb scheinen Eiweisstoffe vorzukommen, welche eben so auf das Amygdalin wirken. Selbst die Bierhefe soll nach Ranke diese Eigenschaft besitzen. Verdünnte kochende Salzsäure veranlasst die- selbe Spaltung unter gleichzeitigem Auftreten von Ameisensäure. Concen- trirte Mineralsäuren und Alkalien führen andere Zersetzungen herbei. Aus Versuchen von Barreswil1) geht hervor, dass die Zersetzung des Amygdalins durch Emulsin nur bei Gegenwart einer reichlichen Menge von Wasser eintritt. Das mag auch erklären, warum beide Stoffe unzersetzt neben einander in der Mandel bestehen können, ganz davon abgesehen, dass sie vielleicht nicht in den gleichen Zellen abgelagert sind. In der Praxis bietet die Destillation der bitteren Mandeln bekanntlich Schwierigkeiten, weil die grosse Menge des Legumins starkes Stossen und Aufschäumen veranlasst. Nach Pettenkofer (1861) fallen diese Unan- nehmlichkeiten weg, wenn 12 Theile gepulverter Mandeln zuvor geradezu in kochendes "Wasser eingetragen werden , wodurch das Legumin sogleich noch im Zellgewebe selbst zur Gerinnung, das Amygdalin hingegen sehr vollständig in Lösung gebracht wird. Setzt man alsdann die Emulsion von nur 1 Th. süsser oder bitterer Mandeln zu, so reicht ihr Emulsin voll- kommen hin, bei höchstens 40° C. alles vorhandene Amygdalin zu zerlegen. Pettenkofer gewann so 1,8 pC. Bittermandelöl, während andere Metho- den nach Zell er durchschnittlich nur etwa 0,7 pC. zu ergeben pflegen. Da nach der oben angeführten Gleichung 457 Th. Amygdalin 106 Th. Bitter- mandelöl liefern, als Maximum des Amygdalingeh altes nach Feldhaus (1863) aber 3,3 anzunehmen ist, so würde sich die theoretische Ausbeute an Bittermandelöl auf nur 0,8 pC. berechnen. Es scheinen daher in Praxi noch weit amygdalinreichere Mandeln vorzukommen oder bei den üblichen Methoden der Darstellung bedeutende Mengen Amygdalin zurückzubleiben. Ohne Zweifel schwankt auch der Gehalt bedeutend. Bei der Destillation treten Blausäure und Bittermandelöl in einer losen, noch nicht genau erkannten Verbindung auf, woraus erstere allmälig aus- tritt und zum Theil in Cyanammonium und in Ameisensäure übergeht. Zu- folge obiger Rechnung können die Mandeln, wenn sie 3,3 pC. Amygdalin enthalten und jeder Verlust an Blausäure vermieden wird, 0,2 pC. Cyan- wasserstoff liefern. Pettenkofer fand 0,25 pC., Feldhaus 0,17 pC. Nach letzterem liefert jedoch das Amygdalin bei direkter Zersetzung durch eine Süssmandel- Emulsion immer weniger Cyan als die obigen Formeln erwarten lassen. Wahrscheinlich zerfällt dasselbe theilweise gleich bei sei- nem Austritt weiter oder setzt sich um. Der aus dem Amygdalin entstehende Zucker ist durchaus identisch mit !) Gmelins Handbuch. 4te Anfl. VII. 854 unten. 672 Samen, dem gewöhnlichen rechts rotirenden Traubenzucker. Seine Quantität scheint aber mit der oben gegebenen Zersetzungsgleichung nicht übereinzustimmen. Vermuthlich ist der Hergang überhaupt etwas verwickelter und auf 2 Mol. Amygdalin zu beziehen. Zieht man feine Schnitte der bitteren Mandeln mit Benzol aus, so findet man das Gewebe der Keimlappen und der inneren Samenhaut mit kleinen Körnchen erfüllt, wie bei den süssen Mandeln, die man auf gleiche Weise oder vermittelst Aether entölt hat. Daneben aber kommen in den Keim- lappenzellen der bitteren Mandeln noch grosse, bis etwa 25 Mikromill. mes- sende Klumpen vor, welche auch im polarisirten Lichte keine Krystallisation verrathen , sondern nur einzelne Theilchen eiuschliessen, die lebhaft leuch- ten und dunkle Bänder annehmen. Wird ein solcher vom fetten Oele befreiter Schnitt getrocknet und dann mit Wasser befeuchtet, so verschwinden die Klumpen und die Körnchen gerathen oft in lebhafte Molekularbewegung, indem sie unter Bildung klei- ner Tröpfchen, die sich bald lösen, sich gleichfalls verlieren. Berg1) ver- muthet in den Klümpchen wohl mit Recht das Amygdalin oder wenigstens seinen Sitz, in den Körnchen das Emulsin. — Thome2) ist der Ansicht, das Amygdalin sei in den parenchymatischen Zellen der Kotyledonen ent- halten , das Emulsin ausschliesslich in den kleineren zarten und mehr ge- streckten Zellen der noch unentwickelten Gefässbündel. Das Amygdalin ist, wie vorzüglich Wicke nachgewiesen hat, durch die ganze Familie der Amygdaleen und Pomaceen, vorzüglich während der Buhezeit der Vegetation, sehr verbreitet, obgleich es bei manchen Pflanzen auf einzelne Organe beschränkt und seine Darstellung daraus nicht immer ausgeführt worden ist. Man ist aber wohl berechtigt, den Blau Säuregehalt der betreffenden Pflanzentheile auf Amygdalin zurückzuführen, wenn es auch nicht jedes Mal gelingt, dasselbe zu isoliren. Den Wurzeln scheint es öfter zu fehlen,3) in den Stamm- und Zweig-Rinden von Cotoneaster vulga- ris Lindley, Amelanchier vulgaris Mönch, Sorbus Aucuparia L., Prunus Padus L., Prunus virginiana L. u. s. f. ist es enthalten. Ebenso ist Amygdalin vorhanden in den Blättern und Knospen von Prunus Laurocerasus L. und den meisten verwandten Arten, wenigstens in den jungen Trieben fast immer. Die Blüthen von Persica vulgaris De C. , Prunus Padus L. und Prunus spinosa L. u. a. geben blausäurehaltige Destillate. Am regelmässigsten und wohl auch am reichlichsten findet sich jedoch bei beiden genannten Fami- lien das Amygdalin und wohl auch das Emulsin in den Samen. Auch die Blätter einiger Spiraea- Arten geben Blausäure. In anderen Pflanzenfamilieu • !) Atlas pag. 90. 2) Bot. Ztg. 1865. No. 30. 3) Nach Dierbach geben die Wurzeln von Prunus Padus, Pr. Lauro-Cerasus und Sorbus Aucuparia Blausäure. Semen Colchici. 673 ist jedoch das Amygdalin bis jetzt noch nicht getroffen worden, so dass es nach den bisherigen Erfahrungen auf Pflanzen der gemässigten Zone be- schränkt erscheint. Als blausäurehaltig (0,012 pC. nach Payen 1857, — nach anderen 0,50 pC.) sind aus dem tropischen Amerika längst bekannt die gewaltigen Knollen einer Spielart der zu den Euphorbiaceen gehörigen Maniokpflanze Manihot utilissima Pohl (Syn. : Janipha Manihot Kunth, Jatropha Manihot L.). Es ist nicht untersucht, ob auch hier die Blausäure aus Amygdalin entstehe. Die giftige Wirkung der bitteren Mandeln auf Thiere war im Alterthum z. B. Dioskorides schon bekannt. Poli stellte 1713 aus Kirschlorbeer- blättern ein betäubendes Oel dar, das destillirte Wasser derselben verwer- tete zuerst Baylies 1773 medicinisch. Erst Böhm in Berlin wies 1802 Cyanwasserstoffsäure im Bittermandelwasser nach, deren Giftigkeit (1803) durch Gehlen, Schrader und (1809) vollends durch Ittner erwiesen wurde. Scheele war sie bei seinen Untersuchungen über Blausäure (1782. 1783) entgangen. Martres erkannte 1803 neben Blausäure auch ätheri- sches Oel in den bitteren Mandeln. Semen Colchici. Zeitlosensamen. Semences de Colchique. Colchicum seed. (Abstammung bei Tuber Colchici.) Die aufgeblasene 3 fächerige, gegen die Spitze an der inneren Naht auf- springende Kapsel enthält am inneren Winkel der Karpelle zahlreiche rund- liche, im Spätsommer reifende, bis 0,003m messende Samen. Sie sind fein grubig punktirt, matt und an der einen Seite durch eine starke Nabelwulst etwas zugespitzt. Im frischen Zustande weisslich, werden sie durch das Trocknen braun und bei der Aufbewahrung, so lange sie nicht zu alt sind, durch Ausschwitzung von Zucker (und Gummi ?) etwas schmierig. Auf dem Querschnitte bemerkt man dicht unter der harten dünnen Samenschale an dem der Nabelwulst gegenüberliegenden Ende den sehr kleinen blattlosen Embryo ; das grauliche hornartige Eiweiss zeigt concen- trisch strahligen Bau. Der braune lockere Ueberzug der Samen besteht aus einigen Reihen weiter, zu innerst bedeutend kleinerer dünnwandiger, etwas tangential gestreckter Zellen , welche zu äusserst Amylum in runden Kör- nern von gleicher Grösse wie die im Knollen der Pflanze enthalten. Die derbe, fest zusammenhängende innere Samenschale ist mit dem Eiweisse verwachsen; letzteres wird aus grossen radial geordneten und etwas ge- streckten Zellen gebildet, welche nur Oeltropfen und körniges Plasma, aber kein Amylum enthalten. Sie sind sehr ausgezeichnet durch ihre dicken, von sehr weiten Lücken (Poren) durchbrochenen Wände. Die Zeitlosensamen sind auch in frischem Zustande geruchlos, schmecken aber sehr bitter. Neben Gallussäure, Fett (6 pC), Harz und krystallisir- barem Zucker (5 pC. Bley, 8 pC. Rebling) enthalten sie als hauptsäch- Flückiger, Pharmakognosie. 43 674 Samen. lieh wirksamen Bestandteil das Colchicin, welches Pelletier u. Ca- ventoul820 für Veratrin gehalten, Geiger u. Hesse aber als eigentüm- lich erkannt hatten. Es krystallisirt nach diesen Chemikern in farblosen Prismen , ist aber so wenig beständig , dass es schon durch Trocknen der betreifenden Pflanzentheile vermindert wird. Bley erhielt aus den Samen 0,2 pC, Hübschmann 0,3 pC. Colchi- cin, ersterer aus trocknen Blüthen derselben Pflanze 0,25, aus trockenen Herbstknollen V2 pro Mille, im Frühjahr aber nur Yio p. M. Blätter gaben kaum eine Spur davon. Geigern. Hesse hatten das Colchicin für ein Alkaloid erklärt, aber freilich keine Salze desselben dargestellt. Die meisten Chemiker erhielten es nur amorph, gelblich und in Wasser löslich, Walz allein wollte es wie- der krystallisirt bekommen haben. Ob erlin zeigte 1856, dass aus dem amorphen Colchicin durch Be- handlung mit Säuren sehr leicht ein krystallisirter Körper, das C 0 Ichice in , erhalten werden kann, den er zwar noch stickstoffhaltig (035H44N2On), aber ohne basische Eigenschaften fand. Die Säuren werden hierbei nicht gebunden. Nach Hüb ler (1864) ist das Colchicin durchaus unkrystallisirbar, durch Fällung mit reinem Tannin am leichtesten zu gewinnen, von heuähn- lichem Gerüche, sehr bitter, mit gelber Farbe in Wasser und Alkohol lös- lich. Säuren und Alkalien färben die Lösungen intensiv gelb, concentrirte Schwefelsäure und Salpetersäure ertheilen festem Colchicin vorübergehend eine dunkelblaue Färbung. Wird Colchicin mit massig verdünnter Schwefel- säure erhitzt, so entwickelt sich ein eigenthümlicher, fast stechender Geruch und es tritt ein grüner und ein gelber Farbstoff auf, welche näherer Unter- suchung werth wären. Obwohl hierdurch, eine Spaltung angedeutet ist, so fand doch Hübler für das beim Erkalten anschiessende Colchicein dieselbe Zusammensetzung wie für das Colchicin selbst, nämlich G17H19N-G5. Das Colchice'in schmeckt weniger bitter und ist eine schwache Säure, es geht an der Luft bald in einen braunen schmierigen Farbstoff über. Durch denselben verunreinigt scheidet es sich schon bei der Behandlung des Colchicins mit Säuren zum Theil auch harzartig aus. Obige Formel des Colchicins und des Colchicei'ns unterscheidet sich von derjenigen des Atropins durch einen Mehrgehalt von O2 und ein minus von H4 , scheint also wohl in einfacher Beziehung zu demselben zu stehen. Hüb ler zog zur Gewinnung des Colchicins die unzerkleinerten Samen mit starkem Weingeist aus. Wurden sie nachher gepulvert, so gaben sie nichts mehr an Weingeist ab, woraus hervorgehen dürfte, dass der Sitz des Colchicins in der Samenschale ist. Semen Strychni. t>75 Semen Strychni. Nuces vomicae. Semen vomicum. Brechnüsse. l) Krähenaugen. Noix vomiques. Poison nuts. Strychnos2) Nux vomica L. — Loganiaceae. Ansehnlicher Baum, mit kurzem, aber verhältnissmässig sehr dickem, oft krummem Stamme (nach andern mehr nur „baumartiger Strauch"), der in Ostindien, vorzüglich auf der Coromandelküste bis tief ins Innere (Bustar), auch auf der Malabarküste, in grosser Menge in den Wäldern Cey- lon's, so wie in Siam (Laos-Länder) und in Cochinchina einheimisch ist. "Die ursprünglich den Fruchtknoten in zwei Fächer theilende Scheide- wand wird allmälig fleischig und ist in der reifen äpfelartigen Beeren- frucht nicht mehr vorhanden , so dass die 3 bis 8 Samen vertikal ge- stellt unregelmässig im weichen schleimigen Fruchtfleische vertheilt sind. Die feste Fruchtschale ist röthlich gelb und glatt; das farblose säuerliche, zugleich bittere Fruchtfleisch soll unschädlich , nach einigen sogar geniess- bar sein, während Jiinslie es für giftig erklärt. Die Angabe Living- s tone's im ersteren Sinne z. B. könnte sich leicht auf eine andere Art be- ziehen. In Ost- Sudan wird nach Hartmann Strychnos innocua DeC. gegessen. Die flach kreisrunden, im Durchmesser bis 0,02 5m erreichenden und ungefähr 0,005m dicken, sehr häufig verbogenen Samen, die „Brechnüsse", sind graugelb, bisweilen mit einem schwachen grünlichen Schimmer. Weiche strahlenförmig anliegende, nach der Peripherie gerichtete Haare, womit sie sehr dicht besetzt sind, verleihen den Samen einen lebhaften Glanz, der stellenweise durch die Reste eines zarten matt dunkelgrauen Häutchens ver- deckt ist. Der Mittelpunkt jeder der beiden Kreisflächen oder doch wenigstens der einen ist gewöhnlich etwas warzenförmig erhöht, ringsherum aber der grösste Theil der inneren Kreisfläche eingesunken und vom wallartig erhöht verdickten Rande umgeben. Häufig ist aber auch die eine Seite des Samens im ganzen hoch gewölbt und die andere, die Bauchseite, flach oder vertieft. Das centrale Wärzchen der erhöhten Seite entspricht gewöhnlich dem Knospengrunde oder Hagelflecke (Chalaza), manchmal aber findet sich der- selbe gerade auf der flachen oder concaven Seite. Der mehr oder weniger zugeschärfte , doch nicht klaffende Rand trägt einen deutlichen, etwas hervorragenden, mehr an der flacheren Seite lie- genden Nabel; eine oft nur wenig ausgeprägte scheitelartige Linie, der Nabelstreifen (Raphe), verbindet den Hagelfleck mit dem Nabel. — Berg hat zuerst die richtige Deutung dieser Verhältnisse gegeben. 1) wenig passende Bezeichnung. In den meisten Fällen bewirkt Nuz vomica oder Strych- nin nicht Erbrechen. 2) Bei den Griechen Name des Nachtschattens. — Siehe auch S. 681. 43* 676 Samen. Alle Theile des Samens hängen fest zusammen; erst nach dem Auf- weichen lässt er sich , der peripherischen Randlinie entsprechend , in zwei etwas ungleiche Hälften trennen, welche fast ganz aus demweisslich grauen Sameneiweisse bestehen , mit dem die dünne braune Samenschale fest ver- bunden bleibt. Das Eiweiss schliesst in der Nähe des Nabels den etwa 0,006m langen Embryo ein, der mit zwei zarten kleinen 5- bis 7 nervigen herzförmigen netzaderigen Keimblättern und einem ziemlich starken keulen- förmigen Würzelchen versehen ist. Das letztere ist gegen den Nabel ge- richtet und oft schon äusserlich durch eine kleine Auftreibung der Samen- schale angedeutet. Die Spitze des Embryos ragt in eine spaltenförmige Höhlung hinein, welche die beiden nur an ihrer Peripherie fest verbundenen Hälften des Eiweisses, den Aussenflächen des Samens parallel, im Innern frei lassen. Der Querschnitt durch den Samen zeigt diese Spalte deutlich. Die Brechnüsse sind von sehr derber hornartiger Beschaffenheit, schwer zu pulvern und noch schwerer zu schneiden. In Wasser erweichen sie, ohne sehr bedeutend aufzuquellen. Das dünne Häutchen, das die Samen bekleidet, aber in der Handels- waare grösstentheils abgescheuert ist, besteht aus ziemlich weitem dünn- wandigem polyedrischem Parenchym, worin grössere farblose Fettklumpen (?) und kleinere braune Körnchen in Menge stecken. Einen eigenthümlichen Bau zeigen die unmittelbar darunter liegenden Haare. Die dünne, nur etwa 7 Mikromill. messende innere Samenschale ist nämlich fest verbunden mit einer sehr dichten Lage radial gestellter, völlig verdickter löcheriger Zellen von etwa 70 Mikromill. Länge und gelblicher Farbe. Ihr Querschnitt (tangential zur Fläche des Samens) zeigt den- selben unregelmässig wellenförmig verlaufenden Umriss der Wandun- gen, wie so viele andere ähnliche Bekleidungen von Samenschalen (z. B. Sem. Hyoscyami). Diese Zellen, welche die äussere Samenschale bilden, laufen plötzlich in einfache, 700 Mikromillim. bis 1 Millim. lange und etwa 20 Mikrom. dicke Haare aus, welche sämmtlich da, wo sie aus der Zelle entspringen, parallel in scharfem, fast rechtem oder stumpfem Winkel umgebogen sind und in eine gerundete Spitze endigen. Die Haare sind ganz verdickt, daher im polarisirten Lichte lebhafte Farben gebend. Ihre Yerdickungsschichten zeigen nicht eigentlich mehr spiralige Spalten, sondern zuletzt mit der Längenaxe des Haares gleichlaufende , so dass die Haare in einzelne lang zugespitzte Bruchstücke getrennt werden können. Ihr ganzer Bau wird besonders im polarisirten Lichte erst deutlich. Gefässbündel kommen nur im Nabelstreifen vor. Die innere Samen- schale ist aus einer einzigen schmalen, ganz verdickten braunen Schicht gebildet, mit welcher das Eiweiss verwachsen ist. Dasselbe enthält grosse, sehr dickwandige, eckig rundliche Zellen, gefüllt mit schwach gelblichen körnigen Klumpen und nicht sehr zahlreichen Fettröpfchen. Amylum fehlt, wenigstens im käuflichen reifen Samen. Semen Strychni. 677 Die Keimblätter zeigen ein sehr viel engeres und zarteres , von kleinen Gefässbündeln durchzogenes Parenchym. Die Brechnüsse schmecken äusserst stark und anhaltend bitter und wirken sehr giftig, was sie ihrem Gehalte an den beiden Alkaloiden Strychnin (vgl. Semen Ignatii) und Brucin (vgl. Cort. Strychni) ver- danken. Dieselben können unmittelbar durch das Mikroskop nicht wahr- genommen werden. Auf sehr feinen Schnitten der Brechnüsse erscheinen indessen nach längerer Aufbewahrung in Glycerin federige oder strahlig gruppirte Krystalle, ohne Zweifel von jenen beiden Basen herrührend. Der Gehalt an Strychnin scheint ziemlich regelmässig 0,5 — 0,6 pC. zu betragen; die Menge des Brucins wird von 0,12 pC. (Merck) bis 0,5 (Wittstein, Pettenkofer) angegeben. Mayer dagegen fand im Mittel nur 0,23 Strychnin und 1,01 pC. Brucin. Eine dritte Base, I gas urin, entdeckte (1853) Desnoix in den Krähen- augen. Nach Schützenberger's sehr auffallenden Angaben (1858) wäre dieses Igasurin ein Gemenge von nicht weniger als 9 verschiedenen, nicht etwa homologen oder isomeren Basen, deren Kohlenstoffgehalt von O17 bis O22 auf 04 bis O8 gehe. Alle diese „Igasurinbasen" krystallisiren (mit verschiedenen Mengen Krystallwasser) und sind in Wirkung und Geschmack dem Strychnin ähn- lich, aber leichter löslich. Auch das Strychnin wäre nach demselben Che- miker ein Gemenge von 3 verschiedenen Basen. In den Brechnüssen scheinen die Alkaloide wie in den Ignatiussamen (siehe Semen Ignatii) an Strychnos- oder Igasursäure gebunden enthalten zu sein, daher sie sich schon durch Wasser daraus gewinnen lassen. Die Brechnüsse enthalten ferner in reichlicher Menge Proteinstoffe, Gummi (Bassorin) und (nach Rebling 6 pC.) Zucker, welcher schon in der Kälte Kupferoxyd reducirt. Mit Wasser eingeweicht, erleiden sie leicht die Milchsäure -Gährung, ohne dass hierbei die Alkaloide zersetzt werden. Die unveränderten Samen enthalten keine Milchsäure. Ferner kommen auch Thonerde- und Magnesia-Phosphate und Gerbsäure vor. Die blassgelbliche alkoholische Tinctur der Brechnüsse färbt sich , mit wenigen Tropfen conc. Schwefelsäure verdunstet, schön dunkelroth, eine Reaktion, welche nicht durch- die Alkaloide bedingt ist. Sie gelingt ebenso gut mit einem durch Kalkwasser dargestellten Auszuge. Die Brechnüsse wurden durch die Araber in die Medicin eingeführt. Serapion (zu Anfang des XII. Jahrhunderts) erwähnte, Nux vomica oder Alke sei etwas grösser als eine Haselnuss , knotig und von weisslich grün- licher Farbe, was wohl mehr auf Semen Ignatii passt. In Deutschland wur- den die Brechnüsse im XVI. Jahrhundert durch I. Bauhin und Conrad G essner näher bekannt. 678 Samen. Semen Ignatii. Fabae Ignatiae. Fabae indicae s. febrifugae. Fabae Sancti Ignatii. Ignatiusbohnen. Feve Saint-Ignace. Feve igasurique. Ignatius's beans. Ignatia amara L. fil. — Loganiaceae. Strychnos Ignatii Bergius. Ignatiana philippinica Loureiro. Auf den südlichen Philippinen (denBisayas-Inseln: Cebu, Bojol, Negros) gemeiner, auch nach Cochinchina verpflanzter Strauch oder kleiner Baum mit sehr hoch klimmenden Aesten. Die ansehnliche kürbisartige Beeren- frucht mit gelblichgrüner Steinschale enthält in dem spärlichen weichen gelblichen und bitter schmeckenden Fruchtfleische bis 24 Samen , die so- genannten Ignatiusbohnen, welche nicht scheibenartig, sondern dicker und voller sind als die Brechnüsse. Die Gestalt dieser ungefähr 0,025m langen Ignatiusbohnen ist eiförmig, aber durch gegenseitigen Druck sind sie in sehr verschiedener Weise unregelmässig kantig und abgeflacht. Ihr Besatz von gelblichen verfilzten Haaren1) haftet nicht so fest wie bei den Brechnüssen und ist daher meist abgescheuert, so dass die fein warzig-körnige, fast marmorirte, graulich- grünliche bis violettschwärzliche Samenschale die Oberfläche bildet. Meist lässt sich wenigstens theilweise eine etwas zugeschärfte Randlinie verfolgen, in welcher an dem einen Ende des länglichen Samens der vertiefte Nabel liegt. Trotz des verschiedenen Aussehens stimmt der Bau mit dem der Brech- nüsse überein, nur pflegt das Würzelchen des Embryo stärker, häufig etwas geknickt und die Keimblättchen mehr zugespitzt zu sein. Das hornartige dunkelgraue Eiweiss ist selbst bei bedeutender Dicke durchscheinend, noch härter als bei den Brechnüssen und schwieriger spaltbar, quillt aber im Wasser ansehnlich auf. Die Höhlung desEiweisses ist weniger beträchtlich als bei den Brechnüssen. Der Ignatiussamen besteht aus denselben dickwandigen, nur etwas grösseren und radial gedehnten Zellen mit gleichem Inhalte wie die Brech- nüsse. Die äusserste, regelmässiger radial gestellte Reihe dieses Parenchyms enthält bedeutend kleinere, schwach bräunlich gelb gefärbte, sonst aber nicht verschiedene Zellen, welche allein die Samenschale darstellen und unmittelbar von dem schon erwähnten Filze , wo derselbe noch vorhanden, bedeckt sind. Eine derbe Samenschale, wie bei Nux vomica, fehlt, so dass die generische Abtrennung der Ignatia von Strychnos auch deshalb wohl gerechtfertigt erscheint. !) „recentes ab argentea lanngine splendicant," Ray u. Petiver (Phil. Transact. 1698). — Die hier, wie es scheint, in natürlicher Grösse gegchencAhbildung der eiförmigen Frucht misst in der Länge 0,1 7"\ in der Breite 0,13™, wird indessen grösser als eine Melone genannt. Semen Ignatii. 679 Die Haare des Ignatiussamens sind so gebaut wie die der Brechnüsse, aber doppelt so dick und entspringen nicht aus einer zwiebelartigen Zelle der (äusseren) Samenschale. Bei weit grösserer Länge sind sie nicht so regelmässig gleich gerichtet, sondern manigfaltig in einander gewirrt und meist in einzelne, 6 — 7 Mikromill. dicke Fäden aufgelöst. Dielgnatiussamen schmecken1) wie die Brechnüsse, deren Giftigkeit sie in noch höherem Grade theilen , gleichwohl aber sehr oft von Insekten zer- fressen vorkommen. In diesen Samen entdeckten (1818) Pelletier u. Caventou das Strychnin O21H22N202, jene giftige, höchst ausgezeichnete organische Base von sehr bitterem Geschmacke, welche sie nachher auch in den Brech- nüssen und der falschen Angostura- Rinde trafen. Die Samen enthalten davon doppelt so viel wie die Brechnüsse, nämlich bis gegen 1 Va pC, haben aber doch , da sie 4 mal thenrer sind , die letzteren als Rohmaterial zur Gewinnung der Alkaloide nicht verdrängt. Ebenso reich an Strychnin, wie die Samen der Ignatia, sind diejenigen von Strychnos Tjeute Lesche- nault auf Java. Die Ignatiussamen enthalten ebenfalls Brucin (vgl. Gort. Strychni) in geringer Menge2) und die übrigen Bestandtheile der Brechnüsse. Beiden fehlt (trotz gegentheiliger Angaben!) das Stärkmehl gänzlich. In den Ignatiussamen, wie auch in Sem. Strychni, sind nach Pelletier u. Caventou die Alkaloide an eine eigenthümliche Säure, Strychnos- oder Ig asur- Säure, gebunden, welche in Krystallkörnern erhalten werden kann. Berzelius hielt sie für Milchsäure, nach Corriol wäre die Säure der Brechnüsse verschieden von der der Ignatiussamen, beide aber nur in sehr geringer Menge vorhanden. Marsson hat das Vorkommen eigen- thümlicher Säuren wieder wahrscheinlich gemacht. — Milchsäure ist wohl nur in Folge von Gährung in den Ignatiusbohnen vorhanden (vergl. Sem. Strychni). In Deutschland wurden die Ignatiussamen 1698 durch Bohnius in Leipzig allgemeiner bekannt; die heut zu Tage nur noch ungenügend bekannte Pflanze selbst gleichzeitig durch Pater Georg Jos. Kamel (Camellus), Apotheker der mährischen Brüdermission in Manila, welcher die daselbst Igasur genannten Samen für die ächten Brechnüsse (Nuces vomicae legitimae) Serapions und der alten arabischen Aerzte hielt. Die Jesuiten beehrten diese giftigen Samen mit dem Vornamen ihres Ordens Stifters. Ignatiusbohnen heissen in Brasilien auch die nicht eigentlich giftigen, vielmehr giftwidrigen Samen mehrerer Arten Feuillea (Peponiferae). *) auch die Blätter der Ignatia sind bitter. 2) nach F. Mayer l/2 pC. 680 Samen. Semen Stramonii. Stechapfelsamen. Semence de Stramoine. Stramonium seeds. Datiira Straniönium L. — Solaneae. Diese jetzt stellenweise ausserordentlich weit verbreitete einjährige Pflanze hält sich vorzüglich an trockene Standorte in der Nähe von Woh- nungen und geht vom Altai an durch ganz Mittelasien und Arabien, über Suez bis Sennaar uud in die abyssinischen Alpen, in Europa bis Norwegen. Sie findet sich eben so gut in Californien, im östlichen Nordamerika, West- indien und Brasilien, am Cap , scheint aber wohl ursprünglich in den Län- dern um das Caspische oder Schwarze Meer (nicht in Indien) einheimisch gewesen zu sein , wo sie noch jetzt am allerhäufigsten wächst und z. B. in der persischen Arzneikunst eine grosse Rolle spielt. Dass der Same sehr lange keimfähig bleibt, nach einzelnen Beobach- tungen 100 Jahre lang, mag neben der auffallenden Gestalt der Frucht, der weiten Verbreitung der Pflanze sehr förderlich sein. Die dornige, 4klappig aufspringende Kapsel („Stechapfel") enthält an dem unten 4lappigen , oben nur 2theiligen Samenträger eine grosse Menge der länglich nierenförmigen, fast halbkreisrunden, bis etwa 0,004m langen matt schwärzlichen oder braunen Samen. Sie sind flach gedrückt, sehr fein grubig punktirt, an der mehr geraden Seite nach unten zu dünner, daselbst den etwas helleren Nabel tragend und hier auf beiden Flächen mit einer glatten Schwiele bezeichnet, während die übrige Oberfläche mit einem wenig erhabenen polyedrischen Netzwerke überstrickt ist. Auf dem parallel mit den Flächen geführten Durchschnitte zeigt sich in dem verdickten Theile des Samens das cylindrische Würzelchen des Em- bryos, dessen fast doppelt so lange Samenlappen, dem Umrisse der Samen- schale folgend und dicht unter derselben, in hackenförmiger Krümmung mit ihrer Spitze dem dicken Wurzelende gegenüber zu liegen kommen. Die Krümmung des Embryos und seine Peripherie sind mit trübem, etwas dunk- lerem Eiweissgewebe umgeben, von welchem sich die dunkelbraune Samen- schäle bei der Reife leicht trennen lässt. Auf dem Querschnitte durch den Samen zeigt sich die cylindrische Ge- stalt des Embryo; die Berührungslinie der Keimlappen steht senkrecht zur Fläche des Samens. Die äusserst spröde Samenschale ist aus einer Reihe gelber radial ge- stellter sehr starker Zellen zusammengesetzt, deren Höhlung, wo sie noch vorhanden, durch die dicken porösen Wände sehr beschränkt ist. Diese Zellen sind nicht von einfach cylindrischer Form, sondern ihre Wandungen der Länge nach wellenförmig aus- und einwärts gebogen, so dass sie, in tangentialer Richtung zur Samenoberfläche gesehen, gezahnt in einander greifen. Auch nach aussen erheben sich die Verdickungen der Zellenwände in derselben Weise als dunkelbraune kugelige Höckerchen und Falten, wo- Semen Stramonii. 681 durch die netzig-grubige Oberfläche der Samen bedingt ist; ausserdem ist die Samenschale noch von einem zarten glashellen Oberhäutchen bedeckt. Yom Eiweisse ist die eigentliche Samenschale durch ein lockeres zartes Ge- webe von mehreren Reihen in ihren innersten Lagen mehr gedrängter brau- ner Zellen getrennt. Das Eiweiss besteht aus grossen dickwandigen kugelig- eckigen Zellen. Weit zarter und regelmässiger ist das Gewebe des Embryos, in der Mitte aus dünnwandigen, 5 bis 6 eckig- rundlichen Zellen, in der Nähe der Berührungsfläche der Samenlappen und am Rande aus mehr ku- bischen, zu äusserst aber langgestreckten cylindrischen Zellen bestehend. Die innere lockere Schicht der Samenschale, welche beim Zerdrücken des Samens an diesem letzteren haften bleibt, enthält etwas Amylum in sehr kleinen kugeligen Körnchen; die Zellen des Eiweisses und des Keimes selbst sind mit Oeltropfen und einer festen körnigen (Protein-) Substanz erfüllt, welcher Jod eine braungelbe Färbung ertheilt. Der Stechapfelsamen schmeckt ölig und scharf bitterlich. Er enthält in äusserst geringer Menge als wirksamen Bestandtheil das von Geiger u. Hesse (1833) entdeckte, gut krystallisirende Alkaloi'd Daturin,1) welches von Planta für identisch mit dem Atropin erklärte und gleich zu- sammengesetzt fand. Die Löslichkeitsverhältnisse, so wie der Schmelzpunkt (88 — 90° C.) stimmen bei beiden Körpern überein. Schroff's pharmakologische Versuche, wonach Daturin und Atropin zwar in gleicher Weise wirken , letzteres aber nur genau halb so stark wie ersteres, stellen die Identität dieser beiden Stoffe wieder in Frage. Ein von Trommsdorff neben Daturin aus Stechapfelsamen erhaltenes krystallisirtes sublimirbares Stramonin scheint wohl nicht basische Eigen- schaften zu besitzen; Schwefelsäure löst es mit rother Farbe. Nach Brandes wäre das Daturin an Aepfelsäure gebunden. Die Asche des Samens ist reich an Magnesia- und Alkali-Phosphaten. Datura Stramonium ist, wie E. Meyer nachgewiesen, schon 300 Jahre vor Chr. durch Theophrastos als höchst giftige Pflanze, Strychnos ma- nicos, unverkennbar geschildert worden; ebenso von Dioskorides im ersten Jahrh. nach Chr. Auch in Neurada, Nervada oder Pentödryon des Plinius, Neuras von Paulos Aeginetes (YI. Jahrh. nach Chr.) findet Lang- kavel neuerdings (1866) unsere Pflanze. Jedoch scheint sie sich erst während des Mittelalters ursprünglich zum Theil durch Cultur in Europa verbreitet zu haben. Bauhin hat sie unter dem Namen Tatula (vergl. bei Folia Stramonii) verstanden. Ihre medicinische Verwendung ging (1762) von Störck in Wien aus. Datura stammt aus dem Sanskrit. *) Nach Walz auch in den Samen der bei uns viel gezogenen Datura arborea aus Co- lumbia und Peru. 682 Samen. Semen Hyoscyami. Bilsensainen. Semence de jusquiaine. Henbane seed. Hyoscyamns *) niger L. — Solaneae. Das Bilsenkraut wächst fast überall, vorzüglich an unbebauten Stellen der nördlichen gemässigten Zone, von Nordindien2) an durch Sibirien, Kaschmir, Persien, die Kaukasusländer, Kleinasien und Aegypten, dann in fast ganz Europa, vom mittleren Norwegen und Finnland bis Portugal und Griechenland; auch in Nordamerika und Brasilien. Die vom krugförmigen Kelche umgebene und von dessen 5 breiten star- ren Zähnen weit überragte Kapselfrucht springt mit einem Deckelchen auf und ist an dem centralen, durch eine Scheidewand getrennten und in die zwei Fächer hineinragenden Samenträger mit sehr zahlreichen Samen be- setzt. Dieselben sind ähnlich gestaltet wie die Stechapfelsamen , aber nur wenig über 0,00 lm messend und kaum über V2 Milligr. wiegend,3) grau- bräunlich oder gelblich und weniger flach. Auch ist ihre Form mehr kreis- rund oder eiförmig, die Oberfläche ganz gleichmässig, ohne Schwiele von einem feinen glänzenden erhabenen Netzwerke mit geschlängelten und viel- eckigen Maschenräumen belegt. Gestalt, Lage und anatomischer Bau des Embryos sind genau dem des Sem. Stramonii entsprechend; dagegen zeigt die Samenschale einige Ab- weichung, indem sie scheinbar nicht aus Zellen, sondern nur aus einer der- ben knorpeligen geschichteten blass gelblichen Oberhaut gebildet ist. Stellenweise erheben sich die Schichten derselben , d. h. die verdickten In- nen- und Seitenwände der Oberhautzellen zu weit hervorragenden gefalteten wallartigen Leisten, welche jenes Netzwerk der Oberfläche zusammensetzen. Zwischen den Leisten findet sich die zartere eingeschrumpfte Aussenwand der Oberhautzellen, meist stark eingesunken. Im Querschnitte erscheinen die Leisten als stumpfliche Spitzen, getrennt durch tiefe breite Thäler, im tangential durch die Oberfläche des Samens geführten Schnitte dagegen be- grenzen die wellenförmig verlaufenden bandartigen Schichten der Leisten unregelmässig sternförmige Lücken — die Maschen des oberflächlichen Netzwerkes. Die Falten der Oberfläche greifen also nicht zahuartig in ein- ander wie bei Stramonium. Die innere dunkelbraune Samenschale besteht nur aus wenigen Reihen dünnwandiger kleiner Zellen, die aber sehr dicht gedräugt sind und weder Inhalt noch Lumen erkennen lassen , nicht ein lockeres Gewebe darstellen wie bei Stramonium. J) 'u6c, und xua[J.o; Schweinebohne. Toa-uauaro. ich rase. Das Kraut wird von Schwei- nen und manchen anderen Thieren gefressen. 2) In den Sprachen Vorderindiens, wo das Bilsenkraut fehlt, heisst es Korassan (Ains- lie) — vielleicht den westlichen Ursprang der Pflanze andeutend. 3) 100 Stück lufttrocken = 0,054 Grmm. Semen Hyoscyami. 683 Die Bilsensamen schmecken wie die des Stechapfels, aber schwächer und mehr ölig. Schon das Mikroskop zeigt, dass erstere reicher an fettem Oele sind (nach Kirchhoff gegen 15 pC, nach Brandes über 24 pC.). Träger der giftigen Wirkung des Samens ist das (1833) von Geiger u. Hesse zuerst dargestellte Alkaloid Hyoscyamin, das in Wasser und wässerigen Alkalien leicht löslich ist. Es ist gleich dem Atropin und Sola- nin leicht zersetzbar und zeigt hierbei tabaksähnlichen Geruch und Ge- schmack. Nur bei grösster Sorgfalt gelingt es, das Hyoscyamin krystallisirt zu erhalten, wie neuerdings Kietz in sky1) gezeigt hat. Nach demselben kömmt dem Alkaloid die Formel £15H17NQ- zu, welche dem Nitril der Santoninsäure (Santonin) entspricht. In der That wird das Hyoscyamin durch Natronlauge , welche unter höherem Drucke einwirkt , in Ammoniak und santonsaures Natron zerlegt. Die höchst giftige Wirkung des Hyoscyamins steht der des Atropins und Daturins nahe und übertrifft sie zum Theil noch, wenigstens in Bezug auf die Pupille. Es scheint in den Samen weit reichlicher vorzukommen als im Kraute oder in der Wurzel, immerhin jedoch nur in sehr geringer Menge (vergl. bei Folia Hyoscyami). In Grösse, Gestalt und innerem Bau stimmt der Samen von Atropa Belladonna mit dem des Hyoscyamus überein; ersterer ist nur vorherrschend von bleigrauer oder graubräunlicher Farbe. An eine Verwechslung dieser beiden Samen ist aber wegen der abweichenden Beschaffenheit der Früchte nicht zu denken. Der Same des südeuropäischen, schon von den Alten gebrauchten, z. B. von Dioskorides vorzüglich empfohlenen Hyoscyamus albus L. stimmt bis auf seine weit hellere gelbliche Farbe mit dem des H. niger überein, scheint aber bedeutend schwächer zu sein. — In Griechenland dienen die Samen des Hyoscyamus major Mill. statt derjenigen des dort selteneren H. niger. Die letztere Pflanze wurde, obwohl auch den Alten und dem Mittelalter bekannt, doch erst in neuerer Zeit in allgemeineren Gebrauch gezogen, be- sonders nach Störck's Vorgange, von 1762 an. — Ein von Pfeiffer2) herausgegebenes, vermuthlich in Schaffhausen verfasstes altdeutsches Arzneibuch aus der zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderts erwähnt weissen (wizun) Bilsen und in einem ähnlichen, um ein Jahrhundert späteren Werke aus Baiern (Tegernsee) finden wir Bilsenöl, d. h. ohne Zweifel das gepresste Oel der Samen. Die heilige Hildegard, um 1150, kannte ebenfalls die .Bilsa." t) Mitth. aus d. Gebiete d. reinen und angewandten Cb-emie. Wien 1865. 24. 2) Wien 1863. pag. 13 u. 33. 684 Samen. C scharf oder kratzend schmeckende Samen. Semen Sinapis albae, Semen Erücae. Semen Sinapis citrinum. Weisser Senf. Moutarde blanche ou anglaise. White mustard seed. Sinapis alba L. — Cruciferae-Orthoploeeae. Der weisse Senf gehört den südlicheren Gegenden Europas an und findet sich unzweifelhaft wild z. B. in Griechenland1) und auf Cypern. In Mitteleuropa, namentlich in Deutschland und der Schweiz, scheint er nicht einheimisch, sondern nur durch Cultur oder durch zufällige Aussaat mit Getreide da und dort verwildert zu sein. Sehr häufig wächst er jedoch wieder in ganz England. Wie der schwarze Senf, wird er jetzt auch in den- selben Gegenden im grösseren Masstabe gebaut. Die kurze borstige Schote, durch einen eben so langen schwertförmigen vielnervigen Schnabel ausgezeichnet, enthält 1 — 5 kugelige oder seitlich ein wenig zusammengefallene hellgelbe Samen von ungefähr 2 Millimeter Durchmesser, der aber ziemlich schwankt, und 5 Milligramm Gewicht. 100 Stück lufttrockener Samen wiegen 0,542 Gramm. Die etwas spröde, fast durchsichtige und farblose Samenschale schliesst einen lebhaft und rein gelben Embryo von demselben Bau ein, wie der des schwarzen Senfes. Auf der Samenschale des weissen ist jedoch das Würzelchen oft schon deutlich ausgeprägt. Die Oberfläche der letzteren ist ebenfalls netzig grubig, aber so fein gezeichnet, dass der weisse Senf ganz glatt erscheint, wenn man nicht eine stärkere Vergrösserung zu Hülfe nimmt. In Wasser quillt die Oberhaut noch stärker auf wie bei dem schwarzen Senf, der Vorgang ist aber etwas abweichend wegen der verschiedenen Bildung der Oberhaut. Die äusserste Schicht derselben ist hier aus ähn- lichen farblosen, sehr fein horizontal gestreiften Zellen gebaut, welche aber im Querschnitte nach aussen sehr stark gewölbt, 50 — 80 Mikromill. hoch und etwa eben so breit erscheinen. Von oben gesehen, bilden sie 6 eckige, oft gegen 80 Mikromill. messende Tafeln, durch welche hindurch man die kleinen Intercellularräume der folgenden Zellenreihe als hellen Punkt wahr- nimmt. Unter der äusseren Schicht folgt nämlich eine Reihe gleich grosser kubischer Zellen, deren erst im Wasser aufquellende Querwände oft stark geschlängelt sind. Hier ist es also eine vollständige zusammenhängende zweite Zellschicht der Oberhaut, nicht nur einzelne strebepfeilerartige Zell- gruppen, welche sich aufrichten. Auch im trockenen Zustande bilden diese Zellen eine mehr gleichmässige Schicht zwischen der äusseren Oberhaut und der Samenhaut, mit nur geringen Hervorragungen, daher die fast glatte Oberfläche des weissen Senfsamens. Die äussere, etwa 35 Mikromill. dicke Lage der äusseren Samenhaut 1) neugriechisch liuaride oder lapsine (He ld reich). Semen Sinapis albae. 685 besteht aus gleich gebauten, aber kaum etwas gelblichen Zellen, wie die entsprechende Schicht des schwarzen Senfs. Ebenso die innere Lage, sowie die ganze innere Samenhaut, deren Zellen nur etwas grösser sind. Auch der Keim des weissen Senfs zeigt im Bau und Inhalt keine Eigenthümlichkeit. Die schwach gelbliche Emulsion, welche der weisse Senf beim Zerreiben mit Wasser gibt, schmeckt sehr scharf, ist aber geruchlos und liefert bei der Destillation unter keinen Umständen flüchtiges Oel. Der scharfe Stoff ist noch nicht isolirt, verdankt aber seine Entstehung einer von My rosin ausgehenden, durch Gegenwart von Wasser vermittelten Zersetzung, welche nicht eintritt, wenn man den Samen statt mit Wasser z. B. mit Weingeist zerquetscht. Als denjenigen Körper, der diese Zersetzung erleidet, haben von Babo u. Hirschbrunn (1852) das Schwefelcyan-Sinapin erkannt, wovon sie durch Auskochen des vom fetten Oele befreiten Samens mit Weingeist 1 p. Mille in lockeren farblosen, auch in heissem Wasser lös- lichen Krystallnadeln erhielten. Mit Schwefelsäure behandelt, gibt das Schwefelcyan-Sinapin Krystalle von saurem schwefelsaurem Sinapin, woraus sich die reine, in Wasser leicht lösliche Base Sinapin 016H23N-9-5 gewinnen lässt, welche aber für sich wenig haltbar, sondern nur in stark gelb ge- färbter Lösung darstellbar ist. Beständiger sind die Salze; so verträgt gerade die obige Schwefelcyan- (Rhodan-) Verbindung eine Temperatur von fast 130° C. ohne Veränderung. Die geringsten Mengen irgend welcher alkalisch reagirender Körper färben das Schwefelcyan-Sinapin stark gelb; mit Eisenoxydsalzen gibt es dieselbe prächtig rothe Färbung wie das Schwefelcyan -Kalium. Bisweilen aber tritt das im Senf vorhandene Salz in einer isomeren Modification auf, welche das Schwefelcyan in anderer Form enthält, so dass es auf Eisenoxydsalze nicht reagirt. Die geringe Menge des im weissen Senf vorkommenden Schwefelcyan- Synapins reicht doch hin, schon den wässerigen Auszügen desselben die Eigenschaft zu ertheilen, auf Zusatz von Eisenchlorid eine rothe und mit Alkalien eine schön gelbe Färbung anzunehmen. Man hat nur nöthig, wenige Samenkörner, ohne sie zu zerquetschen, einige Stunden oder Tage mit Wasser zu digeriren,1) um die Reaktion aufs schönste zu erhalten. Schwarzer Senf, ganz oder gepulvert, in gleicherweise behandelt, gibt nur eine schwache bräunliche Färbung, wenn Eisenchlorid zugesetzt wird. Mit kaustischen Alkalien gekocht, zerfällt das Schwefelcyan-Sinapin in eine neue, sehr starke, nicht flüchtige krystallisirende Base, Sinkalin, in Sina- pin säure und Schwefelcyan. Neben dem Schwefelcyan-Sinapin scheint der Senfsamen noch eine schwefelreichere Verbindung zu enthalten, so wie a) Der wenig gefärbte schleimige Auszug schmeckt nicht scharf und coagulirt nicht beim Kochen. Man gewiünt daraus selbst bei Anwendung kleiner Mengen von Senf leicht krystalli. sirtes Rhodansinapin. Die unverletzte Samenschale wirkt also hier dialytisch, sie hält das Myrosin zurück und lässt das Krystalloüd Rhodansinapin (ueben Zucker und Gummi) merk- würdigerweise unzersetzt durchgehen. Die Samenschale selbst färbt sich mit Alkalien nicht, enthält also kein Sinapin. Der Auszug riecht höchst auffallend nach Honig. 686 Samen. ferner einen Theil des Sinapins in freiem Zustande oder doch nicht als Seh wefelcyan -Verbindung, da die Mutterlaugen vor der Darstellung des Schwefelcy an- Sinapins noch mehr dieses Salzes liefern, wenn man sie mit Schwefelcyan-Kalium versetzt. — Das Schwefelcyan-Sinapin war früher als Sinapin, Sulfosinapisin oder Schwefelsenfsäure bezeichnet worden. Die übrigen Bestandteile des weissen Senfs sind dieselben, wie die des schwarzen. An Myrosin scheint wohl ersterer weit reicher zu sein, so dass nach den beim schwarzen Senf auseinander gesetzten Beziehungen des Myrosins zum^Senföl die Schärfe des schwarzen Senfs durch Zusatz von weissem gesteigert wird. Das fette Oel beträgt 28 pC. — Die aufquellende Oberhaut gibt an warmes oder kaltes Wasser reichlich ein durch Alkohol, Bleizucker und Eisenchlorid fällbares Gummi ab , das sich nach dem Ein- trocknen wieder in Wasser löst. Erwärmt man es längere Zeit mit ver- dünnter Schwefelsäure, so geht es in Zucker über. Erucin und Senfsäure, von Simon als eigenthümliche Stoffe des weissen Senfs bezeichnet, sind ganz problematisch. Der bei Semen Sinapis nigrae beschriebene Samen von Sinapis arven- sis gehört in chemischer Beziehung zum weissen Senf, indem er mit lauem Wasser zerrieben, eine scharf schmeckende, aber geruchlose Emulsion gibt, deren Filtrat sich (nach der Coagulation des Myrosins) mit Eisenchlorid roth färbt. Die gelblichen Samen der in Südeuropa und Aegypten einheimischen, z. B. bei Athen und Korinth sehr häufigen Eruca1) sativa Lamarck (Brassica Eruca L.), welche aber auch durch Italien bis in die südliche Schweiz (Wallis) vorkömmt, sind seitlich zusammengedrückt, nicht kugelig und weniger scharf als der Senf und messen nur wenig über 1 Millimeter. Ihres fetten Oeles wegen wird Eruca auch in Persien (Isfahan, Kaschan) gebaut. Der weisse Senf sowohl als der schwarze findet sich im Handel gepul- vert oder auch in Latwer genform als Tafelsenf und ist dann mancherlei Verfälschungen ausgesetzt. Sehr häufig dienen hierzu stärkmehlreiche Substanzen, welche an der Form oder durch die Jod-Reaktion desAmylums erkannt werdeu können. Curcuma, welche sich durch ihre Farbe sehr als Zusatz empfiehlt, nimmt mit Alkalien eine tief braunrothe Färbung an. 1) 'IVJ/.a (Rhnka) iu Griechenland. Semen Sinapis nigrae. 687 Semen Sinapis nigrae. Semen Sinapis *) viridis. Semen Sinapinigri. Semen Sinapeos. Schwarzer Senf. Grüner Senf. Moutarde noire ou- grise. Mustard seed. Brassica nigra Koch. — Cruciferae-Orthoploceae. Syn. : Sinapis nigra L. Der schwarze Senf ist im grössten Theile Europas , wie es scheint mit Ausschluss des höchsten Nordens (Norwegen) und des äussersten Südens (Griechenland) einheimisch , besonders häufig z. B. im westlichen und süd- lichen Deutschland , auch in England , dagegen auf grossen Strecken , wie etwa in der Schweiz, ganz fehlend. Buhse fand den schwarzen Senf auch in Transcaucasien bei Eriwan. Durch die in vielen Gegenden, wie im Elsass, in Böhmen, Holland, England (Durharn, Yorkshire), Italien (Apulien), Griechenland, auch in Californien, sehr im grossen betriebene Kultur hat sich die Pflanze in manchen Ländern verbreitet, wo sie sonst wohl gefehlt hatte. Auch in Canada ist sie bereits angesiedelt. Die zweifächerige, in 2 Klappen aufspringende Schote enthält in jedem Fache 4 — 6 kleine kugelige oder etwas längliche, durchgängig ziemlich gleich grosse Samen von 1 Millimeter Durchmesser, 1 Milligramm Gewicht2) und mehr oder weniger dunkler rothbrauner Farbe. Nur an dem etwas dunkleren Nabel sind sie kaum wahrnehmbar weiss gezeichnet, die ganze übrige Oberfläche erscheint unter der Loupe fein netzig-grubig und etwas schülferig. Die dünne durchscheinende spröde und innen glatte Samen- schale birgt einen eiweisslosen gelblichen Embryo, dessen beide kurze Keimblätter der Länge nach gefaltet eine Rinne bilden, in welche das Würze'lchen heraufgebogen ist. Der in dieser Weise kugelig zusammen- geknäuelte Embryo füllt die Samenschale vollständig aus, indem das äussere übergreifende Keimblatt noch dicker und fleischiger ist als das innere, welches im Querschnitte gesehen, das Würzelchen zangenartig umfasst. — Gepulvert sieht der Samen beinahe grünlich aus. Unter Wasser umgeben sich die Samenkörner nach kurzer Zeit mit einer glasartigen Hülle, welche die Unebenheiten der Samenschale aus- gleicht, so dass dieselbe jetzt fast ganz glatt erscheint. Dieses Verhalten beruht auf einem eigenthümlichen Aufquellen der Oberhaut und der äus- seren Wandungen der Samenschalenzellen. Die Oberhaut stellt nämlich, unter Wasser gesehen, eine einzige Reihe in tangentialer Richtung sehr bedeutend gestreckter zarter, im Querschnitte gegen 20Mikromillim. dicker Zellen ohne Farbe und Inhalt dar. Von oben !) Narru (napy) Senf, neugriechisch Siyotfci. Daraus schon im altdeutschen vor dem XII. Jahrhundert Senaf, später auch senif, semp. 2) 100 Stück lufttrockener Samen = 0,1044 Grm. — Spec. Gewicht = 1,00 im luft- haltigen trockenen Zustande. 688 Samen. betrachtet, zeigen sie sich als meist Geckige Tafeln von 70 — 80 Mikromill. diagonalem Durchmesser, aus denen die weissen Schüppchen bestehen, welche au der Oberfläche der Samen schon durch die Loupe wahrnehmbar sind. Blickt man von oben- auf einen tangentialen Schnitt durch die Samen- schale , so sieht man unter der farblosen Oberhaut deutlich die Höhlungen von quer durchschnittenen Zellen der äusseren Schicht der ersteren. Diese dunkel rothbraune, 15 Mikromill. breite Schicht ist nämlich aus einer sehr dichten Reihe regelmässig radial gerichteter Zellen mit sehr starken Innen- und Seitenwänden gebaut. Nach aussen dagegen sind diese Zellen durch zarte farblose oder gelbliche Wände geschlossen, welche in Wasser aufquellen. An einzelnen Stellen der Samenschalen- Peripherie, welche durchschnittlich 80 Mikromillim. aus einander hegen, erfolgt dieses Aufquellen regelmässig bei kleinen Gruppen etwas dichter ge- drängter, weit längerer Zellen in höchst auffallender Weise. Dieselben strecken sich nämlich in radialer Richtung bis zu 50 Mikromill. und bilden so gleichsam gerade oder ein wenig geschlängelte Strebepfeiler, auf welchen erst die eben beschriebene Oberhaut zierlich ausgespannt ist. An den trockenen Samen ist die letztere zwischen die ebenfalls zusammen- geknitterten Strebepfeiler zurückgefallen und bildet dadurch eben das Maschenwerk der Oberfläche. Ein nicht zum Aufquellen gebrachter, z. B. nur mit Terpenthinöl befeuchteter Schnitt gewährt daher einen ganz ver- schiedenen unklaren Anblick. In ihrer inneren, nur 4 — 5 Mikromill. breiten Schicht enthält die äussere Samenschale unregelmässige, tangential gestreckte, zum Theil derbwandige Zellen von tief dunkelbraunrother Farbe, mit welchen die innere, beinahe farb- lose Samenschale oder Samenhaut fest zusammenhängt. Sie besteht aus einer einreihigen äusseren Lage ansehnlicher, etwas dickwandiger, tangen- tial gedehnter Zellen mtt granulösem bräunlichem Inhalte und einer inneren Schicht sehr enger flacher zusammengefallener und stark tangential ge- streckter Zellen. Die Keimblätter sind aus einem sehr regelmässig gereihten Gewebe von dünnwandigen grossen eckigen, im Querschnitte gestreckten Zellen gebildet, deren äusserste Reihe bedeutend kleiner und durch nach aussen etwas dickere Wände unterschieden ist. Das Würzelchen enthält beträchtlich weitere , mehr kugelige Zellen , doch wird das Centrum von einem Strange weit engeren und axial gestreckten Parenchyms eingenommen. Gefässbündel fehlen dem Embryo. Die rothbraunen Zellwände der Samenschale werden durch Kali nicht angegriffen, das Parenchym des Embryos aber vorübergehend gelb gefärbt. Dasselbe enthält grosse Oeltropfen, nach deren Beseitigung durch Terpen- thinöl das Gewebe sich von ProteVnstoffen in grossen durchsichtigen Klumpen erfüllt zeigt. Kali löst dieselben fast vollständig auf. Der Senf ist beim Kauen, nicht aber, so lange die Körner unversehrt sind, im ersten Augenblicke von milde öligem, schwach säuerlichem Semen Sinapis nigrae. 689 Geschrnacke, der sich aber alsbald zu brennender Schärfe steigert. Die weisslichgelbe Emulsion , die man beim Anreiben des Samens mit kaltem oder massig warmem Wasser erhält, entwickelt eine durchdringende, auch die Augen heftig angreifende Schärfe, welche dem trockenen Pulver fehlt, und reagirt stark sauer. Reibt man den Samen mit kalter Aetzlauge, so tritt jener Geruch nicht auf, auch nicht beim Kochen , wobei nur schwach alkalisch reagirende Dämpfe entweichen. Auch Weingeist, Chlorwasser, ver- dünnte Mineralsäuren oder Gerbsäurelösung, mit dem Samen angerieben, rufen jene Schärfe nicht hervor. Lange aufbewahrtes Senfpulver verliert die Fähigkeit, mit Wasser die Schärfe zu erzeugen und dieselbe scheint auch vom Standorte der Pflanze oder ihrer Behandlung einigermassen ab- zuhängen. Bisweilen herrscht nämlich ein solcher Mangel an Myrosin im Samen, dass er erst dann das flüchtige Oel entwickelt, wenn er mit mehr Myrosin vermittelst einer Emulsion des weissen Senfs zusammengebracht wird. Durch Destillation des Senfs mit Wasser nach vorherigem Einweichen erhält man den scharfen Stoff, das ätherische Senf öl, das im Durchschnitt nicht mehr als 0,44 bis 0,57 pC. beträgt. Angaben von beträchtlicherer Aus- beute, bis höchstens 1,2 pC, stehen mehr vereinzelt. Dieses Oel, G4H5NS 0 N ) oder n3u5J^ (Schwefelcyanallyl. Rhodanallyl) von 1,010 spec. Gewicht, bei 148° C. siedend, optisch unwirksam, ist der Träger des scharfen Ge- ruches und Geschmackes , so wie der Haut entzündenden blasenziehenden Wirkung des Senfs, daher statt desselben auch wohl eine Lösung des Senföls in 40 — 60 Theilen Weingeist angewandt wird. Es ist in dem trockenen Sa- men noch nicht vorhanden, sondern tritt, wie schon angedeutet, erst auf, wenn frischer Samen mit kaltem , oder höchstens 50 bis 60° C. warmem Wasser zerquetscht wird. Ganze Samenkörner liefern bei der Destillation kein Oel, da die harte, verhältnissmässig sehr starke Samenschale dem Wasser widersteht. Nach vielen über diesen Hergang angestellten Untersuchungen ist derselbe schliesslich durch Will u. Körner (1863) aufgeklärt worden. Der Senf enthält nämlich in geringer Menge1) das krystallisirbare wasserfreie Kali- salz einer eigenthümlichen Säure, Myronsäure, von der Formel O10H18NKS2O10, also die Elemente von Senföl 04H5NS, Zucker (Rechtstraubenzucker) 06H12 O6 und Kalibisulfat K H S 04 in sich vereinigend. In der That zerfällt das in Senf enthaltene myronsäure Kali in diese drei Molecüle, wenn es in Wasser gelöst, mit Myrosin in !) Jene beiden Chemiker erhielten 0,5 bis 0,6 pC, Ludwig u. Lange 0,5 pC. myron- saures Kali. Die Reindarstellung desselben ist daher mit grossem Verluste verbunden, indem die Minimalausbeute an ätherischem Oele (0,44 pC.) schon 2,37 pC. myronsaures Kali voraussetzt. Flücki ger, Pharmakognosie. " 690 Samen. Berührung gebracht wird. Dieser eiweissartige Körper, 1839 von Bussy entdeckt, dessen Zusammensetzung noch nicht feststeht, erleidet hierbei selbst auch eine Zersetzung. Kein anderer Körper wirkt gleich auf den Senf, wohl aber kann das isolirte myronsaure Kali auch durch Alkalien, nach Ludwig u. Lange (1860) auch durch Silbersalz gespalten werden. Die wässerige Lösung des Myrosins coagulirt bei 60° C. und ist dann ohne Wirkung, daher gibt bis 100° C. erhitzter oder gar gerösteter, oder sogleich mit kochendem Wasser behandelter Samen kein flüchtiges Senföl. Aus der mit Myrosin zusammengebrachten Senfemulsion oder der Lösung des reinen myronsauren Kalis scheidet sich durch Zerfallen des Schwefel- cyanallyls häufig etwas Schwefel aus, so dass sich dem rohen Senföl bis- weilen sehr bedeutende Mengen (bis zur Hälfte) Cyanallyl 04H5N bei- mengen, welches durch geringeres specifisches Gewicht (0,839) und niedri- geren Siedepunkt (118° C.) ausgezeichnet ist. Die ätherischen Oele der Samen, Wurzeln oder des Krautes vieler an- deren Cruciferen bestehen zum Theil gleichfalls aus Senföl oder aus / O3 H5 ) \ Schwefelallyl OfiH10§=! £,3 tj5 ^ ), welches ziemlich rein auch in den Knoblauchzwiebeln (Allium sativum L.) vorkommt. Manche Cruciferen, wie z. B. das gemeine Sisymbrium Alliaria Scopoli, bilden in ihren Wurzeln und Samen nur oder doch vorzugsweise Senföl, in den Blättern dagegen Knob- lauchöl, welches Verhältniss aber auch durch Standort und Jahreszeit Ver- änderungen erleidet. — Alle diese Cruciferen enthalten Myrosin, daher im feuchten Zustande schon fertig gebildetes flüchtiges Oel (vergl. auch bei Herba Cochleariae). Die künstliche Darstellung des Senföls vermittelst Glycerin lehrten (1855) Zinin einerseits und gleichzeitig auch Berthelot u. de Luca. — Durch sein ganzes Verhalten ist das Senföl einer der interessantesten Kör- per der organischen Chemie. — Es löst sich ohne Färbung und Trübung in der Sfachen Menge concentrirter Schwefelsäure, wenn es rein ist. Beim Pressen liefert der Senf bis 32 pC. eines milde schmeckenden, fast geruchlosen, nicht trocknenden, unter — 17,5° C. erstarrenden Oeles, aus Glycerin Verbindungen der Stearin-, Olei'n- und Eruca- (oder Brassica-) Säure bestehend. Die letztere, G22H4202, findet sich auch im fetten Oele von Sinapis alba und Brassica Napus (Rüböl) und gehört in die Oelsäure- Reihe. Die Quantität des Myrosins ist nicht genauer ermittelt, scheint aber wohl nicht sehr bedeutend zu sein, da der Gesammtgehalt des Samens an Stickstoff von Hoffmann zu 2,9 pC. gefunden wurde, was etwa 18 Pro- centen Myrosin entsprechen würde, wenn dasselbe gleich viel Stickstoff enthielte wie Albumin und wenn die Gesammtmenge des Stickstoffes auf Myrosin bezogen werden dürfte. Die Aschenbestandtheile, 4 pC. betragend, sind vorwiegend Phosphate von Calcium, Magnesium und Kalium. Das hy- groskopische Wasser pflegt G bis 7,5 pC. nicht zu übersteigen. Semen Sinapis nigrae. 691 Dragendorff hat im Samen des schwarzen Senfs auch 9 pC. amor- pher Stärke (in der bei Semen Lini angeführten Weise) angegeben. — Mit Terpenthinöl von fettem Oele befreite, mit Weingeist ausgewaschene und mit Wasser befeuchtete Schnitte durch den Keim lassen jedoch auf Zusatz von Jod keine blaue Färbung erkennen. Die in Wasser aufquellende Oberhaut gibt an kaltes oder warmes Wasser (19 pC. Hoffmann) Gummi ab, welches sich so verhält wie das des weissen Senfs, ohne aber mit Eisenchlorid eine rothe Färbung anzunehmen. Ludwig u. Lange haben (1860) die Existenz einer schwefelhaltigen, bitter schmeckenden Base im schwarzen Senf wahrscheinlich gemacht, welche in Berührung mit Myrosin (Aufguss des weissen Senfs) Senföl bildet. Der Senf wurde schon in den ältesten Zeiten als Arzneimittel und als Würze (Mostrich) gebraucht und zwar ohne Zweifel der schwarze sowohl als der weisse. Auf den ersteren ist wohl derjenige Senf zu beziehen, den Dioskorides gepulvert als grün bezeichnet, auf den letzteren, wenn nicht vielmehr auf Eruca sativa, die Eruca alba, deren Anbau neben Sinapi Karl der Grosse in seinen Capitularien befahl. Dem schwarzen Senf sehr ähnlich sind die Samen des überall verbrei- teten Unkrautes Sinapis arvensis L. Sie messen durchschnittlich \x/± Milli- meter und wiegen t% Milligr.,1) sind bei der Reife fast schwarz oder doch dunkelbraun und bei weitem feiner punktirt als der schwarze Senf. Ihr übrigens gleichartiger anatomischer Bau unterscheidet sich von dem des letzteren sehr bestimmt dadurch, dass die Oberhaut aus einer einzigen Schicht nach aussen stark gewölbter Zellen besteht, welche nicht durch Aufquellen .einer inneren Zellschicht von der äusseren Samenhaut wegge- hoben werden. Die Gestalt der Oberhautzellen stimmt mit denen der äusse- ren Oberhautschicht von Sinapis alba überein. Diesem Samen steht auch Sinapis arvensis in chemischer Hinsicht näher (vergl. bei Semen Sinapis albae). Die Oelsamen, von Brassica Napus und Br. RapaYar. oleifera, sind kugelig, nur sehr fein grubig punktirt, schwärzlich, gegen 2 Millimeter mes- mend und beim Kauen fast ohne Schärfe. In Sarepta, Gouvernement Saratow, und dem ganzen südöstlichen Russland bis tief in die Kirgisensteppe wird seit Anfang des Jahrhunderts in grossem Masstabe Sinapis juncea Mayer gebaut und der Samen verar- beitet. Die Pflanze ist sonst auch in China, Indien und Aegypten zu Hause. Das älteste und bedeutendste Haus, Gebrüder Glitsch in Sarepta, liefert jährlich über 800,000 Kilogr. dieses Senfsamens in den Handel und zwar, von der Samenschale und dem (etwa 25 pC. betragenden) fetten Oele be- freit, als feinstes, schön gelbes, unter dem Mikroskop sehr gleichförmiges, wenig charakteristisches Pulver. Dasselbe entwickelt daher auch mit Wasser 1) 100 Stück lufttrocken = 0,1755 Grmm. 44* 692 Samen. den kräftigsten Senfölgeruch. Die filtrirte Emulsion gibt nach der Beseiti- gung des coagulirten Myrosins mit Eisenchlorid keine rothe Färbung. Der milde angenehme Geschmack des fetten Oeles dieser Art hat demselben in Russland als Speiseöl den Vorrang selbst vor Olivenöl verschafft. — Die Pflanze liebt den massig salzhaltigen Boden der Wolgasteppen ganz beson- ders, erschöpft denselben aber stark. Ganze Samen, welche ich einem Herbarium-Exemplare der Sinapis jun- cea aus Canara (Westküste Vorderindiens) von Dr. Hohen ack er verdanke, zeigen äusserlich die grösste Uebereinstimmung mit Sinapis nigra und mes- sen durchschnittlich 1,3 Millimeter. Sie quellen im Wasser wohl etwas auf, umgeben sich aber doch nicht mit einer schleimigen Hülle wie die anderen Senfarten. In der That bietet aber auch Sinapis juncea besondere anato- mische Verhältnisse. Die Oberhaut besteht nämlich aus einer einzigen, selbst nach dem Auf- weichen kaum 10 Mikromillim. dicken Membran, welche dicht auf den fast ganz verdickten radialen Zellen der äusseren Samenhaut (Samenschale) liegt. Die letztere ist 25 bis 35 Mikromillim. breit, indem nämlich an ge- wissen Stellen einzelne Gruppen ihrer Zellen sich höher erheben und da- durch das polyedrisch-netzige Aussehen der Oberfläche bedingen. Semen Ricini. Semen Cataputiae majoris. Ricinussamen. Semences de Ricin. Catapuces. Castor-oil seed. Ricinus communis L. — Euphorbiaceae-Crotoneae. Der Ricinusbaum ist vermuthlich ursprünglich in Indien einheimisch, wo er uralte Sanskritnamen führt, doch findet er sich auch wild in Nord- ostafrika (Bogosländer, Sennär, Hartmann), so wie in den mittelpersischen Gebirgen und im Kaukasus und war bei den alten Aegyptern schon eine wichtige Oelpflanze. Die Kultur hat ihn schon sehr frühe über die Länder der alten Welt verbreitet und jetzt gedeiht er in mehreren Spielarten mit Ausnahme der kalten Zone überall , reift sogar in guten Sommern und bei sorgsamer Pflege seine Früchte noch um Christiania in Norwegen. In den Tropenländern ist der Wunderbaum,1) wie er auch heisst, bis 40 Fuss hoch, noch auf Kreta bis 25 Fuss, bei Athen aber nur in guten Jahren ausdauernd, in der Gegend von Neapel 10 bis 16 Fuss hoch und 2- oder 3jährig. In mehr gemässigten Ländern bleibt er strauchartig und in unseren Gegenden ist er eine kräftige einjährige Staude von doppelter Manneslänge mit hohlem Stengel. Die Fruchtbildung entspricht im allgemeinen derjenigen von Tiglium l) Nach der Legende, dass Ricinus zu Ninive in einer Nacht zum Baume aufgeschossen sei, um den Propheten Jonas zu beschatten. — In Deutschland kannte schon Albert der Grosse (XIII. Jahrh.) den Ricinus sehr wohl. Semen Ricini. 693 (vergl. Semen Tiglii), der gleichgestaltete Samen erreicht in Europa 0,0 15m Länge bei 0,0 10m grösster Breite, ist jedoch mehr abgerundet, namentlich nicht von einem Kielrande umzogen und auf der äusseren Seite nicht hoch- gewölbt oder sogar etwas abgeflacht. Indische Samen sind grösser. Gegen das untere Ende hin ist der Samen merklich dicker, am oberen mit einer graulichen, im frischen Zustande weissen fleischigen Schwiele (Keimwülst- chen. Caruncula) versehen. Die auf der Rückenfläche in eine schnabelartige Spitze auslaufende, hier merklich verdickte Samenschale drückt diese war- zige Schwiele auf die Bauchseite hinüber, wo am Grunde der Warze der Nabel wenig in die Augen fällt. Von ihm läuft eine mehr nur durch Fär- bung und Zeichnung ausgeprägte Nabellinie (Naht. Raphe) bis gegen das untere Ende der Bauchfläche , gabelt und verliert sich in dessen Nähe , in- dem ihre Eintrittsstelle (Chalaza. Hagelfleck) in die Samenschale auch äusserlich durch ein feines erhabenes Pünktchen bezeichnet ist. Wo die Samen- schwiele abgestossen ist, bleibt eine ansehnliche schwarze Vertiefung zurück. Die glänzende graue, durch bräunliche Bänder und Punkte schön be- malte *) Oberhaut lässt sich nicht abreiben, wohl aber nach dem Einweichen in lederigen zusammenhängenden Streifen abziehen. Die schwarze, auf der inneren Seite graue Samenschale ist nicht dicker als bei Semen Tiglii, aber bei weitem spröder, dem Messer widerstehend. Der Samenkern erfüllt die Schale ganz und löst sich, von der festen weissen aderigen Samenhaut be- deckt, leicht ab. Letztere bleibt nur unmittelbar unter der Samenschwiele, aber hier ganz regelmässig auf der Innenfläche der Samenschale an der bräunlichen Chalaza hängen. Der weiche Samenkern stimmt in Betreff seines Baues und der Lage seines Embryos mit Tiglium überein, nur sind die ebenfalls etwas klaffenden Keimblätter von Ricinus verhältnissmässig breiter und ihr starker Mittel- nerv mit 2 oder 3 Paaren Seitennerven versehen. Die Schalen betragen 25, die Kerne 75 pC. Die sehr dünne Oberhaut der Samen besteht aus eigenthümlichen fünfeckigen oder sechseckigen löcherigen Tafelzellen, deren Wände gruppen- weise von bräunlichem Farbstoffe durchdrungen sind und hierdurch das scheckige Aussehen des Samens erzeugen. Nur diese braunen Zellen wer- den geschwärzt, wenn man feine tangentiale Schnitte mit Eisenvitriollösung tränkt. Jod ist ohne Wirkung. Unter diesen Tafeln der Oberhaut findet sich am unreifen Samen2) eine Reihe 35 bis 55 Mikromill. langer, fast ganz verdickter farbloser Zellen, welche dicht radial gestellt der Samenschale aufgelagert sind. Am käuf- lichen Samen lässt sich diese Zellschicht nicht nachweisen , scheint also wohl beim Ausreifen zu Grunde zu gehen. Die eigentliche, 200 bis 240 1) und dadurch an ein Ungeziefer der Hunde , ricinus , erinnernd. Nach anderen wäre Ricinus aus dem griechischen Kiki entstanden, wie die Pflanze jetzt noch in Griechenland heisst. 2) Vergl. über dieselben weiter : A. Gris, Ann. d. Sc. nat. Botaniq. XV (1861) pg. 5—9. 694 Samen. Mikrom. dicke Samenschale selbst besitzt denselben Bau wie bei Tiglium, ebenso die (innere) Samenhaut, welche nur etwas stärkere Spiralgefässe zeigt, so wie auch das Eiweiss und der Embryo. Den letzteren Geweben, die sonst gleichen Inhalt besitzen, wie bei Tiglium, fehlen die Oxalatkrystalle. Befeuchtet man aber die Samenhaut von Ricinus mit verdünnter Schwefel- säure, so schiessen nach einigen Stunden Krystallnadeln von schwefelsaurem Kalk an. Der Ricinussamen schmeckt milde ölig und nur wenig kratzend , wenn er nicht ranzig ist. Hauptbestandtheil desselben ist das fette Oel, Oleum Ricini, castor-oil1) der Engländer, wovon die Kerne höchstens die Hälfte ihres Gewichtes liefern. Das Oel, welches in Indien, in Italien2), Frankreich, in Nordamerika u. s. w. im grossen dargestellt wird, schmeckt -nur wenig kratzend und enthält zum geringsten Theile den drastischen, noch unbe- kannten Stoff des Samens, daher eine mit dem letzteren bereitete Emul- sion weit kräftiger wirkt, als die entsprechende Menge Oel und die Press- rückstände gefährliche Eigenschaften zeigen. Auch hier wie bei Semen Tiglii scheint das durch Alkohol oder Schwefelkohlenstoff dargestellte Oel stärker zu purgiren als gepresstes. Die übrigen Organe des Ricinus besitzen nicht (wie bei Tiglium) scharfe Eigenschaften, die Blätter z. B. sind durch- aus ohne bedeutende therapeutische Wirkung. Das Ricinusöl ist ausgezeichnet durch sein Vermögen, sich mit Alkohol in jedem Verhältnisse zu mischen. Es trocknet in dünnen Lagen zu einem firnissartigen Ueberzuge ein. Bei der Verseifung gibt das Ricinusöl mehrere Fettsäuren, deren Constitution noch nicht völlig feststeht, wahrscheinlich befindet sich auch Palmitinsäure (Ricinstearinsäure ?) darunter. Dem Oele eigenthümlich sind vermuthlich die krystallisirte Ri ein säure und die un- ter 0° erstarrende Ricinölsäure G18H3403, welche aber an der Luft nicht durch Sauerstoffaufnahme fest wird und mit der gewöhnlichen Oelsäure G18H3402 nicht homolog ist. Letztere fehlt dem Ricinusöle. Höchst eigenthümlich erweist sich dasselbe durch das Verhalten zu schmelzenden Alkalien, indem sich die Ricinölsäure in Fettsäure GloH18-0-4 und Alkohole oder Aldehyde spaltet, welche der Reihe GuH2u0 der gewöhn- lichen Fettsäuren angehören. Ammoniak gibt mit dem Oele schon bei 66° schmelzendes Ricinolamid G18 H35 INI 02 , d. h. ricinölsaures Ammoniak minus H2Q\ Salpetersäure greift das Ricinusöl heftig an und gibt damit eine ganze Reihe Produkte, worunter namentlich auch die Azelainsäure G9H1604 in bedeutender Menge, neben Oenanthylsäure, Korksäure, Oxalsäure, Blausäure. *) Der sonderbare Name soll mit den Bibern (castor) zusammenhangen, für deren Oel man das des Ricinus ausgegeben hätte!? 2) bei Neapel wird ein fast färb- und geschmackloses Oel gewonnen, indem man die Samen- schale aufschlägt, die Häute wegbläst und die Kerne ohne Anwendung von Wärme presst. Geringf-res und scharf schmeckendes erhält man, wenn die ganzen Samen heiss gepresst werden. — Auch bei Verona wird viel gutes Oel erzeugt. Semen Ricini. 695 Auch darin zeigt sich die Eigenthümlichkeit des Ricinusöles, dass es nach Loir (1851) und nach Buignet (1861) die Polarisationsebene zu drehen vermag, welche Eigenschaft unter allen Fetten ausserdem nur noch dem Rochen- und Haifischthran in geringerem Grade zuzukommen scheint.1) Nach Bower2) wäre in den Samen ein Proteinstoff und ein dem Amygdalin ähnlicher Körper enthalten, durch deren gegenseitige Einwir- kung bei Gegenwart von Wasser in sehr geringer Menge ein widrig rie- chender giftiger , die Verdauungsorgane stark angreifender Stoff entstände. Diese Angaben verdienen nähere Prüfung. Wasser soll nach Tuson (18G4) dem Ricinussamen ein sublimirbares, in Aether und Benzin unlösliches Alkaloid von Bittermandelölgeschmack entziehen. Dieses Ricinin krystallisirt, löst sich in Wasser und Alkohol und kann durch ersteres auch dem fetten Oele entzogen werden. Es besitzt weder giftige noch purgirende Eigenschaften. Die Samenschalen geben 10,7 pC. Asche, zu Vio aus Kieselerde beste- hend, wodurch ihre grosse Härte sich erklärt. Die Asche der bei 100° ge- trockneten Samenkerne beträgt nur 3,5 pC. Curcas furganB Endlicher (Syn.: Jatropha Curcas L.), gleichfalls aus der Familie der Euphorbiaceen , ein Strauch oder kleines Bäumchen des tropischen Amerika, das auf Cuba, in Neu-Granada und den capverdischen Inseln wie es scheint massenhaft einheimisch ist und in anderen Tropen- ländern cultivirt wird, hat ähnliche, doch meist grössere Samen als Ricinus. Aus Brasilien besitze ich welche , die nicht oder wenig grösser sind. Ihre braune Samenschale ist von einer schwarzen rauhen und durch sehr un- regelmässige Risse gezeichneten Oberhaut bedeckt. In den Rissen liegt ein sehr lockeres zusammengefallenes Parenchym von bräunlicher Farbe. Diese Samen, früher auch als Nuces catharticae americanae, Semen Ricini majoris, schwarze Brechnüsse oder Purgirnüsse, gros pignons d'Inde, graines de Medicinier, bekannt, enthalten ein äusserst gefährlich drastisch wirkendes Oel. 5 bis 6 Samen können schon ernstlich giftig wir- ken, obwohl sie anfangs mandelartig milde schmecken. 1852 wurden 120,000 Pfund derselben von den Cap-verden in Rouen eingeführt und dar- aus 30,000 Pfd. Oel gepresst. 1860 tauchten sie wieder unter dem Namen P ulgu er a- Nüsse in Deutschland auf. Das Oel, oleum infernale, oleum Curcadis, huile de Medicinier, enthält nach Bouis die mit der Ricinölsäure isomere, wenn nicht identische Curcasölsäure, und eine eigenthümliche feste Fettsäure Isocetinsäure G15H30O2. Es soll nach einigen nicht scharf schmecken, was vielleicht mit der Art der Darstellung zusammenhängt. Aus Brasilien scheint das Curcasöl auch wohl statt Crotonöl ausgeführt zu werden. !) ich finde käufliches Oel bald links, bald rechts drehend. Siehe auch S. 698. 2) Handwörterbuch der Chemie. VI. 865. 696 Samen. Semen Tiglii. Grana Tiglii. Semen Crotonis Tiglii. Purgirkörner. Granatill. Graines ou semences de Tilly ou des Moluques. Petits pignons d'Inde. Croton seed. Tiglium officinale Klotzsch. — Ewphorbiaceae. Syn.: Croton Tiglium L. Croton Jamalgota Hamilton. Auf der Malabarküste , auf Ceylon , Amboina , auf den Philippinen ein- heimischer Strauch oder kleiner Baum , der in Ostindien, Cochinchina und China angebaut wird. Die weibliche Blüthe bringt eine braune brüchige Fruchtkapsel hervor, welche sich in 3 Fächer trennt, deren jedes bei der Reife durch das Aufspringen zweier Klappen einen ursprünglich hängenden gegenläufigen Samen zu Tage fördert. Die etwa 0,0 12m langen und bis 0,009m breiten, im ganzen stumpf- eiförmigen Samen sind der Länge nach durch einen etwas zugeschärften Rand in zwei ungleiche Hälften getheilt. Die äussere, höher gewölbte ist oft fast gekielt, die entgegengesetzte , die der Fruchtaxe zugekehrte Bauch- fläche , entweder schwach gewölbt oder fast eben , so dass der Querschnitt des Samens einer Bogenlinie entspricht, welche einen sehr stumpfen Winkel einschliesst oder eine Raute mit ungleichen Seitenpaaren bildet. Das eine Ende des Samens ist mit einer am käuflichen Samen aber nicht mehr vor- handenen Schwiele versehen , unterhalb welcher auf der Seite der Bauch- fläche der wenig ausgezeichnete Nabel hervortritt. Yon demselben geht eine feine braune Linie (Nabelstreifen, Raphe) nach dem anderen, unmerklich spitzeren Ende des Samens, wo sie auf die Randlinie trifft. Der Durch- schnittspunkt ist durch einen dunkelbraunen Flecken (Hagelfleck, Chalaza) nicht sehr scharf bezeichnet. Die Rückenfläche ist besonders gegen den Nabel und die Chalaza hin etwas längsstreifig oder furchig, die Bauch flächen mehr glatt. Die glänzende braune oder graugelbliche, wenig und klein gefleckte Oberhaut erscheint durch Abnutzung matt und mehr graulich, wie bestäubt; wo sie stärker abgescheuert ist, tritt die schwarze spröde, gegen % Millim. dicke , auf der inneren Fläche graue Samenschale selbst zu Tage. Sie ist ganz vom weisslichen oder bräunlichen derben öligen Samenkerne ausge- füllt, sofern er nicht, in geringer Waare, verkümmert ist. Er löst sich leicht von der Schale ab , wobei das zarte farblose aderige Samenhäutchen theils an dieser, theils am Kerne hängen bleibt. Der Längsschnitt durch die Randlinie bringt die zwei in der Ebene der- selben flach ausgebreiteten, 0,007m langen Keimblätter zur Anschauung. Sie sind stumpf oval, aus ihrem Adernetze treten 3 Hauptstämme (Nerven) stark hervor, aus dem herzförmigen Grunde das gegen 3 Millim. lange dicke gerade , gegen den Nabel gerichtete Würzelchen. Die dünnen Keim- blätter sammt dem Würzelchen sind rings vom Sameneiweiss umschlossen, Semen Tiglii. 697 welches durch geringen Druck leicht in zwei den Kotyledonen entsprechende Hälften zerfällt. Die letzteren sind ihrer ganzen Länge nach durch eine schmale Kluft aus einander gehalten, nicht auf einander liegend. Eine gewöhnliche, mit ziemlich vielen schimmeligen und verschrumpften Samen versehene Waare gab mir 31,6 pC. Schalen und 68,4 Kerne. Die dünne Oberhaut der Samen ist in ihrer äusseren Lage aus kleinen eckigen, nicht eben dickwandigen parenchymatischen Zellen gebildet, in der inneren, nicht scharf trennbaren und wenig zusammenhängenden Lage dagegen aus derberen, kurz fadenförmigen und verfilzten Zellen mit porösen Wänden. In der Raphe finden sich neben diesen Fadenzellen auch zahl- reiche lange Spiralgefässtränge. Die äussere, nicht sehr fest zusammenhängende Oberhautschicht ist von braunen , in Jod und in Kali unveränderlichen Körnern erfüllt , neben denen aber ziemlich zahlreiche, äusserst kleine, nur etwa 3 Mikromill. messende Stärke abgelagert ist. Die innere verfilzte Schicht der Oberhaut ist fast farblos und ohne Inhalt; die Zellwände jedoch werden durch Eisen- salze etwas gefärbt. Diese innere Schicht dürfte vielleicht der Ueberrest eines bei der Samenreife veränderten Gewebes sein (vergl. bei Semen Ricini S. 693). Die Samenschale besteht aus einer Schicht äusserst dicht gedrängter, bis über 20 Mikromill. dicker, radial gestellter, sehr verlängerter Stein- zellen , deren zierlich poröse bräunliche Wände fast ganz verholzt sind. Die (innere) Samenhaut enthält in einem sehr zarten verworrenen farb- losen Parenchym verzweigte Bündelchen feiner abrollbarer Spiralgefässe. Das Sameneiweiss besteht aus ansehnlichen , aber zartwandigen kuge- ligen Zellen, das durch ein farbloses Häutchen davon getrennte Gewebe der Keimblätter aus viel kleineren, mehr eckigen und besonders in den äusseren Schichten regelmässig geordneten Zellen. Einzelne zartere, etwas in die Länge gezogene Gruppen derselben deuten die zukünftigen Gefässbündel an. Befreit man dünne Schnitte des Samens vermittelst Aether und Kali vom fetten Oele, welches das ganze Gewebe erfüllt, so bleiben sehr kleine Körnchen von Protein Stoffen, zum Theil sogenanntes Alcuron (siehe S. 667) zurück. Hier und da erblickt man auch, sowohl im Eiweisse, als im Embryo kleine Krystallrosetten von Kalkoxalat. Stärkmehl fehlt hier. Der Samen schmeckt anfangs milde ölig, sehr bald aber gefährlich brennend und lange anhaltend scharf. 1—2 Samen wirken heftig drastisch, eine nur wenig grössere Anzahl selbst tödtlich. Diese Eigenschaften kommen auch weniger intensiv besonders dem frischen Holze zu, das früher als Lignum Pavanae oder Panavae, lignum moluccanum sowohl von Tiglium officinale als von dem sehr ähnlichen Croton Pavana Hamilton gebräuchlich war. Sogar die Blätter scheinen purgirend zu wirken. — Beim Erwärmen geben die Samen scharfe , Augen und Nase heftig angreifende Dämpfe aus. Hauptbestandtheil des Crotonsamens ist das fette Oel, Oleum Crotonis, dessen Gewicht 50—60 pC. des Kernes beträgt. Es wird theils in Indien, 698 Samen. theils in England gepresst, theils auch wohl im kleinen vermittelst Alko- hol, Aether oder Schwefelkohlenstoff1) ausgezogen. Letzteres Verfahren liefert ein energischer wirkendes Produkt und darf deshalb nicht ohne weiteres eingeschlagen werden. Das meist bräunliche dickflüssige Oel wird leicht ranzig, wodurch auch seine grössere oder geringere Löslichkeit im 20- bis 30fachen Gewichte Weingeist bedingt ist. Obwohl es durch salpetrige Säure nicht fest wird und sich an der Luft etwas verdickt, scheint es doch nicht die Fettsäure der eigentlichen trocknenden Oele (Leinöl, Mohnöl) zu enthalten. Es kommen darin vor, an Glycerin gebunden, mehrere der höheren Glieder aus der Fettsäurenreihe £nH'inO (z. ß. Stearin-, Palmitin- , Myristin- , Laurin-Säure) sowohl , als auch solche aus der Reihe OnH2n~~2-0-2, worunter auch Angelicasäure (vgl. Radix Angelicae). Diese Glycerinverbindungen sind es auch, welche in der Kälte sich aus dem Oele absetzen, und keineswegs irgend ein eigentümlicher Körper (,,Crotonarinü). Dem Oele eigenthümlich ist die der letzteren Reihe angehörige flüssige 2) und nicht trocknende flüchtige Crotonsäure 04H602. Sie ist nach Schlippe vollkommen wirkungslos. Der drastisch wirkende Stoff des Oeles ist noch nicht bekannt, scheint aber, wie schon angedeutet, nicht nur in den Samen , sondern auch im Holze und den Blättern des Bäumchens vorzukommen und würde wohl daraus leichter zu gewinnen sein. Schüttelt man, nach Schlippe, das Oel mit weingeistigem Natron und nach einiger Zeit mit Wasser, so erweist sich das aufschwimmende Oel frei von aller Schärfe, während die weingeistige Lösung auf Zusatz von ver- dünnter Salzsäure ein dunkelbraunes, die Haut heftig entzündendes Oel, das Crotonol OlilH2804, gibt. Es ist im reinen Zustande eine terpenthin- artige, nicht destillirbare farblose oder schwach gelbliche Flüssigkeit von eigenthümlichem schwachem Gerüche, zu etwa 4 pC. im fetten Oele ent- halten , löslich in Aether und Alkohol. Alkalien und Säuren zersetzen es unter Aufhebung der hautröthenden Eigenschaft in noch nicht festgestellte Spaltungsprodukte, welche den oft an Senega erinnernden Geruch des (nicht ranzigen) Crotonöles und wohl auch das Auftreten eines flüchtigen Oeles bedingen und zum Theil auch in der sehr dunkeln , beim Verseifen des Oeles entstehenden Lauge enthalten sind. Das Crotonol erinnert demnach sehr an das Cardol aus den Anacardium- Früchten. Das Crotonol ist im reinen Zustande indifferent, Weingeist vermag ihm das drastische Princip zu entziehen, und die Wirkung auf die Haut kömmt, nach Schlippe, allein dem Crotonol zu, welches dagegen nicht purgirt. Vautherin hat (1864), ohne die treffliche Untersuchung Schlippe's (1858) zu berücksichtigen, abweichende Resultate erhalten. x) solches von mir selbst dargestelltes Oel finde ich links rotirend und zwar stärker als Ricinusöl. 2) Nach Claus, der sie vermittelst Cyanallyl und Kali künstlich dargestellt hat, wäre die Crotonsäure von Buttersäure-Geruch und bei 0° krystallisirbar. — Auch Will u. Körner hatten sie schon früher vermittelst aus Senföl (vgl. bei Semen Sinapis) gewonnenem Cyanallyl erhalten und krystallisirbar gefunden. Semen Paradisi. 699 Tuson will (1864) durch Wasser aus den Crotonsarnen ein dem (noch ganz unbekannten!) Cascarillin ziemlich ähnliches Alkaloi'd erhalten haben, das krystallisiren soll. Die Samenschalen geben 2,6 pC. Asche, die bei 100° C. getrockneten Kerne 3 pC. Die Crotonsarnen wurden wohl von jeher in ihrem Vaterlande medi- cinisch gebraucht, dann besonders auch von den arabischen Aerzten des XIII. Jahrhunderts. In Europa erwähnte zuerst 1578 der Portugiese d'Acosta die Samen und das Holz, Johann Bauhin (1541 — 1613) die Samen unter dem Namen Pinei nuclei moluccani sive purgatorii; sonst hiessen sie auch Cataputiae minores. Das Oel hat eigentlich erst seit der Empfehlung Conwels (um 1830) in Europa recht Eingang gefunden, ob- wohl seine Wirkung auch hier schon seit der Mitte des XVII. Jahrhunderts bekannt war. Croton Pavana Hamilton, im nordwestlichen Bengalen und Hinterindien (Birma), besitzt sehr ähnliche, nur kleinere und dunklere Samen , die noch heftiger zu wirken scheinen. Die viel verbreitete Ansicht, dass dieselben die ursprünglichen eigentlichen Grana moluccana von Rumphius gewesen seien, ist von Berg widerlegt worden. Mehrere andere ostindische Croton- Arten scheinen übrigens dasselbe drastische Oel zu enthalten. D. aromatische Samen. Semen Paradisi. Grana Paradisi. Piper Malaguetta. Cardamomum piperatum. Paradies- körner. Pariskörner. Malagetta-Pfeffer. Graines de Paradis. Maniguette. Malaguette. Guinea grains. Amoinum Granum Paradisi Afzelius — Zingiberaceae. Die grossen Kapseln dieser in Sudan und den Küstenländern von Guinea einheimischen und kultivirten Pflanze enthalten zahlreiche, 3 Millim. grosse Samen, welche im allgemeinen den Cardamomen ähnlich sind; jedoch lose, ohne die Fruchtkapsel, sogar vom Samenmantel befreit, im Handel vor- kommen. Sie unterscheiden sich ferner durch die glänzend braune höcke- rige, nicht runzelige Oberfläche und den Mangel einer deutlichen Längs- furche (Pvaphe). Der Nabel ist mit den ansehulichen zerschlitzten weiss- lichen Resten des Nabelstranges schuabelartig gekrönt. Die Samen sind sehr verschieden, bald rundlich bald eckig; sehr viele bilden eine 4- oder 5seitige Pyramide mit ebener Grundfläche. Ihr anatomischer Bau zeigt, bei aller Uebereinstimmung mit dem der Cardamomen, doch bestimmte Unter- schiede. Die farblosen Zellen des Eiweisses z. B. sind weit mehr gestreckt, bei der sehr harten dunkelbraunen Samenschale stimmt nur die innerste Schicht mit der entsprechenden Steinschale der Cardamomen überein, während die 700 Samen. mittlere so dicht verholzt ist, dass nur einzelne entfernte aus einander gestellte weite Lücken offen geblieben sind. Die äusserste Schicht der Samenschale besteht aus dickwandigen prosenchymatischen helleren Zellen, deren ziemlich weite Höhlungen im Querschnitt radial gestreckt erscheinen. Der Inhalt der Eiweisszellen wie bei Cardamomen; das fette Oel findet sich im Embryo, Stärkekörnerim Eiweiss und Endosperm, von derselben Grösse wie in den Cardamomen. Der Gehalt an ätherischem Oele ist geringer (72 pC, Willert), dafür waltet ein sehr scharfes Harz von ganz pfeffer- artigem, nicht eben aromatischem Geschmacke vor, womit die Samenschale reichlich durchtränkt ist. Hierin liegt der Hauptunterschied von den Car- damomsamen, welche rein aromatisch schmecken. In früheren Zeiten, wo die jetzt wenig mehr gebräuchlichen Paradies- körner noch viel angewendet wurden, scheinen auch von noch anderen Amomum- Arten ähnliche Samen als Meleguetta-Pfeffer *) nach Europa ge- kommen zu sein ; namentlich auch aus Guyana (Demerara) diejenigen von Amomum Meleguetta Roscoe, welche Pflanze nach einigen nur eine durch Verpflanzung nach Südamerika entstandene Spielart des Amomum Granum Paradisi wäre. Schon sehr frühe gelangten die Paradieskörner als hochgeschätzte kost- bare Droge auf dem langen Landwege von der Westküste Afrikas nach dem Mittelmeer. Ein Küstenstrich Westafrikas , in der jetzigen Negerrepublik Liberia, hatte daher den Namen Körnerküste oder Pfefferküste erhalten. Diego Cam, Begleiter des berühmten Nürnbergers Martin Behaim, holte die Malaguetta 1484 von dort zum ersten Male direkt nach Portugal. Edrisi und andere Reisende des früheren Mittelalters hatten wohl unter diesem Namen zum Theil Cardamomen verstanden. Piper album. Semen Piperis album. Sem. Piperis nigri. Weisser Pfeffer. Poivre blanc. White pepper. Abstammung S. 615. Die innere Haut der als Piper nigrum beschriebenen beerenartigen Frucht ist fest mit der Samenschale verwachsen, dagegen lassen sich die äussere und mittlere Schicht der Fruchthaut, also der bei weitem grössere Theil derselben, ablösen. Die Trennung geschieht in derjenigen Schicht der inneren Fruchthaut, welche sich durch kleine Spiralgefässe und weiss- liche Färbung auszeichnet (vgl. S. 616), so dass also der Samenkern allein zurückbleibt, bekleidet mit der unversehrten Samenschale, der unteren Schicht der inneren Fruchthaut und einem Theile der oberen (äusseren) Schicht der letzteren. So geschält, heissen diese Samen dann weisser Pfeffer. Man verwendet zur Herstellung dieser Waare in ihrer Heimat mehr l) auf den Azoren heisst auch die Capsicumfrucbt Malagetta. Piper album. 701 rothe und gelbe, ausgereifte Beeren, sogar freiwillig abgefallene. Sie werden 2 Wochen lang in rinnendes Wasser, nach andern in feuchte Gruben gelegt, wodurch die zu trennenden Schichten der Fruchthaut allmälig aufgelockert werden, bersten und sich dann nach dem Trocknen an der Sonne abreiben lassen. Malabar, Penang, Singapore sind die wichtigsten Produktions- gegenden; den schönsten weissen Pfeffer liefert Tellicherry an der Malabarküste. Es versteht sich, dass diese Schälung sich auch an dem schwarzen Pfeffer des Handels vornehmen lässt, wenn er hinlänglich entwickelt gelie- fert wird, und es soll dieses wirklich in England und Holland geschehen; nach andern Angaben indessen wird dort nur weisser Pfeffer noch gebleicht. Der so dargestellte weisse Pfeffer scheint kleiner, weniger glatt, aber etwas schärfer zu sein, als der aus Indien. — Ohne Zweifel wird die euro- päische Industrie die äusseren Fruchthäute gleichfalls, vermuthlich als gepulverten Pfeffer, zu verwerthen wissen. Das Mikroskop zeigt, dass die- selben an Harz und ätherischem (auch fettem?) Oele reich sind. Der weisse Pfeffer ist etwas grösser als der schwarze, weil er aus reifen Früchten gewonnen ist. Er ist kugelig , bald etwas niedergedrückt , bald mehr länglich, oben deutlich abgeplattet. Unten ist die Fruchthaut, nicht die Samenschale, verdickt und zur kurzen Spitze ausgezogen. Von der- selben aus laufen in gleichen Abständen feine helle Streifen (Spiralgefässe) wie Meridiane nach oben. Es sind ihrer ungefähr 12; etwa die Hälfte davon geht bis in die Nähe des abgeplatteten Poles, die übrigen bleiben schon früher zurück. Die Farbe ist graulich, bei den schönsten Sorten aus Malabar hell gelblich weiss. Schabt man diese helle Fruchthaut ab, so tritt die harte dunkelbraune Samenschale zu Tage. Der anatomische Bau ent- spricht ganz den betreffenden Geweben des schwarzen Pfeffers; der weisse ist nur voller, mit besser ausgebildetem Eiweiss versehen, der Embryo zwar auch hier verkümmert. Auch Geruch und Geschmack des weissen Pfeffers sind nicht verschieden von dem des weissen, höchstens etwas feiner, aber schwächer, da die Frucht schon durch das Ausreifen an ihrer Schärfe einbüsst. In chemischer Hinsicht wäre noch zu untersuchen, ob nicht das Piperin ausschliesslich dem Sameneiweiss angehört, oder ob es auch in den äusseren, beim weissen Pfeffer entfernten, Fruchttheilen vorkömmt. Diese dürften dagegen das fette Oel (?) und jedenfalls das Harz reichlicher enthalten, während ätherisches Oel und wohl auch Harz sich in der Samenschale und dem Eiweiss (des weissen Pfeffers) gleichfalls finden. Nach Lecanu gäbe weisser Pfeffer etwas weniger ätherisches Oel. Die Schälung des Pfeffers hat also keinen triftigen chemischen Grund, wenn nicht etwa theilweise Beseitigung von Harz und Oel , sondern muss mehr als Modesache angesehen werden. Die weitaus grösste Menge des weissen Pfeffers geht übrigens nach China. 702 Samen. In älterer Zeit scheint unter dem Namen weisser Pfeffer eine eigene Droge, nicht nur geschälte Früchte des Piper nigrum, verstanden worden zu sein. Auch ist unklar, was uns Theophrast, Dioskorides undPli- nius über weissen und schwarzen Pfeffer berichten. Semen Myristicae. Nux moschata. Muskatnuss. Muscade. Noix de Banda ou de muscades. Nutmeg. Myristica fragrans Houttuyn. — Myristiceae. Syn.: M. moschata Thunberg. M. aromatica Lamarck. M. officiualis L. fil (nee Martius). Der Muskatnussbaum ist auf den östlichen Inseln des indischen Archi- pelagus einheimisch, wo er sich in dichten Wäldern jetzt noch wild z. B. auf Halmahera (Dschilolo) und Neu-Guinea findet. Sehr isolirt wird er auch auf den Nicobaren angegeben (Novara). Dieser in allen seinen Theilen stark aromatische Baum erreicht 50 bis 70 Fuss Höhe und verzweigt sich von 15 bis 20 Fuss Höhe an zu einer pyramidalen, sehr astreichen Krone. Er reift seine Früchte erst vom 8ten Jahre an und steht nicht vor dem 25sten in voller Kraft, soll aber bis zum 60sten oder gar bis zum SOsten Jahre ertragsfähig sein und liefert jährlich bis 2000 Früchte. Der Baum ist diöcisch, die Aussaat liefert oft nur V3 männlicher Pflanzen, aber schon 2 bis 10 derselben genügen in der Kultur zur Befruchtung von 100 weiblichen, welche überdies länger dauern. Die Pflanzungen müssen gehörig beschattet sein, die Nichtbeachtung dieses Er- fordernisses hatte 1859 — 1864 den Untergang der Bäume auf Singapore1) zur Folge. Die weiblichen Blüthen sitzen einzeln auf kurzen Stielen und liefern Jahr aus Jahr ein reife Früchte, bei weitem die meisten aber im Mai und Juni, dann wieder im September und October. Dieselben werden jetzt fast ausschliesslich von der kleinen Gruppe der Banda-Inseln in den Handel ge- bracht; doch sind darunter nur Pulu Aij, Banda-Neira und ganz besonders die ansehnlichste dieser Inseln, Banda-Lonthoir (die „grosse" Banda-Insel), mit sogenannten Muskatnussgärten besetzt. Auch Ambon (Amboina) hat viele Pflanzungen. Weniger Muskatnüsse kommen von Java, Sumatra und von der Malaccastrasse, so wie aus andereu Tropenläudern. Die Frucht ist eine okergelbe überhängende kugelig-eiförmige, ungefähr 0,05ra messende Beere mit kurz behaarter, auf der einen Seite von einer Naht durchzogener Oberfläche. Das trocken fleischige, zuletzt lederartige, etwa 0,0 lrn dicke Fruchtgehäuse öffnet sich bei der Reife in 2 Klappen und *) Ausland 1865. 380. — Jagor, Singapore, Malacca, Java. Reiseskizzen. Berlin 1866. pag. 21. Semen Myristicae. 703 enthält einen einzigen nussartigen Samen, welcher von einem zerschlitzten fleischigen schön karminrothen Mantel (arillus) eingehüllt ist. Der letztere, am Grunde mit der Samenschale und dem Nabelstreifen verwachsen, wird leicht und unversehrt abgelöst, für sich an der Sonne getrocknet und unter dem Namen Macis oder Muskatblüthe in den Handel gebracht (vergl. Macis). Die glänzend dunkelbraune feinwarzige Samenschale zeigt nach der Entfernung der Macis Eindrücke, welche den Lappen derselben entsprechen, obwohl die knöcherne Samenschale sehr fest und 0,00 lm dick ist. Sie er- scheint im Umrisse eiförmig, etwa 0,035m lang und 0,025m breit, stellenweise mit einer dünnen körnigen mattgrauen Membran belegt. Die eine Hälfte der Samenschale pflegt etwas abgeflacht zu sein und ist von dem breiten, doch nicht immer sehr scharf hervortretenden Nabelstreifen durchzogen. Nach unten zu breitet sich derselbe aus , indem seine Ursprungsstelle, der Nabel, nicht genau in der Axe des Samens liegt, sondern ein wenig auf die mehr gewölbte Schalenfläche verrückt ist. Diese ganze Region, wo die Samen- schale mit dem Samenmantel verbunden ist, zeichnet sich durch hellere, weniger glänzende Färbung aus. Durch die Spitze der Samenschale, eine bisweilen stark hervortretende stumpfe Warze, welche der flacheren Seite der Samenschale genähert ist, tritt der Nabelstreifen in den Samen ein und dehnt sich in der inneren Samenhaut zum sogenannten Hagelflecke (Cha- laza, innerer Nabel) aus. Diese nicht aufspringende Schale (testa) stellt also die äussere ver- knöcherte Samenhaut dar und ist nicht rn.it einer eigentlichen Nuss zu ver- gleichen. Sie gelangt nicht in den Handel; die sogenannte Muskatnuss ist nur der aus der zerschlagenen Schale herausgenommene Kern, welcher von der inneren Samenhaut bedeckt sich nach scharfem Trocknen in Rauch- kammern von der Schale zurückzieht und völlig ablöst. Die frühere Handelspolitik der Holländer wollte die Keimfähigkeit der in den Handel gebrachten Muskatnüsse zerstören und hat deshalb den sonderbaren Gebrauch eingeführt, die Schale der zuerst künstlich getrock- neten Samen zu zerbrechen und den Kern noch längere Zeit hindurch, an- geblich bis zu 3 Monaten, in Kalkmilch einzulegen. Wie widersinnig dieses Verfahren ist, geht daraus hervor, dass, nach Teijsman, die Keimkraft des Samens schon ohne weiteres bei 8tägigem Liegen in der Sonne verloren geht. In der Kalkmilch verderben viele Samen und dieWaare muss einem nochmaligen Trocknen unterzogen werden. Die Muskatnuss des Handels zeigt die ungefähre Gestalt ihrer (besei- tigten) äusseren knöchernen Bekleidung und eine entsprechend etwas ge- ringere Grösse. Ihre bräunlichgraue, an der vertieften Chalaza etwas dunk- lere, am Nabel etwas hellere Farbe pflegt durch anhängenden kohlensauren Kalk mehr oder weniger verdeckt zu sein. Die Oberfläche ist in Folge der Faltung und Einschrumpfung der dünnen (inneren) Samenhaut von ziem- lich starken verästelten Adern gerunzelt. An der etwas flacheren Seite zieht 704 Samen. sich der Nabelstreifen gegen den oft von Insekten (dem „Muskat wurm") angefressenen Nabel herunter. Die innere Samenhaut lässt sich nicht zusammenhängend vom Kerne abziehen und ein Schnitt durch denselben zeigt, dass sie unregelmässig, doch im ganzen ziemlich strahlenförmig in langen und schmalen braunen Streifen oder etwas erweiterten Buchten bis in das Centrum des grauweissen Eiweisses eindringt. Das letztere selbst enthält ausserdem noch einzelne heller umschriebene , übrigens nicht abweichend gebaute Stellen seines Gewebes. Im Grunde des Eiweisses, dicht am Nabel, findet sich der ansehnliche, bis 0,0 lm messende rothbraune Embryo, aus einem kurzen, dem Nabel zuge- wendeten Würzelchen und zwei dünnen becherförmig auseinander stehen- den Keimblättern gebildet, deren zerschlitzte krause Ränder in das Eiweiss eindringen. Das Innere der Muskatnuss bietet daher ein sehr eigenthümlich gestreif- tes, marmorirtes oder gefeldertes Aussehen dar. Das ganze Gewebe ist gleichmässig leicht und wachsartig schneidbar , obwohl von hohem specifi- schem Gewichte und in Wasser sogleich untersinkend. Der ganze Samen- kern ist trotz dem Eindringen der Samenhaut fest zusammenhängend, nicht zerklüftet oder bröckelig, wie z. B. der ihn ähnlicher Weise von der Samen- haut durchsetzte Cacao. Die Samenschale (testa) besteht vorwiegend aus starren langen dünnen und radial geordneten Zellen, welche sehr dicht in einander verflochten sind und keine deutliche Höhlung erkennen lassen. Die innere Schicht dieser radialen Zellen, etwa 700 Mikromill. breit, ist braun gefärbt; die äussere, nur 1 20 Mikrom. breit und aus mehr lockeren bogenförmig geneigten dünn- wandigen Zellen, ist vorwiegend farblos, jedoch stellenweise mit festem tief rothbraunem Inhalte gefüllt und an anderen Stellen radiale Lücken frei las- send. Dieselben dunkel rothbraunen Klümpchen sind sehr reichlich vor- handen in dem äusseren, etwa 200 Mikr. breiten und etwas tangential ge- streckten Parenchym, welches auf die radialen Zellenreihen folgt. In dem- selben verlaufen auch dünne Gefässbündel. Die Oberfläche der Samenschale ist aus grossen kubischen oder etwas tangential gestreckten dickwandigen Zellen gebildet. Die innere Samenhaut besteht aus zartwandigem rothbraunem Gewebe mit sehr zerstreuten kleinen Gefässbündeln. In den äussersten Lagen, welche an der Handelswaare noch erhalten sind , zeigt diese Samenhaut kleine zu- sammengefallene, oft rund Scheiben- oder tafelförmige oder mit geschlängel- ten Wänden versehene Zellen, welche aber straffer und regelmässig mauer- förmig werden , da wo die Haut faltenförmig in das Eiweiss eindringt. Vorherrschend aber besteht das Gewebe, das diese Falten der Samenhaut ausfüllt, aus sehr viel weiteren kubischen oder unregelmässig kugelig-ecki- gen , aber immer ganz dünnwandigen Zellen. Jede Falte enthält sehr un- regelmässig verlaufende schwache Gefässbündel, jedoch immer nur in jenem rnauerförmig eindringenden Gewebe, welches auf die Mitte der Falten oder »Semen Myristicac. 705 Einstülpungen beschränkt ist. Dem weitmaschigen Füllgewebe selbst, welches grösstentheils jene Falten bildet, fehlen die Gefässe. Das Eiweissgewebe ist zartwaudiges, wenig regelmässig kugeliges, ei- förmiges oder etwas eckiges Parenchym, welches sehr dicht von ansehnlichen (bis 20 Mikromill. messenden) Stärkekörnern und krystallisirtem oder zu Tropfen erstarrtem Fette gefüllt ist. *) Erstere sind entweder einzelne oder zu 2 bis 6 und mehr vereinigte und dadurch etwas abgeflachte kugelförmige Gestalten. Unter den Gruppen vorherrschend prismatischer Fettkrystalle machen sich oft grosse dicke rhombische oder sechsseitige Tafeln be- merklich. Daneben finden sich auch Aleuron-Körner (vgl. S. 667). In einzelnen Zellen, welche oft ziemlich gleichmässig zwischen die übri- gen vertheilt sind, erscheint der Inhalt dunkel rothbraun, vermuthlich durch denselben Farbstoff, wie in der Samenhaut, ohne Zweifel verbunden mit Harz und ätherischem Oele. Mit solchen braun gesprenkelten Partieen kontrasti- ren andere, fast rein weisse eckige oder rundliche Felder, welche sich ent- fernter von den Falten oder Keilen der Samenhaut im Eiweisse finden. Der Geruch und Geschmack der Muskatnuss ist eigenthümlich aroma- tisch.2) Die äussere knöcherne Samenschale allein ist geschmacklos. Neben dem Amylum ist das Fett der Hauptbestandtheil der Nüsse, welcher etwa y4 ihres Gewichtes beträgt. In demselben kömmt, ohne Zweifel neben anderen Fettsäuren, die Myristinsäure O14H2802, eines der höhe- ren Glieder der Fettsäurereihe vor, das sich auch noch aus Walrath ge- winnen lässt. Durch Pressen der erwärmten Samen erhält man das Fett gemengt mit ätherischem Oele und gelblich oder bräunlich gefärbt von fast butterartiger Consistenz, bei 45° C. schmelzend. Dieses Gemenge wird auch in Indien aus unverkäuflichen Nüssen gewonnen und als Muskatbalsam, Oleum seu balsamum nucistae, in den Handel gebracht. Der häufigen Yerfälschungen wegen ist die Selbst- darstellung desselben sehr zu empfehlen. Das ätherische Oel, das hauptsächlich Geruch und Geschmack der Sa- men bedingt, beträgt etwa 6 pC. und besteht, nach Cloez, fast ganz aus einem, bei 165° C. siedenden Kohlenwasserstoffe, welcher mit Terpenthinöl isomer ist, aber beim Stehen mit Alkohol und Salpetersäure kein krjstalli- sirtes Hydrat gibt. Er ist, wie Koller gezeigt hat, identisch mit dem Macen (vergl. bei Macis). Aus dem rohen Oele setzt sich bisweilen der in 19 Thei- len kochenden Wassers lösliche gewürzhafte Muskatcampher, das My- risticin, G10H20O3 (Mulder) in langen Prismen ab. Nach der gewöhnlichen Annahme wären weder die Muskatnuss noch die Macis den Alten bekannt gewesen. Martius hält jedoch dafür, dass !) Bonastre (1823) gab 2,4 pC. Stärke an, sie beträgt aber vermuthlich weit mehr. 2) aber keineswegs an Moschus erinnernd. Man bezeichnete im Alterthum und Mittelalter vielerlei Wohlgerüche mit dem Namen Moschus , daher Nux moschata, Moschocaryon , ohne besondere Beziehung auf unseren Moschus. Flückiger, Pharmakognosie. 45 706 Samen. letztere zur Zeit des Plautus, die Nuss selbst schon Plinius (nach Lang- kavel auch Dioskorides) bekannt gewesen sei. Das in Rom damals be- liebte Salböl Myron scheint auch zum Theil unser Oleum nucistae gewesen zu sein. Schon sehr frühe wurde die Droge jedenfalls vou den Arabern aus Indien geholt und im Abendlande verbreitet. In ihrem Vaterlande und dem indischen Festlande war sie wohl schon lange zuvor als Gewürz angewandt. J) In Deutschland wie in Frankreich und sogar in Dänemark war daher die Muskatnuss schon bekannt, bevor der Venetianer Nicolo Conti2) im XV. Jahrhundert die erste Nachricht von ihrer Heimat brachte und bevor die Portugiesen sie 1511 in der That auf den Banda- Inseln trafen, seit welcher Zeit erst dieses früher so hochgeschätzte kostbare Gewürz allge- meiner zugänglich wurde. Aehnlich wie bei Zimrat und Nelken hatten sich die Nachfolger der Portugiesen, die Holländer, das Monopol des Artikels anzueignen getrachtet, indem sie die Muskatbäume auf Banda und Ambon beschränkten und überall anderswo auszurotten suchten, auch wohl bei übergrosser Produk- tion (z. B. noch 1763) einen Theil der Waare verbrennen Hessen. In neuerer Zeit ist der Verbrauch immer geringer geworden, so dass z. B. auf Java die holländische Regierung die Cultur (1864) eingestellt hat. Die 320,000 Bäume der 34 Pflanzungen auf den 3 genannten Banda-Inseln er- zeugten 1856 etwas über 5000 Centner Nüsse und 1300 Ctr. Macis. — England führte 1860 etwa 4700 Ctr. der ersteren ein, Frankreich nur 600 Ctr. — In letzter Zeit hat sich die Ausfuhr aus Pulo Pinang und Singapore sehr gehoben, 1860 z. B. auf mehr als 6000 Piculs. Der Gesammtwerth der jährlichen Produktion von Muskatnüssen dürfte nach Scherzer (Novara, commerc. Theil) auf etwa l^/a Millionen Francs ansteigen, der der Macis auf etwa % Million. Macis. Arillus Myristicae. Muskatblüthe. Muskatblumen. Fleur de muscade. Le macis. Mace. Wie bei Semen Myristicae erwähnt, wird derselbe von einem sehr eigen- thümlichen fleischigen Samenmautel umhüllt, welcher am Grunde der stein- schalenartigen äusseren Samenhaut sowohl mit dem Nabel als auch mit dem zunächst liegenden Stücke des Nabelstreifens allerdings nicht sehr fest verwachsen, somit aus einer Wucherung dieser Theile hervorgegangen ist. Dieser Mantel ist die Macis oder Muskatblüthe des Handels und be- trägt ungefähr 13 pC. des ganzen Samens nach dem Trocknen, während auf den Samenkern (nux moschata) 53 pC. kommen. J) Man hat die Muskatnuss auch in altägyptischen Muuiiensärgcn gefunden (M erat und de Lens. — Martin y). 2) Peschel, Geschichte der Erdkunde. München 1865 pag. 107. 207. — Simcon Seth (XI. Jahrh.) gedenkt zuerst unzweifelhaft der Muskatnuss. Macis. 707 Im frischen Zustande ist der Samenmantel fleischig und von schön karminrother Farbe, er umschliesst den Samenkern nur zu unterst ganz ringsum, theilt sich aber durch einige wenige, fast oder ganz bis auf den Grund gehende Einschnitte in breite Lappen, die nun wieder in länge schmale, oft nochmals getheilte bändartige Streifen zerschlitzt sind. Die- selben steigen wellenförmig gekrümmt empor, zwischen sich zahlreiche läng- lich-runde oder spitz - elliptische Felder des dunkelbraunen Samenkernes unbedeckt lassend, drängen sich aber oben zu einer dichten krausen Um- hüllung der Samenspitze zusammen. Die mit Messern oder nur mit der Hand abgelöste Macis wird in der Sonne getrocknet und nimmt dabei eine trübe gelbröthliche Färbung, matten Fettglanz und hornartige, aber brüchige Consistenz an und ist etwas durch- scheinend. Im Wasser quillt sie nicht bedeutend auf. Der ganze, durch die Verpackung zusammengedrückte und zerknitterte Samenmantel ist ungefähr 0,045™ lang und durchschnittlich 0,00 lm dick, am Grunde etwas dicker. Man unterscheidet im Handel die Macis je nach der Herkunft von halbreifen, von reif abgelesenen oder abgefallenen Früchten. Der anatomische Bau ist sehr einfach. Das sehr gleichförmige klein- zellige rundlich -eckige Parenchym ist von zahlreichen braunen Oelzellen unterbrochen, welche sich nur durch etwas ansehnlichere Grösse (70 bis 100 Mikromillim.) auszeichnen, aber nicht in die Länge gezogen sind. Die innere Hälfte des Gewebes enthält vereinzelte schwache braune Gefäss- bündelchen. Die Oberfläche wird auf beiden Seiten von einigen Reihen farb- loser dickwandiger langgestreckter Zellen gebildet, welche noch von einer besonderen Oberhaut bedeckt sind. Sie besteht aus breiten flach bandartigen ungefärbten Zellen, welche sich indessen nicht als zusammenhängende Haut abziehen lassen. Der körnig-wolkige Inhalt des Parenchyms wird durch Alkohol, Aether oder Chloroform nicht gelöst, wohl aber grösstenteils durch Kali. Jod- wasser färbt ihn schwach violettröthlich. Eine concentrirte wässerige Ab- kochung der Macis wird durch Alkohol und Kali gallertartig gefällt, die in Wasser wieder gelöste Gallerte färbt sich mit Jodwasser röthlich und redu- cirt beim Kochen alkalisches Kupfertartrat, verhält sich also wie Dextrin oder Pflanzenschleim. Der Auszug mit schwacher Kalilauge gibt mit Essigsäure eine starke Trübung. Demnach scheint die Macis in ihrem Pa- renchym hauptsächlich einen in Wasser unlöslichen Proteinstoff neben Dextrin oder Schleim zu enthalten. Fett ist in geringer Menge vorhanden, Amylum fehlt. *) Den Oelräumen gehört das hellgelbe ätherische Oel an, welches bis- weilen in das umgebende Gewebe ausgetreten ist. Demselben verdankt die Macis den aromatischen Geruch und Geschmack, welcher sich von dem des !) Der von Henry (1824) angegebene, 33 pC. betragende gummiartige Stoff ist durch denselben schon bestimmt von Amylum unterschieden worden. 45* 708 Samen. Samenkernes durch grössere Feinheit und Milde und sehr schwach bitter- lichen Beigeschmack unterscheidet. Das ätherische O'el beträgt 4 bis 7 , ja bis über 9 pC. Die grössere Hälfte desselben besteht nach S ch acht aus M acen G10H16, einem bei 160° siedenden Kohlenwasserstoffe , der sich von dem mit ihm isomeren Terpen- thinöle dadurch unterscheidet, dass er mit Salpetersäure und Alkohol kein krystallisirtes Hydrat ausscheidet. Das Macen ist identisch mit dem sauer- stofffreien Theile des Oeles von Semen Myristicae , doch dreht dasselbe die Polarisationsebene nach links, das Macen nach rechts. Neben dem Macen enthält das rohe Macisöl auch' sauerstoffhaltige Oele von höherem Siede- punkte, ohne Zweifel Hydrate des Macens; das Myris ticin- (vergl. bei Semen Myristicae) daraus zu erhalten, gelang weder Schacht noch Koller. Die chemische Zusammensetzung der Macis weicht demnach sehr von der des Sameneiweisses ab. Die Prote'instoffe scheinen in der ersteren ihren Sitz zu haben, so dass der Samenmantel vermuthlich bei der Keimung eine wesentliche Rolle spielt. Andere Myristica- Arten besitzen zwar gleich gebaute, in ihren Dimen- sionen aber doch beträchtlich abweichende und weniger aromatische Samen, als die beschriebenen Muskatnüsse und ihr Samenmantel, so dass der- gleichen Substitutionen, die übrigens nicht vorzukommen pflegen, leicht kenntlich sein würden. Die Bekanntschaft des Abendlandes mit der Macis dürfte nach dem bei Sem. Myristicae angeführten weit zurückgehen. Schon Aetios im VI. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung scheint sie gekannt zu haben. Edrisiim XII. Jahrh. zählte unter den in Aden aus Indien eingeführten Waaren1) Macis auf, Kazvini im XIIL Jahrh. wusste ihre Heimat, die Molukken, an- zugeben;2) auch Jacobus deVitriaco, ein Franzose, im XIIL Jahrh. Bischof von St. Jean d'Acre in Palaestina, leitete sie aus Indien ab und nannte sie die Blüthe der Muskatnuss. !) Edrisi, trad. p. Jaubert. Paris 1836. Pag. 51. 2) Lassen, indische Alterthumskunde IV. 945. Amylum Marantao. 709 Anhang zur zweiten Classe, Seite 128. Amylum Marantae. Arrow-Root-Stärke. Maranta- Stärke. Pfeilwurzelstärke. Amidon de Maranta. Maranta starch. Arrow-root. Maranta1) arundinacea L. — Cannaceae (Marantaceae). Die Pfeilwurz, eine ungefähr lm hohe krautige Staude mit sehr ansehn- lichen spitz elliptischen Blättern und weissen Blüthen, ist in Westindien und dem nördlichen Theile Südamerikas ursprünglich einheimisch, durch Kultur aber jetzt in viele Tropenländer, z. B. West- und Südafrika, Ceylon, Ostindien verbreitet. Die im indischen Archipel einheimische und auch viel angebaute Maranta indica-) Tussac, welche der oben genannten Art äusserst ähnlich ist, wie überhaupt noch andere, nicht scharf genug unter- schiedene Maranta- Arten werden in gleicherweise auf Stärkemehl benutzt, wie M. arundinacea. — Sie verlangen alle ein feucht- heisses Klima und gelangen schon auf Madeira , obwohl daselbst noch ganz gut fortkommend, nicht mehr zum Blühen. Wie so viele Zingiberaceen und Cannaceen (Scitamineen) besitzen auch die Maranten ein umfängliches und stärkereiches Wurzelsystem , das in an- sehnlicher Zahl fusslange, höchstens zur Dicke eines Fingers anschwellende Aeste treibt. Von den braungelben, sie ganz umhüllenden Blattscheiden befreit, zeichnen sich diese Aeste des Wurzelstockes im Gegensatze zu manchen anderen der nächst verwandten Bildungen durch Abwesenheit von Farbstoff, Harz und ätherischem Oele aus, so dass Stärkemehl nahezu der !) Bartolomeo Maranta, trefflicher botanischer Beobachter, um die Mitte des XVL Jahrhunderts in Neapel lebend. 2) Die Pflanze besitzt mebr eirunde, verhältnissmässig breitere, in eine längere Spitze ver- schmälerte und völlig kahle Blätter, grössere, fast kugelige (nicht wie bei M. arundinacea dreiseitig elliptische) Fruchte und weisse Samen. Die Blätter der M. arundinacea sind aber auch nur äusserst schwach behaart; ihre Samen violett. — Auch Zo Hing er nennt M. indica auf Java z. B. einheimisch. 710 Anhang. ausschliessliche feste Inhalt1) ihres Gewebes ist und mit leichter Mühe, wie es scheint, bis zu ungefähr 70 pC. (auf Trockensubstanz bezogen), in höchster Reinheit daraus gewonnen werden kann. Besonders auf den Bermuden wird die Darstellung des Pfeilwurzelmehles mit grosser Sorgfalt betrieben und durch wiederholtes Abspülen und Auswaschen fast alle Reste des Gewebes besei- tigt, nachdem dasselbe zuvor durch Walzen zerquetscht worden. Das Stärkemehl wird schliesslich theils in künstlicher gelinder Wärme, theils an der Sonne getrocknet. Auch einige der antillischen Inseln liefern in gleicher Güte das Arrow-root-Mehl. Als Nahrungsmittel war dasselbe in diesen Ländern ohne Zweifel längst bekannt , zog aber erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der Europäer auf sich. Olaf Swartz gedachte 1791 zu- erst des Arrow-roots, das zu Anfang unseres Jahrhunderts allmälig in Deutschland Eingang fand. Die Marantastärke zeigt die allgemeinen Eigenschaften , des Amylums mit geringen Eigenthümlichkeiten , welche vorzüglich die Form und das Verhalten zu heissem Wasser betreffen. Von dem Botaniker H. Zollinger, welcher Maranta indica in Rogod- jampie im Osten Javas im grossen pflanzte, erhielt ich direkt das Mehl der- selben, welches sich unter dem Mikroskop sehr rein erweist. Es lassen sich darin kaum Spuren des Gewebes und gar keine fremdartigen Stoffe erkennen ; die Asche beträgt nur 0,62 pC. Die Stärkekörnchen sind von kugeliger, doch nicht mathematisch regelmässiger Form und besitzen einen Durch- messer von ungefähr 7 bis höchstens 50 Mikromilliraetern, lufttrocken ge- nommen und unter Mandelöl betrachtet. In Wasser zeigen die Körnchen nicht eben sehr deutliche Schichtung; erhitzt man vorsichtig auf dem Objektträger selbst das Wasser, in welchem die Stärkekörnchen liegen , so sieht man die Aufquellung derselben genau bei 70° C. beginnen. Mit 20 Th. destillirten Wassers gegen 100° erwärmt, liefert meine Marantastärke einen, auch nach Zusatz von Salzsäure geruchlosen, voll- kommen gleichmässigen , in der Wärme beweglichen, nach dem Erkalten ziemlich steifen geschmacklosen Kleister. Durch Salzsäure von ungefähr 1,06 specifischem Gewicht wird diese Stärke bei 40° nur unmerklich gelöst. Das specifische Gewicht aller Stärke Varietäten ist mit bedingt durch das Wasser, welches sie bei gewöhnlicher Lufttemperatur zurückzuhalten vermögen. Die in Frage stehende Arrow-root- Stärke, längere Zeit der Atmosphäre bei mittlerer Feuchtigkeit dargeboten, ergab einen Wassergehalt von 13,3pC., nachdem sie bei 100° 0. verweilt, Ins keine Gewichtsabnahme mehr eintrat. Die Einwirkung der Wärme hatte sehr allmälig begonnen, so J) es ist deshalb auch nicht einzusehen, was die Wurzel bei WTunden von vergifteten Pfeilen zu leisten vermag, obwohl sie dieser Anwendung wegen ihren Namen trägt. Amylum Marantae. 711 dass das Mikroskop an den Körnern keine Veränderung nachwies; dieselben zogen auch an demselben Tage noch aus der Luft wieder die frühere Menge Wasser an.1) Zur Bestimmung des speeifischen Gewichtes diente ein kauf liclies Petro- leum von 0,807 sp. Gew., bei 17 — 18° C. In diesem gewogen ergab sich das sp. G. der lufttrockenen Marantastärke zu 1,504 und nach völligem Trocknen zu 1,565 (Wasser von 17 — 18° C. = 1). Diese Veränderung der Dichtigkeit lässt sich am einfachsten mit Hülfe des Chloroforms vor Augen führen. Bei angegebener Temperatur wiegt diese Flüssigkeit 1,507, woraus sich erklärt, dass lufttrockene Stärke auf Chloroform schwimmt, aber nach völliger Entwässerung bei 100° sofort und dauernd untersinkt. — Im einen oder im andern Falle würden sich bei diesem Versuche die meisten (etwaigen) Beimengungen durch entgegengesetztes Verhalten zu erkennen geben. In den eben erörterten Punkten zeigt sich das Stärkemehl der Kartoffeln in folgender Weise verschieden. Es entfernt sich in seiner Form ganz von der Kugelgestalt und stellt platt elliptische bis etwas flache , stumpf drei- eckige oder an gewisse Muschelschalen erinnernde Körner dar, welche deut- lich geschichtet sind, sehr häufig 100 Mikromill. und darüber messen und einen sogenannten Nabel zeigen. In Wasser auf dem Objektträger erhitzt, quellen die Körner schon bei 60° C. stark auf;2) Salzsäure von 1,06 sp. G. löst sie schon bei 40° rasch und fast grösstentheils wenigstens so weit auf, dass die Flüssigkeit nach dem Schütteln nur eben etwas trübe erscheint, aber das Mehl nicht mehr als weisses Pulver fallen lässt, wie es bei dem beschriebenen Arrow-root geschieht. Bei dieser Behandlung bleibt letz- teres ganz geruchlos, während das Stärkemehl der Kartoffel einen eigen- thümlichen, wenn auch nicht eben kräftigen Geruch entwickelt. Der Wassergeh alt der lufttrockenen Kartoffelstärke ergab sich= 1 7,35 pC. in der untersuchten, sehr reinen Sorte, das spec. Gew. === 1,503 lufttrocken und 1,633 nach der Entwässerung. Sie verhält sich daher zu Chloroform wie die Arrow-root-Stärke und vermuthlich dreht sich in gleicher Weise die Dichtigkeit aller Stärkevarietäten überhaupt je nach dem Gehalte oder dem Mangel an Wasser um 1,50. Nach Wiesner3) wären die Körner der Maranta arundinacea immer einfach eiförmig oder etwas kantig und durchschnittlich doppelt so gross !) Vergl. über die Wasseranziehung verschiedener Stärkearten: Nossian im Kopp- Will 'sehen Jahresberichte der Chemie für 1861, S. 714. 2) grössere Körner scheinen überhaupt durchschnittlich bei etwas niedrigerer Temperatur aufzuquellen und zu verkleistern ; freilich kann hierbei von mathematisch genauer Bestimmung eines Thermometergrades nicht wohl die Rede sein. — Vergl. über diese Temperaturen bei verschiedenen Stärkearten : Lippmann im Kop p-Will'schen Jahresb. d. Chem. 1861, 715, auch imWiggers'schen Jahresb. d. Pharm. 1861, 166. 3) Technische Mikroskopie. Wien 1867, 210. 712 Anhang. wie die der M. indica. Im Handel scheinen beide öfter gemengt vorzu- kommen. Nicht geringere Verschiedenheit von der Marantastärke bieten die Amyluinkörner mancher Zingiberaceen dar, wie z. B. oben bei der Beschrei- bung des Rhizoma Zingiberis, Zedoariae und Galangae hervorgehoben ist. Ebenso die Stärke von Curcuma angustifolia Roxburgh und C. leucor- rhiza Rxbgh., welche aus Malabar und manchen anderen Ländern Vorder- indiens als ostindisches Arrow-Root, Tik oder Tikur, ausgeführt wird. Diese Körnchen sind nicht kugelig oder eiförmig, sondern bilden ziemlich flache, nur 5 — 7 Mikromill. dicke Scheiben von elliptischem Um- risse, welcher sich jedoch häufig der Keil- oder Eiform nähert, oft auch abgestutzt, überhaupt sehr verschieden auftritt. Der grösste Durchmesser erreicht 60 — 70 Mikromill. in vielen Körnern. Immer sind dieselben schön geschichtet, sowohl auf den Flächen als am Rande. Der Nabel liegt ge- wöhnlich im schmaleren Ende und pflegt daher nicht in die Augen zu fallen. Das Aufquellen beobachtete ich in der oben angegeben Weise erst bei 72°. Das BermudischeArrow-Root, welches besonders aufLong-Island aus Maranta arundinacea gewonnen und in Amerika bevorzugt wird, ist vorherrschend eiförmig, sehr deutlich geschichtet, mit kleinem Nabel ver- sehen und nicht häufig 35 Mikromill. im Durchmesser übersteigend. Von derselben Pflanze wird das Arrow-Root-Mehl aus St. Vincent, einer der südlichen kleinen Antillen, abgeleitet. Was ich als solches besitze, ist jedoch mehr kugelig oder breit eiförmig, häufig GO Mikromill. gross,, mit ansehnlichem Nabel. Nicht nur die Stärke der Scitamineen geht unter dem Namen Arrow- Root. Tahiti und Brasilien z. B. liefern dergleichen von Tacca pinnati- fida Forster (Taccaceae). Von Dr. Blumenau aus der gleichnamigen bra- silianischen Colonie erhaltenes Amylum dieser Pflanze besteht aus deutlich geschichteten kugeligen bis unregelmässig eiförmigen oder selbst ansehnlich verlängerten, mitunter sogar kolbenförmigen Körnern von 30 bis über 50 bis 60 Mikromill. (unter Oel gemessen). Im. trockenen Zustande ist diesem Mehle ein unangenehmer Geruch eigen, der beim Kochen verschwindet. — Unbekannt ist mir die Abstammung des Arrow-Roots von Port-Natal, länglich eiförmige bis 35 Mikromill. erreichende Körnchen, sowie desjenigen vom Cap selbst, welches ich unter dem Namen Dr. L in dsted'sches Arrow- Root,1) wie das vorige, dem Hause Gehe & Co. verdanke. Das Lindsted- sche bildet sehr unregelmässige birnförmige elliptische oder kugelige, sogar fast dreieckige und oft au Kartoffelstärke erinnernde Körner, jedoch nur von 70 Mikrom. Grösse. Brasilianisches Arrow-Root, 20 — 35 Mikr. messend, in kugeligen l) Nach Walpers (But. Ztg. IX. (1851) 330 wird letzteres voii Maranta aruudinacea gewonnen. Amylura. 713 oder halbkugeligen Körnern (Thcilkörnern) mit grosser Höhle, gehört ge- wöhnlich zur Cassave, worunter das Amylum von Manihot utilissima Pohl (Syn. : Jatropha Manihot L., Janiplia Manihot Kunth), M. JaniphaVohl (Jatropha Janipha L.) und M. Aipi Pohl verstanden wird. Diese in Süd- amerika einheimischen Euphorbiaceen werden eben so gut in vielen anderen Tropenländern gezogen, in sehr grosser Menge z.B. inTravancore (Vorder indien) und auf Guadeloupe. Von der oben bei Maranta indica genannten Pflanzung auf Java erhaltenes Stärkmehl der süssen sowohl als der bitteren Varietät der Manihot utilissima stimmt mit dem brasilianischen Arrow-Root überein. Aus diesem letzteren wird unter dem Namen Tapiocca durch Erhitzen des angefeuchteten gekörnten Mehles ein Präparat hergestellt, welches das Amylum in mehr oder weniger aufgequollenem und verklei stertem Zustande enthält. In gleicherweise kann selbstverständlich jedes Stärkemehl verarbeitet werden, wie es in Ostindien l) und Polynesien seit sehr langer Zeit manig- fach und im grössten Masstabe geschieht. Dieses Produkt, der Sagu oder Sago2), stammt aus dem Marke von Palmstämmen, meist von Metroxylon Sagus König (Sagus Runiphii Willdenow) oder M. laeve König (Sagus lae- vis Rumph), weniger von Sagus farinifera Lamarck. Leicht liefert eine einzige Palme ein paar hundert Pfunde Stärke, die den Hauptinhalt des Markgewebes ausmacht und ohne Mühe sehr rein herausgespült werden kann, wenn der Baum im Alter von 15 — 20 Jahren steht und seine (nur einmalige) Blüthe noch nicht treibt; später vertrocknet das Mark. Weniger wichtig für den Weltmarkt ist der Sago, der hauptsächlich in den Gebirgsgegenden Westjavas, z.B. in Bandong, dargestellt wird. Er stammt von Saguerus Rumphii Roxburgh (Syn. : Arenga saccharifera Labillardiere, Borassus Gomutus Loureiro). Das unveränderte Amylum dieser äusserst nützlichen Aren-Palme,3) welches ich gleichfalls dem schon genannten Zollinge r verdanke, ist von schwach gelblicher Färbung, seine Körner häufig 50 — 60 Mikr. gross, deutlich geschichtet und genabelt und von ziemlich wechselnder Gestalt, bald kugelig, birnförmig, eirundlich, bald gestutzt. Daraus wird im Innern Javas fast ausschliesslich der dortige Sago gewonnen, dem jedoch ein gewisser Beigeschmack anhaftet. *) schon Marco Polo schilderte zu Ende des XIII. Jahrhunderts nach seinem Besuche auf Sumatra die Sago-Palme, ihr Stärkemehl und das (zum Theil) daraus bereitete Brot. Nur die Beschreibuug des Holzes der Palme ist nicht zutreffend; es muss auf einem Missverständ- nisse beruhen, dass er dasselbe sehr hart und sehr dicht nennt. 2) in der Sprache der Papuas einfach Brot bedeutend, weil aus dem Sagomehle ein (schlechtes) Brot gebacken wird. 3) vom neunten oder zehnten Jahre an liefert dieselbe auch zwei Jahre hindurch, nämlich bis zur Entwickelung der gewaltigen Blüthentraube, die nur einmal in ihrem Leben erscheint, grosse Mengen Pcohrzucker, welcher schon jetzt in Java sehr viel verbraucht wird, aber gewiss noch eine bedeutende Zukunft hat. Vergl. über diese wichtige Palme: Seemann, die Palmen. Leipzig 1857, S. 43—48. — Junghuhn, Java. Leipzig 1852, S. 176, 293; vorzüglich aber deVrij, Journ. de Pharm. I. (1865) 270, auch Will's Jahresb. d. Chemie 1856, 598. 714 Anhang. In unveränderter Form liefern hauptsächlich Sumatra, Siam und Borneo in ungeheurer Menge (200,000 Centner jährlich) das Stärkemehl nach Singapore, dem gegenwärtigen Hauptplatze der Sago-Industrie, welche dort seit 1819 ausschliesslich von Chinesen betrieben wird. So sehr gross auch der Verbrauch des Sagos ist1), so wird er sogar in seinem Yaterlande mit richtigem Gefühle als Nahrungsmittel geringer geachtet als selbst Reis und Mais. Doch zeichnet sich ostindischer Sago, von welchem mehrere Sorten nach Europa gelangen, immerhin, wenn auch nicht eben durch einen wirklichen Wohlgeschmack, so doch durch Reinheit des Geschmackes aus, was sich von Sago, den man bei uns z. B. aus Kartoffelstärke bereitet, nicht leicht sagen lässt. Die Kunst der Sago -Darstellung beruht darauf, dass die Erhitzung der Stärke nur eben bis zu einem Punkte getrieben wird , wo die zuvor durchfeuchteten Körnchen hinreichend verkleistert werden, um die Herstel- lung grösserer, nach dem Trocknen harter Körner oder Klümpchen zu er- möglichen, welche beim Kochen nur sehr allmälig zergehen. Wenn auch aus der Betrachtung der Zingiberaceen namentlich hervor- geht, dass eine üppige Entwickelung des Wurzelsystems der Bildung zahl- reicher und ansehnlicher Stärkekörner überaus förderlich ist, so ist doch zur richtigen Würdigung des Amylums überhaupt ein genaueres Eingehen auf seine allgemeinen Verhältnisse unerlässlich. Das Amylum ist einer der häufigsten Stoffe, welche sich in fester Form in den Zellen der verschiedensten Pflanzenorgane abgelagert finden. Sehr allgemein verbreitet ist es namentlich auch in den unterirdischen Theilen, so dass wir z. B. unter den officinellen Wurzelbildungen im weite- sten Sinne nur wenige treffen, welchen es mangelt, wie dies schon bei Gelegen- heit der Rad. Enulae (Seite 289) für die sämmtlichen (officinellen) Wurzeln der Compositen hervorgehoben wurde. Ganz regelmässig fehlt das Amylum ferner in Bulbus Scillae, Rhizoma Graminis, Radix Gentianae, R. Rubiae, R. Saponariae, R. Senegae. Die meisten Blätter und Rinden, viele Samen und Früchte, manches Holzparenchym enthalten Stärkemehl. Es ist keineswegs auf die Gefäss- pflanzen beschränkt, sondern tritt schon in einzelnen Meeresalgen aus der Abtheilung der Florideen auf, findet sich in den Pilzen nur bei Saprolegnia, nicht in den Flechten (vergl. bei Liehen islandicus und L. parietinus) wohl aber bei den Rhizocarpeen, z. B. im Stamme von Isoetes lacustris, in den Sporen derMarsileapubescens. Sehr grosse AmyluinkÖmer bieten die Sporen der Nitella syncarpa (Characeen) dar. In Lebermoosen, Equisetaceen und Lycopodiaceen scheinen dergleichen noch nicht aufgefunden zu sein, da- gegen bei den Laubmoosen wenigstens in der Fruchtsäule des Phascum cuspidatum.2) In den unterirdischen Stämmen der Farne (vergl. bei Rhiz. !) Hofmeister, Die Pflanzenzelle. Leipzig 1867, 374. 2) Ambon zählte 186B über 1,000,000 Stämme von M. Sagus and verbraucht mit den benachbarten Uliasser-Inselcheu jährlich gegen 50 Mill. Pfd. Sago bei einer Bevölkerung von nur 200,000 Seelen. Amylum. 715 Filicis und Polypodii) ist es schon reichlich abgelagert, nach Vo gl selbst in den Spreuhaaren tropischer Farne, z. B. im Pengawar üjambi und im Pulu (Seite 143). Ausserordentlich verschieden ist die Menge, in welcher das Amylum in den Pflanzen abgelagert ist. Im Reise und in Kartoffeln, wo es über 80 pG. der (getrockneten) Substanz wiegt, dürften die äussersten Maxima er- reicht sein. Schwerlich wird sich eine phanerogamische Familie von einigem Um- fange als gänzlich der Stärke entbehrend angeben lassen. Auch das Thier reich hat Amylum, wenn auch nur äusserst spärlich, aufzuweisen. Dareste (1866) z. B. will es im Eigelb, umhüllt von einer stickstoffhaltigen Substanz und daher nicht sofort in die Augen falleud, gefunden haben. In Milz, Leber, Niereu und andern Organen , wie auch in pathologischen Gebilden , wurde mehrfach das Vorkommen von Stärke an- gegeben ; jedoch bleibt die Identität derselben mit derjenigen des Pflanzen- reiches für die meisten Fälle noch sehr fraglich. Gewissen (schon S. 17 erwähnten) Blattläusen aus dem Genus Psylla kömmt das Vermögen zu, Amylum abzusondern, welches sich in den Gespinnsten findet, die sie auf der Unterseite von Eucalypten anlegen (Trecul). Das Amylum der Pflanzen tritt anfangs in Form kleiner kugeliger Körn- chen im Proteplasraa der parenchymatischen Zellen auf, ausnahmsweise auch in den Milchsaftschläuchen der Euphorbien. Die Bildung der Stärke ist jedoch nicht etwa dem Auskrystallisiren eines Stoffes aus seiner Lösung vergleichbar, sondern ihre Ablagerung ist Folge einer chemischen Verände- rung des flüssigen Zellinhaltes; denn nirgends im Organismus lässt sich Stärke in gelöster Form, etwa durch die Jodreaction nachweisen. Die Zusammensetzung der Stärke, welche höchstens um die Elemente eines Moleculs Wasser von derjenigen der Zucker- und Gummiarten abweicht, gestattet nur die Vermuthung , dass in diesen löslichen Kohlehydraten die Mutterlauge des Stärkemehles zu suchen sei, wo dasselbe nicht in direk- terer Weise gebildet wird. In naher und sehr wichtiger Beziehung steht dasselbe zu den Chloro- phyllkörnern, indem es darin fast immer auftritt, wenn das Chlorophyll beginnt, Kohlensäure und Wasser zu assimiliren , wozu, wie namentlich Sachs1) gezeigt hat, Beleuchtung unerlässliche Bedingung ist. Es scheint sogar, dass die Chlorophyllsubstanz ganz hauptsächlich die direktere Bil- dung der Stärke, wenn auch nicht unmittelbar aus €02 und H20 vermittelt und dass letztere vom Sitze derselben hinweg erst den für das Licht unzu- gänglichen Theilen der Pflanzen zugeführt wird, wo die Stärkekörner sich in grösster Menge vorfinden. Während demnach zur Neubildung der Stärke, welche man sich mit Sachs2) jedoch wahrscheinlicher als Ergebniss einer ganzen Reihe chemischer Metamorphosen, denn als einfaches Zusammen- *) Experimental-Physiologie der Pflanzen. Leipzig 1865, 321. 2) 1. c. 328. 716 Anhang. treten von Kohlensäure und Wasser unter .Sauerstoffentwickelung zu denken hat, die Mitwirkung des Lichtes unumgänglich noth wendig ist, scheint die Auflösung der Stärke an ihrer Bildungsstätte in den grünen Pflanzentheilen, die Wanderung der Flüssigkeit nach den nicht beleuchteten Organen und ihr dortiges Auftreten in fester und bestimmterer Form vorzugsweise des Nachts vor sich zu gehen, wofür die schlagendsten experimentellen Beweise von Sachs beigebracht worden sind. Es genüge, nur das hervorzuheben, dass man es durch Dämpfung des Lichtes vollkommen in der Hand hat, die Bildung der Stärke im Chlorophyll zu unterdrücken und umgekehrt durch kräftige Beleuchtung wieder hervorzurufen. Wenn demnach die ursprüngliche Gestaltung der Stärke eine normale Funktion des Chlorophylls und damit an den chemischen Einfluss des Lichtes geknüpft ist, so kann eine vor- und rückwärtsschreitende Metamor- phose des Amylums in jeder beliebigen Zelle stattfinden,1) die Stärke in chlorophyllfreien unbeleuchteten Zellen in Zucker und Fett umgewandelt und später wieder hergestellt werden. Aber auch unter den wenigen absolut chlorophyllfreien Phanerogamen enthalten einige zum Theil reich- lich Amylum, so Lathraea und Orobanche in den unterirdischen Theilen, Cuscuta in der Stengelrinde. Als Schmarozer bilden jedoch diese Arten keine Ausnahme, da sie mit dem Chlorophyll ihrer Nährpflanzen in Verbin- dung stehen mögen. Einen Fall von Stärkebildung ohneYermittelung des Chlorophylls würde dagegen die schon genannte Saprolegnia, auch wohl Neottia Nidus avis darbieten. In den Ausnahmsfällen, wo das Chlorophyll keine Stärke einschliesst, scheint sie durch Traubenzucker, bisweilen auch durch Fett, vertreten zu sein. Das Amylum stellt sich, wenn man seine ganze Rolle ins Auge fasst, als einYorrathsstoff dar, welcher hauptsächlich zum Aufbaue neuer Gewebe mit verwendet wird. In sehr grosser Menge findet es sich in dieser Weise z. B. in so vielen kräftig vegetirenden Wurzelstöcken, in Samen und Pollen- körnern und aus dem angedeuteten Grunde verschwindet es auch periodisch aus manchen Geweben (siehe z. B. bei Lign. Juniperi), indem es sich höchst wahrscheinlich vorübergehend in Zucker verwandelt und so die Zellwände durchdringt, um sich alsbald wieder zu Stärke zu formen. Ob- wohl diese Vorgänge in chemischer Beziehung noch nicht aufgeklärt sind, so steht doch fest, dass eine einfache Amylumlösuug, welche sich durch die Jodreaktion sofort verriethe, hierbei nicht auftritt.2) Die Fähigkeit der Stärke, sich in flüssige Produkte zu verwandeln und wieder als geschich- tetes Korn ausserordentlich zu verdichten, gewährt dem Organismus das Mittel, sehr grosse Mengen Vorrathsstoft" von den Bildungsstätten, haupt- J) Sachs, 1. c. 320. 2) Des Falles eiuer Verflüssigung der Stärke zu einem durch Jod nicht erkennbaren Produkte ist schon S. 11 gedacht worden. Im Traganfh lassen sich Stärkekörner nach- weisen, aber nicht Stärkekleister. Eine Rückbildung zu Amylnmkörnern liegt hier freilich nicht vor. Amylum. 717 sächlich aus den Blättern, in die Dauergewebe abzuleiten und liier im klein- sten Räume aufzuspeichern, von welchen Wanderungen Sachs1) sehr ein leuchtende Ideen entwickelt hat. Im eigentlichen Heerde seiner Bildung, im Chlorophyll, ist das Amylum jedoch nicht immer leicht zu erkennen , indem das erstere beseitigt werden muss, wenn letzteres die Jodreaction rein darbieten soll.2). Die jüngsten Stärkekörnchen, welche sich in fester Form aus einem chemisch ohne Zweifel noch verschiedenen, durch die Chlorophyllsubstanz verbreiteten Stoffe (einer Art Mutterlauge) ausscheiden , treten anfangs entweder in mi- ni essbarer Kleinheit auf oder vielleicht sogar nur erst in losen Moleculen zwischen denen des Chlorophylls vertheilt, aber noch nicht von vornherein zu einem eigentlichen Stärkekorne organisirt. 3) Sobald dieses aber der Fall ist, zeigt die Stärke in ihren kleinsten Kör- nern kugelige Form, welche später in sehr verschiedener Weise, doch vor- herrschend zu gerundeten Gestalten auswächst. Anfangs nach Nägeli's Ansicht aus gleichförmig dichtem Stoffe gebaut, scheiden die Körner alsbald im Innern einen weichen Kern aus , der sich von der derberen Kugelschale trennt. Das weitere Wachsthum erfolgt nicht durch äussere oder innere Auflagerung ganzer neuer Schichten, sondern durch gleichzeitige Einführug (Intussusception) von Wasser und neuer Stärkesubstanz zwischen die schon vorhandenen festen Theilchen, deren Anlage zur Schichtung von den neu eintretenden Moleculen eingehalten wird. Durch den sehr ungleichmässigen Zufluss neuer Mutterlauge, welche stellenweise bald grössere, bald geringere Widerstände zu überwinden hat, so wie infolge des Strebens der äusseren Schichten , sich in tangentialer Richtung zu vergrössern , woran die Anzie- hungskraft der inneren Theile sie hindert, entstehen Spannungen im ganzen Korn. Diesen Verhältnissen , welche Nägeli ausserordentlich weitläufig4) erörtert hat, ist es auch zuzuschreiben, dass die verschiedenen Schichten des Stärkekornes nicht ringsum laufen, sondern sich auskeilen und bei mehr oder weniger einseitigem Wachsthum die verschiedenartigen Formen der Stärke, wie sie manchen Pflanzen eben eigenthümlich sind, bedingen. Nur die äusserste Schicht ist continuirlich, sofern der Stärkekorn unverletzt bleibt. Besonders in kleineren Formen des Amylums ist die Schichtung un- deutlich, wird aber durch Einwirkung von Chlorcalcium, Chromsäure oder Kupferoxyd- Ammoniak klar. Im Gegensatze zu diesen Ansichten hat Trecul5) den Satz durch- geführt, dass die Entstehung und Entwickelung des Stärkekornes durch- aus der Zellbildung ähnlich sei, woraus sich unstreitig einfachere An- schauungen ergeben. Schon zwischen dem Material beider Gebilde besteht i) 1. c. 396. 2) Das Verfahren siehe bei Sachs, 322. 3) 1. c. 329. 4) so dass es unmöglich ist, in kurzen Worten ein klares Bild seiner Vorstellungen zu geben. 5) Ann. des Sciences naturelles. Botanique X (1858), 20—74, 127—163 u. 204—382. 718 Anhang. allerdings kein durchgreifender Unterschied, Cellulose und Stärke sind nur als wenig abweichende Zustände eines und desselben Stoffes zu betrachten; alle chemischen Reactionen und Umbildungen der letzteren lassen sich auch an der Cellulose hervorrufen. Durch Schieiden, Sanio, Schenk, Tre- cul sind nach und nach in den verschiedensten Pflanzen, ganz besonders imEiweisse, aber auch in Wurzeln, Zellen nachgewiesen worden, deren schleimiger Inhalt, das sogenannte Amyloid oder amorphe Amylum, sich mit Jod zum Theil eben so tief indigoblau färbt wie das Amylum. In anderen Fällen, wie bei Liehen islandicus erwähnt wurde, ist diese Färbung schwach, so dass in diesen Vorkommnissen alle Stufen eines allmäligen Ueberganges von Cellulose zu Stärke erkanut werden müssen , indem wir auch anderseits Mittel besitzen, welche der Stärke, wenigstens einem Theile derselben , die Fähigkeit entziehen , sich durch Aufnahme von Jod blau zu färben. a) Aus einem derartigen zwischen Cellulose und fertiger Stärke stehenden Zellinhalte würden sich nach Trecul auf freilich noch nicht hinreichend erklärte Weise Schläuche oder Bläschen bilden, welche den mehr oder we- niger flüssigen Bildungsstoff (Plasma amylace) zum Aufbau des Stärke- kornes einschliessen. Das erste Auftreten des zarten Häutchens, welches im Grunde zur Vor- stellung einer Zellbildung nicht einmal unumgänglich nöthig ist, wurde noch nicht beobachtet; es verräth sich aber bald dadurch, dass sich auf seiner Innenseite lockere Schichten aus dem stärkebildenden Inhalte nieder- schlagen, welche die Wand zu grösserer oder geringerer Ausdehnung be- fähigen, je nach dem Umfange, welchen in einem gegebenen Pflanzenorgane die Stärkekörner überhaupt erreichen können. Dieser erste Anfang der Wand- und Schichtenbildung erschöpft aber das eingeschlossene Plasma nicht, oder vielmehr, dasselbe erneuert sich durch endosmotische Aufnahme und entsprechende chemische Umbildung des Zellsaftes, so dass die begon- nene Schichtenbildung sich in der Richtung von aussen nach innen fort- setzt. Dieser Vorgang verläuft entweder mit grosser Regelmässigkeit und Intensität, wodurch schliesslich ein kugeliges Korn entsteht und zuletzt im Innern an der Stelle des letzten aufgebrauchten Plasma -Restes eine kleine Höhlung (Centralhöhle, sogenannter Nabel) übrig bleibt. Oder es kann auch, durch äussere lokale Einflüsse begünstigt oder bedingt, die Schichten- bildung mehr einseitig, weniger stetig oder überhaupt schwächer vor sich gehen. In solchen Fällen weicht das fertige Korn von der Kugelgestalt ab und erhält eine oft ansehnliche, häufig nicht im Centrum gelegene Central- höhle. Diese letztere Erscheinung erklärt sich somit durch die obigen An- !) Im Inulin haben wir gleichsam die auf Jod nicht mehr wirkende und in Wasser lösliche beständige Form des Amylums. Das wahre Amylum, welches in Wasser gelöst ist, zeigt sich wenig beständig; das Inulin erinnert in Betreff der Löslichkeit an die bekannten „granules" Jacquelain's. Auch Kupferoxydammoniak verwandelt bei 100° die Stärke in kleine Körn- chen, welche sich aber mit Jod noch schön blau färben. Amylum. 719 sichten Trecnl's ungezwungen. Wenn das Stärke -Plasma in verhält- nissmässig geringer Menge vorhanden war, so wird die Höhlung, weiche man sonst auch wohl sehr ungenau als Nabel bezeichnet hatte, ansehnlich sein, wie es z. B. durchgängig der Fall ist bei dem Amylum der Getreide- arten, auch in den Samen mancher Polygoneen, ganz besonders bei Rheum undulatum, dessen 10 Mikromill. grosse Körner nur eine höchst geringe feste Schicht darbieten. Wo dagegen eine reichliche Menge des stärkmehl- bildenden Plasmas zum Aufbaue des Kornes verwendet wird, fällt die Höh- lung im Innern klein aus und erscheint nur als wenig umfangreicher, oft durch Luftgehalt dunkler Punkt. So in der Kartoffel, in dem oben (Seite 7 1 2) beschriebenen Mehle der Curcuma leueorrhiza u. s. f. Es ist leicht ersicht- lich , wie die Gestalt der Centralhöhle übrigens je nach der Form oder An- lage des Kornes selbst wechseln kann; ein bemerkenswerthes derartiges Beispiel bietet das unter Tuber Colchici erwähnte Amylum, auch wohl das der Radix Calumbo. Ausnahmsweise kann diese Centralhöhle eine Oeffnung nach aussen besitzen, wie es bisweilen in Rhizoma Iridis zu finden ist. Das Plasma des Stärkekornes entspricht daher bei aller stofflichen Ver- schiedenheit in seinem Verhalten demjenigen der gewöhnlichen Zellbildung. Im Amylum mancher Papilionaceen lässt sich sehr deutlich der Verlauf der Schichtenbildung verfolgen , indem die äussersten , zuerst angelegten , sehr scharf begrenzt und glänzend sind , während die inneren matten Schichten unmerklich in das Plasma übergehen. Die einmal gebildeten Schichten sind aber, bei genügendem Vorrath an Plasma, weiterer selbständiger Entwicke- lung fähig, welche sich hauptsächlich in der Ausscheidung von Schichten zweiter Ordnung (dedoublement , Trecul) bemerklich macht und nament- lich auch als eine der Ursachen einseitigen Wachsthums des Kornes auf- treten kann. Diese seeundären Schichten zeigen einen zarteren Bau, welcher oft noch durch das erst in der Ablagerung begriffene Plasma verwischt sein mag, und pflegen deshalb in unveränderten Körnern wenig in die Augen zu fallen, gelangen aber allmälig ganz unzweideutig zur Anschauung, wenn man grosse, durch und durch geschichtete Stärke, wie etwa diejenige der Kartoffel, wochenlang in kalte concentrirte Auflösung von unterchlorigsaurem Kalk legt. Die noch weniger verdichteten seeundären Ablagerungen ver- schwinden und lassen die glänzenden , zuerst angelegten Schichten zurück, welche nun weit eher als bei der Behandlung mit Speichel einem Gerüste vergleichbar sind. Trecul1) nimmt, in Uebereinstimmung mit Nägeli, an, dass die zu- letzt zurückbleibende dünne Haut der Schichtenbänder, welche durch Jod nicht mehr gebläut wird („Metamylin"), in der That von der durch Chlor- kalk, Speichel oder andere Lösungs- und Quellungsmittel weggeführten Hauptmasse der Stärkekörner (Granulöse) verschieden und von Anfang an vorhanden sei. Es ist jedoch zutreffender, zu sagen, dass die Hüllen und J) Pag. 295 Note, in seiner oben augeführten Abhandlung. 720 Anhang. einzelne membranartige Schichtenbänder nur wegen grösserer Dichtigkeit den Auflösungsmitteln länger widerstehen; wirken letztere länger, oder bei nur wenig erhöhter Temperatur und Concentration ein, so verschwindet auch der letzte Rest. Die genannten Lösungsmittel benehmen aber nach und nach dem gan- zen Korne die Fähigkeit, Jod mit blauer Farbe aufzunehmen; weder der im Speichel noch der im Chlorkalk gelöste Antheil der Stärke (Granulöse. Amylin) wird nach der Einwirkung dieser Reagentien noch gebläut, und wenn dem Rückstände, dem Gerüste des Kornes, so wie der Umhüllung ebenfalls diese Fähigkeit jetzt abgeht, so folgt daraus wie mir scheint noch nicht eine erhebliche Verschiedenheit. Behandelt man die Stärke mit Chlor- kalklösung oder Chromsäure, so erhält man leicht ganze, noch deutlich ge- schichtete und ausgefüllte, höchstens etwas gedehnte, noch polarisirende Körner, welche auch nach anhaltendem Auswaschen durch Jod nicht mehr blau werden; ihre ganze Masse hat diese Eigenschaft verloren, denn auch das im Falle der Chromsäure durch Ammoniak neutralisirte Filtrat bläut sich nicht mehr. Es gibt überhaupt gar kein Mittel, das Stärkekorn quan- titativ zu zerlegen in zwei (oder mehr) durch ihr Verhalten zu Jod grund- verschiedene Substanzen; denn es hängt von der Art der Behandlung ab, welcher die Stärke unterliegt, ob der jetzt der Cellulose näherstehende Rückstand grösser oder geringer ausfällt. Auf chemischer , erst durch jene Reactionen hervorgerufener Veränderung beruht der Verlust des Färbungs- vermögens , welches oftmals durch concentrirte Schwefelsäure wieder her- gestellt werden kann. Eine ganze Reihe von Salzen, z. B. Chlorcalcium , Jodkalium, Natron- nitrat, Chlorzink, bewirken in der Kälte eine Quellung der Stärke und lie- fern bei gehöriger Verdünnung der concentrirten Lösung Filtrate, welche auch bei stärkster Vergrösserung klar erscheinen und doch durch Jod aufs tiefste gebläut werden. Auch der höchst geringe Rückstand auf dem Fil- trum färbt sich mit Jod. Hier also behält die ganze Substanz, wenn man von unwägbaren Theilchen absieht , das Vermögen durch Jod unmittelbar blau gefärbt zu werden; in den zuvor erwähnten Fällen verlor es ebenfalls die ganze Substanz, wovon ein Theil allerdings in Folge von Struktur- verhältnissen eine geringere Auflöslichkeit kundgab. Amylumkörner, welche bei ihrer Entwickelung nicht auf Hindernisse stossen, sind von gerundeten Flächen oder Schalen umschlossen, werden aber abgeplattet oder gestutzt, kantig und eckig, wenn sie (bis auf die ge- ringen Reste des Protoplasma) die Zelle völlig ausfüllen und gegenseitig auf einander, so wie auf die Zellwand drücken. Aber auch ohne Einfluss äusseren Druckes ist ein excentrisches Wachsthum der Körner häufig genug. Die verschiedenen Abänderungen der Kugelgestalt, welche in angedeu- teter Weise zu Stande kommen und häufig bei bestimmten Pflanzen ganz beständig sind, entbehren jedoch der eigentlich mathematischen Regelmässig- keit und zeigen unter sich bei aller Aehnlichkeit doch im einzelnen bedeu- Amylum. 721 tende Abweichungen innerhalb eines unverkennbaren Typus. Annähernd kugelige Formen sind in diesem Lehrbuche sehr häufig erw filmt worden; eigentümliche Gestalten der Stärke dagegen z. B. in den Wurzelbilduugen der Ziugiberaceen , in Rhizoma Rhei Monachorum u. s. f. Sehr auffallend sind die oft sogar mit einem Aste versehenen Körner von Dieffenbachia Seguine (Aroideae), von sonderbarster Gestalt aber die gelappten stabför- migen oder schenkelknochenähnlichen Figuren im Milchsafte inländischer Euphorbien und ihrer blattlosen Verwandten in Afrika. Im Hefte VII seiner „Darstellung und Beschreibung der offiz. Gewächse" hat Berg einige der merkwürdigsten Formen sehr schön abgebildet und noch weit zahlreichere finden sich auf den 12 Tafeln, welche Trecul seiner Abhandlung „über Bläschenbildung in der Pflanzenzelle" x) beigegeben hat. Da geschichtete feste Stärkekörner — und nur solche können als eigent- liches Amylum gelten — blos innerhalb der Zellen auftreten, so ist ihrem Wachsthum durch die Weite der letzteren einerseits und durch die Anzahl der Körner anderseits eine Schranke gesetzt, von welcher abwärts die Grösse der Stärke bis zu verschwindender Kleinheit schwanken kann , daher die Messungen derselben sich entweder auf die grössten Körner oder auf die- jenigen, welche augenscheinlich die Mehrzahl bilden, beschränken müssen. Das Lehrbuch enthält zahlreiche bezügliche Zahlenangaben, aus welchen hervorgeht, dass z. B. neben den Körnern der Kartoffel diejenigen von Ra- dix Chinae, Calumbo, Jalapae, Rhizoma Zedoariae zu den grössten gehören; sie werden beinahe erreicht von denjenigen in den Sporen der Nitella si/n- carpa, aber weit übertroffen von den bis 100 Mikromill. erreichenden Kör- nern in den Knollen des Phajus grandiflorus (Orchideae), deren auffal- lende Formen Trecul erörtert und abgebildet hat. Ueber hundertmal kleiner im Durchmesser sind dagegen die Körnchen z. B. im Samen von Chenopodium Quinoa, sehr klein auch in der Rinde von Solanum Dulca- mara (vergl. Stipes Dulcamarae) , im Samen von Myroxylon Pereirae u. s. f. — Ganz regelmässig bieten manche Gramineen in einer und derselben Zelle ihres Eiweisses Stärkekörner von zwei verschiedenen Grössen; in Hordeum hexastichon z. B. messen die einen nicht über 5, die anderen aber 25 Mikromill. ohne namhafte Uebergänge. Möglich, dass hier eine ver- schiedene Bildungsweise zu Grunde liegt. Zusammengesetzte Körner, die im ganzen nicht weniger häufig vorkommen als einfache, entstehen nach Nägeli in der Weise, dass sich statt eines einzigen Kernes im Innern deren mehrere, oft 30 bis 40, bilden, sich mit eigenen Schichten umgeben und durch Spalten von den benach- barten Kernen scheiden. Bei rascher Entstehung derartiger Theilkörner liegen sie neben einander in der gemeinschaftlichen äusseren Schicht, sonst findet auch wohl Einschacbtelung der jüngeren in älteren Körnern statt. Seltener scheint die lokale Verdickung einer ausserhalb des Kernes gelegenen *) in der S. 717 angeführten Abhandlung. Flückiger, Pharmakognosie. 46 722 Anhang. Stelle einer Schicht die Bildung eines neuen Theilkornes zu veranlassen. Setzen sich die Spalten zwischen den einzelnen Theilkörnern bis zur Peri- pherie des ganzen fort, so zerfällt dasselbe in Bruchkörner, deren Form namentlich wenn ihre Zahl nur gering ist, ziemlich regelmässigen Theilungen der Kugelgestalt entsprechen kann, oft z. B. an die in ähnlicher Weise ent- standenen tetraedrischen Körner des Lycopodiums erinnert. Derartige eckige Amylumkörner, in sehr beschränkter Zahl (zu 2 bis 4) aus einer Kugel hervorgegangen, finden sich z. B. in Rad. Sarsaparillae, in Tuber Colchici u. s. f., während in anderen Fällen die Zahl der Theilkörner, die nun ihren Ursprang nicht deutlich aufgeprägt zeigen, Nägeli zufolge hoch in die Tausende steigen kann. Es ist wohl nicht immer möglich , die eben geschilderten polyedrischen Theilkörner von solchen einfachen Stärkekörnern zu unterscheiden, welche eine ähnliche Form nur gegenseitigem Drucke verdanken. Einfacher erklärt sich das Auftreten zusammengesetzter Körner nach den eben entwickelten Anschauungen Trecul's. Es ist in der That ein- leuchtend, dass das Plasma eines Stärkekornes sich in die Quere oder in radialer Richtung oder auch ganz unregelmässig theilen und aus den so ent- stehenden secundären Wachsthumsmittelpuukten die Bildung des ganzen Kornes wiederholen kann. Auch hier schliesst das Theilkorn oft eine an- sehnliche Höhlung ein. Aus Trecul's Vorstellungen, welche den einzelnen Schichten des Stärkekornes eine gewisse Selbständigkeit der Entwicklung zuschreiben, folgt auch die für jede Schicht anzunehmende Möglichkeit, einmal wieder einen Theil des Plasmas, das ihr immer noch zugeführt wer- den kann, auf die späte Bildung (division tardive) eines Theilkornes zu verwenden. Die Nachweisung der gemeinschaftlichen Hülle, welche das in der einen oder anderen "Weise entstandene zusammengesetzte Korn umgibt, kann nur bei grosser Sorgfalt geschehen, am besten, wenn zarte Schnitte aus einem geeigneten Eiweisse ganz allmälig mit verdünnten Säuren oder mit Chlor- ziuk behandelt werden. Zuletzt bleibt ein zartes Häutchen übrig, welches sich nunmehr mit Jod nicht mehr blau färbt. You diesen zusammengesetzten Körnern (grains composes) sind von Trecul, nicht aber von Nägeli, die sogenannten vielfachen Körner (grains multiples) unterschieden worden, welche aus einem dichten Aggre- gate sehr zahlreicher Körnchen bestehen, ohne dass eine gemeinschaftliche Umhüllung wahrnehmbar ist. Die erhärteten völlig ausgebildeten pflanzlichen Zellhäute brechen nicht einfach die durchgehenden Lichtstrahlen, sondern polarisiren sie und zwar nicht Mos in einer, sondern in zwei verschiedenen zu einander wie es scheint immer senkrechten Ebenen. Zur Erkennung dieser meistens nicht iu hohem Grade entwickelten optischen Eigenschaften muss man sich des Polarisatirmsapparates bedienen, welcher jedem Mikroskop leicht beigegeben Amylum. 723 werden kann. 1) Wie die Zellmembranen brechen auch die Stärkekörner doppelt, sobald sie nicht mehr ganz jung nnd klein siucl, wie sie z. B. im Chlorophyll in der Regel nur vorkommen. Das Vermögen doppelt zu brechen erlangen sie jedoch bevor ihr Schichtenbau (für uns direkt) erkennbar ist,2) zeigen es jedoch um so stärker, je älter und meist auch je grösser sie wer- den. Schwach oder kaum ausgeprägt bleiben diese optischen Eigenschaften daher sehr oft bei solchen Stärkekörnern, welche eben niemals einige we- nige Mikromillimeter überschreiten, wie z. B. bei den meisten des Rhizoma Filicis. Sehr scharfe und regelmässige Figuren zeigen im Polarisationsmikroskop unter anderen die oben beschriebenen Stärkekörner von Maranta indica, von Manihot utilissima, von Saguerus Rumphii, auch diejenigen der Kar- toffel. Jedes Korn trägt ein schwarzes Kreuz, dessen Arme sich im organi- schen Centrum (dem Kern oder Nabel) schneiden. Nach Yalentin3) hängt die Form der Kreuzesarme von der Schichtungsweise ab. Man findet viele länglichrunde Körner, in denen sich die Arme vom Mittelpunkte aus regel- mässig herabsenken, wie vier um je 90° wechselseitig abstehende Meridian- kreise eines Erdglobus von einem der Pole aus. Sie werden häufig an ein- zelnen Stellen, die unregelmässigeren Schichtenvertheilungen entsprechen, eingeknickt, zackig, verbreitert, matter, als dränge die dunkle Schattirung in die Tiefe. Man findet z. B. bei Kartoffelstärke Körner, die nur 2 und an- dere, welche mehr als 4 dunkle Linien darbieten. Schaltet man zwischen das Ocular und den Analysator desPolarisations- mikroskopes eine Gypsplatte ein,4) so zeigen die Stärkekörner eine verhält- nissmässig positive Farbenänderung des rothen durch das Gypsblättchen gegebenen Grundes. Ganz dieselbe Erscheinung ist durch Yalentin5) an gewissen Glasplatten nachgewiesen, deren äussere Schichten durch Ein- tauchen in warmes Wasser rasch ausgedehnt wurden, während sie nach plötzlichem Abkühlen die entgegengesetzte Farbenfolge hervorrufen. Dieser Versuch bestätigt, dass die Polarisationsfiguren der Stärke Folge von Span- nungen in ihrem Schichtenbaue sind und dass die Schichten nach aussen etwas weniger dicht sein müssen als im Innern, obwohl wegen der grösseren chemischen Widerstandsfähigkeit der Oberfläche für die umhüllende äusserste Schicht eine grössere Dichtigkeit anzunehmen ist. Nägeli, welcher in seinem grossen monographischen Werke „Die Stärkekörner" (Zürich 1858) hierüber die eingehendsten und scharfsinnig- sten Untersuchungen angestellt hat, ist in den beiden letzteren Punkten anderer Ansicht. Er gibt für die optischen Erscheinungen die Erklärung, J) vergl. Valentin, Untersuchung der Pflanzen- und Thiergewebe im polarisirten Lichte. Leipzig 1861. 2) nach v. Mo hl in Hofmeister, Lehre von der Pflauzehzelle. Leipz. 1867. Pag. 389. 3) 1. c. 214. 4) Die Gründe für diese Methode siehe bei Hofmeister 1. c. 340. 5) Physikal. Untersuchung der Gewebe. Leipz. 1867. 343. 46* 724 Anhang". dass die Stärke, wie die organischen Substanzen überhaupt aus krystallini- schen doppelt brechenden Moleculen bestehe, welche lose (verschiebbar und elastisch), aber in bestimmter regelmässiger Anordnung neben eiuander liegen. Dagegen ist einzuwenden, dass die Stärke aufhört doppelt zu brechen, sobald durch Quellungsmittel ihr Schichtenbau aufgehoben wird, während unzweifelhafte (anorganische) doppelt brechende Krystalle ihre optischen Eigenschaften auch in den kleinsten Bruchstücken behalten. Der Verlust des Polarisationsvermögens lässt sich mit grösster Schärfe an Körnern ver- folgen, welche mau in kalter concentrirter Chlorcalciumlösung langsam zum Quellen bringt. Die Doppelbrechung hört auf, so wie die Schichtung ver- schwindet und sehr häufig sieht man in Körnern noch einzelne Theilchen längere Zeit hindurch die gleichen optischen Eigenschaften festhalten, die ursprünglich dem ganzen Korne zukamen. Die äusserste Haut, welche der Auflösung am längsten widersteht, verliert das Polarisationsvermögen sehr bald vollständig, obwohl sie durch Jod noch gebläut wird. Hierbei muss man sich auch an das verwandte Inulin erinnern, welches nicht polarisirt, so lange es in Klumpen (vergl. S. 288) vorliegt, wohl aber, wenn man es wie S. 289 angegeben in sogenannten Sphaerokrystallen anschiessen lässt. Auch die Beweisführung Nägeli's1) für die Ansicht, dass die Stärke- körner im Innern lockerer, aussen dichter seien, erscheint weniger einleuch- tend, obwohl eine Widerlegung derselben nicht in wenigen Sätzen zu unter- nehmen ist. Trecul2) hält dafür, dass wenigstens in den einzelnen Schichten mancher Körner die Dichtigkeit nach aussen abnehme. Höchst eigenthümlich ist das Verhalten der Stärke zum Wasser, wovon sie 35 bis 70 pC. ihres Gewichtes hält, so lange sie sich innerhalb des leben sthätigen Pflanzenorganismus befindet. An der Luft entweicht dieses Wasser freiwillig bis auf ungefähr 18 — 13 pC, welche nun von den Stärkekörnern kräftig zurückgehalten und erst bei 100° C. ohne chemische Veränderung abgegeben werden. Mit Chloroform, unter Oel oder in Benzol kann lufttrockenes Amylum bis zu 100° erhitzt werden, ohne sein Wasser zu verlieren. In Luft von gewöhnlicher Feuchtigkeit nimmt das bei 100° getrocknete Stärkemehl rasch wieder 13 bis 18 pC. Wasser auf; wird ihm dasselbe auf einmal geboten, so tritt eine merkliche Temperatur - Erhö- hung ein. Schon aus den oben (pag. 711) mitgetheilten Zahlen geht hervor, dass der Austritt und die Wiederaufnahme des Wassers von entsprechenden Volumveränderungen des Kornes begleitet sind. Beim Austrocknen geht ein solches oft um die Hälfte zusammen, die Schichten reissen stellenweise in radialer Richtung, die oft sehr kleine Höhlung des Innern erweitert sich und verschwindet beim Wiedereintritte des Wassers eben so wenig wie die Risse. 1) in Kürze auseinandergesetzt von Sachs, Experimental-Physiol. der Pflzn. 419 — 421. Vergl. auch Hofmeister, Pflanzenzelle. .'180. 2) 1. c. 301. 302. Amylum. 725 Immerhin bat diese Verbindung der Stärke mit dem Wasser bei gewöhn- licher Temperatur oder dessen Austritt keine tiefer gehenden Veränderungen zur Folge, der Schichtenbau der Körner und ihr optisches Verhalten bleiben unverändert. Ganz anders aber wirkt das Wasser ein, sobald Temperaturen von nur 55 bis 65° C. oder eine geringe Menge von Säuren oder Alkalien mit ins Spiel kommen. Diese Agentien überwinden die Molecularkräfte der Stärkekörner, zerstören die Schichtung und befähigen die formlose Substanz, unter Auf- nahme sehr grosser Mengen Wasser ganz ausserordentlich aufzuquellen. Wird der gequollenen Masse, dem Kleister, das Wasser wieder entzogen, so bleibt ein Rückstand, welcher nunmehr weder die Form noch die Quell- barkeit der Stärke besitzt. In unverändertem Amylum ist daher das Wasser bis zu einem Betrage von 13 — 18 pC. als normaler Bestandtheil aufzu- fassen, welcher selbst bei Erhöhung der Temperatur die Quellung nicht herbeizuführen vermag. Hierzu ist eine grössere Menge Wasser nöthig. Aehnlich wie das Wasser wirkt auch, von 85° C. an, das Glycerin auf die Stärke, doch ohne dieselbe so bedeutend aufzuquellen. Trockene Körner auf 200° C. erhitzt, quellen nachher mit kaltem Wasser gleichfalls auf, in diesem Falle aber zeigt sich schon ein tiefe- rer chemischer Angriff ihrer Substanz, nämlich der Beginn der Dextrin- bildung. Verdünnter Kleister geht nach P a y e n nicht durch unversehrte pflanz- liche Membran, wohl aber ist das vermittelst verdünnter Säuren erhaltene lösliche Stärkemehl dazu befähigt. Auch kaltes Wasser ist nicht ohne Wirkung auf Stärke ; wird sie an- haltend damit gerieben, so nimmt das Filtrat, worin sich mikroskopisch keine Amylumtheilchen nachweisen lassen, auf Zusatz von Jod ohne Bil- dung eines Niederschlages eine blaue Farbe an. Der in dieser Weise in Lösung gelangende Antheil der Stärke ist jedoch immer nur verschwindend klein und wird ohne Zertrümmerung der Körner gar nicht erhalten. Höchst wahrscheinlich muss diese Erscheinung der geringen beim Reiben unver- meidlich entwickelten Wärme zugeschrieben werden, wenn man nicht in dem geringen aufgelösten Antheile Reste des Plasmas erblicken will. Die übrigen Agentien, welche die Stärke anzugreifen vermögen, wirken sehr verschieden ein; höchst eigenthümlich ist z. B. das Verhalten sehr concentrirter wässeriger Lösungen leicht löslicher oder zerfliesslicher Holoidsalze in der Kälte. Bromkalium , Jodkalium und Chlorcalcium be- wirken ein Aufquellen der Stärkekörner und machen sie in kaltem Wasser öslich. Man erhält bei einiger Verdii nnung eine vollkommen klare, zunächst weder Dextrin noch Zucker enthaltende Auflösung, welche durch Jodwasser selbst nach Monaten schön blau gefärbt, nicht gefällt wird und deren Stärke- gehalt sich durch Alkohol niederschlagen lässt. Der Niederschlag zeigt trotz völliger Desaggregation noch die Haupt- eigenschaften der Stärke ; er färbt sich durch Jod ebenso , löst sich sogar 726 Anhang. ganz frisch nicht in Kupferoxydarninoniak , nach dem Trocknen auch nicht mehr in kochendem oder kaltem Wasser. Am besten lässt sich diese Lö- sung bei dem etwas langsamerwirkenden Chlorcalcium verfolgen. Dasselbe hinterlässt keinen irgend erheblichen Rückstand, so dass es sonderbar erscheint, in dem so gut wie unwägbaren Reste einen normalen heterogenen Bestandtheil der Stärke erblicken zu wollen. Eben so wohl könnte man auch die Aschenbestandtheile als solchen ansprechen. Ganz ähnlich, aber weit rascher, wirkt Chlorzink; nimmt man die Wärme zu Hülfe, so kann der durch Alkohol zu erzielende Niederschlag hier völlig löslich ausfallen; Dextrin wird hierbei nicht gebildet (Bechamp). "Noch kräftiger wirkt nach von Payr Zinnchlorid und verwandelt das Amylum in einen zwischen Zucker, Dextrin und Gummi stehenden Körper, der sich leicht in Wasser löst und durch Jod nicht blau wird. Diese merkwürdigen Wirkungen auf die Stärke stehen in Zusammen- hang, wenn auch nicht in einfachstem, mit der reichlichen Lösbarkeit der genannten Salze, jedoch gehen sie z. B. schon dem Salmiak, Chlorkalium, Chlornatrium ab. Essigsaures Kali und salpetersaures Natron, immer in gesättigter kalter Lösung, quellen und lösen die Stärke rasch, langsamer das essigsaure Natron, Kalisalpeter, neutrales weinsaures Kali. Manche Sauerstoffsalze dagegen verhindern nach Kabseh1) selbst beim Kochen jede Kleisterbildung, so das kohlensaure Kali im sechsfachen Gewichte Wasser. In allen eben angedeuteten Fällen der Quellung entsteht durchaus nicht ein der Schichtung irgendwie vergleichbares Gerüste , sondern der Angriff erfolgt meist von innen nach aussen, indem strahlenförmige Risse die Schichten zu durchsetzen beginnen und dieselben auflockern. Gleichwie Chlorzink wirken auch, jedoch unter gewaltiger Aufquellung, kaustisches Kali oder Natron auf die Stärke. Auch hier entsteht, doch erst nach anhaltendem Kochen eine beim Verdünnen filtrirbare Lösung, woraus durch Essigsäure und Alkohol ein Niederschlag gewonnen wird, der gleich viel wiegt, wie die angewandte Stärke, sich in Wasser gar nicht oder nur theil weise auflöst, jedenfalls aber nicht mehr aufquillt. Nicht tiefer ist nach Bechamp die Einwirkung des Eisessigs, wenn Stärke damit in geschlossenen Röhren auf 100° erhitzt wird. Es entsteht kein Zucker, die Körner erleiden nur eine Ausdehnung auf ungefähr das doppelte Volumen und lösen sich in kaltem Wasser grossentheils, in heissem völlig zu einer klaren, durch Jod blau werdenden Flüssigkeit. Auch hier wird die ganze Menge der Stärke in gleicherweise verändert, ohne dass eine Zerlegung derselben in sogenannte Granulöse und in Cellulose ersicht- lich wäre. Selbst durch Digestion mit starker Salpetersäure und Fällung des verflüssigten Gemenges stellte Bechamp ein in heissem Wasser voll- kommen lösliches Amylum her. *) Löslichkeit d Stärkemehles o. s. Verh. z. polaris. Lichte. Zürich 1862. Pag. 33. Amylum. 727 Tiefere Veränderungen erleidet aber die Stärke, wenn sie sehr an- haltend mit Wasser, mit verdünnten Säuren oder Alkalien , oder auch mit verschiedenen organi sehen stickstoffhaltigen Substanzen gekocht wird. Gibt man ihr mit Musculus die Formel -O18H30O15, so spaltet sie sich hierbei nach demselben unter Wasseraufnahme in G12 H2Ü010 (Dextrin) und G6 H12 Of; (Dextrose, Zucker). Der völligen Umwandlung gehen auch hier jene schon beschriebenen Zwischenprodukte voraus , welche als lösliche oder gelöste Stärke noch die Fähigkeit, durch Jod blau zu werden, jedoch wenigstens in Auf lösung keine Beständigkeit besitzen. Wrerden getrocknete Stärkekörner bei 200° C. geröstet, so verwandeln sich zuerst die inneren weichen Theile in Dextrin und lösen sich dann in Berührung mit Wasser, während die äusseren Schichten nur erst aufquellen. Immer erfolgt der Angriff der Stärke durch solche Flüssigkeiten, welche sie zum Aufquellen bringen, von innen nach aussen, so wie von den Rissen aus. Concentrirte Mineralsäuren hiugegen veranlassen keine Quellung, sondern eine Abtragung der Körner von aussen her. Lässt man Mineralsäuren in gehöriger Verdünnung auf Stärke wirken, oder wählt man dazu solche Flüssigkeiten, welche dieselbe überhaupt nicht sehr energisch angreifen, wie Diastase, Galle, Pepsin, Speichel, so gelingt es leicht, einen unter verschiedenen Umständen ungleich beträchtlichen Rückstand zu erhalten, welcher nun nach Nägeli in kochendem Wasser nicht mehr quellbar ist , sich mit Jod unmittelbar nicht mehr blau färbt, sondern erst nach Zusatz von Schwefelsäure, aber von Kupferoxydammoniak gelöst wird. Das wären allerdings wesentliche Eigenschaften der Cellulose, und als solche fasst Nägeli diesen Rückstand auf, während der gelöste Antheil schon 1852 von Maschke als Granulöse bezeichnet worden ist. Allein die Löslichkeit in Kupferoxydammoniak dürfte hier noch nicht als vollgültiger Beweis für die Identität jenes Rückstandes mit Cellulose anzu- erkennen sein. Denn entgegen der allgemeinen Annahme von der gänz- lichen Unlöslichkeit der Stärke in Kupferoxydammoniak , muss ich hervor- heben, dass letztere Flüssigkeit aus der Stärke etwas aufnimmt. Wird näm- lich die Kupferlösimg, welche mit zerriebener Stärke oder mit Kleister einige Stunden hindurch geschüttelt wurde, klar abgegossen, verdünnt und filtrirt, so entsteht nach dem Ansäuern kein Niederschlag. So verhält sich die Kupferlösung, selbst wenn sie mit Stärke auf 100° erhitzt wurde; sie hat also in keinem Falle Cellulose aus den Körnern weggeführt. Wird aber das Kupfer durch Schwefelwasserstoff beseitigt , so nimmt das genau neu- tralisirte Filtrat durch Jod eine dunkelblau violette Färbung an. Kupfer- oxydammoniak vermag also Stärke zu lösen; das gelöste ist nicht Cellulose, sofern es durch Sättigung der Flüssigkeit nicht gefällt wird. Lässt man die Kupferlösung tagelang bei 100° einwirken, so gibt sie schliesslich beim Ansäuern eine äusserst geringe Trübung, mit Alkohol aber eine sehr reich- liche Fällung, welche nach Zusatz von festem Jod aufs tiefste indigoblau 728 Anhang. gefärbt wird. Unzerkleinerten Körnern entzieht die genannte Lösung in der Kälte nichts, wenigstens tritt in diesem Falle nach Entfernung des Kupfers und genauer Abstumpfung des Alkalis durch Jod keine Veränderung ein. Ein weiterer Grund gegen die Annahme von Cellulose iniAnrylum liegt auch in seinem (S. 725) erwähnten Verhalten zu Chlorcalcium. Wenn dasselbe nur so weit einwirkt, dass blos das Innere der Körner verflüssigt wird , so bleiben noch die Hüllen erhalten , aber ohne alles Polarisations- vermögen. Es ist nun schwer einzusehen, wie der Cellulose dieses letztere durch Chlorcalcium entzogen werden kann, indem wenigstens Baumwolle z. B. dasselbe in der gleichen oder stärkeren Chlorcalciumlösung selbst bei 100° nicht einbüsst. Am wenigsten aber stimmt das Verhalten frisch bereiteten Kupferoxyd- ammoniaks mit der Annahme, dass die Stärke Cellulose in irgend erheb- lichem Masse enthalte. Bei 100° einwirkende Kupferlösung liefert nach dem Verdünnen und Filtriren (was freilich langsam von statten geht), wie oben gezeigt, keine in die Flüssigkeit übergegangene Cellulose und im Rück- stande bleiben gänzlich veränderte optisch unwirksame , sehr kleine Körn- chen, welche sich aber durch Jod aufs schönste blau färben lassen. Nageli, welcher die Einwirkung des Speichels bei tagelanger Dige- stion in einer Temperatur von 40—47° sehr genau untersucht hat, schildert den Rückstand als ein der Form nach dem ursprünglichen Korne entspre- chendes, doch etwas kleiner gewordenes leichtes und in Wasser sehr beweg- liches Gerüste, dessen Zwischenräume vorher mit Granulöse erfüllt gewesen wären. Ich kann nach Wiederholung des Versuches dieses Bild nicht zu- treffend finden ; es sind freilich viele einzelne Stellen des Kornes durch den Speichel gelöst, andere bis auf ein Häutchen geschwunden, noch andere in unregelmässigster Weise angefressen, allein die inneren Umrisse des Schichten- baues sind nicht erhalten. Bei länger andauernder Einwirkung in höherer Temperatur, welche jedoch G5° C. nicht überschreiten darf, findet eine reichlichere Lösung der Stärke durch Speichel sowohl als durch Galle statt, aber immerhin keine vollständige. Bei Anwendung letzterer Flüssigkeit hat Kabsch an Weizenstärke einen Verlust bis zu 85 pC. nachgewiesen, aber der Rest entzog sich hartnäckig weiterer Umwandlung. Es ist wahrscheinlich, dass daran die Produkte der Einwirkung des Speichels oder der Galle schuld sind, welche den Rückstand durchdringen und schützen oder chemisch ver- ändern. Hieraufwäre auch nach Kabsch die Ansicht Nägel i's zurück- zuführen, dass ein Theil der Stärke aus Cellulose bestehe. Physiologisch interessant ist Kabsch's Beobachtung, dass die lösende Wirkung des Speichels durch Zusatz von lüpf'. Kochsalz bedeutend ge- steigert wird. Auch Hefe greift die Stärke langsam an. Wird Stärke längere Zeit z. B. mit verdünnter Salzsäure vou nur wenigen Procenten ChlorwasserstofTgehalt bei ungefähr 40° digerirt und öfter geschüttelt, so erhält man einen Rückstand, auf welchen das Bild eines Gerüstes nicht im entferntesten passt. Die übrig bleibende Hülle Amylum. 729 zeigt die etwas verkleinerte Gestalt der Körner, aber ohne alle innere Struk- tur und färbt sich durch Jod nur noch röthlich. Doch trifft oftmals wieder Blaufärbung ein, wenn die mit Säure ausgezogenen Hüllen nach dem Aus- waschen getrocknet und dann aufs neue mit Jodtinktur befeuchtet werden. Der Wirkung des Speichels ähnlich ist die Auflösung, welche die Stärke in vielen keimenden Samen, z.B. in den Cerealien und Polygoneen, erleidet; in andern Fällen hingegen werden die Körner ganz gleichmässig von aussen her abgetragen und nehmen unmerklich an Umfang ab. So bei Avena, Arum u. s. w.1) Was gelöst wird, die „Granulöse", färbt sich durch Jod eben so wenig, wie bei der Behandlung mit Speichel. Dass ausser der eigentlichen Stärkesubstanz auch Spuren anderer Stoffe, welche im Bildungsheerde der Stärke oder bei ihrer späteren Wiederablage- rung zugegen sein mögen, sich im Amylumkorne auffinden lassen, darf von vornherein angenommen werden. So hat Bechamp geringe Mengen albu- minartigen Stoffes nachgewiesen, und hierher gehört auch der Aschen- gehalt der Stärke, welcher schwerlich jemals % pC. übersteigt. Aber am wahrscheinlichsten ergibt sich nach allen obigen Thatsachen, dass die Stärke im wesentlichen gleichartig beschaffen ist, vielleicht mit Ausnahme eines sehr beschränkten äussersten Häutchens, welches unter den hervorgehobenen Umständen die Wirkung auf Jod nicht mehr zeigt. Je nach der Behandlung können mehr oder weniger beträchtliche Theile der Körner in dieser Hin- sicht der Cellulose näher gebracht werden, wie z. B. im Falle der Chrom- säure, des Speichels, des unterchlorigsauren Kalkes. Bei andauernder Einwirkung verdünnter Mineralsäuren, auch der Oxal- säure, nicht aber der Phosphorsäure, geht auch das anfangs aufgetretene Dextrin oder Stärkegummi alsbald in Traubenzucker (Glykose) über, während die übrigen Agentien , welche die Spaltung des Amylums in Dex- trose und Dextrin veranlassen, das letztere nicht weiter zu verändern vermögen. Salpetersäure liefert je nach der Concentration, der Temperatur und je nach der Dauer der Einwirkung bald explosive oder nicht explosive Nitro- körper (Xyloidin), bald Dextrin und lösliche, durch Jod noch blaue Fär- bung annehmende Produkte, schliesslich Oxalsäure, vielleicht auch Zucker- säure. Concentrirte Schwefelsäure löst in der Kälte das Amylum und bildet damit gepaarte Säuren. Concentrirte Kalilauge schwellt das Stärkemehl anfangs zu opali- sirenden schleimigen Lösungen ohne Rotationsvermögen auf, dann entsteht Dextrin. Bei Gegenwart von sehr wenig Wasser mit Alkalien erhitzt, erleidet das Amylum gänzliche Zersetzung unter Bildung von Kohlensäure, Oxal- säure und Gliedern der Fettsäurereihe. — In absolutem Weingeist gelöste *) Gris, developpemeut de la fecule dans 1'alburaeQ des graines eu germiuation. Annales des Scienc. nat. Botaniq. XIII. (1860), 106. 730 Anhang. Alkalien jedoch greifen selbst bei 100° nach langer Zeit die Stärke gar nicht an (S. 659). Erhitzt man Stärkmehl mit Ammoniak anhaltend auf 100 — 150°, so entstehen braunschwarze, durch Thierkohle zu entfärbende Stoffe, wie bei gleicher Behandlung des Gummis und Zuckers, welche näherer Unter- suchung werth wären. Bedient man sich zu diesem Versuche des Kupfer- oxydammoniaks, so erfolgt keine Schwärzung. Colin u. Gaultier de Claubry entdeckten 1814 die merkwürdige Anziehung, welche das Amylum auf Jod äussert. Kein anderer Stoff mit Ausnahme einzelner Gewebetheile der Flechten, namentlich der Frucht- schläuche (vergl. bei Liehen islandicus und Liehen parietinus) besitzt die Fähigkeit, durch Jod blau gefärbt zu werden. Die Wirkung der Stärke ist dem Grade nach äusserst verschieden , je nach der besonderen Gestalt der Stärkekörner, je nach der Natur der fremden Substanzen, von denen man dieselben vor oder nach der Behandlung mit Jod durchdringen lässt. Auch die einzelnen Schichten eines Kornes verhalten sich, wohl nur wegen des nicht vollkommen gleichartigen Aufbaues , etwas verschieden zu Jod. Die Verbindung des Jods mit der Stärke geht, obwohl gleichfalls auf einer nicht minder starken Anziehung beruhend, eben so wenig nach che- mischen Aequivalenten vor sich, wie die Aufnahme des Wassers, und wird auch durch die Wärme leicht wieder aufgehoben. Das aufgenommene Jod beträgt bis 7,5 pC, würde also höchstens in dem Verhältnisse von 1 Aeq. zu 10 Aeq. Amylum stehen, wenn letzteres durch die Formel G6H10-Q5 aus- gedrückt wird, und wenn von einer bestimmten Verbindung die Rede sein könnte.1) Mit grösster Begier wird das Jod bei Anwesenheit von Wasser gebunden und erzeugt dann ein tiefes Indigoblau ; fast alle anderen Substanzen, welche im Stande sind, die Stärke zu durchfeuchten, schwächen die Färbung ab durch violett, rothgelb, grünlich blau bis gelb. Diese verschiedenen Farben- töne, deren Auftreten Nägeli2) mit ganz ungemeiner Ausführlichkeit er- örtert hat, sind nach demselben eben nur die dem Jod selbst in fester, gelöster oder dampfförmiger Gestalt zukommenden und müssen darauf zurückgeführt werden, dass die Jodtheilchen sich in höchst eigenthümlicher, allerdings noch unerklärlicher molecularer Anordnung im Stärkekorne oder in der gequollenen und gelösten Stärke verbreiten. Sonderbarerweise ruft Joddampf in trockener Stärke nur geringe gelbe Färbung hervor. Die Gewinnung des Stärkemehles aus Getreide war im Alterthum wohl bekannt und von Dioskorides und Plinius beschrieben, indem ersterer hervorhob, dass dieses Mehl ohne Mühlstein (ä f/.uAo?) bereitet und darnach Amylon benannt werde, was nach Plinius zuerst auf Chios ge- *) Gegenthciligc Ansicht: Guichard in Will's Jahrcsb. d. Chemie 1863. 570. 2) Sitzungsberichte d. Münchener Akad. von 1863 an; auch in Buchner's Repertor. 1863 u. 1864. -- Im Auszuge in Schweiz. Wochenschrift für Pharm. 1865, No. 31 — 35. Amylum. 731 schehon wäre. Doch war, wie es scheint, Katastaton (Satzmehl) die gewöhn- lichere Bezeichnung. Anton Leuwenhoeck beobachtete zuerst 1716 vermittelst des Mikros- kops den eigenthümlichen Bau der Stärke in Getreidekörnern und nahm bereits die Schichtung und die Centralhöhle wahr, was jedoch bis auf Luke Howard (1800) niemand weiter verfolgt zu haben scheint. Dem- selben fiel die Fähigkeit des Amylums auf, sich unter Vergrösserung des Umfanges mit Wasser zu durchtränken. Aber erst Raspail (1825), Turpin (1826), Fritzsche (1834) und vorzüglich Payen (seit 1838) erforschten gründlicher die Bildung und die Eigenschaften des Amylums, welche durch die im obigen angeführten neueren Untersuchungen weiter aufgeklärt wurden. Die chemische Stellung des Amylums setzte Fourcroy 1801 fest, ob- wohl erst Gay-Lussac, Thenard und Berzelius seine Zusammen- setzung ermittelten. 732 Kegister der systematischen Pflanzen- namen. A. Abies balsamea 70 „ excelsa. ........ 76 „ pectinata . . . .73. 76 Absinthium vulgare .... 475 Acacia Adansonii 6 „ albida 582 „ arabica 1 „ Catechu 116 „ Ehrenbergiana ... 1 „ gummifera 2 „ nilotica 1 „ Seyal 1 „ tortilis 1 B Verek 6 Acbillea Millefolium. .. .474 „ nobilis 475 Aconitum Antbora 286 „ Cammarum 286 „ ferox 284 „ Lycoctonum 286 „ Napellus 281 y, Störckeanum 285. 500 „ variabile 281 „ variegatum 286 ,, virosam 284 Acorus Calamus 179 „ gramineus 180 Acrosticbum Huacsaro . .155 Actaea raceruosa 279 „ spicata 278 Adiantum CapillusYeueris449 - pedatam 450 „ trapeziforme 450 Adonis Cyllenea 278 „ vernalis 278 Aerides 609 Aesculus Ifippocastanum .'326 Aethusa Cynapium 499. 636 Agathotes 481 Agave americana 106 Agropyrum acutum . . . . ^56 . junceum 156 pnngeni l 56 „ repeus 155 pag. Alcea 553 Albagi Maurorum 17 Allium 690 Aloe africaua 105 „ ferox 105 „ Lingua 105 „ mitraeformis 105 „ perfoliata 105 „ purpurascens ... .105 „ socotrina 105 „ spicata 105 „ vulgaris 105 Alpinia chin_ensis 177 „ Galanga 178 Alsopbila lurida 143 Altbaea narbonensis . . . .191 „ officinalis 188 „ rosea 553 „ taurinensis 191 Altingia excelsa 85 Ambrina 525 Amelaucbier 672 Amomum Cardamomum 612 „ Curcüma 174 „ Granum Paradisi .699 „ Zingiber 172 „ Zerumbet 176 Ampelodesmos tenax . . .129 Ampelopsis hederacea . .187 Amygdalus 664. 669 Amyris Kataf 34 Opobalsamum 35 „ papyrifera 31 Anacamptis pyramidalis . 183 Anacardium occideutale .462 Anacyclus officinarum ..291 „ Pyretbruin 289 Anamirta Cocculus 238. 587 Andira jamaicensis 238 Anethum 631 Angelica Arcbaugelica . .305 officinalis 305 „ sativa 306 sylvestris 307 Anthcmu nobilis 543 pag Antbemis Pyrethrum . . .289 Apium 623 Aquilaria Agallocba .... 114 Arbutns uva ursi 459 Arcbangelica officinalis .305 ^ sativa 306 Arctium Lappa 226 Arctostaphylos alpina ..460 , officinalis 459 „ uva ursi 459 Areca Catechu 117 Arenga 713 Aristolocbia Clematitis. . 298 „ officinalis 298 „ reticulata 298 „ Serpentaria 297 Arnica 292. 548 Ärtanthe adunca 520 „ elongata 520 Artemisia Absinth. 100. 475 „ arborescens 475 „ Chiajeana 547 „ Contra 547 „ Dracunculus 632 y, judaica . . . .475. 547 „ Lercheana 547 „ pauciflora 547 „ pontica 475.478 „ ramosa . .548 „ Sieberi 547 „ Vahliana 547 Arum 729 Arundo Ampelodesmus . .129 Asagraea 602 Asarum virgiuicum 298 Asclepias Contrayerva . .253 Aspidium athamanticuin 1 54 . filix mas 151 „ Goldieanum 151 „ marginale 151 „ Oreopteris 153 „ spinulosum 153 Asplenium filix femina. .153 Astragalus creticus 7 r gummifer 8 Register der systematischen Pflarizennamen. 733 pap. Astragalus Pavnassi .... 7 „ verus 7 Astrantia major . . .280. 312 Atropa Belladonna 267 Avena 729 B. ßalantium chrysotrichura 143 Ballota nigra 515 Balsamodendron african. 37 „ Ebrenbergianum . 34 „ Gileadense 35 „ Mnkul 37 „ Myrrba 35 Balsamophloeos Kataf . . . 34 Banksia 562 Barosma 528 Batatas edulis 248 „ Jalapa 248 Benzoi'n officinale 61 Berberis vulgaris 342 Berula 630 Boletus Laricis 136 „ purgans . . .146 Bonplandia 434 Borassus 713 Boswellia floribunda .... 31 „ papyrifera 31 „ sacra 31 „ serrata 33 Brassica Napus 691 „ nigra 687 „ Rapa 691 Brayera 562 Brucea antidysenterica . .428 „ ferruginea 428 Buena hexandra . . .344. 396 Butea frondosa 119 Buxns sempervirens 342. 460 c. Calcitrapa lanuginosa . . .478 Callicocca Ipecacuanha. .228 Callitris quadrivalvis ... 60 Camphora officinarum. . . 97 Canarium 77. 79 Cannabis indica 521 „ sativa 574 Capparis 531 Caprificus . . . . ^ 578 Capsicum 603. 605 Carex arenaria 157 „ disticha 158 „ birta 158 pa£. ! Carex intermedia 158 Carlina acaulis 294 Carlina vulgaris 295 Carum Carvi 625 Caryophyllus 556 | Cascarilla 344. 356.400 Cassia (Senna) 463 Cassia (Senna)aethiopica 470 „ „ Bischoffiana . .466 „ „ Ebrenbergii . .469 „ „ holosericea . . .470 „ „ Hookeriana . .471 j „ ,, ovalifolia ... .470 „ „ pubescens. . . .470 \ „ v Royleana . . . .469 „ „ Schimperi. . . .470 „ „ tomentosa. . . .470 Centaurea benedicta ... .478 „ Centaurium 480 Cephaelis emetica 228 „ Ipecacuanba 228 Ceramium rubrum 141 Cerasus Lauro-Cerasus . .454 Ceratonia Siliqua 582 Cetraria Islandica 137 Chavica 619. 620. 115 Chaerophyllum aureum .499 „ bulbosum 499 „ temulum 499 Chelidonium majus 451 Chenopod. ambr 525 „ Botrys 525 „ hybridum 489 „ Quinoa 721 „ Scbraderian 525 Chiococca anguifuga . . . .232 „ racemosa .H & B. 232 „ racemosa Jacq. ..230 „ densifolia 232 „ scandens 233 Cbironia 482 Cbondrus canaliculatus . .141 „ crispus 140 „ polymorphus .... 140 Chnoophora tomentosa . . 143 Chrysantb. Parth. . 100. 544 Cibotium 143 Cichorium Intybus 240 Cicuta virosa 498. 630 Cincbona „ academica 351 „ amygdalifolia . . . .396 „ angustifolia 349 „ australis 355.383 „ barbacoensis 354 „ boliviana 348 „ Bonplandiana 346. 376 „ Calisaya 347. 372.373 390 pa&- Cincbona Candollii 349 „ carabayensis ... .421 „ Chahuarguera ...348 376. 389 „ coccinea. . . .351. 385 „ Condaminea 348. 346 347. 376 377. 391 „ conglomerata . .. .351 „ cordifolia . .348. 354 377. 390. 405 „ corymbosaSöl. 358. 364 „ Delondriana 350 „ erythroderma .... 351 „ glandulifera 344. 352 „ globifera 415 „ Henleana 420 „ beteropbylla 345. 349 377. 389 „ Humboldtiana . . . .394 „ Josephiana. .347. 353 „ lanceolata 365 „ laucifolia 349. 378.389 „ lucumaefolia ....352 „ lutea 349. 379. 389. 403 „ macrocalyx349.379. 389 „ macrophylla 420 „ micrantha349.379. 389 „ nitida .350. 380. 391 „ officinalis . . .350. 376 „ ovata 352 „ Pahudiana414.421. 425 „ Palalba 352 „ Palton 352.403 „ pedunculata 420 „ Pelletieriana . 350. 382 „ peruviana 352 „ pitayensis350. 380. 390 „ pubescens 350. 371. 382. 389 „ purpurascens 345-346 „ purpurea ...350. 352 „ scrobiculata .350. 372 382. 391 „ stupea 394 „ succirubra350.354. 383 „ tucuyensis 352 „ umbellulifera351. 386 391 „ Uritusinga351.386. 389. 391. 424 „ villosa 394. 403 734 Register der systematischen Pflanzenuamen. Cinchona viridiflora 350. 344 Cinnaniomum aroniatium 446 „ Cainphora 97 „ Cassia 446 „ citriodorum 441 „ zeylanicum 439 Cimicifuga 279 Citrus Aurantium .. 568. 599 „ decumana 599 „ Limonum 565 „ niedica 566 „ vulgaris ...599 Citrullus auiarus 593 ,, Colocyutbis 593 Claviceps microcephala .134 „ nigricans 134 „ purpurea 133 Clutia 435 Cuicus benedictus .478. 144 Cocculus palmatus 236 „ suberosus 587 Coccoloba uvifera 119 Cocblearia anglica 453 „ Armoracia 453 „ danica 453 „ officinalis 452 Codazzia 362 Coelocline polycarpa . . .238 Colchicum autumnale L. .180 „ variegatum 183 Colocyntbis 593 Colutea arborescens . . . .473 Conium maculatum.497. 633 Convolvulus arvensis ...244 „ Batatas 248 „ Jalapa 248 „ Mechoacan 248 „ officinalis 248 „ operculatus 254 „ Purga 248 „ sagittaefolius . . . .248 „ Scammonia 244 „ Turpetbum 256 Copaifera coriacea 80 ., Jacquini 80 „ Langsdorffii 80 „ multijuga 80 „ officinalis 80 Coptis Teeta 239 „ trifolia 239 Cordiceps 133 Cordyliceps 133 Coriandrum 636 Coriaria myrtifolia 473 Coscinium fenestratum . . 238 Corydalis 459 Cotoneaster 672 Conmarouna 532 Crescentia cucurbitina . . 89 Crocus 533. 535 j Crotou Cascarilla 435 „ Eluteria 435 „ lineare 435 ' „ Malambo 438 „ Pavana 699 „ Pseudo-Cbina ...438 „ Sloanei 435 „ Tiglium 696 Cubeba 612.614 Cucumis 593 Cucurbita . . . . 596 Cumiuum 626 Cupressus sempervirens .519 Curcuma angustifolia . . .712 „ leucorrbiza. .712. 719 „ longa 174 „ viridiflora 176 „ Zedoaria 176 „ Zerumbet 176 Curcas 695 Cuscuta 716 Cydonia vulgaris 659 Cyuancbum Arghel 466 „ vincetoxicum . . . .298 Cynodon Dactylon . . .156-7 Cyperus esculentus 18 D. Dapbne alpina 448 „ Gnidium 448 „ Laureola 448 „ Mezereum 447 Dapbnidium 615 Datura arborea 681 „ Stramonium 489. 680 „ Tatula 489 Dicksonia Culcita 143 Dieffenbacbia 721 Digitalis pnrpurea 483 „ grandiflora 485 „ lutea 485 „ parviflora 485 „ ferruginea 485 Digitaria stolonifera . .156-7 Diosma 528 Dipterocarpus alatusRoxb. 83 „ costatus 83 „ incauus Roxburgb 83 „ laevis 83 „ trinervis 83 „ turbinatus Gürtn. . 83 Dipterix odorata 532 Distylium racemosum . .149 Dorema Ammoniacum . . 28 „ Aucberi 31 „ glabrum 31 v pauiculatum 31 Diserueston gummiferum 28 Drepanocarpus Senegal. .119 Dryobalanops Campbora 100 E. Elettaria 611. 612 Empleurum 528 Epidendron 610 Erytbraea Centaurium ..480 „ linariaefolia 481 „ pulchella 481 Erytbriua monosperma ..119 Eucalyptus dumosa 17. 715 „ maunifera ...17.715 „ resinifera . . .17. 120 Eugeuia 556. 561 Eulopbia vera 184 Euphorbia 715. 721 „ balsamifera 58 „ cauariensis 57 „ deudrpides 537 „ resinifera 57 „ Wulfenii 537 Exidia Auricula Judae ..135 Exogonium Purga 248 Exostemma 344. 356 F. Ferula Asa foetida .... 20 „ erubescens 25 „ gummosa 25 „ rubricaulis 25 p ScbaTr 26 „ teterrima 25 Feuillea 679 Ficus Carica 576 „ Sycoraorus 580 Foeuiculum 631. 632 Fourcroya 359 Fragaria vesca 293 Frasera carolinensis . . . .240 „ Walteri 240 Fraxinus Ornus 13 „ rotundifolia 13 Fucus crispus 140 „ fastigiatus 141 „ lumbricalis 141 Fumaria capreolata . . . .459 „ ofiiciualis 458 n Vaillantii 459 Furcellaria fastigiata . . .141 GL Galeopsis ocbroleuca . . .514 „ villosa 514 n Tetrabit 515 Register der systematischen Pflanzennamen. 735 Galeopsis versicolor . . .515 „ pubescens 515 Galipea Cusparia 434 „ febrifuga 434 „ officiaalis 431 Garchiia Morella 19 „ elliptica 19 „ Gutta 19 Gavdenia 534 Gasteria Lingua 105 Gentiana Centaurium ..480 „ Chirayita 481 j, lutea 233 „ pannonica 235 „ punctata 235 ,, purpurea 235 Geoffroya jaraaicensis ..238 „ surinamensis . . . .238 Gillenia trifoliata 267 Glaucium luteum 459 Glechoma 621 Glycyrrhiza asperrima . .201 Ä echinata 199 „ glabra 194 „ glandulifera.198. 201 Gomphosia 396 Goniopblebium attenuat. 155 Gratiola officinalis 486 Guajacum jainaicense . . .331 „ officinale 326 „ sanctum. . ... .67. 331 Gyranadenia conopsea . . 184 Gypsopbila Struthium . .261 H. Habenaria pectinata . . . .185 Habzelia 618 j Hagenia abyssinica ....562 Hebrädendr. gambogioid. 19 | Helleborus altifolius . ..274 ; „ antiquorum .274. 277 „ foetidus 277 „ humilifolius 274 » niger 274 „ officinalis . ..274. 277 „ olympicus 277 „ orientalis .. .274. 277 „ ponticus 277 ,, purpurascens ... .277 „ viridis 270. 274 Heudelotia africana .... 37 Hordeum 721 Humulus Lupulus 315 Hydrastis canadensis . . .239 Hymenaea 572 Hyoscyamus albus .490. 683 „ major 683 Hyoscyamus niger 682 „ pallidus 490 Hyssopus officinalis ... .511 Janipha 673.713 Jateorrhiza Calumba . . .236 Jatropba 673. 695.713 | Icica Icicariba 77 Jeffersonia diphylla 238 j Ignatia 678 | lllicium 638 '< Imperatoria 0 struthium .310 j Inula Conyza 486 J „ Heleuium 287 j Ionidium Jpecacuanha ..230 Ipomoea Jalapa 248 | „ operculata 254 i „ orizabensis 254 \ „ Purga 248 | „ Schiedeana 248 „ Turpethum 256 Iris Florentina L 171 „ pallidaL 171 Isoetes 714 Juglans regia 527 Juniperus communis .... 606 „ Oxycedrus 316 „ phoenicea 519 s Sabina 517 _ virginiana 519 Kämpferia Galanga 178 Kentrosporium 133 Krameria argentea 206 „ Ixina 207 „ lanceolata 206 „ secundiflora 208 i triandra 203 Lactuca altissima 39 „ sativa 39 „ Scariola 39 „ virosa 37 Ladenbergia ..344.356. 362. 370. 400. 415 Lappa edulis 227 „ major 226 „ minor 226 „ tomentosa 226 Larix decidua ..18. 70. 136 „ europaea .18. 70. 137 „ rossica 136 _ sibirica 136 pag. Laserpitium latifolium . .233 Lasionema 344 Lathraea 716 Laurus Camphora 97 „ Cassia 443. 446 „ Sassafras 299 Lavandula angustifolia . .551 „ officinalis 551 „ Spica 100. 552 „ Stoechas 552 Lecanora 18 Ledum palustre 508 Leontodon Taraxacum . .241 Levisticum officinale . . .303 Liatris 532 Liehen parietinus 139 Ligusticum officinale . . .303 „ Levisticum 303 Linum 655 Liquidambar AItingiaua63. 85 „ imberbis 84 T orientalis 84 „ styraeiflua 88 Liquiritia officinalis ... .194 Lobelia infiata 496 Lonicera Periclymenum .315 Lophosoria affinis 143 Lychnis 262 Lycoperdon Bovista ... .144 Lycopodium alpinum . . .122 „ annotinum 122 „ clavatum 121 „ complanatum ....122 „ inundatum 122 123 M. Macrotis 279 Malva 456.553 Manihot 673.713 Maranta 709 Marrubium vulgare 515 Marsilea 714 Mastocarpus mamillosus .141 Matricaria Chamomilla . . 541 „ coronata 542 „ lithuanica 542 „ Parthenium 100 „ suaveolens 542 Melaleuca 93 Melilotus officinalis . . . .532 Melissa officinalis 513 Menispermum Calumba .236 „ canadense 238 „ Cocculus 587 „ fenestratum 238 Mentha aquatica 503 „ piperita 500 736 Register der systematischen Pfla nzennamen. pag. Mentha rotundifolia . . . .504 „ sativa 504 „ sylvestris 503 „ viridis 503 Menyanthes trifoliata . . . 482 Metroxylon 713 Mimosa arabica ....... 1 „ Catechu 116 Mirabilis Jalapa 254 „ longiflora 253-4 Mucuna 572 MyricaGale 621 Myristica 702 Myrosperuium = Myroxylon. Myroxylon Pereirae .88. 721 „ peruiferum 88. 92.416 „ Sousonatense .... 88 „ toluiferum 92 Myrtus Pimenta 561 Iff. Narthex Asa foetida .22. 25 Nauclea acida 116 „ Cinchona 415 „ Gambir 114 Nectandra Puchury .... 301 „ Rodiaei 403 Neottia 716 Nepeta Cataria 514 Nephrodium 151 Nicotiana chinensis 495 „ macropbylla 496 „ rustica 495 „ Tabacum 491 I Nitella 714.721 ! 0. Ophelia 481 Opuntia 580 Orchis latifolia 184 „ raaculata 184 „ mascula 183 „ militaris 183 „ Mono 183 „ papilionacea .... 184 „ ustulata 183 Ornus europaea 13 „ rotundifolia 13 Oryza sativa 129 Orobanche 7 IC Pachydendron africanura 105 „ ferox 105 Panax quinquefolius266. 298 _„ Scbinseng 266 pag. Pancratium maritimurn . .188 Panicum Dactylon L. .156-7 Papaver albuni 590 „ dubium 539 „ nigrurn 40. 590 „ Rhoeas 538 „ somniferum 589 Parmelia parietina 139 Pegamim Harmala 530 Pelargouium 9G Pereiria medica 238 Persea Camphora 97 Persica ..." 672 Petroselinum 623 Peucedanum Cervaria. . .233 „ officinale 312 „ Ostruthium 310 Phajus 721 Phascum 714 Physcia Islandica 137 „ parietina 139 Picraeua 321 Picrasma 321 Pimenta 561 Pimpinella Anisum 627 „ magna 301 „ nigra 302 „ Saxifraga 301 Pinkneya 382 Pinus australis 73. 76 „ Lambertiana .... 18 „ Laricio Poiret ... 76 „ Larix 70 „ maritima 76 „ Mughus 73 „ nigricans ....... 76 „ palustris 76 „ Pinaster 73.76 „ Pumilio 70. 73 | „ Strobus 73. 76 j „ sylvestris 76 „ Taeda 73. 76 Piper aduncum 520 „ angustifolium . . . .520 „ arborescens 520 ! „ Betle 115 [ „ caninum 614 [ „ Cubeba 612. 614 „ elongatum 520 ! „ longum 619 j ,. nigrum 615. 700 j Piptostegia 254 ! Pistacia Lentiscus L. . . . 64 j „ mutica 67 ! „ Terebinthus 70 Platanus orientalis 84 Ploeaslea floribunda .... 31 Podophyllum diphyllum 238 | „ peltatum 238 ' pag- Polygala amara 266 „ Senega 262 „ Poaya 266 Polygonuni Bistorta . . . .202 Polypodium Baromez . . .143 „ Calaguala 155 „ Filix rhas 151 „ vulgare 154 Polyporus officinalis. . . .136 Polystichum Filix mas ..151 Potentilla Tormentilla . .303 Poterium Sanguisorba ..203 Prosopis 582 Prunus 672 „ Laurocerasus . . . .454 „ Padus 431 Psycbotria elliptica . . . .230 „ emetica 230 Ptelea trifoliata 462 Pteris aquilina 155 „ esculenta 155 Pterocarpus erinaceus. . .119 „ Marsupiuni 118 „ santalinus 316 Pulegium micranthum . ..100 „ vulgare 100 Punica Granatum 340 Pyrethrum Parthenium. .100 Pyrus 659 Q Quassia amara 319 » excelsa 321 B Simaruba 323 Quercus Aegilops ... 17. 148 „ coccifera 17 „ graeca 148 B infectoria . . . .17. 145 „ manuifera 17 „ occidentalis 334 „ peduuculata .338. 642 „ pseudo-Suber . . . .334 „ racemosa . ..338. 642 „ Robur 338. 642 „ sessiliflora . .338. 642 „ Suber ..334 n Vallonea 148 Quillaja Sapouaria .261. 333 It. Remijia 356 Rliamnus cathartica 431. 600 „ chlorophora 602 „ Frangula 429 „ tinctoria 430 n utilis 602 „ Zizyphus 581 Register der systematischen Pflanzennamen. 737 pag. Rheuin australe . . .220. 222 „ compactem.. 220. 222 „ Emodi 221 „ hybridum 221 „ pahnatum.. .220. 222 „ Rhaponticum . . . .221 „ sibirienm 221 „ undulatuni . .220. 221 222. 719 Rbus japonica 149 „ javanica 149 „ quereifolium ....461 „ radicans 461 „ semialata 149 „ Toxicodendron . .461 „ vulgare 461 Richardsonia scabra ... .230 Ricinus 692 Ronabea emetica 230 Rosa bifera 95 „ centifolia 539 „ damascena 95 „ gallica 540 „ mosebata 95 „ provincialis 540 Rosmarinus officinalis . . . 506 Rottlera affinis . .125 „ tinetoria 125 Rubia Munjista 194 „ peregriua 194 „ tinetorum 191 Rumex acutus 225 „ alpinus 223 „ conglomeratus ...225 » crispus 225 „ nemorosus 225 „ obtusifolius 224 „ Patientia 224 Ruscus aculeatus . .164. 167 Ruta graveolens 530 ,, moutaua 532 s. Sabadilla 602 Sabina officinalis 517 Saguerus 713 Sagus 713 Salvia officinalis 505 „ pratensis 506 Samadera indica 325 Sambucus 550. 551. 580 Sanguinaria canadensis. .451 Sanguisorba officinalis . .303 Santalum album 318 Saponaria officinalis . . . .259 Saprolegnia . 714.716 Sassafras officinalis . . . .299 pag. Scbotia 572 Scilla maritima 185 Sclerotium Clavus 132 Scolopendrium officin. . .450 Scorodosma foetidum ... 20 Scutellaria 488 Senna' 464 Silene Saponaria 259 Simaruba amara 323 „ excelsa 321 „ medicinalis 323 Sinapis alba 684 „ arvensis 686. 691 „ juncea 691 „ nigra 687 Sisymbrium 690 Sium 630 Smilax aspera 161 „ China 169 „ cordato-ovata . . . .161 „ glabra 170 „ lanceaefolia 169 „ medica 161.167 „ officinalis .. .161. 165 „ ovalifolia ........ .169 „ papyracea 161 „ Pseudo China . ..170 „ pseudo-syphilitica .161 „ Sarsaparilla 161 „ syphilitica 161 „ tamnoi'des 170 „ zeylanica 170 Solanum Dulcamara 313. 721 Ä nigrum 314.315 Solenostemma Arghel . . .466 Sophora . 531 Sorbus 672 Spermoedia Clavus 132 Sphacelia segetum 131 Sphaerococcus 140 Spigelia marylandica . . .298 Squilla maritima 185 „ Pancratium 188 Steffensia 520 Strychnon manicon . . . .681 Strychnos Ignatii 678 „ innocua 675 „ Nux vomica .429. 975 „ Tjeute 679 Styrax Benzoin 61 „ officinalis L.. 87. 88 Sumbulus moschatus . . .310 Syzygium 561 T. Tacca 712 Tamarindus 570. 574 pag Tamarix mannifera .... 17 „ orientalis 566 Taraxacum 241 Tephrosia Apollinea . . . .467 Terminalia 149 Tbeobroma 645. 649 Thuja articulata 60 Thymus capitatus 510 „ Serpyllum 510 „ vulgaris 508 Thysselinum palustre . . .291 Tiglium 696 Tilia 554.555 Toddalia aculeata 239 Trigonella 662 Trochiscanthes nodiflorus305 Triticum repens 155 Trollius europaeus 280 u. Ulmus campestris 337 y, effusa 337 „ fulva 338 Uncaria aeida 116 „ Gambir 114 Unona polycarpa 238 Urginea Scilla 185 V. Vaccinium vitis idaea . .460 Valeriana angustifolia . . . 295 „ officinalis 295 „ Phu 297 Vanilla aromatica 610 , Pompona 610 „ planifolia 607 Veratrum album L 159 „ nigrum 160 „ officinale 602 „ Sabadilla 603 „ viride 160 Verbascum 536. 537 Viola tricolor 457 X. Xanthorrhiza apiifolia . .239 Xanthoxylon caribaeum .239 „ fraxineum 239 z. Zingiber officinale .... .172 Zizyphus 581 Plückiger, Pharmakognosie. 47 738 IL Sachregister. A. Abietiusäure 73 Absinthe 475 Absinthiin 477 Abstränze 310 Acolyctin 286 Aconit 499 Aconite root 281 Aconitsäure 285 Aconellin .284 Aconitin 283 Acore odorant ou vrai. . .179 Adraganthin 12 Aesculin 326 Aesculinsäure 261 Agaricin 137 Agaricus albus. Agaricuml36 Agnus scytbicus 142 Alantcampher 288 Alantin 289 Alantwurzel 287 Aleppo-Senna 470 Aleuron 652. 657. 667 Alga Caragaheen 141 Alizari oder Lizari 192 Alizarin 193. 194 Allspice 561 Almonds 664. 669 Aloe arabische .111 „ Bombay 111 „ capensis 109 „ Cura