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OTTO JE8PER8EN

LEHRBUCH DER PHONETIK

AUTORISIERTE ÜBERSETZUNG VON

HERMAM DAVIDSEN

MIT 2 TAFELN

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1904

LEIPZm UND BERLIN

DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER

ALLE EECHTE, EINSCHIilESZLiCH DES ÜBEBSETZtINGSEECHTS, VOÄBEHALTEK.

Vorwort.

Dieses Buch ist ein Auszug aus meinem in dänisclier Sprache geschriebenen Werke „Fonetik, en systematisk fremstilling af leeren om sproglyd", das in Kopenhagen 1897 99 erschien. Der Auszug ist von mir selbst gemacht, wobei ich aus Rücksicht auf die deutschen Leser die ausführlichen Beschreibungen skandinavischer und nament- lich dänischer Lautverhältnisse v^^esentlich gekürzt habe. Ich bin mir bewußt, daß dadurch in einigen Fällen meine allgemeinen Sätze in dieser Ausgabe nicht so wohl begründet erscheinen, und daß ver- schiedenes nicht so vollständig beleuchtet ist, wie in der dänischen Ausgabe, doch daran ist nichts zu ändern. Wenn es im allgemeinen ein Unglück für einen wissenschaftlichen Schriftsteller ist, daß seine Muttersprache keine weite Verbreitung hat, so ist das doppelt der Fall, wenn der Gegenstand seiner Studien eben die gesprochene Sprache ist, so daß eine ganze Reihe seiner wertvollsten Beobachtungen außerhalb seines kleinen Vaterlandes weder interessieren noch gewürdigt werden können. Indessen hoffe ich, daß meine Arbeit auch in dieser kürzeren Gestalt sowohl für denjenigen, der in der Phonetik zu- nächst nur die nötige Grundlage für vergleichende und historische Sprachforschung sieht, als auch für den neu sprachlichen Lehrer brauch- bar sein wird. Namentlich mit Rücksicht auf den letzteren ist die Lautlehre der drei europäischen Hauptsprachen (Deutsch, Englisch, Französisch) mit größter Ausführlichkeit behandelt worden.

Ich bin überall bestrebt gewesen, sowohl durch Selbsthören als auch durch Selbstdenken mir ein unabhängiges Urteil zu bilden. Wo ich nur die Beschreibungen anderer benutzen konnte, habe ich es ausdrücklich gesagt; in weitaus den meisten Fällen bespreche ich nur diejenigen lautlichen Erscheinungen, die ich viele Male und in den verschiedensten Umgebungen gehört habe, ja gewöhnlich nur solche, die ich zur Zufriedenheit kompetenter Eingeborener habe nachahmen können. Dennoch wird der Leser gut tun, sich in keinem einzelnen Fall blind

IV Vorwort.

auf micli zu verlassen, sondern alles immer wieder mit Eingeborenen zu prüfen. Meine Meinung über die landläufige phonetische Terminologie und deren nachteilige Wirkungen habe ich schon vor Jahren in Articulations of Speech Sounds ausgesprochen; ich hoffe auch durch dieses Buch das meinige dazu beigetragen zu haben, der leichtsinnigen An- wendung von Ausdrücken wie Ton, betont, Hochton, Akzent, guttural u. a. entgegenzuwirken und zu zeigen, daß man ohne Schaden vieles von dem gelehrten Terminologiekram entbehren kann, namentlich wenn man das analphabetische System anwendet, das hier einfacher gestaltet ist als in Articulations.

Um das Buch nicht zu dickleibig für ein Lehrbuch zu machen, habe ich eine ganze Anzahl von theoretischen Ausführungen, die für den Anfänger jedenfalls von untergeordneter Bedeutung sind, für einen anderen Band aufgespart, der bald unter dem Titel „Phonetische Grundfragen" erscheinen wird. Dort wird der Leser u. a. meine Gründe, warum die akustische Seite hier vernachlässigt ist, ferner meine An- schauungen über phonetische Methodik und Systematik, über das Laut- schriftproblem, über die beste Aussprache u. dergl. finden.

Die Übersetzung dieses Bandes ist von Herrn Dr. H. Davidsen in Kiel angefertigt, dem ich hier meinen besten Dank für seine Arbeit ausspreche.

Gentofte bei Kopenhagen, Januar 1904.

Otto Jespersen.

Inhalt.

Seite

Kapitel I. Einleitung 1—10) 1

Erster Hauptteil. Analyse.

IL Die Lippen 11—25) 11

Der Unterkiefer 26) . . . 25

in. Zunge. Zungenspitze 27—39) 27

IV. Die Zungenfläche (Artikulationen mit Vorderzunge, Mittelzunge,

Hinterzunge und Zungenwurzel) 40 55) 42

V. Das Gaumensegel 56—64) 55

Das Zäpfchen 65). Der Kehldeckel (§66) 65

VI. Der Kehlkopf 67—106) 67

VII. Die Atmungsorgane (§107—111) .113

Zweiter Hauptteil. Synthese.

VIII. Konsonanten 112—143) 121

iX. Vokale 144—163) 136

Dritter Hauptteil. Kombinationslehre.

X. Einzellaute und Lautverbindungen 164 168) 160

XL Assimilationen und Verwandtes 169 179) 164

XIL Lautdauer 180—190) 173

Xin. Silbe 191—210) . . 185

Diphthonge 211—215) 203

XIV. Druck 216—230) 207

XV. Ton 231—250) 221

Vierter Hauptteil. Nationale Systematik.

XVI. Die Sprachen als Gesamtheiten 251—256) 241

Verzeichnis

der wichtigsten Bücher, die mit verkürzten Titeln angeführt werden.

Art. (Artic.) = Jespersen, Articulations of Speech Sounds (Marburg 1889). Bell (A. M.), Ess. and Postscr. == Essays and Postscripts on Elocution (New- York

1886). Vis. Sp. = Visible Speech (London 1867). Beyer (F.), Franz. Phon. = Französische Phonetik, 2. Aufl. (Cöthen 1897). -Bremer (O.j, Deutsche Phonetik (Leipzig 1893). EUis (A. J.), E.E.P. = On Early English Pronunciation. I— V. (London 1869 ff.)

Pron. f. Singers == Pronunciation for Singers (London 1877). Engl. St. = Englische Studien. Zeitschrift (Leipzig). Evans (W. R.), Sp. Exp. = The Spelling Experimenter (London 1884). Fonetik = Jespersen, Fonetik (Kopenhagen 1897 99).

Grr. = Paul's Grundriß der gennanischen Philologie, 2. Aufl. (Straßburg 1897 ff.), Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen, 5. Ausg. (Brauuschweig 1896). Lloyd (R. J.), Northern English (Leipzig 1899). Neu. Spr. = Die Neueren Sprachen. Zeitschrift (Marburg). Passy (P.), Sons = Les Sons du Fran9ais, 5" ed. (Paris 1899). Chang. = Les

Changements phonötiques (Paris 1890). Phon. St. (Ph. St.) = Phonetische Studien. Zeitschrift (Marburg 1887—1893). Sievers, Grundzüge der Phonetik, 4. Aufl. (Leipzig 1893). Soames (L.), An Introduction to Phonetics (London 1891). Storm (J.), E. Ph. = Englische Philologie, 2. Aufl. (Leipzig 1892). Sweet (H.), Hdb. = A Handbook of Phonetics (Oxford 1877). Ä Primer of

Phonetics., 2=^ ed. (Oxford 1902). Primer of Sp. E. =^ k Primer of Spoken

English (Oxford 1890). Techmer (F.), Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft L

(Leipzig 1884). T. f. filol. = Nordisk tidskrift for filologi (Kopenhagen). Trautmann (M.), Die Sprachlaute (Leipzig 1884—86). Victor (W.), Elemente der Phonetik, 3. Aufl. (Leipzig 1894).

Erstes Kapitel. Einleitung.

1. Die Sprachlaute können und müssen ihrer Natur gemäß von sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus wissenschaftlich behandelt werden. Der Akustiker betrachtet alle Laute als Schwingungen; er spricht von Schallwellen und deren Foi-tpflanzung im Räume, und für ihn gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Lauten, die wir beim Sprechen benutzen, und denen, die z. B. durch ein Saiten- instrument hervorgebracht werden. Der Physiologe sieht in den Sprachlauten nur das Spiel von gewissen Muskeln und Sehnen; für ihn ist kein wesentlicher Unterschied vorhanden zwischen den Be- wegungen, welche die Zunge im Dienste der Sprache, und denjenigen, welche sie beim Kauen des Essens unternimmt. Erst dem Sprach- forscher ist der Sprachlaut und die ihn hervorrufende Muskeltätigkeit etwas ganz für sich, etwas von allen übrigen Lauten und allen übrigen Muskeltätigkeiten wesentlich Verschiedenes.

2. Welche Bedeutung hat denn das Studium der Phonetik für den Sprachforscher? Sowohl eine theoretische als auch eine praktische. Wer sich eine korrekte Vorstellung von dem Wesen und der Natur der Sprache zu bilden sucht, dem ist die Einsicht in das Wesen und die Natur der Laute unentbehrlich; sie sind die eine, die der Außenwelt zugekehrte Seite der Sprache. Sprache ist Sprechen, und Sprechen setzt Laute voraus; ohne Laute ist Sprache in der Form, in der wir sie kennen und benutzen, durchaus undenkbar. Ohne Laut- lehre daher kein Verständnis der Sprache, wie sie heutzutage wirkt und benutzt wird. Fast noch unentbehrlicher ist die Phonetik für die historische Sprachforschung. Wie diese Wissenschaft heutigen Tages getrieben wird, spielt die Lautgeschichte in ihr eine außer- ordentlich große Rolle. Und wie sehr man auch hervorheben mag, daß Sprachgeschichte nicht ausschließlich Lautgeschichte ist, und daß gegenwärtig vielleicht sogar eine Gefahr vorhanden sei, die historische Lautlehre einseitig auf Kosten anderer Seiten der sprachlichen Geschichte

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 1

2 Erstes Kapitel.

hervortreten zu lassen, so gilt es dennoch als unbestreitbare Wahrheit, daß ohne historische Lautlehre überhaupt gar keine Sprachgeschichte ins Leben gerufen werden kann. Um die Identität eines Wortes durch die Zeiten hindurch zu beweisen, muß man ja vor allem die wechseln- den Lautformen desselben zusammenstellen, und es wird alsdann Sache der historischen Lautlehre sein, den Nachweis zu liefern, daß die Ab- weichungen Aveder größer noch anders sind, als daß wir die vorgefundenen Formen im historischen Sinne als „dasselbe Wort" zu bezeichnen be- rechtigt sind. Man wird also erkennen, daß selbst die „Semasiologie" oder „Semantik", d. h. die Lehre von der wechselnden Bedeutung der Wörter, ohne vorhergehendes Studium der Lautgeschichte nicht mög- lich ist. Lautgeschichte setzt aber ihrerseits Phonetik voraus. Es wird nicht schwer fallen, in den Annalen der vergleichenden und historischen Sprachforschung zahlreiche Fälle zu finden, in denen Ge- lehrte durch mangelhafte Kenntnis der lautlichen Mechanik vollständig irregeführt worden sind, oder in denen die Kenntnis der in lebenden Sprachen wirklich vorhandenen Laute zu früheren, sonst als Rätsel dastehenden Lautentwickelungen den Schlüssel geliefert haben würde. Viele Erscheinungen in der Geschichte der Sprachen können mit Hilfe der Phonetik in einfacher, übersichtlicher Weise dargestellt werden, während die unphonetische Betrachtungsweise nur komplizierte Einzel- heiten ohne inneren Zusammenhang erblickt. Phonetische Einzel- wahmehmungen lautlicher Verschiedenheiten, die gegenwärtig neben einander in nahe verwandten Dialekten existieren, oder z. B. der Art und Weise, in welcher Kinder unvollkommen die Sprache ihrer er- wachsenen Umgebung nachahmen, können für das Verständnis der Sprachentwickelungen in früheren Perioden manchen Fingerzeig geben.

Daß ferner Phonetik die notwendige Grundlage einer jeden rationell aufgebauten Metrik ist, die ja auf jeder Seite mit den rein phonetischen Begriffen Silbe, Quantität und Akzent operiert, bedarf keines weiteren Nachweises.-^)

8. Ist somit die Phonetik für das theoretische Verständnis der Sprache unentbehrlich, so gilt dasselbe und wo möglich in noch höherem Grade von der praktischen Aneignung der Sprachen. Heutigen Tages spielt das Können fremder Sprachen eine weit gi-ößere Rolle als jemals zuvor; Jahr für Jahr wird die Anzahl derer immer

1) Einen Versucli, Phonetik und Psychologie auf die Erklärung einiger metrischen Erscheinungen zu verwenden, habe ich gemacht in „Den psykologiske grund til nogle metriske fenomener" (avec un resume en fran9ais), s. Oversigt over det danske videnskabers selskabs forhandlinger, (Kopenh. Ges. d. Wiss.) 1900, S. 487.

Einleitung. 3

größer, die aus diesem oder jenem Grunde im Verkehre mit Ausländern praktischer Sprachkenntnisse bedürfen; die Nationen begnügen sich jetzt nicht länger mit einem isolierten Einzelleben, sondern verkehren immer mehr mit einander; geschäftliches, wissenschaftliches und touristisches Leben wird immer mehr international. Dabei ist die Kenntnis der Schriftform der fremden Sprachen nicht in derselben Weise hinreichend wie im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, vor Einführung der Eisenbahnen, Dampfschiffe und Telephone; man muß die Sprachen jetzt sprechen können. Und mehr und mehr einigen sich die Lehrer darüber, daß zur Erzielung einer guten Aussprache eine phonetische Schulung unumgänglich notwendig ist: der fremd- sprachliche Lehrer muß mit den Hauptergebnissen der Phonetik ver- traut sein und es verstehen, seine Kenntnisse auch im Schulzimmer praktisch nutzbar zu machen. Diejenigen, die den meisten Mut gehabt haben, in dem Anfangsunterricht auch für kleine Kinder ein bißchen der elementarsten (natürlich nicht der hoch-theoretischen) Phonetik anzuwenden, sind ohne Ausnahme darüber einig, daß dadurch mit kleineren Anstrengungen seitens der Lehrer und Schüler bessere Resultate erreicht werden.^)

-— ' 4. Auch nicht für den Unterricht in der eigenen Muttersprache ist die Phonetik wertlos; im Gegenteil! Wir brauchen nur auf den Unterricht Taubstummer nach der Artikulationsmethode zu blicken. Wie es offen zu Tage liegt, daß die Phonetik hier eine bedeutsame Aufgabe hat, so wird es auch leicht einleuchten, daß man mit Hilfe praktischer Phonetik den gar nicht wenigen Menschen förderlich sein kann, die zwar in der Kindheit auf normale Weise ihre Muttersprache gelernt haben, die sich aber trotzdem von .dieser oder jener üblen Gewohnheit, einem sogenannten Sprachfehler, nicht haben lossagen können. Der eiue hat es sich angewöhnt, eine Reihe Konsonanten zu weit vorne im Munde zu artikulieren (lispeln), der andere kann ge- wisse Konsonantenverbindungen nicht hervorbringen usw. Nun liefft der Fall zwar so, daß bei einigen Individuen solche Sprachfehler auf dieser oder jener physischen Abnormität eines Sprachorganes beruhen können; in der weit überwiegenden Anzahl von Fällen beruhen sie aber auf einer frühzeitig erworbenen und niemals abgelegten üblen

1) Über Methodik des fremdsprachlichen Anfangsunterrichts ist in den letzten zwanzig Jahren so viel geschrieben worden, daß es mir hier unmöglich sein würde, auch nur die wichtigsten Schriften anzugeben. Mein eigenes Buch „Sprogundervisning" (Kopenhagen 1901) wird bald in englischer Übersetzung bei Swan Sonnenschein in London erscheinen.

1*

4 Erstes Kapitel.

Gewohnheit; und in diesen Fällen wird der geübte Phonetiker sehr leicht entdecken, worin diese üble Grewohnheit besteht, und eine ein- fache Methode, sie durch systematische Artikulationsgymnastik zu beseitigen, angeben können. So habe ich persönlich den Fall erlebt, daß ein mit Phonetik nicht vertrauter Arzt eine Operation der Zunge als das einzige Mittel angegeben hatte, um dem Betreffenden ein normales s beizubringen, während eine einfache Erklärung des Unter- schiedes zwischen der von diesem und der von uns anderen benutzten Organstellung, allerdings in Verbindung mit einiger Energie und Geduld bei der Einübung der neuen Zungenstellung, vollkommen hin- reichend war, ihm in verhältnismäßig kurzer Zeit ein s zu verschaffen, an dem kein gewöhnlicher Beobachter etwas Abnormes zu entdecken vermochte.

5. Auch wo von derartigen Fehlern keine Rede ist, wird die Phonetik eine Rolle spielen können. Wie viele gibt es nicht, für die eine dialektfreie Aussprache von großer Bedeutung ist: der Schau- spieler, der Kanzelredner, der Politiker, der Lehrer wird, wenn auch in verschiedenem Grade, an der vollen Ausübung seines Berufes ver- hindert und dem Verluste eines Teiles seines Einflusses ausgesetzt sein, falls er sich nicht von allen denjenigen Dialekteigentümlichkeiten freigemacht hat, über welche die Bewohner anderer Gegenden des Landes mit welchem Rechte, ist eine andere Frage sich lustig machen. Viele können sich, lediglich mittels des Beispiels und der Umgebungen, eine dialektfreie Aussprache aneignen, andere aber be- sitzen nicht von Natur ein hinreichend feines Ohr oder eine hin- reichend große unmittelbare Nachahmungsgabe, um dieses zu erreichen; und hier wird denn ein Phonetiker mit großem Vorteile zu Rate ge- zogen werden können und manchen vorzüglichen Wink zur Erreichung des Zweckes zu geben imstande sein. Außerdem will ich hier nur andeuten, daß Kenntnis der Phonetik dem Gesangslehrer behilflich sein wird, seinen Schülern verschiedene, den Gesang leicht entstellende Unarten abzugewöhnen.

6. Auch auf anderen Gebieten des praktischen Lebens kann und muß Phonetik eine Rolle spielen. Der erste Leseunterricht kann vom Phonetiker manch wertvollen Wink erhalten, obschon man sich hüten muß, alles, was auf diesem Gebiete unter dem Namen „Lautier- methode" geht, für angewandte Phonetik zu halten. Ferner: die Rechtschreibungsfrage taucht in allen zivilisierten Ländern peri- odisch auf, und jeder, der nicht die Meinung hat, daß die jetzige amtliche „Rechtschreibung" bis an das Ende der Zeiten ihre Gültig-

Einleitung. 5

keit behaupten werde, muß darauf vorbereitet sein, daß später ein- mal — oder viele Male wieder Ansprücbe auf orthographische Reformen werden erhoben werden. Aber nur wenn diese auf genauer Kenntnis der Laute der Muttersprache und der Lehre der Phonetik vom Verhältnisse zwischen Laut und Schrift basiert sind, ist Aus- sicht vorhanden, daß sie tatsächliche und dauernde Verbesserungen werden. Ein anderes verwandtes Feld, das beim heutigen rastlosen Hervorheben des Wortes „time is money" eine stets größere RoUe spielen wird, ist die Stenographie. Fast ausnahmslos würdigen die* stenographischen Systeme das bekannte „Schreibe wie du sprichst" als ihr höchstes Prinzip, wenn aber dieses Prinzip in den gegenwärtig am meisten verbreiteten Systemen fast eben so oft übertreten wie be- folgt wird, so liegt dieses in dem Mangel an phonetischem Unterbau bei den Erfindern der Systeme ein Mangel, der sich ohne jeglichen Zweifel weit fühlbarer rächt, als die meisten Stenographen es ahnen. Nur auf jeiner wahren phonetischen Grundlage kann ein wirklich praktisches stenographisches System aufgebaut werden.

7. Die Phonetik hat also viele Berührungspunkte mit einer er- heblichen Anzahl verschiedener Gebiete des menschlichen Wissens und praktischen Handelns gemeinsam: Physik, Anatomie, Physiologie, vergleichende Sprachforschung, Metrik, praktische Sprachaneignung, Unterricht in der Muttersprache, Taubstummenunterricht, Heilung von Sprachfehlern, Rhetorik, Schauspielkunst, Gesang, Rechtschreibung, Stenographie. Gerade diese mannigfachen praktischen und theoretischen Aufgaben, bei deren Lösimg die Phonetik behilflich ist, macht das Studium derselben so anziehend. Man wendet naturwissenschaftliche Methoden auf linguistische Erscheinungen und geisteswissenschaftliche Methoden auf physikalische und physiologische Erscheinungen an, und erst dadurch gelangt man zu einer wirklich umfassenden An- schauung dessen, was es heißt, von dem Leben der Sprache zu reden. Erst durch die Phonetik können fremde Sprachen für uns wirklich lebende Sprachen werden, und es ist nun einmal Tatsache, daß man nur durch die Sprache einer fremden Nation in das innerste Leben der Nation, und daß man nur durch die Laute einer Sprache in den Geist dieser Sprache eindringen kann. Nur wenn man sich eine so gute französische und englische Aussprache erworben hat, daß man wie ein Einheimischer durch die geschriebenen Worte die gesprochenen Worte hindurchklingen hört, nur dann kann man den vollen Genuß französischer und englischer Poesie oder künstlich geformter Prosa erreichen. Dazu führt aber kein anderer Weg als durch die Phonetik.

6 Erstes Kapitel.

8. Man darf nun nicht wähnen, daß man in der Phonetik ent- weder ausschließlich Theoretiker oder ausschließlich Praktiker sein kann. Es ist dies in der Tat unausführbar, und ein dahingehender Versuch wird sich immer rächen. Allzuoft kann man in sprach- wissenschaftlichen Werken Ausdrücke und Entwickelungen antreffen, die insofern scheinbar phonetisch sind, als die phonetischen Kunst- ausdrücke benutzt werden, die aber genauer untersucht sich als lauter Wind, als Worte ohne wirkliche Bedeutung herausstellen. Ein volles 'Verständnis kann durch bloßes Lesen von lautwissenschaftlichen Werken nicht eingeholt werden; man muß völlig praktisch mit Lauten vertraut werden, um durch das Studium einen Gewinn zu erzielen, das heißt, man muß sich daran gewöhnen. Laute und Lautnuancen beim Anhören wieder zu erkennen und sie nachzuahmen, und zwar nicht nur einmal und grade wenn man andere sie aussprechen hört, sondern so, daß man sie völlig beherrscht und in jedem beliebigen Augenblicke hervor- bringen kann. Dazu ist aber Übung, lange ausdauernde, geduldige Übung erforderlich. Die Sprachorgane sind im erwachsenen Alter in dem Maße gewohnt, sich auf den einmal abgesteckten Bahnen zu bewegen, wo die Laute der Muttersprache erzeugt werden, daß jede Abweichung Schwierigkeiten ähnlicher Art verursacht, wie die, welche ein angehender Klavierspieler zu überwinden hat, um seinen Fingern die hinlänglich bestimmte und schleunige Fügsamkeit beizubringen. Bisher unbekannte Laute und Lautverbindungen kann man gewöhnlich nur nach langer systematischer „Artikulationsgymnastik" mit Sicherheit nachahmen. Und während die Artikulationsorgane trainiert werden, entwickelt sich gleichzeitig das Ohr, das auf dem durch die Muttersprache angewiesenen Gebiete so feinempfindlich ist, daß es selbst sehr geringe Lautabstufungen mit Leichtigkeit unterscheidet, das aber außerhalb dieses Gebietes in der Auffassung von Lautunter- schieden merkwürdig träge sein kann/ Nur von demjenigen, der beim Lesen eines phonetischen Werkes gleichzeitig gewissenhaft die be- sprochenen Laute und Lautverbindungen praktisch einübt und dadurch die völlige Herrschaft über eine nicht zu geringe Anzahl ihm ursprüng- lich fremder Laute gewinnt, nur von dem kann man sagen, daß er die Voraussetzungen eines theoretischen Verständnisses der Lautüber- gänge in der Geschichte der Sprachen besitze. Aber auch die aus- schließlich praktische Phonetik verschlägt nicht viel, wenn sie nicht durch theoretisches Wissen von der Natur und Erzeugungsweise der Laute unterstützt wird. Es gibt ja einzelne Menschen, die mit Leichtig- keit fremde Laute nachahmen, ohne selbst von der Art ihres Ver-

Einleitung. 7

fahrens eine Ahnung zu haben. Wie wertvoll ein solches Talent auch als Grundlage der Sprachaneignung sein mag, so haften ihm doch gewisse Mängel und Gefahren an. Zunächst wird der Betreffende in der Regel nur als Echo des von ihm entweder soeben oder doch nicht recht lange vorher Gehörten zu dienen im stände sein; von einer dauernden Beherrschung der fremden Laute ist keine Rede. Und wer auf diese Weise eine fremde Sprache gelernt hat, wird kein guter Lehrer dieser Sprache sein, weil er von den Schwierigkeiten, mit denen seine Schüler zu kämpfen haben, keine Vorstellung besitzt, und weil er ihnen keine Mittel und Wege zur Überwindung dieser Schwierigkeiten anweisen kann. Wird dagegen die Übung im Nach- ahmen ungewohnter Laute durch die Einsicht dessen unterstützt, was den Unterschied zwischen diesen imd den gewohnten ausmacht, so haftet der Laut erstens fester und kann in Bedarfsfällen, selbst wenn man ihn seit langen Zeiten nicht von Einheimischen gehört hat, leichter immer wieder hervorgerufen werden; und zweitens ist die Beherrschung nicht auf den Besitz eines einzelnen beschränkt, sondern läßt sich auch anderen mitteilen. Für den Lehrer wenigstens müssen phonetische Theorie und phonetische Praxis immer Hand in Hand gehen.

9. Das Verfahren der folgenden Darstellung wird auf dem Grund- satze beruhen, überall vom Einfachen zum Zusammengesetzten zu gehen, also mit den kleinsten von uns erreichbaren Teilen zu beginnen und auf der bei der Behandlung dieser gewonnenen Grundlage zu immer größeren und umfassenderen Gesamtheiten weiter zu schreiten. Bei konsequenter Durchführung dieses Prinzipes wird die Darstellung in folgende Hauptteile zerfallen:

L Analyse. Hier wird die Lehre von den Stellungen und Be- wegungen jedes einzelnen Sprachorgans für sich behandelt, ohne Seitenblicke auf die gleichzeitigen Vorgänge in den übrigen Teilen des menschlichen Sprechapparates wobei jedoch praktische Rück- sichten hier und da, zumal am Schlüsse der Darstellung, gewisse Modifikationen dieses Prinzipes erheischen. Die einzelnen Stellungen eines Organs nennen wir Elemente.

IL Synthese. Darunter verstehe ich die Lehre von den Lauten (Einzellauten), als durch gleichzeitige Tätigkeit mehrerer (aller) Sprach- organe entstandene, mithin als von mehreren Lautelementen zusammen- gesetzte Erscheinungen betrachtet.-^)

1) Es dürfte wohl keine Schwierigkeiten verursachen, daß ich hier das Wort „Synthese" in einer anderen Bedeutung gebraucht habe, als die meisten Phone- tiker, die darunter dasjenige verstehen, was ich Kombinationslehre nenne.

8 Erstes Kapitel.

III. Kombinationslehre oder die Lehre von der Verbindung der einzebien Laute mit den vorhergehenden und nachfolgenden Lauten; hier wird also der Laut als Glied der zusammenhängenden Rede betrachtet. Da wir es hier erst mit etwas zu tun haben werden, das eine zeitliche Reihenfolge bildet, so werden wir auch am natürlichsten hier die Lehre von der Zeitdauer (Quantität, Länge) der Laute behandeln, wenn zwar diese abstrakt gesehen vielleicht als eine Eigenschaft des Lautes als einzelnen Lautes ohne Rücksicht auf dessen Verbindung mit anderen bezeichnet werden könnte. Ferner gehört hierher die Lehre von den Silben und von denjenigen Erscheinungen, die sich wesentlich an Silben knüpfen, wie besonders der „Akzent".

Schließlich können wir in einem letzten Abschnitte jede Sprache für sich als eine Einheit, als ein Individuum betrachten und somit zu dem gelangen, was man in Ermangelung einer besseren Bezeichnung

IV. Nationale Systematik nennen könnte. Darin werden diejenigen gemeinschaftlichen Züge behandelt, die das Lautsystem jeder einzelnen Sprache im Gegensatze zur „Artikulationsbasis" anderer Sprachen charakterisieren, und es wird eine Übersicht über die einzelnen Laute und lautlichen Phänomene gegeben, die sich in dieser Sprache ver- einigt finden.

10. Die Anordnung des analytischen Abschnittes wird natur- gemäß durch die Reihenfolge der tätigen Organe selbst bestimmt sein, und zwar will es mir am angemessensten erscheinen, von außen her, mit den Lippen zu beginnen, um darauf immer weiter nach innen bis zu den Lungen zu schreiten. Gegen diese Anordnung könnte der Umstand reden, daß wir uns auf diese Weise in einer Richtung be- wegen werden, die der vom Luftstrome im Laufe des Sprechens ge- nommenen ' entgegengesetzt ist, so daß es naturgemäß erscheinen könnte, umgekehrt mit den Lungen zu beginnen und darauf nach oben zur Kehle und vorwärts im Munde zu den Lippen zu gehen. Durch die hier gewählte Anordnung wird indessen ein sehr bedeutender pädagogischer Vorteil erreicht, indem man, von außen beginnend, zuerst zur Behandlung der bekanntesten Organe gelangt, deren Ein- richtung und Tätigkeit wir bereits von der täglichen unmittelbaren Anschauung her in bedeutendem Umfange kennen. Man schreitet alsdann von diesen bekannteren Gegenden nach den weniger bekannten Regionen, die, weiter drinnen liegend, sich zum großen Teile einer Untersuchung des unbewaffneten Auges entziehen, und man geht somit stets vom Bekannten zum Unbekannten, vom Leichten zum Schwierigen. Innerhalb des Gebietes jedes einzelnen Organes beginnt

Einleitung. 9

die Darstellung mit der am meisten geschlossenen Stellung und geht alsdann weiter zu immer größerer Öffnung.

Als Lautschrift^) wird das Alphabet der internationalen phoneti- schen Gesellschaft (Association phonetique internationale) und deren Zeitschrift (Le maitre phonetique) verwendet.^) Daneben wird aber mein analphabetisches Zeichensystem gebraucht, dessen Prinzip das fol- gende ist: jedes Lautelement erhält eine Formel, die aus lateinischen und griechischen Buchstaben samt Zahlzeichen zusammengestellt ist, um (ähnlich wie etwa eine chemische Formel) die Organstellung möglichst genau anzugeben. Da die gewählten Symbole an sich sehr einfach sind, ist dieses System erfahrungsmäßig sehr leicht sich ein- zuprägen, wenn man nur nicht versucht alles auf einmal zu bewältigen, sondern jedes Zeichen für sich lernt, indem man die Beschreibung der betreffenden Organstellung liest.

1) Über das schwierige Problem, eine allen Anforderungen entsprechende Lautschrift zu konstruieren, s. Grundfragen Kap. IJI.

2) Die Lautschrift steht stets in eckigen Klammem [ ].

Erster Hauptteil.

Analyse.

Zweites Kapitel. Die Lippen.

11. Das analphabetische Zeichen für die Lippen ist a (alpha).

Die ZAierst zu behandelnde Artikulation ist diejenige, bei der ein vollständiger Verschluß gebildet wird, so daß der aus den Lungen in den Mund getriebene Luftstrom einem bestimmten Hindernisse be- gegnet und nicht herausgelassen wird. Da man im analphabetischen Zeichensysteme den Grad der Öffnung durch Ziffern bezeichnet, und da hier gar keine Öffnung vorhanden ist, so wird also das Symbol für diesen vollständigen Lippenverschluß aO.

Spricht man vor einem Spiegel Lautverbindungen wie [apa, ipi, upu, api, ipa] usw. aus, so wird man leicht wahrnehmen, daß jedesmal in der Mitte der Lautgruppe ein solcher vollständiger Ver- schluß der Ober- und Unterlippe stattfindet; [p] wird also durch den Lippenverschluß charakterisiert und wird daher ein Lippenverschlußlaut oder ein labialer Klusil genannt. Daß es indessen beim Erzeugen des [p] nicht auf den Lippenverschluß allein ankommt, davon können wir uns leicht überzeugen, indem wir die entsprechenden Lautgruppen mit einem [b] oder [m] anstatt des [p] aussprechen, also aba, ibi, ubu, abi, iba . . . ama, imi, umu, ami, ima . . . Hier wird uns der Spiegel dieselben Bewegungen und Stellungen zeigen wie bei [apa] usw.; der Unterschied zwischen [p], [bj und [m] muß also auf etwas anderem als der Lippentätigkeit beruhen. Freilich werden wir vielleicht bei einer genauen Vergleichung von [apa] und [aba] finden, daß im ersteren Falle mit größerer Energie artikuliert werde, daß die Lippenmuskulatur bei [p] mehr gespannt sei als bei [b], aber dieses ist doch von mehr untergeordneter Bedeutung,

Die Lippen. 11

und wir werden zwischen [aba] und [ama] keinen ähnlichen Unter- schied entdecken können. Was es denn sei, das den Unterschied zwischen den drei Lauten [p], [b] und [m] ausmache ja, davon wird in einem späteren Abschnitte die Rede sein; hier müssen wir uns vorläufig streng an dasjenige halten, was an den Lippen vor- geht, und dort müssen wir dann konstatieren, daß in den drei Lauten ein Lippenelement enthalten ist, und zwar der vollständige Verschluß: aO.

12. Wenn man wiederum seinen Spiegel hernimmt und [apa] sagt, so wird man leicht auf die Frage verfallen: was ist das Wichtigste, was ist es, welches den Wesenskern des [p] ausmacht? Ist es der Umstand, daß eine verschließende Bewegung stattfindet, daß die Lippen sich nähern, bis sie gänzlich den Luftstrom abspeiTen? Oder der Umstand, daß sie sich, nachdem sie einen Augenblick verschlossen gewesen sind, wieder von einander entfernen? Oder ist beides er- forderlich? Oder ist möglicherweise das Entscheidende keins von beiden? Eine vollständige Beantwortung dieser Frage in ihrem ganzen Umfange als eines wichtigen Gliedes eines der schwierigsten Probleme unserer Wissenschaft kann hier nicht gleich zu Anfang gegeben werden; doch, können schon hier einzelne Momente zur Beurteilung der Frage gegeben werden.^) Bei allgemeiner Aussprache von [pa] oder einer ähnlichen Lautgruppe, in der [p] also den Anfang bildet „im Anlaute steht" , spielt sprachlich betrachtet das Verschließen der Lippen keine Rolle; es kann dies sehr wohl lange vorher statt- gefunden haben; das Wichtigste ist hier augenscheinlich das Offnen. Umgekehrt beim Aussprechen des [p] „im Auslaute", also in [ap] oder [ip]; hier werden freilich die Lippen fast immer nach einem kurzen Augenblicke des Verschlossenseins wieder geöffnet, aber not- wendig ist dies durchaus nicht; das Entscheidende scheint hier die verschließende Bewegung zu sein. Kommt [p] „in den Inlaut", z. B. in [apa, ipi] usw., so stellen sich notwendig beide Bewegungen heraus; nehmen wir aber solche Verbindungen wie [ampa] (z. B. im Worte Lampe) oder [amba] (wie in Ambassadeur, Imbiß), so werden wir leicht gewahren, daß sich die Lippen in dem Augenblicke verschließen, wo [m] gebildet werden soU; der Verschluß dauert vom [m] bis zum folgenden [p] oder [b] fort, so daß kein neues Verschließen statt- findet; mit anderen Worten: [p] und [b] werden hier wesentlich eben- so gebildet wie in den FäUen, wo sie im Anlaute standen, und der

1) S. unten § 165 und Grundfragen.

12 Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel.

Sprechende aus diesem oder jenem Grunde vorher mit geschlossenen Lippen schon dastand. Kehren wir die Lautgruppe um, so daß wir [apma] oder [abma] erhalten, so wird umgekehrt die Offnungsbewegung bei [pj und [b] gespart oder richtiger hinausgeschoben, bis auch [m] ausgesprochen worden ist. Und denken wir uns endlich eine Laut- gruppe [ampmaj eine solche erhalten wir oft beim schnellen Aus- sprechen eines Wortes wie Ämtmann, wo das t in der Eile wie p ausgesprochen wird, also [ampman] , so werden wir finden, daß wir, um das [p] zu erzeugen, weder die Lippen zu schließen brauchen (da sie vorher geschlossen sind), noch sie zu öffnen nötig haben (da der folgende Laut auch Lippenverschluß erfordert). Da es nun ungereimt sein würde, alle diese Verhältnisse unterscheiden und behaupten zu wollen, daß wir eine Art [p] hätten, bei der nur das OflEnen, eine andere, bei der nur das Schließen, eine dritte, bei der beides, und eine vierte, bei der keins von beiden verlangt würde, so wird es am natürlichsten und gereimtesten sein, das eigentlich Charakteristische des [p], dasjenige, welches das Wesen des [p] ausmacht, in dem allen- diesen Fällen doch gemeinsamen Umstände zu suchen, daß der Luft- strom an einem gewissen Zeitpunkte durch die Lippen ganz abgesperrt ist; das Wesentliche ist also nicht die Bewegung an- und auseinander sie hängt von den Umgebungen ab , sondern die Stellung, der „Verschluß" selbst. Dasselbe gilt vom [m]; das den verschiedenen [m]en, dem [m] in [ma, am, ama, amba, abma, abmba]^) Gemeinsame ist eine gewisse Stellung der Sprachorgane, in welcher der Lippen- verschluß als Element enthalten ist.

13. Während die Lippen bei [p], [b] und [m] ganz geschlossen waren, sind sie bei allen übrigen Lauten mehr oder weniger geöffnet.^)

Der geringste Offnungsgrad analphabetisch al ergibt sich, wenn die Lippen an beiden Seiten dicht aneinander gelegt sind, während sie in der Mitte dem Luftstrome die Gelegenheit bieten, aus einer kleinen rundlichen, ungefähr erbsengroßen Öffnung zu ent- schlüpfen. Diejenige Stellung, welche die Lippen beim Flöten ein- nehmen, ist sehr annähernd dieselbe. Dies ist das Lippenelement des Lautes [w], z. B. im Englischen sehr allgemein; es findet sich z, B. im Anfangslaute von wet und wJiet, witch und wMch über den Unter-

1) Häufig in nebenbei [ne-bmbai], Rabenbein [ra'bmbain].

2) In der französischen Wortverbindung „petite pomme d'api" befinden sich viele Lippenverschlüsse, weshalb sie denn auch den Damen empfohlen zu werden pflegt, „qui veulent donner ä leur bouche un tour gracieux" (Mörimde, Lettres a une ine. I. 34).

Die Lippen. 13

schied zwischen w und wh [hw] siehe unten § 95 auch, mit u ge- schrieben, in persuade, queen usw.^)

Auch im Französischen gibt es ein [w] mit al, allgemein ou geschrieben, wie in oui [wi]; das Verhältnis zwischen diesem [w] und einem wirklich vokalischen [u] wird unten 124, 197) be- handelt werden.

14. Von der Lippenstellung des [w] etwas verschieden ist die- jenige, welche den Laut [u] kennzeichnet.^) Dieser Laut ist im Deutschen ziemlich verbreitet; er findet sich nach den Lauten [k, J, ts] in Wörtern wie Qual, Schwester, zwei wo jedoch einige Gegenden Norddeutschlands [v] haben , sowie außerdem in ganz Mittel- und Süddeutschland für geschriebenes w {wie, was), wo man im Nord- deutschen [v] hat; ferner hört man es sehr allgemein für geschriebenes h zwischen Vokalen: aber, liebe, lebe, habe usw. Letzteres gilt nach Vietor (S. 245, Anm. 1) von Mitteldeutschland, scheint mir aber auch in Norddeutschland verbreitet zu sein.^)

Es kommt nun darauf an, die Bildungs weise des [is] zu bestimmen. Sowohl dieser Laut als auch [w] sind offene Konsonanten (im Gegen- satze zu den Verschlußlauten) und gehören zu derjenigen Klasse der- selben, die lateinisch Frikative oder Spiranten^), deutsch Reibelaute oder besser Engelaute genannt werden; dem Worte „Verschluß" parallel benutzen wir das Wort „Enge" als technische Bezeichnung einer derartigen Einengung der mittleren Linie des Luftweges, daß beim Hindurchpressen der Luft ein selbständiger Laut entsteht.^) Innerhalb dieser Abteilung der Konsonanten aber wird man am besten zwei Klassen unterscheiden; der Unterschied beruht auf der Größe und namentlich auf der Form der Enge. Sprechen wir nacheinander [awa] und [aisa] aus, so werden wir (in einem Spiegel) leicht wahr- nehmen, daß die Öffnung bei [w] mehr rund, bei [u] mehr flach ist;

1) Auch in dänischen Dialekten, s. die dän. Fonetik 178.

2) Sehr oft in Lautschrift durch das Zeichen [b] bezeichnet.

3) Derselbe Laut ist auch im Spanischen, vgl. unten § 15, und, wenn auch seltener, im Dänischen vorhanden.

4) Der Name ist nicht besonders günstig, teils weil er leicht zur Ver- wechselung mit „Aspiraten" Anlaß gibt und tatsächlich gegeben hat, teils weil er so gebildet ist, als ob nur bei den Spiranten eine Ausatmung stattfände, während dies doch die normale Bedingung aller Sprachlaute ist (cf. Kap. VII).

5) Bell und Sweet gebrauchen den Namen „open consonants" von Engelauten, während hier das Wort „oflFene Konsonanten" mehr naturgemäß von allen Kon- sonanten außer den Verschlußlauten, also auch Laute wie [1, r] umfassend, ge- braucht wird.

14 . Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel.

bei [w] kann man nicht die Zähne von außen her sehen, bei [ü] da- gegen erblickt man durch den Offhungsspalt den unteren Rand der Oberzähne und (oder) den oberen Rand der Unterzähne (in der Regel natürlich nur der Vorderzähne). Machen wir die Öffnung des [w] kleiner, ohne ihre Form zu verändern, so erhalten wir diejenige Lippenstellung, die beim Flöten benutzt wird; tun wir das nämliche hinsichtlich des [u], so ergibt sich diejenige Stellung, die beim „Brummen" zur Nachahmung von Hornmusik gebraucht wird. Wir treffen hier zum ersten Male eine Unterscheidung, die mit mehr oder weniger Bestimmtheit bei den verschiedenen anderen Lautklassen wiederkehrt, die Unterscheidung einer dünneren und einer breiteren Öffnung. Hier, bei den Engelauten, läßt sich der Unterschied be- zeichnen als der zwischen einer Rille, worunter also eine fast runde, schmale Öffnung wie bei [w] verstanden wird, und einem Spalt, worunter die flachere, breitere Öffnung wie bei [u] zu verstehen ist. Eine schematische Zeichnung wird ungefähr so aussehen:

O für Rille,

-=^1111^ 111111^^=^ für Spalt.

Es begreift sich leicht, daß bei der letzteren Öfl&iungsform allemal mehr Luft herausströmt; dies wird nicht nur der Fall sein, wenn die Entfernung der beiden Lippen, in der Mitte (gerade unter der Nasen- wand) gemessen, annähernd dieselbe ist, sondern sogar, wenn sie sich etwas kleiner als bei der riUenförmigen Öffnung gestaltet. Da wir analphabetisch den Öffnungsgrad durch Ziffern bezeichnen, so erhalten wir die Bezeichnung

al für das Lippenelement von [w],

«2 für das Lippenelement von [u], wobei selbstverständlich von keiner eigentlich mathematischen Genauig- keit die Rede sein kann, als ob etwa bei diesem Laute genau doppelt so viel Luft herausströmen sollte, wie bei jenem: wir müssen uns hier, wie so oft nachher, auf halbkonventionelle Weise die in sprachlicher Hinsicht besonders zu unterscheidenden Öffnungsgrade numerieren. Wir haben also bisher mit folgenden Lippenelementen zu tun gehabt:

Verschluß analph. 0. Rille analph. 1.

Enge lo, 1. 1 1 c.

löpalt analph. 2.

15. Die Lippen können auch eine solche Stellung einnehmen, daß sie sich in der Mitte leicht berühren, an beiden Seiten aber der Luft freien Austritt lassen. Diese Artikulationsform erzeugt also

Die Lippen. 15

seitengeöffnete Laute, oder kürzer ausgedrückt: Seitenlaute (englisch: side consonants oder divided; lateinisch: lateral); analphabetisch wird sie durch römische Zahlen ausgedrückt, so daß also das hier in Rede stehende Lippenelement durch ai bezeichnet wird. Bei den Lippen spielt indessen die geteilte Artikulationsform keine große Rolle, da es infolge des Baues der Lippen schwierig ist, auf diese Weise so präzis zu artikulieren, daß das Ergebnis von der vollständig geschlossenen Stellung aO und von der spaltförmigen Öffnung «2 sich scharf unter- scheiden läßt; der dabei erzeugte Lippenlaut wird nur im Spanischen beschrieben, wo er als eine Variante des geschriebenen &^) angeführt wird; der Sachverhalt dürfte wohl der sein, daß das spanische h mit so loser Annäherung der Lippen artikuliert wird, daß nebeneinander, je nach Person und Stimmung wechselnd, sich bald ein wirklicher Verschluß [b] (aO), bald ein sehr enger Spalt [u] (a2), bald Öffnungen an der Seite mit mehr oder weniger fester Berührung in der Mitte: «I ergeben.

16. Die Lippen können zum „Schnurren", Zittern oder Vibrieren (englisch trill) gebracht werden, indem man sie straff zieht und ein- ander nähert, worauf ein starker Ausatmungsstrom sie einen Augen- blick etwas auseinander und auswärts treibt, bis die Elastizität der Lippen den Druck der Luft überwindet und diese ein wenig zurück- treibt; dieselbe Bewegung hin und her wird rhythmisch mehr oder weniger Male wiederholt. Das analphabetische Zeichen für das Zittern oder Schnurren überhaupt ist R, also ist ccR das Zeichen für dieses Zittern der Lippen. Als Interjektion kommt «R nicht selten als Ausdruck desjenigen Unbehagens vor, das sowohl durch Wärme ^) (in der Regel in schwächerer Form) als durch Kälte ^) (in kräftigerer Form) hervorgerufen wird, und es kann auch als Zeichen des Abscheues und der Verachtung benutzt werden^); in diesen Fällen ist der Laut stimmlos. Die größte RoUe spielt der Laut jedoch, bei uns wenigstens, als Ruf an die Pferde, um diesen Halt zu gebieten (hier oft stimm-

1) Siehe Storm Englische Philologie 154 (Sweets Analyse), 314; Schuchardt Zeitsclir. f. roman. Philol V. 307 ; Art. § 87.

2) Sievers 113: Man bildet diesen Laut, in Deutschland wenigstens, stimm- los oft beim tiefen Ausatmen bei großer Hitze als eine Art Interjektion, die Erschöpfung andeutet.

3) Roorda, Rlankleer 42: lip-r, hrrr^ een klank, dien men laat hooren als men koud is.

4) Sievers a. a. o. Vergl. schon Wilkins (1668) s. 360: Trepidation of the lips, like that sound which is used in the driving of cows, to which there is a correspondent mute, sometimes used as an interjection of disdain.

16 Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel.

haft); er wird alsdann in Büchern gewöhnlich prrr geschrieben, obgleich er kein wirkliches [p] vor sich hat oder zu haben braucht, oft wird die Wirkung durch gleichzeitiges uvulares Zittern (siehe § 65; «Rz/r) verstärkt. Als eigentliches Element gewöhnlicher Sprache wird das Lippenzittern kaum vielfach vorkommen^); Genetz^) erwähnt dessen Vorhandensein im Finnischen, und zwar in einigen Interjektionen und den davon gebildeten Wörtern, wie pruu, prukottelen also vom Deutschen kaum wesentlich abweichend.

17. Bisher haben wir nur die Form und die Größe der Lippen- öffnung berücksichtigt; daneben spielt aber auch ihre Stelle eine ge- wisse Rolle. Spricht man nacheinander [umu] und [imi] aus (oder, wenn man es vorzieht, Wörter wie mumme, mumie, mimisch, imitiren) so wird man bei den verschiedenen [m]en einen Unterschied der Lippenstellung wahrnehmen können; die Lippen sind zwar bei jedem [m] geschlossen, aber nicht genau an derselben Stelle; vergl. auch upu mit ipi, uhu mit ihi. Bei dem von [u]en umgebenen aO sind die Lippen vorgeschoben, von den Zähnen entfernt; bei dem von [i]en umgebenen sind sie weiter zurück, den Zähnen näher; würden wir einen von [a]en umgebenen Lippenverschluß [ama, apa, aba] nehmen, so würden wir eine dazwischenliegende Stellung erhalten. Den Unter- schied beachten wir im allgemeinen nicht, aber bei einiger Übung im Festhalten der verschiedenen Stellungen wird man auch im Unter- scheiden des Lauteindruckes Fertigkeit erlangen köimen, sodaß man, sobald man ein Anfangs-[m] hört, schon vorhersagen kann, ob ein [i] oder ein [u] (oder wenigstens ein [i]-artiger oder ein [u]-ai-tiger Vokal) werde nachfolgen sollen. Analphabetisch wird die Artiku- lationssteUe durch einen lateinischen Buchstaben bezeichnet; die äußerste wird a genannt, und so fährt man im lateinischen Alphabete fort, je nachdem man allmählich weiter nach innen gelangt. Diese Buchstaben werden in der Regel als Exponenten oben rechts an der Zahl an- gebracht, welche die Größe der Öffnung zeigt, also z. B. aO*; benutzt man sie allein (ohne Zahlen), so wird man, um Verwechselungen zu vermeiden, am besten ein Kolon : vor sie setzen. Wir unterscheiden nun drei Lippenstellungen, die also folgendermaßen symbolisiert werden :a (die äußerste), :b (die mittlere), :c (die innerste); die Lippenelemente der drei [m]-Laute sind also zu schreiben:

1) Was Hoffory (Kuhns Zeitschrift XXIII 536) über das Vorkommen im Dänischen schreibt, ist ungenau, vgl. meine Fonetik S. 183.

2) Lautphysiol. Einführung in das Studium der westfinnischen Spr. 1877 S. 15.

Die Lippen. 17

(u)in(u) aO*

(a)|m(a) aO^

(i) m (i) «0*=

Die hin- und hergehenden Bewegungen der Lippen lassen sich vielleicht am besten an der Stellung der Mundwinkel wahrnehmen und bestimmen: wenn wir vorgestülpte Lippen (Lippenplatz :a) haben, so wird eine Verbindungslinie der beiden Mundwinkel ganz außerhalb der Zahnreihe liegen; bei der mittleren Lippenstellung (:b) befinden sich die Mundwinkel ungefähr an den Eckzähnen, und bei der innersten (:c) ganz hinten am zweiten oder dritten Backenzähne.^) Bei den erwähnten Konsonanten [p, b, m] spielt nun diese Unterscheidung nach der Stelle der Artikulation keine weitere Rolle in der Ökonomie der Sprachen, weil diese Konsonanten sich gewöhnlich von den sie umgebenden Vokalen mitziehen lassen; anders dagegen schon bei den Lippeuengelauten. Bei [w] wird man wahrnehmen, daß die runde Öffnung, die „Rille", jedenfalls am leichtesten hervorgebracht wird, wenn die Lippen sich gleichzeitig etwas vorstülpen, sodaß die Formel al* oder wenigstens al*^ wird; dagegen wird der [u]-Spalt am ge- wöhnlichsten bei neutraler Lippenstellung, also «2^, oder auch bei etwas zurückgezogenen Lippen, «2'^'' oder gar «2°, hervorgebracht werden.

18. Aber die Stelle, die wir als :c bezeichnet haben, ist nicht die innerste, welche die Lippen erreichen können; noch weiter nach innen kommen wir zu der Stelle :d, d. h. zu der unteren Schneide der oberen Vorderzähne; hier ist es möglich, einen Doppellippen Verschluß herzustellen, indem beide Lippen zwischen die Zahnreihen eingesaugt werden. Als Sprachlaut wird dieser nicht verwandt, doch findet er sich in dem Zuruf schwedischer und norwegischer Kutscher an ihre Pferde, um sie anzutreiben; die feuchten Lippen werden ziemlich weit eingesaugt und dann mit einem vernehmbaren Schwupp von einander entfernt.

1) Selbstverständlich sind diese drei Stellungen nicht die einzigen, welche die Lippen einnehmen können; sie sind nur als besonders typische gewählt, aber tatsächlich nehmen die Lippen oft Zwischenstandpunkte ein, die analpha- betisch durch zwei Buchstaben bezeichnet werden können, so daß :ab eine zwischen :a und :b, aber näher an :a gelegene Stellung andeutet; aO^» heißt also Lippenverschluß mit fast unmerklich vorgestülpten Lippen (näher an :b als an :a). Soll man ausnahmsweise den Punkt angeben , der ganz genau in der Mitte zwischen den zwei durch die Buchstaben bezeichneten Stellen liegt, so kann dies nach einem Vorschlage Storms durch einen kleinen senkrechten Strich geschehen, also z. B. aO'*'c.

Jeapersen, Lehrbuch der Phonetik. 2

18 Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel.

Während diese Bildungsweise zu unpraktisch für die Verwendung im Dienste der Sprache ist, gilt dieses nicht von Lauten, welche an derselben Stelle von einer einzelnen Lippe erzeugt werden. In den selteneren Fällen wird dies die Oberlippe sein; bei der normalen Artikulation von [f] und [v] ist es die Unterlippe, welche gegen die Oberzähne wirkt; letzteres ist leichter ausführbar, teils weil die Unter- lippe an sich beweglicher ist als die Oberlippe, teils und vor allem, weil die Oberzähne normaler Weise etwas weiter draußen sitzen als die Unterzähne. Wir haben es hier also mit Unterlippenlauten zu tun, lat. dentilabial, doch besser labiodental, weil die Lippe als das bewegliche Organ zuerst genannt zu werden verdient; auch deutsch oft Lippenzahnlaut.

Die Laute, mit denen wir es hier wesentlich zu tun haben werden, sind, wie schon angedeutet, [f] und [v], die mittels einer spaltförmigen Öffnung erzeugt werden, die von dem Unterrand der Oberzähne und der Unterlippe gebildet wird; eine Rille (al^) läßt sich hier nicht leicht bilden. Die typischste Artikulation für diese Laute ist die- jenige, welche sich z. B. im französischen (femme, vie) und dem englischen (fan, van) findet; hier wird die Lippe wirklich unten an die Oberzähne («2*^) gelegt, wodurch der Laut kräftig und bestimmt wird. Auf dänisch und norddeutsch wird [f] oft auf dieselbe Weise gebildet, während in diesen Sprachen die Enge bei [v] fast immer, die bei [f] nicht selten, auf eine losere Art und Weise gebildet wird, sodaß die Unterlippe nicht so weit zurückgeht, sondern sich mehr gegen den untersten Teil der Außenfläche der oberen Yorderzähne als gegen ihren Unterrand legt^); dies muß mit a2^° oder, wenn es noch ausgeprägter ist, mit a2^^ bezeichnet werden. Hierdurch (in Ver- bindung mit dem weniger kräftigen Stimmton) wird das norddeutsche [v] weniger summend als das französische und das englische; der kräftigere Klang bei diesen letzteren wird vielleicht am besten deut- lich nach Vokalen, besonders nach kurzen: je vivrai; never; poverty.

Dieselbe Artikulation als beim norddeutschen [v] findet sich jedoch auch, soweit ich habe beobachten können, in gewissen Fällen im Englischen, indem ein voraufgehendes [b] das [v] nach sich zieht in Worten wie obvious, subvert u. dergl.; dasselbe ist der Fall mit [f] nach [p] z. B. in hopeful.

1) Dieser Unterschied wird bisweilen unphysiologisch so beschrieben, als ob die Zähne bei dem norddeutschen oder dänischen [v] etwas zurücktreten; so lose sitzen glücklicherweise die Zähne bei den meisten Menschen nicht

Die Lippen. 19

19. Wir haben im Gegensatz zu unserer gewöhnlichen Reihen- folge hier die Engelaute zuerst behandelt, weil sie an dieser Stelle ungleich häufiger sind als die Laute mit völlig verschlossener Organ- stellung. Letztere kommt indessen vor, wenn sie sich auch kaum als selbständiger Sprachlaut findet. Der Grund hierfür ist wohl der, daß bei den meisten Menschen die Zähne etwas auseinander stehen; wie fest man also auch die Unterlippe gegen den Unterrand der Oberzähne preßt, sodaß hier keine Luft entweichen kann (aO^), so findet die Luft doch noch einen Ausweg zwischen den Oberzähnen, wodurch der Charakter des Verschlußlautes etwas verschoben wird, sodaß ein so gebildetes [p] etwas von dem Charakter eines Engelauts bekommt. Doch ist dies weniger auffallend bei einem [m], das mit derselben Art Lippenverschluß gebildet wird, indem es hier wegen des Entweichens der Luft durch die Nase weniger wichtig ist, einen absolut festen Mundverschluß zu haben; und man wird auch öfter beobachten können, daß Leute, welche reden während sie lachen oder lächeln, diese Abart mit aO'^, Lautschrift [m], einsetzen für das normale [m] mit aO^, das größere Abweichung von der Lippenstellung erfordert, die das Lächeln mit sich führt. Diesen Unterschied zu hören, hat seine Schwierigkeiten, sehen kann man ihn ohne Mühe.

Im Deutschen erhält p vor f in (Pferd usw.) nicht selten diese Artikulation mit aO*; m wird [m] vor derselben Verbindung (in Kampf usw.), sowie vor [f] in Fremdwörtern wie in Nymphe, Triumph, ja sogar ein geschriebenes n hat in manchen Gegenden die- selbe Aussprache in Worten wie sanft, fünf (nach Trautmann § 1049, 1051). Li der von Franke beschriebenen Aussprache ist pf im Anlaut ,überall zu [f] geworden, aber im Inlaut und Auslaut wird [p] bei- behalten und ist dann ebenso wie [m] in [zaufm] saufen, [fymf oder fymve] fünf, [zemf] senf, [hamf] hanf wie er es nennt, bilabiodental: die Unterlippe liegt lose an den Oberzähnen, der Verschluß aber wird von beiden Lippen so hergestellt, daß die Oberlippe über die untere hervorragt^); dieser kann an alphabetisch als aO^'^ bezeichnet werden, wo :b die Stelle der Oberlippe und :d die der Unterlippe angibt; das Komma zeigt Gleichzeitigkeit der beiden Artikulationen an.

Im Englischen wird auch [m] zu [m] mit uO^ unter denselben Bedingungen modifiziert in: pamphlet, comfort, nymph, triumph, triumvir, circumvent; ebenso in skandinavischen Sprachen und auf Italienisch.

1) Phon. St. II, 37, 45; in Fremdwörtern wie Genf wird reines [n] bewahrt

2*

20 Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel.

20. Hiermit ist die Übersieht über die konsonantischen Lippen- stellungen beendet, und wir kommen zu den vokalischen, d. h. den- jenigen Stellungen, wo die Lippen so weit auseinander stehen, daß bei dem Ausströmen der Luft keine eigentliche Reibung entsteht; der Luftstrom stößt auf keinen eigentlichen Widerstand, aber die Be- wegungen in seinen Partikeln können doch durch die Form der Lippen eine solche Änderung erfahren, daß auch der Laut modifiziert wird. Um Mißverständnissen vorzubeugen, muß hier ausdrücklich bemerkt werden, daß die Lippenstellung sehr wohl vokalisch und der hervorgebrachte Laut dennoch ein Konsonant sein kann, insofern der Luftstrom nämlich auf seinem Wege von den Lungen, schon ehe er die Lippen erreicht hat, einem Hemmnis von der Art begegnet ist, die einen Konsonanten erzeugt.

Ein Vergleich der Lippenstellungen für [y] und [i], wie z. B. in hühn, hien der am liebsten mehrere Male hintereinander vor dem Spiegel vorgenommen werden muß wird einen Unterschied ergeben, der dem oben beschriebenen Unterschied zwischen den Lippenstellungen für [w] und [is] parallel ist; bei [y] ist die Form der Öffnung wesent- lich dieselbe wie bei [w], nur ist der Abstand etwas größer; die Zähne sind nicht sichtbar. Bei [i] ist die Öffnung allerdings größer als bei [v], ähnelt ihr aber doch wegen ihrer Spaltform, von den Zähnen sieht man deutlich noch mehr als bei [u]. Lidem wir uns erinnern, daß die analphabetische Bezeichnung für [w] al, und für [ü] 0:2 war, gehen wir jetzt weiter in der Zahlreihe und bezeichnen die Lippen- stellung für [y] mit aS, für einen Vokal wie [i] mit «4.

Sprechen wir darauf nacheinander die Vokalreihe [y, 0, oe] [0] wie in Söhne, [oe] wie französisch neuve, peur so werden wir sehen^ daß, obgleich sich die Lippen immer mehr voneinander entfernen, die Form der Öffnung doch ungefähr dieselbe bleibt. Zuletzt kann man allerdings etwas von den Zähnen sehen, aber nicht einmal bei der ganz niedrigen Lippenstellung in [ce] kann man sie in ihrer ganzen Höhe (ganz bis zu den Zahnwurzeln) sehen, und man sieht nur die vordersten (mittelsten) Zahne, in der Regel wohl nur zwei von den Zähnen in jedem Kiefer, obgleich natürlich individuelle Verschieden- heiten in der Stellung und Größe der Zähne hier eine Rolle spielen können. Bei [i] wird man dagegen, obgleich der Abstand zwischen den Lippen geringer ist, weit mehr Zähne sehen können. Diese gemein- same Lippenform für [y 0 oe] und ebenso für andere Vokale, u. a. [u o 0] nennt man Rundung, obgleich natürlich von etwas wie von einer im mathematischen Sinne runden, geschweige denn kreisrunden.

Die Lippen. 21

Öffnung nicht die Rede sein kann^); die Vokale, die mit solcher Stellung ausgesprochen werden, heißen gerundete (englisch round, französisch arrondies), mit lateinischem Ausdi'uck oft labiale oder labialisierte. Analphabetisch wird diese Offnungsform mit ungeraden Zahlen bezeichnet, wir hatten ja schon «1 für [w] und aS für [y] und fahren nun fort mit ab und «7, sodaß

«3 Rundung mit geringem Abstand wie bei [y], ab mittelgroßem [0],

al großem [ce]

bezeichnet.

21. Untersuchen , wir darauf auf dieselbe Weise die Vokalreihe [i e s] Beispiele sie, seh, französisch faire so sehen wir auch hier etwas Gemeinsames, nämlich die spaltförmige Öffnung, die eine ganze Reihe von Zähnen zu sehen erlaubt; die ausströmende Luft passiert also die Lippen bis hinein in die Mundwiqkel, während bei den gerundeten Vokalen in der Regel Berührung zwischen der Ober- und Unterlippe an beiden Seiten der Mittelöffnung stattfindet. Die Vokale, die so mit Lippenspaltung ausgesprochen werden, heißen ge- wöhnlich ungerundete (engl, not round, franz. non arrondies, neutres), indem die Rundung mehr als die spaltförmige Öffnung als etwas Positives, als eine aktive Wirksamkeit der Sprachorgane, angesehen wird. Daß wirklich die Lippen bei den ungerundeten Vokalen mehr passiv sind, kann man auch daraus sehen, daß die Abstandsunterschiede bei einer Reihe wie [i e s] nicht annähernd so ausgeprägt sind oder zu sein brauchen, wie bei den entsprechenden runden [y 0 oe] ; man kann die Vokale wesentlich mit derselben Lippenstellung aussprechen. Spricht man sie dagegen sehr scharf und deutlich, wird man sehen, daß die Lippen sich mehr bei [e] als bei [i] und noch mehr bei [s] voneinander entfernen; und indem wir hier analphabetisch grade Zahlen einführen, vgl. die Bezeichnung der [ts]- Stellung mit o;2, er- halten wir folgende Symbole:

a4 für spaltförmige Lippenöffnung mit geringem Abstand wie bei[i], a6 mittelgroßem [e],

«8 großem [s].^)

1) Bei [o] ist die Form der Lippenöffnung eher wie ein Viereck, bei [u] wie ein Fünfeck (vgl. Merkel 104).

2) Zwischenstufen können analphabetisch auf entsprechende Weise wie oben durch Angabe der Stelle bezeichnet werden, nämlich durch zwei Zahlen hinter- einander. Durch «35 (lies Alpha drei fünf, nicht fünfunddreißig!) wird aus- gedrückt, zunächst, daß die Lippen gerundet sind, zum andern, daß die Öffnung

22 Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel.

212. Wir haben nun Vokale, die einander paarweise so entsprechen daß sie nur durch die Lippenstellung unterschieden sind, z. B, [iy], [e 0], [s oe]; durch Rundung von [i] erhalten wir [y]; ein gerundetes [e] ist [0] und ein gerundetes [s] ist [ce]. Oder umgekehrt: durch Entrundung von [y] erhalten wir [i] usw.^) Wir bekommen also die beste Vorstellung von dem Wesen der Rundung, indem wir nach- einander Reihen wie [i y i y i y . . .] oder [e0e0e0e0...] aus- sprechen und genau auf die Lippenstellung achten. Man kann dadurch allmählich eine Übung darin erlangen, teils ungerundete Vokale zu runden, indem man sich bemüht, verschiedene Vokale so auszusprechen, daß man in jeder anderen Beziehung die Organstellung beibehält, nur die Form der Lippen modifiziert, teils verschiedene runde Vokale zu entrunden.

In Verbindung mit der Lippenrundung steht meistens ein gi'ößeres oder geringeres Vprstrecken der Lippen, ebenso wie die ausgeprägtesten Formen der Spaltöffnung mit einem gewissen Zurückziehen derselben verbunden sind; dieses findet namentlich statt bei den hohen Lippen- stellungen 3 und 4. In dieser Beziehung besteht jedoch eine nicht geringe Verschiedenheit zwischen den einzelnen Sprachen; am deut- lichsten zeigt sich dieses Vor- und Zurückziehen der Lippen vielleicht im Französischen, wo die Lippenstellung für [u] daher analphabetisch mit «3*, die für [i] mit «4° oder 4^° bezeichnet werden muß; die meisten Deutschen werden in dieser Beziehung etwas weniger bestimmt artikulieren: [u] «3^^ oder 3^*, [i] a4^° oder «4^; am trägsten ist diese Vor- und Zurückbewegung wohl im Englischen, wo [u] oft ccd^^ doch auch ad>^^, und [i] fast immer «4^ hat.

Verschiedene Sprachen und Dialekte haben oder hatten einst die Neigung, ihre Vokale der [y]-Reihe zu entrunden, sodaß die ent- sprechenden ungerundeten Vokale an ihre Stelle getreten sind. Dieses

ihrer Größe nach derjenigen für [y] näher steht als derjenigen für [0]; ent- sprechend bezeichnen «5 3, «57 gerundete Lippenöffnungen, die etwas kleiner bezw. größer sind als «5. Schreiben wir dagegen o;34, so drücken wir damit aus, daß die Rundung nicht ganz ausgeprägt ist, so daß die geringe Abweichung von der normalen aS-Stellung die Tendenz hat, die Öffnung spaltförmig zu machen: ebenso auch «56 und «7 8. Unter «02 ist zu verstehen, daß der Verschluß so lose ist, daß man geneigt sein kann zn glauben, daß eine kleine spaltförmige Öffnung vorhanden ist; so oft im Deutschen, wo man nicht weiß, ob z. B. [ha'be] oder [ha-to] gesprochen wird. «10 ist die Stellung beim Pfeifen ; «20 beim Brummen.

1) Über mögliche kleine Verschiedenheiten, von denen wir hier absehen können, siehe unten unter den Vokalsystemen (Kapitel IX).

Die Lippen. 23

ist der Fall z. B. in vielen Gegenden Deutschlands, wo man z. B. „iber'' für „über" sagt und wo auch [0] entrundet ist („sehen"); in Goethes Gesprächen mit Eckermann (III. 49) werden mehrere scherzhafte Bei- spiele von fatalen Verwechselungen erzählt, die hierdurch hervor- gerufen wurden (einer sagte KistenbewoJmer statt KüstenbewoJmer; auf der Bühne sagte eine Dame: Ich kenne dich zwar nicht, aber ich setze mein ganzes Vertrauen in den Edelmut deiner Ziege für Züge!). In früher Zeit hat das Englische den 0-Laut auf diese Weise entfernt; ursprüngliches groene wurde dadurch zu grene, neuengiisch green; später ist auch [y] zu [i] geworden; altenglich fyllan, jetzt fill; alt- englisch fylan, jetzt file in defile. Jetzt haben die Engländer gar keinen Laut von der Reihe [y 0 ce] in ihrer Sprache.

23. Dieselben Lippenstellungen, die so zur Unterscheidung von Vokalen dienen, können mit konsonantischen Zungenstellungen ver- bunden werden, aber sie werden hier in der Regel nicht so streng beobachtet wie bei den Vokalen und spielen keine primäre Rolle bei der Unterscheidung verschiedener Konsonanten; am häufigsten richten sie sich nach der Umgebung der Konsonanten. So wird gewöhnlich neben einem runden Vokal ein Konsonant, wie z. B. [1] gerundet (labialisiert), besonders wenn ein [u] sowohl vorausgeht wie nachfolgt; so in einem Worte wie Zulu, wo die Lippenstellung von dem einen [u] unwillkürlich bis zum zweiten gehalten wird, so daß die ganze Gruppe [ulu] «3*^ hat. Als Gegensatz untersuche man ein Wort wie Alarm. In einem Worte wie JJlan wird im allgemeinen die Zeit, die [1] zur Aussprache erfordert, dazu benutzt werden, die runde Stellung mit der spaltförraigen zu vertauschen; wenn wir den Wechsel von einer Stellung zu einer anderen mit einem Strich (— ) bezeichnen, wird also das analphabetische Schema für die Lippenstellung bei [ula] das folgende:

«3^* I I 4^« u I 1 I a

Ein selbständiger runder Konsonant findet sich nicht selten in der Interjektion, mit der man Stillschweigen gebietet und die wir seht schreiben, während die Franzosen eliut schreiben, obgleich der Laut im Munde beider Nationen derselbe ist, nämlich der gerundete Zischlaut [s] oder [J], der bisweilen mit Zungen Verschluß [t] ab- geschlossen wird; in Wirklichkeit wird kein Vokal gesprochen, aber das Zischen ähnelt an sich schon einem [i], und da hier Rundung hinzukommt, scheint sich ein [y] in dem Laute einzustellen. Ein ungerundeter Zischlaut, im allgemeinen [s], Avird zum Unterschied

24 Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel.

hiervon dazu benutzt, um Mißbehagen auszudrücken; vgl. den Gegen- satz zwischen den englischen Verben to JmsJi und to Jiiss.

24. Die Lippen werden aber nicht allein als Sprachorgane be- nutzt; sie spielen außerdem u. a. eine wichtige Rolle in dem ganzen Gesichtsausdruck, und wechselnde Gemütsstimmungen geben sich kund in den verschiedenen Stellungen der Muskulatur des ganzen unteren Teiles des Gesichts, die bisweilen mit denjenigen Stellungen in Konflikt kommen können, die für eine korrekte Aussprache dessen, was man gleichzeitig sagen will, erforderlich sind.^) Es ist schon erwähnt, wie ein Lächeln ein [m] modifizieren kann; femer bewirkt ein Lächeln, indem man dabei die Mundwinkel zur Seite zieht, daß die Vokale nicht ganz gerundet werden, so daß ein [y] mehr oder weniger [i]- artig werden kann; Sweet (H. E. S. § 198) schreibt der Gewohnheit der niederen Londoner Volksklasse, immer mit höhnischem Grinsen zu sprechen, ihre Aussprache des no als [nau] zu, wobei übrigens die [u]- Stellung selten erreicht wird, statt des [nou] mit deutlich ge- rundetem Diphthong.

Umgekehrt werden die Lippen in einer gewissen liebkosenden, besonders einschmeichelnd -klagenden Stimmung etwas vorgestreckt und dabei mehr oder weniger gerundet; darauf beruht es, daß [ne-] (für nein!) oft zu [nö"], und daß „Jesus" als klagender Ausruf (jesses!) öfter zu „J0sses" wird. Das Vorstrecken, besonders in der ungerundeten Form und mit der Oberlippe etwas zur Nase hingehoben, kann übrigens auch als Ausdruck der Verachtung benutzt werden, so im dänischen [/luÖ'er] für sluäder „Unsinn!".

25. Die Stellungen und Bewegungen der Lippen sind so der direkten Beobachtung zugänglich, daß der Handspiegel der einzige Apparat ist, den ein Phonetiker nötig hat. Dagegen wird es sicher von Bedeutung sein, mit Hilfe der Photographie Augenblicksbilder von den Lippen während der Rede zu fixieren; dieses Verfahren wendet Demency nach Mareys chronophotographischer Methode an; wenn seine Bilder in einen „Zootrop" gesetzt wurden, wo das Auge durch schnelles Rotieren den Eindruck eines zusammenhängenden be- weglichen Bildes statt vieler in Ruhe befindlicher Augenblicksbilder erhält, konnte ein Taubstummer darin „sowohl die Vokale und Diph- thonge, als auch die Lippenlaute lesen", wälyend „die Zungenbewegungen ja nur sehr undeutlich photographiert werden konnten, so daß er alle

1) Vgl. meine Abhandlung Zur Lautgßsetzfrage, Int. Zs. f. allgem. Sprachw. m (1888) 211.

Der Unterkiefer. 25

diejenigen Laute, die notwendig ihre Mitwirkung erfordern, nicht er- fassen konnte."^) Die beifolgende Tafel I zeigt eine Reproduktion solcher Augenblicksbilder, welche den Satz [39 vuz s-m] je vous aime illustrieren; es sind 16 Bilder in der Sekunde aufgenommen, jedes von ihnen in ^^ bis j^ einer Sekunde, also mit Pausen dazwischen. In der Illustreret Tidende vom 29. November 1891, woher die Bilder genommen sind, wird zur Erklärung hinzugefügt, daß „der Umstand, daß der Mann auf allen Bildern mit den Augen blinzelt, nicht zu dem natürlichen Ausdruck seiner warmen Gefühle mit gehört, sondern der Tatsache zuzuschreiben ist, daß er während der Aufnahme mit dem Gesicht grade der Sonne zugekehrt stehen muß." Man sieht, daß der Mann erst beim 4. oder 5. Bild zu sprechen anfängt; die Lippen- steUung bei [v] tritt nicht klar zu Tage; dagegen sieht man deutlich den Unterschied zwischen den gerundeten Vokalen [9], [u] imd dem ungerundeten [s]; der Lippenverschluß schließt die Reihe ab; er hat also keinen Vokal nach dem [m] ausgesprochen.

Der Unterkiefer.

26. Innerhalb der Lippen stoßen wir zuerst auf die Zähne, die, da man sie nicht nach Gutdünken bewegen kann, keine Rolle als aktives Sprachorgan spielen können. Dagegen können die Zahnreihen durch die Bewegungen des Unterkiefers^) einander genähert oder voneinander entfernt werden der Oberkiefer ist wie bekannt in sich unbeweglich und vermag nichts anderes als den Bewegungen des ganzen Kopfes zu folgen. Nun ist es eine stark umstrittene Frage, welche Bedeutung der Phonetiker diesen Kieferbewegungen beilegen muß, die ja das bestimmen, was vom einen Gesichtspunkt aus betrachtet der Zahnabstand, von einem andern der Kiefer- winkel (der Winkel zwischen den beiden Kiefern) ist. Einige Ver- fasser behaupten, daß die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Höhengraden (Abstandsgraden) der Vokale, also z. B. zwischen [i], [e] und [s], in erster Linie auf dem Kieferwinkel beruht.^)

1) Comptes rendus de TAcad^mie des Sciences XIII, 1891, 216 217.

2) Der Laut, der dadurch entstellt, daß die Backenzähne gegeneinander schlagen, wenn man von einer offenen Mundstellung schnell den Unterkiefer ganz hebt, ebensowie derjenige, der durch das eigentliche „Zähneknirschen" entsteht, werden nicht zu sprachlichen Zwecken benutzt.

3) Sweet, Hdb. § 34, Primer of Ph. § 34. Western, Engl. Lautl. S. 5 und 83— 84 (s. jetzt 2 te Ausg. S. 3). Trautmann S. 41 ff.

26 Erster Hauptteil: Analyse. Zweites Kapitel. Der Unterkiefer.

Andere^), denen ich micli angesclilossen habe (Ärticulations 11), meinen, daß der Kieferwinkel bei der Vokalbildung ein untergeordnetes Moment ist, von dem man in fast allen Fällen gut absehen kann. Man kann nämlich leicht, u. a. indem man eine Bleifeder zwischen die Zähne nimmt (Vietor), sich überzeugen, daß es möglich ist, alle Vokale ganz ungezwungen mit demselben Zahnabstand hervorzubringen; viele Leute führen auch einen sehr großen Teil der Gespräche ihres Lebens mit der Pfeife im Munde, so daß sie die ganze Zeit die Zähne fest um sie zusammenbeißen müssen. Selbst wenn man auch bei der Aussprache von [i] [e] [s] nacheinander den Kiefer senkt was man also nicht nötig hat , so ist das doch nicht das Be- stimmende für den Laut; betrachten wir die Art und Weise, wie der Laut durch den Durchgang der Luft durch die Organe gebildet wird, so sehen wir, daß der Kiefer selbst keine Rolle spielt, die Form des Mundkanals ist das allein Maßgebende, und diese beruht in erster Linie auf dem Abstand der Zunge vom Gaumen und auf der Lippenstellung,

Das Normale wird sein, daß der Kiefer die Auf- und Abbewegung der Zunge mitmacht, oder richtiger, daß der für jeden Laut erforder- liche Abstand zwischen Zunge und Gaumen durch Hebung oder Senkung des ganzen Unterkiefers zustande gebracht wird. Im an- alphabetischen System bedarf es eigentlich keiner besonderen Zeichen für den Zahnabstand, aber nichts hindert daran, eine Bezeichnung einzuführen, die jeder benutzen kann, wo er es für notwendig oder wünschenswert hält. Der Abstand wird hier wie überall durch Zahlen bezeichnet; diese können unten der Lippenzahl als kleine sekundäre Zahlen beigefügt werden, so daß «3\ bedeutet: Lippenstellung 3% Zahnabstand 4; will man den Zahnabstand besonders ohne gleich- zeitige Angabe der Lippenstellung bezeichnen, kann man ein großes Alpha A dazu benutzen, also A4:.

AO ist undenkbar, da man niemals die Zähne so fest schließen kann, daß sie vollständig die Luft am Durchströmen verhindern. A2 wird eine solche Stellung, daß die Backenzähne einander berühren (also der Unterkiefer so hoch wie überhaupt möglich). A4: wird verwandt bei den hohen (high) Vokalen [i y u]: der Rand der Zähne des Unterkiefers ungefähr wagerecht hinter dem Rande der Oberzähne, so daß man gerade einen Fingernagel (wagerecht) dazwischen halten

1) Bell, u. a. Sounds and their Relations 93; Technaer, Intern. Zs. I. 141, 157, in. 389; Sievers S. 16 § 41; Vietor S. 38; Storm S. 96; Klinghardt S. 152.

Drittes Kapitel. Zunge. Zungenspitze. 27

kann. A6 kommt zur Anwendung bei den mittelhohen (mid) Vokalen [e 0 oj: Zahnabstand ca. % cm, ungefähr so groß, daß man die Spitze des Zeigefingers bis zur Mitte des Nagels in den Mund stecken kann. A8 wii'd verwandt bei den niedrigen (low) Vokalen [a s oe o]: Zahn- abstand ca. 1^2 cm, ungefähr so groß, daß man gerade das äußerste Glied seines Zeigefingers in den Mund stecken kann.

Drittes Kapitel.

Zunge. Zungenspitze.

27. Die Zunge ist ein so wichtiges Organ für die Sprache, daß viele Völker geradezu das Wort Zunge benutzen, um die ganze Sprache zu bezeichnen: „die deutsche Zunge", griech. glössa, lat. lingua, franz. langue, engl, tongue. Die Zunge selbst ist eine Muskelmasse, unten am Unterkieferknochen und am Zungenbein^) befestigt und hinten an den Kehldeckel grenzend. Man ist gewohnt, sich die Zunge als ein sehr flaches Gebild« (mit geringem Abstand zwischen der oberen und der unteren Fläche) vorzustellen, eine Vorstellung, die im wesentlichen von dem Aussehen und der Form herstammt, die die Zunge hat, wenn man sie aus dem Munde streckt, die aber keinen rechten Begriff von der Form gibt, die sie hat, wenn sie im Munde liegt, so daß die meisten Leute ganz erstaunt sind, wenn sie auf anatomischen Bildern oder in einem Spirituspräparat die Zunge als einen ziemlich dicken Klumpen sehen. Dieser Klumpen besteht aus verschiedenen Muskeln, mit deren Hilfe die Zunge sich auf sehr mannigfache Weise bewegen und sehr verschiedenartige Formen annehmen kann. Zu phonetischen Zwecken müssen wir die Zunge nach der Rolle einteilen, welche die verschiedenen Teile bei der Lauterzeugung spielen. Zum Teil wird indessen diese Einteilung recht willkürlich sein, und feste Grenzen zwischen den verschiedenen Teilen lassen sich nicht in allen Fällen ziehen. Die wichtigsten Teile sind die folgenden (vgl. die Abbildung Tafel II).

Die Unterfläche (engl, the lower blade) geht von der Zungen- spitze unterhalb bis zu dem Punkt, wo die Zungenmasse mit dem Unterkiefer in Verbindung steht; normalerweise ruht die Unterfläche

1) So nennt man einen hufeisenförmigen Knochen mit der Öffnung nach hinten, den man leicht fühlen kann, wenn man die Finger vom Kinn einwärts führt; man stößt dann auf diesen Knochen da, wo der Hals ansetzt, über dem Kehlkopf.

28 Erster Hauptteil: Analyse. Drittes Kapitel.

auf der Unterlage im Unterkiefer, sie kann sich aber von ihr ent- fernen und tut dieses gewöhnlich bei jeder Artikulation der Zungen- spitze; selbständig wirkt sie aber bei der Lautbildung nur dann mit, wenn die Zungenspitze in dem Grade gehoben und zurückgebogen ist, daß die Luft zwischen der Unterfläche einerseits und dem Obermunde (Gaumen, Zahnfleisch, Oberzähne) andererseits durchstreicht. Li der Mittellinie der Zunge ist der hinterste Teil der Unterfläche der Zunge mit der Unterlage durch das sogenannte Zungenband verbunden.

Die Zungenspitze (lat. apex, Adjektiv davon apikal; engl, point oder tip; franz. pointe de la langue) ist außerordentlich biegsam und nach allen Richtungen hin beweglich: man kann sie weit aus dem Munde herausstecken, an den Lippen vorbei, und mit ihr kann man bequem das Innere des Mundes von den Zähnen bis zum Anfang des weichen Gaumes befühlen. Wie die Zunge unter normalen Ver- hältnissen im Munde liegt, hat sie keine eigentliche „Spitze". Wenn man dennoch davon spricht, daß die Zungenspitze auf die und die Art artikuliert, daß sie z. B. Verschluß bildet, so meint man damit nicht nur den mittelsten Punkt, sondern die ganze vordere hufeisen- förmige Randlinie, wo die Ober- und die Unterfläche der Zunge zu- sammenstoßen.

Wir gelangen alsdann zum Zungenblatt (Sweet: blade); darunter verstehen wir den allervordersten Teil der Zungenoberfläche, gerade hinter der Spitze, der im Ruhezustande gerade unter der Hinterfläche und dem Zahnfleisch der obersten Vorderzähne liegt.' Einen lateinischen allgemein anerkannten Ausdruck für diesen Teil gibt es nicht; weder Corona (Adjektiv koronal) (Storm), noch frons (Lenz) sind glücklich gewählt.

Wenn wir vom Zungenblatt weiter rückwärts gehen, gelangen wir zur Vorderzunge (engl, front; lat. (Storm) praedorsum, Adjektiv prädorsal); sie liegt unter dem vordersten Teil des harten Gaumens.

Der nächste Teil heißt Mittelzunge (Storm: mediodorsum; englische Phonetiker haben keine eigentliche Benennung dafür, nennen jedoch einige der hier produzierten Laute mixed); sie liegt unter dem obersten Teil des Gaumens.

Danach kommt die Hinterzunge (engl, back; vgl. aber unten; Storm: postdorsum); sie liegt unter dem weichen Gaumen. Blatt, Vorderzunge, Mittelzunge und Hinterzunge bilden zusammen die sicht- bare nach aufwärts gekehrte Zungenoberfläche; das Ganze wird oft Zungenrücken genannt, ein Name, der jedoch von andern in dem beschränkten Sinne von Hinterzunge verwendet wird. Der hinterste

Zunge. Zungenspitze. 29

Punkt der Hinterzunge ist eine kleine Vertiefung, „das blinde Loch"; danach kommt:

Die Zungenwurzel, derjenige Teil der Zungenoberfläche, der sich nach hinten (der hinteren Rachenwand zu) kehrt und abwärts geht (Storm: radix; von Sweet und anderen unter dem Namen back mit einbegriffen).

28. Da die Oberfläche der Zunge nicht durch irgendwelche natürlichen Kennzeichen in verschiedene Gürtel ihrer Längsrichtung nach eingeteilt wird, bleibt eine solche Einteilung immer mehr oder weniger willkürlich. Analphabetisch habe ich aus wesentlich praktischen Gründen die Zungenartikulationen auf zwei griechische Buchstaben verteilt: ß (beta) für die Region der Zungenspitze (Unterfläche, Spitze, Blatt) und y (gamma) für den Rest, die Region der Zungenfläche, Unterabteilungen brauchen wegen der Genauigkeit, mit der die Arti- kulationsstelle im Obermunde (durch Buchstabenexponenten) ange- geben wird, nur in Ausnahmefällen bezeichnet zu werden, nämlich dadurch, daß man einen Punkt entweder vor oder hinter den Expo- nenten setzt. ^) Setzen wir z als generelle Bezeichnung für den einen oder andern Exponenten, so erhalten wir folgende Bezeichnungen:

ßO'' = Verschluß mit der Zungenspitze selbst.

ßO' = Unterfläche der Zunge.

ßO^- = dem Zungenblatt.

yO^ = hervorgebracht mit demjenigen Teil des Zungen-

rückens, der am natürlichsten gegen die betreffende Stelle artikuliert; diese ist also je nach den verschiedenen Ex- ponenten verschieden.

yO-^ = Verschluß hergestellt mit einem etwas weiter vorn liegen- den Teil des Zungenrückens.

yO- = Verschluß hergestellt mit einem etwas weiter zurück- liegenden Teil des Zungenrückens. Die Bedeutung hiervon wird später klar werden; vgl. besonders § 47.

29. Das Wichtigste bleibt immer, daß man genau mit Hilfe von Buchstabenexponenten die Stelle angibt, gegen welche die Zunge artikuliert; im Obermunde (dem Munddach) kann man nämlich ohne Mühe festere Anhaltspunkte erhalten, als es auf der Oberfläche der Zunge möglich ist. Die Punkte, gegen welche die Zunge artikulieren kann, und die entsprechenden technischen Benennungen sind also die folgenden (vgl. die Zeichnung Tafel H):

1) Dieses ist wesentlich einfacher als das in Aiimilations (p. 13 und 89) gebrauchte Bezeichnungssystem.

30 Erster Hauptteil: Analyse. Drittes Kapitel.

:a, :b und :c die vorgestreckte, neutrale oder zurückgezogene (Ober)lippe.

:d der Unterrand der oberen Vorderzäbne: interdental, Zwischenzaknlaut.

:e die Hinterfläcbe der Vorderzäbne: postdental, Zabn- fläcbenlaut.

Die gegen :d und :e artikulierten Laute können unter der Be- nennung dentale oder Zabnlaute^) zusammengefaßt werden.

:f Zahnfortsatz. Füblt man sich mit der Zungenspitze in der Mittellinie des Obermundes zurecbt, so wird man etwas über den Zähnen einen kleinen vorspringenden (konvexen) Kamm bemerken; das ist die Stelle, die wir mit :f bezeichnen; Sweet nennt sie the arch-rim; sie bildet die hinterste Grenze des Zahnfleisches (engl, gum); die gegen :f gebildeten Laute nennt man am besten Oberzahnlaute, supradentale. ^)

:g ein Punkt auf dem vordersten Teil des harten Gaumens: Vordergaumenlaute, praepalatale. Sobald wir innerhalb des Zahnfortsatzes kommen, fängt der Gaumen (lat. palatum, franz. palais, engl, palate) an. Der vorderste Teil ist eine konkave Wölbung, der harte Gaumen (palatum durum); das Harte, das man fühlt, ist der Oberkieferknochen und das damit verwachsene Gaumenbein, das nur mit einer dünnen Haut bekleidet ist. Dieser selbe Punkt :g wird auf die Weise bestimmt, daß er gerade in der Mitte zwischen :f und :h liegt.

:h die Stelle, wo der Gaumen am höchsten ist; Hochgaumen- laut e^) könnte man die hier artikulierten Laute nennen; lat. post-

1) Es ist eine absolut verwerfliche, obgleich nocb nicht ganz verdrängte Anwendung dieser Worte, wenn man sie auch auf Laute ausdehnt, wo die Zungenspitze gegen weiter zurück liegende Teile wirkt, also für jeden Zungen- spitzenlaut verwendet.

2) Eine andere gebräuchliche Bezeichnung ist alveolare Laute. Die Ana- tomen verstehen unter alveoli (eigentlich kleine Höhlungen, Mulden, Bienenzellen) die Vertiefungen im Kieferknochen, in denen die Zähne sitzen; aber wenn die Sprachforscher diese Benennung benutzt haben, haben sie darunter (unrichtig) nicht die Vertiefungen, die ja keine Rolle bei der Lautbildung spielen können, verstanden, sondern die konvexe Wölbung eben hinter den Zähnen, und auch nur die hinter den Vorderzähnen.

3) Der Punkt :h wird bisweilen cacumen und die da gebildeten Laute kakuminale genannt; nicht besonders glücklich, da cacumen „das äußerste Ende, Spitze, Bergspitze, Baumgipfel" etc. bedeutet, aber doch dem ziemlich landläufigen, sinnlosen Namen cerebrale vorzuziehen; kakuminal und cerebral werden jedoch nur von Zungenspitzlauten, nicht von Zungenrückenlauten gebraucht.

Zunge. Zungenspitze. 31

palatale. Hinter dem Punkte :li fängt der Gaumen an sich abwärts zu biegen und wird bald weicher, indem wir unter der Haut statt der Knochenmasse Muskeln bekommen. Die Grenze zwischen dem harten und dem weichen Gaumen ist ungefähr zwischen den hintersten Backenzähnen im Obermunde, doch kann diese Bestimmung natürlich nicht als allgemein gültig gelten, da gerade die hintersten Backen- zähne von Individuum zu Individuum variieren (Weisheitszähne!). Der vorderste Teil des weichen Gaumens ist noch nicht recht be- weglich, aber beim Punkte

:i kommen wir an die Grenze des beweglichen Gaumens, das Gaumensegel, velum palati, eine weiche Muskelmasse, die sich auf- und ab bewegen kann. Erst in einem späteren Kapitel indessen kommen wir dazu, von diesen Bewegungen zu sprechen; hier interessiert uns das Gaumensegel nur als etwas, gegen das die Zunge artikulieren kann. Die Form des Gaumensegels kann man leicht im Spiegel beobachten; bei gewöhnlichem ruhigen Atemholen hängt es schlaff herunter; will man dagegen z. B. [a] aussprechen, sieht man, wie es sich hochzieht. Den Punkt :i kann man praevelum nennen; Adj. prävelar.

:j der hinterste Teil des Gaumensegels; postvelum. Die gegen :i und :j artikulierten Laute werden mit gemeinsamem Namen Velare Laute oder Gaumensegellaute ^) genannt. Der unterste Teil des Gaumensegels hat die Form von zwei Bögen mit einem in der Mitte herabhängenden Zipfel, das

:k Zäpfchen, franz. luette, lat. uvula (wovon Adjekt. uvular) heißt. Hinter dem Zäpfchen sehen wir

:1 die Rachenwand, die Pharynxwand, die hinterste Grenze des Mund- und Nasenhohlraums; auch gegen diese fast senkrechte Wand kann man artikulieren; Benennung: Rachenlaute, pharyngale Laute; der Raum zwischen der Zungenwurzel und der Rachenwand heißt lat. pharynx. Wir haben hiermit die äußerste Grenze nach hinten erreicht, gegen die die Zunge bei der Lautbildung artikulieren kann.

Es muß hier noch ein für allemal bemerkt werden, daß wegen der gewölbten Form des Obermundes in der Richtung von rechts nach links und wegen der Form der Zunge im ganzen die Berührungen der Zunge mit dem Obermunde niemals in geraden Linien vor sich gehen werden; bei Angabe der Artikulationsstelle wird durchgehends nur auf die Stelle in der Mittellinie des Mundes von vorn nach hinten (von

1) Auch oft mit einem Namen, der bald ganz abgeschaiFt zu werden ver- diente, gutturale; da lat. guttur Kehle bedeutet, beruht der Brauch dieses Namens für die hier erzeugten Laute auf einem groben Mißverständnis.

32 Erster Hauptteil: Analyse. Drittes Kapitel.

dem Zwischenraum zwischen den beiden mittelsten Vorderzähnen bis zur Zäpfchenspitze) Rücksicht genommen.

30. Die erste Artikulation der Zungenspitze entsteht, indem diese zwischen den Zähnen herausgestreckt wird und mit der Oberlippe Verschluß bildet: ßO^. Auf diese Weise kann leicht ein Zwischenlaut zwischen [p] und [t], einer zwischen [b] und [d] und einer zwischen [m] und [n] gebildet werden. Aber obgleich es eine von den Artikula- tionen ist, die den Kindern in ihren ersten Lebensjahren am meisten Spaß machen, findet sie sich doch kaum in der wirklichen Sprache (griech. jtt- in jrroAtg?). Sicher findet sich jedoch dieser Laut in der dänischen Interjektion ptoi als Ausdruck des Ekels; sie ist dadurch entstanden, daß diese Artikulation das natürliche Mittel ist, um etwas kräftig auszuspucken.

Ein interdentaler Verschluß, ßO\ findet sich als Variante von [t, d, n], ist jedoch verhältnismäßig selten, indem dasselbe, was oben 19) bei dem au derselben Stelle gebildeten Unterlippenverschluß aO^ erwähnt wurde, sich auch hier geltend macht: daß nämlich die Luft bei den meisten Menschen durch die Zwischenräume zwischen den Vorder- zähnen entweichen kann, so daß der Gesamteindruck mehr der eines offenen Konsonanten ist; darauf beruht es auch, daß ßO^ als individuelle Variante von engl, th 34) vorkommen kann.

31, Sehr häufig wird dagegen [t, d, n] derart gebildet, daß der Verschluß gegen die Hinterfläche der Vorderzähne, also postdental, gebildet wird: ßO^. Dies ist wohl die normale Aussprache im Isländi- schen, Färöischen und gewiß den meisten romanischen und slavischen Sprachen. Man greift wohl nicht fehl in der Annahme, daß diese Aussprache die ursprüngliche in unserm ganzen Sprachstamm gewesen ist; inzwischen haben sich aber diese Verhältnisse in den meisten Sprachen geändert, so daß jetzt diese Laute mehr oder weniger weit im Munde zurückliegen. Am geringsten ist die Verschiebung wohl im Französischen, wo reines ßO^ gewiß nicht selten ist, aber wo doch in der Regel sowohl Zähne wie Zahnfleisch von der Zungenspitze berührt werden, also analphabetisch (wenn diese Gleichzeitigkeit durch ein Komma zwischen den beiden Exponenten bezeichnet wird) ßO^'^^. So beschrieb Passy früher diese Bildungs weise; jetzt ^) analysiert er sie so, daß die Zungenspitze selbst hinter den Unterzähnen liegt und das Zungenblatt gegen Zähne und Zahnfleisch Verschluß bildet, also analphabetisch bO^^ (über die Bedeutung des Punktes s. § 28).

1) Sons * 96.

Zunge. Zungenspitze. 33

Ein Stückchen weiter zurück liegt das (nord)deutsche und dänisclie t, d, n; die Zunge berührt für gewöhnlich die Zähne gar nicht, da- gegen das Zahnfleisch zwischen den Zähnen und dem Zahnfortsatz, also ßO^^'^ und noch etwas weiter zurück treffen wir die englischen Laute, die supradental gegen den Fortsatz selbst gebildet werden: ßO^ (bisweilen wohl noch weiter innerhalb: ßO^^). Weiter innen erhalten wir die Laute, welche gewöhnlich mit einem Punkte unter [t d n] umschrieben und kakuminale genannt werden: ßO^ oder ßO^^ bis gerade an ßO^ heran; Beispiele siehe unten. Gewöhnlich werden in einem und demselben Dialekt die drei Laute [t], [d] und [n] genau an der- selben Stelle gebildet; zuweilen jedoch wird [t] ein bißchen weiter vorn gebildet als [d] und [n].

Auf das Ohr macht es keinen wesentlich verschiedenen Eindruck, ob z. B. ein [t] etwas weiter vorn oder hinten im Munde gebildet wird. Aber man kann ohne große Übung lernen, die extremen Fälle wie isländisch [t] /SO® und englisch [t] ßO^ zu unterscheiden und bei größerer Übung auch die feineren Unterschiede herauszufühlen. Ja innerhalb einiger Sprachen finden sich beide an zwei der Stellen hervor- gebrachten Laute als getrennte Sprachlaute, so im Neuindischen, wo die mit gewöhnlichem t oder d umschriebenen Sanskritlaute die Artikulation ßO^ enthalten, während die mit t oder d umschriebenen nach Ellis (E. E. P. 1096) ßO^ darstellen, nach Storm (43, vgl. 69) jedoch etwas weiter zurück- liegen, ßO^^ oder 0^. Im Englischen liegt, wie bemerkt, der Ver- schluß ziemlich weit zurück, doch zieht nach einer feinen Beobachtung von T. W. Hill^) ein th [p] die Artikulation in Worten wie anthem, panther vorwärts bis zur interdentalen Stellung (0*, besser jedoch wohl postdentales 0®), vgl. hiermit Ellis' Aussprache von [n] nach [J)] § 40. Für das Amerikanische sagt Grandgent, daß „before or after [r], as in dry, hard, it [d] is made further back" wie gewöhnlich, also weiter zurück als ßO\ folglich ßO% 0«^ oder 0^. (Neu. Spr. II 4475 für t erwähnt er es nicht.) Auf großen Strecken Norwegens und Schwedens zieht ein r ein folgendes t, d, n zurück zu ßO^ oder 0^^, vulgär sogar ßO^ und schwindet dann oft selbst, z. B. kort, harn.

32. Im obigen ist schon (inbetreff des Französischen) angedeutet worden, daß der Verschluß, statt mit der Zungenspitze selbst gebildet zu werden, mit dem Zungenblatt gebildet werden kann, also ßO^- usw. statt j30® in analphabetischer Bezeichnung. Dieses^) kommt nicht

1) Selections from the Papers of T. W. Hill (Lond. 1860) p. 24.

2) Von einigen Verfassern dorsales t, d, n genannt, während andere das Wort dorsal in etwas anderer Bedeutung gebrauchen.

Jeapersen, Lehrbuch der Phonetik. 3

34 Erster Hauptteil: Analyse. Drittes Kapitel.

selten als individuelle Aussprache vor, docli darf man bezweifeln, ob der Unterschied zwischen den beiden Arten der Aussprache so groß ist, daß es Sprachen gibt, die ausschließlich die eine oder die andere derselben besitzen.

,^ 33. Wir kommen zu den Zungenspitz-Engelauten, und zwar zuerst zu denen, bei denen sich eine Rille in der Zungenspitze bildet (/31); diese Rille kann hier viel feiner und spitzer gemacht werden als bei den Lippen, und indem die Luft in diese sehr enge Passage gepreßt wird, entsteht ein eigentümlicher zischender Laut. Ebenso wie bei den Verschlußlauten spielen die Artikulationen, bei denen die Zunge außerhalb der Zähne sich vorsti'eckt, keine Rolle; zwar ist es leicht, eine Art s gegen die Oberlippe zu bilden (/3P), aber ich habe nur eine einzige Notiz über das Vorkommen eines solchen Lautes gefunden („s gras" in einigen nordamerikanischen Indianersprachen, Charencey). Innerhalb der Zähne erhalten wir die gewöhnlichen [s]- und [z]-Laute (über den Unterschied siehe unter Stimme § 80); im all- gemeinen ist es jedoch nicht die Zungenspitze selbst, sondern das Blatt gerade dahinter, das die Rille bildet. Was die Stelle betrijßft, so folgen die gewöhnlichen [s]-Laute den [t, d, n] ; nur werden sie vielleicht in der Regel etwas weiter hinten gebildet. Ein ganz draußen gegen die Zähne erzeugtes [s] /31*, 1®- findet sich im wesentlichen nur als der individuelle Fehler, den wir Lispeln^) nennen. Die normale [s]-Artikulation der ver- schiedenen Sprachen ist (jedenfalls annäherungsweise) die folgende:

isländisch, färöisch, französisch ßl^^

dänisch, deutsch ßl^^

englisch ßV-, Ein eigentliches Zungenspitzen-[s] im Gegensatz zu diesen Zungenblatt -[s] kann namentlich an dem Zahnfortsatz (:f) oder noch weiter hinten gebildet werden; der Klang dieser supradentalen u. s. w. [s]-Laute, Lautschrift [s], analphabetisch ßP, V^, 1«, erinnert stark an [J] und zwar desto mehr, je weiter wir zurück kommen. Im Nor- wegischen und Schwedischen sind diese zurückgezogenen s-Laute häufig und der Einwirkung eines vorhergehenden r zu verdanken, das zum teil verschwunden ist, z. B. in först.^)

1) In anderen Fällen kann das Lispeln auf ungünstigen Zahnformationen beruhen, und kann dann nicht wie die oben erwähnte Art Lisi^eln dadurch „ge- heilt" werden, daß man sich übt, weiter drinnen zu artikulieren.

2) Wenn das Deutsche in einer Anzahl Fälle nach r [/] für [s] erhalten hat, so ist der Weg vielleicht über ßl^^ gegangen; vgl. herrschen, mhd. hersen, ahd. herisön; kirsche, mhd. kirse usw.

Zunge. Zungenspitze. 35

34. Unter den Zungenspitzlauten mit spaltförmiger Enge (analpha- betisch ß2) sind die beiden englischen th-Laute, [^] oder [6] in thin usw., [&] in then usw. die wichtigsten. Oft wird es so dargestellt, als ob der Unterschied zwischen [s] und [|)] ein reiner Stellenunterschied wäre, indem [J)] weiter vom als [s] als reiner interdentaler oder post- dentaler Laut gebildet würde. Das ist nicht richtig; ein [s] kann man so weit vorn artikulieren wie man will, es wird doch niemals etwas anderes als ein gelispeltes [s], kein [J)] werden; umgekehi-t wird ein [J)], selbst wenn es weit von den Zähnen zurück gebildet wird, niemals zu einem [s]. Das Charakteristischste für [p] ist die breite spalt- fÖrmige Öffnung im Gegensatz zur Rillenbildung bei [s]. Man kann dies fühlen, wenn man die Hand dicht vor den Mund hält: man empfindet dann bei [s] einen feinen Luftstrahl, bei [p] ebenso wie bei [f] einen breiten, doch nicht besonders hohen Luftstrom, („Breite" von rechts nach links, „Höhe'' von oben nach unten gerechnet).

Die leichteste Weise ein [J)] zu lernen ist die, daß man es inter- dental bildet, ß2^, indem man die Zunge flach in die Öffnung zwischen den Zähnen legt und sie ganz schwach gegen den Unterrand der Vorderzähne rühren läßt; zugleich natürlich wird Luft ausgestoßen. Diese Bildungsweise empfiehlt sich auch vom pädagogischen Stand- punkte, indem der Lehrer hier sehen kann, ob der Schüler richtig ausspricht und es den anderen Schülern zeigen kann. Diese Variante von [|)] und [Ö] ist gewiß die häufigste im Isländischen, z. B. in ßing, hada.

Dagegen ist es nicht die gewöhnliche englische Aussprache. Man kann hier in der Regel nicht die Zunge unter den oberen Vorderzähnen hervorkommen sehen, sondern hier hält man die Zunge unmittelbar hinter diese und läßt sie ganz schwach die Hinterfläche der Zähne berühren, sodaß die Luft teils zwischen Zunge und Zähnen, teils auch, falls nämlich die Zähne nicht zu dicht nebeneinander stehen, durch die Zwischenräume zwischen den Vorderzähnen entweichen kann. Analphabetisch also /32®. Lloyds Beschreibung des Lautes (Neuere Spr. HL 50) ist so gut, daß ich hier das meiste abschreibe. Er erwähnt zuerst, daß er interdentales [|)], ß2^, beobachtet hat „in foreigners, in children and in teachers teaching, but hardly at all in the ordinary speech of adult English people . . .; when the sound is fuUy acquired, the tongue rarely, if ever, passes beyond the points of the Upper teeth. It must be admitted, of course, that when the tongue is in this position, its tip is often a little in advance of the low er toothrim, so that a smart blow under the chin causes the

8*

36 Erster Hauptteil: Analyse. Drittes Kapitel.

tongue to be bitten. Tbis is tbe basis of a common practical joke among Englisb cbildren." Bei seinem eigenen (wie bei Sweets) [f), &] entweicht die Luft durch die Zwischenräume zwischen den Oberzähnen, und er fand, daß, wenn er diese Zwischenräume verstopfte, er den Laut weiter unten hervorbrachte, so daß die Zungenspitze sichtbar wurde (/32'^), und daß dasselbe der Fall war bei Leuten, deren Zähne von Natur dicht nebeneinander standen. Hierdurch wird also ein Ausgleich geschaffen, indem die Luftmasse, die entweicht, in beiden Fällen annäherungsweise gleich groß werden kann.

Es ist leicht zu verstehen, daß der so erzeugte [|)]-Laut große Ähnlichkeit mit [f] hat: bei beiden streicht der Luftstrom über die flachliegende Zunge dahin, um in die Außenwelt hinaus durch eine Öffnung von derselben Form zu entweichen, die in beiden Fällen an derselben Stelle, mit demselben festen Oberrand (den Zähnen) und mit einem weichen Unterrand gebildet wird; die Luft hat in beiden Fällen denselben sekundären Ausweg zwischen den Zähnen, und der einzige Unterschied bleibt also der, daß der Unterrand in einem Falle die Unterlippe, im andern die Zungenspitze ist. Die Ähnlichkeit ist natür- lich am größten beim interdentalen [|)], aber auch beim postdentalen ist sie groß genug, um den häufigen Übergang von [f)] zu [f] und ebenso von [Ö] zu [v]^) begreiflich zu machen. Beispiele für diesen Übergang sind im Englischen: vulgäres nuffin' für nothing (bei Dickens usw.); in der englischen und amerikanischen Kindersprache häufig frow, free für throw, three; in Haberton's Helen's Babies findet sich u. a. froed für flirew (throw schwach flektiert), troof für truthy wif für with (amerikanische Aussprache [wi|)]); [v] für [Ö] vgl. hreeve für hreathe.^) Im Russischen wird [f] immer für (neu)griechisches [J)] eingesetzt, also z. B. Marfa für Martha, Fjodor für Theodor-^ vgl. auch got. JMuhan mit ahd. fliohan, ae. fleon^ altn. flyja „fliehen".

Um die Aussprache dieser Laute zu lernen, übe man erst die Laute allein, dann zwischen Vokalen [aj)a, aÖa]^) usw. und gehe endlich zu den schwierigen Verbindungen über, wie

1) Der Unterschied zwischen [|)] und [8] beruht ebenso wie der zwischen [f] und [v] auf den Stimmbändern (vgl. unten § 82).

2) Dieselben Kinder setzen jedoch in anderen Worten z und d anstatt ( 9] ; ze oder de für the, datsh für that 's.

3) Man achte deutlich auf den Unterschied von: ]fÄicÄ;[l)ik]-sw?Ä;[sik]; thin[1>in]-sin[sin] path[pa''^]-pass[pa-a] ; worth[wQ-'i>]-tvorse[wds\ ; kith[kil)]-kiss['kia] ; breathe[brr^] - 6ree^;e[bri'z] .

Zunge. Zungenspitze. 37

[dj)] z. B. width [widp] hreadth [bredp]

[tj)] z. B. eighth [VtJ)]

[nj)] z. B. won^/i [mAnp] tenth [tenj)]

[f)s] z. B. hirths [be'f)s] cZo^/^s [klo|)s]

[Öz] z. B. ^a^Äs [pa-^z] &a^/^s [beiÖz]

[sb] z, B. 7^55 the hook [kis Öe buk]

[z|)] z. B. Äe «'s thinking [hi -z |)ii]kig]

[|)s/] z. B. #Äe Uacksmith's shop [&e bleeksmips Jbp].

Mehrere von diesen und damit verwandten Verbindungen sind auch für die Engländer selbst schwierig, weil die erforderlichen Be- wegungen so klein sind und nur mit Mühe ganz genau ausgeführt werden können; daher erspart man sich nicht selten einige Unbequem- lichkeit, indem ein Laut entweder ganz fortfällt oder seine Artikulations- stelle ändert. Das erstere ist der Fall mit der jedenfalls früher alleinherrschenden Aussprache [klouz] für clothes, ferner wenn [{)] nach [ks] kommen müßte: die Ordinalzahl siodh lautet oft [siks] oder viel- leicht [siks"], indem [s] als Ersatz für das verlorengehende [J)] ver- längert wird; die Pluralform z. B. in five sixths wird ebenfalls gewöhnlich [siks'] gesprochen; [f)] wird ebenfalls oft zwischen [n] und [s] unter- drückt, z. B. in months [mAns].^) Das andere scheint nicht selten der Fall zu sein mit der Verbindung [np], teils so, daß [n] bis zu :d oder :e vorgeschoben wird (vgl. oben § 31) oder umgekehrt so, daß [p] bis zu :f zurückgezogen wird, was ich selbst wenigstens bei einem Engländer bemerkt zu haben glaube.^)

35. Kommen wir höher hinauf hinter den Zahnfortsatz, so erhalten wir einen Laut das sogenannte spirantische Zungen- spitzen-r, der in verschiedenen Sprachen als Repräsentant für r erscheint und aus dem ursprünglichen r-Laut dadurch entstanden ist, daß die Schwingungen der Zunge fortgefallen sind. Dieses [i] wird von Sweet als ein weiter drinnen gebildetes [^], analphabetisch ß2^^, beschrieben, aber es ist doch die Frage, ob wirklich die Artikulations- form dieselbe ist; ich bin geneigt zu glauben, daß ein Unterschied vorhanden ist, und zwar, daß der Zungenkörper von rechts und links gegen die Mitte zu mehr zusammengedi-ückt ist. Während aber bei [J)] im ganzen bei den mit 2 geschriebenen Artikulationen verhältnis-

1) Thackeray schreibt dieses Wort an einer Stelle seiner Ballads als munce und reimt es auf once.

2) Das dänische „offene d" in „gade" usw. ist verschieden von dem eng- lischen th; vgl. des näheren die dänische Fonetik p. 246 47.

38 Erster Hauptteil: Analyse. Drittes Kapitel.

mäßig mehr Luft in der Mittellinie des Mundes als an den Seiten entweicht, ist das Umgekehrte hier der Fall. Als aualphabetische Bezeichnung kann eine auf den Kopf gestellte Ziffer g verwandt werden, die ja in ihrer Form etwas an die eine Art, ein r zu schreiben, erinnert. Die Zungenspitze ist soweit zurückgebogen, daß sich hinter ihr gleichsam eine Höhlung bildet. Dieses [j] findet sich in ver- schiedenen Varietäten*, das am besten bekannte ist das englische r vor Vokal, z. B. in rye, roll, roaring, curious: ß^^^, amerikanisch weiter zurück: ß^^ und als Folge hiervon mit einem etwas hohleren Klang. Nach kurzem Vokal im Englischen, z. B. in very, Jiurry, Harry, ist die Bewegung hinauf zur [j]-Stellung und dann wieder herunter oft so schnell, daß der Laut mehr an das gerollte [r] erinnert; in den anderen erwähnten Beispielen behält man die Stellung länger bei, und die Be- wegung wird langsamer,

36. Setzt man die Zungenspitze in eine schwirrende, schwingende, zitternde Bewegung, so erhalten wir die Artikulation, die analphabetisch mit /3r bezeichnet wird und die charakteristisch ist für das „gerollte" [r] (vibrant, tremulant, engl, trill, trilled, franz. roule). Der Vorgang ist wesentlich derselbe wie beim Lippenschwingen (vgl. oben § 16); die Zungenspitze muß zurückgebogen und so dünn wie möglich ge- macht werden, indem so viel wie möglich von der Muskelmasse weit zurückgezogen wird, so daß sich unmittelbar hinter der Zungenspitze eine Art löffeiförmiger Höhlung bildet, die aufwärts und rückwärts gekehrt ist; indem der Luftstrom von hinten auf die so gehobene Zungenspitze trifft, erhält sie einen Schlag nach vorn, schwingt aber im selben Augenblick infolge ihrer Elastizität zurück, um wieder vorwärts gestoßen zu werden, worauf sich dasselbe wiederholt. „Das Vibrieren der losen Zungenspitze kommt genau auf dieselbe Weise zustande, wie bei einem Stück Papier, das man lose in eine Ritze, z. B, ein halbgeöffnetes Fenster, hält, wo starker Zug ist; auch das Flattern und Schlagen einer Fahne im Winde ist ungefähr dasselbe."^) Wie schnell das Vibrieren stattfindet, beruht auf der Elastizität der Zunge und auf dem Luftzug, ist also für verschiedene Lidividuen wohl ziemlich verschieden. Donders zählte mit Hilfe des Phonauto- graphen 15 39 Vibrationen, Vietor mit Hilfe des Kymographen 20 35 in der Sekunde. Es ist aber klar, daß, wo [r] in der wirklich natürlichen Rede vorkommt, man niemals so viele Schwingungen braucht, da der ganze Laut nur einen Bruchteil einer Sekunde dauert;

1) EUis, Pronunc. f. Singers 75.

Zunge. Zungenspitze. 39

nach Vietor gebraucht man im Anlaut 3, bei besonders deutlicher Aussprache 4 5 Zungenschläge, im Inlaut nach langem Vokal 2, nach kurzem Vokal 3, und endlich im Auslaut gewöhnlich nur 1 Schlag. Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß diese Angaben nicht für alle Sprachen mit [r] in gleicher Weise gelten und daß mehrere Sprachen einen Unterschied in der Anwendung eines [r] mit mehr Schwingungen und eines mit weniger machen, indem das erste gewöhn- lich in den Fällen verwandt wird, wo die Sprache sonst langen Konsonant hat, das letzte, wo es sonst kurzen Konsonant hat; bisweilen wird die Zahl der Zungenschläge in letzterem Falle auf einen be- schränkt, und der Laut wird in diesem Falle genau derselbe wie beim englischen r, /3g, bloß wohl mit dem Unterschied, daß die Hin- und Herbewegung schneller vor sich geht. So hat:

das Italienische mehr Schwingungen in terra, a Borna, weniger in

Vera, la rosa, aroma das Portugiesische a Roma, weniger in aroma

das Französische pleurera, mourrais, weniger

in plmra, mourais. Es fällt vielen Leuten, in deren Spraehe sich [r] nicht findet, schwer, diesen Laut zu lernen und anzuwenden. Aber viele, die den Laut in ihrer normalen Sprache nicht gebrauchen, beherrschen ihn doch und gebrauchen ihn in gewissen Fällen, so bei der Nachahmung des Trommelschlages: dara dara dara; darom u. dergl., und wenn sie Hunde necken wollen, indem sie ihr Knurren nachahmen; schon alte griechische und lateinische Autoren kennen dies, daß Hunde in ge- reizter Stimmung einen mit r verwandten „schnarrenden" Laut hervor- bringen, und nennen daher r littera canina, was Ickelsamer so aus- drückt: „Das r ist ain hundts buchstab, wan er zornig die zene blickt und nerret, so die zunge kraus zittert". Diejenigen, die sich nicht schon auf die eine oder andere Weise den Laut angeeignet haben, werden oft große Übung nötig haben. In manchen Fällen kann man diesen helfen durch Angabe der ßildungsweise wie oben und Hervor- hebung der Biegung, Dünnheit und Elastizität der Zunge. Andere können den Laut lernen, indem sie eine Zeitlang so schnell wie mög- lich und mit so losem [d] wie möglich dadadada . . . sagen ; die Zunge wird es dann leicht von selbst unterlassen, vollkommenen Ver- schluß ZU bilden. Ellis^) empfiehlt folgende Methode: sprich [z] ein s mit Stimme, vgl. § 80 und verlängere den Laut mit

1) a. a. 0. p. 74.

40 Erster Hauptteil: Analyse. Drittes Kapitel.

starkem Summen („buzz it well") ; indem man sicli anstrengt, den Laut lange festzuhalten, fühlt man einen gewissen Widerstand und muß die Zungenspitze stramm halten (rather tight); darauf soll man wieder versuchen, aber diesmal keinen Widerstand leisten („let the end of your tongue go loose and be comfortable'^ dann kommt die Zunge von selbst zum Schwingen.

37. Was die Artikulationsstelle von /3r betrifft^), so ist es an und für sich möglich, diesen Laut an allen den Stellen zu erzeugen, wo ein [d] usw. auch hervorgebracht werden kann, also von der interdentalen Stellung an bis hinauf zum Anfang des weichen Gaumens. Je weiter vorwärts man aber kommt, je flacher also die Zunge ist, desto schwieriger wird es, die Zunge zum Vibrieren zu bringen; ein interdentales gerolltes [r] gehört wohl für die meisten Menschen zu den Unmöglichkeiten; und geht man umgekehrt zurück bis über einen gewissen Punkt hinaus (z. B. bis zu :h, wo das Munddach am höchsten ist), da empfindet man es sogar als eine Mühe, die Zunge überhaupt so weit zurückzubiegen, und die Zunge scheint da auch nicht besondere Elastizität zu besitzen. Die normale Bildungsstelle muß etwas hinter dem Zahnfortsatz angeset?it werden :fg oder in deren Nähe; gegen :f wird [r] nicht selten artikuliert, und auch gegen :g kommt es vor, obgleich nicht sonderlich häufig. Wir werden auch sehen, daß im großen und ganzen ßu weiter zurückliegt als mit [t], [d] usw. der Fall ist, und gerade darauf beruht es, daß [r] so oft diese Laute zur :f- oder :g-Gegend zurückzieht. Die Stelle in Verbindung mit dem Elastizitätsgrad (und also der Schwingungsgeschwindigkeit) bewirkt nicht unwesentliche Abweichungen in bezug auf den Klang des Lautes, die klangvollste Varietät ist wohl die italienische. Anstatt des hier beschriebenen [r]-Lautes finden sich vielerorten andere, teils gerollte, teils ungerollte (vgl. § 137 ff.).

38. Es ist noch eine Klasse von Zungenspitzkonsonanten übrig, nämlich die Seitenlaute. Die hierzu erforderliche Artikulation mit fester Berührung mitten im Munde und Öffnung für den Luftstrom an beiden Seiten ist leichter genau mit der Zungenspitze gegen den einen oder anderen Teil des Obermundes auszuführen als mit den Lippen (s. o. § 15), und sie spielt daher auch in den Sprachen eine

1) Streng genommen könnte man sagen, daß ein gerolltes r eigentlich nicht eine, sondern mehrere Artikulationsstellen hat, zwischen denen die Zunge hin- und zurückschwingt; da jedoch die Schwingungen sich nicht über ein großes Gebiet erstrecken, hindert nichts daran den mittelsten Punkt als die Artikulations- stelle des [r] zu bezeichnen.

Zunge. Zungenspitze. 41

große Rolle. Die Z- Laute werden so erzeugt, daß die Luft sich in zwei Ströme teilt, die an einer Seite der Zungenspitze herausstreichen. Daß dieses der Fall ist, davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man darauf achtet, daß die Backen (besonders bei stimmlosem l, wo der Luftstrom am stärksten ist) ein wenig aufgeblasen werden, indem die beiden Luftströme dagegen schlagen; man kann auch die Zwei- teiligkeit des Luftstromes bemerken, wenn man während der Aus- sprache seine Hand dicht vor den Mund hält. Neben dieser normalen Artikulationsform (bilaterales Z; analphabetisch ßi) findet sich indessen eine andere weit verbreitete Form, bei der die Berührung sowohl in der Mitte als an der einen Seite stattfindet, so daß der Luftstrom also nicht zerteilt wird, sondern nur an der einen Seite herausströmt (uni- laterales l, analphabetisch ^i). Übrigens ist der lautliche Eindruck beider Artikulationsweisen nicht zu unterscheiden. Dagegen spielt die Größe der Öffnung (bezw. der Öffnungen) eine größere Rolle; indem wir den normalen Öffnungsgrad mit ßi bezeichnen, können wir mit j3 < I eine Artikulation mit engerer Seitenöffnung, bei der ein starkes Summen oder Zischen bei stimmhafter bezw, stimmloser Aussprache entsteht, so daß der Klang sich sogar einem [z] bezw. [s] nähern kann, und mit /3 > i eine Artikulation mit breiterer Seitenöffinung bezeichnen, wobei der Klang mehr vokalartig wird. Das letztere ist der Fall bei dem sogen, „hohlen 1" z. B. im Englischen (s. des näheren § 135).

Was die Artikulationsstelle des [1] anbetrifft, so richtet sie sich in jeder Sprache nach der Stelle, wo [t, d, n] gebildet wird, also ist z. B. deutsches [1] = ßi^^, englisches == /3 > i^ usw.^)

39. Bei der Vokalbildung spielt die Zungenspitze fast nie eine Rolle; sie liegt passiv im Untermunde mehr oder weniger zurück- gezogen je nach der Artikulationsstelle des Vokals. ^) In ganz einzelnen Fällen haben wir allerdings bei den Vokalen eine gehobene Zungen- spitze als letzten Rest eines sonst verschwundenen [r]; die Zunge

1) Über den eigentümlichen „dicken 1-Laut" des Norwegischen und Schwe- dischen, der mit einem eigentümlichen Schlag der Zungenspitze hervorgebracht wird, vgl. Storm, Engl. Phil. 42 und die dänische Fonetik p. 227 ff.

2) Diese Passivität kann man, wenn man will, analphabetisch dadurch be- zeichnen, daß man kein Zahlzeichen oder dergl. neben ß setzt, sondern bloß den Punkt im Obermunde angibt, unter dem senkrecht die Spitze liegt, also z. B. bei gewöhnlicher Aussprache von [i] ^e, bei [u] ßg; in den meisten Fällen jedoch braucht man die Lage der Zungenspitze garnicht besonders anzugeben.

42 Erster Hauptteil: Analyse. Viertes Kapitel.

vibriert nicht, zeigt aber schwach nach dem^Gaumen hinauf, oft während der ganzen Dauer des Vokals, oft aber auch nur beim Schluß desselben; so in englischen Dialekten [spa'"] sparrow, [ba'n] ha/rn usw.

Viertes Kapitel.

Die Zungenfläche.

(Artikulationen mit Vorderzunge, Mittelzunge, Hinterzunge und

Zungen Wurzel.)

40. Es ist möglich, einen Verschluß mit der Zungenfläche (yO) ebensoweit vorne wie mit der Zungenspitze (/30) zu bilden-, so kann man z. B. mit der Mittelzunge gegen die Oberlippe {yO"^) oder gegen die Hinterfläche der Oberzähne (yO"^) artikulieren, wenn der Zahn- abstaud hinlänglich groß gemacht wird; doch spielen so extreme Fälle in den Sprachen keine Rolle. Ein mit der Vorderzunge gegen die Zähne (yO*®) gebildetes [t, d, n] wird vielleicht als individuelle Sprachform vorkommen; vgl. EUis' Beschreibung seiner Aussprache von [n] nach [{)] und [Ö] in Worten wie [s'pn, hi'^n] eartJien, heathen (Pron. f. S. 78): „es besteht hier eine Schwierigkeit darin, die Zunge aus der [|)]-Stellung in die [n]-Stellung zurückzuziehen, und ich finde, daß ich selbst gewöhnlich statt die Zunge zurückzuziehen, die Spitze an den Zähnen liegen lasse und denjenigen Teil der Zunge, der gerade hinter der Spitze liegt, so hoch hebe, daß er das Zahnfleisch und den Gaumen gerade bis zu der Stelle berührt, wo er gewöhnlich für die Aussprache des [n] sich befindet"; analphabetisch ist dieses wohl zu- gleich ein /32® und yO^. Aber erst wenn wir an einen weit innerhalb liegenden Teil des Obermundes gelangen, erhalten wir natürliche in der Sprache angewandte Laute. In zweifelhaften Fällen kann man untersuchen, ob man einen Verschluß mit der Zungenfläche y oder mit der Zungenspitze ß bildet, indem man mit dem Finger nach- fühlt, ob die Zungenspitze passiv unten bei den Unterzähnen liegt oder nicht.

Vom Anfang des harten Gaumens und ganz zurück bis zum Zäpfchen (oder noch weiter bis zur Rachenwand) erhalten wir eine kontinuierliche Reihe Verschlußlaute; geht man die ganze Reihe durch, sodaß man jedesmal den Verschluß ein ganz klein wenig weiter zurück bildet, so wird man hören, daß man zu Anfang Laute von unverkennbar

Die Zungenfläche. 43

t*)-artigem Klang erhält, aber allmählicli unmerklich einen Laut er- hält, den man ohne Bedenken Jc^) nennen wird. Feste Grenzen lassen sich nicht ziehen, sondern man muß sich damit begnügen, die Haupt- typen festzulegen; die folgenden 4 entsprechen den 4 Teilen der

Zungenfläche:

Artikuliert mit der

Vorderzunge Mittelzunge Hinterzunge Zungenwurzel

analphabetisch: yO« yö^ yO' yO^ oder 0''(0i)

IC* c* k q .

41, Bei den vordersten [c, j], hier als [c*, j'] bezeichnet, legt sich die Vorderzunge in einem verhältnismäßig großen Gebiet hinauf gegen den vordersten Teil des harten Gaumens; die Laute werden an derselben Stelle wie der Vokal [i] und der Konsonant [j] gebildet und unterscheiden sich von diesen bloß dadurch, daß vollständiger Verschluß gebildet wird. Daher ist es leicht begreiflich, daß diese Laute sich oft aus einem [i] oder [j] bei verstärkter Artikulation ent- wickeln, indem die Zunge sich ganz hinauf an den Gaumen hebt, so in dem einzigen Wort, wo wir im Deutschen den Laut [c] haben, nämlich in derjenigen Abart vom Worte ja, die oft mit einem Achsel- zucken ausgesprochen wird und eine gleichgültige Einräumung oder eine gelinde Abweisung bedeutet (,ja [tjha], was soll man sagen"). Der entsprechende stimmhafte Laut [j*] entsteht im späten Latein aus [j], wie es sich uns im Italienischen giä aus lateinischem jam, giiioco aus jocu(m), maggiore aus majorenn) darstellt; der Laut ist sicherlich ursprünglich [jj] gewesen und ist dabei mit der aus ursprünglich d -\- i entstandenen Verbindung zusammengefallen, die z. B. im Latei- nischen diurnu(m), jetzt italienisch giorno, vorliegt; jetzt ist aber die Verbindung mehr zischend gfeworden: [J3].^)

42, Gehen wir aus der yO^- Stellung weiter nach innen im Munde, so daß sich die Zungenspitze beständig unten hält, so kommen wir allmählich unmerklich zu Lauten, die mehr an h und g als an t und d erinnern: [c^, j^]. Die typische Form derselben kann beschrieben werden als mit der Mittelzunge gegen den höchsten Punkt des harten Gaumens gebildeter Verschluß; analphabetisch yO^. Dieses ist sicher

1) Bezw. d- oder w- artig. ,

2) Bezw. g, y.

3) [c] entsteht im Holländischen in der Verbindung von t und j, z. B. in heetje, weet je; [c] und [j] ist magyarisch ty und gy.

44 Erster Hauptteil: Analyse. Viertes Kapitel.

die jetzt ausgestorbene oder aussterbende englische Aussprache von h und g in Worten wie Mnd, sJty, garden, girl, die so oft im Anfang des 19. Jahrhunderts') erwähnt wird, und die ich auch glaube von der Bühne gehört zu haben, jedoch nur im letztgenannten Wort, das so lautete, daß mein Eindruck zwischen [j^9i] und [gi9l] schwankte. Wie schwer es dem ungeübten Ohre wird [c^] und [c^] zu erfassen, sieht man auch aus der Schreibweise, mit der sie von Franzosen zur Wiedergabe vulgärer Aussprache bezeichnet werden; hier ist be- sonders t -f- j und k -}- j vor Vokalen in denselben Laut zusammen- gefallen; doch wird dieser in Worten, in denen man ein t zu erwarten gewohnt ist, als ein Ä;-artiger Laut erscheinen und daher als qu ge- schrieben werden, so in piquie für pitUy und umgekehrt da wo man ein h erwartet, als ^-artiger Laut aufgefaßt und geschrieben werden z. B. in cintieme für cinquieme.^)

43. Entsprechend diesen [c] haben wir auch [n]-artige Laute, die mit Verschluß an denselben Stellen hervorgebracht werden: [ji]. Das präpalatale [ji^], mit yO^ gebildet, wird im Italienischen als gn geschrieben, z. B. in ogni.^) Es findet sich auch im Holländischen bei Zusammenstoß von n und j, z. B. in kun jij [k0ji8ei], aan je dokter [a jia doktor], hen je [bsjie oder bsje] u. dergl. Das andere [ji^] ist das post- palatale, das mit der Mittelzunge gegen den höchsten Punkt des Gaumens, also mit yO^ gebildet wird. Dieses ist wohl die gewöhnliche fran- zösische Aussprache von geschriebenem gn, obgleich daneben andere mehr oder weniger gleichberechtigte Formen existieren: palatalisiertes [n] mit [j] dahinter, nasaliertes [j] und der eben besprochene italienische Laut. Das postpalatale [ji^] liegt nicht weit von [ij], und die Franzosen benutzen es daher oft genug, um englisch ng in sing oder deutsch ng in lang nachzumachen, doch wird der Eindruck auf das Ohr immer ein ziemlich verschiedener sein. Ein wirklicher [j]-Laut braucht nicht nach gn zu folgen, entsteht aber doch leicht vor Vokal, z. B. in enseigner, agneau usw.; dagegen findet er sich nicht vor Konsonant wie in enseignement [dssjima]; im Auslaut muß man aufpassen, diesen j-Abschluß nicht zu einer selbständigen Silbe zu machen und besonders

1) vgl. besonders EUis, EEP 206, Storm 370—71, 405, besonders mlid. girl 361, 453. Über die Aussprache wird gesprochen bei Sheridan (1780) in guiäe, guile, doch nicht in card, garden; nach der Comic Grammar 1840 p. 26 findet sie sich in der Aussprache von theatrical dandies in sky = „ske-eye"; Hyde Clarke, Grammar, p. 38, 40, 41 nennt sie irisch. .

2) vgl. Joret, Romania V. 491.

3) Verschieden hiervon ist das „palatalisierte n", vgl. u. Achtes Kapitel.

Die Zungenfläche. 45.

nicht nach deutscher Gewohnheit das [j] stimmlos^ also zu [9] zu machen: [sin9]; die Franzosen sagen [siji] oder [siji(j)8], das letztere meist in gehobenem Stil.

44, Wir kommen hierauf zu [k, g], die durch Verschluß der Hinterzunge gebildet werden. Was die genaue Stelle im Obermunde anbetrifft, wo der Verschluß stattfindet, so wird man nicht unbedeutende Abweichungen in den Angaben der Autoren finden, die versucht haben, die Stelle etwas genauer stomatoskopisch ^) oder auf anderem Wege zu bestimmen. Diese Abweichungen erklären sich zum Teil daraus, daß die Bildungsstelle des Lautes selbst ziemlich variabel ist je nach seiner Umgebung, die hier größeren Einfluß als z. B. bei [t] hat, zum anderen daraus, daß der Verschluß in der Regel ziemlich breit ist, so daß ein verhältnismäßig breiter Gürtel der Zunge und des Obermundes sich berühren, und endlich daraus, daß stomatoskopische Unter- suchungen hier ziemlich unsicher sind, da man keine künstliche Platte so weit drinnen im Munde anbringen kann.

Daß auch im Deutschen sich die Stelle nach dem Vokale richtet, der neben /»;, g steht, davon kann man sich leicht überzeugen, iudem man aufmerksam Worte wie gieb gab, oder hiel Tiohl nach ein- ander ausspricht. Ich glaube mich nicht sehr zu irren, wenn ich die Stelle für Ti^ g in bezug auf deutsche^) Aussprache ungefähr so bestimme:

bei [ki, gi] der hinterste Teil des harten Gaumens, :hi, bei [ka, ga; kl, gl, kn, gn] usw. Grenze zwischen hartem und weichem Gaumen, :ih oder :i,

bei [ku, gu] entschieden weicher Gaumen, :i oder höchstens :ij.

45. Entsprechend dem [k] und [g] haben wir den Laut [ij], den Konsonanten, der mit dem Buchstaben n im deutschen Junker, engl. pinli, longer usw., mit ng im deutschen Junge, engl, long usw. be- zeichnet wird. Wie schon durch diese Beispiele angedeutet, muß man sich davor hüten die Fälle zu verwechseln, in denen dieser Laut allein und in denen er mit einem wirklichen g oder h verbunden vorkommt, besonders weil die Aussprache im Deutschen zwischen [laijj und [lagk] lang schwankt; englisch singer ist [siija], finger dagegen [figgo]. Dieses [g] wird an derselben Stelle wie [k] und [g] gebildet, vielleicht auch ein Stückchen weiter zurück.

1) vgl. Phon. Grundfragen. „Untersuchungsmethoden".

2) Französisch [k] wird gewöhnlich eine Spur weiter vorne als das deutsche gebildet; englisch wohl ungefähr wie deutsch.

46 Erster Hauptteil: Analyse. Viertes Kapitel.

46. Bilden wir Verschluß mit der Zungenwurzel gegen den untersten Teil des Gaumensegels mit dem Zäpfchen (yO^) oder auch gegen die Rachen wand {yO^), so erhalten wir eine eigentümliche Ah- art des k- oder g-Lautes, die man als [q, g] bezeichnen kann; ich habe den ersten im Grönländischen gehört, z. B. in qaqaq „Berg" und ganz identisch damit in der arabischen (marokkanischen) Aussprache von qahwe „Kaffee".

47. Unter den Engelauten, die mit der Zungenfläche gebildet werden, haben wir zuerst [J"] und [3], oder wie sie auch oft in der Lautschrift bezeichnet werden [s] und [z]; [/] oder [s] wird repräsen- tiert durch deutsch seh in schade, französisch eh z. B. in chat, englisch sh z. B. in shaU; [3] oder [z] durch französisch j z. B. in jamais, oder durch den englischen Laut in measure [mege]. Der Unterschied zwischen [J] und [3] beruht auf der Stimmbänderartikulation; hier werden wir uns nur mit der Frage beschäftigen, worauf der Unter- schied zwischen [s] und [J] beruht, indem wir nicht ohne weiteres sagen können, daß [s] in die Region der Zungenspitze und [J] in die der Zungenfläche gehört, selbst wenn es nach der Art und Weise, in der ich hier die beiden Laute jeden in seinem Kapitel behandelt habe, so scheinen könnte. Die Lehre von der Bildung dieser beiden Laute und ihrem Verhältnis zueinander gehört zu dem Schwierigsten in der ganzen Phonetik, und es finden sich kaum zwei Autoren, die sich in diesem Punkte einig wären ^), was sich daraus erklärt, daß die verschiedenen Sprachen ähnliche Laute auf verschiedene Weise bilden können und daß jeder Autor zunächst auf die Artikulations weise seiner eigenen Sprache gesehen hat und daß endlich verschiedene Be- stimmungen einander nicht zu widersprechen brauchen: sie können zum Teil einander ergänzen, wenn jeder die Sache von einem ein- seitigen Gesichtspunkt aus betrachtet und die komplizierte Natur der Phänomene übersehen hat. Könnte nicht etwa die Lösung des Rätsels die folgende sein?

Es gibt zwei Hauptarten von [/]-Lauten, deren Bildungsweise verschieden ist, die aber doch etwas Gemeinsames haben, wodurch sie sich von den [sJ-Lauten unterscheiden und das deshalb das ausschlag- gebende Unterscheidungsmerkmal sein muß, nämlich: der Teil der Zunge, der artikuliert, ist nicht derselbe, der im Ruhe- zustande dem betreffenden Punkt des Munddaches grade gegenüber liegt. Bei [s] figuriert, wenn ich so sagen darf, ein Teil

1) Eine ausführliclie Diskussion der verschiedenen Ansichten findet sich in der dänischen Fonetik p. 236 243.

Die Zungenfläche. 47

der Zunge mit seinem vis-ä-vis; figuriert dagegen derselbe Teil der Zunge mit dem Nebenmann seines vis-ä-vis, wird das Resultat ein [J], Doch muß gleich eine Einschränkung hinzugefügt werden: werden die Zähne im Obermunde selbst berührt, so erhalten mir immer einen [s]-artigen Laut selbst mit einem verhältnismäßig weit zurückliegenden Teil der Zunge (yl"®, yl"^) (man erinnere sich der Bedeutung des Punktes: s. o. § 28), und gehen wir ganz zurück zum weichen Gaumen, so erhalten wir immer, falls doch überhaupt ein Zischen zustande- kommt, eher den Eindruck eines [J] als eines [s], selbst wenn wir den Teil der Zunge benutzen, der normalerweise der Artikulationsstelle gerade gegenüberliegt. Zwischen diesen beiden Extremen jedoch hat die angegebene Regel ihre volle Grültigkeit.

Die erste Art [/] entsteht, wenn ein weit nach vorn liegender Teil der Zunge (fast gan^ an der Zungenspitze), der im Ruhezustand den Vorderzähnen oder dem vordersten Teil ihres Zahnfleisches gerade gegenüberliegt, gegen einen Teil des Munddaches wirkt, der weiter zurück liegt, also yl'^, yl'^^ oder yl-^. Hier ist die Bildungsweise nicht sehr verschieden vom supradentalen oder kakuminalen Zungen- spitzen-[s] ßV oder ßl^ (vgl. o. § 33), und der Laut wird infolgedessen fast derselbe. Wegen der aufwärts- und zurückgebogenen Stellung des vordersten Teils des Zungenkörpers entsteht mit Naturnotwendigkeit eine löffeiförmige Höhlung weiter drinnen als die eigentliche Artikulationsstelle. Diese Artikulationsweise ist die gewöhnlichste im Englischen, z. B. in shed, Shilling, shall, shrill'^ ich habe sie außerdem sehr ausgeprägt im Kroatischen gefunden, und sie scheint auch auf französisch vorzukommen, obgleich sie hier nicht die gewöhnliche ist.

Bei der anderen Hauptart des [/] artikuliert im Gegenteil ein Teil der Zunge gegen einen Punkt im Munddache, der weiter nach vorn als sein normales vis-ä-vis liegt. Hierbei ist zu bemerken, daß die Zunge, wenn wir ein Stückchen von der Zungenspitze zurück- gehen, nicht so beweglich ist wie weiter vorn, und daß sie namentlich keine so feine Rille wie hier bilden kann; wir erhalten also eine etwas breitere Öffnung, obgleich sie nicht ganz so breit wird wie bei [J)]; analphabetisch ein Zwischending zwischen 1 und 2, geschrieben 12 nach § 21 Anm. Ferner wird auch wegen der geringen Be- weglichkeit des betreffenden Zungenteils die Rille länger in der Richtung von vorn nach hinten als bei der andern. Bei dieser Art von [/] wird nicht, oder jedenfalls nicht in dem ausgeprägten Grade, ein „Kesselraum" weiter drinnen im Munde als die Artikulationsstelle gebildet werden, dagegen wird ein einigermaßen ähnlicher Raum vorn

48 Erster Hauptteil: Analyse. Viertes Kapitel.

im Munde entstehen, der wesentlicli zur Klangfarbe des Lautes mit- wirkt, und welcher durch Vorstrecken oder Runden der Lippen (ungefähr a5*(^)) verstärkt werden kann. Auf diese Weise entsteht das gewöhn- liche deutsche [J] (analphabetisch ccö^, 7 12^) und ein häufiges fran- zösisches [J], wo die Lippenrundung jedoch nicht so ausgeprägt wie bei dem deutschen ist (yl2^- oder vielleicht bisweilen weiter zurück yl2^^). Eine Art gemeinsamen Zeichens für alle [J]-Laute in der analpha- tischen Bezeichnung wird also yl (oder 12) mit einem Punkte vor oder nach dem Exponenten.^) ^

Eine eigentümliche Abart des zuletzt beschriebenen [/] finden wir in der südschwedischen Aussprache von Worten wie sjösjulc, sjuttiosju, Skäralid usw. Die Zunge ist recht viel weiter zurück als bei dem deutschen und französischen [J], so weit, daß der betreffende Teil fast nicht mehr Rille bilden kann; ^ie Lippenwirksamkeit ist sehr energisch, weswegen das Resultat stark an das gerundete deutsche [x] in Buch erinnert. Ein Schritt weiter, und wir haben ein [x] statt eines [J]; vgl. Spanisch, unten § 49.^)

48. Das Konsonantenpaar [9] und [j] wird mit spaltförmiger Öffnung^) zwischen der Vorderzunge und dem vordersten Teil des harten Gaumens gebildet, also analphabetisch y2^. [9] ist am besten bekannt als der sog. deutsche „ich-Laut"; er findet sich nach Vorder- zungenvokalen und nach Konsonanten, wo die Orthographie teils cJi, teils g im Auslaut (darunter in gewissen Fällen im Stammauslaut) hat, und vor stimmlosem Konsonant, also in Fällen, wie ich, echt, prächtig, Bücher, Mädchen, München, kriecht kriegt, König, Weg, Berg, Burg, möglich, folgt^) usw. [j] findet sich in seiner ausgeprägten Form im Deutschen, geschrieben j, z. B, in ja, Jugend usw., geschrieben g

1) Mein Kollege Holger Pedersen schlägt vor, als analphabetisches Zeichen für Kesselraum V anzuwenden (vgl. die Erweiterung der Zahlreihe mittels I; V erinnert an das Zeichen das in s und z über s und z gesetzt wird). Die beiden Arten von [/] würden dann (auch ohne Verwendung von dem Punkte) so zu schreiben sein: ^1 yV und ^Vyl (mit Exponenten an der 1). Diese Bezeichnungs- weise ist vielleicht besser als die meine.

2) Über dänische Annäherung an [f], geschrieben gewöhnlich sj, und ihr Verhältnis zu russischem und polnischem palatalisierten [s] vgl. die dänische Fonetik 244 f.

3) Es ist klar, daß wegen der Wölbung des Gaumens die „Spalte" hier nicht ganz die flache Form wie bei den Lippenlauten oder wie bei [J)] bekommt; der Unterschied zwischen Rille und Spalte wird daher hier nicht ganz so deutlich wie dort, aber doch deutlich genug, um eine Scheidung zu rechtfertigen.

4) In den Fällen, wo die Schrift g hat, findet sich auch der Verschluß- laut [k, g|.

Die Zungenfläche, 49

im Inlaut nach Vorderzungenvokalen und Konsonanten (ausgenommen vor stimmlosem Konsonant, vgl. oben), also z. B. in Siege, Wege, wäge, Züge, Morgen, folge.^) Hier ist wirklich konsonantische Reibung oder Summen^), wirkliches y2. In mehreren anderen Sprachen wird [j] da- gegen schlaff gebildet, so daß es mehr auf der Grenze eines Yokal- lautes steht; dies ist der Fall mit [j] sowohl im Dänischen ja usw., als auch im englischen yard, you, das schwächer, vokalisch i-artiger als im deutschen ja, Jugend^) lautet, und wir müssen also dänisch und englisch [j] als y2S^ oder wenigstens, in gewissen Fällen, als y3^, also wirklich wie ein mitlautendes [i]*) ansetzen. Im Französischen richtet sich die Beschaffenheit des [j]-Lautes im allgemeinen nach der Umgebung^), so daß es neben einem [i] wie in [pije] piller wirklich y 2 ebenso wie deutsches i [zi'ja] siege ist; neben anderen Vokalen wird es mehr vokalisch, in [js'r] hier wesentlich wie englisch y23, verschieden vom deutschen „Jäger"; am deutlichsten ausgeprägt ist die vokalische Natur (yS^ oder noch weiter unten) nach a-Lauten wie in [travaj, batu'j] travail, hataille. Etwas weiter zurück, an dem höchsten Punkte des Gaumens (:h), erhalten wir ein anderes Paar Engelaute, die als [x] und [y] bezeichnet werden können. [%] findet sich oft im Dänischen vor [t] in cegte usw. und im Norwegischen Jij in. hjoere usw.; [y] wird im Dänischen in gewissen FäUen g geschrieben, z. B. in smiger, vcelge.

49. Das Lautpaar [x, ^] wird an dem weichen Gaumen gebildet, analphabetisch y2^ (oder 2J). Auf deutsch haben wir die Laute [x] und [g^] aber nur nach Hinterzungenvokalen; der erstere wird be- zeichnet durch eh, z. B. in ach, Macht, doch, Buch, und durch g im Auslaut^) sowie vor stimmlosem Konsonant, also in Worten wie Ta^, Zug, Jagd, Magd, sagte; der letztere durch g im Inlaut^), z. B. in Tage, sogen; nach runden Vokalen ist die Lippenrundung sehr aus-

1) S. Anm. 4 S. 48.

2) Am deutlichsten hervortretend im Berliner j für geschriebenes g vor Konsonant: Gnade, gleich.

3) Ein deutsches [j] kann daher für einen Engländer wie [3] lauten, jeden- falls in gewissen Verbindiingen ; auf dem Stenographenkongreß in London 1887 hielt ein deutscher Doktor einen Vortrag in fließendem Jlnglisch mit deutschen Lauten; als er opinion mit deutschem [nj] sagte, wandte mein englischer Neben- mann sich erstaunt zu mir und wiederholte [o'pinsan!?].

4) Vor [a] geht ein dänisches j sogar ganz herab zu y5, wie ein mitlauten- des [e]. Über den BegriflF mitlautend vgl. Dreizehntes Kapitel über „Silben".

5) Vgl. meine Bemerkungen in den Phon. Stud. 11 90 (1888).

6) In den Gegenden, die hier nicht Verschlußlaut haben.

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 4

50 Erster Hauptteil: Analyse. Viertes Kapitel.

geprägt, z. B. in Btich, Zug, zogen. Ferner dänisches [g^] in hage usw., [x] bisweilen in hagt usw.; [x] im Florentinischen c zwischen Vokalen: secolo, la casa, hier oft mit so schwacher Mundartikulation, daß kaum mehr als ein [h] zurückbleibt. Im Spanischen findet sich [gj.] im Wechsel mit [g] z. B. in gusto; [x] entstanden aus [J] durch Weiterführung des in § 47 (Schluß) besprochenen Verhältnisses in jota, Juan usw.^), im Holländischen [9^] in gold, gegeven, [x] in schiep, echt.^) Nicht selten werden diese Laute mit Zäpfchenschwingen verbunden (vgl. § 65) und erhalten dadurch etwas r-Artiges. Aber auch ohne direktes Zäpfchenschwirren sind es Varianten von Lauten, welche an r erinnern, was möglicherweise nur darauf beruht, daß die Laute etwas weiter zurück liegen (j'2-'); wahrscheinlicher aber liegt es an der Form der Zunge, indem diese in der Mittellinie des Mundes etwas zusammengepreßt scheint, so daß die Seitenränder nicht so nahe gegen die unteren Backenzähne liegen als dieses beim dänischen [x, g] der Fall ist. Hierdurch entsteht also hinten im Munde etwas Entsprechen- des, wie das für die Zungenspitze oben § 35 Beschriebene (/3 g), und wir müssen es deshalb analphabetisch mit demselben Symbol be- zeichnen, also (yg'). So erklärt es sich, daß, während auf dänisch [5^] und r scharf auseinandergehalten werden können, sie fortwährend im Deutschen vermengt werden: wagen und waren werden beständig z. B. in Berlin verwechselt.

50. Hinterzungenengelaute erscheinen oft in den Sprachen als Repräsentanten für r; sie werden gewiß alle auf dieselbe schon be- schriebene Weise gebildet, variieren aber in bezug auf die Stelle: YZ^} yZ^y YZ^ ^^d ?Z^] ^^^ letzte, hinterste ist die gewöhnliche Aus- sprache des r im Dänischen, Lautschrift [k]; vgl. unten § 141. Zum Schluß möge hier bemerkt werden, daß weit zurückliegende Zungen- rückenengelaute {'y2^, 2^ u. dergl.) auch außerhalb der Sprache, nämlich beim sogen. Räuspern vorkommen, wobei der Zweck ist, mit Hilfe des Luftstroms Schleim in den vordersten Teil des Mundes zu pressen, um ihn dann ausspucken zu können.

51. Seitenlaute können auch mit der Zungenfläche erzeugt werden, so daß die Luft nicht in der Mittellinie des Mundes herausströmen kann, sondern an der einen oder an beiden Seiten entweicht; die Bildungsweise ist so wie oben § 38 beschrieben, bloß daß es nicht

1) In betreff der chronologischen Verhältnisse bei diesem spanischen Laut- übergang vgl. die dänische Fonetik p. 250 51.

2) Doch ist der Unterschied wegen der eigentümlichen Stimmverhältnisse im Holländischen oft verwischt.

Die Zungenfläche. 51

die Zungenspitze, sondern ein weiter zurückliegender Punkt der Zunge ist, der die entscheidende Berührung bildet. Zuerst haben wir das „palatale 1" [Ä], das mit demselben Teil der Zunge und an derselben Artikulationsstelle gebildet wird wie das vorderste [c] usw., also analphabetisch yi^, ital. gl, z. B. in egli, tagliare.^) Bildet man Mittelberührung mit Seitenöffnung an derselben Stelle, wo [k] her- gestellt wird (yi^" oder ähnlich), erhalten wir einen eigentümlichen 1-Laut, der so selten ist, daß er kein besonderes Lautschriftzeichen braucht. Ich kenne ihn nur aus dem Englischen, und da eigentlich nur aus einem einzigen Wort, nämlich milk, das mit dem allgemeinen englischen l gesprochen werden kann, das aber nicht selten so aus- gesprochen wird, daß die Zungenspitze passiv ist, und daß die Hinter- zunge denselben Punkt des Gaumens zuerst partiell (nur in der Mittel- linie) für l, dann in der ganzen Breite für Ti berührt. Das eigentlich charakteristische Zungenflächen- 1 [i] liegt indessen weiter zurück. Dieses yi^ (oder i-*) ist nicht leicht zu lernen. Das russische 1, .tb, in Worten wie [paika] „Stock", [stul] „Stuhl" scheint bald bei passiver Ruhelage der Zungenspitze im üntermunde (/3 yi^), bald mit gleich- zeitiger 1-Bildung durch Zungenspitze und Zungen wurzel (/3 > i^^yi'^) gebildet zu werden; der akustische Eindruck scheint nicht wesentlich bei Auslassung der Zungenspitzenwirksamkeit geändert zu werden. Das englische und jütische „hohle 1", das oft mit dem russischen [i] identifiziert wird, wird unten § 135 behandelt.

52. Wir haben die konsonantischen Zungenflächenstellungen be- endet und kommen nun zu den vokalischen. Diese sind außerordentlich wichtig für die Unterscheidung der verschiedenen Vokallaute, aber wir müssen hier besonders dringend den Leser bitten festzuhalten, daß in diesem ganzen Abschnitt der Phonetik nicht die Laute als solche, sondern die einzelnen artikulatorischen Stellungen der Sprachorgane Gegenstand der Behandlung sind. Von den Vokalen selbst wird hier also noch nicht die Rede sein, sondern nur von den typischsten Stellungen der Zungenfläche bei der Vokalbildung.

Als Ausgangspunkt wähle ich hier „das reine i" [i], das sich z. B. im deutschen lAehe, Civil, sieben, franz. ße, fini, ital. vino usw. findet. Die Zungenflächenstellung unterscheidet sich hier von derjenigen für [j] nur dadurch, daß der Abstand zwischen der Vorderzunge und dem harten Gaumen etwas größer ist, besonders in der Mittellinie; es besteht hier keine Enge, die selbständig durch die Reibung der

1) Verschieden hiervon ist das „palatalisierte 1", vgl. § 132.

4*

52 Erster Hauptteil: Analyse. Viertes Kapitel.

Luft einen Laut erzeugt, sondern eine größere Offiiung; analphabetisch wird daher das Zungenflächenelement mit y3^ bezeichnet.

Vergleichen wir darauf franz. file mit engl. filP) oder franz. fine mit engl, fin^), werden wir leicht einen Unterschied heraushören, ob- gleich die Vokale miteinander verwandt sind; und der Unterschied beruht auf etwas Ähnlichem wie der, den wir oben zwischen den beiden Arten Engelauten konstatiert haben (analphabetisch 1 und 2). Bei 1 bestand da eine enge Rille, die bei [s] und zum Teil bei [J] den zischenden Laut hervorbrachte. Etwas Ähnliches kann bei einem „reinen i" [i] beobachtet werden, besonders wenn man den Laut flüstert: dann erinnert er wirklich an ein [s]. Wird [i] der Vokal in engl, fill, fin gesprochen, und zwar auf dieselbe Weise mit Flüsterstimme, so ist nichts Zischendes dabei, sondern eher etwas, das an [9] erinnert; und die Öffnung zwischen Vorderzunge und Gaumen hat auch etwas mehr Spaltförmiges an sich. Wir stellen daher zwei Klassen von Vokalen je nach der Zungenflächenartikulation auf: die dünnen, zu denen [i] gehört, charakterisiert durch einen verhältnismäßig dünnen Luftstrom zwischen Zunge und Gaumen, indem verhältnismäßig mehr von den Seiten der Zunge den Gaumen auf beiden Seiten des Luftkanals berührt, und die breiten, zu denen [i] gehört, deren Luftstrom breiter ist, indem nur wenig von der Zunge den Gaumen an beiden Seiten der Öffnung berührt, die flacher, spaltförmig wird. Analphabetisch gebrauchen wir für die dünnen Vokale die ungeraden Zahlen 3, 5 und 7, für die breiten die geraden Zahlen 4, 6 und 8, wodurch angedeutet wird, daß die Öffnung für die Luft für jede Stufe etwas, wenn auch nicht viel, größer ist für die breiten als für die dünnen Vokale; erhält also franz. file, fine die Zahl 3, wird 4 das Zeichen für den etwas gröberen Laut in engl, fill, fin.

53. Betrachten wir darauf eine Reihe wie franz. fit fee fait, oder dit de dais, werden wir eine gradweise Senkung in drei Stufen be- obachten; [i] in fit, dit (= file, fine usw.) wird mit geringem, [e] in fee, de mit größerem und [s] in fait, dais mit noch größerem Ab- stand zwischen Zunge und Gaumen hervorgebracht. Es sind dieses die drei Stufen, die Bell high, mid und low, Sievers und andere nach ihm hoch, mittel, niedrig nennen. An und für sich könnte man weit mehr Stufen ansetzen; theoretisch hindert nichts daran, viele mehr

1) Norddeutsch (aber nicht süddeutsch) Filz, finde hätten auch als Beispiele gewählt werden können, doch ist der englische Laut ausgej)rägter.

Die Znngenfläche. 53

anzusetzen, und wenn wir uns in den faktisch vorliegenden Sprachen umsehen, entdecken wir auch, daß andere Sprachen nicht ganz die- selben Abstände wie das Französische anwenden. Welche Stufen man als Anhaltspunkte wählen soll, kann strittig sein, ausgenommen in bezug auf die oberste; wenn ich hier die durch das Französische repräsentierten Stufen gewählt habe, so ist es wesentlich deshalb ge- schehen, weil sie in mehreren Sprachen vorkommen und ausgeprägter voneinander verschieden sind, wie auch der Abstand zwischen ihnen gleichartiger ist. Andere setzen als typische, niedrige Vokale nicht die französischen, sondern die mit noch größerem Abstand zwischen Zunge und Gaumen gebildeten Vokale, die sich in mehreren Sprachen („Schwedisch, Norwegisch, Italienisch, Katalanisch, Polnisch und einer Unzahl von Dialekten". Storm 316) finden.^) Analphabetisch werden die drei Stufen im Französischen [i e s] durch die Zahlen 3 5 7 bezeichnet; extra-niedrige können mit > 7 (in einigen Fällen auch 8: 8. unten) bezeichnet werden.

34. Jetzt entsteht die Frage: besteht bei den mittleren Vokalen und ebenso bei den niedrigen ein Unterschied, der dem oben bei den hohen konstatierten Unterschied zwischen einem dünnen Vokal [i, 3] und einem breiten Vokal [i, 4] entspricht? Ich glaube, die Frage muß mit Ja beantwortet werden, wenn auch der Unterschied nicht so ausgeprägt ist wie bei den i-Lauten; als analphabetisches Zeichen für die breiten mittleren erhalten wir nach allen Analogien im System die Zahl 6 und für die breiten niedrigen die Zahl 8. Stufe 6 haben wir in [e]^), z. B. im engl, men, hed und in der gewöhnlichen nord- deutschen Aussprache von Bett, fest] hier ist ein etwas größerer Luft- weg (es entweicht mehr Luft auf einmal) als beim französ. [e], und das wird auch jedenfalls zum Teil dadurch erreicht, daß man die Offiiung breiter macht; doch ist die „Breite" hier nicht so deutlich wie bei [i] im Gegensatz zu [i], ganz einfach darum, weil die Zunge schon bei der [e]-Stellung (y5) so weit unten ist, daß die Seiten nur ganz schwach den Gaumen berühren; wollen wir bei [e], in franz. fee von einer „Rille" sprechen, müssen wir jedenfalls einräumen, daß sie sich in hohem Maße der Spaltform nähert; der für [s] 76 erforderliche größere Luftkanal wird daher nur zum Teil dadurch hervorgebracht.

1) Stoma „low" ist somit gleich meinem „extra-niedrig".

2) In der Lautschrift des „Maltre Phonetique" wird ein ' über einem Vokal- zeichen verwandt, um breite Aussprache zu bezeichnen, wo kein besonderer Buch- stabe vorhanden ist, wie bei [i] u. a. In zusammenhängender Lautschrift läßt man oft dieses Zeichen über den Vokalen aus.

54 Erster Hauptteil: Analyse. Viertes Kapitel. Die Zungenfläche.

daß man ihn breiter macht; die Zunge wird sich auch ein klein wenig in ihrem ganzen Umfang «enken. Kann so der Begriif „dünn breit" nicht ganz unmodifiziert für die mittleren Vokale aufrecht er- halten werden, so gilt dieses noch mehr von den niedrigen; als breiter niedriger Vokal (y 8) gilt engl, [sb] in [msen] man'^ aber hier muß allerdings zugegeben werden, daß der Unterschied von dem französischen [s] (y7) im wesentlichen durch Senkung der Zunge im ganzen erreicht wird. Mit andern Worten: wegen des gegenseitigen Verhältnisses von Zunge und Gaumen zueinander wird der Unterschied, der bei dem höchsten Grad der Annäherung erreicht war, nämlich den Engelauten (1 und 2), mehr und mehr verwischt, je weiter sich die Zunge vom Gaumen entfernt.^) Die Phonetiker, die weder meine Definition von „dünn" und „breit" akzeptieren, noch statt dessen die Unterscheidung der englischen Schule zwischen „narrow" und „wide" setzen wollen, werden in der Reihe [i I e e s se] eine stets fortgesetzte Senkung der Zunge (oder des Kiefers) sehen; aber es ist klar, daß sie dennoch gut meine Zahlzeichen als Symbole benutzen können, indem sie dann kein Ge- wicht auf die Unterscheidung zwischen geraden und ungeraden Zahlen legen und also die Reihe 3 4 5 6 7 8 als willkürliche Maße für eine (senkrecht) absteigende Reihe nehmen. Ich würde dagegen mit Festhaltung der Sonderung zwei Reihen aufstellen, die doch ineinander greifen, so daß jede Stufe teils als Glied in der einen Kette steht, teils in die andere Reihe eingekeilt ist, so nämlich:

hohe

mittlere

3

^4

5

■^6

>

^8

niedrige

Die dünnen Vokale (ungerade Zahlen) über, die breiten Vokale (gerade Zahlen) unter dem schrägen Strich.^)

1) Wer sich über die Übereinstimmung zwischen Symbol und Wirklichkeit freut, wird hier daran denken, daß etwas Ähnliches der Fall ist mit unsern Zahlenbezeichnungen, indem der Abstand verhältnismäßig größer zwischen 1 und 2 als zwischen 3 und 4, und dieser wiederum größer als der zwischen 5 und 6 usw. ist. („Geometrisches Verhältnis".)

2) Zwischenstufen können analphabetisch auf die schon oben angegebene Weise durch Doppelzahlen bezeichnet werden, so daß z. B. 35 einen Vokal be-

Fünftes Kapitel. Das Gaumensegel. 55

55. Außer der Angabe des Abstandes ist natürlich zur Be- stimmung der Stellung der Zungenfläche bei der Vokalbildung eine Angabe der Stelle nötig, wo der Abstand gemessen wird. Für eine vollkommen genaue Analyse der Mundstellung eines Vokals würde an und für sich eine zusammengesetzte Formel nötig sein, welche den gleichzeitigen Abstand der Zunge von allen Punkten im Obermunde, von :g, von :h, :i usw., angäbe, so daß man mit Hilfe derselben die Form des ganzen Raumes konstruieren könnte, den der Luftstrom zu passieren hat. In der Praxis kann man sich aber gewöhnlich mit weniger begnügen und sich darauf beschränken, den Abstand von einer einzigen Stelle im Munde anzugeben, nämlich von derjenigen, wo er am kleinsten ist, also wo die Annäherung der Zunge an den Gaumen am größten ist; wenn dieses bestimmt ist, folgt die übrige Lage der Zungenfläche so gut wie von selbst. Dieser Punkt kann ja im analphabetischen System mit großer Genauigkeit angegeben werden, und es wird sich später bei der Durchnahme der einzelnen Vokale (Kapitel IX) zeigen, daß sogar die Vokale, die zu denselben „Reihen" gehören, wie [i e s] oder [u o o], nicht immer dieselbe Artikulations- stelle haben.

Fünftes Kapitel.

Das Gaumensegel.

56. Das nächste artikulierende bewegliche Organ, das wir auf unserer Wanderung nach hinten im Munde antreffen, ist das Gaumen- segel (velum palati) oder der weiche Gaumen. Wir haben schon mit diesem hintersten Teil des Gaumens zu tun gehabt, doch nur als passivem Organ, als einem der Teile des Munddaches, gegen welchen die Zunge artikulieren konnte. Aber außerdem spielt es eine wichtige Rolle als selbständig wirkendes Organ; analphabetische Benennung d (delta). Die Funktion des Gaumensegels ist die, daß es die Tür für die Nasenöffnung bildet: hängt es schlaff herunter, kann die Luft auf ihrem Wege zu und von den Lungen durch die Nase gehen; ist es ganz gehoben, so ist dieser Weg der Luft versperrt, und sie hat

deutet, der zwischen der hohen und mittelhohen Stufe, aber der ersteren am nächsten, steht; 5 3 liegt näher bei der mittelhohen Stufe als bei der hohen usw. Hierdurch werden auch Vokale bezeichnet, deren Dünne oder Breite zweifelhaft ist; 34 bedeutet einen Vokal, der hoch, aber nicht so ausgeprägt dünn ist wie französisch kurzes [i], ohne sich jedoch weit davon zu entfernen.

56 Erster Hauptteil: Analyse. Fünftes Kapitel.

daher keine andere Wahl, als durch den Mund zu gehen. Das Gaumen- segel und seine wichtigsten Stellungen sind leicht im Spiegel zu be- obachten; man sieht es bei ruhigem Ein- und Ausatmen schräg rück- wärts als Fortsetzung des harten Graumens herunterhängen; in der Mitte hängt das Zäpfchen, während der Unterrand des Gaumensegels auf beiden Seiten desselben zwei Bogen bildet, und man sieht deutlich, daß zwischen diesem Gaumensegel und der hintersten Rachenwand ein Abstand besteht. Wenn man daher, nachdem man ruhig geatmet hat, dazu übergeht, plötzlich [a-] zu sagen (oder zu flüstern), so wird man sofort entdecken, daß das ganze Gaumensegel (mit dem Zäpfchen) sich aufwärts und zugleich etwas zurückzieht, wodurch man einen Teil der hinteren Rachenwand bemerkt, der bis dahin durch das Gaumen- segel dem Auge Yerborgen gewesen war. Man tut wohl daran, dies mehrere Male nacheinander zu tun, bis man mit diesen beiden Haupt- stellungen völlig vertraut wird; durch wiederholte Versuche erlangt man eine Fertigkeit darin, bewußt und freiwillig den Nasengang zu öffnen und zu schließen, indem man das Gaumensegel senkt und hebt. Über die Methoden zur Bestimmung der Stellungen des Gaumensegels, wenn der Mund geschlossen ist, so daß der Spiegel nichts nützt, vgl. die Grundfragen Kap. VII.

57. Vollständiger Verschluß des Nasenganges (analphabetisch dO) wird dadurch erzeugt, daß das Gaumensegel gehoben wird, während gleichzeitig (nach Passavents Untersuchungen) sich gleichsam ein kleiner Wulst von der hinteren Rachenwand vorschiebt, um das Gaumensegel zu empfangen und luftdichten Verschluß zu bilden. Diese Stellung ist diejenige, welche in der gewöhnlichen Rede am häufigsten vor- kommt; sie findet sich bei allen sogen, oralen Lauten oder reinen Mundlauten: den meisten Konsonanten, z. B. [p, b, f, s, j] usw., und allen Vokalen in ihrem normalen Zustand, kurz bei allen den Lauten, wo in den folgenden Paragraphen das Entgegengesetzte nicht ausdrücklich bemerkt wird.^)

Ist der Verschluß nicht sorgfältig gebildet, so kann ein wenig Luft durch die Nase entweichen, und der Laut erhält dadurch den schwächsten Grad von Nasenartikulation, dl. Dies spielt indessen bei der normalen Aussprache einer Sprache keine große Rolle, wenn es

1) Die Festigkeit, mit der der Verschluß gebildet wird, ist bei verschiedenen Zungenstellungen verschieden; je höher die Zunge ist, desto höher steht auch das Gaumensegel, am höchsten bei [u] und [i], vs^ährend der Verschluß bei [a] so lose gebildet ist, daß sich doch das Streben zeigt, ein wenig Luft durch die Nase entweichen zu lassen (ßl). Vgl. des genaueren in den Grundfragen.

Das Gaumensegel. 57

sich auch nicht selten bei der etwas nachlässigen Aussprache eines [a] am Ende der Wörter findet, wie in alle [ala] u. dergl.; dagegen ist es ein ganz gewöhnliches Element in dem Sprachfehler, den man Näseln nennt, und über den unten § 63 mehr gesagt werden wird.

58. Erst wenn die Öffnung etwas größer ist, wenn das Gaumen- segel dieselbe Stellung wie bei ruhigem Atemholen einnimmt, an- alphabetisch d2, erhält sie rechte Bedeutung für die Lautbildung. Wir erhalten dann nämlich die eigentlichen Nasenlaute, Nasale.^) Die in allen Sprachen am häufigsten angewandten Nasenlaute sind die, bei welchen die Mundpassage an dem einen oder anderen Punkte ver- schlossen ist, so daß die Luft nur durch die Nase entweichen kann. Wird der Verschluß durch die Lippen gebildet, so erhalten wir [m], «0^2; [m] ist nichts anderes als [b], mit herabhängendem Gaumen- segel gesprochen; oder wie man es auch ausdrücken kann, da eigentlich die Hebung des Gaumensegels zum Verschluß eine positive Handlung ist: [b] ist nichts anderes als ein [m] mit gehobenem Gaumensegel. Ebenso wie sich [b] zu [m] verhält, so verhält sich [d] zu [n] usw., so daß wir die beiden Reihen erhalten:

beides, Nasen- und Mundöffnung, verschlossen: [bdjg], Nasenpassage frei, Mundpassage geschlossen: [mnjii)].

Über [ji] vgl. § 43. [g] wird in gewöhnlicher Orthographie als n vor einem hörbaren g oder [k] geschrieben, wie in deutsch Älha- longa, Funke:, engl, longer , Unger, thank\ oder als ng, worin g also keinen [g]-Laut bezeichnet: deutsch lang (oft allerdings [larjk] ge- sprochen); engl, long'^ in griechischer und gotischer Orthographie als g vor g und li (Mi). Im Deutschen werden Fremdworte mit ge- schriebenem gn als [ijn] gesprochen, z. B. Agnes ['agnes]; lat. magnus [magnus].^)

1) Man bemerke, daß der Ausdruck Nasenlaute nicht in Parallele ge- stellt werden kann z. B. mit dem Ausdruck Lippenlaute, da die Nase nicht in derselben Weise wie die Lippen u. dergl. selbsttätiges Organ bei der Laut- erzeugung ist.

2) Wenn [mb] oder [nd] nacheinander gesprochen wird, so bewegt sich das Gaumensegel, während die andern Organe in derselben Stellung verbleiben; bei [gg] ist es etwas anders, da hier die Zunge die Bewegung des Gaumensegels nach oben mitmachen muß, um in keinem Augenblick die Luft zwischen den beiden Organen (auf dem Mundwege) entweichen zu lassen; diese Bewegung braucht indessen nicht speziell bezeichnet zu werden, da sie daraus folgt, daß die beiden Zeichen y0d2 und yOSO ohne zwischenstehendes Symbol für die Öffnung des y -Verschlusses aufeinander folgen.

58 Erster Hauptteil: Analyse. Fünftes Kapitel.

59. Einen Laut mit geöffneter Nasenpassage zu sprechen, nennt man ihn nasalieren; wir sind daher berechtigt, [m] ein nasaliertes [b], [g] ein nasaliertes [g] usw. zu nennen. Jedoch wendet man in der Regel diese Bezeichnung nur auf Laute an, bei denen zugleich eine Öffnung des Mundes stattfindet, so daß gleichzeitig die Luft auf zwei Wegen entschlüpft. So können wir von einem nasalierten [f] oder einem nasalierten Vokal reden. Das Zeichen in der Lautschrift ist ein - über dem Zeichen. Nasalierte Konsonanten mit Mundöffiiung sind selten. Der einzige nasalierte Engelaut, der selbständige Be- deutung hat, ist [j], ^2^02, der nach Passy die Aussprache ein- zelner Franzosen für geschriebenes gn ist, also anstatt des gewöhn- lichen [ji].^)

Erst bei den Vokalen wird die Nasalierung häufig in den Sprachen. La vielen süd- und mitteldeutschen Dialekten haben wir Nasalvokale, oft mit Wahrung des Konsonanten, so nach Vietor p. 154 „in der mir geläufigen nassauischen Aussprache des Deutschen, z. B. ['i'n] für ['i-n] ihn, [ka-m] für [ku'm] kam"; oft auch (in den eigentlichen Volks- dialekten) mit Ausfall des Konsonanten, z. B. [hi] Jim, [nü] nun, auch in der Endung -en. So wie ich diese Laute von Vietor und andern habe aussprechen hören, schienen sie mir genau denselben Grad der Nasalierung, d2, zu haben, wie die entsprechenden Laute in dänischen Dialekten. Auf einer solchen Aussprache beruht es vielleicht, daß Goethe reimt: Es war einmal ein König, Der hatt' einen großen Floh] Den liebt' er gar nicht wenig Als wie seinen eignen Sohn.

Im Portugiesischen sind Nasalvokale mit 62 auch sehr häufig, nicht nur in den Fällen, wo ~ über den Vokalen geschrieben wird: näo usw., sondern auch oft vor einem geschriebenen m oder n. Für die Entwickelung der Nasalvokale in mehreren Sprachen (Polnisch, Deutsch, Französisch usw.) vgl. Storm, Engl. Philol. 59 64.

60. Die Sprache, deren nasalierte Vokale jedoch am bekanntesten sind, ist das Französische, wo sie sich z.B. in Worten wie an, fm, on, un [a, fs, 5, öe] finden. Diese Laute unterscheiden sich indessen von den oben behandelten Vokalen; während keiner, der zum ersten Mal ein [i] oder [a] von der Art hört, wie es sich in den bisher ge- nannten Sprachen findet, glauben wird, eine Verbindung von i oder a mit einem [ij] dahinter zu hören er wird sie gleich als ein un-

1) Über andere nasalierte Konsonanten im Dänischen, Sanskrit, Französischen, Färöischen und über nasalierte Vokale im Dänischen und Altnordischen vgl. die dänische Fonetik p. 264 ff.

Das Gaumensegel. 59

reines oder genäseltes i oder a ohne Konsonant dahinter hören , werden tatsächlich die französischen Laute von denen, die nicht mit ihnen vertraut sind, fast immer als [arj, sq, or)] und [ceij] aufgefaßt. Worauf beruht diese täuschende Ähnlichkeit? Darauf, daß die franzö- sischen Nasalvokale mit mehr gesenktem Gaumensegel ausgesprochen werden (was experimentell von Weeks bekräftigt ist), als die dänischen und deutschen; je mehr das Gaumensegel gesenkt wird, desto näher kommt es ja der Zunge; denken wir uns diese Annäherung noch weiter geführt, so wird eine vollständige Berührung zwischen Zunge und Gaumensegel stattfinden das ist aber gerade das Charakteristische für [i)], wo der gehobene Zungenrücken und das gesenkte Gaumen- segel sich getroffen und den Luftweg durch den Mund versperrt haben. Li Übereinstimmung hiermit wird unser analphabetisches Symbol für die Gaumensegelstellung bei den französischen Nasalvokalen d3. Auf Grund dieser größeren Senkung entweicht mehr Luft durch die Nase, und die Folge davon ist, daß der Klang reiner und dem Ohre an- sprechender wird, indem die Obertöne harmonischer werden. Also: [ai)], [sq] im deutschen hange, enge usw. sind Verbindungen eines Vokales, bei dem die Luft durch den Mund allein entweicht, und eines darauffolgenden Konsonanten, bei dem die Luft nur durch die Nase herauskommen kann; bei den französischen Lauten entweicht aber die Luft die ganze Zeit auf beiden Wegen zugleich; unterbricht man das deutsche ang, indem man plötzlich mit den Fingern die Nasenlöcher zuklemmt, so wird daher ein völliges Aufhören jeden Lautes eintreten, indem die Luft jetzt weder den einen noch den andern Weg kommen kann; macht man dasselbe mit dem französischen [a], hört der Laut nicht auf, sondern klingt im wesentlichen mit demselben Laute weiter, da ja die Luft beständig durch den Mund gehen kann und da der hinterste Weg in die Nase hinein beständig offen ist, so daß die Nasenhöhle fortfährt als Resonanzraum zu wirken. Davon kann sich jeder Schüler leicht überzeugen, ebenso wie er auch leicht den Unterschied hören wird zwischen einem richtigen langen [ag"], wobei es ja der Konsonant ist, der verlängert wird, nachdem der Vokal zu klingen aufgehört hat, und einem [d"], wo man die ganze Zeit dieselbe Stellung der Organe beibehalten muß, so daß man sowohl den Vokal als auch den Nasenklang die ganze Zeit hört. Eine Bleifeder oder dergl., die man über der Zunge anbringt, wird sich die ganze Zeit während der Aussprache von [a] ruhig verhalten, während sie bei [arj] sich notwendigerweise in dem Augenblick be- wegen muß, wo der Konsonant gebildet werden soll.

60 Erster Hauptteil: Analyse. Fünftes Kapitel.

Mit dieser starken Senkung des Gaumensegels hängt gewiß der Umstand zusammen, daß die französisclien Nasalvokale nur mit niedriger Zungenstellung gesprochen werden, während wir ja bei ^2 gut hohe Zungenstellungen wie hei [i, u] haben können. Wollte man nämlich versuchen, ein [i] und besonders ein [u] mit französischer Nasalierung auszusprechen, d3, so würde das Resultat leicht werden, daß das Gaumensegel dazu käme, die Zunge zu berühren und mit ihr Verschluß zu bilden, wodurch der Vokalcharakter also verloren gehen würde. Wir sehen jetzt die Erklärung dafür, daß französisch in und im nicht nasaliertes [i] und [y] bezeichnen, sondern die ihnen ent- sprechenden niedrigen Vokale. Die Senkung der Zunge ist hier sicher stufenweise vor sich gegangen und gleichzeitig mit dem wachsenden Abstand zwischen Gaumensegel und dem hinteren Rachen. Schon früh können wir den Übergang von e zu a vor geschriebenem n oder m konstatieren. Auf sprachhistorischem Wege können wir auch nach- weisen, daß die Vokale ursprünglich vor jedem n und m nasaliert waren ; die Nasalienmg hat sich indessen nur gehalten, wo der folgende Konsonant später fortgefallen ist, also teils im Auslaut wie in faim, fin, teils im Inlaut vor anderm Konsonant wie in feindre, cJiamhre. Wo sich dagegen n oder m gehalten hat, weil ein Vokal folgte, ist der Nasalklang im Vokal später verloren gegangen, so daß wir jetzt reinen Mundvokal haben, z. B. in .finir, feignant. Die ältere Aussprache mit Nasal vokal macht uns den Witz verständlich in Molieres Femmes Savantes, wo grammaire als grancPmcre aufgefaßt wird. Und mit ihrer Hilfe können wir jetzt auch Phänomene verstehen wie dieses, daß femme jetzt den Vokal [a] erhalten hat; e wurde zu nasaliertem [a] wie in en usw., hat aber später die Nasalierung verloren. Wo ein auslautendes n oder m in der Aussprache bewahrt ist, weil der erste Laut des folgenden Wortes ein Vokal ist (in der „Bindung" oder dem „Herüberziehen"), geht nach dem eben Gesagten die Nasa- lierung verloren, und wir erhalten Formen wie [an ala, ona, bjsn sme, ön ami], geschrieben en allant, on a, hien aiine, un ami. Die laut- gerechte Entwicklung im letzten Falle ist indessen wohl nicht [ön], sondern [yn], das man auch noch hören kann und das oft in ge- hobener Rede, besonders vielleicht in geistlicher Rhetorik, angewandt wird. Aber daneben macht die Analogie nach den nicht gebundenen Formen sich in großem Umfange geltend und hat zu ausgedehnter Anwendung der nasalierten Vokale vor dem übergezogenen n geführt: [an ala] usw.; doch soweit ich habe beobachten können, wird in solchen Fällen nicht der volle französische Nasalklang ö?> angewendet.

Das Gaumensegel« 61

sondern der geringere d2, wie denn aucli die Lippen- und Zungen- stellung etwas gehoben zu sein scheint.^)

Noch ein Phänomen muß hinsichtlich der französischen Nasal- vokale besprochen werden; dies tritt ein, wenn auf sie zwei Zungen- spitzkonsonanten ohne dazwischenstehenden Yokal folgen, z. B. in en dedans, vingt-deux, vingt-trois, trente-deux, pain de douleur usw. Diese Verbindungen müßten normalerweise gesprochen werden: [adda, VE'td0, vS'ttrwa, trd'td0, psdduloe'r]; sehr oft wird aber der erste Konsonant nasaliert, also [onda, vs'nd0, vs'ntrwa, tra'nd0, plndulce'r]. Vielleicht ist es jedoch kein volles [n], das entsteht; sondern das Gaumensegel gleitet in der Zeit, die von dem ersten [d] ausgefüllt werden sollte, von der ganz offenen Stellung d3 zu der ganz ge- schlossenen Stellung dO (ein Gleiten, das analphabetisch mit einem Gedankenstrich bezeichnet wird), so daß wir eigentlich weder ein [dj, noch ein [n], sondern ein gleitendes Zwischending zwischen beiden hören. ^) Die analphabetischen Formeln^) für die verschiedenen Aus- sprachen sind:

gemeinsame Mundstellung: /3(y) 7 0 . . 7

adda d 3 0 .. 3

mit n: onda d 3 2 0 3

gleitend: d(n)da d 3 0 3

Ganz dieselbe Bewegung findet nach Havet (Romania VIII. 95) auch bei den Lippenkonsonanten statt, so daß z. B. la tronibe passe statt [latrS'bpa-s] zu [latrSmpa's] wird. Dasselbe scheint auch bei [g] und [k] stattzufinden, so daß la longue guerre statt [lalo'ggs-r] zu [lalS'ijgS'r] wird, was interessant ist als der einzige Fall, wo das Französische heute den Laut [g]^) hat.

61. Man wird sehen, daß im Laufe der Rede das Gaumensegel beständig in Wirksamkeit ist, bald sich hebend, um der Luft den Weg durch die Nase zu schließen, bald sich senkend, um ihr den Weg zu öffiaen. Eine Menge sprachlicher Veränderungen beruhen nun darauf, daß dieses Organ seine Funktionen nicht ganz präzise ausführt, indem eine Bewegung etwas zu früh oder etwas zu spät

1) Vgl. Ärtic. p. 69 und unten unter den Vokalen.

2) Storm (Engl Phil. 63) gibt die Aussprache [vend-d0] als die häufigere an.

3) Unser . . bedeutet Verharren in derselben Stellung; ein einzelner Punkt (.), ■wie p. 62 = Verharren einen Augenblick über den Zeitpunkt für die Be- wegung der andern Organe.

4) Passy, Sons* p. 101 und 122, bespricht das Vorkommen von [g] bei Assimilation von [g] vor [m] in une longue main.

62 Erster Hauptteil: Analyse. Fünftes Kapitel.

erfolgt. Sollen wir nacheinander einen Vokal mit 60 und ein [n] oder [m], das 62 hat, aussprechen, so kann das Gaumensegel leicht dazu kommen, sich ein wenig zu früh zu öffnen, und wir haben dann eine der häufigsten Weisen, wie in den Sprachen nasalierte Vokale entstehen. Umgekehrt kann man in der entgegengesetzten Verbindung von Nasalkonsonant und Mundvokal leicht dazu kommen, das Gaumen- segel einen Augenblick länger als es sollte in der gesenkten Stellung verweilen zu lassen, und das Resultat wird auch hier ein nasalierter Vokal. (So nach Sweet im Russischen, ebenso im Portugiesischen, z. B. muito).

Besonders wo ein Laut zwischen zwei Nasalen steht, wo also das Gaumensegel in großer Eile sich von offener zu geschlossener und gleich darauf von geschlossener zu offener Stellung bewegen sollte, kommt man leicht dazu, sich diese doppelte Arbeit zu ersparen, also es die ganze Zeit gesenkt zu behalten: so in der häufigen französischen Aussprache [pana] für [padä] pendant und im Übergang von [d] zu [n] zwischen Nasalvokal und Nasalkonsonant in [pwenmi'rj für [pwldmi-r j point de mire (Passy, Chang. p. 183). Auch sonst kommen Ver- schiebungen des Augenblicks vor, wo die Bewegung des Gaumen- segels stattfinden sollte: so wenn in einer Verbindung wie [nr] oder [mr] das Gaumensegel sich zur geschlossenen Stellung nur einen Augenblick zu früh hebt, ist Zeit genug vorhanden gewesen, daß das Ohr den Nasalkonsonanten aufgefaßt hat; da aber der Mundverschluß (bei den Lippen oder der Zungenspitze) noch andauert, erhalten wir einen Augenblick die Stellung, die zu dem an der betreffenden Stelle erzeugten Verschlußlaut gehört; was also analphabetisch so aussieht:

ßO. 62

oder ^^ 1^ statt ^^ '''^^'^ 62 I 0 '*^" 62

also ein bloßer Mangel an Gleichzeitigkeit in zwei Bewegungen von gegenseitig unabhängigen Organen ist, das kommt alphabetisch dazu, sich als ein Übergang von nr zu ndr oder von mr zu mhr, also als Einschub eines Konsonanten zu zeigen. Das ist es, was wir z, B. in der Entwicklung von lat. camera zu franz. chambre oder von lat. gen&ru(m) zu gendre sehen wo ja m und n einst ein wirkliches [m] und [n], nicht wie jetzt bloß einen Nasalvokal bezeichneten; ebenso engl. Umher von germ. timrjan (so gotisch; vgl. deutsch Zimmer)] engl, thunder von ae. Jmnor (vgl. deutsch Donner usw.); griech. mesembria „Mittag", von hemera, andres „Männer", PI. zu oner, bei Homer aneres usw.

Das Gaumensegel, 63

Wenn zwei Konsonanten, deren einzigen Unterscliied die Stellung des Gaumensegels ausmacht, aufeinander folgen sollten, so wie [dn] oder [bm], so geschieht es nicht selten in schneller Rede, daß das Gaumensegel etwas zu früh seine Bewegung beginnt, so daß die Zeit, die von dem ersten Konsonanten in Anspruch genommen werden sollte, in Wirklichkeit von einem gleitenden Zwischending zwischen den beiden ausgefüllt wird. So ist dies der Fall in einer häufigen Aussprache von deutsch haben, geben, wo man nicht mit Bestimmtheit abmachen kann, ob man [ha-bm] oder [ha-m] hört. Analphabetisch erhalten wir statt

ahm

7

0

_* die Aussprache \.

0

0

^ die leicht zu ^ ^ « wird.

a 0 \J \ ^

Am Ende eines Wortes wie vorhanden erhalten wir oft statt des vollen

d2

■, i ,• die Aussprache ^^

(0)

' WO die runden Klammem

andeuten sollen, daß das Gaumensegel nicht ganz zur Verschlußstellung hinaufreicht, ehe es sich wieder auf die Wanderung nach unten begibt. 62. Einen ähnlichen Mangel an Präzision in der Wirksamkeit des Gaumensegels hat man oft, wenn man anfangen soll zu sprechen. In den Augenblicken, wo man nichts sagt, hängt, wie oben § 56 be- merkt, das Gaumensegel schlaff hernieder; oft hat man dabei die Lippen geschlossen (aO), oft hat man die Zunge oben in der [t]-Stellung (/30), oft kann man aber auch den Mund offen haben. Soll man nun z. B. ja antworten, so geschieht es nicht selten (be- sonders wenn die Antwort nicht ganz willig geschieht), daß die Stimmbänder in Bewegung gesetzt werden, bevor das Gaumensegel usw. in die rechte Stellung gekommen ist; das Resultat wird bezw. [mja*], [nja-], [äja-]; auf dieselbe Weise kann nein, ne zu [mne*], [n'ne-] oder [ö'ne'] werden. Und so im ganzen: In den Augenblicken, wo man zu schlapp oder träge ist, um mit voller Energie zu sprechen, wird dies namentlich an den Bewegungen des Gaumensegels bemerkbar; statt eines na mit reinem Mundvokal, das in energischen Augenblicken verwandt wird, um lebhaftes Interesse oder eine Aufforderung sich zu beeilen und ähnliches anzudeuten, begnügt man sich mit einem schwach gegrunzten [na, n5], ohne das Gaumensegel für den Vokal zu heben, statt ja erhält man [ad], wobei weder Zunge noch Gaumensegel sehr aus ihrer Ruhestellung herauskommen; nein wird zu einem [nöe, n0]; die Lippen bewegen sich nicht aus ihrer Ruhestellung, wodurch wir einen gerundeten Vokal erhalten, und das Gaumensegel bleibt schlaff

64 Erster Hauptteil: Analyse. Fünftfes Kapitel.

herabhängend. Ja oft treibt man es nicht weiter, als daß man seine Stimmbänder leise in Bewegung setzt, ohne im übrigen mit irgend einem seiner Organe zu artikulieren: das Resultat ist der Laut, der in der Schriftsprache als hml bezeichnet wird und der in der Laut- schrift entweder [h0] oder [hm] wird, je nachdem man in dem be- treffenden Augenblick seine Lippen offen oder geschlossen hat. Auch das Stöhnen im Schmerz ist ein unbestimmter Vokal mit d2.

63. Hier ist die Schlaffheit des Graumensegels auf eine kurze Interjektion beschränkt; aber wenn sie sich auf die ganze Sprache eines Individuums erstreckt, erhalten wir den Fehler, den wir als „Näseln" bezeichnen. Dieser kann reiner Faulheit zuzuschreiben sein, die wie jede Faulheit ansteckt; und so ist es vielleicht zu erklären, daß er vielerorten so verbreitet geworden ist, daß er fast einen per- manenten Zug in dem Dialekt der betreffenden Gegend bildet; so bei den niederen Klassen in London und auch in mehreren andern großen englischen Städten; ferner in Amerika, wo das Näseln oft die ganze Sprache färbt, oft bloß in den Worten, in denen sich ein [m], [n] oder [g] findet. (Über die Verbreitung dieses sog. „nasal twang" vgl. Grandgent und Rambeau in Die neueren Sprachen II 459 und 529 ff.) Physiologisch gesprochen ist also das Näseln eine Trägheit in der Wirksamkeit des Gaumensegels, wobei besonders der Verschluß nicht vollkommen luftdicht gebildet wird, und wobei auch häufig das Gaumensegel bei den nasalen Lauten sich nicht genug senkt, so daß wir sowohl statt dO wie statt d2 nur dl erhalten; ein m wird daher ungefähr wie ein b und umgekehrt ein h ungefähr wie ein m lauten, und die ganze Rede wird von einem schwachen, aber ebenmäßigen Nasalklang durchzogen sein. Aber es ist leicht zu verstehen, daß diese Phänomene oft andern, die Sprache als solche nicht berührenden Um- ständen zuzuschreiben sind; der eine näselt, weil ein permanenter Fehler seinem Gaumensegel oder den Muskeln, die es heben sollen, anhaftet; ein anderer wegen kleiner Geschwulste oder adenoider Wucherungen auf der Rückseite des Gaumensegels, ein dritter wegen Ansammlung von Schleim oder dergl., die eine vollständige Verschluß'- bildung verhindern. Die Wirkungen hiervon oder von der Ver- stopfung der Nasenlöcher bei heftigem Schnupfen sind allgemein bekannt, doch nicht immer eignen sie sich zur Aufnahme in ein Witz- blatt wie das folgende Schwedische: „Namensveränderung. Wie heißt du, kleines Mädchen? Emma. Hast du keinen anderen Namen? Doch, Papa nennt mich bisweilen Ebba! Wann tut er das? Wenn er Stockschnupfen hat."

Das Zäpfchen. 65

Wir verstehen jetzt auch, wie Dickens an einer Stelle den Satz: „Behold the abazid power of woobad" als Probe für- das Näseln eines Marktschreiers geben kann (,,a rustic keeper who speaks through his nose"); er setzt ja gerade die Mundlaute h, d für die Nasenlaute m, n ein, und es müßte also gerade nicht so scheinen, als ob er „durch die Nase spräche"; er hat jedoch wohl dl überall gebraucht, was sich bei den Vokalen als schwacher Nasalklang anhört, aber nicht hinreichend ist, um den mit aO oder j30 erzeugten Laut als [m] oder [n] erscheinen zu lassen; wozu dann das psychologische Moment kommt, daß der Hörende, der m oder n erwartet (Ewwa, amaziw', womaw) und statt dessen den zwischen m und h oder zwischen n und d liegenden Laut (mit ^1) hört, natürlich geneigt ist, den Eindruck zu übertreiben und den letztgenannten der beiden Laute zu hören.

64. Die Rolle des Gaumensegels in den bisher behandelten Fällen und im ganzen in normaler Sprache ist nicht, selbst Laute zu erzeugen, sondern nur zu bestimmen, ob der anderswo erzeugte Laut den Resonanzraum, der sich in der Nasenhöhle findet, haben oder nicht haben soll. Das Gaumensegel kann jedoch auch selbst Laut- quelle sein, doch sind es nicht schöne Laute, die es selbst zu erzeugen imstande ist. Dieses geschieht, wenn es mit größerer oder geringerer Schnelligkeit hin- und herschwingt (analphabetisches Zeichen dß); geschieht dies beim Ausatmen, in der Regel bei geschlossenen oder wenigstens einander stark genäherten Lippen, so erhalten wir ein Grunzen, das wir ab und zu als Ausdruck starken Mißbehagens oder zur Nachahmung der Schweinesprache verwenden. Wenn solche Schwingungen des Gaumensegels indessen beim Einatmen erzeugt werden, so erhalten wir das Schnarchen, wobei wir zwei Varietäten unterscheiden müssen, die eine mit geschlossenen Lippen, die andere mit ganz geöffnetem Munde, wobei das Gaumensegel größeren Spiel- raum zum Schwingen hat.

Das Zäpfchen.

^ 65, Das Zäpfchen kann als selbständige Lautquelle benutzt werden, indem es, während sonst das Gaumensegel gehoben ist und den Weg zur Nase versperrt, von der ausgeatmeten Luft in Schwingungen versetzt wird. Diese treibt das Zäpfchen vorwärts und aufwärts, wo- rauf es infolge seines Gewichtes zurückschlägt; wenn das schnell geschieht, so daß es den Charakter des Schnurrens erhält, so erhalten wir das sog. Zäpfchen-r, in der internationalen Lautschrift R (stimm-

Jesperaen, Lehrbuch der Phonetik. 5

66 Erster Hauptteil: Analyse. Fünftes Kapitel. Der Kehldeckel.

haft) und si (stimmlos) Analphabetische Formel dOn, oder wenn wir das Zäpfchen als ein selbständiges Organ betrachten, unabhängig vom eigentlichen Gaumensegel, können wir es mit dem d entsprechenden großen Buchstaben bezeichnen (vgl. die Anwendung von ^4 oben § 26), so daß das Zeichen für das Zäpfchenschnurren z/r wird. Es hindert nichts, dies Schnurren mit gleichzeitigem Zungenspitzenschnurren (/3r) zu verbinden. Der Klangcharakter des Zäpfchen-r wird im übrigen zum großen Teil von der Stellung der andern Organe bedingt; es ist in der Regel von einer Hebung des hintersten Teiles der Zunge be- gleitet, entweder weiter vorn im Munde als das Zäpfchen, also gegen den weichen Gaumen (y2J oder dergl.), was bei den Deutschen, Nor- wegern und Franzosen, die das Zäpfchen-r benutzen, das Gewöhnliche zu sein scheint, oder weiter hinten, gegen die Rachenwand y2^ (oder g^), was das Gewöhnliche in Dänemark ist. Manches von dem indessen, das als Zäpfchen-r geht und gilt, wird ohne wirkliches Zäpfchen- schnurren erzeugt, da das Zungenflächen- und Zungenwurzel -r 50 und 140f.) in Deutschland, Frankreich und Dänemark viel häufiger ist, wenigstens in der ruhigen alltäglichen Sprache. Ein sehr stark labialisiertes Zäpfchen-r (al*z/R) ist eine gute Nachahmung des Girrens oder Kurrens der Turteltaube (vgl. auch das Schnurren der Katze). Das Zäpfchen-r selbst ist sehr nahe verwandt mit dem Laut, der von einer Flüssigkeit erzeugt wird, mit der man den hintersten Teil des Mundes spült, oder wie man es nennt, mit dem „Gurgeln": man achte in diesem Lautwort wie auch im Worte kurren darauf, daß die Konsonanten k und g Hinterzungenlaute sind, und daß der Vokal ein Hinterzungenvokal mit Lippenrundung ist, wodurch also die Artikulationsstelle angedeutet wird, während das r das schnurrende beim Laute andeutet; vgl. auch das Wort „Turteltaube" (lat. turtur), die französischen Lautworte für das Girren der Taube roucouler, das Schnurren der Katze ronronner (on mit d3!). Auch die Lautworte deutsch schnarchen, engl, snore, snort, franz. ronfler, sowie deutsch grunzen, engl, grünt, franz. grogner, grouiner u. ähnl. sind lautphysio- logisch interessant zu analysieren.

/

Der Kehldeckel.

66. Als Anhang zu diesem Kapitel können wir kurz das nächste bewegliche Organ besprechen, das wir auf unserer "Wanderung nach hinten und unten antreffen, nämlich den Kehldeckel, epiglottis. Diese Knorpel- platte hat die wichtige Funktion, sich über den Kehlkopf zu legen, wenn Speise oder Trank geschluckt werden soll; er bildet so eine Brücke, über

Sechstes Kapitel. Der Kehlkopf. 67

welche die Speisen passieren müssen, um in die Speiseröhre zu gelangen. Außer in diesen Augenblicken des Schluckens hat jedoch der Kehldeckel nichts zu tun; er steht mehr oder weniger gerade in die Höhe hinter der Zunge, nur um dem Luftstrome nicht im Wege zu stehen. Einige Gesangs- lehrer legen der Stellung dieses Deckels große Bedeutung bei für die Reinheit und Schönheit des Gesanges, die u. a. von dem Winkel abhängig sein soll, in welchem der tönende Luftstrom den Kehldeckel triflft; es ist jedoch kaum wahrscheinlich, daß sie recht haben ^), und wir sind jeden- falls nicht imstande, selbst wenn wir es wollen, Einfluß auf die Stellung des Deckels zu haben, jedenfalls keinen direkten Einfluß. Er scheint sich durchgehends nicht anders zu bewegen, als wie aus den Bewegungen der Zunge folgt, die bei dem Zurückgehen die Epiglottis in eine schrägere Stellung treibt. Es wird aus dem Gesagten hervorgehen, daß der Kehldeckel nicht zur Erzeugung von Sprachlauten benutzt wird.

Sechstes Kapitel. Der Kehlkopf.

67. Der Kehlkopf, larynx (analphabetisches gemeinsames Zeichen £ epsilon) kann ohne Übertreibung das wunderbarste musikalische Instrument genannt werden, das überhaupt existiert, indem hier mit geringen und verhältnismäßig einfachen Mitteln die Möglichkeit ge- schaffen ist, eine erstaunliche Mannigfaltigkeit von Tönen hervor- zubringen, die uns durch ihre Klangschönheit mehr als irgend eine Instrumentalmusik begeistern können, um nicht von den vielen weniger musikalischen Tönen zu reden, die auch aus der Kehle kommen können. Wir werden jetzt ganz kurz den anatomischen Bau dieses Apparates betrachten, wobei der Leser wohl daran tut, die ganze Zeit die Abbildungen hinten im Buche zu vergleichen.

l^Der Kehlkopf ist der oberste, erweiterte Teil der Luftröhre und als solcher ein Durchgangsraum für die ausgeatmete Luft auf ihrem Wege von der eigentlichen Luftröhre zum Rachenraum (pharynx), von wo sie, wie wir gesehen haben, je nach den Umständen wieder an die Außenwelt durch den Mund oder durch die Nase, oder durch beide zugleich gelangen kann. Die Wände des Kehlkopfs, die ihn be- grenzen und beschützen, werden von zwei mit Schleimhäuten bedeckten Knorpelmassen gebildet, dem Schildknorpel und dem Ringknorpel oder Grundknorpel. Der erstere, dessen lateinischer Name cartilago thyreo-

1) Nach Müllers Experimenten ändert sogar die vollständige Entfernung des Kehldeckels die Stimme nicht wesentlich. Lermoyez, Et.exp.sur la Phonation 151.

6*

68 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

idea ist von griecli. thureos, ein (türförmiger) Scliild, ist un- gefähr wie ein Schild mit einem Kamm in der Mitte darauf gebildet, der sich nach vorn kehrt; es ist jener Knorpelschild, den wir in gewöhnlicher Rede Adamsapfel nennen und über dessen Gestalt man sich leicht eine Vorstellung machen kann, indem man ihn von außen mit den Fingern befühlt. Er ist wie bekannt in der Regel größer und stärker hervortretend bei Männern als bei Frauen. Der Schild- knorpel ist nach hinten ganz offen und läuft an den vier Ecken in Hörner aus; die beiden größten derselben kehren sich aufwärts und reichen an der rechten und linken Seite des Halses hinauf zum Zungen- bein; die beiden kleineren darunter ruhen auf dem Ringknorpel. Dieser hat seinen Namen daher, daß er wie ein Siegelring geformt ist; die runde Öffnung darin ist auch ungefähr so groß wie ein gewöhnlicher Ring für den Ringfinger eines Mannes; vorn ist er ganz dünn (nicht hoch) und kann unter dem Schildknorpel gefühlt werden; nach hinten erweitert er sich zu einer Platte, die wie eine Siegelfläche aussehen kann; sie geht hinten im Kehlkopf in die Höhe und bildet also seine Hinterwand, da wo ja der Schildknorpel offen war. Lateinischer Name cartilago crico-idea, von griech. krikos ein Ring.

Außer mit diesen beiden Knorpeln haben wir es hier mit zwei kleineren zu tun, die eine außerordentlich große Rolle wegen ihrer großen Beweglichkeit spielen. Sie heißen Gießkannenknorpel (auch Pyramidenknorpel), lat. cartilagines arytaeno-ideae (von griech. arutaina eine Kanne), weil sie für eine lebhafte Phantasie sich ausnehmen können wie der oberste Teil einer Kanne mit einem Guß; sie heißen auch Stellknorpel, weil sie dazu benutzt werden, die Stimmbänder ein- zustellen. Es sind zwei kleine dreiseitige Pyramiden, deren Spitzen nach oben gekehrt sind, während ihre Grundflächen auf der hintersten Fläche des Ringknorpels sitzen. Auf jeder derselben ist an der ein- wärts gekehrten Ecke der Grundfläche das hinterste Ende des rechten bezw. des linken Stimmbandes angebracht. Alle genannten Knorpel- teile werden durch verschiedene Bänder zusammengehalten; sie sind mit einer Schleimhaut bekleidet und mit Muskeln versehen, die mit der peinlichsten Genauigkeit imstande sind, die Stellungen der be- weglichen Teile zu regulieren.

Quer über die Höhlung des Kehlkopfes sind zwei Paar wagerechte Häute gespannt, von denen die oberen die falschen Stimmbänder (auch Taschenbänder, lat. ligamenta glottidis spuria oder ligamenta ventriculi) heißen; sie spielen indessen keine andere Rolle als vielleicht die unteren, echten Stimmbänder feucht zu erhalten; doch sollen diese

Der Kehlkopf. 69

falschen Stimmbänder in abnormen Fällen, wo ein Mensch entweder keinen oder einen mangelhaften Kehldeckel hat, dazu benutzt werden können, die Kehle beim Schlucken zu verschließen. Mit der Sprache haben sie kaum etwas zu tun. Zwischen ihnen und den echten Stimm- bändern sind rechts und links offene Räume oder Nischen, Ver- tiefungen nach den Seiten, die sogen. Morgagnis Höhlungen oder Taschen (ventriculi Morgagni), die für die Schwingungen der Stimmbänder Platz schaffen und auch, indem sie verschiedene Formen annehmen, den für den Ton, der nun grade erzeugt werden soll, passenden Resonanzraum zustande bringen.

68. Weit wichtiger als die falschen sind natürlich die echten Stimmbänder, lat. chordae vocales oder ligamenta vocalia. Sie sind das eine an der rechten, das andere an der linken Seite des Kehl- kopfes angebracht. Man darf sich nicht von dem Namen Stimm- bänder verleiten lassen zu glauben, es seien zwei dünne Bänder oder Bändchen oder sogar von dem lateinischen Namen zu glauben, daß sie wie zwei Saiten seien, die also bloß vom und hinten befestigt wären. So wie man sie in einem in Spiritus bewahrten Präparat einer Kehle sieht, sehen sie fast nicht anders aus als zwei schwach ausgebuchtete Erweiterungen oder Hautfalten an den Seitenwänden des Kehlkopfs (der Innenseite des Schildknorpels); eher als Bändern ähneln sie also ein paar wagerechten Lippen; Klinghardt nennt sie daher auch Stimmlippen. Jede von diesen ist nach innen dünner als draußen an den Knorpeln, und ihre Schleimhaut ist, wie wir weiter unten sehen werden, imstande, selbständig gespannt und gestrammt zu werden und kann jedenfalls dann in diesem Zustand sehr passend ein „Band" genannt werden. Die Öffnung zwischen diesen Stimmbändern heißt Stimmritze, lat. rima glottidis oder nur glottis. Hierbei muß man jedoch zwischen dem vorderen Teil dieser Öffnung, der von den Stimmbändern selbst begrenzt und daher Bänderglottis genannt wird, und dem hinteren Teile scheiden, wo es die hautbekleideten Gieß- kannenknorpel sind, welche die Öffnung begrenzen, und die deshalb Knorpelglottis genannt werden kann. Die Stimmbänder und die Gieß- kannenknorpel können, zum teil unabhängig voneinander, die Stimmritze auf verschiedene Weise einengen, wobei der Luftstrom also auf seinem Wege einem Hindernis begegnet, oder auch sie ganz zuschließen, so daß der Luftstrom gar nicht weiter kommen kann. Hier behandle ich vorläufig nur die verschiedenen überhaupt möglichen Stellungen und Tätigkeiten der Stimmbänder, ehe ich auf ihre Bedeutung für die Erzeugung der eigentlichen Sprachlaute zu sprechen komme.

70 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

69. Zunächst betrachten wir den vollständigen Verschluß längs der ganzen Linie ^), analphabetisch «0, hier mit einem Apostroph ', in Maitre Phon, mit ? bezeichnet; hier wird also solange jeder Laut vollständig abgebrochen, bis wieder aufgeschlossen wird, so daß die Luft entweichen kann. Dieses findet in besonders starkem Grade beim Husten statt; wenn die Stimmbänder sich durch irgend etwas geniert fühlen, das sich auf sie gelegt hat, schließt man sie sehr energisch zusammen, preßt während des Verschlusses beständig mit einem starken Luftstrom darauf, so daß die Stimmbänder, wenn der Verschluß gesprengt wird, mit Gewalt nach oben getrieben werden und dabei den genierenden Fremdkörper, sei es nun Schleim oder ein Brotkrümchen, in den Mund hinauf schleudern können. Hier hört man in dem Augenblick, wo der Verschluß gesprengt wird und die zusammengepreßte Luft herausstürzt, einen lauten Krach; dasselbe hört man weniger stark bei der Art und Weise vieler Menschen „sich zu räuspern", ehe sie etwas sagen (um die Stimme zu klären), oder wenn sie sich auf die Fortsetzung bedenken, oder endlich, um auf die Anwesenheit entweder ihrer eigenen Person oder einer anderen auf- merksam zu machen, vor der, wie man dadurch dem Betreffenden auf diskrete Weise zu verstehen gibt, er auf seiner Hut sein möge; in solchen Fällen folgt dem sO ein unbestimmter (stimmhafter) Vokal- laut, während man beim Husten nur ein stimmloses Herausblasen der Luft zustande bringt. Man übe sich darin, bewußt Stimmband- verschluß herzustellen, so daß man ihn nach Belieben länger oder kürzer dauern lassen kann. Drückt man einen Finger fest auf die Haut gerade über dem Adamsapfel und knipst auf den Nagel des- selben — was am liebsten mit zurückgebeugtem Kopf geschehen muß so wird man, sofern die Stimmbänder geschlossen sind, einen weit deutlicheren und klangvolleren Laut erzeugen (der übrigens je nach der Form der Mundhöhle verschieden ist), als den dumpfen Laut, der bei einem solchen Küips zustandekommt, wenn die Stimmritze offen ist.^)

70. Die nächste Stellung der Stimmbänder ist die, bei der Stimmklang entsteht; sie wird analphabetisch mit sl bezeichnet;

1) Nach Lermoyez, Et. exp. sur la Phonation (1886) p. 81 ist es nicht genug, daß die Stimmbänder sich nebeneinander legen; sie müssen wie Dachziegel übereinander gelegt werden (s'imbriquent), wenn sie ganz die Stimmschwingungen verhindern wollen. Schwingungen, wenn auch weniger starke, können also gut stattfinden, selbst wenn keine Luft zwischen den Stimmbändern ausströmt.

2) Sweet, Handb. § 18, Primer of Phon. § 30.

Der Kehlkopf. 71

hier sind, wie das Zeichen angibt, die Bänder so dicht zusammen- gebracht wie sie können, ohne daß vollständiger Verschluß stattfindet. Wenn die beiden Bänder einander einen Augenblick berühren, ist es jedenfalls nicht so fest, daß sie die Luft geradezu daran hindern, auszuströmen; aber der Luftstrom treibt sie ein wenig aus ihrer normalen horizontalen Lage heraus; augenblicklich werden sie jedoch durch ihre Spannung zurückgetrieben und werden so von der Luft in schnelle Auf- und Abbewegungen gesetzt. Der Vorgang ist also ungefähr derselbe wie wir ihn oben beim Lippenschnurren («R § 16) und Zungenspitzenschnurren (|3r § 36) sahen; doch ist hier der wesent- liche Unterschied, daß die Stimmbänder wegen ihres feineren Baues viel schneller schwingen können, so daß die von ihnen erzeugten Schwingungen der Luft vom Ohre nicht jede für sich, sondern ge- sammelt als Ton vernommen werden. Dieser Ton ist es, den wir Stimme nennen; einen Sprachlaut, bei dem die Stimme mitwirkt, d. h. also bei dem die Stimmbänder schwingen, nennen wir stimm- haft. Der phonetische Gebrauch des Wortes „Stimme" ist also nicht derselbe wie der populäre, wenn wir z. B. davon reden, daß wir einen Menschen an seiner Stimme kennen, oder daß wir mit rauher Stimme reden oder dergl.; dann bedeutet Stimme ja nämlich den Totaleindruck der individuellen Sprechweise des Betreffenden, die nur zum Teil auf den Schwingungen der Stimmbänder, in eben so hohem Grade aber auf dem anatomischen Bau seiner Kehle, seines Rachens, Mundes (Form und Zahl der Zähne, Elastizität der Wangen, Größe der Mandeln usw.) und auf physiologischen Verhältnissen (der größeren oder geringeren Schnelligkeit und Präzision in den Be- wegungen der Sprachorgane und dergl.) beruht. Die Stimmbänder erzeugen also Töne durch ihre Schwingungen ähnlich wie die Saiten einer Violine oder eines Pianos; da sie aber nicht frei sitzen in der- selben Weise wie Saiten, sondern in ihrer ganzen Länge an ihrer Außen- seite mit dem Schildknorpel zusammenhängen, kann man sie besser mit den beiden Zungen einer Kindertrompete vergleichen, selbst wenn auch dieser Vergleich nicht ganz zutreffend ist, da die unendliche Be- weglichkeit der Stimmbänder und ihrer Umgebung die Verhältnisse verwickelter und die erreichten Wirkungen feiner und mannigfaltiger macht als bei irgend einem künstlichen Intrument.

71. Es ist ein bekanntes physisches Gesetz, daß die Höhe irgend eines beliebigen Tones ausschließlich auf der Anzahl der Schwingungen in der Sekunde beruht; je mehr Schwingungen (also je schneller sie geschehen), desto höher wird der Ton. Nun schwingen ja lange

72 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Saiten ganz natürlich langsamer als kurze, und darauf beruht es, daß nicht nur die Stimmen der Kinder, sondern auch die der Frauen sich in der Regel in höheren Tönen bewegen als die der Männer; Frauen haben einen kleineren Kehlkopf als Männer und infolgedessen auch kürzere Stimmbänder. Das Verhältnis wird so angegeben (vgl. Clod- Hansen, Mand og Kvinde, 1895, p. 64): die Stimmbänder des Mannes sind in schlappem Zustande 18, in gespanntem Zustand 23 mm, die der Frau bezw. 12 und 15 mm; anders bei Rousselot, Phon, exper. 247, wonach die eigentliche Stimmritze 20 bis 24 mm, bei Frauen 19 bis 20 mm mißt. Wenn die in der Rede und mehr noch im Gesang eines und desselben Menschen hervorgebrachten Töne bald höher, bald tiefer sind, so beruht dieses nicht auf einer Verkürzung oder Verlängerung der Stimmbänder, sondern auf der größeren oder ge- ringeren Spannung, die man ihnen gibt, wodurch nämlich die Schwingungs- zahl erhöht oder erniedrigt wird. Der Umfang der verschiedenen Stimmen ist hier sehr verschieden; in der Regel spannen sie nicht weiter als über zwei bis drittehalb Oktaven. Wie bekannt teilt man die Stimmen nach der Lage der beherrschten Töne ein in Bässe, Tenöre usw. Der durchschnittliche Umfang dieser Stimmen ist nach Trautmann der folgende, wozu ich die Schwingungszahlen (nach Helmholtz) setze:

Baß von F bis fi 88— 352 .

Tenor von c bis c^ 132— 528

Alt von g bis g2 198— 792

Sopran von c^ bis c^ 264 1056.

Arlberg (Tonbildningslära p. 65, 162) nennt als vereinzelte phä- nomenale Stimmumfänge: von f(176) bis f^(1408) (Frau Schnitzler- Selb); e(165) bis c3(1058) (Clara Skytt); H(124) bis f2(704) (Tichatschek).

Im allgemeinen kann man sagen, daß die menschliche Singstimme über Töne verfügt, welche von 66 Schwingungen in der Sekunde (c) bis 1500 Schwingungen (g^) erzeugt werden, womit verglichen werden kann, daß der tiefste Ton, der im Orchester gebraucht wird, das E^ des Kontrabasses mit 41 Schwingungen ist; der tiefste Ton eines ge- wöhnlichen Klaviers, Cj hat 33 Schwingungen, der höchste a* hat 3320, während der höchste Ton in einem Orchester das fünfmal ge- strichene d der Pikkoloflöte mit ca. 4700 Schwingungen ist. Die musikalisch brauchbaren Töne liegen also mit runden Zahlen zwischen 40 und 4000 Schwingungen und umspannen 7 Oktaven; die überhaupt vernehmbaren Töne liegen zwischen 16 und 38 000, wobei jedoch zu

Der Kehlkopf. 73

bemerken ist, daß der tiefste von diesen kaum Ton genannt werden kann, sondern nur ein tiefes Brummen ist, während die Töne mit den hohen Schwingungszahlen schmerzlich unbehaglich auf die Hörnerven wirken. Schwingt ein Körper weniger oft als 16 mal in der Sekunde, so kann man, wenn das Ohr überhaupt einen Eindruck empfängt, es nicht als etwas Kontinuierliches, also als einen Ton, hören, sondern man hört die einzelnen Stöße darin als Geräusche ich komme später zu einer solchen Wirksamkeit der Stimmbänder ; schwingt jedoch ein Körper mehr Male als oben erwähnt, so nimmt das Ohr überhaupt keinen Eindruck auf; die Grenze bei den verschiedenen Menschen für Auffassungen von Schwingungen mit dem Ohre ist sehr verschieden und variiert zwischen den Schwingungszahlen 24000 und 38 000. Es ist klar, daß kein Mensch in seiner Rede den vollen Umfang der Töne benutzt, die er zum Gesangesgebrauche beherrscht, der Durchschnittston in der Rede wird im allgemeinen etwas unter der Mitte des vollen Umfangs liegen und nur, wenn man in einer größeren Versammlung sprechen soll, wird man seinen Durchschnitts- ton erhöhen, so daß man ungefähr ebenso viele Töne unter wie über ihm beherrscht, wodurch man ja auch die Möglichkeit einer reicheren Modulation gewinnt.

Die Höhe eines Stimmtons hängt nicht notwendig mit seiner Stärke zusammen: es ist möglich, verhältnismäßig hohe Töne piano und verhältnismäßig tiefe Töne forte hervorzubringen. Und doch besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen den beiden Dingen, der sich besonders dann zeigt, wenn man sich der Grenze seines Stimmumfanges nähert; es ist dann leichter tiefe Töne leise (und um- gekehrt) zu bilden. In vielen Sprachen wird ein hoher Ton auf einer Silbe gewöhnlich von starkem Druck darauf begleitet; man muß sich aber doch hüten die beiden Dinge zu verwechseln; vgl. unten das spezielle Kapitel über die Tonhöhe in der Rede (musikalischer Akzent). ^)

1) Mit Rücksicht auf die Stimme unterscheidet man, wie bekannt, zwei Register, die Bruststimme und die Kopfstimme, wozu manche als eine dritte die Falsetstimme oder Fistelstimme fügen, die richtiger von anderen zur Kopf- stimme mitgerechnet oder ihr gleichgesetzt wird. Worauf der Unterschied beruht, ist umstritten; die größte Klarheit hat Lermoyez in die Frage gebracht (Et. exp. sur la phonation 1886). In der Rede spielt der Unterschied zwischen den beiden Registern nur eine untergeordnete Rolle; die meisten benutzen unter normalen Verhältnissen nur die Brusttöne. Falset wird nicht selten in der lieb- kosenden Aussprache an kleine Kinder benutzt und besonders wohl an Katzen: „mis!" (Merkel p. 369). Über die „Murmelstimme" in schwachen Silben vgl. unten § 108.

74 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

72. Wenn die Schwingungen der Stimmbänder wiederholt da- durch unterbrochen werden, daß die Bänder zusammenstoßen, entsteht ein eigentümliches Knarren, worin man deutlich die einzelnen Stöße als ein Klappern unterscheiden kann. Diese intermittierende Stimme wird nicht selten, besonders von trägen und fetten Leuten, angewandt; auch von anderen in augenblicklicher Faulheit, aber besonders in ge- wissen ärgerlichen Stimmungen, jedoch in der Regel dann nur in einer aus einem einzelnen Wort wie ja oder nein bestehenden Antwort. Wie Brücke bemerkt, kann man bei der Bildung dieser Knarrstimme, während man mit den Vokalen oa oa oa abwechselt, einen Laut hervor- bringen, der an das Quaken der Frösche erinnert. Das analphabetische Zeichen für die Knarrstimme ist £R; sie soll auch in der Sprache als Ersatz für ein wirkliches r benutzt werden können, so im Londoner Englisch, wo horse wie [o's] gesprochen werden kann, wobei der Vokal entweder ganz oder nur in seiner letzten Hälfte hervorgeknarrt wird. Ein normaler Ersatz für r ist dies indessen nicht einmal im cockney- Dialekt.^)

73. Die nächste Stellung, zu der wir kommen, ist die fürs Flüstern. Hier scheinen normalerweise die Stifiimbänder selbst ge- schlossen zu sein, so daß die Luft nicht zwischen ihnen heraus- schlüpfen und sie auch nicht in Schwingungen setzen kann; dagegen sind die Gießkannenknorpel voneinander entfernt und bilden eine drei- eckige Öjffnung im Kehlkopf; die Luft wird durch diese Öffnung ausgepreßt und erzeugt, indem sie sich gegen den Rand derselben reibt, den schwachen Laut, der als Ersatz für den Stimmklang der lauten Rede dient. Bisweilen scheint das Flüstern dadurch zu ent- stehen, daß außer dieser dreieckigen Öffnung zwischen den Gießkannen- knorpeln auch eine kleine Öffnung zwischen den Stimmbändern selbst ist, so daß sie nur an der Stelle fest gegeneinander liegen, wo sie an den Gießkannenknorpeln befestigt sind.^) In diesem Falle würde die Stellung also ganz parallel mit der oben im Munde für die [1]-Laute sein, wo die Luft zu beiden Seiten eines in der Mitte angebrachten Hindernisses entweicht; jedenfalls sind wir berechtigt, dasselbe Symbol hier anzuwenden, so daß £i die analphabetische Formel für Flüster- stimme oder richtiger für den dazu gehörigen Öffnungsgrad der

1) Auch, nicht, wie bisweilen behauptet worden ist, im Plattdeutschen und Dänischen. In der letzteren Sprache tritt es jedoch gewöhnlich ein, wenn ein r Stoß haben soll 77), aber nicht als Ersatz für r.

2) So in Grützners Zeichnung, die von der Techmers abweicht; vgl. mein Articulations. 31.

Der Kehlkopf. 75

Stimmritze (Techmer: Flüsterenge) wird. Es gibt übrigens mehrere Grade des Flüsterns, je nach der Kraft, mit welcher die Luft sich an den Wänden in der Offiiung im Kehlkopf reibt; der stärkste und hör- barste ist der, den die Engländer sehr bezeicMiend Bühnenflüstern, stage whisper, nennen, ein ganz zischender Laut, der sehr von dem leisesten Flüstern verschieden ist. Vor allem müssen wir daran er- innern, daß die Flüsterstellung in der geflüsterten Rede nur in den Fällen benutzt wird, wo wir in der lauten Rede Stimme haben, während alle stimmlosen Laute unverändert bleiben; flüstere ich also ein Wort wie Festsaal, so sind [f], [s] und [t] ganz wie in lauter Rede, während alle anderen Laute si statt al haben. Es sind fleißige Übungen mit solchen Worten und mit ganzen Sätzen, die man ab- wechselnd geflüstert und laut ausspricht, zu empfehlen, um sich mit den Veränderungen vertraut zu machen, welche die verschiedenen Laute bei der Einmischung des Reibegeräusches erfahren, das dadurch entsteht, daß die Luft sich zwischen den Gießkannenknorpeln heraus- arbeitet; man vergleiche besonders solche Paare wie geflüstertes [v] und [f], geflüstertes [z] und [s].^)

74. Weiter komme ich zu der Stellung «2, das ist, was Techmer Hauchenge nennt; die Stimmbänder sind gerade so weit voneinander entfernt, daß ihre Ränder nicht von der Luft in Schwingungen ver- setzt werden können, zusammen mit den Gießkannenknorpeln bilden sie eine Öffnung etwa von der Form eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen spitzester Winkel vorn am Kamm des Schildknorpels ungefähr 10" ist. Bei der Ausatmung entsteht eine hörbare Reibung gegen die von den Stimmbändern gebildete Enge, und der Laut könnte daher (und wird es oft) als Kehlkopfspirant bezeichnet werden, womit ja auch das analphabetische Zeichen übereinstimmt. Die Laute, die mit «2 gebildet werden, nennen wir „Hauchlaute" (vgl. „auf eine Fenster- scheibe hauchen"). Der Eindruck auf das Ohr ist nicht sehr von dem der entsprechenden geflüsterten Laute verschieden (fi), und es gehört viel Übung dazu, den Unterschied scharf zu hören.

Endlich können die Stimmbänder so weit von einander entfernt sein, daß nicht mehr eine hörbare Reibung hier entsteht; wir bezeichnen dies mit «3; hier bilden auch die Stimmbänder mit den Gießkannen-

1) Leuten, deren Artikulation durchgeliends zu schlaff oder zu wenig aus- geprägt ist, wird als tlbung empfohlen (u. a. von Palleske) zu flüstern (mit Flüsterstimme vorzulesen, zu deklamieren), da sie sich dabei daran gewöhnen, die Wirksamkeit der Mundorgane präzise auszuführen, um überhaupt verstanden zu werden.

76 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

knorpeln ein gleichschenkliges Dreieck, aber der Spitzenwinkel ist mindestens 25*' oder ähnlich. Techmer nennt diesen Grad der Öffiiimg Blaseöffiaung; wir können passend die Laute, die mit dieser Stellung gebildet werden, geblasen nennen. Bei dem gewöhnlichen lautlosen Einatmen sind die Stimmbänder in der Regel noch weiter von- einander entfernt («4); aber hierfür brauchen wir keine besondere Benennung.

75. Als praktisches Mittel, die verschiedenen Stimmbänder- stellungen anschaulich zu machen, habe ich es beim Unterricht praktisch gefunden, die Stimmbänder mit den beiden Händen darzustellen, die man wagerecht und flach nebeneinander hält mit den Handflächen nach unten und den Daumen nach unten gebogen; wo die Spitzen der beiden Zeigefinger sich treffen, haben wir den vordersten Saum des Schildknorpels; die Öffnung zwischen den beiden Zeigefingern stellt die Ritze zwischen den eigentlichen Stimmbändern dar, die zwischen den eigentlichen Händen dagegen die Öffnung zwischen den Gieß- kannenknorpeln. Man kann hier leicht die schematischen Verhältnisse bei allen soeben besprochenen Kehlkopfstellungen nachmachen. Was die Anwendung dieser verschiedenen Stellungen in der Sprache anbetrifft, müssen wir zunächst bemerken, daß jede beliebige Mund- stellung mit jeder beliebigen Wirksamkeit im Kehlkopf vereinigt werden kann; stellen wir also unseren Mund (Lippen, Zunge, Gaumen- segel) auf ein [i] ein, so können wir nach Belieben den Kehlkopf ganz verschließen oder Stimme, Flüstern, Hauch oder Blasen anwenden, die Muskulatur der Stimmbänder ist völlig von derjenigen der übrigen Sprachorgane unabhängig.^)

16. Vollständiger Verschluß im Kehlkopf 69) «0, wird zu- nächst als eine Art Einleitung zu einem Vokallaut im Anfang eines Wortes verwandt. Soll man nach einer Pause einen Vokal mit Stimmklang bilden, so kann man ihn auf verschiedene Weise beginnen (intonieren, einsetzen); diejenige, die uns hier angeht, besteht darin, daß man einen augenblicklichen Verschluß bildet, der jedoch nicht besonders kräftig ist; die Stimmbänderschwingungen fangen dann mit dem Durchbruch dieses Verschlusses an, der für ein aufmerksames Ohr mit einem ganz kleinen Krach verbunden ist, gerade bevor die Stimme plötzlich zu klingen anfängt. Das ist etwas, was viele Sänger immer gebrauchen. Die meisten überhören den schwachen Laut von

1) Der sogenannte „reine Stimmlaut, unmodifizierter Stimmklang" existiert natürlich nicht im Bereiche der Natur.

Der Kehlkopf. 77

fO; ist man aber einmal auf ilin aufmerksam geworden, kann man nicht mehr umhin ihn zu hören. An und für sich trägt er nicht dazu bei, die Schönheit des Gesanges zu erhöhen. Ellis vergleicht (Essentials of Phon. 41) den gradweisen Ansatz der Stimme mit dem Anbruch des Morgenlichtes, wo es schwer ist zu bestimmen, wo die Nacht aufhört und wo der Tag anfängt; aber bei diesem „festen An- satz", wo der Vokal gleichsam mit einer scharfen Kante beginnt, ist die Wirkung die, als wenn die Fensterläden in einem dunklen Zimmer plötzlich mitten am Tage geöffnet werden.

Die Anwendung dieses festen Vokalansatzes in der Rede ist in den verschiedenen Sprachen sehr verschieden. Im Deutschen muß er zu den normalen Sprachlauten mitgerechnet werden und wird in außerordentlich großem Umfang angewendet, nämlich vor jedem mit Vokal anfangenden Wort, z. B. diese alte Eiche [di-zo 'alta 'ai98j, die innere und äußere Einrichtung [di "inoro (')unt 'oisere 'ainri9tui)]. Ja sogar im Innern der Worte wird er in Zusammensetzungen und Ab- leitungen verwandt, wo das zweite Glied mit Vokal beginnt und in seiner Selbständigkeit gefühlt wird, z. B. Erinnerung [er'inorui)], ge- erbt, Verein; und von da wird er nicht selten auf Fremdworte über- tragen, obgleich die ja nicht als Zusammensetzungen gefühlt werden können; so habe ich in Berlin Alexanderplatz ['aleks'anderplats] ge- hört; Franke nennt, jedoch mit einigem Zweifel, Miclmelis [mi9a'e-lis], wofür sich jedoch auch die Aussprache ohne ['] und vulgär die mit [h] findet, ferner Ocean ['otse'a-n], Trautmann p. 313 Ru'ine, The'ater, ae'olisch. Ohne «0 werden jedoch viele Worte gesprochen, besonders mit den Vorsilben dar-, her-, hin-, vor-, war-, wor-, wieder- (Vietor p. 25 f), also z. B. herab (wo ich jedoch sicher einige Male ['] gehört habe), warum usw. Ferner geht er in enklitischen Worten ver- loren, besonders wenn sie den Ausfall des Schluß-e des vorhergehenden Wortes verursachen, also z. B. leb ich, würd es, sag er im Gegensatz zu den vollen lebe 'ich, würde 'es, sage 'er-, und nach Franke sagt man sich in acht nehmen [zi9 i noxt ns'mm] und überall ['y'baral]. Dieser Kehlverschluß ist im ganzen eine der charakteristischsten Eigentüm- lichkeiten der deutschen Sprache. EUis erzählt auch, daß, als er nach Deutschland kam, der häufige Gebrauch dieses Lautes, „welcher der Sprache etwas Humpelndes gibt" (which gives a jotty sound to the language), etwas vom ersten war, was ihm als bezeichnender Unter- schied zwischen englisch und deutsch auffiel (Essentials ofPhonetics41). Miss Soames erzählt von einem Lehrer, einem Deutschen von Geburt, der nicht verstehen konnte, weshalb die Knaben in der englischen

78 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Schule, in der er unterriclitete, ihn immer auslachten, wenn er die Vokale aussprach, bis man ihn darauf aufmerksam machte, daß der Grund der sehr starke Kehl Verschluß wäre, den er vor jedem Vokal hören ließ (Introd. p. 146). In Süddeutschland ist dies fO indessen nicht annähernd so sehr im Gebrauch wie in Norddeutschland; nach Spieser (M. P. 1896, 142) kommt es in seinem Dialekt (Elsaß) nur in der Interjektion ['a] sowie in Scheltworten wie ['oks! 'e-sl!] vor also wahrscheinlich nur bei starker Emphasis; ein schwäbischer Freund von mir sagte z. B. immer Jahr aus, Jahr ein ohne fO und das r zu der folgenden Silbe gezogen.

Im Englischen scheint Kehlverschluß als Vokalanfang völlig unbekannt zu sein, und man muß sich also hüten, ihn in Fällen wie the honour [Öi ona], the arms [Öi a-mz], he answers [hi a-nsaz] usw. einzusetzen. Es hängt mit diesem Mangel an fO zusammen, daß wir im Englischen Silbenbrechungen wie [e'to'l] at all, auch das altertüm- liche the tother von thai other und ähnl. erhalten; vgl. unter Silbe. Vor allem gehört die bekannte Erscheinung, daß ein auslautendes n vor Worten, die mit Konsonanten beginnen, fortgefallen, aber vor Vokal bewahrt ist, hierher; das deutlichste Beispiel jetzt ist der unbestimmte Artikel an, der vor Vokalen bewahrt, aber vor Konsonant gekürzt ist: an aim, aber: a name. In früherer Zeit galt dieselbe Regel für mine, my, thine, thy, wo jetzt das ursprüngliche Verhältnis verschoben ist. Man beachte auch die Behandlung von -r, wo die Schrift allerdings immer den Konsonanten bewahrt hat, aber wo er in der Aussprache vor Konsonant verstummt ist: her nose [ha nouz], her eyes [her aiz]; femer würde kaum die doppelte Aussprache von the und to entstanden sein, wenn die Vokale mit «0 eingeleitet würden: vgl. jetzt the nose [&8 nouz], the eyes \jS\ aiz]; to say [ta sei], to aslc [tu a'sk].

Im Französischen kann man den Stimmband Verschluß recht häufig in isolierten Interjektionen wie ah! und ähnl. hören, sonst nicht, namentlich nicht im Innern der Sätze; man übe sich darin z. B. zu sagen: papa a ä aller ä Auteuil [papa a a ale a otcej], mit glattem Übergang von dem einen Vokal zum andern; oder qui a ete ä Änvers? [ki a ete a a'vST?]. Auch im Französischen finden wir, wie bekannt, und in noch höherem Maße als im Englischen das Bewahren eines sonst fortgefallenen Endkonsonanten vor Vokal (hier Bindung oder Überziehung genannt) z. B. les ans [lez a], les jours [le gu'r] usw.

Ich habe jedoch mehrmals Gelegenheit gehabt, die auffallende Tatsache festzustellen, daß sowohl Franzosen wie Engländer, wenn sie

Der Kehlkopf. 79

eine fremde Sprache lernen, sehr oft anlautende Vokale mit ['] sprechen. Dies ist sicher für alle Menschen die natürliche Art und Weise einen Vokal anzufangen, wenn man mit einer gewissen Anstrengung redet, z. B. sich gerade hemüht, fremde Vokale nachzubilden. Gerade darum aber muß man, wenn man fremde Sprachen wie französisch und eng- lisch lernt, sich daran gewöhnen, dies ['] abzulegen, was am besten dadurch geschieht, daß man immer ganze Sätze (oder wenigstens Wortgruppen) auf einmal ohne die geringste Pause zwischen den Worten ausspricht.^)

Mit Bezug auf andere Sprachen fehlen uns zuverlässige Auf- klärungen über das Vorkommen dieses Vokalanfanges. ^)

"77. Zweitens kann Stimmbandverschluß im Wortinnem benutzt werden. Im Dänischen ist eO ein wichtiger Bestandteil der Sprache, der sogenannte Stoß (oder unrichtig Stoßton); er findet sich zwischen Vokal und folgendem Konsonant z. B. in del [de-'l] 'Teil', aber nicht in dele [deio] 'teilen'; nach (oder in) Konsonanten z. ß. in al [al'] 'all',

1) Nach Mitteilung von M. Paul Verrier ist der Stimmbandverschluß bei vielen Franzosen ganz gewöhnlich, wenn sie auf eine Tonsilbe besonderes Ge- wicht legen woUen, die mit hache aspiree anfängt, z. B. [a la i's'n] ah! la haine! [la i'o, g vu di, a ''o!] lä-haut, je vous dis, en haut! Je n'ai pas dit etre [s'tR] mais hetre [''e-tR]. Das ist das Mittel, dessen sich die meisten französischen Schüler bedienen, um deutsches und englisches h nachzuahmen, so daß sie z. B. deutsch aus und Haus dadurch unterscheiden, daß sie ['] vor das letztere, aber nicht vor das erstere setzen.

2) Man hat seine Existenz in den altgermanischen Sprachen (althochdeutsch, altenglisch, altnordisch) aus dem Umstand erschließen wollen, daß in den alliterierenden Versen Worte, die mit verschiedenen Vokalen anfangen, auf die- selbe Weise gebunden werden wie Worte, die mit demselben Konsonanten be- ginnen, z. B. altengl.: «nriht «fnde, op |)8et ende becwom; altnord. ])ä vas mer dtti einu sinni. Man schloß: es muß etwas Gemeinsames da sein; aber spräche man die Vokale im Anlaut ohne diesen ungeschriebenen Kehlverschluß aus, so würde kein Gemeinschaftliches da sein, also müssen die alten Germanen eO ge- habt haben. Ja, Lawrence hat sogar aus dem Gegensatz zwischen altenglischen Versen, wo solche ungleiche Vokale Alliteration bilden, und dem späten mittel- englisch, wo in alliterierenden Zeilen im wesentlichen nur die gleichen Vokale gebunden werden, den Zeitpunkt bestimmen wollen, wo die Engländer in dieser Beziehung ihre Aussprache änderten. Das Ganze ist jedoch ungemein zweifel- haft, und es ist sicher Grund vorhanden, sich an die von Ax. Kock (östnordiska och latinska medeltidsspräk I 113 f.) gegebene sprachhistorische Erklärung zu halten: ursprünglich alliterierten nur dieselben Vokale, aber da die Vokale durch Umlaut, Brechung und dergl. im Laufe der Zeit sich sehr änderten, wurde man in den durch Tradition bewahrten alten Versen daran gewöhnt, ungleiche Vokale gebunden zu hören und übernahm diesen Brauch für Neudichtungen; die Anlautskonsonanten waren dagegen stabiler.

80 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

aber nicht in alle [ale] 'alle'. Es ist das Untersclieidungsmerkmal zwischen z. B. anden [an'n] 'die Ente' und anden [an'n] 'anderer'.-^)

Außerhalb des Dänischen habe ich den „Stoß" sehr häufig in Nordengland und Schottland gehört, besonders bei Ungebildeten, doch auch bei solchen, die sonst nicht Dialekt redeten; hier gehört es jedoch nicht wie im Dänischen zu dem charakteristischen Lautbestand eines Wortes und ist in hohem Grade unstabil, so daß dieselbe Person es in dem einen Augenblick in einem Wort sagen kann, das sie gleich darauf ohne «0 spricht. Seine Anwendung scheint auf dem Akzent zu beruhen und die Bedingungen scheinen ein [p, t, k] nach Vokal oder nach Vokal -|- Nasal zu sein. Ich habe z. B. in Sheffield notiert: tha't, canH, thin% po'pe, hoo'k, in Lincoln: i'ts, migh't, cer'tainly, u'p, wha't, hough't, thin'h, si't; in Glasgow: don't, wan't, d'pm,, go'tj tha't, brigh'tening , no't usw. Die Konsonanten nach dem Stoß waren bei den meisten ganz deutlich, nur bei einem einzelnen (einem Arbeiter in Edinburgh) war [t] in water und mehreren anderen Worten ganz verschwunden. ^)

In deutschen Dialekten soll sich „Stoß" auch nach VokaP) finden; die näheren Bedingungen für sein Auftreten sind noch nicht unter- sucht. Im Lettischen findet sich der Stoß allgemein, nach Verner ganz wie im Dänischen ausgesprochen und auf dieselbe Art aus einem Tonakzente entwickelt; ferner hat V. Thomsen es in der im übrigen gar nicht verwandten Nachbarsprache, dem Li vischen*) gefunden.

Im Französischen kann Stimmbandverschluß individuell und in einzelnen isolierten Worten, namentlich Interjektionen, vorkommen; vgl. P. Passy (Ph. St. I 126): „Wenn jemand seine Meinung kräftig

1) Über das Vorkommen vgl. die dänische Fonetik, über die Entstehung eines ursprünglichen Tones (musikalischer Akzent) vgl. Zs. Dania IV 215 ff., A. Kock , Alt- und neuschwedische Accentuierung (Q. F. 87) p. 25 ff.

2) Bell beschrieb dies in Vis. Sp., als wenn der Stoß statt des [t] ver- wandt würde, so auch Sweet, Hdb. § 19, EUis JE E P. Y 725 [wan'n] wanting, 730 [bA'ar] butter, [wa'er] water, 743 [be'ar] better; vgl. dagegen Sweet, Sound Notation 231 : I was told by Mr. Bell that in the Glasgow 'water' etc., the oral stop is really formed simultaneously with [richtiger: unmittelbar nach] the glottal stop, not suppressed. Diese Autoren halten es für ausschließlich schottisch.

3) Vietor, Wie ist die Aussprache des Deutschen zu lehren? p. 27. Nach Sievers Phon. * p. 704 ist in gewissen westmitteldeutschen Dialekten dieser Stoß nun von [k] abgelöst: iks, uks von i's, u's, 'Eis, aus' u. ähnl., was sehr an die nordjütische Entwickelung erinnert (dänische Fonetik § 201).

4) Vgl. Beröringer mellem finske og baltiske sprog, p. 59 ff. Das Vorkommen im Andalusischen (Schuchardt, Zs. f. rom. Phil. V 302) und im Nordtürkischen (Radlof, zit. Techmers intern. Zs. f. allgem. Sprachwiss. I 482) ist wohl unsicher.

Der Kehlkopf. 81

beschließt, dann kommt auch der feste Absatz zustande [sO], so ziem- lich oft in oui = [wi'], doch nicht annähernd so stark wie im Dänischen, . . . Einen starken Kehlkopfverschluß gebrauche ich in dem Ausruf [hs'] ... es ist wohl individuelle Eigentümlichkeit . . . Als ich bei Jespersen in Kopenhagen war, bemühte ich mich erst vergebens, den dänischen Stoßton nachzuahmen. Eines Tags, als wir zusammen spazieren gingen, stürzte ein Kind vor meinen Füßen zu Boden; [hs'] rief ich aus. „Da hast du ja einen prächtigen Stoß- ton," sagte J Daß wir den festen „Absatz" auch in [wi'] und sonst

verwenden, darauf hat mich ebenfalls ein Däne (Boysen) aufmerksam ge- macht." — Ich habe «0 auf französisch in einem kurzen [wi'], [no'], [tj§'] und ähnl. in vielen Fällen, besonders bei Kindern, gehört, doch nie so stark wie in Passys [hs'], und verschieden von dem Dänischen in [ti'] und desgl. durch das Fehlen der hörbaren geblasenen Auf- schließbewegung, die sich meistens im auslautenden dänischen Stoße findet.

78. Die Stimme selbst (beschrieben in § 70 f.; sl) spielt die größte Rolle in allen Sprachen. Hier sollen die wichtigsten Klassen von Lauten so besprochen werden, daß der Gegensatz scharf hervor- tritt zwischen den Lauten, wo die Stimme mitwirkt, stimmhaften Lauten, und den mit genau derselben Stellung der übrigen Organe (a, ß, y, d) erzeugten stimmlosen^) Lauten. Unter den letzteren sind die geblasenen («3) die wichtigsten und werden daher zuerst behandelt; später kommen andere Arten von stimmlosen Lauten zur Behandlung.

Zuerst müssen wir uns indessen darüber klar werden, welche Kennzeichen wir haben, um auszumachen, ob ein Laut stimmhaft ist oder nicht.

Zum ersten kann man es hören bei einiger Übung ohne irgend welche künstliche Hilfe, wenn es sich nicht um sehr schnell gesprochene Laute handelt. Aber ein Anfänger tut wohl daran, die Handflächen fest vor das äußerste Ohr während der Aussprache der Laute zu halten; dann wird er die Stimme als ein deutliches Summen hören, während er die Laute, die mit den übrigen Organen ohne Mitwirkung der Stimme gebildet werden, nur sehr schwach als ein

1) Statt dieser Benenmingen Trautmanns sagte man früher allgemein tönend und tonlos, welches letztere zu Mißverständnissen Anlaß gab, da es auch gleich unakzentuiert sein kann; engl, voiced und voiceless (oder breathed, breath Sounds), auch sonant oder vocal und surd; franz. sonore oder doux und sourd oder chuche.

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 6

82 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

undeutliches Sausen hört. Um diese und die im folgenden besprochenen Proben richtig und zufriedenstellend auszuführen, ist es notwendig, die betreffenden Laute so kräftig und lautvoll wie möglich auszusprechen.

Man versuche so mit einem starken und lang ausgezogenen [i ]

(am liebsten in einem und demselben Tone) und danach mit einem

[s Y) und wiederhole diese Laute abwechselnd eine Reihe von

Malen; danach kann man zu [v Y) und [f Y) usw. übergehen

und so weiter zu allen anderen Lauten in der Sprache, bis man sich bei jedem einzelnen ganz klar darüber geworden ist, ob er Stimme hat oder nicht. ^)

Eine zweite Probe ist die Singprobe; kann ein Laut in ver- schiedenen Tönen gesungen werden (so daß man z. B. ganze Melodien auf ihm singen kann), dann ist er stimmhaft. Man versuche so

[i . . .] und [m •] hier wird es glücken und darauf [s ],

[f ] wo es mißglücken wird usw.

Eine dritte Probe ist die Fühlprobe. Hält man ein paar Finger fest und dicht um den hervorspringenden Teil des Adamsapfels, so wird man leicht in den Fingerspitzen fühlen können, ob der Kehlkopf in zitternde Bewegung versetzt wird, d. h. ob die Stimmbänder schwingen (fl); die Empfindung ist ungefähr dieselbe wie die, die man hat, wenn man die Fingerspitzen auf einen Flügel hält, auf dem gespielt wird. Ist dagegen keine Stimme in dem Laut, so fühlt man nichts. Man versuche dieses, teils während man laut einen zusammen- hängenden Satz ausspricht, teils nach und nach mit den einzelnen Lauten der Sprache, die man lang und deutlich aussprechen muß. Da aber nicht allein die Stimmbänder und die Knorpelpartien des Kehlkopfes in Schwingungen versetzt werden, sondern die Vibrationen sich von ihnen auch auf andere Organe fortpflanzen, so kann man die Schwingungen auch anderswo fühlen. Bei einem [i ' * *] kann man sie fühlen, wenn man die Finger oben auf den Schädel hält.

1) Begreiflicherweise nicht die Buchstabennamen [es, ve-, ef], sondern die Laute selbst, wie in den Worten hassen, wie, Feder, ohne Spur von Vokal.

2) Den Höreindruck seiner eigenen Stimme kann man auch mit Hilfe eines einfachen Apparates verstärken, der aus einem kleinen Glastrichter besteht, den man so halten kann, daß er dicht um den Kehlkopf schließt, und einen andern Glastrichter, den man um das eine Ohr anbringen kann, beide mit einem Kautschukschlauch verbunden, welcher die Schwingungen vom Kehlkopf zum Ohre hinauf leitet (das andere Ohr muß solange verstopft werden); und endlich kann man sehr deutlich eines anderen Stimme hören, indem man ein gewöhn- liciies Stethoskop an seinem Kehlkopf anbringt.

Der Kehlkopf. 83

was nicht so gut bei [a ] glückt, vielleicht weil da das Gaumen- segel sich nicht so dicht und fest an die übrigen Organe schließt (vgl. § 57 Anm.); bei den meisten tiefen Tönen kann man die Schwingungen im Brustkasten fühlen (daher der Name Brusttöne für das eine Register); bei einem [b] mit Stimme kann man die Schwingungen fühlen, indem man einen Finger außen auf die Lippen hält, bei den stimmhaften Nasalen, indem man ebenso die Nase be- fühlt. — Auch auf andere, wenn auch weniger sichere Art kann man (doch nur bei offenen Lauten, nicht bei Verschlußlauten) fühlen, ob ein Laut stimmhaft ist oder nicht, indem man nämlich die Hand- fläche dicht vor den Mund (resp, die Nase oder beides) hält: einen stimmhaften Luftstrom wird man nicht annähernd so stark fühlen wie einen stimmlosen (geblasenen), während alles andere im übrigen gleich bleibt.

Endlich muß hier erwähnt werden, daß mehrere der Marey- Rosapelly-Rousselot'schen Apparate uns in den Stand setzen, die Stimmbänderschwingungen graphisch in vergrößertem Maßstabe dar- gestellt zu sehen; dies kann teils so gemacht werden, daß es die Vibrationen selbst sind, die auf die Feder übertragen werden, welche auf den rotierenden Zylinder schreibt, teils so, daß es die Schwingungen der Luft sind, welche beim Ausgang des Mundes oder der Nase ge- sammelt und auf die Feder übertragen werden. Man wird unter günstigen Verhältnissen hierbei imstande sein, nicht allein zu sehen, ob Schwingungen da sind, sondern auch, wie viele Schwingungen da sind.

79. Das erste Lautpaar, zu dem wir kommen, ist [f vj; [f] ist geblasen, (s3), [v] stimmhaft (sl). Hierdurch werden z.B. unter- schieden:

Auf Deutsch:

finden [findn] [vindn] winden

fahren [fa-rn] [va-m] waren

Vieh [fi'] [vi-] wie

Fall [fal] [val] Wall

vgl. jedoch oben § 18 und § 14, wonach die Lippenwirksamkeit bei [v] etwas von der bei [f] verschieden ist oder doch sein kann. Was die folgenden englischen und französischen Beispiele anbetrifft, so muß man dagegen darauf achten, die genaue Artikulation für [v] mit dem Oberrand der Unterlippe grade gegen die untere Kante der Oberzähne zu haben und dann die Stimme gut summen zu lassen:

6*

84 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Englisch: Französisch:

fine [fain] [vain] vine fendre [fa'dr] [va-dr] vendre

fan [faen] [^^en] van feu [f0] [v0] veut

fat [fset] [v8Bt] vat fee [fe] [ve] v

fain [fein] [vein] vain, vane ßs [fi] [vi] vis

fault [fo(')lt] [vo(')W] vauU vif [vif] [vi-v] vive

leaf [li'f] [li'v] leave sauf [so'f] [so'v] sauve

fife [faif] [faiv] five ffre [fifr] [^^i'vr] vivre

half [ha-f] [ha'v] halve

safe [seif] [seiv] save

shelf [Jelf] [Jelv] shelve

80. Durch aufmerksames Einüben des Unterschiedes zwischen [f] und [v]^) erhalten wir sozusagen den Schlüssel zu vielen Lauten, deren Beherrschung von der allergrößten Wichtigkeit ist. Ist man sich richtig klar geworden über den Unterschied zwischen stimmhaft und stimmlos, dann kann man nach Belieben Stimme Lauten hinzufügen, welche sie sonst nicht haben, und Stimme von sonst stimmhaften Lauten fortnehmen. Wie [v] sich zu [f] verhält, so verhält sich [z] zu [s]; [z] kann daher als „s mit Stimme" oder „stimmhaftes s" be- schrieben werden. Für den, der fremde Sprachen lernen will und der, wie viele Mittel- und Süddeutsche, den Unterschied zwischen [s] und [z] in seiner eigenen Sprache nicht hat, gilt es, sich den Unterschied richtig klar zu machen, so daß er nach Belieben in jeder Stellung den einen oder den anderen Laut aussprechen kann; nicht selten nämlich wird der, dem es aufgegangen ist, daß z. B. das Französische oft ein [z] anwendet, es überall, also sowohl für [z] als für [s| einsetzen, wodurch die Worte oft eben so mißgebildet und unkenntlich werden, als bei dem noch gewöhnlicheren System, wo [s] überall und [z] nirgends benutzt wird. Man achte also genau darauf, sich solche Lautreihen

wie [f V , s z ], [f s , V z ], [z s

z s ], [afa ava asa aza isi izi], [fa va sa za], [af*** av*

1) Wo [v] im Anlaut steht, ist der Laut im (Nord-)Deutschen selbst so kurz von Dauer, und es ist so wenig Stimme in ihm, daß man oft den Eindruck er- hält, daß die Stimme erst in dem Augenblick einsetzt, wo die Unterlippe im BegriflF ist, sich von den Oberzähnen zurückzuziehen. Dasselbe gilt von den anderen unten erwähnten stimmhaften Lauten, z. B. [1] in Ze, [n] in [ni] ; erst im Innern von Worten (wie ItJan, AHan, Awna) sind wir sicher, die Stimme mitzu- kriegen. Die Engländer und besonders die Franzosen sind sorgfältiger als wir darin, die Stimme auch in ihren Anlautkonsonanten mitzubekommen.

Der Kehlkopf. 85

as ' az •] mit deutlichem und lautklingendem Summen auf [v] und [z] nacheinander einzuüben.

Durch den Unterschied zwischen [s] und [z] werden im Deutschen u. a. folgende Wortpaare auseinander gehalten:

weiße [waise] [waiza] weise

reißen [raisn] [raizn] reisen

hassen [hasn] [ha'zn] Hasen

nasse [nasa] [na-ze] Nase

rossen [rosn] [ro'zn] Rosen

Wie diese Beispiele zeigen, wird der stimmhafte Laut im Inlaut verwandt, wo einfaches s zwischen Vokalen geschrieben wird, also auch z. B. in lese, zu Hause, Elisabeth [Icza, tsu hauza, e'li'zabet]; außerdem wird er überall im Anlaut verwandt, z. B. [zi, za'?^9, ze'n] sie, sage, sehn, auch nach Vorsilben wie in [fer'zcn] versehen, ['apzi9t] Absicht usw.^), ferner im Inlaut nach n, l und r: [binze, elza, ferza] Binse, Else, Ferse. Dagegen wird [s] verwandt, wo ss oder ß geschrieben wird, sowie überall vor oder nach stimmlosen Lauten und im Auslaut, z. B. [list, aksl, zaksn, raitsn, haus, fu's] List, Achsel, Sachsen, reizen, Haus, Fuß. In Mittel- und Süddeutschland wird im allgemeinen nicht [z], sondern nur [s] angewandt; wenn [z] vorkommt, dann ist es nach Vietor (194 Anm. 2) nur im Inlaut und ohne bestimmten Unterschied von [s], so daß der Laut sich ebensogut in reißen wie in reisen finden kann.

Im Englischen werden u. a. folgende Wortpaare durch den Unterschied von [s] und [z] auseinandergehalten: seal [si'l] [zi-l] zeal price [prais] [praiz] prize

sink [sigk] [ziqk] zinc rice [rais] [raiz] rise (Vb.)

ice [ais] [aiz] eyes loose [lu's] [lu-z] lose

cease [si's] [si'z] seas sees seize vice [vais] [vai'z] vies niece [ni-s] [ni-z] knees use [ju's] [jii'z] use^)

fierce [fias] [ß^z] fears since [sins] [sinz] sins

hiss [his] [^iz] his hence [hens] [henz] hens

mace [meis] [meiz] maize

Bei vielen Leuten unterscheiden sich Worte wie course und cause in der Aussprache nur durch den Schlußkonsonanten: [ko's, ko'z].

1) Nach stimmloBen Lauten jedoch nicht immer, so daß viele ['apsi^tj sagen.

2) Das erstere mit [sj ist das Substantivum, das letztere mit [z] ist das Verbum; auf dieselbe Weise werden geschieden Substantivum und Yerbum house, close, excuse, advice (advise) u. a.

86 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Man übe auch sorgfältig Worte wie [ni'siz] nieces, [po'zesiz] pos- sesses usw., sowie den Unterschied zwischen den stimmlosen Laut- gruppen [ps, ts, ks] und den entsprechenden stimmhaften [bz, dz, gz] über [b d g] vgl. unten § 103 , z. B. in

liops [hops] [hobz] hobs hets [bets] [bedz] heds

Caps [kseps] [kssbz] cabs backs [bseks] [baegz] bags

cats [ksets] [kaedz] cads fix [fiks] [figz] figs

vgl. auch

cxercise [eksosaiz] [eg'za-t, ig-] exert

exhibition [eksi'bijan] [eg'zibit, ig-] exhibit

exhortation [ekso''teiJbn] [eg'zo't, ig-] exhort

Im Französischen haben wir z. B. Wortpaare wie

sei [ssl] ^ [zsl] zele

cinq [sg'k] [z^'k] zinc

douce [dus] [du'z] douze

chausses [Jb's] [/o'z] choses

russe [rys] [i*y'z] ruse

poisson [pwasS] [pwazS] poison

embrasser [abrase] [abra-ze] embraser

les sens, les cent [leset] [lezd] les ans vous savez [vusave] [vuzave] vous avez les sceurs [lesoe-r] [lezce'r] les Jieures

le perü est pre'sent et pressant [prezct e presa]

Wenn man den Unterschied nicht beobachtet, kann man dazu kommen z. B. zu sagen „tanze eine Stunde" statt „in einer Stunde": danse une heure [dd's] für dans [da-z], oder „er spricht nicht schmutzig" für „nicht deutsch": pas salement [pasalma] für pas dllemand [pazalmd], oder „die Springer des Neuen Testaments" statt „die Verfasser des Neuen Testaments": les sauteurs [lesotoe-r] du Nouveau Testament für les auteurs [lezotoe'r] usw.

81. Das nächste Lautpaar ist das stimmlose [J] und das stimm- hafte [5]. Im Deutschen findet sich der Laut [3] in den meisten Gegenden nur künstlich in französischen Worten, wie genieren, Journal, Courage] auch im englischen Jockey ['gokai] und im slavischen Lehn- wort [lu'ge]. In einigen Gegenden (z. B. Schlesien, Lausitz) findet sich [3] jedoch auch in einheimischen Worten, nämlich als Entwicke- lung von [z] nach r (vgl. § 33, S. 34, Anm. 2), z. B. [fergo] Ferse, [herje] Hirse, [merga] 7nir sie (Franke, Ph. St. IL 34).

Der Kehlkopf. 87

Im Französischen sind beide Laute sehr gewöhnlich; der erstere wird ch, der letztere j oder g geschrieben:

chant, champ [/a] [ga] Jean, gens chene, chatne [Js-n] [ss'h] 5'^we chou [Ju] [gu] joue

chevaux [J'(9)vo] [3(9)^0] je vaux Sache [sa/] [sa'S] sage

Cache [kaj] [ka-^] m^e

/?c7*e [fij] - [fi's] /*^6^)

Man übe fleißig Worte, welche beide Laute enthalten, z. B. charger, changer, joncher [Jar^e, Jage, ^SJe], fachete [^ajst].

Auch im Englischen finden sich beide Laute, [Jj und [3], letzterer findet sich isoliert jedoch nur in späten Lehnwörtern aus dem Französischen, wie [mi'ra'3, ru-g] mirage, rouge, und als Ent- wickelung von [z] vor den Endungen -ioti, -ial, -ure u. a. Es ist daher nicht möglich, Beispiele zu finden, wo nur dieser Laut den Unterschied zwischen zwei Worten ausmacht; man vergleiche jedoch: mission [mijan] [vigan] vision pressure [prejb] [ple39] pleasure nation [neijbn] [i'vei^an] evasion ocean [oujbn] [eks'plougan, iks-] explosion sensual [senjual] [ju'jual] iisual luxure [lAkJb] [lAg'juerios] luxurious

Am häufigsten kommt [3] in der Verbindung [d3] vor, und hier erhalten wir zahlreiche Wortpaare, wie: chin [tjin] [dgin] gin

ehest [tjest] [d^est] jest

choJce [tjbuk] [dgouk] joke etch [etj] [edj] edge

larch [la-tj] [la'dg] large

search [so'tj] - [se-dg] serge, surge riches [ritjiz] [ridjiz] ridges hreeches [britjiz] [bridgiz] hridges crutch [krAiJ"] [grAdg] grudge the cheers [tjiaz] and the jeers [dgiez] of the House.

1) Dejä muß also durchaus mit stimmhaftem Laut gesprochen werden, da es sonst wie des chats lautet; vgl. die bekannte Anekdote von dem Ausländer, der sagte: „II pleut dechä" und zur Antwort erhielt: „Tiens, 9a doit etre bien curieux, je n'ai jamais vu pleuvoir des chats chez nous!"

88 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Man übe aucli Worte wie Charge, change, judge [tja'd^, tjein(d)3, d^Adg] u. ähnl., cJwice [tjbis], joys [d^oiz], rejoice [ri'djois].

82. Die Stimme macht auch einen Unterschied zwischen den beiden englischen ^/^-Lauten; das geblasene [p] hat ^3 und das stimmhafte [Ö] hat el, z. B.

tJiigh [fai] [&ai] tJiy

thin [J)in] [Öen] tJien

pifhy [pipi] [wiÖa] wither

Arthur [u'f e] [fa'Öe] farther

sheath [Ji'J)] [/i'^] sheathe^)

83. Ein gewöhnliches l wird mit Stimme gesprochen, «1; indem wir die Stimme ganz fortlassen, erhalten wir das geblasene l («3), Lautschrift [1], ein gewöhnlicher Laut im Isländischen, z. B. in allr, ceüa, und im Kymrischen (Wallisischen), wo es II geschrieben wird, z. B. LlangoUen, Lloyd.

Im Französischen ist geblasenes [1] die normale Aussprache am Ende von Worten nach Konsonant, also in peuple [poepl], cycle [sikl], meuhle [moebl], table [tabl], capdble [kapabl] usw.; es wird oft schwach gesprochen und verschwindet oft in der täglichen Sprache: [pcep, sik] usw.; aber sobald der Laut vor einen Vokal zu stehen kommt, erhält er Stimme, so in 2^ßuple anglais [poeplagls], noble ami [noblami] usw., ebenso wie in peupler [poeple], cycliste [siklist]; so auch vor [a], das man immer die Freiheit hat auszusprechen: [pcepla] und das besonders häufig vor Konsonanten hörbar wird: [poeplefrass] peuple frangais, das jedoch auch in etwas nachlässiger täglicher Rede [poepfrass] lauten kann. Durch dieses geblasene [1] unterscheidet sich das Französische sehr bedeutend vom Englischen, wo [1] in denselben Worten stimmhaft ist: [pi'pl, saikl, teibl] usw. In deutschen Büchern findet man oft, daß l in Atlas u. ähnl. stimmlos sein soll; nach meinen Beobachtungen deutscher Aussprache kann dies jedoch nicht den genannten Beispielen von stimmlosem [1] zur Seite gestellt werden, da im Deutschen nur eben dem Anfang des Lautes die Stimme fehlt, während wenigstens die letzte Hälfte des Lautes stimm- haft ist.

84. Dem [j] entsprechend haben wir den stimmlosen Laut [9]. Im Deutschen ist [9] ein wichtiger Sprachlaut, geschrieben ch und g-

1) Und so mehrere Substantiva mit [])] und Verben mit [8]: loath{e), motith(e), wreath{e)', mit Vokalveränderung: bath [ba-])] bathe [beiö]; cloth [klo(')|)] clothe [klouöj.

Der Kehlkopf. 89

Beispiele siehe § 48; durch die Stimme wird ein Unterschied im Konsonanten gemacht zwischen Sprüche und Lüge [spry'98, ly'ja], dem Aus- laut in Weg, Berg und dem Inlaut in Wege, Berge [ve'9, ve-ja; ber9, berja], wobei jedoch zu bemerken ist, daß die Aussprache [lyga, ve-k, vo'ga, berk, berga] von vielen gebraucht und vorgezogen wird. Im Französischen soll die Stimme fehlen können in [j] nach stimm- losen Konsonanten, z. B. in Pierre, pitie, acquiers [p9sr, pit9e, ak9S'r], aber die Aussprache mit Stimme im ganzen Konsonanten oder im größten Teil desselben: [pjs'r, pitje, akjs-r] ist doch wohl gewöhnlicher.

Im § 49 sind die weiter zurückliegenden [x] (geblasen) und [^] (stimmhaft) besprochen; nur durch die Stellung der Stimmbänder unterscheidet sich im Deutschen der Konsonant z. B. in Wache und Wage, Lache und Lage, der Auslaut in Tag und der Inlaut in Tage: [vax9, va'9^o; laxo, la-ae; ta(')x, ta'aa] ausgenommen natürlich bei den Deutschen, die hier Verschlußlaut haben, also [va'ga, la-ga, ta(')k, tu'go] sagen.

85. Den verschiedenen stimmhaften r-Lauten entsprechen stimm- lose, die so im System des Maitre Phonetique bezeichnet werden:

stimmhaft stimmlos Zungenspitze mit Schnurren:

ohne

Zungenrücken mit Zäpfchenschnurren: ohne

Im Französischen wird r geblasen, ob es nun mit Zungen- spitzenschnurren gesprochen wird oder nicht, in denselben Fällen wie l 83): Chiffre, quatre, autre, memhre, poudre, pauvre: [/ifr] oder [Jifa] oder [/ifa], [katr^), o'tr, ma'br, pudr, po'vr]; [r] hat ebenso wie das stimmlose l die Neigung fortzufallen [Jif, kat] usw., besonders im Satzauslaut imd vor Konsonanten [po'vgarso] pauvre gargon, seltener (nur in etwas nachlässiger Sprache) vor Vokal: [katafd] quatre enfants] am häufigsten wird der Laut stimmhaft vor Vokal [po'vrami] pauvre ami, [katrafa] quatre enfants'^ auch vor [9]: [po'vre garsS]. Das Englische kennt nicht stimmloses r [1] (ausgenommen vielleicht pr, tr, kr, vgl. § 96); das Deutsche hat ganz allgemein stimmhaftes r, auch z. B in Harfe, scharf, Arzt, Harz, Markt-, ebenso holländisch in werpen, werk, harte usw., während das Dänische stimmloses [a] in harpe, kort, vcerk, vers usw. hat.

r

r

j

X

R

a.

if

a

1) Der Kürze wegen werden hier alle stimmlosen r- Laute nur durch [r] bezeichnet.

90 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

86. Die Nasenkonsonanten [m, n, g] usw. sind fast immer stimmhaft; die stimmlosen (geblasenen) können, wenn sie isoliert ausgesprochen werden, sich kaum als hörbare Laute geltend machen, vgl. jedoch den Laut, der entsteht, wenn man sehr stark durch die Nase bläst, um die Nasengänge zu reinigen. Dagegen geht es mit diesen stimmlosen Nasalen wie mit andern Lauten, daß sie in zu- sammenhängenden Lautreihen leichter aufgefaßt werden können und daher an und für sich sehr brauchbar sind als Sprachlaute; im Deutschen finden sie sich nicht. Stimmloses [m] mit £3 kommt in gewissen Fällen im Dänischen, Schwedischen und Isländischen vor. Ebenso im Französischen am Ende von Worten nach stimm- losen Konsonanten, z. B. rliythme, prisme, smcasme, fatalisme; ebenso wie die stimmlosen r und l im Auslaut hat auch dieser Laut die Neigung zu verschwinden; vgl. die bekannte Anekdote über rJiuma- tis(me) und exercis(me).'^)

Das geblasene [n] findet sich im Dänischen nach jt, z. B. hny, und im Isländischen hat man sowohl [n] wie [n]. Im Kymrischen spielen die geblasenen Nasale eine große Rolle, indem sie bei dem für diese Sprache eigentümlichen Anlautswechsel eintreten, z. B. in fy mlien (mein Kopf), fy nhad (mein Vater), fy ngJiefn (mein Rücken) von pen, tad, cefn-^ die wenigen Male, wo ich diese Worte gehört habe, lauteten sie mir wie ein geblasener Nasal -}- einem Blasen durch die Vokalstellung, eine Verbindung, die sich auch im Deutschen und Dänischen bei einem höhnisch abweisenden [nhs'] findet. Über einige Fälle, die gewöhnlich zu geblasenen Nasenkonsonanten gerechnet werden, vgl. § 95; wenn Bell glaubte, sie im englischen tempt, tent, length zu hören, so ist das sicher nicht richtig; höchstens wird nur eben der Schluß des sonst stimmhaften Lautes mit offener Stimmritze gesprochen.

87. Wir verlassen vorläufig die Konsonanten, um zu fragen, ob wir bei den Vokalen ähnliche Lautpaare wie die behandelten [s] [z] u. dergl. unterscheiden können. In der Regel werden die Vokale in allen Sprachen mit Stimme gesprochen, aber daneben

1) Die Belgier und Schweizer sprechen in solchen Worten die beiden letzten Laute stimmhaft aus [zm]; das hatte ich im Jahre 1887 reichliche Gelegenheit in London auf einem internationalen Kongreß zu beobachten, wo es einem um die Ohren summte von Worten wie atheisme, social isme, communismc usw. Vgl. auch die englische Aussprache von -ism als [izm]; nach Passy, Ghang. § 374 fängt die stimmhafte Aussprache in Frankreich selbst an aufzukommen als Reaktion gegen den Fortfall des m.

Der Kehlkopf. 91

kommen doch nicht so ganz selten Laute vor, wo die Stimmbänder weit voneinander stehen («B), aber die übrigen Sprachorgane eine der gewöhnlichen Vokalstellungen einnehmen. So, wenn man vor Hitze pustet und ohne Spur von Stimme die Interjektion hervorbringt, die pull oder pyh geschrieben wird. Bisweilen wird in derselben Bedeutung nur der geblasene Vokal [y] ohne irgend ein [p] davor gesprochen. Ein [yt] oder [üt] mit geblasenem Vokal, das wegen starker Lippen- rundung fast pfeifend wird, benutzt man, um eine große Schnelligkeit zu bezeichnen, mit welcher etwas sich bewegt oder verschwindet. Man kann auch ein ärgerliches fast zischendes ja aussprechen hören, das von einem geflüsterten ja verschieden ist, wenn es ihm auch ähnelt. Aber sonst gebrauchen wir im Deutschen keine geblasenen Vokale. Dagegen finden sich diese recht häufig in zusammenhängender Rede in den romanischen Sprachen. Das ist wohl zuerst von EUis^) beobachtet worden, der einige Fälle anfährt, wo er französische Schauspieler auslautende [i] und [y] 'voiceless or spoken as sharp whispers' hat aussprechen hören. Sweet spricht davon in Handbook 1877 p. 52, wonach man oft am Schluß der Worte stimmlosen Kon- sonanten [9] erhält, z. B. in Sympathie, und denselben Laut mit Lippen- rundung, z. B. in vem. Darnach wird das Phänomen behandelt von Storni (E. Ph. 1881 p. 82 = 1892 p. 149): „Bisweilen wird die theo- retisch betonte Silbe in der Tat geflüstert: 'a mi(di)', oder wie die Apfelsinenweiber oft rufen: "La Valencef Un (sou)! dmx (sous)'!" Hiergegen habe ich den Einwand, daß hier doch nicht von Flüster- stimme die Rede ist, sondern von dem davon verschiedenen Blasen (fS, nicht £i), und ich habe versucht^), die Bedingungen des Ein- tretens dieses Blasens zu bestimmen, indem ich es mit dem starken Sprung des Tones nach abwärts in Verbindung setzte, der so oft im Französischen, besonders in kurzen Behauptungssätzen, von der nächst- letzten zur letzten Silbe stattfindet; um den Gegensatz gegen den Hochton auf der nächstletzten Silbe hervorzuheben, geht man in der letzten Silbe so weit herab in der Skala wie möglich, aber eine Übertreibung eines sehr tiefen Tones wird jetzt zum Mangel an Ton, der als sehr energischer Punkt wirkt. Da es nun nach der Natur der Sache am leichtesten ist, einen stimmlosen Vokal hörbar zu machen, wenn die Luft einen eingeengten Mund zu passieren hat, so tritt diese Erscheinung am leichtesten bei den hohen Vokalen [i, u, y]

1) Philol. Society 1873—4 p. 139.

2) Noter til Franke 1886 p. 32 (daraus Sweet, Primer of Ph. 1890 § 273) und Ph. St. n (1888) 92.

92 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

ein, und man hört daher sehr häufig z. B. Ce n'est pas heaucoup [s ns pa Tbo^ku]^); n^y pensons plus [ni pd^sST ply]; c'est ici [ssrtiisi]. Man kann es jedoch auch bei den mittleren und niedrigen Vokalen hören, z. B. in [e]: Le harometre est monte [1(9) baromstr s TmÖlte]; ty ne Vav/ras pas [ty n lo^ra^ pa]. Daß der Stimmverlust am häufigsten nach einem stimmlosen Konsonanten eintritt, ist ja natürlich, doch hört man es auch nach stimmhaften (die dann wohl immer selbst die Stimme verlieren), z. B. in II sent le tabac [i so. 1 ^ta^ba]. II s'ennuyait heaucoup chez nous [i s anyijs boku rje"! nu].

Auf ähnliche Weise verlieren auch satzauslautende Vokale im Italienischen oft ihre Stimme, da es aber hier, so weit meine Beob- achtungen reichen, nur in schwachen Silben ist, wird der Laut nicht wie im Französischen kräftig geblasen, und man kann schwanken, ob man es nicht besser als Flüsterstimme oder Hauchen auffaßt (fi oder e2, vielleicht auch £3, ^1): (vino) rossq, dieci tmdici usw.; grazie^, sessantq; avanti; durante; non Vdbhiam(o) ancora vedutq; pazzq. Meine Beobachtungen sind in Rom gemacht, und ich habe den Ein- druck gehabt, daß es hier den Übergang bildet zu dem süditalienischen Schwund der Vokale in allen diesen Fällen; in eines Bettlers wieder- holtem Datemi un hajocco konnte ich nie herausbekommen, ob ich ein stimmloses o zum Schluß oder nur den gerundeten Absatz vom [k] hörte. Nach Sweet^) werden schwache Silben im Portugiesischen oft mit Flüstern (whisper, not breath) gesprochen; ich habe es mit einigem Zweifel als £2 analysiert, also Hauchstellung (nicht Flüster- stellung £i) z. B. [u] in der letzten Silbe von Porto, amamos. Im Russischen sollen nach Lundell stimmlose Vokale sehr häufig sein, und in anderen slavischen Sprachen sollen sie auch vorkommen,

88. Wir kommen zu dem Laut oder den Lauten, welche in ge- wöhnlichen Alphabeten als h vor Vokalen bezeichnet werden. Hier haben wir auch vokalische Stellung der oberen Sprachorgane, ohne daß im Kehlkopf Stimme erzeugt wird. Bisweilen haben wir hier die sehr offene Stellung £3 mit eineip sehr kräftigen Blasen, das den Eindruck eines asthmatischen Ji hervorruft, von dem einem übel in der Brust werden kann, wenn man es hört, weil es zu viel Luft ver- braucht; wir können dieses extrastarke h als [hh] bezeichnen. Ich habe dies bei mehreren Engländern beobachtet, besonders auf der Kanzel, wo es sich anhört, als ob der Betreffende all seine „Luft"

1) Der Hochton wird dadurch bezeichnet, daß man die betreffende Silbe in r 1 einschließt, die geblasenen Vokale durch ^ unter dem Buchstaben.

2) Spoken Portuguese p. 18 ; vgl. Vianna in Passy Chang. p. 261.

Der Kehlkopf. 93

brauchte, bloß um the Holj Ghost zu sagen; es ist hier möglicher- weise bloß die starke Reaktion gegen das dropping of his h's des Un- gebildeten (vgl. unten § 91).

Normalerweise kommen die Stimmbänder indessen nicht so weit auseinander; aber selbst innerhalb dieses normaler lautenden [h] gibt es mehrere Stärkegrade, die sicher auf dem Abstand der Stimmbänder voneinander beruhen. Das gewöhnliche dänische [h] in Hans, här, hui, hid usw. scheint mir nicht wesensverschieden vom deutschen [h] in Hans, hold, husten, hin, oder dem englischen in hat, hoar, Jwld, who \hxc^, hit usw.^) Die Stimmbänder stehen hier im Anfang des Wortes wenig voneinander (Stellung e2 % 74), so daß beim Durch- gang der Luft durch das sehr spitzwinklige Dreieck ein schwacher „Hauch"-laut hervorgebracht wird, aber sie nähern sich darauf bald einander; in dem Augenblick, wo sie dicht zusammengerückt sind, so daß die Luft sie in regelmäßige Schwingungen versetzen kann, ist [h] vorbei, und der Vokal fängt an. Das erklärt das Gleitende bei dem Charakter des [hj; wenn man das Gleitende besonders bezeichnen will, so ist die Stimmbandsformel für [hh] also «3 (1 und für gewöhn- liches [h] e2 (1, wo die Bewegung und ( vor der Zahl 1 be- deutet, daß die 1-Stellung nicht erreicht wird, ehe das [h] vorbei ist; da die «2 -Stellung ja in jedem Falle ein notwendiges Glied ist, sei es nun ein Durchgangsglied wie bei [hh] oder das Anfangsglied selbst, kann s2 als generelle Bezeichnung für das gewöhnliche [hl benutzt werden.

89. Daneben findet sich im Deutschen indessen oft ein schwacher Laut, der in der Lautschrift mit [^] bezeichnet werden kann. Er findet sich zwischen zwei schwachen Vokalen, z. B. in Alkohol, Ahasverus. Die Stimmbänder, die bei dem Vokale vor h einander ja genähert und in Schwingungen versetzt sind, und die einen Augenblick nach- her für den folgenden Vokal wieder schwingen sollen, gehen in der Zwischenzeit nicht so weit auseinander, daß die Stellung das typische e2 wird; die Stimmbildung wird nur momentan geschwächt, ohne daß vielleicht die Schwingungen ganz aufhören^), während die Stimm-

1) Es ist im allgemeinen etwas stärkeres Reibungsgeräusch beim Dänischen und Englischen als beim Deutschen; darauf hat Prof. Sievers mich zuerst auf- merksam gemacht, und ich habe es bei späteren Vergleichen bestätigt gefunden.

2) Seitdem diese Stelle, wo in vorsichtigen Ausdrücken angegeben ist, daß die Stimmbandschwingungen vielleicht nicht ganz aufhören bei diesem schwachen [''], in der dänischen Redaktion geschrieben war, ist die Theorie von mehreren Seiten aufgestellt worden, daß [^] ein stimmhafter Laut sei (vgl. E. A. Meyer, Beiträge zur deutschen Metrik, 1887; Maitre phonetique, Juillet

94 Erster Hauptteil; Analyse. Sechstes Kapitel.

bänder gleichzeitig ein wenig voneinander entfernt werden. Analpha- betisch bezeichnet eine Parenthese () eine Bewegung, die abgebrochen wird, ehe die Stellung, die durch ein Zahlzeichen in der Parenthese angegeben wird, ganz erreicht ist, so daß das Organ sich also gleich auf den Rückweg macht; wir erhalten also bei dem schwachen h:

[alko ^ ol] sl(2)l

Dieses [*^] kann bequem studiert werden durch Gegenüberstellung von hat in starker und in schwacher Stellung im Satze, sie hat das Buch [zi 'hat das bu'x] und sie hat gesagt [zi ^at ga'za-xt]*, „als die Hussiten vor Naumburg lagen" [di ''u'si'tn], Johann Huß [jo^an 'hus], Johannes [jo'hones], „die fromme Helene" [di 'froma ^e'le'na] und Helena ['he'kna]. Dieses p] fällt gewiß nicht selten ganz fort: da hat sie gesagt [da -at . . .]. Es ist hier nicht viel anders als ein kleiner Schritt weiter als die nicht sehr geöffnete Stellung, die schon bei natürlicher Aussprache der schwachen Vokale stattfindet („lufterfüllte Stimme", vgl. unten § 108).

Wir können aus diesem letzteren verstehen, wie es zugeht, daß ein h, in der Regel [^'j, eingeschoben wird, wo es nicht hingehört, so nicht selten im Deutschen (auch im Dänischen und besonders häufig im Schwedischen) in einer gewissen Aussprache von ja; der lauge Vokal wird „zweigipflig" ausgesprochen (vgl. unter Silbe § 202), d. h. zuerst decrescendo und darauf crescendo. Decrescendo heißt aber, daß die Stimmbänder während der Schwingungen allmählich mehr und mehr voneinander entfernt werden, sich also der «2-SteUung nähern; darauf nähern sie sich einander wieder; wenn sie nun die ganze Zeit schwingen, so daß die Stimme in keinem Augenblick ab- gebrochen wird, so haben wir die Aussprache [ja'a], aber mit der Entfernung werden die Schwingungen geschwächt, und wenn diese Schwächung deutlich genug wird, um vom Ohre aufgefaßt zu werden

1901 und Engl. Lautdauer p. 20; P. Passy, Die neu. Spr. 1X244; H. Pipping, Zur Phonetik der finnischen Spr. 1899 p. 244, Scripture, Studies from the Yale Psychological Laboratory X (1902) p. 58. („Das h ist ein im Kehlkopf erzeugter Schall, dem sich ein diffuses Reibegeräusch im Ansatzrohr zugesellt," Pipping.) Ich habe jedoch keine "Veranlassung gehabt, meine Ausführung zu ändern, da sich Stimme doch in jedem Fall nur bei intervokalem h finden kann, und selbst da kaum den Stimmschwingungen bei gewöhnlichen und stimmhaften Konsonanten an die Seite gestellt werden kann. (Vgl. namentlich Meyers Ausführungen; er gebraucht den Ausdruck „hauchstimmhaft".) Mehr Versuche müssen gefordert werden, ehe die Frage endgültig gelöst ist. Vgl. auch Holger Pedersen (Nord, tidsskrift for filologi, 3. r. XI 124) über das böhmische h.

Der Kehlkopf. 95

(oder wenn die Stellung £2 ganz erreicht wird, und keine Schwingungen vorhanden sind), dann muß die Aussprache als [ja'^a] bezw. [jaha] bezeichnet werden.

90. Im Französischen ist, wie bekannt, das geschriebene h verstummt; dabei muß aber gesondert werden zwischen dem sogenannten h muette und h aspiree. Das erstere ist bloß ein graphisches Zeichen ohne irgend welchen Lautwert; das lateinische h war sehr früh ver- stummt, und im Altfranzösischen schrieb man auch nicht Ji in volks- tümlichen Fortsetzungen lateinischer Worte; noch heute schreibt man ja on < lat. Jiomo. Aber in anderen Fällen hat man später angefangen, ein h zu schreiben, weil man wußte, daß die Lateiner h schrieben, z. B. histoire, auch komme, ursprünglich bloß ein anderer Kasus von on. Daß h hier indessen keinen Lautwert gehabt hat, sieht man aus der Behandlung des Artikels in Vhistoire, Vhomme, aus dem Hinüberziehen z. B. in mon histoire [mSnistwa'r], les Jiommes [lezom] usw. Später aber erhielt die französische Sprache ein wirkliches h, besonders in germanischen Lehnwörtern wie häte (afr. haste), hair, und dieser Laut wurde dann einigen anderen Worten angefügt, wie haut < lat. altus, und ferner in später aufgenommenen gelehrten Worten wie Jieros u. ähnl. ausgesprochen. Dies [h] wirkte natürlich als Konsonant, daher ohne Zusammenziehung la häte, ohne Überziehen nous häissons, les he'ros. Solange dieses [h] wirklich gesprochen wurde, verdiente es seinen Namen „h aspiree" im Gegensatz zum „stummen h", jetzt ist aber auch das einst aspirierte h verstummt, so daß nun der einzige Unter- schied zwischen den beiden h die indirekte Nachwirkung aus der Zeit ist, wo das eine Konsonant war, in [la a't, nu ais5, le ero] u. ähnl. Die alte Aussprache als wirkliches [h] wird indessen mehr oder weniger künstlich von einigen im style soutenu aufrecht erhalten. Die allermeisten Franzosen sind aber außerstande, ein [h] zu hören, also z. B. den Unterschied zwischen deutsch Aar: Haar, aus: Haus auf- zufassen, viel weniger also in der Aussprache bewußt einen solchen Unterschied selbst zu machen.^) Die Folge davon ist, daß der grammatische Unterschied zwischen Worten mit h muette und solchen mit h aspiree nur mehr oder weniger künstlich vorkommen muß. In der vulgären Sprache besteht daher die Tendenz, auch hinüber- zuziehen usw., wo es nicht erlaubt sein sollte; in einem Küchen- wort wie haricot soll dies sogar allgemein in die Aussprache der Gebildeten eingedrungen sein, also z. B. [lezariko] statt [le ariko].

1) Vgl. oben § 76: P. Verrier über ['].

96 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Aber daraus, daß [h] so nicht als eigentlicher Sprachlaut mit festem Platz in gewissen Worten benutzt wird, folgt nicht, daß die Franzosen den Laut gar nicht benutzen; sie tun es in Wirklichkeit recht häufig, aber unbewußt, so daß sie sehr oft, wenn man sie bittet, Worte zu wiederholen, in denen sie ein [h] oder vielmehr [^] ge- sprochen haben, gerade diesen Laut fortlassen. Dies ist zuerst von Bredsdorff beobachtet worden, später auch von Sweet, Storm u. a. in Fällen wie fleau [fle^o], Baal [ba^al], Bauer [bo^S'r], poete [po^'st] usw. ^) Dieses muß indessen durchaus ebenso beurteilt werden wie das un- freiwillige h, das sich in jaJia entwickelt; wir verdanken es der Schwächung der Stimme am Ende der vorhergehenden schwachen Silbe, so daß Annäherung an «2 entsteht, wonach der Übergang zu dem vollen Stimmklang im folgenden starken Vokal als [^] gehört wird. Da diese Bedingungen oft vorhanden sind da, wo zwei Vokale direkt aufeinander folgen wegen Ausfalls eines früher als wirklicher Sprachlaut vorhanden gewesenen [h], z. B. in la honte, lä-haut, deliors usw., so trägt diese Erscheinung dazu bei, die Fiktion von der fortdauernden Existenz eines h aspiree aufrecht zu erhalten, ob- gleich es ja eigentlich gar nichts damit zu tun hat und genau ebenso gut eintritt, wo früher kein h in der Sprache gewesen ist. Daß dieses so ist, kann auch leicht konstatiert werden, wenn man auf die Anwendung des [h] bei einem Franzosen horcht, wenn er eine fremde Sprache fließend spricht; hier wird [h] oft an den verkehrten Stellen vorkommen, wo zwei Vokale zusammenstoßen sollten, aber niemals eintreten, wo es eintreten sollte, wenn ein Konsonant vorhergeht.^)

91. Verwandte Erscheinungen treffen wir nun in verschiedenen anderen Sprachen. Li den Volksdialekten im ganzen England (also nicht nur in London)^) ist das [hj ganz verstummt*); und jetzt ist es eins der untrüglichsten Zeichen für vulgäre Aussprache und Mangel an Bildung, daß der Betreffende drops Jiis h's [eitjiz].^) Man könnte

1) BredsdorflF, Aarsagerne til sprogenes forandringer 1821 p. 18; Sweet, Hdb. 124; Storm 94.

2) Ich spreche natürlich nicht von Franzosen, die die Aussprache fremder Sprachen phonetisch richtig gelernt haben.

3) Über die Grenze vgl. EUis EEP. V.833 u. a. Stellen. In Schottland, Irland, Amerika und im Stand. Engl, wird das h gewahrt, auch nach KjederqvistinWiltshire.

4) Kaum so, daß ein sO ['] statt dessen eingetreten ist, wie Storm, E. Ph. 93, Victor 22 23 wollen; jedenfalls erinnere ich mich nicht es jemals gehört zu haben.

6) Früher ist es vielleicht auch unter Gebildeten allgemeiner gewesen; jedenfalls wird von W. S. Landor (1775—1864) erzählt, daß er „does not aspirate; drops his h'a like a cockney."

Der Kehlkopf. 97

unzählige Belegstellen dafür aus allen neueren englischen Roman- schriftstellern anführen. Thackeray spricht z. B. mehrmals ausdrück- lich aus, daß es für einen Gentleman unmöglich ist, sich mit einem Mädchen zu verheiraten, das drops her h's, ebenso wie man immer und immer wieder auf Witze stößt, die auf dem dadurch verwischten Unterschied zwischen art und Jieart und ähnl. beruhen. Wenn man daher in einem englischen Roman findet z. B.: She ad an eadache, and would much rather go ome (Pendennis III 35), oder I ope you ave your ealth well (ebd. 59), so kann man sicher sein, daß die Ab- sicht ist, mit dieser Orthographie den Sprechenden als ungebildet zu charakterisieren, entweder einen 'Ärry oder einen 'Arriet. Aber alle, die so h auslassen, werden an manchen Stellen ein h, am gewöhn- lichsten wohl [''], einschieben, natürlich ohne jede Rücksicht darauf, ob sich im Standard English ein h findet oder nicht. Der Grebildete wird jedoch nur diejenigen Fälle bemerken, wo die Aussprache des Betreffenden von seiner eigenen abweicht, und daher den Eindruck bekommen, daß die Ungebildeten systematisch ein li setzen, wo es nicht stehen soUte und umgekehrt (misplaces his 7i's), und so wird man oft vulgäre Sprache in Romanen, Zeitungen usw. wiedergegeben finden. Dies ist jedoch, soweit ich habe beobachten können, ganz falsch; die Bedingungen für das Eintreten des [^'J sind im wesentlichen dieselben wie im Französischen; aber [^] scheint häufiger im Englischen, besonders im Satzanlaut; es findet sich auch im Innern der Worte nach schwachem Vokal: pihano [pi'^aenou]; nach Konsonant findet es sich nur bei besonderem Nachdruck.^) Hinsichtlich der Rolle des Nachdrucks bei der Erzeugung des unfreiwilligen Pi] ist es inter- essant, was Elworthy in einer Anmerkung bemerkt (Grammar of the Dialect of West Somerset, E. Dial. Soc. 19, p. 162), daß die Komparativ- und Superlativformen häufig ein [h] bekommen, da sie emphatisch sind, so daß der Dialekt also active kompariert [akti haktia haktiistj.^) Ebenso sieht man die Bedeutung des Nachdrucks aus einer Anekdote, die ich nach Alford (Queen's English, 31) anführe: „A barber, while operating on a gentleman expresses his opinion, that after all, the cholera was in the hair. „Then," observes the customer, „you ought

1) Vgl. die verschiedene Behandlung im folgenden Satz {Comic Grammar 1840 i). 42j: Though Mmpudent, he wasn't as «mpudent as Bill wur.

2) Vgl. ebd. 165: man sagt: [hAgli z 98 dsvl] „ugly as the devil". This is the usual Superlative of ugly, and the aspirate forms part of the comparison. In Dickens, Nicholas Nickleby 518 steht: „This is the hend [= end], is it? con- tinued Miss Squeers, who, being excited (NB!) aspirated her h's strongly!"

Jespersen, Tjehrbuch der Phonetik. 7

98 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

to be very careful wliat brushes you use." j;Oh, sir," replies tbe barber laugbing, „I didn't mean the air of the ed, but the hair of tbe hatmosphere."^) Vergleiche auch Thackeray, Pendennis III 237, wo eine Person wegen ihrer Aussprache berichtigt wird: „Don't say er, but her, dorrer but horrow, actially but actualhj" und dann sagt: „Well then, her, and horrow, and hactually there, then, you stoopid," also gerade ein h auch vor das mit starkem Nachdruck ausgesprochene actually setzt. Die Auslassung des [h] ist aber jetzt u. a. grade durch Thackeray und Dickens so allgemein bekannt geworden als etwas, wovor man sich zu hüten hat, daß viele sich daher bemühen, dadurch „fein'' zu sein, daß sie so viele [h] wie nur möglich setzen, nachdem ihr Ohr einmal für [h] geöffnet ist.

Während es niemals gebildet ist, ein [h] zuzusetzen, wo die Schrift es nicht hat, gibt es eine Reihe von Fällen, wo Gebildete ein zum Worte gehörendes [h] auslassen.^) Hierhin gehören zum ersten gewisse Fälle nach Konsonanten (vgl. § 92); dann eine Menge kleiner Wörter, wenn sie innerhalb des Satzes^) in schwacher Stellung stehen. Dieses ist in der Schrift anerkannt in Tve für I have, Td für I had, iie'd für he had usw.; ferner gibt es ein Wort, wo die auf diese Weise entstandene satzschwache Form ohne h Bürgerrecht als die allein geschriebene und gesprochene Form erhalten hat, nämlich it, ae. und me. hit.^) Aber in der gesprochenen Sprache findet sich diese Auslassung viel öfter, als selbst die Wiedergabe von Gesprächen in Romanen und Komödien vermuten läßt, z. B. [ai 'so' im] I saw him;

1) Vgl. What I say is " give such people a hinch, and they'll take a hell" if youll pardon my usiu' such strong language. (Punch.)

2) Ich rechne hierzu nicht Fälle wie die bekannten heir honest honour hour (wozu hostler, das auch ostler geschrieben wird); hier ist [h] nie gesprochen worden; die Worte sind aus dem Französischen übernommen ohne [h] und haben nur durch gelehrten Einfluß in der Schrift ein [h] erhalten. Ebenso wurden früher mehrere andere aus dem Französischen übernommene Worte behandelt, die jetzt durch den Einfluß der Orthographie auch ein [h] in der Aussprache bekommen haben: humble (wo die Aussprache umble noch im vorigen Jahrhundert gang und gäbe gewesen ist; wenn Uriah Heep und seine Mutter in Dickens' David Copperfield beständig 'umble sagen, so ist das mehr ein Archaismus als vulgäre Aussprache; sie lassen sonst nicht h aus) herb hospital; humour schwankt, die beste Aussprache ist jedoch ohne [h]: [ju-ma], vgl. auch E. Koeppel, SpelUng Pronunciations (Straßburg 1901) p. 43^.

3) Im Satzanlaut wohl nur in solchen Fällen wie [vju- 'si'n] für have you Seen, die anders beurteilt werden müssen.

4) Beide Formen nebeneinander 1485: Be hit, as it be may (Malory, Morte d' Arthur 85), vielleicht wegen der Stellung nach Vokal und nach Konsonant.

Der Kehlkopf. 99

['sed tu 8'] Said to her; [ai 'tould iz 'sista ^at i' (8)d 'kAm] I told Ms sister that he had conte, [Öe 'maen u' (9)z bi-n ^s-a] the man who has heen there, im ganzen überall, wo Formen des persönlichen Pronomens (sowie das relative who) oder des Verbums have^) innerhalb eines Satzes ohne Nachdruck stehen; so bei allen, gebildeten und un- gebildeten, Engländern^); auch in Amerika (Grandgent). In Ver- bindung hiermit steht die Neigung, überhaupt ein [h] in schwachen Silben auszulassen, z, B. in historical, hihernal, Hibernia, Hungarian usw., was der Grund für die häufige Anwendung des Artikels an vor solchen Worten ist; aber in der jüngeren Generation arbeiten Schul- lehrer und Orthographie dieser Neigung entgegen, und können hier die Oberhand gewinnen, weil es sich um gelehrte Worte handelt; und jetzt tut man daher am besten zu sagen und zu schreiben: z. B. a historical novel [a hi'storikl novl]. Vgl. auch Fälle wie Graham [greiam], Brougham [bru'(a)m, brouam], nihilist [naiilist], vehicle [vi'ikl]. In freeJmnd-drawing wird oft das p] sehr wenig hörbar, während es in free hand recht deutlich ist.

Rings umher in anderen Ländern trifft man auch Gegenden, deren Bevölkerungen [h] als Sprachlaut verloren haben, und dann immer, wie es scheint, mit dem Resultat, daß ein [h] unbewußt hier und da angesetzt wird, wodurch die Umwohnenden, die [h] als wirkliches bedeutungsvolles Glied in ihrer Sprache benutzen, den Eindruck einer systematischen Auslassung des [h] an Stellen, wo es hingehört, be- kommen, und umgekehrt. So in der Kottbuser Gegend^), in Karisby in Finnland, in Söndmör in Norwegen und endlich in einem Teile von Holland (Nordbrabant).*)

92. Ganz verschieden von den eben behandelten Fällen des Aus- falls des [h] sind andere, wo [h] in gewissen Kombinationen in Sprachen, die sonst genau den Laut beobachten, verschwinden kann. Es ist hier ein vorhergehender (in der Regel stimmloser) Konsonant, der besonders in schneller Rede den Ausfall des [h] bedingt; z. B. deutsch [da'saist] das heißt; ['gro'ser|tso'x] Großherzog, [vesolp] weshalb; [ra'tauskelar] RathausJceller , vgl. auch Sievers § 373 und Franke, Phon. St. 1133. Auch im Englischen fällt [h] nach Konsonant oft fort, so in Fulham [fulam], Nottingham [notigam],

1) Da having sicli kaum ganz schwach findet, verliert es auch nicht sein h.

2) Bei Dichtem finden sich nicht selten Reime wie made he: lady ; upon her: honour (Tennyson, Lord Biirleigh).

3) Trautmann § 557.

4) Vgl. des näheren die dän. Fonetik p. 324.

17*

iOO Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Chatham [tjaetem] usw.; in [ig'zibit, eksi'bijan] exhibit, exhihition, [ig'zo'st] exhaust und ähnl.; [di'sa'tndj disheartened , [Jeped] shepherd; [folsud] falsehood usw.; für hedgehog schreibt Sweet [hed'jog], auch in someJioiv kann in schwacher Satzstellung [h] fortfallen [sAmeu], Wo r und h zusammenkommen, kann [h] verschwinden, so daß [r] nach den gewöhnlichen Regeln seinen konsonantischen Wert zwischen den Vokalen behalten kann; immer Durham [dAram] und fast immer forehead [fored, forid], wo das etymologische Gefühl geschwächt ist, sowie sehr oft perhaps [pa'raeps] oder häufiger [praeps], neben dem gehobeneren [pa'hsepsj; daß for him, for her so gesprochen werden, wenn him und her keinen besonderen Nachdruck haben, folgt schon aus § 91. In anderen Fällen indessen geht in der Verbindung [r -}- h] das letztere siegreich aus dem Kampfe hervor, so daß r nicht länger Konsonant bleibt, also z. B. [Js'ahoulde, neibahud] shareholder, neighhourhood; doch habe ich gerade in diesen Worten von einer ge- bildeten Dame mehrmals die Aussprache [Js'rouldo, neiberud] gehört. Über dänisches vcertshus, feltherre usw. vgl. die dän. Fonetik p. 324.

93. Auch nach Vokal können wir den Laut [h] mit der Stellung e2 oder mit Gleiten vom vorhergehenden stimmhaften Laut zu £2 oder sogar zu der ganz offenen Hauchstellung £3, also fl) 2 oder el) 3 haben. Dieses ist sehr häufig im Dänischen, wo vi als [vih] gesprochen wird, so daß der Schluß oft an deutsch ich erinnert; nu [nuhj usw. Vgl. Sanskrit visarga. Im Isländischen findet sich [h] zwischen Vokal und Konsonant, z. B. in döttir, flokk.

94. Kann die Stellung «2, bei der der gehauchte Laut entsteht, auch mit einer konsonantischen Stellung des Mundes verbunden werden? Ich glaube die Frage mit ja beantworten zu müssen, ob- gleich es nicht leicht ist, zu einem endgültigen Resultat zu kommen, da man vorläufig kein Mittel hat, die Stimmbänderstellungen bei ganz oder fast geschlossener Mundpassage zu beobachten. Man muß hier im wesentlichen davon ausgehen, daß, wenn ein Laut nicht von Stimmbandschwingungen begleitet ist und doch nicht denselben Ein- druck wie der normale stimmlose (geblasene £3) Laut macht, sondern schwächer, mehr als gehauchter, [h]-artiger Laut wirkt, wir es mit der mittleren Stimmbänderstellung «2 zu tun haben.

Im Englischen haben wir dies in Worten wie [hju'] hew, [hju'dj] huge, wo [hj] nicht zwei aufeinanderfolgende Laute, sondern ein [j] oder eher [ij (Zungenstellung yd oder 4, vgl. § 48) mit dem- selben Abstand der Stimmbänder wie bei [h] bezeichnet. Eine außer- ordentlich gewöhnliche Aussprache des englischen here, hear ist [hja'] statt des normalen [hia] mit Verschiebung (wegen der Klangfülle,

Der Kehlkopf. 101

vgl. näher unter Silbe), so daß gar kein stimmliaftes [i] entstellt, also (vgl. Ärtic. p. 70):

V

8

y

4

6

s

2

1

••

h

I

9

statt

?

4

6

s

2

1

Dieses [liJ8'] wird jedoch von vielen als affektiert betrachtet, so von Bell, der (Ess. and Postscr. p. 24) sagt, daß man jeden Tag Pastoren in London sagen hören kann: „Ee that 'ath yahs to yhah, let in yhah," für: „He that hath ears to hear, let him hear", vgl. auch Storm 86,

93. Wo im Englischen die Orthographie wh hat, white, when usw., scheint es zwei Aussprachen zu geben, eine mit wirklichem Blasen (£3, so Sweet, der das Verhältnis von wh zu w ganz gleich ansÄzt wie das zwischen s und 0), Lautschrift [Mail, Men] und eine mit Hauch, «2, und Hingleiten zur Stimmbildung, Lautschrift etwa [hwail, hwen]. Die letztere scheint mir die gewöhnlichste bei denjenigen Südengländem, die überhaupt tvh von zv verschieden aussprechen. Die natürlichste Aus- sprache in Südengland gebraucht nämlich überall [wj für das wh der Schrift, spricht also which und witch gleich [witj] aus, ebenso wheel = iveal [wi'l], tvhale = waü [weil] ^) ; der Unterschied wird künstlich in vielen Schulen aufrecht erhalten, längst nicht in allen. Die Aus- sprache einiger Leute, jedenfalls in Amerika^), aber gewiß auch in England, geht den Mittelweg, der sicher auf natürliche Weise ent- standen ist, daß [hw] in starker Silbe, [w] in schwacher Silbe ge- sprochen wird, so daß man also fragt ['when?] und ['whitj wei Jlwi' 'gou?], dagegen sagt [we'neve] whenever, und ebenso die übrigen Zusammensetzungen mit -ever, ebenso z. B. [wot Öa'dikinz] ivhat ihe dickens und ähnl.; so wird auch ein Unterschied gemacht zwischen dem fragenden tvhy [hwai] und dem gewöhnlichen nichtssagenden Worte why [wai] z. B. in why anyone can teil you that.^) Mit «2 muß sicher auch angesetzt werden isländisch anlautendes hn (Icn), hl, hr, und vielleicht gehört hierhin die gewöhnlichste Aussprache von holländisch v, z, g, z. B. in van, ml, gaat, die jedoch auch oft Gleiten haben und oft ganz stimmlos scheinen. Auch im mitteldeutschen [j]

1) Andere Beispiele: whine-wine [wain]; whet-toet [wet]; whales- Wales [weilz]; ivhit-wit [wit]; where-wear [we-a]; while-ivile [wall]; white- Wight [wait]; whether - weather [we9a].

2) Modern Language Notes, May 1891, p. 310.

3) Vgl. was Miss Soames p. 35 sagt: Those who generally omit the sound [■wh], may sometimes be heard to utter it in an emphatic „Where".

102 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

in zeigen [tsaij(9)n], unterschieden von Zeichen [tsaic(8)n] und doch nicht mit stimmhaftem [j] gesprochen, sowie in tragen mit Zwischen- laut zwischen stimmhaften [g^] und [x] haben wir es wohl mit ge- hauchten Lauten (£2) zu tun.

96. Nicht selten erhält ein Konsonant nach einem geblasenen Konsonant nicht in seiner ganzen Dauer Stimme, sondern die Stimm- bänder gleiten während der Aussprache desselben von der oflFenen Stellung £3 zu der Stimmstellung £l, was wir mit einem Strich be- zeichnen:

p I 1 I a £3 I I 1

so sicher ganz gewöhnlich im Deutschen^): z. B. in plagen, Magen, (schlafen?) Atlas 83), Knie, (Schnee?) Preis, tragen, Kragen, fragen, (schräg?) Qual (mit a2^ § 14), auch nach pf: Pflanze, Pfründe; im Englischen: ply, Clyde, pry, try, cry, fry, [w] in queen [kwi-n], twist [twist] usw., [j] in pure [pjue], tune [tju-n], eure [kjue], few [fju'] usw., obgleich [j] in seiner ganzen Dauer stimmhaft sein kann und es in der Regel in der amerikanischen Aussprache ist.^)

Anmerkung: In den gewöhnlichen Lautschriftalphabeten (auch in Visible Speech) ist kein anderer Ausweg, diese Laute, während deren Erzeugung die Stimmbänder sich aus der Blasestellung zur Stimmstellung bewegen, zu bezeichnen, als indem man zuerst das Zeichen für stimmlosen und darauf das für stimmhaften Laut, also z. B. [11] oder auch, wie ich vorziehe, [hl] usw. schreibt; aber beide Bezeichnungsarten geben eigent- lich den falschen Eindruck, als wenn zwei Laute, jeder mit der normalen Dauer eines (kurzen) Lautes, aufeinander folgten; erst die analphabetische Schrift gibt durch ihr einfaches Zeichen eine Möglichkeit, das rechte Verhältnis zu bezeichnen.

97. Das entgegengesetzte Gleiten, wo die Stimmbänder, die bei der Aussprache des einen Lautes in Schwingungen gewesen sind, während der Aussprache des nächsten zu der offenen Stellung über- gehen, wird durch fl (2 oder «1— (3 bezeichnet. Es kommt in vielen Sprachen, besonders im absoluten Auslaut vor, wo die Stimm- bänder also gewissermaßen die Stellung vorausnehmen, die sie in der

1) Viele (besonders in Mitteldeutschland) sprechen jedoch in solchen Fällen ein (unaspiriertes) [p, t, k] mit ganz stimmhaftem [1, r, n] dahinter, selbst wenn sie vor Vokal aspirierte Tennis haben.

2) In schneller Sprache findet sich dagegen häufig [pl, kl, pr, kr] mit völlig stimmhaftem zweitem Konsonanten in Worten wie police, collect, perhaps, peramhulator , career, correct, also bei Ausfall eines schwachen Vokals; ebenso findet sich [kn] mit stimmhaftem [n] oft in connect u. ähnl.

Der Kehlkopf. 103

folgendeil Pause einnehmeii sollen, indem sie die Bewegungen zu früh

beginnen. So im Englischen bei auslautendem [v, z, 5] z. B. in give,

nose, rouge,

i j V

wo man nach dem Strich nicht anzugeben braucht, in welcher Richtung das Gleiten stattfindet, da die offene Stellung (Ruhestellung) hinläng- lich dadurch angedeutet wird, daß nichts nachfolgt. In den alpha- betischen Lautschriften muß dieses Verhältnis ebenso wie oben auf nicht ganz korrekte Weise durch zwei aufeinanderfolgende Buchstaben angegeben werden [vf ] oder besser [vh], also z. B. [givh, nouzh, ru'jh] ; besonders deutlich wird es, wenn mehrere Konsonanten das Wort schHeßen: heads, Jiedge, eggs [hedzh, hed^h, egzh], wo das Gleiten der Stimme schon bei [d, g] angefangen hat, so daß [z, 5] fast £2 schon von ihrem ersten Anfang an bekommen. Im Satzinlaut tritt der volle Stimmklang ein: give and tdke [giv an teik], heads and tails [hedz an teilzh] usw., sogar gewöhnlich vor geblasenen Konsonanten, aus- genommen in einzelnen stehenden Verbindungen, wie Jiave to, wo man sogar nicht selten [haef tu] hört. Im Französischen und Deutschen kennt man dieses Stimmengleiten nicht im Auslaut, vgl. franz. rouge, rose [ru"5, ro'z] mit den entsprechenden englischen Worten. Auf deutsch sind [1, r, m, n, i)] die einzigen stimmhaften Laute im Wort- schluß außer den Vokalen; bei allen andern Konsonanten tritt völlig geblasener Laut ein, selbst wo andere Formen des Wortes stimmhaften Konsonant haben, z. B. naiv, Haus, Sieg, Tag, Grrdb, Hand [na'i-f, haus, zi'9, zi-k, ta'x, ta-k, gra(-)p, hont], aber flektiert [na'i'va, hauze, zi'J9, zi'g9, ta-^9, ta-ge, grs'ber, henda].

Bisweilen kommt ein Gleiten aus der Blasestellung zu der Stimm- stellung vor, die, bevor die Stimme zu klingen angefangen hat, schnell von einem Gleiten in entgegengesetzter Richtung abgelöst wird. Im Englischen haben häufig in schwachen Silben Vokale zwischen ge- blasenen Konsonanten diese Art Stimmgleiten, z. B. in der ersten Silbe von fatigue, siiccess, partieular [f(9)'ti'g, s(9)k'ses, p(9)'tikJ9l9], in der zweiten in comfortable [kAmf(9)t9bl], auch in to sit [t(9)'sit] ... all hooks except [buks(i)k'sept] und ähnl.; analphabetisch

f 9 t i ' g £3 (1) 3 1 . .

98. Noch eine große Klasse von Lauten bleibt auf ihre Stimm- verhältnisse zu untersuchen übrig, nämlich die Verschlußlaute.

104 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

Diese Klasse wird hier zu allerletzt behandelt, weil sie besondere Schwierigkeiten bietet, und ich muß gleich bekennen, daß ich die im folgenden gegebenen Erklärungen nicht als vollkommen sicher aus- zugeben wage; leider hat man (noch) keine Apparate, mit Hilfe deren man genau die Stellung der Stimmbänder untersuchen könnte, wenn über ihnen eine vollständige Luftabsperrung stattfindet. Die Laute, um die es sich handelt, sind

p t 1^ , c q

f , , wozu kommen

b d g ' JG.

Die obere Reihe heißen Tenues, die untere Mediae^), aber selbst ein oberflächlicher Beobachter kommt bald zu der Überzeugung, daß es nicht genug ist, zwei solche Reihen zu unterscheiden: das französ. [p] in passe [pa-s] ist nicht dasselbe wie das deutsche in Faß [pas], und das französische [b] in hasse [ba-s] ist auch nicht identisch mit dem deutschen [&] in Baß [bas]. Man sieht ferner leicht, daß in der Regel innerhalb der Sprachen Parallelismus herrscht; französ. [t] in tasse scheidet sich auf dieselbe Weise von deutsch [t] in Tasche wie französ. [p] von deutsch [p] oder französ. [k] in casse von deutsch [k] in Kasse, und ebenso verhält französ. [d] und [g] sich zu deutsch [d] und [g] wie französ. [b] zu deutsch [b]. Ist es daher bedenklich, von dem Unterschied zwischen Tenuis und Media im allgemeinen zu reden, so steht dagegen nichts im Wege, von französischen Tenues und fi-anzö- sischen Medien usw. zu reden. Es gilt nun zu bestimmen, wodurch diese Lautklassen sich voneinander unterscheiden.

99. Die erste Art Verschlußlaute, die wir untersuchen, sind die gewöhnlichen dänischen Tenues z. B. in pude, tude, Jcue usw., nur in starker Silbe. Diese werden so gebildet, daß während der Luft- weg versperrt ist bei [p] durch «0, bei [t] durch ßO, bei [k] durch yO, alle in Verbindung mit dO die Stimmbänder die ganze Zeit weit voneinander abstehen («3); da die Luft beständig aus den Lungen getrieben wird, sammelt sich also beständig Luft hinter dem Ver- schluß; und in dem Augenblick, wo aufgeschlossen wird, ist der Luftdruck hinter der Verschlußstelle so viel stärker als der äußere, daß eine starke „Explosion" entsteht und ein starker Krach gehört wird; aber noch einen Augenblick nach der Sprengung fährt der Luftstrom fort herauszupassieren, ohne daß die Stimmbänder einander

1) Eigentlich „mittlere" zwischen den Tenues (griech. psilä, den „dünnen") und den Aspirierten (griech. dasea, eigentl. den „dichten, rauhen") stehend, also eine phonetisch nichtssagende Benennung.

Der Kehlkopf. 105

wesentlich näher gekommen sind als in der Blasestellung (eS); folgt also ein Vokal nach, so dauert es einen merkbaren Augenblick, ehe die Stimme einsetzt; folgt ein Konsonant wie [1, r, n] nach, so ist dieser entweder in seiner ganzen Dauer oder doch überwiegend ge- blasen. Die gewöhnliche Benennung für diese Art [p, t, k] ist stark aspirierte Tenues oder kurze Aspiratae; man beschreibt sie oft als [p t k], denen ein [h] folgt, aber diese Bestimmung ist nicht ganz korrekt, da das, was nach der Explosion kommt, nicht eigentlich [h]-artig ist, sondern gerade als ein starkes Blasen («3, nicht das ge- hauchte £2) charakterisiert werden muß; man könnte vielleicht den Ausdruck „beblasene Verschlußlaute" wagen. Die dänischen Laute sind extreme, was die Aspiration anbetrifft, indem das folgende Blasen so stark ist, daß es fast als selbständiger Sprachlaut auftritt zwischen [p, t, k] und dem folgenden Vokal. Das ist am deutlichsten bei den hohen Vokalen [i y u], so daß z. B. Tivoli von Fremden oft als [tsivoli] aufgefaßt wird. Die Dänen sind sicher auf dem Wege zu einem ähn- lichen Lautübergang wie der sogen, zweiten Lautverschiebung, die im Hochdeutschen vor ca. 1200 Jahren stattfand, als tunga zu zupga, nhd. Zunge [tsuija], tala > zala, nhd. Zahl [tsa-l] usw. wurden. Im Dänischen haben wir hier noch eine Aspirata, nicht wie im Deutschen eine „AfPricata" (d. h. Verbindung von Verschlußlaut -f- entsprechendem Engelaut); bei [p] sind wir noch weiter davon entfernt, das Blasen zu einem selbständigen Konsonanten wie im Deutschen Pfund von pund sich entwickeln zu sehen, und ebenso sind wir bei [k] noch ein Stück weg von der Affrikata [kx], die sich in den südlichsten deutschen Dialekten, z. B. in der Schweiz, findet, wo man [kxctn] kann, [Jtrekxa] Strecke, [kxir9o] Kirche mit einem starken [x] hat, das wohl im all- gemeinen Zäpfchenschnurren hat 49, 65).

100. Zweite Klasse: Schwach aspirierte Tenues. Die Bildungsweise ist insoweit dieselbe wie bei der ersten Art, als die Stimm- bänder auch hier, während der Verschluß andauert, weit voneinander sind (fS), so daß die Luft hinter dem Verschluß stark komprimiert wird, aber in dem Augenblick, wo der Verschluß gesprengt wird, be- eilen die Stimmbänder sich so sehr wie möglich, die Stimmstellung zu erreichen, so daß die Aspiration hier gar kein selbständiges Glied vor den Vokalen wird, sondern nur eine Folge davon ist, daß die Stimmbänder in der «3 -Stellung gestanden haben, während der Ver- schluß andauerte. Hier paßt eher die Definition: [p, t, k] -|- gewöhn- lichem [h], indem das, was man hört, ehe die Stimme beginnt, eher den Eindruck eines [h] als bei der ersten Klasse macht; also kann

106 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

man diese Laute treffend „behauclite Verschlußlaute" nennen. Diese Art der Tenues ist am gewöhnlichsten in der norddeutschen Aussprache, z. B. in passen [pasn], Tal [tai], Kuh [ku-], und im Englischen z. B. pen [pen], ten [ten], coal [koul], auch nach s, z. B. in span [spaen], stop [stop], shill [skil], Verbindungen, in welchen die deutschen Laute nicht immer aspiriert sind. Die norwegischen und schwedischen Tenues gehören auch mit zu dieser Klasse.

101. Ganz verschieden von diesen aspirierten (beblasenen und behauchten) Tenues ist die dritte Klasse: die sogen, reinen Tenues, wie sie sich in vielen Sprachen finden; dieses scheint außerhalb der germanischen Welt die gewöhnlichste Art und Weise zu sein, p, t, h auszusprechen. So in allen romanischen Sprachen (Französisch, Ita- lienisch, Spanisch usw.) und slavischen Sprachen (Russisch, Pol- nisch usw.). Innerhalb der germanischen Sprachen finden sich reine Tenues im Holländischen, z. B. in paard, tot, kann, sowie dialektal in den an Holland grenzenden Gebieten Deutschlands; bei den Eng- ländern sind sie selten. Französische Beispiele zur genauen Ein- übung: papa [papa], poiir [pu'r], pur [pyr]; ton the t'a-t-il öte ta toiix? [to te t a ti(l) ote ta tu?]^); canne [kan], canon [kanS], qui [ki]; cocotte [kokot] ; alle drei nacheinander in capitaine [kapitsnj. Italienische Beispiele: padre, tanto, casa usw. Es gilt für den Deutschen, bei diesen Lauten sich zunächst von dem unmittelbaren, ungeschulten Eindruck freizumachen, wonach diese [p, t, k] identisch seien mit ^7 ^j 9 [^7 4? Q] {^^^- § lö^)l allmählich, wenn man sie oft genug gehört hat, um vertrauter mit ihnen zu werden, faßt man sie nicht länger weder als deutsch h noch p usw. auf, sondern als eine selbständige Lautart; man hört sie als etwas Schärferes, Präziseres als irgend einen von den deutschen Lauten mit einem eigentümlichen, man könnte fast sagen metallischen Klang in dem Augenblick, wo der Verschluß gesprengt wird. Der Unterschied zwischen den franzö- sischen Tenues und den beiden Arten aspirierter Tenues zeigt sich besonders darin, daß der Stimmklang in dem folgenden Vokal so schnell (unmittelbar nach der Sprengung des Verschlußes) eintritt, daß das Ohr keinen Zwischenraum entdecken kann; während Mund- öffnung und Stimmeinsatz bei den aspirierten Tenues nicht genau gleichzeitig erfolgen, treten sie bei den reinen Tenues mit einer Prä- zision ein wie nach einem militärischen Kommando. Die Frage, wie

1) Oder: Ton tuteur te tenta, tu tentas ton tuteur, tous tes traits tentatifs tenterent ton tentateur.

Der Kehlkopf. 107

die Stimmbänder gestellt sind während der Zeit, wo der Mundverschluß noch andauert, muß dahingestellt bleiben; möglicherweise sind die Stimmbänder schwach geschlossen (fO).*)

102. Die vierte Klasse von Lauten, zu denen wir kommen, und die z. B. vom dänischen &, d, g und dem h, d, g vieler Deutschen repräsentiert wird (Lautschrift b, d, g), ist, wie schon bemerkt, für den Ungeübten kaum von den reinen Tenues zu unterscheiden. Diese [b, d, g] werden sicher ohne Stimme gesprochen; selbst die feinsten Instrumente, die die geringsten Stimmbandschwingungen aufzeichnen, zeigen in einer Verbindung wie dänisch [aba ada aga] ein deutliches Aussetzen der Stimme.^) Daß sie mit Flüstern («i) gesprochen werden sollten, wie viele Forscher behauptet haben, ist kaum wahrscheinlich; sie erscheinen dem, der mit ihnen vertraut ist, verschieden von den Lauten, die z. B. die Franzosen für ihr [b d g] in einem geflüsterten Satz einsetzen, wenn auch der Unterschied gering ist. Andere meinen, daß man gar nicht den Namen „Mediae" auf sie anwenden darf, sondern rechnen sie zur „Tenuis"- Klasse und betrachten sie als „schwache p, t, k", indem der Unterschied zAvischen den Tenues p, t, h und den Medien b, d, g nach ihnen ausschließlich danach angesetzt werden muß, ob Stimme fehlt oder nicht. Hiemach sollte der Unter- schied zwischen der hier behandelten Lautklasse und den reinen [p, t, k] 'nur auf der Muskelspannung beim Mundschluß beruhen, während die Stimmbandstellung dieselbe sein sollte. Dieses ist jedoch wenig wahrscheinlich, und dem widerspricht auch die Tatsache, daß die Laute mit größerer oder geringerer Stärke vorkommen können, ohne doch ihr charakteristisches Gepräge zu verlieren. Die richtige Auffassung^) dieser Laute ist wahrscheinlich die, daß sie eigentlich weder zu Tenues noch zu Medien gerechnet werden, sondern eine Klasse dazwischen bilden müßten, die dasselbe Recht wie die andern auf besondere Benennung und auf besondere Buchstabenzeichen in einem vollkommenen Alphabet hätten. Die Stimmbänder sind ein- ander nicht so nahe, daß sie in Schwingimgen versetzt werden, jedoch auch nicht so weit voneinander entfernt wie bei den Blaselauten, son- dern stehen in der dazwischenliegenden Stellung f 2, „Hauchstellung"; man erhält auch einen [h]- artigen Eindruck, wenn man den Mund

1) Vgl. Grundfragen.

2) Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß die Stimme nach einem kurzen Aussetzen doch einen Augenblick, bevor der Verschluß geöflEhet wird, wieder einsetzt.

3) Vgl. Franke in den Engl. Studien VIII 336; Ärtic. p. 52.

108 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

nach einem solchen [b] oder [d] oder [g] öffnet, ohne einen Vokal hervorzubringen.

103. Mit wirklichen Stimmbänderschwingungen werden dagegen diejenigen [b, d, g]- Laute erzeugt, die man „reine Medien" nennen könnte und die in den meisten nicht-germanischen Sprachen die vor- herrschenden sind, so im Französischen und den übrigen romanischen Sprachen, in den slavischen Sprachen usw. In einem solchen [aba] tönt die Stimme sowohl beim Konsonanten als auch bei den Vokalen, und da .die Stimmbänderschwingungen sich auf die um- gebende Luft durch die Wände des Kehlkopfes und des Mundes verpflanzen, die in Mitschwingungen versetzt werden, so ist das Ohr also imstande, während der Dauer des Mundverschlusses ein dumpfes Summen („Blählaut") zu hören, während bei allen bisher behandelten Klassen von Verschlußlauten notwendigerweise eine wenn auch noch so kurze Zeit sein muß, wo das Ohr keinen Eindruck empfangen kann.

Am ausgeprägtesten findet sich der Stimmklang bei [b, d, g] im Französischen und im ganzen in den romanischen Sprachen sowie in slavischen Sprachen. Im Englischen ist der Stimmklang am deutlichsten im Inlaut, z. B. in ebbing [ebii)], trouble [trAbl], handy [hesndi], foggy [fogi]; hierzu auch im Satzinlaut, z. B. alle drei Laute im Satze: / do hegin [ai du* bi'gin]. Im Satzanlaut ist dagegen der Stimmklang längst nicht immer so deutlich wie z. B. im Französischen, ohne daß der Laut freilich mit dem Dänischen identisch wird; die Stimme setzt spätestens unmittelbar, bevor der Verschluß geöffnet wird, ein; analphabetisch

Im Satzauslaut geht die Bewegung den umgekehrten Weg: die Stimme dauert nicht den ganzen Laut hindurch, sondern hat schon aufgehört, ehe der Verschluß geöffnet ist; ist der Vokal, der vorher- geht, kurz, z. B. in eHb [eb], hed [bed], egg [eg], so wird man den Stimmklang immer deutlich im Konsonanten hören; aber nach langem Vokal, wie z. B. in rohe [roub], hard [ha-d], vague [veig], auch in einer anderen Aussprache von den obigen Wörtern [e'b, be'd, e'g], erhält man häufig den Eindruck, daß gar keine Stimme im Kon- sonanten ist, der dann wohl mit e2 ausgesprochen werden muß. Im Norddeutschen, Schwedischen und Norwegischen scheinen die Verhältnisse wesentlich wie im Englischen zu liegen: deutlich Stimme im Inlaut, zweifelhaft im absoluten Anlaut und besonders im

Der Kehlkopf. 109

Auslaut; in dem letzteren Falle hat das Deutsche ja immer [p, t, k] für geschriebenes [b, d, g]; vgl. Beispiele im nächsten §.

104. Zum Schluß soUen hier eine Reihe Beispiele von Verschluß- lauten in den drei Hauptsprachen gesammelt werden.

Französisch: port [po'r], hord [bo-r]; peaiL [po], heau [bo]; pain [pe], hain [bs]; pu [py], hu [by]; poire [pwa-r], hoire [bwa-r]; peigner [psjie], haigner [bsjie]; pleut [pl0j, hleu [bl0]. tope [top], Jacob [^akob]; cJiapeau [Japo], jahot [^abo]. poisson sans boisson est poison [pwaso sa bwaso s pwazo].

tJie [te], de [de] ; tonner [tone], donner [done] ; toux [tu], doux [du] ; trois [trwa], droit [drwa]; tarder [tarde], darder [darde]; hauteur [otoe-r], odeur [odoe-r]; patiner [patine], badiner [badine]. fat [fat], fade [fad]; chute [Jyt], sud [syd]; carte [kart], garde [gard]; feinte [fs't], Inde [s'd]; honte [o't], onde [o-d]. entrer [atre]. Andre [ädre]; quatre ans [katra], cadran [kadra].

quart [ka-r], gare [ga-r]; comme [kom], gomme [gom]; cage [ka-j], gage [ga-^]; queue [k0], gueux [g0]; quand [kä], gant [ga]; quitte [kit], guide [gidj; ecorcher [ekorje], egorger [egorje]; cri [krij, gris [grij. bac [bak], bague [bag].

Englisch: pea [pr], bee [bi-]; palm [pa-m], balm [ba-m]; peach [pi'tj], beach [bi-tj]; peak [pi'k], beak [bi-k]; pie [pai], by [bai]; poiind [paund], bound [baundj; bare bear [bs'aj, pear pair [ps'r]; path [pa'|)], bath [ba'J)]; pride [proid], bride [broid]; plead [pli'd], bleed [bli'dj; plot [plot], blot [blot]. cap [kaep], ccü) [kaeb]; cup [kAp], cub [kib]; hop [hop], liob [hob]; rope [roup], robe [roub]. hopper [hopoj, robber [robo]; rapid [raepid], rabid [raebid], rahbit [raebit]; a^pple [aepl], rabhle [raebl]; simple [simpl], cymbal symbol [simbl]; hamper [haempa]; amber [aemba].

chop [tjop], Job [djob]; bulb [bAlb], pulp [pAlp].

toe [tou], doe [dou]; town [taun], down [dann]; tie [tai], die [dai]; tear [tia], dear [die]; tusk [tAsk], dusk [dAsk]; tun [tAn], dun done [dAn]; tore [to'o], door [do'o]; try [traij, dry [drai]. heat [hi't], heed [hi'd]; feet [fi't], feed [fi'd]; seat [si't], seed [si'd]; sight [sait], side [said]; tight [tait], tide [taid]; bet [bet], bed [bed]; hat [haet], had [haed]; mat [maet], mad [maed]; cat [kaet], cad [kaed]; got [got], God [god]; heart hart [ha-t], hard [hu'd]; cart [ku't], card [ka-d]. wetted [wetid], wedded [wedid]; latter [laeta], ladder [laedo]; Saturday [saetadei], sadder day [saedadei]; utter [Ata], udder [Ada]; piteous [pitjas], hideous [hidjas]; written [ritn], ridden [ridn]; mettle metal [metl], meddle [medl]; little [litl], fiddle [fidl].

110 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel.

cane [kein], gain [gein]-, coat [kout], goat [gout]; codi [koul], goal [goul]; cold [kould], gold [gould]; coast [koust], ghost [goust]; come [kAm], gum [gAm]; crane [krein], grain [grein]; crape [kreip], grape [greip]; class [kla-s], glass [gla's]; clad [klsed], glad [glaed]. hock [hok], hog [tog]; dock [klok], clog [klog]; frock [frok], frog [frog]; hack [baek], hag [bseg]; rack [rsek], rag [rseg]; huck [bAk], hug [bAg]. knickers [nikaz], niggers [nigaz]; i/ricky [triki], piggie [pigi]; fickle [fikl], giggle [gigl]; treacle [tri'kl], eagle [i'gl]; tJie ugly duckling \pi Agli dAklii)].

fight [fcdt], vied [vaid]; earp [ka-p], garh [gci'b]; cart [ka-t], card [ka-d], guard [ga-d]; peck [pek], peg [peg], heck [bek], heg [beg]; pat [paet], päd [paed], hat [baet], had [baedj; Crete [krit], creed [kri-d], greet [gri'd], greet [gri't].

Deutsch: Paß [pas], Baß [bas]; Pein [pain], Bein [bain]; packen [pakn pakr)], hacken [bakn bakg]; platt [plat], Blatt [blat].

Tier [ti-r], dir [di'r]; Teich [tai9]. Deich [dcd9]; Torf [torf], Dorf [dori]] Karten [kartn], Garten [gartn]; Kern [kern], ^erw [gern]; können ['k0mi], gönnen ['g0nn]; Kram [kra'm], Gratn [gra-ra]; Kränze ['krentsa], Grenze ['grentse]; kraus [kraus], graus [graus]; Kreis [krais], Crreis [grais].

Die brauchbaren Beispiele sind hier viel geringer an Zahl als im Französischen und namentlich im Englischen; und es ist auch nicht so sehr wichtig, den Unterschied innezuhalten, weil er in so vielen Gegenden Deutschlands verwischt ist. Obgleich die Witzblätter oft aus solchen Verwechselungen Kapital schlagen^) und obgleich in Goethes Gesprächen mit Eckermann Beispiele von tragikomischen Folgen verkehrter Aussprache dieser Laute auf der Bühne angeführt werden^), spielt die Unterscheidung zwischen Tennis und Media faktisch eine sehr geringe Rolle in der Ökonomie der deutschen Sprache. In vielen süddeutschen Städten soll es sich als notwendig erwiesen haben, p und h, t und d, k und g unter einer Rubrik auf den Wahllisten

1) Z. B. der Grenzpolizist fragt: „Haben Sie a Paß?" und erhält die Ant- wort: „Ne, ich hab' a Tenor". Auf die Bemerkung „Ich hab' akuten Magen- katarrh" wird geantwortet: „Nu, wenn's a guter is, dann brauchen Sie ja nicht, zu klagen."

2) III. 47 ff. : Ein Schauspieler sollte den Vorwürfen seiner Geliebten mit „0 ende!" Einhalt gebieten und sagte statt dessen „0 Ente!" Ein anderer sagte: „Ich wiU dich den Eingeweiden übergeben" statt „Eingeweihten". „Mein Herr ist nicht zu Hause, er sitzt im Rate", ausgesprochen wie Rade. „Dein Gram geht mir zu Herzen", gesprochen wie „Dein Kram".

Der Kehlkopf. 111

aufzuführen, weil so viele von den Wählern nicht wußten, ob ihre Namen mit „hartem" oder „weichem" p usw. anfingen. Und in Frankreich und England sind die Deutschen wegen ihrer beständigen Verwechselungen gerade von den durch Stimme und Nichtstimme unterschiedenen Lauten, besonders Verschlußlauten, berüchtigt.^) Im Auslaut wird auch von denen, die sonst die beiden Lautklassen unterscheiden, geschriebenes h, d, g als [p, t, k] gesprochen, also z. B. -halb [holp]. Leih [laip], Geld [gelt], und [unt], Bad [bat], Berg [berk], Tag [ta-k] (wenn g nicht offen ausgesprochen wird: [ber9, tu'x]). Ebenso vor gewissen Ableitungsendungen: leiblich [laipli9], leidlich [laitli9], lebhaft [le'phoft], Liebchen [lip9on], ^Kindlein [kintlain] u. a.

105. Wir haben damit unsere Durchnahme der Stimmverhält- nisse der Verschlußlaute beendet und haben gesehen, daß wir uns hier nicht mit zwei Klassen begnügen können, sondern mindestens fünf verschiedene Klassen haben. Die Kategorieen stimmhaft und stimmlos, die bei praktischem Sprachunten-icht die gi-ößte Rolle spielen und spielen müssen, haben sich hier wie bei andern Arten von Lauten als unzureichend für eine vollständige Klassifizierung aller Schattierungen erwiesen; und besonders muß man bei feinen Analysen die Augen für die Möglichkeit offen haben, daß die Stimmbänder in der Zeit, wo die übrigen Sprachorgane eine bestimmte Stellung einnehmen, selbst in beständigem Übergang von der einen der charakteristischen Stellungen zu der andern sein können.

Von diesen fünf Kategorieen begnügt sich jede Sprache in der Regel (vgl. § 98) damit, zwei anzuwenden, die allgemein von den Ein- heimischen als „harte" bezw. „\^eiche" gefühlt und aufgefaßt werden. Bei diesen Benennungen scheint man den Unterschied anderswohin als in den Kehlkopf zu verlegen, und man hat daher auch in der wissenschaftlichen Literatur viel davon gesprochen, daß der Unter- schied in den Verhältnissen der Stimmbänder nicht ganz genügte, um die faktisch vorkommenden verschiedenen Ai-ten [p, b] usw. zu er- klären. Man hat hier sicher mit Unrecht die Ausatmungsstärke hineingemischt (also ein Element, das im nächsten Kapitel behandelt werden soll, analphabetisch 2;); aber die verschiedenen Arten Tenues

1) F. Merkel „Z>«e deutsch -französische Aussprache'''- (Progr. Freiburg i. Br. 1881 82) ist imstande, aus der älteren und neueren französischen Literatur eine ganze Reihe Stellen nachzuweisen, wo gerade diese Eigentümlichkeit bei der Aussprache des Französischen durch die Deutschen besonders als diejenige hervor- gehoben wird, die den Franzosen am meisten in die Ohren fällt.

112 Erster Hauptteil: Analyse. Sechstes Kapitel. Der Kehlkopf.

und Mediae lassen sich in Silben mit allen Graden der Ausatmungs- stärke hervorbringen. Mit größerem Recht hat man von dem Einfluß der Intensität der Muskelwirksamkeit an den Stellen, wo der Verschluß gebildet wird (also in Lippe oder Zunge), gesprochen und danach die Verschlußlaute (und auch andere Laute) in starke (fortes) und schwache (lenes) eingeteilt; aber diese Bestimmungen sind doch recht unbestimmt und haben faktisch zu Verwechselungen mit ganz andern Verhältnissen Veranlassung gegeben, so Länge (Quantität) und Stellung in der Silbe, z. B. wenn t in deutsch Ratte fortis genannt wurde im Vergleich mit lenis in deutsch liate, während andere diese beiden zur fortis im Gegensatz zu c? in Bade rechneten. Sobald man dagegen bestimmter sagt, daß der Unterschied auf der größeren oder geringeren Spannung der betreffenden Muskeln beruht, so daß [p, t, k] als stramme (oder gespannte), [b, d, g] als schlaffe (oder nicht-gespannte) charak- terisiert werden, so ist man auf festerem Boden. Für mich steht es jedoch so, daß das Verhältnis der Stimmbänder das Wichtigste ist, und daß die Strammheit oder Schlaffheit in der Mundartikulation bei normaler Rede hiervon abhängig ist, so daß die Lippen unwillkürlich mehr gestrammt werden, um dem kräftigen geblasenen Luftstrom zu begegnen, als für den weniger kräftigen, gehauchten, imd für diesen wiederum mehr als bei den mit Stimme gesprochenen Lauten. Infolge- dessen braucht man bei genauer Angabe der £ -Verhältnisse kein anderes Zeichen als das neutrale 0 für den Mundverschluß. Die ein- zigen mir bekannten Laute, wo das nicht zu passen scheint, sind die eigentümlichen schlaffen Verschlußlaute, die die Sachsen unterschiedslos für die Tenues und Mediae der Schrift gebrauchen; hier ist sicher so wenig Strammheit der Lippen- und Äungenmuskeln wie möglich, und doch ist da keine Stimme. Wie die Stimmbänderstellung hier ist, darüber kann ich mich nicht aussprechen.

106. Daß der Kehlkopf selbst mit seinem ganzen Apparat an Knorpeln, Muskeln, Häuten usw. sich bewegen kann, davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man ihn befühlt, während man z. B. eine Schluckbewegung vornimmt. Auch während der Rede und des Gesanges geht der Kehlkopf auf imd ab, aber das beruht sicher teils auf den Bewegungen der Zungenwurzel (und des Kehldeckels), im Verhältnis zu welchen sie sekundär werden, teils auf dem Druck des Luftstromes, der ihn nach unten treiben wiU, wenn die Luft über den Stimmbändern mehr zusammengedrückt ist als unten (wie bei einem verlängerten stimmhaften [b], zum Teil auch bei einem langen [i] oder [u]), und nach oben, wenn das Gegenteil der Fall ist (wie bei

Siebentes Kapitel. Die Atmungsorgane. 113

einem Stimmbandverschluß sO mit offenem Mund und fortgesetztem Druck von unten von den Ausatmungsmuskeln); aber in keinem von diesen Fällen ist eine selbständige Wirksamkeit vorbanden, die als Artikulation benutzt wird, um den Laut zu ändern.

Siebentes Kapitel.

Die Atmungsorgane.

107. Ein Stück unterhalb des Kehlkopfes teilt sich die Luft- röhre (trachea) in zwei Zweige (bronchi), von denen jeder in seine Lunge führt. Was Bau und Wirkungsweise der Lungen anbetrifft, so soll hier darüber keine Aufklärung gegeben werden, da das für den Phonetiker allein Interessante das ist, daß überhaupt ein Luftstrom von den Lungen aufwärts und nach außen getrieben wird; in den Lungen selbst wird ein Sprachlaut weder erzeugt noch modifiziert. In dem nicht- sprachlichen Leben des Menschen spielt die Einatmung die wichtigste Rolle; sie versorgt den Körper mit frischem Sauerstoff, während die Ausatmung nur den Zweck hat, ihn von der verdorbenen Luft zu befreien. Die Einatmung (inspiratio) ist daher die aktive Seite der Sache, sei es nun, daß sie so vor sich geht, daß die unterste Wand des Brustkastens, das Zwerchfell (diaphragma), sich nach unten preßt, wodurch der Bauch vorgewölbt wird die gewöhnlichste Einatmungsweise der Männer , oder so, daß die Rippen oder über- haupt die vordersten und obersten Wände des Brustkastens gehoben und vorgewölbt werden so atmen Frauen, besonders solche, die Korset tragen, in der Regel , oder endlich durch gleichzeitige Benutzung beider Mittel. Im Gegensatz hierzu ist die Ausatmung (expiratio) ganz oder fast ganz passiv und geht von selbst vor sich durch die Schwere der Rippen usw., durch die Elastizität der Lungen und durch den Druck von unten, sobald die zur Einatmung erforderliche Muskelwirksamkeit aufhört. Aber bei der Sprache ist die Ausatmung das wichtigste. Hierbei werden dann die verschiedenen MuskeLu des Brustkastens benutzt, um die Schnelligkeit des Luftstroms bald zu beschleunigen, bald zu verzögern.

Das analphabetische Zeichen für die Atmungsorgane als Gesamtheit ist g (Zeta); es versteht sich von selbst, daß hier nicht die Rede davon sein kann, Zahlzeichen auf dieselbe Weise wie in den bisher behandelten Abschnitten zu verwenden, d. h. um Abstand oder Offiuungsgrad zu bezeichnen; dagegen werden die Zahlen praktisch dazu benutzt werden

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 8

114 Erster Hauptteil: Analyse. Siebentes Kapitel.

können; um Stärkegrade anzudeuten, und da die Ausatmung vom Standpunkt der Sprache als das Positive, Einatmung als das Negative zu betrachten ist, so werden ^4, ^3, g2 und ^1 als Zeichen für vier Stärkegrade bei der Ausatmung, ^ -^ 4, ^ -{- 3, ^ -^- 2, ^ -=- 1 als Zeichen für die entsprechenden Stärkegrade bei der Einatmung dienen können, vrährend ^0 ein Symbol für ein Aufhören des Luftstromes ist, so daß er weder ein- noch ausgeht.

Als Beispiele für die vier Stärkegrade bei der Ausatmung kann man etwa anführen bezahlen Anna Analyse analysieren heilsam

14 1 41 2141 31241 4 3

Wunde verwundbar Yerwundbarkeit Unverwundbarkeit.

41 142 14 23 314 23

Durch diese Zahlen wird also der Druck der Silben (Druck- akzent, Stärkeakzent, dynamischer Akzent, expiratorischer Akzent, engl, stress) angegeben, so daß

§4 bedeutet starke Silbe, .

g3 halbstarke Silbe,

g2 halbschwache Silbe,

gl schwache Sübe. Neben diesen kann man bei besonderem Nachdruck (Emphase) die Zahl ^5 brauchen: extrastarke Silbe. Die Grrade i;3 und ^2 sind nicht immer leicht zu unterscheiden; in mehreren von den genannten Beispielen werden andere geneigt sein i;2 zu setzen, wo ich ^3 ge- schrieben habe oder umgekehrt; sie können ohne weiteres in der Be- nennung mittelstark zusammengeschlagen werden. In der gewöhn- lichen Lautschrift ist es zweckmäßig, die Zeichen für den Druck vor den ersten Laut der Silbe zu setzen^); und ich habe es dabei am Zweck- mäßigsten gefunden, ' für ^4, , für i;3 und §;2 und - für 2; 1 zu benutzen; in der Praxis braucht man das Zeichen für schwache Silbe so gut wie nie, weil man davon ausgeht, daß die nicht mit Druckzeichen versehene Silbe schwach ist. Die angeführten Beispiele werden also in der Lautschrift geschrieben: [ba'tsa-ln, 'ana, |Cma'ly'zo, ,cmaly'zi'm, 'hail|Sa'm, 'vunda, f8r'vunt|ba'r, fer'vuntbar|kait, |Unf8r'vuntbar|kait].

1) Die Zeichen über den Vokal der Silbe zu setzen, wie man ja am häufigsten getan hat, ist unpraktisch, wenn man sowohl viele Vokalnuancen, als auch mehrere Druckgrade unterscheidet, da jede neue Kombination für die Druckerei neu gegossen werden muß; das Zeichen nach dem Vokal zu setzen ist nicht günstig, weil es dann Zeichen für Laute trennt, die gerade genau zu- sammengehören (z.B. in den Diphtongen); das Zeichen nach der ganzen Silbe zu setzen, führt zu Schwierigkeiten, weil es oft ungleich schwerer ist zu bestimmen, wo die Drucksilbe schließt, als wo sie anfängt, und außerdem ist eine Angabe dieses letzteren oft von Wichtigkeit (vgl. unter Silbe, Kap. XIH).

Die Atmungsorgane. 115

Es muß ausdrücklich betont werden, daß die angegebenen Stärke- grade relativ sind; als ^4 ist eine starke Silbe in der gewöhnlichen lauten Rede angesetzt, aber es ist klar, daß die Stärke beständig wechselt, besonders nach dem Abstand und der Hörfähigkeit des oder der An- gesprochenen, aber auch innerhalb desselben Satzes oder derselben Satzreihe. Aber die relative Druckverteilung in Worten wie den an- geführten ist ziemlich konstant; bei „leiser" Rede zwischen zwei Per- sonen, wo es aus dem einen oder andern Grunde wünschenswert ist, daß das Gespräch von keinem Dritten gehört wird, wird der Druck häufig im ganzen herabgesetzt, so daß die stärksten Silben vielleicht so schwach werden wie die in gewöhnlicher lauter Rede mit ^2 be- zeichneten, und die übrigen verhältnismäßig schwächer. Bei angestrengt lauter Rede an große Versammlungen ist dagegen oft die Neigung vorhanden, die schwachen Silben unverhältnismäßig zu verstärken, damit sie überhaupt gehört werden, wodurch die „Perspektive" in der Rede verloren gehen kann. Ferner muß man im Gedächtnis be- halten, daß die angeführten 4 Stärkegrade willkürlich angesetzt sind; ein feiner Beobachter wird noch mehr Stufen bemerken können; aber die angegebenen genügen doch gewöhnlich für Sprachforscher. Und endlich beruht die Beurteilung der Stärke einer Silbe auf subjektiver Abschätzung; ein objektives Messen ist undurchführbar jedenfalls mit unsern heutigen Instrumenten (vgl. § 108 und Grundfragen).

108. Aber ist es wirklich der Druck der Atmungsorgane, auf dem die verschiedene Stärke der Silben beruht? Davon ist man freilich bisher ausgegangen, aber kürzlich ist von Forchhammer eine neue Theorie aufgestellt worden. ^) Nach ihm beruht das Wesentliche auf der Größe der Stimmritze. Laßt uns einen Versuch machen: wir gehen von der geschlossenen Stimmritze aus, setzen die Stimme an und nähern uns langsam der offenen Stellung (s2 oder fS). Wir werden dann finden, daß die kräftigste Stimme der geschlossenen Stellung am nächsten liegt, und daß die Stimme darauf schwächer und schwächer wird, während gleichzeitig der Luftverbrauch größer wird. Also erhalten wir starke Stimme bei geringem Luftverbrauch und schwache Stimme bei großem Luftverbrauch. Wir können mit der kräftigsten Stimme einen Vokal wie o gerade gegen ein ange- zündetes Licht singen, ohne daß die Flamme im mindesten flackert, während wir umgekehrt mit einer schwachen, aber lufterfüllten Stimme sehr leicht das Licht ganz auslöschen können. In Wirklichkeit kann

1) Tidskrift för döfstumskolan 1896 == Artikulationslsere, Spezialdnick p. 44.

116 Erster Hauptteil: Analyse. Siebentes Kapitel.

man eine schwache Stimme auf zweierlei Weise erhalten, entweder durch Verminderung der Ausatmungskraft, oder durch Vergrößerung des Ab- standes zwischen den Stimmbändern; aber die Wirkung bleibt nicht die- selbe. Im ersteren Falle ist die Stimme, wenn auch noch so schwach, doch verhältnismäßig klangvoll, wie sie denn auch wegen des geringen Luftverbrauches lange ausgezogen werden kann; diese Art eignet sich daher besonders für den Gesang, wo es auch feste Regel ist, daß piano mit Hilfe der Atmung gebildet werden soll, wenn dieses auch so große Schwierigkeiten in sich schließt, daß ein beherrschtes piano etwas vom schwersten ist, das es gibt. Im andern FaUe ist die Stimme klangloser, deutlich als lufterfüllt ^) zu hören, wie sie denn auch wegen des Luftverbrauchs verhältnismäßig rasch verbraucht wird. Dies ist jedoch gewiß die Art und Weise, die wir in der Rede bei „unbetonten" Silben benutzen, da sie die leichtere ist. Kann man sich überhaupt denken, daß ein so schneller Wechsel zwischen starken und schwachen Silben, wie wir ihn in der Sprache haben, wirklich mit dem großen, schweren Atmungsapparat vollzogen wird, wenn man einen so leichten und leicht beweglichen Apparat wie die Stimmbänder hat?^) Was ist nun die physische Erklärung dafür, daß die Stimmbänder, wenn sie einander nahe stehen, einen kräftigeren Ton erzeugen, als wenn sie etwas entfernt sind? Der Ausatmungsstrom beruht darauf, daß größerer Luftdruck in den Lungenbläschen ist als draußen in der atmosphärischen Luft; wenn wir uns eine Messung des Luftdrucks während des Ausström ens der Luft aus der Lunge durch den Mund denken könnten, würden wir sehen, wie sich der Druck allmählich verliert. Ist der Luftweg frei, so wird die Veränderung selbstredend ziemlich ebenmäßig vor sich gehen; ist aber der Luftweg an einer Stelle stark eingeengt, so wird nach physischen Gesetzen der Druck sich so verteilen, daß die größte Druckdifferenz auf beiden Seiten der Einengung sich befindet, und wird an einer Stelle voll- ständiger Verschluß gebildet, so sammelt sich die ganze Druckdifferenz hier. Je größer die Annäherung zwischen den Stimmbändern ist, desto größere Druckdifferenz wird zwischen der Luft über und unter

1) Den Begriff „lufterfüllte Stimme" hat F. reichliche Gelegenheit, in der klanglosen Rede der Taubstummen zu studieren. Wir andern können ihn viel- leicht am leichtesten erfassen, wenn wir darauf achten, wie ein langgezogenes ja [i'u •] lautet, das mit stiller innerer Freude ausgesprochen wird.

2) Die Akzentuierung geht mit ihrer Hilfe „so leicht vor sich, daß schon eine Bewegung von ich glaube sagen zu können höchstens 1 mm hinreichend ist, um von der stärksten zu der schwächsten Stimme überzugehen."

Die Atmungsorgane. 117

ihnen bestehen; das ist aber gerade die Bedingung für die kräftigeren Schwingungen, den stärkeren Ton. ^)

Wir können jetzt vielleicht als ausgemacht betrachten: der Unter- schied zwischen „stark" und „schwach" kann zuwege gebracht werden mit Hilfe von

1. stärkerer und schwächerer Ausatmung; dies Mittel wird (am besten) beim Gesang verwandt; außerhalb des Gesanges kommt es nur subsidiär zur Verwendung, wo man, wie beim Rufen oder bei starker Emphase, alle Mittel benutzen will, um etwas besonders hör- bar zu machen;

2, größerer oder geringerer Annäherung der beiden Stimmbänder; dies ist das normale Mittel bei gewöhnlicher Rede, wo die Unan- nehmlichkeit, daß ein Teil der Luft verloren geht und daß der Klang ästhetisch nicht so ansprechend wird, nicht die Vorteile der bedeutend größeren Einfachheit aufwiegt. Die deutlichste Empfindung der „Murmelstimme" erhält man vielleicht, wenn man auf den Unterschied zwischen zwei aufeinanderfolgenden, sonst gleichen Vokalen achtet, von denen der erste schwach, der zweite stark ist, wie in dänisch var du ude? engl, the East, besonders so, wie sie in schneller natür- licher Rede lauten.

109. Mit gO wird wie gesagt ein Aufhören in der Wirksamkeit der Atmungsorgane bezeichnet, so daß sich die Luft weder aus noch ein bewegt. Kommt das in gewöhnlicher Rede vor, so entsteht da- durch eine Pause; so recht häufig, sogar innerhalb eines Wortes, vor einer starken Silbe, auf welche die Zuhörer gleichsam vorbereitet werden sollen, und die durch diese kleine Pause größeres Gewicht erhält; dies wird vielleicht besonders von Damen verwandt und be- zeichnet etwa, daß die Sprache nicht Worte hat, die stark genug wären, um ihre Gefühle auszudrücken.^) Im Deutschen habe ich es

1) So weit Forchhammer. In einer folgenden Nummer der Taubstummen- zeitschrift macht er darauf aufmerksam, daß seine Theorie teilweise mit dem übereinstimmt, was Sievers in der vierten Ausgabe seiner Phonetik (1893) p. 27 über die Murmelstimme (Halbstimme) bei unbetonten Silben sagt, nur daß S. in der Murmelstimme ein Neben -Phänomen sieht, das (oft) die Schwachheit der Silbe begleitet, welche, wie er glaubt, auf schwachem Ausatmen beruht, während F. in der Murmelstimme, d. h. in dem vergrößerten Abstand zwischen den Stimm- bändern, die Ursache für die Unbetontheit der Silbe sieht. Zur Stütze von F.s Theorie kann man auch einen Ausspruch von Harless (Merkel, Anthropophonik 66) anführen, sowie auch eine Andeutung bei Lermoyez p. 78.

2) Die vorhergehende Silbe hat in der Regel sehr hohen Ton. Die Pause wird hier durch 11 bezeichnet.

118 Erster Hauptteil: Analyse. Siebentes Kapitel.

beobachtet z. B. in „das ist bucbj|stäblich wabr", im Englischen z. B. in „per'i'nicious" „oh it's a][bominable". Es ist wohl nicht überflüssig, darauf aufmerksam zu machen, daß nicht alle Pausen in der Rede durch i;0 charakterisiert werden; die meisten (beim Abschluß eines Satzes u. ähnl.) werden im Gegenteil dazu benutzt, Atem zu holen.

Es ist auch möglich, während ^0 mehrere Laute hervorzubringen, z. B. indem man die Zungenspitze gegen den Mundboden klatschen läßt, indem man die Zähne gegeneinander klappern läßt u. ähnl. Diese werden jedoch nicht zu sprachlichen Zwecken benutzt.

110. Auch bei der Einatmung (Inspiration ^-^) ist es möglich, Laute zu erzeugen (inspiratorische Laute). Bei einiger Übung kann man es dahin bringen, auf diese Weise einen ganzen Satz auszusprechen, aber es ist anstrengend und nicht wohllautend. Das häufigste Vorkommen von inspiratorischer Rede ist bei kleinen Antworten wie ja und dergl., die man gedankenlos, geistesabwesend, schnell, ausspricht, ohne daß man sich Zeit läßt, die Einatmung vorher zu vollenden.^) Nach einer interessanten Bemerkung bei Winteler^) benutzen die jungen Burschen in der Schweiz abends vor ihrer Liebsten Tür dies Mittel, einatmend zu sprechen, um ihre Stimme unkenntlich zu machen; man nennt dies in Kerenz mausa, in Toggenburg t-r&d fdr-xera. Ferner haben wir ein paar inspiratorische Stimmungsworte, nämlich eins, um Freude über materielles Wohlbefinden, besonders gutes Essen und Trinken, aus- zudrücken, mit der Zunge in der [l]-SteUung (analph. ßi^ dOsS^-^) gesprochen und oft so, daß die Zunge sich etwas vor- und zurück- bewegt, während die Seitenöffinungen stets bewahrt werden, und ein anderes, um Schmerz oder Verlegenheit auszudrücken, das man oft anwendet, wenn man entdeckt, daß man etwas verkehrt gemacht hat^ mit der Unterlippe in der [f]-SteUung (analphabetisch a2'^dO£3 ^-^); hier ist es als ob man Atem holt, um Kraft zu bekommen, und gleich- zeitig sich anschickt, sich in die Unterlippe zu beißen, was ja bei sehr starkem physischem Schmerz gewöhnlich ist.

111. Hier muß die eigentümliche Klasse von Sprachlauten be- handelt werden, die man Schnalzlaute (engl, clicks) nennt. Es wird an der einen oder anderen Stelle ein Verschluß gebildet, hinter diesem Verschluß wird die Luft verdünnt (die Lungen weiten sich), und die äußere Luft preßt sich daher plötzlich herein, wenn der Verschluß

1) Nach Elworthy, Dial. of West Somersetshire U 229 wird dort oft ein inspiratorisches J" statt yes benutzt.

2) Die Kerenzer Mundart 5.

Die Atmungs Organe. 119

geöffnet wird. Der am besten bekannte unter diesen Lauten ist der, wo der Verscbluß an derselben Stelle wie ein gewöhnliches [t] ge- bildet ist-, die analphabetische Formel ist:

oder /^

wobei die Zahl 3 ziemlich willkürlich gewählt ist, um die Öffnung zu bezeichnen; die Stimmbänder sind bei allen diesen Lauten von- einander entfernt (eS).

Dieser Laut wird benutzt, um Ärger, Mißvergnügen und besonders beklagende Teilnahme auszudrücken, in letzterem Falle oft mit Lippenrundung verbunden; so häufig er in der gesprochenen Sprache ist, so schwierig ist es ihn in der Schrift auszudrücken; die Engländer helfen sich damit, ihn als tut zu schreiben. Gegen :f oder weiter zurück gebildet erhält der Laut eine andere Klangfarbe; wenn man die Zunge ganz bis :g oder :h zurückführt, kann man den Laut eines Korkes nachahmen, der aufgezogen wird. Im Zuruf an Pferde wird oft ein Schnalzlaut verwendet, bei dem die Zunge zuerst gegen eine lange Strecke am Gaumen Verschluß bildet und dann unilateral ge- öffnet wird; denselben Laut bringen Affen oft hervor:

' aO* I 1 oder 3.

i Die analphab. Formel des Küßlautes ist

0. ^-^ i '■

Li unsem Sprachen werden diese Art Laute nur als isolierte Aus- rufe benutzt, aber in gewissen südafrikanischen Sprachen gehören sie mit zu dem normalen Lautbestand von vielen Worten, was natürlich Europäern bei der Niederschrift dieser Sprachen Schwierigkeit gemacht hat. Ich gebe hier nach Bleek^) die Beschreibung der wichtigsten:

1. Der „dentale click" (geschrieben von Bleek |, in den meisten Büchern über Zulu usw. c, z. B. in dem Namen des Königs Cetewayo) „wird ausgesprochen, indem man die Zungenspitze gegen die oberen Vorderzähne drückt und sie dann plötzlich kräftig entfernt ... er ähnelt unserer Interjektion für Arger." Bezeichnend ist das Gallawort für „niesen" ha|ifa!a.^) In diesem Worte findet sich auch

2. Der „cerebrale click" (Bleek ! gewöhnlich q), „der gesprochen wird, indem man die Zungenspitze gegen das Gaumendach hinauf krümmt und sie dann plötzlich entfernt."

1) Comparative Grammar of South Äfrican Languages. London 1862.

2) Derselbe, IJber den Ursprung der Sprache. Kapstadt (als Manuskript gedruckt) 1867.

120 Erster Hauptteil: Analyse. Siebentes Kapitel. Die Atmungsorgane.

3. Der „l^^^rale click" (Bleek |i) im Nama Hottentot „wird ge- wölmlich so artikuliert, daß man den ganzen Gaumen mit der Zunge bedeckt und den Laut so weit hinten wie möglich bildet ... die Europäer ahmen den Laut nach, indem sie die Zunge gegen die Seitenzähne setzen und sie dann fortziehen. Diese letztgenannte Artikulation, die dem Ohre des Hottentotten unangenehm und fremd klingt, gehört indessen mit zu dem entsprechenden click der Kaffern und Zulus, der in den meisten Büchern mit dem Buchstaben x aus- gedrückt wird. Ein ähnlicher Laut wird oft benutzt, um ein Pferd anzutreiben."

4. Der „palatale click" (Bleek =4=) „wird gebildet, indem man die Zungenspitze mit so flacher Oberfläche wie möglich gegen den äußer- sten Punkt des Gaumens am Zahnfleisch drückt und sie ebenso wie bei den übrigen Clicks entfernt. Dieser schwierige Click kommt selten oder nie in kafferschen oder zuluschen Worten vor." Mit Ausnahme vielleicht dieses letzten Lautes sind diese Clicks, wie wir sehen, in der Hauptsache die wohlbekannten oben beschriebenen Schnalzlaute; das für uns Ungewohnte ist also bloß, diese Laute mit den auf normale Weise gebildeten Sprachlauten zu Silben zu verbinden.

Zweiter Hauptteil.

Synthese. Die Lehre von den Einzellauten.

Achtes Kapitel.

Konsonanten.

112. Nachdem wir die einzelnen Sprachorgane und ihre Ver- wendung bei der Bildung der verschiedenen Laute durchgegangen sind, kommen wir hier zu der Besprechung der Laute als fertiger Laute. In jedem der beweglichen Sprachorgane entsteht ja nur ein Element des endlichen Lautes; ein [m] oder [p] wird ja nicht allein dadurch zustande gebracht, daß die Lippen geschlossen werden; es gehört mehr dazu. Und es ist klar, daß, bevor der Laut das Ohr des Hören- den erreicht, der Luftstrom, der ihn trägt, alle Sprachorgane des Sprechenden passiert haben muß, und zwar in der entgegengesetzten Reihenfolge von derjenigen, in der wir sie im vorigen Abschnitt be- handelt haben, nämlich: aus den Lungen (§;) an den Stimmbändern (s), dem Gaumensegel (d), der Zungenfläche (y), der Zungenspitze (ß) und den Lippen (a) vorbei. Jedes dieser Organe muß in jedem Augenblick der Rede eine bestimmte Stellung einnehmen, und keine dieser Stellungen ist für das endliche Resultat, das in den Schwingungen der Luft auf dem Wege vom Mund zum Ohr und in dem Eindruck auf das Ohr und dadurch auf des Empfängers Hirn und Seele vor- liegt, absolut gleichgültig. Jeder Sprachlaut ist daher, artikulatorisch angesehen, gleich zusammengesetzt.^) Aber allerdings sind nicht in allen Augenblicken alle artikulatorischen Elemente von gleicher Wichtigkeit, und bei den gewöhnlichen praktischen Lautdefinitionen, besonders wie sie sich in den oft aufgestellten Konsonantentafeln

1) Die nähere Begründung siehe in den Grundfragen. Den Satz habe ich schon 1884 in der Nordisk tidsskrift for filologi n. r. VI 326 ausgesprochen.

122 Zweiter Hauptteil: Synthese. Achtes Kapitel.

zeigen, sieht man von den weniger wichtigen ab, z. B. bei [m] von der Zungenstellung, bei [n] von der Lippenstellung. Dazu wird man auch ganz natürlich dadurch geführt, daß die Konsonantentafeln auf einer Fläche aufgestellt werden sollen, wo man also auf zwei Dimen- sionen eingeschränkt ist und folglich nicht alle verschiedenen Momente berücksichtigen kann, die wirklich den Laut bedingen. Es ist aber von Bedeutung festzuhalten, daß in der wirklich gesprochenen Sprache kein [m] ohne Zungenstellung, kein [n] ohne LippensteUung usw. vorkommt, daß also eigentlich unsere Lautzeichen [m], [n] usw. Zeichen für Abstraktionen, gemeinschaftliche Zeichen für eine ganze Gruppe von faktisch unterschiedenen Lauten sind.

113. Erst wenn die Organe, von deren Stellung man im all- gemeinen absieht, Stellungen einnehmen, die in hohem Grrade von der Ruhestellung abweichen, fängt man gewöhnlich an sie mitzurechnen, und spricht dann von Modifikationen des normalen Lautes, besonders von den drei Modifikationen: Rundung oder Labialisierung, Palatali- sierung (oder Mouillierung) und Velarisierung (oder Gutturalisierung). Die erste ist in § 23 besprochen. Palatalisierung besteht in der Hebung der Vorderzunge zu derselben oder fast derselben Stellung, die sie bei [j] oder [i] einnimmt; ein palatalisiertes [n] muß von dem palatalen [ji] unterschieden werden, das in § 43 beschrieben ist; es unterscheidet sich von ihm dadurch, daß es ein wirkliches Zungen- spitzen-[n] ist, während bei [ji] die Zungenspitze im Untermunde ruht und der Verschluß von der Zungenfläche gebildet wird. Velarisierung besteht in einer Hebung der Hinterzunge zu derselben oder fast der- selben Stellung, die sie bei [5^] oder [u] einnimmt; dies findet z. B. beim „hohlen 1" statt, vgl. unten § 135. Als eine mit diesen drei Modi- fikationen parallele Modifikation wird in der landläufigen Phonetik in gewissen Fällen Stimmlosigkeit betrachtet, so wenn „stimmloses m" als eine Unterart von m aufgestellt, also im System auf ganz andere Weise dem stimmhaften [m] gegenübergestellt wird als z. B. [fj dem [v], wobei wahrscheinlich der zufällige Umstand, daß wir in dem einen Falle im gewöhnlichen Alphabet nur einen, in dem anderen Falle zwei Buchstaben haben, für die Auffassung eine Rolle gespielt hat. Aber für eine streng konsequente phonetische Betrachtung, wie ich sie hier, namentlich auf die analphabetische Bezeichnungsweise gestützt, durchzuführen versucht habe, fallen solche Gesichtspunkte ja fort, und wir müssen sagen, daß z. B. ein stimmloses palatalisiertes m oder ein stimmloses labialisiertes n auf derselben Stufe mit dem stimmhaften nichtpalatalisierten m im deutschen kam oder dem

Konsonanten. 123

stimmhaften nichtlabialisierten n in deutsch liann steht. Der akustische Gesamteindruck wird in allen Fällen von allen organischen Faktoren bestimmt, die auf den Luftstrom wirken, ehe er den sprechenden Menschen verläßt.

114. Da nun weder die physikalische Untersuchung von der Bewegung der Luftpartikel, noch die anatomisch-physiologische Unter- suchung von dem was im Ohre vor sich geht, uns bei dem heutigen Stande der Wissenschaft hinlängliche Anhaltspunkte für eine Be- schreibung und Einteilung der Sprachlaute geben kaim^), so müssen wir uns auch hier mit artikulatorischen Bestimmungen beschäftigen. Im vorigen Abschnitt („Analyse") nahmen wir jedes Organ für sich, hier nehmen wir jeden Laut für sich, aber dabei kommt es im wesent- lichen nur auf eine andere Gruppierung heraus; wir sagen dieselben Dinge noch einmal in anderer Reihenfolge; für den Lernenden ist es daher am ehesten eine Art Repetition des früher Gelernten von neuen Gesichtspunkten aus, so daß jetzt seine Aufmerksamkeit auf das Gesamtresultat dessen, was er früher bruchstückweise erhielt, gelenkt wird. Die Darstellung kann daher, namentlich bei den Konsonanten, ziemlich kurz gehalten werden; die konsonantischen Stellungen wurden nämlich in der „Analyse", besonders aus pädagogischen Gründen, recht eingehend behandelt.

113. Was den Unterschied zwischen Konsonanten und Vokalen anbetrifft, so ist er nicht so fundamental, wie oft angenommen wird. Er fällt ^) nicht zusammen mit dem physisch-akustischen Unterschied von Geräuschen und Tönen; auch der Silbenbau hilft uns nicht. ^) Das Element Stimme in die Definition dieser beiden Klassen zu ziehen ist unstatthaft: wir haben stimmhafte und stimmlose Vokale ganz wie wir stimmhafte und stimmlose Konsonanten haben. Wir müssen also den Unterschied, wie schon Wilkins (1668) sah, in dem verschiedenen Offnungsgrad suchen; darin liegt aber schon, daß es ein Gradunter- schied, nicht ein absoluter Unterschied ist, und daß es zum Teil rein konventionell bleiben muß, wo man die Grenze ziehen will. Bei ganz geschlossener Mundstellung haben wir offenbar einen Konsonanten, bei ganz offener Mundstellung einen Vokal, aber wo zwischen diesen Extremen liegt die Scheide? Am natürlichsten wohl da, wo eine gleichmäßige natürliche ruhige Einatmung aufhört, ein deutlich hör- bares Reibungsgeräusch zu verursachen. Analphabetisch kann dasselbe

1) Siehe das Kapitel: „Genetisch oder akustisch" in den Grundfragen.

2) Wie ausführlich in den Grundfragen bewiesen.

3) Vgl. unten das Kapitel über Silbe.

124 Zweiter Hauptteil: Synthese. Achtes Kapitel.

so ausgedrückt werden, daß, wo wir in a oder ß oder y eine von den Stellungen 0, 1, 2, i (samt r) haben, wir einen Konsonanten, sonst einen Vokal haben; es muß aber hinzugefügt werden, daß die Stellung der Stimmbänder (ausgenommen bei h, e2, und vielleicht «0), sowie die d-Stellung durchq,us keinen Einfluß auf diese Klassifikation hat; eine Mundstellung, die bei abgeschlossenem Nasenweg einen Konsonanten ergibt, wird also auch bei offenem Nasenweg einen Konsonanten er- geben und umgekehrt. Hierbei wird die Zurechnung zu der einen der beiden Klassen im wesentlichen mit der natürlichen unmittelbaren Auffassung in Übereinstimmung sein.

Bei der hier folgenden Besprechung der bekanntesten Sprachlaute wird nicht ausdrücklich vermerkt, daß sie Ausatmung aus den Lungen (^ -f-) erfordern.

Konsonanten mit Mundverschluß und gesperrtem Nasenweg.

(Eigentliclie Verschlußlaute.)

116. [b] Lippen geschlossen; vorgestreckt, wenn die Um- gebung Lippenvorstrecken hat (aO*, 0'' oder O''). Zungenstellung offen; Zungenspitze in Ruhe (/?„); Zungenfläche in Ruhe (y,,) oder dieselbe oder annähernd dieselbe vokalische Stellung wie die Umgebung ein- nehmend, also z. B. in [ibi] gehoben wie zu [i]. Hier haben wir also ein palatalisiertes [b] (mit yS^), das im Russischen mehr selbständig auftritt, z. B. in oh'edaf *zu Mittag essen' (Palatalisierung durch ' be- zeichnet), möglicherweise mit y2^, also Zungenfläche in [j]-Stellung. Gaumensegel geschlossen (<J0). Stimmbänderschwingungen beim franz. engl, [b] (fl), weniger ausgeprägt beim deutschen, s. § 102 ff., wo sich auch Beispiele für das Vorkommen finden.

[p] Lippen, Zunge, Graumensegel wie bei [b], Zungenfläche ge- hoben in Verbindungen wie [ipi], ein palatalisiertes [p], das sich selbständig (vielleicht mit y2^) im Russischen findet, z. B. in p'af 'fünf. Keine Stimmbänderschwingungen (fS, im Französischen viel- leicht «0, siehe über Aspiration usw. § 99 101). Deutsch Paß, französ. pas, engl, pass usw.

117. [d] Lippen offen; Öffiaungsform und Vorstrecken ver- schieden je nach der Umgebung («„); Zungenspitze bildet Verschluß, an verschiedener Stelle in den verschiedenen Sprachen (/30®, 0®^, 0* siehe §31); wird der Verschluß weiter drinnen gebildet (ßO^^, /SO^fusw.), so erhalten wir die „kakuminale" Bildung. Zungenrücken liegt in der Regel^flach (j^„); wird er zur [i]- oder [j]-Stellung gehoben (yS^ oder 2^),

Konsonanten. 125

so erhalten wir das seltene palatalisierte d. Gaumensegel bildet Ver- schluß (dO). Stimmbänder schwingen deutlich im Franz. und Engl, (sl), weniger ausgeprägt beim Deutschen; s. § 102 ff., wo sich Beispiele über das Vorkommen des Lautes finden.

[t] Lippen, Zungenspitze, Gaumensegel wie bei [d]. Keine Stimmbänderschwingungen («3, im Französischen vielleicht sO), siehe über Aspiration und Vorkommen § 99 104.

118. [j] „Palatales d". Lippen wie bei [d], doch werden sich die gerundeten Formen der Lippenöffnung hier wohl seltener finden. Zungenspitze ruhend im Untermunde (/3„ oder genauer ßi). Vorderzunge büdet Verschluß gegen den harten Gaumen (yO^). Gaumensegel bildet Verschluß (dO). Stimmbänderschwingungen sind die Regel ebenso wie bei [d]. Vorkommen s. § 41 Anmerkung.

[c] „Palatales t" hat aUe Elemente mit dem vorhergehenden gemein, ausgenommen die Stimmbänder, die nicht schwingen («3 bezw. £0 wie bei [t] usw.). Vorkommen s. § 41 Anmerkung.

119. [g] Die Lippen richten sich im allgemeinen nach der Umgebung wie bei [d], Zungenspitze ruhend im Untermunde (ß„ oft weiter zurück als bei [j], also ßg oder ähnlich). Zungenfläche bildet Verschluß etwa an der Grenze des harten und weichen Gaumens, etwas weiter vor oder zurück je nach der Umgebung (yO'", yO***, 0' oder sogar O'J, siehe § 44). Gaumensegel sperrt den Nasen weg ab (dO). Stimmverhältnisse wie bei [b] und [d], also Schwingungen (el) im Französ. usw., s. § 102 ff., wo auch Beispiele: .deutsch gut, französ. goüt, engl. good.

[k] Hat alle Elemente mit [g] gemeinsam, ausgenommen Stimme; Stimmbänder werden nicht in Schwingungen versetzt (gew. «3, hinsichtlich der Aspiration s. § 99 ff., franz. möglicherweise «0, s. § 101). Deutsch kann, französ. canne, engl, can, siehe mehr Bei- spiele § 104.

[^; <l] ^i^ [9? ^; ^^^ ^^ß <^i^ Zungenfläche weiter zurück Verschluß bildet, s. § 46.

Konsonanten mit Mundverschluß und offenem Nasenweg.

(„Nasale.")

120. [m] Lippen geschlossen; vorgeschoben, wenn die Um- gebung es mit sich führt (aO*, 0^ oder 0'=). ZungensteUung offen: Zungenspitze in Ruhe (/3„), Zungenfläche ebenso ruhend (y,,) oder annähernd dieselbe vokalische Stellung einnehmend wie die Umgebung. Wenn die Zungenfläche dieselbe Stellung wie bei [i] oder [j] einnimmt

126 Zweiter Hauptteil: Synthese. Achtes Kapitel.

(also yS^ oder y2^), spriclit man von einem palatalisierten [m], so gewölinlich in [der Verbindung [imi]; im Russischen findet sich dies selbständiger wie in vW^em'a 'Zeit*. Graumensegel gesenkt ((52). Stimm- bänder in Schwingungen (fl). Deutsch Mann, franz. madame, engl. man usw.

[m] Hat alle Elemente gemeinsam mit [m], ausgenommen, daß die Stimmbänder nicht schwingen, sondern weit auseinanderstehen (fS). Vorkommen s. § 86.

[m] Unterlippe bildet Verschluß gegen die Oberzähne («0*^), alle andern Elemente wie bei [m]. Vorkommen s. § 19.

[m] Dieselbe Bildung, nur daß die Stimmbänder ruhig von- einander entfernt stehen (fS).

121 . [n] Lippenstellung offen, aber im übrigen sich nach der Umgebung richtend (a„), Zungenspitze bildet einen Verschluß, dessen Stelle in verschiedenen Sprachen verschieden ist (von jSO® bis 0^ mit Zwischenstandpunkten, s. § 31); ein kakuminales [n] wird weiter drinnen gebildet (ßO^^, 0^ oder ähnl.). Zungenrücken liegt in der Regel flach (j',,) ; beim palatalisierten n wie es sich z. B. in jütischen Dialekten findet, ist Hebung der Zungenfläche zur [i]-Stellung (yS^). Gaumen- segel gesenkt {ß2). Stimmbänder in Schwingungen (tl). Deutsch Nase, franz. nez, engl, nose usw.

[n] Ganz wie [n], von dem letztgenannten Element abgesehen; die Stimmbänder sind nämlich ruhig, voneinander entfernt («3). Vor- kommen s. § 86.

122. [p.] „Palatales n". Lippen wie bei [n]. Zungenspitze im Untermunde hinter den Vorderzähnen ruhend {ß„ oder genauer ßi). Vorderzunge bildet Verschluß gegen den harten Gaumen {yO^ oder auch, besonders beim französischen Laut, etwas weiter zurück, 0^ oder ähnl.) Gaumensegel gesenkt ((52); Stimmbänderschwingungen (fl). Vorkommen s. § 43. Französ. agneau usw.

[ji] Wie [ji], nur ohne Stimme (£3).

128. [g] Lippen wie bei [n]. Zungenspitze ruhend, nur in der Regel weiter zurück als bei [ji] (also etwa yg). Zungenfläche bildet Verschluß gegen die Grenze zwischen hartem und weichem Gaumen oder etwas weiter zurück (yO^^, 0*, O'J). Gaumensegel ge- senkt (d2); Stimmb anders chwingungen (el). Vorkommen s. § 45. Deutsch lange, engl, long usw.

[n] Der seltene stimmlose Laut, der mit dem vorhergehenden Laut im allgemeinen übereinstimmt, nur daß die Stimmbänder von- einander entfernt sind («3). Vorkommen s. § 86.

Konsonanten. 127

Konsonanten mit Mundenge.

12'J. [w] Lippen kleinste rillenförmige Öffnung, fast immer vorgeschoben (al*). Zungenspitze ruhend, in der Regel etwas zurück- gezogen (/3f). Hinterzunge gegen den weichen Gaumen gehoben, gewöhnlich wie bei [u] (y^), bisweilen noch mehr, wie bei [^] (y2J). Gaumensegel gehoben und Verschluß bildend (dO). Stimmbänder schwingen (fl). Engl, we, franz. oui usw. (vgl. § 13, 197). .

[m] Dieselbe Einstellung, nur ohne Stimme (fS). Über das Vorkommen und über Laute mit Hauch s. § 95.

125. [v] Unterlippe bildet spaltförmige Öffnung mit den Oberzähnen (a2^). Zungenstellung offen, die ganze Zunge ruht im üntermande {ß„y„), doch kann die Zungenfläche etwas in Über- einstimmung mit der Stellung, die für die Umgebung erforderlich ist, gehoben werden, so die Vorderzunge in der Verbindung [ivi], die Hinterzunge in [uvu]. Dies ist ausgeprägt im Russischen palatalisierten [v'], z. B. in v'etfer 'Abend' (yS^). Gaumensegel bildet Verschluß (^0). Stimmbänder schwingen (fl). Deutsch me (vgl. jedoch § 18), franz. vie, engl, vivid usw.

[f] Dieselbe Einstellung, nur daß die Stimmbänder auseinander stehen (eS). Deutsch fern, franz. faire, engl, far usw. Palatalisiertes [f ] mit y3^ z. B. in russisch f'odor 'Theodor'.

[is] Dieselbe Einstellung wie bei [v], doch wird die spalt- förmige Öffnung zwischen beiden Lippen gebildet (a2^). Vorkommen im Deutschen usw. siehe § 14.

[f] Dieselbe Organstellung, jedoch ohne Stimmbänder- schwingungen; kann im deutschen Qual [kra-l] u. ähnl. vorkommen.

126. [&] Lippen offen, gewöhnlich wohl «6. Zungenspitze bildet spaltförmige Öffnung, bisweilen gegen den Unterrand der Ober- zähne {ß2^), meist mit der Hinterseite der Oberzähne (/32^). Zungen- fläche liegt flach (y„), obgleich ein palatalisiertes [&] wohl auch vor- kommen kann (mit yS^). Gaumensegel geschlossen (ßO). Stimmbänder schwingen (sl). Englisch th in hreatJie; § 34.

[p] Derselbe Laut ohne Stimmbänderschwingungen («3). Eng- lisch th in hreafh.

127. [z] Lippen offen (a6 oder ähnl., jedoch häufig mit Rundung in der Nähe runder Vokale). Das Zungenblatt bildet eine rillenförmige Öffnung, meist mit dem Anfang des Zahnfleisches {ßl^% im Französischen etwas weiter vom, im Englischen etwas weiter hinten (s. § 33). Über kakuminales [z] s. ebenda. Zungenfläche nicht

128 Zweiter Hauptteil: Synthese. Achtes Kapitel.

wirksam {y,,), außer bei den palatalisierten Formen, wo eine mehr oder weniger ausgeprägte Rille in der Fortsetzung derselben beim Zungenblatt gebildet wird. Gaumensegel bildet Verschluß (^0). Stimmbänder schwingen (sl). Norddeutsch sie, franz. hasard, engl. hazard, vgl. im übrigen über das Vorkommen § 80.

[s] Von [z] nur durch das Fehlen der Stimmbänderschwingungen verschieden (tS). Deutsch nass, franz. seau, engl, so usw.

1^8. [3] Lippenstellungen wie bei [z], doch größere Neigung zum Vorstrecken und zu runder Öffnung. Zwei verschiedene Zungen- stellungen erzeugen fast dasselbe Resultat, s. Näheres § 47 {yV^ oder zwischen ^ und ^, yV' oder 12^^). Gaumensegel geschlossen (ßO). Stimmbänder schwingen (el). Deutsch, franz., engl. Journal; vgl. § 81.

[J] Dieselben Einstellungen wie beim vorigen Laut, nur sind die Stimmbänder voneinander entfernt (fS). Deutsch schade, franz. chdteau, engl, shadow usw., s. § 47, 81.

129. [j] Lippen in der Regel spaltförmig («4^ oder 6^). Zungenspitze in Ruhe (/3„). Vorderzunge bildet spaltförmige Ofi&iung gegen den harten Gaumen, die Hebung ist am ausgeprägtesten im deutschen ja, jung usw. (^2^), weniger ausgeprägt in engl, yes, young (gewöhnlich yS^); vgl. hierüber und über französisch piller, hier % 48. Gaumensegel geschlossen (dO). Stimmbänder schwingen (gl). Ein gerundetes [j] findet sich oft bei gerundeten Vokalen, z. B. in deutsch du Junge, engl. New York, dieser Laut erinnert an französ. \i(\ in nuit usw., der des Näheren unten unter den Diphthongen, § 213, behandelt wird.

[9] Dieselbe Einstellung wie bei [j], jedoch die Stimmbänder voneinander entfernt («3). Deutsch ich, Acht, Bücher usw. (y2^); nach runden Vokalen wie im letzten Beispiel hat [9] gewöhnlich ge- rundete Lippen («3).

130. [9^] Lippen offen, aber Form und Größe der Öffnung ist variabel und richtet sich in der Regel nach der Umgebung. Zungenspitze ruhend, etwas zurückgezogen (/3g). Hinterzunge gegen den weichen Gaumen mit spaltförmiger Öffnung gehoben {y2^ oder 2-', s. des näheren § 49). Gaumensegel geschlossen (ßO), bei den hintersten Formen des Lautes wird das Zäpfchen nicht selten in schnurrende Bewegung versetzt (dOr). Stimmbänder schwingen (fl). Norddeutsch in Tage usw., vgl. im übrigen § 84.

[x] Derselbe Laut mit den Stimmbändern voneinander entfernt (fS). Deutsch ach (mit spaltförmigen Lippen «6 oder 8), Buch (mit gerundeten Lippen «3), s. auch § 49, 84.

Konsonanten. 129

1-Laute^

131. Hier muß icli bedauern, daß die Zeichen der internationalen Lautschrift so gering an Zahl sind, daß mehrere der wichtigen Varietäten nicht leicht bezeichnet werden können; wir müssen uns daher mit beschreibenden Zusätzen, wie „flach" usw. begnügen.

„Flaches [1]." Lippen offen, Größe und Form der Öffnung hat die Neigung, sich nach der Umgebung zu richten. Die Zungenspitze berührt in ihrer Mitte entweder die Zähne oder das Zahnfleisch, so daß auf der einen oder auf beiden Seiten Öffnung ist (/3i® oder ßf^ im Französischen, /3i^® gewöhnlich im Deutschen; siehe über die Stelle § 38). Der Zungenrücken liegt flach (j/„), also weder mit ausgeprägter Hebung noch Senkung an irgend einer Stelle. Gaumensegel bildet Verschluß ((^0); Stimmbänder schwingen (fl). Das gewöhnliche deutsche 1 in lassen, Elle, franz. in laisser, eile.

„Flaches [1]." Dieselbe Einstellung, nur ohne Stimmbänder- schwingungen (fS). Französ. peuple usw., s. § 83.^)

132. „Palatalisiertes [1]." Wird, was Lippen, Zungenspitze, Gaumensegel und Stimme anbetrifft, wie flaches [1] gebildet, aber der zärtliche Laut entsteht dadurch, daß die Zungenfläche hinter der Be- rührungsstelle gegen den weichen Gaumen zur [j]- oder [i]-Stellung gehoben ist (a„ /3i y2^ oder 3^ dO fl). Ich kenne den Laut aus jütischen Dialekten und aus dem Russischen, z. B. in VubVu 'ich liebe'; er findet sich sicher auch ab und zu im Deutschen im Worte solch infolge Vorwegnehmens der Vorderzungenartikulation des [9], hier hört man jedoch nicht selten [zoi9], wo die Zungenspitzenberührung ganz gelöst ist. Palatalisiertes [1] ähnelt in seinem Klange sehr dem nächsten Laut, den wir behandeln werden, nämlich dem

133. „Palatalen \i\" Lippen wie bei [1]. Zungenspitze ist hier passiv, hinter den unteren Vorderzähnen ruhend (/3®^ oder ähnl., jedenfalls /3„). Vorderzunge bildet Mittelberührung mit Seitenöffnungen (oder Seitenöffaung) gegen den harten Gaumen (yi^). Gaumensegel bildet Verschluß (dO); Stimmbänder schwingen (el). Der Laut findet sich im Dialekt der Insel Bornholm und im ital. gl z. B. in egli. Im Französischen hat man früher palatalisiertes [1] oder palatales [i] in Fällen wie ßlle^ meilleur usw. gehabt, und so lautet es noch in provinzieller Aussprache in Südfrankreich; in der anerkannten

1) Stimmlose Formen der folgenden 1-Laute hier besonders aufzuführen, habe ich nicht für notwendig erachtet, da sie sich so selten in den Sprachen finden. Sie sind sehr leicht zu bilden.

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 9

130 Zweiter Hauptteil: Synthese. Achtes Kapitel.

Aussprache ist dagegen das ?-artige (Mittelberühning) verschwunden, so daß der Laut, anstatt ein Seitenlaut zu sein, zu [j] geworden ist: [fi'j, msjoe'r]; doch sprechen einzelne als isolierte Erinnerung an das alte Verhältnis [Ij] in ganz einzelnen Wörtern wie ailleurs, meüleur. Umgekehrt kann auch die Lautverbindung [1 -f- j], wo sie sich in ge- bildeter Aussprache findet, z. B. in [sulje] soulier, in der Vulgärsprache wie einstiges [ß^ behandelt und also zu [suje] werden, wodurch der Unterschied zwischen soulier und souiller verwischt wird; ich habe auch gebildete Franzosen z. B. [mijoj, [kavaje], [mij0] für million, cavdlier, milieu sagen hören. Auch im Spanischen, besonders in Amerika, ist die Neigung vorhanden, das Seitenelement im [X] zu entfernen, so daß das Wort ^calle' zu [kaje] wird. Vgl. hiermit die eben besprochene Aussprache von deutsch solch.

134. „Kakuminales [1]." - Weicht von dem gewöhnlichen flachen [1] nur darin ab, daß die Zungenspitzenberührung weiter hinten, gegen den harten Gaumen, stattfindet, also an derselben Stelle wie beim palatalen [£] (ßl^) oder doch in der Nähe {ßi^^. Kommt in skandinavischen Dialekten vor. (Über das davon verschiedene norwegisch-schwedische „dicke 1" s. Anmerkung § 38.)

135* „Hohles [1]." Lippen wie bei flachem 1. Zungenspitzen- berührung findet in der Regel, jedenfalls im Englischen, hinter den Zähnen statt, die nicht berührt werden; aber wichtiger für die Er- zeugung des hohlen Klanges ist, daß die Seitenöffnungen größer werden als gewöhnlich (/3>i^, besonders, daß die Vorderzunge wie ein LöfiPel unmittelbar hinter der Berührungsstelle ausgehöhlt wird; dies setzt voraus, daß die Hauptmasse der Zunge rückwärts verschoben wird, so daß eine Annäherung der Oberfläche der Hinterzunge an den weichen Gaumen stattfindet (y3J), ebenso wie bei [u], dem der Laut dadurch ähnlich wird. Gaumensegel geschlossen (öO), Stimmbänderschwingungen (fl). Das hohle l soll sich in gewissen Gegenden Deutschlands finden; es ist verbreitet in jütischen Dialekten, und ich habe es oft im Holländischen gehört, meist in der Aussprache Ungebildeter. Am bekanntesten ist es aber im Englischen. Es wird oft gesagt, daß sich hier das hohle l nur nach Vokal findet, z. B. in well, eil, sale, toll, auch zwischen Vokal und Konsonant, z. B. in hold, shelves, help, halt usw., und eine selbständige Silbe bildend, z. B. in apple, oMe, fiddle, aber daß englisch l sonst z. B. in lead, wily, blind, glove ein anderes, weniger „hohles" ist, dasselbe oder doch fast dasselbe l wie das deutsche und französische l. Dieses scheint mir unrichtig: mir scheint das englische l in allen Stellungen dasselbe zu sein, wenn auch

Konsonanten. 131

das hohle bei dem Laute in den letztgenannten Fällen wegen der Stellung des Lautes in der Silbe und wohl namentlich wegen der geringen Dauer für das Ohr weniger hervortritt. Am deutlichsten tritt das hohle «(-artige hervor, wenn man auf dem Laute verweilt, wie in dem zögernden ivell, und auf ganz eigentümliche Weise im Worte chüdren [tjildron]. Da der [Jj-Laut dem [i] in Bildung und Klang ziemlich nahe liegt, so besteht eine gewisse Neigung, den Vokal in [J] zu absorbieren, oder richtiger, ihn auf das Minimum einzuschränken, das bei einem schnellen Übergang von der [J]- zur [1]-Stellung ent- steht; dies wird dadurch begünstigt, daß das nach den gewöhnlichen englischen Quantitätsregeln hier lange [1] so vokalartig in seinem Klang ist, daß es sich gut dafür eignet, Hauptlaut („Gipfel") einer Silbe zu sein (vgl. unten 'Silbe'); das Resultat wird ein [tjjldran], wo das [i]- oder [j] -Element verschwindet, das M-artige bei dem hohlen [1] dagegen hervortritt, so daß das Ohr, das gewöhnt ist, einen Vokal in jeder (starken) Silbe zu suchen, das Ganze als [tjuldran] auffaßt; und so mit wirklichem Vokal u kann das Wort dann von neuen Generationen nachgeahmt werden: während Ellis das Vor- kommen dieser Fonn leugnet, habe ich sie oft, namentlich bei Frauen und Kindern, gehört, und Sweet schreibt sie immer so. Auch im Worte milli besteht die Neigung, daß das l auf Kosten des i-Lautes das Übergewicht in der Silbe erhält (gewiß sowohl wo das l mit ßl wie mit dem oben § 51 beschriebenen yi gesprochen wird); Sweet hat früher die Aussprache (mjulk) wiedergegeben, jetzt schreibt er (mjlk), 136. „Hinteres [1]." Die Lippen offen, vielleicht mit Vorliebe für die runden Stellungen. Die Zungenspitze kann passiv sein (/3„), aber ein Russe, von dem ich die russischen ?-Laute lernte, hatte die Zungenspitze in derselben Stellung wie beim „hohlen [1]" (/3 > i), auch mit Aushöhlung der Vorderzunge. Die Hinterzunge hatte Mittel- berührung mit Seitenöffiiungen, ziemlich weit zurück, so daß es sich nicht selten anhörte, als wenn ein schwaches Zäpfchenschnurren ent- stände, wenn die Berühning sich beim Übergang zu einem folgenden Vokal löste {yü^ oder > i''). Sweet ^) hebt mit Recht den Unterschied zwischen diesem [}] und dem englischen hervor, aber mit Unrecht leugnet er das Gemeinsame bei den beiden, das in der Hebung der Hinterzunge gegen den weichen Gaumen und in der Aushöhlung der Vorderzunge besteht.

1) Russian Proniinciation , in Transactions of the Philological Society 1877—79, 554; vgl. auch Storm 139—140.

9*

132 Zweiter Hauptteil: Synthese. Achtes Kapitel.

In der Sprachgeschichte sehen wir oft, wie das w-artige, das sich sowohl in dem hohlen [1] wie in dem hinteren [i] findet, eine große Rolle spielt, indem es teils die Qualität des vorhergehenden Vokals beeinflußt, teils ein wirkliches [u] vor dem ?-Laut erzeugt, der oft ganz verschwinden kann, so daß nur u oder w zurückbleibt.^) Ent- sprechend dem russischen ustai hat so das Kleinrussische ustau; dem russischen, polnischen da% 'er gab' entspricht in polnischen Dialekten dau, im Serbischen dao. Holländisch oud von old 'alt', goud von gold 'Gold', Jiout 'Wald, Holz' zeigt denselben Übergang; bekannt ist auch französich cJievaux (früher als [-aus] gesprochen) für afr. chevals, autre für altre, bels > beals > heaus > [bo(z)]. Auch die Vokal- entwickelung in engl, all, talk usw. stammt von der Einwirkung des hohlen l her, und in der alltäglichen englischen Umgangssprache findet sich nach Evans bisweilen auch w für l (Sp. Exp. II 104), Vgl. die interessanten Verhältnisse im Pewseydialekt, wo kill Mo heißt, aber l vor Vokal bewahrt ist: kil d foks, ebenso wizo, aber wizldn ziy (whistle and sing).^)

r- Laute.

137. Auch hier verbergen sich hinter der landläufigen Ortho- graphie mehrere verschiedene Laute, und auch hier gibt es in dem internationalen phonetischen Alphabet nicht Zeichen für alle Laute, die man mit Fug auseiuanderhalten muß.

Der ursprüngliche r-Laut in unserem Sprachstamm ist das schnurrende Zungenspitzen -[r], dessen Formel ist: Lippen offen (ge- wöhnlich wohl «4 od. ähnl.); Zungenspitze in schnurrender Bewegung, meist gegen das Zahnfleisch (/3e, siehe des näheren die Beschreibung § 36). Um die Zungenspitze dünn und beweglich zu machen, ist ein Teil der Muskelmasse nach hinten gedrückt und kann daher größere oder geringere Annäherung gegen den weichen Gaumen bilden (wohl nicht ganz y2, eher y3 gegen den Punkt :i oder :j oder :k, bisweilen jedoch wohl auch weiter vorn y3^). Gaumensegel bildet Verschluß (^0). Stimmbänder schwingen (fl). Dieser Laut ist in mehreren Ländern noch ganz oder fast alleinherrschend; in Deutschland und Frankreich findet er sich an vielen Stellen auf dem Lande, besonders zum Frei- luftgebrauch, und wird mehr oder weniger künstlich von Sängern und

1) Siehe Storm 65. Voelkel, Sur le ehangement de VI en u (Berlin 1888) hat ein sehr beträchtliches Material gesammelt.

2) J. Kjederqvist, 2he Dialect of Petosey (Wiltshire) in Transact. of the Philol. Society 1903.

Konsonanten. 133

Schauspielern gepflegt; aber sowohl in diesen wie in andern Kultur- ländern ist dieser Laut, der sich besonders zu sehr lauter Rede eignet und einige Anstrengung erfordert, sich also nicht für die gedämpfte Zimmersprache des modernen zivilisierten Menschen eignet, im Begriff, von weniger lärmenden und leichter produzierbaren Lauten verdrängt zu werden, wobei bald das eine, bald das andere Element des ursprüng- lichen Lautes bewahrt wird.

138. [jl\ Dieselbe Einstellung, nur daß die Zungenspitze nicht in schnurrende Bewegung versetzt wird, sondern Enge von besonderer Form bildet, die in § 35 beschrieben ist (/3g^ oder gegen eine andere benachbarte Stelle). Dies ist der gewöhnliche englische Laut; er findet sich auch als Aussprache der Hauptstadt in Schweden und Norwegen und ist früher in Frankreich verbreitet gewesen; das darf man aus dem Übergang in [z] z. B. in chaise schließen, ebenso wie er im Jersey -Dialekt mit [z] wechselt, und ebenso wie er in der Kristiania -Aussprache, z. B. in gruelig, an [z] erinnert. Nach dem englischen, ziemlich hoch am Munddach liegenden [t] und [d] kommt dieses \x\ nicht selten dazu, dem [J] bezw. [5] zu ähneln, so daß tried an chide und drove an Jove erinnert. Hier ist größere Annäherung als gewöhnlich; dagegen ist häufig größerer Abstand als gewöhnlich beim amerikanischen r, das auch mit der Zungenspitze weiter zurück als das gewöhnliche englische gebildet wird, wodurch die Bewegung hin und zurück leicht langsamer wird und die Ähnlichkeit mit dem schnell geschnurrten [r] verloren geht; ja nicht selten ist von der Zungenspitzenbewegung nur ein ganz schwaches Rückwärts- und Auf- wärtszeigen gegen den Gaumengipfel übrig geblieben, während noch der vorhergehende Vokal andauert, wodurch e in very, America usw. ein [9]-artiges Gepräge erhält.

139. Eine etwas andere Schwächung findet sich ziemlich häufig im Englischen, wo die Zungenspitzenhebung auf ein Minimum be- schränkt wird oder die Zungenspitze sogar im Untermunde ruhen kann (ohne zurückgezogen zu werden), aber wo dann (als eine Art Kompensation?) Lippenrundung hinzutritt («3^), wodurch der Laut («3'' ß zwischen und gf y ungefähr S^dOfl) eine Art nachlässig gebildetes [u] oder [w] wird; vgl. die in englischen Romanen häufigen Schreibweisen wie Twinity, cwied usw., besonders in aristokratischer (drawling) Aussprache. Hierhin gehört auch die häufige Aussprache von pretty als [puti], geschrieben pooty oder putty.

140. [r] Lippen offen. Zungenspitze im Untermunde ruhend (/3„), Zungenrücken gehoben, so daß Enge gebildet wird, gewöhnlich

134 Zweiter Hauptteil: Synthese. Achtes Kapitel

von der eigentümlicilen Form, die in § 49 besclirieben ist, entweder vor dem Zäpfchen, wie gewöhnlich im Deutschen und Französischen (yg^ od. ähnl.), oder hinter demselben, wie gewöhnlich im Dänischen (ysO- Gaumensegel geschlossen, Zäpfchen schwingt (dOß). Stimm- bänder schwingen. Dieser Laut ist nicht so häufig, wie man nach den gewöhnlichen Darstellungen glauben sollte; die meisten, die von sich selbst glauben, daß sie Zäpfchen -r gebrauchen, oder von denen es gesagt wird, werden nur wirkliches Zäpfchenschnurren haben, wenn sie mit besonderem Nachdruck reden, mit dem Bestreben, deutlich zu sprechen, z. B. wenn sie öffentlich reden. In der täglichen Umgangs- sprache ist

141. [k] viel häufiger. Die Einstellung ist dieselbe wie bei [r], nur daß das Zäpfchenschnurren nicht stattfindet. Was die Stelle für die Annäherung der Zunge betrifft, so ist diese beim deutschen und französischen Laut ziemlich weit vorn (ich setze yg^ mit einigem Zweifel), bei dem -dänischen dagegen sehr weit hinten, unterhalb des Zäpfchens (yg^); hiermit steht im Zusammenhang, daß beim Dänischen die im Untermunde ruhende Zungenspitze zurückgezogen ist (/3 g oder /3gf), und daß der Unterkiefer meist mehr als bei dem Deutsch- Französischen gesenkt ist, woraus größerer Abstand sowohl bei den Lippen als bei der Zungenspitze und Yorderzunge folgt; darauf beruht es, daß das dänische r großen Einfluß auf die Nachbarvokale hat, die es abwärts und nach hinten zieht.

Zu den genannten r-Lauten finden sich entsprechende stimmlose Laute (^3), vgl. über sie und ihre Bezeichnung in dem internationalen Alphabet § 85. Über Stimmband-r siehe § 72.

142. Hinsichtlich der r-Laute muß bemerkt werden, daß sie zu denen gehören, die die meisten Variationen aufweisen, nicht nur in den Nationen und Individuen, so daß die Verschiedenheiten sehr häufig gar nicht mit gewöhnlichen Dialektabweichungen in Verbindung stehen imd parallelisiert werden können, sondern auch innerhalb der Sprache eines einzelnen Menschen. Nicht selten wird ein Unterschied gemacht zwischen einem r-Laut vor Vokal und einem andern, dem kein Vokal folgt, so daß der letztere eine oder mehrere Stufen dem ersteren in der Stufenleiter der Schwächung voraus ist, die vom voll entwickelten zungenspitzenschnurrenden [r] zur Vokalisierung oder zum Fortfall des Lautes geht. So in den deutschen Großstädten, wo die Aussprache da Baiina, wie man es mit einiger Übertreibung schreibt, für der Berliner wohlbekannt ist. Am meisten durchgeführt und anerkaimt ist dieser Unter- schied im Englischen, wo wir vor Vokal konsonantisches [j], aber sonst

Konsonanten. 135

(also im Auslaut und vor Konsonant) Schwächung haben, entweder so, daß sich statt r ein Vokal [a] findet, z. B. Inere, pure, there [hie, pjue, Ös-o], vgl. auch cur, mrl, heiter [ka-, ka-l, beta], oder so, daß dies [a] sogar ganz verschwunden ist, was nach den Vokalen [a*] und [o'] der Fall ist, besonders vor Konsonant, z. B. forty [fo'ti], harn [ba'n].^) Die jetzt auch unter Gebildeten verbreitete Aussprache macht source ganz = sauce [so's], court = caught [ko-t], corps pl. = cause [ko-z], arms = alms [a'mz]. Wir erhalten infolgedessen Doppelformen von all den Worten, die früher r gehabt haben, z. B. under a free [Andaj 9 tii'], aber under the tree [Anda Öa tii']; neitJier in nor out [nai^ai in noi aut], aber neither here nor there [nai^a hia no Ös-a], dear aunt [diaj a'nt], aber dear me! [die mi']; far dbove [fa'j a'bAv], aber far helow [fa- bi'lou]; more indeed [rno-i in'di-d], aber more than [mo' ^an]^) usw. Und so ist es leicht erklärlich, daß der Sprechende leicht dazu kommt, ein konsonantisches [i] nach Worten mit denselben Endungen ein- zuschmuggeln, wenn ein Vokal unmittelbar nachfolgt, z. B. an idea{r) of mine [an ai'diaj av main], I didn't see mudi of CMna(r) either [av tjainaj ai&a], a drama{r) of Ibsen, there is tut one flaw(r) in this house. Derartige Einschübe kann man in England jeden Tag, selbst von den Höchstgebildeten hören. ^)

H.

143. Die Einstellung dieses Lautes ist äußerst variabel, indem Lippen, Zungenspitze, Zungenfläche und Gaumensegel fast immer bei der Aussprache des [h] dieselbe Stellung wie für den folgenden Vokal

1) Wo r im Auslaut nach [a*] und [o-] stehen sollte, hört man allerdings eine schwache Modifikation des Lautes wie ein undeutliches [a], z. B. door [do'»], far [fa:e], aber dasselbe schwache [e] findet sich, worauf Sweet aufmerksam macht, auch ganz gewöhnlich, wo nie ein r gestanden hat, z. B. in law [lo', lo'»], mama [ma'ma", me'ma'»].

2) Natürlich findet sich kein [j], wenn auch nur die kleinste Pause zwischen den beiden Worten gemacht wird.

3) Der obenstehende Abschnitt über die r-Laute ist nur ein dürftiger Auszug aus dem 30 Seiten langen entsprechenden Kapitel in der dänischen Phonetik, wo ich ausführlich auf die historischen Verhältnisse eingegangen bin mit einer Widerlegung von Trautmanns auf unbegreiflich loser Grundlage aufgebauter und an inneren Widersprüchen reicher Theorie, nach der das Zäpfchen-r von Frank- reichs Precieusen im 17. Jahrhundert stammt; weiter finden sich dort Unter- suchungen über verschiedene hier nicht besprochene Substitutionen, über den Unterschied der Männer- und Frauensprache, über the Northumbrian burr, über das englische Verschwinden des r und Einschub des r, über Entstehung von neuem r.

136 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

einnehmen; die Stimmbänder sind in Hauchstellung («2, siehe des näheren § 74, 88 ff.). H geht in dieser Fügsamkeit nach der Um- gebung einen Schritt weiter als die andern Konsonanten, und kann es tun, weil das für diesen Laut Charakteristische nicht oben im Munde, sondern im Kehlkopf liegt; hier wird es also noch deutlicher als z. B. bei [1], wo auch der Laut in [ala] von dem in [ulu] und von dem in [ili] verschieden ist, daß jedes unserer alphabetischen Zeichen nicht für einen Laut, sondern für eine ganze Gruppe von Lauten steht.

Neuntes Kapitel.

Vokale.

144. Wie oben angegeben, ist jeder Vokal, vom genetischen Gesichtspunkt aus betrachtet, zusammengesetzt; man vergleiche daher wegen der einzelnen Elemente: § 20 22 (Lippen, a), § 39 (Zungen- spitze, /3), § 52 55 (Zungenfläche, y), § 57, 59 60 (Gaumensegel, 8), § 87 (Stimme, s). Indem man jede einzelne Organstellung auf jedem dieser Gebiete mit jeder einzelnen der andern zusammenstellt, gelangt man zu einer unendlichen Menge Möglichkeiten der Vokalstellung; von diesen gilt es nun, die auszuwählen, die in den uns besonders interessierenden Sprachen vorkommen, oder doch die, welche die größte Rolle in ihnen spielen. Man hat jedoch in der Regel bei den Vokalen sich darauf beschränkt, Typen aufzustellen und sie nach der all- gemeinen Ähnlichkeit der Laute, die ja in der Artikulation begründet ist, in Reihen zu ordnen, aber ohne daß man bestimmt die einzelnen artikulatorischen Elemente auseinander gehalten hat. So sind die meisten Vokalsysteme oder Vokaltafeln entstanden, die unter einander ziemlich nahe verwandt sind, wenngleich die Aufstellungsart sehr verschieden scheinen kann. Alle hier durchzugehen, würde unnützerweise Platz erfordern ^), darum nur einige wenige Bemerkungen.

145, Hellwags System und das danach umgestellte Chladnische (mit den Buchstaben von Rask) sieht so aus:

u ü i a

0 ö e ä ö 88

d . ä o 0 e

a u y i

1) Vgl. Michaelis: Über die Anordnung der Vokale 1881; Trautmann S. 55 ff., am besten (weiter bis zur Gegenwart hinaufgeführt) Victor S, 38—64.

Vokale. 137

Da Hellwags ö dasselbe bedeutet wie Rasks 0, und da Hellwag nur auf Grund fehlender Buchstabentypen den hier mit einem Punkt bezeichneten Platz stehen ließ, während er ausdrücklich anerkennt, daß ein Vokal existiert, der sich zu seinem ö wie a zu 0 oder ä zu e verhält, so ist, wie man sieht, Chladnis System mit dem ersteren identisch; nur stellt Chladni das System auf den Kopf, was unvorteil- haft ist, da die ursprüngliche Aufstellung insofern mit der Wirklichkeit übereinstimmt, als die obersten (hohen) Vokale zu oberst, die mit niedriger Mundstellung gebildeten zu unterst stehen. Die Varianten bei anderen Verfassern bestehen teils im Einschieben mehrerer Zwischenglieder in die Reihen, wobei einige sich von praktischen Rücksichten mit bezug auf die untersuchte Sprache, andere sich von mehr theoretischen Überlegungen leiten ließen, teils in Umstellungen, die in Wirklichkeit keine große Bedeutung haben. Es ist klar, daß

das Dreieck so aufgestellt werden kann: a<^ (Du Bois-Reymond),

u oder daß die beiden äußersten Reihen in Hellwags System wie in einem Fächer niedergeschlagen werden können, so daß die Vokale u 0 ä a 33 e i eine lange Reihe bilden, auf deren Mitte ö 0 y lotrecht zu stehen kommen; wenn wir hier ein Glied ein- schieben zwischen u und 0, eins zwischen e und i und eins zwischen ij und 0, zwei a-Laute unterscheiden und noch eine vierte Reihe hinzu- fügen, die die Zungenstellungen der tt-Reihe und die Lippenstellungen der i-Reihe in gleicher Weise hätte, wie die y-Reihe die Lippenstellungen der ersteren und die Zungenstellungen der letzteren hat, so bekommen wir Winteler-Sievers' Vokalsystem; Trautmauns Aufstellung ist fast ebenso. Man kann natürlich auch die drei Reihen parallel über- einander stellen, wodurch man größere Freiheit bekommt, „Nebenserien" hinzuzufügen; das thun Lyttkens- Wulff,, nur daß sie als den einen Endpunkt nicht u nehmen, das in eine Nebenserie verwiesen wird, sondern das schwedische gj in ho, so daß die Hauptserien folgende werden:

La 8B e i

n. A oe 0 y

HL a 0 o (o,

jede Serie mit vielen (bis zu elf) Zwischenstufen. Endlich kann man ja die Zungenartikulationen als die wichtigsten betrachten und ver- suchen, sie so aufzustellen, daß sie einer schematischen Zeichnung der Mundhöhle eingefügt werden könnten. Die gerundeten Formen kann

138

Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

man dabei in Parenthesen neben die ungerundeten stellen, dann be- kommt man Vietors Aufstellung:

Vordergaumen Hintergaumen

i(y) W

e(0) (o)

a Die sinnreichste Aufstellung des „Vokaldreieckes" ist jedoch Forchhammers^) (s. Abb.) Hier ist das ganze Vokalsystem auf einen länglichen Klotz oder Doppelkubus gesetzt; das Verhältnis der Vokale untereinander wird durch doppelte Striche für eine Lippen- bewegung, einzelne Striche für eine Zungenbewegung vor und zurück,

und durch punktierte Striche für eine Kieferbewegung auf und nieder angedeutet. Hierbei bekommen die einzelnen Vokalgruppen Platz jede -B auf ihrer Klotzfläche (die niedrigen a,

ä (= o), ö (= oe), 86 (= s) auf der dem Zuschauer zugewendeten, die gerun- deten auf der obersten und die Vorder- er zungenvokale auf der linken^) usw. 146. Zuletzt und am ausführ- lichsten bespreche ich nun Beils System, obgleich es historisch be- trachtet älter ist als die meisten der genannten Aufstellungen, von denen manche stark von Bell beeinflußt sind und als Versuche bezeichnet werden müssen, einige von Beils Bestimmungen in dem aus Hellwags Zeit stammenden Rahmen an- zuwenden. Von Bell werden die Vokale eingeteilt:^) nach dem Abstand in

high (h) mid (m) loiv (1), nach dem Vor- oder Zurückschieben der Zunge in

front (f) mixed (x) hacli (b), nach der Form oder dem Spaungrad der Zunge in narrow (n) wide (w).

1) Artikulationslsere , Spezialdruck S. 29.

2) Die selten vorkommenden ungerundeten Hinterzungen vokale (engl, bun, gäl. laogh) auf der in der Zeichnung unsichtbaren Linie links unten außerhalb e und ^, unter o und w.

3) In Parenthesen ( ) füge ich die von mir vorgeschlagene verkürzte Be- zeichnungsweise hinzu.

Vokale.

139

nach der Lippenstellung in

not round (unround, u) round (r). Ein Vokal wie der im französischen si wird also in der Tafel bestimmt sein als high— front narrow (not round), verkürzt geschrieben hfn oder hfau; der Vokal im französischen lune als high-front-narrow- round, hfnr; der im englischen value als high-mixed-wide-round, hxwr, der im englischen law als low-back-narrow-round, Ibnr usw.

Beils Vokaltafeln mit Beispielen nach Sweets neuester Darstellung (1902).

back-narrow

mixed-narrow

front-narrow

back-wide

mixed-wide

front- wide

■,3

hbn

kxn Welsh un

hfn Fr. si

hbw

hxw

hfw E. b,t

1

mbn occ. E. hut

mxn G. Gabe

mfn G. See

mbw E. father

mxw E. better

mfwr E. mcn

^ ^

Ibn Cockney park

Ixn

E. SM-

Ifn E air

Ibw Swed. mat

Ixw Port, cama

Ifw E. man

hbnr G. gut

hxnr Swed. hws

hfnr Fr. -puv

hbwr E. put

hxwr

hfwr

a

mbnr G. so

mxnr

mfnr Fr. -peu

mbwr G. Stock

mxwr

mfwr

^ ^

Ibnr E. law

Ixnr Swed. wpp

Ifnr Fr. pewr

Ibwr E. not

Ixwr

Ifwr

E. = Englisch; Fr. = Französisch; G. = Deutsch; Swed. = Schwedisch.

Das System hat nicht geringen Anhang gefunden und zählt mehr und bessere Namen unter seinen Anhängern als irgend ein anderes; aber es ist auch Gegenstand scharfer Kritik gewesen. Nach meiner Meinung besteht sein Hauptverdienst darin, daß es jeden einzelnen -der bei der Vokalbildung wirkenden Faktoren für sich betrachtet. Aber einzelne Bestimmungen sind von Bell und seinen Nachfolgern nicht glücklich gewählt oder nicht deutlich definiert. Hinsichtlich der Ein- teilung nach dem Abstand kann auf § 53 verwiesen werden; die Ein- teilung in front- mixed- back ist für die beiden äußersten Kategorien (Vorderzungen- und Hinterzungenartikulation) klar genug; aber bei dem Begriff mixed hat Bell sicher anfangs (Vis. Speech 1867) an eine wirkliche „Mischung" gedacht, so daß gleichzeitig Vorder- und Hinter- zunge gehoben wäre. Später (Sounds and their Relations 1 882, Essays and

140 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

Postscripts 1886) hat er sicher eher an ein Zwischending zwischen den beiden Artikulationen gedacht, also an Mittelzungenvokale. ^) Untersucht man die Ausdrücke bei seinen Nachfolgern, so findet man ein ähnliches Schwanken.

Neuerdings hat Sweet (im Maitre Phonetique, Dec. 1901, und in der neuen Ausgabe von seinem Prim er of Phonetics, 1902, S. 14) seine frühere Bestimmung von dem Wesen der mixed-Vokale als auf mittlerer Stellung beruhend dadurch erweitert, daß er als das eigent- lich Charakteristische die Flachheit der ganzen Zunge auffaßt. Eine ähnliche Flachheit sei es aber möglich mit der back-SteUung zu ver- binden, wodurch wir die in-mixed oder back-flat- Vokale erhalten, und schließlich könne man die mittlere Stellung mit der Schräge (the slope) der back- bezw. front -Vokale verbinden zu out-back- und in- front- Vokalen, die aber verschieden sein sollen von den outer-back- und inner-front- Vokalen, bei welchen der Abstand von den normalen back- und front- Vokalen geringer sei. Somit erhält Sweet jetzt außer den 36 Vokalen des ursprünglichen Systems noch weitere 36 Vokale; und viele Laute, die er früher als einfach mixed angesehen hat, werden jetzt auf diese neuen Rubriken verteilt das ganze auf eine Weise, die mir wenigstens gar nicht einleuchtet. Alle diese Umstellungen und Verstellungen sind eben nur dazu geeignet uns zu zeigen, auf wie unsicherem Boden wir uns bei der Bestimmung vieler Vokale bewegen; wir sind noch weit davon entfernt eine objektive, im vollsten Verstände wissenschaftliche Analyse aller der in den wirklichen Sprachen vorkommenden Vokalnuancen vornehmen zu können.

Die dritte Einteilung in narrow (oder wie Bell sie bezeichnete, primary) und wide ist auch umstritten; während einige diese Ein- teilung ganz verwerfen (Trautmann, Techmer) und andere (Sweet, Storm, Sievers) sie ebenfalls als schwierig zu definieren und anzuwenden ansehen, finden noch andere (Lange, Passy) sie einleuchtend und etwas vom besten im Vokalsystem der englischen Schule überhaupt. Nach Bell sollte der Unterschied darin bestehen, daß bei den wide- Vokalen der weiche Gaumen zurückgezogen und der hinterste Mundraum er- weitert ist; das wird von Storm und Sweet bestritten; nach letzterem besteht der Unterschied in der Spannung des Teiles der Zunge, wo der Laut gebildet wird, woraus eine mehr konvexe Form bei narrow als bei wide folgt. Oben in § 52 und § 54 habe ich meine Auffassung klargelegt, die mich dazu geführt hat, die Einteilung in „dünne" und

1) Und vielleiclit ist er wieder zu der ersten Bestimmung zurückgekehrt, siehe Populär Manual of Vocal Fhysiology (1889) S. 47.

Vokale. 141

„breite" Vokale an Stelle der Scheidung der englischen Schule in narrow und wide zu setzen. Was endlich die letzte Einteilung zwischen runden und nicht runden Vokalen betrifft, so ist sie ja unzweideutig genug; aber wir müssen uns doch klar machen, daß es mehrere Rundungsgrade und -formen gibt und daß der Rundungsgrad nicht immer, wie Bell ursprünglich voraussetzte, dem Abstand im Munde entspricht, siehe § 20 ff.

147. Ein Einwand, der oft gegen Beils System erhoben worden ist, betrifft den gradlinigen Charakter desselben; man wird z. B. in einer Reihe wie i e s eine Bewegung haben, die nicht gerade nach unten, sondern zugleich etwas nach hinten geht. Es kann jedoch Bell und Sweet nicht vorgeworfen werden, daß sie auf diese Zurück- schiebung keine Rücksicht genommen hätten. Sie besprechen sie nämlich ausdrücklich; die Uneinigkeit entsteht also erst bei der Not- wendigkeit, die Vokalreihen in schematischer Form zu Papier zu bringen. Was die Hinterzungenvokale betrifft, so ist die Uneinigkeit größer, indem man gewöhnlich voraussetzt, daß die Zunge bei [u] weiter zurück liegt als bei [o] und [o]; vgl. besonders Vietors Auf- stellung (§ 145); aber Bell behauptet das Gegenteil.^) Diese Uneinigkeit erklärt sich teils aus der Schwierigkeit, die Zungenstellung so weit hinten im Munde zu analysieren, teüs daraus, daß Bell von den eng- lischen Vokalen ausgeht; nun liegt aber bei dem englischen [o] in law usw. (low -back -round) die Zunge sicher weiter hinten im Mund als bei den entsprechenden Lauten der meisten anderen Sprachen, weswegen auch die Engländer geneigt sind, den französischen Laut in niort usw. als mixed zu analysieren. Aber ähnliches kommt bei den Vorderzungenvokalen vor; der englische Laut in care liegt sicher weiter hinten im Mund als der französische in eher.

Bei näherer Betrachtung sehen wir also die vollständige Un- möglichkeit ein, ein eigentliches Schema in irgend einer Form auf- zustellen, in dem alle Vokale Platz fänden. Die Bestrebungen, sie in bestimmte, im voraus gegebene Rahmen hineinzupassen, führen leicht dazu, die eine oder die andere Eigentümlichkeit bei ihrer Artikulation zu übersehen. Die systematische Analyse der wirklich vorkommenden Vokale und die Bestimmung ihrer einzelnen Artikulationselemente bleibt doch die Hauptsache, und diese soU hier im folgenden versucht werden. Wenn ich dabei Bellsche Termini gebrauche, wird man es nach dem oben Gesagten nicht so auffassen, als ob ich das System

1) Siehe meine Articulations, S. 20, wo die Vokale nach Beils ursprünglichen Ausdrücken und Zeichnungen in den Mund gezeichnet sind.

142 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

vollständig guthieße; in vielen Fällen enthält eben meine eigene Analyse, besonders so wie sie in den analphabetischen Zeichen ihren Ausdruck findet, eine Kritik der Aufstellungen der englischen Schule. Die Reihenfolge, in der die Vokale folgen, ist: 1) Vorderzungen-, 2) Mittelzungen-, 3) Hinterzungenvokale; innerhalb jeder Klasse werden erst die nahen (hohen) Vokale genommen; die ungerundeten werden vor den gerundeten behandelt, ausgenommen bei den Hinterzungenvokalen, wo die entgegengesetzte Reihenfolge praktischer scheint. Bei den an- alphabetischen Bestimmungen gilt stillschweigend dOel, wo nicht das Entgegengesetzte gesagt ist.

Die Vorderzungenvokale.

148. [i] hfn, ein dünner, hoher Vorderzungenvokal, kommt im Deutschen lang vor in Sie, wie, Wiese, hier, Mythe^) usw. [zr, vi', vi'za, hi-r, mi'ta], kurz nur in schwachen offenen Silben, wo man ihn als Verkürzung des langen Lautes fühlt, so daß der Laut oft halb oder ganz lang ausgesprochen wird, wenn besondere Deutlichkeit er- strebt wird: Militär, Minute, Physik^) [mili'tST, mi'nu-t'e, fi'zi'k]. Der Vokal ist allgemein im Dänischen, Norwegischen und Schwedischen. Stellung: Die Lippen spaltförmig, die Zungenspitze bei den Unter- zähnen, die Vorderzunge gegen den harten Gaumen gehoben; an- alphabetisch 0:4'^, häufig auch 6^ u. dergl.; ße, yd^. Der französische Laut, lang in dire, disent, tige [di-r, di'z, ti'3], halblang in dirai, dix Jieures [di.re, di.zce-r], kurz in fini, dit, la vie, ami = amie [fini, di, la vi, ami], klingt oft schärfer als in den erstgenannten Sprachen; das kann teils darauf beruhen, daß die Lippenstellung o;4'' bestimmter inne gehalten wird, teils darauf, daß die Zunge weiter vorn ist (y3^^ oder sogar 3^^). In einem alleinstehenden oui hört man jedoch oft ein weniger reines [i], das an [e] erinnern kann, besonders wenn es einräumend etwas unwillig gesprochen wird (= je veux bien, je ne dis pas non und ähnl.), möglicherweise «6^ ^35^.

[i] hfw, breiter, hoher Vorderzungenvokal, tritt in mehreren Variationen auf, die nicht leicht zu unterscheiden sind. Im Deutschen ist es der gewöhnliche Laut des kurzen i, z. B. bitte, mit, wirken, Kirche, nicht, Schiller [bita, mit, virkn, kir99, ni9t, Jilsr], auch in schwachen geschlossenen Silben wie Praxis, praktisch [praksis, praktij], analphabetisch «4^ oder 6^ ße y4^. Das englische kurze i in bit,

1) Viele finden es jetzt richtiger, in griechischen Wörtern [y] auszusprechen, aber man hört außerordentlich häufig [i].

Vokale. 143

in, mid, fix, fish usw. [bit, in, mid, fiks, fij] ist vielleicht durch- schnittlich ein klein wenig gesenkt im Yergleicli mit dem deutschen Laut; noch tiefer ist der Laut in schwachen Silben wie lucky, fishes, landed [Uki, fijiz, Isendid] y46» oder ^^-^ in Wörtern wie püy, steady liegt der Schlußlaut zwischen den Vokalen der beiden Anfangssilben. Das englische „lange i" in Wörtern wie sea, seed, seat usw. ist ein Diphthong; es fängt mit [i] an und gleitet höher und höher solange der Laut dauert, wobei der Schlußpunkt häufiger [i] als [j] zu sein scheint; die genannten Wörter werden [si.i., si.id, siit] ausgesprochen. Vor [a] findet man dies Aufwärtsgleiten nicht, wir haben entweder ein halblanges oder ein kurzes [i] vor [e] in dear, feared [di.a, fi.ad]; über here vgl. § 94. In der praktischen Lautschrift tut man am besten, überall (für deutsch und englisch) das Zeichen [i] zu benutzen, indem man ein für allemal auf seinen wechselnden Wert aufmerksam macht, also deutsch zu schreiben [bitg, praksis]; englisch [bit, Liki, fijiz, laendid; si', si'd, si't, dia] usw.

149. [y] hfnr, dünner, hoher, runder Vorderzungenvokal, ist im allgemeinen als ein gerundetes [i] zu betrachten, doch passen die Lippen- und die Zungenstellung nicht immer genau zueinander, so daß mehrere geneigt scheinen, bei [y] die Zunge tiefer zu haben als bei [i].^) Im Deutschen kommt langes [y] vor z. B. in über, TiüJin, hüte [ybar, kyn, hyta]; kurz oder halblang in verkürzten schwachen Silben wie amüsieren [amyQ'zi'm] (vgl. über das geschriebene y § 148). Französisch lang in pur, stir,- anmse, juge [pyr, syr, amyz, ^y^], halblang in amuser [amy.ze], kurz in pu, lutte, lune, sur la terre [py, lyt, lyn, syrlatS'r]. Die kleinen Unterschiede, die zwischen den [y]-Lauten dieser Sprache bestehen, können vielleicht analphabetisch so angegeben werden: deutsch a35^* ^35^; französisch «3* y3^^ oder 35^^. Im Dänischen ist das [y] gewöhnlich, sowohl kurz als auch lang; im Schwedischen findet sich eine Varietät in ny usw. mit eigentümlicher Lippenform (aö**).

[y] hfwr, breiter, hoher, runder Vorderzungenvokal, verhält sich zu [y] wie [i] zu [i]. Im Deutschen ist der gewöhnliche kurze Laut das geschriebene ü, z. B. Hütte, Schürte, Sünde [hvto, Jvrtsa, zvnde], nicht selten hört man ihn auch für das geschriebene i, besonders bei den Lippenkonsonanten und [J]: [Ymar, vYrke, fyj] immer, wirlce.

1) So betrachtet Sievers das deutsche [y] als ein rundes [e] (vgl. Helm- holtz 175, Bremer 143), wogegen jedoch der Umstand spricht, daß die Dialekte, wo die Lippenrundung fehlt, [i] statt ü haben, vgl. § 22.

144 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

Fisch; in einer praktischen Lautschrift schreibt man am besten [y]: [hyta] usw. Analphabetisch «3^^ /3e y etwa 4^.

150. [e] mfn, dünner, mittlerer Vorderzungenvokal, «6^ /3e yö»^ oder 5^. Das deutsche lange [e] in Reden, See, gehn [re'dn, ze*, ge-n] usw., verkürzt in Genie, Theater [ge'ni-, te'a-tar]; das franzö- sische kurze (am ehesten y5^) in ete, cafe, penetrer [ete, kafe, penetre); der Laut war lang in der jetzt veralteten Aussprache von fee, donnee usw., wo er jetzt gekürzt ist [fe, done], so daß er höchstens halblang vorkommt in der zweitletzten Silbe von Wörtern wie feerie = ferie [fe.ri], re'sine [re.zin]. Das dänische [e] nähert sich dem [i] etwas mehr als das deutsche und französische.

[e] mfw, der entsprechende breite Laut, aß^ ße yß^^. Im Deutschen findet man das [e] häufig in „geschlossenen Silben'', z. B. in Bett, hesser, Fest, Männer, Fälle [bet, beser, fest, menor, fela], wo man je- doch auch [s] hören kann; in einer praktischen Lautschrift kann man sich damit begnügen [e] zu schreiben; [bet, beser] usw., da sich in solchen Silben kein anderes kurzes [e] findet. Im Englischen ist das [e] der gewöhnliche kurze e-Laut in let, hetter, men, said, hed, heg, in der praktischen Lautschrift einfachheitshalber mit einem gewöhn- lichen e bezeichnet [let = let, beta, men, sed, bed, heg], lang nur gelegentlich in Wörtern wie hed, heg, yes, vgl. unten Quantität, [e] ist ferner das erste Glied des Diphthongs in ale, lote, say, same usw. [hJ.1, leit, se.i., se.i.m], in der praktischen Lautschrift [eil, leit, sei, seim]. Man muß sich hier hüten, einerseits einen Monophthong zu sprechen, so daß das Hinaufgleiten mit dem i-artigen Schluß wegfällt, andererseits mit einem zu ofi'enen Vokal anzufangen, wodurch man sich der vulgären Londoner Aussprache nähert', in der day wie das gebildete die klingt usw. Im Französischen findet sich der Laut nicht in starken Silben, aber oft in der zweitletzten Silbe von Wörtern wie maison, aimer, me'decin [me(.)z5, eQme, metss], ebenso in kleinen Wörtern wie les, mes, tes, z. B. in les hommes, mes amies, tes livres. In diesen Fällen schwankt man jedoch stark; so hört man bald ganz oder fast dünnes [e], bald einen Laut, der sich mehr dem [s] nähert oder sogar [s] selbst. In einer praktischen Lautschrift kann man nach Belieben [s]: [Iszom] usw. oder [e]: [lezom] schreiben.

151. [0] mfnr, dünner mittlerer runder Yorderzungenvokal, ist ein gerundetes [e]. Normal im Französischen, lang in z. B. creuse, honteuse, neutre, jeüne [kr0'z, 5t0'z, n0'tr, 50'n], kurz z. B. in peu, voeu [p0, v0], analphabetisch «5^'' y5^'' oder 5^. Dagegen scheint mir der deutsche Laut meistens, wenn nicht immer, sich vom französischen

Vokale. 145

dadurch zu unterscheiden, daß er größeren Zungenabstand hat (yöT^^), lang in Höhe, Höhle, schön, BedaUeur [h0'a, h0i8, J0'n, redak't0'r], so daß letzteres zwischen der dänischen Aussprache [-0''r] und der französischen [-ce'r] liegt; kurz findet man den Laut im Deutschen nicht, ausgenommen vielleicht bei Verkürzungen in Fällen wie höotisch [b0Q'o'tiJ]. Im Dänischen findet sich [0] kurz und lang in mehreren Varietäten.

[0] mfwr, breiter, mittlerer, runder Vorderzungenvokal, ein ge- rundetes [e], ist die gewöhnliche Aussprache des kurzen ö im Deutschen^ z. B. Götter, Völker, öffne, Mönch [g0t8r, f0lkar, hind, m0nc], in praktischer Lautschrift [0] oder [oe]. Analphabetisch «5 oder l^^yQ^^. Das französische „schwache^) e" [9] steht diesem Laut sehr nahe, jedoch mit nicht geringen Schwankungen; als eine nicht ungewöhn- liche Bildung kann wohl die Lippenstellung wie bei peur (al^^) aber Zungenstellung wie bei peu (y5^^) hingestellt werden, doch so, daß auch yQ vorkommt. Wenn ein Wort wie le u. ähnl. ausnahmsweise starken Druck hat, setzen einige [0], andere [oe] für das [9] ein. Die Anwendung des Lautes fordert eine etwas nähere Besprechung. Am Schlüsse eines Satzes, wo man ihn früher immer in den Fällen ein- setzte, wo in der Schrift ein -e steht, stimmt die Aussprache jetzt absolut nicht mehr mit der Schrift überein, so daß es in der Regel auf zufälligen Umständen (auf dem Vorrat an Atem in den Lungen des Betreffenden usw.) zu beruhen scheint, ob [9] mitkommt oder nicht. Wörter wie table, quatre haben entweder [9] und dann sind [1] und [r] stimmhaft, oder und das ist wohl das häufigste sie haben [9] nicht, und dann sind [1] und [r] stimmlos oder fallen ganz weg.^) Das Schluß-[9] hört man ebenso gut in il wie in eile; Sarah Bernhardt fragte [ustil9]^) est-il? und im Theätre fran^ais wurde der Name Max in La souris ebenso oft [maks9] wie [maks] aus- gesprochen; andere Fälle sind factotum, positif, fauteuil [faktotoma, pozitifa, fotce'jg]; bei einer Coquelin- Vorstellung in Kopenhagen notierte ich: Duval oft [dyvab], Infinitiv auf -ir (im Vers) oft [-i'rg]; Monsieur un tel [tslg] Pause ecrivit hier au soir un sixain ä Mademoiselle

1) Oder das „weibliche" e; in einigen Schulgrammatiken wunderbarerweise das „stumme" e genannt. Das Lautschriftzeichen [a] hat in den verschiedenen Sprachen einen verschiedenen Wert, was theoretisch bedenklich ist, in der Praxis sich aber verteidigen läßt.

2) Nach Yokal hört man heute in der französischen Eeichssprache kein [9]; ami und amie, nu und nue, donne und donnee lauten gleich.

3) Die natürliche Umgangssprache würde sein: [ueti, wetij.

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 10

146 Zweiter Hanptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

une teile [tsl]. Besonders belehrend in dieser Hinsicht ist die Kinder- sprache wegen der vielen Wiederholungen; so hörte ich ein spielendes Kind einmal nach dem andern die Worte wiederholen: capitaine, colonel, sei, seule, locomotive und zwar so, daß sie bald auf [e] endeten, bald nicht; ein anderes Kind sagte: c^est tres stupide [stypid]; c^est horriblement stupide [stypide]. Das auslautende [a] gehört, wie ich schon einmal bemerkt habe^), in solchen Fällen ebensowenig zur Sprache wie das mehr oder weniger gerundete [9], das ein Deutscher oft an das und hängt, wenn er nicht recht weiß, was er sagen soll. Im Satzinlaut hat das [e] wesentlich den Zweck, zu starke Kon- sonantenzusammenstöße zu verhindern; darum ist es da feststehend, wo ein e von drei oder mehreren Konsonanten umgeben ist, z. B. Grenohle, crevier, hretelle, justement, quatre-vingt, plusqueparfait, timbre-poste, carte blanche, triste figure [granoble, krave, hrstsl, ^ystama, katravs, plyskaparfs, ts'bropost, kartebla-/, tristafigyr], auch da, wo kein e ge- schrieben wird, so habe ich gehört [la nsrfodlstrig, larkadtrio'f, moersafrass'z] le nerp) de Vintrigue, Varc de triomphe, moeurs frangaises^), ferner posttonique [postotonik], Ernest Renan [srnsstoma], Alfred vient [alfrsdavjl]. Beyer nennt Felix Faure [feliksafo'r], ours hrun [ursabrce].^) Es iSt klar, daß wir hierbei einige Doppelformen je nach der Umgebung bekommen; es heißt z. B. tu refuses [tyrfyz], aber eUe refuse [slrafyz], la demande [ladma-d], aber une demande [yndamu'd]; la petite [laptit], aber chere petite [Jsrpatit], un cheval [ÖBfval], aber notre cheval [notjaval] oder [notrafval].^) Neben dem alltäglichen [irfyz] il refuse findet man auch die feierlichere Form mit [1], wo dann auch [a] mit muß: [ilrafyz]; sur le pont [syrlapS] wird in der alltäglichen Sprache zu [sylpS], parce que [parsak(a)] zu [pask(o)]. Be- sondere Aufmerksamkeit verdienen die kleinen Wörter je, nie, te, le usw., deren [9] in der Regel nur da zu hören ist, wo sonst drei Konsonanten zusammenkommmen würden, z. B. sans le sou [solsu], vers le sud [vs.rlasyd], vient de honne heure [vjSdbonoe'r], arrive de bonne heure

1) Phon. St. n (1888) 92.

2) Gewöhnlich wohl [nS'r].

3) Von mir genannt Artic. S. 78, seitdem haben sich mehrere Phonetiker dieser Beispiele bedient.

4) Französ. Phon. * 1897, S. 170.

5) Hierauf beruht eine sehr drollige volkstümliche Neubildung; da man die Flexion hecqueter [bekte]: je bequette usw. hat, so bildet man zu respecter [respekte] ein neues Präs. je respequette (La lanterne de Boquillon), s. .Tespersen, Parisisk vulgsersprog (Kopenh, philol. Gesellsch. 1884 5 p. 97).

Vokale. 147

[ari'vdabonce'r], tout ce que je dis [tuskajdi], tu nie le demandes [tymledmcL'd], notis ne te le demandons pas [nuntaldainddopa] usw.

152. [s] Ifn, dünner niedriger Vorderzungen vokal; es finden sich mehrere verschiedene Schattierungen. Der lange deutsche Laut in ähnlich, tätig, er, Käfig schwankt sehr. Häufig hört man denselben Laut wie das dänische lange s, das nicht ausgeprägt niedrig ist, an- alphabetisch etwa «86^ ßei j/75'* [s-nlic, ts-tic, s-r, ks'fic], aber in Norddeutschland ist auch die Aussprache mit [e*] ganz gewöhnlich, [e'nlic, te'tic] usw., indem die Vereinfachung eingetreten ist, daß jedes lange e oder ä zum geschlossenen [e-], jedes kurze zum offenen [s] oder [e] wird, ebenso wie das Verhältnis bei * und u ist; doch setzen manche den Laut vor r, z. B. in Ehre = Ähre [e're] oder [s'ra]. Dagegen wird in Mittel- und Süddeutschland zum Teil der alte Unter- schied, nach welchem das Umlaut- e (z. B. Fälle, regen [Verb]) ge- schlossen, das andere e (z. B. Felle, Regen [Subst.]) offen ist, noch festgehalten, (jedoch mit ziemlichem Schwanken je nach der Gegend und je nach den folgenden Konsonanten.^) Bei diesem Wirrwarr gibt es viele, die eine Regulierung des langen Lauts nach der Recht- schreibung vorziehen, also Ehre [e're] und Ähre [s'ra] scheiden, aber beide Wörter Begen mit [e-] aussprechen.

Der französische Laut ist ausgeprägt niedrig und im wesent- lichen gleich ob lang oder kurz, z. B. in fete, fer = faire, pere = perd = paire, pese, rene = reine [fs-t, fs-r, ps-r, ps'z, rs-n] und in dette, perdent, messe, renne = Bennes, celle = sei [dst, psrd, mss, rsn, ssl], analphabetisch o;8^ ße yl«^^ öO. Der französische Nasallaut, lang in feinte, quinze [fs-t, ks-z], kurz in pain, vin, bien [ps^ vs, bjl] usw. hat etwas größeren Zungenabstand: aS^'/SeylS«^ (oder 8) d3, aber im Herüberziehen wie in hien-aime wird weder das Gaumensegel (siehe § 60) noch die Zunge so sehr gesenkt, so daß wir a 8 6^ y 7 5«^ (?6) S 2 bekommen. Im Englischen findet sich ein entsprechender [s]-Laut nur vor einem ursprünglichen r, z. B. in air, there = their^), fare = fair, fairy [s'o, ös-e, fs-a, fs'^'ri]; im allgemeinen scheint er unwesentlich offener zu sein als der französische und etwas mehr zurückgezogen:

1) Siehe Trautmann 257 ff. 918—926) und 261 ff. 931— 938b), Vietor, Elem. S. 112—14 und seine Beitr. zur Statistik der Aussprache des Schrift- deutschen, (eine Reihe von Artikeln in Ph. St.), Siebs, Deutsche Bühnenausspr. S. 36 ff.

2) Ich habe Amerikaner getroffen, welche tJiere mit mehr offenem und their mit mehr geschlossenem Laut unterschieden (y78 und y75); von diesem Unter- schied spricht Grandgent uicht, so daß er vielleicht nicht weit verbreitet ist.

10*

148 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

aH^ ßet ylS^. Das italienische e in hello, ecco kommt mir gerade so vor wie das französische in helle, aber Storm hält es für offener. Das holländische e, besonders vor l, wie in Delft, Geldern, ist noch offener und erinnert vielfach an englisch [as].

[aß] Ifw, breiter, niedriger Vorderzungenvokal, oder wenn man hier den Begriff „breit" nicht anerkennen will, extraniedrig. Mehrere nahverwandte Laute. Das englische kurze a in man, Jiad, hat, rat [msen, haed, hast, raet], das ziemlich weit vorn im Munde gebildet wird (yS^ oder möglicherweise sogar yS^^), ist der typische Ifw- Vokal. Das schwedische lära und norwegische leere liegen zwischen dem französischen pere und dem englischen man, «8^ ylS^^ oder SV'^?-^ das dänische kurze [ae] bei r, z. B. rest, Icerice liegt dem englischen näher, wird also weiter hinten gebildet: yS^.

133. [oe] entsteht bei der Rundung des [s], Ifnr, dünner niedriger runder Vorderzungenvokal; man findet ihn im Französischen lang in peur, neuve, ceü [pce-r, uoe'v, oe-j], kurz in seul, neuf, peuple [soel, noef, pcepl], a7*^ ße yl^^] das nasale [öe] in Jmmble, emprunte [öe'bl, apröe't] und un, defunt [öe, deföe] usw. ist ein gerundetes [s] und hat denselben Zungenab stand: al^^ yl^'^^ (oder 8) d3; beim Herüber- ziehen^), wie in un homme [öenom] «75^* ylb^^ (?6) d2; ferner ist zu bemerken, daß nicht wenige geneigt sind [öe] zu entrunden, so daß es fast mit [s] zusammenfällt, was durch die Schreibweisen chaquin für chacun und ähnl.^) angedeutet wird. Im Dänischen finden sich mehrere [(]e]-artige Laute, ebenso im Norwegischen und Schwedischen, s. meine dän. Fonetik S. 462.

Mittelzungenvokale.

154. Als typisches Beispiel für den dünnen hohen Mittel- zungenvokal (hxn) wird in der Regel das russische „jery" genannt, das so viel weiter hinten im Munde als die im nächsten Paragraphen behandelten Mittelzungenvokale gebildet wird', daß man wohl am richtigsten täte, es als einen vorgeschobenen Hinterzungen vokal zu betrachten; vgl. unten § 158 über norwegisches ?*. Der Laut wird mit dem russischen Buchstaben u bezeichnet und in der Umschreibung durch lateinische Buchstaben gewöhnlich durch y wiedergegeben, z. B. im Schlußlaut des Namens des Buchstaben, ferner in tp „du", hyi „(er) war" usw.; Lautschrift [i]: [ti, bii], analphabetisch

1) Insofern der Nasallaut überhaupt eintritt, vgl. § 60.

2) Legouvö, L'art de la lecture 62; Ph. St. 1192.

Vokale. 149

a4*'/3fy3' oder *^; vgl. Storm S. 268. Im Walliesischen und Portu- giesischen findet Sweet [i] in Wörtern wie Mchel, desejoso, nach seiner Beschreibung verschieden als («4) y3^ bezw. 3\

155. [ej ist der mittelhohe Mittelzungenvokal, vom [e] dadurch verschieden, daß die Yorderzunge nicht gehoben und die ganze Arti- kulation weniger ausgeprägt ist: man entfernt sich beim [e] entweder gar nicht oder doch nur wenig aus der natürlichen Ruhestellung, was man u. a. sehen kann, wenn man beobachtet, wie natürlich es ist, nach [ale] alle ganz dieselbe Zungenstellung zum ruhigen Einatmen beizubehalten, während man es als Zwang empfinden würde, die Zungenstellung beizubehalten, mit der man [a'le-] Allee abschließt. Der höchste Teil der Zungenfläche zeigt gegen die Gaumenspitze :h; der Abstand ist in der Regel wie beim [e]; die Lippenöffnung nicht ausgeprägt spaltförmig; das Gaumensegel ist nicht so energisch ge- hoben wie sonst bei nichtnasalen Vokalen, wodurch wir (s. § 57 Schluß) nicht selten eine minimale Öffnung für die Luft zur Nase hin be- kommen; endlich haben wir „Murmelstimme" 108); die ganze Formel wird also a65^ /3fe oder ähnl. yb^ dOl oder 1 al gl. [e] ist das deutsche e in schwachen Silben, in der gewöhnlichen Lautschrift ebenso wie die ähnlichen Laute in anderen Sprachen als [o] umschrieben. Aber es gibt in Wirklichkeit mehrere Schattierungen des Lautes. Zunächst wird man in sehr feierlicher Rede den Laut dem [e] oder [e] nähern, z. B. liebe [li'be] für gewöhnliches [li'be], liehen [li'ben] für gewöhnliches [li'ben, li'bn, li'bm]. Zweitens bekommt in der Umgangssprache die Umgebung des Lautes großen Einfluß auf seine Artikulation und seinen Klang; vor einem s wird er mit geringerem Zungenabstand gebildet werden, z. B. in liebes, wobei er sich dem [i] nähert; nach runden Vokalen, z. B. in Schule, Kohle behält er leicht etwas von der Lippenrundung und nähert sich dadurch dem [0]; vor einem Konsonant wird er wohl meistens breit sein, z. B. Gabel.^) Der Ausfall des [o] findet fast regelmäßig statt vor [1, n]^) nach Zungenspitzlauten z. B. Fistel, Adel, Esel, hatten, festen, baden, hassen [fistl, 'ü'dl, 'e-zl, hatn, festn, bü'dn, hasn], oft auch, nach anderen Kon- sonanten, wo n dann häufig assimiliert wird, z. B. Übel, Ekel, haben, Lippen, trinJcen ['j'hl, 'e-kl, ha-bn, ha-bm, lipn, lipm, trirjkn, trirjki)], auch liegen [li'gn, li'gi)] falls das g mit Verschluß gesprochen wird.

1) Über Variationen des [9] s. bes. Trautmann § 984 ff.

2) Vor [n] wird von Gebildeten oft [a] ausgesprochen in den Gegenden, wo in der Volkssprache das [n] fortgefallen ist, s. Trautmann § 985.

150 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

156. Im Englischen findet sich ein [a], wie es gewöhnlich umschrieben wird, in vielen Fällen, wo die Schrift verschiedene Vokale oder r hat; der Laut ist gewöhnlich offener als das dänische oder deutsche [e = e] und hat sicher die Zunge weiter hinten im Munde, vielleicht o;6^ j8fg 76'^. Beispiele: iäea, Jiere, heiter, heggar, heggar s, heggareä, honour [ai'di(')8, hia, bete, bega, begez, beged, ong]. In einigen Fällen, wo die Phonetiker auch mit [o] umschreiben, geht die Zunge jedoch nicht so weit hinunter wie hier, und das Granze wird nur ein vokalischer Gleitlaut, so kurz wie möglich und ohne feste Organ- steUung^); ich bezeichne diesen Laut in diesem Paragraphen mit einem kleinen ® oben, trage aber sonst kein Bedenken, [a] auch für diesen Laut zu verwenden, z. B. to-day, to sit, possess, suppose, the day, commit [f'dei, t^'sit, p^'zes, s^'pouz, Ö^'dei, k^'mit]. Indem der Vokal hier in der hastigen Aussprache sogar ganz verschwindet, kommt der Anfang von z. B. police, collect, career, correct, to ride, peramhulator, perhaps [p('')'li'S, k(^)'lekt, k(®)'ri-8, k(«)'rekt, p(«)'r8ßmbjuleit8, p(«)'r8eps] dazu, an den Anfang von please, clash, cry, tried, pranlc zu erinnern, von dem er sich jedoch dadurch unterscheidet, daß der zweite Kon- sonant stimmhaft ist (vgl. § 96); in derselben Weise haben die Eng- länder bei schneller Aussprache von connect [k(8)'nekt] etwas, das sich sehr der Anlautverbindung in dem deutschen Knecht nähert, die ihnen sonst so große Schwierigkeiten bereitet. Nach der Drucksilbe findet sich dieses [«] z. B. in comfort, Norfolk, eqiial [kAmf^t, nd'f% i'kw^l], doch hört man hier wohl auch das vollere, mehr gesenkte [o]. Zwischen [t] oder [d] und [n] nach der Drucksilbe steht normal kein [9]^), z. B. mutton, Eton, Lytton, Snowdon, leaden [mAtn, i'tn, litn, snoudn, ledn], ausgenommen wo ein oder mehrere Konsonanten dem [t], [d] vorausgehen: Gladstone, Brixton, Parlcestone, instance, tendency, correspondent [glsedst^n, brikst^n, pa-kst^n, inst^ns, tend^nsi, kori'spon- d^nt]. Ob man [®n] oder [n] nach [k] und [s] und in mehreren anderen Verbindungen schreiben wiU, ist eigentlich Geschmacksache, man hört nicht viel von einem Vokal, also accent (Subst.), hacon, animal, I shall do [asks(«)nt, beik('')n, 8enim(^)l, aij(^)ldu-]; zwischen [/] und [n] ist dagegen der Vokal etwas deutlicher: nation [neipn].^)

1) Vgl. über die Stimmverhältnisse § 97 Schluß. Auch im Deutschen ist wohl ein ähnlicher, doch nicht so großer Unterschied vorhanden, man vergleiche z. B. die erste und die letzte Silbe von bezahle, geringe, etwa [ba'tsa-la, ga'riije].

2) Vgl. mit [1] iiddle, Jcettle [fidl, ketl].

3) Auch beim [r] kann es in manchen Verbindungen schwer fallen fest- zustellen, ob diese unbedeutende Öffnung zwischen einem vorangehenden Vokal

Vokale. 151

[ä] (Ixn), dünner niedriger Mittelzungenvokal, ist der englische Laut in fir = für, bird, her, heard, in praktischer Lautschrift [a'] : [fe-, bo'd, ha-, h9'd]. Der Laut erinnert etwas an [oe], aber er unterscheidet sich von diesem durch die spaltförmige Lippenöffnung ^) und durch mehr zurückgezogene Zunge; diese liegt ziemlich flach unten im Munde, aber wenn ein Teil derselben gehoben ist, so ist es hier wie beim [e] eher die Mittelzunge als die Vorderzunge; die ganze Stellung wird etwa bestimmt durch a'^^ ßigyV^. Der Unterschied zwischen einem Laut mit geringerem Abstand, wo ein -ir zugrunde liegt, und einem mit größerem Abstand von ursprünglichem -ur, also zwischen fir und für wird heute nur noch von der Minderzahl der Engländer gemacht.^) Die Zungenspitze ist nicht selten ganz schwach gehoben, selbst bei denen, die sie nicht heben in Fällen wie harn, four.

157. [ü] (hxnr). Hoher runder Mittelzungenvokal. Der lange schwedische u-Laut in hus, nu usw., der gewöhnlich als normales [ü] angegeben wird, ist nach meiner Meinung nicht immer ausgeprägt hoch und liegt für unser Ohr oft ebenso nahe bei [0] wie bei [y], analphabetisch a3^^j3efy3^ oder 5^ Der norwegische Laut in ent- sprechenden Wörtern muß dagegen am besten als ein vorgeschobenes [u] angesehen werden (ein Zwischending zwischen [u] und [ü]), und scheint immer hoch zu sein, a3^*/3f 78^ Im Englischen sind auch vorgeschobene Variationen von [u] ganz gewöhnlich, teils, wie Sweet und Storm hervorgehoben haben, in schwachen Silben wie value, July [vaelju, d^u'lai], wo wohl alle Engländer es haben, teils auch weit verbreitet in starken Silben nach einem [j] z. B. in netv, due, Tuesday, pecuUar, purity, during [nju-, dju*, tju'zdi, pi'kjuija, pju.eriti, dju.arii)] und ähnlich, wo der Laut, ausgenommen vor [e], wie andere lange englische Vokale mehr oder weniger ausgeprägt diphthongisch ist, indem die Zunge von einer niedrigeren Stellung nach oben gleitet. Diesen Laut haben dieselben Engländer in der Regel auch in den Fällen, wo ein [j] früher gesprochen wurde, aber jetzt ausgefallen ist,

und [r] eintritt, die genügt, den Eindruck einer neuen Silbe und damit des [a] hervorzurufen. Die Silbenzahl von every , delivery, misery, history , desperate, honourahle, several, general, wandering [ev(9)ri, diiliv(9)ri, iniz(9)ri, lii8t(9)ri, desp(9)rit, on(9)r8bl, sev(9)r8l, d3en(0)r8l, wond(9)rir)] ist in der poetischen und Ijrosaischen Aussprache seit mehreren Jahrhunderten schwankend. Da der Unter- schied so klein ist, so ist wahrhaftig kein Grund vorhanden, viel Aufhebens aus dem Umstand zu machen, daß Sweet in Übereinstimmung mit einer faktisch nicht seltenen Aussprache mnbrella als [Amba'rela] d. h. [Amba'rele] umschreibt.

1) Obgleich man allerdings Engländer treffen kann, die sie sichtbar runden.

2) S. Storm 456 mit Hinweisen.

152 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

z. B. in hlew == Uue, true, aucli in superior, suit, chew, choose, Jew.^) Dagegen ist es vulgär (cockney), diesen vorgeschobenen [u]-Laut in Fällen wie two, too zu brauchen. Auch im Französischen hört man, aber gewiß viel seltener, eine vorgeschobene Variation des [u] (hier wohl immer dünn, y3'), so nach Brekke in dem tout-de-suite der Kellner, was ich bestätigen kann.

Hinterzungenvokale.

158. Hier wii-d es zweckmäßig sein, die gerundeten Vokale zuerst zu nehmen, da sie in den Sprachen am meisten vertreten sind.

[u] hbnr, dünner, hoher, runder Hinterzungenvokal, im Deutschen lang in du, gut, HuJm [du', gu't, huii] usw., kurz nur in der Ver- kürzung des langen Lautes, wie in du Mst, purist, musiJidlisch [du bist, pu'rist, muQzika'liJ] ; im Französischen lang in tour, rouge, jour, pelouse [tu-r, ru'g, gu-r, p(9)lu'z] usw., kurz in tout, toute, pousse = pouce [tu, tut, pus] usw. Wenn zwischen diesen Lauten ein Unterschied besteht, so sucht man ihn am besten in der mehr energischen französischen Lippenrundung o;3'*, während das Deutsche und das Dänische a3*^ oder 3^* haben. Die Zungenstellung scheint in allen drei Sprachen gleich, |3g y3J zu sein.

[u] bezeichnet den dazu gehörigen breiten Vokal, hbwr; im Deutschen das gewöhnliche kurze u in geschlossenen Silben: Hund, Mutter, Kuß, dummer Junge, auch in schwachen Silben: Julius; in der praktischen Lautschrift kann man [u] schreiben: [hunt, muter, kus, dumer juija, ju'lius]. Im Englischen kurz in put, pull, foot, iooJc, wo man ebenfalls in der Praxis [u] schreiben kann: [put, pul, fut, buk]. Der englische lange Laut in pool, too = two, food, slioot, in praktischer Lautschrift [pu'l, tu-, fu'd, Ju't] ist in ähnlicher Weise wie das [i'] ein Diphthong mit Hinaufgleiten, mit [u] anfangend, und mit [u], bisweilen vielleicht sogar mit [w] endigend. Vor [e] findet sich kein Hinauf gleiten, und [u] ist dann nicht ganz lang, sondern in der Regel halblang oder auch kurz: poor, sure [pu8, Juo] usw.; nicht selten zieht das [e] den Laut herab, so daß man [o] oder sogar einen fernen Vokal [o] an Stelle des [u] bekommt; das ist besonders der FaU bei den Wörtern your und sure, die man sehr häufig, selbst

1) In curious hört man oft fast ganz [y]; Sweet umschreibt es [kjuarias] und spricht es bei langsamem Sprechen wohl auch so; bei schnellem Sprechen habe ich ihn mehrmals sagen hören: [kyries] oder doch fast so. Über sure, your, pure, s. § 158.

Vokale. 153

von Gebildeten, [jo'a, Jb'9] aussprechen hört, auf four^) reimend; in Wörtern wie pure, eure gehen Gebildete wohl kaum unter [o] (wie das erste Glied des Diphthongs in so) herab: [pjo.9]; dagegen findet man häufiger das Vorziehen, wo ein [r] folgt, wie in puritt/, curious (vgl, § 157), und das Herunterziehen ist sicher vulgär in poor u. ähnl., wo kein [j] vorhergeht oder früher vorhergegangen ist.^) Die an- alphabetische Formel des [u] ist ßiS**^ (oder 35) /3 g y4:K Nahe ver- wandt mit [u] ist das schwedisch-norwegische 0 in sol, io, während der dänische Laut in denselben Wörtern nahe bei [0] liegt. ^)

159. [o] mbnr, unterscheidet sich vom [u] durch größeren Abstand sowohl bei den Lippen als drinnen im Munde, analphabetisch ab yöK Beispiele im Deutschen: so, Sohn, Kohle, Hose [zo', zo'n, koia, ro'Z9], verkürzt in phonetisch, Sophia, solid u. a. [fo(.)'netiJ, zo(.)'fi'a, zo(.)'li't]. Vor r senkt man es nicht selten, so daß in vor fast ein [o]-artiger Laut entsteht. Im Französischen ist [0] lang in rose, chose, fausse, tröne, cöte [ro'z, Jb'z, fo's, tro'n, ko't], kurz in peau == pot, faut = faux [po, fo] usw.; dabei sind die Lippen wohl mehr vorgeschoben als im Deutschen: ab^^ (deutsch a5^*). Im Eng- lischen ist hier wie überall bei den langen (hohen oder mittleren) Vokalen ein Hinaufgleiten, das bei [ou] wesentlich oder ausschließlich in den Lippen stattfindet, so daß der Anfang wie das deutsche [0] ist, a5^* (oder 5^») y5J, und der Schluß «35^* (oder) ^ yh^ oder vielleicht 53^, also kein eigentliches [u], wenn auch ungefähr. Bei- spiele: so, slow, rose, close, foam, toad, soul [sou, slou, rouz, klous, foum, toud, soul]. In schwachen Silben, wie am Ende in follow, sorrow [folou, sorou] usw. ist das Hinaufgleiten nicht immer so markiert; beim schnellen Sprechen kann es sogar ganz wegfallen, was noch mehr der Fall ist im Innern der Wörter vor der Tonsilbe, z. B. Philosophie, admonition [filo(u)'sofik, 8edmo(u)'nij8n]; in ganz all- täglichen Wörtern wie potato, tomato, wird der Vokal der ersten Silbe gewöhnlich [a], [«] § 156, und unterscheidet sich also vom Vokal der letzten, [po'teito(u), t9'ma'to(u)]; ebenso auch police [pa'li-s], professor, profession [pr9'fes9, pra'fejen], und mehrere andere mit pro-, während man allerdings nicht selten, z. B. auf der Bühne, ähnliche Wörter mit

1) Sweet sagt, und sicher mit Recht, daß sich für your, yours außer dieser Aussprache noch eine andere findet, mit noxwn, die ursprünglich in schwache Satz- stellung gehört, aber jetzt auch stark gebraucht wird.

2) Vgl. Kipling, Barrack-Room Ballads 12 a pore (= poor) benighted 'eathen. Anstey, Vice Versa 310 pore young thing. Thackeray, Pendennis II 221.

3) Siehe des näheren die dän. Fonetik S. 471.

154 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

einem fast demonstrativ lang gleitenden [ou] aussprechen hört: [pro'u'voukiij , pro-u'faund, po-u'etik] und ähnl., provoMng, profound, poetic. Dieser Laut ist oft vorgeschoben (vgl. die Verschiebung des [u] § 157) yÖ'J, meistens in schwachen Silben, aber auch ab und zu in starken Silben, wo er nach Sweet ^) in höflicher und versöhnlicher Redeweise gebraucht wird, so daß ein und dasselbe Individuum oh no mit dem reinen Hinterzungenlaut und mit dem vorgeschobenen sprechen kann, das erstere ist dann bestimmter und dogmatischer als das letztere. In der vulgären Londoner Sprache wird der erste Laut oft entrundet und vorgeschoben, so daß das Ganze fast wie [sB'o nae'o] klingt.

Der dem [o] entsprechende breite Vokal [ö] ist im Deutschen ganz gewöhnlich in geschlossener Silbe : Gott, Sonne, Sommer, von usw., wie bei den anderen Vokalen genügt es hier in gewöhnlicher Laut- schrift [o] zu schreiben: [got, zone, zomer, fon]; analphabetisch «5^ yö-i oder nicht selten mit der Zunge etwas weiter hinten und etwas gesenkt, also ^68^^, wobei jedoch zu bemerken ist, daß manche Nord- deutsche den Laut so offen aussprechen, daß er sich in hohem Maße dem [o] nähert.

160. Unter den dünnen niedrigen Hinterzungenvokalen [o], Ibnr, sind zwei Variationen leicht zu unterscheiden, im Französischen mfort, mort, löge [fo'r, mo-r, lo'g] und im Englischen in all, law, four, walk [o'l, lo', fo', wo'k].^) Während der Zungenabstand derjenige der normalen niedrigen Vokale ist, ist die Zungenstellung des französischen Lautes vorgeschoben, so daß er sich etwas dem [oe] in Stellung und in Klang nähert, im Englischen ist sie dagegen zurückgezogen. ^) Analphabetisch können die Unterschiede bezeichnet werden: französisch oj7^*/3f y7J; eng- lisch al^ ßg yl^. Hinsichtlich des englischen Lautes ist zu bemerken (s. § 142), daß der Schluß im Auslaut oft nach [o] hin geändert wird; wenn law und lore, früher [lo'] und [lo'9], jetzt gleichlautend werden, so geschieht das so, daß sich in beiden ein schwaches [a] findet, das leicht als reduziertes r angesehen werden kann, beide also [lo'(9)]; umgekehrt ist jetzt, wenn caught und court, früher [ko't, ko'et], zusammenfallen, kein Rest eines [e] zu hören, sondern beide lauten [ko't]. Im Südenglischen ist der früher gemachte und im Nordenglischen

1) Primer of Phon. § 201.

2) Eine dritte Abart im Dänischen: gäde wird in der dän. Fonetik S. 474 beschrieben.

3) Was nach dem oben Gesagten nicht leicht vom Herunterziehen zu unter- scheiden ist.

Vokale. 155

noch immer aufrecht erhaltene Unterschied zwischen Wortpaaren wie Jioarse und horse, mourning und morning, fourteen und forty ^) ganz weggefallen, so daß wir in allen Fällen dasselbe [o'(8)] haben; wo der Unterschied noch gemacht wird, haben die zuerst genannten Wörter gewöhnlich einen Zwischenlaut zwischen [ö] und [o] (dagegen kein geschlossenes o), die zuletzt genannten denselben Laut wie in all. Vor den stimmlosen Engelauten [f, s, |)] hat im 19. Jahrhundert eine Verlängerung stattgefungen, z. B, in off, cough, soft, loss, cross, cloth [o'f, ko'f, so'ft, lo-s, kro'S, klo'|)] (vgl. die Entwickelung in staff, pass, patK)] sie ist im wesentlichen durchgedrungen, wenn auch einige an dem alten Laut wie in not, also [6f, kof] usw. festhalten. Der französische kurze Laut in Wörtern wie comme, hotte, folle, orgue [kom, bot, fol, org] ist wohl meistens ein wenig weiter vorn als der lange, yV^, also noch näher an [oe]; dies gilt in noch höherem Maße von dem Laut in schwachen Silben, z. B. comment, hottine, solide [koma, botin, solid], der sich auch der Ruhestellung bei vermindertem Ab- stand nähert: alb^ ylb^K In comment kann er wegen des häufigen Vorkommens und der leichten Verständlichkeit des Wortes ganz zu [9] werden, ja bei sehr schnellem Sprechen wegfallen [k(9)ma].^) Das nasalierte [5] in hon, ronde [b5, rS'd] scheint oft mit geringerem Ab- stand gebildet als das nicht nasalierte [0], ja oft klingt es fast wie ein nasaliertes [o] in heaux^ als gewöhnliche Form kann man aber wohl al^^ ßg yV^ oder 75J^d3 auffassen; beim Herüberziehen wie z.B. in on a, mon ami [5na, mSnami] wird es wie die anderen Nasalvokale verändert, dem Munddach genähert und erhält schwächere Nasalierung: a75^*y57J''d2.

Als breiter niedriger runder Hinterzungenvokal, Ibwr, [b] muß der englische Laut in got, Jiop, stock, doli, on, ivash, laurel bezeichnet werden, in praktischer Lautschrift mit demselben Zeichen wie der dünne bezeichnet [got, hop, stok, dol, on, woj, lorol]; er ist viel offener als der deutsche Laut in Gott usw., sowohl was Lippen-, als was Zungenstellung anbetrifft, analphabetisch wohl al9^ ßg y8\ Im Amerikanischen wird der Laut gewöhnlich entrundet, ohne jedoch genau zu einem der unten behandelten [a]-Laute zu werden. Der kurze Laut

1) Wozu noch rein künstlich der zwischen born und borne getreten ist, der sicher auf bloßer Erfindung der Grammatiker beruht, ohne wirklich sprachlich, begründet zu sein.

2) Wenn absolu oft [apscely, apsaly] und joli [sceli, sali] ausgesprochen werden, so liegt wohl am ehesten ein Fall von Vokalharmonie vor (Einwirkung des Vorderzungenvokals) siehe § 177 Anm.

156 Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

ist jetzt im Begriff, in einige Fälle, wo früher [o'] herrschte, ein- zudringen, nämlich vor U und Is: sali, fault, Baltic, false [solt, folt, boltik, fols].

161» Unter den ungerundeten Hinterzungenvokalen finden wir in den bekannten Sprachen keine hohen. Als einen mittleren breiten Hinterzungenvokal fasse ich den englischen Laut in cut, Imtter, come, some, tun = ton, tvon = one, up, hurnj [kAt, bAte, kAm, SAm, tAu, WAn, Ap, hAri] usw.^) Deutsche müssen vor allem vor der schauder- haften gangbaren Schulaussprache mit dem ö-Laut gewarnt werden; die Lippen müssen spaltförmig geöffnet und die Zunge zurückgezogen werden; am nächsten liegt der Laut dem a. Als a wird auch der den Laut auffassen, der an ihn herantritt, ohne von der Schule her eine vorhergefaßte Vorstellung von etwas ö- artigem zu haben; Sweet er- zählt von einem deutschen Kellner in London, der von selbst hutter mit deutschem a wiedergab. Dadurch wird es, wie Storm^) bemerkt, verständlich, daß das kurze a im Neu-Lidischen in diesen Laut über- geht und von den Engländern u geschrieben wird: pundit = pandit, Punja(u)h = Pandjab, PandscJiab, Calcutta, hunder „Kai" (hindu- stanisch bandar), hungaloiv „Villa" (bangla).^) Vielleicht lernen die Deutschen den Laut am besten, wenn sie von der letzten Silbe in Satan, Laban ausgehen, ihn stark mit Festhalten des dumpfen Vokal- klanges aussprechen und dann die Zunge ein wenig heben, wobei das englische tun [tAn], bun [bAn] entsteht. Man muß genau den Unter- schied einüben zwischen z. B. cot [kot], cut [kAt], cat [kset]; not [not], nut [uAt], gnat\jüsidi\] wander [wondo], wonder [wAnde]; curry [kAri], carry [kseri]; hurry [hAri], Harry [haeri].

1) Bei dieser Bestimmung weiche ich von Bell und Sweet ab, welche [a] als narrow (mbn) und [a] in father als dazugehörig wide (mbw) ansetzen. Bei meiner Aufstellung wird der Parallelismus gewahrt, so daß alle in gleicher Art Silbenstellung vorkommenden Laute in hit, bet, bat, foot, not, but wide (breit) sind, während die langen, z. B. in father, naught, narrow (dünn) sind; [a] wird von allen außer Beils eigentlichen Anhängern zu den niedrigen (low) Vokalen gerechnet. Man bemerke, daß das Verhältnis zwischen den beiden Vokalen bei der von mir vorgenommenen veränderten Aufstellung ungefähr dasselbe bleibt: (mn 5 : mw 6 = mw 6 : In 7). But, das gewöhnlich als Beispiel benutzt wird, ist nicht so passend, weil es meistens in schwacher Stelluag vorkommt, wo es zu [bot] wird.

2) Engl. Phil. 127.

3) Schon im 18. Jahrhundert wird das englische [a] von dem Portugiesen Castro mit a umschrieben (vgl. über das portugiesische a § 163) Spell. Ex- perimenter II 32.

Vokale. 157

162. Von den eigentliclien a-Lauten (Ib, ungerundeten, niedrigen Hinterzungenvokalen) müssen wir vier Haupttypen untersclieiden, das vorderste [a], das neutrale („mittlere") [a], das hinterste [a] und das dumpfe ['b]. [a] ist ein helles klares a mit Annäherung an [ae], indem die Zunge nicht sehr weit zurückgezogen ist; die Vorder- zunge kann auch ein wenig gehoben sein; [a] ist der reinste a-Laut mit durchgehends gut geöffnetem Munde, wobei die Zunge so flach wie möglich liegt; [a] ist ein dunkles tiefes a mit einiger Annäherung an den [o]-Klang, die Zunge ist ungefähr so weit wie möglich zurück- gezogen; [b] endlich ist ein dumpfes mattklingendes a mit durch- gehends schlaffer Artikulation sowohl in Lippen als Zunge, wodurch der Laut sich etwas dem [ce]- oder [aJ-Typus nähert. Li Wirklich- keit finden sich eiae Menge a-Nuancen, die ineinander übergleiten; da der Mund so offen ist, sind die Bewegungen der Zunge ziemlich frei, und die geringste Verschiebung, die oft unmerklich sein kann und auf jeden Fall sich nach dem heutigen Stande der Wissenschaft sehr schwierig (um nicht zu sagen unmöglich) rationell beschreiben läßt, gibt dem Laut ein verschiedenes Gepräge. In denjenigen Sprachen (deutsch und englisch), wo es nicht zwei a-Laute mit verschiedener Geltung gibt, kann man in der Lautschrift [a] als eine Art gemeinschaft- liches Zeichen gebrauchen (so in diesem Buch ausgenommen § 163).

163. In Deutschland variieren die [a]-Laute ziemlich bedeutend nach den Landesteilen; das kurze a, wie in Mann, hat, Haß, Bach ist in der Regel jedoch der neutrale Laut [a], und ebenso ist das lange a wie in Wahn, Tat, saß, brach sehr oft derselbe Laut [a-]; wird ein Unterschied gemacht, so ist wohl immer so, daß der kurze einen Schritt weiter vorn ist als der lange, also entweder [a, A']: [man, vA-n] oder [a, q']: [mAn, va'n], letzteres meist in Süddeutschland, wo man auch das tiefe [a] kurz hören kann. In schwachen Silben kann man auch den dumpfen, etwas an [ce] erinnernden Laut hören, z. B. in Balkan [bolk'Bn], Satan [za-t'en]; dieser Laut soll in Hannover auch in starken Silben ganz gewöhnlich sein.

Die englische Reichssprache hat nur einen a-Laut, nämlich den neutralen; er findet sich lang z. B. in father = foHJier, alms = arms, plant, pass, staff [fA-öfe, A-mz, plA-nt, pA-s, stA-fj; im Auslaut, z. B. in far, papa ist ein schwaches [e] nach dem Laut zu hören [fA-^, pa'pA'"], vgl. oben über [o]. Ein kurzes oder halblanges [a] kann man noch (von Nordengländern und Amerikanern) vor nt, ss und ff hören [plant, pas, staf], ja auch [ae], aber in Südengland hat das [A'] in diesen Fällen gesiegt. Ein kurzes (oder halblanges) [a] kann man

15B Zweiter Hauptteil: Synthese. Neuntes Kapitel.

in schwachen Silben wie in arUstic, larharic, sarcastic hören [A'tistik, bA'baerik, sA'keestik], auch [a-]; in Fällen wie the men are dead [Ö9 men A ded] und in Endungssilben wie in drama, Maria [drA-mA, me'raiA] ist [9] häufiger: [Öa men 9 ded, drA'ni9, mg'raig].

Das Französische hat die beiden äußersten Punkte [a] und [a]; die Verteilung ist früher offenbar so gewesen, daß der erstere kurz, der letztere lang gebraucht wurde; aber bei den Quantitätsverschiebungen der letzten Jahrhunderte ist dies geändert, so daß man jetzt beide Laute sowohl kurz als auch lang findet. Beispiele: [a] kurz: patte, niadame, fasse, tache, canne [pat, madam, fas, taj, kan], lang: cage, travail, art, cave [ka'3, trava-j, a-r, ka-v]. [a] kurz: pas, tas, hah = Mt == bas [pa, ta, ba], lang: passe, hasse, äme, tache [pa-s, ba-s, a-m, tü'J"]. In einigen Fällen ist ein Schwanken zwischen den beiden a-Lauten z. B. in rare, das jedoch wohl am besten [ra-r] lautet. In schwachen Silben findet man manchmal ein Zwischending zwischen [a] und [a] z. B. in carreau, larron [kAro, lAro]. Der Nasallaut ist immer [a] z. B. an = en, champ = chant, flaue [a. Ja, fla], lang z. B. in ehante, flanque [Jä't, fla-k]; in der jüngeren Generation ist man geneigt, das [d] zu runden und es so dem [5] verwandt oder sogar identisch zu machen.^) Wo der Nasalvokal beim Herüberziehen steht, z, B. in s'en aller, ist man geneigt, ihn mit weniger gesenkter Zunge und Gaumensegel auszusprechen («86 y75^' d2).

Hinsichtlich der a- Laute in anderen Sprachen sollen hier ganz kurz als Hauptregeln angegeben werden, daß Dänisch alle vier Laute hat, so daß das helle [a] vorherrscht, namentlich wenn es lang ist^); Norwegisch hat [a] lang und kurz. Schwedisch [a] kurz, [a] lang, in Südschweden sich stark dem [0] nähernd, Holländisch umgekehrt [a] kurz, [a] lang. Italienisch [a], das sich jedoch dem [a] nähert, besonders deutlich in dem Ruf der Zeitungsknaben Tribuna', Riforma", FanfuUa', in Rom oft beinahe wie [ae]. Das Portugiesische hat einen klaren und einen dumpfen ct-Laut, der erstere, ä geschrieben, wohl [a], der andere, z. B. in cama, eriimert außerordentlich an [-b].

1) In den Ph. St. 11 92 habe ich davon gesprochen, daß ich einmal einen Knaben hörte, der in einem Kinderspiel einen Reim auf -on finden sollte (Qu'est- ce que tu as dans ton corbillon?) und dabei vielfach Wörter auf -a>i oder -mit nannte; er konnte offenbar nicht verstehen, warum seine Mutter sie nicht als gut anerkennen wollte. Die Tendenz (vgl. oben § 153) ist offenbar die, nur zwei Nasalvokale zu haben, einen gerundeten vorn und einen gerundeten hinten im Munde.

2) S. die näheren Regeln in der dän. Fonetik S. 478.

Vokale. 159

Die analphabetische Bestimmung der ungerundeten Hinterzungen- vokale ist aus den oben angegebenen Gründen schwierig, und die folgenden Analysen beanspruchen nicht, das letzte Wort der Wissen- schaft zu sein: englisch [a] a6^ ßig yQ^^-, [a] aS6^ ßiyV; [a] ccS^ ßi oder fg yl^^, [aj a8 /3gf oder g yl oder 8 gegen :kj oder :k. Im ganzen ist man, wie hier zum Schluß wiederholt werden muß, bei Beurteilung der Artikulation der Vokale zum großen Teil auf persön- liche Wertung angewiesen, die natürlich um so unbestimmter ausfallen muß, je tiefer man in den Mund hineinkommt und je weiter sich die Zunge vom Gaumen entfernt. Auch sehe ich nicht, daß mit den in den letzten Jahren vorgenommenen „Vokalmessungen" oder „Abgüssen" oder „Mundkartenzeichnungen" etwas absolut Besseres gewonnen ist als durch die Schätzung der kundigsten Phonetiker, obgleich man die Bemühungen der betreffenden Forscher^) anerkennen und hoffen muß, daß man auf den von ihnen angebahnten Wegen bald fruchtbare und überzeugende Resultate erzielen möchte.

1) Besonders Grandgent, Vowel Measurements in Publications of the Modem Language Association of America 1890; derselbe: German and JEnglish Sounds, Boston 1892; Amund B. Larsen, Lydlmren i den soJerske dialeJct, Kristiania 1894 (Videnskabsselskabets skrifter 11 1894 Nr. 4), H. W. Atkinson, Methods of Mouth- viapping in Neu. Spr. VI 1898 S. 493 flF.

Dritter Hauptteil.

Kombinationslelire. Die Lehre von den Lauten in zusammenhängender Jlede.

Zehntes Kapitel.

Einzellaute und Lautverbindungen.

164. Nachdem wir in dem soeben beendeten Abschnitt „Synthese" die Lehre von den Einzellanten, d. h. von dem, was gleichzeitig in den einzelnen Sprachorganen geschieht, und das hörbare Resultat desselben behandelt haben, kommen wir nun zu der Lehre von der Folge der Einzellaute nacheinander in der Zeit. Hierunter muß behandelt werden die Abgrenzung jeden Lautes im Verhältnis zu den vorhergehenden und nachfolgenden, die Lautberührungen und ihre Wirkungen, die Dauer des Lautes, bis er von dem nächsten ab- gelöst wird, das Zusammenschließen der Laute zu Gruppen, besonders die sogen. Silben, und die besonders an diese Lautgruppen geknüpften Verhältnisse, die gewöhnlich unter dem Worte „Akzent" zusammen- gefaßt werden.

165. Spreche ich z, B. [amu], so ist es klar, daß die Sprach- organe, nachdem sie einige Zeit die für [a] erforderliche Stellung eingenommen haben, eine ganze Reihe Zwischenstellungen durchlaufen müssen, ehe sie die [m]-Stellung erreichen, die eine, wenn auch kurze, Zeit festgehalten wird, worauf wiederum eine Reihe Zwischenstellungen durchlaufen werden, ehe die [u]-Stellung erreicht wird. Diese Zwischen- stellungen werden im ersten Fall Abglitt des [a] und Anglitt des [m]^) genannt, im letzteren Fall Abglitt des [m] und Anglitt des [u]. Es ist weiter klar, daß in einer Lautgruppe wie [imo] die Zwischenstellungen andere sind, in [omi] wieder andere usw. Der Anglitt eines [m] muß

1) Sweet: off-glide und on-glide. Die Ausdrücke Abglitt und Anglitt sind, wenn ich mich nicht irre, von E. A. Meyer eingeführt.

Dritter Hauptteil: Kombinati onslehre. Zehntes Kap. Einzellaute u. Lautverb. 161

notwendigerweise verschieden sein je nacli dem Laut, der voraufgeht, sein Abglitt ebenso notwendig verschieden je nach dem nachfolgenden Laut. Ebenso ist in [al] der Ab- und Anglitt zwischen den beiden Lauten von dem in [am] usw. verschieden, bis ins Unendliche. Diese Ab- und Anglitte haben mit ganz wenigen Ausnahmen^) durchaus kein praktisches Interesse: sie gehen so schnell vor sich, daß das Ohr keinen besonderen Eindruck von ihnen erhält, und sie gehen immer so vor sich, daß der kürzeste Weg zwischen den beiden Stellungen gewählt wird, so daß sie sich also mit unfehlbarer Sicher- heit bestimmen lassen, wenn die Endpunkte (die Lautstellungen) ge- geben sind. Haben zwei aufeinanderfolgende Laute eine Organstellung (ein Element) gemeinsam, so wird diese Organstellung ganz natürlich von dem einen bis zum andern gehalten* in [afva] mache ich mir nicht die Mühe, zwischen [f] und [v] die Unterlippe von den Ober- zähnen fortzunehmen oder die Zunge zu verschieben und den Nasen- weg aufzumachen, indem ich das Gaumensegel senke, oder den Ausatmungsstrom aufhören zu lassen: die Elemente a2^ ß„ y„ dO und ^-j- sind für die Stellungen der beiden Laute gemeinsam und werden daher gehalten, während der Ab- und Anglitt nur darin besteht, daß die Stimmbänderstellung von Blaseöffnung zu Stimme geändert wird. In [oI] wird Lippenstellung, Stimme und Ausatmung bewahrt, während die Stellung der Zunge geändert wird; es fällt keinem ein, z. B. die Stimme einen Augenblick zu unterbrechen, um dann mit neuer Stimme das [1] wieder aufzunehmen. In Hymne, Anmut [hymno, 'cmmut] wird die offene Gaumenstellung vom Anfang des einen Nasals bis zum Schluß des andern gehalten. Ebenso würde es sinnlos sein, wenn man [m] und [p] nacheinander aussprechen sollte, den Umweg zu machen, daß man erst die Lippen öffnete als Abglitt des [m] und sie dann wieder schlösse als Anglitt des [p]- man behält sie natürlich in der geschlossenen Stellung, z. B. in Lampe [lampa], Ampel [amp(8)l], am Platte [am'platsa], im Paß [im'pas]; zu dem Abglitt eines [m] gehört also nicht eo ipso Öffnung der Lippen (ausgenommen natürlich in den häufigen Fällen, daß die LippensteUung des folgenden Lautes offen ist); und zu dem Anglitt eines [p] gehört nicht in allen Fällen die Bewegung der Lippen nach der geschlossenen Stellung hin, die nur in den allerdings häufigen Fällen notwendig ist, wo der vorhergehende Laut offene LippensteUung erfordert.

1) S. u. § 167, 168 und oben § 99, 100 über Aspiration. Die Aspiration, die einem stimmlosen Engelaut, also z. B. [f, ]), s] nachfolgt, hat keine praktische Bedeutung; ihre Dauer im Englischen ist von E. A. Meyer, Englische Lautdauer p. 59, gemessen.

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 11

162 Dritter Hauptteil«, Kombinationslelire. Zehntes Kapitel.

166. Das Wesen eines jeden Lautes ist also von seinem An- und Abglitt unabhängig; diese werden ausschließlich von der Umgebung des Lautes bestimmt. Wir haben daher ein und dasselbe [p] in [apa, ampa, apma, ampma] usw., das Gemeinsame ist die geschlossene Stellung {aO ß„y„dO s3), und dieses kann gut ein „Laut" genannt werden, obgleich, während die Sprachorgane diese Stellung einnehmen, kein „Lauf' im gewöhnlichen Sinne, sondern eine Pause ^) vorhanden ist. Wo wir von der Dauer eines Lautes reden, meinen wir also die Zeit, wo die Sprachorgane die betreffende Stellung einnehmen, ohne Rücksicht darauf, daß z. B. unter einem langen [1] oder [u] die lange Zeit verstanden wird, in der [1] oder [u] klingen, sondern unter einem langen [p] oder [t] verstehen wir die lange Zeit, welche die dem [p] und [t] entsprechende Pause währt. Zu dem Wesen eines [p] ge- hört also nicht die „Explosion", die man allerdings in einer Verbindung wie z. B. [apa] hört.

167. Wo zwei Verschlußlaute, die von verschiedenen Organen hervorgebracht werden, nacheinander ausgesprochen werden sollen, gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten: (1) entweder wird der erste Verschluß geöffnet, bevor der zweite gebildet wird, in welchem Falle der Abglitt von dem ersten als deutliche Explosion gehört wird, (2) oder auch wird der zweite Verschluß gebildet, während der erste noch dauert, in welchem Falle der Abglitt von dem ersten absolut unhörbar ist, falls der zweite Verschluß weiter draußen als der erste liegt, also bei [tp, kp, kt], und fast unhörbar falls der zweite Ver- schluß weiter drinnen als der erste liegt, also bei [pt, pk, tk], indem hier die „explodierende" Luftmenge eine sehr geringe ist. Die letzte Bildungsweise (2) ist die am häufigsten vorkommende, im Deutschen z. B. in Rückporto, Akt, gesteckt, hleiht; englisch z. B. not poor, act, locked, hegged, apt, stopped, rohhed, Hopkins, at Kew. Dagegen haben die Franzosen mehr Neigung zu der ersten Bildungs weise, so daß in acte [akt] [k] deutlich explodiert, bevor [t] gebildet wird; dieses ist jedoch wohl seltener in Verbindungen wie [pt], z. B. in ohtenir [opteni-rj und findet auch nicht bei allen in [kt] statt. ^) Da der Mund- verschluß bei [n] ganz an derselben Stelle wie bei [d, t] gebildet wird, erhalten wir natürlich dieselben beiden Möglichkeiten z. B. bei der Verbindung [kn, gn]; im Dänischen wird wohl immer mit der Zungenspitze geschlossen, ehe der [k] -Verschluß gelöst wird;

1) Näheres hierüber siehe in den Grundfragen.

2) Siehe Bourdon, Expressions des Emotions S. 168, 172.

Einzellaute und Lautrerbindungen. 163

umgekelirt dagegen im Norddeutschen, wenn Bremers Beschreibung^) richtig ist.

168. In gewissen Fällen kann auch der Abglitt eines Lautes sich zu einem selbständigen Laut entwickeln, der als solcher aufgefaßt wird. Dies ist besonders der Fall bei den Mittelzungenverschlußlauten und den Vorderzungenverschlußlauten [c, j], und hängt hier teils damit zusammen, daß der Abstand zwischen der Zunge und der Gaumenwölbung hier größer ist als weiter vorn und weiter hinten, so daß der Weg, der von der Zunge z. B. in [ca] zurückgelegt werden soll, größer ist als in [ta] und [ka]; teils damit, daß die Muskeln der Zunge hier auch weniger kräftig scheinen^); das Resultat wird, daß diese Verbindungen sich selten in den Sprachen rein erhalten können, sondern in der Regel einen Laut zwischen Verschluß und Vokal ent- wickeln, der entweder ein [9] oder [j] oder häufiger ein Zischlaut [/] bezw. [3] wird. Dies ist das in den Sprachen wohlbekannte Phänomen der „Assibilation" in der Entwickelung eines [k] vor Vorderzungen- vokalen, z. B. in englisch chin, vgl. deutsch Kinn und dänisch Mnd; italienisch cera < lateinisch cera, gesprochen [kcra] usw. Der ent- sprechende Stimmlaut [g] entwickelt sich auf dieselbe Weise in englisch hrycg, ecg > hridge, edge, im italienischen gente von lateinisch gent€(tn); im Französischen ist der Verschlußlaut später fortgefallen: gent [30.]. Auch wenn wir aus [tj] ein [t/] oder aus [dj] ein [d^] erhalten, so verdanken wir den Zischlaut dem Abglitt des [t] und [d] (oder der daraus entwickelten palatalisierten oder palatalen Verschlußlaute), der stark genug wird, um als selbständiger Laut gehört zu werden (mit Öffnungsgrad 1 zwischen 0 und 2); im Englischen ist ortyeard zu orchard [o'tjod] geworden, die Endung -iure, ursprunglich [-tju-r], wird jetzt in allen geläufigen Worten gewöhnlich [tja] gesprochen, so daß z. B. Browning mit Recht creature auf preaclier reimt (Christmas Eve, Works 1481); don't you lautet oft wie [dountju], meet you wie [mi-t/u]; saldier wie [souldge], immediately, education oft wie [i'mi-dgetli, edju'keijbn]; schon Sheridan 1780 S. 33 stellt commedian mit collegian zusammen, Mark Twain (Innocents at Home 14) schreibt an Injtm für Indian und in Veranlassung von Königin Viktorias Jubiläum brachten die Zeitungen Witze wie Jubileeve (= d(o) you believe) usw. Das Nähere gehört in die einzelsprachliche Lautlehre.

1) Deutsche Phon. 59.

2) Vgl. Lenz, Kuhns Zs. XXIX 24.

11*

164 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Elftes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Assimilationen nnd Verwandtes.

169. Einige der in den Sprachen am häufigsten vorkommenden Veränderungen entstehen durch Assimilation, d. h. eine solche Ein- wirkung eines Lautes auf einen Nachbarlaut, daß er diesem, was die Artikulation betrifft, angenähert wird, wenn z. B. [nb] in [mb] oder [kg] in [gg] übergeht. Eine Assimilation kann entweder partiell, teilweise, wie im erstgenannten Beispiel, oder vollständig, wie im letzten sein, wo anstatt zweier verschiedener Laute zwei identische gesprochen werden; aber diese Einteilung ist nicht besonders wertvoU, indem bei einer partiellen Assimilation ganz dasselbe vorgegangen sein kann wie bei einer vollständigen: ein Übergang von [nm] > [mm] ist in jeder Weise parallel mit [nb] > [mb], iu beiden ist das Zungen- spitzenelement des ersten Lautes verschwunden, iudem der Lippen- schluß des letzten übernommen worden ist, und wenn das Resultat im ersten, aber nicht im zweiten Fall eine vollständige Assimilation geworden ist, so ist es nur dem Umstand zu verdanken, daß dort die beiden Nachbarlaute sich nur durch eins ihrer Artikulationselemente unterscheiden, während [n] und [b] sich von einander teils durch das Mundelement (/30, «0), teils durch das Nasenelement (d2, dO) unter- scheiden. Wo wir in der Sprachgeschichte eine vollständige Assimilation zweier Laute mit mehr als einem unterscheidenden Element sehen, da ist sie in der Regel nicht mit einem Schlage geschehen, sondern durch zwei oder mehrere aufeinanderfolgende Assimilationen, von denen jede einen Artikula^ionsunterschied aufhob.

Wichtiger ist die Einteilung nach der Richtung der Assimilation, indem entweder der erste der Nachbarlaute auf den zweiten gewöhnlich fortschreitende oder progressive Assimilation genannt oder umgekehrt ein Laut auf einen vorhergehenden wirkt gewöhn- lich rückschreitende oder regressive Assimilation genannt. Da die erste Art besagt, daß eine Elementstellung länger gehalten wird, als sie eigentlich sollte, und sie also ein gewisses Zögern in der Artikulation bedeutet, und die andere umgekehrt darin besteht, daß eine Element- stellung eingenommen wird, ehe sie es eigentlich sollte, also in einem gewissen raschen Vorwärtsjagen, einem Vorwegnehmen dessen, was eigentlich der Zukunft vorbehalten bleiben sollte, so kommt es mir vor, als wäre es noch passender, sie verweilende und vorgreifende Assimilation zu taufen. Aber daneben muß eine dritte Art aufgestellt

Assimilationen und Verwandtes. 165

werden, die doppelseitige, wo ein Laut etwas annimmt, was sowohl dem vorangehenden als dem nachfolgenden Laut gemeinsam ist. Es ist klar, daß eine solche doppelseitige Einwirkung stärker sein muß als eine einseitige, und wir sehen daher auch diese Assimilation mit viel größerer Regelmäßigkeit eintreten als die anderen; man denke z. B. daran, wie beständig ein [a] zwischen zwei Lauten mit gleicher Artikulation absorbiert wird: nennen, kennen ['nenn, 'kenn] usw.

170. Die Assimilationen sollen hier nach den verschiedenen Organen geordnet werden, deren Artikulation auf den Nachbarlaut übergeht. Es muß ausdrücklich bemerkt werden, daß viele der hier genannten Assimilationen fakultativ sind.

Lippen (a). Doppelseitige Assimilation. Deutsch: nehenhei [ne-brnboi], Lieienherg ['li'bmber9]; ['ampman] (eine häufige Aussprache von Ämtmann). Verweilende: im Deutschen sehr allgemein bei der Endung -en, besonders sehr regelmäßig nach m: nehmen [ncmm, ns'mm], zusammen [tsu'zamm], Examen ['ek'sa'mm], und außerordent- lich häufig nach [b, p]: hohen, lieben, sieben. Treppen, Gruppen [ha-bm, li'bm, zi'bm, trepm, grupm] ^) usw., seltener nach Enge : saufen [saufm], abdampfen ['apdamfm], nach Franke mit „bilabiodentalem m" siehe § 19. Franke erwähnt auch kommt noch [kompnox]. Das englische and kann in der stehenden Verbindung cup and saucer [kApm'so'se] assi- miliert werden, sonst wohl selten.^)

Verweilenden Einfluß auf die Lippenstellung eines Vokals haben wir ab und zu, so, wenn im Französischen juin oft [^nce] lautet; vergleiche auch den im 18. Jahrhundert im Englischen voll- zogenen Übergang [wa > wo] z. B. in ivater, quality, was [wo-ta, kwoliti, woz].

171. Vorgreifende Assimilation: Im Deutschen haben wir empfangen usw. für entfangen, Himbeere für Hindbeere; außerordentlich häufig ['aim, kaim] für einem, keinem, ['aimmai] für einmal, ferner nach Franke z. B. [er'kemba-r, intss'(m)mi'nu'tn] erkennbar, in sehn Minuten; nach demselben ist es besonders in Hannover verbreitet, wo man ['umbili9] unbillig, [gut um bili9] gut und billig, [maim pa'pa] mein Papa usw. sagt. Im Englischen nicht sehr häufig; für by and by hört man [bai(9)mbai] , in Devonshire [bimbai], bread and

1) Man bemerke, daß man in anderen Gegenden einen anderen Weg geht, wobei sieben zu sirn/n wird (Bremer, Deutsche Phon. 12 3); das kann weiter- gehen zu sim und kann auch zuletzt zum selben Resultat führen, das an andern Orten durch si'hm > svm erreicht wird.

2) Miss Soames nennt als Fehler [i'levm, givm Ap] für eleven, given up.

166 Dritter Hauptteil: Kombinationslelire. Elftes Kapitel.

huUer kann [bredm'bAte] lauten^); Sweet gibt als nachlässige Formen [doumblli'v, doummaind] für donH helieve, don't mind^), Miss Soames als Fehler [bsemberi] für Banburp; Stevenson u. a. geben als ein- beimische Form für Edinburgh: Embro. Im Französischen äußerst selten, vielleicht nur in une petite beim schnellen Sprechen [ym(p)tit]. Im Italienischen scheint es dagegen fast stehende Aussprache zu sein, um statt un vor einem Lippenlaut zu sagen: um poco, um hamhino usw., vergl. lat. immordlis, impono, imherbis statt in- (vergl. oben § 19 über Lippen- Zahn -w). Bei den Vokalen kann hier erinnert werden an das englische aw > [o-] in saw usw., vergl. das lateinische causa > späterem [ko'sa].

172. Zungenspitze (/3). Verweilende Assimilation hat man in den Fällen, wo ein r die Artikulationsstelle des folgenden Lautes zurück- zieht wie in den schwedischen Verbindungen rt, rd, rn, rs (rf), s. § 31, auch im Übergang [s > J] nach r, z. B. in dem deutschen herrschen.

Vorgreifende Assimilation findet man z. B. im Italienischen atto, Seite von actum, Septem, im Englischen tn, dn, das von mehreren Grammatikern früherer Jahrhunderte als Aussprache des geschriebenen Ten, gn in hnoiv, gnaw angegeben wird, wo jetzt der erste Laut ganz verschwunden ist. Besondere Besprechung verdienen die englischen Verbindungen [kl, gl] z. B. in climh [klaim], cleave [kli'v], meekly [mi'kli], weekly [wi'kli], glove [glAv], glitter [glita] usw.; mehrere Phonetiker (Ellis, Lecky) stellen es so dar, als ob man hier [tl, dl] ausspräche, also direkt mit Assimilation, und man kann auch diese Verbindungen so aussprechen hören; als die am meisten vorkommende Aussprache möchte ich jedoch eine etwas andere ansetzen, wo der [k, g]-Verschluß nicht ganz aufgegeben ist, wo aber die Zungenspitze gleichzeitig mit dem Verschlusse schon die [1]-Stellung eingenommen hat; da jedoch diese eine Mittelberührung mit Öffnungen an der Seite voraussetzt, und für diese Öffnungen nicht viel Platz bleibt vor dem [k, g]-Verschluß, so wird oft in der Praxis ein [t]- Verschluß daraus, wo die Berührung an den Seiten entlang ganz bis zum [k]-Verschluß geht; beim Öffnen wird hier gern die Mittelberührung weiter nach hinten bewahrt als bei dem gewöhnlichen englischen [1], so daß die Seitenöffnungen (-Öffnung) also in der Richtung von vorn nach hinten nicht so ausgestreckt werden.^) Auf dieselbe Weise wird auch

1) Nach Lloyd, Northern English, auch [brem'bAte].

2) Primer of Spoken English 90, 89; sonst mit [-nt].

3) Vgl. auch die bekannte romanische Erscheinung, die sich z. B. in vet(u)lo >■ veklo > italienisch vecchio zeigt.

Assimilationen und Verwandtes. XQ^

artikuliert, wo die Schrift ctl hat, z. B. in perfectly [pe-fikli], exacÜy [ig'zeekli], während in first class, get clear oft gar kein [k] ist.

173. Zungenfläche (y). Doppelseitige Assimilation: im Eng- lischen kann man z. B. ab und zu [aikij'gou] statt des gewöhnlichen [aikon'gou] I can go hören.

Verweilende Assimilation haben wir, wenn [kn, gn] in [kg, gg] übergehen, wie in einigen Gegenden Deutschlands im Anlaut von Knabe, Gnade usw. und in einigen norwegischen und schwedischcD Dialekten in hniv und ähnl. Weiter verbreitet ist sie im Auslaut in Deutschland, z. B. Rüchen, denken, Bemerkungen, sagen'^) [rykij, degkrj, be'merkugi), za-gi)], auch mitunter nach hinterem r: waren [va-Eij]. Im Englischen spricht Miss Soames von [beikg, teikg] statt [beik(9)n, teik(8)n] als von einem seltenen individuellen Fehler.

Vorgreifende Assimilation von [n] zu [i)]: in Deutschland ist die Neigung zu dieser Assimilation nach den verschiedenen Gegenden verschieden, am stärksten ist sie nach Franke in Hannover, wo man [arj(g)8ne'm] angenehm, [de-ijgansn] den ganzen, [vem man vairj getruijken hat] wenn man Wein getrunken hat, sogar [hagkorp] Handkorh sagt; in den Gegenden, wo die entsprechende verweilende Assimilation verbreitet ist, hört man diese Formen gewöhnlich nicht. Im Englischen findet man außer solchen versteinerten Formen wie [h86i)k9tjif] handkerchief nicht viel von dieser Art Assimilation; in- und con- halten sich merkwürdig rein mit [n] vor [g-] und [k-]^), wenn man auch ab und zu [iqkAm] income hören kann. Beim schnellen Sprechen jedoch gewöhnlich [kei]] für can vor z. B. go, come, ebenso sogar [ka-rjgou, douijks'e, doug get in] can't go, don't care, don't get in und ähnl. Im Italienischen scheint [ug ka'ne, ug gwanto] un cane, un guanto Regel zu sein.

174. Zu den vorgreifenden Zungenassimilationen gehören auch alle die Fälle, wo ein Konsonant von einem folgenden [j] oder [i], welche nachher dann sogar verschwinden können, palatalisiert wird 113 und verschiedene andere §§ im achten Kapitel). Im Englischen wird ein [s] am Ende eines Wortes vor einem eng damit verbundenen Wort mit [j] oft palatalisiert oder sogar zu [J], so [Öijjis] this year, [blejju] hless you; Miss Soames nennt ebenso as usual, all these years, praise ye the lord^) mit [-3 j-], Sweet schreibt als schnelle Aussprache

1) Wo g mit Verschluß gesprochen wird, sonst [za-aan] häufiger als [za-ag].

2) [g] jedoch in concuhine, congregate, congress, congruence und Ableitungen ; schwankend in concord, concourse, u. a.

3) Phonetics 112.

16§ Dritter Hauptteil: Kombinationslelire. Elftes Kapitel.

[dAg ju gud, ed'vai^ ju] does you good, advise you und mit doppeltem [J] statt [-sj-]: [mijju] miss you.'^) Bei der Lautfolge [sf] oder [zj] ist die vorgreifende Assimilation auch häufig, ja Miss Soames be- zeichnet sogar [igji] für is she als „unavoidable in rapid speech''^); Sweet; der in der Regel diesen Assimilationen gegenüber „konservativ" ist, schreibt nur ein einziges mal [i^Ji]^), tortoise-shell klingt wohl meistens [to'tijel], indem [s] in [J] absorbiert wird.

175. Graumensegel (d). Mehrere der wichtigsten Assimilationen sind schon oben im fünften Kapitel erwähnt. Doppelseitige Assi- milation können wir im dänischen mpm haben, wo die Gaumen- segelbewegung fortfällt, so daß wir durchgehends d2 bekommen, also [mmm] mit einem stimmlosen Nasal zwischen zwei stimmhaften; so dänisch dampmasMne; auch bei schneller Aussprache von deutsch Ämtmann, das mit Ämpmann als Zwischenstufe (vgl. § 170) zu [ammman] wird. Hier ist ganz dasselbe vor sich gegangen wie bei [d], wenn das französische pendant zu [pana] wird.

Verweilende Assimilationen haben wir, wenn ein Vokal vor einem Nasallaut nasaliert wird wie im Portugiesischen und Russischen, § 59; auch im Holländischen hört man oft mijnheer reduziert auf ein bloßes [mne-r] oder [me-r]. Wenn [b, d, g] nach [m] bezw. [n, r)] fortfallen, so ist das auch als ein Verweilen in der gleichen Gaumensegelstellung aufzufassen, statt daß die Stellung wechselt, z. B. im deutschen Kamm, ahd. kamb, cliamp, im englischen comh, jetzt [koum] usw., im englischen song, im deutschen Gesang in vielen Gegenden, während andere norddeutsche Gegenden den ursprünglichen Schlußkonsonanten bewahrt haben, freilich in stimmloser Gestalt als [k]: [ge'zaijk].

Vorgreifende Assimilation findet man in den häufigen Fällen, wo ein Vokal von einem nachfolgenden Konsonant nasaliert wird 59 ff.), ferner in solchen Lautübergängen wie [ijk] > [kk], z. B. im dänischen drikJce, ursprünglich drinkan, [tn] > [nn], z. B. im dänischen vand, ursprünglich vatn, [bm] > [mm], z. B. im latein. summus < svibmus, [bn] > [mn], z, B. in deutschen Dial. [ha-mn] von haben, [gn] > [gn], wie im schwedischen vagn, vgl. deutsch Agnes, Magnus.

176. Stimmbänder («). Doppelseitige Assimilation findet man in der Geschichte vieler Sprachen in den Übergängen wie [s] > [z] zwischen Vokalen und ähnl. Verweilende Assimilation findet sich, wo ein [p] oder ähnl. einem folgenden [1] oder ähnl. ganz oder teilweise

1) Primer of Spoken Englisli 88, 96, 12. 2) Phonetics 112.

3) Primer of Sp. E. 95. Sämtliche hier besprochenen Assimilationen habe ich auch selbst in England gehört.

Assimilationen und Verwandtes. 169

den Stimmton nimmt, siehe oben § 83, 85, 86, 96, aucli wenn in deutschen Dialekten ein auslautendes [s] z. B. [b] in [p] verwandelt: des Faches, aber der Bach^); vgl. hilf tenn, aber ge' denn.

Vorgreifende Assimilation: im Englischen hört man recht häufig have to, you have taken, I have told als [haeftu, ju'f teikn, aif tould]; und in used to „pflegte" ist die Aussprache [ju-stu, ju'sta] so fest- stehend, daß sie als eine von used [ju'zd] „gebrauchte" verschiedene Verbform angeführt werden kann. Im Französischen sind ent- sprechende Aussprachen äußerst gewöhnlich: [Jto. pri] je fen prie, [yn epu'S fidsl] une epouse fidele, [Jsi[i] je suis, vgl. im Inlaut der Wörter [latsy] la-äessus, [foe9te] feuiUeter^) , [lajte] la jetee, ganz wie Vacheter, ausgesprochen usw. Wenn ein zuerst stimmhafter Konsonant vor einer Pause stimmlos wird (wie im Deutschen h, d, g'> p, t, Je), so kann dies auch als eine Assimilation betrachtet werden, obgleich hier kein nachfolgender Laut, sondern die folgende Lautlosigkeit wirk- sam ist: in beiden Fällen wird die offene Stimmbänderstellung einen Augenblick früher eingenommen als sie sollte.

Die nahe Stimmbänderstellung, die die Stimme bedingt, wird auch nicht selten vorausgenommen, besonders vor einem Verschluß- laut, am meisten natürlich in den Sprachen, deren [b, d, g] durch- gehends kräftig stimmhaft sind. So äußerst häufig im Französischen: [5 z di] on se dit, [espsz da bakje] espece de hanquier, [o ssrviz de] au Service de, [da z dekrs] de ce decret, [pjsz do] piece d'eau, [moerz dy no-r] mceurs du Nord, [plaz de] (il est impossible sur) place de (dire), [ki z denot] qui se denote, [syfigz de] sufftxe de, [Jag gu-r] chaque jour, [plyz de] (se rapproche) plus de (roriginal), [ki vzs] qui faisait, [avsg de si-zo] avec des ciseaux, [avsg 3a] avec Jean, [arg da triS'f ] arc de triomphe. ^) Das Phänomen ist auch in slavischen Sprachen, im Portugiesischen und im Holländischen häufig. Dagegen findet es sich gewöhnlich nicht im Englischen, abgesehen von alten Zusammen-

1) Kräuter, Deutsche Mundarten 7, 327, vgl. im ahd. „Notkers Regel" und in romanisclien Sprachen die von Schuchardt, Romania III, Iff. (vgl. Nyrop, Adjektivemes k0n8b0jning s. 24) besprochenen Verhältnisse. Für Mittelengl. (Ancren Riwle) habe ich auf eine entsprechende Regel hingewiesen, z. B. in peos fondunges, ilke vondung; pet fifte, Jje vifte, s. Studier over engl. Kasus (1891) s. 173 ff.

2) Ballu, M6m. de la soc. de ling. II 219; seitdem sind diese Verhältnisse oft besprochen.

3) Alle Beispiele sind in Paris notiert 1888, die meisten im Theater und in Vorlesungen, besonders bei G. Paris und A. Darmesteter. Siehe viele Bei- spiele bei Franke, Phon. St. II. 43.

170 Dritter Hauptteil: Kombinationslelire. Elftes Kapitel.

Setzungen wie hushand [hAzbend], goosd)erry [guzberi], raspherry [ra'zberi, rsez-], vergl. auch hlackguard [blsBgad], cupboard [kAbad]-, im Deutschen findet es sich nach Franke nur im Nordwesten (West- falen usw.), wo man an die holländische Nachbarschaft denken kann, und in einigen östlichen Gegenden (Oberschlesien, Posen), wo vielleicht slavischer Einfluß sich geltend gemacht hat; Franke notiert [daz bat] das Bad, trefft Bekannte mit [-v b-], pot hier mit [-d b-], his jeUt mit [-Z j-] u. a.

177. Assimilation bedeutet also, wie gesagt, daß eine Organ- stellung zu lange beibehalten oder zu früh eingetreten ist, also eigentlich eine Zeitverschiebung; aber daneben bedeutet sie in vielen (nicht in allen) Fällen, daß eine andere Artikulation, die eigentlich ausgeführt werden sollte, es nicht wird; so erspart man sich besonders häufig den Zungenspitzenverschluß (in nb > mb, mn > mm, tl > 11, ng > gg), den Gaumensegelverschluß (in mpm > mmm, man > man, gg > I] u. a.), die Annäherung der Stimmbänder (3t>Jt) oder ihr Entfernen (s d > z d usw.), in dem Übergang (rt > rt) wird eine Vor- wärtsbewegung der Zungenspitze, in [mf ] > [Mf ] mit Lippen-Zahn-m eine ähnliche Bewegung der Unterlippe gespart. Aber die Zeitverschiebung und diese Sparsamkeit in der Artikulation lassen sich nicht immer bestimmt scheiden; wenn im Französischen je t'en prie [Jta pri] aus- gesprochen wird, so haben wir, wenn der Satz nach einer Pause gesprochen wird, nur das letztere, aber wenn er nach einem Vokal steht, z. B. et je t'en prie, nur das erstere, da die Stimmbänder bei dem [e] doch in der einen, bei dem [t] in der andern Stellung sein müssen. Dagegen unterscheidet sich jedenfalls die Erscheinung in ihrer Art von einer andern, die man häufig zur Assimilation rechnet (Assimilation auf Abstand), die aber besser etwa Harmonisierung ge- nannt werden könnte, indem nämlich der eine von zwei Lauten, die nicht Nachbarlaute sind, zu größerer Ähnlichkeit mit dem anderen geändert, wird.^)

1) Beispiele für Konsonanten-Harmonisierung: deutsch: Sergeant [/erijant] oder [Jer'sant], Orangutang für Orang-Utan; französisch chercher von eerclier (daraus das englische search)^ lat. circare; englisch malvesie, „Malvasierwein" (bei Chaucer und Ascham, Toxoph. 18, maluesye) > malmsey, früher [malmzi], aus- gesprochen, jetzt [ma'mzi], brinstone > irimstone, migraine > megrim; eine Anzahl Beispiele (pellegrino > pilgrim, nhd. Pfriem^ früher mit -n, vgl. altengl. preon, usw.) werden von Kluge angeführt, Nomin. Stammbildungslehre IX X und Pauls Grr. P 377. Vokal -Harmonisierung : französ. camarade für camerade, mascarade, vgl. ital. machera, ziemlich häufig [osordqi] für aujourd'hui, individuell [solonel, cercepes, ekspedisjS, epssce-r, rezerv, ete] für solennel^ europeen, expedition,

Assimilationen und Verwandtes. 171

178. Mit der Assimilation verwandt, ja in manchen Fällen nicht von ihr zu unterscheiden, ist die Lautausstoßung (die Unterlassung der Artikulation eines Lautes). Wenn einmal häufig ['aima(')l] lautet, so kommt es auf eins heraus, ob man sagt, daß das [n] zu [m] assimiliert oder daß das [n] ausgefallen ist; theoretisch ist das erstere eingetroffen, wenn [m] nun ebensolange dauert wie [nm] aber tut es das nicht, kann ja [m'] später verkürzt sein.^) Namentlich wo viele Konsonanten zusammenstoßen sollten, geht es häufig über den einen von ihnen her, in der Regel den mittleren, der meistens ein Verschlußlaut ist; seine geringe Klangfülle trägt als Ursache mit dazu bei, daß er sich im Gedränge nicht zwischen den andern halten kann. So im Deutschen z. B. Haup{t)mann, IIaup(t)Tiunst , rech(t) gut, es bleib(t) heim alten [as blaip baim 'altn], giebt es [gips] usw.; in vielen Gegenden läßt man [t] zwischen [1] oder [n] und [s] aus: [zals, gons] Sah, gang, auch zwischen zwei [s]: ausziehen [aussi-n] und ähnl.^); wenn das [t] in nicJit^) und ist außerordentlich häufig ausgefallen ist, so ist dies wohl zuerst in den Fällen geschehen, wo ein Konsonant nachfolgte. Im Englischen wird das [t] zwischen [s] und [1] ausgestoßen, regelmäßig bei alter Berührung, z. B. Castle [ka'sl], whisfle [hwisl], dagegen ist dies bei jüngerer Berührung nicht durchgeführt, da das etymologische Gefühl das [t] schützen kann, z. B. in justly [d^Astli, d^Asli]^); ebenso zwischen [s] und [n]: fasten [fa-sn], hasten [heisn], chestnut [tJesuAt]^); zwischen [n] und [/]: French [frenj],

epaisseur, reserve, etais (Jean Passy, Ph. St. III 353); ital. uguale für eguale, maraviglia für miraviglia, Taranto für Tarento, Braganza von Brigantia u. a. Vgl. die Vokal-Harmonie der uralaltaischen Sprachen, z. B. in den jakutisclieu Pluralendungen ayalar Väter, äsälär Bären, oyolor Kinder, dörölör Nasenriemen. Hinsichtlich des germanischen Umlauts sind die Meinungen geteilt: einige sehen darin ein solches Wirken auf Abstand, andere (Sievers usw.) halten es für eine gradweis wirkende Assimilation, wobei also zuerst der Konsonant zwischen den beiden Vokalen palatalisiert bezw. labialisiert wird.

1) Derselbe Zweifel z. B. im schnellen englischen let go >> leggo (so ge- schrieben in Jerome Three nien in a Boat 24, ausgespr. wohl [legou], let me > lemme (Strand Magaz. Jan. 1895, 75 Lem-me-look-at-the-tongue! he said, all in one word; gewiß schon bei Shakespeare, siehe A. Schmidt, Shakespeare-Lex. 565) let US >> less (mehrere Male in M. Twain , Mississippi 18).

2) Siehe bes. Franke, Phon. St. II 47.

3) Norddeutsch, im Süden sagt man gewöhnlich [nitj.

4) Die letzte Form bei Ellis EEP. IV 1206, als vulgär Thackeray, Burlesques 1869, 107. Sweet, Primer of Sp. E. 77 hat [bi-sly] beastly.

5) Sheridan 1780 hat es nur noch nach kurzem Vokal: glisten, listen, fasten (bei ihm kurzes a!), dagegen ist [t] bewahrt z. B, in hasten, chasten. üsed not kann zu [jusnt] werden, vgl. Engl. St. XXni461.

172 Dritt. Hauptteil: Kombinationslehre. Elftes Kap. Assimilationen n. Verwandt.

pinch [pinf]^) usw., und zwisclieii [1] und [/]: milch [mil/].^) In anderen Fällen ist der Ausfall des [t] mehr oder weniger durchgefülirt: Christmas [krismes]; the last thing, last place [la's(t) fii), la's(t) pleis], mos(t) pitiful, pos(t)master, half pas(t) fve, mus(t) he said, don'(t) come, can'(t) he helped, exac(t)ness; EUis schreibt EEP. IV 1168 [obdgeks] für öbjects, und viele sprechen sects wie sex.^) Ein [d] fällt oft aus zwischen [n] und [1] und [3], doch mit großem Schwanken; fringe, stränge, danger, ginger, hulge [frin(d)3, strein(d)3, dein(d)38, d3in(d)39, bAl(d)3]. In schneller Aussprache sagen wohl die meisten [a'st] für asJced. Im Neufranzösischen sind diese Ausstoßungen nicht so zahlreich (wohl infolge der Rolle des [9], s. § 151, wo auch einige Beispiele für Konsonantenausfall gegeben sind); [k] wird häufig in ex- vor einem Konsonanten ausgelassen: excuse [sskyz], experience [ssperiä's] usw.; auch in qu'est-ce gue tu dis? [kssty di], qu'est-ce que c'est que ga? [kssssksa]; vgl. auch mademoiselle [mamzsl], besonders vor Namen; sculpteur [skyl(p)toe'r]. Es muß bemerkt werden, daß in manchen Fällen der Unterschied zwischen der vollen und der ab- gekürzten Form auf dem Papier größer aussieht als er in Wirklichkeit ist, wo man oft im Zweifel sein kann, ob man z. B. [d^indge] oder [dringe] hört, indem der Unterschied darin besteht, ob das Gaumen- segel einen unbedeutenden Augenblick vor oder gleichzeitig mit dem Aufgeben des Zungenspitzenverschlusses gehoben wird (vgl. § 61). Das ist auch der Grund, warum die Verbindungen [mpt] und [mt], [ijkt] und [rjt] in allen Sprachen so häufig wechseln; vgl. lateinisch sum(p)si, sum(p)tum, ebenso englisch, vgl. altengl. oemettig, mittel- engl. emty und empty, jetzt von den meisten [emti], von einigen [empti] gesprochen; jumped [d^Ampt, d^Amt], contempt [ken'tempt, -'temt], preswmption [pri'zAm(p)j8n] usw. Vgl. in französischer Alltagssprache [ynptit, ymptit, yntit, ymtit] unepetite; Maupassant, Contes et Nouv. 385 une 'tite ficelle. Das englische thanked klingt ab und zu [J)9er)t]; vgl. auch anxious [aegkjes, seijjes].

1) Sheridan hat noch [ntj], aber Enfield, Pron. Dict. 10 th ed. 1829 [nj"]. Selbst heutzutage hört man [ntJ"] nicht ganz selten; Miss Soames schwankt zwischen [ntf] und [nj], schreibt aber zumeist [nt/].

2) Hier hat Miss Soames kein [t].

3) Bell, Ess. and Postscr. 19; vgl. Grandgent, Warmpth, in Public, of the Mod. Lang. Assoc. of America IV, eine interessante statistische Untersuchung teils über Auslassung des Konsonanten in Ham(p)ton, exacßßy, as(h)ed, pun(c)tv.al consum(p)tion , cen(t)s, distin(c)tion usw., teils über Einschub in com(][))fort, some(p)ihing , ivarm(p)th, sen{t)se, lenßjth usw.

Zwölftes Kapitel. Lautdauer. 173

179. Als eine besondere Art Lautausstoßung muß dieHaplologie besprochen werden: etwas das zweimal nacheinander gesprochen werden sollte, wird nur einmal gesagt, indem es (infolge einer lautlichen Illusion) sowohl an das Vorhergehende wie an das Nachfolgende an- geknüpft wird: sagt man z. B. [veni9t] mit einem [n], so fühlt es doch der Sprechende sowohl als der Hörende, als ob gesagt worden wäre: [ven] -j- [iii9t] tvenn nicht. Ebenso [da'selba] das(s)elhe, Fes{t)tag, an(n)ehmen; Haplologie von Lautreihen: Je(tz)tzeit, fe(st)stellen, franzö(si)sche; Be(He-a)Uianzplatz ; vgl. auch aus alter Zeit Elend für eli-lend. Französisch: po(st) scriptum; ido(lo)latrie, con(tre)r6le ; avez-vous oft [avQu].^) Englisch nohle -\- ly ^ nöbly usw.; eahtatiene > eigJiteen, ebenso eighty; couldn't do [kudndu-]; a goo(d) deal, las(t) Urne, wha(t) to do, si(t) down, wha(t) do you say?; familiär pro(ba)hly, (ma)ma, (pa)pa; vulgär lib(ra)ry, Feh(rua)ry; alte Haplo- logien finden sich in Eng(la)land, honestete > honesty. Von Haplologien in anderen Sprachen will ich nur anführen lateinisch nu{tri)trix, sti(pi)pendium , griechisch (tejtrapeza, am(pki)pJioreus; italienisch do(mani)'mattina; wenn jetzt italienisch cosa als Fragewort „was" ge- braucht werden kann, so kommt das wohl von der Haplologie: (che) cosa.^)

Zwölftes Kapitel.

Lantdauer.

180. Ein Laut dauert von seinem Anglitt bis zu seinem Abglitt, eine Lautreihe (Silbe, Silbenreihe) von dem Anglitt des ersten Lauts bis zum Abglitt des letzten. Diese Ausdehnung, die sich nach Sekunden und Bruchteilen von Sekunden ausmessen läßt, ist also etwas ganz anderes, als die Kraft oder Stärke des Lautes das ist so klar, daß man es nicht zu sagen brauchte, wenn man nicht jeden Augenblick

1) Daudet, L'Immortel 212 av' vous vu?; ebenso S. 215.

2) Ich habe hier die Lehre von der Haplologie nur skizzieren können (vgl. auch meine Bemerkungen in Nord. tskr. f. filol. n. r. VII 216 f., IX 323, die dän. Fonetik s. 504), hoffe sie später aber ausführlicher behandeln zu können und namentlich auf die interessanten Wirkungen der Haplologie auf die Formenlehre (engl. Flexions-s vor und nach einem anderen s, -d nach d u. a.) und auf die Syntax (dänisch: „Iwlder mig for (for) god tu . . ."; englisch this (is), not (not), as (as), französisch ä (a), que (que) und ähnl.) eingehen zu können. Haplologie ist in der neueren sprachwissenschaftlichen Literatur häufig besprochen worden, oft unter dem irreleitenden Namen „Silbendissimilation".

174 Dritter Hauptteil: Kombinationslelire. Zwölftes Kapitel.

die merkwürdigsten Vermiscliungen dieser beiden Begriffe Länge und Stärke träfe. Allerdings finden wir diese beiden Dinge oft in den Spracben zusammen auftretend (siebe unten), aber oft treffen wir sie aucb gescbieden, wie in einem sebr kräftigen, ganz kurz gesprocbenen na! oder im engliscben follow, Jiappy, wo die erste Silbe stark und kurz, die zweite scbwacb und lang ist oder sein kann. Die landläufige Vermiscbung von Dauer und Stärke zeigt sich wobl am flagrantesten in der gedankenlosen Übertragung metrischer Bezeichnungen, die ur- sprünglich für Längenverhältnisse (Quantität) gebraucht wurden, auf den Ton, so daß follow, das nach klassischem Sprachgebrauch ein Jambus (y _) sein sollte, jetzt ein Trochäus (_ w) genannt wird.^)

181. Selbstverständlich gibt es zwischen einem ganz kurzen [i] oder [n] und einem [i] oder [n], das so lang ausgezogen wird, wie man Luft in den Lungen hat, eine unendliche Reihe von Abstufungen, aber für unsere Zwecke können wir uns damit begnügen, folgende Stufen zu unterscheiden und sie folgendermaßen zu bezeichnen, indem die gewöhnliche kurze Stufe keine Bezeichnung braucht:

(extrakurz [i, il] oder [*, °]) kurz [i, n] halblang [i., n.] lang [i-, n'] extralang [i", n"] oder je nach den Umständen mit noch mehr Punkten.

Analphabetisch bezeichnet . , unverändertes Beibehalten einer Organstellung. Wenn Lautreihen analphabetisch geschrieben werden sollen, erhält jedes Organ (durch einen griechischen Buchstaben be- zeichnet) seine Zeile; was gleichzeitig in den verschiedenen Organen geschieht, steht senkrecht über und untereinander. Wenn nun . . nur in einer Zeile steht, bedeutet das, daß das betreffende Organ in der soeben angegebenen Stellung verweilt, während die anderen Organe ihre Stellung ändern-, soll ein ganzer Laut als lang bezeichnet werden, muß man natürlich das Zeichen . . in allen Zeilen (bei allen Organen) setzen. Indem das Zeichen Ruhestellung bedeutet, wird man jetzt die folgenden Umschreibungen von den Lautreihen [i'nd] mit langem [i] und [in'd] mit langem [n] verstehen:

1) Daß überhaupt diese Ausdrücke, selbst wenn man sie nur auf Druck- verhältnisse bezieht, in der modernen Metrik nutzlos, ja nachteilig sind, habe ich in der oben S. 2 Anm. genannten Abhandlung zu zeigen gesucht.

Lautdauer.

175

i

n

d

a

4c

. .

ß

e

. .

Oef

V

J7

8

0

2

0

s

1

.

und

i

n

d

4c

e

Qef

38

?7

0

2

0

1

. .

. .

Halblang kann analphabetisch durch einen einzelnen Punkt be- zeichnet werden.

182. Die absolute Länge beruht auf dem Tempo der Rede. Es gibt in der Rede ebensoviele verschiedene Tempos wie in der Musik, und ebenso wie der Komponist vor jedes Stück ein Allegro oder Andante usw. setzt oder sogar eine Metronomzahl angibt, so müßte in einer voll- kommenen Lautschrift jedes kleine Stück ein ähnliches Zeichen vor sich haben. Das Tempo, das sogar innerhalb desselben Satzes oft wechseln kann, hängt von der ganzen geistigen Haltung des Redenden ab imd außerdem von seiner augenblicklichen Stimmung und Laune: der Lebhafte, Eifrige spricht rascher als der Niedergeschlagene oder Träge. Wer sich überlegt, sei es den Inhalt, sei es die Form dessen, was er sagen will, spricht langsam; wer nicht auf die Gegen- vorstellungen des anderen eingehen will, „antwortet kurz," d. h. mit raschem Abbrechen der Worte. Andererseits aber können kräftige Stimmungen sich durch Verweilen auf gewissen starken Lauten, also durch augenblickliche Verzögerung des Tempos, kenntlich machen, z. B. „das ist doch zw ' ' toll," „ach, tvie schö ' ' ' n!" usw. Ein froh- begeistert verlängertes jaf [j " * cl •, e a ' •] und ein zögerndes, warten- des jaf, wo man sich so lange wie möglich bedenkt, ob man nicht lieber nein sagen müßte, können darum gleichlang werden (aber durch den Ton unterscheiden sie sich, siehe fünfzehntes Kapitel). In Kommandorufen wird oft der letzte Laut im ersten Wort verlängert, wie re' " chts um, Gewe * " hr über, wodurch zu erkennen' gegeben wird, daß das Kommando noch nicht abgeschlossen ist, aber daß man sich bereit halten soll für das entscheidende Schlußwort. In Rufen werden auch oft Laute verlängert, die sonst kurz sind: Em"'ma'"! Frische tt!

183. Als wichtiges Quantitätsgesetz kann vielleicht aufgestellt werden, daß der Redende das Tempo beschleunigt, wenn er sich be- wußt ist, daß er eine lange Lautreihe sprechen soll (die am liebsten „in einem Zuge" gesprochen werden soll). Das zeigt sich, wenn man etwas herleiern soll, was man auswendig gelernt hat; ferner bei

176 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Zwölftes Kapitel.

parenthetiscli eingescliobenen Sätzchen, z. B. „mit eigentümlichem, man könnte vielleicht sagen metallischem Klang," wo die kursiv gedruckten Worte sehr hastig gesprochen werden. Dieses Gesetz erklärt die schon von Rask gemachte Beobachtung, daß der Vokal in einem ein- silbigen Wort wie dänisch far [fA-r] (= fader) länger ist als der in fare [fA-re]^), ferner Sweets Bemerkung, daß der Diphthong in tau [teilj länger ist als in tailor [teils], [1] in huild [bild] länger als in building [bildiij], und Sievers', daß [a-] länger ist in fahl als in fahle und dieses länger als das [a-] in fahlere.^) Ferner sehen wir nun den Grund zu der außerordentlich häufig vorkommenden Erscheinung, daß das erste Glied in Zusammensetzungen verkürzt wird, so im Deutschen Hochzeit gegenüber hoch, Schuhmacher (Schumacher == Eigenname) gegen Schuh, im Dänischen husmand verglichen mit hus, im Eng- lischen husband, waistkoat [hAzbend, wesket] verglichen mit house [haus], früher [hu-s], und waist [weist]; ferner sehen wir auch den Grund zu der größeren Neigung, in langen Wörtern Laute aus- zustoßen. Viele Leute, die in Bathaus das h deutlich hören lassen, sprechen RatJmuskeller ohne eine Spur von h (und mit mehr oder weniger verkürztem a). Als allgemeine Regel kann aufgestellt werden, daß beim Beschleunigen des Tempos die langen Laute mehr leiden als die kurzen, indem ihre Dauer sich mehr derjenigen nähert, die die kurzen gewöhnlich haben; kurze Laute bleiben entweder (fast) unverändert kurz oder fallen in gewissen Fällen weg; ferner wird natürlich die Anzahl und die Ausdehnung der Pausen beschränkt. Es ist klar, daß wir infolge der Tempoverschiedenheiten viele Möglich- keiten der Differenzierung in den Sprachen bekommen und daß viele verkürzte Wortformen ursprünglich sich nur in den raschen Tempos eingefunden haben; eine interessante Illustration hierzu hörte ich eines Tages in Paris an dem Worte celui, indem ein kleines Kind erst sehr langsam sagte [e'selqi'la e's8li[i'la] und darauf plötzlich schnell hinzu- fügte [esi[i'la].

184. Noch wichtiger als die absolute Lautlänge ist die relative, ebenso wie in der Musik das Verhältnis zwischen einer halben, einer viertel und einer achtel Note wichtiger ist als die Verschiebung in ihrem Werte, die aus dem verschiedenen Tempo folgt. In den meisten

1) Der Unterschied ist jedoch nicht so groß, daß wir ihn in der Lautschrift zu bezeichnen brauchten.

2) Luick erklärt von diesen Gesichtspunkten aus sehr schön, aber doch zu schematisch , eine ganze Reihe von Quantitätserscheinungen im Englischen (Anglia XX).

Lautdauer. 177

Sprachen unterscheidet man lange und kurze Laute, in einigen außer- dem halblange, aber die Sprachen sind untereinander äußerst verschieden hinsichtlich der Benutzung dieser Quantitäten, indem sie teils auf rein äußeren phonetischen Verhältnissen beruhen können, für die Regeln gegeben werden können (Druck, Stellung in der Silbe, Umgebung) die äußerlich bestimmte Quantität teils auf etwas Innerem, so daß die Quantität ein ebenso wichtiger Bestandteil der Worte ist und ebenso gut zur Unterscheidung der Bedeutung gebraucht werden kann wie die Lautbestandteile an und für sich die innerlich bestimmte Quantität. Jede Sprache hat ihre Gewohnheiten, und vielleicht die einzige allgemein gültige Regel, die man aufstellen kann, ist die, daß die Konsonanten im absoluten Anlaut kurz gesprochen werden, aus- genommen bei Stimmungsverlängerungen wie in dem oben genannten j a und ebenso n e •, n * a u. ähnl.

185. Deutsche Quantität ist meistens innerlich bestimmt; sie unterscheidet u. a. folgende Wortpaare: Saat [za-t] satt [zat]; biete [bi-te] bitte [bite]; Miethe [mi-te] Mitte [mite]; ihn [i'n] in [in]; Sohne [zo'ne] Sonne [zone]. In anderen Fällen sehen wir ein Schwanken, z. B. in Krebs [kre(')ps], jenseits [je(')nzaits], gibt [gi(')pt], Arzt [a(')rtst]; auch in Wörtern wie Glas, Lob, Grob findet man teils langen, teils kurzen Vokal; letzterer ist von den flektiei-ten Formen eingedrungen.

Von den äußerlichen Quantitätsregeln ist die, daß alle schwachen Süben kurzen Vokal haben, bei weitem nicht durchgeführt; vor der betonten Silbe, wie in Militär, vielleicht, Utopie, findet sich meistens kurzer (oder halblanger) Vokal ^); und der auslautende schwache Vokal ist oft lang oder doch halblang, z. B. in Anna, Kali, Trio ['ana("), kaii('), tri'o(')]; [e] jedoch immer kurz. Auslautender starker Vokal ist lang, also auch z. B. in du [du-]^), doch hört man den kurzen Vokal gewöhnlich in den Interjektionen na!,, da!, auch, wenigstens in einigen Gegenden, in ja! neben dem häufigeren [ja*]. Vor Konsonantengruppen ist der Vokal in der Regel kurz: Macht, kurz, bilden, vierzig [maxt, kurts, bildn, firtsi9] usw., doch gibt es nicht wenig Ausnahmen: Magd, Mond, Kloster, Obst, Dienst, stets, nächst [ma'xt ma-kt, mo'nt, klo'star, o'pst, di-nst, Jte-ts, ne'9st] usw., namentlich ist der lange Vokal häufig vor r- Verbindungen: Pferd,

1) Aber mit der gleichen Qualität wie die langen Vokale, siehe im einzelnen § 148 ff.

2) Der jedoch im Satzzusammenhang (du bist usw.) natürlich meist schwach und verkürzt ist.

Jeaperseu, Lehrbuch der Phonetik, 12

178 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Zwölftes Kapitel.

Schwert, erst, Art, Behörde, Börse [pfe-rt, Jve-rt, e-rst, a-rt, b8'h0'rd9, b0TZ8] u. a. Die Vokalqualität ist abhängig von der Quantität, so daß ein kurzer (starker) Vokal breit, ein langer dagegen dünn ist, siebe näheres oben im Kapitel von den Vokalen. Konsonanten sind in der Regel kurz, im Auslaut jedoch nicht so kurz wie im Dänischen, so daß deutsch Mann, was die Länge des [n] betrifft, die Mitte zwischen dem dänischen man und dem englischen man zu halten scheint. Im Inlaut ist der Konsonant kurz, auch wo er doppelt ge- schrieben wird, z. B. liomme, Sonne, alle [kome, zone, ab]; lang scheint ein stimmhafter Konsonant jedoch oft vor einem anderen stimmhaften zu werden; z. B. in herrlich, englisch [her'li9, erj'lij], ferner wo ein Flexionsvokal ausgefallen ist, z. B, in hallt [habt] von hallen ver- schieden von halt [halt] von halten; ebenso ist das zweite Glied im Diphthong länger in [ba'frai.n] befreien als in [ho'rain] Jierein.^)

186. Englische Quantität ist gleichfalls zum größten Teil innerlich bestimmt, wenn auch nicht in ganz demselben Umfang wie im Deutschen; durch die Vokallänge unterscheiden sich unter vielen anderen folgende Wortpaare^): seat [si't] sit [sit]; heat heet [bi't]

hit [bit]; neat [ni't] hnit [nit]; feat feet [fi't] fit [fit]; fool [fu'l] füll [ful]; pool [pu'l] pull [pul]; wooed [wu'd] would wood [wud]; raid [reid] read red [red]; brayed [breidj bread [bred]; wail [weil] well [wel]; mate [meit] met [met]; tail tale [teil] teil [tel]; naught nought [no't] not Icnot [not]; gnawed [no-d]

nod [nod]; caught court [ko't] cot [kot]; gaud [go'd] god [god].

1) Interessant sind die instrumentalen Messungen, die Ph. Wagner und Victor vorgenommen haben; danach sollten lange Vokale 0,3 Sekunden dauern, kurze 0,2 (Wagner für den Reutlinger Dialekt) oder 0,15 (Viötor); [m] in Kamm 0,3, in kam 0,29, also beinahe kein Unterschied; dagegen ist es ein sehr auf- fallender Unterschied, wenn das Schluß-[m] in halbstarker Silbe in Hohenheim nur auf 0,12 gesetzt wird, [m] in Kammer 0,12; in kamen 0,14; in Baumeister 0,16; in Baummeise 0,33; [f] in schaffe 0,3, in Schafe 0,23 (also fast umgekehrt wie das Verhältnis bei mf); in Baufeier 0,24, in Tauffeier 0,38. Näheres siehe Vietor, El. d. Ph. S. 268 f. und 273 f., Ph. Wagner, Der gegenwärtige Laut- bestand des Schwäbischen, 1889 91, und Die Verwendung des Grützner-Marey- schen Apparates usw. Ph. St. IV 68 ff. Die Untersuchungen sind jedoch noch nicht zahlreich und überzeugend genug.

2) Hierbei sind [e] und [ei] als einander entsprechende kurze und lange Vokale gerechnet, und ebenso bei den anderen, obgleich die Übereinstimmung ja nicht vollständig ist, siehe oben Neuntes Kapitel. Dagegen können natürlich [ij und [ai] nicht als Paar gerechnet werden, obgleich die Ortographie, indem sie beide Mal i schreibt, die Erinnerung an die Zeit bewahrt, da die zugrunde- liegenden Vokale nur durch die Länge sich unterschieden.

Lautdauer. 179

In anderen Fällen haben wir Schwanken, so besonders bei [o] vor [s, f), f], wo jetzt die Tendenz besteht, den Vokal zu verlängern: cross, cloth, off [kro(')s, kb(-)J), o(')f] usw.^) und bei [o*] vor den Verbindungen [It, Is], die jetzt häufig verkürzt werden, z. B. in sali, fault, false [so(')lt, fo(')lt, fo(-)ls].

Hinsichtlich der äußerlichen Quantitätsbestimmung kann bemerkt werden: Schwache Silben haben wohl in der Regel kurzen Vokal, aber doch längst nicht immer; erstens sind auslautende Vokale oft lang (oder doch halblang), nicht allein in Fällen wie window, follow, potato, negro [windou, folou, pa'teitou, nigrou] oder virtue [votju-], sondern auch in püy, happy, hetter [piti(-), h9epi(.), bet9(.)], wo der Vokal im Satzinlaut wohl immer kurz ist; zweitens spricht man vor einer betonten Silbe oft lange Vokale, z. B. in Arcadian [a-'keidjan], eircuitous [sa-'kju'ites], orthography [o''|)ogr9fi], wo sich jedoch auch mehr oder weniger durchgreifende Verkürzung findet; über [ou] siehe § 159; endlich findet sich langer oder halblanger Vokal nicht selten bei halbstarkem Druck: z.B. in colleaguel^koj^i'oi], paragraph [^-pserQ^^ra-t], Chinese ['tjai|niz], platform ['plaet|fo'm], indicate ['indikeit]. Vor Konsonantengruppen finden sich sowohl lange wie kurze Vokale: ersteres z. B. in field, joU, world [fiid, dgoult, wo-ld], east, coast, fast, first [i'st, koust, fu'st, fa-st], ash [a-sk], dofi't, won't, plant [dount, wount, pla-nt], stränge [strein(d)3], Chamber [tjeimba], example [ig'za'mpl], nature [neitja], cage, large [keid^, lu'd^] usw. Die Vokalqualität ist in sehr hohem Grade von der Länge abhängig, in- dem man kein einziges Paar vollständig gleicher Vokale hat; die langen sind immer diphthongisch (hinaufgleitend) mit Ausnahme der drei niedrigen [9', a', O']; kurze Vokale (in starken Silben) sind immer breit.

187. Als durchgehendes Gesetz kann aufgestellt werden^): eine starke Silbe, die entweder allein oder am Ende einer Lautgruppe steht, ist immer lang; während nach einem langen Vokal der Schluß- konsonant kurz ist, z. B. in feet, feed [fi-t, fi'd], ist umgekehrt nach einem kurzen Vokal der Endkonsonant lang, z. B. in fit, hop, hiss.

1) Vgl. pass, path, staff, wo das frühere [se] jetzt in Südengland verlängert und zu [a'] geworden ist.

2) Es ist Sweets Verdienst, die folgenden Quantitätsgesetze zuerst formuliert zu haben; meine eigenen Beobachtungen haben mich von ihrer Wahrheit über- zeugt, und ich weiche von ihm eigentlich nur in einigen Punkten der Anordnung ab. Amerikanische Quantität folgt zum Teil andern Regeln, siehe Grandgent, Neu. Sprachen II 163 ff.

12*

180 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Zwölftes Kapitel.

smash [fit*, hop', kis', smaej']. So immer bei stimmlosem Endkonsonant; bei stimmhaftem ist es auch das normale, z. B. in well, man, hig, Jiad, give, is [wel', inaen', big', haed', giv, iz'], aber das Verhältnis ist doch insofern nicht stabil, als nicht selten eine Verschiebung eintritt, wobei die Länge sich entweder recht gleichmäßig auf Vokal und Konsonant verteilt oder auf den Vokal übergeht, so daß nur die Länge der Silbe im ganzen das konstante ist; also man kann [msen", mae.n., mae'n] ge- sprochen werden; desgleichen heg, egg, had, dog, god usw.^) Zu be- merken ist, daß wir hierbei lange undiphthongische Vokale bekommen, also z. ß, in egg [e-g] verschieden von [ei = e.i.] in vague. Die Dauer eines langen Vokals (resp. Diphthongs) beruht auf der Stimm- haftigkeit des Endkonsonanten, indem wir vor einem stimmhaften Konsonanten volle Länge, aber vor einem stimmlosen Konsonanten nur halbe Länge (oder dreiviertel Länge) bekommen; daher also der Unterschied zwischen sei0e [si'z], eigentlich [sii.z] oder [si'iz] und cease [si.s], eigentlich [siis]; raise [reiz], eigentlich [je.i.z] oder [jeiz] und race [reis], eigentlich [leis]; code [koud], eigentlich [ko.u.d] oder [ko'Ud] und coat [kout], eigentlich [kout]; vergl. ebenso hird [ba-d] und hurt [he.t], hard [hu'd] und heart [ha.t], chord [ko'd] und court = caught [ko.t]. Ebenso die Diphthonge in eyes [aiz] mit halblangem Verweilen auf beiden Gliedern, und ice [ais] mit beiden Gliedern gleichkurz; in cows [kauz] länger als in house [haus], in boys [boiz] länger als in voice [vois]. Endet die Silbe auf mehrere Konsonanten, so richtet sich in ähnlicher Weise die Länge des (der) ersten nach den Stimmverhältnissen der letzten, [1] ist darum länger (halb- oder ganzlang) in huild, fields, ells als in huilt, tilts, eise, [n] länger in sins [sin.z] als in since [sins]; vergl. auch die lange ebenmäßig gleitende Aussprache von Wörtern wie joins fast [d^o.i.n.z], whined [hwa.i.n.d], told [to.u.Ld] mit der raschen in Poins [poins], pint [paint], coli [koult]. - Ein Konsonant zwischen zwei Vokalen ist kurz^) z. B. in beggar. Weller, manner, fitting, tobacco [bege, weh, maene,

1) Vgl. die Schreibweise bei Humoristen als Wiedergabe dieser Aussprache: dawg, gawd. Diese Verschiebung scheint jedoch nicht überall eintreten zu können, wohl kaum bei hohen Vokalen wie in give, füll. Dagegen findet man sie häufig vor stimmlosem [s] in dem einen Wort yes [je's] neben [jfes']; Sweet scheint dies nicht zu erwähnen.

2) Ausgenommen die verhältnismäßig seltenen Fälle der Verdoppelung bei Zusammensetzungen, z. B. penknife [pennaif], eigentlich [ipen.,naif], home-made [hoummeid], unknown [Announ], cleannes [kli'nnis], head-dress [heddres]. In Fällen wie wholly, coolly [houlli, kuUiJ ist eine ziemlich starke Tendenz zur Vereinfachung, vgl. nohly für noblely § 179.

Lautdauer.

181

fitii), tebaekou], was man deutlich hört durch den Vergleich mit heg, well, man, fit, hack; ebenso verkürztes [t] in put it hack, [k] in took Jdm usw. Ebenso wird, wie schon oben § 183 bemerkt, [ei] etwas kürzer in taüor als in tau, [1] in huilding als in huild, ohne hier jedoch so kurz wie [ei] in Jiate, [1] in huilt zu werden.

187 b. Ich habe die vorstehenden Bemerkungen so stehen lassen wie sie vor dem Erscheinen von E. A. Meyers bedeutungsvoller Schrift^) geschrieben waren, werde aber jetzt einen Auszug aus seinen Ergebnissen mitteilen. Die Zahlen sind Durchschnittszahlen und be- deuten hundertstel Sekunden. Was zunächst die Konsonanten betrifft, bekommen wir die folgenden Werte, indem ich nur diejenigen Kon- sonanten mitnehme, für welche Zahlen für alle hier mitgeteilten Stellungen gegeben sind. Die drei ersten Kolumnen beziehen sich auf einsilbige Wörter, die beiden letzten auf zweisilbige:

Anlaut

Auslaut

Inlaut

nach langem Vokal

nach kurzem Vokal

nach langem Vokal

nach kurzem Vokal

p

11,5

12,6

14,8

8,0

10,2

t

11,2

10,1

11,9

7,9

9,0

k

10,5

12,0

13,3

8,9

10,6

b

10,0

8,8

10,1

6,2

7,1

d

9,1

6,2

7,9

4,9

5,7

f

11,2

13,1

13,5

7,3

8,7

s

13,2

14,1

14,5

9,3

9,5

V

10,3

9,8

10,5

4,9

4,8

1

10,6

13,6

17,4

7,2

7,5

m

10,2

15,5

17,8

7,9

8,6

Wie man sieht, hat Sweet Recht darin, daß die auslautenden Konsonanten nach kurzen Vokalen länger sind als nach langen; da- gegen hat er den ähnlichen Unterschied bei inlautenden Konsonanten übersehen, was nicht Wunder nehmen kann, da die inlautenden (wie er auch bemerkt hat) so viel kürzer als die auslautenden sind. Noch größer ist der Unterschied zwischen [1] oder [n] vor stimmhaften Konsonanten (in huild, felled, mend, pens, tens), Durchschnittslänge 19,4, und denselben Lauten vor stimmlosen Konsonanten (in huilt, feit, meant, pence, tense), Durchschnittslänge 12,2.

1) Englische Lautdauer, eine experimentalphonetische Untersuchung von Ernst A. Meyer. Uppsala und Leipzig (Harrassowitz) 1903.

182 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Zwölftes Kapitel.

Bezüglich der Vokale ist das wichtigste das folgende Gesetz (S. 39) : „die Dauer des Vokals ist unter sonst gleichen Umständen abhängig von der Höhe der für den Vokal erforderlichen Zungenstellung: je höher diese, um so kürzer der Vokal". Z. B. ist vor p, t, k [u] 13,3, [i] 13,9, aber [o] 20,1 und [ae] 22,4; ebenso bei den langen, wo wir vor denselben Konsonanten eine Durchschnittslänge für [i-] von 20,1, für [u'] von 21,3, aber für [a-] und [d'~\ von 29,2 und für [o-] von 29,8. haben. Es ergibt sich also sogar, daß das „kurze" [se] länger ist als das „lange" [i*]. Die Erklärung liegt wohl in der größeren Strecke, die die Organe zurückzulegen haben (etwas anders bei Meyer, S. 39); wie Meyer bemerkt, hängt sein Gesetz mit der von mir 187 Anm.) gegebenen Einschränkung der Längung vor stimmhaften Konsonanten zusammen. Ferner ist unter sonst gleichen Ver- hältnissen der Vokal länger vor Engelauten als vor Verschlußlauten; vor stimmlosen Engelauten ist der Durchschnittswert von [i] 17,3, von [ü] 20,8, von [o] 23,2 und von [se] 28,1. Vor [1, m, n, g] erhalten wir ungefähr dieselben Längen wie vor stimmlosen Engelauten; hier hat die Sprache ja nicht die entsprechenden stimmlosen Laute. Sonst wird der Vokal vor einem stimmhaften Konsonant durchschnittlich etwa 40 7o länger als vor dem entsprechenden stimmlosen. In zweisilbigen Wörtern ist der Druckvokal entschieden kürzer als in einsilbigen, dagegen ist der Vokal der schwachen Silbe recht lang: auslautendes [i] in giddy, lady usw. durchschnittlich 24,0, [o] in steamer, hitter usw. durchschnittlich 24,8; ebenso silbiges [1] in ciittle usw. 21,8. Der nicht auslautende schwache Vokal in skating, notice usw. ist auch auffallend lang: 16,1. In der zusammenhängenden Rede, die Meyer nicht untersucht hat, sind diese schwachen Vokale jedoch wohl kaum so lang, als wenn sie isoliert vor einer Pause stehen. Wenn diese instrumenteil gewonnenen Sätze auf den ersten Blick den oben gegebenen, auf Artikulationsempfindungen und Gehörs- eindruck beruhenden mehrfach zu widersprechen scheinen, so ist doch hervorzuheben, daß alles, was praktisch wichtig ist, durch die Instrumente bestätigt worden ist. Daß [ae] eine größere Eigendauer als die hohen Vokale hat, ist theoretisch hochinteressant; den Praktiker interessiert es weniger, weil jedermann diesen Unterschied unbewußt machen wird; für ihn ist es aber von großer Bedeutung, die Dauer des- selben Vokals vor verschiedenen Konsonanten festzustellen, da hier die Sprachen unter sich große Verschiedenheiten darbieten. Sweet arbeitet durchgehends mit Vergleichung von Wortpaaren, die nur in einem Laut voneinander abweichen, und wenn man statt seinem

Lautdaner. 183

„lang" und „kurz" nur „länger" und „kürzer" setzt, dann stimmt seine Beurteilung fast überall mit den wirklichen Verhältnissen.

188. Französisch.^) Fast alle Quantitätsverhältnisse sind äußerlich bestimmt, so daß nur ein sehr kleiner Spielraum für die Anwendung der Quantität im Dienste der Bedeutungsunterscheidung übrig bleibt, fast nur [s] vor Konsonant, wo wir einige wenige Wort- paare erhalten wie maitre [ms'tr] mettre metre [mstr]; tete [ts-t] tette [tst], bete [bs-t] bette [bst], paraissent [pars-s] paresse [parss].^)

Äußerliche Bestimmungen: Eigentlich lange Vokale finden sich nur in Drucksilben, in schwacher Silbe ist Halblange, die sich oft ganzer Länge nähert, jedoch recht häufig. Da die Druckverhältnisse in dieser Sprache mehr als in den vorhergehenden durch die Stellung im Satze bestimmt sind, so erhalten dieselben Worte oft verschiedene Quantität, z. B. chose an und für sich [jb'z], aber chose etonnante [Jb.z etonu't] oder [Jbz e ], art [a-r], aber Vart dramatique [la(.)r dramatik]. Lange Vokale finden sich ferner nur vor Konsonanten, also ist der Auslaut kurz z, B. in tu = tue = tues = tut [ty], ami = amie [ami].^) Wenn Passy hier als Ausnahmen £^/^ und six [di', si'] anführt, so sind das nur scheinbare Ausnahmen, indem diese Formen ja nur im Innern des Satzes vor Worten benutzt werden, die mit Konsonant beginnen, z. B. dix francs, die Vokale also in Wirklichkeit im Inlaut stehen.

Jeder Vokal ist lang vor stimmhaftem Engelaut, [r], aber nicht [1], mit einbegriffen: neuve [noe'v], vive [vi'v], creuse [kr0'z], prise [pri'z], page [pa'g], tige [ti'g]; travail [travaj], Versailles [vsrsa'j]; tard [ta-r], cuir [ki{i-r] usw. Nasalvokale sind immer lang vor Kon- sonant: monde, monte, montre, monstre [m5'd, mS't, mo'tr, mo'str,] danse, langue [dd's, la-g]; peinte, peintre, singe [ps-t, ps'tr, ss'g]; emprunte [apröe-t]. Dasselbe gilt für [o] und [0], z. B. faute, autre, grosse [fo't,

1) Wesentlich nach Passy; vgl. Storm 168 flF.

2) Passy, Sons s. 157 hat im ganzen 18 solche Wortpaare mit [ej gesammelt, von denen mehrere jedoch schwankend oder zweifelhaft sind. Außerdem führt er als durch die*^uantität unterschieden nur an tous [tu'sj tousse [tus], Agis [asi's] agissent [asisj, hotte [bwa-t] boite [bwat], im ganzen nui- sehr wenige Wortpaare im Vergleich mit denen, die in den anderen oben behandelten Sprachen gesammelt werden können.

3) In der älteren Sprache war auslautender Vokal lang, sowohl wenn ein e als auch ein s verstummt war, so daß man dadurch teils die Formen des weiblichen Geschlechts, teils die Pluralformen unterschied, z. B. [ami-] = amie, amis, [po'] = pots, peaux, was noch dialektisch bewahrt ist.

184 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Zwölftes Kapitel. Lautdauer.

o'tr, gro's]; meiite, nmtre [m0't, ii0tr]. Über die andern Vokale in dieser Stellung kann keine so absolute Regel gegeben werden; meistens sind sie kurz, docb herrscht hier ein großes Schwanken. Wenn überhaupt großes Schwanken hinsichtlich der Länge der französischen Vokale besteht, so hängt das damit zusammen,

1. daß es so wenige Fälle gibt, in denen ein Wort mit einem andern verwechselt werden kann, wenn es mit einer andern Quantität als der gewöhnlichen ausgesprochen wird, was ja nicht an Genauigkeit in dieser Beziehung gewöhnt,

2. damit, daß kurze und lange Vokale ihrer Qualität nach gleich sind, so daß nicht die Neigung besteht, die langen zu diphthongieren oder die kurzen breit zu machen,

3. mit dem großem Einfluß des Satzakzentes, so daß dieselben Worte von Satz zu Satz wechseln,

4. damit, daß ,,loser Anschluß" (vgl. unter Silbe) vorherrschend ist, indem dieser die Tendenz hat, kurze Vokale weniger kurz zu machen als in andern Sprachen.^)

189. Konsonanten sind in der Regel kurz, im Auslaut nach kurzem Vokal, z. B. qtiel, quelle, jedoch wohl meist halblang (nicht so lang wie die englischen, aber länger als die deutschen); für die Konsonanten in Gruppen gibt Passy Kürze vor stimmlosem, Halblänge vor stimmhaftem Konsonanten an, z. B. [r] in Va/rc bezw. argue, [1] in quelqiie bezw. algues; das Verhältnis ist jedoch zu wenig untersucht.^) Lange Konsonanten auf zwei Silben verteilt (verdoppelte) haben wir in einer Reihe von Fällen, teils in „gelehrten" Worten, z. B. in illegal, immoral, collaborateur [il'legal, im^moral, koMaboratoer] usw., schwankend in litterature [li(')teratj-r], grammaire [gra(m')m5'r] u. a., teils bei Zusammenstoß von zwei zu verschiedenen Worten oder Wort- teilen gehörigen Lauten : ä ce soir [as'swa'r], ne coupe pas [no kup' pa], extremement [skstrs-m-maj, mourrais [mur-rs], assurerait [assyr-rs].

1) Ich habe crepe [krep] und [krs'p] gleich nacheinander aussprechen hören, ebenso jeudi [30di] und [30-di], tout au moins [tut o mws] und [tut o' mws]. Storni S. 184 gibt Beispiele dafür, daß kurze Vokale unter dem Einfluß des Affektes verlängert werden können: Ah, madame la cotutcsse, nans ce-fse u. a.

2) Ph. Wagner, Französische Quantität, in Ph. St. VI,lff. bestreitet nach seinen Messungen mit Albrechts Apparat Passys Regeln über Konsonantenlänge, aber man wird etwas skeptisch in bezug auf seine Resultate, wenn man sieht, wie er weit kürzere Werte für französische Laute ansetzt als in seinen und Victors Untersuchungen über deutsche, z. B. in cet hötel [s] und das erste [t] 0,075 Sekunden, das zweite [t] 0,1, [1] 0,15; in cette hotte [s] 0,1, erstes [t] 0,126, letztes [t] 0,175—0,2 Sekunden.

Dreizehntes Kapitel. Silbe. 185

voyions [vwaj'jS], endlich auch unterm Einfluß der Stimmung: c'est desolant [ssd-dezola] ; in der Volkssprache ist letzteres ziemlich weit verbreitet. Im Anlaut kann in der alltäglichen Rede auch ein langes [t] sich finden in°[t'afs, t-alce-r], entstanden durch eine Art von Haplologie aus tout-ä-fait, tout-ä-VJieure; man bedenke jedoch, daß, da es eine Pause ist, die verlängert wird, die Länge hier im Anlaut nur von dem Redenden selbst gefühlt, nicht von jemand anders (es sei denn viel- leicht in Form eines besonders energischen Absatzes) gehört werden kann.

190. Andere Sprachen zeigen noch ganz andere Quantitäts- gesetze, zum Teil sogar sehr verschiedene; das Dänische folgt z. B. ganz anderen Gesetzen als das Norwegische und Schwedische. Das Finnische wendet in dem Maße Quantitätsverhältnisse zur Bedeutungsunter- scheidung an, daß es

1. kurzen Vokal -|- kurzem Konsonanten, z. B. in tuli 'Feuer',

2. langen Vokal -|- kurzem Konsonanten: tuuli 'Wind',

3. kurzen Vokal -{- langem Konsonanten: tulli 'Zoll',

4. langen Vokal -f- langem Konsonanten: lutdla 'denken'

hat.^) Umgekehrt benutzt Russisch die Quantität gar nicht als inte- grierenden Teil der Sprache, so daß starke Vokale ganz allgemein halblang sind (Sweet). Hinsichtlich der romanischen Sprachen siehe besonders Storms interessante Abhandlung Romanische Quantität in Ph. St. II, 139, wonach ein Gegensatz zwischen kurz und lang in ganz demselben Sinne, wie z. B. im Deutschen, in den romanischen Sprachen gar nicht existiert. Auf nähere Details kann ich mich hier nicht einlassen.

Dreizehntes Kapitel.

Silbe.

191. Daß die Sprache für uns in natürliche Glieder, „Silben", zerfällt, darüber kann kein Zweifel bestehen; auch wird in den aller- meisten Fällen kein Zweifel darüber herrschen, wie viele Silben wir in einer gegebenen Wortverbindung haben. Aber sobald wir danach fragen, worauf die Silbenteilung beruht, stoßen wir auf verschiedene Auffassungen.

1) Storm, Engl. Phil. S. 255; ich habe die Unterscheidung selbst gehört und mich von ihrer Richtigkeit überzeugt. Das in Finnland gesprochene Schwedisch hat in quantitativer Beziehung mehrere Eigentümlichkeiten von dem Finnischen angenommen, z. B. die, daß in "Worten wie dans, tant [s, t], nicht [n], verlängert wird; vgl. Pipping, Nystavaren IV, S. 134 f.

186 Dritter HauptteU: Kombioationslehre. Dreizehntes Kapitel.

Nach einigen beruht sie auf der Expiration: „eine Silbe ist eine Lautgruppe, die mit einem Ausatmungsdruck (Expirationshub) ge- sprochen wird."^) Nach andern hat der SilbenbegrifP nichts mit der Expiration, sondern dagegen mit der natürlichen Schallstärke, Schall- fülle, Sonorität der Laute zu tun.^) Und endlich gibt es Phonetiker, welche die beiden Anschauungen kombinieren und sagen, daß es zwei Arten Silben gibt: Expirationssilben und Souoritätssilben. ^) Im folgenden will ich den Versuch machen, eine Silbentheorie auf den in der Sprache faktisch vorkommenden Erscheinungen aufzubauen.

192. Die Schallfülle eines Lautes ist eine Resultante aus denselben Faktoren, die überhaupt sein ganzes Gepräge bedingen, doch so, daß der Gebrauch oder Nichtgebrauch der Stimme die größte Rolle spielt. Innerhalb der stimmlosen Laute gibt es nur geringe Unterschiede, so daß ich nur zwei Unterabteilungen aufstelle; dagegen gibt es innerhalb der stimmhaften weit größere Unterschiede. Hier kann man im großen und ganzen sagen, daß die Klangfülle im direkten Verhältnis zu der Größe des Raumes steht, den die schwingende Luft zu passieren hat. In der folgenden Übersicht beginne ich mit den wenigst klangvollen-, die in Klammern hinzugefügten Laute sollen bloß als typische Beispiele aufgefaßt werden; in jeder Klasse finden sich natürlich mehr als die angeführten Laute, und innerhalb jeder Klasse (namentlich vielleicht zwischen den verschiedenen r-Lauten) finden sich auch verschiedene Grade der Schallfülle, so daß das Schema nicht allzu absolut aufgefaßt werden darf.

1) Stimmlose a) Verschlußlaute:

b) Engelaute:

2) Stimmhafte Verschlußlaute:

3) ,, Engelaute:

4) a) Nasale: b) Seitenlaute:

5) r-Laute

6) hohe Vokale:

7) mittelhohe ^

8) niedrige

Unter den Vokalen mit demselben Engegrade gibt es, wie man erwarten kann, einen Unterschied je nach der Lippenöffnung, so daß

[p,

t,

k]

[f,

S;

5; x]

[b,

d,

g]

[y,

z,

^]

[m.

n

, g]

[1]

[y,

ü,

^ ij

[0,

0,

^ e]

b,

SB

, üj.

1) U. a. Merkel, Storm.

2) Brücke (Physiol. Grundl. der neuhochd. Verskunst 4), Trautmann, Victor.

3) Sievers, Techmer, Passy.

Silbe.

187

die gerundeten etwas weniger sonor sind als die ungerundeten. Der sonorste aller Sprachlaute wird daher ein vollklingendes [a] mit tief gesenktem Unterkiefer und gespreizten Lippen (a8) sein, während die in der alltäglichen Form der Sprache oft auftretenden [a], was die Schallfülle anbetrifft, mit einem offenen [se]^) auf gleiche Stufe zu stehen kommen.

193. Wir wollen jetzt versuchen, die Souoritätsverhältnisse bei einer Reihe von Lautverbindungen, den Worten: sprengst, Tante, Attentat^), Iceine, graphisch zu repräsentieren:

7 ...

1

T^: 2

6 -

5

4

3

2..

1 ..

[Xp

r

e

g

3 t]

[t a n t

e]

La

t n t a

t]

[k

a e

n

9]

1) Der sonorste Laut ist der, welcher wenn alles andere gleich bleibt im größten Abstand gehört werden kann. Daher haben die von 0. Wolf (Sprache und Ohr 1871 S. 58 ff., 71) angestellten Experimente hier für uns Interesse. Er maß während der Nachtzeit in einer Allee, auf wieviel Schritt Abstand die einzelnen Laute deutlich aufgefaßt werden konnten, wenn sie mit klarer Stimme gerufen wurden. Er fand folgende Abstände:

a 360 0 350 e 330 u 280 J 200 m, n 180 s 170, 175 f 67 k, t 63 r (|3r) 41 b 18 h („für sich als verstärkter Hauch") 12. Mit bezug auf [m] und [n] bemerkt Wolf: „Wenn der Betreffende die Worte: Mama oder Nana hervorbrachte, so wurden diese noch auf die Entfernung von 180 Schritten verstanden, entfernte sich der Lauschende weiter, so waren M und N nicht mehr zu unterscheiden [aber doch zu hören!] und in größerer Entfernung hörte man bloß den Vokal A." Soweit man verstehen kann, sind die Konsonanten mit Ausnahme von [m, n], die in den Silben Mama, Nana ausgesprochen wurden, alle isoliert und stimmlos ausgesprochen worden, was den Platz des [r] erklären würde; b muß [p] sein, parallel mit [k, t], jedenfalls stimmlos. Der Vex-fasser ist nicht klar in seinen Bemerkungen über die Artikulation der Laute im ganzen, 80 daß es nicht immer leicht zu sehen ist, wovon er spricht. Außerdem muß daran erinnert werden, daß es eher die innere Unterscheidbarkeit der Laute als ihre Hörbarkeit ist, die er untersucht. Rousselot hat (s. Modifications phonetiques S. 38 39) einige ähnliche Versuche gemacht, aber auch er ist in seiner Darstellung hier nicht so klar, daß man sehen kann, was und wie er eigentlich untersucht hat.

2) Ohne Vokal zwischen t und n, die Zunge in derselben Stellung vom ersten t durch n zu t.

188 Dritter Hauptteil: Kombiaationslehre. Dreizehntes Kapitel.

Ein Blick auf diese Bilder wird uns in jedem einzelnen Falle ebensoviele Gipfel zeigen, wie wir in den betreffenden Worten Silben zu erkennen gewohnt sind: eine in sprengst, zwei in Tante und keine, drei in Attentat. In jeder Silbe haben wir ein Hinaufgehen zu einem höchsten Punkt; doch braucht dieser nicht gleich hoch zu liegen; worauf es bei der Silbenbildung ankommt, ist die relative Schall fülle daß es einen Punkt gibt, der im Verhältnis zu seiner Umgebung hoch steht; [g] in sprengst, [n] in Tante, in Attentat und in keine stehen gleich hoch, aber in den ersten Worten bildet der Nasal keine neue Silbe, weil er unmittelbar neben einem Laut mit noch größerer Schallfülle steht; in Attentat dagegen steht er zwischen den beiden klangarmen stimmlosen Laufen und bezeichnet daher im Gegensatz zu ihnen ein deutliches Hinaufsteigen, und in keine endlich ist er der Tiefpunkt zwischen den beiden Gipfeln; [e] in keine steht auf gleicher Höhe mit [9] und weit höher als [n], wird aber doch nicht als Silbe für sich gerechnet, weil es gerade neben dem noch klangvolleren [a] steht. Wir können also sagen: in jeder Lautgruppe gibt es ebenso- viele Silben als es deutliche relative Höhepunkte in der SchaU- füUe gibt.

194. Zwischen zwei solchen Gipfeln müssen immer Laute von geringerer Schallfülle liegen, wenn sie als deutliche Gipfel gefühlt werden sollen; daß aber in Wirklichkeit jede Dämpfung des Klanges hinreicht, um den Eindruck einer Silbenendung zu verursachen, wird deutlich durch ein von Sievers (S. 184) beschriebenes einfaches Ex- periment gezeigt: man spricht ein lang ausgezogenes [a " "] mit möglichst gleichmäßiger Stärke und schlägt sich währenddessen mit der flachen Hand auf den Mund, dessen Ausgangsöffinung dadurch eingeengt (bezw. ganz zugeschlossen) wird. Das Resultat ist: Ver- dumpf ung oder Dämpfung des Klanges, während die Hand auf den Lippen ist, und das Entgegengesetzte in dem Augenblick, wo die Hand vom Munde entfernt wird. Die Gesamtwirkung wird ungefähr die der Silbenreihe awawa . . . (oder amama . . ., ababa . . .).

Ebenso werden wir eine Vermehrung der Silbenzahl überall da erhalten, wo durch ungenaue Artikulation ein wenn auch noch so kurzer Augenblick mit größerer Schallfülle in der Umgebung entsteht; das ist häufig der Fall bei den Verbindungen von [1], und [r, r] mit anderen Konsonanten; wenn z. B. im englischen Henry die Zunge nach der Aussprache des [n] eine Spur weiter als nötig für das [r] herabgleitet und daher wieder zu diesem Laut hinaufgeht, so wird sogleich das Wort dreisilbig: [heneri], ebenso wenn die Zunge bei der

Silbe. 189

OflFnung des Lippenverschlusses in Gibraltar nicht sofort nahe genug an den Alveolen ist: [djiboro'lte] ^) und in anderen Fällen des Vokal- einschubs („svarabhakti", Sproßsilben). Dagegen wird die Silbenzahl nicht vermehrt durch ähnlichen Einschub in der engl. Endung -ism, z. B. in rheumatism und dergl., [-izam], wo nur [m] statt Gipfel nach [z] zu werden, Tal nach [9] wird.

Der wichtigste Laut in der Silbe ist der sonorste, der Silben- gipfel. Es wird häufig ein Vokal sein, aber der alte Satz: „in jeder Silbe soll ein (oder ein) Vokal sein" oder: „ebensoviel Silben wie Vokale" ist, wie schon die angegebenen Beispiele beweisen, unrichtig nach beiden Richtungen, und bei unserer Aufstellung sehen wir leicht, daß die Falschheit des Satzes auf einer Vermengung von absoluter und relativer Sonorität beruht.

195. Wir haben daher zunächst Silben ohne Vokal; hier ist also ein Konsonant der SilbengipfeP), und es versteht sich von selbst, daß dies häufiger einer aus den Klassen 4 und 5 (Nasale, 1, r) als aus den anderen Klassen wird, die schwer dazu kommen, sich ihren Umgebungen gegenüber so auszuzeichnen, daß sie im Verhältnis zu ihnen als Sonoritätsgipfel stehen. Im Deutschen ist [n] und [1] der Gipfel in hatten [hatnj, hindert [bindn], Handel [handl] usw.; [m] und [g] sind es häufig in den Gegenden, wo Assimilation gebräuchlich ist in Worten wie haben, sieben, denken [ha-bm, zi'bm, derjkij], [r] ist Gipfel z. B. in Vaterland [fa-trland], das jedoch oft [fa-tarlant] ausgesprochen wird. Auch im Englischen ist [n] und [1] häufig Gipfel^): cotton [kotn], cattle [ksetl], noble [noubl] usw.; [w] oft in Endungen wie -ism: rheumatism [ru'matizm] usw., rhythm [rij)m], chasm [kaezm], bottom [botm] neben [botam]*), auch bisweilen in Assimilationen wie cup and saucer [kApm'so'se] § 170; die Seltenheit von [g] in bacon [beikij] für [beikn] oder [beiken] wird § 173 besprochen; [r] kann im Englischen nicht als Gipfel vorkommen, weil der ursprüngliche Konsonant von einem [ej-Vokal abgelöst worden ist ausgenommen gerade vor einem Vokal, im Vergleich mit welchem [r] ja nie Gipfel werden kann.

1) Über das Vorkommen dieser Formen im modernen Englisch s. u. a. Storm 441, vgl. auch oben § 156 Anm. 3.

2) Es ist falsch, wenn z. B. Bell und Lloyd einen Konsonanten immer als lang bezeichnen, wenn er Gripfel ist; in vielen Fällen wird er kurz sein.

3) Das ist schon deutlich von Th. Smith (1568) ausgesprochen worden mit den Beispielen: able, stable, fable, feehle, bridle, cribble, couple, cobble uaw., London, Waldon, ridden, foughten, laden.

4) Schwanken zwischen einer und zwei Silben in elm, film nach Ellis, Phon, f. Singers 67.

190 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel.

Dagegen kommt [r] in mehreren slavischen Sprachen in großem Umfang als Silbengipfel vor, z. B. im Kroatischen smrt, prst, trn, srna, lang in hrk, krdo usw., ebenso im Sanskrit. Französisch verwendet nicht Konsonanten als Gipfel, doch habe ich mehrmals pas seulement als [paslma] ohne Vokal zwischen [s] und [1] aussprechen hören.

196. Zum andern haben wir oft Silben mit zwei, ja sogar drei Vokalen; wir sahen ein Beispiel dafür oben in Iceine, ausgesprochen [kaena] oder [käme]. Finden sich wie hier zwei Vokale in derselben Silbe, so sprechen wir von einem Diphthong oder Zweilaut, finden sich drei, von einem Triphthong. Genauer wird die Lehre von den Diphthongen in § 2 11 ff. behandelt.

Hier werden ein paar Worte über die Terminologie am Platze sein. „Vokal" und „Konsonant" können vortrefflich in der herkömm- lichen Bedeutung (vgl. § 115) verwandt werden, so daß «dadurch eine Einteilung der Laute nach ihrer Art (Öffnungsgrad, absolute Sonorität) bezeichnet wird; hier die lateinischen Ausdrücke durch „Selbstlaut" und „Mitlaut" zu übersetzen, ist nicht besonders gut, weil diese leicht ', zu dem verbreiteten Aberglauben verleiten können, daß [a] für sich \ allein ausgesprochen werden könne, aber [n] und [s] nicht. Aber wir 1 brauchen neben diesen Namen für die Laute an und für sich auch 1 Namen für die Laute nach ihrer relativen Sonorität, ihrer Funktion I in der Silbe. Man hat gewölmlich den am meisten hervortretenden Laut der Silbe („den Träger des Silbenakzentes") den Sonanten genannt und von [n] in [hatn] als von einem sonantischen n gesprochen; der Gegensatz daza kann nur Konsonant sein (konsonantisches n wie in Nacht), was nicht glücklich ist, da wir des Ausdrucks Konsonant in der oben angegebenen Bedeutung bedürfen, wonach n immer Konsonant ist. Statt sonantisch hat man dann auch wohl silbenbildend, silbig, engl, syllabic, gesagt, doch befriedigt dies auch nicht, da die Silbe ja meistens nicht von diesem Laute allein, sondern von mehreren andern in Verbindung mit ihm gebildet wird. Techmer hat die griechischen Wörter „phon" und „symphon" gebildet, Trautmann spricht von „Hauptlaut" und „Nebenlaut". Ich ziehe es vor, von Silbengipfel oder kürzer Gipfel zu reden; im Gegensatz dazu steht nichts im Wege das Wort Mitlaut von jedem Laut zu gebrauchen, der in einer Silbe eine untergeordnete Rolle im Vergleich mit dem klangvollsten Laut der Silbe spielt.

197. Innerhalb der Silbe gelten bestimmte Gesetze für die Reihenfolge der Mitlaute; nicht jede Gruppierung von Mitlauten ist zulässig; tr oder pl oder Jen kann am Anfang einer Silbe, nicht am

Silbe. 191

Ende einer solchen auftreten, wo dagegen die umgekehrten Gruppen rt, Ip, nk (i)k), die im Anlaut der Silbe nicht vorkommen, sich treff- lich gebrauchen lassen. Zwischen einem gegebenen Laut und dem Silbengipfel werden nur Laute von derselben oder einer höheren Sonoritätsklasse geduldet, § 192; zwischen einem Vokal und [r] wird daher kein Konsonant gesprochen, zwischen einem Vokal und [m] dagegen z. B. [r] oder [l] wie in harmlos, Helmbusch. Aber dieses Gesetz ist eine einfache Folge der gegebenen Bestimmung des Be- griffes Silbe vom Sonoritätsprinzip aus: kehren wir die Laute um und sagen [hamrlos, hemlbuj], so erhalten wir keineswegs an und für sich unmögliche Lautgruppen, aber wir sehen, daß [r] zwischen zwei Lauten [m 1] zu stehen kommt, die jeder für sich klangärmer als r selbst sind; also bezeichnet r im Verhältnis zu seiner nächsten Um- gebung einen neuen Gipfel und das Wort wird so dreisilbig; ebenso geht es mit [1] zwischen [m] und [b]. Ja dies gilt so bestimmt, daß man geradezu das Verhältnis zwischen der Schallfülle verschiedener Laute dadurch messen kann, daß man sie in verschiedenartigen Gruppen anbringt und prüft, wie viele Silben für das Ohr zu hören sind.') Findet man in verschiedenen Sprachen verschiedene Regeln für die Fähigkeit eines Konsonanten, am Anfang oder am Ende einer Silbe Gruppen einzugehen, so kann man sicher annehmen, daß sich ver- schiedene Aussprachen hinter demselben Buchstaben verbergen. So [j], das (vgl. § 48) bald mit größerer, bald mit geringerer Annäherung an den Gaumen ausgesprochen wird; das Berliner [j] wird als deutliches y^^ mit unzweifelhafter konsonantischer Reibung ausgesprochen und gehört daher in die Klasse 3, weshalb es keine Schwierigkeit macht, eine Silbe mit [jn] oder [jl] wie in [jlai9, jna-do] für gleich, Gnade zu beginnen, während dies mit dem englischen oder dänischen [j] nicht gelingen würde. Wenn Sievers § 495 sagt, daß es möglich ist, Gruppen wie üa, ula und zur Not alu als eine Silbe (mit i und u als Mitlauten) auszusprechen, so hat er kaum Recht; er sagt ja auch, daß es nur möglich ist, wenn sie „besonders starke Verengungsgrade" haben und u stark gerundet ist, aber es gelingt kaum, ehe man die Zunge bezw. Lippen so stark nähert, daß es nicht länger die Vokale

1) Man wird sehen, daß in .Wirklichkeit die Begriffe Silbe und Schallfülle korrelativ sind; ein objektives Maß für die Schallfülle haben wir jedenfalls noch nicht, und wir müssen uns daher in gewissen Grenz- fällen damit begnügen, einen Laut in verschiedenen Verbindungen mit anderen zu prüfen, um zu sehen, welche Silbenzahl für die unmittelbare Auffassung vorhanden ist.

192 Dritter Hauptteil: Kombinationslelire. Dreizehntes Kapitel.

[i] und [u], sondern die Konsonanten [j] und [w] sind, die hervor- gebracht werden.^)

198. Nicht wenige Phänomene in der Sprachgeschichte finden ihre natürliche Erklärung im Sonoritätsprinzip. Wo zwei Vokale zusammenstoßen, erhält gewöhnlich der sonorste das Hauptgewicht. Als eins der am besten bekannten Beispiele will ich hier die romanische Behandlung des Suffixes -olus nach i erwähnen; dieses i sollte in einem Worte wie filiolu(m) den stärksten Druck haben, aber die romanischen Sprachen zeigen, daß das, was zwei unterschiedene Silben

j-^

. sein sollte, sich auf die Dauer nur als eine hat behaupten

können, da es eine besondere Anstrengung erfordert, das [i] hier als Gipfel für sich und nicht nur als Übergangslaut zu dem sonoreren Laute [o] zu markieren; die ganze Silbe erhält dann den Druck statt des [i] und von der so entstandenen dreisilbigen Form *ß^Uolo oder *fi^ljolo gehen als regelmäßige Fortsetzungen die romanischen Worte aus, ital. figliuolo, franz. filleul, span. Mjuelo; vgl. auch capriolu(m) > ital. capriuolo, franz. chevreuü usw. Auf dieselbe Weise sind schon im Gemeinromanischen (Spätlateinischen) die viersilbigen Wörter pa'ri-ete(m) und muUi-ere(m) zu den dreisilbigen pa'r(j)ete, mu^ljerc umgebildet, ital. parete, franz. paroi; ital. mogliera, span. mujer. Späterhin begegnen wir entsprechenden Ent Wickelungen innerhalb der einzelnen romanischen Sprachen: spanisch ''di-os, H-o, '/w-e wird zu Diös, yo, fue; im französischen joie, roi hat der Akzent ursprünglich auf 0 gelegen [dgoie, roi] oder [d^oie, roi], später sprach man [(d)308e8, roae], und hier verschiebt sich der Akzent, so daß [o] nur Übergangs- giied (Mitlaut) zum Sonoritätsgipfel [ae] wird, woraus sich die spätere Entwickelung zu [gua, rua; ^wa, rwa] erklärt.^)

1) Es ist nämlich ein wirklicher Unterschied zwischen dem konsonantischen [w] und dem vokalischen mitlautenden [u] : das erstere hat geringere Lippenöffnung (al) als das andere (aS), so daß die Lippenöffnung bei einem wirklichen [w] immer verhältnismäßig geringer als die Öffnung zwischen Gaumen und Zunge scheint, während sie bei [u] gleichmäßiger reguliert sind; ein mitlautendes [u] findet sich bisweilen im französ. est-il? Im französ. oui scheint Schwanken zwischen [wi] und [ui] (eine Silbe) und endlich (seltener) [ui] (als zwei Silben) zu herrschen.

2) Vgl. auch magistrum > maHstre (ital. ma^estro) > ^maistre, jetzt maitre [metr]. Siehe hinsichtlich dieser romanischen Beispiele u. a. Meyer-Lübke, Grammaire des Langues rom. 1. % 593, 598; Roßmann, Boman. Forschungen I 165. Nordische Beispiele siehe in der dän. Fonetik 531, Noreen, Altnorw. unA. aliisl. Gramm. § 103; Hoffory und Flodström in T. f. filol. 13. 299 und 14. 65 ([sea >> se'a >■ sjä usw.).

Silbe. 193

Als deutsches Beispiel kann die Behandlung des ahd. io, eo, mhd. ie, angeführt werden, das nhd. zu je geworden ist; vgl. die Zusammensetzungen jemand, jeder, jedweder, jetzt (aus ie-zu6). Wenn die entsprechenden verneinenden Formen [i'] haben, nie, niemand, so kommt es daher, daß das Deutsche nicht die Auslautverbindung [nj] duldet. 1)

Im heutigen Englisch ist in der früheren Verbindung [i'r] der aus r entstandene Vokal, indem er immer mehr mit ferner Zunge gesprochen worden ist, im Begriff, dem ersten die Macht zu nehmen; häufig ist die Aussprache [i.e.] mit zwei halblangen Lauten, aber da- neben hört man auch [J9'], wo [o'] endgültig zum Gipfel geworden ist^); vgl. oben § 94 über here und § 148; in year schmilzt hierbei [j] und [i] zusammen, so daß das Resultat [je-] wird. Bei [uo] z. B. in poor, pure, eure kreuzt sich die Neigung zu [ua-] mit der andern, den ersten Vokal zu senken, so daß er noch immer der klang- vollste bleibt, vgl. besonders sure als [Jb'9, ^o-'], s. § 158.

199. Gegen das dargestellte Sonoritätsprinzip als allein ausschlag- gebend bei der Silbenbildung könnten nun mehrere Einwendungen gemacht werden. Danach muß ja dieselbe Lautgruppe immer unter ,

allen Verhältnissen dieselbe Silbenzahl ergeben, aber das streitet in Cj '^' mehreren Fällen gegen die faktisch herrschende Auffassung. Man wird - ' ein isoliertes pst (ohne Vokal ausgesprochen) als eine Silbe fühlen, in der also [s] als Gipfel steht, der sich über [p] und [t] erhebt; aber am Ende von Fahst, Obst, liebst wird keine neue Silbe gebildet, die betreffenden Wörter sind alle einsilbig. Dies läßt sich dennoch unter das Sonoritätsprinzip einordnen, wenn wir es nicht allzu formell fassen, sondern auf die Empfänglichkeit der menschlichen Sinne für Ein- drücke Rücksicht nehmen. Der Sonoritätsunterschied zwischen stimm- losen Lauten ist 192) sehr gering; im Verhältnis zu einem wirklich vorausgehenden Vokal wird daher [pst] als ein Tal gefühlt; ebenso [tst] in jetzt. Die Ausbuchtungen darin empfindet man nicht als neue Gipfel, wenn sie auch merkbar bleiben, wo sie isoliert sind und nicht von dem benachbarten hohen Berg gedrückt werden. Es ist nicht

1) Ebenso wie der S. 192 Anm. 2 genannte nordische Übergang nicht durchgeführt wird in vea, Sviar. Behaghels Erklärung von jemand, jetzt usw. Pauls Grr. I * 706 ist phonetisch unbegründet und kann die faktisch vorliegenden Formen nicht auf irgendwie natürliche Weise erklären. Immer wohl nach Analogie von nimmer.

2) Besonders im Auslaut, nicht so sehr vor konsonantischem [r] z. B. in nearer, wo [a] nicht so hervortritt.

Jespereen, Lehrbuch der Phonetik. 13

194 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel.

einmal notwendig, mit Sievers hier von Nebensilben zu reden, die er nicht nur in den Verbindungen [atst, at/t, Jtja, oftj], sondern auch im Anfang von [pta, kta, spa, sta] und am Ende von [apt, akt, ups, ats] ansetzt. Sobald wir nach [p, t, k] einen stimmhaften Konsonanten haben, wird der Unterschied in der Sonorität dagegen immer so fühlbar sein, daß wir einen neuen Gipfel erhalten, mit anderen Worten, eine Silbe kann nie auf z. B. [tn, tl] oder [tr] enden.

200. Auch in anderen Punkten spielt die Umgebung eine Rolle hinsichtlich unserer Auffassung dessen, was Gipfel ist und was nicht (vgl. die Lehre der Psychologen vom „Gesetz der Kontrastwirkung" und vom „Verhältnisgesetz'*). Besonders gilt, daß ein Laut, der auf einen klangärmeren Laut folgt, oft als Gipfel aufgefaßt werden kann, selbst wenn gleich darauf ein noch klang- vollerer Laut folgt: er wird mit anderen Worten schon als Gipfel gehört, ehe der nächste kommt. Dies gilt von Verbindungen wie [ia, io, ie], die zwar meistens einsilbig werden^), wo aber in anderen Fällen [i] als Gipfel gehört wird (also Gipfel ist), so besonders nach mehreren Konsonanten wie in Cimbria, Nauplia, Kabriolet, franz. priere, meurtrier, cdbriolet, sanglier, auch in der Regel nach einfachem Konsonanten, wenn der vorhergehende Vokal lang ist^), z. B. Linie, Familie [li-nia, fa'mi'lie]; wenn hier der vorhergehende Vokal kurz gesprochen wird, so wird die Silbenanzahl vermindert [linje, fa'milje]. Es kann hier großes Schwanken in der Auffassung herrschen (vgl. Christian— Christjan) ^), aber je schneller die Aussprache ist, desto weniger wird natürlich die Neigung vorhanden sein, den Zwischen- standpunkt als Gipfel aufzufassen. Wir sehen daher oft Reduktionen der Silbenzahl, wie z. B. wenn lat. linea, familia französ. zu ligne, famille usw. oder postea zu ital. poscia [pojja] geworden ist. Im Eng- lischen wird oft eine Verbindung wie many a oder eine Form wie happier zweisilbig [menje, hsepje], auch im Vers; vgl. auch nation, opinion usw., bei Shakespeare oft noch mit i-on.

. . 1) Mit mitlautendem [i], das in unserer Schullautschrift als [j] be- zeichnet wird.

2) Wegen losen Anschlusses, siehe § 208.

3) Merke dänisch Kabliau [kabliou'J, deutsch Kabeljau [ka-bljau], oft mit ganz denselben Lauten ausgesprochen, aber so, daß das dänische kurzes [a] hat und infolgedessen [i] zum Gipfel nach mitlautendem [bl] macht, während deutsch langes [a-] hat^ wonach [1] Gipfel wird, so daß [i] nun mitlautend werden kann. Französ. Richelieu (un riche Heu?) wird in der Regel mit [a] gesprochen und Ueu kann dann einsilbig werden [riX8lj0j ; wird dagegen [9] nicht gesprochen, so wird Ueu zweisilbig [riXli(j)0].

SUbe. 195

201. Es ist psychologiscli leicht erklärlich, daß ein solcher Laut zwischen einem klangärmeren und einem klangreicheren Laut am leichtesten als Gipfel aufgefaßt werden wird, wenn er lang ist, so daß der Eindruck, den er macht, Zeit hat sich zu befestigen, ehe man in der Skala der Schallfülle noch höher hinauf kommt. Ein langes [i'] oder [u'] wird sich daher in der Regel als Gipfel selbst vor z. B. [a] halten können, obgleich wir hier allerdings auch Beispiele für Reduktion zum Mitlaut haben 198); ein salbungsvolles oder sentimentales Blume mit langem l wird etwa als dreisilbig aufgefaßt werden können: [bl'U'mo, bl'-'lu'-me] ungefähr wie wenn es [ba'lu'ma] wäre. Im Dänischen wird suUne und sultende in der Regel mit ganz derselben Reihenfolge von Lauten gesprochen, aber das erste ist zweisilbig [suldno], das zweite wird durch Verweilen auf dem n zu drei Silben [suldno]. So haben wir im Englischen lately [leitli] zweisilbig, fatally [feitl'i] dreisilbig; fiÜy [fitli] zweisilbig, Italy [itl'i] dreisilbig; daneben und wohl gewöhnlicher [it8li], wo die Zungenspitze zwischen [t] und [1] losläßt.

Es wird aber überall, wo wir so einen geringeren Gipfel vor einem höheren haben, eine Neigung vorhanden sein, den letzteren das Übergewicht erlangen zu lassen, so daß der erste Gipfel zum Mitlaut und dadurch die Silbenzahl reduziert wird („Synkope"): verschiedene wird zu verschiedne (verschiedene); wo im Englischen die Endung -ing an double und ähnl. antritt, schwankt die Aussprache nach Ellis^) zwischen [dAbl-ii]] dreisilbig und [dAbliij] zweisilbig, meistens jedoch wohl das letztere; ebenso struggling gewöhnlich [strAgliij], reasoning [ri'zn(')ii)] usw.; Silbenreduktion ist fest geworden bei Komparativen wie nobler [nouble] zweisilbig, von noble [noubl], imd selbst bei Adverbbildungen wie nobly [noubli] von noble-}- ly. Gardener, das die Aussprach ebücher als dreisilbig führen [ga'(9)dn'a], schreibt Sweet als zweisilbig [gu'dna]; prisoner [prizn'a] wird oft zu [prizna]; shall I hört man sehr oft als eine Silbe [Jlai] u. s. f.^); der ganze Vorgang ist ja völlig parallel mit der in § 200 besprochenen Reduktion von [ie] zu einer Silbe.

Wo ein kleinerer Gipfel sich vor dem größeren befindet und der letztere stärkeren Druck haben soll, wird es oft geschehen, daß dies beginnt, ehe die Stellung für den ersten Laut verlassen ist; das Resultat

1) E. E. P. 600.

2) Shakespeare, Haml. II. 2. 628 The spirit that I haue seene May be the diuell (zweisilbig), and the diuel (eine Silbe) hath power [divla|)], um nur ein metrisches Beispiel zu nennen.

13*

196 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel.

wird eine Art Verdoppelung desselben, so daß er erst Gipfel und dann

Mitlaut zum nächsten Gipfel wird, so Idiot [idi'jct] für [idi'o't], franz.

gewöhnlich priere [pri'js'rj, crier [kri'je], trio [tri'jo], triomphe [tri'jS'fj,

plier [pli'je], tablier [tabli'je] usw.

202. Wie kann das Sonoritätsprinzip indessen erklären, daß wir

in zwei Silben nacheinander denselben Vokal als Gipfel ohne dazwischen

liegenden Laut haben können? In solchem Falle gibt es ja kein Fallen

in der Sonorität mit folgendem Steigen. Hierauf ist zu antworten,

daß wir oft genug in solchen Fällen wirklich gar nicht zwei, sondern

nur eine Silbe haben; so bei schneller Aussprache solcher dänischer

Verbindungen wie i Italien, de [di] imaginäre und ähnl., so daß nun

unser Wissen von der Bedeutung der Worte uns veranlaßt, sie wie

angegeben zu analysieren, während ein noch so scharfer Beobachter,

der die Worte nicht verstände, nur ein [i] hören würde. Im Deutschen

unterscheidet man in solchen Fällen die Silben durch Kehlkopf-

. , I Verschluß (fO). Aber selbst, wo dieser fehlt, ist in den meisten Fällen,

jvJ ^ I wo wir zwei gleiche Laute nebeneinander haben, noch ein Faktor

J/*^'' iu Betracht zu ziehen, nämlich der Druck. Oben wurde die Sonorität

AJ^^^ bestimmt als Schallfülle, Klangbarkeit, die von mehreren Faktoren,

t^.*-^ ju. a. dem Stimmklang, abhängig war. Nun ist es aber klar, daß ein

^•^ ^"V»« stärkerer Stimmklang (Druck § 108) die Sonorität eines Lautes ver-

^ V*' ^^' größern muß, so daß von zwei zusammenstoßenden gleichen Vokalen

^jt^"^ der stärkste auch der klangvollste wird; damit ist ein Mittel gegeben,

^tJ>^y sie auch als zwei Silben auseinander zu halten, z. B. dänisch de ilende

fÜl f ^' ... .

^ ^ skyer; das Verhältnis ist hier ebenso wie oben zu beurteilen: der erste

^^ ' Vokal hat schon den Eindruck eines Gipfels nach dem Konsonanten

erweckt, bevor die Stärkezunahme beim zweiten Vokal hinzukommt und den Eindruck einer neuen Steigung hervorruft. Aber auch hier ist es schwierig, den Eindruck von zwei Silben festzuhalten, besonders wenn der Stärkeunterschied z. B. in Kanaan ['ka-naon] nicht besonders groß ist (2;412); die beiden a laufen dann leicht in eins zusammen. Überhaupt ist es hier oft schwer, die Silbenzahl zu bestimmen; das- selbe ist auch der Fall, wo ein ursprünglich langer Vokal so aus- gesprochen wird, daß seine Stärke gegen die Mitte hin etwas abnimmt, um dann gegen Schluß wieder zuzunehmen, etwas, was wir häufig in einem bedachtsamen ja ' ' ' [jüaa] oder so [zOqO] haben und das man oft im Englischen hört, besonders in den letzten emphatischen Worten eines Satzes: No, he didn't call [kOooU], oder wo ein Gegensatz hervor- gehoben wird: It was Maud's fault, not mine [mOgOdz]. In solchen Fällen redet man oft von zweigipfligen Silben oder Silben mit zwei-

Silbe. 197

gipfligem Akzent; sobald der zweite Gipfel deutlich vom ersten durch ein unzweifelhaftes Sonoritätstal geschieden ist, muß man nach meiner Auffassung von zwei Silben reden; sonst kann man höchstens von wellenförmigem Gipfel oder ähnl. reden.

203. Ähnliche Verhältnisse haben wir auch bei Konsonanten. Ein Wort wie können [k0nn] sind wir gewohnt als zweisilbig aufzu- fassen, aber geschieht dies nur wegen seiner grammatischen Stellung und Rechtschreibung, oder sind wir wirklich berechtigt, phonetisch zwei Silben zu konstatieren? Die Antwort muß wohl sein, daß, wenn wirklich, nachdem die [n]-Stellung erreicht ist, zuerst ein Niedergang im Druck (der hier = Sonorität wird) mit folgender Steigung stattfindet, wir zwei Silben erhalten, und daß man wirklich oft, besonders wenn die Aussprache im ganzen deutlich ist, auf diese Weise ausspricht; daß wir aber, wenn man ohne diese Bewegung das [n] während seiner ganzen Dauer mit gleichmäßig sich minderndem Druck ausspricht, nur eine Silbe mit einem [n] haben, das quantitativ dieselbe Zeit ausfüllt, wie in der zweisilbigen Aussprache; in der Lautschrift müssen wir ersteres [k0nn], letzteres [k0n] schreiben. Andere Beispiele ent- j stehen durch Assimilationen wie [komm] oder [kom*] kommen, [zigi)] oder [zii)'] singen usw. Wenn ein Wort wie haben durch [ha'bm] / r\^ hindurch, das zweisilbig sein muß, zu [ha'm] assimiliert wird, kann p^ji.^' dieses als zweisilbig festgehalten werden, wenn innerhalb des [m] das p*^^ beschriebene Nieder- und Aufsteigen in der Stimmstärke vorhanden

ist, aber sehr häufig wird dieses versäumt, und wir hören dann bloß ein einsilbiges Wort.-^) Es erfordert immer eine gewisse Anstrengung, in solchen Fällen die theoretische Silbenanzahl festzuhalten; englisch particularly wird oft statt [pa'tikjuMi] so ausgesprochen, daß zwischen [k] und [i] nur eine lange [1]- Artikulation ist, ohne daß es möglich wäre zu bestimmen, wie viele Silben das Wort ausmacht.

204. Hier muß etwas über Konsonantenverdoppelung (Gemination) gesagt werden. Nach der üblichen sprachwissenschaftlichen Terminologie wird dieser Ausdruck nicht in Fällen wie können [k0nn] gebraucht, obgleich er da gut am Platze scheinen könnte, sondern nur in Fällen wie schwedisch Anna, finna, alla usw., wo der zweite der beiden gleichen Konsonanten Mitlaut in einer anderen Silbe ist. Um hier von Doppel- konsonanten (verschieden von bloß langem Konsonanten, womit er oft verwechselt wird) reden zu können, muß man fordern, daß ein Nieder- gang in der Sonorität (hier = Stimmstärke) mit folgendem Aufsteigen

1) Das ja außerdem im Satzzusammenhang oft kurz wird : [vas(h)am zi ge'za-xt?].

198 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel.

stattfindet, während der Konsonant bewahrt wird. Im Deutschen und Englischen findet sich Gemination nicht, ausgenommen im Zusammen- stoß; vgl. hierüber und über französisch § 187, 188.

205. Ein wichtiger Umstand den Bau der Silben betreffend ist noch nicht besprochen, nämlich das was Sievers mit einem nicht glücklichen Ausdruck „stark und schwach geschnittenen Akzent" nennt nicht glücklich, da es unnatürlich ist zu sagen, daß der „Akzent" abgeschnitten wird-, Sweets Wiedergabe „close and open stress" ist nicht viel besser. Worum es sich dreht, ist in Wirklichkeit die Art und Weise, wie ein Konsonant auf einen Vokal folgt: kommt er schnell und bricht den Vokal in dem Augenblick ab, wo dieser am kräftigsten gesprochen wird, so haben wir „stark geschnittenen"; wenn er dagegen erst einige Zeit nach der kräftigsten Aussprache des Vokals kommt, so haben wir einen „schwach geschnittenen Akzent". Als passende Benennungen könnte man daher festen und losen Anschluß (zwischen Vokal und folgendem Konsonanten) vorschlagen. Im Deutschen (Norddeutschen) haben wir festen Anschluß nach kurzem Vokal in starker Silbe, also in Worten wie komm, hat, hart, fest, sing usw. Folgt noch eine Silbe nach wie in komme, hatte, Imrte, feste, singe, so ist es durchaus nicht' möglich, auf einen bestimmten Punkt zu deuten und zu sagen: hier hört die erste Silbe auf, und hier beginnt die zweite ; die Phonetik gibt keine Weisung, ob man in der

\jM' ;, Schrift fe-ste, fes-te oder fest-e abteilen soll. Das einzige, was hier

'T vorliegt, sind zwei Gipfel mit dazwischenliegender Senkung, aber es

'^^^ ist ebenso müßig, sich darüber zu streiten, ob diese Senkung ganz

*\^'' zum ersten Gipfel oder ganz zum zweiten oder halb zu beiden gehört,

'\, ^t, «\^^ wie es müßig ist, in einem Tal in der Natur nach einer bestimmten

?^. ^jj^'"^ Scheide zwischen zwei Bergen zu suchen.

\^ ^ Losen Anschluß^) haben wir dagegen zum ersten nach langen

\b^' Vokalen; hier wird die Stärke des Vokals deutlich geschwächt, bevor

\ . die Artikulation des Konsonanten beginnt, vgl. rate [ra'|t9] mit Katie

\ *P , [rate], ebenso Kloster [klo'jster] im Gegensatz zu Post [post], mal V ,'/"*' [ma'|l] mit all [al]. Bei rate sind wir daher berechtigt zu sagen, daß

^' \t\ als Mitlaut zu [9], nicht zu [a] gehört. Außerdem haben wir losen

Anschluß in einzelnen weniger wichtigen Fällen nach kurzem Vokal in schwacher (oder halbstarker) Silbe. Nämlich (1) wenn der Vokal ein verkürzter langer Vokal ist wie in dividieren [di|vi|'di'r9n], aber du [ajber'du'], (2) wo durch Fortfall eines [9] eine Silbe verschwindet,

1) In diesem Abschnitt mit ] bezeichnet.

Silbe. 199

in schneller Aussprache von Verbindungen wie Jiat sie 'n Buch geschrieben [hatzijn bu'x . . .], oder [hatsijn . . .], da 'n Telegramm . . . vgl. da- gegen Dante, (3) wo die folgende Silbe stärker ist als die unmittel- bar vorhergehende: Talent [taj'lent], Gebet [ga|'be'|t], satanisch[z(i}\tQ.'n\^\ vgl. satt. In diesen drei Fällen ist die Kürze des Vokals jedoch oft wenig ausgeprägt, so daß das Verhältnis sich jedenfalls dem Hauptfalle nähert. Außerdem verhindert der Stimmbandverschluß vor starkem Vokal in den meisten einheimischen Verbindungen einen Konsonanten, zu einer folgenden Silbe gezogen zu werden; doch wird allein stets [aj'lain], vollenden und am Ende oft [foj'lendn, aj'mendo]; aber selbst ein Wort wie erinnern ist häufiger [er"in9rn] als [ej'rinam]. Im Süd- deutschen besteht eine starke Neigung zu losem Anschluß, sowie die Neigung, den Stimmbandverschluß fortzulassen, so daß die Verhältnisse hier mehr denen im Französischen ähnlich werden.

206. Auch das Englische hat festen Anschluß nach starkem kurzen Vokal, z. B. come [kAm], hit [hitj, better [beto], upper [Ape], candle [ksendl]; zweifelhaft sind wohl die Fälle, namentlich nach niedrigen Vokalen, wo die Länge eines auslautenden stimmhaften Konsonanten oft auf den vorhergehenden Vokal übergeführt oder zwischen Vokal und Konsonant verteilt wird: had [baed-, bae.d., bae-d] § 187. Loser Anschluß in denselben Fällen wie im Deutschen, z. B. in path [pü'IJ)], father [fa'|Ö9], believe [bi|li'[v] usw., daher im Widerstreit mit der etymologischen Gliederung z. B. in upon [aj'pon], ahne [al'loun], another [ej'nA^e], within [wi|'Öiin], without [wij'Öfaut], whenever [wej'neve], whatever [woj'teve], mistaJce [mi|'steik], not at all ['notej'to'l], at home [9J't(h)oum], as if [ej'zif]. Daraus erklären sich auch die bekannten FäUe, in denen ein n zum vorhergehenden Wort getreten ist, indem z. B. an ewt gesprochen wurde a\newt, woraus dann durch Subtraktion des a als unbestimmten Artikels newt entstand; so Ned als Kosename für Edwa/rd aus mine Ed, aufgefaßt als my Ned u. a.*)

207. Die romanischen und slavischen Sprachen kennen im Gegensatz zu den germanischen nur (oder fast nur?) losen Anschluß;

1) Wenn Sievers (Pauls Grr. I* 291) sagt, daß Deutsche die Neigung haben, englisch filial, onion, genius fälschlich [fil-jal, An-J9n, dsi'n-jes] statt [fi-ljal, A-njan, dgi'-njes] abzuteilen, so kommt es mir vor, als ob dieser Fehler der Deutschen auf etwas anderem beruhe, nämlich darauf, daß sie [j] zum Engelaut machen (vgl. opinion oben S. 49 Anm. 3) ; [1] oder [n] -|- diesem [ j] ist ein unmöglicher Silbenanfang, so daß der tiefste Sonoritätspunkt in [j] liegt; bei der englischen vokalischen Aussprache des [j] ist [1] oder [n] der Tiefpunkt, aber in den beiden ersten Worten wenigstens (mit kurzem Yokal) ist keine Silbengrenze in englischer Aussprache zwischen Vokal und Konsonant.

200 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel.

in der italienisclien Aussprache von Dante ist der Übergang zwischen a und n so wie in da 'n Telegramm, wodurch der Vokal den Ein- druck macht, als wäre er nicht ganz so kurz wie in der deutschen Aussprache von Dante usw. Im Französischen werden infolge losen Anschlusses immer so viele Konsonanten wie möglich zur folgenden Silbe gezogen; estropier [s]stro|pje]; fatdlite [fa|tallijte]^); quatre enfants [ka|trajfd], il a sept ans [i|la|ssltd], faites entrer [fs|tsajtre], les aunes [le|zo'n] = les zones usw. Die Silbenteilung ist in nous avons ganz wie in nous savons [nu|za|v5, nu|sa|v5], in les Jieures wie in les soeurs [lelzoe-r, lejsoe'r].

208. Sprachen mit festem Anschluß dulden und lieben viel mehr als andere Sprachen Konsonantengruppen im Auslaut, so deutsch festj Wurst, Herbst, Gunst, gelb, weih, uns, Qualm, fünf, unwirsch, Zwerg, lechzt usw. Das Französische hat einige Gruppen am Ende von Wörtern, liebt sie aber nicht und hat auch nur die am leichtesten aussprechbaren (arc, fort(e), pest(e) u. dergl.). Im Satzzusammenhang wird die Schwierigkeit von solchen Verbindungen ja oft dadurch neutralisiert, daß das nächste Wort mit einem Vokal anfängt; andern- falls wird dieselbe Erleichterung erlangt, indem man ein [e] hinzu- fügt — ohne Rücksicht darauf, ob die Schrift e hat oder nicht [arks, forte, psste]^), und dasselbe ist außerordentlich häufig, wo das Wort zuletzt steht, vgl. oben § 151. Dies ist noch ausgeprägter im Italienischen, wo jedes Wort auf Vokal endet, ausgenommen ein paar (in, con, non, il), die ja meist im Satzinnern vorkommen; auch besteht die nicht geringe Neigung, auch diesen Wörtern ein -e in der Aus- sprache hinzuzufügen, wenn kein Vokal folgt. Am deutlichsten merkte ich diese Eigentümlichkeit, als ich einmal in London einen Italiener, der zwanzig Jahre in England gewohnt hatte, englisch reden hörte; er schob irrationale Vokale in einer Menge von Verbindungen ein: headmaster [hedama-ster], sixpence [sissipen-so], fork [forka], Greeh Street [grike stri'te], wo ich vielleicht [ej und nicht [o] hätte schreiben müssen.

Die Schwierigkeit, nach losem Anschluß viele Konsonanten nach- einander auszusprechen, führt zu so wichtigen sprachhistorischen

1) Im italienischen fatta ist auch loser Anschluß, wodurch der Eindruck von dem des schwedischen fatta mit festem Anschluß verschieden wird; das italienische würde ich als [fa|t'a] bezeichnen, ebenso ha\nno, fa\nno, e\cco usw. Nach Storm S. 308 finden sich jedoch offenbar verschiedene Aussprachen.

2) Jean Passy umschreibt in seiner und Rambeaus Chrestomathie fr. 1897 S. 232 lat. vita est quasi mortis imago mit [este].

Silbe. 201

Bewegungen wie dem französischen Verstummen von Konsonanten, besonders im Wortauslaut: feste > fete, les testes > les Utes [lelts-t], nous disons [nu[di|z5], il fait chaud [i|f6|Jo], un hon pere [öe|b5lps'r], vgl. die Bewahrung vor Vokal: les autres [lejzo'tr], nous allons [nu'za'15], il a [i|la], fait-il [fs|ti], un Jiomme [oelnom, ÖBJnom], honliomme [bojnom] usw. Hierhin gehört wohl auch die bei vielen übliche Ver- einfachung von [vw] zu [w] nach Konsonant, aber nicht sonst: une voiture [yjnwajtyr], aber la voiture [la|vwa|ty'r].

209. Hier mag zum Schluß daran erinnert werden, daß die auf- und absteigende Schallfülle überall dasjenige ist, was uns zur Einteilung des Stromes der Rede in Silben veranlaßt, und daß die Stimmstärke (der Druck) nur eine untergeordnete Rolle in dieser Beziehung spielt: sie ist etwas von dem, das die Schallfülle bestimmt, und wird daher zum silbenteilenden Prinzip nur da, wo alles andere gleich ist. Da- gegen kann die Schallfülle uns nicht im mindesten helfen, einen Punkt ausfindig zu machen, wo die eine Silbe aufhört und wo die nächste beginnt: sie zeigt nur die Gipfel, aber nicht, wo in den Tälern die Scheiden zwischen den einzelnen Gipfeln liegen. Und es würde überhaupt kein Grund zu dem Glauben sein, daß es jemals eine solche Scheide gäbe, wenn wir nicht in den Fällen, wo wir losen Anschluß haben und darauf eine neue Silbe folgt, die Empfindung hätten, daß der Mitlaut (die Mitlautsgruppe) zum Folgenden gehörte^); aber wir müssen doch daran denken, daß loser Anschluß nicht immer Silben- trennung bezeichnet, z. B. nicht in einem isolierten deutschen Mehl [me-jl], engl, lead [li'|d], franz. cage [ka'lg] usw. 2)

1) Bei der Schwierigkeit, die Silbenscheide in mannigfachen Fällen in den Sprachen, die man selbst täglich spricht und hört, zu finden, kann man bisweilen nicht umhin, ohne sie zu begreifen, doch die Sicherheit zu bewundern, mit der manche Sprachforscher über Silbengrenzen im Homerischen Griechisch oder Ur- germanisclien oder Mittelenglischen reden.

2) Mehr oder andere Prinzipien scheinen nicht erforderlich, um die faktischen Verhältnisse bei den Silben zu erklären; besonders scheint nicht der geringste Grund zu dem Sieversschen Dualismus zwischen Sonoritätssilbe und Expirations- silbe vorhanden zu sein: zu sagen, daß deutsch oder dänisch alle [ale] in einer Beziehung eine Silbe und in einer anderen Beziehung zwei Silben ist, ist unnatür- lich und würde uns keine Spur zum Verständnis irgend einer Erscheinung helfen; aber außerdem: was heißt das und wie will man zeigen, daß hier nur ein Expirationshub vorhanden ist? Ich sehe nachträglich, daß Luick in seiner schönen Abhandlung über Quantitätsveränderungen im Englischen (Anglia XX) diese Theorie heranzieht; was ihm aber S. 344 scheinbar hilft (bei der Erklärung von hody\ ist ihm S. 352 (severity) hinderlich: kurz alles erklärt sich ebensogut ohne diese wunderliche Auffassung von body als einer und bodily als zwei Silben.

202 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel.

210. Fragt man, ob es eine höhere phonetische Einheit im Vergleich mit Silben gibt, ebenso wie die Silbe die höhere Einheit im Vergleich mit den Einzellauten ist, so muß die Antwort zunächst lauten, daß das Wort diese höhere Einheit jedenfalls nicht ist. Das Wort ist nämlich kein phonetischer Begrifi^); auch nicht die ein- dringendste phonetische Untersuchung kann uns zeigen, au? wieviel Worten eine ausgesprochene Äußerung besteht oder wo das eine Wort aufhört und das andere anfängt. Wir haben schon viele mal (vgl. besonders Elftes Kapitel) Beispiele dafür gegeben, daß es beim Zusammen- stoß von Lauten gleichgültig ist, ob sie demselben oder mehreren Worten angehören; zahlreiche Verhörungen im mündlichen Verkehr, sowie viele sprachhistorische Erscheinungen beruhen eben darauf, daß wir in der natürlichen Rede nicht die einzelnen Worte auseinander- halten. Nur wo der Redende sich bewußt ist, daß er mißverstanden werden könnte, kann er die Wortgrenze durch eine Pause markieren; aber dieses Mittel wird recht selten angewandt, und man kann anderer- seits nicht einmal sagen, daß eine Pause nur zwischen Worten gemacht wird: bisweilen macht man eine Pause innerhalb eines Wortes, weil man sich bedenkt, wie man fortfahren will (man weiß nicht, ob man Schulmeister oder Schullehrer, verwundert, verdutzt oder verblüfft sagen soll usw.) oder auch, weil man seinen Ausdruck besonders emphatisch machen will 109). Etwas Gesagtes in Worte auf- zulösen vermögen wir also nur durch eine Analyse des Begriffsinhaltes desselben, weswegen nicht(buchmäßig)gebildete Leute oft die größten Schwierigkeiten haben, einen Satz in Worte zu zerlegen,^) Die Phonetik gibt uns also keinen Fingerzeig, um zu bestimmen, ob man zuteil oder zu teil, inacM oder in Acht, vorderhand oder vor der Hand, stattfinden o^ex statt finden, Süder-Fischerstraße oder Süder fischerstraßens-w. schreiben soll. Auch der Satz ist nicht, was immer auch manche Phonetiker sagen mögen, eine phonetische Einheit; der Begriff „Satz" wie der Begriff „Wort" gehört nur zur Bedeutungsseite der Sprache. ^) Eher noch könnte Grund vorhanden sein, die Atmungsgruppe als phonetische Einheit anzusetzen, d. h. alles was zwischen zwei Ein- atmungen gesagt wird. Da es aber durchaus willkürlich ist, wo man

1) Siehe besonders^^^Sweet , Words, Logic and Grammar, in Transact. of Philol. Soc. 1876.

2) Siehe z. B. Jean Passy, Patois d'Eaux-Bonnes 107 ff.

3) Daher ist z. B. das Wort „Satzauslaut" nicht so gut wie „absoluter Auslaut"; auch das Wort „Satzphonetik" von den in zusammenhängender Rede vorkommenden lautlichen Phänomenen ist nicht ganz glücklich.

Diphthonge. 203

innehalten will, um Atem zu holen, so daß dafür durchaus kein Gesetz aufgestellt werden kann, ausgenommen das, daß man spätestens Atem holen muß, wenn man gar keine Ausatmungsluft zum Sprechen vor- rätig hat, so spielt diese Einteilung in der Wissenschaft gar keine Rolle. ^) Dagegen ist der Begriff Takt sicher etwas, womit sich die Phonetik der Zukunft viel zu beschäftigen haben wird; aber bisher sind die Untersuchungen darüber noch kaum begonnen und eine brauchbare Definition wohl noch nicht aufgestellt.^) Hier soll nur angedeutet werden, daß die Tendenz besteht, den Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden starken (£;4) Silben der Zeit nach gleich lang zu machen, so daß man die zwischenstehenden Laute verlängert, wenn sie wenige sind, und (oder) sie verkürzt, wenn es viele sind^); in der gewöhnlichen Rede gibt es jedoch vieles, was dieser Tendenz entgegen- arbeitet, und wir sehen sie daher am ehesten nur in auswendig ge- lernten Sätzen, die ohne viel Rücksicht auf das Verständnis der Zuhörer (in Schulen und zum teil in Kirchen) aufgesagt werden.

Diphthonge.

211. Diphthonge wurden 196) als Verbindungen von zwei Vokalen in derselben Silbe bestimmt. Es werden drei Arten zu unterscheiden sein*): (1) „fallende" (oder „eigentliche") Diphthonge, wo ein Vokal als Silbengipfel einem anderen mitlautenden vorhergeht; Sweet, der einen mitlautenden Vokal als glide auffaßt, nennt sie after- glide diphthongs; (2) „steigende" (oder „uneigentliche") Diphthonge, (Sweet: fore-glide d.), wo umgekehrt der Gipfel auf den mitlautenden Vokal folgt, und (3) „schwebende", wo ein unbeständiges Gleichgewicht herrscht, so daß man nicht unterscheiden kann, welcher der beiden Diphthonge der Gipfel ist.

212. (1) Fallende Diphthonge. Hier wird oft bloß die Richtung der Bewegung das Entscheidende, so daß man, statt den ganzen Weg

1) Dagegen kann man natürlich Sängern, Deklamatoren und Schauspielern gewisse Regeln dafür geben, wo es am zweckmäßigsten ist, Atem zu holen.

2) Vgl. Sievers* S. 214 ff., namentlich § 599.

3) Siehe Miss Soames S. 69—70, die jedoch sicher die Tragweite des Prinzips überschätzt; Sievers S. 241 2; unten § 226.

4) Ich behalte die üblichen Benennungen fallend und steigend bei, die ja das Verhältnis auch nach dem oben angewendeten Bilde eines Gipfels ausdrücken; man muß sich nicht dadurch verwirren lassen, daß bei den fallenden grade eine Aufwärtsbewegung der Organe (Unterkiefer, Zunge) stattfindet und umgekehrt bei den steigenden.

204 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel.

z. B. in beabsichtigtem [ai] von [a] zu [i] zu gehen, sich damit begnügt, nur ein Stück zu gehen, indem das Ohr leicht getäuscht wird und die Phantasie leicht das Fehlende ergänzt. Soll also die Zunge, um von [a] zu [i] zu gelangen, (annäherungsweise) die Stellungen passieren, die durch die Vokale [a a ae s e e i i] bezeichnet werden (oder am richtigsten vielleicht eine Reihe Stellungen, die in der Mitte liegen zwischen der Stellung der Vorderzungen- und Mittel- zungenvokale), so wird man, indem man entweder [as] oder [ae] oder [eei] oder [oi] ausspricht, erreichen, daß derselbe allgemeine Eindruck von [ai] hervorgerufen wird, so daß man nur bei genauem Zuhören und nach längerer Übung die Resultate als verschiedene Diphthonge hören kann. Hierin liegt die große Schwierigkeit bei der genauen Analyse dieser Verbindungen. Daß wirklich die e-Stellung in der Regel nicht erreicht wird, davon kann man sich leicht durch Sievers' Versuch überzeugen: bringt man einen oder zwei Finger innen im Obermunde an (längs des Zahnfleisches und des Anfanges des harten Gaumens), so wird ein jeder Versuch, ein reines [i] oder auch [i] (und noch mehr natürlich ein konsonantisches [j|) hervorzubringen, miß- glücken, während man ausgezeichnet [ai] sagen kann.^)

Im Deutschen finden sichidrei Diphthonge: in Bein, Hain usw., in Häuser, Teufel usw., und in Haus, Haufen usw. Der eine beginnt in einigen Gegenden heller, mit [a] oder ähnlich, in andern dunkler, mit [a] oder [a].^) Der zweite ist noch variabler, das erste Glied kann Hinter- oder Vorderzungenvokal (oder Mittelzunge?) sein, das zweite Glied gerundet oder ungerundet, einige der Varianten können geschrieben werden [ÖY, o0, oy, ce0, öl, oe] usw. Äu beginnt gewöhn- lich mit [a] oder ['b], auch [o].

1) E. A. Meyer (Engl. Lautdauer S. 59 72) unterscheidet auf Grundlage seiner Messungen der Lippenbewegungen im Englischen drei Arten von Diph- thongen: (1) Gleit-Stellungs-Diphthonge, wo im ersten Glied nur Gleitung ohne feste Stellung vorkommt, wogegen im Schlußglied wirklich eine Vokalstellung einige Zeit hindurch gehalten wird; dies ist in [uuj, z.B. in do, der Fall; (2) Stellungs- Gleitstellungs-Diphthonge , wo zwei Vokale, die durch ein Gleiten verbunden werden, wirklich einige Zeit gehalten werden; Beispiel [ouj in toe; (3) Stellungs- Gleit-Diphthonge, wo nur das erste Glied ein wirklicher Vokal ist; Beispiel [au] in cow. Es wäre wohl der Mühe wert, andere Diphthonge auf diese Unter- scheidung hin zu prüfen.

2) Einige Dialekte machen einen Unterschied in dem Diphthong in mein, Zeit (aus älterem r), gesprochen [ei, ei] und dann in Bein, meinen usw. (aus älterem ei), gesprochen [ai], siehe über lokale Verschiedenheiten u. a. Trautmann S. 267; über au ibid. 260, und über eu 268.

Diphthonge. 205

Das englische [ai] in eye = I, five usw. scheint etwas stabiler als das deutsche mit „mid-mixed" \q], vulgär mit [a] oder [b] zu be- ginnen; das Ende gewöhnlich [i]; in schwacher Silbe wie m«/ ^dea wohl meistens [ee, ee]. Der gewöhnlich mit [au] umschriebene Diphthong in how, out, house usw. fängt wohl nie mit einem [a] an, sondern mit einem Zwischenglied zwischen [ä] und ['b], kaum gerundet in mustergültiger Aussprache; das Ende zwischen gerundetem [e] mxr und [u]; in schwacher Silbe wie in however kann das erste Glied wohl mittelhoch sein. Über [ei, ou, ij, uw] siehe oben § 150, 159, 148, 158. Hinsichtlich der englischen Diphthonge ist noch zu bemerken, daß eine starke Neigung besteht, das letzte Glied nicht vollständig vor [9] auszusprechen, so daß die Zunge hier nicht so hoch kommt wie sonst; so ist [u] viel häufiger in how als in cur, power, wo das voll aus- gesprochene [au8 = 'Bue] zwei Silben sind, wo man aber oft ein ein- silbiges fast monophthongisches Gleiten ['B'e] hört^); ebenso in Ireland, priory, wo die volle Aussprache [aialand, pieiari] dreisilbig ist, wo man unter Gebildeten aber auch fast [a'eland, pia-ari] in zwei Silben hören kann; ebenso in violet und ähnl.^) Für [ei] und [ou] -j- [a] erhält man ja in den meisten Fällen [s'8, 0'(8)], wie in prayer, mayor, more; doch findet sich [eia, ou9] in Wörtern wie player, lower u. ähnl. (beschützt durch Analogie von play, low) ; auch hier hört man jedoch nicht ganz selten jedenfalls Annäherungen an [5'9, 0'(9)], vgl. die Ver- hältnisse bei dear, poor usw. Auch vor [i] kann das zweite Glied geschwächt werden, so daß z. B. rowing statt [jomi)] ungefähr [lö.irj] lautet; vowel kann jetzt fast wie voü lauten. Im Worte voyage ver- schmilzt oft der Vokal [l] der zweiten Silbe mit dem letzten Glied des Diphthongs, so daß das Wort einsilbig wird [vo.Ldj].

Im Französischen finden sich fallende Diphthonge mit kurzem ersten Gliede nur ausnahmsweise, nämlich, worauf L. Havet^) zuerst aufmerksam gemacht hat, in schneller Aussprache von phaeton [ae], il n'est pa(s)ici [ai], wo man sich nicht mit Gleiten in der Richtung von [i, e] begnügt, sondern voUen Schlußvokal hat. Über die Diphthonge in paye, travaü, Versailles usw. siehe unter [j] § 48.

1) In der Poesie werden, wie bekannt, solche Wörter bald als eine, bald als zwei Silben gebraucht, wesentlich ohne Rücksicht darauf, ob sie in alter Zeit, wo [r] Konsonant war, einsilbig (our) oder zweisilbig {power) waren.

2) Vulgär scheint [ai] und [au] auch in anderen Tällen mit geschwächtem zweiten Gliede ausgesprochen zu werden, so daß das Resultat fast [a-] wird.

3) Möm. de la soc. de linguistique II 219.

206 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Dreizehntes Kapitel. Diphthonge.

218. (2) Steigende Diphthonge haben in der Regel als Gipfel einen bestimmter artikulierten Vokal als die fallenden; dagegen kann es oft schwer sein zu entscheiden, wie „hoch" das erste Glied beginnt, und ein [la, ea, ea] wird gewöhnlich als gleichbedeutend mit [ia] oder [ja] aufgefaßt werden, weswegen man in der Schullautschrift gut tut, die letzte Bezeichnung zu gebrauchen; dänisch ja ist oft wirklich [ea] oder sogar [ea]. Englisch y in yard, yes, yacht usw. geht wohl selten unter [i], ist aber kaum jemals ganz konsonantisches [jj; französisch in hien^ pied, payer, veiller ist in der Regel mitlautend [i], aber da- neben gibt es zwei extreme Formen, die eine in piller (nach [i]) mit größerer Annäherung und konsonantischer Reibung, die andere in gaillard usw., wo man neben [a] die Zunge nicht so hoch zu heben braucht; bestimmt können diese Formen jedoch nicht immer auseinander gehalten werden. Andere steigende Diphthonge hat das Französische im geschriebenen u vor anderen Vokalen, z. B. nui, nuee, tuait, tua [nqi, nqe, tqs, tqa]; das erste Glied richtet sich hier in gewisser Weise nach dem zweiten, so daß es vor [i] ausgeprägte high-front-Stellung (yS^) hat, vor [e] etwas mehr zurückgezogen und gesenkt (^35^^), vor [s] es noch mehr (yh^^) ist, während es vor einem a-Laut wie in nuage, nuance weiter zurück (yö^) ist, so daß es von einem un- geübten Ohre leicht mit mitlautendem [u] oder [w] verwechselt werden kann; in ntiee, continuait erinnert es, wie Storm bemerkt, stark an schwedisch [ü] in hus. Was die Lippenstellung betrifft, so ist sie nicht immer normal gerundet («3), sondern oft flacher, ungefähr wie bei [u] «2^ 14), jedenfalls sind die Lippen nicht vorgestreckt, (sondern :b). Endlich in Fällen wie louer, moi, soin, Schullautschrift [Iwe, mwa, sws], haben wir steigende Diphthonge mit einem Laut ungefähr wie schwedisch ro in ho als erstes Glied, also nicht ganz so geschlossene Lippen- und Zungenstellung wie in oui [wi] § 197. In der Lautschrift ist es am praktischsten, in allen diesen Fällen [j, q, w] zu schreiben, da man ja nicht Zeichen für alle besprochenen Nuancen haben kann.^) Storm hat im übrigen unzweifelhaft Recht, wenn er sagt, daß man oft Franzosen alle diese Verbindungen zwei- silbig (Storm: fast zweisilbig) aussprechen hören kann.

214. (3) Schwebende Diphthonge können natürlich nur da gedacht werden, wo die beiden Vokale fast dieselbe Schallfülle haben; sie sind zuerst von Vilh. Thomsen im Fär0ischen konstatiert.^) Femer

1) Vgl. über sie meine Anmeldung von Beyer in Phon. Studien II 90—91, Artic. S. 60 und 63 sowie Storm S. 170—1.

2) Siehe Gott. gel. Anz. 1881 S. 885, Storm, E. Philol. 86, die dän. Fonetik 553.

Vierzehntes Kapitel. Druck. 207

kann hierher gerechnet werden englisch [ia] in dear im Übergang von [i'o] zu [J9'] (vgl. § 198) und eine in englischen Dialekten und in Amerika v^erbreitete Aussprache von z. B. few, new [fiu, niu].

215. Triphthonge bieten nicht viel Interesse; der mittlere Vokal muß der sonorste sein, da wir sonst eine zweisilbige Verbindung erhalten würden, z. B. im dänischen jeg [lai, eae] oder ähnl. Einen schwebenden Triphthong mit Gleiten von dem einen Vokal zum andern, ohne daß es möglich war zu hören, welcher Gripfel war, habe ich mehrmals in Lincolnshire in heauty, heautiful [iyu] neben schweben- dem [yu] gehört, ja sogar einen „Tetraphthong" ebenda in sure [siyua] mit schnellem Gleiten, wobei ich nur eine Silbe zu hören glaubte.

Vierzehntes Kapitel.

Druck.

216. Was ims veranlaßt, auf eine Silbe eher als auf eine andere Druck ^) zu legen, kann entweder Tradition sein (daß wir dieselbe Druckverteilung von anderen gehört haben) oder in psychologischen oder endlich in physisch-physiologischen Verhältnissen seinen Grund haben. Diese drei Faktoren können in manchen Fällen zusammen- wirken; in anderen Fällen sehen wir einen Konflikt zwischen ihnen, der zu einer Abweichung von der Tradition führen kann und im Laufe der Zeit es oft dahin bringt, daß eine neue Druckverteilung traditionell wird ; so sind viele der unten psychologisch und physiologisch erklärten Druckverhältnisse längst traditionell geworden.

217. A. Tradition. Hier gehen die verschiedenen Sprachen sehr verschiedene Wege. Man pflegt zwischen Sprachen mit „freiem" und mit „gebundenem" Akzent zu scheiden. In den ersteren gibt es keine bestimmten einfachen Gesetze, jede Wortform hat ihre bestimmte Druckstelle, aber die verschiedenen Formen eines Wortes in der Flexion können den Druck auf verschiedenen Silben haben. Wird

1) Druck ist der hier angewandte Name für „Stimmstärke", „expiratorischen Akzent"; über dessen physiologische Erzeugung siehe § 108; über dessen Grade und ihre Bezeichnung sowie über den Unterschied zwischen absolutem und relativem Druck § 107. Druck darf nicht mit „Ton" verwechselt werden; siehe nächstes Kapitel; daher müssen Ausdrücke wie „Betonung" u. dergl. in bezug auf Druck Verteilung vermieden werden.

208 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Vierzehntes Kapitel.

dieselbe Terminologie wie oben in dem Kapitel über Quantität gebraucht so haben wir also keine äußerliche, nur innerliche Druckbestimmung, So war das Verhältnis in alter Zeit in unserem (arischen) Sprach- stamm, und so ist es noch heute im Russischen, wo z. B. das Wort ^Jcolohol in der Mehrzahl kölokoHa [kaiaka'ia] hat, go'ra „Berg" Gen. sg. goW'i, aber Nom. pl. ^gor'i usw. Vemer hat gezeigt, daß ein ähnlicher Wechsel in vorhistorischer Zeit in den germanischen Sprachen statt- gefunden hat. Aber im Laufe der Zeiten haben viele Sprachen eine mehr oder weniger feste Druckstelle bekommen. Das Altgi-iechische steht auf einer Übergangsstufe, indem die Druckstelle frei ist, aber nur innerhalb bestimmter Grenzen („das Dreisilbenprinzip"); im klassischen Latein haben wir das einfache Gesetz, daß die zweitletzte Silbe Druck hat, wenn sie lang ist, sonst die drittletzte. Indem im Laufe der Jahrhunderte die Silben nach dem Druck fortgefallen sind, hat dieses lateinische Gesetz das heutige französische Gesetz erzeuo-t, daß die letzte Silbe den Druck hat (vgl. unten). Die Tschechen legen den Druck auf die erste Silbe, die Polen auf die zweitletzte. Die germanischen Sprachen streben alle nach dem nur im Isländischen ganz durchgeführten Gesetze, daß der Druck auf der ersten Silbe jedes Wortes liegen soll. Es ist nun klar, daß Sprachen, die das eine oder andere äußerliche Druckgesetz durchführen, den Druck nicht verwenden können, um Worte voneinander zu unterscheiden; dagegen können wir z. B. im griechischen ^hios „Leben" Wos „Bogen" haben, im deutschen ^umgehen und um}gehen, ^damii und da^mit, im englischen ^dbsent und aVsent, ^overthrow und overHhrow, ^conjure und con^jure. Aber im ganzen ist die Zahl solcher Wortpaare in den hier behandelten Sprachen nicht groß (am größten wohl noch im Englischen, wo der Unterschied besonders dazu benutzt wird, das Nomen vom Verbum zu unterscheiden), und in manchen Fällen hat der Druckunterschied sekundär zu anderen Verschiedenheiten geführt, die mithelfen, die Worte auseinander zu halten. Unter traditionellen Druck fallen natürlich auch die Fälle, wo Fremdwörter mit demselben Druck über- nommen werden, den sie in ihrer Heimatssprache haben; dies kann selbstverständlich leichter geschehen, wenn die entlehnende Sprache „freien Akzent" hat, während z. B. das Französische, wenn es Fremd- wörter übernimmt, sie seinen eigenen äußerlichen Druckregeln unter- ordnet. Im Deutschen ist man sogar so sklavischer Nachahmer des lateinischen Druckes gewesen, daß man direkt gegen den Geist der eigenen Sprache Druckwechsel in Prozessor Profes^soren u. ähnl. übernommen hat.

Di-uck. 209

21$. B. Psychologische Verhältnisse. Der Druck ist zum ersten das natürliche Mittel, um etwas hervorzuheben. Legt der Redende seinen Worten besonderes Gewicht bei, sind sie ihm sonder- lich wertvoll, so „legt er auch besonderes Gewicht auf sie," d. h. er spricht sie stärker, „mit Nachdruck" aus; dadurch lenken sie ja auch in höherem Maße die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich. Da der Druck hier ein Maßstab für den Wert wird, den der Sprechende dem Gesagten beimißt, nenne ich diese Art Druck den Wertdruck.

Wertdruck kann auf eine ganze Äußerung gelegt werden; der Betreffende spricht dann „emphatisch", „mit Emphase."^) Bisweilen behalten die Worte an sich die normale Druckverteilung, so daß starke und schwache Silben jede für sich im selben Verhältnis verstärkt werden; aber in der Regel wird das Verhältnis etwas zu Gunsten der schwachen Silben verschoben werden, so daß „die PersjDektive in der Sprache verwischt wird", so besonders deutlich im Ruf (mit Ver- längerung, vgl. § 182). Daraus erklärt sich, daß wir in emphatischen (verstärkenden) Zusammensetzungen oft gleich starken Druck auf zwei sonst ungleich starken Silben erhalten, z. B. ^blut^arm (= sehr arm; 'blut|arm = arm an Blut), ^ steM reich , ^eis^Jcalt^), oft kann sogar das letzte Glied am stärksten werden, z. B. ^ grenzenlos unglücklich, eine ^heispielHose Rohheit usw. Druck auf einer ganzen Äußerung kann sich mit andern Worten darin zeigen, daß das sonst Starke seine normale Stärke behält und das sonst Schwache (Halbstarke) sehr verstärkt wird.

219, Femer kann auf ein einzelnes Wort in einer Äußerung als das für den Sprechenden wertvollste Wertdruck gelegt werden. Es wird gewöhnlich so dargestellt, als ob der Druck hierbei einem logischen Zwecke diente (er fällt auf „das Zentrale im Gedanken", auf „den Gedankengipfel" auf „das logische Prädikat"); es darf aber nicht übersehen werden, daß es im innersten Grunde doch in den meisten Fällen nicht nüchterne Logik, sondern ein Gefühlselement, das persönliche Interesse, ist, was für die Verteilung des Druckes innerhalb des Satzes für den Sprechenden entscheidend ist. Normalerweise wird dies die Rolle, die jeder Begriff in dem Augenblick für den Redenden spielt der wichtigste regulierende Faktor für den „Satzdruck"; es

1) "Vgl. den Unterschied zwischen der ganzen Redeweise eines prahlerischen und eines bescheidenen Menschen.

2) Vgl. Franke, Engl. Stud. ¥111337: „In der Emphase bekommt oft ein Wort zwei gleichstarke Akzente, so : grund . . sätzlich nicht, er wurde buch . . stäblich zerrissen, er war voll . . kommen erfroren, es war frircht . . bar heiß, das ist ein Haupt . . tädler, das wäre das aller . . letzte usw."

Jespersen, Lehrljuch der Phonetik. 14

210 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Vierzehntes Kapitel.

ist aber klar, daß es gewisse Wörter gibt, die wegen ihrer Bedeutung (Präpositionen, die meisten Pronomina, die Artikel, Hilfsverben, Kon- junktionen usw., kurz das was die Chinesen „leere Wörter" nennen) fast immer eine untergeordnete Rolle im Satz im Vergleich mit den „vollen Wörtern" (den meisten Substantiven, Adjektiven und Begriffs- verben) spielen müssen, vgl. z. B. „als er mich aber zum 'zweiten 'Male 'fragte, 'gab ich ihm die ge'wünschte 'Antwort". Wenn man oft versucht hat. Regeln wie die folgende aufzustellen: „Im Satze gilt in der Regel crescendo, da das Subjekt meist vor dem Prädikat steht und dieses als das Individualisierende den Satzakzent trägt, z. B. ich 'schreibe, der Hund 'bellt, er ist 'krank," (Vietors Fassung), so übersieht man die Mannigfaltigkeit des Lebens und des Sprachbaues: das gramma- tische Prädikat ist längst nicht immer das „logische Prädikat"; das Individualisierende, der Gedankengipfel, das Wertvolle, kann ebensogut das gi-ammatische Subjekt oder ein Teil desselben wie das grammatische Prädikat sein.

Indem Worte zu leeren Worten „herabsinken", wird oft sowohl Bedeutung wie Druck geschwächt, vgl. wohl, der (Artikel), ein, werden.

220* Zwei wichtige Arten des Satzwertdi'uckes sind Neuheits- druck und Gegensatzdruck, die jedoch nicht scharf auseinander ge- halten werden können. Der neue Begriff erhält den Druck; Avenn ein Begriff nicht länger das Interesse der Neuheit hat, wird er schwächer als das erste Mal, wo er erwähnt wird, ausgesprochen; höre so Frieda in: „Als er nun zu Frieda kam, sprachen sie lange zusammen; zuletzt ergriff er Friedas Hand und sagte ..." Ein interessanter Fall, wo der Neuheitsdruck für den Sinn des Satzes ausschlaggebend ist, ist der folgende: „Beide Parteien wählen getrennt zwei Schieds- richter, und zusammen wählen sie dann einen Obmann"; sagt man hier ['zi'dan], so sind die letzteren, die Schiedsrichter, gemeint, als der neue zuletzt eingeführte Begriff; sagt man dagegen [zi'dan], so bleibt das Subjekt das alte, dasselbe wie im ersten Satz (die Parteien).

Von noch größerer Bedeutung ist der Druck, der den Gegen- satz markiert (zu etwas, das schon genannt ist oder genannt werden wird oder wegen der ganzen Situation nicht genannt zu werden braucht). So kann „Frieda gab mir dieses Buch", indem man nach- einander auf jedes der fünf Worte Druck legt, hervorheben 1) daß es nicht Hans war usw., 2) nicht „lieh", 3) nicht „dir", 4) nicht „jenes, das andere", 5) nicht „das Messer" oder ähnl.

221. Der Gegensatzdruck kann auch, wenn auch seltener, dazu verwendet werden, um einen Teil eines Wortes hervorzuheben, wje

Druck. 211

wenn man sagt, wir „können [k0(n)'nen], um das Mißverständnis von „könnten" zu verhindern, oder bedecken, nicht entdecken. Dies wird besonders häufig in Wörtern wie real, formal, ideal, nominal, die gewöhnlich Enddruck haben, jedoch den Druck auf die erste Silbe nehmen, wenn sie einander gegenübergestellt werden: sowohl Weal als auch ^formal; ^real und Hdeal; ebenso ^Sympathie und ^Antipathie; ^primär und ^sekundär; ^Sekundaner und 'Primaner, ^Orient und 'Om- dent, ^Kavallerie und ^Infanterie, ^Tour, nicht Wetour'^)\ die ^organische im Gegensatz zur hmorganischen Natur; ^Hadrian, nicht 'Trajan. Dies findet sich auch, wo die Worte im Gegensatz zu Worten mit anderen Endungen stehen: so kann man nicht selten hören ^germanisch, nicht nur im Gegensatz zu ^romanisch, sondern auch zu nordisch; die 'ministerielle Partei, nicht die Volksvertretung; er ging nicht nach Brasilien, sondern nach 'Nordamerika; es ist ein rein 'materielles Phänomen, das nichts mit der 'Seele zu tun hat usw. Man wird sehen, daß das Phänomen sich am häufigsten bei (lateinischen) Fremdwörtern zeigt, aber auch z. B. die 'ungeraden Zahlen, aber nicht die 'geraden; sagten Sie 'verständig oder 'unverständig? In einigen Fällen hat sich der so entwickelte Druck festgesetzt, so besonders in einer Menge Wörter auf -iv, wie 'konservativ, 'induktiv, 'deduktiv, 'subjektiv, 'objektiv, und einem Teil grammatischer Ausdrücke, wo die Markierung des Gegensatzes von Seiten des Lehrers die Aussprache gefärbt hat: 'Kon- junktiv, 'Substantiv, 'Adjektiv, 'Nominativ usw. Der Unterschied zwischen dem ursprünglichen und dem verschobenen Druck ist z. B. bewahrt in „er ist ein elendes Sub'jekt," aber: „was ist das 'Sid)jeM im Satze?"; Untersuchungso&[;eÄ;^e aber „'Objekt vor dem Verbum", „der Handel ist per'fekt geworden," aber „der ' Perfektstamm.] bei aktiv und passiv ist der Anfangsdruck bei einigen auf die grammatische Bedeutung dieser Worte beschränkt, in der Aussprache anderer auf alle Bedeutungen übertragen; doch sagt man wohl stets „aktiv werden" (d. h. in eine studentische Korporation eintreten). Besonders der Anfang von Worten erhält auf diese Weise Druck, nicht nur da, wo der Unter- schied der einander gegenübergestellten Wörter am deutlichsten ist, sondern auch sonst ^), weil man natürlich anfängt, den Gegensatz so bald wie möglich zu markieren. Man begreift jetzt, wie es zugegangen ist, daß das germanische Druckprinzip mit seiner Verschiebung von

1) Immer Re'tourbillet, Re'tourgut.

2) Vgl. daß man bei Emphase im deutschen ^entweder für gewöhnlich entweder, dänisch ^undtagen usw. sagt.

14*

212 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Vierzehntes Kapitel.

oft unwesentlichen Endsilben auf die bedeutungsvollste und (oder) erste Silbe durchgedrungen ist.

'ää^. Die zweite und nicht minder wichtige, wenn auch oft übersehene psychologische Funktion des Druckes ist die, das zu- sammenzuhalten, was zusammengehört (Einheitsdruck), und andrer- seits das zu sondern, was auseinandergehalten werden soll, das erste dadurch, daß schwache Silben sich um eine starke, wie um ein Einheits- zeichen sammeln, das zweite durch Nebenordnung von zwei oder mehr starken Silben. Sage ich „wir sahen dort ['blu'mnkrentso] und andere schöne Sachen," so wird Kränze dem Blumen untergeordnet und zu einem Begriff damit gemacht; in ['blu'mn'krentsaj wird Kränze als selbständiger Begriff ausgeschieden; dieser Druckunterschied wird orthographisch durch die Schreibweisen „Blumenl'ränze" „Blumen, Kränze" angedeutet. Lege ich in „das Buch ist ungewöhnlich reich- haltig und interessant" gleichstarken Druck auf [un] und [rai9], so erhalten wir zwei untergeordnete Adjektive (in der Schrift durch Komma getrennt): das Buch ist ungewöhnlich und reichhaltig; erhält dagegen [rai^] stärkeren Druck als [un], so wird das erste als Ad- verbium dem zweiten beigefügt; das Buch ist in ungewöhnlichem Maße reichhaltig; ebenso „'alle 'möglichen Verbindungen" = alle Ver- bindungen, die möglich sind; „alle 'möglichen Verbindungen" ist bloß ein verstärktes „viele Verbindungen."^)

223. Die Beispiele zeigen den Druck bald auf dem ersten, bald auf dem letzten Gliede, und in beiden Fällen fühlt man die Zusammen- fassung deutlich genug. Wo der Druck auf dem ersten ruht, wird er in der Regel Wertdruck sein; der eigentlich charakteristische Einheitsdruck liegt immer auf der letzten Silbe (oder doch auf der- jenigen Silbe im letzten Glied, die an sich den stärksten Druck hat): man markiert die Einheit, indem man über das (die) erste(n) Glied(er) hineilt (vgl. das Prinzip in § 183), wodurch man darauf vorbereitet, daß mehr kommt, und dann den Schluß so kräftig wie möglich an- schlägt. Der Einheitsdruck zeigt sich in nicht wenigen zusammen- gesetzten Worten wie aller'dings, allen'falls, nach'her, nach'dem, Bürger'meister, alt'indisch, alt'nordisch, Klein'asien, vollenden, voU'führen, will'kommen, miß 'brauchen, über' setzen „translate" und in den andern „echten" zusammengesetzten Verben (verschieden von den „unechten"

1) Wenn die Verbindungen solange, soweit, sobald als Konjunktionen ver- wendet werden, haben sie immer Einheitsdruck auf dem letzten Gliede; als Adverbien können sie denselben Druck haben, doch wird oft das so hervor- gehoben.

Druck. 213

wie übersetzen „put over, pass over, transport"); ferner in einer Menge Ortsnamen: Siehen^hürgen , Zwei^hrücken , EckernYö>"äe , Stvine^münde, Friedrichs roda, Kaisers^lautern , Herren^ausen , Scli'ön%ausen , Blan- l'e^nese usw. Über das Schwanken in Ortsnamen unterm Einfluß psychologischer Momente macht Hempl mehrere gute Bemerkungen^): Osnabrück hat an Ort und Stelle selbst Druck auf der letzten Silbe, aber Leute aus anderer Gegend werden nach ihm 'Osnabrück sagen, um den Gegensatz zu anderen Namen mit derselben Endung heraus- zuheben, ebenso eine Menge kleinerer Städte wie Bückehurg, Radeberg, Maulbronn, Heilbronn, Oldesloe; andererseits haben die vielen thüringischen Namen auf -leben auch in der Gegend selbst den Druck auf der ersten Silbe, um voneinander unterschieden zu werden; die Einheimischen in Stralsund legen den Druck auf die erste Silbe, um es von den andern Städten auf -sund an der Ostsee zu unterscheiden, während Leute aus anderen Gegenden nur Stralsund kennen nnd daher -sund den Druck geben; die lokale Aussprache von Oberammergau hat die erste Silbe stark, weil man dort Unterammergau kennt, aber für die meisten andern spielt der letztere Name keine Rolle, weshalb sie Ober'ammergau sagen. Ferner in solchen volkstümlichen Wort- bildungen wie schurr'murr, kla'bauter, kla'bastern, par'dautz, lirum'larum, papperlap'papp, kladdera'datsch, Heitere'tei (Eigenname bei Otto Ludwig)^ schneddereng'teng (aus: „Als die Römer frech geworden"), hop'hop („h. gings über Stock und Stein"), hoi'ho, piff 'paff, piff paff 'puff, juvi'vallera (aus „Wohlauf noch getrunken"), hu'hu (Bürger, Lenore), husch'husch (ib.), trap'trap (ib.), risch'rasch (B. Wilde Jäger), wo nicht von Wertdruck die Rede sein kann, weil die einzelnen Glieder keinen Wert oder keine Bedeutung haben; ebenso in alten Zusammensetzungen, wo die einzelnen Glieder nicht länger als Be- deutungsträger gefühlt werden, z. B. Ascher' mittwoch, Schnee'wittchen, Perl'mutter, Kar'freitag (dagegen die 'Kar'woche), dänisch nonne'titter, faste'lavn (niedd. 'vastel -|- avend „Abend"). Wenn wir nicht Enddruck in der Mehrzahl unserer zusammengesetzten Wörter haben, so beruht das darauf, daß das erste Glied in der Regel das bedeutungsunter- scheidende bleibt und also oft den Gegensatzdruck erhält, z. B. ' Vorder- tür, ^Hintertür, ^Seitentür, ^Blumenkohl im Gegensatz zu anderen Kohlarten; 'Rittergut, Gutsbesitzer, 'Rittergutsbesitzer, 'Haushofmeister, 'Straßenzimmer, 'Rahmguß, 'Fingersprache, Teelöffel, 'seekrank usw.

1) The StresB of German and English Compound Geographica! Names; Modem Language Notes, Apr. 1896, wo jedoch der „Einheits"gesichtspunkt nicht genannt ist.

214 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Vierzehntes Kapitel.

224. Zusammenfassende Wortverbindungen mit Druck auf dem letzten Gliede (Einheitsgruppen) sind außerordentlich häufig.^) Sie finden sich z. B. in Wortgruppen wie |Lieder ohne 'Worte, ^Buch der 'Lieder, des , Knaben 'Wunderhom, |Minnesangs 'Frühling, |Emilia Ga'lotti, -Herr 'Braune, -Frau Pro'fessor, -Doktor 'Faust, -Mutter Na'tur, -Vater 'Rhein, -schwarz-weiß-'rot, ich igebe es 'an, das ^findet 'statt, lUicht die 'Spur; infolge 'dessen usw.; doch ist zu bemerken, daß es im Deutschen weit seltener als im Dänischen zu ganz schwachem Druck auf dem ersten Griiede führt, in der Regel nur zu i;3 oder 2; daher haben wir hier auch nicht dieselben sekundären Folgen wie im Dänischen: [i'] in -er ^sieht ^aus wird nicht annähernd so sehr verkürzt wie im Dänischen das [e-] in Jianser^ud usw.

225. C. Physisch-physiologische Verhältnisse. Der Druck kommt am besten zu seinem Recht auf schallerfüllten Lauten; daher wird es der Sonoritätsgipfel der Silbe, der ihren Druck trägt, und beim Zusammenstoß von zwei Lauten von verschiedenem Sonoritäts- grad können wir oft Druckverschiebung erhalten (Schallfülledruck siehe § 198). Lange Silben (mit langem Vokal oder mit kurzem von langer Konsonantengruppe gefolgtem Vokal) können nicht leicht mit schwachem Ton ausgesprochen werden, und es ist daher die Neigung vorhanden, entweder die Lautmasse der Silbe leichter zu machen oder den Druck auf diese Silbe zu verschieben; das letztere hat stattgefunden im deutschen ybendig, Ho^llunder u. a.

226. Das wichtigste hierher gehörende Prinzip ist jedoch das rhythmische: es ist anstrengend für die Organe zwei oder mehr starke Silben gleich nacheinander auszusprechen, und man erleichtert ihnen daher in der Regel die Arbeit, indem man wechselt, so daß zwischen zwei starke Silben eine oder mehrere schwache kommen.^)

1) Daß hier nicht eigentlich von logischer Unterordnung die Rede sein kann 219), so daß das wichtigste Glied den stärksten Druck erhält, sieht man deut- lich an der Zusammenstellung: Otto der 'Heilige der heilige 'Michael; Hans 'Schuster Schuster 'Hansen; man kann ja nicht sagen, daß in „Gott sei 'bei uns" und „nicht die 'Spur" Gott und nicht das untergeordnete sei. Der Druck auf dem letzten Gliede ist eben das Einheitsmerkmal und nichts anderes.

2) Daß das rhythmische Wechseln wirklich eine Erleichterung für die Organe ist, geht daraus hervor, daß das Vorlesen von Versen nicht so sehr ermüdet wie das Vorlesen von Prosa (vgl. Palleske, Kunst des Vortrags S. 39). Wenn „das Ohr am Rhythmus Wohlgefallen findet," so beruht das wie so viele andere sprach- liche Wohlklangsverhältnisse primär darauf, daß die Organe dergleichen leicht aus- sprechen können. Die Neigung zur Rhythmisierung hängt auch mit dem in § 210 besprochenen Prinzip zusammen : gleiche Länge der Takte ; man versuche ' Un^kosten

Druck. 215

Reihen wie frisch, fromm, froh, frei mit gleich starkem Druck (^4444) können wohl nicht ganz vermieden werden, sind aber doch sehr selten und in allen festgewachsenen Wortverbindungen, wo wir eine solche Druckreihe erwarten sollten, erhalten wir statt dessen ein Wechseln: wir sagen nicht ^Gott ^sei ^Bank (^444), sondern [|got sai 'daijk] ^314, nicht ^ja ^was ^weiß Hchf, sondern Ja ^was weiß Hch; ^das \veiß ^Gott wird zu ^das tveiß ^Goit 2;314; ein ^FeldwaMwiesenhut Selbst wenn eine schwache Silbe die Einförmigkeit mehi-erer gleich- starken Silben bricht, haben wir in einigen Fällen Rhythmisierung mit Schwächung einer der starken Silben: ^was gilt die ^ Wette? ' WoJiin geht die ^Beise? ^Ich meine '„ja" (verschieden von ich ^meine ja)] ein %übscher junger ^Mann, ein ^ süßes Meities ^ Mädel, die ^heiligen drei ^Könige. Rhythmischer Druck zeigt sich darin, daß das Zwischen- glied in dreigliedrigen Worten nicht selten herabgedrückt wird; Sievers ^) nennt 'Handarbeiten, unvollständig, 'Mittei,lungen; HempP) ^Weitaus. Stellung, 'Vorur,teil, 'Greldan, Weisung, 'unan|Ständig, 'Großher|ZOg, ich kann nach Selbstgehörtem supplieren: 'Fortset,zung, 'Einlei|tung, 'Weltschöp|fung, 'Auswa,schung, 'Erdober|fläche; doch scheint sich diese Druckverschiebung nicht (wie im Dänischen) festgesetzt zu haben; man hört oft 431.

227. Wo zwei schwache Silben zusammenstehen, wird diejenige, die von der starken am weitesten entfernt ist, den stärksten Druck erhalten, so ist die letzte Silbe in rettete, indische, mutigen etwas stärker als die mittlere (diese Wöi-ter haben also ^412). Hierhin ge- hören ferner so häufige Satzschlüsse wie . . . veranlaßt worden ist (^141 2 13), ... behauptet werden kann (^141213), ... in Empfang genommen wird (2;2141213) und ähnl. Vor der Drucksilbe haben wir auch rhythmischen Nebendruck in längeren Fremdwörtern, z. B. ,balan'cieren (^2141 oder 3141), ^Banda'gist, |Phanta'sie, aber nicht in Balance, Ban'dage, Phan'tast. Im Dänischen gibt es eine ganze Reihe von zweisilbigen Wörtern, die alleinstehend den Druck auf der letzten Silbe haben, die aber in Einheitsgruppen vor einer starken Silbe stehend die erste Silbe (halb)stark bekommen (z. B. du'sin, et |dusin '08ters; E'mil, |Emil 'Hansen). Diese Erscheinung ist recht selten im Deutschen. F. Franke teilte mir s. Z. mit: 'Abbe 'Liszt,

mit gleichstarkem Druck auf beiden Silben auszusprechen, und man wird finden, daß es (außer daß es beschwerlich wird) unwillkürlich die Aussprachezeit ver- längert (das n und der /t-Verschluß werden beide länger).

1) Phon. * § 609.

2) A. a. 0. S. 232.

216 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Vierzehntes Kapitel.

'Rentier 'Schmidt^ Sofie ['zofi] 'Krause, aber mit dem Zusatz „selbst diese Fälle sind nicht Regel", auch [ma'dam], aber ['madani Vi'znta.l], „aber man hört es jetzt selten".^)

228. Da die erwähnten Druckprinzipien allgemein menschlich sind, muß man erwarten, in allen Sprachen dieselben Arten des Druckes zu finden: traditionellen Druck rhythmischen Druck Wertdruck (Neuheits- und Gegensatzdruck) und Einheitsdruck; aber die Stärke, mit der und der Umfang, in dem jeder von ihnen sich geltend macht, ist verschieden; und vielleicht ist das Dänische wegen der Schnellig- keit der Sprache mit ihrer großen Zahl abgehackter kurzer Laute und wegen des großen Unterschiedes von starker und schwacher Silbe, wodurch eine starke sozusagen verhältnismäßig viele schwache auf ihr Gewissen nehmen kann, diejenige der mir bekannten Sprachen, in der die Sätze am besten zu untrennbaren Einheiten verschmelzen können und wo deshalb die traditionsfeindlichen Prinzipien, besonders Rhythmus und Einheit, die größte Rolle spielen können. Im Vergleich mit dem Dänischen muß das Hochdeutsche hinsichtlich des Druckes steifer, unbeweglicher, konservativ-feierlicher genannt werden. Es ist natür- lich nicht meine Absicht, hier ein System von „Akzentregeln" auf- zustellen — namentlich kein erschöpfendes sondern nur in kurzen Zügen das Wirken der Prinzipien zu zeigen.

229. Im Englischen ist der traditionelle Druck im wesentlichen wie im Deutschen, bloß daß die zahlreichen besonders romanischen Lehnwörter es schwieriger machen Regeln aufzustellen, indem viele, aber längst nicht alle, den Druck von der ursprünglichen Stelle ver- schoben haben, während im Deutschen und Dänischen, wo die Worte nicht im selben Maße assimiliert sind, die fremde Druckstelle vielfach besser gewahrt ist. Wertdruck macht sich im Englischen auf die- selbe Weise wie im Deutschen geltend (s. o.). Durch Gegensatz können ebenfalls sonst schwache Teile von Wörtern starken Druck erhalten, z. B. in einem Satze wie: If on the one band speech gives

eicpression to ideas, on the other hand it receives 'mpression from them^); 'inside and 'outside (ohne Gegensatz gewöhnlich in'side mit

1) Wenn die Norddeutschen nach Polle, Wie denkt das Volk über die Sprache S. 90 den „richtigen" Druck in Jo'hann, E'mil, An'ton, Ge'org haben, während dieselben Namen in Mittel- und Süddeutschland gewöhnlicher den Druck auf der zweitletzten Silbe haben, ist dieses dann vielleicht der größeren Neigung zu Einheits- und rhythmischem Druck da unten zuzuschreiben? Doch ist seine Beobachtung vielleicht nicht ganz richtig.

2) ßomanes, Mental Evolution in Man 238.

Druck. 217

Einheitsdruck, ja der Omnibuskonduktor pflegt zu rufen: no room in'side, wo der Rhythmus stärker als die Rücksicht auf den Gegensatz ist); not 'oppose but 's?^ppose und ähnl. Die juristischen Ausdrücke auf -or und besonders -ee haben durch stetiges Gegenüberstellen (donor and donee, lessor and lessee usw.) ziemlich festen Druck auf der letzten Silbe bekommen; ebenso die Zahlwörter auf -teen (vgl. jedoch unten). Wenn die meisten Wörter, die in diesem Zusammen- hang oben bei deutsch und dänisch genannt sind, im Englischen jetzt traditionellen Druck auf der ersten haben (^real, ^formal, ^primary, ^cavalry, ^Orient, ^subjed usw.), so ist diese Verschiebung, als sie vor sich ging, sicher zum großen Teil gerade dem Gegensatzdruck zu- zuschreiben. — Einheitsdruck auf der letzten sehen wir in mankind, wo der Faktor, der sonst in ähnlichen Zusammensetzungen den Druck auf die erste zieht, nicht hat wirken können, weil sich keine anderen Zusammensetzungen mit Mnd finden ^) ; ferner in who 'ever, whe'never usw., in -Mr. 'Brown, Dr. 'Johnson, -St. John [sn'd^on] usw., und vielen festgewachsenen Verbindungen, wie: |bill of 'fare, |Cat-of 'nine-tails, imember of 'Parliament, |Secretary of State, cup and 'saucer, ^knife and fork, .somebody eise, ^not a bit. In Ortsnamen haben wir Einheitsdruck, z. B. in New 'York, New'haven, Sou'thampton, East 'India^), während natürlich die zahlreichen Namen mit Endungen wie 'Upton, 'Newton, 'Edinburgh, 'Peterborough, 'Canterbury, 'Exmouth, 'Bournemouth, 'Portsmouth, 'Winchester, Dorchester usw. Anfangsdruck bekommen haben. Bei englischen Nominalzusammensetzungen ist außer- dem zu bemerken, daß wir außer den festen, die in der Regel, (nach Sweet^) Naturgegenstände u. ähnl. bezeichnen und die Form ^43 oder 42 haben, z. B. Maclibird, hlackberry, rainbow, midnight, eine unendliche Masse losere haben, wo das erste Glied nun als selbständiges adjektivisches Wort betrachtet werden muß, z. B. cannon hall, mince pie, plum pud- ding, Jiead master, church yard.^) Wegen der Selbständigkeit sollten sie theoretisch gleichstarken Druck (was Sweet level stress nennt, §44)

1) WonianJcind ist ganz modern und ist ja auch kein Gegensatz zu manJcind in seiner gewöhnlichen Bedeutung.

2) Natürlich kann der Gegensatz gelegentlich ^East ^India zur Folge haben. Nach Hempl hat Newfoundland in der lokalen Aussprache Druck auf der letzten (Einheitsdruck), während „people at a distance" New'foundland (in den Vereinigten Staaten) oder 'Newfound|land (in England) sagen.

3) Transact. of Philol. Soc. 1880—1, Proceedings p. 4 ff., New Engl. Grammar § 889 ff.. Elementarbuch des gespr. Engl. Vgl. auch Storm S. 411.

4) In den gegebenen Beispielen habe ich die Worte jedes für sich ge- schrieben, was die gewöhnliche Orthographie nicht immer zuläßt. '

218 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Vierzehntes Kapitel.

haben, und das hört man auch ab und zu, wodurch man nach § 222 eine starke Empfindung von zwei Begriffen erhält; aber in der Praxis erhält in der Regel der eine der beiden das Übergewicht, ^43, 34 oder sogar mit 2 für eins der Glieder. Hierbei kann bald Gegensatz bestimmend sein, wie wenn ^plum^pudding und Wice^puddiny einander gegenübergestellt werden oder the %ead{master im Gegensatz zu einem der andern Lehrer hervorgehoben wird; bald kann Rücksicht auf den Rhythmus den Schwerpunkt nach der einen oder andern Richtung hin verschieben, wie in Sweets Beispiel 'churchyard 'wall, aber -St. 'Paul's Church'yard; so auch nach Sweet gewöhnlich 'good 'natured, aber a good lUatured 'man, ebenso hard hearted usw. Ebenso werden Wörter wie 'four'teen, 'fif'teen usw., 'Chi'nese, 'Berlin behandelt ('four.teen, 'years, he couldn't 'speak Chi'nese, a 'Chi|nese 'man, 'Ber|lin 'wool usw.). Am Ende eines Satzes scheint mir 34 (oder 24) das gewöhnlichste, z. B. in she was only four'teen, he didn't like the head'master usw., aber es geht vielleicht immer eine mehr oder weniger starke Silbe vorher, welche Rhythmisierung bewirkt haben kann. Von selbst- beobachteten Fällen rhythmischen Herabdrückens starker Silbe will ich anführen: how many mince-pies have you eaten? two thousand Square

4 12 4 4 12

miles, quite upright, in the public-house-line. Modern High German,

4 414 412441 141

justified in so doing, a little cock sparrow (in nursery rhyme), a

423 41241

young fellow (vgl. die häufige"^ Aussprache von LongfeUow). ^) Rhyth-

4 12

mischer Druckwechsel findet sich zum Teil noch in toivards [ta'wo'dz 'touwodz, gewöhnlich to'(®)dz], vgl. bei Shakespeare, Merch. of Ven. IV. 1. 403 1 must away this night toward (einsilbig) 'Padua. IV. 1. 457 Ply 'toward (zweisilbig) 'Belmont, V. 1. 5 And sigh'd his soule to'ward the 'Grecian tents; dasselbe ist früher in einer Menge anderer Fälle die Regel gewesen, von denen einige sich in Doubletten wiederspiegeln, thorough und through (von thoWoughy), ^spirit und sprigJd (von spi'ri-t); bei Chaucer finden wir eine Menge regelmäßig wechselnder Worte wie co'syn 'cosyn 'myn; in felici'te par'fit a 'verray 'parfit 'gentil 'knight; se'cre (secret) in 'secre wyse usw., bei Shakespeare^) eine Menge und bei modernen Dichtern nicht ganz

1) Vgl. Keats, Poet. Works, ed. by Rosetti 214 That it enforced me to bid 'sad fare'well To all my empire-. 'farewell 'sad I took.

2) Gil, Logonomia 1621: thuro aut throuh; Dyche, Gramm. 1710: through wird throo oder thurro gesprochen; vgl. thoroughfare ; thoroughly, das bei Shakespeare auch throughly heißen kann.

3) Vgl. besonders AI. Schmidt, Shakespeare-Lexikon 11^1413.

Druck. 219

seltene Fälle, so daß wir alles in allem der rhythmisierenden Tendenz einen außerordentlich großen Einfluß auf den in vielen Jahrhunderten srradweise vor sich sehenden Druckwechsel in romanischen Wörtern zuschreiben müssen. Mit diesen Andeutungen muß ich mich an dieser Stelle begnügen. Ferner sehen wir den Einfluß des Rhythmus auf die Behandlung der Vokale in somebody, nobody [sAmbedi, noubadi], aber anyhody, everyhody [enibadi, evribodi], und namentlich eine Menge längerer Fremdwörter wie harometer [be'romita]; harometric [bsero'metrik], compare [kem'ps-e], comparation [kompa'reijbn], condemn [kan'dem], condemnation [kondem'neijbn].^) Es ist ohne Zweifel analogischem Einfluß von diesen rhythmisierenden Formen zuzuschreiben, wenn wir in Fällen wie contemplate Druckwechsel von dem früheren [ken'templeit] zu ['kontampleit] , vgl. [, kontern 'pleijen] erhalten haben; so auch illustrate, remonstrate u. a.

Der englische Druck steht an Beweglichkeit in gewisser Weise zwischen dem deutschen und dänischen, eine starke Silbe ist kräftig genug um viele schwache zu tragen, besonders in Worten wie Uterary, particidarly (das allerdings oft fast zu [p8'tik(j)lli] ohne scharfe Silben- teilung nach dem Druck wird); Quantität und Vokalqualität stehen in hohem Maße unter dem Einfluß der Drucklosigkeit, teils innerhalb des einzelnen Wortes, teils in leeren Wörtern 219), die (wie and, at, as, that, from usw.) gewöhnlich [g] bekommen.

230. Französische Druckgesetze ^) bilden in mehreren Punkten lehrreiche Gegensätze zu den bisher behandelten. Indem infolge der historischen Entwickelung, durch welche die nach der lateinischen Drucksilbe liegende Silbe oder Silben verschwanden, der Druck immer im einzelnen Worte auf der letzten Silbe (abgesehen von [9]) zu ruhen kam und indem dasselbe Prinzip im Satze durchgeführt wird, kann also sowohl der traditionelle Wortdruck wie Satzdruck als durch- geführter Einheitsdruck bezeichnet werden. Nun ist es aber für das Französische charakteristisch, daß die „schwachen" Silben, mit (teil- weiser) Ausnahme derjenigen, die [a] enthalten, nicht sehr viel schwächer sind als die „starken", so daß das herrschende Prinzip folgendes wird: ein französischer Satz besteht aus einer Reihe annähernd gleichstarker Silben, von denen die letzte ein klein wenig stärker als die andern ist; weiter kann auch die zweitletzte Silbe in Verbindung mit ihrem

1) Auch mit [e] in zweiter Silbe nach Analogie von condemn.

2) Vgl. hierüber besonders Storm an mehreren Orten, u. a. E. Philo!.* S. 144 flf., 175 ff., Jean Passys vorzügliche Beobachtungen Ph. St. III 345 ff. und Wulff in Andet nord. filologm0de S. 169 ff., P. Passy Sons^ S. 48 ff.

220 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Vierzehntes Kapitel. Druck.

charakteristischen Ton (§248) starken Druck bekommen, aber die übrigen im Satze stehenden Worte verlieren in der Regel den Druck auf der letzten Silbe, den sie als isolierte Wörter haben. Da die letzte Silbe oft von formeller Bedeutung ist z. B. in ]o\ime7it, nous donnons, passe, ist es ersichtlich, daß die bedeutungtragenden Silben nicht dazu kommen, dieselbe Rolle zu spielen wie in den eben be- handelten Sprachen, so daß Französisch an sich dem Wertdruck nicht besonders günstig ist, und hiermit steht im Zusammenhang, daß das Hervorheben von Worten oft auf nicht -phonetischem Wege (durch c'est . . . qui u. ähnl.) vor sich gehen muß. Jedoch finden im Satz außerordentlich häufig, besonders in lebhafter bewegter Rede, Ab- weichungen von der schematischen Druckverteilung statt, so daß das- selbe Wort bald Druck auf der einen, bald auf der andern Silbe bekommen kann.^) Soll ein Wort hervorgehoben werden, so wird natürlich in Fällen wie se soimiettre ou se demettre nur davon die Rede sein können, den Gegensatzdruck auf [su] und [de] als die einzigen verschiedenen Silben zu legen; aber in manchen Worten wie haron, jamais, souvent, maison, dbsolu, arhitraire gibt es keine einzelne Silbe, die mehr als die andern bedeutungtragend und daher der natür- liche Platz für Wertdruck genannt werden kann. Man schlägt infolge- dessen den Weg ein, daß man die Aufmerksamkeit dadurch auf das Wort lenkt, daß man einer von den Silben, die in der Normalform (dem „Namen") des Wortes den Druck nicht hat, einen Extradruck gibt; in zweisilbigen Wörtern also der ersten Silbe; in längeren Wörtern bald der einen, bald der andern, scheinbar recht willkürlich, meist jedoch (nach P. Passy) so, daß man die erste Silbe wählt, die mit einem Konsonanten beginnt, z. B. le ^miserable, c'est ^parfaitement vrai, aber c'est im^possihle, c'est aVsolument faux. Diese Verschiebung findet sich häufiger bei gewissen Klassen von Wörtern als bei andern^).

1) „Diese Unbeständigkeit des Worttons (d. i. Druckes) erklärt es, daß man wie Ernst Eckstein, allerdings wohl in scherzhafter Übertreibung, einmal von sich erzählt auf die Frage, ob considära'tion oder consideiration oder con- si'däration oder con'sideration oder 'considäration die richtige Betonung sei, von einem Franzosen die Antwort erhielt, das sei ja alles dasselbe, und daß Franzosen im Hören und Nachahmen fremder Akzentuierung anfangs schier un- glaubliche Fehler machen." Vietor 290.

2) „Des adverbes comme 'beaucoup, ab'solument, ex'tremement; des adjectifs comme 'terrible, in'croyable, e'pouvantable, 'ridicule, des substantifs comme 'bandit, 'miserable, des verbes comme 'pleurer, 'crier, 'hurler; surtout des injures, 'animal, 'cochon, 'salot; en un mot, tout ce qui se prononce habi- tuellement avec une certaine emotion" Passy, Sons^ 51.

Fünfzehntes Kapitel. Ton. 221

aber nicht einmal bei diesen kann man sagen, daß der normale End- druck ganz aufgehoben wäre. Wie man sieht, ist Druckwechsel zwar Wertdruck, aber weit ausgeprägter gefühlsbestimmt als in den vorher behandelten Sprachen, weswegen er auch mit starken Ton- bewegnngen auf- und abwärts in Verbindung steht. In leidenschafts- loseren Äußerungen kommt dagegen das rhythmische Prinzip ziemlich deutlich zum Vorschein bei der Bestimmung des Platzes für den Nebendruck, so daß wir für Sätze, die das Gemüt nicht in Erregung bringen, besonders in festgewordenen und auswendig gelernten Formeln und ähnl. als Formel 3232324 ansetzen können, wo es jedoch nach der gewöhnlichen Bedeutung unserer Zahlen für 3 eher 3-j- und für 2 3 heißen müßte. In parti pris wird daher unter sonst gleichen Umständen par etwas stärker als in parti egal, don in donnez-vous etwas stärker als in vous donnez usw., ja in avez-vous wird das Herabdrücken der mittleren Silbe zu völliger Reduktion derselben [avvu, avu] führen können, wobei die beiden [v] zusammenrücken oder sogar zusammenfallen, vgl. Haplologie § 179.

Fünfzehntes Kapitel. Ton.

231. Daß der Ton, in dem etwas gesagt wird, die allergrößte Bedeutung für die rechte Auffassung des Gesagten hat, erfahren wir zu jeder Stunde des Tages; ein Scheltwort kann nur durch den Ton in ein Kosewort, eine Aussage in eine Frage, ein Glückwunsch in beißenden Spott usw. verwandelt werden. Steht der Ton im Wider- streit mit den Worten, so glaubt man in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle viel mehr daran, was er sagt, als an den rein begriffs- mäßigen Inhalt der Worte. Und das Verständnis für die Bedeutung des Tones scheinen wir ganz unmittelbar zu haben, er braucht nicht wie Worte und Wortformen in einer Sprache gelehrt zu werden. Ein Kind kann, längst ehe es die Sprache seiner Umgebung versteht, am Tone hören, ob Papa böse oder freundlich gestimmt ist; Fremde erfassen oft durch den Ton den Hauptinhalt der Worte in einer Sprache, die sie nie früher gehört haben ^) ; ja sogar die Tiere verstehen

1) Es gibt gewiß nicht ganz wenige, welche eine ähnliche Erfahrung wie Thackeray gemacht haben, der in Italien sich einmal zu einem Schiff hinaus- rudem ließ, als plötzlich die Ruderknechte die Arbeit niederlegten und mit

222 Dritter Hauptteil:. Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel.

oft den Ton in unseren Worten.^) Es muß also sicher gewisse Gesetze für die Töne geben, und es wird unsere Aufgabe sein ihnen nach- zuspüren, soweit sie eigentliche sprachliche Bedeutung haben.

Doch zuerst ein paar Worte über Terminologie und Bezeichnung. Unter Ton wird hier Tonhöhe (Schwingungszahl der Stimmbänder §71) verstanden, und nur das, nicht Druck und ähnl. Hoher Ton, Hochton, große Schwingungszahl wird durch r oder durch Einschließung der betreffenden Silbe in ^ 1 bezeichnet, tiefer oder niedriger Ton (Tiefton, geringe Schwingungszahl) durch l j- Eine Steigung oder ein Aufgang im Ton wird durch ' vor der Silbe, ein Senken oder ein Niedergang durch ' bezeichnet. Der Kürze wegen wird hier Auf ton von steigendem Ton, Ab ton von niedergehendem Ton gebraucht. Es muß aber bemerkt werden, daß diese Ausdrücke und Zeichen hier etwas vage gebraucht werden und, wo von den großen Gesetzen und allgemeinen Zügen die Rede ist, gebraucht werden müssen; weil zwei Silben z. B. als hoch bezeichnet werden, brauchen sie nicht gleichhoch zu sein (ja werden es wohl fast nie sein); es wird damit bloß gesagt, daß sie höher sind als ihre Umgebung.^)

232. Als der erste der Faktoren, die auf den Ton Einfluß haben, soll hier der Druck behandelt werden. Je stärker wir eine Silbe oder einen Laut aussprechen, desto höher sind wir auch geneigt ihn zu machen (vgl. § 71). Jedoch darf man nicht Ton und Druck als zwei Dinge auffassen, die einander notwendig begleiten, oder sogar als eins und dasselbe / eine Auffassung, die zu vielen unglücklichen und verwirrenden Benennungen wie „Hochton" u, dergl. und besonders

großer Zungenfertigkeit eine mächtige Rede vom Stapel ließen. Der Italienisch- kundige der Gesellschaft verstand, daß sie nicht weiter rudern wollten, wenn sie nicht 50 Frank extra bekämen, und er begann in gebrochenem Italienisch sie zurechtzureden , ohne daß es das allergeringste half. Da plötzlich stand Thackeray auf und donnerte auf englisch ein rasendes „Damn you, go on" auf sie herab, das weit mehr wirkte als die vielen langen italienischen Worte und Sätze des ersteren; die Ruderknechte knurrten zwar ein wenig, aber machten sich sofort daran weiterzurudem. Anne Thackeray Ritchie, Chapters from. some Memoirs (Tauchn.) 214.

1) Vgl. die Anekdote bei Cederschiöld, Svenskan som skriftsprak 98.

2) In Ph. St. n 92 hatte ich den französischen Satz geschrieben „Ah ^coutez, c'^tait Tguere poT [li 9aj". Storm fragt mich nun (S. 198), ob ich es so betonen wollte, wie er mit Noten angibt: gmre po auf denselben hohen Ton (etwa fis) und li ga auf denselben tieferen Ton (etwa G)? Meine Antwort ist: nein keines- wegs; ich kann mich sehr gut mit Storms eigener Notierung versöhnen, wonach die vier Silben die Noten fis, h, d, c bekommen aber hier hat Storm ja auch die beiden ersten hoch, die beiden letzten tief angesetzt.

Ton. 223

„Betonung, betont" geführt haben, wo nur von Druck die Rede sein sollte. Ebenso gewiß wie in der Musik ein tiefer Ton forte oder fortissimo und ein hoher Ton piano oder pianissimo sein kann, ebenso gewiß kann in den Sprachen eine starke Silbe tiefen Ton und eine schwache Silbe hohen Ton haben; man höre bloß, wie die Schweden und Norweger Anna und dergl. sagen. Die allgemeine Tendenz, eine Druckverstärkung von einer Tonerhöhung begleiten zu lassen, kann oft von anderen Umständen, die einen tiefen Ton auf der starken Silbe mit sich führen, neutralisiert werden. Beispiele finden sich überall in diesem Kapitel.

233. Als nächsten Faktor kann man den Grad der Lebhaftig- keit des Gemüts nennen. Dieselben Gemütszustände, die im ganzen zu schnellen Muskelbewegungen (Gesten mit Armen und Beinen, spielendem Gesichtsausdruck) führen, geben sich auch in lebhaften Stimmbänderbewegungen kund, d. h. teils in höherer Stimmlage im ganzen, teils in größerer Veränderlichkeit der Töne: häufigeres Auf- und Abspringen und größere Intervalle. So zeigt sich Lebhaftigkeit des Geistes, Munterkeit, gute Laune anzweideutig in der Sprache. Man höre z. B. auf die Sprache eines aufgeweckten Kindes; für das Kind ist alles neu und interessant, und sein Überschuß an Lebenslust gibt sich in hohen und wechselnden Tönen zu erkennen^); und als Gegensatz dazu achte man auf die Redeweise des trägen, stumpf- sinnigen, gleichgültigen, verdrießlichen Menschen: wie seine Gesten und sein Mienenspiel auf das denkbar wenigste eingeschränkt sind, so gehen auch seine Stimmbänder in einem langsameren Tempo; er redet in tieferen Tönen und hält sich durchgehends monoton auf demselben Niveau ohne große Auf- und Abbewegungen. Es ist in der Regel leicht, schon auf eine Entfernung hin, lange bevor man die einzelnen Worte auffassen kann, an den Tönen zu hören, ob eine Gesellschaft in einer Beerdigungsstimmung oder auf einer lustigen Waldpartie ist. Hiermit stimmt überein, was die Ärzte über die Sprache von geistes- kranken Patienten berichten können: bei denen, die an Nieder- geschlagenheit und Melancholie leiden, ist sie einförmig, monoton: „die Sätze werden alle mit demselben gleichgültigen, traurigen oder langweiligen Ton gesprochen"; ebenso sprechen Paralytiker „monoton, tief, heiser: sie verwenden zu viel Atem auf die ersten Laute, kommen daher gleich außer Atem und werden genötigt, ihre Zuflucht zu den Bauchmuskeln zu nehmen, ijm überhaupt noch weiterreden zu können;

1) Zu der Höhe der Töne trägt auch hier die Kürze der Stimmbänder bei, vgl. § 71.

224 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel.

trotzdem hält sich die Stimme sehr tief, und gegen Ende fehlen den Patienten sowohl Atem wie Worte." Ganz anders bei einer anderen Art Geisteskranker, den maniakalischen (les excites maniaques), ihre Sprache kann eine deklamierende, emphatische, theatralische Form an- nehmen: der Patient hebt die Stimme, spricht oratorisch, mit pathe- tischem Tonfall und variierenden Bewegungen (avec des accents pathetiques, des inflexions variees d'intonation). Er kann sogar so weit gehen, daß er gewissermaßen seine Worte, die sogar bisweilen gleich- sam gereimt sind, hervorsingt," Ahnliche Tonfallerscheinungen finden sich bei Leuten mit Größenwahn, die „ihren eigenen Worten mit Be- wunderung usw. zu lauschen scheinen."^)

284. Bei normalen Menschen finden wir, wenn auch in geringem Maße, ganz entsprechende Verhältnisse, so daß die augenblickliche Stimmung sich am Ton zu erkennen gibt; vgl. die hohen Töne und großen Intervalle in einem (wirklich gemeinten) „War das aber komisch!" mit der tiefen Eintönigkeit in „Das ist mir ja so vollkommen gleichgültig". Wenn ich auf die Frage: „Wie gehts Ihnen?" antworte „'danke, "^gut'' mit hohem steigendem Ton, so heißt das „danke, aus- gezeichnet", sage ich dagegen „'danke, ^gnt" mit tiefem sinkendem Ton, so wird die Bedeutung „ich habe ja nicht grade zu klagen", was in Wirklichkeit eine Klage ist. Wir begreifen jetzt, warum lebhafte Aufforderungen (Imperative und ähnl.) in hohen Tönen gesprochen werden; dies wird vortrefflich durch einen Einzelfall illustriert, den Forchhammer beobachtet und mitgeteilt hat: zwei Kinder liegen zusammen; das eine sagt: „Du liegst ja da und frierst. Steh auf und zieh mehr Zeug an" der erste Satz ziemlich tief gesprochen; aber von „steh" an war die ganze Stimmlage bedeutend gehoben. Andere Imperative dagegen, die nicht zu lebhaftem Handeln auffordern, werden in tiefem Ton gesprochen, besonders Verbote („laß nach!"). Je leidenschaftlicher der Sprechende ist, desto mehr wird er sich von der langweiligen eintönigen Geschäftsredeweise entfernen; Carlyle drückt dies so aus: „Beachte auch wie alle leidenschaftliche Rede von selbst musikalisch wird, mit schönerer Musik als dem bloßen Tonfall [?]; eines Mannes Sprache in eifrigem Zorn wird zu einer Melodie, einem Gesang," und er erinnert an Coleridges Ausspruch: „Wo immer man

1) S^glas, Troubles du langage chez les aliines, Paris 1892, S. 34fiF. , 37, 39, 192. Verschieden hiervon ist es, wenn Patienten mit Verfolgungswahn flüstern, um nicht die Aufmerksamkeit der Spione auf sich zu lenken, oder wenn einige Paralytiker die Stimme senken, um ein Unglück abzuwenden, „um die Hänser nicht einstürzen zu lassen."

Ton. 225

einen Satz mit Musik, mit wahrem Rhythmus und Melodie in den Worten findet, da ist etwas Tiefes und Gutes auch in seiner Bedeutung."^) Es ist jedoch nicht immer der Fall, daß die starken Leidenschaften sich in etwas musikalisch Schönem kundgeben; indessen das geht uns hier nicht an, wo wir bloß mit dem wichtigen gemeinschaftlichen Zug zu tun haben, daß lebhafte Sprünge mit großen Intervallen eine Folge starker Gemütsbewegungen sind. „Wenn zwei kleine Mädchen einander im Zorn schelten und sich gegenseitig Vorwürfe machen, kann man ihre Stimmen mehrere Male in jedem Satze die Skala auf und ab laufen hören." ^) Carl Lange charakterisiert Freude und Zorn u. a. durch folgende Worte: „Es ist nicht allein die Gewaltsam- keit, welche die Bewegungen der Zornigen charakterisiert, sondern sie sind auch unbeherrscht, unpräzise und unordentlich, wiederum im Gegensatz zu den Bewegungen des frohen Menschen, dessen Redeweise leicht und fließend ist und der eine Neigung zu scharf abgemessenen, rhythmischen Bewegungen wie beim Tanz hat. Der Rasende stottert und hackt die Worte ab und brüllt zuletzt nur auf, wenn es ihm nicht gelingt, wirkliche Worte zu artikulieren."^) Also in beiden Fällen wechselnder Ton, große Intervalle, aber bei dem frohen Menschen harmonisch beherrschtes Stimmführen, bei dem zornigen das ent- gegengesetzte.

283. Einen Gegensatz zu den Gefühlen, die so das Bestreben haben, sich kräftig nach außen kundzutun, den expansiven Gefühlen, bilden andere Gefühle, oder andere Formen für dieselben Gefühle , die nicht in diesem Maße an der Oberfläche zum Vorschein kommen. Dieses Verhältnis, daß je mehr das Gefühl sich in die Seele senkt und innerlicher wird, desto geringer die Wellenbewegung wird, illustriert P. Jemdorjff^) trefflich durch seine Notenumschreibung von verschiedenen Sätzen verwandten Inhalts. In Jeg er saa jublende glad idag (ich möchte heute jubeln vor Freude!) gibt er den Sprung von saa (h) zu ju- (g) als eine Sexte an, ebenso in Jeg kan hlive rasende paa dig (ich könnte rasend auf dich werden) von -ve zu ra-, während der Sprung in Jeg er saa inderlig glad idag (ich bin heute so innerlich froh) von saa (h) zu in- (d) nur eine kleine Terz beträgt, und endlich das wirklich gefühlte „Jeg hader dig" (ich hasse dich) völlig monoton ist.

1) Carlyle, Heroes 78, 84.

2) H. Spencer, Origin and Function of Musie, in Essays I 320.

8) C. Lange, Om Sindsbevsegelser. Et psyko-fjsiologisk Studie, (Kopen- hagen 1885) p. 36.

4) Om Oplaesning (Kopenhagen 1897) S. 80, 36.

Jespersen, Lehrbuch der Phonetik. 16

226 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel.

Hiermit steht in Zusammenhang, daß die sehr feierliche, festliche Rede, wobei der betreffende gleichsam aus dem Alltagsleben heraus in eine höhere Sphäre gerückt ist, sich durch ziemlich große Ein- tönigkeit auszeichnet. ^) Das zeigt sich schlagend in Scriptures Analyse von dem englischen Vaterunser, das sich durch eine „comparative evenness of Intonation" im ^Vergleich mit den anderen von ihm instrumentell untersuchten Äußerungen auszeichnet.^)

236. Das Gesetz der Lebhaftigkeit gibt uns auch jedenfalls zum Teil den Schlüssel für die nationalen Verschiedenheiten im Ton an die Hand; die Südländer brauchen stärkere Tonmittel als der ruhige Nordländer; die Sprache der Wilden charakterisiert sich durch große unbeherrschte Tonübergänge ^), während die Zivilisation den Leiden- schaften und ihren Äußerungen in Gesten und Rede einen Dämpfer aufsetzt. Die Höflichkeit bewirkt, daß man keine gi-oben Mittel ge- braucht, um sich bemerkbar zu machen; der fein ausgebildete Geschmack gibt sich auch in einer Vorliebe für kleine feine ausdrucksvolle Nuancen zu erkennen, die der Außenstehende vielleicht als nichts anderes denn als grobe Einförmigkeit auffassen kann; englisch und dänisch gehen in dieser Beziehung vielleicht am weitesten. Mrs. Browning charakterisiert dies trefflich in Aurora Leigh^):

She had the low voice of your English dames, Unused, it seems, to need rise half a note To catch attention.

Taine sagt ebenfalls: „les Anglais parlent extremement bas. Une societe italienne, dans laquelle je me suis fourvoye par hasard, m'a positivement assourdi; je m'etais habitue ä ce ton modere des voix anglaises."^)

Vgl. hiermit den Eindruck, den die Sprache der Italiener auf einen Dänen macht ^): „Man höre sie aber reden . . . wir reden ge-

1) Dies ist auch von Münch bemerkt worden (Gedanken über Sprach- schönheit, Preuß. Jahrbücher 1896, Bd. 83 S. 257): „Übrigens bringt auch bei uns die gehobene, die mehr feierliche Sprache eine größere Gleichmäßigkeit oder wenigstens einen ruhigeren Wechsel der Tonhöhe mit sich, gerade in der gewöhn- lichsten Sprache ist das Hin- und Herfahren am stärksten".

2) A Record of the Melody of the Lord's Prayer, Die Neueren Spr. Januar 1903 (X p. 513 if.).

3) Siehe meinen Progress in Language 1894 S. 342 S.

4) Tauchn. ed. 91.

6) Notes sur l'Angleterre. €A. Paris 1880, p. 66. 6) V. Vedel, Italien 62.

Ton 227

dämpffc und eintöiiig, unsere Sprache fließt eben und gleichmäßig wie ein Bächlein dahin, aber wie grobe Nerven gehören dazu, um die scharfen, schreienden und hämmernden Tonübergänge dieser Menschen auszuhalten." Unter den germanischen Völkern sind die Deutschen diejenigen, die in dieser Beziehung am wenigsten „zivilisiert" sind; ein geschmackvoller einheimischer Beurteiler sagt hierüber^): „Daß in Deutschland das Schreien, wenigstens in gewissen höheren Kreisen, als durchaus nicht plebejisch gilt, erweckt immer das große Befremden von Ausländern, für welche die Anwendung beschränkter Stimm- stärke ^) zu den vorgeschriebenen Rücksichten auf die übrigen An- wesenden und damit zum guten Ton gehört. Daß das Schreien auf den Elementarstufen und in den untersten Klassen unserer Schulen vielfach von den Lehrern ausdrücklich gefordert und gepflegt wird statt des deutlichen und volltönenden Sprechens, ist eine der pedantischen Versündigungen, denen man schroff entgegentreten sollte; denn obwohl scheinbar nur äußerlich, ist es doch einer inneren Bildung feindlich."

Storm charakterisiert auf folgende Weise die allgemeinen Ton- verhältnisse mehrerer Sprachen^): „Ich finde, daß das Französische, namentlich bei den Männern, durchschnittlich in höherer Stimmlage und besonders mit hellerem Klanggepräge gesprochen wird als die meisten anderen, namentlich germanischen Sprachen. Die Franzosen sprechen mehr im Tenor, die Germanen mehr im Baß. Die französische Männerstimme hat für ein germanisches Ohr oft etwas Hohes, Feines, fast Weibliches. Das Italienische hat ein reicheres, volleres, mehr wechselndes Register und noch größere Intervalle als das Französische. Die italienische Satzmelodie scheint den Germanen sowohl lebhafter als natürlicher, die französische mehr eigenartig verfeinert. Es ist einem Germanen leichter, sich den italienischen als den französischen Redeton anzueignen. Das Spanische ist tiefer, würdiger, männlicher, mehr martialisch, mit bestimmteren Intervallen als die übrigen roma- nischen Sprachen." Vgl. auch unten § 248.

237. Femer haben wir, was ich das Abschlußgesetz nennen möchte: Einen tiefen Ton oder Niedergang im Ton gebrauchen wir, wenn wir fertig sind und abschließen wollen, während ein Steigen zn einem höheren Ton das Unfertige, Unabgeschlossene angibt. Der Grund hierzu scheint ein doppelter: ein artikulatorischer und ein

1) W. Münch: a. a. 0. S. 253.

2) Hiermit ist wohl meist, wenn auch nicht ausschließlich, Ton gemeint,

3) E. Ph. 186.

15*

228 Dritter Hauptteil; Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel.

akustischer. Beim Beginn eines Satzes, wo die Lungen eben mit Luft gefüllt sind, ist es natürlich, daß auch die Schwingungszahl der Stimmbänder größer ist als gegen Schluß, wo die in der Lunge an- gesammelte Luftmasse fast verbraucht ist, was man bei einem hörbaren Gähnen^) oder bei einem Versuch, einen langen Vokal auszusprechen, solange der Atem ausreicht, beobachten kann. Es ist daher ganz natürlich, daß man die letzten Silben eines längeren Satzes mit tieferem Ton ausspricht als die ersten, und daß man umgekehrt aus einem Tieflon schließt, daß der Betreffende nun mit dem, was er sagen will, fertig ist. Aber auch akustisch angesehen ist Niedergang zu einem tieferen Ton ein Zeichen für Abschluß; das Ohr fordert, daß ein Musikstück durch ein Zurückkehren zum Grundton schließen soll. Nun ist es möglich doch das wlQ ich andern überlassen zu untersuchen daß dieses musikalische Grundgesetz nichts anderes ist als ein Ab- kömmling des besprochenen Verhältnisses von Stimme und Luft in den Lungen. Wie dies aber immer sein mag, jedenfalls spielt das Abschlußgesetz die größte Rolle in der Sprache. Sage ich eins zwei, so daß eins einen hohen und zivei einen tiefen Ton erhält, so ist es abschließend, man erwartet nichts mehr; diese Art und Weise gebrauche ich z, B. wenn ich den Takt zu einem Marsch u. ähnl. angebe; sage ich dagegen eins zwei mit hohem Ton auch auf zwei, so wird dadurch die Fortsetzung vorbereitet: man erwartet ein ^m^); diese Art und Weise wird z. B. verwandt, wenn man als Abgangssigual zählt: ^zwei heißt: „halt dich nun parat, es geht gleich los!" Wenn zwei Menschen voneinander Abschied nehmen, so sagen beide „Adieu", aber der erstere wird in der Regel sein „Adieu" auf einem viel höheren Ton als der andere schließen, weil es nicht das letzte Wort ist; er wartet auf das „Adieu" des andern und sagt sogar häufig seins mit so fragendem Tonfall, daß es fast gleichbedeutend wird mit „Ja, dann wäre diesmal wohl nichts mehr zu besprechen?" Der zweite dagegen schließt die Unterredung und geht daher tief herab mit seinem dieu: „A'^dieul ALdieu!" Der eine sagt zum andern: „Du erhältst eine Mark, nicht einen Pfennig mehr!" Der ganze Schluß des Satzes geht herab, und besonders mehr ist ganz unten; der tiefe Ton sagt aus: „Es ist aus- gemacht, ich will nichts mehr über die Sache hören, sie ist für meinen Teü zu Ende." Der andere sagt dagegen „keinen Pfennig mehr" mit

1) Merkel S. 349.

2) Dies drei braucht nicht, wie Svedelius voraussetzt {Analyse du langage, Stockholm 1898 S. 173) selbst in tiefem Ton gesagt zu werden; es wird oft hoch gesprochen, gerade weil es ja auch einleitend ist.

Ton. 229

Steigung auf kei,pfen und mehr; er betrachtet die Sache nicht als abgeschlossen, sondern wünscht eine Fortsetzung und fragt daher. Wir sehen jetzt die Begründung des allgemeinen Satzes, daß, wo in der Schrift ein Punkt verwendet wird, der Ton sinkt, während ein Frage- zeichen in der Schrift einem Aufton entspricht. Diese Regel erleidet jedoch viele Ausnahmen; wir wollen einige derselben untersuchen.

238. Eine Antwort erhält in der Regel Abton; je schneller und deutlicher die Senkung ist, desto bestimmter, entscheidender ist sie. So ein kurzes „ja", das alle Einwendungen abweist. Ein Mensch, der seiner Antwort nicht so sicher ist, wird sein „ja" in einem Mittel- ton anfangen und es ausziehen, indem der Ton beständig langsam sinkt; läßt er dann im letzten Augenblick den Ton etwas aufschwingen, so liegt darin eine schwache Frage, ein Zweifel, der zeigt, daß es nicht ganz abschließend ist, sondern daß noch z. B. „das heißt . . ." mit näherer Einschränkung nachfolgen kann. Und selbst wenn dieser Aufschwung nicht kommt, wird doch im langsamen zögernden Sinken eine Aufforderung für den anderen liegen zu sagen: „Sie zögern, Sie sind also nicht ganz mit mir einig.'^ Steigt umgekehrt der Ton in „ja" zuerst, um dann umzuschwingen und ziemlich tief zu schließen, so bedeutet das frohen Beifall (vgl. das Lebhaftigkeitsgesetz); in beiden Fällen bleibt der Schlußton dafür entscheidend, ob es ein abschließen- des oder nur vorläufiges „ja" ist. Wiederum ein anderes ,ja" ist das kurze mit hohem Aufton, das nach einem Satze wie „Es war etwas, worüber ich gern mit Ihnen sprechen wollte'' eine aufmunternde Auf- forderung weiter zu reden und das Versprechen enthält, mit Interesse zuzuhören. Ein nein oder als Antwort auf z. B. „Willst du mit?" hat im allgemeinen tiefen (und) sinkenden Ton; antwortet man aber mit demselben nein auf die Frage „Weißt du, wen ich gesehen habe?" so liegt in der Antwort eine grobe Unhöflichkeit: „ich weiß es nicht und kümmere mich auch nicht darum, es zu wissen;" ein nein mit hohem und stark steigendem Ton sagt dagegen dasselbe wie „Erzähle es mir doch bitte;" es wird fast selbst zu einer interessierten Frage. ^) „Das ist nicht wahr" nach einer Mitteilung „N. N. hat sich verlobt" kann auf zwei verschiedene Arten gesagt werden: mit starkem Sprung abwärts auf der Schlußsilbe ist es eine bestimmte Verneinung eines Faktums; mit starkem Steigen auf wahr wird es dagegen zu einem

1) Man könnte auch sagen: die Frage „weißt du, wen ich gesehen habe" wird in beiden Fällen negativ beantwortet, aber der Ton beantwortet die andere darin versteckte Frage „soll ich dir es sagen?" im ersten Falle verneinend, im zweiten bejahend.

230 Dritter Hauptteil.* Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel.

Ausruf der Verwunderung und kann ja oft grade Freude über die Mitteilung ausdrücken, falls diese sich als wahr erweist. So auch bei anderen Antworten; wer gefragt wird, in welchem Jahr der Tilsiter Frieden war, wird 1807 mit ausgeprägtem Tiefton ^ni sieben antworten, wenn er es bestimmt weiß; aber ein Schüler, der in seinem Pensum nicht beschlagen ist, wird dasselbe mit schwacher Steigung auf der- selben Silbe sagen können, was Unsicherheit, Zweifel abspiegelt, der sich fast zur Frage formt. Wir sehen also in verschiedener Weise Antworten, die durch ihren Tpn mit der Frage verwandt werden.

239. Frage wird, wie gesagt, gewöhnlich durch Aufton charak- terisiert, weil sie als unabgeschlossen eine Fortsetzung, eine Antwort von einem andern, fordert; es gibt aber viele Arten Fragen, und der Ton gestaltet sich danach verschieden. Da wir uns in der Regel nicht gern größere Unbequemlichkeit bereiten mögen als notwendig ist, so zeigen wir meistens nur auf eine Weise, daß das Gesagte als fragend aufgefaßt werden soll. Den ausgeprägtesten fragenden Tonfall erhalten wir daher dort, wo die Äußerung sich auf keine andere Weise als durch den Ton als Frage zu erkennen gibt, also z. B. in einem einzelnen Worte „Er?" „Allein?" oder in Wortverbindungen wie „Noch heute?" „Er kommt wirklich?" Weniger ausgeprägt ist der Aufton in einem Satz, wo die Wortstellung zeigt, was gemeint ist: „Kommt er?" „Ist er allein?" „War er heute hier?" Die Franzosen und Eng- länder, die häufiger als wir Fragesätze mit der Wortstellung von Aussagesätzen haben, verwenden daher auch viel ausgeprägteren Frage- ton als wir. Außerordentlich klar tritt dieser auch zutage in dem Oui? Tes? Ja?, womit die Franzosen, Engländer, Deutschen und Holländer dasselbe ausdrücken wie wir auch mit „wirklich?" Ebenso in dem elliptischen englischen See? (= do you see? verstehst du?). In den Sätzen, die mit einem eigentlichen Fragewort beginnen: „Wer hat das gesagt?" „Wo wohnt sie?" „Wann kommt er?" hat das Frage- wort, in dem die Frage ja auch konzentriert ist, den höchsten Ton, und die Fortsetzung kann sehr wohl mit gewöhnlichem Tiefton auf dieselbe Weise wie ein Aussagesatz folgen.^) Vgl. besonders solche Sätze aus dem Schulleben wie „In welchem Jahre starb Cäsar?" und

1) Eine für die meisten (aber wie aus mehreren Beispielen im folgenden erhellen wird, nicht alle) Fälle passende Regel gibt Diesterweg (Palleske S. 96) : „Jede Frage, die mit ja oder nein zu beantworten ist, wird bis zum Ende ton- hebig gesprochen, aber keine andere". Wo die ganze Satzfrage bloß in einem fragenden Pronomen oder dergl. („Wer?" „Wann?") besteht, hat es in der Regel ziemlich ausgeprägte Steigung.

Ton. 231

„Cäsar starb im Jahre . . .?" in welchem letzterem Falle der Lehrer zu starker Steigung auf Jahre genötigt ist, um den Schüler aufzufordern, den Satz zu vollenden, indem er die Jahreszahl nennt. Wo die Frage nur einem einzelnen Wort im Satze gilt, erhält dieses Auf ton, während das Folgende gut abwärts gehen kann, z. B. „Ist es ^^Anna, mit der er sich verheiratet hat?" Der Grrund ist der, daß dies in zwei Sätze auf- gelöst werden kann: „er hat sich verheiratet", der nicht fragend ist, und „ist seine Frau Anna?"

240. Von der Regel, daß Sätze mit einleitendem Fragewort Sinken gegen Schluß haben, gibt es ein paar Ausnahmen. Erstens kann man, besonders im Examen, häufig eine ganze Reihe Fragen hören wie „Wer spricht? Mit wem spricht er? Wann findet das Ge- spräch statt? und worüber sprechen sie?" mit hohem Ton am Schluß aller Sätze mit Ausnahme des letzten. Hier will der Fragende grade durch den Ton jedesmal andeuten, daß er noch nicht fertig ist und erst Antwort haben will, wenn er durch Abton für seinen Teil schließt also gi-adezu eine Bestätigung unseres Gesetzes. Ferner in dem, was man Frage in zweiter Potenz nennen könnte, wenn z. B. A gefragt hat „Wohin willst du?" und B die Frage zurückgibt „Wohin ich will??" Hier bedeutet diese Frage ja: „Kannst du noch fragen, wohin ich will?" (vgl. die indirekte Fragewortstellung) und erhält daher natürlich die- selbe Steigung wie in „Kannst du danach fragen?" So auch (kommt er?) „Ob er kommt??" (Warum bist du böse?) „Warum??" mit weit ausgeprägterer Steigung als das „warum ?" das Frage in erster Potenz ist, z. B. nachdem der zweite erzählt hat, daß ein dritter böse ist.

241. Umgekehrt haben wir auch Fragen, die nicht mit einem Fragewort eingeleitet werden und doch Abton am Schluß haben, z, B. „Darf ich frei sein?" „Bist du dann bald fertig?" „Willst du das stehen lassen?" Aber hier sehen wir, wie der Ton alles andere als formalistisch ist; die Sätze sind allerdings grammatisch angesehen Fragen, aber in Wirklichkeit bedeuten sie nichts anderes als barsche Imperative („Laß mich frei sein," „Mach nun, daß du fertig wirst," „Laß das stehen"), und der Tonniedergang ist daher in voller Über- einstimmung mit dem Abschlußgesetz; vgl. den ganz anderen Ton, in dem diese Sätze gesprochen werden, wenn man wirklich eine Antwort wünscht. Auch das „Lebhaftigkeitsgesetz" kann ausnahmsweise Abton in einer Frage bedingen; so erzählt PaUeske^), daß der Schau- spieler Seydelmann als Geßler in Wilhelm Teil „Ist das dein Knabe,

1) a. a. 0. 100.

232 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Fünfzehntee Kapitel.

Teil?" wo die meisten nach den gewöhnlichen Regeln gegen Schluß im Ton steigen werden, mit durchgehendem Sinken betonte: „Es lag in dieser Bewegung zur Tiefe eine so eisige Kälte, eine so gleichgültige Sachlichkeit, daß man etwas seltsam Furchtbares erwartete."

242. Eigentümliche Verhältnisse haben wir in Fragen, die ein oder enthalten. Wo eine Frage die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten offen lassen soll, erhält die erste den ganzen Frageton, als ob die Frage hier zu Ende wäre, und die zweite geht abwärts (wenn auch vielleicht nicht so weit abwärts, als wenn sie aussagend wäre): „Willst du ^e\v^ oder Laus?" „Tortwein^ oder "^Sherrjj?" „Ist er '"Rechtsanwalt^ oder LRichterj?" Im letzteren Falle weiß der Fragende, daß der Betreffende Jura studiert und sein Abschlußexamen gemacht hat, will aber wissen, welche von beiden ihm offenstehenden Karrieren er erwählt hat. Fragt man dagegen „Ist er "^Rechtsanwalt oder Richter^?" so daß der hohe Ton von ^BecJits- bis zum Ende des Satzes gehalten wird (am höchsten auf Mich), so fragt man^ ob er überhaupt Jura studiert hat, und der Unterschied zwischen Rechtsanwalt und Richter wird als etwas ganz Gleichgültiges betrachtet. Ebenso kann man, wenn jemand erzählt, daß Herr X. auf nüchternem Magen Portwein oder Sherry trinkt, er- staunt fragen: „Fängt er morgens schon mit Tortwein oder Sherry an""?" (= mit so starken Getränken?).^) Noch eine dritte Art der Frage mit oder haben wir, wo man stets gleichsam eine verneinende Antwort abwartet: „Hast du etwas Wein? oder Bier? oder Milch? oder Wasser da?" Jedes neue Glied wird gleichsam eine neue Frage für sich und braucht infolge der steigenden Ungeduld größeres Intervall als das vorhergehende.

243. Der Grad der Steigung in der Frage wird durch das Leb- haftigkeitsgesetz bestimmt. Sagt A.: „Er hat es selbst erzählt" und B. darauf „Hat er?" mit starker Steigung, so zeigt er Interesse; ist die Steigung nur sehr gering, so ist die Frage sicher nur von Höflichkeit diktiert oder kann je nach Umständen einen ironischen Zweifel an der Wahrheit ausdrücken. Die stärkste Steigung haben wir in Fragen, die aus Überraschung geschehen. Wenn zwei Männer, die in derselben Stadt wohnen und häufig einander sprechen, sich z. B. im Theater be- gegnen und der eine sagt: „Nanu, bist du hier?" so kann dies mit der

1) Auf diesen Unterschied muß hingedeutet sein, wenn Whately (cit. Ellis, Plea for Phonetic Spelling 109) sagt: The foUowing passage (Mark IV. 21) „Is a candle brought to be put under a bushel or under a bed?" I have heard so pronounced as to imply, that there is no other alternative; and yet the emphasis was laid on the right words.

Ton. 233

gewöhnlichen Intonation gesagt werden. Kommt aber der eine von ihnen nach langer Abwesenheit unerwartet zurück, so wird derselbe Satz in weit stärker kontrastierenden Tönen mit jäheren Übergängen sinkend und steigend, gesprochen werden.^) Wenn Sweet ^) sagt, daß wJiatP mit hohem Aufton (high rise) eine einfache und schlichte Frage, aber mit tiefem Aufton (low rise) einen Ausbruch des Erstaunens bedeutet, so ist der wichtigste Unterschied doch wohl die Größe des Intervalls, aber allerdings beginnt man in dem erstaunten wJiat tiefer, um desto größeren Spielraum zum Steigen zu haben. „Ist es 'wahr*' kann sein: 1) bloß konventionelle Frage: ist es im Mittelton, etwas Steigung auf wahr; 2) frohe Überraschung: sofort hoher Ton, starke Steigung auf wahr; 3) ungeduldiges Bescheidf ordern: ist es tief, wahr Mittelton; 4) Bedauern (ich will nicht hoffen, daß es wahr ist): ziemlieh hoher Anfang, Sprung nach oben bei wahr, aber im Laufe desselben Herabgleiten des Tons tiefer herab als bei ist Erhält man auf eine Frage keine Antwort, so wird man sie natürlich mit ausgeprägterem Frageton, der Ärger, Ungeduld u. dergl. markieren kann, wiederholen. '2!i^, Aus ursprünglichen F'ragesätzen haben sich historisch eine Art von Bedingungssätzen mit der Wortstellung Verbum vor Subjekt entwickelt. Die beiden Hauptsätze „Willst du mit? [ja] Dann komm!" werden zusammengepreßt, so daß der erste = „Wenn du mit willst" wird. In der Betonung wird der alte Frageton in abgeschwächter Form bewahrt, mit erhält hohen Ton, aber nicht so hoch, als wenn es Frage wäre. Dies gilt jedoch nicht nur von diesen, sondern von allen Arten Vordersätzen, wo der Aufton ein Zeichen dafür wird, daß etwas folgt. Andere Beispiele: „Als er ge^sprochen hatte"!, ging er fort". „Er ging "^forf, als er gesprochen hatte." „Du ""kommst^ und alles ist wieder gut." „Nimm dein Korsett '"ab"', dann wird es helfen" also ohne Rücksicht auf die grammatische Art der Vordersätze. Da wir in solchen Fällen ein Komma setzen, kann man als eine Art praktischer Regel sagen, daß man vor einem Komma den Ton steigen läßt, wie man vor einem Punkt den Ton senkt. Doch muß diese Regel nicht allzu absolut genommen werden: der Ton ist ein feineres und inner- licheres Nuancierungsmittel als die Interpunktion, die ja wesentlich grammatisch -formalistisch ist. Eine Verbindung wie „Ich will mir einen kleinen Spaziergang machen, wenn es gutes Wetter ist" kann man so sagen, daß Spaziergang steigt und Wetter fällt; doch das setzt voraus, daß, ehe der betreffende den Satz beginnt, er sich über die

1) Spencer a. a. 0. 217.

2) Primer of Phonetics § 168.

234 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre, Fünftehntes Kapitel.

ganze Bedeutung desselben klar ist, und diese Betonung wird sich daher am ehesten in einer etwas akademischen Vortragsweise finden. Im wirklichen Leben geht es fast immer so zu, worauf Jean Passy fein aufmerksam macht ^), daß man fast immer „ich will mir einen kleinen Spaziergang machen" mit abschließendem, tiefem Ton auf machen spricht und dann daran zu denken kommt, daß das Wetter Hindernisse in den Weg legen könnte, weswegen man mit leise fragendem Tonfall hinzu- fügt „falls es gutes "^Wetter ist^," was den ganzen Plan auszugehen zu einer durchaus noch nicht beschlossenen Sache macht.

245. So wird der Aufton als Signal, daß man eine Fortsetzung erwartet, und der Abton als Haltsignal das Avichtigste Mittel, längere Mitteilungen einzuteilen, ein viel wichtigeres Mittel als Pausen. Diese können (vgl. § 210) im Innern von Sätzen, ja im Innern von Wörtern, aus vielen Gründen eintreten, aber es ist stets der Ton auf der letzten Silbe vor der Pause, der ihre Bedeutung zeigt. Sage ich: „Nein, Müller, Schulze und Braune waren gegangen" mit tiefem Abton auf Müller (als Fortsetzung des auf nein begonnenen Sinkens), so erzähle ich Müller, daß die beiden andern gegangen waren; steige ich dagegen nach einem tief schließenden nein hinauf im Worte Müller, dami er- zähle ich einem vierten, daß alle drei gegangen waren ^), aber in beiden Fällen kann ich eine gleich lange Pause nach Müller machen oder auch ohne Pause weiterreden; also darauf kommt es nicht an. „Er war so verliebt in Amalie, die doch immer so hart gegen ihn gewesen war, daß er sich ihren Tod sehr zu Herzen nahm" wird sinnlos, wenn das erste „so" tief und das zweite hoch gesprochen wird; bei der umgekehrten Betonung sehen wir den natürlichen Zusammenhang zwischen seiner Verliebtheit und seinem Kummer. Baß in der Verbindung „in anbetracht dessen, daß . . ." wird gewöhn- lich weder durch steigenden, noch fallenden Ton ausgezeichnet werden, folgt indessen eine lange Reihe begründender Sätze: „In anbetracht dessen, daß . . ., daß . . ., daß . . ." usw., so wird man durch hohen Ton (und starken Druck) auf jedem dieser daß, das letzte ausgenommen, darauf vorbereiten, daß noch mehrere Nebensätze folgen: der Aufton am Schluß des mit daß eingeleiteten Satzes ist ja nämlich an und für sich nur hinreichend, um auf den folgenden Hauptsatz vorzubereiten.

1) Phon. St. m 353.

2) Eine dritte Möglichkeit: MüIQl&c) erhält nicht so starken Druck wie Schul(ze) und wird in Mittelton gesprochen ; dann teile ich mit, daß zwei Personen, von denen der erste den zusammengesetzten Namen Müller-Schulze hat (oder auch Schulze heißt und seines Zeichens ein Müller ist), gegangen waren.

Ton. 235

Wo viele neben geordnete Substantive aufeinander folgen, wird man auf dieselbe Weise gewöhnlicli durch Steigen andeuten, daß man nicht fertig ist (s. o. „Müller, Schulze und Braune"); es gibt aber Fälle, wo Sinken des Tons gi-ößere Wirkung tut, z. B. „Auf dem Tische lag in bunter Unordnung: einige ^Noten]; eine PiLstolej-, ein paar ""AschLbecherj, vier fünf ungebundene LBücherj, ein schmutziger L^rageUj, einige alte ^Zeitungenj, eine halbgerauchte ZitgarrCj, eine ^Peitschej usw." Hier erziele ich, indem ich gleichsam nach jedem Glied einen Punkt setze, einen viel kräftigeren Eindruck der chaotischen Masse; ich scheine jedesmal zu sagen: ich könnte eigentlich ebenso gut aufhören, denn ich werde doch nie fertig. Schiebt man eine parenthetische Be- merkung in einem Satze ein, so ist es notwendig, dies deutlich durch den Ton zu markieren; die letzte Silbe vor der Parenthese muß steigen, kann aber nicht gut recht viel höher gehen als sonst in einem Vordersatze, um nicht fragend zu werden; dafür muß dann als Ersatz die Parenthese oder doch wenigstens die einleitenden Worte derselben tief unter das gewöhnliche Niveau für Nachsatz gesenkt und da unten auf (ungefähr) demselben Tone gehalten werden; dies in Verbindung mit einem bedeutend beschleunigten Tempo 183) erinnert den Zu- hörer daran, daß es etwas gibt, wovon der Schluß noch abzuwarten ist: Ich will hier be'^merken^ jmd ich spreche in dieser Beziehung aus persönlicher Er^fahrung^ daß . . ."

Als letztes Beispiel will ich den Leser bitten, selbst die ver- schiedenen Töne zu analysieren, in denen dieselben Worte „Ja ant wortet Paul dann um so besser" bedeuten können 1) Paul antwortet: „Ja, dann um so besser," 2) Ja, wenn P. antwortet, dann ist es um so besser," 3) Ja, wenn P. die Antwort gibt „dann um so besser,' dann ... Wir sehen mit andern Worten, daß der Ton, außer ein Gefühlsthermometer und ein Stimmungsbarometer zu sein, zugleich auch ein Seziermesser des Gedankens vom feinsten Stahle ist.

246. Was die Intervalle bei den in der Sprache immer vor- kommenden Auf- und Niedergängen von Silbe zu Silbe und oft inner- halb derselben Silbe anbetriift, so richten diese sich offenbar nach ziemlich verwickelten Gesetzen, physiologischen und akustischen, welchen die Wissenschaft kaum noch angefangen hat, nachzuspüren; was oben gegeben ist, sind ja nur recht grobe Umrisse. Die Sprache bewegt sich nicht wie die Musik auf verhältnismäßig wenig Tonstufen (ganzen und halben Noten), sondern man müßte, um sie genau zu notieren, beträchtlich mehr Tonstufen zur Verfügung haben, als unser gewöhn- liches Tonsystem besitzt. Die Umschreibung mit den gewöhnlichen

236 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel.

Noten, die viele versucht haben, kann daher nur annäherungsweise Gültigkeit besitzen, wenn man auch vieles durch ein gründliches Studium der von Merkel, Storm, Pierson, Jerndorff u. a. gegebenen Notierungen lernen kann. ^)

247. Instrumentale Untersuchungen haben in den letzten Jahren auf diesem Gebiete zu interessanten Resultaten geführt.^) Rousselot and Vietor haben gezählt, wie viele Stimmbandschwingungen in einem gegebenen Zeitabschnitt von einem Vokal herrührten und dadurch eine durchschnittliche Tonhöhe bekommen. Martens hat mit Hilfe von Hensens „Sprachzeichner" versucht, die Tonbewegungen innerhalb der Silbe genauer zu messen, kommt aber nur zu dem Resultat, daß es hier keine Regel zu geben scheint: „Bald geht die Tonhöhe, während der Dauer eines Vokals hinauf, bald fällt sie ab . . . Auch variiert die Art des Steigens und Fallens sehr erheblich. Bald steigt oder sinkt der Ton ganz allmählich, bald geht dies sehr plötzlich und in großen Sprüngen vor sich . . . Die Kurven ergeben, daß es unserm Ohr im allgemeinen nicht möglich sein kann, die Tonhöhe eines ge- sprochenen Vokals genau zu bestimmen." E. A. Meyer benutzte Edisons neuen Phonographen und maß unterm Mikroskop die Ein- drücke auf Wachs aus; als Vergleich wurden die Eindrücke einer Telephontrompete mit konstanter und bekannter Tonhöhe benutzt. Nach ihm ist die Tonhöhe in einem Vokal in starker Silbe in beständiger Bewegung und bewegt sich innerhalb der Silbe allmählich (nicht sprungweise) zuerst bis zu einem Maximum, auf dem sie eine Zeitlang stehen bleiben kann, und dann wieder abwärts; die umgebenden Kon- sonanten üben einen bedeutenden Einfluß auf diese Tonbewegungen aus; Vokale in schwacher Silbe sinken immer nur; das Ohr scheint nur den Gipfelpunkt, die höchste Schwingungsschnelligkeit als den absoluten Ton des Vokals aufzufassen; Ausmessungen von Durchschnitts- höhen werden daher immer ungenau; die Stärke hat bedeutenden Einfluß auf die Tonhöhe. Meyer spricht es selbst aus, daß seine Ex- perimente nicht zahlreich genug sind, um beweisend zu sein; schade, daß die Versuche mit isolierten Wörtern, nicht mit zusammenhängender Rede gemacht sind; sie können ja auf jeden Fall nur für deutsche

1) Ich mache nachträglich auf das vortreffliche Kapitel über diesen Gegen- stand aufmerksam, das sich in G. Forchhammers Dissertatipn „On N0dvendigheden af sikre Meddelelsesmidler i D0v8tummeundervisningen" (Kopenhagen 1903) S. 30-46 findet.

2) Modifications phon. S. 109 ff., siehe besonders weg^n zusammenhängender Sätze S. 124 ff., Notenumschrift S. 133 ff. (1891). Neu. Spr. I. 10. H. (1894). Zs. für Biologie XXV 295. Neu. Spr. IV, 10. H. (1897).

Ton. 237

Aussprache als gültig angesehen werden, und besonders der Satz von den schwachen Vokalen als beständig sinkend kann kaum auf andere Sprachen übertragen werden.

E. W. Scripture hat neuerdings sehr wertvolle Untersuchungen mit Hilfe teils eines Grammophons, teils eines Mareyschen Tambours angestellt.^) Man sieht bei ihm genau die Tonbewegungen in den einzelnen Silben und bemerkt, wie weit entfernt die Stimme von einer Bewegung in den gewöhnlichen musikalischen Intervallen ist. In „Did you see him?" „the curve of pitch rises from beginning to end with considerable steadiness. The amount of rise is considerably less than an octave; it does not seem to coincide with any musical interval . . . The record of the general interrogative sentence „Is he here?" showed an even cord tone of moderately high pitch during the words „Is he", and a steady rise during the [i] of „here" to a tone maintained throughout the [a] at the end. The relation of the tone at the beginning to that at the end was exactly 7:8... In „Where is he?" there is a steady fall of pitch of exactly an octave between the beginning and the end." . . . „Did you see him, John?" shows a rise in pitch from the beginning to the end of the interrogation at „him", as usual. The tag „John" begins somewhat lower than the end of „him"; it rises as a single interrogative word would, but it Starts higher." Solche Auszüge aus seinem Text können jedoch nur einen schwachen Begriff von dem geben, was die auf genauen Messungen beruhenden Diagramme zeigen, und ich muß daher den Leser auf diese, namentlich auf diejenigen in Wundts Studien, verweisen.

248. Die Nationen scheiden sich sehr deutlich voneinander hin- sichtlich des Tons, und nicht alle Verschiedenheiten können auf die in § 236 besprochenen nationalen Charaktereigentümlichkeiten zurück- geführt werden. Aber fremde Töne sind in der Regel leichter nach- zubilden (oder zu karikieren) als wissenschaftlich zu beschreiben oder zu bestimmen. Jede Sprache und jeder Dialekt „singt" auf seine Weise, man hört aber nur die Weise der andern als Singen. Besonders hören wir, die wir die Einheitssprache sprechen, das Singen in den Dialekten.^) Die Verschiedenheiten beruhen wesentlich auf der Art

1) Studies from the Yale Psychological Laboratory X (1902), namentlich p. 67 ff. Studies of Melody in English Speech, Wundts Philosoph. Studien XIX (1902) 599 fif. A Record of the Melody of the Lord's Prayer, Die Neueren Spr. X (1903) 613 fif.

2) Vgl. Beils Charakteristik (Essays and Postscr. 176) von verschiedenen schottischen u. ühnl. Tonfällen. Storm (E. Ph. und anderswo) gibt viele treflFende

238 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel.

und dem Umfang des Auf- und Abgleitens-, die eigentümlichste der uns [hier beschäftigenden Sprachen ist das Französische, das nicht annähernd soviel wie die andern Auf- und Abgleiten innerhalb der Silbe anzuwenden scheint; ja eine lange Silbenreihe kann mit dem- selben oder fast demselben Ton auf jeder Silbe gesprochen werden.^) Nur bei den bedeutungsvollsten Worten, in der Hegel erst gegen Ende des ganzen Satzes, kommen der oder die Tonsprünge, die dem Satze seinen Ausdruck geben. Hier findet dann, worauf Fr. Wulff aufmerksam gemacht hat, häufig das Verhältnis statt, daß die (oder eine der) voraufgehende(n) Silbe(n) einen verhältnismäßig hohen Ton erhält, wenn die letzte einen tiefei?i Ton hat, und umgekehrt, z. B. Gar'^9on^! Donnez-nous des ci'^garres^, du co'"gnac\ et '^de^ L^'e^^j- On nous a servis comme ^des^ L^^oisj! (mit geringem Hochton auf vis und geringerem Tiefton auf a). N'y pen'"sons^ lP^^^j- (wo der Vokal in der letzten die Stimme verlieren kann § 87). J'n'avais pas encore mange l'premier L^orj '^ceau"' que l'hote l^Hj '^tra^ suivi d'r'"homme^ qui l'avait arrete ""dans la"" l^^j-^)

249. Bisher haben wir uns nur mit etwas beschäftigt, was für alle Sprachen, jedenfalls in den großen Zügen, gemeinschaftlich ist, nämlich mit dem Ton als „Ausdruckston", dem Ton als dem Element, das einer Äußerung oder einem Teil einer Äußerung einen bestimmten „Ausdruck verleiht.^) Es bleibt noch übrig der Ton als Wortton, wo er an jede Wortform gebunden und ein ebenso notwendiger Bestandteil des Wortes als die Laute selbst ist, so daß das Wort seine Bedeutung verändern kann, wenn .es mit anderm Ton gesprochen wird. Diese Anwendung des Tones findet sich nicht im Deutschen, jedoch in vielen andern Sprachen. Das klassische Beispiel ist das Chinesische."^) Pekings Mandarinensprache hat vier Töne, die Storni

Bemerkungen über dieses schwierige Thema. Im amerikanischen Englisch ist eine zusammengesetzte Tonbewegung (ab- und aufwärts) vorherrschend, nicht unähnlich dem schwedischen Akzent Nr. 2 249).

1) Scharf (übertrieben?) tritt dies hervor in Ballus Notenumschrift Ph. St. IlSOSflF. und in einigen von Piersons Notenbeispielen (M^trique naturelle 169 und 227).

2) Näheres über französ. Tonverhältnisse bei Fr. Wulff, Nägra ord om aksent, Filologm0det i Kristiania 1881; Storm, E. Ph. besonders 17öif., 188ff., 203flF.; Fr. Beyer, Frz. Phonetik« 129 fiF.

3) Ich ziehe es vor, das Wort Ausdruckston zu bilden, um das gewöhnliche ,Satzton(fall)" zu vermeiden, weil man so wenig wie möglich den rein gramma- tischen Begriff „Satz" in die Phonetik tragen soll.

4) Siehe besonders Storm in Filologm0det i K0benhavn 1892 (Forhandlingerne, Kbh. 1893 S. 193); E. Ph. 480-1.

Ton. 239

so beschreibt: „1) hoher, gleichmäßiger Ton, derselbe Ton wird ge- halten, ohne Steigen oder Sinken; 2) steigend von einem ziemlich hohen Ton zu einem noch höheren; 3) unterscheidet sich von dem vorhergehenden dadurch, daß er ungefähr eine Quarte tiefer beginnt, ungefähr eine Quarte oder etwas mehr steigt und mit einem starken staccato endet; er hat einen verwunderten oder drohenden Ausdruck; 4) ein plötzlicher Fall von einem hohen Ton zu einem tiefen Ton." Das Woi-t fu bedeutet mit dem einen Ton „Vater", mit einem andern „Mutter"; mai mit einem „kaufen", mit einem andern „verkaufen" usw.^) Ähnliche Tonanwendung findet sich in mehreren ostasiatischen und afrikanischen Sprachen; von europäischen Sprachen mit Wortton nenne ich das Litauische und das Serbisch-kroatische,^)

Aber wir brauchen nicht so weit zu gehen, um Beispiele zu suchen. Im Norwegischen und Schwedischen haben wir eine Zwei- teilung des Sprachstoffes nach den Tönen, so daß jedes Wort seine bestimmte von zwei „Melodien" hat, „Akzent Nr. 1," meist in ein- silbigen Worten, mit gleichmäßiger Steigung, und „Akzent Nr. 2" mit Herabgleiten, worauf ein starker Sprung nach oben folgt. Hierdurch unterscheiden sich z. B. im Norwegischen h0ndei' „Bauern" und b0nmr „Bohnen", kolcken „der Koch" und kokken „die Köchin".-'')

230. Das gegenseitige Verhältnis zwischen Wortton in den Sprachen, die ihn haben, und Ausdruckston (samt Kunstgesang) ist ein interessantes Thema, das bisher nicht viel studiert ist. Was das Chinesische anbetrifft, so kann ich zwei Aussprüche anführen, den einen von dem ausgezeichneten Sinologen Grabelentz^): „Im Chinesischen haftet, je nach der Mundart, jedem Worte ein bestimmter Ton an . , . Dem rhetorischen Akzente sind dadurch engere Schranken gesetzt, und doch gibt sieb dabei die Gemütserregung, ihre Stärke und ihre Art sehr deutlich zu erkennen, teils an dem Tempo der Rede, teils an der schärferen, zuweilen kreischenden Betonung. Beim Gesänge aber bleibt der Wortton deutlich vernehmbar. Auch dies^) spricht für seine Selbständigkeit dem musikalischen Ton gegenüber; denn das

1) Siehe u. a. Jespersen, Progress in Language S. 84 ff.

2) Siehe u. a. Storm, E. Ph. 210.

3) Hinweise auf die recht ausführliche Literatur über die nordischen Akzentformen finden sich in Storm, E. Ph. 247 ff., der dänischen Fonetik 603 ff., A. Kock, Alt- und neuschwed. Akzentuierung (Quellen und Forsch. 87, Straßb. 1901).

4) Die Sprachwissenschaft 1891, S 362, vgl. Chin. Gramm. 1881, S. 31.

6) Außer dem Umstand, daß unmusikalische Leute oft ein erstaunlich feines Ohr für den Tonfall fremder Sprachen haben und ihn täuschend nach- machen können.

240 Dritter Hauptteil: Kombinationslehre. Fünfzehntes Kapitel. Ton.

Lied wird dadurch nicht mißtönend." Die andere von Stoma ^), welcher der Behauptung, daß das Englische arm und das Chinesische reich an Tönen ist, die entgegengesetzte gegenüberstellen wül: „Das Chinesische klingt mit seinen immer wiederkehrenden 4—5 Modulationen ziemlich einförmig, im Englischen herrscht eine unendliche Variation. Im Chinesischen klingt eine Frage wie eine einfache Aussage usw." Was Norwegisch und Schwedisch anbetrifft, so wird hier eher um- gekehrt oft eine Aussage halb fragend lauten, und im ganzen kommt es uns Dänen vor, daß der Wortton dem Ausdruckston oft schadet, so daß die Nuancierung nicht so fein wie im Dänischen werden kann; be- sonders haben wir diese Empfindung dem Ostnorwegischen gegenüber, das für uns brutal einförmig klingt.^)

1) Ph. St. V. 210.

2) Siehe des näheren Stoma, Norvegia S. 48, Andersen, Dania IV 177, Aström, Svenska landsmälen VI. 6. 10, XIII. 2. 22, Noreen, Nord, tidskrift (Letterst.) 1896 S. 395, Jespersen, Dania IV. 238 und Fonetik S. 606 ff.

Vierter Hauptteil.

Nationale Systematik.

Sechzehntes Kapitel. Die Sprachen als Gresamtheiten.

251. Wir schreiten beständig von kleineren zu größeren Ein- heiten vor: von Lautelementen zu Lauten, von Einzellauten zu Laut- verbindungen, und jetzt, von diesen zu den umfassenderen Einheiten, den Sprachen, jede als Ganzes betrachtet, das im Vergleich mit andern durch bestimmte individuelle Charakterzüge sich auszeichnet. Jeder Mensch hat seine eigene Sprache, die nicht in jeder Einzelheit ganz wie die eines andern Menschen ist; das gilt bezüglich seines Wortvorrats, seiner Redewendungen, seiner Syntax und Formenlehre, aber auch bezüglich seiner Aussprache. Wenn wir einen Menschen an seiner „Stimme" erkennen, so ist es nicht die Stimme im eigent- lichen Sinne die in den Stimmbändern entstehenden Töne die allein entscheidend ist; viel beruht auf dem Bau der übrigen Sprach- organe: Form des Gaumens und der Zunge, der Zähne, Elastizität der Backen und der Lippen usw. Es ist wahr, daß wir bis zu einem gewissen Grade uns eine Vermutung von der Stimme eines Menschen bilden können, wenn wir nur seine äußeren Gesichtszüge sehen: von gewissen Gesichtern werden wir eine scharfe, trockene hohe, schnarrende Stimme erwarten, von andern einen tiefen „Bier"- baß usw. Wollen wir „unsere Stimme verstellen", so tun wir es daher auch mit Hilfe der entsprechenden Mittel: wir strecken die Lippen vor, senken den Kiefer, halten die Zunge flach und breit oder dergl. Aber von der größten Wichtigkeit, um die Sprache eines Individuums zu charakterisieren, ist sein Sprachtempo und die größere oder ge- ringere Präzision in der Ausführung der Artikulationsbewegungen, worauf die Klarheit, Leichtverständlichkeit und Schönheit seiner Sprache oder das Entgegengesetzte beruht. Hierzu kommen die

Jespersen, Ijehrbuch der Phonetik. 16

242 Vierter Hauptteil: Nationale Systematik. Sechzehntes Kapitel.

Verschiedenlieiten in den Lauten, die er überhaupt gelernt hat (Einfluß des umgebenden Dialektes) und die Genauigkeit, mit der er seine Sprache gelernt hat etwas, worin es natürlich viele Abstufungen gibt. Daß jeder Mensch so seine individuelle Sprechweise hat, schließt natürlich nicht aus, daß vieles darin je nach den wechselnden Stimmungen und dergl. wechseln kann, ebenso wie die Physiognomie eines Menschen ihr charakteristisches Gepräge auch unter den wechseln- den Gesichtsausdrücken behält.

252. Alle diejenigen, welche eine gemeinsame Muttersprache haben, haben abgesehen von den individuellen Eigentümlichkeiten jedes einzelnen etwas Gemeinschaftliches in ihrer Aussprache, das die betreffende Sprache (oder den betreffenden Dialekt) charakterisiert und ihr ein besonderes Gepräge zum Unterschied von allen andern gibt. Darauf beruht es, daß man aus einer Entfernung, wo man nicht die einzelnen Worte hören kann, doch oft durchaus bestimmt wissen kann, welche Sprache gesprochen wird; darauf beruht es auch, daß man sehr häufig die Heimat eines Menschen bestimmen kann, selbst wenn er eine fremde Sprache spricht, indem er es nicht vermocht hat, sich von den charakteristischen Ausspracheeigentümlichkeiten seiner Muttersprache freizumachen, sondern sie unbewußt auf die andere Sprache überträgt, so daß er, wie Laien sagen, sie mit einem fremden (deutschen, französischen usw.) „Akzent" spricht. , In Wirk- lichkeit beruht dies Gepräge nicht allein oder nicht einmal über- wiegend auf dem „Akzent" (Druck, Ton), sondern auf allen den verschiedenen Faktoren, die überhaupt in der Phonetik in Betracht kommen, nicht zum mindesten auf den einzelnen Artikulations- elementen, aus denen die Laute sich aufbauen. >^TEs zeigt sich jedoch eine gewisse Übereinstimmung zwischen den zu derselben Gruppe gehörigen Lauten, die bewirkt, daß das Lautsystem einer jeden Sprache jedenfalls bis zu einem gewissen Grade ein harmonisches Ganze bildet: die Sprache, die [t] mit der Zungenspitze weit zurück bildet, wird auch [d] und [n] nicht ganz draußen an den Zähnen bilden, ist [b] völlig stimmhaft, so kann man ziemlich sicher sein, daß [d] und [gj es auch sind usw. Daher kann man in einigen Fällen, in- dem man nur im allgemeinen die Zunge flacher macht oder sie weiter vorstreckt oder zurückzieht und zugleich die Lippenbewegungen träger macht und dergl., dazu gelangen, das Gepräge einer fremden Sprache täuschend nachzumachen. Das ist es, was man ausgedrückt hat, wenn man sagte, daß jede Sprache ihre (aktive) Lidifferenzlage oder Operationsbasis oder Artikulationsbasis oder um Storms

Die Sprachen als Gesamtheiten. 243

treffendes "Wort zu gebrauchen ihre Mundlage hat. Ebenso wie die Aussprache jedes Individuums im ganzen das Gepräge seines ganzen Wesens und Charakters trägt und ihrerseits wieder sein Wesen und seinen Charakter selbst prägt, so steht die Mundlage jeder Sprache in der engsten Verbindung mit dem Nationalcharakter des Volks; aber wie dieser so ist auch sie nicht immer leicht zu erfassen und in allgemein verständlichen und wissenschaftlich brauchbaren Ausdrücken zu beschreiben.^)

253. Zu einer solchen Charakteristik des Gesamtgepräges der einzelnen Sprachen gehört auch eine Untersuchung dessen, was man die lautliche Ökonomie der Sprache nennen könnte. Gewisse Unterschiede, die in einigen Sprachen eine sehr große Rolle spielen und zur Unterscheidung sonst gleichlautender Wörter gebraucht werden, spielen in andern gar keine oder eine ganz verschwindende Rolle. So sind im Französischen und Englischen die Stimmverhältnisse bei [s] und [z] wichtig; im Dänischen existiert nicht ein einziges Wortpaar, in dem sie Bedeutung haben; und wir sehen daher auch, daß [z] in nachlässiger dänischer Aussprache sich für [s] einfinden kann, ohne Schaden zu tun; der Unterschied von [p] und [b], [t] und [d], [k] und [g] ist im Dänischen im Anlaut wichtig, kann aber ohne Schaden im Auslaut vernachlässigt werden, während er auch hier für das Verständnis des Französischen und Englischen wichtig ist; im Deutschen ist er weder im Anlaut noch Auslaut von be- sonderer Bedeutung. Da im Dänischen gt in agt, sligt usw. bald mit Verschlußlaut, bald mit Engelaut vor [t] gesprochen wird, so kommen diese beiden Verbindungen dazu, als gleichbedeutend zu stehen, und der Engelaut wird daher von nicht wenigen auch auf aM, smukt übertragen werden; aber im Deutschen werden Wortpaare wie Nacht nacM, Acht Akt, Geschichte geschickte, (schmachten abgeschmackt) durch [xt] bezw. [9t] und [kt] geschieden. Aber kon- sequent sind die Sprachen keineswegs; in anderen Fällen sprechen die Deutschen [x] bezw. [9] und [k] unterschiedslos: Schlag [Jlct'k, Jla-x], schlug [Jlu-k, Jlu'x], Sieg [zi'k, zi'9] usw.; im Holländischen werden dagegen die beiden Laute [k, x] in allen Stellungen scharf auseinandergehalten. In jeder Sprache gibt es Laute, deren genaue Aussprache von den Einheimischen innegehalten wird, während ein

1) Wallis (1653) ist der erste, der auf die Verschiedenheit der „Mund- lagen" aufmerksam gemacht hat, bei Storm S. 84 finden sich eine Reihe Hinweise auf moderne Bestimmungen der Mundlage der einzelnen Sprachen, doch fehlt hier bei Deutsch Franke, Ph. St. 11. 29.

16*

244 Vierter Hauptteil: Nationale Systematik. Sechzehntes Kapitel.

Ausländer vielleicht gar nicht hören kann, daß sie überhaupt da sind, oder sie nicht von andern naheliegenden auseinanderhalten kann: so wird ein Franzose den Unterschied zwischen deutsch Aar Haar, aus Haus, Enge hänge, Erz Herz, Eis heiß usw. als ganz minutiös betrachten, wenn er ihn überhaupt hören kann; fast alle Ausländer werden sich dem dänischen Stoß gegenüber ähnlich stellen (vgl. § 77). Einem Engländer wird es schwer fallen den Unterschied zwischen französisch ete und etais^) zu erfassen, ebenso wie es uns schwer ist, englisch send und sent oder norwegisch h0nner und b0nder oder holländisch Schrift und schiß usw. usw. zu unterscheiden. Aber andererseits birgt jede Sprache infolge spezieller historischer Entwickelungen Fälle, in denen ziemlich stark verschiedene Laute als gleichbedeutend in denselben Worten verwandt werden: z. B. englisch staff [sta-f, stsef], plant [pla'nt, plaent]^), transgress [tra'ns'gres, trsens'gres, irQns^ qres], progress ['progres, 'prougres, -gris]; französisch poignee [pojie, pwajie, pwsjie], quatre [katra, katr, kat] usw.

Die lautlichen Mittel, die eine Sprache nicht zu gewöhnlichen Zwecken verwendet, kann sie bisweilen in Grebrauch nehmen, um z. B. einer Äußerung eine bestimmte Stimmungsfarbe zu geben. So finden sich in der sächsischen Aussprache die gerundeten Vorder- zungenvokale nicht, so daß über, schön usw. mit [i] und [e] gesprochen werden; nun erzählt aber Grabelentz^), daß die Sachsen die Lippen- rundung benutzen, um zu „malen", so daß sie das Dunkel unheimlicher machen, indem sie von der „schröcklichen, tüfen Fünsternüß" reden. Ein anderes Beispiel ist die Anwendung von [h] in englischen Dialekten, s. o. § 9L

254. Ich will nun hier in großen Zügen eine allgemeine Charakteristik derjenigen Sprachen versuchen, die überhaupt in diesem Werk etwas näher behandelt worden sind:

Deutsch (norddeutsche Gemeinsprache). Lippenartikulation recht voll, auch hinsichtlich des Vorstülpens der Lippen; gerundete Vorder- zungenvokale sind wohlentwickelt. Zungenspitzenlaute werden weder besonders weit vorn noch zurück gebildet (die Spitze artikuliert gegen

1) Die hier bedeutungsunterscheidend sind, während in anderen Fällen die beiden Laute nebeneinander verwandt werden: fais [fe, fe] vais [ve, ve].

2) Während in einem Falle derselbe Lautunterschied zur Bezeichnung von zwei grade entgegengesetzten Dingen benutzt wird: you canH do it [ju 'ka'n du it] (wenn t, wie so häufig geschieht, verschleift wird) und you can do it [ju 'ksen du' it].

i) Die Sprachwissenschaft S. 862.

Die Sprachen als Gesamtheiten. 245

den Punkt :fe, § 31); [1] neutral, weder palatalisiert noch hohl. Stimmhafte Engelaute [v j gj.] bestimmt artikuliert; [z] findet sich, doch nicht [3], außer in Fremdwörtern, wo es künstlich angelernt ist. Zungenspitzen-r und innere r-Laute kämpfen um die Oberhand. Zisch- laute [s, z, /] kommen häufig vor. Stimme auf Konsonanten stabil im Anlaut und Inlaut; alle Konsonanten außer [l, m, n, rj, r] werden im Wortauslaut, auch innerhalb der Rede, stimmlos; [p, t, k] sind schwach aspiriert, [b, d, g] in der Regel stimmhaft, doch nicht ausgeprägt. Stimmbänderverschluß außerordentlich häufig im Anlaut, sonst nicht. Keine Nasalvokale. Vokalsystem harmonisch, mit normalen Ab- ständen; niedrige Vokale schlecht repräsentiert; Quantität bestimmt die Qualität, so daß kurzer Vokal (bei festem Anschluß) im Vergleich mit den entsprechenden langen immer breit oder (und) etwas gesenkt ist; die langen Vokale werden nicht diphthongiert. In schwachen Silben [a] häufig, auch [1, m, n, g] als Gipfel, doch auch volle Vokale. Fester Anschluß nach kurzen Vokalen; Konsonantengruppen häufig, besonders nach kurzen Vokalen. Assimilationen besonders häufig bei [n]. Konsonanten durchgehends recht kurz. Der Unterschied zwischen starkem und schwachem Druck ist groß; der traditionelle Druck, der meistens auf der ersten Silbe ruht und fast immer mit dem Wertdruck zusammenfällt, wird verhältnismäßig selten zu Grünsten des rhythmischen und des Einheitsdruckes aufgehoben. Wortton findet sich nicht, aber der ganze Ausdruck wird nach seiner Bedeutung durch Auf- und Abgleiten auf den Silben nuanciert, oft mit gröberen Mittehi als z. B. im Englischen.

255. Englisch. Lippenartikulation nicht besonders voll, be- sonders wird Vorstülpen vermieden; gerundete Vorderzungenvokale gibt es gar nicht. Die Zungenspitze artikuliert ziemlich weit zurück (:f), mit den Lauten [J), Ö] als wohlmarkierten Ausnahmen; [1] ist hohl 135); [r] wird mit der Zungenspitze gebildet, doch ohne Schnurren, nach Vokalen ist es vokalisiert, ausgenommen, wo es von einem folgenden Vokal geschützt wird. Stimmhafte und stimmlose Konsonanten stehen durchgehend einander harmonisch gegenüber, so finden sich auch [z, 3]; [b, d, g] haben Stimme, wenn auch nicht be- sonders kräftig; [p, t, k] sind schwach aspiriert; die Umgebung hat fast keinen Einfluß auf die Stimmverhältnisse. Überhaupt werden die verhältnismäßig wenigen Konsonanten- und Vokaltypen, die es gibt, reinlich und scharf auseinandergehalten; wenig Assimilationen. Stimm- bandverschluß weder im Anlaut noch sonst. ^) Keine Nasalvokale.

1) Ausgenommen in Nordengland, siehe § 77.

246 Vierter Hauptteil: Nationale Systematik. Sechzehntes Kapitel.

Die kurzen Vokale sind alle breit, die langen sind langsam in die Höhe gleitende Diphthonge^) mit Ausnahme der drei niedrigen [a-, 0", 8']. Kieferbewegungen ziemlich groß, besonders wegen der vielen ganz niedrigen Vokale. In schwachen Silben sind volle Vokale ver- hältnismäßig selten, gewöhnlich [e]; [1, n] sind oft Gipfel. Fester Anschluß nach kurzem Vokal, nicht wenig Eonsonantengruppen im Auslaut. Konsonantenlänge häufig. Der Unterschied zwischen starkem und schwachem Druck ist groß; traditioneller Druck unmöglich in wenigen Regeln zu bestimmen; der Druck des einzelnen Worts wird in der Regel recht unverändert in zusammenhängender Rede bewahrt, mit Ausnahme von nicht wenigen leeren Wörtern. Rhythmischer und Einheitsdruck spielt eine ziemlich große Rolle, größer als im Deutschen, nicht so groß wie im Dänischen. Wortton gibt es nicht; die Nuancierung des ganzen Ausdrucks geschieht fein durch ziemlich kleine Schwankungen nach oben und unten, die oft ziemlich lang werden, entsprechend der im ganzen langsameren Diktion.

256. Französisch. Alle Artikulationen ungewöhnlich energisch und präzise. Lippenvorstülpen ausgeprägt bei gerundeten Lauten. Die Zungenspitze artikuliert ziemlich weit vom (gewöhnlich :ef); vielleicht bildet auch die Zungenfläche bei [k, g] weiter vorn als bei den übrigen behandelten Sprachen Verschluß; vergleiche, daß sich [ij] nicht, wohl aber [ji] findet. Sowohl Zungenspitzen-r als auch innere r- Laute finden Anwendung, die letzteren siegreich jedenfalls in den Städten; [1] normal. Stimmhafte und stimmlose Konsonanten stehen einander in der Regel harmonisch gegenüber, so u. a. [s, J z, 3], auch bei den Verschlußlauten, von denen [p, t, k] unaspiriert und [b, d, g] voll stimmhaft sind; bei Konsonantenzusammenstoß sind Stimmassimilationen (in der Regel vorgreifende) häufig, sowohl mit Stimme wie mit Stimmlosigkeit als Resultat. Stimmbänderverschluß sehr selten. Nasalvokale mit starker Nasalierung (^3). Vokalsystem harmonisch mit gleichem Abstand zwischen den drei Stufen und mit wohlentwickelten runden Vorderzungen vokalen; Quantität und Um- gebung haben keinen nennenswerten Einfluß auf die Vokalqualität, und lange Vokale werden nicht diphthongiert. In schwachen Silben oft volle Vokale; [q\ wird auch nicht so schlaff wie das [a] anderer

1) Die Tendenz, die Vokale auf diese Weise zu diphthongieren, ist so stark, daß Engländer, die den in ihrer Sprache nicht vorkommenden Laut [0] gelernt haben, denselben nicht lang aussprechen können, sondern unwillkürlich ein [0'y] oder ähnlich sprechen.

Die Sprachen als Gesamtheiten. 247

Sprachen artikuliert; Konsonanten können nicht Silbengipfel sein. Neigung zu losem Anschluß; es gibt nur wenig Konsonantengruppen nach Vokal, und Neigung sie zu erleichtern durch Hinzufügung von [a], siehe § 151 und 207. Die Konsonanten sind in der Regel kurz; die Länge der Vokale wird zum größten Teil von der Umgebung und dem Druck bestimmt. Der Druck gleichmäßiger verteilt als in den andern Sprachen; der relativ stärkste fällt in der Regel auf die letzte Silbe in jedem Satz. Der Ton ist innerhalb einer Silbe nicht so gleitend wie in den oben behandelten Sprachen; der Ausdruck einer Äußerung wird im wesentlichen von dem Ton auf der letzten Sübe bestimmt, woran sich dann oft ein entgegengesetzter Ton auf der vorletzten Silbe schließt.

Register.

Die Zahlen beziehen sich auf die fettgedruckten Paragraphen.

[a, a, A, b] 162, 163; [a-] und [a'e] engl. 142, 162; [a] 60, 163; [ä] 166; [se] 162. a für r 142; a und u in in- dischen Wörtern 161.

:a (analphabetisch) 11.

a (analphabetisch) 11.

Abglitt 165 ff.

Abschlußgesetz 237 ff.

Abton 231, 237 ff.

ach-liOAxi 40, 84, 130.

Adamsapfel 67, 106.

Affricatae 99.

Akzent , s, Druck , Ton ; Akzentbezeich- nung 107, 231; stark und schwach geschnittener Akzent 205.

Alliteration 76 (S. 79 Anm. 2).

Altstimme 71.

alveolar 29 (S. 30 Anm. 2).

amerikanische Nasalierung 63.

Amtmann 12, 170, 175.

Analphabetische Lautbezeichnung 10; s. namentlich S. 255.

Analyse 9, 11—111.

Anatomie, s. die einzelnen Organe.

Angleichungen 169 178.

Anglitt 166 ff.

Ansatz, fester 76.

Anschluß, fester und loser 206 ff.

Antwort, Ton in, 238 ff.

anxious 178.

apikal 28 (S. 28).

Artikulationen, die einzelnen, 11—111; Artikulationsbasis 252; Artikulations- gymnastik 8.

asked [a-st] 178.

Aspiratae 99, 100.

Assibilation 168.

Assimilation 169 178, auf Abstand 177 Anm., Verhältnis zuLautausstoßung 178. Association phonetique, Lautschrift 10. Atem 107 ff. Atempause 107, 109. Atmungsgruppe 210. Atmungsorgane 107. [au] für [ou] 24. Aufton 231, 237 ff. aujourd'hui 177 Anm. Ausatmung 107 ff. Ausdruckton 233—248. Auslautende Konsonanten 97, 103, 104. Äußerlich bestimmte Quantität 184 ff. Ausstoßung von Konsonanten 178 (179).

[b] 11, 17, 102—106, 116; Einschub von

[b] 61. 6 in aber 14, 17, 20, 125. :b (analphabetisch) 17. ß (analphabetisch) 27. back vowels 146, 158 ff. Bänderglottis 68. Baßstimme 71. Beblasene Laute 99. Bedingungssätze 244. Behauchte Laute 100. Beils Vokaltafel 146, 147. Betonung 107 ft", 216 ff., 231 ff. bilabial 11-18. bilabiodental 19, 170. bilateral 38.

Bindung 60, 76, 206, 207. Blatt 27, 33, 40, 47. Blählaut 103.

Register.

249

barn, hörne 160 (S. 155 Anm. 1).

breath group 210.

breite Vokale 52, 54, 146, 148—163.

hrrr 16.

Brummen 14.

ßruststimme 71 (S. 73 Anm.).

[c] 41, 42, 118, 168. [9] 48, 84, 129.

:c (analphabetisch) 17.

celui 183.

cerebral S. 30 Anm. 3; click 111.

Cetewayo 111.

cJi, deutsches 48, 84, 129; franz. s. [J].

children 135.

chinesische Töne 249, 250.

Chladnis Vokalsystem 145.

chut 23.

cinquieme, cintieme 42.

clicks 111.

Corona 27.

cosa 'was' 179.

[d] 31, 32, 102, 103, 104, 117; Einschub von [d] 61; dorsales [d] 32, 40; pala- tales d == [j] 41, 118; palatalisiertes d 117; [5] = engl. tJi 34, 82, 126.

:d (analphabetisch) 19, 29.

d (analphabetisch) 56.

Dauer 180 ff., Bezeichnung 181, äußer- lich und innerlich bestimmt 184, deutsch 185, engl. 186 f., franz. 188 ; Ein- fluß auf die Silbenzahl 201.

dental 29, click 111; vgl. Zungen- spitze.

dentilabial 18.

deutsch 254; vgl. unter den einzelnen Lauten usw.

Diphthonge 212 ff.; fallende 195, 212; steigende 213; schwebende 214. Eng- lische Diphthongierung langer Vokale 148, 150, 157, 158, 159, 160, 255.

[djj und [ds] 168.

[dl] engl, statt gl 172.

Doppelung, s. Gemination.

dorsal 32, 40 ff.

dr engl., mit ,; verwechselt 138.

dropping one's h'ea 91, 29.

Druck, Grade und Hervorbringen 107, 108; Bezeichnung 107; Anwendung 216 ff. ; traditioneller 217; freier und gebundener 217; psychologisch be- stimmter 248 ff.; Wertdruck 218; Neu- heitsdruck 220; Gegensatzdruck 220, 221, 229, 230; Einheitsdruck 222 ff., 229, 230; physiologisch bestimmter 225 ff.; rhythmischer 226 ff., 229, 230. Englisch 229; französisch 230. Vgl. auch Ton.

dünne Vokale 52, 54, 146, 148—163.

[ds] 41, 81, 168.

[e] 150 (21, 53); [e] 150; [e] 155; [ei] engl. 150, 187 b; [e] 152; [t] 60, 152; [9] deutsch 155, engl. 156, franz. 151; [9] aus r 142.

:e (analphabetisch) 185.

s (analphabetisch) 67.

Eigendauer 187 b.

Eigennamen, Druckverhältnisse 223,

227 ff. Einatmung 107, 110, 74. Einheitsdruck 222—224, (226), 229, 230. Einschiebung von b, d 61. Einzellaute 112 ff; Berührungen von E.

164 ff. Element 9.

Emphasis 107, 109, 216 ff. energisch geschnittener Akzent 205. Enge, Engelaute, Einteilung 13, 14;

labiale 13, 14; Zungenspitze 33 ff.,

Zungenfläche 47 ff. Englisch 255; vgl. unter den einzelnen

Lauten usw., Ton 236, 250, Druck 229;

Dauer 186 f. Entrundung 22. Epiglottis 66. Erstaunen 243. Expiration 107 ff; Stärke 107, 108; Ex-

pirationssilbe 191,209; expiratorischer

Akzent, s. Druck. Explosion 165—168 ; Explosiv s, Verschluß.

[f] 18, 79, 125; statt [])] 34; [f] 125, 14. :f (analphabetisch) 29.

fallend, vgl. Diphthonge, Abton.

250

Register.

Falsettstimme 71 (S. 73 Anm.) |

färöisch 31, 33, 214.

fester Anschluß 205—208.

finnisch 16, 190.

Fistel 71 (S. 73 Anm.)

Flüstern 71; Flüstermedia 102, 105.

Flöten 14.

Forchhammers Akzenttheorie 108, Vokal- tafel 145.

fortes 98 ff., 105.

Frage, Ton 237, 239 ff.

französisch 256 ; vgl. unter den einzelnen Lauten u. dgl.; Ton 236, 248; Druck 230; Dauer 188 f., Silbe 207.

freier Akzent 217.

frikativ 14, vgl. Enge.

front 27, vgl. Vorderzunge.

[g] 44, 98, 102—105, 119; [g] 46, 119;

[a] 49, 84, 130; Verwechslung von g

und r 49. :g (analphabetisch) 29. y (analphabetisch) 40. Gaumen, Einteilung 29 ; harter Gaumen,

vgl. Vordergaumen; weicher Gaumen,

vgl. Gaumensegel. Gaumensegel als Artikulationsstelle 29,

44 46, 49, 50, 51 ; als artikulierendes

Organ 56 65; Assimilationen 175. geblasene Laute 74, 78ff., 99 ff. gebundener Akzent 217. Gedankengipfel 219. geflüsterte Laute 73 (105). Gegensatzdruck 220, 221, 230. gehauchte Laute 74, 88 ff. (102). Geisteskranke 233. Gemination 204 (166), 187, 189. gemischt, vgl. mixed. gemurmelte Laute 108. Geräuschlaute, vgl. Konsonanten (115). gerollte Laute 16, 36, 37, 50, 65,

137 ff. gerundet 20 ff., 139, 146. Gesang 71, 246, 248, 250. Gesichtsausdruck 24. gespannt 105 (146, 62). Gießkannenknorpel 67. Gipfel 194 ff.

[gl] engl. 172.

Gleitlaute 165 ff.; Gleiten 96, 97.

Gliederung der Rede 191 ff., durch den

Ton 245. gn, franz. 43, 58, 122. Grunzen 64. Gurgeln 64. guttural 29 (S. 31 Anm.)

[h] 88 ff., 143; Fortfall 89, 90, 91, 92; nach Vokal 93; \^'] 89; [hh] 88; stimm- haftes h S. 93 Anm. 2.

:h (analphabetisch) 29.

halblang 181.

halbschwach, halbstark 107.

Haplologie 179.

Harmonie, Harmonisierung 177 Anm.

hart und weich 105.

Hauch 74, 88 ff., 102.

hauchstimmhaft S. 94 Anm.

Hellwags Vokaltafel 145.

Henry, Henery 194.

hear, here 94.

Herüberziehen 60.

high, s. hohe Vokale.

hinteres l 51, 136.

Hintergaumen vgl. Hochgaumen und Gaumensegel.

Hinterzunge 27, 44 ff., 49 ff., Hinterzungen- vokale 158—163.

hiss 23.

[hj] 94.

Hochgaumen 29.

Hochton 232.

hohe Vokale 52, 53 (146), 148, 149, 154, 157, 158.

hohles l 135.

hush 23.

Husten 69.

[hw] 95, 124.

[i, i] 148, 52, 53; [r, ij] engl. 148; Ver- hältnis zwischen [i] und [jj 48, 197, 200; [i, i] in Diphthongen 212 f. ; [i] 154.

:i (analphabetisch) 29.

ich-Laui 48, 84, 129.

idea-r-of 142.

Illusion 179, 200, 211.

Register.

251

Indifferenzlage 252. individuelle Sprache 251. innerlich bestimmte Quantität 184. inspiratorisch 110. interdental 29, 31, 34. Intervalle 233 ff., 246 ff. -ism 195; -isme 86. [iu] 214.

[j] 48, 84, 129, vgl. [i]; Einschiebung von

[j] 201; [j] 41, 42, 118. :j (analphabetisch) 29. jaha statt ja 89. jery 154. [ju] engl. 157, 158, 214.

[k] 44, 99—101, 119; palatales k = [c] 42; Übergang zu [tj] 168; [kt, tk] 167.

:k (analphabetisch) 29.

Kabeljau 200 (S. 194 Anm. 3).

kakuminal 29 (S. 30 Anm. 3).

Kehldeckel 66.

Kehlkopf 67—106; Anatomie 67; Be- wegungen des Kehlkopfes selbst 106.

Kehlkopf-/- 72.

Kehlkopfverschluß 69, 7 6 f.

Kesselraum 47.

Kiefer, Kieferwinkel 26.

[kl] engl. 172.

Elangfölle, s. Schallfälle.

Klusil, s. Verschluß.

Knarrstimme 72.

Eüiorpel im Kehlkopf 67; Knorpel- glottis 68.

Kombinationslehre 164 250.

Konsonanten, Definition 115; die ein- zelnen 116—143; als Silbengipfel 195; Dauer 180 ff., besonders 187, 189; Gruppen 178; Verbindungen 167.

Kopfstimme 71 (S. 73 Anm.)

koronal 27.

Kürze 8. Dauei'.

Küssen 111.

[1]-Laute 38, 51, 131—136; palatales l [Ä] 51, 133 ; palatalisiertes 132 ; hohles l 135; hinteres l [t] 136; Stimmverhält- nisse 83, 96, 97; Silbengipfel 195.

:1 (analphabetisch) 29.

labial s. Lippen.

Labialisierung 20ff. , von Konsonanten

23, 113. labiodental 19. Länge, s. Dauer. Larynx s. Kehlkopf lateral s. Seitenlaute, click 111. Laut als Ganzes 112. Lautangleichungen 169 ff. Lautdauer 180 ff., s. Dauer. Lautelement 9. Lautschrift 10.

Lauteingänge, Lauteinsätze, s. Anglitt. Lautverbindungen 164 ff. Lautverschiebung, die deutsche 99. Lebhaftigkeit, Einfluß auf den Ton 233 ff. leere Wörter 219. lenis 105. level stress 229. Lippenassimilationen 170. Lippenlaute, Lippentätigkeit 11 25. Lippenrundung 20 ff. Lippenzahnlaute 18, 19. lispeln 33, 34. [Ij] und [j] franz. 133. loser Anschluß 205 ff. lufterfüllte Stimme 108. Luftröhre 67, 107.

[m] 120, 11, 17, 58, 86- als Silbengipfel

195. [m] 19, 120. media 102 ff. milk, engl. 61, 135. Mitlaut 194 ff., mitlautende Vokale 196;

vgl. Konsonant, mittelhoch 53. mittellang s. halblang, mittelstark 107. Mittelzunge 27 ; Konsonanten 40, 42, 43,

(48), 168; Vokale 154—157. mittlere Vokale 53, 150, 151, 155, 159. mixed 146; vgl. Mittelzungenvokale. Mouillierung s. Palatalisierung. [mpt] und [mt] 178. Munddach 29. Mundlage 262.

252

Register.

Mundlaute 57. Mundwinkel 17. Murmelstimme 108.

[n] 121, 31, 58, 86, 96; als Silbengipfel 195; palatales n [ji] 122, 43; palata- lisiertes n 121; „gutturales" n [g] 123, 45, 58.

Nachdruck, s. Druck.

narrow 146, 53, 54.

nasal. Nasalierung 58 ff.

Nasalkonsonanten 58, 120 123.

Nasalvokale 59; frz. 60, 152, 153, 160, 162.

Näseln 63.

Nasenlaute s. nasal usw.

Nationaleigentümlichkeiten in Ton 236, 248.

Nationale Systematik 251 256.

[nds] und [n5] 178.

Nebensilbe 199.

Neuheitsdruck 220.

**5'> s- [9] unter n.

nicht-sprachliche Verhältnisse 24, 62, 64.

niedrige Vokale 53, 54, 146, 152, 153, 160, 162.

[r)kt] und [gt] 178.

[nt;] und [n;] 178.

[0] und [b] 159; [ou] engl. 159, 187 b;

[0] 160; [5] 60, 160; [0] 151. Oberzahnlaute 29, 31, 33. [ce] 153; [&] 60, 153; [0] 151. Ökonomie der Sprache 253. offene Konsonanten 13, vgl. Enge; offene

Vokale vgl. niedrig, breit. oi franz. 198, 213.

[pj 116, 11, 12, 17, 57, 99 ff.

([ji] 8. unter n).

palatal 29, 40ff., 48, 51; dick 111; Assi-

bilation 168. Palatalisierung 113, 174. parenthetische Einschübe 183; Ton 245. Pause 107, 109, 210, 245. pendant 61. [pf] 264. pharynx 29. Photographie 25.

piquie, pitie 42.

postdental 29, 31, 33, 84.

postpalatal 29, vgl. [k, g].

postvelum 29.

Prädikat, logisches 219.

präpalatal 29, 41, 43, 48.

praevelum 29.

progressive Assimilation 169 ff.

pretty 139.

prrr 16.

pst 199.

psychologisch bestimmter Druck 218 ff.

ptoi 30.

ptolis 30.

Pyramidenknorpel 67.

[q] 46, 119. Quaken 72. Quantität, s. Dauer.

r-Laute: Lippen-r 16; [r] 137, 36, 37 [j] 138, 35; [r] 140, 65; [;j] 141, 50 Übergangin[w] 139, Vokalisierung 142 Stimmverhältnisse 85; Einschub von r 142; r als Silbengipfel 195; Einfluß auf t, rf, n 31, auf s 33.

Rachen 29.

radix 27.

Register 71 (S. 73 Anm.).

regressive Assimilation 169 ff.

Reibelaut s. Enge.

Rhythmische Druckverschiebung 226 ff.

Rille 13, 14, 33, 47.

Ringknorpel 67.

Rollen 16, 36, 65, 72.

round, s. Rundung, gerundet.

Rufen 182, 218.

Rundung 13, 20 ff., 139, 146.

[s] 127, 33, 80; gelispeltes 34; als Silben- gipfel 199.

[X] 128, 47, 81; aus [sj] u. dgl. 174.

Sandhi besonders 164—179, 210.

Satz 210; Satzdnick besonders 218 ff.; Satzton 233—248, 250.

seh, 8. [X] unter s.

Schallfülle 192 ff.

Schildknorpel 67.

Register.

253

schlaff lOö.

Schnalzlaute 111.

Schnarchen 64.

Schnurren 16, 36, 50, 65, 72.

schwach 107, vgl. Druck.

Schwingungszahl 71.

Seitenlaute 15, 38, 51, 131—135.

Selbstlaut 194 ff., vgl. Vokal, Gipfel.

Silbe 191—208; Reihe der Laute in der Silbe 197; Verschiebungen 198; Silben ohne Vokal 195, mit mehreren Vokalen 196, 211 ff.; Reduktion der Silbenzahl 198, 200, 202, 203; Vermehrung der Silbenzahl 201 ; zweigipflige Silbe 202.

„Silbenakzent" 196, 205, 202. Vgl. Druck, Ton.

Silbengipfel 194.

Silbengrenze 205—209.

Silbengruppen 210.

Singen 71, 246, 248, 250.

solch 132.

Sonant, sonantisch 194 ff.

Sonorität, s. Schallfülle.

Sopran 71.

Spalt 14, 21, 34, 48 ff.; spaltenförmige Lippenöffnung 14, 21.

Spannung 105.

Spirant, s. Enge.

Spitze (Zungenspitze) 27 39.

Sprache als Ganzes 251 256.

Sprachlaut, jeder gleich zusammen- gesetzt 112.

Sprachorgane, Anatomie 11, 27, 29, 56, 66, 67, 107.

Sprechen und Singen 246, 248, 250.

Sprechtakt 210.

Sproßvokale 194, 198, 200.

Stärke 105, vgl. Druck.

Stellknorpel 67.

Stimmbänder falsche 67, echte 68 ff.

Stimme 70, 71, 78 ff., 103; Kennzeichen 78; Assimilation 176; Einfluß auf die Schall- fülle 192; individuelle Stimme 70, 251.

Stimmgleiten 96, 97, 102, 103.

stimmhaft 70, 78; Engelaute 79—84; r-Laute 85 ; Nasale 86 ; ä 89 ; Verschluß- laute 103, 104.

stimmlos 74; Engelaute 79 84; r-Laute

85; Nasale 86; h 88 ff.; Verschluß- laute 99 ff.

Stimmregister 71 (S. 73 Anm.).

Stimmritze 68.

Stimmung, Einfluß auf die Sprache 24, 62, 64, 182, 189, 201; Ton 233 ff.

[stl, stn] 178.

Stoß (Stoßton) 77.

stramm 105.

supradental 29, 31, 33, 35, 37, 38.

Svarabhakti 194, 168.

Synkope 200, 201, 202.

Synthese 9, 112—163.

[tj 117, 31, 99—101; palatales t = [c] 118, 41 ; Ausfall von 1 178 ; Verbindung mit anderen Lauten 167.

[p] 126, 34, 82.

Takt 210.

Tempo 182.

Tenor 71.

Tenues 98—101, 104f.

Tetraphthong 215.

th engl. 126, 34, 82.

Tiefton 232; vgl. Abton.

Timbre 112, 113.

[tj] Übergang in [tJ] 168.

[tl] engl, aus [kl] 172.

Ton Hervorbringung 70, 71 ; Anwendung 231 ff.; Mißbrauch des Wortes und Verhältnis zu Druck 232; Lebhaftig- keitsgesetz 233 ff. ; Abschlußgesetz 237 ff.; in Antwort 238; in Fragen 239 ff. ; in Vordersätzen 244; Gliede- rung 245 ; Intervalle 246 ; instrumentale Messungen 247; nationale Verschieden- heiten 236, 248; Wortton 249.

Tonhöhe 71 ; vgl. Ton.

Tonstärke 107, 108.

tr engl., mit ch verwechselt 138.

Traditioneller Druck 217.

trill 16, vgl. Schnurren.

Triphthonge 215.

[ts] aus t 99.

[tJ"] Entwicklung aus k 168.

-iure engl. 168.

tut 111.

twang, nasal 63.

254

Register.

[u] und [u] 158, 20; [u-] engliscli, diphthongisch 158, 212, Torgescho- benes 157; Verhältnis zu [w] 197, 124; u in Diphthongen 212, 213; [ü] 157.

u im engl, cut 161.

umbrella 156 (S. 151 Anm.).

unbetont, s. schwach.

ungerundete Vokale 21, 148, 150, 152, 154—156, 161—163.

unilateral 38.

Unterfläche der Zunge 27,

Unterkiefer 26.

Unterlippenlaute 18 ff.

[v] 126, 18, 79; statt [5] 34; Fortfall 208; \x>] 125, 14.

Velar 29, 44—46.

Velarisierung 113.

Velum 29, 56—64.

Verdoppelung 204, (166), 187, 189.

Verschiebungen, zeitliche 61, 177, 96 f,; in Silben 198ff., von Druck 218 ff,

Verschluß, Lippen 11, Zunge 30f., 40 46, Gaumensegel 57, Stimmbänder 69, 76 f.; Wesen der Verschlußlaute 166; Stimmverhältnisse 98 105; Zu- sammentreffen von Verschlußlauten 167.

Vibrant, s. gerollt,

Visarga 93.

Vokale, Definition 116; Vokalsysteme 144 147; die einzelnen Vokale 148 bis 163; Lippenstellungen 20ff. ; Zungen- spitzenstellungen 39, Zungenflächen- Stellungen 52ff., Gaumensegelstellungen 57 ff., Stimmbänderstellungen 87.

Vokaleinsätze 76, 88 ff.

Vokalharmonie 177 Anm.

Vokallänge, s, Dauer.

volle Wörter 219,

Vordergaumenlaute 29, 40 f., 43, 47 f.

Vordersätze, Ton 244 f.

Vorderzunge 27 ; Vorderzungenkonso- nanten 40 ff., Vorderzungenvokale 148 ff. Vorstülpen der Lippen 17, 22 f.

[w] und [m] 124, 13, 95, 213; Verhältnis zu [u] 197, 213; statt r 139; statt [vw] 208.

10 deutsches 125, 14, 18.

warmpth 178.

weich 105.

weit 146, 62, 64.

Wertdruck 218 ff.

wh 95, 124.

Wide 146, 62, 54.

Wort 210.

Wortdruck 216 ff.

Wortton 249 f.

[x] 130, 49, 84.

[y] und.[y] 149; [q] 213.

year 198.

your, yours 168.

[z] 127, 33, 80, 97; statt r 138. [S] 128, 47, 81; aus [zj] u. dergl. 174. ^ (analphabetisch) 107. Zahnflächenlaute, Zahnlaute 29; vgl,

Zungenspitze. Zäpfchen als Artikulationsstelle 46, 50;

als artikulierendes Organ 65; Zäpf-

chen-r 140 ff., 65 (50). Zischlaute 33, 47, 127 f, Zitterlaute, s. gerollte Laute. Zunge, Einteilung 27. Zungenblatt 27, 32 (40). Zungenfläche 27, 40—55. Zungenrücken 27. Zungenspitze 27, 30—39. Zusammenfassen durch Druck 222 ff. Zusammengesetzt, jeder Sprachlaut 112. Zusammensetzungen 183. zweigipflig 202. Zwerchfell 107.

Die analphabetischen Zeichen.

JfocTiffcaaru^

Lateinische Buchstaben (:a bis :1) bezeichnen die Artikulationsstellen s. § 17, 19, 29; werden entweder als Exponenten oben angebracht oder mit : ver- sehen (:a usw.); Zwischenstandpunkte (:ab = näher an :a als an :b usw.; b|c genau in der Mitte zwischen :b und :c) s. S. 17 Anm. Bedeutung eines Punktes neben dem Exponenten (yl'^ u. dergl.) s. § 28, 47.

Griechische Buchstaben (o: bis J) bezeichnen die artikulierenden Organe: a Lippen § 11; ß Zungenspitze § 27; y Zungenfläche § 40; d Gaumensegel § 56; f Stimmbänder § 67; ^ Atmungsorgane § 107. Nebenzeichen A Unter- kiefer § 26; z; Zäpfchen § 65.

Zahlzeichen (neben a, |3, y, 8, s stehend) bedeuten Grad und Form der Öffnung: 0 Verschluß § 11; 1 und 2 Enge, 1 rillenförmige und 2 spaltförmige, s. §14, 33, 34; 82 § 58; £l Stimme § 70, f2 Hauch § 74; 3 usw. größere Öft'- nungen: d:3, o;5, al runde Lippenöffnungen § 20, «4, «6, 0:8 spaltförmige Lippenöffnungen §21; y3, y5, y7 dünne Zungenflächenöffnungen, y4, y6, y8 breite Zungenflächenöffnungen §52 54; 8'd größte Senkung des Gaumen- segels § 60; f3 Blasen § 74. Zwischenstufen (12 zwischen 1 und 2 usw.) s. S. 21 Anm.

Mit den Zahlzeichen parallel stehen I für Seitenöffnungen § 15, 38 (sl Flüstern § 73), K für Rollen oder Schnurren § 16, 36, 65, 72 (und V für Kesselraum, S. 48 Anm. 1).

Zahlzeichen, neben ^ stehend, bedeuten Druckabstufungen, § 107.

Punkt bezw. Doppelpunkt (. oder . .) bedeutet Verweilen in der Stellung, s. S. 61 und § 181.

Strich (— ) bedeutet Bewegung oder Gleiten, § 23; wird die betreffende Stellung nicht erreicht, so wird das durch ( bezeichnet, vgl. §88 und über () §61, 97.

Berichtigung. S. 80 Anm. 1: eines ursprünglichen Tones, lies: aus einem ursprünglichen Tone.

DEUCK VON B. G. TEUBNER IN LEIPZIG.

VERLAG VON B. G. TEUBNER IN LEIPZIG.

W. VIETOR:

DEUTSCHES LESEBUCH IN LAUTSCHRIFT.

ALS HÜLFSBUCH ZUR ERWERBUNG EINER

MUSTERGÜLTIGEN AUSSPRACHE.

L TEIL: FIBEL UND ERSTES LESEBUCH.

[XII u. 159 S.] 8. 1899. In Leinwand geb. M. l- 2. Auflage. (In Vorbereitung.)

IL TEIL: ZWEITES LESEBUCH.

[VI u. 139 S.] 8. 1902. In Leinwand geb. JC 3.

Der Marburger Universitätsprofessor Vietor, weiteren, für die Lautschrift interessierten Kreisen bereits durch seine Aussprache des Schriftdeutschen " vorteilhaft bekannt, bietet hier ein Hilfsbuch zur Erwerbung einer mustergültigen Aussprache des Hochdeutschen. Wir wünschen dem Buche besten Erfolg.

Anz. f. d. neueste pädagog. Literatur. 1899. Nr. 47.

SKIZZEN LEBENDER SPRACHEN

HERAUSGEGEBEN VON W. VIETOR.

I. NORDENGLISCH: NORTHERN ENGLISH

BY R. J. LLOYD: PHONETICS. GRAMMAR. TEXTS.

[VI u. 127 S.] 8. 1899. geb. Ji. 7,-

IL PORTUGIESISCH: PORTUGAIS

VON A. R. G. VIANNA: PHONETIQUE ET PHONOLOGIE.

MORPHOLOGIE. TEXTES.

[VI u. 148 S.] 8. 1903. geb. Ji. äi.—

m. HOLLÄNDISCH

VON R. DIJKSTRA: PHONETIK. GRAMMATIK. TEXTE.

[VI u. 105 S.] 8. 1903. geb. Jl. 3.60.

Die „Skizzen lebender Sprachen", denen Sweets klassisches „Elementarbuch des gesprochenen Englisch", d. h. Londonisch, im großen und ganzen als Muster dient, sollen knappe, übersichtliche Darstellungen der Lautlehre und Grammatik, die durch möglichst mannigfaltig gewählte Texte erläutert und belebt werden, bringen.

E.-E.-B. LACOMBLE,

PROFESSEUR A L'eCOLK MOYENNE d'AUNHEM.

HISTOIRE DE LA LITTERATURE FRANQAISE.

Edition. [107 S.] 1903. gr. 8. geb. M 1.80.

Diese Geschichte der französischen Literatur in etwa 100 Seiten will eine kurze, doch zugleich möglichst vollständige Darstellung dieser Literatur bieten. Statt eine dürre Aufzählung von Namen, Data und Fakta zu geben, welche das Gedächtnis des jungen Lesers nur ermüdet und den Reiz eines notariellen Inventars besitzt, hat Verfasser geglaubt, in den Geist der Schriftsteller und ihrer Werke eindringen und dartun zu müssen, wie sie die Träger der Ideen sind, welche der französischen Literatur ihren unverkennbaren Wert Verleiher, sodann diese Hauptströmungen so viel wie möglich von ihrem Ursprung an verfolgen zu müssen jnd solches hauptsächlich für das 17. und 19. Jahrhundert, welche beiden Perioden ohne Zweifel vom literarischen Standpunkte für Frankreich am wichtigsten sind.

VERLAG VON B. G. TEUBNER IN LEIPZIG.

SAMMLUNG NEUPHILOLOGISCHER VORTRÄGE UND ABHANDLUNGEN.

HERAUSGEGEBEN VON WILHELM VIETOR.

PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MARBURG.

Bisher sind erschienen:

MICHEL JOUFFRET, professeur au lycäe de Marseille, DE HUGO Ä MISTRAL. LEgON SUR LA POfeSIE FRANgAISE CONTEMPORAINE. [VI u. 104 S.] 8. 1902. geh. Ji 1.80.

ROBERT SHINDLER, m. a., ON CERTAIN ASPECTS OF RECENT ENGLISH LITERATURE. SIX LECTURES. [VI u. 112 S.] 8. 1902. geh. Ji. 1.80.

WILHELM VIETOR, DIE METHODIK DES NEUSPRACH- LICHEN UNTERRICHTS. EIN GESCHICHTLICHER ÜBER- BLICK ETC. [VI u. 56 S.] 8. 1902. geh. M. i.—

Weitere Hefte der Sammlung befinden sich in Vorbereituung.

Immer mehr wird als vornehmste Aufgabe der neuen Philologie erkannt, das gegen- seitige Verständnis der Kulturfragen auf allen Gebieten des geistigen und materiellen Lebens zu fördern. Diesem Zweck dient auch die vorliegende Sammlung. Sie bietet in deutscher, französischer oder englischer Sprache solche Vorträge und Abhandlungen, welche geeignet sind, ein tieferes Verständnis des fremden Volkes, seiner Sprache und Literatur, seiner Sitten und Einrichtungen, seiner wirtschaftlichen und geistigen Entwickelung zu vermitteln. Die Themata sind zum Teil solche, wie sie in Deutschland, Frankreich, England, der französischen Schweiz und in anderen Ländern für die Ferienkurse ausgewählt zu werden pflegen. Sie werden dazu beitragen können, deren Wirkung zu vertiefen und insbesondere den dort gebotenen Lehrstoff festzuhalten. Denen, die an solchen Veran- staltungen nicht teilnehmen können, können sie als ein gewisser Ersatz dienen. Darüber hinaus bieten sie jedem, dem die Kenntnis der fremden Kultur ein Bedürfnis ist, reiche Anregung und Belehrung. Vor allem wird das ausgewählt, was den Deutschen und Fremden überhaupt interessiert, wobei auch die Fragen des neusprachlichen Unterrichts besondere Berücksichtigung finden.

BRUNO EGGERT:

PHONETISCHE UND METHODISCHE

STUDIEN IN PARIS

ZUR PRAXIS DES NEUSPRACHLICHEN UNTERRICHTS.

[Vni u. 110 S.] gr. 8. 1900. geh. JC 2.40.

Der Verfasser bietet Beobachtungen und Studien, die er in Paris gemacht hat. Er berücksichtigt dabei in erster Linie die Bedürfnisse des französischen Unterrichts in Deutsch- land und gibt allen Neuphilologen wertvolle Anregungen, wie die praktischen Fähigkeiten des Sprechens und Verstehens systematisch ausgebildet werden können.

OSCAR THIERGEN:

METHODIK DES

NEUPHILOLOGISCHEN UNTERRICHTS.

MIT FÜNF ABBILDUNGEN IM TEXTE. [VIII u. 183 S.] gr. 8. 1992. geh. JC 3.60, geb. JL 4.20.

„Das Buch behandelt zunächst die Vorbereitung des Lehrers der fremden Sprachen auf seinen Beruf. Besonders berücksichtigt ist dabei der Aufenthalt im Auslande. Man er- kennt sofort, daß alle Ausführungen zu diesem Punkte auf reichen Erfahrungen und feinen Beobachtungen beruhen. Man merkt es dem Buche sofort an, daß es eine Zusammenfassung alles dessen ist, was ein tüchtiger Schulmann in langen Jahren treuer Lehrerarbeit an Er- fahrungen gesammelt. .hat. Angenehm berührt der vermittelnde Standpunkt, den der Verfasser einnimmt. Über den Vorzügen der Reformmethode vergißt er keineswegs die der grammatischen und weist energisch darauf hin, daß nur in einer Verbindung der ersteren und letzteren Methode zu einer vermittelnden das wahre Heil des fremdsprachlichen Unter- richts liegt." Allgem. Deutsche Lehrerzeitung. Nr. 4/5. 1903.

„Der Verfasser verdient um so mehr die Beachtung der Fachkollegen, als er die Erfahrungen einer fünfundzwanzigjährigen Praxis im Leben der Mittelschulen in dem Werke

niedergelegt hat Das Werk bildet einen Wegweiser besonders für jüngere, aber auch

ein zu neuem Streben anregendes Nachschlagebuch für erfahrenere Neuphilologen.

Zeitschrift f. lateinl. höh. Schulen, 9. Heft, XIV. Jahrg.

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