HX64141365 IP514 .Hl 82 1899 Lehrbuch der physiol RECAP Columbia ÖBnitJersütp^^^^ College of ^hV^itmnä anti ^urgeong From the Library of PROFESSOR PHILIP HANSON HISS 1868-1913 Donated by Mrs. Philip Hanson Hiss ••••* ...- r% LEHRBUCH DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE. Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from Columbia University Libraries http://www.archive.org/details/lehrbuchderphysi1899hamm LEHRBUCH DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE OLOF HAMMARSTEN, O. Ö. PROFESSOR DER MhDIZINISCHEN UND PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE AN DER UNIVERSITÄT UPSALA. VIERTE VÖLLIG UMGEARBEITETE AUFLAGE. MIT EINER SPEKTRALTAFEL. WIESBADEN. VERLAG VON J. F. BERGMANN. 1899. Das Recht der Übersetzung bleibt vorbehalten. Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Wilrzburg. Vorwort zur zweiten Auflage. Nach dem Erscheinen der ersten schwedischen Auflage dieses Lehr- buches wurde ich von mehreren Fachgenossen im Auslande aufgefordert, eine deutsche Uebersetzung derselben zu besorgen, was mir indessen aus mehreren Gründen damals nicht möglich war. Da ich nun nach dem Erscheinen der zweiten Auflage wiederum von vielen Kollegen eine ähnliche Aufforderung erhielt, wurde es mir sehr schwer, einen solchen \'orschlag noch ein Mal abzulehnen. Ich gab also dem ausgesprochenen Wunsche nach, fand aber nach einiger Zeit, dass es, trotz dem uner- müdlichen Bestreben meines Verlegers, nicht möglich war, unter den Fachmännern einen Uebersetzer zu finden. Es blieb mir also nichts Anderes übrig als die Uebersetzung selbst zu machen , und ich darf daher bitten, etwaige Mängel im deutschen Ausdruck und orthographische Inkonsequenzen dem Ausländer freundlichst nachsehen zu wollen. Das vorliegende Buch ist, wie der Fachmann alsbald erkennen wird, kein ausführliches Lehrbuch. Seine Aufgabe war nur die, den Studirenden und Aerzten eine kurzgedräugte , so weit möghch objektiv gehaltene Darstellung der Hauptergebnisse der physiologisch- chemischen Forschung wie auch der Hauptzüge der physio- logisch-chemischen Arbeitsmethoden zu liefern. Wenn ich dabei, trotzdem das Buch als Lehrbuch der physiologischen Chemie bezeichnet wurde, in ihm auch den wichtigeren pathologisch-chemischen Thatsachen einen Platz eingeräumt habe, so bin ich einer gewöhnlichen, wie es mir scheint zweckmässigen, wenn auch nicht ganz korrekten Praxis gefolgt. Die Anordnung des Stoffes, welche von der in den Lehrbüchern sonst üblichen nicht unwesentlich abweicht, hat ihren Grund in der Art und Weise, wie die physiologische Chemie in Schweden studirt wird. Es sind nämlich hier physiologisch- und pathologisch-chemische Uebungen im Laboratorium für alle Studenten der Medizin obligatorisch; und bei der Anordnung dieser Uebungen habe ich stets mein Augenmerk darauf gerichtet, dass sie nicht als freistehende, rein chemische oder analytisch- chemische Aufgaben aufgefasst werden , sondern stets so weit möglich mit dem Studium der verschiedenen Kapitel der chemischen Phj'siologie Hand in Hand gehen. Dem Studium der physiologisch-chemischen Prozesse im Thierkörper muss nämlich das Studium der Körperbestand theile, Säfte und Gewebe vorausgehen ; und dieses letztere Studium wird nun seinerseits, nach meiner Erfahrung, erst dann von wahrem Interesse und wirkt erst dann wirklich anregend, wenn an dasselbe das Studium der physiologischen Bedeutung dieser Bestandtheile wie auch der chemi- schen Umsetzungen in den Säften und Geweben auf das Engste sich anschliesst. Um indessen bei dieser Anordnung des Stoffes das Handhaben meines Buches bequemer und angenehmer für solche Leser zu machen, welche von dem analytisch-chemischen Theile desselben keine Kennt, niss zu nehmen wünschen, habe ich diesen Theil durch undurchschossene Schrift besonders herausgehoben. Mit Ausnahme der in praktischer Hinsicht besonders wichtigen Harnanalyse, welche etwas ausführlicher behandelt worden ist, habe ich in diesem Theile im Allgemeinen nur die Hauptzüge der Darstellungsmethoden und der analytischen Methoden angegeben. Der Lehrer, welcher die Uebungen im Laboratorium leitet und die Aufgaben auswählt, hat nämlich reichlich Gelegenheit, den Anfängern die nöthigen weiteren Fingerzeige zu geben, und für die Ge- übteren und die Fachmänner sind ausführlichere Angaben durch die vortrefflichen Werke von Hoppe-Seyler, Huppert-Neubauer u. A. überflüssig geworden. Upsala im Oktober 1890. Olof Hammarsten. Vorwort zur dritten Auflage. Die vorliegende Auflage weicht hinsichtlicli der Anordnung des Stoffes darin von der zweiten ab, dass drei neue Kapitel hinzugekommen sind. Die grossartige Entwickelung , die unsere Kenntniss von der Chemie der Kohlehydrate in der letzten Zeit erfahren hat, machte näm- hch ein besonderes Kapitel über diese Stoife noth wendig; und da hiermit den zwei Hauptgruppen organischer Nährstoffe, den Proteinstoffeu und den Kohlehydraten, besondere Kapitel gewidmet worden, blieb kaum anderes übrig, als auch die dritte Hauptgruppe, die Fette, in einem besonderem Kapitel zu besprechen. Ebenso erschien es angemessen, den ziemlich umfassenden Abschnitt über die Chemie der Respiration nicht wie vorher zusammen mit dem Blute, sondern als besonderes Kapitel zu behandeln. Eine andere Abweichung von dem den früheren Auflagen zu Grunde liegenden Plane ist ferner die, dass die vorliegende Auflage, einem von vielen Seiten ausgesprochenen Wunsche gemäss, mit Litteraturhinweisungen versehen ist. Uebrigens ist die neue Auf- lage gründlich umgearbeitet und den Fortschritten der Wissenschaft entsprechend vermehrt worden, wobei ich jedoch selbstverständlich mehrere während des Druckes erschienene oder mir zugänglich ge- wordene Aufsätze leider nicht habe berücksichtigen können. Upsala im April 1895. Olof Hammarsten. Vorwort zur vierten Auflage. Da dieses Buch kein ausführliches Handbuch, sondern nur ein für Studirende und Aerzte bestimmtes, ziemlich kurzgefasstes Lehrbuch ist, habe ich es bei dem Ausarbeiten dieser neuen Auflage als sehr wünschens- werth erachtet, den Umfang des Buches wenn möglich nicht zu ver- grössern. In Anbetracht des gewaltigen, im Laufe der letzten vier Jahre neu hinzugekommenen Materiales ist diese Aufgabe eine sehr schwierige gewesen, deren Durchführung nur dadurch ermöglicht wurde, dass ich theils mehrere ältere, im Lichte der neuen Forschung unhaltbar oder überflüssig gewordene Angaben ausgehen liess, und theils mehrere in der vorigen Auflage uuuöthig breit geschriebene Stücke oder Abschnitte entsprechend abgekürzt habe. Hierdurch ist natürlich eine gründliche Revision sämmtlicher und eine fast vollständige Umarbeitung einzelner Kapitel nothwendig geworden. Durch eine neue, mehr rauraersparende Anordnung der Fussnoteu konnte auch die Anzahl der Litteraturhin- weisuugen gebührend vermehrt werden. Im Uebrigen ist der .Plan des Buches unverändert geblieben. Upsala, den 17. April 1899. Olof Hammarsten. Kapitelübersicht. Seite Erstes Kapitel. Einleitung 1 Zweites Kap i tel. Die Protei Qstoffe 16 Drittes Kapitel. Die Kohlehydrate 69 Viertes Kapitel. Das Thierfett 92 Fünftes Kapitel. Die thierische Zelle 100 Sechstes Kapitel. Das Blut 124 Siebentes Kapitel. Chylus, Lymphe, Transsudate und E.xsudate 184 Achtes Kapitel. Die Leber 207 Neuntes Kapitel. Die Verdauung 251 Zehntes Kapitel. Gewebe der Bindesubstanzgruppe 321 Elftes Kapitel. Die Muskeln 338 Zwölftes Kapitel. Gehirn und Nerven 365 Dreizehntes Kapitel. Die Fortpflanzungsorgane 377 X Kapitelübersicht. Seite Vierzehntes Kapitel, Die Milch 393 Fünfzehntes Kapitel. Der Harn 415 Sechzehntes Kapitel. Die Haut und ihre Ausscheidungen 535 Siebzehntes Kapitel. Chemie der Athmung 545 Achtzehntes Kapitel. DerStoffweehsel bei verschiedener Nahrung und der Bedarf des Menschen an NahrungsstofTen 562 Nachträge 614 Sachregister 632 B e r 1 c h t i g II 11 g e II. Seite 80 Zeile 135 „ 135 ,, 154 „ 251 ,. 4 4 7 15 13 von unten lies : EüBNEK ist. ist). c, El , von den statt BUBNER. ,, ist). ., ist. " E ■ ,. von, den. 281 „ 10 ,, ,, Milchsäureraenge ,, Michsiiuremenge. 408 „ 11 von oben j, 2 und 4 p m. „ 20 und 40 p. m ., 427 „ 15 von unten ,, 72 „ 7,2. 448 ., 5 ,, ,, ., genau sich erwiesen ,, erwiesen. ., 601 ., 17 von oben „ chemische Wärmeregulation „ Warnieregulatinn. orgaiige in der Pflanze. Erstes Kapitel. Einleitung. Aus dem Gesetze von der Erhaltung der Materie und der Kraft ergiebt sich, dass die lebenden Wesen, die. Pflanzen und Thiere, weder eine neue Materie hervorbringen, noch eine neue Kraft erzeugen können. Sie sind nur darauf hin- gewiesen, die schon vorhandene Materie von aussen aufzunehmen und zu ver- arbeiten, die schon gegebenen Kraftformen in neue umzusetzen. Aus nur wenigen, ihr als Nährstoffe dienenden, verhältnissmässig einfachen Verbindungen, hauptsächlich Kohlensäure und Wasser nebst Ammoniakverbin- dungen oder Nitraten und einigen Mineralstoffen, baut die Pflanze die ungemein mehr zusamniengerietzten Bestandtheile ihres Organismus — Eiweissstoffe, Kohle- hydrate, Fette, Harze, organische Säuren u. a. — auf. Die chemische Arbeit tTiemisch^ innerhalb der Pflanze muss also, wenigstens der Hauptsache nach, eine Synthese .*ein; aber es kommen in ihr daneben in grossem Umfange auch Reduktions- prozesse vor. Durch die lebendige Kraft des Sonnenlichtes wird nämlich in den grünen Theilen der Pflanze aus der Kohlen,«äure und dem Wasser Sauer- stoff abgespalten und diese Reduktion wird allgemein als Ausgangspunkt der folgenden Synthesen betrachtet. In erster Linie soll nämlich hierbei Formaldehyd entstehen, COg-f H.,0 = CH20-|-0^„ welcher darauf durch Kondensation in Zucker übergeht, der dann zum Aufbau anderer Stoffe dient. Die lebendige Kraft der Sonne, welche die obige Spaltung bewirkt, geht jedoch dabei nicht verloren; sie geht nur in eine andere Kraftform, in die potentielle Energie oder chemische Spannkraft des freien Sauerstoffes einerseits und der durch Synthese entstandenen sauerstoffärmeren Verbindungen andererseits über. Anders liegen die Verhältnisse bei den Thieren. Für ihr Daseiü sind diese entweder direkt, wie die Pflanzenfresser, oder indirekt, wie die Fleisch- fresser, auf die Pflanzenwelt hingewiesen, aus welcher sie die 3 Hauptgruppen organischer Nährsubstanz, Proteinstoffe, Kohlehydrate und Fette aufnehmen. Diese Stoffe, von denen die Proteinsubstanzen und die Fette die Hauptmasse der CiemiscUe festen Stoffe des Thierkörpers darstellen, unterliegen nun ihrerseits in dem thieri. imji'iw" sehen Organismus einer Spaltung und Oxydation, welche als wesentlichste End- produkte gerade die obengenannten sauerstoffreichen und spannkraftarmen Haupt- Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 1 Erstes Kapitel. bestandtheile der Pflanzennahrung. Kohlensiüu-e. Wa.ser und Aramon.akdenvale, liefern Die chemische Spannkraft, ^^•elche theils an den freien Sauerstoff ge- bunden und theils in den obengenannten, zusammengesetzten chemischen Ver- bindungen aufgespeichert ist. wird dabei in lebendige Kraft, in AA arme und mechanische A;beit, umgesetzt. Während in der Pflanze vorwiegend Reduktions- prozes^e und Synthesen, welche mit Umwandlung von lebendiger Kraft in poten- tielle Energie "oder chemische Spannkraft verbunden sind, verlaufen kommen also umgekehrt vorwiegend Spaltungs- und Ox.ydationsprozesse, welche zu einer Umsetzung von chemischer Spannkraft in lebendige Kraft führen, m dem Ihier- ^"'^'üieTer Unterschied zwi.^chen Thieren und Pflanzen darf jedoch nicht über- schätzt oder so gedeutet werden, als bestände ein scharfer Gegensatz zwischen ihnen Dies ist nicht der Fall. Es giebt nicht nur niedere, chlorophyllfreie Pflanzen, welche hinsichtlich der chemischen Prozesse gewissermassen Zwischen- ,- . , , alieder zwischen höheren Pflanzen und Thieren darstellen, sondern es sind über- S^-Sbautdie zwischen höheren Pflanzen und Thieren bestehenden Unterschiede aS ST quantitativer als qualitativer Art. Wie für die Thiere ist auch i.r die --""Pflanzen der Sauerstoff unentbehrlich. Wie das Thier nimmt auch d.e Pflanze _ im Dunkel und durch ihre nicht chlorophyllführenden Theile - Sauerstoff auf und scheidet Kohlensäure aus, während im Lichte in den grünen The.leii der Oxydationsprozess von dem intensiveren Reduktionsvorgange verdeckt wird. Wie die Thiere setzen auch die Gährung erzeugenden Pilze chemische Spann- kraft in lebendige Kraft, in Wärme, um; und selbst bei einigen höheren Pflanzen _ wie bei den Aroideen bei der Fruchtsetzung - ist eine nicht unbedeutende Wärmeentwickelung beobachtet worden. Umgekehrt finden im Thierorgan.smus „eben Oxydationen und Spaltungen auch Reduktionsprozesse und Synthesen statt De; Gegensatz, welcher anscheinend zwischen Thieren und Pflanzen sich vorfindet, besteht also eigentlich nur darin, dass bei jenen vorwiegend Oxydations- und Spaltungsprozesse, bei diesen dagegen vorwiegend Redukt.onsprozesse und Synthesen bisher beobachtet worden sind. , . . , ■ Das erste Beispiel synthetischer Prozesse innerhalb des thienschen Organismus lieferte Wöhlek^ im Jahre 1824, indem er zeigte class in den Magen eingeführte Benzoesäure nach einer Paarung mit Glykoko 1 Amidoessigsaure) als Hippursäure im Harne wieder erscheint. Nach der Entdeckung dieser Syn- these welche durch die folgende Gleichung ausgedrückt wer.len kann C H COOH + NH. . CH. . COOH=KH(CVH, . CO) . CH, . COOH + H.O ' Hon.oi.s-uue Glykokoll Hippursäure und welche gewöhnlich als Typus einer ganzen Reihe von anderen, mit Wasser- austritt verbundenen, im Thierkörper verlaufenden Synthesen betrachtet wird. sv„..,ese.. ist die Zahl der bekannten Synthesen im Thierreiche «"^f 'f ;^'^^"'""^. ;;'; Z:^^- mehrt worden. Viele dieser Synthesen hat man auch ausserhalb des Organismus 1 , BEHZELirs, Lehrb. .1. Cheu.ie. ül.ersot.t v„n WAULKR. 4. D>e.,leu 1831. i?. 350. -■^.bth. 1. Thieiisohe Oxvtlalioncn. künstlich duichgefuhrt und wir werden in dem Folgenden wiederholt thierisclie Synthesen kennen lernen, über deren Verlauf wir völlig im Klaren sind. Ausser diesen näher studirten Synthesen kommen jedoch im Thierkörper auch andere solche vor, welche unzweifelhaft von der allergrössten Bedeutung für das Thier- lelien sind, über deren Art wir aber nichts Sicheres wissen oder höchstens Ver- niuthungen liegen können. Zu diesen Synthesen sind beispielsweise zu zählen: die Neubildung des rothen Blutfarbstoffes (des Hämoglobins), die Entstehung der verschiedenen Eiweissstoffe aus dem sogenannten Pepton, die Ftttbildung aus Kohlehydraten u. a. Früher war man allgemein der Ansicht, dass die thierischen Oxj'- dationen vorwiegend in den thierischen Säften verlaufen, während man heut- zutage, namentlich in Folge der Untersuchungen von Pfi-üger und seinen Schülern'), der Meinung ist, dass sie an die Formelemente und Gewebe ge- '^Ij'tio,fJ,j bunden sind. Wie aber diese Oxydationen in den Formelementen verlaufen ^^^Jf p™ '" und durch welche Mittel sie zu Stande kommen , darüber weiss man nichts «■'«m«"*'?"- Sicheres. Wenn ein Stoff von dem neutralen Sauerstoffe bei gewöhnlicher Temperatur oder bei Körpertemperatur oxydirt wird, nennt man den Stoff leicht oxydabel oder autoxydabel und den Vorgang nennt man eine direkte Oxydation oder Autoxydation. Kun ist der Sauerstoff der Luft wie auch derjenige des Blutes neutraler, molekularer Sauerstoff und die alte Annahme, dass in dem Organismus Ozon vorhanden sei, hat man, als aus mehreren Gründen unhaltbar, fallen lassen. Andererseits sind aber auch die Hauptgruppen der organischen Nähr- stoffe — Kohlehydrate, Fett und Eiweiss — von denen die zwei letztgenannten Oxyiia- " tiolicii. die Hauptmasse des Thierkörpers darstellen , keine autoxydablen Substanzen. Sie sind im Gegentheil bradoxydable (Traube) oder dysoxydable Stoffe. Sie sind also dem neutralen Sauerstoffe gegenüber fast indifferent, und es fragt sich demnach, wie eine Oxydation dieser und anderer dysosydablen Stoffe im Thierkörper überhaupt möglich sei. Zur Erklärung nimmt man sehr allgemein eine Aktivirung des Sauer- stoffes und eine hierdurch bedingte sekundäre Oxydation an. Bei der Aut- oxydation findet nämlich, wie man allgemein annimmt, eine Spaltung von neu- tralem Sauerstoff statt. Die autoxydable Substanz spaltet das Sauerstoffmolekül -A^ktiviiuug des Sauer- und verbindet sich mit dem einen Sauerstoffatome , während das andere, frei- stotTes. gewordene Atom als aktiver Sauerstoff die Oxydation von gleichzeitig vorhan- denen dysoxydablen Substanzen bewirken kann. Eine solche, erst sekundär eintretende O.xydation nennt man eine indirekte oder sekundäre Oxydation. Durch die Annahme einer solchen Aktivirung des Sauerstoffes mit sekundärer Oxydation hat man nun in verschiedener Weise die thierischen Oxydationen zu erklären versucht. 1) Man vergl. hierüber besonders die Aufsätze von Pflüger in .«einem .\ii1m\ (< und 10; die .Aufsätze von FiKKLER, ebenda 10 und 14, nnd von Oektman ebenda 11 und 15. Verj;]. aueli IIoppe-Seyler in PflÜGER's Arehiv 7. 1* 4 Ersres Kapitel. Von Pflüger und mehreren anderen Forschern wird die Ursache der thierischen Oxydationen in der besonderen Beschaffenheit des Protoplasmaeiweisses gesucht. Diese Forscher bezeichnen das Eiweiss ausserhalb des Organismus wie auch das in den Säften cirkulirende Eiweiss als „todtes Eiweiss" demjenigen Eiweiss gegenüber, welches durch die Arbeit der lebenden Zelle entweder in lebendiges Protoplasma (lebendiges Eiweiss nach Pflüger) oder in eine beson- dere, aktive Eiweissform (aktives Eiweiss nach Loew) übergeführt worden ist. Ltbeudises. Yjg^^ nimmt nun ferner au, dass dieses lebendige oder aktive Protoplasmaeiweiss, t'odte"" ,ig„, todten" gegenüber, durch eine grössere Beweglichkeit der Atome innerhalb Eiweiss. " t> f. ..t . • i l l TT des Moleküles und somit durch eine grössere Neigung zu mtramolekularer Um- lagerung der Atome charakterisirt sein soll. Öie Ursache dieser grösseren inneren Beweglichkeit hat Pflüger in dem Vorhandensein von Cyan, LoEW in dem Vorhandensein von Aldehydgruppen und LathamI) ;„ Jer Gegenwart einer Kette von Cyaualkoholen im Eiweissmoleküle gesucht. In dieser Verschiedenheit zwischen Eiweiss in gewöhnlichem Sinne und lebendigem Protoplasmaeiweiss sieht Pflüger eine Ursache der thierischen Oxy- dationsprozesse, welche mit der Oxydation des Phosphors in sauerstoffhaltiger Luft gewisse Aehnlichkeit zeigen. Bei dem letztgenannten Prozesse wird nicht nur der Phosphor selbst oxydirt, sondern er kann auch, indem er Sauerstoff- o.^ydation moleküle spaltet und Sauerstoffatome (aktiven Sauerstoff) in Freiheit setzt, eine leb'emii'ges indirekte oder sekundäre O.xydation von anderen, gleichzeitig vorhandenen Stoffen Eiweiss ^^g^^j^j.g|j jij analoger Weise würde auch das lebendige Protoplasmaeiweiss, welches nicht wie das todte Eiweiss dem neutralen Sauerstoffe gegenüber in- different sich verhält, Sauerstoffmoleküle zerlegen können, wodurch es einerseits selbst oxydirt werden und andererseits durch die freigewordenen Sauerstoffatome eine sekundäre Oxydation von anderen, schwer oxydablen Substanzen ermög- lichen könnte. In dieser Weise kann nach Pflüglr eine Aktiviruug des Sauerstoffes bewirkt werden. Eine solche kann aber nach O. Nasse auch durch eine Hydroxylirung der Bestandtheile des Protoplasmas unter Spaltung von Wasser- molekülen zu Stande kommen. Schüttelt man Benzaldehyd mit Wasser und Luft, so findet eine Oxydation des Benzaldehydes zu Benzoesäure statt, während gleichzeitig anwesende oxydable Körper auch oxydirt werden können. Gleich- zeitig anwesende Jodkaliuinstärke o während andere nicht giftig sind. Die giftigen nennt man nach dem Vorschlage Beieger's Toxine. Die Entstehung von Toxinen bei den durch Fäulnissmikrobien bewirkten Zersetzungen legte die Vermuthung nahe, dass die bei den Infektionskrank- heiten wirksamen niederen Organismen auch giftige Substanzen erzeugen, welche durch ihre Wirkungen irgend» welche der dabei auftretenden Symptome oder Symptomenkomplexe hervorrufen können. Briegee, welcher um das Studium dieser Frage sich sehr verdient gemacht hat, ist es auch gelungen, aus Typhus- Toxine 1) Selmi, suUe ptomaine od alcaloidi cadaverici e loro importauza in tossicologia, Bologna 1878 nach Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 11. Correspond. v. H. SCHIFF; Brieger, Ueber Ptomaine. Thcil 1, 2 und 3. Berlin 1885 — 1886; A. Gautier, Traite de chimie appliquec h la Physiologie 2. 1873 und Compt. reud. 91 2) Ueber die Zersetzung der Gelatine etc Bern 1876. 3) Yergl. Briegek, Berlin, klin. AVochenschr. 1887; B.\rMANN und Udranszky, Zeitschr. f. physiol. t'bem. 13 und 15 ; Brieger und Stadthages, Berl. klin. Wochenschr. 1889. 14 Erstes Kapitel. Giftige Eiweiss- stoffe. Toxal- kulturen eine auf Thiere giftig wirkende Bubstanz, das TypJioio.ri», zu isoliren, und aus Tetanuskulturen wie auch aus dem amputirten Arme eines an Wund- starrkrampf erkrankten Patienten hat er eine andere Substanz, das Tetanin, dargestellt, welches Thiere unter Symptomen von ausgebildetem Tetanus tödtet'). Wie oben erwähnt, stehen die chemischen Vorgänge bei Thieren und Pflanzen nicht wie Gegensätze einander gegenüber; sie bieten zwar Verschieden- heiten dar, sind aber im Grunde in qualitativer Hinsicht einerlei Art. Alle lebende Zellen der Thier- und Pflanzenwelt sind, wie Pflügee sagt, blutsver- wandt, aus derselben Wurzel stammend ; und wenn die einzelligen pflanzlichen Organismen die Proteinstoflfe derart zerlegen können, dass giftige Substanzen entstehen, warum würde denn nicht auch der Thierkörper, der doch nur ein Komplex von Zellen ist, unter physiologischen Verhältnissen ähnliche Stofte erzeugen können? Es ist in der That auch längst bekannt, dass der Thierkörper einer solchen Fähigkeit mächtig ist; und als allgemein bekannte Zeugnisse dieser Fähigkeit können verschiedene stickstoff^haltige Extraktivstoffe und die giftigen Bestandtheile der Sekrete einiger Thiere genannt werden. Solchen Stoffen basischer Natur, welche regelmässig und unaufhörlich als Zersetzungs- produkte der Proteinsubstanzen im lebenden Organismus entstehen, und welche ; folglich als physiologische Stoffweehselprodukte anzusehen sind, hat Gautier, zum Unterschied von den durch Mikrobien erzeugten Ptoniainen und Toxinen, den Namen Leulcomdine gegeben. Derartige Stoffe, zu denen mehrere längst bekannte thierische Extraktivstoffe zu rechnen sind, hat Gäutiee besonders aus thierischen Geweben, wie den Muskeln, isolirt. Die bisher bekannten Leu- koma'ine, von denen auch einige in kleinen Mengen giftig sind, gehören, wie es scheint, der Cholin-, der Harnsäure- und der Kreatiningruppe an. Auch den Leukomai'nen hat man eine gewisse Bedeutung als Krankheits- erreger zuerkennen wollen. Man hat nämlich angenommen, dass diese Stofl'e, wenn sie in Folge einer unvollständigen Exkretion oder Oxydation im Körper sich anhäufen, zu einer Autointoxikation Veranlassung geben könnten (Bou- CHAED U. A.^). Die Toxine und die giftigen Leukomaine sind indessen weder die einzigen noch die heftigsten Gifte, die von der Pflanzen- und Thierzelle erzeugt werden. Die Untersuchungen der neueren Zeit haben nämlich gelehrt, dass sowohl höhere Pflanzen wie Thiere giftige Stoffe von, wie man allgemein annimmt, eiweiss- artiger Natur produziren. Derartige giftige Stofte sind beispielsweise aus den Abrus- und Ricinussamen wie aus dem Gifte von Schlangen, Spinnen und anderen Thieren isolirt worden. Von ganz besonderem Interesse sind in- ') Vergl. Briegeu, VinOHOW's Aroh. 112 uml 115: ferner Sitzungsber. <1. ]ierl. Akad (1. W. 1880 und Berl. kliu. AVochenschr. 1888. 2) liull. soc cliim. 43 und A. Gaütier, Sur les alealoidcs derives de la destruolion baetericnne ou jihysiologique des tissus animaux. Paris 1886. •^) BoccilAF.D, Leeons sur les auto-intoxieations dans les raaladies. Paris 1887. Toxalbuiuine. 15 dessen die vou pathogenen Mikroorganismen erzeugten giftigen Eiweissstotfe. Es sind nämlich aus den Kulturen verschiedener pathogener Mikrobien wieder- holt Stoffe isolirt worden, die ausserordentlich giftig sind und die das Krank- heitsbild der fraglichen Infektion weit genauer reproduziren als die Toxine. Dergleichen Stoffen, deren Eiweissnatur indessen nicht über alle Zweifel erhaben ist, hat mau nach dem Vorschlage von Brieger und Fränkel den Namen Toxalhnmine gegeben. Von nicht geringerem Interesse ist es aber, dass man auch eiweissartige Stoffe kennen gelernt hat — die sogenannten Älexine oder Schufzstoffe im Blutserum — welche eine bakterientödtende, bactericide, Wirkung ausüben können. Auf der anderen Seite giebt es aber auch Stoffe von angeblich eiweiss- artiger Natur, die dem Thierkörper entweder Immitnität gegen die Infektion „„""^^^1.* mit einer bestimmten Mikrobie oder Schutz gegen das von derselben Mikrobie f=stigkeit. erzeugte Gift, sogenannte Giftfestiglxif, ertheilen. Die ausserordentlich grosse Wichtigkeit dieser Beobachtungen liegt auf der Hand, da die letzteren aber dem eigentlichen Gegenstande dieses Lehrbuches etwas fern liegen , kann hier nicht näher auf sie eingegangen werden ^). 1) Aus demselben Grunde können auch keine ausfülirlielieren Angaben über die bakteriologische Litteratur hier geliefert werden Zweites Kapitel. Die Protei'nstofiFe. Die Hauptmasse der organischen Bestandllieile der tliierischen Gewebe besteht aus amorphen, stickstoif haltigen , sehr zusammengesetzten Stoffen von hohem Molekulargewichte. Diese Stoffe, welche entweder Eiweisskörper im engeren Sinne oder auch ihnen nahe verwandte Stoffe sind, nehmen durch ihr reich- liches Vorkommen unter den organischen Bestandtheilen des Thierkörpers den ersten Rang ein. Aus diesem Grunde sind sie auch zu einer besonderen Gruppe zusammengeführt worden, der man den Namen die Proteingruppe (aus ttqiotevo, ich bin der erste, nehme den ersten Rang ein) gegeben hat. Sämmtliche dieser Gruppe augehörigen Stoffe nennt man Froteinstoffe , wenn auch in einzelnen Fällen die Eiweisskörper im engeren Sinne mit demselben Namen bezeichnet werden. Sämmtliche Prote'instoffe enthalten Kohlenstoff, Wasserstoff^ Sticlcstoff und Sauerstoff. Die meisten enthalten auch ScJnvefel, einige daneben Phosphor Piotcin- und einige auch Eisen. Kupfer, Jod und Brom sind auch in seltenen Fällen AUge- gefunden worden. Beim Erhitzen werden alle Proteinsubstanzen allmählich zer- setzt. Sie geben dabei brennbare Gase, Ammoniakverbindungen, Kohlensäure, Wasser, stickstoffhaltige Basen nebst mehreren anderen Stoffen ab und gleich- zeitig entwickeln sie einen starken Geruch nach verbranntem Hörn oder ver- brannter Wolle. Bei tiefgreifender Spaltung mit Säuren liefern sie alle ausser stickstoffhaltigen organischen Basen namentlich reichlich Monoamidosäuren ver- schiedener Art'). Es ist gegenwärtig nicht möglich, eine exakte, den Anforderungen der Wissenschaft entsprechende, auf Grundlage der Eigenschaften, Reaktionen und Zusammensetzung wie auch der Löslichkeits- und Fällbarkeitsverhältnisse der Proteinstoffe basirte Klassifikation derselben durchzuführen. Von einigem Nutzen dürfte jedoch vielleicht die folgende, zum Theil nach Hoppe-Seyler und meinen. 1) Der bisher allgemein herrschenden Anschauung gemäss werden hier als wahre Proteinstoffe nur solche Substanzen bezeichnet, die bei ihrer Spaltung auch, Monoamido- säuren liefern. Die Protamine sollen deshalb in einem Anhange zu den Proteinstoffen be- sprochen werden. Uebersicht der Pj-ote'instoffe. 17 Deechsel') ausgearbeitete, scheraati.sche Uebersicht der bis jetzt besser bekannten und studirteii thierischen Protei'nstoffe sein -). I. Eiweisskörper. Albumine | Serumalbumin, Ovalhumin und Laldalhtnnin. (Globuline / Fibrinogen, Myosin, Mushiliii, KrystalUn. Nukleoalbumiue f Kasein (OvoviteUin) u. a. Albuiiiiiiate f Acidalbunünal, ÄJhuJiaJhuminat. Albumosen (und Peptone). Koagulirte Eiweissstoffe f Fibrin; in der Hitze koagulirtes Eiweiss u. a. nämoglobine Glykoprotcide NukleoproteTde II. Proteide. j Mucine und Mncinöide , Amyloid, Hyalogene, I Ichthnlin, Helico^woteid u. a. { NnMeoldston, Cytoglobin u. a. ScheiiKÜi- sche ITeber- siclit der Protcin- stotte. III. Albumoide oder Albuminoide. Keratine. Elastin. Kollas'cn. Retikulin. (Kibioiii, Seritin, KorncVii, Spoiigiii, Conchiolin, ByssuB ii. ».) Zu dieser Uebersicht ist indessen zu bemerken, dass mau bei Untersuch- ungen von thierischen Flüssigkeiten und Geweben nicht selten Protein Stoffen begegnet, die schwer oder nicht in das obenstehende Schema einzupassen sind. Andererseits darf man nicht übersehen, dass auch Zwischenstufen zwischen den verschiedenen Gruppen von Eiweissstoffen vorkommen, wodurch eine scharfe Trennung dieser Gruppen von einander sehr erschwert wird. 1) In einem vorzüglichen Aufsatze über Eiweisskörper in Ladbnbdkg's Handwörterbuch der Chemie 3, 534 — 589 hat E. Drechsel eine sehr vollständige Zusammenstellung der neueren Litteratur über die Proteiusubstanzen bis zum Jahre 1885 geliefert. -') Die Klassifizirung der Eiweissstofle ist eine sehr missliche Aufgabe und eine ein- wandsfreie Klassifikation derselben ist bisher Niemandem gelungen. Unter solchen Umständen und da es wünschenswerth erscheint, die schon bestehende Unsicherheit der gebräuchlichen Nomenklatur nicht noch weiter zu vermehren , hat Verf. sich nicht veranlasst gesehen , das obige Schema zu verändern. Bezüglich anderer Klassifikationsversuche vergl. man Neumeister, Lehrbuch der physiol, Chemie, 2. Aufl. 1897 und WB(jblewski , Ber. d. deutsch, ehem. Gescllscli. 30. Hammarsten, Pliysiologisclie Chemie. Vierte Auflage. 2 18 Zweites Kapitel. I. Eiweisskörper. Die Eiweissstoffe sind nie fehlende Bestandtlieile des thieriseben und pflanzlichen Organismus. Insbesondere findet man sie im Thierkörper, wo sie die Hauptmasse der festen Bestandtheile der Muskeln, Drüsen und des Blutserums darstellen und wo sie übrigens so allgemein verbreitet sind, dass es überhaupt nur wenige thierische Se- und Exkrete, wie Thränen, Seh weiss und vielleicht auch Harn giebt, in welchen sie gänzlich fehlen oder nur spurenweise vor- kommen. Sämmtliche Eiweissstoffe enthalten Kolilenstoff , Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel^), einige enthalten ausserdem auch Phosphor. Elsen findet man gewöhnlich spurenweise in ihrer Asche wenigstens bei einer be- stimmten Gruppe von Eiweissstofien , nämlich den Nukleoalbuminen. Die Zu- Eiemeutiire sammeusetzung der verschiedenen Eiweissstofl^e ist zwar ein wenig abweichend, Setzung, aber die Schwankungen bewegen sich doch innerhalb verhältnissmässig enger Grenzen. Für die näher studirten, thierischen EiweissstoÖe hat man für die aschefrei gedachte Substanz folgende Grenzwerthe gefunden: c . . . 50,6 — 54,5 p. c. H . . . 6,5 — 7,3 „ N . . . 15,0 — 17,6 „ S . . . 0.3 — 2,2 „ P . . . 0,42— 0,85 „ 0 . . . 21,50— 23,50 „ Von dem Stickstoffe des Eiweissmoleküles spaltet sich ein Theil bei der Einwirkung von Alkali leicht als Ammoniak ab (Nas.se). Ebenso tritt bei Einwirkung von salpetriger Säure auf Protein Substanzen nur ein geringer Theil, 1 — 2 p. c, des Stickstofl^es aus, was darauf hindeutet, dass nur ein kleiner Theil davon als Amidogruppen im Proteinmoleküle enthalten ist^). Bei der Ein- wirkung von siedender Kali- oder Natronlauge scheidet sich regelmässig ein Theil des Schwefels als Schwefelalkali ab und kann mit Bleiacetat nachgewiesen werden (Fleitmann, Danilewsky, Kkügee, Fe. Schulz)'). Der Rest lässt Stickstoff sich dagegen nur nach dem Schmelzen mit Alkali und Salpeter als Sulfat Schwefel im nachweisen. Die Relation zwi.schen dem mit Alkali abspaltbaren und nicht ab- spaltbaren Schwefel ist bei ver.schiedeneu Eiweissstofien eine verschiedene, in 1) Eine Ausnahme hiervon machen jedoch das Mykoprote'in der Fäulnissbakterien und das Anthraxprotein der Milzbrandbacillen, welche Eiweissstoffe schwefelfrei sind. Vergl. M. Nencki und F. Schaffer, .Tourn. f. prakt. Chem. (N. F.) 20 und M. Nencki, Her. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 17. 2) Vergl. 0. Nasse, Pflüger's Areh. 6; C. Paai., Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 29; H. Schiff ebenda S. 1354 und O. LoEW, Chemiker-Zeitg. 1896. 3) Fi.ElTMANN, Annal. d. Chem. u. Pharm. 66; Danilewsky, Zeitschr. f. physiol. t'hcm. 7; Krügek, PflÜger's Arch. 43; Fr. Schulz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. Vergl. ferner über die Binduugsform des Schwefels ; Suter ebenda 20 und Drec'HSEL, Contralbl. f. riiysiol. 10, S. 529. Eiweisskörpei". 19 den meisten iler bisher untersuchten Eiweisskörpern beträgt aber der abspalt- bare Schwefel etwas weniger als die Hälfte des Gesammtschwefels (Schulz). Das Eiweissmolekül enthält also mehrere, mindestens zwei, Atome Schwefel. Das Molekulargewicht des Eiweisses ist schwer genau zu bestimmen und selbst für denselben Eiweisskörper gehen oft die Angaben der verschiedenen Forscher sehr auseinander. Jedenfalls ist das Molekulargewicht regelmässig sehr hoch. Für das Alkalialbuminat, bei dessen Entstehung aus nativem Eiweiss jedoch ein Theil des Schwefels und des Stickstoffes sich abspaltet, hat Lieberkühn die Formel 070^112^18^022 angegeben. Ueber Elementarformeln der Eiweiss- stoffe vergl. man Schmiedeberg (Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 39). Die Konstitution der Eiweissstoffe ist trotz zahlreicher Untersuchungen noch unbekannt. Beim Erhitzen von Eiweiss mit Barythydrat und Wasser in ge- schlossenen Gefässen auf 150 — 250" C. erhielt Schützenberger ') eine Menge von Produkten, darunter Ammoniak, Kohlensäure, Oxalsäure, Essigsäure und — als Hauptprodukt — ein Gemenge von Amidosäuren. Dieses Geraenge ent. hielt, ausser ein wenig Tyrosin und einigen anderen Stoffen, hauptsächlich Säuren von den Reihen CnH.3n.)_iN02 (Leucine) und CnH.,„_jN02 (Leuceine) Sowohl die Leucine wie die Leuceine sollen ihrerseits durch hydrolytische Spaltung aus mehr komplizirteu Substanzen von der allgemeinen Formel CiuH.jmN.jO^ Zersetzung entstehen. Diese letztgenannten Substanzen sind ihres süssen Geschmackes weisses mit wegen von Schützenbergfr Glukoproteine genannt worden. Der Schwefel des drat. Eiweisses lieferte Sulfit. Die drei Stoffe Kohlensäure, Oxalsäure und Ammoniak entstehen in denselben relativen Mengenverhältnis.sen wie bei der Zersetzung von Harnstoff und Oxamid, weshalb Schützenberger auch das Eiweiss als ein sehr komplexes üreid oder Oxamid betrachtet hat. Ein solcher Schluss lässt sich indessen aus mehreren Gründen aus dem obigen Zersetzungsvorgange nicht ziehen. Beim Schmelzen von Eiweiss mit Aetzkali entweichen Ammoniak, Methyl- merkaptan und andere flüchtige Produkte, und es entstehen unter anderem; Leucin, aus welchem dann flüchtige Fettsäuren, wie Essigsäure, Valeriansäure und auch Buttersäure hervorgehen, ferner Tyrosin, aus welchem später Phenol gebildet wird, Indol und Skatol. Beim Sieden mit Mineralsäuren (noch besser beim Sieden mit Salzsäure und Zinnchlorür nach Hlasiwetz und Habermanx-) Zeisetz- liefert das Eiweiss Amidosäuren, wie Leucin, Asparaginsäure, Glutaminsäure und duiüte des Tyrosin (aus vegetabilischem Eiweiss erhielten Schulze und Barbieri'') t.--Phenyl- amidopropionsäure), ferner Schwefelwasserstoff, Aethylsulfid (Drechsel)*), Leu- cinimid") Ammoniak und stickstoffhaltige Basen (Drechsel). I) Amial lie Cliim. et Pbys. (5) 16 und Bull. soc. oliim. *23 u. 21. i) Annal. d. Cliem. u. Pharm. 159 u. 169. 5) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 16. i) Centralbl. f. Physiol. 10. 6) Vorgl. KiTTHAüSEN, Ber. d. doutseh. ehem. Gesellseh. 29 und P,. COHN, Zeitschr f. physiol. Chem. 22. 20 Zweites Kapitel. Unter den von Deechsel*) aus Kasein untl darnach auch von seinen Schülern E. Fischer, M. Siegfried und S. Heden aus anderen Eiweisskörpern und Leim durch Sieden mit Salzsäure und Zinnchlorür erhaltenen Basen giebt es eine von der Formel CgHj^NgOj, bezw. CgHijNgO-f-HgO, welche dem Kreatin, bezw. dem Kreatinin homolog zu sein scheint und von Drechsel Lysatin, bezw. Lysatimn genannt worden ist. Eine andere Substanz, das Lysin, hat die Formel CßHi^NgOg. Sie ist ihrer Formel nach homolog mit dem Ornithin von Jaff:^, CjHioNgOj (vergl. Anhang zu diesem Kapitel), dem sie auch in Basische gewisser Hinsicht ähnelt. Ausser den nun genannten Basen hat Hedin als Spaltungs- 1 • 1 -r» Produkte. Spaltungsprodukte verschiedener Proteinsubstanzen die von Schulze und Steiger zuerst aus etiolirten Lupinenkeimlingen und Kürbiskeimlingen dargestellte Base Äryinin, C^Hj^N^Og, und ferner das von Kossel aus Protaminen dargestellte Histidin, C^HjjNgOj, erhalten. Unter den Spaltungsprodukten des Kaseins hat Drechsel auch Diamidoessigsäure gefunden. Beim Sieden mit ßarytwasser liefern Lysatinin und Arginin unter anderen Spaltungsprodukten auch Harnstoff, und es ist also möglich, mit diesen Basen als Zwischenstufen durch Hydrolyse allein, ohne Oxydation, aus dem Eiweiss Harnstoff darzustellen. Durch proteolytische Enzyme wird das Eiweiss unter Aufnahme von Wasser zersetzt. Es entstehen erst andere Eiweisskörper von niedrigerem Mole- kulargewichte — Albumosen und Peptone — und dann bei weiterer Zersetzung Amidosäuren, wie Leucin, Tyrosin und Asparaginsäure. Auch Lysin, Lysatinin, ^"diireh™^ Arginin und Histidin können bei liefgreifender Zersetzung (bei der Trypsin- Enzyme. yerdauung) entstehen. Bei tiefgreifender Zersetzung entsteht auch ein Chro- mogengemenge, welches mit Chlor- oder Bromwasser eine violette Farbe giebt. Dieses Chromogen, welches bei jeder mehr tiefgreifenden, zur Bildung von Leucin und Tyrosin führenden Zersetzung des Eiweisses entsteht, ist von Stadelmann Prolemochromogen, von Neumeistee Tryptophan genannt worden. Nencki-) sieht in diesem Chromogen den Mutterstoff verschiedener thierischer Farbstoffe. Bei der Fäulniss entsteht eine grosse Menge von Substanzen. Auch hier werden in erster Linie dieselben Stoffe wie bei der Zersetzung durch proteoly- Zersetzung tische Enzyme gebildet: aber es folgt dann eine weitere Zersetzung, wobei eine durch J b ^ ö , , i • i Fäulniss. grosse Anzahl von Stoffen, die theils der Fettreihe und theiis der aromatischen Reihe angehören, gebildet werden. Zu jener Reihe gehören Ammoniaksalze der flüchtigen Fettsäuren, wie Kapronsäure, Valeriansäure und Buttersäure, ferner Bernsteinsäure, Kohlensäure, Methan, Wasserstoff, Schwefelwasserstoff, Methyl- merkaptan u. a. Hierher gehören auch die Ptomaine, die indessen wahrschein- 1) Sitzungsber. d. math.-])liys. Klasse der k. säcbs. Gesellsch. d. Wissenschaften. 1889. In dem Aufsatze „Der Abbau der Eiweissstoffe" Du Bois-Eeymond's Archiv 1891 giebt Dkechsel eine gute Uebersicht der von ihm und seinen Schülern Fischer, Siegfeied und Hedin ausgeführten Unteisucluingen. Die Litteratur über die hier oben besprochenen Basen findet mim im Anhange zu diesem Kapitel. ä) Stadelmann, Zeitschr. f. Biologie 2(»; Neumeistek ebenda S. 329; Nencki, Schweizer. Wochensebr. f. Pharmacie 1891 und Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 28. Eiweisskörper. 21 lieh durch sehr verschiedenartige chemische Prozesse, auch Synthesen, entstehen dürften. Die Fäulnissprodukte der aromatischen Reihe lassen sich nach E. Sal- KOWSKI in drei Gruppen theilen, nämlich: a) die Phenolgruppe, in welche das Tyrosin, die aromatischen Oxysäuren, das Phenol und Kresol gehören, b) die Phenylgruppe mit der Phenylessigsäure und der Phenylpropionsäure und endlich c) die Indolgruppe, welche das Indol, Skatol und die Skatolkarbonsäure um-Ammatische ' ° * ^ Faulniss- f'asst. Diese verschiedenen aromatischen Produkte entstehen bei der Fäulniss prodnkte. bei Luftzutritt. Bei der Fäulniss des Eiweisses durch anaerobe Spaltpilze bei Abwesenheit von Sauerstoff erhielten Nexcki und Bovet*) nur p.-Oxyphenyl- propionsäure, Phenylpropionsäure und Skatolessigsäure. Diese drei Säuren sollen durch nascirenden Wasserstoff aus den drei entsprechenden Amidosäuren, dem Tyrosin, der Phenylamidopropionsäure und der Skatolamidoessigsäure entstehen, und diese drei letztgenannten Amidosäuren sollen also nach Nexcki in dem Eiweissmoleküle präforrairt enthalten sein. Bei der Destillation mit Schwefelsäure liefert das Eiweiss ein wenig Fur- furol, was die Anwesenheit einer Kohiehydratgruppe in dem Eiweissmoleküle anzuzeigen scheint. Nach Pävy lässt sich sogar aus Eieralbumin ein Kohle- hydrat abspalten, welches er als thierisches Gummi betrachtet und aus dem beim Sieden mit einer Säure eine reduzirende Substanz entsteht. Dieses s g. Kohlehydrat ist nach Weyde5I.\xx allerdings eine stickstoß'haltige Substanz, aber es ist Pavy auch gelungen, aus Eialburain direkt durch Sieden mit Säure die reduzirende Substanz zu gewinnen und ein Osazon derselben darzustellen. Dasselbe Osazon, dessen Schmelzpunkt bei 182 — 185" liegt, hat Kräwkow^) ^ohie- aus einigen anderen Eiweissstoffen dargrestellt, und er schliesst daraus, dass die '''i?'!!'*?.^"^ Kohlehydratgruppe der verschiedenen Eiweissstoffe dieselbe ist. Die Thatsache, dass man aus einigen Eiweissstoflfen ein reduzirendes Kohlehydrat — wenn auch nur in geringer Menge — abspalten kann, ist also sicher festgestellt. Die Abspaltung eines Kohlehydrates ist indessen für mehrere rein dargestellte Ei- weissstoffe wie Kasein, Vitellin, Myosin und Fibrinogen nicht gelungen. Sie gelang bisher nur, wenn man als Ausgangsmaterial unreines Eiweiss, wie Fibrin oder Gemengen verschiedener Proteinsubstanzen, wie Laktalbumin, Eialbumin oder Blutalbumin benutzte. Als Beispiel mag angeführt werden, dass Spenzer aus dem besonders gereinigten Ovalbumin ebenso wenig wie K. MöRNER ein reduzirendes Kohlehydrat darstellen konnte, während dies anderen Forschern gelungen ist, ein Verhalten, welches wahrscheinlich dadurch zu erklären ist, dass das Hühnereiweiss ein Gemenge von mehreren Substanzen ist, unter denen 1) Salkowski, Zeitsi-hr. f. physiol. Chem. 12, S. 215; Nescki und BOVET, Monats- heft f. Chem. 10. 2) Pavy, The Physiology of the Carbohydrates. London 1894; Weydemann, Heber das sog. thierische Gummi etc. Inaug. - Dissert. Marburg 1896; Krawkow. PflÜGEB's Anh. 65. 22 Zweites Kapitel. auch ein von Hofmeister i) dargestelltes krystallisirendes Ovalbumin, welches oflenbar ein Glykoproteid ist, sich vorfindet. Die wichtige Frage, in wie weit eine Kohlehj'dratgruppe aus ganz reinen, von Glykoproteideu nicht verun- reinigten Eiweissstoffen abgespalten werden könne, ist also einer fortgesetzten Prüfung bedürftig. Bei Oxydation von Ei weiss in saurer Flüssigkeit hat man flüchtige fette Säuren, deren Aldehyde, Nitrile und Ketone, ferner Cyanwasserstoff (bei Oxydation mittels Chromat und Säui'e) Benzoesäure u. a. erhalten. Salpetersäure giebt verschiedene Nitroprodukte : VAN DER Pant's Xanthoproteinsäure , LoEW's Trinitroalbumin oder Oxynitroalbumiu , Nitro- benzocsäure u. a. Mit Königswasser erhält man Fumarsäure, Oxalsäure, Chlorazol u. a. Oxydations- Durch Emwirknng von Brom unter starkem Druck hat man eine Menge von Derivaten wie: ''™des ^ Bromanil und Tribromessigsäure, Bromoform, Leuein, Leucinimid, Oxalsäure, Tribromamido- Ei-weisses. benzoesäure, Peptone und humusähnliche Stofle erhalten. Bei trockener Destillation liefert das Eiweiss eine Menge Zereetzungsprodukte von widrigem, brenzlichem Geruch und hinterlässt eine poröse, glänzende, stickstofl'haltige Kohle. Die Destillationsprodukte sind theils eine alkalisch reagirende Flüssigkeit von brenz- lichem Geruch, welche Amnioniumkarbonat und Acetat, Ammoniumsulfid, Cyanaiumonium, brenzliche Oele u. a. enthält, und theils ein aus Kohlenwasserstoöen , stickstofl'haltigen Basen der Anilin- und Pyridinreihen und einer Menge von unbekannten Stotlon bestehendes braunes Oel. Es kann hier nicht auf sänimtliche, bei der Behandlung des Eiweisses mit verschiedenen Reagenzien entstehende Produkte eingegangen werden; aus dem schon Mitgetheilten ergiebt sich jedoch, dass die bei der Eiweisszersetzung entstehenden Stoffe theils der Fettreihe und theils der aromatischen Reihe an- gehören. Ob in dem Eiweissmoleküle nur eine oder mehrere aromatische Gruppen präformirt enthalten sind, darüber ist mau nicht einig. Nach Nencki soll das Eiweiss die obengenannten drei aromatischen Gruppen: das Tyrosin (Oxyphenyl- amidopropionsäure), die Phenylamidopropionsäure und die Skatolamidoessigsäure enthalten. Maly^) dagegen fand es wegen des Verhaltens der von ihm dar- gestellten Oxyprotsulfonsäure nicht nothwendig, mehr tils eine aromatische Gruppe im Eiweissmoleküle anzunehmen. Durch Oxydation von Eiweiss mit Kaliumpermanganat hat niimlich Maly eine Säure, die Oxyprotsulfonsäure, C 51,21; H 6,89; N 14,56; S 1,77; 025,o4p. c, erhalten, welche kein Spaltungs-, sondern ein Oxydationsprodukt ist, in welchem die Gruppe SH in SO^.OH übergegangen ist. Diese Säure giebt nicht die, durch Gegenwart von aromatischen Hydroxylderivaten bedingte Oxyprot- Farbenreaktion mit dem MiLLON'schen Reagenze (vergl. unten) und sie liefert sulfonsaure, ovo nicht bei ihrer Zersetzung die gewöhnlichen aromatischen Spaltungsprodukte des Eiweisses. Trotzdem fehlt ihr nicht die aromatische Gruppe, aber diese scheint in ihr in einer anderen Bindung als in gewöhnlichem Eiweiss enthalten zu sein. Bei der Oxydation mit Chromat und Säure tritt diese Gruppe als Benzoesäure und beim Schmelzen mit Alkali als Benzol aus. 1) Spenzer, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 24; K. Mörner, Centralbl. f. Physiol. 7 Hofmeister, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 24, S. 169. S) Maly, Wien. Sitzungsber. 91 u. 97 ; auch Monatshefte f. Chem. G u. 9. Verg auch BONDZYNSKI Und ZOJA, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 19. Eiweisskörper. 23 Bei fortgesetzter Oxydation entsteht aus der Oxyprotsulfonsäure eine p<,,.ojy. neue, amorphe Säure, die Peroxyprotsäure, C 46,22; H 6,43; N 12,30; P™t8äure. S 0,96; O 34,09 p. c, die noch die Biuretprobe giebt, von den meisten eiweiss- fiillenden Eeagenzien aber nicht gefällt wird. Wie bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat kann das Elweiss auch durch Einwirkung von Halogenen derart verändert werden, dass es bei dem ursprünglichen Gehalte an Schwefel keinen durch Alkali abspaltbaren Schwefel enthält und ferner weder die MiLLON'sche Reaktion giebt, noch als Spaltungs- ^5^^!^)^°^^''^^^, produkt Tyrosin liefert. Bei der Einwirkung von Chlor, Brom und Jod auf Eiweisses. Eiweissstoffe tritt hierbei das Halogen in mehr oder weniger fester Bindung in das Eiweiss hinein (Loew, Blum, Blum und Vaubel, Liebeecht, Hopkins und Brook, Hofmeister) und je nach der Verfahrungsweise kann man Deri- vate von verschiedenem aber konstantem Halogengehalt darstellen (Hopkins und PiNKUsi). Bei der Fäulniss des Eiweisses wie auch bei der Zersetzung desselben mit Säuren oder Alkalien (und gewissen Enzymen) entstehen, wie oben bemerkt, unter anderen Produkten Amidosäuren , was mau mit Rücksicht auf die wahr- scheinliche Entstehungsweise des Eiweisses eine gewisse Bedeutung beigelegt Entsteh- ° '^ ... ungsweise hat. Man betrachtet es nämlich als sehr wahrscheinlich, dass bei der Eiweiss- de"' Ei- weissstoffe. Synthese in der Pflanze aus dem Ammoniak oder der Salpetersäure des Bodens in erster Linie Amidosäuren oder Säureamide — unter denen vor Allem das Asparagiu eine wichtige Rolle spielen soll — entstehen, aus denen dann unter Einwirkung von Glukose oder anderen stickstofffreien Verbindungen die Eiweiss- körper hervorgehen sollen. Die drei basischen Stoffe Lysin, Arginin und Histidin ent-stehen, wie KossEL gezeigt hat, als Spaltungsprodukte einer Gruppe von Stoffen, den Protaminen, welche, wie erst Miescher und dann Kossel gezeigt haben, im Fischsperma als Verbindungen mit Nukleinsäure (vergl. Kap. 5) vorkommen. Die Protamine (vergl. Anhang zu diesem Kapitel) sind basische Stoffe, die ein- Pnjtamine ^ o !^ i. ' als Eiweiss- zelne Reaktionen mit den Eiweissstoffen gemeinsam haben, die aber als Spal- keru. tungsprodukte keine Amidosäuren liefern. Da sie dieselben basischen Produkte wie das Eiweiss liefern, kann man sie nach Kossel gewissermassen als den Kern des Eiweissmoleküles betrachten, und durch Anlegung von anderen Atom- gruppeu, Monoamidosäuren u. a. au diesen Kern können die verschiedenen Ei- weissstoffe entstehen-). In näehster Beziehung zu dem nun Gesagten steht die Frage, in wie weit es möglich ist, eiweissähuliche Substanzen durch Synthese darzustellen. In dieser Beziehung ist daran 1) LoEW, Journ. f. prakt. Chem. (X. F.) 31; Blum, Münch. med. Wochenschr. 1896; Blum und Yaueel, .lourn. f. prakt. Cheni. (N. F.) 57 ; LlEBRECHT, Ber. d. deutsch, ehem. GcselLsch. 30; HoPKiKS und Brook, Journ. of Physiol. 22; Hopkins und PiXKUs, Ber. der deutsch, chem. Gesellsch. 31 ; F. Hofmeister, Zeitsclir. f. physiol. Chem. 24. 2) Kossel, Sitzungslier. d. Gesellsch. zur Beförd. d. ges. Naturwissensch. zu Mailmrg, Nr. 5, 1897 und Zeitsehr. f. physiol. Chem. 25. 24 Zweites Kapitel. Synthese eiweissäbn icher Stofl'i Eigen- schaften de Eiweiss- stoffe. Verlialteii einer Ei-^ weisslösuii zu erinnern, dass es in erster Linie Grimacx, dann aber aucli SCHÜTZENBEKGrK und Pickering ') gelungen ist, mit Hilfe von Phosphorpcntaehlorid oder -pentoxid wie auch durcli Erhitzen allein aus verschiedeneu Amidosäuren theils für sicli und theils in Gemengen mit anderen Stoöen wie Biuret, Allo.xan, Xauthia oder Ammoniak Sulistanzen darzustellen, "die in mehreren Beziehungen den Eiweissstoffen ähneln, wenn sie auch nicht als genuine Eiweissstofle zu bezeichnen sind. Von noch grösserer Bedeutung wären unzweifelhaft die von LiLlEXFELD-) mitgetheilten Synthesen von leim- oder albumoseähnlichen Substanzen, wenn die Angaben dieses Forschers bei einer Nachprüfung als richtig sich erweisen würden. Die thieri.schen Eiweissstoffe siod geruch- und geschmacklos, in den meisten Fällen amorph. Die in den Eiern einiger Fische und Amphibien vorkommen- den Krystalloide (Do tterplättchen) bestehen nicht aus reinem, sondern aus stark lecithinhaltigem Eiweiss, wie es scheint an Mineralstoffe gebunden. Aus mehreren Pflanzensamen ist krystallisirendes Eiweiss ^) dargestellt worden und auch die Darstellung von krystallisirtem thierischem Eiweiss ist in neuerer Zeit gelungen (vergl. Serum- und Eialbumin Kap. 6 und 13). In trockenem Zustande stellen die Eiweissstoffe ein weisses Pulver oder gelbliche, harte, in dünneren Schichten durchsichtige Lamellen dar. Einige Eiweisstoffe lösen sich in Wasser, andere dagegen nur in salzhaltigen oder schwach alkalischen, bezw. sauren Flüssigkeiten, während andere wiederum auch in solchen unlöslich sind. Alle Eiweissstoffe hinterlassen bei ihrer Verbrennung etwas Asche, und es ist deshalb auch fraglich, ob es überhaupt irgend einen in Wasser ohne Beihilfe von Mineralstoffen löslichen Eiweisskörper gebe. Jedenfalls ist es noch nicht ganz sicher gelungen, einen nativen Eiweisskörper ohne Aenderung seiner Zu- sammensetzung oder Eigenschaften ganz frei von Mineralstoffen zu erhalten*). Die Eiweissstoffe sind in den allermeisten Fällen von ausgeprägter kolloider Natur. Sie diffundiren im Allgemeinen nicht oder nur sehr wenig durch eine thierische Membran oder Pergameutpapier, und das Eiweiss hat also im Allge- meinen ein sehr hohes osmotisches Aequivaleut. Die Eiweissstoffe sind optisch aktiv und drehen die Ebene des polarisirten Lichtes nach links. Beim Erhitzen der Lösung eines nativen Eiweisskörpers wird das Eiweiss bei einer für verschiedene Eiweissstoffe verschiedenen Temperatur verändert, und bei passender Reaktion und im Uebrigen günstigen äusseren Bedingungen, wie z. B. bei Gegenwart von Neutralsalzen , können die meisten Eiweisskörper dabei in fester Form als geronnenes oder „koagulirtes" Eiweiss sich ausscheiden. Die für verschiedene Eiweisskörper verschiedenen Temperaturen, bei welchen in neutraler, salzhaltiger Lösung die Gerinnung erfolgt, hat man in vielen Fällen 1) Vergl. PICKEKIKG, King's College London, Physiol. Laborat. Collect. Piipers 1897, wo auch die Arbeiten von Grimaux citirt sind; ferner Journ. of Physiol. 18 und Proceed. Roy. Soc. 60, 1897 ; Schützeneerger, Compt. rend. lOG u. 112. 2) Du Bois-Eeymond's Arch. 1894; Physiol. .Abth. S. 3S.S u. 555. 3) Vergl. Maschke, Journ. f. prakt. Chem. 74; Drechsel ebenda (N. F.) 19; Geübler ebenda (N. F.) 23; Eitthausen ebenda (N. F.) 25; Schmiedebekg, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 1 ; Weyl ebenda 1. i) Vergl. E. Haenack, Ber. d. deutseh. chem. Gesellsch. '22, 23, 25; AVeiiigo, Pflüger's An-h. 48; BÜLOW, Pflüger's Areh. öS. Eiweissi'eaktioneu. 25 als gutes Mittel zum Nachweis und zur Trennung verschiedener Eiweissstoffe benutzt. Ueber die Brauchbarkeit dieses Mittels sind indessen die Ansichten etwas getheilt '). Von allgemeinen Eiweissreaktioneu giebt es eine grosse Anzahl. Hier können nur die wichtigsten angeführt werden. Um die Uebersicht derselben zu erleichtern, werden sie hier auf folgende 2 Gruppen vertheilt. A. Fälhiugsreaktionen der Enveissköriter. 1. Die Koagulationsprobe. Eine alkalische Eiweisslösung gerinnt beim Sieden nicht, eine neutrale nur theilweise und unvollständig und die Reaktion muss deshalb etwas sauer sein. Man erhitzt die neutralisirte Flüssigkeit zum Sieden und setzt erst nach dem Aut kochen vorsichtig die passende Menge Säure zu. Es entsteht dabei ein flockiger Niederschlag und das von ihm getrennte Filtrat ist bei richtiger Arbeit wasserklar. Verwendet man zu der Probe ver- dünnte Essigsäure, so kann man zu der siedend heissen Lösung, je nach dem Eiweissgehalte, auf je 10 — 15 ccm Flüssigkeit 1, 2 bis 3 Tropfen, wenn vor dem Zusätze jedes neuen Tropfens zum Sieden erhitzt wird, zusetzen. Ver- wendet mau dagegen verdünnte SaljJetersäure, so müssen auf die obengenannte Menge Flüssigkeit, ebenfalls erst nach vorau.sgegangenem Aufkochen, 15 — 20 Tropfen Salpetersäure zugesetzt werden. Setzt man nur wenige Tropfen Sal- petersäure zu, so entsteht eine lösliche Verbindung von Säure und Eiweiss, welche erst von mehr Säure gefällt wird. Einer salzarmen Eiweisslösung soll man erst etwa 1 p. c. NaCl zusetzen, weil die Kochprobe sonst, besonders bei Anwendung von Essigsäure und Gegenwart von nur wenig Eiweiss, leicht miss- glückt, 2. Verhallen zu MineraJaÜHren hei Zimmertemperatnr. Das Eiweiss wird von den drei gewöhnlichen Mineralsäureu und von Metaphosphorsäure, nicht aber von Orthophosphorsäure, gefällt. Wird Salpetersäure in einem Re- agenzgläscheu vorsichtig mit einer Eiweisslösung überschüttet, so tritt an die Berührungsstelle eine weisse, undurchsichtige Scheibe von gefälltem Eiweiss auf FäUungs- ° . - reaktionen (Heller's Eiweissprobe). 3. FüUharkeit durch Metallsahe, wie Kupfersulfat, doiEiweiss- ' ^ küi-per. neutrales und basisches Bleiacetat (in nicht zu grosser Menge), Quecksilber- chlorid u. a. Hierauf gründet sich die Anwendung des Eiweisses als Gegen- gift bei Vergiftungen mit Metallsalzen. 4. FällbarJceü durch Ferro- oder Ferri- Cijankalium in essigsaurer Flüssigkeit, wobei jedoch die relativen Mengen des Reagenzes, des Eiweisses und der Säure nicht unwesentlich auf die Empfind- 1) Vergl. Hallibcktox , Journ of Pliysiol. 5 u. 11. COKIX & Beraf.d, Bull, de l'Acad. roy. de Belg. 15; H.wcraft uud Duggan, Brit. med. Journ. 1890 uud Pioe. Roy. Soc. Edinb. 1889; CoElN et .\NSIAUX, Bull, de l'Acad. roy. de Belg. 21; L. Fredericq, t'entralbl. (. Physiol. 3; Hayckaft ebenda 4; Hewlett, Journ. of Physiol. 13; DrCLjvrx, Aiiual Institut Pasteur 7. Ueber die Beziehungen der Neutralsalze zur Ilitzegerinnung des Albumins vergl. mau ferner J. Starke, Sitzungsber. d. Gesellseh. f. Morph, u. Physiol. in München 1S97. 26 Zweites Kapitel. lichkeit einwirken. 5. FäUharlait durch JSfenfraJsaJ^e. wie NagSO^ oder NaCI, bis zur Sättigung in die mit Essigsäure oder etwas Salzsäure aiirjesäuerte Flüssigkeit eingetragen, fi. FäUharlceit durch Ällcohol. Die Lösung darf nicht alkalisch reagiren, sondern niuss neutral oder sehr schwach sauer sein. Sie muss ausserdem eine genügende Menge Neutralsalz enthalten. 7. FüUhnrlieit durch Gerhsäure in essigsaurer Flüssigkeit. Bei Abwesenheit von Neutralsalz oder bei Gegenwart von freier Mineralsäure kann die Fällung ausbleiben. Nach Zusatz von einer genügenden Menge Natriumacetat kommt in beiden Fällen der Niederschlag zum Vorschein. 8. FäJlbarlicit durch Fliosphorivolfrum- oder Fhosphornioliiltdünsäure bei Gegenwart von freier Mineralsäure. KaliumquecJc- süherjodid und Kaliumwismutlijodid fällen ebenfalls eine mit Salzsäure an- gesäuerte Eiweisslösung. 9. FäUharlceit durch Pikrinsäure nach Ansäuern mit einer organischen Säure. 10. FälJharl-eit durch Trichloressigsäiire in einer Konzentration von 2 — 5 p. c. und durch Salicylsulfonsäure. Das Eiweiss wird übrigens von Nukleinsäure, Taurocholsäure und Choudroitinschwefelsäure bei saurer Reaktion sefällt. B. rürl)uiii;sreaktioiieii der Eiweissköriter. 1. Die MiLLON'sc/te Mealäion^). Eine Lösung von Quecksilber in Sal- petersäure, welche etwas salpetrige Säure enthält, giebt in Eiweisslösuugen einen Niederschlag, welcher bei Zimmertemperatur langsamer, beim Kochen dagegen rasch roth gefärbt wird und auch der Flüssigkeit eine stärkere oder schwächere rothe Farbe geben kann. Auch feste Eiweisskörper werden von dem Reagenze in derselben Weise gefärbt. Diese Reaktion, welche durch die Gegenwart einer aromatischen Gruppe in dem Eiweiss bedingt ist, geben auch das Tyrosin und andere Benzolderivate mit einer oder zwei Hydroxylgruppen in dem Ben- zolkerne ^). 2. Die Xanthoproteinsä'urereaJifion. Mit starker Salpetersäure geben die Eiweisskörper in der Siedehitze gelbe Flöckchen oder eine gelbe Lösung. Nach Uebersättigeu mit Ammoniak oder Alkalien wird die Farbe Färbungs- Orangegelb. 3. Die Henktion von Adamkiewicz. Setzt man einem Gemenge der Eiweiss- von 1 Vol. konzentrirter Schwefelsäure und 2 Vol. Eisessig ein wenig Eiweis.s körper. ZU, SO wird die Flüssigkeit, langsamer bei Zimmertemperatur und rascher beim Erwärmen, schön rothviolett. Der Leim giebt, zum Unterschiede vom Eiweiss, diese Reaktion nicht. 4. Die Diurelprohe. Setzt man einer Eiweisslösung erst Kali- oder Natronlauge und dann tropfenweise eine verdünnte Kupfersulfat- t) Das Reagenz erhält man auf folgende Weise: Man löst 1 Theil Quecksilber in 2 Theilen Salpetersäure von 1,42 spez. Gewicht zunächst in der Kälte, dann unter Erwärmen. Nach vollständiger Lösung des Quecksilbers fügt man zu 1 Vol. der Lösung 2 Vol. Wasser, lässt einige Stunden stehen und giesst die Flüssigkeit vom Bodensatze ab. '-) Vergl. O. Nasse, Sitzungsber. d. Naturtorsoh.-GeseUsoh. zu Halle 1879 iiud Vaubel und Bh;m, Journ. f. prakt. Chem. (N. F.) 57. Eiweissreaktionen. 27 lösung zu, so nimmt sie mit steigenden Kupfersalzmengen eine erst röthliclie, dann rothviolette und zuletzt violettblaue Farbe an. 5. Von konzentrivter Salzsäure kann das Eiweiss beim Erhitzen mit violetter oder, wenn das Eiweiss erst mit warmem Alkohol ausgekocht und mit Aether gewaschen worden (LiEBEEMANN '), mit einer schön blauen Farbe gelöst werden. 6. Mit Jconzen- trirlcr Scluvefelsünre und Zucher (in geringer Menge) können die Eiweissstofle eine schöne rothe Farbe geben. Die Farbenreaktionen sind allen Eiweisskörpern gemeinsam. Mehrere dieser Farbenreaktionen sind, wie Salkowski 2) gezeigt laat, an die aromaii- selicn Spaltungsprodukte des Eiweisses gebunden. Die MiLLON'sche Reaktion geben nur die Substanzen der Phenolgruppe ; die Xanthoproteinreaktion die der Pheuolgruppe und das Skatol, bezw. die Skatolkarbonsiiure. Die LiEBERMANN'selie Reaktion giebt keines der aromatischen Spaltungsprodukte. Die Reaktion von Adamkiewicz geben nur die Stotfe der Indolgruppe, insbesondere die Skatolkarbonsäure. Diese Reaktion wird übrigeus als eine Furturolreaktion angesehen , bei deren Zustandekommen sowohl eine Kohlehydratgruppe wie eine aromatische Gruppe im Eiweiss betheiligt sind. Die LiEBERMANN'sche wie auch die Reaktion mit Schwefel- säure und Zucker scheinen ebenfalls Furfurolreaktionen zu sein. Die Biuret reaktion wird nicht nur mit Eiweiss, Protamin und Biuret sondern auch mit künstlieh dargestellten Kolloiden (Geimaüx, Pickering) und vielen Diamiden erhalten. Nach H. Schiff 3) bedarf ,.e^utonen es zur Hervorrufung dieser Reaktion mindestens zweier Gruppen ( — CO . NH,) , die im Moleküle an ein einziges Atom Kohlcnstofl' oder Stickstofl' gebunden oder durch eine oder mehrere Gruppen ( — CO . NH) in offener Kette vereinigt sind. Beide Gruppen CO NHj können auch direkt vereinigt sein wie im Oxamid. Ein natürliches Zersetzungsprodukt des Eiweisses, welches die Biuretreaktion giebt, ist das Asparagin. Das Urobilin giebt auch eine biuret- ähnliche Retüvtion, und der Umstand, dass eine Substanz die Biuretreaktion giebt, ist allein kein Beweis für die Proteinnatur derselben. Einem und demselben Eiweissreagenze gegeuüber können verschiedene Ei- weisskörper eine etwas verschiedene Empfindlichkeit zeigen, und es ist aus diesem Grunde nicht möglich, für jede einzelne Reaktion eine für alle Eiweisskörper zutreffende Empfindlicbkeitsgrenze anzuheben. Unter den Fällunssreaktionen Empfind- ^ " ° =" liehkeit der nimmt (wenn man von den Peptonen und einigen Albumosen absieht) die Eiweiss- HELLER'sche Probe ihrer Empfindlichkeit (wenn sie auch nicht die empfindlichste Reaktion ist) und leichten Ausführung wegen einen hervorragenden Platz ein. Unter den Fällungsreaktionen dürften sonst die Fällung mit basischem Blei- acetat (bei sehr vorsichtiger und korrekter Arbeit) wie auch die Reaktionen 6 7, 8, 9 und 11 die empfindlichsten sein. Die Farbenreaktionen 1 — 4 zeigen eine mit der Reihenfolge, in welcher sie angeführt worden, abnehmende Em- pfindlichkeit. Keine Eiweissreaktion ist an und für sich charakteristisch, und bei der Untersuchung auf Eiweiss darf man deshalb auch nicht mit einer einzigen Re- aktion sich begnügen. Es müssen vielmehr stets mehrere Fällungs- und Färbungs- reaktionen in Anwendung kommen. Zur quantitativen Bestimmung der gerinnbaren Eiweissstoffe kann man mit Vortheil der Kochprobe mit Essigsäure sich bedienen, welche Probe bei sorgfältiger Arbeit sehr genaue Resultate liefert. Man setzt der eiweisshaltigen Flüssigkeit 1 — 2 p. c. Kochsalz zu oder man verdünnt sie bei reichlicherem Ei- 1) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1887. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 12. 3) Ber. d, deutsch, ehem. Gesellsch. 2J). 28 Zweites Kapitel. weissgehalte mit einer passenden Menge Kochsalzlösung von obigem Prozent- gehalte und neutralisirt dann genau mit Essigsäure. In kleinen abgemessenen Portionen der neutralisirten Flüssigkeit bestimmt man dann die Menge Essig- säure, die der vorher im Wasserbade erhitzten Portion zugesetzt werden rauss, damit die Ausscheidung des Eiweisses so vollständig werde, dass das Filtrat mit der HELLERschen Probe keine Eiweissreaktion giebt. Darauf erhitzt man Quantitative giyg abgewogene oder abgemessene, grössere Flüssigkeitsmenge im Wasserbade, bcstimmuiig setzt dann allmählich unter Umrühren die berechnete Menge Essigsäure zu und Kod^probe' erhitzt noch einige Zeit. Man filtrirt nun, wäscht mit Wasser aus, extrahirt dann mit Alkohol und endlich mit Aether, trocknet, wägt, äschert ein und wägt von Neuem. Bei richtiger Arbeit darf das Filtrat keine Reaktion mit der HELLER'schen Probe geben. Diese Methode eignet sich für die allermeisten Fälle und besonders für solche, in weichen man das Filtrat behufs der quan- titativen Bestinunung anderer Stoffe weiter verarbeiten will. Zur quantitativen Bestimmung kann auch die Ausfällung des Eiweisses mit Alkohol benutzt werden. Die Flüssigkeit wird erst genau neutralisirt, nötigenfalls mit etwas NaCl versetzt und darauf so viel Alkohol zugefügt, dass Qtiantitativc der Gehalt an wasserfreiem Alkohol 70 — 80 p. c. Vol. beträgt. Der Niederschlag be^tTimnimg ^J''^ nach 24 Stunden auf dem Filtrum gesammelt, mit Alkohol und Aether mitAikoLoi.gxtrahirt, getrocknet, gewogen, eingeäschert und wieder gewogen. Diese Methode ist nur brauchbar, wenn die Flüssigkeit ausser Eiweiss keine in Alkohol unlös- lichen Substanzen, wie z. B. Glykogen, enthält. Bei Anwendung sowohl dieser Methode wie der vorigen können sehr kleine Eiweissmengen in dem Filtrate zurückbleiben. Diese Spuren können in der Weise bestimmt werden, dass man die Filtrate genügend konzentrirt, etwa ausgeschiedenes Fett durch vorsichtiges Schütteln mit Aether entfernt und darauf mit Gerbsäurelösung fällt. Von dem mit kaltem Wasser gewaschenen und dann getrockneten Gerbsäureniederschlage können rund 63 p. c. als Eiweiss be- rechnet werden. In vielen Fällen kommt man zu guten Resultaten, wenn man sämnuliches Eiweiss mit Gerbsäure ausfällt und den gewaschenen Niederschlag zur Stick- stoffbestimmung nach Kjeldahl verwens ei . Bleikarbonat oder mit Ferriacetat nach einem von F. Hofmeister näher ange- gebenen Verfahren') entfernt .werden. Muss man das Kochen einer Flüssigkeit vermeiden , so kann man das Eiweiss durch sehr vorsichtigen Zusatz von Blei- acetat oder durch Zusatz von Alkohol ausfällen. Enthält die Flüssigkeit Stoffe, welche, wie das Glykogen, von Alkohol gefällt werden, so entfernt man das Eiweiss durch abwechselnden Zusatz von Kaliumquecksilberjodid und Salzsäure (vergl. Kap. 8, die Glykogenbestimmung) oder auch mit Trichloressigsäure nach Obermayer und Fränkel-). 1) Zcitschr. f. physiol. Chem. 2 u. 4. 2) Obermayer, Wien. med. .lalirliüchir 1888; Fränkel, Pflüger's Arch. 52 u. 55. Native Eiweisskörper. 29 üebersiclit der wichtigsten Eigenschaften der verschiedenen Hauptgruppen von Eiweissstoffen. Diejenigen Eiweissstoffe, die der gewöhnlichen Ansicht nach in den thieri- schen Säften und Geweben vorgebildet sind und aus ihnen mit Erhaltung ihrer ursprünglichen Eigenschaften durch indifferente chemische Mittel isolirt werden können, nennt man native Ei weisskörper. Aus den nativen Eiweisskörperu können durch Erhitzen, durch Einwirkung verschiedener chemischer Reagenzien, xative und wie Säuren, Alkalien, Alkohol u. a., wie auch durch proteolytische Enzyme neue Kweiss-^ Eiweissniodifikationen mit anderen Eigenschaften entstehen. Diese neuen Eiweiss- '"^''^■ Stoffe nennt man zum Unterschied von den nativen denaturirte Eiweiss- körper. Unter den in dem Schema S. 17 aufgenommenen Gruppen von Eiweiss- stoffen gehören die Albumine, Globuline und Nukleoalbumine zu den nativen und die Acid-, resp. Alkalialbuminate, die Albumosen, die Peptone und die koagulirten Eiweissstoffe zu den denaturirten. Die nativen Eiweisskörper können ohne Aenderung ihrer Eigenschaften von hinreichenden Mengen Neutralsalz ausgefällt werden, wobei die einzelnen Eiweisskörper den verschiedenen Neutralsalzen gegenüber verschieden sich ver- halten. So werden einige schon von NaCl, andere erst von MgS04 und andere wiederum erst von (NH4)äS04, welches ein Fällungsmittel für fast alle Eiweiss- Aussagen körper ist, gefällt. Dieses verschiedene Verhalten wie auch die verschiedene ^ätoffe! Löslichkeit in Wasser und verdünnter Salzlösung werden gegenwärtig als wich- tige charakteristische Unterscheidungsmerkmale zwischen verschiedenen Eiweiss- stoffen und Gruppen von solchen benutzt, wenn man auch zugeben muss, dass diese Unterschiede von nur relativem, oft sehr unsicherem Werth sind. Albumine. Diese Eiweissstoffe sind in Wasser löslich und werden durch Zusatz von ein wenig Säure oder Alkali nicht gefällt. Von grösseren Mengen Mineralsäure wie auch von Metallsalzen werden sie dagegen niedergeschlagen. Die Lösung in Wasser gerinnt beim Sieden bei Gegenwart von Neutralsalzen, während eine möglichst salzarme Lösung dagegen beim Sieden nicht gerinnt. Trägt man in die neutrale Lösung in Wasser NaCl oder MgSO^ bis zur Sätti- j,^.i,^jf™'jp,. gung bei Zimmertemperatur oder bei -)- 30" C. hinein, so entsteht kein Nieder- Albumine. schlag; setzt man dagegen der mit Salz gesättigten Lösung Essigsäure zu, so scheidet sich das Eiweiss aus. Von Ammoniumsulfat in Substanz, bis zur Sätti- gung eingetragen, wird eine Albuminlösung bei Zimmertemperatur vollständig gefällt. Die Albumine sind unter den bisher untersuchten Eiweisskörperu die schwefelreichsten (1,6 — 2,2 p. c. Schwefel). (xlobuline. Diese Eiweisskörper sind unlöslich in Wasser, lösen sich aber in verdünnten Neutralsalzlösungen. Diese Lösungen scheiden bei genügender Verdünnung mit Wasser das Globulin wieder unverändert aus; beim Erhitzen gerinnen sie. Die Globuline lösen sich in Wasser bei Zusatz von sehr wenig Säure oder Alkali und bei Neutralisation des Lösungsmittels scheiden sie sich wieder aus. Die Lösung in Minimum von Alkali wird von Kohlensäure gefällt; 30 Zweites Kapitel. sfbaftendor ^'''" Überschüssiger Kohlensäure kanu aber der Niederschhig in der Regel wieder Globuline, gglögt werden. Die neutralen, salzhaltigen Lösungen werden beim Sättigen mit NaCl oder MgSO^ in Substanz bei Zimmertemperatur je nach der Art des Globulins theilweise oder vollständig gefällt. Von Ammoniumsulfat, bis zur Sättigung eingetragen, werden sie vollständig gefällt. Die Globuline enthalten eine mittlere Menge Schwefel, nicht unter 1 p. c. Eine scharfe Grenze zwischen den Globulinen einerseits und den künstlichen Albu- uiinaten andererseits lässt sich kaum ziehen. Die Albuminate sind zwar regelmiissig unlös- lich in verdünnter Kochsalzlösung, doch kann num durch stärkere Alkalieinwirkung Albuminate darstellen, welche, vor Allem unmittelbar nach ihrer Ausfällung, in Kochsalzlösung löslich sind. Umgekehrt giebt es auch Globuline, welche mit Wasser in Berührung nach einiger Zeit in Kochsalz unlöslich werden. ^ukleoalbuiniue nennt man eine Gruppe von phosphorhalligen Eiweiss- stofFen, die im Thier- und auch im Pflanzenreiche sehr verbreitet vorkommen. Sie finden sich vor Allem in zellenreichen Organen, kommen aber auch in Sekreten und vielleicht in anderen Flüssigkeiten in scheinbarer Lösung als zerfallenes und umgewandeltes Protoplasma vor. Die Nukleoalbumine verhalten sich wie ziemlich starke Säuren; sie sind fast unlöslich in Wasser, lösen sich aber leicht mit Hilfe von sehr wenig Alkali. Eine solche, neutral oder sogar schwach sauer reagirende Lösung gerinnt beim Sieden nicht. Die Kukleoalbumine stehen bezüglich ihrer Löslichkeits- und Fällbarkeitsverhältnisse den Globulinen Eigen- und Albumiuaten (siehe unten) nahe, unterscheiden sich aber von jenen dadurch, Schäften der ^ ^ ' . . ■' Nuklei- dass sie von Neutralsalzen kaum gelöst werden. Der wichtigste Unterschied albuminc. . " . * . zwischen Nukleoalbuminen einerseits und Globulinen und Albuminaten anderer- seits liegt darin, dass die Nukleoalbumine phosphorhaltig sind. Durch diesen Gehalt an Phosphor unterscheiden sie sich auch von anderen genuinen Eiweiss- körpern und stehen in dieser Hinsicht den Nukleoproteiden nahe. Von den letzteren unterscheiden sie sich aber dadurch, dass sie nicht als nächste Spaltungs- produkte Xanthinstoffe geben. Durch die Pepsinverdauung hat man aus den meisten Nukleoalbuminen eine sehr phosphorreiche Eiweisssubstanz abspalten können, die mau zum Unterschied von den echten Nukle'inen (Kap. 5) Para- oder Pseudonuklein genannt hat. Nach Liebermann^) soll das Pseudo- nuklein eine Verbindung von Eiweiss mit Metaphosphorsäure sein. Die Nukleo- albumiue scheinen regelmässig etwas Eisen zu enthalten. Die Abscheidung von Pseudonuklein bei der Pepsinverdauung kann nicht als etwas für die Nukleoalbumingruppe ganz Charakteristisches betrachtet werden. Ob und in welchem Umfange eine solche Abspaltung stattfindet, hängt nämlich von der Intensität der Pepsin- verdauung, von dem Säuregrade nnd der Eelation zwischen Nukleoalburain und Veidauungs- Abspaltuny fiüssigkeit ab. Die Ausscheidung eines Pseudonukleins kiuiu also, wie SalkOWSKI gezeigt hat, von Pseuilo- ggii,st (jei der Verdauung des gewöhnlichen Kaseins ausbleiben , und aus dem Frauenmilch- kasein hat man überhau]it kein Pseudonuklein erhalten (Wköblewsky). Auch bei der Ver- dauung von pflanzlichem Nukleoalbnmin hängt es, wie AViMAX-) gezeigt hat, von der Ver- suchsanordnimg ab, ob man viel oder kein Pseudonuklein erhält. Das Wesentlichste dieser 1) Ber. d. deutseh. ehem. Gesellsch. 21. 2) Salkow.ski, PflÜGEE's Arch. 63; Wröblewski, Beiträge zur Kenntniss des Fraueu- kasei'üs. Inaug.-Diss. Bern 1894 ; Wiman, Upsala Läkaref. Förh. X. F. 2. Alkali- und Acidalbuniinate. 31 Gruppe von Eiweissstoffen ist also der Gehalt an Pliosphor und die Abwesenheit von Xanlhin- stofteu unter den Spaltungsprodukten derselben. Die Nukleoalburaiue werden vielfach tlieils mit Nukleoproteiden und theils mit phosphorhaltigen Glykoproteiden verwechselt. Von jenen unterscheiden sie sich dadurch, dass sie beim Sieden mit Säuren keine Xanthinkörper liefern, von diesen dagegen dadurch, dass sie bei derselben Behandlung keine reduzirende Substanz geben. Lecithalblimine. Bei der Darstellung gewisser Proteinsubstanzen erliillt man oft stark lecithinhaltige Produkte, aus denen das Lecithin äusserst schwierig oder nur unvollstäudig mit Allcoliol-Aether zu entfernen ist. Eine solche, stark lecithinhaltige Proteinsubstanz ist das Ovovitellin, welches Hoppe-Seyler als eine Verbindung zwiselieu Eiweits und Lecithin auf- j|,,y''^ijj"a gefasst hat. Andere lecithinhaltige Eiweisskörper hat Liebep.mann i) als unlösliche Rück- stände bei der Pepsinverdauuug vou Jlagenscldeimhaut, Leber, Nieren, Lungen und Jlilz er- halten. Er betrachtet sie als Verbindungen von Eiwciss und Lecithin und nennt sie Lecith- alblimine. Weitere Untersucliungen über diese Stoffe sind wünschenswerth. Alkali- und Acidalbiiiiniiate. Native Eiweissstofie können, wie die Untersuchungen von mehreren Forschern, in neuerer Zeit vou SjöQVIST, O. Cohn- HEIM, BuGARSZKY und L. LiEBERMANN -) gezeigt haben, ohne Aenderung ihrer Eigenschaften, Verbindungen mit Säuren oder Alkalien eingehen. Bei hin- reichend starker Einwirkung der genannten Reagenzien findet dagegen Dena- turirung statt. Durch Einwirkung von Alkalien können gäramtliche native Eiweisskörper unter Austritt von Stickstoff, bei stärkerer Alkalieinwirkung auch ^j^^g^^J'ge unter Austritt von Schwefel, unter gleichzeitiger Steigerung der spezifischen ^'J^^^jJ^^u-^ Drehung in eine neue Modifikation, welche man Alkalialbuminat genannt hat, übergeführt werden. Lässt man Aetzkali in Substanz oder starke Lauge auf eine konzentrirte Eiweisslösung, wie Blutserum oder Eiweiss, einwirken, so kann man das Alkalialbuminat als eine feste, in Wasser beim Erwärmen sich lösende Gallerte, „Liebeekühn's festes Alkalialbuminat", erhalten. Durch Einwirkung von verdünnter Alkalilauge auf mehr verdünnte Eiweisslösungen entstehen — langsamer bei Zimmertemperatur, rascher beim Erwärmen — Lösungen von Alkalialbuminat. Je nach der Natur des ursprünglichen Eiweisses und der Intensität der Alkalieinwirkung können diese Lösungen zwar ein etwas wech- selndes Verhalten zeigen, aber es sind ihnen jedoch immer einige Reaktionen gemeinsam. Löst man Eiweiss in überschüssiger, konzentrirter Salzsäure oder digerirt man eine mit einer Säure, am einfachsten mit 1 — 2 p. m. Salzsäure, versetzte Eiweisslösung in der Wärme oder digerirt man endlich Eiweiss mit Pepsinchlor- wasserstoftsäure kürzere Zeit, so erhält man ebenfalls neue Eiweissmodifikationen, welche zwar unter sich ein etwas abweichendes Verhalten zeigen können, aber auch gewisse Reaktionen gemeinsam haben. Diese Modifikationen, welche ebenfalls „^jg^^efge bei genügender Konzentration als eine feste Gallerte gewonnen werden können, ^j^'^^^^'^'^^ 1) Hoppe-Seyler, Jled. ehem. Unters. ISOS: auch Zeitschr. f. physiol. Cheni. 13, S. 479; Liebermann, Pflüger's Arch. 50 u. 54. -') SjöQVIST, Skand. Arch. f. Physiol. 5; O. COnsUEUl, Zeitschr. f. Biologie 33; BUGARSZKY und LlEBERMAX.v, PflCger's Arch. 72. Zweites Kapitel nennt man Aciilalbuminate oder Acidalbumine, bisweilen auch Syntonine, wenn man auch als Svutonin vorzugsweise dasjenige Acidalbuminat bezeichnet, welches aus den Muskeln bei ihrer Extraktion mit Salzsäure von 1 p. ra. er- halten wird. Den Alkali- und Acidalbuminateu sind folgende Reaktionen gemeinsam. Sie sind fast unlöslich in Wasser und verdünnter Kochsalzlösung (vergl. das oben S. 30 Gesagte), lösen sich aber leicht in Wasser nach Zusatz von einer Eigen- ggjj,. Jjleinen Menge Säure oder Alkali. Eine solche, möglichst nahe neutrale schalten der ° ^ Äibuminate Lösung gerinnt beim Sieden nicht. Bei Zimmertemperatur wird sie durch Neutralisation des Lösungsmittels mit Alkali, bezw. Säure gefällt. Die Lösung eines Alkali- oder Acidalbuminates in Säure wird leicht, eine Lösung in Alkali dagegen, je nach dem Alkaligehalte, schwer oder nicht durch Sättigen mit NaCl gefällt. Mineralsäuren im Ueberschuss fällen die Lösungen sowohl der Acid- wie der Alkalialbuminate. Die, soweit möglich, neutralen Lösungen dieser Stoffe werden auch von vielen Metallsalzen gefällt. Trotz dieser Uebereinstimmung in Reaktionen sind jedoch die Acid- und Alkalialbuminate wesentlich verschieden und durch Auflösung von einem Alkali- alburainat in etwas Säure erhält man keine Acidalbuminatlösung, ebensowenig wie ein in Wasser mit wenig Alkali gelöstes Acidalbuminat eine Alkalialbuminat- lösung darstellt. Im ersteren Falle erhält man die in Wasser lösliche Ver- bindung des Alkalialbuminates mit der Säure und im letzteren die lösliche Ver- bindung des Acidalbuminates mit dem zugesetzten Alkali. Der chemische Vorgang bei der Denaturirung des Eiweisses mit einer Säure ist ein wesentlich anderer als bei der Denaturirung mit einem Alkali und dementsprechend sind auch die Denaturirungsprodukte verschiedener Art. Die Alkalialbuminate sind verhältnissmässig starke Säuren. Sie können in Wasser durch Zusatz von Unter- CaCOg, Unter Austreibung von CO2, gelöst werden, was mit den typischen Acid- zwisehen albumiuaten nicht geliugt, und sie zeigen, den Acidalbuminateu gegenüber, auch Acidaibu- andere Abweichungen, welche mit ihrer stark ausgeprägten Säurenatur im Zu- minat. ° a L o ^ sammenhange stehen. Verdünnte Lösungen von Alkalien wirken auch auf das Eiweiss mehr eingreifend als Säuren von entsprechender Konzentration ein. Im ersteren Falle spaltet sich ein Theil des Stickstoffes und oft auch des Schwefels ab, und es kann wegen dieses Verhaltens zwar ein Acidalbuminat durch Alkali- einwirkung in ein Alkalialbuminat aber nicht umgekehrt ein solches durch Säure in das entsprechende Acidalbuminat desselben Eiweissstoffes übergeführt werden (K. Mörner'). Aus diesem Grunde führt es auch zu Missverständ- nissen oder einer irrigen Auffassung, wenn man, wie dies bisweilen geschieht, sowohl das durch Alkali wie das durch Säure denaturirte Eiweiss Protein nennt und die Verbindung dieses Proteins mit Alkali als Alkalialbuminat uml die Verbindung mit Säure dagegen als Acidalbuminat bezeichnet. 1) Pflüger's Aldi. 17. Albiimosen und Peptoue. 33 Desamldoalbuminsäure hat Schmiedeberg 1 j ein Alkalialbnminat genannt, welches Desamido- durch so schwache Alkalieinwiikung entstand, dass zwar ein Theil des Stickstoöes austrat, säure der Gehalt an Schwefel aber unverändert blieb. Dem Alkalialbuminate ähnelt sehr in Bezuj; auf Löslichkeits- und FäUbarkeitsverhült- nisse eine von Blum durch Einwirkung von Formul auf Eiweiss erhaltene, mit dem Albu- 'o »gen. minate jedoch nicht identische Eiweissverbindung, die er Protogen genannt hat -). Das Prinzip der Darstellung der Albumiuate ist schon oben angegeben worden. Aus einer mit Alkali, bezw. mit Säure behandelten Eiweisslösung kann das entsprechende Albumiuat durch Neutralisation mit Säure, bezw. Alkali aus- gefällt werden. Den ausgewaschenen Niederschlag löst man in Wasser mit Hilfe von ein wenig Alkali, resp. Säure und fällt wiederum durch Neutralisation des Lösungsmittels. Deu mit Wasser ausgewascheneu Niederschlag behandelt man, wenn es um die Darstellung eines reinen Präparates in fester Form sich handelt, mit Alkohol-Aether. Albiimosen und Peptone. Als Peptone bezeichnet man die Endprodukte der Zersetzung der Eiweissstoffe durch proteolytische Enzyme, insofern als diese Endprodukte noch wahre Eiweisskörper sind, während man als Albumosen, Proteosen oder Propeptone die bei der Peptonisirung des Eiweisses entstehenden Zwischenprodukte, insofern als sie nicht albuminatähnliche Substanzen sind, be- zeichnet. Albumosen und Peptone können auch bei der hydrolytischen Zer- Albumosen Setzung des Eiweisses mit Säuren oder Alkalien wie auch bei der Fäulniss Peptone. desselben entstehen. Sie können auch in sehr kleinen Mengen als Laborations- produkte bei der Untersuchung von thierischen Flüssigkeiten und Geweben auf- treten, und die Frage, in wie weit sie in diesen unter physiologischen Verhält- nissen vorgebildet sind, ist deshalb schwer zu entscheiden. Zwischen demjenigen Pepton, welches das letzte Spaltungsprodukt repräsen- tirt, und derjenigen Albumose, welche dem ursprünglichen Eiweiss am nächsten steht, giebt es unzweifelhaft eine Reihe von Zwischenstufen. Unter solchen Um- ständen muss es gewiss eine niissliche Aufgabe sein, eine scharfe Grenze zwischen der Pepton- und der Albumosegruppe zu ziehen, und ebenso schwierig dürfte es auch heutzutage sein, die BegrifTe Peptone und Albumosen in exakter und be- friedigender Weise zu definiren. Als AJhumosen bezeichnete man früher Eiweissstoffe, deren Lösungen beim Sieden bei neutraler oder schwach saurer Reaktion nicht gerinnen, und welche, zum Unterschied von den Peptonen, hauptsächlich durch folgende Eigenschaften charakterisirt sind. Die wässerige Lösung wird bei Zimmertemperatur von Sal- Albumosen petersäure wie auch von Essigsäure und Ferrocyankalium gefällt und die Nieder- '"sinne*"' schlage zeigen das Eigenthümliche, dass sie beim Erwärmen verschwinden und beim Abkühlen wieder auftreten. Sättigt man eine Lösung von Albumosen mit NaCl in Substanz, so scheiden sich die Albumosen bei neutraler Reaktion theilweise, bei Zusatz von mit Salz gesättigter Säure mehr vollständig aus. Der 1) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 39. 2) Blum, Zeitschr. f. physiol. C'hem. 22. Aeltere Untersuchungen rühren von LoEW her, vergl. Maly's Jaliresber. 1888. Ueber die Einwirkung des Formaldehydes vergl. man ferner Bbnedicenti, Du Bois-Reymond's Arch. 1897. Hammarsteu, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 3 36 Zweites Kapitel. auf Fibrin von ilim eriialtene Albumose. Gleichzeitig erhielt er auch eine, gewissermassen zwischen den Albuminaten und den Albumosen stehende Substanz, das Atmidalbumin. Von den löslichen Albumosen bezeichnet Neumeister die Proto- und Heteroalbumose als primäre Albumosen, die dem Pepton näher verwandten Deuteroalbumosen dagegen als sekundäre Albumosen. Als wesentliche Unter- schiede zwischen beiden Gruppen hebt er folgende hervor ^). Von Salpetersäure werden die primären Albumosen in salzfreier, die sekundären dagegen erst in salzhaltiger Lösung gefällt, wobei zu bemerken ist, dass einige Deuteroalbu- mosen , wie die Deuterovitellose und die Deuteromyosinose , von Salpetersäure erst nach Sättigung der Lösung mit NaCl gefällt werden. Von Kupfersulfat- Primärcuud lösung (2: 100) wie auch von NaCl in Substanz in neutraler Flüssigkeit werden sekundäre ... . . Aibumoseu. die primären, nicht aber die sekundären Albumosen gefällt. Aus einer mit NaCl gesättigten Lösung werden nach Zusatz von salzgesättigter Essigsäure die primären vollständig, die sekundären dagegen nur theilweise gefällt. Von Essig- säure und Ferrocyankalium werden die primären Albumosen leicht, die sekun- dären erst nach einiger Zeit theilweise gefällt. Die primären Albumosen werden ferner nach PiCK^) von Ammouiumsulfat (bis zu halber Sättigung der Lösung zugesetzt) vollständig gefällt, während die sekundären Albumosen hierbei in Lösung bleiben. Die echten Peptone sind ungemein hygroskopisch und zischen auf wie Phosphorsäureanhydrid, wenn sie in völlig trockenem Zustande mit wenig Wasser benetzt werden. Sie sind ungemein leicht löslich in Wasser, diffundiren leichter als die Albumosen und werden von Ammouiumsulfat nicht gefällt. Zum Unter- schied von den Albumosen werden die echten Peptone ferner nicht gefällt von Salpetersäiu'e (selbst in salzgesättigter Lösung), von salzgesättigter Essigsäure und Chlornatrium, von Ferrocyankalium und Essigsäure, Pikrinsäure, Trichlor- essigsäure, Quecksilberjodidjodkalium und Salzsäure. Sie werden gefällt von Euhte Phosphorwolframsäure (Phosphorraolybdänsäure), Sublimat (bei Abwesenheit von Neutralsalz), absolutem Alkohol und von Gerbsäure, welch' letztere indessen im Ueberschuss den Niederschlag wieder löst. Als wichtiger Unterschied zwischen dem Ampho- und dem Antipepton wäre ferner hervorzuheben , dass, wie es scheint, nur jenes aber nicht dieses die MiLLON'sche Reaktion giebt. Hinsichtlich der Fällbarkeit durch Alkohol ist indessen zu bemerken , dass nach Fk.Xnkel nicht nur die Säureverbindungen der Peptone (Paal), sondern auch die freien Peptone in Alkohol löslieh sind, und Fräkkel hat sogar auf diesem Verhalten eine Methode Löslichkeit ^" ''"'6'' Reindarstellung gegründet. SCHKÖTTER^) hat auch krystallisirbare Albumosen dar- in Alkoll. .1. Ljistellt, die in heissem Alkohol, namentlich Methylalkohol, löslich waren. Der gewöhnlichen Anschauung gemäss sind die Albumosen Zwischen- stufen bei der Peptonbildung und zwar so, dass aus den primären Albumosen die Deuteroalbumose und aus dieser dann die Peptone hervorgehen. Dieser 1) Nedmeister, Zeitschr. f. Biologie 24 u. 26. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. 3) Fränkel, Zur Kenntniss der Zerfallsprodukte des Eiweisses bei pepti; i-l)tischer Verdauung. Wien 1896; SCHKUTTER, Monatshefte f. Chem. 14 u. 1(>. Albumoseu und Peptone. Ansicht gegenüber erscheint es auffallenrl, das?, wie Kühne ') gefunden hat, die Deuterofibrinosen weniger leicht als die Protofibrinose diffundiren, und fernei-, dass nach Sabanejew die Deuteroalbumose ein höheres Molekulargewicht (320n) als die Protalbumose (2467—2643) hat. Die Peptone haben jedenfalls ein niedrigeres Molekulargewicht, das für verschiedene Präparate zwischen 400 und ^J°'*^H'?""' 250 lag (Sabanejew, Paal, Sjöqvist-). Für seine Albumosen fand Scheötter der Aibu- " ^ ' > -<. / iiiosen und das Molekulargewicht 600 — 7(J0. Nach Paal nimmt das Säurebindungsvermögen Peptone der bei der Peptonisation entstehenden Hydratationsprodukte mit abnehmendem Molekulargewicht zu. Cohnheim ^) fand diesen Satz insoferne bestätigt, als das Antipepton ein viel grösseres Salzsäure-Bindungsvermögen als die Albumosen hatte. Dagegen fand er, dass die Heteroalbumose eine grössere Menge Säure als die Deuteroalbumose bindet. Der obigen Ansicht von der Entstellung der Albumosen als Zwischenstufen bei der Peptouliildung tritt ScHRÖTTER-t) insoferne entgegen, als nach ihm bei der Einwirkung von Säuren .^uf die Eiweissstoife diese nicht erat Albumosen liefern, aus denen dann die Peptone hervorgehen, sondern gleichzeitig in Albumosen und Peptone sieh spalten. Wie oben angegeben, betrachtet man allgemein das Verhallen zu Ammo- niunisulfat als massgebenden Unterschied zwischen Albumosen und Peptonen. Man kann jedoch in Zweifel darüber sein, ob das Verhalten zu einem einzigen Salze, dem Ammoniumsulfate, einen genügenden Anhaltspunkt zur Charakteri- sirung von zwei Gruppen von Eiweissstoffen, den Albumosen und den Peptonen liefern kann, und ein solcher Zweifel ist um so mehr berechtigt, als es nach Neumeister auch Deuteroalbumose (bei der Pepsinverdauung aus der Prot- albumose entstehende Deuteroalbumose) giebt, welche von Ammoniumsulfat nicht verhalten vollständig gefällt wird. Es hat den Anschein, als fände die Umsetzung des ^ums^rnTt. Eiweisses in Pepton mit einer Anzahl Zwischenstufen statt, ebenso wie die Stärke durch eine Reihe von Dextrinen in Zucker übergeht, und da das Ammonium- sulfat nicht, wie man angenommen hatte, ein Trennungsmittel zwischen Dextrinen und Zucker ist, indem es nämlich nur gewisse Dextrine nicht aber alle fällt, bleibt es noch mehr fraglich, ob es als Trennungsmittel für Albumosen und Peptone dienen kann. Eine vollständige Trennung dieser, einander nahestehen- den und in einander übergehenden Zwischenprodukte wie auch die Reindar- stellung eines jeden derselben dürfte eine so ausserordentlich schwierige Aufgabe sein, dass es wohl gegenwärtig nicht möglich ist zu sagen, in wie weit eine Differenzirung berechtigt oder durchführbar sei. Man hat in der That auch in der letzten Zeit nach anderen Unterscheidungsmerkmalen zwischen Peptonen und Albumosen gesucht und als ein solches betrachteten Schrötter und FkäNKELü) den Schwefel. Schrötter bezeichnet als Unterschied zwischen Albumosen und 1) Zeitschr. f. Biologie 29. 2) Sabanejew, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 26. Ref. S. 385; P.\Ai, ebenda 27. S. 1827; S.TÖQVIST, Skand. Arch. f. Physiol. 5. 3) Paal 1. c. ; Cohnheim, Zeitsehr. f. Biologie 33. ■1) Monatshefte f. Chem. 16. 5) Schrötter 1. c ; Fräkkel 1. c. 38 Zweites Kapitel. Aii^iichteii Peptotieii Folgendes. Dio Albunioseu haben einen höheren Stickstiifl'gchalt und grösseres S-hr^t?er u ^"lekuhirgewieht und enthalten Schwefel. Nach FrAnkel sind die Peptone immer selnvefel- Fränkel. freie Substanzen. Die Albumosen sind dagegen schwefelhaltig und er hat nur eine Allmraose (im Sinne KÜhxe's) gefunden, die nicht schwefelhaltig war. Die Frage nach den Unterscheidungsmerkmalen zwischen Albumosen uud Peptonen ist mdessen iu der letzten Zeit insoferne in ein neues Stadium einge- treten, als es fraglich ist, ob die sogenannten echten Peptone überhaupt wahre Eiweissstojfe sind. Nach den Untersuchungen von Siegfried und seinen Schülern^) soll nämlich das Antipepton mit der Fleischsäure (vergl. Anhang zu diesem Abschnitte) identisch sein. Wenn dies richtig ist, würde also das Antipepton eine einbasische Säure von der Formel CißHjjNgO^, sein, die ein Antipeptou „pg(j kleineres Molekulargewicht als die Protamine hat und die wohl kaum und Fleisch- e säure, jjjg Ei^veiss angesehen werden kann. Unter solchen V^erhältnissen wäre es wohl auch am richtigsten, den Namen Antipepton gänzlich fallen zu lassen, wenn man fortwährend wie bisher als Peptone nur solche Stoffe bezeichnen will, die noch wahre Eiweisskörper (im gewöhnlichen Sinne) sind. Bei hinreichend ener- gischer Trypsinverdauung würde also überhaupt kein Pepton, sondern nur ein- fachere Spaltungsprodukte entstehen, und als echtes Pepton wäre also nur das bei der Pepsinverdauung gebildete sogenannte Amphopepton übrig, dessen ein- gehenderes Studium folglich von dem allergrössten Interesse ist. In welchem Verhältnisse stehen die Albumosen tind Peptone zu demjenigen Eiweiss, aus welchem sie entstanden sind? Die bisher ausgeführten zahlreichen Analysen von Albumosen verschiedener Art haben als hauptsächlichstes Resultat ergeben, dass mit Ausnahme von denjenigen Albumosen, welche dem Verhalten echten Pepton am nächsten stehen, der Unterschied in der Zusaramensetzting der -albumo- sen imd des ursprünglichen Ei weisses und der entsprechenden Albumosen kein wesent- Peptone zu /^ " ^ . demEiweiss. lieber ist. Die echten Peptone wie auch einige, denselben nahestehende Albu- mosen scheinen dagegen bei etwa demselben Wasserstoö- und Stickstoffgehalte regelmässig nicht unwesentlich ärmer an Kohlenstoff als die primären Albumosen, bezw. das Eiweiss zu sein''). Die Elementaranalyse hat also noch keine ganz sicheren Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnisse das Eiweiss einerseits und die Albumosen und Peptone andererseits zu einander stehen, geliefert. Nach einer von Hoppe-Seylee, KC'hne, Henkcjger und, wie es scheint, wahrscheinlich den meisten neuereu Forschern acceptirten Ansicht soll die Peptonbildung eine hydrolytische Spaltung sein. Als Stütze hierfür hat man auch einige Beobachtungen von Hensisger und Hofmeister^) angeführt, nach 1) Vergl. Fussuoten in dem .Vnhaüge zu diesem .^.bschnitte des Kapitels (Fleischsäure). 2) Elementaranalyseu von Albumoseu und Peptonen findet man in den in der Fussnote S. 35 citirten Arbeiten von KÜHNE und Chittenden und deren Schülern ; ferner bei Herth, Zeitsehr. f. iihysiol. Chem 1 und Monatshefte f. Chem. 5; Maly, Pflvgek's Xrch. 9 u. 20; Henninger, Compt. rend. 86; Schkötter 1. e. ; Paal 1. c. !)) Hoppe-Seyler, Physiol. Chem.; Kühne 1. c; Henninger 1. c. ; Hofmeister, Zeitsehr f. physiol. Chem. 2. Albumosen und Peptone. 39 welchen das Pepton (rlie Albumosen) durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid oder durch Erhitzen unter Austritt von Wasser in albumiuatähnliches Eiweiss übergeführt werden soll. Nach Schkötter') sollen allerdings die Albumosen mit Essigsäureanhydrid nicht regenerirtes Eiweiss sondern ein in Wasser unlös- liches Acetylderivat liefern ; durch Erhitzen kann man aber unzweifelhaft albumi- natähnliches Eiweiss wiedergewinnen, was auch mit den Befunden von Neu- meister im Einklänge steht. Nach einer anderen Ansicht von ilAiY, Hekth, Loew u. A. soll die Peptoubildung eine Depolymerisation des Eiweisses sein. Einer dritten Ansieht gemäss sollen Eiweiss und Peptone isomere Köi-per sein, während nach einer vierten Ansicht (Gkiessmayer) -) das ^^^ p j^^jj Eiweiss aus Micellgruppen bestehen soll, welche bei der Peptonisation erst in Micellen und bildung. dann weiter in Moleküle zerfallen. Wälirend eine gewiihuliche Eiweisslösung ilicellen oder Slicell verbände enthält, würde also nach dieser Ansicht eine Peptonlösung Eiweissraoleküle enthalten. Die Darstellung der verschiedenen Albumosen in völlig reinem Zustande ist sehr umständlich und mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Aus diesem Grunde wird hier nur in allgemeinen Zügen dasjenige Verfahren angeführt, durch welches die verschiedenen Albumosenniederschläge zu erhalten sind. Geht mau von einer Lösung s'on Fibrin in Pepsinchlorwasserstoffsäure aus, so ent- fernt man zuerst durch Neutralisation und durch Koagulation in der Hilze das Syntonin, bezw. etwa anwesendes gerinnbares Eiweiss. Das neutralisirie Filtrat wird mit KaCl gesättigt, wobei ein Gemenge der primären Albumosen sich ausscheidet. Den mit gesättigter XaCl-Lösung gewaschenen Niederschlag presst man aus und löst ihn in verdünnter Kochsalzlösung. Ein etwa zurückbleiben- der, nicht löslicher Eest wird Dysalbumose genannt. Die Lösung der primären Albumosen wird anhaltend und vollständig dialysirt. Es scheidet sich hierbei DarsteUung die Heteroalbumose aus, während die Protalbumose in Lösung bleibt und mit Albumosen. Alkohol gefällt werden kann. Das von den primären Albumosen getrennte, mit NaCl gesättigte Filtrat versetzt man mit Essigsäure, welche mit NaCl ge- sättigt worden ist, bis keine Fällung mehr erfolgt. Der Niederschlag, welcher ein Gemenge von primären und sekundären Albumosen ist, wird abfiltrirt. Aus dem Filtrate entfernt man die Hauptmenge des Kochsalzes durch Dialyse und scheidet die Deuteroalbumose mit Ammoniumsulfat aus. Man kann natürlich auch erst sämmtliehe Albumosen mit Ammoniumsulfat ausfällen, den in Wasser gelösten Niederschlag durch Dialyse von dem Ammoniumsalze reinigen und dann wie oben verfahren. Zur Trennung der primären Albumosen von den sekundären wie auch zur Trennung verschiedener Deuteroalbumosen kann man nach Pick frak- tionirte Fällung mit Ammoniurasulfat benutzen. S. Fräxkel^) entfernt, behufs Reindarstellung der Deuteroalbumosen, erst die primären Albumosen durch Fällung mit Kupfersulfat. Zur Darstellung von echtem Pepton kann man eine sehr anhaltende oder energi.sche Pepsinverdauung verwenden, kommt aber bedeutend rascher durch Anwendung von der Trypsinverdauimg zum Ziele. Die Albumosen müssen ganz vollständig entfernt werden, was nur durch abwechselndes Fällen mit Ammoniumsulfat bei sauerer, neutraler und alkalischer Reaktion möglich ist. 1) Monatshefte f. Chem. 17. 2) Malt 1. c; Herth 1. c. ; Loew, Pflüger's Arch. 31; Griessmayer, vergl. Maly's Jahresber. 14, S. 26. 3) Pick 1. e ■ FR.iNKEl., Monatshefte f Chem. IS. 40 Zweites Kapitel. Nach Kühne 1) verfährt mau in folgender Weise. Die hinreichend verdünnte Darstellung Lösung der von Albuniinaten und koagulablem Eiweiss freien Verdauungspro- Peptone. dukte vird zuerst siedend heiss mit Animoniumsulfat bei nahezu neutraler Re- aktion gefällt und nach dem Abkühlen von ausgeschiedenen Albuniosen und auskrystallisirtem Salz getrennt. Das Filtrat wird zum Sieden erhitzt, mit Ammoniak und Ammoniumkarbonat stark alkalisch gemacht, von Neuem in der Hitze mit Ammoniumsulfat gesättigt, nach dem Erkalten filtrirt, wieder er- hitzt, bis der Geruch nach Ammoniak verschwunden ist, von Neuem mit Animoniumsulfat in der Hitze gesättigt, darauf mit Essigsäure deutlich ange- säuert und nach dem Erkalten filtrirt. Das; Filtrat wird durch starkes Konzentriren unter Umrühren, Erkalten- lasseu und Absaugen von einem grossen Theil des Salzes befreit. Aus dem Filtrate kann durch vorsichtige fraklionirte Fällung mit Alkohol wieder eine grosse Menge Salz entfernt werden, so dass man zuletzt eine alkoholhaltige peptonreiche Lösung mit nur wenig Ammoniumsalz erhält. Diese Lösung wird durch Kochen von Alkohol und dann durch Sieden mit Baryumkarbonat von Ammoniumsulfat befreit. Das Filtrat wird durch vorsichtigen Zusatz von ver- dünnter Schwefelsäure von überschüssigem Baryt befreit. Das neue Filtrat, welches keine überschüssige Schwefelsäure enthalten darf, wird stark konzentrirt und aus demselben .das Pepton mit Alkohol ausgefällt. S. Fränkel hat ein anderes Verfahren, welches auf der Löslichkeit der Peptone in Alkohol sieh gründet, angegeben. K. Baumann und A. BÖMER 2) fällen die Albumosen mit Ziuksulfat aus. Zum Nachweis von Albumosen und Peptonen in thierischen Flüssigkeiten hat Devoto ein Verfahren angegeben, nach welchem das koagulable Eiweiss durch andauerndes Erhitzen der mit Ammoniumsulfat gesättigten Lösung un- löslich gemacht wird. In dem erkalteten, salzgesättigten Filtrate kann mittels der Biuretprobe echtes Pepton (nebst nicht gefällter Deuteroalbumose) nachge- Nachwcis wiesen werden. Die übrigen Albumosen sind in dem auf dem Filtrum gesammel- mosen und ten Gemenge von Niederschlag und Salzkrystallen enthalten. Bei dem Aus- Peptone, waschen dieses Gemenges mit Wasser werden die Albumosen gelöst und können in dem Waschwasser mittels der Biuretprobe nachgewiesen werden. Bei diesem Verfahren sollen indessen nach Hai^libuetox und Colls^) durch das lang- dauernde Erhitzen Spuren von Albumosen aus anderem Eiweiss entstehen können. Die besten Methoden sind nach ihnen entweder das Ausfällen des nativen Ei- weisses durch Zusatz von 10 p.e. Trichloressigsäure oder das Unlöslichmachen desselben durch anhaltende Einwirkung von Alkohol. Das letztgenannte Ver- fahren ist indessen wenigstens für das Blutserum nicht ganz brauchbar, weil das sogenannte Fibrinferment, welches ebenfalls die Biuretreaktion giebt, dabei nicht unlöslich wird. Will man eine mit Animoniumsulfat gesättigte Lösung mit der Biuret- reaktion prüfen, so niuss man eine möglichst konzentrirte Natronlauge unter Abkühlung in geringem Ueberschuss zusetzen und nach dem Absitzen des Natriumsulfates der Flüssigkeit tropfenweise eine 2prozentige Kupfersulfatlösung zufügen. Zur quantitativen Bestimmung der Albumosen und Peptone hat man 1) Zeitschr. f. Biologie 29. 2) FräNKEL 1. c, Zur Kenntniss etc.; BÖMEK, Chem. Centralbl. 1898. 1. S. G40. 3) Devoto, Zeitschr. f. physiol. Chem. 15: Halliburton und Colls Journ. of Pathol. and Bacteriol. 1895. Vegetabilische und giftige Eiweissstoflfe. 41 theils die Biuretprobe (kolorimetrisch) und theils die polari metrische Methode verwendet. Diese Methoden geben indessen keine genauen Resultate. Koagulirte Eiweissstoife. Das Eiweiss kann auf verschiedene Weise, wie durch Erhitzen (siehe oben S. 24) durch Einwirkung von Alkohol, besonders bei Gegenwart von Neutralsalz, durch anhaltendes Schütteln seiner Lösung (Rämsden)I) und in gewissen Fällen, wie bei dein Uebergange von Fibrinogen ^^El^Jf^"-' in Fibrin (vergl. Kap. 6), durch Enzyme in den geronnenen Zustand über- Stoffe, geführt werden. Die Natur des bei der Gerinnung stattfindenden Vorganges ist nicht sicher bekannt. Die geronnenen Eiweisskörper sind unlöslich in Wasser, Neutralsalzlösung und verdünnten Säuren, bezw. Alkalien, bei Zimmertemperatur. Von weniger verdünnten Säuren oder Alkalien werden sie besonders in der Wärme gelöst und in Albuminate umgewandelt. Koaguiirte Eiweissstoöe scheinen aber auch in den thierischen Geweben vorzukommen. Man findet wenigstens in vielen Organen, wie in der Leber und anderen Drüsen, Eiweissstoffe, die weder in Wasser, verdünnten Salzlösungen oder sehr verdünntem Alkali löslich sind und die erst unter Deuaturirung von etwas stärkerem Alkali gelöst werden. Anhang. Vegetabilische Eiweissstoffe. Die pflanzlichen Eiweissstoöe scheinen dieselben wesentlichen Eigenschaften wie die thierischen zu haben, und es kommen auch in den Pflanzen dieselben drei Hauptgruppen von nativen Ei- weissstoffen wie in dem thierischen Organismus vor. Man kennt also pflanz- liche J[/i«/H/H(^ GJohdine (Phytovitellin, Pflanzenmyosin. Paraglobulin) «nd ^'"j^^"^!'.'" Nuldeoalh um ine (EthsQjAegmwm). Ausserdem kommen als eine besondere Gruppe^ die sogenannten Kleberprote'instofTe vor, die zum Theil in Alkohol löslich sind. Es scheint jedoch, als hätte man bei dem Studium der vegetabilischen Eiweiss- stofTe zu grosses Gewicht auf die Löslichkeitsverhältnisse derselben gelegt, und fortgesetzte, mehr eingehende Untersuchungen scheinen dringend nöthig zu sein -). Giftige Eiweissstoffe. In dem ersten Kapitel wurde die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass sowohl die höheren Pflanzen und Thiere wie auch die Mikrobien Eiweissstoffe von spezifischen, bisweilen intensiv giftigen Wirkungen erzeugen können. Fragt man nach der Natur dieser sogenannten giftigen Eiweissstoflfe, so müssen wir zugeben, dass wir darüber wenig Sicheres wissen. Die bisher iso- lirten giftigen Eiweissstoffe gehören zwar bestimmten Gruppen von Eiweissstoffen an — einige sind Albumine, andere Globuline oder Proteide und mehrere, wie 1) Du Bois-Eeymond's Arch. 1894. 2) Vergl. Kjeldahl, t'ndersögelser over de optisko Foihold hos nogle Planteaeggo- hvidcstoti'er. Forhandlinger yed de skandinaviskc Xaturforskeres 14. Slöde. KjöbeBhaTn 1892. 40 Zweites Kapitel. Nach Kühne '^) verfährt man in folgender Weise. Die hinreichend verdünnte Darstciimig Lösung der von Albuminaten und koagulableni Eiweiss freien Verdauungspro- Peptonc. dukte wird zuerst siedend heiss mit Ammoniumsulfat bei nahezu neutraler Re- aktion gefällt und nach dem Abkühlen von ausgeschiedenen Albuniosen und auskrystallisirtem Salz getrennt. Das Filtrat wird zum Sieden erhitzt, mit Ammoniak und Ammoniumkarbonat stark alkalisch gemacht, von Neuem in der Hitze mit Ammoniunisulfat gesättigt, nach dem Erkalten filtrirt, wieder er- hitzt, bis der Geruch nach Ammoniak verschwunden ist, von Neuem mit Ammoniunisulfat in der Hitze gesättigt, darauf mit Essigsäure deutlich ange- säuert und nach dem Erkalten filtrirt. Das Filtrat wird durch starkes Konzentriren unter Umrühren, Erkalten- lassen und Absaugen von einem grossen Theil des Salzes befreit. Aus dem Filtrate kann durch vorsichtige fraktionirte Fällung mit Alkohol wieder eine grosse Menge Salz entfernt werden, so dass man zuletzt eine alkoholhaltige peptonreiche Lösung mit nur wenig Ammoniumsalz erhält. Diese Lösung wird durch Kochen von Alkohol und dann durch Sieden mit Baryumkarbonat von Ammoniumsulfat befreit. Das Filtrat wird durch vorsichtigen Zusatz von ver- dünnter Schwefelsäure von überschüssigem Baryt befreit. Das neue Filtrat, welches keine überschüssige Schwefelsäure enthalten darf, wird stark konzentrirt und aus demselben das Pepton mit Alkohol ausgefällt. S. Fkänkel hat ein anderes Verfahren, welches auf der Löslichkeit der Peptone in Alkohol sieh gründet, angegeben. K. BaüMANN und A. liÖMERä) fällen die AJbumosen mit Zinksulfat aus. Zum Nachweis von Albumosen und Peptonen in thierischen Flüssigkeiten hat Devoto ein Verfahren angegeben, nach welchem das koagulable Eiweiss durch andauerndes Erhitzen der mit Ammoniunisulfat gesättigten Lösung un- löslich gemacht wird. In dem erkalteten, salzgesättigteii Filtrate kann mittels der Biuretprobe echtes Pepton (nebst nicht gefällter Deuteroalbuniose) nachge- Naehwcis wiesen werden. Die übrigen Albumosen sind in dem auf dem Filtrum gesammel- mosen und ten Gemenge von Niederschlag und Salzkrystallen enthalten. Bei dem Aus- Peptone, -^yaschen dieses Gemenges mit Wasser werden die Albumosen gelöst und können in dem Waschwasser mittels der Biuretprobe nachgewiesen werden. Bei diesem Verfahren sollen indessen nach Hällibueton und Colls^) durch das lang- dauernde Erhitzen Spuren von Albuniosen aus anderem Eiweiss entstehen können. Die besten Methoden sind nach ihnen entweder das Ausfällen des nativen Ei- weisses durch Zusatz von 10 p. c. Trichloressigsäure oder das Unlöslichniachen desselben durch anhaltende Einwirkung von Alkohol. Das letztgenannte Ver- fahren ist indessen wenigstens für das Blutserum nicht ganz brauchbar, weil das sogenannte Fibrinferment, welches ebenfalls die Biuretreaktion giebt, dabei nicht unlöslich wird. Will man eine mit Ammoniunisulfat gesättigte Lösung mit der Biuret- reaktion prüfen, so muss man eine möglichst konzentrirte Natronlauge unter Abkühlung in geringem Ueberschuss zusetzen und nach dem Absitzen des Natriumsulfates der Flüssigkeit tropfenweise eine 2 prozentige Kupfersulfatlösung zufügen. Zur quantitativen Bestimmung der Albumosen und Peptone hat man 1) Zeitschr. f. Biologie 29. 2) Fkänkel 1. c.. Zur Kenntniss etc.; BÖMER, Chem. Centralbl. 1898. 1. S. G40. 3) Devoto, Zeitschr. f. physiol. Chem. 16: HALLIBURTON und COLLS Jouru. of Pathol. and Bnctcriol. 1895. stoflFe. Vegetabilische und giftige Eiweissstoife. 41 theils die Biuretprobe (koloi-imetrisch) und theils die polari metrische Methode verwendet. Diese Methoden geben indessen keine genauen Resultate. Koagulirte Eiweissstoife. Das Eiweiss kann auf verschiedene Weise, wie durch Erhitzen (siehe oben S. 24) durch Einwirkung von Alkohol, besonders bei Gegenwart von Neutralsalz, durch anhaltendes Schütteln seiner Lösung (Ramsden)^) und in gewissen Fällen, wie bei dem Uebergange von Fibrinogen 'Vü'ifeiss-' in Fibrin (vergl. Kap. 6), durch Enzyme in den geronnenen Zustand über- geführt werden. Die Natur des bei der Gerinnung stattfindenden Vorganges ist nicht sicher bekannt. Die geronnenen Eiweisskörper sind unlöslich in Wasser, Neutralsalzlösung und verdünnten Säuren, bezw. Alkalien, bei Zimmertemperatur. Von weniger verdünnten Säuren oder Alkalien werden sie besonders in der Wärme gelöst und in Albuminate umgewandelt. Koaguiirte Eiweissstoife scheinen aber auch in den thierischen Geweben vorzukommen. Man findet wenigstens in vielen Organen, wie in der Leber und anderen Drüsen, EiweissstoflTe, die weder in Wasser, verdünnten Salzlösungen oder sehr verdünntem Alkali löslich sind und die erst unter Denaturirung von etwas stärkerem Alkali gelöst werden. Anhang. Vegetabilisclie Eiweissstoffe. Die pflanzlichen Eiweissstoffe scheinen dieselben wesentlichen Eigenschaften wie die thierischen zu haben, und es kommen auch in den Pflanzen dieselben drei Hauptgruppen von nativen Ei- weissstoffen wie in dem thierischen Organismus vor. Man kennt also pflanz- liche AJhiimine, GJohdine (Phytovitellin, Pflanzenmyosin, Paraglobulin) und ^|;; iV^»Z-/eon/?/«w/Ke(Erbsenlegumin). Ausserdem kommen als eine besondere Gruppe '^"***''°'' die sogenannten Kleberproteinstoffe vor, die zum Theil in Alkohol löslich sind. Es scheint jedoch, als hätte man bei dem Studium der vegetabilischen Eiweiss- stoffe zu grosses Gewicht auf die Löslichkeitsverhältnisse derselben gelegt, und fortgesetzte, mehr eingehende Untersuchungen scheinen dringend nöthig zu sein -). Giftige Eiweissstoife. In dem ersten Kapitel wurde die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass sowohl die höheren Pflanzen und Thiere wie auch die Mikrobien Eiweissstoife von spezifischen, bisweilen intensiv giftigen Wirkungen erzeugen können. Fragt man nach der Natur dieser sogenannten giftigen EiweissstoflTe, so müssen wir zugeben, dass wir darüber wenig Sicheres wissen. Die bisher iso- lirten giftigen Eiweissstoffe gehören zwar bestimmten Gruppen von Eiweissstoffen an — einige sind Albumine, andere Globuline oder Proteide und mehrere, wie tabili- 1) Dl- Bois-Eeymosd's Arch. 1894. 2) Veigl. Kjeldahl, Undersögelspr over de optiske Foihold hos uogle Plantcacgge- hvidcstofl'er. Forhandlinger ved de skandinavislie Naturforslceres 14. Müde. Kjiibcnhavn 1892. 42 Zweites Kapitrl. es scheint, Albumoseu — aber damit ist nichts Näheres über ihre ehemische Natur gesagt. lu chemischer Hinsicht kennen wir nämlich keinen bestimmten Unterschied zwischen einem giftigen und einem unschädlichen Eiweisskörper •entsprechender Art, wie z. B. zwischen einem giftigen und nicht giftigen Globulin. Selbst die fundamentale Frage, ob liasjenige, was man als giftiges Eiweiss-iso- lirt hat, in der That giftiges und nicht vielmehr von einer anderen giftigen Substanz verunreinigtes, unschädliches Eiweiss gewesen sei, kann nicht als ent- schieden angesehen werden. In nächster Beziehung zu den sogenannten echten Peptonen steht die Fleischsäure, die man mit dem Antipepton identisch angesehen hat. Fleischsjiure. Diese von Siegfried entdeckte Säure wurde von ihm zuerst als Spaltungsprodukt der im Muskel vorkommenden Phosphorfleischsäure (vgl. Kap. 11) erhalten. Die Fieischsäure entsteht nach Siegfried aus dem Eiweiss unter denselben Verhältnissen wie das Antipepton, mit dem sie nach ihm und Bälke ') identisch ist. Die Fleischsäure ist eine einbasische Säure von der Formel CjyHjjNgOj. Durch Salzsäure von 15 p c. soll sie bei 130" C. in Lysin, Lysatinin und Ammoniak gespalten werden, was in Anbetracht des niedrigen Molekulargewichtes der Säure und des Vorhandenseins von nur drei StickstofFatomen im Moleküle etwas auffallend erscheint. Bei der Oxydation des Baryumsalzes mit Baryura- permanganat entsteht die Oxijfleisclisäure von der Formel CgoH^iNgO,:;, welch' letztere Säure also aus drei Molekülen Fleischsäure unter Austritt von vier Atomen Wasserstoff entstehen soll. Die Fleischsäure ist eine äusserst hygroskopische, in Wasser ungemein leicht lösliche Substanz. Sie löst sich auch in heissem Alkohol und scheidet sich beim Erkalten in Individuen mit undeutlichen Krystallflächen aus. Sie giebt mit Salzsäure ein Additionsprodukt von der Formel CjgHjjNgOj. HCl und liefert ferner Salze mit mehreren Metallen. Unter den Salzen ist besonders das Silbersalz mit 42,6 p. c. Ag von Wichtigkeit. Den meisten Fällungsmitteln gegenüber verhält sich die Säure wie das Antipepton und wie dieses wird sie von Ammoniumsulfat nicht gefällt. Die Methoden zur Darstellung iler Fieischsäure aus Eiweiss fallen mit den Methoden zur Eeindai'stellung des Antipeptons bei der Trypsinverdauung zusauuncn. Aus dem Fleiseh- extrakte stellt man sie naeh Siegfried in folgender Weise dar: Das enteiweisstc Extrakt wird mit Chlorcalcium und Ammoniak vollständig gefällt. Aus dem Filtrate scheidet man . durch Fällung mit Eisenchlorid im Sieden die Phosphorfleischsäure als Eisenverbindung, Carniferrin, aus. Das Carniferrin zersetzt mau bei +50''C. mit Bai-ythydrat, filtrirt, scheidet aus dem Filtrate den überschüssigen Baryt mit Schwefelsäure aus, filtrit, konzentrirt und fällt mit Alkohol. Durch wiederholtes Auflösen und Fällen mit Alkohol wird die Säure gereinigt. 1) Siegfried, Dv Bois-Revmoxd's Arch. 189-1 und Zeitschr. f. physiol. Chem. 21; Bat.ke ebenda 22. IL Proteide. 43 Glyko- proteide. Mit diesem, von Hoppe-Seyler eingeführten Namen werden hier Stoffe "bezeichnet, welche mehr zusammengesetzt als die Eiweissstoffe sind und als nächste Proteide, organische Spaltungsprodukte einerseits Eiweissstoffe und andererseits irgend welche andere, nicht eiweissartige Stoffe, Farbstofi'e, Kohlehydrate, Xanthin- körper u. dergl. liefern. Die bisher bekannten Proteide können auf drei Hauptgruppen vertheilt werden. Diese Gruppen sind die Hümoglobine, die Ghjhoprote'ide und die Nukleoproteide. Von diesen dürften die Hamoglobine am passendsten in einem folgenden Kapitel (Kapitel 6 über das Blut) abgehandelt werden. Glykoprotei'de nennt man diejenigen Proteide, welche bei ihrer Zersetz- ung als nächste Spaltungsprodukte Eiweiss einerseits und Kohlehydrate oder Derivate von solchen andererseits, aber keine Xanthinkörper, liefern. Die Glyko- prote'ide sind theils phosphorfrei (Mucinsubstanzen, Chondroproteide und Hyalo- gene), theils phosphorhaltig (Phosphoglykoproteule). Mueiusxibstauzeii. Als Mucine hat man kolloide Substanzen bezeichnet, deren Lösungen schleimig fadenziehend sind, mit Essigsäure einen in über- schüssiger Säure unlöslichen Xiedersehlag geben und welche beim Sieden mit verdünnter Mineralsäure eine Kupfeioxydhydrat reduzirende Substanz liefern. Durch diese letztgenannte, von Eichwald i) zuerst beobachtete Eigenschaft 5„i^J!,°^gn unterscheiden sich die Mucine von anderen, ihrer physikalischen Beschaffenheit nach ihnen ähnlichen und mit ihnen lange verwechselten Stoffen. Auf der anderen Seite hat man auch als Mucine andere, durch ihre physikalische Be- schaffenheit von ihnen abweichende Stoffe bezeichnet, welche ebenfalls beim Sieden mit verdünnter Mineralsäure reduzirende Substanz geben. Die verschiedenen, bisher als Mucinsubstanzen bezeichneten Stoffe kann man auf folgende drei Gruppen 1 . echte Mucine, 2. Mulcoide oder Miicinöide und 3. Chondroproteide vertheilen. Alle Mucinsubstanzen enthalten Kohlenstoff , Wasserstoff', Stichstoff, Schivefel und Sanerstof. Den Eiweissstoffen gegenüber sind sie ärmer an Stickstoff und in der Regel auch nicht unbedeutend ärmer an Kohlenstoff. Als nächste Zersetzungsprodukte liefern sie einerseits Eiweissstoffe und andererseits Kohlehydrate oder ihnen verwandte Säuren. Beim Sieden mit verdünnten Mineralsäuren geben sie alle ein reduzirendes Kohlehydrat oder Kohlehydrat- derivat. Die echten Mucine sind dadurch charakterisirt. dass ihre natürlichen oder mit einer Spur Alkali dargestellten Lösungen schleimig fadenziehend sind und mit Essigsäure einen in einem Ueberschusse der Säure unlöslichen oder jeden- falls sehr schwer löslichen Niederschlag geben. Die Miilw'ide zeigen diese ' Mukoide. I) Annal. d. Chem. u. Pharm. 134. 44 Zweites Kapitel. physikalische Bescbafleiiheit nicht oder haben andere Löslichkeits- und Fällbar- keitsverhältnisse. Wie es Uebergangsstufen zwischen verschiedenen Eiweiss- stoffen giebt, so giebt es auch solche zwischen echten Mucinen und Mukoiden und eine scharfe Grenze zwischen diesen zwei Gruppen lässt sich nicht ziehen. Echte Mucine werden von den grossen Schleimdrüsen, von gewissen so- genannten Schleimhäuten wie auch von der Haut der Schnecken und anderer Thiere abgesondert. Echtes Mucin kommt auch in dem Bindegewebe und dem Nabelstrange vor. Bisweilen, wie bei Schnecken und in der Hülle des Frosch- eies (Giacosa)'), findet sich eine Muttersubstanz des Mucins, ein Mucinogen, welches von Alkalien in Mucin übergeführt werden kann. Mukoide Substanzen Torknmmcn sind beispielsweise in einigen Cj'sten, iu der Kornea, dem Glaskörper, dem subsUnzen. Hühnereiweiss und in gewissen Ascitesflüssigkeiten gefunden worden. Da die Mucinfrage noch nicht hinreichend studirt ist, können gegenwärtig keine ganz sicheren Angaben über das Vorkommen der Mucine und der Mukoide gemacht werden und zwar um so weniger, als unzweifelhaft in gewissen Fällen nicht mucinartige Substanzen als Mucine beschrieben worden sind. So viel ist jedoch sicher, dass Mucine oder ihnen nahe verwandte Stoffe innerhalb des Organismus weit verbreitet, in gewissen Geweben in reichlichen Mengen, vorkommen. Durch ihre Zersetzungsprodukte dürften sie auch für die Frage von der Entstehung und der Abspaltung der Kohlehydrate oder ihnen verwandter Stoffe (Glukuron- säure) aus anderen Atoinkomplexen von grossem Interesse sein. 1. Echte Mucine. Bisher sind nur wenige Mucine in, wie es scheint, reinem, durch die verwendeten Reagenzien nicht verändertem Zustande er- halten worden. Die Elementaranalysen dieser Mucine haben folgende Zahlen gegeben. C Znsammen- Selinecljenmuoili .... 50,32 Setzung der Sehneuraucin 48,30 ucmc. Submaxillarismuein . . . 48,84 Das dem Keratin näher stehende Mucin der Schneckenhaut enthält eine grössere Menge Schwefel als die anderen Mucine. Dasselbe gilt auch von dem aus der Achillessehne des Ochsen von Chittenden und Gies") dargestellten Mucin, dessen Gehalt an Schwefel als Mittel 2,33 p. c. betrug. Der Schwefel ist übrigens wenigstens in gewissen Mucinen zum Theil durch Alkali abspalthar, zum Theil ilagegon nicht. Bei der Einwirkung von gespannten Wasserdämpfen soll angeblich aus dem Mucin ein Kohlehydrat, thierisches Gummi (Landwehr), sich abspalten, eine Angabe, die indessen von anderen Forschern wie Verf., FoLix und H N S O 6,84 13,65 1,75 27,44 (Hammakstes) 6,44 11,75 0,81 32,70 (Loebisch) 6,80 12,39 0,84 31,20 (Hammarsten). 1) Zeitschr. f. physiol. Chein. 7. Vergt. auch Hammarsten, Pflüger's Arch. 36. 2) Hammarsten, Pflüger's Arch. 36 und Zeitschr. f. phrsiol. Chem. 12; Loebiscu ebontla 10; Ciiittesdej; und Gies verd. Maly's Jahresber. 26. Echte Mucine. 45 F. Müller 1) nicht bestätigt worden ist. Statt eines stickstofffreien Gummis hat man nämlich ein stiffstoffhaltiges Kohlehydratderivat erhalten. Beim Sieden mit verdünnten Mineralsäuren erhält man aus dem Mucin Acidalbuminat und albumoseähnliche Stoffe nebst reduzirender Substanz. Aus dem Schleime der Respirationsorgane erhielt Fk. Müller durch Kochen mit Schwefelsäure von 3 p. c. 25 — 32 p. c. reduzirende Substanz. Er stellte ferner eine krystallisirende Phenylhydrazinverbindung dar, die einen Schmelzpunkt von 198" C. zeigte und auch in anderer Beziehung von dem Glukosazon abwich. ^^°|*^'' Er betrachtete sie als das Osazon einer Hexose, die er MuliOse nennt. Den Zucker selbst konnte er nicht darstellen, wohl aber eine krystallisirende Substanz mit 6,4 p. c. X, die er als MttJcosamin betrachtet. Jazewitz^) konnte ebenfalls aus Mucin keinen Zucker, wohl aber ein bei 185" C. schmelzendes Osazou und ein Mukosamin darstellen. Durch Einwirkung von stärkeren Säuren erhält man Zersetz- " ungs- unter anderen Stoffen Leucin. Tvrosin und Lävulinsäure. Von sehr verdünnten Produkte ' •' der Mucme. Alkalien, wie von Kalkwasser, werden gewisse Mucine, wie das Subraaxillaris- mucin, leicht, andere wiederum, wie das Sehnenmucin, nicht verändert. Lässt man eine stärkere Alkalilauge, wie z.B. von 5 p. c. KOH, einwirken, so erhält man aus dem Submaxillarismucin Alkalialbuminat, albumose- oder pepton- ähnliche Stoffe und eine oder mehrere stark reduzirende und sauer reagirende Substanzen. In der einen oder anderen Hinsicht können die verschiedenen Mucine etwas verschieden sich verhalten. So sind z. B. Schnecken- und Sehnenmucin in verdünnter Salzsäure von 1 — 2 p. m. unlöslich, während das Mucin der Sub- maxillardrüse und des Nabelstranges darin löslich sind. Das Sehnenmucin wird von Essigsäure flockig, die anderen Mucine dagegen als mehr oder weniger faserige, zähe Massen gefällt. Abgesehen hiervon sind sämmtlichen Mucinen jedoch gewisse Reaktionen gemeinsam. In trockenem Zustande stellt das Mucin ein weisses oder gelblich-graues Pulver dar. Feucht dagegen erhält man es als Flöckchen oder gelblich-weisse, zähe Klumpen oder Massen. Die Mucine reagiren sauer. Sie geben die Farben- reaktionen der Eiweissstoffe. In Wasser sind sie nicht löslich, können aber mit Wasser und möglichst wenig Alkali neutral reagirende Lösungen geben. Eine solche Lösung gerinnt beim Sieden nicht; bei Zimmertemperatur giebt sie mit Essigsäure einen im Ueberschusse des Fällungsmittels fast unlöslichen Nieder- schlag. Setzt man einer Mucinlösung 5 — 10 p. c. NaCl zu, so kann sie dann Eigen- • . ^. Schäften der mit Essigsäure vorsichtig augesäuert werden, ohne einen Niederschlag zu geben. Mucine. Eine solche angesäuerte Lösung wird von Gerbsäure reichlich gefällt; mit Ferro- cyaukalium giebt sie keinen Niederschlag, kann aber bei genügender Konzen- !) Landwehr, Zeitschr. f. physiol. Chem. 8 u. 9, auch PflCger's Arch. 39 u. 40; FOLijj, Zeitschr. f. physiol. Chem. 23; Fk. Müller, SitzuDgsber. d. GeseUsch. zur Beförd. d. gesamiut. Naturwiss. zu Marburg 1896. S) Müller 1. c. ; J.\zewitz, Arch. d. sienc. biol. de St. Petersbourg 5. 46 Zweites Kapitel. tration davon dickflüssig oder zähe werdeu. Eine neutrale Lösung von jMucinalkali wird von Alkohol bei Gegenwart von Neutralsalz gefällt; sie giebt auch mit mehreren Metallsalzeu Niederschläge. Wird das Mucin mit verdünnter Salz- säure von etwa 2 p. c. im Wasserbade erwärmt, so wird die Flüssigkeit allmählich gelbbraun oder schwarzbraun und reduzirt dann Kupferoxydhydrat in alkalischer Flüssigkeit. Das in grösseren Mengen am leichtesten zu erhaltende Mucin, das Sub- maxillarismucin, kann auf folgende Weise rein erhalten werden. Das von Form- elementen freie, möglichst wenig (von Blutfarbstoff) gefärbte, filtrirte Wasser- extrakt der Drüse versetzt man mit so viel Salzsäure von 25 p. c, dass die Flüssigkeit 1,5 p. m. HCl enthält. Bei Zusatz von der Säure wird das Mucin dabei sogleich gefällt, löst sich aber bei Umrühren wieder auf. Wird diese saure Darstellung Flüssigkeit unmittelbar darauf mit 2 — 3 Vol. Wasser verdünnt, so scheidet sich der Mucme. ^ . das Mucin aus und kann durch neues Auflösen in Säure von 1,5 p. m , Ver- dünnung mit Wasser und Auswaschen damit gereinigt werden. Auf dieselbe Weise kann man aucli das Mucin des Nabelstranges darstellen '). Das Sehuen- mucin stellt man aus Sehnen, welche erst mit Wasser und Kochsalzlösung von Eiweiss befreit worden, dar. Man extrahirt sie mit halbgesättigtem Kalkwasser, fällt das Filtrat mit Essigsäure und reinigt den Niederschlag durch Wieder- auflösung in verdünntem Alkali oder Kalkwasser, Fällung mit Säure und Auswaschen mit Wasser (Rüllett, Loebisch, Chittenden und Gies) -). Zu- letzt werden die Mucine mit Alkohol und Aelher behandelt. 2. Mukoide oder Miiciiioitle. Zu dieser Gruppe muss man bis auf Weiteres alle diejenigen phosphorfreien Glykoproteide rechnen, die weder echte Mucine noch Chondroprote'ide sind, wenn sie auch unter einander ein so ver- schiedenartiges Verhalten zeigen, dass man recht wohl mehrere Untergruppen Mukoide, von Mukoiden unterscheiden könnte. Zu den Mukoiden gehören z. B. das Fseiidomncin, das diesem wahrscheinlich verwandte Kolloid, das Ovomiitel. Leimalbumosen , sogen. Gelafosen, und Leimpeptone , die mehr oder weniger leicht diffundiren. Nach Hofmeister entstehen zwei neue Stoffe, das SetnigJtdin und Hemi- collin. Das erstere ist unlöslich in Alkohol von 70 — 80 p. c. und wird von Platinchlorid gefällt. Das letztere, welches von Platinchlorid nicht gefällt wird, löst sich in Alkohol. CniTTENDfiN und Solley') haben ausser etwas echtem Pepton eine Proto- und eine Deuterogelatose sowohl bei der Pepsin- wie bei der Trypsiuverdauung erhalten. Die elementare Zusammensetzung dieser Gelatosen j i ^ *- und Leim- Gelatosen unterscheidet sich nicht wesentlich von der des Leimes. Endlich hat Paäl -) durch Einwirkung von verdünnter Salzsäure auf Leim Chlorhydrate von Gelatinpeptouen dargestellt. Diese Salze sind theils in Aethyl und Methyl- alkohol löslich und theils darin unlöslich. Die aus den Salzen isolirten Peptone hatten einen etwas niedrigeren Kohlenstoff- und etwas höheren AVasserstoffgehalt als das Glutin, was für eine Hydratation spricht. Das Molekulargewicht der Gelatinpeptone bestimmte PäAL nach der RAOüLx'schen Gefriermethode zu 200 bis 352, während er für das Glutin Zahlen von 878 — 960 fand. Das Kollagen kann aus Knochen durch Extraktion mit Salzsäure (welche die Knochenerde löst) und sorgfältiges Auswaschen der Säure mit Wasser ge- wonnen werden. Aus Sehnen erhält man es durch Auslaugen mit Kalkwasser Darstellung odcr Verdünnter Alkalilauge (welche das Eiweiss und Mucin lösen) und gründ- Ton Koi- liebes Auswaschen mit Wasser. Leim erhält man dagegen durch Kochen von Leim. Kollagen mit Wasser. Die feinste, käufliche Gelatine enthält regelmässig ein wenig Eiweiss, welches man in der Weise zu entfernen versucht, dass man die fein zerschnittene Gelatine in kaltem Wasser aufquellen lässt und mit genügend häufig gewechseltem Wasser längere Zeit auswäscht. Man löst darauf in war- mem Wasser und fällt mit Alkohol. Man kann auch nach dem Vorgange van Name's das Kollagen durch Verdauung mit einer alkalischen Trypsinlösung reinigen oder nach C. Möener die Gelatine tagelang mit Kalilauge von 1 — 5 p. m. extrahiren, um alles Eiweiss zu entfernen. Der Leim ändert hierdurch seine typischen Eigenschaften nicht. Das Cliondrin oder Knorpelleim ist nur ein Gemenge voQ Glutin mit den spezifischen Bestandtheilen des Knorpels nnd deren Umwandlungsprodukten. Das Kctikulin. Das Stützgewebe der Lymphdrüsen enthält eine Art von Fasern, die von Mall auch in Milz, Darmmukosa, Leber, Nieren und den Luftbläschen der Lunge aufgefunden worden sind. Diese Fasern bestehen aus einer besonderen Substanz, dem von Siegfried ^) näher untersuchten Retikulin. Das Retikulin hat folgende Zu.'^ammensetzung: C 52,88; H 6,97; N 15,63; S 1,88; P 0,34; Asche 2,27. Der Phosphor soll in organischer Bindung vor- Ketikuim. kommen. Bei der Spaltung mit Salzsäure liefert es kein Tyrosin. Dagegen liefert es Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Lysin, Lysatinin und Amidovalerian- I) HOFMETSTEK, Zeitsclir. f. physiol. Chem. 2; Chittenden und Solley, Journ. of Physiol. 12. '-) Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 25. 3) Mall, Abhandl. d. Math. phys. Klasse d. Kgl. sUchs. Gesellsch. d. Wiss. 1891 ; Siegfried, Ueber die ehem. Eigenscli. des retik. Gcweb. Habil. -Schrift Leipzig 1892. Retikulin und Skeletine. 57 säure. Durch andauerndes Kochen mit Wasser, noch leichter mit verdünntem Alkali, wird es zu einer von Essigsäure fällbaren Substanz gelöst und dabei spaltet sich der Phosphor ab. Das Retikulin ist unlöslich in Wasser, Alkohol, Aether, Kalkwasser, kohlensaurem Natron und verdünnten Mineralsäuren. Von verdünnter Natron- g^Jf^°„ lauge wird es bei gewöhnlicher Temperatur erst nach Wochen gelöst. Pepsin- chlorwasserstoifsäure oder Trypsin löst es nicht. Es giebt die Biuret-, Xantho- protei'n- und ADAMKiEWicz'sche Reaktion, nicht aber die MiLLOn'sche. Das Retikulin stellte Siegfkied in folgender Weise dar. Darmmukosa wurde mit Trj-psin und Alkali verdaut. Der Rückstand wurde ausgewaschen, Darstellung, mit Aether extrahirt, von Neuem mit Trypsin verdaut und mit Alkohol-Aether behandelt. Durch vorsichtiges Kochen mit Wasser entfernte er dann vor- handenes Kollagen, welches entweder als Beimengung oder als eine Verbindung mit Retikulin sich vorfindet. Der vollständig ausgekochte Rückstand besteht aus Retikulin. Ichthylepidin nenut C. Mör.XER^) eine organische Substanz, Jie nebcu Kollagen in den Fisclisclnippen Torkommt und etwa '/s der organischen Grundsubstanz derselben beträgt. Ichthy- Das Ichthylepidin mit 15,9 p. c Stickstoff und 1,1 p. e. Schwefel steht durch seine Eigenschaften lepidin. dem Elastin ziemlich nahe. Es ist unlöslich in kaltem und heisscm Wasser wie auch in ver- dünnten Säuren und Alkalien bei Zimmertemperatur. Beim Sieden wird es davon gelöst Pepsinchlorwasserstotlsäure wie auch eine alkalisehe Trypsinlösung lösen es ebenfalls Es giebt schön die illLLOX'sche Reaktion, die Xanthoproteinsäure- und die Biuretreuktion. ÄVenigstens ein Theil des Schwefels spaltet sich durcli Alkalieinwirkung ab. Skeletine hat Keukenbeeg^) eine Anzahl stickstoffhaltiger Substanzen genannt, die bei verschiedenen Klassen der Wirbellosen die Grundlage der skeietme. Stütz- oder Deckgebilde darstellen. Diese Stoffe sind: Chitin, Spongin, Con- chiolin, Kornein und Fibrom (Seide). Von diesen gehört das Chitin nicht zu den Proteinsubstanzen und das Fibrom (die Seide) ist wohl kaum als ein Skeletin zu betrachten. Hier können nur diejenigen sogen. Skeletine besprochen werden, die wirklich der Proteingruppe angehören. Das Spoilgin .stellt die Hauptmasse des Badeschwammes dar. Es giebt keinen Leim. Beim Sieden mit Säuren gicljt es nach früheren Angaben Leucin und GlykokoU aber kein Tyrosin. Z.\.L0C0.stas hat indessen auch Tyrosin uud ausserdem Butalanin und Glykalanin (CäHijN.jOi) erhalten. Naclidem schon Hun'deshagen das Vorkommen von Jod und Brom in organischer Bindung in verschiedenen Ilornschwämmen gezeigt und das jodhaltige Albumoid als Jodo.ipongin bezeichnet hatte, ist später von Harnack^) aus dem Badeschwamme durch Spongin, Spaltung mit Mineralsäuren ein Jodospongin mit gegen 9 p. c. Jod und 4,5 p. c. Schwefel isolirt g'yssus"' worden. Das Conchiolill findet sich in den Schalen von Muscheln und Schneeken wie auch Kome'in. in den Eierschalen derselben Thiere. Es giebt Leucin aber kein Tyrosin. Der Byssus ent- hält ebenfalls eine schwerlösliclie, dem Conchiolin nahestehende Substanz. Das Koi'nei'll bildet das .-Vchsenskelet von .\.ntipathes uud Gorgonia. Giebt Leucin und eine krystalli- sirende Substanz, das Kornikryslallin. Nach Dkechsel*) enthält das Achsenskelet von Gorgonia Cavolini fast 8 p. c. der Trockensubstanz an Jod. Das Jod kommt in organischer Bindung in einem jodirten Albumoid, dem Gorrjonin, welches ein Kornein ist, vor. Als Spaltungs- produkte des Gorgonins erhielt Dkechsel Leucin, Tyrosin, Lysin, Ammoniak und eine jodirte Amidosäure, die Jodgorgosäure, welclie die Zusammensetzung einer Jlonojodamidobuttersäure hat. ') Zeitsehr. f. physiol. Cliem. 24. 2) Grundzüge einer vergl. Pliysiol. d. thier. Gerüstsubst. Heidelb. 1885. 3) Zalocostas, Conipt. rend. 107; HosdesHagen, Maly's Jahresbericht 25 S. 394; Harnack, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 24. *) Zeitsohr. f. Biologie 33. 58 Zweites Kapitel. Das Fibroin und das Sericin siud die zwei Hauptbcstandtlieilc der Rohseide. Bei der Einwirkung von überhitztem Wasser löst sich das Sericin, welches beim Erkalten gelatiniren kann (Seidonleim) , während das schwer lösliche Fibroin von der Form der ursprünglichen Fäden ungelöst zurückbleibt. Beim Sieden mit Säuren liefert das Fibroin Alanin (Weyl'), Glykokoll und viel Tyrosiu. A'on kalter, konzentrirter Salzsäure wird das Fibroin unter Aus- Fibroin und ^"" ^'°° -^ I' "' ä?''ckstofl' (als Ammoniak) gelöst und es geht dabei in eine andere, nahe vcr- Sericin. wandte Substanz, das Sericoi'n (Weyl) über. Das Seriein gieht kein Glykokoll aber Leucin und Serin i Amidoäthylenmilclisäure). Die Zusammensetzung der obengenannten Stoffe ist folgende-): C H N S O Conchiolin (aus Schneckeneiern) 50,92 6,88 17,86 0,31 24,34 (Krükesberg). Spongin 46,50 6,30 16,20 0,5 27,50 (Croockewitt). do 48,75 6,35 16,40 — — (PosSELT). Kornein 48,96 5,90 16,81 — 28,33 (Krckexberg). Fibroin 48,23 6,27 18,31 — 27,19 (CR.\MfK). do 48,30 6,50 19.20 — 26,00 (VisNON). Sericin 44,32 6,18 18,30. — 30,20 (C'K.iMEK). Anhang zu Kapitel 2. A. Protamine und Histone. 1. Protamine. In naher Beziehung zu den Eivveissstoffeu steht eine Gruppe von Substanzen, die von Mieschee entdeckten Protamine, welche von KossEL als die einfachsten Eiweisskörper oder als Kern der Proteinstoffe be- zeichnet werden. Mit den Eiweissstoffen stimmen sie darin überein, dass sie als Spaltungsprodukte die drei basischen Stoffe Lysin, Arginin und Histidin geben , unterscheiden sich aber von den Eiweissstoffen unter anderetn dadurch, dass sie als Spaltungsprodukte keine Monoamidosäuren liefern. Von MiESCHER •'') wurde das Protamin in dem Lachssperma entdeckt. Protamine, gpijtgr hat KossEL ähnliche Basen aus dem Sperma von Hering und Stör isolirt und näher studirt. Da alle diese Basen nicht identisch sind, benutzt KossEL den Namen Protamine als Gruppen nanieii und nennt die verschiedenen Protamine bezw. Salmin, Chipein und Stiirin. Die Protanime sind stickstoffreiche Substanzen (.50 p. c. N oder mehr) von ba- sischer Natur. Das Salmin, mit dem das Clupein identisch ist (Kossel), hat Zusammen- se-tzunj:. nach MiF.scHER und Schjiiedeberg die Formel CnjHogNgO.,, nach Kossel dagegen die Formel CgjHjjNjjO,,. Das Sturin hat wahrscheinlich die Formel 1) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 21. '■!) Kkckekberg, Ber. d. deittseh. ehem. Gesellsch. 17 u. 18 und Zeitsfhr. f. Biologie 22; Croockewitt, Annal. d. Chem. u. Pharm, 48; Posselt, ebenda 45; Ckamek, Joura. f. prakt. Chem. 96; Vigkox, Compt. rend. 115. 3) Ueber die Protamine vergl. man : Mieschee in den histochemischen und physiol. Arbeiten von Fe. Miescher, Leipzig 1897; Piccaed, Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 7; Schmiedeberg, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 37; Kossel, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 22 (Ueber die basischen Stoße des Zellkernes) u. 25 S. 165 u. 190 und Sitzungsber. der Gesellsch. zur lieförd. der ges. Naturwiss. zu Marburg 1897. Ferner zusammen mit Mathews, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 23 u. 25. Protamine. 59 CggHggNj.jOj. Beim Erhitzen mit verdünnter Mineralsäure wie auch bei der Trypsinverdauung (Kossel und Mathews) liefern die Protamine zuerst Prota- minpeptone, Profone, aus denen dann durch weitere Spaltung die drei Basen, Lysin , Arginin und Histidin hervorgehen. Ein Molekül Salmin liefert hierbei nach Kossel je ein Molekül Histidin und Lysin neben drei Molekülen Arginin. Das Sturin dagegen ein Molekül Histidin neben drei Molekülen Arginin und zwei Molekülen Lysin. Die Lösungen dieser Basen in Wasser reagiren alkalisch und haben die Eigenschaft, mit ammoniakalischen Lösungen von Eiweiss oder primären Albu- moseu Niederschläge zu geben, die von Kossel als Histone aufgefasst werden. Die Salze mit Mineralsäuren sind in Wasser löslich aber in Alkohol und Aether unlöslich. Sie können durch Keutralsalze (NaCl) mehr oder weniger leicht aus- gesalzen werden. Unter den Salzen der Protamine sind besonders wichtig das Eigen- Sulfat, das Pikrat und das Platinchloriddoppelsalz, welche für die Darstellung der Protamine benutzt werden können. Die Protamine sind wie die Eiweiss- stoflTe linksdrehend. Sie geben sehr schön die Biuretprobe, nicht aber die ÄIiLLON'sche Reaktion. Die Protaminsalze werden in neutraler und sogar in schwach alkalischer Lösung durch phosphorwolframsaures, wolframsaures. pikrin- saures, chronisaures und ferrocyanwasserstoffsaures Alkali gefällt. Die zwei Protamine Salmin (Clupein) und Sturin unterscheiden sieh hauptsächlich durch verschiedene Zusammensetzung wie durch verschiedene Löslichkeit und etwas abweichendes Verhalten der Sulfate. Zur Darstellung der Protamine extrahirt man nach Kossel die mit Alko- hol-Aether extrahirten Spermaköpfe mit verdünnter Schwefelsäure (1 — 2 p. c), filtrirt und fällt mit dem 4 fachen Volum Alkohol. Das Sulfat kann durch wiederholtes Auflösen in Wasser und Ausfällen mit Alkohol — wenn nöthig '^^'■^*^''""s nach vorausgegangener Ueberführung in das Pikrat — gereinigt werden. Mieschee extrahirte mit sehr verdünnter Salzsäure, stumpfte den Säureüber- .schuss grösstentheils ab und fällte die Base als Platindoppelsalz. Wie oben schon bemerkt, betrachtet Kossel die Protamine als die ein- fachsten Eiweisskörper. Wenn man aber, wie dies bisher allgemein geschehen ist, als wahre Proteinsubstanzen nur solche Stoffe bezeichnet, die bei ihrer Zer- setzung nicht nur basische Stoffe, sondern auch, und zwar hauptsächlich, Mono- amidosäuren liefern, so würde man, um den alten Begriff Proteinstofle nicht p^^j^^jj,^. gänzlich zu verrücken, eher geneigt sein, mit Kossel die Protamine als den ™'^?™''*^'ä Kern der Eiweissstofie zu betrachten. Bevor man dies thut, müssen indessen jedenfalls die folgenden zwei Verhältnisse näher aufgeklärt werden. 1. Man muss zeigen, dass alle Proteinsubstanzen als Spaltungsprodukte die drei Protamin- basen liefern, was bisher nicht ganz sicher für alle (vergl. Elastin) bewiesen ist. 2. Man muss weitere Aufklärung über die Molekulargewichte der Peptone erhalten, denn wie die Sache jetzt liegt sollen sowohl die Eiweiss- wie die Gelatinpeptone — die allgemein als EiweissstofTe betrachtet werden — ein niedrigeres Molekulargewicht (250 — 400) als die Protamine (Salniin 751 und Sturin 879 nach Ko&sel) haben. 60 Zweites Kapitel. 2. Histon bat Kossel ') zuerst eine von ihm aus den lotlien Blutk(iipei- chen des Gänseblutes isolirte Substanz genannt, die in einigen Beziehungen dem Pepton im älteren Sinne (den Albumosen) ähnelte. Dieses Hi.-ton hatte etwa denselben Gehalt an Kohlenstoff und Wasserstoif wie gewöhnliches Eiweiss, aber einen etwas höheren Stickstoffgehalt, etwa 18 p. c. Wie es von Kossel aus den Blutkörperehen durch Extraktion mit Salzsäure, Fällung der sauren Lösung mit Steinsalz und Dialyse bis zur Entfernung des Salzes erhalten wurde, hatte es in neutraler, salzfreier Lösung folgende drei charakteristische Reak- tionen. 1. Die Lösung gerann nicht beim Sieden. 2. Mit Ammoniak gab die salzfreie Lösung einen im Uebersehuss des Fällungsmittels unlöslichen Nieder- schlag. 3. Salpetersäure erzeugte einen Niederschlag, der beim Erwärmen ver- sehwand und beim Erkalten wieder zum Vorschein kam. Später hat man als Histone Stoffe beschrieben, die in der einen oder anderen Beziehung ein abweichendes Verhalten zeigten. Lilienfeld stellte aus Leukocyten ein Histon dar, dessen Lösung beim Sieden gerann und dabei ein in Mineralsäuren leicht lösliches Gerinnsel gab. Dieses Histon verhielt sich zu Ammoniak wie das KossEL'sche. Schulz betrachtet das bei der Spaltung des Hämoglobins frei werdende Eiweiss, das Globin, als ein Histon, trotzdem es in Ammoniak äusserst leicht löslich ist und nur bei gleichzeitiger Gegenwart von Chlorammonium in überschüssigem Ammoniak sich nicht löst. Mathews-) hat endlich aus den Spermatozoon des Seeigels (Arbacia) einen Stoff, das Arbacin isolirt, welches er als ein Histon betrachtet, das von anderen Histonen nur dadurch sich unterscheiden soll, dass es durch Ammoniak nicht niedergeschlagen werden kann. Die neutrale Lösung dieses Histons wurde von den (S. 59) genannten protaminfällenden Salzen niedergeschlagen. Wie andere, sogenannte Histone zu diesen Fällungsmitteln sich verhalten, ist nicht geprüft worden. Es scheint also, als hätte man als Histone Stoffe verschiedener Art be- schrieben, und der Verf. sieht sich jedenfalls nicht im Stande, eine klare und präcise Definition des Begriffes Histon zu geben. Nach Kossel sollen die Histone wahrscheinlich Verbindungen von Protaminen und Eiweiss sein. B. Hydrolytische Spaltungsprodukte der Proteinsubstanzen ä). 1. Moiioaniidüsäureii. Leucin, CgHi3N02, Amidokapronsäure oder, näher bestimmt, a-Amidoisobutylessigsäure (CH3)3CH . GH, . CHlNHa) . GOGH. Das Leuein ent- 1) Kossel, Zeitsohr. f. physiol. Cheni. 8 und Sitzuugsber. der Gesellscli. zur Beförd. d. ges. Wissensch. zu Marburg 1897. Lilienfbld, Zeitschr. f. physiol. Chem. 18; SCHüLZ, ebenda 24; Mathews, ebenda 23. 2) Es würde zu weit führen und dem Plane dieses Buches nicht entsprechen, ^venn man auf sämmtliche bei der Spaltung der Proteinstoffe entstehende Substanzen, die übrigens in den Ilandbüeheru der Chemie ihre Besprechung finden, hier des Näheren eingehen wollte. Leucin. 61 steht aus den Proteiosubstanzen bei deren Zersetzung durch Sieden mit ver- dünnten Säuren oder Alkalien, durch Schmelzen mit Alkalihydrat, bei der Trypsinverdauung und bei der Fäulniss. Der Leichtigkeit wegen, mit welcher Leucin und Tyrosin bei der Zersetzung der Proteinstoffe entstehen, ist es schwierig sicher zu entscheiden, in wie weit diese Stoffe, wenn sie in Geweben gefunden werden, als Bestandtheile des lebenden Körpers oder als nach dem Tode entstandene Zersetzungsprodukte anzusehen sind. Das Leucin ist indessen, vorkommeu wie es scheint, als normaler Bestandtheil in Pankreas und dessen Sekret, Milz, Thymus und Lymphdrüsen, in der Schilddrüse, in Speicheldrüsen, Leber und Nieren gefunden worden. Li der Schafwolle, im Schmutze auf der Haut (ge- faulter Epidermis) und zwischen den Zehen kommt es auch vor und trägt durch seine Zersetzungsprodukte wesentlich zum üblen Gerüche des Fussschweisses bei. Pathologisch is es in Atheronibälgen, Ichthyosisschuppeu, Eiter, Blut, Leber und Harn (bei Leberkrankheiten, Phosphorvergiftung) gefunden worden. Es ist ein häufiger Bestandtheil bei den Evertebraten und kommt auch häufig in dem Pflanzenreiche vor. Bei der hydrolytischen Spaltung liefern verschiedene Proteinsubstanzen verschiedene Mengen Leucin. Erlenmeyer und Schöffer er- hielten aus dem Nackenbande 36 — 45, Coiin aus Kasein 32 und Nencki aus Gelatine 1,5 — 2 p. c. ^). Das Leucin ist synthetisch von Hüfner-) aus Isovaleraldehydammoniak und Cyan wasserstoffsäure dargestellt worden. Dieses Leucin ist optisch inaktiv. Ebenso erhält man, wie E. Schulze und Bosshard^j gefunden haben, inaktives Leucin bei Spaltung des Eiweisses mit Baryt bei 160" C. oder beim Erhitzen von gewöhnlichem Leucin mit Barytwasser bei derselben Tem- peratur. Durch Einwirkung von Penicillum glaucum entsteht aus inaktivem Leucin die linksdrehende Modifikation. Das bei der Pankreasverdauung ent- %%,e,^' standene wie auch das durch Spaltung von Eiweissstoffen mit Salzsäure erhaltene Leucin scheint regelmässig rechtsdrehend zu sein. Cohn*) hat indessen bei der Trypsinverdauung von Fibrin ein von dem gewöhnlichen verschiedenes Leucin erhalten. Aus Monobromkapronsäure und Ammoniak hat Hüfner ein isomeres Leucin dargestellt. Ob es aber der Normalkapronsäure entsprechende Leuciue. Dagegeu dürfte es der Uebersichtlichkeit wegen passend sein, ausser der schon abgehandelten Flcischsäure und den Peptonen, die wichtigsten hydrolytischen Spaltungsprodukte der Eiweiss- stoife iui Anschluss an die Proteinsubstauzen zu besprechen. Aus praktischen Rücksichten werden hierbei die zwei Amidosiiuren Leucin und Tyrosin in einem Zusammenhange abgehandelt, wenn es auch theoretisch richtiger wäre, die Säuren der aliphatischen und der aromatischen Reihe gesondert zu behandeln. 1; Erlenmeyer und Schöffer. Cit. nach Maly, Chemie d. Verdauungssäfte in Hermann's Handbuch d. Physiol. 5, Theil 2, S. 209. COHN, Zeitschr. f. physiul. Chem. 22 : Nencki, Journ. f. prakt. Chem. N. F. 15. 2) Journ. f. prakt. Chem. N. F. 1. 3) Vergl. Zeitschr. f. physiol. Chem. 9 u. 10. i) üeber die sp. Drehung vergl. man HoFrE-SEYLER's Handbuch ö. Aufl. S. 131 und COHN, Zeitschr. f. physiol. Chem. 20. Krystalle 62 Zweites Kapitel. natürliche Leucine giebt, steht noch dahin. Bei der Oxydation geben die Leucine die entsprechenden Oxysäuren (Leucinsäuren). Beim Erhitzen zersetzt sich das Leucin unter Entwiekeluug von Kohlensäure, Ammoniak und Amylamin. Beim Erhitzen mit Alkali wie auch bei der Fäulniss liefert es Valeriansäure und Ammoniak. Das Leucin krystallisirt in reinem Zustande in glänzenden, weissen, ausser- ordentlich dünnen Blättchen. Gewöhnlich erhält man es jedoch als runde Knollen oder Kugeln, die entweder hyalin erseheinen oder auch abwechselnd hellere oder dunklere, konzentrische, aus radial gruppirten Blättchen bestehende Schichten zeigen. Das Leucin, wie es aus thierischen Flüssigkeiten und Geweben gewonnen wird, löst sich leicht in Wasser und ziemlich leicht in Alkohol. Das und LBsTicL- reine Leucin ist schwerlöslicher; nach einigen Angaben löst es sich in etwa 29, nach anderen in etwa 46 Theilen Wasser von Zimmertemperatur oder etwas höherer Temperatur. Die Verschiedenheiten dürften nach Gmelin ^) daher rühren, dass die optisch aktiven Leucine wechselnde Gemengen der rechts- und linksdrehenden Modifikation sein können. Das inaktive Leucin ist bedeutend schwerlöslicher. Die spez. Drehung des gewöhnlichen, in Salzsäure gelösten Leucins ist in den meisten Fällen zu etwa (c8)D = -|- 17,5° bestimmt worden. Von Alkalien und Säuren wird das Leucin leicht gelöst. Mit den Jlineral- säuren giebt es krystallisirende Verbindungen. Wird das salzsaure Leucin mit Alkohol, welcher 3 — 4 p. c. Salzsäure enthält, gekocht, so entsteht der in langen verbinii- Schmalen Prismen krystallisirende salzsaure Leucinäthylester von dem Schmelz- "ugeu. pjj^^jtg 134". Bei langsamem Erhitzen auf 170" C. schmilzt das Leucin und sublimirt in weissen wolligen Flocken , welche dem sublimirten Zinkoxyde ähnlich sind. Gleichzeitig entwickelt es auch einen deutliehen Geruch nach Amylamin. Die Lösung des Leucins in Wasser wird im Allgemeinen von Metallsalzen nicht gefällt. Die siedend heisse Lösung kann jedoch von einer ebenfalls siedend Verhalten ^gissen Lösung von Kupferacetat gefallt werden, was zur Abscheidung des isstmgen. Leucins benutzt werden kann. Kocht man die Lösung des Leucins mit Blei- zucker und setzt dann der nicht abgekühlten Lösung vorsichtig Ammoniak zu, so können glänzende Krystallblättcheu von Leucinbleioxyd sich absetzen. Das Leucin löst Kupferoxj'dhydrat, ohne es beim Kochen zu reduziren. Das Leucin erkennt man an dem Aussehen der Kugeln oder Knollen unter dem Mikroskope, durch das Verhalten beim Erhitzen (Sublimatiousprobe) und durch die ScHERER'sche Probe. Diese letztere besteht darin, dass das Leucin bei vorsichtigem Verdampfen desselben mit Salpetersäure auf Platinbleeh Se-ierors einen fast ungefärbten Rückstand giebt, der mit einigen Tropfen Natronlauge probe, erwärmt mehr oder weniger gelb bis braun (je nach der Reinheit des Leucins) sich färbt und beim weiteren Konzentriren über der Flamme sich bald zu einem 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. Pyrosin. 63 ölartigeii Tropfen zusammenzieht, welcher auf dem PUitiableche , ohne dasselbe zu benetzen, herumrollt. Tyrosin, CgHuXOg oder p - Oxyphen ylamidopropionsäure, HO . C,;H^ . CäHglNHj) . COOH, entsteht aus den meisten Proteinsubstanzen (nicht aus Leim und Retikulin) unter denselben Verhältnissen wie das Leucin, >"■<>'"• welches es regelmässig begleitet. Aus genuinen EiweissstofTen, wie dem Kasein, hat man 3 — 4, aus Hornsubstanz 1 — 5, aus Elastin 0,25 und aus Fibroin etwa 5 p. c. (Weyl) gewonnen '). Besonders findet es sich , neben Leucin, in reichlicher Menge in altem Käse (TvQÖg). wovon der Name hergeleitet ist. Das Tyrosin ist nicht mit Sicherheit in ganz frischen Organen gefunden worden. Es kann aber im Darme bei der Verdauung von EiweissstofTen vorhanden sein und es hat physiologisch wie pathologisch etwa dieselbe Verbreitung wie das Leucin. Das Tyrosin ist von Erlenmeyer und Lipp-J aus p-Amidophenylalaniu durch Einwirkung von salpetriger Säure dargestellt worden. Beim Schmelzen mit Aetzkali liefert es p-Oxybenzoesäure, Essigsäure und Ammoniak. Bei der Fäuluiss kann es p-Hydrokumarsäure, Oxyphenylessigsäure und p-Kresol liefern. Das Tyrosin kann in sehr unreinem Zustande leucinähnliche Kugeln bilden. Das gereinigte Tyrosin stellt dagegen farblose, seideglänzende, feine Nadeln dar, welche ofl zu Büscheln oder Ballen gruppirt sind. Es ist sehr schwer löslich. Es wird von 2454 Theilen Wasser bei -|- '^O" C. und 154 Theileu siedendem Wasser gelöst, scheidet sich aber beim Erkalten in Büscheln von Nadeln aus. Bei Gegenwart von Alkalien, Ammoniak oder einer Mineralsäure Eigen- . . . schatten. löst es sich leichter. In Essigsäure ist es schwer löslich. Aus einer animoui- akalisehen Lösung scheidet es sich bei der spontanen Verdunstung des Ammoniaks in Krystallen aus. Die Lösung des aus ProteinstofTen mit Säuren erhaltenen Tyrosins ist regelmässig schwach linksdrehend. Das durch Zersetzung mit Baiyt oder synthetisch dargestellte Tyrosin ist optisch inaktiv^). Von Alkohol und Aether wird das Tyrosin nicht gelöst. Man erkennt es an der Krystallform und an folgenden Reaktionen. Piria's Probe. Man löst das Tyrosin in konzentrirter Schwefelsäure unter Erwärmen auf, wobei Tyrosinschwefelsäure entsteht, lässt erkalten, verdünnt mit Wasser, neutralisirt mit BaC03 und nltrirt. Das Filtrat giebt bei Zusatz von Piria'sTyro- Eisenchloridlösung eine schöne violette Farbe. Die Reaktion wird durch Gegen- wart von freier Mineralsäure und durch Zusatz von zu viel Eisenchlorid gestört. HoniANx's Probe. Uebergiesst man eine kleine Menge Tyrosin im Reagenz- glase mit etwas Wasser, fügt einige Tropfen der MiLLOx'schen Reagenzflüssig- 1) Vergl. Maly, 1. c. 5 Theil 2 S. 212. K. COHS, 1. c. AVeyl, Ber. d. deutsch. ehem. Gesellsch. 21. 2) Ber. d. deutseh. ehem. Gesellsch. 15. 3) Vergl. Maüthxer, Wiener Sitzungsber. Bd. 85 und E. SCHULZE, Zeitschr. f. physio- logische Chemie. Bd. 9. (ii Zweites Kapitel. Parstelhing des Leucüis und Tyro- sins. Nachweis des Leucini und Tyro- sins. keit ZU und kocht die Probe eiuige Zeit, so färbt sich die Flüssigkeit schön roth und giebt dann einen rothen Niederschlag. Jlan kann auch erst Mercuri- nitrat zusetzen, darauf zum Sieden erhitzen und dann Salpetersäure, welche etwas salpeterige Säure enthält, zufügen. Scheeee's Prohe. Wird das Tyrosin vorsichtig mit Salpetersäure auf Platinblech zur Trockene abgedampft, so erhält man einen schön gelben Rück- stand (Nitrotyrosinnitrat), welcher mit Natronlauge eine tief rothgelbe Farbe annimmt. Diese Probe ist jedoch nicht charakteristisch, denn es geben auch andere Stoffe eine ähnliche Reaktion. Die Darstellung des Leucins und Tyrosins in grösserem Massstabe ge- schieht gewöhnlich durch Kochen von Eiweissstoffen oder Albuminoiden mit ver- dünnter Mineialsäure. Gewöhnlich verwendet man Hornspäne (2 Theile), welche mit verdünnter Schwefelsäure (5 Theilen konzentrirter Säure und 13 Theilen Wasser) während 24 Stunden gekocht werden. Die nach beendetem Kochen mit Wasser verdünnte Lösung wird noch warm mit Kalkmilch ueutrali- sirt und von dem Gypse abfiltrirt. Der letztere wird wiederholt mit Wasser aus- gekocht, säramtliche Filtrate vereinigt und konzentrirt. Aus der konzentrirten Flüssigkeit wird der Kalk mit Oxalsäure ausgefällt, der Niederschlag abfiltrirt, wiederholt mit Wasser ausgekocht, sämmtliche Filtrate vereinigt und zur Krystal- lisation verdunstet. Das zuerst auskrystallisirende besteht hauptsächlich aus Tyrosin mit nur wenig Leucin. Durch Konzentration können aus der Mutter- lauge neue Krystallisationen, welche hauptsächlich aus Leucin mit etwas Tyrosin bestehen, gewonnen werden. Um das Leucin und das Tyrosin von einander zu trennen, kann man bei ihrer Darstellung in grösserem Massstabe von ihrer ungleichen Löslichkeit in Wasser ausgehen oder auch das folgende, von Hlasi- WETZ und Habeemann ') angegebene Verfahren benutzen. Die Krystallmassen werden mit viel Wasser unter Zusatz von der zu ihrer Lösung nöthigen Menge Anmioniak gekocht. Dieser, siedend heissen Lösung setzt man dann soviel Bleiessig zu, bis der entstehende Niederschlag fast weiss erscheint, filtrirt, er- iiitzt das hellgelbe Filtrat zum Sieden, neutralisirt mit Schwefelsäure und filtrirt siedend heiss. Nach dem Abkühlen ist fast alles Tyrosin ausgefällt, während das Leucin in Lösung geblieben ist. Das Tyrosin kann dann durch Um- krystallisiren aus siedendem Wasser oder aus ammoniakalischem Wasser gereinigt werden. Die obengenannte, leucinreiche Mutterlage wird mit H^S entbleit, das Filtrat konzentrirt und mit eben gefälltem Kupferoxydhydrat im Ueberschuss gekocht. Ein Theil des Leucins wird dabei niedergeschlagen , der Rest bleibt aber in Lösung und krystallisirt beim Erkalten theilweise als Kupferverbindung aus. Aus dem Niederschlage einerseits und der Lösung andererseits wird nun das Kupfer mit H.,S entfernt, die Filtrate, wenn nöthig, mit Thierkohle ent- färbt, stark konzentrirt und zur Krystallisation hingestellt. Das aus dem Niederschlage erhaltene Leucin ist sehr rein, das aus dem Filtrate ist unreiner. Arbeitet man mit kleineren Mengen, so kann man die aus einem Ge- raenge der beiden Stoffe bestehenden Krystallisationen in Wasser lösen und diese Lösung dann mit Bleiessig tällen. Das Filtrat wird mit HgS entbleit, das neue Filtrat zur Trockne verdunstet und der Rückstand mit warmem Alkohol, von welchem das Leucin, aber nicht das Tyrosin, gelöst wird, be- handelt. Das rückständige Tyrosin wird durch Umkrvstallisiren aus ammoniak- 1) Annal. d. Chem. ii. Pliarm. 1G9 S. 160. Äjnidosäuren. 65 haltigem Alkohol gereinigt. Das Leucin reinigt man durfh Umkrystallisiren aus siedendem Alkohol oder auch durch Ausfällen desselben als Leucinbleioxyd, Zersetzen des in Wasser aufgeschwemmten Niederschlages mit H.jS und Ver- dunsten der filtrirtea Lösung zur Krj'stallisation. Zur Reinigung des Rohleucins stellt Rühmann') die Salzsäureverbindung desselben dar, reinigt sie durch Auf- lösen in wenig Wasser und Krystallisirenlassen unter Abkühlung und stellt dann den salzsauren Leucinäthylester dar. Zum Nachweise von Leucin und Tyrosiu in thierischen Flüssigkeiten oder Geweben entfernt man erst das Eiweiss durch Koagulation mit Essigsäure- zusatz und fällt dann mit Bleiessig. Das Filtrat wird mit H.,S behandelt, das neue Filtrat zum Syrup oder zur Trockne verdunstet, in dem Rückstände die zwei Stoffe mit warmem Alkohol getrennt und dann, wie eben angegeben, gereinigt. Glykokoll odei- Amidoessigsäure. Diese Säure ist bisher nicht als Spaltungsprodukt GlykokoU. der genuinen Eiweissstofie, sondern nur aus Leim und anderen Albumoiden erhalten worden. Da sie ihr grösstes Interesse als Spaltungsprodukt der Glykocholsäure und einiger anderen gepaarten Säuren hat, soll sie später (Kapitel 8) abgehandelt werden. Alan in oder a-Amidopropionsäure CaHjXO,, oder CH3 . CH(NH2)C0OH ist von Weyl-) als Spaltungsprodukt aus dem Fibrom der Rohseide erhalten worden. Als ein Derivat Alanin. desselben betrachtet man allgemein das in seltenen Fällen im Harne auftretende Cystin. Das P h e n T 1 a 1 a n i n ^ a-Phenvlamidopropionsäure QH^ . CHo . CH(NHalCOOH, stellten zuerst Schulze imd Barbieki als Spaltungsprodukt aus Tegetabilischem Eiweiss dar. Die „, Entstehung dieser Säure bei der Spaltung des Kaseins mit Salzsäure und Zinnchlorür ist auch alanm." von E. Schulze 'J wahrscheinlich gemacht worden. B utalau in oder (5-Amidovaleriansäure QHuNO, = CH.2(XH2)(CHo)3COOH. Diese Säure ist zuerst von v. Goeüp-Besanez in Pankreas, daun von Schulze und B.\kbieri in Lupinenkeimlingen, ferner von E. und H. Salkowski bei der Fäulniss von Fibrin, Fleisch Butalanin. und Leim (H. S.\LKOwsKi), von Siegfried unter den Spaltungsprodukten des Eetikulins und von Zalocostas*) unter denen des Spongins nachgewiesen worden. Die Säure bildet farblose Blältchen oder sternförmig gruppirte Nadeln. Sie schmilzt bei 157 — 158° C unter Zersetzung. Sie löst sich leicht in AVasser, sehr schwer in siedendem Alkohol und ist fast unlöslich in Alkohol und Aether. Asparaginsäure , C^H-N04 , oder Amidobernsteinsäure CjHgiNH^,). (COOH)^,. Diese Säure hat man bei der Trypsin Verdauung von Fibrin und Gluten erhalten. Sie kann auch durch Zersetzung von Eiweissstofien oder Albuminoiden mit Säuren erhalten werden. Hlasiw'etz und ÜABERMANif *) erhielten aus Eialbumin 23,8 und aus Kasein 9,3 p. c. Asparaginsäure, die jedoch Asparagin- nicht rein war. Die Säure kommt übrigens im Pflanzenreiche sehr verbreitet als Asparagin (Amidobernsteinsäureamid) vor, welches für die Entwickelung der Pflanze und die Entstehung der Eiweissstofie in ihr von grosser Bedeutung zu sein scheint. Die Asparaginsäure löst sich in 256 Thl. Wasser von -(- 10" C. und in 18,6 Thl. siedendem Wasser und sie krystallisirt beim Erkalten in rhombischen Prismen. Die aus Proteinstoffen dargestellte Säure ist optisch aktiv, in von 1) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 30. S. 1980. 2) Her. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 21. 3) Schulze und Bakbieki, ebenda IG; E. Schulze, Zeitschr. f. physiol. Chem. 9. i) v. Gokup-Besanez, Annal. d. Chem. u. Pharm. 98 ; Schulze und Babbieri, Journ. f. prakt. Chem. (N. F.) 27; E. u. II. Salkowski , Ber. d. deutseh. ehem. Gesellsch. 16; H. Salkowski, ebenda 31; Siegfried, vergl. Fussnote S. 56; Z.\locost.\s, Compt. rend. 107. 5) Annal. d. Chem. u. Pharm. 159 u. 169. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 5 66 Zweites Kapitel. Schäften dei Asparagiii- säure. Trennung der Amido säuren. Salpetersäure stark saurer Lösung ist sie dextrogyr, in wässeriger Lösung da- gegen je nach der Temperatur rechts- oder linksdrehend ^). Mit Kupferoxyd geht sie eine, in siedend heissem Wasser lösliche, in kaltem Wasser fast unlös- liche krystallisirende Verbindung ein, welche zur Reindarstelluug der Säure aus einem Gemenge mit audeien Stoffen verwendet werden kann. Bezüglich der Darstellungsmethode vergl. man Hlasiwetz und Habeejiann und E. Schulze 2). Glutaminsäure , C5HgN04 oder Amid opyro Weinsäure CgHjlNH.j) . (COOH).,. Nachdem das Vorkommen dieser Säure unter den Spaltungsprodukten der vegetabilischen Eiweissstoff'e zuerst durch Ritthausen und Kreusler erkannt worden war, fanden sie Hlasiwetz und Habeemann unter den Spaltungsprodukten thierischer Eiweissstoffe und sie erhielten aus Kasein 29 p. c. Glutaminsäure. Ausser aus den genuinen Eiweissstoflen ist sie auch aus einem Albumoid, dem Retikulin, von Siegfried dargestellt worden '). Die Glutaminsäure krystallisirt in rhombischen Tetraedern oder Oktaedern oder in kleinen Blättchen. Sie schmilzt bei 135 — 140" C. unter theilweiser Zersetzung. Sie löst sich in 100 Theilen Wasser bei 16" C. und in 1500 Theilen Wein- geist von 80 p. c. In Alkohol und Aether ist sie unlöslich. Die aus Eiweiss durch Sieden mit einer Säure gewonnene Glutaminsäure ist rechtsdrehend, die durch Erhitzen mit Barythydrat gewonnene ist optisch inaktiv. Mit Salzsäure bildet sie eine schön krystallisirende, in konzentrirter Salzsäure fast unlösliche Verbindung, die zur Isolirung der Säure benutzt werden kann. Beim Sieden mit Kupferhydroxyd entsteht das schwerlösliche, schön krystallisirende Kupfersalz. Hinsichtlich der Darstellungsmethode vergl. man Hlasiwetz und Habermann*) und E. Schulze*). Zur Trennung verschiedener Amidosäuren benützt Okloff") das Verhalten der Nickel- salze. GlykolcoU und Alanin geben beim Kochen mit überschüssigem Nickelkarbonat schwer- . lösliche, krystallisirende t^alze. Die Asparaginsäurc giebt ein leichtlösliches, nicht krystalli- sirendes Nickelsalz; das Leucin gicbt aber beim Kochen mit Niekelkarbonat kein Nickelsalz. 2. Basische Stoffe. Die wichtigsten basischen Produkte der hydrolytischen Spaltung der Proteinsubstanzen sind Lysin (Lysatin), Arginin und Histidin , welche von Kossel Hexonbasen genannt worden sind. Lysin. CgHj4N,,0.j , wahrscheinlich Dia midokap ronsäure, C5H9(NH,)2COOH, ist dem Ornithin (der Diatnidovaleriansäure ?) homolog. Das Lysin ist von Deechsel und seinen Schülern nicht nur aus verschiedenen >) Vergl. Landolt, Das optische Drehungsvcrmügen org. Substanzen. Braunschweig 1879 und Cook, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 30. 2) Hlasiwetz und Habermann, Annal. d. Cheni. u. Pharm. 1C9. E. Schulze, Zeit- schrift 1 physiol. Chem. 9. 3) EiTTHAFSEN und Kreüsleb , Journ. f. prakt. Chcm. (N. F.) 3. Hlasiwetz und Habermann, 1. c. 159. Siegfried, 1. e. Fussnote S. 56. ■i) 1. c. 169. Schulze, 1. e. 5) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1897 S. 642. Lysin und Lysatin. 67 Eiweissstoffen, sondern auch aus mehreren Albumoiden beim Sieden mit Säuren erhalten worden. Es entsteht auch bei der tryptischen, nicht aber bei der pep- tischen Verdauung des Eiweisses und ebenso bei der Spaltung von Protaminen (Kossel)I). Das Lysin ist in Wasser leicht löslich, krystallisirt aber nicht. Es ist rechtsdrehend, geht aber beim Erhitzen mit Barytwasser auf 150" C. in optisch inaktives Lysin über. Mit Salzsäure giebt es zwei Chlorhydrate und mit Platin- chlorid ein durch Alkohol fällbares Chloroplatinat von der Zusammensetzung Eigen- C.Hi^NjOa.HgPtClg + CjHäOH. Es giebt mit AgNOg zwei Silbersalze, eines ''''^"^"■ von der Formel AgNOg -t-CgHj^NgOj und ein anderes von der Formel AgNOg-j-CgHjjN.jOj . HNO3 (Hedin); dagegen giebt es keine in Natron un- lösliche Silberverbindung (Kossel). Mit Benzoylehlorid und Alkali geht das Lysin in eine gepaarte Säure, die Lysursimre, CgHj.,N2(CjH50)202 (Drechsel) über, welche der Ornithursäure homolog ist und beim Erhitzen mit konzentrirter Salzsäure auf 140 — 150° C. in Benzoesäure und Lysin zerfällt*). Die Lysur- säure kann zur Abscheidung des Lysins benutzt werden, wobei man erst das saure Baryumsalz darstellt. Ornithin, CsHioNjOj, walirsclieinlieb Diamido valeriansäure, C4H7(NH2)3COOH. Das Ornitiiin entstellt neben Benzoesäure durch Spaltung der yon JaFPe entdeckten gepaarten „ ..j^^ Ornithursäure, welche yon Vögeln nach Einverleibung von Benzoesäure ausgeschieden wird. Es entsteht auch wie es seheint neben Hamstoö' bei der Spaltung des Arginins mit Baryt- wasser (Schulze und Wintekstein'). Mit Salpetersäure giebt das Ornithin ein in breiten farblosen Blättern krystallisirendes Salz. Mit Natronlauge erwärmt giebt es einen sperma- ähnlichen Geruch. Diaraidoessigsäure, C, HgNäO., = CHCXHa^jCGOH, ist yon Deechsel*) als Spalt- ungsprodukt der Eiweissstofie beim Sieden mit Zinn und Salzsäure erhalten worden. Sie Diamido- krystalUsirt in Prismen und giebt eine in kaltem Wasser wenig lösliche, in Alkohol fast un- essigsaure, lösliche Monobenzoylyerbindung, die zur Isolimng der Säure benutzt werden kann. Lysatin oder Lysatinin. Die Formel dieser Substanz ist entweder C6Hj3N30^, oder C6HjjN30 4-H20- In jenem Falle ist die Base dem Kreatin CiHoNoO.j, in diesem dem Kreatinin C,H,NqO homolog: und dies ist der Grund, Lysatin und warum dieser Stoff sowohl Lysatin wie Lysatinin genannt worden ist. Diese Base entsteht unter denselben Bedingungen wie das Lysin und nach Hedix ist sie vielleicht nur ein Gemenge von Lysin und Arginin. Die Base zersetzt sich leicht und beim Sieden mit Baiytwasser liefert sie Harnstoff. Sie giebt ein in Wasser lösliches Silberdoppelsalz von der Formel CgHjgNgO., .HNOg-j-AgNOg, wclches in Alkohol- Aether unlöslich ist und zur Abscheidung und Reingewinnung der Base benützt wurde. Arginin, C^Hj^N^O.,, ist zuerst von Schulze und Steiger in etiolirten Lupinen- und Kürbiskeimlingen entdeckt worden. Von Hedix wurde es darauf Arginin. 1) Die Arbeiten über Lysiu und Lysatin findet man bei DKECHSEi: Der Abbau der Eiweissstoffe in Du Bois-Keymond's Arch. 1891 , ferner bei Hedis in Zeitschr. f. physiol. Chem. 31. Kossel, ebenda 25. 2) Drechsel, Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 28. 3) J.\FFE, ebenda 10 u. 11; Schulze und Wistersteis, ebenda 30. ••) Ber. der sächs. Ges. d. Wissenseh. 44. 5* Zweites Kapitel. als Spaltungsprodukt von Hornsubstanz, Leim und mehreren Eiweissstoffen nachgewiesen. Hedin erhielt aus Hornsubstanz, Leim, Konglutin, Albumin aus Eigelb, Eialbumin und Kasein resp. folgende Mengen 2,25; 2,6; 2,75; 2,3; 0,8; 0,8 p. c. Arginin. Besonders reichliche Mengen Arginin, gegen 10 p. c, er- hielten Schulze und Ronggee aus dem Eiweiss der Koniferensamen. Das Arginin kommt auch unter den Produkten der Trypsinverdauung vor (Kossel und Kutscher). Das Arginin ist eine krystallisirende Substanz , die beim Sieden mit Barythydrat Harnstoff und daneben, wie es scheint, auch Ornithin liefert (vergl. oben). Es sind mehrere krystallisirende Salze und Doppelsalze der Base be- kannt, unter denen namentlich die Silbersalze von Bedeutung sind. Das Silber- salz AgN0g-(-CgHj^N^02-|- ^'2H20 scheidet sich bei langsamer Krystallisation in schönen prismatischen Krystallen aus. Es ist das schwerlöslichste Silbersalz und eignet sich am besten zur Isolirung der Base. Mit Silbersalz und freiem Alkali oder Baryt giebt das Arginin eine unlösliche Silberverbindung (Kossel) '). Histidin , CgHgNgOg , wurde zuerst von Kossel als Spaltungsprodukt der Protamine (des Sturins) entdeckt. Darauf wurde es von Hedin ^) unter den Spaltungsprodukten des Eiweisses beim Sieden mit verdünnter Säure und von Kutscher unter den Produkten der Trypsinverdauung gefunden. Das Histidin krystallisirt in nadel- und tafelförmigen, farblosen Krystallen. Die wässerige Lösung wird von Silbernitrat allein nicht gefällt; bei vorsich- tigem Zusatz von Ammoniak entsteht dagegen ein amorpher, in überschüssigem Ammoniak sehr leichtlöslicher Niederschlag. Das Chlorhydrat krystallisirt in schönen tafelförmigen Krystallen^). Es ist optisch inaktiv, löst sich ziemlich leicht in Wasser, ist aber unlöslich in Alkohol und Aether. Zu Silbersalz und Alkali verhält sich das Histidin wie das Arginin. Kohlensaures Histidin wird von Quecksilberchlorid gefällt (Kossel). Das Prinzip der Darstellung der obigen Basen besteht darin, dass man erst mit Phosphorwolframsäure sämmtliche Basen ausfällt, wobei die Amidosäuren in Lösung bleiben. Der Niederschlag wird in kochendem Wasser mit Baryum- hydroxyd zersetzt und aus dem neuen Filtrate die Basen als Silberverbindungen gewonnen. Bezüglich der näheren Details wird auf die oben citirten Arbeiten von Deechsel und Hedin hingewiesen. Kossel scheidet erst das Histidin von den anderen Basen durch Fällung mit Quecksilberchlorid ab. Das Arginin wird nach ihm von dem Lysin durch Ausfällung mit Silbersulfat und Baryum- hydroxyd getrennt. 1 ) Schulze und Steiges, Zeitschr. f. pliysiol. Chem. 11 ; Hedin, ebenda 21. Schulze (und EONGGER), ebenda 24. Kutscher, ebenda 25. Kossel, ebenda. 2) Kossel, Sitzungsber. d. kgl. Preuss. Akad. d. Wissenseh. 18 u. Zeitschv. f. physiol. Chem. 25. Hedin, ebenda 22. 3) Vergl. Baüek, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. Drittes Kapitel. Die Kohlehydrate. Die mit diesem Namen bezeichneten Stoffe kommen besonders reichlich in dem Pflanzenreiche vor. Wie die Proteinstoffe die Hauptmasse der festen Theile der thierisehen Gewebe bilden, so stellen nämlich die Kohlehydrate ihrer- seits die Hauptmasse der Trockensubstanz des Pflanzenleibes dar. In dem Thier- der'^Kohie- reiche kommen sie dagegen verhältnissmässig spärlich, theils frei und theils als '■ydrate. Bestaudtheile mehr komplexer Moleküle, der Proteide, vor. Als Nahrungs- mittel sind sie sowohl für Menschen wie für Thiere von ausserordentlich grosser Bedeutung. Die Kohlehydrate enthalten nur Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Die zwei letztgenannten Elemente finden sich in der Regel in ihnen in der- selben Relation wie im Wasser, also in der Relation 2:1; und dies ist der Grund, warum man ihnen seit Alters her den Namen Kohlehydrate gegeben hat. Dieser Name ist indessen, streng genommen, nicht ganz zutreffend, denn jj^jQjtioa abgesehen davon, dass es Stoffe giebt, welche, wie die Essigsäure und Milch- '^^y,^""®' säure, keine Kohlehydrate sind und dennoch Sauerstoff und Wasserstoff in der- selben Relation wie das Wasser enthalten, kennt man nunmehr auch Zucker (die Rhamnose CeHj^Oj), welche die fraglichen Elemente in einem anderen Verhältnisse enthalten. Früher glaubte man auch die Kohlehydrate als Stoffe charakterisiren zu können, die im Moleküle 6 Atome Kohlenstoff oder ein Vielfaches davon enthalten ; aber auch diese Anschauung ist nicht länger stichhaltig. Man kennt nämlich nunmehr wahre Kohlehydrate, die weniger als 6, aber auch solche, die 7, 8 und 9 Kohlenstoffatome im Moleküle enthalten. Aeussere Eigenschaften oder Charaktere, welche allen Kohlenhydraten gemeinsam sind und sie als eine besondere Gruppe von anderen Stoffen unter- scheiden, giebt es ebenfalls nicht, denn die verschiedenen Kohlehydrate sind im Gegentheil hinsichtlich ihrer äusseren Eigenschaften in vielen Fällen sehr ver- schiedenartig. Unter solchen Umständen muss es schwierig sein, eine zutreffende Definition der Kohlehydrate zu geben. In chemischer Hinsicht kann man indessen sagen, dass alle Kohlehydrate aldehyd- oder ketonartige Derivate mehrwerthiger Alkohole sind. Die ein- Drittes Kapitel. fachsten Kohlehydrate, die einfachen Zuckerarten oder Monosaccharide, sind Aldehyd- nämlich entweder Aldehyde oder Ketone derartiger Alkohole, und die mehr oder Kctou- ■' _ "^ derivate. zusammengesetzten Kohlehydrate scheinen durch Auhydridbildung aus jenen entstanden zu sein. Thatsache ist es jedenfalls, dass die mehr zusammenge- setzten Kohlehydrate bei der hydrolytischen Spaltung entweder je zwei oder auch mehrere Moleküle von einfachen Zuckerarten liefern können. Dem nun Gesagten entsprechend theilt man auch allgemein die Kohle- hydrate in drei Hauptgruppen ein, nämlich in Monosaccharide. Disaccharide und Polysaccharide. Unsere Kenutniss von den Kohlehydraten und deren Strukturverhält- uissen ist in neuerer Zeit, Dank den bahnbrechenden Untersuchungen von KxLiANi ^) und ganz besonders von E. Fischer-), höchst bedeutend erweitert worden. Da die Kohlehydrate hauptsächlich im Pflanzenreiche vorkommen, kann es selbstverständlich nicht hier am Platze sein, eine ausführliche Besprechung der zahlreichen bekannten Kohlehydrate zu geben. Dem Plane dieses Buches gemäss wird hier nur eine kurzgedrängte Uebersicht geliefert, und es können hierbei nur diejenigen Kohlehydrate berücksichtigt werden, die entweder im Thierreiche vorkommen oder als Nährstoffe für Menschen und Thiere von be- sonderer Bedeutung sind. Monosaccharide. Säramtliche Zuckerarten, sowohl die Mono- wie die Disaccharide, werden hinsichtlich der Nomenklatur durch die Endung „ose" charakterisirt, die an einen die Herkunft oder andere Beziehungen andeutenden Stamm angefügt wird. Je nach der Anzahl der in dem Moleküle vorkommenden Kohlenstoff- oder, richtiger, Sauerstoffatome, kann man dem entsprechend auch die Monosaccharide in Triosen, Tetrosen, Pentosen, Hexosen, Heplosen u. s. w. eintheilen. Sämmtliche Monosaccharide sind entweder Aldehyde oder Ketone mehr- werthiger Alkohole. Jene Zuckerarten werden Aldosen, diese dagegen Ketosen genannt. Die gewöhnliche Glukose ist also z. B. eine Aldose, der gewöhnliche Fruchtzucker dagegen eine Ketose. Diese Verschiedenheit findet in den Struk- turformeln der zwei Zuckerarten ihren Ausdruck. Glukose = CH2(0H) . CH(OH) . CH(OH) . CH(OH) . CH(OH) . CHO Fruktose = CHjlOH) . CH(OH) . CH(OH) . CH(OH) . CO . CHj(OH). Auch bei der Oxydation kommt dieser Unterschied zum Vorschein. Die Aldosen kann man nämlich hierbei in Oxysäuren von gleicher Kohlenstoffzahl 1) Vergl. Ber. d. deutsch, ehem. Gesellscli. 18, 19 u. 20. -) Vergl. besonders E. Fischee's Vortrag : „Synthesen in der Zuckergrr.ppe" ebenda 23, S. 2114. Eine vorzügliche Arbeit über die Kohlehydrate ist: „Kurzes Handbuch der Kohlehydrate' Ton B. ToLLENS, Breslau, Bd. 2 1895 u. Bd. 1 2. Auflage 1898, welche Arbeit aucli ein sehr vollständiges Litteraturverzeicliniss enthält. Monosaccharide. 71 überführen, die Ketoseii dagegen nur in Säuren von niederer Kohlenstoftzahl. Bei milder Oxydation liefern die Al, S. 730. 72 Drittes Kapitel. von kohlenstoffärmeren Zuckerarten aus kohlenstoffreicheren daistelleo. (Vergl. Wohl a. a. 0.). Die Monosaccharide sind wie die Aldehyde stark reduzireiide Stoffe. Aus ammoniakalischer Silberlösung scheiden sie metallisches Silber ab und ebenso Eeduzirendo reduzii'en sie beim Erwärmen in alkalischer Lösung mehrere Metalloxvde, wie Eigen- .sciiaftcn. Kupfer-, Wismuth- und Quecksilberoxyd. Dieses Verhalten ist von grosser Be- deutung für den Nachweis und die quantitative Bestimmung der Zuckerarten. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist das Verhalten der Zuckerarten zu essigsaurem Phenylhydrazin. Ihre Lösungen in Wasser geben näuilich hiermit erst Hydrazone und darauf bei hinreichend lang dauerndem Erwärmen im Wasserbade sogen. Osazone. Diese Reaktionen verlaufen nach folgenden Gleichungen: a) CHaCOH) [CH(OH)]3 CH(OH) CHO + H„N . NH . CeHj = CH2(0H) [CH(0H)]3 CH(OH) CH : N . NH . CeHs -j- HoO. Phenyl- Phenvli?iukoshvdra2on. hydrazin- b) CH.,(OH) [CH(0H)]3 CH(bH) CH :" N . NH . C^U^ + HaN . NH . CgHs '■«^"'°"- = CHolOH) [CH(0H)]3 C . CH : N . NH . C^Tl^ N . NH . CßHs + HjO + Ho Phenylghikosazon . Der WasserstofF wird indessen nicht frei, sondern wirkt auf ein zweites Molekül Phenyl- hydrazin ein und spaltet es in Anilin und Ammoniak. HjN . NH . C6H5 -|- Hj = HoN . C'uHj + NH,. Die Osazone sind gelbgefärbte, krystallinische Verbindungen, die durch Schmelzpunkt, Lösliehkeit und optisches Verhalten von einander sich unter- scheiden und die in Folge hiervon für die Charakterisirung der einzelnen Zucker- arten eine grosse Bedeutung gewonnen haben. Sie sind aber auch in anderen Osazone. jjinsichten von ausserordentlich grosser Wichtigkeit für das Studium der Kohle- hydrate geworden. Sie eignen sich nämlich sehr gut zur Abscheidung der Zuckerarten aus Lösungen, in denen sie zusammen mit anderen Stoffen vor- kommen, und sie sind ferner für die künstliche Darstellung der Zuckerarten von der grössten Bedeutung. Bei der Spaltung durch kurzdauerndes gelindes Erwärmen mit rauchender Salzsäure geben sie nämlich salzsaures Phenylhydrazin und sogen. Osone, Stoffe, die Ketoaldehyde sind. CH2(OH)lCH(OII)]3 . C . CH : N . NH . C-.Hs N . NH . CeHs 4- 2H,0 + 2HC1 = 2C,jH5 . IIN . NH, . HCl + CH2(OH) . [CII(OH)]3 . CO . CHO. (Osou) Aus den Osonen erhält man ferner durch Reduktion mit Zinkstaub und Essigsäure Ketosen. CHa(OH) . [CH(0H)]3 . CO . CHO + 2H = CH2(0H) . [CH(0H)]3 . CO . CH.,(OH). Geht man von einer Aldose aus, so erhält man also nicht denselben Zucker wieder, sondern eine isomere Ketose, und in dieser Weise kann man z. B. den Traubenzucker in Fruchtzucker überführen. Auch in anderer Weise kommt man von den Osazonen zu den ent- sprechenden Zuckern (Ketoseu), nämlich durch direkte Reduktion der ersteren Monosaccharide. mit Essigsäure und Ziukstaub. Hierbei entsteht zuerst das entsprechende Osarain, aus dem darauf durch Behandlung mit salpetriger Säure Ketose entsteht. CH,(OH) . [CH(0H)]3 . C . CH : N . NH . 0^^^ N . NH . CjHä f HaO + 4H = Pheiivlglukosazou CH2(0H) . [CH(0H)j3 . CO . CH2(NH2) + C^U^ . NH . NHj + C^Hj . NHj uud Isoglukosamin CH.>(OH) . [CH(0H)]3 . CO . CH2(NH.,) + HNO. = CH.tOH) . [CH(0H)]3 . CO . CH.(OH) -j-N^ + H.O. Fruchtzucker. Aus dem bisher Gesagten folgt also, dass verschiedene Wege zu der künstlichen Darstellung von Zuckerarten führen. Mau erhält nämlich die Zuckerarten durch: 1. vorsichtige Oxydation der betreiFenden mehrwerthigen Alkohole, 2. Reduktion der entsprechenden einbasischen Oxysäureu, 3. Spaltung ^■^""ä*''"''® der Osazone mit Salzsäure und Reduktion der Osone, 4. direkte Reduktion der •'«''" Zucker- arten. Osazone und Behandlung des gebildeten Osaniins mit salpetriger Säure, 5. Syn- these aus kohlenstoffärmeren Verbindungen (vergl. unten die Synthese der Hexosen). Das in obiger Weise aus Phenylglukosazon dargestellte Isoglukosamin ist einem anderen Glukosamin isomer, welches aus dem Chitin (vergl. Kap. 16) durch Spaltung mit Salzsäure gewonnen wird. Beide Glukosamiue geben krystallisirende Salze und wirken reduzirend. Durch salpetrige Säure wird das Glukosamin (aus Chitin) in einen reclitsdrehenden, nicht Glukos- gähreudeu Zucker, das Isoglukosamin dagegen in Lävulose übergeführt. E. FISCHER ist der amine. Ansicht , dass das Glukosamin von der Dextrose , das Isoglukosamin von der Lävulose sich ableitet. Mit Ammoniak können zahlreiche Zuckerarten , wenn man sie in ammoniakalischem Methylalkohol auflöst, krystallisirende Verbindungen eingehen, die fast alle als Osamine aut- getasst werden (LoBKY de Brüyn'). Mit Säuren geben sie keine Salze und unterscheiden sich dadurch von den früher bekannten isomeren Osaminen. Mit Alkoholen können, wie E. Fischer und seine Schüler-) gezeigt haben, sowohl Aldosen (auch Pentosen) wie Ketosen bei Gegenwart von Salz- säure ätherartige Verbindungen eingehen, die man Glukoside nennt. Solche Glukoside hat man übrigens nicht nur mit fetten Alkoholen sondern auch mit oiukoside. Benzylalkohol, mehratomigen Phenolen und Oxysäureu erhalten. Auch die mehr zusammengesetzten Kohlehydrate können nach Fischer als Glukoside der Zucker angesehen werden. So ist beispielsweise die Maltose das Glukosid und der Milchzucker das Galaktosid des Traubenzuckers. Durch die Einwirkung von Alkalien, selbst in kleinen Mengen, wie auch von alkalischen Erden und Bleihydroxyd kann, wie Lobry de Bruyn und ueborgang Alberda VAX Ekenstein^) gezeigt haben, eine wechselseitige Umwandlung a^eu in c^n- vou Zuckerarten wie Glukose, Fruktose und Mannose in einander stattfinden. ''° '"^' Bei der Einwirkung von Kali oder Natron entstehen hierbei aus jeder der drei Zucker- ai'ten, Glukose, Fruktose und Galaktose, vier andere Zucker, darunter zwei Ketosen. Es ent- stehen also z. B. aus der Glukose zwei Ketosen — Fruktose und Pseudofruktose, ferner Mannose uud ein nicht gährungsfähiger Zucker, die Glutose. Aus der Galaktose entstehen Talose und Galtose nebst zwei Ketosen, die Tagatose uud Pseudotagatose. 1) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellschaft 28, S. 3082 und Chem. Contralbl. 1896 2. •■i) Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 26, 27, 28. 3) Ber. d. deutsch, chem. GeseUsch. 28, S. 3078; Bull. soc. chim. de Paris (3) 15; chem. Centriübl. 1896 2 u. 1897 2. Drittes Kapitel. Die Monosaccharide sind färb- und geruchlose, neutral reagirende und Eicen- ^^ss schiueckende, in Wasser leicht, in absolutem Alkohol im Allgemeinen '"^''^"''° '''■'' schwer und in Aether nicht lösliche Stoffe, die wenigstens zum Theil in reinem saccharide. Zustande gut krystallisirbar sind. Sie sind optisch aktiv, theils links- und theils rechtsdrehend, es giebt aber auch optisch inaktive (racemische) Modifi- kationen, die von zwei in optischer Hinsicht entgegengesetzten Komponenten gebildet sind. Es liegt nahe zur Hand, die Kohlehydrate je nachdem sie linksdrehend, lävogj'r, rechtsdrehend, dextrogyr, oder optisch inaktiv sind, mit den Buch- staben 1, d und i zu bezeichnen. Dies ist auch in der That zum Theil gebräuch- lich. So wird die rechtsdrehende Glukose als d-Glukose, die linksdrehende als 1-Glukose und die inaktive als i-Glukose bezeichnet. Emil Fischer hat indessen diese Zeichen in einem anderen Sinne gebraucht. Er bezeich- net nämlich hierdurch nicht das optische Verhalten, sondern vielmehr die Zusammengehörigkeit verschiedener Zuekerarten unter einander. So bezeichnet er z. B. die linksdrehende Fruktose nicht als 1-Fruktose, sondern als d-Fruk- tose, um dadurch ihre nahe Beziehung zu der rechtsdrehenden d-Glukose zu zeigen. Diese Bezeichnungsweise ist allgemein acceptirt worden und die oben genannten Zeichen sagen also nur in wenigen Fällen etwas über das optische Verhalten ans. Als ,spez. Drehung" bezeichnet man die Ablenkung in Kreisgraden, welche von 1 g Substanz , in 1 ccra Flüssigkeit gelöst , bei einer Röhrenlänge von 1 dem bewirkt wird. Die Ablesung geschieht nunmehr allgemein bei -\- 20° C. tind bei homogenem Natronlicht. Die sp. Drehung, bei dieser Beleuchtung mit a (D) bezeichnet, drückt man durch die Formel (a) D = + - aus, in welcher a die abgelesene Drehung, 1 die Länge der Rohre in dem und p die Gewichtsmenge Substanz in 1 com Flüssigkeit bedeutet. Umgekehrt lässt sich, wenn die sp. Drehung bekannt ist , der Prozentgehalt P au Substanz nach der Formel P = 100 a . — , in welchem s die bekannte sp. Drehung bedeutet, berechnen. Sp.Drehuiif:. ^ • * Eine frisch bereitete Zuckerlttsung zeigt oft eine andere Drehung als wenn sie einige Zeit gestanden hat. Nimmt das Drehungsvermögeu allmählich ab, so bezeichnet man dies als Birotation oder Mehrdrehung, während eine allmähliche Zunahme des Drehungs- vermögens dagegen als Halbrotation oder Wenigerdrehung bezeichnet wird. Die Bi- eder Halbrotation kann nach C. ScHULTZE und TOLLBNS') durch Zusatz von sehr wenig, 1 p. m., Ammoniak sogleich aufgehoben werden. Die Aenderungen der Drehungskonstante wie auch die Abhängigkeit derselben von der Konzentration und Temperatur der Lösung rührt nach Taneet'') daher, dass es von jeder (von ihm untersuchten) Zuekcrart drei verschiedene Modifikationen giebt, die bei gleicher Molckulargrösse je ein eigenes Drehungsvermögen und eine eigene Löslichkeit besitzen und die in einander übergehen können. Mit Hefe vergähren viele aber nicht alle Monosaccharide, und es hat sich herausgestellt, dass nur die Zuckerarten mit 3, 6 oder 9 Atomen Kohlenstoff im Moleküle mit Hefe vergährbar sind. Aber auch unter den Hexosen kommen Gähruiif. " Unterschiede vor, indem nämlich einige künstlich dargestellte Hexosen mit Hefe nicht vergähren. Spaltpilze verschiedener Art bewirken verschiedenartige Gährungen, wie Milchsäure- und Buttersäuregährung und die schleimige Gährung. 1) Annal. d. Chem. u. Pharm. 271. a) Compt. rend. 120 u. 122: Bull. soc. ehem. (3) 13 u. 15. Monosaccharide. Pentosen. 75 E. Fischer 1) hat gezeigt, dass die auf uur gewisse Zuckerarten be- schränkte Einwirkung der Hefe höchst wahr.^cheinlich in naher Beziehung zu der stereochemischen Konfiguration der Zuckerarten steht. Die hierbei wirk- samen Proteinsubstanzeu der Hefe, die ebenfalls asymmetrisch gebaut sind, sollen nämlich nur auf diejenigen Zuckerarten wirken, deren geometrischer Bau ähnlich ist oder jedenfalls nicht sehr von dem des Fermentes abweicht. Das- selbe gilt auch von der Einwirkung der invertirenden Enzyme auf Polysac- charide und Glukoside. Die einfachen Zuckerarten kommen zum Theil in der Natur als solche fertig gebildet vor, was z. B. mit den beiden, sehr wichtigen Zuckerarten dem Traubenzucker und dem Fruchtzucker der Fall ist. In reichlichen Mengen '^^'^J,'^™°|J>" kommen sie ferner in der Natur als mehr zusammengesetzte Kohlehydrate (Di- sac«ii.inde. und Polysaccharide) aber auch als esterartige Verbindungen mit verschiedenen Substanzen, als sogen. Glukoside, vor. Unter den bisher bekannten Gruppen von Monosacchariden sind die- jenigen, welche weniger als fünf oder mehr als sechs Atome Kohlenstoff im Moleküle enthalten, zwar von hohem wissenschaftlichem Interesse aber ohne weitere Bedeutung für die Thierchemie. Von den zwei übrigen Gruppen ist die Hexosengruppe die unverhältni-ssmässig wichtigste, indem man nämlich seit Alters her eigentlich nur die Kohlehydrate mit sechs Atomen Kohlenstoff als wahre Kohlehydrate betrachtet hat. — Da man aber in der letzten Zeit auch die Pentosen zum Gegenstand thierehemischer Untersuchungen gemacht hat, müssen sie hier, wenn auch nur in grösster Kürze, besprochen werden. Pentoseu (C^R^gO-J. Die Pentosen sind in der Regel nicht als solche in der Natur gefunden, sondern entstehen durch hydrolytische Spaltung von mehr komplexen Kohle- hydraten, den sogen. Pentosaneu, besonders durch Kochen von Gummiarten mit verdünnter Mineralsäure. Die Pentosane kommen im Pflanzenreiche sehr ver- ^°'''J'™™*° breitet vor und sind besonders für den Aufbau gewisser Pflanzenbestandtheile Pentosen. von grosser Bedeutung. ImThierreiche sind die Pentosen bisher nur verhältnissmässig selten gefunden worden. So haben zuerst Salkowski und Ja.steowitz in dem Harne eines Morphinisten und darauf Salkowski in zwei anderen Fällen Pentose im Harne des Menschen gefunden. Im Harne von Diabetikern haben dann Külz und Vogel '^) in vielen Fällen, wie auch bei Hunden mit Pan- kreasdiabete.s oder Phlorhizindiabetes, kleine Mengen von Pentose nachweisen 1) Ber. d. deutseh. ehem. Gesellseh. 27. Das Verhalten der versehiedenen Zucker gegen reine Hefen und die Bedingungen für ihre Gährung überhaupt siud von E. FisCHEr. und H. Thierfelder näher studirt worden ; ebenda 27 u. 28. 2) Salkowski und JastrOwitz, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1892, S. 337 n. 593 ; Salkowski, Berlin, klin. Wochenschr. 1895: Külz und Vogel, Zeitschr. f Biologie 32. 76 Drittes Kapitel. können. Pentose kommt ferner als Spaltungsprodukt eines vom Verf. aus dem Pankreas dargestellten Nukleoproteides vor und scheint übrigens nach den Beobachtungen von Blujienthal ') ein Bestandtheil von Nukleoproteiden ver- schiedener Organe, wie Thymus, Thrreoülea, Gehirn, Milz und Leber zu sein. Die Pentosen scheinen als Nahrungsmittel für die pflanzenfressenden Thiere von Bedeutung zu sein. Salkowski und Ckemer -) haben nämlich ge- zeigt, dass von Kaninchen und Hühnern die Pentosen Xylose, Arabinose und Rhamnose resorbirt werden und dass diese Thiere die Pentosen verwerthen und sogar zur Glykogenbildung gebrauchen können. Beim Menschen seheinen eben- falls die Pentosen resorbirt und z. Theil verwerthet zu werden. Sie gehen aber auch leicht in Harn über^). Die Pentosen sind mit Hefe nicht vergährende, reduzirende Aldosen. Beim Erhitzen mit Schwefelsäure oder Salzsäure liefern sie Furfurol aber keine Lävulinsäure. Das bei Destillation mit Salzsäure übergehende Furfurol kann nicht nur zum Nachweis (z. B. mit Anilinacetatpapier, welches vom Furfurol schön roth gefärbt wird), sondern auch zur quantitativen Bestimmung der Pen- tosen (bez. der Pentosane) benutzt werden. Beim Erwärmen mit phloroglucin- haltiger Salzsäure geben sie eine schön roth gefärbte Lösung, die einen scharfen Absorptionsstreifen rechts von der Natriumlinie zeigt. Die wichtigsten Pen- tosen sind Arabinose und Xylose. Arabinose (rechtsdrehende Arabinose, Pektinzucker) erhält man durch Kochen von arabischem Gummi oder Kirschgurami mit zweiprozentiger Schwefel- säure. Sie krystallisirt, schmeckt süss, schmilzt bei etwa 160" und ist stark rechtsdrehend a(D) = + 104— lOö«. Ihr Osazon schmilzt bei 157—158" C. und es werden 10 ccm Fehling's Lösung von 43 mgm Arabinose reduzirt. Sowohl die künstlich dargestellte, linksdrehende, wie die optisch inaktive Ara- binose sind bekannt. Xylose (Holzzucker). Diese mit der vorigen stereoisomere Pentose erhält man aus Holzgummi durch Kochen mit verdünnten Säuren. Sie krystallisirt, schmilzt bei 153 — 154 "C, löst sich sehr leicht in Wasser, schwer in Alkohol schmeckt süss, ist schwach reehtsdrehend , a (D) = -{- 18,1" , und giebt ein Osazon, welches bei 159 — 160" C. schmilzt. Andere Peutosen sind folgende: Ribose entsteht durch Reduktion des Ribonsäme- laktons, welches durch räumliche Umlagerung aus der Arabousäuie entsteht. Rhamnose, früher Isodulcit genannt, ist eine Jlethylpentosc, CüHjoOä, welche aus verschiedenen Glukosiden (Quercitrin, Xanthorhamnin u. a.) erhalten wird. 1) Hammakstes , Zeitsclir. f. phvsinl. (heni. 19; auch SaLKOWSKI , Berlin, klin. ■\Vochenschr. 1895 ; Blumex'THAl, Zeitschr. f. klin. Med. 34. 1898. ^) Salkowski, 1. c. Centralbl.; Cremer, Zeitschr. f. Biologie 29. 3) Vergl. Ebstein, Yirchow's Arch. 129; Tolless, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 29, S. 1208; Cremer, 1. c. ; Li.\deman.\ und May, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 56. Hexosen. 77 Hexosen (CgHj^Og). Zu dieser Gruppe gehören die wichtigsteu und am besten bekannten ein- fachen Zuckerarten, und die übrigen (mit Ausnahme der Arabinose und des Inosits) seit Alters her als Kohlehydrate betrachteten Stoffe sind Anhydride derHeiosen. derselben. Einige Hexosen, wie der Traubenzucker und der Fruchtzucker, kommen theils als solche in der Natur fertig gebildet vor und theils entstehen sie durch hydrolytische Spaltung anderer, mehr zusammengesetzter Kohlehydrate oder Glukoside. Andere, wie die Mannose oder Galaktose, entstehen durch hydrolj'tische Spaltung anderer Naturprodukte und wiederum einige wie die Gulose, die Talose u. a. sind bisher nur künstlich gewonnen worden. Alle Hexosen, wie auch die Anhydride derselben geben beim Sieden mit passend verdünnten Mineralsäuren neben Ameisensäure und Huminsubstanzen Lävulinsäure, C^HgOg. Die Hexosen sind zum Theil mit Hefe vergährbar, doch vergähren die nur künstlich dargestellten Hexosen nicht oder jedenfalls nur sehr schwer und unvollständig. Die Hexosen sind theils Aldosen und theils Ketosen. Zu jener Gruppe gehören Mannose, Glukose, Gulose, Galaktose und Talose, zu dieser gehören die Fruktose und wahrscheinlich auch die Sorbinose. Man unter- scheidet ferner zwischen den d-, 1- und i-Modifikationen, also z. B. zwischen d-, 1- und i-Glukose, und die Anzahl der Isomerien ist also sehr gross. Die meisten und wichtigsten Synthesen von Kohlehydraten rühren von E. FiscHEE und seinen Schülern her und sie fallen hauptsächlich innerhalb der Hexosengruppe. Aus diesem Grunde muss hier die Synthese der Hexosen, wenn auch nur in grösster Kürze, besprochen werden. Die erste künstliche Darstellung von Zucker liilirt von Bt:TLEK0w her. Bei der Be- handlung von Trioxymethylen, einem Polymeren des Formaldehyds mit Kalkwasser erhielt er nämlich einen schwach süss schmeckenden Syrup Methylenita n. Von viel grösserer Be- deutung waren indessen die Arbeiten von O. LoEW ',i, dem es gelang durch Kondensation von Formaldehyd bei Gegenwart von Basen ein Gemenge von mehreren Zuckerarten darzustellen, aus dem er einen gährungsfähigen, von ihm ilet hose genannten Zucker isolirte. Die wichtigsten und umfassendsten Zuckersynthesen rühren aber von E. Fischer-) her. Der -A usgangspunkt derselben ist diea-Akrose, die unter den Kondensationsprodukten des Formaldehyds vorkommt, die aber ihren Namen daher erhalten hat, dass sie ans Akrolein- bromid durch Einwirkung von Basen entsteht (FISCHEK). Man erhält sie auch neben ,i-Akrose durch Oxydation von Glycerin mit Brom bei Gegenwart von Natriumkarbonat und Behand- lung des entstandenen Gemenges mit Alkali. Bei der Oxydation mit Brom entsteht nämlich ein Gemenge von Glycerinaldehyd, CH^OH . CH(On) . CHÖ, und Dioxyaceton, CH.>(OH) . CO . CH2OH, welche beide Stoße als wahre Zucker — Glycerosen oder Triosen — bezeichnet werden können. Durch die Alkalieinwirkung findet, wie es scheint, eine Kondensation zu Hexosen statt. Die a-Akrose kann durch Umwandlung in ihr Osazon und Zuiückverwandlung desselben in Zucker aus dem obigen Gemenge isolirt und rein gewonnen werden. Die a-Akrose ist identisch mit der i-Fruktose. Mit Hefe vergährt die eine Hälfte derselben, die linksdrehende d- Fruktose, während die rechtsdrehende 1-Fruktose zurückbleibt. In dieser Weise gelingt also die Darstellung der i- und 1-Fruktose. dtrilliTe" Durch Reduktion der a-Akrose entsteht a-.4krit, welcher mit dem i-Mannit identisch ist. Durch Oxydation von i-Mannit erhält man i-Mannose, von welcher bei der Gährung nur 1) BOTLEROw, Ann. d. Chem. u. Pharm. 120, Compt. rend. 53; O. LoEW, Journ. f. prakt. Chem. (N. F.) 33 u. Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. Bde. 20, 21, 22. '-) Ber. d. deutch. chem. Gesellsch. 21 u. 1. c. S. 70 dieses Buches. 78 Drittes Kapitel. die l-Mannose zurückbleibt, Dureli weitere Oxydation liefert die i-Mannnse i-Mannonsäure. Durch Ueberfiihrung dieser Silurc in Stryehnin- oder Morphinsalz können durch fraktionirte Krystallisation die Salze der zwei aktiven Maunonsäuren getrennt werden. Aus diesen zwei Säuren, der d- und 1-Mannonsäure, kann man die zwei entsprechenden Mannosen durch Ueduk- tion gewinnen. Aus der d-Mannose erhält man, mit dem Osazon als Zwischenstufe, in oben S. 72 an- gegebener Weise die d-Fruktose, und es bleibt also nur noch übrig, die Entstehung der Glukosen zu besprechen. Die d- und 1-Mannonsäuren gehen durch Erhitzen mit Chinolin zum Theil in d- und 1-Glukonsäuren über, und durch Reduktion dieser Säuren erhält man d-, bezw. Synthesen. 1-Glukose. Diese letztere stellt man indessen noch besser aus 1-Arabinose durch die Cyan- hydrinreaktion und mit der 1-Glukonsäure als nächste Zwischenstufe dar. Aus der Verbind- ung der 1- und d-Glukonsäure zu i-Glukonsäure erhält man durch Reduktion die i-Glukose. Ein besonderes Interesse hat die künstliche Darstellung von Zucker durch Kondensation von Formaklehyd gewonnen, indem nämlich nach der Assimilationshypothese von B.4EYEK in der Pflanze bei der Reduktion der Kohlensäure zuerst Formaldehyd gebildet wird, aus dem darauf durch Kondensation der Zucker entstehen soll. Durch besondere Versuche an der Alge Spirogyra hat Bokorny ') gezeigt, dass formaldehydschwefligsaiires Natron von den lebenden Algenzellen gespalten wird. Der freigewordene Formaldehyd wird sofort zu Kohle- hydrat kondensirt und als Stärke niedergeschlagen. Unter den bisher bekannten Hexosen sind eigentlich nur die Glukose, Fruktose und Galaktose von physiologisch-chemischem Interesse, weshalb auch die übrigen hier nur beiläufig erwähnt werden können. Traubenzucker (d-Glukose), auch Glykose, Dextrose und Harn- zucker genannt, findet sich reichlich in den Trauben und kommt ferner sehr häufig zugleich mit der Lävulose (d-Fruktose) in der Natur, wie in Honig, süssen Früchten, Samen, Wurzeln etc. vor. Bei Menschen und Thieren findet er sich im Darmkanale während der Verdauung, ferner in geringer Menge Vorkommen , , ,,.. -^, desTrauben-in Blut Und Lymphe und spurenweise auch in anderen thienschen Flüssigkeiten und Geweben. Im Harne kommt er unter normalen Verhältnissen nur spuren- weise, bei dem Diabetes dagegen in reichlicher Menge vor. Er entsteht auch durch hydrolytische Spaltung von Stärke, Dextrin und anderen zusammenge- setzten Kohlehydraten wie auch durch Spaltung gewisser Glukoside. Die Ent- stehung von Glukose aus Eiweiss im Thierkörper kann durch mehrere Beobacht- ungen und besonders durch die Erfahrungen über die schwere Form von Dia- betes als bewiesen betrachtet werden. Eigenschaften des Traubenzuckers. Der Traubenzucker krystallisirt theils mit 1 Mol. Krystall Wasser in warzigen Massen aus kleinen Blättchen oder ^Mke™ Täfelchen und theils wasserfrei in feinen Nadeln. Der krystallwasserhaltige krystaiie. 2m.ker schmilzt schon unter 100 "C. und verliert das Krystallwasser bei 110» C. Der wasserfreie schmilzt bei 146" 0. und geht bei 170" C. unter Wasserabgabe in Glukosan, CgHjuOj, über. Bei stärkerem Erhitzen geht er in Karamel über und wird dann zersetzt. Der Traubenzucker ist in Wasser leicht löslich. Diese Lösung, welche weniger stark süss schmeckt als eine Rohrzuckerlösuug entsprechender Konzen- tration, ht rechtsdrehend und zeigt starke Birotation. Die sp. Drehung ist zwar von der Konzentration der Lösung etwas abhängig, dürfte aber für wässerige Lösungen von 1 — 15 p. c. wasserfreier Glukose bei -|- 20" C. als Mittel 2) Biolog. Centralld. 12, S. 321 u. 481. Glukose. 79 ZU -1-52,6'' angenommen werden können. Der Traubenzucker löst sich wenig Eigen- ^ , Schäften, in kaltem, leichter in siedend heissem Alkohol. 100 Theile Alkohol vom sp. Gew. 0,837 lösen bei +17,5" C. 1,95 und im Sieden 27,7 Theile wasserfreie Glukose (Anthon '). In Aether ist die Glukose unlöslich. Ueber Traubenzuckermodifikationen verschiedener I.öslichkeit und spez. Drehung vergl. man Tanket (1. c.) Setzt man einer alkoholischen Glukoselösung eine alkoholische Aetzkali- lösung zu, so scheidet sich ein amorpher Niederschlag von unlöslichem Zucker- kali aus. Beim Erwärmen zersetzt sich das Zuckerkali leicht unter Gelb- oder Braunfärbung und hierauf gründet sich die MooRE'sche Zuckerprobe. Die Glukose geht auch Verbindungen mit Kalk und Baryt ein. Die MooRE'sche Znckerprohe. Versetzt man eine Glukoselösung mit etwa Vi Volumen Kali- oder Natronlauge und erwärmt, so wird die Lösung pj^ Moore'- erst gelb, dann orange, darauf gelbbraun und zuletzt dunkelbraun. Sie riecht ^"''pfobe^'*''" gleichzeitig auch schwach nach Karamel und dieser Geruch wird nach dem An- säuern noch deutlicher^). Mit NaCl geht die Glukose mehrere krystallisirende Verbindungen ein, von denen die am leichtesten zu erhaltende, (CgHj^Ou);, . NaCl -f- HgO, grosse, ungefärbte, sechsseitige Doppelpyramide oder Rhomboeder mit 13,40 p. c. NaCl darstellt. Mit Bierhefe geht der Traubenzucker in neutraler oder von organischer Säure sehr schwach saurer Lösung in Alkoholgährung über: CgH^.jOg = 2C2HjOH -t- 2C0.,. Neben dem Alkohol und der Kohlensäure entstehen, besonders bei höherer Temperatur, kleine Mengen homologer Alkohole (Amylalkohol), Glycerin und '^'!}.',!™^f^5^ Bernsteinsäure. Bei Gegenwart von saurer Milch oder von Käse geht der '^""^'^""^ä- Traubenzucker, besonders bei Gegenwart einer Base wie ZnO oder CaCOg, in Milchsäuregährung über. Die Milchsäure kann dann ihrerseits weiter in Butter- säuregährung übergehen : 2C5Hg03 =; C^HgOg -}- SCOg -\- 4H. Der Traubenzucker reduzirt in alkalischer Flüssigkeit mehrere Jletall- oxyde, wie Kupferoxyd, Wismuthoxyd, Quecksilberoxyd und hierauf gründen sich einige wichtigere Zuckerreaktionen. Die TKOMMER'sche Probe gründet sich auf der Eigenschaft des Zuckers, Kupferoxydhydrat in alkalischer Lösung zu Oxydul zu reduziren. Man ver- setzt die Zuckerlösung mit etwa '/s— ^/s Vol. Natronlauge und fügt dann vor- sichtig eine verdünnte Kupfersulfatlösung zu. Das Kupferoxydhydrat wird hier- bei zu einer schön lazurblau gefärbten Flüssigkeit gelöst und man fährt mit dem Zusätze des Kupfersalzes fort, bis eine sehr kleine Menge Hydrat in der Flüssigkeit ungelöst bleibt. Man erwärmt darauf, und es scheidet sich dann schon unterhalb der Siedehitze gelbes Oxydulhydrat oder rothes Oxydul aus. Setzt man zu wenig Kupfersalz zu, so wird die Probe durch das Auftreten der 1) Cit. nach Tollen's Handbuch. •ä) Ueber die bei dieser Reaktion entstehenden Produkte vergl. man : Fr.\mm, Pfi.üoer's Arcli. 64 und namentlich ÜAÜD, Compt. rend. 119. Drittes Kapitel. Die Troin- MooRE'schen Reaktion niissfarbig braun gefärbt, während umgekehrt bei Zusatz Probe. YQj^ überschüssigem Kupfersalz das überschüssige Hydrat beim Sieden in ein wasserarmeres, schwarzbraunes Hydrat sich umsetzt und dadurch die Probe stört. Um diese Unannehmlichkeiten zu vermeiden, kann man als Reagenz die sog. FEHLiNo'sche Flüssigkeit verwenden. Dieses Reagenz erhält man, wenn man gleiche Volumina einer alkalischen Seignettesalzlösung und einer Kupfersulfat- lösung (vergl. bezüglich der Konzentration dieser Lösungen die quantitative Zuckerbestimmung im Harne) eben vor dem Gebrauche vermischt. Diese Lösung wird beim Sieden nicht reduzirt oder merkbar verändert, das Tartrat hält das überschüssige Kupferoxydhydrat in Lösung und ein Ueberschuss des Reagenzes wirkt also nicht störend. Bei Gegenwart von Zucker wird diese Lösung reduzirt. Die BöTTGEE-ALMiÖN'sche Frohe gründet sich auf der Eigenschaft der Glukose, Wismuthoxyd in alkalischer Flüssigkeit zu reduziren. Das geeigne- teste Reagenz erhält man nach der, von Nylander') nur unbedeutend ver- änderten Angabe Almän's durch Auflösen von 4 g Seignettesalz in 100 Theilen Natronlauge von 10 p. c. NaOH und Digeriren mit 2 g Bismuthum subnitricum Die Böttgei- auf dem Wasserbade, bis möglichst viel von dem Wismuthsalze gelöst worden Probe, ist. Setzt man einer Traubenzuckerlösung etwa ^/jq Vol. oder bei grossem Zuckergehalte eine etwas grössere Menge dieser Lösung zu und kocht einige Minuten, so färbt sich die Flüssigkeit erst gelb, dann gelbbraun und zuletzt fast schwarz, und nach einiger Zeit setzt sie einen schwarzen Bodensatz von Wismuth (?) ab. Auf der Fähigkeit der Glukose, eine alkalisehe Quecksilberlösung beim Sieden zu reduziren, basiren die Reaktion von Knapp mit einer alkalischen Quecksilbercyanid- und die von Sachsse mit einer alkalischen Jodquecksilber- kaliumlösung. Beim Erwärmen mit essigsaurem Phenylhydrazin giebt eine Trauben- Phenyi- zuckerlösung eine in feinen gelben Nadeln krystallisirende, in Wasser fast un- R y -osazon. jggjjgjjg^ in siedendem Alkohol aber lösliche und aus der mit Wasser versetzten alkoholischen Lösung beim Entweichen des Alkohols wieder sich ausscheidende Fällung von Plienyl gliil;os(i r-on. Diese Verbindung schmilzt in reinem Zustande bei 204—205 0 C. Von Bleizuckerlösung wird die Glukose nicht, von ammoniakalischem Bleiessig dagegen ziemlich vollständig gefällt. Beim Erwärmen färbt sich der Niederschlag fleischfarben bis rosaroth. Reaktion von Bubner ^). Verhaitenzu Versetzt man eine wässerige Lösung von Traubenzucker mit Benzoyl- chiorid und c h 1 0 r i d Und einem Ueberschuss von Natronlauge und schüttelt, bis der Ge- ruch nach Benzoylchlorid verschwunden ist, so entsteht ein in Wasser und in I) Zeitschr. f. physiol. Clicm. 8. a) Zeitsdlr f. Biologie. 20. Glukose. 81 der Lauge unlG^lichei- Niederschlag von Benzoesäureestern der Glukose (Bau- mann 1). Versetzt man '/g — 1 ccm einer verdünnten wässerigen Glukoselösung mit ein paar Tropfen einer löprozentigen alkoholischen Lösung von rt-Naphtol, so nimmt die Flüssigkeit bei Zusatz von 1 — 2 ccm konzentrirter Schwefel- Reaktion TOD Molisch. säure eine schöne violette Farbe an (Molisch ^). Diese Reaktion beruht auf der Bildung von Furfurol aus dem Zucker durch die Einwirkung der Schwefelsäure. Diazobenzolsulfosäure giebt in einer, mit fixem Alkali alkaliscli gemachten Zuckerlösung nach 10 — 15 Minuten eine rothe , allmälilieh etwas violett werdende Farbe. Orthonitrophenylpropiolsäui-e liefert mit wenig Zucker und kohlensaurem Natron beim Sieden Indigo, welcher von überschüssigem Zucker in Iniligweiss übergeführt wird. Eine alkalische Traubcnzuckcrlosung wild beim Erwärmen und Zusatz von verdünnter Pikrin- säurelösung tief roih. Zu der näheren Ausführung der obengenannten Reaktionen werden wir in einem folgenden Kapitel (über den Harn) zurückkommen. Die Darstellung von reinem Traubenzucker geschieht am einfachsten durch Inversion von Rohrzucker nach der folgenden, von Soxhxet und Tollens et- was abgeänderten Methode von Schwarz ^). Man versetzt 12 Liter Alkohol von 90 p. c. mit 480 ccm rauchender Salz- säure, erwärmt auf 45 — 50*' C, trägt 4 Kilo gepulverten Rohrzucker allmäh- lich ein und lässt nach 2 Stunden, nach welcher Zeit der Zucker gelöst und invertirt ist, erkalten. Man rührt darauf etwas Dextrosenanhvdrid ein, um die ?^''.S'''''"°s •^^ ,,. , ,..,_, i-r-t 1 uesTrauben- Krystallisation anzuregen, saugt nach einigen lagen das Dextrosepulver mit zut-kers. der Luftpumpe ab, wäscht mit verdünntem Alkohol die Salzsäure weg und krystallisirt aus Alkohol oder Methylalkohol um. Nach Tollens ist es hier- bei am besten, den Zucker in der Hälfte seines Gewichtes an Wasser im Wasserbade zu lösen und das doppelte Volumen von 90 — 95 prozentigem Alkohol hinzuzufügen. Zum Nachweis des Traubenzuckers in thierischen Flüssigkeiten oder Ge- w^ebeextrakten dienen die obengenannten Reduktionsproben, die optische Unter- suchung , die Gährungs- und die Phenylhydrazinprobe. Bezüglich der quanti- ^^achweis tativen Bestimmungsmethoden wird auf das Kapitel über den Harn verwiesen, zuckers. ' In eiweisshaltigen Flüssigkeiten muss zuerst das Eiweiss durch Koagulation iu der Siedehitze unter Essigsäurezusatz oder durch Ausfällen mit Alkohol oder Metallsalzen entfernt werden. Hinsichtlich der Schwierigkeiten, die hierbei bei Verarbeitung von Blut und serösen Flüssigkeiten entstehen, wird auf die Ar- beiten von ScHEXCK, Röh:«anx, Abeles und Seegen*) verwiesen. Die Glllosen sind dem Traubenzucker stereoisomere, künstlieh gewonnene Zuckerarten. Die d-Gulose erhält man durch Reduktion der d-Gulonsäure, die ihrei-seits durch Reduktion der Gluk\ironsäure (vergl. das Kapitel Harn) entsteht. Mauuosen. Die d-Mannose, auch Sem in ose genannt, entsteht neben d-Fruktose bei vorsichtiger O.xydation von d-Mannit. Man erhält sie aber auch durch Hydrolyse natür- licher Kohlehydrate wie Salepschleim und ReseiTeceUnlose (besonders aus Steinnussspänen). Jlannose. 1) Bcr, d. deutseh. ehem. Gesellsch. 19; vergl. auch KUENY, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 14. 2) Monatshefte f. Chem. 7 und Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1887. S. 34 u. 49. 3) Tollens, Handbuch der Kohlehydrate. 2. Aufl. 1. S. 39. •«) SCHENCK, PflüGER's Arch. 46 u. 47; RÖHMANN, Centralbl. f. Physiol. 4; ÄBELES, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 15; Seegen, Centralbl. f. Physiol. 4. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Autlage. 6 82 Drittes Kapitel. Sie ist rechtsdrehend, giiiirt leicht mit Bierliefe, gie'ot ein in Wasser schwer lösliches Hydrazon lind ein mit dem aus d-Glukose entstehenden identisches Osazon. Fruchtzucker (d-Fruktose), auch Lävulose genannt, kommt, wie scliou oben hervorgehoben wurde, mit Traubenzucker gemengt reichlich verbreitet in dem Pflanzenreiche und auch im Honig vor. Er entsteht bei der hydrolytischen Spaltung des Rohrzuckers und anderer Kohlehydrate, wird aber besonders leicht durch hydrolytische Spaltung des Inulins gewonnen. In Ausnahmefällen ist auch bei Diabetes mellitus Fruchtzucker im Harne beobachtet worden. Dieser Zucker hat nunmehr als eine, auch für Zuckerkranke leicht assimilirbare Zucker- art eine besondere diätetische Anwendung gewonnen. „ , , Der Fruchtzucker krvstallisirt verhältnissmässig schwer, theils wasserfrei zu.-kcr. ui^(j theils in wasserhaltigen Krystalluadeln. In Wasser löst er sich leicht, in kaltem, absolutem Alkohol fast nicht, in siedendem dagegen ziemlich reichlich. Die Lösung in Wasser ist liuksdrehend, über die sp. Drehung sind indessen die Angaben recht schwankend. Mit Hefe vergährt der Fruchtzucker; er giebt dieselben Reduktionsproben wie die Glukose und dasselbe Osazon. Mit Kalk giebt er Verbindungen , die schwerlöslicher als die entsprechenden Dextrose- verbindungen sind. Er wird weder von Bleizucker noch von Bleiessig gefällt. Die Lävulose reduzirt Kupfer weniger stark als die Glukose. Unter gleichen Bedingungen verhält sich die Reduktionsfähigkeit der Glukose zu der der Lävu- lose wie 100:92.08. Zur Erkennung der Lävulose und solcher Zuekerarten, die bei ihrer Spalt- ung Lävulose liefern, kann man folgende Reaktion von Seliwanopf benutzen. Reaktion Man erwärmt eine Lösung von Resorcin in massig verdünnter Salzsäure mit Seiiwanofi. Lävulose Schnell, wobei die Flüssigkeit schön roth sich färbt und einen in Al- kohol mit schön rother Farbe löslichen Niederschlag absetzt. Man kann eine Mischung von 1 Vol. konz. Salzsäure und 2 Vol. Wasser benutzen. Der Fruchtzucker wird, wie oben gesagt, am besten durch hydrolytische Spaltung von Inulin, durch Erwärmen mit schwach säurehaltigem Wasser, ge- wonnen. Sorbinose (Sorbin) hat man einen Zucker genannt, der aus Vogolbeersatt unter ge- wissen bedingungen erhalten wird. Er krystallisirt, ist linksdrehend, wird durch Reduktion in Sorbit übergeführt und scheint eine mit der Fruktose stereoisomere Ketose zu sein. Galaktoso (nicht zu verwechseln mit Laktose oder Milchzucker) entsteht durch hydrolytische Spaltung von Milchzucker und durch Hydrolj^se von vielen Galaktose, anderen Kohlehydraten, besonders Gummiarten und Schleimstoifen. Sie entsteht auch beim Erhitzen des aus dem Gehirne als Zersetzungsprodukt darstellbaren stickstoffhaltigen Glukosides Cerebrin mit verdünnter Mineralsäure. Sie krystallisirt in Nadeln oder Blättchen, die bei 168" C. schmelzen. In Wasser löst sie sich etwas schwerer als Glukose. Sie ist stark rechtsdrehend und zeigt Mehrdrehung. Mit gewöhnlicher Hefe kann die Galaktose zwar langsam aber fast vollständig vergähren. Sie vergährt durch eine grosse Anzahl Hefearten (E. Fischer und Thieefelder), nicht aber, was für physiologisch Disacfharide. 83 chemische Untersuchungen wichtig ist, durch Saccha ro m yces apicula t u s. ') Sie reduzirt Fehling's Lösung etwas schwächer als Glukose, und 10 ccm dieser Lösung entsprechen nach Soxhlet 0,05 1 1 g Galaktose in 1 prozentiger Lösung. Ihr Phenylosazon, welches in heissem Wasser sehr wenig, in heissem Alkohol dagegen verhältnissmässig leicht löslich ist, schmilzt bei 193" C. Seine Lösung in Eisessig ist optisch inaktiv. Bei der Probe mit Salzsäure und Phloroglucin giebt die Galaktose eine ähnliche Farbe wie die Pentosen; die Lösung zeigt aber nicht das Band im Spektrum. Bei der Oxydation giebt die Galaktose erst Galaktonsäure und dann Schleinisäure. Die 1- und i-Galaktosen sind künstlich dargestellt worden. Talose ist eine künstlich durch Rcchiklioii der Talonsäure dargestellte Zvickerart. Die TaloDsäure entsteht ihrerseits aus der d-Galaktonsäure dvircli Erhitzen derselben mit Chinolin oder Pyridin auf 140—150" C. Disaccharide. Die zu dieser Gruppe gehörenden Zuckerarten kommen zum Theil in der Natur fertig gebildet vor. Dies ist z. B. der Fall mit dem Rohrzucker und dem Milchzucker. Zum Theil entstehen sie dagegen, wie die Maltose und die Isomaltose, erst durch partielle hydrolytische Spaltung komplizirterer Kohlehydrate. Die Isonialtose ist ausserdem auch aus Glukose durch Reversion (vergl. unten) gewonnen worden. Die Disaccharide oder Hexobiosen sind als Anhydride zu betrachten, die aus zwei Monosacchariden unter Austritt von 1 Mol. Wasser entstanden sind. Dementsprechend ist ihre allgemeine Formel auch G^.Jii'fiiv Bei der hydro- Disaceha- lytischen Spaltung liefern sie unter Aufnahme von Wasser zwei Moleküle Hexose, und zwar entweder zwei Moleküle derselben Hexose oder zwei verschiedene Hexosen. Es sind also: Rohrzucker -f- H^O = Glukose -(- Fruktose Maltose + H^O = Glukose -|- Glukose Milchzucker-]- HjO = Glukose + Galaktose. Die Fruktose dreht stärker nach links als die Glukose nach rechts, und das bei der Spaltung des Rohrzuckers entstehende Gemenge von Hexosen dreht also umgekehrt wie der Rohrzucker selbst. Aus diesem Grunde hat man dieses Gemenge Invertzucker genannt und die hvdrolvtische Spaltung als Inver- . . 1 o Inversion sion bezeichnet. Den Namen Inversion benutzt man indessen nicht nur für ""d Reversion. die Spaltung des Rohrzuckers, sondern auch für die hydrolytische Spaltung der zusainmengesetzteu Zuckerarten in ^lonosaccharide überhaupt. Die umgekehrt,e Reaktion , durch welche Monosaccharide zu komplizirteren Kohlehydraten kon- densirt werden, nennt man Reversion. 1) Vergl. F. VoiT, Zcitschr. f. Biologie 2S u. 29. 84 Drittes Kapitel. Unter den Disacchariden kann man zwei Gruppen unterscheiden. Die eine, zu welcher der Rohrzucker gehört, hat nicht die Fähigkeit der Mono- saccharide, gewisse Metalloxyde zu reduziren, während die andere Gruppe da- gegen, zu welcher die zwei Maltosen und der Milchzucker gehören, zu den gewöhnlichen Reduktionsproben wie die Monosaccharide sich verhält. Die Zuckerarten dieser letzteren Gruppe zeigen noch den Charakter der Aldehyd- alkohole. Rolirziieker (Saccharose) kommt im Pflanzenreiche sehr verbreitet vor. In grösster Menge findet er sich in den Stengeln der Zuckerhirse und des Zuckerrohres, den Wurzeln der Zuckerrübe, dem Stamme einiger Palmen und '''^°"™^°' Ahornarten, in der Mohrrübe etc. Als Nahrungs- und Genussmittel hat der Rohrzucker eine ungemein grosse Bedeutung. Der Rohrzucker bildet grosse, farblose monokline Krystalle. Beim Er- hitzen schmilzt er gegen 160" C, bei stärkerem Erhitzen bräunt er sich und bildet das sogenannte Karamel. In Wasser löst er sich sehr leicht und nach ScBCEiBLER ') enthalten 100 Theile gesättigter Zuckerlösuug bei 20° C. 67 Theile Eigen- Zuckcr. In starkem Alkohol löst er sich schwer. Der Rohrzucker ist stark rechtsdrehend. Die sp. Drehung, welche durch Aenderung der Konzentration nur wenig, durch die Gegenwart anderer, inaktiver Stoße dagegen wesentlich beeinflusst werden kann, ist: (a)D = -)~ 66,5 ". Der MooRE'schen Zuckerprobe und der gewöhnlichen Reduktionsproben gegenüber verhält sich der Rohrzucker indifferent. Er vergährt mit Hefe, aber nicht direkt sondern erst nach vorausgegangener Inversion, welch' letztere durch Heaiitioneii. gjQ j,j jg,. jjefe enthaltenes Enzym, das Invertin, zu Stande kommt. Eine Inversion des Rohrzuckers kommt auch im Darmkanale vor. Konzentrirte Schwefelsäure schwärzt den Rohrzucker sehr bald, selbst bei Zimmertemperatur, wasserfreie Oxalsäure verhält sich ebenso beim Erwärmen auf dem Wasserbade. Bei der Oxydation entstehen je nach der Art des Oxydationsmittels und der Intensität der Einwirkung verschiedene Produkte, unter denen besonders Zucker- säure und Oxalsäure zu nennen sind. Hinsichtlich der Darstellung und der quantitativen Bestimmung des Rohr- zuckers wird auf die ausführlicheren Lehrbücher der Chemie verwiesen. Maltose (Malzzucker) entsteht bei der hydrolytischen Spaltung von Stärke mit Malzdiastase, Speichel oder Pankreassaft. Unter denselben Verhältnissen entsteht sie auch aus dem Glykogen (vergl. Kap. 8). Die Maltose entsteht M:iitosc. auch vorübergehend bei der Einwirkung von Schwefelsäure auf Stärke. Die Maltose stellt den gährungsfähigen Zucker der Kartoffel- oder Getreidebrannt- weinmaischen und der Bierwürzen dar. Sie vergährt indessen nicht direkt, son- dern erst nach vorausgegangener Inversion, und diese wird durch ein beson- deres, in den Hefezellen vorkommendes Invertin, die Maltase bewirkt. 1) Cit. naoli TOLLENS, Handbuch der Kohleliydiate. 2. Auß. 1. S. 124. Maltose imd Isomaltoso. 85 Die Maltose krystallisirt mit 1 Mol. Krystallwasser in feinen weissen Nadeln. Sie ist leicht löslich in Wasser, ziemlich leicht löslich in Alkohol und unlöslich in Aether. Die Lösung ist rechtsdrehend und zeigt Halbrotation. Die sp. Drehung ist: (a)D= + 137<'. Die Maltose gährt mit Hefe leicht und vollständig und verhält sich zu den gewöhnlichen Reduktionsproben wie die Glukose. Mit Phenylhydrazin giebt sie nach 1^/2 stündigem Erwärmen Phenylmaltosazon, welches bei 206" C. schmilzt und weniger schwerlöslich in Wasser als das Glukosazon ist. Von dem Traubenzucker unterscheidet sich Maltose. die Maltose hauptsächlich durch Folgendes. Sie ist etwas schwerlöslicher in Alkohol, dreht stärker nach rechts, reduzirt aber Fehling's Lösung schwächer. 10 ccm FEHLiNG'sche Lösung werden nach SoxhletI) yQ^ 77 g ^jg wasser- freier Maltose in annähernd 1 prozentiger Lösung reduzirt. Isoiualtose. Diese Zuckerart entsteht, wie Fischer^) gezeigt hat, durch Reversion neben dextrinähnlichen Produkten bei der Einwirkung von rauchen- der Salzsäure auf Glukose. Sie entsteht aber auch neben gewöhnlicher Maltose bei der Einwirkung von Diastase auf Stärkekleister und kommt im Biere und isomaltoso. im technischen Stärkezucker vor^). Die Entstehung von Isomaltose bei der Hydrolyse der Stärke durch Malzdiastase wird indessen von mehreren Forschern geleugnet, indem sie nämlich die Isomaltose nur als verunreinigte Maltose be- trachten ■*). Auch bei der Einwirkung von Speichel oder Pankreassaft (KüLZ und Vogel, oder von Blutserum (Rohmann*) auf Stärke soll neben Maltose Isoraaltose entstehen. Die Isomaltose löst sich sehr leicht in Wasser, schmeckt stark süss und vergährt nicht oder, nach anderen Angaben, nur sehr langsam. Sie ist rechts- drehend und hat fast dasselbe optische Drehungsvermögen wie die Maltose, ^^^'f/j";,. Sie ist charakterisirt durch ihr Osazon. Dieses bildet feine gelbe Nadeln, die bei 140'' C. zu sintern beginnen und bei 150 bis 153" schmelzen. Es ist in heissem Wasser ziemlich leicht löslich und löst sich in heissem absolutem Al- kohol viel leichter als das Maltosazon. Die Isomaltose reduzirt sowohl Kupfer- ais Wismuthlösung. Milclizucker (Laktose). Da dieser Zucker fast ausschliesslich in dem Thierreiche, und zwar in der Milch des Menschen und der Thiere, vorkommt, wird er passender erst in einem folgenden Kapitel (über die Milch) besprochen werden. 1) Cit. nach Tollens, Haudbuch der Kohloliydrate. 2. Aufl. 1. S. 154. ■•i) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellseh. 23 u. 28. 3) Vcrgl. LiNTNEK und DÜLL, ebenda 26. S. 2533; Scheibi.er und Mittelmeier, ebenda 24 S. 301. 4) Bbown und MOKEIS, Journ. of ehem. Soc. 1895, Chem. Newg 72. Vergl. ferner Ost, Ulrich und JalOwetz, Ref. in Ber. d. deutsch, chem. Gescllsch. 28. S. 987 — 989; LiNG und Baker, Journ. of ehem. Soc. 1895. ä) KOlz und VOGEL, Zeitschr. f. Biolog. 31 ; RÖHMANN, Centrall)l. f. d. med. Wissensch. 1893. S. 849. 86 Drittes Kapitel. Trehalose ist eine in Pilzen gefundene Hexobiose. Melebiose ist ebenfalls eine Saccbarose, die aber neben d-Fniktose bei partieller bydrolrtiscber Spaltung von der in Eüben- melasse vorkommenden Rafflnos« (die eine Hexotriose ist) entsteht. Die Melebiose spaltet sich in Galaktose und Glukose. Polysaccharide. Sieht man von den Hexotriosen und den übrigen wenigen, zuckerähnlichen Polysacchariden ab, so umfasst diese Gruppe eine grosse Anzahl von hoch zu- sammengesetzten Kohlehydraten , die nur in amorphem Zustande vorkommen oder jedenfalls nicht in Krystallen in gewöhnlichem Sinne erhalten worden Poiy- sind. Im Gegensatz zu den Stoffen der vorigen Gruppen haben sie keinen süssen Geschmack. Sie sind zum Theil in Wasser löslich, zum Theil quellen sie stark darin auf, besonders in warmem Wasser und zum Theil endlich werden sie davon weder gelöst noch sichtbar verändert. Durch hydrolytische Spalt- ung können sie alle zuletzt in Älonosacharide übergeführt werden. Die nicht zuckerähnlichen Polysaccharide vertheilt man gewöhnlich auf folgende drei Hauptgruppen: Stärlieyruppe , Gummi- und Ffimizenschleim- gruppe und Celliiloseyriijjpe. Die Stärkegruppe (CgHj,|05)x. Stärke. Aniylum. (CgHj(|05)x. Dieser Stoff kommt in dem Pflanzen- reiche sehr verbreitet in den verschiedensten Pflanzentheilen, besonders aber als Reservenährstoff in Samen, Wurzeln, Knollen und Stamniorganen vor. Die Stärke ist ein weisses, geruch- und geschmackloses Pulver, welches aus kleinen Körnchen besteht, die eine geschichtete Struktur und eine bei ver- starke, schiedenen Pflanzen verschiedene Form und Grösse haben. Der gewöhnlichen Annahme nach bestehen die Stärkekörner aus zwei verschiedenen Substanzen, Stärkegranulose und S tärkecell ulose, von denen nur die erstere beim Behandeln mit diastatischen Enzymen in Lösung geht. Die Stärke ist in kaltem Wasser so gut wie unlöslich. In warmem Wasser quellen die Körner stark auf, platzen und geben Kleister. In Alkohol und Aether ist die Stärke unlöslich. Durch Ueberhitzen mit Wasser allein, beim Erhitzen von Stärke mit Glycerin auf 190" C. oder beim Behandeln der Stärkeköruer mit 6 Theilen verdünnter Salzsäure von 1,07 sp. Gew. bei ge- Eigen- wohnlicher Temperatur während 6 — 8 Wochen i) erhält man lösliche Stärke Schäften der Stärke. (Amy 1 o d ex t ri n, Amidulin). Lösliche Stärke entsteht auch als Zwischen- stufe bei der Verzuckerung der Stärke mit verdünnter Säure oder diastatischen Enzymen. Die lösliche Stärke kann durch Barytwasser selbst aus sehr ver- dünnter Lösung gefällt werden^). 1) Vergl. TOLLENS' Handbuch 2. Aufi. 1. S. 191. Ueber andere Methoden vergl. man Wköblewsky, Her. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 30; Syniewski, ebenda. 2) Ueber die Verbindungen der löslichen Stärke und der Dextrine mit Barytliydrat vergl. man BClow, Pflügek's Arch. 62. 87 In Kali- oder Natronlauge quellen die Stärkekörner zu einer kleisterar- tigen Masse auf, die weder die MooRE'sche noch die TRO.MMER'sche Probe giebt. Mit Hefe vergährt Stärkekleister nicht. Eine für Stärke besonders charakteristische Reaktion ist die Blaufärbung, die durch Jod bei Gegenwart von Jodwasserstoff oder Jodalkali ') entsteht. Die Farbe verschwindet durch Zusatz von Alkohol oder Alkalien wie auch beim Erwärmen, kommt aber beim Erkalten wieder zum Vorschein. Beim Sieden mit verdünnten Säuren findet Verzuckerung statt und hier- bei entsteht Glukose. Bei der Verzuckerung durch diastatische Enzyme ent- : stehen dagegen in der Regel, ausser Dextrin, Maltose und Isomaltose neben nur sehr wenig Glukose. Ueber den hierbei stattfindenden Vorgang, nament- lich über die Art und Anzahl der hierbei auftretenden Zwischenstufen, ist man nicht im Klaren (vergl. unten die Dextrine). Der Nachweis der Stärke geschieht mit dem Mikroskope und der Jod- reaktion. Die quantitative Bestimmung geschieht in der Weise, dass man die Stärke nach Sächsse's Methode^) mit Salzsäure in Zucker überführt und dann den Zucker nach üblichen Methoden bestimmt. Iiiullu (CgHioOgjx-j-HgO findet sich in den unterirdischen Theilen vieler Compositen, besonders in den Wurzeln von Inula helenium, den Knollen der Dahlien, der Heliauthusarten etc. Gewöhnlich stellt man es aus den Knollen der Dahlien dar. Das luulin bildet ein weisses, stärkeähnliches, aus kleinen Sphärokrystalleu bestehendes Pulver, das in warmem Wasser ohne Kleisterbildung leicht loslich ist. Beim Erkalten scheidet es sich langsam ab, rascher durch Gefrieren. Die Lösung ist linksdrehend, wird von Alkohol gefallt und von Jod nur gelb ge- färbt. Beim Sieden mit verdünnter Schwefelsäure liefert es als alleiniges Mono- saccharid linksdrehenden Fruchtzucker. Diastatische Enzyme wirken nicht oder nur wenig auf Inulin ein ^). Lichenin (Moosstürke) kommt in vit-len Flechten, namentlich im isländischen Moose vor. Es löst sich nicht in kaltem Wasser, sondern quillt darin nur gallertartig auf. In heissem Wasser lüst es sich; die genügend konzentrirte Lösung gesteht aber beim Erkalten zu einer Gallerte. Von Jodlösung wird es gelb gefärbt. Beim Sieden mit verdünnten Säuren giebt es Glukose. Von diastatischen Enzymen, wie Speichel und Panki-easdiastase, wird es nach NlLSON'^) nicht verändert. («lykogeii. Dieses Kohlehydrat, welches gewissermassen zwischen Stärke und Dextrin steht, ist hauptsächlich im Thierreiche gefunden worden und soll deshalb in einem folgenden Kapitel (über die Leber) abgehandelt werden. 1) Vergl. MVLIUS, Bcr. d. deutsch, ehem. Gcsellsch. 20 u. Zeitschr, f. physiol. Chem. 11. -') Vergl TOLLENS' Handbuch 2. Aufl. 1. S. 187. 3) Ebenda S. 208. 4) üpsala Läkaref. Förli. 28. Drittes Kapitel. Die («iiinini- und Pn.iiizenschlelmgruppe (C,;H,oO,.)x. Mit Rücksicht auf die Abstammung und das Vorkommen dieser Stoffe können sie auf zwei Hauptgrupjien vertheilt werden, nämlich die Dexiringruppe und die Pßanzengtimmi- oder Pflanzensclüeimgruppe. Die Dextrine stehen Dextrine, jq naher Beziehung zu der Stärke und entstehen aus ihr als Zwischenstufen und {)gi (jgf Verzuckerunff mit Säuren oder diastatischeu Enzymen. Die verschiede- schleime, ßgjj Arten vou Pflanzengummi- oder Pflanzenschleim sind dagegen in dem Pflanzenreiche vorkommende Naturprodukte, die theils aus gewissen Pflanzen als amorphe, durchscheinende Massen zur Ausscheidung gelangen und theils in ge- wissen Pflanzentheilen , wie in Holz und Samen , enthalten sind und daraus mit passenden Lösungsmitteln ausgezogen werden können. Die Dextrine liefern als Endprodukte bei vollständiger Hydrolyse nur Hexosen , und zwar nur Glukose. Die pflanzlichen Gummiarten und die Pflanzenschleime liefern dagegen nicht nur Hexosen, sondern auch (wie z. B. arabisches Gummi und Holzgummi) häufig reichlich Pentosen. Unter den Hexosen kommt besonders häufig d-Galaktose vor, und in Uebereinstimraung hiermit liefern sie, zum Unterschied von den Dextrinen, in vielen Fällen Schleimsäure bei der Oxydation mit Salpetersäure. Von Alkohol werden sowohl die Dex- trine wie die eigentlichen Gummiarten und Pflanzenschleime gefällt. Bleiessig fällt nur die zwei letztgenannten Grupjien, nicht aber die Dextrine. Dextrin (Stärkegummi) entsteht beim Erhitzen von Stärke auf 200 bis 210' C. (Röstgummi) wie auch beim Trocknen auf 100 — 110" C. von Stärke, die vorher mit wenig salpetersäurehaltigem Wasser augerührt wurde. Dextrine entstehen ebenfalls bei der Verzuckerung von Stärke mit verdünnten Säuren oder diastatischen Enzymen. Ueber den im letztgenannten Falle stattfindenden Vorgang ist man noch nicht ganz im Klaren ; eine bisher recht allgemein acceptirte Ansicht ist jedoch die folgende: Als erstes Produkt wird lösliche Stärke gebildet, aus der darauf durch hydrolytische Spaltung Zucker und mit Jod sich roth färbendes Dextrin, E ry throdex trin, gebildet wird. Aus dem Dextrine Erythrodextrin entsteht dann durch neue Spaltung Zucker und mit Jod sich nicht färbendes Dextrin, Achroodex trin. Aus diesem entstehen darauf durch successive Spaltungen Zucker inid Dextrine von niedrigerem Molekulargewicht, bis man endlich neben Zucker ein nicht weiter sich spaltendes Dextrin, das Maltodextrin, erhält. Ueber die Anzahl der als Zwischenstufen auftreten- den Dextrine gehen indes.sen die Ansichten ziemlich auseinander. Der gebildete Zucker soll nach der jetzt allgemein herrschenden Ansicht in erster Linie Iso- maltose sein, aus der darauf Maltose neben höchstens nur sehr wenig Glukose entsteht. Nach einer anderen Ansicht sollen durch successive Spaltungen unter Aufnahme von Wasser erst verschiedene Dextrine nach einander entstehen und Dextrine und Fflanzengummi. daun erst durch Spaltung des letzten Dextrins der Zucker hervorgehen. Andere Forscher stellen sich wiederum die Sache in anderer Weise vor ^). Die verschiedenen Dextrine sind sehr schwer als chemische Individuen zu isoliren und von einander zu trennen. In neuerer Zeit hat indessen namenf lieh YouNG-) mit Erfolg ihre Trennung mit Hilfe von Neutralsalzen, nament- lich Ammoniumsulfat, versucht. Auf die Unterschiede der so getrennten Dextrine kann indessen hier nicht des Nähereu eingegangen werden , und es werden hier nur die für Dextrine im Allgemeinen charakteristischen Eigenschaften und Reaktionen augeführt. Die Dextrine stellen amorphe, weisse oder gelblich weisse Pulver dar, die in Wasser leicht löslich sind. Bei genügender Konzentration sind die Lösungen dickflüssig und klebend wie Gummilösungen. Die Dextrine [sind rechtsdrehend. In Alkohol sind sie unlöslich oder fast ganz unlöslich, in Aether schaffen der unlöslich. Von Bleiessig werden die wässerigen Lösungen nicht gefällt. Die Dextrine lösen Kupferoxydhydrat in alkalischer Flüssigkeit zu einer schön blauen Lösung. Ob das wirklich reine Dextrin die FEHLiNo'sche Lösung redu- zirt oder nicht, muss dahingestellt sein. Nach BkÜcke^) kann man durch Erwärmen einer Aehroodextrinlösung mit überschüssiger alkalischer Kupferlösung und nachfolgende Fällung mit Alkohol ein nicht reduzirendes Dextrin erhalten. Nach Scheibler und Mittelmeier*) ist dagegen das durch Säurewirkung er- haltene Dextrin ein Polysaccharid von Aldehydnatur und es wirkt dement- sprechend reduzirend. Die Dextrine sind nicht direkt gährungsfähig. Das Verhalten verschiedener Dextrine zu Jod ist schon oben erwähnt worden, und hierzu ist noch zu bemerken, dass nach Musculus und Meyer S) das Erythro- dextrin nur ein Gemenge von Achroodextrin mit ein wenig löslicher Stärke sein soll. Die Pilaiizeiiguiniuiarten .«ind in Wasser löslich zu dicklichen aber filtrirbaren Flüssigkeiten. Als Pllauzeiisclileiiue bezeichnet man dagegen solche Gummiarten, die in Wasser nicht oder nur theil weise löslich sind und darin mehr oder weniger stark aufquellen. Die natürlichen Gummiarten und Pflanzen- ■* gummi und Pflanzenschleime, zu welchen mehrere allgemein bekannte und wichtige Stoffe, Pflanzen- ^ ° schleim. wie arabisches Gummi, Holzgummi, Kirschgummi, Salep- und Quittenschleim und wahrscheinlich auch die wenig studirten Pektinstoffe gehören, können, da I) Bezüglich der Terschicdenea Ansichten iilier den Yorgang hi>i der Saccharifikation von Stärke vergl. man: McscuLDS und Gruber, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2. S. 177; Ltntxek und DtxL, 1. c. 26 u. 28; BClow, 1. c. ; Brown und Hekon, Journ. ofchem. Soe. 1879; Brown und xMobris, ubenda 1885 u. 1889. -) Jouru. of Physiol. 22, wo auch die älteren Arbeiten von NASSE und Krüger, Neu- meister, Pohl und H.\LLrBUi:TON über die Fällbarkeit der Kohlehydrate durch Salze er- wähnt .sind. ■') Vorlosuniicn über Physiol(is;ic. Wien 1874. S. 281. ■i) Ber. d. dcut;sch. ehem. Gesellsch. 23. '•>) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 4, S. 451. 90 Drittes Kapitel. sie in thierphysiologischer Hinsicht von untergeordnetem Interesse sind, hier nicht weiter besprochen \Yerden. Die Celluloscgruppe (C6Hjg05)x. Cellulose (Zellstoff) nennt man dasjenige Kohlehydrat oder vielleicht richtiger Kohlehydratgemeuge, welches den Hauptbestandtheil der pflanzlichen Zellwandungen darstellt. Dies gilt wenigstens von der Wand der jungen Zellen, während in der Wand der älteren Zellen die Cellulose reichlich von inlirustiren- der Substanz, sogen. Lignin, durchwachsen ist. Die eigentliche Cellulose zeichnet sich durch ihre Schwerlöslichkeit aus Sie ist unlöslich in kaltem und heissem Wasser, in Alkohol und Aether, ver- dünnten Säuren und Alkalien. Ueberhaupt giebt es nur ein spezifisches Lös- ungsmittel für Cellulose, nämlich das ScHWEiTZER'sche Reagenz oder eine Lös- ung von Kupferoxydammoniak. Aus diesem Lösungsmittel kann die Cellulose durch Säuren wieder ausgefällt und nach dem Waschen mit Wasser als ein amorphes Pulver erhalten werden. Bei der Einwirkung von konzentrirter Schwefelsäure wird die Cellulose in eine mit Jod sich blau färbende Substanz, sogen. Amyloid, verwandelt. Mit starker Salpetersäure oder einem Gemenge von Salpetersäure und konzen- trirter Schwefelsäure liefert die Cellulose Salpetersäureester oder Nitrocellulosen, die äusserst explosiv sind und eine grosse praktische Verwendung gefunden haben. Wenn gewöhnliche Cellulose erst mit starker Schwefelsäure bei gewöhn- licher Temperatur behandelt und darauf nach Verdünnung mit Wasser längere Zeit gekocht wird, so tritt Verzuckerung ein und man erhält Glukose. Andere Cellulosearten zeigen indessen ein anderes Verhalten, und man kennt auch Cellulose oder eine, der gewöhnlichen Cellulose hinsichtlich der Schwerlöslichkeit in heissen verdünnten Mineralsäuren nahestehende Substanz, die bei der Ver- zuckerung Mannose liefert. Diese ist die in Kafl^eebohnen sowie in Cocos- und Sesamkuchen vorkommende, von E. Schulze Mannoso-Cellulose genannte Sub- stanz, die bei der Verzuckerung Mannose liefert. Hcmiccllulosen nannte E. Schulze ursprünglich diejenigen, der Cellulose ver- wandten Zellbestandtheile, welche, zum Unterschied von gewöhnlicher Cellulose, beim Sieden mit stark verdünnter Miueralsäure, wie Schwefelsäure von 1,25 p.c., unter Spaltung zu Monosacchariden gelöst werden. Die hierbei entstehenden Zuckerarten sind verschiedener Art. Die Hemicellulose der gelben Lupinen liefert Galaktose und Arabinose, die der Roggen- und Weizenkleie Arabinose und Xylose und die der Steinnüsse — die von Reiss ') Reservecell ulose genannte Substanz — Mannose. Später hat indessen Schulze^) vorgeschlagen. 1) Ber. (1. deutsch, eheui. Gescllseh. 22. S) Zeitschr. f. physiol. Chemie, 16 u. 19. Cellulosen. 91 als Cellulose nur die Destrose-Cellulose, d. h. nur solche, die in Traubenzucker überführbar ist, zu bezeichnen. Alle andere Cellulosen, und folglich auch die Mannoso-Cellulose, müssen dann als Hemicellulosen bezeichnet werden. Die Cellulose fällt, wenigstens zum Theil, in dem Darrakanale des Men- schen und der Thiere einer Zersetzung anheim. Auf die Bedeutung als Nähr- stoff, welche die Cellulose hierdurch gewinnt, wird in einem folgenden Kapitel (über die Verdauung) des Näheren eingegangen werden. Ebenso werden wir in den folgenden Kapiteln wiederholt zu der grossen Bedeutung der Kohle- hydrate für den thierischen Haushalt und den thierischen Stoffwechsel zurück- kommen.' V i e r t e s K a p i t e 1. Das Thierfett. Die Fette stellen die dritte Hauptgruppe der organischen Nährstoffe des Menschen und der Thiere dar. Sie kommen sehr verbreitet sowohl im Thier- wie im Pflanzenreiche vor. Im Thierorganismus findet sich das Fett in allen Organen und Geweben; die Menge desselben ist aber eine so wechselnde, das? Vorkonimen gj„g tabellarische Uebersicht über den Fettgehalt der verschiedenen Organe von der Fetto. ^ » wenig Interesse ist. Am reichsten an Fett ist das Knochenmark , mit über 960 p. m. Die drei wichtigsten Hauptdepots des Fettes im Thierorganismus sind: das intermuskuläre Bindegewebe, das Fettgewebe der Bauchhöhle und des Unterhautbindegewebes. Unter den Pflanzentheileu sind besonders die Samen und Früchte, in einigen Fällen aber auch die Wurzeln, reich an Fett. Die Fette bestehen fast ganz aus sogen. Neutralfetten mit nur sehr kleinen Mengen Fettsäuren. Die Neutralfette sind ihrerseits Ester eines dreiatomigen Alkohols, des Glycerins, mit einbasischen Fettsäuren. Diese Ester sind Tri- glyceride, d. h. es sind drei Hydroxylwasserstoffatome des Glycerins durch die Radikale der Fettsäuren ersetzt, und die allgemeine Formel ist also C3H5.O3.R3. Die thierischen Fette sind regelmässig ihrer Hauptmasse nach Ester der drei Fettsäuren Stearin-, Palmitin- und Oelsäure. In einigen Thierfetten, namentlich im Milehfett, kommen auch in ziemlicher Menge Glyceride der flüchtigen Fett- Die Ter- gäuren, Buttersäure, Kapron-, Kapryl- und Kaprinsäure vor. Ausser den oben- scbiedenen ' ' i ' r j r Fette, genannten drei gewöhnlichsten Fettsäuren, Stearin-, Palmitin- und Oelsäure, hat man im Fette von Menschen und Thieren — abgesehen von einigen bisher nur wenig studirten Fettsäuren — als Glyceride auch folgende nicht flüchtige Fett- säuren , nämlich Laurinsäure CijHg^Oj, Myristinsäure Cj^HggO^ und Arachin- säure, CjqHjqO^, gefunden. In dem Pflanzenreiche kommen ausser den gewöhn- lichsten drei Glyceriden bisweilen auch reichlich Triglyceride von anderen Fettsäuren, wie z. B. Laurinsäure, Myristinsäure, Leinölsäure und Erukasäure vor. In vielen Pflanzenfetten sind ausserdem auch Oxyfettsäuren und hoch- molekulare Alkohole gefunden worden. In wie weit Spuren von Oxyfettsäuren im Thierfette vorkommen, bleibt noch zu untersuchen. Das Vorkommen von Neutralfette. 93 hochmolekularen Alkoholen, wenn auch gewöhnlich nur in kleinen Mengen, im Thierfett ist dagegen sicher erwiesen. Uns interessirt hier am meisten das thierische Fett, welches regelmässig ein Gemenge von wechselnden Mengen Tristearin, Tripalmitin und Tri- olein ist und welches eine mittlere elementare Zusammensetzung von C 76,5, H 12,0 und O 11,5 p.c. hat. Das Fett hat nicht nur bei verschiedenen Thierarten, sondern auch in den verschiedenen Körpertheilen derselben Thierart eine wesentlich verschiedene, von den relativen Mengenverhältnissen der verschiedenen Fette abhängige Kon- sistenz. In den festeren Fetten — den Talgarten — überwiegen das Tristearin und Tripalmitin, während die weniger festen Fette durch einen crrösseren Reich- ^"^ ^ett des ^ ^ Fett- thum an Palmitin und Triolein ausgezeichnet sind. Dieses letztgenannte Fett sewebes. findet sich in verhältnissmässig reichlicher Menge bei Kaltblütern, und dies ist der Grund, warum das Fett der letzteren bei solchen Wärmegraden noch flüssig bleibt, bei welchen das Fett der Warmblüter erstarrt. Im Menschenfett aus verschiedenen Organen und Geweben sollen angeblich rund 670 — 800 p. m. Olein enthalten sein^). Der Schmelzpunkt verschiedener Fette wird durch die verschiedene Zusammensetzung des Gemenges bedingt, und er ist dementsprechend nicht nur für das Fett verschiedener Gewebe desselben Individuums, sondern auch für das Fett desselben Gewebes bei verschiedenen Thieren ein verschiedener. Die Neutralfette sind farblos oder gelblich, in möglichst reinem Zustande geruch- und geschmacklos. Sie sind leichter als Wasser, auf welchem sie im geschmolzenen Zustand als sogenannte Fettaugen schwimmen. Sie sind unlös- lich in Wasser; in siedendem Alkohol lösen sie sieh, scheiden sich aber beim Erkalten — oft krystallinisch — aus. In Aether, Benzol und Chloroform sind sie leicht löslich. Mit Lösungen von Gummi oder Eiweiss geben die flüssigen Neutralfette beim Schütteln eine Emulsion. Zur Emulsionsbildung mit Wasser allein ist ein starkes und anhaltendes Schütteln erforderlich und die so erhaltene „. Eigen- Emulsion ist wenig dauerhaft. Bei Gegenwart von etwas Seife entsteht dasreeen ^'=''5''^° ''''** ° ^ ^ o Fettes. äusserst leicht eine sehr feine und dauerhafte Emulsion. Das Fett giebt, nicht verschwindende Flecken auf Papier; es ist nicht flüchtig, siedet bei etwa 300'^ C. unter theilweiser Zersetzung und verbrennt mit leuchtender und russender Flamme. Die Fettsäuren haben die meisten der obengenannten Eigenschaften mit den Neutralfetten gemeinsam , unterscheiden sich aber von ihnen dadurch , dass sie, in Alkohol- Aether gelöst, sauer reagiren und die Akroleinprobe nicht geben. Die Neutralfette entwickeln nämlich bei genügend starkem Erhitzen allein, noch leichter aber beim Erhitzen mit Kaliumbisulfat oder anderen, Wasser entziehen- den Stoffen, stark reizende Dämpfe von Akrolein, von der Zersetzung des Gly- cerins herrührend: C3Hj(OH)3 — 2H20 = C'3H^O. Die Neutralfette können unter Aufnahme von den Bestandtheilen des 1) Vcigl. hierüber: Knöpfelmachek, Uutirsuch. über das Fett im Säugliugsalter etc. .Talirbueh f. KinderheUkunde (N. F.) 45, wo mau auch die ältere Litteratur findet. 94 Viertes Kapitel. Wassers nach dem folgenden Schema gespalten werden C3H,(OR)3 -\- SH^O = C3Hr,(OH)3 4" 3H0R. Diese Spaltung kann durch das Pankreasenzym oder ähn- Saponifi- l'cbe im Pflanzenreiche vorkommende Enzyme, wie auch durch gespannte Wasser- katiou. j]ä[j3pfe bewirkt werden. Am häufigsten zerlegt man jedoch die Neutralfette durch Sieden mit nicht zu konzentrirter Alkalilauge oder noch besser (bei zoocberaischen Arbeiten) mit alkoholischer Kalilösung oder Natriumalkoholat. Bei diesem Verfahren, welches Saponifikation genannt wird, entstehen die Alkali- salze der Fettsäuren (Seifen). Geschieht die Saponifikation mit Bleioxyd , so wird Bleipflaster, fettsaures Bleioxyd, erhalten. Als Verseifung oder Saponifi- kation bezeichnet man indessen nicht nur die Spaltung der Neutralfette durch Alkalien, sondern die Spaltung derselben in Fettsäuren und Glyceriu überhaupt. Bei längerem Aufbewahren unter Luftzutritt erleiden die Fette eine Ver- änderung; sie werden gelblich, reagiren sauer und nehmen einen unangenehmen Geruch und Geschmack an. Sie werden ,, ranzig", und bei diesem Ranzigwerden ■weiden des findet erst eine theilweise Spaltung in Glycerin und Fettsäuren und dann eine Oxydation der freien Fettsäuren zu flüchtigen , unangenehm riechenden Stoflfen statt. Das Ranzigwerden kann, wie Gäffky und Ritsert i) gezeigt haben, auch ohne Gegenwart von Mikrobien auftreten. Dabei scheint nach diesen Forschern das Zusammenwirken von Luft und Licht ein nothwendiges Bedingniss für das Ranzigwerden der Fette zu sein. Unter allen im Thierreiche bisher gefundenen Fetten sind die unverhält- nissmässig wichtigsten die drei folgenden, nämlich Stearin, Palmitin und Olein. Stearin oder Tristearin, 03X15(053113502)3, kommt vorzugsweise in den festeren Talgarten, aber auch in Pflanzenfetten vor. Die Stearinsäure, CigH3g02, ist in freiem Zustande in zersetztem Eiter, in dem Auswurfe bei Lungengangrän und in käsiger Tuberkelmasse gefunden worden. Als Kalkseife kommt sie in Exkrementen und Leichenwachs, in letzterem auch als Am- moniakseife vor. Als Natronseife findet sie sich vielleicht in Blut, Transsudaten und Eiter. Das Stearin ist das festeste und schwerlöslichste der drei gewöhnlichen Neutralfette. In kaltem Alkohol ist es fast unlöslich und in kaltem Aether Stearin, sehr schwer löslich (in 225 Theilen). Aus warmem Alkohol scheidet es sich beim Erkalten in rektangulären, seltener in rhombischen Tafeln aus. Bezüglich des Schmelzpunktes differireu die Angaben etwas. Das reine Stearin schmilzt nach Heintz-) vorübergehend bei -j- bb" und dauernd bei 71,5'^. Das weniger reine Stearin aus dem Fettgewebe soll bei etwa -f- 63" 0. schmelzen. Die Stearinsäure krystallisirt (aus siedendem Alkohol beim Erkalten) in grossen, glänzenden, länglichen rhombischen Schüppchen oder Blättern. Sie ist schwerlöslicher als die anderen Fettsäuren und hat den Schmelzpunkt 69,2 "C. Ihr Baryumsalz enthält 19,49 p. c. Baryum. 1) Naturwissenschaft!. AVochcnschr. 1890. •i) Annul. d. Chem. u. Pharm. 92, S. 300. Palmitia und Oleii 95 Palmitin, Tripalmitin C3H5 .(CigHgiO.jjj, soll unter den zwei festen Fettartea diejenige sein, welche in dem Menschenfette in vorherrschender Menge vorkommt (Langer*). Das Palmitin kommt in allem thierischen Fett und auch in mehreren Arten vegetabilischen Fettes vor. Ein Gemenge von Stearin und Palmitin wurde früher Margarin genannt. Von dem Vorkommen der Pal- mitinsäure, CjßHgjOä, dürfte wohl etwa dasselbe wie für die Stearinsäure gehen. Das Gemenge dieser zwei Säuren wurde früher Margarinsäure genannt, und dieses Gemenge kommt — in oft sehr langgezogenen, dünnen, um ihre Längenachse gedrehten, krystallinischen Blättchen — in altem Eiter, in dem Auswurfe bei Lungengangrän u. s. w. vor. Das Palmitin krystallisirt, beim Erkalten seiner warm gesättigten Lösung in Aether oder Alkohol , in sternförmigen Rosetten von feinen Nadeln. Das, Margarin genannte Gemenge von Palmitin und Stearin krystallisirt beim Er- kalten der Lösung in Ballen oder kugeligen Massen, welche aus kürzeren oder längeren, dünnen Blättchen oder Nadeln, die oft grashalmähnlich gewunden er- scheinen, bestehen. Wie das Stearin hat auch das Palmitin verschiedene Schmelz- und Erstarrungspunkte, je nach der Art und AVeise, wie es vorher behandelt worden ist. Als Schmelzpunkt wird oft -j- 62" C. angegeben. Nach einer anderen Angabe^} schmilzt es bei 50,5" C, erstarrt aber wieder bei weiterem Erwärmen und schmilzt dann neuerdings erst bei 66,50" C Die Palmitinsäure krystallisirt aus alkoholischer Lösung in Büscheln von feinen Nadeln. Der Schmelzpunkt ist -|- 62" C, doch ändert die Beimengung von Stearinsäure, wie Heintz gezeigt hat, je nach dem wechselnden relativen Mengenverhältnisse der zwei Säuren, den Schmelz- bezw. Erstarrungspunkt wesentlich. Die Palmitinsäure ist in kaltem Alkohol etwas weniger schwer lös- lich als die Stearinsäure; in siedendem Alkohol, Aether, Chloroform und Benzol sind beide dagegen etwa gleich löslich. Das Baryumsalz =: 21,17 p.^c. Ba. Ole'in, Tri olein C3H5(Ci3H330^,)3 , kommt in allem thierischen Fett und in reichlicher Menge in den Pflanzenfetten vor. Es ist ein Lösungsmittel für Stearin und Palmitin. Die Oelsäure, Elainsäure CjgHg^Og , kommt wahrscheinlich als Seifen in dem Darmkanale, in den Faeces und im Chylus vor. Das Olein ist bei gewöhnlicher Temperatur ein fast farbloses Oel von 0,914 spez. Gewicht, ohne Geruch und eigentlichen Geschmack. Bei — 5" C. erstarrt es zu krystallinischen Nadeln. An der Luft wird es leicht ranzig. Es löst sich schwer in kaltem Alkohol, leichter in warmem oder in Aether. Von salpetriger Säure wird es in das isomere Elaidin übergeführt. Die Oelsäure, welche beim Erhitzen neben flüchtigen Fettsäuren die in glänzenden Blättchen krystallisirende, bei 127" C. schmelzende Sebacinsäure, ^10^18^4 > g'^bt, und welche von salpetriger Säure in die isomere, feste, bei 1) Monatshefte f. Chem. 2. 2) R. Benedikt, Analyse der Fette. 3. Aufl. 1897. S. 44. 96 Viertes Kapitel. -{-4ö''C. schmelzende Elaidin säure übergefülirt wird, bildet bei gewöhnlicher Temperatur eine färb-, geschmack- und geruchlose ölige Flüssigkeit, die bei etwa -(-4° C. krystalliniseh erstarrt und dann erst bei -j- 14" C wieder schmilzt. Sie ist unlöslich in Wasser, löst sich aber in Alkohol, Aether und Chloroform. Mit konzentrirter Schwefelsäure und etwas Rohrzucker giebt sie eine prachtvoll rothe oder roth-violette Flüssigkeit, deren Farbe der bei der PETTENKOFER'schen Oeisäure. Gallensäureprobe entstehenden ähnlich ist. Die Oelsäure ist eine ungesättigte Fettsäure, die dementsprechend Halogene unter Addition aufnehmen kann. Durch Erhitzen mit Jodwasserstoff und rothem Phosphor nimmt sie Wasserstoff auf und geht in Stearinsäure über. Wird die wässerige Lösung der Alkaliverbindung der Oelsäure mit Blei- acetat gefällt, so erhält man eine weisse, zähe, klebrige Masse von ölsaurem Bleioxyd, welche in Wasser nicht, in Alkohol wenig, aber in Aether löslich ist. Man benutzt dieses Verhalten zur Trennung der Oelsäure von den zwei anderen Fettsäuren, deren Bleisalze indessen in Aether nicht ganz unlöslich sind. Eine der Oelsäure verwandte Säure, die Dügl iugsäure, welche bei 4" 4" fest, bei + 16° flüssig wird und in Alkohol löslich ist, tindet sich im Thrane von Balaena rostrata. Kukbatöff') hat das Vorkommen von Leiuölsäure in dem Fette von Wels, Stör, See- hunden und einigen anderen Thieren wahrscheinlicli gemacht. Trocknende Fette sind ferner von Amthor und Zink ^) auch beim Hasen, Wildkaninchen, Wildsehwein und Auerhahn ge- funden worden. Zum Nachweise von Fett in einer thierischen Flüssigkeit oder in thieri- schen Geweben muss man erst in passender Weise das Fett mit Aether aus- schütteln oder extrahiren. Nach dem Verdunsten des Aethers wird der Rück- stand auf Fett geprüft, wobei die Akroleinprobe nicht unterlassen werden darf. Fällt diese Probe positiv aus, so ist Neutralfett vorhanden ; im entgegengesetzten Falle finden sich nur Fettsäuren vor. Giebt der Verdunstungsrückstand die Akroleinprobe, so löst mau einen kleinen Theil desselben in säurefreiem , mit Al- cannatinktur blau -violett gefärbtem Alkohol -Aether. Wird die Farbe dann Prüfung auf roth, SO liegt ein Gemenge von Neutralfett und Fettsäuren vor. Man behandelt 'und''Fett-' ^^ diesem Falle das Fett mit Sodalösung in der Wärme und verdunstet unter säuren. Umrühren auf dem Wasserbade, bis das Wasser entfernt worden ist. Die Fett- säuren werden hierbei von dem Alkali als Seifen gebunden, während das Neu- tralfett unter diesen Umständen nicht verseift wird. Behandelt man nun dieses Gemenge von Seifen und Neutralfett mit Wasser und schüttelt dann mit alko- holfreiem Aether, so löst sich das Neutralfeit in dem Aether, während die Seifen in wässeriger Lösung zurückbleiben. Aus dieser Lösung können die Fettsäuren dann durch Zusatz von einer Mineralsäure freigemacht und ausgeschieden werden. Das vom Aether aufgenommene, von den Seifen getrennte Neutralfett ist oft von etwas Cholesterin verunreinigt, von dem es bei quantitativen Bestim- mungen durch Saponifikation mit alkoholischer Kalilauge getrennt werden muss. Prüfung auf Das Cholesterin wird von der Lauge nicht angegriffen, während das Neutralfett fäuren^und verseift wird. Nach dem Verdunsten des Alkohols löst man in Wasser und Seifen, schüttelt mit Aether, welcher das Cholesterin löst. Aus der wässerigen Lösung der Seifen scheidet man die Fettsäuren durch Zusatz einer Mineralsäure aus. Hat man von Anfang an ein Gemenge von Seifen, Neutralfett und Fettsäuren, 1) Maly's Jahresber. 22. a) Zeitschr. f. analyt. Chem. 36. Untersuchung der Fette. 97 so behandelt man es mit Wasser und schüttelt mit alkoholfreiem Aether, von welchem Fett und Fettsäuren gelöst werden, während die Seifen bis auf sehr kleine Mengen, welche auch von dem Aether aufgenommen werden, in Lösung bleiben. Um die verschiedenen Arten der Neutralfette zu erkennen und von ein- ander zu trennen, muss man sie erst verseifen, was sehr gut mit alkoholischer Kalilauge oder auch nach Kossel, Obeemüller und Krüger ') noch besser mit Natriuraalkoholat gelingt. Nach dem Verdunsten des Alkohols löst man in Wasser und fällt mit Bleizucker. Das ölf^aure Bleioxyd wird dann von den ^''.'''""g.'*"' zwei anderen Bleisalzen durch anhaltende Extraktion mit Aether getrennt, wobei iiene Fett- indessen zu beachten ist, dass die Bleisalze der anderen Fettsäuren nicht ganz unlöslich in Aether sind. Den in Aether unlöslichen Rückstand zersetzt man auf dem Wasserbade mit überschüssiger Sodalösung, trocknet ein, pulverisirt fein und extrahirt mit siedendem Alkohol. Die alkoholische Lösung der Seifen wird dann mit Baryumacetat oder Baryumchlorid fraktionirt gefällt. In den Fraktionen bestimmt man einerseits den Gehalt an Baryum und andererseits den Schmelzpunkt der mit einer Mineralsäure ausgeschiedenen Fettsäure. Die von vorne herein in thierischen Geweben oder Flüssigkeiten entweder frei oder als Seifen vorkommenden Fettsäuren werden ebenfalls in Baryumsalze über- geführt und wie oben untersucht. Ausser den schon besprocheneu giebt es auch einige andere chemische Proceduren, welche für die Untersuchung der Fette von Wichtigkeit sind. Ausser dem Schmelz- bezw. Erstarrungspunkte bestimmt man nämlich auch Folgendes. 1. Die Säurezahl, welche ein Mass für den Gehalt eines Fettes an freien Fettsäuren giebt und die man durch Titration des in Alkohol-Aether gelösten N Fettes mit — - alkoholischer Kalilauge unter Anwendung von Fhenolphtalein als Indikator findet. 2. Die Verseifungszahl, welche angiebt, wie viele N Milligramm Kalihydrat bei der Verseifung von 1 g Fett mit (z. B. ^^) alko- holischer Kalilauge von den Fettsäuren gebunden werden. 3. Die Reichert- MEissL'sche Z a h 1 , welche die Menge flüchtiger Fettsäuren angiebt, die in einer bestimmten Menge Neutralfett (z. B. 5 g) enthalten ist. Das Fett wird ver- untei-sucii- seift, darauf mit einer Mineralsäure übersäuert und destillirt, wobei die flüchtigen J'"? ^.*'' ..... * rettarteu. Fettsäuren übergehen und in titrirtes Alkali aufgefangen werden. 4. Die Jod- zahl giebt die Menge Jod an, die von einer bestimmten Menge Fett durch Addition aufgenommen wird. Sie ist hauptsächlich ein Mass für den Gehalt des Fettes an ungesättigten Fettsäuren, in erster Linie an Oelsäure, bezw. Olein. Es können aber auch andere Stoffe, wie das Cholesterin, Jod oder Halogene überhaupt durch Addition aufnehmen. Die Jodzahl wird allgemein nach einem von V. HüBi. herrührenden Verfahren bestimmt. 5. Die Acetylzahl. Oxy- fettsäuren, Alkohole, wie der Cetylalkohol oder das Cholesterin, und überhaupt solche Bestandtheile der Fette, die OH-Gruppen enthalten, gehen beim Kochen mit Essigsäureanhydrid in die entsprechenden Acetylester über, während die Fett- säuren unverändert bleiben, und in dieser Weise wird eine Schätzung der Menge der obengenannten Stoffe möglich. Man verseift das Fett, zerlegt die Seifen mit überschüssiger Säure und kocht das Gemenge von Fettsäuren, Oxyfettsäuren, Cholesterin etc. mit Essigsäureanhydrid. In einem gewogenen Theil des genau ge- reinigten, essigsäurefreien Gemenges bestimmt man dann durch Titration mitalkoholi- 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 14, 15 u. 16. mmarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. Viertes Kapitel. ünti'isiK-li Fetfarten Fettextrak tion für quant. Be Stimmung scher Lauge die Säurezahl, also die Siiurezahl sämmtlicher Säuren (sowohl Fett- säuren, wie acetylirter Oxysäuren) und man bezeichnet sie als A cety 1 säu reza h 1. Zu der neutralen Flüssigkeit setzt man darauf eine genau abgemessene hin- reichende Menge derselben Lauge und verseift im Sieden die vorhandenen Acetyl- verbindungen. Durch Zurücktitriren findet man die hierzu verbrauchte Menge Alkali und diese Zahl, auf lOü Theile Fett berechnet, ist die Acetylzahl. Be- züglich der Ausführung der nun besprochenen verschiedenen Bestimmungen wird auf ausführlichere Werke, wie das Werk „Analyse der Fette und Waehsarten" von R. Benedikt, dritte Auflage von Ulzee, Berlin 1897, hingewiesen. Behufs einer quantitativen Bestimmung der Fette müssen die möglichst fein zertheilten , getrockneten Gewebe, bezw. der fein zertheilte Rückstand einer eingetrockneten Flüssigkeit mit Aether, Alkohol- Aether, Benzol oder einem anderen , passenden Extraktionsmittel erschöpft werden. Die in Pflüger's Laboratorium von Doemeyer u. A.') ausgeführten Untersuchungen haben in- dessen gelehrt, dass man selbst mit sehr anhaltender Aetherextraktion regel- mässig nicht sämmtliches Fett gewinnen kann. Mau soll deshalb erst die Hauptmasse des Fettes mit Aether entfernen. Darauf digerirt man mit Pepsin- chlorwasserstoflsäure, sammelt das Ungelöste auf einem Filtrum, trocknet und extrahirt mit Aether. Aus dem Filtrate wird das Fett durch Schütteln mit. Aether extrahirt, das Extrakt eingetrocknet und das Fett zur Trennung von anderen Stoffen aus dem Rückstande mit Petroleumäther extrahirt. Die Fette sind arm an Sauerstoff, aber reich an Kohlenstoff und Wasser- stoff. Sie repräsentiren also eine grosse Summe von chemischer Spannkraft, und dementsprechend liefern sie auch bei ihrer Verbrennung reichliche Mengen Wärme. In dieser Hinsicht nehmen auch die Fette unter den Nahrungsstoffen den ersten Rang ein und sie werden hierdurch von sehr grosser Bedeutung für das Thierleben. Zu die.ser Bedeutung, wie auch zu der Fettbildung und dem Verhalten des Fettes im Thierkörper, werden wir in einigen der folgenden Kapitel zurückkommen. In naher Beziehung zu den Thierfetten stehen die Lecithine, welche in dem nächsten Kapitel (Nr. 5) abgehandelt werden sollen. An die gewöhn- lichen Thierfette schliessen sich ferner die folgenden Stoffe sehr nahe an. AVallrath. Beim Pottwalle findet sich iu einer grossen Vertiefung der Schädolknochen eine beim lebenden Thiere ölige Flüssigkeit, der Wallrath, welcher nach dem Tode lieim Erltiilten in einen festen, lvryst;ülinischen Antheil, den Wallrath im eigentlichen Sinne, und in einen flüssigen, das Wallrathöl, sich scheidet. Das letztere wird durch Auspressen von jenem getrennt. Der Wallrath tindet sich auch bei anderen Wallfischen und bei einigen Dei- phinusarten. Der gereinigte, feste Wallrath, welcher Cetin genannt wird, ist ein Gemenge von Fettsäureestern. Der Hauptbestandtheil ist der Palmitinsäure-Cetyläther, dem geringe Mengen der zusammengesetzten Aether der Laurinsäure, Myristinsäure und Stearinsäure mit Radikalen der Alkohole Lethal, C12H25 . OH, Methai, Ciia^a . OH und Stethai, CigHa, . OH, bei- gemengt sind. Das Cetin ist eine schneeweisse , perlrautterglänzende, blättrig kiTstallinische, spröde, dem Anfühlen nach feitige Masse, welclie je nach der Eeinheit einen verschiedenen Sclimelzpiiukt + 30 bis -)- 50° C. zeigt. Das Cetin ist unlöslich in Wasser, löst sich aber leicht in kaltem Aether, flüchtigen und fetten Oelen. Es löst sicli iu siedendem Alliohol, krystallisirt aber 1) Ueber Fettextraktion für quantitative Bestimmungen vergl. man: Dormeter, Pflüger's Arch. 61 u. 65; Bogdanow, ebenda 65, 68 und Du Bois-Reymond's Arch. 1897. S. 149. X. Schulz, Pfltjger's Archiv 66; VoiT und KKi.MiMACHEK, Zeitschr. f. Biolo,i,'ie 35. O. Frank, ebenda 35. Poltmanti, Pflüger's Archiv 70; J. Xerkisg, ebenda 71. Aethal und Bienenwachs. 99 beim Erkalten aus. Von einer Lösung von Kalihydrat in Wasser wird es schwierig, von alko- holischer Ealilösuug dagegen leicht verseift, und es werden dabei die obengenannten Alkohole frei gemacht. Aethal oder Cetylalkohol, CjgHa-) . OH , welcher auch in der Burzeldrüse von Enten und Gäusen (De Joxge ') und in kleinen Mengen im Bienenwachse vorkommen soll und der von Ludwig und v. Zeynek -) im Denuoideystenfett gefunden wurde, stellt weisse, durchsichtige, geruch- und geschmacklose Krystallmasseu dar, welche in Wasser unlöslich, in Alkohol und Aether aber leicht löslieh sind. Das Aethal schmilzt bei -|- 49,5 ° C. Das Wallrathöl soll bei der Yerseifung Valeriansäurc, kleine Mengen fester Fett- säuren und Phy s etölsäu re liefern. Diese Säure, welche wie die Hypogäasäure die Zu- sammensetzung CJ8H3QO2 hat, kommt ferner nach Ljübarskt') in reichlicher Menge im See- hundfette vor. Sie stellt färb- und geruchlose, nadeiförmige, in Alkohol und Aether leicht lösliche Ki-ystalle, welche bei -|- 34 " C. schmelzen, dar. Das Bienen wachs dürfte auch im nächsten Anschluss an die Fette abgehandelt wer- den können. Es enthält drei Hauptbestandtheile 1. Die Cerotinsäure, CjgHsjOi. *), welche als Ceryläther in chinesischem und als freie Säure in gewöhnlichem Wachs vorkommt. Sie löst sich in siedendem Alkohol und scheidet sich beim Erkalten kiystallinisch aus. Der von ihr getrennte, erkaltete, alkoholische Auszug des Wachses enthält 2. das Cerole'in, welches wahrscheinlich ein Gemenge mehrerer Stoffe ist , und 3. das M y r i c i n , welches den Haupt- bestandtheii des in Alkohol, warmem wie kaltem, unlöslichen Theiles des AVachses darstellt. Das Myriein besteht hauptsächlich aus dem Palmitinsäureäther des Melissyl-(Myricyl)-Alkoliols. CsoHj, . OH. Dieser Alkohol ist ein bei + 85 " C. schmelzender, seideglänzender, krystalli- nischer Stoff. 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 3. 2) Ebenda 23. 3) Journ. f. prakt. Chem. (N. F.) 57. 4) Vergl. Heneiques, Ber. d. deutsch. Chem. Gesellsch. 30, S. 1415. Fünftes Kapitel. Die thierische Zelle. Die Zelle ist die Einheit der vielfach wechselnden Formen der Organismen; sie stellt den einfachsten physiologischen Apparat dar und ist als solcher ein Herd chemischer Vorgänge. Man ist nunmehr auch allgemein der Ansicht, dass sämmtliche chemische Prozesse von grösserer Bedeutung nicht in den thierischen Bedeutung _ _ =■ » _ der Zelle für gäften, sondern vielmehr in den Zellen, welche die eigentlichen chemischen Werk- den Stoft- Wechsel, statten des Organismus zu sein scheinen, von statten gehen. Es sind auch haupt- sächlich die Zellen , die durch ihre mehr oder weniger lebhafte Wirksamkeit den Umfang der chemischen Vorgänge und damit auch die Intensität des Ge- sammtstnffwechsels beherrschen. Es ist aus leicht ersichtlichen Gründen natürlich , dass die chemische Untersuchung der Thierzelle in den meisten Fällen mit dem Studium desjenigen Gewebes, dessen Hauptbestandtheil sie darstellt, zusammenfallen muss. Nur in wenigen Fällen , wie z. B. bei der Untersuchung von Eiter oder von sehr zellenreichen Geweben, können die Zellen direkt oder durch verhältnissmässig sdiwierig- einfache Manipulationen von anderen Gewebstheilen ziemlich rein isolirt werden. der Unter- Aber selbst in diesen Fällen kann die chemische Untersuchung keine sicheren ZeUcm. Aufschlüsse über die Bestandtheile der lebendigen , unversehrten Zelle liefern. Es können nämlich beim Absterben der Zelle durch chemische Umsetzuugs- prozesse neue Stoffe entstehen und es können dabei auch physiologische Zell- bestandtheile verbraucht werden oder in die umgebende Flüssigkeit übertreten und dadurch für die Untersuchung verloren gehen. Aus diesen und anderen Gründen sind auch unsere Kenntnisse von den Bestandtheilen und der Zu- sammensetzung der Zelle, besonders der lebenden, äusserst dürftig. Während junge Zellen verschiedener Abstammung in der ersten Zeit ihres Daseins hinsichtlich ihrer Form und chemischen Zusammensetzung eine gewisse Aehulichkeit zeigen , können sie bei ihrer weiteren Entwickelung nicht nur die verschiedenartigsten Formen annehmen , sondern auch in chemischer Hinsicht die grössten Verschiedenheiten darbieten. Eine Besprechung der Bestandtheile und der Zusammensetzung der verschiedenen, im Thierorganismus vorkommen- den Zellen würde deshalb auch einer Darlegung der chemischen Verhältnisse Zellbestandtbeile. Des Protoplasma. 101 der meisten thierischen Gewebe fast gleichkommen , und da eine solche erst in den betreffenden Kapiteln geschehen kann, werden wir hier nur die chemischen Bestandtheile der jungen Zelle oder der Zelle im Allgemeinen besprechen. Bei dem Studium dieser Bestandtheile stösst man aber auf eine andere Schwierigkeit, indem es nämlich eine weitere Aufgabe der chemischen Forschung sein muss, zu entscheiden, welche dieser Bestandtheile als wesentliche, d. h. für das Leben der Zelle unbedingt nothwendige, und welche als mehr zufallige, d. h. als aufgespeicherte Reservestoffe oder als Stoffwechselprodukte anzusehen sind. In dieser Hinsicht ist man bisher nur so weit gekommen, dass man ge- wisse Stoffe kennen gelernt hat, welche in jeder entwickelungsfähigen Zelle vor- zukommen scheinen. Solche Stoffe, welche von Kossel i) als primäre bezeichnet werden, sind, ausser dem Wasser und einigen Mineralbestandtheilen, Eiweiss- körper, Nukleoprotei'de oder Nukleine, Lecithine, Glykogen (?) und Cholesterin. ■^s"^„^^^^ Diejenigen Stoffe, welche nicht in jeder entwickelungsfähigen Zelle vorkommen, ^'^'J.^g^g"''' bezeichnet Kossel als sekundäre. Solche Stoffe sind beispielsweise Fett, Glykogen (?), Pigmente u. a. Hierbei darf man aber nicht übersehen , einer- seits, dass es wahrscheinlich noch andere, bisher nicht bekannte, primäre Zell- bestandtbeile giebt, und andererseits, dass wir noch nicht wissen, ob alle die primären Bestandtheile der Zelle auch für das Leben oder die Funktionen der- selben nothwendig oder wesentlich sind. So wissen wir z. B. nicht, ob das nie fehlende Cholesterin ein Abfallsprodukt des Stoffwechsels innerhalb der Zelle oder ein für das Leben und die Entwi-ckelung derselben nothwendiger Stoff ist. Eine andere, wichtige Frage ist die nach der Yertheilung der verschie- denen Zellbestandtbeile auf die zwei morphologischen Hauptbestandtheile der Zelle, das Protoplasma und den Kern. Diese Frage ist für viele Bestandtheile äusserst schwer zu entscheiden; aber trotzdem dürfte es, einer besseren Ueber- sicht halber, zweckmässig sein, zwischen dem Protoplasma und dem Kern zu unterscheiden. Das Protoplasma der entwickelungsfähigen Zelle stellt während des Lebens eine halbfeste, unter gewissen Bedingungen kontraktile, leicht veränderliche Masse dar, die sehr reich an Wasser ist und deren Hauptmasse im Uebrigen aus Proteinsubstanzen besteht. Wird die Zelle den physiologischen Lebensbedin- gungen entzogen oder wird sie schädlichen äusseren Einflüssen , wie z. B. der putma'der Einwirkung von höheren Temperaturen, von chemischen Agenzien oder sogar " ^' von destillirtem Wasser ausgesetzt, so stirbt das Protoplasma ab. Die Eiweiss- stoffe desselben gerinnen dabei wenigstens zum Theil und es finden dabei auch andere chemische Umsetzungen in der Zelle statt. Die alkalische Reaktion der lebenden Zelle kann durch das Auftreten von Paramilchsäure in eine saure übergehen, und ein in den jungen, entwickelungfähigen Zellen anscheinend regel- mässig vorkommendes Kohlehydrat, das Glykogen, kann nach dem Tode der Zelle rasch umtresetzt und verbraucht werden. 1) Vcrhamll. d. physifil. Gesellsch. zu Berlin 1890—91. Nr. 5 u. 6. 102 Fünftes Kapitel. Eiweiss- stoffe des Proto- plasmas. Die Frage nach der feineren Struktur des Protoplasmas ist noch streitig. Für das Studium der chemischen Zusammensetzung der Zellen ist sie aber auch insoferne von untergeordneter Bedeutung, als es noch nicht möglich ist, die morphologisch verschiedenartigen Protoplasmabestandtheile gesondert chemisch zu Studiren. Abgesehen von einigen mikrochemischen Reaktionen hat nämlich die chemische Analyse bis jetzt auf das Studium des Protoplasmas als Ganzes sich beschränken müssen, und die Untersuchungen sind dabei in erster Linie auf die Proteinsubstauzen, welche die Hauptmasse des Protoplasmas darstellen, gerichtet worden. Die Eitveissstojffe des Protoplasmas sollen nach einer allgemein ver- breiteten Ansicht hauptsächlich GlohitUne sein. Neben den Globulinen hatte man auch Albumine gefunden. Dass aber in der Zelle nur Spuren oder jeden- falls nur unwesentliche Mengen von Albuminen vorkommen, darüber besteht gegenwärtig wohl kein Zweifel. Das Vorkommen von Globulinen kann wohl auch nicht geleugnet werden, wenn auch einige, früher als Globuline bezeichnete Zellbestaudtheile bei näherer Untersuchung als Nukleoalbumine oder Nukleo- proteide sich erwiesen haben. Als ein wahres Globulin hat man indessen nach Hällibukton ') die in allen Zellen vorkommende, bei -|- 47 a 50" C. gerinnende Eiweisssubstanz aufzufassen. Der Ansicht gegenüber, dass die Hauptmas.se der Thierzelle aus echten Eiweissstoflen besteht, hat der Verf.^) vor mehreren Jahren die Meinung aus- gesprochen, dass die Hauptmasse der Proteinsubstanzen in der Zelle nicht aus Eiweissstoifen im gewöhnlichen Sinne, sondern aus mehr zusammengesetzten, phosphorhaltigen Stoffen bestehe, und dass die Globuline und Albumine wesent- lich als Nährmaterial der Zelle oder als Zerfallsprodukte bei der chemischen Umwandlung des Protoplasmas aufzufassen seien. Diese Ansicht hat durch spätere Untersuchungen eine wesentliche Stütze erhalten. So ist Alex. Schmidt^) durch Untersuchungen an verschiedenen Zellenarten zu der Ansicht gelangt, dass die Zelle nur äusserst wenig Eiweiss enthält und ihrer Hauptmasse nach aus weit mehr zusammengesetzten Proteinsubstanzen besteht. Lilienfeld*) hat ferner bei einer quantitativen Analyse von Leukocyten aus der Thymus- drüse in der Trockensubstanz im Ganzen nur 1,75 p. c. Eiweiss im gewöhn- lichen Sinne gefunden. Die Protein Substanzen der Zellen sind ihrer Hauptmasse nach Proteide, und diese Proteide gehören theils der Glykoproteid- und theils der Nukleo- proteidgruppe an. In wie weit die Zelle auch Nukleoalbumine enthält, ist gegen- Proteideund wärtig nicht möglich zu sagen , da man bisher in den meisten Fällen keinen aibumlne. genauen Unterschied zwischen ihnen und den Nukleoproteiden gemacht hat. Eiweiss- stoife der Zelle. 1) Vergl. Halliburton, Ou the cliemical Physiology of tbc auiinal cuU. King's College London. Physiological Laboratory. CoUected papers Ni-. 1, 1893. 2) Pflügek's Archiv 36, S. 449. 3) Alex. Schmidt, Zur Blutlehre. Leipzig 1892. Verlag von C. Vogel. 4) Zeitsclir. f. pbysiol. Cbcm. 18, S. 485. Proteide der Zellen. 103 Als eiuen regelmässigen Bestandtheil aller Protoplasmen bezeichnete Hoppe- Seyler') das YiteUin, welches man früher als ein Globulin auffasste, während es bei neueren Untersuchungen sich herausgestellt hat, dass die sogen. Yitelline Stoffe verschiedener Art sein können. Einzelne Vitelline scheinen Nukleo- albumine zu sein, und es ist also wohl möglich, dass die Zelle Nuldeocdhumine. enthält. Unter den Proteiden der Zellen nehmen die Nitldeoproteide einen sehr hervorragenden Platz ein. Dieser Gruppe gehören die von verschiedenen Forschern aus thieriscben Zellen isolirten und unter verschiedenen Xamen , wie Gewebs- fihrviogen (Wooldridge), Ci/toglohin und Präglohidin (Alex. Schmidt) oder Nuldeohiston (Kossel und Lilienfeld-) beschriebenen Substanzen an. Zu ihr gehört auch der in Kochsalzlösung zu einer schleimigen Masse quellende Zell- bestandtheil, den man Rovida's hycdine Substanz genannt hat. Die oben genannten verschiedenen Proteinsubstanzen sind bisher nur ein- fach als Bestandtheile der Zellen bezeichnet worden. Die nächste Frage ist also die: Welche dieser Proteiusubstanzen gehören dem Protoplasma und welche dem Kerne an? Auf diese Frage können wir gegenwärtig keine exakte Ant- wort geben. Nach Kossel und Lilienfeld ^) enthält der Zellkern der Leuko- cyten als überwiegenden Bestandtheil ein Nukleoprotekl nebst Nukleinen und bisweilen vielleicht sogar Nukleinsäure (vergl. unten), während der Leib neben anderen Substanzen vorwiegend reine Eiweisskörper und nur nebenbei ein Nukleo- albumin von ganz niedrigem Phosphorgehalt enthalten soll. Diese Ansicht J^«J'^^'^'{™s stimmt gut mit dem von Lilienfeld nachgewiesenen Verhalten des Protoplasmas !JjJ'/p"ot^o° und des Zellkernes einerseits und der Eiweisskörper und der Nukleinsubstanzen p'^^^^'J^""'' andererseits zu gewissen Farbstoffen, lässt sich aber, wie es scheint, weniger gut mit der von Lilienfeld gefundenen quantitativen Zusammensetzung der Leukocyten vereinbaren. Wenn nämlich, wie Kossel und Lilienfeld an- nehmen, das von ihnen NuMeoläston genannte Nukleoproteid dem Kerne der Leukocyten in der Thymusdrüse allein angehört, so fallen von den 79,2 1 Theilen Proteiiistoffen , die in 100 Theilen Trockensubstanz enthalten sind, 77,45 auf den Kern und nur 1,76 auf das Protoplasma. Da die Lymphocyten der Thymus- drüse des Kalbes meistens einkernige Zellen sind, in denen die Masse des Kernes diejenige des Cytoplasmas überragt, so ist es übrigens selbstverständlich, dass das relative Mengenverhälmiss der verschiedenen Proteinstoffe in diesen Zellen nicht für die Zusammensetzung anderer, an Cytoplasma reicherer Zellen massgebend sein kann. Eingehendere Untersuchungen über die Vertheilung der Proteinsubstanzen auf Protoplasma und Kern in anderen Zellen liegen noch nicht vor| wenn man 1) Physiol. Chem. Berlin 1877—1881. S. 76. 2) Vergl. L. C. WoOLDRIDGE, Die Gerinnung des Blutes. (Herausgegeben von M. v. Frey, Leipzig 1891, Veit u. Comp.) A. Schmidt, Zur Blutlehre. Lilienfeld, 1. c. 3) Ueber die Wahlverwandtschaft der Zelleleniente zu gewissen Farbstoöen. Vcrhiimll. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin. Nr. 11. 1893. 104 Fünftos Kapitel. Protein- substanzeu des Proto- Plasmas. Zeraetz- ungspro- sich aber vergegenwärtigt, dass auch protoplasmareiche Zellen in der Regel nur wenig echtes Eiweiss entlialten, so dürfte man wohl kaum sehr fehl gehen, wenn man es für wahrscheinlich hält, dass das Protoplasma neben Spuren von Albumin und ein wenig Globulin hauptsächlich Nukleoalbumine.und Proteide enthält. Diese Proteide sind in einigen Fällen Gh'koproteide, aber sonst Nukleo- prote'ide, die von den Nukleoproteiden des Kernes dadurch sich unterscheiden, dass sie arm an Phosphor sind, neben viel Eiweiss nur wenig der prosthetischen Gruppe enthalten und demnach keinen besonders ausgeprägten sauren Charakter habeu. Die Nukleoproteide der Kerne sind dagegen, wie Lilienfeld und Kossel gezeigt haben, reich an Phosphor und von stark saurem Charakter. Diese Nukleo- proteide sollen zusammen mit den Nukleineu bei Besprechung des Kernes ab- gehandelt werden. In den Fällen, wo das Protoplasma von einer äusseren, verdickten Schicht oder einer Zellmembran umgeben ist, scheint diese letztere aus Albumoidsub- stanzen zu bestehen. In einigen Fällen dürfte diese Substanz dem Elasiin nahe verwandt sein; in anderen Fällen dagegen scheint sie eher der Keratin- gruppe zu gehören. Die chemischen Vorgänge, durch welche diese Alburaoid- substanzen aus den Eiweissstoffen oder Proteiden des Protoplasmas hervorgehen, sind unbekannt. Unter den nicht eiweissartigen Substanzen der Zelle ist in erster Linie zu nennen das Lecithin, welches als unzweifelhafter Bestandtheil des Proto- plasmas anzusehen ist. In wie weit es auch dem Kerne angehört, ist schwer zu sagen. Lecithin. Dieser Stoff ist nach den Untersuchungen von Strecker, HuNDESHAGEX und Gelson') eine ätherartige Verbindung der von zwei Fett- säureradikalen substituirten Gl3-ceriuphosphorsäure mit einer Base, dem Cholin. Es können also je nach der Art der in dem Lecithinmoleküle enthaltenen Fett- säuren verschiedene Lecithine vorkommen. Ein solches ist das von Hoppe-Seyler und DiACONOW^) näher studirte Distearylleciihin. C,4H,,oNPO, = HO . (CH3)3N . C^H, . OtOH)PO . O . C3H, : {C,,n,,0,),. In Uebereinstimmung hiermit wird auch das Lecithin, wenn es mit Baryt- wasser gekocht wird, in Fettsäuren, Glycerinphosphorsäure und Cholin zerlegt. Von verdünnten Säuren wird es nur langsam zersetzt. Neben kleinen ]M engen von Glycerinphosphorsäure (vielleicht auch Distearylglycerinphosphorsäure) werden dabei reichliche Mengen von freier Phosphorsäure absgepalten. Die Glycerinphosphorsäure (HO)^PO.O.C3H:,(OH)2 ist eine zwei- basische Säure, die in thierischen Säften und Geweben wahrscheinlich nur als Spaltungsprodukt des Lecithins vorkommt. Das Cholin, welches vielfach im 1) Strecker, Annal. il. Chcm. u. Pharm. 148; HrNDESHAGEN, Journ. f. prakt. Cliem. (N. F.) 28; GlLSON. Zeitschr. f. pliysiol. Cliem. 12. ä) Hoppe-Sevi.ek, Med.-clu'in. Untersuch. Hft. 2 u. 3. Lecithin. 105 Pflanzenreiche gefunden worden ist und mit den Basen Sinkalin (in Senf- samen) und Amanitin (im Fliegenpilz) identisch zu sein scheint, hat die Formel HO . N(CH3)3 . CgH^ . HO und ist also als Trimethyläthoxyliumhydrat y^i,'j°^[,^°" aufzufassen. Das Cholin ist dagegen nicht identisch mit der von Liebreich oio'jfjf^u,,^ aus dem Gehirne als Spaltungsprodukt dargestellten Base, Neurin, welches als Neunn. Trimethylvinyliumhydrat HO.N(CH3)3 .C2H3 aufzufassen ist. Das Cholin ist eine syrupartige, mit absolutem Alkohol leicht mischbare Flüssigkeit. Mit Salz- säure giebt es eine, in Wasser und Alkohol sehr leicht lösliche, in Aether, Chloroform und Benzol unlösliche Verbindung, die mit Plalinchlorid eine in Wasser leicht lösliche, in absolutem Alkohol und Aether unlösliche, gewöhnlich in sechsseitigen, orangefarbigen Tafeln krystallisirende Doi^pelverbindung giebt, die zum Nachweis und zur Erkennung der Base benutzt werden kann. Mit Quecksilber- und Goldchlorid giebt es ebenfalls krystallisirende Doppelverbin- dungen. In wässeriger verdünnter Lösung kann das Cholin nach längerem Stehen in Neurin umgewandelt werden, ein Vorgang, der durch Mikroorganismen beschleunigt werden kann '). Das Lecithin kommt, was besonders von Hoppe-Seyler '^) gezeigt worden ist, im Pflanzen- und Thierreiche weit verbreitet vor. Nach demselben Forscher soll es auch in mehreren Fällen in lockerer Verbindung mit anderen Stoffen, wie Eiweissstoffen , Hämoglobin u. a. vorkommen. Das Lecithin findet sich nach Hoppe-Seyler in fast allen bisher darauf untersuchten thierischen und ^''"■''™™'"' pflanzlichen Zellen und ebenso in fast allen thierischen Säften. Besonders Lecithins. reichlich kommt es in Gehirn, Nerven, Fischeiern, Eidotter, elektrischen Organen von Rochen, im Sperma und Eiter vor und es findet sich ferner in den Muskeln und Blutkörperchen, in Blutplasma, Lymphe, Milch, namentlich Frauenmilch, und Galle, wie auch in anderen thierischen Säften oder Flüssigkeiten. Auch in den verschiedensten pathologischen Geweben oder Flüssigkeiten ist das Lecithin gefunden worden. Dieses verbreitete Vorkommen der Lecithine wie auch der Umstand, dass sie primäre Zellbestandtheile sind, lassen eine hohe physiologische Bedeutung der Lecithine ahnen. In dem Lecithin hat man zweifelsohne ein sehr wichtiges Material für den Aufbau der komplizirteu phosphorhaltigen Nukleinsubstanzen Bedeutung der Zelle und des Zellkernes zu sehen. Dass die Lecithine von hoher Bedeu- Lecithine, tung für die Entwickelung und das Wachsthum der lebenden Organismen wie für die bioplastischen Vorgänge überhaupt sind, geht in der That auch aus mehreren Beobachtungen hervor ''). Durch starke Abkühlung seiner Lösung in starkem Alkohol kann das Lecithin in Körnchen oder warzigen Massen von kleinen Krystallblättcheu ge- ') Ueber das Cholin und seine Verbinilungen vergl. man GuLEWlTSCH, Zeitschr. f. physiol. Cham. 24. -') Physiol. Cheni. Berlin 1877—81. S. 57. 3) Vergl. Stoklasa, Ber. d. deutsch, ehem. GescUsch. 29, Wiener Situngsber. 104, Zi'itsehr. f. physiol. Cheui. 25 und W. Danilewsky, Compt. rend. 121 u. 123. 106 Fünftes Kapitel. Wonnen werden. In trockenem Zustande stellt es sonst eine wachsahnliohe, knetbare Masse dar, welche in Alkohol, besonders beim Erwärmen (auf 40 bis 50" C.) sich löst und welche auch von Aether, obwohl weniger leicht, gelöst wird. Das Lecithin wird auch von Chloroform, Schwefelkohlenstofl', Benzol und fetten Oelen gelöst. In Wasser quillt es zu einer kleisterähnlichen Masse auf, die unter dem Mikroskope schleimig-ölige Tropfen oder Fäden, sog. Myelin- formen (vergl. Kap. 12), zeigt. Beim Erwärmen dieser gequollenen Masse oder der konzentrirten alkoholischen Lösung findet eine Zersetzung unter Braun- färbung statt. Auch beim Stehen der Lösung oder der mit Wasser gequollenen Masse zersetzt sich das Lecithin und die Reaktion wird dabei sauer. Bei der Fäulniss entstehen aus dem Lecithin Glycerinphosphorsäure und Cholin, welch' letzteres sich weiter unter Bildung von Methylamin, Ammoniak, Kohlensäure h^ft*" d*^"*' Sumpfgas (Hasebroek^) zersetzen kann. Wird trockenes Lecithin erhitzt, Verhalten gg zersetzt CS sich , fängt Feuer, verbrennt und hinterlässt eine phoshorhaltige Lecithins. Kohle. Mit Actzkali und Salpeter geschmolzen, liefert es Alkaliphosphat. Das Lecithin wird leicht von anderen Stoßen , wie Eiweissstoffen , bei ihrer Ausfäl- lung mit niedergerissen und kann dadurch die Löslichkeitsverhältnisse der letz- teren nicht unwesentlich verändern. Das Lecithin verbindet sich mit Säuren und Basen. Die Verbindung mit ChlorwasserstofTsäure giebt mit Platinchlorid eine in Alkohol unlösliche, in Aether lösliche Doppelverbindung, welche 10,2 p. c. Platin enthält. Das Lecithin kann aus Eidotter nach folgendem, von Hoppe-Seyler und DiACONOW angegebenem Verfahren ziemlich rein gewonnen werden. Die vom Eiweiss getrennten Dotter werden mit kaltem Aether, bis dieser keine deutlich ,, . „ selbe Farbe mehr annimmt, extrahirt. Darauf extrahirt man den ungelösten I>al'stellung f^ ' 111 des Rest mit Alkohol bei 50 — 60 " C. Nach dem Verdunsten des Alkoholextraktes bei 50—60" C. wird der syrupartige Rückstand mit Aether behandelt und das Ungelöste dann in möglichst wenig absolutem Alkohol gelöst. Beim Abkühlen dieser filtrirten, alkoholischen Lösung zu — 5 bis — 10" C. scheidet sich das Lecithin allmählich in Körnchen ab. Der Aether nimmt indessen sehr viel von dem Lecithin auf. Man destillirt den Aether ab, löst den Rückstand in Chloro- form und fällt aus genügend konzentrirter Lösung das Lecithin mit Aceton aus (Altmann 2). Aus dem zur Extraktion des Dotters verwendeten Aether kann man nach GiLSON eine neue Portion Lecithin erhalten, wenn nach dem Verdunsten des Aethers der Rückstand in Petroleumätber gelöst und diese Lösung mit Alkohol geschüttelt wird. Der Petroleumäther nimmt das Fett auf, während das Lecithin in dem Alkohol gelöst zurückbleibt und aus ihm unter Beobachtung einiger, in dem Originalaufsatze nachzusehenden Kautelen ziemlich leicht gewonnen werden kann. Kachweis ^^^' Nachweis und die quantitative Bestimmung des Lecithins in thieri- und quanti- sehen Säften oder Geweben basiren auf der Löslichkeit desselben (bei 50 bis stiminung! 60 " C.) in Alkohol- Aether, von welchem gleichzeitig anwesende phosphorsaure oder glycerinphosphorsäure Salze nicht gelöst werden. Das Alkoholäiherestrakt 1) Zeitsehr. f. ijliysiol. Cheui. 12. ä) Citirt nach IIofi'E-Sevlek, ]Iandbuch, 6. Aufl., S. 84, TJebrige Zellbestandtheile. 107 wird verdunstet, der Rückstand getrocknet und mit Salpeter und Soda ver- brannt. Es wird dabei aus dem Lecithin Pliosphorsäure gebildet, welche zum qualitativen Nachweise oder zur quantitativen Bestimmung benutzt werden kann. Das Distearyllecithiu liefert 8,798 p. c. PqOj. Diese Methode ist jedoch nicht zuverlässig ; denn es können auch andere phosphorhaltige organische Verbind- ungen, wie das Jekorin (vergl. Kap. 8) und das Protagon (vergl. Kap. 1 2), in das Alkoholätherextrakt übergehen. Zum Nachweis des Lecithins muss man auch die Platindoppelverbindung des Cholins darstellen. Den Rückstand des verdunsteten Alkohol-Aetherextraktes kocht man eine Stunde mit Barytwasser, filtrirt, fällt den überschüssigen Baryt mit COj aus, filtrirt heiss, konzentrirt zum Syrup, extrahirt mit absolutem Alkohol und fällt das Filtrat mit alkoho- lischer Platinchloridlösung. Den abfiltrirten Niederschlag löst man in Wasser und lässt über Schwefelsäure krystallisiren. Zu den Bestand theilen des Protoplasmas sind ferner wahrscheinlich zu rechnen die in Leukocyten und Eiterzellen gefundenen Protagone. Die.se phos- phorhaltigen Stoffe kommen vor Allem in Gehirn und Nerven vor nnd sollen deshalb in einem folgenden Kapitel (12) besprochen werden. In den entwickelungsfähigen thierischen Zellen und besonders in den sich entwickelnden embryonalen Geweben findet sich ein von Cl. Bernäed und Hessen entdecktes Kohlehydrat, das Glykogen. Nach Hoppe-Seylee scheint es in den Zellen , soweit sie amöboide Bewegungen zeigen , ein nie fehlender Bestandtheil zu sein, und er fand dieses Kohlehydrat in den farblosen Blut- körperchen, dagegen nicht in den ausgebildeten bewegungslosen Eiterkörperchen. Von Salomon und darnach von Anderen ist indessen Glykogen auch im Eiter Glykogen. gefunden worden ^). Die Beziehung, welche zwischen Glykogen verbrauch und Muskelarbeit zu bestehen scheint (vergl. Kap. 11), legt die Vermuthung nahe, dass ein solcher Verbrauch bei den Bewegungen des thierischen Protoplasmas überhaupt stattfindet. Andererseits scheint auch das verbreitete Vorkommen des Glykogens in embryonalen Geweben wie auch sein Vorkommen in patho- logischen Geschwülsten und bei reichlicher Zellbildung überhaupt der grossen Bedeutung dieses Stoffes für die Entstehung und Entwickelung der Zelle das Wort zu reden. Beim erwachsenen Thiere findet sich das Glykogen in den Muskeln und einigen anderen Organen, vor Allem aber in der Leber, weshalb es auch im Zusammenhange mit diesem Organe (vergl. Kap. 8) ausführlicher besprochen werden soll. Das Glykogen ist als Bestandtheil des Protoplasmas in verschie- denen Zellen direkt nachgewiesen worden. Ein anderer Stoff" oder richtiger eine Gruppe von Stoffen, welche im Thier- und Pflanzenreiche weit verbreitet sind und in den Zellen regelmässig vor- kommen, ist das Cholesterin, dessen am besten bekannter Repräsentant, das gewöhnliche Cholesterin (vergl. Kap. 8) vorzugsweise als Hauptbestandtheil choiesterm. gewisser Gallenkonkremente und als ein in Gehirn und Nerven in reichlicher Menge vorkommender Stoff" bekannt ist. Dass dieser Stoff" von direkter Bedeut- 1) Hinsichtlich der LittPiatur ül)er das Glylr, Zeitschr. f. physiol. Cluin. 15>. 3) Altmasn, Du Bois-Reymond's Arch. 1889; Kossel, ebenda 1891. 4) Ber. d. deutaeh. ehem. Gesellsch. 21 und Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1889. 110 Fünftes Kapitel. Säure betrachten wollen. Die Darstellung einer solchen Säure von charakteris- tischen Eigenschaften ist bisher jedoch nicht gelungen i). Eigeu- Die Pseudouukle'ine sind amorphe, in Wasser, Alkohol und Aether un- lösliche Stoffe, die von verdünnten Alkalien leicht gelöst werden. In sehr ver- dünnten Säuren sind sie nicht löslich und können dementsprechend aus ihren Lösungen in schwachem Alkali durch Ansäuren ausgefällt werden. Sie geben starke Eiweissreaktionen. Zur Darstellung eines Pseudonukleins löst man die fragliche Muttersub- stanz in Salzsäure von 1 — 2 p. m., filtrirt wenn nöthig, setzt Pepsinlösung hinzu und lässt gegen 24 Stunden bei Körpertemperatur stehen. Den Nieder- schlag filtrirt man ab, wäscht mit Wasser aus und reinigt ihn durch abwech- selndes Auflösen in äusserst schwach alkalihaltigeni Wasser und Ausfällen mit Säure. Die zuerst von Mieschee und Hoppe-Seylee dargestellten echten Nuk- leine sind keine nativen Zellbestandtheile sondern immer Laborationsprodukte, die aus den nativen Nukleoproteiden durch die Pepsinverdauung oder nicht zu tiefgreifende Säurewirkuug entstehen. Hierbei wird ein Theil des Eiweisses aus dem nativen Nukleoproteide abgespalten und der ungelöst zurückbleibende, eiweissärmere und nukleinsäurereichere ßest stellt das sog. Nuklein dar. Wenn man nach dem Vorgange Hoppe-Seylee's als Proteide alle solche Substanzen bezeichnet, die als nächste Spaltungsprodukte Eiweiss und einen anderen, nicht eiweissartigen Kompononten liefern, so müssen also auch die echten Nuklei'ue als Nukleoproteide betrachtet werden. Sie sind aber denaturirte Nukleo- proteide, die durch einen grösseren Gehalt an Phosphor, bezw. Nukleinsäure, Native und von den nativeu Proteiden sich unterscheiden. Strenge genommen sind also denaturirte Nukieo- alle echte Nukle'ine Nukleoproteide und aus dem Grunde wäre es vielleicht prote am richtigsten , den leider zu oft in verschiedenem Sinne gebrauchten Namen Nukleine fallen zu lassen und statt dessen nur zwischen nativen und denaturirten Nukleoproteiden zu unterscheiden. Da es aber andererseits am besten sein dürfte, erst weitere Aufschlüsse über die Natur der Nukleinsub- stanzen abzuwarten, bevor man Aenderungen in der Nomenklatur unternimmt, werden hier die in Verdauungssalzsäure unlöslichen, denaturirten Nukleoproteide, der schon eingebürgerten Nomenklatur gemäss, als echte Nukleine oder schlecht- hin als Nukleine bezeichnet, was kaum zu Missverständnisseu führen dürfte. Nach dieser Nomenklatur entsprechen also die nativen Nukleoproteide den nativen Nukleoalburainen und die Nukleine entsprechen den Pseudonukleineu, welche phosphorreiche, denaturirte Nukleoalbumine sind. Die Eigenschaften der verschiedenen Nukleoproteide und Nukleine sind unzweifelhaft zum Theil von der Art des Eiweisskompouenten abhängig. Allem Anscheine nach ist indessen die Natur des Nukleinsäurekomponenten von noch grösserer Bedeutung und aus dem Grunde müssen hier in erster Linie die 1) Vergl. JIlLEOY, Zeitschr. f. jiliy.'^iol. Chem. 22 und Proc. Roy. Soc. of Eilinliur^h 21. Dec. 1896 (Sepuraiabzug). Nukleinsäuren. 111 Kukleinsäuren besprochen werden. Es folgen dann die nativeu Nukleoproteide und zuletzt die Nukle'ine. Nukleinsäuren. Je nach den Zersetzungsprodukten, die sie liefern, muss man zwischen verschiedenen Nukleinsäuren unterscheiden. Alle sind sie jedoch reich an Phosphor und liefern als Spaltungsprodukte Nuklein basen {Purinbasen nach E. Fischer). Verschiedene Nukleinsäuren verhalten sieh in- dessen hierbei verschieden. Die Nukleinsäure aus Stiersperma liefert nach Kossel ganz überwiegend Xanthin, die aus Kalbsthymus dagegen fast ausschliesslich Adenin mit nur wenig Guanin. Kos.sel war früher der Ansicht, dass es wahr- scheinlich vier Nukleinsäuren gebe, deren jede nur eine der Xukleinbasen ent- hält, also eine Adenyl-, eine Guanylsäure u. s. w. Diese Ansicht hat er aber ^g'lul-e'n" nunmehr wenigstens insoferne verlassen, als die Nukleinsäure der Thymusdrüse, in welcher er früher nur Adenin fand, auch etwas Guanin enthalten soll. Aus dem Grunde nennt er nunmehr diese Säure nicht Adenylsäure, sondern Thymus- nnklemsäitre^). Dass es indessen Nukleinsäuren giebt, die nur eine einzige Nukleinbase enthalten, zeigt die von Bang-) aus der Pankreasdrüse isolirte Nukleinsäure, die (ruanylsäure, die ausschliesslich Guanin, und zwar etwa 36 p. c. solches, enthält. Mit Rücksicht auf die in ihnen enthaltenen Nukleinbasen hat man also zwischen mehreren Nukleinsäuren zu unterscheiden. Man muss jedoch auch von einem anderen Gesichtspunkte aus verschiedene Nukleinsäuren annehmen. Es giebt nämlich deren einige, wie die Nukleinsäure aus Pankreas und die Hefenuhlemsüure , welche eine verhältnissmässig locker gebundene, leicht abspaltbare Kohlehydratgruppe enthalten. Aus anderen da- gegen, wie aus der Thymusnukleinsäure und der Nukleinsäure aus Lachssperraa, ],,^^|"i, Salmonnldeinsäitre , hat man noch kein Kohlehydrat abspalten können. Nur Nv.k'e"'- " • ^ sauren. bei tiefgreifender Spaltung haben Kossel und Neumaxx aus der Thymus- nukleinsäure Lävulinsäure als Zeugniss von dem Vorhandensein einer Kohle- hydratgruppe erhalten. Die Nukleinsäuren sind also unter einander sehr verschiedenartig und dem entsprechend haben sie auch eine verschiedene Zusammensetzung. Sie sind alle frei von Schwefel, enthalten aber Stickstoff und Phosphor. Die Relation zwischen Phosphor und Stickstoff ist in den Nukleinsäuren aus Thymus, Laehs- sperma und Hefe wie 1:3, in der Guanylsäure wie 1 : ö. Ueber die Art der Bindung des Phosphors ist nichts Sicheres bekannt^). Die Spaltungsprodukte der Nukleinsäuren sind ebenfalls verschiedenartig. Aus der Guanylsäure hat Bang nur Fentose , aus der Hefenukleinsäure hat 1) Die Arbeiten von KosSEL und seinen Schülern über Nukleinsäure findet man in: Bu Bois Reymoxd's Areh. 1892, 1893 u. 1894; Sitzbcr. d. Berl. Akad. d. Wissenseh. 18, 1894; Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1893; Ber. d. deutsch, Chem. Gesellsch. 26 u. 27; Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. '^) Noch nicht veröffentlichte Untersuchung aus dem Laborat. des Verls. 3) Veigl. ausser den Arbeiten von KosSEL auch diejenigen von Ltebermanx in PFLtJGER's Areh. 47 und Centralbl. f. d, med, AVissensch. 1893, S, 465 u. 738. 112 Fünftes Kapitel. KossEL dagegen sowohl Pentose wie He.rose erhalten, während lüan aus der Salmonuklei'nsäure und der Thymusnuklei'nsäure weder den einen noch den anderen Zucker hat darstellen können. Die Thj'musnukleinsäure giebt als nächste Spaltungsprodukte nach Kossel und Neumann , ausser Adenin und Guanin, Tlii/i)ilnsäiire und eine krystallisirende Base, das Cytosin, von der wahrschein- produkte liehen Formel CjHjQNjgO^. Die in Wasser leicht lösliche Thyminsäure, die säuren ein in Wasser lösliches, durch Alkohol fällbares Baryunisalz von der Formel CjgH.)3N3P.jOj.jBa giebt, liefert als Spaltungsprodukt einen krystalli- sirenden Stoff, das Thymin, CjjHgNoOo, welches von Fhosphorwolframsäure nicht gefällt wird und namentlich durch seine Sublimirbarkeit gekennzeichnet ist. Das Thymin entsteht als Spaltungsprodukt aus den anderen Nukleinsäuren (mit Ausnahme der Guanylsäure) und ist mit dem von Schmiedebeeg aus Salmo- nukleinsäure dargestellten Nuldeosin identisch. Die Guanylsäure liefert dagegen als Spaltungsprodukt kein Thymin. Sie liefert Guanin (36 p. c), Pentose (30 p. c), Phosphorsäureanhydrid, P2O5 (18 p.c.) und ein wenig Ammoniak. Von dem Stickstoffe fand Bang im abgespaltenen Guanin 90 p. c. wieder. Die Zusammensetzung der Salmonuklei'nsäure kann nach Mieschee und Schsuedebeeg 1) durch die Formel C4oH5^Nj^Oj7 . 2P2O5 und die der Hefe- nukleinsäure durch die Formel 040^59^14002 . SPgOj ausgedrückt werden. Die Zusammensetzung der Guanylsäure scheint C22H34N10O12 • Po^s ^"^ ^^'"• Alle Nukleinsäuren sind amorph, weiss, von saurer Reaktion. In am- moniakalischem oder alkalihaltigem Wasser sind sie leicht löslich. Die Guanyl- säure ist sehr schwer löslich in kaltem Wasser und ziemlich leicht löslich in siedendem, aus dem sie beim Erkalten sich wieder ausscheidet. Aus der Alkali- verbindung wird die Guanylsäure durch überschüssige Essigsäure leicht gefällt, scbaften dtr Die übrigen Nukleinsäuren werden dagegen aus solcher Verbindung nicht durch säuren, überschüssige Essigsäure, wohl aber durch einen geringen Ueberschuss von Salz- säure, besonders bei Gegenwart von Alkohol, niedergeschlagen. In saurer Lösung geben die letztgenannten Säuren mit Eiweissstoffen Niederschläge, die man als Nukleine aufgefasst hat. Das Verhalten der Guanylsäure in dieser Hinsicht hat man in Folge ihrer Schwerlöslichkeit in verdünnten Säuren noch nicht hinreichend prüfen können. Alle Nukleinsäuren sind unlöslich in Alkohol und Aether. Sie geben weder die Biuretprobe noch die MiLLON'sche Reaktion. Die Darstellung der Hefenukleinsäure geschieht nach Altmann-) in folgen- der Weise. Die Hefe wird mit 3250 ccm verdünnter Natronlauge von etwa 3 p. c. auf 1000 ccm Hefe 5 Minuten lang bei Zimmertemperatur behandelt. Die Hauptmasse des Natronhydrates wird darauf mit Salzsäure neutralisirt und dann Essigsäure im Ueberschuss zugesetzt. Die von ausgefälltem Eiweiss ge- Darsteiiuns trennte Flüssigkeit wird mit Salzsäure auf den Säuregrad 3 — 5 p. m. HCl ge- dcrNuku in- )_,yjj(.y,j myj {Jann mit dem gleichen Volumen Alkohol von demselben Säure- gehalte vermischt. Es scheidet sich hierbei unreine Nukleinsäure aus, die durch 1) Areh. f. oxp. Palliol. 11. Pharm. 37. -') Du Bois-Keymo.nd's Aruh. 1889. Physiol. Alith. S. 524. Xukleoprofeidc. 113 Auflösen in auimoniakhaltigem Wasser und wiederholtes Behandeln, wie oben, mit Essigsäure, Salzsäure und Alkohol gereinigt wird. Die Darstellungsmethode der Thymusnukleinsäure nach Kossel') besteht hauptsächlich darin , dass man in dem "Wasserextrakte der Drüse das Nukleo- histon (s. unten) mit Barytwasser spaltet, den Barytniederschlag mit essigsäure- haltigem Wasser auskocht und aus den filtrirten Auszügen die Nukleinsäure mit salzsäurehaltigem Alkohol ausfällt. Man reinigt durch Auflösen in Wasser, welches 1 p. m. Ammoniak enthält, und neue Ausfällung mit salzsäurehaltigem Alkohol. Die Salmonuklelnsäure, welche in dem Lachssperma mit der Base Protamin in Verbindung sich vorfindet, erhält man nach Miescher und Schjiiedeberg durch Extraktion (unter Abkühlung) mit Salzsäure von 5 p. m., welche das Protamin herau.slöst. Den Rückstand extrahirt man mit auf 0" abgekühlter Natronlauge in sehr geringem Ueberschuss, filtrirt, fällt mit Salzsäure und Alkohol, centrifugirt den Niederschlag rasch ab und wäscht mit Alkohol. Das Prinzip der Guanylsäuredarstellung nach B.^xc; ist Spaltung des Pankreas- de^Nukie^n- nukleoproteides durch Erhitzen mit schwachem Alkali, Ausfallung der Nuklein- säure durch Abkühlen der äussert schwach angesäuerten, heiss filtrirten Flüssig- keit, nöthigenfalls nach schwacher Konzentration des Filtrates. Die Nuklein- säure wird durch wiederholtes Auflösen in heissem Wasser und Ausfällung durch Abkühlen oder auch durch wiederholte Auflösung in schwach alkalihaltigem Wasser und Ausfällung mit Essigsäure gereinigt. Nukleoproteide mit verhältnissmässig hohem Phosphorgehalt und aus- geprägt saurem Charakter kommen in dem Zellkerne vor. Der allgemein herr- schenden Ansicht gemäss sollen sie Verbindungen von Eiweiss mit Nukleinsäure sein, und je nach der Art der letzteren müssen sie dementsprechend verschieden- artige Spaltungsprodukte liefern. Sie enthalten verhältnissmässig viel Eiweiss im Moleküle, geben deshalb die gewöhnlichen Eiweissreaktionen und stehen hierdurch in ihrem Verhalten den Eiweissstoffen nahe. Chemischen Agenzien, selbst destillirtem Wasser gegenüber sind die nativen Nukleoproteide sehr empfind- lich und werden deshalb auch durch die behufs ihrer Isolirung nöthigen Ein- griffe leicht verändert. Hierin liegt auch wesentlich der Grund, warum unsere Kenntniss der nativen Nukleoproteide gegenwärtig noch sehr dürftig ist. Das am genauesten studirte, native Nukleoproteid ist das sog. Nukleohiston. • Nukleohiston nannten Kossel und Lilienfeld-) das von ihnen aus Kalbsthymus isolirte Nukleoproteid. Die Zusammensetzung desselben ist C 48,46; H 7,00; N 16,86; P 3,025; S 0,701; O 23,95 p. c. Bei dem Erhitzen seiner Lösung spaltet sich geronnenes Eiweiss ab. Bei der Pepsinverdauung liefert es Nukleiu. Beim Behandeln mit Salzsäure von 0,8 p. c. spaltet es sich eben- falls in Nuklein und eine, in der Salzsäure lösliche Eiweisssubstanz, die be- sonders durch Unlöslichkeit in überschüssigem Ammoniak von anderen Eiweiss- stoffen sich unterscheidet und von Kossel als ein Histon betrachtet wird. Aus einer mit Alkali bereiteten neutralen Lösung wird das Nukleohiston durch Essigsäure gefällt und von überschüssiger Essigsäure nicht wieder gelöst. I) Ber. d. deutseh. Chem. Gesellseh. 27, S. 2215. ä) Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. Hammars ten, Physiologische Chemie. Vierte Aaflage, 114 Fünftes Kapitel. Gewebe- fibrinogen Cytoglobiii und Präglobulin Die neutrale Lösung wird von Alkohol, aber nicht durch Sättigung mit MgSO^, gefällt. In verdünnten Alkalien und Alkalikarbonaten ist das Nukleobiston leicht lö.*licli. Von Eisessig, konzentrirter Salz- und Salpetersäure wird es ge- löst. Die Beziehungen des Nukleins und Histons zur Gerinnung des Blutes sollen im Kap. 6 besprochen werden. Die Darstellung geschieht in der Weise, dass man das filtrirte, von zelligen Elementen ganz freie Wasserextrakt der Drüse mit Essigsäure fällt und den • Niederschlag durch wiederholtes Auflösen in schwach sodahaltigem Wasser und Ausfällen mit E^^sigsäure reinigt. Zuletzt wird mit essigsäurehaltigem Wasser und dann mit Weingeist gewaschen, darauf mit kaltem und dann mit warmem absolutem Alkohol und endlich mit Aetber extrahirt. Dasselbe Verfahren be- nutzt man zur Darstellung der nativen Nukleoproteide im Allgemeinen, wobei man indessen oft mit Vortheil die Extraktion mit Wasser, welches 0,5 p. m. Ammoniak enthält, versuchen kann. Als unreiueres Nukleobiston ojer demselben jedenfalls selir nabe verwandte Stoflfe hat man die von anderen Forsehern als Getoebefibrinogen und Zellfibrmogen beschriebenen Pro- teide^) zu betrachten. Zu derselben Gruppe wie das Nukleobiston gehören auch die von Alex. Schmidt-) als wichtige Zellbestandtheile beschriebenen Stoffe Cytoiihhin und Präglobulin, von denen das Cvtoglobiu wohl als die in Wasser lösliche Alkaliverbiudung des Präglobulins .anzusehen sein dürfte. Den nach Tollständigcr Erschöpfung mit Alkohol, Wasser und Koch- salzlösung zurückbleibenden Rest der Zellen nennt Alex. Schmidt Cytin. Die Beziehungen dieser Stoffe zu der Blutgerinnung sollen im Kap. 6 besprochen werden. Nukleiine oder echte Nukleine. Diese Stoffe erhält man als unlös- lichen oder schwerlöslichen Rückstand bei der Verdauung von Nukleoproteiden luit PepsinchlorwasserstofFsäure. Sie sind reich an Phosphor, gegen 5 p. c. und darüber, und nach Lieber.manx') kann man auch aus echtem Nuklein (Hefe- nuklein) Metaphosphorsäure abspalten. Durch Alkalilauge werden die Nukle'ine in Eiweiss und Nukleinsäure zerlegt, und wie es verschiedene Nukleinsäuren giebt, so giebt es auch verschiedene Nukleine. Umgekehrt kann man, wie oben bemerkt, mit Nukleinsäure Eiweissstoffe in saurer Lösung fällen, und in dieser Weise sind namentlich von Milboy*) Verbindungen von Nukleinsäure mit Ei- weiss dargestellt worden, die den echten Nukleinen im Wesentlichen gleich sich verhalten. Alle Nukleine geben lieira Sieden mit verdünnten Säuren Xanthiu- körper oder Nukleinbasen, wie Ko.s.sel sie nennt. Die Nukleine enthalten Eisen in verhältnissmässig reichlicher Menge. Sie verhalten sich wie ziemlich starke Säuren. Die Nukleine sind farblos, amorph, unlöslich oder nur sehr wenig löslich in Wasser. In Alkohol und Aether sind sie unlöslich. Von verdünnten Al- kalien werden einige leichter und andere schwerer gelöst. Pepsinchlorwasserstoff- säure oder stark verdünnte Mineralsäuren lösen sie nicht oder jedenfalls nur sehr wenig. Die Nukleine geben die Biuretprobe und die MiLLON'sche Reaktion. Sie zeigen eine grosse Affinität zu vielen Farbstoffen, besonders basischen, und nehmen solche aus wässeriger oder schwach alkoholischer Lösung begierig auf. 1) Vergl. oben S. 103. 2) Zur Blutlehre. 3) PflIjgek's Arch. 47. •i) Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. Nukleine und Nukleinbasen. 115 Beim Verbrennen liefern sie eine schwer verbrennliche, sauer reagirende Kohle, ■welche Metaphosphorsäure enthält. Beim Schmelzen mit Salpeter und Soda geben sie Alkaliphosphat, Zur Darstellung des Nukleins aus Zellen oder Geweben entfernt man zuerst die Hauptmasse des Eiweisses durch künstliche Verdauung mit Pepsin- chlorwasserslofisäure, laugt den Rückstand mit sehr verdünntem Ammoniak aus, Darstellung filtrirt und fällt mit Salzsäure. Der Niederschlag wird wieder mit Magensaft ^y^is der verdaut, ausgewaschen und durch abwechselndes Lösen in äusserst schwach Kukieme. alkalilialtigem Wasser und Fällen mit einer Säure, Auswaschen mit Wasser und Aikohol-Aetherbehandlung gereinigt. Einfacher ist es, das Nuklein durch Veniauung von einem Nukleoproteide darzustellen. Zum Nachweis von Nuklein wird ebenfalls die geschilderte Methode benutzt und das Produkt zuletzt nach Schmelzen mit Salpeter und Soda auf einen Gehalt an Phosphor geprüft. Dabei müssen selbstverständlich zuerst mit resp. Säure, Alkohol und Aether Phosphate, Lecithine (und Jekorin) entfernt werden. Hierbei hat man übrigens sich be- sonders zu erinnern, wie ausserordentlich schwierig es nach Lieber.manx ') ist, das Lecithin mit Alkoiiol- Aether zu entfernen. Eine exakte Methode zur quanti- tativen Bestimmung des Nukleins in den Organen giebt es zur Zeit nicht. Plastin. Aus den Zellkernen gewisser Pflanzen bat man nach Auslösung des Nukleins mit verdünnter Sodalösung einen, dureh seine Sehwerlöslichkeit gekennzeichneten Rest er- halten. Den Stoff, welcher diesen Rest bildet, hat man Plastin genannt. Dieser Stoff, aus "^ '"' welchem angeblieh auch das Spongiojjlasma des Zellenleibes und das Kernkörperchen bestehen sollen, ist seiner Natur nach unbekannt, wird aber von einigen als eine schwerlösliche Nuklein- modifikation betrachtet. Unter den Zersetzungsprodukten der Nukleinsubstanzen sind die sog. Nukleinbasen oder Xanthinkörper von einem besonders grossen Interesse. Nukle'inbasen, AUoxurbasen, Purinbasen, Xanthinstoffe. Mit diesen verschiedenen Namen bezeichnet man eine Gruppe von kohlen-, Wasser- stoff-, Stickstoff- und in den meisten Fällen sauerstoffhaltigen Stoffen, die be- züglich ihrer Zusammensetzung eine nahe Verwandtschaft nicht nur unter einander, sondern auch mit der Harnsäure zeigen. Sämmtliche diese Stoffe, die Harn- säure mit inbegriffen , hat man als aus einem Alloxur- und einem Harnstoff- kerne bestehend betrachtet, und aus dem Grunde haben KossEL und Krüger die Basen ÄUo.atrbasen und die ganze Gruppe, mit Einschluss der Harnsäure, AUoxnyhörpe)' genannt. E. Fischer^), welcher nicht nur die nahe Beziehung der Harnsäure zu dieser Gruppe in mehrfacher Weise gezeigt, sondern auch die Synthese einer Menge zu dieser Gruppe gehörender Stoffe ausgeführt hat, leitet sie alle von einer Verbindung CjH^N^, dem Pnrin, ab, dem er einen Kohlen- xukiein- stickstoffkern, den Purinkern, zu Grunde legt. Das Purin würde nach Flscüer basen. N = CH I 1 die Formel HC C— NH. II II CH haben, und durch Substitution verschiedener N — C — N- Wassersfoffatome durch Hydroxyl-, Amid- oder Alkylgruppen entstehen hieraus 1) Pflügek's Arch. 54. -) Vergl. namentlich die Aufsätze von FisCHEB in Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 30. 8* 116 Fünftes Kapitel. die verschiedenen Purinkörper. Um die Stellung der verschiedenen Substituenten anzugeben, hat Fischer vorgeschlagen, die neun Glieder des Purinkernes in 1N-C6 .11-7 folgender ^ eise zu nummeriren 2C 5C — N-. I I >C8. 3N— C— N/ 4 ^ HX— CO i 1 Die Harnsihire CO C— NH\ I II '^CO ist also beispielsweise 2, 6, 8-Trioxypurin, das Adenin HN— C— Nh/ N = CNH2 HN— CO II II HC C — N . CO C— N.CH3 Ij II \ CH :^ 6-Aminopurin und das Hcteroxanthin | || \ N— C — NH / HN— C— N^ CH = 7 Methyl- 2, 6-Dioxypurin u. s. w. Der Ausgangspunkt für die von FISCHER ausgeführte synthetische Darstellung der „ ,. Purinbasen war das 2, 6, 8-Trichlorpurin, welches mit dem 8-Oxy- 2, 6-Dichlorpurin als tion und Zwischenstufe aus hanisaureni Kali und Phosphoroxyehlorid erhalten wurde. Die nahe Be- Synthese Ziehung der Harnsäure zu den Nuklcinbaseu geht auch daraus hervor, dass man, wieSrNDWiK') der Basen, gezeigt hat, durch Eeduktion von Harnsäure in alkalischer Lösung zwei Stoffe erhalten kann, die, wenn auch mit dem Xanthin imd Hypoxanthin nicht ganz identisch, jedenfalls diesen Stoffen sehr ähnlich sind. Die synthetische Darstellung des Xanthins durch Erhitzen von Blausäure mit Wasser und Essigsäure soll aiich Gautier-) gelungen sein. Die im Thierkörper oder dessen Exkreten gefundenen Purinkörper oder Alloxurkörper sind folgende: Harnsäure, Xanthin, Heteroxanthin (7-Methyl- xanthin), 1-Metlnilrantlun , Paraxanthin (1, 7-Dimethylxanthin) Gnanin, Epiguanin, Hijpoxniithhi (Sarkin), Episarhin, Adenin und Kamin. In naher Beziehung zu ihnen stehen die im Pflanzenreiche vorkommenden Stoffe, Theohromin (3, 7 -Dimethylxanthin) Theophyllin (1, 3 -Dimethylxanthin) und Koffein (1, 3, 7 -Trimethylxanthin). Die Zusammensetzung der fraglichen , in dem Thierreiche gefundenen Stoffe ist fol- gende : Harnsäure CsH^N^Os Xanthin C^H^NjOa Heteroxanthin und 1-Methylxanthin C^Ji^'SiO^ Zusammen- Paraxanthin ('jH8N402 Setzung. Guanin CsH^NjO Hyjjoxanthin C5H4N4O Adenin C5H5N, Episarkin C^HßNaO? Karnin CiHsN^O., Epignanin CjoHisN^Oj Nachdem schon Salomox ^) das Vorkommen von Xanthinstoffen in jungen Zellen nachgewiesen hatte, ist die Bedeutung der Xanthinkörper als Zersetzungs- produkte des Zellkernes und der Nukleine besonders durch die bahnbrechenden Untersuchungen von Kossel, welcher das Adenin und das Theophj'llin entdeckt hat, dargethan worden. Er hat ihnen auch den Namen Nukleinbasen gegeben. 1) Zeltsehr. f. physiol. Chem. 23. 2) Compt. rend. 98, S. 1523 und Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 31. 3) Sitzungsber. d. Bot. Vereins der Provinz Brandenburg 1880 (Separat abzug). Nukleinbasen. 117 lu solchen Geweben, in welchen, wie z. B. in den Drüsen, die Zellen ihre ursprüngliche Beschaffenheit bewahrt haben, finden sieh die Nukleinbasen nicht als solche frei, sondern in Verbindung mit anderen Atomgruppen (Nukleiuen) vor. In solchen Geweben dagegen, welche, wie die Muskeln, arm an Zellkernen sind, findet man sie im freien Zustande. Da die Nukleinbasen, wie Ko.ssel gezeigt hat, in naher Beziehung zu dem Zellkerne stehen, ist es leicht zu ver- ^<"''^''°'™''°* stehen, warum die Menge dieser Stoffe reichlich vermehrt wird, wenn reichliche Mengen von kernhaltigen Zellen an solchen Stellen auftreten, welche früher verhältnissmässig arm daran waren. Ein Beispiel dieser Art liefert das an Leukocyten äusserst reiche Blut bei Leukämie. In solchem Blute fand KosseL'') 1,04 p. m. Nukleinbasen gegen nur Spuren davon in normalem Blute. Dass diese Basen auch Zwischenstufen bei der Entstehung des Harnstoffes oder der Harn- säure im Thierorganismus darstellen können, ist, wie später (vergl. Kap. 15) gezeigt werden soll, kaum zu bezweifeln. Von den Nukleinbasen sind einige nur im Harne oder in den Muskeln gefunden worden. Als Spaltungsprodukte der Nukleine hat man bisher nur die vier Basen, Xanthin, Guanin, Hypoxanthin und Adenin erhalten. Während hinsichtlich der übrigen Purinkörper auf die bezüglichen Kapitel hingewiesen wird, können deshalb auch hier nur die obigen vier Stoffe, die eigentlichen Nukleinbasen, besprochen werden. Von diesen vier Stoffen bilden das Xanthin und Guanin gewissermassen eine besondere Gruppe, das Hypoxanthin und Adenin eine andere. Durcli Einwirkung von salpetriger Säure geht das Guanin in Xanthin und das Adenin in Hypoxanthin über. CäH^NiO . NH + HNO. = CsHiN^Oj + Na -)- H.O und Guanin Xanthin CsH.N^ . NH + HNO, = CäHiN.O + N^ + H^O B^^i^j,. Adenin Hypoxanthin nngen unter Bei der Fäulniss gellt ebenfalls Guanin in Xanthin und Adenin in Hypoxanthin über. ®"i*'"»®f- Bei der Spaltung mit Salzsäure geben alle vier Stoffe Ammoniak, Glykokoll, Kohlensäure und Ameisensäure. Bei der Oxydation mit Salzsäure und Kaliumchlorat liefert das Xanthin, das Bromadenin und Bromhypoxanthin Alloxan und Harnstoff; das Guanin liefert Guauidin, Parabausäure (ein Oxydationsprodukt des Alloxans) und Kohlensäure. Die Nukleinbasen bilden mit Mineralsäuren krystallisirende Salze, die mit Ausnahme von den Adeninsalzen von Wasser zersetzt werden. Von Alkalien werden sie leicht gelöst, während sie zu Ammoniak etwas verschieden sich ver- halten. Aus saurer Lösung werden sie alle durch Phosphorwolframsäure gefällt, ebenso scheiden sie sich alle nach Zusatz von Ammoniak und animoniakalischer Allen Silberlösung als Silberverbindungen aus. Diese Niederschläge sind in siedender ^'iitiem- o o B baseu ge- Salpetersäure von 1,1 sp. Gew. löslich. Von FEHLiNG'scher Lösung (vergl. Kap. 15) bei Gegenwart von einem Reduktionsmittel, wie dem Hydroxylamin, werden, wie Drechsel und Balke gezeigt haben, alle Xanthinkörper mit Aus- nahme des Koffeins und Theobromins getällt. Zur Fällung kann man nach Krüger-) ebenso gut Kupfersulfet und Natriumbisulfit brauchen. Dieses Ver- 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, S. 22. 2) Balke, Zur Kenntniss der Xanthinkörper. Inaug.-Diss. Leipzig 1893; Krügeb, Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. 118 Fünftes Kapitel. rkomn halten der Xanthinkörper eignet sich ebenso gut wie das zu Silberlösung zur Abscheidiing und Reingewinnung derselben. HN— CO i I Xanthin C^H^N^Oa = CO C— NH I II \ CH = 2, 6-Dioxypurin ist in HN— C— N ■■'" Muskeln, Leber Milz, Pankreas, Nieren, Hoden, Karpfsperma , Thymus und Gehirn gefunden worden. Im Harne kommt es als physiologischer Bestandtheil des Xan- in äusserst geringer Menge vor und nur selten hat man es in Harnsedimenten oder in Blasensteinen gefunden. In einem solchen Stein wurde es zuerst (von Marcet) beobachtet. In grösster Menge findet man das Xanthin in einigen Guanosorten (Jarvisguano). Das Xanthin ist amorph oder stellt körnige Massen von Krystali blättchen dar, kann aber nach Horbäczewski ') auch in Drusen aus glänzenden, dünnen, grossen rhombischen Platten mit 1 Mol. Krystallwasser sich ausscheiden. Es ist sehr wenig löslich in Wasser, in 14 151 — 14 600 Theilen bei -l-lß^C. und in 1300 — 1500 Theilen bei 100" C. (Almön^). In Alkohol oder Aether ist Eigen- CS Unlöslich, von Alkalien wird es leicht, von verdünnten Säuren dagegen schwer Schäften. gelöst. Mit ChlorwasserstofFsäure giebt es eine krystallisirende, schwer lösliche Verbindung. Mit sehr wenig Natronlauge giebt es eine leicht krystallisirende Verbindung, die von mehr Alkali leicht gelöst wird. In Ammoniak gelöst, giebt das Xanthin mit Silbernitrat einen unlöslichen, gelatinösen Niederschlag von Xanthinsilber. Von heisser Salpetersäure wird dieser Niederschlag gelöst und es entsteht dabei eine verhältnissmässig leicht lösliche, krystallisirende Doppel- verbindung. Eine wässerige Xanthinlösung wird durch essigsaures Kupferoxyd beim Kochen gefällt. Bei gewöhnlicher Temperatur wird das Xanthin von Quecksilberchlorid und von ammoniakalischem Bleiessig gefällt. Bleiessig allein fällt es nicht. Mit Salpetersäure in einer Porzellanschale zur Trockne abgedampft giebt das Xanthin einen gelben Rückstand, welcher bei Zusatz von Natronlauge erst roth und dann beim Erwärmen purpurroth gefärbt wird. Bringt mau in Natron- lauge in einer Porzellanschale etwas Chlorkalk, rührt um und trägt das Xanthin Reaktionen, ein , SO bildet sich um die Xanthinkömchen ein erst dunkelgrüner, bald aber sich braunfärbender Hof, der dann wieder verschwindet (Hoppe-Seyler). Wird das Xanthin in einer kleinen Schale auf dem Wasserbade mit Chlorwasser und einer Spur Salpetersäure erwärmt und eingetrocknet, so färbt sich der Rück- stand, wenn er unter einer Glasglocke mit Ammoniakdämpfen in Berührung kommt, roth oder purpurviolett (Reaktion von Weidel). E. Fischer ^) führt die WEiDEL'sche Reaktion in folgender Weise aus. Er kocht in Reagenzgläschen 1) Zeitschr. f. pliysiol. Chem. 23. 2) Joiirn. f. prakt. Chem. 96. 3) Bcr. (1. deutsi-h. chem. Gcsellsch. 30, S. 2236. Guanin. 119 mit Chlorwasser oder mit Salzsäure und ein wenig Kaliumchlorat, verdampft dann vorsichtig die Flüssigkeit und befeuchtet den trockenen Rückstand mit Ammoniak. HN— CO 1 I Guanin, C-HäN,0 = (HN)C C— NH = 2 Amino-6-Oxypurin. Das I il \CH HN— C— n/"" Guanin ist in zellreichen Organen, Leber, Milz, Pankreas, Hoden und im Lachs- sperma gefunden worden. Es findet sich ferner in den Muskeln (in sehr kleiner vorkommen Menge), in Fischschuppen und in der Schwimmblase einiger Fische als irisirende Krystalle von Guaninkalk, im Retinaepithel von Fischen, in Guano und in Spinnenexkrementen, als Hauptbestandtheil derselben, und endlich angeblich auch im Menschen- und Schweineharn. Unter pathologischen Verhältnissen hat mau es im leukämischen Blute und bei der Guaningicht der Schweine in deren Muskeln, Gelenken und Bändern gefunden. Das Guanin ist ein farbloses, gewöhnlich amorphes Pulver, welches indessen aus seiner Lösung in konzentrirtem Ammoniak bei der freiwilligen Verdunstung des letzteren in sehr kleinen Krystallen sich ausscheiden kann. Unter Um- ständen kann es nach Horbaczewski auch in Dri sen, die dem Kreatininchlor- zink ähnlich sehen, krystallisiren. In Wasser, Alkohol und Aether ist es un- löslich. Von Mineralsäureu wird es ziemlich leicht, von Alkalien leicht, von Ammoniak aber nur äusserst schwer gelöst. Nach Wulff ') lösen sich in 100 ccm kalter Ammoniaklösung von resp. 1, 3 und ö p. e. NHj bezw. 9, 15 und 19 mg Guanin. In heisser Ammoniaklösung ist die Löslichkeit relativ bedeutend grösser. Das salzsaure Salz krystallisirt leicht und ist, seines charakteristischen Verhaltens im polarisirten Lichte wegen, zur mikroskopischen Erkennung des Eigen- . - r- 1 1 T^ n< 1 r ■»* I T^ schaftenund Guanms von Kossel'') empfohlen worden. Das Sulfat enthält 2 Mol. Krystall- Keaktionen. wasser, die beim Erhitzen auf 120" C. vollständig entweichen, und hierdurch sowie dadurch, dass das Guanin beim Zersetzen mit Chlorwasser Guanidin liefert, unterscheidet es sich von dem 6-Amino-2-Oxypurin, welches als ein Oxy- dationsprodukt des Adenins aufzufassen ist und möglicherweise als Produkt des chemischen Stoffwechsels vorkommt (E. Fischer). Das 6-Amino-2-Oxypurinsulfat enthält nur 1 Mol. Krystallwasser, das bei 120" C. nicht entweicht. Von Pikrin- säure, wie auch von Metaphosphorsäure werden selbst sehr verdünnte Guanin- lösungen gefällt. Die Niederschläge können zur quantitativen Bestimmung benutzt werden. Die Silberverbindung wird von siedender Salpetersäure sehr schwer gelöst und beim Erkalten krystallisirt die Doppelverbindung leicht aus. Zu der Salpetersäureprobe verhält sich das Guanin wie das Xanthin, giebt aber mit Alkali beim Erwärmen eine mehr blauviolette Farbe. Eine warme Lösuns: von 1) Zeitschr f. physinl Cheiii. 17. -) Uebcr die choni. Ziisaniniensetz. der Zelle. Verli. d. iihysiul. Gesellseh. zu Bcrliii 1890/91, Nr. 5 u. 6. 120 Fünftes Kapitel. salzsaurem Guaniii giebt mit kalt gesättigter Lösung von Pikrinsäure einen aus seideglänzenden Nadeln bestehenden, gelben Niederschlag (Capraxica). Mit einer konzentrirten Lösung von chronisaurem Kali giebt eine Guaninlösung eine kry- stallinische, orangerothe und mit einer konzentrirten Lösung von Ferricyan- kalium eine gelbbraune, krystalliuische Fällung (Capranica). Die Zusammen- setzung dieser und -anderer Guauin Verbindungen ist von Kos.sel und Wulff') näher studirt worden. Das Guanin giebt nicht die WEiDEL'sche Reaktion. HN— CO Hypoxanthin oder Sarkin, C^H.N^O = HC C — NH = ^>CH r,-Oxv- Vorkommen des Hypo- xautbius. N— C— N purin ist in denselben Geweben wie das Xanthin gefunden worden. Besonders reichlich kommt dasselbe im Sperma von Lachs und Karpfen vor. Das Hypo- xanthin findet sich auch im Knochenmark, in sehr geringer Menge im normalen Harn und, wie es scheint, auch in der Milch. Im Blut und Harn Leukämischer ist es in nicht unbedeutender Menge gefunden worden. Das Hypoxanthin bildet farblose, sehr kleine Kr^'stallnadelu. Es löst sich schwer in kaltem Wasser; die Angaben über seine Löslichkeit darin sind aber einander widersprechend^). In siedendem Wasser löst es sich leichter, in etwa 70 — 80 Theileu. In Alkohol löst es sich fast gar nicht, wird aber von Säuren und Alkalien gelöst. Die Verbindung mit ChlorwasserstofTsäure kry- stallisirt, ist aber weniger schwer löslich als die entsprechende Xanthinverbindung. In verdünnten Alkalien und Ammoniak wird es leicht gelöst. Die Silberverbin- dung löst sich schwer in siedender Salpetersäure. Beim Erkalten scheidet sich ein aus zwei Hypoxanthinsilbernitratverbindungeu bestehendes Gemenge von nicht konstanter Zusammensetzung aus. Behandelt man dieses Geinenge in der Wärme mit Ammoniak und überschüssigem Silbernitrat, so entsteht eine Hypoxanthin- silberverbindung, die nach dem Trocknen bei 120"' C. die konstante Zusammen- setzung 2(C5H2AgoN40)H20 bat und zur quantitativen Bestimmung des Hypo- xanthins sich eignet. Das Hypoxanthinpikrat ist schwerlöslich, bringt man aber eine siedende Lösung desselben mit einer neutralen oder nur schwach sauren Lösung von Silbernitrat zusammen , so wird das Hypoxanthin fast quantitativ ausgefällt als die Verbindung CäHgÄ-gN^O. C|;H2(N02)30H. Das Hypoxanthin giebt mit Metaphosphorsäure keine schwerlösliche Verbindung. Mit Salpeter- säure wie das Xanthin behandelt, giebt das Hypoxanthin einen fast ungefärbten Rückstand, welcher von Alkali beim Erwärmen nicht roth wird. Giebt die WEiDEL'sche Reaktion nicht. Nach Einwirkung von Salzsäure und Zink nimmt eine Hypoxanthinlösung bei Zusatz von überschüssigem Alkali eine erst rubin- rothe und dann braunrothe Farbe an (Kossel). Nach Flacher ^) tritt Roth- färbung schon in der sauren Lösung auf. 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 17; Capranica, ebenda 4. 2) Vergl. E. Fischer, Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 30. 3) KossEL, Zeitschr. f. physiol. Chem. 12 S. 252; E. Fischer, 1. c. AdeniD. 121 N— C . NHä I I Adenin C^H-Nj = HC C — N ■= 6-Aniinopurin wurde zuerst von II II \,CH N— C— NH/^" KossEL^) in der Pankreasdrüse gefunden. Es findet sich in allen kernhaltigen Zellen, kommt aber in grösster Menge im Sperma von Karpfen und iu der Thymusdrüse vor. Es ist auch in leukämischem Harne gefunden worden (Stadt- hagen ^). In reichliehen Mengen kann man es aus Theeblättern gewinnen. Das Adenin krystallisirt mit 3 Mol. Krystallwasser in langen Nadeln, die allmählich an der Luft aber viel rascher beim Erwärmen undurchsichtig werden. Erwärmt man die Krystalle langsam in einer zur Lösung ungenügen- den Menge Wasser, so werden sie bei -\- 53 " C. plötzlich getrübt — eine für das Adenin charakteristische Reaktion. Es löst sieh in 1086 Theilen kalten Wassers, in warmem Wasser ist es viel leichter löslich. Es ist unlöslich in Aether aber etjvas löslich in heissem Alkohol. In Säuren und Alkalien löst es sich leicht. Von Ammoniaklösung wird es leichter als Guanin aber schwerer Eigen- als Hypoxanthiu gelöst. Die Silberverbindung des Adenins ist schwer löslich ''Adenins. in warmer Salpetersäure und scheidet beim Erkalten ein krystallisirendes Ge- menge von Adeninsilbernitraten aus. Mit Pikrinsäure giebt das Adenin eine schwerlösliche Verbindung. C5H5N- . CgH^^NOgjgOH, welche leichter als das Hypoxanthinpikrat sich ausscheidet und zur quantitativen Bestimmung des Adenins benutzt werden kann. Es giebt ebenfalls eiu Adeninquecksilberpikrat. Mit Metaphosphorsäure giebt das Adenin, wenn die Lösung nicht zu verdünnt ist, einen im Ueberschuss der Säure löslichen Niederschlag. Das salzsaure Adenin giebt mit Goldchlorid eine, theils in blattförmigen Aggregaten und theils in würfelförmigen oder prismatischen Krystallen, oft mit abgestumpften Ecken, sich ausscheidende Doppelverbindung, die zur mikroskopischen Erkennung des Adenins geeignet ist. Der Salpetersäureprobe und der WEiUEL'schen Probe gegenüber verhält sich das Adenin wie das Hypoxanthin. Dasselbe gilt auch von dem Verhallen zu Salzsäure und Zink mit darauffolgendem Alkalizusatz Das Prinzip für die Darstellung und den Nachweis der vier oben ge- schilderten Xanthinkörper in Organen und Geweben ist nach Kossel und seinen Schülern folgendes: Die fein zertheilten Organe oder Gewebe werden 3 bis 4 Stunden mit Schwefelsäure von etwa 5 p. m. gekocht. Die abfiltrirte Flüssigkeit wird mit Bleiessig vom Eiweiss befreit, das neue Filtrat mit Schwefel- wasserstoff entbleit, von neuem filtrirt, konzentrirt und uach Zusatz von über- schüssigem Ammoniak mit ammoniakaiischer Silberlösung gefällt. Die Silber- ^^l Nach? Verbindungen werden (unter Zusatz von etwas Harnstoff, um Nitrirung zu ver- ^''j? ?"" hindern) in einer nicht zu grossen Menge siedender Salpetersäure von 1,1 sp. basen. Gew. gelöst und die Lösung siedend heiss filtrirt. Beim Erkalten bleibt das Xanthiusilbernitrat in Lösung, während die Doppelverbindungen von Guanin, Hypoxanthin und Adenin auskrystallisiren. Aus dem Filtrate von diesen Ver- !) Vergl. Zeitsehr. f. physiol. Cliem. 10 u. 12. -) ViRCHOW's Aich. 100. 122 Fünftes Kapitel. bindungen kann das Xanthinsilber mit Araniouiak ausgeschieden und aus dieser Verbindung das Xanthin mit Sclnvefelwasserstofl" frei gemacht werden. Die oben genannten drei Silbernitratverbindungen werden in Wasser mit Sehwefel- ammonium in der Wärme zersetzt; das Schwefelsilber wird abfiltrirt, das Filtrat konzentrirt, mit Ammoniak übersättigt und auf dem Wasserbade damit digerirt. Das Guanin bleibt dabei ungelöst zurück, während die zwei anderen Basen in . Lösung übergeben. Ein Theil des Guanins wird jedoch von dem Schwefelsilber zurückgehalten und kann durch Auskochen desselben mit verdünnter Salzäure und darauffolgendes Uebersättigen des Filtrates mit Ammoniak gewonnen werden. Beim Erkalten des obigen, von dem Guanin getrennten, adenin- und bypoxan- thinhaltigen Filtrates, welches wenn uöthig durch Verdunsten von Ammoniak weiter befreit wird, scheidet sich das Adenin aus, während das Hypoxanthin in Lösung bleibt. Nach Balke M kann man auch mit Vortheil die Xanthin- körper mit Kupfersalt und Hydrosylamin, wie oben erwähnt, ausscheiden und dann zu der weiteren Trennung derselben gehen. Die quantitative Bestimmung geschieht in den Hauptzügen nach dem oben geschilderten Verfahren. Das Xanthin wird als Xanthinsilber gewogen. Die drei Silbernitratverbindungen werden mit Ammoniak unter Zusatz von Silber- nitrat in die entsprechenden Silberverbindungen übergeführt und erst darauf lässt man Schwefelammonium auf die genau ausgewaschenen Silberverbindungen licstinun^^ einwirken. Das Guanin wird als solches gewogen. Das adenin- und hypo- ""s- xanthinhaltige, ammoniakalische Filtrat, welches nicht mit dem salzsauren Ex- trakte des Schwefelsilbers vermischt werden darf, neutralisirt man und setzt eine kalte konzentrirte Lösung von Natriumpikrat, bis die ganze Flüssigkeit sattgelb gefärbt ist, hinzu. Das Adeninpikrat wird sogleich abfiltrirt, auf dem Filter mit Wasser gewaschen, bei über lOO" C. getrocknet und gewogen. Das hypoxanthinhaltige Filtrat wird siedend heiss mit Silbernitrat allmählich versetzt und nach dem Erkalten mit Silbernitrat auf vollständige Ausfällung geprüft. Das Hypoxanthinsilberpikrat wird ausgewaschen, bei 100" C. getrocknet und gewogen. Ueber die Zusammensetzung der obigen Verbindungen vergl. oben S. 120 und 121. Diese Trennungsmethode des Adenins und Hypoxauthins setzt voraus, dass die Flüssigkeit keine Salzsäure enthält. Wegen der nicht unbedeutenden Löslichkeit des Guanins in warmem Ammoniak kann die obige, allgemein geübte Trennungsmethode mit Ammoniak nicht zu genauen Resultaten führen. Nach KossEL und Wulff'') kann mau deshalb das Guanin aus der hinreichend verdünnten Lösung mit überschüssiger Metaphosphorsäure ausfällen und den Stickstoffgehalt des ausgewaschenen Nieder- schlages nach K.iELDAHL bestimmen. Aus dem Filtrate fällt man das Adenin und Hypoxanthin mit ammoniakalischer Silberlösung aus. Die Silberverbind- ungen zersetzt man mit sein- verdünnter Salzsäure und verfährt dann zur Trennung des Adenins von dem Hypoxanthin nach Bp.uiixs (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. U. S. 559 u. 560). MineraJstoffe sind nie fehlende Bestandtheile der Zellen. Diese Mineral- stoffe sind Kalium und Natrium , Calcium , Magnesium , Eisen , Pbosphorsäure und Chlor. Bezüglich der Alkalien findet im Allgemeinen im Thierorganismus Mineral- ^ ^ _ Stoffe der das Vcrhältniss statt, dass die Natriumverbindungen vorzugsweise in den Säften, Zellen. . ^ . . . . . die Kaliumverbindungen dagegen oft hauptsächlich in den Formbestandtiieilen, 1) 1. c 2) Zcitsclir. f. physiol Chcm. 17 Mineralstoffe der Zellen. 123 in dem Protoplasma, vorkommen. In Uebereinstimmung hiermit enthält auch die Zelle vorzugsweise Kalium, hauptsächlich als Phosphat, während die Natrium- und die Chlorverbindungen weniger reichlich in ihr vorkommen. Nach der ge- wöhnlichen Ansicht sollen auch die Kaliumverbindungen, besonders das Kalium- phosphat, von grosser Bedeutung für das Leben und die Entwickelung der Zelle sein, wenn auch die Art dieser Bedeutung noch unbekannt ist. Hinsichtlich der Phosphorsäure dürfte dagegen wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen können, dass ihre Bedeutung zum wesentlichen Theil darin liegt, dass sie bei der Entstehung des Lecithins und Xukleins sich betheiligt und dadurch indirekt die von dem Zellkerne abhängigen Vorgänge des Wachs- thums und der Theilung der Zellen ermöglicht. Durch Züchtungsversuche an der Alge Spirogyra hat Loew^) in der That gezeigt, dass nur bei Zufuhr von stotfe der Phosphaten (in seinen Versuchen Kaliumphosphat) Ernährung des Zellkernes und damit Wachsthum und Theilung der Zellen ermöglicht werden. Ohne Phosphatzufuhr können die Zellen von Spirogyren zwar längere Zeit leben und sowohl Stärke als Eiweiss produziren, doch leidet dabei Wachsthum und Vermehrung. Das Eisen scheint besonders in dem Kerne vorzukommen, denn die Xu- kleine sind besonders reich daran. Das regelmässige Vorkommen von Erd- phosphaten in allen Zellen und Geweben, wie auch die Schwierigkeit oder fast richtiger Unmöglichkeit, diese Stoffe von den Proteinsubstanzen ohne Deuatu- rirung der letzteren zu trennen, legt die Vermuthung nahe, dass diese Jlineral- stoffe von einer zwar noch unbekannten aber jedenfalls grossen Bedeutung für das Leben der Zelle und die chemischen Vorgänge innerhalb derselben seien. Die Unentbehrlichkeit der Kalksalze für die Pflanzen , mit Ausnahme von einigen niederen Formen, ist auch durch die Untersuchungen von LoEW ") und Anderen sicher dargethan worden. 1) Biologisches Centralblatt. 11. S. 269. ä) Vergl. Botanisches Centralbl. 74. Sechstes Kapitel. Das Blut. Das Blut ist in gewisser Hinsicht als ein flüssiges Gewebe zu betrachten stind^hetie ""'^ ^^ besteht aus einer durchsichtigen Flüssigkeit, dem Blutplasma, in welchem des Blutes, gjj^g ungeheuere Menge von festen Partikelchen, die rothen und farblosen Blut- hörperchen (und die Bliitplättclien) suspendirt sind. Im Blute findet man auch Schollen verschiedener Art, die als Umwandlungsprodukte der Formelemente anzusehen sind '). Ausserhalb des Organismus gerinnt das Blut bekanntlich rascher oder langsamer, im Allgemeinen aber binnen einigen Minuten nach dem Aderlasse. Alle Blutarten gerinnen nicht mit derselben Geschwindigkeit. Die einen gerinnen rascher, die anderen langsamer. Bei den Wirbelthieren mit gekernten Blut- körperchen (Vögeln, Reptilien, Batrachiern und Fischen) gerinnt das Blut, wie Delezenne') gezeigt hat, äusserst langsam, wenn man es unter sorgfältiger Ver- meidung der Berührung mit den Geweben auffängt. Bei Berührung mit den Geweben oder mit Gewebsextrakten gerinnt es dagegen nach wenigen Minuten. Da.s Blut mit kernlosen Blutkörperchen (von Säugethieren) gerinnt dagegen sehr rasch. Unter den bisher näher untersuchten Blutarten von Säugethieren gerinnt aber das Pferdeblut am langsamsten. Durch rasches Abkühlen kann die Ge- rinnung mehr oder weniger verzögert werden; und wenn man Pferdeblut direkt aus der Ader in einen nicht zu weiten, stark abgekühlten Glascylinder einströmen und dann bei etwa 0" C abgekühlt stehen lässt, kann das Blut mehrere Tage flüssig bleiben. Es trennt sich dabei allmählich in eine obere, bernsteingelbe, aus Plasma, und eine untere rotbe, aus Blutkörperchen mit nur wenig Plasma bestehende Schicht. Zwischen beiden sieht man eine weisslich graue Schicht, welche aus weissen Blutkörperchen besteht. Das so gewonnene Plasma ist nach dem Filtriren eine klare, bernstein- gelbe, alkalische Flüssigkeit, welche bei etwa 0*0. längere Zeit flüssig gehalten werden kann, bei Zimmertemperatur aber bald gerinnt. 1) Vergl. Latschenberger, Wien. Sitzuni,'sber. 105. 2) Compt. rend. Soc. de Biol. 49. Blutgerinnung. 125 Die Gerinnung des Blutes kann auch in anderer Weise verhindert werden. Nach Injektion von Pepton- oder richtiger Albumoselösung in die Blutmasse (an lebenden Hunden) gerinnt das Blut nach dem Aderlasse nicht (Fand, Schmidt- Mülheim ^). Das aus solchem Blute durch Centrifugiren gewonnene Plasma wird Peptonplasma genannt. Wie die Fil^rinalbumosen wirken nach Arthus und Huber-) beim Hunde auch die Kaseosen und Gelatosen. Auch durch Injektion von einer Infusion auf die Mundtheile des offizinelleu Blutesels in den Blutstrom T'^''?""'*'^® ö Oermnuag. wird die Gerinnung des Blutes warmblütiger Thiere verhindert (Haygraft ^). Lässt man das Blut direkt aus der Ader in Neutralsalzlösung, am besten in eine gesättigte Magnesiumsulfatlösung (1 Vol. Salzlösung und 3 Vol. Blut), unter Umrühren einfliessen, so erhält man ein Blut-Salzgemenge, welches tagelang ungeronnen bleibt. Die Blutkörperchen, welche in Folge ihrer Klebrigkeit und Elastizität sonst leicht durch die Poren eines Papierfiltrums hindurchschlüpfen, werden durch das Salz mehr fest und steif, so dass sie leicht abfiltrirt werden können. Das so gewonnene, nicht spontan gerinnende Plasma wird „Sah- plasma" genannt. Eine besonders gute Methode zur Verhinderung der Gerinnung des Blutes besteht darin, dass man nach dem Verfahren von Arthus und Pages'*) das Blut in so viel einer verdünnten Kaliumoxalatlösung auffängt, dass das Gemenge 0,1 p. c. Oxalat enthält. Die lösliehen Kalksalze des Blutes werden von dem Oxalate gefällt und hierdurch verliert das Blut seine Gerinnungsfähigkeit. Anderer- seits können aber auch die Chloride von Calcium, Baryum und Strontium, wie HoRNE*) fand, wenn sie in grösserer Menge, bis zu 2 — 3 p. c, vorhanden sind, die Gerinnung mehrere Tage verhindern. Bei der Gerinnung scheidet sieh in dem vorher flüssigen Blute ein unlös- licher oder sehr schwer löslicher EiweissstofT, das Fibrin, aus. Wenn diese Ausscheidung in der Ruhe geschieht, gerinnt das Blut zu einer festen Masse, welche, wenn sie am oberen Rande von der Wandung des Gefässes vorsichtig getrennt wird, allmählich unter Auspressung von einer klaren, gewöhnlich gelb- gefärbten Flüssigkeit, dem Blutserum, sich zusammenzieht. Das feste Gesinnsel, welches die Blutkörperchen einschliesst, nennt man J5Z«&(CÄe«(PIacentaSanguinis). Bi'utkuSeii Wird das Blut während der Gerinnung geschlagen, so scheidet sich das Fibrin cruor. als elastische Fasern oder faserige Massen ab, und das von ihnen getrennte defibrinirte Blut, bisweilen auch Crtior ^) genannt, besteht aus Blutkörperchen 1) Fano, Du Bois-Kevmond's Areh. 1881. Schmidt-Mülheim, ebenda 1880. 2) Aich. de physiol. (5) 8. 3) Proo. physiol. Soc. 1884. S. 13 und Arch. f. exp. Patli. u. Pharm. 18. 4) Arehires de Physiol. (5.) 2. und Compt. rend, 112. 5) Journ. of Physiol. 19. 6) Der Name Cruor wird jedoch in verschiedenem Sinne gebraucht. Mau versteht dar- unter bisweilen nur das zu einer rothen Masse fest geronnene Blut, in anderen Fällen da- gegen den Blutlvuchen , nach der Abtrennung des Serums , und endlich bisweilen auch den aus defibrinirtem Blute durch Centrifugiren gewonnenen oder nach einigem Stehen auftretenden, aus rothen Blutkörperchen bestehenden Bodensatz. 126 Sechstes Kapitel. und Blutserum. Das defibrinirte Blut besteht also aus Blutkörperchen und Serum , das ungeronnene Blut dagegen aus Blutkörperchen und Blutplasma. Der wesentlichste ehemische Unterschied zwischen Blutserum und Blutplasma liegt dagegen darin , dass in dem Blutserum die im Blutplasma vorkommende IVtuttersubstanz des Fibrins — das Fibrinogen — nicht oder nur spurenweise vorkommt, während das Serum verhältnissmässig reich an einem anderen Stoffe, dem Fibriufermente (vergl. S. 128), ist. I. Blutplasma und Blutserum. Das Blutplasma. Bei der Gerinnung des Blutes findet in dem Plasma eine chemische Um- setzung statt. Ein Theil von dem Eiweisse desselben scheidet sich als unlös- Eiwciss- =■ . Stoffe des lieber Faserstoff ab. Die Eiweissstoffe des Plasmas müssen also in erster Linie Blutplasmas besprochen werden, und diese Eiweissstoffe sind — in so weit als sie bisher näher studirt worden sind — Fibrinoycu, Serumglobulin und Serumalbmnin. Das Fibrinogen kommt iu Blutplasma, Chylus, Lymphe und in einigen Trans- und Exsudaten vor'). Es hat die allgemeinen Eigenschaften der Glo- buline, unterscheidet sich aber von anderen Globulinen durch Folgendes. In feuchtem Zustande stellt es weisse, zu einer zähen, elastischen Masse oder Klümpchen leicht sieh zusammenballende, in verdünnter Kochsalzlösung lösliche Flöckchen dar. Die Lösung in NaCl von ö — 10 p. c. koagulirt beim Erwärmen auf -\- 52 ii 55 •• C. und die kochsalzarme, äusserst schwach alkalische oder fast neutrale Lösung gerinnt bei -f" 56" C. oder ganz derselben Temperatur, bei welcher das Blutplasma selbst gerinnt. B^ibrinogenlösungen werden von einem Eigen- gleichen Volumen gesättigter Kochsalzlösung gefällt, und von NaCl in Substanz Fibrinogens, im Ueberschusse können sie ganz vollständig gefällt werden (Unterschied von Serumglobulin). Eine mit möglichst wenig Alkali bereitete salzfreie Lösung von Fibrinogen giebt mit CaCl, einen bald unlöslich werdenden kalkhaltigen Nieder- schlag. Bei Gegenwart von NaCl oder bei Zusatz von überschüssigem CaCljj tritt der Niederschlag nicht auf^). Von dem bei etwa derselben Temperatur gerinnenden Myosin der Muskeln, wie auch von anderen Eiweisskörpern, unter- scheidet es sich durch die Eigenschaft, unter gewissen Verhältnissen in Faser- stoff übergehen zu können. Das Fibrinogen wirkt kräftig zersetzend auf Wasser- stoffhyperoxyd. Durch Ausfällung mit Wasser oder mit verdünnter Säure wird es bald unlöslich^). Die sp. Drehung ist nach Mittelbach •*) : a{D) = — 52,5*^'. 1) Die Frage von dem Vorkommen anderer Fibrinogene (WoOLDKIDGE) soll bei der ausführlicheren Besprechung der Gerinnung des Blutes (s. weiter unten) auch berührt werden. 2) Vergl. Hammarsten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22 und Cramer, ebenda 23. 3J Bezüglich des Fibrinogens wird im übrigen auf die Aufsätze des Verf. in PflI'ger's Arch. 19 und 22 verwieseu. ■1) Zcitsclir. f. i)liysiol. Chem. 19. Fibrinogen und Fibrin. 127 Aus dem Salzplasma oder Oxalatplasma kann das Fibrinogen leicht durch Ausfäliung mit dem gleichen Volumen gesättigter NaCl-Lösung abgeschieden werden. Zur weiteren Reinigung wird der Niederschlag ausgepresst, in Koch- salzlösung von etwa 8 p. c. aufgelöst, das Filtrat mit gesättigter Kochsalzlösung wie oben gefällt und, nachdem auf diese Weise 3 mal mit NaCl-Lösung gefällt ■worden ist, die zuletzt erhaltene, zwischen Papier ausgepresste Fällung in Wasser fein zertheilt. Das Fibrinogen löst sich dann mit Hilfe der in dem Nieder- schlage eingeschlossenen kleinen Kochsalzmenge, und die Lösung kann durch u.u-stcUunj Dialyse gegen äusserst schwach alkalisches Wasser salzfrei gewonnen werden. pj,„.iQ''oggn. Nach Reye') kann man auch das Fibrinogen durch fraktionirte Fällung des Plasmas mit gesättigter Ammoniumsulfatlösung darstellen. Ueber die Reinheit des so gewonnenen Filarinogens liegen jedoch noch keine Erfahrungen vor. Aus Trans- sudaten erhält man gewöhnlich ein von Lecithin stark verunreinigtes Fibrinogen, welches ohne Zersetzung kaum rein zu gewinnen ist. Die Methoden zum Nach- weise und zur quantitativen Bestimmung des Fibrinogens in einer Flüssigkeit gründeten sich früher auf der Eigenschaft desselben bei Zusatz von ein wenig Blut, von Serum oder Fibrinferment Faserstoff zu liefern. Zur quantitativen Bestimmung hat Reye die fraktionirte Fällung mit Ammoniumsulfut vorgeschlagen. Die Brauchbarkeit deiser Methode ist noch nicht hinreichend geprüft worden. Dem Fibrinogen schliesst sich das Uniwandlungsprodukt desselben, das Fibrin, nahe an. Fibrin oder Faserstoff nennt man denjenigen Eiweissstoff, welcher bei der sogenannten spontanen Gerinnung von Blut, Lymphe und Transsudaten wie auch bei der Gerinnung einer Fibrinogenlösung nach Zusatz von Serum oder Fibrinferment (vergl. unten) sich ausscheidet. Wird das Blut während der Gerinnung geschlagen, so scheidet sich der Faserstoff als elastische, faserige Massen aus. Das Fibrin des Blutkuchens kann dagegen leicht zu kleinen, weniger elastischen und nicht besonders faserigen Klümpchen zerrührt werden. Der typische, faserige und elastische, nach dem Auswaschen weisse Faserstoff steht bezüglich seiner Löslichkeit den koagulirten Ei Weissstoffen nahe. In Wasser, Alkohol oder Aether ist er unlöslich. In Salz- Eigen- . TiT 1 -n sfhaftendt säure von 1 p. m., wie auch m Kali- resp. Natronlauge von 1 p. ra., quillt er Fibrins, stark zu einer gallertähnlichen Masse auf, die bei Zimmertemperatur erst nach mehreren Tagen, bei Körpertemperatur zwar leichter, aber jedenfalls auch nur langsam sich löst. Von verdünnten Neutralsalzlösungen kann der Faserstoff nach längerer Zeit bei Zimmertemperatur, bei 40" C. viel leichter, gelöst werden und die Lösung findet, wie Arthus und Hubert und auch Dastre^) gezeigt haben, ohne Mitwirkung von Mikroorganismen statt. Bei dieser Lösung ent- stehen nach Green und Dastre^) zwei Globuline. Das Fibrin zerlegt Wasser- stoffhyperoxyd, büsst aber diese Fähigkeit durch Erhitzen oder durch Einwirkung von Alkohol ein. 1) W. Reve, Ueber Nachweis und Bestiniranne; des Fibrinogens. Inaug.-Dissert. Strass- burg 1898. 2) Arthüs und Hubert, Arch. de pbysiol. (5) 5. Dastke, ebenda (ö) 7. 3) Geben, Journal of Physiol. 8; Dastre 1. c. 128 Sechstes Kapitel. Das oben von der Löslichkeit des Faserstoßes Gesagte bezieht sich nur auf das typische, aus dem arteriellen Blute von Rindern oder Menschen durch Schlagen gewonnene, erst mit Wasser, dann mit Kochsalzlösung und zuletzt wieder mit Wasser gewaschene Fibrin. Das Blut verschiedener Thierarten liefert einen Faserstoff von etwas abweichenden Eigenschaften, und nach Fermi') löst sich also beispielsweise das Schweinefibrin in Salzsäure von 5 p. m. viel leichter als Rinderfibrin. Fibrine von ungleicher Reinheit oder von Blut aus verschiedenen Gefässbezirken stammend, können auch eine etwas ungleiche Löslichkeit zeigen. Das durch Schlagen des Blutes gewonnene, wie oben gereinigte Fibrin ist stets von eingeschlossenen entfärbten rothen Blutkörperchen oder Resten davon und von lymphoiden Zellen verunreinigt. Rein wird es nur aus filtrirtem Darstellung Plasma oder filtrirten Transsudaten gewonnen. Zur Reindarstellung wie auch es 1 nns. ^^^ quantitativen Bestimmung des Fibrins werden die spontan gerinnenden Flüssigkeiten direkt, die nicht spontan gerinnenden erst nach Zusatz von Blut- serum oder Fibrinfermentlösung mit einem Fischbeinstabe stark geschlagen, die ausgeschiedenen Gerinnsel erst mit Wasser, dann mit einer 5 procentigen Koch- salzlösung, darauf wieder mit Wasser gewaschen und zuletzt mit Alkohol und Aether extrahirt. Lässt man das Fibrin mit dem Blute, in welchem es ent- standen ist, einige Zeit in Berührung, so wird es nach Dastre^) zum Theil gelöst (Fibrinolyse). Für eine genaue quantitative Bestimmung des Fibrins ist die Vermeidung dieser Fibrinolyse von Wichtigkeit (Dastre). Eine reine Fibrinogealösung kann bei Zimmertemperatur bis zu beginnen- der Fäulniss aufbewahrt werden, ohne die Spur einer Faserstoffgerinnung zu zeigen. Wird dagegen in eine solche Lösung ein mit Wasser ausgewaschenes Fibringerinnsel eingetragen oder setzt man ihr ein wenig Blutserum zu, so ge- rinnt sie bald und kann einen ganz typischen Faserstoff liefern. Zur Umsetzung des Fibrinogens in Fibrin ist also die Gegenwart eines anderen, in den Blut- gerinnseln und im Serum enthaltenen Stoffes erforderlich. Dieser Stoff, dessen Bedeutung für die Faserstoffgerinnung zuerst von Buchanan'*) beobachtet wurde, „, , . ist später von Alex. Schmidt^), welcher ihn von Neuem entdeckte, als „Fibrin- Thrombiii ' ^ t f! ih^ ^h°' /e^'W'f ^" '^^^^ Thrombin bezeichnet worden. Die Natur dieses enzymartigen Stoffes hat man noch nicht sicher ermitteln können. Während mehrere, be- sonders englische Forscher das Fibrinferment als ein Globulin auffassten, soll es dagegen nach neueren Untersuchungen von Pekelharing ^) u. A. ein Nukleo- proteid sein. Das Fibrinfermeut entsteht nach Pekelharing unter dem Ein- 1) Zcitschr. f. Biologie. 28. 'i) Arehives de Physiol. (5) ä u. G. 3) London, med. Gazette 1845. S. 617. Cit. nach Gamgee, Journal of Physiol. 1879. i) Pflügee's Areh.6; ferner Zur Blutlehre 1892 u. Weitere Beiträge zur Blutlehre 1895. 5) Pekelharing, Unters, über das Fibrinferment. Verhandl. d. Kon. Akad. d. Wetens. Amsterdam 1892 Deel. 1; ebenda 1895 u. Centralbl. f. physiol. 9. Wkigth, Proc. of Koy. Irish Akad. (3) 2, The Laneet 1892 und: On Wooldeidges Method. etc., British, med. Journal 1891, Lilie.nfeld, Hämatol. Untersuch., Du Bois-Reymokd's Arch. 1892 und: Ueber Leukocyten und Blutgerinnung, ebenda, IIallibueton xmd Bkobie, Journal of Physiol. 17 u. 18. Thrombin und Fibrinbildang. 129 flusse von löslichen Kalksalzen aus einem in dem spontan nicht gerinnenden Plasma vorhandenen Zymogen. Auch Schmidt nahm eine derartige Mutter- substanz des Fibrinfermentes im Blute an und er nannte sie Prothrombin. Das Prothrombin ist ebenso wie das Thrombin schwerlöslicher in überschüssiger Essigsäure als die Globuline und es liefert bei der Pepsinverdauung ein Nuklein. d,,,^™,];,, Mit anderen Enz3'men stimmt das Thrombin darin überein , dass es schon in äusserst kleiner Menge seine Wirkung entfaltet, und ferner darin, dass es beim Erhitzen seiner Lösung unwirksam wird. Das Optimum seiner Wirkung liegt bei ungefähr 40" C. Das Prothrombin wird nach Pekelharing bei etwa -\- 65" C, das Throrabin bei derselben oder bisweilen bei einer etwas höheren Temperatur, 70 — 75" C, zerstört. Die Isolirung des Thrombins ist auf mehrere Weise versucht worden. Gewöhnlich wird es jedoch nach der folgenden, von Alex. Schmidt i) ange- gebenen Methode dargestellt. Man fällt Serum oder defibrinirtes Blut mit dem 15 — 20fachen Volumen Alkohol und lässt es einige Monate stehen. Der Nieder- schlag wird dann abfiltrirt und über Schwefelsäure getrocknet. Aus dem ge- trockneten Pulver kann das Ferment mit Wasser extrahirt werden. Andere Methoden sind vom Verf. und von Pekelharing^) angegeben worden. Zur Darstellung möglichst kalkarmer Thrombinlösungen empfiehlt es sich, das mit Oxalat von Kalksalzen befreite Serum mit Alkohol zu fällen und monate- lang unter Alkohol aufzubewahren. Das trockene Pulver wird mit Wasser zer- rieben und durch wiederholtes kurzdauerndes Aufschlemmen in Wasser und Dars^eUung Ceutrifugiren von löslichen Salzen befreit. Dann lässt man es mit Wasser Thrombius. — 100 ä 150 ecm auf je 1 g Pulver • — einige Zeit stehen, filtrirt und erhält in der Weise Lösungen, die nur etwa 0,3 — 0,4 p. m. feste Stoffe und etwa 0,0007 p. m. CaO enthalten (Verf.). Wird eine, wie oben angegeben, dargestellte salzhaltige Lösung von Fibri- nogen mit einer Lösung von „Fibrinfermeut" versetzt, so gerinnt sie bei Zimmer- temperatur mehr oder weniger rasch und liefert dabei ein ganz typisches Fibrin. Ausser dem Fibrinfermente ist dabei jedoch auch die Gegenwart von Neutralsalz ein nothwendiges Bedingniss, ohne welches, wie Alex. Schmidt gezeigt hat, die Faserstoft'gerinnung überhaupt nicht von Statten geht. Die Gegenwart von lös- lichem Kalksalz ist dagegen nicht, wie man mit Arthus allgemein angenommen hat, eine unerlässliche Bedingung für die Fibrinbildung, indem nämlich, wie Alex. Schmidt, Pekelharing und Verf. 3) gezeigt haben, das Thrombin auch bei Abwesenheit von mit Oxalat fällbarem Kalksalz das Fibrinogen in typisches Fibrin umsetzt. Die Menge Faserstoff, welche bei der Gerinnung entsteht, ist stets kleiner als die Men^e Fibrinogen, aus welcher das Fibrin hervorgeht, und '^ =• ' Fibiinbild- es bleibt dabei stets eine kleine Menge Proteinsubstanz in Lösung zurück. Esungausdem ist deshalb wohl auch möglich, dass die Faserstoffgerinnung, in Uebereinstimm- IJ PflÜGER's Arch. 6. ü) Hammarsten, PflÜGER's Arch. 18, S. 89. Pekelharing 1. c. 3) Vergl. Hammaksten, Zeitschr. f. physiol. Chcin. 22, wo die Arbeiten von Schmidt und Pekelharing citirt sind. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 9 130 Sechstes Kapitel. ung mit einer zuerst von Denis ausgesprochenen Ansicht, ein Spaltungsvorgang sei, bei welchem das lösliche Fibrinogen in einen unlöslichen Eiweissstoff, das Fibrin, welches die Hauptmasse darstellt, und eine lösliche Proteiiisubstanz, welche nur in geringer Menge gebildet wird, sich spaltet. Man findet in der That auch sowohl iin Blutserum wie in dem Serum geronnener Fibrinogen- lösuugen eine, bei etwa -)- 64" C. gerinnende, globulinähnliche Substanz, die vom Verf. Fibringlobulin genannt wurde. Die Frage, ob diese Substanz von vorneherein als Verunreinigung in der Fibrinogenlösung enthalten sei oder ob sie ein wahres Spaltungsprodukt darstelle, hat man indessen noch nicht ganz sicher entscheiden können. Es giebt auch andere Ansichten über das Wesen des Gerianungsvorganges bei der Fibrinbildung, die indessen noch weniger sicher begründet sind. Die Thatsache, dass die löslichen Kalksalze für die Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin nicht nothwendig sind, steht nicht im Widerspruche mit der anderen Kaiksaize Thatsache, dass sie für die Gerinnung des Blutes oder Plasmas anwesend sein und ' ^ GeriDnung. müggen. Dieser scheinbare AViderspruch lässt sich nämlich, wie später gezeigt werden soll, durch besondere Verhältnisse des Blutplasmas erklären und man darf nicht übersehen, . dass die Gerinnung des Blutes ein weit mehr verwickelter Vorgang als die Gerinnung einer Fibrinogenlösung ist, insoferne als bei der ersteren auch andere Fragen, wie die Ursache des Flüssigbleibens des Blutes im Körper, der Ursprung des Fibrinfermentes, die Bedeutung der Formelemente für die Gerinnung u. a. in den Vordergrund treten. Ein näheres Eingehen auf die verschiedenen Hypothesen und Theorien der Blutgerinnung kann des- halb auch erst später geschehen. Serumglobulin, von Kühne Paraglobulin, von Alex. Schmidt fibrinoplastisclie Substanz und von Panüm *) Serumkasein genannt, kommt voikomnitn JQ Plasma, Serum, Lymphe, Trans- und Exsudaten, weissen und rothen Blut- iles Serum- ' ' j r ' ^ giobuiins. körperchen und wahrscheinlich in mehreren thierischen Geweben und Form- elementen , wenn auch in kleiner Menge, vor. Findet sich auch im Harne in mehreren Krankheiten. Das Serumglobulin ist ohne Zweifel keine einheitliche Substanz, sondern ein Gemenge von zwei oder mehreren Protei'nsubstanzen , deren vollständige und sichere Trennung von einander noch nicht gelungen ist. Bei dieser Sach- lage müssen die Angaben über die Eigenschaften des Serumglobulins natürlich etwas unsicher sein. Nach den bisherigen Erfahrungen hat es folgende Eigen- schaften. Es hat die allgemeinen Eigenschaften der Globuline. In feuchtem Zu- stande stellt es eine schneeweisse, feinflockige, gar nicht zähe oder elastische Masse dar. Wesentliche Unterschiede zwischen Serumglobulin und Fibrinogen sind übrigens folgende. Serumglobulinlösungen werden von NaCl, bis zur Sätti- 1) KÜHNE, Lehrbuch d. physiol. Chem. Al. Schmidt, Arch. f. Annt. u. Physiol. 1861 u. 1862. Pantjm, Vikchow's Arch. 3 u. l. Serumelobulin und Serumalbumin. 131 gung eingetragen, nur unvollständig und von dem gleichen Volumen gesättigter Eigen- Kochsalzlösung gar nicht gefällt. Die Gerinnungstemperatur ist bei einem Ge-^'ser^,.'"' halte von 5—10 p.c. NaCl in der Lösung -|- 75" C. Von MgSO^ in Sub- siobuiins. stanz, bis zur Sättigung eingetragen , wie auch von dem gleichen Volumen ge- sättigter Ammoniumsulfatlösung wird eine Serumglobulinlösung vollständig gefällt. Die sp. Drehung in salzhaltiger Lösung ist für Serumglobulin aus Rinderblut nach FredericqI) a(D) = — 47,8». Nach K. MÖRNER giebt das Serumglobulin beim Sieden mit einer ver- dünnten Mineralsäure eine reduzirende Substanz. Ob dies daher rührt, dass die bisher als Serumglobulin bezeichnete Substanz ein Glykoproteid ist, oder daher, dass sie ein Gemenge von Globulin mit einem Glykoproteid darstellt, darüber wissen wir gegenwärtig nichts Sicheres. Nach Zaxetti soll indessen das Blut- serum ein Glykoproteid enthalten^). Serumglobulin kann leicht aus Blutserum durch Neutralisation oder schwaches Ansäuren desselben mit Essigsäure und darauffolgende Verdünnung mit 10 bis 20 Vol. Wasser als eine feinflockige Fällung ausgeschieden werden. Zur weiteren Darstellung. Reinigung löst man den Niederschlag in verdünnter Kochsalzlösung oder in Wasser mit Hilfe von möglichst wenig Alkali und fällt dann von Neuem durch Verdünnen mit Wasser, bezw. durch Zusatz von ein wenig Essigsäure. Auch mittels Älagnesium- oder Ammoniumsulfat kann das Serumglobulin aus dem Serum ausgeschieden werden; in diesem Falle ist es aber schwierig, die Salze durch Dialyse vollständig zu entfernen. Das aus Blutserum dargestellte Serum- globulin ist stets von Lecithin und Thrombin verunreinigt. Ein von Fibrin- ferment nicht verunreinigtes Serumglobulin kann aus fermentfreien Transsudaten, wie bisweilen aus Hydrocelflüssigkeiten, dargestellt werden, was also zeigt, dass Serumglobulin und Thrombin verschiedene StoiTe sind. Zum Nachweise und zur quantitativen Bestimmung des Serumglobulins kann man die Ausfällung mit Magnesiumsulfat bis zur Sättigung (Verf.) oder mit dem gleichen Volumen einer gesättigten neutralen Ammoniumsulfatlösung (Hofmeister und Kavder und PoHL^) benutzen. Der Niederschlag wird behufs der quantitativen Be- Bestimm- '^ Stimmung auf ein gewogenes Filtrum gesammelt, mit der fraglichen Salzlösung "°^- gewaschen, bei etwa 115'^ C. mit dem Filtrum getrocknet, dann mit kochend heissem Wasser zur vollständigen Entfernung der Salze ausgewaschen, mit Alkohol und Aether extrahirt, getrocknet, gewogen und zur Bestimmung der Asche verbrannt. Serumalbumin findet sich in reichlicher Menge in Blutserum, Blut- plasma, Lymphe, Ex- und Transsudaten. Wahrscheinlich findet es sich auch in anderen thierischen Flüssigkeiten und Geweben. Dasjenige Ei weiss, welches ^"s g^e"^," unter pathologischen Verhältnissen in den Harn übergeht, besteht zu grossem, •''"'"°"°'*- oft zum grössten Theil aus Serumalbumin. 1) Bull. Acad. Eoy. de Belg. (2) 50. Vergl. über das Paraglobulin im Uebrigen Hammaksten, Pflüger's Arch. 17 u. IS. ■i) JIÖRNEK, Centralbl. f. Physiol. 7. Za.netti, Chem. Centralbl. 1898. 1, S. 624. 3) Hammaksten I. c. , Hofmeister, Kauder und Pohl, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 20. 132 Sechstes Kapitel. In trockenem Zustande ist das Serumalbumin eine durchsichtige, gummi- ähnliche, spröde, hygroskopische Masse oder ein weisses Pulver, welches, ohne sich zu zersetzen, auf 100" C. erhitzt werden kann. Die Lösung in Wasser giebt die gewöhnlichen Reaktionen der Albumine; die sp. Drehung wie auch die Gerinnungstemperatur hat man etwas wechselnd gefunden , was in erster Linie daher rührt, dass das Serumalbumin, wie es früher dargestellt wurde, ein Gemenge von mehreren Albuminen war. Dies ist zuerst von Halliburton ge- zeigt worden, der drei bei verschiedenen Temperaturen gerinnende Serumalbumine, Serine, beobachtet hatte. Gürber hat im Pferdeblutserum ebenfalls drei ver- schiedene Serine gefunden, von denen zwei krystallisiren und das dritte amorph war. Für das krystallisirende Serin in dialysirter, salzfreier Lösung fand Michel') die Gerinnungstemperatur 51 — 54" C. ; sie stieg mit dem Salzgehalte. Die sp. SL-iiaften der Drehung war a(D) = — 61". Die elementare Zusammensetzung war fast die- aibumine. selbe wie die für das Gemenge der Albumine aus Pferdeblutserum vom Verf. gefundene (vergl. S. 133). Das eine Serin krystallisirte in hexagonalen Prismen, das andere in langen Nadeln. Die Gerinnung des Albumingemenges aus Serum geschieht gewöhnlich bei 70 — 85" C, hängt aber wesentlich von der Reaktion und dem Salzgehalte ab. Die sp. Drehung desselben ist a(D) = — 62,6 — 64,6". Eine Lösung von Serumalbumin ist noch nie mit Sicherheit ganz frei von Mineralstoffen erhalten worden. Eine möglichst salzarme Lösung gerinnt weder beim Kochen noch nach Zusatz von Alkohol. Nach Zusatz von ein wenig Kochsalz gerinnt sie dagegen in beiden Fällen -). Das Serumalbumin unterscheidet sich von dem Albumin des Hühner- eiweisses dadurch, dass es stärker nach links dreht, dass seine durch starke tJnter- Salzsäure erzeugte Fällung in einem Ueberschusse der Säure sich leicht wieder dem löst, dass CS von Alkohol weit weniger leicht unlöslich wird, und endlich da- durch, dass es innerhalb des Organismus sich anders verhält. Das Eialbumin, in die Blutbahn eingeführt, geht nämlich in den Harn über, das Serumalbumin derselben Thierart von demselben Geschlechte dagegen nicht'). Zur Darstellung des Serumalbumingenieuges entfernt man nach Johansson zuerst das Globulin durch Sättigung mit Magnesiumsulfat bei etwa -[-30" C. und filtrirt bei derselben Temperatur. Das erkaltete Filtrat wird von dem aus- krystallisirten Salze getrennt und mit Essigsäure bis zu gegen 1 p. e. versetzt. Der entstandene Niederschlag wird abfiltrirt, ausgepresst, in Wasser unter Zu- Darsteiiiing sEtz vou Alkali ZU neutraler Reaktion gelöst und die Lösung dann durch Dia- "t"t- ''"r"*'" lyse von Salzen befreit. Aus der dialysirten Lösung kann das Albumingemenge Stimmung, in fester Form erhalten werden entweder durch Eintrocknen der Lösung in ge- linder Wärme oder auch durch Ausfällung mit Alkohol, welcher dann rasch 1) Hailibukton, Journal of Physiol. 5 u. 7. GÜKBER, Sitzungsber. d. phys.-med. GeseUsch. zu Würzburg 1894, S. 143; A. Michel, Verhandl. d. phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg. 29, Nr. 3. -) Ceber die Bezieh, d. Neutralsalzc zur Hifzegerinnung vcrgl. mar : J. Stakke, Sitzungsber. d. GeseUsch. f. Morph, u. Physiol. in München 1897. 3) Vergl. O. Weiss, Pflügee's Arcli. 65 u. 68. Blutserum. 133 entfernt wird. Ein anderes, ebenfalls gutes Verfahren rührt von Starke i) her. Das krystallisirte Serumalbumin erhält man aus dem durch halbe Sättigung mit Animoniumsulfat von Globulin befreiten Serum durch Zusatz von mehr Salz bis zur Trübung und weiteres Verfahren, wie in den Arbeiten von Gürber Darstellung und Michel näher angegeben ist. Durch Ansäuren mit Essigsäure, nach den und quanü- Angaben von Hopkins und Pinkus-), kann die Krystallisation wesentlich be- gtinunung. schleunigt werden. Zum Nachweise und zur quantitativen Bestimmung des Serumalljumins kann man das von dem mit Magnesiumsulfat ausgeschiedenen Globulin getrennte Filtrat zum Sieden, wenn nöthig nach Zusatz von ein wenig Essigsäure, erhitzen. Am einfachsten wird die Menge des Serumalbumins als Differenz zwischen dem Gesammteiweiss und dem Globulin berechnet. Uebersieht der elementaren Zusammensetzung der oben geschilderten und besprochenen Eiweissstoflfe : C H N S 0 Fibrinogen 52.93 6,90 16,66 1,25 22,26 (HAMilABSTEX) Fibrin 52!68 6,83 16,91 1,10 22,48 do. Fibringlobulin .... 52,70 6,98 16.06 — — do. Serumglobulin .... 52.71 7,01 15,85 1,11 23,32 do. Senimalbumin (1) . . . 53,06 6,85 15,04 1,80 22,25 do- Serumalbumin (2) . . . 52,25 6,65 15,88 2,25 22,97 do. Das Serumalbumin (2) rührt von einem Exsudate vom Menschen, die übrigen Präparate dagegen vom Pferdeblut her. Das Fibrin ist aus filtrirtem Kochsalzplasma dargestellt worden. Das Blutserum. Wie oben gesagt, ist das Blutservim die klare Flüssigkeit, welche aus dem Blutkuchen bei der Zusammenziehung desselben ausgepresst wird. Von giutse dem Plasma unterscheidet sich das Blutserum hauptsächlich durch die Abwesen- heit von Fibrinogen und die Gegenwart von reichlichen Mengen Fibrinferment. Im üebrigen enthalten Blutserum und Blutplasma , qualitativ genommen , die- selben Hauptbestandtheile. Das Blutserum ist eine klebrige Flüssigkeit, welche stärker alkalisch als das Blutplasma reagirt. Das spezifische Gewicht ist beim Menschen 1,027 bis 1,032, im Mittel 1,028. Die Farbe ist oft stärker oder schwächer gelblich, beim ^ .j^^j.s« Menschen blassgelb mit einem Stiche ins Grünliche, beim Pferde oft bernstein- gelb. Das Serum ist gewöhnlich klar; nach der Mahlzeit kann es jedoch, je nach dein Fettgehalte der Nahrung, opalisirend, trübe oder milchig weiss sein. Ausser den oben besprochenen Stoffen sind im Blutplasma oder Blutserum folgende Bestandtheile gefunden worden. Fett kommt in einer Menge von 1 — 7 p. m. bei nüchternen Thieren vor. Nach Aufnahme von Nahrung hat man viel grössere Mengen gefunden. Es sind ferner Seifen, Lecithin und Cholesterin gefunden worden. Das Cholesterin kommt nach Hürthle^) wenigstens zum Theil als Fettsäureester (Serolin nach Bol'det) vor. 1) JOHAKSSOX, Zcitschr. f. physiol. Chem. 9; K. Starke, XIaxy's Jahresber. 11. 2) Journal of Physiol. 23. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 21 wo auch BOUDET citirt ist. 134 Sechstes Kapitel. Lipolyse. Ziiclcer scheint ein physiologischer Bestandtheil des Plasmas zu sein, und nach den Untersuchungen von Abeles, Ewald, Külz, v. Mering, Seegen und MiURA ^) ist dieser Zucker Glukose. In dem Plasma fand Otto neben dem Zucker eine andere, reduzirende, nicht gährungsfähige Substanz. Nach Jacobsen und Henriques^) ist diese Substanz in Aether löslich und sie soll dem Jekorin nahe verwandt sein. Das Blutplasma wie auch die Lymphe enthält nach Röhmarn, Bial und Hamburger^) theils Diastase, welche Stärke und Glykogen in Maltose, bezw. Isomaltose überführt, und theils ein die Maltose in Glykose spaltendes Enzym, eine Glukase oder Maltase. In dem gelassenen Blute nimmt, wie schon Bernard '') zeigte, der Zucker- gehalt mehr oder weniger rasch ab. Lepine, welcher gemeinschaftlich mit Barral diese Abnahme der Zuckermenge besonders studirt hat, nennt sie CrJykolyse. Lepine und Barral und ebenso Arthus haben gezeigt, dass die Glykolyse auch bei vollständiger Abwesenheit von Mikroorganismen stattfindet. Sie scheint durch ein lösliches, gJijlMhjtisches Enzym bedingt zu sein, dessen Wirksamkeit durch Erhitzen auf -)- 54° C. vernichtet wird. Dieses Enzym stammt nach den drei letztgenannten Forschern von den weissen Blutkörperchen her und nach Lepine wird es von dem Pankreas an das Blut abgegeben. Nach Lepine kann es ferner durch eine Umwandlung von Diastase entstehen, eine Angabe, die indessen nach Nasse und Framm und Paderi unrichtig ist^). Die Glykolyse ist übrigens nach Nasse, Eöhmann und Spitzer^) eine Oxydation, die nach den zwei letztgenannten Forschern durch ein Oxydationsferment be- wirkt wird. Sie ist sicher nicht an ein Ueberleben der Zellen gebunden, ob sie aber ein vitaler oder nur ein postmortaler Vorgang sei, steht noch dahin '). Ausser den genannten Enzymen kommt im Serum nach den Beobacht- ungen von Hanriot*) auch ein lipohjtisches Enzym, welches Neutralfett 1) Vergl. namentlich: y. ilERiXG, Du Bois-Keymond's Arch. 1877, wo man Littcratiir- angaben findet; Seegen, Pflügee's Arch. 40; Miura, Zeitschr. f. Biologie. 32. 2) Otto, PflCger's Arch. 35 (gute Uobersicht der älteren Litteratur über Zucker im Blute). Jacobsen, Centralbl. f. Physiol. 6. S. 368. Henriques, Zeitschrift f. physiol. Chem. 23. 3) EÖHMANN ; EÖHMANN und R. Hamburger, Ber. d. deutsch, chera. Gesellsch. 25 u. 27. PflüGER's Arch. 52 u. 60; Bial, üeber das diast. Ftrm. etc. luaug.-Diss. Breslau 1892 (ältere Litteratur), Vergl. ferner PflÜger's Arch. 52, 54 n. 55. 4) Le(;ons sur le diabHe. Deutsch von PoSNER 1878, S. 120. 6) Bezüglich der zahlreichen Aufsätze von Lepine und Lepine et Barral vergl man: Lyon mgdical. 62 und 63; Compt. rend 110, 112, 113 und 120; Lepine: le ferment glyco- lytique et la pathogenie du diabEte. Paris 1891 und: Revue analytique et critique des travaux etc. in Arch. de med. exper. Paris 1892. Revue de medecine 1895. Arthcs, Arch. de Physiol. (5) 3 u. 4. Nasse und Framm, PflÜger's Arch. 63. Paderi, Maly's Jahresber. 26. G) Vergl. Kap. 1. 7) Vergl. Arthüs 1. c, Colenbrander, Maly's Jahresber. 22, Rywosch, Centralbl. f. Physiol. 11, S. 495. 5) Compt. rcnd. Soc. biol. 48 und Compt. rend. 123. Blutserum. 135 spaltet, vor. Diese lipolytische Fähigkeit ist nicht zu verwechseln mit einer anderen, von Cohnstein und Michaklis ') beobachteten , welche darin besteht, dass das Fett (Chlylusfett) bei Gegenwart von Sauerstoff in eine wasserlösliche, noch unbekannte Substanz umgesetzt wird. Diese Fähigkeit ist an die körper- lichen Elemente des Blutes gebunden. Das Serum cuthält umgekehrt auch Stoffe unbekannter Art, welche die Fähigkeit haben, die Wirkung einiger Enzyme, wie Lab, Pepsin und Trypsin zu verhindern -). Unter den Stoffen , welche im Blute gefunden worden und welche ohne Zweifel zum kleineren oder grösseren Theile im Plasma sich vorfinden, sind ausserdem zu nennen: Harnstoff, Harnsäure (im Menschenblute von Abeles^) gefunden), Kreatin, Karbaininsätire, Paramilchsäure und Hip2)nrsäiire. Unter Extraktiv- pathologischen Verhältnissen hat man X an th inkörper, Leucin, Tyrosin und Gallenbestand theile gefunden. Die Farhstoffe des Blutserums sind nur wenig bekannt. Im Pferdeblut- serum kommt oft Gallensfarbstoff, Bilirubin, neben anderen Farbstoflen vor. Der gelbe Farbstoff des Serums scheint der Gruppe der Lideine, welche oft auch Lipochrome oder Fettfarbstoffe genannt werden, zu gehören. Aus Rinder- Farbstoffe. blutserum konnte Krukenberg*) mit Amylalkohol ein sogen. Lipochrom iso- liren, dessen Lösung zwei Absorptionsstreifen zeigte, von denen der eine die Linie F einschliesst und der andere zwischen F und G liegt. Die Mineralstoff'e sind im Serum und im Blutplasma qualitativ, aber nicht quantitativ, dieselben. Ein Theil des Calciums, des Magnesiums und der Phosphorsäure wird nämlich bei der Gerinnung mit dem Faserstoff ausgeschie- den. Mittels Dialyse können im Serum Chlornatrium, welches die Hauptmasse oder 60—70 p. c, sämmtlicher Mineralstoffe des Serums ausmacht, ferner Kalk- salze, Natriumkarbonat nebst Spuren von Schwefelsäure, Phosphorsäure und Kalium direkt nachgewiesen werden ^). Im Serum glaubt man auch Spuren von Kieselsäure, Fluor, Kupfer, Eisen, Mangan und Ammoniak gefunden zu haben. Wie in den thierischen Flüssigkeiten überhaupt, sind im Blutserum jiiner.ai- Chlor und Natrium vorherrschend gegenüber der Phosphorsäure und dem Kalium (dessen Vorkommen im Serum sogar angezweifelt worden ist. Die in der Asche gefundenen Säuren sind zur Sättigung sämmtlicher darin gefundener Basen nicht hinreichend, ein Verhalten, welches zeigt, dass ein Theil der letzteren an orga- nische Substanzen, wahrscheinlich Eiweiss, gebunden ist). Dies stimmt auch damit überein, dass die Hauptmasse des Alkalis nicht als diffusible Alkali- verbindungen, Karbonate und Phosphate, sondern als nichtdiffusible Ver- bindungen, Eiweissalkaliverbindungen , im Serum enthalten ist. Im Pferdeblut- 1) Pflügee's Arch 65 u. 69. 2) Vergl. RODEN, M.\LY's Jahresber, 17 : JI. Hahn, Berlin, klin. Wocheuschr. 34. 3) Wien. med. Jahrbücher 1887. 4) Sitzungsber. d. Jen. Gesellsch. f. Med. 1885. 5) Vergl. GÜKBER, Verhandl. d. phys.-med. Gesellseh. zu Würzburg 23. 136 Sechstes Kapitel. serum waren nach Hamburger ') von dem Alkali 37 p. c. diffusibel und 63 p. c. nicht diffusibel. Die Gase des Blutserums, welche hauptsächlich aus Kohlensäure mit nur wenig Stickstoff und Sauerstoff bestehen, sollen bei Besprechung der Blutgase abgehandelt werden. Wegen der Schwierigkeit, Plasma zu gewinnen, sind nur wenige Analj^sen von solchem ausgeführt worden. Als Beispiele werden hier die für Pferdeblut- plasma gefundenen Werthe angegeben. Die Analyse Nr. 1 ist von Hoppe- Setler ausgeführt worden^). Nr. 2 enthält die Mittelzahlen von drei vom Verf. herrührenden Analysen. Die Zahlen beziehen sich auf 1000 Theile Plasma. Nr. 1 Nr. 2 Wasser . . . 908,4 917,6 Feste Stoffe . . 91,6 82,4 Gcsammteiweiss 77.6 69,5 Fibriu . . . 10,1 6,5 Globulin . . . — 38,4 Senimalbuuiiu . — a4,6 Fett .... 1,2 1 Extraktivstoffe . 4,0 1 12,9 Lösliche Salze . 6,4 Unlösliche Salze 1,7 ) Zusammen- setzung des Plasmas. Ausführliche Analysen des Blutserums von mehreren Haussäugethieren hat Abderhalden ausgeführt. Aus diesen Analysen, wie aus den vom Verf. am Serum von Menschen, Pferd und Rind ausgeführten geht hervor, dass der Ge- halt an festen Stoffen gewöhnlich um 70 — 97 p. m. schwankt Die Haupt- masse der festen Stoffe besteht aus Eiweiss, etwa 55 — 84 p. m. Beim Huhn fand Verf. viel niedrige're Werthe, nämlich 54 p. m. feste Stoffe mit nur 39,5 Quanti- p. m. Eiweiss und beim Frosch fand Halliburton nur 25,4 p. m. Eiweiss. tative Zu- sammen- Die Relation zwischen Globulin und Seruraalbumin ist, wie die Analysen vom Setzung des Blutserums. Verf., Halliburton uud RuBBRECHT*) gezeigt haben, bei verschiedenen Thieren eine sehr verschiedene , kann aber auch bedeutend bei derselben Thierart schwanken. Beim Menschen fand Verf. mehr Serumalbumin als Globulin und die Relation Serumglobuliu : Serumalbumin war gleich 1 : 1,5. Bezüglich der Menge der übrigen organischen Serumbestandtheile wird auf die ausführliehen Analysen Abderhalden's hingewiesen. Die Menge der Minetalstoffe ira Serum ist von mehreren Forschern be- stimmt worden. Aus den Analysen ergiebt sich, dass zwischen Menschen- und Thierblutserura eine recht grosse Uebereinstimmung besteht; und es durfte des- halb auch genügend sein, die von C. Schmidt*) an (1) Menschenblutserum und die 1) Eine Methode zur Trennung etc. Du Bois-ReymOXD's Arch. 1898. 'i) Cit. nach v. Gorup-Bes.\nez. Lehrbuch der physiol. Chcm 4. Aufl. S. 346. 3) Abderhalden, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. H.\mmaksten, Pflüger's Arch. 17. Halliburton, Journ. of Physiol. 7. Eübbrecht, Travaux du laboratoire de l'iustitut de Physiologie de Liege 5. 1896. i) Cit. nach Höppe-Seyler, Phy.siol. Chem. 1881. S. 439. Eothe Blutkörperchen. 13/ (j ehalt des Serums au Mineral- stoffeu. Vorhalten dl Chlo von Bunge und Abdekualden (2) für Serum von Rind, Stier, Schaf, Ziege, Schwein, Kaninchen, Hund und Katze gefundenen Zahlen hier mitzutheilen. Sämmtliche Zahlen ijeziehen sich auf 1000 Gewichtstheile Serum. 1 2 K„0 .... 0,387—0,401 0,226—0,270 Nii,0 . . . 4,290—4,290 4,251—4,442 Cl' . . . . 3,565—3,659 3.627—4,170 CaO .... 0,150 — 0,155 0,110—0,131 MgO .... 0,101 0,040—0,046 PoOä (anorg.) . 0,052—0,085 Der Gehalt an NaCl beträgt rund 6 p. m. und es ist bemerkenswerth, dass dieser Gehalt au NaCl ziemlich konstant bleibt, so dass ein mit der Nah- rung aufgenommener Ueberschuss an NaCl mit dem Harne rasch eliminirt wird, ^ "'^ät" während bei einer an Chloriden armen Nahrung der Gehalt des Blutes an solchen zwar zuerst etwas sinkt, dann aber durch Aufnahme von Chloriden aus den Geweben wieder steigt. Die Ausscheidung von Chloriden mit dem Harne ist dabei vermindert. IL Die Formelemente des Blutes. Die rothen Blutkörperchen. Beim Menschen und Säugethieren (mit Ausnahme des Lamas, Kameeis und deren Verwandten) sind die Blutkörperchen runde, bikonkave Scheiben ohne Membran und Kern. Bei den obengenannten Säugethieren (dem Kameele etc.) wie auch bei Vögeln, Amphibien und Fischen (mit Ausnahme von den Cyclo- stomen) sind sie dagegen im Allgemeinen kernführend, mehr oder weniger ellip- tisch. Die Grösse ist bei verschiedenen Thieren wechselnd. Beim Menschen haben sie einen Durchmesser von im Mittel 7 ä 8 /< (/< = 0,001 mm) und eine grösste Dicke von 1,9 {.i. Sie sind schwerer als das Blutplasma oder Serum und sinken deshalb in diesen Flüssigkeiten unter. In dem entleerten Blute lagern sie sieh bisweilen mit den Oberflächen an einander und können dabei geldroUenähnliche Bildungen darstellen. Die Ursache hierzu ist unbe- kannt; da eine solche Geldrollenbildung aber auch in dem defibrinirten Blute zu Stande kommt, hat sie anscheinend nichts mit der Fibrinbilduug zu thun. ^ , „, , ' ... Eüthe Blul Von der ungleichen Senkungsgeschwiudigkcit der Blutkörperchen im defibrinirten kürperchcn. und nicht defibrinirten Blute ausgehend, ist Biernacki ') zu der Ansicht gelangt, dass die Blutsedimentirung kein rein mechanischer Vorgang ist, sondern daher rührt, dass die Blutkörperchen im lebenden Blute Plasma in ihrem Innern enthalten und dasselbe beim Absterben abgeben. Die Anzahl der rothen Blutkörperchen ist im Blute verschiedener Thier- arten wesentlich verschieden. Beim Menschen kommen gewöhnlich in je 1 cmm, beim Manne 5 Millionen und beim Weibe 4 il 4,5 Millionen vor. 1) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 19 u. 23. 13S Sechstes Kapitel. Beim Verdünnen des Blutes mit Wasser, beim abwechselnden Gefrieren- lassen und Wiederaufthauen desselben wie auch beim Schütteln desselben mit Aether oder bei Einwirkung von Chloroform oder Galle auf das Blut findet eine merkbare Veränderung statt. Der Blutfarbstofl", welcher in den Blutkörper, eben wohl kaum frei, sondern wahrscheinlich an irgend eine andere Substanz gebunden ist, wird hierbei frei und geht in Lösung über, während der Rest ^'^''.''bjH" eines jeden Blutkörperchens eine gequollene Masse darstellt. Bei Durchleitung ^"■"P?"'";'^™ von Kohlensäure, bei vorsichtigem Zusätze von Säure, sauren Salzen, Jod- Aotiier, etc. tinktur oder einigen anderen Stoffen verdichtet sich dieser eiweissreiche Rest wieder und kann in mehreren Fällen die Form des Blutkörperchens wieder erhalten. Diesen Rest hat man das Stroma der rothen Blutkörperchen ge- nannt. Zur Isolirung der Stromata der Blutkörperchen wäscht man zuerst die letzteren in der Weise, dass man das Blut mit 10 — 20 Vol. Kochsalz- lösung von 1 — 2 p. c. verdünnt und dann das Gemenge centrifugirt oder bei niedriger Temperatur stehen lässt. Dieses Verfahren wird einige Male wieder- D.irsteUuug holt, bis die Blutkörperchen vom Serum befreit worden sind. Die so gereinigten stiomita. Blutkörperchen werden nach Wooldridge mit dem 5 — 6 fachen Volumen Wasser vermischt und dann ein wenig Aether zugesetzt, bis anscheinend voll- ständige Lösung eingetreten ist. Die Leukocyten setzen sich allmählich zum Boden, was durch Centrifugiren beschleunigt werden kann, und die von ihnen getrennte Flüssigkeit wird dann sehr vorsichtig mit einer einprozentigen Lösung von KHSO4 versetzt, bis sie etwa so dickflüssig wie das ursprüngliche Blut wird. Die ausgeschiedenen Stromata werden auf Filtrum gesammelt und rasch ausgewaschen. Als Bestandtheile des Stromas fand Wooldridge Lecithin, Cholesterin, NuMeoalhumin und ein Globulin, welches von Halliburton als ZeUglolmUn bezeichnet wurde und nach ihm ein Nukleoproteid ist. Sonst konnten aber von Halliburton und Friend keine Nukleinsubstanzen , ebensowenig wie Serum- albumin und Albumosen, nachgewiesen werden. Die kernhaltigen rothen Blut- standtheiie. körperchen der Vögel enthalten nach PlÖsz und Hoppe-Seyler i) Nulicni und einen in Kochsalzlösung von 10 p. c. zu einer schleimigen Masse aufquellen- den Eiweisskörper , welcher der in den lymphoiden Zellen vorkommenden hya- linen Substanz {hyaline Substanz von Rovida vergl. S. 103) nahe verwandt zu sein scheint. Die kernfreien rothen Blutkörperchen sind im Allgemeinen sehr arm an Eiweiss und reich an Hämoglobin ; die kernhaltigen sind reicher an Eiweiss und ärmer an Hämoglobin als die kernfreien. Gallertartige, dem Aussehen nach fibrinähnliche Eiweissstoffe können unter Umständen aus den rothen Blutkörperchen erhalten werden. Derartige 1) Wooldridge, Du Bois-Eeymond's Arch. 1881. S. 387: Hallibukton und Friend, Journal of Physiol. 10; Halliburton, ebenda 18; Plösz, Hoppe-Seyler, Med. ehem. Unters. S. 510. Blutfaibstoffe. 139 fibrinähnliche Massen hat man beobachtet nach Gefrierenlassen und 'Wieder- aufthauen des Blutkörperchensediraentes, bei starken elektrischen Entladungen einer Leydener Flasche durch das Blut, heim Auflösen der Blutkörperchen einer Thierart in dem Serum einer anderen (Laxdois' .ßtromafihrin") u. s. w. In keinem von diesen Fällen ist es jedoch bewiesen, dass es hier in der That um eine, auf Kosten des Stromas stattfindende Fibrinbildung sich gehandelt hat. Nur für die rothen Blutkörperchen des Froschblutes scheint es bewiesen zu sein, dass sie Fibrinogen enthalten (Alex. Schmidt und Semmer^). Die Mineralstoffe der rothen Blutkörperchen sollen im Zusammenhange mit der quantitativen Zusammensetzung der letzteren abgehandelt werden. Der in phy.siologischer Hinsicht wichtigste Bestandtheil der Blutkörperchen scheint der rothe Farbstoff zu sein. Blutfarbstoffe. In den rothen Blutkörperchen kommt nach Hoppe-Seyler's -) Ansicht der Farbstoff nicht frei, sondern an eine andere Substanz gebunden vor. Der kry- stallisirende Farbstoff, das Hämoglobin, bezw. Oxyhämoglobin, welcher aus dem Blute isolirt werden kann, ist nach ihm als ein Spaltungsprodukt dieser Ver- bindung aufzufassen, und er verhält sich in mehreren Hinsichten anders als die fragliche Verbindung selbst. So ist z. B. letztere in Wasser unlöslich und nicht krystallisirbar. Sie wirkt stark zersetzend auf Wasserstoffhyperoxyd, ohne dabei selbst oxydirt zu werden; sie zeigt einigen chemischen Reagenzien (wie Kaliumferricyanid) gegenüber eine grössere Resistenz als der freie Farbstoff und endlich soll sie wesentlich leichter als dieser an das Vakuum ihren locker Farbstoffe gebundenen Sauerstoff abgeben. Zum Unterschiede von den Spaltungsprodukten, der Bint- körperehen. dem Hämoglobin und dem Oxyhämoglobin, nannte Hoppe-Seyler die Blut- farbstoffverbindung der venösen Blutkörperchen Phlebin und die der arteriellen Ärferin. Da indessen die obengenannte Verbindung des Blutfarbstoffes mit einem anderen Stoffe, wie z. B. dem Lecithin, wenn sie überhaupt existirt, nicht näher studirt worden ist, beziehen sich die folgenden Angaben nur auf den freien Farbstoff, das Hämoglobin. Die Farbe des Blutes rührt theils von Hämoglobin (bezw. Pseudohümo- glohin a. unten), und theils von der molekularen Verbindung desselben mit Sauerstoff, dem Oxyhämoyloliin, her. In dem Erstickungsblute findet sich fast ausschliesslich Hämoglobin (und Pseudohämoglobin), im arteriellen Blute unver- hältnissmässig überwiegend Oxyhämoglobin und in dem venösen Blute ein Ge- des Hämo- menge der genannten Farbstoffe. Blutfarbstoff' findet sich ausserdem in quer- ^ "''*' gestreiften wie auch in einigen glatten Muskeln und endlich auch in Lösung 1) Landois, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1874. S. 421; Schmidt, PflCger's Ärch. 11. S. 550—559. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 13 S. 479. 140 Sechstes Kapitel. bei verschiedenen Evertebraten. Die Menge des Hämoglobins im Menschenblute kann zwar unter verschiedenen Verhältnissen etwas schwanken , beträgt aber im Mittel etwa 14 p. c. oder, auf 1 kg Körpergewicht berechnet, 8,5 g. Das Hämoglobin gehört zu der Gruppe der Proteide und als nächste Spaltungsprodukte liefert es, nebst sehr kleinen Mengen von flüchtigen fetten produktedcs Säuren und anderen Stoffen, hauptsächlich Eiweiss und einen eisenhaltigen giobins. Farbstofl", Hämocliromogen (gegen 4 p. c.) , welches bei Gegenwart von Sauer- stoff leicht zu Hämafin osydirt wird. Wie schon Hoppe-Seyler hervorgehoben hatte und später Schunck und Marghlewski näher gezeigt haben , besteht eine nahe Verwandtschaft zwischen dem Chlorophyll und dem Blutfarbstoffe, indem ein Derivat des ersteren, das ^""Jj'Jfj"''^'' Phylloporphyrin , in allen wesentlichen Hinsichten einem Derivate des Blut- '^'''"'"P''^"' f arbstoffes , dem Hämatoporphyrin , äusserst nahe steht. Beide Stofie geben Pyrrolreaktionen und sie scheinen beide aus einer Muttersubstanz aufgebaut zu sein, ein Verhalten, dessen grosse biologische Bedeutung Nencki^) ausführlicher entwickelt hat. Das aus versehiedeuen Blutarten dargestellte Hämoglobin hat nicht ganz dieselbe Zusammensetzung, was auf das Vorkommen von verschiedenen Hämo- globinen hinzudeuten scheint. Leider stimmen jedoch nicht immer die von ver- schiedenen Forschern ausgeführten Analysen von Hämoglobin derselben Blutart gut untereinander, was vielleicht von der etwas abweichenden Darstellungs- methode herrühren kann. Als Beispiele von der Zusammensetzung verschiedener Hämoglobine werden folgende Analysen hier angeführt. Hämoglobin von C H N S Fe 0 P2O5 Hund 5^,85 7,32 16,17 0,39 0,43 21,84 — (Hoppe-Seyler) do 54,57 7,22 16,38 0,508 0,336 20,93 — (Jacquet) Pferd 54,87 6,97 17,31 0,650 0,470 19,73 — (Kossel) Zusammon- d" 51,15 6,76 17,94 0,390 0,335 23,43 — (Zinoffsky) setzuus des Rind 54,66 7,25 17,70 0,447 0,400*) 19,543 — (HCfner) H^n'"- Schwein .... 54,17 7,38 16,23 0,660 0,430 21,360 — (Otto) ^ "^ do 54,71 7,38 17,43 0,479 0,399 19,602 — (Hüfner) Meerschweinchen . 54,12 7,36 16,78 0,580 0,480 20,680 — (hoppe-Seyler) Eichhörnchen . . 54,09 7,39 16,09 0 400 0,590 21,440 — (do.) Gaus 54,26 7,10 16,21 0,540 0,430 20,690 0,77 (do.) Huhn 52,47 7,19 16,45 0,857 0,335 22,500 0,197 (Jacquet). Ob der Gehalt des Vogelbluthämoglobins an Phosphor von einer Ver- unreinigung herrührt oder nicht, ist schwer zu entscheiden. Nach Inoko ist das Gänsebluthämoglobin eine Verbindung zwischen Nukleinsäure und Hämo- globin. In dem Hämoglobin vom Pferde (Zinoffsky), Schweine und Rind (Hüfner) kommen auf je 1 Atom Eisen 2, in dem Hundehämoglobin dagegen (Jacquet) 3 Atome Schwefel. Aus den elementaranalytischen Daten wie auch 1) SCHüNCK und Makchlewski, Annal. d. Chem. u. Pharm. 278, 284, 288, 290. Nencki, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellseh. 29. *) Der Gehalt des Rinderhämoglobins an Eisen beträgt nach neueren Bestimmungen von HÜFNER und JAQUET (Du Bois-Rbymond's Arch. 1894 S. 175) als Mittel (aus 5 Ana- lysen) 0,336 Prozent. Oxyhämoglobin. 141 aus der Menge des locker gebundenen Sauerstoffes hat Hüfner ^) für das Hunde- bluthämoglobin das Molekulargewicht 14129 und die Formel CgseHjQgjNjg^FeSgOig^ berechnet. Das Molekulargewicht ist also jedenfalls sehr hoch. Das Hämo- globin der verschiedenen Blutarten hat nicht nur, wie oben gezeigt, eine ver- schiedene Zusammensetzung, sondern auch eine verschiedene Löslichkeit und Krystallform und einen verschiedenen Krystallwassergehalt, was gewöhnlich Moiekuiar- durch die Annahme, dass es mehrere verschiedene Hänioglobine gebe, erklärt wird. Diese Annahme hat in neuerer Zeit in Bohr einen eifrigen Vertreter gefunden. Durch fraktionirte Krystallisation von Hunde- und Pferdeblutoxy- hämoglobiu ist es nämlich Bohr gelungen, Hämoglobinpräparate von ungleicher Sauerstoff bindender Fähigkeit und ein wenig verschiedenem Eisengebalte darzu- stellen. Aus dem Pferdeblute hatte schon früher Hoppe-Seyler zwei verschiedene Formen von Hämoglobinkrystallen erhalten, und aus sämmtlichen diesen Be- obachtungen zieht Bohr den Schluss, dass das Hämoglobin derselben Thierart ein Gemenge verschiedener Hämoglobine sei. Diesen Angaben gegenüber hat in- dessen HüK.XER-) gezeigt, dass im Rinderblute nur ein Hämoglobin vorhanden ist und dass Aehnliches wahrscheinlich auch für das Blut mehrerer anderer Thiere gilt. Oxyhämoglobin, früher auch Hämatoglobulin oder Hämato- kry stallin genannt, ist eine molekulare Verbindung von Hämoglobin und oxyhämo Sauerstoff. Auf je 1 Molekül Hämoglobin kommt nach der gewöhnlichen An- siobm- nähme 1 Mol. Sauerstoff; und die Menge locker gebundenen Sauerstoffes, welche von 1 g Hämoglobin (von Rindern) gebunden wird, ist von Hüfner^) zu 1,34 ccm (bei 0" C. und 760 mm Hg berechnet) bestimmt worden. Nach Bohr liegt die Sache indessen anders. Er unterscheidet je nach der absorbirten SauerstofFmcnge vier verschiedene Oxyhämoglobine, niimlieh a-, ß-, y- und d-Oxyhämoglobin, welche alle dasselbe Absorptionsspektrum zeigen, von denen aber 1 g Hämoglobin resp. circa 0,4; 0,8; 1,7 und 2,7 ccm Sauerstoff bei Zimmertemperatur und einem Sauerstoffdruck von 150 mm Quecksilber bindet. Das Oxyhämoglobin y ist das gewöhnliche, welches nach der Versv.hie- üblichcn Darstellungsmethode erhalten wird. Als «-Oxyhämoglobin bezeichnet BOHR das dene Oxy- durch Lufttrocknung des j/-Oxyhämoglobins erhaltene Krystallpulver. Wird dieses a-Oxyhämo- 'jo!?''' globin in Wasser gelöst, so geht es unter Erhöhung des Eisengehaltes (ohne Zersetzung?) in ^-Hämoglobin über. Eine in eiuer zugeschmolzenen Röhre aufbewahrte Lösung von j'-Oxy- hämoglobin kann unter nicht näher bekannten Umständen in (5-OxyhämogIobin übergehen. Nach HÜFKER ^) handelt es sich indessen hier nur um Gemengen von genuinem imd theilweise zersetztem Hämogloliin. Die Fähigkeit des Hämoglobins, Sauerstoff aufzunehmen, scheint eine Funktion von dem Eisengehalte desselben zu sein, und wenn dieser letztere zu 1) Hoppe-Seyler, Med. ehem. Unters. S.370; Jacquet, Zeitschr. f. physiol. Chem. 14; KosSEL, ebenda 2 S. 150; ZiNOFFSKT, ebenda 10; Hüfner, Beitr. z. Physiol., Festschr. f. C. Ludwig 1887 S. 74—81, Journ. f. prakt. Chem. (X. F.) 22; Otto, Zeitschr. f. physiol. Chem. 7; IxOKO, ebenda 18. 2) Bohr: Sur les combinaisons de l'hemoglobine avec l'oxyg&ne. Extrait du Bulletin de l'Academie Royale Danoise des sciences. 1890. Vergl. auch Centralbl. f. Physiol. 4. S. 249. Hoppe-Seyler, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2 : Hüfner, Du Bois-Reymond's Arch. 1894. 3) Dd Bois-Reymokd's .4.rch. 1894. 142 Sechstes Kapitel. etwa 0,33 — 0,40 p. c. berechnet wird, würde also 1 Atom Eisen in dem Hämo- globin am nächsten etwa 2 Atomen := 1 Moleküle Sauerstoff entsprechen. Die Menge dfs Verbindung des Hämoglobins mit Sauerstoff ist, wie gesagt, eine lockere, Sauerstolfes -ii iT-%r i . tt- i i • i in dem Oxj-- dissociable, und die Menge des von einer Hamoglobinlösung auigeuommenen giobia. Sauerstoffes hängt also von dem bei jeder Temperatur herrschenden Sauer.stofT- partiardrucke ab. Dementsprechend kann auch aus einer Oxyhämoglobinlösung sämmtlicher Sauerstoff mittels des Vakuums, besonders beim gelinden Erwärmen, oder mittels Durchleitung von einem indifferenten Gase ausgetrieben werden, so dass die Lösung nur Hämoglobin enthält. Umgekehrt nimmt das Hämoglobin ausserordentlich begierig Sauerstoff auf und geht in Oxyhämoglobin über. Das Oxyhämoglobin wird allgemein als eine schwache Säure aufgefasst. Das Oxyhämoglobin ist aus mehreren Blutarten in Krystallen erhalten worden. Die Krystalle sind blutroth, durchsichtig, seideglänzend und können 2 — 3 mm lang sein. Das Oxyhämoglobin des Eichhörnchenblutes krystallisirt in sechsseitigen Tafeln des hexagonalen Systems, die übrigen Blutarten dagegen liefern Nadeln, Prismen, Tetraeder oder Tafeln, welche dem rhombischen Systeme angehören. Der Gehalt an Krystallwasser ist in verschiedenen Oxyhämoglobinen Oxybänio- e'" verschiedener, 3 — 10 p. c. Bei niedriger Temperatur über Schwefelsäure voll- kfystatie. Ständig getrocknet, können die Krystalle ohne Zersetzung auf 110 — 115" C. erhitzt werden. Bei höherer Temperatur, etwas über 160" C, zersetzen sie sich, geben einen Geruch nach verbranntem Home ab und hinterlassen nach voll- ständiger Verbrennung eine aus Eisenoxyd bestehende Asche. Die Oxyhämo- globinkrystalle der schwer krystallisirenden Blutarten, wie Menschen-, Rinder- und Schweineblut, sind in Wasser leicht löslich. Schwerer löslich sind in folgender Ordnung die leicht krystallisirenden Oxyhämoglobine aus Pferde-, Hunde-, Eichhörnchen- und Meerschweinchenblut. In sehr verdünnter Lösung von Alkalikarbonat löst sich das Oxyhämoglobin leichter als in reinem Wasser und iene Lösung scheint etwas haltbarer zu .sein. Bei Gegenwart von ein wenig Lösliebkeit. ... ZU viel Alkali wird das Oxyhämoglobin jedoch rasch zersetzt. In absolutem Alkohol können die Krystalle ohne Entfärbung unlöslich werden. Nach Nencki ') sollen sie dabei in eine isomere oder polymere Modifikation, von ihm Parahümo- gJohin genannt, übergehen. In Aether, Chloroform, Benzol und Schwefelkohlen- stoff ist das Oxyhämoglobin unlöslich. Eine Lösung von Oxj'hämoglobin in Wasser wird von vielen Metallsalzen nicht aber von Bleizucker oder Bleiessig gefällt. Beim Erwärmen der wässerigen Lösung zersetzt sich das Oxyhämoglobin bei 60 ä 70 " C, und es spalten sich verhaiteDzu Eiweiss Und Hämatin ab. Ebenso wird es leicht von Säuren , Alkalien und Reagenzieu. mehreren Metallsalzen zersetzt. Es giebt auch mit mehreren Eiweissreagenzien die gewöhnlichen Eiweissreaktioneu, wobei erst eine Zersetzung mit Abspaltung von Eiweiss stattfindet. Das Oxyhämoglobin kann, wenn es selbst allmählich oxydirt wird, durch 1) Nencki lind Sieber, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 18. Oxyhämoglobin. 143 Zerlegung von neutralem Sauerstoff den Sauerstoff aktiviren und also wie ein o^"?"''»'"- ö CS tragen „Ozoner reger" wirken (Pflüger'). Es hat indessen auch eine andere Be- ziehung zu dem Ozon, indem es nämlich als sogen. „O zon ü bertriiger" die Fähigkeit besitzt, die Einwirkung des in gewissen Reagenzien (Terpentinöl) ent- haltenen Ozons auf Ozonreagenzien (Guajactinktur) zu vermitteln. Eine genügend verdünnte Lösung von Oxyhämoglobin, bezw. von arteriellem Blute zeigt in dem Spektrum zwei Absorptionsstreifen zwischen den Fraüen- HOFER'schen Linien D und E. Der eine Streifen a, welcher weniger breit, aber dunkler und schärfer ist, liegt an der Linie D, der zweite, breitere aber weniger scharf begrenzte und weniger dunkle Streifen ß liegt bei E. Diese Streifen j^^^Q^y^™! sind noch bei einem Gehalte von 0,1 p. m. Oxyhämoglobin in einer Flüssig- mogiobms. keitsschicht von 1 cm Dicke sichtbar. Bei stärkerer Verdünnung verschwindet erst der Streifen ß. Bei zunehmender Konzentration der Lösung werden die zwei Streifen breiter, der Zwischenraum zwischen ihnen wird kleiner oder schwindet ganz, und gleichzeitig werden die blauen und violetten Theile des Spektrums mehr verdunkelt. Durch sein Verhalten zu reduzirenden Stoffen (vergl. unten) kann das Oxyhämoglobin, zum Unterschiede von anderen Farbstoffen mit ähn- lichem Absorptionsspektrum, noch weiter erkannt werden*). Zur Darstellung der Oxyhämoglobinkrystalle ist eine grosse Zahl von verschiedenen Verfahrungsweiseu angegeben worden, welche indessen in den Haupizügeu mit dem folgenden, von Hoppe-Seyler angegebenen Verfahren über- einstimmen. Die gewaschenen Blutkörperchen (am besten aus Hunde- oder Pferdeblut), werden mit 2 Vol. Wasser ausgerübrt und dann mit Aether ge- schüttelt. Nach Abgiessen des Aethers und Verduustenlassen des von der dunkel lackfarbigen Blutlösung zurückgehaltenen Aethers in offenen Schalen an der Luft kühlt man die filtrirte Blutlüsung auf 0" C. ab, setzt */4 Vol. eben- falls abgekühlten Alkohols unter Umrühren zu und lässt einige Tage bei — 5 "^ bis — 10" C. stehen. Die abgeschiedenen Krystalle können durch Auflösung in Wasser von etwa 33" C, Abkühlen und Zusatz von abgekühltem Alkohol, Darstellung wie oben, wiederholt umkrystallisirt werden. Zuletzt werden sie mit abgekühltem mogiobin'- alkoholhaltigem Wasser (i/i Vol. Alkohol) gewaschen und im Vakuum bei O^C. '^t^'*"«- oder einer niedrigeren Temperatur getrocknet. Nach Gscheidlexs ^) Erfahrung können aus schwer krystallisirenden Blutarten Oxyhämoglobinkrystalle erhalten werden , wenn man das Blut erst in zugeschniolzenen Röhren ein wenig faulen lässt. Nach dem Schütteln mit Luft, wodurch das Blut wieder arteriell wird, kann man dann wie oben verfahren. Zur Darstellung von Oxyhämoglobinkrystallen im Kleinen aus leicht kry- stallisirenden Blutarten ist es oft genügend, ein Tröpfchen Blut auf dem Objekt- glase mit ein wenig Wasser anzurühren und das Gemenge dermassen eintrocknen zu lassen, dass der Tropfen von einem eingetrockneten Ringe umgeben ist. Nach dem Auflegen des Deckgläschens treten dann allmählich, von dem getrockneten Ringe ausgehend, Krystalle auf. Noch sicherer kommt man zum Ziele, wenn 1) Pflüger's Areh. 10. *) üeber die Absorption der ultravioletten Stralilen durch Blutfarbstoff liegt in der Zeitschrift f. Biologie 34 eine Untersuchung von Gamgee vor. (Hier sind auch frühere Untersuchungen berücksichtigt worden). 2) Hoppe-Seyler, Med. ehem. Unters. S. 181 ; Gscheidlex, Pflüger's Arch. 16. 144 Sechstes Kapitel. man ein wenig, mit etwas Wasser vermischtes Blut in einem Reagenzglase mit Aether schüttelt und dann einen Tropfen der unteren dunkelgefiirbten Flüssig- keit wie oben auf dem Objektglase behandelt. Hämoglobin, auch reduzirtes Hämoglobin oder pourple Cruorin (Stokes ') genannt, kommt nur in sehr geringer Menge in dem Hamogiobm. gj.jgj.jgjjgjj ^ in grösserer Menge in dem venösen Blute und als überwiegender Blutfarbstoff in dem Erstickungsblute vor. Das Hämoglobin ist viel leichter löslich als das Oxyhämoglobin und es kann deshalb nur schwierig in Krystallen erhalten werden. Diese Krystalle sind in der Regel den entsprechenden Oxyhämoglobinkrystallen isomorph , sind aber dunkler, haben einen Stich ins Bläuliche oder Purpur und sind bedeutend stärker pleochromatisch. Die Lösung in Wasser ist, einer Oxyhämoglobinlösung von derselben Konzentration gegenüber, dunkler, mehr violett oder purpurfarbig. Farbe und ^'® absorbirt weniger stark die blauen und violetten Lichtstrahlen im Spektrum, (fc^*^Hänio- absorbirt aber stärker das Licht in den zwischen C und D gelegenen Theilen giobins. desselben. Bei passender Verdünnung zeigt die Lösung im Spektrum einen einzigen, breiten, nicht scharf begrenzten Streifen zwischen D und E. Dieser Streifen liegt jedoch nicht mitten zwischen D und JE, sondern ist nach dem rothen Theile des Spektrums etwas über die Linie D verschoben. Eine Hämo- globinlösung nimmt begierig Sauerstoff aus der Luft auf und geht in eine Oxy- hämoglobinlösung über. Eine Lösung von Oxyhämoglobin kann leicht durch Anwendung von dem Vakuum, durch Hindurchleiteu von einem indifferenten Gase oder durch Zusatz von einer reduzirenden Substanz, z. B. einer ammoniakalischen Ferrotartrat- lösung (die SxoKEs'sche Reduktionsflüssigkeit), in eine Lösung mit dem Spektrum des Hämoglobins übergeführt werden. Wird eine Oxyhämoglobinlösung oder DarstpiiunL- arterielles Blut in einem zugeschmolzenen Glasrohre aufbewahrt, so findet auch giobins. allmählich eine Sauerstoffzehrung und Reduktion des Oxyhämoglobins zu Hämo- globin statt. Hat die Lösung eine genügende Konzentration, so kann dabei, bei niedriger Temperatur, eine Krystallisation von dem Hämoglobin in dem Rohre stattfinden (HiJFNER '^). Psendohämoglobin. Ludwig und Siegfried') haben die Beobachtung gemacht, dass Blut , welches mit Hydrosulfit bis zum Tollstiindigen Verschwinden des Oxyhämoglobin- spektrums und Auftreten eines reinen Hämoglobinspektrums reduzirt worden , noch reichliche Mengen Sauerstoff an das Vakuum abgiebt. In derselben Weise verhält sieh auch Blut, welches mittels Durchleitens von einem Wasserstoftstrome zum Verschwinden des Oxyhämo- globinspektrums reduzirt wox'den ist. Es giebt also angeblich eine lockere Verbindung zwischen Hämoglobin und Sauerstoff, welche das Spektrum des Hämoglobins zeigt, und diese Verbind- Pseudo- jjjjg haben Ludwig und Siegfried Psendohämoglobin genannt. Das Pseudohämoglobin, '"■ dessen Gegenwart im Erstickungsblute von Hunden nachgewiesen wurde, betrachten die Verfif. als eine Zwischenstufe zwischen dem Hämoglobin und dem O.xyhämoglobin bei der Reduktion des letzteren. Das Vorkommen eines Pseudohämoglobins scheint jedoch nicht ganz sicher be- wiesen zu sein*). 1) Cit. nach Centralbl. f. d. med. Wissensch. 3, S. 230. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 4. 3) Du Bois-Reymond's Arch. 1990. Physiol. Abth. S. 185. Vergl. auch Ivo Novi, PflüGER's Arch. 56. 4) Vergl. HCfsek, Du Bois-Reymoxd's Arch. 1894. S. 140. Methämoglobin. 145 Methämoglobin nennt man einen Farbstoff, welcher leicht aus dem Oxyhämoglobiu als Umsetzuugsprodukt entsteht, und welchen man dement- sprechend in bliithaltigen Transsudaten und Cystenflüssigkeiten, im Harne bei Hämaturie oder Hämoglobinurie, wie auch im Harne und Blute bei Vergiftungen ^^l^^^"' mit Kaliumchlorat, Amylnitrit oder Alkalinitrit und mehreren anderen Stoffen gefunden hat. Das Methämoglobin enthält keinen Sauerstoff in molekularer oder disso- ciabler Bindung, aber dennoch scheint der Sauerstoff für die Entstehung des Methämoglobins insoferne von Bedeutung zu sein, als das Methämoglobin zwar aus Oxyhämoglobin, nicht aber aus Hämoglobin bei Abwesenheit von Sauer- stoff oder oxydirenden Agenzien entsteht. Wird arterielles Blut in ein Rohr eingeschmolzen, so verbraucht es allmählich seinen Sauerstoff, es wird venös und bei dieser Sauerstoffzehrung wird ein wenig Methämoglobin gebildet. Das- ^"^^^g,"^j^ selbe findet bei Zusatz von sehr wenig Säure zu dem Blute statt. Bei der »"ogiobins. spontanen Zersetzung des Blutes wird etwas Methämoglobin gebildet und bei Einwirkung von Ozon, Kaliumpermanganat, Ferricyankalium, Chloraten, Nitriten, Nitrobenzol, Pyrogallol , Brenzkatechin , Acetanilid und vielen anderen Stoffen auf das Blut findet ebenfalls eine reichliche Methämoglobinbildung statt. Nach den Untersuchungen von Hüfner, Külz und Otto soll das Met- hämoglobin eben dieselbe Menge Sauerstoff wie das Oxyhämoglobin, aber fester gebunden, enthalten. Das Methämoglobin hält nach Haldane zwei Sauerstoff- atorae gebunden, während im Oxyhämoglobin ein Sauerstoffmolekül gebunden Sauerstoff /-. y"» des Methü- /U \) inoglobins. ist. Das Oxyhämoglobin wäre also Hb:^ 1 und das Methänioglobin Hb ^ O 0. Nach Jäderholm und Saarbagh wird eine Methämoglobinlösung von redu- zirenden Stoffen erst in eine Oxyhämoglobin- und dann in eine Hämoglobin- lösung übergeführt; nach Hoppe-Seyler und Araki^) geht sie direkt in eine Hämoglobinlösung über. Das Methämoglobin krystallisirt, was zuerst von HÜFNER und Otto gezeigt wurde, in braunrothen Nadeln, Prismen oder sechsseitigen Tafeln. Es löst sieh leicht in Wasser; die Lösung ist braun gefärbt und wird durch Al- kalizusatz schön roth. Die Lösung der reinen Substanz wird nicht von Blei- essig allein, wohl aber von Bleiessig und Ammoniak gefällt. Das Absorptions- spektrum einer wässerigen oder angesäuerten Lösung von Methämoglobin ähnelt nach Jäderholm und Bertin-Sans sehr demjenigen des Hämatins in saurer Lösung, unterscheidet sich aber leicht von diesem dadurch, dass es bei Zusatz Spektrum von wenig Alkali und einer reduzirenden Substanz in das Spektrum des redu- mogiobins.' zirten Hämoglobins übergeht, während eine Hämatinlösung unter denselben Um- ständen das Absorptionsspektrum einer alkalischen Hämochromogenlösung (s. 1) Otto, Zeitschr. f. pbysiol. Chem. 7; Hai,u.vne, Journ. o£ Physiol. 22; Jäderholm. Zeitschr. f. Biologie 16 ; Saarbach, Pfllger's Arch. 28; Aeaki, Zeitschr. f. physiol. Chem. 14- Harn marsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 10 146 Sechstes Kapitel. unten) giebt. In alkalischer Lösung zeigt das Methämoglobin zwei Absorptions- slreifen, welche den zwei Oxyhämoglobinstreifen ähnlich sind, von diesen aber dadurch sich unterscheiden, dass der Streifen (i stärker als a ist. Neben dem Streifen a und mit ihm wie durch einen Schatten verbunden liegt ein dritter, schwacher Streifen zwischen C und Z), nahe bei D. Nach anderen Forsehern, Araki und DiTTRicH, zeigt indessen eine neutrale oder schwach saure Methänio- globinlösung nur einen charakteristischen Streifen a zwischen C und /) und die zwei Streifen zwischen D und E sollen nur bei Verunreinigung mit Oxyhämo- globin zu sehen sein (Mexzies '). Methämoglobin erhält man leicht in Krystallen, wenn eine konzentrirte Lösung von Oxyhämoglobin mit nur so viel einer konzentrirten Ferricyankalium- Darstoiiung lösuug vcrsetzt wird, dass die Mischung porterbraun wird. Nach dem Abkühlen »i«« ^'V'j'i^^' auf 0" C. setzt man '/i Vol. abgekühlten Alkohols zu und lässt einige Tage kalt stehen. Die Krystalle kann man leicht aus Wasser durch Zusatz von Alkohol umkiystallisiren und reinigen. Plio tomethämogl obin nennt Bock-) eine unter dem Einflüsse des Sonuenliclites Pseudomet- giitstelicnde Muditikntion des Metliiimoglobins , die ein Spektrum giebt , welclies demjenigen oglob des nsmosrlobius sehr Uliiilicli ist. Kohlenoxydhämoglobin^) nennt man eine molekulare Verbindung zwischen 1 Mol. Hämoglobin und ein 1 Mol. CO, die nach Hüfxer*) auf je Kohlen- 1 g Hämoglobin 1,338 ccm Kohlenoxyd (auf 0" und 760 mm Hg reduzirt) globin. enthält. Diese Verbindung ist fester als die Sauerstoffverbindung des Hämo- globins. Der Sauerstoff wird in Folge hiervon leicht aus dem Oxyhämoglobin durch Kohlenoxyd verdrängt und hierdurch erklärt sich die giftige Wirkung des Kohlenoxydes, welches also durch Austreiben des Blutsauerstoffes tödtet. Das Kohlenoxydhämoglobin entsteht beim Sättigen von Blut oder einer Hänioglobinlösung mit Kohlenoxyd, und es kann nach demselben Prinzipe wie das Oxyhämoglobin in Krj-stallen gewonnen werden. Diese Krystalle sind den Oxyhänioglobinkrystallen isomorph, sind aber schwerer löslich, beständiger und mehr ins Blauroth gefärbt. Für den Nachweis des Kohlenoxydhämoglobins ist dessen Absorptionsspektrum von grosser Bedeutung. Dieses Spektrum zeigt K'!«"" ^j zwei Streifen, welche denjenigen des Oxyhämoglobins sehr ähnlich, aber etwas .vbsoip- mehr nach dem violetten Theile des Spektrums verschoben sind. Diese Streifen tioiis- ^ spoktnim. verändern sich nicht merkbar durch Zusatz von reduzirenden Stoffen , was ein wichtiger Unterschied von dem Oxyhämoglobin ist. Enthält das Blut gleich- zeitig Oxyhämoglobin und Kohlenoxydhämoglobin , so erhält man nach Zusatz 1) JÄDERHOLM 1. 0. Bertix-Sans, Compt. rend. 106. DlTTHICH, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 29 ; Meszies, Journ. ot Physiol. 17. Wichtige Litteraturangaben über Methämo- globiu findet man bei Otto, PflÜger's Arch. 31. 2) Skand. Arch. f. Physiol. 6. 3) Hinsichtlieh des Kohlenoxydhämoglobins vergl. man besonders: Hoppe-Seylek, Med. ehem. Untersuch. S. 201. Centnübl. f. d, med. Wissensch. 1864 und 186Ö und Zeitschr. f. physiol. Chem. 1 u. 13. •1) Du Bois-Reymond's Arch. 1894. Ueber die Dissociutionskonstante des Kohlenoxyd- hämoglobins ebenda 1895. Kohlensäure- UDcl Stickoxydhämoglobin. 147 von reduzirender Substanz (ammoniakalischer Ferrotartratlösung) ein von Hämo- globin und Kohlenoxydhämoglobiu herrührendes, gemischtes Spektrum. Zum gerichtlich-chemischen Nachweise von Kohlenoxydhämoglobin ist eine Menge von Proben, bezüglich derer auf ausführlichere Handbücher verwiesen werden muss, vorgeschlagen worden. Eine solche, ebenso einfache wie bewährte Probe ist die HopPE-SEYi.ER'sche Natronprobe. Das Blut wird mit dem doppelten Volumen Natronlauge von 1,3 spezifischem Gewicht versetzt. Gewöhnliches Blut Hoppe-Sej- wandelt sich dabei in eine schmutzig braune Masse um, welche, auf einen Por- probe. zellanteller aufgestrichen , braun mit einem Stiche ins Grünliche ist. Kohlen- oxydblut giebt dagegen unter ähnlichen Verhältnissen eine schöne rothe Masse, welche, auf Porzellan aufgestrichen, eine schöne rothe Farbe zeigt. Mehrere Modifikationen dieser Probe sind vorgeschlagen worden. Wie es nach Bohr mehrere Oxyhänioglobine giebt, so soll es auch nach BOHR und Bock') mehrere Kohlenoxydhämoglobine von verschiedenem Kohlenoxydgehalt geben. Wie das Hämoglobin uaeli BOHR und ToRDP (vergl. unten) gleichzeitig Sauerstoff und Kohlen- säure binden kann, so soll es nach BocK Kohlenoxyd und Kohlensäure gleichzeitig und un- abhängig von einander binden können. Kohlenoxydmethäraoglobin soll nach Weyl und v. Anrep bei der Einwirkung von Kaliumpermanganat auf Kohlenoxydhämoglobin entstehen, was indessen von Bertis-Sans und Moitessier ■') entschieden bestritten wird. Schwefelmethäinoglobin wurde von HOPPE- Sevler^) ein Farbstoff genannt, welcher bei Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Oxy- hämoglobin entsteht. Die Lösung hat eine grünlich rothe, schmutzige Farbe und zeigt zwei Absorptionsstreifen zwischen C und D. Dieser Farbstofl' soll die grünliche Farbe auf der Oberfläche faulenden Fleisches bedinj,'en. Kohlensäurehämoglobin, Karbohämoglobin. Auch mit Kohlen- j-^j^i^^ säure geht das Hämoglobin nach Bohr und ToRUP*) molekulare Verbindungen säurehämo- ein, deren Spektra demjenigen des Hämoglobins ähnlich sind. Nach Bohr giebt es drei verschiedene Karbohämoglobine, nämlich a-, ß- und y-Karbohämo- globin, von denen je 1 g bei -|- 18" C. und 60 mm Hg-Druck bezw. 1,5, 3 und 6 ccm COg (bei 0" und 760 mm gemessen) binden soll. Wird eine Hämo- globinlösung mit einer Mischung von Sauerstoff und Kohlensäure geschüttelt, so nimmt nach Bohr das Hämoglobin in lockerer Verbindung sowohl Sauer- stoff als Kohlensäure auf, unabhängig von einander, als ob jedes Gas für sich allein da wäre. Bohr glaubt deshalb, dass die beiden Gase an verschiedene Theile des Hämoglobins, nämlich der Sauerstoff an den Farbstoffkern und die Kohlensäure an den Eiweisskomponenten, gebunden sind. Von Kohlensäure wird indessen das Hämoglobin wenigstens theilweise leicht unter Abscheidung von etwas Eiweiss zersetzt (Torup). Stickoxydhämoglobin ist eine ebenfalls krystallisirende molekulare ^^j^^^ ,,j Verbindung, welche noch fester als das Kohlenoxydhämoglobin ist. Die Lösung iiämügiobin zeigt zwei Absorptionsstreifen , welche weniger scharf und mehr blass als die 1) Centralbl. f. Physiol. 8 und Maly's Jahresber. 25. 2) V. Anrep, Du Bois-Reymond's Areh. 1880; Sans und Moitessier, Compt. rend. 113. 3) Med. ehem. Untersuch. S. 151. Vergl. Akaki, Zeitschr. f. physiol. Chem. 14. 4) Bohr, Extrait du Bull, de l'Acad. Danoise 1890. Centralbl. f. Physiol. 4. TOrup, Maly's Jahresber. 17. 10* 148 Sechstes Kapitel. Kohlenoxydhämoglobinstreifen sind, wie diese aber durch Zusatz von reduziren- den Stoffen nicht verschwinden. Das Hämoglobin geht auch mit Acefylen eine molekulare Verbindung ein. Auch mit Cyanwasserstoff soll es angeblich sich verbinden. Durch Einwirkung von Cyanwasserstoff nimmt eine Methämoglobinlösung eine schön rothe Farbe an und es entsteht dabei nach KOBEKT ') wahrscheinlich Cyanviethävioglobin. Das Spektrum ähnelt sehr demjenigep des Hämoglobins, beim Schütteln mit ]>uft i\ird aber nicht O.tyhämoglobin gebildet. Zersetsiingsprodulx.te der Bliiffarhsfoffe. Als Hauptprodukte liefert das Hämoglobin, wie oben gesagt, bei seiner Zersetzung Ei weiss, welches man Glohin genannt hat (Preyer, Schulz) und eisenhaltigen Farhstoff. Das Globin, welches von Schulz^) isolirt und näher untersucht wurde, zeichnet sich den meisten anderen Eiweissstoffen gegenüber durch einen hohen KohlenstofFgehalt, 54,97 p.c. bei nur 16,89 p.c. Stickstoff, aus. Es ist unlöslich in Wasser, Zersetz- aber äusserst leicht löslich in etwas Säure oder Alkali. In Ammoniak wird iinsspro- Ri'^tf "^h"^ ®^ ^®' Gegenwart von Chlorammonium nicht gelöst. Salpetersäure fällt es in stoSfe. der Kälte, nicht aber in der Wärme. Es kann durch Erhitzen koagulirt werden, das Koagulum ist aber leicht löslich in Säuren. Hauptsächlich auf Grund dieser Reaktionen wird es von Schulz als ein Histon betrachtet. Der abgespaltene Farbstoff ist je nach den Verhältnissen , unter welchen die Spaltung stattfindet, verschieden. Findet die Zersetzung bei Abwesenheit von Sauerstoff statt, so erhält man einen Farbstoff, welcher von Hoppe-Seyler Hämochromogen, von anderen Forschern (Stoke.s) reduzirtes Hämatiu genannt worden ist. Bei Gegenwart von Sauerstoff wird das Hämochromogen rasch zu Hämatin oxydirt, und man erhält deshalb in diesem Falle als farbiges Zer- setzungsprodukt einen anderen Farbstoff, das Hämatin. Wie das Hämo- chromogen durch Sauerstoff leicht in Hämatin übergeführt wird, so kann letz- teres umgekehrt durch reduzireude Stoffe in Hämochromogen zurückverwandelt werden. Das Hämochromogen ist von Hoppe-Seyler^) entdeckt worden. Es ist ihm auch gelungen, diesen Farbstoff in Krvstallen zu erhalten. Das Hämo- Hamochro- e & > J mögen, chromogen ist nach Hoppe-Seyler die gefärbte Atomgruppe des Hämoglobins und seiner Verbindungen mit Gasen , und diese Atomgruppe ist in dem Farb- stoffe mit Eiweiss verbunden. Die charakteristischen Lichtabsorplionen hängen von dem Hämochromogen ab, und diese Atomgruppe ist es auch, welche in dem Oxyhämoglobin 1 Mol. Sauerstoff und in dem Kohlenoxydhämoglobin 1 Mol. Kohlenoxyd auf je 1 Atom Eiseu bindet. Eine Verbindung zwischen Hämo- chromogen und Kohlenoxyd ist auch von Hoppe-Seyler beobachtet worden, und diese Verbindung zeigt die Spektralerscheinungen des Kohlenoxydhänio- globins. Eine alkalische Hämoehromogenlösung ist schön kirschroth. Sie zeigt 1) Ueber Cyanmethämoglobin etc. Stuttgart 1891. VerL v. Enke 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. :i) Ebenda 13. Hämatin. 149 zwei, zuerst von Stokes beschriebene Absorptionsstreifen, von denen der eine, welcher mehr dunkel ist, zwischen D und E liegt und der andere, welcher Spektrum breiter, aber weniger dunkel ist, die FnAUENHOFER'schen Linien E und h ein- <.^romogens. schliesst. In saurer Lösung zeigt das Hämochromogen vier Streifen, die jedoch nach Jäderholm ') von einem Gemenge von Hämochromogen und Hämatopor- phyrin (vergl. unten), das letztere durch eine theilweise Zersetzung in Folge der Einwirkung der Säure entstanden, herrühren sollen. Das Hämochromogen kann bei vollständiger Abwesenheit von Sauerstoff durch Einwirkung von Natronlauge auf Hämoglobin bei 100" C. in Krystallen gewonnen werden (Hoppe-Seyler). Bei Zersetzung von Hämoglobin mit Säuren, Darstellung selbstverständlich ebenfalls bei gehindertem Luftzutritt, erhält man das Hämo- j^roim>"™ns' chromogen von ein wenig Hämatoporphyrin verunreinigt. Eine alkalische Hämo- ehromogenlösung erhält man leicht durch Einwirkung von einer reduziieuden Substanz (der SxoKEs'schen Reduktionsflüssigkeit) auf eine alkalische Hämatin- lösung. Hämatin, auch Osyhämatin genannt, findet man bisweilen in alten Transsudaten. Es entsteht auch bei der Einwirkung von Magen- oder Pankreas- saft auf Oxyhämoglobiu und findet sich deshalb auch in den Darmentleerungen Hämatin. nach Blutungen im Darmkanale, wie auch nach Fleischkost und blutreicher Nahrung. Im Harne soll das Hämatin angeblich nach Vergiftung mit Arsen- wasserstoff vorkommen können. Wie oben angegeben, entsteht das Hämatin bei Zersetzung von Oxyhämoglobin oder überhaupt von Hämoglobin bei Gegen- wart von Sauerstoö'. Die Angaben über die Zusammensetzung des Hämatins sind etwas streitig, was, wie es scheint, daher rührt, dass unter verschiedenen Bedingungen etwas verschiedene Hämatine entstehen (Kü.ster, K. Mörxer). Seine Formel ist nach Hoppe-Seyler C^^H.^jN^FeOä , nach Nexgki und Sieber, denen Bialobrzeski beistimmt, Co.,H...,N,FeO, und nach Hüfxer und Kü.ster wahrscheinlich,, •> Ai .-i^ i 4 Zusammen- C^^H.^^NjFeO;,. Das von K. Mörxer analysirte Hämatin, welches mit dem setzung. von anderen Forschern dargestellten nicht identisch war, hatte die Formel C.jjHgyN^FeOj. Nach allen diesen Forschern kommt also 1 Atom Eisen auf je 4 Atome Stickstoff. Nach Cloetta, dem Ro.sexfeld^) beistimmt, hat das Hämatin die Formel C3QH3^N3Fe03 , und es kommen also auf je ein Atom Eisen drei Atome Stickstoff. Bei vorsichtiger Oxydation von Hämatin (in Eisessig) mit Kaliumbiehromat erlüclt KÜSTEK neben einem eisenhaltigen , nicht näher untersuchten Körper zwei Säuren von den Formeln CgHjoOs und C^Hj^Or, , von denen jene als zweibasische und diese als dreibasische Hämalinsäure bezeichnet wird. 1) Nord. med. Arkiv. 16. 2) Hoppe-Seyler, Med. ehem. Unter.such. S. 525. Nekcki und Sieber, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 18 u. 20 und Ber. d. deutseh. ehem. Gesellsch. 18. Bialobrzeski, Arch. des scienc. biol. de St. Petersbourg 5. KiJSTER , Beiträge zur Kenntniss des Hämatins. Tübingen 1896 und Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 27 u. 30. K. MÖRNER, Nord. med. Arkiv. Festband 1897 Nr. 1 u. 26. ClOETTA, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 36. IIosen- FELD, ebenda 40. 150 Sechstes Kapitel. Das Hämatin ist amorph, schwarzbraun oder blauschwarz. Es kanu ohne Zersetzung auf 180*' C. erhitzt werden; beim Verbrennen hinterlässt es einen aus Eisenosyd bestehenden Rückstand. In Wasser, verdünnten Säuren, Alkohol, Eigen- Aether und Chloroform ist es unlöslich, löst sich aber ein wenig in warmem schalteu des ° Häniatins. Eisessig. In angesäuertem Alkohol oder Aether löst es sich. In Alkalien, selbst in sehr verdünntem Alkali, löst es sich leicht. Die alkalischen Lösungen sind dichroitisch; in dickeren Schichten erscheinen sie in durchfallendem Lichte roth, in dünnen Schichten grünlich. Von Kalk oder Barytwasser, wie auch von Lösungen der neutralen Salze der Erdalkalien werden die alkalischen Lös- ungen gefällt. Die sauren Lösungen sind stets braun. Eine saure Hämatinlösung absorbirt am schwächsten den rothen und am stärksten den violetten Theil des Spektrums. Die Lösung zeigt zwischen C und D einen recht scharfen Streifen, dessen Lage jedoch mit der Art des sauren Lösungsmittels etwas wechseln kann. Zwischen Z) und J' findet sich ein zweiter, viel breiterer, weniger scharf begrenzter Streifen, welcher bei passender Verdünnung in zwei Streifen sich auflöst. Der eine, zwischen h und F, neben F gelegene, Absoip- ist dunkler und breiter, der andere, zwischen D und E nahe an E gelegene, tnim lies ist heller und weniger breit. Endlich beobachtet man auch bei einer passenden Verdünnung einen vierten, sehr schwachen, zwischen D und E neben D ge- legenen Streifen. Das Hämatin kann also in saurer Lösung vier Absorptions- streifen zeigen; gewöhnlichenfalls sieht man aber recht deutlich nur den Streifen zwischen C und D und den breiten dunklen Streifen — bezw. die zwei Streifen — zwischen D und F. In alkalischer Lösung zeigt das Hämatin einen breiten Absorptionsstreifen , welcher zum unverhältnissmässig grössten Theile zwischen C und D gelegen ist, sich aber ein wenig über die Linie D nach rechts in den Raum zwischen D und E hinein erstreckt. Hämin, H ä m i n k r y s t a 1 1 e oder Teichmann's K r y s t a 1 1 e. Das Hümiu ist der Salzsäureester des Häniatins und der Ausgangspunkt für die Darstellung des letzteren. Nach Nencki und Siebek siml die Hämiiilcrystalle Doppelverbindungen mit demjenigen Lösungsmittel, Amylalkohol oder Essigsäure, welches zu ihrer Darstellung benutzt worden ist, während nach Hoppe-Seyler das Lösungsmittel nur mechanisch von den Krystallen zurück- gehalten sein soll. Die Formel der mit Amylalkohol dargestellten Häminkrystallc ist nach Nencki und Sieber {C32H3iClN4Fe03)j . C^Yi^-fi. Hümatincster mit anderen Säuren sind ebenfalls bekannt (vergl. KÜSTER I. c). Die Häminkrystallc stellen in grösserer Menge ein blau-schwarzesPulver dar, sind aber so klein, dass sie nur mit dem Mikroskope erkannt werden können. Sie bestehen aus dunkel braungefärbten oder fast braunschwarzen, i^'ft'^'ii isolirten oder zu schiefen Kreuzen, Rosetten oder sternförmigen Bildungen grup- k'^'^Tu pirten, länglichen, rhombischen oder spulförmigen Kryställchen. Würfelförmige Krystalle können auch vorkommen (Cloetta). Die Krystalle sind unlöslich in Wasser, verdünnten Säuren bei Zimmertemperatur, Alkohol, Aether und Chloro- form. Von Eisessig werden sie in der Wärme etwas gelöst. In säurehaltigem Alkohol, wie auch in verdünnten kaustischen oder kohlensauren Alkalien lösen Häuün und Hämatoporpliyiin. 151 sie sich und im letzteren Falle entsteht neben Chloralkalieu lösliches Häma- tinalkali, aus welchem das Häniatin dann mit einer Säure ausgefällt werden kann. Das Prinzip der Darstellung der Häminkrystalle in grösseren Mengen ist folgendes. Das gewaschene Blutkörperchensediment koagulirt man mit Alkohol oder durch Sieden nach Verdünnung mit Wasser und vorsichtigem Säurezusutz. Die stark ausgepresste , aber nicht trockene Masse zerreibt man mit Alkohol von 90 — 95 Vol. p.c., dem mau vorher Oxalsäure oder 1/2 — 1 Vol. p.c. kon- jj„3J.oii„„g zentrirte Schwefelsäure zugesetzt hat, und lässt bei Zimmertemperatur einige ^''sHämins n 1 1 X-. TTi • 1 c r^r^n r^ ■■ • r-i i •• "" (»rossen. btunden stehen. Das J^iltrat wird aui etwa rü" (J. erwärmt; mit balzsaure (auf je ein Liter des Filtrates 10 cc Salzsäure von 25 p. c. mit Alkohol ver- dünnt nach Mörner) versetzt und in der Kälte stehen gelassen. Die nach einem oder ein paar Tagen ausgeschiedenen Krystalle wäscht man dann erst mit Alkohol und darauf mit Wasser. Nähere Angaben über die verschiedenen Methoden findet man in den oben citirten Arbeiten von Nencki und Sieber, Cloetta, Küster, Mörner und Rosenfeld. Durch Auflösen der Häminkrystalle in sehr verdünnter Alkalilauge und Ausfällen mit einer Säure erhält man das Häniatin. Zur Darstellung von Häminkrystallen im Kleinen verfährt man auf folgende Weise. Das Blut wird nach Zusatz von sehr wenig Kochsalz einge- trocknet oder auch wird das schon trockene Blut mit einer Spur Kochsalz zer- rieben. Das trockene Pulver wird auf ein Objektglas gebracht, mit Eisessig befeuchtet und nun das Deckgläschen aufgelegt. Mit einem Glasstabe setzt man nun am Rande des Deckgläschens mehr Eisessig zu, bis der Zwischenraum davon vollständig ausgefüllt worden ist. Hierauf erwärmt man über einer sehr kleinen vou nämin- Flainme mit der Vorsicht jedoch, dass der Eisessig nicht ins Sieden geräth und i^'^'^S •". mit dem Pulver an der Seite des Deckgläschens austritt. Sollten nach dem ersten Erwärmen in dem erkalteten Präpatate keine Krystalle sichtbar sein, so erwärmt man von Neuem , wenn nöthig nach Zusatz von etwas mehr Eisessig. Nach dem Erkalten sieht man bei richtigem Arbeiten in dem Präparate eine Menge von schwarzbraunen oder fast schwarzen Häminkrystallen von wechseln- den Formen. Von konzenlrirter Schwefelsäure wird das Hämatin bei Gegenwart von Luft zu einer purpurrothen Flüssigkeit gelöst. Es wird hierbei das Eisen ab- gespaltet, und der neue Farbstoff, von Hoppe-Seyler Hämatoporphyrin genannt ist eisenfrei. Bei gehindertem Luftzutritt liefert das Hämatin mit konzentrirter Schwefelsäure einen anderen, ebenfalls eisenfreien Farbstoff, das Hümatolin (Hoppe-Seyler). Das Hämatoporphyrin kann am besten durch Einwirkung von mit Broinwasserstoff gesättigtem Eisessig auf Häminkrystalle dargestellt werden (Nencki und Sieber*). Hämatoporphyrin, CjßH,f.N.,03. Dieser Farbstoff kommt nach Mac: MuNN^) als physiologischer Farbstoff bei gewissen Thieren vor. Im Menschen - harne kommt es , wie namentlich Garrod und Saillet gezeigt haben , als nor- maler Bestandtheil, wenn auch nur spurenweise, vor. Li grösserer Menge tritt porphyrin. es im Harne namentlich nach dem Gebrauche von Sulfonal auf (vergl. Kap. 15). 1) Hoppe-Seylek, Mefl. ehem. Untersuch. S. 528. Nencki und Sieber, Moiiiitslu-ftv f. Chem. 9. 2) Journ. of Physiol. 7. 152 Sechstes Kapitel. Dieser Farbstoff ist nach Nencki und Sieber dem Gallenfarbstoffe Bili- rubin isomer und seine Entstehung aus dem Hämatin kann nach ihnen durch iium:ito- folcrendes Schema veranschaulicht werden: C5.,H.>.>N,0,Fe + 2H.,0 — Fe = yCipHjj,N203. Durch Einwirkung von Reduktionsmitteln hat man aus dem Hämatoporphyrin einen , dem Harnfarbstoffe Urobilin nahestehenden Farbstoff erhalten (Hoppe-Seyler, Nencki und Sieber, Le Nobel, Mac: Munn). Durch Versuche an Kaninchen haben Nencki und Rotschy') festgestellt, dass das eingeführte Hämatoporphyrin im Thierkörper zum Theil zu einer Urobilinsub- stanz umgewandelt werden kann. Beim Erhitzen zersetzt es sich und entwickelt einen Geruch nach Pyrrol. In warmer, rauchender Salpetersäure löst es sich mit rother Farbe und die Lösung wird dann grün , blau und gelb. Die Verbindung mit Salzsäure kry- stallisirt in langen, braunrothen Nadeln. Wird die Lösung in Salzsäure mit Natronlauge fast neutralisirt und darauf mit Natriuraacetat versetzt, so scheidet sich der Farbstoff als amorphe, braune, in Amylalkohol, Aether und Chloro- J^'s™- form nur wenig, in Aethylalkohol, Alkalien und verdünnten Mineralsäuren da- gegen leicht lösliche Flocken aus. Die Verbindung mit Natrium krystallisirt in kleinen Drusen von braunen Krystallen. Die sauren alkoholischen Lösungen haben eine prachtvolle Purpurfarbe, die bei Zusatz von grösseren Säuremengen violettblau wird. Die alkalischen Lösungen sind ebenfalls, wenigstens bei nicht zu grossem Alkaligehalte, von einer schön rothen Farbe. Die nach verschiedenen ]\Iethoden dargestellten Hämatoporphyrinpräparate können zwar bezüglich der Löslichkeit und der Farbe der Lösungen etwas verschieden sein; hinsichtlich der charakteristischen Absorptionsspektra stimmen sie jedoch alle im Wesent- lichen mit einander überein. Eine von Salzsäure oder Schwefelsäure saure, alkoholische Hämatopor- phyrinlösung zeigt zwei Absorptionsstreifen, von denen der eine, welcher schwächer und weniger breit ist, zwischen G und D, nahe an 2) gelegen ist. Der zweite, lies HämaTo- Welcher viel dunkler, schärfer und breiter als jener ist, liegt etwa in der Mitte poipiyims. ^^yjgßjjgß j) m,(j ^_ \on diesem Streifen erstreckt sich rothwärts eine Ab- sorption, die mit einem dunkleren Rande endet, welcher als ein dritter Streifen zwischen den beiden anderen aufgefasst werden kann. Eine verdünnte alkalische Lösung zeigt vier Streifen, einen zwischen G und 1), einen zweiten breiteren um D herum mit dem grössten Theile zwischen I) und E, einen dritten, zwischen D und E fast an E und endlich einen vierten, breiten und dunklen Streifen zwischen h und F. Nach Zusatz von alkalischer Chlorzinklösung verändert sich das Spektrum mehr oder weniger rasch 2) und zuletzt erhält man ein Spektrum mit nur zwei Streifen, den einen um D herum und den anderen zwischen ]) und E. Schüttelt man eine saure 1) Hoppe-Sevlkk 1. c. S. 533; Le Nobel, PflCgek's Areh. 40; Mac Munn, Prot-. Roy. Soc. 30 und Journ. of Physiol. 10. Nencki und Rotschy , Monatshefte f. Chem. 10. 2) Vcrgl. Hamm.\ksten, Skand. Arch. f. Physiol. 3 und GakhOd, Journ. of Physiol. 13. Hämatoidin. Nachweis von Blut. 153 HämatoporphyrinlösuDg mit Chloroform, so nimmt dieses einen Theil des Farb- stoffes auf und die Chloroformlösung zeigt oft ein fünfbandiges Spektrum mit zwei Streifen zwischen C und D. Hämatoidin hat Virchow einen in orangefarbigen rhombischen Tafeln krystallisirenden Farbstoff genannt, welcher in alten Blutextravasaten vorkommt und dessen Ursprung aus dem Blutfarbstoffe sichergestellt zu sein scheint ^ " . Hiimatoidin. {Langhans, Cordüa, Quincke u. A. ^). Eine Lösung von Hämatoidin zeigt keinen Absorptionsstreifen, sondern nur eine starke Absorption von Violett bis Grün (Ewald-). Nach den meisten Forschern soll das Hämatoidin mit dem Gallenfarbstoffe Bilirubin identisch sein. Mit dem krystallisirenden Luteiu aus den Corpora lutea der Kuhovarien ist es dagegen nicht identisch (Picgolü und Lieben ä). Kühne und Ewald). Zum Nach\Yeise der oben geschilderten verschiedenen Blutfarbstoffe ist das Spektroskop das einzige, ganz zuverlässige Hilfsmittel. Handelt es sich nur um den Nachweis von Blut im Allgemeinen, gleichgültig ob der Farbstoff Nachweis als Hämoglobin, Methämoglobin oder Hämatin vorhanden ist, so liefert die^^utfarb- Darstellung von Häminkrystallen, bei positivem Erfolge, einen absolut entschei- Stoffen denden Beweis. Bezüglich des näheren Verfahrens zum Nachweise von Blut in gerichtlich-chemischen Fällen niuss übrigens auf ausführlichere Handbücher verwiesen werden, und es dürfte genügend sein, liier nur die Hauptzüge der Untersuchung anzuführen. Solleu Flecken auf Kleidern, Leinwand, Holz u. s. w. auf die Gegenwart von Blut untersucht werden, so ist es, wenn thunlich, am einfachsten, von dem Flecken so viel als möglich abzukratzen oder abzuschaben, mit Kochsalz zu zerreiben und dann hiermit die Häminprobe anzustellen. Bei positivem Erfolge ist die Anwesenheit von Blut nicht zu bezweifeln. Kann auf die obengenannte Weise keine nennenswerthe Menge Material erhalten werden, so laugt man den GeiichtUch- Flecken mit einigen Tropfen Wasser in einem Uhrgläschen aus. Wird hierbei Kachweis eine gefärbte Lösung erhalten, so entfernt man, so weit thunlich, Fasern, Holz- ^"^ " ' späne und dergleichen und lässt die Lösung in einem L^hrglase eintrocknen. Der eingetrocknete Rückstand kann theils mit dem Spektroskope direkt geprüft werden und theils kann man ihn zur Darstellung von Häminkrystallen ver- wenden. Er eignet sich auch gut, nach vorgängiger Alkalibehandlung und Zusatz von reduzirender Substanz , zum Nachweise von Hämochromogen in alkalischer Lösung. Erhält man nach dem Auslaugen mit Wasser keine gefärbte Lösung, oder sitzen die Flecken auf rostigem Eisen , so laugt man mit einer schwachen Alkalilauge (5 p. m.) aus. Bei Gegenwart von Blut giebt diese Lösung nach der Neutralisation mit Salzsäure beim Eintrocknen einen Rückstand , welcher mit Eisessig Häminkrystalle geben kann. Ein anderer Theil der alkalischen Lösung zeigt nach Zusatz von der SroKEs'schen Reduktionsflüssigkeit die Ab- sorptionsstreifen des Hämochromogens in alkalischer Lösung. 1) Eine reichhaltige Litteraturübeisicht über das Hämatoidin findet man hei Stadel- mann: Der Icterus etc. Stuttgart 1891. S. 3 und 45. 2) Zeitsehr. f. Biologie. 22. S. 475. 3| Citirt nach GorpP-BeSANEZ : Lelirbucli tl physinl. Chem. 4. Aufl. 1878. 154 Sechstes Kapitel. Zur quantitativen Bestiinniuug der Blutfarbstoffe sind verschiedene, theils chemische und theils physikalische Methoden vorgeschlagen worden. Unter den ehe mischen Methoden ist besonders zu nennen die Einiiseherung des Blutes mit der Bestimmung des Eisengehaltes, aus welchem dann die Hämoglobinmenge be- rechnet wird. In neuerer Zeit hat A. JOLLES ') eine hierauf basirende Methode zu klinischen Zwecken ausgearbeitet. Die physikalischen Methoden bestehen entweder in einer kolorimetrischen oder einer spektroskopischen Untersuchung. Das Prinzip der kolorimetrischen Methode von Hoppe-Seyler besteht darin, dass eine abgemessene Menge Blut mit genau abgemessenen Mengen Wasser verdünnt wird, bis die verdünnte Blutlösung dieselbe Farbe wie eine reine Oxyhämoglobinlösung von bekannter Stärke angenommen hal. Aus dem Grade der Verdünnung lässt sich dann der Farbstoffgehalt des unverdünnten Blutes berechnen. Zu der kolorimetrischen Prüfung benutzte man ursprünglich Glasgefässe mit planparallelen "Wandungen und einer Flüssigkeitsschicht von 1 cm Dicke (Häni a t i nom eter von Hoppe-Seyler); noch vortheilhafter ist aber die s. g. kolorimetrische Doppelpipette von Hoppe-Seyler. Von Giacosa Koiori- und Zaxger MEISTER^) sind andere gute Apparate konstruirt worden. Statt einer "Mefho'iilf Oxyhämoglobinlösung vervreudet man nunmehr allgemein als Vergleichsflüssig- keit eine Kohlenoxydhänioglobinlösung, die mehrere Jahre unverändert aufbe- wahrt werden kann. Die Blutlösung wird in diesem Falle ebenfalls mit Kohlen- oxyd gesättigt. Das Verfahren soll gut sein. Die quantitative Bestimmung des Blutfarbstoffes mittels des Spektroskope* kann auf verschiedene Weise geschehen, wird aber nunmehr wohl ausschliesslich nach der spektropliotometrischen llethode, welche überhaupt die zuverlässigste von allen zu sein scheint, ausgeführt. Diese Methode basirt darauf, dass der Piiuzip der ExtinktioHskoeffizient einer gefärbten Flüssigkeit für einen bestimmten Spektral- ph^^ometrie. bezirk der Konzentration direkt proportional ist, so dass also C:E = Ci:E,, wenn C und Cj verschiedene Konzentrationen und JE und JE^ die entsprechen- C C den Extinktionskoeffizienten bezeichnen. Aus der Gleichung =^' folgt also, hl hi dass für einen und denselben Farbstoff diese Relation, welche das ,,Ahsorptions- rerhä1f»iss'' genannt wird, eine konstante sein rauss. Wird das Absorptions- verhältniss mit Ä, der gefundene Extinktionskoeffizient mit E und die Konzen- tration (der Gehalt an Farbsto'ff in Gm in 1 ccm) mit C bezeichnet, so ist also C = A.E. Zur Bestimmung des Extinktionskoeffizienten , welcher dem negativen Logarithmus derjenigen Lichtstärke , welche nach der Passage des Lichtes durch eine absorbirende Flüssigkeitsschicht von 1 cm Dicke übrig bleibt, gleich ist, sind verschiedene Apparate von Vjerordt und Hüfner ^) konstruirt worden. Bezüglich derselben muss auf ausführlichere Handbücher verwiesen werden. Der Kontrolle halber wird der Extiuktionskoeffizient in zwei verschiedenen Spektral- regionen bestimmt. HÖFSER hat hierzu gewählt: a) die Mittelregion zwischen den beiden Absorptionsbändern des OxThämoglobins , speziell das lutorviül zwischen den Wellenlängen 1) Pflüger's Arch. 65. Monatshefte f. Chem. 17. ä) F. IIoppe-Seyler , Zeitsehr. f. physiol. Chem 16; G. Hoppe-Seyler, ebenda 21; WlNTERNITZ, ebenda; GlACOSA, Maly's Jahresber. 26; Zangermeistek, Zeitsehr. f. Biologie 33. 3) Man vergl. ViEKORDT: Die Anwendung des Spektralapparates zu Photometrie etc. Tübingen 1873 nnd die Aufsätze von IliFNER, Du Bois-Reymond'k Arch. 1894 und Zeitsehr. f. physiol. Chem. 3; v. Noorden, ebenda 4; Otto, PflEger's Arch. 31 u. 36. Spekfrophotometrie. 155 554 ^j» und 565ftft, und b) die Gegend des zweiten Bandes, speziell das Tntervall zwischen den Wellenlängen 531,5^^ und 542,5 jiij«. Die Konstanten oder die Absorptionsverhältnisse für diese zwei Bezirke werden von HCfner mit A, bezw. A' bezeiehnet. Vor der Bestimm- ung muss das Blut mit Wasser verdünnt werden, und wenn man das VerdünnungsverhällnissSpektropho- des Blutes mit V bezeichnet, wird also die Konzentration oder der Gehalt des unverdünnten ijethoiie IJlutes au Farbstoff in 100 Tht-ilen sein: C = 100 . V . A . E und C = lOO.V.A'.E'. Die Absorptionsverhältnisse oder die Konstanten in den zwei obengenannten Spektral- bezirken sind für Oxyhämoglobin, Hämoglobin und Kohlenoxydhämoglobin folgende: Oxvhämoglobin . . . . Ao = 0,002070 und A'o = 0,001312 Härao<;lobin Ar = 0,001354 „ A'r = 0,001778 Kohlenoxydhämoglobin . . Ac = 0,001383 „ A'c = 0,001263 Auch in Gemengen von zwei Blutfarbstoffen kann die Menge eines jeden nach dieser Absoi-p- Methode bestimmt werden, was von besonderer Bedeutung für die Bestimmung der Menge hältnisse tles gleichzeitig anwesenden Oxyhämoglobins und Hämoglobins im Blute ist. Bezeichnet man der Blut- mit E und E' die Extinktionskoeffizienten des Gemenges in den oben genannten zwei Spektral- f^rbstotle. bezirken, mit Ao und A'o und Ar und A'r die Konstanten für Oxyhämoglobin. bezw. redu- zirtes Hämoglobin und mit V den Verdünnungsgrad des Blutes, so wird der Prozentgehalt an Oxyhämoglobin Ho und an (reduzirtem) Hämoglobin Hr sein : inn ^r AoA'o(EAr — E'A'r) Ho = 100 . V . ~r — — — — und A oAr — AoAr Hr = 10Q.V.^^'-^'^'^'°-^^gI A'o Ar — Ao A r. Unter den vielen, für klinische Zwecke konstruirten Apparaten zur quanti- tativen Hämoglobinbestininiung sind besonder.s zu nennen das Hämometer von Fleischl, welches zahlreiche Modifikationen erfahren hat, und das Häma- toskop von Henocque. Bezüglich dieser Apparate vergleiche man: v. Jaksch, klinische Diagnostik innerer Krankheiten 4. Auflage 1896 und Jaquet, Corresp. Blatt f. Schweiz. Aerzte 1897. In dem Blute der Evertebraten siud ausser dem oft vorkommenden Hämoglobin mehrere andere Farbstoffe gefunden worden. Bei einigen Arachniden, Crustaceen, Gastro- F.arbstoffe- poden und Cephalopoden hat man einen, dem Hämoglobin analogen, kupferhiütigen, von niederer Fkedericq Hämocyanin genannten Stoff gefunden. Unter Aufnahme von locker gebundenem Thiere. Sauerstoff geht dieser Stoff in blaues Oxy hämocyanin über und wird durch das Entweichen des Sauerstolies wieder entfärbt. Ein von Lankester Chlorocrvorin genannter Farbstoff findet sich bei einigen Cha^topoden. Hämerythrin hat KKt:KEXBERG einen, zuerst von Schwalbe beobachteten, rotheu Farbstoff bei einigen Gephyreen genannt. Neben dem Hämocyanin findet sich in dem Blute einiger Crustaceen auch der im Thierreiche weit ver- breitete rolhe FarbstoÖ' Tetronerythrin (Halliburton). Kchinochrom hat Mac Münn') einen braunen, in der Perivisceralflüssigkeit einer Echiuusart vorkommenden Farbstoff genannt. Die quantitative Zusammensetsiing der rothen Blutkörperchen. Ihr Gehalt an Wasser schwankt in verschiedenen Blutsorten zwischen 570 und 644 p. m., mit einem entsprechenden Gehalte von 430 bezw. 356 p. m. festen Stoffen. Die Hauptmasse besteht aus Hämoglobin, gegen */io — ^/lo der Trocken- substanz (im Menschen- und Säugethierblute). Nach den Analysen von Hoppe-Setler und seinen Schülern ^) sollen die rothen Blutkörperchen auf je 1000 Theile Trockensubstanz enthalten. 1) Fkedekicq, Extrait des Bulletins de TAcadcmie Roy. de Belgique. (2.) 46. 1878. LANKE.STER, Joum. of Anat. and Physiol. 2 u. 4 Krükenberg, Vergl. physiol. Stud. Reihe 1 Abth. 3 Heidelberg 1880. Hallibubtox. .lourn. ot Physiol. 6. Mag Münn, Quart, .lourn. ol Microsc. seience 1885. 2) Med. ehem. Untersuch. S. 390 u. 393. setzuniL: der rothen Blut- körperchen. 156 Sechstes Kapitel. HiünoKlobiu Eiweiss Lecithin Cholesterin Mensclienblut . . 868—943 122—51 7,2—3,5 2,5 Hundeblut . . 865 126 5,9 3,(5 Gänseblut . . . . . 627 364 4,6 4,8 Schlangenblut . . . . 467 525 — — Abderhalden" fand für die Blutkörperchen der von ihm untersuchten Haus- säugethiere folgende Zusammensetzung: Wasser 591,9 — 644,3; feste Stoffe 408,1—355,7; Hämoglobin 303,3—331,9, Eiweiss 5,32 (Hund) — 78,5 (Schaf), Cholesterin 0,388 (Pferd) — 3,593 (Schaf) und Lecithin 2,296 (Hund) — 4,855 p. m. Von besonderem Interesse ist das verschiedene Verhältniss zwischen dem Hämoglobin und dem Eiweisse in den kenifiihrenden und nicht kernhaltigen Blutkörperchen. Diese letzteren sind nämlich bedeutend 3-eicher an Hämoglobin und ärmer an Eiweiss als jene. Der Gehalt an Mineralstoffen ist bei verschiedenen Thierarten verschieden. Nach Bunge und Abdekhaldex enthalten die rothen Blutkörperchen von Schwein, Pferd und Kaninchen kein Natron, welches dagegen in den Blutkörperchen von Mensch, Rind, Schaf, Ziege, Hund und Katze verhältnissmässig reichlich vorkommt. Bei den fünf letztgenannten Thierarten war der Gehalt an Natron 2,135—2,856 p. in. Der Gehalt an Kali war 0,257 (Hund) — 0,744 (Schaf) p. m. Beim Pferd, Schwein und Kaninchen war der Gehalt an Kali 3,326 (Pferd) — 5,229 (Kaninchen) p. m. Beim Menschen sollen nach W.\nach ') die stofte <•"' Blutkörperchen etwa 5 mal so viel Kalium als Natron, als Mittel 3,99 bezw. törperchen. Q 75 p ,„^ enthalten. Kalk soll in den Blutkörperchen fehlen und Magnesia kommt nur in geringer Menge, 0,016 (Schaf) — 0,150 (Schwein) p. m., vor. Die Blutkörperchen sämmtlicher untersuchten Thiere enthalten Chlor, 0,460 — 1,949 (beides beim Pferde), meistens 1 bis gegen 2 p. m., und Phosphorsäure. Die Menge der anorganischen Phosphorsäure zeigt ebenfalls grosse Schwankungen 0,275 (Schaf) — 1,916 (Pferd) p.m., sämtntliche Zahlen auf die frischen, wasserhaltigen Blutkörperchen berechnet. Die farblosen Blutkörperchen und die Blutplättchen. Die farblosen Blutkörperchen, auch Leukocyten oder Lymphoid- zellen genannt, welche bekanntlich von verschiedener Form und Grösse in der Blutflüssigkeit vorkommen, stellen im ruhenden Zustande kugelige Klümpchen hüllenlosen Proto- 4 Kerne zu sehen sind. In dem Menschen- und Säugethierblute sind sie grösser als die rothen Blutkörperchen. Sie haben auch ein niedrigeres spezifisches Gewicht Farblose eines klebrigen , stark lichtbrechenden , bewegungsfähigen öipcrchen. plasmas dar, in welchem nach Zusatz von Wasser oder Essigsäure 1 2) BrNGE, Zeitscbi-. t. Biologie 12 und .Abderhalden, Zcitsehi-. f. pbysiol. Chem. 23 und 25. Wasach, Maly's Jabresber. 18, S. 88. Farblose Blutkörperchen. 157 als diese, bewegen sich in dem cirkulirenden Blute näher an der Gefässwand und bewegen sich auch langsamer. Die Zahl der farblosen Blutkörperchen schwankt bedeutend nicht nur in verschiedenen Gefässbezirken, sondern auch unter verschiedenen physiologischen Verhältnissen. Als Mittel kommt auf 350 — 500 rothe Blutkörperchen je ein farbloses. Nach den Untersuchungen von Alex. Schmidt^) und seinen Schülern sollen unmittelbar nach dem Entleeren des Blutes vor und während der Ge- rinnung Leukocyten massenhaft zu Grunde gehen, so dass das entleerte Blut erheblich ärmer an solchen als das kreisende ist. Die Eichtigkeit dieser Angabe wird jedoch von anderen Forschern geleugnet. Vom histologischen Gesichtspunkte aus unterscheidet man bekanntlich verschiedene Arten von farblosen Blutkörperchen; in chemisch« Hinsicht sind jedoch noch keine sicheren Unterschiede zwischen ihnen bekannt. Mit Rück- sicht auf ihre Bedeutung für die Faserstoffgerinnung unterscheidet Alex. ScH.MlDTj,^jJ'^''^2rteü und seine Schüler zwischen solchen Leukocyten, welche bei der Gerinnung zu "^ ™ y^®^,*"*" Grunde gehen, und solchen, welche dabei nicht zerstört werden. Die letzteren geben mit Alkalien oder Kochsalzlösung eine schleimige Masse; die ersterea zeigen ein solches Verhalten nicht. Das Protoplasma der Leukocyten ist während des Lebens amöboider Be- wegungen fiihig, welche theils Wanderungen der Zellen und theils die Aufnahme kleiner Körnchen oder Fremdkörperchen ins Innere derselben ermöglichen. Aus diesem Grunde hat man auch das Vorkommen von Myosin in ihnen ange- nommen, ohne indessen irgend welche Beweise hierfür liefern zu können. In den mit eiskaltem Wasser ausgewaschenen Leukocyten des Pferdeblutes glaubt Alex. Schshdt Serumglobulin gefunden zu haben. Es geben ferner, wie oben gesagt, wenigstens gewisse Leukocyten mit Alkalien oder Kochsalzlösung eine proto- schleimig aufquellende Masse, welche mit der in den Eiterzellen vorkommen- Leukocyteu. den sog. hjaUnen Substanz von Rovida identisch zu sein scheint. Bei dem Auslaugen der Leukocyten mit Wasser hat man eine durch Essigsäure fällbare Proteinsubstanz erhalten, welche der Hauptbestandtheil der Leukocyten zu sein scheint. Diese Substanz, welche in unzweifelhafter Beziehung zu der Blutge- rinnung steht und welche unter verschiedenen Namen beschrieben worden ist (vergl. Kap. 5, S. 103), besteht wenigstens der Hauptsache nach aus Nukleo- histon. Glykogen ist, wie oben bemerkt (Kap. 5), in den Leukocyten gefunden worden. Von den Leukocyten stammt wahrscheinlich das von Huppert, Czerny, Dastre -) und Anderen in Blut und Lymphe nachgewiesene Glykogen her. Die Bestandtheile der Leukocyten sind im Uebrigen die schon im Kap. 5 bespro- chenen Bestandteile der Zellen überhaupt. 1) PflCger's Arch. 11. 2) HüPPEET, Centralbl. f. Physiol. 6 S. 394; Czersy, Arch. f. exp. Path. n. Pharm. 31. D.^STKE, Compt. rend. 120 u. Anh. de Physiol. (5) 7. 158 Sechstes Kapitel. Die Blutplättchen (bizzozero), Hämatoblasten (Hayem), über deren Natur und physiologische Bedeutung man viel gestritten hat, sind blasse, farb- lose, klebrige Scheibchen von runder Form, welche im Allgemeinen einen 2 bis 3 mal kleineren Durchmesser als die rothen Blutkörperchen haben. Bei An- wendung der verschiedensten Reagenzien tritt eine Trennung der Blutplättchen in zwei Substanzen ein, die eine ist homogen und wenig lichtbrechend, die andere stark lichtbrechend und körnig. Die Blutplättchen kleben leicht zu- sammen und haften auch leicht Fremdkörpern an. Nach den Untersuchungen von Kossel und Lilienfeld ^) bestehen die Blutplättchen aus einer chemischen Verbindung zwischen Eiweiss und Nuklein. Dementsprechend werden sie auch von Lilienfeld Nttldeinplättchen genannt und als Derivate des Zellkernes betrachtet. Dass die Blutplättchen in bestimmter Beziehung zu der Blutgerinnung stehen, scheint fast sicher zu sein; und nach Lilienfeld ist die Faserstoffgerinnung sogar eine Funktion des Zellkernes. Zu der Bedeutung dieser Gebilde für die Blutgerinnung werden wir übrigens bald zurückkommen. III. Das Blut als ein Gemenge von Plasma und Blutkörperchen. Das Blut als solches ist eine dicke, klebrige, heller oder dunkler rothe, selbst in dünnen Schichten undurchsichtige Flüssigkeit von salzigem Geschmacke und schwachem, bei verschiedenen Thierarten verschiedenem Gerüche. Nach Zusatz von Schwefelsäure zum Blute tritt der Geruch deutlicher hervor. Das spezifische Gewicht zeigt beim gesunden erwachsenen Menschen Schwankungen von 1,045 bis 1,075. Beim erwachsenen Manne beträgt es als Mittel etwa 1,058. Beim Weibe ist es etwas niedriger. Nach Lloyd Jones ist das spez. Gewicht am höchsten bei der Geburt, am niedrigsten dagegen bei Kindern bis zum zweiten Jahre und bei Schwangeren. Aus den Bestimmungen von Lloyd Jones, Hammerschlag ^) und anderen Forschern geht es übrigens hervor , dass die bei gesunden Personen beobachteten, von dem Alter und dem Geschlechte abhängigen Schwankungen des spez. Gewichtes mit den Schwankungen der Hämoglobinmenge wesentlich zusammenfallen. Die Bestimmung des spez. Gewichtes wird am genauesten mit dem Pykno- meter ausgeführt. Wenn es um kleine Blutmengen, wie für klinische Zwecke, sich handelt, so bedient man sich indessen gewöhnlich des folgenden, von 1) Bezüglich der Litteratur über die Blutplättchen vergl. man: Lilienfeld, Hämato- logische Untersuchungen. Du Böis-Reymond's Arch. 1892 und Leukocyten und Blutgerinn- ung. Verhandl. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin. 1892. Vergl. ferner MosEN, Du Bois-Rey- mond's Arch. 1893. 2) Lloyd Jones, Journ. of Physiol. 8; Hammerschlag, Wien. klin. Woohcuscbr. 1890 und Zeitschr. f. klin. Med. 20. Alkalescenz des Blutes. 159 Hammerschlac; ') herrührenden Verfahrens. Man bereitet sich ein Gemenge von ^^'''"""'""e ' , , '^ . des spez. Chloroform und Benzol, von etwa dem spez. Gewichte 1,050, und bringt einen Gewichtes. Tropfen des Blutes in dieses Gemenge hinein. Steigt der Tropfen, so wird Benzol, sinkt er, so wird dagegen Chloroform zugesetzt, bis der Tropfen in der Mischung gerade schwebt, und darauf wird das spez. Gewicht der Mischung durch ein Aräometer bestimmt. Die Methode ist allerdings nicht ganz genau; man muss rasch arbeiten, und es sind auch andere Kautelen uöthig, bezüglich •derer auf die Arbeit von L. Zuxtz (PFLÜtiER Arch. Bd. ü6) hingewiesen wird. Die Reaktion des Blutes ist alkalisch. Der Gehalt des frischen, nicht defibrinirten Blutes an Alkali, als NagCOg berechnet, beträgt nach Loewt beim Hunde, Pferde und Menschen bezw. 4,93, 4,43 und 5,95 p. ra. Nach Strauss kann man für normales Menschenblut als Mittel etwa 4,3 p. ra. Na^COg berechnen. Zahlen unter 3,3 p. m. wie über 5,3 p. m. sind nach ihm als pathologisch zu betrachten, v. Jaksch fand beim Menschen einen Alkaligehalt von 3.38 bis 8.90 p. m. Die alkalische Reaktion nimmt ausserhalb des Körpers an Inten- sität ab und zwar um so schneller, je grösser die ursprüngliche Alkalescenz war. Dies rührt von einer in dem gelassenen Blute stattfindenden Säurebildung her, an welcher die rothen Blutkörperchen in irgend einer Weise betheiligt zu sein scheinen. Nach starker Muskelthätigkeit soll die Alkalescenz angeblich ° ^ _ Alkalescenz abnehmen (Peiper, Cohnsteix) und ebenso nimmt sie nach anhaltender Ein- des Blutes, nähme von Säure ab (Lassar, Freudberg -). Ueber die Alkalescenz des Blutes in Krankheiten liegen zahlreiche Untersuchungen vor; da man aber bisher keine allgemein als zuverlässig anerkannte Methode zur Bestimmung der Blutalkales- cenz kennt, sind diese Untersuchungen, wie auch die über die physiologische Alkalescenz, einer weiteren Prüfung bedürftig ^). Das Alkali des Blutes findet sich theils als alkalisch reagireude Salze, Karbonat und Phosphat, und theils als Verbindungen mit Eiweiss, bezw. Hämo- globin. Jenes Alkali wird oft als leicht diflusibles, dieses als nicht oder schwer difi"u- sibles Alkali bezeichnet (vergl. oben S. 135). Sowohl das leicht wie das schwer difTusible Alkali ist auf Blutkörperchen und Plasma vertheilt und die Blut- körperchen sind, wie es scheint, reicher an schwer difiusiblem Alkali als das Plasma, bezw. Serum. Diese Vertheilung kann indessen unter dem Einflüsse ^ Verthciluns von selbst sehr kleinen Säuremengen, auch Kohlensäure, und folglich auch, wie ^^^ Alkalis. ZuNTZ, Loewy und Zuntz, Hamburger, Limbeck und Gürber*) gezeigt haben. 1) 1. c. 2) Loewy, Pflüger's Arch. 58, wo man auch Litteraturhinweise findet. H. Strauss, Zeitschr. f. klin. Med. 30; y. Jaksch, ebenda 13; Peiper, Virchow's Arch. 116; CoHN- STEIN, ebenda 130, wo auch die Arbeiten anderer, wie MINKOWSKI, ZüNTZ und Oeppert oitirt sind; Freudberg, ebenda 125 (Litteraturaugaben). 3) Ueber die Methoden der Alkalescenzbestimmung vergl. man, ausser den eben citirteu Autoren, v. Jaksch, klin. Diagnostik; v. Limbeck, Wien. med. Blätter 18; VVright, The Lancet 1897; Biernacki, Beiträge zur Pneumatologie etc., Zeitschr. f. klin. Med. 31 und 32. Hamburger, Eine Methode zur Trennung etc., Du Bois - Reymond's Arch. 1898. 4) ZuNTZ in Hermann's Handbuch der Physiol. 4. Abth. 2. LoEWY und ZuKTZ, Pfi.ügek's Arch. 58. Hamburger, Du Bois-Rey.mond's Arch. 1894 u. 1898 und Zeitschr. 160 Sechstes Kapitel. unter dein Einflüsse des respiratorisclien Gasweclisels verändert werden. Durch die Einwirkung der Kohlensäure geben die Blutkörperchen einen Theil des an Eiweiss gebundenen Alkalis an das Serum ab, welches infolge hiervon stärker alkalisch wird. Das Gleichgewicht der osmotischen Spannung in den Blutkörper- chen und im Serum wird hierdurch gestört; die Blutkörpereheu quellen auf, indem sie Wasser aus dem Serum aufnehmen und das letztere wird hierdurch mehr Blut- konzentrirt und reicher an Alkali, Eiweiss und Zucker. Unter dem Einflüsse kSrpert-'hen und Kohlen- (jgg Sauerstoffes nehmen die Blutkörperchen ihre ursprüngliche Form wieder an und die obigen Veränderungen gehen zurück. Dementsprechend sind auch die Blut- körperchen weniger bikonkav und von kleinerem Durchmesser im venösen als im arteriellen Blute (Hamburger). Das Volumen der Blutkörperchen ändert sich ferner mit der Beschaffen- heit desjenigen Mediums , in dem sie sich vorfinden. Das Volumen bleibt nur in solchen indifferenten Lösungen unverändert, welche dieselbe osmotische Spannung wie das Plasma, bezw. Serum haben. Solche Lösungen nennt man i so tonische. In Lösungen von geringerer Konzentration, sogen, hypiso- tonischen Lösungen, quellen die Blutkörperchen unter Aufnahme von Wasser auf, bis das osmotische Gleichgewicht wieder hergestellt wird, und ihr Volumen isotoiiu- wird grösser. An Lösungen von grösserer Konzentration, hyper isotonische Lösungen, geben sie umgekehrt Wasser ab, und ihr Volumen wird kleiner. Für die meisten untersuchten Blutarten, wie von Mensch, Rind, Pferd, scheint eine NaCl-Lösung von etwa 9 p. m. isotonisch zu sein , aber selbst in solchen Lösungen kann ein Austausch von Bestandtheilen zwischen Blutkörperchen und der Lösung stattfinden (Hedin '). In naher Beziehung zu dem nun Gesagten steht die Frage von der Per- meabilität der Blutkörperchen, d. h. ihre Aufnahmefähigkeit für verschiedene Stoffe. Ueber diesen Gegenstand liegen Untersuchungen von Hamburger, Grüns, Eykm.^n und namentlich von Hedin ^) vor. Die Untersuchungen von Hedin haben gezeigt, dass unter bestimmten Versuchsbedingungen gewisse Stoffe wie Permeaiiiii- 2. B. Zuckerarten und Mannit, dem defibrinirten Blute zugesetzt, wahrscheinlich tat der Blut- ' = körpercheu. gar nicht in die Blutkörperchen eindringen. Andere, wie die Neutralsalze der freien Alkalien, bleiben hauptsächlich in dem Plasma und dringen nur wenig in die Blutkörperchen hinein. Andere, wie Amraoniumchlorid und -bromid, Antipyrin und einwerthige Alkohole, vertheilen sieh fast gleich auf Körperchen und Plasma, während wiederum andere, wie der Aethyläther, von den Blut- körperchen in grösserer Menge als von dem gleichen Volumen Plasma auf- genommen werden. f. Biologie 28 u. 35. v. LlMBECK, Arcli. f. exp. Pntli. u. Phaini. 35. (iUKBER, Sitzungsber. d. phys. med. Gesellsch. zu Würzburg 1895. 1) Bezüglich der Lehre von der Isotonie vergl. man Hamburger, die oben citirten Arbeiten und Vikchow's Arch. 140 u. 141 ; Hkdin, Slsand. Aich. f. Physiol. 5 und Pflügek's Arch. 60; Eykm.\n, ebend. 60 u. 68; KOEPPB, ebenda 65 u. Du Bois-Reymonb's Arch. 1895. -) Hedin, Pflüger's jirch. 68, wo auch die Arbeiten der andeien Forscher citirt sind, und 70. Farbe des Blutes. Geiinnung. 161 Die Farbe des Blutes ist roth, hell scharlachroth in den Arterien und dunkel blauroth in den Venen. Das sauerstofiTreie Blut ist dichroitisch , iu auffallendem Lichte dunkelroth, iu durchfallendem grün. Der Blulfarbstoö' findet sich in den Blutkörperchen. Das Blut ist aus diesem Grunde in dünneu Schichten undurchsichtig und verhält sich also als „Deckfarbe". Wird auf irgend eine der obengenannten Weisen (vergl. S. 138) das Hämoglobin von dem Stroma getrennt und von der Blutflüssigkeit gelöst, so wird das Blut durchsichtig und verhält sich somit als „Lackfarbe". Es wird nun weniger Licht aus seinem Inneren heraus reflektirt, und das lackfarbene Blut ist deshalb uud Lack- in dickeren Schichten dunkler. Werden umgekehrt durch Zusatz von Salzlösung die Blutkörperchen zum Schrumpfen gebracht, so wird mehr Licht als vorher reflektirt uud die Farbe erseheint heller. Ein grösserer Reichthum an rothen Blutkörperchen macht das Blut dunkler, wogegen es durch Verdünnung mit Serum oder bei grossem Gehalte an farblosen Blutkörperchen heller wird. Die verschiedene Farbe des arteriellen und venösen Blutes rührt wesentlich von dem verschiedenen Gasgehalte dieser zwei Blutarten, bezw. von ihrem verschiedenen Gehalte an Oxyhämoglobin und Hämoglobin, her. Die auffallendste Eigenschaft des Blutes besteht darin, dass es binnen mehr oder weniger kurzer Zeit, im Allgemeinen aber sehr bald nach dem Ader- lasse gerinnt. Verschiedene Blutarten gerinnen mit verschiedener Geschwindig- keit; in dem Menschenblute treten aber die ersten deutlichen Zeichen einer Ge- rinnung nach etwa 2 — 3 Minuten auf, und binnen 7 — 8 Minuten ist das Blut durch und durch in eine gallertähnliche Masse umgewandelt. Bei mehr lang- des"B"utcf. samer Gerinnung gewinnen die rotheu Blutkörperchen Zeit, vor der Gerinnung mehr oder weniger stark nach unten zu sinken, und der Blutkuchen zeigt dann eine obere, mehr oder weniger mächtige, gelbgraue oder röthlich-graue , aus Faserstoff mit eingeschlossenen, hauptsächlich farblosen Blutkörperchen bestehende Schicht. Diese Schicht hat man Crnsta wflammatoria oder phlogistica genannt, weil sie besonders bei inflammatorischen Prozessen beobachtet und als für solche „ ,, , Speekliaut. charakteristisch angesehen worden ist. Diese Crusta oder „SpecJchaiU" ist in- dessen für keine besondere Krankheit charakteristisch und sie kommt überhaupt dann vor, wenn das Blut langsamer als sonst gerinnt oder die Blutkörperchen rascher als gewöhnlich heruntersiuken. Eine Speckhaut beobachtet man deshalb auch oft in dem langsam gerinnenden Pferdeblute. Das Blut der Kapillaren soll gerinnungsunfähig sein. Die Gerinnung wird verzögert durch Abkühlen, durch Verminderung des Sauerstoff- und Vermehrung des Kohlensäuregehaltes, weshalb auch das venöse Blut und in noch höherem Grade das Erstickungsblut langsamer als das arterielle Blut gerinnt. Durch Zusatz von Säuren , Alkalien oder Ammoniak, selbst in geringen Mengen, von konzentrirten Lösungen neutraler Salze der Alkalien und alkalischen Erden, von Alkalioxalaten oder Fluoriden, ferner von Hühnerei weiss, Zucker- oder Gummilösung, Glycerin oder viel Wasser, wie auch durch Auf- fangen des Blutes in Gel kann die Gerinnung verzögert oder verhindert werden. Hammarsteu, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 11 162 Sechstes Kapitel. Verzögerte Pm-gh Einspritzen in das cirkulirende Blut von Alburanselösung oder Blutegel- hinderte infus, welch' letzteres auch auf das eben arelassene Blut einwirkt, wie auch von Germnung. ^ Schlangengift und Toxalbuminen kann die Gerinnung verhindert werden (vergl. S. 1 25 u. 167). Beschleunigt wird dagegen die Gerinnung durch Erhöhung der Tem- peratur, durch Berührung mit fremden Körpern, an welchen das Blut adhärirt, durch Umrühren oder Sehlagen desselben, durch Luftzutritt, durch Verdünnung Bcschieu- lyiit kleinen Mengen Wasser, durch Zusatz von Platinniohr oder fein gepulverter iiigte Gcriii- = ' _ ^ ^ nung. Kohle, Zusatz von lackfarbenem Blute, welches jedoch nicht durch den gelösten Blutfarbstoff, sondern durch die Stromata der Blutkörperchen wirkt, und ferner durch Zusatz von Lymphdrüsenleukoc3'ten oder einem kochsalzhaltigen Wasser- extrakte auf Lymphdrüsen , Hoden oder Thymus. Der wirksame Bestandtheil eines solchen Wasserextraktes ist das oben besprochene, Gewebefibrinogeu oder Nukleohiston genannte Nukleoproteid. Eine wichtige Frage ist die, warum das in den Gefässen kreisende Blut flüssig bleibt, während das gelassene Blut der Gerinnung rasch anheimfällt. Den Grund hierzu sucht man allgemein in dem Umstände, dass das letztere dem Einflüsse der lebendigen , unverletzten Gefässwand entzogen wird. Für diese Ansicht sprechen auch die Beobachtungen mehrerer Forscher. Durch Beob- achtungen von Hewson, Lister und Frederico weiss man, dass wenn eine an zwei Stellen unterbundene, mit Blut gefüllte Vene herauspräparirt wird, das in Bedeutung ihr enthaltene Blut längere Zeit flüssig bleiben kann. BrIjcke ') Hess ein aus- waud für geschnittenes, mit Blut gefülltes Schildkrötenherz bei O^C. arbeiten und er fand Wciben*'des das Blut nach mehreren Tagen ungeronnen. Das aus einem anderen Herzen entleerte, über Quecksilber aufgesammelte Blut gerann dagegen rasch. Li einem todteu Herzen, wie auch in todten Blutgefässen gerinnt das Blut bald, und ebenso gerinnt es, wenn die Gefässwand durch pathologische Prozesse verändert worden ist. Welcher Art ist nun dieser, von der Gefässwand ausgehende Einfluss auf das Flüssigbleiben des kreisenden Blutes? Frei'nd hat gefunden, dass das Blut flüssig bleibt, wenn es durch eine gefettete Kanüle unter Gel oder in mit Vaselin ausgegossene Gefässe aufgefangen wird. Wird das in ein eingefettetes Gefäss aufgefangene Blut mit einem eingeölten Glasstabe geschlagen, so gerinnt es nicht, gerinnt aber rasch beim Schlagen mit einem uneingefetteten Glasstabe oder wenn es in ein nicht eingefettetes Gefäss gegossen wird. Die Nichtgerin- Eedeutung nune des Blutes beim Auffangen desselben unter Gel ist später von Haycraft der Adlia- » ° ^ _ sion für die y,j(j Carlier bestätigt worden. Freund fand durch w-eitere Versuche, dass die Gennnuug. ^ Austrocknung der obersten Blutschichten oder die Verunreinigung mit geringen Btaubmengen sogar im Vaselingefäss die Gerinnung hervorrief. Nach Freund''*) 1) Hewson's Works, ed. by Gullivee, London 1876. Citirt nach Gamgee. Text Book of physiol. Chemistry. 1. 1880. Lister, citirt nach Gamgee ebenda. Fkedemcq, Eecherches sur la Constitution du plasma sanguin Gand 1878. Bkückb, Virchow's Arch. 12. a) Freund, Wien. med. Jahrb. 1886. Haycraft und Carlier, Journal of Anat. aud Phvsiol. 22. Blutgerionung. 163 ist es also das Vorhandensein von Adiiäsion zwischen dem Blute oder zwischen dessen Formelementen und einer Fremdsubstanz — und als solche wirkt auch die krankhaft veränderte Gefässwand — welches den Anstoss zur Gerinnung giebt, während der Mangel an Adhäsion das Blut vor der Gerinnung schützt. Bei dieser Adhäsion der Fonnelemente des Blutes an irgend einem Fremdkörper scheinen jene gewissen Veränderungen zu unterliegen, welche in einer bestimmten Beziehung zu der Gerinnung zu stehen scheinen. Ueber die Art dieser Veränderungen gehen die Ansichten leider sehr aus- einander. Nach Alex. Schmidt^) und der Dorpaterschule findet bei der Ge- rinnung ein massenhafter Zerfall von weissen Blutkörperchen statt, und dabei sollen für die FaserstofTgerinnung wichtige Bestandtheile derselben in das Plasma ^n"en''der übergehen. Nach anderen Forschern ist dagegen das Wesentliche nicht ein i''=''''°<'y*^"- Zerfall der weissen Blutkörperchen, sondern vielmehr ein Austritt von Bestand- theilen aus den Zellen in das Plasma, ein Vorgang, der von Löwit^) als Plasmoschise bezeichnet worden ist. In wie weit bei diesem Vorgange haupt- sächlich der Zellenleib (Griesbach) oder die Kerne (Lilienfeld ^) betheiligt sind, bleibt vorläufig unentschieden. Bizzozero u. A. sind übrigens der Ansicht, dass nicht die Leukocyten, sondern die Blutplättchen den Ausgangspunkt für die Fibrinbildung darstellen. Wenn also die Ansichten in diesem Punkte stark divergiren, scheinen jedoch alle Forscher darüber einig zu sein, dass bei der Blut- gerinnung irgend welche Bestandtheile der Formelemente betheiligt sind. Eine ganz besondere Stellung zu dieser Frage hatte allerdings Wooldridge*) ein- genommen , indem er nämlich den Formelementen nur eine sehr untergeordnete Bedeutung für die Gerinnung zuerkannte. Wie er gefunden hatte, kann nämlich ein Peptonplasma, welches durch Centrifugiren von sämmtlichen Formbestandtheilen befreit worden ist, reichliche woold- Mengen von FaserstoÖ" liefern, wenn es nur nicht von einer, beim .abkühlen ausfallenden ridge's An- Substanz getrennt wird. Diese Substanz , welche von Wooldridge A-Fibrinogen genannt sieht. wurde, ist indessen allem Anscheine nach ein Nukleoproteid , welches nach der einstimmigen Ansicht mehrerer Forseher von den Formelementen des Blutes, sei es den Blutplättchen oder den Leukocyten, stammt, und die Erfahrungen WOOLDRIDGE's widersprechen also eigentlich nicht der allgemein aeeeptirten Ansicht von der grossen Bedeutung der Formelemente des Blutes für die Gerinnung desselben. Ueber die Art derjenigen StoflTe, welche aus den Formelementen des Blutes vor und bei der Gerinnung austreten, sind die Ansichten ebenfalls sehr getheilt. 1) PflÜgee's Arch. 11. Die Arbeiten AxEX. SCHMIDT's finden sich sonst im Arch. f. Anat. und Physiol. Jahrg. 1861 und 1862; PfltJgek's Arch. 6, 9, 11, 13. Vergl. be- sonders Alex. Schmidt: Zur Blutlehre. Leipzig 1892, wo auch die Arbeiten seiner Schüler referirt sind, und weitere Beiträge zur Blutlehre 1895. 2) Wien. Sitzungsber. 89 u. 90 und Prager med. Wochenschr. 1889. (Keferirt in Centralbl. f. d. med. Wissensch. 28 (1890). S. 265.) 3) Griesb.\ch, PflOger's Arch. 50 und Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1892. Die Arbeiten von Lilien'feld sind folgende: Ueber Leukocyten und Blutgerinnung. Verhandl. d. physiol, Gesellsch. zu Berlin. Nr. 11. 1892: lieber den flüssigen Zustand des Blutes etc. ebenda Nr. 16. 1892 und: Weitere Beiträge zur Kenntniss der Blutgerinnung, ebenda Juli 189.3. Vergl. ferneri Zeitschr. f. physiol. Chem. 20. ■*) Die Gerinnung des Blutes (herausgegeben von M. v. Frey, Leipzig 1891). 11* 164 Sechstes Kapitel. Alex. Schmidt's Theorie. Nach Alex. Schmidt enthalten die Leukocyten, wie die Zellen überhaupt, zwei Hauptgruppen von Bestandtheileu , von denen die einen beschleunigend, die anderen dagegen verlangsamend oder hemmend auf die Gerinnung wirken. Jene können aus den Zellen mit Alkohol extrahirt werden, diese dagegen nicht. Das Blutplasma enthält nach Schmidt höchstens Spuren von Thrombin, enthält aber die Vorstufe desselben, das Prothrombin. Die gerinnungsbeschleunigenden Stoffe sind selbst weder Thrombin noch Prothrombin und sie wirken in der Weise, dass sie das Thrombin aus dem Prothrombin abspalten. Aus diesem Grunde werden sie von Alex. Schmidt zymoplastische Substanzen genannt. Die Natur dieser Stoffe ist unbekannt — nach Lilienfeld findet sich jedoch unter ihnen KH.3PO4 — und namentlich über ihre Beziehung zu den von anderen Forschern als zymoplastisch wirksam anerkannten Kalksalzen hat Schmidt keine Mittheilungen gemacht. Die in Alkohol-Aether unlöslichen, gerinnungshemmenden Bestandtheile der Zellen sind Proteide, die Schmidt Cytoglobin und Präglobulin genannt hat. Die gerinnungshemmende Wirkung dieser Stoffe kann durch Zusatz der zymo- plastischen Substanzen aufgehoben werden, und bei der nun stattfindenden Ge- rinnung wird die Ausbeute an Fibrin bedeutend grösser als bei Abwesenheit der gerinnungshemmenden Proteide. Diese letzteren liefern also das stoffliche ' Material, aus welchem zuletzt der Faserstoff hervorgeht. Der Vorgang ist nach Schmidt hierbei folgender. Aus dem Präglobulin spaltet sich erst Serumglobulin und aus diesem letzteren darauf das Fibrinogen ab, aus welchem dann das Fibriu entsteht. Die Aufgabe des Thrombins soll zweierlei Art sein. Das Thrombin soll nämlich erst das Fibrinogen aus dem Paraglobulin abspalten und dann das Fibrinogen in Fibrin umsetzen. Die Annahme einer Fibrinogenabspaltung aus dem Paraglobulin ist indessen eine nicht hinreichend begründete, unwahr- scheinliche Annahme. Während des Lebens ist nach Schmidt die gerinnungshemmende Wirkung der Zellen die vorherrschende, während ausserhalb des Körpers oder bei der Berührung mit Fremdkörpern die gerinnungsbeschleunigende Wirkung vorzugs- weise zur Geltung kommt. Die Parenchymmassen der Organe und Gewebe, durch welche das Blut in den Kapillaren fliesst, sind nach ihm diejenigen mächtigen Zellenmassen , welche in erster Linie das Flüssigbleiben des Blutes im Leben bedingen. Für die Ansicht, dass in den Formelementen ;des Blutes sowohl gerin- nungshemmende wie gerinnungserregende Stofle vorkommen , hat Lilienfeld weitere Beweise geliefert. Bezüglich der Natur dieser Stoffe weicht er indessen Q bedeutend von Alex. Schmidt ab. Während nach dem letztgenannten Forscher die Gerinnungserreger in Alkohol lösliehe Stoffe sind und die mit Alkohol er- schöpften Proteide nur gerinnungshemmend wirken, soll nach Lilienfeld da- gegen sowohl die gerinnungserregende als die gerinnungshemmende Substanz in einem Nukleoproteide , dem Nukleohiston, enthalten sein. Das Nukleohiston spaltet sich leicht in Leukonuklein und Histon, von denen jenes als Gerinnungs- Blutgerinnung. 165 erreger wirkt, während dieses sowohl intravaskulär, dem Blutgefässsystem ein- verleibt, als extravaskulär dein Blute seine Gerinnungsfähigkeit raubt. In das Blutgefässsystem gebracht, spaltet sich das Nukleohiston im Thierkörper in seine beiden Komponenten. Es ruft deshalb einerseits ausgedehnte Gerinnungen her- vor und andererseits macht es den Rest des Blutes ungerinnbar. Die Theorie Lilienfeld's unterscheidet sich übrigens von derjenigen von Alex. Schmidt und den meisten anderen Forschern darin , dass nach ihr das Fibrinferment nicht als ein Vorläufer, sondern als ein Produkt der Gerinnung betrachtet wird. Der wahre Gerinnungserreger ist nach Liliexfeld das Leukonuklei'n. Für eine solche Ansicht können indessen die Untersuchungen Liliexfeld's nicht als be- weisend betrachtet werden. Schon vor längerer Zeit hat Brücke gezeigt, dass der Faserstoff eine calciumphosphathaltige Asche liefert. Dass die Kalksalze die Gerinnung be- schleunigen oder in fermentarmen Flüssigkeiten sogar hervorrufen können, ist eine durch die Untersuchungen von Verf., Greex, Ringer und Sainsbury seit U'"'«»*™? mehreren Jahren bekannte Thatsache; aber erst durch die wichtigen Unter- Kaiksaize. suehungen von Arthes und Pages ^) ist die Noth wendigkeit der Kalksalze für die Gerinnung des Blutes oder Plasmas sicher bewiesen worden. Ueber die Art und Weise, wie die Kalksalze hierbei wirken, ist man jedoch nicht im Klaren. Nach einer allgemein acceptirten, von Arthus und Pages herrührenden Ansicht sollen die löslichen, durch Oxalat fällbaren Kalksalze nothwendige Be- dingriisse für die fermentative Umwandlung des Fibrinogens sein, indem nämlich Ti'eoi-ie vor ° . Arthus. das Thrombin bei Abwesenheit von löslichem Kalksalz unwirksam sein soll. Diese Ansicht ist indessen, wie die Untersuchungen von Alex. Schmidt, Pekel- HARING und Verf. ^) gezeigt haben, unhaltbar. Das Thrombin wirkt nämlich so- wohl bei Ab- wie bei Anwesenheit von fällbarem Kalksalz. Die Theorie von Liliexfeld, derzufolge das Leukonukle'in aus dem Fibri- nogen eine Prote'insubstanz, das Thrombosin, abspalten würde, welches darauf mit dem vorhandenen Kalke als eine unlösliche Verbindung, Thrombosinkalk LiUenfeid. ■{Fibrin) sich ausscheidet, ist ebenfalls, wie Verf., Schäfer imd Gramer '^) gezeigt haben, unrichtig. Das Thrombosin Lilienfeld's ist nichts anderes als Fibrinogen, welches in kochsalzarmer oder -freier Lösung von einem Kalksalz gefällt wird. Nach Pekelharing^) ist das Thrombin die Kalk Verbindung des Pro- thrombins und das Wesen der Gerinnung soll nach ihm darin bestehen, dass das Thrombin Kalk auf das Fibrinogen überträgt, welches dadurch in die un- lösliche Kalbverbindung Fibrin übergeführt wird. Das Thrombin wird hierbei 1) Hammaestek, Nova Acta reg. Soc. Scient. Ups,il. (3) 10 1879. Gpeen, Journ. of Physiol. 8. Ringer und Sainsbury, ebenda 11 u. 12. Akthüs et Pages und Akthus, vergl. Fussnote 4 S. 125 und Hammarsten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. 2) IIammarsten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22, wo die anderen Forscher citirt sind. 3) II.\MMARSTEN 1. c. ScHÄFEK, Jouru. of Physiol. 17 : Cramer, Zeitschr. f. physinl. Chem. 23. 4) Vergl. Fussnote 5 S. 128 und besonders VlRCHOw-Fest^chritt 1, 1891. 166 Sechstes Kapitel. in Prothrombin zurück verwandelt, nimmt aber von Neuem Kalk auf und geht dadurch in Thrombin über, welches seinen Kalk auf eine neue Portion Fibri- nogen überträgt u. s. w. Gegen diese Theorie kann man indessen unter anderem die Einwendung machen, dass man das Fibrin, wenn auch noch nicht absolut kalkfrei jedoch so arm an Kalk erhalten hat (noch nicht veröffentlichte Unter- suchung des Verfassers), dass wenn der Kalk dem Fibrinmoleküle angehörte, p^k^iha ^n" ^^^ Fibrinmolekül mehr als zehnmal grösser als das Hämoglobinmolekül sein sollte, was nicht anzunehmen ist. Es spricht dies, wie viele andere Beob- achtungen, entschieden dafür, dass der Kalk von dem Fibrinogen nur als Ver- unreinigung mit niedergerissen wird. Wenn der Kalk also für die Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin bei Gegenwart von Thrombin ohne Bedeutung zu sein scheint, so widerspricht dies jedoch, wie oben bemerkt, nicht der Beobachtung von Arthus und Pages von der Unentbehrlichkeit der Kalksalze für die Gerinnung des Blutes und des Plasmas. Es ist nämlich wohl möglich, dass die Kalksalze, wie Pekelharing annimmt, noth wendige Bedingnisse für die Umwandlung des Prothrombins in Thrombin sind. Es fragt sich also demnächst, ob das Prothrombin in dem Plasma des cirkulirenden Blutes enthalten ist, oder ob es einer der Stoffe ist, welche vor der Gerinnung aus den Formelementen heraustreten. Alex. Sch.midt scheint der Ansicht gewesen zu sein, dass schon das cirkulirende Plasma das Prothrombin ent- hält; nach Pekelharing ist dem aber nicht so. Das durch Blutegelinfus flüssig erhaltene Blutplasma gerinnt nicht nach Zusatz von Kalksalzen, wohl aber nach Zusatz von Prothrombiulösung. Von solchem Plasma werden ferner die Form- elemente, vor allem die Blutplättchen, besonders gut konservirt, und es ist also Entstehung . . des Tiu-om- nach Pekelharing Wahrscheinlich, dass das cirkulirende Plasma keine nennens- piasma. werthen Mengen von Prothrombin enthält und dass dieser Stoff vor der Ge- rinnung aus den Formelementen (vielleicht den Blutplättchen) heraustritt. Der Unterschied zwischen den Ansichten von Schmidt und Pekelharing in diesem Punkte ist also folgender. Nach Schmidt sind es die zymoplastischen Substanzen, welche aus den Formelementen in das Plasma übertreten und das darin präformiri sich vorfindende Prothrombin umwandeln. Nach Pekelharing ist es dagegen das Prothrombin, welches aus den Formelementen in das Plasma übertritt und durch die Kalksalze desselben zu Thrombin wird. Gegenüber der Ansicht von Alex. Schmidt, der zu Folge die Faseistoftgerinnung ein cnzymatischcr Prozess sein soll, hatte WoOldridge die Ansicht ausgesprochen, dass das Fibrinferment nicht eine Ursache der Gerinnung, sondern ein Produkt der dabei verlaufenden chemischen Prozesse sei. Nach WoOLDKiDOE sind dagegen Lecithin und lecithinhaltige Prote'in- eubstanzen von der grössten Bedeutung für die Gerinnung, und das Wesentlichste der Fibrin- bildung würde nach ihm eine Wechselwirkung zwischen zwei Fibriuogensubstanzen, dem A- und B-Fibrinogen sein. Es sollte hierbei eine Abgabe von Lecithin von dem A- an das B- WooldridKe' Fibrinogen stattfinden und die Formelemente würden für den ganzen Vorgang von nur unter- geordneter Bedeutung sein. Gegen diese Theorie, welche durch die Beobachtungen von WoOLDRiDGE nicht hinreichend begründet ist , sind indessen von Hallibuktok ') wichtige- Einwendungen erhoben worden. ') WoOLDRIDGE 1. c. Hallibiktox, Journ. of Physiol. 9. Intravaskalärc Gerinnung 167 Inlravaskuläre Gerinnung . Durch die Untersuchungen von Alex. Schmidt und seinen Schülern, wie auch von Wooldridge, AVright^) u. A. wissen wir, dass eine intravaskuläre Gerinnung durch intravenöse Injektion einer reichlichen Menge Thrombinlösung, wie auch durch Injektion von Leukocyten oder von Gewebefibrinogen (unreinem Nukleohiston) in das kreisende Blut zu Stande kommen kann. Auch unter anderen Verhältnissen , wie nach Injektion von Schlangengift (Martin^) oder von einigen nach dem Prinzipe von Grimaux synthetisch dargestellten eiweissähnlichen Kolloidsubstanzen (Hallibürtox und PiEKERiXG^) kann eine intravaskuläre Gerinnung auftreten. Beim Kaninchen kann die Gerinnung über das ganze Gefässsystein sich erstrecken, während sie beim Hunde gewöhnlich auf das Portalgebiet beschränkt ist. In den übrigen Theilen des Gefässsystemes beim Hunde hat das Blut dagegen regelmässig eine verminderte Gerinnungsfähigkeit. Wird von den genannten Stoffen zu wenig j injizirt, so beobachtet man nur eine bedeutend herabgesetzte Gerinnungstendenz des Blutes. Nach Wooldridge kann man im Allgemeinen behaupten, dass nach einem kurz dauernden Stadium gesteigerter Gerinnungsfähigkeit, welches zu totaler oder partieller intravaskulärer Gerinnung führen kann, ein zweites Stadium herabgesetzter oder sogar aufgehobener Gerinnungsfähigkeit des Blutes folgt. Jenes Stadium wurde von Wooldridge als „positive" und dieses als „negative Phase" der Gerinnung bezeichnet. Diese Angaben sind von mehreren Forschern bestätigt worden. Dass die positive Phase durch das reichlich eingeführte Thrombin, bezw. durch eine rasche und reichliche Bildung desselben zu Stande kommt, ist wohl nicht zu bezweifeln. Bei diesem Prozesse sind nach Alex. Schmidt die alkohol- löslichen zymoplastischen Substanzen wirksam, während man nach den Unter- suchungen Liliexfeld's diese Wirkung dem aus dem Nukleohiston abgespaltenen Leukonuklein zuzuschreiben hätte. Nach Wooldridge ruft indessen sein Ge- webefibrinogen keine intra vaskuläre Gerinnung hervor, wenn es mit Alkohol von verunreinigenden Stoffen befreit worden ist, was mit den Angaben von Alex. Schmidt stimmt, und weitere Untersuchungen sind also hier nöthig. Die Entstehung der negativen Phase hat man in verschiedener "Weise zu erklären versucht. Lilienfeld suchte die Ursache in einer Abspaltung von ge- rinnungshemmendem Histon aus dem Nukleohiston. Die gerinnungshemmende Wirkung des Histons ist in der That auch bewiesen, nicht aber die Abspaltung von solchem bei dem fraglichen Prozesse. Nach Wright und Pekelharixg soll die gerinnungshemmende Substanz Albuniose sein, die bei der Zersetzung des injizirten Nukleoproteides entsteht. Gegen diese Ansicht spricht aber der Um- atravasku- läre Ge- rinnung. 1) A Study of the intravusciilar Coagulation etc. Proceed. of the Roy. Irish. Acail. Ci.) 2; vergl. auch Wright: Lecture ou tissue or Cellfibrinogen , The Lancet 1892, und: ()n WoOLDBiDGE's Method of producing immunity etc. British Medic. Journal. Sept. 1891. '-) Journ. of Physiol. 15. 3) Journ. of Physiol. 18. 168 Sechstes Kapitel. Negative stand, dass andere Forscher, wie Halliburton' und BrodieM, keine Albumose Phase. ' ' -" im Blute oder Harne unter diesen Verhältnissen nachweisen konnten. Gegen die Annahme eines direkt hemmend wirkenden Zersetzungsproduktes des injizirten Nukleoprotei'des spricht übrigens die gerinnungshemmende Wirkung der giftigen Substanz des Schlangenblutes, die kein Nukleoproteid sein soll, wie auch die Wir- kungsweise der Albumosen. Es liegen über die Wirkungsweise der letzteren eine grosse ßeihe Untersuchungen von verschiedenen Forschern , wie Gros.tean, Ledovx^), Contejeak, Dastre, Floresco, Athanasiu, Carvallo, Gley, Pachon, Delezenne^), Spiro und Ellkger*) vor. Aus allen diesen Untersuchungen Wirkung scheint als hauptsächlichstes Resultat hervorzugehen, dass nach einer Injektion Aibumcsen. yon Albumosen eine besondere Substanz (wenigstens hauptsächlich) in der Leber gebildet wird, welche die Gerinnung verhindert, und die Albumosen würden also nicht direkt wirken. AVenn das Blut einige Zeit nach einer stattgefundenen Albuniose- injektion wieder gerinnungsfähig geworden ist, wird es durch eine neue Albumose- injektion nicht wieder gerinnungsunfähig. Das Thier ist also gegen eine Albu- moseinjektion immun geworden, ein Verhalten, welches man in verschiedener Weise zu erklären versucht hat (vergl. Spiro und Ellinger). Der Grund, warum beim Hunde die intravaskuläre Gerinnung gewöhnlich auf das Portalgebiet beschränkt bleibt, liegt nach Wright in dem grösseren Kohlen- Intra- ^ _ . Säuregehalte des fraglichen Blutes. Ein vermehrter Kohlensäuregehalt des Blutes begünstigt nämlich das Auftreten der positiven Phase, und bei Hunden, welche durch Zuklemmen der Trachea asphyktisch gemacht worden , kann durch In- jektion von Gewebefibrinogen (unreinem Nukleohiston) eine allgemeine, über das ganze Gefässsystem sich erstreckende , intravaskuläre Koagulation erzeugt werden. Die Gase (les Blutes sollen in dem Kap. 17 (Ueber die Respiration) ab- gehandelt werden. IV. Die quantitative Zusammensetzung des Blutes. Die quantitative Blutanalyse kann nicht das Blut als Ganzes allein gelten. Sie muss einerseits das Verhältniss von Plasma und Blutkörperchen zu einander und andererseits auch die Zusammensetzung eines jeden dieser zwei Hauptbestaudtheile für sich zu ermitteln haben. Die Schwierigkeiten, welche einer solchen Aufgabe im Wege stehen , sind besonders mit Rücksicht 1) Wright 1. c. ; Lilienfeld 1. c. ; Pekelharing 1. c. ; Halliburton und Brodik, Journ. of P}iysiol. 17. 2) Gros,iean, Tiavau.'c du laboratoire de L. Fredericq 4. Liege 1892. Ledoux, ebenda 5. 1896. 3) Die Arbeiten der genannten französischen Forsciier findet man in Compt. rond. soc. biol. 46, 47 u. 48 und Ardi. d. Pbysiol. (5) 7, 8, 9. 1) Zeitselir. f. physiol. Cliem. 23. Quantitative Blutanalyse. 169 auf das lebende, noch nicht geronnene Blut noch nicht überwunden worden. Da nun weiter die Zusammensetzung des Blutes nicht nur in verschiedenen Gefässbezirken , sondern auch in demselben Bezirke unter verschiedenen Um- ständen eine verschiedene sein kann, aus welchem Grunde auch eine Menge von Blutanalysen erforderlich sind, so dürfte es wohl kaum auffallend erscheinen, wenn unsere Kenntniss von der Zusammensetzung des Blutes noch verhältniss- mässig dürftig ist. Das relative Volumen der Blutkörperchen und des Serums im defibri nirten Blute kann man nach L. und M. Bleibtreu ') nach verschiedenen Methoden ermitteln, wenn man defibriuirtes Blut in verschiedenen Verhältnissen mit einer isotonischen Kochsalzlösung vermischt (jedoch so, dass auf ein Vol. Blut höchstens ein Vol. Kochsalzlösung kommt), die Blutkörperchen sich zum Boden senken lässt oder durch Centrifugiren abtrennt und die darüber stehende klare Mischung von Serum und Kochsalzlösung abhebt. Die Methoden sind folgende : 1. Man bestimmt nach Kjeldahl's Methode den Stickstoffgehalt in mindestens zwei solchen verschiedenen Mischungen von Serum und Kochsalzlösung, berechnet daraus durch ilultiplilcation mit 6,25 den eutspreclienden Eiweissgehalt und findet dann das relative Volumen der Blutflüssigkeit x und damit auch das Volumen der körperlichen Elemente (1 — x) nach folgender Gleichung: .(Ci — Cjjx = "e, — r^Cj. In dieser Gleichung bedeuten (für Mischungen 1 und 2) bj bezw. bo das zu der Mischung verwandte Blutvolumen, Si bezw. Sj das Volumen der Kochsalzlösung und C] bezw. Cj den Gehalt eines bestimmten Volumens jeder Mischung an Eiweiss. .Mothodevon 2. Durch Bestimmungen mit dem Pyknometer ermittelt man das sp. Gewicht des Blut- Bleibtreu. Serums, der Kochsalzlösung und mindestens einer in der obigen Weise erhaltenen Mischung von Serum und Kochsalzlösung. Man findet in diesem Falle das relative Volumen des Serums x nach folgender Gleichung: X = -T-.^ -. In dieser Gleichung bedeuten s und b die mit einander gemischten Volumina b So — K Salzlösung uud Blut. S bedeutet das sp. Gewicht der nach Absetzen der Blutkörperchen ge- wonnenen Serum-Kochsalzmischung, 8^ das sp. Gewicht des Serums und K das der Kochsalzlösung. Für das Pferdeblut können noch zwei andere, abgekürzte Methoden zur Anwendung kommen (vergl. das Original). Gegen die obigen Methoden sind indessen von mehreren Forschern , wie Eykman, BiERNACKi und Hedin^), wichtige Einwendungen erhoben worden und der Werth dieser Methoden ist also noch fraglich. Eine andere Methode von St. Bugarszky und Tangl^) basirt auf der ver- schiedenen elektrischen Leitfähigkeit des Blutes und des Plasmas. Für klinische Zwecke hat man versucht, das relative Volumen der körper- lichen Elemente des Blutes durch Anwendung einer kleinen , von Blix kon- struirten und von Hedin näher beschriebenen und geprüften, Hämatolnit ge- „ . Of ,, .„ , . „■ 1 ««^ r.1 1 ■ 1 • Hämatokrit. nannten Centriiuge zu bestimmen. Ji,nie abgemessene Menge ßlut wird mit einer ebenfalls genau abgemessenen Menge, am besten dem gleichen Volumen, einer die Gerinnung verhindernden Flüssigkeit gemischt, die Mischung in die Röhren eingeführt und dann centrifugirt. Nach Hedin ist es am besten , das durch 1 p. m. Oxalat flüssig erhaltene Blut mit dem gleichen Volumen einer 1) Pfldger's Arch. 51, 55 u. 60. 2) BlERNACKI, Zeitschr. f. physiol. Chem. 19. Eykman, PflüGER's Arch. 60. IlEDIN, ebenda und Skand. Arch. f. Physiol. 5. :i) (Vntralbl. f. Phvsiol. 11. 170 Sechstes Kapitel. Lösung von 9 p. ni. NaCl zu verdünnen. Nach beendetem Centrifugiren liest man die Höhe der Blutkörperchenschicht in den gradirten Röhren ab und be- rechnet daraus das Volumen , welches die rothen Blutkörperchen (richtiger die Blutkörperchenschicht) in 100 Vol. des fraglichen Blutes einnehmen. Durch vergleichende Zählungen haben Hedin und Dalaxd gefunden, dass unter physio- logischen Verhältnissen eine annähernd konstante Relation zwischen dem Volumen der Blutkörperchenschicht und der Anzahl der rothen Blutkörperchen besteht, so dass man also aus dem Volumen diese Zahl berechnen kann. Dass eine solche Berechnung auch in Krankheiten , wenn die Grösse der rothen Blut- körperchen nicht wesentlich von der Norm abweicht, zu annähernd richtigen Zahlen führen kann, hat Dal.a.\u^) gezeigt. Bei gewissen Krankheiten, wie z. B. bei der perniciösen Anämie, kann die Methode dagegen so fehlerhafte Resultate hinsichtlich der Anzahl der Blutkörperchen geben, dass sie nicht brauchbar wird. Bei Bestimmungen des Verhältnisses zwischen Blutkörperchen und Blut- flüssigkeit dem Gewichte nach geht man gewöhnlich von den folgenden Er- wägungen aus. Findet sich in dem Blute irgend eine Substanz, welche dem Plasma aus- schliesslich angehört und in den Blutkörperchen nicht vorkommt, so lässt sich der Gehalt des Blutes an Plasma berechnen , wenn man die Menge der frag- 'd'er'Mml'go" liehen Substanz in 100 Theilen Plasma, bezw. Serum einerseits und in 100 Theilen desPlasmas. Blut andererseits bestimmt. Bezeichnet mau die Gewichtsmenge dieser Substanz in dem Plasma mit p und in dem Blute mit h, dann wird also die Menge x des Plasmas iu 100 Theilen Blut: x^ '— sein. P Als solche Substanz, welche in dem Plasma allein vorkommen soll, ist von Hoppe-Seyler das Fibrin, von Buxge das Natrium (in gewissen Blut- arten) und von Otto^) der Zucker bezeichnet worden. Von diesen Substanzen ausgehend haben auch die genannten Forscher die Menge des Plasmas , bezw. der Blutkörperchen, dem Gewichte nach in verschiedenen Blutarten zu bestimmen versucht. Eine andere, von Hoppe-Seyler angegebene Methode besteht darin, dass man einerseits die Gesammtmenge Hämoglobin und Eiweiss in einer Blutportion und andererseits die Menge Hämoglobin und Eiweiss in den mit Kochsalzlösung durch Centrifugiren genügend gewaschenen Blutkörperchen einer anderen, gleich grossen Portion desselben Blutes bestimmt. Die zwischen den bei diesen zwei Bestimmungen erhaltenen Zahlen sich vorfindende Diifereuz entspricht derjenigen Methoden. Eiweissmenge, welche in dem Serum der ersten Blutportion enthalten war. Wird nun in einer besonderen Portion Serum desselben Blutes das Eiweiss bestimmt, so lässt sich leicht die ^lenge des Serums in dem Blute bestimmen. Die Brauch- barkeit dieser Methode ist durch Kontrollversuche mit Natriumbestinimuugen von Bunge bestätigt worden. Ist die Menge von Serum und Blutkörperchen in dem Blute bekannt, und bestimmt man dann die Menge der verschiedenen Blutbestandtheile in dem Blutserum einerseits und dem Gesammtblute anderer- seits, so lässt sich die Vertiieilung dieser verschiedenen Blutbestandtheile auf die zwei Hauptkomponenten, Blutkörperchen und Plasma, ermitteln. Nach den Methoden von Hoppe-Seyler und Bunge sind die Thierblutanalysen Abder- 1) Hedin, Skaud. Aicli. f. Physiol. 2 S. 134 u. 301 u. 5. Pflüger's Anh. 60. Daland, Fortschritte d, >Iecl. 9. 2) Hoppe-Seyler, Handb. d, physiol. ii. pathol. t'lu'in. Aiialysi-. 0. .Vufl. Bunge, Zeitsfhr. f. Biologie 12. Otto, Pflüger's Aieh. 35. Quantitative Zusammenstellung. 171 *- Sa So Q O i£.^ t>- o ^ ^ 11 03_ D- £ '". §'S°- c^ (N 1 1 1 J2 CD -■So o" 1 1 1 ö" SS" s iO d>^ ^» ü^ o g o CO !3 ris lO CO 0 - 2*^- ^ '^- to ^ 1 1 1 CO cT o c ■§ w o" 1 1 1 o" s 2 £?2 o 4» ^ ö 3 5°"- Ol CD O (N ti).» •* CD lO o o_ cc °°- co_ 1 1 ) D- »S of t- o" 1 1 1 mS ^ ■* d)'' ^m oi. o o m !a) o -* ^ 03 o ■"?=>. o CO g oco a^ a 3 gra 3 £.3 3 CO "^Mg" CO ■^ 1 1 1 cT ^ Sc, o CJ ■* c* o -# CO CO ^ o_ C^ CO Ol (» D- o co_^ o o co_^ CO 3 >.^ -* 1 ■^'' o" o" o o" o o o 1 o" o" o ö" m"" ^ CO lO i ^ ,H o CO CD (M lO c* .^ .^ CO o r^ ■* Ö ^ gco t> CO o_ o rj lO '<*< J3 o a ^ 1 ^ ^ i>- ■* m CO CO n -J.^0 o o lO O CO •* m ~sS (N I "^ 1 o o 1 CO 1 o CO 00 M&3 3 00 ' o" o o (M o" -t. Blute. Zucker in den Harn übergehen und also eine Gl^'kosurie auftreten. Bei Be- 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 23 u. 25. 2) Citirt und zum Theil umgerechnet nach v. Gorüp-Besanez , Lehib. d. physiol. Chem. 4. Aufl. S. 345. 3) Vergl. Sacharjin in Hoppe-Seyler , Pliysiol. Chem. S. 447; Otto, Pflügee's Arch. 35; Bunge 1. c. ; L. und M.-Bleibtreü, Pflüger's Arch. 51. 4) Arronet, Maly's Jahresber. 17; Schneider, Centralbl. f. Physiol. 5 S. 362. 5) Bleile, Du Bois-Eeymond"s Arch. 1879 ; Beknaed, Lefons sur le diab&te. Deutsch von Posner 1878. Quantitative Zusammensetzung. 173 urtheiluug des Gehaltes des Blutes an Zucker hat man aber in den meisten Fällen ausser Acht gelassen, dass die Reduktionsfähigkeit des Blutes nicht von Zucker allein, sondern auch, und vielleicht zum grössten Theil, von einer jekorin- ähnlichen Substanz herrührt (vergl. S. 134). Nach Henriques') enthält das Blut unter normalen Verhältnissen nur unbedeutende Mengen Zucker und die Reduktionsfähigkeit rührt wesentlich von Jekorin her. Eine Vermehrung des Zuckergehaltes soll, wie zuerst Bernaed beobachtete und Fr. Schenck^) neu- lich bestätigte, nach Blutentziehungen stattfinden; nach Henriques betrifft aber, wenigstens beim Hunde, diese Vermehrung der Reduktionsfähigkeit nicht den Zucker, sondern hauptsächlich das Jekorin*). Die Menge des Harnstoifes, welch' letzterer nach Schöndorff gleich- massig auf Blutkörperchen und Plasma sich vertheilt, ist nach Aufnahme von Nahrung grösser als im Hunger (Gr^hant und Quinquaud, Schöndorff) und sie sehwankt zwischen 0,2 und 1,5 p. m. Bei Hunden fand Schöndorff-^) beim Hungern ein Minimum von 0,348 p. m. und im Stadium der höchsten Harnstoffbilduug ein Maximum von 1,529 p.m. Das Blut enthält auch Spuren von Ammoniak, die nach Nenckt, Päwlow und Zaleski im arteriellen Hunde- Harnstoff blute 1,5 mg auf 100 g Blut betragen. Der Gehalt daran im Blute der Pfort- ^^^^^^^j^^ ader ist etwa 3,4 mal grösser; am grössten ist er aber in den Aesten der Vena j:)orta, namentlich in V^ena pancreatica, wo er 11,2 rag beträgt. Das Blut von gesunden Menschen enthält nach Winterberg*) als Mittel 0,90 mg in 100 ccm. Die Menge der Harnsäure kann im Vogelblute 0,1 p. m. betragen (v. Schröder^). Milchsäure wurde zuerst von Salomon und dann von Gaglio, Berlinerblau und Irisawa") im Menschenblute gefunden. Ihre Menge kann sehr bedeutend schwanken. Berlinerblau fand als Maximum 0,71 p. m. Die Zusammensetzung des Blutes in verscliiedeuen Gefässbeziriien und unter verscliiedeuen Verliältnissen. ArierieUes und venöses Blut. Der augenfälligste Unterschied dieser zwei Blutarten ist die, von einem verschiedenen Gasgehalte und einem verschiedenen Gehalte an Oxyhämoglobin und Hämoglobin herrührende verschiedene Farbe. 1) Zeitsehr. f. pliysiol. CUem. 23; vergl. aucli KOLISCH und Stejskal, Wien, liliu. Wocliensehr. 189S. ^) PflÜGER's Arcb. Ö7. *) Eine liritisclie Besprecliung der verscliiedeuen Methoden zur Enteiweissung des Blutes bei Zuckerbestimmungeu hat Seegen geliefert in Centralbl. f. Physiol. 6. 3) Grehant et QüinquaüD, Jouru. de l'anatomie et de la physiol. 20 und Compt. rend. 98. SCHÖNDOKEF, Pflüger'b Arch. 54 und 63. J) Nencki, Pawlow und Zaleski, Areh. de scicue. biol. de St. Petersbourg 4; Winterberg, Wien. klin. Wochonschr. 1897 u. Zeitsehr. f. klin. Med. 35. 5) LUDWIG-Festschrift 1897. t'i) Irisawa, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 17 , w^ aueh die ältere Litteratur sieh findet. 174 Sechstes Kapitel. Das arterielle Blut ist hellroth; das venöse ist dunkelroth, dichro'itisch, in dünnen Schichten in durchfallendem Lichte grünlieh. Das arterielle Blut gerinnt rascher als das venöse. Dieses letztere soll nach älteren Angaben in Folge der in den Arterielles Kapillaren stattfindenden Transsudation etwas ärmer an Wasser, aber reicher an und vetioseg * ' Blut. Blutkörperchen und Hämoglobin als das arterielle Blut sein, was indessen von neueren Forschern geleugnet wird. Nach den Untersuchungen von Krüger^) und seinen Schülern ist der Gehalt an Trockensubstanz und Hämoglobin im Blute der Art. carotis und der Ven. jugularis (bei Katzen) der gleiche. Auch hinsichtlich des Fettgehaltes konnten Röhmann und Mühsam-) keinen Unterschied zwischen arteriellem und venösem Blut konstatiren. Pfortader- und Lebervenenhlut. Das Blut der Lebervene soll ärmer an gewöhnlichen rothen Blutkörperchen, dagegen aber reicher an farblosen und sogen, jungen rothen Blutkörperchen sein. Es haben einige Forscher hieraus den Schluss gezogen, dass in der Leber eine Neubildung, andere dagegen, dass daselbst umgekehrt ein Zerfall von rothen Blutkörperchen von statten geht. In Anbetracht der, im Verhältniss zu den gleichzeitig gebildeten kleinen Mengen Galle und Lymphe, in der Zeiteinheit durch die Leber cirkulirenden grossen Blutmenge kann man kaum hoffen , durch die chemische Analyse be- stimmte Unteischiede in der Zusammensetzung des Pfortader- und des Leber- venenblutes sicher nachweisen zu können. Die Angaben über solche Unter- schiede sind in der That auch widersprechend. Es hat also beispielsweise Pfortader- Deosdoff mehr, Otto dagegen weniger Hämoglobin in dem Lebervenen- als uud Leber- o o o o ^ veuenbiut. jn dem Pfortaderblute gefunden. Nach Krüger ist der Hämoglobingehalt wie der Gehalt an festen Stoffen im Blute der zu- und abführenden Gefässe der Leber meistens nachweisbar verschieden, ohne dass indessen ein konstantes Ver- hältniss zu Gunsten des einen oder anderen Gefässes sich feststellen lässt. Die streitige Frage von dem verschiedenen Zuckergehalte des Pfortader- und Leber- venenblutes soll in einem folgenden Kapitel (vergl. Kap. 8 über die Zacker- bildung in der Leber) abgehandelt werden. Nach einer kohlehydratreichen Mahlzeit kann das Pfortaderblut nicht nur reicher an Glukose als sonst werden, sondern es kann auch Dextrin und andere Kohlehydrate enthalten (v. Mering, Otto^). Der Gehalt an Harnstoff soll nach Grehant und Quinquaud*) in dem Lebervenenblute grösser als in anderem Bhite sein. Ueber den Ammoniak- gehalt vergl. man das oben S. 173 Gesagte. Das Milzvenenblut ist bedeutend reicher an Leukocyten als das Blut der Milzarterie. Die rothen Blutkörperchen des Milzvenenblutes sind kleiner als die gewöhnlichen, weniger abgeplattet uud zeigen eine grössere Resistenz gegen 1) Zeitschr. f. Biologie 26. Hier finden sieh auch die Litteraturangalien über die Zu- sammensetzung des Blutes in verschiedenen Gefässbezirken. 2) PFLiJGER's Arch. 46. 3) Drosdoff, Zeitschr. f. physiol. Chem. 1. Otto, Maly's Jahresber. 17 ; v. Mering, Do Bois-Reymond's Areh. 1877, S. 412. *) 1. c. Blut verschiedener Gefässliezirkc. 175 Wasser. Das Milzvenenblut soll angeblich reicher an Wasser, Faserstoff und Albumin als gewöhuljches Venenblut sein. Nach v. Miudendoeff ist es reicher Miizvonen- an Hämoglobin als arterielles Blut. Krüger ') und seine Schüler fanden eben- falls, dass das Blut der Vena lienalis meist hämoglobinreicher ist und mehr feste Stoffe als das arterielle Blut enthält; doch trafen sie auch das entgegen- gesetzte Verhalten au. Das Milzvenenblut soll langsam gerinnen. Das Drüsenvenenhlut. Das Blut kreist mit grösserer Geschwindigkeit durch eine Drüse während der Arbeit (Absonderung) als in der Ruhe, und das nHisonbiut abHiessende, venöse Blut hat in Folge dessen während der Arbeit eine mehr heihothe Farbe und einen grösseren Gehalt an Sauerstoff. In Folge der Ab- sonderung wird auch das venöse Blut etwas ärmer an Wasser und reicher an festen Stoffen. Das MuskelvenenUiit zeigt iusoferne ein entgegengesetztes Verhalten, als es während der Arbeit in Folge der dabei gesteigerten Sauerstoffaufnahme des M"»'^«''''!"' Muskels und der noch mehr gesteigerten Kohlensäureproduktion eine dunklere, mehr venöse Beschaffenheit als in der Ruhe hat. Das Menstrualhhä soll, einer alten Angabe zufolge, gerinnungsunfähig sein. Diese Angabe ist jedoch irrig und die scheinbare Gerinnungsunfähigkeit .ji^ij^jj.^^, rührt theils von einem Zurückhalten der Blutgerinnsel in der Gebärmutter und i>i>'t- der Scheide, so dass nur flüssiges Cruor zeitweise entleert wird, und theils von einer die Gerinnung störenden Beimengung von Vaginalschleim her. Das Blut verschiedener Geschlechter. Das Blut des Weibes gerinnt etwas rascher, hat ein etwas niedrigeres spezifisches Gewicht, einen grösseren Gehalt an Wasser und einen niedrigeren Gehalt an festen Stoffen als dasjenige JJ'iJJed'eno des Mannes. Der Gehalt an Blutkörperchen und Hämoglobin ist etwas kleiner „^.1,1^^^161 beim Weibe. Der Gehalt des Blutes an Hämoglobin ist im Mittel 146 p. m. beim Manne und 133 p. m. beim Weibe. Bei Schwangeren hat Nasse eine Abnahme des spezifischen Gewichtes, bezw. eine Zunahme des Wassergehaltes bis gegen Ende des 8. Monats beob- achtet. Von da an stieg das spezifische Gewicht wieder und bei der Geburt war es wieder normal. Die Faserstoffmenge soll etwas vermehrt sein (Becquerel und RoDiER, Nasse). Die Zahl der Blutkörperchen scheint etwas abzunehmen, g^hwan- Bezüglich des Hämoglobingehaltes sind die Angaben etwas widersprechend. Bei s""'"''- trächtigen Schafen fand Cohnstein^) eine niedrigere Zahl von rothen Blut- körperchen als bei nicht trächtigen. Dagegen waren bei jenen die rothen Blutkörperchen grösser und der Gehalt des Blutes an Hämoglobin ebenfalls grösser. Bas Blut in den verschiedenen Lehensperioden. Das fötale Blut ist bedeutend ärmer an Blutkörperchen und Hämoglobin als das Erwachsener. Un- 1) V. MiDDENDORFF, Centralbl. f. Physiol. 2, S. 753. KRtJGER 1. 0. 2) Nasse, Maly's Jahresber. 7; Becquerel und Kodier, Traite de chimic patliol. Paris 1854. S. 59. COHNSTEIN, PflÜGER's Arch. 34. S. 233. 176 Sechstes Kapitel. Gehalt ai: Sämoglobi in ver- schiedene; Altern. Wirkung der Inanition. mittelbar oder bald nach der Geburt hat das Blut des Neugeborenen einen höheren Hämoglobingehalt als das Blut der Mutter (Cqhxstein und Zuntz^ Otto, Winternitz). Nach der Geburt steigt der Gehalt an Hämoglobin und Blutkörperchen rasch; doch nehmen nicht beide gleichmässig zu, indem der Hämoglobingehalt bedeutend rascher ansteigt. Zwei bis drei Tage nach der Geburt hat der Hämoglobingehalt beim Menschen ein Maximum (20 — 21 p. c.) erreicht, welches grösser als in irgend einer anderen Lebensperiode ist. Auf diesem Verhalten beruht auch der von mehreren Forschern beobachtete grössere Reichthum an festen Stoffen in dem Blute Neugeborener. Von diesem ersten Maximum sinkt der Gehalt an Hämoglobin und Blutkörperchen allmählich zu einem Minimum von etwa 11 p.c. Hämoglobin herab, welches Minimum beim Menschen zwischen dem vierten und achten Jahre auftritt. Dann steigt der 1 Hämoglobingehalt wieder, bis bei etwa 20 Jahren ein zweites Maximum von 13,7 — 15 p.c. erreicht wird. Auf dieser Höhe bleibt der Hämoglobingehalt nun bis gegen das 45. Jahr stehen und nimmt dann langsam und allmählich ab (Leichtensteen, Otto '). Im höheren Alter soll nach älteren Angaben das Blut ärmer an Blutkörperchen und Albuminstoffen, aber reicher an Wasser und Salzen sein. Die Einivirliimg der Ernährung auf das Blut. Bei vollständigem Hungern findet keine Verminderung der Menge der festen Blutbestandtheile statt (Pänüm u. A.). Der Gehalt an Hämoglobin ist ein wenig vermehrt (SuBBOTiN, Otto) und ebenso nimmt die Zahl der rothen Blutkörperchen zu (WoEM Müller, Buntzen), was wahrscheinlich daher rührt, dass die Blut- körperchen weniger rasch als das Serum umgesetzt werden. Bei Kaninchen und in geringerem Grade bei Hunden fand Popel ■^), dass vollständige Abstinenz eine Tendenz zu steigendem sp. Gewicht des Blutes zur Folge hat. Der Gehalt des Blutes an Fett kann im Hunger aus dem Grunde etwas vermehrt werden, dass das letztere aus den Fettdepots aufgenommen und den verschiedenen Organen mit dem Blute zugeführt wird (N. Schulz ^j. Nach einer reichlichen Mahlzeit kann die relative Zahl der Blutkörper- chen , je nachdem vorzugsweise eine Sekretion von Verdauungssäften oder eine Resorption von Ernährungsflüssigkeit stattfindet, vermehrt, bezw. vermindert werden (Buntzen , Leichtensteen). Die Zahl der farblosen Blutkörperchen kann nach einer an Eiweiss reichen Mahlzeit bedeutend steigen, und nach einer fettreichen Mahlzeit wird das Plasma schon nach kurzer Zeit mehr oder weniger milchig weiss wie eine Fettemulsion. Die Beschaffenheit der Nahrung wirkt 1) COHNSTEIN und ZUNTZ, PflCgee's Areh. 34; Winteknitz, Zeifschr. f. physiol. Chem. 22. Leichtekstern, Untersuch, über den Hämoglobingehalt des Blutes etc. Leipzig 1878. Otto, Maly's Jahresber. 15 n. 17. 2) Pandm, Viechow's Arch. 29. Sübbotin , Zeitschr. f. Biologie 7. Otto 1. c. WOEM MÜLLER, Transfusion und Plethora. Cliristiania 1875; Buntzen, vergl. Maly's Jahres- bericht 9. Popel, Arch. des scienc. biol. de St. Petersbourg 4 S. 354. 3) PflÜGER's Arch. 65. Zusammensetzung des Blutes. 177 auch wesentlich auf den Hämoglobingehalt des Blutes ein. Das Blut der Pflanzenfresser ist im Allgemeinen ärmer an Hämoglobin als dasjenige der Fleischfresser, und bei Hunden beobachtete Subbotin bei einseitiger Fütterung mit kohlehydratreicher Nahrung ein Herabsinken des Hämoglobingehaltes von dem physiologischen Mittelwerthe 137,5 p. m. zu 103,2 — 93,7 p. m. Nach ^j,.],„^, Leichtenstern findet eine allmähliche Zunahme des Hämoglobingehaltes im ^"'^ Nahr- ° ö ung auf Blute des Menschen bei Verbesserung der Nahrung statt, und nach demselben <"" ^"" o ° sammen- Forscher soll bei mageren Personen das Blut im Allgemeinen etwas reicher an ^^pV"»^ ''®' Hämoglobin als bei fetten desselben Alters sein. Einen grossen Einfluss auf die Anzahl und vor Allem auf den Hämoglobingehalt der Blutkörperchen übt ein Zusatz von Eisensalzen zu der Nahrung aus. Wie die Eisensalze hierbei wirken, ist streitig. Nach Bunge und seinen Schülern wirken sie wahrschein- lich in der Weise, dass sie in dem Darrakanale den Schwefelwasserstoff binden und dadurch das in resorptionsfähigen Proteinverbindungen der Nahrung ent- haltene Eisen vor der Ausscheidung als Schwefeleisen schützen. Nach mehreren anderen Forschern, wie Woltering, Kunkel, Macallum, W. Hall, Hoch- haus und Quincke und Gaule, soll indessen auch das medikamentöse Eisen resorbirt und für die Hämoglobinbildung verwerthet werden^). Eine Vermehrung der Zahl der rotheii Blutlcörperchen , eine wahre „Plethora polycythaemica", findet nach Transfusion von Blut derselben Thierart statt. Nach Beobachtungen von Panum und Worm Müller 2) wird xn^H^folhm diesem Falle die Blutflüssigkeit rasch eliminirt und umgesetzt — das Wasser tarperdien. wird vorzugsweise durch die Nieren eliminirt und das Eiweiss wird zu Harn- stoflT etc. verbrannt — während die Blutkörperchen länger sich erhalten und eine Polycythämie also zu Stande kommt. Eine relative Vermehrung der rothen Blutkörperchen findet nach reichlichen Transsudationen aus dem Blute, wie in der Cholera und bei Herzfehlern mit bedeutenden Stauungen, statt. Eine Vermehrung der Anzahl der rothen Blutkörperchen hat man auch unter dem Einflüsse des verminderten Luftdruckes oder des Höhenklimas beobachtet- Viault hatte zuerst die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass bei in hochgelegenen a^Höhen- Regionen lebenden Menschen und Thieren die Anzahl der rothen Blutkörper- '^''""'*'- chen eine sehr grosse ist. So hat nach ihm z. B. das Lama etwa 16 Millionen Blutkörperchen im cmm. Durch Beobachtungen an sich selbst und anderen Personen wie auch an Thieren fand Viault als ersten Effekt des Aufenthaltes in hochgelegenen Orten eine sehr bedeutende Zunahme der Anzahl der rothen Blutkörperchen, bei ihm selbst von 5 — 8 Millionen. Eine ähnliche Vermehruno- der rothen Blutkörperchen wie auch eine Steigerung des Hämoglobingehaltes unter dem Einflüsse des verminderten Luftdruckes ist dann von vielen anderen 1) BüNGE, Zeitschi', f. physiol. Choni. 9. HÄUSEKMANN, elieuda 23, wo mau auch die Arbeiten von Woltering, Gaule, HAll, Hochhaus und Quincke citirt findet. (lu derselben Arbeit findet man auch eine Tabelle über den Eisengehalt verschiedener Nahrungs- mittel) ; Kunkel, Pflüger's Arch. 61 ; Macallum, Journ. of Physiol. 16. a) Panum, Virchow's Arch. 29. Worm MIjller 1. e. tiaminarsteii, Pliysiologisclio Chemie, Vierte Auflage. 12 178 Sechstes Kapitel. Forschern sowohl au Menschen wie an Thieren beobachtet worden. Ob aber diese Vermehrung eine absolute oder nur eine relative, durch eine Konzentration des Blutes in Folge eines Austrittes von Plasma in die Lymphgefässe oder durch andere Verhältnisse bedingte ist, darüber sind die Forscher nicht einig'). Eine Verminderung der Zahl der rothen Bhdkörperchen komn)t bei Anämie aus verschiedenen Ursachen vor. Jede grössere Blutung hat eine akute Anämie oder richtiger Oligämie zur Folge. Schon während der Blutung wird das rückständige Blut durch verminderte Se- und Exkretion wie auch durch eine reichliche Aufnahme von Parenchymfiüssigkeit reicher an Wasser, etwas ärmer an Eiweiss und bedeutend ärmer an rotlieu Blutkörperchen. Die Oligämie Veimindcr- ggjjt, gigQ baij j^ ging Hvdräniie über. Der Gehalt an Eiweiss nimmt dar- uug derZahl ^ -^ <'"„™""='i nach allmählich wieder zu; aber die Neubildung der rothen Blutkörperehen geht kürpcichen. langsamer von Statten und nach der Hydrämie folgt also eine Oligocythämie. Nach einiger Zeit ist die Zahl der rothen Blutkörperchen wieder auf's Normale gestiegen; aber die Neubildung des Hämoglobins hält der Neubildung der Blut- körperchen nicht gleichen Schritt, und es kann also ein chlorotischer Zustand eintreten. Eine bedeutende Verminderung der Zahl der rotheu Blutkörperchen kommt auch bei chronischer Anämie und Chlorose vor; doch kann iu solchen Fällen eine wesentliche Abnahme des Hämoglobingehaltes ohne eine wesentliche Abnahme der Zahl der Blutkörperchen vorkommen. Für die Chlorose als kenn- zeichnend betrachtet man auch eher eine Verminderung des Hämoglobiugehaltes als eine verminderte Anzahl der rothen Blutkörperchen. Eine höchst bedeutende Abnahme der Anzahl der rothen Blutkörperchen (auf 300000 — 400000 in 1 cmm) und Verminderung des Hämoglobingehaltes (auf "^/s — ^'lo) kommt bei der perniciösen Anämie vor (Hayem, Läachje u. A.). Dagegen sollen dabei die einzelnen rothen Blutkörperchen grösser und reicher Porniciüae ^^ Hämoglobin als gewöhnlich sein. Nach Hayem steht ihre Anzahl in einem Anämie. ^ ö umgekehrten Verhältniss zu ihrem Häraoglobingehalte. Ausserdem zeigen die rothen Blutkörperchen bei perniciöser Anämie oft, aber nicht immer, diese eigen- thümlichen und ausserordentlichen Verschiedenheiten an Form und Grösse, welche von Quincke-) als PoiMloci/tose bezeichnet worden sind. Die Zusammetisetzung der rothen Blutkörperchen. Abgesehen von den obengenannten Aenderungeu des Hämoglobingehaltes kann die Zusammensetzung Zusammen- jgj. Blutkörperchen auch iu anderer Weise verändert werden. Bei reichlichen Setzung der ' kör'""rch'n Transsudatioueu, wie in der Cholera, können die Blutkörperchen Wasser, Kalium 1) Mau vergleiche hierüber: Viadlt, Compt. reud. 111, 112 u. 114, Müntz, ebenda 112; Regnakd, Compt. rend. Soc. de biol. 44. Die Arbeiten von MiESCHEE und seinen Mitarbeitern in ,,Die histoehemischeu und physiol. Arbeiten von Fkiedkich Miescher". Leipzig 1897. (Bdnge und) Weiss, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 22. Giacosa, ebenda 23. Grawitz, Berl. klin. Wochenschr. 1895. Loewy und ZuNTz, Pfllger's Aerh. 66. Schau- mann und ßOSENQDIST, Zeitschr. f. klin. Med. 1898 (Litteratur). -) Laache, Die Anämie, Christiania 1883, «o man auch die Litteratur findet; Quincke, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 20 u. 25. Zusammensetzung des Blutes. 179 und Pbosphorsäure an das konzentrirtere Plasma abgeben und dementsprechend reicher an organischer Substanz werden (C. Schmidt'). Bei einigen anderen Transsudationsprozessen , wie bei Dysenterie und Hydrops mit Albuminime, treten nicht unbedeutende Mengen Eiweiss aus dem Blute heraus; das Plasma wird wasserreicher und die Blutkörperchen können Wasser aufnehmen und da- durch ärmer an organischer Substanz werden (C. Schjudt). Die Anzahl der Leitkocyten kann, wie oben genannt, unter physiologi- schen Verhältnissen, wie nach einer eiweissreichen Mahlzeit, vermehrt werden (physiologische Leukocytose). Unter pathologischen Verhältnissen kann eine hochgradige Leukocytose auftreten, und nach ViRCHOW -) findet eine solche bei Leukocyton. allen pathologischen Prozessen, an welchen die Lymphdrüsen sich betheiligen, statt. Von der Leukocytose unterscheidet man als besondere Krankheit die Leukämie, welche durch einen sehr grossen Reichthuni des Blutes an Leuko- cyten charakterisirt ist. Die Anzahl der Leukocyten ist in dieser Krankheit stark vermehrt und zwar nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnisse zu der Anzahl der rothen Blutkörperchen, welche in der Leukämie bedeutend ver- mindert ist. Das Blut der Leukämischen hat ein niedrigeres spezifisches Ge- wicht als das gewöhnliche (1,035 — 1,040) und eine hellere Farbe, als ob es Leukämi- mit Eiter vermischt wäre. Die Reaktion ist alkalisch, nach dem Tode aber oft ^"''^^ ^'"*- sauer, wahrscheinlich von einer Zersetzung des oft bedeutend vermehrten Leci- thins herrührend. Im leukämischen Blute hat man ferner llüchtige Fettsäuren, Milchsäure, Glycerinphosphorsäure , grössere Mengen von Xanthinstoffen und sog. CHAKCOx'sche Krystalle (vergl. den Samen, Kap. 13) gefunden. Die Menge des Wassei's im Blute ist vermehrt bei allgemeiner Wasser- sucht, mag dieselbe mit oder ohne Nierenleiden verlaufen, bei den verschiedenen Formen von Anämie und bei Skorbut. Dagegen kann der Gehalt an Wasser jj^ ^^^ durch reichliche Transsudationen , durch kräftig wirkende Abführmittel, durch Wassers. Diarrhöen und besonders in der Cholera herabgesetzt werden. Die Menge des Eiweisses im Blute kann in der Cholera und nach Ein- wirkung von Laxantien relativ vermehrt werden (Hy peralbuminose). Eine Verminderung der Eiweissmenge (Hypalbuminose) kommt nach direkten Ei- weiss Verlusten aus dem Blute, wie bei Blutungen, Albuminurie, eiweissreichen Darmentleerungen (Dysenterie), reichlicher Eiterbildung, Anämie u. s. w. vor. Die Menge des Faserstoffes soll bei entzündlichen Krankheiten, Pneumonie, ^'^^f™;?" akutem Gelenkrheumatismus und Erysipelas, in welchen das Blut wegen der weisses. langsameren Gerinnung eine „Crusta phlogistica" zeigt, vermehrt sein (Hyperinose). Die Angaben über das Vorkommen einer Hyperinose bei Skorbut und Hydrämie scheinen einer weiteren Bestätigung bedürftig zu sein. Eine Ver- minderung der Fibrinmenge (Hypinose) ist bisher kaum mit Sicherheit in irgend einer bestimmten Krankheit beobachtet worden. 1) Citirt nach Hoppe-Seyler, Physiol. fhem. S. 479. ^) ViRCHOW: Gesiimmelte Abhandl. zur wissensch. Med. 3. 180 Sechstes Kapitel. Vermelming des Fettgehaltes im Blute (Lipiimie) kommt, abgesehen von der vorübergellenden Vermehrung desselben nach einer fettreichen Mahlzeit, bei Säufern, bei fettsiichtigen Individuen, nach Verletzungen der Knochen und des Fettmarkes und auch im Diabetes vor. In diesem letztgenannten Falle d™Fett"^soll die Fettvermehrung nach Hoppe-Seyler i) daher rühren, dass solche Kranke ge a es. ^^^^ immer in der Verdauung sich befinden. Flüchtige Fettsäuren im Blute (Lipacidämie) hat v. Jaksch"^) in Fieberkrankheiten, Leukämie und bisweilen auch bei Diabetes beobachtet. Die Menge der SaJac soll bei Hydrops, Dysenterie und in der Cholera unmittelbar nach dem ersten heftigen Anfalle vermehrt, in der Cholera später, nach dem Anfalle, bei Skorbut und in entzündlichen Krankheiten dagegen ver- mindert sein. Nach Moraczewski ä) ist bei Anämien der Chlorgehalt im Blute vermehrt bei gleichzeitiger Verminderung des Chlorgehaltes im Harne und es Menge der findet also hierbei eine Chlorretention statt. Hei Pneumonien und Nephritis ist dagegen der Chlorgehalt des Blutes herabgesetzt bei gleichzeitiger Verminderung des Chlors im Harne. Die Angaben über das Verh.alten der Alkalescenz in Krankheiten sind unsicher. Die Menge des ZucJcers ist in der Zuckerharnruhr vermehrt (Mellitämie). In einem Falle wurde von Hoppe-Seyler sogar 9 p. m. Zucker im Blute ge- funden. Nach Claude Bernard*) soll Zucker in den Harn übergehen, wenn die Menge desselben im Blute mehr als 3 p. m. beträgt. Die Richtigkeit dieser Angaben ist jedoch lange nicht allgemein anerkannt und übrigens weiss man noch nicht, in wie weit die Reduktionsfähigkeit auch durch die Gegenwart anderer Stoffe (Jekorin) bedingt ist. Nach Läpine und Bakral und Kaufmann^) ist die saccharifizirende Fähigkeit des Blutes beim Diabetes herabgesetzt. Die Menge des Harnstoffes soll im Fieber und überhaupt bei vermehrtem Eiweissumsatze Zucker, und darauf beruhender vermehrter Harnstoffbildung etwas vermehrt sein. Eine Harnstoff u. . . i i i • Harnsäure, weit bedeutendere Vermehrung der Harnstoffmenge im Blute kommt bei ge- hemmter Harnausscheidung, wie in der Cholera, auch der Cholera infantum (K. Mörner^), und bei Affektionen der Nieren und der Harnwege vor. Nach Unterbindung der Ureteren oder nach Exstirpation der Nieren bei Thieren findet eine Anhäufung von Harnstoff in dem Blute statt. Harnsäure ist in ver- mehrter Menge im Blute bei der Gicht gefunden worden (Garrod, Salomon'); in derselben Krankheit wurde auch von Garrod Oxalsäure im Blute gefunden. 1) Physiol. Chem. S. 433. ü) Zeitschr. f. klin. Med. 11. 3) ViKCHOw's Arch. 139 u. 146. 4) Hoppe-Seyler, Physiol. Chem. S. 430. Beknard, Leyons sur le diabJte. S. 75. s) Lepine und Barral, Revue de medecine 1892. Kaufmann, Compt. rcnd. de Soc. biol. 46. 6) Vergl. Maly's Jahresber. 17. S. 453. ") Garrod, Med. ehinirg. traiisactions 31 u. 37. SCHMlDT's.Jahr)iiichcr ISGl; Salomon, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2. Zusammensetzung und Menge des Blutes. 181 Nach V. Jaksch fübren fieberhafte Prozesse an und für sich niemals zur Uric- acidämie. Dagegen kommt Harnsäure in verhältnissmässig bedeutender Menge, bis zu 0,08 p. m., bei croupöser Pneumonie, bei Nierenaffektionen , Anämien und besonders bei solchen Zuständen , welche zu den Symptomen der Dyspnoe führen, im Blute vor. Auch Nukleinbasen kommen nach v. Jaksch bisweilen in sehr kleinen Mengen vor. Unter den fremden Stoffen, welche im Blute gefunden worden sind, mögen folgende hier erwähnt wrrilr'n: Gallensüureii und Gallenfarhstoffe (welche letztere jedoch in einige?) Blutaiten nach unter physiologischen Verhältnissen vorkommen) bei Ikterus; Leiicin und Tjjrosin bei akuter gelber Leberatrophie; Aceton besonders im Fieber (v. Jaksch ^). In der Melanämie, besonders nach anhaltendem Malariafieber, kommen in dem Blute schwarze, weniger oft Stoffe im hellbrautie oder gelbliche Pigmentkörnchen vor, welche nach der gewöhnlichen Annahme von der Milz in das Blut hineingelangt sein sollen. Nach Vergif- tungen mit Kaliunicblorat ist im Menschen- und Hundeblute Methämoglobin beobachtet worden (Maechand und Cahn); in dem Blute des Kaninchens da- gegen soll dabei keine Methämoglobinbildung stattfinden (Stokvis und Kni- myser). Eine Methämoglobinbildung auf Kosten des Hämoglobins kann auch durch Einathmung von Amylnitrit, wie auch durch Einwirkung einer Menge von anderen ArzneistofTen (Hayem, Dittrich-) u. A.) hervorgerufen werden. Die Menge des Blutes ist zwar bei verschiedenen Thierarten und bei verschiedenen Körperzuständen etwas schwankend; im Allgemeinen wird aber die ganze Blutmenge bei Erwachsenen zu etwa ','13 — ^'u und bei Neugeborenen zu etwa '/i9 von dem Körpergewichte angeschlagen. Fette Individuen sind relativ blutärmer als magere. Während der Inanition nimmt die Blutmenge weniger rasch als das Körpergewicht ab (PANiTniä) und sie kann deshalb auch verhältnissmässig grösser bei hungernden als bei gut genährten Individuen sein. Durch vorsichtige Aderlässe kann die Blutmenge ohne gefahrdrohende Symptome bedeutend vermindert werden. Ein Blutverlust bis zu */i der nor- malen Blutmenge hat kein dauerndes Sinken des Blutdruckes in den Arterien zur Folge, weil nämlich die kleineren Arterien dabei durch Kontraktion der ^^^^_ kleineren Blutmenge sich anpassen (Worm Müller^). Blutverluste bis zu 1/3 ^'"''''ä'^- der Blutmenge setzen dagegen den Blutdruck erheblich herab, und Erwachsenen kann ein Verlust von der halben Blutmenge lebensgefährlich werden. Je schneller die Blutung erfolgt, um so gefährlicher ist sie. Neugeborene sind gegen Blutverluste sehr empfindlich, und ebenso sind fette Personen, Greise und ij lieber Acetoiiuric und Diacetuiie. Berlin 1885. -') JlARCHAND, VlRCHOWs Arch. 77 und Aldi. f. exp. Talh. ii. I^liarm. 22; t'AUN, ebenda 24; Stokvis, ebenda 21. Kimmysee, vergl. Maly's Jabresber. 14; Hayem, Couipt. rend. 102. Dittkich, Aieh. f. e.^p. Path. u. Pliarm. 29. ^) ViKCHOW's Arch. 29. •1) Transfusion und Plethora. Chrisliania 1875. 182 Sechstes Kapitel. Transfusio fremd- artigen Blutes. Globulicidi und miki'o bicidel Wirkung. Schwächlinge gegen solche weniger wirleistandsfähig. Frauen ertragen Blutver- luste besser als Männer. Die Blutmenge kann auch durch Injektion von Blut derselben Thierart bedeutend vermehrt werden (Panum, Landois, Woem Müller, Ponfick). Nach WoRM Müller kann sogar die normale Blutmenge bis zu 83 p. c. vermehrt werden, ohne dass ein abnormer Zustand oder ein dauernd erhöhter Blutdruck eintritt. Eine Vermehrung der Blutmenge bis zu 150 p.c. kann jedoch unter beträchtlichen Blutdruckschwankungen direkt das Leben gefährden (Worm Müller). Wird durch Transfusion von Blut derselben Thierart die Blutmenge eines Thieres vermehrt, so findet eine reichlichere Lymphbildung statt. Das überschüssige Wasser wird durch den Harn ausgeschieden ; und da das Eiweiss des Blutserums rasch zersetzt wird, während die rothen Blutkörperchen weit lang- samer zerfallen (Tschirjew, Förster, Panum, Woem Müller'), kommt all- mählich eine Polycythämie zu Stande. Wird Blut einer anderen Thierart transfundirt, so können unter Um- ständen, je nach der eingeführten Blutmenge, mehr oder weniger bedrohliche Symptome eintreten. Dies tritt z. B. ein, wenn die Blutkörperchen des Em- pfängers von dem Serum des übergeleiteten Blutes leicht aufgelöst werden, wie z. B. die Blutkörperchen des Kaninchens bei Transfusion von fremdartigem ' Blute, oder umgekehrt, wenn die Blutkörperchen des transfundirten Blutes von dem Blute des Empfängers aufgelöst werden, wie z. B. wenn einem Hunde Kaninchen- oder Lammblut oder einem Menschen Lamrablut transfundirt wird (Landois). Vor der Auflösung können die Blutkörperchen dabei zu zäh an- einander geklebten Häufchen sich vereinigen, welche die feineren Gefässe verstopfen (Landois). Andererseits können auch die Stromata der aufgelösten Blutkörper- chen zu umfangreichen intravaskulären , tödtlich wirkenden Gerinnungen Ver- anlassung geben. Die Transfusion soll also, wenn möglich, mit Blut derselben Thierart aus- geführt werden, und für die wiederbelebende Wirkung des Blutes ist es dabei gleichgültig, ob es den Faserstoff, bezw. die Muttersubstanzen desselben enthält oder nicht. Die Wirkung des transfundirten Blutes rührt nämlich von den Blut- körperchen desselben her, und es wirkt deshalb das defibrinirte Blut nicht anders als das nicht defibrinirte (Panum, Landois). Die Fähigkeit des Blutserums einer bestimmten Thierart, die Blutkörperchen einer B anderen aufzulösen oder zu zerstören hat man die globulicide Wirkung des Serums genannt. - In naher Beziehung zu ihr steht auch die bakterieutödtende oder sog. mikrobicidc Wirkung des Blutserums. Diese Wirkungen sind an der Gegenwiirt von gewissen enzymartig wirkenden Proteinstoflren , den sog. Alemnen, gebunden, die ihrerseits von den Leukocyten herstammen 1) Pantjm, Nord. Med. Ark. 7; Virchow's Arch. 63; Landois, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1875 und: Die Transfusion des Blutes. Leipzig 1875. WORM MÜLLER, Trans- fusion und Plethora. PONFlCK, ViRCHOW's Arch. 62; TscniRJKW, Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig 1874. S. 292; FÖRSTER, Zeitschr. f. Biologie 11; Pantm, ViRCHOW's Arch. 29. Blutmenge. 183 dürften. Das Blutserum wirkt, wie RODEN, H.\IIN, Camys und Gley ') gezeigt haben, auch vernichtend auf gewisse Enzyme wie Lab, Pepsin und Trypsin ein ; aber diese Wirivung soll nach Hahn nicht an denselben Körpern wie die globulicide und baktericide Wirkung ge- bunden sein. Die Blutmenge der verschiedenen Organe hängt wesentlich von der Thätig- keit derselben ab. Während der Arbeit ist der Stoffwechsel in einem Organe lebhafter als während der Ruhe, und der regere Stoffwechsel ist mit einem reich- licheren Blutzufluss verbunden. Während die Gesamratblutmenge des Körpers Biutvcrthei- lung der konstant bleibt, kann also die Blutverlheilung in den verschiedenen Organen Organe. bei verschiedenen Gelegenheiten eine verschiedene sein. Im Allgemeinen dürfte jedoch der Blutgehalt eines Organes einen ungefähren Massstab für den mehr oder weniger lebhaften Stoffwechsel in demselben abgeben können, und von diesem Gesichtspunkte aus dürfte es von Interesse sein , die Blutvertheilung in den verschiedenen Organen und Organgruppen kennen zu lernen. Nach Ranke 2), dem wir besonders unsere Kenntniss von der Beziehung des Blutfüllungswechsels zum Thätigkeitswechsel der Organe zu verdanken haben, soll von der gesammten Blutmenge (beim Kaninchen) etwa ^U auf sämmtliche Muskeln in der Ruhe, ^/4 auf das Herz und die grossen Blutgefässe, ^'i auf die Leber und ^U auf sämmtliche übrige Organe kommen. I) RÖD15N, vergl. Maly'b Jahresber. 17; Hahn, Berlin, klin. Wochenschr. 1897, Nr. 23. Camys und Gley, Arch. de Physiol. (5) 9. -) Die Blutvertheilung und der Thätigkeitswechsel der Organe. Leipzig 1871. Siebentes Kapitel. Chylus, Lymphe, Transsudate und Exsudate. I. Chylus und Lymphe. Die Lymphe vermittelt den Austausch von Bestandtheileu zwischen Blut und Geweben. Aus dem Blute treten in die Lymphe die zur Ernährung der Gewebe nöthigen Stoffe über, während die Gewebe ihrerseits an die Lymphe Wasser, Salze und Stoffwechselprodukte abgeben. Die Lymphe stammt also theils von dem Blute und theils von den Geweben her. Vom Staudpunkte rein theoretischer Erwägungen kann man folglich mit Heidenhain je nach dem Ursprung , ' ^ lierLymphe. Ursprünge der Lymphe zwischen Blutlymphe und Gewebelymphe unterscheiden, wenn es auch noch nicht möglich ist, was der einen und was der anderen Quelle entströmt, vollständig zu sondern. In chemischer Hinsicht verhält sich die Lymphe wie das Plasma und sie enthält, wenigstens in der Hauptsache, qualitativ dieselben Stoffe wie dieses. Die Beobachtung von Asher und Barbera^), dass die Lymphe giftig wirkende Stoffwechselprodukte enthält, widerspricht einer solchen Behauptung nicht, indem nämlich nicht daran zu zweifeln ist, dass diese Produkte mit der Lymphe dem Blute zugeführt werden. Wenn das Blut nicht dieselben giftigen Wirkungen wie die Lymphe zeigt, k. X90 Siebentes Kapitel. züiidlichen Transsudate, die sog. Exsudate, im Allgemeinen reich an Leukocyten sind und verhältnissniässig viel Fibrin liefern. In dem Masse, wie ein Trans- sudat reicher an Leukocyten ist, steht es dem Eiter näher, während es mit ab- nehmendem Gehalte an solchen den eigentlichen Transsudaten oder der Lymphe ähnlicher wird. Es wird gewöhnlich angenommen, dass für die Entstehung der Trans- sudate und Exsudate die Filtration von grosser Bedeutung sei. Für diese An- schauung spricht auch in der That der Umstand, das diese sämmtlichen Flüs- siekeiten die im Blutplasma vorkommenden Salze und Extraktivstoffe in etwa Entstell- " '■ uugswcise derselben Menge wie das Blutplasma selbst enthalten, während der Gehalt an der Trans- ^ sudate. Eiweiss regelmässig kleiner als in dem Blutplasma ist. Während die ver- schiedenen, zu dieser Gruppe gehörenden Flüssigkeiten etwa denselben Gehalt an Salzen und Extraktivstoffen haben, unterscheiden sie sich von einander hauptsächlich durch einen verschiedenen Gehalt an Eiweiss und Formelementen wie auch durch einen verschiedenen Gehalt an den Umsetzungs- und Zerfalls- produkten der letzteren — verändertem Blutfarbstoffe, Cholesterin u. s. w. In wie weit die Cirkulations- und Druekverhältuisse einen wesentlichen Einfluss auf die Menge und Zusammensetzung der Transsudate ausüben, ist noch nicht hinreichend studirt worden; sicher scheint es aber zu sein, dass die Verhältnisse, so lange die Gefässwand noch ganz gesund ist, andere als bei veränderter Kapillarwand sind. Als ein zweites, wichtiges Moment für das Zustandekommen einer Trans- sudation nimmt mau nämlich allgemein nach dem Vorgange Cohnheim's^) eine krankhaft veränderte Permeabilität der Kapillarwände an. Durch diese Annahme erklärt man oft den Umstand, dass der grösste Gehalt an Eiweiss in den Transsudaten bei entzündlichen Vorgängen vorkommt, wobei man indessen auch dem reichlicheren Gehalte solcher Transsudate an Formelementen gebührende Entsteh- Rechnung trägt. Aus dem grossen Gehalte an zerfallenden Formelementen er- ungsweise o o o der Trans- Jjlärt sich auch zum grossen Theil der hohe Eiweissgehalt der Transsudate bei meabiiität fomiativer Reizung überhaupt. Durch die Gegenwart von Formelementen ist derGefass- o r o wand, ^yohl auch die von Paijkull^) gemachte interessante Beobachtung zu erklären, dass in solchen Fällen, in welchen eine entzündliche Reizung stattgefunden hat, die Flüssigkeit Nukleoalbumin (oder Nukleoproteid?) enthält, während diese Substanz in den Transsudaten bei Abwesenheit von entzündlichen Prozessen zu fehlen scheint. Wenn eine sekretorische Funktion dem Kapillarendothel, entsprechend den Anschauungen von Heidenhain und Hamburger, zukommen würde, hätte man a priori als dritte Ursache der Transsudation auch eine abnorm gesteigerte Sekretionsfähigkeit dieses Endothels anzunehmen. Für die Richtigkeit einer solchen Voraussetzung sprechen vielleicht einige Beobachtungen von Hamburger, 1) COHNHBIM : Vorlesungen über allg. Pathol. 2. Aufl. Tlieil 1, ■i) Vergl. M.iLY's .lahre.sbcr. 22. Transsudate und Exsudate. 191 der sogar einen Fall von Hydrops veröfFentlicht hat'), in welchem die Trans- Entsteh- ° ./ 1 n ungsweise. sudation anscheinend durch die lyniphtreibende Wirkung; der von einem Bac- Sekretori- •^ * ° sehe Vor- terium erzeugten Stoffvvechselprodukte zu Stande kam. Als dritte Ursache einer gänge. Transsudation bezeichnet deshalb auch Hamburger Reizung des Kapillarendo- thels mittels einer der Krankheit eigenthümlichen lymphtreibenden Substanz, wobei es indessen vorläufig dahingestellt sein muss, ob diese Substanz sekretorisch^ im Sinne Heidenhain's, oder die Permeabilität vermehrend, im Sinne Star- ling's, wirkt. Durch eine verschiedene Beschaffenheit des Kapillarendothels hat man vielleicht auch den von C. Schmidt^) beobachteten verschiedenen Eiweissgehalt der Gewebeflüssigkeit in verschiedenen Gefässbezirken zu erklären. So ist beispielsweise der Eiweissgehalt der Perikardial-, Pleura- und Peritoneal* flüssigkeit bedeutend grösser als derjenige der sehr eiweissarmen Flüssigkeiten der Arachno idealräume, des Unterhautzellgewebes oder der vor- deren Augen kammer. Einen grossen Einfluss übt auch die Beschaffenheit usweiss des Blutes aus; so ist bei Hydrämie der Eiweissgehalt des Transsudates niedrig.xfanssudate. Mit zunehmendem Alter eines Transsudates, wie z. B. einer Hydroceleflüssigkeit, kann der Gehalt desselben an Eiweiss, wahrscheinlich durch Resorption von Wasser, ansteigen, und es können sogar seltene Ausnahmefälle vorkommen, bei welchen ohne vorausgegangene Blutungen der Eiweissgehalt sogar grösser als in dem Blutserum ist. Die Eiweisstofle der Transsudate sind hauptsächlich Serumalbumin, Serum- globulin und ein wenig Fibrinogen. Albumosen und Peptone kommen, mit Ausnahme vielleicht für die Cerebrospinalflüssigkeit, nicht vor. Die nicht ent- zündlichen Transsudate gerinnen in der Regel nicht spontan oder nur äusserst langsam. Nach Zusatz von Blut oder Blutserum gerinnen sie. Die entzünd- lichen Exsudate gerinnen dagegen regelmässig spontan. Die letzteren enthalten oft, wie Paijkull gezeigt hat, Nukleoalbumin. Mukoide Substanzen, welche zuerst vom Verf. bei Ascites ohne Komplikation mit Ovarialtumoren in einigen stoffc der Fällen beobachtet wurden, scheinen nach Paijkull regelmässige Bestandtheile der Transsudate zu sein. Die Relation zwischen Globulin und Serumalbumin schwankt in verschiedenen Fällen sehr, ist aber, wie Hoffmann und Pigeaud^) gezeigt haben, in jedem Falle dieselbe wie in dem Blutserum des fraglichen Individuums. Das spez. Gewicht geht dem Eiweissgehalte ziemlich parallel. Man hat auch versucht, das verschiedene spez. Gewicht als Unterscheidungsmerkmal Spoz. 6e- ^ ö wicht. zwischen Transsudaten und Exsudaten zu benutzen (Reuss*), indem nämlich 1) Vergl. ]. c. ZlEGLEE's Beiträge 14. ü) Cit. nach Hoppe-Seyler, Physiol. Chem. S. 607. ^) Paijkull 1. e.; Hammaesten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 15; Hopfmann, Areh. f. e.\p. Path. u. Pharm. 16; Pigeaüd, vtigl. Maly's Jahresber. IC. J) Keuss, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 28; vergl. ferner Ott, Zeitschr. f. Ileilkuiule 17. 192 Siebentes Kapitel. jene oft ein sp. Gewicht unter 1015 — 1010 zeigen, während bei diesen das sp. Gewicht bis 1018 oder darüber steigen soll. Diese Kegel trifft allerdings in vielen, aber nicht in allen Fällen zu. Die Gase der Transsudate bestehen aus Kohlensäure nebst nur kleinen Mengen von Stickstoff und höchstens Spuren von Sauerstoff. Die Kohlensäure- spannung ist in den Transsudaten grösser als in dem Blute. Beimengung von Eiter setzt den Gehalt an Kohlensäure herab. Die EortraJcdvstoffe sind, wie oben gesagt, dieselben wie in dem Blut- plasma; aber es kommen auch in den Transsudaten bisweilen Extraktivstoffe, wie z. B. Allantöin in Ascitesflüssigkeiten (Moscatelli '), vor, welche noch nicht im Blute nachgewiesen worden sind. Harnstoff scheint in sehr wechselnder Menge vorzukommen. ZucJ^er kommt ebenfalls in den Transsudaten vor; man Extraktiv- , " ..... . .... Stoffe, weiss aber noch nicht, in wie weit die Reduktionsfähigkeit, wie in dem Blut- serum, auch von anderen Stoffen herrührt. Eine reduzirende, nicht gährangs- fähige Substanz ist indessen von Pickardt in Transsudaten gefunden worden. Der Zucker ist nach Pickardt'^) meistens Glukose; in mehreren Fällen scheint aber auch Lävulose vorzukommen. Fleischmilchsäure hat C. Külz^) in der Perikardialflüssigkeit vom Ochsen gefunden und Bernsteinsäure ist in einigen Fällen in H^droceleflüssigkeiten gefunden worden, während man sie in anderen Fällen gänzlich vermisst hat. Leucin und Tyrosin hat man bei Leberleiden und in eiterigen, in Zersetzung übergegangenen Transsudaten gefunden. Unter anderen in Transsudaten gefundenen Extraktivstoffen sind zu nennen: Harnsäure, Xantldn, Kreatin, Inosii und BrenzJcatechin (?). Da^ wie oben gesagt, von einem verschiedenen Gehalte an Formelementen abgesehen, ein verschiedener Gehalt an Eiweiss den wesentlichsten chemischen Unterschied in der Zusammensetzung der verschiedenen Transsudate darstellt, so können dementsprechend auch die quantitativen Analysen hauptsächlich nur insoferne von Bedeutung sein, als sie auf den Eiweissgehalt Bezug nehmen. Aus diesem Grunde wird auch in der Folge bezüglich der quantitativen Zu- sammensetzung das Hauptgewicht auf den Eiweissgehalt gelegt. Perikardiainüssig-keit. Die Menge dieser Flüssigkeit ist auch unter physiologischen Verhältnissen so gross, dass man von Hingerichteten eine für die chemische Untersuchung genügende Menge derselben hat erhalten können. Perikardial- . ^ ... ftussigkeit. Diese Flüssigkeit ist citronengelb, etwas klebrig und liefert angeblich mehr Faserstoff' als andere Transsudate. Der Gehalt an festen Stoffen war in den von V. Gorup-Besanez, Wachsmuth und Hoppe-Seyler*) ausgeführten Analysen 37,5 bis 44,9 p. m. und der Gehalt an Eiweiss 22,8 — 24,7 p. m. In einer 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 13. 2) Berl. klin. Wochenschr. 1897. Vergl. ferner Rotmann , Münuh. med. Wochen- schrift 1898. 3) Zeitschr. f. Biologie 32. i) V. Goküp-Besanez, Lclirb. d. physiol. Chcin. 4. Aufl. S. 401; WACnsMOTH, ViKCHOW's Arch. 7; Hoppe-Sf.ylek, Physiol. Chem. S. GO.'J. Perikardial- und Pleuraflüssigkeit. 193 vom Verf. unteruoinmeüen Analyse einer frischen Perikardialflüssigkeit von einem hingerichteten jungen Manne war die Zusammensetzung folgende, auf 1000 Ge- wichtstheile berechnet: Wasser . . . 960,85 Feste Stoffe. . 39,15 (Fibrin . . 0,31 Eiweiss . . . 28,60 Globulin . Albumin . . 5,95 . 22,34 Lösliche Salze . 8,60 NaCl . . . 7,28 Perikardial- Tnli.sliehe Salze 0,15 fliissigkeit. Extraktivstoffe . 2.00 dieselbe Zusammensetzung hatten die von Feiend') aualy sirten Fast Perikardialflüssigkeiten von Pferden, mit der Ausnahme jedoch, dass diese Flüs- .»^igkeiten relativ reicher au Globulin waren. Die gewöhnliche Angabe, dass die Perikardialflüssigkeit reicher an Fibrinogen als andere Transsudate ist, dürfte kaum genügend begründet sein. In einem Falle von Chyloperikardium, bei welchem es wahrscheinlich um Berstung eines Chylusgefässes oder um einen kapillaren Austritt von Chylus in Folge von Stauung sich handelte, enthielt die von Hasebroek -) analysirte Flüssigkeit in 1000 Theilen 103,61 feste Stotfe, 73,79 Albuminstcffe, 10,77 Fett, 3,34 Cholesterin, 1,77 Lecithin und 9,34 Salze. Die Pleuraflüssigkeit kommt unter physiologischen Verhältnissen in so geringer Menge vor, dass man eine chemische Analyse derselben noch nicht hat ausführen können. Unter pathologischen Verhältnissen kann diese Flüssig- keit eine sehr wechselnde Beschaffenheit zeigen. In einigen Fällen ist sie fast ganz serös, in anderen wieder serofibrinö.'i und in anderen endlich eiterig. In Uebereinstimmung hiermit schwanken auch das spezifische Gewicht und die Pleura- flüssigkeit. Eigenschaften im Uebrigen. Ist ein eiteriges Exsudat längere Zeit in der Pleura" höhle eingeschlossen gewesen, so kann eine mehr oder weniger vollständige Maceratioii und Auflösung der Eiterkörperchen stattgefunden haben. Die ent- leerte, gelblich-braune oder grünliche Flüssigkeit kann dann ebenso reich an festen Stoffen als das Blutserum sein, und bei Zusatz von Essigsäure kann man einen reichlichen, grobfloekigen, in überschüssiger Essigsäure sehr schwer lös- lichen Niederschlag von einem Nukleoalbumin oder Nukleoproteid (dem Pyln älterer Autoren) erhalten. Hinsichtlich der quantitativen Zusammensetzung der Pleiu'aflüssigkeiten unter pathologischen Verhältnissen liegen zahlreiche Analysen von mehreren Forschern'^) vor. Aus diesen Analysen geht hervor, dass bei Hydrothorax das spez. Gewicht niedriger und der Gehalt an Eiweiss geringer als bei Pleuritis ist. Im ersteren Falle ist das spez. Gewicht meistens niedriger als 1015 und 1) HallibüRTOS; Text-Book of ihem. Physiol. etc Lonilon 1891. S. 347. -) Zeitschr. f. physiol. Chem. 12. •■) Miui vergl. die Arbeiten von Mehu, Rcsebekg, F. Hoffmass , EEfSS, Xeuex- KIRCHES, -nelche alle von BEK5HEIM in seinem Aufsatze in ViRCHOW's Arch. 131, S. 274 citirt sind. Vergl. ferner Paijküll 1. c. und Hallibcrtos, Text-Book S. 346. H a mm arste II , Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 13 194 Siebentes Kapitel. tative Zu- sammen- aetzunj;. der Gehalt an Eiweiss 10 — 30 p. iii. Bei akutei- Pleuritis ist das spez. Gewicht Quanti- «leistetis höher als 1020 und der Gehalt an Eiweiss beträgt 30 — 65 p. m. Der Gehalt au Fibrinogen, welcher beim Hydrothorax meistens kaum 0,1 p. m. beträgt, kann bei Pleuritis mehr als 1 p. m. betragen. Bei Pleuritis mit reich- licher Eiteransammluug kann das spez. Gewicht nach den Beobachtungen des Verf. sogar auf 1030 steigen. Der Gehalt an festen Stoffen ist oft 60 — 70 p. m., kann aber auch 90 — 100 p. m. betragen (Verf.). Mukoide Substanzen sind von Paijkull auch in Pleuraflüssigkeiten nachgewiesen worden. Auch Fälle von chylöser Pleuritis sind bekannt; in einem solchen Falle fand Mehu') bis zu 17,9.^ p. m. Fett und Cholesterin in der Flüssigkeit. Die Menge der Peritoiieiilfliissig'keit ist unter physiologischen Verhält- nissen sehr gering. Die Untersuchungen beziehen sich nur auf die Flüssigkeit iittssigkeit. Unter krankhaften Verhältnissen {Äscifesflüssiglceit). Diese kann hinsichtlich ihrer Farbe, Durchsichtigkeit und Konsistenz grosse Schwankungen darbieten. Bei kachektischen Zuständen oder hydrämischer Blutbeschaffenheit ist die Flüssigkeit wenig gefärbt, milchig opalescirend, wasserdünn, nicht spontan gerinnend, von sehr niedrigem spez. Gewicht, 1005 — 1010- — ^1015, und fast frei von Formelementen. Auch bei Portalstase oder allgemeiner venöser Stase hat die Ascitesflüssigkeit ein niedriges spez. Gewicht und gewöhnlich weniger als 20 p. m. Eiweiss, wenn auch in einzelnen Fällen der Eiweissgehalt auf 35 p. ni. steigen kann. Bei karcinomatöser Peritonitis kann die Flüssigkeit durch Reich- thum an Formelementen verschiedener Art ein trübes, schmutzig-gräuliches Aus- Die Ascites- Sehen erhalten. Das spez. Gewicht ist dann höher, der Gehalt an festen Stoffen verechfedo-" S''össer und die Flüssigkeit gerinnt oft spontan. Bei entzündlichen Prozessen "^he^en"'' '*'' *'® stroh- oder citronengelb, von I^eukocyteu nebst rothen Blutkörperchen etwas trübe oder röthlich und bei grösserem Reichthum an ersteren mehr eiter- ähnlich. Sie gerinnt spontan und kann verhältnissmässig reich an festen Stoffen sein. Sie enthält regelmässig 30 p. m. Eiweiss oder darüber (wenn auch Aus- nahmefälle mit niedrigerem Eiweissgehalt vorkommen) und sie kann ein spez. Gewicht von 1,030 oder mehr haben. Durch Berstung eines Chylusgefässes kann die Ascitesflüssigkeit reich an sehr fein emulgirtem Fett werden (chylöser Ascites). In solchen Fällen hat mau in der Ascitesflüssigkeit 3,86 — 10,30 p.m. (Guinochet, Hat ^) oder sogar 17 — 43 p. m. Fett (Minkowski) gefunden. Durch Beimengung von Flüssigkeit aus einem Ovarialkystome kann die Flüssig- keit bisweilen pseudomucinhaltig werden (vergl. Kap. 13). Es giebt jedoch auch andere Fälle, in welchen in Ascitesflüssigkeiten Mukoide vorkommen können, die man nach der Entfernung des Eiweisses durch Koagulation in der Siedhitze aus dem Filtrate mit Alkohol fällen kann. Solche Mukoide, welche nach dem Sieden mit Säuren eine reduzirende Substanz liefern, sind vom Verf. 1) Arch. gen de med. 1886. 2. Cit. nach Maly's Jahresber. 16. -) GülNOCHET, vergl. Stkaus: Arch. de physiol. 18. Vergl. Maly'^ Jahresber. 16, S. 475. Hrdrocele- und Spermatoceleflüssigkeiten. 195 bei tuberkulöser Peritonitis uud bei Cirrhosis hepatis syphilitica auch bei Männern gefunden worden. Nach den Untersuchungen von Paijkull^) scheinen sie oft, vielleicht regelmässig, in den Ascitesflüssigkeiten vorzukommen. Da der Gehalt an Eiweiss in Ascitesflüssigkeiten von denselben Umständen wie in anderen Trans- oder Exsudaten abhängig ist, dürfte es genügend sein, als Beispiel folgende, der Abhandlung von Beenheim -) entlehnte Zusammen- stellung mitzulheilen. Die Zahlen beziehen sich auf 1000 Theile Flüssigkeit: llaxiinum Minimum Mittel Cirrhosis hepatis . . . 34,5 5,6 9,69—21,06 Morbus Brightii . . . 16,11 10,10 5,6 —10,36 Peritouit. tuberculos u. Eiweiss- idiopathic .... 55,8 18,72 30,7 —37,95 sebilt. Peritonit. carcinomatos. . 54,20 27,00 35,1 —58 96 In Ascitesflüssigkeiten hat man auch Harnstoff, bisweilen nur in Spuren , bisweilen in grösserer Menge (4 p m bei Albuminurie), ferner Hamsänre , AHantoin l)ei Lebercirrhose (MOSCATELI.I), Xanlhin. Kreatin, Cholesterin und Zucker gefunden. Hydrocele- und Spermatocelellüssigkeiteii. Diese Flüssigkeiten unter- scheiden sich in verschiedener Hinsicht wesentlich von einander. Die Hydrocele- flüssigkeiten sind regelmässig gefärbt, heller oder dunkler gelb, bisweilen bräun- lich mit einem Stich ins Grünliche. Sie haben ein verhältnissmässig hohes spez. Gewicht, 1,016 — 1,026, mit einem welchselnden, aber im Allgemeinen ver. hältnissmässig hohen Gehalt an festen Stoffen, im Mittel 60 p. m. Sie ge- rinnen bisweilen spontan, bisweilen erst nach Zusatz von Fibrinferment oder Blut. Als Formbestandtheile enthalten sie hauptsächlich Lenhocyten. Bisweilen enthalten sie auch eine kleinere oder grössere Menge von CholesterinJcn/staUen. Die Sperniatoceleflüssigkeiten dagegen sind in der Regel farblos, dünn- undSpemia flüssig, trübe, wie ein mit Milch vermischtes Wasser. Bisweilen reagiren sie sigkeit. schwach sauer. Sie haben ein niedriges spez. Gewicht, 1006 ä 1,010, einen nur geringen Gehalt an festen Stoffen — im Mittel etwa 13 p. m. — und gerinnen weder spontan noch nach Zusatz von Blut. Sie sind in der Regel arm an Eiweiss und enthalten als Formbestandtheile SjJermatogoen, ZeU- detritns und Fetflörnchen . Um die ungleiche Zusammensetzung dieser zwei Arten von Flüssigkeiten zu zeigen, werden hier die Mittelzahlen (auf 1000 Theile Flüssigkeit berechnet) der vom Verf.^j ausgeführten Analysen von 17 Hydrocele- und 4 Spermatoceleflüssigkeiten mitgetheilt. Hydrocele Spermatoeele Wasser 938,85 986,83 Feste Stoffe .... 61,15 12,17 Fibrin 0,59 — Globulin 13,25 0,59 Serumalbumin . . . 35,94 1,82 Aetherextraktstoffe . . 4,02 | Lösliehe Salze . . . 8,60 \ 10,76 Unlösliche Salze . . 0,66 | 1) 1. c. 2) 1. c. Da es nicht gestattet ist, aus den von B. angeführteu, TOn verschiedenen For- schern erhaltenen Mittelzahlen neue Mittelzalilen zu ziehen, habe ich hier die Maxima und Minima der Mittelzalilen Bernheim's angeführt. 3) Upsala Lakaref. Forh. 14 und Maly's Jahresber. 8. S. 347. 13* 196 Siebentes Kapitel. t'erebro- äpinaläüs sigkeit. Huutblasen flüssigkeit. In den Hydroceleflüssigkeiten sind Spuren von Barnstoff und einer reduzirenden Sub- stanz, in einigen Fällen auch Bemsteinsäure und Inosit gefunden worden. Eine Hydrocele- flÜBsigkeit kann bisweilen auch nach einer Angabe von Dkvillard ') Paralbuinin oder Met- iül)umin (?) enthalten. Auch Fälle von chylöser Hydroooleflüssigkcit sind bekannt. Cerebrospinalflüssigkeit. Diese Flüssigkeit ist dünnflüssig, wasserhell, von niedrigem spez. Gewicht, 1007 — 1008. Die Spina bifida-Flüssigkeit ist sehr arm au festen Stoffen, 8 — 10 p. m. mit nur 0,19 — 1,6 p. m. Eiweiss. Die Flüssigkeit von chronischem Hydrocephalus ist etwas reicher an festen Stoffen (13 — 19 p. m.) und Eiweiss. Nach Halliburton 2) ist das Eiweiss der Cere- brospinalflüssigkeit ein Gemenge von GlohuJin und Albumose, selten kommt daneben etwas Pepton und nur in besontleren Fällen etwas Serumalbumin vor. Naweatzki^) hat das Vorkommen von Glukose in der Cerebrospinalflüssigkeit von Kalb und Mensch, und zwar in einer Menge von 0,46, bezw. 0,56 p. m. erwiesen. Die Angabe Halliburton's über das Vorkommen einer Brenzkatechin ähnlichen Substanz konnte er dagegen nicht bestätigen. In der Cerebrospinal- flüssigkeit des Kalbes fand Näwratzki: Wasser 988,87 und feste Stoffe 11,13 p. m. Unter den letzteren fand er 8,13 p. m. anorganische Stoffe, 0,22 p. m. Eiweiss und 2,79 p. m. übrige organische Substanzen. Die alte Angabe, der- zufolge die Cerebrospinalflüssigkeit durch einen grösseren Reichthum an Kali- salzen von den Transsudaten sich unterscheiden würde, ist durch die neueren Untersuchungen von Yvon^), Halliburton und Näwratzki nicht bestätigt worden. Nach Cavazzani^) soll die Cerebrospinalflüssigkeit morgens stärker alkalisch und reicher an festen Stoffen als abends sein. Humor aqiieiis. Diese Flüssigkeit ist klar, alkalisch, von 1,003 — 1,009 spez. Gewicht. Der Gehalt an festen Stoffen ist im Mittel 13 p. m. und der Gehalt an Eiweiss nur 0,8 — 1,2 p. m. Das Eiweiss besteht aus Serumalhimin, Glohulin und sehr wenig Fibrinogen. Nach Gruenhagen enthält der Humor aqueus Paramilchsäiirc, eine andere rechtsdrehende Substanz und einen redu- zirenden. nicht zucker- oder dextrinähnlichen Stoff. Im Humor aqueus von Ochsen fand Paütz^) Harnstoff und ZiicJcer. Hautblasenflüssigkeit. Der Inhalt der Brand- und Vesikatorblasen und der Blasen des Pemphigus chronicus ist im Allgemeinen eine an festen Stoßen uud Eiweiss (40 — 65 p. ra.) reiche Flüssigkeit. Besonders gilt dies oft von dem Inhalte der Vesikatorblasen. In der Flüssigkeit einer Brandblase fand K. Mörner') 50,31 p. m. Eiweiss, darunter 13,59 p. m. Globulin und 0,11 p. m. Fibrin. Die Flüssigkeit enthielt eine, Kupferoxyd reduzirende Sub- 1) Bull. soe. fhiui. 42. S. G17. 2) Text-Book S. 355—361. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 23. 4) Jouru. de Pharm, et de Chim. (4) 26. ö) Vcrgl. iULv's Jaliresber. 22. S. 346. C) Gküenhagen, PFLtJGER's Arch. 43; Paütz, Zeitschr. f. Biologie 31. 7) Skand. Arch. f. Physiologie 5. Anasarkaflüssigkeit. Synovia. 197 Stanz aber kein Breiizkatechiii. Die Flüssigkeit des Pemphigus soll alkaliseh reagiren. Anasarkattüssigkeit. Diese ist dagegen in der Regel sehr arm an festen Stoffen, rein serös, d. h. nicht fibrinogenhaltig. von dem spez. Gewichte 1,005 — 1,013. Der Gehalt an Eiweiss ist in den meisten Fällen geringer als 10 p. m., 1 — 8 p. m. (Hoffmann), und ein Eiweissgehalt von weniger als 1 p. m. soll auf schwere Nierenaffektionen, meist mit amyloider Degeneration, hinweisen (Hoff- flüssigkeit. mann'). Die Anasarkaflüssigkeit soll regelmässig Harnstoff. 1-2 p. m., und auch Zucker enthalten. Den eiweissarmen Transsudaten verwandt ist die Fliissigkei t der Ech inokokk us- cystensäcke, welclie dünnflüssig, farblos und vom spez. Gewichte 1,005 — 1,015 ist. Die Menge der festen Stoße ist 14- — 20 p. ni. Die chemischen Bestandthcile sind angeblicli Zneker, Echiao- bis zu 2,5 p. m., Inosit, Spuren von Harnstoff, Kreatin, Bernsteinsäure und Salze, 8,8 — 9,7 p. m. kokkus- Von Eiweiss finden sieh nur .Spuren, es sei denn, dass eine entzündliehe Reizung stattgefunden ""^äiKf "■ hätte. In dem letztgenannten Falle hat man bis zu 7 p. m. Eiweiss gefunden. Synovia und Sehnenscheidenflüssigkeit. Die Synovia ist wohl eigent- lich kein Transsudat; sie wird aber oft als Anhang zu den Transsudaten ab- gehandelt. Die Synovia ist eine alkalische, klebrige, fadenziehende, gelbliche, von Zellkernen und Ueberbleibseln von zerfallenen Zellen getrübte aber auch bis- weilen klare Flüssigkeit. Sie enthält ausser Eiiveiss und Salzen auch eine, in physikalischer Hinsicht dem Muciu ähnelnde Substanz. Die Natur dieses mucinähnlichen Bestandtheiles der physiologischen Synovia ist noch nicht er- Synovia. mittelt worden. In pathologischer Synovia fand Verf. eine nuicinähnliche Sub- stanz, die indessen kein Mucin war. Sie verhielt sich ähnlich wie ein Nukleo- albumin oder ein Nukleoprote'id und gab beim Sieden mit Säure keine redu- zirende Substanz. Auch Salkowski'^) fand in pathologischer Synovia eine mucinähnliche Substanz, welche indessen weder Mucin noch Nukleoalbumin war. Er nennt diese Substanz „Synovin". Die Zusammensetzung der Synovia ist nicht konstant, sondern wechselt je nach Ruhe und Bewegung. Im letzteren Falle ist ihre Menge geringer und ihr Gehalt an dem mucinähnlichen Stoffe, an Eiweiss und Extraktivstoffen grösser, während der Gehalt an Salzen vermindert ist. Dieses Verhalten wird aus den folgenden, von Frerfchs^) ausgeführten Analysen ersichtlich. Y)\Q'in^^va.meu- Zahlen beziehen sich auf 1000 Theile. I. Synovia eines im Stall II. Synovia eines auf die gemästeten Ochsen Weide getriebenen Ochsen Wasser 969,9 948,5 Feste Stoffe 30,1 51,5 Muciniihnlicher Stott' . . . 2,4 5,6 Albumin und E-xtraktivstofte 15,7 35,1 Fett 0,6 0,7 .-^alze 11,3 9.9 1) Deutsch. Arch. f. klin. Med. 44. 3) H.\MMARSTEN, Mai.y's Jahresber. 12. Salkowski. Vtiicnow's Arch. 131. 3) Wagnek's Handwörterbui'h 3 Abtb. 1. S. 463. Siebentes Kapitel. Die Synovia Neugeborener soll mit der von ruhenden Thieren überein- stimmen. Die Flüssigkeit der Bursae mucosae wie auch der Sehnenscheiden soll in qualitativer Hinsicht der Synovia ähnlich sein. III. Der Eiter. Der Eiter ist eine gelbgraue oder gelbgrüne, rahmähnliche Masse von schwachem Geruch und einem faden, süsslichen Geschmack. Er besteht aus einer Flüssigkeit, dem Eiierserum , und den in ihr aufgeschwemmten festen Partikelchen, den Eiterzellen. Die Menge dieser Zellen schwankt so bedeutend, dass der Eiter das eine Mal dünnflüssig, das andere dagegen so dick ist, dass Allgemeine . ^ O' B o Eigen- kauui ein Tropfen Serum erhalten werden kann. Diesem Verhalten entsprechend Schäften des Eiters, schwankt auch das spez. Gewicht sehr, zwischen 1,020 und 1,040, ist aber gewöhnlich 1,031 — 1,033. Die Reaktion des frischen Eiters ist regelmässig alkalisch, kann aber durch Zersetzung unter Bildung von freien Fettsäuren, Glycerin phosphorsäure und auch Milchsäure, neutral oder sauer werden. Durch Fäulniss mit Ammoniakentwickelung kann sie umgekehrt stärker alkalisch werden. Bei der chemischen Untersuchung des Eiters müssen das Eiterserum und die Eiterkörperehen gesondert analysirt werden. Das Eiterseruin. Der Eiter gerinnt weder spontan, noch nach Zusatz von defibrinirtem Blut. Die Flüssigkeit, in welcher die Eiterkörperchen auf- geschwemmt sind, ist also nicht mit dem Plasma, sondern eher mit dem Serum zu vergleichen. Das Eiterserum ist blassgelb, gelblich-grün oder bräunlich-gelb Das Eitel- und reagirt alkalisch. Es enthält hauptsächlich dieselben Bestandtheile wie serum. ° das Blutserum, daneben aber bisweilen, wenn nämlich der Eiter längere Zeit in dem Körper verweilt hat, ein wie es scheint durch Maceration der Eiterzellen aus der hyalinen Substanz derselben entstandenes Nukleoalbumin oder Nukleo- proteid, welches von Essigsäure gefällt und von überschüssiger Säure nur sehr schwer gelöst wird (Ptfin älterer Autoren). Das Eiterserum enthält ferner, wenigstens in mehreren Fällen, auffallender Weise kein Fibrinferment. In den Analysen Hoppe- Sey ler's i) enthielt das Eiterserum in 1000 Theilen: I II Wasser 913,7 905,65 Feste Stoffe 86,3 94,35 Eiweissstoffe 63,23 77,21 Lecithin 1,50 0,56 Fett ........ 0,26 0,29 Cholesterin 0,53 0,87 Alkoholextraktstoffe . . . 1,52 0,73 Wasserextraktstoffe . . . 11,53 6,92 Anorganische Stoffe . . . 7,73 7,77 1) Med. ehem. Untersuch. S. 490. Der Eiter. 199 Die AscliP des Eiterscrums hat folgende Zusammensetzung, auf 1000 Tlieile Serum be- rechnet : I II NaCl 5,22 5,39 NajSOi 0,40 0,31 KaaHPOj .... 0,98 0,46 Xa.COa 0.49 1,13 CaalPOJ., .... 0,49 0,31 Mg3(PO,j'2 .... 0,19 0,12 POj (zu viel gefunden) 0,05 Die Eiterkörpercheii .«ollen nach der allgemeinen Ansicht, der Emi- gratioushypothese, zum allergrössteu Theil ausgewanderte Leukocj'ten sein, und ihre chemische Beschaflenheit ist damit auch in der Hauptsache angegeben. Als mehr zufällige Formelemente des Eiters sind Molekularkörnchen, Fettkügelchen und rothe Blutkörperchen anzusehen. Die Eiterzelleu können von dem Serum durch Ceutrifugiren oder Dekan- EiterzcUen. tation, direkt oder nach Verdünnung mit einer Lösung von Glaubersalz in Wasser (1 Vol. gesättigter Glaubersalzlösung und 9 Vol. Wasser), getrennt und dann mit derselben Lösung in analoger Weise wie die Blutkörperchen gewaschen werden. Die HaujJtbestandtheile der Eiterkörperchen sind Eiweissstoffe, unter denen ein in Wasser unlösliches Nukleoproteid, welches mit Kochsalzlösung von 10 p. c. zu einer zähen, schleimigen Masse aufquillt, in grösster Menge vorzukommen scheint. Diese Proteidsubstanz, welche auch in verdünntem Alkali sich löst, davon aber rasch verändert wird, nennt man die hyaline Substans Rovida's gtöffe'der und von ihr rührt die Eigenschaft des Eiters, von einer Kochsalzlösung in eine^'*®"'''™' schleimähnliche Masse umgewandelt zu werden, her. Ausser dieser Substanz hat man auch in den Eiterzellen gefunden: ein bei 48 — 49 "C. gerinnendes Globulin, ferner SerumgJohiäin(i), Serumalbumin, eine dem geronnenen Eiweisse nahestehende Substanz (Miescher) und endlich auch PejJtou oder Alburaose (Hofmeister^). Ausser dem Eiweis.se sind in dem Protoplasma der Eiterzellen auch Leci- fhin, Cholestenn, Xanthinstojfe, Fett und Seifen gefunden worden. Als Zer- setzungsprodukt einer protagonähnlichen Substanz (vergl. Kapitel 12) fand Hoi'pe-Seyler im Eiter Cerebrin. Kossel und Feeytag -) haben aus Eiter zwei andere, zu der Cerebringruppe (vergl. Kapitel 12) gehörende Stoffe, das Pyosin und das Pijogenin isolirt. Gli/koyen soll nach Hoppe-Seyler^) nur in der lebenden, kontraktilen weissen Blulzelle, nicht aber in den todten Eiter- Extraktiv- körperchen vorkommen. Mehrere andere For.scher haben indessen auch im Eiter Glykogen gefunden. Die Zellkerne enthalten NuJcJein und Nukleoproteide. Die Mineralstoffe der Eiterkörperchen sind Kalium, Natrium, Calcium, 1) Mlescher in Hoppe-Seylee : Med. ehem. Untersueh. S. 441. HOF.MEISTEK, Zeit- schrift f. physiol. Chem. 4. ä) Ebenda 17. S. 452. 3) Hoppe-Seyler, Physiol. Chem. S. 790. 200 Siebentes Kapitel. Magnesium und Eisen. Ein Theil des Alkalis findet sich als Chloride, der Rest, wie auch die übrigen Basen, als Phosphate. Die quantitative Zusammensetzung der Eiterzellen war in den Analysen Hoppe-Seylee's die unten folgende. Sämratliche Zahlen beziehen sich auf 1000 Theile Trockensubstanz. Auch die Zahlen für die Mineralstoffe sind auf 1000 Theile Trockensubstanz berechnet. 1 ]] Minfialstoffe Eiweissstoffe . . . 137,62 1 NaCl 4,35 Nuklein 342,57 } 685,85 673,69 Ca3(P0J. 2,05 Unlösliche Stiifle . . 205,66) MsaiPOi). 1,13 Lecithin 1 „„ 75,64 FePO^ 1,06 Fett ( "'*'"* 75,00 POj 9,16 Cholesterin .... 74,0 72,83 Nil 0,68 Cerehrin 51.991 im RA ^ Spuren (?) E.xtraktivstoffe . . . 44,33 1 iu-,ö-i MiESCHEK hat dagegen andere Zahlen für die Alkaliverbinduugen gefunden. Er fand nämlich: Kaliumphosphaf 12, Natriumphosphat 6,1, Erdpliosphate und Eisenphosphat 4,2, t'hlornatrium 1,4 und Phosphorsäure in organischer Verl)indung 3,14 — 2,03 p. m. In, längere Zeit in Kongestionsabscessen stagnirtem Eiter hat man Pepton, Abnorme Leitcin und Tyrosin. freie fette Säuren und fluchtige Fettsäuren, wie Ameisen- theiie. säure, Buttersäure und Valeriansäure, gefunden. Im Eiter sind auch bisweilen angeblich Chondrin (?) und Glutin (?), Harnstoff, Trauhenzuclcer (bei Diabetes), (raJlmfarhstofe und GuUensäuren (bei katarrhalem Ikterus) gefunden worden. Pyin, Pyiii- Als mehr spezifische aber nicht konstante Bestandtheile des Eiters sind rhodiiisäure folgende Stoffe angegeben worden: Pißn, welches ein von Essigsäure fällbares Nukleoalbumin oder Nukleoproteid zu sein scheint, und ferner Py'insäure und Chlorrhodinsäure. welche jedoch als gar zu wenig studirte Stoffe hier nicht weiter abgehandelt werden können. Man hat in mehreren Fällen eine blaue, seltener eine grüne Farbe des Eiters beobachtet. Dies rührt von der Gegenwart einer Art Vibrionen her iiianerEittr. ^LüCKE), aus Welcher FoRDOS und Lücke ^) theils einen kr3'stallisirenden, blauen und theils einen gelben Farbstoff' — Pi/ocyanin und Pyoxanlhose — isolirt haben. Anhang. Lymph- und Blutgefäss-Drüsen. Die Lyiiii»li(lrüseii. In den Zellen der Lymphdrüsen finden sich die schon oben (Kapitel 5, S. 102 u. 103) besprochenen, in Zellen überhaupt vorkommen- den Protei'nsubstanzen. Als Produkte einer postmortalen Zersetzung können auch Albumosen und Peptone vorkommen. Ausser den übrigen, gewöhnlichen Gewebsbestandtheilen, wie Kollagen, Retikulin, Elastin und Nukleiu, hat man in den Lymphdrüsen auch Cholesterin, Fett, Glykogeti, Fleischmilchsäure, 1) FORDOS. Conipt. rcnd. 51 und 56. LÜCKE Areh. f. klin. Chinirg. 3. Die Milz. 201 Xanlhinsloff'e und Leucin gefunden. In den Inguinaldrüsen einer alten Frau fand OrDTMANX *) 714,32 p. m. Wasser, 284,5 p. ni. organische und 1,16 p ni. anorganische Substanz. Die Milz. Die Milzpulpe kann nicht von Blut befreit werden. Diejenige Masse, welche man von der Milzkapsel und dem Balkengewebe durch Aus- pressen trennen kann und welche in gewöhnlichen Fällen das Material der chemischen Untersuchung darstellt, ist deshalb auch ein Gemenge von Blut- f''i'''Jj'" und jNIilzbestandtheilen. Aus diesem Grunde sind auch die Eiweisskörper der 'liizpnipe. Milz nicht näher bekannt. Als wahre Milzbestandtheile bezeichnet man jedoch eisenhaltige Albuminate und besonders eine, in der Siedehitze nicht gerinnende, von Es.sigsäure fällbare Proteinsubstanz, welche beim Einäschern viel Phosphor- säure und Eisenoxyd liefert-). Die Milzpulpe reagirt in frischem Zustande alkalisch, wird aber liald sauer, was wenigstens zum Theil von der Entstehung freier F/ciscJmrilchsäure. zum Theil auch vielleicht von GJycerinphosphorsäure. herrührt. Ausser diesen zwei Säuren sind in der Milz auch ßnchtige Fettsäuren, wie Ameisensäure, ., ... Essigsäure und Buttersäure, ferner Bernsteinsäure, NeutraJfette, Cholesterin. Stoffe. Spuren von Leucin, Inosit (in der Ochsenmilz), ScylUt. ein dem Inosit ver- wandter Stoff (in der Milz der Plagiostomen), Glykogen (in der Hundemilz), Harnsäure. XanthinMrper und Jel'orin (Baldi'') gefunden worden. Von besonderem Interesse sind unter den Bestandtheilen der Milz die von H. Nasse näher studirten eisenreichen Ahhigerungen. welche aus einer Um- wandlung der rothen Blutkörperchen hervorgehen und aus eiseureichen Körnchen oder Konglomeraten von solchen bestehen. Diese Ablagerungen kommen nicht in gleicher Menge in der Milz aller Thierarten vor; besonders reichlich finden^ , ,,. ^ =^ ' Eisenhaltige sie sich in der Milz der Pferde. Die von Nasse*) analysirten Körner (aus ^'''äger- ^ iingen in der Pferdeniilz) enthielten 84U — 63U p. m. organische und 16U — 370 p. m. anorganische ^'"'^ Substanz. Diese letztere bestand aus 566 — 726 p. m. Fe.^Oj, 205 — 388 p. m. P.3O5 und 57 p. m. Erden. Die organische Substanz bestand hauptsächlich aus Ei weiss (660 — 8U0 p. m.), Nuklein (52 p. ni. als Maximum), einem gelben Farbstoffe, Extraktivstoffen, Fett, Cholesterin und Lecithin. Hinsichtlich der MineraJbestatidtheile ist zu bemerken, dass dem Natrium und der Pliosphorsäure gegenüber der Gehalt an Kalium und Chlor gering ist. Die Menge des Eisens ist bei neugeborenen und jungen Thieren klein (Lapicque, Krüger und Pernou), bei Erwachsenen grösser und bei alten Thieren bis- j[i„„j, weilen sehr bedeutend. So fand H. Nasse in der trockenen Milzpulpe alter ^*'''''® Pferde nahe an 50 p. m. Eisen. Guillemonat und Lapicque^) haben das Eisen 1) V. Gorup-Besanez. Lehrbiicli. 4. Auü. S. 732. -') Ebenda S. 717. 3) Du Bois-Reymond's Anh. 1887. Supi>l. i) Malv's .Jahrcsbcr. 19. S. 31ö. ä) Lapicque, ebemia 20. L. und Güillemonat, Compt. leud. de Soc. biol. 48 und Arcb. de Physiol. (5) 8 Kklgek und PerNOü , Zeitsehr. f. Biologie 27: Nasse, eit. naeli Hoppe-Seyleu. Phvsiol, Chem. S. 720. 202 Siebentes Kapitel. bei Menschen bestiniint. Sie fanden keinen regelmässigen Zuwachs mit dem Alter und sie fanden in den meisten Fällen 0,17 — 0,39 p. m. (mit Abzug des Bluteisens), auf frische Substanz berechnet. Ein ungewöhnlich hoher Eisengehalt hängt nicht vom Alter ab, sondern ist ein Residuum chronischer Krankheiten. Quantitative Analysen der Milz vom Menschen sind von Oidtmann aus- geführt worden. Bei Männern fand er 750 — 694 p. m. Wasser und 250 bis uuvTL- 306 p. m. feste Stoffe. Bei einer Frau fand er 774,8 p. m. Wasser und setzun" 225,2 p. m. feste Stoffe. Die Menge der anorganischen Stoffe war bei den Männern 4,9 — 7,4 p. ra. und bei der Frau 9,5 p. m. Bezüglich der in der Milz verlaufenden pathologischen Prozesse ist be- sonders an die reichliche Neubildung von Leukocyten bei der Leukämie und das Auftreten der Amyloidsubstanz (vergl. S. 47) zu erinnern. Die physiologischen Funktionen der Milz sind ausser ihrer Bedeutung für die Neubildung der Leukocyten wenig bekannt. Man hat die Milz als ein Einschmelzuügsorgan der rotheu Blutkörperchen betrachten wollen, und das Vor- kommen der obengenannten eisenreichen Ablagerungen scheint wohl auch un- u-^Tschö ■''-weifelhaft dieser Ansicht das Wort zu reden. Auch zu der Verdauung hat Fiinktion. ,,,jjjj jjg jyjjjg jq eJQg bestimmte Beziehung bringen wollen, indem man nämlich (.ScmFB% Herzen, Gachet und Pachon) dieses Organ in bestimmte Beziehung zu der Erzeugung des Trypsins in dem Pankreas gestellt hat. Die Angaben hierüber sind indessen streitig (Heidenhain, Ewald-). Eine Vermehrung der ausgeschiedenen Harnsäuremenge kommt nach der einstimmigen Erfahrung vieler Forscher (vergl. das Kapitel 15 über Harn) bei der linealen Leukämie vor, während umgekehrt eine Verminderung der Harn- zudeiHani- f'äure im Harne unter dem Einflüsse grosser Dosen des Milzabschwellung be- biidung. "'irkenden Chinins stattfinden soll. Man hat hierin einen Wahrscheinlichkeits- beweis für eine nähere Beziehung der Milz zu der Harnsäurebildung sehen wollen. Diese Beziehung ist von Hokbaczew.ski näher studirt worden. Er hat nämlich gefunden, dass, wenn man Milzpulpe und Blut von Kälbern bei einer bestimmten Versuchsanordnung bei Blutteraperatur und Gegenwart von Luft aufeinander einwirken lässt, erhebliche Mengen von Harnsäure gebildet werden. Bei anderer Versuchsanordnung erhielt er aus der Milzpulpe zwar Xanthinkörper aber keine oder fast keine Harnsäure. Hoebaczewski ^) hat ferner gezeigt, dass die Harn- säure aus dem Nuklein der Milz stammt, welches also je nach der Versuchs- anordnung Harnsäure oder Xanthinkörper giebt. Wie die Leber hat auch die Milz die Fähigkeit, fremde Stoffe, Metalle und Metalloide, zurückzuhalten. 1) Cit. Dach V. Gouup-Besanez, Lchrb. 4. Aufl. S. 719. -') Schiff, cit. nach Herzen, Pflüger's Arch. 30 S. 205 u. 308 und SIaly's Jahres- berichte 18 ; Gachet und Pachon, Areli. de Physiol. (5) 10 ; Heidenhain in L. Hermann's Handb. d. Physiol. 5 Absondernngsvorgänge S. 206 ; Ewald, Verhandl. d. physiol. GeseUsch. in Berlin 1878. 3) Monatshefte f. Cliem. 10 und Wien. SitznuKsber. Math. Nat. Klasse 100 Abth. 3. Thymus und Schilddrüse. 203 Die Thymus. Ausser den schon im Kapitel 5 besprochenen Protein- substanzen und den zu der Bindesubstanzgruppe gehörenden Stoffen hat man in der Thymus kleine Mengen Fett, Leucin, Bernsteinsäure, llilchsäure, Zucker und Spuren von Jodothyrin gefunden. Bemerkens werth ist der grosse Gehalt an Xauihhisfoßh/, hauptsächlich Adenin, deren Menge nach Kossel und Schindler 1,79 p. m. in der frischen Drüse, oder 19,19 p. m- in der Trockensubstanz beträgt. In den Zellen der Thymusdrüse fand Lilienfeld D'eThymus Inosit und Protagon. Die quantitative Zusammensetzung der Lymphocyten aus der Thymus vom Kalbe ist nach Lilienfeld's Analyse folgende. Die Zahlen sind auf 1000 Theile Trockensubstanz berechnet. Eiweissstoffe . . . 17,6 Leukouuklcin . . . 087,9 Histcn 86,7 Lecithin .... 75,1 Fette 40,2 Cholesterin . . . 44,0 Glyliogen .... 8,0 Die Trockensubstanz der Leukocyten betrug im Durchschnitt 1 14,9 p. m. Unter den Mineralstoffen der Drüse scheinen Kalium und Phosphorsäure vor- herrschend zu sein. Lilienfeld fand unter den alkohollöslichen Stoffen KH^POj. In der Drüse eines 14 Tage alten Kindes fand Oidtmann -j 807,06 p. m. Wasser, 192,74 p. m. organische und 0,2 p. m. anorganische Stoffe. Die Schilddrüse. Die chemischen Bestandtheile dieser Drüse sind wenig bekannt. Bubnow hat durch Extraktion mit Kochsalzlösung oder sehr schwacher Kalilauge aus der Drüse einige Proteinsubstanzen, von ihm ,,Thyreoproteine'^ genannt, erhalten, welche etwa denselben Stickstoffgehalt, aber einen niedrigeren K ,. .... '^ Die SchUd- Kohlen- und Wasserstoffgehalt als das Eiweiss im Allgemeinen haben. Die in diüse. den Blasen enthaltene Flüssigkeit enthält, wenigstens bisweilen, eine von über- schüssiger Essigsäure fällbare, mucinähnliche Substanz. Goueläy^) konnte in- dessen in der Schilddrüse von Rindern kein IMucin, sondern nur Nukleoalbumiu finden. In dem Drüsenextrakte hat man ausserdem Leucin, Xanthin, Hypo- xunthin, Jodothyrin, MiJch- und Bernsteinsüure gefunden. In der Schilddrüse einer alten Frau fand Oidtmann *j 822,4 p. m. Wasser, 176,6 p. m. organische und 0,9 p. m. anorganische Stoffe. Bei einem 14 Tage alten Kinde fand er: Wasser 772,1, organische Stoffe 223,5 und anorganische Stoffe 4,4 p. m. Von besonderem Interesse sind namentlich diejenigen Substanzen, welche in näherer Beziehung zu den Funktionen der Drüse zu stehen scheinen. Die vollständige Exstirpation wie auch die pathologische Verödung der Schilddrüse hat schwere, schliesslich zum Tode führende Störungen zur Folge. i) KossEL und Schindlee, Zeitschr. f. physiol. Chem. 13; Lilienfeld, ebenda 18. 'i) Cit. nach v. Gorup-Besanez, Lehrb. d. physiol. Chem. 4. Aufl. S. 732. :!) BüUNOw , Zeitschr. f. physiol. Chem. 8 (Litteratur.ingahen) ; GoDRLAY, Jonrn. of PhysioJ. 16. ■1) 1. r. S. 732. 204 Siebentes Kapitel. Beim Hunde stellen sich nach der totalen Exstirpatiou Störuugen von Seiten Exstirpation ^^^ Nerven- und Muskelsystemes, wie Zittern und Krämpfe, ein, und der Tod **dÄso'''' erfolgt meistens innerhalb kurzer Zeit, am öftesten während eines Krampf- anfalles'j. Beim Menschen treten verschiedene Störungen auf, wie nervöse Symptome, Abnahme der Intelligenz, Trockenheit der Haut, Ausfallen der Haare und überhaupt diejenigen Symptome, die man unter dem Namen Kachexia thyreopriva zusanimengefasst hat und die allmählich zum Tode führen. Unter diesen Symptomen ist besonders die eigenthümliche, als Myxödem bezeichnete schleimige Infiltration und Wucherung des Bindegewebes zu nennen. Es hat sich nun weiter herausgestellt, dass man der schädlichen Wirkung der Thyreoidea- ausschaltung durch künstliche Einführung von E.xtrakten der Schilddrüse in den Körper und sogar durch Verfütteruug von Schilddrüsensubstanz entgegen- wirken kann, und es müssen also in der Schilddrüse besondere, spezifisch wirk- same Stoffe gebildet werden, deren Fehlen in irgend einer Weise zu den oben- genannten Störungen Veranlassung giebt. Andererseits beobachtet man auch ^der ve?-*" ^ei Verabreichung von zu grossen Mengen Schilddrüsensubstanz sowohl bei DrUs'^" Menschen wie bei Thieren gefahrdrohende Symptome und Störungen, unter denen in physiologisch-chemischer Hinsicht namentlich der bei andauernder Verfütterung von Thyreoideapräparaten sich einstellende, krankhaft vermehrte Zerfall von Körpereiweiss hervorzuheben ist. Hieraus scheint also hervorzugehen, dass die spezifischen Bestandtheile der Drüse, wenn sie im Ueberschuss zugeführt werden, eine schädliche Wirkung ausüben können. Als einen spezifisch wirksamen Stoff bezeichnet S. Fränkel - i eine von ihm isolirte, Tlnjreoantitoxin genannte, in Alkohol lösliche, durch Quecksilber- jodidjodkalium fällbare, krystallisirbare Base, während Drechsel und Kocher^) "uestand-" '" "^^r Drüse zwei Basen gefunden haben, von denen die eine vielleicht mit theiie. ^]g^ FRÄNKEL'schen Base identisch ist. Die FRÄNKEL'sche Base soll besonders gegen die Krämpfe wirksam sein. Nach Notkin*) ist die spezifisch wirksame Substanz eine von ihm Thyreoproteid genannte Proteinsubstanz, während nach Bäumann und Roos ^) die einzig wirksame Substanz das Jodotliyrin sein soll. Jodothyrin oder Tb yioj odin. Dieser von Baümann entdeckte Stotf, welcher spurenweise iu der Tliymus und angeblicli (SCHNiTZLER und Ewald") aueli in der Hypo- 1) Abweichende Angilben über die üncntbchrlichkeit der Schilddrüse findet man l)ei H. MONK, ViRCHOw's Arch. 150. 2) Fr.\nkel, Wien. med. Blätter 1895 u. 189G. 3) Centralbl. f. Physiol. 9. S. 705. ••) Wien. med. Wochenschr 1895 und ViKCHOw's Arch. 144. Suppl. S. 224. ft) Zeitschr f. physiol. Chem. 21 u. 22, ferner Baumann, Münch. med. Wochenschr. 1890, Bai mann und Goldmann , ebenda ; lloos, ebenda. Reichhaltige Litteraturangaben über die Wirkung des Jodothyrins und der Thyreoidea]ir:iparatc findet man bei Rons, Zeil- schrift f. physiol. Chem. 22 S. 18. Bezüglich der Wirlcung auf Eiweisszertall und Stotf- wechsel vergl. man F. YoiT, Zeitschr. f. Biologie 35; Schöndorff, Pflügek's Arch. 67 und Andersson und Bergman , Skand. Arch. f. Physiologie 8. Ein reichhaltiges Verzeiclmiss der Thyreoidealitteratur der letzten Jahre findet man in Maly's Jahresber. 24 u. 25. «1 Wien. klin. Wochenschr. 1896. Die Schilddi-üse. 205 physis Cerebri vorkommen soll, ist eine jodhaltige Substanz, deien Zusammensetzung je nach dem Ursprünge derselben etwas verschieden ist. In dem Jodothyrin von Hammelschilddrüsen und von menschlichen Schilddrüseu aus verschiedenen Gegenden fand Eoös ') bezw. 4,31 und Joilotbyrin. 1,31— 2,58 p.c. /; 8,91 und 10,41— 10,03 p. c. JV; 1,40 p. c.S; 58,24 und 61,41— 57,04 p. c. C. Das Jodothyrin ist kein Eiweisskörper. Ueber die Art und Weise, wie es in der Drüse vor- kommt, gehen die Ansichten etwas auseinander (BArM.\NN, Blüm, Ta.mbach^); sicher ist es über, dass es aus zusammengesetzten Proteinsubstanzon der Drüse durch anhaltendes Sieden mit lOprozcntiger Schwefelsäure abgespalten werden kann. Das Jodothyrin ist eine amoi'phe, braungefärbte Substanz, die beim Erhitzen sich auf- bläht und einen an Pyridinbasen erinnernden Geruch entwickelt. Es ist fast unlöslich in Wasser und kaltem Alkohol. In siedendem Alkohol löst es sich schwer. Alkalien lösen es Eigen- leicht und aus dieser Lösung wird es durch Säurezusatz gefällt. Es löst sich in konzentrirten sL-hafteu. Mineralsäuren und Eisessig mit dunkelbrauner Farbe. Die essigsaure Lösung kann ohne Fäll- ung stark mit Wasser verdünnt werden und diese Lösung wird durch Ferroeyankalium, Pikrinsäure oder Phosphorwolframsäure gefällt. Das Jodothyrin giebt weder die Biurctprobe noch die MiLLON'schc Reaktion. Zur Darstellung des Jodothyrins kocht man die fein zertheilte Drüsenmasse mit ver- dünnter Schwefelsäure (1 : 10) mindestens 30 Stunden lang. Man kann auch die Pepsinver- dauung anwenden. Der ungelöste Rückstand, welcher das Jodothyrin enthält, wird in beiden Darstellung. Fällen mit siedendem Alkohol (von 90 p. c.) extrahirt. Nach dem Verdiujsten der alkoholi- schen Extrakte kann man den Rückstand mit Hilfe von etwas Alkali in Wasser lösen und durch Säurezusatz das Jodothyrin ausfällen. Nach Bäum.\nn und Roos würde das Jodothyrin die einzige wirksame Substanz der Schilddrüse sein, und es soll nach ihnen sämmtliche für die Drüsensubstanz charakteristische Wirkungen zeigen. Es zeigt nämlich nach ihnen die Heilwirkungen der Thyreoideaprüparate bei Struma, es ruft in grösseren Dosen die charakteristischen Vcrgiftungssymptome hervor, es ist wirksam bei Myxödem und es wirkt wie die Drüsensubstanz auf Stoffwechsel und Eiweiss- Aufgabe des zerfall. Dies wird indessen von mehreren anderen Forschern bestritten ^), und mau ist ziemlich allgemein der Ansicht, dass keiner der bisher isolirten Thy- reoi'deabestandtheile sämmtliche typische Wirkungen ausübt. Diese letzteren soDeu an das Zusammenwirken mehrerer Stoffe gebunden sein. Auf diese und viele andere streitige Fragen, wie über die Bedeutung des Jodothyrins, über den Ur- sprung und die Bindungsform des Jods in der Drüse, den Umfang und die Aufgabe des Jodstoffwechsels, die verschiedenen Entgiftungstheorien u. dergl. kann hier nicht eingegangen werden. Bei „Struma cystica" fand Hoppe-Seyler in den kleineu Drüsen- räumen fast kein Eiweiss, sondern vorzugsweise Mucin; in den grösseren da- gegen fand er viel Eiweiss, 70 — 80 p. m.*) In solchen Cysten kommt regel- mässig Cholesterin vor, bisweilen in so grosser Menge, dass der gesammte Inhalt einen dünneu Brei von Cholesterintäfelchen darstellt. Auch Krystalle von J^-st!™* Calci umoxalat kommen nicht selten vor. Der Inhalt der Strumacysten hat bisweilen eine von zersetztem Blutfarbs'.offe, Methümoylohin (und Hämatin?), 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. -) B.\UM.\yx 1. c. Blum, Münch. med. Wochenschr. 1S98. Tambacu, Zeitschr. (. Biologie 36. ■>) Vergl. unter Anderen WORMSEK, Pfliger's .Vrcb. 67 iLittcraturhinweisungen) und die Litteraturhinweisungen in der Fussnote S. 204. I) Physiol. Chem. S. 721. 206 Siebentes Kapitel. herrührende, braune Farbe. Auch Gallenfarb.stofte sind in solchen Cysten ge- funden worden. (Bezüglich des Pnyalhiimins und des Kolloids, welche man bei Struma cystica und Kolloi'dentartung gefunden haben soll, vergl. Kap. 13.) Die Nebennieren. Ausser Ei weiss, Substanzen des Bindegewebes und Salzen hat man in den Nebennieren gefunden: Inosit, Pnhiiitin, verhältniss- mässig viel Lecithin, Neiirin und Glycerinphosphorsäure. Das von einigen liieren. Forschem gefundene Leucin dürfte vielleicht nur ein Zersetzungsprodukt sein. Die Angaben über das Vorkommen von Bensoesäure, Hippursäure und Gallen- simren konnte Stadelmann ^) nicht bestätigen. In der Marksubstanz haben schon ältere Forscher, Vuli'ian und Arnold, ein Chromogen gefunden, welches durch die Einwirkung von Luft, Licht, Alkalien, Jod und anderen StoflFen in ein rothes Pigment umgewandelt wird. Dieses Chromogen, welches in einigen Hinsichten dem Brenzkatechin ähnelt, wirkt stark reduzirend. Auf Grund der Gegenwart dieses Chromogens hat man oft einen Zusammenhang zwischen der abnormen Pigmentablagerung der Haut, welche die ADDisoN'sche Krankheit charakterisirt, und den krankhaften Veränderungen, welche dabei in den Neben- nieren häufig vorkommen, sehen wollen. Ueber die Funktionen der Nebennieren weiss man, abgesehen von den Wirkungen des sogenannten Sphygmogenins, wenig Sicheres. Dass ein Wasser- extrakt der Nebennieren eine stark blutdrucksteigernde Wirkung ausübt, ist indessen namentlich von Olivier und Schäfer, Cybulski und Szymonowicz 2) gezeigt worden. Dass die hierbei wirksame Substanz in bestimmter Beziehung zu dem obengenannten Chromogen zu stehen seheint, geht ferner aus den Untersuchungen von Moore, S. Fränkel, v. Fürth ^) u. A. hervor. Diese Substanz, welche Fränkel Sphyijmogenin nennt, ist sehr leicht löslich in Wasser und löst sich auch in Alkohol. Die zuerst von Moore ausgesprochene, durch die Unter- suchungen von Abel und Crawford wahrscheinlich gewordene Vermuthuug, Funktionen f .....,., der Neben- dass die blutdrucksteigernde Substanz ein Pyridinderivat sei, hat in den neuesten nieren. o . Untersuchungen von v. Fürth*) eine wichtige Stütze erhalten. Nach v. Fürth ist die fragliche Substanz wahrscheinlich ein hydrirtes Dioxypyxidin. 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. wo auch tue ciusehlägige Litteratur sich findet. 2) Olivier und Schäfer, Proceed. of jihysiol. Soc. London 1895. Weitere Litteratur- angaben über die Funktion der Nel)ennieren findet man bei SzYMOSOWicz, Pflüger's Arch. 64. 3) Moore, Proeeed. of physiol. Soc. 1895 (.bei Olivier und Schäfer) und Journ. of PUysiol. 21. S. Fränkel, Wien. med. Blätter 1896. Fürth, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24; vergl. ferner GÜrber, Sitzungsber. der phys, med. Gesellsch. zu Würzburg 1897. Nr. 4. *) Moore, Journ. of Physiol. 21; Abel und Crawford, citirt bei v. Fürth, Zeit- scluift f. physiol. Chem. 26. A (• li t c s K ii p i t e 1 Die Leber. Den blutbereitenden Drüsen schliesst sich die grösste aller Drüsen des Oi"ganismus, die Leber, nahe an. Die Bedeutung dieses Organes für die physio- logische Zusammensetzung des Blutes ist schon daraus ersichtlich, dass das vom Verdauungskanale kommende, mit den daselbst resorbirten Stoffen beladene Blut die Leber erst durchströmen muss, bevor es durch das Herz in die ver- schiedenen Organe und Gewebe getrieben wird. Dass eine Assimilation der mit dem Pfortaderblute der Leber zugeführten, resorbirten Nährstoffe in diesem Organe wirklieh stattfindet, ist wenigstens für die Kohlehydrate sicher bewiesen, und es ist nicht daran zu zweifeln, dass hierbei synthetische Prozesse auftreten. Das Vorkommen synthetischer Prozesse in der Leber ist übrigens durch be- '' ^ Chomischf sondere Beobachtungen ganz sichergestellt. Es können nämlich in der Leber i'iozes.se in . _ der Leber gewisse Ammoniakverbindungen in Harnstoff, bezw. Harnsäure (bei Vögeln), übergehen (vergl. Kap. 15), während auch einige Produkte der Darmfäulniss, wie z. B. die Phenole, in der Leber durch eine Synthese in Aetherschwefel- säuren übergeführt werden können (Pflügee und Koch.s '). Die Leber hat ferner die Fähigkeit, heterogene Stoffe aus dem Blute aufzunehmen und zurück- zuhalten, und dies gilt nicht nur von den ^verschiedenen Metallen, sondern auch, wie von Schiff und Lautexbeegke , Jaques, Heger und besonders von Roger gezeigt worden ist, von Alkaloiden, welche vielleicht zum Theil auch in der Leber umgesetzt werden. Auch Toxine werden von der Leber zurückge- halten, und dieses Organ übt also, den Giften gegenüber eine Schutzwirkung aus -). Umgekehrt kommen aber auch der Leber selbst giftige Wirkungen zu, ■wie die Untersuchungen von Boüchaed, Roger und Mairet und Vires ä) gelehrt haben. 1) Pflügek's Arch. 20 u. 23. S. 169. -) Vergl. KOGER : Aetion du foie sur les poisons. Paris 1887 , wo man auch die ältere Litteratur findet. Vergl. ferner: Boüch.\rd; Lei;ons sur les autointoxications dans les Maladies. Paris 1887 und E. Kotliar in Archives des sciences biologiques de St. Peters- bourg. 2. 3) Vergl. Mairet und Vires, Arch. de Physiol. (5) 9. 208 Achtes Kapitel. Cheuiisclit Vorgänge i der Leber Eiweiys Stoffe lie Leber. Wenn also die Leber von assimilatorischer Bedeutung ist und wenn sie reinigend auf das vom Verdauuugskanalo kommende Blut wirkt, so ist sie jedoch gleichzeitig auch ein sekretorisches Organ, welches eine spezifische Flüssig- keit, die Galle, absondert, bei deren Entstehung rothe Blutkörperchen zu Grunde gehen oder jedenfalls ein Bestandtheil derselben , das Hämoglobin , umgesetzt wird. Dass die Leber umgekehrt während des Fötallebens ein Organ für die Neubildung von rothen Blutkörperchen ist, wird allgemein angenommen. Dass die chemischen Vorgänge in diesem Organe von mannigfacher Art sind und von grosser Bedeutung für den Organismus sein müssen, ist wohl also nicht zu bezweifeln; aber leider müssen wir gestehen, dass wir über die Art und deu Umfang dieser Vorgänge nur sehr wenig wissen. Unter ihnen giebt es indessen vorzugsweise zwei, welche, nach einer vorausgeschickten kurzen Be- sprechung der Bestandtheile und der chemischen Zusammensetzung der Leber, in diesem Kapitel ausführlicher abgehandelt werden müssen. Der eine ist assi- milatorischer Art und betrifft die Glykogenbildung, der andere betrifi't die Be- reitung und die Absonderung der Galle. Die Reaktion der Leberzelle ist während des Lebens alkaliseh, wird aber nach dem Tode sauer, wahrscheinlich in Folge einer Milchsäurebildung. Dabei scheint auch eine Gerinnung des Protoplasmaeiweisses der Zelle stattzufinden. Ein bestimmter Unterschied zwischen den Eiweissstoffen des todten und des noch lebenden, nicht geronnenen Protoplasmas ist jedoch nicht beobachtet worden. Die Eiiceissstoffc der Leber sind zuerst von Plusz näher untersucht «Orden. Er fand in der Leber eine in das wässerige Extrakt übergehende, bei -)- 45 " C. gerinnende Eiiveisssuhstanz, ferner ein bei -|- 75 " C. koa- gulirendes Glohulin, ein bei -|- 70 "C. koagulirendes XukTeocdbumhi und end- lich einen, dem geronnenen Eiiveisse nahestehenden, bei Zimmertemperatur in verdünnten Säuren oder Alkalien unlöslichen, in der Wärme dagegen in Alkali unter Umwandlung in Albuminat sich lösenden Eiweisskörper. Halllbueton ') fand in den Leberzellen zwei Globuline, von denen das eine bei 68 — 70" C, das andere dagegen bei -|- 45 u 50 " C. koagulirte. Er fand ferner neben Spuren von Albumin ein Nukleoproteid mit einem Gehalte von 1,45 p. c. Phosphor und einer Gerinnungstemperatur von 60** C. Unter den Nukleo- protei'den der Leberzellen finden sich auch Glykoproteide , die als Spaltungs- produkte Pentose liefern -). Ausser den genannten Eiweissstoffen enthalten indessen die Leberzellen, wovon man sieh leicht überzeugen kann, in reichlicher Menge schwerlösliche Proteinstofie (vergl. Plosz). Die Leber enthält auch, wie zuerst besonders von St. Zäleski gezeigt und darauf von vielen Anderen be- stätigt wurde, eisenhaltige Eiweisskörper verschiedener Art. Zum Theil sind 1) Plösz, Pflüger's Areh. 7. Halllbueton, Jonrn. of Physiol. 13. Sujipl. 1892. -) Vergl. S.VLKOWSKI, Berlin, klin. Woehensehr. 1895. Hammaestex, Zeitschr. f. jihysiol. Cheui. 19 uud Llfmekthal, Zeitschr. t klin. Med. 34. Die Leber. 209 diese eisenhaltigen Protein stoflfe, wie mau allgemein annimmt, Eisenalbuminate, in welchen man das Eisen direkt, wie nach Extraktion mit salzsäurehaltigem pr'oMn-^^ Alkohol, nachweisen kann. Zum Theil sind sie aber auch unzweifelhaft Nukleo- proteide, in denen das Eisen nicht direkt nachzuweisen ist (Wolterixg, Spitzer). Eine nach dem Sieden der Leber mit Wasser aus dem Filtrate durch Zusatz von AVeinsäure ausfällbare eisenreiche Protein Substanz hat Schjiiedeberg ') Ferratin genannt. Der gi-lbc- oder braime Farbstoö' der Leber ist bisher nur wenig untersuclit worden. Dastre und Flokesco-) initerscheiden bei den Eücligratstliieren einen wasserlöslichen, eisen- Farbstoffe, haltigen und einen in Chloroform löslichen , in Wasser unlöslichen Farbstoff. Sie haben in- dessen diese Farbstofle nicht in reinem Zustande isolirt. Das Fett der Leber kommt theils als sehr kleine Kügelchen und theils, besonders bei säugenden Kindern und Thieren wie auch nach einer fettreichen Nahrung, als etwas grössere Fetttröpfchen vor. Das Auftreten einer Fettinfil- tration, d. h. also eines Fetttransportes in die Leber, kommt indessen nicht nur bei Aufnahme von überschüssigem Fett mit der Nahrung (Noel-Paton), sondern auch, durch Einwanderung aus anderen Körpertheilen , unter abnormen Ver- hältnissen wie bei der Vergiftung mit Phosphor (Leo) und Phlorhizin (Rosen- feld ^j vor. Wird die Menge des Fettes in der Leber durch eine Fettinfiltration vermehrt, so nimmt das Wasser entsprechend ab, während die Menge der übrigen festen Stoffe verhältnissmässig wenig verändert bleibt. Anders verhält es sich bei der Fettdegeneration. Bei diesem Prozesse findet die Fettbildung auf Kosten des Protoplasmas der Zelle statt, und die Menge der übrigen festen Stoffe wird ^^Leber.''^'^ in Folge dessen vermindert, während der Gehalt an Wasser nur wenig verändert wird. Um das nun Gesagte zu beleuchten, werden hier theils einige Zahlen für die normale Leber und theils die von Peels*) bei Fettdegeneration und Fettinfiltration gefundenen Werthe angeführt. Sämmtliche Zahlen beziehen sich auf 1000 Theile. Wasser Fett Uebr. feste Stoffe. Normale Leber . . . . 770 20—35 207—195 Fettdesieneratiou . . . . 816 87 97 Fettinfiltration . . . . 616—621 195—240 184—145 Die Zusammensetzung des Leberfettes scheint nicht nur bei verschiedenen Thieren eine verschiedene, sondern auch unter verschiedenen Umständen eine wechselnde zu sein. So hat zum Beispiel Noel-Paton bei Menschen und mehreren Thieren das Leberfett ärmer an Oelsäure und dementsprechend von höherem Schmelzpunkt als das Fett des Unterhautbindegewebes gefunden, während I) St. Z.\leski, Zcitschr. f. physiol. Chem. 10. S. 486. Woltering, ebenda 21; Spitzer, Pflüger's .\rch. 67. Schmiedeberg, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 33; vergl. auch Vay, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 20. i) Arch. de Physiol. (5) 10. 3) Noel-Paton, Journ. of Physiol. 19. Leo, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 9. EOSEN- FELD, vergl. Maly's Jaliresber. 25. S. 44. •1) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 11. S. 801. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 14 210 Achtes Kapitel. Extraktiv- stoffe der Leber. Mineral- stoffe de Leber. Rosenfeld ^) dagegen beim Hunde nach Fütterung mit Hammelfett ein um- gekehrtes Verhalten beobachtete. Lecithin ist ebenfalls ein normaler Bestandtheil der Leber, dessen Menge nach Noel-Paton^) etwa 23,5 p. m. beträgt. Im Hungerzustande macht das Lecithin nach Noel-Päton den grössten, bei fettreicher Nahrung dagegen den kleinsten Theil des Aetherextraktes aus. Cholesterin kommt nur in geringer Menge vor. Das Aetherextrakt enthält auch einen protagonartigen Stoff, das Jelorin. Das Jekorin ist ein von Deechsel zuerst in der Pferdeleber, dann auch in der Leber eines Delplaines und ferner von Baxdi in Leber und Jtilz von anderen Thieren, in Muskeln und Blut vom Pferde und im Menschengehirn gefundener, seiner Zusammensetzung nach noch niclit sicher bekannter, schwefel- und phosphorhaltiger Stoff. Das Jekorin löst sieh in Aether, wird aber aus der Lösung von Alkohol gefällt. Es reduzirt Kupferoxyd, und nach dem Sieden mit Alkali erstarrt es beim Abkülilen wie eine Seifengallerte. In dem Kohlenhydratkomplex des Jekorins hat Manasse^) Glukose als Osazon nachgewiesen. Durch •seine Löslichkeitsverhültnisse und seinen Gehalt an Phosphor kann das Jekorin bei der Unter- suchung von Organen oder Geweben auf einen Gehalt an Lecithin zu Feldern Veranlassung geben. Unter den Extraktivstoffen hat man, abgesehen von dem Gh/l'ogen. welches später abgehandelt werden soll, in der Leber Xanthinstoß'e in ziemlich reichlicher Menge gefunden. In 1000 Theilen Trockensubstanz fand Kossel*) 1,97 Gnanin, 1,34 Hypoxanthin und 1,21 Xnnthin. Auch Aclenin findet sich in der Leber. Ferner hat man in der normalen Leber Harnstoff' und Harnsäure (besonders in der Vogelleber), und zwar in grösserer Menge als im Blute, Paramihhsäiire, Lencin und Cystin nachgewiesen. In pathologischen Fällen hat man in der Leber Inosit und Tyrosin gefunden. Das Vorkommen von GaUenfnrbsfoff'en in den Leberzellen unter normalen Verhältnissen ist angezweifelt worden; bei Retention der Galle können die Zellen dagegen den Farbstofl' aufnehmen und von ihm gefärbt werden. Die MineraJstoffe der Leber bestehen aus Phosphorsäure, Kalium, Natrium alkalischen Erden und Chlor. Das Kalium herrscht dem Natrium gegenüber vor. Eisen ist ein regelmässiger Bestandtheil, dessen Menge sehr zu wechseln scheint. Bunge fand in den blutfreien Lebern von Katzen und Hunden, meistens von jungen Thieren, 0,01 — 0,355 p. m. Eisen, auf die frische mit einprozentiger Kochsalzlösung durchgespülte Lebersubstanz berechnet. Auf 10 Kilo Körper- gewicht berechnet, betrug die Eisenmenge in den Lebern 3,4 — 80,1 mg. Neuere Bestimmungen des Eisengehaltes der Leber von Kaninchen, Hund, Igel, Schwein und Mensch sind von GuillemÖnat und Lapicque^) ausgeführt worden. Beim 1) Citirt. nach LtJMMERT in Pflüger's Arch. 71. 2) 1. c. Vergl. auch Heffter, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 28. S) Drechsel, Ber. d. sächs. Ges. d. Wissensch. 1886. S. 44 u. Zeitschr. f. Biologie 33. B.'VLDI, Du Bois-Reymond's Areh. 1887. Suppl. S. 100. Manasse, Zeitsclir. f. physiol. Chem. 20. Auf Grund der neuesten Untersuchungen von BING (Centralbl. f. Physiol. 12) kann man in Zweifel darüber sein, ob das Jekorin etwas anderes als ein Gemenge von Zucker und Lecithin ist. *) Zeitschr. f. physiol. Chem. 8. 5) Bunge, ebenda 17 S. 78. Guillemonat und Lapicque, Compt. rend. de Soc. biol. 48 und Arch. de Physiologie (5) 8. Eisengehalt der Leber. 211 Menschen waren die Schwankungen gross. Beim Manne betrug indessen der Eisengehalt der blutfreien Leber (Blutpigment in Rechnung abgezogen) regel- mässig mehr und beim Weibe weniger als 0,20 p. m. (auf das frische, wasser- haltige Organ berechnet). Ein Gehalt über 0,5 p. ra. wurde als pathologisch angesehen. Der Gehalt der Leber an Eisen kann durch Eisenmittel, auch anorganische Eisensalze, vermehrt werden. Eine Vermehrung des Eisengehaltes kann auch durch einen reichlichen Zerfall von rothen Blutkörperchen wie durch reichliche Zufuhr von gelöstem Hämoglobin zu Stande kommen, wobei auch eine Zufuhr von in anderen Organen, wie Milz und Knochenmark, aus dem Blutfarbstoffe entstandenen Eisenverbindungen zu der Leber stattzufinden scheint^). Ein Zerfall von Blutfarbstoff unter Abspaltung von eisenreichen Verbindungen findet, wie es scheint, regelmässig bei der Bildung von Gallenfarbstoff in der Leber statt. Aber selbst bei den Evertebraten, die kein Hämoglobin haben, ist die sogenannte Leber reich an Eisen, weshalb auch nach Dastee und Floeesco ^) ^^^ e'^*° '" der Eisengehalt der Leber bei den Evertebraten gänzlich und bei den Verte- braten zum Theil von einer Zersetzung von Blutfarbstoff unabhängig ist. Nach den genannten Forschern hat die Leber durch ihren Gehalt an Eisen eine be- sonders wichtige oxydative Funktion, welche sie als ,,fonction martiale" der Leber bezeichnen. Von besonderem Interesse ist der Reichthum der Leber der neugeborenen Thiere an Eisen, ein Verhalten, welches schon aus den Analysen St. Zai.eski's hervorgeht, besonders aber von Krügee, Meyee und Peenou studirt worden ist. Bei Ochsen nnd Kühen fanden sie 0,246 — 0,276 p. m. Eisen (auf die Trockensubstanz berechnet) und bei Rindsföten etwa 10 mal so viel. Die Leber- zellen des ca. eine Woche alten Kalbes haben noch einen etwa siebenmal grösseren Eisengehalt als die erwachsener Thiere; dieser Gehalt sinkt aber im Laufe der vier ersten Lebenswocheu so weit herab, dass nahezu derselbe Werth wie beim erwachsenen Thiere erreicht wird. Ebenso hat Lapicqüe'*) gefunden, dass beim Kaninchen der Gehalt der Leber an Eisen in der Zeit von acht Tagen bis drei Monaten nach der Geburt stetig abnimmt, nämlich von 10 bis zu 0,4 p. m., auf die Trockensubstanz berechnet. „Die fötalen Leberzellen bringen also einen Eisengenait Reichthum an Eisen mit auf die Welt, um ihn dann innerhalb einer gewissen Zeit zu einem, noch näher zu untersuchenden Zweck anderweitig abzugeben." Das Eisen findet sich in der Leber theils als Phosphat und theils — und zwar zum allergrössten Theile — in den eisenhaltigen Proteinstoffen (St. Zaleski). Der Gehalt der Leber an Calcium beträgt nach KeÜgee*) bei ausge- wachsenen Rindern nur 0,71 p. m., bei Kälbern dagegen 1,23 p.m. der Trocken- 1) Vergl. Lapicqüb, Compt. rend. 124 uud 8CHUR1G, Äieh. f. axp. Pathol. u. Pharm. 41. ä) Arch. de Physiol. (5) 10. 3) St. Zaleski 1. c. Krüger uud Mitarbeiter, Zeitsehr. f. Biologie 27. Lapicqce, Maly's Jahresber. 20. i) Zeitsehr. f. Biologie 31. 14* 212 Achtes Kapitel. Bei Rindsföten ist er niedriger als bei Kälbern. Während der Trag- zeit sind Eisen und Calcium beim Fötus Antagonisten derart, dass beim An- steigen des Calciumgehaltes der Leber ein Sinken des Eisengehaltes stattfindet und umgekehrt. Kupfer scheint ein physiologischer Bestandtheil zu sein. Fremde Metalle, wie Blei, Zink u. a., (auch Eisen) werden leicht von der Leber auf- genommen und lange Zeit in ihr zurückgehalten. In der Leber eines jungen, des plötzlichen Todes verstorbenen Mannes fand V. BiBRA^) in 1000 Theilen : 762 Wasser und 238 feste Stoffe, darunter 25 Fett, 152 Eiweiss, leimgebende und unlösliche Substanz und 61 Extraktivstoffe. Das Glykogen und die Glykogenbildung. Das Glykogen ist ein von Beenärd und Hensen fast gleichzeitig entdecktes, den Stärkearten oder Dextrinen nahe verwandtes Kohlehydrat von Vorkommen (Je), allgemeinen Formel C^H-nO. ; nach E. Külz und Bornträger vielleicht des '^ b lu 3 ' Glykogens. 6(C5Hii,05) + HgO. Bei erwachsenen Thieren kommt es in grösster Menge in der Leber, in kleinerer Menge in den Muskeln vor (Beenard, Nasse ^). Es findet sich übrigens in den allermeisten Geweben des Thierkörpers, wenn auch nur in geringen Mengen. Sein Vorkommen in lyraphoiden Zellen, Blut und Eiter ist schon in dem vorigen Kapitel besprochen worden und es scheint ein regelmässiger Bestandtheil aller entwickelungsfähigen thierischen Zellen zu sein. In den embryonalen Geweben ist es, wie Bernard und Kühne zuerst gezeigt haben, reichlich vorhanden und es scheint überhaupt ein Bestandtheil solcher Gewebe zu sein, in welchen eine lebhafte Zellneubildung und Zellentwickelung stattfinden. So kommt es auch in rasch sich entwickelnden pathologischen Geschwülsten vor (Hoppe-Seyler). Einzelne Thiere, wie gewisse Muscheln, sind nach Bizio^) sehr reich an Glykogen. Auch im Pflanzenreiche, besonders in vielen Pilzen, ist das Glykogen gefunden worden. Die Menge des Glykogens in der Leber wie auch in den Muskeln hängt wesentlich von der Nahrung ab. Beim Hungern sehwindet es fast vollständig nach einiger Zeit, rascher bei kleineren als bei grösseren Thieren, und es ver- schwindet dabei früher aus der Leber *) als aus den Muskeln. Nach Aufnahme Glykogeii- gehait der „qjj Nahrung, besonders wenn diese reich au Kohlehydraten ist, wird die Leber Leber. wiederum reich an Glykogen und die grösste Menge davon soll dieses Organ nach KüLZ^) im Allgemeinen 14 — 16 Stunden nach der Nahrungsaufnahme 3) Vergl. V. GORUP-Besanez, Lehrb. d. physiol. Chem. 4. Aufl. 1878. S. 711. -') Cl. Bernard, Compt. rend. 44. S. 578 und Hensen, Vibchow's Arch. 11. S. 395. KÜLZ und BOBNTKÄGER, Pfltjger's Aich. 24. S. 19. Nasse, ebenda 2. S. 97. 3) Bernabd, Compt. rend. 48. KÜHNE, Lehib. d. physiol. Chem. S. 307; Hoppe- Seyi.ER, Pflüger's Arch. 7. S. 409. Bizio, Compt. rend. 62. 4) Vergl. Aldehoff, Zeitschr. f. Biologie 25 (Litteraturangaben). Hergenhahn, ebenda 27. r>) Pflüger's Aruh. 24. Wichtige Abliandlung mit zahlreichen Litteraturangaben. Glykogen. 213 enthalten. Der Gehalt der Leber an Glykogen kann nach Aufnahme von reich- lichen Mengen Kohlehydraten 120 — 160 p. m. betragen. Gewöhnlich ist er bedeutend niedriger, 12 — 30 bis 40 p. m. Wie bei Thieren soll nach Cremer ^) auch bei Pflanzen (Hefezellen) der Glykogengehalt von der Nahrung abhängig sein. Die Hefezellen enthalten n<änilich nach ihm Glykogen, welches in der Karenz bei der Selbstgährung der Hefe aus den Zellen verschwindet, nach dem Eintragen der letzteren in Zuckerlosung aber wieder auftritt. Der Glykogengehalt der Leber (wie auch der Muskeln) hängt auch von der Ruhe und der Arbeit ab, indem er nämlich während der Ruhe wie im Winterschlafe zu-, während der Arbeit dagegen abnimmt. Angestrengte Be- wegung kann, wie KtJLz gezeigt hat, den Glykogengehalt der Leber in wenigen SO' 6&J .loa o Wirkung Stunden (bei Hunden) auf ein Minimum reduzireu. Das Muskelglykogen nimmt der Arbeit. hierbei weniger stark als das Leberglykogen ab. Bei Kaninchen gelang es indessen Külz -) durch geeignete Strychninvergiftung sowohl das Leber- wie das Muskelglykogen schon in 3 — 5 Stunden zum völligen Schwund zu bringen ^j. Das Glykogen stellt ein amorphes, weisses, geschmack- und geruchloses Pulver dar. Mit Wasser giebt es eine opalisirende Lösung, die beim Verdunsten auf dem Wasserbade mit einer, nach dem Erkalten wieder verschwindenden Haut sich überzieht. Die Lösung ist dextrogyr, («) D = -j- 196,63 nach Huppert*). Die spez. Drehung wird jedoch von verschiedenen Forschern etwas verschieden angegeben. Von Jod wird die Lösung, besonders nach Zusatz von etwas NaCl, Eigen- weinroth gefärbt. Das Glykogen kann Kupferoxydhydrat in alkalischer Flüssig- Reaktionen, keit in Lösung halten, reduzirt dasselbe aber nicht. Eine Lösung von Glykogen in Wasser wird nicht von Quecksilberjodidjodkalium und Salzsäure, wohl aber von Alkohol (nöthigenfalls nach Zusatz von etwas NaCl) oder von ammoniakalischem Bleiessig gefällt. Mit Benzoylchlorid und Natronlauge giebt es einen weissen körnigen Niederschlag von benzoylirtem Glykogen. Das Glykogen wird durch Sättigung seiner Lösung mit Magnesium- oder Ammoniumsulfat bei gewöhn- licher Temperatur vollständig gefällt. Dagegen wird es nicht gefällt von Chlor- natrium oder durch halbe Sättigung mit Ammoniumsulfat (Nässe, Neümeister, Halleburtox, YouNG^). Bei anhaltendem Sieden mit verdünnter Kalilauge wird das Glykogen nicht zersetzt, scheint aber ein wenig verändert zu werden (ViNTsCHGAU und DiETL^). Von diastatischen Enzymen wird das Glykogen, je nach der Natur des Enzyraes, in Maltose oder Glukose übergeführt. Ver- dünnte Mineralsäuren führen es in Glukose über. Als Zwischenstufen bei der ') Zeitschr. f. Biologie 31. ä) 1. c. und Beiträge zur Kenntuiss des Glykogens. LüDWlo-Fe.'itsohnft. Marburg 1891. 3) Bezüglich der Einwirkung von experimenteller Gallenatauung auf den Glykogen- gehalt der Leber vergl. man Redsz, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 41 (Litteraturangaben). ■») Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. 5) Vergl. YODNG, Journ. of Physiol. 22, W" die anderen Forseher citirt »ind. G) Pfi.üger's Arch. 13. S. 253. 214 Achtes Kapitel. Saccharifikation treten nach Chr. Tebb ^) verscbiedene Dextrine auf, je nachdem die Hydrolyse mittels Mineralsäuren oder Enzymen bewirkt wird. Die Reindarstellung des Glykogens (am einfachsten aus der Leber) ge- schieht gewöhnlich nach der von Brücke angegebenen Methode, deren Haupt- züge die folgenden sind. Unmittelbar nach dem Tode des Thieres wird die Leber in siedendes Wasser geworfen, fein zertheilt und mehrmals mit neuem Wasser ausgekocht. Die filtrirten Extrakte werden genügend stark konzentrirt, abgekühlt und durch abwechselnden Zusatz von Quecksilberjodidjodkalium und lung des* " Salzsäure von Eiweiss befreit. Aus der abfiltrirten Flüssigkeit wird das Gly- Giykogeus. j^^ggjj (iu,.ßjj Zusatz von Alkohol, bis das Gemenge 60 Vol. Prozent davon enthält, gefällt. Das Glykogen wird auf dem Filtrum erst mit 60 prozentigem und dann mit 95 prozentigem Alkohol ausgewaschen, mit Aether behandelt und über Schwefelsäure getrocknet. Es ist hierbei stets von Mineralstoffen verunreinigt. Um aus der Leber und besonders aus Muskeln und anderen Geweben sämmt- liches Glykogen extrahiren zu können — was besonders bei quantitativen Be- stimmungen nothwendig ist — muss man erst einige Stunden mit verdünnter Kalilauge, etwa 4 g KOH auf je 100 g Organ und 400 g Wasser, kochen. Die quantitative Bestimmung geschieht am besten nach der nun beschrie- benen BRÜCKE-KüLz'scben ^) Methode. Hierbei ist zu beachten, dass ein Er- hitzen mit Kalilauge nothwendig ist, und zwar bei Verarbeitung von der Leber während 2 — 3, bei Muskeln 4 — 8 Stunden. Die Flüssigkeit darf nicht stärker konzentrirt werden als bis sie höchstens etwa 2 p. c. Kalihydrat enthält. Man neutralisirt mit Salzsäure und fällt wie oben abwechselnd mit Salzsäure und Quantitative Quecksilberjodidjodkalium. Den Niederschlag muss man wenigstens 4 mal vom Bestim- Füter nehmen, mit Wasser unter Zusatz von einigen Tropfen Salzsäure und "™'^' Kaliumquecksilberjodid zum Brei anrühren und abfiltriren, um alles Glykogen in den Filtraten zu erhalten. Man fällt darauf mit dem doppelten Volumen Alkohol, filtrirt nach 12 Stunden, löst den Niederschlag in wenig, warmem Wasser, versetzt nach dem Erkalten mit Salzsäure und Kaliumquecksilberjodid, filtrirt und fällt von Neuem mit Alkohol. Zuletzt wäscht man auf dem Filtrum mit Alkohol und Aether genau, trocknet, wägt und verbrennt, um die Menge etwa vorhandener Mineralstoffe zu bestimmen. Es ist anzurathen, immer einen abgewogenen Theil des getrockneten und gewogenen Niederschlages auf Stick- stoff zu prüfen. Falls dieser Theil als stickstoffhaltig sich erweist, führt man einen anderen, ebenfalls gewogenen Theil durch Sieden mit verdünnter Säure in Zucker über und bestimmt den letzteren durch Titration. Bisweilen ereignet es sich, dass die Flüssigkeit nach vollständiger Aus- fällung des Eiweisses mit Salzsäure und Kaliumquecksilberjodid trübe und un- filtrirbar ist. In diesem Falle setzt man nach Pflüger's^) Vorschrift 2 — 2'h Vol. Pflügera 95 prozentigen Alkohols hinzu. Nachdem die Flüssigkeit sich geklärt und derNieder- „.^.v schlag sich abgesetzt hat, wird filtrirt. Den Niederschlag löst man in 2prozentiger Kalilauge und fällt von Neuem mit Salzsäure und Kaliumquecksilberjodid. Darauf verfährt man wie oben. Bezüglich der von Salkowski und Austin und von PflüC4Ee herrühren- den Abänderungen obiger Methode wie auch hinsichtlich der Methoden von Verfahren. 1) .Toiirn. of Physiol. 22. ■i) Vergl. R. KÜLZ, Zeitschr.f. Biologie 2a. S. 161. 3) Pfi.üger's Arch. 53 ii. 55. Ursprung des Glykogens. 215 HuiziNGA und Fränkel ') wird auf die betreffenden Orginalabhandlungeu hingewiesen. Die Frage nach dem Ursprünge des Glykogens im Thierkörper ist Gegen- stand zahh'eicher Untersuchungen gewesen. Durch die einstimmigen Beobacht- ungen zahh'eicher Forscher^) ist es sicher festgestellt worden, dass unter allen bisher untersuchten Stoffen in erster Linie die Zucker arten und deren An- hydride, Dextrine und Stärke, die Fähigkeit haben, den Glykogengehalt buduug" des Körpers zu vermehren. Die Wirkung des Inulins scheint indessen etwas unsicher zu sein "). Ueber die Wirkung der Pentosen sind die Angaben eben- falls etwas streitig. Cremer fand, dass verschiedene Pentosen, wie Rbamnose Xylose und Arabinose bei Kaninchen und Hühnern die Glykogenbildung positiv beeinflussen, und zu ähnlichen Resultaten kam Salkowski bei Fütterungs- versuchen mit Arabinose bei Kaninchen und einem Huhn. Frentzel'') dagegen hat bei durch Strychnineiuwirkung sicher glykogenfrei gemachten Kaninchen bei Verfütterung von Xylose keine Glykogenbildung nachweisen können. Die Hexosen und die von ihnen hergeleiteten Kohlehydrate besitzen indessen nicht alle die Fähigkeit einer Glykogenbildung oder Glykogen anhäufung in gleich hohem Grade. So hat nach C. Voit ^) und seinen Schülern der Trauben- zucker eine kräftigere Wirkung als der Rohrzucker, während der Milchzucker schwächer (bei Kaninchen und Hühnern) als Dextrose, Lävulose, Rohrzucker oder Maltose wirkt. Zu den Stoffen, welche, in den Körper eingeführt, den Glykogengehalt der Leber vermehren können, sind ferner zu rechnen : Glycerini Leim, Arbutin und endlich nach den Untersuchungen von KüLZ: Ervthrit, ' . _ =" -' Glykogen- Quercit, Dulcit, Mannit, Inosit, Aethylen- und Propy lengly kol, bUdner. Glukuronsäurean hy d rid, Zuckersäure, Schleimsäure, weinsaures Natrium, Saccharin, Isosaccharin und Harnstoff. Auch Ammo- niumkarbouat, Glykokoll und Asparagin können nach Röhmann einen vermehrten Glykogengehalt der Leber hervorrufen. Nach Nebelthau können auch andere Ammoniaksalze und einige Amide, ferner gewisse Narcotica, Hypnotica und Autipyretica eine Vermehrung des Glykogengehaltes in der Leber bewirken. Für die Antipyretica (besonders das Antipyrin) ist das- selbe schon früher von LißriNE und Porteret ") gezeigt worden. 1) Adstin, Vikchow's Arch. 150; Pflüger in seinem Arch. 71 S. 320; Hdizinga, ebenda 61; Fkänkel, ebenda 52 u. 55; vergl. ferner Weidenb.\um, ebenda 54 u. 55. 2) Bezüglich der umfangreichen Litteratur über diesen Gegenstand kann auf die Ar- beiten von E. KClz, PflÜger's Arch. 24 und LUDWIG-Festsehrift 1891, Wolffbekg , Zeit- schrift f. Biologie 12 und C. VoiT, ebenda 28. S. 245 verwiesen werden. 3) Vergl. MlUBÄ, Zeitschr. f. Biologie 32. i) Ckemek, Zeitschr. f. Biologie 29. S. 536. Salkowski, Centrallil. f. d. med. Wissen- schaft. 1893 Nr. 11. Frentzen, PflÜger's Arch. 56. 5) Zeitschi-, f. Biologie 28. 6) KÖHMAKN, PflÜger's Arch. 39; Nebelthau, Zeitschr. f. Biologie 28; Portebet, Com))l. rend. 106. 216 Achtes Kapitel. Das Fett soll, trotz der obengenannten Wirkung des Glycerins, nach den Angaben der meisten Forscher auf den Glykogeugehalt der Leber nicht ein- wirken. Nach Couvreur') soll indessen bei der Seidenraupe zur Zeit des Verpuppens das Glykogen auf Kosten des Fettes sieh vermehren. Bezüglich der Wirkung des Eiweisses gingen die Ansichten früher etwas auseinander. Aus mehreren Beobachtungen scheint jedoch unzweifelhaft hervorzugehen, dass ^^Yy^^g"j"''auch das Eiweiss eine Vermehrung des Leberglykogens bewirken kann. Zu biidung. diesen Beobachtungen sind zu rechnen einige Fütterungsversuche mit ausge- kochtem Fleisch (Nält^yn) oder Blutfibrin (v. Merixg) «nd besonders die sehr sorgfältigen Fütterungsversuche von E. KüLZ an Hühnern mit reinen Eiweiss- körpern, wie Kasein, Serumalbumin und Eialbumin. Wolffberg '^) hat auch gezeigt, dass man durch Fütterung mit Eiweiss und Kohlehydraten in passenden Mengenverhältnissen eine reichlichere Glykogenanhäufung als durch eine ein- seitige kohlehydratreiche Nahrung mit nur wenig Eiweiss erreichen kann. Fragt mau demnächst, in welcher Weise diese verschiedenartigen Stoffe bei der Glykogenanhäufung in der Leber wirksam sind, so hat man sich zu- nächst zu erinnern, dass in der Leber sowohl eine Neubildung von Glykogen wie auch ein Verbrauch von solchem stattfindet. Eine Anhäufung von Gly- kogen kann also durch eine vermehrte Glykogenbildung aber auch durch einen herabgesetzten Glykogenverbrauch oder durch Beides zu Stande kommen. Wie alle die obengenannten, verschiedenen Stoffe in dieser Hinsicht wirken, wissen wir noch nicht. Einige üben anscheinend eine hemmende Wirkung auf die Umsetzung des Glykogens in der Leber aus, während andere vielleicht als leichter verbrennlich das Glykogen vor der Verbrennung schützen. Einige regen vielleicht die Leberzellen zu einer lebhafteren Glykogenbildung au, während Glykogen- andere das Material liefern, aus dem das Glykogen gebildet wird und also bildung. ^ ... . ,. . GlyJcogenhihhier im eigentlichen Sinne des Wortes sind. Für die Frage nach dem Ursprünge des Gh'kogeus im Tfaierkörper ist gerade die Kenntniss dieser letztgenannten Stoffe von der allergrössten Bedeutung, und das Hauptinteresse knüpft sich hierbei an die Frage, ob und in welchem Umfange die zwei Haupt- gruppen von Nährstoffen, die Eiweisskörper und die Kohlehydrate, Glykogen- bikliier sind. Die grosse Bedeutung der Kohlehydrate für die Glykogenbildung hat zu der Ansicht geführt, dass das Glykogen in der Leber durch eine Synthese mit Wasseraustritt, also durch eine Anhydridbildung, aus anderen Kohlehydraten (Zucker) entstehe (Luchsinger u. A.). Gegen diese Theorie (die Anhydrid- theorie) ist jedoch eingewendet worden, dass sie weder die Entstehung des Gly- kogens aus so verschiedenen Stoffen wie Eiweiss, Kohlehydraten, Leim u. a. noch den Umstand erklärt, dass das Glykogen, unabhängig von den Eigen- 1) Compt. lend. de Soe. biol. 47. 2) KClz, eitirte Festschrift, wo man die andeieu Ailieitcni findet. Wolffberg, Zeit- schrift f. Biolosrie 16. GlykogenbiUlung. 217 Schäften der eingeführten Kohlehydrate, ob sie rechts- oder linksdrehend sind, stets dasselbe ist. Viele Forscher waren deshalb auch früher der Ansicht, dass alles Glykogen aus Eiweiss entstehe und dass dieses dabei in einen stickstofT- haltigen und einen stickstofffreien Antheil sich spalte, welch' letzterer zu Gly- kogen werden sollte. Die Kohlehydrate sollten nach dieser Ansicht nur in der Weise wirksam sein, dass sie das Eiweiss und das aus ihm entstandene Gly- kogen sparten {Ersparnisstheorie von Weiss, Wolffberg u. A. i). Dieser Ansicht gegenüber haben indessen C. und E. Voit ^) und ihre Schüler gezeigt, dass die Kohlehydrate „echte" Glykogenbildner sind. Nach Aufnahme von grossen Kohlehydratniengen kann nämlich die im Körper auf- gespeicherte Glykogenmenge bisweilen so gross werden, dass sie lange nicht durch das in der gleichen Zeit zersetzte Eiweiss gedeckt werden kann, und in Giykogen- diesen Fällen muss man also eine Glykogenbildung aus dem Kohlehydrate an- ' Koifie^"' nehmen. Solche echte Glykogenbildner sind die drei gewöhnlichen Mono- und Disaccharide. Der Milchzucker und der Rohrzucker gehen nach subkutaner Einverleibung fast vollständig in den Harn über (Dastre, Fr. Voit), und sie müssen also behufs der Glykogenbildung vorerst im Darmkanale einer Inversion unterliegen. Von der Maltose, die auch im Blute gespalten wird, geh* dagegen nur wenig in den Harn über (Dastke und Bourquelot u. A.) und sie kann, wie die Monosaccharide, selbst nach subkutaner Injektion für die Glykogen- bildung verwerthet werden (Fr. Voit^). Dass auch die Verfütterung von reinem Eiweiss zu einer Aufspeicherung von Glykogen führen kann, ist unzweifelhaft, und gegenwärtig dürfte man wohl allgemein der Ansicht sein, dass das Glykogen sowohl aus Eiweiss wie aus Kohlehydraten entstehen kann. In welcher Weise die Glykogenbildung aus Eiweiss zu Stande kommt, weiss man nicht. Die von einigen Forschern vertretene Ansicht, dass aus ge- nuinen Eiweissstoffen Kohlehydrate direkt abgespalten werden, ist zwar insoferne begründet, als eine solche Abspaltung von Kohlehydratgruppen einigen Forschern, in erster Linie Pavy, gelungen ist (vergl. oben S. 21). Da es aber noch etwas zweifelhaft bleibt, in wie weit solche Kohlehydrate aus wirklich reinem, von Glykoproteiden nicht verunreinigtem Eiweiss entstehen, und da ferner auch solche Eiweissstoffe wie das Kasein, aus welchen man kein Kohlehydrat hat darstellen Giykogen- können, eine Glykogenaufspeicherung bewirken, kann die Glykogenbildung aus Eiweiss. Eiweiss gegenwärtig nicht einfach durch die Annahme einer Abspaltung von einer Kohlenhydratgruppe erklärt werden. ]\[an sucht deshalb auch oft die 1) Vergl. hinsichtlich dieser zwei Tliooricn bcsoiulers Wolffberg 1. c. 2) E. Voit, Zeitschr. f. Biologie 25. S. 5-13 iiud C. VoiT, ebenda 28. Veigl. ferner K.VUSCH und SOCIN, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 31. ^) Dastre, Arch. de Physiol. (5| 3 1891. Dastrf, und Bourquelot, Compt. rend. 98. Fritz Voit, Verhandl. d. GeseUsch. f. Morph, u. Physiol. in Jlünchcu 1896 uad Deutsch. Arch. f. klin. Med. 58. 218 Achtes Kapitel. Glykogenbildung nach der PrLÜGER'schen Ansicht ') zu erklären. Nach dieser Ansicht würde nämlich das Glykogen durch eine mit tiefgreifenden Spaltungen des Eiweisses verknüpfte Synthese entstehen. Wie die Kohlehydrate im Allgemeinen, so bat auch das Glykogen ohne Zweifel eine grosse Bedeutung für die Wärmebildung oder die Kraftentwickelung überhaupt im Thierkörper. Ebenso dürfte die Möglichkeit einer Fettbildung aus dem Glykogen nicht in Abrede zu stellen seiu'^). Das Glykogen betrachtet man auch allgemein als einen in der Leber aufgespeicherten ReservenährstoflF, der in den Leberzellen gebildet wird. Woher stammt nun aber das in anderen Organen, wie in den Muskeln des erwachsenen Thieres, vorkommende Glykogen? des^GMco- Wird das Muskelglykogen an Ort und Stelle gebildet oder wird es den Muskeln ^'"deren''" ™'* dem Blute zugeführt? Diese Fragen sind schwer zu beantworten und die Organen. ^^^ verschiedenen Forschern über diesen Gegenstand ausgeführten Untersuch- ungen haben zu widersprechenden Resultaten geführt. Auch die Versuche von KüLZ^), in denen er die Glykogenbildung an mit rohrzuckerhaltigera Blute künstlich durchbluteten Muskeln studirte, führten zu keinem entscheidenden Resultate, machen aber eine Glykogenbildung aus Zucker in den Muskeln wahr- scheinlich. Dass im Embryonalleben eine Glykogenbildung in den Muskeln vorkommt, ist dagegen unzweifelhaft. Wenn man in Erwägung zieht, dass in Blut und Lymphe ein diastatisehes Enzym vorkommt, welches Glykogen in Zucker überführt, und ferner, dass das Glykogen regelmässig nicht in den Säften gelöst, sondern in den Formelementen eingelagert vorkommt, so dürfte es wohl ferner wahrscheinlich sein, dass das Glykogen nicht in dem Blute gelöst den Organen zugeführt wird, sondern viel- mehr, insoferne als nicht die Leukocyten den Transport desselben besorgen, an Ort und Stelle aus dem Zucker entsteht *j. Die Glykogenbildung scheint näm- lich eine allgemeine Funktion der Zellen zu sein, wenn auch beim Erwachsenen die Leber dasjenige zellenreiche Organ ist, dem in erster Linie in Folge seiner anatomischen Lage die Aufgabe zukommt, grössere Mengen von Zucker in Glykogen umzuwandeln. Es fragt sich nun demnächst, ob man irgend einen Grund für die An- nahme hat, dass das Leberglykogen in Zucker umgesetzt wird. In einer todten Leber setzt sich, wie zuerst Beknard und nach ihm mehrere Forscher gezeigt haben, das Glykogen allmählich in Zucker um. Diese Zuckerbildung wird, wie Bernäed vermuthete und Arthus und Hüber und ZuckerbUd- neuerdings auch Pavy =) zeigten, durch ein diastatisches Enzym vermittelt. Diese ""ieber.'^*'^ postmortale Zuckerbildung führte Beenard zu der Annahme von einer Zucker- 1) Pplüger's Arcli. 42. ■-) Vergl. hierüber besonders NoEL Paton, Journ. of Pbysiol. 19. 3) Vergl. Minkowski und L.vvES, Arch. f. c.xp. Path. u. Pharm. 23. Ki'LZ, Zeltschr. f. Biologie 27. i) Vergl. Dastre, Compt. reud. de Soc. biol. 47 S. 280 und Kaufmasn, ebenda S. 316. •')) Arthüs und Huber, .\rch. de Physiol. (5) 4 S. 659. Pavy, Journ. of Physiol. 22. ZuckerbiUlung in der Leber. 219 bildung aus Glykogen in der Leber auch im Leben. Als Umstände, welche einer solchen Ansicht das Wort reden, führte Bernard folgende an ; die Leber enthält unter physiologischen Verhältnissen stets etwas Zucker und das Leber- venenblut ist stets etwas reicher an Zucker als das Pfortaderblut. Die Richtig- keit dieser zwei Angaben ist indessen von mehreren Forschern bestritten worden. Pavy, Ritter, Schiff, Eulenburg, Lussana, Abeles u. A. läugneten das Vorkommen von Zucker in der Leber im Leben, und auch der grössere Gehalt des Leberveneublutes au Zucker wurde von denselben und einigen anderen Forsehern in Abrede gestellt i). Die Lehre von einer physiologischen Zuckerbildung in der Leber hat in Seegen einen energischen Vertheidiger erhalten. Seegen behauptet auf Grund zahlreicher Experimente, dass die Leber regelmässig Zucker in nicht unbe- deutender Menge enthält. In der durch arterielles Blut überlebend erhaltenen Leber des Hundes hat er ferner ein Ansteigen des Zuckergehaltes bis auf 3 p. c. beobachtet, und endlich hat er auch in einer sehr grossen Anzahl von Ver- unSuch- suchen an Hunden gefunden, dass das Blut der Lebervenen stets mehr, sogar doppelt so viel Zucker wie das in die Leber einströmende Pfortaderblut enthält. Gegen die Richtigkeit dieser letzten Behauptung sind in der letzten Zeit nament- lich Mosse und ZuNTZ^) ins Feld gezogen und als Hauptresultat sämmtlicher diese Frage betreffenden Untersuchungen hat sieh herausgestellt, dass wenn nur die Stase und andere störende Einflüsse vermieden werden, das Lebervenenblut, wenn überhaupt, nur äusserst wenig reicher an Zucker als das Pfortaderblut ist. Wenn Seegen also für die BEENARo'sche Lehre von einer vitalen Zucker- bildung in der Leber energisch eintritt, so weicht er jedoch darin wesentlich von Bernaed ab, dass er den gebildeten Zucker nicht aus Glykogen entstehen lässt. Nach Seegen soll nämlich der Zucker aus Pepton und Fett gebildet ^„„g^^^"*' werden. Diejenigen Beobachtungen, auf welchen er seine Ansicht von einer ^"^Pp"^"" Zuckerbildung aus Pepton gegründet hat, sind indessen nicht von anderen Forschern bestätigt worden, und dasselbe gilt von der Angabe Lepine's von dem Vorkommen eines, Pepton in Zucker umwandelnden Enzymes im Blute •^). Die Entstehung von Kohlehydrat, bezw. Glukose aus Fett, ein Vorgang, der im Pflanzenreiche unzweifelhaft vorkommt, wird namentlich von französischen Forschern, unter denen besonders Chauveau und Kaufmann zu nennen sind, auch für den Thierkörper angenommen. Strenge bindende Beweise für eine solche Ansicht giebt es jedoch noch nicht. Für eine Zuckerbildung aus Fett in der Leber sprechen neuere Untersuchungen von J. Weiss, während da- 1) Bezüglich der Litteratur über Zuckerbildung in der Leber vergl. man Beknard, Letjons sur le diabete, Deutseh von POSNEK. 1878. Seegen, Die Zuckerbildung im Thier- körper. Berlin 1890. JI. Bl.u., PfllGER's Areh. 55. S. 434. i) Seegen, Die Zuckerbildung etc. und OntraDil. f. Physiol. 10 S. 497 u. 822; ZuNTZ, ebenda S. 561. MossE, Pflüger's Arch. 63. 3) Vergl. BiAL, Pflüger's Arch. 55; Lepine, Compt. rend. 115 und 116; ferner A. Cavazzani und A. Ltjzzato, Maly's Jahresber. 24; Paderi, ebenda. 220 Achtes Kapitel. gegen die Beobachtungen von Montuori einem soleheu Vorgange widersprechen M- Diese Frage ist also noch streitig. Für eiue vitale Zuckerbilduug in der Leber spricht der Umstand, dass der Blutzucker, wenn man die Leber aus dem Kreislaufe mehr oder weniger vollständig ausschaltet, rasch auf '/a — ^/a seiner ursprünglichen Menge sinkt oder sogar verschwinden kann (Seegen, Bock und Hoffmann; Kaufmann; Tangl und Harley). Bei Gänsen, denen die Lebern aus dein Kreislaufe ausgeschaltet waren , fand sich schon nach einigen Stunden kein Zucker im Blute mehr (MraKOWsKi). Nach Ausschaltung der Leber durch Abbindung säramtlicher zu dem Organe hin- und aus ihm abführenden Gefässe wird nach Schenck*) der Zuckergehalt des Blutes durch Blutentnahme nicht vermehrt, was sonst regelmässig geschieht. Wir werden unten auch einige Gifte und operative Ein- Zuckeibiid- griffe kennen lernen, die eine reichliche Zuckerausscheidung bewirken können, ung in der^ _ _ ° Leber, die aber eine solche nur in dem Falle hervorrufen, dass die Leber glykogenhaltig ist. Erinnert man sich endlich, dass nach Röhmann und Bial sowohl das Blut wie die Lymphe ein diastatisches Enzym enthält, so sprechen also mehrere Gründe für die Ansicht Bernaed's, dass die postmortale Zuckerbildung aus Glykogen in der Leber die Fortsetzung eines vitalen Vorganges sei. Während man darüber ziemlich einig ist, dass die postmortale Zuckerbildung durch ein diastatisches Enzym zu Stande kommt, sind aber mehrere Forscher, wie Dastee und Noel-Paton und E. Cayazzaxi^) der Ansicht, dass die Zuckerbildung im Leben nicht durch ein Enzym, sondern durch die vitalen Prozesse des Zell- protoplasraas bewirkt wird. An die nun abgehandelte Frage knüpft sich eine andere an, nämlich die, in welcher Beziehung die unter verschiedenen Verhältnissen, wie beim Diabetes mellitus, bei gewissen Vergiftungen, Läsionen des Nervensystemes u. s. w., auf- tretende Zuckerausscheidung mit dem Harne zu dem Leberglykogen steht, ciyicosurie Es entspricht weder dem Plane noch dem Umfange dieses Buches, auf Diabetes, die verschiedenen Ansichten über Glykosurie und Diabetes hier des näheren einzugehen. Das Auftreten von Traubenzucker im Harne ist nämlich ein Sympton, welches bei verschiedenen Gelegenheiten wesentlich verschiedene LV sachen haben kann. Es können hier nur einige der wichtigeren Gesichtspunkte ganz kurz besprochen werden. Das Blut enthält stets etwas Zucker, als Mittel 1,5 p. in., während der Harn höchstens Spuren von Zucker enthält. Wenn aber der Zuckergehalt des 1) KArFMANN, Areh. de Physiol. (5) 8, wo auch Chafveau citirt ist; Weiss, Zeit- schrift f. physiol. Chem. 24; MONTÜORI, MaLy's Jahresber. 26. 2) Seegen, Bock und Hoffmanx, vergl. Seegex 1. c. S. 182—184; Kaufmann, Arch. de Plavsiol. (5) 8; Tangl und H.\RLEY, PflIjger's Arcli. 61; Minkowski, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 21; SCHENCK, PflÜGEr's Arch. 67. 3) PvÖhmann und Bial, vergl. Fussnote 3 S. 134; Noel-Patön, On hepatic glyco- genesis. PhU. Trans. Roy. Soc. London 185 und Journ. of Physiol. 22 ; C.WAZZANI, Centralbl. f. Phvsiol. S. Glukosurie und Diabetes. 221 Blutes auf 3 p. m. oder darüber steigt, so geht Zucker in den Harn über. Die fucker im * o » o Blute und Nieren haben also bis zu einem gewissen Grade die Fähigkeit, den Uebergang Hame. des Blutzuckers in den Harn zu verhindern; und hieraus folgt also, dass eine Zuckerausscheidung durch den Harn ihre Ursache theils darin haben kann, dass die obige Fähigkeit der Nieren herabgesetzt, bezw. aufgehoben ist, und theils darin, dass der Zuckergehalt des Blutes abnorm vermehrt wird. Das erste soll nach v. Mertsg und Minkow-ski bei dem sogenannten Phlorhizindiabetes der Fall sein. v. Merixg hat gefunden, dass bei Menschen und Thieren nach Verabreichung von dem Glukoside Phlorhizin eine starke Glykosurie auftritt. Der hierbei ausgeschiedene Zucker stammt nicht von dem Glukoside her. Er wird im Thierkörper gebildet und zwar, wenigstens bei an- haltendem Hungern, aus den ProteinstofTen desselben. Nach Contejean soll der Zucker allerdings ganz oder zum Theil auf Kosten des Fettes entstehen; nach den Untersuchungen von LusK ist aber eine solche Annahme nicht zu- lässig. Wenn Zucker aus Eiweiss entsteht, kommen nach Minkowski und nach . o ' Phlorhizin- Chau\'eau 2,8—2,86 Theile Zucker auf je 1 Theil Stickstoff im Harne; bei oi-^betes. dem Phlorhizindiabetes fand aber Coxtejeax eine bedeutend grössere Zucker- menge, was ihn zu der obigen Ansicht führte. Nach LusK kann allerdings in den ersten Tagen durch eine Ausspülung des vorhandenen Zuckers eine relativ grössere Zuckermenge ausgeschieden werden, dann tritt aber die Relation 2,8 : 1 auf, und die Zuckerbildung scheint also wirklich auf Kosten des Eiweisses von statten zu gehen. Bei dem Phlorhizindiabetes ist ferner nach Minkowski der Zucker- gehalt des Blutes nicht vermehrt, sondern eher herabgesetzt, was zu der An- nahme einer abnorm vermehrten Elimination des Zuckers durch die Nieren ge- führt hat. Die Berechtigung einer solchen Annahme wird indessen von einigen Forschern, Levene und Pavy, geleugnet und die Frage ist also streitig*). Abgesehen von dem Phlorhizindiabetes, welcher, der gewöhnlichsten An- nahme gemäss, von Veränderungen in den Nieren herzuleiten ist, rühren, so weit bekannt, alle andere Formen von Glykosurie oder Diabetes von einer Hyperglykämi e her. Eine Hyperglykämie kann aber ihrerseits auf verschiedene Weise zu Stande kommen. Sie kann also z. B. daher rühren, dass dem Körper von aussen mehr Zucker zugeführt wird als er zu bewältigen vermag. Die Fähigkeit des Thierkörpers, die verschiedenen Zuckerarten zu assimiliren, ^f^^g^| ist selbstverständlich keine unbegrenzte. Wenn man auf einmal eine so grosse Menge Zucker in den Darmkanal einführt, dass man die sogen. Assimilations- grenze (vergl. Kap. 9 über die Resorption) überschreitet, so geht der im Ueber- schuss resorbirte Zucker in den Harn über. Man bezeichnet diese Form von 1) Bezüglich der Litteratur über Phlorhizindiabetes vergl. man : v. ilERlKG, Zeitsehr. f. klin. Med. 14 u. 16. Minkowski, Arch. f. exp. Puth. u. Pharm. 31. Moritz und Prais- NITZ, Zeitsehr. f. Biologie 27 u. 29. KÜLZ und Wkight, eljenda 27. S. 181. Ckemer und Rittee, ebenda 28 u. 29. Costejean, Compt. rend. de Soe. biol. 48. LrsK, Zeitsehr. f. Biologie 36. Levese, Journ. of Physiol. 17. P.wy, ebenda 20. 222 Achtes Kapitel. Alimeutiii Glykosurii Hyper- glykämi( durch voi melu-te Zucker- produktioi Glykosurie als alimentäre^) und sie rührt daher, dass auf einmal mehr Zucker in das Blut hineingelangt als die Leber und die anderen Organe bewältigen können. Wie die Leber bei dieser gewissermassen ph3'siolngisehen , alimentären Gl_ykosurie all den ihr zugeführten Zucker nicht in Glykogen umzuwandeln vermag, so kann auch unter pathologischen Verhältnissen sogar bei einer massigen, von einem Gesunden leicht zu bewältigenden Kohlehydratzufuhr (von z. B. 100 g Glukose), eine Glykosurie dadurch zu Stande kommen, dass die Assimilationsgrenze herabgesetzt ist. Dies ist unter anderem der Fall bei ver- schiedenen Cerebralaffektionen und gewissen chronischen Vergiftungen. Zu dieser Form von Glykosurie würde auch nach Seegen die leichtere Form von Diabetes zu rechnen sein. Man unterscheidet bekanntlich leichte und schwere Formen von Diabetes. |In jenen enthält der Harn Zucker nur in dem Falle, dass Kohlehydrate in der Nahrung vorkommen; in diesen dagegen ist der Harn auch bei ganz kohle- hydratfreier Nahrung zuckerhaltig. Nach der Ansicht von Seegen u. A. soll nun die Leber in den leichteren Formen von Diabetes unfähig sein, die ein- geführten Kohlehydrate in Glykogen umzuwandeln oder das letztere in normaler Weise zu verwerthen, und die Leistungsfähigkeit der Leberzellen soll also in diesen Fällen herabgesetzt oder verändert sein. Eine Hyperglykämie, welche zu einer Glykosurie führt, kann auch da- durch zu Stande kommen, dass innerhalb des Thierkörpers eine übermässige Zuckerbildung auf Kosten des Glykogens oder anderer Stoffe stattfindet. Zu dieser Gruppe von Glykosurien gehört die Glykosurie nach dem sogen. Zuckerstiche und wahrscheinlich auch diejenige Glykosurie, welche nach anderen Verletzungen des Nervensystemes auftritt; Hierher gehört auch die Glykosurie nach Vergiftungen mit Kohlenoxyd, Curare, Stryehuin, Morphin u. a. Als Material der Zuckerbildung dient hierbei in gewissen Fällen, wie z. B. nach dem Zuckerstiche, das Glykogen der Leber, was daraus hervorgeht, dass der genannte Eingriff keine Glykosurie hervorruft, wenn die Leber vorher in irgend einer Wei.se glykogenfrei gemacht worden ist. In anderen Fällen , wie bei der Vergiftung mit Kohlenoxyd, dürfte der Zucker wahrscheinlich aus dem Eiweiss entstehen, indem nämlich diese Glykosurie nur in dem Falle auftritt, dass dem vergifteten Thiere eine genügende Eiweissmenge zur Verfügung steht (Straub, Rosenstein "). Eiweisshunger bei gleichzeitiger reichlicher Kohlehydratzufuhr bringt diese Glykosurie zum Schwinden. 1) Ueber alimentäre Glykosurie vcrgl. man MOKITZ, Arch. f. klin. Med. 46, wo auch die frühere Litteratur sich findet. B. Eosenberg : Uebei' das Vorkommen der alimentären Glykosurie etc., Inaug.-Disscrt. Berlin 1897. VAN OORDT, Manch, med. Wochenschr. 1898. 2) Vergl. Dock in Pflüger's Arch. 5. BOCK und Hoffmann, E.xperimentalstudien über Diabetes. Berlin 1874. Cl. Bernard, Lesons sur le diabete, Deutsch von PosNER, Vorlesungen 15 und 16. T. Araki, Zeitschr. f. physiol. Chcm. 15. S. 351 und folg' Steatib, Arch. f. e.xp. Path. u. Pliarra. 38; Rosenstein, ebenda 40. Diabetes mellitus. 223 Eine Hypeiglykämie und Glj'kosurie kann aber endlich auch dadurch zu Stande kommen, dass die Fähigkeit des Thierkörpers den Zucker zu ver- brennen oder zu zerstören herabgesetzt ist. Auch in diesem Falle muss der Zucker im Blute sich anhäufen können, und durch einen solchen Vorgang er- klärt man nunmehr allgemein die Entstehung der schweren Formen des Diabetes mellitus. Die Unfähigkeit des Diabetikers, den Zucker zu zerstören oder zu ver- arbeiten, scheint indessen nicht an eine verminderte Oxydationsenergie der Zellen gebunden zu sein. Abgesehen davon, dass die Oxydationsprozesse im allge- meinen beim Diabetiker nicht daniederliegen (Schultzen, Nencki und Sijeber *), ist nämlich zu bemerken, dass die beiden Zuckerarten, die Dextrose und Lävu- lose, welche beide etwa gleich leicht oxydirt werden, im Körper des Diabetikers verschieden sich verhalten. Die Lävulose wird nämlich nach KüLZ und anderen Forschern im Gegensatz zu der Dextrose zum grossen Theil im Organismus verwerlhet, und bei Thieren mit Pankreasdiabetes (vergl. unten) kann sie nach Minkowski 2) sogar eine Glykogenablagerung in der Leber bewirken. Die Ver- brennung von Eiweiss und Fett geschieht wie bei Gesunden und das Fett wird vollständig zu Kohlensäure und Wasser verbrannt. Bei dem Diabetes ist es also die Fähigkeit der Zellen besonders den Traubenzucker zu verarbeiten, welche Noth leidet, und man hat allgemein die Ursache hierzu darin gesucht, dass eine der Verbrennung vorangehende Spaltung der Glukose nicht zu Stande kommt. Es giebt indessen auch einige Forscher, welche beim Diabetes eine ver- mehrte Zuckerproduktion in der Leber annehmen, eine Annahme, für die sie sogar in dem künstlich erzeugten Pankreasdiabetes eine Stütze zu finden glauben (Chauveau, Kaufmann, Cavazzani). Die Untersuchungen von Minkowski und v. Mering, Domenicis und später auch von anderen Forschern ^) haben gezeigt, dass man bei mehreren Thieren und besonders beim Hunde durch totale Pankreasexstirpation einen wahren Diabetes der schwersten Art hervorrufen kann. Wie beim Mensehen in den schwersten Formen des Diabetes, so findet auch bei Hunden mit Pan- kreasdiabetes eine reichliche Zuckerausscheidung auch bei vollständigem Aus- schluss der Kohlehydrate aus der Nahrung statt, und die Zuckerbildung ge- 1) SOHÜLTZEN, Berl. klin. Wocliensobr. 1872. Nekcki uud SiEBEK, Journ. f. prakt. Chem. (N. F.] 2ß. S. 35. 2) KÜLZ, Beiträge zur Patbol. u. Therap. des Diabet. mellit. Marburg 1874. 1. Wein- TKAUD und Laves, Zeitsclir. f. pbysiol. Cbem. 19. Haycraft, ebenda. MINKOWSKI, Arcli. f. exp. Path. u. Pharm. 31. 3) Vergl. O. JIINKOWSKI, Untersuchuugeu über Diabetes mellitus nach Exstirpation des Pankreas, Leii>zig 1893; v. NOORDEN , Die Zuckerkrankheit. Berlin 1896, wo man ein sehr reichhaltiges Litteraturverzeichniss findet. Hinsichtlich des Diabetes vergl. man übrigens: Ol. Beunakd, Lesons sur le diabfete, Deutsch von Posner, und: Seegen, Die Zuckerbildung im Thierkörper. Berlin 1890, 224 Achtes Kapitel. schiebt in diesen Fallen auf Kosten der Proteinsubstanzeii. Beim Menschen scheint bei dem Diabetes die Fähigkeit der Zerstörung des Zuckers nie ganz aufge- hoben zu sein. Bei Hunden mit Pankreasdiabetes haben aber Minkowski und V. Hering wie auch HiSdon') wenigstens in einzelnen Fällen nachweisen können, dass die gesammte mit der Nahrung eingeführte Zuckermenge in den Harn übergegangen war. Der künstliche Pankreasdiabetes kann übrigens auch in anderer Beziehung ganz das Bild des Diabetes beim Menschen zeigen; wie aber dieser Diabetes zu Stande kommt, darüber ist man nicht einig. Nach den Gebrüdern Cavazzani wie auch nach Chauveäu und Kaufmann-) soll der Pankreasdiabetes nicht, wenigstens nicht hauptsächlich , durch einen herabgesetzten Verbrauch des in normaler Menge gebildeten Zuckers, sondern durch eine krankhaft vermehrte Zuckerbildung zu Stande kommen. Man hat hierbei eine von der Pankreas- drüse ausgehende, regulirende Wirkung auf die Zuckerbildung in der Leber an- zunehmen, eine Hemmungswirkung, die durch ein noch unbekanntes Produkt der inneren Sekretion des Pankreas vermittelt wird und die nach der Exstir- pation der Drüse wegfällt. Diese Anschauung hat namentlich Kaufmann durch zahlreiche Experimente zu stützen versucht. Er hat unter anderem auch gezeigt, dass bei durch Paukreasexstirpation hyperglykämisch gemachten Thieren die Ausschaltung der Leber oder der Portalcirkulation den Zuckergehalt des Blutes schnell herabsetzt. Zu ähnlichen Resultaten ist auch Montuori^) ge- langt, indem er nämlich den nach Unterbindung der Pankreasgefässe beim Hunde reichlichen Zuckergehalt des Blutes nach darauffolgender Unterbindung derLebergefässe absinken sah. Aehnliches beobachtete Kausch an entpankreasten Vögeln bei nachfolgender Leberexstirpation , und endlich hat auch Maecusb*) gezeigt, dass bei Fröschen gleichzeitige Exstirpation der Leber und des Pankreas in keinem Falle (unter 19) Glykosurie zur Folge hatte, während die Exstir- pation von Pankreas allein bei 12 operirten Thieren (unter 19) Diabetes her- vorrief. Eine bestimmte Beziehung der Leber zu der Zuckerausscheidung nach der Paukreasexstirpation lässt sich also nicht in Abrede stellen, wenn auch die Beobachtungen uoch zu keinen bestimmten Schlüssen berechtigen. Dass es hier urn besondere chemische Produkte der inneren Sekretion des Pankreas sieh handelt, geht indessen mit Wahrscheinlichkeit aus den Untersuchungen von Minkowski, H£don, Lanceraux, Thieoloix u. A.^) hervor. Nach diesen Untersuchungen kann nämlich ein subkutan transplantirtes Drüsenstück die 1) Hedon, Arch. de Physiol. (5)5. 2) Cavazzani, Centralbl. f. Physiologie 7. Ohauveaü und Kaufmann, Mein. Soe. biol. 1893. Kaufmann, Arch. de Physiol. (3) 7 und Compt. lend. de Soc. biol. 47. 3) Vergl. Malt's Jahresber. 26. ■») Kausch, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 37 ; Marcüse, Du Bois-P.eymond's Arch. 1894. S. 539. 5) Vergl. Minkowski, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 31. Galle und Gallenbereitung. 225 Funktion des PaDkreas, dem Zuckerumsatze und der Zuckciaussclieidung gegen- über, vollständig erfüllen, denn nach Entfernung des intraabdominalen Drüsen- restes werden die Thiere in diesem Falle nicht diabetisch. Wird aber das sub- kutan eingeheilte Pankreasstück nachträglich entfernt, so tritt die Zuckeraus- scheidung sofort mit grosser Intensität auf. Welcher Art die hierbei chemisch wirksame Substanz (bezw. Sub- stanzen) ist, weiss man nicht. Die Annahme L^pine's von einem besonderen, in dem Pankreas gebildeten, glykolytischen Enzym hat nicht als hinreichend begründet sich erwiesen '). Die Galle und die Gallenbereitung. Durch das Anlegen von Galleufisteln, eine Operation, welche zuerst von Schwann im Jahre 1844 ausgeführt wurde und welche in der letzten Zeit besonders von Dastre -) vervollkommnet worden ist, wird es möglich die Ab- sonderung der Galle zu studiren. Diese Absonderung geht kontinuirlich aber •'äUenab- mit wechselnder Intensität vor sich. Sie findet unter einem sehr geringen Drucke statt, weshalb auch ein anscheinend sehr geringfügiges Hinderniss für den Ab- fluss der Galle — ein Schleimpfropf in dem Ausführungsgange oder die Ab- sonderung einer reichlichen Menge dickflüssiger Galle — eine Stagnation und Resorption der Galle durch die Lymphgefässe (Resorptionsikterus) lierbei- führen kann. Die Menge der im Laufe von 24 Stunden abgesonderten Galle lässt sich nunmehr bei Hunden genau bestimmen. Diese Menge scheint bei verschiedenen Individuen ungemein schwankend zu sein, und als Grenzwerthe hat man bisher 2,9 — 36,4 g Galle pro Kilo Thier und 24 Stunden beobachtet^). Die Angaben über die Grösse der Gallenabsonderung beim Menschen sind spärlich und unsicher. Ranke fand (nach einer nicht ganz einwurfsfreien Bestimmungsmethode) eine Absonderung von 14 g Galle mit 0,44 g festen 'tj"ff° ^^'' Stoffen pro Kilo und 24 Stunden. Noel-Paton, Mayo-Robson, Verf. und soiniuiuim Pf ÄFF und Balch*) haben Schwankungen von 514 — 950 ccm pro 24 Stunden gefunden. Derartige Bestimmungen sind indessen von zweifelhaftem Werth, weil es aus der Zusannnensetzung der aufgesammelten Galle in den meisten Fällen I) Vergl. Minkowski, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 31; Hedon, Diabete pancrCali(|ue. Travaux de Physiologie (Laboratoire de Montpellier 1898) und Fussnote 5 S. 134. ■i) SCHW/VNN, Arch. f. Anat. und Physiol. 1844. Dastre, Arch. de Physiol. (5) 2. 3) Hinsichtlich der Grösse der Gallenabsonderung bei Thieren vergl. man; Heideshain, Die Gallenabsonderung, iu Hekmann's Handbuch der Physiologie. 5 und Stadelmann , Der Icterus und seine verschiedenen Formen. Stuttgart 1891. l) Ranke, Die Ulutvertheilung und der Thätigkeitswechsel der Organe. Leipzig 1871; NoülPaton, Rep. Lab. Roy. Coli. Phys. Edinb. 3; Mayo-Eobson, Proc. Roy. Soc. 47; H.-vmmarsten, Nova Act. Reg. Soc. Scient. Upsal (3~i 16; Pfaff und B.\Lcn, Journ. nt exp, Medic. 1897. Hammarsteu, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 15 226 Achtes Kapitel. deutlich hervorgeht, dass es uicht um die Absonderung einer normalen Leber- galle sich gehandelt hat. Die Grösse der Gallenabsonderung ist übrigens, was besonders Städel- MÄNN 1) hervorgehoben hat, selbst unter physiologischen Verhältnissen so grossen Schwankungen unterworfen, dass das Studium derjenigen Umstände, welche dieselbe beeinflussen, sehr schwer und unsicher wird. Hieraus erklären sich wohl auch die oft ganz widersprechenden Angaben verschiedener Forscher. Beim Hungern nimmt die Absonderung ab. Nach Luk.tanow und Al- bertoni ^) sinkt hierbei die absolute Menge der festen Stoffe, während deren relative Menge ansteigt. Nach der Nahrungsaufnahme steigt die Absonderung Wiikung wieder an. Hinsichtlich des Zpitpunktes nach der Nahrunirsaufnahme, in welchem der Nähr- * ^ ungsaui- t]as Maximum der Absonderunj; auftritt, gehen die Angaben sehr auseinander. nähme. ^ ' o o Nach einer genauen Durchsicht und Zusammenstellung aller vorhandenen An- gaben ist Heidenhain^) indessen zu dem Schlüsse gekommen, dass bei Hunden die Kurve der Absonderungsgeschwindigkeit zwei Maxima zeigt, das erste um die 3. bis 5., das zweite um die 13. bis 15. Stunde nach der Nahrungsaufnahme. Nach älteren Angaben ruft unter den verschiedenen Nährstoffen vor allem das Eiweiss eine vermehrte Gallenabsonderung hervor, während die Kohlehydrate die Absonderung herabsetzen oder jedenfalls viel weniger als das Eiweiss an- regen sollen. Sicher ist es jedenfalls, dass bei anhaltender überreicher Fleisch- sAiedener' d'ät eine Steigerung der Gallenabsouderung stattfindet. Hinsichtlich der Wirkung Nahrung. ^^^ Fettes ist man lange nicht einig. Während mehrere ältere Forscher keine Steigerung der Gallenabsonderung, sondern eher das Gegentheil nach Fett- fütterung beobachteten, soll nach Barbera das per Os eingeführte Fett die Gallenabsonderung vermehren. Nach Rosenbeeg soll das Olivenöl ein starkes Cholagogum sein, eine Angabe, welche andere Forscher (Mandelstamm, Doyon und DuFOiTRT*) indessen nicht bestätigen konnten. Die Frage, ob es besondere medikamentöse Stofle, sogen. Ciiolagoga, giebt, die eine spezifisch anregende Wirkung auf die Gallenabsonderung ausüben, ist auch sehr verschieden beantwortet worden. Es haben nämlich mehrere, besonders Cholagoga, ältere Beobachter eine vermehrte Gallenabsonderung nach dem Gebrauche von gewissen Arzneimitteln, wie Kalomel, Rhabarber, Jalappe, Terpentinöl, Olivenöl u. a. beobachtet, während andere, besonders neuere Forscher zu ganz entgegengesetzten 1) Stadelmann, Der Icterus etc. Stuttgart 1891. -) LuKJANOw, Zeitschr. f. physiol. Chem. 16; Albertoni, Recheiches sur la secretion biliaire. Turin 1893. 3) Hekmann's Handb. 5 und Stadelmann, Der Icterus. 4) BAKBER.i , Bull, della scienz. med. di Bologna (7) 5 und Maly's Jahresber. 24. RosENBEKG, Pflüger's Arch. 46; Mandelstamm, lieber den Kiufluss einiger .irzneimittel auf Sekretion und Zusammensetzung der Galle. Dissert. Dorpat 1890. DoyON und DoFOURT, Arch. de Physiol. (5) 9. Hinsichtlich der Einwirkung verschiedener Nährstoffe auf die Galleu- absonderung vergl. man übrigens Hbidenhain 1. c. ; Stadblmann, Der Icterus und Barbara 1. c. Die Galle. 227 Resultaten gelangt sind. Allem Anscheine nach rühren diese Widersprüche von den grossen Unregelmässigkeiten der nonnalen Sekretion her, die bei Ver- suchen mit Arzneimitteln leicht zu Täuschungen führen können. Dagegen kann wohl nunmehr die Angabe Scktff's, dass die vom Darm- kauale aus resorbirte Galle eine Steigerung der Gallenausscheidung bewirkt und demgemäss als ein Cholagogum wirkt, als eine durch die Untersuchung mehrerer Forscher ') sicher festgestellte Thatsache angesehen werden. Das Natriumsalicylat dürfte vielleicht auch ein Cholagogum sein (Stadelmann, Doyon und Dufourt). Die Galle ist ein Gemenge von dem Sekrete der Leberzellen und dem sog. Schleim, welcher von den Drüsen der Gallengänge und von der Schleim- haut der Gallenblase .ibgesondert wird. Das Sekret der Leber, welches regel- mässig einen niedrigeren Gehalt an festen Stoffen als die Blaseugalle hat, ist dünnflüssig und klar, während die in der Blase angesammelte Galle, in Folge einer Resorption von Wasser und der Beimengung von „Schleim", mehr zähe Lebeigaiie und dickflüssig und durch Beimengung von Zellen, Pigmentkalk und dergleichen gaiie. trübe wird. Das spez. Gewicht der Blasengalle schwankt bedeutend, beim Menschen zwischen 1,01 und 1,04. Die Reaktion ist alkalisch auf Lackmus. Die Farbe ist bei verschiedenen Thieren wechselnd, goldgelb, gelbbraun, oliven- braun, braungrün, grasgrün oder blaugrüu. Die Menschengalle, wie man sie von Hingerichteten unmittelbar nach dem Tode erhält, ist gewöhnlich goldgelb oder gelb mit einem Stich ins Bräunliche. Es kommen jedoch auch Fälle vor, in welchen die frische Blasengalle des Menschen eine grüne Farbe hat. Die ge- wöhnliche Leichengalle hat eine wechselnde Farbe. Die Galle einiger Thiere hat einen eigenthümlichen Geruch. So hat z. B. die Rindergalle, besonders beim sehe Eigen- Erwärmen, einen Geruch nach Moschus. Der Geschmack der Galle ist eben- Gallo. falls bei verschiedenen Thieren ein verschiedener. Die Menschen- und ßinder- gallen .«chmecken bitter mit einem süsslichen Nachgeschmack. Die Galle von Schweinen und Kaninchen hat einen intensiven, rein bitteren Geschmack. Beim Erhitzen zum Sieden gerinnt die Galle nicht. Die Rindergalle enthält nur Spuren von echtem Muein, und ihre schleimige Beschaffenheit rührt nach Paijkull hauptsächlich von einem mucinähnlichen Nukleoalbumin her. In der Menschen- galle hat Verf. ^) dagegen echtes Mucin gefunden. Als spezifische Bestandtheile enthält die Galle: Gallensäuren, an Alkalien gebunden, GaUenfarljstoffe und im Uebrigen kleine ^Mengen Lecithin, Cholesterin, Seifen, Neutralfette, Harn- stoff und Mineralstoffe, hauptsächlich Chloride und daneben Phosphate von Calcium, Magnesium und Eisen. Spuren von Kupfer kommen auch vor. I) Schiff, Pflüger's Arch. 3. Vergl. Stadelmann, Der Icterus und die Dissertationen seiner Schüler, namentlich Winteler, Experimentelle Beiträge zur Frage des Kreislaufes der Galle. Inaug.-Diss. Dorpat 1892 und Gertner, E.'cperimentelle Beiträge zur Physiol. und Pathol. der Gallensekretion. Inaug.-Diss. Jurjew 1893. Ferner Stadelmann, Ueber den Kreislauf der Galle Zeitsehr. f. Biologie 3i. -) Paijkull, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 12: Hammaksten, 1. c. Nova Act. (3) 16. 15* 228 Achtes Kapitel. Uallensaure Alkalien. Die bisher am besten studirteu Galleusäuren können auf zwei Gruppen, die Glykochol- und die Taurocholsüuregruppe, ver- theilt werden. Wie Verf.*) gefunden hat, kommt indessen bei Haifischen auch eine dritte Gruppe von Gallensäuren vor, die reich an Schwefel sind und wie Haupt- die Aetherschwefelsäuren beim Sieden mit Salzsäure Schwefelsäure abspalten. gruppen von Gallen- Alle Glvkocholsäurcn sind stickstoti ualtisr, aber schwef'elfrei und können unter säuren. •' , . \Vasserautnahnie in GlykokoU (Amidoessigsäure) und eine stickstofl'freie Säure, die Cholalsäure, gespalten werden. Alle Taurocholsäuren enthalten Stickstoff und Schwefel und werden unter Wasseraufuahme in schwefelhaltiges Taurin (Amidoäthansulfousäure) und Cholalsäure gespalten. Dass es verschiedene Gly- kochol- und Taurocholsäuren giebt, liegt also daran, dass es mehrere Cholal- säuren giebt. Die bei Hiiifisclieu geluudene gcpuartt; Galleusäure, vom Veiif. Seymnotschwefclsäure Scymnol- geuanut, liefert als uäcliste Spalluugsprodukte ESehwel'elsaiire und eine stickstütifreie tSubstauz, säure. Scymnoi (C27H45O5), «eiche die für Choialsänre charakteristisflieu Farbenreaktionen giebt. Die verschiedenen Gallensäureu kommen in der Galle als Alkalisalze, bei Seefischen als Kalium-, aber sonst aligemein als Natriumverbindungen vor. In der Galle einiger Thiere findet sich fast nur Glykocholsäure, in der anderer nur Taurocholsäure und bei anderen Thieren ein Gemenge von beiden (vergl. unten). Sämmtliche gallensaure Alkalien sind löslich in Wasser und Alkohol aber unlöslich in Aether. Ihre Lösung in Alkohol wird deshalb von Aether gefällt, und diese Fällung ist bei hinreichend vorsichtiger Arbeit für fast alle bisher untersuchte Gallen in Roseiten oder Ballen von feineu Nadeln oder ... 4 — öseitigen Prismen krystallisirt erhalten worden (Plattnek's krystallisirte sirte oaiie. Qalle). Auch die frische Menschengalle krystallisirt leicht. Die Gallensäuren und deren Salze sind optisch aktiv und rechtsdrehend. Von konzentrirter Schwefelsäure werden die Gallensäureu bei Zimmertemperatur zu einer rothgelben, prachtvoll in grün fluorescireuden Flüssigkeit gelöst. Bei vorsichtigem Erwärmen mit konzeutrirter Schwef'elsäm-e und ein wenig Rohrzucker geben die Gallen- säuren eine prachtvoll kirschrothe oder rothviolette Flüssigkeit. Auf diesem Verhalten gründet sich die PETTENKOFEE'sche Reaktion auf Gallensäuren. Die PETTENKOFEK'sche Gallensäureprohe führt man in folgender Weise aus. In einer kleinen Porzellanschale löst man eine ganz kleine Menge Galle Die Petten- in Substanz direkt in wenig konzentrirter Schwefelsäure und erwärmt, oder man Gaiiensärn-e- mischt ein wenig der gallensäurehaltigen Flüssigkeit mit konzentrirter Schwefel- säure unter besonderem Achtgeben darauf, dass in beiden Fällen die Temperatur nicht höher als -(-60 — 70" C steigt. Dann setzt mau unter Umrühreu vor- sichtig mit einem Glasstabe eine 10 "/uige Rohrzuckerlösung tropfenweise zu. Bei Gegenwart von Galle erhält man nun eine prachtvoll rothe Flüssigkeit, deren Farbe bei Zimmertemperatur nicht verschwindet, sondern gewöhnlich im Laufe eines 'tages mehr blau-violett wird. Die rothe Flüssigkeit zeigt in dem IJ Hammaksten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. Gallensämen. 229 Spektrum zwei Absorptionsstreifen, den einen bei F und den anderen zwischen D und E, neben E. Diese, ausserordentlich empfindliche Reaktion missgliickt jedoch, wenn man zu stark erwärmt oder eine nicht passende Menge — besonders zu viel — Zucker zusetzt. In dem letztgenannten Falle verkohlt der Zucker leicht und die Probe wird missfarbig, braun oder schwarzbraun. Wenn die Schwefelsäure schweflige Säure oder die niedrigen Oxydationsstufen des Stickstoöes enthält, missgliickt die Reaktion leicht. Mehrere andere Stoße als die Galleusäuren, wie Eiweiss, Oelsäure, Amylalkohol, Morphin u. a., können eine ähnliche Reaktion geben, und man darf daher in zweifelhaften Fällen die spektro.=kopische Unter- suchung der rothen Lösung nicht unterlassen. Die PETTENKOFER'sche Gallensäureprobe beruht wesentlich darauf, dass aus dem Zucker durch die Schwefelsäure Furfurol gebildet wird, und dieser Stoif kann deshalb statt des Zuckers zu der Probe benutzt werden (Mylius). Nach Mylius und v. Udranszky i) wendet man am besten eine Furfurollösung D'" von 1 p. m. an. Man löst die Galle in Alkohol, welcher jedoch erst mit i'"'f"'°i- Thierkohle von Verunreinigungen befreit werden muss. Zu je 1 ccm der alko- holischen Gallenlösung in einem Reagenzgläschen setzt man 1 Tropfen Furfurol- lösung und 1 ccm konzentrirter Schwefelsäure und kühlt dann wenn nöthig ab, damit die Probe sich nicht zu sehr erwärme. In dieser Weise ausgeführt soll die Reaktion noch '^20=^/30 mg Cholalsäure anzeigen (v. Udeanszky'j. Auch andere Modifikationen der PETTENKOFER'schen Probe sind vorgesehlagen worden. Glykocholsäure. Die Zusammensetzung der in der Menschen- und Riudergalle vorkommenden am meisten studirten Glykocholsäure wird durch die Formel C^gH^jNOg ausgedrückt. In der Galle der Fleischfresser fehlt die Giykochoi- Glykocholsäure ganz oder fast ganz. Beim Sieden mit Säuren oder Alkalien wird die Glykocholsäure, der Hippursäure analog, in Cholalsäure und Glyko- koll zerlegt. Die Glykocholsäure krystallisirt in feinen, farblosen Nadeln oder Prismen. Sie löst sich schwer in Wasser (in etwa 300 Theilen kalten und 120 Theilen siedenden Wassers) und wird daher leicht durch Zusatz von einer verdünnten Eigen- Miueralsäure zu der Lösung des Alkalisalzes in Wasser ausgefällt. Sie löst verhalten. sich leicht in starkem Alkohol, aber sehr schwer in Aether. Die Lösungen haben einen bitteren, gleichzeitig süsslichen Geschmack. Die Salze der Alkalien und alkalischen Erden sind in Alkohol und Wasser löslich. Die Salze der schweren Metalle sind meistens unlöslich oder schwer löslich in Wasser. Die Lösung des Alkalisalzes in Wasser wird von Bleizucker , Kupferoxj'd- und Ferrisalzen und Silbernitrat gefällt. Die Reindarstellung der Glykocholsäure kann auf verschiedene Weise geschehen. Mau kann also z. B. die mit Alkohol von sogenanntem Schleim befreite Galle, nach Verdunstung des Alkohols, mit Bleizuckerlösung fällen. 1) Mylius, Zeitschr f. physiol. Cliom 11; UPR.'tNSZKY, ebeuUa 13. 23rt Achtes Kapitel. D st 11 11" ^^'^'^ Niederschlag zersetzt man daun mit Sodalösung in der Wärme, verdunstet der Giykn- zur Trockne und extrahirt den Rückstand mit Alkohol, welcher das Alkali- cosame. i,iy|^ocholat löst. Von der filtrirten Lösung wird der Alkohol alidestillirt, der Kückstand in Wasser gelöst, die Lösung mit Thierkohle entfärlit und die Gly- kocholsäure durch Zusatz einer verdünnten Mineralsäure aus der Lösung gefällt. Die Säure kann entweder aus kochendem Wasser beim Erkalten oder aus starkem Alkohol durch Zusatz von Aether krystallisirt erhalten werden. Hin- sichtlich der anderen Darstellungsmethoden wird auf ausführlichere Handbücher hingewiesen. Hyog'lykocholsäure, C27HJ3NO5, hat man die krystallisirende Glykocholsäure der Schweinogalle genannt. Sie ist sehr schwerlöslich in Wasser. Die Alkiüisalze, deren Lösungen Säuren der *''^6" intensiv bitteren Geschmack ohne süssliohen Nebengeschmack haben, werden von CaClj, Sehweine- BaCl., und MgCU gefällt und können von NagSO^, in hinreichender Jlouge zugesetzt, wie eine galle. Seife ausgesalzen werden. Nelien dieser Säure kommt in der Schweinegalle noch eine andere Glykocholsäure vor (Jolin '). Das Glykocholat in der Galle der Nag er wird auch von den obengenannten Erd- salzen gefällt, kann aber, wie das entsprechende Salz der Menschen- oder Rindergalle, durch Sättigung mit einem Neutralsalz (Na-.SOj) nicht ausgeschieden werden. Glianogalleusäure ist eine der Glykoeholsäuregruppe vielleicht angehörige, in Peruguauo gefundene, nicht näher untersuchte Säiu'e. Taurocholsäure. Die in der Galle von Menschen, Fleischfressern, , , Rindern und einigen anderen Pflanzenfressern, wie Schafen und Ziegen, vor- T.iurorhol- ö ' o ' siuuo. kommende Taurocholsäure hat die Zusammensetzung C^gH^jNSO,. Beim Sieden mit Säuren und Alkalien spaltet sie sich in Cholalsäure und Taurin. Die Taurocholsäure kann, wenn auch nur schwierig, in feinen, an der Luft zerfliessenden Nadeln erhalten werden (Parke ^). Sie ist in Wasser sehr leicht löslich und kann ihrerseits auch die schwer lösliche Glykocholsäure in Lösung halten. Dies ist der Grund, warum ein Gemenge von Glykocholat mit Eigen- einer genügenden Menge von Taurocholat, wie es oft in der Rindergalle vor- Verhaiten. kommt, nicht von einer verdünnten Säure gefällt wird. Die Taiu'ocholsäure ist leicht löslich in Alkohol, aber unlöslich in Aether. Die Lösungen haben einen bitter-süsslichen Geschmack. Die Salze sind im Allgemeinen leicht löslich in Wasser und die Lösungen der Alkalisalze werden nicht von Kui^fersulfat, Silbernitrat oder Bleizucker gefällt. Bleiessig erzeugt dagegen einen in sieden- dem Alkohol löslichen Niederschlag. Zur Darstellung der Taurocholsäure geht man am besten von der ent- färbten, krj'staliisirten Hundegalle, welche angeblich nur Taurocholat enthält, aus. Die Lösung solcher Galle wird mit Bleiessig und Ammoniak gefällt und der ge- Darsteiiung wascheiie Niederschlag in siedendem Alkohol gelöst. Das Filtrat behandelt "ciHiisäure" '"**" '"''' ^^S , das neue Filtrat wird in gelinder Wärme bis auf ein kleines Volumen verdunstet und mit einem üeberschuss von wasserfreiem Aether ver- setzt, da die Säure bisweilen theilweise krystallisirt. Chenotaurocholsäure hat man eine in der Gänsegalle als die wesentlichste Gallen- säure derselben vorkommende Säure von der Formel C29H49NSO6 genannt. Diese, wenig studirte Säure ist amorph, löslich in Wasser und Alkohol. Wie oben mehrmals gesagt worden , spalten sich die zwei Gallensäuren beim Sieden mit Säuren oder Alkalien in stickstofffreie Cholalsäure und Glyko- ') Zeitschr. f. physiol. Chem. 12 u. 13. 2) Hoppe-Seyleb, Med. chem. Untersuch. S. 160. Cholalsänre. 231 koll, bezw. Taurin. Es folgt also zunächst, diese Spaltungsprodukte zu be- sprechen. Cholalsäure oder Cholsäure. Die gewöhnliche, als Zersetzungsprodukt der Menschen- und Rindergalle erhaltene Cholalsäure, welche in dem Darm- inhalte regelmässig und im Harne bei Ikterus vorkommt, hat nach Strecker und den meisten neueren Forschern die Zusammensetzung C^H^qOj. Nach Mylius ^) ist die Cholalsäure eine einbasische Alkoholsäure mit einer sekundären und iCHOH zwei primären Alkoholgruppen. Ihre Formel kann deshalb auch CoHj, | (CHjOH);, I COOH geschrieben werden. Bei der Oxydation kann sie erst DeJiydrocholalsätire (Verf.) und dann Biliansäure (Cleve) liefern. Die Formeln dieser Säuren sind (wenn man Cg^ in der Cholalsäure annimmt) C.iJü^^O^ und C24H3^08. Bei stärkerer Oxydation erhält man die noch nicht näher studirte Cholesterin- säure , und endlich behauptet Senkowski als Osydationsprodukt Phtalsäure cholalsäure. erhalten zu haben, eine Angabe, die Bülnheim indessen nicht bestätigen konnte^). Durch Reduktion (bei der Fäulniss) kann aus der Cholalsäure die Desoxycliolal- säure, C^JA^nO^, entstehen (Mylius). Durch Reduktion mit Jodwasserstoff und rothem Phosphor erhielt Peegl ein Produkt, welches er als eine Mono- [CH, karbonsäure von der Formel CgoHgj \ (CHj), betrachtet. Senkowski hat duroh ICOOH Reduktion das Anhydrid einer Säure von der Formel C^H^ßO.,, die er Cholyl- säure nennt, erhalten ^). Die Cholalsäure krystallisirt theils mit 1 Molekül Wasser in rhombischen Tafeln oder Prismen und theils in grossen rhombischen Tetraedern oder Okta- edern mit 1 Mol. Krystallalkohol (Mylivs). Diese Krystalle werden an der Luft bald undurchsichtig, porzellanweiss. Sie lösen sich sehr schwer 'ii Wasser Krystaiu- sirteCholal- (in 400U Theilen kaltem und 7 50 Theilen kochendem), ziemlich leicht in Alkohol, säuie. aber sehr schwer in Aether. Die amorphe Cholalsäure ist weniger schwerlöslich. Die Lösungen haben einen süsslich-bitteren Geschmack. Die Krystalle verlieren den Krystallalkohol erst bei langdauerndem Erhitzen auf 100 — 120" C. Die Wasser- und alkoholfreie Säure schmilzt bei -|- 195" C. Mit Jod geht sie eine charakteristische Verbindung ein (Mylius). Die Alkalisalze sind leicht löslich in Wasser, können aber von konzen- trirten Alkalilaugen oder Alkalikarbouatlösungen wie eine ölige, beim Erkalten krystallinisch erstarrende Masse ausgeschieden werden. In Alkohol sind die .... , Salze der Alkalisalze weniger leicht löslich und beim Verdunsten der Lösung können sie cholalsäure. 1) Die Untersuchungen von STRECKER über die Gallensäuren finden sich in .Annal. d. Chem. u. Pharm 65, 67 u. 70; Mylius, Ber. d. deutseh ehem. Gesellsch. 19. '-) Hammarsten , ebenda 14: Cleve, Bull. Soc. chim. 35; Senkowski, Monatshefte f. Chem. 17; BuLNHEIM, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25, wo man auch die Litteratur über Cholesterinsäure findet. 3) Mylius I. c. ; Preul, Pfllger's Arch. 71; Senkowski, Monatshefte f. Chem. 19. 232 Achtes Kupitcl. krystallisiren. Die spez. Drehung des Natriumsalzes ist: (a) D = -j- 31,4"'). Die Lösung der Alkalisalze in Wasser wird, wenn sie nicht zu verdünnt ist, von Bleizucker und von Chlorbaryuni sogleich oder nach einiger Zeit gefällt. Das Baryumsalz krystallisirt in feinen, seideglänzenden Nadeln ; es ist ziemlich schwer löslich in kaltem, etwas leichter löslich in warmem Wasser. In warmem Alkohol ist das Baryumsalz, wie auch das in Wasser unlösliche Blei- salz, löslicli. Die Darstellung geschieht am besten aus Rindergalle nach folgendem, von Mylius-) herrührendem Verfahren. Man kocht die Galle 24 Stunden lang mit dem ö. Theil ihres Gewichtes 30 p. c.-iger Natronlauge unter Erneuerung des verdampfenden Wassers. Darauf sättigt man die Flüssigkeit mit CO, und verdunstet fast zur Trockene. Den Rückstand zieht mau mit 96 p. c.-igem Alkohol aus, darauf verdünnt man die alkoholische Lösung mit Wasser, bis 'S- höchstens 20 p. c. Alkohol in der Lösung sich befinden, und fällt darauf mit BaCl.j-Lösung vollständig aus. Der Niederschlag, welcher neben Fettsäuren die Choleinsäure enthält, wird abfiltrirt und aus dem Filtrate die Cholalsäure mit Salzsäure ausgefällt. Nachdem die Säure allmählich krystallinisch geworden ist, krystallisirt mau sie wiederholt aus Alkohol oder Methylalkohol um. Choleinsäure hat Latschinoff eine andere Cholalsäure — von der Formel Co4H4(,04 nach Lassar-Cohn ') — genannt. Diese Säure, welche in wechselnder, aber stets geringer Menge in der Rindergalle vorkommt und welche vielleicht mit der Desoxycholalsäure identisch ist, giebt bei ihrer Oxydation erst DehjdrocJioleinsimre Cj^Hg^O^ und dann Cholansüure Cj^Hg^Og. Aus dem, bei Darstellung der Cholalsäure erwähnten Baryumuiederschlage erhält man Choleinsäure, wenn man erst die Baryunisalze mit Natriumkarbonat in Natriumsalze überführt, dann durch fraktionirte Fällung mit Baryumacetat die Fettsäuren ausfällt, aus dem Filtrate die Choleinsäure mit Salzsäure aus- scheidet und aus Eisessig wiederholt umkrystallisirt. Fellinsäure, C.,3H4i,04, nennt Schotten eine Cholalsäure, welche er neben der gewöhnlichen aus Menscheugalle dargestellt hat. Die Säure krystal- lisirt, ist unlöslich in Wasser und liefert sehr schwer lösliche Baryum- und Magnesiumsalze. Sie giebt die PETTENKOFER'sche Reaktion weniger leicht und mit einer mehr rothblauen Farbe. Die gepaarten Säuren der Menschengalle sind nicht näher untersucht. Allem Anscheine nach enthält aber die Menschengalle bei verschiedenen Gelegen- heiten verschiedene gepaarte Gallensäuren, denn in einigen Fällen werden die gallensauren Salze der Menschengalle von BaClo gefällt, in anderen dagegen nicht. Nach den neuesten Angaben von Lassae-Cohn*) konnte er aus Menscben- galle drei Chülalsäuren darstellen, nämlich gewöhnliche Cholalsäure, Cholein säure und Fellinsäure. 1) Vergl. Vahlen, Zeitschr. f. jjhysiol. Chem. 21. ä) Zeitschr. i. physiol. Chem 12 ; voigl. ferner Vahlen und Pkegl 1. c. 3) Latschinoff, Ber. d. deutsch, chem. Gcsellsch. 18 u. 20; Lassak Cohn, ebiuda26 und Zeitschr. f. physiol. Chem. 17; vergl. auch Vahlen, Zeitschr. f. physiol. Chem. 23. i) Schotten, Zeitschr. f. physiol. Chem. 11; Lassab-Cohn, Ber. d. deutsch, chem, Gesellsch. 27. Glykokoll. 233 Lithofcllinsäur e, CaoHsoOj, hat man eine in orientalischen Bezoarsteinen vor- Lithofellin- kommendc, in Wasser unlösliche, in Alkohol verhältnissmässig leicht, in Aether dagegen nur saure, wenig lösliche, der Cholalsäure verwandte Säure genannt'). Der Hyoglykochol- und Chenotauroeholsäure wie auch der Glykocholsäuie der Galle der Nager entsprechen besondere Cholalsäuren. Beim Sieden mit Säiu'en, bei der Fäulniss im Darme und beim Erhitzen verlieren die Cholalsäuren Wasser und gehen in Andydride, sogen. Dyslysine, über. Das, der gewöhnlichen Cholalsäure entsprechende Dyslysin, C.24H3g03, un/ Choiov- welches in den Exkrementen vorkommt, ist amorph, unlöslich in Wasser und Alkalien. Cholöidinsüure, Cg^Hg^O^, hat man ein erstes Anhydrid oder eine Zwischenstufe bei der Dyslysinbildung genannt. Beim Sieden mit A.lkalilauge werden die Dyslysine in die entsprechenden Cholalsäuren zurückverwandelt. Glykokoll, CaHgNOa, oder Amidoessigsäure, NHa.CHg.COOH, auch Glycin oder Leimzucker genannt, ist in den Muskeln von Pecteu irra- Glykokoll. dians gefunden worden, hat aber sein hauptsächlichstes Interesse als Zersetzungs- produkt gewisser ProteinstofTe — Leim, Elastin, Fibroin und Spongin — wie auch der Hippursäure oder Glykocholsäure bei deren Spaltung durch Sieden mit Säuren. Das Glykokoll stellt farblose, oft grosse, harte Krystalle von rhombo- edrischer Form oder 4 seitige Prismen dar. Die Krystalle schmecken süss und lösen sich leicht in kaltem (4,3 Theilen) Wasser. In Alkohol und Aether sind sie unlöslich ; in warmem Weingeist lösen sie sich schwer. Das Glykokoll ver- bindet sich mit Säuren und Basen. Unter den letztgenannten Verbindungen schaftenund Verbind- sind zu nennen die Verbindungen mit Kupfer und Silber. Das Glykokoll löst ungen. Kupferoxydhydrat in alkalischer Flüssigkeit, reduzirt es aber nicht in der Siede- hitze. Eine siedend heisse Lösung von Glykokoll löst eben gefälltes Kupfer- oxydhydrat zu einer blauen Flüssigkeit, aus welcher nach genügender Konzen- tration beim Erkalten blaue Nadeln herauskrystallisiren. Die Verbindung mit Chlorwasserstoflsäure ist in Wasser und in Alkohol löslich. Die Darstellung des Glykokolls geschieht am besten aus Hippursäure durch Sieden derselben lü — 12 Stunden hindurch mit 4 Theilen verdünnter Schwefelsäure, 1 : 6. Nach dem Erkalten trennt man die Benzoesäure ab, konzen- trirt das Filtrat, entfernt den Rest der Benzoesäure durch Ausschütteln mit Darstoiiung Aether, entfernt die Schwefelsäure mit BaCO, und verdunstet das Filtrat zur \oiis. Krystallisation. Zur Darstellung und quantitativen Bestimmung des Glykokolls aus Gela- tine kann man es nach Ch. Fischer und Gonneemann '^) mittels Benzoylchlorid und Natronlauge in Hippursäure überführen und die letztere nach dem Ansäuern mit Schwefelsäure in Essigäther aufnehmen. Taurin, C^HjNSOg, oder Amidoäthansulfousäure, NR^.CgH^.SOaOH. Dieser Stoff ist vorzugsweise als Spaltungsprodukt der Taurocholsäure bekannt und kann in geringer Menge in dem Darminhalte vorkommen. Man hat das 1) Vergl. Jünger und Klages, Ber. d. deutseh. ehem. Gesellseh. 28 (ältere Litteratur). ä) Ch. Fischer, Zeitschr. f. physiol. Chem. 19. GONNERMANN, Pflüger's Arch. 59- 234 Achtes Kapitel. Taurin. Taurin ferner in Lungen und Nieren von Rindern und im Blute und Muskeln kaltblütiger Tiere gefunden. Das Taurin krystallisirt in farblosen, oft sehr grossen, glänzenden, 4 — 6- seitigen Prismen. Es löst sich in 15 — 16 Theilen Wasser von gewöhnlicher Temperatur, bedeutend leichter iu warmem Wasser. In absolutem Alkohol und Eigen- in Aether ist es unlöslich; in kaltem Weingeist löst es sich wenig, leichter in Verbind- warmem. Beim Sieden mit starker Alkalilauge liefert es Essigsäure und schweflige Säure, nicht aber Schwefelalkali. Der Gehalt an Schwefel kann als Schwefel- säure nach dem Schmelzen mit Salpeter und Soda nachgewiesen werden. Das Taurin verbindet sich mit Metalloxyden. Die Verbindung mit Quecksilberoxyd ist weiss, unlöslich und entsteht wenn eine Taurinlösung mit eben gefälltem Quecksilberoxyd gekocht wird (J. Lang*). Diese Verbindung kann zum Nach- weis von Taurin verwerthet werden. Das Taurin wird von Metallsalzen nicht gefällt. Die Darstellung des Taurins aus Galle ist sehr leicht. Man kocht die Galle einige Stunden mit Salzsäure. Das von Dyslysin und Choloidinsäure getrennte Filtrat konzentrirt n)an stark auf dem Wasserbade und filtrirt warm von auskrystallisirtem Kochsalz und anderer Fällung ab. Dann verdunstet man zur Trockne und behandelt den Rückstand mit starkem Alkohol, von welchem salzsaures Glykokoll gelöst wird, während das Taurin zurückbleibt. (Die alkoho- Darsteiiung lische Lösuug von salzsaurem Glykokoll kann auf Glykokoll derart verarbeitet und ^^lyköl Werden, dass man nach dem Verdunsten des Alkohols den Rückstand in Wasser '^''"- löst, die Lösung mit Bleioxydhydrat zersetzt, filtrirt, die Lösung des GlykokoU- bleioxydes mit H^S entbleit und das neue Filtrat stark konzentrirt. Die aus- geschiedenen Krystalle werden dann gelöst, mit Thierkohle entfärbt und die Lösung zur Krystallisation verdunstet.) Der obige, das Taurin enthaltende Rückstand wird in möglichst wenig warmem Wasser gelöst, warm filtrirt und mit überschüssigem Alkohol versetzt. Der unmittelbar hierbei entstehende, krystallinische Niederschlag wird schleunigst abfiltrirt, und es scheidet sich nun das Taurin während des Erkaltens in sehr langen Nadeln oder Prismen aus. Die Kr3'stalle werden leicht durch Umkrystallisirung aus wenig warmem Wasser rein weiss erhalten. Da das Taurin keine positiven Reaktionen zeigt, erkennt man es haupt- sächlich au der Krystallform, der Löslichkeit in Wasser und Unlöslichkeit in Alkohol, ferner an der Verbindung mit Quecksilberoxyd, der Nichtfällbarkeit durch Metallsalze und vor allem dem Schwefelgehalte. Nachweis der Gallensäuren in thierischen Flüssigkeiten. Um die Gallensäuren dermassen rein erhalten zu können, dass die Pettenkofer'- sehe Reaktion angestellt werden kann, rauss zuerst alles Eiweiss und Fett ent- fernt werden. Um das Eiweiss zu entfernen, macht man die Flüssigkeit erst neutral und fügt dann einen so grossen Ueber.-;chuss von Alkohol zu, dass das Geraenge mindestens 85 Vol. Prozent wasserfreien Alkohol enthält. Man filtrirt, extrahirt das gefällte Eiweiss von Neuem mit Alkohol, vereinigt sämmtliche d'^^oTr'^ Filtrate, destillirt den Alkohol ab und verdunstet zur Trockne. Der Rückstand säuren, wird mit starkem Alkohol vollständig erschöpft, filtrirt und aus dem Filtrate der Alkohol vollständig verdunstet. Der Rückstand wird in Wasser gelöst, 1) Vergl. Maly's .Jahresber. 6. Gallenfarbstofle. 235 wenn nöthig filtrirt und die Lösung mit Bleiessig und Ammoniak gefällt. Den gewaschenen Niederschlag löst man in siedendem Alkohol, filtrirt warm und setzt einige Tropfen Sodalösuug zu. Dann verdampft man zur Trockne, extra- hirt den Rückstand mit absolutem Alkohol, filtrirt und setzt Aether im Ueber- schuss zu. Der nun entstehende Niederschlag kann zu der PETTENKOFER'schen Probe verwendet werden. Es ist nicht nöthig, die Krystallisation abzuwarten, vor allem aber darf man nicht eine in der Flüssigkeit auftretende Krystallisation ohne weiteres für krystallisirte Galle halten. Es können nämlich auch Nadeln von Alkaliacetat sich ausscheiden. Ueber den Nachweis von Gallensäuren im Harne vergl. Kap. 15. Gallenfarbstoife. Die bisher bekannten Gallenfarbstofle sind verhältniss- mässig zahlreich, und allem Anscheine nach giebt es deren noch mehrere. Die Mehrzahl der bekannten Gallenfarbstoffe kommt indessen nicht in der normalen Galle, sondern entweder in alter Leichengalle oder auch und zwar vorzugsweise in Gallenkonkrementen vor. Die unter physiologischen Verhältnissen in der Menschengalle vorkommenden Farbstofie sind das rothgelbe Süinibin. das „, . , ° 07 Fnysiolo- grüue Biliverdin und bisweilen auch ein dem Hydrohiliruhin nahestehender ^'^^'^}^ ™'' Farbstofl". Die in Gallensteinen gefundenen Farbstoffe sind (ausser dem BiU- s^^^^e 6ai- nibin und dem Biliverdin) Bilifuscin, Büiprasin, Bilihimin, Bilicyanin ^'°**- (und CholeteJin'!). Ausserdem sind von einigen Forschern auch andere, noch weniger studirte FarbstoSe in der Galle von Menschen und Thieren beobachtet worden. Die zwei obengenannten physiologischen Farbstoffe, das Bilirubin und Biliverdin, sind es auch, welche die goldgelbe oder orangegelbe, bezw. grüne Farbe der Galle bedingen. Sind, wie dies am öftesten in der Rindergalle der Fall ist, beide Farbstoffe gleichzeitig in der Galle anwesend, so können sie die verschiedenen Nuancen zwischen rothbraun und grün hervorrufen. Bilirubin. Dieser, von verschiedenen Forschern mit verschiedenen Namen, wie Cholepyrrhin, Biliphäin, Bilifulvin und Hämatoidin bezeichnete Farbstofl' hat nach der gewöhnlichen Ansicht die Formel CjgHigNjOj (Maly). Das Bilirubin kommt vorzugsweise in den Gallensteinen als Bilirubin- kalk vor. Es findet sich ferner in der Lebergalle wohl aller Vertebraten, in der Blasengalle besonders beim Menschen und bei den Fleischfressern, welche jedoch bisweilen im nüchternen Zustande oder beim Hungern in der Blase eine grüne Galle haben. Es kommt auch in dem Dünndarminhalte, im Blutserum der Pferde, in alten Blutextravasaten (als Hämatoidin) und beim Ikterus in dem vorkommen Harne und in den gelbgefärbten Geweben vor. Das Bilirubin stammt allem Bilirubins. Anscheine nach von dem Hämatin her, welchem es sehr nahe steht. Von Wasserstoff in Statu nascendi wird es in Hydrohilimhin CgjH^oN^O, (Maly) übergeführt, welches sowohl mit dem Harnfarbstotfe Urobilin wie mit dem im Darminhalte gefundenen StercohiUn (Masius und Vanlair') grosse Aehnlichkeit zeigt. Durch Oxydation entstehen aus dem Bilirubin Biliverdin und andere Farbstoffe (vergl. unten). 1) Maly, Wiener Sitzungsber. 57 und Annal. li. C'hem. 163; Mastüs und Vani.air, Centralb. f. d. med. Wissensch. 1871 S. 36fl. 236 Achtes Kapitel. Das Bilirubin ist theils amorph und theils krystallinisch. Das amorphe Biiirabm- Bilirubin ist ein rothgelbes Pulver von fast derselben Farbe wie amorphes krystalle. ° ^ Schwefolautimon; das krj'stallisirende hat fast die Farbe der krystallisirten Chromsäure. Die Krystalle, welche leicht durch spontane Verdunstung einer Lösung von Bilirubin in Chloroform erhalten werden können, sind rolhgelbe, rhombische Tafeln, deren stumpfe Winkel oft abgerundet sind. Das Bilirubin ist unlöslich in Wasser und kommt in thierischen Flüssig- keiten als lösliches Bilirubinalkali vor. Es ist wenig löslich in Aether, etwas löslicher in Alkohol, leicht löslich in Chloroform, besonders in der Wärme, weniger leicht löslich in Benzol, Schwefelkohlenstoff, Amylalkohol, fetten Oelen und Glycerin. Seine Lösungen zeigen keine Absorptionsstreifen, sondern nur eine kontinuirliche Absorption von dem rothen zu dem violetten Ende des Spektrums, und sie haben noch bei starker Verdünnung (1 : öOOOOO) in einer 1,5 ccm dicken Schicht eine deutlich gelbe Farbe. Setzt man einer verdünnten Lösung von Bilirubinalkali in Wasser Ammoniak in üeberschuss und darauf Eigen- Chlorzinklösung hinzu, so wird die Lösung erst tiefer orange gefärbt, ändert schatten des » ' ö ob' Biiunbins, g^^jg^ allmählich ihre Farbe und wird zuerst olivenbraun und darauf grün. In dem Spektrum, dessen violetter und blauer Theil erst stark verdunkelt wird, sieht man nun die Streifen des alkalischeu Cholecyanins (vergl. unten) oder jedenfalls den Streifen dieses Farbstoffes in Roth zwischen C und D, nahe an ü. Dies ist eine gute Reaktion auf Bilirubin. Die Verbindungen des Bilirubins mit Alkali sind unlöslich in Chloroform, und durch Schütteln mit verdünnter Alkalilauge kann man das Bilirubin aus seiner Lösung in Chloroform entfernen (Unterschied von Lutein). Lösungen von Bilirubinalkali in Wasser^ werden von den löslichen Salzen der alkalischen Erden wie auch von Metallsalzen gefällt. Lässt man eine alkalische Bilirubinlösung mit der Luft in Berührung stehen, so wird allmählich Sauerstoff aufgenommen und grünes Biliverdin ge- bildet. Dieser Vorgang wird durch Erwärmen beschleunigt. Auch unter anderen Verhältnissen entsteht durch Oxydation aus dem Bilirubin Biliverdin. Dem Aussehen nach ähnliche, grüne Farbstoffe entstehen auch bei Einwirkung von anderen Reagenzien, wie Cl, Br und J. In diesen Fällen scheint es jedoch nicht um Biliverdin, sondern um Substitutionsprodukte des Bilirubins sich zu handeln (Thüdichum, Maly '). Die GMELiN'sche GaUenfarhstoffreaktion. Ueberschichtet man in einem Reagenzglase Salpetersäure, welche etwas salpetrige Säure enthält, vorsichtig mit einer Lösung von Bilirubinalkali in Wasser, so erhält man an der Be- rübrungsstelle beider Flüssigkeiten nach einander eine Reihe von farbigen Gemeiin- Schichten, welche von Oben nach Unten gerechnet folgende Reihenfolge ein- ^'^'"tim"'' nehmen: grün, blau, violett, roth und rothgelb. Diese Farbenreaktion, die 1) Thttdichum, Jouin. of ehem. Soc. (2) 13 und Jourii. f. juakt. Cliem. (N. F.) 53. Maly, Wien Sitzuugsber. 73. Gallenfarbstoffreaktionen. 23 < Reaktion von Hani- maisteii. DieHuppert- GMELiN'sche Probe, ist sehr enipfindlicli und gelingt noch gut bei Gegenwart von 1 Theil Bilirubin in 80000 Theilen Flüssigkeit. Der grüne Ring darf nie fehlen, aber auch der rothviolette muss gleichzeitig vorhanden sein, weil sonst eine Verwechselung mit dem Lutein, welches einen blauen oder grünlichen Ring giebt, geschehen kann. Die Salpetersäure darf nicht zu viel salpetrige Säure enthalten, weil die Reaktion dann so rasch verläuft, dass sie nicht typisch wird. Alkohol darf nicht zugegen sein, weil er bekanntlich mit der Säure ein Farben- spiel in grün oder blau hervorrufen kann. Die Reaktion von Hammarsten. Mau bereitet sich erst eine Säure, die aus 1 Vol. Salpetersäure und 19 Vol. Salzsäure (jede Säure von etwa 25 "/o) besteht. Von diesem Säuregemenge, welches wenigstens ein Jahr aufbewahrt werden kann, mischt man — jedoch erst nachdem es durch Stehen gelblich geworden ist — 1 Vol. mit 4 Vol. Alkohol. Setzt man zu einigen com dieser sauren farblosen Lösung einige Tropfen Bilirubiulösung hinzu, so nimmt sie sogleich eine dauerhafte, schön grüne Farbe an. Durch Zusatz von steigenden Mengen des Säuregemenges zu dieser grünen Flüssigkeit kann man sehr leicht nach einander und beliebig langsam sämmtliche Farben der GMELiN'schen Skala bis zum Choletelin hervorrufen. Die HuppERT'sche Reaktion. Wird eine Lösung von Bilirubinalkali mit Kalkmilch oder mit Chlorcalcium und Ammoniak versetzt, so entsteht ein aus Bilirubinkalk bestehender Niederschlag. Bringt man diesen Niederschlag nach ^ dem Auswaschen mit Wasser noch feucht in ein Reagenzgläscheu, füllt dieses sehe Keak- bis zur Hälfte mit Alkohol, welcher mit Salzsäure angesäuert worden ist, und erhitzt genügend lauge zum Sieden, so nimmt die Flüssigkeit eine smaragd- grüne oder blaugrüne Farbe an. Bezüglich einiger Modifikationen der GsiELiN'schen Probe und einiger anderen Gallenfarbstoffreaktionen wird auf das Kap. 15 (Harn) verwiesen. Das, die GMELiN'sche Probe charakterisirende Farbenspiel wird der allge- meinen Ansicht nach durch eine Oxydation hervorgerufen. Die erste Osydations- stufe stellt das grüne Biliverdin dar. Dann folgt ein blauer Farbstoff, welcher von Heinsius und Campbell Bilici/anin, von Stokvis Cholecyanin genannt worden und ein charakteristisches Absorptionsspektrum zeigt. Die neutralen Lösungen dieses Farbstoöes sind nach Stokvls blaugrün oder stahlblau mit o^y''f .''",''- o ö produktedes prachtvoller rother Fluorescenz. Die alkalischen Lösungen sind grün und Bilirubins. fiuoresciren unbedeutend. Die alkalischen Lösungen zeigen drei Absorptions- streifen, einen, scharf und dunkel, in Roth zwischen C und D nahe an (J, einen zweiten, weniger scharf, D deckend und einen dritten zwischen E und JP, nahe an E. Die stark sauren Lösungen sind violettblau und zeigen deutlich zwei, von Jaffi5 beschriebene Streifen zwischen den Linien C und E, durch einen schmalen, nahe bei D befindlichen Zwischenraum von einander getrennt. Ein dritter Streifen zwischen h und F ist schwer zu sehen. Als nächste Oxy- dationsstufe nach diesem blauen Farbstoffe tritt ein rothes Pigment auf und endlich erhält mau als letztes Oxydationsprodukt ein gelblichbraunes, von Maly 238 Achtes Kapitel. Cholek-lin genanntes Pigment, welches in neutraler, alkoholnclier Lösung keinen, in saurer Lösung dagegen einen Streifen zwischen h und F zeigt. Durch Oxydation des Cholecyauins mit Bleihyperoxyd kann man nach Stokvis') ein von ihm Choletelin genanntes Produkt erhalten, welches dem später zu be- sprechenden Harnurobilin sehr ähnlich ist. Die Darstellung des Bilirubins geschieht am besten aus Gallensteinen von Rindern, welche Konkremente sehr reich au Bilirubinkalk sind. Die fein gepulverten Konkremente werden (hauptsächlich zur Entfernung von Cholesterin „. ., ^ und Gallensäuren) erst mit Aether und dann mit siedendem Wasser erschöpft, des Biii- Dann behandelt man das Pulver mit Salzsäure, welche das Pigment frei macht, wäscht vollständig mit Wasser und Alkohol aus, trocknet und extrahirt an- haltend mit siedendem Chloroform. Nach dorn Abdestilliren des Chloroforms aus der filtrirten Lösung behandelt man den gepulverten Rückstand mit absolutem Alkohol zur Entfernung des Bilifuscins, löst das rückständige Bilirubin in wenig Chloroform, fällt es aus dieser Lösung mit Alkohol, wiederholt dieses Verfahren wenn nöthig, löst das Bilirubin zuletzt in siedendem Chloroform und lässt es beim Erkalten auskrystallisiren. Die quantitative Bestinuuung des Bili- rubins kann auf spektrophotometrischem Wege nach den für den Blutfarbstoff angegebenen Gründen geschehen. Biliverdin. CjgHjgNjO^. Dieser Stoff, welcher durch Oxydation des Bilirubins entsteht, kommt in der Galle mehrerer Thiere, in erbrochenem Magen- Biliverdin. . . . . . Inhalt, in der Plaeenta der Hündin (?), in Vogeleierschalen, im Harne bei Ikterus und bisweilen in Gallensteinen, wenn auch nur in untergeordneter Menge, vor. Durch Oxydation von GallenfarbstofF, hauptsächlich Biliverdin, erhielt Küster^) eine stickstoffhaltige Säure, die Biliverdinsäure, CgHgNO^. Das Biliverdin ist amorph, es ist wenigstens nicht in gut ausgebildeten Krystallen erhalten worden. Es ist unlöslich in Wasser, Aether und Chloro- form (dies gilt wenigstens für das aus Bilirubin künstlich dargestellte Biliverdin), löst sich aber in Alkohol oder Eisessig mit schön grüner Farbe. Von Alkalien Eigen- wird es mit braungrüner Farbe gelöst und es wird aus dieser Lösung von SL-li,iftenuiid =" ^ . " . . Reaktionen. Säuren, wie auch von Calcium-, Baryum- und Bleisalzen gefällt. Das Bili- verdin giebt die HuppERx'sche und GMELiN'sche Reaktion wie auch die Reaktion des Verfs. mit der blauen Farbe anfangend. Von Wasserstoff in statu nascendi wird es in Hydrobilirubin übergeführt. Beim Stehen der grünen Galle, wie auch durch Einwirkung von Amraoniumsulfhydrat, kann das Biliverdin zu Bili- rubin reduzirt werden (Hatcraft und Scofield '}. Die Darstellung des Biliverdins gelingt am einfachsten, wenn man eine alkalische Bilirubinlösung in dünner Schicht in einer Schale an der Luft stehen lässt, bis die Farbe braungrün geworden ist. Die Lösung wird dann mi-t Chlor- Darsteiiung wasserstoffsäure gefällt, der Niederschlag mit Wasser ausgewaschen, bis keine Terdins. HCl-Reaktion mehr erhalten wird, in Alkohol gelöst und durch Zusatz von 1) Heinsiüs und Ca.mpbell, Pflüger's Arch. 4. Stokvis, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1872 S. 785; ebenda 1873 S. 211 u. 449. Jaffe, ebenda 1808; M.\ly, Wiener Sitzungsber. 59. i) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 30. :<) Centralbl. f. Physiol. 3 S. 222 und Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 14. Gallenfarbstoffe. 239 Wasser der Farbstoff wieder ausgeschieden. Etwa verunreinigendes Bilirubin kann mit Chloroform entfernt werden. Hugounenq und DoYON ^) stellen das Biliverdir aus dem Bilirubin mit Natrium hyperoxyd und ein wenig Salz- säure dar. Bilifuscin hat Städeler'') einen amorphen, braunen, in Alkohol und Alkalien löslichen, in Wasser und Aether fast unlöslichen und in Chloroform (wenu nicht gleichzeitig Uilirubin zugegen ist) sehr schwer löslicheu Farbstoff genannt. In reinem Zustande giebt das Bilifuscin die GMELlN'sche Reaktion nicht. Es ist in alter Leichengallc und in Gallensteinen gefunden worden. Biliprasin ist ein grüner, von Städeler aus Gallensteinen dargestellter Farbstofl', welcher gewöhnlieh als ein Gemenge ron Biliverdin und Bilifuscin betrachtet wird. Nach Dastre und Floresco^) soll dagegen das Biliprasin eine Zwischenstufe zwischen Bilirubin und Biliverdin sein. Es kommt nach ihnen als physiologischer Farbstoff in der Blasengalle „ ,. mehrerer Thiere vor und entsteht durch Oxydation des Bilirubins. Diese Oxydation soll Gallenfarb- auch durch ein in der Galle vorhandenes Oxydationsferment bewirkt werden können. Bili- stoffe. humin nannte Städelbr den braunen , amorphen Rückstand , welcher nach dem Ausziehen der Gallensteine mit Chloroform, Alkohol und Aether zurückbleibt. Es giebt die GMELlN'sche Probe nicht. Das Bilicyanin ist auch in Gallensteinen (vom Jlenschen) gefunden worden (Heinsius uud Campbell). Cholohämatm nennt Mac Munn*) einen in Schaf- und Rinder- galle oft vorkommenden, durch vier Absorptionsstreifen gekennzeichneten Farbstoff, welcher auch aus dem Humatin durch Einwirkung von Katriumamalgam entstehen soll. In trockenem Zustande, durch Verdunstung der Chloroformlösung gewonnen , ist er grün , in jükoholischer Lösung oUvenbraun. Zum Nachweis der Gallenfarbstoffe in thierischen Flüssigkeiten oder Ge- weben benutzt man gewöhnlich die GMELlN'sche oder die HuppERT'sche Reaktion. Die erste kann in der Regel direkt ausgeführt werden, und die Gegenwart von Eiweiss stört nicht, sondern lässt im Gegentheil das Farbenspiel noch deutlicher hervortreten. Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Blutfarbstoff kann man die Gallenfarbstoffe erst durch Zusatz von Natriumdiphosphac und Kalkmilch aus- Nachweis fällen. Den, die Gallenfarbstoffe enthaltenden Niederschlag kann mau dann ^fan^toffe. direkt zu der HupPERT'schen Reaktion verwenden oder man kann auch, was noch einfacherer und sicherer ist, ein wenig des Niederschlages in dem Reagenze des Verfs. lösen. Im Blute weist man nach Hedenius^) das Bilirubin in der Weise nach, das.s man mit Alkohol die Proteinstoffe ausfällt, das Filtrat mit Salzsäure oder Schwefelsäure ansäuert und kocht. Die Flüssigkeit nimmt dabei eine grüne Farbe an. Serum und seröse Flüssigkeiten kön:;eu nach Zusatz von Alkohol und ein wenig Säure direkt gekocht werden. Ausser den Gallensäuren und den Gallenfarbstoffen kommen in der Galle auch Cholesterin, Lecithin, Palmitin, Stearin, Olein und die Seifen der ent- sprechenden Fettsäuren vor. In der Rindergalle hat Lassar-Cohn ^) auch Myristinsäure gefunden. Wenigstens bei einigen Thieren enthält die Galle ein diastatisrhes Enzym. Cholin und Ghjcerinphospkorsäure dürften wohl, wenn sie vorhanden sind, als Zersetzungsprodukte des Lecithins zu betrachten sein. Harnstoff kommt, wenn auch nur spurenweise, als physiologischer Be- GaUenbe- standtheil der Menschen-, Rinder- und Hundegalle vor. In der Galle von "'''■"'*''*"*• Haifischen und Rochen kommt der Harnstoff in so grosser Menge vor, dass er 1) Arch. de Physiol. (5) 8. -) Cit. nach HOPPE-Seylek, Physiol. u. Pathol. ehem. -■Vnalyse, 6. Aufl. S. 225. 3) Aroh. de Physiol. (5) 9. •*) Journ. of Physiol. 6. ö) Upsala Läkaref. Förh. 29, auch Maly's Jahresber. 24. 6) Zeitschr. f. physiol. Chem. 17. 240 Achtes Kapitel. einen der Hauptbestaner. 20; Dastre, Arcli. d« Physiol. (5) 3; Beccari, Arch. ital. de Biol. 28. i) Kunkel, I'flügeu's Areli. 14; Hamburger, Zeitschr. f. physiol. Cliem. 2 u. 4. GoTTLTEB, ebenda 15; Ansklm, Ueber die Eisenausscheidiing der Galle. Inaug.-Dissert. Dorpat 1891. Vergl. ferner die in der Fussnote 1 S. 177 citirten Arbeiten. 5) Vergl. Hoppe-Sevler, Physiol. Cliem. S. 301; SocoLOFP, PflüGEK's Arch. 12; Trifanowski, ebenda 9; Frerichs in Hoppe-Seyler's Physiol. Cheni. S. 299. v. Gorüp- Bksanez, ebenda. Mensche Zusnnii.iPiisptzune der GalK-. Jll Frerichs V. Gorup-Besanez 12 12. 860,0 859,2 822,7 898,1 Feste Stoffe 140,0 140,8 177,3 101,9 Zusammen- Gallensaure Alkalien . . . 72,2 91,4 107,9 56,5 BUsenlafle"^ Schleim uiul Farbstoff . . . 26,6 29,8 22,1 14,5 Cholesterin 1,0 2 6 I j- o I on n Fett 3,2 9;2 J^''^) 30,9 Anorganische Stoffe .... 0,5 7,7 10,8 6,2 Die Lebergalle des Menschen ist ärmer an festen Stoffen als die Blasen- galle. In mehreren Fällen hat man nur 12 — 18 p. m. feste Stoffe gefunden; aber in diesen Fällen ist die Galle kaum als normal anzusehen. J.\cobsen fand in einer Galle 22,4 — 22,8 p. m. feste Stoffe. Der Verf.'), welcher Ge- legenheit hatte, in sieben Fällen von Gallenfisteloperation die Lebergalle zu analysiren, hat wiederholt einen Gehalt von 25 — '2S p. m. feste Stoffe beobachtet. In einem Falle, bei einem kräftig gebauten Weibe, schwankte der Gehalt der Lebergalle an festen Stoffen im Laufe von 10 Tagen zwi.schen 30,10 und 38,6 p. m. Die Men.schengalle enthält bisweilen, aber nicht immer, Schwefel in äther- Bchwefelsäureähnlicher Bindung. Die Menge dieses Schwefels kann .sogar " " . * Lebergalle 1/4 — */3 der gesammten Schwefelmenge betragen. Die Menschengalle ist regel- «les massig reicher an Glykochol- als an Taurocholsäure. In sechs vom Verf. analysirten Fällen von Lebergalle schwankte das Verhältniss von Taurochol- zu Glykoeholsäure zwischen 1 : 2,07 und 1 : 14,36. Die von Jacobsex analysirte Galle enthielt gar keine Taurocholsäure. Als Beispiele von der Zusammensetzung der Lebergalle des Menschen folgen hier die Analysen von drei, vom Verf. analysirten Gallen. Die Zahlen sind auf 1000 Theile berechnet. Feste Stoffe 25,200 35,260 25,400 Wasser 974,800 964,740 974,600 Muciu und Farbstoff . . . 5,290 4,290 5,150 Gallensaure Alkalien . . . 9,310 18,240 9,040 Taurocholat 3,034 2,079 2,180 Glykocholat 6,276 16,161 6,860 ' Fettsäuren aus Seifen . . 1,230 1,360 1,010 Cholesterin 0,630 1,600 1,500 Lecithin | ^ 0,574 0,650 Fett j "-• -" 0,956 0,610 Lösliche Salze 8,070 6,700 7,250 Unlösliche Salze .... 0,250 0,490 0,210 Unter den Mineralstofien kommen in allergrösster ISIenge Chlor und Natrium vor. Die Relation zwischen Kalium und Natrium schwankt in ver- schiedenen Gallen recht bedeutend. Schwefelsäure und Phosphorsäure komnien nur in sehr geringen Mengen vor. Baginsky und Sommerfeld^) fanden in der Blasengalle von Kindern echtes Mucin, mit etwas Nukleoalbumin gemischt. Die Gallen enthielten als 1) Jacobses, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 6; Hammarsten, 1. c. Nova Acta. 2) Verhandl. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin 1894/95. mmarsten. Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 16 242 Achtes Kapitel. Kindergaiio. jiitte] ggg5 j, ,„ Wasser; 103,5 p. m. fes.te Stoffe; 20 p. ni. Mucin; 9.1p. ni. Mineralstoffe; 25,2 p. m. gallen.saure Salze, darunter 16,3 p. m. Glykocholat ur>d 8,9 p. m. Taurocholat; 3,4 p. m. Cholesterin; 6,7 p. m. Fett und 2,8 p. m. Leucin. Der Farbstoffgehalt der Menschengalle ist in einem Falle von Gallenfistel von Noel-Paton nach einer vielleicht doch nicht ganz zuverlässigen Methode Farbstoii- ZU 0,4 — 1,3 p. m. bestimmt worden. Für die Hundesalle liegen genauere, gehalt. ' ' r o ö & » nach der spektrophotometrischen Methode ausgeführte Bestimmungen vor. Nach Stadelmann') enthält die Hundegalle als Mittel 0,6 — 0,7 p. ni. Bili- rubin. Pro 1 Kilo Thier werden in 24 Stunden höchstens 7 mg Farbstoff secernirt. Bei den Thieren ist das relative Mengenverhältniss der Glykochol- und Taurocholsäure sehr wechselnd. Durch Bestimmungen des Schwefelgehaltes hat man gefunden, dass, soweit die bisherige Erfahrung reicht, die Taurocholsäure bei fleischfressenden Säugethieren, bei Vögeln, Schlangen und Fischen die vor- herrschende Säure ist. Unter den Pflanzenfressern haben Schafe und Ziegen Relatives eine Überwiegend taurocholsäurehaltige Galle. Die Rindergalle enthält bisweilen häitniss der überwiegend Taurocholsäure, in anderen Fällen überwiegend Glvkocholsäure und zwei Gallen- " ... säuren, wiederum in einzelnen Fällen fast ausschliesslich die letztgenannte Säure. Die Gallen des Kaninchens, des Hasens und des Känguruhs enthalten überwiegend, die des Schweines fast ausschliesslich Glykocholsäure. Irgend einen bestimmten Einfluss verschiedener Nahrung auf das relative Mengenverhältniss der zwei Gallensäuren hat man nicht nachweisen können. Nach Ritter-) soll jedoch bei Kälbern, wenn sie von der Milch- zu der Pflanzennahrung übergehen, die Menge der Taurocholsäure abnehmen. Zu der obengenannten Berechnung der Taurocholsäure aus dem Schwefel- gehalte der gallensauren Salze ist indessen zu bemerken, dass diese Berechnung zu keinen sicheren Schlüssen führen kann, so lauge man noch nicht untersucht hat, ob nicht auch die Gallen anderer Thiere ebenso wie die der Haifische und des Menschen Schwefel in anderer Bindung wie als Taurocholsäure ent- halten können. Das Cholesterin, welches nach der Ansicht mehrerer Forscher nicht nur Cholesterin, aus der Leber sondern zum Theil auch aus den Gallenwegen stammt, soll dem- entsprechend in grösserer Menge in der Blasen- wie in der Lebergalle und reich- licher in der nicht filtrirten als in der filtrirten Galle vorkommen (DoYON und DuFOURT ^). Die Gase der Galle bestehen aus einer reichlichen Menge Kohlensäure, welche mit dem Alkaligehalte zunimmt, höchstens Spuren von Sauerstoff' und einer sehr kleinen Menge Stickstoff. 1) NOÜL-Paton, Rep. Lal). Roy. Soe. fnll. Pli.vs. Ediiilj. 3. Stadei,M.\NN, Der Icterus- !=') Cit. iiach Maly's Jaliresber. 6 S. 195. 3) Arch. de Physiologie (5) 8. Chemismus der Gallenbereifung. 243 Ueber die Beschaffenheit der Galle bei Krankheiten ist nui- wenig bekannt. Die Menge des Harnstoffes bat man in der Uriiraie bedeutend vermehrt gefunden. Leucin und Tyrosin sind bei akuter gelber Leberatrophie und bei Typbus beobachtet worden. Spuren voa Eiweiss (abgesehen von dem Nukleoalbumin) liat man einige Male in der Mensehengalle gefunden. , ^."'J''''"j! Sogenannte pigmentäre Acholie, d. li. die Absonderung einer, Gallensäuren aber keine Gallen- leiten farbstoffe enthaltenden Galle hat mau auch mehrmals beobachtet. In allen solchen, von ihm beobachteten Fällen fand Ritter dabei eine Fettdegeneration der Leberzellen, wogegen sogar bei bochgrailiger Fettinfiltration eine normale , piu'inenthaltige Galle abgesondert wird. Die Absonderung einer an Gallensäuren sehr armen Galle ist von Hoppe-Seyler ') bei Amyloid- degeneration der Leber beobachtet worden. Bei Tbieren , Hunden und besonders Kaninchen, hat man den Uebergang von Blutfarbstoff in die Galle iu Folge von Vergiftungen oder an- deren , zu einer Zerstörung iler Blutkörperchen führenden Einflüssen wie auch nach intra- veuöseu Hämoglobiuinjektionen beobachtet (Wertheimer und Meyer, Filehne, Stern-). In der Gallenblase findet man in pathologischen Fällen bisweilen statt der Galle eine mehr oder weniger dickflüssige oder fadenziehende fast farblose Flüssigkeit, die Pseudoraucine oder andere eigenthüniliche Proteinsubstanzen enthält 2). Chemismus der Gallenbereitung. Die Frage, welche hier in erster Linie beantwortet werden muss, ist folgende: Entstehen die spezifischen Bestand- theile der Galle, die Gallensäuren und Gallenfarbstoflfe, in der Leber und, wenn dies der Fall ist, entstehen sie ausschliesslich in diesem Organe oder werden sie auch anderswo gebildet? Die Untersuchung des Blutes und besonders die vergleichende Unter- suchung des Pfortader- und Lebervenenblutes unter normalen Verhältnissen hat noch keine Beiträge zur Aufklärung dieser Frage geliefert, und es ist deshalb zur Entscheidung derselben nöthig gewesen, bei Thieren die Leber zu exstirpiren oder aus dem Kreislaufe auszuschalten. Werden die Gallenbestandtheile nicht in der Leber oder jedenfalls nicht in diesem Organe allein gebildet, sondern,,. . , J a o ' 1 riiizip fler vielmehr nur mittels der Leber aus dem Blute eliminirt, so muss man nach VnUv- snchung. der Exstirpation oder der Ausschaltung dieses Organes aus dem Blutkreislauf eine Anhäufung von Gallenbestaudtheilen in Blut und Geweben erwarten können. Werden die Gallenbestandtheile dagegen ausschliesslich in der Leber gebildet, so können die fraglichen Operationen selbstverständlich keinen solchen Erfolg haben. Unterbindet man dagegen den Ductus choledochus, so müssen die Gallenbestandtheile, gleichgültig ob sie in der Leber oder anderswo gebildet werden, in Blut und Geweben sich ansammeln. Nach diesem Prinzipe hat Küb\er an Fröschen den Beweis für die Entstehung der Gullensäuren ausschliesslich in der Leber zu liefern versucht. Während man nämlich nach der Exstirpation der Leber bei diesen Thieren keine Gallensäuren in Blut und Geweben hat nachweisen können, gelang es KÖBNER dagegen nach Unterbindung des Ductus choledochus diesen Nachweis aör'^Gaiic'u? zu führen. Dass beim Hunde die Gallensäuren in der Leber entstehen, geht itTilh^r 1) RiTTEK, Corapt. reud. 74 und Journ. de l'anat. et de la physiol. (par Roliin) 1872. Hoppe-Seyler, Physiol. Chem. S. 317. -') Werthrimeu und Meyek , Cornjit. reud. 108; Filehne, Vikchovv's Arcli. 121; Stern, ebenda 123. 3) Vergl. WlNTEENITZ, Zeitschr. f. physiol. Chem. 21 (Litteraturangabeji). 16* 244 Achtes Kapitel. aus einer Untersuchung von Ludwig und Fleisimil') liervor. Nach Unterbindung des Ductus choledochus beobachteten sie, dass die Gallenbestandtheile von den Lympbgefässen der Leber aufgesaugt nnd durch den Ductus thoracicus dem Blute zugeführt wurden. Nach einer solchen Operation können in dem Blute Gallensäuren nachgewiesen werden, während sie im normalen Blute nicht nach- zuweisen sind. Wurden dagegen der Ductus choledochus und der Ductus thoracicus zugleich unterbunden, so fanden sich keine nachweisbaren Spuren von Galleusäuren im Blute, was doch der Fall hätte sein müssen, wenn sie auch in anderen Organen oder Geweben in nennenswerther Menge gebildet werden. Nach älteren Angaben von Cloez und VüLPl.^N wie auch von ViRCHOW sollen Gallen- säuien auch in den Xclienuieren voi'koiumen. Diese Angaben sind indessen durch neuere Untersucluingen von St.^dei.jiann und Beieü'') nicht bestätigt worden. Man hat al.so gegen- wärtig keinen (irund, eine Bildung von Gallcnsüuren anderswo al.< in der Leber anzunehmen. Dass die Gallenfarhstoffe auch in anderen Organen als in der Leber entstehen können, dürfte dagegen unzweifelhaft bewiesen sein, wenn nämlich, wie dies allgemein angenommen wird, der in alten Blutextravasaten vorkommende Farbstoff Hämatoi'din mit dem Gallenfarbstoff, dem Bilirubin, identisch ist Entstehung (vergl. S. 153). Von Latschenbekger ^) ist auch bei Pferden unter pathologischen ^iarbSoffen Verhältnissen eine Entstehung von Gallenfarbstoff aus dem Blutfarbstoffe in '"weTei?'' '^^^ Geweben beobachtet worden. Auch das Vorkommen von Gallenfarbstoff in der Placenta dürfte von einer Gallenfarbstoffbildung daselbst herrühren, während das Vorkommen von geringen Mengen Gallenfarbstoff in dem Blut- serum einiger Thiere vielleicht von einer Resorption desselben herrühren könnte. Wenn aber Gallenfarbstoffe in anderen Organen als in der Leber ent- stehen können, so fragt es sich demnächst, welche Bedeutung dieses letztge- genannte Organ für die Ausscheidung und die Entstehung des Gallenfarbstoffes hat. In dieser Hinsicht ist zuerst daran zu erinnern, dass die Leber ein Aus- Farbstoff- gcheidungsorgan für den im Blute kreisenden Gallenfarbstoff ist. Tarchanoff ü^^e'ue' ^^^ nämlich an Gallenfistelhuden die Beobachtung gemacht, dass intravenöse Injektion von Bilirubin eine sehr bedeutende Steigerung der Galleufarbstoffaus- scheidung zur Folge hat. Diese Angaben sind durch spätere Untersuchungen von V0SSIÜ.S*) bestätigt worden. Zur Entscheidung der Frage, ob der Gallenfarbstoff nicht nur durch die Leber ausgeschieden, sondern in derselben auch gebildet wird, sind zahlreiche Versuche angestellt worden. Bei Experimenten an Tauben konnte Stern nach Unterbindung der Gallengänge allein schon nach fünf Stunden Gallenfarbstoff in dem Blutserum nachweisen, während er nach Unterbindung aller Gefässe 1) KÖBNER, vergl. Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorgänge in Hermann's Handbuch 5. Fleischl, Arbeiten aus d. physiol. Anstalt zu Leipzig 9. ü) Zeitschr. f. physiol. Chem. 18, wo man auch die ältere Litteratur findet. :') Vergl. JtALT's Jaliresber. 16 und Monatshefte f. Chem. 9. ■i) Tabchanoff, Pflüger's Arcb. 9. Vossiüs, cit. nach Stadelmann, Der Icterus. Chemismus der Gallenbereitung. 245 der Leber und zugleich der Gallengänge weder im Blute noch in den Geweben y^^^eJjjgf der, 10 — 24 Stunden nach der Operation getödteten Thiere etwas Gallenfarbstoff f^f^^s^'»^^"- nachweisen konnte. Es haben ferner Minkowski und Kauxyx') gefunden, dass die Vergiftung mit Arsenwasserstofl', welche bei vorher gesunden Gänsen eine reichliche Bildung von Gallenfarbstoff und Entleerung schou nach kurzer Zeit von einem biliverdinreicheu Harn zur Folge hat, bei eutleberten Gänsen iu dieser Hinsicht ohne Wirkung ist. Bei Säugethieren hat mau keine derartigen , beweisenden Versuche aus- führen können, weil die Thiere zu kurze Zeit die Operation überleben; aber trotzdem dürfte wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass auch bei ihnen die Leber dasjenige Organ ist, in welchem unter physiologischen Verhältnissen der Gallen farbstoff fast ausschliesslich gebildet wird. Bezüglich des Materials, aus welchem die Gallensäuren entstehen, lässt sich mit Sicherheit sagen, dass die zwei Komponenten, das Glykokoll und das Taurin, welche beide stickstoffhaltig sind, aus den Protein Stoffen entstehen. MateiUi der Ueber die Abstammung der stickstofffreien Cholalsäure, welche man früher 'budang. ohne genügende Gründe von dem Fette herleiten wollte, kennt man nichts Sicheres. Als Muttersubstanz der Gallenfarbstoffe betrachtet man den Blutfarbstoff. Wäre die Identität des Hämatoidins und des Bilirubins über jeden Zweifel er- haben , so könnte auch eine solche Ansicht schon durch diesen Umstand als bewiesen betrachtet werden. Unabhängig von dieser, nunmehr wohl allgemein anerkannten Identität der beiden Farbstoffe scheint jedoch die obige Ansicht genügend begründet zu sein. Es ist von mehreren Forschern bewiesen worden, dass aus dem Blutfarbstoffe in den Geweben gelbe oder gelbrothe Farbstoffe jjateriai der entstehen können, welche die G.MELix'sche Farbstoffreaktion geben und welche, st*„fn,ereit- wenn sie auch noch nicht fertige Gallenfarbstoöe sind, jedoch Vor.stufen der- "''^' selben darstellen (Latsohexbeugeu). Einen weiteren Beweis für die Entstehung der Gallenfarbstoffe aus Blutfarbstoff hat man darin sehen wollen, dass aus dem Hämatin durch Reduktion das dem Hydrobilirubin sehr ähnliche Urobilin entstehen kann (vergl. Kap. 15 Harn). Es soll ferner das HämatoporphjTin (vergl. S. 151) nach Nexcki und Sieber dem Bilirubin isomer und nahe ver- wandt sein. Für die Entstehung des Bilirubins aus dem Blutfarbstoffe spricht endlich besonders der Umstand, dass nach der einstimmigen Erfahrung mehrerer Forscher 2) das Auftreten von freiem Hämoglobin iu dem Plasma — nach Zer Störung von rothen Blutkörperchen durch die verschiedenartigsten Einflüsse (vergl. unten) oder durch Injektion von Hämoglobinlösung — eine vermehrte Bildung von Gallenfarbstoff zur Folge haben kann. Es wird dabei nicht nur der Pig. nientgehalt der Galle bedeutend vermehrt, sondern es kann sogar unter Um- 1) Stekn, Arch. f. exp. Path. ii. Pharm. 1»; Minkowski uiul X.msyn, ebeuda "21. ■i) Vergl. Stadelmakn, Der Icterus etc. Stuttgart 1891. Verhalte 246 Achtes Kapitel. ständen Galleiifarbstoft" in den Harn übergehen (Ikterus). Nach Injektion von Hämoglobinlösung au einem Hunde, subkutan oder in die Peritonealhöhle, be- obachteten Stadelmann und Gorodecki^) eine mehr als 24 Stunden andauernde und in einem Falle s)gar um 61 p. c. gegenüber der Norm erhöhte FarbstofF- ausscheidung durch die Galle. Wenn also das eisenfreie Bilirubin aus dem eisenhaltigen Hämatin ent- steht, so muss dabei Eisen abgespalten werden. Dieser Vorgang könnte nach der Ansicht von Nencki und Sieber-) nach folgendem Schema C32H32N4O4 Fe -|- 2H2O — Fe= 2C]gHjgN203 verlaufen. Von besonderem Interesse ist die Frage, in welcher Form oder Verbindung das Eisen abgespalten wird, und ferner, des' Eisens ob CS mit der Galle elimiuirt werde. Das letztere scheint nicht, wenigstens nicht lenfarbstoff- in grösserem Umfange der Fall zu sein. Auf je 100 Theile Bilirubin, welche erei nng. ^j^. ^g^, Q^^ie ausgeschieden werden, enthält die letztere nach Kunkel nur 1,4 — 1,5 Theile Eisen, während 100 Theile Hämatin etwa 9 Theile Eisen ent- halten. Es haben ferner Mh\KOW.SKi und Baserin^) gefunden, dass die reich- liche Gallenfarbstoflbildung, welche bei der Vergiftung mit Arsen wasserstoff vor- kommt, nicht von einer Vermehrung des Eisengehaltes der Galle begleitet ist. Die Menge des Eisens in der Galle scheint also nicht der Menge des Eisens in dem zersetzten Blutfarbstoffe zu entsprechen. Dagegen scheint es, auf Grund der Beobachtungen mehrerer Forscher*), als wünle das Eisen wenigstens in erster Linie von der Leber als eisenreiche Pigmente oder Proteinstoffe zurück- gehalten werden. In welcher Beziehung steht die Bildung der Gallensäuren zu derjenigen des Gallenfarbstoffes? Entstehen diese beiden Hauptbestandtheile der Galle gleichzeitig aus demselben Materiale und kann man also einen bestimmten Zu- sammenhang zwischen Bilirubin- und Gallensäurebildung in der Leber nach- farbstoflf- (ier Gall« säure- Gaiien-^ist. Bei gesteigerter Gallenfarbstoffbildung nimmt nämlich die Gallensäure- biidimg. bildung ab, und die Zufuhr von Hämoglobin zur Leber bewirkt zwar eine stark vermehrte Bilirubinbildung, setzt aber gleichzeitig die Gallensäureproduktion stark herab. Die Gallenfarbstoff- und die Gallensäurebildung haben also nach Stadelmann gesonderten Zellthätigkeiten ihren Ursprung zu verdanken. Eine Resorption von Galle aus der Leber und ein Uebergang von Gallen- bestandtheilen in Blut und Harn kommt bei gehindertem Abfluss der Galle und überhaupt in den verschiedenen Formen von hepaiogenem Ikterus vor. Gallenfarbstoffe können jedoch auch unter anderen Umständen in den Harn über- 1) Vergl. Stadelmann, Der Icterus. 2) Arch. f. exp. Path. u Pharm. 24 S. 440. :i) Kunkel, PklIjgee's Aich. 14. Minkowski uml Basekin, Arcli. f. e-xp. Path. 11. Pharm. 23. 4) Vergl, Naunyn und Minkowski, Arch. I. e.xp. Path. u. Pharm. 21. Latschen- BERGEK 1. c. ; NeüMANN, Virchow's Aix'h. 111 luid die Litteratur iu der Fussnote 1 S. 209. Ikterus. Gallenkonkremente. 247 gehen und besonders in den Fällen, in welchen bei Thieren durch Injektion von Wasser oder einer Lösung von gallensaureu Salzen , durch Vergiftung mit Aether, Chloroform, Arsenwasserstoff, Phosphor oder Toluylendiamin u. a., wie auch bei Menschen in schweren Infektionskrankheiten, eine Auflösung oder deneFonnen Zerstörung von rothen Blutkörperchen stattfindet. Man hat deshalb auch eine zweite Form von Ikterus, in welcher die Umwandlung des Blutfarbstoffes in Gallenfarbstoff anderswo als in der Leber, namentlich in dem Blute, stattfinden würde — einen hämafogenen oder anhepatogenen Ikterus — annehmen zu können geglaubt. Das Vorkommen eines häraatogenen Ikterus ist indessen durch die wichtigen Untersuchungen von Minkowski und Nauntx, Af.anassiew> SiLBERMAXX Und besonders von Stadelmaxn ') überhaupt sehr unwahrscheinlich geworden, und für einige der obengenannten Fälle, wie nach Vergiftung mit Phosphor, Toluylendiamin und Arsen Wasserstoff, ist diese Annahme durch Ex- perimente direkt widerlegt. Der Ikterus ist auch in diesen Fälleu hepatogen; er rührt also vou einer Resorption von Gallenfarbstoff aus der Leber her, und diese Resorption scheint in den verschiedenen Fällen in etwas verschiedener Weise zu Stande kommen zu können. So kann die Galle eine zähe Beschaffenheil annehmen, die dem nied- Hepato- rigen Sekretionsdrucke entgegenwirkt und also eine Stauung herbeiführt. In ittenis. anderen Fällen können vielleicht die feinsten Gallenwege durch krankhafte Schwellung der Leberzellen komprimirt werden oder es kann ein Katarrh der Gallenwege auftreten, der zu einer Stauung der Galle führt (Stauelmann). Anhang zur Galle. Gallenkonkremente. Die in der Gallenblase vorkommenden Konkremente, deren Grösse, Form und Anzahl sehr bedeutend wechseln können, sind je nach der Art und Be- schafienheit desjenigen Stoffes, welcher ihre Hauptmasse bildet, dreierlei Art. verschie- Die eine Gruppe von Gallensteinen enthält als Hauptbestandtheil Pigmentkalk, ^„„''(^^r die andere Cholesterin und die dritte Calciumkarbonat und Phosphat. Kon. 'ä'«'"™- kremente der letztgenannten Gruppe sind beim Menschen sehr selten. Die sogen. Cholesterinsteine sind bei ihm die am meisten vorkommenden, während die beim Menschen weniger oft vorkommenden Pigmentkalksteine bei Rindern die häufigsten sind. Die JPigmenlsteinc sind beim Menschen im Allgemeinen nicht gross; be| Rindern und Schweinen dagegen findet man bisweilen Gallensteine, welche die Grösse einer Wallnuss haben oder noch grösser sind. In den meisten Fällen bestehen sie überwiegend aus Bilirubinkalk mit nur wenig oder fast keinem pigment- Biliverdin. Bisweilen findet man jedoch auch kleine, schwarze oder grünscliwarze, ^ ""'^' metallglänzende Steine, welche überwiegend Bilifuscin nebst Biliverdin enthalten. 1) Die hierher gelirtrige Litteratur findet mau bei Stadelmann, Der Icterus. 248 Achtes Kapitel Eisen und Kuj)fer scheinen regelmässig in Pigmeutsteinen vorzukommen. Auch Mangan und Zink sind einige Male in ihnen gefunden worden. Die Pigment- steine sind regelmässig schwerer als Wasser. Die Cholesterinsteine, deren Grösse, Form, Farbe und Struktur sehr wechselnd sein können, sind oft leichter als Wasser. Die Bruchfläche ist radiär krystallinisch oder auch zeigt sie, was sehr gewöhnlich ist, krystallinische kon- zentrische Schichten. Die Schnittfläche ist wachsglänzend und ebenso nimmt die Bruchfläche beim Reiben gegen den Nagel Waehsglanz an. Durch Reibung gegeneinander in der Gallenblase werden sie oft facettirt oder erhalten andere eigenthümliche Formen. Die Oberfläche ist bisweilen wachsähnlich, fast weiss, '''"steinr"' 'meistens hat sie aber eine sehr wechselnde Farbe. Sie ist bisweilen glatt, in anderen Fällen rauh oder höckerig. Der Gehalt der Konkremente an Chole- sterin schwankt von 642 bis 981 p. m. (Ritter'). Neben dem Cholesterin ent- halten die Cholesterinsteine bisweilen auch wechselnde Mengen Pigmentkalk, was ihnen ein sehr wechselndes Aussehen ertheilen kann. Cholesterin. Dieser Stofl' wurde früher allgemein als ein einwerthiger Alkohol von der Formel CggHjjOH betrachtet. Nach neueren Untersuchungen kann man indessen als festgestellt ansehen, dass im Moleküle 27 Atome Kohlenstofl!' enthalten sind. Die Formel ist entweder C^jH^jOH (Obermüller) oder CjjHjgOH (Mauthner und Suida). Durch Einwirkung von kouzentrirter Schwefelsäure oder von Phosphorsäure, aber auch in anderer Weise, hat man aus dem Cholesterin Kohlen wasserstoöe erhalten, die mau als Cholesterilitie., ChoJesterone und Cholesterilene bezeichnet hat (Zwexger, Walitzky u. A.). Cholesterin. Mauthner und Suida ^), welche diese Kohlen wasserstoöe näher untersucht haben, konnten durch Erhitzen von Cholesterin mit entwässertem Kupfersulfat ein krystallisireudes Cholesterilen erhalten. Durch Oxydation des Cholesterins hat man theils iudifl'erente und theils saure Produkte erhalten, die einer nahen Ver- wandtschaft des Cholesterins zu der Cholalsäure das Wort reden. Die Kohlen- wasserstoffe sollen nach Weyl^) in naher Beziehung zu der Terpengruppe stehen. Das Cholesterin kommt in geringer Menge in fast allen thierischen Säften und Flüssigkeiten vor. Im Harne ist es nur sehr selten und immer nur in sehr geringer Menge gefunden worden. Es findet sich auch in den verschiedensten Geweben und Organen — besonders reichlich in dem Gehirne und dem Nervensysteme — ferner in Eidottern, Sperma, Wollfett (neben Isocholesterin), in der Hautsalbe, in dem Darminhalte, den Exkrementen und dem Mekonium. Pathologisch kommt voikomnun es besonders in Gallensteinen, ferner in Atherombälgen, Eiter, Tuberkelinasse, des Chole- o > > > Sterins, alten Transsudaten, Cystenflüssigkeiten, Auswurf und Geschwülsten vor. Das Cholesterin kommt nicht überall frei, sondern wie im Wollfett, Blut und Gehirn 1) Journ. de l'anat. et de la physiol. (par Robin) 1872. 2) Obekmüllee, Du Bois-Eeymokd's Arcii. 1889 uud Zeitsclir. f. pliysiol. Cluni. 15. Mauthnek und SriDA, Wien. Sitzungsber. Matli. Xat. ('lasse 103 .\bth. 2 b, wo man aueli die ältere Litteratur findet. 3) Du Böis-Reymond's Arcb. 1886. S. 182. Cholesterin. --iS zum Theil als Fettsäureester vor. loi Pflanzenreiche hat man mehrere Arten von Cholesterin, die mau Phytosterine nennt, gefunden. Das Cholesterin, wie es aus warmem Alkohol beim Erkalten auskrj'stallisirt oder in alten Transsudaten u. dgl. vorkommt, enthält ein Mol. Krystallwasser, schmilzt bei 145" C. und stellt ungefärbte, durchsichtige Tafeln dar, deren Ränder und Winkel nicht selten ausgebrochen erscheinen und deren spitze •» r 1 Chülesteriii- Winkel oft 76° 30' oder 87" 30' betragen. In grösserer Menge gesehen, er- kryataiie. scheint es als eine weisse, perlmutterglänzende, aus fettig sich anfühlenden Blättchen bestehende Masse. Das Cholesterin ist unlöslich in Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien. Von siedender Alkalilauge wild es weder gelöst noch verändert. In siedendem Alkohol löst es sich leicht und krystallisirt beim Erkalten aus. Es löst sich Eigeu- leicht in Aether, Chloroform und Benzol und löst sich ferner auch in flüchtigen und fetten Oelen. Von gallensauren Alkalien wird es auch in geringer Menge gelöst. Unter den vielen, besonders von Ober Müller studirten Verbindungen des Cholesterins ist vor allem zu nennen der Propionsäureester, CjHä .CO.O.C^jH^j, welcher wegen des Verhaltens der geschmolzenen Verbindung beim Erkalten cbaiesteriu- 1 r7 T-« 1 j propion- zur Erkennung des Cholesterins benutzt werden kann. Zur Erkennung des säureester. Cholesterins ist sonst sein Verhalten zu konzentrirter Schwefelsäure von grosser Wichtigkeit, indem dabei farbige Produkte gebildet werden. Lässt man ein Gemenge von fünf Theilen Schwefelsäure und einem Theil Wasser auf Cholesterinkrystalle einwirken, so werden die letzteren von den Rändern aus erst lebhaft karminroth und dann violett gefärbt. Dieses Ver- ^^^^^ halten eignet sich gut zur mikroskopischen Erkennung des Cholesterins. Ein j^^^^^"^^ anderes, ebenfalls sehr gutes Verfahren zum mikroskopischen Nachweis des Cholesterins besteht darin, dass man erst die wie oben verdünnte Schwefelsäure und dann etwas Jodlösung zusetzt. Die Krystalle werden nach und nach violett, blaugrüu und schön blau gefärbt. Salkowski's Bealdion '). Löst man Cholesterin in Chloroform und setzt dann ein gleiches Volumen konzentrirter Schwefelsäure zu, so wird die Chole- sterinlösuug erst blutroth und dann allmählich mehr violettroth, während die Keaktion Schwefelsäure dunkelroth mit grüner Fluorescenz erscheint, Giesst man die- Saikowski. selbe Chloroformlösung in eine Porzellanschale, so wird sie violett, ferner grün und zuletzt gelb. Liebermann-Burchard's ^) ReaJctian. Man löst das Cholesterin in etwa 2 ccm Chloroform und setzt darauf erst 10 Tropfen Essigsäureanhydrid und dann tropfenweise konzentrirte Schwefelsäure hinzu. Das Gemenge wird erst schön Burchard's Geaktion. roth, dann blau und zuletzt, wenn man nicht zuviel Cholesterin oder Schwefel- 1) PflCgek's Arch. 6. •'!) C. LiEBERMASN, Ber. d. deutsch, ehem. GeseUseh. 18. S. 1804. H. Bürchard, Beiträge zur Kenntniss der Cholesterine. Kostock 1889. 250 Achtes Kapitel. säure zugesetzt hat, dauernd schön grün. Bei Gegenwart von sehr wenig Chole- sterin kann die Grünfärbung direkt auftreten. Keines, trockenes Cholesterin in einem trockenen Probirröhrchen mit 2 bis 3 Troi)fen Propionsäureanhydrid über kleiner Flamme geschmolzen, liefert eine Masse, die beim Abkühlen zuerst violett, dann blau, grün, orange, karminroth und zuletzt kuiiferroth erscheint. Am besten ist es, die Masse an einem Glasstab bis zum neuen Schmelzen zu erhitzen und dann den Glasstab während des Abkühlens vor einem dunklen Hintergründe zu betrachten (Ober- mcller). Schiff's Beaklion. Bringt man ein wenig Cholesterin mit ein paar Tropfen eines Gemenges von 2 bis 3 Vol. konzentrirter Salzsäure oder Schwefelsäure und einem Volumen massig verdünnter Eisenchloridlösung in eine Porzellanschale und dampft vorsichtig über einer kleinen Flamme zur Trockne ein , so erhält man einen erst rothvioletten und dann blau- violetten Rückstand. Verdunstet man eine kleine Menge Cholesterin mit einem Tropfen konzentrirter Salpeter- säure zur Trockne, so erhält man einen gelbeo Fleck, welcher von Ammoniak oder Natron- lauge tief Orangeroth wird (nicht charakteristische Reaktion). Koprosterin nennt Bondzynski ') ein von ihm aus Menschenfäces isolirtes Cholesterin, welches, wie es scheint, schon früher in unreinem Zustande von Flint als Sterkorin dar- gestellt worden ist. Das Koprosterin löst sich in kaltem, absolutem Alkohol und sehr leicht in Aether, Chloroform und Benzol. Es kry.stallisirt in feinen Nadeln, schmilzt bei 95 ä96''C. Koprosterin und jst rechtsdrehend, « (D) = -j- 24°. Es giebt die Farbenreaktionen des Kolesterins, obwohl koprost^mi. ™'* einigen Abweichungen , giebt aber nicht die Reaktion mit Propionsäureauhydrid. Nach BONDZYNSKI und Humnicki ist es ein Dihydrocholesterin, von der Formel C27H48O, welches im Darme des Menschen durch Reduktion des gewöhnlichen Cholesterins entsteht. In den Fäces vom Pferde fanden BONDZYNSKI imd Humnicki ein anderes, noch wasserstoffreieheres Cholesterin, das Hippokoproaterin von der Formel C.,7H540. IsoCholesterin hat Schulze^) ein Cholesterin von der Formel C2GH43OH genannt, J.SO- welches im AVollfett vorkommt iind in Folge dessen in reichlicher Menge in dem sogenannten c lok's eiin, Lj^q^jj,, enthalten ist. Giebt die Reaktion von Salkowski nicht. Schmelzpunkt 138 — 138,5". Zur Darstellung des Cholesterins benützt man am besten die sogenannten Cholesterinsteine. Das erst mit Wasser ausgekochte Pulver wird wiederholt mit Alkohol ausgekocht. Das aus der warm filtrirten Lösung beim Erkalten aus- krystallisirte Cholesterin kocht man mit einer Lösung von Kalihydrat in Alkohol, um das verunreinigende Fett zu verseifen. Nach dem Verdunsten des Alkohols Darstellung exti'ahirt man aus dem Rückstände das Cholesterin mit Aether, wobei die Seifen des ctioie- ungelöst zurückbleiben, filtrirt, dunstet den Aether ab und reinigt das Cholesterin durch Umkrystallisireu aus Alkohol-Aether. Aus Geweben und Flüssigkeiten extrahirt man das Cholesterin erst mit Aether und reinigt es dann wie oben. Nach demselben Prinzipe wird es auch in Geweben etc. nachgewiesen und quantitativ bestimmt. In Transsudaten und pathologischen Gebilden erkennt man es ge- wöhnlich leicht mit dem Mikroskope. 1) BONDZYNSKI, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. tJD. B. und IlUMNlCKl , Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. Flint, ebenda 23. 2) Ber. d. deutsch, chem. GeseUsch. 6. Journ. [. prakt. Chem. N. F. 25 und Zeitschr. f. physiol. Chem. 14. S. 522. Vergl. auch E. Schulze und J. Barbieri, Journ. f. prakt. Chem. N. F. 25. S. 159. Ueber die Formel des Isocholesterins vergl. man DarmstäDTEB und LifschOtz, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 31 uud E. Schulze, ebenda S. 1200. Neuntes K a ]) i t e 1. Die Verdauung. Die Verdauung hat zur Aufgabe, die zur Ernährung des Körpers brauch- baren Bestandtheile der Nahrung von den unbrauchbaren zu trennen und jene in eine Form überzuführen, welche die Aufnahme derselben aus dem Darm- kanale ins Blut und ihre Verwendung für die verschiedenen Zwecke des Organis- mus ermöglicht. Hierzu ist nicht nur eine mechanische, sondern auch eine chemische Arbeit erforderlich. Jene Art von Arbeit, welche wesentlich durch ^ufg^be der die physikalischen Eigenschaften der Nahrung bedingt ist, besteht in einem "^ »>""•£• Zerreissen, Zerschneiden, Zerquetschen oder Zermalmen der Nahrung, während diese dagegen hauptsächlich das Ueberführen der NahrungsstofFe in eine lös- liche, resorbirbare Form oder die Spaltung derselben in für die thierische Syn- these brauchbare, einfachere Verbindungen zur Aufgabe hat. Die Auflösung der Nährstoffe kann in einigen Fällen mit Hilfe von Wasser allein geschehen; in den meisten Fällen dagegen ist eine chemische, durch die sauren oder alka- lischen von, den Drüsen abgesonderten Säfte vermittelte Umsetzung und Spaltung hierzu erförderlich. Eine Besprechung der Verdauungsvorgänge vom chemischen Gesichtspunkte aus muss deshalb auch vor allem die Verdauungssäfte, ihre qualitative und quantitative Zusammensetzung wie auch ihre Wirkung auf die Nahrung.s- und Genussmittel gelten. Die Speicheldrüsen und der Speichel. Die Speicheldrüsen sind theils Eiweissdrüsen (Parotis bei Menschen und Säugethieren , Submaxillaris beim Kaninchen), theils SchJeimdrüsen (ein Theil der kleinen Drüsen in der Mundhöhle, die Glandula subungualis und Aibumin- submaxillaris bei vielen Thieren) und theils (/enii.^rhle Drüsen (Glandula sub- rii-üsen. maxillaris beim Menschen). Die Alveolen der Albumindrüsen enthalten Zellen, welche reich an Eiweiss sind, aber kein Mucin enthalten. Die Alveolen der Mucindrüsen enthalten mucinreiche, eiweissarme Zellen; daneben kommen aber Neuntes Kapitel. in der Submaxillaris und Subungualis auch eiweissreiche in verschiedener Weise augeordnete Zellen vor. Nach den Analysen von Oidtmann ') enthalten die Speicheldrüsen beim Hunde rund 790 p. m. Wasser, 200 p. m. organische und 10 p. m. anorganische Substanzen. Unter den festen Stoffen hat man Miicin und Eiweins, Nuldeoproteide, Nuldein, Enzijme und Zijmogent' derselben, Ex- traldivstoffe, Leuein, Xanthinö)-per und Minercüstoffe gefunden. Muciuogeu- Das Vorkommen eines Mucinogens ist nicht bewiesen. Nacli vollständigem Entfernen ähnliche ^.(„j .jig,,, Mucin fand E. HOLMGKEN -) in den Snbniaxillarisdrüsen vom Rinde kein Mucinogcu aber ein mneinähnliches Glykonukleoproteid. Der Speichel ist ein Gemenge von deu Sekreten der obengenannten Drüsengruppen, und es dürfte deshalb auch passend sein, erst ein jedes der verschiedenen Sekrete für sieh und dann den gemischten Speichel zu be- sprechen. Der Subinaxillarisspeleliel kann beim Menschen leicht durch Einführung einer Kanüle durch die Papillaröfl'iiung in den WnARTOx'schen Ausführungs- gang aufgefangen werden. Der Submaxillarisspeichel hat nicht immer dieselbe Zusammensetzung oder Beschaffenheit, was , wie Versuche an Thieren gezeigt haben , wesentlich von den Verhältnissen, unter welchen die Sekretion stattfindet, abhängig ist. Die Absonderung ist nämlich theils — durch in der Chorda tympani verlaufende vcrsehie- Facialisfasem — von dem cerebralen, theils — durch in die Drüse mit deu deiie Arten vou Sui) Gefässen hineintretende Fasern — von dem sympathischen Nervensysteme ab- iiiasillaria- ./ * .... Speichel, hängig. In Uebereinstimmung hiermit unterscheidet man auch zwei verschiedene Arten von Submaxillarissekret, nämlich Chorda- und SympatMcusspeichel. Hierzu kommt noch eine dritte Art von Speichel, der sogen, paralytische Speichel, welcher nach Vergiftung mit Curare oder nach Durchschueidung der Drüsennerven abgesondert wird. Der Unterschied zwischen Chorda- und Syrapathicusspeichel (beim Hunde) bezieht sich hauptsächlich auf die quantitative Zusammensetzung und er besteht darin, dass der weniger reichlich abgesonderte Sympathicusspeichel mehr dick- flüssig, zähe und reich an festen Stoffen, besonders Mucin, als der reichlich abgesonderte Chordaspeichel ist. Nach Eckhahd^) hat der Chordaspeichel des Unter- Hundes ein spez. Gewicht von 1,0039—1,0056 und einen Gehalt von 12 bis zwfsdfcu 1-i P- "1- testen Stoffen. Der Sympathicusspeichel dagegen hat ein spez. Ge- ''s^p^ath^ wicht vou 1,0075—1,018 mit 16—28 p. m. festen Stoffen. Die Gase des ™"'P"'=^'°' Chordaspeichels sind von Pflüger*) untersucht worden. Er fand 0,5—0,8 p. c. Sauerstoff: 0,9—1,0 p. c. Stickstoff und 64,73—85,13 p. c. Kohlensäure bei 1) Cit. nach v. Gorüp-Besanez' Lehrb. d. physiol. Chem. 4. Aufl. S. 732. Die da angefiihrten Zahlen: bezw. 790,30, 204,5(3 und 15,14 geben zusammen nicht 1000, sondern 1010 Theile. 2) üpsala Läkaref. Förh. (N. F.) 2, auch Mai.y's .Taliresber. 27. S) Cit. nach KÜHNE, Lehrl). d. physiol. Chem. S. 7. *) PflüGEK's Arch. 1. Speichel. 253 0" unil 7G0 mm. Die Hauptmasse der Kohlensäure ist fest chemisch ge- bunden. Beim Menschen hat mau bisher die zwei obengenannten Arten des Sub- maxillarissekretes nicht gesondert studiren können. Die Absonderung wird bei ihm durch psychische Vorstellungen, durch Kaubewegungen und durch Reizung der Mundschleimhaut, besonders mit sauer schmeckenden Stoffen, hervorgerufen. Der Submaxillarisspeichel des Menschen ist gewöhnlich klar, ziemlich dünn- |Subm.iin-^^ flüssig, ein wenig fadenziehend und leicht schäumend. Die Reaktion ist alkalisch, jj^^^'g^^en. Das spez. Gewicht 1,002—1,003 und der Gehalt an festen Stoffen 3,6—4,5 p. ni.'). Als organische Bestandtheile hat man Mucin, Spuren von Eiweiss und diasta- lischem Enzym, welch' letzteres bei mehreren Thieren fehlt, gefunden. Die anorganischen Stoffe sind Alkalichloride, Natrium- und Magnesiuniphosphat nebst Bikarbonaten von Alkalien und Calcium. Auch Rhodaukalium kommt in diesem Speichel vor. Der Sublingualisspeichel. Die Absonderung dieses Speichels steht eben- falls unter dem Einflüsse des cerebralen und des sympathischen Nervensystemes. Der nur in spärlicher Menge abgesonderte Chordaspeichel enthält zahlreiche subiingua- Speichelkörperchen, ist aber sonst durchsichtig und sehr zähe. Er reagirt al- i'sspeidiei. kaiisch und hat nach Heidexhain^) 27,5 p. m. feste Bestandtheile (beim Hunde). Das Sublingualissekret des Menschen ist klar, schkimähnlich, stärker al- kalisch als der Sunma.xillarisspeichel. Es enthält Mucin, diastatisehes Enzym \ind Rhodanalkali. Der Miiiulsclileim kann nur von Thieren nach dem von Bidder und Schmidt angewendeten Verfahren (Unterbindung der Ausführungsgänge sänunt- licher grossen Speicheldrüsen und Absperrung ihres Sekretes von der Mund- höhle) rein gewonnen werden. Die Menge der unter diesen Verhältnissen ab- uuiui- gesouderteu Flüssigkeit ist (beim Hunde) so äusserst gering, dass die genannten Forscher im Laufe einer Stunde nicht mehr als etwa 2 g Mundschleim erhalten konnten. Der Mundschleim ist eine dicke, fadeuziehende, sehr zähe, niuciu- haltige Flüssigkeit, welche reich an Formelementen, vor allem Plattenepithel- zellen, Schleimzellen und Speichelkörpercheu i.st. Die Menge der festen Stoffe in dem Mundschleime des Hundes beträgt nach Bidder und Schmidt ') 9,98 p. m. Der Parotisspeicliel. Auch die Absonderung dieses Sekrets wird theils von dem cerebralen Nervensysteme (N. glossopharyngeus) und theils von dem sympathischen vermittelt. Die Absonderung kann durch psychische Einflüsse und durch Reizung der Drüsennerven, sei es direkt (bei Thieren) oder reflek- torisch durch chemische oder mechanische Reizung der Mundschleimhaut, hervor- gerufen werden. Unter den chemischen Reizmitteln nehmen die Säuren den Parotis- Bpeiehel. l) Vergl. Maiy, Chemie der Verdauungssäfte und der Verdauung in Hermann's Hand- buch. 5. Th. 2. S. 18. In diesem Artikel findet man auch die einschlägige Litteratur. -) Studien d. physiol. Instituts zu Breslau. Heft 4. '■>) Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel. Mitau und Leipzig 1852. S. 5. 254 Neuntes Kapitel. ersten Rang ein, während Alkalien und scharf schmeckende Stoffe wenig: wirk- sam sein sollen. Süss schmeckende Stoffe, wie Honifr, sollen angeblich un- wirksam sein. Das Kauen übt auch einen starken Einfluss auf die Absonderung des Parotissekretes aus, was besonders deutlich bei einigen Pflanzenfessern zu sehen ist. Parotisspeichel vom Menschen kann durch Einfuhren einer Kanüle in den Ductus Stenonianus leicht aufgesammelt werden. Der Speichel ist dünnflüssig, schwächer alkaliseh als der Submaxillarisspeichel (die ersten Tropfen sind bisweilen neutral oder sauer), ohne besonderen Geruch oder Geschmack. Er enthält ein wenig Eiweiss, aber — was aus dem Baue der Drüse zu er spekheiVies warten ist — kein Mucin. Er enthält auch ein diastatisches Enzym , welches Mensi^hen. dagegen bei mehreren Thieren fehlt. Der Gehalt an festen Stoffen schwankt zwischen 5 und 16 p. m. Das spez. Gewicht ist 1,003 — 1,012. Rhodanalkali Scheint, wenn auch nicht konstant, vorzukommen. In menschlichem Parotis- speichel fand KüLz') in Maximo 1,46 p. c. Sauerstoff, 3,8 p. c. Stickstoff und im Ganzen 66,7 p. c. Kohlensäure. Die Menge der fest gebundenen Kohlen^ säure war 62 p. c. Der g;einisclite Muiulspcieliel ist beim Menschen eine farblose, schwach opalisirende, ein wenig fadenziehende, leicht schäumende Flüssigkeit ohne be- sonderen Geruch oder Geschmack. Er ist von Epithelzellen, Schleim- und Speichelkörperchen, oft auch von Residuen der Nahrung getrübt. Wie der Sub- maxillaris- und der Parotisspeichel überzieht er sich an der Ijuft mit einer, aus Calciumkarbonat mit ein wenig organischer Substanz bestehenden Haut oder Geiuisditer w'rd allmählich etwas trübe. Die Reaktion ist regelmässig alkalisch auf Lack- speTdiei. mus, und nach Chittenden und Ely entspricht die Alkalescenz einer Lösung von 0,8 p. m. Na.jC03. Die Alkalescenz schwankt jedoch (Chittenden und Richard's) und die Reaktion kann auch sauer sein, was nach Sticker ^) einige Zeit nach den Mahlzeiten der Fall sein soll. Das spez. Gewicht schwankt zwischen 1,002 und 1,008 und die Menge der festen Stoffe zwischen 5 — 10 p. m. Die festen Stoffe bestehen, abgesehen von den schon genannten Formbestandtheilen, aus Eiweiss, Mucin, zwei Enzymen, Ptyalin., und Glulcase, und Mineral- stoffen. Auch Harnstoff soll ein normaler Bestaudtheil des Speichels sein. Die Mineralstoffe sind Chloralkalien, Bikarbonate von Alkalien und Calcium, Phos- phate, Spuren von Sulfaten, Nitriten, Rhodanalkali (0,1 p. in. nach Munk) und Ammoniak. Der Nachweis des Rhodanalkalis, welches, wenn auch nicht ganz kon- stant, in dem Speichel des Menschen und einiger Thiere vorkommt, kann leicht in der Weise geführt werden , ilass der Speichel mit Salzsäure angesäuert und dann mit einer sehr verdünnten Lösung von Eisenchlorid versetzt wird. Der 1) Zeitschr. f. Biologie 23. i) Chittenden und Ely, Ber. d. deutsch, ehem. Gcsellsih. 16. Ref. S. 974. Chittenden und Richards, Americ. Journ. ot Physiol. 1898. Stickeb, Cit. nach Centralbl. f. Physiol. 3. S. 237. Ptyalin. 255 Kontrole halber muss dabei jedoch, bei Gegenwart von sehr kleinen Giengen, ^^'^^^'j^^^j^^jj. eine andere Probe mit derselben Menge augesäuerten Wassers und Eisenchlorid aikaiis. damit verglichen werden. Andere Methoden sind von Gscheidlen und Soleka augegeben worden. Die quantitative Bestimmung kann man nach der Methode von J. MuxK ') ausführen. Ptyalin oder Speicheldiastase nennt man das amylolytische Enzym des Speichels. Dieses Enzym findet sich in dem Speichel des Menschen -) aber nicht in dem aller Thiere, insbesondere nicht bei den typischen Carnivoren. Es kommt nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei neugeborenen Kindern ptyalin. vor. Nach Zweifel*) soll das Ptyalin bei Neugeborenen nur in der Parotis- drüse, nicht aber in der Submaxi llarisdrüse vorkommen. In dieser letzteren tritt es erst zwei Monate nach der Geburt auf. Beim Pferde enthält der Speichel (Parotisspeichel), wie H. Goldschmidt*) gezeigt hat, nicht fertiges Ptyalin, sondern das Zymogen desselben, während bei anderen Thieren und beim Menschen das Ptyalin bei der Sekretion aus dem Zymogen entsteht. Beim Pferde wird das Zymogen beim Kauen der Speisen in Ptyalin übergeführt, und der Ansloss hierzu scheint von Bakterien auszugehen. Durch Ausfällung mit Alkohol geht das Zymogen ebenfalls in Ptyalin über. Das Ptyalin ist bisher nicht in reinem Zustande isolirt worden. Am reinsten erhält man es nach der Methode von Coh.nheim''), welche darin besteht, (lass man es erst mit Calciumtriphosphat mechanisch niederreisst, dann den Niederschlag mit Wasser auswäscht, wobei das Ptyalin vom Wasser gelöst wird, Stellung des und endlich mit Alkohol fällt. Zum Studium oder zur Demonstration der P'yhns. Wirkungen desselben kann man einen Wasser- oder Glycerinauszug der Speichel- drüsen oder einfacher den Speichel selbst benutzen. Das Ptyalin ist wie andere Enzyme durch seine Wirkung charakterisirt. Diese besteht darin, dass es Stärke in Dextrine und Zucker überführt, lieber den hierbei stattfindenden Vorgang ist man nicht ganz im Klaren. Oft stellt man sich aber die Sache folgendermassen vor. In dem ersten Stadium tritt lösliche Stärke, Amidulin, auf. Aus dem Amidulin entsteht durch hydrolytische Spaltung Erythrodextrin und Zucker. Das Erythrodextrin spaltet sich dann in ein Achroodextrin a und Zucker. Aus diesem Achroodextrin entsteht durch Spaltung das Achroodextrin ß und Zucker, und endlich spaltet sich das letzt- genannte Achroodextrin in Zucker und Achroodextrin ■/. Nach einigen Forsehern ist indessen die Anzahl der als Zwischenstufen entstehenden Dextrine eine andere^). Bezüglich der Art des hierbei entstehenden Zuckers ist man erst in neuerer Zeit zur Klarheit gelangt. Während man längere Zeit den aus Stärke und Glykogen entstehenden Zucker als Traubenzucker bezeichnete, zeigten 1) GSCHEIDI.RN, Maly's Jahresber. 4. Solera, vergl. ebenda 7 u S ; MlNK, ViRCilow's Arch. 69. 2) Ueber Schwankungen in dem Ptyalingehalte des menschlichen Speichels vcigl. man HoFBADER, Centralbl. f. Physiol. 10 und Chittenden und Richards 1. c. 3) Untersuch, über den Verdauungsapparat der Neugeborenen. Berlin 1874. 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 10. ä) Virchow's Arch. 28. G) Vergl. Kap. 3 S. 88. 256 Neuntes Kapitel. erst Seegen und O. Nasse, dass diese Aunahme nicht richtig war. MrsciiLUS und V. Merixg zeigten darauf, dass der bei der Einwirkung von Speichel, Pan- kreasferment und Diastase auf Stärke und Glykogen gebildete Zucker zum /^'ifkung allergrössten Theil aus Maltose besteht, was später von Brown und Heron auf stärke, ijegtjjtigt, vvurdc. Endlich haben auch E. Külz und J. Vogel i) den Beweis geliefert, dass bei der Saecharifikation der Stärke und des Glykogen.s Isomaltose, Maltose und etwas Dextrose in je nach der Fernientmenge und der Versuch- dauer etwas wechelnden Mengen entstehen. Die Glukosebildung scheint indessen nur das Produkt einer Invertirung der Maltose durch die Glukase zu sein (Tebb, RöHMANN und Hamburger ^). Das Ptyalin hat man bisher allgemein , auf (irund des angeblich ver- schiedenen Temperaturoptimums des Ptyalins und der IMalzdiastase, als mit der letzteren nicht identisch angesehen. Die Richtigkeit einer solchen Ansicht ist indessen durch die Untersuchungen von PriiLiESE ^) zweifelhaft geworden. Ueber die Wirkung des Ptyalins bei verschiedener ReaJdion liegen zahl- reiche Untersuchungen vor*). Natürlicher, alkalisch reagirender Speichel wirkt kräftig, aber nicht so kräftig wie neutralisirter. Noch kräftiger kann der Speichel unter Umständen bei äusserst schwach saurer Reaktion wirken, und nach Chittenden und Smith wirkt er besser, wenn man so viel Salzsäure zu- setzt , dass das vorhandene Eiweiss damit gesättigt wird , als wenn man ein- fach neutralisirt. Wenn aber das so gebildete Säureeiweiss einen gewissen Gehalt übersteigt, so wird die diastatische Wirkung abgeschwächt. Zusatz von Alkali zu dem Speichel setzt die diastatische Wii-kung herab, durch Neutrali- sation mit einer Säure, auch Kohlensäure, wird aber die verzögernde oder hemmende Wirkung des Alkalis aufgehoben. Nach Schierbec.k wirkt die gjijjjyj.^ j^_. Kohlensäure auch in neutralen Flüssigkeiten befördernd, nach Ebstein dagegen meWirkun" '" *^^'' ^^S^^ hemmend ein. Sowohl organische wie anorganische Säuren können, iiesPtyaiins. j,^ genügender Menge zugesetzt, die Wirkung des diastatischen Enzymes voll- ständig hemmen. Derjenige Säuregrad, bei welchem diese Wirkung eintritt, ist nicht für eine bestimmte Säure stets dieselbe, sondern er hängt von dem Ferment- gehalte ab, und zwar so, dass derselbe Säuregrad bei höherem Fermentgehalte ceteris paribus schwächer als bei einem niedrigeren Fermentgehalte wirkt. Von besonderer physiologischer Bedeutung ist in dieser Hinsicht die Salzsäure, welche 1) Seegen, Centi-albl. f. d. med. VVissenseh. 1876 und Pri.ÜGER's Ardi. 19; Nasse, fbendii 14; Musculus und v. Meking, Zeitsclu-. f. physiol. Cheni. 2; Brown und Heron, LiEBiG's Annal. 199 u, 204; KÜLZ und YOGEL, Zeitsclu-. t. Bioloijie 31. 2) Tebb, Journ, of Physiol. 15. Röhmann, lior. d. deutseli. cliom. Gosellsoli. 27; Hamburger, Pflüger's Arch. 60. 3) Pflüger's Arch. 69. ^) Vergl. Hammabsten, JIaly's Jahrosber. 1. Chittenden und Griswöld, ebenda 11. Lakgley, Jouru. of Physiol. 3. Nylen, Maly's Jahresber. 12. Chittenden und Ely, ebenda. Langley und EvES, Journ. of Physiol. 4. Chittenden und H Smith, Yale College. Studies. 1. New Haven 1S85. Schlesinger, Virchow's Arch. 125. Shierbeck, Skand. Arch. f. Physiol, 3. Ebstein und C. Schulze, VirchowV Anh. 134. Wirkung des Ptvalins. 257 schon in sehr geringer Menge, 0,03 p. m., die Zuekerbildung verhindern kann. Die Salzsäure hat übrigens nicht nur die Fähigkeit die Zuekerbildung zu ver- hindern, sondern sie zerstört auch, wie Langlet, Nylen u. a. gezeigt haben, das Enzym gänzlich , was mit Rücksicht auf die physiologische Bedeutung des Speichels von Wichtigkeit ist. Von Interesse ist ferner, das die gekochte Stärke (der Kleister) rasch, die ungekochte dagegen nur langsam verzuckert wird. Verschiedene Arten von ungekochter Stärke werden übrigens ungleich rasch umgesetzt. Die Geschwind igJceif, niit welcher das Ptyalin wirkt, wächst wenigstens unter sonst günstigen Verhältnissen mit der Enzymmenge und, bis etwas über + 40" C, mit steigender TemperafKr. Fremde Zusätze, wie Metcdlscdze^), üben eine verschiedene Wirkung aus. Einige Salze wirken ausschliesslich und schon in kleinen Mengen (HgClä z. B. schon bei Gegenwart von nur 0,05 p. m vollständig) hemmend. Andere, wie das Magnesiunisulfat, zeigen in kleinen Mengen (0,25 p. m.) eine fördernde, in grösseren Mengen (5 p. m.) eine hem Einflussver- raende Wirkung. Gegenwart von Penton kann nach Ciiittenden und Smith Umstände o o j. auf nie u. A. günstig auf die Zuckerbildung einwirken. Die Anhäufung der araylo- ''"i'^^""; lytischen Zersetzungsprodukte wirkt dagegen hemmend auf die Wirkung des Speichels ein. Dies hat vor allem Sh. Lea^) durch i)esoudere Versuche be- wiesen. Er hat nämlich Parallelversuche mit Verdauung im Reagenzglase und im Dialysator angestellt und dabei gefunden, dass bei Entfernung der amylolyti- schen Zerselzungsprodukte durch Dialyse nicht nur die Zuekerbildung rascher von statten ging, sondern auch bedeutend mehr Maltose und weniger Dextrin gebildet wurden. Um die Wirkung des Speichels oder des Ptyalius auf Stärke zu zeigen, kann man die drei gewöhnlichen Zuckerproben, die MoOKEsche oder die Tkommer- sche Probe oder die Wisrauthprobe benutzen (vergl. Kap. 15 über den Harn). Kachweis Dabei ist es jedoch der Kontrole halber nothwendig, den Kleister und den ''""'.P'J'"||"- Speichel zuerst auf die Abwesenheit von Zucker zu prüfen. Man kann auch durch Prüfung mit Jod die stufenweise Umwandlung der Stärke in Amidulin, Erythrodextriu und Achroodextrin verfolgen. Die Gluhase kommt in dem Speichel in nur geringer Menge vor. Sie führt die Maltose in Glukose über. Nach Sticker ^) hat der Speichel auch die Fähigkeit, aus dem schwefelhaltigen Gele von Rettig, Radischen, Zwiebel und einigen anderen Küchengewächsen Schwefelwasserstoff abzuspalten. Die quantitative Zusammensetzung des gemischten Speichels muss natür- lich aus mehreren Gründen, nicht nur in Folge individueller Verschiedenheiten, sondern auch in Folge einer bei verschiedenen Gelegenheiten ungleichen Be- theiligung der verschiedenen Drüsen an der Sekretion nicht unbedeutend wechseln können. Als Beispiele von der Zusammensetzung des menschlichen 1) Vergl. hieiübcr besoudeis O. Nasse in PflÜger's Areli. 11 und Chittenpex und I'AINTER, Yale College. Studios. 1. New Haven 1885. 2) Journ. of Physiol. 11. 3) Münch. med. Wochenschr. 43. Hani marstcii. Physinlogisclic Olioiiiii-. Vinrtc AuflaKt. 17 258 Neuntes Kapitel. Speichels werden hier einige Analysen angeführt. Die Zahlen beziehen sich auf lÜOO Theile. Wasser Feste Stoffe Zusammen- Sehleim luul Epithel . . . ^Spekhefs^^ I'ösliehe orgaii. Substanz . (Ptyalin älterer Forscher) RhoJanalkali Salze 992,9 7,1 1,4 3,8 1,9 995,16 4,84 1,62 1,34 0,06 1,82 994,1 5,9 2,13 1,42 0,10 2,19 5 >J HO 988,3 11,7 994,7 5,3 3,5—8,4 in liltrirtem Speicliel 0,064—0,09 mS 994,2 5,8 2,2 1,4 0,04 2,2 soüderton Speieliols. Absontler- img des Speiehcla. 1000 Theile Asche von menschlichem Speichel enthielten in ileu Analysen von H.VMMER- B.\cnER 457,2 Kali, 95,9 Natron, 50,11 Eisenoxvd, 1,55 Magnesiumoxyd, 63,8 Schivelelsäure (SO3), 188,48 Phosphorsäure (P.Os) und 183,52 Chlor. Die Menge des während 24 Stunden vom Menschen abgesonderten Spei- chels lässt sich nicht genau bestimmen, ist aber von Bidder und Schmidt zu 1400 bis 1500 g berechnet worden. Am lebhaftesten ist die Absonderung während der Mahlzeit. Nach den Berechnungen und Bestimmungen von Tliczek^) soll beim Menschen 1 g Drüse während des Kauens etwa 13g Sekret im Laufe von einer Stunde liefern können. Diese Zahl stimmt mit den bei Thiereu pro 1 g Drüse gefundenen Mittelzahlen, 14,2 g beim Pferde und 8 g bei Rindern, ziemlich genau überein. Die Menge des Sekretes pro eine Stunde kann also 8 — 14 Mal grösser als die ganze Drüsenmasse sein, und es giebt wohl auch, soweit bisher bekannt, im ganzen Körper keine Drüse — die Nieren nicht aus- genommen — deren absondernde Fähigkeit unter physiologischen V^erhältnissen derjenigen der Speicheldrüsen gleichkommt. Eine ausserordeutlich reichliche Speichelabsonderung ruft das Pilokarpin hervor, während das Atropin dagegen die Absonderung aufhebt. Wenn auch eine reichliche Speichelabsonderung in der Regel bei ver- mehrter Blutzufuhr auftritt, so ist jedoch, wie aus folgenden Verhältnissen her- vorgeht, die Speichelabsonderung kein einfacher Filtrationsprozess. Der Sekretions- druck ist höher als der Blutdruck in der Karotis, und bei Vergiftung mit Atropin, welches die sekretorischen Nerven lähmt, wird durch Chordareizung zwar eine vermehrte Blutzufuhr aber keine Sekretion hervorgerufen. Die Speichel- drüsen haben ausserdem eine spezifische Fähigkeit gewisse Substanzen, wie z. B. Kaliumsalze (Salkowski ^), Jod- und Bromverbindungen, dagegen nicht andere, 1) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 5. Die übrigen Analysen sind citirt nacli ilALY, Chemie der Verdauungssäfte in Hermann's Handbuch d. Physiol. 5. Th. 2. S. 14. 2) BiDDEii und Schmidt 1. c. S. 13: Tfczek, Zeitsehr. f. Biologie 12. 3) ViRCHOw's Arch. 53. Speichel und Speicheikonkiemen te. 259 wie z. B. Eisen Verbindungen, zu eliminiren. Ueberdies muss auch bemerkt werden, dass der Speichel, wenn die Absonderung durch allmählich gesteigerte Reizung rascher und in grösserer Menge geschieht, reicher an festen Stoffen als bei mehr langsamer und weniger ausgiebiger Sekretion wird (Heidenhain). Mit wachsender Absonderungsgeschwindigkeit steigt auch der Salzgehalt bis zu einem gewissen Grade (Heidenhain, Werthei',, Langley und Fletciier, Novi*)_ Wie die Absonderungsvorgänge im Allgemeinen, so ist also auch die Ab- sonderung des Speichels an besondere, in den Zellen verlaufende Prozesse ge- bunden. Die Art dieser in den Zellen bei der Absonderung verlaufenden chemischen Vorgänge ist noch unbekannt. Die j)hysiologische Bedeutung des Speicheln. Durch seinen Reichthum an Wasser ermöglicht der Speichel nicht nur die Einwirkung gewisser Stoffe auf die Geschmacksorgane, sondern er wird auch ein wahres Lösungsmittel für einen Theil der Nahrungsstofie. Die Bedeutung des Speichels für das Kauen physioiogi- ist besonders bei Pflanzenfressern aufTallend, und ebenso unzweifelhaft steht es dciitimg^des fest, dass der Speichel das Schlucken wesentlich erleichtert. Die Fähigkeit, P'*'""'^- Stärke in Zucker umzusetzen, konnnt nicht dem Speichel aller Thiere zu und sie hat bei verschiedeneu Thieren eine ungleiche Intensität. Beim Menschen, dessen Speichel kräftig verzuckernd wirkt, kann eine Zuckerbildung aus (ge- kochter) Stärke unzweifelhaft schon in der Mundhöhle stattfinden. In wie weit aber diese Wirkung, wenn der Bissen in den Magen gelangt ist, fortwährend zur Geltung kommen kann, hängt von der Geschwindigkeit, mit welcher der saure Magensaft in den verschluckten Speisen hiueindringt und mit denselben sich vermischt, wie auch von dem Mengenverhältnisse des Magensaftes und der Speisen in dem Magen ab. Die reichlichen Mengen Wasser, die man mit dem Speichel verschluckt, müssen wieder resorbirt werden und in das Blut über- gehen und sie müssen also in dem Körper einen intermediären Kreislauf durch- machen. In dem Speichel besitzt also der thierische Organismus ein kräftiges Mittel, während der Verdauung einen vom Darmkanal zum Blute gehenden, die gelösten oder fein vertheilten Stoffe mitführenden Flüssigkeitsstrom zu unter- halten. Speichelkonkremente. Dei' sou;. Zuhnsteiii ist gelb, grau, gelbgrau, braun oder schwarz und hat eine geschichtete Struktur. Er kann mehr als 200 p. m. organische Sub- stanz, darunter Muciu , Epithel und Leptuthri.xketten enthalten. Die Hauptmasse der anor- ganischen Bestandtheile besteht aus Calciumkarbunat oder Phosphat. Die Speichelst eine, Speichel- deren Grösse sehr, von der Grösse kleiner Körnelien bis zu derjenigen einer Erbse oder noch kon- mehr (man hat einen Speichelstein von 18,6 g Gewicht gefunden) wechseln kann, enthalten >"-'""'" <^- ebenfalls eine wechselnde Menge, 50 — 380 p. m., organische Substanz, welche bei der Ex- traktion der Steine mit Salzsäure zuriiekbleibt. Der Hauptbestandtheil der auorganisclien Substanz ist Calciumkarbonat. 1) Heidenh.un, PELtJGER's Arch. 17 ; Wekther, ebenda 38; Langley und Fletcher, l'roc. roy. Soc. 45, und besonders Philos. Irans, niy. Soe. London 180; Xovi, De Bois- Rrymond'b Arch. 1888. 260 Neuntes Kapitel. IL Die Drüsen der Magenschleimhaut und der Magensaft. Seit Alters her unterscheidet mau zwei verschiedene Arten von Drüsen in der Magenschleimhaut. Die einen, welclie in grösster Verbreitung vorkommen und besonders im Fundus die bedeutendste Grösse haben, nennt man Fundiis- driisen, auch Labdrüsen oder Pepsindrüsen. Die anderen, welche nur Drüsen der '1 ^^^ Umgebung des P3'lorus vorkommen , werden Pißorusdrüscti . bisweilen Schleimhaut, ^uch, obzwar uurichtig, Schleimdrüsen genannt. Die Magenschleimhaut ist sonst in ihrer ganzen Ausdehnung mit einem einschichtigen Cylinderepithel bekleidet, welches durchgehends als aus Schleimbechern bestehend betrachtet wird und durch eine schleimige Metamorphose des Protoplasmas Schleim produziren soll. Die Fiindusdrüseii enthalten zwei Arten von Zellen: adelomorphe oder Hauptzellen und delomorphe oder Belegzellen, die letzteren früher allgemein auch Lab Zeilen, Pepsinzellen, genannt. Diese zwei Art€n von Zellen bestehen aus einem eiweissreichen Protoplasma; ihr Verhalten zu Farbstoffen scheint aber darauf hinzudeuten, dass die Eiweissstoffe beider nicht drtoen" identisch sind. Die Kerne dürfen wohl hauptsächlich aus Nuklein bestehen. Neben den nun genannten Bestaudtheilen enthalten die Fundusdrüsen, ausser ein wenig Fett und Cholesterin, als mehr spezifische Bestandtheile zwei Zymogene, welche die Mutterstoffe des Pepsins und des Labs sind. Die Pjiorusdrüseu enthalten Zellen, welche im Allgemeinen als den oben genannten Hauptzellen der Fundusdrüsen nahe verwandt betrachtet werden. Früher glaubte man in diesen Drüsen einen grösseren Gehalt an Mucin an- nehmen zu können , aus welchem Grunde sie auch Schleimdrüsen genannt wurden. Nach Heidexhai.\ betheiligen sie sich jedoch, abgesehen von dem drüscn. Cylinderepithel der Ausführungsgänge, in keinem neunenswerthen Grade an der Schleimbildung, welche, seiner Ansicht gemäss, von dem die Schleimhaut aus- kleidenden Epithel vermittelt werden soll. Auch die Pylorusdrüsen scheinen die zwei oben genannten Zijmoyene zu enthalten. Von Mineralstoffen sind in der Magenschleimhaut Alkalichloride, Alkaliphosphat und Calciumphosphat ge- funden worden. Bei der Verdauung der Mageusehleimhaut mit Popsinelilorwasserstoft'säure liat I^ieber- mann') einen sauer reagirendeu Rückstaud erlialten, der auflallender Weise kein Nuklein enthalten, sondern nur aus lecithinhaltigem Eiweiss, Leeithalbumin, bestehen soll. Diesem Leeitbalbumin schreibt er eine grosse Bedeutung bei der Absonderung der Salzsäure zu (vergl. unten). Der Magensaft. Durch die Beobachtungen von Helm und Beaumont an Menschen mit Magenfisteln wurde der Anstoss zum Anlegen von Magenfisteln an Thieren gegeben und diese Operation wurde auch zum ersten Male 1842 von Bassow^) an einem Hunde ausgeführt. An einem Menschen führte Verneuil 1) Pflügek's Arch. 50. 2) Helm, cit. nach Mai,y in Hekmann's Handbuch ä Th. 2 S. 39. Beaumont, Neue Versuche und Beobacht. über d. Magensaft, l'ebersetz. von Lüden. Leipzig 1834 ; Bassow, cit. nach Maly a. a. O. S. 38; Verneuii. , vergl. Ch. Eichet, Du Suc gastricjue chez l'homme etc. Paris 1878. S. 158. Absonderung des Magensaftes. 261 im Jahre 1876 diese Operation mit glücklichem Erfolge aus. In der letzten Zeit hat namentlich Pawlow^) um die Vervollkommnung der Mageufistel- operatiou au Thieren und das Studium der Magensaftabsouderung sich sehr verdient gemacht. Die Absonderung des Magensaftes ist, wenigstens beim Menschen und den bisher näher untersuchten Süugethieren, nicht kontinuirlich. Sie kommt nur durch psychische Einflüsse wie auch durch Reizung der Schleimhaut zu Stande. Der gewöhnlichen Anschauung gemäss können die Reizmittel von mechanischer, thermischer und chemischer Art sein. Zu den chemischen Reizmitteln rechnet man Alkohol und Aether, welche jedoch in zu grosser Konzentration keine physiologische Sekretion sondern die Transsudation einer neutralen oder schwach ''\S'ng"der alkalischen Flüssigkeit hervorrufen. Es gehören hierher ferner angeblich ge- ^afle". wisse Säuren, Kohlensäure, Neutralsalze, Fleischextrakt, Gewürze und andere Stoffe, aber leider sind die Angaben hierüber sehr unsicher und einander wider- sprechend. Die eingehendsten Untersuchungen über die Sekretion des Magensaftes (beim Hunde) rühren von Pawlow und seinen Schülern ^) her. l'iu einen reinen, von Speicliel und Speiseresten freien Magensaft zu gewinnen , haben sie ausser der Magenfistel auch eine Oesophagiisfistel angebracht, durch welche die verscliluckte Nahrun!,', ohne in den Jlagcn zu gelangen, neben dem Speichel herausfällt, wodurch eine Scheinfiitteruug luiiglich wird. In dieser Weise ist es möglieh , den f^iufluss des psychischen Momentes einerseits und der direliten Einwirkung der Nahrung auf die Magenschleimhaut Uutersu^-h- andercrscits gesondert zu sfudiren. Nach einem ursprünglich von Heiden'HAIN angegebenen, methodeii später von Pawlow und Khigine verbesserten Verfahren ist es ihnen auch gelungen, durch vonPawlow. partielle Resektion des Fundustheiles des Magens, einen Blindsack zu erzeugen, in welchem die Sekretionsvorgänge stiidirt werden können, während die Verdauung im übrigen Magen im Gange ist. In dieser Weise war es ihnen möglich , die Einwirkung verschiedener Nahrung auf die Sekretion zu studiren. Die wesentlichsten Ergebnisse der Untersuchungen von Pawlow und seinen Schülern sind folgende. Mechanische Reizung der Schleimhaut ruft keine Se- kretion hervor. Ebenso wenig vermögen chemische und mechanische Reize der Mund- schleimhaut eine reflektorische Erregung der sekretorischen Nerven des Magens auszulösen. Es giebt nur zwei Momente, welche die Sekretion hervorrufen, näm- lich das psychische Moment — das leidenschaftliche Verlangen nach Speisen und das Gefühl der Befriedigung und Wonne bei ihrem Genüsse — und das chemische Moment, die Einwirkung gewisser chemischer Substanzen auf die Magenschleimhaut. Das erste Moment ist das wichtigste. Die unter seinem Einflüsse auftretende, durch Vagusfasern vermittelte Sekretion tritt früher als a^g^nSerun" die durch chemische Reizmittel vermittelte auf, aber immer erst nach einer Pause "''"^ '^"°''*' von mindestens 4','2 Minuten. Diese Sekretion ist reichlicher aber weniger an- haltend als die ,, chemische"; sie liefert einen mehr sauren und kräftiger wirken- den Saft als diese. Als chemische Reizmittel, die von der Magenschleimhaut ') Pawlow, Die Arbeit der Verdauungsdrüseo. Wiesbaden 1898, wo die Arbeiten seiner Schüler auch besprochen sind. 0 1. e. 262 Neuntes Kapitel. Wirkung aus reflektoriscli die Sekretion auslösen, wirken nur AVasser und gewisse noch unbekannte Extrakt! vstofie, die im Fleisch und Fleischextrakt, in unreinem Pepton und auch, wie es scheint, in der Milch enthalten sind. Kohlensaure Al- kalien wirken eher hemmend als befördernd auf die Sekretion ein. Das Fett wirkt verzögernd auf das Auftreten der Sekretion und setzt sowohl die Menge des Saftes wie den Enzyragehalt desselben herab. Durch die „psychische" Se- kretion können an sich nicht als chemische Reizmittel wirkende Substanzen, wie z. B. Hühnereiweiss, verdaut werden, um dann vielleicht in zweiter Hand durch ihre Zersetzungsprodukte eine chemische Sekretion zu erzeugen. Die Mengen des während der Verdauung abgesonderten ' Saftes sind den Mengen der Nahrung proportionell, und die Magensaftabsonderung kann auch nach der Art der Nahrung sich ändern. Diese Wirkung der verschiedenen verschiede- Nahrungsmittel kann für Fleisch, Brod und Milch in folgender Weise in ab- ner Nähr- ° ung. steigender Reihe geordnet werden. Aeklilät Voi'ilammgst'ähigkeit Dauer der Absouderuug 1 Floisi-li Brod Brod 2 Milch Fleisch Fleisch 3 Brod Milch Mileli. Die Acidität ist also am grössten bei Fleisch- und am niedrigsten bei Brodfütterung; der Enzymgehalt dagegen am grössten bei Brodnahrung u. s. w. Ueber die Verhältnisse beim Menschen weiss man kaum etwas Sicheres und die Angaben gehen hier leider sehr auseinander. Dass auch bei ihm eine verschiedene Nahrung in verschiedener Weise die Sekretion beeinflusst, kann jedoch nicht bezweifelt werden, und es scheint, als wären auch beim Menschen die Extraktivstoffe des Fleisches die kräftigsten unter den chemischen Reiz- mitteln (Verhaegen*). Die qualitative und quantitative Zusammensetzung des Magensaftes. Der Magensaft, welcher beim Menschen nur sehr selten rein und frei von Re- siduen der Nahrung oder von Schleim und Speichel gewonnen werden kann, ist eine klare oder nur sehr wenig trübe, beim Menschen fast farblose Flüssig- keit von einem faden, säuerlichen Geschmack und stark saurer Reaktion. Als Formelemente enthält er Drüsenzellen oder deren Kerne) SchJeimlcörpcrchen und mehr oder weniger veränderte CylinderepithelselJen. Die saure Reaktion des Magensaftes rührt von freier Säure her, welche, wie die Untersuchungen von C Schmidt, Richet u. A. gelehrt haben, wenn der Magensaft rein und frei von Nahrungsmitteln ist, ausschliesslich oder fast ausschliesslich aus Salzsäure besteht. In dem reinen Magensafte von nüchternen Hunden hat indessen Contejean ^) regelmässig Spuren vonMilchsäure gefunden. Säuren des Nach der Aufnahme von Nahrung, besonders nach einer kohlehvdratreichea Magen- °' _ • saftcs. Mahlzeit, kann dagegen Milchsäure in reichlicherer Menge, bisweilen auch Essig- 1) Vergl. die Arbeiten von Vekhaegen in „La Cellule" 1896 u. 1897. 2) BiDDER und Schmidt, Die Verdauungssäfte etc. S. 44 u. f. RiCHET 1. c. Contejean, Contribulious il l'etude de la physiol. de l'cBtom.ac, Thescs Paris 1892 (F. Alcan). Magensaft. Pepsin. 263 säure und Buttersäure vorkommen. Der Gehalt des Magensaftes an freier Salzsäuie beträgt beim Hunde nach den gewöhnlichen Angaben gegen 2 — 3 p. m. Diese Angaben beziehen sich indessen offenbar nicht auf den reinen Magen- saft, denn nach Pawlow und seinen Schülern enthält der Magensaft des Hundes regelmässig 5 — 6 p. m. und deijenige der Katze als Mittel 5,20 p. m. HCl (RiASANTZEW '). Beim Menschen hat man bedeutende Schwankungen des Säure- grades gefunden; im Allgemeinen berechnet man aber den Gehalt an HCl ^^^l'^^g^n- 2 — 3 p. m. Nach den Versuchen von Verhaegen ist aber nicht daran zu ^"f*^^- zweifeln, dass der reine menschliche Magensaft bei ganz Gesunden einen höheren Säuregrad hat. Dass wenigstens ein Theil der Salzsäure des Magensaftes nicht frei in gewöhnlichem Sinne, sondern an organische Substanz gebunden ist, kann wohl nunmehr nicht bezweifelt werden-). Der ganz frische Magensaft scheint ein wenig gerinnbares Nukleoproteid gestand- zu enthalten, nach einigem Stehen enthält er auch Alhumosen. Unter den '^ägen-^ organischen Stoffen findet sich ausserdem ein wenig Muciii und weiter, wenig- saftes. stens beim Menschen, zwei Enzyme, das Fepsin und das Lah. Das spez. Gewicht des Magensaftes ist niedrig, 1,001 — 1,010. Dem ent- sprechend ist der Magensaft auch arm an festen Stoffen. Aeltere Analysen des Magensaftes von Menschen, Hund und Schaf haben C. Schmidt^) ausgeführt. Da indessen diese Analysen nur auf unreinen Magensaft sich beziehen, sind Qu^^tit^^j^^ sie von untergeordnetem Werth. Der Gehalt an festen Stoffen des speichel- ^"gg*t™™g"" freien Hunderaagensaftes war 27 p. m. mit 17,1 p. m. organischer Substanz. Der Gehalt an freier Salzsäure war 3,1 p. m. Im Uebrigen fand Schmidt NaCl 1,46; CaClä 0,6 ; KCl 1,1 ; NH^Cl 0,5, Erdphosphate 1,9 und FePO^ 0,1 p. m. Rhod an Wasserstoff fand Nencki*) in dem Hundemagensafte in einer Menge von 5 mg im Liter. Die neben der freien Salzsäure physiologisch wichtigsten Bestandtheile des Magensaftes sind das Pepsin und das Lab. Das Pepsin. Dieses Enzym findet sich, mit Ausnahme von einigen Fischen, bei allen bisher darauf untersuchten Rückgratsthieren. Das Pepsin kommt bei erwachsenen Menschen und neugeborenen Kindern vor. Bei neugeborenen Thieren ist dagegen das Verhalten etwas verschieden. Während bei einigen Pflanzenfressern , wie dem Kaninchen , das Pepsin schon vor der Geburt in der Schleimhaut vorkommt, fehlt dieses Enzym dagegen bei de"pe^ns". der Geburt gänzlich bei den bisher untersuchten Fleischfressern , dem Hunde und der Katze. Bei mehreren Evertebraten sind aueh Enzyme, welche in saurei' Lösung proteolytisch wirken, gefunden worden. Dass diese Enzyme indessen wenigstens nicht bei .illen Thieren mit dem gewöhnlieheu Pepsin identisch sind , dürfte unzweifelhaft sein. Nach Kn'G und ') Arch. des Scienc. biol. de St. Petersbourg 3. -) Vcrgl. RiCHET 1. c. C'ONTEJEAN 1. c Vekhaegen 1. c. Und die Littcratur übe Salzsäurebestimmung im Mageninhalte weiter unten. ^) 1. c. ■>) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 28. 264 Neuutes Kapitel. WröBLEWSki ') sollen übrigens die beim ilensehen und verschiedenen höheren Thieren ge- fundenen Pepsine etwas verschiedenartig :^ein. Darvvix u. A. haben weiter gefunden , das3 von gewissen insektenfressemlen Pflanzen ein saurer, eiweissloseuder Saft abgesondert wird; aber es dürfte jediieh mindestens zweifelhaft sein , ob bei diesen Pflanzen etwas Pepsin vor- kommt. Mehr oder weniger dem Pepsin ähnlich wirkende Enzyme sind im Pflanzenreiche von V. GOrup-Besanez (in Wickensamen), Necmetster (in Keimlingen) und Rtort^) (in einem Pilze, Polyporus sulphureus) gefunden worden. Das Pepsin ist ebensowenig wie andere Enzyme mit Sicherheit in reinem Zustande isolirt worden. Das von BiiücKE und Sun'DBERG dargestellte Pepsin verhielt sich den meisten Eiweissreagenzien gegenüber negativ und zeigte trotz- dem eine ungemein kräftige Wirkung, weshalb es als verhältnissmässig sehr rein betrachtet wird. Als das wahre Enzym bezeichnen Schoumow-Simanowski und PekelharI-\(; '^j ein in Wasser lösliches, beim Sieden gerinnendes Nukleo- proteid, das beim Abkühlen des ganz frischen Hundemagensaftes sich abscheidet und welches sogar in äusserst starker Verdünnung wirksam ist. Weitere Unter- suchungen über diese Substanz sind zweifelsohne sehr erwünscht. Das Pepsin Eigen- igt, wenigstens in unreinem Zustande, löslich in Wasser und Glycerin. Von sclLiften des ' " -^ . Pepsins. Alkohol wird es gefällt, aber nur langsam zerstört. In wässeriger Lösung wird es beim Erhitzen zum Sieden rasch zerstört. Nach Biernacki*) wird das Pepsin in neutraler Lösung bei -j- 55 " C. zerstört. Bei Gegenwart von 2 p. m. HCl ist eine Temperatur von*- -|- 55" C. ohne Einwirkung; bei -j-ßö" wird das Pepsin dagegen beim Erhitzen während 5 Minuten in der sauren Lösung zerstört. Bei Zusatz von Peptonen oder gewissen Salzen wird seine Wirkung beim Erhitzen während derselben Zeit erst bei + 70 " C. vernichtet. In trockenem Zustande kann das Pepsin dagegen sogar über 100" C. erhitzt werden, ohne seine physiologische Wirkung einzubüssen. Die einzige Eigenschaft, welche das Pepsin charakterisirt, ist die, dass es in saurer, aber nicht in neutraler oder alkalischer Lösung Eiweissstoffe unter Bildung von Albumosen und Pep- tonen löst. Die Methoden zur Darstellung eines verhältnissmässig reinen Pepsins gründen sich im Allgemeinen auf der Eigenschaft desselben, von fein vertheilten ^Niederschlägen anderer Stoffe, wie Calciumtriphosphat oder Cholesterin, mit des Pepsins, niedergerissen zu werden. Hierauf gründen sich auch die ziemlich umständ- lichen Methoden von Brücke und Suxdberü. PEKEi.iiARiNfi benutzt im Wesent- lichen eine anhaltende Dialyse und Ausfällung mit 0,2 p. m. HCl. P^ine für Verdauungsversuche geeignete, kräftig wirkende, verhältnissmässig reine Pepsin- lösung kann nach folgendem, von Maly^) angegebenen Verfahren gewonnen werden. Die Schleimhaut (von Schweinemägen) wird mit phosphor.säurehaltigeni Wasser infundirt, das Filtrat mit Kalkwasser gefällt, der Niederschlag, welcher 1) Klug, Pflüger's Areh. 60; Wköijlewski, Zeitsclir. f. phj-siol. Chem. 21. ä) V. Gorup-Besanez, Ber. d. deutsch, chem. Gesellscli. 7 u. 8; Neumeistee, Zeit- schrift f. Biologie 30; HJORT, Centralbl. f. Physiol. 10. 3) BRi'CKE, Wiener Sitzungsber. 43; SuNDBERG, Zeitschr. {. physiol. Chem. 9. SCHüMOw-SiMASOWSKi, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 33 : Pekelharing, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. ■i) Zeitschr. f. Biologie 28. 5) Pflüger's Areh. 9. Künstlich r Jlagensaft. 265 das Pepsin enthält, in Wasser durch Zusatz von Salzsäure gelöst und die Salze durch Dialyse entfernt, wobei das nicht difTundirende Pepsin im Dialysator ge- löst zurückbleibt. Eine zwar sehr unreine, aber pepsinreiche und jahrelang haltbare Pepsinlösung erhält man, wenn man nach dem Vorgange v. Wittichs ') die feie zerhackte Schleimhaut mit Glycerin oder besser mit Glycerin , welches 1 p. m. HCl enthält, extrahirt. Auf je ein Gewichtstheil der Schleimhaut kommen 10 — 20 Theile Glycerin. Nach 8 — 14 Tagen wird filtrirt. Aus diesem Extrakte kann man das Pepsin (neben viel Eiweiss) mit Alkohol ausfällen. Soll man das Extrakt direkt zu Verdauungsversuchen benutzen, so werden je 100 ccra, mit 1 — 4 p. m. HCl angesäuerten Wassers mit 2 — 3 ccni vom Ex- trakte versetzt. Zu Verdauungsversuehen kann man auch in mehreren Fällen einfach eine Infusion der Magenschleimhaut direkt benutzen. Die genau mit Wasser abgespülte Magenschleimhaut wird (wenn Schweinemägen verwendet werden) abpräparirt und fein zerschnitten. Bei Verwendung von Kalbsmägen wird nur die oberflächliche Schicht der Schleimhaut mit einem Uhrglase oder der Rücken- seile eines Messers abgeschabt. Die Schleimhautstückchen oder die beim Ab- schaben erhaltenen schleimigen Massen werden dann mit reinem Quarzsand zerrieben, mit angesäuertem Wasser infundirt, an einem kühlen Orte 24 Stunden stehen gelassen und dann filtrirt. Bei der Darstellung künstlichen Magensaftes werden nur die pepsin- reichsten Theile der Schleimhaut in Arbeit genommen , und der Pylorustheil wird am besten weggelassen. Der Schweinemagen liefert im Allgemeinen eine stark verunreinigte Infusion, während verhältissmässig reine und kräftig wirkende Magensaft. Infusionen mit Vortheil auf Drüsenmägen von Vögeln (Hühnern) bereitet werden können. Auch Mägen von Fischen (Hecht) liefern ziemlich reine und kräftig verdauende Infusionen. Ein gleichzeitig sehr wirksamer und ziemlich reiner, künstlicher Magensaft kann aus der abgeschabten inneren Schicht der Magen- schleimhaut von Kälbern bereitet werden, wobei jedoch der Pylorustheil zuerst abgetrennt werden muss. Auf je einen mittelgrossen Kalbsinagen können 1000 ccni angesäuerten Wassers in Anwendung kommen. Der Säuregrad des zur Infusion benutzten Wassers richtet sich nach dem Zwecke, zu welchem der Magensaft verwendet werden soll. Handelt es sich um die Verdauung von Fibrin, so wird ein Säuregrad von 1 p. m. HCl pas- send gewählt; soll dagegen zu dem Versuche hartgesottenes Hühnereiweiss ge- braucht werden , so wird der Säuregehalt passender zu 2 — 3 p. m. HCl be- stimmt. Dieser letztgenannte Säuregrad ist übrigens im Allgemeinen der beste, weil die Infusion dabei haltbarer wird und unter allen Umständen so reich an Pepsin ist, dass sie, nachdem sie durch Verdünnung mit Wasser auf den Säure- grad 1 p. m. HCl gebracht worden ist, noch sehr kräftig lösend auf ungekochtes Fibrin wirkt. Die Darstellung von sauren Infusionen ist indessen nunmehr ganz über- flüssig geworden, .seitdem man nämlich im Handel verschiedene Pepsinpräparate von ausserordentlich kräftiger Wirkung erhalten kann. Ein solches Pepsin- Keinigung präparat kann nach dem Verfahren von Kühne ^), wenn nöthig, noch weiter ^h"hem'^ gereinigt werden, indem man nämlich das Pepsin zusammen mit den Albumosen Pepsin. mit Ammoniumsulfat ausfällt, den Niederschlag auspresst, in verdünnter Salz- säure löst und der Selbstverdauung überlässt. Durch nochmaliges Wiederholen 1) Pflügeb's Arcli. 2. ■-) Zeitschr. f. Biologie 22 «. 428. 266 Neuntes Kapitel. Pepsin- lösung auf Eiwciss. Pepsin- probo. Bestimm- ung des von diesem Verfahren und darauffolgendes Entfernen der Salze durch Dialyse erhält man ein ungemein kräftig wirkendes Pepsin , das indessen weniger rein als das nach den Methoden von Brücke und Sundberg erhaltene ist. Die Wirhmg des Pepsins auf Eiweiss. Bei neutraler oder alkalischer Reaktion ist das Pepsin unwirksam ; in saurer Flüssigkeit löst es dagegen ge- ronnene Eiweissstoffe. Dabei quillt das Eiweiss stets auf und wird durchsichtig, bevor es gelöst wird. Ungekochtes Fibrin quillt in einer Säure von 1 p. m. HCl zu einer gallertähnlichen Masse, löst sich aber bei Zimmertemperatur im Laufe von ein paar Tagen nicht. Nach Zusatz von ein wenig Pepsin wird dagegen diese gequollene Masse bei Zimmertemperatur rasch gelöst. Hartge- sottenes Eiweiss, in dünnen Scheiben mit scharfen Rändern zerschnitten, wird im Laufe von mehreren Stunden von verdünnter Säure (2 — 4 p. m. HCl) bei Körpertemperatur nicht merkbar verändert. Bei gleichzeitiger Gegenwart von Pepsin werden dagegen die Ränder bald hell und durchsichtig, abgestumpft und gequollen und das Eiweiss löst sich allmählich. Aus dem oben von dem Pepsin Gesagten folgt, dass Eiweiss als Mittel zum Nachweis von Pepsin in einer Flüssigkeit benutzt werden kann. Es kann hierzu Rinderfibrin ebenso gut wie gesottenes Hühnereiweiss, das letztere in Form von Scheibchen mit scharfen Rändern, verwendet werden. Da aber das Fibrin auch bei Zimmertemperatur leicht verdaut wird, während die Pepsinprobe mit Hühnereiweiss Körpertemperatur erfordert, und da die Probe mit Fibrin auch etwas empfindlicher ist, so wird sie oft der Probe mit Hühnereiweiss vorgezogen. Wenn von der ..Pepsinpiohe" ohne weiteres gesprochen wird, ist darunter auch gewöhnlich die Probe mit Fibrin zu verstehen. Diese Probe erheischt jedoch ein wenig Vorsicht. Das Fibrin soll Rinder- fibrin und nicht Schweinefibrin sein, weil letzteres gar zu leicht von verdünnter Säure allein gelost wird. Das ungekochte Rinderlibrin kann ebenfalls, wenn auch regelmässig erst nach längerer Zeit, von Säure allein ohne Pepsin gelöst werden. Bei Versuchen mit ungekochtem Faserstoff bei Zimmertemperatur muss deshalb auch stets eine Kontroleprobe mit einer anderen Portion desselben Fibrins und Säure allein ausgeführt werden. Bei Körpertemperatur, bei welcher das ungekochte Fibrin leichter von Säure allein gelöst wird, ist es am besten ein für alle Mal nur mit gekochtem Fibrin zu arbeiten. Da man das Pepsin bisher noch nie mit Sicherheit in reinem Zustande dargestellt hat, ist es auch nicht möglich, die absolute Menge des Pepsins in einer Flüssigkeit zu bestimmen. Man kann nur den relativen Pepsingehalt zweier oder mehrerer Flüssigkeiten mit einander vergleichen, und dabei kann man auf verschiedene Weise verfahren. Ein solches Verfahren ist folgendes, welches von Brücke herrührt. Sollen zwei Pepsinlösungen, A und B, bezüglich des Pepsingehaltes mit einander ver- glichen werden, so müssen sie zuerst — unter Achtgeben darauf, dass die eine dabei nicht stärljer als die andere verdünnt wird — auf den passenden Säuregrad, etwa 1 p. m. HCl, gebracht werden. Dann bereitet man sich, durch Verdünnung mit Salzsäure von 1 p. m. HCl, von jeder Flüssigkeit eine gicissere Anzahl von Proben , deren Gehalte an Pepsin — der Pepsingehalt der ursprüngliclien Flüssigkeit gleich 1 gesetzt — resp. Va, */4, ^'s, '/lo, ^32 u. s. w. betragen. Bezeichnet man den ursprüngliclK-n Pcpsingehiüt der zwei Flüssigkeiten mit jp, resp. p', so erhält man also zwei Eeihen von Flüssigkeiten : A B 1 P 1 P' ■ . p ' - P' '/*P Vs p '/* P' ',8 p' '/l6 p Vi« p' ',32 p ',32 p' Pepsinbcstimiiiuug. Pepsinverdauung. 267 QuantLtativo Popsin- bcslimmung iiacliBrücke. In jede Probe wird dann ein kleines, mit einem Korkbohrer aus düniicu Schnitten von gekochtem Hühnereiweiss ausgeschnittenes Scheibehen oder auch eine kleine Fibrinflocke einge- tragen , wobei man selbstverständlich darauf zu achten hat, dass mögliehst gleiehgrosse und gleichartige Scheibchen oder Flöckchen gewählt werden. Beobachtet und annotirt man nun genau den Zeitpunkt, bei welchem in jeder Probe der zwei Reihen die Verdauung anfängt resp. be- endet ist, so findet man, dass einige Proben der einen Reihe mit gewissen Proben der anderen etwa gleichen Schritt halten, und man kann hieraus schliesscn, dass sie auch etwa denselben Pepsingelialt haben. Wäre also beispielsweise in einer Versuchsreihe die Verdauungsgeschwin- digkeit in den Proben p ','s, p ' is, p '32 etwa dieselbe wie in den Proben p' '.'2, p' 'jt, p' '/«, so konnte man hieraus schliessen, dass die Flüssigkeit A etwa 4 mal so reich an Pepsin wie die Flüssigkeit B wäre. Ein anderes Verfahren, welches nach den Untersuchungen von SamojlOFF mehr exakte Resultate geben soll, rührt von Mett ') her. Man saugt flüssiges Hühnereiweiss in Glas- röhrchen von 1 ä 2 mm Durchmesser auf, koagulirt das Eiweiss in den Rührchen durcli Er- hitzen, sclmeidet die letzteren dann scharf ab, legt zwei Röhrchen in je ein Probirrölirchen mit ein paar ccm saurer Pepsinlüsung hinein, lässt bei Körpertemperatur verdauen und misst nach einiger Zeit, gewühnlicli 10 Stunden, die lineare Grösse der verdauten Schichten des jij,j]jojj, Eiweisses in den verschiedenen Proben. Die Pepsinmengen in den zu vergleichenden Proben ^„^ Mett. verhalten sich wie die (Quadrate der Millimeter Eiweisssäule, die in gleicher Zeit in den Proben gelöst wurden. Waren z. B. in der einen 2 mm und in der anderen .3 mm Eiweiss gelösst, so verhielten sich die Pepsinniengen wie 4 : 9. Auf die Geschivindiglceit der Pepsinveydaumuj wirken mehrere Umstände ein. Es wirken also verschiedene Säuren ungleich kräftig, und wie es scheint zeigt die Salzsäure in schwacher Konzentration, 0,8 — 1,8 p. m. eine kräftigere Wirkung als irgend eine andere, sei es eine anorganische oder organische Säure. Bei stärkerer Konzentration können zwar andere Säuren kräftiger wirken ; im Grossen und Ganzen kann man aber sagen, dass Säuren mit grösserer Avidität besser, d. h. in geringerer Konzentration wirksam sind als schwächere Säuren. Eine Ausnahme bildet jedoch die Schwefelsäure (Pfleidkrer). Die Angaben über die Wirkung von verschiedenen Säuren sind übrigens etwas streitig^). Der Säuregrad ist auch von grosser Bedeutung. Für die Salzsäure ist der günstigste Säuregrad für verschiedene EiweissstofTe nicht derselbe. Für Fibrin ist er Pcpsinver- . d.iuimg wir- 0,8 — 1 p. m. : für Myosin , Kasein und pflanzliches Eiweiss etwa 1 p. m.; für kende Um- . . . . stände. hartgesottenes Eiweiss dagegen etwa 2,5 p. m. Mit dem Pepsingehalie wächst die Verdauungsgeschwindigkeit wenigstens bis zu einer gewissen Grenze, wenn nicht das zugesetzte Pepsin von grösseren Mengen Verdauungsprodukteo, welche hinderlich wirken können, verunreinigt ist. Anhäufung von VerdmiungsprodHkten wirkt nämlich auf die Verdauung verlangsamend ein , während dagegen nach CiiiTTENüEX und Amerma\^) das Wegdialysiren der Verdauungsprodukte keinen wesentlichen Einfluss auf die Relation zwischen Albumosen und echten Peptonen 1) Bei Pawlow 1. e S. 31. '-) Vergl. Wröblewski, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 21 und besonders PflCgek's Arch. 66, wo auch die Arbeiten anderer refcrirt worden sind. 3) .lourn. of Phvsiol. U. 268 Neuntes Kapitel. hat. Bei niedriger TemiKratitr wirkt das Pepsin langsamer als bei höherer. Selbst bei nahe 0" C. ist es indessen noch wirksam; die Verdauung geht aber bei dieser Temperatur sehr langsam von statten. Mit steigender Temperatur wächst dagegen die Geschwindigkeit der Verdauung und sie ist bei etwa 40" C. am grössten. Nach den Untersuchungen von Flaum i) ist es wahrscheinlich, dass die Relation zwischen Albumosen und Peptonen dieselbe bleibt, gleich- gültig ob die Verdauung bei niedriger oder bei höherer Temperatur geschieht, wenn sie nur in ersterem Falle hinreichend lange fortgesetzt wird. Verhindert man die Aufiiuellnng des Eiweisses, was durch Zusatz von einem Neutralsalz, wie z. B. NaCI, in genügender Menge oder von Galle zu der sauren Flüssigkeit geschehen kann, so wird die Verdauung mehr oder weniger verhindert. Fremde Stoffe verschiedener Art können eine verschiedene Wirkung ausüben , wobei selbstverständlich auch die wechselnden Mengenverhältnisse, in welchen der Zusatz ^vemto geschieht, von grosser Bedeutung sind. So wirken beispielsweise Salicylsäure, (Ue°repsin- Karbolsäure und besonders stark Sulfate (Pfleiderer) auf die Verdauung hem- Terdauung. jug^j gij, ^ während die arsenige Säure dieselbe befördert (Chittenden) und die Cj'anwasserstofTsäure verhältnissmässig indifferent ist. Alkohol stört in grösserer Menge (10 p. c. und darüber) die Verdauung, während kleine Mengen davon fast indifferent sich verhalten. Metallsalze können zwar bisweilen in sehr kleinen Mengen die Verdauung beschleunigen, verlangsamen sie aber sonst im Allgemeinen. Die Wirkung der Metallsalze kann dabei in verschiedener Weise erklärt werden, oft aber scheinen sie mit dem Eiweiss unlösliche oder schwerlösliche Ver- bindungen einzugehen. Auch Alkaloi'dverbindungen können die Pepsinverdauung verlangsamen (Chittenden und Allen ^). Ueber die Einwirkung fremder Stoffe auf die künstliche Pepsinverdauung liegt übrigens eine sehr grosse Menge von Beobachtungen vor. Da aber diese Beobachtungen keine direkten Schlüsse bezüglich der Einwirkung derselben Stoffe auf die natürliche Verdauung, bei welcher auch die Einwirkung auf die Absonderung und die Aufsaugung sich geltend macht, gestatten, so kann hier nicht weiter auf sie eingegangen werden. Die Prodiücle der Eitveissverdauuug mittels Pepsin und Säure. Bei der Verdauung von Nukleoproteiden oder Nukleoalbuniinen bleibt regelmässig ein ungelöster Rest von Nuklein, bezw. Pseudonuklei'n zurück. Durch Ver- suche mit Kasein hat indessen Salkowski') gezeigt, dass das aus dem Kasein '^produktef Zuerst abgespaltene Pseudonuklein, bei anhaltender Verdauung sich lösen kann. Der Faserstoff giebt ebenfalls einen ungelösten Rest, welcher wenigstens zum wesentlichen Theil aus Nuklein besteht, welches von in den Blutgerinnseln ein- geschlossenen Fonnelementen herrührt. Dieser, bei der Verdauung gewisser Eiweissstoffe zurückbleibende Rest ist von Meissner Dyspepton genannt worden. Bei der Verdauung der Eiweisskörper können auch den Acidalbuminaten ähn- 1) Zeitschr. f, Biologie 28. 2) Yale College Studics 1 S. 7ü. Vergl. auch CniTTENDEN uud Stewart ebenda «J. 3) PFLiJüBE'e Arch. 63. Verdauuugsproilukte. Pepsinveidauung. 269 liehe Substanzen, Parapepton (Meissner*), Antialhuniat und Antialbumid (Kühne) entstehen. Nach Abscheidung dieser Stoffe enthält die im Sieden neu- tralisirte, heiss filtrirte Flüssigkeit als Hauptbestandtheile Alhmnosen und Peptone in iilterem Sinne, wogegen das sogenannte echte Pepton Kühxe's bisweilen fast ganz fehlt und überhaupt erst bei mehr anhaltender und inten- siver Verdauung in nennenswerther Menge erhalten wird. Auch das Verhältniss zwischen Albumosen und Peptonen in gewöhnlichem Sinne wechselt sehr in verschiedenen Fällen und bei der Verdauung verschiedener EiweissstofFe. So erhält man z. B. eine grössere Menge von primären Albumosen aus dem Fibrin als aus hartgesottenem Hühnereiweiss oder aus dem Eiweisse des Fleisches, und überhaupt liefern nach den Untersuchungen von Klug-) verschiedene ^''''■•^^'"'"ss- . . . lirodukte. Eiweisskörper bei der Pejssinverdauung ungleiche Mengen der verschiedenen Verdauungsprodukte. Bei der Verdanung von ungekochtem Fiijrin kann als Zwischenprodukt in einem früheren Stadium ein bei -|- 55 " C. koagulirendes Globulin erhalten werden (Hasebroek ^). Bezüglich der verschiedenen Albumosen und Peptone, welche bei der Pepsinverdauung entstehen sollen, wird auf das oben (S. 34 — 38) Gesagte hingewiesen. Wirl-ung der Fepsinchlorivcissersfoffsäure auf andere Stoffe. Die him- (jehende Snbstan," des Bindegewebes, des Knorpels und der Knochen, aus welch' letzteren die Säure allein nur die anorganische Substanz herauslöst, wird von dem Magensafte verdaut und in Leim übergeführt. Dieser letztere wird dann weiter umgewandelt, so dass er die Fähigkeit zu gelatiniren einbüsst und in sogen. Leimpepton (S. 56) umgesetzt wird. Echtes Mucin (aus der Sub- maxillarisdrüse) wird vom Magensafte gelöst und es liefert dabei theils pepton- ähnliche Substanzen und theils, wie nach dem Sieden mit einer Mineralsäure, reduzirende Substanz. Elastin wird langsam gelöst und liefert dabei die oben (S. 53) genannten Substanzen. Das Keratin und die Epiderraisgebilde sind unlöslich. Das NnhJein wird nicht gelöst und die Zellkerne sind deshalb auch unlöslich in Magensaft. Die tliieriüclie ZeUmemhran wird in dem Masse, wie sie dem Elastin näher steht, leichter, und in dem Masse, wie sie dem Keratin näher verwandt ist, schwieriger gelöst. Die Membran der FflansenzeJlen wird des wagon- dagegen nicht gelöst. Das O.ryhümogluhin wird in Hämatin und Acidalbuminat acdeio zerlegt, welch' letzteres dann weiter verdaut wird. Das Blut wird in Folge hiervon in dem Magen in eine schwarzbraune Masse umgewandelt. Auf Fett wirkt der Magensaft nicht, dagegen wirkt er auf das Fettgewehe, indem er die Zellmembranen auflöst, so dass das Fett frei wird. Der Magensaft ist ohne Wirkung auf die Stärke und die einfachen Zuckerarten. Ueber die Fähigkeit des Magensaftes, den Rohrzucker zu invertiren, lauten die Angaben etwas ver- 1) Die Arbeiten von Meissner über die Pcpsiuverdauunü; findet man Med. 7, 8, 10, 12 u. 14. 2) Pflügbr's Aicb. (i5. •') Zeitscbr. t, pbysiol. Cbem. 11. 270 Neuntes Kapitel. schieden. Eine solche Wirkung kommt jedenfalls dem Magensafte nicht kon- stant zu, und wenn sie vorhanden ist, dürfte sie wohl wenigtens zum Theil nur eine Säurewirkung sein. Das Pepsin allein ist, wie oben gesagt, ohne Wirkung auf Eiweiss, und ebenso kann eine Säure von dem Säuregrade des Magensaftes bei Körpertem- peratur nicht oder nur äusserst langsam das geronnene Eiweiss lösen. Pepsin und Säure wirken dagegen zusammen nicht nur rasch, sondern auch qualitativ anders als die Säure allein. Wird flüssiges Eiweiss mit Chlorwasserstoffsäure Lintmsdiied yQ„ 2 p. m. discrirt, so geht das Eiweiss in Acidalbuminat über; wird aber zwiscben jr o ' o Säurewirk- ^jg gäure zuvor mit Pepsin versetzt, so seht unter im Uebrigen denselben Ver- uns llinl tr o o i'epsin- hältnissen die Syntoninbildung wesentlich langsamer von Statten (Meissner). "°s- Man hat dies so gedeutet, dass ein Theil der Salzsäure von dem Pepsin ge- bunden sein sollte, und man hat hierin einen Beweis für die Existenz einer gepaarten Säure, der von C. Schmidt angenommenen sogen. Pepsinchlor- wasserstoffsäure, sehen wollen. Man bat sich weiter die Wirkung dieser hypothetischen Säure in der Weise gedacht, da.ss sie bei der Verdauung in freie Salzsäure, welche gewissermassen in Statu nascendi das Tlieorio der Eiweiss löst, und freies Pepsin zerfallen würde. Das frei gewordene Pepsin würde mit einer Pepsin- neuen Portion Säure zu PepsinchlorwasserstofTsäure sich vereinigen, um dann mit dem Ei- verilaimiig. „.gjgg j„ Berührung in obengenannter Weise wieder zu zerfallen. Es ist wohl kaum nötliig, hervorzulieben, dass diese Annahme nur eine unbewiesene Hypothese ist. Das Lab oder Cbymosin ist das zweite Enzym des Magensaftes. Es findet sich in dem Magensafte des Menschen unter physiologischen Verhältnissen, kann aber unter besonderen pathologischen Verhältnissen wie Carcinom, Atrophie der Schleimhaut und gewissen chronischen Katarrhen, darin fehlen (Boas, Johnson, Klemperer '). In der neutralen, wässerigen Infusion des Labmagens vom Kalbe und Schafe findet es sich regelmässig, vor allem in einer Infusion auf dem Fundustheile. Bei anderen Säugethieren und bei Vögeln findet es sich ^desTab-" Selten und bei Fischen fast nie in der neutralen Infusion. Dagegen findet man enzyms. j^^j ihnen wie bei Menschen und höheren Thiuren überhaupt eine labbildeude Substanz, ein Lalizymogen, aus welchem das Lab durch Einwirkung einer Säure entsteht. Lab oder hibähnliche Enzyme kommen auch in dem Pflanzen- reiche ziemlich verbreitet vor. Auch einige Mikroorganismen wirken wie das Chymosin. Das Lab ist ebensowenig wie andere Enzyme mit Sicherheit in reinem Zustande dargestellt worden. Das reinste, bisher dargestellte Labenzym gab die gewöhnlichen Eiweissreaktionen nicht. Beim Erhitzen seiner Lösung wird das Lab, je nach der Dauer der Erhitzung und der Konzentration, mehr oder weniger rasch, bei 60 — 70" C. in etwa 10 Minuten, zerstört. In einer mit Wasser und 3 p. m. HCl bereiteten, kräftig wirkenden Infusion einer Magen- 1) Eine gute Uebersicht der hierher gehörenden Littcratur findet mau bei SzYDLOWSKI, Beitrag zur Kenntniss des Labenzym nach Beoljachtungen an Säuglingen. Jahrb. f. Kinder- heilkunde. N. F. 34 Vcr','l. fonicr LÖRCHEi;, Pflüger's Arch. C9, wo man ;uk-1i die ein- schlägige Litteratur findet. Lab. Salzsäuieabsonderung. 271 Schleimhaut kann durch Erwärmen auf 37 — 40" C. während 48 Stunden ^^^^j.8|°-^^^ sämmtliches Lab oft zerstört werden, während das Pepsin zurückbleibt. Auf Labenzyms, diese Weise können labfreie Pepsinlösungen gewonnen werden. Das Lab ist durch seine physiologische Wirkung charakterisirt, und diese besteht darin, dass es die Milch oder kalkhaltige Kaseinlösungen bei neutraler oder sogar sehr schwach alkalischer Reaktion zum Gerinnen bringt. Das Lab kann wie andere Enzyme von feinen Niederschlägen mit nie- dergerissen und dadurch verhältnissmässig rein erhalten werden. Man kann es auch aus der Magenschleimhaut durch Extraktion mit Glycerin, jedoch von viel Ei weiss verunreinigt, erhalten. Eine verhältnissmässig reine Lösung von Lab kann auf folgende Weise erhalten werden. Eine mit Salzsäure bereitete und darauf ueutralisirte Infusion der Magenschleimhaut vom Kalbe wird wiederholt mit neuen Mengen Magnesium- karbonat geschüttelt, bis das Pepsin ausgefällt worden ist. Das Filtrat, welches noch kräftig auf Milch wn-kt, wird mit Bleiessig gefällt, der Niederschlag mit sehr verdünnter Schwefelsäure zerlegt, die saure Flüssigkeit abfiltrirt und mit einer al's" Lab-'^ Lösung von Stearinseife in Wasser versetzt. Das Lab wird von den Fett- i'^yns. säuren mit niedergerissen, und wenn diese letzteren in Wasser vertheilt und durch Schütteln mit Aether entfernt werden, bleibt das Lab in der wässerigen Lösung zurück. Die Frage, ob bei der Bildung der freien Säure hauptsächlich die Beleg- zellen oder sowohl diese wie die Hauptzellen betheiligt sind, ist etwas streitig '). Dagegen kann aber kein Zweifel darüber bestehen, dass die .Salzsäure des Magensaftes von den Chloriden des Blutes abstammt, denn es findet bekanntlich eine Absonderung von ganz typischem Magensaft auch im Magen des nüchternen oder hungernden Thieres statt. Da die Chloride des Blutes in letzter Hand aus der Nahrung stammen, ist es leicht verständlich, dass, wie Cahn -) gezeigt ^l^fj^lj^^^' hat, nach hinreichend anhaltendem Kochsalzhunger das aus dem Magen ge- '''"'5^^^^/°" wonnene Sekret (beim Hunde) zwar Pepsin, aber keine freie Salzsäure enthält. Nach Verabreichung von löslichen Chloriden wird sofort ein von Salzsäure sauer' reagirender Magensaft wieder abgesondert. Nach Einführung von Alkalijodiden oder Bromiden kann übrigens wie KÜLZ, Nexcki und Schoumow-Simaxowski ^) gezeigt haben, die Salzsäure des Magensaftes durch HBr und in geringerem Grade auch durch HJ ersetzt werden. Wie die Absonderung der freien Salzsäure zu Stande kommt, weiss man nicht. Während man früher eine Zersetzung der Chloride durch Elektrolyse oder durch eine in der Schleimhaut entstandene organische Säure annahm, stellt man sich nunmehr ziemlich allgemein den Vorgang in der von Maly angegebenen Weise vor. 1) Vergl. Heideshain, Pflüger's Arch. 18 u. 19 und Hekmann's Handbuch 5 Th. 1. Absonderungsvorgänge. Klemensiewicz, Wiener Sitzungsber. 71; Feänkel, Pfliger's Arch. 48 u. 50; Costejean 1. c. Chapitre 2, wo auch die ältere Litteratur sich findet. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 10. 3) KÜLZ, Zeitschr. f. Biologie 23; Nexcki u. Schou.mow, Arch. des sciene. biol. de St. Petersbourg 3. 272 Neuntes Kapitel. Von Maly ist die Aufmerksamkeit darauf gelenkt worden, dass, infolge der Anwesenheit von grossen Mengen freier Kohlensäure im Blute und der Avididät derselben, unter den zahlreichen Kombinationen von Säuren und Basen, welche in dem Serum vorkommen, neben sauren Salzen auch Spuren von freier Salzsäure vorkommen müssen. In dem Masse wie diese Spuren von Salz- säure durch eine von den Drüsen vermittelte rasche Diffusion aus dem Blute Absoiider- entfernt werden, müssen in Folge der Massenwirkung der Kohlensäure neue Spuren freien Salz- yQ,j galzsäurc in dem Blute frei werden. In dieser Weise kann man zwar das saure. Freiwerden von Salzsäure aus den Chloriden erklären, aber der Beweis, dass die freigewordene Salzsäure einfach durch Diffussion aus dem Blute in den Magen- saft übergeht, fehlt noch. Aehnliche Prozesse in anderen thierischen Drüsen machen es vielmehr wahrscheinlich, dass man es hier wie in anderen Fällen von Sekretion mit einer noch unaufgeklärten, spezifisch sekretorischen Wirkung der Drüsenzellen zu thun hat. Da, wie Schiereeck ') gezeigt hat, während der Sekretion reichliehe Mengen Kohlensäure in der Schleimhaut gebildet werden, kann man anuehmen, dass diese Kohlensäure in Folge ihrer Avididät innerhalb der Drüsen- zellen aus den von ihnen aufgenommenen Chloriden etwas Salzsäure frei macht, die dann in das Sekret übergeht. L. LlEBERMAKN^) hat folgende Theorie für die Absonderung der Salzsäure angegeben. Nach ihm kommt in den Drü.seazellsn Lecithalbumin vor, welches mit Alkali sieh verbinden kann. Der regere Stoffwechsel in den Drüsen während der Arbeit führt zu einer reichliehen Theorie von Kohleüsäurebiklung, und die Kohlensäure macht durch ihre Massenwirkung Salzsäure aus den ''"'"*'''"*''°- Chloriden frei. Die Salzsäure geht durch Diffusion in das Sekret über, während das Alkali von dem Lecithalbuniin gebunden wird. Iliusichtlich der näheren Details dieser Theorie muss auf das Original verwiesen werden. Nach einer sehr reichlichen Mahlzeit, wenn der Pepsiuvorrath im Magen fast vollständig erschöpft worden ist, sollen nach Schief gewisse Stoffe, vor allem Dextrin, die Fähigkeit haben , eine Ladung der Schleimhaut mit Pepsin zu Stande zu bringen. Diese, von mehreren Forschern experimentell geprüfte „Laduugstheorie" ist jedoch nicht bestätigt worden. Dagegen hat die Angabe von Schiff, dass in dem Ventrikel eine pepsin bildende Substanz, ein „Pepsi- nogen" oder „Propepsin" vorkommen soll, als richtig sich erwiesen. Langlev^) ist es nämlich gelungen, das Vorkommen einer solchen Substanz in der Schleim- Pepsinoson haut sicher zu zeigen. Diese Substanz , das Propepsin , zeigt eine verhältniss- oder Pro- ^ . . popsin. massig grosse Resistenz gegen verdünnte Alkalien (eine Sodalösung von 5 p. m.j, von welchen das Pepsin dagegen leicht zerstört wird (Lamjley). Umgekehrt widersteht das Pepsin leicht der Einwirkung von Kohlensäure, welche das Pro- pepsin leichter zerstört. Dass in der Schleimhaut auch ein Labzymogen vor- kommt, ist schon oben hervorgehoben worden*). Die Frage, in welchen Zellen die zwei Zymogene, besonders das Propepsin, 1) Maly, Zcitschr. f. physiol. Chem. 1; Schiep.beck, Skand. Areh f. Physiol. 3 u. 5. 2) Pfli'GEK's Arch. 50. 3) Schiff, Leeons sur la physiol. de la digestion 18G7 2, Leeons 25 — 27; Langley und Edkins, .Tonrn. of Physiol. 7. ^) Vergl. Citiite Fussnote 1 S. 270. Pylorussekret. Chymus. 273 gebildet werden, ist während mehrerer Jahre vielfach diskutirt worden. Während mau in älterer Zeit allgemein die Belegzellen als Pepsinzelleu betrachtete, hat ,.jij„„j, ^ verdunstet. Den Rückstand extrahirt man mit absolutem Alkohol, filtrirt, '!i''W'8'' destillirt den Alkohol ab und löst den neuen Rückstand in wenig Wasser. Diese Lösung kann mit Schwefelsäure und Alkohol oder mit Eisenchlorid direkt auf Essigsäuie geprüft werden. Auf Ameisensäure kann man mit Silber- nitrat, welches eine rasch sich schwärzende Fällung giebt, und auf Buttersäure durch den Geruch nach Zusatz von einer Säure prüfen. Bezüglich der Methoden zur ausführlicheren Untersuchung auf die verschiedenen flüchtigen fetten Säuren rauss auf ausführlichere Handbücher verwiesen werden. 1) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1889. S. 481. 2) Zeitschr. f. physiol. t'liem. 17. :!) Zeitsehr. f. kl. Med. 32. 284 Neuntes Knpitcl. III. Die Darmschleimhautdrüsen und ihre Sekrete. Das Sekret der Hruniier'seheii Drüsen. Diese Drüsen sind theils als kleine Pankreasdrüsen und theils als Schleim- oder Speicheldrüsen aufgefasst worden. Ihre Bedeutung dürfte auch bei verschiedenen Thieren eine verschiedene sein. Beim Hunde sind sie nach Grützner ') den Pylorusdrüsen am meisten lininnoi'- verwandt und sollen Pepsin enthalten. Die Angaben über das Vorkommen sehe Drüsen. ... eines diastatischen Enzyms sind streitig und die Schwierigkeiten, mit welchen das Aufsammeln eines von Verunreinigungen freien Sekretes dieser Drüsen ver- knüpft ist, macheu die Angaben überhaupt etwas unsicher. Das Sekret der Lieberkülin'sclieii Drüse«. Das Sekret dieser Drüsen ist mit Hilfe von am Darme, nach den Methoden von Thiry und Vella, an- gelegten Fisteln studirt worden. Bei nüchternen Thieren (Hund) findet, wenn die Schleimhaut nicht gereizt wird, keine oder fast keine Absonderung statt. Beim Lamme ist dagegen nach Pregl die Absonderung kontinuirlich. Aufnahme Liober- von Nahrung ruft die Sekretion hervor und verstärkt (beim Lamme) eine schon Drüsen, bestehende Sekretion. In derselben Weise soll beim Hunde mechanische, chemische oder elektrische Reizung wirksam sein (Thiuy). Pilokarpin vergrössert beim Lamme die Absonderung nicht und beim Hunde scheint es wenigstens nicht immer wirksam zu sein (Gamgee^). Die Menge des im Laufe von 24 Stunden abgesonderten Saftes hat man nicht genau bestimmen können. Ira oberen Theile der Dünndärme ist das Sekret beim Hunde spärlicher, schleimig, gallertähnlich ; in dem unteren dagegen mehr dünnflüssig mit gallert- ähnlichen Klümpchen oder Flöckcheu (Rühmann). Der Darmsaft reagirt stark alkalisch, entwickelt nach Säurezusatz Kohlensäure und enthält (beim Hunde) eine fast konstante Menge NaCl und Na.jCOg , bezw. 4,8 — 5 und 4 — 5 p. m. (GuMiLEWsKi, RöHMA.\'.\ ^). Im Darmsafte des Lanunes entsprach die Alkalescenz ^"'Jit""" '^•^'^ P- '"• N'^COg. Der Darrasaft enthält Eiweiss (Thiry fand 8,01 p. m. davon), dessen Menge mit der Dauer der Absonderung abnehmen soll. Die Menge der festen Stoffe ist schwankend. Sie beträgt bei Hunden 12,2 — 24,1 p. m. beim Lamme 29,85 p. m. Das spez. Gew. war beim Hunde (Thiry) 1,010 — 1,0107 und beim Lamme (Pregl) als Mittel 1,01427. Der Darmsaft des Lammes enthielt 18,097 p.m. Eiweiss, 1,274 p.m. Albumose und Mucin, 2,2!) p. m. Harnstoff und 3,13 p. m. übrige organische Stoflfe. Die Wirkungen des Darnisaftes sind von vielen Forschern studirt worden, die Angaben darüber sind aber streitig. Nach einigen Forschern soll er ge- kochte Stärke in Zucker überführen, nach anderen dagegen nicht. Die Wirkung ist jedenfalls immer nur schwach. Dagegen scheint man darüber einig zu sein, I) PFLtJGER's Areli. 12. a) Thiry, Wieu. Sitzuugsbor. 50; Vkll.a , Moi.EstiHorr's l'ntcT.sui'li. 13: Pkegl, Pflüger's Arch. 61 ; Gamgee, Die physiol. Chem. d. Verdauung, Dentsolif Ausgabe 1897, S. 428, wo auch die Befuiule vou Veli.a und Masloff angeführt sind. '^) Gu.mii.ewski, ri'LlGEK's .Vrcli SD; UÖHMANN ebenda 41. Der Darmsaft. 285 dass, wie Paschutix, Brown und Heron, Bastiaxelli ') u. A. gezeigt haben, der Darmsaft oder eine Infusion der Schleimhaut invertirend auf Kohrzucker oder Maltose wirkt. Milchzucker scheint ebenfalls bei einigen Thieren , wie Hund und Kalb (Röhmaxx, und Lappe) und beim neugeborenen Kinde (Pautz und Vogel 2) durch eiu besonderes Enzym, die Laktase, invertirt zu werden. ^^^'^^'"'" Die Wirkung auf die Kohlehydrate soll in den oberen Theilen des Darmes ^^J',J\'',^"'' vorzugsweise rasch und in grösserem Massstabe vor sich gehen, und dem- drate. entsprechend soll auch die Resorption von Stärke und Zucker eine raschere in den oberen als in den unteren Abschnitten des Darmes sein (Lannois und Lepine'^), Röhmaxn). Auf Neutralfett wirkt der Darmsaft nicht spaltend ein, wogegen er wie jede andere alkalische Flüssigkeit die Fähigkeit haben soll, das Fett zu emid- giren. Bezüglich der Wirkung auf Eiweissstoffe scheinen die meisten Forscher darüber einig zu sein, dass der Darmsaft fast ohne Wirkung auf gekochtes Eiweiss oder Fleisch ist, während er nach TiiiRY Faserstoff lösen soll. Albumosen „.. , *^ >Virku»gaul werden nicht in Peptone umgesetzt (Wexz*). Abweichend von anderen Forschern ^.»'»'«'l'. behauptete Schiff, dass der Saft nach gut gelungener Fisteloperation nicht nur geronnenes Eiweiss und Kaseinklümpchen , sondern auch ungekochtes und ge- kochtes Fleich verdauen soll, wobei indessen zu bemerken ist, dass in den Versuchen von Schiff eine Wirkung von Mikroorganismen nicht ausgeschlossen war. Nach Gaciiet und Paciiox^) kann bei Ausschluss von Magen- und Pankreassaft eine Verdauung von koagulirtem Hülinereiweiss im Duodenum stattfinden. Darmsaft vom Menschen ist von Demant in einem Falle von Anus pneternaturalis untersucht worden. Dieser Saft erwies sich als völlig unwirksam auf Eiweisskörper , selbst auf Faserstoff, und auf Fette. Nur auf gekochte Stärke zeigte er eine allerdings sehr schwache Wirkung. Turby und Maxning") haben ebenfalls Darinsaft vom Menschen, aus einem isolirten Dünndarmstück, untersucht. Das spez. Gewicht war als Mittel 1,0069. Die Reaktion war namisaft alkalisch und mit Säuren fand eine reichliche Kohlensäureentwickelung statt. Mcnsciien. Eiweiss wurde nicht verdaut; Stärke wurde erst sehr langsam saccharifizirt, wogegen Rohrzucker und Maltose von dem Safte invertirt wurden. Das Fett wurde sowohl emulgirt wie verseift. Diejenigen Versuche über die Wirkungen des Darmsaftes, welche an isolirten Darmschlingen bei Thierea oder am mensch- 1) Paschutin, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1870 S. 561; Brown u. Heron, Annal. d. Chem. u. Pharm. 204; Bastianelli, Molesciiott's üutersuch. 14 (ältere Litteratur). 2) KöHM.\>'N u. Lappe, Ber. d. deutsch, ehem. G«sflls<;-h 2S ; Pai'TZ u. Vöoei., Zeitsi-hr. r. Biologie 32. •t) Arch. de Physiol. (3) 1. *) Zeitschr. {. Uiologie 22, wo aiuh die ältere Litteratur sieh findet. S") Schiff, Ceutralbl. f. d. meii. Wi.ss.iisi-li. 1808. S. 357; Gacmet u. Pachos, Arch. de Physiol. (5) 10. C) Demant, Virchow's Areli. 75; Tniin u. .\1anning, Ceutralbl. I. d. imd. Wis>pn- schan. 1892. S. 945. 286 Neuntes Kapitel. liehen Darme in Fällen von Anus prseternaturalis mit in den Darm eingeführten Nahrungsmitteln angestellt worden sind, haben, wegen der im Darme regelmässig verlaufenden Fäulnissprozesse , im Allgemeinen keine zuverlässigen Resultate geben können. Das Sekret der Drüsen im Dickdarme und Enddai-me scheint haupt- sächlich Schleim zu sein. Auch an diesem Theile des Darmes, welcher wohl Dickdarmes, hauptsächlich , Wenn nicht ausschliesslich als Resorptionsorgan anzusehen ist, sind Fisteln angelegt worden. Die üntersuchuugeu über die Wirkung des Se- kretes auf Nahrungsmittel haben jedoch keine entscheidenden Resultate geliefert. IV. Die Pankreasdrüse und der Pankreassaft. Bei den Evertebraten, welchen eine Pepsindigestion fehlt und bei welchen auch keine Gallenbereitung vorkommt, scheint das Pankreas oder wenigstens ein damit analoges Organ die wesentlichste Verdauungsdrüse zu sein. Um- gekehrt fehlt bei einigen Vertebraten , wie bei einigen Fischen , ein anatomisch wohl charakterisirtes Pankreas. Diejenigen Funktionen, welche diesem Organe sonst zukommen, scheinen bei diesen Thieren von der Leber, die also mit Recht als Hepatopankreas bezeichnet werden kann, übernommen zu werden. Beim Menschen und den meisten Vertebraten ist dagegen die Bereitung der Galle und die Absonderung gewisser, für die Verdauung wichtiger Enzyme auf zwei getrennte Organe, Leber und Pankreas vertheilt. Die Pankreasdrüse ist in gewisser Hinsicht der Parotisdrüse ähnlich. Die absondernden Elemente derselben bestehen aus kernführenden Zellen, deren Grundsubstanz eine in Wasser stark aufquellende eiweissreiche Masse darstellt, in welcher wenigstens zwei verschiedene Zonen zu unterscheiden sind. Die äussere Zone ist mehr homogen, die innere durch eine Menge von Körnchen trübe. Ungefähr an der Grenze zwi.schen den zwei Zonen liegt der Kern, dessen Lage jedoch mit der wechselnden relativen Grösse der zwei Zonen wechseln kann. Nach Heidenhain ^) soll nämlich in einem ersten Stadium der Ver- dauung , in welchem die Absonderung lebhaft ist, der innere Theij der Zellen an Grösse abnehmen, indem er zu Sekret wird, während gleichzeitig die äussere Zone durch Aufnahme von neuem Material sich vergrössert. In einem späteren Stadium, in welchem die Sekretion abgenommen und die Resorption der Nahrungs- stoflfe stattgefunden hat, soll die innere Zone wiederum auf Kosten der äusseren sich vergrössern, indem die Substanz der letzteren in die Substanz der ersteren sich umwandelt. Unter physiologischen Verhältnissen sind also die Zellen einer stetigen Veränderung unterworfen, einem Verbrauche nach innen und einem Zuwachse nach aussen. Die körnige, innere Zone soll in das Sekret urage- 1) Pplügek's Ai-ch. 10. Pankreas und Pankreassaft. 287 wandelt werden, und die äussere, mehr homogene Zone, welche das Ersatzniaterial enthält, soll dann in körnige Substanz sich umsetzen. Neben bedeutenden Mengen von Eiweiss, Globulin, NuMeoproteid, (vergl. Kap. 2) und Albumin, finden sich in der Drüse mehrere Enzyme oder richtiger Zymogene, von denen unten die Rede sein wird. In der Drüse hat man ferner Nukle'in, Leiicin (Butalanin), Tiirosin (nicht in der ganz frischen Drüse), Xanthin „. .i-i/vii Bestand- 1 — 8 p. m., Hypo.vanthin 3 — 4 p. ra., Guamn 2 — 7,5 p. m., sammthche Zahlen tbeiie d.r auf Trockensubstanz bezogen (KossEL ^), Adenin, Inosit, Milchsäure, fHichtige fette Säuren, Fette und Mineralstoffe gefunden. Nach Bestimmungen von OiDTMANN^) enthielt das Pankreas einer alten Frau 745,3 p. m. Wasser, 245,7 p. m. organische und 9,5 p. m. anorganische Stoffe. Ausser ihrer, schon in einem vorigen Kapitel (8) besprochenen Beziehung zu der Umsetzung des Zuckers im Thierkörper, hat die Pankreasdrüse die Auf- gabe, einen für die Verdauung besonders wichtigen Saft abzusondern. Der Pankreassaft. Dieses Sekret kann durch Anlegen einer Fistel an dem Ausführungsgange nach den von Bernard, Ludwig und Heidenhain an- ^f,}"'p°™'^. gegebenen, von Pawlow ^) vervollkommneten Methoden gewonnen werden, pistefn. Wird die Operation mit hinreichender Geschicklichkeit und unter im üebrigen günstigen Verhältnissen ausgeführt, so kann man nicht nur unmittelbar nach der Operation (temporäre Fistel) sondern auch längere Zeit nach derselben (permanente Fistel) ein kräftig wirkendes Sekret aus der Fistel erhalten. Bei Pflanzenfressern, welche, wie das Kaninchen, ununterbrochen verdauen, ist die Absonderung des Pankreassaftes eine kontinuirliche. Bei den Fleisch- fressern scheint sie dagegen intermittent und von der Verdauung abhängig zu sein. Beim Hungern hört die Absonderung fast ganz auf, fängt aber nach Aufnahme von Nahrung bald wieder an. Die Nahrung scheint dabei in zwei- facher Weise zu wirken. Einerseits kann sie nämlich mit der während der Verdauung reichlicheren Blutzufuhr, welche durch eine mehr rothe Farbe der Drüse sich kundgiebt, der Drüse eine grössere Menge von Nahrungsmaterial zuführen und dadurch die Absonderung eines an festen Stoffen reicheren ^ ^^ ^. Saftes ermöglichen. Andererseits kann auch die Nahrung in später anzugebender '^■'''.'""s-''"' Weise durch ihre Einwirkung auf die Schleimhaut des Magens und des Duo- «ondiiunf;. denums indirekt eine vermehrte Sekretion hervorrufen. Nach Beobachtungen von Bern.stein''), Heidenhain und Anderen nimmt die Absonderung nach Auf- nahme von Nahrung rasch zu, und innerhalb der drei ersten Stunden erreicht sie ein Maximum. Darnach nimmt die Sekretion wieder ab, kann aber in der 1) Zeitschr. f. pliysiol. Chem. 8. 2) Cit. nach v. GORüP Besanez, Lolub. 4. Aufl. S. 732. •i) Bernakd, Lei-ons de Physiol. 2. S. 190; Ludwig, vergl. Bernstein: Arbeiten a. d. physiol. .\nstalt zu Leipzig. 4. 1869; Heidenii.mn, Pflüger's Arcli. 10. S. 604; Pawi.ow, Die Arbeit der Verdauungsdrüseu. Wiesbaden 1898. '>) Bernstein 1. c. Fussnote 3. 288 Neuntes Kapitel. 5. — 7. Stunde, iu welcheu gewöhulich grössere Mengen Nahrung aus dem Ventrikel in den Darm übergehen, wieder ansteigen. Dann nimmt sie von der 9. — 11. Stunde an unuuterbroclien wieder ab und hört nach 15 — 16 Stunden ganz auf. Als spezifische Reize für die Sekretion des Pankreassaftes wirken nach P.WVLOW und seinen Mitarbeitern Säuren verschiedener Art — folglich sowohl die Salzsäure wie die Milchsäure — und Fette. Alkalien und Alkalikarbonate wirken dagegen eher hemmend ein. Die Säuren wirken wie es scheint in reflektorischer Weise durch Reizung der Duodenalschleimhaut. Das Wasser, welches eine Absonderung von saurem Magensaft bewiikt, wird hierdurch Reizmittel natürlich auch ein Reizmittel für die Pankreassekretion, soll aber auch ein für die Ab- somkiung. gelbstständiger Erreger sein. Das psychische Moment dürfte, wenigstens in erster Linie, eine indirekte Wirkung (Sekretion von saurem Magensaft) ausüben, und die Nahrungsmittel scheinen ebenfalls wesentlich durch ihre Wirkung auf die Magensaftabsouderung bei der Pankreassekretion wirksam zu sein. Die Qualität der Nahrung übt dagegen einen unverkennbaren Einfluss auf die Beschaffenheit des Saftes und dessen Gehalt an den verschiedenen Enzymen aus. So ist der Saft nach Brodnahrung am reichsten an diastatischem und nach Milchnahrung an steatolytischem Enzym. Wenn ein Hund von Milch- und Brodnahrung zur ausschliesslichen Fleischkost übergeht, wird der Saft immer reicher an proteolytischem und ärmer an diastatischem Enzym. Nach Gottlieb rufen auch reizende Stofl^e, wie Senföl, eine vermehrte Sekretion von Pankreassaft hervor. Der zu grossen Intensität der von ihm angewandten Reize wegen, sollen indessen seine Versuche nach Pawlow und Schirokikh ^) nicht beweiskräftig sein. Die Angaben über die Menge des im Laufe von 24 Stunden abgesonderten Pankreassaftes sind sehr wechselnd. Nach den Bestimmungen von Pawlow Menge des ^^^ Seinen Mitarbeitern Kuwsc:hinski, Wassiliew und Jablonskv ^) beträgt die Saftes, mittlere Menge des aus permanenten Fisteln (mit normal wirkendem Saft) beim Hunde secernirten Saftes 21,8 ccm pro 1 Kilo und 24 Stunden. Der Pankreassaft des Hundes ist eine klare, färb- und geruchlose, alkalisch reagirende Flüssigkeit, die, namentlich wenn sie aus temporären Fisteln stammt, sehr reich, bisweilen so reich an Eiweiss ist, dass sie beim Erhitzen fast wie Hühnereiweiss gerinnt. Neben üiiveiss enthält der Saft drei seit lange bekannte kieassaft" Emyme — ein diastatisches, ein fettspaltendes und ein eitveisst äsendes. Dem letztgenannten hat Kühne den Namen Trypsin gegeben. Ausserdem hat zuerst KiJHNE und dann auch andere Forscher in der Drüse oder in dem Safte ein lab- ähnliches Enzym gefunden. Ausser den nun genannten Stoffen enthält der Pankreasaft regelmässig ein wenig Leucin, Fett und Seifen. Als Miueral- 1) Gottlieb, Aich. r. exp. Path. u. Pharm. 33; Schirokikh, ,\rch. des scienc. biol. de St. Pe'tersbourg. 3. S. 449. 2) Ebenda. 2. S. 391. Adtere Aii!,'al)eii v wie Quecksilber, Eisen- und viele andere Salze (Chittendex und Cummins) oder wie Salicylsäure in grösserer Menge, störend wirken. Die Beschaffenheit des Eiiceisses ist auch von Bedeutung. Ungekochtes Fibrin wird im Verhältniss zu den meisten anderen Eiweissstoffen so ausserordentlich rasch gelöst, dass die Verdauungsversuche mit rohem Fibrin fast eine unrichtige Vorstellung von der Fähigkeit des Trypsins, geronnene Eiweisskörper im Allgemeinen zu lösen) geben. Die Anluiufnng von Verdauungsprodulden wirkt hemmend auf die Trypsinverdauung. Die ProduJcte der Tri/psinverdaunng. Bei der Verdauung von unge- kochtem Fibrin kann als Zwischenprodukt ein bei -|- 55 ä 60"^ C. gerinnendes Globulin erhalten werden (Herrmann*). Sonst entstehen aus dem Fibrin, wie aus anderen EiweissstofFeu, Älbumosen und Peptone, Leucin. Tyrosin und Produkte Asparaginsüiire , ein wenig Zysjw , Lysatimn (Hedix), Arginin und Histidtn verdauung. (Kutsc;her % Ammoniak (Hirschler ^) und ferner das sogen. Proteinochromogen 1) Studies from the Laboiat. of Yale College New Haven 1885 1 S. 100. 2) LiNDBERGER, Maly's Jahresber. 13. Rachford und Socthoate, Jledical Record 48 1895. Chittenden und Albro, Amci-ic. Journ. ot Physiol. 1 1898. 3) Skand. Arch. f. Physiol. 3. ■*) Zeitschr. f. physiol. Chem. 11. ö) Hedin, vergl. Drechsel, Abbau der Eiweissstofi'e in Du Bois-Reyjiond's Areh. 1891; Kutscher, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. 6) Ebenda 10 S. 302. 294 Neuntes Kapitel. oder Tryptophan. Bei nicht ganz ausgeschlossener Fäulniss treten auch zahl- reiche andere Stofle auf, die erst später im Zusammenhange mit den Fäulniss- vorgängen im Darme näher besprochen werden können. Bei der Trypsinver- dauung soll, im Gegensatz zu der Pepsin Verdauung, verhältnissmässig leicht und rasch echtes, von Ammoniumsulfat nicht fällbares Pepton entstehen. Das Pepton soll nach Kühne zuletzt nur aus Antipepton bestehen, und die oben- genannten Zersetzungsprodukte, Leucin u. a., sollen aus einer Zersetzung des Hemipeptons hervorgehen (vergl. Kap. 2). Proteinochromogeil') oder Tryptophan-) hat man ein bei der Trypsinverdau- nng auftretendes Spaltungsprodukt der Eiweissstoft'e genannt, welches mit Chlor oder Brom ein röthlioh-Tiolettes Produkt, das sogen. Proteinoehrom giebt. Xacli Xencki entstehen nach Bromzusatz mindestens zwei verschiedene Körper von ungleichem Bromgehalt, von denen der Protemo- gJQe ^u iip,Q Hämatoporphyrin , bezw. dem Bilirubin , und der andere zu den tliierischen ®*"' Melaninen in naher Beziehung zu .stehen scheint. Durch Einwirkung von Chlor erhielt Beitlee^) ein rothes Produkt — das Cliloroproteinochrom — dessen Zusammensetzung der Formel Cg(;Ni,6Cl3N.,,03,S entsprach. Dieses Produkt ist wie das Prote'inochromogen selbst leicht zersetzlich. Das Proteinochromogen difl'undirt durch Jlembrauen und wird von Phos- phorwolframsäure, nicht aber von Metallsalzen gefällt. Die Wirhing des Trijpsins auf andere Stoffe ist noch nicht genügend studirt worden. In der Pankreasdrüse vom Schweine und einigen Pflanzen- fressern hat man ein mit dem Trypsin gewiss nicht identisches Enzym gefunden, welches neutrale oder alkalische il/i?c/i zum Gerinnen bringt (Kühne und Roberts). Nach Halliburton und Brodie^) wird das Kasein durch den Pankreassaft des Hundes in „pancreatic Casein" übergeführt, eine Substanz, die in Bezug auf Löslichkeit gewissermassen zwischen Kasein und Parakasein (vgl. Kap. 14) steht und durch Lab in letzteres übergeführt wird. Die Niildeine und Fseudo- nuJdeine werden von dem alkalischen Pankreassafte gelöst und wenigstens zum Theil weiter verdaut. Der Leim wird von dem Pankreassafte gelöst und in „Leimjjepton" umgesetzt. Nach Kühne und Ewald ^) entsteht hierbei weder Gly kokoll noch Leucin. Die leinKjehende Substanz des Bindegewebes wird nicht direkt, sondern erst wenn sie zuvor in Säuren gequollen oder durch Wasser von -\- 70" C. zum Schrumpfen gebracht worden, von dem Trypsin Wirkungdes gelöst. Bei der Einwirkuni; des Trvpsins auf hyalinen Knornel lösen sich die Trypsms auf ° _ d j i j ± andere Zellen Und die Kerne bleiben zurück. Die Grundsubstanz erweicht und zeigt ein undeutlich konturirtes Netzwerk von kollagener Substanz (Kühne und Ewald). Die elastische Sulistanz, die striiJdmiosen Membrane und die Membran der Fettzellen werden ebenfalls gelöst. Parenchi/matöse Organe, wie die Leber und die Muskeln, werden bis auf Kernreste, Bindegewebe, Fettkörnchen und Kesf£ des Nervengewebes gelöst. Sind die Muskeln gekocht, so wird das 1) Stadelmasn, Zeitschr. f. Biologie 26. ä) Nedmeister, ebenda 26 S. .329. 3) Nencki, Ber. d. deutseh. ehem. GeseUsch. 2S; Beitler, ebenda 31. i) KÜHNE und Roberts, Mal y's J ahresber. 9 ; vergl. auch Edkins, Jouru. of Physiol. 12 (Litteraturangaben). Halliburton und BrOdie, ebenda 20. 5) Verh. d. naturh.-med. Vereins zu Heidelberg. (N. F.) 1. Das Zymogen ('hemische Vorgänge im Darme. 295 Bindegewebe ebenfalls gelöst. Mucin und wenigstens gewisse Nukleine werden gelöst und gespalten. Auf Chitin und Hornsuhstanz scheint das Trypsin ohne Wirkung zu sein. Oxyliämoglohin wird von dem Trypsin unter Abspaltung von Hämatin zersetzt. Das Hämoglobin soll dagegen, wenn der Zutritt von Sauerstoff gänzlich verhindert wird, von dem Trypsin nicht zersetzt werden (Hoppe-Seyler)'). Auf Fett und Kohlehydrate wirkt das Trypsin nicht. In dem Obigen wurde schon hervorgehoben, dass das Trypsin nicht als solches vorgebildet in der Drüse vorkommt, sondern dass diese vielmehr, wie besonders Heidenhain gezeigt hat, ein entsprechendes Zymogen enthält. Der Maximalgehalt der Drüse an solchem Zymogen kommt 14 — 16 — 18 Stunden und der Minimalgehalt 6 — 10 Stunden nach einer reichlichen Mahlzeit vor. Das Zymogen wird nicht von Glyceriu , leicht aber von Wasser und Säuren umgewandelt, so dass aus ihm Trypsin gebildet wird. Sodalösung von 1 — 1,5 p.c. verhindert dagegen die Umwandlung des Zymogens fast gänzlich. Lässt man .j-^^^^jj^ die Drüse an der Luft liegen, so wird sie allmählich sauer, und dieses Sauer- werden führt zu einer Enzymbildung, bei welcher, wie überhaupt bei der Um- wandlung des Zymogens in Trypsin, der Sauerstoff wirksam zu sein scheint. Dass auch die zwei anderen Enzyme aus entsprechenden Zymogeneu entstehen, ist sehr wahrscheinlich, und es ist dies besonders bezüglich des diastatischen Enzymes von Liversidge-) wahrscheinlich gemacht worden. V. Die chemischen Vorgänge im Darme. Die Wirkungen, welche einem jeden Verdauungssekrete an sich zukommen, können unter Umständen durch Beimengung von anderen Verdauungsflüssig- keiten wesentlich verändert werden ; und hierzu kommt noch , dass den in den Darm sich ergiessenden Verdauungsflüssigkeiten noch eine andere Flüssigkeit, die Galle, sich beimengt. Es ist also im Voraus zu erwarten, dass das Zu- sammenwirken dieser sämmtlichen Flüssigkeiten die im Darme verlaufenden chemischen Vorgänge kompliziren wird. Da die Säure des Magensaftes auf das Plyalin zerstörend wirkt, dürfte wohl dieses Enzym, selbst nachdem die Säure des Magensaftes im Darme neutralisirt worden, keine weitere diastatische Wirkung entfalten können. Die Galle hat wenigstens bei einigen Thieren eine schwach diastatische Wirkung, die wohl an und für sich von keiner wesentlichen Bedeutung sein dürfte, die aber iedoch zeigt, dass die Galle nicht einen hinderlichen, sondern eher einen förder- verhalten ■^ der Kohle- lichen Einfluss auf die energische, diastatische Wirkung des Pankreassaftes hydrate im ausübt. Es haben in der That auch M.\rtin und Williams^) in ihren Ver- J) Physiologische Chemie. S. 267. '-) Journ. of Phj-siol. 8. ■<) Proceed. of Rov. Suc. -tö ii. 48. 296 Neuntes Kai)itel. suchen eine fördernde Wirkung der Galle auf die diastatische Wirkung von Pankreasinfusen beobachtet. Hierzu kommt noch die Wirkung der im Darme regelmässig und in der Nahrung bisweilen vorkommenden organisirten Fermente, welche theils eine diastatische Wirkung entfalten und theils eine Milchsäure- und Buttersäuregährung hervorrufen können. Die aus der Stärke entstandene Maltose scheint im Darme in Glukose umgesetzt zu werden. Ebenso wird der Verhalten Rohrzuckcr Und wenigstens bei gewissen Thiereu der Milchzucker im Darme der Kohle- . . hydr.ite. invertirt^). Dass die Cellulose, besonders die feinere und zartere, im Darme zum Theil gelöst wird, ist unzweifelhaft; die Produkte, welche aus ihr ent- stehen, sind dagegen nicht genügend bekannt. Dass die Cellulose im Darme durch die Einwirkung von Mikroorganismen einer Gährung unter Bildung von Sumpfgas, Essigsäure und Buttersäure unterliegen kann, ist besonders von Tappeiner gezeigt worden ; dagegen weiss man aber nicht, wie gross der in dieser Weise zerfallende Theil der Cellulose ist-J. Die Galle, namentlich die Hundegalle, hat nach Moore und Kockwood ^) in recht hohem Grade die Fähigkeit Fettsäuren zu lösen, und hierdurch kann sie vielleicht die Resorption der durch den Pankreassaft abgespaltenen Fett- Gaiie. säuren befördern. Von grosser Bedeutung dürfte es ebenfalls sein , dass die Galle, wie Nexcki und Rachford*) gezeigt haben, die fettspaltende Wirkung des Pankreassaftes befördert. Die hierbei freigewordenen Fettsäuren können mit dem Alkali des Darm- und Pankreassaftes und der Galle zu Seifen sich verbinden, welche, wie man annimmt, für die Emulgirung des Fettes von der allergrössten Bedeutung sein sollen. Setzt man einer Sodalösung von etwa 1 — 3 p. m. Na^COg reines, wirklich neutrales Olivenöl in nicht zu grosser Menge zu, so erhält man erst bei kräftigem Schütteln eine, nicht dauerhafte Emulsion. Setzt man dagegen zu einer anderen, gleich grossen Quantität derselben Sodalösung dieselbe Menge von gewöhnlichem käuflichem Olivenöl (welches stets freie Fettsäuren enthält), so braucht man nur das Gefäss vorsichtig umzustülpen, so dass die beiden Flüssigkeiten gemischt werden, um sogleich eine, von einer äusserst feinen Emulgirung und dauerhaften Emulsion milchähnliche Flüssigkeit zu erhalten. Die freien des Fettes. * Fettsäuren des stets etwas ranzigen, käuflichen Oeles verbinden sich mit dem Alkali zu Seifen, welche ihrerseits die Emulgirung bewirken (Brücke, Gad, LoEWENTHAL^). Diese emulgirende Wirkung der durch den Pankreassaft abge- 1) Vergl. Litteralur Fussnote 1 u. 2 S. 285. '^) Ueber die Verdauung der Cellulose vergl. man Henneberg und Stohm.^nn, Zeitschr. f. Biologie. 21. S. 613. v. Knieriem, ebenda S. 67. V. Hofmeister, Arch. f. wiss. u. prakt. Thierheilknnde. 11. Weiske, Zeitschr. f. Biologie. 22. S. 373. T.\PPEINER, ebenda 20 u. 24 und Mallevre, Pflüger's Areh. 49. 3) Proceed. of Roy. Soc. 60 und Journ. of Physiol. 21. 4) Nencki, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 20; Rachford, Journ. of Physiol. 12. ö) Brücke, Wien. Sitzungsber. 61 Abth. 2; Gad, Dr Bots-Reymond's Arch. 1878: LOEWENTHAL, ebenda 1897. Die Galle im Darme. 297 spaltenen Fettsäuren soll durch das regelmässige Vorkommen von freien Fett- säuren in der Nahrung wie auch durch Abspaltung von fetten Säuren aus dem Neutralfette bei der Fäulniss im Darme unterstützt werden. Diese Fettsäuren müssen nämlich ebenfalls mit dem Alkali im Darme zu Seifen sich verbinden. Da man die Hauptmenge des resorbirten Fettes als Emulsion im Chylus wiederfindet, betrachtet man allgemein eine Emulsionsbildung mit Hilfe der Seifen als etwas für die Resorption des Fettes sehr wichtiges. Zu der Frage, in wie weit eine solche Anschauung berechtigt sei, wie auch zu anderen, die Resorption des Fettes betreffenden Fragen werden wir später, bei Besprechung der Resorption, zurückkommen. Hier mag nur daran erinnert werden, dass nach allen einstimmigen Erfahrungen das Zusammenwirken von Galle und Pankreassaft die Fettresorptiou begünstigt. Die Galle kann zwar bei künstlichen Verdauung.sversuchen die Pepsin- verdauung vollständig verhindern , indem sie dem Aufquellen des Eiweisses hinderlich ist. Ein Eindringen von Galle in den Magen während der Ver- dauung scheint dagegen, wie mehrere Forscher, namentlich Oddi und Dastbe'), gezeigt haben, zu keinerlei Störungen Veranlassung zu geben. Die Galle hat bei neutraler oder alkalischer Reaktion keine lösende Wirkung auf das Eiweiss, aber dennoch kann sie auf die Eiweissverdauung im Darme Einfluss üben, ^ij^™! j^ Der saure, eiweissreiche Mageninhalt giebt nämlich mit der Galle einen Nieder- Emeiss- ' ® ö Verdauung. schlag von Eiweiss und Gallensäuren. Dieser Niederschlag reisst das Pepsin theilweise mit und hierdurch, wie auch durch die theilweise oder vollständige Neutralisation der Säure des Magensaftes durch das Alkali der Galle und des Pankreassaftes, kann die Pepsin Verdauung im Darme nicht weiter von statten gehen. Dagegen stört die Galle hierdurch nicht die Eiweissverdauung mittels des Pankreassaftes im Darme. Die Wirkung dieses Verdauungssekretes wird nämlich, wie oben genannt, von der Galle nicht gestört, selbst nicht bei der von organischen Säuren herrührenden, schwach sauren Reaktion, welche regelmässig in den oberen Theilen des Darmes zu herrschen pflegt. Der gallehaltige, schwach saure Darminhalt von während der Verdauung getödteten Hunden zeigt in der That auch regelmässig eine kräftig verdauende Wirkung auf Eiweiss. Der beim Zusammentreffen des sauren Mageninhaltes mit der Galle ent- stehende Niederschlag löst sich wieder leicht — zum Theil schon bei saurer Reaktion — in einem Ueberschuss von Galle wie auch in dem bei der Neu- tralisation der Salzsäure des Magensaftes entstandenen NaCl auf. Es ist übrigens zweifelhaft, ob beim Älenschen, bei welchem die Ausführungsgänge der Galle und des Pankreassaftes neben einander einmünden und bei welchem in Folge dessen der saure Jlageninhalt wahrscheinlich sogleich beim Zutritte der Galle zum grössten Theil neutralisirt wird, überhaupt eine Ausfällung von Eiweiss durch die Galle im Darme vorkommt. 1) Oddi, Eef. in Centrale, f. Pliysi..!. 1 S. 312. Dastue, Aivli. de Physiol. S. 316. 298 XeuDtes Kapitel. Nonnaler Diinndarm- inhalt. Produkte der Eiweis fäulniss. Neben den in dem Vorigen besprochenen , durch Enzyme vermittelten Prozessen verlaufen jedoch in dem Darme auch Prozesse anderer Art, die von Jlikroorganismen vermittelten GähruDgs- und Fäulnissvorgänge. Diese verlaufen weniger intensiv in den oberen Theilen des Darmes, nehmen aber gegen den unteren Theil desselben an Intensität zu, um endlich in dem Dickdarme und Enddarme in dem Masse, wie das Wasser durch die Resorption entfernt wird, wieder an Stärke abzunehmen. In dem Dünndarme kommen, so lange der Inhalt noch stärker sauer reagirt, zwar Gährungs- aber keine Fäulnissprozesse vor. Macfadyex, M. Nencki und N. Sieber^) haben einen Fall von Anus praeternaturalis beim Menschen untersucht, in welchem gerade das in das Coecum einmündende Ende des Ileum excidirt worden war, und sie konnten also den aus der Fistel ausfliessenden Inhalt, nachdem er der Einwirkung der ganzen Dünndarmschleimhaut unterworfen war, untersuchen. Der von Bilirubin gelb bis gelbbraun gefärbte Speisebrei reagirte sauer und hatte bei gemischter aber vorwiegend animalischer Kost einen Säuregrad, der, auf Essigsäure bezogen, als Mittel etwa 1 p. m. betrug. Der Inhalt war in der Regel fast geruchlos, von etwas brenzlichem und an flüchtige Fettsäuren erinnerndem, seltener von schwach fauligem , an Indol erinnerndem Geruch. Die wesentlichste Säure war Essig- säure, neben ihr kamen aber auch Gährungsmilchsäure und Paramilchsäure, flüchtige Fettsäuren, Berusteinsäure und Galleusäuren vor. Koagulables Eiweiss, Peptone, Mucin, Dextrin, Zucker und Alkohol waren vorhanden. Leucin und Tyrosin konnten dagegen nicht aufgefunden werden. Nach den genannten Forschern wird im menschlichen Dünndarm das Eiweiss gar nicht oder ausnahmsweise in ganz geringer Menge durch Mikrobien zersetzt. Die im Dünndarm vorhandenen Mikrobien zersetzen vorzugsweise die Kohlehydrate unter Bildung von Aethylalkohol und den obengenannten organischen Säuren. Freie Salzsäure kommt im Darme nicht vor, und die organischen Säuren sind es, die im Darme die Eiweissfäulniss verhindern. Weitere Untersuchungen von Jakowsky") führten ebenfalls zu dem Schlüsse, dass beim Menschen die Eiweissgährung nicht im Dünndarme , sondern im Dickdarme stattfindet. Diese Eiweissfäulniss ist etwas ganz anderes als die Paukreasverdauung, und diese zwei Prozesse sind durch die Produkte, welche sie liefern, wesentlich von einander verschieden. Bei der Paukreasverdauung entstehen, so weit bisher bekannt, neben Albumosen und Peptonen, Basen, Proteinochromogen, Amidosäuren und Ammoniak. Bei der Fäulniss des Eiweisses entstehen zwar anfänglich dieselben Produkte, aber die Zersetzung geht bedeutend weiter und es entstehen eine Menge von Produkten , welche man durch die Untersuchungen zahlreicher Forscher, vor allem Nencki, Baumann, Brieger, H. und E. Salkow.-ski und deren Schüler kennen gelernt hat. Die bei der Fäulniss von Eiweiss entstandenen Produkte sind (ausser Albumosen, Peptonen, >) Arch. I. exp. Path. u. Pharm. 28. 2) Arch. des Sciene. biolog. de St. Petersbouig. 1. Fiiulnisspi-oaukte. Indul. Skatul. 299 Amidosäuren und Ammoniak) Indol, Skatol, Parakresol, Phenol, Phenyl- propionsäure und Phenylessigsüure , ferner Puraoxyphenylessigsmire und Uydroparakumarsäiire (neben Parakresol durch die Fäulniss von Tyrosin entstanden), flüchtige fette Säuren, Kohlensäure, Wasserte f gas, Sumpfgas, Methyl merkaptan und Schivefelwasserstoff. Bei der Fäulniss von Leim ent- stehen weder Tyrosin noch Indol, wogegen Glykokoll dabei gebildet wird. Von diesen Zersetzungsprodukten sind einige von besonderem Interesse ihres Verhaltens innerhalb des Organismus wegen, indem sie nämlich nach geschehener Resorption in den Harn übergehen. Einige, wie die Oxysäuren, gehen hierbei unverändert in den Harn über. Andere, wie die Phenole, gehen direkt und andere wiederum, wie Indol und Skatol, erst nach erfolgter Oxydation dui'ch eine Synthese in Aethersehwefelsäuren über, welche mit dem Harne aus- derFäuTniss geschieden werden (vergl. bezüglich der weiteren Details Kap. 15). Die Menge ^den^Ham^ dieser Stoffe im Harne wechselt auch mit dem Umfange der Fäulnissvorgänge im Darme, wenigstens gilt dies von den Aethersehwefelsäuren. Mit stärkerer Fäulniss wächst ihre Menge im Harne, und umgekehrt können sie, wie Baumann'^j durch Experimente an Hunden gezeigt hat, wenn der Darm mit Kalomel desinfizirt wird, aus dem Harne verschwinden. Unter den nun genannten Fäulnissprodukten im Darme dürften hier die folgenden zwei, das Indol und das Skatol, des näheren besprochen werden müssen. /CH Indol, CsH7N=C6Hj/ ,CH, und Skatol oder Methvlindol, \NH'' .C.CH3 C(,HgN=CgH^<^ ^'"''^'^^ssCH , sind zwei zu den Indigosubstanzen in naher \ NH/ Beziehung stehende Stoffe, welche unter verschiedenen Bedingungen in wechselnden 's^atoT^ Mengen aus den Eiweissstoffen entstehen. Sie kommen regelmässig im Darm- kanale des Menschen vor und gehen, wenigstens zum Theil, nach geschehener Oxydation zu Indoxyl, resp. Skatoxyl als die entsprechenden Aethersehwefel- säuren, aber auch als Glukuronsäuren in den Harn über. Diese zwei Stofle sind auf mehrfache Weise synthetisch dargestellt worden. Es können beide aus Indigo, durch Reduktion desselben mit Zinn und Salz- säure und Erhitzen des Reduktiousproduktes mit Zinkstaub, gewonnen werden (Bayer^). Das Indol entsteht auch aus dem Skatol beim Durchleiten desselben durch ein glühendes Rohr. In Wasser suspendirtes Indol wird von Ozon zum Theil zu Indigblau oxydirt (Nencki^). Indol und Skatol krystallisiren in glänzenden Blättchen, deren Schmelz- 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 10. 2) Annal. d. Chem. u. Pharm. 110 uml .Supplbil 7 S. 56. Bcr. d. deutsch, chem. (iesellsch. 1. 3) Ber. (1. deutsch, chem. Gesellsch. 8 S. 727 uiul ebenda S. 722 u. 1517. 300 Neuutes Kapitel. punkte bei -j- 52, bezw. 95" C. liegen. Das Indol riecht eigenthüralich exkrementähnlich, das Skatol hat einen intensiven fäkalen Geruch (das Skatol aus Indigo soll jedoch geruchlos sein). Beide Stoffe sind mit Wasserdänipfeu leicht flüchtig, das Skatol jedoch leichter als das Indol. Aus dem wässerigen Destillate können beide mit Aether ausgeschüttelt werden. In siedendem Wasser ist das Skatol bedeutend schwerlöslicher. Beide sind in Alkohol leicht löslich. Beide geben mit Pikrinsäure eine in rothen Nadeln krystallisirende Verbindung. Wird ein Gemenge von den zwei Pikraten mit Ammoniak destillirt, so gehen die beiden Stoffe unzersetzt über ; destillirt man dagegen mit Natronlauge, so wird das Indol zersetzt, das Skatol nicht. Die wässerige Lösung des Indols giebt mit rauchender Salpetersäure eine rothe Flüssigkeit und dann einen rothen Niederschlag von Nitrosoindolnitrat (Nencki ^). Man kann noch besser erst ein schaftenünd P*^*' Tropfen Salpetersäure zufügen und dann tropfenweise eine 2prozentige Lösung Reaktionen. YQ„ ]jjjjjy,)mj(|.j( zusetzen (S.XLKOWSKi^). Das Skatol giebt nicht diese Reaktion. Eine mit Salzsäure versetzte alkoholische Lösung von Indol färbt einen Fichten- span kirschroth. Das Skatol giebt diese Reaktion nicht. Indol giebt mit Nitroprussidnatrium und Alkali eine tief rothviolette Farbe (Legals Reaktion). Beim Ansäuern mit Salzsäure oder Essig.säure wird die Farbe rein blau. Skatol verhält sieh anders. Die alkalische Lösung ist gelb und wird nach dem Ansäuern mit Essigsäure und Sieden violett. In konzentrirter Salzsäure löst sich das Skatol mit violetter Farbe. Beim Erwärmen mit Schwefelsäure giebt Skatol eine prachtvoll purpurrothe Färbung (Ciamician und Magnanini^). Die zum Nachweis und zur Reindarstellung von Indol und Skatol aus Exkrementen oder faulenden Gemengen übliche Methode ist in ihren Haupt- zügen folgende. Man destillirt nach dem Ansäuern mit Essigsäure, versetzt das Destillat mit Alkali (um etwa gleichzeitig anwesende Phenole zu binden) Darstellung und destillirt von Neuem. Aus dem neuen, zweiten Destillate werden die beiden weis Toii Stoffe mit Pikrinsäure nach Zusatz von Salzsäure ausgefällt. Die Pikratfällung 'skatol""' ^^''"'^ dann mit Ammoniak destillirt. Aus dem Destillate werden die beiden Stoffe mit Aether wiederholt ausgeschüttelt und sämmtliche Aetherauszüge ver- dunstet. Der, Indol und Skatol enthaltende Rückstand wird in sehr wenig ab- solutem Alkohol gelöst und mit 8 — 10 Volumen Wasser versetzt. Dabei wird das Skatol gefällt, das ludol dagegen nicht. Bezüglich des zur weiteren Trennung und Reinigung nöthigen Verfahrens wird auf ausführlichere Hand- bücher verwiesen. Die bei den Zersetzungsvorgängen im Darme entstehenden Gase werden im Verdauungskanale mit der mit Speichel und Speisen verschluckten atmo- sphärischen Luft gemischt. Da die Gasentwickelung bei der Zersetzung ver- schiedener Nährstoffe eine verschiedene ist, so muss das Gasgemenge nach ver- schiedener Nahrung voraussichtlich eine verschiedenartige Zusammensetzung haben. Dies ist in der That auch der Fall. Von Sauerstoff finden sich in den Gedärmen höchstens Spuren, was zum Theil von bei den Gährungsprozessen 1) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 8. S. 727 und ebenda S. 722 u. 1517. 2) Zeitschr. £. physiol. Chern. 8. S. 447. 3) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 21. S. 1928. Daniigase. 301 entstandeneu reduzirenden Substanzen, welche Sauerstoff biuden können, und theils und wahrscheinlich hauptsächlich von einer Diffusion des Sauerstoffes durch die Gewebe der Darniwand herrühren dürfte. Dass diese Vorgänge zum grössten Theil schon im Magen stattfinden, dürfte aus dem oben (S. 275) über die Zusammensetzung der Magengase Gesagten ersichtlich sein. Stickstoff findet sich dagegen regelmässig im Darme und er dürfte wohl hauptsächlich von der verschluckten Luft herrühren. Die Kohlensäure stammt theils von dem Magen- inhalte, theils von der Eiweissfäulniss, theils von einer Milch- und Buttersäure- gährung der Kohlehydrate und theils von einem Freiwerden von Kohlensäure aus dem Alkalikarbonate des Pankreas- und Darmsaftes, bei deren Neutralisation durch die Salzsäure des Magensaftes und die bei der Gährung entstandenen organischen Säuren her. Wasserstoff kommt in grösster Menge nach Milch- nabrung und in kleinster Menge bei reiner Fleischnahrung vor. Dieses Gas scheint zum grössten Theil bei der Buttersäuregährung der Kohlehydrate zu D^^sas«- entstehen, obgleich es jedoch auch bei der Eiweissfäulniss unter Umständen in reichlicher Menge auftreten kann. Die Abstammung der im Darme normaler- weise vorkommenden Spuren von Metliijlmerlcajitan und Schwefelwasserstoff' aus dem Eiweiss ist unzweifelhaft. Auch das Sumpfgas kann unzweifelhaft von der Eiweissfäulniss herrühren. Hierfür sprechen besonders die grossen Mengen, 26,45 p. c, Sumpfgas, welche von Ruge^) im Darme des Menschen nach Fleischkost gefunden wurden. Noch grössere Mengen von diesem Gase fand er jedoch nach einer Hülsenfrüchte enthaltenden Nahrung, was gut mit der Beobachtung stimmt, dass das Sumpfgas durch eine Gährung von Kohle- hydraten, besonders aber von Cellulose (T.\ppeiner ^) entstehen kann. Besonders bei den Pflanzenfressern dürfte wohl auch ein solcher Ursprung des Sumpfgases gewöhnlich sein. Ein kleiner Theil des Sumpfgases wie auch der Kohlensäure kann auch von einer Zersetzung des Lecithins herrühren (HiiSEBROEK^). Einer Fäulniss im Darme unterliegen indessen nicht nur die Bestandtheile der Nahrung, sondern auch die eiweisshaltigen Sekrete und die Galle. Unter den Bestandtheilen der Galle werden dabei nicht nur die Farbstoffe — aus dem Bilirubin entstehen, wie man allgemein annimmt, Urobilin und braune Farbstoffe — sondern auch die Gallensäuren, vor allem die Taurocholsäure umgewandelt oder zersetzt. Die Glykocholsäure ist beständiger und sie findet sich deshalb bei einigen Thieren in den Exkrementen zum Theil unzersetz.t Zersetzung " . der Galle im wieder, während die Taurocholsäure der Zersetzung regelmässig so vollständig Darme, anheimfällt, dass sie in den Darmausleerungen gänzlich fehlt. Beim Fötus, in dessen Verdauungskanal keine Fäulnissprozesse vorkommen, findet man dagegen im Darminhalte unzersetzte Gallensäuren und Gallenfarbstoffe. Die Umwandlung 1) Wien. Sitzungsber. 44. -') Zeitschr. f. Biologie 20 u. 24. •I) Zeitschr. f. physiol. Chem. 12. 302 Xcuutes Kapitel. des Bilirubins zu Urobilin findet nach Macfadyen, Nencki, Sieber und Harley') beim Menschen nicht im Dünn-, sondern im Dickdarme statt. Dass die eiweissreichen Sekrete ebenfalls der Fäulniss anheimfallen, folgt daraus, dass die Fäulniss auch bei vollständigem Hungern fortbesteht. Bei seinen Beobachtungen an Cetti fand Müller-), dass beim Hungern die In- dikanausscheidung rasch abnahm und nach dem 3. Hungertage nicht mehr zu beobachten war, wogegen die Phenolausscheidung, welche erst herabging so dass sie fast minimal wurde, von dem 5. Hungertage ab wieder anstieg und Sekrete fm^ ^"^ 8. oder 9. Tage 3 — 7 mal so gross wie beim Menschen unter gewöhnlichen Darme. Verhältnissen war. Bei Hunden ist dagegen während des Hungerns die Indikan- ausscheidung bedeutend, die Phenolausscheidung dagegen minimal. Unter den im Darme faulenden Sekreten dürfte wohl hierbei der Pankreassaft, welcher sehr leicht in Fäulniss übergeht, den hervorragendsten Platz einnehmen. Aus dem in dem Vorigen Gesagten ergiebt sich, dass die bei der Fäulniss im Darme entstehenden Produkte zum Theil dieselben sind, welche bei der Verdauung entstehen. Insoferne als bei der Fäulniss solche Produkte wie Albu- mosen und Peptone und vielleicht auch gewisse Amidosäuren gebildet werden, kann also die Fäulniss zum Nutzen des Organismus wirksam sein. Man hat sogar in Frage gestellt (Pasteur), ob die Verdauung überhaupt bei Abwesenheit von Mikroorganismen möglich sei. Nuttal und Thierfelder^) haben aber gezeigt, dass Meerschweinchen, die aus dem Uterus der Mutter durch Sectio caesarea herausgenommen wurden, in steriler Luft eine slerilisirte Nahrung (Milch oder Cakes) bei vollständigem Fehlen von Bakterien im Darmkanale gut ver- dauen und assimiliren konnten, wobei sie vollkommen normal gediehen und an Gewicht zunahmen. Die Bakterieuwirkung im Darmkanale ist also wenigstens für gewisse Arten von Nahrung nicht nothwendig. Dass sie im Interesse des Organismus wirken kann, wurde oben hervorgehoben; aber diese Wirkung kann auch durch die Bildung von weiteren Spaltungsprodukten einen Verlust von werthvollem Material für den Organismus bedingen. Es ist darum auch von Wichtigkeit, dass die Fäulniss im Darme innerhalb gebührender Grenzen gehalten wird. Intensität Xödtet man ein Thier, während die Verdauung im Darme im Gange ist, so fäulniss. jj^(. jjgy Inhalt der Dünndärme einen eigenthüralichen, aber nicht fauligen Geruch. Auch der Geruch des im Dickdarme befindlichen Inhaltes ist lange nicht so stinkend wie der einer faulenden Pankreasinfusion oder eines eiweissreichen , faulenden Gemenges. Schon hieraus kann man schliessen, dass die Fäulniss im Darme gewöhnlichenfalls lange nicht so intensiv wie ausserhalb des Organismus wird. Unter physiologischen Verhältnissen scheint also dafür gesorgt zu sein, dass die Darmfaulniss nicht zu weit geht, und diejenigen Faktoren, die hier in — 1) Hakley, Biit. med. Journ. 1896. 2) Berlin, klin. Wochensehr. 1887. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 21 u. 22. Die Dariufäulniss. 303 Betracht kommen können, dürften verschiedener Art sein. Die Resorption ist unzweifelhaft von grosser Bedeutung und es ist durch direkte Beobachtungen sichergestellt, dass die Fäulniss stärker zunimmt in dem Masse, wie die Re- ^^^^^^^ Sorption gehemmt ist und flüssige Massen in dem Darme sich anhäufen. Die '*'''™/r°*| '™ Beschaffenheit der Nahrung übt auch einen unverkennbaren Einfluss aus, und es scheint, als ob eine grössere Menge von Kohlehydraten in der Nahrung der Fäulniss entgegenwirken würde (Hirschler'). Eine besonders stark fäulniss- hemraende Wirkung üben nach den Erfahrungen von Pohl, Biernacki, Ro\aGHi, WiNTERNiTZ und Schmitz^) auch Milch und Kefir aus. Diese Wirkung rührt nach Schmitz nicht von dem Kasein her und sie dürfte hauptsächlich durch den Milchzucker, zum Theil auch durch die Milchsäure bedingt sein. Eine besonders stark fäulnisshemmende Wirkung hat man auch schon längst der Galle zuschreiben w-ollen. Diese antiputride Wirkung kommt jedoch nicht der neutralen oder schwach alkalischen Galle, welche selbst bald in Fäulniss übergeht, sondern den freien Gallensäuren, besonders der Taurochol- jj^^'^'I^V'j. säure zu (Maly und Emich, Lindberger ^j. Dass die freien Gallensäuren "q^hp"' eine stark fäulnisshemmende Wirkung ausserhalb des Organismus ausüben können, unterliegt keinem Zweifel, und es dürfte deshalb auch .schwierig sein, ihnen eine solche Wirkung in dem sauer reagirenden Darniinhalte abzusprechen. Nichtsdestoweniger wird die antiputride Wirkung der Galle im Darme von mehreren Forschern (VoiT, Röhmann, Hirschler und Terray"*) in Ab- rede gestellt. Um die Bedeutung der Galle für die Verdauung kennen zu lernen, hat man sie durch Anlegen von Gallenfisteln nach aussen abgeleitet (Schwann, Blondlot, Bidder und Schmidt^) u. A.). Als Folgen eines solchen Ein- griflTes hat man regelmässig bei fetthaltiger Nahrung eine mangelhafte Resorption des Fettes und eine von dem grösseren Fettgehalte der Exkremente bedingte, hellgraue oder blasse Farbe derselben beobachtet. In wie weit sonstige Ab- weichungen von dem Normalen nach der Gallenfisteloperation auftreten oder verbaiteu nicht, hängt wesentlich von der Beschaffenheit der Nahrung ab. Füttert man tisteithiere. die Thiere mit Fleisch und Fett, so muss man gewöhnlich nach der Operation die Menge des Futters bedeutend vermehren, weil die Thiere sonst stark abmagern und sogar unter den Symptomen des Verhungerns zu Grunde gehen. In diesem Falle werden auch die Exkremente regelmässig aashaft stinkend, was rnan früher 1) Zcitsclir. f. physiol. Cheui. 10. 2) Ebenda 17. S. 401 , wo man auch altere Litteraturangalien findet, und 19. Veisjl. auch Salkowski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1893. S. 467 und Seelig, Yikchow's .Vrch. 146 (Litteraturangabeu). '■>) Maly und Emich, Monatshefte f. Chem. 4. LiNDBEKGER 1. e. *) VoiT, Beitr. zur Biologie. .Tubiläumsschrift. Stuttgart (Cotta) 1882; RÖHMANN, PfLÜGER's Arch. 29. HiESCHLER und Tekeay, Maly's Jahresber. 26. 5) Schwann, Müllee's Arch. f. Anat. u. Physiol. 1844. Blondlot, cit. nach Bidder und Schmidt, Verdauungssäfte ete. 9. 98. 304 Neuntes Ka})itel. ■als einen Beweis für die fäulnisshenimende Wirkung der Galle angeführt hat. Die Abmagerung und das gesteigerte Nahruugsbedürfniss rühren selbstverständlich von der mangelhaften Resorption des Fettes her, dessen hoher Verbrennungs- werth hierbei wegfällt und durch Aufnahme von grösseren Mengen anderer Nährstoffe ersetzt werden muss. Vermehrt man die Menge des Eiweisses und des Fettes, so muss das letztere, welches ja nur sehr unvollständig resorbirt werden kann, in dem Darme sich anhäufen. Dieses Anhäufen des Fettes im Darme soll seinerseits die Eiwirkung der Verdauungssäfte auf das Eiweiss erschweren, und dieses letztere fällt nun in grösserer Menge als sonst der Fäulniss anheim. Hierdurch erklärt man das Auftreten von stinkenden Fäces, welche ihre blasse Farbe eigentlich nicht dem ^langel an GallenfarbstofFen, sondern dem Reichthume an Fett zu verdanden haben sollen (Röhmann, Voit). Füttert man dagegen die Thiere mit Fleisch und Kohlehydraten, so können sie sich ganz normal verhalten, und das Ableiten der Galle hat keine gesteigerte Fäulniss zur Folge. Die Kohlehydrate können nämlich ungehindert in so grossen Mengen resorbirt werden , dass sie das Fett der Nahrung ersetzen , und dies ist der Grund, warum die Thiere bei einer solchen Diät nicht abmagern. Da nun ferner bei dieser Nahrung die Fäulniss im Darme trotz der Abwesenheit der Galle nicht stärker als unter normalen Verhältnissen ist, sieht man hierin einen Beweis dafür, dass die Galle im Darme keine fäulnisshenimende Wirkung ausübt. Gegen diese Scblussfolgerung könnte man einwenden, dass die Kohlehydrate an und für sich fäulnisshemmend wirken und folglich sozusagen die fäulniss- henimende Wirkung der Galle übernehmen könnten. Da es aber auch Fälle giebt, in welchen beim Gallentistelhunde die Darmfäulniss bei ausschliesslicher Fleischnahrung nicht gesteigert wurde'), so steht es also fest, dass die Abwesenheit von Galle im Darme selbst bei fast kohlehydratfreier Nahrung nicht immer eine gesteigerte Fäulniss zur Folge hat. Die Frage, wie die Fäulnissvorgänge im Darme unter physiologischen Verhältnissen innerhalb gebührender Grenzen gehalten werden, ist also noch nicht sicher zu beantworten. Dass in den oberen Theilen der Gedärme die saure Reaktion und in den unteren die Resorption von Wasser dabei von grossem Belange ist, lässt sich aber wohl nicht läugnen. Dass namentlich die saure Reaktion in dem Darme einen wesentlich hemmenden Einfluss auf die Fäulnissvorgänge ausübt, geht auch aus den zwischen dem Säuregrade des Magensaftes und der Darmfäulniss bestehenden Beziehungen hervor. Nachdem nämlich durch die Untersuchungen und Beobachtungen von Kast, Stadelmann, Wasbutzki, Bieenacki und Mester das Auftreten einer gesteigerten Darmfäulniss bei verringertem Salzsäuregehalt des Magensaftes oder bei Mangel an Salzsäure festgestellt worden war, hat ferner Schmitz ä) gezeigt, dass die beim Menschen durch Salzsäureeinnahme erzeugte Hyperacidität des 1) Vergl. HiKSCHLEK und Teekay. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 19, wo man auch die einschlägige Litte Die Exkrciufute. 305 Magensaftes umgekehrt die Darmfäulniss einschränken kann. Wie aber die Fäulniss bei solchen Thieren geregelt wird, bei denen der Darminhalt überall im Darme alkalisch ist (Moore und Rockwood '), bleibt vorläufig unklar. Die Exkreineute. Es ist einleuchtend , dass der Rückstand , welcher nach beendeter Verdauung und Resorption im Darme zurückbleibt, je nach der Art und Menge der Nahrung qualitativ und quantitativ ein verschiedener sein muss. Während die Menge der Exkremente beim Menschen bei gemischter Kost gewöhnlich 120 — 150 s, mit 30 — 37 s festen Stoffen, pro 24 Stunden Menge und . . Aussehen beträgt, war nach VoiT^) dagegen bei einem Vegetarier ihre Menge 333 g mit der Exkre- o o mente. 7ö g festen Stoffen. Bei einseitiger Fleischnahrung sind die Exkremente spär- lich, pechähnlich, fast schwarz gefärbt. Ein ähnliches Aussehen haben die spärlichen Exkremente beim Hungern. Eine reichliche Menge von gröberem Brod liefert eine reichliche Menge hellgefärbter Exkremente. Bei einem grösseren Fettgehalte nehmen sie ein helleres, thonfarbiges Aussehen an. Zu der normalen Farbe der Fäces scheinen die Zersetzungsprodukte der Gallenfarbstoffe nur wenig beizutragen. Die Bestandtheile der Exkremente können verschiedener Art sein. Es kommen also in den Exkrementen verdauliche oder resorbirbare Bestandtheile der Nahrung, wie Muskelfasern, Bindegewebe, Kaseinklümpchen, Stärkekörner und Fett vor, welche während des Aufenthaltes im Darmkanale die zur voll- ständigen Verdauung oder Resorption nöthige Zeit nicht gefunden haben. Es enthalten die Exkremente ausserdem unverdauliche Stoffe, wie Pflanzenreste, Keratinsubstanzen u. A.; ferner Formelemente, von der Schleimhaut und den Drüsen stammend; Bestandtheile der verschiedenen Sekrete, wie Mucin, Cholal- Bestand- . 1 /^, 1 'TT- theile der säure, Dvsiysin und Cholesterm (Koprostenn); Mineralstoffe der Nahrung und Exkre- mente, der Sekrete und endlich Produkte der Fäulniss oder der Verdauung, wie Skatol, Indol, flüchtige fette Säuren, Kalk- und Magnesiaseifen. Bisweilen kommen auch Parasiten verschiedener Art vor, und endlich enthalten die Exkremente in reichlicher Menge Mikroorganismen verschiedener Art. Dass die Darnischleimhaut selbst durch ihr Sekret und die in reichlicher Menge abgestossenen Epithelzellen sehr wesentlich zur Bildung der Exkremente beiträgt, geht aus der zuerst von L. Hermann gemachten , von anderen ^) bestätigten Beobachtung hervor, dass in reingespülten, isolirten, vollständig geschlossenen Darmschlingen kothähnliche Massen sich ansammeln. Der mensch- liche Koth scheint übrigens grösstentheils aus Darmsekreten und nur zum geringeren Theil aus Nahrungsresten zu bestehen. Dementsprechend scheinen 1) Journ. of Physiol. 21. 2) Zeitschr. f. Biologie 25 S. 264. 3) Hermaxn, Pflüger's Arch. 46. Vergl. ferner Ehrenthai, ebenda 48; Bebenstein, ebenda 53. Klecki, Centralbl. f. Physiol. 7. S. 736 und F. VoiT, Zeitschr. f. Biologie 29; V. MORACZEWSKI, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. Hammarsteu, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 20 306 Neuntes Kaijitel. auch manche Nahrungsmittel eine grössere Menge Koth hauptsächlich dadurch zu erzeugen, dass sie eine reichlichere Sekretion hervorrufen-). Die Reaktion der Exkremente ist sehr wechselnd, beim Menschen aber regelmässig alkalisch. Die inneren Theile können allerdings sauer sein, während die an der Schleimhaut liegenden äusseren Schichten alkalisch reagiren. Bei Säuglingen soll die Reaktion regelmässig sauer sein (Wegscheider -). Der Geruch wird wohl hauptsächlich von dem Skatol bedingt, welches zuerst von Bkieger in Exkrementen gefunden wurde und nach ihnen seinen Namen erhalten hat. An dem Gerüche haben jedoch auch Indol und andere Substanzen Theil. Die Farbe ist gewöhnlich heller oder dunkler braun und hängt vor allem von Menge und Natur der Nahrung ab. Medikamentöse Stoffe können den Fäces Reaktion u. eine abnorme Farbe geben. Die Exkremente werden also von Wismuthsalzen Farbe der ° Exkre- schwarz, von Rhabarber gelb und von Kalorael grün. Diese letztgenannte Farbe erklärte man früher durch die Entstehung von ein wenig Schwefelqueck- silber. Nunmehr erklärt man sie dagegen allgemein dadurch, dass das Kalomel die Darmfäulniss und die davon abhängige Zersetzung der Galleufarbstoffe hemmt, so dass ein Theil des Gallenfarbstofl'es als Biliverdin in die Fäces übergeht. Eine grüne Farbe der Exkremente bei Kindern soll ausserdem nach Lesage^) theils von Biliverdin und theils von einem anderen, von einem Bacillus erzeugten Pigmente herrühren können. In den eigelben oder grün- gelben Exkrementen der Säuglinge kann man Bilirubin nachweisen. Bei Erwachsenen dagegen scheint unter normalen Verhältnissen in den Exkrementen weder Bilirubin noch Biliverdin vorzukommen. Dagegen findet man das Ster- cobilin (Masius und Vanlair), welches mit dem ürobilin (jAFFifi) identisch sein soll*). In pathologischen Fällen kann auch bei Erwachsenen Bilirubin in den Fäces vorkommen. Krj-stallisirt (als Hämato'idin) ist es in den Fäces sowohl bei Kindern wie bei Erwachsenen beobachtet worden (Uffelmann), V. Jaksch''). Bei Abwesenheit von Galle (sog. acholischen Darmentleerungen) haben die Exkremente, wie oben gesagt, eine von dem grossen Fettgehalte herrührende graue Farbe, welche jedoch wohl auch zum Theil von der Abwesenheit von AchoUsche Gallenfarbstoff herrühren dürfte. In diesen Fällen hat man auch in den DaiTuaus- leerungen. Exkrementen eine reichliche Menge von Krystallen beobachtet (Gerhardt, v. Jaksch), welche überwiegend aus Magnesiaseifeu (Oesterlen) oder Natrou- seifen (Stadelmann) bestehen ^). Blutungen in den oberen Abschnitten des 1) Ueber die Beschaffenheit des Kothes nach verschiedener Nahrung vergl. man Hammerl, KEBMArNER, MOELLEK luul PRArsNiTZ in Zeitschr. f. Biologie 35. ä) Vergl. Maly's Jahresber. 6 S. 182. 3) Vergl. ebenda 18 S. 336. i) Vergl. Gallenfarbstoffe Kap. 8 und Ürobilin Kap. 15. 5) Uffelmann, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 28; t. .Taksch, Klinische Diagnostik. 4. Aufl. S. 273. i') Die Litteratur über Fettkrystalle in den Fäces findet man bei r. Jaksch 1. c. S. 274 Mekoniuiu. 307 Verdauungskanales liefern, wenn sie nicht zu reichlich waren, von Hämatin schwarzbraune Exkremente. Exkrctin hat Map.CET') einen in Menschenexkrementen Toikommenden kiystallisiren- den Stoff genannt, welcher jedoch nach Hoppe-Seylek vielleicht nichts Anderes als unreines Cholesterin (Koprosterin '?) ist. Exkre toli nsäii re hat Marcet einen ölälmlichen Stoß' von exkrementiellera Gerüche genannt. In Anbetracht der sehr wechselnden Zusammensetzung der Exkremente, sind quantitative Analysen derselben von geringem Interesse und sie können de.=halb hier bei Seite gelassen werden. Das Mekoiiiiiin oder Kindspech ist eine dunkel braungrüne, pech- ähnliche, meistens sauer reagirende Masse ohne stärkeren Geruch. Es enthält grüngeförbte Epithelzellen, Zelldetritus, zahlreiche Fettkörnchen und Cholesterin- täfelchen. Der Gehalt an Wasser und festen Stoffen ist resp. 720 — 800 und 280—200 p. m. Unter den festen Stoffen hat man Mucin , Gallenfarbstoffe ««t«'»»"" und Gallensäuren, Cholesterin, Fett, Seifen, Calcium- und Magnesiumphosphat gefunden. Zucker und Milch.säure, Eiweissstoffe (?) und Peptone wie auch Leucin und Tyrosin und die sonst im Darme vorkommenden Fäulnissprodukte sollen darin fehlen. Das Mekonium kann unzersetzte Taurocholsäure, Bilirubin und Biliverdin enthalten, enthält aber kein Sterkobilin, was als ein Beweis für das Nichtvorhandensein von Fäulnissprozessen in dem Verdauungskanale des Fötus betrachtet wird. In gerichtlich-chemischen Fällen handelt es sich bisweilen darum, zu ent- scheiden , ob Flecken auf Leinwand oder anderem Stoff von Mekonium her- rühren oder nicht. Für einen solchen Fall hat man folgende Anhaltspunkte. Die von Mekonium herrührenden Flecken haben eine braungrüne Farbe und lösen sich leicht von dem Stoffe ab, welchen sie auf Grund der zähen Beschaffen- heit des Mekoniums kaum durchnässen. Mit Wasser angefeuchtet, entwickeln Nachweis sie keinen besonderen Geruch, beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure jiekontums. riechen sie dagegen etwas fäkal. Mit Wasser geben sie eine schleimige, grün- lich gelbe Flüssigkeit mit braunen Flöckchen. Die Lösung giebt mit über- schüssiger Essigsäure eine unlösliche Fällung von Mucin ; beim Sieden gerinnt sie aber nicht. Der filtrirte, wässerige Auszug giebt die GjiELiN'sche, aber noch besser die HupPERr'sche Reaktion auf Gallenfarbstoffe. Die mit über- schüssiger Kalkmilch gefällte Flüssigkeit giebt ein fast entfärbtes Filtrat, welches nach der Konzentration eine recht schöne PETTENKOFER'sche Reaktion geben kann. Der ßarmlnhalt unter abnormen Verhältnissen wird wohl gewöhnlich weniger Gegen- stand einer ehemischen Analyse als einer Inspektion und einer mikroskopischen oder bakterio- logischen Untersuchung. Aus diesem Grunde kann aucli die Frage von der Beschaffenheit des DaiTninhaltcs bei den verschiedenen Krankheiten hier nicht des Näheren abgehandelt werden. Anhang. Darmkonkremente. Im Darme des Menschen oder der Fleischfresser kommen Konkremente weniger oft vor; bei den Pflanzenfressern dagegen sind sie gewöhnlicher. Fremde 1) Annal. de cliim. et de phys. 59. 20* Neuntes Kapitel. Stoffe oder unverdaute Reste der Nahrung können, wenn sie aus irgend einer Ursaclie im Darme längere Zeit zurückbleiben , mit Salzen , besonders mit Ammoniummaguesiumphosphat oder Magnesiumpbosphat sich inkrustiren , und diese Salze stellen in der That auch oft den eigentlichen Hauptbestandtheil der Konkremente dar. Beim Menschen kommen bisweilen rundliche oder ovale, gelbe, gelbgraue oder braungraue Konkremente von wechselnder Grösse vor, welche kremente ^"® konzentrischen Schichten bestehen und welche hauptsächlich Ammonium- Mensciien iiagnesiuniphosphat und Calciumphosphat nebst ein wenig Fett oder Pigment enthalten. Der Kern ist gewöhnlich ein fremder Körper, z. B. Kerne von Steinobst, ein Knochenfragment oder ähnliches. In den Gegenden, in welchen Brod aus Haferkleie ein wichtiges Nahrungsmittel ist, findet man nicht selten im Dickdarm des Menschen Ballen, die den sogen. Haarballeu ähnlich sind (vergl. unten). Solche Konkremeute enthalten Calcium- und Magnesiumphosphat (gegen 70 p. c), Haferkleie (15 — 18 p. c), Seifen und Fett (etwa 10 p. c). Konkremente, welche sehr viel (gegen 74 p. c.) Fett enthalten, kommen selten vor und ebenso sind Konkremente, die aus mit Phosphaten inkrustirten Fibrin- gerinnseln, Sehnen oder Fleischstückchen bestehen, weniger gewöhnlich. Bei Thieren, besonders bei mit Kleie gefütterten Pferden, kommen Darm- konkremente öfter vor. Diese Konkremente, welche eine sehr bedeutende Grösse erreichen können, sind sehr hart und schwer (bis zu 8 Kilo) und bestehen zum grössten Theil aus konzentrischen Schichten von Ammoniummagnesiumphosphat. Darmkon- Eine andere Art von Konkrementen , welche bei Pferden und Rindern vor- ki-emente bei Thieren kommen, besteht aus graugefärbten, oft sehr grossen aber verhältnissmässig leichten Steinen, welche Pflanzenreste und Erdphosphate enthalten. Eine dritte Art von Darmsteinen sind endlich die bisweilen mehr cylindrischen, bisweilen sphärischen, glatten, glänzenden, an der Oberfläche braungefärbten, von zusammeu- gefilzten Haaren und Pflanzenfasern bestehenden HaarhalJen. Zu dieser Gruppe gehören auch die sogenannten „ Aegagropilae", welche angeblich von Antilope rupicapra stammen sollen, am öftesten aber wohl nichts anderes als Haarballen von Rindern sein dürften. Zu den Darmkonkrementen gehören endlich auch die sogenannten orien- talischen Bezoarsteine, welche wahrscheinlich aus dem Darmkanale von Capra Aegagrus und Antilope Dorcas stammen. Die Bezoarsteine können zweierlei Art sein. Die einen sind olivengrün, schwach glänzend mit konzentrischen Schichten. Beim Erhitzen schmelzen sie unter Entwickelung von aromatischen Dämpfen. Sie enthalten als Hauptbestandtheil eine der Cholalsäure verwandte Bezoar- gäure , die Litho fellin säure, CjoHggO^ , und daneben auch eine andere Gallensäure, die Li thobi linsäure. Die anderen dagegen sind fast schwarz- braun oder schwarzgrün , stark glänzend mit konzentrischen Schichten und schmelzen beim Erhitzen nicht. Sie enthalten als Hauptbestandtheil die Ellag- säure, ein Derivat der Gerbsäure von der Formel Gj^HgOg, welche mit einer Lösung von Eisenchlorid in Alkohol eine tiefblaue Farbe giebt. Diese letzt- Die Resoijnion. 309 genaniiten Bezoarsteine stammen allem Anscheine nach von der Nahrung der Thiere her. Die Ambra ist nach der allgemeinen Ansicht ein Darmkonkrement des Pottwalles. Ihr Hauptbestandtheil ist das Ambrain, welches eine stickstofl'freie , dem Cholesterin vielleicht verwandte Substanz ist. Das Ambrain ist unlöslich in Wasser und wird von siedender Alkali- lauge nicht verändert. In Alkohol, Aether und Oelen löst es sich. VI. Die Resorption Die Aufgabe der Verdauuung bestand zum Theil darin , die für den Organismus werthvollen Bestandtheile der Nahrung von den werthlosen zu trennen und jene zu lösen oder überhaupt derart umzuwandeln , dass sie den Auf- saugungsvorgängen zugänglich werden. Bei einer Besprechung der Resorptions- vorgänge handelt es sieh also hauptsächlich theils um die Form , in welcher die verschiedenen Nährstoffe zur Aufsaugung gelangen, theils um die Wege, welche die zu resorbirenden Stoffe einschlagen, und endlich um die Kräfte, welche bei diesen Prozessen wirksam sind. Das Eiweiss kann nicht nur als Albumosen und Peptone, sondern auch, wie die älteren Beobachtungen von Brücke, Bauer und VoiT, Eichhokst, CzERNY und Latschenberger und die neueren von Vorr und Friedländer zeigen, als nicht peptonisirtes Eiweiss aus dem Darme aufgesaugt werden. In Resorption den Versuchen der leztgenannlen zwei Forscher wurde zwar weder Kasein (als weisses. Milch) noch salzsaures Myosin oder Acidalbuminat (in saurer Lösung) aufgesaugt; dagegen wurden von Eiereiweiss und Serumalbumin etwa 21 und von Alkali- albuminat (in Alkali gelöst) 69 p. c. resorbirt. Unter solchen Verhältnissen fragt es sich also, inwieweit das Eiweiss überwiegend als Pepton, bezw. Albumose oder in anderer Form resorbirt wird. Diese Frage kann man nicht sicher beantworten, denn die Beobachtungen hierüber sind einander widersprechend. Bei Untersuchungen des Magen- und Darminhaltes von Hunden fand Schmidt-Mülheim die Menge des Peptons (Albumose) im Darmkanale bedeutend grösser als die des einfach gelösten Ei- weisses. Andere Forscher, wie Ellexberger und Hofjieister (Versuche an Schweinen), Ewald und Gcjilich-) (Beobachtungen an Menschen) fanden dagegen nur sehr geringfügige Mengen Albumosen und Peptone im Darmkanale oder Magen. Wenn aber die Albumosen und Peptone leichter als anderes des Ei- ^ ^ weisses. Eiweiss resorbirt werden, und wenn ferner die Aufsaugung der Verdauung im Magen ziemlich gleichen Schritt hält (Schmidt-Mülheim), dürfte es schwierig sein, aus den gefundenen kleinen Albumosemengen bestimmte Schlüsse zu ziehen. 1) Brücke, Wien. Sitzungsber. 59; Bauer und VoiT , Zeitschr. f. Biologie 5; Eich- horst, PflCger's Arch. 4 ; CZEKST und Latschenberger, Viechow's Arch. 59 ; Voix und Friedläkder, Zeitschr. f Biologie 33. 2) SoHMiDT-lIttLHEiM , Du Bois-Reymosd's Arch. 1879; Ellesberger und Hof- meister, ebenda 1890; Ewald und Gümlich, Berlin, klin. Wochenschr. 1890. 310 Xeimtes Kapitel. Auf welchem Wege werden die Albumoseu und Peptone resorbirt und den Geweben zugeführt? Der allgemein herrschenden Ansicht gemäss sollen sie nicht durch die Lymphgefässe , sondern durch die Darmkapillaren ins Blut gelangen, und diese Ansicht fusst wesentlich auf den folgenden zwei Verhält- nissen. Bei vollkommener Absperrung des Chylus von der Blutbahu wird die Eiweissresorption aus dem Darme nicht beeinträchtigt (Ludwig und Schmldt- tionswc e MüLHEDi) und nach einer eiweissreiehen Mahlzeit wird der Eiweissgehalt des des Ei- Chylus (beim Menschen) nicht merkbar gesteigert (Munk und Rosenstein). Es haben allerdings neulich Ascher und Barbara ') über einen Versuch an einem Hunde berichtet, in welchem nach reichlicher Eiweissaufnahme der Ei- weissgehalt der Lymphe ein wenig stieg. Dieser Versuch widerlegt aber, wie Munk gezeigt hat, nicht die Ansicht, dass die Blutgefässe fast die ausschliess- lichen Abzugswege des Eiweisses aus der Darmhöhle darstellen. Nach einer eiweissreiehen Mahlzeit findet man indessen Albumoseu oder Peptone weder im Blute noch im Chylus. Ebenso wenig findet man sie im Harne, und die Abwesenheit dieser Stofte im Blute nach der Verdauung lässt sich also nicht durch die Annahme erklären, dass sie, wie das subkutan injizirte oder direkt in das Blut eingeführte Pepton (Albumosen) rasch durch die Nieren eliminirt worden sind (Plösz und Gyergyai, Hofmeister, Schmidt-Mülheim^). Man könnte nun daran denken, dass die bei der Verdauung gebildeten Peptone (Albumosen) in der Leber zurückgehalten werden und dass hierin der Grund läge, warum man sie in dem Blute nicht findet. Auch diese Erklärung scheint indessen unhaltbar zu sein. Neumeistee hat das Pfortaderblut eines Kanin- chens, in dessen Magen reichliche Mengen von Albumosen und Peptonen einge- führt worden, untersucht, ohne Spuren der fraglichen Stoffe darin zu finden. Andererseits hat er auch gezeigt, dass, wenn man der Leber eines Hundes mit dem Pfortaderblute Pepton (Amphopepton) zuführt, dieses von der Leber nicht zurückgehalten wird. Zu ähnlichen Resultaten hinsichtlich der Bedeutung d^sPeptons. ^^^ Leber ist auch Shore gelangt und er fand ferner, dass auch die Milz nicht das Pepton umzuwandeln vermag. Das Pepton scheint also als solches weder in die Blut- noch in die Chylusgefässe überzugehen, und diese Anschauung steht auch mit der folgenden Beobachtung von Ludwig und Salvioli^) im Ein- klänge. Die genannten Forscher brachten nämlich in eine doppelt abgebundene, herausgeschnittene Dünndarmschlinge, welche mittels Durchleitens von defibri- nirtem Blute am Leben erbalten wurde, eine Peptonlösung hinein, und beobachteten dann, dass das Pepton zwar aus der Dannschlinge verschwand, dass aber in dem durchgeleiteten Blute kein Pepton sich vorfand. I) ScHMiDT-MüLUEiM, Du Bois-Reymond's |Arch. 1877; Münk imd Rosenstein, ViKCHOWs Arch. 123; Ascher und ,B.4EBERA, Ccntialbl. f. Pliysiul. 11. S. 403; Münk, ebenda S. 585. •-) Pl.ösz und Gyergyai, Pflüger's Arch. 10; Hofmeister, Zeitschr. f. physiol. Chcm. 5; Schmidt-Mülheim, Dd Bois-Revmond's Arcli. 1880. 3) Xedmbister, SitzuDgsber. d. phys.-med. Gesellscli. zu Wüizburg 1889 u. Zeitschr. f. Biologie 24; Shoee, Journ. of Physiol. 11 ; Salvioli, Du Bois-Reymosd's Arch. 1880. Suppl. Itesorption des Eiweisses. 311 Alle Beobachtungen sprechen also dafür, dass die Albumosen und Peptone schon im Darme oder in der Darmwand in irgend einer Weise umgewandelt werden, und da wenigstens die Albumosen anderes Eiweiss in der Nahrung vertreten können (vergl. Kap. 18), niuss man eine Umwandlung derselben in gewöhnliches Eiweiss schon im Darme oder in der Darmwand annehmen. Einige Forscher, v. Ott, Nadine Popoff und Julia Brinck i) sind der An- sicht, dass die Albumosen und Peptone der Magenverdauung noch vor ihrem Eintritt in die Wand des Verdauuugskanales in Serumalbumin umgewandelt ^,^^„"j"" werden. Diese Umwandlung soll sowohl durch die Vermittelung der Epithelzellen, Eiweisses. wie auch durch die Lebensthätigkeit eines Pilzes, den Julia Beink Mic rococc us restituens genannt hat, zu Stande kommen. Für diese Ansicht sind indessen strenge bindende Beweise nicht beigebracht worden. Besser begründet ist die Ansicht, dass die Umwandlung der Albumosen und Peptone erst nach deren Aufnahme in die Schleimhaut geschieht. Hierfür spricht die Beobachtung von Hofmeister^), dass die Magen- und die Darm- ^^^^^^'i^" wand die einzigen Körpertheile sind, in welchen Peptone (Albumosen) während der Verdauung konstant vorkommen, und dass ferner das Pepton (Albumose) bei Körpertemperatur in der ausgeschnittenen , anscheinend noch lebenden Schleimhaut des Magens nach einiger Zeit verschwindet. Nach Hofmeister'^) sollen bei dieser Umwandlung die Leukocyten des adenoiden Gewebes, welche während der Verdauung vermehrt werden, eine wichtige Rolle spielen. Sie können nämlich einerseits das Pepton, (die Albu- mosen) aufnehmen und das Transportmittel desselben im Blute sein, und andererseits können sie durch ihr Wachsthum, ihre Neubildung und Vermehr- nud Pepto^n- ung in inniger Beziehung zu der Umwandlung und Assimilation des Peptons "^'"'P '° stehen. Heidenhain' dagegen, welcher gleichfalls eine Umwandlung des Peptons in Eiweiss schon in der Schleimhaut als sichergestellt betrachtet, will indessen, hauptsächlich auf Grund einer vergleichenden Schätzung der Menge des resor- birten Peptons und der Leukocyten, den letzteren keine so grosse Bedeutung für die Resorption des Peptons, wie Hofmeister beimessen. Er findet es am wahrscheinlichsten, dass die Rückverwandluug des Peptons in Eiweiss wenigstens zum Theil schon in der Epithelschicht stattfindet. Diese Anschauung ist durch die Untersuchungen von Shoee^) weiter erhärtet worden. Die Ausgiebigkeit der Eiweissresorption hängt wesentlich von der Art der eingeführten Nahrung ab, indem nämlich mit einigen Ausnahmen die Protein- substanzen aus animalischen Nahrungsmitteln vollständiger als aus den vege- tabilischen resorbirt werden. Als Belege hierfür mögen folgende Beobachtungen angeführt werden. In seinen Versuchen über die Ausnutzung einiger Nahrungs- 1) V. Ott, Du Bgis-Rey.mosd's Ari'h. 1883; Popoff, Zeitschr. f. Biologie 25 ; Brinck, ebenda S. 453. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 6 und Aich. f. exp. Patli. u. Pliaim. 19, 20, 22. 3) Heideshain, PflCger's Arch. 43; Shoke 1. e. 312 Neuntes Kapitel. Ausgiebig- keit der Eiweiss- resorption Bedeutung des Pan- kreas für die mittel im Darnikanale des Menschen fand Rubner bei ausschliesslich ani- malischer Kost bei Aufnahme von als Mittel 738 — 884 g gebratenem Fleisch oder 948 g Eier pro Tag einen StickstoflVerlust mit den Exkrementen, der nur 2,5 — 2,8 p.c. von dem gesammten, eingeführten Stickstoff betrug. Bei ausschliesslicher Milchnahrung war das Resultat etwas ungünstiger, indem nach Aufnahme von 4100 g Milch der Stickstoffverlust sogar auf 12 p. c. anstieg. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei vegetabilischer Nahrung, indem in den Versuchen von Meyer, Rubner, Hultgeen und Landergren bei Ernährungs- versuchen mit verschiedenen Arten von Roggenbrod der Verlust an Stickstoff durch die Fäces 22 — 48 p. c. betrug. Zu ähnlichen Ergebnissen haben auch die Versuche mit einigen anderen vegetabilischen Nahrungsmitteln wie auch die Unter- suchungen von Schuster, T. Crajier, Melnert, Mori^) u. A. über die Aus- nutzung der Nahrungsstoffe bei gemischter Kost geführt. Mit Ausnahme von Reis, Weizenbrod und einigen sehr fein zertheilten vegetabilischen Nahrungs- mitteln zeigt es sich, wie oben gesagt, im Allgemeinen, dass der Stickstoff Verlust durch die Exkremente mit einem reichlicheren Gehalte der Nahrung an vegetabilischen Nahrungsmitteln steigt. Der Grund hierzu ist ein vielfacher. Der oft recht grosse Gehalt der vegetabilischen Nahrungsmittel an Cellulose erschwert die Resorption des Ei- weisses. Der stärkere Reiz, den die vegetabilische Nahrung an sich und durch die bei den Gährungen im Darnikanale entstehenden organischen Säuren aus- übt, regt eine stärkere peristaltische Bewegung an, durch welche der Darm- iuhalt rascher als sonst durch den Darmkanal getrieben wird. Endlich kommt noch als wichtiger Grund hierzu der Umstand, dass ein Theil der stickstoff- haltigen pflanzlichen Proteinsubstanzen unverdaulich zu sein scheint. Bei Besprechung der Funktionen des Magens wurde hervorgehoben, dass nach Entfernung oder Ausschaltung dieses Organs eine hinreichend ausgiebige Verdauung und Resorption des Eiweisses noch bestehen kann. Es ist des- halb von Interesse, zu erfahren, wie die Verdauung und Resorption des Eiweisses nach der Ausrottung des zweiten und, wie man annimmt, wichtigsten eiweiss- verdauenden Organes , des Pankreas , sich verhält. In dieser Hinsicht liegen Beobachtungen an Thieren nach vollständiger oder partieller Exstirpation (Minkowski und Abelmann, Sandmeyer, V. Harley) wie nach Verödung der Drüse (Rüsenberg) und auch an Menschen bei Verschluss des Ductus pancreaticus (Harley, Deucher ^; vor. In diesen verschiedenen Fällen hat 1) Rubner, Zeitschr. f. Biologie 16; Meyer, ebenda 7; HtriTGREN und Landergren, Nord. med. Arch. 21; SCHUSTER bei VoiT: Untersuch, d. Kost etc. S. 142; Cramer, Zeit- schrift f. physiol. Chem. 6; Meinert, Ueber Massem-rniihrung. Berlin 1885; Kellner und MOKI, Zeitschr. f. Biologie 25. '-) Abelmann, Ueber die Ausnützung der Nahrungsstoöe nach Pankreasexstirp. etc. Inaug.-Diss. Dorpat 1800, cit. nach Malt's Jahresbcr. 20 ; Sandmeyer, Zeitschr. f. Biologie 31 ; EosENBERG, Pflüger's Arch. 70; Harley, Jouru. of Pathul. n. Bacteriol. 1895; Deücher, Correspond. Blatt f. Schweiz. Aerzte 28. Eesorption der Kohlehydrate. 313 man so verschiedene Zahlen für die Ausnutzung des Eiweisses — zwischen 80 p. c. bei angeblich vollständigem Ausschluss des Pankreassaftes beim Menschen (Deucher) und 18 p. c. nach Exstirpation der Drüse beim Hunde (Haeley) gefunden — dass man hieraus keine klare Vorstellung von dem umfange und der Bedeutung der Trypsinverdauung im Darme gewinnen kann. Die Kohlehydrate werden, wie es scheint, hauptsächlich als Mono.saccharide aufgesaugt. Die Glukose, Lävulose und Galaktose werden wohl als solche resorbirt. Die zwei Disaccharide, der Rohrzucker und die Maltose, erliegen dagegen in dem Darmkanale einer Inversion, durch welche Glukose und Lävu- lose gebildet werden. Der Milchzucker wird ebenfalls, wenigstens bei gewissen Thieren, im Darme invertirt. Beim Kaninchen wird er nach VoiT und LusK M Resorption ' ' der Kohle- im Darme nicht invertirt und er dürfte wohl folglich, insoferne als er nicht in hydrate Milchsäuregähruug übergeht, bei diesem Thiere als solcher zur Resorption gelangen. Eine Resorption von nicht invertirten Kohlehydraten ist nämlich nicht aus- geschlossen, und nach den Beobachtungen von Otto und v. Mering-) kann das Pfortaderblut nach einer kohlehydratreichen Mahlzeit neben Zucker auch dextrinähnliche Kohlehydrate enthalten. Ein Theil der Kohlehydrate fällt endlich im Darme einer Gährung anheim, durch welche Essigsäure, Milchsäure und andere Stoffe gebildet werden. Die verschiedenen Zuckerarten werden mit verschiedener Schnelligkeit resorbirt, die Resorption ist aber im Allgemeinen eine sehr rasche. Bei Ver- suchen an Hunden fand Albertoni ^j, dass im Laufe der ersten Stunde von Kesorption 100 g eingeführten Zuckers resorbirt wurden: von Glukose 60, von Maltose n|"zucker- und Rohrzucker 70 — 80 und von Milchzucker nur 20 — 40 g. Aus verdünnten '"^^"' Lösungen wird nach ihm der Milchzucker relativ leichter als aus konzentrirteren resorbirt. Beim Einführen von Stärke, selbst in bedeutend grossen Mengen, in den Darmkanal geht kein Zucker in den Harn über, was wohl daher rührt, dass in diesem Falle die Resorption und die Assimilation der langsamen Verzucker- ung gleichen Schritt halten. Werden dagegen auf einmal grössere Zucker- Alimentäre ° ° . ° ° ° Cilykosurie. mengen eingenommen, so findet leicht eine Zuckerausscheidung durch den Harn statt, und man bezeichnet diese Zuckerausscheidung als alimentäre Glykosurie. In diesem Falle hält die Assimilation des Zuckers der Resorption desselben nicht gleichen Schritt, was daher rühren kann, dass die Leber und die übrigen Organe nicht die zur Fixirung oder Verwerthung des Zuckers nöthige Zeit finden. Zum Theil kann diese Glykosurie wohl auch daher rühren, dass bei Zufuhr von reichlicheren Zuckermengen der Zucker bei der Resorption nicht allein den gewöhnlichen AVeg durch die Blutgefässe zur Leber (vergl. unten) einschlägt, sondern auch zum Theil mit Umgehung der Leber durch die Lymph- gefässe in die Blutbahn gelangt. 1) Zeitschr. f. Biologie 28. ■-) Otto, vcrgl. JIaly's Jahresber. 17; v. Hering, Du Bois-Reymond's .Areh. 1877. 3) Maniere de se coaiportcr des Sucres etc., Ärch. ital. de Biol. 15. 314 Neuntes Kapitel. Diejenige Zuckermenge, bis zu welcher man die Aufnahme steigern muss, damit alimentäre Glykosurie erfolge, giebt nach Hofmeister^) die Assimila- tionsgrenze für denselben Zucker an. Diese Grenze ist für verschiedene Zuckerarten eine verschiedene ; sie wechselt aber für einen und denselben Zucker nicht nur bei verschiedenen Thieren, sondern auch für verschiedene Individuen derselben Art wie auch für dasselbe Individuum unter verschiedenen Umständen. Assiraiia- j^j Allgemeinen dürfte man indessen sagen können, dass bezüglich der gewöhn- liebsten Zuckerarten, Glukose, Lävulose, Rohrzucker, Maltose und Milchzucker, die Assimilationsgrenze am höchsten für die Glukose und am tiefsten für den Milchzucker liegt. Dass bei einem überreichen Gehalt an Zuckerarten in dem Darminhalte die Disacchaiide die zur vollständigen Invertirung nöthige Zeit nicht finden können, ist anzunehmen, und dementsprechend kann es nicht auffallen, dass man in Fällen von alimentärer Glykosurie mehrmals auch Disaccharide im Harne gefunden hat-). Bezüglich der Wege, auf welchen die Zuckerarten in den Blutstrom hinein- gelangen, weiss man durch die Untersuchungen von Ludwig, v. Merlng u. A., dass die Zuckerarteu ebenso wie die wasserlöslichen Stoffe überhaupt gewöhn- Resorp- lichenfalls nicht in nennenswerther Menge in die Chvlusgefässe übertreten, sondern zum allergrössten Theil von dem Blute in den Kapillaren der Villi aufgenommen werden und auf diesem Wege in die Blutmasse hineingelangen. Diese an Thieren gewonnene Erfahrung ist auch für den Menschen durch die Beobachtungen von J. Munk und Rosenstein^) bestätigt w^orden. Der Grund, warum der Zucker wie andere gelöste Stoffe nicht in nennens- werther Menge in die Chylusgefässe übergeht, ist nach Heidenhain *) in den anatomischen Verhältnissen, in der Anordnung der Kapillaren dicht unter der Epithelschicht zu suchen. Gewöhnlichenfalls finden diese Kapillaren die zur Aufnahme des Wassers und der in ihm gelösten Stoffe nöthige Zeit. Wenn aber auf einmal grössere Mengen von Flüssigkeit, z. B. von einer Zuckerlösung, in den Darm eingeführt werden , ist dies nicht mehr möglich und in diesem Falle geht auch ein Theil der gelösten Stofl^e in die Chylusgefässe und den Ductus thoracicus über (Ginsberg und Rühmann ^). Die Einführung von grösseren Zuckermengen auf einmal in den Darm- kanal kann leicht zu Störungen mit diarrhöischen Darinentleeruugen führen. Ausgiebig- Wenn man aber die Kohlehydrate in der Form von Stärke einführt, so können Sorption der Sehr grosse Mengen davon ohne Störungen resorbirt werden, und die Aufsaugung hydrate. kann eine sehr vollständige sein. So fand z. B. Rubner Folgendes. Bei 1) Arch. f. exp. Palb. u. Pharm. 25 u. 26. 2) Hinsichtlich der Litteratur über den Uebergang verschiedener Zuckerarten in den Harn kann auf den Aufsatz von C. VoiT über die Glykogenbildung in Zeitschr. f. Biologie, Bd. 28 und von F. VoiT, Fussnote 3 S. 217 verwiesen werden. 3) V. Mekisg, Du Bois-Eeymond's Arch. 1877; Munk und Rosekstein 1. c. ■1) PFLtJGEK's Arch. 43. Suppl. 5) Ginsberg, Pflüger's Arch. 44: Röhmann, ebenda 41. ResDi-ption von Kuhlehydiaton und Fett. 315 Aufnahme von 508 — 670 g Kohlehydrate, als Weizenbrod, pro Tag betrug der nicht resorbirte Antheil derselben nur 0,8—2,6 p. c. Für Erbsen in einer Menge von 357 — 588 g verzehrt, war der Verlust 3,6 — 7 p. c. und für Kartoffeln (718 g) 7,6 p. c. Constantinidi fand bei Aufnahme von 367 — 380 g Kohlehydrat, hauptsächlich als Kartoffeln, einen Verlust an Kohlehydraten von nur 0,4 — 0,7 p. c. In den Versuchen von Rubner wie von Hultgeen und Ländeegeen') mit Roggenbrod war die Ausnutzung der Kohlehydrate weniger vollständig, indem nämlich der Verlust in einigen Fällen sogar auf 10,4 — 10,9 p. c. stieg. Aus den bisherigen Erfahrungen folgt aber jedenfalls, dass der Mensch ohne Schwierigkeit mehr als 500 g Kohlehydrate pro Tag resorbiren kann. Für die Verdauung und Resorption der Amylaceen betrachtet man all- gemein das Pankreas als das wichtigste Organ und es fragt sich also, wie die Resorption dieser Stoffe nach der Ausrottung des Pankreas sich verhält. Wie ^^„"tion für die Resorption des Eiweisses, so haben auch die bisherigen Beobachtungen ''"{fy^ratef' wechselnde Zahlen für die Resorption der Stärke ergeben. In einigen Fällen war die Resorption fast nicht, in anderen wiederum ziemlich beeinträchtigt, und bei pankreaslosen Hunden hat man sie sogar bis auf 50 p. c. der eingenommenen Stärke herabgesetzt gefunden (Ro.senberg, Cavazzani-). Als die unvergleichlich wichtigste Form für die Resorption des Fettes betrachtet mau allgemein die Emulsion, und eine solche findet man im Chylus nach Einführung nicht nur von Neutralfett, sondern auch von Fettsäuren in den Darm. Die Fettsäuren sind indessen nicht als solche in dem emulgirten Chylus- fette enthalten. Durch Untersuchungen von J. Munk, deren Richtigkeit später von Anderen konstatirt wurde ^), ist es nämlich festgestellt worden, dass die Fettsäuren vor ihrem Uebergange in den Chylus zum allergrössten Theil durch eine Synthese in Neutralfett übergeführt und als solche mit dem Chylusstrome dem Blute zugeführt werden. Die Annahme, dass das Fett hauptsächlich als Emulsion resorbirt werde, i.-^t theils in dem reichlichen Vorkonnnen von emulgirtem Fette im Chylus nach Fettnahrung und theils darin begründet, dass man nach einer solchen Nahrung oft eine Fettemulsion im Darme findet. Da indessen im Darmkanale eine reichliche Spaltung von Neutralfett vorkommt, und da ferner die Fettsäuren nicht als solche sondern erst nach einer Synthese mit Glycerin zu Neutralfett als emulgirtes Fett im Chylus vorkommen, kann man in Zweifel darüber sein, ^ , . in wie weit das emulsirte Chylusfett von einer Aufnahme schon im Darme "'"J Res<>'P- ® *' tion des emulgirten Fettes herrührt oder von einer nachfolgenden Emulgirung des synthetisch i'ettes. regenerirten Neutralfettes herzuleiten ist. Ein solcher Zweifel ist um so mehr 1) Rübner, Ztitschr. f. Biologie 15 u. 19; CONST.\STiNini , elienda 23; IIultgrex iiud Landergren 1. c. ^) Cav.\zzani, Centralbl. f. Physiol. 7. Siehe im Uebrigen Fussuote 2 S. 312. I) MüNK, ViKCHOw's Ärch. 80; veigl. fcruer v. Walter, Du BOIs-Eeymond's Aich. 1890; Minkowski, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 21; Frank, Zeitschr. f. Biologie 36. 316 Neuntes Kapitel. Kesorp- tionswege des Fettes. berechtigt als, wie Frank ') gezeigt hat, die Fettsäureäthylester zwar vom Darme aus reichlich ins Chylus aufgenommen werden, aber nicht als solche, sondern als abgespaltene Fettsäuren, aus denen dann das neutrale, emulgirte Chylusfett regeuerirt worden ist. Die Annahme einer Resorption des Fettes als Emulsion stösst übrigens auf die Schwierigkeit, dass die, wie oben (S. 296) gesagt, mit Hilfe von Seifen zu Stande gebrachten Emulsionen nur in einer alkalischen Flüssigkeit beständig sind, in Folge wovon wohl auch eine solche Emulsion in dem Darniinhalte, so lange er noch sauer ist, kaum vorkommen dürfte. Es ist allerdings möglich, dass der Pankreassaft auch bei saurer Reaktion durch seinen Eiweissgehalt emulgirend wirken könne (Kühne ^j; man kennt aber andererseits auch Fälle (Ludwig und Cash ^) u. A.), in welchen bei Hunden nach fettreicher Nahrung eine Resorption des Fettes aus dem sauren Darminhalte trotz der Abwesenheit einer Emulsion im Darme von Statten ging. Um solche Fälle zu erklären, hat man die Annahme gemacht, dass die Emulgirung erst an der Oberfläche der Darm- schleimhaut durch die Einwirkung deren alkalischen Sekretes stattgefunden hätte; nach Moore und Rockwood*) ist aber die Erklärung eine andere Nach ihnen wird die Resorption des Fettes aus dem sauren Darminhalte wesentlich durch die Lösungsfähigkeit der Galle für freie Fettsäuren bedingt. Das Neutralfett wird gespalten und die freien Fettsäuren werden theils als solche von der Galle gelöst, theils werden sie an Alkali gebunden als Seifen resorbirt. Aus den Fettsäuren wird darauf Neutralfelt regenerirt, und es wird hierbei das freigewordene Alkali der Seifen in den Darm zurück secernirt und zu neuer Seifenbildung wieder disponibel gemacht. Diese Ansicht, welche mit mehreren Beobachtungen in gutem Einklänge sich befindet, ist in hohem Grade der Beachtung werth. Auf alle Fälle ist es aber sicher, dass ein recht grosser Theil des Fettes — nach einigen Forschern alles Neutralfett — im Darme vor der Resorption gespalten wird und dass auch die Seifenbildung eine Form für die Aufsaugung des Fettes darstellt. Die nächste Frage ist die, ob alles Fett oder die Hauptmasse desselben den Weg durch die Lymphgefässe und den Ductus thoracicus zum Blute ein- schlägt. Nach einigen Beobachtungen von Walthee und Frank ^) an Hunden scheint es, als würde nur ein geringer Theil des Fettes oder jedenfalls der ver- fütterten Fettsäuren in die Chylusgefässe übergehen; aber diese Beobachtungen scheinen kaum auf die Resorption der Neutralfette oder auf die Resorption beim Menschen unter normalen Verhältnissen übertragbar zu sein. Munk und RosENSTEiN^) konnten nämlich bei ihren Untersuchungen an einem Mädchen 1) Zeitschr. f. Biologie 36. 2) Lehrb. d. physiol. Cheni. S. 122. 3) DD Bois-Revmond's Areh. 1880. 4) Journ. of Physiol. 21. ä) Walther 1. c. ; Fbaxk, Dd Bois-Reymond's Aich. 1892. 6) ViRCHOW's Areh. 123. Resorption des Fettes. 317 mit Lyinphfistel reichlich 60 p. c. von dem eingeführten Fette in dem Chylus wiederfinden und von der ganzen Fettmenge im Chylus waren hierbei nur 4 — 5 p. c. als Seifen vorhanden. Aber selbst nach Verfütterung von einer fremden Fettsäure, der Erukasäure, fanden sie 37 p. c. der eingeführten Menge als Neutralfett in dem Chylus wieder. Die Vollständigkeit, mit welcher das Fett resorbirt wird, hängt unter normalen Verhältnissen wesentlich von der Art des Fettes ab. In dieser Hin- sicht weiss man, besonders durch die Untersuchungen von Munk und Aenschink '), dass die Fettarten mit höherem Schmelzpunkt, wie z. B. der Hammeltalg und besonders das Stearin, weniger vollständig als die leicht schmelzbaren Fette, wie Schweine- und Gänsefett, Olivenöl u. dergl., resorbirt werden. Auch auf ^!^rscMede° die Geschwindigkeit der Resorption übt die Art des Fettes Einfluss aus, indem "«''^'*"'^- nämlich, wie Munk und Rosenstein fanden, das feste Hammelfett langsamer als das flüssige Lipanin aufgesaugt wurde. Die Ausgiebigkeit der Fettresorption im Darmkanale ist übrigens unter physiologischen Verhältnissen eine sehr be- deutende. Ein von Voit untersuchter Hund nahm von 350 g verzehrtem Fett (Butterschmalz) im Tag 346 g aus dem Darmkanale auf, und nach den Ver- suchen von RuBNER^) können im Darme des Menschen bis über 300 g Fett pro Tag zur Aufsaugung gelangen. Das Fett wird, wie die Versuche von Rübner lehren, weit vollständiger resorbirt wenn es frei, in der Form von Butter oder Schmalz, als wenn es als Speck, in den Zellen des Fettgewebes eingeschlossen, mit der Nahrung zugeführt wird. Schon längst hat Claude Bernard bei Versuchen an Kaninchen, bei welchen Thieren der Ductus choledochus in den Dünndarm oberhalb des Pankreas- ganges einmündet, gefunden, dass nach fettreicher Nahrung die Chylusgefässe des Darmes oberhalb des Fankreasganges durchsichtig, unterhalb desselben aber milchig weiss sind und dass also die Galle allein ohne den Pankreassaft eine Resorption von emulgirteni Fett nicht bewirkt. Dastre^) hat an Hunden den wü-kunj; umgekehrten Versuch ausgeführt, indem er nämlich den Ductus choledochus uPankreas- unterband und eine Gallenfislel anlegte, durch welche die Galle in den Darm Emuigh-ung unterhalb der Mündung des pankreatischen Ganges einfliessen konnte. Da die Versuchsthiere nach einer fettreichen Mahlzeit getödtet wurden, w-aren die Chylusgefässe erst unterhalb der Einmündung der Gallenfistel milchig weiss. Hieraus zieht Dastre den Schluss, dass für die Resorption des Fettes ein Zusammenwirken von Galle und Pankreassaft von Wichtigkeit sei, eine Annahme, welche mit vielen anderen Erfahrungen im besten Einklänge ist. Durch zahlreiche Beobachtungen ist es von vielen Forschern, wie Bidder und Schmidt, Voit, Röhmann, Fr. Müller, J. Munk^) u. A. sicher fest- 1) MüNK, ViKCHOW's Ärch. 80 u. 95; Aknschink, Zcitschr. f. Biologie 26. 2) Voit, ebenda 9; Rdbner, ebenda 15. •*) Arch. de physiol. (5j 2. •1) F. MÜLLER, Sitzungsber. d. pbys. -med. Gescllseh. zu Würzburg 1885; J. McNK, VlECHOw's .\ich. 122; vergl, im Uebrigen die Fussnoten 4 u. 5 S. 303. 318 Neuntes Kapitel. gestellt worden, dass bei Ausschluss der Galle vom Darmkanale die Fett- resorption dermassen herabgesetzt werden kann, dass nur ^'7 bis etwa ^/a des bei Gallenzutritt resorbirten Fettquantums zur Resorption gelangt. Auch bei Ikterischen ist eine beträchtliche Herabsetzung der Fettresorption bei voll- Gaiie und ständigem Ausschluss der Galle sicher nachgewiesen worden. Wie unter normalen Fett- o ^ resorptioii. Verhältnissen, so werden auch bei Abwesenheit der Galle im Darme die leichter schmelzenden Antheile eines Fettgemenges vollständiger resorbirt als die schwer schmelzenden. So fand J. Munk bei Versuchen mit Schweineschmalz und Hammeltalg an Hunden , dass nach Ausschluss der Galle vom Darme die Resorption von hoch schmelzendem Talg fast um das Doppelte stärker Notb leidet als die Aufnahme von Schmalz. Durch die Untersuchungen von Röhmann und J. Munk weiss man ferner, dass bei Abwesenheit der Galle die Relation zwischen Fettsäuren und Neutral- fett derart verändert wird, dass etwa 80 — 90 p. c. des mit dem Kothe unbenutzt ausgestossenen Fettes aus Fettsäuren bestehen , während unter normalen Ver- ^"pett"""^ hältnissen in den Fäces auf je 1 Theil Neutralfett etwa 2— 2V2 Theile freie resorption. Fettsäuren kommen. Wie der relativ grössere Gehalt des Kothfettes an freien Fettsäuren nach Ausschluss der Galle vom Darme zu Stande kommt, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Nach den Untersuchungen von Munk kann er aber nicht, wie man erwarten könnte, daher rühren, dass unter diesen Ver- hältnissen die Fettsäuren weniger gut als das Neutralfett resorbirt werden, denn es verhält sich eher umgekehrt. Dass die Galle von grosser Bedeutung für die Fettresorption ist, steht also jedenfalls fest. Ebenso sicher ist es aber, dass auch bei Abwesenheit von Galle recht bedeutende Fettmengen aus dem Darme resorbirt werden können. Wie steht es aber in dieser Hinsicht mit der Bedeutung des Pankreassaftes ? Es liegen hierüber recht zahlreiche Beobachtungen an Thieren (Abelmann und Minkowski, Sandmeyer, Harley, Rosenberg, Hedon und Ville) und auch an Menschen (von Fr. Müller und Deucher ') vor. Gemeinsam für alle diese Beobachtungen ist eine nach der Exstirpation, bezw. Verödung der Drüse oder dem Ausschlüsse des Saftes vom Darme eintretende, mehr oder weniger hochgradige Herabsetzung der Fettresorption. Ueber die Grösse dieser Pankreas Herabsetzung gehen aber die Erfahrungen weit auseinander, indem man näm- resorption. üch in einigen Fällen keine, in anderen dagegen eine noch recht bedeutende Fettresorption bei derselben Thierart (Hund) und sogar demselben Thiere beobachtet hat. Nach Minkowski und Abelmann sollen nach vollständiger Paukreasexstirpation die mit der Nahrung eingeführten Fette überhaupt, nicht mehr resorbirt werden, und eine Ausnahme macht nur die Milch, von deren Fettgehalte stets ein mehr oder weniger grosser Theil, 28 — 53 p. c. , zur 1) MÜLLER, Unters, über den Icterus. Zeitschr. f. kliu. Med. 12; IIedon und Ville, Arch. de physiol. (5) 9; Harley, Jouru. of Physiol. 18, Journ. of Pathol. and Bacteriol. 1895 und Proceed. Roy. Soc. 61 ; bezüglich der anderen Autoren vergl. man Fussuote 2 S. 312. Eesoi-ptinn des Fettes. 319 Resorption gelangen soll. Andere Forscher sind indessen zu anderen Resultaten gelangt und Harley hat Fälle beobachtet, wo bei Hunden von dem Milchfette nur 4 p. c. oder, bei möglichst vollständigem Ausschluss der Darmbakterien, überhaupt gar nichts resorbirt wurde. Die Verhältnisse können also in den verschiedenen Fällen etwas verschiedenartig sich gestalten ; sicher ist es aber, dass bei Abwesenheit vom Pankreassafte im Darme die Fettresorption wesentlich beeinträchtigt ist. Ebenso sicher ist es ferner, dass die Resorption des Fettes am reichlichsten bei gleichzeitiger Anwesenheit von sowohl Galle wie Pankreassaft im Darme von statten geht; aber selbst bei gleichzeitiger Abwesenheit von diesen zwei Flüssigkeiten kann noch ein wenig Fett resorbirt werden (H:ßDON und Ville). Der Grund, warum die Fettresorption bei Abwesenheit von Galle oder Pankreassaft oder von beiden im Darme darniederliegt , ist nicht klar. Die gewöhnlichste Annahme ist die, dass zur Bildung einer Emulsion des Fettes ein Theil desselben vorher durch die Wirkung des Pankreassaftes gespalten werden müsse und dass diese Wirkung durch die Galle befördert werde. Hierzu kommt dann noch, dass die Galle ein gutes Lösungsmittel für die abgespaltenen Fett- säuren ist. Der Grund der mangelhaften Fettresorption kann indessen schwer- lich in einer verminderten Spaltung des Neutralfettes zu suchen sein, denn das nicht resorbirte Kothfett besteht bei Ausschluss sowohl der Galle wie des ^^"^""5«- art der Pankreassaftes (Minkowski und Abelmann, Harley, H^don und Ville, 'jg^'^p^JJ^^ Deucher) zum allergrössten Theil aus freien Fettsäuren. Es muss also auch [jgf^p^.^p'^^j in diesen Fällen eine, durch Mikroorganismen oder durch andere, noch unbekannte 'esorption. Momente bewirkte ergiebige Fettspaltung stattgefunden haben. Zum Theil könnte man vielleicht die mangelhafte Fettresorption nach der Pankreas- exstirpation durch den Wegfall eines bedeutenden Theiles des zur Eraulsions- bildung wie zur Lösung der Fettsäuren erforderlichen Alkalis erklären wollen ; da aber nach Sandmeyer bei pankreaslosen Hunden die Fettresorption durch Zugabe von fein zerhacktem Pankreas zu dem Fette wesentlich erhöht wird, kann dies jedenfalls keine genügende Erklärung sein. Man hat auch die Annahme gemacht, dass es hauptsächlich das Eiweiss des Pankreassaftes sein sollte, welches die Emulgirung bewirkt, und dass hierdurch die herabgesetzte Fettresorption nach Pankreasexstirpation erklärt werden könnte. Die hierfür angeführten Gründe sind indessen nicht beweisend, und man darf nicht über- sehen, dass eine reichliche Fettresorption auch bei Abwesenheit von einer Emulsion im Darme möglieh ist. Mit dem Wasser werden auch die löslichen Salze resorbirt. Für die Resorption solcher Salze, welche, wie z. B. die Erdphosphate, bei alkalischer Kesorption Reaktion in Wasser unlöslich sind, scheint das Eiweiss, welches nicht unerheb- ^ liehe Mengen solcher Salze lösen kann, von grosser Bedeutung zu sein. Wie andere gelöste Stoffe können auch die löslichen Bestandtheile der Verdauungssekrete und , wie der Uebergang von Pepsin in den Harn zeigt, unter diesen auch die Enzyme resorbirt werden. Für eine Resorption von Gallenbestandtheilen unter physiologischen Verhältnissen spricht nach der gewöhn- 320 Neuntes Kapitel. liehen Ansicht das Vorkommen von Urobilin im Harne, während die Frage nach dem Vorkommen von sehr kleinen Spuren von Gallensäuren im normalen Harne etwas streitig ist. Besser scheint eine Resorption von Gallensäuren aus dem Darme durch andere Beobachtungen sichergestellt zu sein. So hat Tappeiner *) Lösungen von gallensauren Salzen bekannter Konzentration in eine abgebundene Darmschlinge eingeführt und nach einiger Zeit den Inhalt untersucht. Er "^t-^r^'n"," beobachtete hierbei, dass in dem Jeiunum und dem Ileum, nicht aber in dem voll «allen- ' J ' theifeif Duodenum, eine Resorption von Gallensäuren stattfindet, und er fand ferner, dass in dem Jejunum von den zwei Gallensäuren nur die Glykocholsäure resorbirt wird. Es ist ferner längst von Schiff die Ansicht ausgesprochen worden, dass die Galle einen intermediären Kreislauf derart durchmacht, dass sie aus dem Darme resorbirt, dann mit dem Blute der Leber zugeführt und endlich durch dieses Organ aus dem Blute eliminirt wird. Gegen diese Angabe sind zwar von einigen Seiten Einwände erhoben worden, aber ihre Richtigkeit scheint jedoch durch die Beobachtungen mehrerer Forscher, in neuerer Zeit von Peevost und Binet wie auch und besonders von Stadelmann und seinen Schülern ^) bewiesen zu sein. Nach Einführung von fremder Galle in den Darm eines Thieres können auch die fremden Gallensäuren in der secernirten Galle des Versuchsthieres wieder erscheinen. Die bei der Aufsaugung betheiligten Kräfte sind nur wenig bekannt. Früher wollte man in der Osmose und der Filtration die einzigen Faktoren bei der Aufsaugung sehen. Später hatte man sieh aber immer mehr der Ansicht von Hoppe-Seyler') zugeneigt, derzufolge die Resorption zum grossen Theil ein an den vitalen Eigenschaften der Zellen gebundener Vorgang sein sollte. Resorp- Diese Ansicht ist besonders scharf von Heidenhain, auf Grund besonderer Untersuchungen von ihm und seinen Schülern, ausgesprochen worden. Nach Heidenhain giebt es nämlich in den Zellen eine besondere physiologische Trieb- kraft, neben welcher zwar unter Umständen auch die Osmose wirksam sein kann, die aber unter anderen Umständen bei völligem Ausschluss der Osmose die Resorption vermittelt. Es würde uns zu weit führen, diese Lehre näher zu entwickeln und auf die für und gegen dieselbe beigebrachten Beweise hier des Näheren einzugehen. Bezüglich dieser Streitfragen muss auf die Spezial- arbeiten*) und die Lehrbücher der Physiologie hingewiesen werden. 1) Wien. Sitzungsber. 77. 2) Schiff, Pflügek's Aich. 3; Pkevost und Binet, Compt. remi. 106; Stadel- mann, vergl. Fuesnote 1 S. 227. 3) Physiol. Chem. S. 348 u. f. •») Heidenhain, Pflüger's Arch. 43 u. 56; mit seinen Schülern: Röhmann, ebenda 41, GüMiLEWSKi, ebenda 39. Vergl. ferner Hamburger, Du Bois-Reymond's Arch. 1896 und O. COHNHEIM, Zeitschr. f. Biologie 36. Zehntes Kapitel. Gewebe der Bindesubstanzgruppe. I. Das Bindegewebe. Die Forraelemente des typischen Bindegewebes sind Zellen verschiedener Art von nicht näher erforschter Zusammensetzung und leimgebende Fibrillen, welche wie die Zellen in einer Grund- oder Interzellularsubstanz eingebettet liegen. Die Fibrillen bestehen aus Kollagen. Die Grundsubstanz enthält haupt- sächlich Mucin und daneben die in der Farench3'mflüssigkeit vorkommenden Eiweissstoffe, Senunglohulin und Serumalbumin (Loebisch'). Das Bindegewebe enthält auch oft aus Elast in bestehende Fasern oder Bildungen in wechselnder, bisweilen so vorherrschender Menge, dass das Binde- gewebe fast in elastisches .Gewebe übergeht. Endlich kommt auch eine dritte Art von Fasern, die retikulirten Fasern, welche nach Siegfried aus RetikuUn bestehen, in dem retikulirten Gewebe vor. Werden fein zerschnittene Sehnen mit kaltem Wasser oder Kochsalz, lösung extrahirt, so werden die in der Nahrungsflüssigkeit gelösten Eiweissstoffe nebst ein wenig Mucin herausgelöst. Extrahirt man dann den Rückstand Chemische Bestand- mit halb gesättigtem Kalkwasser, so löst sich das Mucin und kann mit theiie. überschüssiger Essigsäure aus dem filtrirten Auszuge gefällt werden. Der aus- gelaugte Rückstand enthält die Bindegewebsfibrillen nebst Zellen und elastischer Substanz. Die Bindegewebsfibrillen sind elastisch und quellen etwas im Wasser, stärker in verdünntem Alkali oder in Essigsäure auf. Sie schrumpfen dagegen durch Einwirkung von einigen Metallsalzen (wie Ferrosulfat oder Quecksilber- chlorid) und von Gerbsäure, welche Stoffe mit dem Kollagen unlösliche Ver- bindungen eingehen. Unter diesen Verbindungen, welche die Fäulniss des Kollagens verhindern, hat die Verbindung mit Gerbsäure grosse technische Ver- wendung zur Herstellung des Leders gefunden. Bezüglich des Sehnenmucins 1) Zeitschr. f. physiol. Cbem. 10. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte .-Vuöage. 21 322 Zehutes Kapitel. vergl. oben p. 44 und bezüglich des Kollagens, des Glutins, des Elastins und des Retikulins p. 52 — 57. Die unter dem Namen Schleim- oder G aller tgeiv ahn beschriebenen Gewebe sind mehr durch ihre physikalischen als durch ihre chemischen Eigenschaften oderGaiiert- charaktcrisirt und sie sind überhaupt wenig studirt. So viel ist iedenfails sicher, gewebe. x- o j ' dass das Schleim- oder Gallertgewebe wenigstens in gewissen Fällen, wie bei den Akalephen, kein Mucin enthält. Das zur Untersuchung der chemischen Bestandtheile des Gallertgewebes am leichtesten zugängliche Material ist der Nabelstrang. Das darin vorkommende Mucin ist schon oben, p. 4ö — 46, besprochen worden. In dem Glaskörper hat C. Th. MöRNEe') ein Mn1iöid, welches 12,27 p. c. Stickstofl' und 1,19 p. c. Schwefel enthält, gefunden. Junges Bindegewebe ist reicher an Mucin als älteres. Nach Halliburton^) enthält die Haut von sehr jungen Kindern als Mittel 7,66 und die von Er- wachsenen nur 3,85 p. m. Mucin. Bei dem sogen. Myxoedeni, bei welchem eine Neubildung von Bindegewebe in der Haut stattfindet, nimmt auch der Gehalt an Mucin zu. IL Das Knorpelgewebe. Dieses Gewebe besteht aus Zellen und einer ursprünglich hyalinen Grund- substanz, die jedoch derart verändert werden kann, dass in ihr ein Netzwerk von elastischen Fasern oder auch Bindegewebsfibrillen auftreten. Die Zellen, welche Alkalien und Säuren gegenüber als sehr widerstands- fähig sich erweisen, sind nicht näher untersucht. Die Grundsubstanz sollte der älteren Anschauung gemäss aus einem dem Kollagen analogen Stoff, dem „ ,, , CJiondriqen, bestehen. Die Untersuchungen von Morochowetz u. A., besonders Zellen und J ' e ' Grund- aijgr von C. Th. Mürner^) haben jedoch darsethan, dass die Grundsubstanz Substanz. •' »^ o ' des Knorpels aus einem Gemenge von Kollagen mit anderen Stoffen besteht. Die Tracheal-, Thyreo'ideal-, Cricoideal- und Arytenoidealknorpel erwach- sener Rinder enthalten nach Mörner in der Grundsubstanz vier Bestandtheile, nämlich das Chondromtdwid. die Chondrditinschwefelsäure, das Kollagen und das Albiimoid. Choiulroinukoül. Dieser Stoff hat nach C. Mörner die Zusammen- setzung C 47,30, H 6,42, N 12,58, S 2,42, O 31,28 p.c. Der Schwefel ist zum Theil locker gebunden und kann durch Einwirkung von Alkali abgespalten werden, zum Theil scheidet er sich beim Sieden mit Salzsäure als Schwefel- 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. S. 250. -) Mucin in Myxoedcma. Further Aualyses. Kings College. Collect. Piqjers Nr. 1. 1893. 3) Morochowetz, Verhandl. il. naturh. -med. Vereins zu Heidelberg. IHft. 5; Mörnee, Skand. Arch f. Physiol. 1. Chondromuköid. Chondioitiuschwefelsuure. 323 säure ab. Vou verdünnteu Alkalien wird das Chrondromukoid zersetzt und liefert Zusammen- sotzung und dabei Alkalialbuminat, Peptousubstanzen, Chondroitinschwefelsäure, Schwefelalkali Spaitungs- ' ^ ' Produkte, und etwas Alkalisulfat. Beim Sieden mit Säuren liefert es Acidalbumiuat, Pepton Substanzen, Chondroitinschwefelsäure und, in Folge der weiteren Zer- setzung der letzteren, Schwefelsäure und eine reduzireude Substanz. Das Chondromukoid ist ein weisses, amorphes, sauer reagirendes Pulver welches in Wasser unlöslich ist, nach Zusatz von wenig Alkali sich aber leicht löst. Diese Lösung wird von Essigsäure in grossem Ueberschuss und schon von kleinen Mengen Mineralsäure gefällt. Die Ausfällung kann von Neutral- salzen und von Chondroitinschwefelsäure verhindert werden. Die NaCl-haltige, mit HCl angesäuerte Lösung wird vou Ferrocyankalium nicht gefällt. Fällungs- ..J^'ß^^'j mittel für das Chondromukoid sind dagegen : Alaun, Eisenchlorid, Bleizucker chondro- ° ° ' mukoides. oder Bleiessig. Von Gerbsäure wird das Chondromuköid nicht gefällt und das- selbe kann sogar im Gegentheil die Ausfälluug des Leimes durch Gerbsäure verhindern. Das Chondromukoid giebt die gewöhnlichen Farbenreaktionen der Ei Weisskörper: mit Salpetersäure, Kupfersulfat und Alkali, dem ÄIiLLON'schen und dem AüAMKiEWicz'schen Reagenze. Chondro'ftiuschwei'elsäure, Chondroitsäure. Diese Säure, welche in reinem Zustande aus dem Knorpel zuerst von C. Mörner dargestellt und von ihm als eine Aetherschwefelsäure erkannt wurde, kommt nach ihm, ausser in allen Arten von Knorpel, in der Tunica intima Aortae und spuren weise in der Knochensubstanz vor. K. Mörner hat sie in der Rinderuiere und auch regel- mässig im Menschenharne gefunden. Nach Krawkow, welcher sie im Ligamentum nuchae vom Rinde fand, stellt sie, mit Eiweiss verbunden, das Amyloid dar (vergl. S. 47), was ihr von Oddi ^) beobachtetes Vorkommen in amyloid- degenerirten Lebern erklärt. Nach Schjiiedeberg -) hat die Säure die Formel CjgHgjNSOj^. Hinsichtlich der chemischen Konstitution dieser Säure haben die Untersuchungen von Schmiedeberg Folgendes ergeben. Als nächste Spaltungsprodukte liefert die Säure Schwefelsäure und eine stickstoffhaltige Substanz, das Chondroitin , nach folgender Gleichung: CigH^^NSOi, + H,0 = H0SO4 + CigHgjNO,^. Aus dem Chondroitin, welches dem arabischen Gummi ähnelt und eine einbasische Säure ist, entstehen bei der Zerlegung mit verdünnten Mineralsäuren als Spaltungsprodukte Essig- säure und eine neue stickstoifhaltige Substanz, das Chondrosin, nach der ciiondj-oitiu Gleichung CigH^^NOi^ + 3H,0 = 3C,>H^0, + Ci^HgiNOu. Das Chondrosin, 'tru^l^'" welches ebenfalls eine gummiähnliche, in Wasser lösliche, einbasische Säure ist, reduzirt Kupferoxyd in alkalischer Lösung etwas stärker als Glukose, ist dextrogyr und repräsentirt die von früheren Forschern im unreinen Zustande beim Sieden des Knorpels mit einer Säure erhaltene reduzirende Substanz. Die bei der 1) ('. MÖRNER 1. c. und Zeiteehr. f. physiol. Chem. 20 u. 23; K. Möbnek, s>k;iiid. Arch. f. Pbysiol. 6; Krawkow, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 40; Oddi, ebenda 83. ■-') Aieh. f. exp, Path. u. Pharm. 28. •21* 324 Zehntes Kapitel. Zerlegung des Chondrosins mit Barythydrat entstehenden Produkte machen es wahrscheinlich, dass das Chondrosin die Atomgruppen der Glukuronsäure und des Glukosamins enthält. Die Chondroitinschwefelsäure stellt ein weisses, amorphes Pulver dar, welches sehr leicht in Wasser zu einer sauren, bei genügender Konzentration klebrigen, einer Gummilösung ähnlicheu Flüssigkeit sich löst. Fast sämmlliche Salze sind in Wasser löslich. Die neutralisirte Lösung wird von Zinn- chlorür, basischem Bleiacetat, neutralem Eisenchlorid und von Alkohol, bei Eigen- Gegenwart von wenig Neutralsalz, gefällt. Dagegen wird die Lösung nicht von Essigsäure, Gerbsäure, Blutlaugensalz und Säure, Bleizucker, Quecksilber- chlorid oder Silbernitrat gefällt. In Lösungen von Leim oder Eiweiss rufen angesäuerte Lösungen der chondroi'tinschwefelsauren Alkalisalze Nieder- schläge hervor. Zur Reindarstellung des Chondromukoids und der Chrondro'üinschwefelsäure extrahirt man nach Möener den sehr fein zerhackten Knorpel mit Wasser, wobei die präformirte Chondroitinschwefelsäure nebst etwas Chondrornukoid gelöst wird. In diesem Wasserextrakte hindert die Chondroitinschwefelsäure die Aus- fällung des Chondromukoids mit einer Säure ; setzt man aber dem Wasserauszuge 2 — 4 p. m. HCl zu und erwärmt darauf im Wasserbade, so scheidet sich nach und nach das Choudromukoid aus, während in dem Filtrate die Chondroitin- Darsteiiung schwefelsäure und der Rest des Chondromukoids zurückbleiben. Extrahirt man chondio- dann den mit Wasser ausgelaugten Knorpel bei Körpertemperatur mit Salzsäure mokoids. yQjj 2 — 3 p. m., bis das Kollagen in Leim umgesetzt und gelöst worden ist, so kann aus dem ungelösten Rückstande noch ein Rest des Chondromukoids mit sehr verdünntem Alkali ausgezogen und aus dem alkalischen Extrakte mit einer Säure ausgefällt werden. Durch wiederholtes Auflösen in Wasser mit Hilfe von wenig Alkali, Ausfällung mit einer Säure und zuletzt Alkohol- Aether- behandluug kann das Chondromukoid gereinigt werden. Die Chondroitinschwefelsäure, die präformirte Säure ebenso wie die, welche durch Zersetzung des Chondromukoids entsteht, erhält man durch Auslaugen des Knorpels mit Kalilauge von 5 p. c. Aus der Lösung entfernt man das durch Zersetzung des Chondromukoids entstandene Alkalialbumiuat durch itorsteiiung Neutralisation, fällt dann das Pepton mit Gerbsäure, entfernt den Ueberschuss chondroitin- der letzteren mit Bleizucker und entbleit dann das Filtrat mit Scbwefelwasser- schwefei- gtoflf. Behufs der weiteren Reinigung fällt man die Säure mit Alkohol, saure. . . ^ * . . löst den Niederschlag in Wasser, dialysirt diese Lösung energisch, fällt dann wieder mit Alkohol, wiederholt das Lösen in Wasser und Ausfällen mit Alkohol noch einige Male und behandelt zuletzt die Säure mit Alkohol-Aether. ScHMiEDEBEEG Stellt die Säure aus dem Knorpel der Nasenscheidewand des Schweines nach folgendem Prinzipe dar. Der fein zertheilte Knorpel wird erst der künstlichen Pepsinverdauung unterworfen und darauf wird der mit Wasser sorgfältig ausgewaschene, ungelöste Rückstand mit Salzsäure von 2 — 3 p. c. behandelt. Die salzsäurehaltige, trübe Flüssigkeit wird mit Alkohol (etwa ^/4 Vol.) gefällt und das klare Filtrat mit reichlichen Mengen absoluten Alkohols und etwas Aether versetzt. Der hierbei entstehende, er.[aly's Jahresber. 21. 3) Vergl. H. Weiske, Zeitschr. f. Biologie 31. 330 Zoliutes K:i)iitpl. Versuchsergebnisse erhalten. Bei jungen , noch im Wachsthuni begriffenen Thieren hat Erwin Voit ^) dagegen durch ^tangel an Kalksalzen in der Nahrung rachitisähnliche Veränderungen hervorrufen können. Bei erwachsenen Thieren wurden die Knochen zwar auch in Folge des Mangels an Kalksalzen nacb längerer Zeit verändert, aber sie wurden nicht weich, sondern nur dünner, osteo- porotisch. Die Versuche, durch Zusatz von Milchsäure zu der Nahrung die Wirkung Kalksalzen aus den Knochen zu entfernen (Heitzmann, Heiss, Baginsky^), armerNahr- haben ebenfalls zu nicht ganz eindeutigen Resultaten geführt. Dagegen hat Weiske durch Beigabe von verdünnter Schwefelsäure oder von Mononatrium- phosphat zu dem Futter (vorausgesetzt, dass dieses selbst nicht eine alkalische Asche liefert) beim Schafe und Kaninchen den Mineralstoffgehalt der Knochen herabsetzen können. Bei längerer und ausschliesslicher Verabreichung von Futtermitteln, welche eine Asche von saurer Reaktion liefern (Cerealienkörner) hat Weiske ferner selbst bei ausgewachsenen Herbivoren eine Verarmung der Knochen an Mineralsubstanzen beobachtet^). Einige Forseher sind übrigens der Ansicht, dass in der Rachiti? und ebenso in der Osteomalacie eine Auf- lösung der Kalksalze durch Milchsäure in den Knochen geschehe. Man beruft sich hierbei auf den Umstand , dasa O. Weber und C. Schmidt *) in der cystenartig veränderten Knochensubstanz der osteomalacischen Knochen Milch- säure gefunden haben. Gegen die Möglichkeit, dass bei der Osteomalacie Kalksalze von der Milch- säure gelöst und aus den Knochen weggeführt werden , haben hervorragende Forscher sich ausgesprochen. Sie haben nämlich hervorgehoben, dass die von der Milchsäure gelösten Kalksake bei der Neutralisation der Säure durch das alkalische Blut sich wieder ausscheiden müssen. Ein solcher Einwand ist jedoch von keiner grösseren Bedeutung, weil das alkalische Blutserum in nicht geringem Grade die Fähigkeit Erdphosphate in Lösung zu halten hat. Gegen die Annahme einer Lösuiig der Kalksalze durch Milchsäure bei der Osteo- ostco- rnalacie sprechen dagegen entschieden die Untersuchungen von Levy'^). Er hat nämlich gefunden, dass das normale Verhältniss ßPO^: 10 Ca auch bei der Osteomalacie in allen Theilen der Knochen erhalten geblieben ist, was natürlich nicht der Fall sein könnte, wenn eine Lösung der Knochenerde durch eine Säure stattfände. Die Abnahme der Phosphate erfolgt in demselben quantitativen Verhältnisse wie die der Karbonate, und bei der Osteomalacie geschieht also nach Levy der Kuochenabbau nach Art einer wirklichen Ent- kaltung, indem ein Molekül des Phosphatkarbonates nach dem anderen ent- fernt wird. 1) Zeitsebr. f. Biologie 16. ■i) Heitzmans, Maly's Jalireslifi-. 3. )i.229; HEISS, Zeitsdir. f. Biulogie 12; Baginsky, YiKCHOW's Arch. 87. 3) Vergl. Maly'.s Jabresber. Ü; IVrner Weiske, Zeitsebr. f. pbysiol. Cbem. 20 und Zeitsebr. f. Biologie 31. •i) Cit. nach v. Gokup-Besanez: Lebrli. d. phvsiol. Chem. 4. Aufl. 2) Zeitsebr. f. pbysiol. Chem. 19. Das Zaimgewebe. 331 In der Rachitis hat man eine zwischen 664 und 811 p. m. schwankende Menge orga- nischer Substanz gefunden. Die Jlcnge der anorganischen Stoffe war 189 — 336 p. m. Diese Zahlen beziehen sich, M-ie leicht ersichtlich, auf wasserfreie Substanz. Nach Brtjbacher sind rachitische Knochen reicher an Wasser und armer an Mineralstoffen , insbesondere Calcium- phosphat, als die Knochen gesunder Kinder. Der Rachitis gegenüber zeichnet sieh die Osteo- Rachitis, uialacie nicht selten durch einen bedeutenden Fettgehalt der Knochen, 230 — 290 p. m., aus; im Uebrigen scheint aber die Zusammensetzung so sehr zu schwanken, dass die Analysen nur wenig belehrend sind. In einem Falle von Osteomalaeie fand Chabrie ') in einem Knochen einen grösseren Gehalt an Magnesium wie an Calcium. Die Asche enthielt nämlich 417 p.m. Phosphorsäure, 222 p. m. Kalk, 269 p. m. Magnesia und 86 p. m, Kohlensäure. Das Zahiigewebe schliesst sich in chemischer Hinsicht an das Knochen- gewebe nahe an. Von den drei Hauptbestandtheilen der Zähne, dem Dentin, dem Schmelze und dem Cement ist der letztgenannte Bestandtheil , das Cement, als echtes Knochengewebe zu betrachten und als solches gewissermassen schon besprochen worden. Das Dentin hat, der Hauptsache nach, dieselbe Zusammensetzung wie das Knochengewebe, ist aber etwas ärmer an Wasser. Die organische Substanz giebt beim Kochen Leim, dabei werden aber die Zahnröhren nicht gelöst und sie können demnach nicht aus Kollagen bestehen. In dem Dentin hat man 260 — 280 p. m. organische Substanz gefunden. Der Schmelz ist ^gl^eb^" eine Epithelialbilduug mit grossem Reichthum an Kalksalzen. Der Natur und Abstammung des Schmelzes entsprechend liefert die organische Substanz des- selben keinen Leim. Der vollständig ausgebildete Schmelz ist das wasserärmste, härteste und an Mineralstoffen reichste Gewebe des Körpers. Bei erwachsenen Thieren enthält er fast kein Wasser, und der Gelialt an organischer Substanz beträgt nach den gewöhnlichen Angaben 20 — 40 p. m. Nach Tomes") soll indessen der Schmelz keine wägbare Menge organischer Substanz enthalten und was man früher als organische Substanz (Gewichtsverlust beim Glühen) betrachtet hat, soll nach ihm nur Wasser sein. Das Mengenverhältniss des Calciums und der Phosphorsäure ist nach Hoppe-Seyi.er's Analysen etwa das- selbe wie in der Knochenerde. Der Gehalt an Chlor ist nach Hoppe-Seylee^) ein auffallend hoher, 0,3 — 0,5 p. c. Carnot*), welcher das Dentin des Elephanten untersucht hat, fand in der Asche des- selben 4,3 p. m. Calciumfluorid. In dem Elfenbein fand er nur 2,0 p. m. Das Dentin des Elephanten ist reich an Magnesiumphosphat, was in noch höherem Grade von dem Elfenljein gilt. Der Gehalt an Fluor ist nach Gabriel sehr gering und beträgt in Rinderzähnen höchstens 1 p. m. Er ist weder in den Zähnen überhaupt noch in dem Schmelze grösser als in den Knochen. Nach Gabriel ist ferner in dem Phosphate im Schmelze eine auffällig geringe, im Zahnbein eine auöällig grosse Menge von Kalk durch Magnesia ersetzt. 1) Chabrie, Les phenomenes chim. de l'ossification. Paris 1895. S. 65. ■-) .Tourn. of Physiol. 19. :i) Physiol. Chem. S. 180. J) Conipt. ren , sciitr aihmeter Kohlensäure, d. h. den respiratorischen Quotienten ~^', grosser als Quotient. ' O 1 gefunden (Hanriot und Richet, Blelbtreu, Kaufmann, Laulanie'). 1) Artikel Eiweisskörper in Ladenbükg's Handwörterb. d. Chem. 3. S. 543. 2) Lawes und Gilbert, PliUos. Transaet. 1859, Part. 2; Soxhlbt, vergl. Maly's Jahresber. 11; Tscheewinskt , ebenda 13; Meissl und Stkomer, Wien. Sitzungsber. 88, Abth. 3 ; ScnüLTZB, Maly's Jahresber. 11 ; Chanibwski, Zeitschr. f. Biologie 20 : Voit und Lehmann, vergl. C. Voit, Sitzungsber. d. k. baycr. Akad. d. Wissensch. 1885; J. Münk, ViRCHOw's Arch. 101; RüBNER, Zeitschr. f. Biologie 22; LuMMERT, Pflüger's Arch. 71. 3) Hanriot und Eichet, Annal. de chiui. et de Phys. (6) 22 ; Bleibtreu, Pflüger's Arch. 56: Kaufmann, Arch. de Physiol. (5) 8; Laulanie, ebenda S. 791. Aufgaben des Fettgewebes. 337 Man erklärt dies durch die Annahme, dass hierbei unter Abspaltung von Kohlensäure und Wasser, ohne Aufnahme von Sauerstoff, Fett aus dem Kohle- hydrate gebildet wird. Dieses Ansteigen des respiratorischen Quotienten rührt übrigens z. Theil auch von der gesteigerten Verbrennung der Kohlehydrate her (vergl. Kap. 18). Bei sehr fettreicher Nahrung werden reichliche Mengen Fett in das Fett- gewebe abgelagert, um bei unzureichender Nahrung rasch verbraucht zu werden. Es giebt wohl auch kaum irgend eines der verschiedenen Gewebe, welches während des Hungerns so rasch abnimmt wie das Fettgewebe. In diesem Gewebe hat also der Organismus ein Depot, in welches ein für die Entwickelung von Wärme und lebendiger Kraft überhaupt äusserst wichtiger Nährstoff bei reich- licher Nahrungszufuhr abgelagert und von welchem er bei unzureichender Nahrung, in dem Masse wie es nöthig wird, wieder abgegeben wird. Dass das Fettgewebe, abgesehen von dieser Bedeutung, auch als schlechter Wärmeleiter ein wichtiges Mittel zur Regulirung der Wärmeverluste des Körpers darstellt, ist ebenso einleuchtend, wie es offenbar ist, dass das Fettgewebe als Aus- füllungsmittel gewisser Höhlen und als Schutzmittel gewisser innerer Organe von der grössten Bedeutung sein muss. Physiologische Chemii Elftes Kapitel. Die Muskeln. Quergestreifte Muskeln. Beim Studium der Muskeln muss die Hauptaufgabe der physiologischen Chemie die sein, die verschiedenen morphologischen Elemente des Muskels zu isoliren und jedes Element für sich zu untersuchen. Des komplizirten Baues des Muskels wegen ist dies jedoch bisher fast gar nicht möglich gewesen, und bis auf einige wenige mikrochemische Reaktionen hat man sich bisher mit der Untersuchung der chemischen Zusammensetzung der Muskelfaser als Ganzes begnügen müssen. Jedes Muskelrohr oder jede Muskelfaser besteht aus einer Hülle, dem Sarkolemma, welches aus einer elastinähnlichen Substanz zu bestehen scheint, und einem ei weiss reichen Inhalt. Dieser letztere, welcher im Leben kon- traktionsfähig ist, reagirt bei dem lebenden, ruhenden Muskel alkalisch oder richtiger amphoter mit vorherrschender Wirkung auf rothes Lackmuspapier. RöHMANN hat gefunden, dass der frische, ruhende Muskel für rothes Lackmoid eine alkalische und für braunes Curcuniapapier eine saure Reaktion zeigt. Aus dem Verhalten dieser Farbstoffe zu verschiedenen Säuren und Salzen zieht er wfifJlt!" ferner den Schluss, dass in dem frischen Muskel die Alkalesceuz für Lackmoid durch saures kohlensaures Natrium, Diphosphat und wahrscheinlich auch durch die Alkaliverbindungen von Eiweisskörpern, die saure Reaktion für Curcuma dagegen hauptsächlich durch Mouophosphat bedingt ist. Der todte Muskel reagirt sauer, oder richtiger; die Acidität für Curcuma nimmt beim Absterben des Muskels zu, die Alkalescenz für Lackmoid dagegen ab. Der Unterschied rührt von einem grösseren Gehalte des todten Muskels an Mouophosphat her, und nach Röhmann findet sich weder in dem einen noch in dem anderen Falle freie Milchsäure vor ^). Inhalt'der Muskel röbren. 1) Die Aiigabeu über ) Vergl. KÜHNE, Unteisuehiuigen über das Protoplasma. Leipzig 1864 S. 2; Halli- BCRTOX, Journ. of Physiol. 8 : v. FÜRTH, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 36. ä) Zeitschr. f. physiol. Chem. 7. 3) Studies from Yale College, New Haren 3 1889. S. 115. Myosiu untl Muskuliii. ä41 Mittel die folgende ist: C 52,28; H 7,11; N 16,77; S 1,27 und O 22,03 p. c. Scheidet sich das Myosiu in Fasern aus oder lässt man eine mit einer minimalen Alkalimenge bereitete Myosinlüsuug auf dem Objektglase zu einer Gallerte ein- ^ij^l"' trocknen , so kann das Myosin doppeltbrechend erhalten wereu. Es hat die allgemeinen Eigenschaften der Globuline und ist dementsprechend unlöslich in Wasser aber löslich in verdünnten Salzlösungen wie auch in sehr verdünnten Säuren oder Alkalien, durch welche es leicht in Albuminat verwandelt wird. Es wird von NaC'l, bis zur Sättigung eingetragen, wie auch von MgSO^, bei einem Gehalte der Lösung von 94 p. c. krystallwasserhaltigem Salz, vollständig gefallt (Hällibiteton). Wie das Fibrinogen gerinnt es in kochsalzhaltiger Lösung bei etwa -f- 56" C, unterscheidet sich aber von jenem dadurch, dass es unter keinen Umständen in Faserstoff übergeht. Die Gerinnungstemperatur soll übrigens nach Chittenden und Cummes's nicht nur für Myosin verschiedener Abstammung, sondern auch für ein und das.selbe Myosin in verschiedenen Salz- lösungen eine etwas verschiedene sein. Die Darstelluog des Myosins kann (nach Halliburton) in der Weise geschehen, dass der Muskel erst mit einer ö prozentigen Lösung von Magnesium- sulfat exlrahirt wird. Das tiltrirte Extrakt versetzt man dann mit so viel Magnesiumsulfat in Substanz, dass auf je 100 ccm Flüssigkeit etwa 50 g Salz kommen. Hierbei scheidet sich das sogenannte Paramyosinogen oder Muskulin aus. Die hiervon abfiltrirte Flüssigkeit wird nun mit so viel Magnesiumsulfat dMMyosinf. versetzt, da.s.s in je 100 ccm Flüssigkeit 94 g Salz gelöst sind. Das nun sich ausscheidende Myosin wird abfiltrirt, in Wasser mit Hilfe des rückständigen Salzes gelöst, durch Verdünnung mit Wasser gefällt und, wenn nöthig, durch Auflösung in verdünnter Salzlösung und Ausfällung mit Wasser gereinigt. Die ältere, vielleicht gewöhnlichste Darstellungsmethode besteht darin, dass man nach Danilewsky^) den Muskel mit Salmiaklösuug von 5 — 10 p. c. extrahirt, durch starkes Verdünnen mit Wasser das Mj'osin aus dem Filtrate fällt, den Niederschlag wieder in Salmiaklösung auflöst und das Myosin aus dieser Lösung entweder durch Verdünnung mit Wasser oder durch Entfernung des Salzes mittels Dialyse fällt. Das Muskulin-J, von Halliburton Paramyosinogen, von v. Fürth Myosin genannt, ist ein Globulin, welches durch seine niedrige Gerinnungs- temperatur , etwa -\- 47 " C. , welche jedoch bei verschiedenen Thiergattungen etwas wechseln kann (-j- 45 " bei Fröschen, -|- 51" C. bei Vögeln), charakterisirt ist. Es wird leichter als das Myosin von NaCl oder MgSO^ (50 p. c. krystall- wasserhaltigem Salz) vollständig gefällt. Nach v. Fürth wird es durch Ammoniumsulfat bei einer Konzentration von 12 — 24 p. c. Salz gefällt. Extrahirt man den todten Muskel mit Wasser, .so geht das Muskulin zum Muskuim. Theil auch in Lösung über und kann durch vorsichtiges Ansäuern gefällt 1) Zeiteehr. f. jihysiol. Clieiii. ö. S. 158. -) Da noch keine überzeugenileu Gründe für die Identität des bisher als Myosin bezeich- Detun Globulins und des Paramyosinogens vorliegen, und da ferner die Anwendung des Namens Myosin für letztere Substanz leicht Verwirrung hervorrufen kann , hat Verf. keinen Clrund gefunden, den ältesten Namen Muskulin (N.asse) zu verlassen. 342 Elftes Kapitel. werden. Aus einer verdünnten Salzlösung scheidet es sich durch Dialyse aus. Das Muskulin geht leicht in eine unlösliche Modifikation über, die v. Fürth ..Myosinfihrin" genannt hat. Das Muskulin wird von v. Fürth Myosin genannt, weil es nach ihm nichts anderes als Myosin sein soll. Da indessen das Muskulin eine niedrigere Gerinnungstemperatur und eine andere Fällbarkeit für Neutral- salze als die seit Alters her Myosin genannte Substanz hat, ist es schwer, einer solchen Ansicht beizupflichten. MyoglohuJin. Nach dem Entfernen des Muskulins und des Myosins aus dem salzhaltigen Auszuge der Muskeln mittels MgSO^ kann das Myoglobulin durch Sättigung des Filtrates mit dem Salze ausgefällt werden. Es ist dem ^»1^^'6«E- Serumglobulin ähnlich, gerinnt aber bei-}- 63" C. (Halliburton). Das Myo- desMuskels. aTtnmwi oder Muskelalbumin scheint mit dem Serumalbumin (Serumalbumin a nach Halliburton) identisch zu sein und. stammt vielleicht nur von dem Blute oder der Lymphe her. Albumosen und Peptone scheinen nicht in dem frischen Muskel vorhanden zu .sein. Nach dem vollständigen Entfernen sämmtlicher in Wasser und Salmiak- lösung löslichen Eiweisskörper des Muskels bleibt eiu unlöslicher, in Salmiak- lösung nur aufquellender Eiweisskörper zurück, welcher sammt den übrigen Muskel- unlöslichen Bestandtheilen der Muskelfaser das „Mushelstroma" darstellt. Die Menge solcher Stromsubstanz wird von Danilewsky mit der Art und Weise, wie die Muskeln arbeiten, in Verbindung gebracht. Er glaubt nämlich gefunden zu haben, dass die Muskeln eine grössere Menge dieser Substanz, der Menge des Myosins gegenüber, enthalten in dem Masse, wie ihre Kontraktion und Wiederausdehnung rascher geschieht. Nach den Untersuchungen von J. Holmgren i) gehört die Stromasubstanz weder der Nukleoalbumin- noch der Nukleoproteidgruppe an. Ebenso wenig ist sie als eiu Glykoproteid anzusehen, denn sie giebt beim Sieden mit verdünnten Mineralsäuren keine reduzirende Substanz. Sie ähnelt am meisten den geronnenen EiweissstofTen und löst sich in verdünntem Alkali zu Albuminat auf. Die elementare Zusammensetzung ist fast dieselbe wie die des Myosins. Dass auch die nach V. Fürth bei der Gerinnung des Plasmas entstehenden unlöslichen Stoffe, .stroma- das Myofibrin und das Mvosinfibrin, unter den Stromasubstanzen sich vorfinden, Substanzen. ^ unterliegt wohl keinem Zweifel. Wenn der Muskel vorher mit Wasser ausgelaugt worden ist, enthält die Stromasubstanz auch einen Theil des hierbei unlöslich gewordenen Myosins. Zu den in Wasser und Neutralsalz nicht löslichen Eiweissstoffen gehört auch ein von Pekelharing -) nachgewiesenes, spurenweise vorkommendes, in schwach alkalihaltigem Wasser lösliches Nukleoproteid, welches wahrscheinlich von den spärlichen Muskelkernen stammt. Das Mtiskelsynlonin, welches durch Extraktion von Jluskeln mit Salzsäure von 1 p. m. HCl gewonnen wird und welches nach K. MönNEii eine geringere Löslichkeit, bezw. grössere Fällbarkeit als anderes Acidalbuminat zeigt, scheint nicht in dem Jluskel präformirt vorzu- kommen. 1) Vergl. Danilewski und IIolmgeen Fussnote 2) Zeitachr. f. physiol. Chem. 22. Eiwcissstoti'f lies Muskelplasmas. .'M3 Die Eiiceissstoffe des 3IiiskelpJcismas. Wie oben bemerkt, hat man bisher allgemein das Myosin als die geronnene Modifikation eines in dem Muskel- plasnia vorkommenden löslichen Eiweissstoffes angesehen. Wie in dem Blutplasma eine Multersubstanz des Fibrins, das Fibrinogen, vorkommt, so hat man auch in dem Muskelplasma eine Muttersubstanz des Myosins, ein lösliches Myosin oder ein Mjiosinogen, angenommen. Die Isolirung einer solchen Substanz ist jedoch nicht mit Sicherheit gelungen. Halliburton, welcher in den Muskeln eine dem Fibrinferraente verwandte, aber damit nicht indentische, enzymähnliche Substanz, das .Myosinferment" , nachgewiesen hat, fand ferner, dass eine Lösung von gereinigtem Myosin in verdünnter Salzlösung (z. B. 5 p. c. MgSOj), mit Wasser passend verdünnt, nach einiger Zeit gerinnt unter Sauerwerden der ^',f^°|,"^,°f?|'_ Flüssigkeit und unter Abscheidung von einem typischen Myosingerinnsel. Diese ''"■''"'°'- Gerinnung, welche durch Erwärmung wie auch durch Zusatz von Myosinferment beschleunigt wird, soll nach Hallibueten ein mit der Gerinnung des Muskel- plasmas analoger Vorgang sein. Nach diesem Forscher soll auch das Myosin, wenn es in Wasser mit Hilfe von einem Neutralsalz gelöst wird, in Myosinogen zurückverwandelt werden, während nach Verdünnung mit Wasser aus dem Myosinogen wieder Myosin hervorgehen soll. Es lassen sich indessen aus diesen Beobachtungen noch keine bestimmten Schlüsse ziehen. Abgesehen von Spuren von Globulin und Albumin, die vielleicht dem Muskelplasma .selbst nicht angehören, enthält das letztere nach v. Fürth bei Säugethieren zwei Eiweissstoffe, nämlich das Muskulin (Myosin nach v. Fürth) und das Myogen. Das Muskulin (Nasse) = Paramyosinogen (Halliburton) = Myosin , (v. Fürth) macht etwa 20 p. c. von derGesaramteiweissmenge desKaninchenmuskel- plasmas aus. Seine Eigenschaften sind schon vorher besprochen worden, und es ii"skuUn. bleibt hier nur übrig zu bemerken, dass seine Lösungen beim Stehen sich trüben und einen in Salzlösungen unlöslichen Niederschlag, das ..Mijosinßhyiii'' , absetzen. Das Myogen = Myosinogen (Halliburton) stellt die Hauptmasse 75 — 80 p. c. der Eiweissstofi'e im Kaninchenmuskelplasma dar. Es scheidet sich aus seinen Lösungen durch Dialyse nicht aus und soll kein Globulin, sondern ein Eiweisskörper sui generis sein. Es gerinnt bei 55 — 65" C. und ist bei Gegenwart von 26 — 40 p. c. Ammoniumsulfat fällbar. Von Essigsäure wird die Lösung nur bei Gegenwart von etwas Salz gefällt. Durch Alkalien jj j,^^ wird es in ein Alburainat umgewandelt, welches von Salmiak gefällt wird. Das Myogen geht, besonders bei etwas höherer Temperatur wie bei Gegenwart von Salz, spontan in eine unlösliche Modifikation, das „Myogenfibrin'' über. Als lösliche Zwischenstufe entsteht hierbei eine bei 30 — 40" C. gerinnende Eiweiss- substanz, ^Jösliches lli/ogenfibrin", welches in reichlicher Menge in nativeni Frosclimuskelplasma sich vorfindet. Im ^luskelplasma der Warmblüter kommt es nicht innner und dann nur in spärlicher Menge vor. Durch Salzfällung oder Difl^usion kann man es zur Ausscheidung bringen. Die Annahme Halliburton's von iler Wirkung eines besonderen Myosinfermentes findet v. Fürth nicht 344 Elftes Kapitel. hinreicbeud begründet, ebenso wie die oft angenommene Analogie mit der Blut- gerinnung. Als Unterschied zwischen dem Unlöslichwerden des Muskulins und des Myogens ist hervorzuheben, dass das Muskulin ohne lösliche Zwischenstufe in das Myosinfibrin übergeht. Zur Darstellung des Myogens kann man nach v. FÜRTH das dialysirte und filtrirte Muskelplasma durch kurzdauerndes Erhitzen auf 52" C. von den DaisteUuuf Resten des Muskulins befreien. In dem neuen Filtrate findet sich das Myogen, Myogens ^'e^ches man mit Animoniunisulfat ausfällen kann. jNIan kann auch das Muskulin erst durch Zusatz von 28 p. c. Ammoniumsulfat entfernen und dann aus dem Filtrate das Myogen durch Sättigen mit dem Salze ausfällen. Wenn das Myogen, wie v. FÜRTH meint, kein Globulin ist, kann es offenbar nicht mit dem Mvosinogen von Halliburton identisch sein, und ebenso schwierjir wird es, das Myogen in bestimmte Beziehung zu dem KÜHNE'schcn Myosin, welches ebenfalls ein Globulin ist, zu bringen Da das Muskulin (Paramyosinogen) bei seiner Gerinnung kein Myo.singerinnsel liefert, und da es sowohl durch Gerinnuugstemperatur wie durch FällbarkeitsTcrhältnisse von dem KÜHNE'scheu Myosin des todten Muskels sieh unterscheidet, ist es vorläufig kaum möglieh, die Erfahrungen früherer Forscher mit den Beobachtungen v. FÜkth's in Einklang zu bringen, und es sind also weitere Untersuchungen über diesen Gegenstand sehr erwünscht. Myoprotetd hat v. Fürth einen im Plasma von Fischmuskeln gefundenen, beim Sieden nicht gerinnenden, durch Essigsäure fällbaren Eiweisstoff. den er als ein Proteid betrachtet, genannt. M'ushelfarhstoffe. Dass die rothe Farbe der Muskeln, selbst wenn die letzteren vollständig von Blut befreit worden, wenigstens zum Theil von Hämo- globin herrührt, ist unzweifelhaft. Wie K. Möener gezeigt hat, ist das Muskel- hämoglobin indessen nicht ganz identisch mit dem Bluthämoglobin. Die Angabe von Mac Munn, dass in den Muskeln auch ein anderer, dem Hämochromogen Muskcifarii- verwandter, von ihm 3Ii/ohämatin genannter Farbstoff präfonnirt vorkommen soll, haben andere Forscher (Levy und Mörner), wenigstens für Muskeln höherer Thiere uicht bestätigen können '). Dieser Farbstoff soll nach Mac Mtjnn auch in den Äluskeln von Insekten, bei welchen kein Hämoglobin vor- kommt, sich vorfinden. Her rothgelhe Farbstoft' in den Muskeln des Lachses ist nur wenig studirt, Sj^urcn von Enzymen, wie Pepsin und diastatischem Enzym, hat man in den Muskeln gefunden. Es findet sieh in ihnen ferner das sogen. „Myosinfermenf und, wie es scheint, auch ein Milchsäuregährung erzeugendes Enzym. Extraktivstoffe des Muskels. Die stit'kstoffhaltig'Cii Extraktivstoffe bestehen hauptsächlich aus Kreatin , im Mittel 1 — 4 p. m. in dem frischen , wasserhaltigen Muskel und ferner aus den Xanthinstoffen, Hi/poxantliin und Xanlhin nebst Guanin und haiUge'Ex- Kamill. Die Menge des Hypoxanthins, Xanthins und Guanins beträgt nach traktiv-' Stoffe. 1) Vergl. Mac Munn, Phil. Trans, of Roy. Soc. Part. 1, 177, Journ. of Physiol. 8 und Zcitschr. f. physiol. Chem. 13; LEVY ebenda 13; K. MÖKNER, Nord. Med. Archiv, Fest- band 1897 und Maly's .Jahresber. 27. 2) Zeitscbi-. f. ].bysi(d. rhem. S. S. 408. Extraktivstoffe. Kixatin. 345 Binder bezw. 2,30, 0,53 und 0,20 und in embrj'onalen Rindermuskeln bezw. 3,59, 1,11 und 4,12 g. Unter den, wie es scheint, regelmässig vorkommenden stickstoffhaltigen Extraktivstoffen sind ferner zu erwähnen die PJwsphorfleiscIismire und die vielleicht zu ihr in Beziehung stehende Inosinsäure. Zu ilcn KxtraktiTstoifen gehiiien feiner die von LiMPKICHT in dem Fleische einiger Cypriniden gefundene stickstofflialtige Protsäure und das von J. Thesen im Fisclifleiscli ge- fundene Isokreaiinm '). In den ituskeln sind ferner spureuweise, in einigen Fällen nur bei einzelnen Thierartcn, Harnsäure, Harnstoff, Taurin und Leucin gefunden worden. Hiusiclit- lich der Jlengc dieser verscliiedeuen ExtralctivstofFe in den Muskeln kommen jedoeli, wie Extraktiv- Kkukenberg und Wagxer ^) gezeigt haben , bei verschiedenen Thieren grosse Verschieden- heiten Vor. Es cntlialten also die Muskeln reichliche Jlengen Harnstotf bei Haien und Rochen, Harnsäure bei Alligatoren, Taurin bei Kephalopoden , Glykokolt bei einer Muschel, Pecten irradians, und Kreatinin bei Luvarus imperialis u. s. w. Hinsichtlich des Vor- kommens von Harnstoff in den Muskeln der höheren Thiere sind die Angaben etwas streitig. Nach Kaufmann' und Schöndorff ist der Harnstoff ein regelmässiger Muskelbestandtheil, wälirend dies nach M. Nencki und Kow.\KSKl nicht der Fall sein soll^). Die obigen Xanthinstoffe, mit Ausnahme von dem Kamin, sind schon in dem Vorigen (S. 118 — 122) abgehandelt worden, und es muss also unter den Extraktivstoffen in erster Linie hier das Kreatin besprochen werden. Kreatin, C^Hj^jO, -\- H.>0, oder Methylguanidin essigsaure, NH : QNHa) . iS'iCHg) . ChJ. COOH + H,0, kommt in den Muskeln der Rück- gratsthiere, in wechselnder Menge bei verschiedenen Thieren aber in grösster Menge bei Vögeln vor. Es ist auch in Gehirn, Blut, Transsudaten und Amnios- flüssigkeit gefunden worden. Das Kreatin kann synthetisch aus Cyanamid und Kreatin. Sarkosin (Methylglykokoll) dargestellt werden. Beim Sieden mit Barytwasser zersetzt es sich unter Wasseraufnahme und liefert dabei Harnstoff, Sarkosin und einige andere Produkte. Wegen dieses Verhaltens haben mehrere Forscher in dem Kreatin eine Vorstufe bei der Harnstoffbildung im Organismus sehen wollen. Beim Sieden mit Säuren geht das Kreatin unter Wasseraustritt leicht in das im Harne vorkommende und auch in Hundemuskeln von Monaki'') gefundene Kreatinin, C^H^N^O, über (vergl. Kap. 15). Nach St. Johnson kommt in dem frischen Fleisclie vom Rinde kein Kreatin, sondern ein von dem Harukreatinin verschiedenes Kreatinin vor, eine Angabe, die indessen nach WOEKNER irrig ist^) Das Kreatin krystallisirt in harten, farblosen, monoklinen Prismen, welche bei 100" C. das Krystallwasser verlieren. Bei Zimmertemperatur löst es sich in 74 Theilen Wasser und 9419 Theilen absolutem Alkohol. In der Wärme Eigen- löst es sich leichter. Die Wasserlösung reagirt neutral. Von Aether wird es verhalten. nicht gelöst. Kocht man eine Kreatinlösung mit gefälltem Quecksilberoxyd, so 1) Vergl. LiMPKICHT, Annal. d. Clu-ni. n. Pharm. 127 und TllKEX, Zeitsclir. f. physiol. Chem. 24. 2) Zeitschi-, f. Biologie 21. 3) Kaufmann, Arch. de Physiol. (y) 6; Schöndorff, Pfi.ügek's Arch. 02; Ne.n'cki und Kowarski, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 36. *) Mai.y's Jahresber. 19. S. 296. 5) .Johnson, Proc. Roy. Soc. 48, öO; Woekser, Dr Bois-Reymoxd's Areh. 1898. Dai-stelhiii des Kreatiii^ 346 Elftes Kiipitfl. wird letzteres, besonders bei Gegenwart von Alkali, zu Hg reduzirt und es ent- stehen Oxalsäure und das widrig riechende Methyluramin (Jlethj-lguanidin). Die Lösung von Kreatin in Wasser wird nicht von Bleiessig gefällt, giebt aber mit Quecksilberoxydnitrat, wenn man die saure Reaktion abstumpft, einen weissen, flockigen Niederschlag. Kocht man das Kreatin eine Stunde lang mit ver- dünnter Salzsäure, so setzt es sich in Kreatinin um und kann durch die Reaktionen desselben erkannt werden. Die Darstellung und u. G. 2) 1. C. 3) Weiuei,, .\i.nal. d. ( heui. u. l'liarni. 158; W.VGNER, Sitzungsber. d. Wiir/.b. phys.- med. Gesellsch. 188H. Poiri'HET, eil. nach NEunAfER-lTiippERT, Analyse di^ Harns. 10. Aufl. S. 33.5. Muskelextraktivstoffe. 347 man mit Wasser aus, filtrirt heiss, leitet Schwefelwasserstoff ein, filtrirt vom Schwefelblei ab und konzeiitrirt stark. Die konzeutrirte Lösung wird mit Silbeniitrat vollständig gefällt, der gewaschene Niederschlag mit Ammoniak von Chlorsilber befreit und darauf das Karninsilberoxyd in heissem Wasser mit Schwefel wasserst otf behandelt. Phosphorfleischsäure ') ist eiue komplizirte, von SiEGFKIED zuerst aus dem FleiscU- extrakte isolirte Substanz, die als Spaltungsprodukte — ausser der oben besprochenen Fleiseh- säure — Bernsteinsäuro, Paraniilchsäure, Kohlensäure, Phosphorsäure und eine Kohlehydrat- gruppe liefert. Sie steht nach Siegfried in naher Beziehung zu den Nukle'inen, und da sie Pepton (Fleisehsäurej giebt, wird sie von ihm als ein Nukleon bezeichnet. Die Phosphor- Üeischsäure kann aus den cnteiweissten Extrakten der Muskeln als Eisenverbindung ,Carni- ferriu' ausgefüllt werden. Aus dem Mickstotigehalte dieser Verbindung kann man nach Balke und iDE durch Multiplikation mit dem Faktor 6,1237 die Menge der Phosphoi-fleisch- säure, als Fleischsiiure berechnet, bestimmen. In dieser Weise fand Siegfried in Hunde- jjijogpijof. muskeln in der Euhe 0,57 — 2,4 p. m. und >[. Müller in Muskeln von Erwachsenen 1 — 2 p. m. oeischsäure. und in solchen von Neugeborenen bis zu höchstens 0,57 p. m. Fleischsäure. Die Phosphor- fleischsäure, die bisher nicht in freiem Zustande rein dargestellt worden ist, soll nach Sieg- fried ein Energiestofl' der Muskeln sein, iler bei der Arbeit verbraucht wird. Durch ihre Fähigkeit, lösliche Salze mit den alkalischen Erden wie auch eine in Alkalien lösliche Eisen- verbindung zu biklen , hat sie ferner die Aufgabe , ein Transportmittel für diese Stoffe im Thierkörper zu sein. Zur Darstellung der Phosphorfleischsäure scheidet man aus dem cnteiweissten Extrakte erst die Phosphate mit CaCl^ und NIIj alj. Ans dem Filtrate füllt mau mit Eisenchlorid im Sieden die Säure als Carniferrin aus. Inosilisälire ist eine zuerst von Liebig aus dem Fleische einiger Thiere isolirte und dann von Haiser -) näher studirte , phosphorhaltige, amorphe Säure , die mit Baryum und Inosinsaure. Calcium krystalUsirende Salze gicbt. Ihre Formel ist CioHiaXjPO«. .\ls Spaltungsprodukte erhielt Haiser Hypoxanthin und, wenn auch nicht sicher nachweisbar, walirscheinlich aucli Trioxyvaleriansäure. Zu den stickstoffhaltigen Extraktivstoäeu sind auch zu rechnen die von Gautier'') entdeckten, nur in äusserst geringer Menge vorkommenden, sogen. Leukomaine: XantiioJcreatinin, CjHjoN^O, Crusokreatinin, CsH^N^O, Amphi- Icrenün, CjH^gNjO^, und Pseudoxanthin, C^H^NjO, Zur Analyse des Fleisches und besonders zum Nachweis und zur Tren- nung der verschiedenen Extraktivstofl'e desselben ist eine systematische Methode von Gäutier *) ausgearbeitet worden, bezüglich deren indessen auf die Original- arbeit verwiesen werden muss. Die stickstofffreien Extralttivstoffe des Muskels sind Inosif, Gli/kof/cn Zucker und Müchsänre. Inosit, C^Hj^Og -|- HjO. Dieser, von Scherer entdeckte Stoff ist kein Kohlehydrat, sondern gehört der aromatischen Reihe an und scheint Hexa- inosit. hydroxybenzol zu sein (Maquenne^j. Mit Jodwasserstoff liefert er Benzol und Trijodphenol. Der Inosit ist in Muskeln, Leber, Milz, Leukocyten, Nieren, 1) Hinsichtlich der Fleischsiiure und Phospliorfleischsäure vergl. mau die Arbeiten von Siegfried: Dü Bois-Reymond's Arch. 1894, Her. d. deutsch, ehem. GescUsch. 28 und Zeitschr. f. physiol. Chem. 21, M. MtJLLER, ebenda 22, Th. Krüger, ebenda 22; Balke und Ide, ebenda 21 und Balke, ebenda 22. ■^) LiElilG, Annal. d. Chem. u. Pharm. 62; F. Haiser, Monatshefte f. Chem. Iß. '•'<) Vergl. Maly's Jahresber. 16. S. 523. 4) Ebenda 22. S. 335. 5) Bull, de la Soc. Chim. (2) 47 u. 4S; Compt. rend. 104. 348 Elftes Kapitel. Nebennieren , Lungen , Gehirn und Hoden , in pathologischem und spuren weise auch im normalen Harne gefunden worden. Im Pflanzenreiche kommt der Inosit sehr verbreitet vor, besonders in unreifen Früchten der grünen Schnittbohnen (Phaseolus vulgaris), weshalb er auch Phaseom ann it genannt worden ist. Der Inosit krystallisirt in grossen, farblosen, rhomboedrischen Krystalleu des nionoklinoedrischen Systems oder, in weniger reinem Zustande und wenn nur kleine Mengen krystallisiren, in blumenkohlartig gruppirten feinen Krystallen. Das Krystallwasser entweicht bei 110" C, wie auch beim längeren Liegen der Krystalle an der Luft. Die letzteren verwittern dabei, werden undurchsichtig und railchweiss. Die Krystalle schmelzen bei 217" C. Der Inosit löst sich iu ,^jse°"^^ 7,5 Theilen Wasser von Zimmertemperatur; die Lösung schmeckt süsslich. In Verhalten, starkem Alkohol wie in Aether ist der Inosit unlöslich. Er löst Kupferoxyd- hydrat in alkalischer Flüssigkeit, reduzirt es aber beim Sieden nicht. Der MoOEE'schen oder der BöTTGER-ALMi^N'schen Wismuthprobe gegenüber ver- hält er sich negativ. Mit Bierhefe vergährt er nicht, kann aber in Milchsäure- und Buttersäuregährung übergehen. Die hierbei auftretende Milchsäure soll nach HiLGER Fleischmilchsäure, nach Vohl ') dagegen Gährungsmilchsäure sein. Von überschüssiger Salpetersäure wird der Inosit zu Rhodizonsäure oxydirt und hierauf beruhen folgende Reaktionen. Dampft man etwas Inosit mit Salpetersäure auf einem Platinblech zur Trockne ein, versetzt den Rückstand mit Ammoniak und einem Tropfen Chlor- calciumlösung und dampft von Neuem vorsichtig zur Trockne ein, so erhält man einen schön rosarothcn Rückstand (Inositprobe von Scherer). Ver- luo it- dunstet man eine Inositlösung bis fast zur Trockne und befeuchtet den Rück- loaiitioncn. gt^nd mit ein wenig Mercurinitratlösung, so erhält man beim Eintrocknen einen gelblichen Rückstand, welcher bei stärkerem Erhitzen schön roth wird. Die Färbung verschwindet beim Erkalten, kommt jedoch bei gelindem Erwärmen wieder zum Vorschein (Gallois' Inositprobe). Um den Ino.sit aus einer Flüssigkeit oder aus dem wässerigen Auszuge eines Gewebes darzustellen, entfernt man erst das Ei weiss durch Koagulation in der Siedehitze. Das Filtrat wird mit Bleizucker gefällt, das neue Filtrat mit Bleiessig gekocht und dann 24 — 48 Stunden stehen gelassen. Der so er- haltene Niederschlag, welcher säramtlichen Inosit enthält, wird in Wasser mit HjS zerlegt. Das Filtrat wird stark konzentrirt, mit 2 — 4 Vol. heissem Al- Darsteiiung kohol versetzt und die Flüssigkeit von den dabei gewöhnlich sich ausscheiden- iies inosits (]g,j ^ zähen oder flockigen Massen rasch getrennt. Scheiden sich nun inner- halb 24 Stunden aus der Flüssigkeit keine Krystalle ab, so setzt man Aether bis zur milchigen Trübung zu und lässt stehen. Bei Gegenwart von einer genügenden Menge von Aether scheiden sich Inositkrystalle innerhalb 24 Stunden aus. Die so gewonnenen Krystalle, wie auch die, welche aus der alkoholischen Lösung etwa direkt sich abgesetzt haben, werden durch Auflösung in sehr wenig siedendem Wasser und Zusatz von 2 — 4 Vol. Alkohol unikrystallisirt. Das Gh/Jcoffm ist ein regelmässiger Bestandtheil des lebenden Muskels, 1) IIILGEE, Aniial. (1. them. u. Pliaim. 160; VoHL, Ber. il. deutsili. eluui. Gesellsch. !t MUcbsauien. 349 während es in dem todten fehlen kann. Die Menge des Glykogens ist in den verschiedenen Muskeln desselben Thieres eine verschiedene. Bei Katzen hat BöHM^) bis zu 10 p.m. Glykogen in den Muskeln gefunden und er fand eine kleinere Menge davon in den Muskeln der Extremitäten als in denjenigen des „^"J.*gg^ Rumpfes. Die Nahrung übt auch einen grossen Einfluss aus. Bei nüchternen Thieren fand Böhm 1 — 4 p. m. Glykogen in den Muskeln, nach Aufnahme von Nahrung dagegen 7 — 10 p. m. Wie schon in dem Vorigen (Kap. 8) bemerkt wurde, soll beim Hungern oder bei Mangel an Kohlehydraten in der Nahrung das Glykogen früher aus der Leber als aus den Muskeln schwinden. Der Mnslcelzuclcer, welcher höchstens spurenweise in dem lebenden Muskel vorkommt und welcher wahrscheinlich nach dem Tode des Muskels aus dem Muskelglykogen entsteht, scheint nach den Untersuchungen von Panok- MOFF- Traubenzucker zu sein. Als eine Zwischenstufe bei dieser Zuckerbild- -^«skei- zucker. ung dürfte wohl auch das bisweilen in den Muskeln gefundene Dextrin auf- zufassen sein, wenn nicht überhaupt dieser Befund auf einer Verwechselung von Dextrin mit Glykogen beruht. Milchsäuren. Unter den Oxypropionsäuren der Formel QHgOg ist eine, die Hydrakrylsäure, CH3(OH).CH2 .COOH im Thierkörper nicht gefunden worden und sie hat überhaupt kein physiologisch-chemisches Interesse. Ein solches knüpft sich nur an die a-Oxypropionsäure, die Aethylidenmilchsäure, CHg. CH(OH) .COOH, an, von der es drei physikalische Isomerien giebt. Diese drei Aethylidenmilchsäuren sind die gewöhnliche, optisch inaktive Gährun gs- j^J,',?^'„" milchsäure, die rechtsdrehende Para mil chsäure oder Fleischmi Ich- säure und die von Schaedinger durch Gährung von Rohrzucker mittels einer besonderen Art von Bacillen erhaltene Linksmilchsäure. Diese letztere, welche Blachstein in Kulturen des GAFFKY'schen Typhusbacillus in einer Lösung von Zucker und Pepton nachweisen konnte und die übrigens von ver- schiedenen Vibrionen gebildet wird ^1, braucht hier nicht des näheren besprochen zu werden. Die Gährimgsmüchsäure, welche aus dem Milchzucker beim Sauerwerden der Milch und bei saurer Gährung anderer Kohlehydrate entsteht, glaubt man in kleiner Menge in den Muskeln (Heintz), in der grauen Gehirn Substanz (GsCHEiDLEN ■*) und im diabetischen Harne gefunden zu haben. Während der Verdauung findet sich diese Säure auch im Magen- und Darniinhalte und, als Alkalihiktat, im Cliylus. Die Faramilchsäure ist jedenfalls die eigentliche Milch- ^^f/^''^^"^^ säure des Fleischextraktes und sie allein ist in todten Muskeln sicher gefunden worden. Diejenige Milchsäure, welche in Milz, Lymphdrüsen, Thymus, Thyreoidea, 1) Pflüger's Aldi. 23. S. 44. 2) Zcitsclir. f. pbysiol. Clieni. 17 3) Vergl. Scu.\RDlXGEK , Jlonatshcfti' 1. rlieiii. 11; liLACHSTElN, Arch. de sciences biol. de St. Peteisbourg. 1. S. 199; KürKH.vow, Aicb. f. Hygiene 19 und OosiO, ebend.i21. 4) Heistz, .\nnal. d. Chem. ii. Pbariii. 1.57 und GSCHEIDLEN, PflCger's Arch. S. S. 171. 3Ö0 Elftes Kapitel. Urspniim der Milcb- siiureu. Blut, Galle, pathologischen Transsudaten, osteonialacischen Knochen, im iSchweisse bei Puerperalfieber und im Harne nach anstrengenden Märschen , bei akuter gelber Leberatrophie, bei Phosphorvergiftung und besonders nach Exstirpation der Leber gefunden worden ist, scheint Paramilchsäure zu sein. Den Ursprung der Paramilchsäure im Thierkörper haben mehrere Forscher, besonders auf Grund der Arbeiten von Gaglio, Minkowski und Araki'), in einer Zersetzung von Eiweiss in den Geweben suchen wollen. Gaglio konstatirte eine Milchsäurebildung bei Durchströmungsversuchen mit Blut durch überlebende Nieren und Lungen. Er fand ferner im Blute von Hunden nach Eiweiss- nahrung 0,3 — 0,5 p. m. Milchsäure, nach 48 stündigem Fasten dagegen nur 0,17 — 0,21 p. ni. Nach Minkowski steigt bei eutleberten Thiereu die mit dem Harne ausgeschiedene Menge Milchsäure mit reichlicherer Eiweissnahrung, während sie von der zugeführten Kohlehydratmenge unabhängig ist. Araki hat ferner gezeigt, dass, wenn man bei Thieren (Hunden, Kaninchen und Hühnern) Sauerstoffmangel in dem Blute durch Vergiftung mit Kohlenoxyd, durch Einathmenlassen einer sauerstoffarmen Atmosphäre oder in anderer Weise erzeugt, dies eine recht bedeutende Ausscheidung von Milchsäure (neben Zucker und oft auch Eiweiss) mit dem Harne zur Folge hat. Da, der gewöhnlichen Annahme zufolge, Sauerstoffmangel einen gesteigerten Eiweisszerfall im Körper zur Folge hat, dürfte man wohl die vermehrte Jlilchsäureausscheidung in diesen Fällen theils von einem gesteigerten Eiw"eisszerfalle und theils von einer herab- gesetzten Oxydation herleiten können. Einen solchen Schluss hat indessen Aeaki selbst aus den Versuchen nicht gezogen und er leitet vielmehr die von ihm beobachtete reichliche Milch- säurebildung von einer Spaltung des aus dem Glykogen gebildeten Zuckers her. Er fand nämlich, dass unter allen Umständen, wo Milchsäure und Zucker im Harne auftraten, stets eine Abnahme des Glykogengehaltes in der Leber und den Muskeln erfolgte. Er erinnert ferner daran, dass die Entstehung von Rechtsmilchsäure aus Glj'kogen von Ekunina-) direkt beobachtet worden ist, und er lenkt die Aufmerksamkeit auf die zahlreichen Beobachtungen über Milch- säurebildung und Glykogenverbrauch bei der Muskelarbeit. Ohne die Möglich- keit einer Milchsäurebildung aus Eiweiss zu leugnen, spricht er die Ansicht aus, dass es bei Sauerstoffmangel um eine unvollständige Verbrennung der durch Spaltung des Zuckers entstandenen ^Milchsäure sich handle. Auch Hoppe- Seyler^j hat entschieden die Ansicht von einer Älilchsäurebildung aus Kohle- hydraten vertreten. Er war der Ansicht, dass die Milchsäure aus den Kohle- hydraten nur bei Sauerstoffmangel, durch Spaltung des Zuckers entsteht, während letzterer bei genügender Sauerstoffzufuhr zu Kohlensäure und Wasser l) Gaglio, Du Bois-Reymond's Arch. 1886; Minkowski, Arch. f. exp. Path. ii. Pharm. 21 u. 31; Araki, Zcitschr. f. physiol. Cliem. 15, 16, 17 n. 19. •i) .Tourn. f. pnikt. Chem. (N. F.) 21. 3) Festschrift zu ViECHOW's Jubiläum, auch Bcr. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 25. Keferatb. S. 085. MilehsäuieD. 351 verbrannt wird. Die Bildung von Milchsäure bei Abwesenheit von freiem Sauerstoff und bei Gegenwart von Glykogen oder Glukose ist nach Hoppe- Seyler höchst wahrscheinlich eine Funktion alles lebendigen Protoplasmas. Es liegen also wichtige Gründe für die Annahme einer Bildung von Milch- säure sowohl aus Eiweiss wie aus Kohlehydraten vor. Als eine weitere Muttersubstanz der Fleischmilchsäure hat man nach Siegfried die Phosphor- fleischsäure zu betrachten. Die Milchsäuren sind amorph. Sie haben das Aussehen eines farblosen oder schwach gelbliehen, sauer reagirenden Syrups, welcher in allen Verhält- nissen mit Wasser, Alkohol oder Aether sich mischen lässt. Die Salze sind löslich in Wasser, die meisten auch in Alkohol. Die zwei Säuren unterscheiden sich durch ihr verschiedenes optisches Verhalten — die Paramilchsäure ist dextrogyr, die Gährungsmilchsäure optisch inaktiv — wie auch durch die ver- schiedene Löslichkeit und den verschiedenen Krystallwassergehalt der Kalk- und Zinksalze. Das Zinksalz der Gährungsmilchsäure löst sich bei 14 — 15 "C. "imch-"^ in 58 — 63 Theilen Wasser und enthält 18,18 p. c. Krj'stallwassser, entsprechend ^''°"''- der Formel Zn(C3H503)2 -j- SH^O. Das Zinksalz der Paramilchsäure löst sich bei der obigen Temperatur in 17,5 Theilen Wasser und enthält regelmässig 12,9 p.e. H.O, entsprechend der Formel Zn(C3H503)j+2H20. Das Kalksalz der Gährungsmilchsäure löst sich in 9,5 Theilen Wasser und enthält 29,22 p. c. (= 5 Mol.) Kr3'stallwasser, während das Calciumpaialaktat in 12,4 Theilen Wasser sich löst und 24,83 oder 26,21 p. c. (=4 oder 4', 2 Mol.) Krystall- wasser enthält. Beide Kalksalze krystallisireu dem Tryosin nicht unähnlich in Kugeln oder Büscheln von sehr feinen mikroskopischen Nadeln. Nach Hoppe- Seyler und Akaki '), welche genaue Angaben über die optischen Eigenschaften der Milchsäuren und der Laktate gegeben haben, sollen die Lithiumlaktate mit 7,29 p. c. Li für die Darstellung und quantitative Bestimmung der Milchsäuren sehr geeignet sein. Der Nachweis der Milchsäuren in Organen und Geweben geschieht nach folgendem Prinzip. Nach vollständiger Extraktion mit Wasser entfernt man das Eiweiss durch Koagulation in der Siedehitze unter Zusatz von einer kleinen Menge Schwefelsäure. Die Flüssigkeit wird darauf mit Aetzbaryt im Sieden genau neutralisirt und nach der Filtration zum Syrup eingedampft. Der Rück- stand wird mit absolutem Alkohol gefällt und der Niederschlag mit Alkohol vollständig erschupft. Aus den vereinigten alkoholischen Extrakten wird der Alkohol vollständig abdestillirt und der neutrale Rückstand mit Aether zur Ent- fernung des Fettes geschüttelt. Dann nimmt man den Rückstand in Wasser auf, setzt Phosphorsäure zu und schüttelt wiederholt mit neuen Mengen Aether, welcher deTiüTch- die Milchsäure aufnimmt. Aus den vereinigten Aetherextrakten wird der Aether »suren. abdestillirt, der Rückstand in Wasser gelöst, und diese Lösung auf dem Wasser- bade, um den etwa zurückgebliebenen Aether und flüchtige Säuren zu ent- fernen, vorsichtig erwärmt. Aus der filtrirten Lösung wird dann durch Kochen mit Zinkkarbonat eine Lösung des Zinklaktates dargestellt, welche zu beginnen- der Krystallisation eingedampft und dann über Schwefelsäure stehen gelassen 1) Zeitschr. f. pliysiol. Chem. 20. i552 Elftes Kapitel. Miüer.il- Stoffe dci Muskeln. wird. Zum sicheren Nachweis ist eine Analyse des Salzes unbedingt noth- wendig. Nach Heffter') lässt sich die Milchsäure aus nicht starr gewordenen Muskeln weit vollständiger mit Alkohol als mit Wasser extrahireii. Fett fehlt nie in den Muskeln. In dem intermuskulären Bindegewebe kommt stets etwas Fett vor; aber auch die Muskelfaser selbst soll Fett ent- halten. Der Gehalt der eigentlichen Muskelsubstanz an Fett ist stets gering, gewöhnlichenfalls beträgt er gegen 10 p. ra. oder etwas darüber. Einen be- deutenderen Fettgehalt der jNIuskelfasern findet man nur bei der Fettdegeneration. Ein Theil des Muskelfettes lässt sich leicht, ein anderer nur sehr schwer extra- hiren. Der letztere Theil, welcher, wie man annimmt, in der kontraktilen Sub- stanz selbst vertheilt ist und reicher an freien Fettsäuren sein soll, steht nach ZuNTZ und BoGDANOW -) in naher Beziehung zur Thätigkeit der Muskeln, indem er nämlich bei der Arbeit verbraucht wird. Lecithin ist ein regelmässiger Bestandtheil des Muskels, und es ist sehr wohl möglich, dass das schwerextrahir- bare, an Fettsäuren reichere Fett z. Th. von einer Zersetzung des Lecithins herrührt. Die Mineralstoffe des 31uslcels. Die bei der Verbrennung von Muskeln zurückbleibende Asche, deren Menge etwa 10 — 15 p. m. auf dem feuchten Muskel berechnet beträgt, reagirt sauer. In grösster Menge findet man in ihr Kalium und Phosphorsäure. Darnach kommen Natrium und Magnesium und endlich Calcium , Chlor und Eisenoxyd. Sulfate finden sich nur spurenweise in dem Muskel, entstehen aber bei dem Einäschern aus dem Muskeleiweiss und kommen deshalb in reichlicherer Menge in der Asche vor. Von Kalium und Phosphorsäure enthält der Muskel so reichliche Mengen, dass das Kaliumphos- phat unbedingt das im Muskel vorherrschende Salz zu sein scheint. Von Chlor finden sich nur unbedeutende Mengen, die wenigstens zum Theil von einer Ver- unreinigung mit Blut oder Lymphe herzuleiten sind. Der Gehalt an Magnesium ist in der Regel bedeutend grösser als der an Calcium. Eisen kommt nur in geringer Menge vor. Die Gase des Muskels bestehen aus grösseren Mengen Kohlensäure nebst Spuren von Stickstoff. Die Todteiistarre des Miiiskels. Wird ein Muskel dem Einflüsse des cirkulireuden, sauerstofl'haltigen Blutes entzogen, wie nach dem Tode des Thieres oder nach Unterbindung der Aorta oder der Muskelarterien (STENSON'scher Ver- such), so fällt er rascher oder langsamer der Todtenstarre anheim. Die unter diesen Verhältnissen auftretende gewöhnliche Starre wird die spontane, aber auch die fermentative Starre genannt, weil man ihre Ursache wenigstens zum Theil in Enzymwirkungen hat sehen wollen. Ein Muskel kann jedoch auch in anderer Weise starr werden. So tritt die Starre momentan ein beim Er- wärmen des Muskels auf 40" bei Fröschen, auf 48 — 50" bei Säugethieren und 1) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 38. -) Du BOis-Kevmond's Areh. 1897; vurgl. feiner die Litteraturaiigal)oii über (juauti- tative Fettbestiiniiiiiiiü;suiethoden Kap. 4. S. 93. Die Todtenstaire. 353 auf 53" C. bei Vögeln (Wärmestarre). Destillirtes Wasser kann auch den Muskel starr machen (Wasserstarre). Säuren , selbst sehr sehwache wie die Kohlensäure, können rasch die Starre hervorrufen (Säurestarre) oder das Auf- '^"^^^^^®'" treten derselben beschleunigen. In ähnlicher Weise wirken auch eine Menge chemisch differenter Substanzen, wie Chloroform, Aether, Alkohol, ätherische Oele, Koffein und mehrere Alkaloide. Diejenige Starre, welche durch Säuren oder andere Agenzien, welche wie der Alkohol das Eiweiss koaguliren, hervor- gerufen wird, dürfte jedoch wohl ein ganz anderer Vorgang als die spontane Starre sein. Bei dem Uebergange des Muskels in Todtenstarre wird er kürzer und dicker, fester, trübe, undurchsichtig und weniger dehnbar. Der saure Antheil der amphoteren Reaktion wird stärker, ein Verhalten, welches von den meisten Forschern durch die Annahme einer Milchsäurebildung erklärt wird. Dass diese Zunahme der sauren Reaktion wenigstens zum Theil durch eine Umsetzung eines Theils des Diphosphates in Monophosphat durch Milchsäure bedingt ist, lässt sich wohl auch kaum bezweifeln. Die Angaben darüber, ob in dem todtenstarren Muskel daneben auch freie Milchsäure sich vorfindet oder nicht, sind dagegen streitig ^). Die chemischen Vorgänge , welche bei dem Starr- werden des Muskels in ihm verlaufen, sollen nach den gewöhnlichen A n- ^'«'^j^^^^'" gaben ausser der Säurebildung folgende sein. Bei der Gerinnung des Plasmas entsteht ein !Myosingerinnsel, welches die grössere Härte und die verminderte Durchsichtigkeit bedingen soll, eine Angabe, die unter Berücksichtigung der Untersuchungen von Fl'RTH wohl dahin abgeändert werden dürfte, dass hierbei ein aus Myogen- und Myosinfibrin bestehendes Gerinnsel entsteht. Das Auf- treten des Gerinnsels kann durch die gleichzeitig stattfindende Milchsäurebildung beschleunigt werden. Es wird ferner Kohlensäure gebildet, die indessen nicht aus einer direkten Oxydation, sondern aus Spaltungsvorgängen hervorgeht. Ein ausgeschnittener Muskel produzirt nämlich nach Hermann -) auch bei Abwesen- heit von Sauerstoff Kohlensäure, wenn er in Todtenstarre übergeht. Da viele Forscher eine vermehrte Bildung von Milchsäure bei dem Auf- treten der Todtenstarre annehmen, so entsteht zunächst die Frage, aus welchem Muskelbestandtheil diese Säure gebildet wird. Am nächsten liegt hier gewiss die Annahme zur Hand, dass die Milchsäure aus dem Glykogen entstehe, und jjuskci- es ist in der That auch eine Abnahme des Glykogens bei der Starre von einigen j^'^^o„^\'' Forschern, wie von Nasse und Werther beobachtet worden. Auf der anderen ''•^'"'""a"«''- Seite hat jedoch Böhm ^) Fälle beobachtet, in welchen gar kein Glykogenver- 1) Es ist hier nicht möglich, auf die streitigen Angaben über die Koalition des Muskels und die sie bedingenden Steife des Näheren einzugehen. Es wild deshalb hier auf die Ar- beiten von Hefftek lind RÖHMANN (dies. Kap., S. 338) verwiesen. In diesen Arbeiten sind auch die Untersuchungen früherer Forscher mehr oder weniger vollständig besprochen worden. 2) Untersuchungen über den StoflVcchsel der Muskeln etc. Berlin 1867. 3) Nasse, Beitr. z. Physiol. der kontrakt. Substanz, PflCger's Arch. 2; Werther, ■ebenda 46; Böhm, el^enda 23 u. 46. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 23 354 Elftes Kapitel. brauch bei der Starre stattgefunden hatte, und er hat ferner gefunden, dass die Menge der entstehenden IMilchsäure dem Glykogengehalte nicht proportional ist. Es ist also wohl möglich, dass der Glykogenverbrauch und die Milchsäurebild- ung im Muskel zwei von einander unabhängige Vorgänge sein können, und dem oben von der Entstehung der Fleischmilchsäure Gesagten gemäss könnte die Milchsäure im Muskel wohl ein Produkt der Eiweisszersetzung sein. Auch der Ursprung der Kohlensäure ist vielleicht nicht in einer Zersetzung des Glykogens (oder des Zuckers) zu suchen. Pflügek und Stintzing haben nämlich gefun- den, dass in dem Muskel eine Substanz vorkommt, die beim Sieden mit Wasser reichlich Kohlensäure liefert und die wahrscheinlich dieselbe ist, welche unter Bildung von Kohlensäure bei Tetanus und wohl auch bei der Starre zersetzt wird. Es ist in diesem Zusammenhange daran zu erinnern, dass die Phosphor- fleischsäure als Spaltungsprodukte sowohl Milchsäure als Kohlensäure giebt. Wenn die Muskelstarre einige Zeit gedauert hat, wird sie wieder gelöst Lösung der y^j jgj. Muskel wird weicher. Dies kann theils von einem stärkeren Sauer- starre. werden mit einer Lösung des Myosingerinnsels durch die Säure, theils, und wahrscheinlich am häufigsten, von beginnender Fäulniss herrühren. Der Stoff'wei'hsel im rulipiideu und arbeiteiideu Muskel. Von einer Reihe hervorragender Forscher, Pflüger und Col.4SANTI, Zuntz und Röheig '^) u. A. ist es dargethan worden, dass der Stoffwechsel im Muskel von dem Nerven- systeme regulirt wird. Selbst in der Ruhe in gewöhnlichem Sinne, wenn also keine mechanische Arbeit geleistet wird, befindet sich der Muskel in einem Zu- stande, welcher von Zuntz und Röhrig als „chemischer Tonus" bezeichnet Tonus, wurde. Dieser Tonus scheint ein Reflextonus zu sein, und dementsprechend kann er durch Aufheben der Verbindung zwischen den Muskeln und den nervösen Centralorganen — sei es durch Durchschneiden des Rückenmarkes oder der Muskelnerven oder durch Erlahmung derselben durch Curarevergiftung — herabgesetzt werden. Die Möglichkeit, durch verschiedene Eingriffe, besonders aber durch Einwirkung von Curare, den chemischen Tonus des Muskels herab- setzen zu können, liefert ein wichtiges Hilfsmittel zur Entscheidung der Frage, welchen Umfauges und welcher Art die in dem Muskel in der Ruhe in ge- wöhnlichem Sinne verlaufenden chemischen Prozesse seien. Behufs einer ver- zur Unter- gleichenden chemischen Untersuchung der in dem arbeitenden und dem ruhenden Stoff- Muskel verlaufenden Prozesse hat man sonst in verschiedener Weise verfahren. Muskel. Man hat nämlich theils ausgeschnittene, gleichnamige, arbeitende und ruhende Muskeln, theils das arterielle und venöse Muskelblut in der Ruhe und bei der Arbeit verglichen, und endlich hat man auch den Gesammtstoifwechsel, d. h. die Einnahmen und Ausgaben des Organismus, in diesen zwei verschiedenen Zuständen untersucht. 1) PFLtiGER's Areh. 18. -) Vergl. die Arbeiten von PFLtJGEE und seinen Schülern in seinem Archive. 4, lä 14, 16, 18; RÖHKIG, Pflügek's Arch. 4. S. 57. Vcrgl. auch Zuntz, ebenda 12. S. 522. Der arbeitende und ruhende Muskel. 355 Durch die nach diesen verschiedenen Methoden ausgeführten Untersuch- ungen hat man gefunden, dass der ruhende Muskel aus dem Blute Sauerstoff aufnimmt und an dasselbe Kohlensäure abgiebt, und ferner, dass die Menge des aufgenommenen Sauerstoffes grösser als diejenige Sauerstoflmenge ist, welche die gleichzeitig abgegebene Kohlensäure enthält. Der Muskel hält also in irgend einer Verbindung einen Theil des in der Ruhe aufgenommenen Sauerstofles zu- rück. Während der Arbeit ist der Stoffwechsel und damit auch der Gaswechsel im Muskel gesteigert. Der Thierorganisnius nimmt während der Arbeit bedeutend mehr Sauerstoff als in der Ruhe auf und scheidet auch bedeutend mehr Kohlen- säure aus. Die Menge Sauerstoff, welche als Kohlensäure den Körper verlässt, ist jedoch während der Arbeit regelmässig bedeutend grösser als die in derselben ?".'*7'."***' Zeit aufgenommene Sauerstoffmenge, und das venöse Muskelblut ist während ''«•'"•beit. der Arbeit ärmer an Sauerstoff und reicher an Kohlensäure als in der Ruhe. Der Gaswechsel im Muskel verhält sich also bei der Arbeit umgekehrt wie in der Ruhe, indem nämlich der arbeitende Muskel eine Kohlensäuremenge abgiebt, welche der gleichzeitig aufgenommenen Sauerstoffmenge nicht entspricht, sondern bedeutend grösser ist. Es folgt hieraus, dass bei der Muskelarbeit nicht nur Oxydatious-, sondern auch Spaltungsprozesse verlaufen, was auch daraus hervor- geht, dass ausgeschnittene blutleere Muskeln einige Zeit in einer sauerstofffreien Atmosphäre arbeiten können und dabei auch Kohlensäure abgeben (Hermann*). Während der Muskelruhe in gewöhnlichem Sinne findet ein Glykogen- verbrauch statt. Dies geht daraus hervor, dass die Menge des Glykogens ver- mehrt und dementsprechend der Glykogenverbraueh herabgesetzt ist in solchen Muskeln, deren chemischer Tonus in Folge Nervendurchschneidung oder in anderer Weise herabgesetzt worden ist (Bernaed, Chandelon, Way ä) u. A. Bei der Arbeit ist dieser Glykogenverbraueh gesteigert, und durch die Unter- suchungen mehrerer Forscher (Nasse, Weiss, Külz, Maecuse, Manche, Morat und DuFOUR^) ist die Thatsache sicher festgestellt worden, dass die Menge des Kohic- Glykogens in den Muskeln bei der Arbeit rasch und stark abnimmt. Bei der verbrauch Arbeit wird auch, wie die Untersuchungen von Chauveau und Kaufmann, der Arbeit. QuiNQUAUD, Morat und Dufour, Cavazzani und namentlich von Seegen*) gezeigt haben, Zucker aus dem Blute aufgenommen und verbraucht. Nach 1) 1. c. Ueber Gaswechsel im ausgeschnittenen Muskel vergl. man ferner, J. TISSOT, Archives de Physiol. (5) 6 u. 7 und Compt. rcnd. 120. ■•i) Chasdelon, Pflügee's Arch. 13; Way, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 34, wo man auch die einschlägige Litteratur findet. 3) Nasse, Pflijger's Arch. 2; Weiss, Wien. Sitzungsber. ftl. Abth. 2; Külz in Ludwig - Festschrift Marburg 1891; Marcitse, PflCger's Arch. 39; Manche, Zeiischr. f. ISiologie 25 ; MORAT und DüFOlK, Areh. de Physiol. (ö) 4. 4) Chacveau und Kaufmann, Compt. rend. 103, 104, 105; cjriN(jvArD, Malt's Jahresber. 16 S. 321; MoRAT und DuFOüR 1. c. ; Cavazzani, Centralbl. f. Physiol. 8; Seegen, Die Zuekerbildung im Thierkörper. Berlin 1890, Centralbl. f. Physiol. 8 S. 417 u. 9 n. 10: Du BoiS-PiEYMOND's Areh. 1895 u. 1896. Pfi.Cgek's Arch. 50. •2.3* 356 Elftes Kapitel. Skegen findet eine sehr reichliche ZuckerhiUlung in der Leber statt, das Leber- venenblut ist dementsprechend wesentlich reicher an Zucker als das Pfortader- blut und dieser Blutzucker soll nach ihm die Quelle zur Wärmebildung und zuokerver- Arbeitsleistung überhaupt sein. Es ist allerdings wahr, dass gegen einige dieser Untersuchungen wichtige Einwände erhoben werden können, und eine Zucker- bildung in dem von Seegex behaupteten Umfange ist von mehreren Forschern, in letzter Zeit von Zuntz und Mosse '), in Abrede gestellt worden; aber trotz- dem dürfte kein Zweifel darüber bestehen können, dass bei der Muskelarbeit Zucker verbraucht wird. Die amphotere Reaktion des ruhenden Muskels schlägt während der Ar- beit in eine stärker saure um (Du Bois-Reymond u. A.), und diese saure Reak- tion nimmt wenigstens bis zu einer gewissen Grenze mit der Arbeit zu. Die rascher sich kontrahirenden blassen Muskeln sollen auch nach Gleiss -) während der Arbeit mehr Säure als die langsamer sich kontrahirenden rothen produziren. Die bei der Arbeit auftretende saure Reaktion leitete man früher allgemein von einer Milchsäurebildung her, eine Ansicht, die indessen später von Astaschewskv, PflCgee und Wahren^), welche in den tetanisirten Muskeln weniger Milch- säure als in den ruhenden fanden, bekämpft worden ist. Auch Monari fand Säuiebiid- eine Abnahme der Milchsäure im Muskel in Folge der Arbeit und nach Heffter .irböiteuden soll durch Tctanus erzeugende Gifte der Milchsäuregehalt des Muskels ver- mindert werden. Dem gegenüber haben aber Marcuse und Weethee*) eine, wie es scheint, unzweifelhafte Milchsäurebildung bei der Arbeit konstatiren können, und die Angaben sind also sehr streitig. Für eine Milchsäurebildung während der Arbeit sprechen aber andere Beobachtungen. Spiro fand einen vermehrten Milchsäuregehalt im Blute nach der Arbeit. Cola.santi und Moscatelli fanden kleine Mengen Milchsäure im Harne von Menschen nach angestrengten Märschen und Werther beobachtete endlich ein reichliches Ueber- treten von Milchsäure in den Froschharn nach Tetanus. Nach Hoppe-Seyler soll dagegen, in Uebereinstimmung mit seiner Ansicht über die Entstehungs- weise der Milchsäure überhaupt, bei der Arbeit Milchsäure in den Muskeln nicht regelmässig, sondern nur bei nicht ausreichender SauerstofFzufuhr gebildet werden. Zillesen '") bat in der That auch gefunden, dass bei künstlicher Ab- sperrung der Sauerstotfzufuhr zu den Muskeln während des Lebens mehr Milch- säure als unter normalen Verhältnissen gebildet wird. 1) MOSSE, Pflügek's Aich. 63. Zdntz, Centralbl. f. riiysiol. 10 ujul Du Bois- ReyMOND's Arch. 1896 S. 538. Veigl auch Fr. Schenck in Pflügeks Arcli. 61 u. 65. 2) FFLtJGEu's Arch. 41. 3) Astaschewskt, Zeitschr. f. physiol. Cliem. 4; Waeren, Pflüger's Arch. 24. *) Monari, Maly's Jahiesbei-. 19 S. 303; IIeffter, Arch. f. exp. Path. u Pharm. 31. Marcuse 1. c. ; Werther, Pflüger's Arch. 46. 5) Spiro, Zeitschr. f. ]iliysiol. Chcin 1; CoLASAKTI und Mosc^^TELLl, Malv's Jahres- her. 17 S. 212; Hoppe-Seyler 1. c. und Zeitschr. f. physiol. Chem. 19 S. 476; Zillesen, ebendii 15 Der arlxiteuiie Muskel, 357 Es ist einleuchtend, dass die Versuche mit Muskeln in situ, also mit vou Blut durchströmten Muskeln, für die vorliegende Frage aus dem Grunde nicht entscheidend sein können, weil die bei der Arbeit vielleicht gebildete Milchsäure mit dem Blute den Muskeln entführt wird. Gegen diejenigen Versuche, in ^iu>j'isäure- welchen man nach übermässiger Arbeit Milchsäure im Blute oder im Harne gefunden hat, wie auch besonders gegen die Versuche mit ausgeschnittenen arbeitenden Muskeln lässt sich dagegen der Einwand erheben, dass in diesen Fällen die Sauerstoffzufuhr zu den Muskeln nicht ausreichend gewesen sei, und dass die in Folge hiervon stattgefundene ^lilchsäurebildung, der Ansicht von Hoppe-Seyler entsprechend, keinem ganz normalen Vorgange entspricht. Die Frage nach einer Milchsäurebildung im arbeitenden Muskel unter ganz physio- logischen Verhältnissen ist also noch etwas strittig. Nach Weyl und Zeitlee ^) enthält der arbeitende Muskel eine grössere Menge Phosphorsäure (zum Theil von zersetztem Lecithin herrührend) als der ruhende. Wie in dem todten rührt in dem arbeitenden Muskel die etwas stärker saure Reaktion wahrscheinlich zum Theil von einem grösseren Gehalte an Mono- phosphat her. Der Gehalt ausgeschnittener Muskeln an Eiwei-ss soll nach den Angaben älterer Forscher in Folge der Arbeit abnehmen. Die Richtigkeit dieser Angabe wird jedoch von anderen Forschern bestritten. Ebenso sind die älteren An- gaben über die Menge der stickstoffhaltigen Extraktivstoffe im Muskel in der Ruhe und bei der Arbeit unsicher. Nach den Untersuchungen von Monari-) veibaiten soll indessen die Gesammtmenge des Kreatins und Kreatinins bei der Arbeit weisses und sich vermehren und zwar bei einem Uebermasse von Muskelarbeit besonders die stoffhaitigen Kreatininmenge. Das Kreatinin entsteht dabei im Wesentlichen aus dem Kreatin. Stoffe. Bei übermässiger Arbeit findet sich nach Monari im Muskel auch Xantho- kreatinin, dessen Menge ein Zehntel von der Menge des Kreatinins betragen kann. Die Menge der Xanthinkörper .soll dagegen nach Monari unter dem Einflüsse der Arbeit abnehmen. Dass der arbeitende Muskel eine geringere Menge wasserlösliche und eine grössere Menge in Alkohol lösliche Stoffe als der ruhende enthält, scheint sicher dargethan zu sein (Helmholtz^). Die Frage nach dem Verhalten der stickstoffhaltigen Bestandtheile des Muskels in der Ruhe und während der Arbeit hat man auch durch Bestimm- ungen der Gesammtstickstoffausscheidung in diesen verschiedenen Körperzuständen iusseheid- zu entscheiden versucht. Während man früher, in Uebereinstimmung mit der wäiirend Ansicht Liebig's, es als feststehend betrachtete, dass die Stickstoffausscheidung der Arbeit. durch den Harn in Folge der Arbeit sich vermehre, haben spätere Untersuch- ungen, besonders von Voir an Hunden und von Pettenkofer und Voit*) 1) Zeitschr. f. physiol. C'hem. 6 S. 557. S) Maly's Jaluesber. 19 S. 296. 3) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1845. •<) VOIT, Untersuih. über doa Einfluss des Kochsalzes, des Kafl'ees und dei- Muskel- bewegnngen auf den Stoffwechsel. München 1860 und Zcilsclir. f. Biologie 2. 358 Elftes Kapitel. an Menschen, zu einem ganz anderen Resultat geführt. Sie haben nämlich gezeigt, was auch andere Forscher, wie J. Munk, Hirschfeld*) u. a. bestätigt haben, dass die Arbeit ohne eine Steigerung, jedenfalls ohne wesentliche Steiger- ung der Stickstoßausscheidung von statten gehen kann. Auf der anderen Seite giebt es aber auch Beobachtungen, die eine nicht unbedeutende Steigerung des Eiweissumsatzes während oder nach der Ä.rbeit gezeigt haben. Es gehören hierher die Beobachtungen von Flist und Pa\'Y an einem Schnellläufer, von v. WOlff, v. Funke, Keeuzhage und Kellner an einem Pferde, von Dunlop und seinen Mitarbeitern -j an arbeitenden Men- schen u. a. Es gehören hierher ferner die Untersuchungen über die Ausscheidung des Schwefels in der Ruhe und während der Arbeit. Die Ausscheidung von und Stickstoff und Schwefel läuft bei ruhenden und arbeitenden Personen dem Ei- Scbwefel- . . . . ausscheid- weissumsatze parallel ^) , und die Menge des mit dem Harne ausgeschiedenen Schwefels ist deshalb auch ein Mass der Eiweisszersetzung. Es liegen nun sowohl ältere Untersuchungen von Engelmann*), Flint und Pavy, wie auch neuere von Beck und Benediict*), von Dunlop und seinen Mitarbeitern vor, die eine vermehrte Schwefelausscheidung während oder nach der Arbeit kon- statirt haben und die also ebenfalls einer gesteigerten Eiweissumsetzung in Folge der Muskelarbeit das Wort reden. Auf der einen Seite hat man also vermehrten Eiweissumsatz als Folge der Arbeit, auf der anderen gesteigerte Arbeit ohne vermehrten Eiweissumsatz beobachtet. Diese widersprechenden Beobachtungen stehen indessen nicht un- vermittelt einander gegenüber, denn auf die Grösse des Eiweissumsatzes wirken viele, erst später (in Kapitel 18) zu erwähnende Faktoren, wie die Menge und Zusammensetzung der Nahrung, der Fettbestand des Körpers, die Wirkung der arbeit und -Ä.rbeit auf den Respirationsmechanismus u. s. w. ein, und diese können das Umsatz^ Versuchsergebniss wesentlich beeinflussen. Bei der gegenwärtigen Lage dieser Frage dürfte man wohl auch behaupten können, dass ein gesteigerter Eiweiss- umsatz keine nothwendige direkte Folge der Arbeit ist, dass er aber da vor- kommt, wo der im Körper vorhandene, bezw. demselben mit der Nahrung zu- geführte Vorrath an stickstofl^freien Nährstoffen ungenügend ist, wie auch wenn durch zu angestrengte Arbeit dyspnoische Symptome mit dadurch bedingtem vermehrtem Eiweisszerfall auftreten "). ') J. Munk, Du Bois-Reymond's Avch. 1890 u. 1896; Hirschfeld, Vikchow's Ärch 121. •i) Flint, .lourn. ot. Auiit. u. Pliysiol. 11 ii. 12; Pavy, Thr Laucet 1876 u. 1877; WOLFF, V. Funke, Kellnei:, Cit. nach VoiT in Hekmann's Handb. 0 S. 19"; Ddnlop, Noel-Paton, Stockman and Maccadam, Joui'u. of Physiol. 22. 3) Vergl. J. Mdnk, Du Bois-Reymond's Arch. 1895. i) Du I?ois-Reymond's Arch. 1871. 5) Flint 1. c. ; Pavy 1. c. Beck und Benedikt, Pflüger's Aich. 54. 6) Vergl. Krümmacheb, Zeitschr, f. Biolog. 33 und die Arbeiten von J. MUNK in De Bois-Keymönd's Arch. 1890 u. 1896. Stoft'wcehsel und Muskelarbeit. 359 Die älteren Untersuchungen über den Fettgehalt ausgeschnittener Muskeln in der Ruhe und während der Arbeit hatten zu keinen entscheidenden Resul- taten geführt. Nach den neueren Untersuchungen von Zuntz und Bogdanow') Fett 1 würde dagegen das dem Muskelfaser angehörige, schwer extrahirbare Fett bei Muakei- ... . & o ' arbeit der Arbeit betheiligt sein. Ausserdem giebt es mehrere Stoffwechselversuche von VoiT, Pettenkofer und Voit, J. Frentzel^) u. a., welche einen ver- mehrten Fettumsatz während der Arbeit wahrscheinlich machen. Endlich bleibt noch zu erwähnen, dass die Menge der Phosphorfleischsäure nach Siegfried 3) während der Arbeit abnimmt. Fasst man die Resultate der bisherigen Untersuchungen über die chemischen Vorgänge im arbeitenden und ruhenden Muskel zusammen, so findet man die Arbeit durch Folgendes charakterisirt. Der arbeitende Muskel nimmt mehr Sauerstoff auf und giebt mehr Kohlensäure ab als der ruhende; doch ist die Kohlensäureabgabe in bedeutend höherem Grade als die Sauerstoflaufnahme gesteigert. Es findet also regelmässig in Folge der Arbeit eine Erhöhung des CO respiratorischen Quotienten, -^r^, statt, wobei es jedoch — wie in einem folgenden Kapitel über den Stoffwechsel uäher auseinandergesetzt werden soll — noch unentschieden bleibt, ob diese Erhöhung durch die Art der im Muskel bei genügender Sauerstoffzufuhr während der Arbeit verlaufenden Prozesse bedingt ist. Bei der Arbeit findet ein Verbrauch von Kohlehydraten, Glykogen Chemische ./ ' j o Vorgänge und Zucker, statt. Ein Verbrauch von Zucker scheint iedoch nur für den mit ''" ^rbeiten- ■' den und Blut noch gespeisten Muskel bewiesen zu sein, während ein Glykogenverbrauch ruhenden _ J s Muskel. auch in ausgeschnittenen Muskeln beobachtet worden ist. Bei der Arbeit wird die Reaktion mehr sauer als vorher. In wie weit dies durch eine Neubildung von Milchsäure bedingt ist, darüber gehen die Ansichten auseinander. Ein vermehrter Fettverbrauch ist mehrmals beobachtet worden. Die ]Menge der Phosphor- fleischsäure nimmt ab und eine Vermehrung der stickstoffhaltigen Extraktiv- stoffe der Kreatiningrupre scheint vorzukommen. Den Eiweissumsatz hat man in einigen Versuchsreihen vermehrt gefunden, in anderen dagegen nicht; exakte Beweise für die Ansicht, dass eine gesteigerte Stickstoffausscheidung eine noth- wendige, direkte Folge der Muskelarbeit sei, liegen aber noch nicht vor. An das nun Angeführte knüpft sich die Frage nach dem materiellen Substrate der Muskelarbeit, insoferne als diese letztere in chemischen Um- setzungen ihren Grund hat, auf das innigste an. Früher suchte man mit Liebig die Quelle der Muskelkraft in einer Umsetzung von Eiweisstoffen ; heutzutage ist man aber ziemlich allgemein einer anderen Ansicht. FiCK und Wislicenus*) bestiegen den Berg Faulhorn und berechneten die Grösse der von ihneu 1) Vergl. Fussnote S. 352. i) Pflüger's Arch. 68. ■') Zeitschr. f. physiol. Cliem. 21. i) Vierteljahrstlir. d. Zürich, naturf. Gescllsoli. 10. Cit. nach Centralhl. f. d. med. "Wias. 1866. S. 309. 360 Elftes Kapitel. dabei geleisteten mechanischen Arbeit. Mit ihr verglichen sie dann das mechanische Aequivalent der in derselben Zeit umgesetzten, aus der Sticlistoff- ausscheidung mit dem Harne zu berechnenden Eiweissmenge und sie fanden dabei, dass die thatsächlich geleistete Arbeit lange nicht durch den Eiweiss- , verbrauch sedeckt werden konnte. Es war hiermit also bewiesen, dass das Quellen der ° ' Muskel- Eiweiss allein nicht das materielle Substrat der Muskelarbeit gewesen war und dass diese letztere vielmehr zum allergrössten Theil von dem Umsatz stickstofT- freier Substanzen herrührte. Zu ähnlichen Schlüssen führen auch mehrere andere Beobachtungen, vor Allem die StofTwechselversuche von Voit, von Petten- KOFER und Voit und anderen Forschern, welche Versuche zeigen, dass, während die Stickstoflausscheiduug unverändert bleibt, die Kohlensäureausscheidung während der Arbeit höchst bedeutend vermehrt ist. Man betrachtet es wohl auch ziem- lich allgemein als sicher bewiesen, dass die Muskelarbeit wesentlich durch den Umsatz stickstofffreier Substanzen bedingt sein kann. Dagegen ist die Annahme nicht berechtigt, dass die Muskelarbeit ausschliesslich auf Kosten der stickstoff- freien Substanzen geschehe und dass die Eiweissstoffe als Kraftquelle ohne Belang seien. In dieser Hinsicht sind namentlich die Untersuchungen von PflüGEE^) Quellen lUi ^'0" grossem Interesse. Er ernährte eine Dogge während mehr als 7 Monate "lo-aft"' '"'' Fleisch, dessen Gehalt an Fett und Kohlehydraten so gering war, dass er für die Erzeugung der Herzarbeit allein nicht genügte, und er Hess das Thier während Perioden von 14, 35 oder sogar 41 Tagen schwere Arbeit ausführen. Das unzweifelhafte Resultat dieser Versuchsreihen war, dass „volle Muskelarbeit bei Abwesenheit von Fett und Kohlehydrat in vollendetster Kraft sich voll- zieht", und die Fähigkeit des Eiweisses, als Quelle der Muskelkraft zu dienen, lässt sich also nicht leugnen. Es können also sowohl die stickstoffhaltigen wie die stickstoflfreien Nähr- stoffe als Kraftquellen dienen; über den relativen Werth derselben gehen aber die Ansichten auseinander. Nach Pflüger geschieht keine Muskelarbeit ohne Eiweisszersetzung, und die lebendige Zellsubstanz bevorzugt in der Wahl immer das Eiweiss und verschmäht das Fett und den Zucker. Erst wenn das Eiweiss fehlt, begnügt sie sich mit diesen. Andere Forscher dagegen sind der Ansicht, (Quellen der dass der Muskel in erster Linie von dem Vorrathe an stickstofffreien Nahrungs- Mnskel- kraft. Stoffen zehrt, und nach Seegen, Chauveau und LAULANi^ä^ ist der Zucker sogar- die einzige direkte Quelle der Muskelkraft. Die letztgenannten Forscher sind dementsprechend der Ansicht, dass auch das Fett nicht direkt, sondern erst nach vorgängiger Umwandlung in Zucker für die Arbeit verwerthet wird. Gegen die Berechtigung einer solchen Ansicht sind indessen von Zuntz und 1) Pflüger's Arch. 50. -) Vorgl. die Aibeiten von Seegen, Fussnote 4 S. 355, die Arbeiten von Chaüveau wie auch von ihm und seinen Mitarbeitern in den Compt. rend. 121, 122 u. 123; Laulani1§, Arch. do Physiol. (5) 8. Muskelarbeit. Quantitative Zusammensetzung. 361 seinen Mitarbeitern ') wichtige Einwände erhoben worden. Wenn das Fett erst in Zucker umgewandelt werden niüs.ste, ehe es der Arbeit dienen könnte, müsste nach ZuNTZ dieselbe Kraftleistung bei Fettnahrung etwa 30 p. c. Energie mehr erfordern als bei Kohlenhydratzufuhr; aber dies ist nicht der Fall. Es sind vielmehr nach seinen Untersuchungen alle Nährstoffe gleich befähigt, dem Muskel Arbeitsmaterial zu liefern, ohne vorher in Zucker umgewandelt zu werden. Dass eine solche Annahme zu der von Bunge, Zuntz , J. Munk u. A. ver- tretenen Ansicht, derzufolge die Muskeln von den ihnen zur Bestreitung der Arbeit zu Gebote stehenden Stoffen die stickstofffreien bevorzugen sollen, nicht im Widerspruche steht, dürfte ohne weiteres ersichtlich sein. Als Kraftquelle bezeichuet Siegfried, wie schon oben angegeben, aueli ilie Phosphor- tieischsäure. Nach den Untersuchungen von ihm und Kelgee -) kommt im Muskel zum Theil fertige Phosphorfleischsäure, die bei der Spaltung unter Anderem Kohlensäure liefert, und zum Theil eine hypothetische Aldehydverbindung derselben vor, eine Verbindung, die i'r«t durch Oxydation in Phosphoi-fleischsäure übergeht. Nach Siegfeied liegt deshalb die Annahme nahe, dass in dem ruhenden Muskel, wo mehr Sauerstotf verbraucht als in der Kohlensäure ausgeschieden wird, diese reduzireudc Aldehydsubstauz sich allmählich zu Phos- phorsäure oxydirt, die dann unter Abspaltung von Kohlensäure vom thätigen Muskel ver- braucht wird. Quantitative Zusammensetzung; des Muskels. Für rein praktische Zwecke, wie für die Bestimmung des Nährwerthes verschiedener Fleischsorten, sind eine Menge Analysen des Fleisches verschiedener Thiere ausgeführt worden. Mehr exakte wissenschaftliche Analysen , mit genügender Rücksicht auf die Menge der verschiedenen EiweissstofTe und der übrigen Muskelbestand theile ausgeführt, giebt es dagegen nicht, oder sie sind jedenfalls nur unvollständig oder von untergeordnetem Werthe. Um dem Leser eine etwaige Vorstellung von der wechselnden Zusammen- setzung der Muskelsubstanz zu geben, theile ich hier folgende, hauptsächlich dem Lehrbuche K. B. Hofmasn's-^) entlehnte Uebersichtstabelle mit. Die Zahlen sind auf 1000 Theile berechnet. Muskeln von : Säugethieren Vögeln Kaltblütern Feste Stoffe 217—255 227— 282 200 Wasser 745--783 717—773 800 Organische Stoffe 208—245 217—263 180—190 Anorganische Stoffe .... 9—10 10—19 10—20 Myosiu 35—106 29,8—111 29,7—87 Stromasubstanz (Danilewski) . 78—161 88,0—184 70,0—121 Alkalialbuminat 29—30 — — Kreatin 2 3,4 2,3 Xanthinkörper 0,4—0,7 0,7—1,3 — Inosinsäure (Baryumsalzj ... 0,1 0,1 — 0,3 — Protsäure — — 7,0 Taurin . 0,7 (Pferd) — 1,1 Inosit 0,03 — — Glykogen 4 — 5 — 3 — 5 Milchsäure 0,4-0,7 Quelle der Muskel- kraft. Phosphor- tteiscbsäure als Kraft- quelle. Quantitative Zusammen- setzung der Muskeln. 1) Vergl. N. ZuNTZ, Do Bois-Reymond's Arch. 1896 S. 358 u. S. 538; Zdntz und Heyneman, ebenda 1897 S. 535. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. ■>) Karl B. Hofm.ow, Lehrb. d. Zoochem. Wien 1876. S. 104. 362 Elftes Riipitel. Jluskeln von : Siiiigethieren Phosi)li(irsäure 3,4 — 4,8 Kali 3,0—4,0 Natron 0,4 Kalk 0,2 Magnesia 0,4 Chlornatrium 0,04 — 0,1 Eisenoxyd 0.04-0,1 In dieser Tabelle, welche übrigens in Anbetracht der bedeutenden Schwan- kungen, welche in der Zusammensetzung des Muskels vorkommen können, nur einen untergeordneten Werth hat, finden sich keine Angaben über die Menge des Fettes. Wegen der sehr schwankenden Menge des Fettes in dem Fleische und der Mangelhaftigkeit älterer Bestimmungsraethoden ist es in der That auch kaum möglich, zuverlässige Mittelwerthe i) für diesen StofT anzuführen. Selbst nach möglichst sorgfältigem Wegjiräpariren von allem ohne chemische Hilfs- mittel aus dem Muskel zu entfernenden Fett, bleibt jedoch stets eine wechselnde Menge intermuskulären Fettes , welches nicht dem eigentlichen Muskelgewebe derMuskein. angehört, zurück. Die kleinste Fettmenge im Muskel von mageren Ochsen beträgt nach GEOUVE>f 6,1 p. m. und nach Petersen 7,6 p. m. Der letzt- genannte Forscher fand auch regelmässig bei Rindern einen geringeren Fett- gehalt, 7.6 — 8,6 p. m., in dem Vordertheil und einen grösseren, 30,1 — 34,6 p. m., in dem Hintertheil der Thiere, ein Verhalten, welches Steil') jedoch nicht bestätigt fand. Einen niedrigen Fettgehalt hat man auch in den Muskeln wilder Thiere gefunden. Es fanden z. B. König und Farwick in den Muskeln der Extremi- täten beim Hasen 10,7 und in den Muskeln des Rebhuhnes 14,3 p. ra. Fett. Die Muskeln von Schweinen und gemästeten Thieren sind, wenn alles anhängende Fett entfernt worden ist, sehr fettreich, mit 40 — 90 p. m. Sehr reich an Fett sind auch die Muskeln einiger Fi.=che. Es enthält z. B. nach Almen das Fleisch von Lachs, Makrele und Aal resp. 100, 164 und 329 p. m. Fett^). Die Menge des Wassers in den Muskeln unterliegt bedeutenden Schwan- kungen. Einen besonderen Einfluss übt der Fettgehalt aus, und zwar derart, dass das Fleisch im Allgemeinen in dem Masse ärmer an Wasser als es reicher an Fett ist. Der Gehalt an Wasser hängt jedoch nicht von dem Fettgehalte allein, sondern auch von mehreren anderen Umständen ab, unter welchen auch das Alter der Thiere zu nennen ist. Bei jüngeren Thieren sind die Organe im Allgemeinen und sonach auch die Muskeln ärmer an festen Stoffen und reicher Wasser- an Wasser. Beim Menschen nimmt der Wassergehalt bis zum kräftigen Mannes- "uuskein. alter ab, nimmt aber dann gegen das Greisenalter wieder zu. Es wirken auf den Wassergehalt auch Arbeit und Ruhe derart ein, dass der arbeitende Muskel mehr Wasser als der ruhende enthält. Das ununterbrochen arbeitende Herz 1) Vergl. Steil, Pflüger's Areh. 61. -) Bczüglieli sowohl der obigen Litteraturangaben wie auch der ausführliehereu An- gaben über die Zusammensetzung des Fleisches veraehiedener Thiere wird auf das Buch von KÖNIG, Chemie der mensehliohen Nahrungs- und Genussnüttel. 3. Aufl., verwiesen. Zusammensetzung des Fleisches. 363 soll angeblich auch die wasserreichste Muskulatur haben. Dass der Wasser- gehalt unabhängig von dem Fettgehalte wechseln kann , zeigt sich deutlich bei einem Vergleich der Muskeln verschiedener Thierklassen. Bei den Kaltblütern haben die Muskeln im Allgemeinen einen höheren, bei den Vögeln einen niedrigeren Wassergehalt. Wie verschieden der Wassergehalt (unabhängig von dem Fettgehalte) in dem Fleische verschiedener Thiere sein kann, geht sehr deutlich bei einem Vergleiche von Rinder- und Fisehfleisch hervor. Nach den Analysen Almi^n's ') enthalten die Muskeln von mageren Ochsen 15 p. m. Fett und 767 p. m. Wasser; das Fleisch des Hechtes enthält dagegen nur 1,5 p. ni. Fett und 839 p. m. Wasser. Für gewisse Zwecke und namentlich für die Ausführung der Stoffwechsel- versuche ist es von Wichtigkeit, die elementare Zusammensetzung des Fleisches zu kennen. Bezüglich des Stickstoffgehaltes hat man in dieser Hinsicht für das frische, magere Fleisch nach dem Vorschlage Voit's die Zahl 3,4 p. c. als Mittel angenommen. Nach Nowak und Huppekt^) kann jedoch diese Zahl ^e^ait a« imi 0,6 p. c. schwanken, und bei genauen Versuchen ist es deshalb nothwendig, ^''«isches. besondere Stickstoffbestimmungeu auszuführen. Vollständige Elementaranal3'sen des Fleisches sind später mit grosser Sorgfalt von Argxjtinsky ausgeführt worden. Als Mittel für das im Vacuo getrocknete, entfettete Ochsenfleisch, nach Abzug des Glykogens, erhielt er dabei folgende abgerundete Zahlen. C 49,6; H 6,9; N 15,3; O + S 23,0 und Asche 5,2 p.c. Das Verhältniss von Kohlenstoff zu Stickstoff, welches Arguxinsky „Fleischquotient" nennt, ist im Mittel gleich 3,24:1. Von dem Gesammtstickstoffe des Fleisches kamen in den Bestimmungen Salkowski's ^) im Rindfleisch: auf unlösliches Eiweiss 77,4, auf lösliches Eiweiss 10,08 imd auf übrige lösliche Stoffe 12,52 p. c. Stickstoff. Ueber die ^Mengen der Mineralbestaudtheile der Muskeln von Menschen und Thieren liegen ausführliche Untersuchungen von Katz*) vor. Die Schwan- kungen der verschiedenen Elemente sind sehr beträchtlich. Das Schweinefleisch ist bedeutend reicher an Natrium, dem Kalium gegenüber, als andere Fleisch- Gehalt an Sorten. Der Gehalt an Magnesium ist in allen untersuchten Fleischsorten mit Stoffen' Ausnahme von Schellfisch-, Aal- und Hechtfleisch grösser, oft bedeutend grösser als der Gehalt an Calcium. Das Rindfleisch ist sehr arm an Calcium. Kalium und Phosphorsäure sind in allem Fleisch die in grösster Menge vorkommenden Mineralstoffe. Glatte Muskeln. Die glatten Muskeln reagiren in der Ruhe neutral oder alkalisch (Du Bois-Reymond). Während der Arbeit reagiren sie sauer, wie aus der Beob- 1) Nova Act. Keg. Soc. Scieut. Upsal. 1877 und Maly's Jahiesber. 7. 2) VoiT, Zeitschr. f. Biolog. 1; Huppert ebenda 7; NowAK, Wien. Sitzungsber. G4 Abth. 2. 3) Akgütinsky, Pflüger's Arcli. 55; S.m.kowski.. Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1894. ■1) Pflüger'b Arch. 63. 364 Elftes Kapitel. acbtuDg Bernstein'«, dass der fast beständig kontrahirte Schliessmuskel von Anodonta im Lebeu sauer reagirt, hervorgebt. Auch die glatten Muskeln können, wie Heidenhain nnd Kühne gezeigt baben, in Todtenstarre übergehen kär^erfier "^d dabei sauer werden. Ein spontan gerinnendes Plasma hatte man jedoch Miiskdn. nicht erhalten, es sei denn, dass mau als solches den bei Zimmertemperatur erst innerhalb 24 Stunden, bei -)- 45" C. aber sogleich koagulirenden , aus- gepressten Saft der Muskeln von Anodonta betrachten wollte. Ebensowenig hatte man in den glatten Muskeln Myosin gefunden. Dagegen hatten aber Heidenhäin und Hellwig ') in glatten Jluskeln vom Hunde einen, dem Mus- kulin analogen, bei -|-45 — 49" C. gerinnenden Eiweisskörper nachweisen können. Die glatten Muskeln sollten übrigens angeblich reichliche Mengen Alkalialbu- niinnt nebst einem bei -j-75''C'. gerinnenden Albumin enthalten. In neuester Zeit sind unsere Kenntnisse von den Eiweissstoffen der glatten Muskeln durch die Untersuchungen von Velichi-) erweitert worden. Er hat nach der Methode von v. Fürth aus dem Muskelmagen von Schwein und Gans ein neutral reagirendes Plasma gewonnen , welches bei Zimmertemperatur spontan, wenn auch langsam, gerann. Das Plasma enthielt ein durch Dialyse fällbares Globulin, welches bei 55 — 60 " C. gerann und also gewisse Aehnlich- keit mit dem KüHNE'schen Myosin zeigte. In noch grösserer Menge war in Eiweiss- dem Plasma ein spontan gerinnendes Albumin vorhanden , welches indessen körper des piasm.-is. zum Unterschied von dem Myogen (v. Fürth) bei 45 — 50" C. gerann und ohne lösliche Zwischenstufe bei der Spontangerinnung in die geronnene Modifikation überging. Alkalialbuminat kam nicht vor, wohl aber ein Nukleoprote'id, welches in fast fünfmal so grosser Menge wie in der quergestreiften Muskulatur vor- handen war. HänioyJohin kommt bei gewissen Thieren in den glatten Muskeln vor, fehlt aber bei anderen. Kreatin hat Lehmann') gefunden. Taitrin soll neben Kreatinin (Kreu/in?) nach Fremy und Valenciennes^) in den ^Muskeln der Cephalopoden vorkommen. Von stickstofffreien Stoffen sind mit Sicherheit Extraktiv- . Stoffe. Ghiliogen und Milchsäure gefunden worden. Die Mineralbestandtheile sollen das eigenthümliche Verhalten zeigen, dass die Natriumverbindungen den Kalium- verbindungen gegenüber vorherrschen. 1) Du Bois-Reymond bei N.\SSK iu IIeemaxn's Haudli. 1 S. 339: Bernstein ebeuda ; Heidenhain, ebenda S. 340, mit Hellwig, ebenda S. 339; Ki'HSE, Lebrb. S. 331. ■i) Centralbl. f. Pbysiol. 12 S. 351. :t) Cit. nach Nasse 1. c. S. 339. *) Cit. naeli Kühne's Lehrb. S. 333. 1 f t c s Kapitel. Gehirn und Nerven. Der Schwierigkeiten wegen, welche einer mechanischen Trennung und Isolirung der verschiedenen Gewebselemente der nervösen Centralorgane und der Nerven im Wege stehen, ist man bis auf einige mikrochemische Reaktionen genöthigt gewesen, hauptsächlich durch qualitative und quantitative Untersuchung der verschiedenen Theile des Gehirnes die verschiedene chemische Zusammen- setzung der Zellen und der Nervenröhren zu erforschen. Aber selbst die chemische Untersuchung dieser Theile ist mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden; und wenn auch unsere Keuntniss von der chemischen Zusammensetzung des Gehirnes und der Nerven durch die Untersuchungen der neuereu Zeit nicht unwesentlich vorwärts gerückt ist, so müssen wir jedoch einräumen, dass dieses Kapitel heut- zutage noch als eines der am wenigsten aufgeklärten und am meisten verwickelten der physiologischen Chemie anzusehen ist. Als chemische Bestandtheile des Gehirnes und der Nerven hat man Ei- weisskörper verschiedener Art nachgewiesen, und zwar theils solche, welche in Wasser und verdünnten Neutralsalzlösungen unlöslich, theils solche, welche darin löslieh sind. Unter den letzteren finden sich AJhnmin und Globulin. Auch NuMeoaJhnmin , welches oft als ein Alkalialbumiuat aufgefasst worden ist, kommt vor. Hallibukton ^) fand im Gehirne zwei Globuline, von denen das stotfe, Nuk- «ine bei 47 — 50" C. und das andere bei 70" C. koagulirt. In der grauen Sub- rokeratin. stanz fand er ein bei 55 — 60" C. gerinnendes Nukleoalbuniin mit 0,5 p. c. Phosphor. Dass die Eiweisskörper wenigstens vorwiegend der grauen Substanz des Gehirnes und dem Achsencylinder angehören, scheint unzweifelhaft zu sein. Dasselbe gilt auch, allem Anscheine nach, von dem Nuldein, welches von v. Jacksch-) in überwiegender Menge in der grauen Substanz gefunden wurde. Dagegen kommt das zuerst von Kl'hxe nachgewiesene NeuroJceratin (vergl. S. 50), welches das Spongiosagerüst darstellt und als doppelte Scheiden, von 1) On the cheuiical physiology of the animal cell. King's College London. Physiological Laboratorj-. CoUected papers. No. 1. 1893. -') Pfligek's .\rcli. 13. 366 Zwölftes Kapitel. welchen die äussere das Nerveniiiark unter der Si:iiWAK\'schen Scheide und die innere den Achsencylinder umhüllt, in den Nerven vorkommt, ganz überwiegend in der weissen Substanz vor (Küilne und Chittexden, Baumstark'). Als einen, der weissen Substanz überwiegend oder vielleicht fast ganz ausschliesslich (Baumstark) angehörenden Bestandtheil, dürfte man vielleicht die phosphorhaltige Substanz, das Protac/oii, betrachten können. Dieses letztgenannte — wenn wir uns vorläufig an das am genauesten studiite Protagon halten, denn es giebt vielleicht mehrere verschiedene Protagone — liefert als Zersetzungs- produkte Lecithin, Fettsäuren und eine stickstoffhaltige Substanz, das Cerebrin, welch' letzteres wohl kaum in dem Gehirne präforniirt vorkommt, sondern wohl nur ein Laborationsprodukt sein dürfte. Dass das Lecithin auch präforniirt in Gehirn und Nerven vorkommt, dürfte kaum zu bezweifeln sein. In wie weit es vorwiegend der grauen oder der weissen Substanz angehört, ist aber aus den bisher ausgeführten Untersuchungen nicht sicher zu entnehmen. Fettsäuren *Bestsndt^ und Neutnilfett können zwar aus Gehirn und Nerven dargestellt werden; da ^länes'u ^^^^ J^"® leicht aus einer Zersetzung von Lecithin und Protagon hervorgehen der Nerven. ]jüujjen, während dieses in dem Bindegewebe zwischen den Nervenröhren vor- kommt, ist es schwierig zu entscheiden, in wie weit Fettsäuren und Neutralfette Bestandtheile der eigentlichen Nerven Substanz sein dürften. Das Cholesterin findet sich in Gehirn und Nerven theils frei und theils in chemischer Bindung nicht näher ermittelter Art (Baumstark). Das Cholesterin scheint überwiegend in der weissen Substanz vorzukommen. Ausser diesen Stoffen enthält das Nerven- gewebe, besonders die weisse Substanz, zweifelsohne eine Menge von anderen^ noch nicht näher bekannten Bestandtheilen, unter denen auch mehrere, die phos- phorhaltig sind, vorkommen dürften. Thudichum behauptet, aus dem Gehirne eine Anzahl phosphorhaltiger Substanzen isolirt zu haben, welche von ihm auf drei Hauptgruppen, Kephaline, 3Tijeline und Lecithine vertheilt werden 2)^ Diese Angaben sind noch nicht von anderen Forschern eingehender nachgeprüft worden. Lässt man Wasser auf den Lihalt der Markscheide einwirken, so ent- stehen runde oder längliche, doppelt kontourirte Tropfen oder auch den doppelt- kontourirten Nerven nicht unähnliche Fasern. Diese eigenthümlichen Gebilde, welche auch in der Markscheide des todten Nerven zu sehen sind, hat man Myelin- „Mi/eUn formen'' genannt, und man leitete sie früher von einem besonderen lormen. g^Qf}^ (jg,,, „Myelin", her. Solche Myelinformen kann man indessen aus ver- schiedenen Stoffen, wie unreinem Protagon, Lecithin und unreinem Cholesterin erhalten, und sie rühren von einer Zersetzung der Bestandtheile der Markscheide her. Nach Gad und Heymans^) ist das Myelin Lecithin in freiem Zustande oder in loser chemischer Bindung. 1) KÜHNE und Chittenden, Zi-itschr. f. Bioloi,'ic :J6; Baumstakk, Zeitscbr. f. physiol. Lliem. 9. -) ThI'DICHUM , Grunilzüge der iiuatoni. und kliu. Chem. Berlin 1886 und Jouru. l. l)rakt. Chcm. (N. F.) 53. 3) Du Bois-Reymond's Aicli. 1890. Bestandtheile des Gehirns. 367 Die Extraktivstofle scheinen der Hauptsache nach dieselben wie in den Muskeln zu sein. Es sind also gefunden worden: Kreatin, welches jedoch auch fehlen kann (Baumstaük), Xantlünhörper, Inosit, Milchsäure (auch Gähruugs- milchsilure), Harnsäure, JeJcorin (in Menschengehirn nach Baldi)') uud das ^,^^1.^^^^^ von Brieger^j entdeckte Diamin Neuridin, C^H^^l^i.,, welches durch sein Auf- «toffe. treten bei der Fäulniss thierischer Gewebe oder in Kulturen des Typhusbacillus sein grösstes Interesse hat. Unter pathologischen Verhältnissen hat man in dem Gehirne Leucin und Harnstoff (welch' letzteres jedoch auch ein physio- logischer Bestandtheil des Gehirnes der Knorpelfische ist) gefunden. Unter den oben genannten Bestandtheilen der Nervensubstanz müssen das Protagon und dessen Zersetzungsprodukte, die Cerebrine oder Cerebroside, besonders besprochen werden. Protagon. Dieser Stoff, welcher von Liebreich entdeckt wurde, ist eine Stickstoff- und phosphorhaltige Substanz, deren elementare Zusammensetzung nach Gamgee und Blankenhorn C 66,39, H 10,69, N 2,39 und P 1,068 p. c. ist. Etwa dieselben Zahlen erhielten später Banmstark und Ruppel, während Liebreich als Mittel 2,80 p. c. N und 1,23 p.c. Pfand. Kossel und Freytac; ^), welche noch höhere Zahlen für den Stickstoff, nämlich 3,25 p. c, und etwas niedrigere Zahlen für den Phosphor, 0,97 p. c, erhielten, fanden regelmässig in dem Protagon etwas Schwefel, als Mittel 0,51 p.c. Ruppel fand ebenfalls etwas Schwefel, aber so wenig, dass er ihn von einer Verunreinigung herleitet. Protagon. Beim Sieden mit Barytwasser liefert das Protagon die Zersetzungsprodukte des Lecithins, d. h. fette Säuren, Glycerinphosphorsäure und Cholin (Neurin ?) und daneben auch, wie man früher sagte, Cerebrin. Kossel und Freytag fanden indessen, dass das Protagon bei seiner Zersetzung nicht nur Cerebrin, sondern zwei und vielleicht sogar drei Cerebroside (vergl. unten) liefert, nämlich Cere- brin, Kerasin (Horaocerebrin) und Enkephalin. Wegen dieses Verhaltens wie auch infolge der trotz grosser Sorgfalt bei der Darstellung wechselnden elementaren Zusammensetzung finden die letztgenannten Forscher es sehr wahr- scheinlich, dass es mehrere Protagone giebt. Beim Sieden mit verdünnten Mineralsäureu liefert das Protagon unter anderen Substanzen auch reduzirendes Kohlehydrat. Bei der Oxydation mit Salpetersäure giebt es höhere Fettsäuren. Protagon stellt in trockenem Zustande ein weisses, lockeres Pulver dar. In Alkohol von 85 Vol. p.c. bei -)- 45" C. gelöst, scheidet es sich beim Ei„eu- Erkalten als eine schneeweisse, flockige, aus Kugeln oder Gruppen von feinen ^y^""^,"""'* Krystallnadeln bestehende Fällung aus. Beim Erhitzen zersetzt es sich schon unter 100 "C. In kaltem Alkohol oder Aether ist es kaum löslich, löst sich 1 Du Bois-Reymond's Arch. 1887. Supplbd. 2) Beiegek, Ueber Ptomaine. Berlin 1885 u. 1886. i>) Gamgee u. Blankenhorn, Zeitschr. f. pliysiol. Chem. 3: Baumstark 1. c. Rdppel, Zeitschr. f. Biologie 31; Liebreich, Aunal. d. Cbem. u. Pharm. 134; Kossel und Freytag, Zeitschr. f. physiol. Chem. 17. Zwölftes K:i])itel. sich aber in warmem. Mit wenig Wasser quillt es auf und zersetzt sich theil- weise. Mit mehr Wasser quillt es zu einer gallert- oder kleisterähnlichen Masse auf, die mit viel Wasser eine opalisirende Flüssigkeit giebt. Beim Schmelzen mit Salpeter und Soda giebt es Alkaliphosphat. Zur Darstellung des Protagons verfährt man auf folgende Weise. Mög- lichst frisches Ochsengehirn, von Blut und Häuten sorgfältig befreit, zerrührt man fein und extrahirt dann mehrere Stunden lang mit Alkohol von 85 Vol. p. c. bei -|- 45*^' C. Man filtrirr bei derselben Temperatur und laugt den Rückstand Darsteiitin" so lange mit warmem Alkohol aus, bis das Filtrat bei 0 " C. keinen Nieder- des Prota- schlag mehr absetzt. Sämmtliche aus den auf 0" C. abgekühlten Filtraten ausgeschiedene Niederschläge vereinigt man und extrahirt sie vollständig mit kaltem Aether, welcher Cholesterin und lecithinähnliche Stoffe löst. Das ungelöste presst man zwischen Papier stark aus und lässt dann über Schwefel- säure oder Phosphorsäureanhydrid austrocknen. Man pulverisirt dann, digerirt mit Alkohol bei -|- 45" C, filtrirt und kühlt langsam auf O^C. ab. Die aus- geschiedenen Krystalle können, wenn nöthig, durch Umkrystallisiren gereinigt werden. Nach demselben Prinzipe verfährt man, wenn es um den Nachweis von Protagon sich handeln würde. Bei der Zersetzung des Protagons oder der Protagone durch gelinde Ein- wirkung von Alkalien entstehen als Spaltungsprodukte, wie oben gesagt, ein oder mehrere Stoffe, die von Thudichum unter dem Namen der Cereiroside zusammen gefasst worden sind. Die Cerebroside sind stickstoffhaltige, phosphor- freie Substanzen, die beim Sieden mit verdünnter Mineralsäure eine reduzirende iLiebrosuie. 2uckerart (Galaktose) geben. Beim Schmelzen mit Kali oder bei der Oxydation mit Salpetersäure liefern sie höhere Fettsäuren, Palmitinsäure oder Stearinsäure. Die aus dem Gehirne isolirten Cerebroside sind Cerebrin , Kerasin und Enke- phalin. Zu den Cerebrosiden gehören auch die von Ko.^sel und Freytag aus Eiter isolirten Stoffe Pyosiu und Pyogenin. Cerebrin. Unter dem Namen Cerebrin beschrieb zuerst W. Mijller *) eine stickstoffhaltige, phosphorfreie Substanz, die er durch Extraktion der mit Barytwasser gekochten Gehirnmasse mit siedendem Alkohol erhalten hatte. Nach einer in der Hauptsache ähnlichen , aber jedoch etwas abweichenden Methode hat später Geoghegan -) aus dem Gehirne ein Cerebrin mit denselben Eigenschaften wie das Ml'LLER'sche aber mit einem niedrigeren Stickstoffgehalte dargestellt. Nach den Untersuchungen von Parcus^) soll indessen sowohl das €eiebriii ^°° MÜLLER wie das von Geoghegan isolirte Cerebrin ein Gemenge von drei Stoffen, „Cerebrin", „Homocerebrin" und ,,Enkephalin" sein. Koss^el und Freytag konnten aus dem Protagon zwei Cerebroside isoliren , die mit dem Cerebrin und Homocerebrin von Parcus identisch waren. Nach denselben Forschern scheinen die zwei von Thudichum beschriebenen Stoffe Phrenosin und Kerasin mit dem Cerebrin, bezw. Homocerebrin identisch zu sein. 1) Annal. d. C'hem. u. Pliann. 105. 2) Zeitschr. f. pbysiol. Chem. 3. 3) Parcus, lieber einige neue Geliiinstoflfe. Inaiig.-Diss. Leipzig 1881. Das Cerebrin hat nach Parcüs folgende Zusammensetzung: C 69,08, H 11,47, N 2,13, O 17,32, was mit den Analysen von Kossel und Freytag stimmt. Die Formel desselben ist noch nicht festgestellt worden. In trockenem Zustande stellt es ein rein weis.ses, geruch- und geschmackloses Pulver dar. Beim Erhitzen schmilzt es, zersetzt sich allmählich, riecht nach verbranntem Fett und brennt mit leuchtender Flamme. In Wasser wie auch in verdünnter Alkalilauge oder Barytwasser ist es unlöslich. In kaltem Alkohol und in ';^'f-''-"- ° " Schäften. kaltem oder heissem Aether ist es ebenfalls unlöslich. Dagegen löst es sich in siedendem Alkohol und scheidet sich beim Erkalten als ein flockiger Nieder- schlag aus, welcher bei mikroskopischer Untersuchung als aus lauter Kügelchen oder Körnchen bestehend sich zeigt. Mit Baryt bildet es eine in Wasser unlös- liche Verbindung, die unter der Einwirkung von Kohlensäure zerfällt. In konzentrirter Schwefelsäure löst es sich und beim Erwärmen wird die Lösung blutroth. Die beim Sieden mit Mineralsäuren sich abspaltende Zuckerart, der sogen. Gehirnzucker, ist, wie Thierfelder ^) zuerst gezeigt hat, Galaktose. Das Kerasin (nach Thudichum) oder Homocerehrin (nach Parcius) hat die Zusammensetzung C 70,06, H 11,60, N 2,23, und O 16,11 p.c. Das EnlcephaHn hat die Zusammensetzung C 68,40, H 11,60, N 3,09 und O 16,91 p. c. Beide Stoffe bleiben nach dem Ausfallen des unreinen Cerebrins aus warmem Alkohol in der Mutterlauge zurück. Diese Stoffe haben die Neigung, als gallert- artige Massen sich auszuscheiden. Das Kerasin ist dem Cerebrin ähnlich, löst kerasin nmi sich aber leichter in warmem Alkohol und auch in warmem Aether. Es E"'"'P'"»"n- kann als äusserst feine Nadeln erhalten werden. Das Enkephalin soll nach Parc;u.s ein Umwandlungsprodukt des Cerebrins sein. In ganz reinem Zustande krystallisirt es in kleinen Blättchen. In warmem Wasser quillt es zu einer kleisterähnlichen Masse. Wie das Cerebrin und das Kerasin giebt es beim Sieden mit verdünnter Säure eine reduzirende Substanz (wahrscheinlich Galaktose). Die Darstellung des Cerebrins geschieht meistens nach der Methode von Müller. Die Gehirnmasse wird mit Barytwasser zu einer dünnen Milch aus- gerührt und dann aufgekocht. Das ungelöste trennt man ab, presst aus und kocht es wiederholt mit Alkohol aus, welcher siedend heiss abfiltrirt wird. Das beim Erkalten sich ausscheidende unreine Cerebrin wird mit Aether von Chole- ""^des ""^ Sterin und Fett befreit und dann durch wiederholtes Auflösen in warmem Cerebrins. Alkohol gereinigt. Nach Parcus soll mau das Auflösen in warmem Alkohol wiederholen, bis keine gallertartigen Ausscheidungen (von Homocerehrin oder Enkephalin) mehr auftreten. Nach der Methode von Geoühegax extrahirt man das Gehirn erst mit kaltem Alkohol und Aether und kocht es dann mit Alkohol aus. Den beim Erkalten des alkoholischen Filtrates sich ausscheidenden Niederschlag behandelt man mit Aether und kocht ihn dann mit Barytwasser. Der ungelöste Rück- stand wird durch wiederholtes Auflösen in siedendem Alkohol gereinigt. Nach den oben angegebenen Methoden kann das Cerebrin auch in anderen 1) ZcitBchr. f. physiol. Chem. 14. llaiuiuarsteu, ?hysiologisL-he Chemie. Vierte Auflage. 370 Zwi.Htes Kapitel. Organen aufgesucht werden. Die quantitative Bestimmung, wenn eine solche in Frage kommt, kann in derselben Weise geschehen. KossEL und Freytai: stellen das Cerebrin aus Protagon dar durch Ver- seifung des letzteren in methylalkoholischer Lösung mit einer heissen Lösung von Aetzbaryt in Methylalkohol. Den abfiltrirten Niederschlag zerlegen sie in Wasser mit Kohlensäure und extrahiren aus dem ungelösten Rückstande das Cerebrin oder die Cerebroside mit heissem Alkohol. Nomidin. Das Neuridiu, CäHjiNj, ist ein von Bmeger entdecktes, nicht giftiges IHamin, welches von ihm bei der Fiiulniss von Fleisch und Leim wie auch in Kulturen des TyphusbaciUus erhalten wurde. Es kommt nach ihm unter physiologischen Verhältnissen in dem Gehirne und spurenweise auch im Eidotter vor. Das Neuridin löst sich in Wasser und liefert beim Sieden mit Alkalien ein Gemenge von Dimethyl- und Trimethylamin. Es löst sich schwierig in Amylalkohol. In Aether oder absolutem Alkohol ist es unlöslich. In freiem Zustande hat es einen eigenthümlichen , an Sperma erinnernden Geruch. Mit Salzsäure giebt es eine in langen Nadeln krystallisirende Verbindung. Mit Platinchlorid oder Goldchlorid giebt es krystallisirende, für seine Darstell- ung und Erkennung verwerthbare Doppelverbindungen. Die sogen. Corpuscula amylacca, welche an der Oberfläche des Gehirnes und in der Glandula pituitaria vorkommen, werden von Jod mehr oder weniger rein violett und von Schwefelsäure und Jod mehr blau gefärbt. Sie bestehen vielleicht aus derselben Substanz wie gewisse Prostatakonkremente, sind aber nicht näher untersucht. Quantitative Znsammensetzung des Gehirnes. Die Menge des Wassers ist grösser in der grauen als in der weissen Substanz und grösser bei Neu- geborenen oder bei jüngeren Individuen als bei Erwachsenen. Beim Fötus enthält das Gehirn 879 — 926 p. ra. Wasser. Nach Beobachtungen von Weisbach') ist der Gehalt an Wasser in den verschiedeneu Theilen des Gehirnes (uud des ver- längerten Markes) in verschiedenen Altern ein verschiedener. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf 1000 Theile, und zwar A bei Männern und jB bei Weibern : 20—30 Jahre 30—50 Jahre 50—70 Jahre 70—94 Jahre A B^ A B A B A ' B Weisse Substanz des Gehirnes 695,6 682,9 683,1 703,1 701,9 689,6 726,1 722,0 Graue „ „ , 833,6 826,2 836,1 830,6 838,0 838,4 847,8 839,5 Wassei- Gyri 784,7 792,0 795,9 772,9 796,1 796,9 802,3 801,7 GeWraer Kleinhirn 788,3 794.9 778,7 789,0 787,9 784.5 803,4 797,9 Pons Varoli 734,6 740,3 725,5 722,0 720,1 714,0 727,4 724,4 MeduUa oblongata . . . 744,3 740,7 732,5 729,8 722,4 730,6 730,2 733,7 Quantitative Analysen von dem Gehirne im Uebrigen sind von Fetrowsky^) am Ochsengehirne und von Baumstark am Pferdegehirne ausgeführt worden. In den Analysen Petrowsky's ist jedoch nicht das Protagon berücksichtigt worden und sämmtliche organische phosphorhaltige Substanzen wurden als Lecithin berechnet. Aus diesem Grunde sind diese Analysen in gewisser Hin- sicht nicht brauchbar. In den Analysen Baumstark's, in welchen die graue Auaiysen Und die weisse Substanz nicht getrennt werden konnten, und welche Analysen Gehirnes, i" Folge dessen theils auf überwiegend weisse und theils auf überwiegend graue Substanz sich beziehen, hat etwa die Hälfte der organischen Stoffe, hauptsächlich aus in Aether löslichen Stoffen bestehend, nicht näher analysirt 1) Cit. nach K. B. HOFMASN's Lehrb. d. Zoochemic. Wien 1876 S. 121. 2) PflCgek'b Arch. 7. Quantitative Zusammensetzung des Gehiines. 371 werden können. Auch diese Analysen liefern also keine ge' .:gende Aufklärung über die quantitative Zusammensetzung des Gehirnes. Aus den bisher ausgeführten Analysen ergiebt sich indessen die schon in dem Obigen angegebene ungleiche Vertheilung der organischen Bestandtheile auf graue und weisse Substanz. In den Analysen Petrowsky's betrug die Menge des Eiweisses und der Leimbildner in der grauen Substanz etwas mehr als die Hälfte und in der weissen etwa *;'4 der festen organischen Stoffe. Die Menge des Cholesterins betrug in der weissen etwa die Hälfte und in der grauen Substanz etwa Vö der festen Stoffe. Von löslichen Salzen und Extraktivstoffen finden sich grössere Mengen in der grauen als in der weissen Substanz (Baum- stark). Die Menge der wichtigsten der bekannten Gehirnbestandtheile, auf 1000 Theile des frischen, wasserhaltigen Gehirnes berechnet, war in den Analysen Baumstark's folgende. A bedeutet überwiegend weisse und B überwiegend graue Substanz. A B Wasser 695,35 769,97 Feste Stofle 304,65 230,03 Protagon 25,11 10,80 Unlösliches Ki weiss und Bindegewebe . 50,02 60,79 züaämmen- Cbolesterin, frei 18,19 6,30 Setzung des , gebunden 26,96 17,51 Gehirnes. Nuklein 2,94 1,99 Neurokeratin 18,93 10,43 llineralstoffe 5,23 5,02 Der Rest der festen Stoffe dürfte wohl hauptsächlich aus Lecithin und anderen phosphorhaltigen Stoffen bestanden haben. Von dem gesammten Phos- phorgehalte kommen nämlich 15 — 20 p. m. aut des Nuklein, 50 — 60 p. m. auf Protagon, 150 — 160 p. m. auf die Asche und 770 p. m. auf Lecithin und andere phosphorhaltige, organische Substanzen. Die Menge des Neurokeratins in den Nerven und in verschiedeneu Theilen des Centralnervensystenis ist von Kühne und Chittexden ^) näher bestimmt worden. Sie fanden in dem Plexus brachialis 3,16 p. m., in der Kleinhirn- rinde 3,12 p. m., in der weissen Substanz des Grosshirnes 22,434, in der weissen Substanz des Corpus callosum 25,72 — 29,02 p. m. und in der grauen Substanz Vei-theUung der Grosshirnrinde (möglichst frei von weisser Substanz) 3,27 p. m. Neurokeratin. Keratins. Die weisse Substanz ist also sehr bedeutend reicher an Neurokeratin als die peripherischen Nerven oder die graue Substanz. Nach Griffiths-) vertritt bei Insekten und Crustaceen das Neurochitin das Neurokeratin. Die Menge des ersteren betrug 10,6 — 12 p. m. Die Menge der Mineralbestandtheile iu dem Gehirne beträgt nach Geoghegan 2,95 — 7,08 p. m. In 1000 Theilen frischem wasserhaltigem Gehirne fand er Cl 0,43—1,32, PO4 0,956—2,016, CO3 0,244—0,796, SO4 0,102 bis 0,220, Fe2(P0j)o, 0,01—0,098, Ca 0,005—0,022 Mg 0,016— 0,072, K 0,58 bis 1) 1. c. '-) Compt. rend. 115. 24* 372 Zwölftes Kapitel. 1,778, Na Ü,450 — 1,111- Die graue Substanz liefert eine alkalische, die weisse eine saure Aselie. Anhang. Die Gewebe und Flüssigkeiten des Auges. Die Retina enthält als Ganzes 865 — 899,9 p. m. Wasser; 57,1 — 84,5 p. ra. Proteinstoffe — Myosin, Albumin und Mucin (?); 9,6 — 28,9 p. m. Lecithin und Die Retina. 8,2 — 11,2 p. ni. Salze (Hoppe-Seyler und Cahn)'). Die Mineralstoffe enthalten 422 p. m. Na.HPO^ und 352 p. m. NaCI. Diejenigen Stoffe, welche die verschiedenen Segmente der Stäbchen und Zapfen bilden, sind nicht näher erforscht und das grösste Interesse knüpft sich an die Farbstoffe der Retina an. Sehpurpur, auch Rhodopsin, Erythropsin oder Sehroth genannt, nennt man den Farbstoff der Stäbchen. Im Jahre 1876 beobachtete BoLL-j, dass die Stäbehensehicht der Retina im Leben eine purpurrothe Farbe hat, welche durch Lichteinwirkung erblasst. Kühne ^) hat später gezeigt, dass diese Sehpvu-imr. ° . r & b ' rothe Farbe nach dem Tode des Thieres, wenn das Auge vor dem Tageslichte geschützt oder im Natriumlichte untersucht wird, längere Zeit bestehen kann. Durch dieses Verhalten wurde es auch möglich, diese Substanz zu isoliren und näher zu studiren. Das Sehroth (Boll) oder der Sehpurpur (Kühne) ist hauptsächlich durch die Untersuchungen Kühne's bekannt geworden. Der Farbstoff kommt aus- schliesslich in den Stäbchen und nur in dem äussersten Theile derselben vor. ^ ""des™*^" ■'^^' solchen Thieren, deren Retina keine Stäbchen hat, fehlt der Sehpurpur, Sehpurpurs, welcher selbstverständlich auch in der Macula lutea fehlt. Bei einer Art Fleder- maus (Rhinolophus hipposideros), wie auch bei Hühnern, Tauben und neu- geborenen Kaninchen hat man in den Stäbchen keinen Sehpurpur gefunden. Eine Lösung von Sehpurpur in Wasser, welches 2 — 5 p. c. krystallisirte Galle, welche das beste Lösungsmittel des Sehpurpur ist, enthält, ist purpur- roth, ganz klar, nicht fluorescirend. Beim Eintrocknen dieser Lösung in Vacuo erhält man einen, karminsaurem Ammoniak ähnlichen Rückstand, welcher violette oder schwarze Körner enthält. Dialysirt man die obige Lösung gegen Wasser, Eigen- ^0 diffundirt die Galle weg und der Sehpurpur scheidet sich als eine violette Sehpurpurs! ^^^^^ aus. Unter allen Verhältnissen, selbst wenn er sich noch in der Retina vorfindet, wird der Sehpurpur von direktem Sonnenlichte rasch und von zer- 1) ZeitscUr. f. physiul. Clioiii. 5. 2) Monatsber. <1. Kgl. Prcuss. Akail. 12. Nov. 187G. 3) Die Untcrsucliungeu über Sehpurpur von Ki'HNE und seinen Schülern, Ewald und AvRES finden sich in : Untersuchungen aus dem physiol. Institut der Universität Heidelberg. 1 u. 2 und in Zeitschr. f. Biologie 32. Der Sehpiirpur. 373 streuten! Lichte der Intensität desselben entsprechend gebleicht. Dabei geht er durch rotb und orange in gelb über. Das rothe Licht bleicht den Sehpurpur langsam, das ultrarothe Licht bleicht ihn nicht. Eine Lösung von Sehpurpur zeigt keinen besonderen Absorptionsstreifen, sondern nur eine allgemeine Ab- sorption, welche etwas nach der rothen Seite von Z) anfängt und bis zu G sich erstreckt. Die stärkste Absorption findet sich bei E. KOETTGEN und Abelsdokf') babeu gezeigt, dass es, in Uebereinstinimung mit der An- sicht von KÜHNE, zwei Arten von Selipurpur, die eine bei Säugern, Vögeln und Aiupbibien, die andere, mehr violettrothe, bei Fischen giebt. Jene hat ihr Absorptionsmaximum im Grün, diese im Gelbgrün. Der Sehpurpur wird auch beim Erwärmen, bei 52 — 53" C. nach einigen Stunden und bei -|- '^6° f**** momentan, zerstört. Durch Alkalien, SäureUj Alkohol, Aether und Chloroform wird er ebenfalls zerstört. Dagegen widersteht er der Einwirkung von Ammoniak oder Alaunlösung. Da der Sehpurpur im Lichte leicht zerstört wird, muss er auch im Leben regenerirt werden können. Kühne hat in der That auch gefunden, dass die Retina des Froschauges, wenn sie starkem Sonnenlichte längere Zeit ausgesetzt wird, erbleicht, ihre Farbe aber allmählich wieder erhält, wenn man die Thiere im Dunkeln lässt. Diese Regeneration des Sehpurpurs ist eine Funktion der u^gg^g. lebenden Zellen in der Pigmentepithelschicht der Retina. Dies geht unter g™*j^°°p^^_ anderem daraus hervor, dass in einem abgelösten Stücke der Retina, welches vom Lichte erbleicht worden ist, der Sehpurpur wieder regenerirt werden kann, wenn man das abgelöste Retinastück vorsichtig auf die der Chorioidea anhaftende Pigraentepithelschicht legt. Mit dem dunklen Pigmente, dem Melanin oder Fusciii, in den Epithelzellen hat die Regeneration, wie es scheint, nichts zu thun. Eine theilweise Regeneration scheint übrigens nach Kühne auch in der voll- ständig lospräparirten Retina stattfinden zu können. Infolge der Eigenschaft des Sehpurpurs, auch im Leben vom Lichte gebleicht zu werden, kann man, wie Kühne gezeigt hat, (unter besonderen Verhältnissen und bei Beobachtung von besonderen Kautelen) nach einer intensiven oder mehr anhaltenden Licht- wirkuug nach dem Tode auf der Retina zurückbleibende helle Bilder von Fenster- öffnungen u. dergl., sogenannte Optograrame, erhalten. Die physiologische Bedeutung des Sehpurpurs ist unbekannt. Dass der Sehpurpur für das Sehen nicht direkt nothwendig sein kann, geht daraus her- vor, dass er bei einigen Thieren und ebenso in den Zapfen fehlt. Die Darstellung des Sehpurpurs muss stets bei ausschliesslicher Natrium- beleuchtung geschehen. Aus den freipräparirten Netzhäuten wird der Sehpurpur mit einer wässerigen Lösung von krystallisirter Galle extrahirt. Die filtrirte Lösung wird in Vacuo eingetrocknet oder der Dialyse unterworfen, bis der Seh- puri)iir sich ausscheidet. Um ganz hämoglobinfreie Lösungen von Sehpurpur zu gewinnen, soll man die Lösung des Sehpurpurs in Cholaten mit Magnesium- sulfat sättigen, den ausgefällten Farbstoff mit gesättigter Magnesiumsulfatlösung Centralbl. f. Pliysiol. 9, mich Malys Jalireslxi'. 25 S. SJl. 374 Zwölftes Kapitel. Farbstoff. der Zapfci Melanin oder Fuscin, Der Glas- körijer. auswaschen und dann in Wasser mit Hilfe des gleichzeitig, ausgefällten Cholates lösen ^). Die Farbstoflc der Zapfen. In dem inneren Segmente der Zapfen findet sieh bei Vögeln. • Keptilien und Fischen ein kleines Fettkügelchen von wechselnder Farbe. Aus diesem Fette hat Ki'HNE^I einen grünen, gelben und rothen Farbstoö' — bezw. Chlorophan, Xantophan und Rhodophan — isolirt. Das dunkle Pigment in den Epithelzellcn der Netzhaut, welches früher Melanin ge- nannt wurde, von Kühne und Mays') aber Fuscin genannt wird, ist eisenhaltig, löst sich in konzentrirten Alkalilougen oder konzentrirter Schwefelsäure beim Erwärmen, ist aber wie die Melanine im Allgemeinen (vergl. Kap. 16) wenig studirt. Das in den Pigmentzellen der Cborio'idea vorkommende Pigment sclieint mit dem Fuscin der Retina identisch zu sein. Der Glaskörper wird oft als eine Art Gallertgewebe betrachtet. Die Häute desselben bestehen nach C. Mörner*) aus leimgebender Substanz. Die Glasflüssigkeit enthält ein wenig Eiweiss und ausserdem, wie Mörner gezeigt hat, ein durch Essigsäure fällbares Mukoid, das Hyalomukoid, welches 12,27 p. c. N und 1,19 p. c. S enthält. Unter den Extraktivstoffen hat man ein wenig Harnstoff — nach Picard^) 5 p. m., nach Rählm.\kn^) 0,64 p. m. — nachgewiesen. PaüTz") hat — ausser etwas HarnstofT — Paramilchsäure und, in Uebereinstimmung mit den Angaben von Chabbas, Je.snt,u und Kuhn, Glukose im Glaskörper der Ochsen nachweisen können. Die Reaktion des Glaskörpers ist alkalisch und der Gehalt an festen StofTen beträgt etwa 1 1 p. ni. Die Menge der MineralstofTe ist etwa 9 p. m. und die der Proteiustoffe 0,7 p. m. Bezüglich des Humor aqueus vergl. S. 196. Die Krysfalllinse. Diejenige Substanz, welche die Linseukapsel darstellt, ist erst in neuerer Zeit von C. Mörner untersucht worden. Sie gehört nach ihm einer besonderen Gruppe von ProteinstofTen an. die er Blemhranine genannt hat. Die Membranine sind bei gewöhnlicher Temperatur in Wasser, Salzlös- ungen, verdünnten Säuren und Alkalien unlösliche StofTe, die wie die Mucine beim Sieden mit einer verdünnten Mineralsäure eine reduzirende Substanz geben. " Sie enthalten bleischwärzenden Schwefel. Von dem Mii.LON'schen Reagenze werden sie sehr schön roth gefärbt, geben aber mit konzentrirter Salzsäure oder dem Reagenze von Adamkiewicz keine charakteristische Färbung. Von Pepsin- chlorwasserstofl^säure oder Trj-psinlösung werden sie sehr schwer gelöst. In der Wärme werden sie von verdünnten Säuren und Alkalien gelöst. Das Membranin der Linsenkapsel enthält 14,10 p. c. N und 0,83 p. c. S und es ist weniger schwerlöslich als dasjenige der DescEMET'schen Haut. Die Hauptmasse der festen Stoffe der Kiystalllinse besteht aus Eiweiss- stoflTen, deren Natur durch die Untersuchungen von C. Mörxer^) näher ermittelt 1) Kt'HNE, Zeitsdir. I. Biologie 32. 2) KÜHNE, Die nichtbeständigen F Institut Heidelberg, 1. S. 341. 3) Ebenda 2. S. 324. ■1) Zeitsclir. f. physiol. Chem. 18. 5) Cit. nach Gamgee, Physiol. Chem. 1. S. 454. (>) Maly's Jabresber. 6. S. 210. ') Zeitsohr. f. Biologie. 31. Hier findet man auch sehr der Netzhaut. I ntiTsufh. aus dem pliysiol. vollständige Litteraturaugaben. 8) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 18. Hier findet man aucli die eiuschlägige Litteratur. Die Krystalllinse. 375 worden ist. Diese Ei\^eissstoffe sind theils in verdünnter Salzlösung unlöslich und theils darin löslich. Das nnlösliche Eiiveiss. Die Linsenfasern bestehen aus einer in Wasser und Salzlösung unlöslichen Eiweisssubstanz, die von Mörn'ER Alburao'id ge- nannt wird. Das Albumoid löst sich leicht in sehr verdünnten Säuren oder Alkalien. Die Lösung in Kalilauge von 0,1 p. c. ähnelt sehr einer Alkali- ^|^" albuminatlösuDg, gerinnt aber nach fast vollständiger Neutralisation und Zusatz von 8 p. c. NaCl bei gegen öü" C. Das Albumoid hat folgende Zusammen- setzung: C 53,12; H 6,8, N 16,62 und S 0,79 p. c. Die Linsenfasern selbst enthielten 16,61 p. c. N und 0,77 p. c. S. Die inneren Theile der Linse sind bedeutend reicher an Albumoid als die äusseren. Die ilenge des Albumoids in der ganzen Linse beträgt als Mittel etwa 48 p. c. von dem Gesammtgewichte der Eiweissstoffe der Linse. Das lösliche Eiweiss besteht, abgesehen von einer sehr geringen Menge Albumin, von zwei Globulinen, dem a- und (S-Krystallin. Diese zwei Globuline unterscheiden sich von einander durch Folgendes. Das a-Krystallin enthält 16,68 p. c. N und 0,56 p. c. S; das jS-Krj^stallin dagegen bezw. 17,04 und 1,27 p. c. Jenes gerinnt bei etwa -\- 72" C, dieses bei -(- 63* C. Ausser- dem wird das /?-Krystallin aus salzfreier Lösung weit schwieriger und unvoll- körper der ständiger von Essigsäure oder Kohlensäure gefällt. Keines der beiden Globuline wird von NaCl im üeberschuss, sei es bei Zimmertemperatur oder bei -|- 30 " C gefällt. Dagegen fällen Magnesium- oder Natriumsulfat in Substanz bei der letztgenannten Temperatur die beiden Globuline vollständig. Diese zwei Globu- line sind nicht gleichförmig in der Linsenmasse vertheilt. Die Menge des a-Krystallins nimmt nämlich in der Linse von aussen nach innen ab, die des ^-Krystallins dagegen umgekehrt von aussen nach innen zu. A. Bechamp ') unterscheidet in ilcm Wasserextrakte der Krystallliuse folgende zwei Eiweissstofle. Die Phacozymase , welche bei -f- 55" gerinnen soll, ein diastatisches Enzym enthält und die spez. Drehung (a) j =■ — 41" hat, und das Kri/slatbumin mit der spez. Drehung (a) j = — 80,3". Aus dem in Wasser unlöslichen Rückstand der Linse konnte Bechamp mit Salzsäure einen Eiweisskörper von der spez. Drehung («) j =; — 80,2", das Kriistatlfibrin, extrahiren. So weit die bisherigen Erfahrungen reichen, scheint die Linse keinen wie das Fibrinogen spontan gerinnenden Eiweisskörper zu enthalten. Diejenige Trübung, welche nach dem Tode auftritt, rührt nach Kühxe von ungleich- massigen Veränderungen in der Konzentration des Lihaltes der Linsenröhren her, welche Veränderungen durch veränderte Diffusionsverhältnisse zu Stande " Trübungen kommen. Auch im Leben kann durch rasche Wasserentziehung, indem man 'i"" Linse. z. B. Frösche in Salz- oder Zuckerlösungen setzt, eine Trübung der Linse er- zeugt werden (Kunde-). Auch die bei Diabetes auftretende Trübung hat man durch Wasserentziehung zu erklären versucht. Die Ansichten über diese Frage gehen jedoch auseinander. 1) Compt. rend. 90. 2) KÜHKE, Lehrb. d. phvsiol. Chcm. S. 405. KrxDE, Cit. nach KlHNE. 376 Zwölftes Kapitel. Als Mittelzahlen von vier Analj'sen hat Laptschinsky *) für die Linse von Rindern folgende Zusammensetzung, auf 1000 Theile berechnet, gefunden: Eiweissstoffe .... 349,3 Lecithin . . '^3 ^T.^^"^- Cholesterin . Setzung der „ Linse. Fett 2,2 2,9 5,3 2,3 Lösliche Salze . Unlösliche Salze Beim Katarakt soll der Gehalt an Eiweiss vermindert und die Menge des Cholesterins vermehrt sein. Der Gehalt der frischen, wasserhaltigen Linse von Rindern an den ver- schiedenen EiweissslofTen ist nach Mürker^) folgender: Albumoid (Liusenfasern) . 170 p. m. ;J-Ki-ystallin 110 „ „ a-Krystallin 68 , „ AUnimin 2 , , Das Koruealgewebe ist schon früher abgehandelt worden (S. 326). Die Sclerotica ist noch nicht näher untersucht und die Chorio'idea ist hauptsäch- lich nur durch ihren Gehalt an Farbstofl', Melanin (vergl. Kap. 16), von Interesse. Die Thränen bestehen aus einer wasserhellen, alkalisch reagirenden Flüssigkeit von salzigem Geschmack. Nach den Analysen von Lerch^) ent- halten sie 982 p. ni. Wasser, 18 p. m. feste Stoße mit 5 p. m. Albumin und 13 p. m. NaCl. Die Flüssigkeiten des inneren Ohres. Die Peri- und Endolymphe sind alkalische Flüssigkeiten, welche nebst Peri- und Salzen — in derselben Menge wie in den Transsudaten — Spuren von Euveiss lymphe. Und bei gewissen Thieren (Dorsch) augeblich auch Miiciii enthalten. Die Menge des Mucins soll grösser in der Peri- als in der Endolymphe sein. Die Otholitheii enthalten 745 — 795 p. m. anorganische Substanz, haupt- sächlich krystallisirtes Caiciumkarbonat. Die organische Substanz soll dem Mucin am meisten ähnlich sein. 1) Pflügbr's Arch. 13. 2) 1. C. 3) Cit. nach v. Gorup-Bes.\nez' Lehrb. d. physiol. Chcui. 4. AuH. S. 401. Dreizehn t es K a p i t e 1. Die Fortpflanzungsorgane. a) Männliche Geschlechtsabsonderungen. Die Hoden sind chemisch wenig untersucht. In den Hoden von Thieren hat man Ei Weissstoffe verschiedener Art, Serunialhumin , AlhaUalhiiminat (?) und einen der hi/aliuen Substanz Rovida's verwandten Eiweisskörper, ferner Leticin, Tyrosin, Kreatin, Xanthinlcörper, Cholesterin, Lecithin, Inosif und Fett ^'^^ Hoden. gefunden. Bezüglich des Vorkommens von Glykogen sind die Angaben etwas widersprechend. In den Hoden von Vögeln hat Dareste^) stärkeähnlicbe Körn- chen gefunden, die mit Jod, obgleich nur schwierig, blau gefärbt werden können. Der Samen ist als ejakulirte Flüssigkeit weiss oder weisslich gelb, dick- flüssig, klebrig, von milchigem Aussehen mit weisslichen , undurchsichtigen Klümpchen. Das milchige Aussehen rührt von den Samenfäden her. Der Samen ist schwerer als Wasser, eiweisshaltig, von neutraler oder schwach alkalischer Reaktion und eieenthümlichem spezifischem Geruch. Bald nach der „ " ^ _ Der Samen. Ejakulation wird der Samen gallertähnlich, als ob er geronnen wäre, wird dann aber wieder dünnflüssig. Mit Wasser verdünnt, setzt er weisse Flöckchen oder Fetzen ab (Henle's Fibrin). Nach den Analysen von Vauquelin^) soll der Samen des Menschen 900 p. m. Wasser und 100 p. m. feste Stoffe, mit 60 p. m. organische und 40 p. m. anorganische Substanz, darunter 30 p. ni. Calciumphosphat , enthalten. Unter den Eiweisskörpern kommt nach Po.sner **) Älhumose (Propepton), auch beim Fehlen der Samenfäden, vor. Der Samen in dem Vas deferens unterscheidet sich von dem ejakulirten Samen hauptsächlich dadurch, dass ihm der eigenthümliche Geruch fehlt. Dieser letztere rührt nämlich von der Beimengung des Prostatasekretes her. Das Sekret der Prostata welches nach Iversex"*) ein milchiges Aussehen und gewöhnlich 1) Compt. lend. 74. 2) Cit. nach LEHMANN, Lehrt), d. pliysiol. Chem. Leipzig 1853. 2. S. 303. 3) Beil. lilin. Wochensclir. 1888. Nr. 21, und Centralb. f. d. med. Wissensch. 1890. S. 497. i) X.inl. med Alk. 6, auch Maly's Jalirpslier. 4. S. 358. 378 Dreizehntes Kapitel. Sperma- krystalle. Spermii Bewegungs fähigkeit f'^i"»s- Wasserzusatz aus. Das Vitellin wird dann durch wiederholtes Auflösen in verdünnter Kochsalzlösung und Ausfällen mit Wasser gereinigt. Das lehthulin, welches in eleu Eiern von Kaipfeu und anderen Knochenfischen vor- kommt, ist nach KossEL und Walter') eine bei der Verdünnung mit AVasser amorph aus- fallende Modifikation des in Karpfeneiern krystallinisch vorkommenden Ichthidins. Das , . , .. lehthulin wurde früher als ein Vitellin angesehen. Nach Waltek liefert es aber bei der "^ '^ '" '"• Pepsinverdauunir ein Pseudonuklein, welches beim Sieden mit Schwefelsäure ein reduzirendes Kohlehydrat giebt. Das lehthulin hat folgende Zusammensetzung: C 53,42; H 7,63; N 15,63; O 22,19; S 0,41; P 0,43 p. c. Es enthält auch Eisen. Ausser Vitellin soll der Eidotter angeblich auch AlJccdiulhnminat und Älhiimin enthalten. Das Fett des Eidotters ist nach Liebermann ein Gemenge von einem festen und einem flüssigen Fette. Das feste Fett besteht überwiegend aus Tripalniitin mit etwas Stearin. Bei Verseifung von dem eigentlichen Eiöle erhielt Liebermann 40 p.c. Oelsäure, 38,04 p.c. Palmitin- und 15,21 p.c. Stearin- jj^^ p^^^ ^j^^ säure. Das Fett des Eidotters ist ärmer an Kohlenstoff als anderes Fett, was '^'<'"tte»'s- von einem Gehalte an Mono- und Diglyceriden oder von einem Gehalte an einer kohleustoffärnieren Fettsäure herrühren kann (Liebeh.m.\nn). Lutei'n. Gelbe oder orangerothe, amorphe Farbstoffe kommen im Eigelb und an mehreren anderen Orten im Thierorganismus , wie in Blutserum und serösen Flüssigkeiten, Fettgewebe, Milchfett, Corpora lutea und den Fett- Lutcine und kügelchen der Retina vor. Diesen Farbstoffen, welche angeblich auch im '''""' '°™'' Pflanzenreiche vorkommen sollen (Thudichum-), hat mau den Namen Liäeine oder Lipochrome gegeben. Die Luteine, w^elche unter einander ein etwas abweichendes Verhalten zeigen können, sind alle in Alkohol, Aether und Chloroform löslich. Von dem Gallenfarbstoffe, dem Bilirubin, unterscheiden sie sich dadurch, dass sie von eikcu- alkalihaltigem Wasser aus ihrer Lösung in Chloroform nicht aufgenommen Luteine. werden, dass sie ferner mit Salpetersäure, vvelche ein wenig salpetrige Säure enthält, nicht das charakteristische Farbenspiel des Gallenfarbstoffe.s, sondern eine blaue, rasch verschwindende Farbe geben, und endlich dadurch, dass sie ein Absorptionsspektrum mit gewöhnlich zwei Streifen geben, von denen der eine die Linie F einschliesst und der andere etwa in der Mitte zwischen F und G liegt. Die Luteine widerstehen der Wirkung von Alkalien , so dass sie nicht 1) Zeitschr. f. physiol. Chcm. 15. 2) Centralbl. f. d. med. Wissenseh. 1869 S. 1. iniiLTrstcn, Physiologische Chemie. Vierte Auflage 386 Dreizehntes Kapitel. verändert werden, ;Yenn man durch Verseifung das gleichzeitig anwesende Fett zu entfernen sich bemüht. Das Liitein ist nicht reiu dargestellt worden. In den Kiern einer Wasserspiune (Maja Squinado) hat Maly') zwei eisenfreie Farbstoft'e , einen rothen, Vitellorubin, und einen gelben, Vilellolutei'n., gefunden. Von Salpetersäure, welche salpetrige Säure enthält, werden beide Farbstoflc blau und von konzentiirter Schwefelsäure schön grün gefärbt. Die Absorp- tionsstreifen im Spektrum, besonders diejenigen des Vitelloluteins, stimmen gut mit denen des Ovolute'ins übereia. Di& Mineralstoffe des Eidotters bestehen nach Poleck ^j, auf 1000 Theile Asche berechnet, aus Natron 51,2—65,7, Kali 89,3—80,5, Kalk 123,1- 132,8, Bittererde 20,7—21,1, Eisenoxyd 14,5 — 11,90, Phosphorsäure 638,1—667,0 Mineral- ^*°*^ Kieselsäure 5,5 — 14,0 Theilen. Am reichlichsten kommen also Phosphor- ^'ü'tt r^** ^^^^^ '^"*^ Kalk und demnächst Kali, welches in etwas grösserer Menge als das Natron sich vorfindet, vor. Diese Zahlen sind jedoch insoferne nicht ganz richtig, als erstens im Dotter keine gelösten Phosphate vorkommen (Liebermann) und zweitens bei dem Einäschern Phosphorsäure und Schwefelsäure entstehen und das Chlor, welches in älteren Analysen auch fehlt, austreiben können. Der Dotter eines Hühnereies wiegt etwa 12 — 18 g. Der Gehalt an Wasser und festen Stoffen beträgt nach Parke*) 471,9 p. m., resp. 528,1 p. ni. Zusammen- Unter den festen Stoffen fand er 156,3 p. m. Eiweiss, 3,53 p. m. lösliche und '^''Jjot'jfj.^'"' 6,12 p. m. unlösliche Salze. Die Menge des Fettes war nach Parke 228,4 p. ni., die des Lecithins, aus der Menge phosphorhaltiger organischer Substanz in dem Alkohol-Aetherextrakte berechnet, 107,2 p. m. und die des Cholesterins 17,5 p. m. Das Eiweiss ist eine schwach gelbliche, eiweissreiche , in einem Fach- werke von dünnen Häuten eingeschlossene Flüssigkeit, welche an und für sich dünnflüssig ist und nur durch die Anwesenheit der dieselbe durchsetzenden Das Weisse _ ° des Eies, feinen Membranen zähflüssig erscheint. Diejenige Substanz, welche die Häute bildet, scheint wie die, aus welcher die ChaJazae bestehen, ein den Hornsub- stanzen verwandter Stoff zu sein (Liebermann). Das Eiweiss hat ein spezifisches Gewicht von 1,045 und reagirt steig alkalisch. Es enthält 850 — 880 p. m. Wasser, 100 — 130 p. m. Eiiveissstoffe iiieiie de.', und 7 p. m. Salze. Unter den Exstraktivstofien fand Lehmann eine gährende Zuclcerart, deren Menge 5 oder, nach Meissner, 80 p. m. des festen Rückstandes betragen soll*). Ausserdem finden sich im Eiweiss Spuren von Fett, Seifen, Lecithin und Cholesterin. Das Eiweiss der Eier von Nesthockern wird beim Sieden durchsichtig und verhält sich Tata- in vieler Hinsieht wie Alkalialbiiminat. Dieses Eiweiss liat Tarchanofk •'') ,.Talaeiweiss" eiweiss. genannt. 1) Monatshefte f. Chem. 2. 2) Cit. nach v. Goeup-Besanez, Lehrb. d. physiol. Chem. 4. Aufl. S. 740. 3) Hoppe-Seyler, Med. chem. Untersuch. Hft. 2. S. 209. ■i) Cit. uach V. Gorup-Besanez, Lehrbuch. 4. Aufl. S. 739. ■•) Pfi.öger's Arch. 31, 33 u. 39. Ovalbumin. 387 Die Eiweissstoffe des Eiweisses gehören theils der Globulin- und theils der Albumingruppe an. Ausserdem enthält das Eiweiss eine Mukoidsubstanz. Das Eiglobidin ist nach Dillner ') dem Serumglobulin nahe verwandt. Beim Verdünnen des Eiweisses mit Wasser scheidet es sich zum Theil aus. Es wird auch von Magnesiumsulfat gefällt. Die Menge des Globulins im Eiweiss Eigiobuim. beträgt im Mittel 6,67 p. m. oder etwa 67 p. m. des Gesammteiweisses. Nach CoRiN und Bekard ") finden sich im Eiweiss zwei Globuline, von denen das eine bei -j- 57,5" C, das andere bei -(- 67" C. gerinnt. Ovalbumin oder Alhumin des Eiweisses. Das Ovalbumin wurde zuerst von Hofmeister in krystallinischer Form erhalten, indem er nämlich eine Lösung desselben in halbgesättigter Ammoniumsulfatlösung sehr langsam ver- dunsten liess. Das krystallisirte Eialbumin ist dann später von Gabriel, BoNDZYNSKi und ZojA weiter studirt worden, und den letztgenannten zwei Forschern gelang es durch fraktionirte Krystallisatiou den Nachweis zu führen, dass das Ovalbumin wahrscheinlich ein Gemenge von mehreren Albuminen von etwa derselben elementaren Zusammensetzung aber etwas abweichender Gerinnungs- temperatur, Löslichkeit und spezifischer Drehung ist. In der Hauptsache stehen also diese Resultate im Einklänge mit den Angaben von vielen anderen Forschern, wie von Gautier, Bechamp, Corix und Berard^) über das Vor- kommen mehrerer Albumine, während dagegen bezüglich der Detailangaben leider keine gute Uebereinstimmung besteht. Nach Gautier und Bechaimp ist „,.^,|ju^j„ nämlich das Ovalbumin ein Gemenge von zwei Albuminen mit den Gerinnungs- temperaturen 6ü — 63", bezw. 71 — 74 '\ während es nach Corl\ und Berard ein Gemenge von drei Albuminen mit den Koagulationstemperaturen resp. 67, 72 und 82 "C. sein soll. Nach Bondztxski und Zoja hatte die schwerlöslichste Fraktion die Gerinnungstemperatur 64,5", während die leichtlöslichste dagegen schon bei 55,5 — 56" C. gerann. Die elementare Zusammensetzung des Ovalbumins ist ebenfalls noch nicht sicher festgestellt worden. Boxdzyxski und Zoja fanden für verschiedene Fraktionen C 52,07 — 52,44, H 6,95—7,26; N 15,11 bis 15,58 und S 1,61 — 1,70 p. c, welche Zahlen mit der vom Verfasser gefundenen Zusammensetzung C 52,25, H 6,90; N 15,26, S 1,67—1,93 p. c. gute Ueber- einstimmung zeigt. Hofmeister dagegen hat nie das Vorkommen mehrerer krystalliäirender Albumine von ungleicher Löslichkeit beobachtet, und er ist der Ansicht, dass das krystallisirte Eiweiss von Bondzy.\ski und Zoja nicht ganz rein gewesen sei. Dementsprechend hat er auch für das krystallisirte Ovalbumin einen niedrigeren Schwefelgehalt, im Mittel 1,18 p. c, gefunden. Das von Hofmeister*) analysirte krystallisirende Ovalbumin, welches die Zu- 1) Upsala Läkarefa Föih. 20, auch Maly's Jahresber. 15. '') Travaux du laborat. de l'univ. de Liege. 2 und Malv's Jahresber. 18. 3) Hofmeister, Zeitschr. f. physiol. Chem. 14, 16 und 24; Gabkiel, ebenda 15: BoNDZYNSKi und Zoja, ebenda 19; Gautier, Bull. soe. chini. 14; Bech.a.mp , ebenda 21; CORIK und Bekard 1. c. i) Hofmeistek, Zeitschr. f. physiol. Cheni. 24. S. 166. 25* Dreizehntes Kapitel. sanimeiisetzung C 53,28, H 7,26; N 15,0 S 1,18 und O 23,28 p. c. hatte, scheint übrigens ein Glykoproteid zu sein, indem es eine durch Säuren leicht abspallbare Kohlehydratgruppe enthält. Nach der Berechnung von Hofmeister wurde der Gehalt an Kohlehydrat 15 p. c. betragen. Panormow') hat ein krystallisirendes Ovalbumin dargestellt, das nach fünfmaligem Umkrystalli- siren die sp. Drehung a(D)= — 23,6" zeigte. Andere Forscher sind zu anderen Ovalbumin. Werthen gelangt. Bondzynski und Zoja fanden für verschiedene Fraktionen 25,8"— 2620; 29,16", 34,18" und 42,54". Das Ovalbumin hat übrigens die Eigenschaften der Albumine im Allgemeinen, unterscheidet sich aber von dem Serumalbumiu durch Folgendes: Die spez. Drehung ist niedriger. Es wird von Alkohol bald unlöslich. Von einer genügenden Menge Salzsäure wird es gefallt, löst sich aber in einem Ueberschuss der Säure ungemein schwieriger als das Serumalbuniin. Ovalbumin in Lösung, in die Blutbahn eingeführt, geht in den Harn über, was mit dem Serumalbumin nicht der Fall ist. Das Ovalbumin oder, wohl richtiger, das Gemenge von Albuminen erhält man nach Starke-) durch Ausfällung des Globulins mit MgSO^ bei -\- 20" C und Sättigung des Filtrates mit Na^SO^ bei derselben Temperatur. Das hier- bei sich ausscheidende Eiweiss wird abfiltrirt, ausgepresst, in Wasser gelöst und durch Dialyse von den Salzen befreit. Die dialysirte Lösung wird dann im Vakuum oder bei -)- 40 — 50" C. eingetrocknet. Fällt man mit Alkohol, so wird das Albumin bald unlöslich. Zur Darstellung von krystallisirtem Eialbumiu mischt man nach Hüfsieister das geschlagene, von dem Schaum getrennte Eiereiweiss mit dem gleichen Volumen gesättigter Amnioniumsulfatlösung, filtrirt von dem Globulin ab und lässt das Filtrat in nicht zu dünner Schicht bei Zimmertemperatur langsam verdunsten. Daistciiuug. Die nach einiger Zeit ausgeschiedene Masse löst man in Wasser, setzt Ammonium- sulfatlösung zur beginnenden Trübung hinzu und lässt stehen. Nach wieder- holtem Unikrystallisiren behandelt man entweder die Masse mit Alkohol, wobei die Krystalle unlöslich werden, oder man löst in Wasser und reinigt durch Dialyse. Aus dieser Lösung krystallisirt indessen das Eiweiss beim spontanen Verdunsten nicht wieder. (Vergl. ferner S. 133 Verfahren von Hopkins und Pinkus.) Ovomukoid. Diese, zuerst von Neumeister beobachtete, von ihm als ein Pseudopeptou aufgefasste und dann ferner von Salkowski studirte Substanz ist nach C. Th. Mörner^) ein Mukoid, welches 12,65 p. c. Stickstoff und iivoniukoid. 2,20 p. c. Schwefel enthält. Beim Sieden mit verdünnten Mineralsäuren giebt das Ovomukoid eine reduzirende Substanz. Das Ovomukoid findet sich in reichlicher Menge im Hühnereiweiss, indem es nämlich rund etwa 10 p. c. von den festen Stoffen desselben beträgt. Eine Lösung von Ovomukoid wird weder von Mineralsäuren noch von organischen Säuren mit Ausnahme von Phosphorwolframsäure und Gerbsäure, gefällt. Von Metallsalzen wird sie ebenfalls nicht gefällt, doch giebt Blei- 1) Vergl. JIaly's Jahresber. 26. S. 15. 2) Vergl. Maly's .lahresber. 11. S. 17. 3) R. Xeumeistek, Zeitschr. f. Biologie 27. S. 369. Salkowski, Centriübl. f. d. med. Wiss. 1893. S. .^13 u. 706; C. JIÖRNER, Zeitselir. f. pbysio], Chem. 18. Eiweiss und Eierschalen. essig bei Ainmoniakzusatz einen Niederschlag. Von Alkohol wird die Lösung geföllt. Chloruatriuni, Natriurasulfat und Magnesiumsulfat geben weder bei Zimmertemperatur noch bei -\- 30" C. , bis zur Sättigung eingetragen, Nieder" schlage. Von dem gleichen Volumen gesättigter Ammoniumsulfatlösung wird die Lösung nicht gefällt, wohl aber durch Eintragen von mehr Salz. Durch ^'s?"" Sieden wird die Substanz nicht gefällt, umgekehrt wird aber die nach dem Ein- trocknen in kaltem Wasser unlöslich gewordene Substanz in siedendem Wasser gelöst. Aus dem Ovomuko'ul hat C. Zaxetti ^) durch Spaltung mit konzen- trirter Salzsäure Glukosamin erhalten. Seemann hat ebenfalls neulich aus dem Ovomukoid (und, wie es scheint, auch aus dem Ovalbumin) Glukosamin dar- stellen können. Zur Darstellung des Ovomukoids kann man säramtliches Eiweiss durch Sieden unter Essigsäurezusatz entfernen und das massig konzentrirte Filtrat mit Darstellung. Alkohol fällen. Durch wiederholtes Lösen in Wasser und Fällen mit Alkohol wird die Substanz gereinigt. Die Mineral Stoffe des Ei weisses sind von Poleck und Webek-) analysirt worden. Sie fanden in lüOO g Asche: 276,6— 284,.5 g Kali, 235,6 — 329,.3 Natron, 17,4—29 Kalk, 16—31,7 Bittererde, 4,4—5,5 Eisenoxyd, 238,4— jii,,^^^,, 285,6 Chlor, 31,6—48,3 Phosphorsäure (P,0=), 13,2—26,3 Schwefelsäure, .'5!^'"'« ""' 2,8 — 20,4 Kieselsäure und 96,7 — 116 g Kohlensäure. Auch Spuren von Fluor hat man gefunden (Nigkle.s^). Die Asche des Eiweisses hat also, der- jenigen des Eidotters gegenüber, einen grösseren Gehalt an Chlor und Alkalien, aber einen geringeren Gehalt an Kalk, Phosphorsäure und Eisen. Die Schaleiihaut und die Eiersehalen. Die Schalenhaut best«ht, wie oben (S. 50) gesagt worden, aus einer Keratinsubstanz. Die Schalen bestehen ««iiaienii»"* nur zum kleinen Theil, 36 — 65 p. m., aus organischer Substanz. Die Haupt- Schalen, niasse, mehr als 900 p. m., besteht aus Calciumkarbonat nebst sehr kleinen Mengen Magnesiumkarbonat und Erdphosphaten. Die verseliiedene Färbung verschiedener Vogeleierschalen rührt von mehreren ver- v. .. i ... schiedenen Farbstoffen her. Unter diesen findet sich einer von rother oder rothbrauner Farbe, der Eier- von SORBy^) „Oorodein" genannt, welcher vielleicht mit dem Hämatoporphyrin identisch ist. schalen. Der grüne oder blaue Farbstoft', da.s Oocyan SoRBV's, scheint nach C. Lieberm.vnn^) und Kkukenberb '') theils Biliverdin und theils ein blaues Qallcnfarhatoffderivat zu .sein. Die Vogeleier enthalten an ihrem stumpfen Pole einen mit Gas gefüllten Raum, dessen Sauerstoffgehalt nach Hüfxer ') 18,0 — 19,9 p.c. beträgt. Das Gewicht eines Hühnereies schwankt zwischen 40 — 60 g und kann sogar bisweilen 70 g betragen. Die Schale und die Schalenhaut zusammen 1) Vergl. Chora. Centrallil. 1898. 1. S. 624; SEE>rANN, Archiv f. Verrlauunj,'sl;rank- heiten von Boas. 4. 1898. 2) Cit. nach Hoppe-Seyler, Physiol. Cheni. S. 778. 3) Compt. rend. 43. *) Cit. nach Kbukenberg, Verh. d. phys.-iuod. (iescUsch. in Würzlmrg. 17. 5) Bcr. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 11. 6) I. C. ') Df Bois-Eeymokd's Arch. 1892. 390 Dreizehntes Kapitel. haben iu sorgfaltig gereinigtem, aber noch feuchtem Zustande ein Gewicht von 5 — 8 g. Das Eigelb wiegt 12 — 18 und das Eiweiss 23 — 34 g, d. h. etwa doppelt so viel. Das Eiweiss der Eier von Knorpel- iiucl Knochenfischen enthält angeblich nur Spuren von wahrem Eiweiss, und die Hülle des Froselicies soll nach Giacosa ') aus Mucin bestehen. Die krystallinischen Gebilde ( DoUerplättchen) , welche man in den Eiern von Schildkröten, Fröschen, Rochen, Haien und anderen Fischen Ijeobachtet hat und welche von Valen'CIENNES ,,. , . und Feemy-) unter den Namen Emydin, Ichthin, Ichlhidin und Ichthulin beschrieben wurden, Thiere. scheinen nach dem obeu von dem Ichthulin Gesagten hauptsächlicli aus Phosphoglykoproteiden zu bestehen. Die Eier des Flusskrebses uud des Hummers sollen denselben Farbstofl' wie die Schalen dieser Thiere enthalten. Dieser Farbstoff, das Cyanokrystallin , wird beim Sieden in AVasser rotli. In fossilen Eiern (von Aptenody tes, Pelecanus uud Ilaliaeus) in alten Guano- lagern hat man eine gelbweisse, seideglänzende, blättrige, in Wasser leicht lösliche, iu Alkohol und Aether unlösliche Verbindung, das GuanovulU, (NHJjSOi + 2K.,SOj + SKHSOj + 4H2O, gefunden. Diejenigen Eier, welche ausserhalb des mütterlichen Organismus sich ent- wickeln, müssen alle Elemente des jungen Thieres enthalten. Man findet in der That auch im Dotter und Eiweiss in reichlicher Menge Eiweisskörper ver- schiedener Art und besonders reichlich im Dotter phosphorhaltiges Eiweiss. Man findet ferner im Dotter auch das Lecithin, welches in den sich entwickelnden Zellen regelmässig vorzukommen scheint. Das Vorkommen von Glykogen ist dagegen zweifelhaft, und die Kohlehydrate sind also, wie es scheint, nur durch -^'^"'',^' f""^ die sehr kleine Zuckermenge des Eies und die Glykoproteide repräsentirt. Wickelung Dagegen ist das Ei sehr reich an Fett, welches zweifelsohne für den Embryo des Lui- o e ' j bryos. You grosser Bedeutung als Nahrungs- und Respirationsmittel sein dürfte. Das Cholesterin und das Lutein dürften wohl dagegen kaum eine direkte Bedeut- ung für die Entwickelung des Embryos haben. Auch hinsichtlich der Mineral- stofie scheint das Ei die Bedingungen für die Entwickelung des jungen Thieres zu enthalten. Der Mangel an Phosphorsäure wird durch den reichlichen Gehalt an phosphorhaltiger, organischer Substanz ersetzt, und das eisenhaltige Nukleoal- bumin, aus welchem das Hämatogen (vergl. S. 384) entsteht, ist zweifelsohne, wie Bunge annimmt, von grosser Bedeutung für die Entstehung des eisenhaltigen Hämoglobins. Auch die für die Entwickelung der Federn nöthige Kieselsäure findet sich in dem Ei. Während der Bebrütung verliert das Ei an Gewicht, hauptsächlich durch Verlust an Wasser. Auch die Menge der festen Stoffe, besonders des Fettes und des Eweisses, nimmt ab, und das Ei giebt nicht nur Kohlensäure, sondern auch, wie LiEBERMAN.\') gezeigt hat, Stickstoff^ oder eine stickstoffhaltige Substanz ab. Dieser Verlust wird jedoch durch Aufnahme von Sauerstoff' kompensirt, Veränder- Und CS findet also während der Bebrütung ein respiratorischer Gasaustausch Eiel'^wäh- statt. Während also die Menge der Trockensubstanz in dem Ei während der Hebrütung. Bsbrütung stets abnimmt, nimmt dagegen im Embryo der Gehalt an Mineral- 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 7. -) Cit. nach Hoppe-Seyler, Physiol. Chem. S. 77. 3) Pflügee's Arch. 43. Bebrütung des Eies. Amniosflüssigkeit. 391 Stoffen, Eiweiss und Fett stetig zu. Die Zunahme fler Fettmenge im Embryo rührt nach Liebermaxn wenigstens zum grossen Theil von einer Aufnahme von Nahrungsdotter in die Bauchhöhle her. Das Gewicht der Schalen wie der Gehalt derselben an Kalksalzen kann während der Bebrütung unverändert bleiben. Dotter und Eiweiss zusammen enthalten auch eine für die Entwiekel- luug genügende Menge Kalk. Die ausführlichsten und sorgfältigsten chemischen Untersuchungen über die Entwickelung des Hühnerembryos sind von Lieberjuxx ausgeführt worden. Aus seinen Untersuchungen mag Folgendes hier angeführt werden. In der ersten Zeit der E)ntwickelung entstehen sehr wasserreiche Gewebe; mit fortschreitender Entwickelung nimmt aber der Wassergehalt ab. Die absolute Menge der wasser- löslichen Stoffe nimmt mit der Entwickelung zu, während ihre relative Menge den übrigen festen Stoffen gegenüber, unaufhörlich abnimmt. Die Menge der in Alkohol löslichen Stoffe nimmt rasch zu. Eine besonders bedeutende Ver- mehrung erfährt das Fett, dessen Menge noch am vierzehnten Tage nicht sehr („„g des gross ist, dann aber sehr bedeutend wird. Die Menge der in Wasser löslichen embiyos- Eiweissstoffe und Albuminoide wächst stetig und regelmässig in der Weise, dass ihre absolute Menge zunimmt, während ihre relative Menge fast unverändert bleibt. Beim Hühnerembryo fand Liebermann kein Glutin. Bis zum zehnten Tage enthält der Embryo überhaupt keine leiingebende Substanz , vom vier- zehnten Tage ab enthält er aber einen Stoff, welcher beim Sieden mit Wasser eine cbondrinähnliche Substanz giebt. Ein mucinähnlicher Stoff kommt bei etwa sechs Tage alten Embryonen vor, verschwindet dann aber. Der Hämo. globingehalt zeigt im Verhältniss zu dem Körpergewichte ein stetiges Ansteigen. Während das Verhältniss Hämoglobin : Körpergewicht am elften Tage = 1:728 war, fand Lieber.maxn am 21. Tage ein Verhältniss = 1 : 421. Das Gewebe der Placenta ist nooli nicht (Gegenstand einer eingehendeien elieuiisehcn Untersuchung gewesen. In den Rändern der Placenta der Hündin und der Katze hat man theils einen krystallisirenden, orangefarliigeu FarbstoÖ' (Bilirubin?) und thcils einen grünen, Farbstoffe amorphen Farbstoff, das Hämatochlorin Meckel's, welches von Etti ') als Biliverdin be- der trachtet worden ist, gefunden. Preyer-) bezweifelt die Identität dieses Farbstoffes mit dem Hasenta. Biliverdin. Aus den Placen tarkotyledonen bei Wiederkäuern kann bekanntlich durch Druck eine weisse oder schwach rosafarbige, rahmähnliche Flüssigkeit, die Uterinmilch, ausgejjresst werden. Sie reagirt alkalisch, wird aber leicht sauer. Das spez. Gewicht ist 1,033 — 1,040. Uterin- Als Formelemente enthält sie Fettkügclchen , kleine Körnchen und Epithelzellen. In der milch. Uterinmilch hat man 81,2 — 120,9 p. m. feste Stoffe, 61,2 — 105,6 p. m. Eiweiss, gegen 10 p. m. Fett und 3,7—8,2 p. m. Asche gefunden. Die in den sogen. Traubenmolen (Mola racemosa) vorkommende Flüssigkeit hat ein niedriges spez. Gewicht, 1,009—1,012. Der Gehalt an festen Stoffen ist 19,4—26,3 p. ni. Ti-.iuben- mit 9 — 10 p. m. Proteinstoffen und 6 — 7 p. m. Asche. Die Amuiosflüssigkeit ist beim Menschen dünnflüssig, weisslich oder blassgelb; bisweilen ist sie etwas mehr gelbbraun, trübe. Sie setzt weisse Flöck- Amnios- chen ab. Die Formbestandtheile sind SchleimJiörperchen, EpitheheUen, Fett- flussigkeit. 1) Maly's Jahresber. 2. S. 287. 2) Die Blutkrystalle. Jena 1871. S. 189. 392 Dreizehntes Kapitel. tröpfclien und Lamif/oJiaare. Der Geruch ist fade, die Reaktion neutral oder schwach alkalisch. Das spez. Gewicht ist 1,002 — 1,028. Die Amniosflüssigkeit enthält die gewöhnlichen Traussudatbestandtheile. Ihr Gehalt an festen Stoffen beträgt bei der Geburt kaum 20 p. m. In den früheren Perioden der Schwangerschaft soll die Flüssigkeit reicher an festen Stoffen, besonders Eiweiss, sein. Unter den Eiweisskörpern hat Weyl ^) eine, dem ViteUin ähnliche Substanz und mit grosser Wahrscheinlichkeit auch Serum- albumin nebst wenig Mucin gefunden. Zucker ist regelmässig in der Amnios- cheiuische flüssigkeit von Kühen, nicht aber in der von Menschen gefunden worden. theiie der Dagegen enthält die menschliche Amniosflüssigkeit etwas Harnstoif und AUantdin. Ammos- ° = o .1' nüssijrkeit Dje Menge dieser Stoffe kann bei Hydraninion vermehrt sein (Prochownick*), Harnack^), was auf einer vermehrten Nieren- resp. Hautsekretion des Fötus beruht. Kreatin und milchsaure Salze sollen zweifelhafte Bestandtheile der Amniosflüssigkeit sein. Die Menge des Harnstoffes in der Amniosflüssigkeit war in Prochowxick's Analysen 0,16 p. m. In der Flüssigkeit bei Hydramnion fanden PROC:nOA\TCicK und Harxack bezw. 0,34 und 0,48 p. m. Harnstoff. Die Hauptmasse der festen Stoffe besteht aus Salzen. Die Menge der Chloride (NaCl) beträgt 5,7 — 6,6 p. m. 1) Du Bots-REYMOND's und Reichert's Arch. 1876. 2) Arch. f. Gynäk. 11. auch SIaly's Jahresber. 7. S. 155. 3) Herlin. kliii. '.Vochenschr. ISSS. Vier zehntes Kapitel. Die Milch. Die chemischeu Bestandtheile der Milchdrüsen sind wenig studirt. Die Eiweiss- Zellen sind reich an Eiweiss und Nukleoproteiden. Unter den letzteren giebt jiäJhdrüse. es eines, welches beim Sieden mit verdünnter Mineralsäure eine reduzirende Substanz von nicht näher erforschter Natur liefert, die aber Pentosereaktionen giebt. In welcher Beziehung dieses Nukleoproteid zu dem Zucker der Milch oder der Muttersubstanz desselben steht, hat noch nicht ermittelt werden können. Nach Bert ^) soll die absondernde Drüse einen Stoff enthalten, welcher beim Sieden mit verdünnter Mineralsäure eine reduzirende Substanz liefert. Eine solche Substanz, welche eine Vorstufe bei der Entstehung des Milchzuckers darstellen soll, ist auch von Thierfelder -) beobachtet worden. Fett scheint wenigstens in der absondernden Drüse ein nie fehlender Bestand theil der Zellen ^fandtttUe zu sein und dieses Fett kann als grössere oder kleinere Kügelchen von dem ''^Jr^se';''' Aussehen der Milchkügelchen in dem Protoplasma beobachtet werden. Die Extraktivstoffe der Milchdrüse sind wenig erforscht, es kommen unter ihnen aber nicht unbedeutende Mengen von Xanthinkörpern vor. Da die Milch des Menschen und der Thiere im Wesentlichen von der- selben Beschaffenheit ist, scheint es am besten zu sein, zuerst die am gründ- lichsten untersuchte Milch, die Kuhmilch, und dann erst die wesentlichsten Eigen- schaften der übrigen, wichtigeren ]\Iilchsorteu zu besprechen. Die Kuhmilch. Die Kuhmilch stellt wie alle Milch eine Emulsion dar, welche sehr fein vertheiltes Fett in einer hauptsächlich Eiweissstoffe, Milchzucker und Salze ent- haltenden Flüssigkeit suspendirt enthält. Die Milch ist undurch.sichtig, weiss, weisslich gelb oder in dünneren Schichten etwas bläulich weiss, von schwachem, 1) Compt. read. 98. 2) PfliJGEK's Arch. 32 ucd Mai.y"s .Tiihresber. 13. S. 156. 394 Vierzehntes Kapitel. Reaktion der Kuhmüeli. fadem Geruch und mildem, schwach süsslichem Geschmack. Das spez. Gewicht hei + 15" C. ist 1,028 bis 1,0345. Die Reaktion der ganz frischen Milch ist regelmässig amphoter. Die Stärke des sauren, resp. des alkalischen Antheiles dieser amphoteren Reaktion ist von verschiedenen Forschern, wie THÖRXEn, Sebelien und Coiraxt^) bestimmt worden. Die Zahlen fallen bei Anwendung verschiedener Indikatoren etwas verschieden aus und ausserdem sind sie für die Milch verschiedener Thiere wie auch zu verschiedenen Zeiten während der Laktationsperiode etwas schwankend. Auch die erste und letzte Portion derselben Melkung haben eine etwas verschiedene N Reaktion. Courant hat den alkalischeu Antheil mit — Schwefelsäure unter 10 Anwendung von blauem Lackmoid und den sauren mit Natronlauge unter o 10 ^ Anwendung von Phenolphthalein als Indikator bestimmt. Er fand, als Mittel für die erste und letzte Portion der Melkuug bei 20 Kühen, dass 100 ccm Milch N für blaues Lackmoid ebenso alkalisch wie 41 ccm — Lause und für Phenol- 10 phtalein ebenso sauer wie 19,5 ccm ^~ Schwefelsäure reagiren. An der Luft verändert sich die Milch nach und nach und ihre Reaktion wird mehr sauer, indem nämlich durch die Einwirkung von Mikroorganismen der Milchzucker allmählich in Milchsäure übergeführt wird. Ganz frische, amphoter reagirende Milch gerinnt beim Sieden nicht, sondern liefert höchstens eine aus geronnenem Kasein und Kalksalzen bestehende Haut, welche nach dem Entfernen rasch sich erneuert. Selbst nach dem Durchleiten eines Kohlen säurestrouies durch die frische Milch gerinnt diese beim Sieden nicht. In dem Masse, wie die spontane Säurebildung vorschreitet, ändert sich indessen Verhalten dieses Verhalten und es kommt bald zu einem ersten Stadium, in welchem die heim Sieden. Milch nach vorausgegangener Kohlensäurebehandlung beim Sieden gerinnt. In einem zweiten Stadium gerinnt sie beim Sieden allein, dann gerinnt sie durch Kohlensäure allein ohne Sieden und endlich, wenn eine genügende Menge Säure sich gebildet hat, gerinnt sie bei Zimmert«mperatur spontan zu einer festen Masse. Es kann dabei, besonders in der Wärme, das Kaseingerinnsel sich zusammen- ziehen und eine gelbliche oder gelblich-grüne, saure Flüssigkeit (saure Molken) sich ausscheiden. Die Jlik'li kann verschiedenen Gährnngen unterliegen. In erster Linie stellt die Milch- siinregährung, die durch den IIÜppE'eehen MUehääurebacilhis und auch andere Arten zu Stande kommt. Bei der spontanen Säuening der Milch nimmt man allgemein eine Milcli- säurebildung als das Wesentlichste an. Hierbei kann aber nach Salkowski und Blumen- THAL -) auch eine Bildung von Bemsteinsäure stattfinden . und bei gewissen bakteritischen Saure Zersetzungen der Milch soll sogar Bernsteinsäure und keine Milchsäure gebildet werden. Das Gährung. Material, aus dem diese zwei Säuren entstehen , ist der Milelizueker und die Milchphosphor- 1) Thörner, Maly's Jahre.-iber. 22 : Sebei.ien, ebenda; t'ovRANT, Pflüger's Arch. 50. ■i) Vir.CHOw's Arch. 137 u 146. Milch UD<1 Milcbkügelchen. 395 Heisch^^;^ul•e. Ausser Milchsäure und Bernsteinsäure können bei der bakteritischen Zersetzung der Milcli auch flüchtige Säuren wie Essigsäure, Butt«rsäure u. a. entstehen. Die Milch unterliegt bisweilen einer besonderen, eigenthümlichen Art von Gerinnung, indem sie in eine dicke, zähe, schleimige Masse (dieke Milch) umgewandelt wird. Diese Um- wandlung rührt von einer eigenthümlichen Umsetzung des Milchzuckers her, bei welcher dieser eine schleimige Umwandlung erfährt. Diese Umwandlung soll durch besondere organisirte Fermente bewirkt werden '). Wird die Milch durch Erhitzen sterilisirt und der Zutritt von Mikro- organismen dann verhindert, so kann die saure Gährung gänzlich ausbleiben. Ebenso kann das Sauerwerden wenigstens einige Zeit von mehreren Antisepticis, wie Salicylsäure (1 : 5000), Thymol, Borsäure und anderen Stoffen verhindert werden. Wird frisch gemolkene, araphoter reagirende Milch mit Lab versetzt, so gerinnt sie, besonders bei Körpertemperatur, rasch zu einer festen Masse (Käse), aus welcher allmählich eine gelbliche Flüssigkeit (süsse Molken) ausgepresst wird. "^^^JJ^f Diese Gerinnung der Milch geschieht ohne Aenderung der Reaktion und hat ''"'■'■'' ''^''• folglich mit der Säuregerinnung nichts zu thun. In der Kuhmilch findet man zwar als Formbestandtheile spärliche Colos- trum körperchen (vergl. das Colostrum) und einzelne blasse, kernhaltige Zellen. Die Zahl dieser Formbestandtheile ist indessen verschwindend klein gegenüber der ungeheuren Menge des wesentlichsten Formbestandtheiles, der Milcbkügelchen. Die Milehkiigek'heii. Diese bestehen aus äusserst kleinen Fetttröpfchen, deren Anzahl nach Woll^) 1,06 — 5,75 Millionen in 1 cmm betragen soll, und deren Diameter nach ihm 0,0024 — 0,0046 mm und als Mittel für Thiere ver- pj^ Miich- schiedener Rassen 0,0037 mm beträgt. Dass die Milcbkügelchen Fett enthalten, '^"^«i'^iitn- ist unzweifelhaft, und man betrachtet es als feststehend, dass sämmtliches Milch- fett in ihnen sich vorfindet. Eine andere, streitige Frage ist dagegen die, ob die Milcbkügelchen aus.schliesslich aus Fett bestehen oder daneben auch Eiweiss enthalten. Nach einer Beobachtung A^;cHEf;^^ü.\"'s ^) sollen Felttröpfchen in einer al- kalischen Eiweisslösung mit einer feinen Eiweisshülle, einer sogen. Haptogen- memhran, sich überziehen. Da nun die Milch beim Schütteln mit Aether nicht oder, bei einem grossen Ueberschuss von Aether, nur sehr langsam ihr Fett an den Aether abgiebt, während dies nach vorherigem Zusatz von Säuren oder Alkalien, welche das Eiweiss lösen, leicht geschieht, war man früher der An- Haben die sieht, dass die Fettkügelchen der Milch von einer Eiweisshülle umschlossen sein ■*Jhen''eine' sollten. Da aber das Fett unter Umständen, bei welchen kein eiweisslösendes mhcT Mittel zugesetzt worden ist, wie z. B. wenn die Milch nach Zusatz von sehr wenig Essigsäure mit Kohlensäure gefällt oder wenn sie durch Labzusatz koagulirt wird, sehr leicht aus der Milch mit Aether extrahirt werden kann, hat mau 1) Vergl. Schmidt-Mülheim, Pfligek's Arch. 27 und G. Leichmans, Maly's Jahresber. 34. S. 244. 2) F. W. WOLL, On the Conditions influencing the number and size of fat globales in cows milk. Wisconsin experiment Station, agric. science. 6. 1892. ■•!) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1840. 396 Vierzehntes Kapitel. später die Annahme von einer besonderen Eiweissmembran der Fettkügelcben in der Milch fast allgemein fallen lassen. Im Anschlüsse an die Beobachtungen Quincke's *) über das Verhalten der Fettkügelcben in einer mit Gummi bereiteten Emulsion, nimmt man heutzutage allgemein an, dass in der Milch jedes Fett- kügelcben durch Molekularattraktion von einer Schicht Kasei'nlösung umgeben sei, welche das Zusamraenfliessen der Kügelchen verhindere. Alles, was die phy- sikalische Beschaffenheit des Kaseins in der Milch verändert oder die Aus- fällung desselben bewirkt, muss folglich die Lösung des Fettes durch den Aether ermöglichen, und in dieser Weise soll ein Zusatz von Alkalien, Säuren und Lab wirken. Diesen Anschauungen gegenüber hat indessen V. Storch gezeigt, dass die Milchkügelchen mit einer Membran von einer besonderen, schleimigen Sub- stanz umgeben sind. Diese Substanz ist sehr schwerlöslich, enthält 14,2 bis 14,79 p. c. Stickstoif und giebt beim Sieden mit Salzsäure Zucker oder jeden- dermici"- f^'^^ einen reduzirenden Stoff. Sie ist also weder Kasein noch Laktalbumin, kugeiciien. ^yogegen sie allem Anscheine nach mit der von Radenhausen' und Danilewsky nachgewiesenen sogen. „Stromsubstanz" identisch ist. Dass diese Substanz wie eine Membran die Fettkügelcben umhüllt, konnte Storch durch Färbung der- selben mit gewissen Farbstoffen zeigen -). Das Milchfett hat ein ziemlich schwankendes spez. Gewicht, welches nach Bohr 3) bei-j- lö" C. 0,949—0,996 beträgt. Das Milchfett, wie es unter dem Namen Butter erhalten wird, besteht zum grössten Theil aus den Neulralfetten Palniitin, Olein und Stearin. Daneben enthält es auch als Triglyceride Das Milch- Myristinsüiire. kleine Mengen von Bidtersüure und Kapronsäure nebst Spuren fett- von Krqm/I- und Kaprinsäurc, Lanrinsmtre und Ar achin scmre. Butter, welche der Einwirkung des Sonnenlichtes ausgesetzt worden ist, soll auch Ameisensäure enthalten (Duclaux). Das Milcbfett enthält auch ein wenig Lecithin und Chole- sterin nebst einem gelben Farhstoffe. Die Menge der flüchtigen Fettsäuren in der Butter beträgt nach Duclaux*) im Mittel gegen 70 p. m., darunter 37 bis 51 p. m. Buttersäure und 20 — 33 p. m. Kapronsäure. Das nicht flüchtige Fett besteht zu •''/lo bis */io aus Olei'n und im L^ebrigen aus einem Gemenge von Palniitin und Stearin^). Das Milchplasma oder diejenige Flüssigkeit, in welcher die Milchkügel- Bestaiui- cheu suspendirt sind, enthält mehrere verschiedene Eiweisskörper, Knse'/i), Lakto- Miich- qlohuUn, LaläaJhunnn und ein wenig Onnlisin (vergl, die Frauenmilch), und (lüssiakeit zwei Kohlehydrate, von denen jedoch nur das eine, der Milrhsucl;er, von grösserer 1) PFläGEK'-s Arfh. 1!). -) V. Storch, vcrgl. Maly's Jabresber. 27. Eadenhausen und Danilewsky, Forsch- ungen auf dem Gebiete der Viehhaltung. Bremen 1880. Hft. 9. 3) Malv's Jahresber, 10. S. 182. 4) Compt. rend. 104. 5) Aljwdehcndo Angaben über die Zusammensetzung des Milchfettes findet man bei KOEFOED, Bull, de r.\cad. Roy. Danoise 1891 und Wakklyn, Maly's Jahresber. 21. S. 143. Kasein. Ö97 Bedeutung ist. Das Milchplasma enthält ferner Extraktivstoffe, Spuren von Harnstoff, Kreatin, Kreatinin, Hypoxanthin (?), Lecithin, Cholesterin, Cit- ronensäure {Soxhlet und Henkel i) und endlich auch Mineralstoffe und Gase. Kasein. Diese Proteinsubstanz, welche bisher mit Sicherheit nur in der Milch nachgewiesen ist, gehört der Nukleoalbumingruppe an und unterscheidet sich von den Albumiuateu vor allem durch ihren Phosphorgehalt uud durch ihr Verhalten zu dem Labenzvme. Das Kasein der Kuhmilch hat folgende setzung des •^ ^ Kaseins. Zusammensetzung C 53,U, H 7,0, N 15,7, S 0,8, P 0,85 und O 22,65 p. c. Die spez. Drehung desselben ist nach Hoppe-Seyler -) etwas schwankend; in neutraler Lösung soll jedoch a{DJ ^ — 80" sein. In wie weit das Kasein der verschiedenen Milchsorten identisch sei, bezw. in wie weit es mehrere verschiedene Kase'ine gebe, steht noch dahin. Das Kasein stellt trocken ein staubfeines, weisses Pulver dar, welches nach dem Erhitzen auf lüO" C. oder etwas darüber die Eigenschaften und Löslichkeitsverhältnisse des eben ausgefällten, noch feuchten Kaseins zeigt. Das Kasein ist in Wassser oder in Lösungen der gewöhnlichen Neutralsalze nur äusserst schwer löslich. Von einer 1 prozeniigen Lösung von Fluornatrium, Ammonium- oder Kaliumoxalat wird es dagegen nach Arthu?;'^) ziemlich leicht gelöst. Es verhält sich wie eine ziemlich starke Säure, löst sich leicht in Wasser bei Zusatz von sehr wenig Alkali zu einer neutralen oder sauren Flüssigkeit und löst sich endlich auch in Wasser bei Gegenwart von Calciumkarbonat, aus welchem es die Kohlensäure austreibt. Lö^t man das Kasein in Kalkwasser und setzt dann dieser Lösung vorsichtig stark verdünnte Phosphorsäure bis zu neutraler Reaktion zu, so kann das Kasein anscheinend in Lösung bleiben, ist sibaftenund jedoch wahrscheinlich wohl nur stark gequollen wie in der Milch, und gleich- des Kaseins, zeitig enthält die Flüssigkeit reichliche Mengen Calciumpho-sphat, ohne dass irgend eine Fällung oder irgend welche suspendirten Partikelchen in ihr zu sehen sind. Die kalkhaltigen Kaseinlösungen sind opalisirend und nehmen beim Erwärmen das Aussehen der fettarmen Milch an, Es ist deshalb auch kaum zu bezweifeln, dass die weisse Farbe der Milch zum Theil auch von Kasein und Calciumphosphat herrührt. SölüNEK hat zwei Calciumverbindungen des Kaseins mit bezw. 1,55 und 2,36 p. c. CaO dargestellt, und diese Verbindungen werden von Courant'') als Di-, resp. Tricalciumkasein bezeichnet. Kaseinlösungen gerinnen beim Sieden nicht, die Kaseinkalklösungen über- ziehen sich aber dabei wie die Milch mit einer Haut. Von sehr wenig Säure 1) Cit. nach F. Söldner, Die Salze der Mileh etc. Land«-. Versuchsst. 35. '^) Handb. d. physiol. u. pathoL ehem. Analyse. 6. .\ufl. S. 259. 3) M. Arthüs, Th6se3 presenteea ä la faculte des Sciences de Paris, 1. these Paris (Paul Dupont) 1893. i) SÖLDNER, Die Salze der Milch etc., Courant 1. c. Leber die Salze des Kaseins liegen neuere Untersuchungen von SÖLDNER, JIaly's Jahresber. 25 und von .J. Röhmann, Berlin, klin. Wochenschr. 1895 vor. Vierzehntes Kapitel. werden sie gefällt, aber gleichzeitig anwesende Neutralsalze wirken der Aus- verhaiten fäHunsr entwegen. Eine salzhaltige Kaseinlösuns; oder gewöhnliehe Milch erfordert der Kasein- öoo o oc ji, lösnngen. deshalb auch zur Fällung mehr Säure als eine salzfreie Kaseinlösung derselben Konzentration. Das gefällte Kasein löst sich sehr leicht wieder in einem kleinen Ueberschuss von Salzsäure, weniger leicht aber in überschüssiger Essigsäure. Von Mineralsäuren im Ueberschuss werden diese sauren Lösungen gefällt. Von Kochsalz oder Magnesiumsulfat in Substanz wird das Kasein mit unveränderten Eigenschaften aus der neutralen Kaseinlösung oder aus der Milch gefällt i). Metallsalze, wie Alaun, Zink- oder Kupfersulfat, fällen eine neutrale Kasein- lösung vollständig. Dasjenige, was das Kasein am meisten charakterisirt , ist seine Eigen- schaft, bei Gegenwart von einer hinreichend grossen Menge Kalksalz mit Lab zu gerinnen. In kalksalzfreier Lösung gerinnt das Kasein nicht mit Lab ; aber es wird hierbei derart verändert, dass die Lösung nunmehr (selbst wenn das zugesetzte Envzm durch Erhitzen zerstört wird) bei Zusatz von Kalksalzen eine Vfirkung = ■' , r^ t^ • i j des geronnene Masse von den Eigenschaften des Käses giebt. Die Einwirkung des Labenzyms. ® ^ - i i • Labenzvmes, des Chymosins, auf das Kasein findet also auch bei Abwesenheit von Kalksalzen statt und die letzteren sind nur für die Gerinnung, d. h. für die Ausscheidung des Käses noth wendig. Diese , zuerst vom Verf. -) festgestellten Thatsachen sind später wiederholt, in neuerer Zeit namentlich von Arthus und Pages ^) bestätigt worden. Der bei der Gerinnung der Milch gebildete Käse enthält reichliche Mengen von Calciumphosphat. Nach Soxhlet und Söldner sind trotzdem nur die löslichen Kalksalze von wesentlicher Bedeutung für die Gerinnung, während das Calciumphosphat bedeutungslos sein soll. Nach Courant kann das Calciumkasein bei der Gerinnung, wenn Dicalciumphosphat in der Lösung ent- halten ist, einen Theil desselben als Tricalciumphosphat mit niederreissen, wobei in dem Labserum Monocalciumphosphat in Lösung bleibt. Der chemische Ver- Bedeutung jauf bei der Labgerinnung ist noch nicht genügend erforscht worden; es sprechen Kaitsaize. g\^Qj. mehrere Beobachtungen für die Annahme, dass das Kasein dabei theils in einen schwerlöslicheren, seiner Zusammensetzung nach dem Kasein nahe- stehenden Stoff, das Parakase'm (oder Käse), welches das Hauptprodukt bildet, und theils in eine leichtlöslichere, kohlen- und stickstoflarmere (50,3 p. c. C und 13,2 p. c. N KösTER''), albumoseartige Substanz, das 3Iolkeneiweiss, welches nur in sehr geringer Menge entsteht, sich spaltet. Das Parakasein*) wird von -) Aus einer ammoniakalischen Lösung ron Kasein und Magnesiumchlorid erhielt MOKACZEWSKI miliroskopische Sphärolithe , die aus Eiweiss und 45 p. c. Asche bestanden (Zeitschr. f. physiol. Chem. 21). 2) Vergl. Maly's Jahresber. 2 u. 4; ferner Hammarsten : Zur Keuntniss des Kaseins etc. Nova Acta Reg. Soc. Scient. Upsal. 1877. Festschrift. 3) Areh. de Physiol. (5.) 2 und Mem. Soc. biol. 43. i) Vergl. Maly's Jahresber. 11. S. 14. 5) Man hat in neuerer Zeit Torgcschlagen , das gewöhnliche Kasein als Kaseinogcn und den Käse als Kasein zu bezeichnen. Wenn aucli ein solcher Vorschlag theoretisch be- Kasein und Laktoglobulin. 399 dem Labenzynie nicht weiter verändert*) und es hat nicht iu demselben Grade wie das Kasein die Fähigkeit, das Calciumphosphat in Lösung zu halten. Bezüglich anderer wie Lab wirkender Enzyme vergl. man Kap. 9. Bei der Verdauung des Kaseins mit Pepsinchlorwasserstoffsäure spaltet sich Pseudonuklei'n ab, und die Menge des letzteren ist, wie die Untersuchungen von Salkowski, Hahx, Moraczewski und Sebelien -) gezeigt haben, eine sehr schwankende. Auch der Gehalt des so gewonnenen Pseudonuklei'ns an Phosphor des Kaseins, schwankt sehr. Nach Salkowski ist die Menge des abgespaltenen Pseudo- nuklei'ns von der Relation zwischen Kasein und Verdauungsfliissigkeit derart abhängig, dass sie mit steigenden Mengen Pepsinsalzsäure abnimmt. Bei Gegen- wart von 50Ü Pepsinsalzsäure auf 1 g Kasein konnte Salkowski eine voll- ständige Verdauung des Kaseins ohne irgend welchen Rückstand von Pseudo- nuklein erhalten. Sowohl bei der Pepsin- wie bei der Trypsinverdauung spaltet sich ein mit anhaltender Verdauung zunehmender Theil des organisch gebundenen Phosphor-s als Orthophosphorsäure ab, während ein anderer Theil des Phosphors in organischer Bindung sowohl in den Albumosen wie in den echten Peptonen zurückbleibt (Salkowski, Biffi, Alexander^). Die Darstellung des Kaseins kann in folgender Weise geschehen. Die Milch wird mit 4 Vol. Wasser verdünnt und das Gemenge mit Essigsäure zu 0,75 bis 1 p. ra. versetzt. Das hierbei sich ausscheidende Kasein wird uaisteiinne durch wiederholtes Auflösen in Wasser mit Hilfe von möglichst wenig Alkali, des Kaseins. Filtration, Ausfällung mit Essigsäure und gründliches Auswaschen mit Wasser gereinigt. Die Hauptmasse des Milchfettes wird bei der ersten Filtration von dem Filtrum zurückgehalten, und die das Kasein verunreinigenden Spuren von Fett werden zuletzt durch Alkohol-Aetherbehandlung entfernt. LaktoglohuUn stellte Sebelie.\ aus der Kuhmilch durch Sättigung der- selben mit Kochsalz in Substanz (wobei das Kasein ausgefällt wird) und Sättig- ung des Filtrates mit Magnesiumsulfat dar. Soweit es bisher untersucht worden ist, hat es die Eigenschaften des Serumglobulins; das von TiEMAXX*) aus Colostrum isolirte Globulin hatte indessen einen wesentlich niedrigeren Kohlen- stoffgehalt 49,83 p. c. rechtigt ist, so dürfte er jedoch in der Praxis zu eiuer sehr bedauerlichen Verwirrung führen. Aus diesem Grunde hat Verf. sich ihm nicht anschliesseu können und er hat den Käse nach dem Vorgange von Schulze und RÖSE (Landwirthseh. Versuchsst. 31) Paiakasein genannt. 1) VergL Hammarsten, Zeitschr. f. physiol. Cliem. 22. Unter neueren -Vrbeiten über die Milchgerinnung sind /u nennen diejenigen von Hillmaxn, Milchzeitung 25 , Benjamin, ViRCHOw's -Vrchiv 145 und LÖRCHER, Pflüger's Areh. 69. 2) Salkowski und Hahn, Pflüger's Arch. 59; Salkowski, ebenda 63; v. Morac- zewski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 20; Sebelien, ebenda 20.. 3) Salkowski 1. c. Biffi, Virchow's Arch. 152; Alex.vnder, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. •f) Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. 400 Vierzehntes Kapitel. Laktalbumin ist ebenfalls zuerst von Sebelien ') aus der Milch iu reinem Zustande dargestellt worden. Seine Zusammensetzung ist nach Sebelien Laktaibu- folgende: C 52,19, H 7, IS, N 15,77, S 1,73, O 23,13 p. c. Das Laktalbumin bat die Eigenschaften der Albumine. Es gerinnt je nach der Konzentration und dem Salzgehalte bei -|- 72 bis -|- 84" C. Es steht dem Serumalbumin nahe, unterscheidet sich aber von ihm durch eine bedeutend niedrigere spez. Drehung a(D) = — 37 0. Das Prinzip für die Dju-stellung des Laktalbumins ist dasselbe wie für Daisteiiung jjg Darstellung des Serumalbumins aus dem Serum. Das Kasein und das aibumiiis. Globulin scheidet man mit MgSO^ in Substanz aus und behandelt dann das Fillrat wie oben (S. 132) angegeben. Das Vorkommen anderer Eiweisskürper, wie Albumosen und Peptone, in der Milch ist nicht bewiesen. Dagegen entstehen solche Stoffe leicht als Laborationsprodukte aus den anderen ^^ st^otfe" E'^^'^'ssstofl'en der Milch. Ein solches Laborationsprodukt ist das Laktoprote'in von MiLLON und CoJl.\lLLE, ein Gemenge von wonig Kasein mit verändertem Albumin und durch die chemischen Operationen entstandener Albumose'-J. Bezüglich des Opalinins vergl. man die Menschenmileh. Die Milch enthält ferner, wie Siegfried^) gefunden hat, ein der Phosphor- fleischsäure verwandtes iV^Jrfeow, welches als Spaltungsprodukte Gährungsmilchsäure Milch- (statt Paramilchsäure) und eine besondere Fleischsäure, die Orylsäure (statt der iiu eou. ]\jnsi{glfleischsäure) giebt. Die Milchphosphorfleischsäure kann als Eisenver- binduug aus der von Kasein und koagulablem Eiweiss wie auch von den Erd- phosphaten befreiten Milch ausgefällt werden. Milchzucker, Laktose CjjHggO^j -j- HjO. Dieser Zucker kann unter Aufnahme von Wasser in zwei Glukosen — Dextrose und GaUlJctose — sich spalten. Bei der Einwirkung von verdünnter Salpetersäure giebt er ausser zucker. anderen organischen Säuren Schleimsäure. Bei stärkerer Einwirkung von Säuren entsteht neben Ameisensäure und Häminsubstauzen Lävulinsäure. Durch Alkalieinwirkung können unter anderen Produkten Milchsäure und Pyrokatechin entstehen. Milchzucker kommt in der Regel nur in der Milch vor, doch hat man ihn auch im Harne der Wöchnerinnen bei Milchstauung wie auch im Harne nach Einnahme grösserer Mengen dieses Zuckers gefunden. Nach einer Angabe von P.\ppel und Richjiond*) soll die Milch des ägyptischen BüSels nicht Milchzucker, sondern eine andere, von ihnen „Tjufikose" genannte Zuckerart enthalten. Der Milchzucker, von dem nach Tanret ebenfalls drei Modifikationen vor- kommen (vergl. Kap. 3), kommt gewöhnlich als farblose, rhombische Krystalle mit 1 Mol. Krystallwasser, welches bei langsamem Erhitzen auf 100" C, leichter Schäften des bei 130 — 140 '^ C. entweicht, vor. Bei 170 — 180 "C. geht er in eine braune, Zuckers, amorphe Masse, Laktokaramel, C^jHjqOj, über. Kocht man eine Milchzueker- 1) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 9. 2) Vergl. Hammarsten, Maly's Jahresber. 6. S. 13. 3) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 21 u. 22. ■4) Maly's Jahresher. 20. S. 166. Milchzucker. 401 lösung rasch ein, so scheidet sich wasserfreier Milchzucker aus. Der gewöhnliche Milchzucker löst sich in sechs Theilen kaltem und in 2,5 Theilen siedendem Wasser; er schmeckt nur schwach süss. In Aetber oder in absolutem Alkohol löst er sich nicht. Die Lösungen sind dextrogyr. Das Drehungsvermöiren, welches durch Erhitzen der Lösung auf 100 " C. konstant wird, ist: a(D) i= -j- 52,5 •>. Der Milchzucker verbindet sich mit Basen ; die Alkaliverbindung ist unlöslich in Alkohol. Von reiner Hefe wird Milchzucker nicht in Gährung versetzt. Mit gewissen Schizorayceten geht er dagegen in Alkoholgährung über, und hierbei wird nach E. Flscher ^) der Milchzucker erst durch ein in der Hefe vorhandenes Enzym, eine LaJcfase, in Glukose und Galaktose gespalten. Auf der Alkohol- ''■''!J^,"|''^^ gährung des Milchzuckers gründet sich die Bereitung von Milchbranntwein, zi«kers. „Kumys'''' aus Stutenmilch und „Kephit"' aus Kuhmilch. Hierbei sind indessen auch andere Mikroorganismen betheiligt, die eine Milchsäuregährung des Zuckers bewirken. Der Milchzucker verhält sich den Traubenzuckerreaktionen (derMooRE'schen, der Trommer 'sehen oder RuBXER'schen Reaktion und der Wismuthprobe) gegen- über positiv. Er reduzirt auch Quecksilberoxyd in alkalischer Lösung. Nach dem Erwärmen mit essigsaurem Phenylhydrazin giebt er beim Erkalten eine gelbe, krystallisirende Fällung von Phenyllaktosazon Cg^HgoN^Og. Von dem« ... Rohrzucker unterscheidet er sich durch positives Verhalten zu der MooRE'schen Probe, der Kupfer- und der Wismuthprobe, wie auch dadurch, dass er beim Erhitzen mit entwässerter Oxalsäure auf 100 ** C. sich nicht schwärzt. Von Traubenzucker und Maltose unterscheidet er sich durch andere Löslichkeit und Krystallform, besonders aber dadurch, das er mit Hefe nicht vergährt und mit Salpetersäure Schleinisäure giebt. Zur Darstellung des Milchzuckers benutzt man die als Nebenprodukt bei der Käsebereitung erhaltenen süssen Molken. Das Eiweiss entfernt man durch Koagulation in der Hitze und das Filtrat verdunstet man zum Syrup. Die nach einiger Zeit sich ausscheidenden Krystalle krystallisirt man, nach,,, Entfärbung mit Thierkohle, aus Wasser um. Aus käuflichem Milchzucker kann Jes Milch? man durch wiederholtes Umkrystallisiren ein reines Präparat erhalten. Die '^""'''^''*- quantitative Bestimmung des Milchzuckers kann theils mit dem Polaristrobo- meter und theils durch Titration mit Fehlixg's Flüssigkeit geschehen. 10 ccm der FEHLiN'G'schen Lösung entsprechen 0,0676 g Milchzucker in 0,-5 — l,5prozentiger Lösung bei 6 Minuten langem Kochen (bezüglich der Reagenzlösung und der Titration auf Zucker vergj. Kapitel 15). ElTTHAUSEN hat in der Milcli ein anderes, in Wasser lösliches, nicht Isrystallisireudes Kohlehydrat gefunden, welches zwar direkt schwach reduzirend wirkt, nach dem Sieden mit einer Säure aber eine grössere Reduktionsfldiigkeit erlangt. Von Landwehr wird es als thicrisches Gummi, von BechamP'') als Dextrin betrachtet. Die MineraJstoffe der Milch sollen im Zusammenhang mit der quanti- tativen Zusammensetzung abgehandelt werden. 1) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 27. 2) RiTTHADSEN, Joum. f. prakt. Chem. (X. F.) 15; Landwehr, Fussnote 1. S. 45: Bechamp, Bull. soc. chim. (3) 6. Hammarsteii, Pliysiologiselie Cliemie. Vierte Auila^-e. 26 402 Vierzehutes Kapitel. Bestimui- jiig der M ueralstoffe Methode von Kitt liausen ui Muiik. Die Methoden zur quantitativen Analyse der Milch sind sehr zahlreich und da sie hier nicht alle abgehandelt werden können , werden hier nur die Hauptzüge einige der zuverlässigsten und am meisten geübten Methoden angegeben. Zur Bestimmung der festen Stoffe mischt man die genau abgewogene Menge Milch mit einer ebenfalls gewogenen Menge ausgeglühten Quarzsandes, feinen Glaspulvers oder Asbests. Das Eintrocknen der Milch geschieht zuerst im Wasserbade und dann in einem Kohlensäure- oder Wasserstoffgtrome bei nicht über lüO" C. Zur Bestimmung der Mineralstoffe äschert man die Milch unter Beobachtung der in den Plaudbüehern angegebenen Kautelen ein. Die für die Phosphor- säure erhaltenen Zahlen werden jedoch durch die Verbrennung der phosphorhal- i- tigen Stoffe, des Kaseins und Lecithins, dabei unrichtig. Man muss deshalb nach Söldner von der gesammten Phosphorsäureraenge der Kuhmilch rund 25 p. c. abziehen. Ein Gehalt der Asche an Sulfat rührt ebenfalls von dem Einäschern (Verbrennung des Eiweisses) her. Zur Bestimmung des Gesammteiireisses kann man die ]Methode Ritt- H.\u.SEx's, die Milch mit Kupfersulfat zu fällen, nach der von J. Mu.nk ') ange- gebenen Modifikation verwenden. Munk fällt sämmtliches Eiweiss mittels auf- ii geschlemmten Kupferoxydhydrates in der Siedehitze aus und bestimmt den Stick- stoffgehalt des Niederschlages nach KjelüAHL. Diese Modifikation giebt genaue Resultate. Die alte Methode von Puls und Stenberg ^), nach welcher mit Alkohol gefällt wurde, ist zu imistäudlich und zudem nicht hinreichend zuverlässig. Eine sehr gute Methode ist dagegen die von Sebelien "). Man verdünnt 3 — 4 g Milch mit einigen Vol. Wasser, setzt ein wenig Kochsalzlösung zu und fällt mit Gerbsäure im Ueberschuss. Der Niederschlng wird mit kaltem Wasser gewaschen und endlich der Gehalt desselben an Stickstoff nach Kjeldahl be- stimmt. Die gefundene Stickstoffmenge mit 6,'Al nmltiplizirt {Kasein und Lakt- albumin enthalten beide 15,7 p. c. Stickstoff) giebt die Gesammtmenge der Eiweissstoffe an. Diese leicht ausführbare Methode giebt sehr gute Resultate. J. Munk hat die Zuverlässigkeit derselben auch für die Analyse von Frauen- milch dargethan. In diesem Falle multiplizirt man den gefundeneu Eiweiss-N mit 6,34. Gegen diese Methode, wie auch gegen die übrigen Methoden zur Ausfällung der Proteinstoffe, lässt sich einwenden, dass vielleicht auch andere Stoffe (Extraktivstoffe) mit niedergerissen werden (Camerer u. Söldner^). In wie weit dies der Fall ist, bleibt aber vorläufig unentschieden. Eiu Thcil des Stickstoffes in der Milcli liommt als Extraktivstoöe vor, und dieser Stickstüfi' wird als Differenz zwischen dem Gesaninitstickstoffe und dem Proteinstickstoffe be- rechnet. Tv'aeli den Analysen von ,T. MüNK entfallen von dem gesammten Stickstoff der Kuh- milch knapp '/i6 und von dem der Frauenmilch ';'ii auf den E.xtraktivstickstoff. Camerer und deT Milcli SÖLDNER bestimmten in dem Filtrate von dem Eiweissgerbsäureiiiederschlage theils den Stick- stoff' nach Kjeldahl und theils nach Hüfner (mit Bromlauge). In dieser Weise fanden sie in 100 g Frauenmilch 11 mgm Stickstoff als Harnstoff etc. (Stickstoff' nach HÜFNER). Von dem ülirigen Stickstoffe kamen auf Eiweiss höchstens 88 p. c. und der Best auf stickstoft"- haltige E.xtraktivstofl'e. In der Kuhmilch fanden sie 18 mgm Stickstoff nach HÜFNBR, von dem Reste entfielen 98 p. c. auf die Eiweissstoffe. Methode Sebelien. 1) KlTTH.\üSEN, Journ. f. prakt. Cheui. (N. F.) 15; .T. Mi'Nic, ViRcnow's Arch 134. 2) PfLS, PflÜger's Arch. 13; Stenuerg, vergl. M.\ly's .Jaliresher. 7. S. 109. 3) ZeiLsehr. f. physiol. Cliem. 13. J1 Zcitsrlir. f. BioIoL'ie :i3 u. 3C. Methoden der Milfhansdvse. 403 Zur getrennten Bestimmung des Kaseins und Albumins kann man das zuerst von Hoppe -Seyler und Tolmatscheff ') geübte Verfahren, das Kasein mit Magnesiurasulfat auszufüllen, verwenden. Nach Sebeliex verdünnt man erst die Milch mit einigen Vol. gesättigter Magnesiumsulfatlösung, sättigt dann mit dem Salze in Substanz, filtiirt und wäscht den Niederschlag mit gesättigter Magnesiunisuifatlösung aus. In dem Niederschlage bestimmt man den Stick- stoff nach K.IELDAHL und erfährt durch Multiplikation mit 6,37 die Kasein- menge (-|- Globulin). DieMengedes Laktalbumins kann als Differenz zwischen Kasein und Gesammtei weiss berechnet werden. Man kann aber auch das Laktalbumin in dem von dem Kasei'nniederschlage getrennten, mit Wasser verdünnten, magnesium- sulfathaltigeu Fi) träte mit Gerbsäure fällen, den Stickstoffgehalt des Nieder- schlages nach Kjei.dahl bestimmen und die gefundene Zahl mit 6,37 multi- pliziren. Zur Trennung des Kaseins von dem übrigen Eiweisse benutzt Schloss- MAXX^) eine Alaunlösung, von der das Kasein gefällt wird. Aus dem Filtrate fällt man das Eiweiss mit Gerbsäure. Die Niederschläge werden zur Stickstoflf- bestimmung nach Kjeldahl verwendet. Das Fett kann man gewichtsanalytisch , durch erschöpfende Extraktion der eingetrockneten Milch mit Aether, Verdunsten des Aethers aus dem Ex- trakte und Wägung des Rückstandes bestimmen. Auf aräometrischem Wege kann die Menge des Fettes durch Alkalizusatz zu der Milch, Schütteln mit Aether und Bestimmung des spez. Gewichtes der Aetherfettlösung mit dem Apparate von Soxhlet bestimmt werden. Zur Ausführung von Fettbestimmungen in grösserem Massstabe eignet sich vorzüglich der Laktokrit von De Laval. Man mischt die Milch mit dem gleichen Volumen eines Gemenges von Eisessig und konzentrirter Schwefelsäure, wärmt im Wasserbade 7 — 8 Minuten und centrifugirt dann die Mischung in gradirten Röhren bei -|- 50 " C. Die Höhe der Fettschicht giebt den Fettgehalt an. Die zahlreichen, sehr genauen Analysen von Nilsox haben gezeigt, dass die für niedere Fettraengen — unter 1,5 p. c. — früher nöthigen Korrektionen überflüssig werden und dass diese Methode ausgezeichnete Resultate giebt, wenn man statt des obengenannten Ge- menges von Eisessig und Schwefelsäure eine mit 5 p. c. Chlorwasserstoffsäure versetzte Milchsäure verwendet. Es giebt übrigens zahlreiche andere Methoden zur Bestinmmng des Milchfettes, unter denen die Methode von Gottlieb ebenso einfach wie sicher sein soll (Weiblll ■*). Zur Bestimmung des Milchzucliers entfernt man zuerst das Eiweiss. Zu dem Ende fällt man entweder mit Alkohol, welcher dann aus dem Filtrate durch Verdunstung entfernt wird, oder man verdünnt mit Wasser, scheidet das Kasein durch Zusatz von wenig Säure aus und entfernt das Laktalbumin durch Koagulation in der Siedehitze. In dem Filtrate bestimmt man dann den Zucker durch Titration mit Fehling's oder Knapp's Flüssigkeit (vergl. Kap. 15 Zucker im Harne). Das Prinzip der Titrirung ist dasselbe wie für die Zuckertitrirung im Harne. 10 ccm der FEHLiXG'schen Flüssigkeit entsprechen 0,0676 g Milch- zucker. Von der KxAPP'schen Flüssigkeit entsprechen 10 ccm Ü,03ll bis 0,0310 g Milchzucker, wenn die zuckerhaltige Flüssigkeit etwa ^[i — -1 p. c. Zucker ent- Hestiu iing c Bestimm- ung des .Milch- zuckers. 1) Hoppe-Seyler, Med. ehem. Uutersuoh. Ilft. 2. ■i) Zeitschi-, f. physiol. Cham. 22. 3) NiLSON, Maly's Jahresber. 21 ; Gottlieb. Mai.v's Jalircsbe bniks akad. Handl. o tidskr. 1898. Stockholm. . 20 ; Weibüll, Landt- 404 Vierzehntes Kapitel. ie MUc). gase. hält. Bezüglich der Ausführung der Titrirung muss auf ausführlichere Hand- bücher und auf das Kapitel 15 hingewiesen werden. Anstalt dieser volumetrischen Bestimmung kann man auch die Bestimmungs- methode von Allihn, die polarimetrische Untersuchung oder die anderen, in ausführlicheren Handbüchern für die Bestimmung des Zuckers angegebenen Methoden benutzen. Für die Berechnung der Analysen ist es, wie Camerer und Söldner hervorheben, von Wichtigkeit sich zu erinnern, dass man bei der Bestimmung der festen Stoffe den Milchzucker in dem Rückstande wasserfrei erhält. Die quantitative Zusammensctztnuj der Kuhmilch kann selbstverständ- lich nicht unbedeutenden Schwankungen unterliegen. Im Mittel enthält die Kuhmilch jedoch nach König') in 1000 Theilen: Wasser Feste Stofle Kasein Albumin Fett Zucker Salze 871,7 128,3 30,2 5,3 36,9 48,8 7,1 35^5 Die Menge der Mineralstoffe in 1000 Theilen Kuhmilch war in Söldner's Analysen folgende: K^O 1,72; Na.O 0,51; CaO 1,98; MgO 0,20; ¥^0^ 1,82 (nach Korrektion für das Pseudonuklein); Cl 0,98 g. Bunge ^j fand 0,0035 g Fe^Og. Nach Söldner finden sich K, Na und Cl in derselben Menge in der ganzen Milch wie in dem Milchserum. Von der Gesammtphosphorsäure sind 36 — 56 p. c. und von dem Kalk 53 — 72 p. c. nicht einfach in der Flüssig- keit gelöst. Ein Theil dieses Kalkes ist an Kasein gebunden ; der Rest findet sich an Phosphorsäure gebunden als ein Gemenge von Di- und Tricalcium- phosphat, welches von dem Kasein gelöst oder suspendirt gehalten wird. In dem Milchserum überwiegen dis Basen über die Mineralsäuren. Der Ueber- schuss der ersteren ist an organische Säuren, welche einer Menge von 2,5 p. m. Citronensäure entsprechen (Söldner), gebunden. Die Gase der Milch bestehen hauptsächlich aus CO2 nebst ein wenig iVund Spuren von 0. Pflüger ^) fand 10 Vol. p. c. CO.^ und 0,6 Vol. p. c. N, bei 0 " C. und 760 mm Hg-druck berechnet. Die Schwankungen der Zusammensetzung rühren von mehreren Um- ständen her. Das Colostrum oder die Milch, welche vor dem Kalben und in den nächsten Tagen nach demselben abgesondert wird, ist gelblich, bisweilen alkalisch aber oft auch sauer, von höherem spez. Gewicht,- 1,046 — 1,080, und einem grösseren Gehalte an festen Stoffen als gewöhnliche Milch. Nebst Fettkügelchen enthält das Colostrum zahlreiche Colostrumkörperchen — kernhaltige, granulirte Zellen von 0,005 — 0,025 mm Durchmesser mit zahlreichen Fettkörnchen und Fettkügelchen. Das Fett des Colostrums hat einen etwas höheren Schmelz- punkt und ist ärmer an flüchtigen Fettsäuren als das Fett der gewöhnlichen 1) Chemie der menschl. Nahrungs- und Genussmittel. 3. Aufl. 2) Zeitschr. f. Biologie 10. 3) Pflüger's Arch. 2. Zusammensetzung der Milch. 405 Milch (Nii.sox *). Der Gehalt an Cholesterin und Lecithin ist regelmässig grösser. Der augenfälligste Unterschied von gewöhnlicher Milch liegt jedoch darin, dass das Colostrum wegen seines absolut und relativ grösseren Gehaltes an Globulin und Albumin beim Erhitzen zum Sieden gerinnt ^j. Die Zusammensetzung des Colostrums ist sehr schwankend. Als Mittel giebt König folgende Zahlen für 1000 Theile an: Wasser Feste Stoffe Kasein Albumin u. Globulin Fett Zucker Salze 746,7 253,3 40,4 136,0 35,9 26,7 15,6 Mit der Dauer der Laktation ändert die Milch angeblich ihre Beschaffen- y^j.j^jpj. heit, so dass sie reicher an Kasein aber ärmer an Fett und auch an Milch- ""8"" Jäh- Zucker wird. Die Abendmilch scheint nach den Analysen mehrerer Forscher t.iktat'on- in der Regel reicher an Fett als die Morgenmilch zu sein (Alex. Müller und Eisenstuck, Nilson u. A. ^). Die Rasse der Thiere übt auch einen grossen Einfluss aus. Die Frage von dem Einfluss der Nahrung auf die Zusammensetzung der Milch soll im Zusammenhange mit der Frage von dem Chemismus der Milch- sekretion abgehandelt werden. Im nächsten Anschluss an die Zusammensetzung der Milch werden ilittelzahlen für die abgerahmte Milch und einige andere Milchpräparate hier angeführt. Wasser Eiweiss Fett Zucker Abgerahmte Milch . . 906,6 31,1 7,4 47,5 Rahm 655,1 36,1 267,5 35,2 Buttermilch .... 902,7 40,G 9,3 37,3 Molken 932,4 8,5 2,3 47,0 Kumys und Kephir erhält man, wie oben erwähnt, durch Alkohol- und Milchsäure- gährung des Milchzuckers, im ersteren Falle aus Stutenmilch, im letzteren aus KuhmUch. Es werden dabei reichliche Mengen Kohlensäure gebildet , und die Eiweissköi-per der Milch Kumys un. Bollen dabei angeblich theilweise in Albumosen und Peptone übergehen, wodurch die Verdau- Kepliir, lichkeit erhöht werden soll. Der Gehalt an Milchsiiiire in diesen Präparaten kann etwa 10 bis 20 p. m. betragen. Der Gehalt an Alkohol schwankt recht bedeutend, von 10 — 35 p. m. Miich anderer Thierarten. Die Ziegenmilch hat eine mehr gelbliche Farbe und einen anderen, mehr spezifischen Geruch als die Kuhmilch. Die mit Säure oder Lab er- zi„„|,„|„iioii haltenen Gerinnsel sollen fester und härter als die der Kuhmilch sein Die Schafmilch und Schal- Bteht der Ziegenmilch nahe, hat aber ein höheres spez. Gewicht und einen grösseren Gehalt milch. an festen Stoffen. Die Stutenmilch reagirt alkalisch und enthält angeblich ein Kasein, welches von Säure nicht in Klümpchen oder festeren Massen, sondern wie das Kasein der FrauenmUcli als feine Flöekchen gefällt werden soll. Von Lab soll dieses Kasein nur unvollständig koagu- lirt werden und es ähnelt übrigens auch in anderer Hinsieht sehr dem Kasein der Menschen- Stuten- und milch. Nach BlEL*) soll indessen das Kasein der Kuh- und der Stutenmilch dasselbe sein, Kselimiou- und das in gewisser Hinsicht verschiedene Verhalten der zwei Milchsorten soll nur durch ™' " ' einen verseliiedenen Salzgehalt und eine verschiedene Relation zwischen Kasein und Albumin bedingt sein. Die Eselinnen milch soll älteren Angaben zufolge der Menschenmilch ähn- lich sein ; nach SCHLOSSMANN ist sie indessen bedeutend ärmer an Fett. Die Rennthiermilch zeichnet sich nach Werenskiold-'') durch seinen grossen Gehalt an Fett, 144,6 — 197,3 p. m., und an Kasein 80,6 — 86,9 p. m. aus. Die Milch der Fleischfresser, der Hündinneu und Katzen, soll sauer reagireu und Milch der sehr reich an festen Stoffen sein. Die Zusamn\en.setzung der Milch dieser Thiere schwankt ^'.|gg°^" jedoch mit der Zusammensetzung der Nahrung sehr. Milchsäure Salze — 7,4 — 6,1 3,4 6,7 3,3 6,5 1) Nilson 1. c. -') Vergl. Sebelies, Malv's Jahresber. 18 und TiEMANN, Zeitschr. f. physiol. Cheni. 25. :t) Vergl. hierüber KÖNIG 1. c. 1. S. 313 und NiLSON 1. c. •») Studien über die Eiweissstoffe des Kumys und Kephirs. St. Petersburg 1886 (Ricker). ä) Schlossmann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22 ; Weresskiold, Maly's Jahresher. 25. 406 Vierzehntes Kapitel. Um die Zusammensetzung der Mileli einiger Thiere näher zu beleucliten , werden hier einige , zum Theil den Zusammenstellungen KÖNiG's entlehnte Zahlen mitgetheilt. Da die Mileh jeder Thierart eine wechselnde Zusammensetzung haben kann, sind indessen diese Zahlen mehr als Beispiele wie als allgemeingiltige Ausdrücke für die Zusammensetzung der ver- schiedenen Milchsorten zu betrachten '). Milch von Wasser Feste Stoffe Eiweiss Fett Zucker Salz Hund . . 754,4 245,6 99,1 95,7 31,9 7,3 Katze . . 816,3 183,7 90,8 33,3 49.1 5,8 Ziege . . 869,1 130,9 36,9 40,9 44,5 8,6 Zusammen- setzung der Milch ver- Schaf . . 835,0 165,0 57,4 61,4 39.6 6,6 Kuh . . 871,7 128,3 35,5 36,9 48,8 7,1 schiedener Pferd . . 900,6 99,4 18,9 10,9 66,5 3,1 Thierarten. Esel . . 900,0 100,0 21,0 13,0 63,0 3,0 Schwein . 823,7 167,3 60,9 64,4 40,4 10,6 Elefant . 078,5 321,5 30,9 195,7 88,4 6,5 Helphin . 486,7 513,3 437,6 4,6 Menschenmilch. Die Frauenmilch reagirt amphoter. Nach Courant reagirt sie relativ stärker alkaliseh als die Kuhmilch, zeigt aber dieser gegenüber einen niedrigeren absoluten Grad sowohl der Alkalescenz wie der Acidität. Courant fand für die Zeit zwischen dem 10. Tage und 14. Monate nach der Entbindung in der Mileh ziemlich konstante Zahlen, die sowohl für die Alkalescenz wie für die Acidität nur wenig niedriger als im Wochenbett waren. 100 ccni Milch reagirten als Mittel alkalisch wie 10,8 ccm N Lauge und ebenso sauer wie 3,6 com - 10 Säure. Die Relation zwischen Alkalescenz und Aciditiit war also in der Frauen- milch gleich 3:1, in der Kuhmilch dagegen gleich 2,1 : 1. Die Frauenmilch soll ferner eine geringere Menge von Fettkügelchen als die Kuhmilch enthalten, wogegen jene in der Frauenmilch grösser sein sollen. Das spez. Gewicht der Frauenmilch schwankt zwischen 1026 und 1036, meistens jedoch zwischen 1028 und 1034. Bei gut genährten Frauen findet man übrigens die höchsten, bei schlecht ernährten dagegen die niedrigsten Werthe. Das Fett der Frauenmilch ist von Ruppel untersucht worden. Es stellt eine gelblich weisse, der Kuhbutter ähnliche Masse dar, deren spez. Gewicht bei -|- 15" C. 0,966 betrag. Der Schmelzpunkt lag bei 34,0" und der Erstarrungs- punkt bei 20,2" C. Aus dem Fette konnten folgende Fettsäuren in Substanz dargestellt werden, nämlich Buttersäure, Kaprousäure, Kaprinsäure, Myristinsäure, Palmitinsäure, Stearinsäure und Oelsäure. Das Fett der Frauenmilch ist nach Ruppel und nach Laves^) verhältnissmässig arm an flüchtigen Säuren. Die nicht flüchtigen bestehen fast zur Hälfte aus Oelsäure, während unter den festen Fettsäuren die M3'ristin- und Palmitinsäure der Stearinsäure gegenüber vor- herrschen. 1) Ausführlicheres über die Milch vcrscliicdener Thiere findet man bei PkösCHER, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. ä) Ruppel, Zeitschr. f. Biologie 31; Laves, Zeitschr. f. physiol. Chem. 19. Frauenmilch. 407 Der wesentlichste qualitative Unterschied zwischen Frauenmilch und Kuh- milch betrifft, wie es scheint, das Eiweiss oder näher bestimmt das Kasein. Eine Menge MOn älteren und jüngeren Forschern') haben hervorgehoben, dass das Kasein der Frauenmilch andere Eigenschaften als das Kasein der Kuhmilch hat. Die wesentlichsten Unterschiede sind folgende. Das Frauenmilchkasein ist schwieriger mit Säuren oder Salzen auszufällen ; es gerinnt nicht regelmässig in der Milch nach Labzusatz; es kann freilich von Magensaft gefällt werden, löst sich aber leicht vollständig in einem Ueberschusse davon; der durch Säure er- zeugte Kaseinniederschlag löst sich leichter in überschüssiger Säure, und endlieh stellen die aus Frauenmilchkasein bestehenden Gerinnsel nicht so grosse und derbe Massen wie die aus Kuhkasein dar, sondern sind mehr locker und fein- flockig. Diesem letztgenannten Umstände misst man, und zwar mit Recht, eine grosse Bedeutung bei, indem man hierdurch die allgemein angenommene leichtere Verdaulichkeit des Frauenmilchkaseius erklären will. Die Frage, in wie weit die eben genannten Unterschiede von einem bestimmten Unterschiede der zwei ^^^Ye^'e zwi- Kaseine oder nur von einer ungleichen Relation zwischen Kasein und Salzen g^^|.?j"^™ in den zwei Milchsorten, bezw. von anderen Umständen herrühren, ist erst in jjjjch'mid der letzten Zeit näher untersucht worden. Nach Szontagh") soll das Kasein '^'^^j^"''" der Menschenniilch bei der Pepsinverdauung kein Pseudonuklein liefern und demnach kein Nukleoalbumin sein. Zu demselben Resultate gelangte neuerdings auch Wröblewsky''), der ausserdem fand, dass die beiden Kaseine verschiedene Zusammensetzung haben. Für das Frauenkasein fand er nämlich folgende Zu- sammensetzung: C 52,24; H 7,32; N 14,97; P 0,68, S 1,117; O 23,66 p. c. Neben dem Kasein enthält die Frauenmilch auch Laktalbumin und eine andere, sehr schwefelreiche (4,7 p. c.) und verhältnissmässig kohlenstoifarme Proteinsub- stanz, welche Wröblewskt Opalinn nennt. Die Angaben über das Vorkommen von Albumosen oder Peptonen sind hier, wie in so vielen anderen Fällen, streitig; ein sicherer Nachweis von solchen in der frischen Milch ist indessen noch nicht geliefert worden. Die quantitative Zusammensetminy der Frauenmilch i?t, selbst wenn man von denjenigen Differenzen absieht, welche von der Unvollkommenheit der angewendeten analytisclien Methoden herrühren, recht schwankend. Durch die neueren Analysen, von denen einige, wie die von Pfeiffer, Adriance, Camerer und SÜLD.NER*), an einer grossen Anzahl von Milchproben angestellt wurden. lilch. ') Vergl. hierüber Biedert, Untersuchungen über die chemischen Untei"schiede der Menschen- und Kuhmilch. Stuttgart 1884. Länggaard, Vibchow's Arch. 65 und M.\KRIS, Studien über die Eiweisskiirper der Frauen- und Kuhmilch. Inaugural-Dissertation. Strass- burg 1876. 2) Maly's Jahresber. 22. S. 168. 3) Beiträge zur Kenntniss des Frauenkaseins. Inaug.-Diss. Bern 1894 und ,Ein neuer eiweissartiger Bestandtheil der Jlilch", Anzeiger der Akad. d. Wiss. iu Krakau 1898. ■>) Pfeiffer, Jahrb. f. Kiuderheilkuude 20, auch Maly's Jahresber. 13; V. Adriasce and J. Adriance, a cliemical report etc., Archives ut Pediatiies 1897. Ncw-Ynrk; Camerer und Söldner, Zeitsehr. f. Biologie 33 u. 36. Hiiisiihtlich der Zusammensetzung der Frauen- 408 VicrzehDtes Kapitel. ist es indessen siclier festgestellt worden, dass die Frauenmilch wesentlich ärmer an Eiweiss, aber reicher an Zucker als die Kuhmilch ist. Die Menge des Eiweisses schwankt gewöhnlich zwischen 10 — 20 p. m., beträgt Zusainmi'ii- j i . r c setzuns dtioft nur 15 — 17 p. ni. oder darunter, ist aber von der Dauer der Laktation Frauen- ^ mikh. abhängig (s. unten). Die Menge des Fettes schwankt ebenfalls bedeutend, beträgt aber gewöhnlichen Falls 30 — 40 p. m. Der Gehalt an Zucker dürfte kaum unter 50 p. m. herabgehen, kann aber bis gegen 80 p. m. betragen. Als Mittel dürfte er zu etwa 60 p. m. angeschlagen werden können, wobei indessen zu beachten ist, dass auch die Milchzuckermenge von der Laktation abhängig ist, indem sie mit der Dauer derselben ansteigt. Die Menge der Mineralstotfe schwankt zwischen 20 und 40 p. m. Als wesentlichste Unterschiede zwischen Frauenmilch und Kuhmilch sind in quantitativer Hinsicht folgende hervorzuheben. Die Menge des Kaseins ist nicht nur absolut sondern auch relativ — im Verhältniss zu der Menge des Albumins schied — kleiner in der Frauenmilch als in der Kuhmilch, wogegen letztere ärmer an "rlTuen" ^I'lchzucker ist. Die Frauenmilch ist reicher an Lecithin und Nukleon. Nach Kuiimi'ich ^^'^n "TMAACK enthält die Kuhmilch 0,566 p. m. und die Frauenmilch 1,24 p. ni. Nukleon. Nach Siegfried') beträgt in der Kuhmilch der Nukleonphosphor 60 p. m., in der Frauenmilch 415 p. m. des Gesaramtphosphors, und übrigens soll in der Frauenmilch fast nur organisch gebundener Phosphor vorhanden sein. Die Frauenmilch ist ärmer an Mineralstoffen, namentlich Kalk, und sie enthält nur */ß von der entsprechenden Menge dieses Stoffes in der Kuhmilch. Als weiterer, wenn auch nicht wesentlicher Unterschied ist, ferner hervorzuheben, dass die Frauenmilch auch ärmer an Citronensäure sein soll (Scheibe*). Ueber die Menge der Minevalsloffc in der Frauenmilch liegen Analysen von Bunge vor. Er analysirte die Milch derselben Frau, theils 14 Tage nach der Geburt nach einer 4tägigen Periode von sehr kochsalzarmer Nahrung (A), theils 3 Tage später nach einem täglichen Zusätze von 30 g NaCl zu der Nahrung (B). Bunge fand folgende Zahlen, auf 1000 Theile Milch berechnet. Die Mineral- \ ß "^Frauen-' K„ü . . . 0,780 0,703 milch, Na..O . . . 0,232 0,257 CaÖ . . . 0,328 0,343 MgO . . . 0,064 0,065 Fe.,03 . . . 0,004 0,006 P..Ü,, . . . 0,473 0,469 Ci . . . . 0,438 0,445 Das Verliältniss der zwei Stoffe, des Kaliums und des Natriums, zu einander kann nach den Bestimmungen Buxge's recht bedeutend schwanken (1,3 — 4,4 Aeqv Kali auf je 1 Aeqv Natron). Durch Zusatz von Kochsalz zu der Nahrung steigt der Gehalt der Milch an Natrium und Chlor, während ihr Gehalt an Kalium milch vergleiche man terntr: Bikl, Mai.y's .lahresber. 4; Christenn, ebenda 7; Mendes DE Leon, ebenda 12; Gerbei:, Bull. soc. cliim, 23; Tolmatscheff, Hoppe-Seyler's med. ehem. Untersuch. Hft. 2. 1) WiTTMAACK, Zeitsehr. f. pliysiiil. Chcm. 22; Siegfkied, ebenda 22. 2) Mai.y".* .lalireslier. 21. Frauenmilch. Colostrum. 409 abnimmt. De La.n'GE ') fand im Anfange der Laktation mehr Na als K in der Milch. Die Gase der Frauenmilch sind von E. KÜLZ-) untersucht worden. Er Gase. fand in 100 com Milch 1,07 — 1,44 ccm Sauerstoff, 2,35 — 2,87 com Kohlen- säure und 3,37 — 3,81 com Stickstoff. In wie weit die Kuhmilch durch Verdünnung mit Wasser und passende Zusätze geeignet gemacht werden kann, die Frauenmilch als Nahrung für den Säugling zu ersetzen, ist nicht sicher zu entscheiden, bevor die Verschiedenheiten des Eiweisses dieser zwei Milchsorteu eingehender studirt worden sind. Das Colostrum hat ein höheres spez. Gewicht, 1,040 — 1,060, einen grösseren Reichthum an koagulabletn Eiweiss und eine mehr gelbliche Farbe als gewöhn- liche Frauenmilch. Schon einige Tage nach der Entbindung wird jedoch die Farbe mehr weiss und der Albumingehalt kleiner, und ebenso nimmt die An- zahl der Colostrumkörperchen ab. Ueber die Veränderungen in der Zusammensetzung der Milch nach der Entbindung liegen, ausser den älteren Analysen von Clemm^), neuere Unter- suchungen von Pfeiffer, V. und J. Adria.nce, Cameker und Söldner vor. Aus diesen Untersuchungen geht als einstimmiges Resultat hervor, dass der Eiweiss- gusammen- gehalt, welcher in den zwei ersten Tagen mehr, zuweilen wesentlich mehr als ^i'a'jj'^tion'' 30 p. m. betragen kann, zuerst ziemlich rasch und dann mit der Dauer der Laktation mehr allmählich abnimmt, so dass er in der dritten Woche meistens etwa 10 — 18 p. m. beträgt. Wie die Prote'instoffe nehmen auch die Mineral- bestandtheile allmählich ab. Die Menge des Fettes zeigt keine regelmässigen und konstanten Schwankungen während der Laktation, wogegen der Milchzucker, namentlich nach den Beobachtungen von V. und J. Adriaxce (120 Analysen), während der ersten Tage ziemlich rasch und dann nur sehr langsam bis zum Ende der Laktation ansteigt. Auch die Analysen von Pfeiffer, Ca.merer und Söldner lassen ein Ansteigen der Milchzuckermenge erkennen. Die beiden Brüste derselben Frau können, wie SOüRDAT und später auch Bp.rsN'ER*) gezeigt haben, eine etwas verscliiedene Jlilch liefern. Ebenso können verschiedene Müch- portionen derselben Melkung eine abweichende Zusammensetzung haben. Die zuerst austretende Portion wird regelmässig ärmer an Fett gefunden. Nach l'Heeitier, Vernois und Becquerel soll die Milch der Blondinen ^feu'ger ^^°Yg'^^i'e°s Kasein als die der Brünetten enthalten, ein Unterschied, den Tolmatscheff^) indessen nicht dener Um- hat konstatiren können. Frauen von zarterem Bau sollen eine an festen Stoflen, besonders stäade auf au Kasein, reichere Milch als Frauen kräftigerer Konstitution liefern (V. u. B.) mensetzun'«' Das Alter der Frau soU nach V. und B. derart auf die Zusammensetzung der Milch der Frauen- einwirken, dass man bei Frauen von 15—20 .Jahren den grössten Eiweiss- und Fettgehalt und "nilch. 1) BüNGE, Zeitschr. f. Biologie 10; De L.vnge, M.vly's Jahresbei. 27. -) Zeitschr. f. Biologie 3*2. 3) Vergl. Hoppe-SevleI!, Physiol. C'hem. S 734. 1) S0URD.\T, Compt. rend. 71 : Brünser, PflCger's Arch. 7. 5) l'Heritier cit. nach Hoppe-Sevlee , Physiol. Chem. S. 738; Verkois und Becquerel. Du lait chez la fcmuie dans IVtat ile sante etc. Paris 1853. Tolm.\TSCHEFF 1. c. S. 272. 410 Vierzehntes Kapitel. den kleinsten Zuckergehalt findet. Der kleinste Eiweiss- und der griisste Zuckergehalt Bollen in dem Alter Ton 20 oder von 25—30 Jahren vorkommen. Nach V. A B K.O 114,2 149,8 Na.,0 106,4 88,0 CaÖ 295,2 272,4 MgO 18,2 15,4 Fe.Oa .... 7,2 1,2 P.Ö., 394,2 342,2 ci 83,5 169,0 Dass die Milchasche etwas kalireicher und natronärmer als die Asche des neugeborenen Thieres ist, findet nach Bunge eine teleologische Erklärung darin, dass in dem wachsenden Thiere die kalireiche Muskulatur relativ zunimmt und die natronreichen Knorpel dagegen relativ abnehmen. Das unerwartete Ver- halten, dass der Gehalt an Eisen in der Milchasche sechsmal geringer als in der Asche des Säuglings ist, erklärt Bunge durch die von ihm und Zalesky gefundene Thatsache, dass der Eisengehalt des Gesammtorganismus und der Organe bei der Geburt am höchst-en ist. Der Säugling hat also seinen Eisen- vorrath für das Wachsthum der Organe schon bei der Geburt mit auf den Lebensweg erhalten. 1) Schlossberger und Hauff, .\nnal. d. Chem. u. Pharm. 9G; GüBi^ER und QUEVESKE, eit. nach Hopte-Sevler, Physiol. Chem. S. 723 ; v. Genser, ebenda. i) Zeitschr. f. physiol. Chem. 13. S. 39',i. Die neuen Untersuchungen von De Lange (1. c.) über den Aschengehalt der Menschenmilch und des neugeborenen Kindes zeigen , dass beim Menschen die Verhältnisse andere als beim Hunde sind. Einfluss der Nahrung. 411 Die Menge der MiDeralstoffe in der Milcli und namentlich die Menge des Kalkes und der Phosphorsäure steht übrigens, wie Bunge und Pröscher und Pages ') des näheren gezeigt haben, in naher Beziehung zu der Schnelligkeit des Die Milch Wachsthums, indem nämlich die Menge dieser Mineralbestandtheile in der Milch Wachsthum,. der rasch sich entwickelnden und wachsenden Thiere grösser als bei langsam wachsenden Thierarten ist. Nach Pröscher besteht ein ähnlicher Zusammen- hang zwischen Eiweissgehalt und Wachsthumsgeschwindigkeit. Der Einfluss der Nahrung auf die Zusammensetzung der Milch ist aus mehreren Gesichtspunkten von Interesse und er ist auch Gegenstand vieler Unter- suchungen gewesen. Aus diesen Untersuchungen ergiebt sich, dass beim Mensehen wie bei Thieren unzureichende Nahrung die Menge der Milch und den Gehalt derselben an festen Stoffen herabsetzt, während reichliche Nahrung beide vermehrt. Nach den Beobachtungen von Decaisne^) an stillenden Frauen während der Belagerung von Paris 1871 nimmt bei unzureichender Nahrung die Menge des Kaseins, des Fettes, des Zuckers und der Salze, vor Allem aber die des Fettes ab, während der Gehalt an Laktalbumin meistens etwas vermehrt gefunden wurde. Reichlicher Eiweissgehalt der Nahrung vermehrt die Menge der Milch und ihren Gehalt an festen Stoffen. Die Menge dos Zuckers ijahrungauf in der Frauenmilch fanden einige Forscher nach eiweissreicher Nahrung ver- zusammen- mehrt, andere dagegen vermindert. Reichlicher Fettgehalt der Nahrung juich. kann, wie namentlich die neueren Fütterungsversuche von Soxhlet^) gezeigt haben, den Fettgehalt der Milch wesentlich vermehren, wenn nur das Fett in aufnahmsfähiger, leicht verdaulicher Form verabreicht wird. Die Gegenwart von grösseren Mengen Kohlehydraten in der Nahrung scheint keine konstante, direkte Einwirkung auf die Menge der Milchbestandtheile auszuüben^). Bei Fleisch- fressern findet, wie Ssuboti.n^) gezeigt hat, die Absonderung von Milchzucker selbst bei ausschliesslicher Fütterung mit magerem Fleisch ununterbrochen statt. Wasserreiche Nahrung giebt eine wasserreiche, weniger werthvolle Milch. In der Milch von Kühen, welche mit Schlempe gefüttert worden, fand Cojimaille*') 906,5 p. ni. Wasser, 26,4 p. m. Kasein, 4,3 p. m. Albumin, 18,2 p. m. Fett und 33,8 p. ra. Zucker. Solche Milch hat bisweilen, aber nicht immer, einen besonderen, scharfen Nebengeschmack '). 1) Peöschek, Zeitschr. f. physiol. Cheni. 24; Pagks, Areh. de Physiol. (5) 7. S. 591. 2) Cit. nach Hoppe-Seyler 1. c. S. 739. '*) Vergl. M.\ly's .lahresber. 26. •1) LittPiaturangaben über die Eiinvirkun^' versohiedoner Nahrung auf die Fiauenmilch findet man bei Zaleskt: lieber die Einwirkung der Nahrung auf die Zusammensetzung und Nahrhaftigkeit der Frauenmilch, Berl. klin. Woehensthr. 1888. Nr. 4 und 5, wo man aueh viele Litteraturangaben über die Bedeutung der Nahrung für die Zusammensetzung anderer MUch findet. Hinsichtlieh der umfangreichen Littcratur über den Einfluss verschiedener Nah- rung auf die Milchproduktion bei Thieren wird auf das Buch von KÖNIG : Chem. d. menschl. Nahrungs- und Genussmittel, 3. Aufl., Bd. 1, S. 298 u. f. verwiesen. ä) Centralbl. f. d. med. Wissenseh. 1866. S. 337. fi) Cit. nach König. 2. 235. 7) Vergl. Beck, Maly's Jahresber. 25. S. 223. 412 Vierzehntes Kapitel. Chemismus der Milchabsonderung. Dass die in der Milch vorkommenden, wirklich gelösten Bestandtheile nicht durch eine Filtration oder Diffusion allein Chemismus in das Sekret übergehen , sondern vielmehr durch eine spezifisch sekretorische absonder- Wirksamkeit der Drüsenelemeute abgesondert werden, geht schon daraus hervor, ^' dass der Milchzucker, welcher in dem Blute nicht gefunden worden ist, allem Anscheine nach in der Drüse selbst gebildet wird. Ein weiterer Beweis liegt darin, dass das Laktalbumin nicht mit dem Serumalbumin identisch ist und endlich darin, dass, wie Bunge ^) gezeigt hat, die mit der Milch abgesonderten Mineralstoffe in ihr in ganz anderen Mengenverhältnissen als in dem Blutserum sich vorfinden. Ueber die Entstehung und Absonderung der spezifischen Milchbestand- theile ist nur wenig bekannt. Die ältere Angabe, dass das Kasein aus dem Laktalbumin durch die Einwirkung eines Enzymes entstehe, ist unrichtig und rührt zum Theil von einer Verwechseluni^ von Alkalialbuminat und Kasein her. Besser begründet scheint die Ansicht zu sein, dass das Kasein aus dem Protoplasma der Drüsenzellen abstamme. Das oben (S. 393) besprochene Nukleo- Entstebuiig proteid der Drüsenzellen dürfte dem Kasein verwandt sein und es könnte des Kaseins. vielleicht die Muttersubstanz desselben darstellen. Dass das Protoplasma der Zellen an der Sekretion in der Weise betheiligt ist, dass es selbst zu Sekret- bestandtheilen wird, scheint auch, in Uebereinstimmung mit der Ansicht von Hf.iüexhaix ^) allgemein angenommen zu sein. Nach den Untersuchungen von Ba.sch^) soll das Kasein in der Milchdrüse dadurch entstehen, dass die Nuklein- säure des frei gewordenen Kernes intraalveolär mit dem transsudirten Serum zu einem Nukleoalbumin, dem Kasein, sich verbindet; es können aber gegen diese Untersuchungen wichtige Einwendungen erhoben werden. Dass das Milchfett durch eine Fettbildung im Protoplasma entsteht und dass die Fettkügelchen bei dem Zerfalle desselben frei werden, ist eine allge- mein verbreitete Ansicht, welche jedoch die Möglichkeit nicht ausschliesst, dass das Fett auch zum Theil von der Drüse aus dem Blute aufgenommen und mit dem Sekrete eliminirt werden kann. Dass ein Uebergang von Nahrungsfett in die Milch möglich ist, geht in der That aus den Beobachtungen von Winternitz*) hervor, indem er nämlich den Uebergang von jodirtem Fett in die Milch hat nachweisen können. Dasselbe lehren auch die Beobachtungen von Spampani des MUcii"^ und Daddi'') Über den Uebergang von Sesamölfett in die Milch. Da eine Fett- bildung aus Kohlehydraten im Thierkörper als sicher bewiesen angesehen wird, bleibt ferner die Möglichkeit offen, dass die Milchdrüse auch Fett aus Kohle- hydraten, die ihr mit dem Blute zugeführt werden, erzeugen könne. Dass 1) Leluli. 3. Aufl. S. 9:!. 2) HEKätANN's Handbucli. .>. Till. 1. S. 380. :l) .lahrbueh f. Kinderheilkunde 1808. ■1) Zeitschr. f. physiol. Cheni. 24. ■•i) Vprsil, Mat.v's .Talucsber. 26. S. 298. Chemismus der Milchabsondei'un«;. 413 wenigstens ein Theil des mit der Milch ausgeschiedenen Fettes irgendwo im Körper gebildet wird, geht in der That unzweifelhaft daraus hervor, dass ein Thier während längerer Zeit täglich mit der Milch eine bedeutend grössere Menge Fett als die, welche es mit der Nahrung aufnimmt, abgeben kann. In wie weit dieses Fett in der Milchdrüse selbst direkt entsteht oder aus anderen Organen und Geweben mit dem Blute der Drüse zugeführt wird, lässt sich jedoch noch nicht entscheiden. Der Ursprung des Milchzuckers ist nicht bekannt. MÜXTZ erinnert daran, dass eine Menge in dem Pflanzenreiche sehr verbreiteter Stoffe — Pflanzen- schleim, Gummi, Pektinstoflie — als Zersetzungsprodukt Galaktose liefern, und er glaubt deshalb, dass der Milchzucker bei den Pflanzenfressern durch eine Synthese aus Dextrose und Galaktose entstehen könne. Diese Entstehungsweise J'^'J^J^f trifft aber jedenfalls für die Fleischfresser nicht zu, weil diese auch bei aus- ^"<^''<"^- schliesslicher Fütterung mit magerem Fleisch Milchzucker produziren können. Die Beobachtungen von Bert und Thierfeldek ') , dass in der Drüse eine Muttersubstanz des Milchzuckers, ein Saccharogen, vorkommen soll, können, da die Natur dieser Muttersubstanz noch unbekannt ist, keine weiteren Auf- schlüsse über die Entstehungsweise des Milchzuckers geben. Ob das oben (S. 393) besprochene Proteid , welches beim Sieden mit verdünnter Säure eine redu- zirende Substanz giebt, zu der Milchzuckerbildung in irgend einer Beziehung steht , kann ebenfalls erst durch eingehendere fortgesetzte Untersuchungen ermittelt werden. Im nächsten Anschlüsse an die Frage von den chemischen Vorgängen der Milchabsonderung steht die Frage von dem Uebergange fremder Stoße in die Milch. Dass die Milch einen fremden, von dem Futter der Thiere herrührenden Geschmack annehmen kann, ist eine allbekannte Thatsache, welche schon an und für sich ein Zeugniss von dem Uebergange fremder Stoffe in die Milch ablegt. V^on besonderer Bedeutung sind jedoch vor allem die Angaben über den Uebergang solcher schädlich wirkenden Stoffe in die Milch , die mit der Milch dem Säuglinge zugeführt werden können. Unter solchen Stoffen sind zu nennen: Opium und Morphin, welche nach grösseren Gaben in die Milch übergehen und auf das Kind einwirken sollen, uebergang Auch Alkohol soll in die Milch übergehen können, obwohl doch wahrscheinlich gtoff^^rfdie nicht in so grosser Menge, dass er eine direkte Wirkung auf den Säugling aus- ^''<'''- üben könne ^). Nach Fütterung mit Schlempe glaubt man ebenfalls das Auf- treten von Alkohol in der Milch beobachtet zu haben. Unter den anorganischen Stoffen hat man Jod, Arsen, Wisniuth, Antimon, Zink, Blei, Quecksilber und Eisen in der Milch gefunden. Bei Ikterus gehen weder Gallensäuren noch Gallenfarbstoffe in die Milch über. 1) MÜNTZ, Compt. read. 102; Bekt und Thierfei.der, Fussüoten 1 u. 2 S. 393. 2) Vergl. Klingemann, Virchow's Aivh. 126. 414 Vierzehntes Kapitel. Unter kraukhafteu Verlüiltuissen hat man keine konstanten Yerändernngpn der Frauen- milch gefunden. In einzelnen Fällen hat mau (SCHLOSSBERGER, JOLY und Filhol') zwar eine wesentlich abweichende Zusammensetzung beobachtet, aber es lassen sicli liieraus keine bestimmten Schlüsse ziehen. Auch die Veränderungen der Kuhmilch bei Kraukhciten siud wenig studirt. Bei Tuberkulose des Euters fand Storch") Tuberkelbacillen in der Milch und er fand ferner, ?i*&ank- '^"^^ '"* M'lch im Verlaufe der Krankheit immer mehr mit einer serösen , dem Blutserum heiten. ähnlichen Flüssigkeit verdünnt wird, so dass die Drüse zuletzt statt der Milch nur Blutserum oder eine seröse Flüssigkeit liefert Die Milch an Rinderpest erkrankter Kühe fand Hüsson') reich an Eiwciss aber bedeutend ärmer an Fett und (in schweren Fällen) Zucker als nor- male Milch, Durch die Ent Wickelung von Mikroorganismen kann die Milch eine blaue oder rothe Farbe annehmen. Konkremente in den Ausführnugsgängen des Kuheuters sind nicht selten beobachtet. Sie bestehen überwiegend au.s Calciumkarbonat oder aus Karbonat und Phosphat mit nur einer geringen Menge organischer Substanz. 1) Schlossberg EK, Annal. d. Chem. u. Pharm. 96; Joly und Fii.hol, cit. nach V. Gorüp-Besanez, Lehrb. 4. Aufl. S. 739. -) Die fraglichen Analysen finden sich in einem Aufsatze vou Bang: Om Tuberkulose i Koeus Yver og om tuberkulös Mälk. Nord. med. Ärkiv. 16, Stoech, Maly's Jahresber. 14. 3) Compt. rend. 73. F ü n t'z e h n t e s Kapitel. Der Harn. Für die stickstoft'lialtigen Stotfwechselprodukte wie auch für das Wasser und die gelösten Mineralstoffe ist der Harn das wichtigste Exkret des mensch- lichen Organismus und er muss also in vielen Fällen wichtige Aufschlüsse über den Verlauf des Stoffwechsels, seine Abweichungen in quantitativer und, beim Auftreten von fremden Stoffen im Harne, auch in qualitativer Hinsicht liefern können. Es muss ferner der Harn durch die chemischen oder morphologischen Bestandtheile, welche er aus Nieren, Harnleitern, Blase und der Harnröhre auf- nehmen kann, in mehreren Fällen uns gestatten, den Zustand dieser Organe zu der^Harn? beurtheilen ; und endlich giebt uns die Harnanalyse auch ein ausgezeichnetes """ ^^^' Mittel in die Hände, die Frage zu entscheiden, in wie weit gewisse Heilmittel oder andere in den Organismus eingeführte fremde Substanzen resorbirt und innerhalb desselben chemisch umgew^andelt worden sind. Besonders von dem letztgenannten Gesichtspunkte aus hat die Harnanalyse sehr wichtige Aufschlüsse über die Natur der chemischen Prozesse innerhalb des Organismus geliefert, und die Harnanalyse ist deshalb auch nicht nur für den Arzt ein wichtiges diagno- stisches Hilfsmittel, sondern sie ist auch für den Toxikologen und den physio- logischen Chemiker von der allergrössten Bedeutung. Bei dem Studium der Se- und Exkrete sucht man gern die Beziehungen zwischen dem chemischen Bau des absondernden Organes und der chemischen Zusammensetzung des von ihm abgesonderten Produktes zu erforschen. Mit Rücksicht auf die Nieren und den Harn hat die Forschung jedoch bis jetzt in dieser Hinsicht nur äusserst wenig geleistet. Ebenso fleissig wie die anatomi- schen Verhältnisse der Nieren studirt worden sind, ebenso wenig ist ihre chemische Zusammensetzung Gegenstand mehr eingehender, chemischer Untersuchungen gewesen. In den Fällen, in welchen eine chemische Untersuchung der Nieren unternommen wurde, hat sie sich auch im Allgemeinen mit dem Organe als solchem und nicht mit dessen anatomisch verschiedenartigen Theilen beschäftigt. Eine Aufzählung der bisher gefundenen chemischen Bestandtheile kann also nur einen untergeordneten Werth haben. 416 Fünfzehntes Kapitel. Bestand- tlieile der Niere. Flüssigkeit bei Hydro- nephrose. In den Nieren finden sich Eiweisskörper verschiedener Art. Nach Halli- burton enthält die Niere kein Albumin, sondern nur bei -|-52''C. gerinnendes Glohidin und ein Nuldeoprotml mit 0,37 p. c. Phosphor. Nach L. Liebermann enthält die Niere Lecißialhumi'ii , dem er eine besondere Bedeutung für die Ab- sonderung des saureu Harnes zuschreibt, und nach Lönnberg mucinähnUclie Suhstam. Diese letztere, welche beim Sieden mit Säure keine reduzirende Sub- stanz giebt, gehört hauptsächlich dem Papillartheile an und ist nach Lönnberg ein Nukleoalbumin (Nukleoproteid ?). Die Kortikalsubstanz ist reicher an einem anderen, nicht mucinähnlichen Nukleoalbumin (Nukleoproteid). In welcher Be- ziehung das letztere zu dem Nukleoproteide Halliburton's steht, ist noch nicht ermittelt worden. Chondroäinschwefelsäiire kommt nach K. Mörner^) in Spuren vor. Fett ist nur in geringer Menge in den Zellen der gewundenen Harnkanälchen vorhanden. Unter den Extraktivstoffen der Nieren hat man XantMnJiörper, ferner Harnstoff und Harnsäure (spurenweise), GJylcogen, Leucin, Inosit, Taurin und Cystin (in der Ochsenniere) gefunden. Die bisher ausgeführten quantitativen Analysen der Nieren haben nur untergeordnetes Inter- esse. O1DTM.A.NN-) fand in der Niere einer alten Frau 810,94 p. m. Wasser, 179,16 p. m. organische und 0,99 p. m. anorganische Substanz. Die unter pathologisolien Verhiiltnisseu , bei der Hydronephrose , sieli ansammelnde Flüssigkeit ist dünnflüssig Ton scliwanlsendem, aber im Allgemeinen niedrigem spez. Gewicht. Sie ist gewöhnlich strohgelb oder blasser , bisweilen fast farblos. Am häufigsten ist sie klar oder nur schwach trübe von weissen Blutkörperchen und Epithelzellen ; in einzelnen Fällen ist sie aber so reich an Formelementen , dass sie dem Eiter ähnlich wird. Eiweiss kommt meistens in nur geringer Menge vor. Bisweilen fehlt es ganz, in einzelnen, selteneren Fällen aber ist seine Menge fast ebenso gross wie im Blutserum. Harnstofl' kommt, wenn dasParen- chym der Niere nur zum Theil atrophisch geworden ist, bisweilen in bedeutender Menge vor ; bei vollständiger Atrophie kann er gänzlich fehlen. I. Physikalische Eigenschaften des Harnes. Klarheit «. Durchsich- tigkeit ode THibunsde Harnes. KüiisisteJiz, Durclisielitigkeit, Genidi und Geschmack des Harnes Der Harn ist unter physiologischen Verhältnissen dünnflüssig und giebt, wenn er mit Luft geschüttelt wird, einen bald verschwindenden Schaum. Der Harn des Menschen und der Fleischfresser, welcher regelmässig sauer reagirt, erscheint unmittelbar nachdem er gelassen ist klar und durchsichtig, oft schwach fluores- cirend. Wenn er einige Zeit gestanden hat, enthält der Menschenharn ein leichtes Wölkchen (Nnhecidu), welches aus sogenanntem „Schleim" besteht und meistens auch einzelne Epithelzellen, Schleimkörpercheu und Uratkörnchen ent- hält. Bei Gegenwart von grösseren Mengen Uraten (harnsauren Salzen) kann der Harn — wegen der grösseren Schwerlöslichkeit der letzteren bei Zimmer- ais bei Körpertemperatur — beim Erkalten sich trüben und einen lehmgelben, 1) Halliburton, Joum. of Physiol. ISSuppl und 18; Liebermann, Pflüger's Arch. 50 u. 54; LÖNNBERG, vergl. Maly's .Tahreslier. 20; MÖRNER, Skand. Arch. f. Physiol. 6. 2) Cit. nach v. Gorup-Besanez, Lehrb. 4. Aufl. S. 732. Physikalische Eigenschaften des Harnes. 417 gelbgrauen , rosafarbigen oder oft ziegelrothen Niederschlag (Sedimentum late- ritiitni) absetzen. Diese Trübung verschwindet wieder bei gelindem Erwärmen. Bei neugeborenen Kindern ist der Harn in den ersten 4 — 5 Tagen regelmässig von Epithelien, Schleimkörperchen, Harnsäure oder harnsauren Salzen getrübt. Der Harn der Pflanzenfresser ist, wenn er, was regelmässig vorkommt, eine neutrale oder alkalische Reaktion hat, von Karbonaten der alkalischen Erden stark getrübt. Auch der Harn des Menschen kann bisweilen unter physio- logischen Verhältnissen alkalisch sein. In diesem Falle ist er auch von Erd- phosphaten trübe, und diese Trübung verschwindet zum Unterschiede von dem Sedimentum lateritium beim Erwärmen nicht. Der Harn hat einen durch Chlor- natrium und Harnstoff bedingten salzigen und schwach bitterlichen Geschmack. Der Geruch des Harnes ist eigenthümlich aromatisch ; die Stoffe, welche den- selben bedingen, sind aber unbekannt. Die Farbe des Harnes ist normalerweise bei einem spez. Gewicht von 1,020 hellgelb. Sie hängt sonst von der Konzentration des Harnes ab und schwankt von blass strohgelb, bei geringem Gehalte an festen Stoffen, zu dunkel rothgelb ^„nzen-'^ oder rothbraun bei sehr starker Konzentration. Von der Regel, dass die In- t''»tion. tensität der Farbe mit der Konzentration parallel läuft, kommen unter patho- logischen Verhältnissen Ausnahmen vor, und eine solche Ausnahme bildet der diabetische Harn, welcher bei grossem Gehalte an festen Stoffen und hohem spez. Gewicht oft eine blassgelbe Farbe hat. Die Reaktiou des Harnes hängt wesentlich von der Beschaffenheit der Nahrung ab. Die Fleischfresser sondern einen sauren, die Pflanzenfresser in der Regel einen neutralen oder alkalischen Harn ab. Setzt man einen Fleischfresser Rgai^tio^ auf Pflanzenkost, so kann sein Harn weniger sauer oder neutral werden, während '^"^ Harnes. umgekehrt der Pflanzenfresser beim Hungern, wenn er also auf Kosten seiner eigenen Fleischmasse lebt, einen sauer reagirendeu Harn absondern kann. Der Harn des gesunden Menschen hat bei gemischter Kost eine saure ReaJdion, und die Summe der Säureäquivalente überwiegt also in ihm die Summe der Basenäquivalente. Dies rührt daher, dass bei der physiologisclien Verbrennung innerhalb des Organismus aus neutralen Substanzen (Eiweiss u. a.) Säuren, vor allem Schwefelsäure aber auch Phosphorsäure und organische Säuren „ , .■ ' I * Keaktion wie Hippursäure, Harnsäure, Oxalsäure, aromatische Oxysäuren u. a. entstehen, ''"^b^j""^'' Hieraus folgt dann weiter, dass die saure Reaktion nicht von einer Säure 'Menschen. allein bedingt sein kann. Bis zu welchem Grade die eine oder andere Säure an der saureu Reaktion sich betheiligt, weiss man nicht; allgemein ist aber die Ansicht verbreitet, dass die saure Reaktion des Menschenharnes hauptsächlich von zweifach saurem Phosphat herrühren soll. Die Menge der sauer reagiren- deu Stoffe oder Verbindungen, welche im Laufe von 24 Stunden mit dem Harne eliminirt werden, beträgt, wenn man sie als Oxalsäure oder Chlorwasserstoffsäure berechnet, resp. 2 — 4 und 1,15 — 2,3 g. Die Beschaffenheit der Nahrung ist indessen nicht das einzige Moment, welches beim Menschen auf den Säuregrad des Harnes einwirkt. So kann z. B. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Autlage. 27 418 Fünfzehntes Kapitel. nach der Aufnahme von Nahrung im Beginn der Älagenverdauung, da eine grössere Menge von salzsäurehaltigem Magensaft abgesondert wird, der Harn neutral oder sogar vorübergehend alkalisch werden'). Ueber den Zeitpunkt, wo die Maxima und Minima der sauren Reaktion auftreten, gehen die Angaben der verschiedenen Forscher leider ziemlich auseinander, was wohl auch zum Theil von verschie- Umstiindc, (Jener Individualität und verschiedenen Lebensverhältnissen der untersuchten In- weli-he den Säuregrad diyiduen herrühren dürfte. Bei ganz gesunden Personen beobachtet man nicht beeinflussen ° ^ selten, dass in den Vormittagsstunden ein neutraler oder sogar alkalischer, von Erdphosphatea trüber Harn abgesondert wii-d. Die Wirkung der Muskelarbeit auf den Säuregrad des Harnes ist ebenfalls nicht ganz sicher festgestellt worden. Nach J. HoFFMAXN, Ringstedt, Oddi und Tauui.u soll Muskelarbeit den Säure- grad erhöhen, nach Aducco'-) dagegen erniedrigen. Starke Schweissabsonderung soll den Säuregrad herabsetzen (Hoffm.^nn). Beim Menschen und bei den Fleischfressern scheint der Säuregrad des Harnes nicht über eine bestimmte obere Grenze hinaus gesteigert werden zu können, selbst dann nicht, wenn Mineralsäuren oder schwerverbrennliche organische Säuren in grösserer Menge aufgenommen werden. Wenn nämlich der dem Orga- nismus zu diesem Zwecke zur Verfügung stehende Vorrath an Karbonaten der fixen Alkalien nicht mehr ausreicht, um den Säureüberschuss zu binden, so von'säui-e- bindet dieser Säureüberschuss das aus dem Eiweiss oder dessen Zersetzungs- produkten abgespaltene Ammoniak, welches in den Harn als Ammoniumsalz übergeht. Bei den Pflanzenfressern scheint eine derartige Bindung des Säure- überschusses an Ammoniak nicht oder wenigstens nicht in demselben Umfange-') stattzufinden, und die Pflanzenfresser gehen deshalb auch bei Säurezufuhr bald zu Grunde. Der Säuregrad des Menschenharnes kann dagegen leicht herab- gesetzt werden, so dass die Reaktion neutral oder alkalisch wird. Dies findet nach Aufnahme von Karbonaten der fixen Alkalien oder von solchen pflanzen- sauren Alkalien — citronensauren und äpfelsauren Alkalien — welche in dem Organismus leicht zu Karbonaten verbrannt werden, statt. Unter pathologischen Verhältnissen, wie bei der Resorption alkalischer Transsudate, kann der Harn alkalisch werden. Die Bestimmung des Säuregrades des Harnes kann nicht in gewöhn- licher Weise acidimetrisch geschehen, weil der Harn zweifach saures Phosphat, MH2PO4, neben einfach saurem Phosphat, M^HPO^, enthält. Bei der Titration wird das zweifachsaure Phosphat nach und nach in M^HPO^ umgesetzt, und man erhält also eine Zeit lang ein Gemenge in wechselnden Verhältnissen von den zwei Phosphaten, welches Gemenge nicht neutral sondern amphoter reagirt. liLstimm- Da man aber die Menge der als zweifach saures Phosphat enthaltenen Phos- '"'Mj'j* phor.säure als ein Mass für die Acidität des Harns betrachtet, fällt die Be- giades. Stimmung der Acidität mit der Bestimmung des zweifach sauren Phosphates zu- 1) Wkleisprecheude .\ng:iben iindet man bei LlNossiliR, M.\ly's Jabresber. 27. 2) IIOFFMANN, TPrgl. Maly's Jahrcsbei'. 14, S. 213; Ringstedt, ebenda 20, S. 196: Oddi und Tarülli, ebenda 24; AdoCOO, ebenda 17. 3) Yeid. AVlSTEKBUKG, Zoitsebr. f. pliysiol. Chom. 25. Spezifisches Gewicht des Haines. 419 sammen. Die hierzu geeignete Methode soll im Zusammenhange mit der Be- stimmung der Gesammtphosphorsäure abgehandelt werden. Ein Harn, dessen alkalische Reaktion durch fixe Alkalien bedingt ist, hat in diagnostischer Hinsicht eine andere Bedeutung als ein Harn, dessen alkalische Reaktion von der Gegenwart von Ammoniumkarbonat herrührt. Im letzteren Falle handelt es sich nämlich um eine durch Mikroorganismen bewirkte Zer- setzung des Harnstoffes im Harne. Will man entscheiden, ob die alkalische Reaktion eines Harnes von Am- moniak oder fixen Alkalien herrührt, so taucht man ein rothes Lackmuspapier ivüiun" de* in den Harn ein und lässt es dann direkt an der Luft oder in gelinder Wärme Harnes auf eintrocknen. Rührte die alkalische Reaktion von Ammoniak her, so wird das Ammoniak. Papier wieder roth ; rührte sie dagegen von fixen Alkalien her, so bleibt es blau. Das spezifische Gewicht des Harnes, welches von dem Verhalten der abgesonderten Wassermenge zu der Menge der festen Harnbestandtheile, vor allem des Harnstoffes und Kochsalzes, bedingt ist, kann sehr bedeutend schwanken, ist aber gewöhnlich 1,017 — 1,020. Nach reichlichem Wassertrinken kann es (iewil-iiTiie auf 1,002 herabsinken, während es nach reichlicher Schweissabsonderung oder nach Aufnahme von nur sehr wenig Wasser auf 1,035 — 1,040 ansteigen kann. Bei Neugeborenen ist das spez. Gewicht niedrig, 1,007 — 1,005. Die Bestimm- ung des spez. Gewichtes hat ihre grösste Bedeutung als Mittel die Menge der festen Stoffe, welche mit dem Harne den Organismus verlassen, kennen zu lernen, und aus diesem Grunde wird diese Bestimmung auch erst dann von wahrem Werth, wenn man gleichzeitig die während einer bestimmten Zeit ab- gesonderte Harnmenge genau bestimmt. Man soll also die zu verschiedenen Zeiten im Laufe von 24 Stunden gelassenen Harnportionen aufsammeln, zu- sammenmischen, die gesammte Tagesmenge messen und dann das spez. Gewicht bestimmen. Die Bestimmung des spez. Gewichtes geschieht am genauesten mittels des Pyknometers. Für gewöhnliche Fälle kann das spez. Gewicht jedoch mit hinreichender Genauigkeit mittels des Aräometers bestimmt werden. Oft .sind die im Handel vorkommenden Aräometer, Urometer. von 1,000 — 1,040 gradirt; bei genaueren Arbeiten ist es jedoch besser, zwei Urometer zu benutzen, von denen das eine von 1,000 — 1,020 und das andere von 1,020 — 1,040 gradirt ist. Bei der Ausführung einer Bestimmung giesst man den klaren, nöthigen- falls filtrirten Harn, welcher, wenn er ein Uratsediment enthält, erst zur Lösung des Sedimentes gelinde erwärmt wird, in einen trockenen Glascylinder mit der Vorsicht jedoch, dass kein Schaum sich bildet. Luftblasen und Schaum müssen, Hostimm- wenn sie vorhanden sind, mit einem Glasstabe und Fliesspapier entfernt werden. ""| ^^_ Der Cylinder, welcher zu etwa ^/r, mit Harn gefüllt wird, soll so weit sein, dass wiehtos. das Urometer frei in der Flüssigkeit schwimmt und an keiner Stelle die Wand berührt. Cylinder und Aräometer sollen beide trocken oder vorher mit dem Harne aus-, bezw. abgespült worden sein. Bei dem Ablesen bringt man das Auge in eine Ebene mit dem unteren Flüssigkeitsrande — was erreicht ist, so- bald man den hinteren Rand der Flüssigkeitsoberfläche gerade nicht mehr sieht — und liest dann die Stelle ab, wo diese Ebene die Skala schneidet. Bei nicht richtiger Ablesung, sobald das Auge zu tief oder zu hoch liegt, erscheint die Oberfläche der Flüssigkeit in der Form einer Ellipse. Vor dem Ablesen drückt 27* 420 Fünfzehntes Kapitel. man das Urometer mit dem Finger um einige Theilstriche tiefer in den Harn herab, lässt es wieder aufsteigen und wartet mit dem Ablesen bis es ruhig steht. Jedes Urometer ist bei einer bestimmten Temperatur gradirt, welche auf dem Instrumente, wenigstens auf besseren Instrumenten, angegeben ist. Kann man nun mit der Ausführung der Bestimmung nicht warten, bis der Harn diese Temperatur angenommen hat, so muss man folgende Korrektion für die ■ abweichende Temperatur machen. Für je drei Temperaturgrade über der Normal- temperatur muss man dem abgelesenen Werthe einen Aräometergrad zuzählen und für je drei Temperaturgrade unter derselben muss man von dem abgelesenen Werthe einen Aräometergrad abziehen. Wenn beispielsweise ein für -)- 15" C. gradirtes Urometer in einem Harne von -\- 24" C. ein spez. Gewicht von 1,017 anzeigt, ist also das spez. Gewicht bei + 15" C. = 1,017 + 0,U03 = 1,020. Wenn es um sehr genaue Bestimmungen, wie um eine Bestimmung der Dichte bis zur vierten Decimale sich handelt, bedient man sich eines von Lohn- stein ^) konstruirten Urometers. Jolles^) hat ferner besondere kleine Urometer zur Bestimmung der Dichte, wenn nur kleine Harnmengen, 20 — 25 ccm, zur Verfügung stehen, konstruirt. Das spez. Gewicht kann auch mittels der West- PHAL'schen hydrostatischen Wage bestimmt werden. IL Organische, physiologische Harnbestandtheile. Der Harnstoff, Ür, welcher gewöhnlich als Karbamid C0(NH.,)2 auf- gefasst wird, kann synthetisch auf verschiedene Weise, wie aus Karbonychlorid zusaimm..- oder Kohlensäureäthyläther und Ammoniak: COCla + 2 NHg = CO(NH2)2 Setzung. _j_ 2 jj(-,]^ j,ggp (QH^jo.Oo.CO + 2 NHg = 2 (CjHj.OH) + CO{l!(B..,).„ ferner durch metamere Umsetzung des Ammoniumisoeyanates CO.N.NH^ = CO(NH2)2 (WÖHLER 1828) und auf viele andere Weisen erhalten werden. Er entsteht auch bei Zersetzung oder Oxydation von gewissen im Thierkürper gefundenen Stoffen, wie Kreatin und Harnsäure. Der Harnstoff kommt am reichlichsten im Harne des Fleischfressers und des Menschen, in geringerer Menge in dem der Pflanzenfresser vor. Die Menge desselben im Menschenharne ist gewöhnlich etwa 20 — 30 p. m. Er ist auch im Vorkommen Harne vou Amphibien, Fischen und einigen Vögeln in geringer Menge gefunden Stoffes, worden. Im Schweisse kommt Harnstoff" in kleiner Menge und im Blute und den meisten thierischen Säften spuren weise vor. In Blut, Leber, Muskeln ^) und Galle'*) von Haifischen kommt er jedoch sehr reichlich vor. Er findet sich ferner bei Säugethieren in gewissen Geweben oder Organen, vor Allem in der Leber und der Milz, obzwar in nur geringer Menge. Unter pathologischen Verhält- nissen, bei gehinderter Exkretion, kann der Harnstoff" in vermehrter Menge in thierischen Säften und Geweben auftreten. 1) Pflüger's Arch. 59, Chem. Centralbl. 1895 1. 74 und 1896 2. 457. ä) Wien. med. Presse Nr. 8 1897. 3) V. SCHROEDER, Zeitselir. f. physiol. Chem. 14. i) Hamm.\rsten, ebenda 24. Harnstoff und Harnstickstoff. 421 Die Menge Harnstoff, welche bei gemischter Kost p. 24 Stunden abge- sondert wird, beträgt für erwachsene Männer gegen 30 g, für Frauen etwas weniger. Kinder sondern absolut weniger aber relativ, auf das Körpergewicht berechnet, mehr Harnstoff' als Erwachsene ab. Die physiologische Bedeutung des Harnstoffes liegt darin, dass dieser Stoff" bei Menschen und Fleischfressern in quantitativer Hinsicht das wichtigste stickstoffhaltige Endprodukt der Um- setzung der Prote'instoffe darstellt. Aus diesem Grunde schwankt auch die 5^''^e°Be Grösse der Harnstoffausscheidung in hohem Grade mit der Grösse des Eiweiss- Deutung des ® Harnstottes. Umsatzes und in erster Linie mit der Menge des mit der Nahrung aufgenommenen, resorbirten Eiweisses. Die Harnstoffausscheidung ist am grössten nach ein- seitiger Fleischnahrung und am geringsten, sogar kleiner als beim Hungern, nach einseitiger Zufuhr von stickstofffreien Stoffen, weil diese den Umsatz des Körpereiweisses herabsetzen. Fällt das Eiweiss des Körpers einem gesteigerten Verbrauche anheim, so wird die Stickstoftausscheidung regelmässig vermehrt. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Fieber, Kachexien, Diabetes, Vergiftungen mit Arsen, Antimon, Phosphor und anderen Protoplasmagiften, bei verminderter Sauerstoffzufuhr — wie bei starker und anhaltender Dyspnoe, Blutungen, Vergiftungen mit Kohlenoxyd u. s. w. In diesen Fällen nahm man früher ohne Weiteres eine vermehrte Harn- stoffausscheidung an, indem man nämlich keinen genauen Unterschied zwischen der Harnstoffmenge und der Gesammtstickstoffmenge machte. Die ünzulässig- keit eines derartigen Vorgehens ist durch spätere Untersuchungen völlig dar- gethan worden. Nachdem nämlich Pflüger und Bohlaxd gezeigt hatten, dass ayckstoft- dieienige Stickstoffmensre, welche im Harne in anderen Verbindungen als im a>'s''<^i"="'- Harnstoff vorkommt, unter physiologischen Verhältnissen sogar 16 p. c. des gesammten Harnstickstoffes betragen kann, hat man seine Aufmerksamkeit immer mehr den relativen Mengenverhältnissen der verschiedenen stickstoffhaltigen Harn- bestandtheile zugewendet und dabei gefunden, dass dieses Verhältniss unter pathologischen Zuständen sich sehr bedeutend zu Ungunsten des Harnstoffes ändern kann. Ueber das Misehungsverhältniss der Stickstoffsubstanzen im nor- malen Harne Erwachsener liegen zahlreiche Bestimmungen von verschiedenen Forschern, wie Bohland, E. Schultze, Camerer, Voues, Mörner und Sjöqvist, GuMLicH, Bödtker') u. a. vor. Bei neugeborenen Kindern in dem Alter von 1 — 7 Tagen hat Sjöqvist ähnliche Bestimmungen ausgeführt. Aus allen diesen Analysen resultiren folgende Zahlen, A für Erwachsene und B für neugeborene Kinder. Von dem Gesamratstickstofle kommen, in Prozenten, auf: Harnstoff 84-91 73- 7G SSX Ammoniak 2—5 7,8 — 9,6 stickstoff- Harnsäure 1 — 3 3.0 — 8,5 haltigon Uebr. N-Iialtige Sub.t. „»---a. (E.\traktivstoffe) . . 7—12 7,3—14,7 theile. I) PFLtJGEB und Bohland, PFLtJoER's Arcii. 38 u. 43; Bohlaxd, ebenda 43, Schultze, ebenda 45; Camekek, Zeitschr. f. Biologie 24, 27 u. 28; VOges, eit. nach Maly's Jahresber. 22. S. 444; K. JIÖRNER und SjÖQVIST, Skand. Arch. f. Pliysiol. 2; ferner SjÖQViST, Nord. 422 Fünfzehntes Kapitel. Hani- sticktofl" ■ Krauk- heiteu. Auffallend ist die wesentlich verschiedene Relation zwischen Harnsäure-, Ammoniak- und Harnstofl'stickstoff bei Kindern und Erwachsenen, indem näm- lich der Harn jener bedeutend reicher an Harnsäure und Ammoniak und be- deutend ärmer an Harnstoff als der Harn dieser ist. Die absolute Menge des Harnstickstoffes beträgt für den Erwachsenen pro 24 Stunden etwa 10 — 16 g- In Krankheiten kann die Mischung der Stickstoftsubstanzen wesentlich ver- 1 ändert werden, und namentlich in gewissen Leberkrankheiten hat man eine Verminderung des Harnstoffes und eine Vermehrung des Ammoniaks beobachtet, Verhältnisse, auf die bei Besprechung der Harnstoff bildung in der Leber näher eingegangen werden soll. Dass die Harnstoffbildung bei herabgesetzter Eiweiss- zuf "uhr oder herabgesetztem Ei weiss verbrauch vermindert sein muss, liegt auf der Hand. Bei Nierenkrankheiten, welche die Integrität der Epithelien der ge- wundenen Harnkanälchen stören oder vernichten, kann die Harustoffausscheid- ung bedeutend herabgesetzt sein. Die Entstehung des Harnstoffes im Organismus. Die Versuche, aus dem Eiweisse durch Oxydation Harnstoß' direkt zu erzeugen, haben zu keinen sicheren positiven Resultaten geführt. Als hydrolytische Spaltungsprodukte der Eiweiss- stoffe hat man dagegen unter anderen die basischen Stoffe Lysatin und Argiuin, die ebenfalls bei der Trypsinverdauung entstehen, erhalten, und diese Stoffe können bei Alkalieinwirkung Harnstoff liefern (vergl. Kap. 2). Es ist deshalb möglich, dass Harnstoff durch hj-drolytische Spaltung des Eiweisses mit diesen Stoffen als Zwischenstufen entsteht, und nach Dkechsel hätte man für etwa 10 p. c. des Harnstoffes einen solchen Ursprung anzunehmen. Durch Alkali- einwirkung könnte ebenfalls ein Theil des Harnstoffes aus Kreatiu, bezw. Kreatinin entstehen. Als weitere Muttersubstanzeu des Harnstoffes betrachtet man die Amido- säuren. Durch Versuche von Schultzex und Nexcki und Salküwski mit Leucin und Glykokoll und von v. Kxieriem mit Asparagin ist es nämlich bewiesen worden, dass Amidosäuren im Thierkörper zum Theil in Harnstoff übergehen können. Neuere Untersuchungen von Salaskin mit den drei Amidosäuren Glykokoll, Leucin und Asparaginsäure haben zudem unzweideutig gezeigt, dass die über- substanzcn lebende, mit arteriellem Blut gespeiste Hundeleber die Fähigkeit hat, die obigen Stoffes. Amidosäuren in Harnstoff oder eine nahestehende Substanz umzuwandeln. Zu ähnlichen Resultaten haben auch die Versuche von LoEwi mit dem von Richet entdeckten „harnstoffbildenden" Enzyme der Leber und Glykokoll oder Leucin, wie auch die von Asc.OLi ') geführt. In wie weit Amidosäuren, abgesehen etwa von der Verdauung im Darme, bei dem physiologischen Eiweisszerfalle im Thier- Eutstehun; des Haiu- stoflfcs. Med. Arkiv Jahrg. 1892 Nr. 3G und 1894 Nr. 10; (iüMLlcu, Zeitsi-hr. f. physiol. Chem. 17; BÖDTKER, vergl. Maly's Jaliresber. 26. 1) SCHüLTZEN und Nencki, Zeitschr. f. Biologie S; v. Kniekiem, ebundalO; Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 4; Salaskin, ebenda 2ö; LoEWi, ebenda; RiCHET, Compt. rend. 118 und Compt. lend. soc. biol. 49. .\scoLl, PflÜger's Aixh. 72. Entstehung der Harnstoffes. 423 körper entstehen, lässt sich allerdings noch nicht sagen. Die Möglichkeit einer Entstehung des Harnstoffes aus solchen steht aber unzweifelhaft fest. In welcher Weise diese Harnstoff bildung zu Stande kommt, lässt sich nicht sicher sagen ; man hat aber theils eine Ammoniakbildung und theils die Bildung von Karbaminsäure angenommen. Die Möglichkeit einer Harnstoffbildung aus Ammoniak ist sicher bewiesen. Es haben nämlich mehrere Forscher, wie v. Knieriem, Salkowski, Feder, J. MuNK, CoRANT)A, ScHMiEDEBERCJ und Fr. Walter und Hallerworden ^) Unter- suchungen über das Verhalten der Ammoniaksalze im Thierkörper und die Aus- scheidung des Ammoniaks unter verschiedenen Verhältnissen unternommen, und ^''™g*''* diese Untersuchungen haben gelehrt, dass nicht nur das Ammoniumkarbonat '^'^""n'''' sondern auch solche Ammoniumsalze, die im Organismus zu Karbonat verbrannt werden, sowohl beim Fleisch- wie beim Pflanzenfresser in Harnstoff sich um- setzen. Dass diese Harnstoffbildung, wenigstens zum Theil, in der Leber statt- findet, hat zuerst v. Schröder^) durch Versuche an überlebenden Hundelebern, durch welche er mit Ammoniumkarbonat oder Ammoniumformiat versetztes Blut hindurchleitete, gezeigt. Es haben ferner Nencki, Pawlow und Zaleski'^) ge- funden, dass beim Hunde der Gehalt an Ammoniak im Pfortaderblute etwa 3,5 mal grösser als in dem Lebervenenblute ist und dass demnach die Leber ,,{{^"1'°^'^. das ihr zugeführte Ammoniak grösstentheils zurückhält. Die Harnstoffbildung ■*^'™™ aus Ammoniak in der Leber ist also eine sichergestellte Thatsache und diese Harnstoffbildung aus Ammoniumkarbonat ist als eine unter Austritt von Wasser stattfindende Synthese zu betrachten. Für die, schon vor längerer Zeit von Schultzen und ^STencki*) ausgespro- chene Ansicht, dass die Amidosäuren mit der Karbaminsäure als Zwischenstufe in Harnstoff übergehen, sprechen ebenfalls wichtige Beobachtungen. Drechsel bat nämlich gezeigt, dass Amidosäuren bei ihrer Oxydation in alkalischer Flüssig, keit ausserhalb des Organismus Karbaminsäure liefern, und aus dem Ammonium- jj^*™^j„_ karbamate hat er durch elektrische Wechselströme, also durch abwechselnde Oxy- ""'"'ß"- dation und Reduktion, Harnstoff darstellen können. Der Nachweis von Karb- amat in geringer Menge im Blute ist Drechsel ebenfalls gelungen und er hat später zusammen mit Abel die Karbaminsäure in alkalischem Pferdeharn nach- gewiesen. Drechsel nahm deshalb die Entsehung des Harnstoffes aus Am- moniumkarbamat an, und nach ihm kann man sich den Verlauf in folgender Weise, durch abwechselnde Oxydation und Reduktion, vorstellen. 1) V. Kniekiem, Zeitschr. f. Biologie 10, Feder, ebenda 13; Salkowski, Zeifschr. f. physiol. Chem. 1; MrNK, ebenda 2; CORANDA, Areh. f. exp. Path. u. Pharm. 12; SCHMIEDE- BEBG und Walter, ebenda 7 ; Hallerworden, ebenda 10. ä) Arch. f. exp. Path. u. Pharm 15; vergl. auch SalomOS, Virchow's Arch. 97. 3) Areh. des Scienc. biol. de St. Petersbourg 4. 4) Zeitschr. f. Biologie 8. 424 Fünfzehntes Kapitel. HiN . O . CO . NH., + O = H,N . O . CO . NH^ + H,0 uml Ammoniuiukarbainat n,N . O . CO . NH, + H, = HoN . CO . NIL, + H,0 ^ üarnstoft' Abel und Muirhead^) haben später ein reichlicheres Auftreten von Karb- arainsäure im Menschen- und Hundeharn nach Einnahme von grösseren Mengen Kalkmilch beobachtet, und endlich ist das regelmässige Vorkommen dieser Säure in normalem, sauer reagirendem Menschen- und Hundeharn von M. Nencki und Haiik-) sehr wahrscheinlich gemacht worden. Die zwei letztgenannten Forscher haben ferner durch Beobachtungen an Hunden mit EcK'schen Fisteln eine wichtige Stütze für die Ansicht von einer Harnstoffbildung aus Ammoniura- karbamat geliefert. Bei der EcK'schen Fisteloperation wird die Vena portae nahe am Leberhilus untergebunden, an die Vena cava inferior festgenäht und eine Oeffnung zwischen beiden Venen etablirt, so dass das Pfortaderblut mit Um- gehung der Leber direkt in die Vena cava fliesst. Bei in dieser Weise von Pawlow und Massen operirten Hunden beobachteten Nencki und Hahn heftige Vergiftungssymptome, die fast ganz identisch mit denselben waren, die nacli Einführung von Karbamat in das Blut zum Vorschein kamen. Diese Symptome traten auch nach Einführung von Karbamat in den Magen auf, während das in den Magen normaler Hunde eingeführte Karbamat wirkungslos blieb. Da die VerfT. ferner die Harne der operirten Hunde reicher an Karbamat als die der normalen fanden, leiten sie die beobachteten 83'mptome von der Nichtuni- wandlung des Ammoniumbarbamates in Harnstoff in der Leber her, und sie betrachten das Animoniumkarbamat als diejenige Substanz, aus welcher in der Säugethierleber der Harnstoff entsteht. Die Ansicht von der Entstehung des Harnstoffes aus Ammoniumkarbamat steht übrigens nicht im Widerspruch mit der obigen Ansicht von der Umwand- lung des Karbonates in Harnstoff; denn man kann sich auch vorstellen, dass das Karbonat erst durch Austritt von einem Molekül Wasser in Karbamat sich umsetzt, welches dann durch Austritt von einem zweiten Wassermoleküle in Harnstoff übergeht. F. HoF.MEisTER^) hat gefunden, dass bei der Oxydation verschiedener Körper der Fettreihe, unter anderen auch Amidosäuren und Eiweissstofte, bei 'Gegenwart von Ammoniak Harnstoff gebildet wird, und er ninnnt deshalb auch die Möglichkeit einer Harnstoffbildung durch Oxydationssynthese an. Nach ihm würde bei der Oxydation stickstoffhaltiger Substanzen ein amidhaltiger Rest CONH., in dem Bildungsaugenblicke mit dem bei der Oxydation des Ammoniaks zurückbleibenden Reste NH., zu Harnstoff zusannnentreteu. 1) Drechsel, Her. d. Sachs, (iesellseh. d. Wissens. 1875 u. Journ. f. pralit. (.'heni. (N. F.) 12, 16 u. 22. Abel, Du Bois-Eeymqnd's Arch. 1891; Abel und Müiehead, .\rch. f. e.xp. Path. u. Pharm. 31. 'i) M. H.\HN% V. Massen, M. Nencki et J. Pawlow, La fistule d'Eck de la veine cnve inferieur et de la veine porte etc. Arch. des seienc. biol. de St. Petersbourg 1. 3) .\rch. f. c.xp. Patli. u. Plianii. 37. Harnstoffbildims. 425 Ausser den nun genannten giebt es übrigens auch andere Theorien für die Harnstoffbildung, auf die indessen hier nicht näher eingegangen werden kann, denn das Wesentliche, was bisher ganz sieher bewiesen wurde, ist eine Harnstoffbildung aus Ammoniakverbindungen und Amidosäuren in der Leber. Die Leber ist das einzige Organ, in welchem bisher eine Harnstoffbildung direkt nachgewiesen worden ist'), und es fragt sich also, welche Bedeutung diese in der Leber stattfindende Harnstoffbildung hat. Wird aller Harnstoff oder die Haiiptmenge desselben in der Leber gebildet? Wenn die Leber das einzige Organ der Harnstoffbildung wäre, hätte man nach der Verödung oder Ausschaltung dieses Organes eine aufgehobene oder, nach mehr kurzdauernden Versuchen, jedenfalls stark herabgesetzte Harnstoff- ^ün/di'e'^ ausscheidung zu erwarten. Da ferner wenigstens ein Theil des Harnstoffes in ^5fj™„*g*^" der Leber aus Ammouiakverbindungen entsteht, müsste gleichzeitig eine ver- mehrte Animoniakausscheidung zu erwarten sein. Die an Thieren nach verschiedenen Methoden von Nexcki und Haux, Slo.sse, Lieblein, Nencki und Pawlow-) angestellten Ausschaltungs- oder Ver- ödungsversuche haben gelehrt, dass zwar bisweilen eine stark vermehrte Ammo- niak-, bezw. verminderte Harnstoffausscheidung als Folge der Operation auf- tritt, dass es aber auch Fälle giebt, in welchen trotz ausgedehnter Leberverödung noch eine reichliche Harnstoffbildung stattfindet und keine oder wenigstens keine namhafte Aenderung in dem Verhältnisse des Ammoniaks zuni Gesammtstick- iJ!|^3tofl-. Stoff und Harnstoff zum Vorschein kommt. Nach Ausschaltung der Organe •'üdung der hinteren Körperhälfte, besonders Leber und Nieren, aus dem Kreislaufe fand Kaltmanx*) ferner eine zum Theil nicht unerhebliche Zunahme des Harn- stoffes im Blute, und es zeigen diese verschiedenen Beobachtungen, dass bei den untersuchten Thierarten die Leber nicht das emzige Organ der Harnstoff- bildung ist. Zu einem ähnlichen Schlüsse führen die von zahlreichen Forschern*) an Menschen bei Lebercirrhose, akuter gelber Leberatrophie und Phosphorvergiftung gemachten Erfahrungen. Es geht nämlich aus ihnen hervor, dass in einzelnen Fällen die Mischung der Stickstoffsubstanzen derart verändert wird, dass der 1 ) Bezüglich der UntcrsuoliuDgen von Prevost u. Dumas, Meissnee, Voit, ürehant, GSC'HEIDLEN und Salkowski u. A über die Rolle der Nieren bei der Harnstofibilduug vergl. man v. Schroe0ER, Areh. f. e.'tp. Path. u. Pharm. 15 u. 19 und VoiT, Zeitschr. f. Biologie 4. •i) Nencki u. Hahn I. c; Slosse, Du Bois-Reymond's Aroh. 1890; Lieblein, Areh. f. e.xp. Path. u. Pharm. 33; Nencki nnd Pawlow, Areh. drs scienc. de St Petersburg 5. ViTgl. iuieh V. Meister, Mai.y's Jahresber. 25. '■i) Comp*, rend. Soc. biol. 46 u. Areh. de Physiol. (5) 6. 4) Vergl. Hallebworden, Areh. f. exp. Path. u. Pharm. 12; Weintraud, ebenda 31 ; MÜNZER u. Winterberg, ebenda 33 ; Stadelmann, Deutsch. Areh. f. kliu. Med. 33; Fawitzki, ebenda 45; Münzer, ebenda 52; Fk.\nkel, Berlin, klin. Wochenschr. 1878; Richter, ebenda 1896; Mökner und SjöQvist, Skand. Areh. f. Physiol. 2 u. SJÖQVIST; Nord. Med. Arkiv 1892; GUMLICH, Zeitschr. f. physiol. Chem. 17: v. NOORDEN. Lehrb. d. Pathol. des Stoff- wechsels S. 287. 426 Fünfzehntes Kapitel. Harnstoff nur 50 — 60 p. c. des Gesammtstickstoffes beträgt, während in anderen Fällen dagegen selbst bei sehr umfangreicher Verödung der Leberzellen eine Uainstofl- nicht herabgesetzte Harnstoffbildung mit nicht wesentlich veränderter Relation Itilduiig und ° Leberkrank- 2Yv,ig(;ljen Gesammtstickstoff, Harnstoff und Ammoniak fortbestehen kann. Und Leiten. selbst in den Fällen, in welchen die Harnstoffbildung relativ herabgesetzt und die Ammoniakausscheidung bedeutend vermehrt ist, darf man nicht ohne Weiteres eine herabgesetzte harnstoffbildende Fähigkeit des Organismus annehmen. Die vermehrte Ammoniakausscheidung kann nämlich, wie besonders Münzer für die akute Phosphorvergiftung dargethan hat, auch daher rühren, dass in Folge des abnorm verlaufenden Stofl'wechsels Säuren in abnorm grosser Menge gebildet werden, die dann, dem später zu erwähnenden Gesetze der Ammoniakausscheid- ung gemäss, zu ihrer Neutralisation eine grössere Ammoniakmeuge in Anspruch nehmen. Man ist also gegenwärtig nicht zu der Annahme berechtigt, dass die Leber das einzige Organ der Harnstoffbildung sei, und über den Umfang und die Bedeutung der Harnstoffbildung aus Ammoniakverbindungen in der Leber müssen fortgesetzte Untersuchungen weitere Aufschlüsse geben. Eigenschaften mid Bealdionen des Harnstoffes. Der Harnstoff krystal- lisirt in Nadeln oder in langen, farblosen, vierseitigen, oft innen hohlen, wasser- freien, rhombischen Prismen von neutraler Reaktion und kühlendem, salpeter- artigem Geschmack. Er schmilzt bei J30 — 132" C, zersetzt sich aber schon Eigen- etwas bei 100" C. Bei gewöhnlicher Temperatur löst er sich in der gleichen Schäften und Eeak- Gewichtsmenge Wasser und in fünf Theilen Alkohol. Von siedendem Alkohol tionen des ° Hai-nstrifi'es. erfordert er einen Theil zur Lösung; in wasser- und alkoholfreiem Aether ist er unlöslich, ebenso in Chloroforn. Erhitzt man Harnstoff in Substanz in einem Reagenzrohre, so schmilzt er, zersetzt sich, giebt Ammoniak ab und hinterlässt zuletzt einen undurchsichtigen, weissen Rückstand, welcher unter anderem auch Cvanursäure und Biuret enthält und welcher, in "Wasser gelöst, mit Kupfer- sulfat und Alkali eine schön rothviolette Flüssigkeit giebt (Biuretrealdion). Beim Erhitzen mit Barytwasser oder Alkalilauge wie auch bei der durch Mikro- organismen vermittelten sogenannten alkalischen Gährung des Harnes spaltet sich der Harnstoff unter Wasseraufnahme in Kohlensäure und Ammoniak. Die- selben Zersetzungsprodukte entstehen auch, wenn der Harnstoff mit konzentrirter Schwefelsäure erhitzt wird. Eine alkalische Lösung von Natriumhypobromit zer- setzt den Harnstofl" in Stickstoff, Kohlensäure und Wasser nach dem Schema: CONgH^ -f SNaOBr ^ 3NaBr + CO, + 2H,0 + N.,. Mit konzentrirter FurfuroUösung und Salzsäure giebt der Harnstoff in Substanz eine von Gelb durch Grün in Blau und Violett übergehende Färbung, bchln s Keaktion. die nach wenigen Minuten prachtvoll purpurviolett wird (Schiff's Reaktion). Nach Huppert') verfährt man am besten so, dass man zu 2 ccm einer kon- zentrirten FurfuroUösung 4—6 Tropfen konzentrirter Salzsäure hinzufügt und I) HrpFERT-NECBAUER, Analyse i\e< Harns 10. Aufl. Harnstoff. 427 in dieses Gemenge, welches sich nicht roth färben darf, einen kleinen Harnstofl- krystall einträgt. In wenigen Minuten tritt dann die tiefviolette Färbung auf. Der Harnstoff geht mit mehreren Säuren krystallisirende Verbindungen ein. Unter diesen sind die mit Salpetersäure und Oxalsäure die wichtigsten. Salpetersaurer Harnstoff, CO(NH2)2 • HNO3. Diese Verbindung krystalllsirt bei schneller Ausscheidung in dünnen rhombischen oder sechsseitigeni einander oft dachziegelförmig deckenden, farblosen Tafeln, deren spitze Winkeln Saipeter- 82" betragen. Bei langsamer Krystallisation erhält man grössere und dickere '*'°*'^- rhombische Säulen oder Tafeln. Die Verbindung ist in reinem Wasser ziemlich leicht, in salpetersäurehaltigem Wasser dagegen bedeutend schwerer löslich, und man erhält sie, wenn eine konzentrirte Lösung von Harnstoff mit einem Ueber- schuss von starker, von salpetriger Säure freier Salpetersäure versetzt wird. Beim Erhitzen verflüchtigt sich die Verbindung ohne Rückstand. Diese Yerbiudung kann auch mit Vortheil zum Nachweis von kleinen Meuten Harn- stoff dienen. Man bringt einen Tropfen der kouzentrirten Lösung auf ein Objektglas, legt das Deekgläsehen auf und lässt von der Seite einen Tropfen Salpetersäure unter dem Deckgläschen liinzutreten. Die Krystallausscbeidung beginnt dann an der Stelle, an welehrr ilie Lösung und die Säure ineinander fliessen Salpetersaure Alkalien können bei Verunreinigung mit anderen Stoffen dem salpetersauren Harnstoff sehr ähnlich krj-stallisiren. und wenn man auf Hanistoff prüft, muss man deshalb auch stets theils durch Erhitzen der Probe, theils in anderer Weise von der Identität der Krystalle mit salpetcrsaurem Harnstoff sich überzeugen. Oxalsäure r Harnstoff, 2.CO(NH2)2 . HgCjO^. Diese Verbindung ist schwerlöslicher in Wasser als die Salpetersäureverbindung. Man erhält sie in Harnstoff, rhombischen oder sechsseitigen Prismen oder Tafeln durch Zusatz von gesättigter Oxalsäurelösung zu einer konzentrirten Lösung von Harnstoff. Der Harnstoff geht auch Verbindungen mit Merkurinitrat in wechselnden Verhältnissen ein. Setzt man einer etwa zweiprozentigen Lösung von Harnstofl' eine nur sehr schwach saure Merkurinitratlösung zu und neutralisirt das Ge- menge annähernd, so erhält man eine Verbindung von konstanter Zusammen- ungen mit Setzung, welche auf je zehn Theile Harnstoff 7,2 Gewichtstheile Quecksilberoxyd enthält. Diese Verbindung liegt der LiEBiü'schen Titrirmethode zu Grund. Der Harnstoff verbindet sich auch mit Salzen zu meist krystallisirenden Verbind- ungen, so mit (Jhlornatrium, den Chloriden schwerer Metalle u. s. w. Von Quecksilberchlorid wird eine alkalische, nicht aber eine neutrale Harnstofflösung gefällt. Wird Harnstoff' in verdünnter Salzsäure gelöst und darauf Formaldeliyd im Ueberschuss Verbind- hinzugegeben, so scheidet sich ein dicker weisser köraiger, sehr schwer löslicher Niederschlag, ungen mit über dessen Zusammensetzung die Ansichten etwas divergiren '), aus. Mit Phenylliydrazin giebt ^°']?'"'''j " der Harnstoff in stark essigsaurer Lösung eine in kaltem Wasser schwerlösliche, krystallisirende, phenyl- farblose, bei 172° C. schmelzende Verbindung von Phenylsemikarbazid, CeH5NH.NH.CONH..> hydrazin. (Jaffe-). Die Methode zur Darstellung des Harnstoffes aus dem Harne ist in den Hauptzügen folgende. Man konzentrirt den, nöthigenfalls sehr schwach mit Schwefelsäure angesäuerten Harn bei niedriger Temperatur, setzt dann Salpeter- 1) Vergl. TOLLENS u. seine Schüler, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 29. S. 2751 Goldschmidt, ebenda 29 u. Chcm. Centralbl. 1897. 1. S. 33 : Thoms, ebenda 2. S. 144 u. 737. i) Zeitschr. f. physiol. Chem. 22. 4"2S Fünfzehntes Kapitel. säure im Ueberschuss unter Abkühlen zu, presst den Niederschlag stark aus, zerlegt ihn in Wasser mit eben gefälltem Baryumkarbonat, trocknet im Wasser- Darsteiiung bade ein, extrahirt den Rückstand mit starkem Alkohol, entfärbt wenn nöthig '•"'S Ha™- jj^jj Xhierkohle und filtrirt warm. Der beim Erkalten auskrystallisirende Harn- stoff kann durch Umkrystallisiren aus warmem Alkohol gereinigt werden. Aus der Mutterlauge kann man weitere Mengen Harnstoff durch Konzentriren u. s. w. erhalten. Von verunreinigenden Mineralstoffen reinigt man den Harnstoff durch Auflösung in Alkohol-Aether. Handelt es sich nur um den Nachweis des Harn- stoffes im Harne, so ist es genügend, eine kleine Menge Harn auf einem Uhr- gläschen zu kouzentriren und nach dem Erkalten mit überschüssiger Salpeter- säure zu versetzen. Man erhält dann einen Krystallbrei von salpetersaurem Harnstoff. Qtamtitative Bestimmnng des Gesammtsticlistoffes und Harnstoffes im Harne. Unter den zur Bestimmung des Gesammtstickstoffes benutzten Methoden ist die von Kjeldahl am meisten zu empfehlen. Da aber die LiEBiu'sche Methode der Harnstoffbestimmung, die ebenfalls eigentlich eine Methode zur Bestimmung des Gesammtstickstoffes ist, von den Aerzten, denen die zu einer Kjeldahl- bestimmung notbigen Apparate und Geräthe nicht immer zur Verfügung stehen, noch vielfach benutzt wird, muss auch über diese Methode hier berichtet werden. Die KjELDAHL'sche Methode besteht darin, dass man durch Erwärmen mit hinreichend konzcntrirter Schwefelsäure sämmtlichen Stickstoff der organi- schen Substanzen in Ammoniak überführt, das Ammoniak nach Uebersättigen ■■ von '' iiit x\lkali überdestillirt und in titrirte Schwefelsäure auffängt. Es sind hierzu Kjeldahl. folgende Reagenzien erforderlich. 1. Schwefelsäure. Entweder ein Gemenge von gleichen Volumina reiner, konzentrirter und rauchender Schwefelsäure oder auch eine Lösung von 200 g Phosphorsäureanhydrid in 1 Liter reiner, konzentrirter Schwefelsäure. 2. Salpetersäurefreie Natronlauge von 30 — 40 p. c. NaOH. Man bestimmt Ueagenzien die Zur Neutralisation von 10 ccm des Säuregemenges erforderliche Menge dieser Lauge. 3. Metallisches Quecksilber oder reines gelbes Quecksilberoxyd. (Der Zusatz hiervon erleichtert und beschleunigt die Zerstörung der organischen Substanz.) 4. Eine Schwefelkaliumlösung von 4 p. c, deren Aufgabe es ist, etwa gebildete Quecksilberamidverbindungen, welche bei der Destillation mit Natronlauge ihr Ammoniak nicht vollständig abgeben, zu zersetzen. 5. Vä Nor- mal-Schwefelsäure und ^5 Normal-Kalilauge. Bei der Ausführung einer Bestimmung giebt man genau abgemessene 5 ccm des filtrirten Harnes in einen langhalsigen, sogen. Kjeldahl- Kolben, schüttet dann in den Kolben einen Tropfen Quecksilber oder etwa 0,3 g Queck- silberoxyd hinein und setzt darauf 10— 15 ccm der starken Schwefelsäure hinzu. Man erhitzt darauf den Inhalt des schief gestellten Kolbens sehr vorsichtig bis zu höchstens sehr schwachem Sieden und fährt dann mit dem Erhitzen noch etwa eine halbe Stunde, nachdem das Gemenge farblos geworden ist, fort. Nach dem Erkalten führt man alles, durch sorgfältiges Nachspülen mit Wasser, in einen geräumigen Destillirkolben über, neutralisirt den grössten Theil der Säure '^lier'Be'"'' mit Natronlauge, giebt dann einige Zinkspäne (zur Vermeidung zu starken Stossens bei der folgenden Destillation) hinein, setzt darauf überschüssige, vor- her mit 30 — 40 ccm der Schwefelkalilösung versetzte Natronlauge hinzu, ver- bindet möglichst rasch mit dem Destillationsrohr und destillirt bis alles Am- moniak übergegangen ist. Hierbei ist es am sichersten, vor allem im Anfange der Destillation, die Spitze des Abflussrohres etwas in die Säure hiueintauchen Titriniag auf Harnstoff. 429 ZU lassen, wobei man durch eine kugelige Erweiterung dieses Rohres ein Zurück- steigen von Säure leicht verhindert. Von der titrirten Säure nimmt man auf je 5 ccm Harn nicht weniger als 25 — 30 ccm, und nach beendeter Destillation titrirt mau, unter Anwendung von Rosolsäure, Cochenilletinktur oder Lackmoid als Indikator, mit '/s Normal-Natronlauge auf die Säure zurück. Jedes ccm der Säure entspricht 2,8 mg Stickstoff. Der Kontrolle halber macht man immer, um die Reinheit der Reagenzien zu kontrolliren und den durch einen zufälligen Ammoniakgehalt der Luft etwa verursachten Fehler zu eliminiren, einen blinden Versuch mit den Reagenzien allein. Die LiEBic.'sche Ti trirmethode gründet sich darauf, dass eine ver- dünnte Lösung von Merkurinitrat unter günstigen Verhältnissen allen Harnstoff als eine Verbindung mit konstanter Zusammensetzung ausfällen kann. Als Lidikator wird dabei eine Sodalösung oder auch ein dünner Brei von mit Wasser ^"°?'p. ''.'"" aufgeschlämmtem Natriumbikarbonat benutzt. Ein Ueberschuss von Merkuri- schenTitrir- nitrat giebt hiermit eine gelbe oder gelbbraune Verbindung, während die Harn- ™^ " " stoffquecksilberverbindung weiss ist. Die näheren Bedingungen für die volle Brauchbarkeit der Methode sind von Pflüger-') angegeben worden, und es wird deshalb hier auch nur die PFLÜGER'sche Modifikation der LiEBiG'schen Methode beschrieben. Von der Merkurinitratlösung wird auch die Phosphorsäure gefällt und diese letztere muss deshalb vor der Titrirung durch Zusatz einer Barytlösung zum Harne entfernt werden. Es muss ferner während der Titrirung nach Zu- satz der Quecksilberlösung die saure Reaktion durch Zusatz einer Sodalösung in der von Pflüger näher angegebenen Weise abgestumpft werden. Die zu der Titrirung erforderlichen Lösungen sind also folgende : 1. Merkurinitratlösung. Diese Lösung ist für eine 2prozentige Harnstoff lüsung berechnet, und es sollen 20 ccm der ersteren 10 ccm der letzteren entsprechen. Jedes ccm der Quecksilberlösung entspricht also 0,010 g Harnstoff. Für das Auftreten der Endreaktion (mit Alkalikarbonat, resp. Bi- p. „ , .. karbonat) ist jedoch stets ein kleiner Ueberschuss von HgO in dem Harngemenge nitrat- nothwendig, und in Folge dessen muss jedes ccm der Quecksilberlösung 0,0772 """""s- statt 0,0720 g HgO enthalten. Die Quecksilberlösung enthält also im Liter 77,2 g HgO. Jlan kann ilie Lösung aus reinem Quecksilber oder aus liuecksilberoxyd durcli Auf- lösen in Salpetersäure bereiten. Die Ton überschüssiger Siiure soweit möglich befreite Lösung verdünnt man durch vorsichtigen Zusatz von Wasser unter Umrühren bis das spez. Gewicht bei -j-20'* C. 1,10 oder ein wenig höher ist. Jlau bestimmt dann den Titer der Lösung mittels einer 2 prozentigen Lösung von reinem , über Schwefelsäure getrocknetem Harnstoff und verfährt dabei in der unten bei Besprechung des Titrirverfahrens anzuführenden Weise. Darstelluii" Man korrigirt darauf die Lösung, wenn sie zu konzentrirt ist, durch vorsichtigen Zusatz der derMerkuri- erforderlicheu Menge Wasser, wenn dies ohne Ausscheidung von basischem Salz geschehen kann, nitrat- und titrirt von Neuem. Die Lösung ist richtig, wenn nach Zusatz in einem Strahle von 19,8 ccm "sung. zu 10 ccm der Harnstoff lösung und unmittelbar darnach folgendem Zusatz der zur fast voll- ständigen Neutralisation erforderlichen Menge Normalsodalüsung (es sind hierzu zwischen 11 und 12 ccm oder nur wenig mehr erforderlieh) die Endreaktion (nach Zusatz von je '/lo ccm nach dem andern ohne darauffolgende Neutralisation mit Sodalösung) gerade nach Zusatz von 20 ccm Quecksilberlösung zum Vorschein kommt. 2. Barytlösung. Diese soll aus 1 Vol. Baryumnitrat- und 2 Vol. Baryt- Baryt- hydratlösung, beide bei Zimmertemperatur gesättigt, bestehen. usung. 3. Normalsodalösung. Diese Lösung soll im Liter 53 g wasserfreies, reines Natriumkarbonat enthalten. Nach Pfliger ist es genügend, eine solche 1) Pfllger und Pflüger und Bohland in Pfliger's Arch. 21, 30, 37 u. 40. Fünfzehntes Kapitel. Auf die Ti trirung störend wirkende Stofic. bpez. Ge- -wicM und Gehalt an Harnstoff. Vorbereit- ungen für Lösung von der Dichte 1,053 zu bereiteu. Man bestimmt darauf durch Titration mit einer reinen, 2prozentigen HarnstofFlösung diejenige Menge Sodalösung, welche zur fast vollständigen Neutralisation der beim Titriren freiwerdenden Säure erforderlich ist. Der Bequemlichkeit halber kann man die so für je 10 — 35 ccra Quecksilberlösung gefundenen Mengen Sodalösung tabellarisch aufzeichnen. Bevor man zur Ausführung der Titrirung geht, muss man Folgendes be- achten. Die Chlorverbindungen des Harnes wirken dadurch störend auf die Titrirung ein, dass sie mit einem Theil der Merkurinitratlösung zu Quecksilber- chlorid sich umsetzen, von welchem der Harnstoff nicht gefällt wird. Man ent- fernt deshalb die Chloride aus dem Harne mit Silbernitratlösung, und dasselbe gilt auch von im Harne etwa vorhandenen Brom- und Jodverbindungen. Enthält der Harn Eiweiss in nennenswerther Menge, so muss dieses durch Koagulation mit Essigsäurezusatz entfernt werden, wobei jedoch darauf zu achten ist, dass die Konzentration und das Volumen des Harnes hierdurch nicht geändert werden. Enthält der Harn in Folge einer alkalischen Gährung Ammoniumkarbonat in nennenswerther Menge, so kann diese Titrirmethode überhaupt nicht in Anwend- ung kommen. Ebenso darf der Harn nicht Leuciu, Tyrosin oder von Merkuri- nitrat fällbare, medikamentöse Stoffe enthalten. In den Fällen, in welchen der Harn frei von Eiweiss oder Zucker und nicht besonders arm an Chloriden ist, lässt sich aus dem spez. Gewichte des Harnes der Gehalt desselben an Harnstoff und also die zur Titrirung erforder- liche ungefähre Menge Merkurinitratlösung ziemlich annähernd abschätzen. Ein spez. Gewicht von 1,010 entspricht also etwa 10 p. m., das spez. Gewicht 1,015 meist etwas weniger als 15 p. m. und das spez. Gewicht 1,015 — 1,020 etwa 15 — 20 p. ni. Harnstoff. Bei einem spez. Gewichte, welches höher als 1,020 ist, enthält der Harn wohl regelmässig mehr als 20 p. m. Harnstoff, und ober- halb dieser Grenze steigt der Harnstoffgehalt viel rascher als das spez. Gewicht, so dass jener bei einem spez. Gewichte von 1,030 über 40 p. m. betragen kann. In einem Fieberharne mit einem spez. Gewichte von mehr als 1,020 finden sich bisweilen 30 — 40 p. m. Harnstoff oder mehr. Vorbereitungen zur Titrirung. Ist wegen des gefundenen, hohen spezifischen Gewichtes des Harnes ein grosser Harnstoffgehalt desselben anzu- nehmen, so verdünnt man erst den Harn mit einer genau abgemessenen Menge Wasser, so dass der Gehalt an Harnstoff jedenfalls unter 30 p. m. liegt. In einer besonderen Portion desselben Harnes bestimmt man dann nach irgend einer der später anzuführenden Methoden den Gehalt an Chlor und annotirt die hierzu erforderliche Anzahl ccm Silbernitratlösung. Darauf mischt man eine grössere Menge Harn, z. B. 100 ccm, mit dem halben oder, falls dies zur voll- ständigen Ausfällung der Fhosphorsäure und Schwefelsäure nicht hinreichend sein sollte, dem gleichen Volumen Barytlösung, lässt einige Zeit stehen und filtrirt dann durch ein trockenes Filtrum den Niederschlag ab. Von dem Fil- trate niisst man nun eine passende, etwa 60 ccm des ursprünglichen, bezw. mit Wasser verdünnten Harnes entsprechende Menge ab und neutralisirt genau mit Salpetersäure, welche aus einer Bürette zugesetzt wird, damit die zur Neutrali- sation erforderliche Menge Säure genau gemessen werden könne. Das neutra- lisirte Harnbarytgemenge versetzt man darauf mit der zur vollständigen Aus- fällung der Chloride erforderlichen, aus der obigen Bestimmung bekannten Menge Silbernitratlösung. Das Gemenge, dessen Volumen also fortwährend genau be- kannt ist, filtrirt man nun durch ein trockenes Filtrum in eine Flasche hinein und von dem Filtrate misst man zu jeder Titrirung eine, 10 ccm des ursprüng- lichen (bezw. mit Wasser verdünnten) Harnes entsprechende Menge ab. Titriruug auf Harnstoff. 431 Ausführung der Titrirung. Von der Quecksilberlösung lässt man in einem Strahle fast die gesammte Menge, welche nach dem spez. Gewichte zu urtheilen als Minimum zugesetzt werden darf, zufliessen und fügt unmittelbar darauf die nach der empirischen Tabelle erforderliche Menge Sodalösung zu. Nimmt das Gemenge dabei eine gelbliche Farbe an, so ist zu viel Quecksilber- lösung zugesetzt worden, und man muss eine neue Bestinmiung machen. Wenn die Probe dagegen weiss bleibt und wenn ein herausgenommener Tropfen, wenn man ihn auf einer Glasplatte mit schwarzer Unterlage mit einem Tropfen eines dünnen Breies von Natriumbikarbonat anrührt, keine gelbliche Farbe anuimrat, so fährt man mit dem Zusätze der Quecksilberlosung fort, indem man erst je einen halben und später je 0,1 ccm zusetzt und nach jedem Zusatz in folgender Weise prüft. Auf eine Glasplatte mit schwarzer Unterlage bringt man einen Tropfen des Gemenges und neben ihn einen kleinen Tropfen des Bikarbonat- ^"f^'jJj'^'S breies. Ist die Farbe nach dem Zusammenflie.«sen und dem Umrühren beider ung. Tropfen nach einigen Sekunden noch weiss, so muss mehr Quecksilberlösung zugesetzt werden ; ist sie dagegen gelblich, so ist man — wenn man nicht durch unvorsichtige Arbeit schon zu viel zugesetzt hat — dem richtigen Werthe bis auf einige Zehntel ccm nahegekommen. Durch diese annähernde Bestimmung, welche wohl in vielen Fällen für praktische Zwecke genügend sein könnte, hat man also erfahren, wie viel Quecksilberlösung im Minimum der fraglichen Menge Harnfiltrat zugesetzt werden muss, und man schreitet nun zu der endgiltigen Bestimmung. jSIan misst also wieder eine, 1 0 ccm des ursprünglichen Harnes entsprechende Menge Filtrat ab, lässt dieselbe Menge Q.uecksilberlösung, welche im vorigen Versuche bis zur Endreaktion verbraucht wurde, in einem Strahle zufliessen und setzt unmittelbar darnach die entsprechende Menge Sodalösung zu, wobei die Mischung nicht direkt die Endreaktion zeigen darf. Von der Quecksilber- lösung setzt mau dann je 0,1 ccm nach dem andern ohne Neutralisation mit Normalsodalösung zu, bis ein aus der Mischung genommener Tropfen in Be- -Ausführung rührung mit Sodalösung gelb wird. Erhält man schon nach Zusatz von 0,1 — 0,2 ccm TitrUang. diese Endreaktion, so kann man die Titrirung als beendet betrachten. Ist da- gegen eine grössere Menge erforderlich, so muss man mit dem Zusätze der Quecksilberlösung fortfahren, bis die Endreaktion mit einer Lösung von ein- fachem Karbonat erhalten wird, und dann eine neue Titrirung mit Zusatz in einem Strahle von der zuletzt verbrauchten gesammten Menge Quecksilberlösung wie auch der entsprechenden Menge Normalsodalösung machen. Ist man auf diese Weise so weit gekommen, dass zur Erhaltung der Endreaktion nur noch ',10 ccm erforderlich ist, so kann man die Titrirung als fertig betrachten. Misst man zu jeder Titrirung eine Menge Harn barytfil trat ab, welche 10 ccm Harn entspricht, so wird die Berechnung (da 1 ccm Quecksilberlösung 10 mgm Harnstoff entspricht) sehr einfach. Da indessen die Quecksilberlösung auf eine 2prozentige Harnstofi'lösung gestellt ist, das Harnbaryliiltrat dagegen in der Regel ärmer an Harnstoff ist (wenn man von Anfang au einen konzen- trirten Harn mit Wasser verdünnt, so kann man den Fehler, welcher aus einem grösseren Harnstoffgehalt als 2 p. c. in demFiltrate erwächst, leicht ver- meiden), so entsteht hierdurch ein Fehler, den man jedoch nach Pflüger in Bfechnuug folgender Weise korrigiren kann. Man addirt zu dem für die Titrirung ab- tato der gemessenen Volumen Harnfiltrat (Harnbarytfiltrat nach Neutralisation mit Sal- ^''"™"-- petersäure, Fällung mit Silberuitrat und Filtration) die verbrauchte Menge Normalsodalösung und zieht von dieser Summe das Volumen der verbrauchten Quecksilberlösung ab. Den Rest nuiltiplizirt man mit 0,08 und zieht das Pro- 432 Fünlzelintes Kapiul. dukt von den verbrauchten ccra Quecksilberlösung ab. Wenn man z. B. in einem Falle von dem Filtrate (Harubarytiiltrat -\- Salpetersäure -j- Silber- ^"^"dcr""^ nitratlösung) 25,8 ccm abgemessen und bei der Titration 13,8 ccm Soda- Besuitate. lösung uud 20,5 ccm Quecksilberlösuug verbraucht hatte, so erhält man also: 20,5 — {(39,6 — 20,5) X 0,08) = 20,5 — 1,53 = 18,97, und die korrigirte Menge der Quecksilberlösung ist also =r 18,97 ccm. Entsprachen iu diesem Falle wie gewöhnlich die abgemessenen ccm des Harnbarytiiltrates (in diesem Falle 25,8 ccm) 10 ccm des ursprünglichen Harnes, so war die Harnstoffmenge: 18,97 X 0,010 = 0,1897 g = 18,97 p. m. Harnstoff. Von der Quecksilberlösung werden nicht nur der Harnstoff, sondern auch andere stickstoffhaltige Harnbestandtbeile gefällt. Durch die Titrirung findet man also eigentlich nicht die Menge des Harnstoffes, sondern vielmehr, wie Pflcgeh gezeigt hat, die Gesammtmenge des Harnstickstoffes, in Harnstoff ausgedrückt. Da der Harnstoff 46,67 p. c. N enthält, kann man also aus der gefundeneu Harnstoffmenge die Gesammtmenge des Harnstickstoffes berechnen. Die so berechnete Zahl stimmt nach Pflüger mit dem nach Kjeldahl's Methode gefundenen Werthe für den Gesammtstickstoff gut überein. Unter den Methoden zur gesonderten Bestimmung des Harnstoffes hat namentlich die Methode von ^NIÖRNER-S.lÖQVlri'r als zuverlässig und gleichzeitig leicht ausführbar sich bewährt. Aus diesem Grunde wird hier nur diese Methode ausführlicher beschrieben, während bezüglich der anderen Methoden, wie die von BuNSEN in ihrer von Pflüger, Bohland und Bleibtreu ') abgeänderten Form, auf die ausführlicheren Handbücher hingewiesen wird. Methode von Mörner-S JÖQ visT-). Nach dieser Methode scheidet man erst, nach Zusatz von einer Chlorbaryum-Barytlösung , die übrigen stick- stoffhaltigen Harnbestandtbeile mit Ausnahme von dem Harnstoff und dem Ammoniak mit Alkohol-Aether aus und bestimtnt dann in dem eingeengten Filtrate, nach dem Austreiben des Ammoniaks, den Harnstoff nach der Kjel- DAHL'schen Stickstotfbestimmungsmethode. Mörner'^und Das Verfahren ist folgendes. 5 ccm des Harnes werden in einem Kolben sjoqvist. jjjjj. g ggjj^ einer gesättigten BaClj-Lösung, in welcher man 5 p. c. Baryumhydrat auf- gelöst hat, gemischt. Dann werden 100 ccm eines Gemisches von zwei Theilen Alkohol (97 p. c.) und einem Theil Aether zugesetzt und bis zum folgenden Tage in verschlossenem Gefässe aufbewahrt. Der I\iederschlag wird dann abfiltrirt und mit Alkohol-Aether ausgewaschen. Aus dem Filtrate wird der Alkohol- Aether bei einer Temperatur von etwa 55" C. (gar nicht über 60") abdestillirt. Wenn die Flüssigkeit bis auf etwa 25 ccm eingeengt ist, wird ein wenig Wasser und gebrannte Magnesia zugefügt und das Abdampfen fortgesetzt, bis die Dämpfe keine alkalische Reaktion mehr zeigen, was im Allgemeinen, ehe die Flüssig- keit auf 15 - 10 ccm eingeengt ist, geschieht. Die eingeengte Flüssigkeit wird, unter Nachspülen mit Wasser, in einen passenden Kolben übergeführt, mit einigen Tropfen konzentrirter Schwefelsäure versetzt und auf dem Wasserbade stark eingeengt. Es werden darauf 20 ccm reine, konzentrirte Schwefelsäure zugesetzt und im Uebrigen nach Kjeldahl verfohren. Die KNOP-HÜFNER'sche Jletliode^) gründet sich darauf, dass der Ilarnstotl' durch Ein- wirkung von Bromlauge (Natriumhypobroniit) in Wasser, Kohlensäure (welche von der Lauge 1) Pflügee's Arch, 38, 43 u. 44. 2) Skand. Arch. f. Physiol. 2. 3) KiSOP, Zeitschr. f. analyt. Chem. 9, HCfnei:, Journ. f. prakt. Chcm. (N. F.) 3; im Uebrigen wird auf die reiclihaltigcn Littcraturangaben bei Huppekt-Nedbaüer , 10. Aufl. S. 304 u. folg., verwiesen. Karbaminsäure. Kreatinin. 433 aljsobriit wird) und Stickstoff, dessen Volumen gemessen wird, sieh spaltet (vergl. oben S. 426) . Diese Methode ist weniger genau als die vorige. Infolge der Leichtigkeit und Geschwindigkeit, mit welcher sie sich ausfühi-en lässt, ist sie dagegen für den Arzt, wenn es nicht auf sehr von Knop- genaue Resultate ankommt, von nicht zu unterschätzendem Werth. Für praktische Zwecke Hüfner. ist auch eine Menge von verschiedenen Apparaten, welche die Anwendung dieser Methode er- leichtern , konstruirt worden. Unter diesen Apparaten sind zu nennen das Ureometer von KsBACH, mit dem man recht gute Resultate erhalten kann, und der Apparat von Böhtli>'GK'). Für die quantitative Bestimmung des Harnstoffes in Blut oder anderen thierischen Flüssigkeiten wie auch in den Geweben hat SchöXDOIIff eine Methode angegeben, nach welcher erst das Eiweiss und die Extraktivstoffe mit Phosphor- wolframsäure-Salzsäuremischung gefällt werden. In den durch Kalk alkalisch geraachten Filtraten wird theils nach dem Erhitzen mit Phosphorsäure auf 150" das gebildete Ammoniak und theils die beim Erhitzen auf 150'^ ent- standene Kohlensäure gesondert bestimmt. Hinsichtlich der dieser ^lethode zu Grund liegenden Prinzipen wie auch der näheren Details wird auf den Orgiual- aufsatz (Pflvger's Archiv Bd. 62) hingewiesen. Karbaminsäni-e HoN.COOH. Diese Säure ist nicht in freiem Zustande, sondern nur als Salze bekannt. Das Ammoniumkarbamat entsteht bei Einwirkung von trockenem Ammoniak auf trockene Kohlensäure. Bei der Einwirkung von Kaliumpermanganat auf Ei- weiss und mehrere andere stickstoffhaltige organische Körper entsteht ebenfalls Karbaminsäure. üeber das Vorkommen von Karbaminsäure im Menschen- und T.hierharu ist schon oben bei der Besprechung der Harnstoff bildung berichtet worden. Für die Erkennung der Säure ist am wichtigsten das in Wasser und Ammoniak lösliche, in Alkohol unlösliche Kalksalz. Die Lösung desselben in Wasser trübt sich beim Stehen , weit rascher aber beim Kochen, und es Karbamiu- seheidet sich hierbei Calciumkarbonat aus. lieber die Entstehungsweise und den Xachweiss säure, der Karbaminsäure liegen neuere Untersuchungen von NoLP^; vor. Karbaminmnreäthylester (Urethan) kann, wie Jaffe^) gezeigt hat, bei der Verarlieitung grösserer Hammengen durch die gegenseitige Einwirkung von Alkohol und HarnstoÖ' in den alkoholischen Extrakten übergehen, Kreatinin, C4H,N30 oder NH : C; t.t,„„ , /,„ , wird allgemein als das \JN(Cli3). Lila Anhydrid des in den Muskeln vorkommenden Kreatins (vergl. S. 345) aufge- fasst. Es kommt in dem Harne des Menschen und einiger Säugethiere vor. Auch in Rinderblut, Milch, obgleich in äusserst kleiner Menge, und in dem Fleische einiger Fische hat man es gefunden. Die Angabe von St. Johnson, dass das Kreatinin des Harnes von dem durch Säuren aus Kreatin dargestellten verschieden sei , soll nach anderen (TOPPELIÜS und Pommerehne, WOERNER und Thelen*) unrichtig sein. Die Menge des Kreatinins im Menschenharne beträgt nach Neubauer für einen erwachsenen Mann bei normaler Harnmenge in 24 Stunden (J,6 — 1,3 g oder im Mittel 1 g. St. Joh.\.sox ^) fand 1,7 — 2,1 g in der Tagesmenge. Die 1) Bezüglich der Handhabung des Apparates von Esbach, wie auch bezüglich der zur Ausführung einer solchen Harnstoffbestimmung erforderlichen Reagenzien kann auf die Ge- brauchsanweisung, welche dem von Brewer Fr6res, Paris, zu beziehenden .Apparate beigelegt ist, hingewiesen werden. BÖHTLINGK, Arch. ex\i. de St. Petersbourg 6, wo miui auch eine Kritik anderer Apparate findet. -) Zeitschr. f. physiol. Chem. 23. :i) Ebenda 14. *) Stilungfleet Johnson, Proceed. Roy. Soe. 42 u. 43; Chem. News 55; Toppelius und Pommerehne, Arch. d. Pharm. 234; Woerner, Du BOis-Reymond's Arch. 1898. '■>) Hcppert-Xecbauer, Hainanalyse 10. Aufl. Hainmarsten. Physiologische Chemie. Vierte Aullage. 28 434 Fünfzehntes Kapitel. Menge ist von der Nahrung abhängig und beim Hungern nimmt sie ab. Säug- linge sollen im Allgemeinen kein Kreatinin absondern, und erst wenn die Milch Menge des ijurch andere Nahrung ersetzt worden ist, soll es im Harne auftreten. Die Kreatinins " im Harne. ^SJenge des Kreatinins im Harne hält im Allgemeinen mit der Menge des Harn- stoffes gleichen Schritt; doch soll sie von Fleisch (wegen des Gehaltes des Fleisches an Kreatin) mehr als von Eiweiss vermehrt werden. Nach Muskel- arbeit soll nach Groc.co und Moitessier die Kreatininausscheidung vermehrt sein, was nach Oddi und Tarilli') jedoch nur für übermässige Arbeit gelten soll. Das Verhalten des Kreatinins in Krankheiten ist wenig bekannt. Bei gesteigertem Stoffwechsel soll die Menge jedoch angeblich vermehrt und bei herabgesetztem Stoffwechsel, wie bei Anämie und Kachexie, vermindert sein. Das Kreatinin krystallisirt in farblosen, stark glänzenden, monoklinischen Prismen, welche zum Unterschied von den Kreatinkrystallen bei 100" C. nicht durch Wasserverlust weiss werden. Es löst sich in etwa 11 Theilen kalten Wassers, leichter in warmem. In kaltem Alkohol ist es schwer löslich, die An. gaben über seine Löslichkeit differiren aber sehr-). In warmem Alkohol löst es sich leichter. In Aether ist es fast ganz unlöslich. In alkalischer Lösung wird das Kreatinin, besonders leicht in der Wärme, in Kreatin übergeführt. Mit Chlorwasserstoffsäure giebt das Kreatinin eine leichtlösliche, krystalli- sirende Verbindung. Mit Mineralsäure angesäuerte Kreatininlösungen geben mit Phosphormolybdän- oder Phosphorwolframsäure kristallinische Niederschläge, welche selbst bei starker A'^erdünnung (1 : 10000) auftreten (Kerxer, Hof- meister^). Von Merkurinitratlösung wird das Kreatinin wie der Harnstoff ge- fällt. Quecksilberchlorid tällt es ebenfalls. Aus einer verdünnten, erst mit Natriumacetat und dann mit Quecksilberchlorid versetzten Lösung scheiden sich nach einiger Zeit glasglänzende Kugeln von der Zusammensetzung 4(C4HjN30 . HCl . HgO) 3 HgCl, ab (St. Johnson). Unter den Verbindungen des Kreatinins ist diejenige mit Chlorziuk, das Kreatininchlorzinlc, (C^HjNgOjoZnCU, von be- sonderer Bedeutung. Diese Verbindung erhält man, wenn man eine genügend konzentrirte Lösung von Kreatinin in Alkohol mit einer konzentrirten, möglichst schwach sauren Lösung von Chlorzink versetzt. Freie Mineralsäure, welche Kj-eatiuin- die Verbindung löst, darf nicht zugegen sein; ist dies der Fall, so setzt mau Natriumacetat zu. In unreinem Zustande, wie es gewöhnlich aus dem Harne erhalten wird, stellt das Kreatininchlorzink ein sandiges, gelbliches Pulver dar, welches unter dem Mikroskope gesehen aus feinen Nadeln besteht, welche, kon- zentrisch gruppirt, meistens vollständige Rosetten oder gelbe Kügelchen bilden oder auch zu Büscheln oder mit den kurzen Stielen an einander gelagerten Pinseln gruppirt sind. Bei langsam stattfindender Krystallisation und bei 1) Grocco, vergl. JIaly's Jahresber. 16; MoiTESSlER, ebenda 21, Oddi und Tarulli, ebenda 24. 2) Vergl. Huppert-Neübauee, 10. Aufl. und Hoppe-Seyler, Handbuch 6. Aufl. 3) Kerner, PplOger's Arch. 2; Hofmeister, Zeitschr. f. physiol. Chem. 5. Kreatinin. 435 grösserer Reinheit können mehr deutlich prismatische Krystalle erhalten werden. Die Verbindung ist schwer löslich in Wasser. Das Kreatinin wirkt reduzirend. Quecksilberoxyd wird zu metallischem Quecksilber reduzirt, und es entstehen dabei Oxalsäure und Methylguanidin (Methyluramin). Das Kreatinin reduzirt auch Kupferoxydhydrat in alkalischer Lösung zu einer farblosen löslichen Verbindung, und erst bei anhaltendem Kochen mit überschüssigem Kupfersalz soll freies Oxydul entstehen. Das Krea- '''ivjjfkang''' tinin stört also die TROMMER'sche Zuckerprobe, theils weil es reduzirend wirkt Creatinins und theils weil es das Kupferoxydul in Lösung halten kann. Die Verbindung mit Kupferoxydul ist in gesättigter Sodalösung nicht löslich, und wenn man in einer kalt gesättigten Sodalösung ein wenig Kreatinin löst und darauf einige Tropfen FEHLixo'scher Lösung zusetzt, scheidet sich deshalb auch nach dem Erwärmen auf 50 — 60 '^ C. beim Erkalten die weisse Verbindung flockig aus (Reaktion von Maschke ^). Eine alkalische Wismuthlösung (vergl. die Zucker- proben weiter unten) wird dagegen von dem Kreatinin nicht reduzirt. Setzt man einer verdünnten Kreatininlösung (oder auch dem Harne) einige Tropfen einer frisch bereiteten, stark verdünnten Nitroprussidnatriumlösung (spez. Gewicht 1,003) und dann einige Tropfen Natronlauge zu, so wird die Flüssig- keit rubinroth, aber binnen kurzem wieder gelb (Reaktion von Weyl ^). Neutra, lisirt man die abgekühlte, gelb gewordene Lösung mit Essigsäure, so scheidet sich nach Umrührung ein krystallinischer Niederschlag von einer Nitrosoverbind- leaktionen ung (C4HgN^02) des Kreatinins ab (Kram.m^). Versetzt man dagegen die gelb Kreatinins, gewordene Lösung mit überschüssiger Essigsäure und erhitzt, so färbt sie sich erst grünlich und dann blau (Salkowski^). Zuletzt entsteht ein Niederschlag von Berlinerblau. Versetzt man eine Lösung von Kreatinin in Wasser (oder auch Harn) mit etwas wässeriger Pikrinsäurelösung und einigen Tropfen ver- dünnter Natronlauge, so tritt sogleich schon bei Zimmertemperatur eine, mehrere Stunden anhaltende rothe Färbung auf, welche durch Säurezusatz in Gelb übergeht (Reaktion von Jaffe*). Aceton giebt eine mehr rothgelbe Farbe. Traubenzucker giebt mit dem Reagenze erst in der Wärme ein rothe Färbung. Zur Darstellung von Kreatinin aus dem Harne stellt man gewöhnlich erst Kreatininchlorzink nach der Methode von Neubauer^) dar. Man versetzt 1 Liter Harn oder mehr mit Kalkmilch zu alkalischer Reaktion und darauf mit CaCl2-Lösuug, bis alle Phosphorsäure ausgefällt worden ist. Das Filtrat dampft man nach schwachem Ansäuern mit Essigsäure zum Syrup ein und ij.,rsteiiun" mischt diesen noch warm mit 97 prozentigem Alkohol (etwa 200 ccm auf je ,. "*«". 1 Liter Harn). Nach etwa 12 Stunden wird filtrirt und das Filtrat erst mit ein wenig Natriumacetat und dann mit einer säurefreien Chlorzinklösung von 1) Zeitsclir. f. analyt. Cheiu. 17. 2) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsdi. 11. 3) Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1897. ■*) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 4. Ä) Ebeuda 10. 6) Annal. d. Chem. u. Pharm 119. 28* 436 Fünfzehntes Kapitel. dem spez. Gewicht 1,20 (etwa 2 ecra auf je 1 Liter Harn) versetzt. Nach tüchtigem Umrühren lässt man 48 Stunden stehen, sammelt den Niederschlag auf einem Filtrum und wäscht mit Alkohol aus. Das Kreatiniuchlorzink löst man dann in heissem Wasser, kocht mit Bleioxydhydrat, filtrirt, entfärbt das Filtrat mit Thierkohle, trocknet ein, extrahirt den Rückstand mit starkem Alkohol (welcher das Kreatin ungelöst zurücklässt), verdunstet zur Krystallisation und krystallisirt aus Wasser um. Zur Darstellung des Kreatinins aus dem Harne kann man als Fällungs- mittel auch Quecksilberchloridlösung verwenden, entweder nach dem Vorgänge von Maly oder von St. Johnson'). Die quantitative Bestinaming des Kreatinins geschieht nach der zur Darstellung desselben verwendeten NEUBAi'ER'scheu Methode, am einfachsten mit den von Salkowski^) angegebenen Modifikationen. Von dem eiweissfreien (bezw. durch Sieden mit Säurezusatz von Eiweiss befreiten) und zuckerfreien (bezw. mit Hefe vergährten) Harne macht man 240 ccm im Masseylinder mit Kalk- milch alkalisch, fällt mit CaClg und füllt auf 300 cm auf. Vom Filtrate misst man 250 ccm (= 200 ccm Harn) ab, neutralisirt oder macht sehr schwach sauer mit Essigsäure und verdampft auf etwa 20 ccm, die mit demselben Volumen \ absolutem Alkohol durchgerührt und dann ganz vollständig (durch Nachspülen ' der Schale mit Alkohol) in einen 100 ccm fassenden Masskolben, welcher vorher etwas Alkohol enthält, übergeführt werden. Nach hinreichendem Umschütteln und vollständigem Erkalten füllt man mit absolutem Alkohol genau bis zum Slarke auf und lässt 24 Stunden stehen. Von dem Filtrate giesst man 80 ccm (= 160 ccm Harn) in ein Becherglas, setzt 0,5 — 1 ccm Chlorzinklösung hinzu und lässt das Becherglas, mit einer Glasplatte bedeckt, zwei bis drei Tage an einem kühlen Orte stehen. Den Niederschlag sammelt man auf einem kleinen, trockenen, vorher gewogenen Filtrum, wobei das Filtrat zum Nachspülen der Krystalle benutzt wird. Nach vollständigem Abtropfen aller Flüssigkeit wäscht man mit ein wenig Alkohol, bis das Filtrat keine Chloneaktion mehr giebt, und trocknet bei 100" C. 100 Theile Kreatininchlorzink enthalten 62,44 Theile Kreatinin. Der Sicherheit wegen kann man auch den Gehalt an Zink durch Verdunsten mit Salpetersäure, Glühen, Extraktion des Zinkoxydes mit Wasser (um etwa anwesendes NaCl zu entfernen), Trocknen, Glühen und Wägen be- stimmen. 22,4 Theile Zinkoxyd entsprechen 100 Theilen Kreatininchlorzink. Kolisch ^) fällt ebenfalls mit Kalkmilch und CaClj, filtrirt, macht das Filtrat schwach sauer mit Essigsäure, verdunstet zum Syrup und extrahirt mit Alkohol. Von dem Alkoholextrakte wird ein abgemessenes Volumen, welches einer bekannten Harumenge entspricht, mit einer essigsäurehaltigen, alkoholischen Quecksilberchloridlösung gefällt. In dem mit absolutem Alkohol (dem etwas Natriumacetat und einige Tropfen Essigsäure zugesetzt sind) genau ausgewaschenen Niederschlage wird der Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt. Durch Multipli- kation der Stickstoffmenge mit 2,69 erhält man die Menge des Kreatinins. Die Quecksilbercidoridlüsung besteht aus 30 Theilen Sublimat, 1 Theil Natrium- acetat, 125 Theilen Alkohol absolutus und 3 Tropfen Eisessig. Xailthokreatinin, CsHioN^O. Diesen , zuerst von. Gautier aus Fleiseliextralit dar- gestellten Stoff hat Monaki im Hundeharne naeh Injektion von Kreatinin in die Leibeshöhle und ebenso im Harne von Menschen nach mehrere Stunden anhaltenden, anstrengenden Mär- schen gefunden. Naeh Colasanti kommt es in verbältnissmässig reichlicher Menge im 1) Maly, Annal. d. Chem. u. Pharm. 159; JOHNSON, Proceed. Roy. Soc. 43. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 10 u. 14. 3) Centralbl. f. innere Med. 1895. Harnsäure. 437 Löwenharne vor. Stadthagen l) hält das aus Mensehenharn nach Muskelanstrengung isolirte Xanthokreatinin für unreines Kreatinin. Das Xanthokreatinin stellt schwefelgelbe , cholesterinähuliche , dünne Blättchen von bitterem Geschmack dar. Es löst sich in kaltem Wasser und in Alkohol, liefert eine kiystal- lisirende Verbindung mit Salzsäure und giebt Doppelverbindungen mit Gold- imd Platinchlorid. Mit C'hlorziuk giebt es eine in feinen Nadeln krystallisirende Verbindung. Es wirkt giftig. HN— CO I I CO C— NH Harnsäure, Ür, CjH^N^Og. | || ^CO. Die Harusäure, das HN— C— NH Diureid einer Trioxyakrylsäure, steht den Nukleinbasen sehr nahe (vergl. Kap. 5) und kann als 2,6,8-Trioxypurin bezeichnet werden (E. Fischer). Die Harnsäure ist von Horbaczewski'-) auf mehrfache "Weise synthetisch dargestellt worden. Beim Zusammenschmelzen von HarnstoÖ' und GlykokoU wird Harusäure nach der Gleichung: 3CON.,Hj -f CJI5NO2 = CsUjN^Oa + 2H2O + SNHj gebildet, und bei dieser Harnsäure- Beaktion sollen Hydantoin und Biuret als intermediäre Produkte entstehen. Sie entsteht Synthesen. ferner auch beim Erhitzen von Trichlormilchsäure oder noch besser Trichlormilchsäureamid mit überschüssigem Harnstoff, Sieht mau von den reichlichen Nebenprodukten (Cyanursäure, Kohlensäure etc.) ab , so lässt sich dieser Prozess durch die Gleichung : CaClsH^O.iN + 2CON2Hi = CHiNjOs + H.,0 + NH^Cl + 2HC1 ausdrücken. Aus der Pseudoharnsäure, die um ein Molekül reicher au Wasser als die gewöhnliche Harusäure ist, haben ferner E. Fischer und ACH''') durch Erhitzeu mit O.xalsäure auf 145" C. Harnsäure darstellen können. Bei starkem Erhitzen zersetzt sich die Harnsäure unter Bildung von Harnstoff, Cyanwasserstoff, Cyanursäure und Ammoniak. Beim Er- hitzen mit konzentrirter Salzsäure im zugeschmolzenen Rohre auf 170" C. spaltet sie sich in GlykokoU, Kohlensäure und Ammoniak. Bei Einwirkung oxydirender Agenzien findet eine Spaltung und Oxydation statt, und es ent- stehen dabei entweder Mono- oder Diureide. Bei der Oxydation mit Bleihyperoxyd entstehen Kohlensäure, Oxalsäure, Harnstoff und Allanto'in, welch' letzteres Glyoxyldiureid ist (vergl. unten). Bei der Oxydation mit Salpetersäure entstehen zunächst in der Kälte Harnstoff und ein Monoureid, der Mesoxalyl- /'"Ss- ."nd ' *' C'xydations- harnstoff oder das Alloxan: C^H^Nj^Og -f O + HgO = C^H^NoO^ -f- i'™ä»"<'- (NH2)2CO. Beim Erwärmen mit Salpetersäure liefert das Alloxan Kohlensäure und Oxalylharnstoff oder Parabansäure, C^HoN^Og. Durch Aufnahme von Wasser geht die Parabansäure in die in dem Harne spurenweise vorkommende Oxalursäure, CjH^N^O^, über, welche ihrerseits leicht in Oxalsäure und Harn- stoff sich spaltet. In alkali.seher Lösung kann aus der Harnsäure unter Auf- nahme von Wasser und Sauerstoff eine neue Säure, die Uroxan säure, CjHgN^Oy, die dann in Oxon säure, C^H-NgO^ übergehen kann*), entstehen. Die Harnsäure kommt am reichlichsten in dem Harne der Vögel und der beschuppten Amphibien vor, bei welchen Thieren die Hauptmasse des Stick- l) Gatjtier, Bull. d. l'acad. de med. (2) 15 u. Bull, de la soc. chini. (2) 48; MONARI, Malv's Jahresber. 17; Colasanti, Areh. ital. de Biologie 15. Fase. 3; Stadthagen, Zeitschr. f. kUn. Med. 15. '-) Monatshefte f. C'heni. 6 u. 8 ; vergl. auch Behrend und ROOSEN, Ber. d. deutsch. ■ehem. GescUsch. 21. 3) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 28. *] Vergl. SCNDWIK, Zeitschr. f. i)hysiol. C'hem. 20. 438 Fünfzehntes Kapitel. Stoffes in dieser Form im Harne erscheint. Im Harne der fleischfressenden Säugethiere kommt die Harnsäure häufig vor, fehlt aber bisweilen vollständig. Im Harne der Pflanzenfresser kommt sie regelmässig, obwohl nur spurenweise, in dem Harne des Menschen dagegen in zwar grösserer, aber jedenfalls nur geringer und schwankender Menge vor. Die Harnsäure ist auch spurenweise in mehreren Organen oder Geweben, wie Milz, Lungen, Herz, Pankreas, Leber Vorkommen (besonders bei Vögeln) und Gehirn gefunden worden. Im Vogelblute soll sie säjire. nach MEISSNER regelmässig vorkommen. Im Menschenblute kommt sie unter normalen Verhältnissen nach Abeles spurenweise vor. Unter pathologischen Verhältnissen ist sie in vermehrter Menge im Blute bei Pneumonie und Nephritis (v. Jaksch') u. A.), aber sonst von vielen Forschern besonders bei Leukämie und von einigen auch bei Arthritis gefunden worden. Harnsäure kommt übrigens in reichlicher Menge in Gichtknoten, gewissen Harnkon krementen und im Guano vor. Im Harne der Insekten und einiger Schnecken, wie auch in den Flügeln einiger Schmetterlinge, deren weisse Farbe sie bedingt, ist sie auch nachgewiesen worden (Hopkins^). Die Menge der mit dem Harne ausgeschiedenen Harnsäure ist beim Menschen bedeutenden individuellen Schwankungen unterworfen, beträgt aber bei gemischter Kost im Mittel 0,7 g pro 24 Stunden. Das Verhältniss der Harn- säure zum Harnstoff bei gemischter Kost schwankt sehr bedeutend, wird aber gewöhnlich als Mittel gleich 1 : 50 ä 1 : 70 gesetzt. Bei Neugeborenen und in den ersten Lebenstagen ist die Harnsäureausscheidung nach Mares vermehrt und die Relation zwischen Harnsäure und Harnstoff etwa wie 1 : 13 — 14. SjöQVIST^) fand bei Neugeborenen die Relation 1 : 6,42 —17,1. Hinsichtlich der Wirkung der Nahrung weiss man durch die Beobacht- ungen von Ranke, Mares u. A., dass die Harnsäureausscheidung im Hunger- zustande gering ist und nach Aufnahme von Nahrung, besonders eiweissreicher Grösse der Nahrung, rasch ansteigt. Mares fand das Minimum etwa in der 13. Stunde Hamsäure- .lusscheid- nach der letzten Nahrungsaufnahme und ein starkes Ansteigen etwa 2 — 5 Stunden nach Fleischnahrung. Dieses Ansteigen nach einer eiweissreichen Mahlzeit bringt HoRBACZEWSKi in Verbindung mit der dabei regelmässig auftretenden Ver- dauungsleukocytose (s. unten). Uebrigens giebt man ziemlich allgemein aber nicht einstimmig an, dass die Menge der ausgeschiedenen Harnsäure bei vegeta- 1) Meissker, Cit. nach Hoppe-Seyler , Physiol. Chem. S. 432; Abeles, Wien. Med. Jahrbücher 1887. Cit. nach Maly's Jahresber. 17; v. J.^KSCH, über die klin. Bedeut. des Vor- kommens der HarnBäure etc. Prager Festschrift. Berlin 1890; ferner Zeitschr. f. Heilk. 11 u. Centralbl. f. innere Med. 1896; vergl. femer Klemperer, deutsch, med. Wochenschr. 1895. 2) PhUos. Trans. Roy. Soc. 186. B. S. 661. 3) Vergl. Lehrbuch der Pathologie des Stoffwechsels von v. Nookden, 1893, S. 54, wo man eine sehr gute tabellarische Ucbersicht über die Schwankungen in der Harnsilureaus- scheidung und der Relation Gesammtstiekstoff: Harnsäurestiekstoff findet ; ferner Mare§, Cen- tralbl. f. d. med. Wissensch. 1888; Sjöqvist, Nord. med. Arkiv 1894. HarnsäureausecheiiluDg. 439 bilischer Nahrung kleiner als bei Fleischnahrung ist, wo ihre Menge bis auf 2 g und darüber pro 24 Stunden ansteigen kann '). Ueber den Einfluss von anderen Urastäuden wie auch von verschiedenen Stoffen auf die Harnsäureausscheidung sind die Angaben recht widersprechend, was theils daher rührt, dass die älteren Untersuchungen nach einer ungenauen Methode (der Methode von Heintz) ausgeführt wurden, und theils daher, dass die Grösse der Harnsäureausscheidung in erster Linie von indiviiluelleu Ver- ^^^i^edf. schiedenheiten abhängig ist. So gehen z. B. die Angaben über die Wirkung jtlnjY'aüf des Wassertrinkens-) und die Wirkung der Alkalien ^j sehr auseinander. Gewisse gäureaus- Arzneimittel, wie Chinin und Atropin vermindern, andere dagegen, wie das Scheidung. Pilokarpin und, wie es scheint,' auch die Salicylsäure ''), vermehren die Harn- säureausscheidung. Nach HoRBACZEWSKi^) und seinen Schülern führen jene zu einer Verminderung und diese zu einer Vermehrung der Menge der Leukocyten im Blute. Ueber das Verhalten der Harnsäureausscheidung in Krankheiten ist wenig Sicheres bekannt. In akuten, kritisch endenden Krankheiten soll die Harn- säure nach stattgefundener Krise in vermehrter Menge ausgeschieden werden; wogegen die ältere Annahme, dass die Harnsäure im Fieber regelmässig ver- mehrt werde, vielfach bestritten wird ^). Ebenso unsicher und einander wider- Hamsäure- sprechend sind die Angaben über die Harnsäureausscheidung bei der Gicht 'j ausscheid- und bei Nephritis ^). In der Leukämie ist dagegen die Ausscheidung sowohl absolut wie im Verhältnis zu der des Harnstofles gesteigert (Ranke, Salkowski, Fleischer und Pentzoldt, Staüthagen, Sticker, Bohland und Schurz^) u. A.), und das Verhältniss zwischen Harnsäure und Harnstoff (Gesammtstickstoö' in Harnstoff umgerechnet) kann dabei sogar auf 1 : 9 heraufgehen, während es im 1) Ranke, Bcobacht. u. Vers, über die AusseheUl. der Harnsäure etc. München 1858; Makes, 1. e. ; Horbaczewski, Wien. Sitzungsber. 100. Abth. 3. Rücksichtlicli der Wirkung verschiedener Kost vergl. man ausser den ol)en eitirten Vertf. besonders A. Hermann, Ab- hängigkeit der Harnsäureausscheidung von Nahrungs- und Genussniitteln etc. Arch. f. klin. Med. 43 und Camerer, Zeitschr. f. Biolog. 33. -) Vergl. SCHÖNDORFF, PfLV'GEr's Arch. 46, wo man die einseldiigige Littcratur findet. 3) Vergl. Clae, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S88; Haig, Journ. of Physiol. 8 und A. Hermann, Arch. f. klin. Med. 43. 4) Vergl. Bohland, cit. nach Maly's Jahreslier. 26. ö) Wien. Sitzungsber. 100. 6) Vergl. V. NOORDEN, Lehrbuch S. LMl u. il2; KÜHN.vu, Zeitschr. f. klin. Med. 28; DUKIN und NoWACZEK, ebenda 32 ') Vergl. Laqder, über die Ausscheidungsverhältnisse der AUoxurkörper, Wiesbaden 1896 (ausführliche Litteraturangaben) ; E. Pfeiffer, Berlin, klin. Wochenschr. 1896; Magnus-Levy, ebenda; Malfatti, Wien. klin. Wochenschr. 1896; His, Wien. med. Blätter 1896. 8) Vergl. V. Jaksch, Zeitschr. f. Heilk. 11 u. Centralbl. f. innere Med. 1896; KÖLISCH und Dostal, Wien. klin. Wochenschr. 1895; GläZA Fodor, Maly's Jahresber. 25; Zdelzer, Berlin, klin. Wochenschr. 1896. '■') Kanke, vergl. SCHMiDT's Jahrb. 1859; Salkowski, VlECHOW's Arch. 50; Fleischer und Pentzoldt, Arch. f. klin. Med. 26; Stadth.\gen, Vikchow's Areh. 109; Sticker, Zeitschr. f. klin. Med. 14; Bohland und Schurz, PFLi;GER's Arch. 47. 440 Füüfzehntes Kapitel. normalen Zustande nach den Angaben verschiedener Forscher gleich 1 : 40 il 66 a 100 ist. Die Entstehmui der Harnsäure im Organismus. Durch die Zufuhr von Animoniaksalzen wird die Harnsäurebildung bei Vögeln vermehrt (v. Schröder) und in derselben Weise wirkt bei ihnen auch der Harnstoff (Meyeu und Jaffe), während umgekehrt im Säugethierorgauisnius, wie Wöhler und Frerichs i) für den Hund zeigten, die eingeführte Harnsäure mehr oder weniger vollständig in Harnstoff umgesetzt wird. Nach Exstirpation der Leber bei Gänsen beobachtete M1NKOW.SKI eine sehr bedeutende Abnahme der Harnsäureausscheidung, während die Ausscheidung des Ammoniaks in entsprechendem Grade vermehrt war. Es Eiitstehuag . . ,. _ . n-. , i. . . i t xr •■ i m i der Harn- spricht dieses für eine Betheiligung des Ammoniaks an der Harnsaurebudung Organismus, bei Vögeln ; und da Minkowski ferner nach der Leberexstirpation auch reich- liche Mengen Milchsäure im Harne der Thiere fand, wird es wahrscheinlich, dass bei den Vögeln die Harnsäure in der Leber, vielleicht durch eine Synthese aus Milchsäure und Ammoniak, entsteht. Amidosäuren — Leucin, Glykokoll und Asparaginsäure — vermehren ebenfalls die Harnsäureausscheidung bei Vögeln (v. Knieriem), ob aber die Amidosäuren dabei zuerst unter Abspaltung von Ammoniak zerfallen, ist noch unbekannt. Dass übrigens auch ein kleijier Theil der Harnsäure bei Vögeln von dem Hypoxanthin abstammen kann, hat v. Mach^) gezeigt, und nach Minkowski ist ein ähnlicher Ursprung der Harnsäure auch bei Säugethieren sehr wahrscheinlich. Für die Annahme einer Harnsäurebilduug aus Ammoniaksalzen in der Menschen- und Säugethierleber liegen noch keine Gründe vor. Dagegen scheint bei ihnen die Harnsäurebildung in bestimmter Beziehung zu den Kernnukle'inen zu stehen. Aus nukle'inreichen Geweben, wie z. B. Milzpulpa, und aus dem Milznuklein selbst hat Horbauzewski ^) durch schwache Fäulniss, nachherige Oxydation mit Blut und darauf folgende Spaltung durch Sieden Harnsäure dar- Harnsämc gestellt. Wurde die Oxydation unterlassen, so erhielt er eine äquivalente Menge KukieüK-, Xanthinkörper. Das aus der Milzpulpa dargestellte Nuklein bewirkte nach Ein- verleibung in den Thierkörper eine vermehrte Harnsäureausscheidung und die- selbe Wirkung kann auch nach den Erfahrungen vieler Forscher'') die Ver- fütterung der an Kernnuklein sehr reichen Thymusdrüse haben. Nach Horbaczewski entsteht die Harnsäure hierbei nicht aus den Alloxurbasen als Zwischenstufen, sondern sämmtliche Alloxurkörper entstehen aus den Nuklei'iien — die Harn- 1) V. SCHKÖDER, Zeifschr. f. physiol. Chem. 2; Meyer und .J.\ffe, Bit. d. deutsch. clieni. Gesellsch. 10; Wöhleb und FuEBICHS, Annal. d. Chera. u. Pharm. 65. -) Minkowski, Arch. f. e.tp. Path. u. Pharm. 21: v. Knieriem, Zeitschr. f. Biologie 13; V, Mach, Areh. f. cxp. Path. u. Pharm. 24. :!) ■Wien. Sitzungsber. 100. J) Vcrgl.WElNTK.4UD, Berlin, klin. Wochensehr. 1895 und Du BoiS-llEVMOND's Arch. 1895; Umber. Zeitschr. f. kliu. Med. 29; P. Mayer, Deutsch, med. Wochensehr. 189G: !<.MITH Jerome, .lourii. of Phy.siol. 22; Heiss n. Schmoi.i,, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 37. Abstammung der Harnsiiure. 441 säure, wenn der Spaltung eiue Oxydation vorangeht, un'''1"°b- scheinlich zu machen versucht. Nach den Untersuchungen Horbaczewski's scheint indessen diese Beziehung mehr indirekter Art zu sein, indem sie näm- lich in nahem Zusammenhange mit der Bedeutung der Milz für die Neubildung der Leukocyten stehen soll. Wenn die Harnsäure bei Menschen und Säuge- thieren, wie man allgemein annimmt, hauptsächlich von dem Nukleiu herrührt, ') Ueber die Erklärung des abweicheiuleu Vorhalteus des Autifebriiis und Antipvrius vergl. mau Horbaczewski 1. c. -) MareS, Wien. Sitzungsber. 101 und : Zur Theorie der Harnsäurebildung etc. Prag 1892. (l'arl Bcllman). Vergl. auch Milroy und Malcolm, Jouru. ot Physiol. 23. GuiiLlCH, Zeitschr. f. physiol. Chem. 18 unil Stadthages, Virchow's xirch. 109. 3) Zalesky, I'ntersucliungen über den urämiseUen Prozess. Tübingen 1865. Cit. nach Hermann's Handb. 5. Tlil. 1. S. 305 (wo man auch «eitere Litteraturangaben findet) ; V. Schröder, Du BoisEeymond's Arch. 1880. Suppl, Bd. und LuDwiG-Festschrift 1887. 442 Fünfzehntes Kapitel. dürfte ihre Entstehung wohl auch überall, wo ein Zerfall nnkleinhaltiger Gewebe geschieht, zu suchen sein, wenn sie auch nach Hobbaczewski in erster Linie aus dem Zerfalle der Leukocyten hervorgeht. Für die Annahme einer Harn- säurebildung in der Leber des Menschen und der Säugethiere liegen noch keine stichhaltigen Gründe vor, wogegen eine Harnsäurebildung in der Leber bei Vögeln, wie schon oben gesagt, durch die Untersuchungen Minkowski's im höchsten Grade wahrscheinlich geworden ist. Nach den Untersuchungen von Frerichs uud Wöhler soll die in den Säugethierorganismus eingeführte Harnsäure zum grossen Theil iu Harnstoff übergehen und nach Wiener soll bei dem Zerfallen der Harnsäure beim Kanin- Harnstoit- j GlvkokoU als Zwischenstufe auftreten. Da nun ferner nach Salaskin und bnaung aus •' Harnsauic. Lq£\yi (vergl. oben) die Leber Harnstoff oder eine nahestehende Substanz aus Glykokoll zu erzeugen vermag, ist es also wohl möglich, dass die Leber ein Organ ist, in welchem die Harnsäure unter Harnstoffbildung zerlegt werden kann, eine Annahme, die mit den Beobachtungen von Chassev.\nt und Richet ') und von AscoLi im Einklänge ist. Eigenscliaften und Beuldionen der Harnsäure. Die reine Harnsäure ist ein weisses, geruch- und geschmackloses, aus sehr kleinen rhombischen Prismen oder Täfelchen bestehendes Pulver. Die unreine Säure erhält man leicht in etwas grösseren, gefärbten Krystallen. Bei rascher Krystallisation entstehen kleine, nur mit dem Mikroskope sichtbare, anscheinend ungefärbte, dünne, vierseitige rhombische Tafeln, welche durch Abrundung der stumpfen Winkel oft spulförmig erscheinen. Bisweilen sind die Täfelchen sechsseitig, unregelmässig ausgezogen ; in anderen Fällen sind sie rektangulär, mit theils geraden, theils gezackten Seiten und in anderen Fällen Harnsäure- wiederum zeigen sie noch mehr unregelmässige Formen, sogen. Dumbbells etc. krystaiie. -g^j langsam stattfindender Krystallisation, wie z. B. wenn der Harn ein Sedi- ment absetzt oder mit einer Säure versetzt worden ist, scheiden sich grössere, stets gefärbte Krystaiie aus. Mit dem Mikroskope betrachtet, erscheinen diese Krystaiie stets gelb oder gelbbraun gefärbt. Die gewöhnlichste Form ist die Wetzsteinform, entstanden durch Abrundung der stumpfen Winkel der rhombi- schen Tafel. Die Wetzsteine sind vielfach, zu zweien oder mehreren sich kreu- zend, mit einander verwachsen. Ausserdem kommen auch Rosetten von pris- matischen Krystallen, unregelmässige Kreuze, braungefärbte, rauhe, in Nadeln oder Prismen zerfallende Krystallmassen nebst verschiedenen anderen For- men vor. Die Harnsäure ist unlöslich in Alkohol uud Aether, ziendich leichtlöslich in siedendem Glycerin, sehr schwerlöslich in kaltem (14000 — 16 000 Theilen) und schwerlöslich in siedendem Wasser (in 1800 — 1600 Theilen). In Wasser von 40 " C. löst sie sich im Verhältnisse 1 : 2400 (Smale). Salzsäure löst 1) Wiener, Arcli. f. exp. Path. u. riiarm. 40; Chassevant und RiCHET, Compt. rend. soe. biol. 49; AsCOLI, Pfi.ÜGER's Arch. 72. Harnsäure. 443 sie etwas besser als Wasser. Von einer heissen Lösung von Natriumdiphosphat wird die Harnsäure gelöst, und bei Gegenwart von überschüssiger Harnsäure entstehen dabei Monophosphat nnd saures ürat. Das Natriunidiphosphat soll nach der gewöhnlichen Ansicht auch ein Lösungsmittel für die Harnsäure im Harne sein, während diese nach Smale nur sehr wenig von dem Mouophos- phate gelöst wird. Ein wichtiges Lösungsmittel ist nach Rudel ') der Harn- stoff. 1000 ccm einer 2prozentigen Harnstofflösung können nämlich im Mittel i-fsiiciikeit. 0,529 g Harnsäure lösen, und bei einer täglichen Harnmenge von 1500 — 2000 ccm und einem Harnstoffgehalte von 2 p. c. würde also der Harnstoff allein im Stande sein, die Lösung fast der gesammten ausgeschiedenen Harnsäuremenge zu bewirken. Die Harnsäure wird nicht nur von Alkalien und Alkalikarbo- naten, sondern auch von mehreren org. Basen, wie Aethyl- und Propylamin, Piperidin und Piperazin gelöst. Von konzentrirter Schwefelsäure wird die Harn- säure ohne Zersetzung gelöst. Von Pikrinsäure wird sie nach Jaffe^) sehr vollständig aus dem Harne gefällt. Mit Phosphorwolframsäure giebt sie bei Gegenwart von Salzsäure einen chokoladebraunen Niederschlag. Die Harnsäure ist zweibasinch und bildet dementsprechend zwei Reihen von Salzen, neutrale und saure. Nach Bence Jones ^) sollen auch übersaure Ver- bindungen, Quadriurate von der allgemeinen Formel C5H3MN^03.Cr,H4N^O.j vorkommen. Von den Alkaliuraten lösen sich die neutralen Kalium- und Lithiumsalze am leichtesten, das saure Amnionsalz am schwersten. Die sauren Alkaliurate ^^^^^ sind sehr schwerlöslich und scheiden sich aus konzentrirteren Harnen beim Er- kalten als Sediment (Sedimentura lateritium) aus. Die Salze mit alkalischen Erden sind sehr schwerlöslich. Wird ein wenig Harnsäure in Substanz in einer Porzellanschale mit ein paar Tropfen Salpetersäure versetzt, so löst sich die Harnsäure unter starker Gasentwickelung beim Erwärmen, und nach dem vollständigen Eintrocknen auf dem Wasserbade erhält man einen schön rothen Rückstand, welcher bei Zusatz von ein wenig Ammoniak eine (aus purpursaurem Amnion oder Murexid her- rührende) schön purpurrothe Farbe annimmt. Setzt man statt des Ammoniaks '^''"o^'^" ein wenig Natronlauge (nach dem Erkalten) zu, so wird die Farbe mehr blau oder blauviolett. Diese Farbe verschwindet rasch beim Erwärmen (Unterschied von gewissen Xanthinstoffen). Die nun beschriebene Reaktion nennt man die Wird die Harnsäure durch vorsichtige Salpetersäureeinwirkung in Alloxan übergeführt und die überschüssige Säure vorsichtig verjagt, so erhält man mit vOTDeniKis einigen Tropfen konzentrirter Schwefelsäure und käuflichen (thiophenhaltigen) Benzols eine blaue Färbung (Reaktion von Deniges^). 1) Smale, Centralbl. f. Physiol. 9; l'.i'DEl., Arch. f. ex]). Palli. ii. Pharm. 30. 2) Zeitschr. f. physiol. Chciii. 10. 3) Cit. nacli HALLIBURTON uiul Kaiser, Lehrb. il ehem. Physid. iiml Patliol. S. 759. •») .lourn. de Piiarm. et de Cliim. 18, eit. nach Maly's .Jahresber. 18. 444 Fünfzehntes Kapitel. Die Harnsäure reduzirt eine alkalische Wismutblösung nicht, reduzirt da- gegen eine alkalische Kupferoxydhj'dratlöfung. Bei Gegenwart von nur wenig Kcduzirende j^upfgj-äalz erhält luan dabei einen aus harnsaurem Kupferoxydul bestehenden, Eigen- ^ . sifh.-itten. vveissen Niederschlag. Bei Gegenwart von mehr Kupfersalz scheidet sich rothes Oxydul aus. Die Verbindung der Harnsäure mit Kupferoxydul entsteht eben- falls, wenn man Kupfersalz in alkalischer Lösung bei Gegenwart von Urat mit Glukose oder Bisulfit reduzirt. Versetzt man eine Lösung von Harnsäure in alkalikarbonathaltigeni Wasser mit Magnesiamixtur und setzt darauf Silbernitratlösung hinzu, so entsteht ein s -ff gelatinöser Niederschlag von Silbermagnesiumurat. Bringt man auf Filtrirpapier, Eeaktion. -^velches man vorher mit Silbernitratlösung benetzt hat, einen Tropfen einer Lösung von Harnsäure in kohlensaurem Natron, so entsteht durch Reduktion des Silberoxydes ein braunschwarzer oder, bei Anwesenheit von nur 0,002 mg Harnsäure, ein gelber Fleck (Schiff's Eeaktion). Darstellung der Harnsäure aus dem Harne. Normalen, filtrirten Harn versetzt man mit Salzsäure, 20—30 ccm Salzsäure von 25 p. c. auf je 1 Liter Harn. Nach 48 Stunden sammelt man die Krystalle und reinigt sie durch ^'tor^Harn-^ Auflösung in verdünntem Alkali, Entfärbung mit Thierkohle und Ausfällung säure, j^jf, Salzsäure. Grössere Mengen Harnsäure erhält man leicht aus Schlangeu- exkrementen durch Kochen derselben mit verdünnter Kalilauge von 5 p. c, bis kein Ammoniak mehr entweicht. In das Filtrat leitet man Kohlensäure, bis es kaum noch alkalisch reagirt, löst das ausgeschiedene und gewaschene saure Kaliumurat in Kalilauge und fällt die Harnsäure durch Eingiessen des Filtrates in überschüssige Salzsäure. Quantitative Bestimmung der Harnsäure ira Harne. Die ältere, von Heintz herrührende Methode giebt selbst nach der neueren Modifikation der- selben ungenaue Resultate und wird deshalb hier nicht weiter besprochen. Die Methode von Salkowski und Ludwig^) besteht in den Haupt- zügen darin, dass man die Harnsäure mit Silbernitratlösung aus dem mit 'Isa'iiowJki" Magnesiamixtur versetzten Harne fällt und die aus der Silberfällung freigemachte iindLudwig. Harnsäure wägt. Bei Harnsäurebestimmungen nach dieser Methode arbeitet man oft nach folgendem, von E. Ludwig herrührenden Verfahren, welches fol- gende Lösungen erfordert. 1. Eine amm on iakalische Silbernitratlösung, welche im Liter 26 g Silber- nitrat und eiue zur voUständigeu Wiederauflösung des bei Ammoniakzusatz zuerst entstandenen Niederschlages erforderliche Meniie Ammoniak enthält. 2. Magnesiamixtur. Man löst hrtoraer- jqq g kiystallisirtes Chlormaguosiuiu in Wassei', setzt erst so viel Ammoniak hinzu, dass die ungen. Flüssigkeit stark danach riecht, und dann eine zur Auflösung des Niederschlages ei-forderliche Menge Chlorammonium und füllt zuletzt zum Liter auf. 3. Eine Lösung vou Sehwefel- uatrium. Mau löst 10 g Aetzuatrou, welches frei von Salpetersäure und salpetriger Säure ist, in 1 Liter Wasser. Von dieser Lösung wird die Hälfte mit SchwefchvasserstofF vollständig gesättigt und dann mit der anderen Hälfte wieder vereinigt. Die Konzentration der drei Lösungen ist so gewählt, dass je 10 com der- selben für 100 ccm Harn vollständig ausreichen. Von dem filtrirten, eiweissfreien — bezw. durch Aufkochen nach Zusatz ■einiger Tropfen Essigsäure von Eineiss befreiten — Harne giesst man in ein 1) S.VLKOWSKI, ViBCHOw's Areh. 52, PflCger's Arch. ö u. Praeticum der physiol. n. pathol. Chem. Berlin 1893; Ludwig, Wien. med. Jahrb. 1884 u. Zeitschr. f. anal. Chcm. 24. HamsäurebestimmuDg. 445 Becherglas, je nach der Konzentration des Harnes, 100 — 200 com. In einem anderen Gefässe mischt man dann 10, bezw. 20 ccm Silberlösung mit 10, bezw. 20 ccm Magnesiamixtur und setzt Ammoniak, wenn nöthig auch etwas Chlor- ammonium, bis das Gemenge wieder klar geworden ist, zu. Diese Lösung mischt man nun unter Umrühren mit dem Harne und lässt das Gemenge eine halbe bis eine Stunde ruhig stehen. Nachdem man sich davon überzeugt hat, dass die Lösung Silbersalz im Ueberschuss enthält, sammelt man den Niederschlag auf einem Saugfiltrum, wäscht mit ammoniakhaltigeni Wasser aus und bringt ihn dann mit Hilfe eines Glasstabes und der Spritzflasche, ohne das Filtrum zu beschädigen, in dasselbe Becherglas zurück. Nun erhitzt man 10, bezw. 20 ccm der Schwet'elalkalilösung, welche vorher mit ebensoviel Wasser verdünnt worden, zum Sieden, lässt diese Lösung durch das oben erwähnte Filtrum in das Becher- glas, welches die Silberfällung enthält, einfliessen, wäscht mit heissem Wasser Methodevo» nach und erwärmt, unter Umrühren des Inhaltes, das Becherglas einige Zeit in und Ludwig. dem Wasserbade. Nach dem Erkalten filtrirt man in eine Porzellanschale, wäscht mit heissem Wasser nach, säuert das Fillrat mit etwas Salzsäure an, dampft auf etwa 15 ccm ein, setzt noch einige Tropfen Salzsäure zu und lässt 24 Stunden stehen. Die nach dieser Zeit auskrystallisirte, auf einem kleiueu, gewogenen Filtrum gesammelte Harnsäure wäscht man mit Wasser, Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff und wiederum Aether aus, trocknet bei 100 — 110'^ C. und wägt. Für je 10 ccm des wässerigen Filtrates muss man der direkt ge- fundenen Harnsäuremenge 0,00048 g zuzählen. Statt des gewogenen Papier- filters ist es besser, eines von Li'DAVIg konstruirten, mit Glaswolle beschickten, in ausführlicheren Handbüchern beschriebenen Glasrohres sich zu bedienen. Zu starkes oder zu langdauerndes Erwärmen mit dem Scbwefelalkali ist zu ver- meiden, weil sonst ein Theil der Harnsäure zersetzt wird. Salkowski weicht von diesem Verfahren darin ab, dass er den Harn erst mit Magnesiamixtur (50 ccm auf 200 ccm Harn) fällt, mit Wasser auf 300 ccm auffüllt, filtrirt und vom Filtrate 200 ccm mit 10—15 ccm einer Sprozentigen Lösung von Silbernitrat fällt. Den Silberniederschlag schlemmt Verfahrea er in 200 — 300 ccm mit einigen Tropfen Salzsäure angesäuerten Wassers auf, Saikowski. zersetzt ihn mit Schwefelwasserstofl^, erhitzt zum Sieden, kocht das Schwefelsilber mit Wasser aus, filtrirt, konzentrirt bis auf wenige ccm, setzt 5 — 8 Tropfen Salzsäure hinzu und lässt bis zum nächsten Tage stehen. Die Methode von Hopkins ') basirt auf der vollständigen Fällbarkeit der Harnsäure als Ammoniumurat aus dem Harne beim Sättigen desselben mit Ammoniumchlorid. Der Harn wird mit Chlorammonium (auf je 100 Harn 30 g) gesättigt und nach zwei Stunden wird filtrirt. Man wäscht mit gesättigter Chlorammoniumlösung aus, bringt den Niederschlag mit siedendem Wasser in ein kleines Becherglas über und zersetzt in der Wärme mit Salzsäure. Die aus- geschiedene Harnsäure wird wie bei der Methode von LuDWifi-SALKOWSKi gewogen, und für je 15 ccm Mutterlauge zählt man dabei der gewogenen Harnsäure 1 mg. zu. Die Harnsäure in dem Ammoniumurate kann auch durch Titration mit Kaliumpermanganat bestimmt werden, wobei man jedoch das Filtrum mit dem Urate erst mit gesättigter Ammouiumsulfatlösung chlorfrei waschen muss. Man spült darauf deu Niederschlag mit heissem Wasser (im Ganzen 100 ccm) Hopkins." in einen Kolben hinab, lässt auf 20" C. erkalten und setzt dann 15 ccm kon- zentrirte Schwefelsäure (1,84 sp. Gew.) hinzu. Das Gemenge nimmt hierbei die I) Joiirn. of Piitli. u. Baeteriol. 1893 u. Procoed. l'oy. Soc. 52. 446 Fünfzehntes Kapitel. Methode Hupkiu» Xiiiithin körper. Temperatur von 60 — 63" C. an, und wenn man bei dieser Temperalur mit einer N — Kaliumpermanganatlösung titrirt, so entspricht nach Folin 1 com Permanganat- lösung konstant und genau 3,75 mg Harnsäure (Hopkins erhielt ebenfalls die Zahl 3,75, Ritter') dagegen die Zahl 3,61 mg Harnsäure). Die Hopkins- sche Methode soll ebenso genaue Resultate wie die von Salkowski-Ludwk; geben. Nach Folin ist es nicht nothwendig, den Harn mit Ammoniumsalz zu sättigen, was indessen den Erfahrungen von Anderen widerspricht, und er hat das Ver- fahren durch Ausfällen mit nur lüprozentigem Ammoniumsulfat wesentlich abgekürzt. Bezüglich der verschiedenen Modifikationen der nun beschriebenen Methoden wie auch hinsichtlich der zahlreichen anderen, vorgeschlagenen Methoden der Harnsäurebestimmung wird auf ausführlichere Handbücher, namentlich auf das Werk von Huppert-Neubauef! hingewiesen. Xantliinstoffe (Alloxurbasen). Dieim Menschenharne gefundeneu Alloxur- basen (Purinbasen) sindXff«//(/«, Guanin, Hi/jw.ranfhin, Adenin, Paraxanthin, Heteroxcmthin, Ejnsarkin, Eingitanin,l-MethyJxantMn, und Kamin. Das Vor- kommen von Guanin undKarnin (nach Pouchet) ist jedoch nach Kküger und Salo- MON-) nicht sicher erwiesen. Die Menge sämmtlicher dieser Stoffe im Harne ist äusserst gering und bei verschiedenen Individuen schwankend. Flatow und Reitzen- .stein^) fanden in der Tagesmenge Harn 15,6 — 45,1 mg. Vermehrt ist die Menge der Alloxurbasen im Harne regelmässig nach Verfütterung von Kernnukleineu und nach einem reichlichen Zerfall von Leukoycten. Besonders vermehrt ist ihre Menge bei der Leukämie. Ueber die Menge dieser Stoffe in verschiedenen Krankheiten liegt übrigens eine Menge von Beobachtungen vor, die indessen, infolge der oft unzuverlässigen Bestimmungsmethoden, noch nicht sicher ver- werthbar sind. Uebrigens ist zu bemerken, dass die drei Alloxurbasen, Hetero- xanthin, Paraxanthin und 1-Methylxanthin, welche die Hauptmasse der Harn- alloxurbasen darstellen, nach den Untersuchungen von Albanese, Bondzynski und Gottlieb, E. Fischer, M. Krüger und G. Salomon aus den in unseren Genussniitteln vorkommenden Stoffen Theobromin, Koffein und Theophyllin im Körper entstehen. Da die vier eigentlichen Nukle'inbasen und das Karnin schon in dem Vorigen (Kap. 5 u. 11) abgehandelt worden sind, bleibt es hier nur übrig, die besonderen Harnxanthinstoffe zu besprechen. Heteroxautllin , CeHeN^Oa = 7 - MonomethyLxanthin ist zuerst von Salomon ^) im Harue nachgewiesen worden. Das Heteroxanthin ist identiijch mit demjenigen Monomethyl- xanthiu, welches nach Verfütterung von Theobromin oder Koffein in den Harn übergeht. 1) FOLIN, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24; lllTTER, ebenda 21. -) Zeitschr. f. physiol. Chem. 24; PotJCHET, Contributions ti la counaissance des matieres e.xtractives de l'urine, These Paris 1880; cit. nach IIuppekt-Neübatjek, S. 333 u. 335. 3) Deutsch, med. Wochenschr. 1897. i) ALB.1NESE, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 35 : BONDZYNSKI und Gotilieb, ebenda 36 u. Bcr. d. deutseh. chem. GeseUsch. 28; E. Fischer, ebenda 30. S. 2405; Krüger und Salomon, Zeitschr. f. physiol. Chem. 26. ä) Dv Bois-Eeymond's Arch. 1885. Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 18. Zeitschr. f. physiol. Chem. 11. Xanthinstoffe. 447 Das Hpteroxanthin kiystallisirt in glänzenden Nadeln uod löst sich sehner in kaltem Wasser (1592 Th. bei 18" C). Es ist leicht löslich in Ammoniak und Alkalien. Das kiystalli- sirende Natriumsalz ist in starker Lauge (33 p. c.) unlöslich und löst sich schwer in Wasser. Das Clüorid krystaUisirt .schön, ist verhältnissinässig schwerlöslich und wird von Wasser leicht Hetero in die freie Base und Salzsäure zerlegt. Das Hetcroxanthin wird gefällt von Kupfersulfat und ''""thn Bisulfit, Quecksilberchlorid, Bleiessig und Ammoniak und von Silberuitrat. Die Silberver- bindung löst sich verhältnissmässig leicht in verdünnter, warmer Salpetersäure; sie krystaUisirt in kleinen rhombischen Blättcheu oder Prismen, oft zu zweien verwachsen und so recht charak- teristische, kreuzförmige Figuren bildend. Das Hetcroxanthin giebt nicht die Xanthinreaktion, wohl aber die WElDEL'sche Reaktion besonders nach FisCHER's Verfahren (vergl. Kap. 5). 1-MetUylxailthill, CjUeNjO... ist zuerst von Kbiger und dann von Kküger und Salomon') aus dem Harne isolirt und näher untersucht worden. Es ist in kaltem Wasser schwer, in Ammoniak und Natronlauge leicht löslicli und giebt keine schwer lösliche Natrium- verbindung. In verdünnten Säuren ist es leicht löslich. Das Chlorid wird von AVasser in i-Metln die Base und Salzsäure zerlegt. Das 1-Methylxanthin giebt krystallisirende Platin- und Gold- xanthii dop])elsalze. Es wird nicht von Bleiessig und iu reinem Zustande auch nicht von ammonia- kalischem Bleiessig gefällt. Mit Ammoniak und Silbernitrat giebt es eine gelatinöse Fällung. Die aus Salpetersäure krystallisirende Silbernitratverbindung stellt zu Rosetten vereinigte Nädelchen dar. Bei der Xanihinprobe mit Salpetersäure giebt es nach Zusatz von Natron- lauge Oraugefärbung. Giebt die WElDEL'sche Reaktion (nach FiscHEK's Verfahren) schön. Paraxanthin , CjHsNiOj := 1,7-Diniethylxanthin, Urot heobromin (Thudiohdm) ist zuerst von ThüdichüM und Salomon-) aus dem Harne isolirt worden. Es krystaUisirt Hchöm in sechsseitigen Tafeln oder in Nadeln. Die Natriumverbindung krystaUisirt in recht- winkligen Tafeln und Prismen und ist wie die Heteroxanthinverbindung in Lauge von 33 p. c. unlöslich. Aus der in Wasser gelösten Natriumverbindung scheidet es sich bei der Neutrali- xantlii sation krystallinisch aus. Das Chlorid ist leichtlöslich und wird von Wasser nicht zersetzt. Das Chloroplatinat krystaUisirt sehr schön. Quecksilberchlorid fällt erst im Ueberschuss und nach längerer Zeit. Die Silbernitratverbindung scheidet sich aus heisser Salpetersäure beim Erkalten als weisse seidenglänzende Krystallbüschel aus Es giebt die WElDEL'sche Reaktion, nicht aber die Xanthinprobe mit Salpetersäure und Alkali. Episarkin nennt B.\lke einen Xanihinkörper, welcher in Menschenharn vorkommt. Denselben Stoif hat Salomon ^) im Schweine- und Hundeharn wie auch im Harne bei Leukämie ebenfalls beobachtet. Als wahrscheinliche Formel für das Episarkin giebt B.VLKE C^H^NaO an. Das Episarkin ist fast vollständig unlöslich in kaltem Wasser, löst sich schwer in heissem, kann aber aus ihm in langen feinen Nadeln gewonnen werden. Es giebt weder die Xanthin- Kpisark reaktion mit Salpetersäure noch die WElDEL'sche Reaktion. Mit Salzsäure und Kaliuni- chlorat giebt es einen weissen Rückstand, der von Ammoniakdampf violett wird. Giebt keine schwerlösliche Natriumverbindung. Die Silberverbindung Ist schwerlöslich in Salpetersäure. Epignaniil, CoHjNsOj := 7-Mcthylguanin (Krüger und Salomon) wurde zuerst von KEiJOER*) aus dem Harne dargestellt. Es krystaUisirt, ist schwer löslich in heissem Wasser oder in Ammoniak. Aus der heissen Lösung in 33 p. c. Natronlauge krystallisiren in der Kälte breite, glänzende Nadeln. Es löst sich leicht iu Salzsäure oder Schwefelsäure. Giebt ein charakteristisches, in sechsseitigen Prismen krystallisirendes Chloroplatinat. Es wird weder von ßleiessig noch von Bleiessig und Ammoniak gefällt. Silbernitrat und Ammoniak geben eine gelatinöse Fällung. Giebt die Xanthinprobe mit Salpetersäure und Alkali. Zu der WElDEL'schen Probe (nach Fischer) verhält es sich wie das Episarkin. Zur Darstellung der Alloxurbasen aus dem Harne übersättigt man den letzteren mit Ammoniak und fällt das Filtrat mit Silbersalzlösung. Der Niederschlag wird dann mit Schwefelwasserstolf zersetzt. Die siedend heiss abfiltrirte Flüssigkeit wird zur Trockne ver- dunstet und der eingetrocknete Rückstand mit Schwefelsäure von 3 p. c. liehandelt. Es werden dabei die Xanthinstoffe gelöst, während die Harnsäure ungelöst zurückbleibt. Das neue Filtrat übersättigt man mit Ammoniak und füllt mit Silbernitratlösung. Will mau statt mit Silber- Kpiguanii Darstellung dcrXanthin- körper aus dem Harne. 1) Krügeb, Du Bois-Revmond's Arch. 1S94; mit Salomon, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. 2) Thudichitm, Grundzüge d. anal, und klin. Chemie, Berlin 1886; Salomon, Du Bois-Reymond's .-Vrch. 1882 u. Ber. d. deutseh. chem. Gesellsch. 16 u. 18. •^) Balke, Zur Kenntniss der Xanthiukörper. Inaug.-Diss. Leipzig 1893; Salomon, Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. •*) Du Bois-Reymond's Arch. 1894; Krüger und Salomon, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24 u. 26. 448 Fünfzehntes Kapitel. lösiing nach Kedger und Wulff ') mit Kuiifcioxydul fällen , so eiliitzt man den Harn zum Sieden und setzt unmittelbar nach einander auf je 1 Liter Harn 100 com einer 50 prozentigen Natriumbisultitlösung und 100 ccm einer 12 prozentigen Kupfersulfatlösung hinzu. Den voll- ständig ausgewaschenen Niederschlag zerlegt man mit Salzsäure und Schwefelwasserstoff. Die Harnsäure bleibt grösstentheils auf dem Filtnim. Hat man ein Gemenge der Silberverbind- ungen der Basen (vergl. oben), eo wird dieses ebenfalls mit Salzsäure zerlegt. Nähere An- gaben über die weitere Verarbeitung der I>ösung der Salzsäureverbiudungen findet man bei Kkiger und SalOMON (Zeitschr. f. physiol. Chemie. 26.)- Quantitative Bestimmung der Alloxuibasen nach Salkowski^). 400 bis 600 ccm des eiweissfieien Harnes werden, wie oben S. 445 bei der Beschreib- ung der Harnsäurebesliramung nach Salkowski angegeben wurde, erst mit Magnesiamischung und dann mit einer Silbernitratlösung von 3 p. c. voll- ständig gefällt. Der vollständig ausgewaschene Silberniederschlag wird in Methodevon etwa 600 — 800 ccm Wasser unter Zusatz von einigen Tropfen Salzsäure Salkowski. ,j^i[ Schwefelwasserstoff zersetzt, zum Sieden erhitzt, heiss filtrirt und dann, zuletzt auf dem Wasserbade völlig zur Trockne verdunstet. Den Rück- stand zieht man mit 2ö — 30 ccm heisser Schwefelsäure von etwa 3 p. c. aus, lässt 24 Stunden stehen, filtrirt von der Harnsäure ab, wäscht aus, macht das Filtrat ammoniakalisch, fällt die Xanthinstofl^e wieder mit Silbernitrat aus, sammelt den Niederschlag auf ein kleines, chlorfreies Filtrum, wäscht sorgfältig aus, trocknet, äschert vorsichtig ein, löst die Asche in Salpetersäure und titrirt mit Rhodanammonium nach Volhaed. Die Rhodanammoniuralösung soll im Liter 1,2 — 1,4 g enthalten und ihr Titer wird mit einer Silbernitratlösung ge- stellt. 1 Theil Silber entspricht 0,277 g Alloxurbasenstickstoff, resp, 0,7381 g Alloxurbasen. Nach dieser Methode kann man die Harnsäure und die Allosur- basen gleichzeitig in derselben Harnportion bestimmen ^). Verfahren M.^LFATTI ■*) bestimmt den Alloxurbasenstickstoff in dem von der Harnsäure getrennten von salzsäurchaltigen Filtrate. Dieses letztere wird nämlich erst mit Magnesia bis zur Vertreibung Malfatti. alles Ammoniaks eingedampft und dann zur KjELDAHL-Bestinimung verwendet. Man hat auch den Alloxurbasenstickstofi' als Differenz zwischen dem Harnsäurestickstoff unn dem gesammten AUoxurkörperstickstoff des Silberniederschlages bestimmt (Cameker, Arnstein^). Gegen dieses Verfahren ist eingewendet worden (Salkowski), dass es niclit möglich ist, aus dem Silberniederschlage alles Ammoniak durch Auswaschen zu entfernen. Nach Arnstein") soll man dies indessen leicht duieh Kochen des Niederschlages mit Wasser und etwas Magnesia erreichen können, und unter diesen Umständen dürfte auch diese Methode Indirekte g^^^^ brauchbar sein. Den Stickstoff bestimmt man nach Kjelü.^hl. Der Harnsäurestickstoff, ung. " mit 3 multiplizirt, giebt die Menge der Harnsäure. Da man das Gemenge der Alloxurbasen im Hai-ne nicht näher kennt, kann man den Alloxurbasenstickstoff immer auf eine bestimmte Alloxurbase, z. B. das Xanthin (Cameker), umrechnen und die so gefundene Menge als Mass der Alloxurbasen benutzen. Die Methode von Krüger und Wulff hat nach den Unter- suchungen von Huppert, Salkowski, Flatow und Reitzenstein ') als nicht hinreichend erwiesen. Oxalursäure, C3H4N2O4 = (CON0H3) . CO . COOH. Diese Säure, deren Beziehung zu «ixalur- Jer Harnsäure und dem Harnstoffe schon oben besprochen worden ist, kommt nur spurenweise als Ammoniumsalz im Harne vor. Dieses Salz wird von CaCl., und NH3 nicht direkt, wohl aber nach dem Sieden, wobei es in Harnstoff und Oxalat sich zerlegt, gefällt. 1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 20. 2) PflÜGEE's Arch. 69. 3) Bezüglich der näheren Details wiid auf die Originalarbcit hingewiesen. ■4) Centralbl. f. innere Med. 1897. 5) Camerer, Zeitschr. f. Biologie 26, 28; Arnstein, Zeitschr. f. physiol. Cbem. 23. 6) Salkowski 1. c. ; Akkstein, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1898. '•) Krüger und Wulff, Zeitschr. f. physiol. Chem. 20; HUPPERT, Zeitschr. f. physiol. Chem. 22; Salkowski, Deutseh. med. Wochenschr. 1897; Flatow und Reitzenstein, ebenda 1897. Oxalsäure. 449 Zur Darstellung der Oxalursäure aus dem Harne wird dieser letztere durch Thierkohle filtrirt. Das von der Thierkohle zurückgehaltene Oxalurat kann mit siedendem Alkohol aus- gezogen werden. Oxalsäure, CaHgü^ oder p^^tt» kommt als physiologischer Bestand- theil im Harne in sehr geringer Menge, bis zu 0,020 g in 24 Stunden (FüR- BEDfGERi), vor. Nach der gewöhnlichen Anschauung findet sie sich im Harne als Calciumoxalat, welches von dem sauren Phosphate des Harnes in Lösung ^'"'*""^- gehalten werden soll. Oxalsaurer Kalk ist ein häufiger Bestandtheil von Harn- sedimenten und kommt auch in gewissen Harnsteinen vor. Die Abstammung der Oxalsäure des Harnes ist nicht genügend bekannt. Die von aussen aufgenommene Säure wird, wie es scheint, wenigstens zum Theil mit dem Harne wieder unverändert ausgeschieden -j; und da mehrere vegeta- bilische Nahrungs- oder Genussmiltel, wie Kohlarten, Spinat, Spargel, Sauer- ampfer, Aepfel, Trauben u. s. w., Oxalsäure enthalten, nimmt man gewöhnlich an, dass die Oxalsäure im Harne wenigstens zum Theil von der Nahrung direkt Abstamm- ung der stammt. Dass die Oxalsäure im Thierkörper als Stoffwechselprodukt aus Eiweiss Oxalsäure. oder Fett entstehen kann, geht daraus hervor, dass sie nach Mills und Lüthje^) beim Hunde bei ausschliesslicher Ernährung mit Fleisch und Fett wie auch beim Hungern noch mit dem Harne ausgeschieden wird. Von einem stärkeren Ei- weisszerfalle dürfte wohl auch zum Theil die Oxalsäure herrühren, die, wie Eeale und BoEEi und auch Terray*) gefunden haben, bei verminderter Sauerstoff- zufuhr und gesteigertem Eiweisszerfall in vermehrter Menge ausgeschieden wird. Man hat auch ihre Entstehung durch unvollständige Verbrennung der Kohle- hydrate angenommen, was jedoch nach Ll'thje nicht anzunehmen ist, und end- lich hat man auch die Oxalsäure des Harnes als ein Oxydationsprodukt der Harnsäure betrachtet. Eine vermehrte Oxalsäureausscheidung kann bei der Zuckerbaruruhr und bei Ikterus vorkommen. Ob sie auch als selbständige Krankheit (OxaJxne, oxaiurie. Oxalsäurediathese) vorkommen kann, darüber gehen die Angaben etwas auseinander. Die Eigenschaften und Reaktionen der Oxalsäure und des Calciumoxalates sind aus den Lehrbüchern der Chemie genügend bekannt. Das Calciumoxalat als Bestandtheil der Harnsedimente soll später ausführlicher besprochen werden. Nachweis und quantitative Bestimmung der Oxalsäure im Harne. Die im Harne in Lösung sich vorfindende Oxalsäure weist man nach Neubauer in der Weise nach, dass man 500 — ßüO ccm Harn mit CaClj-Lösung versetzt, Kachweis, mit Ammoniak alkalisch und darauf mit Essigsäure wieder sauer macht. Nach 24 Stunden bringt man den Niederschlag auf ein kleines Filtrum, wäscht mit 1) Deutsch. Arch. f. klin. Med. 18; vergl. auch DrxLOP, Centrallil. f. Physiol. 10 ü) Ueber das Verhalten der Oxalsäure im Thierkörper vergl. mau Abschn. 5 dieses Kapitels. 3) Mills, Virchow's Arch. 99; Lüthje, Zeitschr. f. klin. Med. 35 (Litteraturangaben). 4) Reale und Boeri, Wien. med. Wochenschr. 1895; Terk.w, PflÜger's Arch. 65. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 29 450 Fünfzehntes Kapitel. ^yasser nach, behandelt mit Salzsäure (wobei die Harnsäure auf dem Filtrum Nachweis ungelöst zurückbleibt) und wäscht nochmals mit Wasser. Das saure Filtrat, ein- sümmunl- Schliesslich des ^Yaschwassers, überschichtet man mit Ammoniak in einigem der Ox.ii- Ueberschusse und lässt 24 Stunden stehen. Es scheidet sich dann das Calcium- oxalat in Quadratoktaedern aus. Nach demselben Prinzips bestimmt man die Oxalsäure quantitativ. Das Oxalat wird durch Glühen in Aetzkalk übergeführt und als solcher gewogen. AUantoin oder Glyoxyldiureid, C^HijN^O^ oder ^^/NH.CH.NH.CO.NH., , . „ ,^- j • , ,. , C0\ ,„^ y.^ ~. kommt im Harne von Kindern innerlialb der ersten \NH.CO acht Tage nach der Geburt und in sehr kleiner Menge auch im Harne Er- wachsener (GussEEOW, Ziegler und Hermaxn) vor. In etwas reichlicherer Menge findet es sich in dem Harne Schwangerer (Gusseeow). Das AUantoin ist auch in dem Harne saugender Kälber (Wöhler) und bisweilen auch im Harne anderer Thiere (Meissner) gefunden worden. Es findet sich ferner im . , Kindswasser und, wie zuerst Vauquelin und Lassaigne zeigten, in der Allantois- Vorkommcn ^ ' des Aiiau- flüssiskeit der Kühe (woher der Name). Das AllantoiQ entsteht, wie oben er- to'ins. " • _ _ wähnt, aus der Harnsäure bei der Oxydation derselben. Die vermehrte AUantoin- ausseheidung, welche Salkowski bei Hunden nach Einführung von Harnsäure beobachtet hat, macht auch eine Entstehung des Allantoins aus dieser Säure im Thierkörper nicht unwahrscheinlich. Bei Hunden hat BoRissow nach Ver- giftung mit Diamid und Th. Cohn-) nach Thymusnahrung eine reichliche Aus- scheidung von AUantoin beobachtet. Auch in dem Pflanzenreiche ist das Al- lantoin gefunden worden. Das AUantoin ist eine in farblosen, oft zu sternförmigen Drusen ver- einigten Prismen krystallisirende, in kaltem Wasser schwer, in siedendem leicht und auch in heissem Alkohol, nicht aber in kaltem oder in Aether lösliche Substanz. Es verbindet sich mit Säuren zu Salzen. Eine wässerige Allantoin- lösung giebt mit Silbernitrat allein keinen Niederschlag; bei vorsichtigem Zusatz Eigen- ^q^ Ammoniak entsteht dagegen ein in überschüssigem Ammoniak lö.slichen scuafteuunu o o o Ueaktioncu. x\'eisser, flockiger Niederschlag, C^H^AgN^Og, welcher nach einiger Zeit aus sehr kleinen, durchsichtigen mikroskopischen Tröpfchen besteht. Der Gehalt des getrockneten Niederschlages an Silber ist 40,75 p. c. Eine wässerige Allan- toiulösung wird von Merkurinitrat gefällt. Bei anhaltendem Kochen reduzirt das AUantoin die FEHLiNG'sche Lösung. Es giebt die ScHiFF'sche Furfurol- reaktion weniger schnell und weniger intensiv als der Harnstott'. Die Murexid- probe giebt es nicht. Das AUantoin stellt man am einfachsten aus Harnsäure durch Oxydation derselben mit Bleihyperoxyd dar. Zm- Darstellung des Allantoins aus Kälber- 1) ZiEGLEK und Hermann bei GüSSEROw, Arcli. f. Gyniikol. 3. Beides eitirt nach HuppERT-NErBATlEE, S. 377. Wühler, Annal. d. Chem. u. Pliariu. 70: Meissner, Zeitschr. f. rat. Med. (3) 31 ; Lassaigne, Annal. de Chem. et Pliys. 17. 2) S.\LKOWSKl, Her. d. deutsch, chem. Gesellsch. 9; BORISSOW, Zeitschr. f. physiol. Chem. 19. COHN, ebenda 25. Hippursäure. 451 harn konzentrirt man den letzeren im Wasserbade zum Syrup und lässt ihn mehrere Tage kalt stehen. Die durch Schlämmen von dem übrigen Nieder- schlage getrennten Krj'stalle löst man in siedendem Wasser unter Zusatz von Dursteilung etwas Thieikohle, filtrirt heiss, macht das Filtrat mit Salzsäure schwach sauer ^„^^^o^g (wodurch das in Lösung gegangene Phosphat in Lösung erhalten wird) und lässt krystallisiren. Im Mensehenharne weist man das Allantoin nach einer, zuerst von Meissner angegebenen Methode nach. Die Hauptzüge dieser Methode sind folgende. Man fällt den Harn mit Barytwasser, filtrirt, scheidet den Baryt mit Schwefelsäure aus, filtrirt, fällt das Allantoin mit HgCl.j bei alkalischer Reaktion, zerlegt den Niederschlag mit Schwefelwasserstoff, konzentrirt stark, reinigt die ausgeschiedenen Krystalle durch Umkrystallisiren und stellt zuletzt die Silberverbindung dar. Hippursäure oder Benzoylamidoessigsäure, CijHgNOj oder CßHä.CO.NH.CHg.COOH. Beim Sieden mit Mineralsäuren oder Alkalien wie auch bei der Fäulniss des Harnes zerfällt diese Säure in Benzoesäure und nippur- Glykokoll. Umgekehrt wird sie aus diesen zwei Komponenten beim Erhitzen ^^hcscn" im zugeschmolzenen Rohre unter Austritt von Wasser nach folgendem Schema gebildet: C^H^.COOH + NHo.CH,.COOH = C(;H5.C0.NH.CH,.C00H + HoO. Die Säure kann auch synthetisch aus Benzamid und Monochloressig- sä'ure: C.HvCO.NH, -f CH2CI.COOH = CgH^CO.NH.CHä.COOH + HCl, wie auch auf verschiedene andere Weisen dargestellt werden. Die Hippursäure kommt in grösster Menge in dem Harne der Pflanzen- fresser, aber nur in geringer Menge in demjenigen der Fleischfresser vor. Die Menge der mit dem Harne des Menschen ausgeschiedenen Hippursäure ist bei gemischter Kost gewöhnlich kleiner als 1 g pro 24 Stunden; im Mittel beträgt ^eT äppt^- sie 0,7 g. Nach reichlichem Genuss von Gemüse, namentlich von Obst, Pflaumen ^'^'"^^■ u. dergl., kann ihre Menge mehr als 2 g betragen. Ausser im Harne soll die Hippursäure angeblich auch im Schweisse, in Blut, Nebennieren der Rinder und in den Ichthyosisschuppen gefunden sein. Ueber die Menge der Hippursäure im Harne in Krankheiten ist kaum etwas Sicheres bekannt. Die Entstellung der Hippursäure im Organismus. Die Benzoesäure, bezw. die substituirten Benzoesäuren setzen sich im Körper in Hippursäure, bezw. substituirte Hippursäuren um. Ebenso gehen solche Stoffe in Hippursäure über, welche durch Oxydation (Toluol, Zimmtsäure, Hydrozimmtsäure) oder Reduktion Entstciinns (Chinasäure; in Benzoesäure verwandelt werden. Die Frage von dem Ursprünge säure'^ua'^ der Hippursäure fällt daher auch in der Hauptsache mit der Frage von dem körper' Ursprünge der Benzoesäure zusammen ; denn die Entstehung des zweiten Kom- ponenten, des Glykokolls, aus den Proteinsubstanzen im Thierkörper ist un- zweifelhaft. Die Hippursäure findet sich im Harne hungernder Hunde (Salkowskii wie auch im Hundeharne bei ausschliesslicher Fleischkost (Meissner und Shepäed, Salkowski u. A.'). Dass die Benzoesäure in diesen Fällen von 1) Salkowski, Ber. d. deutsch, ehem. Gcsellsch. 11; MEISSNER und SnEPAKD, Unters. über das Entstehen der Ilippurs. im thiir. Otg. Hannover 1866. 29* 452 Fünfzehntes Kapitel. dem Eiweisse stammt, ist offenbar und wie man allgemein annimmt rührt sie von der Eiweissfäulniss im Darme her. Unter den Produkten der Eiweiss- fäulniss ausserhalb des Körpers hat nämlich Salkowski die Phenylpropion- säure, CgHj.CHj.CHo.COOH, gefunden, welche im Körper zu Benzoesäure oxydirt und, mit Glykokoll gepaart, als Hippursäure ausgeschieden wird. Die Entstehung Phenylpropionsäure scheint ihrerseits aus der bisher allerdings nur aus Pflanzen- weiss- eiweiäs dargestellten Amidophenj'lpropionsäure hervorzugehen. Die Vermuthung^ dass die Phenylpropionsäure bei der Darmfäulniss aus dem Tyrosin entstehe, scheint dagegen nach Baumann, Schotten und Baas') wenigstens in der Regel nicht zutreffend zu sein. Die Bedeutung der Darmfäulniss für die Entstehung der Hippursäure geht übrigens daraus hervor, dass nach kräftiger Desinfektion des Darmes mit Kalomel bei Hunden die Hippursäure aus dem Harne ver- schwinden kann (Baumann ^'). Das reichlichere Auftreten der Hippursäure im Harne der Pflanzenfresser könnte vielleicht zum Theil von einer mehr lebhaften Eiweissfäulniss im Darme dieser Thiere herrühren, scheint aber wesentlich durch den Gehalt der Pflanzen- Beziehu.ig nahrung an besonderen, Benzoesäure bildenden Substanzen bedingt zu sein. Pflanzen- geim Hammel sollen nach Götze und Pfeiffee ^i die Pentosen in enger Be- stotfen. ^ Ziehung zu der Hippursäurebildung stehen. Dass die Hippursäure im Harne des Menschen bei gemischter Kost und besonders nach dem Genüsse von Ge- müse, Obst u. dergl. zum Theil aus besonderen, Benzoesäure bildenden, aroma- tischen Substanzen, namentlich Chinasäure, hervorgeht, dürfte kaum zu be- zweifeln sein. Als besonderes Organ der Hippursäuresynthese kann bei Hunden die Niere betrachtet werden (Schmiedeberg und Bunge*). Bei anderen Thieren, OrtdeiHip-^jg jjgjj,^ Kaninchen, scheint die Hippursäurebildung auch in anderen Organen, Synthese. ^[^ jjj Lg^er und Muskeln, von statten zu gehen. Die Hippursäuresynthese ist also nicht ausschliesslich, wenn auch vielleicht bei einer bestimmten Thierart überwiegend, an ein bestimmtes Organ gebunden. Eigenschaften und ReaMionen der Hippursäure. Die Säure krystallisirt in halbdurchsichtigen, milch weissen, langen, vierseitigen rhombischen Prismen Kr stall- °'i^'^ Säulen oder, bei rascher Ausscheidung, in Nadeln. Sie löst sich in 600 iö'™hk"H; Theilen kaltem Wasser, bedeutend leichter in heissem. Von Alkohol wird sie leicht, von Aether schwerer gelöst. Von Essigäther wird sie leicht, etwa 12 Mal leichter als von Aethyläther gelöst. In Petroleumätber löst sie sich dagegen nicht. Beim Erhitzen schmilzt die Hippursäure zuerst bei 187,5" zu einer öligen Flüssigkeit, die beim Erkalten krystalliuisch erstarrt. Bei fortgesetztem Erhitzen 1) E. und H. Salkowski, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellseh, 12; Baümann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 7; Schotten, ebenda 8; Baas, ebenda 11. 2) Ebenda 10. S. 131. 3) Yergl. Malv's Jahresbcr. 26. 4) Arch. f. exp. Path. n. Pharm. 6. Vergl. auch AK. Hoffmann, ebenda 7 und Kochs, PflÜger's Arch. 20. Hippuisiime. 453 zersetzt sie sich ; die Masse wird röthlich, giebt ein Sublimat von Benzoesäure und entwickelt anfangs einen eigenthümlichen, angenehmen Heugeruch und später einen Geruch nach Blausäure. Durch dieses Verhalten wie auch durch die ^^j^^'S^"-^^ Krystallform und die Unlöslichkeit in Petroleumäther unterscheidet sich die K'^^M'oiien- Hippursäure leicht von der Benzoesäure. Mit dieser Säure hat sie dagegen die Reaktion von LüCKe gemeinsam ; d. h. nach Eindampfen mit starker Salpeter- säure zur Trockne und Erhitzen des mit Sand verriebenen Rückstandes in einem Glasröhrchen entwickelt sie einen intensiven, bittermandelähnlichen Geruch von Nitrobeuzol. Die Hippursäure giebt mit Basen in den meisten Fällen krystallisireude Salze. Die Verbindungen mit Alkalien und alkalischen Erden sind in Wasser und Alkohol löslich. Die Silber-, Kupfer- und Bleisalze sind in Wasser schwer löslich, das Eisenoxydsalz ist unlöslich. Die Darstellung der Hippursäure geschieht am besten aus frischem Pferde- oder Kuhharn. Man kocht den Harn einige Minuten mit überschüssiger Kalk- milch. Aus der warm filtrirten, konzentrirten und dann abgekühlten Flüssigkeit jerHippuf- fällt man die Hippursäure durch Zusatz von überschüssiger Salzsäure. Die stark säure, gepressteu Krystalle löst man in Kalkmilch unter Aufkochen, verfährt dann wie oben und fällt die Hippursäure zum zweiten Male aus dem stark konzen- trirten Filtrate mit Salzsäure. Die Krystalle werden durch Umkrystallisiren und (wenn nöthig) Entfärben mit Thierkohle gereinigt. Die quantitative Bestimmung der Hippursäure im Harne kann in folgen- der Weise (Bunge und Sch.miedeberg ') geschehen. Man macht den Harn erst schwach alkaliseh mit Soda, verdunstet ihn dann fast zur Trockne und laugt den Rückstand gründlich mit stärkstem Alkohol aus. Nach der Verdunstung des Alkohols löst man in Wasser, säuert mit Schwefelsäure an und extrahirt vollständig durch Schütteln (wenigstens 5 Mal) mit neuen Portionen Essigäther. Den abgehobenen Essigäther wäscht man darauf wiederholt mit Wasser, welches mittels eines Scheidetrichters entfernt wird, verdunstet ihn dann bei massiger tiTe"Be-" Temperatur und behandelt den eingetrockneten Rückstand wiederholt mit Petro- Stimmung, leuraäther, welcher Benzoesäure, Oxysäuren, Fett und Phenole löst, während die Hippursäure ungelöst zurückbleibt. Diesen Rückstand löst man nun in wenig warmem Wasser und verdunstet bei 50—60" C. zur Krystallisation. Die Krystalle werden auf einem kleineu gewogenen Filtrum gesammelt. Die abfiltrirte Mutterlauge schüttelt man wiederholt mit Essigäther aus. Dieser letztere wird dann abgehoben und verdunstet ; den Rückstand bringt man auf das obige, die ausgeschiedenen Krystalle enthaltende Filtrum, trocknet und wägt. Phenacetursäure, C,„H,,X()3 = C6H5.CHo.CO.NH.CH.,.COOn. Diese Säure, welche im Tbierkürper durch ehie Paarung der bei der Eiweissfäulniss entstehenden Plienylessigsäure, CgHä . CH.2 . COOH, mit Glykolcoll entsteht, ist von SalkowskI") aus Pferdeharn dargestellt worden, kommt aber wahrscheinlich auch im Menschenharne vor. Benzoesäure. CvHeO.. oder CßH., . COOH, ist im Kaninchen- und zuweisen auch in geringer Menge im Hundeharne (Weyl und v. Ankep) beobachtet worden. Von Jaaksveld und Stokvis und von Kkoneckee wurde sie auch im Menschenhame bei Nierenleiden gefunden. Das Vorkommen von Benzoesäure im Harne scheint von einer fermentativen Zer- setzung der Hippursäure herzuleiten zu sein. Eine solche Zersetzung findet nämlich in einem Bezoesäure. alkalischen oder eiwcisshaltigcn Harne sehr leicht statt (Van de Velde und Stokvis). Bei gewissen Thieren — Schwein und Hund — sollen die Organe (die Nieren) uach Schmiede- 1) Arch. f. cxp. Path. u. Pharm. G. 2) Zeitschr. f. physiol. Cliem. 9. 454 Fünfzehntes Kapitel. Aether- schwel säure BERG und Minkowski') ein besonderes Enzym, das Histoiym Schmiedebekg's, cntliiüten, welches die Hippursäure unter Abscheidung von Benzoesäure spalten soll. Aetherschwefelsäuren. Bei der Eiweissfäulniss im Darme entstehen Phenole, als deren Muttersubstanz das Tyrosin zu betrachten ist, und ferner auch Indol und Skatol. Diese Stoffe, die zwei letztgenannten nachdem sie zu Indoxyl-, bezw. Skatoxyl oxydirt worden, gehen nach einer Paarung mit Schwefel- säure als Aetherschwefelsäuren in den Harn über. Die wichtigsten dieser Aether- ^läu/en' säuren sind Phenol- und Kresolschivefelsänre — früher auch phenolbildende Substanz genannt — Indoxyl- und Shatoxylschtvefelsüure. Zu derselben Gruppe gehören auch: die im Menschenharne nur in sehr geringer Menge vorkommende Srenzliatechinschioefelsäure, die nach Vergiftung mit Phenol auftretende Hijdro- cJiinonschwefelsäure und wahrscheinlich auch andere im Harne physiologisch vorkommende, noch nicht isolirte Aethersäuren. Die Aetherschwefelsäuren des Harnes sind von Baumann 2) entdeckt und besonders studirt worden. Die Menge dieser Säuren im Menschenharne ist gering, der Pferdeharn enthält dagegen reichlichere Mengen davon. Nach den Bestimmungen von v. d. Velden schwankt die Menge der gepaarten Schwefelsäure im Menschenharne pro 24 Stunden zwischen 0,094 und 0,620 g. Das Verhältniss der Menge der Sulfat- schwefelsäure A zu der Menge der gepaarten Schwefelsäure B bei Gesunden nimmt man gewöhnlich durchschnittlich gleich 10:1 an. Es zeigt aber, wie imgsgrösst schon Baumann Und Heetee ^) und nach ihnen viele andere Forscher gefunden ''schwefeu haben, so grosse Schwankungen, dass es kaum erlaubt ist, eine Mittelzahl als sauren, jjg normale anzusehen. Nach Einnahme von Phenol und gewissen anderen aromatischen Substanzen, wie auch bei reichlicher Fäulniss innerhalb des Or- ganismus nimmt die Ausscheidung der Aetherschwefelsäuren stark zu. Umge- kehrt wird sie herabgesetzt durch alles, was die Eiweissfäulniss im Darme hemmt oder herabdrückt. Aus diesem Grunde kann sie durch Kohlehydrate und einseitige Milchnahrung'*) stark herabgedrückt werden. Auch durch gewisse Arzneimittel, die eine antiseptische Wirkung haben, ist es in einzelnen Fällen gelungen, die Darmfäulniss und die Aetherschwefelsäureausscheidung herabzu- drücken, doch sind die Angaben hierüber nicht einstimmig.^) Für das Studium der Intensität der Darmfäulniss unter verschiedenen Verhältnissen hat man im Allgemeinen grosses Gewicht auf die Relation zwischen 1) Weyl und V. Anrep, Zeitschr. f. physiol. Chem. 4; Jaaesveld und Stokvis, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 10; Keonecker, ebenda 16; Van de Velde und Stokvis, ebenda 17; Schmiedeberg, ebenda 14. S. 379; Minkowski, ebenda 17. i) Pflüger's Arch. 12 u. 13. 3) V. d. Velden, Virchöw's Arch. 70; Herteb, Zeitschr. f. physiol. Chem. 1. 4) Vergl. Hirschler, Zeitschr. f. physiol. Chom. 10. Bieenacki, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 49. EoviGHl, Zeitschr. f. physiol. Chem. 10. Winteknitz, ebenda; SCHMITZ, ebenda 17 u. 19. 5) Vergl. BaümAnn und MORAX, Zeitschr. f. physiol. Chem. 10; Steife, Zeitschr. f. klin. Med. 16; ROVIGHI 1. c. ; Stern, Zeitschr. f. Hygiene. 12; Bartoschewitsch, Zeitschr. f. physiol. Chem. 17; MOSSE, ebenda 23. Phenoläthersehwefclsäuren. 455 Gesamratschwefelsäure und gepaarter Schwefelsäure oder zwischen der letzleren und der Sulfatschwefelsäure gelegt. Mit Recht haben indessen mehrere Forscher, F. MÜLLEE, Salkowski und v. Nooeden i) scharf hervorgehoben, dass diese Relation von untergeordnetem Werthe ist und dass man vielmehr die absoluten Werthe zu beachten hat. Hierzu ist indessen zu bemerken, dass auch die ab- soluten Wethe für die gepaarte Schwefelsäure so stark schwanken, dass wir gegenwärtig keine, sei es obere oder untere Grenze für die normalen Werthe sicher angeben können. Phenol- und p-Kresolschwefelsäure, C^Hj . O . SO^, . OH und C7H7 . 0 . SO2 . OH. Diese Säuren finden sich als Alkalisalze im Harne des Menschen, in welchem auch Orthokresol nachgewiesen worden ist. Die Menge der Kresolschwefelsäure ist bedeutend grösser als die der Phenolschwefelsäure. Bei quantitativen Bestimmungen wurden indessen bisher die zwei aus den Aethersäuren frei gemachten Phenole nicht gesondert, sondern gemeinschaftlich pj^^noi. „^d als Trihromphenol bestimmt. Die Menge Phenole, welche aus den Aetherschwefel- schwefel- sauren des Harnes sich abscheiden lässt, beträgt nach Munk pro 24 Stunden ^*""^' 17 — 51 mg. Die bisher geübte quantitative Bestimmungsmethode giebt indessen nach Rumpf wie nach Kosslee und Penny^) so ungenaue Resultate, dass neue Bestimmungen sehr wünschenswerth erscheinen. Bei Pflanzennahrung ist die Menge dieser Aetherschwefelsäuren grösser als bei gemischter Kost. Nach Einnahme von Karbolsäure, welche zum grossen Theil innerhalb des Organismus durch eine Synthese in Phenolätherschwefelsäure, daneben aber auch in Brenz- katechin- und Hydrochinonschwefelsäure^) wie auch, wenn die zur Bindung der Phenole verfügbare Schwefelsäure nicht ausreicht, in Phenolglukurousäure^) über- geht, wird die Menge des Phenols und der Aetherschwefelsäuren im Harne auf Kosten der Sulfatsehwefelsäure bedeutend vermehrt. Eine vermehrte Ausscheidung der Phenolätherschwefelsäuren kommt bei lebhafterer Darmfäulniss bei Stauungen des Darminhaltes, wie bei Ileus, diffuser Peritonitis mit Atonie des Darmes oder tuberkulöser Enteritis, nicht aber bei einfacher Obstruktion vor. Ebenso ist die Ausscheidung bei der Resorption Pbonoiaus- von Fäulnissprodukten aus eiterigen Geschwüren oder Abseessen anderswo ira in Krank- Körper vermehrt. Bei verschiedenen anderen Krankheitszuständen hat man auch in einzelnen Fällen hohe Werthe für die Phenolausscheidung gefunden ^). 1) F. MÜLLER, Zoitschr. f. klin. Meil. 12. S. 63 ; v. NOORDEN, ebenda 17. S. 529 ; S.\LKOWSKI, Zcitschr. f. physiol. Chcm. 12. 2) MuNK, PflüGER's Arch. 12 ; Rumpf, Zcitschr. r. physiol. Chom. IG ; KOssLER und Penny, ebeuda 17. 3) Vcrgl. Badm.^nn, PflCger's Avch. 12 u. 13, und B.\rM.\NN und Pkeusse, Zeitschr. f. physiol. Chem. 3. S. 156. •») ScnMiEDEBERG, Aich. f. e.xp. Path. u. Pharm. H. S. 307. 5) Vcrgl. G. Hoppe-Seyler, Zeitschr. f. physiol. Chem. 12 (wo man auch Litteiatiir- angaben tindi-t) und Fedeli, Moleschott's Unters. 15. 456 Fünfzehntes Kapitel. Die Alkalisalze der Phenol- und Kresolschwefelsäuren krystallisireu in weissen, perlrauttergläazenden Blättcheu, welche in Wasser ziemlich leicht löslich sind. ^Aot°her- ®'® werden von siedendem, nur wenig aber von kaltem Alkohol gelöst. Beim ''säuren' Sieden mit verdünnten Mineralsäuren werden sie in Schwefelsäure und die entsprechenden Phenole zerlegt. Die Phenolschwefelsäurea sind von Baumanx synthetisch aus Kaliura- pvrosulfat und Phenol-, bezw. p-Kresolkalium dargestellt worden. Bezüglich ihrer Darstellung aus dem Harne, welche nach einer ziemlich komplizirten Methode geschieht, kann, wie auch bezüglich der allgemein bekannten Phenol- reaktionen, auf ausführlichere Handbücher verwiesen werden. Zur quantitativen Bestimmung dieser Aetherschwefelsäuren bestimmte man bisher durch Wägung die Menge Phenol, welche aus dem Harne als Tribromphenol abgeschieden werden kann. Zu der Bestimmung verwendete man, wenn der Harn nicht besonders reich an Phenolen war, etwa 1/4 des gesammten Tagesquanturas, säuerte mit konzentrirter Salzsäure — 5 ccm auf je 100 ccm Harn — an und destillirte so lange, bis eine Probe des Destillates mit dem MiLLON'schen Rea- genze oder mit Bromwasser nicht die geringste Reaktion auf Phenole mehr gab. Quantitative ^^^ Destillat neutralisirte man nun genau mit Sodalösung (welche Beuzoe- Bestimm- säure u. s. w. bindet) und destillirte von Neuem, bis eine Probe des Destillates Phenole, mit den obengenannten Reagenzien als phenolfrei sich erwies. Das neue Destillat versetzte man mit Brom wasser bis zur bleibenden Gelbfärbung, Hess es etwa 2-4 Stun- den kalt stehen, brachte dann den krystallinischen Niederschlag auf ein kleines, gewogenes Filtrum, wusch mit schwachem Bromwasser nach, trocknete über Schwefelsäure ohne Anwendung des Vakuums und wägte. 100 Theile Tribrom- phenol entsprechen 28,4 Theilen Phenol. Das Parakresol würde, wie man an- nahm, bei diesem Verfahren von dem Bromwasser erst in Tribromkresolbroni und dieses dann allmählich unter Abgabe von Kohlensäure in Tribromphenol übergeführt werden. Diese Voraussetzung trifft indessen, wie besonders Rumpf gezeigt hat, nicht zu, indem nämlich hauptsächlich Dibromkresol entsteht. Aus diesem und anderen Gründen ist diese Methode nicht brauchbar. Unter den anderen vorgeschlagenen Methoden scheint die folgende die brauchbarste zu sein. Methode von Kossler und Penny. Diese Methode ist eine Modifikation des von Messtngee und Vortmann^) ausgearbeiteten, titrimetrischen Verfahrens zur Bestimmung des Phenols. Das Prinzip dieses Verfahrens ist folgendes. N Man setzt zu der phenolhaltigen Flüssigkeit erst -— Natronlauge bis zu ziem- lich stark alkalischer Reaktion hinzu, erwärmt die Flüssigkeit in einer mit N Methode ^inem Glasstöpsel verschliessbareu Flasche im Wasserbade und lässt dann - von Kos.ski- _ . und Pcnny. Jodlösung in überschüssiger, genau abgemessener Menge zufliessen. Es entsteht hierbei zuerst Jodnatrium und Natriumhypojodit, welch letzteres dann mit dem Phenol nach folgendem Schema Trijodphenol giebt: C^H-OH -|- 3 NaOJ = CßHg.Jg . OH -]- 3NaOH. Nach dem Erkalten wird mit Schwefelsäure an- gesäuert, und man bestinmit darauf das überschüssige, nicht verbrauchte Jod durch ' . . N ^ Titration mit Natriumthiosulfatlösunsr. Dieses Verfahren eignet sich ebenso 1) KosSLER und Fensy 1. e. ; VOitTMANN, Uer. d. deutsch, cliem. GeseUsch. 22. Phenoläthcrsehwef elsäu ren . 457 gut zur Bestimmung des Parakresols. Von der verbrauchten - Jodlösung zeigt 1 ccm 1,5670 mg Phenol oder 1,8018 mg Kresol an. Da die Bestimmung keinen Einblick in die wechselseitigen Mengenverhältnisse der zwei Phenole gewährt, muss natürlich die verbrauchte Jodraenge auf eines der beiden Phenole berechnet werden. Hinsichtlieh der näheren Details und der besonderen Vor- sichtsmassregeln wird auf die Originalabhandlung von Kossler und Penny und auf das Werk von Huppert-Neubauee 10. Aufl. hingewiesen. Die Methoden zur gesonderten Bestimmung der gepaarten Schwefelsäure und der Sulfatschwefelsäure sollen später, bei Besprechung der Methoden zur Bestimmung der Schwefelsäure des Harnes, abgehandelt werden. Brenzkatechinschwefelsänre (und Brenzkatechiu). Von Baumasx ist diese Säure im Pferdeliarne in ziemlich reichlicher Menge gefunden worden. Im Menschenharne kommt sie nur in äusserst geringer Menge und yielleicht nicht konstant vor; in reicliücherer Menge findet sie sich im Harne nach Einnahme von Phenol, Brenzkatechin oder Proto- katechusäure. Bei ausschliesslicher Fleischkost kommt diese Säure nicht im Harne vor und sie dürfte deshalb aus dem Pflanzenreiche stammen. Wahrscheinlich rührt sie von der Protokatechu- säure her, welche nach Preusse zum Theil als Brenzkatechiuschwefelsäure in den Harn über- geht. Zum Theil kann die Säure auch vielleicht von innerhalb des Organismus oxydirtem Phenol herrühren (Baumann und Pkeusse'). Brenzkatechin oder o-Dio.vybenzol, QH4(OH)2, wurde zum ersten Male von Ebstein und Müller in dem Harne eines Kindes beobachtet. Der zuerst von Bödeker^) im Menschcnharne gefundene, reduzirende StofF Alkapton, welcher lange Zeit als mit dem Brenzkatechin identisch betrachtet wurde, dürfte in den meisten Fällen Homogentisin- säure oder üroleucinsäure gewesen sein (vergl. unten). Das Brenzkatechin krystallisirt in Prismen, die in Alkohol, Aether und Wasser lös- lich sind. Es schmilzt bei 102 — 104" C. und sublimirt in glänzenden Blättehen. Die wässerige Lösung nimmt bei Gegenwart von Alkali Sauerstoff aus der Luft auf, wird grün, braun und schliesslich schwarz. Versetzt man eine sehr verdünnte Eisenchloridlösung mit Weinsäure, macht sie daratit mit Ammonik alkalisch und setzt dann dieses Keagenz zu einer wässerigen Brenzkatecliinlösuug, so erhält man eine violette oder kirschrothe Flüssigkeit, die beim lleber- sättigen mit Essigsäure grün wird. Das Brenzkatechin wird von Bleiacetat gefällt. Es reduzirt eine ammoniakalisehe Silberlösung bei Zimmertemperatur und reduzirt alkalische Kupfero.xyd- lösuug in der Wärme, dagegen nicht M'ismuthoxyd. Ein brenzkatechinhaltiger Harn wird an der Luft, besonders bei alkalischer Reaktion, bald dunkel und reduzirt alkalische Kupferoxydlösung in der Wärme. Zum Xachweis des Brenzkatechins konzentrirt man den Harn, wenn nöthig, filtrirt, kocht nach Zusatz von Schwefelsäure zur Entfernung des Phenols und schüttelt nach dem Erkalten wiederholt mit Aether aus. Von den vereinigten .Vetherauszügen wird der Aetlier abdestillirt. Den Rück- stand neutralisirt man mit Baryiinikarbonat und schüttelt wiederum mit Aether, Das nach dem Verdunsten des Aethers zurückbleibende Brenzkatechin kann durch Krystallisation aus Benzol gereinigt werden. Hydrochinoil oder p-Dioxybenzol, C6H4(OH)2 , kommt oft nach Gebrauch von Phenol im Harne vor (Baumann und Pretjsse). Durch seine Zersetzungsprodukte bedingt es hauptsächlich die dunkle Farbe, welche solcher Plam, sogen. „Karbolharn" an der Luft annimmt. Als normaler Harnbestandtheil kommt das Hydrochinon nicht, wohl aber nach Verabreichung von Hydrochinon, vor; nach Lewis ^) soll es als Aetherschwefclsäure in den Haru des Kaninchens, als Zorsetzungsprodukt des Arbutins, übergehen können. Das Hydrochinon bildet rhombische Krystalle, die in heissem Wasser, in Alkohol und Aether leicht löslich sind. Es schmilzt bei 169° C. Es reduzirt wie das Brenzkatechin leicht Metalloxydc. Gegen Alkalien verhält es sich wie dieses, wird aber nicht vou Bleiacetat ge- fällt. Durch Eisenchlorid und andere Oxydationsmittel wird es zu Chinon oxydirt, welch' Brenz- katecldn- sehwefel- säure. Nachweis des Brenz- katechins. 1) Baumann und Hertee, Zeilschr. f. physiol. Chem. 1; Preisse, ebenda 2; B.vu- MANN, ebenda 3. ä) Ebstein und Müller, Virchow's .\rch. 62; Bödekee, Zeitschr. f. rat. Med. (3) 7. 3) ViRcnow's Arch. 92. 458 Fünfzclmtes Kai>itel. Iiidigo- bildeude Substanze Abstamm- ung des Indikau in Krank- heiteu. letzteres an seinem eigenthüuilichen Gerüche erkannt wird. Der Nachweis der Hydrochinon- scliwefelsäiire im Harne geschieht nach demselben Prinzipe wie derjenige der Brenzkatechin- sehwefelsäiire. Indoxylschwefelsäure, Cj,H,NS04 oder C„H^N . O . SO^ . ÖH, auch Harn in di kan, früher Uroxanthin (Heller) genannt, kommt in dem Harne als Alkalisalz vor. Diese Säure ist die Muttersubstanz des grössten Theils des Harnindigos. Als Mass der im Harne vorkommenden Menge Indoxylschwefel- säure (und Indoxylglukuronsäure) betrachtet mau die Menge Indigo, welche aus dem Harne abgeschieden werden kann. Diese Menge beträgt nach Jaffi5 ') für den Menschen 5 — 20 mg pro 24 Stunden. Der Pferdeharn enthält etwa 25 Mal so viel indigobildende Substanz wie der Menschenharn. Die Indoxylschwefelsäure stammt, wie oben (S. 454) erwähnt worden ist, aus dem Indol, welches im Körper erst zu Indoxyl oxydirt wird und dann mit der Schwefelsäure sich paart. Nach subkutaner Injektion von Indol wird die Indikanausscheidung sehr bedeutend vermehrt (Jaffe, Baumann und Brieger). Ebenso wird sie bei Thieren durch Einführung von Orthonitrophenylpropiol- säure vermehrt (G. Hoppe-Seyler^). Das Indol wird bei der Eiweissfäulniss gebildet, und es ist in Folge dessen leicht verständlich, dass die Menge der Indoxylschwefelsäure im Harne bei Fleischkost grösser als bei Pflanzenkost ist. Aus der Fäulniss der eiweissreichen Sekrete im Darme erklärt sich auch das Vorkommen des Indikans im Harne beim Hungern. Der Leim vermehrt die Indikanausscheidung dagegen nicht. Eine abnorm vermehrte Indikanausscheid- ung kommt bei solchen Krankheitsprozessen vor, welche mit Unwegsamkeit des Dünndarmes und einer in Folge der lebhafteren Darmfäulniss reichlicheren Indolbildung im Darme einhergehen. Eine solche vermehrte Indikanausscheid- ung kommt bei Unterbindung des Dünndarmes, nicht aber des Dickdarmes, bei Hunden vor (Jaffe ä). Wie die im Darme kann auch die in anderen Organen und Geweben des Körpers verlaufende Eiweissfäulniss eine Vermehrung des Harnindikans herbei- führen. Eine vermehrte Indikanausscheidung ist übrigens bei vielen Krank- heiten beobachtet worden*) und hierbei ist auch die Phenolausscheidung fast regelmässig vermehrt. Ein phenolreicher Harn ist nicht immer reich an Indikan. Das Kalisalz der Indoxylschwefelsäure, welches zuerst von Baumann und Brieger aus dem Harue mit Indol gefütterter Hunde rein dargestellt wurde, ist später von Baumann und Thesen =) in der Weise synthetisch dargestellt worden, dass sie erst durch Schmelzen von Phenylglycin-Orthokarbonsäure mit 1) Pflüger's Arch. 3. 2) Jaffe, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1872; Baumann und Brieüer, Zeitschr. f. physiol. Chem, 3; G. Hoppe-Seylee, ebenda 7 u. 8. 3) ViRCHOW's Arch. 70. ■<) Vergl. JafPe, Pflüger's Arch. 3; Senator, l'entralbl. f. d. med. Wissensch. 1877; G. Hoppe-Seyler, Zeitschr. f. physiol. Chem. 12 (cnthidt ältere Litteratur); mich Berl. klin. Wochenschr. 1892. 5) BAr.MANN mit Bkieüer, Zeitschr. f. physiol. Chem. 3; mit Thesen, ebenda 23. Indoxylschwefelsäure. 459 Alkali das Indoxylalkali und dann aus diesem mit Kaliump3'rosulfat das indoxylschwefelsäure Salz darstellten. Es krystallisirt in farblosen, glänzenden /jj^^^gj^'f. Tafeln oder Blättchen, welche in Wasser leicht, in Alkohol weniger leicht löslich ^^"j'f'* sind. Von Mineralsäuren wird es in Schwefelsäure und Indoxyl gespaltet, welch' letzteres bei Luftabschluss in einen rothen Körper, das Indoxylroth, bei gleichzeitiger Anwesenheit von Oxydationsmitteln dagegen in Indigblau übergeht: 2C8H,NO -f- 20 = CigHioNgOa + 2H2O. Auf diesem letzteren Verhalten gründet sich der Nachweis des Indikans. Bezüglich der ziemlich umständlichen Darstellung der Indoxylschwefelsäure als Kalisalz aus dem Harne muss auf ausführlichere Handbücher verwiesen werden. Zum Nachweis des Harnindikans ist für gewöhnliche Fälle die folgende Methode von Jaffe '), welche auch eine approximative Schätzung der Indikan- menge gestattet, genügend. Die Indikanprobe Jäffe's. 20 ccm Harn werden in einem Reagenzglase, nach Zusatz von 2 — 3 ccm Chloroform, mit dem gleichen Volumen konzen- trirter Salzsäure gemischt. Unmittelbar darnach setzt man eine konzentrirte Chlorkalklösung oder eine halbprozentige Kaliumpermauganatlösung Tropfen um Die in- Tropfen zu, indem man nach Zusatz eines jeden Tropfens tüchtig umschüttelt. J'^anprobe Das Chloroform färbt sich dabei allmählich schwächer oder stärker blau. Ein Ueberschuss des Oxydationsmittels, besonders der Chlorkalklösung, beeinträchiigt die Reaktion sehr und muss deshalb vermieden werden. Man wiederholt die Probe mit etwas wechselndem Zusatz des Oxydationsmittels, bis man den Punkt gefunden hat, bei welchem das Maximum der Blaufärbung des Chloroforms eintritt. Nach der Intensität der Färbung wird die Menge des Indigos geschätzt. Noch besser, besonders für quantitative Schätzung der Indigomenge, ist das Verfahren von Obeemayer ^). Er benutzt statt Salzsäure und Chlorkalk Die in- rauchende Salzsäure, die im Liter 2 — 4 Theile Eisenchlorid enthält. Der Harn '"''^qJIj'P"'''* wird hierbei zuerst mit nicht zuviel Bleizucker (etwa '/s Volumen Bleizucker- mayers. lösung von 20 p. c.) gefällt und das Filtrat mit dem gleichen Volumen obiger Salzsäure 1- — 2 Min. stark durchgeschüttelt. Auch hier nimmt man das Indigo- blau in Chloroform auf Nach Rosin ^) wird bei der jAFFE'schea Indikanprobe neben Indigblau regelmässig etwas Indigroth gebildet. Grössere Mengen davon entstehen, wenn die Zersetzung des Indikans in der Wärme geschieht (vgl. Rosenbach's Harn- probe). Die bei der Indikanprobe erhaltene Chloroformlösung von Indigo kann zur quantitativen kolorimetrischeu Bestimmung durch Vergleich mit einer Chloro- Qu:inti- formindigolösung von bekanntem Gehalt nach Krauss und Adrian verwendet stimmuHg" werden. Wang-^) führt den Indigo mit konzentrirter Schwefelsäure in Indigo- sulfosäure über und titrirt mit Kaliumpermanganat. Das Indol scheint auch in den Harn als eine Glukuronsäure, die In. doxyl (jluhnronsäure (Schmiedeberg), überzugehen. Bei Thieren hat man eine solche Säure nach Verabreichung des Natriumsalzes der o-Nitrophenylpropiol- säure in dem Harne gefunden (G. Hoppe-Seyler*). 1) Jaffe, Pflüger's Arch. 3; Obermayer, Wien. klin. Woclieusehr. 1890. 2) ViRCHOw's Arch. 123. 3) Krauss, Zeitschr. f. physiol. Chem. 18; Adrian, ebenda 19; Wang, ebenda 25. i) Schmiedeberg, Areh. f. exp. Path. u. Pharm. 14; IIoppe-Seyler , Zeitsehr. f. pliysiol. Chem. 7 u. 8. 460 Fünfzehntes Kapitel. Skatoxylschwefelsäure, C,,H,,NSO^ oder CgHgN.O.SOä.OH. Das Kaliumsalz dieser Säure dürfte vielleicht regelmässig in dem Harne des Menschen Skatoxyi g^jg gi,^ Chroniogen vorkommen, welches bei der Zersetzung mit starker Säure säure. ^^^ einem Oxydationsmittel rothe und violette Farbstoffe liefert. Dieses Salz ist aus diabetischem Menschenharn von Otto^) dargestellt worden. Ueber die Menge des Skatolchroraogens, zu welchem wahrscheinlich auch die Skatoxyl- glukuronsäure zu rechnen ist, unter physiologischen und pathologischen Ver- hältnissen ist nur wenig bekannt. Die Skatoxylschwefelsäure stammt aus bei der Fäulniss im Darme ge- Abstamm- bildetem Skatol, welches nach der Oxydation zu Skatoxyl mit Schwefelsäure Skafoxyi S'ch paart. Dass in den Körper eingeführtes Skatol wenigstens zum Theil in ^"säure"' den Harn als eine Aetherschwefelsäure übergeht, ist von Beiegee gezeigt worden. Das Indol und das Skatol zeigen jedoch insoferne ein verschiedenes Verhalten, als, wenigstens beim Hunde, das Indol reichliche Mengen Aetherschwefelsäure, das Skatol dagegen nur unbedeutende Mengen davon giebt (Mester-). Das Skatol scheint theilweise in den Harn als eine Sl'afoxi/JriJnlKronsüure über- zugehen. Das Kaliumsalz der Skatoxylschwefelsäure krystallisirt; es löst sich in Wasser, schwerer in Alkohol. Von Eisenchlorid wird die wässerige Lösung stark violett, von konzentrirter Salpetersäure roth. Von konzentrirter Salzsäure s^hwJfe'- wird das Salz unter Abscheidung von einem rothen Niederschlage zersetzt. Die saures Kali. -^^^^^^ ^jg^ Ijgj ^g^ Zersetzung der Skatoxylschwefelsäure entstehenden rothen Farbstoffe wie auch die Beziehungen der letzteren zu anderen rotheu Harufarb- stoffen sind jedoch leider nur wenig bekannt. Bei der Destillation mit Zink- staub geben die Skatolfarbstoffe Skatol. Bei der jAFFE'schen Indikanprobe färben sich skatoxylhaltige Harne schon bei Zusatz von Salzsäure dunkelroth bis violett; mit Salpetersäure färben sie sich kirschroth, mit Eisenchlorid und Salzsäure beim Erwärmen roth. Der Farbstoff, welcher mit Zinkstaub Skatol liefert, kann dem Harne mit Aether Verhalten entzoo-en werden. Skatoxylreiche Harne dunkeln beim Stehen an der Luft von haitiser der Oberfläche aus stark nach und können dabei röthlich, violett oder fast ^^™''' schwarz werden. Rosin S) scheint der Ansicht zu sein, dass beim Menschen keine Skatolfarbstoffe vorkommen und dass die hierher gehörenden Beobacht- ungen auf Verwechselung mit Indigoroth oder Urorosei'n beruhen. Das Vorkommen der bei der Fäulniss ebenfalls auftretenden Skatolkarbonsäure, karboü- ' 'qH^N . COOII, im normalen Harne ist von Salkowski *) selir wahrscheinlich gemacht worden, siiui-e.' In den Thierkörper eingeführt, geht diese Säure unverändert in den Harn über. Mit Salz- säure und sehr verdünnter Eisenohloridlösung giebt sie eine intensiv violett gefärbte Lösung. Die Reaktion führt man mit einer wässerigen Lösung (1 : 10000) der Skatolkarbonsäuro aus. 1) Pflügkr's Arch. 33. 2) Bkieger, Ber. d. deutseh. clicni. Gcsellscli. 12 und Zeitsehr. f. physiol. Cheni. 4 S. 414; Mester, ebenda 12. 3) ViRCHOW's Arch. 123. ■I) Zeitsehr. f. physiol. Chem. 9. Aromatische Oxysiiuren. 461 Aromati- Aromatische Oxysäureii. Bei der Eiweissfäulniss im Darme ent- stehen, aus dem Tyrosin als Zwischenstufe, die Faraoxyphemjlessigsäure C6H^(OH).CH2.COOH, und die FaraoxyphemjJirfopio'nsäure G^\i^{011).C.,Yi.i. COOH, welche beide zum allergrössten Theil unverändert in den Harn über- gehen und daselbst zuerst von Baumann i) nachgewiesen worden sind. Die Menge dieser Säuren ist gewöhnlich sehr klein. Sie wird aber unter denselben Verhältnissen wie die der Phenole vermehrt und namentlich bei der akuten Phosphorvergiftung soll sie bedeutend vermehrt sein. Ein geringer Theil dieser Oxysäuren ist auch an Schwefelsäure gebunden. Ausser diesen beiden im Menschenharne regelmässig vorkommenden Oxy- säuren kommen im Harne bisweilen auch andere Oxysäuren vor. Hierher ge- hören die Homogentisinsäure und die UroJeucinsäure, welche in den meisten Fällen von Alkaptonurie den spezifischen Bestandtheil des Harns darstellen, si'h'e Oxy- ferner die bei akuter Leberatrophie von Schtji.tzen und Riess im Harne ge- fundene Oxyniandelsäure, die im Kaniuchenharn nach Verfütterung von Tyrosin von Blendeemann gefundene OxyliiidroparaliumarsÜHre, die nach Baumann zuweilen im Pferdeharn auftretende GaUussäure und die bisher nur im Hunde- harne gefundene Kynnreiisäure (Oxychinolinkarbonsäure). Wenn auch nicht alle diese Säuren zu den physiologischen Harnbestandtheilen gehören, so werden sie jedoch hier in einem Zusammenhange abgehandelt. Die Paraoxyphenylessigsäure und die p-Oxyphenylpropion- säure krystallisiren und sind beide in Wasser und in Aetber löslich. Jene schmilzt bei 148*', diese bei 125*' C. Beim Erwärmen mit dem 3IiLL0N'schen Reagenze geben beide eine schön rothe Farbe. Zum Nachweis dieser zwei Oxysäuren verführt man nach Battmaxn in folgender Weise. Man erwärmt den Harn, zur Vertreibung der flüchtigen Phenole, nach Zusatz von Salzsäure einige Zeit im Wasserbade. Nach dem Erkalten schüttelt man dreimal mit Acther aus und schüttelt darauf den Aetherauszug mit schwacher Sodalösuug, welche die O.vysäuren aufnimmt, \Tjj.]j^gjg während der Rest der Phenole im Aether gelöst zurückbleibt. Die alkalische Lösung der der Oxy- Oxysäuren säuert man darauf schwach mit Schwefelsäure an, schüttelt abermals mit Aether säuren, aus, hebt den Aether ab, lässt ihn verdunsten, löst den Rückstand in wenig Wasser und prüft diese Lösung mit dem MiLLOK'schen Reagenze. Die zwei Oxysäuren lassen sich am sichersten durch ihren verschiedenen Schmelzpunkt unterscheiden. Bezüglich des zur Isolirung und Trennung der zwei Oxysäuren von einander dienenden A'erfahrens wird auf ausführlichere Handbücher verwiesen. Homogentisinsäure, CgH.O^ oder C6H3(OH)2.CH2.COOH. Diese Säure ist von Wolkow und Baumann entdeckt worden. Sie isolirten dieselbe aus dem Harne in einem Falle von Alkaptonurie (vergl. weiter unten) und sie zeigten, dass die Eigenthümlichkeiten des sogen. Alkaptonharnes in diesem Falle von dieser Säure herrührten. Dieselbe Säure ist später von Embden wie von "siusfure! Garnier und Voirin, Ogden u. A. in anderen Fällen von Alkaptonurie ge- 1) Ber. d. deutseh. ehem. Gesellsch. 12 u. 13 und Zeitschr. f. physiol. Chem. 4. 2) SCHULTZEN und RiESS, Chem. Centralbl. 18G9; Blendermann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 6 S. 2Ö7 : Bauma.n.v, ebenda 6 S. 193. 462 Fünfzehntes Kapitel. fanden worden. Auch die von Maeshall und dann von Geygee') aus Al- kaptonharn isolirte Ghjlwsursäure scheint, wenigstens zum Theil, aus Homo- Homogen- gentisinsäure zu bestehen. Als nächste Muttersubstanz der Säure ist das Tyrosin tisinsäure. o - ZU betrachten. Nach Eingabe dieses Stoffes nimmt nämlich nach Wolkow und Baumann und Embden bei Personen mit Alkaptonurie die Menge der Homo- "entisinsäure im Harne mehr oder weniger bedeutend zu. Nach der Annahme von Wolkow und Baumann entsteht die Säure aus dem Tyrosin durch ab- norme Gährungsvorgänge in den oberen Theilen des Darmes. Die Homogentisinsäure ist diejenige Dioxyphenylessigsäure, welche sich vom Hydrochinon ableitet. Beim Schmelzen mit Kali entsteht Gentisinsäure (Hydrochinonkarbonsäure) und Hydrochinon. In den Darmkanal des Hundes eingeführt, geht sie zum Theil in Toluhydrochinon über, welches in Form der Aetherschwefelsäure ausgeschieden wird. Die Homogentisinsäure ist auch von Baumann und Fränkel-) aus Gentisinaldehyd als Ausgangsmaterial synthetisch dargestellt worden. Die Säure krystallisirt mit 1 Mol. Wasser in grossen, durchsichtigen pris- matischen Krystallen, die bei gewöhnlicher Temperatur unter Abgabe des Krystall- wassers undurchsichtig werden. Sie schmilzt bei 146,5 — 147" C. Sie ist leicht löslich in Wasser, Alkohol und Aether, aber fast unlöslich in Chloroform und Benzol. Sie ist optisch inaktiv und gährungsunfähig. Ihre wässerige Lösung schiften, zei^t dns Verhalten des sogen. Alkaptonharns. Sie wird also nach Zusatz von sehr wenig Natronlauge oder Ammoniak unter Aufnahme von Sauerstoff von der Oberfläche aus grünlich-braun verfärbt, und nach Umschütteln wird sie rasch dunkelbraun bis schwarz. Sie reduzirt alkalische Kupferlösung schon bei schwachem Erwärmen und ammoniakalische Silberlösung sofort in der Kälte_ Dacecen reduzirt sie alkalische Wismuthlösung nicht. Mit dem MiLLON'schen Reao-enze giebt sie einen citronengelben Niederschlag, der beim Erwärmen hell ziegelroth wird. Unter den Salzen der Säure ist zu nennen das krystallwasser- haltige Bleisalz mit 34,79 p. c. Pb. Dieses Salz schmilzt bei 214—215" C. Zur Darstellung der Säure wird der stark augesäuerte Harn mit Aether ausgeschüttelt. Die als Destillationsrückstand des abgehobenen Aethers ge- wonnene, rohe Säure wird in Wasser gelöst, die Lösung zum Sieden erhitzt, mit einer Bleiacetatlüsung (1:5) versetzt und durch Filtration von dem harzig Darstellung, iji-aungefärbten Niederschlage rasch getrennt. Aus dem Filtrate krystallisirt allmählich das Bleisalz aus. Mau zerlegt dieses Salz mit Schwefelwasserstoff und gewinnt durch vorsichtiges Konzentriien des Filtrates — zuletzt in Vacuo — die Säure in Krystallen. Behufs der iiuantitativcn Bestimmung liat Baumann ein Verfahren ansegeben , nach Quanti- ' " X- atimmmi"" «'elchem man die Silure durch Titiatioa mit Silberlösung bestimmt. Hinsiehllich dieses 1) WOLKOW und Bavm.\nn, Zeitschr. f. physiol. Chem. 15; Embden, ebenda 17 u. 18; Gaknier und VoiKIN, Arch. de Physiol. (5) 4; Ogden, Zeitschr. f. physiol. Chem. 20; Marschall, Maly's Jahresber. 17 ; Gevgek, cit. nach Embden 1. c. 18. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 20. Harnfaibstoffc und Chiomogene. 463 Verfahrens wird auf die Originalarbeit Baumanx's (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 16) hin- gewiesen. Ein anderes Verfahren rührt von Deniges') her. TJroleucinsäure, CaHioOs, nach Huppert wahrselieinlich eine Dio.wphenylmilchsäure, CeHsfOU), . CH, . CH(OH) . COOH. Diese Säure ist von KlKK=) aus dem Harne "von Kindem ^"gj^""" mit Alliaptonurie, wo sich auch Homogentisinsäure vorfand, dargestellt worden. Sie hat den Schmelzpunkt 130 — 133" C. In ihrem Verhalten zu Alkalien bei Luftzutritt, zu alkalischer Kupferlösuug und ammoniakalischer Silberlösung wie auch zu MiLLON's Reagenz ähnelt sie der Homogentisinsäure sehr. Oxymandels<äure, CgHsO,, Parao.xyphenylghkolsäure, HO . C6H4 . CH(OH) . COOH ist wie oben gesagt im Harne bei akuter Leberatrophie gefunden worden. Die Säure kiystalli- sirt in seideglänzenden Nadeln. Sie schmilzt bei 162; sie ist leicht löslieh in heissem, weniger Oxymandel- in kaltem Wasser, leicht löslich in Alkohol und Acther, nicht aber in heissem Benzol. Sie sure. wird von Bleiessig, nicht aber von Bleizucker gefällt. Kyiiurensälire, CjoHtNOs, ist eine im Hundeharne vorkommende Oxychinolinkarbon- säure. Ueber den Ursprung dieser Säure ist man noch im Unklaren. Sie scheint aber nicht Kynuren- im Darmkanale gebildet zu werden und sie wird von Fäulnissbakterien nicht verändert säure. (CüPALDI^)- Harufarb-stoffe und Cliromogeiic. Die gelbe Farbe des norraalen Harnes rührt vielleicht von mehreren Farbstofl'en, zum allergrössten Theil aber von dem Urochrom her. Daneben scheint der Harn als regelmässigen Bestand- theil eine sehr kleine Menge Hämatoporphyrin zu enthalten. Uroerythrin kommt ebenfalls oft, wenn auch nicht immer, im normalen Harne vor. End- lich enthält der gelassene Harn, wenn er der Einwirkung des Lichtes ausgesetzt gewesen ist, regelmässig einen gelben Farbstoff, das Urobilin, welches unter der Einwirkung von Licht (Saillet) nnd Luft (Jaff£, Disque*) u. A.) aus undcta^mo- einem Chromogen, dem Urobilin ogen, hervorgeht. Ausser diesem Chromogen ^*°*'' enthält der Harn jedoch auch verschiedene andere Stoffe, aus welchen durch Einwirkung von chemischen Agenzien Farbstoffe entstehen können. So können durch Einwirkung von Säuren Huminsubstanzen, zum Theil aus den Kohle- hydraten des Harnes, entstehen (v. UdeÄs.szky), abgesehen davon, dass solche Substanzen zuweilen auch aus den angewendeten Reagenzien, wie aus unreinem Amylalkohol, hervorgehen können (v. UdeÄxszky ^). Zu diesen, durch Säure- wirkung unter Luftzutritt aus normalem Harne erhaltenen Huminkörpern sind zu rechnen: das Urophäin von Heller; die von verschiedenen Forschern (Plos'z, Thudichum, Schusck") beschriebenen Uromelanine u. a. Aus der Indoxylschwefelsäure, bezw. der Indoxylglukuronsäure, lässt sich Lidigblau Farbstoffe (Uroglaucin von Hellek, Urocyanin, Cyanurin und andere Farbstoffe "'"'g^ne."" älterer Forscher') abspalten. Aus den gepaarten Indoxyl- und Skatoxylsäuren t) Chem. Centralbl. 1897 1 S. 338. 2) HüPPERT, Zeitschr. f. physiol. Cliem. 23: Kirk, Bril. med. Journ. 1886 u. 1888. Journ. of Anat. and Physiol. 23. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 23; Leber Kynurcnsäure vcrgl. mau ferner das Werk von Huppert-Necbaüer 10. Aufl. und Mendel und Jacksos, Amer. Journ. of Physiol. 1898. i) Jaffe, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1868 u. 1869 und ViRCHOw's Arch. 47; DlSQü£, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2; Saillet, Eevue de medeeine 17. 1897. 5) V. Udranszky, Zeitschr. f. physiol. Chem. 11, 12, u. 13. ß) Plos'z, Zeitschrift f. physiol. Chem. 8; ThudichüM, Brit. med. Joura. 201 u. Jotirn. f. prakt. Chem. 104; SCHUNCK, oit. nach IIUPPERT-NErBAüER 10. Aufl. S. 509. ') Vcrgl. Huppert-Xecbafer S. 161. 464 Fünfzehntes Kapitel. können rothe Farbstoffe entstehen, und solchen Ursprunges sind wahrscheinlich das Urrhodin (Heller), das Urorubin (Plos'z), das Urohämatin (Haeley) und vielleicht auch das Urorosein (Nencki und Sieber'). Auf die verschiedenen, als Zersetzungsprodukte aus normalem Harne er- haltenen Farbstoffe kann hier nicht des Näheren eingegangen werden. Das Hämatoporphyrin ist schon in einem vorigen Kapitel (6. Blut) abgehandelt worden und wird übrigens am besten im Zusammenhange mit den pathologischen Harnfarbstoffen besprochen. Es bleiben hier also nur das Urochrom, das Uro- bilin und das Uroerythrin der Besprechung übrig. Urochrom nennt Gakrod den gelben Farbstoff des Harnes. Denselben Namen hatte schon früher ThudichujI'^) einem von ihm isolirten, weniger reinen Harnfarbstoffe gegeben. Nach Garrod ist das Urochrom eisenfrei aber stick- stoffhaltig. Es steht, wie es scheint, in naher Beziehung zu dem Urobilin, denn einerseits hat Garrod durch Einwirkung von Aldehyd auf Urochrom einen urobilinähnlichen Farbstoff erhalten und andererseits soll nach Riva 3) das Uro- bilin bei vorsichtiger Oxydation mit Permanganat einen urochromähnlichen Stoff liefern können. Das Urochrom ist nach Garrod amorph, braun, sehr leicht löslich in Wasser und Weingeist, schwerer löslich in absolutem Alkohol. Es löst sich nur wenig in Essigäther, Amylalkohol und Aceton ; in Aether, Chloroform und Benzol ist es unlöslich. Es wird gefällt von Bleiacetat, Silbernitrat, Mercuri- acetat, Phosphorwolfram- und Fhosphormolybdänsäure. Beim Sättigen des Harnes mit Araraoniumsulfat bleibt ein grosser Theil des Urochroms in Lösung. Das Urochrom zeigt keinen Absorptionsstreifen im Spektrum und es fluorescirt nicht nach Zusatz von Ammoniak und Chlorzink. Von Säuren wird es sehr leicht unter Bildung von braunen Substanzen zersetzt. Die Darstellung des Urochroms geschieht nach einer ziemlich umständlichen ^lethodc, die in erster Linie darauf basirt, dass das Urochrom beim Sättigen des Harnes mit Ammonium- sulfat zum grössten Theil in Lösung bleibt. Setzt man dem Filtrate eine passende Menge Alkohol hinzu, so sammelt sich auf der Salzlösung eine klare, gelbe, alkoholische Schicht, welche das Urochrom enthält und zu weiterer Verarbeitung verwendet wird (vergl. Garrod 1. c). Urobilin hat Jaffi5'') einen zuerst von ihm aus dem Harne isolirten Farbstoff genannt, welcher wesentlich durch seine starke Fluorescenz und sein Absorptionsspektrum charakterisirt ist. Es haben darauf andere Forscher nach verschiedenen Methoden aus dem Harne derartige Farbstoffe isolirt, die zwar unter einander kleine Differenzen zeigen, die aber im Wesentlichen wie das jAFFE'sche Urobilin sich verhalten. Man hat deshalb auch von verschiedenen Urobilinen, wie von normalem, febrilem, physiologischem und pathologischem 1) Ueber diese und andere rothe Farbstoffe vergl. Huppert-Neübacer, S. 593 u. 507; Nencki u. Sieber, Journ. f. prakt. Chera. (2) 26. 2) Garrod, Proceed. Roy. Soc. 65; Thudichüm 1. e. 3) Garrod, Journ. of Physiol. 21; Kiva, cit. nach Hüppert-Neübauer S. 524. 4) Ceutralbl. f. d. med. Wisscnsch. 1868 u. 1869 und VlRCHOW's Arch. 47. Urobilin und Urobilinoule. 465 Urobilin gesprochen ^). Die Möglichkeit, dass im Harne verschiedene Urobiline vorkommen können, ist, allerdings nicht in Abrede zu stellen; da aber das Urobilin eine leicht veränderliche, von anderen Harnfarbstoffen schwer zu reinigende Substanz ist, muss die Frage nach dem Vorkommen verschiedener urobiline noch als eine offene bezeichnet werden. Nach Saillet-) kommt im Menschen- harne ursprünglich kein Urobilin, sondern nur eine Muttersubstauz desselben, das Urobiliuogen, vor, aus dem das Urobilin im gelassenen Harne unter dem Einflüsse des Lichtes entstehen soll. Urobiliuähnliche Stoffe, sogen. Urobilinoide, hat man sowohl aus Gallen- wie aus Blutfarbstoff, und zwar sowohl durch Oxydation wie durch Reduktion, dargestellt. Aus dem Bilirubin hat Maly durch Reduktion mi' Natriumamalgam sein Hydrobilirubin und Disql'e ein noch mehr urobilinähn- oMe. liches Produkt gewonnen, während Stokvis aus dem Cholecyaniu durch Oxy- dation mit ein wenig Bleihyperoxyd ein Choletelin darstellen konnte, welches wesentlich wie das Urobilin sich verhielt. Aus dem Hämatin oder Hämato- porphyrin haben Hoppe-Seyler, Le Nobel, Nexcki und Sieber durch Re- duktion mit Zinn oder Zink und Salzsäure Urobilinoide erhalten, während Mac MuNN^) durch Oxydation von Hämatiu mit Wasserstoffhyperoxyd in schwefel- säurehaltigem Alkohol einen Farbstoff erhielt, der mit dem normalen Harn- urobilin identisch sein soll. Es liegt auf der Hand, dass nicht alle diese Uro- biline identisch sein können. Nach der Ansicht vieler Forscher sollte das Urobilin mit dem Hydro- bilirubin identisch sein. Nach den Untersuchungen von Hopkins und Garrod*) ist diese Ansicht nicht richtig, denn, abgesehen von anderen kleineren Differenzen zusammen- haben die beiden Stoffe eine wesentlich verschiedene Zusammensetzung. Das ^g^"^'jfj„'^°^ Hydrobilirubin enthält C 64,68; H 6,93; N 9,-^2 (Maly), während das Harn- urobilin dagegen C 63,46; H 7,67 und N 4,09 p. c. enthält. Das Urobilin aus den Fäces, das S tercobilin, hat dieselbe Zusammensetzung wie das Harn- urobilin mit 4,17 p. c. Stickstoff. Das Harnurobilin kann also nicht mit dem Hydrobilirubin identisch sein ; dies schliesst aber natürlich nicht die Jlöglichkeit aus, dass das Urobilin, einer allgemein verbreiteten Ansicht gemäss, aus dem Bilirubin (wenn auch nicht durch einfache Reduktion und Wasseraufnahme) im Darme entsteht. Für diese An- I) Vergl. Mac Münn, Proc. Roy. Soc. 31 u. 35; Bor. d. deutsch, ehem. Gcsellsch. 14 und Journ. of Physiol. 6 u. 10; Bogomoloff, Mai.y's Jahresber. 22; ElCHHOLZ, Journ. of Physiol. 14; Ad. Jolles, Pflüger's Areh. 61. '-) Kevue de medecine 17 (1897). 3) Maly, Ann. d. Cham. u. Pharm. 163; DlSQU^, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 2: Stokvis, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1873. S. 211 u. 449; Hoppe-Seylek, Ber. d. deutsch, chem. GescUsch. 7; Le Nobel, Pflüger's Arch. 40; Nencki und Sieber, Monats- hefte f. Chem. 9 u. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 24; Mac Munn, Proc. Roy. Soc. 31. 4) Journ. of Physiol. 22. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. oa 466 Fünfzehntes Kapitel. siebt sprechen auch mehrere sowohl physiologische wie klinische Beobachtungen *), unter denen zu nennen sind: das regelmässige Vorkommen im Darnik) Vergl. hinsichtlieh der Litteratm-: Uammaksten, Zeitschr. f. physiol. Chcm. 19 S. 30. und Eoos, ebenda 15 S. 525. 472 Füofzeliutes Kapitel. Giukmo'n- "ahme von Wasser können sie in Glukuionsäure und die zugehörigen Paar- säuien. üuge gespalten werden. Einige der gepaarten Glukuronsäuren, wie z. B. die Urocbloralsäure, reduzireii Kupferoxyd und gewisse andere Metalloxyde in al- kalischer Lösung und können in Folge hiervon bei Untersuchung des Harnes auf Zucker zu Verwechselungen Veranlassung geben. Die Glukuronsäure kann man aus Urocbloralsäure oder Kamphoglukuron- säure durch Sieden mit einer Mineralsäure darstellen. Leichter erhält mau sie Darstellung durch Erhitzen der Euxanthinsäure mit Wasser im PAPiN'schen Digestor bei **ronsüure" ^'^^ — 1:^5'' C. während einer Stunde und die Verdunstung der Wasserlösung bei 4" 40" C. Das nach und nach auskrystallisirende Anhydrid trennt man ab, verdünnt die Mutterlauge mit Wasser, kocht einige Zeit, um eine neue Portion der Säure in Anhydrid überzuführen und verdunstet bei etwa -\- 40" C. In dieser Weise verfährt man, bis fast alle Säure in Anhydrid übergeführt worden ist. Das Anhydrid kann dann weiter gereinigt werden. Srhuie/elhaltige organische Verbindungen unbekannter Art, welche jedoch wenigstens zum Tbeil aus EhoJanalkali , 0,0-1 (Gscheidlen) — 0,11 p. m. (J. Münk'), Cijstin oder dem Cystiu verwandten Substanzen, Taurindcrivaten , C/iondro%tinschwefelsäure , Proteinsloffen und Oxyprolems'dure bestehen, finden sich sowohl in Menschen- wie in Thierharneu. Der Schwefel dieser zum Tbeil unbekannten Verbindungen wird ^ou SalkowskI") als „neutraler" Neutraler ^um Unterschiede von dem „sauren" Schwefel der Sulfate und der Aetherschwefelsäuren be- uud saurer zeichnet. Den neutralen Schwefel im normalen Harne bestimmte SalkOWSKI zu 15 p. c, Schwefel. Stadthages ZU 13,3 — 14,5 p. c. und Lei'ine zu 20 p. c. des Gesammtschwefels. Beim Hungern nimmt die Menge nach Fr. MiJLLER absolut und relativ zu. Bei Broddiät ist nach Hefftek die Menge grösser als bei Fleischkost. Starke Jlaskelarbeit vermehrt die Aus- scheidung sowohl des sauren wie des neutralen Schwefels (Beck und Bekedikt, Mdnk^). Die Menge des letzteren nimmt auch zu bei Sauerstoffmangel (REx\le und BOERI), bei der Chloro- formnarkose (Kast und Mestek) wie auch nach Einführung von Schwefel (Presch, Yvon*). Nach Lepine ist ein Theil des neutralen Schwefels leichter (d. h. direkt mit Chlor oder Brom) zu Schwefelsäure oxydirbar als der andere, welcher erst nach dem Schmelzen mit Kali und Schwefel. Salpeter in Schwefelsäure übergeht. Nach W. Smith ^) ist es wahrscheinlich, dass der am sdiwersten o.\ydirbarc Theil des neutralen Schwefels als Sulfosäuren vorkommt. Eine ver- mehrte .Ausscheidung des neutralen Schwefels ist bei verschiedenen Krankheiten, wie bei Pneu- monie, Cystinurie und namentlich bei gehindertem Abfluss der Galle in den Darm beobachtet worden. Die Gesammtmenge des Schwefels im Harne bestimmt man durch Sclimelzen des festen Harnrückstandes mit Salpeter und Aetzkali. Die Menge des neutralen Schwefels dagegen be- stimmt mau als Diöerenz zwischen dem Gesanimtschwefel einerseits und dem Schwefel der Sulfat- und Aetherschwefelsäuren andererseits. Den leichter oxydirbaren Antheil des neutralen Schwefels bestimmt man durch Oxydation mit Brom oder Kaliumchlorat und Salzsäure (Lepine, Jekome"). Schwefelwasserstoff kommt im Harne nur unter abnormen Verhältnissen oder als Zer- setzungsprodukt vor Der Schwefelwasserstoö' kann durch Einwirkung bestimmter Bakterien ^ , „ , aus den schwefelhaltigen organischen Substanzen des Harnes (aus dem neutralen Schwefel) Wasserstoff, entstehen (Fr. MÜLLER, Salkowski '). Als die Quelle des Schwefelwasserstofles hat man 1) Gscheidlen, Pflüger's Arch. 14; Mukk, Vikchow's .\rch. 6S). 2) Ebenda 58 und Zeitschr. f. physiol. Chem, 9. 3) Stadth.\gen, Virchow's Arch. 100; Lepine, Compt. rend. 91 u. 97: Fr. Miller, Berlin, klin. Wochcnschr. 1887; Hefkter, Pflüger's Arch. 38: Beck und Benedikt, Malt's Jahresber. 22; Munk, Du Bois-Revmond's Arch. 1895. 4) Eeale und Boeri, Maly's Jahresber. 1894; Kast und Mester, Zeitschr. f. klin. Med. 18; Presch, Virchow's Arch. 119; YvoN, Arch. de Physiol. (5) 10. 5) Lepine 1. c. ; Smith, Zeitschr. f. |ihysiol. Chem. 17. 6) Jerome, PplCgek's Areh. 60. ') Fr. Miller, Berlin, klin. M'ochenschr. 1887; Salkowski, ebenda 1888. VersehiedeDe org. Harnbestandtheile. 473 ji'iloch auch die unterschweßignauren Salze bezeichnet. Das Vorkommen von Hyposulfiten im noimalen Menschenharne, welches von Heffter behauptet wurde, wird indessen von Salkowski und Presch ') bestritten. Im Harne von Katzen liommen dagegen Hyposulfite lionstant und in dem der Hunde in der Regel vor. Pkosphorhaldge organische Verbindungen wie Glycerinphosphorsäure, Phosphorfleisch- pi,ng„ijor_ suure (Rockwood) u. a., welche beim Schmelzen mit Salpeter und Alkali Phosphorsäure haltige geben, finden sich auch im Harne (Lepine und Evmonnet, Oertel^). Bei einer Ausscheidung Substanzen, von täglich ungefähr 2,0 g Gesammt-PaOä werden nach Oertel im Mittel etwa 0,05 g P2O5 als organisch gebundener Phosphor ausgeschieden. Entyme verschiedener Art hat man aus dem Harne isolirt. Als solche sind zu nennen : Euzyme. Pepsin (BrCckk u. A.) und diastatisches Enzym, (COHNHEIM u. A.). Das Vorkommen von Chymosin und Trypsin im Harne ist zweifelhaft^). Mucin. Die Niibecula besteht, wie K. MÖrner*) gezeigt hat, aus einem Mukoid, welches 12,74 p. c. N und 2,3 p. c S euthält. Dieses Mukoid, welches anscheinend von den Harn- Muciu. wegen stammt, kann auch in sehr geringer Menge in den Harn in Lösung übergehen. Ueber die Natur des im Harne sonst angeblich vorkommenden Mucins und Nukleoalbumins vergl. man unten (pathol. Harnbestandtheile) Oryproleinsäure haben BONDZYNSKI und Gottlieb eine stickstotf- und schwefelhaltige Säure genannt, auf deren E-tistenz im Men.'ichenluirne schon früher Töpfer hingewiesen hatte. Sie scheint ein normaler Bestandtheil des Harnes beim Menschen und Hunde zu sein, ist aber namentlich in grösserer Menge im Harne von mit Phosphor vergifteten Hunden gefunden worden (Bondzynski und Gottlieb). Nach den letztgenannten zwei Forschern hat sie die Formel CjaHgiNnSOa,, nach Cloetta^) dagegen die Formel CßgHueN.joSOs,. Sie enthält keinen Oxyprotem- locker gebundenen Schwefel und liefert bei ihrer Spaltung kein Tyrosin. Sie giebt weder die säure. Xanthoprotein- noch die Biuretreaktion. Sie giebt eine sehwach angedeutete MiLLON's Reaktion und wird von Phosphorwolframsäure nicht gefällt, aus welchem Grunde sie auch zu einem Fehler bei der PPLÜGER-BOHLAND'schen Harnstüft"bestiuimuug führt. Ihr Baryumsalz ist löslich in Wasser aber unlöslich in Alkohol und dient zur Darstellung der Säure aus dem Harne. Man betrachtet diese Säure als ein intermediäres O.tydationsprodukt des Eiweisses, welches der Peroxyprotsäure von Maly in gewisser Hinsicht ähnlich ist. Ptomame und Leuknmaine oder giftig wirkende Substanzen unbekannter Art, welche oft als alkaloidähnliche Substanzen bezeichnet werden, sollen im normalen Harne vorkommen (POUCHET, BoüCHARD, Adücco u. A.) Unter pathologischen Verhältnissen kann die Menge dieser Stoffe vermehrt sein (BOuchakd, Lepine und Güerin, Villiers, Griffiths, Albü u A.) Unter Anderen hat besonders BouCHAKD die giftigen Eigenschaften des Harnes zum Gegenstand mehr eingehender Untersuchungen gemacht. Er hat dabei gefunden , dass der Nachtharu weniger giftig als der Tagesharn ist und dass die giftigen Bestandtheile im Tages- uuij'"i,|J,'kV und Naohtharne nicht dieselben Wirkungen haben. Um die Giftigkeit des Harnes unter ver- maSue. schicdenen Verhältnissen vergleichen zu können, bestimmt BouCHARi) den iirotoxischen Koeffizienten und als solchen bezeichnet er das Gewicht der Kaninchen in Kilo, welches durch l. 23: RÖHMANN und Steinitz, Pflüger's Arch. 72. 3) Prevsz, vergl. Malt's Jahresber. 21: Olsavszky und Kldg, Pflijger's Arcli. 54; MrsK, Du Bois-Reymond's Arch. 1895. ■i) Physiologie des allgemeinen Stoffwechsels und der Ernährung in L. Hermann's Handb. Bd. (!. Thl. 1. S. 79. 478 Füufzehntes Kapitel. Menge der Phosphorsäure, derjenigen des Stickstoffes gegenüber, bedeutend herabgesetzt sein, was vielleicht von einem Zurückhalten der Phosphate im Fieberanfall herrührt^). Bei Nierenleiden kann nach Fleischer^) die Fähig- keit der Nieren, die Phosphate zu eliminiren, bedeutend vermindert sein. Die Ausscheidung von Phosphaten soll vermehrt sein bei Meningitis, Diabetes mellitus, bei gesteigertem Zerfall nukleinreichen Gewebes wie auch bei der akuten Phosphorvergiftung und bei dem Phosphatdiabetes. Die Angaben über die Menge der Phosphate im Harne bei der Rhachitis und der Osteomalacie sind etwas streitig. Quantitative Bestimmung der Gesammtphosphorsäure im Harne. Diese Bestimmung geschieht am einfachsten durch Titrirung mit einer Lösung von essigsaurem üranoxyd. Das Prinzip dieser Titrirung ist folgendes. Eine warme, freie Essigsäure enthaltende Lösung eines phosphorsauren Salzes giebt mit einer Lösung eines Uranoxydsalzes einen weissgelben oder grünlich- gelben Niederschlag von phosphorsaurem Uranoxyd. Dieser Niederschlag ist Prinzip der unlöslich in Essigsäure, wird aber von Mineralsäuren gelöst, und aus diesem Grunde setzt man bei der Titrirung immer Natriumacetatlösung in bestimmter Menge zu. Als Indikator benutzt mau gelbes Blutlaugensalz, welches nicht auf den Uranphosphatniederschlag einwirkt, mit der geringsten Menge eines löslichen Uranoxydsalzes dagegen eine rothbraune Fällung oder Färbung giebt. Die zu der fraglichen Titrirung erforderlichen Lösungen sind also : 1. eine Lösung eines Uranoxyd salzes. von welcher Lösung je 1 ccm 0,005 g PgOg entspricht, und welche also 20,3 g Uranoxyd im Liter enthalten muss. 20 ccm dieser Lösung entsprechen also 0,100 g PaO^; 2. Eine Lösung von Natri um ace tat und 3. eine frisch bereitete Lösung von Ferrocj'au- k al iuni. Die Uranlösung bereitet mau sicli aus Urannitrat oder Uranaeetat. Man löst etwa 35 g essigsaures Uranoxyd in Wasser, setzt etwas Essigsäure zu, um roUständige Lösung zu erzielen , und verdünnt zum Liter. Den Gehalt der Lösung ermittelt man durch Titration mittels einer Natriumphosphatlösung von genau bekanntem Gehalte (10,085 g lirystallisirtes Salz im Liter, was einem Gehalte von 0,100 g P.X)3 in 50 ccm gleich ist) Man verfährt Bereitung hierbei in derselben Weise wie bei der Titrirung im Harne (vergl. unten) und korrigirt die der Uran- Lösung durch Verdünnung mit Wasser und neues Titrircn, bis 20 ccm der Uranlösung genau 50 ccm der obigen Phosphatlösung entspreeheu. Die Natriumacetatlösung soU in 100 com 10 g Natriumacetat und 10 g Äcidum aceticum concentratum euthalten. Zu jeder Titrirung nimmt man von dieser Lösung 5 ccm auf je 50 ccm Harn. Bei der Ausführung der Titrirung misst man in ein Becherglas 50 ccm des filtrirten Harnes ab, setzt 5 ccm der Natriumacetatlösung zu, bedeckt das Becheiglas mit einem Urgläschen und erwärmt im Wasserbade. Hierauf lässt man die Uranlösung aus der Bürette zufliessen, und wenn der Niederschlag nicht mehr sich merkbar vermehrt, lässt man einen herausgenommenen Tropfen auf einer Porzellanplatte mit einem Tropfen Blutlaugensalzlösung zusammen- fliessen. So lauge noch zu wenig L^ranlösung zugesetzt worden ist, bleibt die Farbe hierbei nur blassgelb, und man muss mehr Uranlösung zusetzen ; sobald man aber den geringsten Ueberschuss von Uranlösung zugesetzt hat, wird die Farbe schwach röthlich braun. Hat man diesen Punkt erreicht, so erwärmt lösuns. 1) Vergl. Eem-Picci und Bernasconi, Malv's Jahrcsber. 24. a) Deutsch. Arch. f. klin. Med. 29. Bestimmung von Phosphorsäure und Acidität. 479 man von Neuem und wiederholt die Prüfung mit einem neuen Tropfen. Erhält man auch diesmal eine Färbung von derselben Stärke wie die Eiidreaktion bei der Titerstellung, so ist die Titration beendigt. Widrigenfalls setzt man die Uranlösung tropfenweise zu, bis eine nach erneuertem Erwärmen bleibende Färbung hervortritt, und wiederholt dann den Versuch mit neuen 50 ccm des Harnes. Die Berechnung ist so einfach, dass es überflüssig ist, dieselbe durch ein Beispiel zu beleuchten. Auf die nun angegebene Weise bestimmt man die Gesammtmenge der Phosphorsäure im Harne. Will man dagegen die an alkalische Erden und die an Alkalien gebundene Phosphorsäure gesondert kennen lernen, so bestimmt man erst die gesamrate Phosphorsäure in einer Harnportion und scheidet dann in einer anderen Portion die Erdphosphate mit Ammoniak aus. Den Nieder- schlag sammelt man auf einem Filtruni, wäscht ihn aus, spült ihn mit Wasser 'u"™^^'/ in ein Becherglas hinab, setzt Essigsäure zu und löst ihn durch Erwärmen, aus der an Diese Lösung verdünnt man darauf mit Wasser zu 50 ccm , setzt 5 ccm Erden'ge'- Natriumacetatlösung hinzu und titrirt wie gewöhnlich mit Uranlösung. Die [«nde"»»!! Differenz der in beiden Bestimmungen gefundenen Phosphorsäuremengen giebt säure. die Menge der an Alkalien gebundenen Phosphorsäure an. Die Resultate fallen indessen nicht ganz genau aus, weil bei der Ausfällung mit Ammoniak eine theilweise Umsetzung der Monophosphate der Erdalkalien und auch des Calcium- diphosphates zu Triphosphaten der Erdalkalien und Ammoniuniphosphat ge- schieht, wodurch das Verhältniss zu Gunsten der an Alkalien gebundenen, in Lösung bleibenden Phosphorsäure etwas verändert wird. Bestimmung der Acidität des Harnes. Wie oben bemerkt, betrachtet man als Mass des Säuregrades des Harnes die Menge der im zweifach sauren Salze vorhandenen Phosphorsäure. Diese Menge kann man bestimmen durch Titration mit Uranlösung in dem Filtrate nach der Ausfällung des einfach Bestimm- sauren Salzes mit Chlorbaryum. Hat man vorerst in einer anderen Portion Aeilität"^ des Harnes die Gesammtphosphor.säure durch Titration bestimmt, so findet man als Differenz zwischen den beiden Werthen die Menge der im einfach sauren Salze erhaltenen Phosphorsäure. Die Bestimmung geschieht nach Freund- LrEBLEIX '). Man bestimmt zuerst die Gesamnitphosphorsäure im Harne. Dann nimmt man 75 ccm Harn, setzt so viel einer Normalchlorbaryumlösung (l'22gBaCl.j"2 H.^0 im Liter) hinzu, dass das Volumen 9t) ccm beträgt, schüttelt um, filtrirt bis ein völlig klares Filtrat erhalten wird', und inisst von dem FiltrateßO ccm (= 50 ccm Harn) zur Phosphorsäurebestimmung mit Uran ab Die Resultate sind nicht ganz genau, denn bei der Fällung des Harnes mit BaClj bleiben etwa 3 p. c. Methode der Phosphorsäure des einfach sauren Salzes als zweifachsaures Salz in Lösung, """^ Freund und mau inuss also, um die richtigen Zahlen zu erhalten, die entsprechende Lieblein. Korrektion machen. Da ein Drittel der Phosphorsäure im zweifach sauren Phosphat an fixe Basis gebunden ist, so ist Liebleix, hinsichtlich der Berech- nung der Acidität, der Ansicht, dass man nur zwei Drittel dieser Phosphor- säure für die Acidität des Harnes in Rechnung zu setzen hat. Andere Methoden sind von Freund und Toepfer und von de Jager angegeben worden. Sulfate. Die Schwefelsäure des Harnes rührt nur zum ganz kleinen Theil von Sulfaten der Nahrung her. Zum unverhältnissmässig grössten Theil I) Freund, Centralbl. f. d. med. AVissensch. 1892. S. 689; LlEBLEIX, Zeitschr. f. physiol. Chem. 20; Fredsd und ToEPFKB. el>enda 19; DE JAGEK, elieüda 24. Fünfzehntes Kapitel. entsteht sie bei der Verbrennung des schwefelhaltigen Eiweisses im Körper, und es ist hauptsächlich diese Schwefelsäurebildnng aus dem Eiweisse, welche den oben besprochenen Ueberschuss von Säure, den Basen gegenüber, im Harne bedingt. Die Menge der durch den Harn ausgeschiedenen Schwefelsäure kann zu etwa 2,5 g HgSO^ pro 24 Stunden augeschlagen werden. Da die Schwefel- säure hauptsächlich aus dem Eiweisse stammt, geht auch die Schwefelsäure- Sulfate im ausscheidung der StickstofTausscheidung ziemlich parallel, und das Verhältniss Harno. ° o i N:H,SO^ ist auch ziemlich regelmässig :=: 5: 1. Ein vollständiger Parallelismus ist nicht zu erwarten, weil einerseits ein Theil des Schwefels stets als neutraler Schwefel ausgeschieden wird und andererseits der (niedrige) Gehalt der ver- schiedenen Prote'instoffe an Schwefel relativ weit grössere Abweichungen als der (hohe) Gehalt an Stickstoff zeigt. Im Grossen und Ganzen gehen indessen sowohl unter normalen wie unter krankhaften Verhältnissen die Stickstoff- und Schwefelsäureausscheidung einander ziemlich parallel. Die Schwefelsäure kommt im Harne theils präformirt (als Sulfatschwefelsäure) und theils als Aetherschwefel- säure vor. Man bezeichnet allgemein jene als Ä- und diese als jB-Schwefelsäure. Die Menge der Gesammtschwefelsäure bestimmt man, unter Beobachtung der in ausführlicheren Handbüchern gegebenen Vorschriften, in der Weise, dass man 100 ccm des filtrirten Harnes nach Zusatz von 5 com konzeutrirter Salz- Bestimm- säure 15 Minuten kocht, im Sieden mit 2 ccm gesättigter BaClj-Lösung fällt ""sanmit^° und dann noch einige Zeit erwärmt, bis das Baryumsulfat sich vollständig ab- schwetei- gesetzt hat. Der Niederschlag muss nach dem Auswaschen mit Wasser auch mit Alkohol und Aether (zur Entfernung harzartiger Substanzen) gewaschen werden, bevor er nach den allgemein bekannten Vorschriften behandelt wird. Zur getrennten Bestimmung der Sulfatschwefelsäure und der Aetherschwefel- säure kann man nach der Methode von Baitmann erst die Sulfatschwefelsäure aus dem mit Essigsäure angesäuerten Harne mit BaClg ausfällen und dann durch Sieden nach Zusatz von Salzsäure die Aethersehwefelsäuren zersetzen und die freigewordene Schwefelsäure als Baryumsulfat ausfällen. Noch besser verfährt man jedoch auf folgende, von Salkowski^) angegebene Weise. 200 ccm Harn fällt man mit dem gleichen Volumen einer Barytlösung, welche aus 2 Vol. Barythydrat- und 1 Vol. Chlorbaryumlösung, beide bei Zimmer- temperatur gesättigt, besteht. Man filtrirt durch ein trockenes Filtrum, misst t;esondeitc vou dem Filtrate, welches nur die Aethersehwefelsäuren enthält, 100 ccm ab, ^uug"de"" setzt 10 ccm Salzsäure von dem spez. Gewicht 1,12 zu, kocht 15 Minuten und Sulfat- und erwärmt dann auf dem Wasserbade, bis der Niederschlag sich volhständig ab- schwefei- gesetzt hat und die darüberstehende Flüssigkeit vollständig klar geworden ist. saure, p^jj,, filtrirt man, wäscht mit warmem Wasser, mit Alkohol und Aether und verfährt im Uebrigen nach den üblichen Vorschriften. Aus der Differenz zwischen der so gefundenen Aetherschwefelsäure und der in einer besonderen Harnportion bestimmten Gesammtschwefelsäure berechnet sich die Menge der Sulfatschwefel- säure. Nitrate kommen in geringer Menge im Mensclienharne vor (Schönbbin) und sie >'itiate. stammen wahrsetieinlich von dem Trinkwasser und der Naliruug her. Nach Weyl und 1) Batimann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 1 ; Salkowski, Virchow's .\rch. 79. Alkalien. Ammoniak. 481 CiTRON ') ist ihre Menge am kleinsten bei Fleischkost und am grüssten bei vegetabilischer Nahrung; die Menge soll als Mittel etwa 42,5 mg im Liter sein. Kalium und Natrium. Die von einem gesunden Erwachsenen bei ge- mischter Kost pro 24 Stunden mit dem Harne ausgeschiedene Menge dieser Stoffe ist nach Salkowski^) 3 — 4 g KgO und 5 — 8 g Na^O, dürfte aber als Mittel auf etwa 2 — 3, bezw. 4 — 6 g geschätzt werden können. Das Verhältniss K : Na ist gewöhnlich wie 3 : 5. Die Menge hängt vor Allem von der Nahrung _ .. ab. Beim Hungern kann der Harn nach und nach reicher an Kalium als an Natrium. Natrium werden, was von dem Aufhören der Koehsalzzufuhr und dem Umsätze der kalireichen Gewebe herrührt. Im Fieber kann ebenfalls die Menge des Kaliums relativ bedeutend grösser werden, während nach der Krise das Um- gekehrte der Fall ist. Die quantitative Bestimmung dieser Stoffe geschieht nach den in grösseren Handbüchern angegebenen gewichtsanalytischen Methoden. Ammouiak. In dem Harne des Menschen und der Fleischfresser findet sich regelmässig etwas Ammoniak. Dieses Ammoniak dürfte nach dem oben (S. 423) von der Harnstoffbildung aus Ammoniak Gesagten wohl zum Theil einen kleinen Ammoniakrest repräsentiren, welcher wegen des Ueberschusses der bei der Verbrennung entstandenen Säuren, den fixen Alkalien gegenüber, von solchen Säuren gebunden und demnach von der Synthese zu Harnstoff aus- . ° ^ '' Ammoniak geschlossen worden ist. Mit dieser Anschauung stimmt auch die Beobachtung ^^ Hame. von CoEANDA, dass die Ammoniakausscheidung bei vegetabilischer Kost kleiner und bei reichlicher Fleischkost grösser als bei gemischter Kost ist. Bei ge- mischter Kost beträgt die mittlere Menge des mit dem Harne ausgeschiedenen Ammoniaks etwa 0,7 g NH3 pro 24 Stunden (Neubauer). Es ist indessen, ■wie oben gesagt, nicht alles Ammoniak im Harne, sondern nur ein Theil des- selben, welches einen solchen, durch die Neutralisation mit Säuren der Harn- stoffsynthese entzogenen Rest repräsentirt, denn selbst nach anhaltender Zufuhr von fixen Alkalien wird nach Stadelmann und Beckmann") noch Ammoniak mit dem Harne ausgeschieden. Das Ammoniak kommt im Blute, als Mittel zu etwa 0,96 mg in 100 ccm Menschenblut, und in wechselnden Mengen in allen bisher untersuchten Ge- weben vor*). Namentlich in den Zellen der Verdauuugsdrüsen, des Magens, des Pankreas und der Darmschleimhaut (beim Hunde), wird es nach Nencki und Zalesky^) zur Zeit der Verdauung eiweissreicher Nahrung reichlich ge- in Blut bildet und der Leber zugeführt. Das der Leber zugeführte Ammoniak wird weben. 1) Schönbein, Journ. f. prakt. Chem. 92; Weyl, Vikcuow's ArcU. 96; mit Citeon, ebenda 101. ü) Ebenda 53. 3) CORANDA, Arch. f. e.\p. Path. u. Pharm. 12; Stadelmann (und BeckmannJ, Ein- fluss der Alkalien auf den Stoffwechsel etc. Stuttgart 1890. 4) Vergl. Salaskin, Zeitschr. f. pbysiol. Chem. 25. S. 449. 5) Arch. des scienc. biol. de St. Petersbourg 4 und Saxaskin 1. c. Vergl. ferner Nencki und Zaleski, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 37. Harn mar sten. Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 31 482 Fünfzelintes Kapitel. (vergl. oben) daselbst in Harnstoff umgewandelt und man könnte deshalb auch erwarten, dass bei gewissen Lebererkrankuugen eine vermehrte Ammoniakaus- scheidung und eine verminderte HarnstofFbildung vorkommen würden. Inwie- weit dies zutrifft, ist schon in dem vorigen (S. 425) erwähnt worden, und es wird hier auf die Arbeiten der dort ciiirten Forscher hingewiesen. Bei Menschen und Fleischfressern wird die Ammoniakausscheidung durch (He Zufuhr von Mineralsäuren vermehrt, und in derselben Weise wirken, wie JoLiN zeigte, auch solche organische Säuren, die, wie die Benzoesäure, im Körper nicht verbrannt werden. Das bei der Eiweisszersetzung freigewordene Ammoniak wird also zum Theil zur Neutralisation der eingeführten Säuren verwendet, und Säureu und hierdurch wird ein schädliches Entziehen der fixen Alkalien verhütet. Der Ammoniak- ausscheid- Pflanzenfresser hiusieKeu entbehrt zwar nicht gänzlich dieser Fähigkeit, besitzt ung. o o o o ' sie aber jedenfalls nur in geringem Grade (Winterberg'). Bei ihm werden deshalb die eingeführten Säuren durch fixe Alkalien neutralisirt und nach Zu- fuhr von Mineralsäuren treten in Folge der Alkalientziehung bald deletäre Wirk- ungen auf. Wie die von aussen eingeführten Säuren wirken nun auch die im Thier- körper bei dem Eiweisszerfalle entstandenen auf die Ammoniakausscheidung. Aus diesem Grunde wird bei Menschen und Fleischfressern der Ammoniak- gehalt des Harnes vermehrt unter solchen Umständen und bei solchen Krank- Ammoniak- Jigiten. iu welchen durch gesteigerten Eiweissumsatz eine vermehrte Säurebildung ausseheid- ' o o o "°s i" stattfindet. Dies ist z. B. bei Sauerstoffmangel, im Fieber und bei Diabetes der Krank- ^ heiten. fall. In dieser letzteren Krankheit können ausserdem organische Säuren, ß-Oxj- buttersäure und Acetessigsäure entstehen , welche an Ammoniak gebunden in den Harn übergehen -j. Der Nachweis und die quantitative Bestimmung des Ammoniaks geschieht am häufigsten nach der Methode von Schlösing. Das Prinzip dieser Methode besteht darin, dass mau aus einer abgemessenen Menge Harn das Ammoniak mit Kalkwasser in einem abgeschlossenen Raum frei macht und das frei ge- N wordene Ammoniak von einer abgemessenen Menge — r Schwefelsäure absor- Bostimm- biren lässt. Nach beendeter Absorption des Ammoniaks erfährt man die Menge ung des desselben durch Titration der rückständigen, freien Schwefelsäure mit einer Ammoniaks. =■ N — Lauge. Diese Methode giebt jedoch leicht etwas zu niedrige Zahlen, und man muss, um ganz genaue Werlhe zu erhalten, nach der von Bohland (Pflüger's Archiv Bd. 43, S. 32) angegebenen Modifikation arbeiten. Andere Methoden sind von Schmiedeberg und von Latschenberger'*) angegeben worden. I) JOLIN, Skaud. Aich. t. Pbysiol. 1; Winterberg, Zcitsehr. f. physiol. Chem. 25. Ueber das Verhalten der Ammouiaksalze im Thierkörper vergl. man, ausser deu S. 423 eitirten Arbeiten auch Rttmpf und Kleine, Zeitschr. f. Biologie 34. ä) Ueber Ammoniakausscbeidung in Krankheiten vergl. man unter neueren Arbeiten Rümpf, Vikchow's Aich. 143; Hallervorden, ebenda. 3) SCHMIEDEBERO, Arch. f. exp. Patb. u. Pharm. 7; Latschenbergek , Monatshefte f. Chem. 5. Ucbrige Mineralstoife des Harnes. 4S3 Calcium und Magnesiuin kommen zum unverhältnissmässig grössten Theil als Phosphate im Harue vor. Die Menge der täglich ausgeschiedenen Erdphos- phate beträgt etwas mehr als 1 g und von dieser Menge kommen annähernd ^/a auf das Magnesium- und ^/s auf das Calciumphosphat. Im sauren Harne finden sich sowohl einfach wie zweifach saure Erdphosphate, und die Löslich- keit der ersteren, unter denen das Calciurasalz, CaHPO^, besonders schwerlös- lich ist, soll durch die Gegenwart von zweifach saurem Alkaliphosphat und Calcium udiI ' » ^ ^ Magnesium. Chlornatrium im Harne wesentlich erhöht werden (A. Ott'). Die Menge der alkalischen Erden im Harne ist wesentlich von der Menge und Beschaffenheit der Nahrung abhängig. Die resorbirten Kalksalze werden nämlich zum grossen Theil wieder in den Darm ausgeschieden und die Menge der Kalksalze im Harne ist deshalb auch kein Mass für die Resorption derselben. Zufuhr von leicht löslichen Kalksalzen oder Zusatz von Salzsäure zu der Nahrung kann deshalb auch den Kalkgehalt des Harnes vermehren, während derselbe umge- kehrt durch Zusatz von Alkaliphosphat zu den Speisen herabgesetzt werden kann. lieber konstante und regelmässige Veränderungen der Ausscheidung von Kalk- und Magnesiumsalzen in Krankheiten ist wenig Sicheres bekannt, und auch hier dürfte eine vermehrte Ausscheidung, wie z. B. im Diabetes, haupt- sächlich von einer vermehrten Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme abhängig sein (Texbaum-). Die quantitative Bestimmung des Calciums und des Magnesiums wird nach allgemein bekannten Regeln ausgeführt. Ehen kouimt im Harne nur in geringer Menge und wie es sciieint uiclit als Salz sondern nacli den Untersuchungen von Kunkel, Giacosa, Kobert und seinen Schülern in organischen Verbindungen — zum Theil als Farbstoff oder Chromogen — vor. Die Angaben Eisen, über die Menge des Eiseus deuten darauf hin, dass diese Menge eine sehr schwankende, von 1 — U uig im Liter Harn (Magnier, Gottlieb, Kobert und seine Schüler),, ist. A. Jolles') fand als Mittel bei 12 Personen 8 mg Eisen pro 24 Stunden. Die Menge der Kieselsäure beträgt nach den gewöhnliolien Angaben etwa 0,3 p. ni. Spuren von Wasserstoffhyperoxyd kommen auch im Harne vor. Die Gase des Harnes sind Kohlensäure, Stickstoff und Spuren von Sauer- stoff. Die Menge des Stickstoffes ist nicht ganz 1 Vol. -Prozent. Die der Kohlen- säure schwankt bedeutend. Im sauren Harne ist sie kaum halb so gross wie in neutralem oder alkalischem Harn. IV. Menge und quantitative Zusammensetzung des Harnes. Eine direkte Betheiligung der Nierensubstauz an der Bildung der Harn- bestaudtheile ist wenigstens für einen Bestandtheil des Harnes, nämlich die >) Zeitschr. f. physiol. Chem. 10. 2) Zeitschr. f. Biologie 33. 3) Kunkel, cit. nach Maly's Jahresber. 11; Giacosa, ebenda 16; Kobert, Arbeiten des pharm. Instit. zu Dorpat 7. Stuttgart 1891 ; Magnier, Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 7 ; Gottlieb, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 26: Jolles, Zeitschr. f. anal. Chem. 36. 31* 484 Fünfzehntes Kapitel. Aufgabe der Hippurgäure, bewiesen. Dass die Nieren, wie die Gewebe überhaupt, einen ge- wissen Antheil an der Bildung auch anderer Harnbestandtheile haben können, ist wohl nicht zu bezweifeln; dass aber ihre Hauptaufgabe darin besteht, die im Blute gelösten, aus anderen Organen und Geweben aufgenommenen Harn- bestandtheile auszusondern und auszuscheiden, seheint wohl eine ganz sicher- gestellte Thatsache zu sein. Dass diese Ausscheidung des Wassers und der übrigen Harnbestandtheile nicht durch einfache Diffusion und Filtration allein zu Stande kommt, ist durch die Untersuchungen zahlreicher Forscher tjezeigt worden '). Man ist auch darüber einig, dass die Vorgänge der Harnsekretion im Wesentlichen auf einer spezifischen Zellenthätigkeit der Epithelien der Harnkanälchen beruhen, neben welcher jedoch Filtrations- und DifTusionsprozesse unzweifelhaft auch verlaufen. Den Vorgang der Harnabsonderung beim Menschen und den höheren Thieren Bäne7bei ^^^llt man sich auch allgemein in den Hauptzügen in folgender Weise vor. Das der Haniab- ^ggggj. ggjj ugi^s); einer kleinen Menge der Salze durch die Glomeruli hindurch- gehen, während die Hauptmasse der festen Stoffe durch das Epithel der Harn- kanälchen ausgeschieden werden soll. Eine Absonderung der festen Stoffe ohne eine gleichzeitige Ausscheidung von Wasser lässt sich jedoch nicht denken, und es muss deshalb auch ein Theil des Wassers durch die Epithelzellen der Harn- kanälchen ausgeschieden werden. Den Durchgang der Hauptmasse des Wassers durch die Glomeruli betrachtet man ziemlich allgemein als eine von dem Blut- drucke abhängige Filtration. Nach Heidenhain soll indessen der dünnen Zellen- schicht der Glomeruli eine sekretorische Wirkung zukommen. Die Menge und Zusammensetzung des Harnes sind grossen Schwankungen unterworfen. Diejenigen Umstände, welche unter physiologischen Verhältnissen auf dieselben den grössten Einfluss ausüben, sind jedoch folgende: Der Blut- druck und die Geschwindigkeit des Blutstromes in den Glomerulis; der Gehalt des Blutes an Harnbestandtheilen, besonders an Wasser, und endlich auch der Zustand der secernirenden Drüsenelemente selbst. Vor Allem hängen selbst- verständlich die Menge und die Konzentration des Harnes von der Grösse der Wasserausscheidung ab. Dass diese letztere bei einem bestimmten Wassergehalte MMi'ge''iind '^^^ Blutes mit veränderten Blutdrucks- und Cirkulationsverhältnissen schwanken ggtju°™ j" g kann, ist offenbar; unter gewöhnlichen Verhältnissen hängt aber die Grösse der ^wirkende' Wasserausscheidung durch die Nieren im Wesentlichen von der Wassermenge Umstände. ^^^ welche dem Blute zugeführt vvird, bezw. den Körper auf anderen Wegen verlässt. Es wird also die Harnabsonderung durch reichliches Wassertrinken oder verminderte Wasserabfuhr auf anderen Wegen vermehrt und umgekehrt bei verminderter Wasserzufuhr, bezw. grösserem Wasserverluste auf anderen Wegen vermindert. Gewöhnlich wird beim Menschen durch die Nieren ebenso viel Wasser wie durch Haut, Lungen und Darm zusammen ausgeschieden. Bei niedriger Temperatur und feuchter Luft, unter welchen Verhältnissen die Wasser- 1) Vergl. hierübel- die Lehrbücher tler Pliysiologie. Uammenge und feste Stoffe. ausscheidung durch die Haut herabgesetzt ist, kann die Harnabsouderung da- gegen bedeutend zunehmen. Verminderte Wasserzufuhr oder vermehrte Aus- scheidung von Wasser auf anderen Wegen — wie bei heftigen Diarrhöen, hef- des Haines tigern Erbrechen oder reichlicher Schweissabsonderung — vermindern dagegen schiedcnen die Harnabsonderung stark. Es kann also z. B. bei starker Sommerhitze die tägliche Harnnienge auf 500 — 400 ccm herabsinken, während man nach reich- lichem Wassertrinken eine Harnausscheidung von 3000 ccm beobachtet hat. Die im Verlaufe von 24 Stunden entleerte Harnmenge muss also bedeutend schwanken können ; gewöhnlich wird sie jedoch beim gesunden erwachsenen Manne durchschnittlich zu 1500 ccm und beim Weibe zu 1200 ccm berechnet. Das Minimum der Absonderung fällt in die Nacht, etwa zwischen 2 — 4 Uhr. Maxima fallen in die ersten Stunden nach dem Erwachen und in die Zeiträume von 1 — 2 Stunden nach den Mahlzeiten. Die Menge der im Verlaufe von 24 Stunden abgesonderten festen Stoffe ist, selbst bei schwankender Harnmenge, ziemlich konstant und zwar um so mehr, je gleicbmässiger die Lebensweise ist. Dagegen verhält sich selbstver- ständlich der Prozentgehalt des Harnes an festen Stoffen im Allgemeinen um- Die Tages- menge der gekehrt wie die Harnmenge. Die Menge der festen Stoffe pro 24 Stunden wird festenHaru- bestand- gewöhnlich durchschnittlich zu 60 g berechnet. Die Menge derselben kann man theiie. mit annähernder Genauigkeit aus dem spez. Gewichte in der Weise berechnen, dass man die zweite und dritte Decimalstelle der das spez. Gewicht angebenden Zahl mit dem HÄSER'schen Koeffizienten 2,33 multiplizirt. Da.s Produkt giebt die Menge der festen Stoffe in 1000 ccm Harn an, und wenn die Menge des in 24 Stunden abgesonderten Harnes gemessen wird, lässt sich also die Menge der in demselben Zeiträume abgesonderten festen Stoffe leicht berechnen. Wer- den z. B. im Laufe von 24 Stunden 1050 ccm Harn von dem spez. Gewichte 1,021 abgesondert, so ist also die Menge der festen Stoffe: 21 X 2,33 =; 48,9, Berechnung 48,9 X 1050 der festen und ^= 51,35 g. Der Harn enthielt also in diesem Falle 48,9 Stoffe aus 1000 dem spez. Gewichte. p. m. feste Stoffe, und die Tagesmenge der letzteren war 51,35 g. Diejenigen Stoffe, welche unter physiologischen Verhältnissen auf die Dichte des Harnes besonders einwirken, sind das Kochsalz und der Harnstoff. Da das spez. Gewicht des ersteren 2,15, das des letzteren dagegen nur 1,32 beträgt, so ist es einleuchtend, dass, wenn das relative Mengenverhältniss dieser zwei Fehier- quellen bei Stoffe wesentliche Abweichungen von dem Normalen zeigt, die obige, auf dem der obigen spez. Gewichte gegründete Berechnung weniger genau werden muss. Dasselbe muss auch der Fall sein, wenn ein an normalen Bestandtheilen ärmerer Harn reichlichere Mengen von fremden Stoffen, Eiweiss oder Zucker, enthält. Wie oben erwähnt, nimmt im Allgemeinen der Prozentgehalt des Harnes an festen Stoffen mit einer grösseren abgesonderten Harnmenge ab, und bei einer reichlichen Harnabsonderung (einer Polyurie) hat deshalb auch in der Regel der abgesonderte Harn ein niedriges spez. Gewicht. Eine wichtige Aus- nahme hiervon macht jedoch die Zuckerharnruhr (Diabetes mellitus), bc' Fünfzehntes Kapitel. Menge und y^elcher in sehr reichlicher Menge ein Harn abgesondert wird, dessen spez. Ge- tiatiou des wicht, des hohen Zuckergehaltes wegen, sehr hoch sein kann. Bei Absonderung unter ^- yon nur wenig Harn (Oligurie), wie bei starkem Schwitzen, bei Diarrhöen und h&itnissen. beim Fieber, ist das spez. Gewicht in der Regel sehr hoch, der Prozentgehalt an festen StofTen gross und die Farbe dunkel. Zuweilen, wie z. B. in gewissen Fällen von Albuminurie, kann jedoch umgekehrt der Harn trotz der Oligurie ein niedriges spez. Gewicht haben, blass gefärbt und arm an festen Stoffen sein. Wegen der grossen Schwankungen, welche die Zusammensetzung des Harnes zeigen kann, ist es schwierig, eine tabellarische Uebersicht über die Zusammen- setzung desselben zu liefern. Zu einigem Nutzen dürfte jedoch vielleicht die folgende tabellarische Zusammenstellung werden können, wobei jedoch nicht übersehen werden darf, dass die Zahlen nicht auf 1000 Theile Harn sich be- ziehen, sondern nur annähernd diejenigen Mengen der wichtigsten Hauptbestaud- theile angeben, welche im Laufe von 24 Stunden bei einer durchschnittlichen Harnmenge von 1500 ccm abgesondert werden. Tagesnieiige der festen Stofl'e = 60 g. Organische Bestandtheile = 35 g. Anorganische Bestaniltheile = 25 g. Harnstoff 30,0 g Chlornatrium (NaCl) . . 15,0 g Harnsäure 0,7 , Schwefelsäure (HoSO^) . 2,5 , '''^rTe"-^^ Kreatinin 1,0 „ Phosphorsäure (P.jOj) . . 2,5 , schiedenon Hippursäure 0,7 , Kali (KoG) 3,3 , Harn- Uebrige org. Stolle ... 2,6 „ (Ammoniak (NH3) ... 0,7 , ''f^^fä- Magnesia (MgO) .... 0,5 , Kalk (CaO) 0,3 , Uebrige anorgan. Stoffe . 0,2 „ Der Gehalt des Harnes an festen Stoffen ist durchschnittlich 40 p. m. Die Menge des Harnstoffes ist etwa 20 und die des Kochsalzes etwa 10 p. m. V. Zufällige Harnbestandtheile. Das Auftreten zufälliger, von Arzneimitteln oder von in den Körper ein- geführten fremden Stoffen herrührender Harnbestandtheile kann aus praktischen Rücksichten von Bedeutung werden, weil derartige Bestandtheile einerseits bei gewissen Harnuntersuchungen störend wirken und andererseits ein gutes Mittel zur Entscheidung, ob gewisse Stoffe eingenommen worden sind oder nicht, ab- geben können. Von diesem Gesichtspunkte aus werden auch einige solche Stoffe in einem folgenden Abschnitte (über die pathologischen Harnbestandtheile) be- sprochen werden. Von einem besonders grossen, physiologisch chemischen Inter- Zufaiiige esse ist jedoch das Auftreten zufälliger oder fremder Stoffe im Harne in den standtheiie. Fällen, in welchen sie die Art der chemischen Umsetzungen gewisser Substanzen innerhalb des Körpers zu beleuchten geeignet sind. Da die anorganischen Stoffe, welche im Allgemeinen den Körper unverändert verlassen, von diesem Gesichts- punkte aus von geringerem Interesse sind, muss die Hauptaufgabe hier die sein, die Umsetzungen gewisser, in den Thierkörper eingeführter organischer Sub- Zufällige Harubestandtheilp. 487 Stanzen zu besprechen, insoferne als diese Umsetzungen durch Untersuchung des Harnes der Forschung zugänglich gewesen sind. Die der Fettreilie angehörenden Stoffe fallen meistens, wenn auch mehrere Ausnahmen von der Regel vorkommen, einer zu den Endprodukten des Stoff- wechsels führenden Verbrennung anheini, wobei jedoch oft ein kleinerer oder grösserer Theil des fraglichen Stoffes der Oxydation sich entzieht und in dem Harne unverändert erscheint. In dieser Weise verhält sich ein Theil der dieser Reihe angehörenden Säuren, welche sonst im Allgemeinen zu "Wasser und Kar- bonaten verbrannt werden und den Harn neutral oder alkalisch machen können. Die an Kohlenstoff ärmeren flüchtigen Fettsäuren werden weniger leicht als die koblenstoffreicheren verbrannt, und sie gehen deshalb auch in grösserer der'organ. Menge — dies gilt besonders von der Ameisensäure und der Essigsäure — un- '"""■™- verändert in den Harn über (Schotten, Geehänt und Quinquaud ^j. Ueber das Verhalten der Oxalsäure gehen die Angaben auseinander. Bei Vögeln vvird sie nach Gäglio und Giunti nicht oxydirt. Bei Säugethieren wird sie nach GiUNTi grösstentheils oxydirt, während sie nach Gaglio und Pohl bei ihnen unzerstörbar ist. Beim Menschen wird sie nach Maefoei und Ghjnti zum grössten Theil oxydirt. Die Weinsäuren verhalten sich nach Beton verschieden, indem nämlich beim Hunde die Linksweinsäure zum allergrössten Theile, die Rechtsweinsäure dagegen nur zu etwas mehr als 70 p. c. verbraunt wurde. In noch geringerem Grade wurde die Traubensäure im Thierkörper oxydirt. Bern- steinsäure und Aepfelsäure sind nach Pohl-) völlig verbrennbar. Die Sänreamide scheinen im Körper nicht umgesetzt zu werden (Schültzen und Nencki^). Die Amidosäuren scheinen zwar zum kleinen Theil unverändert ausgeschieden werden zu können, aber sonst werden sie, wie oben S. 422 von dem Leiicw, dem GlylcolcolJ und der Aspuraginsäiire gesagt worden ist, im Körper zersetzt und sie können dabei eine vermehrte Harnstotfausschei'iung her- vorrufen. Das Sarkosin (Methylglykokoll), jSJH(CH3).CH2 .COOH, dürfte ausser- dem vielleicht zum kleineu Theil in die entsprechende Uramidosäure, die Methyl- Verhalten hydantdinsänre, NH2.CO.N(CH3).CH2.COOH, übergehen (Schultzen^). Eben- säuren, so kann das Taurin, die Amidoäthansulfonsäure, welches zwar bei verschiedenen Thieren etwas verschieden sich verhält (Salkow&ki S), beim Menschen wenigstens zum Theil in die entsprechende Uramidosäure, die Taiirokarbnminsäure. NH, . CO.NH.CjH^ .SOg.OH, übergehen. Ein Theil des Taurins erscheint auch als 1) Schotten, Zcitsclir. f. physiol. Chcni. 7; (iREHANX unj Quinquaud, Cuuipt. rond. 104. 2) Gaolio, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 22; GlUXTl, Cheni. Centralbl. 1897 2; Marfori, Maly's Jahresbor. 20; Brion, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25; POHL, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 37, wo mau auch Angaben über die internicdiilren Proilukte bei ilem oxy) Vergl. E. und H. Salkowski, Ber. d. deutsch, chem. Gesellsch. 12. Seitenkette Zufällige Harnbestandtheile. 491 mit drei Kohlenstoffatomen in der Seitenkette, von denen das mittlere die Gruppe NH., bindet, wie z. B. das Tijrosin, a-Oxyphenylamidoiiropionsäure, C6H4(OH).CH.j.CH(NH2).COOH, und Ak aPhenyJamidopropionsänre, CgHs. CH., .CH(NH2).C00H, scheinen zum grössten Theil im Körper verbrannt zu werden (vergl. oben). Die Phenylamidoessigsäure, welche nur zwei Kohlen- stoffatome in der Seitenkette hat, CgHj . CH(NH2).C00H, verhält sich dagegen anders, indem sie zum Theil in Mandelsänre, Phenylglykolsäure CgHj.CH(OH). COOH, übergeht (Schotten i). Sind am Benzolkern mehrere Seitenketten vorhanden, so wird stets nur eine derselben zu Karboxyl oxydirt. Es werden also z. B. XyJol, C^J(GYi^)2, s„),stanzen zu Tolmjlsäitre, C6H^(CH3).COOH (Schultzen und Naunyn), Mesitylen, "^^'er'^n''" C6H3'CH3)g, zu Mesihjlensäure, C^'Ü^^Q'R^^.COOYi. (L. Nekcki) und Cymol ||ft'^°; zu Kuminsänre (M. Nexcki und Ziegler -) oxydirt. Synthesen aromatischer Substanzen mit anderen Atomgruppeu kommen sehr oft vor. Hierher gehört in erster Linie die von Wöhler entdeckte Paar- ung der Benzoesäure mit Glykokoll zu Hipjmrsäure. Alle die zahlreichen aromatischen Substanzen, welche im Thierkörper in Benzoesäure sich umsetzen, werden also wenigstens zum Theil als Hippursäure ausgeschieden. Dieses Ver- halten gilt jedoch nicht für alle Thierklasseu. Nach den Beobachtungen von Jaffe^) geht nämlich die Benzoe.säure bei Vögeln nicht in Hippursäure, son- dern in eine andere stickstoft'haltige Säure, die Ornithursäure, Cj^HgoNjO^, ^(;ff^°|J}5^* über. Als Spaltungsprodukt giebt diese Säure ausser Benzoesäure das schon oben S. 67 besprochene Ornithin. Einer Paarung mit Glykokoll zu ent- sprechenden Hippursäuren unterliegen wie die Benzoesäure nicht nur die Oxy- henzoesänren und die si(hstititirten Benzoesäuren, sondern auch die oben- genannten Säuren, Toliiyl-, Mesitylen-, Kumin- und Fhenylessigsüure. Diese Säuren werden als bezw. Tolnr-, Mesitylemir-, Kuminur- und Phenacetnrsäiire ausgeschieden. Hinsichtlich der Oxybenzoesäuren ist indessen zu bemerken, dass eine Paarung mit Glykokoll nur für die Salicylsäure und p-Oxybenzoesäure sicher bewiesen ist (von Bertagnini, Baumann und Herter u. A.), während sie für die m-Oxybenzoesäure von Baumann und Herter *) nur sehr wahrschein- lich gemacht wurde. Die Oxybenzoesäuren werden auch zum Theil als gepaarte Schwefelsäuren ausgeschieden, was besonders von der m-Oxybenzoesäure gilt. °ini™-'* Bezüglich der Amidobenzoesäuren liegen Untersuchungen über die m-Amido- säuren benzoesäure vor. Diese Säure geht, wie Salkowski fand und R. Cohn^) 1) Zeitschr. f. physiol. Chpni. 8. 2) L. Xencki, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1; Nencki und ZiEGLEK, Bor. d. deutsch, rheui. Gcsellsch. 5 ; vergl. auch O. Jacobsen, ebenda 12. :i) Ebenda 10 u. 11. *) Zeitschr. f. physiol. Chem. 1, wo auch die .\rbeit von Bert.\gn'ISI citirt ist. Vergl. ferner Dactzenbeug in Maly's Jahresber. 11. S. 231. j) Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Cheni. 7; Cohn, ebenda 17. 492 Fünfzehntes Kapitel. später bestätigte, zum Theil in Uramidobensoesäure, HgN.CO.HN.CgH^. COOH, über. Zum Theil wird sie auch als Amidohippursäure ausgeschieden. Unter denjenigen Substanzen, welche einer Paarung mit Gl3'kokoll unter- liegen können, sind die substituirten Aldehyde von besonderem Interesse. Nach den von R. Cohn ') über diesen Gegenstand ausgeführten Untersuchungen geht beim Kaninchen der o-Nitrohenzul dehyd nur zu einem sehr geringfügigen Theil in Nitrobenzoesäure über und die Hauptmasse, ca. 90 p. c, wird im Körper zerstört. Der m-Nitrohenzaldeliyd geht bei Hunden nach Siebee und Smibnow^) in m-Nitrohippursäure, nach Cohn in m-nitrohippursauren Harustofl" über. Bei Kaninchen ist das Verhalten nach Cohn dagegen ein ganz anderes. Es findet hier nicht nur eine Oxydation des Aldeh3'ds zu Benzoesäure statt, sondern es wird auch die Nitrogruppe zu einer Amidgruppe reduzirt und endlich lagert sich unter Austritt von Wasser Essigsäure an die Amidgruppe an, so dass als Endprodukt m-Acetylamidohaizo'e'säure, CH, .CO.NH.CfiH..COOH, entsteht. Verhalten ' . -^ , . . der Nitro- Der Vorgang ist also dem Verhalten des Furfurols analog, und die Reduktion aidehyde. findet nicht im Darme, sondern in den Geweben statt. Der p-Nitrobenzaldehyd verhält sich beim Kaninchen zum Theil wie der m-Aldehyd und geht also zum Theil in ihAcetylamidohenzoesäure über. Ein anderer Theil setzt sich in p-Nitrobenzoesäure um und der Harn enthält eine chemische Verbindung glei- cher Theile dieser zwei Säuren. Bei Hunden giebt nach Sieber und Smirnow der p-Nitrobenzaldehyd nur p-nitrohippursauren Harnstofi". Die oben genannte, aus Methylpyridin (a-Picolin) entstandene Pyridinliarhonsäiire geht nach Paar- ung mit Glykokoll als a-Pyridinursänre in den Harn über 3). Zu denjenigen Substanzen, welche eine Paarung mit Glykokoll eingehen, gehört auch das Furfurol, der Aldehyd der Pyroschleimsäure, welches bei Hun- den und Kaninchen, wie Jaffe und Cohn zeigten, im Körper erst zu Pyro- schleimsäure oxydirt und dann nach Paarung mit Glykokoll als PyromuJcur- Furfuroi säurc, CjH,NO^, ausgeschieden wird. Bei Vögeln ist das Verhalten ein anderes, ''ßj'^™°|g""' indem nämlich die Säure bei ihnen mit einer anderen Substanz, dem Ornithin, CjHj.jN.jO.,, welches wahrscheinlich Diamidovaleriansäure ist, zu Pyronmcinor- nithursänre sich paart. Wie das Furfurol wird auch das dem Furfuran ent- sprechende Thiophen, CjH^S, zu Thiopliensüiire oxydirt, die nach Jaffe und Levy*) im Körper (Kaninchen) mit Glykokoll sich paart und als Thiophenur- säure, C^H^NSOg, ausgeschieden wird. Das Furfurol geht indessen im Säugethierkörper auch in anderer Form eine Paarung mit Glykokoll ein. Es verbindet sich nämlich, wie Jaffe und 1) Zcitsthr. f. physiol. Chem. 17. 2) Monatshefte f. Chem. 8. 3) Hinsichtlich der umfangreichen Littcratur iibor Glyliokcillijaarungcn kann auf den Aufsatz von O. KÜHLIKG, Ueber Stoffwechselprodnkto aromatischer Körper. Inau;:.-Diss. Berlin 1887, Terwicsen werden. *) .Jaffe und Cohn, Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch, 20 n. 21 : mit Levy, ebenda 21. Zufällige Harnbestandtheile. 493 CoHN fanden, zum Theil auch mit Essigsäure zu Furfurukryhänre, C4H3O. CH:CH.COOH, die mit Glykokoll gepaart, als FiirfuraJcrijlnrsnure in den Harn übergeht. Eine andere sehr wichtige Synthese der aromatischen Substanzen ist die- " •' Aether- jenige der Aethei'ScJnve feisäuren. Als solche werden, wie Baum4nn und schwefei- Herter u. A. gezeigt haben, Phenole wie überhaupt die hydroocylirten aro- matischen Kohlenwasserstoffe und deren Derivate ausgeschieden i). Eine Paarung aromatischer Säuren mit Schwefelsäure kommt weniger oft vor. In dieser Form werden indessen die oben erwähnten zwei aromatischen Oxysäuren, die p-Osyphenylessigsäure und p-OxyphenyJpropionsäure zum Theil oxysäuien. ausgeschieden. Die Gentisinsäure (Hydrochinonkarbonsäure) vermehrt nach LiKHATSCHEFF ^) ebenfalls die Menge der Aetherschwefelsäuren im Harne und dasselbe soll, älteren Angaben entgegen, nach Rosr auch mit der Gallitssäure (Trioxybeuzoesäure) und der Gerbsckoe der Fall sein '^). Während das ^ce/o2j//ewow(Phenylmethylketou)Cg Hg. CO. CH3, wie M.Nencki gezeigt hat, zu Benzoesäure oxydirt und als Hippursäure ausgeschieden wird, gehen nach Nencki und Rekowski*) aromatische Oxyketone mit Hydroxylgruppen, 13 4 wie das Hesacetophenon, CgH3{OH)(OH)(COCH3), das Paraoaypropiophenon Aromati- 1 •' 12 3 4 'leton?" CcH^(OH)(COCH2CH3) und das GaUacetophenon, C6H2(OH)(OH)(OH)(CO .CH3) ohne vorherige Oxydation als entsprechende Aetherschwefelsäuren, zum Theil auch als gepaarte Glukuronsäuren in den Harn über. Das Etixanthon, welches ebenfalls ein aromatisches Oxyketon ist, geht in den Harn als die schon vorher erwähnte gepaarte Glukuronsäure, die Euxan- thinsäure, über. Eine Paarung anderer aromatischer Substanzen mit Glukuron. säure, welche letztere dadurch vor der Verbrennung geschützt wird, kommt auch recht oft vor. Kampher Cj^Hj^O, einem Hunde gegeben , geht durch Oxydation in Kampherol, C,flH,5(0H)0, über und aus diesem entsteht die ge- Paaruug mit paarte Glukuronsäure, die KamphogluJciironsäure (Schmiedeberg). Die Phenole säuren gehen, wie oben S. 455 angegeben, zum Theil als gepaarte Glukuronsäuren in den Harn über. Dasselbe gilt von den Homologen der Phenole, von einigen substituirten Phenolen, den Naphlolen, Borneol, Menthol, Terpentinöl und vielen anderen aromatischen Substanzen ^). Das o-Nitrotoltiol geht beim Hunde nach Jaffe '') in o-Nitrobenzylalkohol und dann in eine gepaarte Glukuronsäure, 1) Hinsichtlich der Litteratur vergl. man O. KÜhlinq 1. c. ■i) Zeitsohr. f. physiol. Chem. 21. 'i) Ueber das Verhalten der Gerbsäure und Gallussäure im Thierkörper vergl. man: C. MüRNER, Zeitschr. f. physiol. Chem. 16, wo mau die ältere Litteratur findet, ferner Haknack, ebenda 24 und RoST, Areh. f. exp. Path. u. Pharm. 38 und Sitzungsber. d. Gesellscli. zur Bcförd. d. ges. Naturwiss. zu Marburg 1898. <) Arch. d. scienc. biol. de St. Petersbourg 3 und Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 27. ä) Vergl. O. KÜHLING, wo man auch die ältere Litteratur findet; E. KClz, Zeitschr. f. Biologie 27. t>) Zeitschr. f. physiol. Chem. 2. 494 Fünfzehntes Kapitel. Fremde Farbstoffe im Harae die Uronitrotoluolsäure, über. Die aus dieser gepaarten Säure abgespaltene Glukuronsäure ist linksdrehend und also nicht mit der gewöhnlichen Glukuron- säure identisch, sondern isomer. Das Inäol und Skatol scheinen, wie oben erwähnt (S. 459 u. 460), auch zum Theil als gepaarte Glukuronsäuren mit dem Harne ausgeschieden zu werden. Eine Synthese, bei welcher schwefelhaltige Verbindungen, Merhaptur- säuren, entstehen, die mit Glukuronsäure gepaart ausgeschieden werden, kommt nach Einführen von Chlor- oder Bromderivaten des Benzols in den Organismus des Hundes vor (Baumann und Preusse, Jaffi5 '■). Es verbindet sich also z. B. das Chlorbensol mit dem Ci/stein, einem intermediären Zersetzungsprodukte des Eiweisses, welches dem Cystin nahe verwandt ist (vergl. unten), zu Chlor- plienyhnerliaptursäure, Cj,Hj.3ClSN03. Beim Sieden mit einer Miueralsäure zerfällt diese Verbindung in Essigsäure uudChlorphenylcystein, CgH^Cl.CgHgNSOg- Ein besonderes Verhalten zeigt das Pyridin, C5H5N, welches weder mit Glukuronsäure noch mit Schwefelsäure nach vorausgegangener Oxydation sich verbindet. Es nimmt, wie von His gefunden und von Cohn^) später bestätigt wurde, eine Methylgruppe auf und bildet eine Ammouiumverbindung, Methyl- pyridylammontumhydroxyd, HO . CH3 . NC5H5. Mehrere Alkaloide, wie Chinin, Morphin und StrychniH, können in den Harn übergehen. Nach Einnahme von Terpentinöl . Kopaiiahalsam und Harzen können Harzsäuren in dem Harne auftreten. In den Harn gehen auch Farbstoffe verschiedener Art, wie der Ki'appfarhsioff, die Crysophansäure nach Gebrauch von Rheura oder Senna, der Farhstoff der Heidelbeeren u. s. w. über. Nach Einnahme von llheum, Senna oder Santonin nimmt der Harn eine gelbe oder grünlich gelbe Farbe an, welche durch Alkalizusatz in eine schön rothe Farbe übergeht. Das Phenol ertheilt, wie schon oben erwähnt, dem Harne eine dunkelbraune oder schwarzgrüne Farbe, welche grösstentheils von Zersetzungsprodukten des Hydrochinons, aber auch von Huminsubstanzen herrühren dürfte. Nach Naphtalin-Gehiauch wird der Harn ebenfalls dunkel gefärbt, und es können auch mehrere andere ArzneistoiFe dem Harne eine be- sondere Färbung geben. So wird er z. B. von Kairin oft gelbgrün und dun- kelt an der Luft nach; von Thaliin wird er grünlich braun, in dünner Schicht deutlicher grün, und von Anlipyrin wird er gelb bis blutroth. Nach Einnahme von Kopaivahalsam wird der Harn, wenn man ihn mit Salzsäure stark an- säuert, allmählich rosa- und purpurroth. Nach dem Gebrauche von Naphtalin oder Naphtol giebt er mit konzentrirter Schwefelsäure (1 ccm konzentrirte Säure und einige Tropfen Harn) eine schön smaragdgrüne Farbe, welche wahrschein- lich von der Naphtolglukuronsäure herrührt. Riechende Stoffe gehen auch in den Harn über. Nach dem Genüsse von Spargeln erhält der Harn, einen 1) Badmann und Pkeusse, Zeitschr. f. physiol. Chem. 5; Jaffe, Bei. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 12. 2) Hls, Areh. f. exp. Path. u. Pharm. 22; COHN, Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. Eiweiss im Harne. 495 ekelhaft widrigen Geruch, der nach M. Nencki ') wahrscheinlich von Methyl- Dierkaptaii herrührt. Nach Einnahme von Terpentinöl kann der Harn einen eigenthümlicheu, veiichenähnlichen Geruch annehmen. VI. Pathologische Harnbestandtheile. Eiweiss. Das Auftreten geringer Spuren von Eiweiss im normalen Harne ist von vielen Forschern, wie Posner, Plösz, v. Noorden, Leube u. A. wieder- holt beobachtet worden. Nach K. Möener^) kommt Eiweiss regelmässig als normaler Harnbestandtheil, und zwar in Mengen von 22 — 78 mg im Liter vor. Sehr gewöhnlich ist es, in dem Harne Spuren einer mit dem Mucin leicht zu verwechselnden, nukleoalbuminähnlichen Substanz zu finden, deren Natur weiter unten näher besprochen werden soll. In krankhaften Zuständen kommt Eiweiss im Harne iu den verschiedensten Fällen vor, und diejenigen Eiweissstoöe, welche dabei besonders oft vorkommen, sind das Serumglobulin und das Serumalbumin. Zuweilen kommen auch Albumosen oder Peptone vor. Der Gehalt des Harnes an Eiweiss ist in den meisten Fällen kleiner als 5 p. m. ; verhältnissmässig selten ist er 10 p. m. und nur sehr selten beträgt er gegen 50 p. m. oder darüber. Unter den vielen, zum Nachweis von Eiweiss im Harne vorgeschlagenen Reaktionen mögen folgende hier Erwähnung finden. Die Kochprohe. Man filtrirt den Harn und prüft dann die Reaktion desselben. Ein saurer Harn kann in der Regel ohne weiteres gekocht werden, und nur bei besonders stark saurer Reaktion ist es nöthig, dieselbe erst mit Alkali ein wenig abzustumpfen. Einen alkalischeu Harn macht man vor dem Erhitzen neutral oder nur äusserst schwach sauer. Ist der Harn arm an Salzen, so setzt man ihm vor dem Aufkochen '/lo Vol. gesättigter Kochsalzlösung zu. Darauf erhitzt man zum Sieden, und wenn dabei keine Fällung, Trübung oder Opalescenz erscheint, so enthält der fragliche Harn kein koagulables Einweiss, kann aber Albumosen oder Peptone enthalten. Entsteht dagegen beim Sieden ein Niederschlag, so kann dieser aus Eiweiss oder aus Erdphosphaten oder aus beiden bestehen. Das einfach saure Calciumphosphat zersetzt sich nämlich beim Sieden und es kann normales Phosphat sich ausscheiden. Um einerseits eine Verwechselung mit den Erdphosphateu zu verhindern und andererseits um eine bessere, mehr flockige Ausscheidung des Eiweisses zu erzielen, muss mau nun der Harnprobe eine passende Menge Säure zusetzen. Verwendet man hierzu Essigsäure, so setzt man auf je 10 com Harn 1, 2 — 3 Tropfen einer 2öpro- zeutigen Säure zu und kocht nach Zusatz von jedem Tropfen wieder auf. Bei Anwendung von Salpetersäure muss man von einer 25 prozentigen Säure, je nach dem Eiweissgehalte, 1 — 2 Tropfen auf je 1 ccm des siedend heissen Harnes zusetzen. Bei Anwendung von Essigsäure kann, wenn der Gehalt an Eiweiss sehr gering ist, das letztere, besonders wenn der Harn ursprünglich alkalisch war, 1) Aich. f. e.\p. Patb. u. Pharm. 28. 2) Skaud. Arch. f. Physiol. 6 (Litteraturaugabeii). 496 Fünfzehntes Kapitel. bei Zusatz von der obigen Essigsäureraenge bisweilen in Lösung bleiben. Setzt man dagegen weniger Essigsäure zu, so läuft man Gefahr, dass ein in dem Die KoL'h- »rnphoter oder nur sehr schwach sauer reagirenden Harne entstandener, aus probe. Calciumphosphat bestehender Niederschlag nicht vollständig sich löst und zur Verwechselung mit einem Eiweissniederschlage Veranlassung geben kann. Ver- wendet man zu der Koehprobe Salpetersäure, so darf man nie übersehen, dass nach Zusatz von nur wenig Säure eine beim Sieden lösliche Verbindung zwischen ihr und dem Eiweisse entsteht, welche erst von überschüssiger Säure gefällt wird. Aus diesem Grunde muss die obige grössere Menge Salpetersäure zugesetzt werden, aber hierbei läuft man nun wiederum die Gefahr, dass kleine Eiweiss- mengen von der überschüssigen Säure gelöst werden können. Wenn man, was unbedingt nothwendig ist, die Säure erst nach vorhergegangenem Aufkochen zusetzt, so ist die Gefahr zwar nicht sehr gross, allein sie ist jedoch vorhanden. Schon aus diesen Gründen ist also die Kochprobe, welche zwar in der Hand des Geübteren sehr gute Dienste leistet, nie dem Arzte als alleinige Eiweiss- probe zu empfehlen. Eine Verwechselung mit Mucin, wenn solches vielleicht im Harne vor- kommt, würde bei der Kochprobe mit Essigsäure leicht dadurch zu vermeiden sein, dass man eine andere Probe bei Zimmertemperatur mit Essigsäure ansäuert. Es scheiden sich hierbei Mucin und mucinähnliche Nukleoalbuminsubstanzen Die Koch- aug_ Entsteht bei Ausführung der Kochprobe mit Salpetersäure der Nieder- schlag erst beim Erkalten oder wird er dabei merkbar vermehrt, so deutet dies auf die Gegenwart von Albumose in dem Harne, entweder allein oder mit koagulablem Ei weiss gemengt. In diesem Falle ist eine weitere Untersuchung nöthig (vergl. unten). In einem uratreichen Harne scheidet sich nach dem Er- kalten ein aus Harnsäure bestehender Niederschlag aus. Dieser Niederschlag ist jedoch gefärbt, körnig-sandig und kaum mit einer Albumose- oder Eiweiss- fällung zu verwechseln. Die HELLER'sc/(e ProJie führt man in der Weise aus (vergl. S. 2.")), dass man in einem Reagenzglase die Salpetersäure sehr vorsichtig mit dem zu prüfen- den Harne überschichtet, oder auch so, dass man erst den Harn in ein Reagenz- glas eingiesst und dann die Säure durch einen sehr spitz ausgezogenen, bis zum Boden reichenden Trichter sehr langsam zufliessen lässt. Bei Gegenwart von Eiweiss tritt dabei eine weisse Scheibe oder, wie man gewöhnlich sagt, ein weisser Ring oder jedenfalls eine scharf begrenzte Trübung an der Berührungs- stelle beider Flüssigkeiten auf. Bei der Ausführung dieser Probe erhält man „ .. regelmässig auch im normalen Harne einen von den Indigofarbstoffen herrührenden, sehe Probe, rotlien oder rothvioletten durchsichtigen Ring, welcher mit dem weissen oder weisslichen Eiweissriuge kaum verwechselt werden kann. In einem uratreichen Harne kann dagegen eine Verwechselung mit einem von ausgefällter Harnsäure herrührenden Ringe geschehen. Der Harnsäurering liegt jedoch nicht wie der Eiweissring immer an der Berührungsstelle beider Flüssigkeiten, sondern oft etwas höher. Aus diesem Grunde kann man auch in einem uratreichen und nicht zu viel Eiweiss enthaltenden Harne gleichzeitig zwei Ringe sehen. Die Verwechselung mit Harnsäure vermeidet man am einfachsten durch Verdünnung des Harnes, vor der Ausführung der Probe, mit 1 — 2 Vol. Wasser. Die Harn- säure bleibt nun in Lösung und die Empfindlichkeit der HELLER'schen Eiweiss- probe ist eine so grosse, dass nur bei Gegenwart von bedeutungslosen Eiweiss- spuren die Probe nach einer solchen Verdünnung negativ ausfällt. In einem an Harnstoff sehr reichen Harne kann auch eine ringförmige Ausscheidung von salpetersaurem Harnstoff auftreten. Dieser Ring besteht jedoch aus glitzern- Eiweiss im Haiiie. 497 den Kryställchen und er tritt in dem vorher mit Wasser verdüunten Harne nicht auf. Eine Verwechselung mit Harzsäuren, welche bei dieser Probe eben- falls einen weisslichen Ring geben, ist leicht zu vermeiden, denn die Harzsäuren sind in Aether löslich. Man rührt um, fügt Aether hinzu und schüttelt in einem Prohirröhrchen leise um. Bestand die Trübung aus Harzsäuren, so klärt sieh der Harn allmählich und der Aether hinterlässt beim Verdunsten einen aus Harzsäuren bestehenden, klebrigen Rückstand. Eine Flüssigkeit, welche echtes Mucin enthält, giebt bei der HELLER'.schen Probe keine Fällung, sondern Hciier'sche einen mehr oder weniger stark opalisirenden Ring, welcher beim Umrühren ver- Probe, schwindet. Die Flüssigkeit enthält nach dem Umrühren keine Fällung, sondern ist höchstens etwas opalisirend. Erhält man bei der HELLER'schen Probe in dem unverdünnten Harne erst nach einiger Zeit eine schwache, in'cht ganz typische Reaktion, während der mit Wasser verdünnte Harn fast sogleich eine deutliche Reaktion giebt, so deutet dies auf die Gegenwart der früher als Mucin oder Nukleoalbumin bezeichneten Substanz hin. In diesem Falle verfährt man wie unten, behufs des Nachweises von Nukleoalbumin, angegeben wird. Erinnert man sich der nun besprochenen möglichen Verwechselungen und der Art und Weise, wie sie vermieden werden können, so wird die leicht aus- führbare HELLER'sche Probe sehr zuverlässig und hinreichend empfindlich. Mit ihr können nämlich noch 0,002 p. c. Eiweiss ohne Schwierigkeit nachgewiesen werden. Indessen sollte man nie mit dieser Probe allein sich begnügen, son- dern immer mindestens noch eine andere, wie z. B. die Kochprobe, ausführen. Bei der Ausführung der HELLER'schen Probe werden auch die (primären) Albu- mosen gefällt. Die Bealäion mit Metaphosphorsäure (vergl. S. 25) ist sehr bequem Jietaphos- und leicht auszuführen. Sie ist aber nicht ganz so empfindlich und zuverlässig ^ prob"!^' wie die HELLER'sche Probe. Von dem Reagenze werden auch Albumosen gefällt. Die Reaktion mit Essigsäure und Ferrocyankalium. Mau versetzt den Harn mit Essigsäure bis zu etwa 2 p. c. und setzt dann tropfenweise eine Ferrocyankaliumlösung ( 1 : 20) mit Vermeidung eines Ueberschusses zu. Diese Probe ist sehr gut und in der Hand des geübten Chemikers sogar empfind- „. „ , lieber als die HELLER'sche. Bei Gegenwart von sehr kleinen Ei weissni engen mit Essig- erfordert sie jedoch mehr Uebung und Geschicklichkeit als diese, weil das Femcyan- relative Mengenverhältniss des Reagenzes, des Eiweisses und der Essigsäure auf Valium. das Resultat einwirkt. Auch der Salzgehalt des Harnes scheint nicht ohne Einfluss zu sein. Das Reagenz fällt auch die Albumosen. Reaktion von Spieglbr. Als besonders empfindliches Reagenz auf Eiweiss im Hanie empfiehlt Spiegler eine Lösung von 8 Theilen Quecksilberchlorid, 4 Theilen Weinsäure, 20 Theilen (ilycerin und 200 Theilen Wasser. Man füllt ein Probinöhrehen bis zui Hälfte mit Reaktion dem Reagenze und lässt den Harn aus einer Pipette Tropfen für Tropfen längs der Wand T"" des Röhrchens herabfliessen. Bei Gegenwart von Eiweiss tritt an der Berübrungsstelle beider '-'l"^S'®r. Flüssigkeiten ein weisser Ring auf. Die Empfindlichkcitsgrenze soll bei 1:350 000 liegen. Dieses Reagenz versagt indessen nach Jolles ') in sehr chlorarmen Harnen und aus dem Grunde hat er das Reagenz derart verändert, dass es aus 10 g Sublimat, 20 g Berusteinsäure, 10 g NaCl und 500 g Wasser besteht. Die Reaktion mit SulfoaaliejiUänre. Jtan setzt dem Harne entweder eine 20-prozentige, wässerige Lösung oder auch einige Krystalle der Säure zu. Das Reagenz soll weder die Reaktion Harnsäure noch die Harzsäuren fällen (Reaktion von ROCH"). von Roch. 1) Spiegler, Wiin. klin. Wodiensebr. 1892 u. Ceutialbl. f. kliu. Med. 1S'J3; .Tolles, Zeitscbr. f. physiol. Chem. 21. -') Pharmaceut. Centralhiüle 1889 und Zeitscbr. f. anal. Chem. 29. Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte AuflaKe. 32 498 Fünfzehntes Kapitel. Trockene Eiwei-ss- reageiizieu Da jeder normale Harn Spuren von Eiweiss enthält, ist es offenbar, dass Reagenzien von sehr grosser Empfindlichkeit nur mit Vorsicht gebraucht werden können. Für gewöhnliche Fälle dürfte auch die ÜELLEE'sche Probe genügend empfindlich sein. Wenn man nämlich mit dieser Probe innerhalb 2'/2 — 3 Minuten keine Reaktion erhält, so enthält der untersuchte Harn jedenfalls weniger als 0,003 p. c. Eiweiss und ist also in gewöhnlichem Sinne als eiweissfrei zu be- trachten. Die Anwendung der Fällungsreagenzien setzt voraus, dass der zu unter- suchende Harn, besonders bei Gegenwart von nur sehr wenig Eiweiss, ganz klar ist. Mau muss also den Harn zuerst filtriren. Dies gelingt nicht ohne weiteres mit bakterienhaltigem Harn; man kommt aber in solchen Fällen zum Ziele, wenn man nach dem Vorschlage von A. Jolles 'j den Harn zuvor mit Kieseiguhr schüttelt. Die verschiedenen Farhenreaktioneti können besonders in einem stärker gefärbten Harne, welcher nur wenig Eiweiss enthält, im Allgemeinen nicht direkt zur Verwendung kommen. Auf die MiLLON'sche Reaktion wirkt ausserdem das Kochsalz des Harnes störend ein. Dagegen kann man , um die Gegenwart von Eiweiss noch sicherer zu zeigen, den bei der Kochprobe erhaltenen, ab- filtrirten und ausgewaschenen Niederschlag mit dem MiLLON'schen Reagenze prüfen. Man kann auch den Niederschlag in verdünntem Alkali lösen und mit der Lösung die Biuretprobe anstellen. Mit dieser letztgenannten Probe prüft man jedoch auch den Harn direkt auf die Gegenwart von Albumosen oder Peptonen. Bei der Untersuchung des Harnes auf Eiweiss darf man übrigens nie mit einer Reaktion allein sich begnügen, sondern man muss wenigstens die Kochprobe einerseits und die HEi.LER'sche Probe oder die Ferrocyankaliumprobe andererseits ausführen. Bei Anwendung der Kochprobe allein kann man näm- lich leicht die Albumosen übersehen, welche dagegen mit der HELLER'pchen Probe oder der Ferrocyankaliumprobe entdeckt werden. Begnügt man sich dagegen mit einer dieser letzteren Proben allein, so findet man keine genügende Andeutung von der Art des vorhandenen Eiweisses, ob es aus Albumosen oder koagulablera Eiweiss oder aus beiden besteht. Für praktische Zwecke hat m.in mehrere trockene Eiweissreagenzien empfohlen. Ausser der Metaphosphorsäure sind unter diesen zu nennen : die STÜTZ'schen oder FÜRBRiNGER'sohen Gelatinekapseln, welche Quecksilberchlorid, Chlornatrium und Citronensäure enthalten, und das GElssLER'sche Eiweissreagenzpapier, welches aus Filtrirpapierstreifen besteht, welche theils mit einer Citronensäurelösung und theils mit Quecksilberchlorid- und Jodkaliumlösung ge- tränkt und dann getrocknet sind. Hat man durch die obigen Reagenzien von der Gegenwart von Eiweiss sich überzeugen können, so handelt es sich zunächst darum, zu zeigen, welcher Art das im Harn enthaltene Eiweiss ist. Der Nachweis von Globulin und Albumin. Zum Nachweis von Serum- globulin neutralisirt man den Harn genau, filtrirt und setzt Magnesiumsulfat in Substanz, bis zur vollständigen Sättigung bei Zimmertemperatur, oder auch das gleiche Volumen einer ge.^ättigten neutral reagirendeu Lösung von Am- moniumsulfat zu. In beiden Fällen entsteht bei Gegenwart von Globulin ein weisser, tloekiger Niederschlag. Bei Anwendung von Ammoniumsulfatlösung kann in einem uratreichen Harn ein aus Ammoniumurat bestehender Nieder- schlag sich ausscheiden. Dieser Niederschlag kommt jedoch nicht sogleich. I) Zeitschr. f. anal. Chem. 20. Albumosen im Harne. 499 sondern erst nach einiger Zeit zum Vorschein, und er dürfte wohl kaum mit einem Globulinniederschlage verwechselt werden können. Zum Nachweis des Serumalbumins erhitzt man das vom Globulinniederschlage getrennte Filtrat zum Sieden oder setzt ihm bei Zimmertemperatur gegen 1 p. e. Essigsäure zu. Albumosen und Peptone sind angeblich wiederholt im Harne bei ver- schiedenen Krankheiten gefunden worden. Ueber das Auftreten von Albumosen und°Pep-" liegen unzweifelhaft ganz sichere Beobachtungen vor. Die Angaben über das '°"°- Auftreten von Peptonen ^) stammen dagegen zum Theil von einer Zeit her, wo man noch die Begriffe Albumosen und Peptone anders als gegenwärtig auf- fasste, und theils basiren sie auf nach unzureichenden Methoden ausgeführten Untersuchungen. Echtes Pepton hat man indessen, wie es scheint, bisher noch nie im Harne nachgewiesen und was man bisher als Harnpepton bezeichnet hat, dürfte wohl in der Hauptsache Deuteroalbumose gewesen sein. Zum Nachweis der Albumosen kann man den eiweissfreien, bezw. durch Sieden unter Essigsäurezusatz enteiweissten Harn mit Ammoniumsulfat sättigen, wobei die Albumosen gefällt werden. Hierbei machen sich indessen mehrere Fehler- quellen geltend. Das Urobilin, welches eine biuretähnliche Reaktion geben kann, wird hierbei auch niedergeschlagen, was zur Täuschung Veranlassung geben kann (Salkowski, Stokvis''). Es können ferner bei der Koagulation Nachweis des Eiweisses kleine Mengen davon in Lösung bleiben, die dann von dem Aibuniosen. Sulfate ausgefällt und mit Albumose verwechselt werden. Das koagulable Ei- weiss kann man allerdings durch Sättigung mit Ammoniumsulfat im Sieden vollständig ausfällen; wenn man aber nach dem Verfahren von DeVOTo^). längere Zeit mit dem Salze erhitzt, können dabei kleine Mengen von Albumosen aus dem Eiweiss entstehen. Bei kurzdauerndem Erhitzen findet dagegen keine solche Albumosebildung statt, das Eiweiss wird aber vollständig koagulirt. Auf Grund dieser Erfahrung hat Bang'') folgendes Verfahren zum Nach- weis von Albumosen auch bei Gegenwart von koagulablem Eiweiss angegeben. Der Harn wird mit Ammoniumsulfat, 8 Theile auf je 10 Theile Harn, zum Sieden erhitzt und einige Sekunden gekocht. Die noch heisse Flüssigkeit wird '^/a bis 1 Minute centrifugirt und von dem Bodensätze getrennt. Aus dem letzteren wird das Urobilin durch Extraktion mit Alkohol entfernt. Den Rückstand schlemmt man in wenig Wasser auf, erhitzt zum Sieden, filtrirt, wobei das von Bang, koagulirte Eiweiss zurückbleibt, und entfernt aus dem Filtrate noch etwa vor- handenes Urobilin durch Schütteln mit Chloroform. Die wässerige Lösung wird nach dem Abpipettiren des Chloroforms zu der Biuretprobe verwendet. Für klinische Zwecke ist dieses Verfahren sehr brauchbar. Bezüglich auderer, mehr umständlicher Methoden wird auf das Werk von Huppeet-Neubauer hingewiesen. Hat man aus einer grösseren Harnportion die Albumosen mit Am- moniumsulfat niedergeschlagen, so wird der Niederschlag nach den in Kap. 2 angegebenen Gründen auf die Gegenwart verschiedener Albumosen untersucht. 1) Hinsichtlich der Litteratui- über Albumosen und Peptone im Hanic vergl. mau: Hdppert-Neubaüer, Harnanalyse. 10. Aufl. S. 466—492. A. Stoffregen, Ueber das Vor- kommen von Pepton im Harn etc. Inaug.-Diss. Dorpat 1891 ; H. Hirschfeldt, Ein Beitrag zur Frage der Peptonurie. Inaug.-Diss. Dorpat 1892, und besonders Stadelmann, Unter- suchungen über die Peptonurie. (Verlag Ton Bergmann, AViesljaden.) 1894. ■i) Salkowski, Berlin, klin. Woclienschr. 1897. Stokvis, Zeitschr. f. Blulcgie 34. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 15. 4) Deutsch, med. Wnchenschr. 1898. 32* 500 Fünfzehntes Kapitel. Zur vorläufigen Orientirung über die Art der im Harne vorhandenen Albuniosen diene Folgendes. Wenn der Harn nur Deuteroalbumose enthält, so wird er beim Sieden nicht getrübt, giebt nicht die HELLER'sche Probe, wird beim Sät- tigen mit NaCl nicht bei neutraler Reaktion, wohl aber nach Zusatz von salz- gesättigter Essigsäure getrübt. Bei Gegenwart von nur Protalbumose giebt der Harn die HELLER'sche Probe, wird beim Sättigen mit NaCl schon bei neutraler Reaktion gefällt, gerinnt aber beim Sieden nicht. Bei Anwesenheit von Hetero- Prufung auf albuniose verhält sich der Harn dem NaCl und der Salpetersäure gegenüber Aibumosen. j^^ derselben Weise, zeigt aber beim Erhitzen ein abweichendes Verhalten. Er trübt sich nämlich beim Erwärmen und scheidet bei etwa 60" einen an der Wand des Glases klebenden Niederschlag, welcher bei saurer Reaktion des Harnes in der Siedehitze sich löst und beim Erkalten wieder auftritt. Quantitative Bestiimmmg des Eiiveisses im Harne. Unter allen bisher vorgeschlagenen Methoden giebt die Koagulationsmethode (Sieden unter Essigsäurezusatz), wenn sie mit genügender Sorgfalt ausgeführt wird, die besten Resultate. Der durchschnittliche Fehler braucht nicht mehr als 0,01 p. c. zu betragen und er ist regelmässig kleiner. Bei Anwendung dieser Methode ver- fährt man am besten so, dass man erst in kleineren, abgemessenen Harnportionen Quanti- jjjg ]\ienee Essigsäure bestimmt, welche dem vorher im Wasserbade erhitzten tative rie- od 7 ^ _ Stimmung Harne zugesetzt werden muss, damit die Ausscheidung des Eiweisses so voll- sammt- ständig werde, dass das Filtrat mit der HELLEB'schen Probe keine Eiweiss- ciweisses. j-eaktion giebt. Darauf koagulirt man 20- — 5U — 100 ccm Harn in einem Becher- glase im Wasserbade, setzt dann allmählich und unter Umrühren die berechnete Menge Essigsäure zu und erhitzt noch einige Zeit. Dann filtrirt man warm, wäscht erst mit Wasser, darauf mit Alkohol und Aether aus, trocknet, wägt, äschert ein und wägt von Neuem. Bei richtigem Arbeiten darf das Filtrat keine Reaktion mit der HELLER'schen Probe geben. Zur getrennten Bestimmung des Globulins und Albumins neu- tralisirt man den Harn genau und fällt ihn mit MgSO^ zur Sättigung (Verf.) oder, noch einfacher, mit dem gleichen Volumen gesättigter, neutral reagiren- der Ammoniumsulfatlösung (Hofmeister und Pohl^). Den aus Globulin be- Getrennte stehenden Niederschlag wäscht man vollständig mit gesättigter Magnesiumsulfat-, unglies' bezw. halbgesättigter Ammoniumsulfatlösung aus, trocknet ihn anhaltend bei Globulins 110" C, kocht ihn mit Wasser aus, extrahirt mit Alkohol und Aether, trocknet, Albumins, wägt, äschert ein und wägt nochmals. Die Menge des Albumins berechnet man aus der Differenz zwischen der Menge des Globulins und des Gesammt- eiweisses. Approximative Bestimmung des Eiiveisses im Harne. Unter den zu diesem Zwecke vorgeschlagenen Methoden hat besonders die Methode Esbach's grosse Verwendung gefunden. Die Methode von Esbach ^) besteht darin, dass man in ein besonders gradirtes Reagenzrohr den sauer reagirenden, bezw. mit Essigsäure angesäuerten Harn bis zu einer bestimmten Marke giesst, dann bis zu einer zweiten Marke die Reagenzlösung {eine Lösung von 2 p. c. Citronensäure und 1 p. c. Pikrin- Esbadis säure in Wasser) zusetzt, das Rohr mit einem Kautschukstopfen schliesst und den Methode. Inhalt vorsichtig ohne Schaumbildung umschüttelt. Man lässt nun das Rohr 1) Hammaksten, Pflüger's Aich. 17; Hofmeister und Pohl, Aicli. f. exp. Path. II. Pharm. 20. ^) Hinsichtlich der Littcratur über diese Methode und der zahlreichen Untersuchungen über den AVei-th derselben versl. man Hdppeet-Neubadek, 10. Aufl. S. 853. Eiweissbestimmung. Nukleoalbumin. 501 24 Stunden bei Seite stehen und liest nach dieser Zeit die Höhe des Nieder- schlages in dem gradirten Rohre ab. Die abgelesene Zahl giebt direkt die Ei- weissmenge in 1000 Theilen Harn an. Eiweissreicher Harn muss erst mit Wasser verdünnt werden. Die nach dieser Methode erhaltenen Zahlen sind jedoch von der Temperatur abhängig, und eine Temperaturdifferenz von 5 bis 6,5" C. kann bei einem mittleren Eiweissgehalte einen Fehler von 0,2 — 0,3 p. c. Eiweiss zu wenig oder zu viel im Harne bedingen (Chrlstensen und Mygge'). Diese Methode ist also nur brauchbar, wenn man über ein Zimmer zu verfügen hat, in welchem die Temperatur ziemlich konstaut gehalten werden kann. Dem Apparate ist eine Gebrauchsanweisung beigelegt. Andere Methoden zui' approximativen Eiweissbestimmung sind ilie optische Methode von Christensen und Mtgoe, die von Roberts und Stolnikow angegebene, von Br.\ndberg weiter ausgearbeitete Methode mit der HELLER'sehen Probe, welche Methode von Mittelbach Approiima- für praktische Zwecke noch weiter vereinfacht worden ist, und die densimetrische .Methode 3*^^^" von Lang, Hüppert und Zahor. Hinsichtlich dieser und anderer Methoden wird auf das Werk von Huppert-Neübauer hingewiesen. Eine ganz zuverlässige Methode zur quantitativen Bestimmung der .Vlljumosen und Peptone im Harne giebt es gegenwärtig nicht. Nukleoalbumin und Mticin. Nach K. Mörner kann von dem Harn- mukoide Spuren in den Harn in Lösung übergehen; aber sonst enthält der normale Harn kein Mucin. Dass es Fälle giebt, wo wahres Mucin in dem Harne auftreten kann, ist kaum zu bezweifeln ; in den meisten Fällen hat man Nnkieo- ' ' albomui uua wohl aber Mucin und sogenanntes Nukleoalbumin verwechselt. Das Vorkommen Mucin. unter Umständen von Nukleoalbumin im Harne lässt sich ebenfalls nicht in Abrede stellen, indem nämlich in den Nieren und Harnwegen solche Substanzen vorkommen ; in den meisten Fällen dürfte wohl aber das sogenannte Nukleo- albumin, wie K. Mörner-) gezeigt hat, ganz anderer Art sein. Nach Mörner enthält jeder Harn ein wenig Eiweiss und daneben auch eiweissfällende Substanzen. Wenn man den durch Dialyse von Salzen befreiten Harn nach Zusatz von 1 — 2 p. m. Essigsäure mit Chloroform schüttelt, so erhält man einen Niederschlag, der wie ein Nukleoalbumin sich verhält. Wird j,;^gjgg_ das saure Filtrat mit Serumeiweiss versetzt, so kann man wegen der Anwesen- g^^^[«o^«^ heit eines Restes von eiweissfällenden Substanzen einen neuen, ähnlichen Nieder- "" Hame. schlag erhalten. Die wichtigste unter den eiweissfällenden Substanzen ist die Chondroitin schwefelsaure; in viel geringerer Menge kommt Nukleinsäure vor. Taurocholsäure kann auch in einzelnen Fällen, besonders im ikterischen Harne in den Niederschlag übergehen. Die von verschiedeneu Forschern durch Essig- säurezusatz aus dem Harne isolirten als „aufgelöstes Mucin" oder „Nukleo- albumin" bezeichneten Substanzen sind also nach Mörner als Verbindungen von Eiweiss mit hauptsächlich Chondroitinschwefelsäure, in viel geringerem Grade mit Nukleinsäure und bisweilen vielleicht auch mit Taurocholsäure anzusehen. Da der normale Harn regelmässig einen Ueberschuss an eiweissfällender Substanz enthält, ist es offenbar, dass eine vermehrte Ausscheidung von so- genanntem Nukleoalbumin einfach durch eine vermehrte Eiweissausscheidung zu 1) Christessex, Virchow's .\rcb. 115. ä) Skand. Areh. f. Physiol. 6. 502 Fünfzehntes Kapitel. Nachweis des sog. >fukleo- albumins. Stande kommen kann. In noch höherem Grade muss dies aber der Fall sein, wenn sowohl das Eiweiss wie die eiweissfällenden Substanzen in vermehrter Menge ausgeschieden werden. Nachiveis des sogenannten Nukleoalbuniins. Wenn ein Harn nach Zu- satz von Essigsäure opalisirend, trübe oder sogar gefällt wird, wie auch wenn er nach dem Verdiinnen mit Wasser eine mehr typische HELLER'sche Eiweiss- reaktion als der unverdünnte Harn giebt, hat man Veranlassung eine Unter- suchung auf Mucin und Nukleoalbumin zu machen. Da die Salze des Harnes die Ausfällung der fraglichen Substanzen durch Essigsäurezusatz sehr erschweren, muss man sie durch Dialj-se zuerst entfernen. Man unterwirft deshalb eine möglichst grosse Menge Harn der Dialyse (unter Zusatz von Chloroform) bis die Salze entfernt worden sind. Darauf setzt man Essigsäure bis zu etwa 2 p. m. hinzu und lässt stehen. Der Niederschlag wird in Wasser mit mög- lichst wenig Alkali gelöst und von Neuem gefällt. Zur Prüfung auf Chon- dro'itinschwefelsäure wird ein Theil längere Zeit im Wasserbade mit etwa 5 p. c. Salzsäure erwärmt. Erhält man dabei positives Resultat bei Prüfung auf Schwefelsäure und reduzireude Substanz, so war Chondroproteid vorhanden. Kann man eine reduzirende Substanz, aber keine Schwefelsäure nachweisen, .so liegt wahrscheinlich Mucin vor. Erhält man weder Schwefelsäure noch redu- zirende Substanz, so wird ein Theil des Niederschlages der Pepsinverdauung unterworfen und ein anderer Theil zur Bestimmung etwa organisch gebundenen Phosphors verwendet. Fallen diese Proben positiv aus, so muss man zur Unter- scheidung zwischen Nukleoalbumin und Nukleoproteid eine besondere Unter- suchung auf Nukleinbasen machen. Dies ist der schematische Gang der Unter- suchung. Ein sicherer Entscheid kann aber nur durch Verarbeitung von sehr grossen Harnmengen erreicht werden. ynkleohiston. In einem Falle von Pseudoleukämle fand A. JOLLES eine phosphorhaltige Prote'insubstanz, die er iüs mit dem Nukleohiston identiscli betrachtet. Hislon soll auch an- geblich in einigen Fällen von Krehl und JlATTHES und von KowsCH und Bdkian") ge- funden worden sein. Blut uud Blutfarbstoff. Durch Blutungen in den Nieren oder irgendwo in den Harnwegen kann der Harn bluthaltig werden (Hämaturie). In diesen Fällen ist der Harn, wenn die Blutmenge nicht sehr gering ist, mehr oder weniger stark getrübt, von röthlicher, gelbrother, schmutzig rother, braunrother oder schwarzbrauner Farbe. Bei frischen Blutungen, bei welchen das Blut sich noch nicht zersetzt hat, ist die Farbe mehr blutroth. In dem Sedimente findet man Blutkörperchen, bisweilen auch Blutcylinder und kleinere oder grössere Blutgerinnsel. In gewissen Fällen enthält der Harn keine Blutkörperchen sondern nur gelösten Blutfarbstofi, Hämoglobin, oder, und zwar sehr häufig, Methämoglobin (Hämoglobinurie). Blutfarbstoff kommt unter den verschiedensten Verhält- nissen, wie bei Blutdissolution, bei Vergiftungen mit Arsenwasserstoff, Chloraten u. a., nach schweren Verbrennungen, nach Bluttransfusionen wie auch bei perio- discher, mit Fieber auftretender Hämoglobinurie im Harne vor. Bei der Hämo- globinurie kann im Harne auch ein reichliches, graubraunes, eiweissreiches Sedi- 1) JOLLES, Ber. d. deutsch, cheui. GoseUsch. 30; Kkehl und Matthes, Deutsch. Arch. f. kliu. Med. 54; KOLISCU und Bdkian, Zeitschr. f. kVm. Med. 29. Blut im Harae. 503 ment vorkommen, welches Reste der Stromata der reihen Blutkörperchen enthält. Bei Thiereu kann man Hämoglobinurie durch eine Menge von EingriSen her- vorrufen, durch welche freies Hämoglobin in das Plasma übertritt. Zur Erkennung des Blutes im Harne bedient man sich des M i k r o- skopes, des Spektroskopes, der Guajakprobe und der HELLER'schen oder HELLEE-TEiCHMANs'schen Probe. MikrosJcopische Untersuchung. ■ Im sauren Harne können die Blutkörper- chen lange ungelöst bleiben ; in alkalischem werden sie dagegen leicht verändert und gelöst. In dem Sedimente findet man sie oft scheinbar ganz unverändert, yj^^^^^, in anderen Fällen dagegen gequollen und in anderen wiederum von unregel- ^^p^,^^®^^ massiger gezackter und gekerbter oder stechapfelähnlicher Form. Bei Nieren- ""s- blutungeu fiudet man zuweilen in dem Sedimente c}'linderförmige Gerinnsel, welche mit zahlreichen rothen Blutkörperchen besetzte Abgüsse der Harnkanäl- clien darstellen. Diese Gebilde nennt man Blutcylinder. Die speldrosliopische Untersuchumj ist selbstverständlich von sehr hohem Werthe; und wenn es sich darum handelt, nicht nur Blutfarbstoff überhaupt Spektro- ekopische nachzuweisen, sondern auch die Art des vorhandenen Farbstoffes zu ernntteln Untersuch- ung, so ist sie nicht zu entbehren. Bezüglich des optischen Verhaltens der verschie- denen Blutfarbstoffe wird auf das Kap. 6 verwiesen. Die GiiajaJtjjrohe. In einem Reagenzrohre mischt man gleiche Volumina Guajaktinktur und alten Terpentinöles, welches an der Luft unter dem Einflüsse des Lichtes stark ozonhaltig geworden ist. Zu diesem Gemenge, welches nicht die geringste Blaufärbung zeigen darf, setzt man dann den zu untersuchenden Harn. Bei Gegenwart von Blut oder Blutfarbstoff tritt nun an der Berührungs- stelle der Flüssigkeiten erst ein blaugrüner und dann ein schön blauer Ring auf. Beim Umschütteln wird das Gemenge mehr oder weniger schön blau. Nor- maler oder eiweissreicher Harn giebt diese Reaktion (bezüglich deren Ursache auf das Kap. 6, S. 143 verwiesen wird) nicht. Bei Gegenwart von Eiter kann der Harn, auch wenn kein Blut zugegen ist, mit dem Reagenze eine blaue Farbe geben; in diesem Falle wird aber die Guajaktinktur allein, ohne Ter- Die Guajak- 7 ,. .... probe. pentinöl, von dem Harne blau gefärbt (Vitali '). Dies gilt wenigstens für eine Tinktur, welche einige Zeit der Einwirkung der Luft und des Tageslichtes aus- gesetzt gewesen ist. Die bläuende Wirkung des Eiters geht übrigens, zum Unterschied von derjenigen des Blutfarbstofl'es, verloren, wenn man den Harn zum Sieden erhitzt. Einen in Zersetzung begriffenen, alkalischen Harn muss man vor Ä.usführung der Reaktion schwach ansäuern. Das Terpentinöl soll im Tageslichte, die Guajaktinktur dagegen in einer Flasche von dunklem Glase aufbewahrt werden. Die Brauchbarkeit der Reagenzien muss übrigens mit einer bluthaltigen Flüssigkeit koutrollirt werden. Diese Probe ist zwar bei positivem Erfolge nicht ab.solut entscheidend, weil auch andere Stoffe eine Blaufärbung erzeugen können ; dagegen ist sie bei richtigem Arbeiten so ausserordentlich >) Vergl. Malv's Jaluesljcr. 18. 504 Fünfzehntos Kapitel. Die Heller- Teichmaim*- sche Probe Hrimato- porphyrin empfindlich, dass, wenn sie negativ ausfällt, jede andere Untersuchung auf Blut überflüssig und resultatlos wird. Die HELi-EE-TEiCHMANN'sche Probe. Erhitzt man einen bluthaltigen, neutralen oder schwach sauren Harn zum Sieden, so erhält man stets einen aus Eiweiss und Hämatin bestehenden, missfarbigen Niederschlag. Setzt man nun der siedend heissen Probe Natronlauge zu, so klärt sich die Flüssigkeit, wird in dünnerer Schicht grün (von Hämatinalkali) und setzt einen neuen, rothen, bei auffallendem Licht in Grün spielenden Niederschlag ab, welcher aus Erdphosphaten und Hämatin besteht. Diese Reaktion nennt man die HELLER'sche Blutprobe. Sammelt man nach einiger Zeit den Niederschlag auf einem kleinen Filtrum, so kann man ihn zu der Häminprobe verwenden (vergl. S. 151). Sollte der Niederschlag neben grösseren Mengen Erdphosphaten nur wenig Blutfarb- stoff enthalten, so wäscht man ihn mit verdünnter Essigsäure aus, von welcher die Erdphosphate gelöst werden, und verwendet das Ungelöste zur Darstellung der TEiCHMANs'schen Häminkrystalle. Sollte umgekehrt die Menge der Phos- phate sehr klein sein, so setzt man erst dem Harne ein wenig CaCIg-Lösung zu, erhitzt zum Sieden und fügt gleichzeitig mit der Natronlauge etwas Natrium- phosphatlüsung hinzu. Bei Gegenwart von nur sehr kleinen Blutmengen macht man erst den Harn durch Ammouiakzusatz sehr schwach alkalisch, setzt Gerb- säure zu, säuert mit Essigsäure an und verwendet den Niederschlag zur Dar- stellung von Häminkry-stallen (Steuve^j. lliiniatoporiihyrin. Nachdem das Auftreten von Hämatoporphyrin im Harne bei verschiedenen Krankheiten von mehreren Forschern, wie Neusser, Stokvis, Mac Munn, Le Nobel, Ru-ssel, Copeman u. A.^) sehr wahrscheinlich gemacht worden war, wurde das Vorkommen dieses Farbstoffes im Harne nach Sulfonalintoxikation von Salkowski ganz sicher dargethan. In reinem, kry- stallisirtem Zustande wurde er zuerst vom Verf.^) aus den Harnen geisteskranker Frauen nach anhaltendem Gebrauche von Sulfonal isolirt. Nach Garrod und Saillet*) kommen Spuren von Hämatoporphyrin (Saillet's Urospektriu) regel- mässig im Harne vor. Es findet sich auch im Harne bei verschiedenen Krank- heiten, wenn auch meistens in nur geringer Menge. Besonders reichlich hat man es im Harne nach andauerndem Gebrauche von Sulfonal gefunden. Der hämatoporphyrinhaltige Harn ist bisweilen nur wenig gefärbt, während er in anderen Fällen, wie z. B. nach dem Gebrauche von Sulfonal, eine mehr oder weniger dunkelrothe Farbe hat. Die Farbe rührt in diesen letztgenannten Fällen zum grössten Theil nicht von Hämatoporphyrin, sondern von anderen rothen und rothbrauneu, noch nicht genügend studirten Pigmenten her. Zum Nachweis von kleinen Hämatoporphyrinmengen verfährt man am besten nach Garrod. Man fällt den Harn mit NaOH-Lösung von 10 p. c. (20 ccm auf je 100 ccm Harn). Der farbstoffhaltige Phosphatniederschlag wird 1) Zeitschr. f. anal. Chem. 11. 2) Ein sehr vollständiges Verzeichniss der Litteratur über Hämatoporphyrin im Harne findet man bei ß. ZoJA, Su qualche pigniento dl alciine urine etc. In: Arch. Itnl. di clin. med. 1893. 3) Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 15; Hammaksten, Skand. Arch. f. Physiol. 3. ■t) Garrod, Journ. of Physiol. 13 (gute Litteraturübersicht) und 17; Saillet, Kevue de medcc. 16. Hämatoporphyrin. Andere Farbstoife. 505 in salzsäurehaltigem Alkohol gelöst (15 — 20 ccm) und die Lösung mit dem Spektroskope untersucht. Behufs genauerer Untersuchung macht man alkalisch mit Ammoniak, setzt darauf Essigsäure bis zur Lösung des Phosphatnieder- schlages hinzu, schüttelt darauf mit Chloroform, welches den Farbstoff' aufnimmt, und prüft wiederum mit dem Spektroskope. Bei Gegenwart von grösseren Hämatoporphyrinmengen kann man erst den Harn nach Salkowski mit alkalischer Ciilorbaryumlösung (einem Gemische von gleichen Volumina kaltgesättigter Barythydratlösung und lOprozentiger Chlor- baryumlösung) oder nach Verf. i) mit Baryumacetlösung fällen. Den gewascheneu Niederschlag, welcher das Hämatoporphyrin entliält, lässt man einige Zeit bei Nachweis Zimmertemperatur mit Salzsäure- oder schwefelsäurehaltigera Alkohol stehen und '''^*' '?*'"?'?' filtrirt dann. Das Filtrat zeigt das charakteristische Spektrum des Hämatopor- phyrins in saurer Lösung und giebt nach Uebersättigen mit Ammoniak das Spektrum des alkalischen Hämatoporphyrins. Mischt man den alkoholischen Auszug mit Chloroform, fügt eine grössere Menge Wasser hinzu und schüttelt leise, so erhält man bisweilen eine untere Chloroformschicht, die sehr reines Hämatoporphyrin enthält, während die obenstehende alkoholisch-wässerige Schicht die anderen Farbstoffe neben etwas Hämatoporphyrin enthält. Andere Methoden, die indessen lieinen Vorzug vor derjenigen von Garkod haben, sind von Riva und Zoja sowie von Saillet") angegeben worden. In einem Falle von Lepra fand Baumstark^) im Harne zwei woldeharakterisirte Farb- stoffe, das ,,Urorubrohämatin" und das ,,Urofuscohämatin", welche, wie die Namen anzeigen, in naher Beziehung zu dem Blutfarbstoffe zu stehen scheinen. Das eisenhaltige Urorubro- Urorubro- hämatin, CegHgjNsFaOoj, zeigt in saurer Lösung einen Absorptionsstreifen vor D und einen hämatin und breiteren hinter D. In alkalischer Lösung zeigt es vier Streifen, hinter D, bei E, hinter F Urofusco- und hinter O. Es ist weder in Wasser, noch in Alkohol, Aether oder Chloroform löslieh. '''"°*''°- Mit Alkalien giebt es eine schöne braunrothe, nicht dichroitische Flüssigkeit Das eisenfreie Urofuscohämalin, Cßs^ioa^sOie, zeigt kein charakteristisches Spektrum ; es löst sich in Alkalien mit brauner Farbe. Ob diese zwei Farbstoffe in irgend welcher Beziehung zu dem (unreinen) Hämatoporphyrin stehen, muss dahingestellt sein. Melanin, Bei Gegenwart von melanotischen Geschwülsten werden bisweilen dunkle Farbstoffe mit dem Harne ausgeschieden. Aus solchem Harne hat K. MÖRNER zwei Farb- stoffe isolirt, von denen der eine in warmer Essigsäure von 50 — 75 p. c. löslich, der andere J(g[^^^^ im dagegen unlöslich war. Der eine Farbstoff scheint Phymalorhusin gewesen zu sein (vgl. Kap. 16). Harne. Gewöhnlicher ist es vielleicht, dass der Harn kein fertiges Melanin, sondern ein Chromogen desselben, ein Melanogcn, enthält. In solchen Fällen giebt der Harn die ElSELx'sche Eeaktion, d. h. er wird von Oxydationsmitteln , wie konzentrirter Salpetersäure , Kaliumbichromat und Schwefelsäure sowie von freier Schwefelsäure, dunkel gefärbt. Melanin- oder melanogenhaltiger Harn färbt sich mit Eiscnchloridlösung schwarz (v. JAKSCH*). Ul'orosein hat Nencki*) einen bei verschiedenen Krankheiten auftretenden Harnfarb- stoff, welcher kein regelmässiger Bestandtheil des normalen Harnes ist, genannt. Der Farbstoli' ist im Harne nicht präformirt vorhanden, sondern kommt erst nach Zusatz von einer Mineral- säure zum Vorschein. Er ist leicht löslich in ^Vasser, verdünnten Mineralsäuren, Aethyl- und Amylalkohol. Namentlich von letzterem wird er beim Schütteln des sauren Harnes damit aufgenommen. Zum Unterschied von Indigoroth diene Folgendes. Alkalien entfärben sogleich eine Lösung von Urorosein, nicht aber eine Lösung von Indigoroth. Das Urorosein wird aus uioroseln amylalkoholischer Lösung beim Schütteln mit verdünntem Alkali aufgenommen, letzteres nicht. Schüttelt man den angesäuerten Harn mit Cliloroform, so wird das Indigoroth, nicht aber das Urorosein davon aufgenommen. Das Urorosein wird im Lichte bald zerstört und es zeigt einen scharf begrenzten Absorptionsstreifen zwischen D u. ß. Der in einem skatoxyl reichen Harn 1) S.^LKOWSKI 1. c, HAMMARSTEN I. C. 2) Riva und Zoja, Maly's Jahresber. 24; Saillet 1. c. ■i) Pflüger's Arch. 9. •1) K. MÖRNEB, Zeitschr. f. physiol. Chcm. 11; v. .Iaksch, ebenda 13. 5) Nen'CKI und SiEBKR, .Tüuni. f. prakt. Ghcni. (X. F.) 26. "(03 Fünfzehntes Kapitel. nach Salzsämezusatz auftretende rothe Farbstoff ist zum Unterschied von dem Urorosein un- löslich in Wasser aber leicht löslich in Aether und Chloroform. EitPr kommt im Harne bei verschiedenen entzündlichen Affektionen, be- Eiter im sonders aber beim Katarrh der Harnblase und bei Entzündungen des Nieren- beckens oder der Harnröhre vor. Der Nachneis des Eiters geschieht am einfachsten mit dem Mikroskope. Im alkalischen Harne werden jedoch die Eiterzellen ziemlich leicht zerstört. Zum Nachweis des Eiters bedient man sich auch der DoNNE'schen Eiterprobe, Die Donne'- welche auf folgende Weise ausgeführt wird. Man giesst den Harn möglichst probe, vollständig von dem Sedinieute ab, legt in letzteres ein Stückchen Aetzkali ein und rührt um. Wenn die Eiterkörperchen nicht schon vorher wesentlich verändert worden sind, verwandelt sich das Sediment dabei in eine.'tark schleimige, zähe Masse. Im alkalischen Harne quellen die Eiterkörperchen stark, lösen sich auf oder werden jedenfalls so verändert, dass sie nicht mit dem Mikroskope zu er- kennen sind. Der Harn ist in diesen Fällen mehr oder weniger schleimig, fadenziehend und er wird von Essigsäure grobflockig gefällt, so dass eine Ver- „ , wechselung mit Muein möglich wird. Die nähere Untersuchung des mit Essig- des Eiters, säure erhaltenen Niederschlages und besonders das Auftreten resp. Nichtauftreten einer reduzirenden Substanz nach dem Sieden desselben mit einer Miueralsäure geben Aufschluss über die Natur der fällbaren Substanz. Eiterhaitiger Harn ist stets eiweisshaltig. GalleiisäiireM. Die Angaben über das Vorkommen von Gallensäuren im Harne unter physiologischen Verhältnissen sind streitig. Nach Deagendorff und HöNE sollen Spuren von solchen im normalen Harne vorkommen; nach Galleu- Mackay und Udeanszky und K. Mörnee ') dagegen nicht. Pathologisch kommen sie im Harne bei bepatogenem Ikterus, obwohl nicht immer, vor. Nachweis der GaUeiisänreii im Harne. Die entscheidende Reaktion ist immer die PETXENKOFEE'sche Probe; da aber auch andere Stoffe eine ähnliche Farbenreaktion geben, muss man wenn nöthig auch die spektroskopische Unter- suchung zu Hilfe nehmen. Den Harn direkt auf die Gegenwart von Gallen- säuren zu prüfen, gelingt zwar leicht nach absichtlichem Zusatz von selbst der'Gaiitn- Spuren von Galle zum normalen Harne. In gefärbtem ikterischem Harne ist säuren, dagegen ein solcher direkter Nachweis eine sehr missliche Aufgabe und man muss deshalb auch immer die Gallensäuren aus dem Harne zu isoliren ver- suchen. Dies kann nach der folgenden, hier nur unwesentlich geänderten Methode von Hoppe-Seyler geschehen. Die Methode Hoppe-Seyler's. Man konzentrirt den Harn stark und extrahirt den Rückstand mit starkem Alkohol. Das Filtrat wird durch Ver- dunsten von dem Alkohol befreit und darauf mit Bleiessig und Ammoniak ge- fällt. Den ausgewaschenen Niederschlag behandelt man mit siedendem Alkohol, filtrirt heiss, setzt dem Filtrate einige Tropfen Sodalösung zu und verdunstet zur Trockne. Den trockenen Rückstand extrahirt man mit absolutem Alkohol, filtrirt und setzt Aether im Ueberschuss hinzu. Mit dem aus gallensauren Alkalien bestehenden amorphen oder nach längerer Zeit krj'stallinischen Nieder- schlage stellt man zuletzt die PETTENKOFER'sche Probe an. (»allenfarbstoffe kommen im Harne bei den verschiedenen Formen von Ikterus vor. Ein gallenfarbstoffhaltiger Harn ist stets abnorm gefärbt, gelb, gelbbraun, gesättigt braun, rolhbraun, grünlich gelb, grünlich braun oder fast rein 1) Cit. nach Nedbaüek-IIcpfekt. 10. Aufl. S. 229. Kachweis der Gallenfarbstoffe. 507 grüD. Beim Schütteln schäumt er, und die Blasen sind deutlich gelb oder gelb- lich grün gefärbt. In der Regel ist der ikterische Harn etwas trübe, und das Sediment ist häufig, besonders wenn es Epithelzellen enthält, von Gallenfarb- *^*^^°^*^''" Stoffen ziemlich stark gefärbt. Ueber das Vorkommen von Urobilin im ikteri- schen Harne vergl. oben S. 466. yackweis der GaUenfarbstofe im Harne. Zum Nachweis der Gallen- tarbstofle sind mehrere Proben vorgeschlagen worden. Gewöhnlich kommt man jedoch mit der GMELis'schen oder der HupPERT'schen Probe zum Ziele. Die GMELrs'sche Probe kann mit dem Harne direkt angestellt werden; besser ist es jedoch, die RosEXBACH'sche llodißkafion derselben anzuwenden. Man filtrirt den Harn durch ein sehr kleines Filtrum, welches von den zurück- gehaltenen Epithelzellen und dergl. dabei stark getärbt wird. Nach dem voll- ständigen Abtrupfen aller Flüssigkeit betupft man die Innenseite des Filtrums mit einem Tropfen Salpetersäure, welche nur sehr wenig salpetrige Säure ent- hält. Es entsteht dabei ein blassgelber Fleck, welcher von farbigen Ringen Gmeiin- umgeben wird, welche von iunen nach aussen gelbroth, violett, blau und grün sehe probe? erscheinen. Diese Modifikation ist sehr empfindlich und eine Verwechselung mit Indikau oder anderen Farbstoffen ist kaum möglich. Mehrere andere Modi- fikationen der GjiELiN'schen Probe in dem Harne direkt, wie mit konzentrirter Schwefelsäure und Nitrat u. a., sind zwar vorgeschlagen worden, sie sind aber weder einfacher noch zuverlässiger als die RosEXBACH'sche Modifikation. Die Hui'PERx'sche Reahtion. In einem dunkelgefarbten oder indikan- reichen Harne kommt man nicht immer zu guten Resultaten mit der Gmelin- schen Probe. In solchen Fällen, wie auch wenn der Harn gleichzeitig Blut- farbstoff enthält, setzt man dem Harne Kalkwasser oder erst etwas Chlorcalcium- lösung und dann eine Lösung von Soda oder Ammoniumkarbonat zu. Den D'e Niederschlag, welcher die Gallenfarbstoffe enthält, filtrirt man ab, wäscht aus, sehe Probe, löst in Alkohol, welcher iu 100 ccni 5 ccm konzentrirte Salzsäure enthält (J. MuxK ^j, und erhitzt zum Sieden, wobei die Lösung grün oder blaugrün wird. Empfindlichkeit dieselbe wie bei der folgenden Reaktion. Die Itealdion von Hammärsten. Für gewöhnliche Fälle ist es genügend, zu etwa 2 — 3 ccm des Reagenzes (vergl. S. 237) einige Tropfen des Harnes zu giessen, wobei das Gemenge fast sogleich nach dem Umschütteln eine schön grüne oder blaugrüne, tagelang bleibende Farbe annimmt. Bei Gegenwart von nur sehr kleinen Mengen von Gallenfarbstoff, besonders bei gleichzeitiger Gegen- wart von Blutfarbstoff oder anderen Farbstoffen, giesst man etwa 10 ccm des sauer oder fast neutral (nicht alkalisch) reagirenden Harnes in das Rohr einer Reaktion kleinen Handcentrifüge hinein, setzt BaClj-Lösuug hinzu und centrifugirt etwa ^^ärSe" eine Minute. Die Flüssigkeit giesst man von dem Bodensätze ab, rührt den letzteren in etwa 1 ccm des Reagenzes auf und centrifugirt von Neuem. Man erhält eine schön grüne Lösung, die durch Zusatz von steigenden Mengen des Säuregemenges durch Blau in Violett, Roth und Rothgelb übergeführt werden kann. Die grüne Farbe erhält man noch bei Gegenwart von 1 Theil Gallen- farbstoff in 500000 — 1000000 Theilen Harn. Bei Gegenwart von reichlichen Giengen anderer Farbstoffe ist C'hlorcalcium besser als Chlorbaryum. Die angelblich sehr empfindliche Reaktion von Jolles ist leider oft wegen der starken Schaumbildung, besonders bei Gegenwart von Eiweiss und Blut- farbstoff, nicht ausführbar. 1) Du Böis-REyMO!JD'.s Arcli. 189i ÖOS Fünfzehntes Kapitel. DieReakti< - von Stokvis. Y\udere Gallenfarlj- stoffreak- tiouen. Mcdikanieu tose Farb- stoffe. Die EeaMion von Stokvis ist besonders werthvoll als Kontrollepiobe in .solchen Fällen, in welchen neben nur wenig Gallenfarbstoff grössere Mengen von anderen Farbstoffen in dem Harne enthalten sind. Man führt die Probe auf folgende Weise aus. 20 — 30 ccm Harn versetzt man mit 5 — 10 ccm einer Lösung von Zinkacetat (1 : 5). Den Niederschlag wäscht man auf einem kleinen ' Filtrum mit Wasser aus und löst ihn dann auf dem Filtrum in wenig Ammoniak. Das neue Filtrat zeigt direkt oder nachdem es einige Zeit, bis es eigenthümlich braun-griin geworden ist, an der Luft ge.standen hat, die Absorptionsstreifen des Bilicyanins (vergl. S. 237). Die Reaktion ist jedoch leider nicht hinreichend empfindlich. Es sind viele andere Reaktionen auf Gallenfarbstoff im Harne vor- geschlagen worden; da aber die oben besprochenen völlig hinreichend sind, dürfte es genügend sein, einige der anderen Reaktionen hier nur beiläufig zu erwähnen. Die XJLTZMANN'scAe Reaktion besteht darin, dass man etwa 10 ccm Harn mit 3 — 4 ccm liouzentrirter Kalilauge versetzt und darauf mit Salzsäure sauer macht. Der Harn wird dann schön grün. Die SMiTH'scÄe Reaktion. Man überschüttet den Harn vorsichtig mit Jodtinktur, wobei au der Berühruugsstelle ein schön grüner Ring auftritt. Man kann auch Jodtinktur unter Uuischütteln zusetzen, bis der Harn eine schön giüne Farbe annimmt. Die EHRLlCH'.l- sielierer zum Ziele. Die Probe erfordert peinliche Reinlichkeit und sie leidet ausserdem an der Unaunehmlichkeit, dass es schwierig ist, nicht nur eine genügend reine Schwefelsäure, sondern bisweilen sogar ein ganz reines a-Najjhtol zu erjialten. Ueber die Brauchbarkeit dieser Probe behufs einer annähernden Sehätzung der Menge der Kohlehydrate im Harne liegen Unter- suchungen von mehreren Forschern, wie v. Udranszky, Luther, Roos und Treupel'^) vor. Quantitative Bestimmung des ZticJcers im Harne. Einer solchen Be- stimmung muss stets eine Prüfung auf Eiweiss vorangehen, und wenn solches vorhanden ist, muss es stets unter besonderer Beachtung, dass das ursprüngliche Q"^"t'tit'™ Volumen des verarbeiteten Harnes wieder hergestellt wird, durch Koagulation stiuminns. unter Essigsäurezusatz entfernt werden. Die Menge des Zuckers kann man durch Titration mit Fehlino's oder Knapp's Flüssigkeit, durch Gährung, durch Polarisation und auch in anderer Weise bestimmen. Die Titrationsflüssigkeiten reagiren nicht nur für Zucker, sondern auch für gewisse andere reduzirende Substanzen, inid aus diesem Grunde geben auch die Titrationsmethoden etwas zu hohe Werthe. Bei grösserem Zuckergehalte, wie im typischen, diabetischen Harne, welcher regelmässig einen geringen Pro- zentgehalt an normalen, reduzirenden Bestandtheilen hat, ist dies nun zwar ohne wesentlichen Belang; bei geringem Zuckergehalte eines im üebrigen nor- malen Harnes kann der Fehler dagegen, da die Reduktion.sfähigkeit des nor- pj^ xitra- malen Harnes 5 p. m. Traubenzucker entsprechen kann (vergl. S. 470), bedeutend *'"""- werden. In solchen Fällen muss deshalb die Titrirung in später anzugebender Weise mit der Gährmethode kombinirt werden. Zu den Titrirungsmethoden ist übrigens zu bemerken, dass in typischen, diabetischen Harnen mit erheblicherem Zuckergehalte die Titrirung mit Fehling's Flüssigkeit ebenso brauchbar wie die mit Knapp's Flüssigkeit ist. Wenn der Harn dagegen bei einem normalen Gehalte an physiologischen Bestandtheilen nur wenig Zucker enthält, so ist die Titration mit Fehling's Flüssigkeit schwierig, in gewissen Fällen sogar kaum möglich direkt auszuführen und sie giebt unsichere Resultate. In solchen Fällen soll dagegen die KNAPP'sche Methode nach Worm Müller und seinen Schü- lern ^) gute Resultate geben. Die Titrirung mit FEHLiNo'scher Lösung beruht auf der Eigenschaft des Zuckers, Kupferoxyd in alkalischer Lösung zu reduziren. Man benützte hicirzu früher eine Lösung, welche ein Gemenge von Kupfersulfat, Seignettesalz und Natron- oder Kalihydrat enthielt (B'EiiLiNc'sche Lösung); da aber eine 1) Zeitschr. f. pliysiol. t'hem. 19. 2) Man vergl. hierüber besonders die Aufsätze von Rods und Treitri. in Zeitselir. f. l)hysiol. Cliem. 15 und 16. 3) Pflüger's Arch. 16 u. 23; Otto, Journ. f. iirakt. Cliem. (X. F.) 2«, Hammarsten, Physiologisclie Chetuie. Vierte Auflage. 38 514 Fünfzehntes Kapitel. solche Lösung sich leicht verändert, bereitet man sich minmehr einerseits eine Kupfersulfatlösung und andererseits eine alkalische Seignettesalzlösuug und mischt erst vor dem Gebrauche gleiche Volumina dieser Flüssigkeiten miteinander. Die Konzentration dieser Kupfersulfatlösung wird so gewählt, dass 10 ccm dieser Lösung von 0,050 g Traubenzucker geradeauf reduzirt werden. Die Kupferlösung soll zu dem Ende 34,65 g reines, krystallisirtes, gar nicht ver- wittertes Kupfersulfat im Liter enthalten. j\Ian krystallisirt das Sulfat aus einer heiss gesättigten Lösung durch Abkühlen unter Umrühren um, saugt die Mutterlauge ab, presst zwischen Fliesspapier wiederholt aus, bis das Salz trocken Lijjg,.f^„,jg,.. geworden ist, löst genau 34,65 g in Wasser und füllt zu 1 Liter auf. Die liehen Seignettesalzlösung bereitet man durch Auflösung von 173 g des Salzes in etwa 350 ccm Wasser, Zusatz von 600 ccm Natronlauge von dem spez. Gewichte 1,12 und Verdünnung mit Wasser bis zu 1 Liter. Nach Worm Müller soll man eine jede dieser drei Flüssigkeiten — Seignettesalzlösung, Natronlauge und AVasser — gesondert aufkochen, bevor man sie miteinander mischt. Zu jeder Titrirung misst man in einer kleineu Kochäasehe oder in einer Porzellanschale 10 ccm der Kupferlösung und 10 ccm alkalische Seignettesalzlösung genau ab und setzt dann 30 ccm Wasser zu. Der eiweissfreie Harn ist vor der Titrirung mit Wasser so zu verdünnen, dass zur Keduktion von 10 ccm Kupferlösung zwischen 5 und 10 ccm des ver- . dünnten Harnes verbraucht werden , was einem Zuckergehalte von zwischen ungen vor 1 uiid ^J2 p. c. entspricht. Einen Harn von dem spez. Gewichte 1,030 kann Titrir'iiia. ^^^ gewöhnlich auf das fünffache, einen konzentiirteren auf das zehnfache ver- dünnen. Mit dem so verdünnten Harne beschickt man eine Bürette. Aus dieser Bürette soll man nun den verdünnten Harn der siedenden Kupfer-Seignettesalzlösung zusetzen, bis das Kupfero.xyd geradeauf reduzirt worden ist. Dies hat stattgefunden, wenn die Mischung unmittelbar nach dem Kochen gerade nicht mehr blau ist. Diesen Punkt genau zu bestimmen, ist, wenn das Kupferoxydul sich schlecht absetzt, sehr schwierig und erfordert jeden- falls etwas Uebung. Zur Beurtheilung der Farbe wartet man, bis aus der obersten, unter dem Meniscus befindlichen Schicht das Kupferoxydul sich ge- senkt hat, und wenn man so weit gekommen ist, dass diese Schicht gar nicht blau ist, während nach Zusatz von 0,1 com Harn weniger die Mischung noch bläulich erschien, so ist die Titrirung beendet. Wegen der Schwierigkeit, diesen Punkt genau zu treffen, hat man auch eine andere Endreaktion vorgeschlagen. Diese besteht darin, dass man unmittelbar nach dem Kochen einen kleinen Theil der Probe durch ein kleines Filtrum in ein Reagenzröhrchen eintropfen Hostimmung lässt, welches eine kleine Menge mit Essigsäure angesäuerten und mit ein paar reakfion' Tropfen Ferrocyankaliumlösung versetzten Wassers enthält. Die kleinste Menge Kupferoxyd macht sich hierbei durch eine röthliche Färbung der Probe kund. W^eun man rasch arbeitet, damit keine Oxydation des Oxyduls zu Oxyd statt- findet, ist diese Endreaktiou brauchbar in solchen Harnen, welche reich an Zucker und arm an Harnstoff sind, und welche man stark mit Wasser verdünnt hat. In zuckerarmen Harnen, welche etwa den normalen Gehalt an Harnstoff haben und welche weniger stark mit AVasser zu verdünnen sind, findet bei dem Sieden der alkalischen Flüssigkeit eine ziemlich starke Ammoniakbildung aus dem Harnstoffe statt. Dieses Ammoniak löst einen Theil des Oxyduls, welches dadurch sehr leicht in Oxyd übergeht, und ausserdem giebt auch das gelöste Oxydul, welches durch das Filtrum geht, mit dem Ferrocyaukalium eine röth- liche Farbe. Gerade in den Fällen, in welchen die Titrirung am schwierigsten auszufüluen ist, kann man also diese Endreaktion am wenigsten brauchen. Bei Zuckertitrirung. 515 einiger Uebung ist sie auch überflüssig, und es ist am besten als Endreaktion einfach das Aussehen der Flüssigkeit zu benutzen. Um die Abscheidung des Kupferoxyduls und damit die Klärung der Flüssigkeit zu erleichtern, kann man der letzteren nach Munk') ein wenig Chlor- ealciumlösung zusetzen und noch einmal aufkochen. Es entsteht hierbei ein Niederschlag von weinsaurem Kalk, welcher das suspendirte Kupferoxydul mit niederreisst, wodurch die Farbe der Flüssigkeit leichter zu sehen ist. Dieser Kunstgriff führt in vielen Fällen zum Ziele; leider giebt es aber bisweilen Moaifi- Harne, in welchen in keiner Weise die direkte Titrirung nach Fehling exakte Mcthodi;. Resultate giebt. In diesen Fällen, in welchen es um nur kleine Zuckermengen in einem an physiologischen Bestandtheilen reichen Harne sich handelt, verfährt man am besten so, dass man eine grössere, sehr genau abgewogene Menge reinen Traubenzuckers oder Traubenzuckerchlornatriums in dem Harne löst. Man kann nun den Harn stark mit Wasser verdünnen, die Titration gelingt gut und die Differenz zwischen der zugesetzten und der durch Titration gefundenen Zucker- menge giebt die Reduktionsfähigkeit des ursprünglichen Harnes, auf Glukose bezogen, an. Noth wendige Bedingnisse für das Gelingen der Titrirung sind nach Soxhlet") unter allen Umständen folgende. Die Kupfer-Seignettesalzlösuug muss, wie voraussetz- ül)en, mit Wasser auf 50 ccm verdünnt werden ; der Harn darf nur zwischen ungen für Ü,5 — 1 p. c. Zucker enthalten, und die gesammte zur Reduktion erforderliche Bestimm- Harnmenge muss auf einmal der Titrirflüssigkeit zugesetzt und damit gekocht ""^' werden. Aus diesem letzteren Umstände folgt also, dass die Titrirung sehr um- ständlich wird und jedesmal mehrere Bestimmungen erfordert. Wie die Titrirung auszuführen ist, dürfte am besten aus einem Beispiele ersichtlich werden. Das obige Gemenge von Kupfersulfat-Seignettesalzlösung und ^Vasser (Gesammtvolumen = 50 ccm) erhitzt man in einem Kölbchen zum Sieden, wobei es klar bleiben nmss. Dem siedend heissen Gemenge setzt man nun den (z. B. auf das fünffache) verdünnten Harn von 1 zu 1 ccm zu, indem man nach jedem Zusatz wieder einige Sekunden kocht, und beobachtet das Ein- treten der Endreaktion. Findet man nun z. B., dass 3 ccm eine zu kleine, aber 4 ccm eine zu grosse Menge ist (die Flüssigkeit wird gelblich), so ist der Harn Ausiainung mit zu wenig Wasser verdünnt worden, denn es sollen nach dem Vorigen zur Titriiung. Reduktion zwischen 5 und 10 ccm Harn verbraucht werden. Man verdünnt nun den Harn auf das zehnfache, und es müssen nun also zwischen 6 und 8 ccm erforderlich sein. Man macht nun 4 neue Proben, welche übrigens zur Zeitersparniss gleichzeitig gekocht werden können, und setzt ihnen auf einmal, resp. je 6, 6'/a, 7 und T^/a ccm zu. Findet man nun, dass die Endreaktion zwischen 6'/'2 und 7 ccm liegt, so macht man 4 neue Proben, welchen man resp. 6,6, 6,7, 6,8 und 6,9 ccm zusetzt. Würde in diesem Falle die Probe mit 6,7 ccm noch etwas bläulich, die mit 6,8 ccm dagegen völlig entfärbt sein, so betrachtet mau die Mittelzahl 6,75 ccm als die richtige. Die Berechnung ist einfach. Die verbrauchten 6,75 ccm enthalten 0,050 g Zucker, und der Prozentgehalt des verdünnten Harnes an Zucker ist also (6,75 : 0,05 = 100 : x) = ^. = 0,74. Da aber der Harn auf das zehnfache 6,7o Bei'ci:linuiig - ^ jQ der Zucker- verdünnt war, enthielt also der unverdünnte Harn — ~'^_ — = 7,4 p. c. Zucker, """'s*- 1) ViBCHOw's Arcli. 105. ■i) Jourii. f. prakt. Cbeui. (N. F.) 21. 33* 516 Fünfzehntes Kapitel. Die allgemeine Formel, bei Anwendung von 10 ccm Kupfersulfatlösiing, ist also 5 X n — j , in welcher n angiebt, wie vielmal der Harn verdünnt war, und k die zur Titrirung verbrauchte Anzahl ccm des verdünnten Harnes bedeutet. Die Titrirung nach Knapp beruht darauf, dass Quecksilbercyanid in alkalischer Lösung von dem Traubenzucker zu metallischem Quecksilber reduzirt wird. Die Titrirflüssigkeit soll im Liter 10 g chemisch reines, trockenes Queck- naeV Kilupp. silbercyanid und KiO ccm Natronlauge von dem spez. Gewicht 1,145 enthalten. Von dieser Lösung sollen, wenn man die Titrirung in der unten anzugebenden Weise ausführt (nach Worm Müller und Otto), 20 ccm gerade 0,050 g Traubenzucker entsprechen. Verfährt man in anderer Weise, so ist der Wirkuugs- werth der Lösung ein anderer. Auch bei dieser Titrirung soll der Zuckergehalt des Harnes nicht höher als zwischen V2 und 1 Prozent liegen, und man hat also auch hier, wenn nöthig, durch einen Vorversuch den erforderlichen Verdünnungsgrad festzustellen. Zur Feststellung der Endreaktion wird in der unten anzuführenden Weise auf über- schüssiges Quecksilber mit Schwefelwasserstofi" geprüft. Zur Ausführung der Titrirung lässt man in eine Kochflasehe 20 ccm der KNAPP'schen Flüssigkeit einfliessen und verdünnt darauf mit 80 ccm Wasser oder, wenn man Ursache hat, weniger als 0,5 p. c. Zucker im Harne zu ver- muthen, mit nur 40 — 60 ccm. Darauf erhitzt man zum Sieden und lässt dann zu der heissen Lösung den verdünnten Harn allmählich zufliessen, anfangs von 2 zu 2, nachher von 1 zu 1, von 0,5 zu 0,5, von 0,2 zu 0,2 und zuletzt von 0,1 zu 0,1 ccm. Nach jedem Zusätze lässt man wieder 1/2 Minute kochen. Wenn man der Endreaktion sich nähert, so fängt die Flüssigkeit an, sich zu klären, und das Quecksilber scheidet sich mit den Phosphaten ab. Die End- reaktion führt man in der Weise aus, dass man mit einem Kapillarröhrchen Ausiüiiiuug einen Tropfen der obersten Flüssigkeitsschicht aufsaugt und dann durch Auf- Titrirung. blasen auf rein weisses schwedisches Filtrirpapier fallen lässt. Den feuchten Flecken hält man darauf erst über eine Flasche mit rauchender Salzsäure und dann über eine andere mit starkem SchwefelwasserstofTwasser. Bei Gegenwart von nur minimalen Mengen Quecksilbersalz in der Flüssigkeit wird der Flecken gelblich, was am sichersten zu sehen ist, wenn man ihn mit einem zweiten Flecken vergleicht, welcher dem Schwefelwasserstoff nicht ausgesetzt gewesen ist. Die Endreaktion wird noch stärker, wenn man einen kleinen Theil der Flüssig- keit abfiltrirt, mit Essigsäure ansäuert und mit SchwefelwasserstotT prüft (Otto'). Die Berechnung ist ebenso einfach wie bei der vorigen Methode. Diese Titrirung kann zum Unterschied von der vorigen nicht nur bei Tageslicht, sondern auch bei künstlicher Beleuchtung ausgeführt werden. Vor der FEHijiNG'schen Methode soll die KNAPP'sche folgende Vorzüge haben. Sie „ . , ist brauchbar, selbst wenn der Zuckergehalt des Harnes sehr klein und der Ge- Metiiode. halt an übrigen Harnbestandtheilen normal ist. Sie ist leichter auszuführen und die Titrirflüssigkeit kann ohne Zersetzung lange Zeit aufbewahrt werden (Worm Müller und seine Schüler^). Die Ansichten der verschiedenen Forscher über den Werth dieser Titrirmethode sind jedoch etwas streitig. Ausser den nun besprochenen Titrirungsmetboden giebt es eine Menge anderer. Man kann nach Pavy mit ammouiakalischer Kupferlösung titriren. Nach K. B. Lehmann kann man mit überschüssigem Kupfersalz arbeiten und 1) Journ. f. prakt. Chem. (N. F.) 26. 2) PFLtJGER's Aich. 16 U. 23. Zuckerbestimmung durcli Gährung. 517 durch Resttitrirung mit Jodalkali und Hyposulfit den Zucker bestimmen. Man kann auch die Bestimmung nach Allihn, besonders nach der von Pflügfr an- gegebenen Modifikation ausführen ^). Bestimmung der Zuckermeuge durch Gährung. Diese Bestimm- ung kann auf verschiedene Weise geschehen ; am einfachsten und zugleich für klinische Zwecke hinreichend genau kann man sie jedoch nach der Methode von Roberts ausführen. Diese Methode besteht darin, dass man das spez. Gewicht vor und nach der Gährung bestimmt. Bei der Gährung entstehen aus dem Die K"bert- Zucker als Hauptprodukte Kohlensäure und Alkohol, und theils durch das Ver- "methode. schwinden des Zuckers, theils duich die Entstehung des Alkohols fallt das spez. Gewicht. Roberts hat nun gefunden, was später mehrere andere Forscher be- stätigt haben (Worm Mijller u. A.), dass ein Herabsinken des spez. Gewichtes um 0,001 einem Zuckgergehalte von 0,230 p. c. entspricht. Hatte also bei- spielsweise ein Harn vor der Gährung das spez. Gewicht 1,030 und nach der- selben 1,008, so war also iler Zuckergehalt 22 X 0,230 — 5,06 p. c. Bei der Ausführung dieser Probe muss das spez. Gewicht bei derselben Temperatur des Harnes vor und nach der Gährung bestimmt werden. Der Harn muss schwach sauer sein und wird deshalb nöthigenfalls mit ein wenig Wein- säurelösung schwach angesäuert. Die Wirksamkeit der Hefe muss, wenn nöthig, durch eine besondere Probe kontrollirt werden. In einen Kolben, welcher zur Hälfte von dem Harne gefüllt wird, giesst man etwa 200 ccm Harn, setzt ein Ausführung etwa bohnengrosses Stück Presshefe zu, zertheilt die Hefe in der Flüssigkeit ungsprobe. durch Umschütteln, verschliesst den Kolben durch einen mit einem fein aus- gezogenen, offenen Glasrohre versehenen Stopfen und lässt die Probe bei Zimmer- temperatur oder noch besser bei -|- 20 ä 25'' C. stehen. Nach 24 — 48 Stunden ist die Gährung gewöhnlich beendet, wovon man sich übrigens durch die Wis- muthprobe überzeugen muss. Nach beendeter Gährung filtrirt man durch ein trockenes Filtruni, bringt das Filtrat auf die erwünschte Temperatur und be- stimmt das spez. Gewicht von Neuem. Wenn man das spez. Gewicht mit einem guten, mit Thermometer und Steigrohr versehenen Pyknometer bestimmt, soll diese Methode, wenn der Gehalt an Zucker nicht weniger als 4 — 5 p. m. beträgt, nach Worm Müller ganz exakt sein, was dagegen von Budde^) bestritten wird. Für den Arzt ist aber die Methode in dieser Form nicht recht brauchbar. Bestimmt man dagegen das spez. Gewicht mit einem empfindlichen Aräometer, welches die Dichte bis auf Wcrth der die vierte Decimalstelle abzulesen gestattet, so erhält man zwar, wegen der prin- « " » zipiellen Fehler der Methode (Budde), nicht ganz exakte Werthe; aber die Fehler sind regelmässig kleiner als die, welche der nicht ganz besonders Geübte bei den Titrirungen macht. Unter den zur quantitativen Bestimmung des Zuckers vorgeschlagenen und näher geprüften Methoden giebt es auch keine, welche gleichzeitig leichter auszuführen ist und in der Hand des nicht besonders geübten Arztes zuverlässigere Resultate giebt. Wenn der Gehalt des Harnes an Zucker kleiner als 5 p. m. ist, so kann man jedoch diese Methode nicht gebrauchen. Ein so niedriger Gehalt au Zucker fehrTiTilnef kann übrigens, wie schon oben erwähnt wurde, wegen der Reduktionsfähigkeit Zueker- des normalen Harnes, welche 4 — 5 p. m. Zucker entsprechen kann, auch nicht 1) Lehmann, Arch. f. Hygieuc 30; Pflüger in seinem Arcb. 66. Hinsichtlich der PAvy'schen und anderer Methoden wird auf das Werk von Huppert-Necbaükr hingewiesen. -) Roberts, The Laucet 1862; Wor.m-Müller, PflCger's Arch. 33 u. 37; liüBDE, ebenda 40 und Zeitschr. f. physiol. Cheni. 13; vergl. im Uebrigen Huppert-Nedbaüer. 518 Fünfzehntes Kapitel. Bestimmnii; cluioliPolaii sation. Nacliwi'is des Milch zueliers. durch Titrirung direkt bestimmt werden. Für solche Fälle muss man nach WoRjf Müller erst die Reduktioiisfähigkeit des Harnes durch Titrirung nach Knapp bestimmen, dann den Harn nach Hefezusatz vergähren lassen und dar- auf wiederum nach Knapp titriren. Die bei diesen zwei Titrirungen gefundene Differenz, als Zucker berechnet, giebt den wahren Zuckergehalt an. Bestimmung der Zuckermenge durch Polarisation. Diese Methode setzt voraus, dass der Harn klar, nicht zu stark gefärbt ist und vor Allem neben der Glukose keine anderen, optisch wirkenden Substanzen enthält. Bei Anwendung von einem sehr vorzüglichen Instrumente und bei genügender Uebung ; können mit dieser Methode sehr genaue Resultate erhalten werden. Für den Arzt ist jedoch die Gährungsprobe nach Roberts, welche keine theueren Ap- parate und keine besondere Uebung erfordert, vorzuziehen. Unter solchen Um- ständen, und da die Bestimmung durch Polarisation mit Vortheil nur von be- sonders geschulten Chemikern ausgeführt werden kann, dürfte bezüglich dieser Methode und der zu ihrer Anwendung erforderlichen Apparate auf ausführlichere Handbücher verwiesen werden können. Lävnlose. Linksdrchcnde , zuclierlialtige Hai-nc sind von Ventzke, Zimmer und Czapek, Seegen x\. A.') beobachtet worden. Die Niitur der hierbei vorlsommendcn Substanz ist schwierig genau anzugeben, dass aber der Harn wenigstens in gewissen Fällen, wie in dem von Seegen beobachteten, Lävulose enthalten hat, ist wohl kaum zu bezweifeln. May hat auch neuerdings einen Fall mitgetheilt, in welchem allem Anscheine nach Lävulose vor- hauden war. Zum Nachweis der Lävulose diene Folgendes. Der Harn ist linksdrehend und die linksdrehende Substanz vcrgährt mit Hefe. Der Harn giebt die gewöhnlichen Reduktions- proben und das gewöhnliche Phenylglukosazon. Er giebt aber auch die SELlWANOFP'sche Reaktion beim Sieden mit Resorein und Salzsäure. Laiose hat HcppErt eine von Leö^) in diabetischen Harnen in einigen Fällen ge- fundene Substanz genannt, die Leo als einen Zucker betrachtet. Die Substanz ist linksdrehond, amorph und schmeckt nicht süss, sondoi-n scharf und salzartig; sie wirkt rediizirend auf Metall- oxyde, gährt nicht imd giebt mit Phenylhydrazin ein nicht krystallisircndes, gellihrannes Üel. Irgend welche Beweise dafür, dass diese Substanz eine Znckerart ist. liegen bis jetzt nicht vor. Milchzucker. Das Auftreten von Milchzucker im Harne bei Wöch- nerinnen ist zuerst durch die Untersuchungen von De Sinety und F. Hof- meister bekannt und dann von anderen Forschern bestätigt worden-''). Nach dem Genüsse von grösseren Mengen Milchzucker kann, wie oben (Kap. 9 über die Resorption) angegeben wurde, derselbe zum Theil in den Harn übergehen. Den Uebergang von Milchzucker in den Harn nennt man Laktosurie. Der sichere Nachweis des Milchzuckers im Harne ist schwierig, indem nämlicli dieser Zucker wie die Glukose rechtsdrehend ist und die gewöhnlichen Reduktionsproben giebt. Enthält der Harn einen rechtsdrehenden, die Wismuth- lösung reduzirenden, nicht gährenden Zucker, so ist dieser sehr wahr.scheinlich Milchzucker. Hierbei ist zu beachten, dass die Gährungsprobe auf Milchzucker nach der Erfahrung von Lusk und Voit*) am sichersten mit reiu gezüchteter Hefe (Saccharomyces apicuiutus) ausgeführt wird. Von dem letztgenannten Hefepilze wird nämlich nur die Glukose, nicht aber der Milchzucker zersetzt. 1) Vergl. hierüljcr Hüppert-Neubauer, 10. Aufl. S. 125. 2) ViRCHOW's Arch. 107. 3) Hofmeister, Zeitschr. f. physiol. Chem, 1 (Litlcrntniangabcn) Veigl. ferner Lem.vikr, ebenda 21. J) ('.\KL VoiT, Ucber die tilykugenbilduiig nach .Vnfnaliiiie verschiedener Zuckerarten, Zeitschr. f, liiologie 28. Milchzucker. Pcutospii. Inosit. 519 Führt man die Probe von Rubner nach Voit in der Weise aus, dass man nicht zum Sieden sondern nur bis 80'* C. erhitzt, so wird die Farbe bei Gegen- wart von Milchzucker nicht roth, sondern nur gelb bis braun. Ganz gesichert wird jedoch der Nachweis des Milchzuckers erst durch Isolirung desselben aus dem Harne. Dies geschieht nach dem folgenden, von F. Hofmeister ange- gebenen Verfahren. Jlan fällt den Harn mit Bleizucker, filtriit, wäscht mit Wasser aus, vereinigt das Filtrat und das AVaschwasscr und fällt mit Ammoniak. Die von dem Niederschlage abfiltrirte Flüssig- keit fällt man abermals mit Bleizucker und Ammoniak, bis das letzte Filtrat optisch inaktiv geworden ist. Sämmtliche Niederschläge, mit Ausnahme von dem ersten, welcher keinen Zucker enthält, vereinigt nuin und wäscht sie mit Wasser aus. Die gewaschenen Niederschläge zerlegt man in der Kälte mit Schwefelwasserstoff, filtrirt, treibt das übersehüs.sige Schwefel- j^jj" jäiich- wasserstoffgas durch einen Luftstrom aus, befreit die Flüssigkeit von den freigewordenen Säuren zuckcrs .lus durch Schütteln mit Silberoxyd, filtrirt, scheidet das in der Flüssigkeit gelöste Silber mit dem Harne. Schwefelwasserstoff aus, setzt Baryumkarbonat, um etwa vorhandene freie Essigsäure zu binden, zu und konzentrirt. Bevor der Abdampfungsrückstand syrupös geworden ist, wird er mit so viel 90 p. c. igem Alkohol versetzt, dass ein flockiger, sich schnell absetzender Niederschlag entsteht. Das hiervon getrennte Filtrat setzt im Exsiccator Krystalle vf soll die Acetonausscheidung beim Menschen sogar mit steigender Fettzufuhr (Butter) stark und ziemlich parallel zunehmen können. Abgesehen von der physiologischen, von der Nahrung abhängigen Ace- tonurie kommt eine vermehrte Ausscheidung von Aceton, wie schon oben gesagt, in vielen Krankheiten wie auch nach nervösen Läsioiien, gewissen Vergiftungen und ausserdem nach Eingabe von Phlorhizin oder Exstirpation des Pankreas (v. Mering und Minkowski, Azemäk ') vor. Die Acetessigsäure ist nicht als physiologischer Harnbestandtheil beob- achtet worden. Sie tritt überhaupt unter denselben Verhältnissen wie das Aceton im Harne auf, doch giebt es Fälle, wo nur Aceton und keine Acetessigsäure auftritt. Wie das Aceton tritt die Acetessigsäure häufig bei Kindern, nanient- Acetessig- lich bei hohem Fieber, akuten Exanthemen und dergl. auf. Die Acetessig- säure zerfällt leicht und liefert dabei Aceton. Nach Araki^) entsteht sie wahr- scheinlich als Zwischenstufe bei der Oxydation der /J-Oxybuttersäure im Organis- mus. Es stehen also die drei im Harne auftretenden Stoffe, Aceton, Acetessig- säure und Ox3'buttersäure in naher Beziehung zu einander. Das Aceton, Dimethylketon, C3HyO oder CO.(CH3)2, ist eine dünn- flüssige, wasserhelle, bei 56,5" C. siedende, angenehm nach Obst riechende Aceton Flüssigkeit. Sie ist leichter als Wasser, mit welchem, wie auch mit Alkohol und Aethcr, sie in allen Verhältnissen sich mischt. Die wichtigsten Aceton» reaktionen sind folgende. Die Jodoformprohe nach Lieben. Wenn man eine wässerige Lösung von Aceton mit Alkali und darauf mit etwas Jod-Jodkaliumlösung versetzt und gelinde erwärmt, so entsteht ein gelber Niederschlag von Jodoform, welcher an dem Gerüche und dem Aussehen der Kryställchen (sechsseitige Täfelcheu oder Sternchen) bei der mikroskopischen Untersuchung zu erkennen ist. Diese Reaktion ist zwar sehr empfindlich, aber für das Aceton nicht charakteristisch. Die Jodo- Die GuNNiNc'sche Modifikation dei' Jodoformprohe besteht darin, dass man foimprobe. statt der Jod-Jodkaliumlösung und des Alkalihydrates eine alkoholische Jod- lösung und Ammoniak verwendet. Es tritt in diesem Falle neben Jodoform ein schwarzer Niederschlag von JodstickstofT auf, welcher jedoch beim Stehen der Probe allmählich verschwindet, wobei das Jodoform sichtbar wird. Diese Modifikation hat den Vorzug, dass sie mit Alkohol oder Aldehyd kein Jodo- form liefert Dagegen ist sie etwas weniger empfindlich , zeigt jedoch noch 0,01 mg Aceton in 1 ccm an. Die Queclisdheroaijdprohe nach Reynold gründet sich auf der Fähig- keit des Acetons, frisch gefälltes HgO zu lösen. Man fällt eine Quecksilber- chloridlösung mit alkoholischer Kalilauge, setzt die auf Aceton zu prüfende I) AZEMAK, Acetonurif o-^perimeiitale. Tiavau.\ dp pliysiologie 1898 (laboratoire de M le professcur E. H^don, Montpellier). -) Zeitschr. f. physiol. Cheiu. 18. 522 Füufzohiites Kapitel. Flüssigkeit zu, schüttelt tüchtig und filtrirt. Bei Gegenwart von Aceton ent- hält das Filtrat Oiiecksilber , welches mit Schwefelaraniouium nachgewiesen DioReynoId- ^ ' ... sdic riobc. werden kann. Diese Probe hat etwa dieselbe Empfindlichkeit wie die Gunning- sche Probe; Aldehyd löst aber ebenfalls beträchtliche Mengen Quecksilberoxyd. Die NitropvHSsidnutrimnprohe nach Legal. Versetzt man eine Aceton- lösung mit einigen Tropfen frisch bereiteter Nitroprussidnatriumlösung und dar- auf mit Kali- oder Natronlauge, so färbt sich die Flüssigkeit rubinroth. Das Kreatinin giebt dieselbe Farbe; wenn man aber mit Essigsäure übersättigt, so wird die Farbe bei Gegenwart von Aceton karminroth oder purpurroth, bei pi-ussid- Gegenwart von Kreatinin dagegen zunächst gelb und dann allmählich grün probe, und blau. Parakresol giebt bei dieser Probe eine rothgelbe Farbe, die beim Ansäuern mit Essigsäure hellrosa wird und also nicht mit Aceton verwechselt werden kann. Stellt man die Probe mit Ammoniak statt mit Alkalihiuge au (Le Nobel), so gelingt sie ebenfalls mit Aceton, nicht aber mit Aldehyd. Die Inäigoprohe nach Penzoldt beruht darauf, dass Orthonitrobenzal- dehyd in alkalischer Lösung mit dem Aceton Indigo giebt. Eine warm gesättigte und darauf erkaltete Lösung von dem Aldehyde versetzt mau mit der auf Aceton zu prüfenden Flüssigkeit und darauf mit Natronlauge. Die Flüssigkeit wird bei Gegenwart von Aceton erst gelb , dann grün und scheidet endlich Indigo ab, welcher beim Schütteln der Probe mit Chloroform von diesem mit blauer Farbe gelöst wird. Mittels dieser Probe können 1,6 mg Aceton nach- gewiesen werden. Die Reaktion von Bki..\ v. Bittö ') liasirt darauf, ilass eine durcli Zusatz von Kaliuui- Iiydroxyd alkaliseh gemaelite Liisuiifr vnu Metadinitiobcnzol Ton Aceton violettroth und nach Reaktion Zusatz einer organischen Säure oder Jletaphosiihorsäiire kirschroth wird. Aldeliyd giebt eine von Bel.i. ähnliche violcttrotlie Farlje, die nach Säurezusatz gelbroth wird. Kreatiuin giebt die Reaktion nicht. Acetessigsäure oder Di acet säure C^HgOg oder C^HjO . CH, . COOH. Diese Säure ist eine farblose, stark saure Flüssigkeit, welche sich mit Wasser, Alkohol und Aether in allen Verhältnissen mischt. Beim Erhitzen, wie beim Sieden mit Wasser und besonders mit Säuren, zerfällt sie in Kohlensäure und Acetessig- Aceton und giebt deshalb die obengenannten Acetonreaktionen. Von dem Aceton säure. ... . unterscheidet sie sich dadurch, dass sie mit verdünnter Eisenchloridlösung eine violettrothe oder braunrothe Farbe annimmt. Diese Färbung verblasst jedoch bei Zimmertemperatur innerhalb 24 Stunden, schneller beim Sieden (Unter- schied von Phenol, Salicylsäure, Essigsäure, Rhodanwasserstoff). Nachaeis von Aceton >tnd Acetessigsäure im Harne. Der Prüfung auf Aceton muss eine Prüfung auf Acetessigsäure vorangehen, und da diese Säure allmählich beim Stehen des Harnes zersetzt würd, so muss der Harn möglichst frisch untersucht werden. Bei Gegenwart von Diacetsäure giebt der Harn die sogen. GERHAEDT'sche Reaktion, d. h. er nimmt nach Zusatz von der^Dilcet- Verdünnter, nicht zu stark saurer Eisenchloridlösung eine weinrothe Farbe an. säure. Man versetzt 10 — 50 ccm Harn mit Eisenchloridlösung so lange als er noch einen Niederschlag giebt, filtrirt vom Eisenphosphatniederschlage ab und fügt noch etwas Eisenchlorid zu. Bei Gegenwart der Säure wird die Farbe bordeaux- I) Annal. d. Cheni. u. Pharm. 269. Aceton. Acetessigsäure. Oxybuttersäuie. 523 roth. Darauf erhitzt man eine zweite, gleich grosse Portion des Harnes zum Sieden bei schwach saurer Reaktion und wiederholt nach dem Erkalten die Probe, welche nun negativ ausfallen muss. Eine dritte Harnportion säuert man mit Schwefelsäure an und schüttelt mit Aether (von welchem die Säure aufgenommen wird). Schüttelt man darauf den abgehobenen Aether mit einer sehr verdünnten wässerigen Eisenchloridlösung, so färbt sich die wässerige Schicht violettroth oder bordeauxroth. Die Färbung verblasst in der Wärme. Zum Nachweis der Acetessigsäure kann man auch nach K. Mörner den Harn nach Zusatz von ein wenig KJ und überschüssigem FejCl^ erhitzen. Es entweichen stark reizende Dämpfe, die wahrscheinlich von Jodaceton herrühren. Nach V. Jakscii*) sollen indessen acetonreiche Harne dieselbe Reaktion geben. Bei Abwesenheit von Acetessigsäure kann man direkt auf Aceton prüfen. Dies kann bisweilen im Harne direkt mit der Probe von Pexzoldt geschehen. Diese Untersuchung, welche eigentlich nur zur vorläufigen Orientirung dient, gelingt jedoch nur, wenn der Harn ziemlich viel Aceton enthält. Behufs sicheren Nachweises destillirt man unter guter Kühlung mindestens 250 ccm des mit Schwefelsäure schwach angesäuerten Harnes. Das meiste Aceton ist in den ersten 10 — 20 ccm Destillat enthalten. Das Destillat wird mit den des Acetons, obigen Proben geprüft -). Zur Prüfung auf Aceton bei gleichzeitiger Gegenwart von Acetessigsäure macht man den Harn erst schwach alkalisch und schüttelt ihn dann behutsam in einem Scheidetrichter mit alkohol- und acetonfreiem Aether. Den abgehobenen Aether schüttelt man darnach mit etwas Wasser, welches das Aceton aufnimmt, und prüft dann das Wasser. Die quantitative Bestimmung des Acetons im Harne geschieht stets in der Weise, dass man es zuerst in Jodoform überführt. Der Harn wird mit E.ssigsäure angesäuert (nach Huppert mit 1 — 2 ccm Essigsäure von 50 p. c. (;uaiiiii^iiive auf je 100 ccm Harn) und destillirt. In dem Destillate ist es am besten, nach ^''^^,'1"""" dem Verfahren von Messixger und Huppert die Acetonmenge aus der zur Bildung des Jodoforms verbrauchten Jodmenge titrimetrisch zu bestimmen. Hin- sichtlich dieser Methode und ihrer Ausführung wird auf das Buch von Huppert- Neubauer (S. 760) verwiesen 3). iff-Oxy buttersäure, C^HgOg oder CHg. CH(0H).CH2.C00H. Das Auftreten dieser Säure im Harne ist zuerst von Minkowski, Külz) und Staüel- WANN*) sicher nachgewiesen worden. Die Säure kommt vor Allem in schweren Fällen von Diabetes vor, ist aber auch bei Scharlach und Masern (Külz), bei Skorbut (Minkowski) und bei abstinirenden Geisteskranken (Külz) beobachtet ^xyinutcr- worden. Die /?-Oxybuttersäure rührt unzweifelhaft von einem abnormen Zer- siunc. falle von Körpereiweiss her und sie kommt dementsprechend im Harne bei luanitionszuständen, Kachexien u. dergl. vor. Die p^-Oxybuttersäure ist im Harne von Acetessigsäure begleitet, dagegen kommt die letztere Säure ohne die erstere im Harne vor. Die /J-Oxybuttersäure stellt einen geruchlosen Syrup dar, welcher mit 1) MÖRNER, Skiind. Aldi. f. Physiol. 5; v. Jaksch, klin. Diagnostik 4. AuH. -) Veigl. ferner Salkowski, PflÜoer's Areli. 5ß. 3) Vcrgl. auch Geelmüyden, Zeitschr. f. anal. Clieui. 35. 1) Minkowski, Aieli. f. cxp. l^atli. u. Phann. 18 u. 19; Stadelmann. ebenda 17; Kül-z, Zeitschr. f. Biologie 20 u. 23. 524 Fünfzehntes Kapitel. Wasser, Alkohol und Aether sich leicht mischt. Die Säure ist optisch aktiv, und zwar levogyr, und sie wirkt also auf die Bestimmung des Zuckers im Harne durch Polarisation störend ein. Die Säure wird weder von Bleiessig noch schatte ^°'^ aniuioniakalischem Bleiessig gefällt. Beim Sieden mit Wasser, besonders bei Gegenwart von einer Mineralsäure, zersetzt sich die Säure in die bei 71 bis 72" C. schmelzende a-Krotonsäure und Wasser: CH, . CH(OH) . CHg . COOH = HgO -\- CHg . CH : CH . COOH. Bei der Oxydation mit Chromsäuremischung liefert sie Aceton. Nachweis der ß- Oxyhuttersäure im Harne. Ist ein mit Hefe vergohrener Harn noch levogyr, so ist das Vorkommen von Oxvbuttersäure wahrscheinlich. Zur weiteren Prüfung kann man nach Kül//> den vergohrenen Harn zum S3'rup verdunsten und nach Zusatz von dem gleichen Volumen konzentrirter Schwefel- säure direkt ohne Kühlung destilliren. Es wird hierbei a-Krotonsäure gebildet, iicr iTxy^ welche überdestillirt und nach starkem Abkühlen des in einem Reagenzrohre auf- imtiersaure. gefangenen Destillates in Krystallen mit dem Schmelzpunkte -\- 72" C. sich ab- setzen kann. Erhält man keine Krystalle, so schüttelt man das Destillat mit Aether und prüft den Schmelzpunkt des nach Verdunsten des Aethers erhaltenen, mit Wasser gewascheneu Rückstandes. Bezüglich der Methode von Minkowski, die Säure als Silbersalz zu isolireu, wird auf Archiv für exp. Path. und Pharm. Bd. 18, S. 35, oder Fresenii, Zeit-^ichr. Bd. 24, S. 153, verwiesen. Die Harnprobe Ehrlich's'). Von einer Lösung, welehe im Liter 50 ccm Salzsäure und 1 g SulfanilsHure enthalt, mischt mau 250 com mit 5 ccm einer '/., p. eigen Lösung von Natriumnitrit (wobei also nur wenig des wirksamen Stoßes, des Sulfodiazobenzols, gebildet wird). Bei der Ausführung iler Probe versetzt man den Harn mit dem gleichen Volumen dieser Mischung und übersättigt darauf mit Ammoniak. Normaler Harn wird hierbei gelb Die Ehrlich- oder nach Zusatz von Ammoniak orange (aromatische Oxysäuren können zuweilen nach einiger sehe Harn- 2eit rothe Azokörper geben , welche die oberste Schicht des Phosphatsedimentes färben). In pathologischen Harnen tritt dagegen bisweilen (und dies ist die charakteristische Diazoreaktion) primäre Gelbfärbung mit exquisiter, sekundärer Rothfärbung bei Ammoniakzusatz und Eotb- färbung des Schaumes auf. Die oberste Schicht des Sedimentes wird dann grünlich. Der Stofl", welcher diese Eeaktion giebt, ist unbekannt, er soll aber besonders in dem Harne Typhuskranker vorkommen (Ehrlich). Ueber die Bedeutung dieser Reaktion sind jedoch die Ansichten sehr getheilt. Die sogen. RosENBACH'sche Harnprobe, bei welcher der Harn beim Sieden unter Zu- hiiscnbach s g.^^,^ Tropfen um Tropfen von Salpetersäure burgunderroth wird und beim Schütteln einen blaurothen Schaum zeigt, beruht auf der Entstehung von Xndigosubstanzen, besonders Indigroth ''). Fett im Harne. Chyhirie nennt mau die Absonderung eines Harnes, welcher durch sein Aussehen und seinen Fettreichthum dem Chyhis ähnlich ist. Er enthält ausserdem regel- Chylurio massig Eiweiss, oft auch Fibrin. Die Chylurie kommt am häufigsten in den Tropenländern und Lipuue. ^^^ Lipurie, d. h. die Ausscheidung von Fett mit dem Harne, kann theils mit theils ohne Albuminurie bei anscheinend gesunden Personen , bei Schwangeren und ferner bei gewissen Krankheiten, wie bei Diabetes, Phosphorvergiftung und Fettentartung der Nieren vorkommen. Das Fett erkennt man gewöhnlich leicht mit dem Mikroskope. Man kann es auch mit Aether ausschütteln, und unter allen l'mständen kann man es durch Eindampfen des Harnes zur Trockne und Extraktion des Rückstandes mit Aether nachweisen. Cholesterin ist auch mitunter bei Chylurie und in einigen anderen Fällen im Harne gefunden worden. Leucin und Tyrosin. Diese Stoße sind im Harne besonders bei akuter Leucin und gelber Leberatrophie, bei akuter Phosphorvergiftung, schwerem Typhus und yrosin. gßij^gfen Pocken gefunden worden. 1) Zeitschr. f. klin. Med. 5. ^) Vergl. RosiN in ViRCHOWs .\rch. 123. Cystin. 525 Nachweis von Leucin und Tyrosin. Das als Sediment vorkommende Tyrosin kann nii dem Mikroskope erkannt werden ; zum siciieren Nachweis ist jedocli das Uuikrystallisiren desselben aus Ammoniak oder ammoniakhaltigem Alkohol nothwendig. Zum Nachweis der beiden Stofle, wenn sie im Harne in Lösung vorkommen, verfährt man auf folgende Weise. Den eiweissfreien Harn fällt man mit basischem Bleiacetat, entbleit das Filtrat mit Schwefelwasserstoff und konzentrirt möglichst stark. Den Rückstand zieht Nachweis man zur Entfernung des Harnstoffes mit kleinen Mengen absoluten Alkohols aus. Das Un- des Leucii gelöste kocht man mit schwächerem, ammoniakalischem Alkohol aus, filtrirt, dampft das Filtrat "■ Tyrosin auf ein kleines Volumen ein und lässt zur Krystallisation stehen. Werden liierbei keine Tyrosinkrystalle erhalten, so verdünnt man mit Wasser, fällt noch einmal mit Bleiessig und verfährt dann wie oben. Scheiden sich zuletzt Tyrosinkrystalle ab, so werdeu sie abfiltrirt und das Filtrat zur Gewinnung von Leucinkiystallen noch weiter konzentrirt. Cystin, (C3H|;NS02)2. Dieser Stoff ist nach Baumann als das Disulfid TT*T,T ^C\ c o ^C< vrt/ . des schon oben (S. 494) erwähnten Cvsteins, ti2iy /^ \p o/ \JNrl2 TT r* \ ./STT C3H7NSO2, aufzufassen. Das Cystein selbst, tt^-vt /C< fcfctvi' '^t a-Amido- thiomilchsäure. Das Cystin geht durch Wasserstoff in statu nascendi in Cystein über, welches seinerseits durch Ox3'dation wieder in Cystin übergeht. Im normalen Harne soll nach Baumann und Goldmann eine dem Cystin ähnliche Substanz in sehr kleiner Menge sich vorfinden. In grösseren Mengen kommt diese Substanz im Hundeharn nach Vergiftung mit Phosphor vor. Das Cystin selbst ist dagegen mit Sicherheit nur, und zwar sehr selten, in Harnkonkrementen und im pathologischen Harne, aus welchem es als Sedi- ment sich ausscheiden kann, gefunden worden. Die Cystinurie kommt öfter bei Männern als bei Weibern vor und das Cystin scheint ein abnormes Spal- tungsprodukt des Eiweisses zu sein. In dem Harne bei Cystinurie haben Bau- mann und Udranszky die zwei Diamine, das Kadaverin (Pentamethylendiaminj und das Pufrescin (Tetramethylendiamin), welche bei der Eiweissfäulniss ent- ^* """' stehen, gefunden. Dieselben Diamine fanden sie bei der Cystinurie in dem Darminhalte, während Diamine in demselben unter normalen Verhältnissen nicht vorkommen. Die Verfasser nehmen deshalb an, dass zwischen der Diamin- bilduDg im Darme durch eine eigenthümliche Fäulniss bei der Cystinurie und dieser letzteren selbst vielleicht ein gewisser Zusammenhang bestehe. Auch von Städthagen und Beieger ist das Kadaverin im Harne bei Cystinurie ge- funden worden. Ausser im Harne und Harnsteinen ist das Cystin in der Riuds- niere, in der Leber von Pferd und Delphin (Drechsel) und in der Leber eines Säufers in Spuren gefunden worden. Bei der Verdauung von Fibrin mit Pankreas beobachtete Külz ^) ein Mal das Auftreten von Cystin. Das Cystin krystallisirt in dünnen, farblosen, sechsseitigen Täfelchen. Es löst sich nicht in Wasser, Alkohol, Aether oder Essigsäure, löst sich aber in Mineralsäuren und Oxalsäure. Es löst sich ferner in Alkalien, auch in Am- 1) Badmann, Zeitschr. f. physiol. Cheui. 8. Hinsichtlich der LItteratur über Cystin vergl. man Brenzinger, ebenda 16; Badmann und Goldmann, ebenda 12: B. und Udr.\nsky, ebenda 13; Stadthagen und Brif.gek, l'.erlin. kliu. AVochenschr. 1889; Drechsel, Dd Bois- Kevmond's Arch. 1891 und Zeitschr. f. Biologie 33; KClz, ebenda 27. 526 Fünfzehntes Kapitel. moniak, nicht aber in Aniraoniumkarbonat. Das Cystin ist optisch aktiv, und zwar stark linksdreheud. Kocht man Cystin mit Alkalilauge, so zersetzt es sich und liefert unter anderen Produkten Schwefelalkali, welches mit Bleiacetat oder Nitroprussidnatrium nachgewiesen werden kann. Beim Behandeln des Cystins mit Zinu und Salzsäure entwickelt es nur wenig Schwefel wasserstofl' und geht Schäften und'" Cj'stem Über. Schüttelt man eine Lösung von Cystin iu überschüssiger Heaktiniien. Natronlauge mit Benzoylchlorid, so entsteht ein voluminöser Niederschlag von Benzoylcystin (Bäumann und Goldmann). Beim Erhitzen auf einem Platin- bleehe schmilzt das Cystin nicht, fängt aber Feuer und verbrennt mit blaugrüner Flamme unter Entwickelung eines eigenthümlichen scharfen Geruches. Mit Salpetersäure erwärmt, löst sich das Cystin unter Zersetzung und hinterlässt beim Verdunsten einen rothbraunen Rückstand, der die Murexidprobe nicht giebt. Das salzsaure Cjstein giebt mit Quecksilberchlorid einen iu Wasser fast ganz unlöslichen Niederschlag von der Zusammensetzung 2(C3HjNS02)-(- SHgCU. Cysteiii. ^yf tüegem Verhalten haben Baumann und Borissow ') eine Methode zur quan- titativen Bestimmung des Cystins nach vorausgegangener Reduktion mit Zink und Chlorwasserstoff gegründet. Aus Cystinsteinen stellt man das Cystin leicht dar durch Lösung iu Al- kalikarbonat, Ausfällung mit Essigsäure und Wiederauflösung in Ammoniak. Bei der spontanen Verdunstung des letzteren scheidet sich das Cystin krystal- linisch aus. Das im Harne gelöste Cystin weist man bei Abwesenheit von Eiweiss und Schwefelwasserstoff durch Sieden mit Alkali und Prüfung mit Blei- salz oder Nitroprussidnatrium nach. Zur Isolirung des im Harne gelösten Cystins säuert man den Harn mit Essigsäure stark an. Den nach 24 Stunden gesam- melten, cystinhaltigen Niederschlag digerirt man mit Salzsäure, von welcher Cystin und Calciumoxalat, nicht aber die Harnsäure, gelöst werden. Man fil- "5 trirt, übersättigt das Filtrat mit Ammoniumkarbonat uud behandelt den Nieder- schlag mit Ammoniak, welches das Cystin löst, das Calciumoxalat dagegen un- gelöst hinterlässt. Man filtrirt wiederum und fällt mit Essigsäure. Das gefällte Cystin erkennt man mit dem Mikroskope und an den obengenannten Reaktionen. Als Sediment erkennt man das Cystin mit dem Mikroskope. Man muss es jedoch durch Auflösung in Ammoniak und Ausfällung mit Essigsäure reinigen und näher untersuchen. Spuren von gelöstem Cystin kann man durch Darstell- ung von Benzoylcystin nach Baumann und Goldmann isoliren. VII. Harnsedimente und Harnkonkremente. Als Harnsediment bezeichnet man den mehr oder weniger reichlichen Boden- satz, welchen der gelassene Harn nach und nach absetzt. Dieser Bodensatz kann theils orgauisirte und theils nicht organisirte Bestandtheile enthalten. Die ersteren, welche Zellen verschiedener Art, Hefepilze, Bakterien, Sperniatozoen, Harncylinder u. dergl. sind, müssen Gegenstand der mikroskopischen Untersuch- umi Nacli- CystiiiK ') Zeitschr. f. physiiil. Cheii Harngährung. 527 ung werden, unfl die folgende Darstellung kann also nur auf die nicht organi- sirten Sedimente sich beziehen. Wie schon oben (S. 417) erwähnt, kann der Harn gesunder Individuen zuweilen schon beim Harnlassen von Phosphaten trübe sein oder nach einiger Zeit durch ausgeschiedene Urate (Sedimentum lateritium) trübe werden. In der Regel i.st der eben gelassene Harn klar und nach dem Erkalten zeigt er nur ein leichtes Wölkchen (Nubecula), welches aus Harnmukoid, einzelnen Epithel- zellen, Schlei mkörperchen und Uratkörnchen besteht. Lässt man den sauren Harn stehen, so kann er jedoch nach und nach verändert werden; er wird dunkler und setzt ein aus Harnsäure oder harnsauren Salzen und bisweilen auch aus Calciumoxalatkrystallen bestehendes Sediment ab, in welchem auch Hefepilze und Sauie Hu™ ... giiliniiig. Bakterien zuweilen zu sehen sind. Als Ursache dieser Veränderung, welche von früheren Forschern „saure Harngährung" genannt wurde, betrachtet man allgemein eine Umsetzung des zweifach sauren Alkaliphosphates mit dem Biurate des Harnes. Hierbei entsteht einfach saures Phosphat und je nach Umständen saure Urate (Quadriurate) oder freie Harnsäure oder ein Gemenge von beiden *). Die Quadriurate können auch in Biurat, welches in Lösung geht, und krystallisirende Harnsäure sich spalten. Früher oder später, bisweilen erst nach mehreren Wochen, verändert sich jedoch die Reaktion des ursprünglich sauren Harnes; sie wird neutral oder alkalisch. Der Harn ist nun in die „alkalische Gährung" übergegangen, welche darin besteht, dass der Harnstoff durch niedere Organismen, den Micro- coccus ureae, das Bacterium ureae und auch andere Bakterien in Kohlensäure und Ammoniak zersetzt wird. Aus dem Micrococcus ureae hat Museums-) ein Alkalische Gährung. in Wasser lösliches, Harnstoff spaltendes Enzym isoliren können. Während der alkalischen Gährung können auch flüchtige Fettsäuren, besonders Essigsäure, hauptsächlich durch eine Gährung der Kohlehydrate des Harnes entstehen (Salkowski -^j. Eine Gährung, durch welche Salpetersäure zu salpetriger Säure reduzirt wird, und eine andere, bei welcher Schwefelwasserstoff entsteht, kommen auch bisweilen vor. Ist die alkalische Gährung nur so weit vorgeschritten, dass die Reaktion neutral geworden ist, so findet man in dem Sedimente oft Reste von Harnsäure- krystallen, bisweilen mit prismatischen Krystallen von Alkaliurat besetzt, dunkel- gefärbte Kügelchen von Amnioniumurat, oft auch Calciumoxalatkrystalle und pj^ ^ij.^, zuweilen auch krystallisirtes Calciumphosphat. Besonders charakteristisch für die 'Tai^iuit™ alkalische Gährung sind Krystalle von Ammoniummagnesiumphosphat (Trippel- phosphat) und die Ammoniumuratkügelchen. Bei der alkalischen Gährung wird der Harn blasser und oft mit einer dünnen Haut überzogen, welche amorphes Calciumphosphat mit glitzernden TrippeIj)hosphatkrystalleu und zahllose Jlikro- organismen enthält. 1) Veigl. Hippert-Neubauek, 10. Autl, iiml A. Kittei:, Zi-itsihr. f. riioli)i;if 35. a; .Musculus, Pflüger's Arch. 12. 3) Salkowski, Zeitschr. f. pUysiol. Chc-iu. 13. 528 Fünfzehntes Kapitel. Nicht organisirte Sedimente. Harnsäure. Die Harnsäure kommt im sauren Harne als gefärbte Krj- stalle vor, welche theils an ihrer Form und theils an ihrer Eigenschaft, die Murexidprobe zu geben, erkenntlich sind. Beim Erwärmen des Harnes werden sie nicht gelöst. Bei Zusatz von Alkalilauge zu dem Sedimente lösen sich die Krystalle dagegen, und wenn man einen Tropfen dieser Lösung auf dem Objekt- glase mit Salzsäure versetzt, so erhält man die mit dem Mikroskope leicht zu erkennenden kleinen Harnsäurekrystalle. Saure Urate. Dieses, nur im sauren oder neutralen Harne vorkommende Sediment ist amorph, lehmgelb, ziegelroth, rosafarbig oder braunroth. Von anderen Sedimenten unterscheidet es sich dadurch, dass es beim Erwärmen des Harnes sich löst. Es giebt die Murexidprobe und scheidet nach Zusatz von Salzsäure mikroskopisch kleine Harnsäurekrystalle ab. Krystallisirtes Alkali- urat kommt selten im Harne vor und in der Regel nur in solchem, welcher in Folge der alkalischen Gährung neutral, aber noch nicht alkalisch geworden ist. Die Krystalle sind denen des neutralen Calciumphosphates ziemlich ähn- lich, werden aber von Essigsäure nicht gelöst, sondern geben damit eine Trübung von kleinen Harnsäurekrystalleu. Awnioniumurat kann zwar bei neutraler Reaktion, bei der alkalischen Gährung eines vorher stark sauren Harnes, in dem Sedimente vorkommen, ist aber eigentlich nur für den ammoniakalisch reagirenden Harn charakteristisch. Das Sediment besteht aus gelb- oder braungefärbten, runden, häufig mit stachel- förmigen Prismen besetzten und in Folge hiervon stechapfelähnlichen, ziemlich grossen Kugeln. Es giebt die Murexidprobe. Von Alkalien wird es unter Ammouiakentwickelung gelöst und nach Zusatz von Salzsäure scheiden sich aus der Lösung Harnsäurekrystalle ab. Calciumoxalat kommt als Sediment am häufigsten als kleine, glänzende, stark lichtbrechende Quadratoktaeder vor, welche bei mikroskopischer Besich- tigung an die Form eines Briefcouvertes erinnern. Die Krystalle können wohl nur mit kleinen, nicht völlig ausgebildeten Krystallen von Ammoniumraagnesium- phospbat verwechselt werden. Von diesen unterscheiden sie sich jedoch leicht durch Unlöslichkeit in Essigsäure. Das Oxalat kann auch als platte, ovale oder fast kreisrunde Scheiben mit centraler Grube vorkommen, welche, von der Seite gesehen, sanduhrförmig sind. Oxalsaurer Kalk kann als Sediment in saurem sowohl wie in neutralem oder alkalischem Harne vorkommen. Die Menge des im Harne als Sediment sich ausscheidenden Galciumoxalates hängt nicht nur von dem Gehalte des Harnes an diesem Salz, sondern auch von dem Säure- grade desselben ab. Das Lösungsmittel des Oxalates im Harne scheint das zweifach saure Alkaliphosphat zu sein, und mit einem grösseren Gehalte an solchem Salz kann auch mehr Oxalat in Lösung gehalten werden. Wenn, wie oben (S. b21) erwähnt, beim Stehen des Harnes aus dem zweifa''li sauren ein- Harnsedimente. 529 fach saures Phosphat (rebilHet wirr], kann dpmiiach ein entsprechender Theil des Oxalates als Sediment sich ausscheiden. Calcinmlcarbonat kann in reichlicher Menge als Sediment im Harne der Pflanzenfresser auftreten. Im Harne des Menschen kommt es als Sediment nur in geringer Menge vor, und zwar nur im alkalisch reagirendeu Harne. Es hat entweder fast dasselbe Aussehen wie das amorphe Calciumoxalat oder es kommt Cakium- ^ Karbonat. in etwas grösseren, konzentrisch gestreiften Kugeln vor. Es löst sich, zum Unterschied von dem Oxalsäuren Kalk, iu Essigsäure unter Gasentwickelung. Es ist nicht gelb oder braungefärbt wie das Anmioniumurat und giebt nicht die Murexidprobe. Calciumsitlfat kommt sehr selten als Seiliment in stark saurem Harne viir. Es tritt in langen, dünnen, farblosen Nadeln oder meist zu Drusen Tereinigteu, schief abgeselmitteuea Tafeln auf. CalciumpJiosphat. Das nur im alkalischen Harne sich vorfindende Cal- ciumtriphospbat, Ca3(P04)2, ist stets amorph und kommt theils als ein farb- loses, sehr feines Pulver und theils als eine aus sehr feinen Körnchen bestehende Haut vor. Von amorphen Uraten unterscheidet es sich dadurch, dass es un- gefärbt ist, in Essigsäure sich löst, beim Erwärmen des Harnes aber ungelöst bleibt. Das Calciumdiphosphat, CaHP04 -)- SHgO, kommt in neutralem oder nur sehr schwach saurem Harne vor. Man findet es theils in der den phospHale. Harn überziehenden, dünnen Haut und theils in dem Sedimente. Es krystallisirt in einzelnen oder sich kreuzenden oder zu Drusen angeordneten, farblosen, keil- förmigen, an dem breiten Ende schief abgeschnittenen Krystallen. Von krystal- lisirtem Alkaliurat unterscheiden sich diese Krystalle am leichtesten dadurch, (lass sie in verdünnten Säuren ohne Rückstand löslich sind und die Murexid- probe nicht geben. Aminotnummag))esiimiph(>gphat . Trippelphosphat, phosphorsaure Ammon-Maguesia, kann zwar in amphoter reagirendem Harne bei Gegenwart einer genügenden Menge Aramonsalze sich ausscheiden, ist aber sonst für den durch alkalische Gährung ammoniakalisch gewordenen Harn charakteristisch. Die Krystalle sind so gross, dass sie mit unbewaffnetem Auge als farblose, glitzernde Punkte in dem Sedimente, an der Wand des Gefässes und in der Haut an der Oberfläche des Harnes leicht gesehen werden können. Das Salz stellt phat und grosse, prismatische Krystalle des rhombischen Systemes (Sargdeckel) ilar, welche phosphat. in Essigsäure löslich sind. Amorphes Magnesiumfriphosphat. ^'^■^^{^0^.,' kommt neben Calciumtriphosphat in einem, durch fixe Alkalien alkalischen Harne vor. In selteneren Fällen hat man auch krystallisirtes Magnesiumphosphat, ^^83(^^4)2 -j- 22H2O als stark lichtbrechende, längliche rhombische Tafeln im Menscheuharne (auch im Pferdeharne) beobachtet. Kyeste'in hat mau eine Haut genannt, welche nach einiger Zeit auf der Obei"fläche des Harnes auftritt. Diese Haut, welche früher als für den Harn Schwangerer charakteristisch „ angesehen wurde, enthält allerlei Elemente, wie Pilze, Vibrionen, Epithelzelleu u. s. w. Oft enthält sie auch Erdpliosphate und Trippelphosphatkrystalle. Als seltenere Sedimente sind zu liezeichuen: Cystin, Tyrosin, Hippiirsdurr, Xanihi'n, Hgit^ng^g Hdmaloidin. Iu alkalischem Harne können auch durch eine Zersetzung der Indcixvl^'lukurdn- Harnsedi- säure blaue Kryställchen von Indigo auftreten. inente. Htmmarsten, Pliysiologisclic Chemie. Vierte Auflage. 34 530 Fünfzehntes Kapitel. Harnkonkremente. Ausser gewissen pathologischen Harnbestandtheilen können an der Ent- stehung der Harnkonkremente sämnitliche diejenigen Harnbestandtheile sich be- theiligen, welche überhaupt als Sedimente im Harne vorkommen können. Als einen wesentlichen Unterschied zwischen einem amorphen oder krystallinischen Harngries und Harn- Hamsedimente einerseits und Harngries oder grösseren Konkrementen anderer- konkre- _ , . . mcnte. seit« giebt jedoch Ebstein') das Vorkommen eines organischen Gerüstes in diesen letzteren an. Wie die in einem normalen, sauren, und die in einem gährenden, alkalischen, Harne auftretenden Sedimente verschiedenartig sind, so sind auch die unter entsprechenden Verhältnissen auftretenden Harnkonkremente ebenfalls verschiedenartig. Findet die Entstehung eines Konkrementes und der weitere Zuwachs des- selben in einem unzersetzten Harne statt, so nennt man dieses primäre Stein- , bildung. Wenn der Harn dagegen in alkalische Gährung übergeht und das Primäre und " ^ ° . .sekundäre dabei gebildete Ammoniak durch Ausfällung von Ammoniumurat, Trippelphos- Stein- =" _ " ^ ' ri r biiduiis. phat und Erdphosphaten zu einer Steinbildung Veranlassung giebt, so nennt man dies sekundäre Steinbildung. Eine solche findet z. B. statt, wenn ein Fremdkörper in der Blase zum Katarrh mit alkalischer Gährung des Harnes führt. Man unterscheidet zwischen dem Kerne oder den Kernen, wenn solche zu sehen sind, und den verschiedenen Schichten eines Konkrementes. Die Kerne können in verschiedenen Fällen wesentlich verschiedenartig sein, nicht sehr selten bestehen sie aber aus in die Blase hinein gelangten fremden Körpern. Die Steine können ein- oder mehrkeruig sein. In einer von Ultzmann gemachten Kerne der " '^ Harnsteine. Zusammenstellung von 545 Fällen von Blasensteinen bestand der Kern in 80,9 p. c. sämmtlicher Fälle aus Harnsäure (und Uraten), in 5,6 p. c. aus Calcium- Oxalat, in 8,6 p. c. aus Erdphosphaten, in 1,4 p. c. aus Cystin und in 3,3 p. e. aus einem fremden Körper. Während des Zuwachses eines Konkrementes ereignet es sich oft, dass durch irgend eine Ursache statt der ursprünglich steinbildenden Substanz eine andere als eine neue Schicht sich ablagert. Ausserhalb die-er kann dann eine neue Schicht der früheren Substanz sich ablagern und so weiter. Auf diese zusa'rainen- Wcise können aus einem ursprünglich einfachen Steine Konkremente mit ab- ^raetamo"'' wechselnden Schichten verschiedenartiger Substanz, sogen, zusammengesetzte Harnsteine. Steine, entstehen. Solche Konkremente entstehen immer, wenn eine primäre Steinbilduug in eine sekundäre umschlägt. Durch anhaltende Einwirkung eines alkalischen, eiterhaltigen Harnes können in einem ursprünglich primären Harn- steine die primären Beslandtheile zum Theil ausgelöst und durch Phosphate ersetzt werden. Auf diese W^eise entstehen sogen, metamorphosirte Harnsteine. 1) KliSTElN, Die N.itur innl Bcliaiulliing der Hanistelne. Wiesbaden 1884. Harakonkremente. 531 Sarnsihirf'ltonlycmentc sind sehr häufig. Sie haben eine sehr wechselnde Grösse und Form. Die Grösse der Blasensteine schwankt von der einer Erbse oder Bohne 7.u der eines Gänseeies. Die Harusäuresteine sind stets gefärbt, am häufigsten sind sie graugelb, gelbraun oder blass rothbraun. Die Ober- fiSche ist zuweilen ganz eben und glatt, zuweilen dagegen rauh oder klein- hiickerig. Nächst den Oxalatsteinen sind die Harnsäuresteine die härtesten. Die Bruchfläche zeigt regelmässig konzentrische, zugleich stark gefärbte Schichten, Harnsauio- welche oft schalenartig sich ablösen. Diese Steine entstehen primär. Schichten meute- von Harnsäure wechseln bisweilen mit andereu Schichten primärer Steinbildung, am häufigsten mit Schichten von Calciumoxalat, ab. Die nicht zusammen- gesetzten Harnsäuresteine hinterlassen beim Verbrennen auf dem Platinbleche fast keinen Rückstand. Sie geben die Murexidprobe, zeigen aber bei Einwirk- ung von Natronlauge keine nennenswerthe Ammoniakentwickelung. Aminoniumnratsteine sollen als primäre Steine bei neugeborenen oder säugenden Kindern, selten bei Erwachsenen, vorkonmien. Als sekundäre Ab- lagerung kommt das Ammoniuraurat weit häufiger vor. Die primären Steine . sind klein mit einer blassgelben oder mehr dunkelgelhen Oberfläche. Feucht «ratsteine. sind sie fast teigig weich; in trockenem Zustande sind sie erdig, leicht zu einem blassen Pulver zerfallend. Sie geben die Murexidprobe und entwickeln mit Natronlauge viel Ammoniak. Calcimnoxalntl^onlirenienfe sind nächst den Harnsäurekonkrementen die häufigsten. Sie sind entweder glatt und klein (Hanfsa men steine) oder grösser, bis zur Grösse eines Hühnereies, mit rauher, höckeriger oder selbst mit Zacken besetzter Oberfläche (Maulbeersteine). Diese Konkremente rufen leicht Blutungen hervor, und aus diesem Grunde haben sie oft eine aus zer- ^ , • setztem Blutfarbstoff dunkelbraun gefärbte Oberfläche. Unter den beim Men- '»tsteine. sehen vorkommenden Konkrementen sind diese die härtesten. Sie werden von Salzsäure ohne Gasentwickelung, nicht aber von Essigsäure gelöst. Nach massigem Erhitzen des Pulvers löst es sich dagegen in Essigsäure unter Auf- brausen. Nach hinreichend starkem Glühen reagirt das Pulver von gebildetem Aetzkalk alkalisch. PJiosphafsfeine. Diese, welche meist aus einem Gemenge der normalen Phosphate der alkalischen Erden mit Trippelphosphat bestehen, können sehr gross werden. Sie siml in der Regel sekundär und enthalten ausserdem auch etwas Ammoniumurat und Calciumoxalat. Aus einem Gemenge dieser drei Be- standtheile, Erdphosphate, Trippelphophat und Ammoniumurat, bestehen gewöhn- lich die um einen Fremdkörper als Kern entstandenen Konkremente. Die Farbe Phosphat- ist wechselnd, weiss, schmutzig weiss, blassgelb, bisweilen violett oder lilafarbig (aus Indigroth). Die Oberfläche ist stets rauh. Steine aus Trippelphosphat allein sind selten. Sie sind gewöhnlich klein mit körniger oder strahlig krystal- linischer Bruchfläche. Steine aus einfach saurem Calciuniphosphat sind selten. Sie sind wei.-^s und besitzen ein schön krystallinisches Gefüge. Die Phosphat- steine sind niclit verbrennlich, das Pulver löst sich in Säuren ohne Aufbrausen 34* 532 Fünfzehntes Kapitel. Steine aus Calcium. Icarbonat. und die Lösung giebt die Reaktionen der Phosphoisäure und der ali?a]ischen Erden. Die trippelphosphathaltigen Konkremente entwickeln nach Alkalizusatz Ammoniak. Konkremente aus kohlenfaurem Kalk kommen hauptsiiehlieh bei Pflanzenfressern vor. Beim Menschen sind sie selten. Sie besitzen zumeist eine kreideartige Beseliaffenheit und sind gewöhnlich weisslich gefärbt. Von Säuren werden sie unter Aufbrausen fast vollständig oder jedenfalls zum grössten Theil gelöst. Die Cystiniiteine sind selten. Sie entstehen primär, sind von wechselnder Grösse, können aber die Grösse eines Hühnereies erreichen. Sie haben eine glatte oder höckerige Oberfläche, sind weiss oder mattgelb, auf dem Bruche krystallinisch. Sie sind wenig hart, verbrennen auf einem Platinbleche fast vollständig mit bläulicher Flamme und geben die obengenannten Cystinreaktionen. Die Xanfhinsteine sind sehr selten. Sie sind ebenfalls primär, von der Grösse einer Erbse bis zu der eines Hühnereies. Sie sind mattweiss, gelbbraun oder zimmtbrauu, massig hart, auf dem Bruche amorph und nehmen beim Reiben Wachsglanz an. Auf dem Platin- bleehe verbrennen sie vollständig. Sie geben die (mit der Murexidprobe nicht zu verwechselnde) Xanthlnprobe mit Salpetersäure und Alkali. Die Uroslealithe sind nur wenige Male beobachtet worden. In feuchtem Zustande sind sie bei Körpertemperatur weich, elastisch; getrocknet sind sie dagegen spröde mit amoi-pher Bruchfläche und Wachsglanz Auf dem Platmbleche verbrennen sie mit leuchtender Flamme und entwickeln dabei einen Geruch nach Harz, Schellack oder dergleichen. Ein solches, von Krukenberg') untersuchtes Konkrement bestand aus Paraffin, von einer, von dem Patienten zum Sondiren benutzten Paraffinbougie lierriihrend. Vielleicht sind auch in anderen Fällen beobachtete Urostealithe eines ähnlichen Ursprunges gewesen, obwohl diejenige Substanz, aus welclier sie bestanden, nicht näher untersucht worden i,st. Von Horbaczewski'^) sind indessen neuerdings in einem Falle Urostealithe analysirt worden , die allem Anscheine nach in der Blase selbst gebildet waren. Die Steine enthielten 25 p. m. Wasser, 8 p. m. anorg. Stoffe, 117 p. m. in Aether unlösliche und 850 p. m, in Aether lösliche organische Stoflfe, darunter 515 p. ra. freie Fettsäuren, 335 p. m. Fett und Spuren von Cholesterin Die Fettsäuren bestanden aus einem Gemische von Stearinsäure, Palmitinsäure und wahrscheinlich Myristinsänre. HOKBACZEWSKI ") hat ferner auch einen Blasenstein analysirt, welcher 958,7 p. m. Chole- steri7i enthielt. Fibrinkonkreviente kommen zuweilen vor. n- veränderten Fibrinkoageln. Bei dem Verbrennen *• bi'anntem Hörn. Sie bestehen aus mehr oder weniger mtwickeln sie einen Geruch nach ver- Die chemische Untersuchung der Harnsteine ist von grosser praktischer Bedeutung. Damit eine solche Untersuchung wirklich belehrend werde, ist es jedoch nothwendig, die verschiedenen Schichten, welche ein Harnkonkrement zu- sammensetzen, gesondert zu untersuchen. Zu dem Zwecke sägt man das mit Papier umwickelte Konkrement mit einer feinen Säge so durch, dass auch der Kern durchgesägt und zugänglich wird. Darauf schält man die verschiedenen Schichten ab oder man schabt — wenn der Stein aufbewahrt werden soll — von jeder Schicht eine für die Untersuchung genügende Menge Pulver ab. Tjnter- " Dieses Pulver prüft man darauf durch Erhitzen auf dem Platinbleche, wobei suchung der man jedoch nicht übersehen darf, dass einerseits wohl nie ein Konkrement ganz vollständig verbrennlich, und andererseits ein Konkrement wohl nie der- massen frei von organischer Substanz ist, dass es beim Erhitzen gar nicht ver- kohlt. Mau legt also kein zu grosses Gewicht auf einen sehr unbedeutenden unverbrennlichen Rückstand oder einen sehr unbedeutenden Gehalt an organischer Substanz, sondern man sieht das Konkrement im erstereu Falle als vollständig verbrennlieh, im letzteren als unverbrennlich an. Wenn das Pulver zum grossen Theil verbrennlich ist, dabei aber einen ' ) Chem. Untersuch, z. wissensch. Med. 2. Cit. nach Maly's Jahresber. 19. S. 422. -) Zeitschr. f. jihysiol. Chem. 18. Untersuchung der Harnsteine. 533 nicht unbedeutenden, unverbrennlichen Rückstand hiiiterlässt, ko enthält das fragliche Pulver in der Regel harusaure Salze mit anorganischen Stoffen ge- mengt. In einem solchen Falle zieht mau die Urate mit kochendem Wasser chemische aus und untersucht darauf das Filtrat auf Harnsäure und die zu erwartenden Unter- suchung der Basen. Den Rückstand prüft man nach dem folgenden Schema von Heller, Harnsteine, welches überhaupt, wenigstens zur orientirenden Untersuchung von Harnsteinen, sehr zweckmässig ist. Bezüglich der mehr detailjirten Untersuchung wird auf ausführlichere Handbücher hingewiesen. 534 Füufzehutes Kapitel. Beim Erhitzen auf dem Platinbleche ist das Pulver Nicht verbrennlich Verbrennlich Das Pulver, njit Salzsäure behandelt, Mit Flamme Ohne Flamme braust nicht 2 O Bj ■l i .2 a "S 5 O £ Das Pulver giebt die Murexidprobe Das massig verglimmte Pulver < ■" J3 il mit Salzsäure behandelt "2 -r ;2 ^ _^ ^^ 5 '^ s; S) ja C Das native Pulver Das native Pulver gicbt mit weuis; Kalilauge 3 •^ ä .1 .5 'S 3 'S Ol ^ = 3 giebt kalt mit befeuchtet •^ ;ii ^^ § -3 3 S wenig Kalilauge o g « 1 ►5 s ^ - ja CO "S 'S CS JA g £ a 3 = I 3 3 J3 ■" J4 l^ TS ja a 3 -a II S S a 'S K s £ i £ :3 > u 3 — Essigsäi lystallin » a a 'S ü 2 2 3 3 a 3 ^ E .^ S C < 3 ^ s _s Sc s 2 - J3 ■3 'S J3 ja X, 'J 3 li 'S ■3 « 3 a 3 J>! k. uren säui "^ w i 'S j< ^^ •g 5 2 f„ chlich Animonia säure. Die Lö n, höchstens Sp säure oder Salz gefällt 11 1 a s £ .S i .2 ■« 3 -^ 1 1 a a ^ s 3 c. £ " 3 .5 S p « 'S S 'S 1 2 o 5 (5 5 ■So g _ ' |a -5- 5 « g p o 1 ■5 S 3 Äi g 2 1^1 s 1 |s ^ ' S i g •c -'S b^e lui die Farbstoflc der Jleusclienliaut niiiiren auch einige, in Haut udcr EpidoriiiisI>iklungen von Tliicren gefundene Pigmente hier abgehandelt werden. Die prachtvolle Farbe der Federn mehrerer Vögel rührt in gewissen Fällen von rein physikiUischen Verhältnissen (Interierenzphenonienen) , in anderen dagegen Ton FarbstoHen verschiedener .Vrt her. Ein solcher, amorpher, rothvioletter Farbstoä' ist das, 7 p. c. Kupfer FarbstofTo enthaltcade Tiiracin, dessen Spelitrum an dasjenige des üxyhämoglobins erinnert. In den <'"^^ Vogel- Vogclfedern hat Kkikenbebg'J eine grosso Anzahl von Farbstoffen, wie Zoonerylhrin, Zoo- ^ °'"' fulvin, Turacoi'crdin, Zoorubin, Psittacofulvin und andere, die hier nicht alle aufgezählt werden können, gefunden. Tetronerythl'in hat Worm den rothen, amorphen, in Alkohol und Aether lösliehen Farbstoff genannt , welcher in dem rothen warzigen Flecke über dem Auge des Auerhahns lind Birkhahns vorkommt, und welcher auch bei den Evertebratcn sehr verbreitet sein soll (Halliburton, De Merejkowski, M.\c Münn). In den Schalen der Krel«se und Hummern 't'i"ri"^' findet sich ausser dem Tetrouerythrin (Mac JlrsN) ein blauer Farbstoff, das C'janokrystaUin, welcher von Säuren wie auch von siedendem Wasser roth wird. Hämatoporphyrin soll auch nach Mac Muss^) in den Integumenten gewisser niederer Thiere vorkommen. Bei gewissen Schmetterlingen (den Pieriden) besteht, wie Hopkins*) gezeigt hat, das weisse Pigment der Flügeln ans Harnsäure und das gelbe aus einem Harnsäurederivate, der Farbstoffe Lcpidolxäurc, welche beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure eine purpurfarbene Sub- dcrPieriden. stanz, das Lepkioporphyrin, liefert Im Anschluss an die nun genannten Farbstoffe mögen auch einige andere, bei gewissen Thieren (wenn auch nicht in den Hautbildungen) gefundene Farbstoffe hier besprochen werden Die Kai'minsünrc oder der rothe Farbstoff der Cochenille giebt nach LiEBERMASN und Voswinckel") bei der Oxydation, Cochcnilleiäure, C,oH807, und Coccinsätire CgHuOs, die erstere Tri- die letztere Dikarbonsäure des m-Kresols. Die prachtvoll purpurfarbige Lösung des karminsauren .\mmoniaks hat wie das Oxyhänioglobin zwei Absorptionsstreifen zwischen Karmiii- D und E. Diese Streifen liegen jedoch näher an E und näher aneinander und sie sind ^''J;'™ "'"* weniger scharf begrenzt. Purpur nennt mau das eingetrocknete, durch die Einwirkung des Sonnenlichtes ))urpur-violett gefärbte Sekret der sogen. ^Purpurdrüse' in der Mantelwand einiger Murex- und Pu r puraa rten. Seine chemische Natur ist noch nicht erforscht worden. Unter den übrigen bei Evertebratcn gefundenen Farbstoffen sind hier zu nennen : Staues Stentorin, Aeliniorhrom, Boncllin, J'olyperythrin, Pentacrinin, Antedonin, Crusla- eeorubin, Janlhinin und CUorophyll. 1) Bei Schmiedeberg, Elementarformcln einiger Eiweisskörjier etc. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 39 findet man eine Zusammenstellung der Analysen anderer Forscher wie auch die einschlägige Litteratnr. Vergl. ferner K. Mörnek, Zcitschr. f. physiol. Chem. 11. ■i) SiEBEK, Arch f. exp. Path u. I'haiiii 20: ABEL uud Davis. Maly's Jahresbcr. 26. 5) Vergleichend pliysiol. Studien Abth. 5 und (2. Reihe) Abth. 1 S. 151, Abth. 2 S. 1 und Abth. 3 S. 128. J) Wurm. cit. nach Maly's Jahresbcr. 1; Halliburton, Journ. of Physiol. 6; Merejkowski, Compt. reud 93; Mac Mfss, Proc. Roy. Soc. 1883 und Journ. of Physiol. 7. o) Phil, trans. London 186. 6) Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. 30. 540 Sechzehntes Kapitel. Der Haiittnl^ ist, frisch abgesondert, eine ölige, halbflüssige Masse, welche auf der Hautoberfläche zu einem schmierigen Talg erstarrt. Die Menge ist bei verschiedenen Personen eine sehr verschiedene. Hoppe-Seyler hat in dem Haul- talge einen kasei'nähnlichen Stoff" nebst Albumin und Fett gefunden. In diesem Fette findet sich auch Cholesterin, welches besonders in der „Vernix caseosa" HauUaig. j^ reichlicher Menge vorkommen soll. Die festen Stofle der Hautsalbe besteben überwiegend aus Fett, Epithelzellen und Proteinstofieu ; die der Vernix caseosa bestehen überwiegend aus Fett. Rüppel') fand in der Vernix caseosa im Durch- schnitt 348,52 p. ni. Wasser und 138,72 p. m. Aetherextrakt. Neben Chole- sterin fand er auch Isocholesterin. Daran erinnernd, dass nach einer allgemein verbreiteten Ansicht das der Pflanzenepidermis zugehörige Wachs als Schutzmittel für die inneren Theile der Früchte und Pflanzen diene, hat Liebreich^) die Vermuthung ausgesprochen, dass gerade die Verbindung der fetten Säuren mit einatomigen Alkoholen als Grund der Resistenzfähigkeit des Wachses gegenüber den Glycerinfetten anzu- choiesterin- sehen Sei. In ähnlicher Weise glaubt er, dass die Cholesterinfette im Thier- ^""^^'yj '''" reiche die Rolle eines Schutzfettes übernehmen, und es ist ihm auch gelungen, in der menschlichen Haut und den Haaren, in Vernix caseosa, Fischbein, Schild- platt, Kuhhorn, Federn und Schnäbeln mehrerer Vögel, Stacheln vom Igel und Stachelschwein, Huf und Kastanien der Pferde etc. Cholesterinfett nachzuweisen. Er zieht hieraus den Sehluss, dass die Cholesterinfette stets in Verbindung mit der keratinösen Substanz auftreten und dass das Cholesterinfett, wie das Wachs bei den Pflanzen, zum Schutz der thierischen Oberfläche dient. In der von Psylla Alni secerniiten fettaHis;on Schutzsuhstanz hat Sdndwik') den Psyllosteryl- pgy]|j,g(Pi.y]jj(ljg,.^ C^^jj^^^q^ gefunden, welcher unter Aufnahme von Wasser in zwei Moleküle eines zweiwerthigen Alkohols, des Psylloslerylalkohols, C33H51JO0, sich spaltet. Das Ceriimcn ist ein Gemenge des Sekretes der im knorpeligen Theile des äusseren Gehörganges vorkommenden Talg- und Schweissdrüsen. Es enthält Seifen und Fett, Fettsäuren, Cholesterin und Eiweiss und enthält ausserdem einen rotheu, in Alkohol löslichen, bitterschmeckenden StoflT*). Das Präputialsekret, Smegma praeputii, enthält überwiegend Fett, ferner Cholesteriu und angeblich auch Ammoniakseifeu, die vielleicht von zer- setztem Harne herrühren. Desselben Ursprunges sind vielleicht auch die im Smegma des Pferdes gefundenen Stoffe: Hippursäure, Benzoesäure und Calcium- oxalat. Zu dem Präpntialsekrete Ivann auch das aus zwei eigenthümliclion Driisensiickchen in das Präputium des Bibers ausgeschiedene Bibergeil, Castoreum, gerechnet werden. Dieses Bibcr"eil. ^°' "'" Gemisch von Eiweiss, Fett, Harzen, Spuren von Phenol (flüchtigem Oel) und einem stickstofOreien, seiner Zusammensetzung nach nicht näher bekannten, aus Alkohol in vierseitigen Nadeln krystallisirenden, in kaltem Wasser unlöslichen, in siedendem dagegen etwas löslichen Stoff, dem Castorin. 1) HOPPE-Seylek, Physiol. Chem. S. 760; RÜPPEL, Zeitschr. f. physiol. Chcm. 21. 2) ViKCHOw's Arch. 121. :i) Zeitschr. f. i.hysiol. Chcm. 17 u. 25. 4) Vergl. Lamois und Maktz, Malv's Jahresher. 27 S. 40. Der Schweiss. 541 In dem Sekrete aus den Analdrüsen der Stinkthiere hat man Butylmer- kaptan und Alkylsulfiiie gefunden (Aldrich, E. Beckmann^). Das Wollfett oder der sogen. Fettsehweiss der Schafe iat ein Gemenge der Sekrete der Talg- uud Schweissdrüsen. In ileni Wasserextrakte findet sich eine reichliche Menge von Kalium, welches an organische Säuren, flüchtige und nicht flüchtige Fettsäuren, Benzoesäure, Phenolschwefelsäure, Milchsäure, Aepfelsäure, Bernsteinsäure u a. gebunden ist. Das Fett WuHfett. enthält unter anderen Stofl"eu auch reichliche Mengen Aetherarten von Fettsäuren mit Chole- sterin und IsoCholesterin. DARMSTÄDTER und LlF.SCHiJTZ -) haben im Wollfette auch andere Alkohole und neben Myristinsäure auch zwei Oxyfettsäuren, die Lanocerinsäure, C3„Hoo04, und die Lanopalni i t insäure, CiaHajOj, gefunden. Das Sekret der Bürzel drüse der Enten und Gänse enthält einen kaseinähnlichen Stoff, femer Albumin, Nuklcin, Lecithin und Fett, aber keinen Zucker (De Jonge). In dem Hautaekrete von Salamandern und Kröten hat man giftige Stofl'e, bezw. das Samandarin (Zalesky, Fadst) und das Bufidin (Joknaea und Casali^) gefunden. Der Schweiss. Der unverhältnissmässig grösste Theil der durch die Haut ausgeschiedenen Stofl'e, deren Menge als Mittel etwa ^/c4 des Körpergewichtes beträgt, besteht aus AVasser. Nächst den Niereu ist auch die Haut der für Der die Ausscheidung des Wassers beim Menschen wichtigste Apparat. Da die Drüseu der Haut und die Nieren bezüglich ihrer Funktionen in gewisser Hin- sicht einander nahe stehen, können sie auch bis zu einem gewissen Grade Stell- vertreter für einander sein. Die Umstände, welche auf die Schweissabsonderung einwirken, sind sehr zahlreich, und die Menge des abgesonderten Schweisses muss dementsprechend sehr bedeutend wechseln können. Auch an den verschiedenen Stellen der Haut ist die Schweissabsonderung ungleich stark, und man hat angegeben, das« sie au den Wangen, der Innenseite der Hand und dem Unterarme wie 100 : 90 : 45 sich verhalten soll. Aus der ungleichen Stärke der Sekretion an verschiedenen Körperstellen folgt auch, dass mau aus der von einem kleineren Theile der Die Körperoberfläche in einem bestimmten Zeiträume abgesonderten Schweissmenge absonder- keine Schlüsse auf die Grösse der Sekretion der ganzen Körperoberfläche ziehen kann. Bei den Versuchen, die Grösse der Schweissabsonderung zu bestimmen, sucht man ausserdem im Allgemeinen eine starke Sekretion hervorzurufen, und da die Drüsen wohl schwerlich längere Zeit mit derselben Energie arbeiten können, dürfte es wohl kaum berechtigt sein, aus den während einer kurz- dauernden, stärkeren Sekretion abgesonderten Mengen die Menge des Sekretes pro 24 Stunden zu berechnen. Der Schweiss, wie man ihn zur Untersuchung erhält, ist nie ganz rein, sondern enthält abgestossene Epidermiszellen wie auch Zellen und Fettkügelchen Eigen- aus den Talgdrüsen. Der filtrirte Schweiss ist eine klare, ungefärbte Flüssigkeit schweisBes von salzigem Geschtnack und einem an verschiedenen Hautpartien verschiedenen Geruch. Die physiologi.. 5 'l'hl. 1 S. 421 u. .543. a) Leclerc, Compt. rend. 107. Gaube, Malv's .Tahrcsber. 22; Lefbe, Viechow's Arch. 48 u. 50 und Arch. t. liliu. Med. 7. ;i) Capranica, Maly's Jaliresber, 12; Käst, Zcitschr. f. physiol. Clien,. 11. 1) Argutinsky, Pplüger's Arch. 4(j; Ceambr, Arcli. f. Hygiene 10. i) Compt. rend. 35 und Arch. ^-.MiC-r. de M.'-d. (5) 2. Gaswechsel durch die Haut. Ö43 In dem Schweisse fand Käst das Verhältniss der Aetherschwefelsäure Aether- zu der Sulfatschwefelsiiure = 1:12. Nach Einführung von aromatischen Sub- säure und stanzen ninmit die Menge der Aetherschwefelsänren in dem Schweisse nicht in sphweiei- demselben Grade wie in dem Harne (vergl. Kap. 15) zu. Zucker kann hei Diabetes in den Schweiss übergehen ; der Uebergang von Gallenfarh- Stoffen in dieses Sekret ist dagegen nieht sieber bewiesen. Benzoesäure, BemKteinsäure, Wein- Stoffe. säure, Jod, Arsen, Quecksilberchlorid und Chinin gehen in den Sehweiss über In dem Schweisse hat man ferner Harnsäure bei Gicht und Cystin bei Cystinurie gefunden. Chromkidrose liat man die Absonderung von gefärbtem Schweisse genannt. Bisweilen hat man den Schweiss von Indigo (Bizio), von Pyocyauin oder von Fcrrophosphat (KoLL- Farbiger mann') blaugefärbt gesehen. Wahres Blutsehwitzen, bei welchem Blutkörperchen durch die Drüseumündungen austreten, ist auch beobachtet worden. Der Gas/vechsel durch die Haut ist beim Menschen, dem Gaswechsel in den Lungen gegenüber, von sehr untergeordneter Bedeutung. Die Sauer.stoff- aufnahme durch die Haut, zuerst von Regnault und Rei.set bewiesen, ist äusserst gering. Die Menge der durch die Haut ausgeschiedenen Kohlensäure wächst mit zunehmender Temperatur (Aubert, Röhrig, Fubini und RoNCiii, Barratt^). Sie soll ferner im Lichte grösser als im Dunkel sein. Während der Verdauung ist sie grösser als im nüchternen Zustande und nach vegetabi- lischer Nahrung grösser als nach animalischer (FuBixi und Ronchi). Die von durfh die verschiedenen Forschern für die ganze Hautoberfläche pro 24 Stunden berech- neten Mengen schwanken zwischen 2,23 und 32,8 g^). Bei einem Pferde fand ZuNTZ mit Lehmann und Hagemann *; für 24 Stunden eine Kohlensäureaus- scheidung durch Haut und Darm, die nahe 3 p. c. der Gesammtathmung ent- sprach. Von dieser Kohlensäuremenge kamen etwas weniger als */.5 auf die Hautathraung. Nach denselben Forschern macht die Hautathraung etwa 2V2 p. c. der gleichzeitigen Lungenathmung aus. Da der Gaswechsel durch die Haut beim Menschen und Säugethieren sehr gering ist, so folgt hieraus, dass die schädlichen und lebensgefährlichen Wirkungen des Ueberziehens der Haut mit Firniss, Oel oder dergleichen schwer- lich von dem gehinderten Gaswechsel herrühren können. Nach dem Ueber- firnissen der Haut können die Thiere rasch unter beträchtlichen Wärmeverlusten zu Grunde gehen. Wird das Thier gegen diesen Wärmeverlust geschützt, so Ueber- kann es gerettet oder jedenfalls längere Zeit am Leben erhalten werden. Man Haut, hat früher angenommen, dass es hier um eine durch Zurückhalten eines oder einiger PerspirationsstofFe (perspirabüe retentum) hervorgerufene, von Fieber und gesteigertem Wärmeverlust durch die Haut begleitete Vergiftung sich handeln würde; aber diese Annahme hat nicht als richtig sich erwiesen. Die Erscheinung scheint andere Ursachen zu haben, und wenigstens bei gewissen Thieren (Kanin- 1) Bizio, Wien. Sitzungsljer. 39; Koi.lmann, eil. nach v. Gorüp-Besanez' Lehrbuch d. physiol. ehem. 4. Aufl. S. 555. 2) AüBERT, Pflüger's Arch. 6; EOhmg, Deutsch, klin. 1872. S. 209; FüBINI und Ronchi, Moi.eschott, Untersuch, z. Naturlehre 12. Barratt, .Inurn. of Physiol. 21. '■^j Vergl. Hoppe-Seyler, Physiol. Chem. S. 580. •1) Du Bois-Reymond's Arch. 1894 und Maly's Jahresbcr. 24. 544 Sechzehntes Kapitel. eben) dürfte der Tod vielleicht die Folge einer durch das Firnissen hervorge- rufenen Erlahmung der vasomotorischen Nerven sein. Durch die Erweiterung der Hautgefässe scheint nämlich die Wärmeausstrahlung durch die Haut der- massen gesteigert zu werden, dass die Thiere durch das Sinken der Körper- temperatur zu Grunde gehen. Nach Laulanie') sollen die Thiere an Inanition zu Grunde gehen, indem sie zu wenig Nahrung aufnehmen, während die chemi- .«chen Umsetzungsprozesse zur Deckung der Wärmeverluste stark gesteigert sind. 1) Arch. de Physiol. (5) 9. Sieb Zell Utes Kapitel. Chemie der Athmung. Während des Lebens findet ein stetiger Austausch von Gasen zwischen dem Thierkörper und dem umgebenden Medium statt. Sauerstoff wird aufge- nommen und Kohlensäure abgegeben. Dieser Austausch von Gasen, welchen man als Respiration bezeichnet, wird beim Menschen und den Wirbelthieren von den im Körper cirkulireuden Nahrungssäfteu, Blut und Lymphe, vermittelt indem nämlich diese in stetigem Verkehr mit dem äusseren Medmm einerseits und den Gewebselementen andererseits sich befinden. Ein derartiger Austausch von gasförmigen Bestaudtheilen kann überall da stattfinden, wo die anatomischen ■'"'•i'' Verhältnisse kein Hindernis« dafür abgeben, und sie kann beim Menschen im Darmkanale, durch die Haut und in den Lungen von statten gehen. Dem Gaswechsel in den Lungen gegenüber ist jedoch der schon in dem Vorigen be- sprochene Gaswechsel im Darmkanale und durch die Haut sehr geringfügig. Aus diesem Grunde wird in diesem Kapitel nur^der Gaswechsel zwischen Blut und Lungenluft einerseits und Blut, bezw. Lymphe, und Geweben andererseits besprochen. Jenen bezeichnet mau oft als äussere, diesen als innere Re- spiration. I. Die Gase des Blutes. Seit den bahnbrechenden Untersuchungen von Macjnus und Lothar Meyer sind die Gase des Blutes wiederholt Gegenstand sorgfältiger Untersuchungen hervorragender Forscher gewesen, unter denen vor Allem C. Ludwig und seine Schüler und E. Pflüger und seine Schule zu nennen sind. Durch diese Unter- suchungen ist nicht nur die Wissenschaft mit einer Fülle von Thatsachen be- reichert worden, sondern es haben auch die Methoden selbst eine grössere Ver- vollkommnung und Zuverlässigkeit erlangt. Bezüglich dieser Methoden wie auch bezüglich der Gesetze für die Absorption der Gase von Flüssigkeiten, der Dis- sociation und anderer hierher gehörigen Fragen muss jedoch, da es hier nur um eine kurzgefasste Darstellung der wichtigsten Thatsachen sich handeln kann^ Hammarsttin, Physiologische Chemie. Vierte Auflage. 35 546 Fünfzehntes Kapitel. auf ausführlichere Lehrbücher der Physiologie, der Physik und der gasanalyti- schen Methoden hingewiesen werden. Die im Blute unter physiologischen Verhältnissen vorkommenden Gase sind Sauerstoff, Kohlensäure, Stichstoff und Spuren von Argon. Der Stick- stoff kommt in nur sehr kleiner Menge, im Mittel zu 1,8 Vol. Prozent, die Menge hier wie überall in dem Folgenden bei 0" C. und 760 mm Hg-Druck Sackstoffes, berechnet, vor. Der Stickstoif scheint im Blute, wenigstens zum unverhältniss- mässig grössten Theil, einfach absorbirt zu sein. Er scheint, ebenso wie das Argon, keine direkte Rolle in den Lebensvorgängen zu spielen und seine Menge scheint in dem Blute verschiedener Gefässbezirke annähernd dieselbe zu sein. Anders verhält es sich mit dem Sauerstoffe und der Kohlensäure, deren Mengen bedeutenden Schwankungen unterliegen nicht nur in dem aus ver- schiedenen Gefässbezirken stammenden Blute, sondern auch in Folge mehrerer Verhältnisse, wie einer verschiedenen Cirkulationsgeschwindigkeit, einer verschie- denen Temperatur, Ruhe und Arbeit u. s. w. Der am meisten hervortretende Unterschied im Gasgehalte betrifft das arterielle und das venöse Blut. Die Menge des Sauei'stoffes im arteriellen Blute (von Hunden) beträgt im Mittel 22 Vol. Prozent (Pflüger). Im Menschenblut fand Setschenow etwa dieselbe Menge, 21,6 Vol. Prozent. Für das Blut von Kaninchen und Vögeln hat mau niedrigere Zahlen gefunden, bezw. 13,2 und 10 — 15 p. c. Saulü-''^ (Walter, Jolyet). Das venöse Blut hat in verschiedenen Gefässbezirken einen sto es. (.gj^j. ^vechselnden Gehalt an Sauerstoff. Durch Zusammenstellung einer grossen Anzahl Analysen von verschiedenen Forschern hat Zuntz indessen berechnet, dass das venöse Blut des rechten Herzens als Mittel 7,15 p. c. Sauerstoff weniger als das arterielle Blut enthält. Die Menge der Kohlensäure in dem arteriellen Blute (von Hunden) ist 30 — 40 Vol. Prozent (Ludwig, Setschenow, Pflüger, P. Bert u. A.), am häufigsten gegen 40 p. c. In dem arteriellen Blute vom Menschen fand Set- SCHENOAV 40,3 Vol. Prozent. Der Gehalt des venösen Blutes an Kohlensäure Menge der schwankt noch mehr (LuDWic, Pflüger und deren Schüler, P. Bert, Mathieu Kohlen- i tt a säuro. und Urbal\ u. A.). Nach den Berechnungen von Zuntz soll das venöse Blut vom rechten Herzen etwa 8,2 p. c. Kohlensäure mehr als das arterielle ent- halten. Die mittlere Menge dürfte zu 48 Vol. Prozent angeschlagen werden können. In dem Erstickungsblute fand HoLMGREN sogar 69,21 Vol. Prozent Kohlensäure '). Der Sauerstoff ist nur zu einem kleinen Theil absorbirt von dem Plasma oder Serum, in welchem Pflüger nur 0,26 p. c. Sauerstoff fand. Die Haupt- menge, d. h. fast sämmtlicher Sauerstoff, ist von dem Hämoglobin locker ge- bunden. Die Menge Sauerstoff, welche in dem Hundeblute enthalten ist, stimmt 1) Sänimtliche hier oben angefiihrte Zahlen findet man in dem Artikel von N. ZuNTZ, ,V)\v G;ise des Blutes' iu L. Hekmann's Handb. d. Physiol. 4. Thl. 2. S. 33 — 43, wo man auch ausfiilu-lifhe IJetailaiigabeu und die einsclilägii;e Littfi-atur findet. Die Kohlensäure der Blutkörperchen. 547 auch that^äohlich gut mit derjenigen Menge überein, welche man, nach der sauerstoffbindenden Fähigkeit des Hämoglobins und der Menge des letzteren in dem Hundeblute /-u urtheilen, darin zu erwarten hätte. In wie weit das 5""*""? i*^ kreisende arterielle Blut mit Sauerstoff gesättigt sei, ist schwierig zu entscheiden, '"' B'"*"- weil stets unmittelbar nach dem Aderlasse eine Sauerstoffzehrung in demselben stattfindet. Dass es im Leben nicht ganz vollständig mit Sauerstoff gesättigt ist, scheint jedoch unzweifelhaft zu sein. Die Kohlensäure des Blutes findet sich theils, und zwar nach den Unter- vertiieiiung suchungen von Alex. Schmidt '), Zuntz ^) und L. Fredericiq^) zu mindestens '/a, Sin-caa" in den Blutkörperchen und theils, und zwar zum grössten Theil, in dem Plasma, cbeiiund bezw. dem Serum. Die Kohlensäure der Blutkörperchen ist locker gebunden und der kohlen- säurebindende Bestandtheil derselben scheint einerseits das an Phosphorsäure, O.xyhämoglobiu, bezw. Hämoglobin und Globulin gebundene Alkali und anderer- seits das Hämoglobin selbst zu sein. Dass in den rothen Blutkörperchen Alkali- phospliat in solcher Menge enthalten iist, dass es für die Kohlensäurebiudung von Bedeutung sein kann, ist wohl nicht zu bezweifeln, und man muss an- nehmen, dass aus dem Diphosphate bei einem grösseren Partiardrucke der Kohlen- säure Mouophosphat und Alkalibikarbonat entstehen, während bei einem nied- rigeren Partiardrucke der Kohlensäure die Masseuwirkung der Phosphorsäure wieder zur Geltung kommt, so dass, unter Freiwerden von Kohlensäure, eine Rückbildung von Alkalidiphosphat stattfindet. Dass der Blutfarbstoff, besonders das Oxyhämoglobin, welches aus kohlensaurem Natron Kohlensäure im Vakuum Bindung der austreiben kann, wie eine Säure sich verhält, ist allgemein angenommen, und in den da die Globuline ebenfalls wie Säuren sich verhalten (vergl. unten), dürften kürpen-ben. auch diese Stoffe in den Blutkörperchen als Alkaliverbindungen vorkommen. Das Alkali der Blutkörperchen muss also nach dem Gesetze der Massenwirkung zwischen der Kohlensäure, der Phosphorsäure und den anderen als Säuren wir- kenden Bestandtheilen der Blutkörperchen — unter diesen vor Allem dem Blut- farbstoffe, da das Globulin seiner geringen Menge wegen kaum von Bedeutung sein dürfte — sich vertheilen. Bei grösserer Massenwirkung oder grösserem Partiardrueke der Kohlensäure muss auf Kosten des Diphosphates und der anderen Alkaliverbindungen Bikarbonat entstehen, während bei erniedrigtem Partiardrueke desselben Gases unter Entweichen von Kohlensäure das Alkali- diphosphat und die übrigen Alkaliverbindungen auf Kosten des Bikarbonates zumckgebildet werden müssen. Das Hämoglobin soll jedoch, wie die Untersuchungen von Setsche.now^) und ZuiNTZ, vor Allem aber von Bohr und Torup^) gezeigt haben, .selbst bei 1) Ber. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Math.-phys. Klasse. 1867. 2) Centralbl. f. d. med. Wissenseh. 1867. S. 529. ^) Et'clierches .sur la Constitution du Plasma sanguin. 1878. S. 50, 51. 4) Ceutralbl. 1'. d. med. Wissensch. 1877. Vergl. auch ZCNTZ in Heemann's Hand- buch. S. 70. :<) ZlNTZ 1. e. S. 70; llonu, M.vi.y's Jaliresber. 17; ToRip, ebenda. 35* 548 Siebzehntes Kapitel. Abwesenheit von Alkali die Kohlensäure locker binden können. Bohr hat auch gefunden, dass die Dissociationskurve des Kohlensäurehämoglobins mit der Kurve der Kohlensäureaufnahnie, resp. Kohlensäureabgabe des Blutes wesentlich Hämoglobin übereinstinuut, aus welchem Grunde Bohr und Torup dem Hämoglobin selbst siime- und nicht seiner Alkaliverbindung eine wesentliche Bedeutung für die Kohlen- säurebiudung im Blute zuerkennen. Nach Bohr soll hierbei das Hämoglobin gleichzeitig Sauerstoff und Kohlensäure in der Weise binden können, dass der Sauerstoff von dem Farbstoffkerne und die Kohlensäure von dem Eiweisskom- ponenten gebunden wird. Die Hauptmenge der Blutkohlensäure findet sich in dem Blutplasma oder dem Blutserum, was schon daraus erhellt, dass das Serum reicher an Kohlen- säure als das entsprechende Blut selbst ist Bei Auspumpungsversuchen an Blutserum hat man nun gefunden, dass die Hauptmenge der in demselben ent- Die Kobien- haltenen Kohlensäure an das Vakuum direkt abgegeben wird, während ein i'iusma und kleinerer Theil erst nach Zusatz von einer Säure ausgepumpt werden kann. Ss»"""- ,. . . . off Wie eine Säure wirken auch die rothen Blutkörperchen, weshalb auch aus dem Blute alle Kohlensäure mittels des Vakuums entfernt werden kann. Ein Theil der Kohlensäure ist also in dem Serum fest chemisch gebunden. Bei Absorptionsversuchen mit Blutserum hat man weiter gefunden, dass die auspumpbare Kohlensäure zu grossem Theil locker chemisch gebunden ist, und aus dieser lockeren Bindung der Kohlensäure folgt dann weiter mit Noth- Binduiigs- wendigkeit, dass das Serum auch einfach absorbirte Kohlensäure enthalten muss. formen der _ ^ Kohlen- Für die Bindungsform der in dem Serum, bezw. dem Plasma, enthaltenen Kohlen- säure finden sich also die folgenden drei Möglichkeiten: 1. Ein Theil der Kohlen- säure ist einfach absorbirt, 2. ein anderer Theil ist locker chemisch gebunden und 3. ein dritter Theil ist fest chemisch gebunden. Die Menge der einfach absorbirten Kohlensäure hat man nicht genau be- stimmen können. Ihre Menge wird von Set.scheno\v ') in dem Hundeblutserum Kohlen- ZU etwa ^/lo von der gesanimten Kohlensäuremenge des Blutes angeschlagen. Nach der Tension der Kohlensäure im Blute und dem Absorptionskoeffizienten derselben zu urtheilen, scheint jedoch ihre Menge noch kleiner zu sein. Die Menge der fest chemisch gebundenen Kohlensäure in dem Blutserum fällt mit dem Gehalte desselben an Alkalikarbonat zusammen. Diese Menge ist indessen nicht bekannt und sie kann weder aus der durch Titrirung ge- fundenen Alkalescenz noch aus dem nach Einäscherung gefundenen Alkali- Fest gebun- Überschusse berechnet werden, weil das Alkali nicht nur an Kohlensäure, son- aüure. dem auch an andere Stoffe, besonders Eiweiss, gebunden ist. Die Menge der fest ehemisch gebundenen Kohlensäure kann auch nicht als Rest nach dem Auspumpen im Vakuum ohne Säurezusatz ermittelt werden, weil allem Anscheine nach gewisse wie Säuren wirkenden Bestandtheile des Serums dabei Kohlensäure aus dem einfachen Karbonate austreiben. Die Menge der durch das Vakuum 1) Ceutialbl. t. U. med. Wisseusch. 18T7. Nr. 35. Dip Kohlensäure des Blutserums. 549 allein, ohne Säurezusatz, nicht austreibbaren Kohlensäure des Hundeblutserums betrug in den von Pfllger') ausgeführten Bestimmungen 4,9—9,3 Vol. Prozent. Aus dem Vorkommen von einfachem Alkalikarbonat in dem Blutserum folgt selbstverständlich, dass ein Theil der auspumpbaren, locker gebundenen Kohlensäure des Serums als Bikarbonat vorkommen muss. Das Vorkommen dieser Verbindung in dem Blutserum ist auch direkt nachgewiesen worden. Bei Auspumpungs- wie auch bei Absorptionsversuchen verhält sich indessen das Serum in anderer Weise als eine Lösung von Bikarbonat, bezw. Karbonat ent- sprechender Konzentration, und nur aus dem Vorkommen von Bikarbonat in dem Serum kann also das Verhalten der locker gebundenen Kohlensäure des Serums nicht erklärt werden. Mit dem Vakuum lässt sich nämlich aus dem Serum stets reichlich mehr als die Hälfte der nicht einfach absorbirten Kohlen- säure desselben entfernen, was natürlich nicht der Fall sein könnte, wenn es bei der Auspumpung nur um den Uebergang von doppelt kohlensaurem Salz in das einfach saure Salz sich handelt«. Da man nun weiter ausser dem Bi- ^bundene karbonate keine Kohlensäureverbindung in dem Serum mit Sicherheit kennt, aus säure" welcher die Kohlensäure bei dem Evakuiren durch einfache Dissociatiou frei- gemacht werden könnte, so wird man zu der Annahme genöthigt, dass in dem Serum neben der Kohlensäure auch andere schwache Säuren enthalten sein müssen, welche mit ihr um den Besitz des Alkalis kämpfen und im Vakuum aus einfachem Karbonate die Kohlensäure verdrängen können. Die durch Aus- pumpen aus dem Blutserum austreibbare Kohlensäure, welche, abgesehen von der einfach absorbirten Menge, gewöhnlich als „locker chemisch gebundene Kohlensäure" bezeichnet wird, ist also nur zum Theil in dissociirbarer lockerer Bindung enthalten; zum anderen Theil stammt sie von dem einfachen Karbonate her, aus welchem sie beim Evakuiren durch andere schwache Säuren des Serums ausgetrieben wird. Als solche schwache Säuren hat man theils die Phosphorsäure und theils die Globuline bezeichnet. Die Bedeutung des Alkalidiphosphates für die Kohlen- säurebindung ist durch die Untersuchungen von Ferxet dargethan worden ; aber die Menge dieses Salzes in dem Serum ist jedoch, wenigstens in gewissen Blut- arten, wie z. B. im RLnderblutserum, so gering, dass sie wohl fast ohne Be- ' '6 6' Bedeutung deutung sein dürfte. Bezüglich der Globuline ist Setschenow der Ansicht, dass ''«>• Giobu- " .... . . i'»" 1»" "lie sie zwar nicht selbst wie Säuren wirken, dass sie aber mit der Kohlensäure eine Kohien- Verbiudung, die Karboglobulinsäure, eingehen, welche das Alkali binden soll. Wndung. Nach Sertoli^), dessen Ansicht in ToRi;p einen Vertheidiger gefunden hat, sollen dagegen die Globuline selbst Säuren sein, die in dem Blutserum an Al- kali gebunden sind. In beiden Fällen würden also die Globuline, indirekt oder direkt, denjenigen Hauptbestandtheil des Plasmas oder des Blutserums darstellen, 1) E. PflÜger, Ueber die Kohlensiiure des Blules. Bonn 1864 S. 11. Cit. nach ZüNTZ in Hebmasn's Handbuch. S. 65. 2) Vergl. Hoppe-Seyler's med. -ehem. Untersuch. 3. 1868. 550 Siebzehntes Kapitel. welcher nach dem Gesetze der Massenwirkung mit der Kohlensäure um den Besitz des Alkalis kämpfen würde. Bei einem grösseren Partiardrucke der Kohlensäure entnimmt diese letztere dem Globulinalkali einen Theil des Alkalls und es entsteht Bikarbonat; bei niedrigem Kohlensäurepartiardrucke entweicht Kohlensäure und es wird dem Bikarbonate durch das Globulin Alkali ent- nommen. In dem Obigen ist also das Alkali als der wesentlichste und wichtigste kohlensäurebindende Bestandtheil sowohl des Blutserums wie des Blutes über- haupt bezeichnet worden. Für eine solche Auffassung spricht auch der Um- stand, dass der Gehalt des Blutes au Kohlensäure mit abnehmendem Alkali- gehalte desselben stark abnimmt. Ein solches Verhalten findet z. B. bei Ver- Kohiensäuiecpiftung mit Mineralsäuren statt. So fand Walter im Blute von Kaninchen, und Alkall- " ° ' P<^i5jiit lies welchen er Salzsäure in den Magen eingeführt hatte, nur 2 — 3 Vol. Prozent Kohlensäure. In dem komatösen Stadium der Zuckerharnruhr (Diabetes mellitus) scheint auch das Alkali des Blutes zum grossen Theil durch saure Verbind- ungen (|C?-Osybuttersäure) gesättigt zu sein (Stadelmann, Minkowski), und dem entsprechend fand Minkowski ') auch in dem Blute eines komatösen Diabetikers nur 3,3 Vol. Prozent Kohlensäure. Die Gase der Lymphe und Sekrete. Die Gase der Lymphe sind dieselben wie im Blutserum und jene Flüssig- keit steht bezüglich sowohl der Mengen der verschiedenen Gase wie auch der Art der Kohiensäurebindung dem Blutserum sehr nahe. Ueber die Gase der Menschenlymphe liegen Untersuchungen von Daenhardt und Hensen^) vor, wobei es indessen fraglich bleibt, ob die untersuchte Lymphe als eine ganz Gase der j^o,„)ale zu betrachten war. Die Gase normaler Hundelymphe sind zum ersten .Male vom Verf. ^) untersucht worden. Diese Gase enthielten höchstens Spuren von Sauerstoff und bestanden aus 37,4 — 53,1 p. c. CO2 und 1,6 p. c. N bei 0" C. und 760 mm Hg Druck berechnet. Die Kohlen.säure war etwa zur Hälfte fest chemisch gebunden. Ihre Menge war in der Lymphe grösser als im Serum des arteriellen, aber kleiner als in dem des venösen Blutes. Die auffallende Beobachtung von Buchnek, dass die nach der Erstickung aufgefangene Lymphe ärmer an Kohlensäure als die des athmenden Thieres ist, erklärt Zuntz^) durch die alsbald nach dem Tode in den Geweben und speziell in den Lymphdrüsen beginnende Säurebildung, durch welche ein Theil des Al- kalikarbonates in der Lymphe zersetzt wird. 1) Walter, .\rch. f. e.xp. Path. u Plwrm. 7; Stadelm.vnn, chomla 17; Minkowski, MittheiL u. d. med. Kliuik in Kiinigsbcrg 1888. -) ViRCHOW's Aruh. 37. •i) Ber. d. k. sächs Gosellseh. d. Wissonscli., niatli.-|iliys. Klasse 23. i) BfCHSER, Arbeiten a. d. physiol. Anstalt zu Leipzig 1876; ZuNTZ 1. c. S. 85. Gase der Lymphe und der Sekrete. 551 Die Sekrete siud mit Ausnahme des Speichels, in welchem von Pflüger und KüLZ beziehungsweise 0,6 und 1 p. c. Sauerstoff gefunden wurden, fast sauerstofffrei. Die Menge des Stickstoffes ist dieselbe wie im Blute und die Hauptmasse der Gase bildet die Kohlensäure. Die Menge der letzteren hängt hauptsächlich von der Reaktion, d. h. von der Menge des Alkalis ab. Dies geht namentlich aus den Analysen von Pflüger hervor. In einer stark alka- lischen Galle fand er 19 p. c. auspumpbare und 54,9 p. c. fest gebundene, in einer neutralen Galle dagegen 6,6 p. c. auspumpbare und 0,8 p. c. fest ge- bundene Kohlensäure. Der alkalische Speichel ist ebenfalls sehr reich an Kohlen- Gase der säure. Als Mittel aus zwei von Pflüger ausgeführten Analysen ergab sich für den Submaxillarisspeichel des Hundes ein Gehalt von 27,5 p. c. auspumpbarer und 47,4 p. c. chemisch gebundener oder im Ganzen von 74,9 p. c. Kohlen- säure. In dem Parotisspeichel des Menschen fand KüLz') in maximo 65,78 p. c. Kohlensäure, von denen 3,31 p. c. auspumpbar und 62,47 p. c. fest chemisch gebunden waren. Aus diesen und anderen Angaben über die Mengen der auspumpbaren und der chemisch gebundenen Kohlensäure in den alkalischen Sekreten folgt, dass in ihnen wenigstens nicht in merkbarer Menge irgend welche, den Eiweisskörpern des Blutserums analog, d. h. als schwache Säuren wirkende Stoffe vorkommen. Die sauren oder jedenfalls nicht alkalischen Sekrete, Harn und Milch, enthalten dagegen bedeutend weniger Kohlensäure, die fast ihrer ganzen Menge nach auspumpbar ist und die zum Theil von dem Natriumphosphate locker gebunden zu sein scheint. Die von Pflüger in Milch und Harn für die Ge- sammtkohlensäure gefundenen Zahlen waren bezw. 10 und 18,1 — 19,7 p. c. CO.,. Ueber den Gasgebalt pathologischer Transsudate liegen besondere Unter- suchungen von Ewald-) vor. Er fand in diesen Flüssigkeiten von Sauerstoff nur Spuren oder jedenfalls nur sehr geringfügige Mengen, von dem Stickstoffe aber etwa dieselben Mengen wie im Blute. Der Gehalt an Kohlensäure war grösser als in der Lymphe (von Hunden) und in einigen Fällen sogar grösser Gasgehalt; als in dem Erstickungsblute (Hundeblut). Die Spannung der Kohlensäure war "ud"°^ grösser als im venösen Blute. In den Exsudaten nimmt der Gehalt an Kohlen- säure, namentlich an fest gebundener, mit dem Alter der Flüssigkeit zu, wo- gegen umgekehrt die Gesammtmenge Kohlensäure und besonders die Menge der fest gebundeneu mit dem Gehalte an Eiterkörperchen abnimmt. II. Der Gasaustausch zwischen dem Blute einerseits und der Lungenluft und den Geweben andererseits. In der Einleitung (Kap. 1, S. 3) ist schon hervorgehoben worden, dass man heutzutage, namentlich in Folge der Untersuchungen von Pflüger und 1) Pflüger, in seinem Arch. 1 u. 2; Külz, Zeitschr. f. Biologie 23. Es scheint, als wären die Zahlen von KÜLZ nicht bei 760 ram Hg. sondern bei 1 m bereclinet worden. 2) C. Ä. EWAU), Arch. f. Anat. u. Physiol. 1873 u. 187tj. 552 Siebzehntes Kapitel. seinen Schülern, der Ansicht ist, dass die Oxydationen im Thierkörper nicht in den Flüssigkeiten und Säften verlaufen , sondern an die Formelemente und Gewebe gebunden sind. Es ist allerdings wahr, dass im Blute selbst Oxy- ortderOiy-fjgfiQfig,,^ Wenn auch in geringem Umfange verlaufen; aber diese Oxydationen rubren, wie es scheint, von den Formelementen des Blutes her und sie wider- sprechen nicht dem obigen Satze, dass die Oxydationen ausschliesslich in Zellen und der Hauptsache nach in den Geweben verlaufen. Der Gaswechsel in den Geweben, den man auch als „innere Athmung" bezeichnet hat, besteht hauptsächlich darin, dass aus dem Blute in den Kapil- laren Sauerstoff" in die Gewebe hinein überwandert, während umgekehrt die Hauptmasse der Blutkohlensäure aus den Geweben stammt und aus ihnen in das Blut der Kapillaren übergeht. Der Gaswechsel in den Lungen, den man Aeusseie ^Is „äussere Athmung" bezeichnet hat, muss umgekehrt, wie ein Vergleich der "Tthmungf eil- und ausgeathmeten Luft lehrt, darin bestehen, dass das Blut aus der Lungenluft Sauerstoff" aufnimmt und an dieselbe Kohlensäure abgiebt. Dies schliesst natürlich nicht aus, dass in den Lungen wie in jedem anderen Gewebe eine innere Athmung, also eine Verbrennung unter Aufnahme von Sauerstoff und Kohlensäurebildung stattfindet. Nach Bohr und Henriques') sollen die Lungen sogar einen so grossen Antheil an dem gesammten Stoffwechsel haben, dass bis zu 68 p, c. desselben auf die Lungen kommen können. Welcher Art sind nun die bei diesem doppelten Gaswechsel sich ab- spielenden Prozesse? Ist der Gasaustausch einfach die Folge der ungleichen Triebkräfte Spannung der Gase im Blute einerseits und Lungeuluft, bezw. Geweben anderer» wechsef seits? Gehen die Gase also, den Gesetzen der Diffusion entsprechend, von dem Orte des höheren Druckes zu dem des niedrigeren über oder sind hierbei auch andere Kräfte und Prozesse wirksam? Diese Fragen fallen der Hauptsache nach mit einer anderen, nämlich mit der nach der Spannung des Sauerstoffes und der Kohlensäure im Blute, bezw. in Luugenluft und Geweben zusammen. Der Sauerstoff konnnt zum unverhältnissmässig grössten Theil als Oxy- hämoglobin im Blute vor, und für die Lehre von der Spannung des Sauerstoffes im Blute müssen also die Gesetze der Dissociation des Oxyhämoglobins von fundamentaler Bedeutung sein. AVeun m:iu sicli erinuert, dass uach BOHR dasjenige, was man aUgemein Oxyliämoglobin ucnnt, ein Gemenge von Hiimoglohinen ist, die bei einem und deniselljen Sauerstdfl'drucke ver- schiedene Sauerstoffmengen binden können, und ferner, dass es naeh Siegfried ausser dem Oxyhämoglobin uoeh eine andere, dissocialjle Sauerstoffverbindung des Hämoglobins, nämlich das Pseudohämoglobin, giebt, so könnte es scheinen, als wären mehrere wichtige Vorfragen erst zu lösen, bevor man zu einer Diskussion der Dissoeiationsverhältnisse des Oxyhämoglobin« üliergehen könne. Da indessen die eben genannten .Angaben zum Theil bestritten und zum Theil noch nicht eingehend nachgeprüft worden sind, und da ferner nach IIÜFNER gar kein Unterschied zwischen einer Oxyhämoglobin- und einer Hlutkörperchenlösung hinsichtlich der Sauerstoffabgabe besteht, so dürfte es wohl berechtigt sein, in der folgenden Darstellung von den obigen Angaben vorläufig abzuseilen und an die übrigen , allgemein als zuverlässig und massgebend angesehenen Angaben sich zu halten. I) Centralbl. f. riivsiol. 6 und Maly's Jalu-esl)er. 27. Dissociation des Oxyhämoglobins. 553 Für das Verständniss der Gesetze, nach welchen die Sauerstoffaiifnahme von dem Blute in den Lungenalveolen geschieht, müssen unter den bisher aus- geführten Untersuchungen über die Dissociation des Oxyhämoglobins besonders diejenigen von grossem physiologischem Interesse sein, welche auf die Dissociation bei Körpertemperatur sich beziehen. Solche Untersuchungen sind von mehreren Forschern und besonders von G. HItner*) ausgeführt worden. Er hat in erster Linie die wichtige Thatsache festgestellt, dass eine Lösung frisch dar- gestellter reiner Oxyhämoglobinkrystalle in Bezug auf die Dissociation des Oxyhämoglobins durchaus nicht anders sich verhält als frisches defibrinirtes Blut. Er hat ferner gezeigt, dass die Dissociation auch von der Konzentration derart abhängig ist, dass bei einem gegebenen Drucke eine verdünutere Lösung stärker ''j?^""'^'!"" als eine mehr koiizentrirte dissociirt wird. Für Lösungen, deren Gehalt an "j^™"" ö globins. Oxyhämoglobin 14 p. c. war, fand er, dass bei -\- 35" C. und einem Saiier- stotTpartianhuck von 75 mm Hg die Dissociation überhaupt nur sehr unbe- deutend und nur wenig stärker als bei einem Partiardrucke von 152 mm ist. In jenem Falle waren nämlich von dem gesammten Farbstoff 96,89 p. c. als Oxyhämoglobin und 3,11 p. c. als Hämoglobin vorhanden, während in diesem Falle dagegen, also bei 152 mm Druck, die entsprechenden Zahlen 98,42 und 1,58 p. c. waren. Erst von einem SauerstofTpartiardrucke von etwa 75 mm Hg nach abwärts an fängt die Dissociation an stärker zu werden und dem ent- sprechend die Menge des reduzirten Hämoglobins anzuwachsen; aber selbst bei einem Sauerstoffpartiardruck von 50 mm Hg betrug die Menge des Hämoglobins nur 4,(5 p. c. von dem gesammten Farbstoffgehalte. Aus die.sen und älteren Versuchen von Hüfnek"), die bei 35 oder 39" C. angestellt wurden, folgt also, dass der Sauerstoffpartiardruck auf die Hälfte des in der atmosphärischen Luft herrschenden Druckes sinken kann, ohne dass der Sauerstoffgehalt eines Blutes oder einer entsprechend konzentrirten Oxyhämo- globinlösung dadurch wesentlich beeinflusst wird. Dies stimmt auch gut mit ilcn Erfahrungen von FräNKEI, und Geppert^) über die Wirkung des ernied- ,,^^^ ",^ni^|. rigten Luftdruckes auf den Sauersloffgehalt des Blutes beim Hunde. Bei einem "^l'jf^^'J.^^j" Luftdrücke von 410 mm Hg fanden sie noch den Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes normal. Bei einem Luftdrucke von 378 — 365 mm w^ar er ein wenig herabgesetzt, und erst bei einer Erniedrigung des Druckes auf 300 mm wurde eine i)edeuiende Verminderung desselben beobachtet. Aus ilrm holien Sauerstoffgehalte, bezw. Oxyhämoglobingehalte des arte- riellen Blutes kann man andererseits aucli den Schluss ziehen, dass die Spann- ung des Sauerstoffes in dem arteriellen Blute eine verhältnissmässig hohe sein niuss. Auf Grund der Untersuchungen mehrerer Forscher, wie P. Bert, Herter *) 1) Du Bois-Reymokd's Aiili. 1S90, wo IIlkneu auch seine frühuien Arbeiten über diesen Gegenstand eitirt. ■i) Kbenda 1890. •') Ueber die Wirkungen der verdünnten Luft auf den Organismus. Berlin 1883. •1) Bert, La prcssion barometrique Paris 1878; Herter, Zeitschr. f. pbysiol. Chem. 3. S54 Siebzehntes Kapitel. und HÜFNER, die theils an lebenden Thieren und tbeils mit Blut oder Hämo- Saucrstoit- orlobinlösungeu experinientiit haben, setzt man auch all';"'' dem Blute, und als Maximum betrug die Differenz zu Gunsten der Lungenluft in den Versuchen mit Einathmung von atmosphärischer Luft 17,2 mm. Da die Alveolen luft reicher an Kohlensäure als die Bifurcaturluft ist, so beweisen nach Bohr diese Versuche unzweifelhaft, dass in ihnen die Wanderung der Kohlen- säure dem höheren Drucke entgegen stattgefunden hat. Diesen Untersuchungen gegenüber hat indessen Frederico-) für die Kohlen- säurespannung im arteriellen Peptonblute dieselben Zahlen erhalten, die Pflüger •) Wolffberg, Pflügek's Areh. 6; Strassburg, ebenda; Xussbacm, eljenda 7. -■) Vergl. Fussnote 1 S. 50G. 558 Siebzehntes Kapitel. und seine Schüler für normales Blut fanden. Wkisgekber') hat ferner in Fredericq's Laboratorium Versuche an Thieren, die ein kohlensüurereiches Luft- gemenge respirirten, angestellt, und diese Versuche sprechen zu Gunsten der PFLÜGER'schen Theorie der Athmung. Auffallend erscheinen auch die von Bohr erhaltenen niedrigen Zahlen für die Kohlensäurespannung, wenn man sich er- innert, dass Grandis in dem Peptonblute, welches, wie Lahou.s.se und Blacii- STEIN -) gezeigt haben, arm an Kohlensäure ist, eine hohe Kohlensäurespannune; gefunden hat. Für die Ausscheidung der Kohlensäure in den Lungen hat man auch dem Sauerstoffe eine gewisse Bedeutung zuerkennen wollen, indem mau ihm nämlich eine austreibende Wirkung auf die Kohlensäure aus ihren Verbindungen im Blute zugeschrieben hat. Diese, zuerst von Holmgren gemachte Annahme hat in letzter Zeit in Werigo^) einen Vertreter gefunden. Dieser Forscher hat an lebenden Thieren sinnreich ausgedachte Experimente angestellt, in denen er NViikiingdes (Jie beiden Lungen des Thieres gesondert athmen Hess, die eine mit Wasserstoff bauer&toffes ° ° auf die und die andere mit reinem Sauerstoff oder einem sauerstoffreichen Gasgemische. Kolilen- ° säurespami- Er faud hierbei in der aus den Lungen herausgesaugten Luft stets eine grössere Kohlensäurespannung bei Gegenwart von Sauerstoff, und er zieht aus seinen Versuchen den Schluss, dass der aus den Lungenalveolen in das Blut über- gehende Sauerstoff die Kohlensäurespannung erhöht. Durch diese Wirkung wird nach Werigo der Sauerstoff ein mächtiger Hilfsfaktor für die Kohlensäureaus- scheidung, und nach ihm ist es also nicht nothig, eine spezifische Wirkung der Lunge selbst bei diesem Prozesse anzunehmen. Gegen die Untersuchungen von Werigo sind indessen von ZuNiv,'') schwer- wiegende, durch Experimente noch nicht zurückgewiesene p]inwendungen erhoben worden, und die Frage ist also noch eine offene. Auch hinsichtlich der Kohlensäureausscheidung in den Lungen liegen also die Verhältnisse noch nicht ganz klar, und man muss auch über diese Frage weitere Untersuchungen abwarten. Nach dem oben S. 552 von der inneren Athmung Gesagten muss diese hauptsächlich darin bestehen, dass in den kapillaren Sauerstoff aus dem Blute in die Gewebe hinein überwandert, während umgekehrt Kohlensäure aus den Geweben in das Blut übergeht. Die Behauptung von EsTOR und Sain'I' Pierre, dass der Sauerstoffgehalt des Blutes in den Arterien mit der Entfernung vom Herzen abnehme, ist von aJi""*'"„ Pplüger^) als irrthümlich erwiesen worden, und die Sauerstoffspanuung im Blute bei dessen Eintritt in die Kapillaren muss also eine hohe sein. Dem gegen- 1) Centralbl. f. Physiol. 10. S. 482. 2) Grandis, Dd Bois-Reymond's Arch. 1891; L.4housse, ebeiulu 1889; Blacustein, ebenda 1891. 3) HOLMGKKN, Wiener Silzungsber. 48; WkuigO. I'FLÜOEr.'s Aich. 51 u. 52. <) Ebenda 52. ä) KsTOR und Saint Pikkre bei PflCgkr, in seimui Aicli. 1. Innere Äthmung. Gase der Schwimmblase. 559 über sind die Gewebe als fast oder ganz sauerstofffrei anzusehen, und es muss also hinsichtlich des Sauerstoffes eine bedeutende Druckdifferenz zwischen Blut und Geweben bestehen. Die Möglichkeit, dass dieser Druckunterschied hin- reichend ist, um den Geweben die nöthige Menge Sauerstoff zuzuführen, unter- liegt wohl auch keinem Zweifel. Bezüglich der Kohlensäurespannung in den Geweben muss man a priori annehmen, dass sie höher als in dem Blute sein muss. Dem i.st auch so. In dem Harne von Hunden und in der Galle fand Strasburg') eine Kohlen- säurespannung von 9 bezw. 7 p. c. einer Atmosphäre. Derselbe Forscher hat weiter einem lebenden Hunde atmosphärische Luft in eine abgebundene Darm- Tension der schlinge injizirt und nach kurzer Zeit eine herausgenommene Luftprobe analysirt. ssnre in den Er fand eine Kohlensäurespannung von 7,7 p. c. einer Atmosphäre Die Kohlen- säurespannung in den Geweben ist also bedeutend grösser als in dem venösen Blute, und es steht also nichts der Auffassung im Wege, dass die Kohlensäure einfach nach den Gesetzen der Diffusion aus den Geweben in das Blut hinüber- diffundire. Dass bei Thieren indessen auch eine wahre Sekretion von Gasen vorkommen kann, gelit aus der Zusammensetzung und dem Verbalten der Gase in der Schwimmblase der Fische hervor. Diese Gase bestehen aus Sauerstoö" und Stickstofl' mit höchstens nur kleinen Mengen Kohlensäure. Bei Fischen, die in geringen Tiefen leben, ist der SaueretoSgehalt zwar gewöhn- lich nicht höher als in der Atmosphäre; bei Fischen, die in grösseren Tiefen leben, kann er . dagegen nach BlOT u. A. sehr beträchtlich werden und sogar über 80 p. c. betragen MoREAr s,fh„'j„,n,^'^ hat ferner gefunden, dass nach Entleerung der Schwimmblase mittels Troicart nach einiger blase der Zeit in ihr neue Luft sieh ansammelt, die viel reicher an Sauerstofl" als die atmosphärische ist Fische, und deren Gehalt daran sogar auf 85 p. c. ansteigen kann. Bohk'), der diese Angaben weiter geprüft imd bestätigt hat, fand ferner, dass diese Gasansammlung unter dem Einflüsse des Nervensystems steht, indem sie nämlidi nach Durchtrcunimg gewisser Zweige des Nervus vagus ausbleibt. Dass es hier um eine Sekretion und nicht um eine Diflusion von Sauerstofl' sich handelt, ist offenbar und wird wohl auch nicht bestritten. Für das Studium der quantitativen Verhältnisse des respiratorischen Gas- wechsels sind mehrere Methoden ersonnen worden. Hinsichtlich der näheren Details derselben muss auf ausführlichere Handbücher hingewiesen werden luid es können hier nur die wichtigsten dieser Methoden in den Hauptzügen eine kurze Erwähnung finden. Methode von REGS.irLT und Reiset. Nach dieser Methotle lässt man das Thier oder die Versuchsperson in einem geschlossenen Kaum athiuen. Die Kohlensäure entzieht mau in dem Masse wie sie gebildet wird der Luft mittels starker Lauge, wodurch ihre Menge auch bestimmt werden kann, wälirend der zu ersetzende Sauerstoff in genau gemessenen Mengen Re>nia*n^t" kontinuirlich zugeführt wird. Diese Methode, welche also eine direkte Bestimmung sowohl und Keiset. des verbrauchten Sauerstoffes wie der produzirten Kohlensäure ermöglicht, ist später von an- deren Forsehern, wie PflÜger und seineu Schülern, Skegen und NowAK und Hoppe-Seylkr') modiflzirt worden. Methode von Pettenkofee. Nach dieser Methode lässt man das Versuchsindividuum in einem Zimmer athmen , durch welches ein Strom atmosphärischer Luft geleitet wird. Die Methodevon Menge der durchgeleiteten Luft wird genau gemessen. Da es nicht möglich ist, die ganze P**'*"^"^^""- 1) PflÜger's Arch. 6. 2) BlOT, vergl. Hkrmans's Handb. d. Physiol 4 Tbl. 2 S. 15t; MORFJIC, Compt. rend. 57; Bohr, Journ. of Physiol. lö; vergl. auch Hi;FNER, Du Bots-P>ey.mond's Arch. 1892. ') Vcrgl. Zl'NTZ in Hermann's Plaudbucb 4 Tbl. 2 und Hoppe-Seyler in Zeitschr. f physiol. Chem. 19. 560 Siebzehntes Kapitel durcbgeleitete Luft zu analysiren, so wird währeud des ganzen Versuches durch eine Neben- leitung ein kleiner Bruchtheil dieser Luft abgeleitet, genau gemessen und bezüglich des Ge- haltes an Kohlensäure und Wasser analysirt. Aus der Zusammensetzung dieser Luftportion wird der Gehalt der grossen durehgeleiteten Luftmenge an Wasser und Kohlensäure berechnet. Der Sauerstoffverbrauch kann dagegen nach dieser Jlethode nicht direkt, sondern indirekt als DiS'erenz berechnet werden, was ein "Mangel dieser Methode ist. Auf demselben Prinzipe basirt auch der grosse Respirationsapparat von Sonden uud Tigerstedt'). Methode von Speck ^). Für mehr kurzdauernde Versuche an Menschen hat Speck folgendes Verfahren angewendet. Er athniet bei durch eine Klemme geschlossener Nase durch Metliodevou ^^" Mundrohr mit zwei Darmventilen in zwei Spirometerglocken, die ein sehr genaues Ablesen Spei'k. der Gasvoluniiua gestatten. Durch das eine Ventil wird aus dem einen Spirometer Luft ein- geathniet und durch das andere geht die E.xspirationsluft in das andere Spirometer hinein. Durch einen von dem Ausathmungsrohre abgezweigten Gummischlauch kann ein genau ge- messener Theil der Ausathmungsluft in ein Absorptionsrohr übergeleitet und analysirt werden. Methode von ZuNTZ und Geppert'). Diese von ZuNTZ und seinen Schülern im Laufe der Zeit immer mehr vervollkommnete Methode besteht in Folgendem. Das Versuchsindivi- duuui inspirirt durch eine ins Freie führende, sehr weite Zuleitung frische atmosphärische Metlioilevon Luft, wobei die in- und exspirirte Luft durch zwei Darmventüe getrennt wird (Menschen athmen Zuntz und bei verschlossener Nase mittels eines aus weichem Gummi gefertigten Mundstückes, Thiere Geppert. dmi.li eine luftdicht schliessende Trachealkanüle). Das Volumen der exspiriiten Luft wird durch eine Gasuhr gemessen, ein ali(iuoter Tlieil dieser Luft wird aufgefangen und deren Ge- halt an Kohlensäure und SauerstoO' bestimmt. Da die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft innerhalb der hier in Betracht kommenden Grenzen als konstant anzusehen ist, so lässt sich sowohl die Kohlensäureproduktion wie der SauerstoftVerVirauch leiclit l>ercclmen (\'ergl. hierüber die Arbeiten von ZuNTZ und seinen Schülern). Die Methode von Hanriot und RlCHET^) zeichnet sieh durch ihre Einfacldieit aus. Diese Forscher lassen die gesamnite Athemluft nach einander durch drei Gasuhren gehen. Die j'lo't'^und erste niisst die Menge der inspirirten Luft, deren Zusammensetzung als l)ekannt und konstant RiL-liet. angenommen wird. Die zweite Gasuhr misst die Menge der exspirirten Luft und die dritte die Menge derselben Luft, nachdem sie durch einen geeigneten Apparat ihres Kohlensäure- gehaltes beraubt worden ist. Die Mengen der produzirteu Kohlensäure und des verbrauchten Sauerstofl'es lassen sich also leicht berechnen. Anhang. Die Lungen und der Auswurf. Au-sser Eiweissstojfen und den Alhimöiden der Bindesubstanzgruppe hat man in den Lungen Leciihm, Taurin (besonder.^ in der Ochsenlunge), Harn- säure und Inosit gefunden. Poulet^) glaubt eine besondere, von ihm „Pulmo- weinsäure" genannte Säure in dem Lungengevvebe gefunden zu haben. Glykogen kommt in der Lunge des Embryo reichlich vor, fehlt aber in der Lunge Er- wachsener. Metliodc 1) Pettenkofer's Methode; vergl. ZüNTZ 1. c. ; SoNDiiN und TiGERSTEDT , Skand. Arch. f. Physiol. 6 ü) Speck, Physiol. ^ 1,3 = 217 g Fett verbraucht haben. Von der Stiekstoft'bilanz ausgehend, kann man auf dieselbe Weise be- rechnen, ob ein Ueberschuss an Kohlenstoff in der Nahrung im Vergleich zu der Menge Kohlenstoff in den Exkreten als Eiweiss oder Fett oder als Beides im Körper zurückgehalten wird. Ebenso kann man umgekehrt bei einem Ueber- schuss an Kohleustüft" in den Exkreten berechnen, in wie weit der Verlust au Körpersubstanz von einem Verbrauch an Eiweiss oder Fett oder diesen beiden Stoffen herrührt. Die Menge des mit Harn und Exkrementen ausgeschiedenen Wassers und der ausgeschiedenen Mineralstoffe lässt sieh leicht besitimmen. Das durch Haut Bestimmung un(j Lungen ausgeschiedene Wasser kann mittels des FETTENKOFER'schen Appa- d es Wassers o o r r der Salze rates direkt bestimmt werden. Die Menge des aufgenommenen Sauerstoffes wird und des ob Sauer- bei Anwendung dieses Apparates als Differenz zwischen dem Anfangsgewichte Stoffes. _ ° ' ^ _ . . des Versuchsindividuums plus allen seinen direkt bestimmbaren Einnahmen einerseits und dem Endgewichte plus allen Ausgaben andererseits berechnet. Der Sauerstoff kann aber auch nach den im vorigen Kapitel angegebenen Methoden direkt bestimmt werden und eine solche Bestimmung ist, bei gleich- zeitiger Bestimmung der in derselben Zeit ausgeschiedenen Kohlensäure, von grosser Bedeutung für das Studium des Stoffwechsels. Ein Vergleich der ein- und ausgeathnieten Luft lehrt, dass, wenn beide Luftvolumina trocken bei derselben Temperatur und demselben Drucke gemessen j{^3^j.3jj,rj. werden, das Volumen der exspirirteu Luft kleiner als das der inspirirten ist. *''«en?."'' ■'-*'^® rührt daher, dass nicht aller Sauerstoff als Kohlensäure in der Exspira- tionsluft wieder erscheint, indem er nämlich nicht allein zur Oxydation des Kohlenstoffes, sondern zum Theil auch zur Bildung von Wasser, Schwefelsäure, Gaswechsel als Mass des Stoffumsatzes. 569 und anderen Stoffen verwendet wird. Das Volumen der exspirirten Kohlen- säure ist also regelmässig kleiner als dasjenige des inspirirten Sauerstoffes und CO. die Kelation -„', die man den respiratorischen Quotienten nennt, erreicht also regelmässig nicht die Grösse 1. Die Grösse des respiratorischen Quotienten hängt von der Art der im Körper zerfallenden Stoffe ab. Bei der Verbrennung von reinem Kohlenstoß' liefert ein Volumen Sauerstoff ein Volumen Kohlensäure, und der Quotient ist in diesem Falle gleich 1. Dasselbe muss auch bei Verbrennung von Kohle- hydraten der Fall sein, und bei vorwiegender Kohlehvdratzersetzung im Thier- -' ... . . Grösse des körper muss also der respiratorische Quotient der Grösse 1 sich nähern. Bei respiratori- . . . . . . sehen Quo- vorwiegendem Eiweissumsatz nähert er sich der Zahl 0,73 und bei vorwiegender tienten. Fettzersetzung der Grösse 0,7. Im Hungerzustande, da die Thiere vom eigenen Fleisch und Fett zehren, muss er sich folglich dem letzteren Werthe nähern. Der respiratorische Quotient giebt also wichtige Aufschlüsse über die Qualität des im Körper zersetzten Materiales. natürlich unter der Voraussetzung, dass nicht durch besondere Einflüsse, wie durch Aenderung der Athemmechanik, die Kohlensäureausscheidung unabhängig von der Koblensäurebildung beeinflusst wird. Es ist ferner bei geeigneter Versuchsanordnung möglich, die Stoftwechsel- versuche derart zu leiten, dass wenigstens innerhalb kürzerer Zeiträume das Zersetzungsmaterial im Körper — wie der respiratorische Quotient zeigt — qualitativ dasselbe bleibt. Bei solcher Versuchsanordnung kann man, wie nament- lich ZuNTZ und seine Schüler') gezeigt haben, die Grösse des Sauerstoifver- brauches als Mass für die Einwirkung verschiedener Einflüsse auf die Grösse des Stoffwechsels verwerthen. Diese Möglichkeit basirt auf der namentlich von sa„erstoff- Pflüger und seinen Schülern und von VoiT^) festgestellten Thatsache, dass Yis''Mass* der Sauerstoffverbrauch innerhalb weiter Grenzen von der Sauerstoffzufuhr un- „'n^grösse" abhängig ist und ausschliesslich durch das Sauerstoffbedürfniss der Gewebe be- "" '^"T«''. dingt wird. Aus gewissen Gründen ermöglicht sogar der Sauerstoffverbrauch einen besseren Schluss auf die Grösse des Stoff- und Kraftwechsels als die Kohlensäureausscheidung; da aber dieselbe Menge Sauerstoff (100 g) verschiedene Mengen von Fett, Kohlehydraten und Eiweiss — nämlich bezw. 35, 84,4 und 74,4 g — im Körper verbrennt, muss, wie oben gesagt, zur Ermittelung der Natur der im Körper verbrannten Stoffe durch gleichzeitige Bestimmung der Kohlensäureausscheidung der respiratorische Quotient ebenfalls bestimmt werden. Da die verschiedenen Nährstoffe bei ihrer Verbrennung pro 1 g verschieden grosse Mengen Saucratoff verbrauchen und verschieden grosse Mengen C0._> liefern, muss natürlich jedem Gramm aufgenommenen .Sauerstoff und jedem Gramm Kohlcnstofi" in der ausgeathmeten Kohlensäure ein verschiedener Wärmewerth entsprechen. Dies geht auch ans der folgenden Zusammenstellung hervor. 1) Vergl. Kap. 17 Fussnote 3 S. 560. 2) PplÜger in seinem .\rch. 6, 10 u. 14; FiSKl.ER, ebenda 10; FiSKLER und Oert- MANN, ebenda 14: VoiT, Zeitschr. f. Biologie 11 u. 14. 570 Achtzehntes Kapitel. Relative Werlhe Kalorien pro 1 g verbrauchten Sauerstoffes Eelative Werthe 100 107 129 3,56 3,00 3,27 118,6 100 109 lan sieht, weniger von einander ab als Kalorien pro 1 g C in der CO, derAthemluft Bei Verbrennung von Eohrzucker 9,5 , Muslielfleisch 10,2 . Fett 12,3 Die Zahlen für den Sauerstoff weichen , wie i die für die Kohle, und dies is-t der Grund, warum, wie oben gesagt, der Sauerstoffverbraueh viel eher einen richtigen Schluss auf den Kraftwechsel als die Kohlensäureausscheidung gestattet'). Kaufmann-) bringt das Versuchsindividuum in einen geräumigen Zink- blechkasten hinein, der gleichzeitig als Respiratiouskaninier und Kalorimeter dient und welcher eine Bestimmung sowohl des Harnstickstoffes und der aus- geathmeten Kohlensäure wie auch des eingeathmeten Sauerstoffes und der pro- duzirten Wärmemenge gestattet. Geht man von den, für die verschiedenen möglichen Umsetzungen des Eiweisses, des Fettes und der Kohlehydrate im Körper theoretisch zu berechnenden Formeln aus, so ist es klar, dass man andere Werthe für Wärme, Kohlensäure, Sauerstoff und Harnstickstotf erhalten muss, wenn Methodevon Kaufmann, ^^an z. B. eine vollständige Verbrennung des Eiweisses zu Harnstoff, Kohlen- säure und Wasser als wenn man eine theilweise unter Abspaltung von Fett annimmt Ebenso muss man eine andere Relation zwischen Wärme, Kohlen- säure und Sauerstoff erwarten, wenn das Fett vollständig verbrennt als wenn es in Zucker, Kohlensäure und Wasser zersetzt wird. In dieser Weise, durch einen Vergleich der im speziellen Falle thatsächlich gefundenen Werthe mit den für die verschiedenen Umsetzungen berechneten Zahlen, sucht Kaufmann Auf- schlüsse über die Art der Zersetzungsvorgäuge im Körper unter verschiedenen Ernährungsbedinguneen zu gewinnen. I. Die potentielle Energie und der relative Nährwerth der verschiedenen organischen Nährstoffe. Mit den organischen Nährstoffen wird dem Organismus ein Vorrath an potentieller Energie zugeführt, die dann im Körper in lebendige Kraft umgesetzt wird. Diese potentielle Energie der verschiedenen Nährstoffe kann bekanntlich durch die Wärmemenge ausgedrückt werden, die bei ihrer Verbrennung frei wird. Diese Wärmemenge drückt man in Kalorien aus und man bezeichnet als Kalorien, die kleine Kalorie diejenige Wärmemenge, welche zum Erwärmen von 1 g Wasser von 0" auf 1" C. erforderlich ist. Die grosse Kalorie ist die zum Erwärmen von 1 kg Wasser um ] " C. erforderliche Wärmemenge. Hier und in dem Folgenden wird stets mit grossen Kalorien gerechnet. Ueber den Kalorienwerth der verschiedenen Nährstoffe liegen zahlreiche Untersuchungen verschiedener Forscher, wie Frankland, Danilewski, Rubner, Bertiielot, Stoiimann u. A., 1) Vergl. Ad. Magncs-Levy, Pflüger's Arch. 65. S. 2) Arch. de Physiologie (5) 8. Kalorienwerth der Nährstoffe. 571 vor. Die folgenden Zahlen , welche den Kalorienwerth einiger Nahrungsstoffe bei vollständiger Verbrennung ausserhalb des Körpers bis zu den höchsten Oxy- dationsprodukten repräsentiren, sind den Bestimmungen von Stohmann') ent- nommen. Kasein 5,86 Kai. Eieralbumin 5,74 , Konglutin 5,48 , Eiweissstoffe (MittelzaU) . 5,71 , Kalo Thierisehes Gewebefett . . 9,50 , werth eiai- ger Nahr- ungsstoffe. Butterfett 9,23 , Rohrzucker 3 96 , Milchzucker 3,95 „ Glukose 3,74 , Stärkemehl 4,19 , Fette und Kohlehydrate werden im Körper vollständig verbrannt, und man kann darum auch im Grossen und Ganzen deren Verbrennungswerth als ein Mass der von ihnen innerhalb des Organismus entwickelten lebendigen Kraft betrachten. Als Mittelzahlen für den physiologischen AVärmewerth der Fette und der Kohlehydrate bezeichnet man auch allgemein die Werthe 9,3 bezw. 4,1 Kalorien für je l^g Substanz. Anders als die Fette und Kohlehydrate verhält sich das Ei weiss. Es wird nur unvollständig verbrannt und es liefert gewisse, mit den Exkreten den Körper verlassende Zersetzungsprodukte, welche eine bestimmte Menge potentieller Energie, die für den Körper verloren geht, noch repräsentiren. Die Verbren nungs wärme des Eiweisses ist also innerhalb des Organismus kleiner als ausserhalb desselben und sie muss demnach besonders bestimmt werden. Zu dem Zwecke hat Rubner^) '^«■'brenn- ' ungswarme Hunde mit ausgewaschenem Fleisch gefüttert und er zog dann von der Ver- '^"f ^'" o fco weisses. brennungswärme des letzteren die Verbrennungswärme des Harnes und der Ex- kremente, welche der aufgenommenen Nahrung entsprachen, plus die zur Quellung der Eiweissstoffe und zur Lösung des Harnstoffes erforderliche Wärmemenge al). Ebenso hat Rubner die Verbrennungswärme des im Körper des Kaninchens beim Hungern zersetzten Eiweisses (Muskeleiweiss) zu bestimmen versucht. Nach diesen Untersuchungen ist die physiologische Verbrennungswärme in Kalorien für je 1 g Substanz folgende. 1 g Trockensubstanz Kalorien Eiweiss aus Fleisch 4,4 Muskel 4,0 Eiweiss beim Hungern 3,8 Fett (Mittelzahl für verschiedene Fette) 9,3 Kohlehydrate (berechneter Mittelwerth) 4,1 Die physiologische Verbrennungswärme der verschiedenen, zu derselben Gruppe gehörenden Nährstoffe ist nicht ganz dieselbe. So ist sie beispielsweise für einen vegetabilischen Eiweisskörper, das Konglutin, 3,97 und für einen animalischen, das Syn tonin, 4,42 Kalorien. Als Normalzahl kann man nach 1) Vergl. RuBSER, Zeitsehr. f. Biologie 21, wo auch die .arbeiten von Fkankland und Danilewski citirt sind; ferner Bekthelot, Compt. rend. 102, 104, 110; Stohmann, Zeitsehr. f. Biologie 31. 2) Zeitsehr. f. Biologie 21. 572 Achtzehntes Kapitel. RuBNER die Verbrennungswärine,- pro 1 g, für animalisches Eiweiss zu 4,23 und für vegetabilisches Eiweiss zu 3,96 Kalorien berechnen. — Wenn der Mensch bei gemischter Kost etwa 60 p. c. des Eiweisses aus animalischen und etwa 40 p. c. aus vegetabilischen Nahrungsmitteln aufnimmt, so kann man den Nutz- effekt von 1 g Eiweiss der Nahrung zu rund etwa 4,1 Kalorien berechnen. Der physiologische Nutzeffekt einer jeden der drei Hauptgruppen organischer Nährsubstanz bei deren Zersetzung im Körper wird also in abgerundeten Zahlen : Physiolo- Kalorien CnnCi" lg Eiweiss =.4,1 •wärme der 1 g Fett =9,3 Nährstoffe. 1 g Kohlehydrat . . . — 4,1 Wie in dem Folgenden gezeigt werden soll, können Fette und Kohle- hydrate den Eiweissurasatz im Körper herabsetzen, während umgekehrt auch die Menge des Eiweisses im Körper oder in der Nahrung auf den Fettumsatz im Körper einwirkt. Bei der physiologischen Verbrennung können also die ver- schiedenen Nährstoffe bis zu einem gewissen Grade sich vertreten, und es ist also von Wichtigkeit, zu wissen, in welchen Mengenverhältnissen sie zum Ersatz für einander eintreten können. Von Rubner ausgeführte Untersuchungen haben nun gelehrt, dass dies, wenn es um die Kraft- und Wärmeerzeugung im Thier- körper sich handelt, in Verhältnissen geschieht, welche den resp. Zahlen für die Verbrennungswärme derselben entsprechen. Dies ist auch aus der folgen- den Tabelle ersichtlich. In dieser findet man nämlich diejenigen Gewichts- mengen der verschiedenen Nährstoffe, welche mit 100 g Fett gleichwerthig sind,, und zwar theils wie sie bei Versuchen an Thieren gefunden worden und theils wie sie aus den Zahlen der Verbrennungswärme sich berechnen lassen. Tab. I. 100 g Fett sind gleichwerthig oder isodynam mit: Nach Thierversuchen Nach der Verbrenmingswärme DiffercnE (p. c.) Isodyiiame Svutonin 225 213 +5,6 "Nährstoffo' Muskelfleisch (trocken) • . 243 235 + 4,3 N.ihrstoBo. ^^^^^^ 222 229 +1,3 Rohrzucker 234 235 — 0 Traubenzucker .... 256 255 — 0 Aus den hier mitgetheilten isodynamen Werthen der verschiedenen Nähr- stoffe ergiebt sich also, dass diese Stoffe im Körper einander fast genau nach Massgabe ihres Inhaltes an potentieller Energie vertreten. Es sind also als Kraftquellen für den Thierkörper im Mittel 227 g Eiweiss oder Kohlehydrate und 100 g Fett gleichwerthig oder isodynam, denn bei ihrer Verbrennung im Körper liefert jede dieser Grössen 930 Kalorien. Durch spätere, sehr wichtige kalorimetrische Untersuchungen hat Rubner*) ferner gezeigt, dass die von einem Thiere in verschiedenen, über 45 Tage sich erstreckenden Versuchsreihen produzirte Wärme bis auf nur 0,47 p. c. der aus den zersetzten Körper- und Nahrungsstoffen berechneten physiologischen Ver- brennungswärrae vollkommen entsprach. 1) Zeitschr. f. Biologie 30. StoftVechsel l)eim IIunL.'ern. 573 Nach Chadveaü sollen die Kohlehydrate und die Fette beim arbeitenden Thiere nicht nach den isokalorischen Werthen einander yer-treten; wie Zdxtz') aber gezeigt hat, können die, einer solchen Angabe zu Grunde gelegten Versuche nicht als beweisend angesehen wei'den. Das Gesetz der Isodynaruie ist von fundamentaler Bedeutung für die Lehre von dem Stoffwechsel und der Ernährung, Durch dieses Gesetz eröffnet sich die Möglichkeit, die Vorgänge des Stoffwechsels mehr einheitlich zu be- Gesetz der trachten. Der Energieinhalt der Nahrungsstofle kann als Mass für den Ge- '^o^y^*™'«- sammtenergieverbrauch benutzt werden, und die Kenntniss von dem Euergie- inhalt der Nährstoffe muss auch die Grundlage für die Berechnung des Kost- masses des Menschen unter verschiedenen Verhältnissen sein. IL Der Stoffwechsel beim Hungern. Beim Hungern finden die Zersetzungen im Körper ununterbrochen statt; da sie aber auf Kosten der Körpersubstanz geschehen, können sie nur eine be- grenzte Zeit fortfahren. \\'^enn das Thier einen bestimmten Bruchtheil seiner Körpermasse verloren hat, tritt der Tod ein. Dieser Bruchtheil schwankt mit dem Zustande des Körpers am Anfange der Hungerperiode. Fette Thiere er- liegen erst, wenn das Körpergewicht auf etwa '/a des Anfangsgewichtes gesunken ist. Sonst sterben Thiere nach Chossat") im Allgemeinen, wenn das Körper- gewicht auf ^/s des ursprünglichen Gewichtes gesunken ist. Der Zeitpunkt, bei welchem der Hungertod eintritt, schwankt nicht nur nach dem verschiedenen gi^j^i^j. ^^3 Ernährungszustande am Anfange der Kungerperiode, sondern auch nach dem ^tode^ mehr oder weniger lebhaften Stoffwechsel. Dieser ist bei kleinen und jüngeren Thieren reger als bei grösseren und älteren, aber auch bei verschiedenen Thier- klassen zeigt er eine ungleiche Lebhaftigkeit. Kinder sollen schon nach 3 bis 5 Tagen, nachdem sie etwa ^U ihrer Körpermasse eingebüsst haben, dem Hunger- tode erliegen. Erwachsene können, wie die Beobachtungen an Succi^) gelehrt haben, ohne nachhaltige Schädigung 20 Tage hungern; und es liegen sogar Angaben über ein 40 — öOtägiges Hungern vor. Hunde sollen 4 — 8 Wochen, Vögel 5 — 20 Tage, Schlangen mehr als ein halbes Jahr und Frösche mehr als ein Jahr hungern können. Beim Hungern nimmt das Körpergewicht ab. Der Gewichtsverlust ist am grössten in den ersten Tagen und nimmt dann ziemlich gleichmässig ab. Bei kleinen Thieren ist der absolute Gewichtsverlust pro Tag selbstverständlich kleiner als bei grossen Thieren. Der relative Gewichtsverlust — d. h. der Ge- dS^Körper- wichtsverlust auf die Einheit des Körpergewichtes, 1 kg, bezogen — ist dagegen *'^"eä'°^ grösser bei kleinen als bei grossen Thieren. Der Grund hierzu liegt darin, dass ^""S®™- die kleinen Thiere eine im Verhältniss zu ihrer Körpermasse grössere Körper- 1) Chafveaü, Compt. rend. 125; Züntz, Du Bois-Reymoxd's Arch. 1898. 2) Cit. nach VoiT in HermaNxV's Handbuch 6 Thl. 1 S. 100. 3) Vergl. LüClANi, D;is Hungeru. Hamburg und Leipzig 1890. 574 Achtzehntes Kapitel. Grösse des Gas- wechsels Oberfläche als die grösseren Thiere haben und den hierdurch bedingten grösseren Wärmeverlust durch einen regeren Stoffverbrauch ersetzen müssen. Aus der Abnahme des Körpergewichtes folgt, dass die absolute Grösse des Umsatzes beim Hungern abnehmen muss. Bezieht man dagegen die Grösse des Umsatzes auf die Einheit des Körpergewichtes, d. h. auf 1 kg, so findet man, dass diese Grösse während des Hungerns fast unverändert ist. Die Unter- jsse aes g^jj^y^ggu yqq Zuntz, LEHMANN u. A.^) an dem Hungerkünstler Cetti ergaben also z. B. am 3. — 6. Tage des Hungerns einen Sauerstoffverbrauch pro kg und Minute von durchschnittlich 4,65 com und am 9. — 11. Tage von durchschnitt- lich 4,73 ccm. Der Kalorienumsatz, als Mass des Stoffwechsels, fiel vom 1. — 5. Hungertage von 1850 auf 1600 Kai. oder pro kg von 32,4 auf 30, und er war also, auf die Einheit des Körpergewichtes bezogen, fast unverändert^). Da der Stoffwechsel beim Hungern also auf Kosten der eigenen Körper- bestandtheile geschieht, so muss er im Wesentlichen in derselben Weise bei Fleisch- und Pflanzenfressern verlaufen. Da indessen die Nahrung des Pflanzen- fressers gewöhnlich relativ reicher an Kohlehydraten oder stickstofffreien Nähr- stoffen überhaupt als die des Fleischfressers ist, so wird beim Hungern der Fleisch- Körper des Pflanzenfressers relativ reicher an Eiweiss. In Folge hiervon kann auch in der ersten Zeit der Hungerperiode die Stickstoffausscheidung bei dem Pflanzenfresser vermehrt werden. Beim Fleischfresser nimmt die Stickstoffaus- scheidung gleich von Anfang der Hungerperiode an in der Regel ab, beim Menschen aber hat man mehrmals eine Zunahme der Stickstoflausscheidung durch den Harn vom ersten bis zum dritten oder vierten Hungertage und dann erst eine Abnahme derselben beobachtet. Dieses Ansteigen erklärt man (Praüsnitz, Tigerstedt^) durch die folgende Annahme. Im Beginn des Hungerns wird der Eiweisszerfall durch das noch im Körper vorhandene Gly- kogen eingeschränkt. Nach dem Verbrauche des Glykogens, was schon am ersten Hungertage grösstentheils geschieht, nimmt mit dem Wegfalle dieser Glykogenwirkung der Eiweisszerfall zu, um dann, wenn der Körper in Folge hiervon ärmer an disponiblem Eiweiss geworden ist, wieder abzunehmen. Die Gi'össe des Eiweissumsatzes oder als Mass desselben die Stickstoff- ausscheidung mit dem Harne zeigt jedoch beim Fleischfresser keine während der ganzen Hungerperiode gleichförmige Abnahme. Während der ersten Hunger- tage ist die Stickstoffausscheidung am grössten und die Grösse derselben hängt ji^^jggy^,. wesentlich von dem Eiweissgehalte des Organismus und der Beschaffenheit der Hmigcr™ vorher aufgenommenen Nahrung ab. Je reicher an Eiweiss der Körper durch die vorher aufgenommene Nahrung geworden ist, um so grösser ist der Eiweiss- umsatz, resp. die Stickstoffausscheidung, am ersten Hungertage. Die Geschwindig- keit, mit welcher die Stickstoffausscheidung in den ersten Tagen abnimmt, hängt nach VoiT auch von dem Eiweissbestande des Körpers ab. Sie nimmt rascher ab, d. h. die Kurve ihrer Abnahme ist in den ersten Hungertagen steiler, in 1) Berlin, klin. Wochenschr. 1887. a) Man vergl. ferner TlGERSTEDT und Mitarbeiter in Skand. Arch. f. Physiol. 7. 3) Pkadsnitz, Zeitschr. f. Biologie 29; Tigerstedt und Mitarbeiter 1. c. Stoffwechsel beim Hungern. 575 dem Masse wie die vor dem Hungern aufgenommene Nahrung reicher an Ei- weiss gewesen ist. Diese Verhältnisse sind aus der folgenden tabellarischen Zusammenstellung ersichtlich. Die Tabelle enthält drei verschiedene, von VoiT^) 111 Eiweiss- an demselben Hunde ausgeführte Hungerversuche. Der Versuchshund hatte mnsatz. vor der Versuchsreihe I täglich 2500 g Fleisch, vor der Reihe H täglich 1500 g Fleisch und vor der Reihe HI eine gemischte, verhältnissmässig stickstofTarme Nahrung erhalten. Tab. II. Harnstoffausscbeidung in g in 24 St. Hungertag Ser. I Ser. II Ser. III. 1 60.1 26.5 13,8 2 24,9 18,6 11,5 3 19,1 15,7 10,2 4 17,3 14,9 12,2 5 12,3 14,8 12,1 6 13,3 12,8 12,6 7 12,5 12,9 11,3 8 10,1 12,1 10,7 Auf die Geschwindigkeit, mit welcher die Sticksloffausscheidung in den ersten Hungertagen abnimmt, üben jedoch auch andere Umstände, wie ein ver- schiedener Fettgehalt des Körpers, einen Einfluss aus. Nach Verlauf der ersten Hungertage wird jedoch, wie aus der obigen Tabelle ersichtlich, die Stickstoff- ausscheidung gleichmässiger, und im weiteren Verlaufe der Hungerperiode nimmt Ei^eiaszer- sie in der Regel sehr langsam und gleichmässig ab. Es kommen indessen auch Hungern. Fälle vor, in welchen gegen das Ende der Hungerperiode ein Ansteigen der StickstofFausscheidung eintritt. Dieses sogen, prämortale Ansteigen tritt jedes- mal ein, sobald der Fettbestand am Körper unter eine gewisse Grösse gesunken ist, und es rührt daher, dass, sobald das Fett verbraucht worden ist, für die Eotwickelung der Wärme und anderer Formen lebendiger Kraft eine entsprechend gesteigerte Eiweisszersetzung nothwendig wird. Das im Körper neben dem Eiweiss sich vorfindende Fett wird beim Hungern auch zersetzt. Da das Fett indessen einen den Eiweisszerfall be- schränkenden Einfluss hat (vergl. weiter unten), so wird die Stickstoffausscheid- wirknng ung beim Hungern kleiner bei fetten als bei mageren Individuen. Während "^.lu/dcn^ man also beispielsweise bei gutgenährten und fetten Geisteskranken für die „'msatz spätere Zeit des Huugerns eine Harnstoffausscheidung von nur 9 g pro 24 Stunden beobachtet hat, fand J. Mlwk bei dem schlecht genährten Hungerkünstler Cetti^) eine tägliche Harnstoffausscheidung von 20 — 29 g. Wie der Eiweisszerfall geht während des Hungerns auch die Fettzersetzung unuuterbrochen fort. Die Fettzersetzung zeigt jedoch nicht immer in den ersten Fettumsatz Hungertagen eine so rasche und starke Abnahme wie der Eiweisszerfall. So *'*™ fanden beispielsweise Pettexkofer und VoiT bei einem hungernden Hunde an den verschiedenen Hungertagen folgende Verluste an Körpereiweiss und Körperfett. 1) Verg). Hebmanx's Handbuch 6 Thl. 1 S. 2) 1. c. 576 Achtzehntes Kapitel. Huugertag Tah. III. Verlust ao Fleisch (Kalorien ') . 341 297,3 . 167 145,0 . 13S 120,1 Verlust an Fett (Kalorien) 86 799,8 103 957,9 99 920,7 Eespiratori scher Quo- tient. I^usscheid- ung des Wassers. Der Fettverbrauch war also am zweiten Tage, an welchem die Eiweiss- zersetzung bedeutend war, sogar geringer als in den folgenden Tagen. Der Grund hierzu war der, dass das Thier vorher mit reichlichen Mengen Fleisch (2500 g) gefüttert worden war. Drückt man den Umsatz in Kalorien aus, so findet man für den fünften und achten Hungertag, dass von den Gesammt- kalorien nur 13,2 bezw. 11,5 p. c. durch die Zersetzung von Eiweiss und 86,8 bezw. 88,5 p. c. durch die Zersetzung von Fett gedeckt waren. Andere Beob- achtungen sowohl an Thieren wie an Menschen haben zu ähnlichen Ergebnissen geführt, und man kann behaupten, dass beim Hungern gewöhnlichenfalls der grösste Theil der Ausgaben durch Zersetzung von Fett und nur ein kleiner Theil durch Zersetzung von Eiweiss gedeckt wird. Die Untersuchungen über den Gaswechsel beim Hungern haben, wie schon oben erwähnt wurde, gelehrt, dass die absolute Grösse desselben dabei zwar abnimmt, dass aber, wenn Sauerstoffverbrauch und Kohlensäureausscheid- ung auf die Einheit des Körpergewichtes — 1 kg — berechnet werden, diese Grösse zwar rasch auf ein Minimum herabsinkt, dann aber unverändert bleibt oder im weiteren Verlaufe des Hungerns sogar eher ansteigt. Es ist auch eine allgemein bekannte Thatsache, dass die Körpertemperatur hungernder Thiere während des allergrössten Theiles der Hungerperiode sich ziemlich konstant er. halten kann, ohne eine nennenswerthe Abnahme zu zeigen. Erst wenige Tage vor dem Tode sieht man die Eigenwärme der Thiere absinken, und bei etwa 33 — 30" C. tritt der Hungertod ein. Aus dem in dem Vorigen von dem respiratorischen Quotienten Gesagten folgt, dass er beim Hungern etwa derselbe wie bei ausschliesslicher Fett- und Fleischnahrung werden und also um die Grösse 0,7 sich bewegen muss. Dem ist auch oft so; aber er kann auch, wie in den Beobachtuugsreihen au Cetti und Succi, sogar niedriger, 0,65 — 0,50, werden. Zur Erklärung dieses uner- warteten Verhaltens nimmt man eine Aufspeicherung unvollkommen oxydirter Substanzen im Körper während des Hungerns an. Wasser wird beim Hungern ununterbrochen von dem Körper abgegeben, selbst wenn kein Wasser ihm zugeführt w-ird. Wird der Gehalt der eiweiss- reichen Gewebe an Wasser zu 70—80 p. e. und der Gehalt derselben an Ei- weiss zu rund 20 p. c. angenommen, so müssen also für je 1 g zerfallenes Eiweiss etwa 4 g Wasser frei werden. 1) Die Kalorien des zersetzten Eiweisses sind vom Verf. unter der gewöhnlichen An- nahme von 3,4 p. c. Eiweisssticlistoli' im Fleische bereclmet worden. Stoffwechsel beim Hungern. 577 Der Wasserverlust, in Prozenten vom Gesammtorganismus ausgedrückt, muss natürlich sehr wesentlich Ton dem ursprünglichen Gehalte des Körpers an Fettgewebe abhängig sein. -^'„333,- Triigt man diesem Umstände Rechnung, so scheint nach BÖHTLINGK '). der an weissen Mäusen verlast, experimentirte, der Thierkörper während der luanition ärmer an Wasser zu werden. Der Körper verliert also mehr Wasser als durch die Zerstörung der Gewebe in Freiheit gesetzt wird. Die Mineralstoffe verlassen ebenfalls bis zum Tode ununterbrochen den Körper beim Hungern, und bei ihrer Ausscheidung kann der Einfluss der zer- fallenden Gewebe deutlich sich erkennbar machen. Wegen des Zerfalles der kalireichen Gewebe kann nämlich beim Hungern die Relation zwischen Kalium vorhalten uud Natrium in dem Harne derart sich ändern, dass, dem normalen Verhalten '^'^'s^oS-e" " entgegen, das Kalium in verhältnissmässig grösserer Menge ausgeschieden wird. MuNK hat ferner an Cetti-) eine, von einem gesteigerten Umsatz der Knochen- substanz herrührende, relative Vermehrung der Phosphorsäure und des Calciums im Harne beim Hungern beobachtet. Im Gegensatz zu dem oben Gesagten fand BÖHTLINGK bei hungernden weissen Mäusen eine reichlichere Elimination von Natrium wie von Kalium. In Prozenten von der ursprüng- lichen Menge waren nämlich verbraucht worden 43,46 p. e. Na20 und 8,41 p. e. K.,0. Von besonderem Interesse ist die Frage nach der Betheiligung der ver- schiedenen Organe an dem Gewichtsverluste des Körpers während des Hungerns. Um diese Frage zu beleuchten, werden hier die Resultate der von Chossat^) veriuste der an Tauben und von VoiT^) an einem Kater ausgeführten Untersuchungen über Gewebe, den Gewichtsverlust der verschiedenen Organe mitgetheilt. Die Zahlen geben den Gewichtsverlust in Prozenten von dem ursprünplichen Organgewichte an. Tab. IV. Tauben (Choss.\t) Kater (Voit) Fett . . . . 93 p. c. . . ... 97 Milz . . . . 71 , ... 67 Pankreas . . 04 , ... 17 Leber . . . 52 , ... 54 Herz . . . . 45 , ... 3 Gedärme . . 42 „ ... 18 Muskeln . . . 42 , ... 31 Hoden . . ... 40 Haut . . . . 33 , ... 21 Nieren . . 32 , ... 26 Lungen . . . 22 , ... 18 Knochen . . . 17 , ... 14 Nervensj-stci u . . 2 „ ... 3 Die Gesammtmenge des Blutes wie auch die Menge seiner festen Bestand- theile nimmt, wie Paxu.m und Andere'*) gezeigt haben, in demselben Verhältnisse wie das Körpergewicht ab. Hinsichtlich des Verlustes der verschiedenen Or- gane an Wasser sind die Angaben etwas streitig; nach LuKJAXOwä) scheinen jedoch in dieser Hinsicht die verschiedenen Organe sich etwas verschieden zu verhalten. 1) Arch. d. Sfiens. biol. de St. Pi'tersbourg 5. 2) Berlin, klin. Wochenschr. 1887. 3) Cit. nach VoiT in Hermann's Handlmch 6 Thl. 1 8. 90 u. 97. i) Pandm. Virchow's Arch. 29. Londox, Arch. d. scicnc. biol. de St. Petersbourg 4. ■'■) Zeitschr. f. physiol. Chem. 13. Hammars teu, Physiologische Chemie. Vierte Aufi.ige. 37 Achtzehntes Kapitel. Stoff- wechsel de verschie- denen Or- gane. Nüchtern werth dei Stoff- wechsels Die oben mitgetheilten Zahlen können nicht als Mass des Stoffwechsels der verschiedenen Organe im Hungerziistande dienen. Wenn also beispielsweise das Nervensystem, den anderen Organen gegenüber, nur eine geringe Gewichts- abnahme zeigt, so darf dies nicht so gedeutet werden, als würde der Stoff wechse in diesem Organsystem am wenigsten lebhaft sein. Das Verhalten kann ein ganz anderes sein; das eine Organ kann nämlich während des Huugerns seine Nahrung von dem anderen beziehen und auf Kosten desselben leben. Der Ge- wichtsverlust der Organe beim Hungern kann also keine sicheren Aufschlüsse über die Lebhaftigkeit des Stoff'wechsels in jedem einzelnen Organe geben. Die Kenntniss des Stoffwechsels beim Hungern ist von grosser Bedeutung für die ganze Lehre von der Ernährung und sie bildet gewissermassen den Aus- gangspunkt für das Studium des Stoffwechsels unter verschiedenen physiologischen und pathologischen Zuständen. Zur Beantwortung der Frage, ob der Stoff- wechsel eines Menschen in einem speziellen Falle abnorm gesteigert, bezw. herab- gesetzt ist, niuss es natürlich auch sehr wichtig sein, die mittlere Grösse des Stoff'wechsels bei gesunden Menschen unter für den Vergleich geeigneten Um- ständen zu kennen. Als solche Grösse kann man den sogen. Nüchtern werth, d. h. die Grösse des Stoff'wechsels bei absoluter körperlicher Ruhe und Unthätig- keit des Darmkanales benutzen. Als Mass dieser Grösse bestimmt man nach Geppert-Zuntz die Grösse des Gaswechsels und besonders des Sauers toff"ver- brauches bei ruhig liegenden, am besten schlafenden Personen morgens früh und mindestens 12 Stunden nach einer letzten, an Kohlehydraten nicht reichen kleinen Mahlzeit. Die Gasvolutnina, auf 0" C. und 760 mm Hg-Druek redu- zirt, berechnet man dann auf 1 kg Körpergewicht und 1 Minute. Die gefun- denen Zahlen schwanken für den Sauerstoff"verbrauch zwischen 3 und 4,5 und für die Kohlensaure zwischen 2,5 und 3,5 ccm. Als Mittel kann man die Zahlen 3,81 ccm Sauerstoff und 3,08 ccm Kohlensäure annehmen^). Die Grösse des Eiweisszerfalles kann natürlich nicht in kurzdauernden Versuchsreihen ermittelt werden und aus oben angeführten Gründen sind nur die nach dem Verlaufe von den ersten Hungertagen gefundenen Werthe brauch- bar. In den Hungerversuchen an Cetti und Succi war die Stickstoffabgabe pro kg in den 5 — 10 Hungertagen 0,150 — 0,202 g N. III. Der Stoffwechsel bei unvollständiger Nahrung. Unzu- Die Nahrung kann quantitativ unzureichend sein und der höchste Grad eichende hiervon ist die absolute Inanition oder Carenz. Die Nahrung kann jedoch auch ständige qualitativ unzureichend oder, wie man auch sagt, unvollständig sein. Dies findet statt, wenn irgend einer der nothwendigen Nährstoffe in der Nahrung fehlt. 1) Diese Zahlen sind nach v. Noorden, Lehrbuch der Pathologie des Stoffwechsels. Berlin 1893. S. 94, citirt. Mangel an Wasser und Mineralstoffen. 579 während die übrigen in sonst genügender oder vielleicht sogar überschüssiger Menge darin vorkommen. Mangel an Wasse7' in der Nahrung. Die Menge des Wassers im Or- ganismus ist am grössten während des Fötallebens und nimmt dann mit zu- nehmendem Alter ab. Sie ist selbstverständlich auch in verschiedenen Organen wesentlich verschieden. Das wasserärmste Gewebe des Körpers ist der Zahn- schmelz, welcher fast wasserfrei (2 p. ni. Wasser) ist. Arm an Wasser sind ferner: das Zahnbein mit gegen 100 p. m. und das Fettgewebe mit 60 — 120 p. ni. Wassers in Wasser. Reicher an Wasser sind die Knochen mit 140 — 440 und das Knorpel- weben. gewebe mit 540 — 740 p. m. Noch wasserreicher sind Muskeln, Blut und Drüsen mit 750 bis mehr als 800 p. m. In den thierischen Säften ist der Wasser- gehalt (vergl. die vorigen Kapitel) noch grösser und der erwachsene Körper als Ganzes enthält rund 630 p. m. Wasser'). Erinnert man sich, dass der Thier- organisraus also zu ^/s aus Wasser besteht, dass das Wasser von der aller- grössten Bedeutung für die normale, physikalische Beschaflenheit der Gewebe ist, pi,ys;oio. dass ferner alle Saftströmung, aller Stoffumsatz, alle Zufuhr von Nahrung, aller j^^jj^g^^'^jg Zuwachs oder Zerfall und alle Abfuhr der Zerfallsprodukte an die Gegenwart ^'^"ssers. von Wasser gebunden ist, welches ausserdem durch seine Verdunstung zu einem wichtigen Regulator der Körpertemperatur wird, so ist es ohne weiteres ersicht- lich, dass das Wasser ein uothwendiges Lebensbedingniss sein muss. Wird der Wasserverlust nicht durch Zufuhr von Wasser ersetzt, so muss deshalb auch der Organismus früher oder später zu Grunde gehen. Nach Landauek-) hat die (thcilweise) Entziehung des Wassei-s einen gesteigerten Stoff- wechsel zur Folge, dessen Zweck es ist, einen Theil des entzogenen Wassers durch das (infolge gesteigerten Stoffwechsels) in erhöhtem Masse produzirte W'asser zu ersetzen. Mangel an Mineralstoffen in der Nahrung. Es ist hauptsächlich das Verdienst Liebig's, den Nachweis geführt zu haben, dass die MineralstofTe für die normale Zusammensetzung der Gewebe und Organe wie auch für den nor- malen Verlauf der Lebeusvorgänge ebenso nothwendig wie die organischen Körperbestandtheile sind. Diese Bedeutung der Mineralbestandtheile erhellt schon daraus, dass es kein thierisches Gewebe und keine thierische Flüssigkeit giebt, in welchen nicht Mineralsloft'e enthalten sind, und ferner daraus, dass gewisse Gewebe oder Gewebselemente regelmässig vorwiegend gewisse und nicht und Meng? andere Mineralstoff'e enthalten, was durch die ungleiche Vertheilung der Kalium- stoffe. und Natriuniverbindungen auf Gewebe und Flüssigkeiten beleuchtet wird. Mit Ausnahme von dem Skelet, welches gegen 220 p. m. MineralstofTe enthält (Volkmann ^J, sind die thierischen Flüssigkeiten oder Gewebe arm an anorgani- schen Bestandtbeilen und ihr Gehalt an solchen beträgt im Allgemeinen nur etwa 10 p. ra. V^on der Gesammtmenge der Mineralstoffe im Organismus kommt der allergrösste Theil, 830 p. m., auf das Skelet und demnächst die grösste Menge, etwa 100 p. m., auf die Muskeln (Volkmann). 1) Vergl. VoiT in Hermans's Handlmcli G Till. 1 S. 345. ü) Maly's Jahresber. 24. 3) Vergl. Hekmann's Handbuch C Thl. 1 S. 353. 37* 580 Achtzehntes Kapitel. Die Miiieralstofle scheinen zum Theil in den Säften gelöst und zum Theil an die organisclie Substanz gebunden zu sein. In Uebereiustimmung hiermit hält der Organismus auch bei Salzmangel der Nahrung hartnäckig einen Theil der Mineralstoffe zurück, auch solche, welche wie die Chloride dem Anscheine nach einfach gelöst sind. Bei der Verbrennung der organischen Substanz werden die an die letztere gebundenen Mineralstoffe frei und können eliniinirt werden. Man hat jedoch auch angenommen, dass sie zum Theil von neugebildeten Ver- brennungsprodukten gebunden werden, zum Theil auch von salzarmen oder fast salzfreien, aus dem Darnikanale resorbirten organischen Nahrungsstoffen in Be- schlag genommen und dadurch zurückgehalten werden können ( VoiT, Forster ^). Wenn diese Annahmen richtig sind, so lässt es sich denken, dass eine stetige Zufuhr von MineralstofFen mit der Nahrung nicht absolut nothwendig sei, und dass die Menge anorganischer Stoffe, welche zugeführt werden muss, jedenfalls nur eine sehr geringfügige sein dürfte. Wie dem sei, ist besonders an'^Mineraf- ^"ür den Menschen noch nicht genügend erforscht worden; im Allgemeinen be- stoffen. tfaß]j[gt; n^an aber den Bedarf des Menschen an MineralstofFen als sehr gering. Sicher dürfte es jedenfalls sein, dass der Mensch gewöhnlich mit der Nahrung einen bedeutenden Ueberschuss von Mineralstoffen aufnimmt. Ueber die Wirkung einer ungenügenden Zufuhr von MineralstofFen mit der Nahrung sind von mehreren Forschern, besonders von Forster, Unter- suchungen an Thieren ausgeführt worden. Bei Versuchen an Hunden und Tauben mit einer an MineralstoflTeu möglichst armen Nahrung beobachtete Forster sehr bedenkliche Störungen der Funktionen der Organe, besonders der Muskeln und des Nervensystemes, und er sah dabei den Tod nach einiger Zeit, sogar noch früher als bei vollständigem Hungern, eintreten. Diesen Beobacht- ungen gegenüber hat jedoch Bunge hervorgehoben, dass das frühe Eintreten des Todes in diesen Fällen nicht durch den Mangel an Mineralstoff^en im Allge- wirkung meinen hervorgerufen wurde, sondern vielmehr durch den Mangel an denjenigen des Mangels an Mineral- Basen, die zur Neutralisation der bei der Verbrennung des Eiweisses im Orga- stofl'en in . . . ;der nismus entstandenen Schwefelsäure erforderlich sind und welche also den Ge- JJahrung weben entnommen werden mussten. Dieser Ansicht gemäss fanden auch Bunge und LuNix^) bei Versuchen an Mäusen, dass Thiere, welche eine im Uebrigen fast aschefreie Nahrung mit Zusatz von Natriumkarbonat erhielten, doppelt so lange am Leben erhalten werden konnten wie Thiere, welche dieselbe Nahrung ohne Zusatz von Natriumkarbonat erhalten hatten. Besondere Experimente zeigten ferner, dass das Karbonat nicht durch eine äquivalente Menge Koch- salz ersetzt werden konnte, und dass es also allem Anscheine nach durch Neu- tralisation der im Körper gebildeten Säuren gewirkt hatte. Zusatz von Alkali- karbonat zu dem .sonst fast salzfreien Futter konnte jedoch zwar den Eintritt 1) FOKSTEE, Zeitschr. f. Biologie 9; veigl. auch Von iü Hekmans's Handbuch S. 354. 2) BüKGE, Lehrbuch der physiol. Chcni. 4. .-Vufl. S. 97. LüSiN, Zeitschr. f. physiol. Clicm. »5. Beoliacht- Bunse. Ungenügende Zufuhr von Mineralstoffec. 581 des Todes verzögern, ihn aber nicbt verhindern, und selbst bei Gegenwart von der erforderlichen Menge Basen trat also der Tod bei Mangel an Mineralstofleu in der Nahrung ein. In den obigen Versuchsreihen Bunge's bestand das Futter der Thiere aus Kasein, Milchfett und Rohrzucker. Während nun Milch allein für die Thiere eine vollständige und genügende Nahrung war, fand Bunge ferner, dass die Thiere bei einer aus den obengenannten Milchbestaudtheilen und Rohrzucker mit Zusatz von sämmtlichen Mineralstoflfen der Milch bestehenden Nahrung nicht länger als in den obengenannten Versuchen mit Zusatz von Alkalikarbonat zur Nahrung am Leben erhalten werden konnten. Ob dieses Resultat dadurch zu erklären sei, dass die Mineralstoffe der Milch an die organischen Bestandtheiie derselben chemisch gebunden und nur in solcher Verbindung assimilirbar seien, oder ob es von anderen Umständen herrühre, lässt Bunge dahingestellt sein. Unter allen Umständen dürften diese Beobachtungen jedenfalls zeigen, wie schwierig es ist, aus den bisher mit salzarmer Nahrung ausgeführten Versuchen ganz sichere Schlüsse zu ziehen. Weitere Untersuchungen über diesen Gegen- stand scheinen auch dringend nöthig zu sein. Bei ungenügender Zufuhr von Chloriden mit der Nahrung nimmt die Chlorausscheidung durch den Harn stetig ab und zuletzt kann sie fast ganz aufhören, während die Gewebe noch hartnäckig die Chloride zurückhalten. Auch diese letzteren sind also im Organismus wenigstens zum Theil an die organische Substanz gebunden, von welcher sie zurückgehalten werden. Bei relativem Mangel an Natrium, dem Kalium gegenüber, wie auch bei einem Ueberschuss von Kaliumverbindungen in anderer Form als KCl in der Nahrung setzen sich diese Kaliumverbindungen innerhalb des Organismus mit NaCl derart um, da?s ciiior- ,. 1 nT ■ 1 • 1 ■ 1 TT alkalieu. neue Kalium- und JNatrmmverbindungen entstehen, welche mit dem Harne aus- geschieden werden. Der Organismus wird also ärmer an NaCl, welches in Folge hiervon in vermehrter Menge von aussen aufgenommen werden muss (Bunge). Diese Verhältnisse finden regelmässig bei Pflanzenfressern und beim Menschen bei kalireicher Pflanzennahrung statt. Für den Mensehen und be- sonders für die ärmeren Volksklassen, welche hauptsächlich von Kartoffeln und anderen kalireichen Nahrungsmitteln leben, wird das Kochsalz also unter diesen Verhältnissen nicht ein Genussmittel allein, sondern ein notiiwendiger Zusatz zu der Nahrung (Bunge'). Mangel an ÄlkaliJcarhona/en oder Basen in der Nahrung. Die chemi- schen Vorgänge im Organismus sind an die Gegenwart von alkalisch reagiren- den Gewebssäften gebunden, deren alkalische Reaktion durch Alkalikarbonate Bedeutung bedingt ist. Die Alkalikarbonate sind überdies von grosser Bedeutung nicht halten der nur als Lösungsmittel gewisser Eiweissstoffe und als Bestandtheiie gewisser karbonate. Sekrete, wie des Pankreas- und des Darmsaftes, sondern auch als Transport- mittel der Kohlensäure im Blute. Es ist also leicht versländlich, dass ein Hcr- 1) Zeitscbr. f. Biologie 9. 582 Achtzehntes Kapitel. absinken der Menge der Alkalikarbonate unter eine gewisse Grenze für das Leben gefahrdrohend werden muss. Ein solches Herabsinken findet nicht nur bei Mangel an Basen in der Nahrung, wobei die relativ zu grosse Säurepro- duktion bei der Verbrennung des Eiweisses das Eintreten des Todes beschleunigt, statt, sondern es tritt auch ein, wenn man einem Thiere während einiger Zeit verdünnte Mineralsäuren giebt. Bei den Pflanzenfressern werden dabei die Alkalien, fixen Alkalien der Gewebe von den Mineralsäuren gebunden und die Thiere gehen nach einiger Zeit zu Grunde. Beim Fleischfresser wie auch beim Men- schen dagegen werden die Mineralsäuren von dam bei der Zersetzung des Ei- weisses oder dessen Spaltungsprodukte entstandenen Ammoniak zum Theil ge- bunden, und der Fleischfresser kann in Folge hiervon länger am Leben er- halten werden. Mangel an Efdphosphciten. Abgesehen von der Bedeutung, welche die alkalischen Erden als Karbonate und vor Allem als Phosphate für die physi- kalische Beschaffenheit gewisser Gewebe, wie des Knochen- und Zahngewebes, haben, ist ihre physiologische Bedeutung fast ganz unbekannt. Das Vorkommen von Erdphosphaten in allem Eiweiss und die behauptete Bedeutung derselben für den Uebergang des Eiweisses aus dem gelösten in den geronnenen, festen Zu- Mangel an stand macht es wahrscheinlich, dass die Erdphosphate eine wichtige Rolle be; phaten. der Organisation des Eiweisses spielen. Bezüglich der Wirkung, welche eine ungenügende Zufuhr von alkalischen Erden oder deren Verbindungen mit der Nahrung ausübt, knüpft sich, obzwar alle Organe an dem Kalkmangel in ver- schiedenem Grade Theil nehmen, jedoch das grösste Interesse gegenwärtig an die Frage von der Wirkung einer solchen ungenügenden Zufuhr auf das Knochen- gewebe. Diese Wirkung, wie auch die verschiedenen Resultate, welche bei Ver- suchen an jüngeren und älteren Thieren erhalten worden sind, wurden schon in einem vorigen Kapitel (10) besprochen. Mangel an Eisen. Als integrirender Bestandtheil des für die SauerstofT- zufuhr unentbehrlichen Hämoglobins scheint das Eisen auch ein unentbehrlicher Bestandtlieil der Nahrung zu sein. Bei Eisenhunger wird Eisen fortwährend, wenn auch in etwas verminderter Menge, ausgeschieden, und bei unzureichender Zufuhr von Eisen mit der Nahrung nimmt die Hämoglobinbildung ab. Um- Eisen in der . Nahrung, gekehrt wird die Hämoglobinbildung durch Zufuhr nicht nur von organisch ge- bundenem Eisen, sondern, nach einer allgemein geltenden Ansicht, auch durch Zufuhr von anorganischen Eisenpräparaten begünstigt. Die hierüber bestehen- den divergirenden Angaben sind schon in einem vorigen Kapitel (über das Blut) besprochen worden. Bei Abwesenheit von Proteinstoffen in der Nahrung muss der Organismus von seinen eigenen Proteinsubstanzen zehren, und bei einer solchen Ernährung Abwesen- /-> j i t^ i i* • heit von muss er deshalb auch früher oder später zu Grunde gehen. Durch die ein- stanzen seitige Zufuhr von Fett und Kohlehydraten wird jedoch in diesem Falle der Nahrung. Eiweissverbrauch sehr bedeutend herabgesetzt. Nach einer von C. VoiT her- rührenden Lehre, die durch neuere Untersuchungen von E. Voit und KoB- Stofl'weohsel bei veischiedener Nahrung. 583 KUNOFF^) vertheidigt worden ist, würde hierbei der Eiweissumsatz nie bis zu einem so kleinen Werthe wie beim Hungern herabgehen. Nach mehreren For- schern, wie Hirschfeld, Kimagawa, Klemperer, Muxk, Kosexheim-) u. A. soll dagegen bei einseitig fett- und kohlehydratreicher Kost der Eiweissumsatz kleiner als beim vollständigen Hungern werden können. Dem entsprechend können auch die Thiere bei einer nur stickstofffreie Stoffe enthaltenden Nahrung länger als bei vollständigem Hungern am Leben erhalten werden. Bei Abwesenheit von Fetten und KoMeliyclraten in der Nahrung verhalten sich Pflanzen- und Fleischfresser etwas verschieden. Ob ein Fleischfresser mit einer ganz fett- und kohlehydratfreien Nahrung dauernd am Leben erhalten werden könne, ist nicht bekannt. Dagegen ist es sicher dargethan, dass er bei ausschliesslicher Fütterung mit einem möglichst fettarmen Fleisch lange Zeit bei ij^t^gnpgtt voller Leistungsfähigkeit am Leben erhalten werden kann (Pflüger ^). Dagegen j^^^^^^i*- scheint weder der Mensch noch der Pflanzenfresser längere Zeit von einer solchen derNahrung. Nahrung leben zu können. Einerseits fehlt ihnen nämlich die Fähigkeit, die erforderlichen grossen Fleischmassen zu verdauen und zu resorbiren, und anderer- seits tritt bei ihnen bald Widerwillen gegen die übergrossen Mengen Fleisch oder Eiweiss ein. IV. Der Stoffwechsel bei verschiedener Nahrung. Für den Fleischfresser kann, wie oben erwähnt, ein möglichst fettarmes Fleisch eine vollständige und völlig hinreichende Nahrung sein. Da das Eiweiss ausserdem durch seinen Stickstoffgehalt eine ganz besondere Stellung unter den organischen Nahrungsstoften einnimmt, dürfte es am passendsten sein, hier zu- erst den Stoffwechsel bei ausschliesslicher Fleischfütterung zu besprechen. Der Stoffwechsel bei ehveissreicher Nahrung, d. h. bei ausschliess- licher Fütterung mit möglichst fettarmem Fleisch. Mit steigender Eiweisszufuhr werden der EiiveisszerfalJ und die Stick- stoffausscheidung gesteigert, und zwar der Eiweisszufuhr ziemlich proportional. Hat man einem Fleischfresser täglich als Nahrung eine bestimmte Menge Fleisch gegeben und vermehrt man nun plötzlich die Fleischration, so hat dies in erster Linie einen gesteigerten Eiwei«szerfall, resp. eine vermehrte Stickstoff- Stickstoff- ausscheidung zur Folge. Füttert man ihn nun einige Zeit mit derselben täg- lichen, grösseren Fleischmenge, so findet man, dass ein Theil des verfütterten Eiweisses zwar im Körper verbleibt, dass aber dieser Theil fast von Tag zu Tag abnimmt, während die Stickstoffausscheidung eine entsprechende tägliche Steiger- ausscheid- ung. 1) Zeitschr. f. Biologie 32. 2) HiKSCHFELD, YiRCHOw's Alcli. 114; KiMAGAWA, eben Ja 116; Klemperer, Zeitschr. f. klin. Med. 16; MuNK, Du Bois-Revmond's Arch. 1891 u. 1896; Rosenheim, ebenda 1891 PflCgek's Arch. 54. 3) PflCgER's Areh. .50. 584 Achtzehntes Kapitel. uDg erfährt. Auf diese Weise bringt man es zuletzt dahin, dass Stickstoff- gleichgewicht eintritt, dass also die Gesammtmenge des ausgeschiedenen Stick- stofies der Stickstoffmenge des resorbirten Eiweisses oder Fleisches gleich ist. Wenn man umgekehrt einem, in Stickstoffgleichgewicht befindlichen, mit grösseren Stickstoff- Fleischmengen gefütterten Thiere plötzlich eine kleinere Fleischmenge pro Tag ung. giebt, so muss das Thier eine von Tag zu Tag abnehmende Menge seines eigenen Körpereiweisses abgeben. Stickstoff'ausscheidung und Eiweisszerfall nehmen stetig ab und auch hier kann das Thier in Stickstofigleichgewicht übergehen oder diesem Zustande sich nähern. Diese Verhältnisse werden durch folgende Tabelle (von Voit') beleuchtet. Tab. V. Fleisch der Nahrung iu g pro Tag Fleischumsatz im Körper in g pro Tag Vor dem Versuche AVährend des Versuches 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 1. 500 1500 12'22. 1310. 1390. 1410. 1440. 1450. 1500. 2. 1500 1000 1153. 10S6. 1088. 1080. 1027. Im ersten Falle (1) war der Fleischumsatz vor dem Anfange der eigent- lichen Versuchsreihe, bei Verfütterung von 600 g Fleisch, 447 g und er nahm also schon am ersten Versuchstage, nach Verfütterung von 1500 g Fleisch, höchst bedeutend zu. In dem zweiten (2) dagegen, in welchem das Thier vor- her mit 1500 g Fleisch in Stickstoffgleichgewieht war, nahm umgekehrt der Fleischumsatz am ersten Versuchstage, mit nur 1000 g Fleisch, bedeutend ab Stickstoff- und am fünften Tagre war Stickstoffgleichgewicht nahezu eingetreten. Während .lussüheid- ° . ... .... ung. dieser Zeit gab das Thier von seiner eigenen Frischmasse täglich Eiweiss ab. Von einer unteren Grenze an, unterhalb weloher das Thier von seinem eigenen Körpereiweiss verliert, und bis zu einem Maximum, welches von der Verdauungs- und Resorptionsfahigkeit des Darmkanales abhängig zu sein scheint, kann auch ein Fleischfresser mit den verschiedensten Eiweissmengen der Nahrung in Stick- stoffgleichgewicht sich versetzen. Auf die Grösse des Eiweisszerfalies wirkt ausser der Grösse der Eiweiss- zufuhr auch der Eiweissbestand des Körpers ein. Ein durch vorausgegangene, reichliche Fleischnahrung eiweissreich gewordener Körper muss, um einen Ei- weissverlust zu verhüten, mit der Nahrung mehr Eiweiss als ein eiweissarmer Körper aufnehmen. Ueber den Fettumsatz bei einseitiger Eiweissnahrung sind von Petten- KOFER und VoiT Untersuchungen au.sgeführt worden. Diese Untei-suchungen haben gezeigt, dasss mit steigenden Mengen Eiweiss in der Nahrung der tägliche rettums.->tz. fgttumsatz abnehmen kann, und die Verft'. zogen, wie oben Kap. 10 ausgeführt worden, aus ihren Untersuchungen den Schluss, dass sogar eine Neubildung von Fett aus Eiweiss unter Umständen geschieht. Die, namentlich von Pflüger gegen diese Versuche gemachten Einwendungen, wie auch die Beweise für eine Fettbildung aus Eiweiss überhaupt, sind ebenfalls in dem fraglichen Kapitel angeführt worden. 1) Hermann's Haudbucli 6 Tbl. 1 S. 110. Stoffwechsel bei eiweissreicher NahniDg. 585 Nach der Lehre Pflüger's kann das Eiweiss nur in indirekter Weise die Fettbildung beeinflussen, nämlich dadurch, dass es statt der stickstofffreien Stoffe verbrannt wird und hierdurch Fett und fettbildende Kohlehydrate erspart. Wird so viel Eiweiss in der Nahrung zugeführt, als zur Befriedieung des gesammten Fettspar- o B 7 e o o ung durch Nahrungsbedürfnisses nothwendig ist, so hört die Fettzersetzung auf; und wenn Eiweiss. nebenbei .auch stickstofffreie Nährstoffe aufgenommen werden, so werden diese nicht verbrannt, sondern im Thierkörper aufgespeichert — das Fett als solches und die Kohlehydrate wenigstens zum allergrössten Theil als Fett. Als „Nahrungsbedürfniss" bezeichnet PflUger hierbei die kleinste Menge magersten Fleisches, welche Stickstoffgleichgewicht erzeugt, ohne dass nebenbei Fett oder Kohlehydrate zur Zersetzung gelangen. In Ruhe und bei mittlerer Temperatur wurden für Hunde gefunden pro 1 kg Fleischgewicht (nicht Körper- gewicht, weil das Fett, welches oft einen bedeutenden Bruchtheil des Körper- gewichtes ausmachen kann, als gleichsam todte Masse Nichts verbraucht) 2,073 ,, , o ' ö / ' JsahruDgs- bis 2,099 g Stickstoff') (im gefütterten Fleisch). Selbst wenn die Eiweisszufuhr bedürfniss ' o / \ & / uudEiweiss- dieses Nahrungsbedürfniss überschreitet, steigt noch der Eiweisszerfall, wie verfall. Pflüger gefunden hat, mit steigender Zufuhr bis zur Grenze des Yerdauungs- vermögens, welche Grenze bei einem Hunde von 30 kg ungefähr bei 2600 g Fleisch liegt. Hierbei wurde iu den Versuchen Pflüger's nicht sämmtliches in Ueberschuss zugeführtes Eiweiss vollständig zersetzt, sondern es wurde ein Theil davon im Körper zurückgehalten. Pflüger vertritt deshalb auch den Satz, „dass auch ohne Fett oder Kohlehydrat ausschliessliche Eiweisszufuhr eine Eiweiss- mästung nicht ausschliesse." Aus dem oben von der Eiweisszersetzung beim Hungern und bei ein- seitiger Eiweissnahrung Gesagten folgt, dass die Eiweisszersetzung im Thierkörper nie aufhört, dass ihre Grösse in erster Linie von der Grösse der Eiweisszufuhr abhängt und dass der Thierkörper die Fähigkeit hat, innerhalb weiter Grenzen die Eiweisszersetzung der Eiweisszufuhr anzupassen. Diese und einige andere Eigenthümlichkeiten der Eiweisszersetzung haben VoiT zu der Ansicht geführt, dass nicht alles Eiweiss im Körper gleich leicht zersetzt werde. Voix unterscheidet das iu den Gewebselementen fixirte und so zu sagen organisirte Eiweiss, das Organeitveiss, von demjenigen Eiweiss, welches mit dem Säftestrome im Körper und dessen Geweben cirkulirt und von den lebenden Gewebszellen aus der sie umspülenden interstitiellen Flüssigkeit auf- Organ- .... eiweiss und genommen und zum Zerfall gebracht wird. Dieses cirkitlireiide Eiweiss soll cirkuiiren- ferner nach VoiT leichter und schneller als das Organeiweiss zerfallen. Wenn also bei einem hungernden Thiere, welches vorher mit Fleisch gefüttert worden ist, in den ersten Hungertagen ein reichlicher, rasch abnehmender Eiweisszerfall vorkommt, während im weiteren Verlauf der Hungerperiode der Eiweisszerfall kleiner und mehr gleichmässig ist, so soll dies daher rühren, dass in den ersten Hungertagen hauptsächlich der Vorrath an cirkulirendem Eiweiss und in den späteren hauptsächlich Organeiweiss unter die Bedingungen des Zerfalles geräth 1) Vergl. hierüber SCHÖSDORFF, Pflüger's Arch. 71. 586 Achtzehntes Kapitel. Die Gewebselemente sollen Apparate verhältnissmässig stabiler Natur sein, welche die Fähigkeit haben, Ei weiss aus der umspülenden Gewebsflüssigkeit auf- zunehmen und zu verarbeiten, während von ihrem eigenen Eiweiss, dem Organ- eiweiss, gewöhnlich nur eine kleine Menge, nach Voit täglich etwa 1 p. c, der Zerstörung anheimfallen soll. Mit gesteigerter Eiweisszufuhr wird auch, wenig- stens zu einem gewissen Grade, die Lebensthätigkeit der Zellen und ihre Fähig- keit, Nahrungseiweiss zu zersetzen, gesteigert. Wenn nach gesteigerter Eiweiss- zufuhr Stiekstoffgleichgewicbt erreicht worden ist, würde dies also bedeuten, dass Organ- ... . . . . , , eiweiss die ei weisszcrsetzende Fähigkeit der Zellen dahin gesteitcert worden, dass durch und cirku- . *=. . ^ lirendes sie gerade ebenso viel Eiweiss umgesetzt als mit der Nahrung dem Körper zu- geführt wird. Wird durch gleichzeitige Zufuhr von anderen, stickstofi'freien Nahrungsmitteln (vergl. unten) der Eiweisszerfall herabgesetzt, so kann ein Theil des eirkulirenden Eiweisses gewissermassen Zeit finden, von den Geweben fixirt und organisirt zu werden, und die Fleischmasse des Körpers nimmt in diesem Falle zu. Während des Hungerns oder beim Mangel an Eiweiss in der Nahr- ung würde umgekehrt ein Theil des Organeiweisses iu cirkulirendes Eiweiss über- gehen und umgesetzt wenien, und in diesem Falle würde also die Fleischmasse des Körpers abnehmen. Diese Lehre Voit's ist von Pflüger heftig augegriffen worden. Pflüger spricht — dabei zum Theil auf einer Untersuchung von seinem Schüler ScHÖN- DORFF^) sich stützend — die Ansicht aus, dass die Grösse des Eiweisszerfalles nicht von der Menge des eirkulirenden Eiweisses, sondern von dem jeweiligen Ernährungszustande der Zellen abhängt, eine Ansicht, die indessen mit der Lehre Voit's, wenn der Verf. dieselbe nicht missverstanden hat, wohl kaum in scharfem Widerspruche stehen dürfte. Voit") hat bekanntlich schon längst den Satz aus- gesprochen, dass die Bedingungen des Zerfalles der Stoffe im Körper in den Zellen sich vorfinden, und auch das cirkulireude Eiweiss wird wohl also nach Voit erst dann dem Zerfalle anheimfallen, wenn es vorher von den Zellen aus der sie umspülenden Flüssigkeit aufgenommen worden ist. Der Kernpunkt der und in den Bau derselben eingefügt worden ist, zerfällt nach Voit's Ansicht weniger leicht als das von den Zellen aus der Nährflüssigkeit aufgenommene Eiweiss, welches als Material für den chemischen Aufbau des viel mehr kom- plizirten orgauisirten Eiweisses dienen soll. Dieses Nahrungseiweiss, welches mit den Säften cirkulirt, bevor es von den Zellen aufgenommen worden ist, und welches dementsprechend nach der Ansicht Voit's sowohl in den Säften wie in den Zellen vorräthig vorkommen kann, hat er cirkulirendes Eiweiss oder Vor- rathseiweiss genannt. Es ist wahr, dass diese Namen zu Missverständnissen Ver- anlassung gegeben haben, und man dürfte deshalb auch nicht zu viel Gewicht auf sie legen. Das Wesentlichste der VoiT'schen Lehre dürfte nämlich wohl 1) Pflügek, iu seinem An-h. 54; SCHüXDORFF, ebenda 54. 2) Vergl. Zeitsclir. f. Biologie 11. Stickstoffausseheidung nach der Mahlzeit. 587 die Annahme sein, dass das Nahrungseiweiss von den Zellen leichter als das organisirte, eigentliche Protoplasniaeiweiss zerstört werde, und diese Annahme lässt sich wohl gegenwärtig ebenso wenig strenge widerlegen als exakt beweisen. Diese Frage hängt übrigens auf das innigste mit einer anderen zusammen, mit der nämlich, ob das von den Zellen aufgenommene Nahrungseiweiss als solches zerfällt oder ob es vorerst organisirt werden muss. Auf diese Frage werfen die von Panum und Fau:k*) ausgeführten Untersuchungen über den zeit- lichen Verlauf der Harnstoffausscheidung nach einer eiweissreichen Mahlzeit einiges Licht. Aus diesen, an Hunden ausgeführten Untersuchungen ergiebt sich nämlich, dass die HarnstofTausscheidung fast unmittelbar nach einer eiweiss- reichen Mahlzeit ansteigt und ihr Maximum in etwa der sechsten Stunde er- reicht, zu welcher Zeit etwa die Hälfte der dem verzehrten Eiweisse entsprechen- Eiweiss- den Stickstoffmenge ausgeschieden worden ist. Erinnert man sich nun ferner, und stick- o • TT 1 ■ j stoffaus- dass, nach einer Beobachtung von Schmidt-Mülheim-) an emem Hunde, in den seheidung. ersten zwei Stunden nach der Mahlzeit etwa 37 p. c. und am Ende der sechsten Stunde etwa 59 p. c. des verzehrten Eiweisses resorbirt worden sind, so ist es wohl nicht unwahrscheinlich, dass die vermehrte Stickstoffausscheidung nach der Mahlzeit durch eine Zersetzung von verdautem und resorbirtem , nicht vorher organisirtem Nahrungseiweiss bedingt ist. Wollte man annehmen, dass das zer- fallende Eiweiss vorher organisirt gewesen sein müsste, so würde die nach einer eiweissreichen Mahlzeit enorm gesteigerte Stickstoffausscheidung einen in kurzer Zeit verlaufenden, so raschen und umfassenden Zerfall und Wiederaufbau der Gewebe voraussetzen, dass ein solcher kaum anzunehmen und jedenfalls nicht bewiesen ist. In diesem Zusammenhange ist aber daran zu erinnern, dass nach den sehr interessanten Untersuchungen von Riazantseff die nach Aufnahme von Nahrung gesteigerte Stickstoffausscheidung zum Theil von der gesteigerten Arbeit ■^ " ^ " , . Stiukstoff- der Verdauungsdrüsen herrührt. Dies geht schon aus der bedeutend gesteigerten ausscheid- ^ , «ng und Stickstoffausscheidung nach „Scheinfütterung" (vergl. Kap. 9) hervor, wurde aberverdauungs- auch in anderer Weise von Riazantseff^) bewiesen. In nahem Zusammenhange hiermit steht auch die von Nencki und Zaleski'') beobachtete reichliche Am- moniakbildung in den Zellen des Verdauungsapparates zur Zeit der Verdauung einer eiweissreichen Nahrung. Oben ist angedeutet worden, dass andere Nahrungsstoffe den Eiweisszerfall herabsetzen können, und ein solcher Nahruugsstoff ist der Leim. Der Leim und die Leimbildner scheinen im Körper nicht in Eiweiss übergehen zu können, 1) Pandm, Nord. Med. Arkiv 6; Falck, vergl. Hermank's Handb. 6 Thl. 1 S. 107. Nähere Angaben über die Kurve der Stickstoifaiisscheidung bei Menschen findet man bei TSCHENLOFF, korrespond. Blatt Schweiz. Aerzte 189G ; RoSEMANN, Pfi.ügbr's Arch. 65 und Veragüth, Journ. of Physiol. 21. 2) Du Bois-Eeymond's Arch. 1879. 3) Arch. des scienc. biol. de St. Petersbourg 4 S. 393. 4) Vergl. Fussnote 5 S. 481. 588 Achtzehntes Kapitel. Nähr und dieses letztere kann in der Nahrung nicht ganz durch Leim ersetzt werden. Füttert man z. B. einen Hund mit Leim und Fett, so verliert er an Körper- eivveiss, selbst wenn die Menge des Leimes so gross ist, dass das Thier mit des Leimes ß^enso viel Fett und einer Fleisch menge, welche gerade ebenso viel Sticlistoff "üeim" ^^'^ ^'^ fragliche Menge Leim enthält, in Stickstoffgleichgewicht verharren können bUdner. ^yürde. Dagegen hat der Leim, wie zuerst VoiT und Panum und Oerum^) ge- zeigt haben, einen grossen Werth als Eiweiss ersparendes Nahrungsmittel, und er kann sogar in noch höherem Grade als Fett und Kohlehydrate die Eiweiss- zersetzung herabsetzen. Dies ist aus folgendem tabellarischen Auszug aus den Versuchen Voit's an einem Hunde ersichtlich. Fleisch Tab. VI. Nahrung pro Tilg Fleisch Leim Fett Zucker 400 400 400 0 0 200 200 0 0 0 250 0 Zu ähnlichen Ergebnissen ist später zersetzt am Körper 450 — 50 439 — 39 256 + 44 J. Mu\K-) durch noch mehr ent- scheidende Versuche gelangt. Er fand beim Hunde, dass bei gemischter Kost> die etwa 3,7 g Eiweiss pro Körperkilo enthielt, wovon knapp 3,ß g zerstört ■ wurden, volle ^/e durch Leim ersetzt werden konnten. Derselbe Hund zersetzte am zweiten Hungertage reichlich drei Mal so viel Eiweiss wie bei Leimfütterung. MuNK konstatirte ebenfalls, dass der Leim eine bedeutend viel grössere eiweiss- ersparende Wirkung als das Fett und die Kohlehydrate hat. Diese Fähigkeit des Leimes, Eiweiss zu ersparen, erklärt VoiT durch die Annahme, dass der Leim statt eines Theiles des cirkulirenden Eiweisses zersetzt wird, wodurch ein Theil des letzteren organisirt werden kann. Der Leim kann auch den Fettverbrauch ein wenig herabsetzen, wenn er auch in dieser Hinsicht lange nicht einen so hohen Werth wie die Kohle- hydrate hat. In naher Beziehung zu der Frage von dem Nährwerthe des Eiweisses und des Leimes steht auch die Frage von dem Nährwerthe des Peptons. Die von früheren Forschern, Maly, Plos'z und Gyergyay und Adamkiewicz ausgeführten Untersuchungen hatten es wahrscheinlich gemacht, dass ein Thier mit einer Nahrung, welche kein anderes Eiweiss als Pepton (Albumosen) enthält, nicht nur in der Peptone. RtickstofFgleichgewicht verharren, sondern sogar seinen Eiweissbestand vermehren kann. Durch neuere, mehr exakte Versuche von Pollitzer, Zuntz und Munk ist dann der Beweis geliefert worden, dass die Albumosen wenigstens in kurz- dauernden Versuchsreihen den vollen Nährwerth des Eiweisses haben können. Nach Pollitzer gilt dies sowohl für verschiedene Albumosen wie für echtes Pepton, was indessen mit den Erfahrungen von Ellinger nicht im Einklänge Nähr 1) VoiT 1. c. S. 123; Pani'M uud Oerüm, Nord. Med. Arkiv 11. 2) Pflüger's Arch, 58. Stoffwechsel bei gemischter Nahrung. 589 ist. Nach Ellinüer') soll nätiilich das echte Antipepton (Drüsenpepton) nicht ini Stande sein, das Eiweiss völlig zu ersetzen und den Verlust von Eiweiss am Thierkörper zu verhindern. Dagegen hat es nach ihm wie der Leim die Fähigkeit das Eiweiss zu ersparen. Dieselbe Ansicht ist schon längst von Voit'*) ausgesprochen worden. Nach ihm können die Albumosen und Peptone zwar für kürzere Zeit, nicht aber auf die Dauer, das Eiweiss ersetzen ; sie können Eiweiss ersparen, nicht aber in Eiweiss übergehen. Nach Versuchen, welche von Weiske u. A. an Pflanzenfressern ausgeführt wurden, scheint das Asparagin bei solchen Thieren das Eiweiss ersparen zu können. Beim Fleischfresser (J. Munk) und bei Mäusen (VoiT und Politis) scheint jedoch das Asparagin keine oder jedenfalls eine nur sehr geringe Eiweiss ^'iiiirwerth ersparende Wirkung zu haben. Wie es beim Menschen wirkt, ist nicht be- Asparagins. kannt. Nach Kellnek^) ist die eiweissersparende Wirkung des Asparagins nur indirekter Art, indem es nämlich im Verdauungskanale den Bakterien statt des Eiweisses zur Nahrung dient. Der Stoffwechsel bei einer aus Eiweiss mit Fett oder Kohleliydraten bestelieiulen Nahrung. Das Fett kann den EiweisszerfaU nicht aufheben oder verhindern; dagegen kann es ihn herabsetzen und das Fett kann also ei- weissersparend wirken. Dies wird aus folgender Tabelle nach VoiT*) ersichtlich A giebt die Mittelzahlen für drei und B für sechs Tage an. Tab. VII. N a h r u n ij Fleisch Fleisch Fett Umgesetzt am Körper A 1500 0 1512 — 12 B 1500 150 1474 + 24 Wie das Fett der Nahrung wirkt nach VoiT auch das Körperfett, und die Eiweiss ersparende Wirkung des letzteren kann derjenigen des Nahrungs- fettes sich zuaddiren, so dass ein fettreicherer Körper nicht nur in StickstofT- gleichgewicht verbleiben, sondern sogar seinen Vorrath an Körperei weiss ver- Eiweiss- mehren kann bei denselben Eiweiss- und Fettmengen der Nahrung, bei welchen Wirkung TT- «TT 1 T-'* • (» 1 T • r ^^^ Fettes. in einem mageren Korper ein Verlust an Eiweiss stattfandet. In einem fett- reichen Körper wird also durch eine bestimmte Fettmenge eine grössere Menge Eiweiss vor dem Zerfalle geschützt als in einem mageren. Wegen der Eiweiss ersparenden Wirkung des Fettes kann, wie aus der Tabelle ersichtlich ist, ein Thier, welches einen Zusatz von Fett zur Nahrung 1) Maly, PflÜgek's Arch. 9; Plösz und üyergvay, ebenda 10; Ad.vmkiewicz, Die Natur und der Nährwerth des Peptons. Berlin 1877; Pollitzer, Pflxjger's Arch. 37 S. 301; ZUNTZ, ebenda S. 313; MUNK, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1889 S. 20 und Deutsch, med. Wochenschr. 1889; Ellinger, Zeitschr. f. Biologie 33 (Lilteraturangaben). ■i) 1. c. S. 394. 3) Weiskk, Zeitsehi-. f. Biologie 15 u. 17 und Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1890 S. 945; MüNK, Virchow's Arch. 94 u. J)8; Politis, Zeitschr. f. Biologie 28; vergl. auch Macthner, ebenda 28; Gabriel, ebenda 29 und VoiT, ebenda 29 S. 125; Kellner, Maly's Jahresber. 27. *\ VoiT in Hekmann's HauJb. 6 S. 130. 590 Achtzehntes Kapitel. erhält, seinen Eiweissbestand vermehren bei Fütterung mit einer Fleischmenge, welche au sich zur Erhaltung des Stiekstoffgleichgewichtes unzureichend ist. Wie die Fette haben auch die Kohlehydrate eine Eiweiss ersparende Wirkung. Bei Zusatz von Kohlehydraten zu der Nahrung kann der Fleisch- fresser nicht nur in Stickstoffgleichgewicht verharren, sondern es kann bei ihm dieselbe Fleischmenge, welche an und für sich unzureichend ist und ohne Kohle- hydrate zu einem Verluste von Körpereiweiss führt, hei gleichzeitiger Aufnahme von Kohlehydraten einen Ansatz von Eiweiss erzeugen. Diese Verhältnisse sind aus der folgenden Tabelle ersichtlich ^). Tab. VIII. Xa h 1- u n g Flei seh Fleiscli Fett Zuelier Stüike Umgesetzt am Körper 500 250 _ — 558 — 58 Kiweiss- 500 — 300 — 466 + 34 ersparende Wirkung der Kolile- hydrate. 500 800 800 2000 200 200 250 200—300 505 745 773 1792 — 5 + 55 + 27 + 208 2000 250 — — 1883 + 117 Die Ersparung von Eiweiss durch Kohlehydrate ist, wie die Tabelle zeigt, grösser als durch Fette. Nach VoiT betrug jene als Mittel 9 p. c. und diese 7 p. c. des vorher ohne Zulage von stickstofffreien Stoffen gegebenen Eiweisses. Steigende Mengen Kohlehydrate in der Nahrung setzen auch nach VoiT mehr regelmässig und konstant als steigende Fettmengen den Eiweissumsatz herab. Wegen dieser grösseren Eiweiss ersparenden Wirkung der Kohlehydrate setzen die Pflanzenfresser, die im Allgemeinen reichliche Mengen Kohlehydrate aufnehmen, leicht Eiweiss an (Voit). Das Gesetz von dem Ansteigen des Eiweisszerfalles mit steigender Eiweiss- zufuhr kommt auch bei einer aus Eiweiss mit Fett und Kohlehydraten bestehen- den Nahrung zur Geltung. Auch in diesem Falle ist der Körper bestrebt, seine Eiweisszersetzung der Zufuhr anzuschmiegen; und wenn der tägliche Kalorien- bedarf durch die Nahrung vollständig gedeckt wird, kann der Organismus inner- halb weiter Grenzen mit verschiedenen Eiweissmengen in Stickstoffgleichgewicht sich setzen. Die oberste Grenze der möglichen Eiweisszersetzung pro kg und Tag ist nur für den Fleischfresser ermittelt worden. Für den Menschen ist sie noch unbekannt und ihre Bestimmung ist auch in praktischer Hinsicht von unter- geordneter Bedeutung. um so wichtiger ist es dagegen, die untere Grenze ' kennen zu lernen, und hierüber liegen mehrere Untersuchungsreihen sowohl an Menschen wie an Hunden vor (Hirschfeld, KUiM.\GAWA, Kle.mperer, Mbnk, RosENHEiM^) u. A.). Aus diesen Untersuchungen ergiebt sich, dass die untere Grenze des Ei Weissbedürfnisses beim Menschen für einen Zeitraum von einer Woche oder darunter bei mittlerem Körpergewicht bei etwa 30 — 40 g Eiweiss I) VOIT, ebenda S. 143. ?) Vergl. Fussnotc 2 S. 583. Grösse des Eiweissbedürfnisses. 591 oder bei 0,4 — 0,6 g, pro kg berechnet, liegt. Als untere Grenze (Schwellen- werth des Eiweissbedürfnisses) bezeichnet v. Noordex^) 0,6 g Eivveiss (resorbirtes Eiweiss) pro kg und Tag. Die obengenannten Zahlen gelten zwar nur für kürzere Versuchsreihen; aber es liegt auch eine Beobachtungsreihe von E. VoiT und CoxsTANTixiDi^) über die Kost eines Vegetariers vor, in der auch längere Zeit der Eiweissbestand mit etwa 0,6 g Eiweiss pro kg, annähernd aber nicht ganz vollständig, aufrecht erhalten werden konnte. Nach den unten zu besprechenden Normalzahlen Voit's für den Nahr- ungsbedarf des Menschen beträgt derselbe für einen massig arbeitenden Mann von etwa 70 kg Körpergewicht bei gemischter Kost rund 40 Kalorien pro kg (Reinkalorien oder Nettokalorien, d. h. also der Verbrenn uugswerth der resor- birten Nährstoffe). In den obigen Versuchen mit sehr elweissarmer Nahrung war indessen der Kalorienbedarf bedeutend grösser, indem er in einigen Fällen 51 (Kumagawa) oder sogar 78,5 Kalorien (KLEMPEiiER) betrug. Es scheint also, als würde die obige, sehr niedrige Ei weisszufuhr erst bei grosser Verschwendung von stickstofffreien Nährstoffen möglich sein; aber dem gegenüber ist daran zu erinnern, dass bei dem von VoiT und Constantinidi untersuchten Vegetarier, der seit Jahren an einer sehr eiweissarmen und kohlehydratreichen Nahrung ge- wöhnt war, der Kalorienumsatz pro kg nur 43,7 betrug. In wie weit Stickstoff- gleichgewicht auch bei sehr stickstoffarmer Kost bestehen kann , wenn der ge- wöhnliche Kalorienbedarf durch die Gesanimtzufuhr nur eben gedeckt wird, ist also noch eine offene Frage. In den Versuchen von MuxK und Rosexheim an Hunden musste eben- falls bei eiweissarmer Nahrung die Gesammtkalorienzufuhr höchst bedeutend ge- steigert werden. Diese Versuche lehren ferner, dass bei Hunden eine, lange Zeit fortgesetzte Darreichung von eiweissarmer Nahrung gesundheitsschädliche, Wirkungen herbeiführt, die sogar zum Tode des Thieres führen können. In der letzten, von Rosexhelm veröffentlichten Versuchsreihe, die über zwei Monate sich erstreckte, waren 2 g Eiweiss pro Körperkilo nicht hinreichend, um das Ver- suchsthier gesund zu erhalten, trotzdem der Wärmewerth der aufgenommenen Nahrung 110 Kalorien pro kg betrug. In nächster Beziehung zu dem oben von einer aus Eiweiss und stickstoff- freien Nährstoffen bestehenden Nahrung Gesagten steht die wichtige Frage von den Bedingungen für Fett- und Fleischmast im Körper. In dieser Hinsicht ist in erster Linie daran zu erinnern, dass alle Mast eine Ueberernährung voraus- setzt, d. h. eine Zufuhr von Nährstoffen, die grösser als die in derselben Zeit stattfindende Zersetzung ist. Beim Fleischfresser kann, wie die Versuche von VoiT und Pflijger lehren, eine wenn auch im Verhältniss zu der zersetzten Eiweissmenge sehr unbedeutende Fleischmast bei ausschliesslicher Fleischfütterung stattfinden. Beim Menschen Kalorien- bedarf bei eiweiss- irmerNabr- uerNahr. ung. 1) Grundriss einer Methodik der Stoffwechseluiitorsuoluingen. Eerliu 1892 S. 8. 2) Zeitschr. f. Biologie 25. 592 Achtzehntes Kapitel. und den Pflanzenfressern dagegen kann der Kalorienbedarf nicht durch Eiweiss allein gedeckt werden, und es handelt sich also vor Allem um die Bedingungen der Fleischmast bei gemischter Nahrung. Diese Bedingungen sind auch am Fleischfresser studirt worden und hier- bei ist, wie VoiT gezeigt hat, die Relation zwischen Eiweiss und Fett (bezw. Kohlehydraten) von grosser Bedeutung. Wird im Verhältniss zum Eiweiss der Nahrung viel Fett gegeben, wie bei mittleren Fleischmengen mit reichlichem Fettzusatz, so wird Stickstoffgleichgewicht nur langsam erreicht und der pro Tag grosse aber ziemlich konstante Fleischansatz kann im Laufe der Zeit zu einem bedeutenden Gesammtfleischansatz führen. Wird dagegen viel Fleisch neben verhältnissraässig wenig Fett gegeben, so wird der Ansatz von Eiweiss unter Steigerung der Zerstörung von Tag zu Tag geringer und in wenigen Tagen ist das Stickstoffgleiehgewicht erreicht. Trotz dem pro Tag etwas grösseren Ansätze wird in diesem Falle der Gesammtfleischansatz nicht bedeu- tend. Als Beispiel mögen folgende Versuche von VoiT dienen. Tab. IX. Nahrung Anzahl Versuehstage Fleisch g Fett g Totalfleischansatz Fleischansatz pro Tag Stickstoffgleichgewicht 32 500 250 1792 56 nicht erreicht 7 1800 250 854 122 erreicht Der absolut grösste Fleischansatz im Körper wurde in diesem Falle mit nur 500 g Fleisch und 250 g Fett erreicht, und selbst nach 32 Tagen war Stickstofl^gleichgewicht noch nicht eingetreten. Bei Fütterung mit 1800 g Fleisch und 250 g Fett trat Stickstoffgleiehgewicht dagegen schon nach sieben Tagen ein, und wenn dabei auch der Fleischansatz pro Tag grösser war, so wurde jedoch der absolute Fleischansatz nicht halb so gross, wie in dem vorigen Falle. Insoferne als die Eiweissmenge nicht unter eine bestimmte Grösse herabgeht, scheint man also den reichlichsten und am längsten andauernden Fleischansatz durch eine Nahrung, welche im Verhältniss zu dem Fette nicht zu viel Eiweiss enthält, zu erhalten. Dasselbe dürfte auch für eine aus Eiweiss und Kohk- hydraten bestehende Nahrung gelten. Ueber die Möglichkeit einer Fleischmast beim Menschen liegen unter V. Noorden's Leitung ausgeführte Selbstversuche von Krug'; vor. Bei reich- licher Nahrung (2590 Kai. = 44 Kai. pro kg) stand Krug sechs Tage lang annähernd in Stickstoffgleiehgewicht. Dann vermehrte er 15 Tage lang durch Fleischmast 2 "läg6 von Fett und Kohlehydrat die Nahrungszufuhr bis auf 4300 Kai. = Menschen. '^ ^ Kai. pro kg und es wurden nun während dieser Zeit im Ganzen 309 g Ei- weiss, entsprechend 1455 g Muskeltleisch gespart. Von den im Ueberschuss zugeführten Kalorien wurden in diesem Falle nur 5 p. c. für Fleischmast und 95 p. c. für Fettmast verwendet. Da die grossen, überschüssig zugeführten Nahrungsmeugen nur vorübergehend und mit üeberwindung zu geniessen waren, stellt dieser Versuch, wie v. Noordex mit Recht hervorhebt, die Schwierigkeit 1) Cit. nach v. NoORDEN, Lehrbuch der Pathologie des Stoffweclisels. S. 120. Fleisch- und Fettmast. 593 der Fleischmast in ein helles Licht. Man wird wohl auch v. Noorden darin Recht geben, dass Fleischmast beim Menschen durch Ueberernährung auf die Dauer nicht möglich ist und dass man einen Menschen durch übermässige Er- nährung nicht niuskelstark machen kann. Fleischmast ist nach v. Noorden in viel höherem Grade eine Funktion der spezifischen Wachthumsenergie der Zellen und der Zellenarbeit als des Nahrungsüberschusses. Darum sieht man auch nach v. Noorden „ausgiebige Fleischmast 1. bei jedem wachsenden Körper, 2. bei dem nicht mehr wachsendei den Körper (Arbeitshypertrophie der Muskeln), 3. jedesmal, wenn durch vorausgegangene ungenügende Ernährung oder Krankheit der Fleischbestand des Körpers sich vermindert hatte und nunmehr reichlichere Nahrung den Ersatz ermöglicht." Der Fleischansatz ist in diesem Falle ein Ausdruck der Regenerationsenergie der Zellen. Auch die Erfahrungen der Viehzüchter lauten dahin, dass bei den Schlacht- thieren eine Fleischmast durch Ueberernährung nicht gelingt oder jedenfalls nur unbedeutend ist. Für die Fleischmast sind in erster Linie die Individualität und die Rasse der Thiere von Bedeutung. In Folge des oben (Kap. 10) von der Fettbildung im Thierkörper Ge- sagten muss das wesentlichste Bedingniss für eine Fettniast Ueberernährung mit stickstofl'freien Nährstoffen sein. Die Grösse der Fettraästung wird hierbei durch den Ueberschuss der Kalorienzufuhr über den Verbrauch bestimmt. Wird ein grösserer Theil des Kalorienbedarfes durch Eiweiss gedeckt, so wird ein grösserer Theil der gleichzeitig gegebeneu stickstofffreien Nährstoffe gespart, d. h. zur Fettmast verwendet, und umgekehrt. Da aber Eiweiss und Fett, den Kohle- Fettmast. hydraten gegenüber, theuere Nahrungsmittel sind, so wird besonders die Zufuhr von grösseren Mengen Kohlehydraten von Bedeutung für die Fettmast. In der Ruhe wird im Körper weniger Stoff zersetzt als während der Arbeit. Körper- ruhe nebst einer passenden Kombination der drei Hauptgruppen organischer Nährstoffe sind deshalb auch wesentliche Bedingnisse für eine reichliche Fett- mästung. Wirkung: einiger anderen Stoffe auf den Stoffwechsel. Wasser. Führt man dem Organismus eine, das Bedürfniss übersteigende Menge Wasser zu, so wird der Ueberschuss rasch und hauptsächlich mit dem Harne eliminirt. Wirkung Die hierdurch vermehrte Harnausscheidung hat bei hungernden Thieren (VoiT, »ies Wassers Forster), nicht aber in nennenswerthem Grade bei Thieren, welche Nahrung Eiweiss- Umsatz. aufnehmen (Seegen, Sai.kowski und Munk, M.wer, Dubelir^), eine vermehrte Harnstoffausscheidung zur Folge. Als Ursache dieser vermehrten Harnstoffaus- 1) VoiT, Unters, über den Einfluss des Kochsalzes etc. München 1860; FoESTER, citirt nach VoiT in Hermann's Handb. S. 153; Seegen, Wiener Sitzungsber. 63; Salkowski und MüNK, ViRCHOw's Arch. 71: Mayer, Zeitschr. f. kliii. Med. 2; Dübelir, Zeiischr. f. Biologie 28. Hammarstcn, Physiologische Chemie. Vierte AuOape. 38 594 Achtzehntes Kapitel. Kochsalz undEiweis Umsatz. Scheidung hat man eine durch die reichlichere Wasseraufnahrae bedingte voll- ständigere Ausspülung des Harnstoffes aus den Geweben angenommen. Eine andere, von VoiT vertretene Ansicht ist jedoch die, dass in Folge der lebhafteren ' Säfteströmung nach der Aufnahme von grösseren Mengen Wasser eine Steiger- ung des Eiweissumsatzes stattfinden soll. Diese Erklärung betrachtet VoiT als die richtigere, obwohl er nicht leugnet, dass bei reichlicherer Wasserzufuhr eine vollständigere Ausspülung des Harnstoffes aus den Geweben stattfinden kann. Bezüglich der Wirkung des Wassers auf Fettbildung und Fettumsatz scheint die Ansicht ziemlich allgemein verbreitet zu sein, dass reichliches Wasser- trinken den Fettansatz im Körper begünstigt, während unigekehrt Aufnahme von nur sehr wenig Wasser der Fettbildung entgegen wirken soll. Salze. Durch Kochsalz soll nach den gewöhnlichsten Angaben die Harn- ausscheidung, selbst wenn keine grössere Wasseraufnahnie stattfindet, vermehrt werden, und dabei findet auch eine vermehrte Harnstoffausscheidung statt. Für das Zustandekommen dieser letzteren können dieselben zwei Möglichkeiten wie für die Wirkung des Wassers auf die Harnstoftausscheidung in Betracht kommen. Aus einem, längere Zeit von VoiT fortgesetzten Versuche, in welchem der ab- solute Zuwachs der Harnstoffausscheidung recht bedeutend (106 g im Laufe von 49 Tagen) war, lässt sich jedoch mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit der Schluss ziehen, dass das Kochsalz in diesem Falle den Eiweissumsatz that- sächlich etwas steigerte. Zu entgegengesetzten Resultaten ist Dubelir gelangt, was er daher leitet, dass er den Thieren grössere Mengen Kochsalz gab. Es wäre nämlich möglich, dass bei grösseren Kochsalzgaben die Zersetzungsfähig- keit der Zellen herabgesetzt wird. Pugliese und Coggi^) sind durch ihre Be- obachtungen an Menschen ebenfalls zu der Ansicht gelangt, dass das Kochsalz in genügend grossen Dosen die Stickstoffausscheidung herabsetzt. Eine den Eiweissumsatz steigernde Wirkung hat man übrigens vielen anderen Salzen, wie Chlorkalium, Glaubersalz, Natriumphosphat, Natriumborat, -Nitrat, Salicylat u. a. zugeschrieben. AlliohoJ. Die Frage, in wie weit der aus dem Darmkanale resorbirte Alkohol im Körper verbrannt wird oder denselben auf verschiedenen Wegen unverändert verlässt, ist Gegenstand streitiger Ansichten gewesen. Allem An- scheine nach wird jedoch die Hauptmasse des eingeführten Alkohols (95 p. c. und darüber) im Körper verbrannt (Subbotin, Thudichcm, Bodländer, Benedi- CENTI^). Da der Alkohol einen hohen Verbrennungswerth (1 g = 7 Kai.) hat, so fragt es sich demnächst, ob er für andere Stoffe ersparend eintreten könne und ob er also als ein Nährstoff zu betrachten sei. Die zur Entscheidung dieser Frage angestellten Untersuchungen haben zu keinem unzweideutigen und entscheidenden Resultate geführt. Bei Versuchen über die Stickstotfausscheidung beim Menschen hat man nach kleineren Alkoholgaben bisweilen eine verminderte 1) A'ergl. Maly's Jahreslier. 26 S. 729. 2) Bexedicf.sti, Dl' Bois-Reymond's Aroh. IS wo man die Litteiatur findet. Alkohol und Stoffwechsel. 595 (Hammond, E. Smith, Oberxier), bisweilen wieder eine unveränilerte (Parkes und WoLLOWicz') und in anderen Fällen endlich eher eine vermehrte (Forster und RoMEYN^) StickstofFausscheidung beobachtet. In den neueren Versuchen von Stammreich und v. Noordex^) konnte der Alkohol nur bei einer Nahrung, die eiweissreicher als die gewöhnliehe war, ohne wesentliche Einbüsse des Ei weiss- ^^'f^^°^des bestandes die isodyname Menge stickstofffreier Nährstoffe vertreten. Miura *) konnte in seinen Versuchen keine eiweissersparende Wirkung des Alkohols kon- statiren, und nach ihm kann der Alkohol die eiweissersparende Wirkung der Kohlehydrate nicht ersetzen. Bei Hunden fanden Fokker und J. MiXK^i nach kleinen Mengen einen verminderten, nach grösseren einen vermehrten Eiweissumsatz. Chittenden, NoRRis und E. Smith ^) sprechen auf Grund ihrer Versuche mit Alkoholmengen von 1,9, 2,3 und 2,7 ccm pro Tag und kg Hund die Ansicht aus, dass der Alkohol wie ein stickstofffreies Nahrungsmittel eiweissersparend wirkt. Ueber die Grösse des Gaswechsels nach Alkoholgenuss liegen auch mehrere Beobachtungen an Thieren vor. Die Resultate sind auch in diesen Fällen je nach der Grösse der Dosis und der Art der Thiere etwas verschiedenartige ge- wesen. Bei Menschen beobachteten ZuNTZ und auch Geppert') nach kleinen, nicht berauschenden Alkoholgaben keine wesentliche Aenderung des respiratori- schen Gasaustausches. Da der Alkohol im Körper zum allergrössten Theil Ver- brennt und der Gaswechsel trotzdem nicht wesentlich steigt; so scheint es also, als würde der Alkohol die Verbrennung anderer Stoffe herabsetzen und dem- Wirkung nach einen Ersparnisswerth haben. Dem entsprechend kann es auch bekannt- Alkohols, lieh unter dem Einflüsse des Alkohols zu einer Fettanhäufung im Körper kommen. Der Nährwerth des Alkohols kann jedoch nur in gewissen Fällen von wesentlicher Bedeutung werden, indem nämlich grössere Mengen Alkohol auf einmal genommen oder kleinere bei mehr anhaltendem Gebrauehe auf den Orga- nismus schädlich wirken. Der Alkohol kann also eigentlich nur in Ausnahme- fällen einen Werth als Nährstoff beanspruchen und er ist sonst bekanntlich nur ein Genussmittel. Der Kaffee und der Tliee üben keine sicher konstatirten Wirkungen auf den Stoffwechsel, und ihre Bedeutung liegt hauptsächlich in der Wirkung, welche sie auf das Nervensystem ausüben. Auf die Wirkung verschiedener Arznei- mittel auf den Stoffwechsel kann hier nicht eingegangen werden. 1) Bezüglich dieser älteren Untersuchungen vergl. man VoiT in Hermans's Handb. S. 170. 2) Malt's Jahresber. 17. S. 400. 3) T. NOORDEN, Alkohol als Sparniittel. Berlin, klin. Wochenschr. 1891. i) Zeitschr. f. klin. Med. 20. ö) Fokker, cit. nach Voit in Hermaxn's Handb. S. 170; MtrSK, Du Bois-Reymond's Arch. 1S79. «) Journ. of Physiol. 1'2; vergl. ferner DONOG.iNV und TlB.\LD, Maly'b Jahresber. 24 und Strö.«, ebenda. 7) ZüNTZ, Malv's Jahresber. 17 ; Gepphrt, Arch. f. e.xp. Path. u. Pharm. 22. 38* 596 Achtzehntes Kapitel. V. Die Abhängigkeit des Stoffwechsels von anderen Verhältnissen. Als Ausgangspuukt für das Studium des Stoffwechsels unter verschiedenen äusseren Bediugungen dieut z\Yeckmässig der schon oben besprochene sogen. Nüchtern werth , d. h. die Grösse des Stoffwechsels bei absoluter körperlicher Ruhe und Unthätigkeit des Darmkanales. Die unter diesen Bedingungen statt- Nüchtein- findende Zersetzung führt in erster Linie zur Erzeugung von Wärme und sie werth. " .... ist nur in untergeordnetem Grade durch die Arbeit des Cirkulations- und Re- spirationsapparates und die Thätigkeit der Drüsen bedingt. Nach einer Berech- nung von ZuNTZ ') kommen von der ganzen Kaloriensumrae des Nüchternwerthes nur 10 — 20 p. c. auf die Cirkulations- und Respirationsarbeit zusammen. Die Grösse des Nüchternwerthes hängt also in erster Linie von der zur Deckung der Wärmeverluste nüthigen Wärmeproduktion ab, und diese letztere ist ihrerseits abhängig von dem Verhältnisse zwischen Körpergewicht und Körper- oberfläche. Körpergeivicht und Alter. Je grösser die Körpermasse ist, um so grösser ist auch, ceteris paribus, der absolute Stoffverbrauch, während dagegen ein kleineres Individuum derselben Thierart zwar absolut weniger aber relativ, d. h. auf die Einheit des Körpergewichtes bezogen, mehr Stoff zersetzt. Hierbei ist indessen zu bemerken, dass unter Körpergewicht hier Fleischgewicht zu ver- Bedeutung stehen ist. Die Grösse des Umsatzes richtet sich nämlich nach der !Menge der der Fleisch- ^ masso. lebenden Zellen, und ein sehr fettreiches Individuum zersetzt deshalb auch pro Kilo weniger Stoff als ein mageres von demselben Körpergewichte. Bei Weibern, welche meistens ein kleineres Körpergewicht und einen relativ grösseren Fett- gehalt als die Männer haben, ist auch der Stoffumsatz im Allgemeinen kleiner und er beträgt gewöhnlich ^/s von dem bei Männern. In wie weit sonst das Geschlecht an und für sich einen besonderen Ein- fluss auf den Stoffwechsel ausübt, bleibt noch näher zu untersuchen. Tigerstedt und Sonden'') fanden im jugendlichen Alter die Kohlensäureabgabe sowohl pro j.. „ Kilo Körpergewicht wie pro Quadratmeter Körperoberfläche beträchtlich grösser ^,^? ??■ bei männlichen als bei weiblichen Individuen etwa desselben Alters und des- schleL'htes. selben Körpergewichtes. Dieser Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern scheint sich allmählich zu verwischen, um endlich bei herannahendem Greisen- alter ganz zu verschwinden. Der wesentlichste Grund, warum kleinere Thiere relativ, d. h. auf Körper- kilo berechnet, mehr Stoß' zersetzen als grössere, ist der, dass die kleineren Einfluss der Xhiere im Verhältniss zu ihrer Körpermasse eine grössere Körperoberfläche haben, oberfäche. Jq Folge hiervon sind bei ihnen die Wärmeverluste grösser, was wiederum zu einer reichlicheren Wärmeproduktion, d. h. zu einem lebhafteren StoflVechsel 1) Cit. nach t. Nookden, Lehrb. S. 97. 2} Skand. Arch. f. Physiol. 6. Alter und Stoffwechsel. 597 führt. Dies ist auch der weseDtlichste Grund, warum jüngere Individuen der- selben Art eine relativ grössere Zersetzung als ältere zeigen. Berechnet man die Wärmeproduktion und Kohlensäureausscheidung auf die Einheit der Körper- oberfläche, so findet man dagegen, wie namentlich die Untersuchungen von Rdbxer an Menschen und Richet') an Hunden gelehrt haben, dass sie bei verschieden schweren Individuen nur sehr wenig um einen bestimmten Mittel- werth schwanken. Nach TiGERSTEDT und Sondex soll indessen der regere Stoffwechsel bei jüngeren Individuen auch zum Theil daher rühren, dass bei ihnen die Zersetz- ung an und für sich lebhafter als bei älteren Individuen ist. Namentlich soll die Zeit des Wachslhums einen bedeutenden Einfluss auf die Grösse des Stoff- wechsels (beim Menschen) ausüben und zwar so, dass der letztere, selbst wenn er auf die Einheit der Körperoberfläche berechnet wird, bei jugendlichen Indi- viduen grösser als bei älteren ist-). Der lebhaftere Stoft"wecbsel bei jüngeren Individuen kommt bei Messung sowohl des Gaswechsels wie der Stickstoffausscheidung zum Ausdruck. Als Beispiel von dem Verhalten der Harnstoffausscheidung bei Kindern mögen fol- gende Zahlen von Camerer^) dienen. Tab. X. stoff- ■echselund Wachs- thum. Alter Körpergewicht in kg Hamstofi' in g pro Tag pro kg 1 '/., Jahre 10,80 12.10 1,35 3 13,30 11,10 0,90 5 „ 16,20 12,37 0,76 7 18,80 14,05 0,75 9 25,10 17,27 0,69 i2 "2 , 32,60 17.79 0,54 ■5 , 35,70 17,78 0.50 Einfluss des Alters auf die Harn- stoffaus- scheidung. Bei Erwachsenen von etwa 70 kg Gewicht werden pro Tag etwa 30 bis 35 und pro kg gegen 0,5 g Harnstoff ausgeschieden. Erst gegen 15 Jahre i.) Die hierher gehörige Litteratur findet man bei VoiT in Hekmann's Haniib. 6 und auch bei Speck 1. c. Aussentemppratur. Der Bedarf an Nahrung. 601 temperatur ab. Dieses Verhalten erklärte man nach Pfll'GER und ZuNTZ durch die Annahme, dass die niedere Temperatur durch Reizung der sensiblen Haut- nerven reflektorisch einen gesteigerten Umsatz in den Muskeln mit einer ver- mehrten, die Körpertemperatur regulirenden Wärraeproduktion erzeugte, während es bei höherer Aussentemperatur umgekehrt sich verhielt. Die Thierversuche sind indessen nicht direkt auf die V^erhältnisse beim Menschen übertragbar und die von Speck, Loewt und von Joh.axssonM an Menschen ausgeführten Be- Wirkung , der Aussen- stimmungen sowohl der Sauerstoffitufnahme wie der Kohlensäureausscheidung temperatur. zeigen, dass die Kälte beim Menschen keine wesentliche Steigerung des Stoff- wechsels erzeugt. Der Kältereiz kann zwar reflektorisch ein forcirtes Athmeu mit dessen Wirkungen auf den Gaswechsel herbeiführen und ferner können schwache reflektorische Muskelbeweguugen wie Zittern, Schaudern u. a. eine unerhebliche Vermehrung der Kohlensäureausscheidung erzeugen ; bei völliger Muskelschlaö'heit scheint aber die Kälte keine gesteigerte Sauerstoffaufnahme, resp. keinen gesteigerten Stoffwechsel zu bedingen. Die Untersuchungen von Eykman-) an Tropenbewohnern sprechen ebenfalls dafür, dass beim Menschen keine in Betracht kommende Wärmeregulation stattfindet. Durch Nahrungsaufnahme wird der Stoffwechsel erhöht und Zuxtz ') hat berechnet, dass beim Menschen nach einer mittelstarken Mahlzeit der Sauerstoffverbrauch etwa sechs Stunden lang um durchschnittlich 1 5 "/q über " " Wirkung den Ruhewerth sich erhebt. Diese Steigerung des Stoffwechsels wird, wie man der o c Nahrungs- wohl nunmehr allgemein mit Speck annimmt, wahrscheinlich fast nur durch aufnähme. die nach der Nahrungsaufnahme gesteigerte Arbeit des Verdauungsapparates bedingt. Für die Stickstoffausscheidung hat namentlich Rja.san'TZEFF gezeigt, dass die Grösse derselben der Intensität der Verdauungsarbeit proportional geht. VI. Der Bedarf des Menschen an Nahrung unter verschiedenen Verhältnissen. Die Grösse des täglichen Bedarfes des Menschen an organischen Nahr- ungsmitteln bat man auf verschiedene Weise zu bestimmen versucht. Einige Forscher haben für eine grosse Anzahl gleichmässig ernährter Individuen, Soldaten, Schiffsvolk, Arbeiter u. a. , den täglichen Verbrauch von Nahrungs- mitteln berechnet und daraus das Mittel der pro Kopf entfallenden Nährstoff- '^™ Bestim- A 1 niung des mengen gezogen. Andere haben aus der Menge des Kohlenstoffs und des täglichen Stickstoffs in den Exkreten den täglichen Bedarf an Nahrungmitteln berechnet, bedürf- o ° nissee. Andere wiederum haben die Menge der Nährstoffe in einem Kostmass berechnet, mit welchem für einen oder für mehrere Tage die fraglichen Individuen im Gleichgewicht zwischen Aufnahme und Ausgabe des Kohlenstoffs und Stick- Methoden 1) Speck 1. c; Loewy, Pplüger's Arch. 46; Johansson, Skand. Arch. f. Physiol. 7. 2) ViRCHOw's Arch. 133 und PflCgek's Arch. (U. ^) ZüNTZ und Lew, Beitrai; zur Kenntniss d. Verdaulichkeit etc. des Brodes. Ebenda 4!). 602 Achtzehntes Kapitel. Stoffs sich befanden. Endlich haben andere die von Personen verschiedener Gewerbe und Beschäftigungen täglich nach Belieben verzehrten Speisemengen, bei welchen sie sich wohl befanden und vollkommen arbeitstüchtig waren, während mehrerer Tage festgestellt und deren Gehalt an organischen Nährstoffen bestimmt. Unter diesen Methoden sind einige nicht ganz vorwurfsfrei und andere noch nicht in genügend grossem Massstabe zur Anwendung gekommen. Trotz- dem bieten die bisher gesammelten Erfahrungen , theils wegen der grossen Methode" Anzahl derselben und theils weil die Methoden zum Theil einander kontroUiren und komplettiren, in vielen Fällen, wenn es um die Feststellung der Kostration verschiedener Klassen von Menschen und dergleichen Fragen sich handelt, gute Anhaltspunkte dar. Rechnet man die Menge der täglich aufgenommenen Nährstoffe in die Anzahl Kalorien um, welche sie bei der physiologischen Verbrennung liefern, so erhält man einen Einblick in die Summe von chemischer Spannkraft, welche „ ... unter verschiedenen Verhältnissen dem Körner zugeführt wird. Hierbei darf UnvoUstan- ^ ^ <''|?''"'^°''P' man jedoch nicht übersehen, dass die Nahrung nie ganz vollständig resorbirt Nährstoffe. „,jp(] mjj jjjgg gfg{g unverdaute oder nicht resorbirte Reste derselben mit den Darmausleerungen den Körper verlassen. Die Bruttozahlen der aus der auf- genommenen Nahrung zu berechnenden Kalorien müssen deshalb auch nach RuBNER um mindestens etwa S'^/q vermindert werden. Die folgende tabellarische Zusammenstellung enthält einige Beispiele von den Nahrungsmengen , welche von Menschen aus verschiedenen Volksklassen wie unter verschiedenen Verhältnissen aufgenommen werden. In der letzten Kolonne findet man auch die mit oben angedeuteter Korrektion in Kalorien berechnete Menge lebendiger Kraft , welche den fraglichen Nahrungsmengen entspricht. Die Kalorien sind also Nettozahlen , während die Zahlen für die Nährstoffe Bruttozahlen sind. Eiweiss Soldat im Frieden . . . 119 , , leichter Dienst . . 117 „ , im Felde .... 146 Albeiter 130 Ko.straass „ , in lluhe .... 137 verschie- dener Schreiner (40 J.) . . . . 131 Menschen. Junger Arzt 127 134 Arbeiter, Dicnstmaim (36 J.) 133 Englischer Schniied . . . 176 , Prcisfpcliter . . 288 Bayerischer Waldarbeiter . 135 Tab. XII Fett Kohle- Kalorien hydrate. 40 529 2784 (Playfaik'). 35 447 2424 (HlLDESHEIM). 4ii 504 2852 , 40 550 2903 (MOLESCHOTT). 72 352 2458 (Pettenkofeb und Voit). 68 494 2835 (Fokstee'^), 89 362 2602 „ 102 292 2476 ^ 05 422 2902 ^ 71 066 3780 (Playfair). 88 93 2189 „ 208 876 5589 (Liebig). 1) Hinsichtlich der in dieser Tabelle citirtcu älteren Arbeiten liann auf Voit in Her- mann's Handbuch, S. 519, hingewiesen werden. 2) Ebenda und Zeitschr. f. Biologie 9. Nahrungsbedürfniss des Menschen. 603 Eiweiss Fett Kohle- hydrate. Kalorien Arbeiter in Schlesien . . Näherinnen in London . Schwedische Arbeiter . . 80 54 134 16 29 79 552 292 485 2518 (Meinert'). 1688 (Playfair). 3019 (HlILTGKEN und Lander- Studenten (Japan) . . . Ladendiener (Japan) . . 83 55 14 6 622 394 GREN-). 2779 (Eijkman^). 1744 (Tawaka''). Es ist einleuchtend, dass Personen von wesentlich verschiedenem Körper- gewicht, welche unter ungleichen äusseren Verhältnissen leben, einen wesentlich verschiedenen Bedarf an Nahrungsmittel haben müssen. Es ist also zu erwarten, was auch durch die Tabelle bestätigt wird, dass nicht nur die absolute Menge der aufgenommenen Nahrungsmittel, sondern auch das relative Mengenverhältniss Naiimngs- der verschiedenen organischen Nährstoffe bei verschiedenen Menschen recht bedeutende Schwankungen zeigen werden. Allgemein giltige Zahlen für das tägliche Nahrungsbedürfniss des Menschen lassen sich also nicht angeben. Für bestimmte Kategorien von Menschen, wie für Arbeiter, Soldaten u. s. w. lassen sich dagegen Zahlen aufstellen, welche für die Berechnung der täglichen Kostration sich einigermassen verwerthen lassen. Auf Grundlage seiner Untersuchungen und einer sehr reichen Erfahrung hat VoiT mittlere Zahlenwerthe für das tägliche Kostmass des Erwachsenen aufgestellt. Als solches berechnet er Eiweiss Fett Kohlehydrate Kalorien für Männer 118 g 56 g 500 g 2810 WOZU jedoch zu bemerken ist, dass diese Angaben auf einen Mann von 70 bis 75 kg Körpergewicht, welcher 10 Stunden täglich mit nicht zu anstrengender Arbeit beschäftigt ist, sich beziehen. Das Nahrungsbedürfniss massig arbeitender Frauen dürfte auf etwa ^/^ des arbeitenden Mannes zu veranschlagen sein, und mau kann also als tägliches Kostmass bei massiger Arbeit fordern Eiweiss Fett Kohlehydrate Kalorien für Franen 94 g 45 g 400 g 2240 Das Verhältniss des Fettes zu den Kohlenhydraten ist hier wie 1 : 8 — 9. Ein solches Verhältniss dürfte auch oft in der Nahrung der ärmeren Volks- klassen vorkommen, während das Verhältnis in der Nahrung der AVohlhabenderen meistens 1 : 3 — 4 sein dürfte. Die maximale Menge der Kohlehydrate in der Nahrung darf nach VoiT nicht 500 g übersteigen ; und da die Kohlehydrate Verhäitnias 11 I T I I p 1 1 desFetteszu ausserdem hauptsächlich in den oft sehr voluminösen, vegetabilischen Nahrungs- den Kohle- mitteln vorkommen , so ist es aus den nun angeführten und anderen Gründen wünschenswerth, dass in den obigen Kostrationen die Menge des Fettes auf Kosten der Kohlehydrate vermehrt wird. Wegen des höheren Preises des Fettes läest sich jedoch leider eine solche Abänderung nicht immer durchführen. 1) Armee- und Volksernährung. Berlin 1880. 2) Untersuchung über die Ernährung schwedischer Arbeiter bei frei gewählter Kost, Stockholm 1891. S) Cit. nach KELLNER und AIOKI in Zeitschr. f. Biologie 25. 604 Achtzehntes Kapitel. Bei Beurtheilung der obigen Zahlen des täglichen Kostmasses darf man übrigens nicht übersehen , dass die Zahlen für die verschiedenen Nährstoffe Bruttozahlen sind. Sie repräsentiren folglich die Menge von Nährstoffen, welche aufgenommen werden muss, und nicht diejenige, welche thatsächlich zur Resorption gelangt. Die Zahlen für die Kalorien sind dagegen Nettozahlen. Die verschiedenen Nahrungsmittel werden bekanntlich nicht gleich voll- ständig verdaut und resorbirt, und im Allgemeinen wird die vegetabilische Nahr- ung weniger vollständig ausgenutzt als die animalische. Dies gilt besonders von dem Eiweiss. Wenn also Von', wie oben erwähnt, den täglichen Eiweiss- Menge des bedarf eines Arbeiters zu 118 g berechnet, so geht er dabei von der Voraus- EiwSsse™ Setzung aus, dass die Kost eine gemischte, animalische und vegetabilische ist, und ferner, dass von den obigen 118 g Eiweiss etwa 105 g thatsächlich resorbirt werden. Mit dieser letztgenannten Zahl stimmen auch — wenn das ungleiche Körpergewicht der verschiedenen Versuchspersonen genügend berücksichtigt wird — die Zahlen gut überein , welche Pflüger und seine Schüler Bohland und Bleibtreu ^), für die Grösse des Eiweissumsatzes bei Älännern bei hinreichender, frei gewählter Kost fanden. In dem Masse, wie man eine mehr einseitig vegetabilische Nahrung auf- nimmt, wird auch regelmässig der Gehalt derselben an Eiweiss kleiner. Die einseitig vegetabilische Kost einiger Völker — wie der Japaner — und der sog. Vegetarier ist deshalb auch schon an sich ein Beweis dafür, dass der Mensch, wenn er überhaupt eine genügende Menge Nahrung erhält, unter Umständen mit bedeutend kleineren Eiweissmengen als den von VoiT vorge- schlagenen auskommen kann. Dass bei genügend reichlicher Zufuhr von stick- stofffreien Nährstoffen fast vollständiges oder sogar vollständiges Stickstoffgleich- gewicht mit verhältnissmässig sehr kleinen Eiweissmengen erreicht werden kann, geht ausserdem aus den oben besprochenen Untersuchungen von Hirschfeld, KuMAGAAVA und Klemperer (vergl. S. 591) hervor. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Nahrung verschiedener Völker eine sehr verschiedenartige ist und dass der Mensch also, den äusseren Lebens- bedingungen und dem Einflüsse des Klimas gemäss , in verschiedenen Ländern eine wesentlich verschiedene Nahrung aufnimmt, so ist es wohl eigentlich nicht auffallend, wenn der an gemischte Kost gewöhnte Mensch einige Zeit mit einer eiweissarmen Kost auskommen kann. An der Fähigkeit des Menschen, einer beda'rf Verschiedenartig zusammengesetzten Nahrung sich anzupassen, wenn die letztere nur nicht zu schwerverdaulich und überhaupt zureichend ist, hat wohl Niemand gezweifelt; wegen dieser Fähigkeit aber die von Vorr aufgestellten Zahlen wesentlich abändern zu wollen , dazu liegen wohl , wie es scheint , noch keine genügende Gründe vor. Wenn nämlich der Mensch auch mit einer niedrigeren Eiweissmeuge als der von Voit berechneten sich begnügen kann, so folgt jedoch daraus nicht, dass eine solche Nahrung auch die zweckmässigste ist. Die 1) BoHi.AND, Pflüger's Arch. 36; Bleibtreü, ebenda 38. Nahrimgsbedürfniss des Menschen. 605 Zahlen Voit's sind übrigens nur für bestimmte Fälle oder bestimmte Kategorien von Menschen aufgestellt. Das für andere Fälle andere Zahlen massgebend sein müssen, wird von Niemandem geleugnet, und es ist offenbar, dass das von VüiT, wohl zunächst mit Rücksicht auf die in Mitteleuropa obwaltenden Ver- hältnisse, für den Arbeiter geforderte tägliche Kostmass in anderen Ländern gewisse Abänderungen erfahren muss. So haben die zahlreichen Zusammen- stellungen (von Atwater u. A. ^) der Kostsätze verschiedener Familien in Amerika die Zahlen 97 — 113 g Eiweiss für einen Mann ergeben, und es haben versciüe- ° ® ' dene Kost- ferner die sehr sorgfältigen Untersuchungen von Hultgken' und Landergren '*^''^''- gezeigt, dass die Arbeiter Schwedens bei massiger Arbeit und einem mittleren Körpergewicht von 7ü,3 kg bei frei gewählter Kost täglich rund 134 g Eiweiss, 79 g Fett und 522 g Kohlehydrate aufnehmen. Die hier bei frei gewählter Kost aufgenommene Eiweissmenge ist also höher als die von VoiT geforderte. Auf der anderen Seite hat Lapicque^) für die Abyssinier 67 und für Malayen 81 g Eiweiss (pro 70 kg Körpergewicht), also wesentlich niedrigere Werthe gefunden. Vergleicht man die Zahlen der Tabelle XII mit den von Voit für das tägliche Kostmass Arbeitender vorgeschlagenen Normalmittelzahlen , so hat es wohl in erster Hand den Anschein , als würde die aufgenomiDene Nahrung in gewissen Fällen den täglichen Bedarf bedeutend übersteigen , während sie in anderen Fällen dagegen, wie z. B. für die Näherinnen in London, ganz unzu- reichend sein würde. Einen bestimmten sicheren Schluss in dieser Richtung kann man indessen nicht ziehen, wenn man nicht sowohl das Körpergewicht, wie die von den fraglichen Personen geforderten Leistungen und die übrigen Lebensverhältnisse kennt. Es ist freilich wahr, dass das Nahrungsbedürfniss dem Körpergewichte nicht direkt proportional ist, denn ein kleinerer Körper setzt relativ mehr Substanz als ein grösserer um, und es kann auch ein ver- Körperge- schiedener Fettgehalt Verschiedenheiten bedingen; aber es setzt jedoch ein Nahrungs- grösserer Körper, welcher eine grössere Masse zu unterhalten hat, eine absolut grössere Stoffmenge als ein kleinerer um, und bei Beurtheilung des Nahrungs- bedürfnisses muss man deshalb auch stets der Grösse des Körpergewichtes Rechnung tragen. Nach dem von Voit für einen Arbeiter TOrgeschlagenen Kostmasse kommen , bei einem Körpergewicht von 70 kg, auf je 1 ko- rund 40 Kalorien. Bei einem in gewöhnlichem Sinne ruhenden Menschen wird im A.llgemeinen der Nahrungsbedarf zu rund 30 Kalorien auf je 1 kg berechnet. Als Minimalwerthe für den Stoffwechsel im Schlafe und bei möglichst voll- ständiger Ruhe haben Sonden, Tigerstedt und Johansson^) 24 — 25 Kalorien gefunden. 1) AtwaTEK, Report of thc Storrs agric. exp. Station Conn. 1891 — 1895 und 1S9G; ferner Nutritions investig at the Univeraity of Tennesse 1896 und 97 ; U. S. Depart ot Ägri- culture Bull. 53, 1898. 2) HULTGREN Und Landergren 1. c. ; Lapicqüe, Arch. de Physiol. (5) G. 3) Sonden und Tigerstedt, Skand. Arcli. f. Physiol. 6; Johansson, ebenda 7; TiQKRSTEDT, Nord. Med. Arliiv. Festband 1897. 606 Achtzehntes Kapitel. Wie oben mehrfach erwähnt wurde, niuss das Nahrungsbedürfniss bei ^1 j verschiedenen Körperzuständen ein verschiedenes sein. Von solchen Zuständen Kühe und ^ Arbeit, gij,^ gg besonders zwei, welche von grösserer praktischer Bedeutung sind, nätulicl» Ruhe und Arbeit. In einem vorigen Kapitel, in welchem die Muskelarbeit besprochen wurde, haben wir gesehen, dass der allgemeinsten Ansicht nach, die stickstofl'freien Nahrungsstoff'e in erster Linie als die Quelle der Muskelkraft angesehen werden. Als eine natürliche Folgerung hieraus ist zu erwarten, dass bei der Arbeit vor Allem die Menge der stickstofffreien Nährstoflfe in der Tagesration vermehrt werden muss. Dieser Forderung scheint jedoch die tägliche Erfahrung nicht zu entsprechen. Es ist nämlich eine allgemein bekannte Thatsache, dass angestrengt arbeitende Individuen — Menschen wie Thiere — einer grösseren Menge Eiweiss in der Nahrung als weniger stark arbeitende bedürfen. Dieser Widerspruch ist indessen nur scheinbar und er rührt, wie VoiT gezeigt hat, daher, dass angestrengt Eiweiss- arbeitende Individuen regelmässig eine stärker entwickelte Muskulatur, eine bedarf Ar- » ^ ' beitender. grössere Fleischmasse zu unterhalten haben. Aus diesem Grunde muss ein kräftiger Körperarbeiter mit der Nahrung eine grössere Eiweissraenge als eine weniger angestrengt arbeitende Person aufnehmen. Eine andere Frage ist dagegen die, wie die absolute und relative Menge der Nährstoffe zu verändern sei, wenn man von einer und derselben Person eine gesteigerte Arbeitsleistung fordert. Auf der Erfahrung gegründete Aufklärungen hierüber könnte man erwarten aus den Angaben über die Verpflegung der Soldaten im Frieden und im Felde. Solche Angaben liegen auch in reichlicher Menge vor. Bei einer Prüfung derselben findet man jedoch, dass in der Kriegsration nur ausnahmsweise die Menge der stickstofffreien »Stoffe, derjenigen des Ei weisses gegenüber, vermehrt ist, während in den meisten Fällen das Umgekehrte der Fall ist. Auch in diesen Fällen entsprechen also die thal sächlichen Verhältnisse den theoretischen vorDfleeun Anforderungen nicht, worauf indessen kein zu grosses Gewicht zu legen ist, Soldaten ^^^'^ ^^^ ^^^ Verpflegung der Soldaten im Felde mehrere andere Umstände^ wie das Volumen und das Gewicht der Nahrung u. dergl., auf welche hier nicht näher eingegangen werden Jiann, in Betracht kommen müssen. Um die Verpflegung der Soldaten im Kriege und im Frieden zu beleuchten, werden hier folgende aus den Detailangaben für mehrere Länder i) berechnete Mittel- zahlen angeführt. Diesen Mittelzahlen sind auch die Zahlen für Schweden beigefügt. Tab. XV. A. Friedensportion. 1!. Kriegsportiou. Eiweiss Fett Kohleh. Eiweiss Fett Kohleh. Miuinunn 108 22 504 126 38 484 Kostmass Ma.ximum 165 97 731 197 95 688 Mittel i;iO 40 551 146 59 557 Schweden . 179 102 591 202 137 565 1) Deutschland, Oesteireidi, Schweiz, Frankreich, Italien, Pais.-slaud und die Vereinigten Staaten Nordamerikas, Soldatc Nahrungsbedürfniss des Menschen. 607 Sieht man von der für die Soldaten in Schweden berechneten , sehr reichlichen Kostration ab und hält man sich nur an die obigen Mittelzahlen, so erhält man folgende Zahlen für die tägliche Kostration Eiweiss Fett Kohlehydrate Kalorien Im Frieden 130 40 551 2900 , Kriege 146 59 557 3250 Rechnet man das Fett in die äquivalente Menge Stärke um, so wird die Relation des Eiweisses zu den stickstofffreien Nährstoffen Im Frieden = 1 : 4,97 Kostmass , Kriege = 1 : 4,79. derSoldaten. Die Relation ist also in beiden Fällen fast dieselbe; der kleine Unter- schied, welcher sich vorfindet, zeigt jedoch eine geringe relative Vermehrung des Eiweisses in der Kriegsportion an. Dagegen ist, was besonders aus der Anzahl der Kalorien ersichtlich wird, die Gesammtmenge der Nahrungsstoffe grösser in der Kriegs- als in der Friedensportion. Wie eine grössere Arbeit eine Vermehrung der absoluten Nahrungs- menge erfordert, so muss umgekehrt die Menge der Nahrung, wenn man auf die Leistungsfähigkeit geringere Ansprüche stellt, herabgesetzt werden können. Die Frage, in wie weit dies geschehen kann, ist mit besonderer Rücksicht auf die Kostsätze in Gefängnissen und in Altersversorgungsanstalten von Bedeutung. Als Beispiele solcher Kostsätze werden hier folgende Angaben mitgetheilt. Tab. XVI. Eiweiss Fett Kohlehydrate Kalorien Kostsätze in Gefangene (nicht arbeitende 87 22 305 1667 (SCHUSTER^) Gefäng- 85 30 300 1709 (Von) "veraorT* Pfründner 92 45 332 1985 rFoRSTEK=) ungsan- Pfründnerinnen 80 49 266 1725 , stalten. Die in der Tabelle angeführten Zahlen von VoiT sind von ihm als niederste Sätze für nicht arbeitende Gefangene gefordert worden. Als unterste Kostsätze für alte, nicht arbeilende Leute fordert er: Eiweiss Fett Kohlehydrate Kalorien Für Miinncr 90 40 350 2200 , Frauen 80 35 300 1733 Bei Berechnung der täglichen Kostsätze gilt es in den meisten Fällen zu ermitteln, wie viel von den verschiedenen Nährstoffen dem Körper täglich zuge- führt werden muss, damit er auf seinem stofflichen Bestände für die Dauer erhalten werde und die von ihm geforderte Arbeit leisten könne. In anderen Fällen kann es sich darum handeln, den Ernährungszustand des Körpers durch eine passend gewählte Nahrung zu verbessern; aber es giebt auch Fälle, in welchen man umgekehrt durch unzureichende Nahrung eine Abnahme der Körper- masse und des Körpergewichtes erzielen will. Dies ist besonders bei Bekämpfung der Fettsucht der Fall, und sämmiliche zu diesem Zwecke vorgeschlagene Diät- kuren sind ihatsächlich auch Hungerkuren. 1) Vergl. VoiT, Untersuchung der Kost. München 1877. S. 142. -') Ebenda S. 186. Achtzehntes Kapitel. Diätkuren gegen Korpulenz. Die älteste der mehr allgemein bekannten Diätkuren gegen Korpulenz ist die von Harvey, welche gewöhnlich die BANTING-Kur genannt wird. Das Prinzip dieser Kur besteht darin , dass man durch eine möglichst stark einge- schränkte Zufuhr von Fett und Kohlehydraten bei gleichzeitig verstärkter Zufuhr von Eiweiss den Verbrauch des aufgespeicherten Körperfettes möglichst zu steigern sich bemüht. Die zweite Kur, die EßSTEix'sche, geht von der (nicht richtigen) Annahme aus, dass in einem fettreichen Körper das aufgenommene Nahrungs- fett nicht zum Ansatz kommen kann, sondern vollständig verbrannt wird. In dieser Kur sind deshalb auch verhältnissmässig reichliche Mengen Fett in der Nahrung zulässig, während die Menge der Kohlehydrate stark beschränkt ist. Die dritte Kur, die OERTEL'sche ^) , geht von der jedenfalls richtigen Anschau- ung aus, dass eine bestimmte Menge Kohlehydrate für den Fettansatz von keiner grösseren Bedeutung als die isodyname Fettmeuge ist. In dieser Kur sind deshalb auch sowohl die Kohlehydrate wie die Fette zulässig, unter der Voraussetzung jedoch , dass die Gesammtmenge derselben nicht so gross ist, dass sie eine Abnahme des Fettbestandes verhindert. Zu der OERTEL'schen Kur gehört auch, besonders in gewissen Fällen, eine stark beschränkte Zufuhr von Wasser. Die in diesen drei Kuren dem Körper zugeführten mittleren Mengen der verschiedenen NährstofTe sind folgende, wobei des Vergleiches halber in derselben Tabelle auch das für einen Arbeiter von VoiT geforderte Kostmass aufgeführt worden ist. Eiweis.s Fett Kohlehydrate Kiüorien Kur vou Harvey-Banting . 171 8 75 1066 „ , Ebstein 102 85 47 1391 , , Oertel 156 22 72 1124 Korpulenz. , , „ Maximum. . 170 44 114 1557 Arbeiter (nach VoiT) ... HS 56 500 2810 Wird das Fett überall in Stärke umgerechnet, so wird die Relation Eiweiss: Kohlehydrate = Kur von Hakvey-Bantisg . = 100 : 54 , „ Ebstein . . . . = 100 : 246 „ , Oebtel = 100 : 80 „ , , (Maximum) . = 100 : 129 Arbeiter = 100 : 540 In allen drei Kuren gegen Korpulenz ist also die Menge der stickstoff- freien Stoffe, der Eiweissmenge gegenüber, herabgesetzt; vor Allem ist aber, wie die Anzahl der Kalorien zeigt, die Gesammtmenge der Nahrung bedeutend vermindert. Die HAUVEY-BANTiNCi'sche Kur zeichnet sich vor den anderen durch einen relativ sehr grossen Eivveissgehalt aus, während die Gesammtzahl der zugeführten Kalorien in ihr die kleinste ist. Aus diesen Gründen wirkt diese Kur sehr rasch; sie wird aber hierdurch auch mehr gefährlich und schwieriger durchzu- führen. In dieser Hinsicht ist die EßSTEix'sche und besonders die OERTEL'sche Diätkuren 1) Banting, Letter on corpulence. London 1864. Ebstein, Die Fettleibigkeit und ihre Behandlung. 1882. Oeutel, Handbuch der allg. Therapie der Kreislaufstörungen. 1884. Diätkuren gegen Korpulenz. 609 Kur, welche die grösste Abwechselung in der Wahl der Nahrung gestattet, besser. Da das Körperfett eine eiweissersparende Wirkung ausübt, hat roan bei Anwendung dieser Kuren, besonders der BAXTIXG-Kur, darauf zu achten, dass nicht mit der Abnahme des Körperfettes der Eiweisszerfall im Körper derart gesteigert wird, dass ein Verlust an Körpereiweiss stattfindet, und man niuss deshalb die Stickstoffausscheidung durch den Harn sorgfältig überwachen. Sämmtliche Diätkuren gegen Korpulenz sind übrigens, wie oben erwähnt, Hungerkuren; und wenn man den täglichen Nahrungsbedarf des erwachsenen Mannes, in Kalorien ausgedrückt, zu rund nur 2500 Kai. (nach den von Forster für Aerzte als Mittel gefundenen Zahlen) anschlagen will, so siebt Dütkuren. man sogleich, welch' einen bedeutenden Theil seiner eigenen Masse der Körper in den obigen Kuren täglich unter Umständen abgeben muss. Es mahnt dies gewiss zu grosser Vorsicht bei der Handhabung dieser Kuren , welche nie schablonenmässig, sondern mit Berücksichtigung in jedem speziellen Falle von der Individualität, dem Körpergewichte, der Stickstoffausscheidung im Harne und dergl., stets unter strenger Kontrolle und nur von Aerzten, nie von Laien angeordnet werden dürfen. Ein näheres Eingehen auf die vielen, hierbei zu berücksichtigenden Verhältnisse entspricht jedoch nicht dem Plane und dem Umfange dieses Buches. rsten, Pbysiologisehe Chemie. Vierte Auflage. 39 610 Tab. I. N a h 1- u n g s m i 1 1 e 1'). 1000 Theile enthalten I. Animalische Nahrungs- mittel. Verhältniss von 1:2:3 a! Fleisch ohne Knochen: Fettes Eindfleiseh '-) Xlitteltettes Rindfleisch-'' ). . . . Itindfleisch (Bcaf-) Mittelfettes gesalzenes Eindfleiseh . Kalbfleisch Pferdefleisch, gesalzen u. geräuchert Geräucherter Schinken Schweinefieisch, gesalzen und ge- geräuchert*) Fleisch von Hasen , von fetten Ilanshühuern . von Rebhühnern .... , von Wildenten .... b) F I e i s c li mit K n o c li e n Fettes Rindfleisch-) .... Mittelfettes Rindfleisch') . . Schwach gesalzenes Rindfleisch Stark gesalzenes Rindfleisch - Hammelfleisch, sehr fett . , mittelfett . . Sehweinefleisch, friscli, fett . , gesalzen, fett Geräucherter Schinken . . c) Fische. Flussaal, frisch (ganz Lachs , , Strömling , , Scholle Fische) 1S3 166 190 98 190 120 218 115 190 80 318 65 255 365 100 660 233 11 195 93 253 14 246 31 156 141 167 83 175 93 190 100 135 332 160 160 100 460 120 540 200 300 89 220 121 67 128 39 145 14 11 18 18 117 13 125 100 40 12 11 14 12 672 550 717 492 280 130 744 701 719 711 544 585 480 430 437 520 365 200 340 352 469 489 580 150 150 167 180 88 150 70 333 333 333 250 100 90 100 50 100 63 100 53 100 42 100 20 100 143 100 660 100 5 100 48 100 6 100 13 100 90 100 49 100 53 100 53 100 246 100 100 100 460 100 450 100 150 100 246 100 56 100 31 100 9 1) Die in dieser Tabelle aufgeführten Zahlen sind der Hauptsache nach theils den Zu- sammenstellungen von Almen und theils den von König entlehnt. Als ,, Abfälle" werden hier diejenigen Theile der Nahi-ungsmittel bezeichnet, welche bei der Zubereitung der Speisen ver- loren gehen oder überhaupt vom Körper nicht ausgenutzt werden. Als solche sind also z. B. Knochen, Haut, Eierschalen und bei den vegetabilischen Nahmngsmitteln die CeDulose zu nennen. '^) Fleisch, wie es in Schweden gewöhnlich auf dem Markte gekauft wird. 3) Rindfleisch, wie es in Schweden bei grösseren Liferantcn für öffentliche Anstalten erhalten wird. *) Schweinefleisch, hauptsächlich von Brust- und Bauchtheilen, wie es in der ,,Troeken- portion" der Soldaten in Schweden vorkommt. Animalische Nahrungsmittel. 611 1000 Theile enthalten Verhültniss von 1:2:3 ' 3 2 1 1 140 43 108 4 5 10 7 103 56 11 92 106 38 170 2 150 160 850 7 990 35 50 7 50 9 38 257 35 270 40 66 50 70 456 93 4 107 5 307 7 7 17 676 10 740 11 768 39 439 10 550 3 768 17 688 15 720 20 725 10 480 Flussbarsch, frisch (ganze Fische) Dorsch ■ „ , Hecht , , „ Häring, gesalzener , , Strömling, gesalzener „ „ Lachs (Seitenstiieke), gesalzen Kabeljau (gesalzener Schellfisch) Stockfisch (getrockneter Leng) , (gctrockDeter Dorsch) Fischmehl von Gadusarlen d) Innere Organe (frisch). Gehirn Leber von Rindern Herz von Rindern Herz und Lungen von Hammeln . Niere von Kälbern Zunge von Ochsen (frisch) Blut verschiedener Thiere (Mittel- zahlen) e) Andere animalische Nahr- ungsmittel. Mettwurst (sog. Soldatenmettwurst) Mettwurst (zum Braten) .... Butter Schweineschmalz ....... Fleischextrakt Kuhmilch (volle Milch) .... , (abgerahmte Milch) Buttermilch Rahm Käse (Fettkäsei „ (Magerkäse) Molkenkäse (Mysost) mager . Hühaereier (ganze Eier) .... „ (ohne Schalen) Eidotter Eierweiss 2. Vegetabilische Nahrungs- mittel. Weizen (Samen) AVeizenmchl (fein) „ (sehr fein) . . . , Weizenkleie Weizenbrod (frisch) Nudeln Roggen (Samen) Roggenmelil Roggenbrod (trocken) .... Roggcnbrod (frisch, gröberes) . 50 55 15 175 7 7 7 6 60 50 56 8 10 13 440 455 461 280 334 460 472 257 116 170 770 720 714 721 728 670 610 565 119 7 217 873 901 905 665 400 500 329 654 756 520 875 140 120 120 130 330 131 140 110 110 400 450 450 450 340 400 100 100 100 150 26 12 6 192 5 22 20 16 17 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 1 1 100 37 54 1 1 1 1 28 50 65 17 113 79 73 12100 33000 100 20 22 695 117 19 79 192 7 0 0 100 0 143 143 93 95 17 15 512 4 4 0 549 654 835 292 625 853 15 600 13 I 626 18 634 14 623 612 Vegetabilische Nahrungsmittel. 1000 Theile enthalte 2 3 14 514 21 654 10 720 60 563 60 660 58 656 7 770 21 537 15 530 15 520 2 200 2 74 2 90 4 50 2 49 1 66 5 33 3 22 1 23 1 38 4 60 25 412 130 90 537 72 480 180 Verhältniss von 1:2:3 Roggenbrod (frisch, feineres) . Gerste (Samen) Gerstengraupen Hafer (Samen) Hafergraupen . Mais Keis (entschiUter Koelireis) . . . Sehminkbohnen ...... Erbsen (gelbe oder grüne, trocken) . Erbsenmelil (fein) Kartoffeln Kohlrüben Möhren (gelbe Rüben) Blumenkohl Weisskraut Schnittbolmen Spinat Kopfsalat Gnrken Radischen Essbare Pilze, frisch (Mittelzahlen) , , lufttrocken (Mittel- zahlen) Aepfel und Birnen Verschiedene Beeren (Mittelzahlen) Mandeln Caeao 80 111 HO 117 140 101 70 232 220 270 20 14 10 25 19 27 31 14 10 12 32 219 4 5 242 140 370 140 146 130 100 140 146 137 150 125 760 893 873 904 900 944 956 934 877 160 832 849 54 55 11 48 7 100 20 28 5 37 60 45 8 10 15 9 18 12 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 7 100 6 100 8 100 18 100 123 100 31 100 50 100 66 100 95 100 Tab. n. Malzgetränke. 1000 Gewichtstheile enthalten 1 1 871 2 887 885 911 2 903 2 881 2 916 3 945 — Porter Bier (Schwedisches ,Sötöl") . . Bier (Schwedisches E.tportbier) . Schenkbier Lagerbier Bockbier Weissbier Schwedisches ^Svagdrieka'' . 54 76 28 — 32 — 35 55 40 58 47 72 S5 59 22 - Weine und alkoholische Getränke. 613 Tab. III. Weine und andere alkoholische Getränke. 1000 Gewichtstheile enthalten 1 Alkohol Vol. p. m. 1 ^1 1 i. Bordeauxweine 883 94 23 6 5,9 2,0 Rheingauweissweine .... 863 115 23 4 5,0 2,0 Champagner 776 90 134 115 6,0 1,0 1,0 jeo— 70 Rheinwein, moussirend .... 801 94 105 87 6,0 1,0 2,0 Tokayer . . 808 120 79 51 7,0 5,0 4,0 9,0 6,0 2,0 3,0 5,0 3,0 Sherrv 795 774 170 164 35 62 15 40 Portwein Madeira 791 156 53 33 5,0 30 30 790 479 164 263 46 35 332 5,0 ' 4,0 4,0 Schwedischer Punsch Branntwein 460 Französischer Cognae 550 442—590 260—475 Nachträge Alkohol- gähmng. Ad S. 6. Medwedew (PflüGEe's Archiv Bd. 74) hat die näheren Be- dingungen für die Oxydation des Salicylaldehyds durch Gewebeextrakte studirt^ Er hat dabei gefunden, dass der fragliche Aldehyd bei seiner Oxydation nicht reit einem, sondern mit zwei Molekülen mit dem Sauerstoffe reagirt. Es sprechen ferner seine Untersuchungen sehr dafür, dass — im Einklänge mit den An- schauuungen von Bach, Englee und Wild — bei dieser Oxydation als C6H,.0H.Cv Q Zwischenstufe eine Hyperoxydverbindung C.H^.OH.O entsteht. An seine O o Beobachtungen knüpft er ferner interessante theoretische Betrachtungen an, die indessen hier nicht wiedergegeben werden können. Ad S. 10. Unter den neueren Arbeiten über die noch streitige Frage^ in wie weit die Alkoholgährung ohne Hefezellen durch ein besonderes Enzym oder durch Protoplasmareste vermittelt wird, sind besonders zu nennen die Arbeiten von Abeles (Berichte d. deutschen ehem. Gesellsch. Bd. 31), Buchner und Rapp (ebenda Bd. 32) und Wkoblewsky (Centralbl. f. Physiologie Bd. 12). Ad S. 18. Hausmann (Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 27) hat Unter- suchungen über die Vertheilung des StickstcfTes im Eiweissmoleküle ausgeführt. Nach dem Sieden mit Salzsäure bestimmte er: a) den als Ammoniak bestimm- baren Amidstickstoff, b) den durch Phosphoiwolframsäure fällbaren Stickstoff der Diamidokörper und c) den nicht fällbaren Stickstoff der Monoamidosäuren. In Prozenten von dem Gesammtsticksloff fand er a b c In krystallisirtem Ovalbumin 8,53 21,33 67.80 „ Serumglobulin 8,90 24,95 68,28 „ Kasein 13,37 11,71 75,98 „ Leim 1,61 35,83 62,56 In Uebereinstimmung mit den Erfahrungen Anderer fand er den Gehalt der echten Eiweisskörper an Amidstickstoff zu rund 1 — 2 p. c. 1) Diese Nachtrüge enthalten einen kurzen BericlU derjenigen Arbeiten , die erst naeh dem Drucke der einzelnen Kapitel erschienen, bezw. dem Verfasser (vor dein 1. April d. J.) zugänglich oder bekannt geworden sind. Upsala, den 17. April 1899. O. 11. Nachträge. 615 Ad S. 20. Bei Spaltung des im Hämoglobinmoleküle enthaltenen Ei- weisses, des Globins, mit Salzsäure konnte Peüschee (Zeitschr. f. physiol. Cheni. Bd. 27) circa die Hälfte Kohlenstoff, etwa die Hälfte Stickstoff, zwei Drittel Wasserstoff und etwas mehr als die Hälfte Sauerstoff in fassbaren Spaltungs- produkten wiedergewinnen. Dagegen ist es E. Cohn (ebenda Bd. 26) bei seinen fortgesetzten Untersuchungen über die quantitative Eiweissspaltung durch Salzsäure nunmehr gelungen, etwa 97,8 p.c. des Eiweisses (Kasein) als krystalli-Q"^^^*?*'/* sirende oder greifbare Spaltungsprodukte zu gewinnen. Die Menge des Leucins spaitung. berechnet er schätzungsweise zu 40 — 50 p. c. und die der Glutaminsäure zu 30 p. c. Basische Produkte erhielt er in auffallend geringer Menge. Unter den Spaltungs- produkten des Eiweisses mit Säure fand er neben COg auch etwas Oxalsäure. Ad S. 21. Die Möglichkeit der Abspaltung einer Kohlehydratgruppe aus Ei Weissstoffen ist Gegenstand fortgesetzter Untersuchungen gewesen. Eich- holz (Journ. of Physiology Bd. 23) hat aus Eialbumin ein Osazon von dem Schmelzpunkte 202 — 206 " erhalten , wogegen er weder aus Kasein noch aus Serumalbumin ein Osazon darstellen konnte. F. Blumenthal und P. Meyer (Ber. d. deutsch, ehem. Gesellschaft Bd. 32) haben ebenfalls aus Ovalbumin und ferner auch aus Eidottereiweiss nach dem Sieden mit Säure Osazone dar- stellen können. Das Osazon aus Eidotter hatte den Schmelzpunkt 203 " und war linksdrehend; das aus Ovalbumin schmolz bei 200 und 205" und zeigte keine sichere Linksdrehung. Diese Forscher betrachten nicht das aus Eiweiss abspaltbare Kohlehydrat als einen integrirenden Bestandtheil des Eiweiss- moleküles. Sie betrachten eher die kohlehydratliefernden Eiweissstoffe als Glykoproteide, und derselben Ansicht scheint auch Eichholz zu sein. J. See- KoWe- MÄNN (Ueber die reduzirenden Substanzen etc., Boas' Arch. f. Verdauungs- '"■^''i^^^gg"^ krankheiten Bd. -t) erhielt aus [Ovalbumin 9 p. c. reduzirende Substanz, als Glukose berechnet. Nach einem Verfahren von F. Müller hat er die Chlor- wasserstoffverbindung der fraglichen Substanz dargestellt. Aus dem Verhalten derselben zieht er den Schluss, dass das durch Säurewirkung abspaltbare Kohle- hydrat mit dem von ihm aus Ovomukoid und von F. Müller aus Mucin dargestellten, stickstoffhaltigen Kohlehydratderivate, dem Glukosarain, identisch ist. Durch Sieden mit Barythydrat wie auch durch Pepsinverdauung hat S. Fränkel (Wien. Sitzungsber. Math. Naturw. Klasse Bd. 107. Abth. II b) aus gereinigtem Ovalbumin eine stickstoffhaltige Substanz abspalten können, die weder die MiLLON'sche noch die Biuretreaktion giebt. Sie ist leichtlöslich in Wasser und rechtsdrehend. Direkt reduzirt sie weder Kupfer- noch Wismuth- salze; nach vorgängigem Sieden mit einer Säure reduzirt sie aber stark. Die Elementaranalysen führten zu der Formel n(CgHj,O^.NH2)-j-H20, wobei der ijy.frate'^'us Werth für u am meisten der Zahl 2 sich nähert. Fränkel betrachtet sie als '^"''"'"*^- ein Derivat einer Biose und nennt sie vorläufig „Albamin". Als Grundlage der- selben betrachtet er ein Chitosamni , welches wohl in nächster Beziehung zu dem von F. Müller und Seemann aus Mucin und Ovalbumin dargestellten Osamin stehen dürfte. 616 Nachträge. In schroffem Gegensatz zu allen diesen Beobachtungen steht eine Mit- theilung von O. Weiss (Centralbl. f. Physiologie Bd. 12). Nach dem Alkali- Methyl- verfahren von Pavy erhielt er eine Substanz mit 1,8 p. c. Stickstoff, die nach pentose aus ^ Eiweiss. deoj Sieden mit einer Säure eine reduzirende Substanz lieferte. Diese reduzirende Substanz gab ein Osazon von dem Schmelzpunkte 179 — 191". Nach Weiss soll sie eine mit der Rhamuose isomere, krystallisirende Methylpentose von dem Schmelzpunkte 91 — 93" sein. Ad S. 22. Bei der Entstehung der Oxyprotsulfonsäure findet nach BEKXßE (Zeitschr. f. ph_ysiol. Chem. Bd. 26) nicht einfach eine Oxydation, sondern daneben auch eine recht tiefgreifende Spaltung durch das anwesende Alkali statt. Als Nebenprodukte konnte er nämlich Albumosen und Peptone nachweisen, die indessen von den bei der Verdauung entstehenden, entsprechenden 1 Produkten dadurch sich unterscheiden, dass sie beim Schmelzen mit Kali kein Oxyprot- * soifonsäure. j„(jq1 Q(jgj. gkatol liefern, die MiLLON'sche Reaktion nicht geben und keinen bleischwärzenden Schwefel enthalten. Unter den Spaltungsprodukten fand er auch Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure und er konnte überdies die An- wesenheit von Valeriansäure und basischen Stoffen (Histidin, Lysin) wahrschein- lich machen. Bei der Spaltung der Peroxyprotsäure mit Baryt fand er die schon vorher von Maly erhaltenen Spaltungsprodukte (mit Ausnahme von Amidovaleriansäure und Isoglycerinsäure) und ausserdem auch Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure, Benzaldehyd und Pyridin. Ad S. 23. Harnack (Ber. der deutsch, chem. Gesellsch. Bd. 31) lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass bei der Darstellung seines aschefreien Ei- Oxvdatiou ^^'eisses (welches er, beiläufig bemerkt, nicht mehr als gänzlich unverändertes, Schwtftis "8-t'^es Eiweiss betrachtet) durch Versetzen reinen Kupferalbumins mit kalter, im Eiweiss. starker Natronlauge eine Oxydation stattfindet, durch welche der bleischwärzende Schwefel oxydirt wird. Es besteht also in dieser Beziehung eine gewisse Ueber- einstimmung mit der Halogenirung des Eiweisses, bei welcher in erster Linie eine Oxydation des Schwefels ohne Abspaltung desselben stattfindet. Die Bedingungen für die Gewinnung jodirter Eiweissstoffe von konstanter Zusammensetzung bei möglichstem Intaktbleilien des Eiweissmoleküles sind von KuEAJEFF (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 26) weiter studirt worden. Die Be- hauptung von Blum und Vaubel, dass man durch Jodirung bei neutral oder jodirungdes schwach alkalischer Reaktion Jodderivate des intakten Eiweissmoleküles erhält, Eiweiases. f^^^^j^ gj, {jgj Versuchen mit Serumalbumin nicht bestätigt, indem nämlich die Relation C : N hierbei eine stärkere Verminderung als bei massig saurer Reaktion erfährt. Dagegen wird der Schwefelgehalt bei saurer Reaktion stärker beein- flusst. Aus seinen Versuchsergebnissen berechnet er (jedoch mit Reservation) das Molekulargewicht des Serumalbumins zu 10 100 — 10 200. Ad S. 27. Als neue Reaktion auf Proteinsubstanzen giebt Elliott (Journ. of Physiology Bd. 23) die folgende an. Lässt man verdünnte Schwefel- säure (20 Vol. in 100 Vol. Wasser) auf Proteinsubstanzen einwirken, so ent- steht bei allmählicher Konzentration der Säure bei Zimmertemperatur eine blau- Nachträge. 617 violette Farbe, bezw. eiue ebenso gefärbte Lösun}'. In derselben Weise wirkt Eiwem- * ^ reaktion. verdünnte Salzsäure. Die Lösung zeigt ein Spektrum, welches etwas verschie- den von dem ist, welches man bei deu Reaktionen von Pettenkofer, Liebee- MANN oder AD.^MKiEwrcz erhält. Ad S. 31. F. Goldschmidt (Ueber die Einwirkung von Säuren auf Eiweissstofi'e, Inaugural-Dissert. , Strassburg 1898) hat gefunden, dass bei der Einwirkung von Säure auf Eiereiweiss schon bei sehr schwacher Konzentration der Säure ( Salzsäure) zugleich mit dem Acidalbuminate sekundäre Albu- mosen entstehen, was dafür spricht, dass die Acidalbuminatbildung unter Ab- „■*".'*" ' ^ o albuminüt- spaltung von Albumosenkomplexen erfolgt. Er fand ferner, dass die Bildung widufs- von sekundären Albumosen das Vorausgehen von primären Albumosen nicht nothwendig zur Voraussetzung hat. In wie weit überwiegend Acidalburainat, Hemiprotein (Kühne's Antialbumat), verschiedene Albumosen oder Peptone und weitere Spaltungsprodukte entstehen, hängt wesentlich von der Temperatur und der Konzentration der Säure ab. Ad S. 31. Im Anschluss an ihre Untersuchungen über die Alkalescenz des Blutes haben Spiro und Pemsel (Zeitschr. f. physiol. Chem., Bd. 26) Untersuchungen über das Säure- und Basenbindungsvermögen (Säure- und säure- und Basenkapazität) einiger Eiweisskörper wie des Kaseins, des krystallisirten Serum- kapazltät albumins und des frischen Eiereiweisses gemacht. Da diese Bestimmungen weLfeä. indessen ohne ein näheres Eingehen auf die Methode kaum verständlich sein dürften, kann hier nur auf die Originalarbeit hingewiesen werden. Ad S. 35 und 42. Nach den Untersuchungen von Kutscher (Zeitschr. f. phyaiol. Chem., Bd. 25, S. 195 und 26, S. 110) ist das durch Paukreas- verdauung erlialtene Antipepton kein chemisches Individuum , sondern ein Ge- menge, in dem er die Hexonbasen Histidin und Arginin nebst Monoamido- säuren nachgewiesen hat. Dasselbe gilt nach ihm auch von dem nach Balke dargestellten Antipepton, welches durch Phosphorwolframsäure in zwei Theile, einen basen- und einen säurereichen sich trennen lässt. Aus diesem Grunde leugnet Kutscher auch die chemische Individualität der Fleischsäure, welche . .. ° Antipepton von Siegfried und Balke als mit dem Antipepton identisch betrachtet wird. "°<*F'ö'äch- ' ' saure. Mit dieser Anschauung ist die Arbeit von Balke schwer zu vereinbaren, denn dieser Forscher hat mehrere Metallsalze des Antipeptons dargestellt, die mit der SiEGFEiED'schen Formel der Fleischsäure stimmen. Da man nicht berechtigt ist, die Zuverlässigkeit, sei es des einen oder des anderen Forschers, in Zweifel zu ziehen, könnte man vielleicht den Grund der streitigen Angaben in der etwas verschiedenen Verfahrungsweise der zwei Forscher suchen. Balke liess nämlich die Verdauung nur 4, Kutscher dagegen 40 Tage andauern; und da Kutscher in einer späteren Arbeit (Die Endprodukte der Trypsinverdauung, Habilitationsschrift, Strassburg 1899) den Beweis dafür geliefert hat, dass bei hinreichend energischer und anhaltender Trypsinverdauung das Antipepton (d. h. die Substanz, welche die Biuretreaktion giebt) vollständig oder bis auf 618 Nachträge. Abscheid- ung der Albumosen Spuren zersetzt wird, wäre es möglich, dass Kutscher in seinen langandauern- den Digestionsversuchen die Hauptmasse des BALKE'schen Antipeptons gespaltet hätte. Diese streitige Frage ist also einer weiteren Prüfung bedürftig. Auf Grund seiner in der letzterwähnten Abhandlung niedergelegten Erfahrungen spricht KxJTSCHER die Ansieht aus, dass wenigstens in den Eiweisskörpern der Pankreasdrüse das Vorkommen einer Aniigruppe ausgeschlossen werden kann. Auch in anderer Hinsicht weicht er von der gang und gäben , von Kühne herrührenden Ansicht über die digestive Eiweissspaltung ab. Nach ihm würde es nämlich am einfachsten und besten sein, zu der alten Nomenklatur zurück- kehrend, die primären Albumosen Propeptone, die Deuteroalbumosen und das Pepton Kühne's dagegen Pepton zu nennen. Ad S. 38. Laweow (Zeitschr. f. physiol. Chem., Bd. 26) hat ebenfalls Untersuchungen über die peptischen und tryptischen Verdauuugsprodukte mit- getheilt, welche Untersuchungen dafür sprechen, dass die durch Ammonium- sulfat nicht fällbaren Produkte keine echte Eiweisskörper, sondern nur Gemenge von Zersetzungsprodukten solcher sind. Die Einwirkung verschiedener Albumosen und Peptone, wie auch des Antialbumids und ferner der Gelatosen und Gelati nj)e])tone auf Blutdruck, Blut- gerinnung u. a. ist von Chittenden und Mitarbeiter (Americ. Journal of Phy- siology, \'ol. 2) studirt worden, und im Anschluss hieran theilen sie auch einige chemische Untersuchungen über die fraglichen Stoffe mit. Ein Antipepton, welches durch Trypsinverdauung aus reinem Autialbumid dargestellt war, ent- hielt als Mittel C 50,93; X 13,.58 und S 1,62 p. c. Der niedrige Stickstoff- gehalt spricht dafür, dass eine Verunreinigung mit basischen Stofl'en nicht oder nur in unwesentlichem Grade hier vorhanden war. Bei Spaltung mit siedender Salzsäure von 20 p. e. und darauffolgender Bestimmung des Gesammtstick- stoffes, des Ammoniakstickstoffes und des in dem Phosphorwolframsäurenieder.schlage enthaltenen Basenstickstoffes fanden sie, dass der Basenstickstoff in Prozenten von dem Gesammtstickstoffe beim Antialbumid 17,2, bei der Hemialbumose 27,9 und bei dem Hemipepton 20,7 betrug. Ad S. 39. Zur Trennung der Albumosen von den Peptonen benutzt P. Müller (Zeitschr. f. physiol. Chem., Bd. 26) Zusatz von dem gleichen Vo- lumen 30 prozentiger Eisenchloridlösung und Zufügen von Lauge, bis die Reaktion nunmehr nur schwach sauer ist. Das Filtrat von dem voluminösen Nieder- schlage wird mit Zinkkarbonat versetzt und nach tüchtigem Umrühren filtrirt. Das Filtrat ist regelmässig albumosenfrei. Nur in Lösungen von Witte's Pepton war es nothvi'endig, das Filtrat durch Konzentration auf '/i — ^jö und neuem Zusatz von ein wenig Eisenchlorid und Zinkkarbonat von den noch restirenden kleinen Albumosenraengen zu befreien. Nach dem Verfahren von Pick hat Umber (Zeitschr. f. physiol Chem., Bd. 25) die bei der Pepsinverdauung entstehenden eiweissartigen Spaltungspro- dukte des Eieralbumins, des Seruraalbumins und Serumglobulins und F. Alex- ander (ebenda S. 411) diejenigen des Kaseins untersucht. Die Brauchbarkeit Nachträge. 619 der Methode hat sich hierbei noch weiter bewährt, und wenn auch gewisse Ver- schiedenheiten bei verschiedenen Eiweisskörpern zum Vorschein kommen, erhält man jedoch in der Hauptsache die gleiche Anzahl von Spaltungsprodukten, Trennung die durch fraktionirte Fällung mit Ammoniumsulfat getrennt werden können, «laaungs- *= ^ Produkte. Die Fraktion 1 enthält die primären Albumosen , die Fraktionen 2 , 3 und 4 die verschiedenen Deuteroalbumosen und die Fraktionen 5 und 6 zwei ver- schiedene Peptone. Das Kasein gab jedoch nur äusserst wenig von der Hetero- albumose und dem einen Pepton. Ad S. 45. Nach einem abgeänderten und verbesserten Verfahren hat F. Müller (Sitzungsber, zur Beford. d. gesanimt. Naturwiss. zu Marburg, Nr. 6, 1898) aus dem Mucin durch Kochen mit Säuren erst eine Benzoylver- bindung und dann aus dieser die krystallisirende, salzsaure Verbindung seines Mukosamins darstellen können. Sowohl die krystallographische Untersuchung t'hitosamin ^ ^ o aus MuclQ. wie die Bestimmung des optischen Drehuugsvermögens ergaben Resultate, welche so sehr für die Identität dieser Verbindung mit dem salzsauren Chitosamin sprechen , d.iss Müller nunmehr den Namen Mukosamin als überflüssig an- sieht. Das aus der Verbindung erhaltene Osazon wich dagegen von dem Glukosazon in folgenden Beziehungen ab. Es hatte den Schmelzpunkt 192 bis 196, es war leicht löslich in Alkohol und es war nicht linksdrehend. Nach E. Fischer, welcher es untersucht hat, ist es nicht mit dem Glukosazon identisch, sondern dürfte eher Galaktosazon sein. Beim Sieden des Mucins mit Salzsäure spaltet sieh auch Essigsäure ab, und zwar -,'z — 1 Mol. auf je 1 Mol. redu- zirende Substanz. Ad S. 56. Bei ihren vergleichenden Analysen von Gelatin, Deutero- gelatose und Gelatinpepton fanden Chittekden und Mitarbeiter (Amerie. Journ. of Physiology, Vol. 2, S. 142) für das Gelatin und die Gelatose fast dieselbe ^^^'^*°^en^ elementare Zusammensetzung, während das Gelatinpepton um gegen 2 p. c. p^p'»"- ärmer an Kohlenstoß" und etwa 0,6 p. c. ärmer an Stickstoff als das Gela- tin war. Ad S. 58. Ruppel (Zeitschr. f. physiol. Chem., B Glukose stattfinden kann. Ad S. 98. Um die Fettbestimmung nach der Verdauungsmethode zu vereinfachen, hat .1. Nerkixg (Pflüger's Archiv, Bd. 73) einen besonderen Apparat konstruirt. L. Liebermann und S. Szi^kely haben (Pfll'ger's Fett- '*^ . , ,• • T-. 1 bestimm- Archiv, Bd. 72) eine neue Methode der Fettbestimmung angegeben, die in Folge einer Nachprüfung von Tangl und Welser (ebenda, S. 367) ebenso gut wie die Methode von Dormeyer, aber viel rascher ausführbar sein soll. Nachträge. 621 All S. 105. In einem Aufsatze von Gulewitsch (Zeitsehr. f. physiol. xeurin. Cheni. , Bd. 26) findet man werthvoUe Angaben über das Neurin und seine Verbindungen, wobei auch die Verschiedenheiten der Platindoppelsalze von Cbolin und Neurin näher besprochen werden. Ad S. 111. Aus der Nukleinsäure des Störspermas hat Noll (Zeitsehr. Lävuiin- f. physiol. ehem., Bd. 25) Lävulinsäure abspalten können, was also zeigt, -Normalsäure) zusetzt, bis eine leichte Trübung (Opalescenz) eintritt. Ad S. 134. H. J. Bing (Undersögelser over reducerende Substanser i Blodet, Köbenhaven 1899) hat die schon früher von Jacobsen und Henriques studirte, nicht gährungsfähige, reduzirende Substanz des Blutes näher unter- 622 Nachtläge. Lcdthin- gucht. Er betrachtet sie als eine Verbindung von Zucker mit Lecithin und er Zucker. _ ° hat gezeigt, dass ein Gemenge von Lecithin und Zucker in Aether löslich und aus dieser Lösung wie das Jekorin durch Alkoholzusatz fällbar ist. Das Jekorin soll nach ihm auch eine Lecithinglukoseverbindung sein. Bei der durch ein Wasserextrakt der Leber hervorgerufenen Glykolyse findet nach GiiZA Köwesy (Centralblatt f. Physiologie, Bd. 12) eine Gefrier- oiykoiysc. pm^jj^gerniedrigung, bezw. eine Erhöhung des osmotischen Druckes in der Flüssigkeit statt. Diese Gefrierpunktserniedrigung, welche nach Durchleitung von Sauerstoff am höchsten ist, rührt von der Entstehung noch unbekannter Stoffe her, die überdestillirbar sind und von denen wenigstens einer die Aceton- reaktiouen giebt. Ad S. 136. St. Bugaeszky und F. Tangl (Pflüger's Arch., Bd. 72) haben die molekulare Konzentration des Blutserums einiger Säugethiere be- stimmt und dabei gefunden, dass sie bei verschiedenen Thieren nur wenig ab- Moiekuiare weicht Und um 0,320 Mol. pro Liter herum schwankt. Sie fanden ferner, tion des dass etwa '^U sämmtlieher gelösten Moleküle des Blutserums Elektrolyte oder, was fast auf dasselbe hinauskommt, anorganisch sind und dass dementsprechend der osmotische Druck des Blutserums zum allergrössten Theile durch dessen anorganische Salze bedingt ist. Ad S. 138. Das in den Blutkörperchen enthaltene Cholesterin ist nach Cholesterin Hepner (Pflügee's Archiv, Bd. 73) frei. Fettsäurecholesterinester enthalten körperchen, die Blutkörperchen nach ihm nicht. Im Plasma kann neben solchen Estern auch freies Cholesterin vorkommen. Ad S. 140. Bei der Spaltung des Oxyhiimoglobins erhielt Laweow (Zeitschr. f. physiol. Cheni., Bd. 26) 94,09 p. c. Eiweiss, 4,47 p. c. Hämatin *^"TobS.° und 1,44 p. c. andere Bestandtheile. Das Eiweiss, welches in überschüssigem Ammoniak nicht löslich war und mit Salpetersäure einen beim Erwärmen sich lösenden Niederschlag gab, betrachtet er als eine besondere Proteinsubstanz. Ad S. 147. E. Harnack (Zeitschr. f. psysiol. Chemie, Bd. 26) hat eine Schwefel- Untersuchuntr über die Einwirkung des Schwefelwasserstofles und der Säuren methamo- "-^ o o globin. gyf jg,j Blutfarbstofl' mitgetheilt. Durch diese Untersuchung sind einige An- gaben Hoppe-Seyler's über das Schwefelmethämoglobin und die Wirkung des obigen Gases auf Blutfarbstoff berichtigt worden. Ad S. 149. Durch Reduktion des Hämatins mit Hydraziuhydrat in schwach ammoniakalischer Lösung unter besonderen Kautelen und Ausfällung des Produktes mit Alkohol-Aether hat v. Zeynek (Zeitschr. f physiol. Chem., Bd. 25) das Hämochromogen in festem Zustande erhalten. Das sonst reine und uuveränderte Produkt scheint indessen eine Aramoniakverbiudung des Hämo- Hämochromogens zu sein, die dadurch entstanden ist, dass bei der Reduktion ciiromogen. ^^^ Hämatins zu Hämochromogen auf je 2 Moleküle Hämatin nur 1 Atom Sauerstoff entfernt wird und dass die 2 Hämatinreste durch 1 Atom Sauerstofi" zusammengehalten sind. Nachträge. 623 Cazeneuve und Breteaü (Coinpt. rend. Tome 128) haben Hämatin aus Humatia. verschiedenen Blutarteu (Ochs, Pferd, Schaf) analysirt und gefunden, dass das Hämatin aus einer bestimmten Blutart dieselbe, Hämatin aus Blut verschie- dener Thierarten dagegen eine abweichende Zusammensetzung hat. Ad S. 159. Spiro und Pemsel fZeitschr. f. physiol. Chem., Bd. 26) haben ein Verfahren zur Bestimmung der nativen Alkaleseenz des Blutes an- gegeben, welches darin besteht, dass sie das Blut erst mit Aetherwasser (mit Aether gesättigtes Wasser) versetzen, darauf mit neutralem Ammoniumsulfat N sämmtliche Proteinsubstanzen ausfällen und dann in dem Filtrate mit — Säure ^f.fi"5üi" '■'^ Blut- unter Anwendung des von Förster angegebenen Indikators (Lackmoid und ^'^aiescenz- Malachitgrün) titriren. Sie haben ausserdem Bestimmungen der Säure- und Basenkapazität des Blutes ausgeführt, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Ad S. 160. Durch fortgesetzte Untersuchungen über die Einwirkung von Salzlösungen auf das Volumen thierischer Zellen hat Hamburger (Arch. f. Anat. u. Ph3-siol., physiol. Abth., 1898, S. 317) gezeigt, dass nicht nur die rothen sondern auch die weissen Blutkörperchen und die Spermatozoon des Frosches durch hyperisotonische Lösungen Schrumpfung und durch hypisoto- nische Quelluug zeigen. Der Betrag dieser Quellung oder Schrumpfung ist indessen viel kleiner, als derselbe sein würde, wenn die genannten Zellen aus einer homogenen Masse beständen, was zu der Annahme führt, dass diese Zellen aus zwei Substanzen bestehen müssen, die bezüglich des wasseranziehenden Ver- „ , ,. mögens verschieden sich verhalten. Er hat auch durch quantitative Bestimmung {""s«? ""d der Quellung und Schrumpfung der Zellen unter dem Einfluss von NaCl- Zeilen. Lösungen verschiedener Konzentration oder von Serum verschiedener Verdünn- ung das prozentuale Verhältniss zwischen diesen beiden Zellbestandtheilen (Gerüst und interzelluläre Flüssigkeit) festzustellen versucht. Er fand das Volumen der Gerüstsubstanz beim Pferde für sowohl rothe wie farblose Blut- körperchen gleich 53 — 56,1 p. c. Für die rothen Blutkörperchen war das fragliche Volumen: beim Kaninchen 48,7 — 51, beim Huhn 52, 4 — 57,7 und beim Frosche 72 — 76,4 p. c. Ad S. 168. Durch fortgesetzte Untersuchungen ist Delezenxe (Arch. de Physiologie (5) Bd. 10, S. 508 und 568) zu der Ansicht gelangt, dass die gerinnungshemmend wirkenden Stoße, hauptsächlich durch ihre destruirende Wirkung auf die Leukocyten, eine Hypoleukocytose hervorrufen. Die Wirkung der Leber besteht nicht darin, dass dieses Organ eine besondere gerinnungs- t v, ^ d hemmende Substanz erzeugt. Sie besteht vielmehr darin, dass bei der Spaltung ^'"'serinn- des Nukleohistons das als Gerinnungserreger wirkende Leukonuklein von den Leberzellen zurückgehalten wird, während das gerinnungshemmende Histon in dem Blute zurückbleibt. Ad S. 176. Ueber den Häraoglobingehalt und die Zahl der rothen und farblosen Blutkörperchen in den verschiedenen menschlichen Lebensaltern unter 624 Nachträge. physiologischen Bedingungen liegt eine Untersuchungsreihe von W. Schwinge (Pflügee's Archiv Bd. 73; vollständige Litteraturhinweisuugen) vor. Aus seinen Hämoglobin Ujitersuchungen zieht er folgende allgemeine Schlüsse. Der Hämoglobingehalt körperchen und die Zahl der rothen Blutkörperchen sind unmittelbar nach der Gehurt am in verscliie- * denen grössten, sinken bald darnach zu einem Minimum herab und nehmen weiterhin Altern. ^ mit dem Wachstum zu. In der Reifeperiode zeigen sie gewisse periodische Schwankungen, um endlich gegen das Lebensende hin wieder abzunehmen. Die Zahl der Leukocyten dagegen nimmt umgekehrt von der Wachsthums- zur Reifeperiode hin ab, später aber wieder zu. Ad S. 203 — 205. R. Hutschinsox (Journ. of Physiology Bd. 23) hat den Jodgehalt der von ihm aus den wässerigen, salzhaltigen oder sehwach alkalischen Extrakten der Thyreoidea (von Schaf und Kalb) dargestellten, durch Essigsäure fällbaren, von ihm als Kolloid bezeichneten Proteidsubstanz bestimmt und dabei s h'm ^"^ 0,309 p. c. Jod in der getrockneten Substanz gefunden. Bei der Pepsinverdau- ung des Kolloids erhielt er einen proteiufreien Rückstand mit 3,69 p. c. Jod, aus dem durch Sieden mit Alkohol Jodothyrin extrahirt werden konnte. Ausser- dem erhielt er in Lösung Albumose mit 0,138 p. c. Jod und Pepton, welches fast jodfrei war. Nur die jodhaltige Albumose, nicht aber das Pepton, erwies sich in einem Falle von Myxoedema als wirksam. Oswald (Zeitschr. f. physich Chem. Bd. 27) konnte dagegen aus der Schilddrüse zwei Proteinsubstanzen isoliren, von denen die eine, welche die äusseren Charaktere eines Globulins hat und von ihm „Thyreoglobulin" genannt wird, die folgende Zusammensetzung hatte: C 52,21; H 6,83; N 16,59; J 1,66; Protein- (^ ;[ Qg p q Dieses Globulin ist nach ihm die iodhaltige Substanz der Schild- stofle der ' r j p Schilddrüse, (ifüse mjd es hat die spezifische Wirkung des Jodothyrins auf den EiweissstofT- wechsel. Aus diesem Globulin lässt sich durch Pepsinverdauung eine Substanz mit 5,27 p. c. Jod abspalten. Durch Sieden mit lOprozentiger Schwefelsäure konnte Oswald ferner eine Substanz abspalten, welche das Verhalten des Jodo- thyrins zeigte und 14,39 p. c. Jod (als Mittel) enthielt. Diese Substanz soll ein reineres Jodothyrin als das von Baumann isolirte darstellen. Die zweite, weniger reichlich vorkommende Proteinsubstanz der Schilddrüse ist ein jodfreies Nukleoproteid (mit 0,16 p. c. Phosphor), welches nicht wie das Globulin auf den Eiweissstoffwechsel wirkt. Das Schilddrüsenkolloid der Anatomen ist ein Ge- menge von Thyreoglobulin und Nukleoproteid. Ad S. 209. Bei Kindern hat Thiemich (Zeitschrift f. physiol. Chem. Bd. 26) regelmässig für die Fettsäuren des Leberfettes eine höhere Jodzahl als F tt " d ^^^ ^^^ Fettsäuren des Unterhautfettgewebes gefunden, was also einen grösseren Leber. Gehalt des Leberfettes an Oelsäure anzeigt. Aus seinen Untersuchungen wie aus einem Vergleiche des Nahrungsfettes und des Unterhautbindegewebefettes mit dem Fette aus den Fettlebern von magendarmkranken Säuglingen hat er ferner den Schluss gezogen, dass in der Leber der letzteren nicht Nahrungs- Fetti b ^^^^' s'^i^ß^D Unterhautgewebefett abgelagert ist. Von G. Rosenfeld (Zeitschrift f. klinische Medizin Bd. 36) liegt eine Nachträge. 625 neue Untersuchungsreihe über die Fettleber bei Phlorhizindiabetes vor. Zu den Versuchen dienten Hunde, deren Fettdepots nach anhaltender Fütterung mit einem Fremdfette (Hammelfett) dieses fremde Fett enthielten, und die darauf mit Phlorbizin vergiftet wurden. Es konnte hier in schlagender Weise bewiesen werden, dass das in der Leber nach der Vergiftung sich anhäufende Fett aus den Fettdepots eingewandertes Fett war. Ad S. 215. Nach Seegen (Centralbl. f. Physiologie Bd. 12) findet sich in der Leber neben dem Glykogen ein anderes, in Wasser lösliches, nicht redu- zirendes Kohlehydrat, welches er als „Leberdextrin" bezeichnet. Durch Erhitzen deitrin. mit verdünnter Salzsäure im geschlossenen Rohre wird es in Glukose umge- wandelt. Bei Behandlung der Leber nach dem Verfahren von Brücke -Külz geht es in Lösung, wird aber nur zum kleinsten Theil zusammen mit dem Glykogen ausgefällt. Vollständige Ausfällung desselben findet erst bei Gegen- wart von 90 p. c. Alkohol oder darüber statt. Ad S. 219. Die Angaben Seegen's über eine Zuckerbildung aus Ei- „ , ., , weiss oder Fett in der Leber sind von Züntz und Cavazzani (Archiv f. Anat. ""febe/*^"^ u. Physiol., physiol. Abth. 1898) nachgeprüft worden. Sie konnten aber in keinem einzigen Falle eine Zuckerbildung, die grösser als der entsprechende Glykogenverbrauch war, konstatiren. Die Annahme einer anderen Muttersubstanz der Glukose war also überflüssig. Bing (vergl. die oben S. 621 citirte Arbeit) hat bei vergleichenden Unter- Pfortader- suchungen von Lebervenen- und Pfortaderblut die Erfahrung gemacht, dass, venenWut. wenn man nur bei dem Aufsammeln des Blutes vollständig jede Stase vermeidet, kein nachweisbarer Unterschied in dem Gehalte des Pfortader- und Lebervenen- blutes an reduzirender Substanz sich vorfindet. Ad S. 223. Nach A. Biedl (Centralbl f. Physiologie Bd. 12) kann Di'ibetes. man beim Hunde einen experimentellen Diabetes durch Ausschaltung des Chyhis- und Lymphstromes, durch Unterbindung des Ductus thoracicus oder durch Ab- leitung der Ductuslymphe nach aussen, erzeugen. Ad S. 231. Durch Oxydation der Cholalsäure mit Kaliumpermanganat .,. .. '' I o Ciliansaure. erhielt Lassak-Cohn (Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. Bd. 32) erst Debydro- cholalsäure, Isobilian- und Biliansäure und dann durch fortgesetzte Oxydation der letzteren mit Permanganat eine neue Säure, Ciliansäure, von der Formel C20H28O9 oder CjoHgoOio. Ad S. 236. Ein gutes Lösungsmittel für Bilirubin ist nach Küster Bilirubin (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 26) das Dimethylanilin, von dem 100 Theile bei Zimmertemperatur 0,89, im Sieden aber 2,6 g Bilirubin lösen. Ad S. 238. Die fortgesetzten Untersuchungen von Küster (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 26) über die Biliverdinsäure und ihre Salze haben zu dem Resultate geführt, dass die fragliche Säure, Cj^HgNO^, durch Kochen mit Natronlauge, aber auch durch andere basische Stoffe, leicht unter Abspaltung ^'säure'"' von Ammoniak in das Lakton der dreibasischen Hämatinsäure, C^HgO^, über- geht und dass sie demnach als das Amid der letzteren aufzufassen ist. Mit Hammarsten, Physiologische Chemie. Vierte Aufla;;e. 40 626 Nachträge. der Biliverdinsäure ist nach den neuesten Untersuchungen von Küster (Ber. d. deutsch, ehem. Gesellsch. Bd. 32) seine zweibasische Hämatinsäure, die also stickstoffhaltig ist, identisch. Ad S. 246. Nach den Untersuchungen von Pugliese (Arch. f. Anat. u. PhysioL, physiol. Abth. 1899) hat die Milz die Funktion, gewisse bei der Gallen- farbstoffbereitung in der Leber nöthigen Stoffe zurückzuhalten und durch die Pfortader allmählich in die Leber zu führen. Nach Exstirpation der Milz muss Milz mid dieses Material in anderen Organen, namentlich im Knochenmarke deponirt Gallenfarb- » ' * stoftijereit- ^yerden, und es geht nun durch den grossen Kreislauf in die Leber über. Nach Entfernung der Milz tritt deshalb auch eine Herabsetzung der Gallenpigment- absonderung bis auf sogar weniger als die Hälfte ein. Auf das spez. Gewicht und den Prozentgehalt der Galle an festen und in Alkohol löslichen Stoffen übt die Milzexstirpation sonst keinen Einfiuss aus. Ad S. 254. Keüger (Zeitschr. f. Biologie Bd. 37) hat neuerdings ge- Speichei. zeigt, dass in dem Speichel von Rauchern mehr Sulfocyansäure als in dem- jenigen von Nichtrauchern sich vorfindet. Ad S. 270. Parachijmosin nennt J. Bang (Deutsch. Med. Wochenschr. 1899 Nr. 3) eiu in mehreren Beziehungen von dem gewöhnlichen Labfermente Paraehy- verschiedenes Chymosin. Er fand es zuerst in käuflichen Pepsinprä paraten, dann mosm. * . im Schweine- und endlich auch im Menschenmagen, wo er kein gewöhnliches Labferment, sondern überhaupt nur Parachymosiu finden konnte. Ad S. 283. In einem Aufsatze (Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 32) tritt Leo Salzsäure- sehr scharf gegen die Brauchbarkeit der Methode von Mörner-Sjöqvist auf. ''ijn*Magen? Er bestreitet die Richtigkeit der Angaben von Sjöqvist über den Umfang der safte. Dissociation in verschiedenen Gemengen von Salzsäure und Phosphat und er er- hielt bei direkten Bestimmungen nach der Methode von Sjöqvist eine so grosse Regellosigkeit der gefundenen Werthe und so grosse Abweichungen von den theoretisch berechneten Salzsäuremengen, dass er die Methode als unbrauchbar betrachtet. Ad S. 285. Durch Versuche mit Chloroformwasserextrakten der Dünn- Enzyme der darmschleimhaut wie mit aus solchen Extrakten durch Alkoholzusatz erzeugten Darm- ° schleim- Fällungen hat F, Krijqer (Zeitschr. f. Biologie Bd. 37) die gang und gäbe Ansicht bestätigt, der zufolge die Darmschleimhaut weder proteolytisches noch steatolytisches, sondern nur amylolytisches und invertireudes Enzym enthält. Ad S. 294. In dem mit Ammouiumsulfat von Albumosen befreiten Proteino- Verdauungsgemische kann man nach Kurajefp (Zeitschr. f. physiol. Chem. °'gene° B''- ^6) mindestens drei Proteinochromogene , einen blauvioletten Körper mit mindestens 35 p.c., einen rotheu mit 27 p.c. Brom und einen braunen oder schwarzen Körper nachweisen. Ad S. 303. In einer Arbeit (Zeitschrift f. klin. Medic. Bd. 36) hat Galle und MossE Weitere Beweise für die schon längst bekannte Unfähigkeit der neutralen Galle, die Fäulniss zu hemmen geliefert. Dagegen soll sie im Stande sein, die Entwickelung der Bakterien selbst zeitlich zu hemmen. Nachträge. 627 Ad S. 304. Ueber den Einfluss der Galle auf den Stoffwechsel hat A. Landauer (Math. u. Naturw. Bericht aus Ungarn Bd. 15) eine Untersuch- ung ausgeführt. Diese Arbeit bestätigt die früheren Beobachtungen, denen zu- folge bei Gallenfistelhunden das Fett schlechter, die Kohlehydrate aber mindestens "»alle und ebenso gut wie bei normalen Thieren resorbirt werden. Bei Ernährung mit Wechsel, mittleren Eivveissmengen, grösseren Kohlehydratmengen und nur sehr wenig Fett fand Eiweissansatz ebenso gut wie bei normalen Thieren statt. Bei Ernährung mit genügend Eiweiss und wenig Fett stellte sich auch bei einem Fistelhunde Stickstoffgleichgewicht ein, jedoch erst bei einem Körpergewichte, welches kleiner als bei dem normalen Thiere war. Bei Ernährung mit mittleren Eiweissmengen und mehr Fett, wodurch beim normalen Thiere Eiweissansatz bewirkt wurde, kam es beim Fistelhunde zu Eiweissverlust. Ad S. 319. R. H. CüNNiNGHAM (Journal of Physiology Bd. 23) hat ^ ,, ^ J ^J ■ Fettresorp- weitere Beweise dafür geliefert, dass bei vollständigem Ausschluss sowohl der tion. Galle wie des Pankreassaftes vom Darme noch eine geringe Resorption von Fett (selbst wenn es als Oel und nicht als Milch eingeführt wird) statt- finden kann. Ad S. 319. V. Harley (Proceed. Roy. Soc. 64) hat an Hunden theils eine partielle und theils eine totale Exstirpation des Dickdarmes ausgeführt. Die vollständige Exstirpation hatte zur Folge eine bedeutende Vermehrung der Exkremente, hauptsächlich wegen der etwa fünffachen Vermehrung des Wassers. Exstirp.!- Fette und Kohlehydrate wurden ebenso vollständig wie normal resorbirt. Die Dickdarmes. Resorption der Eiweissstoffe war dagegen bedeutend herabgesetzt, auf nur 84 p. c. gegenüber 93^ — 98 p. c. bei normalen Hunden. In den Fäces fanden sich nach der Exstirpation bisweilen kein Urobilin oder nur Spuren davon, während Gallenfarbstoß' in reichlicher Menge vorhanden war. Ad S. 345. In einem neuen Aufsatze (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 27) zeigt WöRNER, der Behauptung von St. Johnson gegenüber, dass im Muskel Muskel. normalerweise Kreatin neben nur wenig Kreatinin vorkommt. Er sucht ferner zu zeigen, dass die von Johnson erhobenen Zweifel an der Identität des aus Harn und Muskel erhaltenen Kreatinins unberechtigt sind. ScHÖNDORFF (Pflüger's Archiv Bd. 74) hat nunmehr aus Muskeln von Harnstoff im Muskel. Hunden und Katzen Harnstoff in Substanz dargestellt und durch die Elemeutar- analyse als solches indentifizirt. Die Menge des Harnstoffes im Muskel war als Mittel 0,884 p. m. Ad S. 347. Das Carniferrin kann nach Kutscher (Zeitschr. f. physiol. ^ rniferrin Chem. Bd. 26) infolge der Darstellungsraethode desselben kein einheitlicher Körper sein. Nach ihm ist es ein Gemenge von Eisenverbindungen heterogener Körper. Ad S. 367. Nach den Untersuchungen von Gulewitsch (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 27) kommt im frischen Ochsengehirn kein Neuriu vor, und ebenso wenig entsteht solches bei der Spaltung des Protagons. Die abweichen- Leukomaine ^ I o o im (^ehirne. den Befunde Liebreich's rühren wahrscheinlich daher, dass er ein nicht ganz 40* 628 Nachträge. reines Präparat von Cholinplatinachlorid analysirt hat. Gulewitsch fand im Wasserextrakte des Gehirnes Harnstoff und zwei noch nicht näher charakteri- sirte Leukomaine. Ad S. 387. „Ovomucin" nennt Eichholz (Journal of Phj-siology Bd. 23) ovomucin. gjjjg jg^ Mucingruppe angehörige Substanz, die im Hühnerei weiss vorkommt und nach Verdünnung desselben mit 4 Vol. Wasser ausfällt. Durch Auflösung mit Soda und Ausfällung mit Essigsäure kann sie gereinigt werden. Ad S. 410. Von Abderhalden (Zeitschrift f. physiol. Chem. Bd. 26) liegen neue Untersuchungen vor, welche in besonders deutlicher Weise aurinsäure 92, in Butter 396, in Walli-ath 98. Laxantien; Eiuwirkung auf das Blut 179. Leber 207 — 212, Beziehung zur Blutgerinnung 168, zur Harnsaurebildung 440, 442, zur ILarustoft'bildung 422, 423, 425, 442, Blut der Leber 174, 219, Eiweissstofle 208, Fett 209, Zuckergehalt 219. Leberatrophie, akute, gelbe ; Ausscheidung von Ammoniak 425, 426, von Harnstoff 425, 426, l/cucin und Tyrosin 524, Milchsäure 350, 470. Lebercirrhose; Ascitesflüssigkeit dabei 195, Einwirkung auf Ammoniak- und HarnstofF- ausscheidung 425, 426. Leberexstirpation ; Ausscheidung von Ammoniak 425, 440, von Harnsäure 440, von Milch- säuren 350, 440, 470, Einwirkung auf die Gallenbereitung 243, 245. Lecithalbumine 31, Beziehung zur Magensaft- absonderung 272, zur Harnabsonderung 416. Lecithin; Eigenschaften, Vorkommen etc. 104, in der Mili'h 408, Einwirkung auf Blut- gerinnung 160, Fäulniss des Lecithins 106, 301, Verhalten bei der Muskelarbeit 357. Legal, Acetonreaktion 522. Leicheuwachs 333. Leim 55, Beziehung zur Glykogen bildung 215, Fäulniss 54, 299, Nährwerth 588, Verhalten zu Magensaft 209, zu Pankreassaft 294. Leimgebendes Gewebe; s. Kollagen. Leimpepton 56, 294. Leimzuoker, s. GlykokoU. Leinöl, Fütterung damit 333. Leinölsäure 92. Leo's Methode zur Bestimmung der Aci- dität 283. Leo's Zucker 518. Lepidoporphyrin 539. Lepidotsäure 539. Lethal 98. Leuceine 19. Leucin 19, 60 — 63, Beziehung zur Harnsäure- bildung 440, zur Harnstofi'bildung 422, 487, Darstellung 64, Eigenschaften 62, Ueber- gang in den Harn 524, Verhalten im Thier- körper 422, 487. Leucinäthylester 62. Leucinimid 19. Leucinsäure 62. Leukämie; Blut 117, 179, Harusäureaus- scheidung 202, 438, 439, Xanthinstofle 117, 179, 446. Leukoeyten ; Beziehung zur Resorption 311, zur Harnsäurebildung 441, in der Thymus- drüse 203, s. im Uebrigen die farblosen Blutkörperchen. Leukoma'ineH. im Harne 473, im Muskel 347. Leukonuklein 164, 165, 167, 203. Lichcnin 87. Lieben, Acetonreaktion 521. LiEBEKKi'HK's Alkalialbuminat 19, 31, Drüsen 284. LiEBBRMANN, Eiweissreaktion 27. LiEBERMANN-BüRCHARD's Cholesterinreaktion 249. LlEBlG's Harnstolftitrirung 429. Ligamentum nuchae 52, 53. Lignin 90. Linksmilchsäure 349. Linse s. KrystalUiuse. Linsenfasern 375. Linsenkapsel 374. Lipacidämie 180. Lipämie 180. Lipanin; Resorption 317. Lipoehrome 135, 385. Lipolytisches Enzym ; im Blute 134, 135. Lipurie 524. Lithium; im Blute 172. Lithiumlaktate 351. Lithiumurat 443. Sach-ßegister. 645 Litliobiliusäure 308. Lithotellinsäure 233, 303. Litliursäure 474. Löwcnliarn 437. Lungen 500, Antlieil an iler Oxydation 552. Liingenkatlieter 554. Liite'ine 385, in Corp. lutea 380, im Eidotter 385, im Serum 135 , Beziehung zu Häma- toidin 153, 380. Lymphagoga 188, 180. Lymplie 184—189. Lymphdrüsen 200. Lymphfibrinogen s. Gewohsfihrinogen. Lymphzellen ; quantitative Zusammensetzung 203 , s. im Uebrigen die farblosen Blut- körperchen. Lysatin 20, 67, 422. Lvsatinin 20. 67, 293 Lysin 20, 23, 58, 60, 293. Lvsursänre 07. Magen ; Bedeutung für die Verdauung 277, 278, Beziehung zur Darmfäulniss 279, 304, Selbstverdauung 279, Verdauung iur Magen 273—279. Magendrüsen 260, 273. Magenfistel 260. Mageninhalt s. Cliymiis. Magenkatarrh 280.' Magensaft 260, Absonderung 201, 202, Be- stimmung des Säuregrades 280, 282, 283, Beziehung zur Darmfäulniss 304, künst- licher Magensaft 265, Wirkung 200—271, 273—279," 399, 407. Magenschleimhaut 260. Maguesiaseifen ; in Exkrementen 305. Magnesium; im Harne 477, 483, 486, in Knochen 327, 331, in Muskeln 352, 363, s. im Uebrigen die verschiedenen Gewebe und Säfte. Magnesiumphosphat; in Darmkonkrementen 308, im Harne 447, 483, in Harnkonkre- menten 530, 531, in Harnsedimenten 527, 529, in Knochen 327. Makrele; Fleisch 362. ilidaria 181. Malta.se 84, 134. Maltodextrin 88. Maltose 84, Entstehung aus Stärke 88, 256, 289, Resorption 313, 314, Verhalten bei der Glykotrenbildung 217, zu Darnisaft 285, 296, 313. Malzdiastase 250. Mandelsäure 491. Mannit 77; Beziehung zur Glykogenbildung 215, Einwirkung auf Blutkörperchen 160. Mannose 73, 77, 81, 90. Mannosocellulose 90, 91. Margarin und Margarinsäure 95. Maschke, Kreatininreaktion 435. Maulbeersteine 531. Mehrdrehung 74. Mekonium 307. Melanämie 181. Melanin 538 , Beziehung zum Blutfarbstoffe 538 , zum Proteinoehromogen 294 , Eigen- schaften und Vorkommen 538 — 539, im Auge S76, im Harne 505. Melanosen, im Harne 505. Melanoidinsäurc 538. Melanotisehe Geschwülste ; FarlistolVe darin 538. Melebiose 86. Melissylalkohol 99. Mellitämie 180. Membranine 46, 326, 374. Men.schenmilch 406 — 410; Verhalten im Magen 274, 407, Zusammensetzung 407. Menstrualblut 175. Menthol; Verhalten im Thierkörper 493. Merkaptursäuren 494. Mesitylen; Verhalten im Thierkörper 491. Mesitylensäure 491. Mesitylenursäure 491. Metalbumin 381, 382 Metaphosphorsäure ; Bestandtheil der Nukleine 30, 109, 114, Eiweissreagenz 25, 497. Methai 98. Methan; Entstehung bei der Fäulriiss 20, 299, 301. Methämoglobin 145; im Blute bei Vergift- ungen 181, im Harne 502. Methose 77. Methylenitan 77. Methylglykokoll s. Sarkosin. Methylguanidin 346, 435. Methylguauidinessigsäure s. Kreatin. Methylhydantoinsäure 487. Methyliudol s. Skatol. Methylmerkaptan; bei der Eiweissfäulniss 20, 53J 299, 301, im Harne 495. Methylpyridin; Verhalten im Thierkörper 490. Methylpyridylammoniumhydroxyd 494. Methyluramin 346, 435. Methylxanthin 116, 446, 447. Mett, Pepsin bestimmungsmethode 267. Micrococcus restituens 311. Micrococcus ureie 10, 527. Mikroorganismen im Darmkanale 12, 278, 298, 302, 305. Milch 393—415, Absonderung 412— 413, Aus- nutzung im Darme 312, 318, 319, blaue oder rothe Milch 414, fäulnisshemmende Wirkung 303, 454, Milch in Krankheiten 414, Uebergang fremder Stoffe 413, Ver- halten im Magen 274, 278," 407, Wirkung auf Magensal'tabsonderung 262, auf Pankreas- saftabsonderung 288, s. im Uebrigen die verschiedenen Milchsorten. Milchdrüsen 393, 412, 413. Milehfett 396, 406, Analyse 403, Entstehung 412. Milchkügelchen, der Kuhmilch 395, 396, der Jlenschenmilch 400. Milehplasma 396. Milchsäuregährung 74, 79, 274, 278, 280, 349, 394, 401, im Darme 296, 313, im Magen 278, 280, in der Milch 394, 405. Milchsäuren 349 , im Darme 298 , im Harne 350, 440, 470, in Knochen 330, im Magen G46 Sach-Eegister. 262, 274, 278, Beziehung zur Harusäure- bikluiig 440. Siehe im Uebrisren Fleisch- uiilchsiiure und Gälirungsniilchsäure. Milchsaft, s. Chvlus. Milchsäure Salze 351. Milchzucker 85 , 400 ; Beziehung zur Gly- kogen bildung 217; Eigenschaften 400, 401; Gährung 394, 401, 405: Inversion 285, 296, 313, 401; Kalorieuwerth 517, quan- titative Bestimuuing 403, Resorption 313, Uebergang in den Harn 217, 400, 518, Ur- sprung 393, 413. MiLLON's Reagenz 26, 27. Milz 201—203; Beziehung zur Blutbildung 202, zur Harnsäurebildung 202, 440, 441, zur Verdauung 202; Blut der Milz 174. Milzpulpe 201. Mineralsäuren , Alkalientziehende AVirkting 418, 482, 550, 580, antifermentative Wirkung 278 , Wirkung auf Ammoniak- ausscheidung 481, 482, 582. Mineralstofle , Ausscheidung beim Hungern 577, unzureichende Zufuhr 579—582, Ver- halten im Organismus 580. Siehe im XJebrigen die verschiedenen Flüssigkeiten, Gewebe und Säfte. Mischung der Stickstoifsubstanzpn im Harne 421, 438, 439. Mitoplasma 108. MÖKXEE, Iteaktion auf Acetessigsäure 523. MÖENEK und Sjöqvist, Harnstoffbestimmungs- methode 432 ; Säurebestimmungsmethode 282. Mohr, Titrirmethode zur Chlorbestimmung 475. Molisch, Zuckeiprobe 81. Molken 394, 405. Molkeneiweiss 398. Monosaccharide 70. MoORE'schc Zuckerprobe 79 Morphin ; Uebergang im Harn 494. in Milch 413. Miicin 17, 44, im Auswurf 561, im Binde- gewebe 321, im Harne 473, 501, in Speicheldrüsen 44, 251, Nachweis im Harne 502. Mucinähnliche Substanzen; in Galle 227, Harn 473, 501, Nieren 416, Schilddrüse 203, Synovia 197. Mucinogen 44,. 252. Mucinoide 17, 46. Mueinpepton 45, 269. Mukoide 17, 46, in Ascitesflüssigkeiten 191, 194, im Glaskörper 322, 374, in Kornea 326. Mukosamin 45. Muköse 45. Mundschleim 253. Murexidprobe 443, Muscheln, Glykogen 212; Muskeln 364. Muskelarbeit, chemische Prozesse im Muskel 355 — 361 ; Einwirkung auf den Harn 418, 434, 436, 472, auf den Stoffwechsel 355— 361. Muskelfarbstofli- 344. Muskelfasern 338. Muskelkraft, Ursprung 359 — 361. Muskeln, glatte 363, quergestieifte 338—363, Blut derselben 175, 355, 356, chemische Vorgänge bei Arbeit und Ruhe 355 — 361, bei der Starre 353, Eiweissstoöe 339—344, Extraktivstoffe 344—352, Farbstoffe 344, Fett 352, 359, 362, Gase 352, 355, 359, Kalorienwerth 571, 572, Mlueralstoffe 352, 363, Wassergehalt 362, Zusammensetzung 361. Muskelplasma 339, 340, Gerinnung desselben 340, 343, 353, 364. Muskelserum 339. Muskelstroma 342. :Muskelsyntonin 342. Muskelzuclier 349. Muskulin 17, 341, 343. Myeline 366. Myelinformen 106, 366. Mygge und Christemsen, Eiweissbestimm- ung 501. Mykoprote'in 18. Myoalbumin 342. Myoalbumose 342. Myogen 343. Myogenfibrin 340, 343. Myoglobulin 342. Myohämatin 344. Myoproteid 344. Myosin 340, 341 , 343 , in farldosen Blut- körperchen 157, Resorption 309. Myosinferment 343. Myosinfibrin 340, 343. Myosinogen 343. Myosiuosen 35. Myricin 99. Myricylalkohol 99. Mvristinsäurp, im Tliierfett 92, in Butter 396, 406, in der Galle 239, in Wollfett 541. Myxödem 204, 205, 322. BJabelstrang ; Mucin desselben 44, 46, 322. Nägel 50, 535. Nager; Gallcnsäureu 233, 242. Nalirung : Einfluss auf die Absonderung von Darmsaft 284, Galle 226, Magensaft 202, Pankrcassaft 287, 288, auf die Ausscheid ung von Ammoniak 481, Harnsäure 438 Harnstoff 421, Kohlensäure 569, 576, 578 Mineralstoffen 474, 477, 480, 481, 483 Xanthinstoffen 446, anf Fäces 305, 312 565, auf den Stoffwechsel 578—593; ver schiedene Nahrung, eiweissreichc 583 — 589 gemischte Nahrung 589 — 593, unvollständige 578—583. Nahrungsbedürfniss 585, des Menschen 601 —608. Nahrungsstoffe, nothwendlge 562 ; Verbrenn- ungswärme 570 — 573. Naphtalin, Einwirkung auf Harn 494; Ver- halten im Thierkörper 490. Naphthol, Reagenz auf Zucker 81, 513; Ver- halten im Thierkörper 493, 494. Sach-Register. 647 Naphtolglukuronsäure -193, 494. Narcotica, Beziehuug zur Glvkogciibikhius,' 215. Native EiweisskOrper 29. Natriuiualkoholat als Verseifungsmittel 94, 97. Natriumphosphat, im Harne 417, 477, 527, EinwiikiiDtr auf den Stoffwechsel. Natriurasjüicylat als Cholagogum 227. Natriumverbindungen, Ausscheidung durch den Harn 481, Vertheilung auf Fonuelemente und safte 122. Siehe im Uebrigen die Terschiedenen Gewebe und Säfte. Nebennieren 206. Neossin 46. Nerven 365. 371. Neuridin 367, 370, 384. Neurin 105, in Nebennieren 206, in Pro- tagon 367. Neurochitin 371. Neurokcratin 50, 365, 371. Neutralfette s. Fette. Nickelsalze; Verhalten zu Amidosäureu 66. Nieren 416; Beziehung zur Bildung der Harnsäure 441 , des Harnstoffes 425 , der Hippursäure 452. Nikotin; AVirkung auf den Kohlensäuregehalt des Magens 275. Nitrate; im Harne 480. Nitrobenzaldehyd ; Verhalten im Thierkiirper 492. Nitrobenzoesiiure 22, 492. Nitrobenzylalkohol 493. Nitrocellulose 90. Nitrohippursäure 492. Nitrophenylpropiolsäure ; Reagenz auf Zucker 81, 513, Verhalten im Thierkörper 458, 459. Nitrosoindolnitrat 300. Nitrotoluol; Verhalten im Thierkörper 493. Nitrotvrosinnitrat 64. Nubecula 416, 473. Nukleinbasen 48, 49, 108, 111, 115-122, im Harue 446. Nukleine 48, 108, 110, 114; Beziehung zur Allo.xurliasenausscheidung 446, zur Harn, säurebilduug 440, 441, zur Phosphorsäure- ausscheidung 477, Resorption und Ausnutz- ung 566 , Verhalten zu Magensaft 269 , zu Pankreassaft 294. Nukleinplättehen 158. Nukleinsäure 49, 109, 111 — 113, 114, im Harne 501, Verbindung mit Protamin 379. Nukleoalbumine 17, 30, in der Galle 227, im Harne 473, 501, in Nieren 416, im Protoplasma 30, 103, in Synovia 197, in Transsudaten 190, 191, 193, Verhalten bei der Pepsinverdauung 30, 268, 399, 407. Nukleohiston 17, 103, 113; Beziehung zur Blutgerinnung 164, 167; im Harne 502. Nukleon 347, in der MUeh 400, 408. Nnkleosiu 112. Nukleoproteide 17, 31, 48, 110, 113, in der Leber 208, im Magensafte 263, 264, in der Milchdrüse 393, in Muskelu 342, 344, 364, in Nieren 416, im Pankreas 76, 287, im Protoplasma 103, im Zellkerne 108, 113, Sauerstotl'überträger 7, Verhalten zur Pep- sinverdauung 48, 114, 269. Nvi.AXDER's Reagenz, s. ÄLMEX-BÖTTGER'sche Zuckerprobe. Obermayek's Indikanprcbe 459. ObermüLLER's Cholesterinreaktion 250. Oelsäure 95. Oertel, Diätkur gegen Koi-pulenz 608. Oesophagusfistel 261. Olein 93, 95. Oligämie 178. Oligoeythämie 178. Oligurie 486. Olivenöl ; Resoi'ption 317, Wirkung auf Gallen- absondcrung 226. Onuphin 47. Oocyan 389. Oorödein 389. Opalisin 396, 407. Opium; Uebergang in die Milch 413. Optogramme 373. Organe; Gewichtsverlust beim Hungern 577. Organeiweiss 585, 586. Organische Säuren ; Verhalten im Thierkörper 418, 469, 487. Ornithin 20, 66, 67, 68, 491. Ornilhursäure 67, 491. Orlhonitrophenylpropiolsäure, s. Nitrophenyl- propiolsäure. Osamine der Zuckerarten 73. Osazone 72. Osmose ; Beziehung zur Lymphbildung 189, zur Resorption 320. Osmotische Spannung im Blute 160. Osone 72. Ossein 54, 326, 329. Osteomalaeie 330, 331. Osteosklerose 329. Otholithen 376. Ovalbumin 17, 21, 22, 387, Verhalten im Thierkörper 132, 388. Ovarialcysten 380—383. Ovomukoid 46, 388. Ovovitellin 17, 384. Oxäthylsulfonsäure ; Verhalten im Tliierköi'per 488. Oxalat ; Wirkung auf Blutgerinnung 125. Oxalatsteine 531. Oxalsäure; Abstammung 449, im Blute ISO, im Harne 449, 528, Verhalten im Thier- körper 449, 487. Oxalsäurediathese 449. Oxalsaurer Kalk s. Calciumoxalat O.xalurie 449. Oxalursäurc 437, 448. Oxamid 19. O.xime der Zuckerarten 71. Oxonsäure 437. Oxvbenzoesäure; Verhalten im Thierkörper 491. Oxybenzole 490. Oxybuttcrsäure; im Blute 550 Uebergang in den Harn 482, 523. 648 Sach-Kegister. Oxvdasen 7. Oxydationeu 1— S, 143, 223. 209, 330, 423, 424, 440, 454, 458, 405, 487, 4SS -490, 552. Oxydationsfermente 6, 134. Oxyfettsäuren, im Tliieifett 92. Oxyfleischsäure 42. Oxyhämalin 149. Oxyliäinocyauin 155. Oxyhämofflobin 141; Dissociatiou 142, 553, ICigenschaften und Verhalten 141 — 143, Menge im Blute 140, 171, 173—178. in Muskeln 344, Uebergang in den Harn 502, Verhalten zu Magensaft 269 , zu Trypsin 295. Oxyhydroparakumarsäure 461. Oxymandelsäure 'S 63. Oxynaphthalin 490. O.xynitroalbinuiu 22. Oxyphenylamidopropionsäure, s. Tyrosin. Oxyphcnylessigsäure 63, 299, 401. Oxyphenyipropionsäure 21, 299, 401. Oxyproteinsäure 472, 473. Oxyprotsulfonsäure 22, 23. Oxysäuren, Entstehung bei der Fauluiss 299 ; Uebergang in den Harn 299, 401, in Sehweiss 542. Ozon im Organismus 3. Ozonerreger 143. Ozonüberträger 143. Palmitin 95. Palmitinsäure 95. Palmitinsäureäther 98. Pancreatic Casein 294. Pankreas 286, 287, Beziehung zur Glykc.lyse 134, 225, 287, Exstirpation. Wirkling auf Resorption 312, 315, 317—319, auf Zu"eker- ausscheidung 223—225, Ladung 202, Ver- änderungen während der Sekretion 286, 295. Pankreasdiabetes 223, 224. Pankreaslab 294. Pankreasproteid 76, 287 Pankreassaft 287, .Absonderung 287, 288. 295, Enzvme 288—292, 291, Wi^rkung auf Nähr- stoffe 289—295, 296, 297, 319. Parabansäurc 117, 437. Paraglobulin, s. Serumglobulin. Parahämoglübin 142. Parakase'iu 398. Parakresol, Entstehung bei der Fäulniss 299, 454, 455. Paralbumin 331, 382. Paramidophenol 490. Paran'.ilehsäure, s. Fleischmilclisäure. Parannicin 382. Paramyosinogen 341, 343, 344. Paranuklein, s. Pseudonukleine. Paraoxyphenyle.ssigsäure 63. 299, 401. Parao-xyphenylpropionsiiure 21, 299, 401. Paraoxypropiophenon ; Verludtcn im Thier- körper 493. Parapcpt.m 209. l'araxanthiu HO. 440. 447, im Harne 446, 447. 267—270, 270, Pro- •39, 268-270. Parotis 251. Parotisspeiehel 253. Parovarialcysten 3S3. Pemphigus ehroniuus 190. Penieillum glaucum Ol. Pentacriuin 539. Pentaniethyleudiamin, s. Kadaverin. Pentosane 75. Pentosen 75, Bezjeliung zur Glykogenbildung 76, 215, im Harne 75, 519, in Pankreas 70, in Nukleinsäuren 111, in Xukleo- proteiden 49, 70, 208, 393, Beziehung zur Hippursäureausscheidung 452. Penzoldt, Acetonreaktion 522 Pepsin 200, 203—260. Eigenschaften 264, Nachweis im Mageninhalte 280, IJuanti- tative Bestimmung 260, 207. Vorkommen im Harne 319, 473. in Muskeln 344. Wirkung auf Eiweiss 200 . auf andere Stoffe 269. Pepsiuälmliche Enzyme 263, 204. Pepsinchlorwasserstoffsäure 270. Pepsindrüsen 260. Pepsinogen 200, 272. Pepsinprobe 206, 280. Pepsin Verdauung 206, dukte derselben 33 - Peptochondrin 324. Peptone 33 — 40 , bei der Eiweissfäulniss 20, 298, bei der Pepsinverdauung 33—39, 269, bei der Tiypsinverdauung 33—39, 293. 294. Assimilation 309 — 312, Beziehung zur Amylolyse 257, Darstellung 39, 40, Nähr- werth 311, 588, Resorption 309—311, Uebergang in den Harn 310, 499, Wirk- ung auf Magensaftabsonderung 262. Pi'ptonplasma 125. 103, Kohlensäurespannung 558. Peptonurie 499. Periknrdialflüssigkeit 191, 192. Perilymphe 370 Peritonealflüssigkeit 191, 194, 195. Permeabilität der Blutkörperchen 160, Peroxyprotsäure 23. Perspiratio insensibilis 504, PETTENKOFER'sche Gallensäureprobe 228, Re- spirationsapparat 559, 560 Pferdemilch 405, 400, Pflanzen ; chemische Vorgänge in dcnfelben 1, 2. Pflanzengummi 88, 89. Pflanzenmyosin 41. Pflanzensaure Alkalien; Verhalten im Organis- mus 418, 487. Pflanzenschleim 88, 89. Pflanzliche Eiweisssloffe 41. Pflaumen ; Einfluss auf Hip]iursäurpausscheid- ung 451. Pfortaderblut 174, 219, 313. Pfründner; Kostsätzc 007. Phacozynnise 375. Phaseomannit 348. Pheuacetursäure 453, 490. Phenole; Ausscheidung durch den Harn 299, 454_4G1, 490, 493. beim Hungern 302, Sach-Re"ister. 649 BeBtimniuug im Haine 456, 459, Einwirk- ung auf den Harn 457, 494, Entstehung bei der Faulniss 21. 299, 454, 455, Ver- halten im Thierkörper 299, 454, 493. Phenolglukuronsäure 455, 493. Phenolscliwefelsäure; im Harne 454 — 457, 493, im Schweisse 542. Phenylahmin G5, s. Phenylamidpropionsäure. Phenylaniidoessigsäure ; Verhalten im Thier- körper 491. Plienylaniidopropionsäure 21 , Verhalten im Thierkörper 489, 491. Phenylessigsäure ; Entstehung liei der Faul- niss 21, 299, Verhalten im Thierkörper 453, 490, 491. Phenylglukosazon 72, 80. Phenylhj'drazinprobe 72, 80, hn Harne 511. Phenyllaktosazon 401. Pheuylpropionsäure ; Entstehung bei der Faulniss 21, 299, 452, Verhalten im Thier- körper 452, 490. Philothion 5. l'hlcl.in 139. Phlurhizin 221, 521. Plilorhizindiabetes 221. Phlorogluein als Reagenz 7G, 281, 519. Phosphatdiabetes 478. Phosphate; im Harne 417, 476—479, 495, 527 — 529. Siehe im Uebrigen die ver- schiedenen Phosithate. Phosphatsteine 531. Phosphoglykoproteidc 48. Phosphorfleisehsäure 347, 354, in der Milch 400, im Harne 473, Beziehung zur Kohlen- säure und Milchsäurebildung 354, zur Mus- kelarbeit 359, 361. Phosphorhaltige Verbindungen im Harne 473. Phosphorsäure; Ausscheidung durch den Harn 476—478, 483, Entstehung bei Muskel- arbeit 357, physiologische Bedeutung 123. Phosphorvergiftung; Einwirkung auf Am- moniakausscheidung 425, Hainstoftausselieid- ung 425, Milchsuureausscheidung 350, 470, Fettdegeneratiou als Folge davon 209, 334, Veränderungen des Harnes 350, 425, 524. Photomethämoglobin 146. Plirenosin 368. Phtalsäure; aus Cholalsaure 231, Verhalten im Thierkörper 489. Phylloporphyrin 140. Phymatorhusin 538, im Harne 505. Physi'tölsäure 99. Phytosterine 249. Phytovitelliu 41. a-Picolin ; Verhalten im Thierkörper 492. Pikrinsäure; Reagenz auf Eiweiss 26, 500, auf Kreatinin 435, auf Zucker 81, 513. Pilokarpin ; Einwirkung auf Absonderung von Darmsaft 234, auf Kohlensäurcausscheidung im Magen 275, auf Absonderung von Schweiss 542, von Speichel 258, Wirkung auf Harnsäureausscheidung 439. Pilze, Glykogen darin 212. Piperazin; Lösungsmittel für Haru.säure 443. Piperidin 443. Pieia's Tyrosinprobe 63. Placenta 391. Plasma, s. Blutplasma. Plasmosehise 163. Phistin 108, 115. Plattner; krystallisirte Galle 228. Plethora polycythaemica 177. Pleuraflüssigkeit 191, 193. Poikilocytose 178. Polarisationsprobe 512. Polycythämie 177, 182. Polyperythrin 539. Polysaccharide 86. Polyurie 485. Poiirjile Cruorin 144. Präglobulin 103, 114, 164. PräputiaLsekret 540. Piopepsin 272. Propyluiuin ; Lösungsmittel für Harnsäure 443. Propylbenzol ; Verhalten im Thierkörper 490. Prnpylenglykol ; Beziehung zur Glykogcn- bildung 215. Prosfatakonkremente 380. Prostatasekret 377, 378. Prostethisehe Gruppe 49. Protagon 107, 199, 366, 367, 371. Protamin 23, 58, 59, 68, 379. Proteide 17, 43, s. im Uebrigen die verschie- denen Proteingruppen. Protein ; Beziehung zu den Albuminaten 32. Proteinochromogen 20, 293, 294. Proteinstofte 16 — 60, s. die verschiedenen Proteinstoffe. Proteosen 35. Prothrombin 129, 164, 165, 166. Protogelatose 56. Prologen 33 Protokatechusäure; Verhallen im Thierkörper 457. Prutone 59. Protoplasma 101. Protoplasmagifte und Eiweisszerfall 421. Protsäure 345. Pseudofruktose 73. Pseudohämoglobin 139, 144. Pseudomucin 46,382, in Ascitesflüssigkeit 194, in der Gallenblase 243. Pseudonukleinc 30, 109, aus Kasein 268, 399, 407, aus Vitellin 384, Ausnutzung und Re- sorption 294, 566. Pseudonukleinsäure 109. Pseudotagatose 73. Pseudoxaothin 347. Psittacofulvin 539. Psychisches Moment der Absonderung 261, 288. Psyllosteryläther 540. Psyllosten-lalkohol 540. Ptomaine 13, 20, im Harne 473, 525. Plyalin 255, Verhalten zu Salzsäure 257, 274, 295, Wirkung auf Stärke 255—257. Pulmoweinsäure 560. Purin 115. Purinbasen 111, 11.5, s. auch Nukleinbasen. Puriukcrn 115, 116. Purpur 539. 650 Sach-Eegister. Putrescin 13, im Darme 525, im H.inie 473, 525. Pyin 193, 198, 200. Pyinsäure 200. Pylorusdrüsen 260. Pyloiussekret 273. Pyoeviinin 200, im Sehweisse 543. Pyogenin 199. 368. Pyosin 199, 368. Pyoxanthose 200. Pyridin ; Verbalten im Tliierkörper 494. a-Pyridinkarbonsäiire 490, 492. o-Pyridinursiinre 492. Pyromiieinornithursäure 492. Pyromukursäiire 492. Pyroschleimsäure 492. Quadriurate 443, 527. QuecksUbersalze; Uebergang in Milch 413. in Schweiss 543, Wirkung auf Ptyalin 257, auf TiTpsin 293. Quelle der Muskelkraft 359 — 361. yuercit 76, Beziebuug zurGlykogenbildung 215. «iuerscheiben des Muskels 339. Quotient ; respiratorischer 336. 359, 569, 599. Rachitis; Knochen 329, 330, 331. Radischen ; Verhalten zu Speichel 257. Raffinose 86. Rahm 405. Reduktionsprozesse 1, 2, 5, 7. 235, 301, 336, 451, 465, 488. Reduzirende Substanzen; Entstehung bei Fäul- niss und Gührung 5, 301, Vorkommen im Blute 5, 134, im Darme 301, 465, im Harne 470, in Transsudaten 192, 190. Reichert Meissl's Zahl 97. Reis; Beziehung zu den Exkrementen 312. Rennthiermilch 405. Resaeetophcnon ; Verhalten im Thierkfoper 493. Reservecellulose 90. Resorption 309 — 320, Einwirkung auf Fiiuluiss- Torgänge im Darme 303, 304. Kespiratiou; des Hühnereies 390. der Pflanzen 2, s. im Uebi-igen die Chemie der Athmung, Kap. 17, und der Gaaivechsel. Respiratorischer (Juotient 336. 359, 509, 599. Retikulin 17, 56, 321. Retina 372. Rettig; Verhalten zu Speichel 257. Reversion 83. Reynold, Acetonreaktion 521. Rhaninose 69, 76; Beziehung zur Glykogen- bildung 76, 215. Rheum ; Einwirkung auf den Harn 494, 508. Rhodanalkali; im Harn 472. im Magensafte 263, im Speichel 253, 254. Rhodizonsüure 348. Rhodophan 374. Rhodopsin 372. Ribose 76. Ricinussamen 14. Riechstoffe im Hai'ne 494. Rippenknorpel 325. ROBekt's Methode zur Zuckerbestimmung 517. Roggenbrod; Ausnutzung im Darme 312, 315. Rohrzucker 83, 84; Inrersion 217, 269, 296, 313 , Kalorienwerth 571 , Resorption 313, Verhalten zu Darmsaft 285 , zu Magensaft 269. Rosenbach's Gallenfarbstoffprobe 507, Harn- probe 524. RoviDA's hyaline Substanz 103, 138, 157, 199. Rdbner, Zuckerprobe 80, 519. Rüböl; Fütterung damit 333. Ruhe; Stoff«-echsel 354, 355—359, 599. Saccharin , Beziehung zur Glykogenbildung 215. S.\CCHSSE, Zuckerbestiinmungsmethode 80. Saccharogen ; in der Milchdrüse 413. Säureamide; Verhalten im Thierkiirper 487. Säuren, org-anische; Verhalten im Thierkörper 418, 469, 487. Siiurestarre 353. Säurezahl 97. Salicylsäure ; Einwirkung auf Pepsinverdau- uug 268. auf Stoffwechsel 594, auf Tryp- sinyerdauung 293 , Verhalten im Thier- körper 491. Salieylsaures Natron ; Wirk\ing auf Gallenab- sonderung 227. Salieylsulfonsäure als Eiweissreagenz 26, 497. Salkowski, Cholesterinreaktion 249. Salkowski-Ludwig, Harnsäurebestimmuugs- methode 444. Salmiak: AVirkung auf Stoffwechi^el 594. Salmin 58, 379. Salmonukle'insäure 111. Salpeter; Einwirkung auf den Stoffweeh-^el 594. Salze; siehe die verschiedenen Salze. Salzplasma 125. Salzsäure, siebe Chlonvassei'stoffsäure. Samaudarin 541. Samen 377. Samenfäden 378, 379. Sautonin, Einwirkung auf den Harn 494, 508. Saponifikation der Neutralfette 94, 97, 290, 296, 315, 316—319. Sarkin, siehe Hypoxanthiu. Sarkolemma 338. SarkomeJauin 538. Sarkomelaninsäure 538. Sai-kosin 345; Verhalten im Tliierkörper 487. Sauerstoff; Aktivirung desselben 4 — 8, 143; im Blute 546, 552—556, im Darme 300, in der Lymphe 185, 550 , im Magen 275, in der Schwimmblase der Fische 559, in Sekreten 550—551; in Transsudaten 551, Bindung des Sauerstoffes im Blute 141,546, 553, 555 — 557, Tension desselben im Blute 553 — 557, in der Exspirationsluft 554 — 555, Wirkung auf die Tension der Kohlensäure 558, Kalorienwerth bei Verbrennung ver- schiedener Nährstoffe 570. Saoh-ßegister. 651 Sauerstoffaufnahme; bei Ai-beit und Ruhe 355, 359, beim Hungern 576, 578, durch die Haut 543. Sauerstoffmangel ; Wirkung auf Eiweisszerfall 350, 357, 358, 421, auniilehsäureausscliei- dung 350,470, auf Zuckerausscheidung 350. Sauerstoffmenge, spezifische 556. Sauerstoffiibertiäger 6, 7, 143. Sauerstoffzehning im Blute 145, 547. Schafmilch 405, 406. Schalenhaut der Hühnereier 50, 389. Scheinfütterung 261. ScheUfleisch 363. Scherer . Inositprobe 348 , Reaktion auf Leucin 62, Tyrosin 64. Schiff, Reaktion auf Cholesterin 250, auf Harnsäure 444, auf Harnstoff 426. Schilddrüse 203—206. Schildkröte, Knochen 327. Schildplatt 50. 540. Schlaf, Stoffwechsel 597. Schlangengift 14; Beziehung zur Blutgerinn- ung 162. 167, 168. Schleim, der Galle 227, 241, des Harnes 416 473, 501, der Synovia 197. Schleimdrüsen 44, 251. Schleimgewebe 322. Schleimsäure 83, 88, 400, Beziehung zur Glykogenbildung 215. Sehleimstoff, siehe Mucin. Schmalz: Resorption 317. Schmelz 331. Schmetterlinge ; Farbstoffe in den Flügeln 438, 539." Schneekeumucin 44. SCHRElSER'sehe Base 378. Schwefel; in Eiweissstoffen 18; s. im üebri- gen die verschiedenen Proteinstoffe ; im Harne 358, 472 ; Ausscheidung von Schwe- fel bei der .\rbeit 358, 472, bei Sauerstoff- mangel 472, neutraler und saurer Schwefel im Harne 472 , Verhalten im Organismus 473, 488. Schwefelmethümoglobin 147. Schwefelsäure ; Aethei'schwefelsäure und Sulfat- sehwefclsäure im Harne 454, 455, 480, Ausscheidung bei der Arbeit 358, durch den Harn 417, 480, durch den Schweiss 542, 543, Bestimmung 480, Verhalten zur Stickstoffausscheidung 358, 480, 566; Wir- kung auf Pepsin Verdauung 267. Schwefelwasserstoff; bei der Darmfäulniss 299, 301, im Hanie 472. Schweinefett, Resorption 317. Schweinefieisch 363. Schweinemilch 406. Schweiss 541 — 543, Absonderung 541, Ein- wirkung auf den Harn 418, 419, 485. SCHWElTZER's Reagenz 90. Schwimmblase der Fische; Gase 559; Guaniu 119. Sclerotica 376. Scyllit 201. Scynmol 228. Scvmnolschwefelsäure 228. Sebacinsäure 95. Sedimente, siehe Harnsedimente. Sedimentum lateritium 417, 44.3, 527. Sedimeutirung der Blutkörperchen 137. Seehundfett 99. Selinenmucin 44, 321. Sehnenscheidenflüssigkeit 197. Sehpurpur 372. Sehroth 372. Seidenleim 58. Seifen: im Blutserum 133, Chylus 185, 315. Eiter 199, Exkrementen 305, 306. Galle 227, 239, Bedeutung für die Emulgirung der Fette 291, 296,^316, 319. Selbstverdauung des Magens 279. Seliwasoff; Reaktion auf Lävulose 82,518. Semiglutin 56. Seminose. s. Mannose. Senföl ; Wirkung auf Pankreassaftabsonderung 288. Senna, Einwirkung auf den Harn 494, 508. Sericin 17, 58. Sericom 58. Serin 58. Serine 132. Serolin 133. Seröse Flüssigkeiten 189—197. Serum; s. Blutserum. Serumalbumin 17, 131, Nachweis im Harn 495 ; quantitative Bestimmung 133, 500, Resorption 309, Verhalten im Thierkörper 132, 388. Serumglobulin 17, 130, Beziehung zur Blut- gerinnung 164, Nachweis im Harne 495, quantitative Bestimmung 131, 500. Serumkasein s. Serumglobulin. Sinistrin, thierisches 48. Sinkalin 105 Skatol 21, 299, 300, Entstehung bei der Fäulniss 21, 299, 454, 460, Verhalten im Thierkörper 299, 454, 460, 490. Skatolamidoessigsäure 21. Skatolessigsäure 21. Skatolfarbstoffe 460. Skatolkarbonsäure 460. ', Skatoxyl 299, 460. ] Skatoxylglukuronsäure 460, 494. j Skatoxylschwcfelsäure 454, 460, im Schweisse : 542. Skeletine 57. Skelett, in veischiedenen Altern 329. Smegma präputii 540. Smith, Gallenfarbstoffprabe 508. Soldaten ; Verpflegung 606, 607. Spallungsprozesse, Allgemeines 1, 2, 8; sielie die verschiedenen Enzyme und Fermente. Spargeln, Rieclistoffe im Harne 494. I Speckhaut 161. I Speichel 252—260; Absonderung 258, 259, 1 gemischter Speichel 254, physiologische Bc- I deutung 259, Verhalten im Magen 259, verschiedene Arten von Speichel 252, 253, Wirkung 257, Zusammensetzung 258. Speieheldiasta.se; s. Ptyalin. Speicheldrüsen 251. 652 Sach-Registcr. SpeichelkonkiTriu'nte 259. Spektrophotoinetrie 154, 155. Sperma 58, 377-379. Sperraakrvstalle 378. Spermatia 379, Spei'matoceleflüssigkeit 195. Sperniatozocn 378, 379. Spermin 378. SphygniogeniD 206. Spiegi,er's Reageuz 497. Spinnengift 14- SpinneDexkrementc, Guauin darin 119. Spirograpliiu 46. Spirogyra, Züchtungsversuclie 123. Spongiü 17, 57. Stäbehen der Retina, Farbstofte 372, 373 Stärke 86 ; liydrolytiselie Spaltung durch Darm- saft 285, durch Pankreassaft 289, durch Speichel 255, 256, Kalorienwerth 571, Resorption 313, 314. Verhalten im Magen 374. Stärkeoellulose 86. Stärkegranulose 86. Steapsin 290, Stearin 94. Resorption 317. Stearinsäure 94. Sterkobilin 235. 306, 465. Sterkorin 250. Stethai 98. Stieko.xydhiiinoglobin 147. Stickstoff, freier im Blute 546, im Darme 301, im Magen 275, in Sekreten 551, in Trans- sudaten 551; gebundener Stickstoff, Menge desselben in Darmausleerungen 565 , im Fleische 363, 567, im Harne 422, Bestimm- ung im Harne 428, 432. Stickstoffausscheidung, bei Arbeit und Ruhe 357, 359, 598, beim Hungern 574, 575, bei verschiedener Nahrung 583 — 593, durch den Darm 312, 565, durch Harn 422, 477, 480, 564 — 566, durch Horngebilde 565, durch Schwei.ss 542, 565, Beziehung zur Phosphorsäureausscheidung 477, zur Schwe- felsäureaussclieidung 480 , 566 , zur Yer- dauungsarbeit 481, 565, 587. Stickstoffdefizit 565. Stickstoftgleicligewicht 565, hei verschiedener Nahrung 584, 586, 590, 592. Stier; Spermatozoen 379. Stör; Sperma 58, 379. Stoffwechsel; Abhängigkeit von der .\usseQ- temperatur GOO, in verschiedenen Altern 597, liei Arbeit und Ruhe 357—361, 598, 599, bei verschiedenen (jeselileclitern 596, beim Hungern 573 — 578, liei verschiedener Nahrung 583—598, im Schlafe und Wachen 600, Bereclinung der Grösse des Stoft'- wechsels 566—570, 578. Stoke's Reduktionsfliissigkeit 144. Stokvis' Gallenfarbstoffreaktion 508. Streptococcus, Verhalten zu Magensaft 278. Stroma der Blutkörperchen 138^ des Muskels 342. Stromafibrin 139. Strontiumsalze und Blutgerinnung 125. Struma 205. Stryehnin, Uebergang in den Harn 494. Sturin 58, 68, 379. Stutenmilch 405, 406. Subliugualisdrüse 251, Speichel 253. Submaxillarisdrüse 251, Speichel 252, Submaxillarismucin 44 — 46. Sulfone; Verhalten im Thierkörper 488. Sulfonsäuren ; Verhalten im Thierkörper 488. Sulfonalintoxikatiou : Harn dabei 504. Sumpfgas, im Darme 299. 301, bei der Fäul- uiss 20, 53, 299, 301, bei Gährung der Cellulose 301. bei Zersetzung des Lecithins 106, 301. Sympathicusspciehel 252. Synovia 197. Synovin 197. Synthesen 1, 2, von Aetherscliwefelsäuren 299, 454, 458, 460, 493, von Eiweiss 24, von gepaarten Glukurousäuren 455, 460, 471, 488, 493, von Harnsäure 437. 440, von Harnstoff 420, 423, 424, von Hippursäure 2, 451, von Zuckerarten 73. 77. Syntonin 32, 342, Kalorienwerth 571, 572. Tagatose 73. Talonsäure 83. Talose 83. Tataeiweiss 386. Taurin 233, 234, Vcrlialten im Thierkörper 487. Taurocholsäure 230, Menge in verschiedenen Gallen 241, 242, Vorkommen in Mekonium 307, Zersetzung im Darme 301 , eiweiss- fällende Wirkung 26. Taurokarbaminsäure 487. TEiCHMANN'sche Krystalle 150, 504. Tension der Kohlensäure; im Blute 555 — 558, in Geweben 559, in der Lymphe 185; des Sauerstoffes im Blute 552 — 557. Terpenglukuronsäure 493. Terpentinöl; Einwirkung auf Galleuabsonder- ung 226, auf den Harn 493—494, Ver- halten im Thierkörper 493. Tetanin 14. Tetronerythrin 155, 539. Thätigkeitswechsel der Orgaue 183. Thallin. Einwirkung auf den Harn 494. Thee, Einwirkung auf den Stoffwechsel 595. Thcobromin 116, Verhallen im Thierkörper 446. Theophvllin 116. Verlialten im Thierkörper 446. ■ Thioalkoliole, Verhalten im Thierkörper 488. Thioglykolsäure, Verlud ten im Thierkörper 48S. Thiomilchsäure 51. Thioplien ; Verhalten im Tliierkörper 492. Thiopliensäure ; Verhalten im Thierkörper 492. Thioplienursäure 492. Thräuen 376. Thrombin 128, 129, 104-107. Thrombosin 165. Thymin 112. Thyminsäure 112. Sach-ßegister, 653 Thymus 203 , Bezieh\ing znr Allantoinaus- scheiduug 450. Thymusnukleiusiliire 111. Thyreoantitoxiu 204. Thyreoidea 203—206, Beziehung zum Eiweiss- zerfall 204. Thyreojjroteid 204. Thyreopioteine 203. Tjufikose 400. Todtenstarre des Jluskels 339, 352. TOLLENs', Eeaktiou auf Pentosen 519. Toluhydrochinon 402. Toluol ; Verhalten im Thierkörper 451, 490. Tolursiiure 491. Toluylcndiaminvergiftung 247. Toluyisäure 491. Tonus, chemischer der Muskeln 354. Tiixalbumin 15, Beziehung zur Blutgerinnung 162. Toxine 13, 207. Transsudate 189 — 197, 551. Traubenmuleu 391. Traubensäuren ; Verhalten im Thierkörper 487. Traubenzucker 78—82, im Blute 134, 174, 219, 220—224, im Harne 180, 221. 470, 508—518; in der Lymphe 185, in Muskeln 349, Darstellung 81, Kalorienwerth 571, Nachweis 81, 509 —513 ; Reaktionen 79—81, Resorjition 313, 314, quantitative Bestim- mung im Harne 513—518. Trehalose 86. Tribromamidobenzoesäure 22. Tribomessigsaure 22. Tricalciumkasein 397. Trichloräthylglukuronsäure, s. Urochloral- sUure. Trichlorbutylalkohol , Verhalten im Thier- körper 489. Trichlorbutylglukuronsäure 489. Trichloressigsäure, Reagenz 26, 28. Trichlorpurin 116. Trinitroalbumiu 22. Triolein 95. Tripalmilin 95. Trippelphosphat: in Harnsedimenten 527, 529, in Harnsteinen 530, 531. Tristeurin 94. Trocknendes Fett im Thierreich 96. TnOMMER'schc Zuekerprobe 79, 509, Ver- halten zu Glukuronsäure 471, zu Harn- säure 444, zu Kreatinin 435. Tropenbewohner ; Stoffwechsel 601. Trypsin 288 , 291 . Einwirkung auf Eiwciss 292, auf andere Stoffe 294. TiTpsinverdauung 292, Einwirkung ver- schiedener Umstände auf dieselbe 293, Pro- dukte 20, 07, 68. 293. Trypsinzyniogen 291, 295. Tr'yptoi>han 20, 293, 294. Tubo-ovarialcysten 383. Tunlcin 536. Turaciu 539. Turacoverdin 539. Typhotoxiu 14. Tvrosin 63, im Harne 524, in Sedimenten "524, 529, Nachweis 65, 524, Ursprung 20, 21, 63, 299, Verhalten bei der Fäulniss 299, 452, 454, Verhalten im Thierkörper 489, 491. Tvrosinschwefelsäure 63. üebei-firnissen der Haut 543, 544. TTPFELMANN, Reagenz auf Milchsäure 281 Ultzmanx, Gallenfarbstoffprobe 508. Unterschweflige Säure im Harne 473, 488. Urämie; Galle 243, Mageninhalt 280, Schweiss 542. Uramidobenzoesäuren 492. Uramidosäuren 487. Urate 443, in Sedimenten 417, 527, 528. Ureide 19, 437, 450. Üreometer, nach EsBACH 433. Urethan, s. Karbaminsäureäthylester 433. Uricacidämie 181. Urobilin 463, 464—469 ; Beziehung zu Bili- rubin 235, 245, 465, zu Choletelin 463, zu Hämatin 245, 465, zu Hämatoporphyrin 152, 465, zu Hydrobilirubin 235, 465.' Urobilinikterus 466. Urobilinogen 463, 467. Urobilinoidin 465. Urocaninsäure 474. Urochloralsäure 471, 488. Urochrom 463. 464. Urocyanin 463. Uroerythrin 463, 469. Urofuscohämatin 505. Uroglaucin 463. Urohämatin 464. Uroleucinsäure 463. Uromelanine 463. Urometer 419. Uronitrotoluolsäure 494, Urophaein 463. Uroroscin 464, 505. Urorubin 464. Urorubrohämatin 505. Urospektrin 504. Urostealithe 532. Uroxonsäure 437. Uroxanthin 458. Urrhodin 464. Utcriuniilch 391. Valeriansäure 19. Vegetarier; Ernährung 591, 604, Exkremente 305. Verbrennungswärme der Nährstoffe 571, 572. Verdaulichkeit der Nährstoffe 276, 277, 312, 315, 317. Verdauung 251 — 320. Verdauungsleu kocy tose 179, 438. Vernix caseosa 540. Verseifung der Fette, s. Saponifikation. Verseifungszahl 97. Vcsikatorblasen 196. ViTALl; Eiter-Blutprobe 503. 654 Sach-Register. Vitelliu 17, im Eidotter 384, im Protoplasma 103. Vitellolutem 386. VitfllorubiD 386. Vitellosen 35. Wachs; bei Pflanzen 99, 540. Wärme ; Einwirkung auf den Stoffwechsel 596. 600. Wärmeentwickelung bei Pflanzen 2. Wärmeverlu.ste durch die Haut 543, 596. Wallrath 98. Wallrathöl 98. Wasser; Ausscheidung durch den Harn 484 bis 486, 564, durch die Haut 541, 564, beim Hungern 576 , Bedeutung für den Thierkörper 579 , Gelialt der Organe an Wasser 579, Mangel daran in der Nahrung 579. WasserstoflF, bei Fiiulniss- und Gährungsvor- gängen 8, 299, 301. Wasserstoff hyperoxid, im Harne 483, bei Oxydationen 6, Zersetzung durch Enzyme 11. Wassertrinken, Einwirkung auf Ausscheidung von Chloriden 474, von Harnsäure 439, von Harnstoff 598, Wirkung auf Fettansatz 594, auf Harnabsouderung 484, 485. Weidkl, Xanthinreaktion 118. Weinsäure, Beziehung zur Glykogenhildung 215, Uebergang in den Seh weiss 543, Ver- halten im Thierkörper 487. Weizenbrod, Eesorption 312. Wenigerdrehung 74. Weyl, Kreatininreaktion 435. Wismuth, Uebergang in die Milch 413. Wollfett 250, 541. WORM-MÜLLEE, Zuckerprobe 510. Xauthin 116, US, im Harne 446, in Harn- konkreraenten 532, in Harnsedimenteu 529, Nachweis und quantit. Bestimmung 121, 122. 448. Xanthinsteine 532. Xanthinstoö'e s. Nukleinbasen. Xanthokreatinin 347, 357, 436. Xanthophan 374. Xauthoprote'insäure 26. Xanthoproteinsüurereaktion 26. Xanthorbamnin 76. Xylol, Verhalten im Thierkörper 491. Xylose 76, 90, Beziehung zur Glykogenhild- ung 76, 215. «ahne 331. Zalingewebe 331. Zahnstein 259. Zapfen der Retina; Farbstofle 374. Zelle, thierische 100-124. ZcUbestaudtheile ; primäre und sekundäre 101. Zellfibriuogen 114. Zellglobuline 102, 138. Zellkern 108, Beziehung zur Faserstoffgerinn- ung 158, 163. Zellmembran 104. Ziegenmilch 405, 406. Zimmtsäure; Verhalten im Thierkörper 451. Zink; in der Galle 240, der Leber 212, Uebergang in die Milch 413. Zoonerythrin 539. Zoorubin 539. Zoofulvin 539. Zucker; Beziehung zur Arbeit 355, 359, 360, Entstehung aus Fett 219, 360, aus Pepton 219, Verhalten nach subkutaner Einver- leibung 217, zu Blutkörperchen 160, s. im Uebrigen die verschiedenen Zuckerarten. Zuckerbildung; in der Leber 218—220, 222 —224, nacii Pankreasexstirpation 223—224. Zuckerharnruhr, s. Diabetes. Zuckerproben im Harne 509 — 513. Zuckersäure 71, 470, Beziehung zur Glykogen- büduug 215. Zuckerstich 222. Zwiebeln; Verhalten zu Speichel 257. Zymase, aus Hefe 10. Zymogeue, s. die verschiedenen Enzyme. Zymoplastische Substanzen 164, 166, 167. Efkläruno; der Spektraltafel. Erklärung der Spektraltafel. Fig. 1. Abäorptionsspeklrum einer Lösung von Oxyhamo