one; ar e 0 Ragaz in für die = Naturkunde Helvetiens. Herausgegeben — von D. Albrecht Hoͤpfner, Stadt-Apotheker in Biel, der Churfuͤrſtl. Mainziſchen Akademie der Wiſſenſchaften; der Natur⸗ forſchenden Geſellſchaft in Zuͤrich; der phyſikaliſch⸗ oͤkonomiſchen in Bern; der mediziniſchen, phyſikaliſch-botaniſchen in Baſel; der Naturforſchenden in Halle; und der Geſellſchaft der Berg⸗ baukunde Mitglied , der Koͤniglichen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Goͤttingen Korreſpondenten. Dritter Band. — Zuͤrich, bey Orell, Geßner „Fuͤßli und Comp. 1788, * ir FAN 7 2 vr 7 } 8 8 5 2 75 15 an a E vi N N 4 n ze ven r . & \ ne 29 5 dns si 10 1 Fr „ 1 R “Äh A „ieee n Y 8 5 RR ' Der Preis würdigen Naturforſchenden Geſelſchaft den 3uͤr ich. 274 5 * Wohlgeborner Herr Praͤſtdent! Hoch Edelgebohrne, Sochgeehrteſte Herren! Waun unſere vaterlaͤndiſche Naturforſchende Privat- Geſellſchaft in Bern — noch vor ihrer nähern Vers bindung — durch Mithilfe, Beytraͤge und freunds ſchaftliche Unterſtuͤtzung geholfen hat, den keimenden Stoff meiner Arbeit zur Reife zu bringen; ſo bekenne ich hingegen gerne, und mit dem waͤrmſten Dank, daß Sie, verehrungswuͤrdigſte Herren! die erſten geweſen ſind, welche mich durch eine oͤffent— liche Beehrung und Aufmunterung in der Fortſetzung dieſer muͤhſamen Sammlung beſtaͤrket haben. Ruere weiſen Nähe, Euere gütigen Beur⸗ theilungen meiner Verſuchen, und die herablaſſende Art, womit verſchiedene Gelehrte aus Euerm Krei⸗ ſe und Mittel dieſe Sammlung ihrer Beytraͤge ge⸗ wuͤrdiget haben, legen davon den treffendſten Beweis ab, und verſichern mich nun der angenehmen Gewiß⸗ heit, dieſe Arbeit nicht in der Zeit der Bluͤthe er: ſticken zu ſehen. 2 Durch meinen Eifer und Beſorgniß, Euere vi: terliche Erfahrungsreiche Anleitungen zu befolgen, und durch meine Bemuͤhung dieſer Anſtalt immer mehr Vollkommenheit und Gemeinnuͤtzigkeit zu verſchaffen, werde ich zu zeigen ſuchen, wie ſehr ich die Aufmun— terung und den Beyfall einer fo allgemein anerfann: ten Gelehrten Patriotiſchen Verſammlung zu ſchaͤ⸗ zen weiß. Ich verharte in aller ehrfurchtsvollen Hoch⸗ achtung | Ew. Wohl: und Hoch Edelgebohrnen Bern, den 10. Mer; 1788. Ergebenſter Diener und Mitglied, Doct. Albrecht Zoͤpfner. Bio, e ee e 0 | Och ſchmeichle mir durch die geſchwinde Erſcheinung dieſes dritten Bandes, und durch ſeinen Inhalt auf eine angenehme Weiſe darthun zu koͤnnen, daß der Nutzen dieſer Sammlung und meine Abſicht mit der⸗ ſelben nicht verkannt worden iſt. Im Gegentheil kann ich auch hier nicht vorbeygehen, mit Vergnuͤgen die wahrhaft vaterlaͤndiſche, edle, uneigennuͤtzige und eifrige Art zu ruͤhmen, mit welcher man mich, for wohl öffentlich als bey andern Gelegenheiten aufmuns tert und mit lehrreichen Beytraͤgen unterſtuͤtzet. Bey der zunehmenden Vermehrung der Anzahl mei; ner Unterſtuͤtzer und Mitarbeiter wird mein Muth und mein Eifer in feiner erſten thaͤtigen Richtung er: halten, die Auswahl wird ſtrenger und fuͤr den Kaͤu— fer zutraͤglicher, die Mannigfaltigkeit unterhaltender, nnd der Genuß angenehmer. Außer dem Verſuche einer Beantwortung der Preis— frage uͤber den Buttermangel — enthaͤlt dieſer Band nichts von meiner eigenen Arbeit; und dieſes erfreuet mich nicht wenig, indem es mich der unangenehmen Lage entlediget, zu oft ſelbſt auftreten zu muͤſſen, und mich beſſern Aufſaͤtzen Platz machen laͤßt. Ich beziehe mich auch hier, und wiederhole es Wort fuͤr Wort, was ich in einer Note bey meiner Butter⸗Abhandlung angefuͤhret habe, nemlich: Daß dieſelbe ſchon einige Monate war vorgeleſen und dem Herrn Praͤſidenten der Lobl. Oekonomiſchen Geſell— ſchaft, Herrn Landvogt von Tſcharner, zur Durch— ſicht mitgetheilt worden, ehe mir eine einzige uͤber dieſen Gegenſtand eingelaufene Preisſchrift zu Geſicht gekommen iſt; daß ich alſo dieſe Arbeiten (einige ein⸗ zelne mit Unterſchrift eingelaufene Briefe — die allge⸗ meine Klagen und keine Data enthielten, ausgenom⸗ men) weder benutzt habe, noch haͤtte benutzen koͤnnen. Ich verſpreche aber, daß alle die Berichtigungen, VIII 8 Vorrede. Ergaͤnzungen, Data, und begründete Widerlegungen, welche mir einkommen ſollten, oder ich mir ſelbſt zu ſammeln das Gluͤck habe, hier nach und nach ſollen eingeruͤckt werden, um mit der Zeit ein Ganzes uͤber dieſen Gegenſtand zuſammen zu bringen. | Mit den beyden lehrreichen von bewährten Kennern verfaßten Preisſchriften über den Thonſchiefer, Horn ſchiefer ꝛe. glaube ich allen wahren Mineralogen kein unangenehmes Geſchenk zu machen. Schon ſeit vie⸗ len Jahren trage ich Materialien zu einer kuͤnftigen Mineralogie und Oryktognoſie unſers Helvetiens zu: ſammen, um ſolche entweder einſtens mit Gelegenheit und bey beſſerer Erfahrung auszuarbeiten, oder bey Mangel von Muße und bey Zweifeln an meinem Ver⸗ moͤgen ſolches auszufuͤhren, Gelehrtern zum wenig⸗ ſten zuverlaͤßige Data in die Hände zu liefern. Die Gebirge Helvetiens enthalten einen faſt um uͤberſehbaren Schatz von Stein und Gebirgsarten, — nicht in bloßen Abaͤnderungen von ſchon bekannten Ger birgsarten, wie manche gerne behaupten wollten, ſon⸗ dern in beſtimmten beſondern Gattungen oder Arten, je nachdem man ſich ein Syſtem bildet oder annimmt. — Wer auf unſer Wort und unſere Beſchreibung nicht gehen will, nun der reiſe ſelbſt hin, oder heſe⸗ he zum wenigſten die Cabineter eines von Sauſſuͤre und Tollot in Genf, und des Hrn. Freyherrn von Erlach von Spietz, itzt regierenden Landvogts zu Lau⸗ ſanne, des Herrn Generalkommißarius von Manuel, des Hrn. Pfarrh. Wytenbach und das meinige in Die ſem Fache. — Wahrheit wird ihn denn ſchon uͤberzeugen. Bey den meiſten Gebirgsarten konnte ich mich ſchwerer oder leichter herausfinden; allein bey den ſogenannten Schiefern, Hornſchiefern, Wacken u. dgl. wußte ich nicht weiter zu kommen, und zwar nicht ſowohl aus Mangel eigenen Gefuͤhls, als aus Furcht dieſem vielleicht zu viel zu trauen. Ich durch gieng meine ganze mineralogiſche und oryktologiſche Bibliothek, und fand Widerſpruͤche, Unbeſtimmtheit Vorrede. 1X und ſchwankende Willkuͤrlichkeit, hin und wieder aber, einige meiner Grundſaͤtze und Begriffe erlaͤutert und beſtaͤtiget. Meiner Sache gewiß zu ſeyn, verſchrieb ich mir aus Sachſen, ab dem Harz, ſo gar aus Schweden obgenannte Gebirgsarten. Allein die gleich benennten Geſteine waren einander ganz unaͤhnlich; und um meine Ungewißheit vollkommner zu machen, erhielt ich von meinem verehrungswuͤrdigen Freunde von Sauſſuͤre, eine Suite von Gebirgsarten, und fand unter ſeinen Pierres de Corne, Rocher de Corne neue Geſteinarten, die noch nirgends beſchrie— ben waren. Was nun anfangen in dieſer Verlegen: heit? Meine ganze Arbeit liegen laſſen? oder Luͤ— ken darinn offen ſtehen laſſen? oder durch Unbeſtimmt—⸗ heit, Trivialitaͤt und eigenſuͤchtige Autorität die Ver⸗ wirrung vermehren ? Keines dieſer Alternativen — das letzte am wenigſten — gefiel mir. Aus dieſer Verlegenheit wußte ich mich nicht anders herauszuhel— fen, als durch eine kleine Preisfrage einige erfahrne Mineralogen, welche ſich in der Lage und in Verhaͤlt— nißen befinden, hieruͤber wahre und richtige Auskunft zu geben — aufzufordern und anzureitzen, dieſen ver⸗ wirrten aber wichtigen Gegenſtand vollkommen zu ers oͤrtern und ins Reine zu bringen. Ich glaubte richtig zu urtheilen, wann ich annahm, daß nur die Ehre und das Bewußtſeyn, einen lehrreichen Beytrag zur Vervollkommnung der Mineralogie und Oryktognoſie abzugeben, einige verdienſtvolle Männer bewegen koͤnn⸗ te, uͤber dieſe Fragen nachzudenken und zu arbeiten, und daß nur derjenige ſiech mit einer Beantwortung abgeben werde, welchem es mehr um Aufhellung der falſchen Begriffe und Ausbreitung richtiger Grund⸗ füge, als um Erhaltung eines ſehr geringen Prei⸗ ſes zu thun wäre, Ein Preis, der mehr zur Be leg meiner guten Abſicht, als zu einer Beloh—⸗ nung, welche nicht in den Kraͤften eines arbeitenden und von ſeinem Berufe ſich ernaͤhrenden Mannes iſt,, und ſeyn kaun — dienen ſollte. | x Vorrede. Und mein Urtheil hat mich auch nicht betrogen. Zwey verdienſtvolle Gelehrte, Herr Berg: Sekreta⸗ rius Voigt in Weimar, und Herr Bergkadet Kar⸗ ſten in Halle, haben dieſe Preisfrage aus gedach⸗ tem lobenswuͤrdigen Geſichtspunkte angeſehen, und auf eine Art beantwortet, daß ich mir ſchmeicheln und mit der groͤßeſten Zuverſicht hoffen kann, dieſe mineralogiſche Streitfrage nun ſo viel als an ihrem Orte zu wiſſen. | Allein ein Umſtand bekuͤmmert mich noch ſehr, und wird noch Schwierigkeiten verurſachen. Werden auch alle Mineralogen dieſe Auseinander⸗ ſetzungen und Beſtimmungen annehmen? Wenn es eigentlich und wahrhaftig darum zu thun iſt, die Fof ſilien eben ſo ſyſtematiſch und gruͤndlich eingetheil und beſchrieben zu wiſſen, als das Thier⸗ und Pflanzenreich wirklich iſt. — Wer ohne Vorurtheil einfieht , daß es nach itziger allgemeiner Lehrart un: moͤglich iſt, richtige auf unveraͤnderlichen Grundſaͤtzen beruhende Begriffe von allen Foßilien zu erhalten; — wer die Erfahrung gemacht hat, wie die vielen unbe⸗ ſtimmten willkuͤrlichen Beſchreibungen der Foßilien ſo truͤglich ſind, daß fie oft genug das gar nicht ausdruͤ⸗ ken und beſtimmen, was man durch dieſelben verſte⸗ hen zu geben vermeynet, und bey den Originalen folg⸗ lich unanwendbar werden. — Wer ferner geſehen hat, wie oft Foßilien vielfach und verſchieden benennet ſind, welchen doch nur ein Name gehoͤret, und hinge: gen, wie viele Foßilien gar nicht mit Benennun⸗ gen belegt ſind, welche doch, gewiß beſtimmte Namen verdienen. — Wer von, dieſem allem uͤberzeuget iſt, der wird gewiß gerne ſeine Haͤnde bieten, eine rich⸗ tige, beſtimmte Terminologie einfuͤhren und un⸗ terſtuͤtzen zu helfen. Was nuͤtzen Namen, mit welchen man keinen ſichern Begriff verbinden, was nuͤtzen Beſchreibungen, wenn man ſie ihrer Unbeſtimmtheit und Willkuͤrlichkeit wegen nicht anwenden kann? Was nuͤtzen Eintheilungen, wenn ſie nicht nach richtigen Vorrede. XI unwandelbaren Grundſaͤtzen und einer dem Gegenſtand angemeſſenen gefunden Logik klaßificirt ſind? So lange man alſo uͤber dieſe Punkte und weſent⸗ liche Nothwendigkeiten nicht einſtimmig handeln und denken wird, ſo lange muß die Mineralogie immer ein ſchwankendes Studium bleiben: Jeglicher Lehrer wird nach feiner eigenen beſondern Lehrart eigene be: ſondere Schüler bilden, deren Begriffe von den Fof filien , folglich von den Begriffen anderer Lehrer und anderer Schuͤler unterſchieden ſeyn wird, und alſo Unterſchiedenheit fortgepflanzet werden muß, bis man endlich doch ſich gezwungen ſehen wird, ſolche Grund: ſaͤtze anzunehmen, welche einer ſonſt unvermeidlichen und gewiß ſchaͤdlichen Verwirrung vorbeugen koͤnnen. Oder wer ſieht bey dem itzigen allgemeinen Fort gang nicht taͤglich Proben und Beyſpiele von Mißkennt⸗ niß und Unkenntniß in dieſer Wiſſenſchaft? Ich geſtehe aufrichtig — niemand hätte leichtere Ge: legenheit und vermittelſt vieler in der That noch unbe: kannter Gebirgs⸗ und Steinarten einigermaßen ein Recht Foßilien neue Namen anzuhaͤngen, als der hel— vetiſche Oryktolog. Allein ich zum wenigſten habe mich vor aller Neuerung allezeit ſo in Acht genommen, als werde ich die groͤßte Ketzerey begehen; und nur nach langem Kämpfen und Ueberlegen wagte ich es in ei⸗ nem bloßen Verſuche und Anfrage, die Granitarten u. ſ. w. ſo auszudehnen, wie ſolche in meinen Tabellen im erſten Bande dieſes Magazins eingetheilet ſind, und wie — zum wenigſten nach meinem Begriffe — die Be⸗ nennung unmoͤglich anders angewendet werden kann, als ich verſucht habe zu beſtimmen. Verſchiedene neuere Schriftſtellen Gerhard und von Sauſſuͤre ausgenommen, unter anderm Wer⸗ ner in ſeiner Klaßifikation der Gebirgsarten, nehmen noch immer diejenige gemengte und zuſammengeſetzte Gebirgsart, welche aus Quarz, Feldſpat und Glim⸗ mer beſteht, blos allein unter dem Namen Granit an; und benennen alle, auf ähnliche Weiſe zuſammen XII Vorrede. geſetzte Gebirgsarten, welche in nichts als in der Ven ſchiedenheit der eingemengten Beſtandtheile von eins ander abweichen — jegliche auf eine Art, als wenn ſie gar nicht zu den Granitarten gehoͤren, wie Gruͤn⸗ ſtein c. Man glaubt, jene in Ruͤckſicht des Gehalts ihrer eingemengten Beſtandtheilen ſo verſchiedene, in Ruͤckſicht ihrer Bildung und Zuſammenſetzung aber vollkommen gleiche Granitarten ſeyen bloße Abaͤnde⸗ rungen, Ueſter, Baͤnder u. ſ. w. von der einzig als Granit angenommenen Granitart. r Allein hier betriegt man ſich am meiſten. Jene von mir in meinem Verſuch angefuͤhrte Menge von Granitarten, und noch mehrere von mir und von Sauffure ſeither neu entdeckte — find Gebirgsarten im wahren eigentlichen Sinne, machen den Stoff von großen Gebirgsſtrecken, Felſen, Baͤnken und Lagern aus, ſind nicht bloße Baͤnder oder Neſter in jener ein⸗ zig als Granit angenommenen Gebirgsart, fondern als fuͤr ſich beſtehende Arten anzuſehen. Ich weiß zwar gar wohl, daß es viele Gegenden giebt, welche keine andere Granitart enthalten, als die aus Quarz, Feld; ſpat und Glimmer beſtehende gewoͤhnliche Granitart. Allein dieſes beweiſet fuͤr das Ganze nichts; — und doch haben Charpentier (in ſeiner Mineralogi⸗ ſchen Geographie) Gerhard (in ſeinem Grundriſſe), Gmelin (in der deutſchen Ueberſetzung von Linné), von Sauſſuͤre (in feinen Alpen: Reifen), fo viel verſchiedene granitartige Gebirgsarten angezeiget, mel: che von jenem gewoͤhnlichen Granite, in Ruͤckſicht der abwechſelnden beygemengten Beſtandtheile abgehen, und alle dem ohngeachtet ihre Stelle, Beſchreibung und Namen verlangen. 1 Ich glaube daher, es noch immer vertheidigen koͤnnen, dem Granit diejenige Beſtimmung gegeben, und den gewoͤhnlichen Granit als eine Unterabtheilung und beſondere Art der Granitarten eingeordnet zu ha⸗ ben. Oder, da alle andere Granitarten in dem Be⸗ griffe (unter welchem man den gewoͤhnlichen Granit Vorrede. XIII beſchreibt und kennet) mit demſelben uͤbereinkommen, wie kann man anders das groſſe Heer der jetzt bekann⸗ ten (und der vielleicht noch nicht entdeckten) Granitar⸗ ten eintheilen und beſchreiben, als daß man die Unter⸗ ſcheidungs⸗ und Eintheilungszeichen von den abwech— ſelnden Beſtandtheilen — aus welchem die Granitar⸗ ten zuſammengeſetzt ſind — annimmt? Nehme ich aber die Granitarten unter dem allgemei: nen Begriffe an, welchen ich bey meiner Klaßifikation zum Grunde geleget habe, — fo kann auch bey der aus: gedehnteſten Menge dieſer Gebirgsarten nicht die ge ringſte Unordnung oder Ungewißheit entſtehen, ſondern jeder Mineralog (wenn man anders nicht gar ein Idiot in der Kenntniß der Beſtandtheilen der Granitarten, als Quarz, Feldſpat, Glimmer, Schoͤrl, Hornblen— de, Granaten, Jade, Speckſtein, Chlorit u. dgl. iſt) ſich bey jeglicher Granitart alſobald zu finden wiſſen, und ſagen koͤnnen: Dieſe, jene Granitart iſt ein ein⸗ facher Granit, der aus Quarz und Schoͤrl, ein gemeiner Granit, der aus Quarz, Feldſpath und SHornblende, ein vielfacher Granit, der aus Quarz, Schoͤrl, Glimmer und Jade zufammen: geſetzt iſt. Wer wird alsdann nicht auch ohne Origi⸗ nal das Geſtein ſich vorſtellen koͤnnen; und das ſoll ja das Ver dienſt und der Nutzen einer richtigen deutlichen Beſchreibung eines Foßils ſeyn, daß man auch in den entfernteſten Gegenden von einem Foßil eben das den⸗ ken und begreifen koͤnne, was der Schriftfteller in ſei— ner Beſchreibung gedacht und begriffen, — und daß man vermoͤg genau beſtimmter Ausdruͤcken in der Spra⸗ che der Kennzeichen das Geſagte allemal ſo verſtehe, wie man es verſtanden haben will. Allein wahrlich ohne eine aͤuſſerſt beſtimmte allgemein angenommene Kunſtſprache und Terminologie wird in der Mineralogie nie weit vorgeruͤckt werden, ſondern das meiſte leider noch Empirie bleiben. Moͤchte daher doch endlich der ſo gruͤndliche und ſo erfahrne Minera⸗ log, Herr Prof. Werner, durch feine verfprochene XIV Vorrede. Schriften fortfahren, dieſem ſo willkuͤrlichen Mineralo⸗ giſiren ein Ende zu machen, und moͤchten doch die mei⸗ ſten, oder wo möglich alle Nachfolger und kuͤnftige Mir neralogen, ſeinen Fußſtapfen folgen, und ſo beſtimmt und deutlich beſchreiben, daß man von ihren mi: neralogiſchen Werken wahren Nutzen ſchoͤpfen koͤnne; alsdann, und alsdann erſt kann man den ausgezeichneten Vortheil von dieſer Wiſſenſchaft erwarten, der nicht anders gehoffet werden kann und ſoll. Dieſes hab ich noͤthig gefunden vorauszuſchicken, um den Leſern und Liebhabern der Mineralogie die Aus⸗ arbeitung einzelner Gattungen und Arten von Foßilien zu Gemuͤth zu führen und zu empfehlen, und fie zu bit: ten, auf die Folge kuͤnftiger Preisfragen aufmerkſam zu ſeyn, wozu ich den kleinen Ueberſchuß meines Schrift⸗ ſtellerverdienſts anzuwenden gedenke. Von den beyden erſten Abhandlungen in dieſem Bande darf und will ich nichts ſagen; der Inhalt und der Ruhm ihrer Verfaſſer redet genug. Eine Bitte aber wage ich an dieſe verehrungswuͤrdige Patrioten im Na⸗ men des Publikums, — naͤmlich dieſe Anſtalt noch fer⸗ ner mit aͤhnlichen vortreflichen Aufſaͤtzen zu unterſtuͤtzen; fallen wird ſie gewiß nicht. Damit die zu einem Bande beſtimmte Bogenzahl nicht uͤberſchritten werde, habe ich ein und andere Briefe an mich, welche wegen ihrem wichtigen Syn: halte bekannt gemacht zu werden verdienen; unter an⸗ dern ein Schreiben von Herrn Bergrath Charpentier, der viele Zweifel gegen meine Klaßifikation der Gebirgs⸗ arten enthaͤlt, auf den vierten Band ausgeſetzt. Dieſer vierte Band wird aber erſt Ends dieſes Jah⸗ res erſcheinen, indem die meiſten meiner Mitarbeiter und ich den kuͤnftigen Sommer wie gewoͤhnlich auf Gebirgsreiſen zubringen werden. Vielleicht aber er ſcheint ein fünfter zur Oſtermeſſe 1789. 25 Bern, den 1. Merz 1788. Dr. Zoͤpfner. f eh "a ie des dritten Bandes. 7 I. Ueber die Perfektibilitaͤt des Menſchengeſchlechts. Von J. Ith, Profeſſor in Bern. Seite 1 II. Beantwortung der Frage: Iſt die Handelſchaft, wie ſolche bey uns beſchaffen, unſerm Lande ſchaͤdlich oder nuͤtzlich, in Abſicht auf den Feld⸗ bau und die Sitten des Volks? Von Herrn Dokt. Rathsherr und Stadtarzt Sirzel. ; 53 III. Chemiſche Unterſuchung des helvetiſchen Topfſteins. Von Herrn Wiegleb in Langenſalza. 157 IV. D. C. Guſtav Karſtens gekroͤnte Preisſchrift uͤber den Thonſchiefer, Hornſchiefer und Wacken. 167 V. Herrn Voigts gekroͤnte Preisſchrift über die naͤmliche Aufgabe. f s ; 237 VI. Herrn 3. K. Nuͤſcheler, Beantwortung einer Preisfrage uͤber die Urſachen von dem Mangel und dem hohen Preiſe des Butters im Canton Bern ꝛc. 5 3 ; 269 * Inhalt des dritten Bandes. VII. Anhang zu vorhergehender Beantwortung. Von dem Herausgeber. ? „ Sciite 281 VIII. Beſchreibung des Pfefferſer Geſundbrunnen. Von Herrn Doktor Hirzel, dem jgrn. in Zuͤrich. 333 IX. Zuſchrift der Lobl. Phyſikal. Oekonomiſchen Ge ſellſchaft in Zuͤrich, an die ehrſame Gemeinde Altſtaͤtten bey Zürich. WER; 369 X. Vorſchlag verſchiedene Erze vorzüglich die Kupfer⸗ erze auf eine neue Weiſe zu probiren. Von Hrn. Direktor Exſchaauet zu Servoz im Faucigny. ‚389 XI. Neue Verſuche den Stahl zuzubereiten und das Gold zu reinigen und von ſeiner Sprödigkeit zu befteyen. Von ebendemſelben. 13 XII. Recenſionen. * u 1500 e 413 XIII. Nachrichten. 108 2 „4337 — Ueber | le die Perfectibilitaͤtrt des Menſchengeſchlechts. Von J. Ith, Profeſſor der Philoſophie in Bern. Si vero iisdem imperiis & poteſtatibus parent, multo etiam ma- gis parent huic cæleſti defcriptioni mentique divinæ & præpo- tenti Deo. Cicero de Legg. T. 1. e. 7. — = — 2 — — - 7 Magaz. f. d. Naturk. Zelvetlens. ULB: 2 — 2 Ueber die Perfectibilitaͤt Were i des Verfaſſers an den Herausgeber, über die F 0 Ob und wie ſich die Perfectibilitaͤt der Menſch⸗ heit aus der Geſchichte derſelben erweiſen laſſe? Wein Herr! Sie glauben, die Gelegenheitsreden, die ich waͤhrend meinem Rectoramt an dem jaͤhrlichen Schulfeſte uͤber die Perfectibilitaͤt der Menſchheit gehalten habe, koͤnnten wohl eine Stelle in ihrem Magazine finden. Daß ich Ihnen dieſelben Preiß gebe, iſt eine Folge meiner Ach⸗ tung fuͤr Ihr Urtheil, und wirkliche Zuruͤckſetzung meines eigenen. Ich hatte nie die Abſicht ſie drucken zu laſſen, folglich gab ich mir auch nicht die Mühe, weniger bes kannte Thatſachen zu ſammeln; ich hatte nicht das Publikum, ſondern bloß meine Zuhoͤrer im Auge. Eigentlich find dieſer Reden drey. Ich ſchloß alſo: Wenn ein wirklicher Fortſchritt in der Menſchheit Platz findet: fo muß derſelbe in dem Gemälde der groͤſſern Welt begebenheiten ſichtbar ſeyn: ſo muß die Erde, an deren Beſchaffenheit die Vorſicht das Schickſal des Menfchens * des Menſchengeſchlechts. E geſchlechts geknuͤpft hat, allmaͤhlich vollkommener wer⸗ den; und dann muͤſſen zugleich auch ſchon in der phyſi— ſiſchen Anlage der menſchlichen Organiſation die Keime dieſer Beſtimmung verborgen liegen. Dergeſtalt lag ein dreyfaches Feld vor mir offen. Die erſte Unterſuchung mußte aus der Geſchichte der Menſchheit, die zweite aus der Phyſik der Erde, die dritte aus der Naturgeſchichte des Menſchen geſchoͤpft werden. Die Reſultate dieſer Unterſuchungen nun trug ich in jenen drey Reden vor. Wegen ihres hiſtoriſchen Inhalts iſt die erſte in den Zweck Ihres Magazins nicht einſchlagend; und ich uns terdruͤcke fie deſto lieber, da Herder ſeither eben dieſelben Reſultate herausgebracht hat, ) und wahrſcheinlich noch weiter ausfuͤhren wird. Daß ein Mann, für deſſen Kenntniß und Scharfſinn ich ſo viel Hochachtung fuͤhle, gerade auf demſelben Weg zu den nemlichen Schluͤſſen kam, das hat meine Zweifel nicht wenig vermindert. Sonſt, ich will es frey geſtehn, hielt ich meinen Beweis an ſich kaum fuͤr etwas mehr, als fuͤr eine wuͤnſchenswerthe Wahrſcheinlichkeit. Denn die Frage, ob ſich die Perfectibilitaͤt der Menſch— heit aus der Geſchichte derſelben erweiſen laſſe? iſt bey den Philoſophen nichts weniger als entſchieden. Selbſt Maͤnnern von tiefer Einſicht fehlet oft der Muth in dies ſer Geſchichte einen feſten Plan und Gang zu ahnden. Noch in einer feiner lezten Schriften trat der philofophis ſche Iſraelite dieſer furchtſamen Menge bey, und behaup— tete, die Menſchheit ſchwanke beſtaͤndig zwiſchen ſeſtge⸗ ſetzten Schranken auf und nieder.“) *) Herders Ideen zur Philoſophie der Geſchichte der Menfchheit: Th. 3. B. 15. ) Mendelſohns Jeruſalem, oder über religioſe Macht und Ju⸗ dentum. Abſchn. 2 S. 36. Indeß iſt auch dieſe Meinung ſchon ein Schritt vorwaͤrts, wenn fie mit der weit aͤltern Heſiod. O⸗ | 4 Ueber die Perfectibilität Mehr als dieſes untroͤſtliche Schwanken ſah hier doch ein Dan der Monde, *) ein Verdier, ) ein Chateau⸗ züc; *) allein der Geſichtspunkt der beyden erſtern iſt von dem unſrigen verſchieden; der letzte hingegen nimmt zwar an, das die Summe der oͤffentlichen Gluͤckſeligkeit jetzt groͤſſer, daß der Aufklaͤrung, der Freyheit, der Sicherheit, des Genuſſes mehr ſey, als jemals vorher war, und die Quelle dieſer gluͤcklichen Revolution glaubt er in der Wiederherſtellung der Wiſſenſchaften gefunden zu haben; aber an einen abgemeſſenen, durch alle Voͤlker und Zeiten langſam und unaufhaltſam fortſchreitenden Gang der Gottheit hat von ihnen allen keiner gedacht. Von dieſem Plane giebt der gruͤndliche Tetens doch die Moͤglichkeit zu. Er glaubt, die Anlage dazu in der Natur und die Anſtalten in der Geſchichte zu finden; *) zugleich aber ſcheinen ihm die Hinterniſſe ſo groß, daß er beynahe fuͤrchtet, dieſes ganze Syſtem ſey bloß eine angenehme Taͤuſchung edler Herzen, welche vor andern ſo leicht das Gute hoffen, was ſie ſelbſt zu leiſten wil⸗ lig find. +) Gleichwohl ſcheint es, daß derjenige, welcher eine natuͤrliche Entwicklungskraft im Menſchen, welcher An— ſtalten und Mittel, hiemit die ganze Moͤglichkeit zu⸗ giebt, ſie unter der Vorausſetzung einer hoͤhern Vorſicht und eines weiſen Geſetzes der Sparſamkeit zugiebt, das & D. 109. S. und verbreiteiern Horat, Od. 3. 6. zuſammen⸗ gehalten wird, welche in dem Menſchengeſchlecht eine allgemeine Tendenz zu einer fortgeſetzt uͤberhandnehmenden Verſchlimmerung ann mmt *) Sur la maniere de perfectionner l&spege humaine. Paris, 1756. % Receuils de Memoires & d’Obfervations fur la perfectibilits de I' Homme. Paris, 1772. ] De la felicite publique. Bouillon, 1776. ) Fhiloſophiſche Verſuche uber den Menſchen. 14. Verſ. S. 770. +) chem. S 784 des Menſchengeſchlechts. 5 uͤbrige alles zugeben muͤſſe. So urtheilte wenigſtens auch Mercier in der beßten ſeiner Schriften.“) Ihm ſcheint dasjenige Syſtem das annehmenswertheſte, in welchem die menſchliche Natur am vortreflichſten erſcheint; er kann ſich nicht vorſtellen, daß Begriffe, die fuͤr Gottes Geſchoͤpfe ehrenvoll ſind, falſch ſeyn koͤnnen: wenn es möglich wäre, daß wir uns hier betroͤgen; fo ware es auch moͤglich, daß der Menſch eine ſchoͤnere Ordnung der Dinge ausdaͤchte, als die, welche wirklich vorhan— den iſt. Das aber hieße der Macht, hieße beynahe den Guͤte des oberſten Weſens Schranken ſetzen. Unſer unvergeßlicher Iſelin hat, fo viel ich weiß, der erſte eine Menſchengeſchichte auf dieſen Entwurf ana gelegt, und ſein beſtaͤndiges Augenmerk auf dieſe groſſe Wahrheit gerichtet.) Man kann ihm zwar vorwerfen, daß er der wahren Methode verfehlt habe, und daß aus dieſem Grunde dieſe Wahrheit in ſeinem Werk mehr wie Hypotheſe, als in dem Licht eines ungezwungenen Reſultats erſcheine. Allein nach einer ſolchen Vorarbeit haͤtte die Wiſſenſchaft doch groͤſſere Fortſchritte haben ſollen. Ich weiß nicht wie; aber viele der folgenden Schriftſteller haben, zufrieden mit dem Ruhm einer fleiß ſigern Compilation, nach und nach alle die groffen Rück ſichten vergeſſen, ohne welche die Menſchengeſchichte als Wiſſenſchaft nicht einmal gedacht werden kann. Man möchte den mehreſten derſelben eben die Vorwuͤrfe mas chen, die Schloͤzer der altern Univerſalgeſchichte mit ſo vielem Recht gemacht hat. *) ) L’An deux mille quatre cent quarante, Londres, 1776, p. 109, 110. ) Iſelins Geſchichte der Menfchheit, beſonders B. 2. Hk 39, 1772 %) Schlosses Univerſalgeſchichte, 1765. Einl. 6 Ueber die Perfectibilitaͤt Meines Beduͤnkens hat dies ganze Studium drey ver— ſchiedene Geſichtspunkte, welche man nicht genau genug getrennet hat. Sie ſind: Geſchichte der Menſchheit, philoſophiſche Geſchichte der Menſchheit und Philoſo⸗ phie der Geſchichte der Menſchheit. Jene, die Geſchichte der Menſchheit hat die geſammte Menſchheit zum Gegenſtand; ſie ſchildert ſie im Ganzen nach ihren allgemeinern Merkmalen und Varietaͤten; ſie ordnet alle diejenige Thatſachen und Beobachtungen, wel⸗ che dieſes Ganze hinlaͤnglich und deutlich kennbar machen. *) Die philoſophiſche Menſchengeſchichte iſt von jener nur darinn unterſchieden, daß ſie zugleich in die Urſachen und Folgen jener Thatſachen eindringt, und ſich bemuͤht, die Geſchichte nicht nur als ein dem Auge anſchauliches Gemaͤlde, ſondern als ein Ganzes darzuſtellen, welches auch fuͤr den Verſtand erklaͤrbar iſt. Die Philoſophie der Menſchengeſchichte endlich trägt die Reſultate zuſammen, die jene heraus gebracht hat; fie führe dieſelben fo viel moͤglich, ins allgemeine; fie zeigt die Menſchheit in der groſſen Verbindung mit der umringenden Natur, und in dem noch groͤſſern Plane der ewigen Weisheit. Indeſſen bleibt auch hier die Phi— loſophie von der Geſchichte unzertrennlich, und immer bleibt es wahr, was Serder ſagt, daß metaphyſiſche Spekulation, abgetrennt von Erfahrungen und Analogien der Natur, eine Luftfahrt iſt, die ſelten zum Ziele führe, Aber dabey iſt denn doch der Unterſchied, daß die Facta von der Geſchichte die Materie ſelbſt, von der, Philofos phie aber nur die Belege find; ungefähr fo, wie die Vers ) In wie einem ſchwankenden Sinn dieſer Modeausdruck, Ges ſchichte der Menſchheit, ſonſt gebraucht werde, hat Tetens a. g. o. bemerkt, S. 370. Und auch Meiners hat ſich in der Vorrede zum Grundriß der Geſchichte der Menſchheit bemuͤht, venfelben zu figiren, oder doch einzugraͤnzen. | des Menſchengeſchlechts. 7 ſuche in der Experimentalphyſik die Hauptſache, von der theoretiſchen Phyſik nur die Unterlage, und gleichſam das Geruͤſte des Gebäudes ausmachen.) Sie ſehen, mein Freund! wie ſich eine dieſer Wiffens ſchaften aus der andern heraus wickelt, ſich über fie er hebt, ſie vervollkommnet. So ſteht der Baum vollendet da! So zieht der Stamm den Nahrungsſaft aus der Wurzel, arbeitet ihn fort, fuͤhrt ihn weiter, bis ſich oben uͤber demſelben die Krone von gruͤnenden Aeſten und Zweigen geſchlungen, von Bluͤthen und Früchten 9% ſchmuͤckt aus einander breitet. Hier iſt dem Philoſophen ſein eigenes Geſchaͤft ange— wieſen. Der Compilator ſammelt, der Geſchichtſchreiber waͤhlt und ordnet; aber der Philoſoph haucht den bele— benden Athem in das Werk von beyden. Denn ſo wenig gewiſſe Köpfe es auch begreifen koͤnnen, wozu die Mes taphyſik der Menſchheit nuͤtzen ſoll; ſo iſt ſie es gleich— wohl, welche das, was andere Wiſſenſchaften lehren, ins Allgemeine hinauflaͤutert, zu wirkſamen Grundſaͤtzen adelt, und das rohe Metall zu einem, Aufklaͤrung und Moralitaͤt befoͤrdernden, Umlauf ſtempelt. Vergleichen Sie nun die zahlreichen Syſteme und Grund⸗ riſſe der Geſchichte der Menſchheit mit dieſen Begriffen, und ihr Werth oder Unwerth wird bald bey Ihnen ent— ſchieden ſeyn. Wer an dieſe Wiſſenſchaft ſich wagen will, der muß neben der unentbehrlichen Gelehrſamkeit noch ganz beſon— ) Oder ſollte wohl die Ph ſik des Phi oſophen und des Erperimentes machers ſo ganz einerley ſeyn, daß dieſelben trennen, eine Un⸗ gereimtheit waͤre, die zu Wolfs Zeiten mehr Nachſicht als in den unſrigen verdiente? wie ich irgendwo geleſen habe, Wer dieß behauptet, der hat gewiß der Sache nie nachgedacht, und eben fo wenig die metaphyſiſche Anfangsgruͤnde der Nn turwiſſenſchaft von Irn. Kant, Riga 1786. erwogen. 5 Ueber die Perfeetibilitaͤt dere Eigenſchaften mitbringen. Eine aus fuͤhrliche Zer- gliederung derſelben würde die Mühe wohl lohnen. Mir ſey es wenigſtens erlaubt einige Winke zu geben. 1. Unſere Umſtaͤnde, unſere Gemuͤthsſtimmung, unſer Temperament gleichen einem dioptriſchen Spiegel, in welchem die durchfallende Strahlen ſich faͤrben, und durch welchen das Univerſum ſich allemal in einem taͤuſchenden Scheine darſtellt. Ein jeder urtheilt von der Welt nicht nach dem, was ſie in ſich iſt, ſondern nach dem, was ſie in der einſeitigen Beziehung auf ihn ſelbſt zu ſeyn ſcheint. Allein der Philoſoph darf die Gegenſtaͤnde ſeines Forſchens nicht im Spiegel, nicht im taͤuſchenden Scheis ne ſehen. Er muß alſo aus ſeiner individuellen Lage her— aus gehen koͤnnen; er muß die von derſelben zuruͤckge⸗ bliebenen Eindruͤcke wie Feſſeln abſchuͤtteln, und etwas von dem empfinden, was der erſte Luftſchiffer fuͤhlte, als die Erde unter ſeinen Fuͤſſen ſank, als er ſich uͤber die Menſchheit erhoben fat. 2. Das Menſchengeſchlecht iſt noch ſo neu; 550 Ge⸗ ſchichte iſt es noch mehr, und in dieſer Geſchichte iſt der Faden fo oft abgeriſſen, daß es ſchwer faͤllt, aus dieſen Bruchſtuͤcken auf den Plan des Ganzen, wie ein Baus meiſter aus den zerfallenen Gemaͤuern auf den ehemaligen Aufriß eines Tempels, zu ſchließen. Wenn Sie von eis nigen kalten oder warmen, truͤben oder hellen Stunden und Tagen auf das ganze Jahr ſchließen wollten, wuͤr⸗ den Sie ſich da wohl einen richtigen Begriff von dein⸗ ſelben machen koͤnnen? Aber nehmen Sie nur einige Fruͤhlingswochen zuſammen; fo werden Sie aller Regel- loſigkeit der meterologiſchen Abwechslung ungeachtet fin— den, daß das Jahr im Ganzen fortſchreitet, und mit demſelben zugleich alles, worauf dieſer Fortſchritt Einfluß haben kann. Der Philoſoph der Menſchengeſchichte muß des Menſchengeſchlechts. 9 ſich alſo groſſe vielumfaſſende Zeitabſchnitte und Aus— ſichten abſtecken. N 3. Auch unſere Begriffe von menſchlicher Vollkommen— heit, Freyheit, Aufklärung, Zufriedenheit, Gluͤckſelig— keit u. ſ. w. ſind insgemein individuel und einſeitig. Ein habituelles Gefuͤhl iſt es, was dieſe Begriffe uͤberhaupt feſt ſetzt; und da dieſes Gefuͤhl ganz verſchieden und ent— gegengeſetzt ſeyn kann; ſo iſt unſer Urtheil von andern beynahe allemal irrig, wenn es allein nach jenem Ge— fuͤhle beſtimmt wird. Alle dieſe Begriffe muͤſſen hiemit aus der Betrachtung des Menſchen im Großen abgezo— gen werden, wenn von dem ſteigenden Gluͤck der Menſch— heit die Rede iſt. 4. Der Mann, von welchem wir reden, muß ein Phis loſoph ſeyn, d. h. er muß gewiſſe Wahrheiten nicht erſt ſuchen duͤrfen, ſondern fie ſchon bey ſich ſelbſt ausge— macht haben, Wahrheiten, die ihm wie leitende Sterne im dunkeln Labyrinthe des Zweifels vorleuchten fünnen, Ein Beyſpiel wird zur Erlaͤuterung dieſes Satzes genug ſeyn. Der Poͤbel ſieht die Pflanze welken, und glaubt fie dahin; er ſieht den Wind ihre Theile zerſtreuen, und er glaubt ſie verloren. Aber der Philoſoph weiß, daß keine Kraft in der Natur ſtirbt, daß der anſcheinende Tod nichts anders als Veraͤnderung der Wirkungsart und Entwickelung eines neuen Organs iſt. Der Geſchicht— ſchreiber zeigt, wie Voͤlker entſtehen, aufbluͤhen, ſinken, verſchwinden. Er zeigt in der Geſchichte eben das, was der Poͤbel in der Natur ſieht. Aber der Philoſoph ſoll weiter ſehen, wie die Erfindungen, die Wahrheiten, das Gute, das ein Volk, welches nicht mehr iſt, heraus brachte, fuͤr die Menſchheit fortwaͤhren; wie der Sturm, der Staaten verwuͤſtet, nur die Saamen weiter traͤgt, die in andern Jahrhunderten oder Welttheilen vielleicht deſto glücklicher gedeihen. So iſt in der That von ab 0: Ueber die Perfectibilität lem dem nichts verloren, was die Vorwelt geleiſtet hat. Noch dauert die Wiſſenſchaft in Egypten gepflanzt, das Beyſpiel buͤrgerlicher Freyheit und einer ſyſtematiſchen Legislation in Griechenland gegeben, die nähere Vereini⸗ gung der Voͤlker unter der roͤmiſchen Herrſchaft bewerk⸗ ſtelligt, und noch bluͤhen die Geſinnungen der Menſchlich⸗ keit durch das Chriſtenthum verbreitet. Selbſt der lange Winter der Barbarey toͤdtete dieſe Keime nicht. Sie ſchlummerten nur, bis die Fruͤhlingsſonne ſie wieder weckte, und der verſchloſſenen Kraft einen befruchten⸗ den Stoß gab. 5. Endlich muß unſer Philoſoph ein Verehrer der Gott heit ſeyn. Die Menſchheit iſt mit dem ganzen Gewebe ihrer Handlungen und Schickſale das Werk der Vorſicht; und wie iſt es moͤglich ohne einen Blick auf den Urheber richtig von der Beſchaffenheit ſeines Werkes zu urtheilen? Der traurigen Weisheit, wenn der Verſtand von dem groſſen Gedanke der Gottheit unerleuchtet, wenn das Herz von dieſer frohen Empfindung kalt iſt! ) Ohne Vorſehung ſehe ich in der Welt freylich Cauſalverbindung ein; aber kein Aug, das dieß Ganze uͤberſchaut; keine Hand, die es zuſammenhaͤlt; keine Weisheit, die es ſei⸗ nen Zwecken unterordnet. Bey der Vorausſetzung einer Vorſehung hingegen wird alles Mittel und Zweck, An⸗ ſtalt und Abſicht, und ich kann mit der voͤlligſten Zu⸗ verſicht gradezu oder umgekehrt von der ” auf die andere hin⸗ und herſchließen. Sie denken vielleicht, mein Freund! daß das Platoni⸗ ſche Geſetze ſind. “) Doch nein, eine Menſchengeſchichte *) Infaniens ſapientia. Horatius. Man hat bekanntlich den Platouiſchen Geſetzen den gemacht, daß ſie nicht fuͤr Menſchen, wie die Natur ſie g eingerichtet ſexen. So ſagt Platens ſtrengſter Tadler: — des Menſchengeſchlechts. 11 nach dieſen Forderungen eingerichtet iſt kein Traum; ich glaube vielmehr, daß ſie wirklich exiſtirt. Ihr Verfaſſer war von der Wichtigkeit und Erhabenheit ſeiner Wiſſen— ſchaft ſo uͤberwaͤltigt und gedemuͤthigt, daß er mit einer Beſcheidenheit, die die ſchoͤnſte Lobrednerin feiner tiefen Einſicht iſt, ſein Werk als eine Schuͤlerarbeit ankuͤndigt. Als den exoteriſchen Verſuch eines Fremdlings legt er daſſelbe zu den Fuͤſſen des Genius unſers Geſchlechts, als das unvollkommenſte Werk, das je ein Sterbli— cher ſchrieb. Sie ſehen, daß von Herdern die Rede if, Wir wol— len ihn nicht von allen Fehlern des. Details, zumal im phyſikaliſchen Fache, losſprechen 5 aber feine Vorgaͤnger hat er unſtreitig alle uͤbertroffen, und ſeinen Nachfolgern eine breite Bahn geöffnet. Er hat die Graͤnzen feiner Wiſſenſchaft genau abgeſteckt; der ganze Reichthum des Gegenſtands lag vor ihm da; jede Huͤlfswiſſenſchaft, die Naturgeſchichte, die Naturlehre, die Geologie, An— thropologie, Geſchichte, Kritik, Philoſophie wetteiferten in ſeinem Dienſte; beſonders hat er auch den Gott nicht vergeſſen, deſſen enge Beziehung auf die Welt er ſeither in ein fo wahres Licht geſetzt hat.“) Und denn, wie frucht— bar alles an weit ausſehenden Aufſchluͤſſen fuͤr den Ver— ſtand des Denkers und fuͤr das Herz der Menſcheufreundes iſt! Was fuͤr ein ſtilles Vergnuͤgen muß ſich des von o IIc un Tos ovsıy ayIpwmois yon. yoMovs , E N role un uro dsamAarromeyvoss. Athenæus Deipn. I. 16. & Polybius, I. 6. Andere haben, wie man weiß, den philoſophi⸗ ſchen Geſetzgeber in Schutz genommen. ) In dem Geſpraͤche mit der Aufſchrift Gött. 1787. Mein urtheil uͤber das Herderſche Syſtem uͤberhaupt wird vielen zu vortheilhaft vorkommen, gleich wie mir das in verſchiedenen Recenſionen zu nachtheilig ſcheint. Allein es muß einem jeden erlaubt ſeyn nach ſeiner eigenen Empfindung zu ſchreiben. Hane veniam petimus. 12 Ueb. d. Perfectibilität d. Menſchengeſchlechts. Partheygeiſt unverblendeten Leſers bemaͤchtigen, wenn er ſich fo unvermerkt an die begluͤckende Wahrheit gelei— tet ſieht! „Es waltet eine weiſe Guͤte im Schickſal der Menſchen; daher es keine ſchoͤnere Würde, kein dauer hafteres und ſchoͤners Gluͤck giebt, als im Rath derſel— ben mitzuwirken. „ Auf dieſem Wege bin ich verſichert, wird der Beweis von der Perfectibilitaͤt des geſammten Menſchengeſchlechts nach und nach einleuchtender werden. Wenn demſelben indeſſen noch etwas zur voͤlligſten Befriedigung fehlen ſollte: fo kann dieſer Mangel durch die uͤbereinſtimmen⸗ de Reſultate der natuͤrlichen Geſchichte der Erde und des Menſchen am beßten ‚ergänzt werden. Aus dieſer Bes trachtung find die beyden hier eingeſchloſſenen Reden ents ſtanden, von welchen die erſtere ganz nach den Deluͤc⸗ ſchen Grundſaͤtzen eingerichtet iſt. Ihre Unvollkommen⸗ heiten fühle niemand beſſer, als ich ſelbſt. Meine Abs ſicht war, fie in ausfuͤhrliche Abhandlungen umzuarbeis ten; denn fuͤr einen ſo weitſchichtigen und unbiegſamen Gegenſtand iſt die gegenwaͤrtige Form grade die unſchick⸗— lichſte. Allein Arbeiten, die mir wichtiger ſeyn muͤſſen, weil fie Pflicht find, find der Vollfuͤhrung dieſes Ents ſchluſſes im Wege geſtanden. Folglich erhalten Sie dies ſelben unverändert fo, wie fie in den Jahren 1784. 1785. oͤffentlich gehalten worden ſind. An meiner Arbeit ſelbſt iſt nichts gelegen, wofern nur die darinn vorgetragene Wahrheit gangbarer, fuͤr die Ehre und das Gluͤck der Menſchheit nach und nach ſiegender wird. Ich bin ac. r über die Perfectibilitaͤt der Men ſchheit, aus der allmählichen Verbeſſerung der Erde. 14 Erſte Rede über die Perfectibilität Tit. Der Beweis, von einer allmaͤhlichen Veredlung des Menſchengeſchlechts, den ich vor einem Jahr aus der Geſchichte der Menſchheit zu fuͤhren verſucht habe, iſt an ſich nicht ſo beſchaffen, daß ich ſeine Unvollſtaͤndigkeit nicht ſelbſt gefühlt haben ſollte. Ein jeder liest die Ges ſchichte mit ſeinen eignen Vorurtheilen; und wie er die— ſe oder jene Zuͤge willkuͤrlich zuſammenſtellt, ſo zwingt er dieſe oder jene Reſultate heraus. Aber außer dieſem freylich allemal unzuverlaͤßigen Weg giebt es noch einen andern fuͤr unſere Unterſuchung. Die Schickſale des Menſchen ſtehen mit den Veraͤnderun⸗ gen der Erde in der genaueſten Beziehung. Wenn es alſo erweislich waͤre, daß der Zuſtand der Erde immer beſſer werde: ſo wuͤrde dieſer phyſikaliſche Beweis mit jenem hiſtoriſchen verbunden dem Syſtem, welches eis ne fortſchreitende Vervollkommnung der Menſchheit an— nimmt, einen Grad von Wahrſcheinlichkeit geben, wo— gegen ſchon weniger Einwendungen von Erheblichkeit ges macht werden koͤnnten. An keinem andern Orte wuͤrde ich es gewagt haben, einen Gegenſtand dieſer Natur in einer öffentlichen Res de zu behandeln; aber in dieſem verehrenswuͤrdigen Kreis ſe der aufgeklaͤrteſten Befoͤrderer der Wiſſenſchaft trage ich deſto weniger Bedenken, da ich auf dem vor mir liegens den Pfad oft Gelegenheit zu angenehmen Seitenblicken auf unſer merkwuͤrdiges Helvetien finden, und zuletzt auf Schluͤſſe kommen werde, die fuͤr jeden Vaterlands und Menſchenfreund aͤußerſt erwuͤnſcht ſeyn muͤſſen. * der Menſchheit. 15 ES * 5 Die Analogie zwiſchen der Erde und dem Menſchen iſt zu auffallend, zu wahr, als daß fie nicht allgemein ans erkannt ſeyn ſollte. Die Elemente, woraus unſre Kugel gebauet iſt, ihre Figur und Groͤſſe, ihr Abſtand von der Sonne, die Geſchwindigkeit ihrer Bewegung um dieſe und ihrer Umwaͤlzung um ſich ſelbſt, die Neigung ihrer Axe, der Grad des Winkels ſogar, unter welchem der Lichtſtral ihre Flache trift, das alles hat Einfluß auf uns ſern aͤußern und innern Bau, unſere Organiſation und von da weiter, auf die ganze intellectuelle und moralis ſche Natur des Menſchen. a Wer daran zweifelt, der ſtelle nur Bewohner von vers ſchiedenen Weltgegenden neben einander; den Groͤnlaͤn— der neben den Franzoſen, den Neger neben den Perſianer, den Karaiben neben den Griechen, den elenden Feuer— laͤnder neben den begluͤcktern Tahitaner — und er wird es mit Augen ſehen, was die Beſchaffenheit des Bodens, des Klimats und der durch beyde beſtimmten Lebensart auf Menſchenkoͤrper und Menſchenſeelen wirken kann. Eine und dieſelbige Nation aͤndert ſo gar mit ihrem Lande, verfeinert ſich oder verwildert mit demſelben zu⸗ gleich.) Die Geſchichte, der Charakter, die Thaten, Sent giebt man zwey Urſachen der Veredlung oder Ausartung einer Nation an, Verpflanzung und Vermiſchung. An den Perſern findet man Beyſpiele von beyden. Aus Furcht einer Ausartung hinderte Cyrus die Verſetzung der Nation. Die Stelle beym Plutarch, der dieſe Nachricht aufbehalten hat, vers dient angefühit zu werden. Bovxo uv de robe Iagccs, Gyr rue Eaurwv d von oe Ku monxeas, iSd Ne A Xwoav Außer, oun be,, dımwv Om: Kas re Hure Ta , , Na r avjgwnwy 0, BI raise Kwoaus aur c . Plut. Apopht. ed. Barbou, Paris, 1775. Es if bekannt, daß fie fich nachher durch Vermiſchung mit Cir⸗ kaßiſchem Blute veredelt und verſchönert haben. (IVoyages de 16 Erſte Rede über die Berfectibilität eg ſelbſt die Ueberbleibſel von Waffenruͤſtungen, alles zeuget, daß die Helvetier zu den Zeiten, da ihr Land noch groͤß⸗ tentheils von Waͤldern bedeckt war, ein ganz anderer Menſchenſchlag geweſen ſeyn muͤſſen, als fie gegenwaͤr⸗ tig ſind. und in der That, was iſt natuͤrlicher, als daß mit der Natur des Bodens und des Himmels auch die Pros dukte aͤndern? Unter dieſe Produkte gehoͤrt denn auch der Menſch. Wenn alſo die Natur den Zuſtand der Er— de nach und nach ins Vollkommnere bildet: ſo iſt, duͤnkt mich / auch die allmaͤhliche Veredlung ihrer Söhne, der Menſchen, außer Zweifel geſetzt. Bey einer fluͤchtigen Ueberſicht unſers Planeten iſt zwar nichts unwahrſcheinlicher als dieſe Voraus ſetzung. Vom dichteriſchen Ovid bis auf den mahleriſchen Buͤffon fer hen alle in dem Bau und den Veraͤnderungen deſſelben nichts, als Ungefehr und Regelloſigkeit. Hier in die Wolken ragende Felſenmaßen und nebenher ſchwindliche Tiefen; dort Moraͤſte, Meere, Schruͤnde, feuerfpeyens de Berge. Gleichwohl iſt die Verwirrung größer , wenn man durch die obere Rinde in die innern Eingeweide hinabblickt. Da ſehen wir Metalle, Mineralien, Steis ne, Sand, Erde, Waſſer, verſteinerte Land, und See⸗ produkte ohne Ordnung vermengt; ſehen Schichten von ſchwererem Stoff über leichtere hingeſtreckt“ ), trockne, feuchte, feſte, lockere Theilchen dergeſtalt durch einander geworfen, daß nichts natuͤrlicher als die Vermuthung iſt, die Erde ſey ohne Abſicht aus den Ruinen eines aͤl⸗ tern Weltkoͤrpers zuſammengeſchuͤttet. Wirk⸗ Chard. T. 2. Die alten erſer batten den Ruhm der Schoͤn⸗ heit nicht, (Ammianus ri. der den heutigen er⸗ theilt wird. ) Die dieſer entgegengeſetzte Behauptung des berühmten Bur nels gehoͤrt nun unter die Maͤrchen der Altern Naturlehre. 1 2 der Menſchheit. 17 Wirklich iſt dieſe Vermuthung die Grundlage von allen Theorien der Geogenie, das heißt, von allen phyfifas liſchen Romanen uͤber die Entſtehung der Erde. Selbſt in der Hypotheſe des fcharffinnig beobachtenden Des lüc ) ſieht man über einander gebaute unterirdiſche Gewoͤlber, die nach und nach zuſammenfallen, ſo daß die Oberflaͤche der alten Kugel geniedrigt werden mußte, bis der Ocean uͤber die Erde daher gieng, und ſo der Grund des alten Meers in neues Land, gleichwie das alte Land in neuen Meersgrund verwandelt wurde. Dieſe Theorien koͤnnten uns uͤbrigens ſehr gleichguͤltig ſeyn, wofern ſie ſich nur nicht auch auf das kuͤnftige Schickſal der Erde erſtreckten. Aber das iſt ein ſehr be⸗ merkenswerther Umſtand dabey, daß in denſelben die Urs ſachen der Bildung unſers Planeten allemal auch die Urfachen feiner bevorſtehenden Zerſtoͤrung abgeben. Der eine ruft einen Kometen herauf, der die Erde ent— zuͤnden, ſie aus ihrer Bahn verdraͤngen, und in die Gefilde des unermeßlichen Raums hinſchleudern ſoll. Ein anderer läßt fie in einer ſpiralſoͤrmigen Bewegung der Sonne naͤher kommen, bis ſie von ihr verſchlungen ſeyn wird. Ein dritter behauptet, die ſich ſtets mehr neigen⸗ de Erdaxe werde endlich den Arquator unter die Pole ruͤcken; und fo muß der Zuſtand unfrer Kugel, da fie eine zuſammengedrückte Sphaͤroide vorſtellt, nothwendig ſchlimmer werden. Wieder ein andrer laͤßt die Stroͤme endlich das ganze feſte Land in den Grund des Meers wegſchwemmen, oder die Meersflaͤche durch die Verdüns ſtung ſo lang abnehmen, bis unſer Ball zu einer un⸗ wirthbaren Einoͤde ausgetrocknet, oder durch die Vers fluͤchtigung des Feuerprincipiums zu einer Eismaße vers ) De Luc, Lettres phyſiques & morales fur l’Hifteire de la terre & de homme. T. 5. 1 Magaz. f. d. Waturk. Zelvetiens. III. B. B * 18 Erſte Rede uͤber die Perfeetibilitaͤt kaͤltet ſeyn wird. Mit einem Worte, wenn man den Eng⸗ länder Ray *) unter den aͤltern, und einige, die auf dem Deluͤcſchen Syſtem fortarbeiten, unter den neueſten Theo⸗ riſten ausnimmt: ſo iſt die kuͤnftige Erwartung unſrer Er⸗ de allemal entweder zunehmende Verſchlimmerung, oder ſchnelle, fuͤr alle lebende Weſen ſchauervolle Kataſtrophe. Auf ſolche Reſultate wird das Studium der Natur ims mer fuͤhren, wenn ſie ohne Ruͤckſicht auf ihren Urheber und Endzweck als ein für ſich beſtehendes Ganzes be— trachtet wird. Wer die Geſchichte der Erde gehörig bes handeln will, der darf den Gedanken nie aus dem Auge verlieren, daß alle ihre Veraͤnderungen unter der Fuͤgniß einer hoͤhern Hand ſtehen, die auf beſtimmte Zwecke arbei⸗ tet, und alles Einzelne mit Bezug auf das Ganze verans ſtaltet. Dann muß er in dem Buche der Natur die Thatſachen, die groſſen Begegniſſe nachſchlagen, die al⸗ lein ihn auf die Spur des Schoͤpfers und ſeiner Abſich⸗ ten leiten koͤnnen. Da die uns angewieſene Zeit und der beynahe un⸗ uͤberſehbare Umfang unſers Gegenſtandes, eine aus fuͤhr⸗ liche Behandlung unmöglich machen: fo wollen wir wenig, ſtens einen allgemeinen Blick auf die groſſen Beftands theile unſrer Kugel werfen; der wird ſchon genug ſeyn, uns theils mit der Abſicht des Urhebers bey ihrer erſten Aülage, theils mit ihren kuͤnftigen Erwartungen und Schickſalen einigermaſſen bekannt zu machen. Die hoͤchſten Gebirge beſtehen ohne Ausnahme alle aus einem außerordentlich dauerhaften Granit, der weder in Schiefern geblaͤttert, noch von Schichten unterlegt, eine dichte Maße vorſtellt, und gleichſam das Skelet des gan⸗ zen Erdkoͤrpers ausmacht. Daher bemerkt man unter al⸗ %) Three phyſico- theological Diſcourſes en the primitiye Chaos and Creation. &. 1721. der Menſchheit. 19 len dieſen Gebirgen eine durchgaͤngige Verkettung, die nicht allein auf dem feſten Lande ſichtbar iſt, ſondern ſelbſt unter der Meersfiaͤche von einem Welttheil zun ans dern fortlaͤuft, ſo daß die helvetiſchen Alpen, der Aſia— tiſche Ararat und die Cordilleras in Amerika als Fortſez⸗ zungen eines Ruͤckens, oder doch als Zweige deſſelben anzuſehen find. “) Dieſer allgemeine Zuſammenhang ers fordert nothwendig eine gemeinſchaftliche Baſis, einen gemeinſchaftlichen Kern, der im Mittelpunkt ſelbſt ſitzt, und jene Firſten durch ſeine Hervorragungen bildet. Daß das der innere Zuſtand der Erde ſeyn muͤſſe, laͤßt ſich nicht allein aus vielen Vermuthungsgruͤnden abnehmen, ſondern der Koͤnigl. Aſtronom der Sternwarte zu Green⸗ wich ſcheint die Sache beynahe außer Zweifel geſetzt zu haben.“) So wahrſcheinlich das nun iſt: fo wahrſchein⸗ lich iſt es auch, daß dieſer Grundſtof, der weder durchs Waſſer, noch durchs Feuer entſtanden ſeyn kann, die ur. ſpruͤngliche Materie ſelbſt ſey, wie fie aus der Hand des Schoͤpfers bervorkam. * NE *) Den Zuſammenhang der europaͤiſchen Alpen haben auch ſchon die Alten zum Theil geſehen. Pomponius Mela. 1. 2. & 3. Unter den Neuern ſehe man außer dem, was Pallas, und an⸗ dere bemerkt haben, Busche, Mem. de l’Acad. des Sc. 175% und Bergmann Cosmogr. P. 2. c. 4. S. 31. ) Dieſer Sternwarte ſteht ſeit 1768. Hr. Dr. Maſkelyne vor. Lichtenbergs Magazin, Band 4. St. 2. Seine Abhandlung ſtebt Tranf; Philoſ. 1775. Man vergleiche de Lue. Part. 2 Let. 22. 2 er) Mir find Gerhards Vers. einer Geſch. des Minerale, und anderer Hypotheſen über die Entſtehung des Granit nicht un⸗ bekannt; auch weiß ich, wie ſehr von einigen Neuern die Urs ſpruͤnglichkeit dieſes Geſteins beſtritten wird. Vielleicht wuͤr⸗ de ich dieſe und die bald folgende Stelle jetzt anders aus⸗ drücken. Allein da fie groſſe Männer für ſich hat, und nicht weſentlich für meinen Beweis iſt, ſo mag fie immer ſtehen bleiben. N 20 Erfſte Rede über die Perfeetibilitaͤt Dieſe erſte Bemerkung iſt fuͤr unſere Abſicht entfcheis dend; ſie beweist es unlaͤugbar, daß die Erde gleich in ihrer erſten Anlage zu einer unbeſtimmbar langen J gegruͤndet worden iſt. Und wie lehrreich, wie ehrwuͤrdig werden mir nun nicht jene erhabene Gebirge, welche die Natur als Zeus gen der ſchaffenden und erhaltenden Gottheit rund um uns ſer Vaterland aufgethuͤrmt hat! In ihnen ſehe ich das unmittelbare Werk des Schoͤpfers. Da ſtehen ſie von dem Augenblicke, der, der erſte des Daſeyns des Weltalls war, von dem Augenblicke, da ein Befehl der Allmacht die Materie aus der Tiefe des Nichts heraufrief, und un— begreiflich das Nichts in Wirklichkeit umſchuf. Menſchen⸗ gedanken reichen an die duͤſtere Ferne ihrer verfloſſenen ſo wenig, als ihrer kuͤnftigen Jahre hin. Ihr Burnete und Woodwarde, ihr Whiſtons und Leibnitze, ihr Buͤffons und Moros! Wenn die Spinnegewebe euerer Hypotheſen lange vernichtet, vergeſſen ſeyn werden: ſo wird ſie noch dauern und ſchoͤner glaͤnzen, dieſe Tochter des Himmels, unſere Erde, die ihr wie ein Kindergebaͤud von Karten aufſtelltet, und durch einen unverſehnen Hauch zuſammenſtuͤrzen ließet. ‚Der andere Beſtandtheil unſers Planeten iſt die Be kleidung, womit jener Grundſtof bis gegen ſeine hoͤheſten Erhebungen hin ſchichtenweiſe belegt iſt. Hier ſcheint denn freylich die groͤßte Verwirrung zu herrſchen, man mag auf die Materie, die Aufeinanderfolge oder die Ent⸗ ſtehungsart dieſer Erdlagen Ruͤckſicht nehmen. Aber auch hier entdecken wir wohlthaͤtige Weisheit, ſo bald wir ihren Nutzen als Zweck, und die Naturbegebenheiten ſelbſt, wodurch ſie entſtunden, als Mittel betrachten. In dieſen Schichten werden alle Mineralien erzeugt, in ihnen die Waſſer zu ſpringenden Quellen belebt, durch ſie die oberſte vegetabiliſche Rinde gebildet, und ſo die * 7 der Menſchheit. 27 Erde von tauſend Pflanzen verſchoͤnert, von tauſend ver— ſchiedenen Thierarten bevoͤlkert. Gleichwie alſo jener Granitſtof, der, wie wir geſehen haben, den Kern der Erde ausmacht, ihre Dauerhaftig— keit, ſo hat dieſe lagenweiſe Bekleidung ihre Fruchtbar⸗ keit und Bewohnbarkeit zur Abſicht. In der Oekonomie der Natur nun mußten freylich ſehr viele, zum Theil gewaltſame, zum Theil langſam wir— kende Urſachen zuſammentreffen, um dieſen Zweck zu era reichen. Hier ſtuͤrzt ein wildes Waldwaſſer vom Berge herab, und führt eine Menge von Materialien an beques mere Stellen fort. Dort brennt ein Vulkan, und übers ſchuͤttet die nahen Gegenden mit kuͤnftig fruchtbaren Schichten, die er aus dem innern Schooß der Erde her— aufgeholt hatte. Da greift die langſame Verwitterung die feſteſten Körper an, loͤſet ihre Oberflaͤche in einen feinen Staub auf, der von den ſalzichten Lufttheilchen geſchwaͤngert, fruchtbare Erde wird. *) Indeſſen graͤbt der Regen und das rieſelnde Waſſer ſich Rinnen durch die haͤrteſten Felſen. So werden die unfoͤrmigen Berg hoͤrner nach und nach abgelöst, und rollen zuletzt von ihrer eignen Schwere uͤberwaͤltigt in die Tiefen herunter. Dergeſtalt werden die urſpruͤnglichen Berge in ihrer Figur immer regelmaͤßiger, ihr Fuß durch urbare Buͤ— ſchungen erweitert, ) die vegetabiliſche Rinde mit der Zeit im gleichfoͤrmigen Verhaͤltniſſe vermehrt, die übers ſchuͤtteten Thäler in den anmuthsvollſten Aufenthalt vers wandelt, und der Zuſtand der Erde durch die fortwähs ) Ueber die Entſtehung und allmaͤhliche Vermehrung der vegeta⸗ biliſchen Rinde findet man aͤußerſt intereſſante Bemerkungen beym Deluͤc. P. 4. L. 2932 *) Leſenswerth find die Beobachtungen über die Gebirge auf einer Alpenreiſe geſammelt von Hrn. Butini, in den Schrife ten der Berliniſchen Geſellſchaft n. Fr. B. 5. 22 Erſte Rede über die Perfectibilitaͤ e rende Wirkung eben der Urſachen, die ihn Deren brachten, unaufhoͤrlich verbeſſert. Es iſt zwar an dem, daß Ueberſchwemmungen, Erd⸗ erſchuͤtterungen, vulkaniſche Ausbruͤche u. dgl. gewalt⸗ ſame Mittel ſind, und den Zweck des Ganzen nicht an⸗ ders, als durch ſchreckenvolle Revolutionen im Einzelnen befördern koͤnnen. Aber auch dieſe natürliche Verheerun— gen muͤſſen in dem Maaße abnehmen, in welchem ihre Abſicht erreicht wird; und daß ſie abnehmen, beweiſet ſchon die Geſchichte. So wie die ſteilen Abſaͤtze, die ſchrof— fen Felſenſpitzen ſich zuſehends der ſchoͤnen Pyramidal⸗ geſtalt naͤhern: ſo wird ihr Einſtuͤrzen mehr und mehr gehindert; fo wie die Fluͤſſe ihr Bett ſich durch die regels maͤßiger geneigte Flaͤche nach und nach tiefer graben: ſo werden allgemeine Fluthen unmoͤglich und beſondere Ueberſchwemmungen ſeltener; die Vulkane erſchoͤpfeu ſich endlich, und gegen einen, der noch brennt, koͤnnen wir allemal zehn nennen, die bereits ausgeſtorben ſind. Mit einem Worte, ſelbſt in dieſen ſo geſetzlos ſcheinen⸗ den Naturbegebenheiten, leuchtet der Plan des Schoͤpfers durch. Hier herrſcht eben die allmaͤhliche Entwickelung, die fortgehende Naͤherung zu einem beſtimmten Zweck, die wir in allen andern Naturveraͤnderungen wieder fin— den. Fortwirkende Kraͤfte, durch welche die Erde nicht allein gebildet wurde, ſondern unaufhoͤrlich ins Vollkomm⸗ nere fortgebildet wird. Auch hier geht das groſſe Augen⸗ merk vorzuͤglich auf das Ganze, dem das Einzelne ſo oft aufgeopfert werden muß: doch ſo, daß mit der zuneh⸗ menden Vollkommenheit des Ganzen auch die Ruhe, das Gluͤck des Einzelnen ſicherer, und jene entzuͤckende, nur der Allmacht moͤgliche Harmonie zwiſchen allgemeiner Vollkommenheit und beſonderer Gluͤckſeligkeit durchgängig herrſchender wird. So beruhigend iſt eine Philoſophie, deren Blicke nicht a der Menſchheit. 23 bloß am aͤußern Kleid der Dinge ſchweben bleiben: fons dern die es wagt, durch den geheimnisreichen Schleyer des Sichtbaren ins Heiligthum des Unſichtbaren hinein zu blicken. Dieſer Weiſe iſt der Liebling der Natur; zutraulich lehnt er ſich an ihren Buſen hin; ſieht in allen ihren Bewegungen lauter Wohlthaten fuͤrs Einzelne und fürs Ganze. Wenn er den Donner von Wolke zu Wols ken rollen hört, wenn unter feinen Fuͤſſen die Erde wan⸗ ket, wenn Stroͤme daher ſtuͤrzen und Berge ihre Einge— weide ausleeren; wenn alles zagt, und Tod und Unters gang des Erdkreiſes ahndet: ſo ſtaunt er nachdenkend hinauf zum Gebieter der Natur, bewundert in dieſen Auftritten ſeiner Majeſtaͤt die Wirkungen ſeiner Weisheit, ſieht mitten aus dieſen Schreckniſſen neue Ordnung / fchös nere Verbindung hervorgehen, und glaubt, daß ſelbſt im Nachdruck des zoͤrnenden Gottes hoͤchſte abſichtliche Güs te wirket. und was ſind nun alle die fuͤrchterlichen Theorien der Erde? Sie ſind ſchon alle widerlegt, weil ſie alle dem Gang und der Abſicht der Natur widerſprechen. Es iſt nicht wahr, daß je ein Komet unſerm Planet zu nahe kommen koͤnnte: die aſtronomiſchen Annalen haben kein einziges Beyſpiel von einem ſolchen Zuſammenſtoß der himmliſchen Koͤrper aufzuweiſen. Nicht wahr, daß durch die Verduͤnſtung das irdiſche Waſſer vermindert werde: denn Städte und Fanaͤle ſtehen noch! grade da, und fo am Ufer des Meers, wie und wo ſie vor Jahrtauſenden erbauet worden. ) Nicht wahr, daß die Erdare ſich uns vermerkt neige: die egyptiſchen Pyramiden ſind noch aufs genaueſte, wie bey ihrer Erbauung, gegen die vier Haupt ) Freylich ſetzt das Meer an dem einen Orte ab, was es an dem andern weggenommen hatte. Aber es giebt Stellen, wo keines Von beyden geſchehen iſt. Von dieſen iR bier die Rede⸗ — 1 * 2. — 24 Erſte Rede uͤber die Berfectibilität punkte zugefehrt. *) Nicht wahr, daß das feſte Land endlich ins Meer geſchwemmt werde: daſſelbe wird viel— mehr immer regelmaͤßiger. Zudem wachet auch hier eine hoͤhere Weisheit, die eben darum einen Theil der Gebirge in die Eisregion der Athmosphaͤre hinauf zog, um ihre Haͤupter durch ewige Lagen von Schnee und Eis gegen Verwitterung und Verſchwemmung zu ſchuͤtzen. ) Doch laſſet uns lieber auf unſern Gegenſtand zuruck kommen. Neben jenen angeführten allgemeinern Urſachen muͤſſen denn noch tauſend beſondere Mittel die ſtuffenweiſe Vers beſſerung der Erde befoͤrdern helfen. Auch des Menſchen bedient der Schoͤpfer ſich, ungefehr fo, wie des Sins ſekts, welches im Holze nagt, um den Uebergang der abgeſtorbenen Materie zur neuen Organiſation zu be— ſchleunigen. | Denn freylid muß die Wirkung des Menfchen auf die Erdmaſſe allemal unbetraͤchtlich bleiben. Allein in dem er bald dem eindringenden Meer Damme entgegenſetzt, bald Fluͤſſe in ihre natuͤrliche oder kuͤnſtliche Geſtade ein⸗ zwingt, bald Wälder: ſtuͤrzt, oder Moraͤſte austrocknet; ſo verbeſſert er die Erde da, wo ſie in unmittelbarer Berührung mit der umgebenden Luft ſteht. Und wer kennet den Einfluß der Cultur auf die Beſchaffenheit des Klimas nicht? Schon Columella fuͤhrt die Bemerkung aus dem weit aͤltern Saſerna an, daß dieſelbe mehr von dieſer Urſache, als ſelbſt von der Entfernung des Aequators abhange. ) Wie waͤre es ſonſt auch begreifs ) Don Chazelles hat dieſe ſeither beſtaͤtigte Bemerkung ſchon gemacht. ) Beobachtung und Tradition bekraͤftigen das in unſern Gletſchern. sr) Columella de re ruſtica, Lib. I, wo die Meinung des Sa⸗ ſerna dahin erklart wird, quod quæ regiones antea propter hiemis aſſiduam violentiam nullam ſtirpem vitis aut oleæ depolitam der Menſchheit. 25 lich, was der Zr. von Pauw doch erwieſen hat, ) daß alle Gegenden in Amerika einen weit ſtrengern Himmel haben, als die zwiſchen einerley Parallelzirkeln gelegenen Länder in Europa? Wie ließe ſich der lange kalte Winter von Canada erklaͤren, da Quebek mit Paris ungefaͤhr eine Breite hat.) Aber ohne mich hier weiter einzulaſſen, berufe ich mich bloß auf das Zeugniß der Geſchichte. Was war der ehs malige Zuſtand von Europa, und was iſt er jetzt? Was waren dieſe ſchoͤnen, gluͤcklichen Reiche, uͤber welchen jetzt eine ſanfte Sonne ſcheinet, in welchen die Natur in ihs rem ausgeſuchteſten Schmucke glaͤnzt? Was war das al— te Iberien , das heutige Spanien? Ein duͤrrer, rauher Boden, wie Strabo verſichert, von Bergen und Wäldern bedeckt, und von wilden Menſchen bewohnt. Dubos und Zume haben in ihren Unterſuchungen uͤber das alte Kli— ma von Rom gefunden, daß es aͤußerſt ſtrenge geweſen ſeyn muͤſſe, und noch haben wir eine Nachricht aus dem fuͤnften Jahrhundert dieſer Stadt, daß die Tiber feſte zugefroren, und ein tieſer Schnee uͤber vierzig Tage ge— dauert habe. Was war Gallien? man leſe was Caͤſar von dem Umfang der Arduenſchen, Menapiſchen, Mo⸗ riniſchen Waldungen ſchreibt. Das Gemaͤlde, welches Diodor von dieſem Land entwirft, ſcheint eine der nords cuſtodire potuerint, nunc mitigato jam & tepescente primo frigore, largiſſimis oli vatibus liberisque vindemiis exuberent. Beym Strabo kommen aͤhnliche Bemerkungen vor. Auch er unterſcheidet das, was die Natur thut, von dem, was der Menſch bewerkſtelliget. Aer & Ns apsras Ku Harıds, was de Dose, Jas de S naraswsuns, Geogr, I. 2. *) Recherches philoſophiques fur les Americains , par Mr. de P. Londres 1774. T. I. p. 1. du climat de l’Amerique, pag. 9. s. un) Ebend. Man leſe auch die Beſchreibung von Kamtſchaka in Cooks letzter Reiſe; man vergleiche dieſes Land mit England? Sie haben einerley Breite. 26 Erſte Rede über die Perfectibilität lichſten Gegenden des heutigen Europa zu ſchildern. Was war Deutſchland? die abgeſonderten Wohnplaͤtze waren ſo traurig von unermeßlichen Suͤmpfen und Waldungen eingefchloßen , daß Tacitus ausruft, mer. möchte in Germanien leben, wenn es nicht ſchon ſein Vaterland waͤre! Dio und Caͤſar beſchreiben Brittannien als ein undankbares, oͤdes Land. ) Und um nicht weiter zu gehen, was war unfer Helvetien? Alles beweiſet, daß das Land rauher, der Himmelſtrich trauriger geweſen ſey. Das beweiſen ſelbſt die verdaͤchtigen und ohne allen Zweifel uͤbertriebenen Bevoͤlkerunasverzeichniſſe der ältern Zeiten; die bey einer ſo geringen Volksmenge verſuchte Aus wanderung der ganzen Nation; das beweiſet der Zus ſtand der alten Topographie *) unſers Landes, die har⸗ te Lebensart feiner Einwohner, die ſchlechte Beſchaffen- heit ſeiner Produkte; das beweiſen die Nachrichten von grauſamen Wintern, Theurungen, Ueberſchwemmungen, Epidemien, die ſelbſt bey der duͤrftigen Beſchaffenheit unſerer altern Geſchichte fo haufig vorkommen. Schade, daß die Zeit es nicht erlaubt, nun auch die Geſchichte der Produkte unfe8 Landes zu durchgehen. In dem bekannten Werke des de la Mare“) finden ſich viele intereſſante Bemerkungen hieruͤber. Was muß man überhaupt von den Hervorbringungen der alten Schweiz denken, wenn man weiß, daß ſo gar unſere gemeinſten ) Einen ausfuͤhrlichen Cemmentar über dieſe ganze Stelle findet man beym Reimarus, vornehmſte Wahrheiten der natürlichen Religion, p. 42. folg. *) Einige hieher gehoͤrende Bemerkungen in den Celtiſchen Als terthuͤmern zur Erlaͤuterung der aͤlteſten Geſchichte und Derfaffung Helvetiens. Bern 1733. Der Verfaſſer Hr. Pr. Walther hat eine Karte vom alten Helverien entworfen; aber wie leer iſt fie! Was der Eremus Helvetiæ beym Ptolemæus if, weiß ich for ht noch nicht. N Kk) Traité de la police, Paris, 1705. der Menſchheit. 227 Fruͤchte, die Kirſchen, die Pflaumen, die Birnen, die Aepfel aus Aſten herſtammen, von wo fie nach Gries — — m 8 chenland, nach Afrika, Italien, Spanien, Gallien ver— pflanzt am ſpaͤteſten zu uns gekommen find. I Wie groß müßte denn nicht die Verwunderung unſrer fruͤhern Abs nen ſeyn, wenn ſie nunmehr ganze Weinberge von Pa— läftinifchen Reben bedeckt, *) wenn ſie die edle Perſt— ſche Frucht in freyer Luft gedeihen, den Carthaginenſi⸗ ſchen Granatapfel zeitigen, wenn ſie in unſern Gaͤrten die zaͤrteſten Gemuͤßkraͤuter aus allen Welttheilen fort— kommen; wie, wenn fie den aflatifchen Maulbeerbaum an öffentlichen Straſſen blühen , und ihre feinern Enkel und liebenswuͤrdigen Enkelinnen unter dem Schatten des orien⸗ taliſchen Platanus ſehen koͤnnten. Doch es iſt ja bis zur Evidenz erwieſen, *), und nur die Unwiſſenheit, ſie, die alles darf, wird es laͤugnen, daß unſere Erde an Regelmaͤßigkeit und Schoͤnheit, an Sicherheit und Feſtigkeit, an Fruchtbarkeit, Milde des Klimas, und Veredlung der Produkte unaufhoͤrlich ge— winne. Der Schoͤpfer und der Menſch wirken hier jeder an ſeinem Theil zu einem Zwecke zuſammen. Eine Wohl— that reichet der andern die Hand. Die Natur ſelbſt iſt eine unermeßliche Kette, deren erſter Ring am Thron, des Ewigen befeſtigt iſt; von da haͤngt ſie bis zur Erde hinab. So wie dieſe verbeſſert wird: ſo lachet die Son— *) Die Kirſchen von Ceraſunt im Pontus, die Pflaumen ans Armenien und Syrien, die Aepfel und Birnen aus Syrien, Griechenland, Afrika. zen) Journal helvetique, Octobre, 1738. RR) Mein Beweis iſt freyl ich nur partiel; aber das mußte er ſeyn, um auffallend zu werden. Der Zuſtand von Europa iſt verbeſ⸗ ſert; aber wo iſt er im Ganzen ſchlimmer! In den großen Rei⸗ chen Aſiens! in Afrika! in Amerika! in den ehmals unbewohn⸗ ten, jetzt bevölkerten Inſeln! Ich denke die Allgemeinmachung dieſes Beweiſes iſt leicht. * 28 Erſte Rede uͤber die Perfectibilitaͤt | ne lieblicher; fo glänzt der umwoͤlbende Himmel fanfter ; fo werden die Einfluͤſſe der gemilderten Luft wohlthaͤti⸗ ger. Himmel und Eede, kurz alles, alles vereinigt ſich zur ſteigenden Begluͤckung des Menſchengeſchlechts. Da ſehen wir uns nun auf einem ganz andern Weg wieder an eben dem Ziel, auf welches die Geſchichte der Menſchheit uns geleitet hatte; ſehen alle die frohen er- hebenden Ausſichten in das kuͤnftige Schickſal der Erde und ihrer Bewohner aufs neue eroͤffnet. Zwar, daß es in der Welt beſſer gehe, und immer beſſer gehen werde, das wird der Menſch, der unzu— friedene, kurzſichtige Menſch am lebe begreifen koͤnnen, und glauben wollen. Eingeſchraͤnkt in ein kurzes een das in der Dauer der Zeiten ein Augenblick, und auf einen Wirkungskreis, der im groſſen Raum einen Punkt ausmacht, ſchließt er von dieſem Punkt, dieſem Augenblick auf den Inbegrif aller Weſen und Zeiten, von den Menſchen, die er ſieht, auf die Maſſe des ganzen Geſchlechts, von den Unvolls kommenheiten, die ihn druͤcken, auf die Unvollkommen— heit des Weltalls, und von dem, was er ſeine Erfah— rung nennt, auf den Gang und Plan der ewigen Weiss heit ſelbſt. Zudem, wie leicht iſt es, wenn man nur die vom Sonnen⸗ licht abgekehrte Seite, ich will ſagen, wenn man nur das Boͤſe in der Welt ſehen will, einen Candid, einen Fauſtin zu dichten, und die Vorſehung in witzigen Pas⸗ quillen zu laͤſtern. Ihr Lobredner des groͤßern Uebels in der Welt! wir koͤnnen euch alle eure Klagen einraͤumen, und doch im Ganzen einen ungeſtoͤrten Fortgang zu mehrerer Voll kommenheit annehmen. Zergliedert die Beſchaffenheit der Erde, die Natur des Menſchen, zeiget uns das Mangel⸗ hafte in beyden: wir fagen ja nicht, daß dieſe oder jene / der Menſchheit. 29 vollkommen ſey, nur daß ſie es nach und nach mehr werden. Zaͤhlet uns im langen Verzeichniſſe die herr ſchenden Laſter des Jahrhunderts mit ihren traurigen Gefaͤhrten her: wie der Luxus, die Sinnlichkeit, der Muͤßiggang, der Leichtſinn, die Verblendung alle phy— ſiſche und moraliſche Energie unterdruͤcken, und ihre uns feligen Opfer tief unter ſtch ſelbſt herabwuͤrdigen; aber wir reden ja auch nicht von jenen entnervten Halbmen— ſchen in den großen Staͤdten verdorbener Nationen, ſon— dern vom Menſchengeſchlechte reden wir. Bemerket es, daß Tugend und Aufklaͤrung nicht gleichen Schritt halten; daß der frecheſte Aberglauben auch jetzt fein Haupt nes ben der beſcheidenen Wiſſenſchaft emporhebt, und daß die unter allen erſinnlichen Geſtalten wiederkommende Schwaͤrmerey, unter einem unbegreiflichen Zulauf, ihre hoffnungsvollen Zauberſcenen wieder eroͤffnet; aber wir ſagen ja auch nicht, daß der Menſch wirklich da ſey, wo er unbenebelt die Wahrheit ſehen kann, wo im Ge— ſichtkreiſe ſeines Verſtandes keine Meteore mehr erfcheis - nen werden. | Laſſet uns aus dem, was die Geſchichte der Erde übers einſtimmend mit der Geſchichte der Menſchheit lehrt, bedaͤchtlich nur ſo viel ſchließen, als ſich ungezwungen daraus ſchließen laͤßt. Daß nemlich in dem allumfaſſenden Plan der oberſten Weisheit das Menſchengeſchlecht nach und nach hoͤher ſteigen ſolle — daß hiemit zunehmende Vollkommenheit nicht allein die Beſtimmung des Einzelnen, ſondern des Menſchen uͤberhaupt, und folglich aller beſondern Staaten und Geſellſchaften ſey — daß wenn dieſer Fortgang ſchon nicht uͤberall ſichtbar, oder auch nicht einmal wirklich iſt, er dennoch moͤglich ſey und wirklich werden koͤnne — daß alſo der Wunſch, die Hoffnung des Patrioten, ſein Vaterland noch gluͤcklicher, ſeine Mitbuͤrger noch beſſer zu — 30 Erſte Rede über die Perfectibilitaͤt ſehen, kein Traum, und die thaͤtig mitwirkende Bemuͤ⸗ hung dahin nicht Thorheit fen ; *) ſondern daß der erſt dem erhabenen Auftrag als Menſch und Buͤrger genug thue, der an ſeinem Theil das gemeine Beßte befoͤrdert, der bey verkennten oder verfehlten guten Abſichten den Muth nicht ſinken laͤßt, der in der Welt zum Beßten der Welt lebt, und von Herzen in jenen allgemeinen Ent wurf der Vollkommenheit einſtimmt, der die Grundlage der ganzen Natur, und das oberſte Geſetz der Gottheit ſelber ift. 9) * Gnaͤdige Landesvaͤter! in einer Welt, wo alles voll⸗ kommener werden kann und ſoll, iſt keine eurer beſſeren Einrichtungen verloren. Indem Ihr uͤberall mehr Ord— nung und Gluͤck zu verbreiten, und die Wohlfart jedes Standes und Buͤrgers immer tiefer in das Syſtem eu⸗ rer Regierung hineinzuziehen ſuchet: fo wirket Ihr gleich⸗ foͤrmig mit der in der ganzen Natur wirkſamen Vorſicht, deren Bild Ihr traget. — In einer Welt, wo alles voll⸗ *) Das Gute, was man kann, nicht befördern wollen, iſt un⸗ verantwortlich; aber das Gute hindern, was andere befoͤrdern moͤchten, wie ſoll man das nennen? geſchaͤhe es auch nur durch kuͤnſtlich verbreitete Bezweiflung des moͤglichen Erfolgs, tan⸗ quam ſiniſtra cava ab ilice cornix ! So blieb denn freylich nichts, als jener niederſchlagende Grundſatz des misvergnuͤgten Roͤmers uͤbrig: Fruſtra niti, neque aliud fatigando, niſi odium, quærere, extremæ dementiæ eſt. Salluſtius in Jugurtu. ) Dieſer Plan iſt der eigentliche groſſe Gegenſtand der wahren Phi⸗ loſophie, Moral und Religion; und ich hoffe es, daß er es immer mehr werden wird. Mit welchem Vergnuͤgen habe ich ihn ſeit her bey Herdern wieder gefunden! Wie er, ſo ſollte jeder Philo⸗ ſoph empfinden: „Ich beuge mich vor dieſem hohen Entwurf der allgemeinen Naturweisheit uͤber das Ganze meines Geſchlechts, um ſo williger, da ich ſehe, daß er der Plan der geſammten Natur if.» Th. 3, p. 364. der Menſchheit. 31 kommener werden kann, iſt gewiß auch der heutige Tag keine leere Feyerlichkeit. Die großen Quellen der bürgers lichen Gluͤckſeligkeit ſind und bleiben der Ackerbau und der Anbau der Geiſter. Durch jenen wird der Boden gezaͤhmt, bereichert, bevoͤlkert, die Produkte vervielfaͤl— tigt, veredelt, die Luft gemildert. — Aber durch dieſen wird das animaliſche Wohlſeyn zur vernünftigen Glücks ſeligkeit hinaufgelaͤutert. Von Eurer Sorgfalt für jes nen zeugt der Anblick, der Segen des ganzen Lands, von Eurer ſorgfaͤltigen Wachſamkeit fuͤr dieſen, unſere Akademie, dieſe zahlreiche Jugend und der gegenwaͤr— tige Tag. Erlaubet mir dann, Gnaͤdige Obern, bey dieſer Ges legenheit unter dem Ausdrucke des waͤrmſten Dankes eu— rem Vaterauge und Vaterherzen nicht allein unſere Aka— demie und Schulen, ſondern die Aufnahme aller wahren Wiſſenſchaft und Aufklaͤrung uͤberhaupt aufs neue zu empfehlen. Hochgeehrte, woblehrwürdige⸗ viel Geehrte Zer⸗ ren Lehrer in der Akademie, der Kirche, den Schulen — Heil uns, die wir beſtimmt find, Werkzeuge zu dieſem großen Zwecke zu ſeyn! Möchte unſer Mutb unferer Geſinnung ſtets gleich bleiben! Moͤchte das Maaß un— ſerer thaͤtigen Kraͤfte den Umfang unſerer Pflichten ganz ausfuͤllen. Fuͤr euch, meine theure liebenswuͤrdige Schüler, muͤſſe dieſer Tag ein Tag der Zufriedenheit, der Dankbarkeit, der Freude ſeyn; aber einer Freude, die Belohnung eus res Fleiſſes iſt, und neue rege Aufmunterung zu ene regem . ſeyn lie r 32 Zweyte Rede über die Perfectibilität 3 we y i r uͤber die Perfectibilitaͤt des Men ſihen aus den phyſiſchen Anlagen deſſelben. (Tit.) Die beyden Verſuche uͤber die Beſtimmung des Menſchen zur fortſchreitenden Vollkommenheit und Gluͤckſeligkeit, die ich bereits vorgetragen habe, ſetzen ſchon in der Nas tur des Menſchen eine phyſiſche Anlage und Entwicke⸗ lungskraft zu dieſer Beſtimmung voraus. Man wird al⸗ ſo vermuthlich noch eine eigene Behandlung dieſes beſon⸗ dern Satzes erwarten, da auf denſelben doch am Ende alles das zuruͤckgefuͤhrt werden muß, was ich aus der Geſchichte der Menſchheit und ihrer Naͤhrerin der Erde angemerkt habe. Schon die Pſychologie leitet uns auf die Vermuthung eines vortreflichern Mechanismus in der koͤrperlichen Bil⸗ dung des Menſchen. Aus derſelben iſt es gewiß, daß ſich fuͤr unſere Vernunft und Moralitaͤt keine eigentliche Grͤnzen angeben laſſen; und eben fo gewiß iſt es, daß ſich dieſe, wie alle andere Geiſtesfaͤhigkeiten zuletzt auf die Sinne ſtuͤtzen, und von der mehr oder weniger voll⸗ kommenen Beſchaffenheit ihrer Organe abhangen. „Die Seele iſt, wie ſich ein ſinnreicher Schriftſteller ausdruͤckt, ein * 1 N der Menſchheit. 33 ein göttliches Licht, deſſen Glanz deſto reiner oder duͤſte⸗ rer ſcheint, je duͤnner oder groͤber der Nebel der Sinne iſt, durch welchen es fallen muß. „ ”) Und ſo ſchließen wir oft und richtig von gluͤcklichen Organen auf vorzuͤgliche Geiſtesanlagen; warum ſollte der Schluß denn nicht auch umgekehrt gelten, daß nems lich die unbegrenzte Entwicklungsfaͤhigkeit der Seele hin wieder in der Organiſation des Koͤrpers eine ganz eigene Bildſamkeit vorausſetze. ) f | So natürlich indeſſen dieſer Schluß ſcheint, fd ſchwer bleibt dennoch der Beweis der Sache ſelber. Wir kennen unfere eigene Struktur nicht Sobald die Zergliederungs⸗ kunde **) fich tiefer in das innere Gebilde hineintwagt : ſo wird das Gewebe fuͤr unſere Beobachtung ſchon zu Fünftlich , die fluͤßigen, geiſtigen Theile zu aͤtheriſch, zu wirkſam. Die beſcheidene Natur hat ſich der Luͤſternheit unſerer Blicke entzogen, und gleichſam ein Vergnügen darinn gefunden, den Menſchen fuͤr den Menſchen zum unaufloͤsl ichen Raͤthſel zu machen. Nur ein unendlicher Verſtand ſieht die Wirkungen in ihrem Grunde; ſieht, wie von der allgemeinſten Urſache ‚ wie vom erſten Ring, die ganze Kette der Folgen bis ins Individuelle hinablaͤuft. Wir Sterbliche klettern mühs kü an an der Leiter der Wahrheiten von der unterſten Stuffe ”) Eſſai fur la maniere de perfectionner Pefpece humaine pr. Mr, Vandermonde, ) S. Erfahrungen und Unterſuchungen über den Menſchen von Hrn. von Irwing, Th. I. Abtheil. 5. em) Weber die unzulaͤnglichkeit unſter Kenntnife hierin leſe man auch Tetens philoſ. Derf. Th. 2. ©. 448. Eigentlich exiſtirt noch gar keine Anatomie fuͤr den Philoſophen. Man will Nerven⸗ zweige beobachtet haben, die 32000 mal feiner als ein Haar ſind. Wie weit iſt die Wiſſenſchaft noch zuruͤck, und wie wenig ruͤckte bisher die mechaniſche Pſychologie auf dieſem Wege fort? Magaz. f. d. Naturk. Selvetlens, III. B. € Zweyte Rede uͤber die Perfectibilitaͤt der ſinnlichen Wahrnehmung, und ahnden aus der Na— tur der bekannten Wirkungen dunkel nur die Beſchaffen⸗ heit ihrer verborgenen und verborgen bleibenden Urſachen. Dieſen Umweg, dieſen ſteilern Pfad muͤſſen wir uns hier auch gefallen laſſen. Wohlan denn, wir wollen mit der natuͤrlichen Geſchichte des Menſchen in der Hand, aus der großen merkwuͤrdigen Verſchiedenheit deſſelben, auf die außerordentliche Bildſamkeit und Geſchmeidigkeit ſei⸗ nes koͤrperlichen Baues, aus ſeiner Vergleichung mit den Thieren, auf ſeine Vorzuͤge vor denſelben, ſchließen; und ſo endlich ſeine phyſiſche Anlage zur Perfectibilitaͤt zu beweiſen ſuchen. Das nehme ich ohne Beweis an, daß die geſammte Menſchheit nicht nur ein Geſchlecht, ſondern eine einzelne Gattung ſey, die ſich zwar bey der großen Mannigfal⸗ tigkeit der äußerlich wirkenden Umſtaͤnde in viele Varietaͤ⸗ ten geſondert hat, keineswegs aber in ſpecifiſch getrenn⸗ te Arten oder Racen theilen läßt. ) Das nehme ich nicht bloß auf das Anſehen der Offenbarung an, wiewohl daſ⸗ ſelbe auch beym Philoſophen, beſonders in Thatſachen, die in die aͤlteſte Schoͤpfungsgeſchichte einſchlagen, wich⸗ tig und ehrwuͤrdig ſeyn muß. Nein, die Sache iſt ana; tomiſch erwieſen, und der Menſch, auf welcher Stelle, in welchem Winkel der Erde er lebe, iſt noch überall fo *) Es ſoll doch, hoffe ich, keine andere Meinung haben, wenn Hr. Meiners ſeine zween Hauptſtaͤmme, den Mongoliſchen und Kaukaſiſchen, beynahe weſentlich unterſcheidet, und dabey ver⸗ muthet, man werde dereinſt eben ſo große innere Unterſchiede unter ihnen entdecken, als die angegebene aͤußere in die Augen fallende Merkmale find. Grundr. d G. d. M. p. 63. Ueber die Einartigkeit der Menſchheit bey der Verſchiedenheit ihrer Racen. ©. Kants Abhandlungen in Engels Philoſ. fuͤrddie Welt, Th. 2. S. 125. und Berl. Monatſchrift, Nov. 1785. der Menſchheit. 35 ganz Menſch, daß weder die Zeit, noch das Klima, noch die Sitte und die Lebensweiſe vermoͤgend find, die Zuͤge feiner allgemeinen Verbruͤderung mit dem übrigen Menſchengeſchlecht auszuloͤſchen. Zome, Keinald, und andere, welche das Gegen— theil behaupteten, haben faſt durchgehends die Wirkun— gen der Kunſt⸗ mit den Wirkungen der Natur verwechſelt; fie haben es nicht bedacht, daß die groͤßten und auffals lendſten Verſchiedenheiten der Menſchen ihr eigenes Wer— ke ſind. Gleichwohl giebt es ganze Nationen, die ihren Körper mit aͤtzenden Farben bemahlen, und unaustilg; bare Figuren in die Haut taͤttoviren. Andere, die ihre ſchneeweiſſen Zaͤhne mit einem glaͤnzenden Schwarz uͤber— ziehen, oder ihre gewoͤlbten Augen in eine widrige Laͤnge zwingen. Da fällt ihre Tollkuͤhnheit die feſteſten Theile des Koͤrpers an; daher die plattgedraͤngte Stirne der Baraiben, die breiten Schädel der Omaduas die ge⸗ vierten der Japaneſen, die Fonifchen der Sineſen. ) Dort hindern fie gewiſſe Glieder im Wachs thum bis zur Unbrauchbarkeit, oder ſtuͤmmeln ſie gar weg, indem ſie andere über alle Verhaͤltniſſe zu vergroͤſſern ſuchen. ) ) In der Geſchichte der Menſchheit muß der Unterſchied zwiſchen den Wirkungen der Natur und Kunſt aufs ſorgfaͤltigſte angemerkt werden. Viele der letztern haben oft bloß zufaͤllige Veranlaſſun⸗ gen gehabt, und beweiſen nichts fuͤr den Urſprung dieſer Voͤlker. Die Karaiben z. B. drückten die Stirne platt, um ſich als ein freyes Volk von den Afrikaniſchen Negerſklaven zu unterſcheiden. Rainald, hift. phil. T. 5. p. 269. ad 1776. Ruͤckſicht auf Spra⸗ che iſt bey dieſer Unterſuchung wichtiger, und in einem Syſtem der Menſchengeſchichte weſentlich. Auf dieſem Wege hat man ge⸗ funden, daß die Suͤdſeeinſulaner, ihrer merkwuͤrdigen Unter⸗ ſchiede ungeachtet Malayiſchen Urſprungs find. Cook, Voya- ge to the pacific. Ocean, 1784. Introd. II. U. f. „) Z. B. die kleinen Fuͤſſe der Japaneſinnen und Chineſinnen. Der Geſchmack ſo vieler, und beynahe aller orientaliſchen Voͤlker an großen Ohren. Die unngtuͤrliche Verlängerung eines gewiſ⸗ 36 Zweyte Rede uͤber die Perfeetibilitaͤt Viele dieſer Angewoͤhnungen durch lange Jahrhunderke geuͤbt, machen zuletzt einen Eindruck, der in die Natur ſelbſt uͤber, 25 von einem Geſchlechte zum andern erbs lich fortgeht.“ Allein wenn "ir natürliche Unterfchied der Menſchen nicht groß genug iſt, um eine Mehrheit der Gattungen, fo iſt er es hergegen, um die außerordentlichſte Geſchmei⸗ digkeit ihres Koͤrperbaues zu beweiſen. Man durchziehe die bewohnte Kugel von Samoſcythien bis Vandie⸗ mensland , von Baffinsbay bis über die Magellaniſche Meerenge, welche Uebergaͤnge, welche Abſtaͤnde werden nicht hier in der Groͤſſe, der Staͤrke, der Bildung, der Farbe, der Gemuͤthsart ſichtbar! Welch ein buntes uns beſchreiblich reiches Gemälde ſtellt die einzelne Menfchens familie in den vielfachen Zweigen ihrer Ausbreitung nicht dar! Buffon ) hat es verſucht, dieſes Gemälde nach als len feinen Schattirungen zu entwerfen, und Herder hat das belebende Colorit ae blüthereichen Einbildung daruͤber gegoſſen. Nunmehr glauben wir es gleichſam zu ſehen, wie beym Lappen, Samojeden, Borandier und Peſcheraͤh die fen Theils bey den Männern gewiſſer Suͤdſeeinſeln. Hawkes⸗ worth und Forſter. Meiners ſammelt in dem Goͤtting. hiſt. Magazin die Data zu dieſen und ähnlichen Gebraͤuchen. 5) &, Vandermonde I. c. ch. 6. De la reſſemblance des enfans a leurs pere & mere. Einige Beyſpiele, die aber ſehr ver⸗ mehrt werden koͤnnten, beſonders aus der Geſchichte der Thiere, der Pferde, der Hunde u. ſ. w., bey Steeb über den Wien. (hen, Th. 1. S. 44. In der oben S. 34 angefuͤhrten Abhand⸗ lung laͤugnet Herr Kant alle dieſe Facta, weil er „gar keinen in das Zeugungsgeſchaͤft hineinpfuſchenden Einfluß, zugeben mag. Eine kritiſche Pruͤfung der hieher gehoͤrenden Nachrichten würde Stoff zu einem nüglichen Auffage geben. In Engels Philoſ. für die Welt, Th. 2. S. 125, über die verſchiednen Rasen der Menſchen von Kant. *) Oeuvres compl. de Mr, de Buffon, T. 5, Paris, 1774. der Menſchheit. 37 Polarkaͤlte die ganze Bildung zuſammendraͤngt, indem die von innen herauswirkende Kraft nur kurze Arme nnd ſchwache Fuͤſſe treiben kann, uͤber welchen ein zu großer Kopf mit allzubreiten Achſeln verbunden ruht. — Wie hingegen unter der ſenkrechten Sonne die ſchwammich⸗ ten Theile in den Lippen und der Naſe aufſchwellen; wie nicht allein beym Neger am Senegaſtrom, und in Nubien, ſondern beym Papu und Neuguineer die Galle ins Malpighiſche Netze tritt, und die Haut entwe— der glaͤnzendſchwarz, oder einmal dunkelſchwarz faͤrbet; indeſſen das Haar unter dem ſengenden Stral zur Wolle ſich kraͤuſelt. — Wie endlich in dem gemaͤßigſten Erds guͤrtel vom zwanzigſten bis uͤber den vierzigſten Grad der Breite, in den gluͤcklichſten Gegenden Europens und Aſiens, in Tſchirkaßien und Kaſchemir, aber mehr noch in dem beguͤnſtigten Griechenland, die menſch⸗ liche Wohlgeſtalt eine Stelle findet, wo ſie ſich mit dem Geiſte vermahlen, und in allen Reitzen irdiſcher und himmliſcher Schoͤnheit nicht nur dem Auge, ſondern auch der Seele ſichtbar werden konnte. „) | Welch ein Gefchöpf iſt der Menſch! Er lebet in Gegen— den, wo die ferne Sonne ohne Wechſel des Auf und Niedergangs parallel im Horizonte ſchwimmt; er lebet da, wo ſie ihre ſenkrechten Stralen mit fuͤrchterlicher Kraft aus dem Zenith herabſchießt; er lebt in Gruͤnden, wo die über ihm ruhende Luftſaͤule mit einem Gewicht von zween und dreißig Zentner druckt, und auf Anhöhens wo eben dieſer Druck um tauſend ſechshundert Pfund ge⸗ ringer iſt. Hier iſt das Pflanzenreich ſeine Nahrung, da ein Wald, dort das Meer; und wenn alle dieſe Quel⸗ len verſiegen: ſo naͤhrt er ſich, wie in den Sandwuͤſten Nigritiens, von den Heuſchrecken, die der Wind her⸗ *) Herders Ideen zur Philoſ. d. G. d. M. Th. 2. B. 6, H. 3. S. 20. 38 Zweyte Rede uͤber die Berfectibilität führt, ) oder er ſpeißt ſogarf den Boden, worauf er er ſteht, wie Steller von den Kamtſchadalen verſichert. ) Ich werde aus dieſer erſten Bemerkung nicht alle die Folgen ziehen, die man daraus geleitet hat; aber ſo viel, duͤnkt mich, fließt doch ohne Widerrede daraus, daß ei— nerſeits die menſchliche Organiſation eine ganz eigenthuͤm⸗ liche, vortrefliche Einrichtung habe; und andererſeits, daß ſie einer großen Veraͤnderung und Ausbildung faͤhig ſey. Der Menſch iſt das einzige Geſchoͤpf, welches von al— lem leben, uͤberall ſich ausbreiten und klimatiſiren kann. Er allein iſt fuͤr die ganze Erde, die ganze Erde iſt fuͤr ihn allein geſchaffen. Durch die außerordentliche Ges ſchmeidigkeit und Dauerhaftigkeit des Koͤrpers, die die⸗ ſe Abſicht erforderte, kann er, freylich ohne eigentliche Ausartung, ungemein tief ſinken; aber eben das macht ihn denn auch einer deſto groͤßern phyſiſchen Vervoll— kommnung faͤhig. Und auf dieſen Zweck arbeitet die Na⸗ tur augenſcheinlich uͤberall, wo ſie nur kann. Nicht al⸗ lein wohnen ſchon neben den Lappen die wohlgebildeten Schweden, und neben den Feuerlaͤndern der edlere Stamm der Patagonen: ſondern in jeder menſchlichen Varietaͤt geht die Schoͤnheit mit der Milde des Himmel⸗ ſtrichs in gleichen Schritten fort; der Amerikaner iſt nicht durchaus fo blöde, wie von Daum ihn mahlet. In der Olivenfarben Gattung haben uns Otaheiti, und das auf immer beruͤchtigte Owaihi Ideale im hoͤhern Geſchmacke geliefert; ſelbſt die Neger und Kefern haben ihr Georgien und Mingrelien. In Natal, in Sofala und Monomotapa iſt der Wuchs fo regelmäßig und edel, die Zuͤge ſo ſanft und ausdruckvoll, daß die Far⸗ ) Die Exiſtenz dieſer vom Adm. Drak erwaͤhnten, von andern bezweifelten Akridophagen, ſcheint dem Grafen von Buͤffon nicht unwahrſcheinlich. T. 5. p. 120. *) Steller von Kamtſchaka. Ueber die Mannigfaltigkeit der — der Menſchheit. 39 be vielleicht) abgerechnet, dieſe Voͤlker mit jedem Welts theil um den Vorrang der Schoͤnheit eifern duͤrfen. Die menſchliche Organiſation hat hiemit eine eigens thuͤmliche Vortreflichkelt, die fo bey keinem Thiere ge funden wird. Laſſet uns jetzt ſie beyde naͤher zuſammen⸗ halten, um dieſe Vorzuͤge deſto deutlicher zu beſtimmen. Die ſchon oft angeſtellte Vergleichung zwiſchen dem Menſchen und dem Thier iſt nicht allemal zum Vortheil des erſtern ausgefallen. Viele behaupten, der Menſch ſey blos ein etwas vollkommneres Thier; ſie beyde ſeyen zwey zu einem Geſchlecht gehoͤrende Gattungen; auch hier gehe die Natur ſo unvermerkt aus der einen in die andere uͤber, daß man unmoͤglich die Graͤnzlinie zien Thierheit und Menſchheit ziehen koͤnne. Von da war der Schluß auf die innere na ſchaft leicht. So ſagt Plattner, „ der unterſte Grad einer menſchlichen Geiſteskraft graͤnzt an die oberſte moͤg⸗ liche der Thiere, und die unterſte moͤgliche der Thiere an die materiellen Kraͤfte. ) Und nun geht Zermann ſchon einen Schritt weiter. Er behauptet, vom guten Genie zum dummen Menſchen waͤre der Abſtand groͤßer, als von da zum Thier; er vermuthet ſogar, viele Thierſeelen, in unſere Organen verſetzt, würden uns weit uͤbertreffen. ) Nahrungsmittel, ſiehe auch Meiners Grundriß, Cap. 4. Aber den eckeln Leſer warnen wir, lieber nicht zu leſen. „) Ob unſere europaͤiſche oder die ſchwarze Farbe die ſchoͤnere fen? iſt eine Frage, woruͤber geſtritteu wird. Unſer durch Gewohn⸗ heit entſchiedenes Gefuͤhl ſtimmt fuͤr jene: aber fuͤr dieſe vielleicht die Naturgeſchichte der Thiere. *) Dlatners Anthropologie für Aerzte und Weltweiſe, $. 177. So erklärt fich auch Condillac in feinem gegen Buffon gerichteten Traite des Animaux. Amft. 1766, und Bonnet a. m. O. % Hermanni Tabula affinitatum animalium, C. 2. Argent. 178% 40 Zweyte Rede uͤber die Perfectibilitaͤt Und wirklich die unter den Thieren in der Wildheit aufgewachſene Kinder, wovon man ſchon mehrere Bey— ſpiele geſammelt hat, wie niedrig, wie . zeigen fie uns die Menſchheit. “) | Und wie koͤnnen wir unſere Aehnlichkeit mit den Afs fen laͤugnen! Ihr innerer Bau, ſelbſt die Sprachwerk— zeuge *) nicht ausgenommen, iſt ſo auffallend der nemli⸗ che, daß Galen ſeine mehreſten anatomiſchen Verſuche auf Affen machte, und auf Menſchen anwandte; *) und Linne verſichert, daß weder das Angeſicht, **) noch die Fuͤſſe,, noch der aufrechte Gang, noch irgend etwas anders in der aͤußern Struktur des Menſchen von den ſaͤmmtlichen Affengattungen verſchieden ſey. J) Doch um mich kur; zu faſſen, giebt es nicht Thiere, welche die geuͤbteſten Naturaliſten fuͤr Menſchen hielten, wie der Prang-Outang und der Homo-Lar des Sins naͤus? Giebt es nicht hingegen Menſchen, die man lies ber fur Thiere nehmen moͤchte, wie die Quimos auf Madagasgar die Manghier auf Mindoro und Formoſa, *) Außer den bekanntern IRr-fen hieruͤber ſehe man auch Schwei ⸗ kards Diſſert. de Statu animæ hominis inter feras adolescentis. Argent. 17597. ) Das Daſeyn der Sprachorgane beweiſet die Sprachfaͤhigkeit noch nicht. Von jenem kann der Zergliederer zeugen; aber dieſes Zeugniß beweiſet dem Philoſophen nichts. Nehmen wir nur die Zunge, wel le Modiſteationen derſelben werden nicht zur Artiecu⸗ lation erfordert! S. Ammanni Differt. de loquela. Amſt. 1700, Daß der Menſch allein der Sprache faͤhig ſey, hat Camper in den Tranſ. philoſ. p. 1. 1779. anatomiſch erwieſen. * Mayers kurze Nachricht von der Geſchichte der Anatomie und den vorzüglichſten Anatomiſten. Im I. Th. d. Beſchr. d. M. R. S. 36,37. =), Lavater laͤugnete jede Uebereinkunft zwiſchen den Zuͤgen im Af⸗ fen⸗ und Menſchengeſichte. Hermann raͤth ihm, die Zeichnung des Petauriſta beym Schreber mit Sorfters Beſchreibung der Malicoleſen zu vergleichen. Man vergleiche, und man wd finden, daß Lavater recht hat. 7) Linnæi amtenitates. Vol. 6. Antlıropomorphia , p. 76. der Menſchheit. 41 die Peniten auf Borneo / welche Plinius, Pauſanias, Ptolemaͤus gekannt, unter den aͤltern Reiſenden Zer— bort und Kutſchkow beſchrieben, und deren Daſeyn erſt neulich Sonnerat verſichert hat.“) So waͤre alſo dein Stolz gebeugt, o Menſch! So waͤreſt du von dem Throne eines Koͤniges der Erde ge— ſtuͤrzt, und zur Zunft deiner Sklaven der Thiere geſun— ken! — Doch nein, du bleibſt dennoch das erſte, das edelſte der Geſchoͤpfe der Erde, die Krone der irdiſchen Schoͤpfung! Selbſt da, wo die Vorkehrungen der Na— tur zu deinem Nachtheil getroffen ſcheinen, in deiner Wehrloſigkeit und Inſtinktloſigkeit, in dem langſamen Wachsthum, in der Zartheit und Zerſtoͤrbarkeit deines Koͤrpers, leuchtet noch deine Hoheit durch. Die Natur, das heißt, die ewige in der Natur ſicht— bare Weisheit hat muͤtterlich fuͤr die Thiere geſorget, ſie zum Angrif und zur Vertheidigung bewaffnet, ihnen den ſichern Inſtinkt zum Fuͤhrer gegeben, und in der Art, wie fie das gethan hat, herrſcht eine unbeſchreiblich finns reiche Vorſicht, eine unerſchoͤpflich erfinderiſche Zaͤrtlich— keit.“) Aber ihren Liebling den Menſchen umhuͤllet fie kaum mit dem durchſichtigen Gewand dieſer empfindli- chen Haut, und giebt ihn ſo der Hitze, der Kaͤlte und ) Aller dieſer Yutoritäten Ingenchtet blanke Kin aufgeklärter Na⸗ turaliſt an ihr Daſeyn. Sonnerat, Voyage aux Indes Orien- tales & à la Chine, T. z. p. 102, hat fie nicht geſehen; und Blumenbach, de Ae humani nativa varietate S§. 92. feq. hat das ganze Märchen widerlegt; Vergl. auch Herders Vor⸗ rede zu Monboddo's Werk von dem Urſprunge und Sort⸗ gang der Sprache. Kiga, 1784. 7˙) Die Schriften der Zoologen und Entomologen find voll der aufs fallendſten Beyſpiele; aber eine Bemerkung, die ich bey Blu⸗ menbach las, frappirte mich vorzuͤglich. Das wehrloſeſte aller Inſecte iſt der Polyp. Warum das? Jede Verletzung iſt für ihn Vervielfachung des Lebens, und der Cod ſelbſt, neues Leben. 42 Zbweyte Rede über die Perfectibilitaͤt jedem Ungeſtuͤm des veraͤnderlichen Himmels preiß. Allein da er hoͤhere Kraͤfte beſaß: ſo mußte er ja auch in die Nothwendigkeit geſetzt werden, dieſelben aus eins ander zu wickeln. So konnte er das fuͤr ſich ſelbſt thun, was die Natur fuͤr die Thiere that, und gelangs te zu Fertigkeiten, zu Erfindungen, zu Bequemlich⸗ keiten, die fuͤr den thieriſchen Kunſttrieb ewig unerreich⸗ bar ſind. 8 Eben dieſe Bewandtniß hat es in allen uͤbrigen Ruͤck⸗ ſichten mit dem Menſchen. Da in der Welt die goͤttlis chen Anſtalten und Abſichten überall im Verhaͤltniß fies | hen: fo beweiſet feine Tangfame Entwickelung eine ſorg⸗ faͤltigere Vorbereitung; folglich eine hoͤhere Beſtimmung. Die geſchmeidigere Struktur ſeines Koͤrpers befoͤrdert ſeine Dauerhaftigkeit und Staͤrke. Seine Lebenszeit iſt dreymal groͤßer, als die der haltbarſten Thiere, und feis ne Staͤrke! O, der Menſch kennt ſeine eigenen Kraͤfte nicht. Bekanntlich beſitzt oft ein einzelner Muskel eine Kraft, die das doppelte Gewicht des ganzen Koͤrpers nicht uͤberwaͤltigt. Wie ungeheuer muͤßte nicht die Sum⸗ me einer gleichfoͤrmigen Anſtrengung aller dieſer Kraͤfte ſeyn! Deſaguiliers hat das gewiſſermaßen durch einen Verſuch erlaͤutert. Er hat eine Art von Bekleidung er⸗ funden, vermittelſt welcher er ein gegebenes Gewicht vers haͤltnismaͤßig über den ganzen Körper vertheilen konnte: ſo fand es ſich, daß ein einzelner Mann, ohne beſondere Ermuͤdung, zwanzig Zentner zu tragen faͤhig ſey.) Nun⸗ mehr wird es begreiflicher, wie der Menſch in jedem Klima ausdauert, die haͤrteſte Lebensart vertraͤgt, und *) Ich führe dieſes Experiment aus dem Buͤffon an, T. 4. p. 392. Deſaguliers erwaͤhnt noch eines andern Verſuchs, in welchem ein einzelner Mann die vereinigte Kraft von zehn Menſchen, oder zwey Pferden überwältigt. Deſſelben Phyſico - mechanical Leckures, London, 1717. L. VIII, 8, 12. der Menſchheit. 10 Dinge verrichtet, die in der That Werke eines Herrſchers der irdiſchen Schoͤpfung ſind. Die Zeit erlaubet es nicht, dieſen angenehmen Gegen, ſtand zu verfolgen. Ich uͤbergehe fo gar die merkwürdige Bez trachtung der menſchlichen Hand, und der Sprachfaͤhigkeit, um nur noch einige allgemeine Anmerkungen einzuſtreuen. Die eine betrift die aufgerichtete Stellung, worinn die Alten ſchon einen Wink der Gottheit und des Himmels Buͤrgerrecht erkannten. Dieſe Stellung, die ein Rouſſeau und Moſcati dem Menſchen abgefprochen,*) die andere dem Orang⸗Outang und Longimanus zugeeignet, iſt ein unterſcheidendes Kennzeichen, ein erhabenes Vorrecht, das nach den ſorgfaͤltigſten Unterſuchungen eines Coiter, Tyfon, Blumenbach der Menſchheit ausſchließlich ange— hoͤrt. Und ſie wollen wir uns auch nicht rauben laſſen, denn ſie iſt die Grundlage unſrer ganzen koͤrperlichen Vortreflichkeit; ſie hat Einfluß in die Lage, die Form, die Ausbildung aller Theile, iu das freyere und ſchoͤnere Spiel aller Bewegungen, in die Harmonie des Ganzen; und, um mit Herdern zu reden, in die Organiſation zur Zumanitaͤt und Vernunft. „Das Thier, ſchreibt dieſer leſenswerthe Weltweiſe, ) iſt nur ein gebuͤckter Sklave, wenn gleich einige edlere derſelben ihr Haupt emporheben, oder mit vorgerecktem Halſe ſich nach Frey⸗ heit ſehnen. Der Menſch iſt der erſte Freygelaſſene der Schöpfung, der Baum feines Ruͤckens! ſproßt gerade, die Bruſt hat ſich gewoͤlbet, die Huͤften geſchloßen, der Hals erhoben; die Sinne ſind ſchoͤner geordnet und Y Diefen widerlegt Mayers Beſchreibung des ganzen M. A. Th. I. S. 120. u. f. ) Th. I. S. 231. Man weiß, wie vieles er auf dieſen Umſtand baut. Man hat ihm widerſprochen; aber eigentliche Wider⸗ legung hab' ich nicht gefunden. In dieſer Behauptung iſt doch in der That viel wahres. 44 Zwente Rede uͤber die Berfectibilität ſtralen zuſammen ins hellere Bewußtſeyn. Und das alles, wodurch anders, als durch ein Machtwort der Schoͤpfung — Geſchoͤpf ſteh' auf von der Erde! Allein nichts, duͤnkt mich, verraͤth die Veredlung der Materie in der menſchlichen Organiſation ſchoͤner, als jene bewundernswuͤrdige Zuſammenſtimmung der Veraͤn⸗ derungen des Koͤrpers mit den Bewegungen der Seele. Beym Thier funkelt nur der wildere Affekt aus dem grim⸗ migen Auge. Aber im kmenſchlichen Körper wird jeder Gemuͤthszuſtand, jede leiſere Empfindniß, jeder Gedan— ke gleichſam ſichtbar. Hier iſt alles Charakteriſtik und Sprache. Der Blick, der Ton, die Stellung, die Fars be, die Gebehrde, ſogar, das Stillſchweigen hat feine Beredſamkeit. Wir leſen ſein Herz in der Miene, ſeinen Verſtand auf der Stirne, die Erhabenheit und Reinheit der Geſinnungen in der Heiterkeit des Auges, und in einem gewiſſen, zaͤrtlichen unnennbaren Ausdrucke des Ganzen, das zur Wärme der Freundſchaft wallen— de Gefühl, ) | Wer ſieht hier nicht, wie die Materie zur aͤußerſten Feinheit bereitet, zur Empfaͤnglichkeit der Eindrücke des Geiſtes gelaͤutert, bis zum ſichtbaren Abglanze ihrer unſterblichen Bewohnerinn geadelt iſt! Wer ſich alſo jetzt nur ſo ganz uͤberhaupt einen Be⸗ griff von der Vortreflichkeit des menſchlichen Organis- mus machen kann, dem wird die Behauptung, daß *) Theorie des fentimens agreables, par Mr. de Pouilly, 1774. Dieſer Schriftſteller drückt ſich (Ch. 5. p. 148.) mit folgenden Worten aus: Un air fin eft comme l’etincelle de lesprit; un air doux promet des egards flatteurs; un air noble marque lelevation des ſentimens; un air tendre ſemble £tre le garant d'un retour d’amitie. = der Menſchheit. 45 derſelbe einer immer weitern Auseinanderwickelung und Fortbildung faͤhig ſey, vielleicht nicht mehr ungereimt vorkommen. | | Was ſage ich ungereimt! Diefe Wahrheit iſt ein Ers fahrungsſatz, wozu faſt alle Kuͤnſte, bey welchen der eine, oder der andere Sinn vorzüglich geuͤbet wird, eis gene Belege liefern. Das Auge des Mahlers faßt mit einem Blick eine unzaͤhlbare Menge von Eindruͤcken; es iſt ſelbſt gleichſam ein lebendes Gemaͤlde, auf welchem der Finger der Natur mit dem zaͤrteſten Pinſelzug jede ſchwache Schattirung nachahmt. Der Muſikverſtaͤndige unterſcheidet in tauſend durch einander zitternden Toͤnen jeden Uebergang, jedes Verhaͤltniß; ſein Ohr iſt ſelbſt gleichſam ein Inſtrument, von welchem jeder Wohlklang, jeder Mislaut wiedertoͤnt.“) So urtheilen alle aͤchte Kuͤnſtler nach dem Sinne ihrer Kunſt. Der Bildhauer von den ſchoͤnen Verhaͤltniſſen, der Meßkuͤnſtler von Entfernungen und Größen, der Aſtronom von den klein- ſten Zeitabſchnitten. | Was bey diefen die Uebung der Kunſt, das traͤgt bey andern vielleicht ein Beduͤrfniß zur erhoͤheten Wirkſam⸗ keit der Organe bey. Wer hat nicht Beyſpiele von Blin— den gehoͤrt, die den Mangel des Geſichts durch eine ſol— che Verfeinerung des Gefuͤhls erſetzten, daß ſie durch die bloſſe Berührung die Verſchiedenheit der Farben und Mes tallen angeben konnten? *) Oft wird bey ganzen Voͤlkern durch Lokalveranlaßungen ein Sinn vorzüglich entwickelt. Man kennt den geſchaͤrften, weitfliegenden Blick des * %*) Buffon, Oeuvres compl. T. s. p. 282. 8%) Zu den vielen merkwuͤrdigen Beyſpielen, welche Hennings, von den Traͤumen und Nachtwandlern, Weimar, 1784. S. 433. u. f. geſammelt hat, ſetze ich auch die Vorrede zu den Additions aux 9. Voll. des Recueils de Medailles, des Rois & Yilles, par Mr. Pellerin, 45 Zbweyte Rede uͤber die Perfectibilitaͤt Zottentoten und Abiponers; man weiß, daß der Ame⸗ rikaner nicht allein die dunſtende Spur, ſondern in | derfelben die Nation riecht, deren Fuß fie eingedruckt hatte, und von den Bewohnern Nicariens berichtet Daper, daß ſie ſich bisweilen in ſtundenweiten Entfer⸗ nungen zu unterreden pflegen.. Aber Buͤffon glaubt, *) dieſe erhoͤheten Sinne 5 nicht eine Folge der verbeſſerten Organe, ſondern das Werk der Vernunft und des geuͤbtern Urtheils. Und es iſt wahr, durch die geſammelte Aufmerkſam⸗ keit wirkt die Seele auf die Sinne, und erhebet ihre Bils der zur Deutlichkeit.“) Ich bin daher auch ſehr geneigt zu glauben, daß die vollkommenſte Organiſation in Ver⸗ bindung mit einer vernunftloſen Seele ſich nie über eis nen gewiſſen Grad verbeſſern wuͤrde. Bey dem allem iſt es dennoch unlaͤugbar, daß der Verſtand ſeine ſinnlichen Vorſtellungen allein durch die Organe erhalten kann; wenn jene alſo vollkommener werden ſollen: fo muͤſſen es dieſe werden koͤnnen. Dergeſtalt wirken ſim Menſchen die geiſtigen und koͤrperlichen Kraͤfte wechſelweiſe in ein⸗ ander; ſie hangen von einander ab; die Entwickelungs⸗ fähigkeit des Geiſtes ſetzt eine aͤhnliche Kraft im Körper voraus. Beyde ſind fuͤr einander eingerichtet. Auf der Wage der Weisheit hat der Schoͤpfer die Anlagen von beyden ins Gleichgewicht gelegt, den Körper zur Vers nunft organiſirt, und die geiſtige Subſtanz mit dieſer dc) Ueber die Feinheit der Sinne bey gewiſſen Nationen. Mei⸗ ners Grundriß. 8. 23. Ich will nicht entſcheiden, ob die Be⸗ hauptung, daß die Mongoliſchen Voͤlker feinere Sinne haben, aus der Geſchichte gezogenes Faetum, oder in die Geſchichte getragene Hypotheſe iſt. *) Difcours fur la nature des Anim aux. un) Sennebier, Art d’obferver, T. 1. Chap. 6, fir, N ** der Menſchheit. 47 vollkommenſten Organiſation in ein harmoniſches Ganzes zuſammengeſchaffen. ) Nichts ſetzt die Sache mehr außer Zweifel, als die be— kannte Erfahrung, daß unſere erworbene Fertigkeiten auch im Koͤrper gewiſſe Eindruͤcke verurſachen; ſo daß ſich oft beyde phyſiſch fortpflanzen. Daher n nicht nur die verſchiedenen Voͤlker, ſondern in einem Volk die verſchiedenen Staͤnde, in einem Stand die verſchiedenen Familien ihre kennbaren Zuͤge, ihre Tugenden und Laſter. Gleichwie ſich in den ſpaͤteſten Enkeln die Miene der Ahnen wiederfindet: ſo findet ſich oft ihr ganzer Geiſt wieder. Wir kennen gelehrte, kennen mathematiſche, muſikaliſche, Kuͤnſtlerfamilien, und ſehen, daß die Eigenheiten der Seele ſo gut als die des Koͤrpers erblich ſind. Darf ich jetzt den Schluß machen, daß der Menſch eine phyſiſche Anlage zur Perfectibilitaͤt beſitze, und daß ſich auch hier ein ſteter Fortſchritt gedenken laſſe! „Ja, o Menſch! ſo ſpricht das Orakel beym Mendel— 5) Die Philoſophen verſetzen fo leicht Thierſeelen in menschliche, und Menſchenſeelen in thieriſche Organen, und ſprechen dreiſt uͤber die Folgen dieſer Verſetzung ab. Eine Seele in ein frem⸗ des Organon verſetzt, iſt ein Samkorn in einen fremden Boden, wo es ſich nicht enthuͤllen kann, verpflanzt. „Es giebt auf allen Seiten des Weltalls, die wir kennen, vielleicht nur eine ein⸗ zige Organiſation, mit welcher fie ſich dergeſtalt vereinen kann, daß ſie auf dieſe Organiſation zu wirken vermag; aber wenn ſie einmal mit dieſen Organen verbunden iſt: fo wird alles, was mit dieſen Organen homogen iſt, Organ fuͤr ſie. Sie iſt mit al⸗ len Seiten des Weltalls, welche ſie kennt, verbunden; ſie wirkt auf alle Seiten eben ſo, wie auf ihren Koͤrper, nach dem Ver⸗ haͤltniß, das die Intenfität der Wirkung, die ſich aus ihrer Wil⸗ lenskraft ergiebt, zu der Kraft der Geſetze der Natur hat, die von den Ausfluͤſſen der hoͤchſten Willenskraft herſtammen. „ Semſter⸗ huis vermiſchte philoſophiſche Schriften, I. Ch. Ueber den Menſchen und die Beziehungen deſſelben. S. 185. u, f. * - 7 48 Zweyte Rede uͤber die Berfectibilität ſohn, du beſitzeſt auch etwas eigenthuͤmliches, wodurch du Menſch biſt. Du kannſt durch Uebung vollkommener werden, und du wirſt es. Dein Leben iſt eine beſtaͤn— dige Bemuͤhung, die in dir eingewickelten Faͤhigkeiten abzuwinden. Deine Kräfte arbeiten unaufhoͤrlich an ih⸗ rer eigenen Berbeſſerung. Du magſt als Saͤugling oder als Greiß ſterben: fo geheſt du ausgebildeter von binnen, als du hergekommen biſt. „) Auf dieſem Grunde beruhet die Wuͤrde des Menſchen; feine Erhabenheit über die Thiere; feine hoͤhern Eigen⸗ ſchaften; ſeine ganze Beſtimmung. l Man ſehe ſich um im Reiche der Thiere! Sie bleiben ewig inner den Schranken ihres Inſtinkts; die Uebun⸗ gen der Vorwelt dienen den ſpaͤtern Geſchlechtern zu feis ner Belehrung. Noch iſt die koniſche Grube des For⸗ micaleo / das raͤuberiſche Netz der Spinne, die Bauart des Kaſtors — alles iſt noch, wie es von jeher war: In dieſem Theil der Schoͤpfung ſteht alles ſtille, oder Abe ſich kreisfoͤrmig in den einmal vorgezeichneten Zirkeln herum. Hingegen der Menſch, wo die Vorſicht ihn auch hin⸗ ſtellt, da ſtrebt er aufwaͤrts. Sein Uebergang aus dem Gegeuwaͤrtigen in die Zukunft iſt allemal Fortſchritt zur wahren oder eingebildeten Vollkommenheit. Auf den untern Stuffen der Wildheit und Barbarey, oder der Armuth und Unterwuͤrfigkeit werden durch die Lebensart oder die Noth die Kraͤfte ſeines Koͤrpers geuͤbt. Hier eilet der muthige Kafer dem behenden Loͤwen vor, und der Laͤufer von Iſpaham legt zwey und dreißig Stunden Wegs in einem Tage zurück; da uͤbet er ſich im Schwim⸗ men, und der Juͤngling von Samos freyet nicht, bis er zwanzig Klafter tief ins Waſſer tauchen kann; dort Bi? ) Abts vermiſchte Schriften, 3. Th. S. 21% ä — 7 42 der Menſchheit. 40 iſt er Jaͤger, trift mit dem toͤdtlichen Bley den Punkt ſeines Ziels, und klettert an Felſenwaͤnden, wo kaum die Breite der Sohle eine Unterlage findet. Im Schooße der Cultur wird die phyſiſche Kraft durchwaͤrmt, erweicht, zur Feinheit und Kunſtfertigkeit gezeitigt. Hier ſproſſen tauſend zauberiſche Kuͤnſte uns ter ſeiner Hand; ſein Einfluß in alle Elemente wird ſichtbar. Er faͤngt an ſich als Geiſt zu fuͤhlen, und hebt von ben Banden des Aberglaubens und der Eklaberey freyer, fein Haupt über die materielle Welt empor. So ſieht er ſich im Reiche hoͤherer Wahrheiten um, und ſteiget von Satz zu Satz, von Schluß zu: Schluß bis zum Gedanke der Gottheit, zur Empfindung der Tugend, zur Hoffnung der Unſterblichkeit. Ja, das iſt des Menſchen glaͤnzende Beſtimmung: ihr folgen wir alle mit ungleichen Schritten, und kom⸗ men ihr von verſchiedenen Seiten naͤher, bis das Schick— ſal die Fakel des Lebens umſtuͤrzt, und Scenen eroͤffnet, über welche für dieſes Auge noch ein mitternaͤchtlicher Vorhang gezogen iſt. Aus dieſer natuͤrlichen Entwicklungskraft des Menſchen ließe ſich vieles fuͤr die Erziehung ſchließen. Die erſten Gründe derſelben gehen fo gar weiter zuruͤck, als der. Einfluß und die Bemuͤhung des Erziehers reichen kann. Sie liegen in der Moral und Diaͤtetik der Eltern ſelbſt. Welch ein Wink iſt das fuͤr ſie! Ja die Geſundheit, die Munterkeit, die ihr euern Kindern wuͤnſchet, muͤſſet ihr erſt ſelbſt beſitzen, eben wie die Fertigkeiten in allem Guten, wozu ihr ihnen die Anlagen geben muͤſſet. Wäre eine Geſellſchaft möglich, deren Glieder fih uns ter einander zur Maͤßigung, zur Tugend, zu lauter edeln Magaz. f. d. Naturk. Zelvetiens III. 5. D 3e Zweyte Rede über die Perfectibilitaͤt Beſchaͤftigungen verbuͤndeten, wenn ſie ungeſtoͤrt und uns vermiſcht einige Jahrhunderte hindurch fortdauern koͤnnte: ſo wuͤrden wir in ihr die Menſchheit von einem Geſchlechte zum andern an Schönheit, an Vollkommenheit des Koͤr⸗ pers und der Seele ſteigen ſehen. Sollte dieſer Gedan—⸗ ke der Aufmerkſamkeit eines weiſen Fuͤrſten ſo ganz un— werth ſeyn? In unſerm Helvetien inſonderheit, wo die Vorſicht durch die Natur ſchon fo vieles für die Menſch⸗ heit gethan hat! ö Gluͤckliches Vaterland, möchte jeder deiner Bürger deinen ganzen Werth zu ſchaͤtzen im Stande ſeyn! Es liegt nach Buͤffons Angabe in der gemaͤßigſten Zone, wenigſtens grenzt es unmittelbar an dieſelbe. “) Es genießt einer drocken, kalten und warmen Luft, die fuͤr die menſchliche Bildung überall die zutraͤglichſte iſt. .) Seine hohe Lage ſteigt in die reinere Atmosphaͤre hinauf, und feine” bergichte Oberfläche iſt Urſache, daß es die Pros dukte von faſt allen Himmelsgegenden in einem engen Bezirke vereinigt.) Nun giebt die Mannigfaltigkeit der Lebensmittel den Menſchen uͤberall einen Vorzug vor denen, die auf eine weniger abwechſelnde Nahrung ein⸗ geſchraͤnkt ſind. Bey ganzen Voͤlkern ſind dieſe aͤußeren Vorzuͤge allemal die Vorboten großer Talente. Und finden ſich dieſe beym Schweizer nicht allgemeiner, als faſt bey keinem andern Volke ? O, wie viele edle Anlagen liegen hier verbor— gen, und erwarten nur ein Aug, das ſie bemerken kann, eine Hand, die ſie unterſtuͤtzen will. Denn freylich ohne Ermunterung, und ohne den ſuͤſſen Reitz einer rechts ) Oeuvres compl. T. 5. p, 234. **) Wilſon über den Eiufluß des Klima. %%) Helvetia pene omnes Europæ regiones repræſentat ab he. Laponia, etiam a Spitzbergia, ad ipfam usque Hifpani Halleri Enumeratio ſtirp. ind, præf. 9. 2 u; *. 7 der Menſchheit. 7 u mäßigen Achtung werden die Talente ſich entweder gar nicht entwickeln, oder ſie bluͤhen und welken unbemerkt jenen Schattenliebenden Blumen gleich, die geſucht und unterſucht werden wollen, um ſich in ihrer ganzen Schöns heit zu zeigen. Wenn der Gelehrte als Gelehrter geachtet ſeyn wird, wenn er zubverſichtlich hoffen kann, durch feinen Fleiß außer die Sorgen der erſten Nothwendig⸗ keit geſetzt zu werden, wenn er ſich unter dem Schutz edeldenkender Maͤchtiger aus dem Dunſt der Eiferſucht in ſein wahres Licht durcharbeiten kann: dann werden wir in dem Schooſſe unſers Vaterlands Maͤnner ſehen, wie wir ſie außer demſelben geſehen haben. Und welchen Schwung nahm nicht der Zelvetiſche Genius von mittel⸗ mäßiger Fuͤrſtengunſt geweckt in einem Saller und Eu⸗ ler, einem Lambert und Sulzer, ) und fo vielen ans dern, welche die Verbeſſerer ihres Zeitalters, die Befoͤr— derer ihrer Wiſſenſchaft, und die Lehrer der aufgeklaͤrte⸗ ſten Voͤlker geweſen ſind. Der Vorſicht ſey es gedankt, daß wir dieſem Zeitpunkt naͤher ſind, als viele denken und einige ſchreiben. Nur in den drey letzten Jahren, in welchen ich der Akademie und den Schulen vorzuſtehen die Ehre hatte, wie oft bin ich nicht Augenzeuge von dem Eifer geweſen, womit unauf— hoͤrlich an der Vervollkommung dieſer Anſtalten gearbeitet wird! Wie oft habe ich nicht Beyſpiele von der Bereit— willigkeit geſehen, womit unſere Gnaͤdige Obern jede Gelegenheit ergreifen, Verdienſte zu belohnen, gemeinnuͤtzi⸗ ge Entwürfe zu beguͤnſtigen, und neue Erkenntnißquellen zu eroͤffnen! Und wie viele ſchoͤne Anſtalten reifen nicht jetzt auch ihrer nahen Wirklichkeit entgegen 9 Blankenburg wollte oder konnte ihn als Philoſeph nicht wuͤrdi⸗ gen. S. Sulzers Leben im zweyten Band feiner vermiſchten * i Schriften. 52 Zweyte Rede üb. d. Perfettibil. d. Menſchheit. Das alles verdanken wir Ihnen, Gnaͤdige Zerren und Obern, Ihrem Gefuͤhl von der Wichtigkeit der wahren Wiſſenſchaft in einem geſitteten Staate. Moͤch⸗ ten dieſe und alle uͤbrigen Abſichten Ihrer glaͤnzenden Re⸗ gierung in dem ganzen Maaße ibrer Gemeinnuͤtzigkeit er⸗ fuͤllt werden! Ihnen Wohlgeborne Hochgeehrte Zerren Schulraͤthe / ſey für das Wohlwollen, die Nachſicht, die Unterſtuͤtzun⸗ gen gedankt, womit ich bey unbedeutenden Kraͤften mein wichtiges Amt ohne die geringſte Kraͤnkung bis zu dieſem Ziel geführt habe. Der Gedanke, Ihres Gutheiſſens nicht ganz unwerth geweſen zu ſeyn, gehört unter die fuͤſſeſten Gluͤckſeligkeiten meines Lebens. Euch, Wuͤrdige Lehrer und Freunde! müſſe die be⸗ lohnende Vorſicht fuͤr Eure Unverdroſſenheit ſegnen, und Euch und Uns alle den Segen Eurer Arbeit in dem ſtei⸗ genden Gluͤcke dieſer geliebteſten Soͤhne des Staates, und des Staates ſelbſt ſehen laſſen. Beantwortung Der adde: Iſt die Handelſchaft, wie ſolche bey uns be⸗ ſchaffen, unſerm Lande ſchadlich oder nuͤtzlich, in Abſicht auf den Feldbau und die Sitten des Volks? Der Naturforſchenden Geſellſchaft in Zuͤrich vorgeleſen von Hrn. Doktor Rathsherr und Stadtarzt Hirzel. Il me femble en effet que la connoiſſance exacte de fon pays eſt une feience, qui pour Putilité ne le cede a nulle autre, que tous Pappliquent donc a remplir avee Zele les devoirs de cet emploi, quelque nom qu'on juge a propos de leur donner, loit Cryptes, ſoit viſiteurs de campagnes, s'ils veulent un jour contribuer efficacement a la conſervation de leur patrie. Loix de Platon L. VI. 2000 00000 TU ——————— 54 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Es bat ſeit einiger Zeit ſehr oft Gelegenheit gegeben, in Öffentlichen Geſellſchaſten über dieſen Gegenſtand zu reden; allein öffentliche Geſellſchaften find nicht der Ort, wo die Gegenſtaͤnde mit der Genauheit und Richtigkeit beurtheilt werden, welche nöthig ſind, wenn man die reine Wahr⸗ heit finden, oder ſich ſolcher wenigſtens nähern fol. Hie⸗ zu erfodert es unumgänglich eine kalte Erwägung aller Umſtaͤnden einer Sache, die man alſo vorher muß ge⸗ ſammlet und ſich bekannt gemacht haben, und die Anwen⸗ dung der Regeln einer gefunden Logik, um aus den vor⸗ habenden Umſtaͤnden richtige Schlüffe zu ziehen. Dieſes geſchiehet aber ſelten in Geſellſchaften; der Um⸗ gang iſt gemeinlich allzulebhaft dazu. Gedaͤchtnis, Witz und Laune behaupten hier den Vorzug. Der Beobachtungs⸗ geiſt und ruhige Feten finden ſich nur im geſchloßenen der Geſellſchaſt PR gemacht. Eine Frage wird wie ein Ball hingeworfen, jeder haſcht nach ſolcher mit Hitze und Eis fer; man holt aus dem Gedaͤchtniſſe meiſtens nur unreife Be⸗ obachtungen, oder fluͤchtiggeſammelte Nachrichten aus Buͤ⸗ chern her, liefert einige mangelhafte Vorkenntniſſe, und der Witz flicht fie ſchnell in einen Zuſammenhang ein, den man fuͤr einen Vernunftſchluß ausgiebt. Shen fo fchnelf erfolgen Widerſpruͤche, die fi ch nicht auf feſtere Säulen gruͤnden; der Eifer wird wechſelſeitig rege, die Stimmen erhoͤhen ſich, und meiſtens entſteht ein verwirrtes Ge⸗ ſchwaͤtz, da jeder nur darauf denkt, feinen Satz zu bes haupten, oder den Gegner durch Witz zu verwirren, am wenigſten zu lernen und ſeine Begriffe zu berichtigen. Zu⸗ weilen erhitzen ſich die Gemuͤther ſo ſehr, daß es ein Gluͤck für Feldbau und Sitten des Volks. sy iſt, wenn durch launichten Witz eines Spaßmachers der Friede wieder hergeſtellt, und ein allgemeines Gelächter er⸗ weckt wird, wenn ein ſolcher die Sache von der laͤcherlichen Seite vorſtellt. Es geſchieht zwar zuweilen die Unterredung in einem anftändigern Tone, wenn Männer zugegen ſind, die durch ihr Anſehen Ehrfurcht einfloͤſſen. Schade, daß nicht allemal dem Anſehen richtige Einſichten und Grundlichkeit beyge⸗ ſellt ſind; daß ſolches ſo oft durch eine wohlgeloͤste Zunge, und die Kunſt uͤber alles mit einem Anſchein von Ordnung und Zierlichkeit zu ſchwatzen, erhalten wird, wo man ſei⸗ nen Ruhm darinn ſucht, von ſchnurſtracks entgegengeſetzten Gegenſtaͤnden mit gleicher Staͤrke und Nachdruck zu reden, und wo man die Seite auswaͤhlt, welche die ſchicklichſte ſcheint, Beyfall zu erhalten, oder einen beneideten, vernuͤnf— tigen Mann oft nur durch Frechheit, in Behauptung der ausſchweifendſten Meinungen, ſtumm zu machen, oder wo Reichthum und Rang das Anſehen geben, und die Machtſpruͤche der Angeſehenen mit ſchuͤchternem Still⸗ ſchweigen der einen, oder mit niedrigen Schmeicheleyen. der andern, aufgenommen werden. Hier iſt alſo nicht der Ort richtige Einſichten zu erlangen. Dieſe find eine Belohnung ſtiller und ſorgfaͤltiger Webers legung in der Einſamkeit, und eines fleißigen Umgangs mit den Todten, welche durch ihre Schriften ohne Geraͤu⸗ ſche ihre geſammelten Schaͤtze von Weisheit zur Pruͤfung, und nutzlicher Anwendung darlegen. Dieſes hat mich bewogen, in einigen Ruheſtunden ein Problem in Erwägung zu ziehen, deſſen richtige Aufoͤſung meinem lieben Vaterlande wichtig ſeyn kann; und zu wel⸗ cher ich mich durch das Zutrauen dieſer Geſellſchaft, mir die Leitung der landwirthſchaftlichen Sachen zu überlaffen, berufen finde; wozu noch kommt / daß ich von UGu H Hrn. e Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaſt eine außerordentliche Gelegenheit erhalten habe, von der Beſchaffenheit unſers Handlungsweſen mehrere Kenntniſſe zu erlangen. Ich habe die Frage nur auf unſer Land eingeſchraͤnkt, weil dieses uns am meiſten intereßiren ſoll, und weil ich auch von der Beſchoffenheit deſſelben, in Abſicht auf Land» wirth und Handelſchaft allein einiger Kenntniſſe mich ruͤh⸗ men kann. Man erwarte aber nicht von mir, daß ich die Aufloͤſung dieſer Aufgabe zu gaͤnzlicher Befriedigung werde vorlegen * koͤnnen. Ich erkenne die Schwaͤche meiner Einſichten; zu⸗ dem mangelt es noch immer bey uns an hinlaͤnglicher Kennt⸗ nis unſers Landes in allen feinen Beziehungen auf Land— bau und Gewerbe, ungeachtet der vielen Bemuͤhungen, die man ſich ſeit einigen Jahren gegeben hat, unſer Land von allen Seiten her kennen zu lernen. Wir muͤſſen z. B. noch immer bedauren, daß man noch nicht von allen Or⸗ ten her die Ausfuͤllung der Tabellen zur Kenntniß der Bes voͤlkerung, und des Vermögens an liegenden Gründen und des Viehſtands hat erhalten koͤnnen, geſchweige, daß man ſolche wiederholt Hätte, woraus man eine Verglei⸗ chung von verſchiedenen Dezennien haͤtte anſtellen koͤnnen, welches nothwendig iſt, wenn die Urſachen des Forts gangs oder Krebsgangs entdeckt werden ſollten. Wir ken⸗ nen auch nur von wenigen Orten die Ertragenheit der Güter aus richtigen Beobachtungen; alles beſteht noch in Fragmenten. Hier ſollten wir aber das noͤthige Licht fhönfen , wenn wir von dem Einfluß der Fabriken auf den Feldbau uns einen vollkommnen Begriff erwerben ſollten. ü Indeſſen wollen wir, ſo viel wir bis dahin unſer Land kennen gelernt, deſſen verſchiedene Gegenden durchgehen, und die Beſchaffenheit des Feldbaues vor Augen legen, für Feldbau und Sitten des Volks. 57 und zugleich einen Blick auf die in gleichen Gegenden herr, ſchenden Fabrickarbeiten werfen. Gluͤcklich genug, wenn wir dadurch Dero Aufmerkſamkeit rege machen, und Ihnen Ans laß geben, uns zu belehren, oder andere, die mehr Talente und mehr Muße haben, aufwecken, einen fo wichtigen Ge genſtand in ein helleres Licht zu ſetzen. Unſer Land kann in Abſicht auf die Landwirthſchaft in folgende Bezirke eingetheilt werden. 1. Die Gemeinden um die Stadt, die vier Wachten und Wiedikon, wozu noch Altſtaͤdten koͤmmt. 2. Die Hftfeite des Züricherfees. 3. Die Weſtſeite des Zuͤricherſees. 4. Der Hoͤnggerberg. 5. Das Gelände jenſeits dem Albis, das Knonaueramt, Wetſchweil, Bonnſtaͤtten und Birmenſtorf. 6. Der gebirgigte Theil von dem Gruͤnningeramt, von Bubikon an bis Wald, und Fiſchenthal, ſamt dem gebir— gichten Theil von dem Enneramt der Grafſchaft Kyburg, der Toͤß nach bis nach Elgg / Baumen, und Turben⸗ thal ꝛc. N 7. Die Herrſchaft Greifenſee, der daran ſtoſſende ebnere Theil der Herrſchaft Grüningen, und der gegen Zürich liegende Theil der Grafſchaft Kyburg, bis Kloten, ſamt der Vogtey Duͤbendorf. 8. Die Vogteyen Regenſtorf und Regenſperg, von der Nordſeite des Hoͤnggerbergs bis und mit der Nordſeite des Laͤgerbergs, an welchem das Wenthal liegt. 9. Die Vogtey Ruͤmlang mit dem Neuamt. 10. Die Herrſchaft Egliſau. 11. Der Bezirk von dem oͤſtlichen Ufer der Toͤß bis an die Thur. 12. Das Außeramt zwiſchen der Thur und dem Rhein. 58 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft 9. 1. Die Gemeinden um die Stadt enthalten eine ſchoͤne Ebne von einer halben Stunde im Durchſchnitt, an welche auf der Weſtſeite der Uetliberg, und an der Oſt⸗ feite der Suſenberg und Geißberg graͤnzen. In der Ebne liegen bie ſchoͤnſten Felder, das Seefeld, Sihlfeld und Altftätterfeld , um die vielen Haͤuſer, die ſich ringsum fols che befinden, liegen Baumgaͤrten, und an den Huͤgeln der Oſtſeite Weinberge. Alle dieſe Guͤter ſind wohlgebauet, die Felder tragen alle Jahre Fruͤchte; wenigſtens in drey Jahren viererley, Korn, Roggen, Ruͤben, und Bohnen, oder Erbſen, oder Oelſaamen, auch Fornugrek. Das Korn giebt oft das 8te auch zehente Korn. Bohnen zuweilen 12. Muͤtt, auf die Juchart von 36000. Wo die Felder mit dem Karſt gebauet werden, ziehet man ungleich mehr, als wo ſie mit dem Pflug gebauet werden; und an vielen Orten werden häufige Gar⸗ tengewaͤchſe gepflanzet. Dieſe Felder koͤnnen zu einem Benz ſpiel eines vollkom̃nen Getraidbaues dienen; und ich habe oft von hollaͤndiſchen Offiziers gehoͤrt, daß ſie auf ihren Rei— ſen von Holland aus, kein Feld beſſer beſtellt geſehen haben, als das Sihlfeld. Dieſes wird mit dem Pflug gebaut; da hingegen das Seefeld und der Hottingerboden meiſt mit dem Karſt gebauet werden. Daher auch dieſe ehender ei⸗ nem Garten , als einem Kornfelde gleichen. Die Guͤter ſind auch in hohem Werthe; im Sihlfeld werden die Aecker mit 2.400 fl. bezahlt; im Seefeld gel⸗ ten fie 1000, 1200 fl. Es iſt aber auch daſelbſt eine wah⸗ re Gartenerde zu fehen. Der Boden iſt Sand» und Haſelgrund. Auch das Sihlfeld iſt fruchtbar, obgleich deſſen Grund ganz kieſig iſt; den oberen Theil gegen dem Albis 9 nommen wo er letticht iſt. Zu der außerordentlichen Fruchtbarkeit des Seefelds ragt für Feldbau und Sitten des Volks. 50 die Naͤhe der Stadt bey, indem die hier gepflanzte Kuchen» gewaͤchſe in ziemlich hohem Preiſe in die Stadt verkauft wer⸗ den können. Hierzu koͤmmt, daß das Feld in kleine Bes ſitzungen getheilt wird, die mit dem Karſt und Schaufel gartenmaͤßig gebaut werden. Sodenn haben Sie mit dem - Sihlfeld die Bequemlichkeit gemein, aus der Stadt den beſten Dünger zu ziehen, da bie Bauren aus dieſen Ge genden die Kloaken in Beſtand nehmen, in welche fie von Zeit zu Zeit ihr Stroh bringen. Sie ſammeln al⸗ fo hier ſowohl feſten als fluͤßigen Dünger (Lachen) in Menge. Die Wieſen find meiſtens mit Obsbaͤumen wohl b& ſetzt, und liefern von allen Arten, auch feinerem Obs, in die Stadt; Meiſt herrſchet hier die Stallfuͤtterung. Wie⸗ dikon hat allein zwar eigne Allmenten, und einige Hoͤfe in der Enge und Hard, haben aus Gnaden Antheil an der Burgerallment, im Hard. An der Obernſtraſſe hat man vor 10. Jahren die Allment vertheilt, welche nun an al⸗ lem Getreide, Bohnen, Erbſen, Erdaͤpfeln und Klee alle Jahre reiche Fruͤchte traͤgt; ſo wie die vertheilte Stuͤcke auf dem Ried, und im Hard, die mit Gartengewaͤchſen bepflanzt werden. Albisrieden nimmt ſich durch einen reichen Obswachs in ſeinen Kornfeldern aus. — Der Weinwachs iſt an den Gebirgen, die an die Oſt⸗ ſeite der Limmat graͤnzen, in gutem Stande; die Reben geben im Mittel 1112. Eimer; der Wein iſt in der Quali⸗ taͤt von geringerm Werthe, weil ſich das Gebirg ein wenig Nordwerts ziehet. Doch in den Landguͤtern der Herren, wo man ſich eines edlen Gewaͤchſes befeiſſet, waͤchst noch ziemlich guter Wein. Die Milch wird mit Vortheil in die Stadt getragen. In allen dieſen Gegenden iſt der Feldbau vortreflich wohl ‘ so Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft beſtellt, und bezahlt dem Arbeiter feine Mühe reichlich, wenu er mit eignen Leuten arbeiten kann; aber wer die Arbeiten durch Tagloͤhner verrichten muß, kann wegen der Groͤße des Taglohns, und dem Uebermaſſe von Wein, das man bis auf 2. Maaß getrieben hat, nicht beſtehen. Hier⸗ zu mag der Fabrikverdienſt, der, wo nicht vortheilhafter, doch bequemer iſt, nicht wenig beytragen. Sonſt kann ein Bauer mit wenig Jucharten Landes ſich nicht nur wohl fortbringen, ſondern noch alle Jah⸗ re ein betraͤchtliches vorſchlagen, wie dieſes viele Bey— ſpiele von wohlhabenden Bauren in dieſen Gegenden be⸗ weiſen. | In dieſen Gegenden halten fich ſehr viele Menſchen auf, welche die Nähe der Stadt herbeylockt, die theils in der Stadt die Schreib und Fergſtuben beſuchen, theils zu Hauſe mit Spinnen und Weben ſich ernaͤhren. Es befin⸗ den ſich auch hier viele Handwerker, vorzuͤglich Schneider und Schuſter, die aus der Stadt durch Kontrebande Geld ziehen. Hier kann man alſo keinen Schaden von den Fabri⸗ ken bemerken, vielmehr giebt der leichte Geldverdienſt allen einen ungemeinen Trieb, und hilft, aus dem Oberlande, was an Heu und Stroh mangelt, erſetzen. Reichere Fabrik⸗ arbeiter ſuchen eine Ehre darinn, eigene Guͤter zu beſiz⸗ zen, und dieſen allen moͤglichen Grad der Fruchtbarkeit mitzutheilen, indem ſie mit den Herrenguͤtern hierinn um den Vorzug ſtreiten, inur die unnuͤtze Pracht an unfrucht⸗ baren Hecken ausgenommen. Nur Altſtaͤtten ſcheint eine Ausnahme zu machen, deſ⸗ ſen großer Umfang an Wieſen und Feldern, wegen Mangel genugſamer Bearbeitung weit hinter den angraͤnzenden zu⸗ ruͤckbleibt, da von dieſem Dorf die groͤßere Zahl der Einwohner ſich dem Dienſt in den Fabriken widmet. Glücklich wurde es ſeyn, wenn Altſtaͤtten Wiedikon nach⸗ für Feldbau und Sitten des Volks. 6 ahmte wo die Einwohner entweder ganz ſich dem Feld. bau, oder ganz der Fabrikarbeit wiedmen. Ein Ungluͤck iſt für Altſtaͤtten, daß die Haͤuſer alle bey einander ſtehen. Wenn der große Umfang der Guͤter in kleine Hoͤfe, wie im Hard, eingetheilt waͤre, wurden ſie ungleich beſſer bebaut werden. Hier kann man its deſſen ſagen, daß der Feldbau durch die Fabrikarbei— ten leide. Doch ſcheinen auch hier die Ermunterungen der Geſell⸗ ſchaft nicht ohne Nutzen, da man den Kleebau merklich uͤberhand nehmen ſieht. Auch zeigen die Weberiſchen Güs - ter in Unter-Altſtaͤtten, daß der Fabrikverdienſt von den gluͤcklichſten Fabrikardeitern zur Aeufnung des Feldbaues angewandt werde. Noch muß ich bemerken, daß, wenn man im Sommer von Baden nach Zürich reiſet, Altſtaͤdten nicht eher bez ſchaͤmt werde, bis man zu den Fargiteen und dem Sihl⸗ feld koͤmmt. Was die Sitten anſieht, ſo trift man freylich bey dem arbeitſamen Bauer mehr Sparſamkeit und Eingezogen⸗ heit an, als bey den geringern Fabrikarbeitern. Unter den groͤßern, die die Schreib, und Fergſtuben der Stadt beſu⸗ chen, finden ſich hingegen viele rechtſchaffene Maͤnner von nicht geringen Einſichten, und einer gutmuͤthigen Denkungs⸗ art gegen die Armen. Viele tragen zu dem Gluͤcke ihrer Handelsherren das meiſte bey, ſonderlich bey der Nachah⸗ mung vortheilhafter Fabrikarbeiten, auch ſelbſt durch eigne Erfindungen. Ich kenne Maͤnner, die, wenn ſie von ihren Geſchaͤften nach Hauſe kommen, ihr Vergnuͤgen entweder in Beſorgung ihrer kleinen Guͤter, oder auch im Leſen guter Buͤcher ſuchen, und als Vorgeſetzte der Gemeinden zu vielen nuͤtzlichen Einrichtungen mithelfen: ſo verdankt Wie⸗ dikon ſeine ſchoͤne ſteinerne Bruͤnnen einem Sekelmeiſter W 62 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Bachmann, und Wipkingen feine Kaſſa zur Entſchaͤdigung des Viehverlurſts einem Untervogt Rupert. Ich kann nicht vergeſſen , zwey Beyſpiele von der guten Denkungsart zweyer getreuer, alter Kaufmannsbedienten zu gedenken, die letz⸗ tern Jahrs einer Wittfrau und Mutter vieler Waiſen, wel⸗ che der Mann durch einen fruͤhzeitigen Tod in klemmen Um⸗ ſtaͤnden verlaſſen hat, der eine eine Obligation von 80, fl. der andere eine von 20. fl. entkraͤftet zugeſchickt haben, um die Ehre des Verſtorbnen zu retten. $. 2. Die Oſtſeite des Zuͤricherſees erſtreckt ſich von dem Rieſpach bis nach Humbrechtikon, beſteht aus der Sommerſeite einer 3. Stundenlangen Gebirgskette; die Berge laufen gegen den See in breitere und ſchmaͤlere Striche ebenen Landes aus, uͤber ſolche erheben ſich in groͤßerer und geringrer Jaͤhe, in Form von Teraſſen Huͤgel, die oben wieder breitere und ſchmaͤlere Striche von flachem Boden haben, bis auf die Graͤthe des Gebirgs. Die Graͤ⸗ the iſt mit Waldungen bedeckt, die aber auch, wo der Ruͤ⸗ ken breit iſt, mit gebauten Guͤtern unterbrochen werden, wie bey Zumiken, Wezweil, und Humbrechtikon. An den jaͤhen Abſchuͤſſen ſind meiſtens Weinreben gepflanzet; die Flaͤchen am Bord der See und auf den Teraſſen ſind in kleine Feldſtuͤcke und Baumgaͤrten abgetheilt, in welchen eine unzaͤhliche Menge meiſt wohlgebauter Haͤuſer zerſtreut ſind, wo es von Menſchen wimmelt. Die Wieſen ſind aller Orten mit Waͤldern von Obs⸗ baͤumen beſetzt, und wegen haͤufiger Begießung mit La⸗ che, und Beſtreuung mit Torfaſche grasreich. Das Vieh wird meiſtens im Stalle gefuͤttert, und von demſelben mit⸗ telſt der Kuhgraben haͤufiger feſter Dung und Guͤllen bezogen. Auch die Allmenten, wo noch dergleichen ſind, find z. B. in Zolliken, mit Obsbaͤumen wohl beſetzt. Die Feldſtuͤcke werden meiſt nur mit dem Karſt und des für Feldbau und Sitten des Volks. 63 Schaufel angebaut, und ſind deswegen ungemein ergiebig. Man pflanzet darinn Korn, Noggen, mit Rüben, oder Gerſte, mit gelben Rüben, oder Erdapfel mit gelben Rüs ben, Felbbohnen, und fo abwechfelnd , ohne das Feld ruhen zu laſſen. Die Weinreben ſind wohl gebaut, geben im Mittel 12, 14—18. Eimer, auf die Juchart von 35006. Die erſtern Verhaͤltniſſe in Herrenguͤtern, in welchen nämlich viel Klev— ner und Zuͤrichtrauben gepflanzt werden; die letztern in den Bauren⸗Reben, wo mehr auf die Menge geſehen, und ne— ben Welſchen viele Kurzſtieler, und rothe große Ehrlibacher - gepflanzt werden. Der Wein wird gut, dauerhaft, und ver— beſſert ſich mit dem Alter; er iſt deswegen allezeit in hoͤherm Werthe, als auf der Weſtſeite des Sees. Viel ſchwarzes Stroh und Heu wird aus dem Ober— lande erkauft, beynahe ſo viel, als am Ort ſelbſt an Heu geſammelt wird. Die Milch wird meiſt in den Haushal— tungen verbraucht, oder an die Kaffeetrinker verkauft. Mittelſt deſſen kann der Nutzen von einer guten Milchs kuh, die täglich 5 6. Maaß Milch liefern kann, auf 100. ff. gebracht werden. Viel Brennholz, ja das meiſte muß erkauft werden. Mehr, der zunehmende Holzmangel, als Mangel an Cultur, iſt Urfache, daß entfernte Aecker in dem Gebirge zu Holz liegen gelaſſen, auch hin und wieder mit Holz anges bluͤmt worden. In Ehrlibach iſt ſchon vor Mannsgeden⸗ ken die Vertheilung einer Gemeinweide vorgenommen wor— den, an deren Statt nun wohlgebaute Güter, Reben, Wis fen und Aecker ſtehen. Durch die Warnungen der Hungers Jahre ſind in dieſen Gegenden mehrere Vertheilungen vorgenommen worden. In den untern Theilen des Gelaͤndes, wo die Doͤrfer liegen, iſt 373 Haushaltungen ohne Guͤter, wenn man * 64 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft den Garten ausnimmt. Hier herrſcht alfo vorzüglich die Fabrikarbeit, und veranlaßt eine immer anwachſende Be⸗ voͤlkerung. Der See ernaͤhrt auch viele Schiffer durch die Fuhr⸗ loͤhne von Heu, Stroh, Holz, und Fabrickwaaren, die nach der Stadt gefuͤhrt, oder von dort geholt werden, oder die man aus dem Oberlande abholt. Auch viele Fiſcher finden auf dem See ihre Nahrung. Dieſes giebt Gelegen⸗ heit zu einer innlaͤndiſchen Handlung, weswegen auch vie⸗ le Kraͤmerey getrieben wird. 5 In Abſicht auf die Sitten, machen Arbeitſamkeit und Erfindung in mancherley Kuͤnſten und Fabrickarbeiten, auch Sparſamkeit in dem gewohnten Eſſen und Trinken die gute Seite aus, vorzuͤglich iſt der Guͤtermann ungemein arbeitſam; er iſt gewohnt ſchwere Lafie Bergan in feine Güter zu tra⸗ gen. In Kleidern herrſcht an den Werktagen Beſcheiden⸗ heit, aber an den Sonntagen glaͤnzt man gerne in Kleidern, und liebt den Trunk. Das Kaffeetrinken iſt beynahe zur alls gemeinen Morgenfpeife worden, vorzüglich bey den Fabrick⸗ arbeitern. Dieſe ſind auch zum Pracht und Verſchwendung geneigter, als die Guͤterleute, welche meiſt eingezogner und haushaͤlteriſcher ſind. Das Volk hat daneben einen gewiſſen Stolz, und iſt zur Froͤhlichkeit geneigt. Man ſiehet im Sommer an den Sonntagen ganze Schiffe voll junger Leute, die mit Geſang von muſtkaliſchen Inſtrumenten begleitet ſich ergoͤtzen. Sie finden auch ein beſondres Vers gnuͤgen an Militairübungen ; unter den aͤrmern Fabrik⸗ arbeitern herrſcht ſtarker Hang zur Untreu, Betrug, Leichts finsigfeit und Unkeuſchheit. Wenn man die natürliche Unfruchtbarkeit des Bodens, da an vielen Orten Sandfelſen und Nagelfluhe zu Tage ausgehen, alſo nur eine dünne Rinde einer des Anbaues fähigen Erde anzutreffen iſt, mit dem Anbau der Güter ver⸗ + fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 65 vergleicht, welche einem irdiſchen Paradies gleichen, fo muß man die Geſchicklichkeit und Fleiß in dem Feld⸗ bau noch mehr bewundern, und man kann nicht ſagen, daß der Fabrikverdienſt dem Feldbau ſchade: vielmehr muß man glaubeu, daß ſolcher zur Vervollkommnung mit⸗ hilft, indem er viel baar Geld zu Anſchaffung des mans gelnden Futters und Strohes liefert. Dieſem ſind auch die Menge wohlgebauter, gemaurter Haͤuſer, und allge mein eingefuͤhrte Ziegeldaͤcher zu verdanken. Einen merkwürdigen Beweis des Wohlſtands und der Betriebſamkeit in Verbeſſerung der Guͤter, gab das ungluͤck— liche 1778. Jahr; in welchem in Kuͤßnacht ſo viele Haͤu⸗ ſer weggeſchwem̃t, und die ſchoͤnſten Guͤter unter Kieſelſteine vergraben worden, welches in mehrern und miudern Grad auch an andern Bergbaͤchen geſchehen, indem innert 4. Jahren die Guͤter wieder vollkommen hergeſtellt worden. Der Kleebau hat in dieſen Gegenden viele Liebhaber gefunden, und beweist neben andern die Aufmerkſamkeit dieſes Volks auf alles, was den Feldbau vervollkom̃nen kann. $. 3. Die Weſtfeite des Sees ziehet ſich von der Engi dem See nach hinauf, wird gegen Abend von der Bergkette des Albisgebirges begraͤnzt. Ohngekaͤhr in der Mitte bey Oberrieden kruͤmmt ſich das Geſtade mit dem See gegen Suͤdoſt, entfernt ſich von dem Albisgebirge, und lehnt ſich an dem Gebirge an, das den Canton Schweiz, Zürich, und Zug, mit einander vereinigt. Auf der Roßweid liegt eine March zwiſchen den 3. Cantonen, welche der Laͤnder⸗ ſtein genennt wird. Von der Brandſchenki an ſoͤndert ein entſtehender Huͤgel das Gelaͤnde zwiſchen dem See und dem Albisgebirge in 2. Gelaͤnde ab, deren das hintere von ber Sihl durchſtroͤmt wird. Dieſes iſt roher und un⸗ fruchtbarer, als das Gelaͤnde gegen dem See, und ſchließt viele abgeſoͤnderte Waldungen in ſich, die ſich endlich ob Langnau vereinigen, zwey große Forſte zu bilden, die Magazs. f. d. Naturk. Helvetiens. III. B. E 66 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft durch die Sihl abgeſoͤndert werden, den Forſt des Frau⸗ muͤnſteramts, der ganz mit Tannen bewachſen, und den Sihlwald, der meiſteus aus Buchen beſteht. Die vordere Seite dieſes Gelaͤndes von dem See an bis auf die Hoͤhe des Huͤgels, iſt in Abſicht auf den Feld⸗ bau der beſchriebnen oͤſtlichen Seite des Sees aͤhnlich. Wieſen, Feldſtucke und Reben wechſeln mit einander ab. Je mehr man den Graͤnzen des Cantons naͤhert, je hoͤ— her wird das Gebirge, und die gegen den See ſich fens kende Seite theilt ſich in Teraſſen ab. Ob Horgen nimmt die oberſte Teraſſe die Natur der niedrigen Alpgebirge an, und hier entſteht eine ganz andere Art von Wirthſchaft, nemlich die Sennen ⸗Wirthſchaft, da in dieſem Theil über so. Sennhütten ſich befinden, in welchen die Milch zum Butter und Kaͤſemachen verwendet wird. Es befinden ſich 42. in der Herrſchaft Waͤden ſchweil, in welchen von 1084. Stuͤck Kuͤhen, 992. Zentner Butter, und gegen 2000. Zentner Kaͤſe verfertigt werden. Die untern Teraſſen nehmen ſich an der Fruchtbarkeit vor der Oſtſeite des Seebezirkes aus. Der Mittelertrag der Reben beziehet ſich auf 20, und mehr Eimer von der Juchart. Man hat Beyſpiele, daß in den beſten Jahren 100. Eimer aus einer Juchart gewimmelt worden. Da⸗ gegen iſt der Wein ſaͤurer und weniger dauerhaft, und deswegen in niedrigerm Werthe, doch nicht fo, daß nicht hier mehr an Geld bezogen wird, als dort. Die Cultur der Reben iſt vortreflich, fo daß ſie einem der größten Kenner ber Landwirthſchaft, Herrn Hofrath Buͤtrs, einem würdigen Freund des berühmten Francois Quesnoy, Urhe⸗ ber des phyſiokratiſchen Syſtems, das Geſtaͤndnis abge lockt, daß hier die Cultur der Weinberge zum höchften Grade der Vollkommenheit gebracht ſeye. Der Boden iſt meiſtens ſchwerer, lettichter Art, und enthaͤlt ſehr viele Waſſeradern, welches den Abzug deſſel⸗ für Feldbau und Sitten des Volks. 67 ben durch Tholen noͤthig macht, dergleichen vorzuͤglich in der Mitte dieſes Geländes in Oberrieden, unzaͤhlich viele ſind, die von der anhaltendeſten Arbeitſamkeit und Vers beſſerungsbegierde der Einwohner dieſes Landes zeugen. Dieſe Art Boden aber vermehrt die Fruchtbarkeit des Ge laͤndes auferordentlich. Die Obsbaͤume, welche die Wies ſen in Waͤlder verwandeln, wachſen hier vorzuͤglich groß, und geben ehr viel Obs; die Wieſen find auch ergiebig, und koͤnnen hin und wieder gewaͤſſert werden An dem See befinden ſich viele Streuilaͤnder. Die Feldſtucke wers den, wie auf der andern Seite des Sees, alle Jahr bes nutzt, und mit dem Karſt und Schaufel gebauet, und darinn an Korn, Roggen, Gerſte, Bohnen, Erdapfeln, gelben Ruͤben, weiſſen Ruͤben, und Oelſaamen, auch Kuchengewaͤchſen, ein großer Vorrath geſammlet. Auch hier trift man die Behandlung des Duͤngers und der Guͤllen, in der groͤßten Vollkommenheit an; ſo daß auch dieſes Gelaͤnde einem irdiſchen Paradies gleichet, und voll von wohlhabenden Bauren iſt. In dem Bezirke gegen der Sihl befinden ſich zwiſchen den Waldungen viele ſumpfichte Wieſen und Torfrieder; und in einem ſolchen bey dem Ruͤſchliker⸗ oder Neidelbad iſt im Anfange dieſes Jahrhunderts der erſte Torf ges graben worden, welches einen großen Segen fuͤr Stadt und Land erzeugt hat; auch hat man bey Kaͤpfnach die erſten Spuren von Steinkohlen entdeckt. Auch in dieſem kalten Bezirke find die ſonnenreichen Huͤ— gel mit Reben bepflanzet, die aber den ſchlechteſten Wein geben, und nur deswegen geſtattet werden koͤnnen, weil ſie ein Mittel ſind, dem Bauer den Feldbau zu erleich⸗ tern, der, wie wir ſchon gemeldet, ſehr viele Unkoͤſten ers heiſcht, die Tagloͤhner zu befriedigen, und faſt unmöglich wird, wenn der Bauer nicht eignen Wein pflanzen kann. Neben den Guͤtersleuten befinden ſich auch in dieſer Ge⸗ es Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft gend außerordentlich viele Fabrikarbeiter. In der Herr⸗ schaft Waͤdenſchweil befinden ſich 559. Haushaltungen ohne Guͤter, und 786. mit Guͤtern, unter welchen aber viele ſind, die nicht uͤber eine Juchart beſitzen; ſo daß man wenigſtens die Hälfte der Einwohner, welche Ao. 1772. aus 8277. Seelen beſtand, ganz vom Fabrikverdienſte oder Handwerken leben muß. In Abſicht anf die Sitten ſind die Einwohner dieſer Seite des Sees, denen von der andern Seite ganz aͤhn⸗ lich, nur das Kaffeetrinken und Fleiſcheſſen iſt vorzuͤglich bey der Klaſſe der Fabrikarbeiter ſehr gemein. Einen Nahrungszweig macht in dem obern Theile die Nachziehung des Viehes, und der Verkauf der Kuͤhen, nach Italien aus. Dieſes und die groͤßere Fruchtbarkeit giebt dieſem Bezirke vor dem andern einen merklichen Vorzug an dem Vermoͤgen der Einwohner. Dieſe ſind auch von einem groͤßern Wuchſe, welches bey den Hauptmuſterun— gen in die Augen faͤllt. Auch hier nimmt die Bevoͤlkerung noch immer merklich zu, und das Volk hat ſich an dem See innert 100. Jahren, um 3, vermehrt. Ungeachtet das mals ſchon und von Jahrhunderten her hier die Bevoͤlke— rung vorzuͤglich merkwuͤrdig war. Noch muß ich anmerken, daß in dieſer Gegend die Forſt⸗ wirthſchaft am beſten betrieben wird, und von dort aus, durch den ſel. Bötfchi, und den Landrichter Zoz, ſich auch uͤber die andern Gegenden des See ausgebrei⸗ tet hat. Der Zuͤrichſee hat alſo neben den gerettet und hats figften Fabrikarbeitern, zugleich die geſchickteſten und Reif ſigſten Landwirthe erzeugt, die dieſes Gelaͤnde zu einem wahren Luſtgarten Gottes gemacht; und dieſes beweiſet, daß der Feldbau neben dem Fleiß in den Fabriken gar wohl beſtehen, und aus dieſen noch Beyhilfe ziehen kann. Die Guͤter ſind an beyden Seiten des Sees in hohem * für Feldbau und Sitten des Volks. 69 Werthe, die Reben von looo. bis 2000. fl.; die Wieſen von 500. bis 1000. fl., und fo auch die Felder, nemlich in denen untern Teraſſen des Gelaͤndes. * §. 4. Der Hoͤnggerberg unten an dem Stadtbezirk, hat viele Aehnlichkeit mit der oͤſtlichen Seite des Zuͤrich⸗ feed, das Gelände ziehet ſich von dem rechten Ufer der Lim⸗ mat fogleich in die Höhe; und nur hie und da liegt ein fla⸗ ches Stuͤck Landes, welches in den aͤlteſten Zeiten von der Limmat angelegt zu ſeyn ſcheint. Durch die Mitte des Bergs ziehet ſich die Straſſe nach Baden, an deren ſich hinter dem Dorf eine Fläche ausbreitet. Der Rücken des Bergs iſt ſehr breit, und enthaͤlt neben vielen Waldungen und einer Gemeinweide auch noch viele gebaute Guͤter, Wieſen und Felder. Der Berg iſt an derjenigen Seite, die ſich bis an die Lim⸗ mat ſenkt, bald durchgehends mit Weinreben bepflanzt, deren viele zu den Herrenguͤtern gehoͤren, die meiſtens an der Straffe fi) befinden. Der Wein koͤmmt mit dem von der Oſtſeite des Sees meiſt uͤberein, nur daß er fruͤher milde wird, und hat deswegen guten Abgang an die Burgerſchaft der Stadt. Die Wieſenſtucke ſind mit Obsbaͤumen wohl beſetzt, die Aeckerſtucke werden meiſt mit dem Karſte gebaut, und ſind ſehr fruchtbar, werden auch ohne Stillſtand be⸗ nutzt, nur die ausgenommen, die auf dem Bergrucken liegen. Dieſe werden mit dem Pfluge gebaut, und zwar Zelgenweiſe. Oft bleiben Aecker etliche Jahre ungebaut, wo von den angraͤnzenden Waldungen gar leicht Forren au— fliegen. Sie haben alſo das Schickſal aller entfernt ges legnen Aecker, daß ſie weit weniger beſorgt werden, als die Güter in der Nähe der Haͤuſer. Etliche zerſtreute Haus ſer auf dieſem flachen Bergrucken wuͤrden demſelben zu mehrerer Fruchtbarkeit verhelfen. a Indeſſen muß man geſtehen, daß bey jetzigem Holzman⸗ gel dergleichen Grundſtucke wohl koͤnnen zu Holzboden aus 70 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft guten Gründen beſtimmt werden. Man trift auch hin und wieder ſchoͤne junge Waͤldgen an, die man dem Holjanfug - überlaffen’ auch derley die mit Fleiß angebluͤmt worden. Schade, daß dieſe mit den anſtoſſenden Gemeindhoͤlzern eis nen fuͤr den letzten beſchaͤmenden Gegenſtand ausmachen, da die Hoͤlzer der Gemeinde ſehr vernachlaͤßigt ſind. Man darf aber hoffen, daß die neue Forſtordnung geſegnete Wir⸗ kung haben werde. Auf der Allment ſind den Armen Gar⸗ tenſtucke abgetheilt worden, die wohl unterhalten ſind, und Bohnen, Erdapfel, Gerſte ꝛc. tragen. Auch in dieſer Gegend ſind jederzeit viele Fabrikarbei⸗ tergeweſen, weiche den Ort volkreich gemacht, obgleich feit Ao 1771. 1986. in dieſer Gemeinde mehr verſtorbne als getaufte gezählt werden, welches um fo mehr zu vers wundern, da der Ueberſchuß der verſtorbnen in den Jah⸗ ren 1771. und 1772. geringer, als an andern Orten geweſen , Ao. 1779. war er weit größer 1771. mehr geſtorben, als geboren 13. 1772. & ; ; 8 2 1779. # 0 3 D 36, Dieſe 36 wurden durch die übrigen Jahre erſetzt. Der ganze Verlurſt blieb 20. Alſo was in den Hungerjahren verlohren gegangen. In 12. Jahren zeigten ſich 7. mal Verlurſt, und nur 5. Gewinnſte. Hieraus ließ ſich auf ungeſunde Beſchaffenheit der Gegend ſchließen. Daß indeſſen die Fabrikarbeiten auch hier dem Feldbau nicht nachtheilig geweſen, zeiget die Fruchtbarkeit der ges bauten Stucken. (Der Wein iſt 12. Eimer auf die Juchart, die Frucht 10 — 12. Muͤtt); und neben dieſem, daß die Guͤter immer wohl bezahlt werden, da verſchiedne Herrenguͤter, auch Spithallehen um einen ziemlich hohen Preis an Landleute verkauft worden. Das erloͤste Geld war 6. bis 800. fl. aus der Juchart von 285 32006. Da die erſten wohl an Schönheit und Aus zierung der Gärten, aber für Feldbau und Sitten des Volks. 71 nicht an Furchtbarkeit und Nutzbarkeit abgenommen haben. Die Sitten verhalten ſich hier wie an den Seiten des Zuͤricherſees, mit welchem der ganze Bezirk ſehr viel Weite lichkeit hat. $. 5. Das Gelände jenſeits der Kette des Albisgebirges. Dieſes ziehet ſich von der Sihlbruck an bis an die Reuß, und von da dem Berg nach bis nach Urdorf. Alſo von Suͤdoſt und Suͤd nach Nord. Das Gelaͤnde hat zweyerley Senkungen, die eine von Ebertſchweil bis an den un⸗ terſten Theil an der Reuß, die andere von Morgen gegen Abend, der Albisbergkette bis an die Graͤnzen des Zuger⸗ gebiets und an die Reuß. Je tiefer die Lage, deſto waͤrmer iſt das Gelaͤnde, und alle Früchte gerathen früher zur Zeitigung, wie Sulzer in ſeiner Beſchreibung einiger Merkwuͤrdigkeiten einer Berg⸗ reife A0. 1742. angemerkt hat. In dieſem Gelaͤnde hat die Landwirthſchaft verſchied⸗ ne Aeſte. 1. Die Viehzucht, welche ſtaͤrker in den hoͤher geleg⸗ nen Gegenden iſt. 2. Der Getreidbau, welcher in den tieferen Gegenden vorzuͤglich herrſchet. 3. Der Weinbau, der aber nicht betraͤchtlich iſt, dieſer faͤngt in der Mitte an, und vermehrt ſich nach und nach: in Birmenſtoff wird ſolcher am betraͤchtlichſten. 4. Der Obswachs, der durch das ganze Gelände fehe betraͤchtlich iſt, und eine große Menge Birrenmoſt zum Hausbruch, neben einer betraͤchtlichen Menge von gedoͤrr⸗ tem Obs liefert, davon viele 100. Mütt ausgeführt werden. Zur Viehzucht dienen haͤuſig eingeſchlagne Weiden, wel⸗ che aber meiſtens nach mit Obsbaͤumen beſetzt find; fo wie die Gemeinweiden, in welchen jede Dorfgerechtigkeit die Nutzung von zwanzig, an einigen Orten von vierzig Baͤu⸗ A er 1 72 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft men beziehen kann. Die Weiden werden auch zu 6, 10. Jahren aufgebrochen. Mit der Viehzucht hat das Land durch den italieniſchen Handel innert 60. Jahren außer⸗ ordentlich viel gewonnen, welches die Verminderung der Schulden in den Protekollen anzeigt. Neben dem Nutzen von dem verkauften Vieh wird die Viehzucht auch zu der Verfertigung von Butter und Kaͤſen in einigen Sennhuͤtten mit Vortheil angewendet. Die abhangende Lage des Ge⸗ laͤndes giebt Gelegenheit, daß in den tiefer liegenden, fumpfibten Gründen, Waͤſſerungen koͤnnen zuwegegebracht werden, wodurch eine große Menge ſchwarzen Strohes erzeugt wird. Auf dieſe Art von Landbau iſt ſehr viel Aufmerkſamkeit verwendet worden, weil der aufmerkſame Bauer den großen Nutzen von Vermehrung des Duͤngers wahrnahm; daher auch dieſe Art von Wieſen ſo theuer be⸗ zahlt wird, als die Futterwieſen. Gegen Ende des drit⸗ ten Jahrzehends in dem gegenwaͤrtigen Jahrhundert, gab die Gemeind Haufen ein vortrefliches Beyſpiel, Torfrieder, nach dem der Torf benutzt worden, in die ſchoͤnſte Stroh⸗ wieſen zu verwandeln. Der Getreidbau iſt iu dieſem Ge; laͤnde auch betraͤchtlich. Sulzer hat 1. c. bemerkt, daß er aus vielen Berechnungen der Zehenden gefunden, daß nur in dem Knonaueramt im Mittel wenigſtens 12000 Mütt Getreide wachſen. Es haben zwar ſeit der Zeit die Zehen⸗ den um etwas abgenommen, ohngefaͤhr 5, wovon die Ur⸗ ſache ſeyn mag, daß man den Dung meiſt den Wieſen ge⸗ geben, wegen dem vorzuͤglichen Nutzen der Viehzucht, und Vermehrung der Obsbaͤumen; auch daß man die ein⸗ geſchlagnen Weiden wegen dem Nachziehen des Viehes, we⸗ niger als ehedem, aufgebrochen. 13. Die Bevoͤlkerung hat ſeit einigen Jahren zugenommen; ich finde aus den Verzeichniſſen der getauften und verſtorb⸗ nen in den 5. letzten Jahren einen Vorſchuß von 23. auf sooo. Stelen; man kann es auch daraus ſchließen, daß * für Feldbau und Sitten des Volks. 73 von Jahr zu Jahr Bittſchriften an MGn H Hrn. kommen, Vierteloͤfen zu Vermehrung der Stuben zugeſtatten. Mit dem Feldbau wird auch der Fabrikverdienſt verbun⸗ den, da in dieſem Gelände von dem Anfang dieſes Jahr— hunderts an die Baumwollenſpinnerey aus nehmend betrieben worden, und ſich bis dahin immer vermehrt hat. Hin und wieder iſt eine Vertheilung der Gemeinweiden, oder eines theils derſelben zu Stande gekommen, und man fieng im; mer mehr an in die Brach zu pflanzen. Die Sitten des Volks ſind viel einfacher als in den vor⸗ her beſchriebnen Gegenden. Das weibliche Geſchlecht be. haͤlt ſeine alte Landtracht, die aus halbwollenem Zeuge verfertigt iſt; und man kennt keinen andern Pracht, als in den Banden, die auf die Juͤppen genaͤhet ſind, und vor das Bruſttuch geflochten werden. Die Männer haben eiz nen guten Wuchs, und ſind ſtark von Knochen. Indeſſen iſt der Hang zur Unzucht ſehr ſtark, wozu die Einfchräns kung der Ofen auf die Gerechtigkeiten nicht wenig beytraͤgt, da oft Anverwandte im zweyten und dritten Grade in eine Stube eingeſperrt ſind; daher mag auch kommen, daß Verſprochene die Vollziehung der Ehe bey Jahren auf— ziehen, und die Schwangerſchaft ſie dazu noͤthigen muß. Uebrigens iſt zu bemerken, daß, je mehr man ſich von den Gebirgen entfernt, der Fleiß in dem Feldbau ges ringer wird, und mit ſolchem die Sparſamkeit abnimmt. $. 6. Die ſechste Abtheilung unſers Lands enthält den gebirgigten Theil des Gruͤningeramts, neben dem gebir⸗ gigten Theil des Ennert⸗Amts der Grafſchaft Kyburg, wel⸗ che an das Land Uznach, Toggenburg und Thurgaͤu graͤn⸗ zen. Sie beſtehen aus zweyen Gebirgketten, eine innere von Ruͤti aus durch Hinweil, Baͤretſchweil, Wildberg; die aͤußere von der Scheidegg, Hoͤrndli, Sternenberg, Brei⸗ tenlandenberg, bis an den Schauberg ob Elg. Zwiſchen dieſen beyden Bergketten befinden ſich die Gemeinden Wald, 35 74 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Fiſchenthal, Baumen und Turbenthal, und durch einen großen Theil fließt die wilde Toͤß, welche aus dem ober⸗ ſten Theile zur Seite der Scheidegg an den Graͤnzen der Uznachergebirgen ihren Urſprung nimmt. Alles dieſes iſt wahres Alpgelaͤnde. Die großen Gemeinden beſtehen meiſt aus zerſtreuten Hoͤfen, und nur um die Kirchen draͤngen ſich die Haͤuſer näher zuſammen , und bilden kleine Doͤr⸗ fer. Hin und wieder ſind bey den ſtarken Zunahmen der Bevoͤlkerung aus einzelnen Höfen kleine Doͤrfgen entſtan⸗ den. So zaͤhlet Sternenberg 38. Oerter von verſchiednen Namen; Fiſchenthal 111; Baumen 47, u. ſ. f. . Von Wald nach Fiſchenthal ziehet ſich das Thal zwiſchen beyden Ketten immer mehr in die Hoͤhe, und von dort ſenkt es ſich immer tiefer bis nach Turbenthal. Es iſt aber meiſtens ſehr ſchmal, fo daß die Höfe, wie im Tog⸗ genburg und Appenzellerlande an den Seiten des Gebirges zerſtreut liegen · Das Gebirg beſteht meiſtens aus feſtern oder muͤrbern Nagelfluhe, zwiſchen welchem Gefloͤze von murben Sand⸗ ſteinen und zuweilen Leimadern liegen. Das Land iſt al⸗ ſo an ſich unfruchtbar, wie es auch ſeine Weiden zeigen, die in Abſicht auf die Fette des Graſes weit hinter dem Gebirge der Herrſchaft Waͤdenſchweil ſtehen. Die Wald⸗ baͤche haben auch in dieſen Gebirgen hin und wieder enge Tobel ausgehoͤlt, die einen foͤrchterlichen Anblick geben. An vielen Orten ſind die Seiten der Berge ungemein ſteil, ſo daß fie zu nichts taugen, als Tannen, Forren und Buchen hervorzubringen. Dieſes macht, daß noch immer in dieſen Gegenden genug Brenn- und Bauholz in leidenlichen Preiſen zu haben iſt. In der Gemeind Baumen bezahlt man fuͤr das Klafter Tannholz 2. fl., fuͤr Buchen⸗ holz 2 2. fl. Es werden auch in dieſen Gegenden vie le Kohlen zum Ausführen gebrennt, und viel Sagholz - ausgeführt: Dieſes erweckt viele Einwohner zu ver⸗ für Feldbau und Sitten des Volks. 75 ſchiednen Handwerken für Arbeiten im Holze: Drechsler, Kübler , Kellenmacher, Körbfiechter, u. ſ. f., fo daß aus dieſen Gegenden unſer Land und Stadt, und an⸗ graͤnzende Gegenden mit hoͤlzernen Geſchirren, Zaͤpfen, Hahnen, Seſtern, Kellen, Wannen⸗Zeinen, Tanſen, Gelten, und hoͤlzernem Werkzeuge fuͤr den Feldbau verſehen werden; daher auch dieſes Gelaͤnde den Namen des Kellenlands erhalten hat. Indeſſen hinderte die wilde Beſchaffenheit des Lands die Einwohner nicht, immer mehr Land urbar zu machen, ausgeſtockte Waͤlder in Aecker, und ſchlechte Weiden in Wieſen zu verwandeln, wobey der Viehſtand merklich zugenommen hat. Der ſel Herr Decan Meyer von Wald, bezeugte bey einer Unterredung mit Landleuten aus ſeiner Gemeinde, daß der Viehſtand ſich bey Manns⸗ gedenken verdoppelt habe. Wo ſich das Thal erweitert, kommen ſchoͤne Kornzelgen vor, an vielen Orten ſiehet man auch ſehr gaͤhe Sonneſeiten des Gebirges mit Getreide bes pflanzt, ſelbſt auf der Spitze des Hoͤrnli und Allmanns. Auf den hoheſten Bergen unſers Lands wird zuweilen Ges treide gepflanzet. In den ſonnenreichen Gegenden ſieht man auch ſchoͤnen Obswachs, worinn ſich vorzüglich Wald ausnimmt. An den Ufern der Toͤß findet man in den un⸗ tern Gegenden Wyla, Turbenthal, Zell, das beſte Land durch Geſchicklichkeit im Wuhren dem Toͤßbeth entriſſen, und in Wieſen, Hanfpuͤndten und Gartenplaͤtze verwandelt. Hierinnen hat der bekannte Grafſchaftsvogt Egg in Ryken, ſich als ein Meiſter erwieſen. Auch die Kleepflanzung hat in dieſem gebirgigten Lande ſich allgemach einzuſchmeichlen angefangen. Indeſſen beſtehen die meiſten Güter in Weiden, die von Zeit zu Zeit aufgebrochen, und mit Korn, Haber, Boh⸗ nen, vorzüglich aber mit Erdapfeln bepflanzet werden. Dieſe ſind hier gleichſam zu Hauſe, und machen den wichtigſten Gegenſtand des Feldbaues aus. Deswegen auch „ 76 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft hier die erſten Verordnungen uͤber das Verzehnden der Erd⸗ apfeln im Jahr 1750. fuͤr Fiſchenthal, und 1754. fuͤr Wald gemacht werden mußten. Die naſſen Weiden werden auch hier durch Graͤben zu Waͤſſerungen tuͤchtig gemacht, und in Strohwieſen verwandelt. Neben dieſem macht der Viehſtand den wichtigſten Theil des Reichthums des Landes aus, wodurch die vielen Weis den benutzt werden. Man findet zwar bey weitem nicht ſo ſchoͤnes Vieh in dieſen Gegenden, wie in der Herrſchaft Waͤdenſchweil, und dem Knonaueramt. Es wird auch wes nig ſelbſt nachgepflanzt, ſondern das junge Vieh meiſtens aus dem Toggenburg angekauft. Sennhuͤtten fludet man ſehr wenig, und die wichtigſten gehoͤren dem Amt Ruͤti, und der Stadt Winterthur. Hingegen wird viel Butter gemacht, der auf die Markte von Baumen und Wald ges bracht wird. Neben dieſem wird ein guter Theil ber Milch zum Abſaͤugen der Kälber für die Mezger verwendet, wel⸗ ches dieſen Gegenden ganz eigen iſt. Viele, die keine eigene Kühe haben, kaufen Kaͤlber und Milch, und geben ſich mit dieſem Abſaͤugen ab, womit ſie ſich in 6:8. Wochen eis nige Gulden verdienen koͤnnen. Neben dieſen verſchiednen Zweigen des Landbaues herrſcht von vielen Jahren her ein großer Verdienſt in den Fabri⸗ ken, ſo daß in dieſen Gebirgen alles von Baumwollen⸗ ſpinnern wimmelt; und wenn man einen jaͤhen Berg kuͤm⸗ merlich beſtiegen, ſiehet man ſich oft mit einmal bey Haͤu⸗ ſern, vor welchen 10 20. Baumwollenboͤcke in voller Bewegung ſind, und von einem mutbhwilligen Voͤlkgen behandelt werden. Hier ſiehet man alſo den meiſten Fabrikverdienſt mit eis nem immer fich ausbreitenden Feldbau und Urbarmachung bisher ungebauter Guͤter vereinigt, welches eine Menge neuer Haͤuſer beweiſet, die man in dieſen Gegenden antrift. fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 7 Meiſt alle dieſe Haͤuſer ſind von Holz und mit Schindlen bedeckt, die neuen Haͤuſer in dem Fiſchenthal ahmen die Toggenburgiſche Bauart nach, indem die Haͤuſer von ge⸗ wettetem Holz aufgebaut und mit feſtgenagelten Schindlen bedeckt werden, da man vorher die Daͤcher mit großen Schindlen bedeckte, die man mit . von Steinen beſchwert, befeſtigt. Man kann nun leicht ſchließen, woher es komme, daß dieſes Gelaͤnde, vor allen Gegenden unſers Landes aus, am meiſten an Volk zunimmt. Zum Beyſpiel hievon diene die Gemeind Fiſchenthal. In dieſer wurden in der letzten Helfte des vorigen Jahrhunderts 320. Ehen eins geſegnet, und 1503. Kinder getauft; und von Ao. 1670. an zeigte ſich ſchon eine fiarfe Vermehruug, indem in den 3. letzten Jahrzehenden 245. Ehen u. e e In den vorhergehend. Jahrzehnd. 127.— — 773. gezaͤhlt das Mittel d. Ehen in d. 3. letzt. J. 8 1.— — 331 ? Ba b. z Urſt. eng 2470 worden. In der erſten Helfte des gegenwaͤrtigen Jahrhun⸗ derts wurden 565. Ehen und 2305. Getaufte gezählt. Das Mittel 1123. — — 461. — auf 1. Jahrzehent. Mittel der Jahrzehenten. Verhaͤltniſſe der Ehen Jahrzehente. Ehen. Getaufte. zu den Getauften. 1641 — 1670, 42. 207, 1,000 zu 6,119. 1671 — 1700, 81. 331. 15000 — 4/086. 1701 — 1750. 113. 463. 1000 — 4,168, 1750 — 1760. 165. 656. 1000 — 3975. Dieſem nach hat ſich die Bevoͤlkerung innert 100. Jahren mehr als verdoppelt. Die Ehen ſind vierfach worden, und die Getauften, wie 51: 131. p. q. 10: 24. Es zeigt ſich aber hieraus, daß die Fruchtbarkeit der Ehen abge nommen habe. Es moͤchte aber ſeyn, daß die Ehen ehedem nicht alle verzeichnet worden. Vielleicht nur diejenigen, wel—⸗ che in der Kirche des Orts eingeweihet worden. Von der im⸗ 78 Weber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft mer fortdaurenden Vermehrung will ich noch von dem letz⸗ ten Jahrzehend die Zahl der Getauften und Verſtorbnen aus dem Wezikomer⸗ Kapitel anführen: Von 17771786. Getaufte 10151. Verſtorbne 6856. | Alſo Vorſchuß 3235. Nach Angabe des ſel. Hrn. Decan Meyers, in den Spynodalacten Ao. 1780. von 17661777. Alſo Vorſchuf 1531. Alſo von 1766 — 1786. in 21. Jahren 4766. Eine Vermehrung von F. Ein ſolcher Vorſchuß iſt in keiner andern Gegend unſers Lands bemerkt worden, Die Sitten dieſes Volks ſollen ſich durch den großen Fabrikverdienſt ſehr verſchlimmert haben. Es gehen große Summen fuͤr Wein und gebrannte Waſſer aus dem Lande; auch iſt das Kaffeetrinken ſehr gemein worden. Der Raſt hat die Kinderzucht an vielen Orten verdorben. Die Fabrikarbeiter ſind auch wegen Untreu bey der Arbeit in uͤblem Rufe. Hingegen ſahe man auch viele Beyſpiele von Uneigennuͤtzigkeit und Gutthaͤtigkeit gegen die Armen. Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel ſahen wir neulich an dem Wirth von Baumen, der durch die Brunſt einen Schaden von viel 1000. fl. erlitten, und doch keine Steuer verlangte, ſon⸗ dern ſich vergnuͤgte, die armen Miibeſchaͤdigten zu deſto milderer Beyſteuer zu empfehlen. Dieſer Karakter zeigte ſich auch dadurch, daß in dieſen Gegenden ſich die ober⸗ keitliche Verordnung, die Anſaͤſſen, die ſich in den Gemein: den ein Eigenthum erworben, an ihrem Geburtsort aber kein Eigenthum beſaſſen zu Burgern aufzunehmen, leich. ter als in andern Gegenden eingefuͤhrt worden, obgleich die Zahl ſolcher Anſaͤſſen nirgends ſo groß war. Hier finden ſich auch die meiſten Separatiſten, welche fo ſchaͤd⸗ lich ihr Irrthum einem Freyſtaate werden kann, doch immer einen Hang für, Tugend und Frömmigkeit ver⸗ rathen. für Feldbau und Sitten des Volks. 79 Man fieht alſo auch hier den Fleiß in dem Feldbau neben dem haͤufigen Fabrikverdienſt fortfchreiten ; daher auch die Guͤter in hohem Werthe ſind. In dem Fiſchen⸗ thal wird für ein Mannwerk Wieſen von soo. auf 1000. fl. bezahlt, und in Baumen fuͤr einen Acker bis auf 180. fl. F. 7. Zu dem ten Bezirke unſers Landes zähle ich den flaͤchern Theil der Herrſchaft Gruͤningen, die Herr. ſchaft Greifenſee, und das Amt der Grafſchaft Kyburg, ſo von Kyburg nach Zuͤrich hinliegt. Von Hinweil, We— zikon, Kyburg an bis nach Kloten; alſo das ganze Unter— amt, und endlich die Obervogtey Duͤbendorf. In dieſen Gegenden liegen 2. Seen, der Pfaͤffiker⸗ und der Greifenſee, welche durch einen Bach zuſammenhaͤngen; letzterer erzeu⸗ get den Glattfluß, welcher den übrigen Theil durchſtroͤmt. Dieſe Gegenden kommen darinn mit einander uͤberein, daß nur kleine Berge und Huͤgel ſich darinn befinden; zwiſchen und an ſolchen große Kornfelder, und um die Seen, und an der Glatt viele naſſe Riedter, in welchen viel Torf land angetroffen wird, zwiſchen Hinweil und Wezikon, unter dem Pfeffikomerſee; auf der Duͤbendorfer⸗Allment, vorzüglich auf der Seite von Wangen, u. ſ. f. Die Wieſen beſtehen theils aus Baumgaͤrten in und um die Doͤrfer, und aus naſſen Wieſen, die an die Riedter zuſammenſtoſſen. Die Guͤter ſind in geringerm Werthe, die beſſern Wieſen von 2 » 300, fl. Der Ertrag des Feldes iſt geringer wegen Mangel genugſamen Düngerd. In allen dieſen Gegenden ſind viele Waldungen, auf welche aber wenig Aufmerkſam⸗ keit verwandt wird. Die Einwohner wohnen in großen Doͤrfern, die meiſten Haͤuſer ſind von Holz, und dieſe in den obern Gegenden meiſt mit großen Schindlen bedeckt, die mit Stangen feſtgehalten, und dieſe mit großen Stei⸗ nen beſchwert werden, welches ein unangenehmes Anſehen giebt. Die Haͤuſer ſind meiſtens nahe zuſammen gereihet, zu nicht geringer Gefahr bey entſtehenden Feuersbruͤnſten. 30 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Ueberhaupt iſt der Feldbau in dieſen Gegenden ſchlecht, und hier iſt es, wo man den Schaden der Fabrikarbeiten auf den Feldbau vorzuͤglich wahrnehmen kann, da die merkliche Abnahme der Zehenden von dem wirklichen Ver⸗ falle des Feldbaues zeuget, welches vorzuͤglich in dem Theil dieſer Gegenden, der zu dem Gruͤningeramt, und dem Amt Greifenſee gehoͤrt, zu verſtehen iſt, indem die untern Gegenden weniger Fabrikarbeiter haben. Es ſcheint, als ob dieſe von den Bergen heruntergeſtiegen waͤren; je naͤher ſolche, je mehr Fabrikarbeiter giebt es. Indeſſen zeigen ſich doch auch hin und wieder Spuren von vermehrter Aufmerkſamkeit auf den Feldbau. In die⸗ ſen Gegenden hat ein Kleinjogg ſich entwickelt, ein Walder ſeine Mitburger in Wezikon, auf den Gebrauch der Guͤllen (Lache) aufmerkſam gemacht, und dadurch beynahe eine Verdopplung des Viehſtandes bewirkt. Man findet hin und wieder ſchoͤne Waͤſſerungen um Wezikon, Fehraltorf, Wangen, u. ſ. f. Letzterer Ort nimmt ſich durch die ſorg⸗ fältige Herſtellung feiner Wieſen, nach dem Ausgraben der Turben, da kaum Platz genug gelaſſen wird, die Turben abzuſtechen, alles abgeſtochne wieder verebnet, mit Waſen dedeckt und gewaͤſſert wird, ſo daß auf gleichem Platz Torf gegraben und getrocknet, und Heu gemacht wird. In den Gemeinden hinter der Gebirgkette des oͤſtlichen Ufers vom Zuͤrichſee, findet man ſchoͤnen Obswachs, und Moͤnchaltorf nimmt ſich durch Pflanzung des Haufſaamens vor allen Gegenden des Lands aus. Man ſieht auch hin und wieder von den bemittletern Fabrikarbeitern, daß fie ih⸗ ren Ruhm in wohlgebauten Guͤtern ſuchen; und dieſen iſt auch der Kleebau bekannt. In den Hungerjahren fieng man an haͤuſig Erdapfel zu pflanzen; aber nachdem das Brod wohlfeiler worden, fieng der Eifer zu erkalten an. Die Fabrikarbeiter eſſen lieber weiſſes Brod, Kaffee und Fleiſch, als Erdapfel, und ſetzen ſich lieber der Gefahr, in verdienſt⸗ loſen fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 81 loſen Tagen Hungers zu ſterben, aus, als daß ſie ſich in guten Tagen durch Spaͤrſamkeit etwas auf die magern Tage zuruͤcklegten. Einen Begrif von der Anzahl der Fabrikarbeitern zu geben, will ich einige Beyſpiele anführen: Moͤnchaltorf zählte Ao. 1773. unter 515. Einwohnern 203. Fabrikarbeiter und 107. Weberſtuͤhle, 30. Haushaltungen beynahe 3. guͤterloſe. Gruͤningen zählt 153. Weber, ohne die Spinner, 2. Wollenweber , 2. Linnewäber , und 149. Baumwollenweber „ 41. Haushaltungen 5. waren guͤterlos. Die Gemeind Eag zählte unter 327. Haushal— tungen 100, güterlofe, alſo beynahe 3. Ao. 1787. bey der Abzaͤhlung aller Muſſeline und Baumwollentuchwaͤber und Spinner finden ſich in Moͤnchaltorf bee e . en Grüningen 110. 42. 448. Egg 195. 200. 123. Gruͤninger - Amt 965. 403. 9032. Greifenfeer = Anit 259 766. 1400. Kyburger-Amt — 7. 320. Die Viehzucht beſteht meiſtens aus Zugſtieren zum Feldbau, und kleinen Kuͤhen zum Hausgebrauch, welche man meiſt von andern Orten einkauft; daher in dieſen Gegenden die Lungenſeuche vorzüglich herrſchet, wovon Die bendorf, Faͤllanden und Wangen traurige Beyſpiele find, Wein wird wenig gepflanzet, ſeit einigen Jahren aber iſt eine große Begierde darnach entſtanden, fo wenig das Land wegen den vielen Suͤmpfen und Kleine der Huͤgeln taugt; ſie geben aber den nicht zu wiederlegenden Grund an, daß ihnen bey der Seltenheit der Tagloͤhner und ihren ſtarken Foderungen an Speiſe und Trank eigen gepflanzter Wein unentbehrlich werde, wenn ſie ihre Guͤter ohne Schaden bey dem hohen Werth des Weins bauen wollen. Magaz. f. d. Naturk. Zelvetiens. III. 5. 5 \ t 2 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Seit den Hungerjahren ſind in dieſen Gegenden viele Vertheilungen der Gemeindguͤter vorgenommen worden; man theilte ſolche meiſtens auf die Gerechtigkeiten aus, und man erhielte nicht geringe Vortheile am Futter fuͤr das Vieh an Heu und Emd, Streui; allerley Sommerfruͤchten, Hanf, Erdapfeln; und an Torf. Moͤnchaltorf genießt laut eines ſpeziſicirlichen Verzeichniſſes jährlich einen Nutzen von 3434. fl. 23. f. und eine merkliche Vermehrung des Viehſtandes. 1.) 6. Viertel Hanfſaamen, a 2. fl. 10. f. 8 auf 67 2. Gerechtigkeiten.“ 897. 30. 2.) 1. Centner Werch, à 4. f. 6. hl. das Pf. 748. 5. 3.) 3. Roͤhrli Erdapfel à 3. fl. 598. 20. 4.) Heu und Emd 12. Centner a 24. f. 477. 32. 5.) Heuv. unvertheiltem Lande, 79. Schochen 47. 16. 6.) An Gemeindſtreui à 1. fl. 6. ß. 399. — 7.) 1. Fuder Torf. a 4. fl. 2556. age fl. 3434. 6. 23. Vor allem aus aber ward die Herrſchaft Greifenſee, wo vorher die ſchlechteſte Wirthſchaft zu Hauſe war, zum Bey⸗ ſpiel, wie viel Wohlſtand durch Vertheilung der Gemeind⸗ guͤter, Freyheit in Bearbeitung ſeiner Felder, durch Auf⸗ hebung der fo ſchaͤdlichen Brach und Stoppelweiden, und Pflanzung vom Klee; des Eſpers in den entfernten, ſchlech⸗ ten Aeckern, die an gaͤhen Huͤgeln liegen, und des ro⸗ then Wieſenklees, in der zweyten Frucht der Zelgen, zu⸗ wegegebracht werden kann; da HHr. Landvogt Lan⸗ dolt, in dem Lauf ſeiner Regierungsjahren die Aufhebung der ſchaͤdlichen Weidgaͤngen auf den Feldern, und die Ver⸗ theilung der Gemeinriedter mit allem Nachdruck empfohlen und befoͤrdert hat, und ſelbſt durch die Verbeſſerung der Schloßguͤter ein ermunterndes Beyſpiel gab, wie die Güs ter am beſten benutzt werden koͤnnen. Man erſtaunt über den Wohlſtand, den Greifenſee, Faͤllanden, und andere * * N 5, fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 83 Oerter dadurch erhalten. Greifenſee maͤſtet ſeither viele Ochſen, welches vorher unerhoͤrt war. Er fand zwar vielen Widerftand in den Sitten eines Volks, bey welchem Prozeßſucht herrſchet, wo wenig rei— che Bauren die armen Tauner drucken, und aus Neid ſol— chen einen Zuwachs von Guͤtern durch Vertheilung der Gemeindguͤter zu verwehren ſuchten, weil fie es für fich fuͤr einen Raub anſehen, daß ſie in Verhaͤltnis gegen die Tauner weniger Nutzen nach der Vertheilung bezogen, als ſie bey dem Beſitz des Weidgangs hatten, wenn ſie ſchon geſtehen mußten, daß auch fie nach der angerathenen Mies thode ihren Wohlſtand merklich vermehren wurden. Dieſer Druck veranlaßte bey den Taunern Traͤgheit, Dummheit und Aberwillen gegen den Feldbau, der des— wegen in dieſen Gegenden immer nachläßiger betrieben wor— den, und zu einem ſchaͤdlichen Hang fuͤr die Spinnerey Gelegenheit gegeben, bey welchem ſie gemaͤchlich ar vers ſchwenderiſch worden. Indeſſen hat auch in dieſen Gegenden die Bevölkerung zugenommen, das Kyburger-Kapitel zahlt von 1781,86, einen Vorſchuß von 641. Getauften, vor den Verſtorb— nen, und blieb unter den Kapiteln eins der gluͤcklichſten, obgleich es bey weitem nicht an das Wezilomer » Kapitel gelangte. $. 8. Zur achten Abtheilung zaͤhle ich die beyden Vog⸗ teyen Regenſtorf und Regenſperg, welche zu beyden Seiten des Laͤgerbergs liegen, und ſuͤdwaͤrts an dem Hoͤngger— berg anſtoſſen. Dieſe Gegenden haben mit einander gemein , daß in denſelben der Landbau beynahe die einzige Beſchaͤftigung der Einwohner ausmacht. Nur ſeit wenig Jahren hat ſich hier das Baumwollenſpinnen, und dieſes nicht in allen Gemeinden, eingeſchlichen, auf 5000. Einwohner in der Herrſchaft Regenſperg, zaͤhlte man letzthin 2. Muſſelinen⸗ / F N * — 34 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft wäber, und 130 Baumwollenſpinner; alſo beynahe 35. In der Herrſchaſt Regenſtorf hat ſich von 4. Gemeinden nur in Affoltern die Spinnerey eingeſchlichen. In beyden Vogteyen herrſcht vorzuͤglich der Getreid— bau und Weinwachs. Auf der Suͤdſeite des Laͤgerbergs liegt zwiſchen den Doͤrfern -der beyden Vogteyen ein ſum⸗ pfigt Gelaͤnde, welches zu Gemeinweiden dient, und zum Stof einer merklichen Verbeſſerung des Wohlſtands dienen koͤnnte. | Den reichſten Stof zu befonderem Wohlſtand lie fert die Nordſeite des Laͤgerbergs den Gemeinden im Wehnthal, an dem Mergel oder Mieth, wie er dort genennt wird, durch welchen ſchlechte Egerten in die ſchoͤnſten Kleewieſen verwandelt werden, die durch die Viehmaͤſtung einen großen Nutzen abwerfen. HHr. Zunftmeiſter Scheuchzer, gab ſich waͤhrend ſeiner Regie⸗ rung alle Muͤhe den Zuſtand ſeiner Herrſchaft genau zu kennen, und legte Darüber Ao. 1764. eine vortrefliche Ab⸗ handlung vor. Er fand , daß jaͤhrlich 400. Maſt⸗ ochſen aus dieſer Herrſchaft verkauft worden, 5000, Mütt Korn, und 4000. Saum Wein. Die Riedter geben auch Gelegenheit zur Pferdzucht. Innert Ioo. Jahren bemerkt man in Abſicht auf die Bevoͤlkerung keine Veraͤnderung. Die Sitten ſind einfach, baͤuriſch, verliebt in die anererbten Gewohnheiten, und hartnaͤckig abgeneigt gegen jede Neuerung. Es ſind viele Vorſchlaͤge gethan worden zu beßrer Benutzung der Ried⸗ tern, aber man fand wenig Eingang. In Affoltern gab Herr Meyer beym rothen Ochſen, das Beyſpiel zur Kleepflanzung, der endlich einige Nachfolger gefunden hat. Der Muͤller verwandelte einen ſumpfichten Grund, der nur ſchlechte Forren hervorbrachte in einen ſehr frucht⸗ baren Boden, in welchem Getreide und Klee in der drey— jährigen Zelgenordnung ſehr wohl gedeyen. Auch der m fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 85 Untervogt Zollinger in Watt, gab das Beyſpiel vom Klee— bau; doch fehlt noch vieles, bis dieſer allgemein wird. So wie man die Nachahmung des ſel. Kleinjoggs, durch Vermiſchung der Erdarten, die Felder zu verbeſſern, auch in der naͤchſten Nachbarſchaft nur langſam zur Hand nimmt. Indeſſen kann man nicht ſagen, daß die Guͤter nicht nach der alten Methode ziemlich gut gebaut werden. Die Guͤter ſind in mittelmaͤßigem Werthe. Die beſten Wieſen ſteigen ſelten über 400. fl. das Mannwerk, und die Juchart Reben ſteigt auch hoͤchſtſelten auf 500. fl., der Ertrag derſelben if aber auch nur mittelmäßig. Eigents lich kann ſolcher nicht beſtimmt werden. | Daß die Güter einen betraͤchtlichen Nutzen liefern muͤſ— ſen, kann man aus dem jaͤhrlich zuverzinſenden Kapital ſchließen, welches ſich nach Hrn. Zunftmeiſter Scheuch⸗ zers Berechnung auf ddoooo. fl. beläuft, fo an jaͤhrli— chen Zinſen à 4. p. 8. 32000, fl. betragt. Es find zwar in dieſem Bezirke auch noch viele Bauren, die ihre Güter ſchuldenfrey beſttzen. Buchs giebt ein merkwuͤrdiges Beyſpiel von dem Ein— fluß eines klugen und ordentlichen Vorgeſetzten auf den Wohlſtand des Lands. Nach der Mitte des laufenden Jahrhunderts befand ſich dieſe Gemeinde durch den Schul— denlaſt ſehr gedruͤckt, und verlor allen Credit. Dieſes ſchlug den Muth der Einwohner gänzlich nieder, die Güs ter wurden immer ſchlechter. Dieſes erweckte den ſeligen Sekelmeiſter Meyer der Gemeinde den Vorſchlag zu thun, bey jedem Auffalle den Zug zu thun, die Guͤter unter ſich zu vertheilen, und die verſicherten Schulden, wo nicht baar zu bezahlen, doch zu verzinſen. Von dieſer Zeit an er— holte ſich die Gemeinde wieder, der vermehrte Credit brachte neuen Eifer zur Arbeit, die Guͤter wurden beſſer gebaut, und die Auffaͤlle wurden immer ſeltner, weil jeder Uebelhauſer das Aufſehen feiner Mitburger erwecket 86 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft $. 9. Die Vogtey Ruͤmlang und Neuamt, liegen in einer Ebne zu beyden Seiten des Glattfluſſes. Unter der Glattbruck in dieſer Ebne erheben ſich hin und wie— der fanfte Hügel, welche an der Sonnenſeite mit Reben bepflanzt ſind. Der wichtigſte Theil der Guͤter beſteht in großen Zelgen. Hin und wieder vertieft ſich das Land, und daſelbſt befinden ſich Wieſenplaͤtze, die neben den Wieſen und Baumgaͤrten naͤchſt um die Haͤuſer zur Nah— rung des Viehes dienen, das in dieſen Gegenden von ge— ringer Art iſt Das Gelaͤnde fallt angenehm in die Auz gen, iſt auch durchgehends nach dem gemeinen Schrott wohl gebaut, vorzüglich in der Naͤhe der Dörfer; allein man trift in den entfernten Feldern ſehr viel ſchlechtes Ackerland an, das entweder ungebaut liegen bleibt, oder doch ſehr wenig traͤgt. Die Viehweiden ſind entweder Riedter, die in trocknem Sommer duͤrre ſind, oder in naſſen Jahrgängen allzufeucht, oder auf den Brachen und in den Stoppelweiden. Der Boden iſt nicht unfruchtbar, allein die Lage des Gelaͤndes zwiſchen hohen Bergen und an dem Glattfluß ſetzen ſolches dem Winterfroſt und den Hagelwettern mehr aus, als keine Gegend unſers Lands, und erzeu— gen ſehr viele Fehljahre, welche das Volk arm machen; wenige reiche Dorfjuden ausgenommen, die den armen Landmann druͤcken. | | Von Fabrikverdienſten hat man bis auf wenige Jahre nicht viel gewußt; nur im Winter ſpannen die Weiber Wollengarn. Dermalen aber hat ſich auch die Baumwol⸗ lenſpinnerey dahin gezogen, doch bleiben Oberglatt, Hof⸗ ſtaͤtten, Daͤlicken, die Haslidörfgen und Niederglatt noch faſt ganz davon befreyt; in den untern Theilen von Sta⸗ del, Hochfelden, Wejach iſt er etwas ſtaͤrker, ob mit Vortheil oder Nachtheil des Feldbaues iſt dermalen noch nicht zu beſtimmen. für Feldbau und Sitten des Volks. 87 In Ruͤmlingen herrſcht von undenklichen Jahren eis ne eigne Fabrik von Strumpfſtricken, welche wirklich dem Feldbau nachtheilig worden, und das Volk traͤge macht. Doch hat ſeit einigen Jahren ſich mehr Betrieb— ſamkeit in dem Feldbau gezeiget, welche man vorzüglich der Vorſorge Ihro Gnaden Kilchſperger zu danken hat, welche die Ruͤmlinger zum Torfgraben und zur Anwen— dung des Heues und Strohes durch ein Verbot der Aus— fuhr gezwungen haben. Herr Wolf hat ein ſchoͤnes Beyſpiel gegeben, vom Dorf abgelegne und deswegen ganz vernachlaͤßigte Guͤ— ter in einen Hof zuſammlen, in deſſen Mitte er ein ſchoͤ⸗ nes Haus gebaut. Erſt kuͤrzlich hat er dieſen Hof an die Söhne des fel. Kleinjoggs verkauft. Kleinjogg hat aus einem Huͤgel, der den Ruͤmlingern gehoͤrt, feinen Sand ausgegraben, mit dem er den Katzenruͤtihof ſehr verbeſſert hat, und einen ganz ver— nachlaͤßigten Acker hat er in die ſchoͤnſte Eſperwieſe ver— wandelt, aber noch keine Nachfolger erweckt. Indeſſen ſieht man auch in dem Neuamt gluͤckliche Verſuche mit dem Kleebau, der allgemach emporzukom⸗ men ſcheint. Die Bevoͤlkerung hat in dieſem Jahrhundert merklich abgenommen, doch dermalen ſcheint fie ſich in etwas erho⸗ len zu wollen. In den letzten 3. Jahren zeigte ſich ein geringer Vorſchuß der Gebohrnen, in Vergleichung mit den Verſtorbnen. ö | Von den Viehſeuchen hat diefe Gegend von Zeit zu Zeit auch viel gelitten. Alles macht die Einwohner arm und demüthig. An vie⸗ len Orten hat die Noth den Mißbrauch erzeugt, Stein— wicken unter das Getreide zu ſaͤen, weil ſolche in ſchlech— tem Feld noch am beſten fortkommen. Indeſſen entwickeln ſich auch hier tugendhafte Geſinnungen, wie wir vor eis 88 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft | nem Jahr ein Beyſpiel ſahen an einem Juͤngling aus Oberglatt, der mit eigner Lebensgefahr einen Knaben aus dem Waſſer gezogen, und ihm das Leben gerettet hat, dem eine große Anzahl muͤßig zuſahe, bis der Held kam, der für ſeine Muͤhe von den Eltern des Knaben keine Belohnung annehmen wollte, als die Hoffnung, wenn ihm ein Unglück begegnen ſollte, auch bey andern Mit— leiden zu finden. Auch hier zeigte ſich, wie nahe die Sittlichkeit und Tugend mit Arbeitſamkeit und Fleiß in dem Feldbau, verbunden ſey, indem unſte Geſellſchaft in dieſem gutdenkenden Juͤngling auch einen aufmerkſamen Landwirth gefunden hat, von deſſen Beyſpiel die dorti— gen Gegenden viel Gutes erwarten koͤnnen. 5 F. Io. Die Herrfchaft Egliſau, welche an dem nord— lichen Ende des Zürichergebierg zu beyden Ufern des Rheins liegt, beſteht aus einer weit ausgebreiteten Flaͤche, wel— che der Rhein fo durchſchneidet, daß 3. oſtwaͤrts und z. weſtwaͤrts liegt. Jene begreift das Rafzerfeld; dieſe die zuſammenſtoſſende Felder von der Kirchhoͤri Egliſau und Glattfelden. Beyde werden durch Huͤgel umkraͤnzt, deren Sonnenſeiten mit Weinreben bepflanzt, die Höhe aber mit Waldungen beſetzt ſind, mit denen dieſes Gelaͤn— de wohl verſehen iſt, und davon durch die Ausfuhr eini— gen Nutzen ziehet, der durch eine verbeſſerte Forſtord— nung noch vergroͤßert werden koͤnnte, da man itzt von Ferne Holzmangel beſorget. | Durch den weſtlichen Theil fließt der Glattfluß in den Rhein uͤber ein kieſigtes Beth, klar wie Quellwaſſer. Er bietet ſich alſo von ſelbſt zur Waͤſſerung der flachlies genden Wieſen an, die auf feinem ehmaligen Bethe ange— legt ſind. Nur ſchade, daß er von Zeit zu Zeit ſein Werk wieder zerſtoͤrt, und bald da bald dort einen Theil der Wieſen uͤberſchwemmt/ durchſchneidet und wegſpuͤlt. Doch hinterlaͤßt er immer den Troſt, daß er an andern Stellen Ar . * für Feldbau und Sitten des Volks. 39 ſein Beth verlaͤßt, nachdem ſie mit Kies angefuͤllt wor— den, und dem fleißigen Anſtoͤſſer einen neuen Bezirk ſchenkt, der durch eine wohlgeleitete Waͤſſerung in we— nig Jahren wieder einen ſchoͤnen Graswuchs erzeuget. Die übrigen Flächen find durchgehends kiesartig, und gleichen einem trocken gelaßnen Beth eines Waldſtroms, und zum Ungluͤck herrſcht darinn eine große Troͤckne, indem auch die umgraͤnzenden Huͤgel ſehr wenig Waſſer— quellen zeigen. Ihr Grund iſt ein an der Luft verwit— terter Sandfelſen, in welchem viel Eiſen-Bohnerzt ent— halten iſt. N ‘ Dieſes verhindert, daß der Gedanke, zerſtreute Höfe zu errichten hier uicht Statt hat, weil es ihnen an Waſſer mangeln wurde. Eben daher koͤmmt es auch, daß die Aecker wenig er— tragen, und ein guter Theil ungebaut liegen bleibt. Der Dung koͤmmt meiſtens in die Reben. Die Wieſen ſind in geringer Zahl an dem Ende des Gebirges. Sie ge— ben auch wenig Futter. Alles dieſes macht die Einwoh— ner arm und niedergeſchlagen. Die Bevoͤlkerung hat auch in dieſem Jahrhunderte merklich abgenommen; und geht auch itzt noch langſam fort, obgleich ſie ſich um et— was zu erholen ſcheint. Fabrikverdienſt iſt eigentlich hier keiner; nur ſeit 2, Jah—⸗ ren hat man angefangen Baumwollen zu ſpinnen, ſo daß man den Mangel in dem Feldbau gar nicht den Fabrik— arbeiten zuſchreiben kann. 5 Indeſſen herrſcht in dieſen Gegenden eine ſchaͤdliche Art von Fabrik, das Schinnhuthflechten, welches den Nutzen der Seiden, Wollen und Baumwollenfabriken nicht leiſtet, Reichthum ins Land zu ziehen, da ich von keinem reichen Schinnhuthfabrikanten gehoͤrt. Hingegen entziehet dieſe ſchlechte Arbeit, wie das Stricken in Ruͤm— lingen, dem Feldbau viele Haͤnde, und macht die Leute 90 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft traͤge, die in dem Sitzen Behaglichkeit finden, und den Hunger weniger empfinden. Hier waͤre der Ort, wo durch die N oder Verbindung der Pflanzung der Futterkraͤuter mit dem Getreidbau, eine augenſcheinliche Verbeſſerung des Wohl- ſtands koͤnnte zuwegegebracht werden. Die Geſellſchaft gab ſich auch viele Muͤhe, die Leute dazu aufzumuntern, aber vergebens. Die wenigen Reichen begnuͤgen ſich, durch Wucher, der den Armen ſehr druckt, ihren Reich— thum zu vermehren, anſtatt dem Armen das Beyſpiel zu geben, wie er feinen Wohlſtand durch eine dem Lande ans gemeſſene Abaͤnderung in der Landwirthſchaft verbeſſern koͤnnte. Egliſau allein ſcheint ſich auszunehmen, wo man ſchon Verſuche von der Koppelwirthſchaft antrift, die ver⸗ hoffentlich auch andere zur Nachahmung reitzen, und durch die Ausbreitung dem Lande einen neuen Flor geben werden. §. 11. Es bleiben nur noch zwey Bezüke unſers Lan⸗ des zu betrachten uͤbrig, in welchen der Weinwachs, we⸗ gen Guͤte des Weins, in vorzuͤglichem Anſehen iſt, und deswegen allerdings unſere Aufmerkſamteit verdienen; fie ſind aber in Abſicht auf die Fruchtbarkeit ſehr verſchieden. Der Bezirk zwiſchen dem oͤſtlichen Ufer der Toͤß und der Thur, in welchem die Stadt Winterthur liegt, liefert ohne Zweifel den beſten Wein unſers Landes, vorzuͤg⸗ lich aus den Landguͤtern der Herren von Winterthur, und einiger Herren von Zuͤrich, welche ihre Reben faſt gänzlich mit Klevnertrauben bepflanzen, welche den beſten rothen Wein liefern, wenn man ſie am Traͤſt gaͤhren laͤßt: Wenn fie aber ſogleich nach dem Wim̃len abgedruckt wer— den, einen weiſſen Wein von ſehr viel Annehmlichkeit und Staͤrke geben, der ſich auch auf viele Jahre erhalten laͤßt, und unter guter Beſorgung immer an Geiſt und 7 für Feldbau und Sitten des Volks. 9 Annehmlichkeit zunimmt. Ich habe in Winterthur der— gleichen alten Wein getrunken, der mit dem la Cote Wein um den Vorzug hätte ſtreiten doͤrfen. Die Bauren ma, chen hingegen ihren Weinwachs von Jahr zu Jahr ſchlech— ter, indem ſie immer mehr weiſſes Gewaͤchs, und zwar Kurzſtieler, und Welſche pflanzen, weil fie ſich bey vers mehrter Menge des Weins, den ſie von der Troten weg verkaufen muͤſſen, beſſer befinden, als bey der vorzuͤg— lichen Guͤte des Weins. In dieſem Gelaͤnde wird alles dem Rebberge zugeeig— net; aller Dung koͤmmt dahin, und die Wieſen muͤſſen noch ihren guten Grund hergeben, den weggeſpuͤhlten Grund der Reben zu erſetzen. Dem ungeachtet iſt der Ertrag der Reben ſehr geringe, welches ſowohl einer na— tuͤrlichen Unfruchtbarkeit des Bodens, als den oͤftern Fehljahren und dem Schaden vom Winterfroſt zuzuſchrei— ben, denen dieſes Gelaͤnde ſehr ausgeſetzt iſt. Eine Berechnung des zehenden Ertrags von Embrach und Luffingen, zeigt, daß auf eine Juchart im Durch— ſchnitt, nicht mehr als 4. Saum 2. Eimer geſammlet wors den , welches 63. Zuͤrichereimern gleich iſt. Eine ſolche Berechnung von 20. Jahrgaͤngen 1764 83. aus der Gemeinde Berg am Irchel, zeigte fuͤr dieſen Ort einen Ertrag auf die Juchart 5 3. Saum; alſo 8 2. Eimer Zuͤrichermaͤß. Welch ein Unterſcheid in Vergleichung mit dem En der Reben an dem Zuͤricherſee! Die Ueberſchwemmungen und Wegfreſſungen der ſo ie in Wuth gerathenden Toͤß, verurſachen hin und wieder, vorzüglich bey Pfungen, großen Schaden. ü Es iſt ſich alſo nicht zu verwundern, wenn die Bevoͤl— kerung in dieſen Gegenden mittelmaͤßig bleibt, und der Landmann aͤrmer, zugleich aber auch eingezogner lebt, als in andern Gegenden des Landes, die Guͤter auch in & Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft niedrigem Werthe bleiben. Die befte Juchart Reben übers ſteigt ſelten den Werth von 500, fl., und die geringern fallen bis auf 300. Indeſſen fehlt es hier nicht ganz weder am Fleiß noch Geſchicklichkeit in dem Feldbau, welche durch das Bey— ſpiel der Herren von Winterthur nicht wenig ermuntert werden. Man ſieht in der Naͤhe dieſer Stadt die ſchoͤn— ſten Waͤſſerungen in den Wiefen’, und die weiſeſte An. wendung der Euͤlach. Die Wieſen find wohl mit Baus men beſetzt, die freylich an Groͤße und Ertragenheit nicht an die um unſere Stadt und an dem See gelangen. Hier find auch die vortheilhafteſten Lebzaͤune von Weiß dorn eingefuͤhrt worden, und machen neben der Be— ſchirmung der Guͤter eine wahre Zierde dieſer Gegen— den aus. In den Feldern iſt der Kleebau hin und leder ge⸗ mein, und der Erdapfelbau iſt allgemein worden. Es zeichnen ſich auch viele Landwirthe durch ihre Ge⸗ ſchicklichkeit und Eifer aus. Unter dieſen verdient vor al⸗ len genennt zu werden, der ſo weiſe als gutdenkende Ge⸗ richtsvogt Egg von Ellikon. Ich kenne keinen Landmann der mehr nachdaͤchte, wodurch feine Gemeinde in Aufs nemmen gebracht werden koͤnnte, als dieſen. Er muntert zu allerley Unternehmungen auf, und geht in der Aus⸗ führung voran. Ihm hat man die erſte Idee von Samm⸗ lung eines Fruchtvorraths zum Nutzen der Gemeinden in theuren Zeiten und Fehljahren durch Aufbruͤche in den Gemeindguͤtern zu verdanken. Er hat das beſte Beyſpiel vom Pflanzen des rothen Klees und Eſper gegeben, eine beſſere Eindaͤmmung des wilden Dorfbachs ausgefunden und eingefuͤhrt. Reben den Herren von Winterthur haben ſich in die⸗ ſen Gegenden verſchiedne Herren Pfarrer, Herr Kitt von Rickenbach, Herr Wieſer von Wieſedangen, Herr Meyer für Feldbau und Sitten des Volks. 93 von Pfungen, um die Ermunterung des Feldbaues fehr verdient gemacht. 5 Die Fabrikverdienſte haben erſt ſeit wenig Jahren hier ihren Eingang gefunden, und werden noch immer maͤßig betrieben, indem die Arbeit in den Rebbergen die meiſte Zeit in den Sommermonaten den Aermern Arbeits genug verſchaffet, welche aber nicht anders, als ſehr ges ringe bezahlt wird. Ign denen von den Fluͤſſen entfernten Orten dieſes Bezirks finden ſich große Ebenen, die zum Getreidbau ſehr bequem liegen, um Flach, Dorf, Hetlingen u. ſ. f. Hier faͤngt man an auf das wahre Mittel dem Feldbau aufzuhelfen, den Kleebau immer aufmerkſamer zu werden. Herr Biedermann giebt in ſeinem Landgut Goldenberg hierinn ein vortrefliches Beyſpiel. Dieſes iſt aber um ſo noͤthiger, da allenthalben Mangel an Wies wachs iſt, und dieſer auch nur mittelmaͤßig bleiben muß, ſo lange man den meiſten Dung den Reben giebt. F. 12. Endlich bleibt uns noch ein anders Weingelaͤnde an dem oſtlichen Ende unſers Cantons übrig, das außere Amt, welches zwiſchen den beyden Fluͤſſen Thur und Rhein eingeſchloſſen iſt. Dieſes Gelaͤnde iſt von Natur das fruchtbarſte des Cantons, indem alle Arten von Gewaͤchſen in fol chem vortreflich fortkommen, und reiche Fruͤchte tragen. Weinberge, Obswachs, Feldfruͤchte, Futterkraͤuter, alles gedeyet hier wohl. Auch die Waͤlder ſind hier ſehr erträglich, vorzüglich für die Eichen, wovon die Haͤuſer der ſchoͤnen Doͤrfer, die meiſt von eichernen Riegelwaͤn⸗ den beſtehen, zeugen. Ueberhaupt iſt wenig Wieswachs; auch find die Wie— ſen in hohem Werthe. Die Baumgaͤrten werden mit 1000, fl. auf das Mannwerk bezahlt. Mittelmaͤßige Wie— fen gelten 5— 600, fl. Dieſes iſt die Urſache, daß im 94 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Sommer doppelt ſo viel Vieh gehalten wird, als im Win— ter, und ein eigner Kunſtterm hier zu Hauſe iſt, nemlich die Sommerkuͤhe, welche mit dem Gras aus den Kam; merwegen und dem Reblaub gefuͤttert werden. Dieſes hat auch den Empfehlungen der Futterkraͤuter mehr Eingang verſchaffet, als an andern Orten. Es wird viel Eſper und rother Wieſenklee gepflanzet. So fanden auch die Empfehlungen von den Befreyungen der Brachwieſen an einigen Orten einen ſtarken Eingang mit geſegnetem Erfolge. Schade, daß an andern Orten das Vorurtheil wieder geſieget hat. Dieſes kann nach und nach auch mehr und beſſer Vieh in dieſen Gegenden zuwegebringen, als man bis— her beſeſſen. Die Waͤſſerungen der Wieſen ſind hier, wo immer moͤg— lich, wohl angebracht, und Marthalen prangt mit einem Wieſenthal, wo der Muͤllebach, nachdem er ſeine Dien⸗ ſte dem Muͤller geleiſtet, ſehr geſchickt in Kanaͤlen herum gefuͤhrt wird, bis der letzte Tropfen verſeiget, ſo daß man ſich in das Bernergebiet verſetzt glaubt, wo unſtrei⸗ tig die Kunſt, die Wieſen zu waͤſſern, auf den hoͤchſten Grad gebracht iſt. Die Felder tragen wenig Getreide, weil ihnen kein Duͤnger zugelegt werden kann, welchen die Reben ganz verſchlingen. Es befinden ſich in dem außern Amt 986. Mannwerk Wieſen, 5018. Jucharten Ackerland, 1809 4 Jucharten Reben. Eine erſtaunliche Menge Reben, welche die Anzahl der Jucharten der Wieſen weit uͤbertrift. Daß aber, die natuͤrliche Fruchtbarkeit der Aecker groß ſeye, zeu⸗ gen die Menge von Obs baͤumen, welche in ſolchen Alleen— weiſe gepflanzet ſind, die einen reichen Ertrag an Obs ge⸗ ben, und zwar an ſehr gutem Obs. In den entfernten ſchlech⸗ ten Aeckern ſind auf dieſe Weiſe auch Nußbaͤume gepflan⸗ zet, welches aber ein ſehr ſchaͤdlicher Gebrauch iſt, da fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 95 dadurch die Felder ausgeſogen werden, und der Ertrag an Nuſſen ſehr geringe iſt. Die Hausaͤcker gelten 250. fl.; entfernte 50. fl. der beß⸗ te Acker. | Indeſſen zeigt ſich hier, wie wichtig die Einführung des rothen Wieſenklees in der Brach dieſem Lande wer— den muͤßte, wenn die Knechtſchaft der Brach- und Stop⸗ pelweiden gaͤnzlich abgeſchafft wuͤrde. Von Viehweiden befinden ſich hier 1630. Jucharten Unter dieſen ſind auch Torfriedter befindlich, welche auf Empfehlung der Geſellſchaft in dieſen Gegenden zuerſt ſind benuzt worden, wovon vorzuͤglich Benken großen Nutzen bezogen. Erdapfel werden für den Hausbrauch genug gepflanzet, da ſeit Ao. 1771. ein jeder Burger von dieſem geſegneten Gewaͤchſe, das gegen Hungersnoth ſichert, pflanzet. Indeſſen bleibt der wichtigſte Gegenſtand, der Wein— wachs, welcher hier vorzuͤglich gut gedeyet, ſowohl in der Annehmlichkeit und Kraft des Weins, als in der Menge. Hier findet man das edelſte; rothe Klevner— trauben ſind beynahe das einzige. Hin und wieder werden Farbreben geſehen, dem Wein eine ſtaͤrkere Farbe zu geben. Es werden auch Kurzſtieler, wel— che dort Burgauer genannt werden, gepflanzet; aber dieſe machen kaum 2 des Gewaͤchſes aus. Der Ertrag iſt im Mittel von den beiten Reben To, Saum, oder 15. Eimer, im mittelmaͤßigen 8. Saum, oder 12. Eimer. So befindet es ſich auch in Stamm; heim, wo auf die Juchart von 32006. 12. Eimer in ei nem Durchſchnitte von 10. Jahren geſammlet worden. Der Wein wird meiſtens roth abgedruckt, und wird im Herbſt ſeit vielen Jahren nie unter 12. fl. verkauft, oft ſteigt er auf 20. fl. Dieſem außerordentlichen Ertrag entſpricht auch der Preis der Reben, die entlegenſte, 9 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft ſchlechteſte Juchart wird mit 800. fl., die beſte mit 1600, fl. bezahlt. Man ſieht aus allem, daß hier der Boden vor— znuͤglich zum Rebbau tauge. Er beſteht aus einem leichs ten, trocknen und magern Sande. Die Reben wachſen ſo ſtark, daß man auch an rothen Reben 2. Bogen und 2. Knechte ſchneiden kann. Kein Wunder, daß dieſes Land nur eg, das Weinland genennt wird. Indeſſen iſt die Bevoͤlkerung in keinem ſtarken Wache; thum, und man ſieht keine neue Haͤuſer entſtehen. Das Volk iſt uͤberhaupt haͤushaͤltriſch und arbeitſam. Wer die Wirthshaͤuſer beſucht, wird verſchreyt; es giebt wenig Reiche, und die Familien, die ehedem Reichthuͤmer beſeſ⸗ fen, verlieren ſolche immer mehr durch Weichlichkeit und Wohlleben, indeſſen find immer noch wenige Allmoſengenoͤſ⸗ ſige. Die Sitten find zahm; die Einwohner find ſehr ehren bietig gegen ibre Obern, und uͤberhaupt hoͤflicher als in Feis nem andern Orte unſers Landes. In der Nachbarſchaft von Schaffhauſen find die Sitten etwas lockerer als tiefer ins Lande. In Kleidern herrſcht Feine Hoffahrt. Sehr viele gehen in Kriegs dienſte; auch treten viele in Herrendienſte, die meiſten nach Holland, dieſes macht ihnen ihre Frem⸗ de aus. | | Dieſes Volk zeigt auch eine befondere Aufmerkſamkeit auf das Wiſſenſchaftliche in dem Feldbau. Vor 12. Jah⸗ ren entſtand auf eine hier gehaltne Unterredung eine korreſpondierende Geſellſchaft, unter dem Vorſitz eines ſehr aufgeklaͤrten redlichen Landmanns, Herrn Haupt⸗ mann Toggenburgers, von dem die Geſellſchaft ſehr wohl durchdachte, wohlgeſchriebne Preisſchriften und alle Jahr einen landwirthſchaftlichen Kalender erhielt, darinn mit Genauheit die Witterung und der Einfluß derz ſelben auf die Gewaͤchſe verzeichnet worden. An dem Baumeiſter Heinrich Müller von Rudolfingen, beſitzen wir einen der einſichtvolleſten kandwirthen, der aus einem | Tau⸗ für Feldbau und Sitten des Volks. 97 Taunerhauſe entſproſſen, und mit Dienen ſein Brod ſuchen muͤſſen. Der Untervogt Wipf hat ſich um ſein Vaterland ſehr verdient gemacht, da er den Fruchtzehenden von Mar— thelen vom Kloſter Rheinau fuͤr die Gemeinde erkauft hat, wo zur Erleichterung des Kaufs UGnHHrn. groß— muͤthig durch einen Geldvorſchuß beygetragen haben. Fabrikarbeiten waren hier ganz unbekannt. Der Tau— ner hilft dem Bauren ſeine Guͤter um beſcheidnen Taglohn von 2.3. Batzen bauen, im Winter begnuͤgt er ſich mit 4. Schillinge. j Das Verzeichnis der Baumwollenſpinner zeigt zwar an, daß ſeit ein paar Jahren auch die Spinnerey ſich da eingeſchlichen; doch finden ſich bis dato nicht mehr als 38. Spinner und 3. Weber, in 12. Gemeinden, die zu— ſammen aus 4000. Seelen beſtehen. Die Schuldenlaſt iſt groß, doch fallen wenig Auf— fälle vor. Die Reichen handeln mit Wein, und druͤcken ihre aͤr— mern Mitburger durch Darleihen auf den Herbſtſegen, der ihnen auf die Weinrechnung gegeben wird. Doch nimmt dieſe Art von Wucher von Jahr zu Jahren ab. Die meiſten verkaufen den Wein auf Schaffhauſen, oder an Toggenburger Saumer, die ſolchen im Herbſt bey den Trotten abholen. Oßingen liegt auch in blem Bezirke. Hier wird weiſ— ſer Wein gemacht, wo die Menge den Mangel der Guͤte erſetzen muß. Vor Jahren nahmen die Oßinger einen Anlauf, die Herbſtweide aufzuheben, aber das Vorur— theil ſiegte wieder, weil der Eifer und Arbeitſamkeit fehlte, ſich der Aufhebung des Weidgangs durch beſſere Aeuf— nung der Wieſen, wie es ſeyn ſollte, zu Nutze zu machen. Nun ſollte ich aus dieſem Schattenriffe von der Bes ſchaffenheit der verſchiednen Bezirken unſers Landes, in Magas. f. d. Naturk. Zelvetiens, III. B. G — 98 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Abſicht auf die Cultur des Landes, der Fabrikarbeiten, und den Zuſtand der Bevoͤlkerung und Sitten, die Schluͤſſe herausziehen, die zur Beantwortung der vorgelegten Fra— gen dienen ſollten, ob nemlich die Fabrikarbeiten, in Abs ſicht auf den Feldbau und die Sitten des Volkes, dem Lande Nutzen oder Schaden bringen. Allein ich habe die Geduld MHHrn. nur gar zu lan⸗ ge mißbraucht, und ich finde die Sache von ſolcher Wich⸗ tigkeit, auf allen Seiten wohl uͤberlegt zu werden, daß ich mir vorbehalte, bey einer andern Gelegenheit dieſes ausfuͤhrlicher abzuhandeln. Dermalen begnuͤge ich mich nur einige wenige in die Augenfallende Bemerkungen beyzufuͤgen. Es zeigt ſich nemlich, 1ſtens daß eine vorzuͤgliche Cultur des Landes ſich an denjenigen Orten zeige, wo auch der Fabrikverdienſt von vielen Jahren her am ſtaͤrkſten war; in den Gegendenkum die Stadt, am See, in dem gebirgigten Theil der Herrſchaft Gruͤningen, und des obern Amts der Graſſchaft Kyburg, fo wie auch im Knonaueramt. Eine allgemeine Bemerkung iſt, daß Gott Lob! in uns ſerm ganzen Lande es nirgend an Fleiß und Eifer im Feldbau, und zur Befoͤrderung des Wohlſtands fehle, und daß aller Orten ſich merkliche Spuren von Entwick⸗ lungen der Seelenkraͤfte, ſowohl von Seite des Geiſtes, als des Herzens zeigen. Dann aber bieten ſich beſondren Bemerkungen in den verſchiednen Bezirken des Landes an. Daß ꝛtens auch an allen dieſen Orten eine vorzuͤgliche Bevoͤlkerung angetroffen werde. | Daß ztens auch an diefen Orten die größten Spuren des Wohlſtands, an vielen neuen Gebäuden, und Reich⸗ thum vieler Partikularen augetroffen werden. Daß aber 4tens zugleich auch an dieſem Ort am mei 5 — 7 für Feldbau und Sitten des Volks. 9 ſten Hang zum Pracht und Verſchwendung in Speiſe und Getraͤnke herrſche. Daß hingegen rtens in Gegenden, wo keine Fabriken zu finden, die Bevoͤlkerung in Abnahm und der Landbau ſchlecht betrieben werde, vorzuͤglich im Neuamt und der Herrſchaft Egliſau. Daß ötens an den Orten, die zum Feldbau vorzuͤg⸗ lich gut ſeyen, wie im Wehnthal und außern Amt, die Bevoͤlkerung und der Wohlſtand von vielen Jahren her ohngefaͤhr in unveraͤndertem Zuſtand bleiben. Daß aber 7tens in einigen Gegenden, wo in juͤngern Jahren der Fabrickverdienſt uͤberhand genommen, der Feldbau ins Abnemmen gerathen, wo er nicht durch bes ſondere Ermunterungen einen neuen Schwung erhalten. In der Herrſchaft Greifenſee, dem vordern Amt der Grafſchaft Kyburg, und dem flachliegenden Theil von Gruͤningen. Daß tens einige Gegenden durch ihre Lage einer meh— rern Bevoͤlkerung und Verbindung der Fabrikarbeiten mit dem Feldbau faͤhiger ſeyen. Die Bezirke um die Stadt, wegen ihrer Verbindung mit der Stadt; das Seegelaͤnde, wegen der Verbindung mit der Stadt, und dem Oberlan— de durch den See, die ihnen die Anſchaffung der Ma— terialien zur Verbeſſerung des Landes erleichtert. Der gebirgigte Theil von Gruͤningen durch die vielen Weiden, die zu neuen Aufbruchen dienen koͤnnen. Daß gtens durch Einführung von neuen Methoden das Feld zu bauen, auch andre Gegenden wichtiger Verbeſſe— rung faͤhig, wozu ein mehrerer Verdienſt an bac Geld beytragen koͤnnte. Alle dieſe Betrachtungen verdienen eine bei Ueber⸗ legung. Denn verdient ferner in Erwägung gezogen zu werden, ob eine mehrere Bevoͤlkerung nicht im Allgemei— nen ſchaͤdlich werden koͤnnte, wegen Vertheurung der 7 100 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelfchaft Nothwendigkeiten, ja wohl gar wegen Unmöglichkeit fie zu bekommen. Ob Regeln feſtzuſetzen, wie weit die Bevoͤlkerung doͤrre ohne Schaden befoͤrdert werden. Durch was fuͤr Mittel die noͤthigen Modificationen bewirkt werden koͤnnen. Was Geſetze hierbey wirken konnen, was moraliſche Einfluͤſſe durch Ermunterungen in der oder dieſer Lebensart? Endlich iſt zu unterſuchen, was ein vermehrter Kreis— lauf des Gelds auf die Sitten wirke, ob Mittel vorhan— den dem Schaden vorzubauen, und welches dieſe Mit⸗ tel ſeyen. Alles dieſes wird mir Stof zu einer zweyten Vorle⸗ ſung geben, wenn mich Gott erhaͤlt, und mir die dazu noͤthige Muße verſchaffet. Dermalen bitte ich, meine ſchwache Arbeit guͤtig zu bez urtheilen, und mir durch Dero beleuchtende Reflexionen Gelegenheit zur Verbeſſerung derſelbeu zu geben. für Feldbau und Sitten des Volks. ror Von dem Einfluß der Fabrikarbeiten und der Handlung, auf den Feldbau und die Sitten des Volks. ‘ Sweyter Theil. Ich habe in dem erſten Theil ein fluͤchtiges Gemaͤhlde entworfen, das den Zuſtand unſers Landes, in Abſicht auf den Feldbau, die Fabrikarbeiten und herrſchende Sitten, in 12. Bezirken, in welchen ich in dieſer Abſicht eine auffallende Ungleichheit bemerkte, vor Augen legte. Aus Ueberſicht deſſelben iſt es nicht ſchwer, die Beziehun— gen, die Feldbau, Handelſchaft und Sitten auf einander haben, zu beurtheilen. Indeſſen iſt dieſe Materie ſo wichtig und ſo fruchtbar an Bemerkungen, die uns auf den Weg leiten, die weiſeſten Maßregeln zu entdecken, den groͤſtmoͤglichen Wohlſtand des Vaterlandes zu erzieh— len, daß ich mir ſchmeicheln darf, daß ſie mir auch bey einer mehrern Betrachtung dieſer Gegenſtaͤnden ihre Auf— merkſamkeit ſchenken werden. Vor allem muß ich bemerken, daß es, Gott Lob! in unſerm ganzen Lande nirgends an Fleiß und Eifer zur Arbeit, ſey es in dem Feldbau, oder in den Fabrikarbei⸗ ten, fehlet, und daß die Folgen davon aller Orten deut⸗ lich in die Augen fallen, nemlich, ein nicht geringer Wohlſtand und Bevoͤlkerung. Kein Menſch kann ſich beklagen, wenn er Talente beſitzt, und Arbeitsliebe, fols che wohl anzuwenden, daß er nicht ſein gutes Auskom— men finden koͤnne; und wenn Ungluͤck oder Krankheit ihn in Noth und Armuth ſtuͤrzen, ſolcher nicht in der Mens 102 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft ſchenliebe ſeiner Mitburger, voraus aber in den oͤffent— lichen Anſtalten, den Fruͤchten der vaͤterlichen Vorſorge der Landesvater, und in der geſegneten Harmonie, die zwiſchen den Burgern der Hauptſtadt und den Einwoh— nern des Landes herrfchen , vor ſich finde. Man forget für den Unterricht“ des Volkes uͤberhaupt, und vorzüglich für den Unterricht der Jugend in der Reli— gion auf eine Weiſe, daß dabey die Vernunft nicht unter⸗ druͤckt, ſondern entwickelt, und aufgeklaͤrt wird, ſolche auch mit deſto mehr Segen in den Geſchaͤften des Lebens ans zuwenden. Man erleichtert dieſes durch Anleitungen und Ermunterungen in allen Arten von Geſchaften. Kein Ta; lent bleibt unbemerkt und unbelohnt. Es wird hervor— gezogen und ihm ſein Platz angewieſen, wo es auf den Wohlſtand des Landes mit groͤßerm Vortheil wirken kann, und zugleich ſeine Belohnung findet. Nicht wenige ſind in dieſer Geſellſchaft entdeckt, ermuntert und in den beß⸗ ten Wirkungskreis verſetzt worden. ö Dieſes iſt aber nicht von heute oder geſtern her. Schon Jahrhunderte herrſchte dieſe Betriebſamkeit, und brachte unſer Land in den Flor, in dem wir es fanden, und zu deſſen Erhaltung wir ermuntert wurden. Die Abzaͤhlungen der Volksmenge, die in verſchiednen Jahrhunderten ge— macht worden, belehren uns von einem beftandigen An⸗ wachs der Bevoͤlkerung, wovon ich nur die General— ſummen vorzulegen, nicht umhin kann, die ich aus den Waſeriſchen Tabellen ausgezogen. Im Jahr Summa. 1467. 51892. 1529. 76229. 1588. 110073. 1610, 143990, 1634. 87621. 1671. 128158. * fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. Im Jahr Summa. 1678. 139146. 1700. 119442. 1748. 143433. 1762. 172220. 1771. 158205. 1773. 152201. 1785. 167564. Wir ſehen zwar aus dieſer Tabelle, daß der Fortſchrikt der Bevoͤlkerung einigemal gehemmt, uud rucfgangig wor— den, wenn nemlich Theurung und Hungersnoth, oder die Peſtſeuche geherrſchet. Von 161031634, herrſchte die Peſtſeuche zweymal, davon gieng fie beynahe 3. zurück, Von 1678-1700, verminderte die herrſchende Theurung in den bekannten goger Jahren um 5 die Bevoͤlkerung; von 1762 1773. die letzte Theurung um 20000, alſo beynahe F. Allemal aber ſehen wir auf ſolche Verminde— rungen wieder einen neuen Fortſchritt. Freylich geſchieht ſolches nicht mehr in gleichem Verhaͤltnis, wie ehedem, nachdem das Land fo ſehr vertheilt worden. Aug einzel nen Hoͤfen ſind kleine Doͤrfer, und Doͤrfgen zu Doͤrfern angewachſen, fo daß ſchon lange in einigen Gegenden die Einſchraͤnkung der Haͤuſer und Stuben nothwendig worden. An vielen Orten mußte man in ſpaͤtern Zeiten den Gurt weiter machen, und die Dorfgerechtigkeiten verdoppeln, wie z. B. in Wezikon, Hinweil, u. ſ. f. Die Einſicht der Bevoͤlkerung und Vermoͤgenstabellen, die ur ſre Ges ſellſchaft geſammlet hat, belehrt uns auch, daß in jedem Dorf wenige Geſchlechter den groͤßten Theil der Einwoh— ner ausmachen, welches beweiſet, daß ehedem nur wenis ge Haus vaͤter große Höfe an dieſen Orten beſeſſen, uns ter deren Nachkommen dieſelben vertheilt worden. Erſt in dieſem Jahr lernten wir einen wackern Landwirth ken⸗ . 104 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft nen, der nur 5. von dem Hof ſeines ſel. Großvaters bauet, und dabey gluͤcklich und zufrieden lebt; zugleich auch ein Beyſpiel eines guten Landwirths giebt. Daher koͤmmt es auch, daß ſelbſt in den Gegenden, wo der Getreid— bau das Hauvptgeſchaͤfte des Landmanns ausmacht, die ganzen Ochſenzuͤge von Jahr zu Jahr ſeltner werden. Nirgends im Lande ſieht man nur einen Fleck Landes uͤbrig, der nicht ſeinen Beſitzer habe; auch in den groͤß— ten Wildniſſen iſt kein Baum, keine Staude, die nicht ihren Eigenthümer habe, fo daß der Begriff von Hoch— und Frohnwaͤldern, die niemanden als dem Landesherrn zugehoͤren, bey uns eine unbekannte Sache worden. Es nimmt ſich auch unſer Land hierinn von andern in den Augen jedes Durchreiſenden aus. Er; La bonne culture s’etend dans tout le Canton de Zurich: elle eft foignce en tout point & on n'y voit accunne terre en non valeur, ſchreibt Beflon in feinem Manuel pour les fca- vants & curieux qui voyagent en Suiſſe. Ein Mann, der gewiß ein zuverlaͤßiger Richter iſt, da ich unter allen Neiſebeſchreibern noch keinen ſcharfſichtigern und richtis gern Beobachter gefunden habe. N Man darf ſich aber nur auf den Graͤnzen unſers Lanz des auf einen hohen Berg ſtellen, von welchem man auf beyden Seiten eine freye Ausſicht hat, um davon uͤber⸗ zeugt zu werden. Man beſteige z. Beyſpiel die Roßweid, oder oberſten Gipfel der Richterſchweiler-Egg, und ſe— he von dem Ort, wo der 3. Laͤnderſtein die Cantone Zuͤrich, Schweiz und Zug von einander ſcheidet. Welch ein Paradies oͤffnet ſich vor den Augen, wenn man die beyden Ufer des Zuͤrichſees vor ſich liegen ſtehet? Wie oͤde hingegen ſiehet es in dem Thale des Canton Schweiz aus, durch welches die Biber flieſſet, das doch einen guten Grasboden und beſtes Torfland enthalt, Der bes 9 für Feldbau und Sitten des Volks. 105 kannte Herr von Buttre ſchrieb mir von feiner Reiſe nach Einſiedlen unterm 12. May 1781. En quittant votre Vil- le je ſuivis les bords du lac juspu’a Richtſchweil (Richten. ſchweil) & je fus enchantè de Pexcellent & admirable cul, ture, qui yregne, je fis ce chemin tout lentement, tou- jours admirant un ſi fertile cotteau, & ſi parfoitement cul- tive, Je puis bien vous aflurer, n’avoir vu aucun vignoble auſſi bien tenù & arrange, cela joint a la charmante perfpec- tive du lac, & de fes environs, me fit paffer la plus delicieu- fe mattinee donc j'ai joui il y a longtems. Il n’en fut pas de meme P'apres midi, quand j’entrai dans le Canton de Schweiz, le contruſte etoit de plus frappants, on ne voyoit que des chapelets, de la mifere & des deferts. Einen gleis chen Anblick findet man auf dem Hoͤrndli und auf der Scheidegg. Wenn wir aber auf den Grund und Urſprung dieſes bluͤhenden Wohlſtands zuruͤckgehen wollen, ſo muͤſſen wir bey der ſeligen Reformation ſtehen bleiben, und in dem Reformator Zwingli, den Stifter und Urheber deſ— ſelben verehren. Er war es, der dem Penſionenbrief eine fortdaurende Feſtigkeit gab, durch den das Kreislaufen verbotten worden, welches waͤhrend den italieniſchen Kriegen, die Schweiz auf eine traurige Weiſe entvoͤlkert hatte. Er hielt uns von den Verbindungen mit fremden Fuͤrſten und Herren zuruͤck. Er befreyte uns von den Feſſeln der Hierarchie; er laͤuterte unſere Religionsbegrif- fe, und weckte die entſchlaffnen Seelenkraͤfte auf, die uns zu einem bisher unbekannten Wohlſtand führen fol; ten. Die falſchen Vortheile von Herrendienſten, Kloſter— dienſten, und von dem frommen Muͤßiggang in den Klös ſtern fielen weg, das Land gewann an den von Kloſter⸗ zwang, und von dem Verbot der Prieſterehe befreyten, geſunden und ſtarken Menſchen beyderley Geſchlechts, neue Beyhilfe zur Bevoͤlkerung, und der Verlurſt der 108 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Scheinvortheilen, neben dem Haß der Eidsgenoſſen, wel⸗ che Fuͤrſtengunſt und Papſtſegen der edlen Freyheit vor— zogen, zwangen uns, in uns ſelbſt und in dem Umkreis unſers Landes die Quellen der Unterhaltung und des Gluͤcks aufzuſuchen, indem wir die entbundene Vernunft, und die Leibeskraͤfte, die von den Banden der Bigotterie ledig worden, darauf verwendeten; und wir entdeckten ſolch reiche Quellen, die den Neid unſrer Feinden reitzen mußten. Es fiel zwar der Pracht und Ueppigkeit weg, die vorher in unſrer Stadt geherrſchet, dagegen aber wuchs innerer Friede, Geſundheit und Staͤrke der Seele und des Leibes, und dieſe zeugten das bängliche Gluͤck, den beß⸗ ten Segen der Gottheit. Hier fand alſo ein beſſerer Anbau unſers Landes, und der Fleiß in Kuͤnſten, Handwerken, und Gewerben ih⸗ ren Urſprung, die nach und nach den Flor erzeuzten, den wir vor uns fanden, und die außerordentliche Be— voͤlkerung, welche allemal der Maßſtab des Wohlſtands eines Landes iſt und bleibt, die Philoſophiſten unſrer Zeit moͤgen darwider wizlen und ſchwatzen, was ſie wollen; und hier faͤllt deutlich in die Augen, welches die Grundpfeiler ſeyen, auf welchen der wahre Wohlſtand eines Landes ruhet. Ein freyer Gebrauch einer aufge⸗ klaͤrten Vernunft, Arbeitſamkeit, Sparſamkeit und gu⸗ te Sitten. Daß ich hier die reine Wahrheit rede, kann ſich jeder überzeugen, der nur mit etwas Aufmerkſamkeit die Schweiz durchreiſet. Aller Orten bemerkt man einen großen Un— terſcheid zwiſchen den Laͤndern der Reformirten und Gas tholiken. In jenen findet man allenthalben Spuren von Betriebſamkeit, Fleiß und Nachdenken; das Land iſt volkreicher und belebter; die Guͤter beſſer bebaut, der Einwohuer reinlicher und beſſer bekleidet; die Haͤuſer durchgehends ſolider und geſchmackvoller gebaut, wenn für Feldbau und Sitten des Volks. 107 man die wenige Kloͤſter und Wohnhaͤuſer der im Kriegs— dienſt emporgehobenen Familien ausnimmt. Auf Voͤgelis Egg in Appenzell Außer Rhoden, hat man einen Stand— punkt, der demjenigen aͤhnlich iſt, den ich auf der Roß— weide beſchrieben. Auf der einen Seite ſieht man in das Thurgaͤu, am weſtlichen Geſtade des Bodenſees, das an Bevoͤlkerung und Anbau der Güter dem Bezirk am Zuͤ— richſee aͤhnlich iſt. Auf der andern Seite in das Appen⸗ zelliſche Alpgelaͤnde, das von Natur nicht beſſer iſt, als die Gegend des Cantons Schweiz an der Biber. Aber hier lebt alles, das ganze Gelaͤnde iſt in Grundſtuͤcke von mehr oder minderm, doch meiſt nur maͤßigem Um— fange durch Zaͤune abgetheilt, in deren jedem ein wohl— gebautes hoͤlzernes Haus ſtehet; und alle Jahre entdeckt man neue Haͤuſer in friſchen Anfbruͤchen, bis auf die Gipfel der Berge. Ein großer Unterſchied faͤllt in die Augen, wenn man aus Appenzell Außer Rhoden, in den Innern Rhoden eintrittet, oder aus dem Uznerland ins Toggenburg, oder aus der Mark ins Glarnerland koͤmmt. So wie wir es aber in der Eidgenoßſchaft im Kleinen be— merken, ſo augenſcheinlich iſt es, wenn wir unfere Be obachtung auf die große Oeconomie von Europa richten, Engeland, Holland, und die proteſtantiſchen Staa— ten in Deutſchland, geben die Muſter der vollkommen— ſten Cultur, fo wie des Fleiſſes und der Geſchicklichkeit in der Handlung und den Fabriken. Auch in Frank— reich bluͤhete die Induſtrie nirgends ſchoͤner, als bey den Hugenoten, bey denen noch itzt die meiſten Fabriken betrieben werden. Und in den Seehaͤfen der uͤbrigen ka— tholiſchen Staaten, iſt der meiſte Handel in den Haͤnden von Proteſtanten, wodurch unſer angenommene Grundſatz ſich noch mehr beſtaͤttiget, daß ein freyer Gebrauch ei— ner aufgeklaͤrten Vernunft, Arbeitſamkeit, Sparſamkeit, und gute Sitten, Wohlſtand und Bevoͤlkerung erzeugen. 108 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Hierinnen ſtimmen auch die aufgeklaͤrten Catholiken mit uns uͤberein, die uns immer wegen dem vorzuͤglichen Wohlſtande unſers Landes beneidet haben, und die des— wegen immer mehr ſich bemühen uns darinnen nachzus ahmen. Ich will hiervon nur einen Zeugen aus unſern Eids⸗ genoſſen anfuͤhren, den patriotiſchdenkenden Hrn. Ammann Kollin von Zug, in feinem Neujahrsgeſchenke an die Zugeris ſche Jugend von 1785. und 1786., nachdem er ſeinen Neujahrswunſch in 2. Reime zuſammengedraͤngt: Chriſtenthum und Arbeitsluſt Pflanzt euch fruͤh in eure Bruſt! Und ſolchen durch einen vortreflichen Commentar zu be leuchten angefangen, wieſe er ſie auf das Beyſpiel der Nachbaren. „Seht, wie gluͤcklich machen arbeitſame Eins „wohner ein Land! Werfet nur eure Blicke, wenn ihr „ein lebendiges Gemaͤhlde ſehen wollt, auf benachbarte „Staaten! Woher ihr Gluͤck, ihr Reichthum, ihre Macht? „Geht in ihre Kinderſtuben, ſeht, die kleinſten Kinder „ gewoͤhnt man ſchon an einige Arbeit, was immer fuͤr „Arbeit, nur daß ſelbe nie einen Hang zum Nichtsthun „bekommen moͤgen. Geht in ihre Schulen (hier beſchreibt „er unbenannt unſere Kunſtſchulen) geht in ihre Kunſt— „und Arbeitszimmer! Geht in ihre Handlungsplaͤtze! „Seht ihre Geſchaͤftigkeit, ihren Fleiß, ihre unverdroſ— „ ſene Arbeitsluſt! Woher kommen itzt ihre Reichthuͤmer, „ Anſehen und Macht? Wenn alle fleißige Arbeitsbienen „find, muß nicht der Bienenkorb reich an Honig ſeyn. » Dieſer ſcharfſichtige Mann bemerkt auch die wahre Quelle in einem reinen Religionsbegriff, und Gebrauch der Frey— heit. Er redet deswegen die Eltern ſo an: „Eltern faͤngt „an eure Kinder wahr rechtſchaffen aufzuziehen! Lehret „fie die chriſtliche und bürgerliche Pflichten! Lehret fie die „heil, Religion in reiner göttlichen Einfalt. Lehrer fie fir Feldbau und Sitten des Volks. 109 „wahres Chriſtenthum in Gottes und Bruderliebe, eis vs get ihnen das Gluͤck der Freyheit! Lehret ſie ſelbe, ohne „ ſtolz darauf zu ſeyn, recht gebrauchen! Lehret fie frühe „arbeiten ꝛc. „ Schade, daß dieſer vortrefliche Mann ſich nicht deutlicher erklären dörfen. Der um die deutſche Geſchichte ſo hochverdiente Hofrath Schmid, geht in ſei— ner neuen Geſchichte der Deutſchen I. B. Cap. 22. noch deutlicher zu Werke; auch da, wo er ſich alle Muͤhe gab, den geſegneten Einfluß, den die Reformation auf theoretiſche und praktiſche Religion gehabt, zu verklei— nern, druͤckt ihm doch die ſo hellleuchtende Wahrheit fol— gendes Geſtaͤndnis ab: »In einem Stucke haben jedoch „ die Sitten der Proteſtanten, beſonders in Deutſchland, „eine Wndung genommen, die! mau anfangs gar nicht „ vermuthet hätte; nämlich in Anſehung einer gewiſſen „ Sparſamkeit, Nuͤchternheit und Induſtrie, die man faſt „als etwas unterſcheidendes in ihrem Charakter anſehen 5 kann. „ Er will zwar dieſen Satz in Anſehung andrer Nationen nicht gelten laſſen, welches aber nur daher koͤmmt, weil er fie nicht fo gut kannte, ais die Deuts ſchen, und es deswegen ſeinem gefaßten Vorurtheile leich— ter war, uͤber ſeine ſonſt tiefe Einſichten zu ſiegen, und durch ſeine Sophiſmen Staub in die Augen zu werfen. Es iſt aber hier nicht der Ort ſeine Sophiſmen weitlaͤufig zu widerlegen. Indeſſen kann uns die Bemerkung, die wir über die allgemeine Haushaltungen von Europa ge. macht, hinlaͤnglich ſeyn, ihren Ungrund zu zeigen. Es find aber dieſe Folgen der Freypheit zu denken und die Arbeitſamkeit nicht durch ein Wunderwerk bewuͤrket worden; fanft und langſam wuͤrkten die Einfüffe der Reli⸗ gion auf die Sitten und das Gluͤck unſers Lands. Der von den bisherigen falſchen Huͤlfsmitteln entbloͤßte Burger unſrer Stadt, fuͤhlte bey der beſeeligenden Empfindung ſei⸗ ner Gewiſſensfreyheit, die Nothwendigkeit, für feinen Un⸗ 110 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft terhalt zu ſorgen; er lernte eine Kunſt oder Handwerk, baute mit eigner Hand feinen Garten oder Landgütgen, ſchraͤnkte ſich in feinen Ausgaben ein, und lernte mit Wes nigem zufrieden ſeyn. Auch Gelehrte glaubten ein Hand⸗ werk verſtehen zu muͤſſen, um im Fall der Roth mit feiner Händen Arbeit fein Brod zu verdienen Wen ruͤhrt nicht die Erzählung eines Thomas Blatter von feinem Entfchluf, das Seilerhandwerk zu erlernen, und die Beyſpiele von Cepo⸗— rinen, Kollinen und andern? Wen rührt nicht die Les bensart der beruͤhmteſten Maͤnner damaliger Zeit, die bey eigner Armuth ſo viel Gutes ihren noch aͤrmeren Glau⸗ bensgenoſſen erwieſen, und ihre Verbindungen mit den an⸗ geſehenſten Maͤnnern im Staate, von denen die meiſten Hand⸗ werker geweſen? wie ſolche uns von unſerm fleißigen G% ſchichtforſcher Simler in feiner Rede von der druͤderlichen Liebe mit den Gliedern der Kirche des ıöten Jahrhunderts geſchildert worden. Erſt in ſpätern Zeiten ſpann fich nach und nach der Fleiß in Fabriken und Handelſchaft heraus, der unſre Stadt und Land ſo ſehr bereichert hat. Dieſes in das Licht zu ſetzen, lege ich einen Barometer vor, auf den man ſicher gehen kann, einen Auszug aus den Seckelamts⸗Rechnungen, von dem Fabrikzoll und Kauf⸗ hauszoll, den wir dem unermuͤdeten Fleiſſe des ſeligen Herrn Rechenſchreiber Scheuchzers verdanken. Dieſer Herr legte Ao. 1773. der Seckelamtsrechnung einen Etat uͤber die Einnahmen und Ausgaben des Seckelamts von der Refor⸗ mation an bey. Er nahm alle 20. Jahr eine Rechnung vor ſich und brachte ihre Titel in eine Tabelle. Jahrgang. Fabrikzoll. Rauf haus zoll. 1531, 35. 15. 237. Ib. 1551. * 346. 1571. 1 633. 1591. — — 1115. für Feldbau und Sitten des Volks. 111 Jahrgang. Cabriksoll. Rauf hauszoll. 1611. 763. Ib. 816. 15. 1631. 3759. 196. 1651. 6925. 1915. 1671. 13756. 2469. 1691. 34498. 5313. r ĩ—̃— V- ͤ — —. — . —ů—˙ — —- — 1711. 38794. 3061. 1731. 51923. 3976. 1751. 82773. 6213. 1771. 114455. 7599. 1775. 127822. 10248 1785. * 156983. 14221. 1786. 159117. 14185. Welch eine Pyramide von wachſendem Reichthum ſtellt ſich hier dar! Wie ſchwach — wie langſam wirkten die beſeeligenden Grundſaͤtze in dem Reformations-Jahrhundert, auf die Handlungen und Fabriken! Wie ſehr nahm ſie in dem folgenden Jahrhunderte zu. Beynahe in geometriſchem Verhaͤltniß. Wir bemerken alſo hier die gleiche Regeln von den Triebkraͤften moraliſcher Grundfäße , die Gott den Triebkraͤften der Natur vorgeſchrieben hat. Aus einem bey— nahe erſterbenden Keim ſehen wir zuerſt eine ſchwache Pflanze entſtehen, welche endlich in einen maͤchtigen, weit umfchatz tenden Baum aufgewachſen. Daß zuerſt die Induͤſtrie auf Handwerke und Feldbau ges fallen, belehrt mich unter anderm das Hardbuͤchli, oder Ordnung in Abſicht auf den Weidgang im Hard, nach wel cher durch die ganze Stadt Kühe gehalten worden. „Der Hirt war verbunden auf Dorf, vor dem Thor, bis aufhin z zum Kreutz, item im Niederdorf unz an das Thor und os darvor gar nuͤt anzunehmen. Item von Hottingen war der v Hirt nicht verbunden, einich Vieh zu nehmen, er thuͤe es v denn gern und doch nicht ferner als ung das Kreutz. Item 112 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft „vom Neumarkter « Thor wird nuͤt hereingetrieben, er ſeye „denn ein Burger und in der Stadt haushaͤblich geſeſſen. „Item von der Bleiki an unz zum h. 3. König , bis zum „neuen Capelin.„ Alle Hinterſaͤſſen waren von dem Weyd—⸗ recht ausgeſchloſſen. Wie groß aber damals die Viehzucht bey der Burgerſchaft geweſen ſeyn muͤſſe, läßt ſich aus fols gendem Einſchraͤnkungsgeſetz ſchlieſſen: »Es ſoll niemand „mehr denn dritthalb Haupt, d. i. zwo Kuͤhe und ein Kalb „für den Hirten ſchlagen, und wo in einem Haus mehr ber ein Ehegemaͤcht iff, die nur einen Rauch führen und „alſo mit einander haufen, denen wird auch nicht mehr, denn „ob es nur eine Haushaltung waͤre, als dritthalb Haupt 5 zugelaſſen. » Wir ſehen alſo hieraus, daß gerade nach der Reforma— tion und durch deren Jahrhundert der Feldbau einen der wichtigſten Nahrungszweigen vorgeſtellt habe, da die mei— ſten Verordnungen für die Bürgeralment ſich von 1542 — 1574. datiren. Dieſes wird noch mehr ins Licht geſett; wenn wir die Geſchichte des Sihlfelds in Erwägung ziehen, deſſen Frucht, barkeit bey einer nie unterbrochenen Benutzung jedem Reiſen⸗ den in die Augen fallt. Wir finden in einem uralten Band. von Rathserkenntniſſen noch ein Original einer Ordnung des Sihlfelds der Nutzung halber, die Ao. 1410. von den Zweyhunderten feſtgeſetzt worden. Nach dieſer ward die Brach und Stoppelweid denen von Wiedikon und den Bur⸗ gern der Stadt fuͤr ihre Pferd und Zugviehe zugeeignet. Wer Einſchlaͤge im Sihlfeld hatte, mußte, wenn das Feld Brach lag / und nach der Erndte, wenn der Helm geſchnellt, ſolche dem weidenden Vieh oͤfnen. Hieraus hat ſich nach und nach das Kreuelbuͤchli ent⸗ wickelt, welches mit Ausgang des roten Jahrhunderts und in der erſten Haͤlfte des vorhergehenden Jahrhunderts noch in voller Kraft war, und einem eigenen Kreuelvogt aus * fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 113 Man Hrrn. Ehrenmittel zur Aufſicht übergeben worden. Nach ſolchem ſollte der Weydgang im Kreuel, wozu auch der Platz gehoͤrte, gemeinen Burgern in der Stadt Zuͤrich und denen in der Gemeind Wiedikon zudienen. Keine Kuͤhe noch Kaͤlber ſollten dort zur Weyd gehen, ſonder dieſe von Seite der Burger ins Hard, von Seite Wiedikon auf die Alls ment verwieſen ſeyn. Den Schweinen ward ſie bey hoher Strafe verboten; hingegen ſoll ſie den Pferden und Zugvieh ſamt Schaaf und Geiſſen zur Weyd dienen. Aus druͤcklich ward auch die Stroffelweyd im Sihlfeld dazu gezehlt, man durfte aber auf die Kornzelg kein Vieh laſſen, bis alles Korn ads geſchnitten und die Zehendengarben nach Hauſe gebracht waren. Auf die Haberzelg, „auch wenn es joch Roggen oder anders Getreyt,„ durfte man nur bey Tage mit einem Hirten darauf weyden. Es entſtanden aber ſchon von Anfang des ı7ten Jahr⸗ hunderts viele neue Einſchlaͤge in dem Sihlfeld, ſo wohl von Burgern der Stadt, als denen von Wiedikon, gegen welche aber damals allemal die Urtheilſpruͤche zu Gunſten des Weydrechts ausfielen. Ad. 1606. wurde das Einſchlagen denen von Wiedikon auf Vorſtellung der Meiſterſchaft der Metzger aus der Stadt verboten; Ao. 1610. wurde über Ver⸗ änderungen der Scheunen in Wohnhaͤuſer geklagt, und dies ſes oberkeitlich abgekennt. Ao. 1622. ward einigen Burge⸗ ren das Einſchlagen im Sihlfeld verboten, und ein gleiches Verbot gegeu die Einwohner von Wiedikon wiederholt. Ao. 1628. ward einem Vollmar ein Einſchlag bewilligt, doch mit dem ausdruͤcklichen Vorbehalt, ſeine Wieſe mit einem Gatter zu verſehen, der zur Zeit der Stroffelweyde offen ſeyn ſolle. Es wurden zwar ſchon Ao. 1623. 1629. 1630. 1634. und 1637. wegen theuren Zeiten und Mangel an Fruͤchten den Beſitzeren der Güter im Sihlfeld vergünftigt, ihre Gi ter nach ihrem beßten Nutzen und Gefallen anzuſaͤen, its Magaz. f. d. Naturk. Helvetiens III. B. 2 114 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft | doch Brief und Siegel deren von Wiedikon, wegen dor⸗ tiger Stroffelweyd nicht aufgehebt. Wodurch MGn H Hrn. hohe Standesvorfahren erwieſen , daß es der Landes, Obrigkeit immer zuſtehe, die Gemeinweyden nach Noth⸗ durft einzuſchraͤnken , wie fie dann auch Ao. 1640, er⸗ kannten, daß das untere Sihlfeld dießmal und auf koͤnf⸗ tige Zeit Brach liegen und unangebluͤmt bleiben ſoll, doch mit Vorbehalt Einwendungen dagegen anzuhoͤren. Man ſieht hieraus, wie von der Reformation an ein be⸗ ſtaͤndiges Beſtreben geherrſchet, die Landguͤter in Aufnahme zu bringen, und zu dem Ende feine beſitzende Aecker im Sihlfeld einzuſchlagen, wogegen aber die Beſitzer der Weyd⸗ rechten immer kaͤmpften und ſiegten. Nur zun Zeiten der Theurung ward der Feldbau beſonders beguͤnſtigt, und der geſegnete Erfolg ſcheint nach und nach die gaͤnzliche Abs ſchaffung der Brach⸗ und Stroffelweyd bewuͤrket zu haben. Roch Ao. 1692. ward vom Rechenrath unterm 28ſten Juni folgende Erkanntniß gemacht: die Beſitzere des mittlern Sihl⸗ felds ſupplicirten: daß dieſe Zelg, die bisdahin Brach ge⸗ legen, und auf welcher die Mſtr. Metzger und die Gemeind Wiedikon das Weydrecht haben, gleich dem oberen und un⸗ teren Sihlfeld, beſſer benutzt werde, dergeſtalt, daß nach der Ernde Ruͤben, die Brach aber mit Bohnen beſaͤet wurde. Ward erkennt, MuGnHHrrn. hoffen, die Beſitzer dies ſer Guͤter werden dieſelben dermaſſen in Ehren legen, daß dieſe ertheilte Gnade zu Anfnahme und nicht zu Schaden des Zehenden gereichen werde. Auch auf den gefallnen Be⸗ richt, daß die Mſtr. Metzger, ihrer allda gehabten Strof⸗ felweyd wegen, keinen Eintrag thun wollen, ſo ward die Bitt willfahrt und angezeigt, daß das mittlere Sihlfeld gleich dem oberen und unteren benutzt und beworben wers den möge, Anbey aber ſtehe denen von Wiedikon freyr fo je wider Verhoffen einige waͤren, welche ſich wegen für Feldbau und Sitten des Volks. 175 ihrer Stroffelweyd beſchweren wollten, ſich vor Rechenſtuben deswegen zu melden. Dieſes ſcheint alſo die Epoche geweſen zu ſeyn, von wel⸗ cher das ganze Sihlfeld von der Brach» und Stroffelweid befreyt, und alle die Güter im untern und obern Hard eins geſchlagen worden, daß alſo die groſſe Theurung zu der Vervollkommnung des Feldbaues hat beytragen muͤſſen. Wiedikon begnuͤgte ſich von den Einſchlaͤgen Stroffelweyd⸗ zinſe zu beziehen, und in neueren Zeiten dieſelbe mit einem kleinen Eapitälgen auskauffen zu laſſen. In einer Gemeind⸗ rechnung von 1766. fande ich von 65. Einſchlaͤgen im Sihl⸗ feld 166. Pf. 5. f. Stroff lweydzinſe verrechnet, in einer Spielung von 10. Pf. bis auf 10. 6. Wenn man 15. ß. pr. Juchart rechnet, wie ich aus der Beſtimmung der Strofs felweydzinſen, die nur alle 3 Jahr entrichtet werden ſchlieſ— ſen muß, ſo beloffen ſich damals die Einſchlaͤge auf 200. und ıf2. Jucharten, die ſeither noch mehr vermehrt wor⸗ den. Ein groſſer Theil hievon blieb zu Wieſen liegen. Dem unermuͤdeten Fleiß Herrn Amtmann Zeideggers in Erfor⸗ ſchung alles deſſen, was zu Beleuchtung ſeines Amts dienen kann, habe ich zu verdanken, daß ich von 3 De⸗ zennien den Mittelertrag der Zehenden des Sihlfelds vor⸗ legen kann. Ao. 1601. = Io, 435,5. Stuck an Winter⸗ und Sommer, fruͤchten. — 3 $ 85. 461,5. Winterfrucht, in dieſem Dezen⸗ nio ward der Bohnenzehenden beſonders berlichen im Durchs ſchnitt 98. 2. Stuck, e ee. Stuck. — 1776. 85. 437,0. Winterfrucht. Bohnen. 141. 2 Stud, Summa 578. 75. Hier zeiget ſich alſo eine merkliche Verbeſſerung der Kul⸗ 116 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft tur, wenn man hierzu den Nutzen der Wieſen in Abſicht auf die Milch und den Gewinnſt an Obſt in Erwaͤgung ziehet, ſo zeigt ſich eine noch groͤſſere Vermehrung, wenn wir annemmen, daß 1oo. Jucharten Feld in Wieſen vers wandelt worden, von welchen, wenn wir im Mittel 2. Mütt Zehenden annemmen, 50. Muͤtt Zehenden heraus⸗ kommen wurden. Dieſes iſt zwar ein Verluſt fuͤr den Ze⸗ henden ⸗Herren, da aber dieſer der Landesvater ſelbſt iſt, muß es ihn freuen, den Wohlſtand ſeiner Kinder erhöhet zu ſehen, wenn ſolcher ſchon mit einigem Berluft feiner Einkünften erkauft wird. Aus der Ueberſicht deſſen, was bisher geſagt worden, ’ laͤßt ſich ſchlieſſen, daß der durch die Reformation anges ſpannte Fleiß und vermehrte Kraͤfte im Nachdenken zuerſt auf den Feldbau gefallen, welcher immer mehr gebeſſert worden, eine Menge Einſchlaͤge erzeuget, und den Kreuel und Hard mit Haͤuſern geziert, welche endlich, nachdem ſie durch den Lauf der Zeit an Fremde verkauft worden, die Ers richtung einer anſehnlichen neuen Gemeinde nothwendig gemacht. Was wir hier von dem Sihlfeld bemerkt haben, mag auch auf den anderen Seiten der Stadt geſchehen ſeyn; 5 es beweiſen dieſes ſo viel Guͤter, die noch dieſen Tag in den Haͤnden unſrer Mitburger geblieben, und viel mehrere, von denen man weiß, daß ſie in dieſem Jahr⸗ hundert aus den Haͤnden der Verburgerten an Landleute durch Kauf uͤbergegangen ſind. Dieſes geſchah nicht nur in den Gemeinden um die Stadt und an den beyden Geis ten des Sees, ſonder auch in den entfernteſten Gegens den, die ſich durch den Weinwachs ausnemmen. Es laͤßt ſich auch leicht begreiffen, daß die Landguͤter damals mit Nutzen konnten beworben werden, da die Guͤter bey we— niger Bevoͤlkerung annoch in geringem Werthe waren, und der Tagloͤhner mit einem geringern Lohn vergnuͤgt, auch für Feldbau und Sitten des Volks. 117 um ſo leichter zu bekommen war, da weder Kriegsdien— ſte, denen man ſich ſeit der Errichtung des Penfionens briefs gaͤnzlich entſagt, noch die Fabrikarbeiten, die noch beynahe ein ganzes Jahrhundert ganz unbetraͤchtlich ge— blieben, dem Feldbau Haͤnde entzogen. Ein Tauner oder auch ein Bauer, der viel Soͤhne hatte, mußte ſich glücklich ſchaͤtzen, wenn er im Dienſt der Gutsherren eis nen Nebenverdienſt fand, da er durch die Reformation in Abſchaffung der Feyertagen eine merkliche Vermehrung der Zeit zu ſeinen Arbeiten gewonnen hatte. Aus einem Theilbrief zwiſchen den Erben Hans und Ni— klaus den Hofmeifteren von Ao. 1594. ſehe ich, daß zwey Juchart Reben ſamt Trotten zu Neftenbach um 500. Pf. angeſchlagen worden. Ein Juchart daſelbſt im Steig ledig, bis 1. Vrtl. Kernen und ein Huhn, um 200. Pf. 2. Juchart Reben zu Meilen an der Halden ledig um 180. Pf. Haus und Hofſtatt, Scheur, Trotten, 4. Juchart Reben, 8. Mannwerk Wieſen, 1. Theil Holz, ſamt Keller unter eis nes andern Haus, zu Kuͤßnacht, darab 4. Pf. 13. fl. 8. hlr. den alten Wirzinnen auf Dorf; 5. Pf. dem Spithal; 6. Pf. dem Rlofter Muri; item 4. Pf. an Partikularen 4100. Pf. Ein Hofſtatt Reben in Wipkingen, Haus, Scheur, Trotten, 2. Mannwerk Wieſen, 3. Juchart Res ben, 1. Juchart Acker, 3. Muͤtt Holz, darab 4. Muͤtt Kers nen in den Oetenbach; 10 Pf. Gelds den armen Sommer— ſiechen an der Spanweid; 10. Pf. Gelds an Partikularen abs giengen, 1700. Pf. Anſchlag nach Abzug des Bevorſtehen— den. Merkwuͤrdig iſt der geringe Unterſchied in dem Werth der Guͤter in Neftenbach, Meilen, Kuͤßnacht und Wipkingen in Vergleichung mit dem heut zu Tag gewoͤhn— lichen Werth. In Neftenbach wird die beßte Juchart ſel⸗ ten mit 500. fl. bezahlt; da hingegen in Meilen die beßte Juchart nicht unter 1500, fl. verkauft wird, welches eis nen 3 mal hoͤheren Werth ausmacht; da gegen dem Ende 118 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft des 16ten Jahrhunderts der Werth war, wie 20. zu 36. alſo nicht das Doppelte. Bey dieſen Umſtaͤnden konnte ein Mann bey Be⸗ werbung der Guͤter, auch wenn er ſolche mit Fremden bearbeiten mußte, fuͤr ſich kommen, und die Reichen ihre Capitalien wohl angewendet ſehen, wenn ſie ſich mehrere Landguͤter verſchaften, wie das angeführte Beyſpiel zeiget, dergleichen ich noch viele anfuͤhren konnte. So hinterließ am Ende des 17ten Jahrhunderts Herr Burgermeiſter Ca⸗ ſpar Hirzel bey einem Vermoͤgen von 209296, fl. an Zins fen und Landguͤtern 63000. fl., alſo mehr als 3. Auf dieſe Weiſe mußte der Feldbau in Aufnahm kommen; daher ſe⸗ hen wir auch den Ertrag der Zehenden gegen dem Ende des Reformations-Sekulum in dem hoͤchſten Grad, ja meiſtens hoͤher, als in den Zeiten, in welchen wir leben. Zur Beleuchtung will ich aus der mir guͤtigſt mitgetheilten Tabelle HHrn. Amtmann Heideggers die wichtigſten Mit⸗ telertrage von den Dezennien 1576 » 85, 1676. » 85. 177685. herſetzen. 88. 2. 56. % 31. 2. Aeſch. 75 f. 75.8. 28. 3. Ermatingen. 124. 5 116. 3. 74. . Maur. 61. 5. 110. 18. 70. 18. Seebach. In dem folgenden Jahrhundert vermehrten ſich von Des zennium zu Dezennium die Fabrikarbeiten, fuͤr welche die Fluͤchtlinge, die im Anfange dieſes Jahrhunderts aus den italieniſchen Vogteyen, und gegen dem Ende aus Frank⸗ reich zu uns gekommen, uns ihre Geſchicklichkeit in ver⸗ ſchiedenen Fabriken mitgetheilt haben. So machte die Vorſehung den Religonshaß und Verfolgungsgeiſt der Ca⸗ tholiken zu einem Segen der Reformirten. Ich ſehe es fuͤr ein Glück unſerer Stadt und andes an, daß man auf den Gebrauch gefallen, die Fabrikarbei⸗ für Feldbau und Sitten des Volks. 119 ten nicht in der Stadt zu behalten, welches eine fuͤr die kuͤnftigen Zeiten gefaͤhrliche Vermehrung der Einwohner der Stadt wurde erzeugt haben, wie wir dieſes in den beruͤhmten Fabrikſtaͤdten in Frankreich, Holland und Deutſchland ſehen, wo bey dem Sinken der Fabriken al— ſobald Hunger, anſteckende Krankheiten und Aufruhren leicht entſtehen. Bey uns vertheilte ſich ſo der Nutzen der Fabriken unter die Buͤrger der Stadt und die Einwohner des Landes; jene beziehen den, obwohl mit Gefahr be— gleiteten, Nutzen der Handlung, dieſe aber den Arbeitslohn, ohne Gefahr eines Verlurſts, welcher ſich auf groſſe Sum⸗ men belauft, wie es die praͤchtigen Gebaͤude, der durch ihre Kunſt im Fabriziren reich gewordenen Landleute be— zeugen, die unſer Land vorzuͤglich zu beyden Seiten des Sees zieren, und ſo manchem Fremden Bewunderung abgelockt haben. Dieſe Arbeiten konnten im Anfang neben dem Feldbau, ohne deſſen Abbruch vorgenommen werden, da man die muͤßigen Wintertage, und einen Theil der langen Winter— naͤchte demſelbigen wiedmen konnte. Ja dieſes mußte vielmehr den Feldbau erleichtern, indem man ſich die zur Beſſerung des Landes dienliche Mittel, oder ein beſſeres Stuck Vieh aus dem vorgeſchlagenen baaren Gelde an— ſchaffen konnte. Dieſes geſchahe aber vorzuͤglich in den Gegenden, wo der Ankauf des zum Feldbau dienenden leichter war, und in ſolchen Gegenden mußte nothwendig der Werth der Guͤter immer ſteigen, da bey der anwach— ſenden Bevoͤlkerung die Beſitzungen durch die Vertheilun— gen immer kleiner, und bey der Leichtigkeit des Gelderwerbs auch immer begehrter wurden. In andern Gegenden, und zwar in den Berggegenden, mußte aus gleichen Gruͤnden immer mehr ungebautes Land urbar gemacht werden, da der Anwachs der Bevoͤlkerung die Begierde nach mehreren gebauten Guͤtern immer mehr 120 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft rege machte, und der Verdienſt an baarem Geld die zur Urbarmachung erforderlichen Unkoſten beſtreiten half: über dieſes ward das Entlehnen von Geld-Capitalien bey Ans haͤuſung des Reichthums leichter, und die Verzinſung machte weniger bange, weil der Verdienſt von Fabriken baar Geld genug verſchafte, und bey der vermehrten Zahl der Geldanleiheren, von Zeit zu Zeit die Zinſe geringer wurden. | Dieſes ift der Fall in der Herrſchaft Waͤdenſchweil, dem gebuͤrgigten Theil der Herrſchaft Gruͤningen und des En⸗ neramts der Grafſchaft Kyburg, wo vermehrter Anbau der Guͤter mit dem Anwachs der Bevoͤlkerung und dem Verdienſt bey Fabrikarbeiten immer in gleichem Schritte fortgiengen, und darinnen auch die beßten Gegenden uns ſers Lands, z. B. das auſſere Amt der Grafſchaft Kyburg und die Herrſchaft Regenſperg uͤbertreffen. Es iſt allerdings wohl der Muͤhe werth, dieſes naͤher zu unterſuchen und in das Licht zu ſtellen. Die Ausfuͤl— lung der Tabellen, welche unſre Geſellſchaft zur genauen Kenntniß der Bevoͤlkerung und des Vermoͤgenszuſtands an liegenden Guͤteren hat verfertigen laſſen, geben mir hiezu den beßten Stoff, da Ao. 1764. der ſel. HHr. Zunftmeiſter Scheuchzer, während feiner Regierung in Regenſperg, die⸗ ſelbige ſehr vollſtaͤndig hat ausfüllen laſſen, und da ein gleiches Ao. 1772. von der Herrſchaft Waͤdenſchweil unter der Regierung HHrn. Statthalter Otten vorgenom̃en worden. Die Herrſch. Waͤdenſchweil zaͤlt an Einwohnern 7227. Seelen. Tr ige — an Guͤteren 9156. 4. Juch. Die Herrſch. Regenſperg zaͤlt an Einwohnern 3980. Seelen. — — — — — — an Guͤtern⸗ 138414. Juch. Unter den Guͤteren wurden gebaute und ungebaute, Wie— fen, Aecker, Reben, Weyden und Holz auch die Gemeind⸗ guͤter mitgerechnet. Auffallend aber iſt der Unterſchied in der Population. Waͤdenſchweil hatte in der Haͤlfte von für Feldbau und Sitten des Volks. 121 Grund und Boden, beynahe 2 mal ſo viel Einwohner, naͤmlich wie 24. zu 13. Die Bevoͤlkerung war alſo vier fach. Die Groͤſſe des Fabrikverdienſts laͤßt ſich aus den Verzeichniſſen der Baumwollſpinner und Waͤber, die voriges Jahr gemacht worden, ſchlieſſen. Waͤdenſchweil zaͤhlte 1965. Arbeiter, in — — — machte es nicht voͤllig 1. Regenſperg 176. wovon 44. ſeit 2. Jahren entſtanden, in — nicht vollig Z. der Einwohner aus. In Abſicht auf die Fruchtbarkeit dieſer beyden Gegen⸗ den. Waͤdenſchweil ernährt mit 2882 3. Mannwerk Wie— ſen und 3655. Mannwerk Weyden 1704. Stuck Hornvieh, namlich 23. Stieren, 1260. Kühe und 421. Kälber, ſamt 101. Pferdten, 59. Mönchen, 31. Stutten, 11. Füllen, in allem 1805. Stuck Hornvieh und Pferde. Regenſperg in 3180. 2. Mannwerk Wieſen und 1301. Juchart Weyden 1700. Stuck Hornvieh und 346. Stuck Pferde, alſo in allem 2046.; 567. Stieren, 810. Kuͤhe, 323. Kälber, 174. Mönchen, 128. Stutten und 44. Fuͤllen. In Waͤdenſchweil kommt an Wieſen auf 1. Stuck Vieh 1. Mannwerk 2 3. Vrlg. In Regenſperg kommt an Wieſen auf 1. Stuck Vieh I. Mannwerk 2 3. Vrlg. Es iſt aber bekannt, daß die Kühe in der Herrſchaft Waͤdenſchweil viel ſchwerer und doppelt koſtbar find, ges gen der Herrſchaft Regenſperg. Dieſem nach muͤſſen die Wieſen noch weit beſſer ſeyn, als in der Herrſchaft Regen⸗ ſperg. An Aeckeren zaͤlte Waͤdenſchweil 1182. 2. Juchart, Regenſperg 6936. Waͤdenſchweil hat alſo nicht 8. in Vers gleichung mit Regenſperg. So hat auch Waͤdenſchweil nicht die Haͤlfte an Reben wie Regenſperg 279. zu 627. und an Holz 1157. gegen 5420. Wir ſehen hieraus, wie ſehr der Wohlſtand der Herrſchaft Waͤdenſchweil durch F f 122 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft die Fabrikarbeiten erhöbet worden, welches die anfehnlis chen Haͤuſer und das Anſehen der Leuten, noch mehr ans zeigen. Wahr iſt es, daß Waͤdenſchweil die Bequemlich⸗ keit hat, durch den See aus dem Oberland das man⸗ gelnde Futter und Stroh anzuſchaffen; hingegen genieſſet Regenſperg den ihm eigenen Vortheil des an der Nord— ſeite des Laͤgerbergs gegrabenen Mergels, wodurch es in den Stand geſetzt worden 400, Maftochfen alljährlich zu vers kaufen, und Waͤdenſchweil pranget mit dem ſchoͤnſten Obswchs des ganzen Lands. So daß wir den Schluß machen muͤſſen, daß in Waͤdenſchweil dem Sitz der ftärks ſten Fabrikarbeiten der Feldbau wenigſtens in eben fo voll— kom̃nem Stand ſeye, als in derjenigen Gegend des Landes, wo bey beſonderen Vortheilen der ganze Fleiß der Eins wohner auf den Feldbau gewendet worden, und im Vers haͤltniß viermal ſo viel Einwohner ernaͤhre. Den Fort— gang der Bevoͤlkerung in den beyden Herrſchaften Waͤden⸗ ſchweil und Regenſperg vor Augen zu legen, ſetze ich hier den Auszug einer Tabelle von der Volksmenge des Can⸗ tons Zuͤrich in verſchiedenen Zeitaltern, die wir der ley— der fo ſehr mißbrauchten Thaͤtigkeit unſers a e Waſers zu danken haben. Volks menge. Jahr. Waͤdenſchw. Regenſperg. Jahr. Waͤdenſchw. Regenſperg. 1467, 431. 599. 1678. 4730. 4090. 1529. 1526. 2890. 1700. 3997 42890, 1588. 3060. 3360. 1748. 5931. 3609. 1610. 4039. 4290. 1762. 6474. 5031. 1634. 2829. 2840. 1771. 7675. 4057. 1671. 4421. 4064. 11773. 7415. 3949. Man ſiehet, daß bis gegen die Mitte des 17ten Jahr- hunderts Regenſperg mehr Volks beſaß, als Waͤdenſchweil, ſeither aber, und vorzüglich ſeit dem Anfang dieſes Seku⸗ \ fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 123 lums, in welcher Zeit die Baumwollfabriken uͤberhand nahmen, und in die Haͤnde der Tüchler groͤßtentheils ge fallen, entdeckt man einen erſtaunlichen Zuwachs in Waͤdenſchweil, welcher unſtreitig die Befoͤrderung der Bevoͤlkerung durch die Fabriken er weiſet. Die ſtarke Verminderung von 1610 1634. um 4. ruͤhrt von 2. Peſtjahren her, fo wie die von 1678. bis 1700. von den theuren Zeiten gegen dem Ende des vori— gen Jahrhunderts. Die folgende Zaͤhlungen zeigen, wie auf ſtarke Verminderungen eine neue Betriebſamkeit ent— ſtehe, weil die uͤberlebenden wenigeren ihren Verdienſt leichter finden mußten, als vorher, deswegen nimmt alle⸗ mal auf ſolche die Bevoͤlkerung wieder merklich zu. Einen andern Beweis, wie der Fleiß in dem Feldbau neben dem Fleiß in den Fabriken fortdauren und ſtch vermehren koͤnne, giebt mir die Tabelle von den Horger— Zehenden ins Frau⸗Muͤuſter - Amt. Horgen pflanzte Ao. 1676-1685. 3770. Stuck aus 814. Juch. 1776-1785. 3930. — — 756. — Auf einer Juch. wuchs alſo Ao. 1676 1685. 4. Muͤtt 2. 2. Vrtl. Ao. 1776-1785. 5. — — 4. — Hieraus erſcheint ſich, daß der Feldbau ſich verbeſſert habe, ungeachtet in dieſer Zeit die Reben von 135. us charten auf 220. geſtiegen, alſo um 85. Jucharten ſich vermehrt haben. Oberrieden pflanzte 1676.85. 2330. Muͤtt in 511. Jucharten, 1776-85. 2880. — — 637. — — alfo in beyden Jahrgaͤngen auf 1. Juchart 4. Muͤtt 2. Vrtl. Auch hier waren Ae. 1691. 86. Juch. Reben A. 1785. 116. Juch. alſo vermehrten ſie ſich um 30. Jucharten. Der Ertrag wird wohl zu klein ſeyn, da er aus dem Ertrag der Zehenden berechnet worden, der an dem See / 124 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft niemals geſtellt, ſondern den Gemeinden überhaupt vers liehen wird, welche ſolchen auf die angebluͤmten Stucke verlegen, wobey der Bauer nicht geringen Vortheil hat, obgleich den Gemeinden noch ein betraͤchtliches vorſchießt. Was ich hier von Horgen angefuͤhrt, erweiſet, daß bey vermehrter Volksmenge viele neue Aufbruͤche gemacht worden. Dieſes geſchah aber vorzuͤglich in dem gebirgig⸗ ten Theil von Gruͤningen und Enner-Amt der Grafſchaft Kyburg, wo alſo noch Land zum Urbarmachen uͤbrig iſt; und wo Gelegenheit herrſchet, die noͤthigen Materialien zur Beſſerung des Landes um Geld anzuſchaffen, wird der Feldbau von den Fabrikarbeiten nicht nur nicht leiden, ſondern ſich noch betraͤchtlich vermehren. Hierzu aber wird erfodert, daß die Haͤuſer doͤrfen vermehrt und in die Guͤter geſetzt werden, welches an allen dieſen Orten, ſo wie in den Gemeinden um die Stadt Platz hat. Wo hingegen die Haͤuſer in Doͤrfern enge beyſammen ſtehen, und ihre Zahl auf Gerechtigkeiten eingeſchraͤnkt iſt, kann auch bey aller Betriebſamkeit und Verdienſt die Be⸗ voͤlkerung nicht ſo ſehr zunehmen, und der Feldbau muß leiden, wenn die Guͤter allzuſehr vertheilt werden, und die Fabrikarbeiten uͤberhand nehmen. Dieſem muͤſſen wir es zuſchreiben, daß das Knonaueramt bey gleicher Bes triebſamkeit, wie in der Herrſchaft Waͤdenſchweil, in der Bevoͤlkerung zuruͤckgeblieben, und die Zehenden in den ſpaͤtern Zeiten daſelbſt geſunken ſind. Daher rührt auch die Abnahme der Zehenden in den niedrigen Gegenden des Gruͤningeramts, und dem Ill⸗ nauertheil der Grafſchaft Kyburg. In ſolchen Gegenden, wo der Getreidbau den wichtigſten Theil des Feldbaues ausmacht, muͤſſen wirklich Fabrikverdienſte ſchaͤdlich wer⸗ den. Man zieht die ſitzende Arbeit der muͤheſamen Ars beit im Felde vor, der Bauer hat es ſchwer Arbeiter zu finden, er muß alſo ſeine Felder ſchlechter bauen, \ für Feldbau und Sitten des Volks. 12 und die Entfernten werden ganz verabſaͤumt, und dem Anflug von Holz uͤberlaſſen. Ein trauriges hell in die Augen; fallendes Beyſpiel giebt uns Ruͤmlingen, wo die Zehenden von dem An— fang des vorhergehenden Jahrhunderts bis auf jetzt nach und nach immer mehr — beynahe — auf die Halte ge⸗ ſunken ſind. Ao. 1601 — 10. bezog das Amt Fr. Muͤnſter 410,8. Stück im Mittel. E — 1701 —- 10 — — — — 322,9. — —— Hier hat ſich von undenklichen Jahren eine eigne Art Fabrik eingeſchlichen, das Stricken leinerner Struͤmpfe, welches alte und junge, maͤnnlichen und weiblichen Ge— ſchlechts beſchaͤftigt, und von den Feldarbeiten abziehet, darunter muß nothwendig der Feldbau leiden, und die entfernten Güter, fo öde liegen, daß fie für voͤllig uns fruchtbar und des Anbaues unwuͤrdig geſchaͤtzt worden, bis ein Kleinjogg einen ſolchen verworffenen Acker in die ſchoͤnſte Eſperwieſe verwandelt hat, und ein Zuͤriche— riſcher Bürger Here Wolf, gegen 80. Jucharten ſolch verworfenen Landes, an ſich gekauft, und in einen Hof umgeſchaffen, der nun aber, auch an Kleinjoggs Soͤhne übergegangen, unter deren Bewerbung er in wenig Jah⸗ ren dem Katzenruͤthihof gleichen kann, der unter Kleins joggs Bewerbung unter allen an das Fraus Mäünfters Amt zehendbaren Orten, der einzige war, in welchem der Ertrag des letzten Dezennium, den Ertrag aller vor— hergehenden Dezennien uͤbertroffen hat. Ad. 1576 — 85. gab er Zehenden 286. Stuck. — 1601 — 10. — — 318. — 1676 — 85. — — 292.ñꝑ;!X — 170 —10.— — 278. — 2 177685. == — 2331» e 126 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Dieſe zwey Beyſpiele zeigen an, daß auch an ſolchen Orten, wo der Feldbau unter der oder dieſer Urſache zu leiden ſcheint, Fleiß und Nachdenken, Mittel zur Verbeſ⸗ ſerung entdecken koͤnnen. Dieſe Eigenſchaften allein, wann ſie zu Volksſitten werden, ſind die wahren Mittel, ein Land in Flor zu bringen, und wann dieſer geſunken, denſelben wieder zu erheben. * Aus dem vorhergehenden ſcheint zu folgen, daß unter beſondern Umſtaͤnden der Verdienſt in den Fabriken den Feldbau beguͤnſtige, unter andern aber demſelbigen nach⸗ theilig ſeye. 2 [3 Beguͤnſtigende Umſtaͤnde find; 1.) Wo die Haͤuſer zerſtreut ſtehen. r 2.) Wo noch viel Land urbar zu machen uͤbrig bleibt. 3.) Wo man Gemeinſchaft mit Laͤndern haben kann, die das Noͤthige zur Beſſerung der Guͤter um Geld liefern. 4.) Wo Viehzucht der Haupterwerb der Güter ausmacht. 5.) Wo genugſam Brenn und Baumaterialien vorhan⸗ den ſind, oder leicht angeſchaffet werden koͤnnen. Zingegen ſcheint ſte nachtheilig: 1.) Wo die Haͤuſer enge beyſammen fieben, und groß fe Dörfer ausmachen. 2.) Wo Einſchraͤnkungen der Haͤuſer nach der Zahl von Gerechtigkeiten herrſchen. 3.) Wo die großen Zelgen vorhanden, die mit dem Pflug muͤſſen gebaut werden. 4.) Wo hingegen wenig Futter waͤchst, den zum beß ſern noͤthigen Stoff vom Vieh zuziehen. 5.) Wo viele Reben vorhanden, welche die Haͤnde der Einwohner den ganzen Sommer durch beſchaͤftigen. 6.) Wo Mangel an Brenn- und Baumaterialien. 7) Wo man nicht aus der Nähe das Noͤthige zur für Feldbau und Sitten des Volks. 127 Nahrung und Kleidung, Bewohnung und Erwaͤrmung finden kann. | Es fragt ſich aber, ob nicht durch gefchärftes Nach⸗ denken und Anſtrengung des Fleiſſes die nachtheilige Umftände ſich heben laſſen. Wir wollen nun auch Denn näher erforſchen. 1. Unter den erſten Umſtand, unter welchem Fabritver⸗ dienſt ſchaͤdlich ſcheint, zaͤhlten wir das nahe beyſammen ſtehen der Haͤuſer in großen Doͤrfern. Dieſer Umſtand iſt ſchon an ſich der Vervollkommnung des Feldbaues nach⸗ theilig; auch an den Orten, wo der Feldbau allein die Einwohner beſchaͤftigt und ernaͤhrt. Man wird allemal finden, daß die Güter, die in der Nähe der Dörfer lie— gen, weit beſſer bebaut ſind, als die entfernten; dieſes hat feinen natürlichen Grund. Man wendet am liebſten die Arbeit da an, wo fie am bequemſteu verrichtet werden kann. In die nahen Güter koͤmmt man mit vollen Kraͤf— ten gar geſchwinde, und alle Zeit kann auf die Arbeit ver— wendet werden; da man hingegen auf die entfernten Guͤ— ter muͤde koͤmmt, und mit dem hin und hergehen viele Zeit verliert, weiches auch von dem Viehe gilt, das daſelbſt arbeiten, oder die Beſſerungsmittel zufuͤhren und daſelbſt abholen fol. Dieſes benimmt die Liebe zu den entlegnen Guͤtern, man giebt ihnen weniger Duͤnger und arbeitet fie nur ſchlecht, eder man läßt fie vollends lie gen, wie in Ruͤmlingen, dem Rafzerfeld, in Altſtaͤtten ic. zu bemerken iſt. Man ſollte deswegen bey allen Anlaͤſen trachten, die Haͤuſer auf den Guͤtern einer Gemeinde zu zerſtreuen, weil auf ſolche Weiſe alle Guͤter zu Hauswieſen und Hausaͤckern gemacht werden: dadurch gewinnt der Bauer viele Zeit, die er dem Fabrikverdienſt ohne Schaden wids men kann, da das baare Geld ihme hilft Unternemmungen in wagen, an die er ohne dieſes nicht haͤtte denken doͤr⸗ * 128 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft fen. Wie mancher Tauner und Bauer wird durch den Koſten des Kleeſaamen abgeſchreckt, Klee zu pflanzen, wenn ihn nicht der Fabrikverdienſt baar Geld oerſchafft. Dieſes kann am beſten erzielt werden, wenn die Obrig⸗ keit Hand bietet, und bey Feuersbrunſten, welche in großen Doͤrfern leider nur zu oft vorkommen, indem ſich die Feuergefahren nach der Zahl und Naͤhe beyſammen⸗ ſtehender Haͤuſer vermehren, ihren Gewalt anwendet, die Brandbeſchaͤdigte zur Zerſtreuung der Haͤuſer zu zwin⸗ gen, wie neulich MGnHHrn. in Bonſtaͤtten und Bauma die weiſeſten Verordnungen gemacht haben. 2. Der zweyte Umſtand, unter welchem Fabrikverdienſte ſchaden, iſt die Einſchraͤnkung der Haͤuſer und Stuben auf eine gewiſſe Anzahl von Gerechtigkeiten. Hierdurch wird die Vermehrung der Bevoͤlkerung verhindert, oder wenn ſolche fortgehet, werden die Sitten verſchlimmert. Man ſiehet oft in einer Stube 3:4. Haushaltungen zus ſammengedraͤngt, die im 2ten und zten, oder noch ent⸗ ferntern Graden der Verwandſchaft ſtehen. Bey der Un⸗ behaglichkeit, die ſie empfinden muͤſſen, entſtehen viele Zaͤnkereyen, die oft zu gefaͤhrlichen Schlaghaͤndlen Ge legenheit geben, und da oft junge und alte in einer Kammer beyſammen ſchlafen, giebt es Gelegenheit zu ge⸗ faͤhrlichen Ausbruͤchen fruͤhzeitiger Geilheit u. ſ. f. Von daher entſtand im Knonaueramt die allgemeine Sitte unter Verlobten, ſo lange im ledigen Eheſtande zu leben, bis eine nicht mehr zu verhindernde Schwangerſchaft zum heurathen zwingt. Dieſe Art von Polizeyzwang ſcheint von der Sorge den Urſprung genommen zu haben, daß eine allzuſtarke Population ſchaͤdlich, und eine allzuſtarke Vertheilung der Guͤter dem Feldbau ſelbſt und dem daraus zuziehenden Nutzen nachtheilig ſeyn moͤchte. In den barbariſchen Zei⸗ ten. des mitlern Alters, waren beynahe alle Güter En thum fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 129 thum von Gutsherren, aus dem Adel, oder der Kirche, davon zeugen noch die uͤbergebliebnen Namen gewiſſer Guͤ— ter, Weidumhoͤfe, Kehlhoͤfe, Schuppishoͤfe, an welche auch nach der Vertheilung in die kleinſten Stuͤcke noch ge— wiſſe Seroituten hangen blieben, einen Wucherſtier, Hengſt, Eber anzuſchaffen. Bey allen Polizeyordnungen ward alſo vorzuͤglich auf den Nutzen des Gutsherren geſe— hen. Dieſe wollten die Höfe nicht verſtucken laſſen, bis ſich nach und nach die Bauren loskauften, und Eigen- thuͤmer der Grundſtuͤcken wurden. Aber auch damals blieb die alte Maxime uͤbrig, der allzuſtarken Zerſtuckung zu wehren, weil wirklich bey der gewohnten Art das Feld zu bauen, die Zuͤge unentbehrlich waren, die durch das Zerſtucken nach und nach vermindert worden. Es ward alſo Sitte, die Guͤter bey einander und allein den Soͤhnen zu uͤberlaſſen; und auch dieſe ſchraͤnkten ſich im Heurathen ein, daß der Hof immer hinlaͤnglich blieb, die Haushaltung durchzubringen. Allein oft ſtegte die Natur, es verheuratheten ſich mehrere Soͤhne, und die Höfe wnrden vertheilt. Dieſes mag anf die Polizeyord nung einer beſtimmten Zahl der Dorfsgerechtigkeiten ges leitet haben, die einer Vermehrung der Haͤuſer wehren ſollte, in Hoffnung, daß ſich auch die Zahl der Haus. haltungen darnach richten werde. Dieſes geſchahe auch in verſchiedenen Gegenden unſers Landes, wo der Feld— bau allein betrieben wird. Daher ſehen wir, daß das fruchtbare Wehnthal, in Abſicht auf die Bevoͤlkerung, nur ſchwach zugenommen. Ein Bauer calculirte ſo: Mein Hof mag nicht mehr als einen, hoͤchſtens zwey Soͤhne ernaͤhren, die andern moͤgen ledig bleiben, oder anders⸗ wo ihr Gluͤck ſuchen. Wo man von dieſer Regel abwich, und ſich Fabrikverdienſt einſchliche, aͤnderte ſich der Calcul dahin ab: Ich habe 374. Söhne, jeder bekoͤmmt etwas an Wieswachs, wenigſtens zu einer Kuhe, etwas Acker Magaz. f. d. Naturk. HZelvetiens. III. B. J 130 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft u. ſ. f. Dieſes mag ſchon ein ſchoͤnes zum Durchbringen der Haushaltung abwerfen, und die Bearbeitung dieſes kleinen Guͤtgens laͤßt Zeit genug uͤbrig, ſich durch Fabrik⸗ verdkenſt das uͤbrige zu erwerben. Zuletzt fand man auch dieſen hinlaͤnglich, wenn man nur einen Winkel im Hauſe hatte, ſein Spinnrad oder den Webſtuhl zuſtellen, und Platz zu einem Garten, ſich Gemuͤß zu pflanzen; fo füls ten ſich die Stuben an, man dachte auf Mittel, die Pos lizeygeſetze auszuweichen, die Stuben und Oefen murs den vergroͤßert, und unterſchlagen, und ſo wurden die Haͤuſer mit Menſchen uͤberladen. Hievon haben wir ein Veyſpiel am Knonaueramt. Oſt noͤthigte man die Obrig⸗ keit, den Gurt zu erweitern, und die Zahl der Gerechtig⸗ keiten zu vermehren, wie davon Wetzikon ein Beyſpiel ſeyn kann. Wurde dieſe Polizeyordnung nie geherrſcht haben, man haͤtte hingegen geſorget, daß die Haͤuſer in den Guͤtern zerſtreut wurden, ſo waͤren die entfernten Guͤter auch nach der ſtaͤrkſten Vertheilung beſſer bebauet, und das Land in Gartenplaͤtze, ſo wie an dem See, und in den Gruͤningiſchen Gebirgen verwandelt worden; die Noth hätte ſchon lange gelehrt nachdenken, wie man die Guͤß⸗ ter auf die vortheilhafteſte Weiſe benutzen koͤnnte. So iſt zum Beyſpiel bey der Zunahme der Fabriken die Pflanzung der Erdapfel, dieſes nicht genug erkannte und verehrte Geſchenk der Vorſehung zur Vorbauung der Hun⸗ gersnoth, zuerſt in den Gemeinden Wald und Fiſchen⸗ thal allgemein eingefuͤhrt worden. Keine Weisheit des Geſetzgebers ſiehet tief genug, um ſich allen Nutzen vor⸗ zuſtellen, den ein durch Noth und Hunger gereizter Fleiß und Nachdenken, bey einem Volke, wo letzte Eigenſchaf⸗ ten ſtch finden, zuwegebringen kann. Gewoͤhne iman das Volk von Jugend an zur Arbeitſamkeit, Sparſam⸗ keit, und guter Anwendung der Vernunft, ſo wird man für Feldbau und Sitten des Volks. 13: Wunder entſtehen ſehen; berechne man die Menge der Menſchen am See, den Werth ihrer Guͤter, und daher entſtandene Schulden, der groͤßte Calculator wird die Moͤglichkeit nie einſehen, wie die Einwohner leben und beſtehen koͤnnen, und doch leben ſie, ihr Hausweſen be— ſtehet, und Muth und Froͤhlichkeit herrſchet unter ihnen. 3. Der Fabrikverdienſt ſcheint dem Feldbau nachthei— lig, wo große Kornzelgen angetroffen werden, die den Pflug noͤthig haben. Dieſes geſtehe ich, ſo lang man nicht die Haͤuſer in dieſe Zelgen zerſtreut. Es herrſcht bey uns, bey der Zertheilung der Felder die ſchlimme Gewohnheit, daß ein jedes Stuck Acker, es mag an ſich noch ſo klein ſeyn, immer wieder unter die Bruͤdern gleich vertheilt werden muß, weil keiner dem andern, einen ſeiner Meinung nach beſſern Acker goͤnnt; daher entſtand in dem unermeßlichen Rafzerfeld eine ſolche Zerſtuͤckung, daß auch das Roggenfeld, wel— ches nur zu gewiſſen Jahren um mit Roggen angefäet wird, in Maͤßli oder 18. von einer Juchart vertheilt wor⸗ den. Dieſe Zerſtuͤckuug muß dem Feldbau unendlich fchas den, auch wo die Bevoͤlkerung geringe, ja wirklich in Abnahme iſt, weil fie denſelben allzumuͤhſam macht; ein jedes Feldſtuͤckgen muß beſonders bepflugt werden, es fordert Zeit zum hin- und herfahren, und hat fein eigen An- oder Fuͤrhaupt, welches ungebaut liegt, wenn ihm nicht mit dem Karſt nachgeholfen wird. Das Anbauen wird deswegen verabſaͤumt, der Tauner vermag den Ackerlohn nicht zu bezahlen, und ſo bleibt der Acker eine Aegert. Gluͤcks genug, wenn in der Naͤhe ein Tann— wald iſt, und ſich von da Forren oder Tannen anflies gen koͤnnen. Wurde hingegen jeder ſein beſitzendes Feld beyſam̃en haben, es moͤchte groͤßer oder kleiner ſeyn, ſo wurde es beſſer benutzt werden, der Bauer wurde ſein Feld ungleich ſorgfaͤltiger beſtellen, der Tauner leichter 132 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft den Ackerlohn bezahlen, und dem aͤrmſten, der nur ein kleines Stück zu bauen haͤtte, wurde es Muth machen, ſolches mit Schaufel und Karſt zu beſtellen, auch wenn es von feinen Haufe entlegen wäre; dann eigen gepflangs tes Brod ſchmeckt immer beſſer, als das erfaufte. Man erlaube mir alſo zu ſagen, daß hier die ſchlechte Polizey mehr Urſache von dem Verfall des Feldbaues, als Fabrik— verdienſt ſeyße. Das Rafzerfeld mag hievon zeugen, wo nie kein Fabrikverdienſt geweſen; aber eben die elende Zer⸗ ſtuͤckung der Felder hat daſelbſt die lumpichte Schinnhuth⸗ flechterey eingeführt, wodurch das Volk träge gemacht, und weniger Nahrungsmittel gepflanzt werden; wozu noch koͤmmt, daß ein Theil derſelben zerſtoͤrt wird, in— dem man den Roggen gruͤn abſchneidet und izu dem Flech⸗ ten misbraucht. Man wird mir zwar einwerfen, daß die Zerſtuͤcklung nur von allzuftarfem Anwachs der Bevoͤlkerung herruͤhre; auch dieſer Einwurf faͤllt groͤßtentheils weg, wenn man den Fortgang der menſchlichen Fruchtbarkeit bey ſchmach⸗ tender Bevoͤlkerung anſiehet. Eine wohlhabende Haus— haltung wird meiſt mit Kindern geſegnet, dieſes veranz laßet Vertheilung, und gehet fo fort, fo lange der Wohl— ſtand bluͤhet. Es entſtehen ſo aus Bauren, die einen eignen Zug haben, Halbbauren, die ihre Ochſen zufams men ſetzen; aus dieſen Tauner, die kaum eine Kuhe ers naͤhren koͤnnen, und die Guͤter werden verftückelt. In⸗ zwiſchen kann ſich ein armer Tauner erholen, der irgend durch einen Handel, oder durch Dienſt an fremden Du ten ſich Geld gewonnen, neue Vortheile im Feldbau ers lernt, oder ſich ein Capitaͤlgen erworben. Ein ſolcher will ſich Guͤter erwerben; er kauft ſich nach und nach von den; zertheilten Stucken mehrere an, die Summe derſelben macht ihn zum Halbbauer, und wenn der vers mehrte Trieb ſich auf feine Nachkommen fortpflanzt, ent⸗ für Feldbau und Sitten des Volks. 133 ſtehen neue Bauren, welche aber ihren Hof nur an zer— ſtreuten Stucken haben, welches die Arbeit immer ſchwe— rer macht, als in unvertheilten Hoͤfen. Geſetzt, daß bey abnemmender Bevoͤlkerung alle Guͤter ſich wieder in die Hände weniger Bauren ſammleten, fo wird doch dies ſes Uebel fortdauren, wenn nicht die Obrigkeit Mittel ausfinden kann, eine Austauſchung gegen einander zu bewirken. Kann aber dieß nicht leichter bewirkt werden, wenn durch Fabrikverdienſte viel baar Geld im Umlauf iſt, den Ueberſchuß baar zu bezahlen? 4. Der vierte Umſtand, unter welchem Fabrikverdienſt dem Feldbau nachtheilig ſcheinen, macht der Mangel an Wieſen aus, zur Unterhaltung des noͤthigen Viehes, und zu der Erhaltung des beſten Duͤngmittels, das von dems ſelben bezogen wird. Dieſer Umſtand erheiſchet deſto mehr Arbeit, den Futtermangel zu erſetzen, durch das Sammlen des Jets aus den Feldern, des Graſes an den gaͤhen Borten der Aecker, und den Straſſen und Zaͤunen nach. Wer wird aber dieſe Arbeit, ſo noͤthig ſol— che iſt, uͤbernemmen, wenn er mehr in der Stube bey einer gemaͤchlichen Arbeit verdienen kann, als das Erbeus tete ertragen mag. Allein auch hier kann FR Umlauf des baaren Gelds die beſte Hilfe leiſten, wenn ſolcher zur Aeufnung der Guͤter verwandt wird: durch ſolchen werden die Bauren in den Stand geſtellt, ſich Kleeſaamen anzuſchaffen, mit— telſt deſſen auch in den Getreidfeldern reichlich Futter fuͤr das Vieh gepflanzet werden kann, ohne daß der Anbau des Getreides darunter zu leiden haͤtte, welcher viel— mehr dadurch erleichtert werden kann. Wo dieſes allge mein herrſcht, und die Kleepflanzung in die Zelgenord— nung einverwebt iſt, vermehrt ſich der Viehſtand außer— ordentlich, und darbey wird ungleich weniger Arbeit er— fodert, als bey dem aͤngſtlichen Zuſammenſuchen des * 134 Ueber Vorth. u Schaden d. Handelſchaft Jets und zerſtreuten Graſes an Borden, Zaͤunen und Straſſen. Zum groͤßten Gluͤck ſchickt ſich der rothe Klee in die Zelgenordnung ſo gut, daß er von der Natur zum Hilfsmittel des Bauren beſtimmt ſcheint. Dieſe Pflanze lebt für ſich nur 3. Jahre, und im zten Jahre find ihte Wurzeln noch ſaftig und zart, daß ſie leicht faulen und demnach ſelbſt ein Beſſerungsmittel abgeben, wenn im Herbſt des zten Jahrs der Klee, nachdem man ihn vom letzten Schnitt an, noch 23 Wochen hat wachſen laſſen, untergeackert wird, wobey nur dieſes einzige umackern noͤthig iſt, da vorher 3. Aaren erfodert wurden, und doch braucht es nur die Haͤlfte des gewohnten Dungs, den Acker fett zu machen. Hierzu koͤmmt, daß vielerley Arten von Futterkräutern bekannt find, welche verfchieds ner Natur, und von längerer und fürzerer Dauer find; den Eiper der 20330. Jahr auch in ſchlechterem Boden, wenn er nur für ihre immer tiefergehende Wurzeln durch. dringbar iſt, dauren kann. Von gleicher Eigenſchaft iſt auch das Raygras, eine Art der ſo nuͤtzlichen ſchmalen Graſer; dieſe koͤnnen in den entfernteſten Aeckern, die ſo gerne ungebaut liegen bleiben, gepflanzt werden, und fo den Mangel der koſtbarſten Grundſtucke der Futterwie⸗ ſen erſetzen. Die Luzerne, oder Sainfoin dauert 8. Jahr, und iſt, wenn ſie in fettem Boden gepflanzt wird, von reichem Ertrag. So koͤnnen auch Weißkohl oder Kabis, die ſtarken Turnips oder gelbe Mangoldruͤben, u. ſ. f. zum Futter fuͤr das Vieh gebraucht werden, wie unſere weiſſen Rüben mit ihrem Kraut, u. ſ. f. Alles dieſes hat man der Betriebſamkeit und dem in allen Un⸗ ternehmungen angewandten Unterſuchungsgeiſt der freyen Engellaͤnder zu danken, bey welchen die Kuͤnſte des Feld⸗ baues mit der Handlung und allen andern Kuͤnſten im⸗ mer in gleicher Staͤrke bluͤhen, und allen andern Völtern das lehrreichſte Beyſpiel * für Feldbau und Sitten des Volks. 135 Auch die Beſſerungsmittel laffen ſich durch Nachdenken, Fleiß und baar Geld erwerben, Mergel, Gips, Sand, und andere Erdarten, kluge Anwendung des Waſſers, von Baͤchen, Fluͤſſen, Bruͤnnen u. ſ. f., bieten uns ders gleichen an. Man darf nur feinen Boden tiefer durchs wuͤhlen, ſo finden ſich unendlich verſchiedene Mittel zur Beſſerung, welches die Weisheit des ſterbenden, weiſen Landmanns erweiſet, welcher in feinem Teſtament feinen Soͤhnen einen Schatz im Acker verhieß, aber ihnen den Ort verhehlte. Sie durchwuͤhlten ihn ganz, und der Schatz entdeckte ſich ihnen zuletzt in dem Reichthum der Erndte, nach vielem vergeblichen Durchwuͤhlen der Erde den gehofften Schatz an Gold und Silber zu finden. Aber auch hier muß der Landesvater zu Hilfe kommen, die Ketten aufzuloͤſen, welche eine allzuvorwitzige Polizey geſchmiedet hat, die Gemeinweide auf der Brach und in den Stoppeln, bey deren Beybehaltung alle Verbeſſerung unmoͤglich iſt; und die Zerſtreuung der Haͤuſer, bey wel— chem ſolche erſt mit dem noͤthigen Luft und Eifer geſche⸗ hen kann. 5. Ein fuͤnfter Umſtand, bey welchem der Fabrikver⸗ dienſt ſchaͤdlich ſcheint, iſt die Menge der Weinreben eis nes Orts, welche den ganzen Sommer durch alle Haͤnde beſchaͤftigt. Alleiu in einem ſolchen Ort wird der Fabrik— verdienſt nicht ſo leicht allgemein werden. Das Rebwerk hat an ſich fuͤr den Landmann ſehr viel Reitz. Es iſt nicht ſo muͤhſam, als andere Baurenarbeiten; es kann immer in Geſellſchaft anderer verrichtet werden, und ge— ſtattet dem freundfchaftlichen Geſpraͤche und muntern Scherze freyeu Zugang. Ueberdieß iſt der Wechſel von verſchiedenen Arbeiten ein ſicheres Mittel gegen den Eckel, den immer gleiche Arbeit mit ſich fuͤhret, und daher ent; ſtehende lange Weile. Ferner macht die Beobachtung des Fortſchrittes in dem Hervorkeimen, wachſen, bluͤ— # Er we _ . 136 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft ben, und zeitigen der Trauben, dem Arbeiter viel Ver— gnuͤgen, und uͤbet feine Divinationskraft. Der Reich⸗ thum eines guten Jahrs macht auch ſchon in der Hoff⸗ nung ſelig und unterſtuͤtzt den Muth in den Fehljahren. Daher koͤmmt es, daß der Weinbau mit einem vorzuͤg— lichen Enthuſtaſmus betrieben wird, welcher oft eine Zu⸗ ruͤckhaltung von der Polizey noͤthig hat, wenn er nicht zum Schaden der uͤbrigen Theilen der Landwirthſchaft betrieben werden fol. Ihm widmet man am liebſten ſeine Zeit und Arbeit, und alle Beſſerungsmittel. Kleinjogg bemerkte es an ſeinen Soͤhnen, daß ſie weit lieber dieſe Herrenarbeit (wie er ſie nannte) verrichteten, als andere Feldarbeiten, die ihnen doch von Jugend an ae un kannt waren. Dieſes macht, daß man von Einfuͤhrung der Fabrik, i arbeiten an folchen Orten weniger die Verſaͤumniß des Feldbaues zu beſorgen hat, als an den Orten, wo der Getreidbau vorzuͤglich zu betreiben iſt. Man ſiehet auch zu beyden Seiten des Zuͤrichſees, daß die Fabrikarbeiten die beſte Bebauung der Weinreben nicht verhindern. Es ſcheint wahrſcheinlicher, daß ein Fabrikverdienſt hier vorzüglich zu wuͤnſchen waͤre, den Leuten in den Winter- tagen einen Verdienſt zu verſchaffen, welcher in den Fehljahren dem Mangel an Nahrung vorbeugen koͤnnte. Nirgend ſtehet man in unſerm Lande mehr Elend, als in dem Weingelaͤnde an der Toͤß, in Fehljahren. Ein maͤßiger Fabrikverdienſt wurde dieſen Leuten ſehr vor⸗ theilhaft ſeyhn, und deu Muth erhöhen, bey Beige alle Arbeit beffer gelingt. 5 6. Ein ſechster Umſtand, der die Fabrikarbeiten zu ver⸗ * bieten ſcheint, iſt der Mangel an Brenn- und Bauholz, welcher bey zunemmender Bevoͤlkerung immer groͤßer wer. u: den muß. Dieſer Umſtand ift fo wichtig, daß, ich geſteh 93 es, derſelbe mir oft ſehr bange gemacht, nachdem ich . 2.5 + iR # er für Feldbau und Sitten des Volks. 137 Anlaß gehabt, und mir es zur Berufspflicht worden, die Waldungen genauer zu beobachten. Allein eben dieſer belehrte mich auch, wie ſchlecht die Waldungen beſorgt werden, und daß wir einen Ueberfluß an Holzboden haͤt— ten, der uns auch einen Ueberfluß von Holz liefern koͤnn— te, wenn derſelbige wohl beſorgt wurde. Ich habe bey meinem Leben die ſchoͤnſten Waldungen ſich in Viehweiden verwandeln geſehen, weil man mehr fuͤr den Weidgang als fuͤr die Waldung beſorgt war. Der Bruͤtner Wald, an der Landſtraſſe nach Winterthur, kann einen jeden, der Augen hat, und ſehen will, das von deutlich belehren, wo man bey Mannsgedenken das ſchoͤnſte Bauholz fällen ſahe, an deſſen Platz ſich jetzt eine Viehweide zeigt, in welcher hin und wieder eine einzelne ſtruppichte Tanne emporgewachſen. Wer muß nicht hierbey den großen Schaden des Vorurtheils be- ſeufzen, daß die Weide für das Vieh mehr Aufmerffams keit verdiene, als der Nachwachs des Holzes. Dieſes ſoll. te darauf führen, eine beſſere Forſtordnung, oder viel mehr eine beſſere Ausuͤbung der vorhandenen guten Ord— nungen, einzufuͤhren. Doch auch hier hat der Maugel Nachdenken erweckt. Man faͤngt an allen Orten an, auf dieſen wichtigen Theil der Landoͤkonomie aufmerkſamer zu werden, ſeit die Geſellſchaft die erſten Preißfragen uͤber dieſe wichtige Materie vorgelegt hat. In der Mitte des sten Dezennium unſers Jahrhunderts, alfo vor 50. Jahren ließ unſer große Blaarer in dem Forſt den erſten Ver⸗ — ſuch mit der Holzſaat machen, und er ward von den Lands leuten mit dem Schimpfnamen des Holzſaͤers bezeichnet. Sein Herr Sohn machte ungefaͤhr vor 25. Jahren den zweyten Verſuch, beyde geriethen wohl, doch blieb es dabey, bis ein Goͤtſchi durch die Preißfragen aufgeweckt > worden, allen wahren Verbeſſerungen für den Forſt nachs zudenken, durch anfaen , durch nachſetzen in leeren mit 138 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Waſen bedeckten Plaͤtzen u. ſ. f., welches nachher auch den Bannwart Hotz aufweckte, der damit einen Scharf ſinn in Beſchaͤtzung des Alters und der Ertragenheit der Hoͤlzer verband, und dieſe wackern Maͤnner gebraucht worden, unter Aufſicht der Forſt- und Waldungs⸗Commiſ⸗ ſion, alle Oberkeitl. Waldungen zu beſichtigen, um die nöthigen Verbeſſerungsanſtalten vorzuzeichnen. Erſt feit? her ſieht man dieſe lange verſaͤumte und verachtete Kunſt gemeiner werden. Aber auch hierzu werden Unkoſten ers fordert, zu deren Beſtreitung der baar Geldverdienſt in Fabtiken die Hand bietet. Neben dieſem hat der Holz mangel die Aufmerkſamkeit rege gemacht, auch andere Brennmaterialien aufzuſuchen, die im Schooße der Erde mehr und weniger tief verwahrt gelegen. Ich meyne die Turben und Steinkohlen. Ich erinnere mich noch gar wohl, wie in der Mitte des 4ten Dezennium ein ges wiſſer Wachtmeiſter Ringger in Hauſen, in Geſellſchaft eines Naͤfen, der dem Separatiſmus hold, und alfo fü ſich ſelbſt zu denken gewohnt war, die erſten Verſu⸗ che vom Turbengraben auf der Heiſcher Allment gemacht. Jedermann redte mit Eckel, Verachtung und Spott da⸗ von, Jungens und Maͤdchens verſtopften die Naſe, wenn ſie vor den Haͤuſern dieſer garſtigen Leute vorbey giengen. In der Stadt gieng es nicht beſſer, die meiſten bezeug⸗ ten einen Abſcheu dagegen, der uns jetzt bey dem allge⸗ mein anerkannten Nutzen derſelben faſt unbegreiflich ſcheint. Den gleichen Widerwillen erweckten die erſten Verſuche von Steinkohlen, der ſich aber G. L. immer mehr verliert. Alles dieſes erweiſet, daß Fleiß und Nachdenken im⸗ mer neue Hilfsmittel entdecken, wenn ſie von reichen Particularen, oder durch die Landesobrigkeit unterftügt werden; und daß man nicht ſo leicht erſchrecken muß, wenn bey zunemmender Bevoͤlkerung ein Uebelbehagen ent ſtehet. Es reizt dieſes nur zum Nachdenken an. Allein | fir Feldbau und Sitten des Volks. 139 allemal wird zugleich der Nerve zu allen wichtigen Unter— nehmungen — das Geld — erfordert, welches Handel ſchaft und Fabriken ſowohl dem Partikular als dem Lan— desvater verſchaffen. Wie viel Gutes iſt in den 2. letzten Dezennien, in allen Theilen der Staatswirthſchaft be; wirkt worden, welches ohne die immer ſteigenden Fabrik— und Kaufhauszoͤlle nicht haͤtte unternommen werden koͤn— nen, und wie viel koͤnnte noch unternommen werden? Wir ſind noch nicht tief in die Eingeweide der Erde ein— gedrungen; wir haben nur die Oberflaͤche aufzukratzen angefangen! Was fuͤr Schaͤtze muͤſſen noch verborgen lie» gen, die den fortgeſetzten Fleiß und Nachdenken unſrer Enkel einſt lohnen werden. 7. Ein ſiebender Umſtand, der den Fabrikverdienſt wegen ſeiner Folge einer mehreren Bevoͤlkerung bedenklich macht, iſt der Mangel einer leichten Zufuhr der uns mangeln⸗ den Beduͤrfniſſen. Dieſe ſind in der That groß, Brod, Butter, Fleiſch, Bau- und Brennholz. Alles zur Kleidung noͤthige Leinen- und Wolleuzeug, und die zur Rothwen⸗ digkeit gewordenen Erquickungswaaren, Tabak, Thee, Kaffee, Zucker, auch die den Handwerkern und Kuͤnſt— lern noͤthige rohe Matrie an Eiſen, Stahl, Zinn, Meſ⸗ fing, Blech, Drath u. ſ. f., kommen uns meiſtens von andern Orten her, und erfordern große Summen an Geld, die wir nirgendswo her bekommen koͤnnen, als durch Fabrikverdienſte und Anleihung des Erſparten in der Fremde. Wir liefern hingegen von rohen Produkten nichts an Fremde, den einzigen Wein ausgenommen, von wels chem jaͤhrlich 12000. Eimer aus dem Lande gehen; aber wenn wir den Eimer auf 10. fl. ſetzen, welches im Mittel nicht angeſetzt werden kann, ſo macht es nicht mehr als eine Summe von I20000, fl. aus. Hingegen brauchen wir jährlich DR 140 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft Iooooo, Muͤtt fremde Frucht „ à Focooo. fl. 1200. Ochſen, à 6. Zentner! à 60. fl. 72000, — an Kaͤlbern und Schaafen 3). „ 48000, — 3000. Zentner Butter, a 25. fl. # 75000, — Faſſel⸗ Schwein A 2 2000. — 8000, Klafter Brennholz, a 6. fl. 48000. — Sum. 263000, fl. Wenn wir denn noch in Calcul ziehen: Bauholz, Kaffee, Thee, Zucker, Tabak, Gewuͤrze, Leinenzeug, Wollenzeug, Laͤder, Eiſen und Stahl, Meßing, Kupfer, Zinn, Metaldrath, Blech, ꝛc. werden dieſe zuſammen wenigſtens mit dem obigen 12. Million ausmachen. Man erſchrickt, wenn man dieſes uͤberdenkt, und zugleich die Zufälligfeit des Fabrikver⸗ dienſts in Erwaͤgung ziehet. Kein Wunder, wenn man zuweilen dieſen fuͤr ein wirkliches Uebel anſiehet, und die vergangnen Zeiten zuruͤckwuͤnſchet, wo die Menge des Volks nach dem Erwerb aus dem Feldbau, und den Handwerksgewerben, mit denen mau einander das Noͤ— thige verſchaffte, ſich modifizirte, wo man mit wenigem zufrieden war, und Sparſamkeit unter die Haupttugen⸗ den gezaͤhlt worden. Kein Wunder, wenn man uͤber die Abhaͤnglichkeit von unſern Nachbarn, in deren Haͤnden unſer Brodforb liegt, erſchrickt. Allein wenn wir un. ſern Geſichtskreis erweitern, wenn wir die Welt als eine Stadt Gottes anſehen, die durch die weiſeſten Geſetze des unendlichen, beßten Beherrſchers, beherrſchet wird, der voll Menſchenliebe ſich zum Endzweck ſeiner Geſetze machte, das menſchliche Geſchlecht unter ſich zu verbin⸗ den, durch eine allgemeine Betriebſamkeit, bey deren jes der zuerſt fuͤr ſich ſorget, die Entwicklung der Kraͤfte, die feine vaͤterliche Güte in die Menſchen gelegt hat, zu bewirken, das Menſchengeſchlecht zu veredlen, und in * fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 141 eine Haushaltung zu verwandeln wo ein Theil dem andern das leihet, was er vorzuͤglich beſitzt, um das ihm mangelnde dagegen zu ertauſchen, fo wird ſich uns ſere Forcht nach und nach verlieren, und wir werden in ſeiner gnaͤdigen Vorſehung, welche allemal angeſtrengtes Nachdenken, und unermuͤdeten Fleiß mit Seegen belohnt, unfere Beruhigung finden. Je mehr unſere Beduͤrfniſſe zunemmen, je mehr wird der Fleiß unſrer Nachbaren ge— ſpornt werden,, uns ſolche zu verſchaffen, fo lange ſich Ges legenheit dazu findet, und darau wird es nie ſo leicht mangeln. Die großen Felder Schwabens werden noch lange nicht ſo zerſtuckt werden, wie die unſrigen, und ſie ſind auch, wenn bey zunemmender Bevoͤlkerung eine mehrere Vertheilung noͤthig werden ſollte, noch vieler Verbeſſerung fähig, und wenn bey ihnen die Bevölkerung zunemmen wurde, ſo werden immer entferntere Laͤnder übrig bleiben, die ihre Naturproduk ausliefern wer⸗ den, haben wir doch in den Zeiten der Theurung und ei⸗ nes faſt allgemeinen Brodmangels in Europa, Afrika und Amerika, ihre Schweſter und Mutter ſpeiſen geſehen. Erz halte man Eifer im Nachdenken durch einen freyen Ge— brauch unſerer Vernunft, die ſich durch keine Vorurtheile und Leichtglaͤubigkeit, oder ſklaviſchen Aberglauben bie— gen laſſe; behalten wir Liebe zur Arbeitſamkeit und Spar⸗ ſamkeit, fo wird es uns nie an dem Noͤthigen fehlen. Daß dieſes keine bloße philoſophiſche Traͤume ſeyen, wird uns die Beobachtung unſers Landes in verſchiedenen Zeiten lehren. Wenn wir unſere Bevoͤlkerungs⸗ Tabellen betrachten, ſo werden wir ſehen, daß in jedem Jahr— hundert ſolche ein bis zwepmal einen harten Stoß erlits ten, aber allemal ſich bald wieder erholt habe. In der erſten Hälfte des 17ten Jahrhunderts wuͤthete die Peſt zweymal, und in der letzten die Hungersnoth, beydemal nahm die Bevoͤlkerung merklich ab, durch die Peſt 142 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelfchaft beynahe 3, in der Hungersnoth 5. In dem gegenwaͤrti⸗ gen Jahrhundert erlitten wir eine Hungersnoth, die uns um 8. in der Bevoͤlkerung zuruͤckbrachte, die bald wieder merklich zunahm, daß in Zeit von 12. Jahren der Schade beynahe erſetzt worden. Schwaben bemerk— te ben der letzten Theurung unſere Abhaͤnglichkeit, und wollte uns zwingen, die Frucht bey ihm abzuholen, und auf ſeinen Maͤrkten zu kaufen. Allein das Geſetz der Natur wirkte ftarfer, als ein voreiliges menſchliches Ge⸗ ſetz. Der Particular in Schwaben fand ſich beſſer das bey, ſeine Fruͤchte auf die Schweizermaͤrkte zu bringen, und keine Macht konnte ihn davon abhalten. Es er⸗ gienge dem Geſetz, wie dem voreiligen Verbot fremder Mouſſeline in Frankreich. Noch vor 20. Jahren hatten wir alles noͤthige Mafts vieh von unſern Eidsgenoſſen im Canton Bern, Luzern, und Solothurn. Damals haͤtte man geglaubt, daß wir das Fleiſch gaͤnzlich ermangeln muͤßten, wenn dieſe Zu— fuhr aufhören ſollte. Sie hörte auf, und Schwaben lies ferte uns das Noͤthige in gleichem Preis, bis die Fehl⸗ jahre im Viehfutter allenthalben Mangel an Vieh er⸗ zeugten. Indeſſen erhielten wir das Noͤthige um einen nicht völlig 3. erhoͤheten Preis. Nun arbeitet das Ges ſetz der Natur, uach welchem Unbehaglichkeit zum Nach⸗ denken reizt; fie zwingt unſere Viehhaͤndler das Maſt⸗ vieh theurer zu bezahlen; dieſe Erhoͤhung des Preiſes reitzt die Nachbarn durch Verkauf des Entbehrlichen ſich einen Gewinn zu verſchaffen, und auf Vermehrung des Viehes zu denken; anfangs kauft ſie ſolches in benach⸗ barten Gegenden, wo es noch im Ueberfluß zu finden. Dieſe bemerken den Vortheil, und führen ſelbſt die Pros dukte dorthin, wo der meiſte Gewinn zu erhalten. So find uns bey dem Fleiſchmangel eine bisher ganz unbes kannte Art von Schweinen zugefuͤhrt worden, und der⸗ fir Feldbau und Sitten des Volks. 143 malen ſehen wir ganze Heerden von Ungariſchen Ochſen vor den Thoren unſrer Stadt weiden. Ueberdieſes ars beitet auch zu Hauſe jedermann an baldiger Herſtellung des Ueberfluſſes, da bey 2. fruchtbaren Futter jahren uns zaͤhlich viel Vieh nachgezogen wird. Wem die ſtarke Bevoͤlkerung unſers Landes bange macht, vergleiche unſern Zuſtand mit unſern benachbarten Eidsgenoſſen in den katholiſchen Cantons. Sind fie bey geringerer Bevoͤlkerung überhaupt in einem größern Wohl ſtand, als wir? Sehen wir doch, daß ſie ſich immer mehr bemuͤhen, auch bey ihnen mehr Induſtrie und Geld— verdienſt von Fabrikarbeiten einzufuͤhren, wozu ſie ſich unſerer Handelshaͤuſer bedienen, und fich glücklich ſchaͤz⸗ zen, wenn ſolche ihrem Volke zu verdienen verſchaffen. Um den Nutzen der Fabriken deutlicher zu zeigen, wol⸗ len wir annemmen, daß von den 50000. Fabrikarbeitern, ein jeder im Durchſchnitt wochentlich 1. fl. verdiene, welches wir wohl annemmen doͤrfen, da Spinner und Weber ſich befinden, welche 2. bis 4. fl. wochentlich vers dienen koͤnnen. Nach dieſer Annahme wurden wochent— lich 50000, fl. an baarem Geld in dem Lande zerſtreut, welches in einem Jahre 2,600, ooo. fl. beträgt, wodurch das fuͤr Nothwendigkeiten ausgehende reichlich erſetzt wird, wobey der Gewinn des Handelsmanns noch nicht berech— net iſt, der ſich auch auf ein betraͤchtliches belaufen muß. Aber nun hoͤre ich mir einwerfen, daß dieſer Ueberfluß an Geld, zur Verſchwendungreitze, Zuͤgelloſigkeit und ſchlimme Sitten erzeuge, Hang zum Wohlleben, zur Wols luſt und Sinnlichkeit, Uebermuth und Weichlichkeit, wel⸗ ches alles ein Volk entnerve, und die Vaterlandsliebe ſchwaͤche, daß bey dem allem der ſcheinbare Wohlſtand ſich ſchnell verlieren koͤnne, und daß gegenwaͤrtig wirk⸗ lich Gefahr vorhanden, daß alle Handlungen und Fabri⸗ ken gaͤnzlich zu Grunde gerichtet werden koͤnnten, nach» 144 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft dem alle Monarchen von Europa zu Friedenszeit ihre gan⸗ ze Aufmerkſamkeit darauf richten, die Fabriken in ihre Staaten zuziehen, und die Einfuhr fremder Waaren gang lich zu verſperrrn. Was die Sitten anſiehet, ſo iſt nicht zu laͤugnen, daß angehaͤufter Reichthum den Luſt zum Genuß derſelben er⸗ zeuge, und daß es dem ſchwachen Menſchen ſchwer ſeye, dabey die Mittelſtraſſe zu halten. Je mehr man den Sin⸗ nen ſchmeichelt, je mehr vermehrt ſich die Sinnlichkeit, und bey den Vergnuͤgungen der Sinnen verliert ſich das ernſthafte Nachdenken, und die Arheitſamkeit. Man faͤngt an den Muͤßiggang lieb zu gewinnen, und fo merz den nach und nach die Triebfedern ſchlaf, die Kraͤfte der Seelen und des Leibes nemmen ab, und in gleichem Maſſe nemmen die Leidenſchaften die Oberhand, und fordern immer neuen Stof, ſie zu befriedigen. Dieſes Gift ſchleicht durch alle Claſſen der Menſchen, die obern Claſſen dev, ſelben verfallen auf Pracht, in Kleidungen, an Haͤuſern, in Meublen, ſie ſuchen die Ergoͤtzungen der großen Welt, große Geſellſchafken, darinn zu glaͤnzen, Concerte, Baͤlle und Schauſpiele, die weniger reichen ahmen ſie nach, ſie wollen nicht geringer ſeyn, als die Reichern; indeſſen zerſchmelzen ſie dadurch ihr Vermoͤgen, und nun ſuchen ſie im Spiel oder in Lotterien ihr Gluͤck zu machen, und befoͤrdern ſo ihren Ruin. Aber auch die Reichern ſelbſt gerathen in Gefahr den Reichthum zu verlieren: wer den Giſt der Sinnlichkeit geſchmeckt hat, dem wird die Arbeit, welche die Mittel verſchafft hat, ſolche zu befriedigen, nach und nach unangenehm und veraͤchtlich: die Empfindung, welche fleißige Anwendung ſeiner Talente in ſeinem Bernfe erzeuget, wann der thaͤtige Mann den Segen ſeiner Arbeit vor ſich ſiehet, die ihn noch mehr anfeuret ſolche mit vermehrtem Eifer und Anſtrengung anzuwenden, und ihm die Arbeit ſelbſt zum Vergnuͤgen 2 macht, fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 145 macht, verliert ſich allgemach, und immer ſtaͤrker in den abſteigenden Generationen. Nur erhaͤlt ſich Liebe zum Gewinn, weil er die Mittel zur Vergnuͤgung der Sinne verſchafft; dieſen zu erhalten bezalt man reichlich ge— ſchickte Bediente, und entzieht ſich ſelbſt immer mehr der Arbeit; ſo verliert ſich die Schaͤrfe des Nachdenkens bey dem Herren, die auch der fleißigſte Bediente felten erſetzt; denn wenn er redlich handelt, ſo foͤrchtet er ſich große Unternemmungen zu wagen, und um ſo mehr, da im Falle eines ſchlimmen Erfolgs der Patron deſto eher alle Schuld ihm beymißt, je weniger er ſich den Zuſammen— hang aller Umſtaͤnde vorſtellen, und die Wahrſcheinlich— keit abwegen kann. Ueber dieſes ſteckt die Arbeitsſcheue und Sinnlichkeit des Patronen auch die Bedienten an. Die Geſchaͤfte werden alſo ſchlechter verrichtet, der Ge— winn nimmt ab, ſo wie die Ausgaben zunemmen; zuletzt gehet auch das groͤßte Haus zu Grunde. Man will ſich nun, durch die großen Hazardſpiele, im Lotto, Wechſel und Agiotage helfen, und befördert oft deſto ſchneller den Untergang. Auch iſt nicht zu laͤugnen, daß in kleinen Republiken die Liebe zum Vaterlande weichet: der kleine Ort und die Nachahmungen der großen Welt im Kleinen werden zum Eckel, und man ſchaͤtzet nur das groß, was einen großen Glanz um ſich wirft. Die Größe, die die Tugend giebt, und in der Einſamkeit, unter getreuer Arbeit im Berufe am leichteſten emporwaͤchst, bleibt ver⸗ kennt, verachtet und verſchmaͤhet. Die niedrigen Claſſen, je aͤrmer ſolche ſind, deſto be— gieriger ſind ſie bey einem vermehrten Geldverdienſte ſich wohl zu thun. Wein, Kaffee, ſchmackhaftere Speis ſen neben ſchoͤnen Kleidern verzehren den Verdienſt, und reitzen zur Untreu in der Arbeit, den Gewinn zu vergrößern, um deſto mehr glaͤnzen und wohlleben zu koͤn⸗ nen. Die harten Arbeiten werden verſaumt, und da man Magaz. f. d. Naturk. Zelvetiens. III. B. K 146 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft vorher vor und nach dem Feyerabend gern in den Guͤ— tern arbeitete, widmet man dieſe Zeit lieber dem Muͤßig⸗ gange und Wohlleben. An einen Spaarpfenning auf die Zeit der Noth, wenn der Verdienſt verringert wird, oder theure Zeiten einfallen, wird nicht gedacht, und wenn fols che einbrechen, zerfallen ſie in das groͤßte Elend. Die Verführung iſt deſto leichter, da bey den Fabrifarbeis ten, die weder viele Seelen noch Leibeskraͤfte erheiſchen, die alfo bey dem gemeinen Volke, als ein Muͤßiggang ans zuſehen ſind, ſolche nach meiſt in großen Geſellſchaften, in Weberſtuben, Truckerſtuben, auf Spinnplägen vers richtet werden, wo alſo muthwilligere durch ihre Reden und Beyſpiele, die andern leicht verfuͤhren. Zum Un— glück befinden ſich auch in ſolchen Geſellſchaften minderz jährige Kinder armer Eltern, welche fruͤhzeitig die Las ſter der Erwachsnen kennen lernen, und fuͤr ſolche Nei— gung ſchoͤpfen, die um ſo mehr uͤberhand nimmt, und das Gemuͤth verderbt, als fie den Unterricht in den Schus len verſaͤumen, und der Aufſicht und Sorge der Eltern entzogen werden. Dieſes Uebel vermehrt ſich, wo der Raſt eingefuͤhrt, wo die Kinder den Eltern von ihrem Geldverdienſte ein gewiſſes wochentlich in die Hausbaltung geben, und ſich dadurch eine gaͤnzliche Unabhaͤnglichkeit zu erkaufen glauben. Dieſes kann freylich in einem Lan⸗ de ſehr verdorbene Sitten erzeugen, und einem wohlden— kenden Manne oft Seufzer uͤber eine ſolche Bevoͤlkerung abdrucken, bey deren man die Quellen des Reichthums und haͤufigen Verdienſts mehr als einen Schaden, als aber Vortheil fuͤr das Vaterland anſiehet, weil ſie eine Menge Volks erzeugen, das ſo leicht durch jeden Zufall in die aͤußerſte Armuth verſinkt, und den Allmoſenanſtalten, und durch ſie dem Staate ſelbſt zur groͤßten Beſchwerde wird, wobey man die Staaten ſelig preißt, welche nicht mehr Ein⸗ wohner enthalten, als das Land wohl ernaͤhren kann. für Feldbau und Sitten des Volks. 147 So wahr dieſes alles iſt, ſo iſt es doch nur von dem Mißbrauch des Reichthums und vom haͤufigem Umlauf von baarem Gelde wahr. Dieſem Misbrauch iſt aller Reich⸗ thum ausgeſetzt; hoͤrten wir doch unſern vortreflichen Junker Sekelmeiſter Wyß, bey der Vorleſung des Ge maͤhlds unſers Landes bemerken, daß auch in dem außern Amt der reichere Ertrag der Weinreben Wolluſt und Verſchwendung erzeuget, wodurch die bemitteltſten Haͤu— fer nach und nach geſunken, und in Schulden verfallen ſeyen. Hören wir doch vou den katholiſchen Eidsgenoſ— ſen aus Staͤdten, wo keine Handlung bluͤhet, klagen, wie ſehr die alte Schweizer-Einfalt verſchwunden, und dem Pracht und Verſchwendung Platz gemacht, und mit einem edeln Neid unſere Arbeitſamkeit und Eingezogen⸗ or ruͤhmen. Indeſſen, da kein Misbrauch den vernünftigen Gebrauch aufhebt, ſo duͤrfen wir auch hier hoffen, daß der gute nutzliche Gebrauch auch neben dem Mißbrauch fortwirke. Es kann ſeyn, daß die angeſehenſten Haͤuſer durch Pracht und Verſchwendung zu Grunde gehen, und da niemals kein großer Baum faͤllt, daß nicht viele kleine mit in den Fall gezogen, oder doch beſchaͤdiget werden, auch viele kleinere Fortunen zugleich zerſtoͤrt werden, und ein merk— liches Sinken des Wohlſtands des Landes verurſachen; allein nie wird es alles mit ſich hinreiſſen. Es werden im⸗ mer viele uͤbrig bleiben, die durch angeſtrengtes Nach⸗ denken, Arbeitſamkeit und Sparſamkeit ſich emporſchwin⸗ gen, und neue bisher ganz unbekannte, oder nicht be⸗ nutzte Quellen entdecken und benutzen werden. Selbſt die unglücklichen Folgen, von der Abweichung der Grunds ſaͤtze, daß nur freyer Gebrauch der Vernunft, Arbeits ſamkeit und Sparſamkeit, einzelne Menſchen und Haufer gluͤcklich und ein Land bluͤhend machen, kann zu einem neuen Antrieb dienen, dieſe Tugenden in Ausuͤbung zu 148 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaſt bringen. Es werden neue Haͤuſer in den Flor kommen, die die alten zerſtoͤrten in Vergeſſenheit bringen; dieſe werden durch auszeichnende Talente neue menſchliche Bienenkoͤrbe anſetzen, in denen das zahlreiche Volk Ars beit und Nahrung finden kann. Die Vermehrung ihres Reichthums wird durch einen vernuͤnftigen Aufwand an nuͤtzliche Gebaͤude, an Mobilien die Geſchmack, Anſtand und Sparſamkeit mit einander verbinden, manchem red— lichen Handwerker emporhelfen. Es wird auch dienen, die geſegnete Sitte unſerer Stadt und Landes in Gut— thaͤtigkeit gegen Arme und Nothleidende zu unterhalten, und zu gemeinnuͤtzigen Anſtalten Beytraͤge zu leiſten. Eltern werden den Kindern Bepſpiel von Cultur der Ta lente, angeſtrengtem Fleiß und Beſcheidenheit geben, und ſie ermuntern, bey vermehrten Gluͤcksguͤtern ihre Talente und Fleiß auf ſchoͤne Kuͤnſte und Wiſſenſchaften zu verwen—⸗ den, welche die beſte Zierde eines Landes ſind, in wel— chem Wohlſtand herrſchet. Auch auf dem Lande werden nicht alle den reichen Verdienſt misbrauchen. Man wird immer arme Haushaltungen ſich emporſchwingen ſehen, die einen Nothpfenning auf die Seite legen, das Erfparte an den Ankauf von Guͤtern wenden, die ſie in den Ruhe— ſtunden bauen koͤnnen. Dieſes wird deſto haͤufiger ge— ſchehen, wenn die Stadt dem Lande das Beyſpiel giebt. Sollte es unmoͤglich ſeyn, daß ein Enthuſiaſmus fuͤr das Gute eben ſo allgemein werden koͤnnte, als der Enthu— ſiaſmus fuͤr das Boͤſe; die innere Zufriedenheit, welche die Tugend ſchenket, wenn ſie einmal geſchmeckt worden, iſt unendlich reitzender, als alle Beluſtigung der Sinne, und das Gefuͤhl von ſeinen Bruͤdern, die man herzlich ſchaͤſt und liebet, als ein Vater und Wohlthaͤter geliebt und verehrt zu werden, uͤbertrift unendlich das Selbſt⸗ gefühl eingebildeter Vorzüge an Reichthum und Pracht. Dieſes iſt leerer Schein, jenes Licht und Waͤrme. Sollte für Feldbau und Sitten des Volks. 149 es nicht moͤglich ſeyn, Druckerſtuben, Waͤberſtuben, Spinnplaͤtze zu Tugendſchulen zu machen, wenn darinnen von dem Patron Geſetze vorgeſchrieben wurden, deren jede Abweichung mit einer zwar gelinden Strafe, die wieder— holten aber mit der Verjagung aus dem Hauſe beſtraft wurden. Wenn bey Anfang und Ende eine Bettſtunde gehalten wurde; wenn auf Schwoͤren, verfuͤhreriſche Re— den, und laſterhafte Scherze Buſſen angeſetzt wurden; wenn hingegen die Zeitungen, oder gute moraliſche Ge— ſchichten, oder geographiſche Nachrichten unter der Arbeit zuweilen vorgeleſen, und zum Stof der Unterredung ge— macht wurden; wenn dieſes zuweilen mit Abſingung eis nes Pſalms, oder geiſtlichen Lieds, oder eines Schweizer lieds unterbrochen wurde. Ein menſchenfreundlicher Ges lehrter wurde für ſolche Geſellſchaften eigne Leſebuͤcher zus ſammenſchreiben, welche Geſchichte der Kuͤnſte und Hands lung, Kuͤnſtler und Handelsleuten, denen es wohl, und denen es uͤbel gegangen, vorzuͤglich enthalten ſollten. Koͤnnte nicht ein geſchickter Arbeiter, der im Leſen und Schreiben geuͤbt wäre, alle Wochen einige Stunden an; wenden, die minderjährigen Mitarbeiter im Leſen und Schreiben zu uͤben? Sollte alles dieſes nicht eben ſo moͤg⸗ lich ſeyn, als es einem tugendhaften Commandanten bey einem Regiment Soldaten, chriſtliche Sitten allgemein zu machen, möglich iſt. Ich habe ſelbſt ein ſolches Regi—⸗ ment in Berlin geſehen, welches man fuͤr eine Bruder— gemeine haͤtte anſehen koͤnnen, da immer geiſtliche Uebun⸗ gen mit den Arbeiten, und uͤbrigen Berufe abwechs— leten. So war auch das Donaiſche Regiment beſchaf— fen, deſſen Ruhm ich aus Briefen von einem enthu— ſiaſtiſchen Feind der Preuſſen, waͤhrend dem ſiebenjaͤhrigen Krieg verleſen gehoͤrt. Wenn ein Anfuͤhrer recht will, ſagte mir einſt der beruͤhmte General von Salis, ſo kann er aus ſeinen Leuten machen, was er will; 150 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft ſo kann man es auch von einem Patron einer Hand— lung ſagen. Einen ſolch gluͤcklichen Enthuſtaſmus zu erleichtern, koͤnnten von Zeit zu Zeit oͤffentliche Unterredungen mit Fabrikarbeitern gehalten werden, denen aͤhnlich, welche unſere Geſellſchaft mit den Bauren uͤber den Feldbau hal⸗ ten läßt, um gute Grundſaͤtze und Maximen neben nuͤtz— lichen Kenntniſſen unter das Volk auszuſtreuen; bald koͤnnte man von der, bald von dieſer Claſſe von Arbeitern kommen laſſen, um ſich mit ihnen uͤber ihre Arbeiten, uͤber den beſten Nutzen, der daraus zu ziehen, uͤber die Folgen des Fleiſſes, der Sparſamkeit, der guten Sitten, die in Vermehrung des häuslichen Glücks beſtehen, uns terreden. Man koͤnnte hingegen den Schaden der Untreu, der Verſchwendung, der Unſittlichkeit, der Hinlaͤßigkeit und Sorgloſigkeit, in Abſicht auf ſchlimme Zeiten vor Augen legen. Hier faͤnde man die beſte Gelegenheit, den Landmann fuͤhlen zu laſſen, daß er bey dem Flor der Fabriken nicht weniger beguͤnſtiget ſeye, als der Burger; daß ihm fein Arbeitslohn, und die Vortheile, welche ders ſelbe, beym Anruͤſten, beym Abholen der rohen Stoffen, und bey Zuruͤckbringung der verarbeiteten nach und aus der Stadt beziehen kann, eben ſo viel und oft noch mehr Gewinn abwerfe, als dem Handelsmann in der Stadt, der mit großem Riſque und weit groͤßern Unkoſten einen Gewinn aus der Fremde ſuchen muß, da der Land— mann alle Wochen ſeinen Gewinn an baarem Gelde ſicher nach Haufe nemmen kann. Man koͤnnte ihm den Bor theil fuͤhlbar machen, auf dem Lande zu wohnen, und neben dem Fabrikverdienſt auch Güter zu beſitzen, die eis nen guten Beytrag an die Ernaͤhrung der Haushaltung leiſten koͤnnen: Man koͤnnte es fuͤhlbar machen, daß es eine wahre Ehre ſeye, ein Beſitzer eines eigenthuͤmlichen Guts zu ſeyn: Man koͤnnte hier Thraͤnen der Liebe und für Feldbau und Sitten des Volks. 151 des Zutrauens hervorlocken, und Buͤrger und Landleute in ihrer wahren Beziehung gegen einander ſich kennen leh— ren, ſo wie man bey Baurengeſpraͤchen ſo oft von bey— den Seiten Thraͤnen der Ruͤhrung und gegenſeitiger Liebe hat flieſſen geſehen. Auf dieſe Weiſe koͤnnte man unend— lich mehr ausrichten, als mit allen Strafgeſetzen, welche, wenn fie allzugenau ausgeuͤbt werden, Haß und Rache ſucht, und wenn fie nicht ausgeuͤbt werden, Verachtung und Spott erzeugen. Hiermit will ich aber gute Policeys geſetze fuͤr die Fabriken nicht ausſchlieſſen. Auch dieſe ſehe ich als wichtige Mittel an, den Wohlſtand zu be— foͤrdern, und Schaden vorzubauen. Allein als Mittel, die erſt alsdann wirkſam find, wann gute Sitten gepflan⸗ zet worden, wo man die Verachtung, in welche der Ue— bertreter gemeinnuͤtziger Geſetze fish ſtuͤtzet, mehr fürchtet, als die Strafen. Man wird mir vielleicht einwenden, daß dieſes ein ſchoͤ— ner Traum ſeye, deſſen Erfuͤllung zwar zu wuͤnſchen, aber ſchwerlich zu erwarten ſeye. Indeſſen, weun er auch wirk— lich ſollte in Erfüllung kommen, fo würde dadurch das Land ſo ſehr bevoͤlkert werden, daß die Nothwendigkeiten zuletzt um keinen Preis mehr zu erhalten waͤren, und das Land wurde vor lauter Gluͤcke zu Grunde gehen muͤſſen. Es ſeye leere Einbildung, daß die Population ein Land bluͤhend mache. Eine übertriebene Bevölkerung müffe alles mal zuletzt ſchaͤdlich werden. Hierauf antworte ich, uns ſtreitig iſt und bleibt die Bevoͤlkerung immer der Maas ſtab von dem Wohlſtand eines Lands. In der Unbehag— lichkeit und Mangel an den noͤthigen Beduͤrfniſſen nimmt ſie von ſelbſt ab; es iſt ein altes Sprichwort, ſine Baccho & Cerere friget Venus. Der Hungrige zeuget keine Kins der, das belehrten uns die Abnahm der Geburten in den Hungerjahren, die aller Orten ſo merklich waren. Ueber dieſes treibt der Mangel und Elend an, anderswo ſein * . 1 152 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaſt Gluͤck zu ſuchen. Die alten Griechen ſchickten ihren Ueber fluß in entfernte leere Plaͤtze, und pflanzten Colonien, die dem Mutterſtaat oft die wichtigſten Dienſte leiſteten. Sollte dieſer Weg nicht auch uns offen ſtehen? Haben wir doch in unſern Tagen einen neuen Staat aus Koloniſten ert⸗ ſtehen ſehen, der einen der ſchwerſten und koſtbarſten Kris ge gegen ſeinen Mutterſtaat fuͤhren koͤnnen und am Ende geſieget, und ſich ganz unabhaͤngig gemacht hat. Wird es aber einem an Nachdenken, Arbeitſamkeit, Sparſamkeit und gute Sitten gewohnten Volk nicht viel leichter ſeyn, anderswo unterzukommen, als einem vernunftloſen, lie⸗ derlichen, verdorbenen Volke? Wie willkommen ſind nicht redliche Schweitzer in allen Arten von Dienſten, in Solda⸗ ten: Herren » und Bauerndienſten, und neuen Kolonien. Die Tugend macht zu Hauſe und in der Fremde gluͤcklich, ſorge man nur fuͤr dieſe, ſo wird die Fuͤrſehung für alles uͤbrige ſorgen. Wie kann man Abneigung gegen die Bevoͤlkerung haben? Calculire man die Bevoͤlkerung unſers Lands ſeit der ſel. Lgeformation. In dieſen 2 2. Jahrhunderten haben einige hunderttauſend Menſchen mehr gelebt, als ohne die In— duͤſtrie, die ſie uns erworben, nicht geſchehen waͤre. Iſt es aber nicht ein wahrer Seegen, daß fo viele Tauſende der Freuden des irdiſchen Lebens genoſſen, die aus ſolchem in die Stadt Gottes uͤbergegangen? Man verehrt die weiſen Geſetzgeber, die fuͤr das Leben der Menſchen ſor— gen, wie viel ehrwuͤrdiger find die, welche fuͤr die Vers mehrung lebender Menſchen ſorgen. 8 Mir bleibt es alſo immer ein unzweifelhafter Grundſatz, daß die Bevoͤlkerung den inneren Zuſtand verrathe, und daß die Abnahm immer einen Fehler in dem Inneren ans zeige, den die Landesvaͤter zu entdecken und zu verbeſſern ſich bemühen ſollten. Es wäre denn, daß es von natuͤr⸗ lichen Urſachen, von anſteckenden Krankheiten, von Un⸗ * — . fuͤr Feldbau und Sitten des Volks. 153 fruchtbarkeit der Jahren, von Krieg und Theurung her— ruͤhrte; aber dergleichen Urſachen dauern nur für kurze. Zeit, und es folget bald darauf ein neuer Zuwachs von Wohlſtand und Bevoͤlkerung, wie wir oben durch unſere von Zeit zu Zeit vorgenommene Zaͤhlungen der Volksmen— ge geſehen haben. Hier koͤnnen wir uns mit David beru— higen, daß es gut ſeye, in die Haͤnde des Herrn zu fal— len, beſſer als in der Menſchenhaͤnde; feine vaͤterlichen Heim— ſuchungen fuͤhren zu den heilſamſten Endzwecken; der ge— demuͤthigte Menſch denkt mit neuem Eifer auf die Erfuͤl— lung feiner Pflichten, er ſuchet Kraͤfte nnd Mittel auf, ſich zu helfen, und ſie fehlen ihm niemal. Daher zeigen uns die Verzeichniſſe, wie allemal auf die Landplagen die Bevoͤlkerung einen neuen Schwung genommen. Noch iſt zu erwaͤgen, ob wir wirklich in Gefahr ſeyen, unſre Handelſchaft zu verlieren, ich glaube, nein; fo lan— ge die Triebfedern, Anſtrengung der Vernunft, Arbeit— ſamkeit und Sparſamkeit fortdauern. Dieſe kann uns nies mand rauben, als wir ſelbſt, wenn wir uns der Weich— lichkeit, dem Muͤßiggange, dem Aberglaube alles vom Gluͤck und Zufall zu erwarten, uͤberlaſſen, nur dieſe koͤn— nen die Handelſchaft toͤdten, aber keine Anſtalten der Mens ſchen, auch keine Concurrenz. Unſere Fabriken ſind alle von fremden Orten und durch Fremde zu uns gebracht worden, wir koͤnnen uns keiner anderen Erfindung hierin ruͤhmen, als der geſchickten Nach— ahmung in wohlfeilerem Preiſe. Dieſes führte oft auf Erfindungen leichterer Stoffen, die dem Modegeſchmack gefielen, daß man ſie begieriger ſuchte und beſſer bezahlte, als die beſſern Originalwaaren. Wir muͤſſen uns aber nicht ſchmeicheln, dergleichen Ar⸗ tickel beybehalten zu koͤnnen, alles iſt der Abaͤnderung uns terworfen. Wer kennet nicht den Modegeiſt? der ſo ver— aͤnderlich und caprizios dem Handelsmanne Geſetze vor— 154 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſchaft ſchreibt! Ein ſehr geſchickter und fleißiger Fabrikant aus unſern Mitburgern vergliech ihn mit dem Winde, von dem wir nicht wiſſen, woher er kommt und wohin er faͤhrt. Wenn eine Waare den beßten Abgang hat, ſo iſts ein Wind, der ihn mit einmal wegblaſet. Wer die Handlung anſiehet, als ein Mittel ſeine groſſe Kapitalien ſicher auf einen groſſen Zins zu bringen, der betriegt ſich. Die eins zige Sicherheit des Handels manns beſtehet in feiner Aufs merffamfeit , in feinem Scharfblick und eiſernen Fleiß. Wie der Steuermann, der immer wachſam ſeyn, auf den Wind ſehen und die Segel nach ſolchem richten muß. Der geſchickte Fabrikant, den ich kurz vorhin angefuͤhrt, er⸗ zählte die Geſchichte feiner Fabrik, er, noch kein alter Mann hat wol zehnmal ſeine Artickel abaͤndern muͤſſen. Wohl dem Lande, wo die Handlung und Fabriken jeder⸗ mann frey ſtehen, wo viele wachtbare Steuermaͤnner ſind, die jede Abaͤnderung ſogleich entdecken und ſich darnach richten. In einem ſolcheu Lande kann die Handlung zwar krank werden, aber ſie wird ſich bald wieder erholen, und niemals ſterben. Wo hingegen die Induͤſtrie nicht herrſchet, dort iſt es ſchwer, Fabriken einzufuͤhren. Es zeiget ſich doch ein gewiſſes Gleichgewicht, zwiſchen dem Erwerb und dem Verbrauch, bey dem jedermann ſeine Behaglichkeit findet, und von deren man ſich nicht gerne abbringen laͤßt. Jede neue Arbeit iſt dem Cinwohner eckelhaft, und lange, ſehr lange dauert es, bis dieſer Eckel uͤberwunden iſt. Meis ſtens gerathet der Verſuch druͤber in's Stecken. Groſſe Herren wollen ſich durch Monopolien und Koloniſten hels fen, dieſes aber erfodert gerade im Anfange groſſe Unko— ſten; man baut Fabrikhaͤuſer, man muß mit groſſen Kos ſten Arbeiter von andern Orten herkommen laſſen, hiezu laͤßt ſich niemand uͤberreden, der an ſeinem Geburtsort fein gutes Auskommen findet. Nur ſchlechte Haushaͤlter, Ph für Feldbau und Sitten des Volks. 155 oder liederliche Arbeiter laſſen ſich verfuͤhren; dieſe werden aber einem Monopoliſten ſchlechte Dienſte leiſten. Schlechte Arbeit in theurem Lohn iſt allemal bey Errichtung neuer Fabriken zu erwarten. Dieſes alles ſtuͤrzt den Unternems mer in Schulden, und der Herr, der ihn unterſtuͤtzen ſollte, wird uͤberdruͤßig, und läßt ihn ohne Huͤlfe, und ſo loͤſcht das Werk, das im Anfange ſo viel Glanz von ſich warf, wieder aus. Wer ein wenig aufmerkſam iſt, wird haͤufi— ge Originale zu dieſem Gemaͤlde finden. Konkurrenz iſt weit weniger ſchaͤdlich als man glaubt, vielmehr hat fie groſſen Nutzen, fie reitzt Aufmerſamkeit und Fleiß, und es entſtehen daraus verſchiedene Sorten eines Artickels, die deſto mehr Kaͤufer zuziehen; dieſer gehet am liebſten dahin, wo er mancherley Sorten finden kann, die unteren Handelsleute zu reitzen. Eine jede Haus— mutter ziehet den Kraͤmer vor, der vielerley Waaren zur Auswahl vorlegen kann. Genf ſahe mit Eiferſucht die Uhrenfabriken in den Neuenburgiſchen Gebirgen, aber bis zu der ungluͤcklichen Epoche ſeiner Burgerhaͤndel, verlor es nichts dabey, vielmehr bemerkte man fortſchreitende Vermehrung der Fabrik. Noch einen Vortheil haben wir in unden Vaterlan⸗ de, daß die Fabrikarbeiter im Lande zerſtreut ſind. In den Staͤdten iſt alles theurer, der Einwohner einer Stadt iſt auch weichlicher und der Verfuͤhrung zum Muͤſ⸗ ſiggange mehr ausgeſetzt, als der Landmann. Neue Fa⸗ briken aber laſſen ſich nirgend anlegen, als in Staͤdten, weil alle Arbeiter unter beſtaͤndiger Aufficht ſtehen muͤſ— ſen, um ſie im Zaum zu halten. Hingegen iſt der Land— mann arbeitſamer und ſparſamer, dabey genießt er den Vortheil, ſich Nahrung wenigſtens in einem Gartenbette oder Erdapfelplatz zu pflanzen. Er kann alſo die Arbeit in geringem Preiſe verrichten. Es verſichert uns auch das Bleiben der Handlung der 156 Ueber Vorth. u. Schaden d. Handelſch. ꝛe. liebe Friede, den wir ſo lange genoſſen, und den wir G. G. ferner genieſſen werden, wenn wir die Staats— grundſaͤtze beybehalten, uns in keine fremde Haͤndel zu miſchen, und als gute Eidsgenoſſen mit unſern Eidsge⸗ noſſen, und als Vaͤter, Bruͤder und Hausgenoſſen in unſerm engern Staate zu leben, unſer Gluͤck in der Frey— heit und unſere Groͤſſe in der Tugend zu ſuchen. Da hingegen in groſſen Staaten der Krieg von Zeit zu Zeit unausweichlich iſt, und man dort mehr fuͤr die Erhaltung der Kriegsmacht, als fuͤr die Pflanzung der Induͤſtrie zu ſorgen hat, welche bey jedem Kriege in Gefahr ff, zerſtoͤrt zu werden. Uebrigens vertrauen wir auf Gottes Vorſehung, wel— che die moraliſche und phyſiſche Welt mit gleicher Weis⸗ heit regieret, und zum allgemeinen Geſetze gemacht, daß Wohlſtand immer Belohnung von Weisheit und Tugend bleibt. Dieſes kann uns die Geſchichte der Fabriken uns ſers Lands auf die einleuchtendeſte Weiſe belehren, da ſie Folge war, des durch die Glaubensverbeſſerung erzeugten beſſeren Nationalcharakters, der ſich durch freye Anwen—⸗ dung der Vernunft, Arbeitſamkeit, Sparſamkeit und Sittlichkeit auszeichnete. Behalten wir dieſe bey, ſo wird Feldbau und Fabrikarbeit neben einander fortbluͤ— hen, und ein zahlreiches Volk wird ſich eines geſegneten Wohlſtands zu erfreuen haben. Es geſchehe alſo! N Chemiſche Unterſuchung des Helvetiſchen Topfſteins. N Von Herrn Oberkaͤmmerer Wiegleb. in gangenfal;a 158 Chemiſche Unterſuchung des Topfſteins. §. I. Dieſe Steinart fuͤhrt Wallerius in ſeiner Mineralogie unter dem Namen Lapis Ollaris, oder Comenſis Plinii, oder Lebethum auf. Herr Werner nennt ihn, in der neuen Ausgabe von Cronſtedts Mineralogie, verhaͤrte⸗ ten Talk. Der beßte bricht bey Como in Italien, inglei⸗ chem bey Chiavenna in Graubuͤndten, und wird daſelbſt Lavezzo, auf deutſch Lebetſtein genennet. In Grau⸗ buͤndten werden allerhand feuerfefte Töpfe daraus gedrech⸗ ſelt. Der zur gegenwaͤrtigen Unterſuchung gebrauchte, war aus der letztern Gegend. $. 2. Eine Unze dieſes Steins, zu zartem Pulver zer; rieben, wurde mit 3. Unzen ſtarker rektifizirter Salzſaͤure in einer kleinen Retorte uͤbergoſſen. Man bemerkte da— bey eine ziemliche Einwirkung dieſer Säure auf das Stein⸗ pulver, welche ſich durch eine betraͤchtliche Aufſchaͤumung zu erkennen gab. Die Retorte wurde darauf in den Sand gelegt, und alle Feuchtigkeit bis zur Trockne uͤbergezogen. Die abdeſtillirte Fluͤßigkeit hatte zwar noch einen ſauren Geſchmack, doch bey weitem nicht mehr ſo ſtark als zu⸗ vor. Dabey ſchien mir merkwuͤrdig zu ſeyn, daß letztere auf der Oberflaͤche mit einem ganz duͤnnen, wiewohl nicht zuſammenhaͤngenden, Haͤutchen bedeckt war, das alſo nur in einzelnen Fleckgen darauf herumſchwamm. Als ich darauf dieſe Säure mit 2. Unzen deſtillirtem Waſſer ver; duͤnnt, und mit aufgeloͤstem fixem Alcali geſaͤttigt hatte, ſo erfolgte ein zarter Niederſchlag, der aus einer wirkli⸗ chen Rieſelerde beſtund, die nach der Ausſuͤſſung und Trocknung 2. Graue wog. Aus dieſer letzten Erſcheinung Von Hrn. Oberkaͤmmerer Wiegleb. 159 ift ſehr wahrſcheinlich die Gegenwart einer kleinen Portion verſteckter Flußſpatſaͤure zu erkennen.“) §. 3. Auf den in der Retorte befindlichen Ruͤckſtand ſchuͤttete ich 6. Unzen deſtillirtes Waſſer, und brachte ihn, nachdem er damit ganz aufgeweichet war, auf ein Filtrum von Druckpapier, um die klare Lauge von den unaufge— loͤsten Theilen abzuſcheiden. Ich ſchuͤttete auch noch ſo oft deſtillirtes Waſſer auf das Filtrum, bis alle Salzig— keit aus dem Ruͤckſtande gelauget worden war. §. 4. Die abfiltrirte Fluͤßigkeit (§. 3.) ſchlug ich dar⸗ auf mit Blutlauge ſo lange nieder, als noch ein blauer Praͤcipitat erſchien, und ſonderte ihn durch ein Filtrum von der uͤbrigen Fluͤßigkeit ab. Nachdem ich darauf den Niederſchlag mit deſtillirtem Waſſer ſo lange ausgeſuͤßt hatte, bis alle Schaͤrfe ausgezogen worden war, ließ ich ihn abtrocknen. Er beſtund aus einem ſchoͤnen dunkeln Berlinerblau, und wog 58. Grane. §. S. Die übrige Fluͤßigkeit, woraus das vorerwaͤhnte Berlinerblau niedergeſchlagen worden war, wurde durch Vitriolſaͤure nicht getruͤbet. Es ſchien alſo als wenn keine Kalkerde darin vorhanden ſey. Ich ſchlug ſie darauf mit fixem Alcali nieder, und erhielt dadurch, ohne die gering⸗ ſte ſich dabey ereignete Aufbrauſung einen weiſſen Praͤci— pitat. Als ſich ſolcher zu Boden geſetzt hatte, ſchied ich ihn durch ein Filtrum ab, und ſuͤßte ihn mit ſattſamem Waſſer vollkommen aus. Nach erfolgter Abtrocknung wog ſolcher 32. Grane. Wegen der eben erwaͤhnten Erſchei— nungen hielt ich ihn fuͤr bloſſe Bitterſalzerde. Als ich ihn aber zur ſichern Pruͤfung in verdunnter Vitriolſaͤure auf, loͤſen wollte, blieb ein ganz weiſſer Ruͤckſtand uͤbrig, der nichts anders als Gips war, und ohngefaͤhr 3. Grane *) Dieſe Kieſelerde ruͤhrte wahrſcheinlich aus dem Steine ſelbſt ber, denn an den gläfernen Gefaͤſſen war keine Anfreſſung zu bemerken. 160 Chemiſche Unterſuchung des Topfſteins. betragen mogte. Um auch darin gewiß zu gehen, ſpuͤhlte ich ſolchen in ein kleines Toͤpfgen, goß 3. Unzen deſtillir⸗ tes Waſſer, nebſt etwas aufgeloͤstem fixem Alcali hinzu, ſetzte das Gefaͤß auf Kohlen und ließ es etliche Minuten lang zuſammen kochen; dann ſchuͤttete ich alles zuſammen auf ein Filtrum von Druckpapier. Darauf blieb jetzt eine weiſſe Erde liegen, welche 2. Grane am Gewichte betrug, ſich in Salpeterſaͤure mit Brauſen auflöfete, und ſich dar— aus mit Vitriolſaͤure wieder als Gips niederſchlug, mithin dadurch deutlich bewies, daß fie aus Kalkerde *) beſtund. Das uͤbrige Gewicht der Bitterſalzerde betrug alſo nicht mehr als 30. Grane. §. 6. Weil es mir aber bekannt war, daß bey Nieder— ſchlagung der Bitterſalzerde ein guter Theil derſelben noch in der Salzlauge zuruͤckbleibt, und ich dieß im gegen— waͤrtigen Falle um ſo mehr vermuthete, weil die nieder— zuſchlagende Lauge vorher ſich ſtark verduͤnnet befand, ſo wurde die von dem vorigen Niederſchlage (F. 5.) abfil, trirte Salzlauge eine Viertelſtunde lang gekocht, und ein Theil davon abgedunſtet, wobey ſie ſich auch wirklich ſehr truͤbte, und noch eine betraͤchtliche Menge Erde abſetzte. Ich ſchied ſolche durch ein Filtrum ab, und fand nach der Ausſuͤſſung und Abtrocknung, daß fie noch 1. Drachma und 28. Grane wog. Sie loͤste ſich hernach wieder in verduͤnnter Vitriolſaͤure mit Aufbrauſung ganz auf, und zeigte ſowohl dadurch, als auch durch den Geſchmack der Aufloͤſung, daß fie nichts anders, als reine Bitterſalz⸗ erde war. §. 7. Da mir aber der Ruͤckſtand (F. 3.) noch zu ſtark gefaͤrbt vorkam, und er alſo noch nicht genug ausgezogen zu ſeyn *) Vermuthlich iſt dieſe Kalkerde mit der vorhin erwähnten Fluß ſpat⸗ ſaͤure verbunden geweſen, und bey der Auflöfung in Vitriolſaͤure erſt zu Gips gemacht worden. / Von Hrn. Oberkaͤmmerer Wiegleb. 161 ſeyn ſchien, ſo brachte ich ihn nochmals in ein Koͤlb— gen, uͤbergoß ihn wieder mit 2. Unzen Salßſaͤure, ſetzte das Glas in den Sand, erhielt es etliche Stunden lang in ſtarker Digeſtion, und ließ zuletzt die Saͤure noch eine Stunde lang darinn kochen. Am folgenden Tage wurde alles mit 6. Unzen deſtillirtem Waſſer verduͤnnt und auf ein Filtrum gebracht. Die durchgelaufene Fluͤßigkeit war noch ſtark gelb gefaͤrbt, der auf dem Filtrirpapier vers bliebene Ruͤckſtand ſahe hingegen jetzt ganz weißlicht aus, und beſtund ſichtbarlich aus einem ſilberfarbigten Glim— mer, der nach der Trocknung noch 5. Drachmen 36 Gra— ne wog. §. 8. Die hierbey erhaltene Extraktion ſchmeckte noch ſtark zuſammenziehend und martialiſch, wurde auch von der Blutlauge noch ſtark blau niedergeſchlagen. Ich troͤ— pfelte daher ſolche ſo lange hinein, als noch ein blauer Praͤcipitat erlangt wurde. Als ich darauf ſolchen von der Lauge abgeſchieden, ausgeſuͤßt und abgetrockuet hat— te, beſtund er ebenfalls aus einem ſchoͤnen Berlinerblau, und wog 42. Grane. $. 9. Die davon abfiltrirte Salzlauge ſahe ganz Waſſer— hell aus, ſchmeckte aber offenbar alaunigt, und als ich eine Aufloͤſung des fixen Alkali hineintroͤpfelte, fiel eine weiſſe Erde nieder, die ich nach dem aͤußerlichen Anſehen wegen ihrer Zarte und Durchſcheinbarkeit für Alaunerde anſehen mußte. Weil es aber bey chemiſchen Unterſuchun⸗ gen nicht erlaubt iſt, nach dem aͤußerlichen Anſchein al— lein zu urtheilen, fo mußte ich fie erſt einer nähern Pruͤ⸗ fung unterwerfen. Ich fuchte deshalb dieſen Niederſchlag aus, und ließ ihn abtrocknen, da er dann 44. Grane wog. Dieſe weiſſe Erde, welche bey der Trocknung et— was hart geworden war, zerrieb ich zart, ſchuͤttete eine Unze verduͤnnte Vitriolſaͤure in einem Koͤlbgen darauf, und ſetzte es etliche Stunden einer ſtarken Digeſtions— Magaz. f. d. Waturk. Zelvetiens. III. B. L 162 Chemiſche Unterſuchung des Topfſteins. waͤrme aus. Die Saͤure wirkte nur mit ſchwacher Auf⸗ brauſung darauf; und endlich erſchien alles einer Gal⸗ lerte ähnlich geronnen. Deswegen ſchuͤttete ich noch 2. Unzen deſtillirtes Waſſer darauf, ſchuͤttelte alles ſehr durcheinander, und goß es zuſammen auf ein Filtrum. Hierbey verblieb auf dem Papier ein gallertaͤhnlicher Rück, ſtand, der nach der Ausſuͤſſung und Trocknung 6. Grane wog, und aus purer Rieſelerde beſtund. Die davon durchgelaufene Fluͤßigkeit vermiſchte ich mit aufgeloͤstem fixen Alkali, wobey eine weiſſe Erde niedergeſchlagen wurde, von welcher man aus dem aͤußerlichen Anſchein ſchon urtheilen konnte, daß ſie Alaunerde war. Dies beſtaͤttigte ſich auch dadurch / daß ſich ſolche, als die Fluͤßigkeit davon abfiltrirt worden war, jetzt gänzlich in verduͤnnter Vitriolſaͤure mit einer kaum merklichen Auf— brauſung aufloͤſete, und daß die Aufloͤſung einen offen⸗ baren alaunigten Geſchmack hatte. Das Gewicht dieſer Alaunerde betrug, aus dem angeführten, nach Abrech⸗ nung der davon abgeſchiedenen 6. Graͤnen Kieſelerde, 38. Grane. N | Anmerkung. Merkwuͤrdig iſt es hierbey, daß etwas Kieſelerde, in Verbindung mit der Alaunerde, durch Salz— ſaͤure aufgeloͤſet worden war. Daß mein gebrauchtes fixes Alkali nicht etwa kieſelhaltig geweſen ſey, das kann man meiner Vorſicht zutrauen. Ueberdies habe ich bey dieſer Niederſchlagung kein anders Mittel gebraucht, als zu den vorherigen und nachfolgenden, wobey dennoch dergleichen Erſcheinung nicht vorgekommen iſt. Sollte vielleicht noch etwas ruͤckſtaͤndig geweſene Flußſpatſaͤure davon Urſache ſeyn? | $. 10. Hierauf nahm ich den noch vorhandenen Ruͤck⸗ ſtand (F. 7.) zu fernerer Prüfung vor, vermiſchte ihn, da die Saͤuren nichts mehr darauf zu wirken ſchienen, mit einer Unze gereinigten Alkali, und ließ das Pulver in einem eiſernen Loͤffel eine halbe Stunde lang ſtark Von Hrn. Oberkaͤmmerer Wiegleb. 163 durchgluͤhen, wobey es zwar zuſammenpakte, aber nicht zur Schmelzung kam. Nach der Erkaltung zerrieb ich die Maſſe zu Pulver, und uͤbergoß ſie mit deſtillirtem Waſſer, um das Alkali von den erdigten Theilen wieder abzuſoͤndern, befreyete auch ſolche durch wiederholtes Aufgießen friſchen Waſſers gaͤnzlich von aller Salzigkeit, und ließ ſie endlich wieder abtrocknen. $. 11. Die eben erwaͤhnte verduͤnnte alkaliſche Lauge muͤßte nunmehro auch gepruͤft werden, ob nicht waͤhren— der Kalzination von dem erdigten Ruͤckſtande etwas aus— gezogen und in die Auflöfung mit uͤbergefuͤhrt worden ſey. In dieſer Abſicht ſaͤttigte ich fie mit Vitriolſaͤure, erhielt aber dabey keinen Niederſchlag; endlich ſetzte ich auch noch etwas uͤberfluͤßige Saͤure zu, aber ohne Erfolg. In— zwiſchen beruhigte ich mich dabey nicht, ſondern fieng an, der geſaͤuerten Salzlauge aufgeloͤstes fixes Alkali zuzuſetzen. Es wurde dies mit einer ſtarken Aufbrauſung begleitet, und beym eingetrettenen Saͤttigungspunkte ers hielt ich einen ſehr feinen durchſcheinenden Niederſchlag, der nach erfolgter Ausſcheidung, Ausfüffung und Trock⸗ nung für nichts anders als Kieſelerde erkannt werden konnte, und 9. Grane wog. Es konnte dieſer Nieders ſchlag weder in Salz-, Salpeter-, noch Vitriolſaͤure wies der aufgelöst werden. Daß ſich die Kieſelerde unter an— gefuͤhrten Umſtaͤnden in der Aufloͤſung erhalten koͤnne, iſt von ihr bekannt genug. $. 12. Nach der vorhin beſchriebenen Vorbereitung der uͤbergebliebenen erdigten Theile durch fixes Alkali (§. 10) wurde die damit kalzinirte Maſſe zerrieben, in eine kleine Retorte geſchuͤttet, und mit anderthalb Unzen konzentrir— ter Vitriolſaͤure, nebſt eben ſo viel deſtillirtem Waſſer uͤbergoſſen, dieſe in den Sand gelegt, und alle Fluͤßigkeit bis zur Troͤckne wieder davon abdeſtillirt. Der Ruͤckſtand in der Retorte wurde alsdann mit deſtillirtem Waſſer 3 164 Chemiſche unterſuchung des Topfſteins. aufgeweicht, alles Salzige dadurch ausgezogen und abs filtrirt. Auf dem Papier verblieb jetzt eine ganz weiſſe Erde, die nach vollkommener Ausſuͤſſung und Trocknung 3. Drachmen, 30. Grane wog. $. 13. Die abfiltrirte ſalzige Lauge (S. 12.) ſchmeckte ſtark vitrioliſch, deswegen ich wieder Blutlauge hinein⸗ tröpfelte, und fo lange damit fortfuhr, als noch dadurch ein blauer Niederſchlag ausgeſchieden werden konnte. Ich erhielt auf ſolche Art abermals, nach Abfiltrirung, Aus⸗ ſuͤſung und Trocknung, ein ſchoͤnes Berlinerblau, am Gewichte 48. Grane. $. 14. Nunmehro ſchmeckte die durchs Filtrum 1 geſchiedene Fluͤßigkeit (S. 13.) rein bitterlich, wie eine reine Bitterſalzaufloͤſung zu ſchmecken pflegt, gab auch bey der Niederſchlagung mit fixen Alkali, ohne die ge⸗ ringſte Aufbrauſung, einen weiſſen Praͤcipitat, der ſchon nach dem aͤußerlichen Anſehen für Bitterſalzerde erkannt werden konnte. Ich brachte alles zuſammen auf ein Filtrum, und ließ ſogleich, wie die helle Lauge durch: gelaufen war, aus dem vorhin (F. 6.) ſchon angeführten Grunde, ſolche uͤber dem Feuer bis zur Haͤlfte abdunſten, wobey ſie ſich ſtark truͤbte, und auch noch eine gute Portion Erde abſetzte, die ſogleich zu voriger auf das Filtrum gebracht wurde. Darauf ſuͤßte ich ſolche zuſam⸗ men vollig aus, und ließ fie. endlich abtrocknen. Sie wog 2. Drachmen 14. Grane, loͤste ſich wieder in verduͤnnter Vitriolſaͤure mit ſtarker Aufbrauſung gaͤnzlich auf, ſchmeck⸗ te dann bitterlich, und bewies dadurch, daß ſie aus rei⸗ ner Bitterſalzerde beſtund. $. 15. Endlich wurde nun noch der letztere unaufgez löste Rückſtand (6. 12.) abermals unterſucht, ob er noch weiter zu ſcheiden ſey, oder aus einer einfachen Erde bes ſtehe, und von welcher Art ſolche ſey? In dieſer Abſicht wurde derſelbe mit einer Unze gereinigten fixen Alkali ** Von Hrn. Oberkaͤmmerer Wiegleb. 165 vermiſcht, und in einem eiſernen Loͤffel nochmals eine halbe Stunde lang durchgegluͤhet „„ ſo lange bis das Pulver zuſammengebacken war, und weich zu werden ans fieng. Nach der Erkaltung zerrieb ich es, und ſchuͤttete deſtillirtes Waſſer darauf. Binnen 24. Stunden war das ganze Pulver bis auf einige Grane eines grauen Eiſen— pulvers, das ohnſtreitig vom eiſernen Löffel herruͤhrte, aufgeloͤſet. Dieſe filtrirte klare Aufloͤſung wurde durch eingetroͤpfelte verduͤnnte Vitriolſaͤure in einen halbdurch— ſichtigen gallertaͤhnlichen Zuſtand gebracht. Es iſt alſo ſowohl durch die gaͤnzliche Aufloͤſung in Alkali, als durch das eigenthümliche Anſehen dieſer Niederſchlagung bewies ſen, daß der aus 3. Drachmen, 30. Granen beſtehende Ruͤckſtand nichts anders als Kieſelerde war. Anmerk. Aus der letztern Prüfung des von den vori gen Extraktionen uͤbergebliebenen Glimmers ($, 7.) von $. 10715, erkennt man beylaͤufig, daß nicht aller Glim⸗ mer aus thonigter Grundmiſchung beſtehe, ſondern daß auch Glimmerarten in der Natur vorhanden ſeyn koͤn— nen, welche die Talk- oder Bitterſalzerde reichlich enthalß ten, und von der thonigten Erde ganz entbloͤßt find. Der beſchriebene Topfſtein ſcheint gerade aus einem ſol— chen talkartigen Glimmer zu beſtehen, der durch eine ge— ringe Portion Thon zuſammengebacken und zu Stein vers haͤrtet worden; dann der Glimmer blieb noch uͤbrig, da ſchon vorher die Alaunerde ausgezogen worden war. $. 16. Hierauf wurde noch, zur richtigen Beſtimmung des reinen Eiſengehalts, das F. 4. 8. und 13. erhaltene Berlinerblau, welches zuſammen 2. Drachmen 28. Grane wog, in einem Schmelztiegel ausgegluͤhet. Es blieb davon ein ſchwarzbraunes Eiſenpulver übrig, das voll⸗ kommen vom Magnet angezogen wurde, und am Ge— wichte 1. Drachme 15. Grane betrug. 9 17. Rechnet man nun die erhaltenen Produkte zus ſammen, ſo findet ſich ein ſtaͤrkeres Gewicht, als ans „ 4 W 166 Chemiſche Unterſuchung des Topfſteins ꝛc. fänglich der zur Unterſuchung genommene Topfftein betra— gen hat. Ich habe nemlich von einer Unze deſſelben erlangt: An Bitterfalzerde, $. 85. — 30. Grane $. 6 1. Dr. 28. — +4, Dr. 12. Gr. — — F. 14. 2. — 14. — — Bieglerde, 5 2. — 8 Ra +. „ — — — F. 15. 3. Dr. 30. — k — Alaunerde, 94. — — ——338.— — Raͤlcherde, §. 5. — — — 2.— — Eiſen, $. 16. — — 1. — 15.— 9. Dr. 54. Ur. Folglich ergiebt ſich hierbey ein Uebergewicht von 1. Drach⸗ ma, 54. Grane, ohne Ruͤckſicht auf den Betrag der Flußſpat⸗ ſaͤure ( $. 2.), die doch auch wohl etliche Grane betragen, haben kann. Zur Erläuterung dieſes Umſtandes muß man aber bedenken, daß die Bitterſalzerde, ſowohl als die Alaunerde, nach der Aus ziehung und Niederſchlagung alle; mal mehr wiegen, als fie in der natuͤrlichen Zufammens ſetzung einer Steinart betragen, weil ſich unter der Nie— derſchlagung eine ſtarke Portion Luft und Waſſer damit verbindet. Ich glaube demnach, daß man das wahre Ver- haͤltnis der Beſtandtheile von einer Unze Topfftein am rich⸗ tigſten folgender Maßen beſtimmen koͤnne, wenn das Ge⸗ wicht der ausgegluͤheten Kieſelerde und des Eiſens zum Grunde gelegt wird. Demnach fiel die Proportion fol gender Maßen aus: Ausgegl. Rieſelerde, nach einer andern Vergleichung, betrug 8 Dr achmen 4. Grane. Eiſen⸗ 4 . 1 Alaunerde — — 32. — Kaldyerde, J — — * Flußſpatſaͤure — 7 2. un Bitter ſalzerde 3. 8 3 8. Drachmen — — Es muß alſo der Topfſtein mit allem Rechte unter bie Talk 5 | oder Speckſteinarten im Mineralſyſtem geordnet werden. Wiegleb. getrönte Breisigrite — 2 über den aaa, Sornfäisfer und Waken z. N — er ä . * . * n 4 9 „ 2 168 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchrift —.. MRBERIER - — Einleitung. * 2 u; N — | Da die Preißaufgabe dahin zielet, „eine richtig be. „ſtimmte, der Natur der Steinarten angemeſſene Ein⸗ „richtung, Benennung und Beſchreibung aller derjeni⸗ „gen Gebirgsarten , die jetzt unter den Namen von „Hornfehiefer, Tonſchiefer und Wade bekannt find, „und allen in dieſe Klaſſe einſchlagenden Gebirgsarten zu verfertigen — ſolche durch deutſche und lateini⸗ „ ſche Trivialnamen genau zu beftimmen , und Ge „burtsort und Lokalbenennung anzufuͤhren: „ So wird es nothwendig ſeyn, daß ich zuerſt meine Meinung über die Natur, und einer ihr entſprechenden Ein⸗ theilung der Steinarten uͤberhaupt eröffne, ehe ich zu der Eintheilung der obgenannten insbeſondere ſchreite. Wir mögen alle Foßilien, die man nur in unſern Welttheilen irgend entdeckt, ſo genau betrachten, als wir wollen, ſo laͤßt ſich doch an allen von folgenden 2. Haupfeigenfchaften bemerken. Hiernaͤchſt find fie nem⸗ lich — ſolche, die, 1.) Entweder nur in ihrer ganzen Maſſe einerley Gattung einfacher “) Steinarten enthalten, daher das *) Einfach: aber nicht in dem Sinn genommen, wie Herr Haidinger es annimmt; denn iu dieſem iſt es ein Unding. Er ſagt: (Syſtemat. Eintheil. der Gebirgsarten. Wien 1786. gleich vorne in der Einleitung): „Die Steinarten, aus denen die Ge⸗ „birge entſtehen, find entweder ihrer Zuſammenſetzung nach ganz „ leichfoͤrmig, das iſt, der ze Stoff des Geſteins iſt eine „der einfachen Erden, wie 3. Beyſp. Kalchgebirge aus ſchuͤp⸗ „pigen oder dichten Kalchſtein, aus reinem Tonſchiefer ze. oder fie „find gemiſcht u. ( w. „ Allein weiß denn Herr Haidinger ui. RE * : a 17 Auer den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 169 A Auge nichts ungleichartiges mehr in ihnen wahrnemmen, ch der Analytiker, ohne chemiſche Hilfsmittel, Beſtand— theile derſelben darſtellen kann; und ſolche Foßilien A nenne ich mineralogiſch⸗ einfach, oder | 2.) Es laffen fich in einem Foßil zwey oder mehrere von einander verſchiedene Beſtandtheile nicht nur mit den Aus gen bemerken, ſondern auch durch blos mechaniſche Mittel ſchon von einander trennen, und dieſe find zu: ſammen gehaͤuft. Die Verbindung der unter einander vereinigten nähern Beſtandtheilen eines Foßils der er; ſten Art iſt eine Miſchung (Mixtio) und zu ihrer Wirk— lichkeit gehört eine chemiſche Verwandſchaft der Beſtand— theilen. Aber die Verbindung der naͤhern Beſtandtheilen eines Foßil's der letztern Art unter ſich, iſt eine Zus ſammenhaͤufung oder Gemenge (Aggregatio, accumu- atio). Es iſt alſo klar, daß ein großer Unterſchied uns ter einem Gemenge und einem Gemiſche obwaltet, und daß diejenigen Mineralogen, welche ihn nicht gehoͤrig in Acht nehmen, eine ſehr fehlerhafte Sprache reden, die ſie damit zu bemaͤnteln glauben, wenn ſie Herrn Wer— ners, und anderer Praͤziſion im Ausdruck fuͤr Mikrologie erklären. An ihren Fruͤchten find fie zu erkennen. Mit den Erd⸗ und Steinarten hat es noch eine ganz eigene Bewandtniß. Es giebt manche darunter, die nur unbetraͤchtliche Theile unſers feſten Erdkoͤrpers ausma— chen, ohne ganze Lagerſtaͤdte zu bilden, und in ſo fern ſie nur einfach ſind, ſind ſie der Gegenſtand der Oriktognoſie, die von den mehreſten (ſchlechthin) Mi— neralogie genannt wird, und dtieſe allein giebt ſich mit ihrer Klaßifizierung ab. Andere hingegen machen auch nicht, daß in beyden Arten des Kalkſteins außer der Kalcherde noch Luftſaͤure und Cryſtalliſations⸗Waſſer, oder in dem reinſten 5 Tonſchiefer, Kieſelerde mit reiner Tonerde, ja ſelbſt wohl mit Bitterſalz und ein wenig Eiſenerde gemiſcht If? N 170 D. L. Guſt. Karſten / gekrönte Preisſchrift ganze Lagerſtaͤtte einzelner Berge, oder gar ganzer Ge— birge aus. Begreifen die Namen der Foßilien dieſer Art nur ſolche, die einfach, alſo kein Gemenge ſind, ſo muͤſſen felbige ihrer Natur nach auf zweyfache Art klaßi⸗ fiziert werden; einmal, nemlich von den Oriktognoſten⸗ Mineralogen in mehrerem Verſtande; und zweytens von den Geognoſten — Gebirgskundigen. Werden hingegen ſchon Gemenge darunter verſtanden, fo find ihre näs hern Beſtandtheile, — die einfachen Gattungen nemlich, welche zuſammen genommen das Gemenge ausmachen, ſchon ein Gegenſtand der Oriktognoſie, fie ſelbſt aber bleiben blos den Geognoſten unterworfen. Da der Oriktognoſt ſich blos mit mineralogiſch⸗einfa⸗ chen Foßilien ahgiebt, fo koͤnnen nur die chemiſchen Be ſtandtheile ſeine Wegweiſer ſeyn, wornach er die Foßi⸗ lien in Klaſſen, (Claſſes) Ordnungen, (Ordines) *) Fa⸗ milien (Familias) und Gattungen (Genera) eintheilen ſoll. Die fernere Eintheilung in Arten und Abaͤnderungen werden durch aͤußere Kennzeichen beſtimmt; und auch hier ſollte man Herrn Werners feſtgeſetzte Annahme be⸗ folgen, daß man Foßilien von einerley Gattung — (die alſo einerley chemiſche Beſtandtheile haben), nur denn in mehrere Arten theilen ſoll, wenn es ſolche unter ihnen giebt, die in mehr als drey aͤußerlichen Kennzeichen von einander abweichen. Nur durch ſolche genaue Be⸗ ſtimmungen laͤßt ſich das Willkuͤrliche und Schwanken⸗ de des groͤßten Theils der heutigen Oriktognoſten, vermeiden. Anders verhaͤlt es ſich mit dem Gebirgskundigen; er bekuͤmmert ſich nur um die Beſtandtheile der gemengten Foßilien; und auch nur in ſo fern „als die Verſchieden⸗ heit der Lagerſtaͤtten der Gebirge ihn dazu auffordert — *) Dieſe Abtheilung ſcheint, jedoch nicht durchgehends nothwendig b zu ſeyn, die andern drey ſind es hingegen beſtaͤndig. über den Tonſchiefer, Hornfchiefer ꝛe. 171 wenn er ein guter Gebirgskundiger iſt. Weder bey den Haupteintheilungen, noch bey Betrachtung der Gattun— gen, darf er Aufſchluͤſſe der chemiſchen Zergliederer er— warten. Bey jenen muß ihm die Natur im Großen, bey dieſen ihre Theile an die Hand gehen. Den Beweis dieſes Satzes wird jeder finden koͤnnen, der auch nur wenig Beobachtungen im Innern der Gebirge anzuſtellen thaͤtige Gelegenheit gehabt hat. Ein ſolcher wird mir zugeben, daß das Verhalten der verſchiedenen Lagerſtaͤtte ſich nicht daran kehrt, ob das Foßil, woraus ſie befte; hen, einfach, oder ob es gemengt ſey. — Ich kann daher Herr Zaidingers ) Haupteintheilung nicht beytreten, da ſie von einem falſchen Geſichtspunkte ausgeht; und das iſt in der That um ſo mehr zu ver— wundern, weil er ſich an einer andern Stelle ) ziem— lich richtig über den Unterſchied feiner oriktognoſtiſchen und geognoſtiſchen Klaßifizierung erklaͤrt, und Lage im Verhaͤltniß mit den anliegenden Gebirgsarten, Entſtehung und wahrſcheinliches Alter bey letzterer empfiehlt. Daß die Ruͤckſicht, welche einige bey den Gattungen der gemengten Gebirgsarten auf ihre chimiſchen Beſtand— theile nehmen, ganz zweckwidrig ſeye, laßt ſich ebens falls ſehr leicht darthun, ſo fern dieſe nemlich zu chimi— ſchen Analyſierungen gemengter Foßilien auffordert; denn ein Foßilg das z. B. aus drey einfachen Foßſlien gemengt iſt, bleibt immer daſſelbe, (als Gattung betrach— tet, und nicht als Abänderung) einer feiner Beſtand-. theile mag mit den andern beyden zu gleichen Theilen, oder drey, vier, fuͤnf ꝛc. mal haͤufiger darinne ſeyn, als die beyden andern, die ebenfalls wieder zu gleichen oder ) An angefuͤhrtem Orte, S. 2. 17) A. A. 3. S. 3. 4. 2 72 D. L. Guſt.Karſten, gekrönte Preisſchrift ſehr ungleichen Verhaͤltniſſen mit einander verbunden ſeyn koͤnnen; wann ſich ſonſt in den Lagerſtaͤtten, ſelbſt in Ruͤckſicht ihrer Lage, der Merkmale ihres Urſprungs und Alters nichts aͤndert; ſo bleibt Granit immer Granit, er mag Glimmer, Feldſpat und Quarz zu gleichen Theilen haben, oder der Glimmer mag 6. mal haͤufiger darinne ſeyn, als Quarz und Feldſpat zuſammen genommen, oder der Quarz mag 6. mal haͤufiger ſeyn, als der Glimmer und Feldſpat ꝛc. Bey chemiſcher Unterſuchung eines Stucks Granits der letztern Abaͤnderung aber, wird man offenbar, wenigſtens 6. mal mehr Kieſelerde er⸗ halten, als bey einer mit Stuͤcken beyder erſten Abaͤn⸗ derungen; denn die Beſtandtheile des Ganzen muͤſſen doch wohl der Summe der Beſtandtheilen der Theilen gleich ſeyn? Und wer hiernach klaßifizieren wollte, wurde alle 3. Abaͤnderungen zu 3. beſondern Gattungen zu machen genoͤthiget ſeyn, gleichwohl haͤlt kein vernuͤnftiger Mine⸗ ralog ſelbige im Weſentlichen fuͤr verſchieden. Und ver⸗ folgen wir dieſes nur einen Schritt weiter, ſo iſt klar, daß, wer die Gattungen der Gebirgsarten nach chemi⸗ ſcher Analyſie beſtimmen wollte, aus jedem Individuo eine beſondere Gattung machen muͤßte, da ſchlechter⸗ dings kein einziger gemengter Stein mit einem andern völlig in dem Verhaͤltniß der Beſtandtheile des Gemenges uͤbereinkoͤmmt, es alſo doch nie nach den Chimiſchen ein; theilen kann, da dieſe von jenen abhaͤngen. Nun darf ich doch wohl hoffentlich jedem Leſer den Schluß auf die Zweckwidrigkeit einer ſolchen Klaßifikation uͤberlaſſen, die uns noͤthigt jedes Individuum zu analyſieren, wenn jedes eine eigene Gattung iſt. Dem bisher vorgetragenen iſt es alſo ganz gemaͤß, wenn die Oriktognoſten und Geognoſten zwey ganz ver- ſchiedene Wege einſchlagen; jener, den der Bunſt vereint MH mit dem der Natur, und dieſer den letzten allein, nem⸗ * uͤber den Tonſchiefer, Hornſchiefer ie. 173 lich den Weg der Natur. Und es iſt daher nur ein Schein, widerſpruch, wenn die, Geognoſie Foßilien unter einer; ley Gattung begreift, die die Oriktognoſie von einander abſoͤndert / wie aus dem folgenden noch deutlicher erhel⸗ len wird. Dem, der beyder Zweck kennt, ſchwindet auch jeglicher Gedanke des Widerſpruchs hierdey. Aber er weiß auch, daß der Geognoſt ſich auf Oriktognoſie fügen muß, wenn er ein geſunder Gebirgskundiger ſeyn will. Dieß vorausgeſchickte wird nun hoffentlich meinen vor— habenden Zweck ſehr erleichtern. Denn es dient erſtlich die Methode zu rechtfertigen, welche ich bey Unterſuchung der vorgelegten Frage zum Grund legen, und uͤber wel— che ich mich gleich noch etwas mehr auslaſſen werde; ſo dann hoffe ich auch daß man dadurch in den Stand ge— ſetzt wird, mich leichter zu verſtehen, und meine wahre - Meinung zu faſſen. Ich brauche mich auch nicht mehr ſo ſehr bey den Kleinigkeiten aufzuhalten, und kann mich alſo etwas kuͤrzer faffen, als ohne ſelbige; und zuletzt iſt es eine unmittelbare Vorbereitung zu Beantwortung der Frage, die ein Theil der ganzen Aufgabe iſt: Worinn beſtehet die Natur unſerer 3. angefuͤhrten Foßilien, und wie muß nun die ihr angemeſſene Klaßifikazion derſel⸗ ben beſchaffen ſeyn? So viel kann ich ſchon vorlaͤufig ſagen, da man die Beſtaͤtigung in dem Einzelnen in der Folge finden wird, daß dieſe 3. Foßilien die 2. Eigenſchaften miteinander gemein haben, nach welchen ſie Itens. Ganze Lagerſtaͤtte, theils der Berge, theils der Gebirge ausmachen, und N ztens. Einfach im mineralogiſchen Sinn — find, weil die Foßilien, die man nicht ſelten in ihnen eingemengt findet, nicht zu ihrem Weſen gehoͤren, ſondern ganz zu— fähig in dieſer Ruͤckſicht find, . FR 174 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchriſt Hieraus entſpringen, (wenn ich bey jedem . ge⸗ zeigt haben, welches das wahre Foßil dieſes Namens unter den fo mannigfaltig angeführten Falſchen ſey) / die zwo Pflichten fuͤr mich, jedes dieſer Foßilien erſt oriktognoſtiſch, denn aber geognoſtiſch zu betrachten. Daß ich, was die Driftognofie betrift, Hen. Werners ſchon als vortreflich anerkannte Methode befolgen werde, bedarf wohl erſt keiner Erwaͤhnung; allein auch da, wo es auf Gebirgskunde ankoͤmmt, werde ich die Hauptein—⸗ theilung befolgen, welche dieſer große Gelehrte in ſeiner, in dieſen Jahren bekannt gemachten Abhandlung uͤber die Gebirgsarten ) zum Grunde gelegt hat. Ich theile daher mit Hrn. Werner alle bekannte Gebirgsarten in 4. Klaſſen, in Uranfaͤngliche, Floͤz, Vulkaniſche, und auf⸗ 8 geſchwemmte Gebirgsarten, nachdem die Gebirge, in des nen ſie brechen, die Merkmale der aͤlteſten Entſtehung, einer juͤngern auf naſſen Wege, der auf trockenen We⸗ ge / und der juͤngſten aus naſſen Wege, an ſich haben. Ich befolge dieſe Eintheilung um ſo lieber, da ich nicht nur das Anſehen zwey *) unſerer größten Mineralogen vor mir habe, ſondern meiner Meinüng nach hat auch * Kurze Klaßification und Beſchreibung der verſchiedenen Gebirgs⸗ arten von A. G. Werner, Dresden, 1787. Jeder patriotiſche Liebhaber der Wiſſenſchaft wuͤnſcht Herrn Werner hinlaͤnglich Muße zu einer baldigen vollſtaͤndig ausfuͤhrlichen Egoanofie, die wir aͤußerſt bedürfen. *) Auch Herr Voigt in Weimar tritt in der Hauptſache dieſer Eintheilung bey, wie man fich aus feinen 3. Briefen über die Gebirgslehre, (Weimar 1788; es it die zte Auflage) in dt; ren eine Gedraͤngtheit im Ausdruck herrſcht, der fich wenige un⸗ ſerer gleichzeitigen mineralogiſchen Schriftſtellern ruͤhmen koͤnnen, überzeugen kann. Er rechnet zwar die aufgeſchwemmten Ge⸗ birgsarten mit zu den Floͤzgebuͤrgen; allein der Unterſchied die⸗ fer beyden Gebirge iſt auch in ver That oft ſo unmerklich, daß ich faſt geneigt waͤre, ihm hierinn zu folgen. 4 5 0 5 * über den Tonſchiefer/ Hornſchiefer ꝛc. 175 dieſe Eintheilung am wenigſten Gewagtes; Herr Zai⸗ dingers Eintheilung hat im Gegentheile deſto mehr Ge wagtes, er haͤlt Granit fuͤr das Grundgebirge aller übrigen „und traͤgt dieſe Meinung viel zu entſchieden vor, wann er ſagt: Haller, von Born, Ferber, Char⸗ pentier, Pallas, Tilas bekraͤftigen es, und mehrere andere ). Pallas fand gerade das Gegentheil. Nach feinen Beobachtungen) war auf dem Altaiſchen Gebirge, bey dem Dorf Schemanaicha, Granit auf Tonfchiefer aufgefegt: Und doch hat Herr Zaidinger nirgends ges gen die Aechtheit dieſer Beobachtung was eingewendt. Diejenige Art des Granits, welchel ſtatt des Glimmers Zornblende enthaͤlt, hat Herr Haidinger ebenfalls als Abert des Granits, der als Grundgebirgsart jeder an. dern Gebirgsart anzuſehen ſey, angefuͤhrt; und doch findet ſich, wie ſchon Herr Werner angezeigt hat, an mehrern Orten des ſaͤchſiſchen Erzgebirges dieſer Gra— nit auf Tonſchiefer, Glimmerſchiefer, Gneiß ꝛc. auf geſetzt. Auch eigene Betrachtungen haben mich von die— fer Wahrheit, beſonders zwiſchen Meiſſen und Freyberg, uͤberzeugt, wo man dieſes in großen Strecken beobach— ten kann. Wir wollen nun von dem Allgemeinen zum Beſondern ſchreiten, und in dreyen Abſchnitten die drey kritiſchen Foßilien ſo behandlen, als ich glaube, daß man es thun muß, um der Aufgabe, wo moͤglich, ein Genuͤ— gen zu leiſten. Der Tonſchiefer fol den Anfang ma⸗ chen, ihm wird der Zornſchiefer und zuletzt die Was ke folgen. W.) A. d. O. S. 7. **) Pallas Reiſe durch ve rſchiedene Provinzen des Roͤm. Reichs, 2. N 2. B. S. 317. 520. 4 176 D D. L. Guſt. Karſten, n a Iſter Ab chunt. Vom Thonſchiefer. en | Oogleich der Thonfchiefer (Argilla- Schiftus Wern. ) eine der gemeinſten Steinarten iſt, fo iſt es ihm doch wie meh— rern feiner Bruͤder darinn ergangen, daß er vielfaͤltig verkannt, ſonderbar abgetheilt und aus bloß zufaͤlligen Urfachen verſchiedentlich benannt if, Herr Wallerius nennt dieſe Gattung uͤberhaupt Schiefer (Schiſti, Lapides Fiſſiles) und theilt ſelbige in Io. Arten ein.) Was dieſe Nennung uͤberhaupt anbetrift, ſo iſt ſie zu unbeſtimmt, indem ſie nur eine gewiſſe Art des breitblaͤttrigen Bruchs anzeigte, der mehrern Foßilien von ſehr verſchiedenen Bez ſtandtheilen zukommt. Daher entſtehen dann auch die Fehr ler, daß ſolche ſehr von einander verſchiedene Foßilien als Arten von viererley Gattung betrachtet worden. Herrn Wallerius Eintheilung in Io, Arten iſt ganz un⸗ brauchbar, denn dieſe ſind alle von der Beſchaffenheit, daß man ſelbige entweder als bloſſe Abaͤnderungen, eis nerley Gattung und Art betrachten muß ), oder fie find in den Beſtandtheilen fo verſchieden, daß fie nach heu⸗ tigen Claßifications-Grundſaͤtzen kaum mit dem eigentli⸗ chen Thonſchiefer unter einerley Familie, geſchweige denn unter einerley Gattung gerechnet werden fünnen, Walleri Thonſchiefer (Schiſtus menſalis, Spec. 156. ); Dachſchiefer (Ardeſia tegularis, Sp. 157.); Fetter Schie⸗ fer (Sch. pinguis, Sp. 189.); Weicher Schiefer (Sch. fra. gilis, Sp. 160.); Grober Schiefer (Sch. durus, Sp. 161.) bewei⸗ * ) Syftema mineralogicum à Jo. G. Wallerius, T. 1 pag. 329. ** Man erinnere ſich hiebey deſſen, was ich oben uͤber die ion . der Arten in der Oriſtognoſie geſagt habe. - 7 \ über den Thonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 177 beweiſen den erſten. Sein Probierſtein (Lapis Lõydius, Sp. 157.) Wetzſtein (Coticula, Sp. 158.); Die ſchwarze Kreide (Schiftus Nigrica, Sp. 162,); und der Bohlſtein (Sch. Carbonarius, Sp. 163.) Die Namen Tafel- und Dachſchiefer ſind bloß von dem Gebrauch einiger Abaͤnderungen hergenommen. Und der letztere iſt um fo uͤbler angebracht, da mau auch zuweilen den Glimmerſchiefer (der aus Glimmer und Quarz in ſchiefrigem Gemenge beſteht) wenn er ſich gut ſpaltet, hie oder da dazu braucht. Und das mochte auch wol Hrn. Waller veranlaffen, Kronſtedts Saxum compofitum mica quarzo, & forſan argilla martiali Y, welches ſchlechterdings nicht zum reinen Thonſchiefer ( und ein folcher muß der wahre Dachſchiefer ſeyn) gerechnet werden darf, hiebey aufzuführen. Die Namen fetter, weicher und grober Schiefer ſind bloß von den aͤuſſern Kennzeichen des An— fuͤhlens, der Haͤrte und des Bruchs hergenommen, die keine beſondere Art beſtimmen koͤnnen, da ſie nur einzeln darzu veranlaßt haben. Bey der in der Folge zugeben— den aͤuſſeren Beſchreibung des Thonſchiefers wird man auch ſehen, daß dieſe voͤllig darin enthalten ſind. N Der Probierſtein gehoͤrt nicht zu dieſer Gattung, wie ich mich bemuͤhen werde im folgenden Abſchnitt darzu⸗ thun, wo ich auch beſtimmter von ſeinem Platze in einem oriktognoſtiſchen Syſteme reden kann. Sein Wetzſtein ſcheint nicht der wahre zu ſeyn, wel— chen man aus der Levante erhaͤlt, ſondern theils zu dem Probierſtein, theils zu dem Tafelſchiefer zu rechnen und bloß in Ruͤckſicht des Gebrauchs, der mit dem des eis gentlichen Wetzſteins — den Wall. weiter vorne unter den Sandſteinen anfuͤhrt — uͤbereinkommt — dieſen Nas ) Wallerins a. a. O. S. 352. Magaz. f. d. Naturk. Belvetiens III. B. M N ge 4 * . 178 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchrift men von Arbeitsleuten erhalten zu haben, und deswegen beſonders mit aufgefuͤhrt zu ſeyn. Die Schwarze Kreide, welche auch ſonſt unter dem Namen Zeichenſchiefer vorkommt, iſt zwar noch nicht hin⸗ laͤnglich genau unterſucht, allein ihr Aeuſſeres verraͤth ſchon zu ſehr das Daſeyn anderer Beſtandtheile, als der wah— re Thonſchiefer enthalt, z. B. das Brennbare ꝛc. ꝛc. als daß ſie in der Oriktognoſie dieſen untergeordnet werden koͤnnte. Noch weniger kann dieß der Fall mit dem Kohlſtein, der auch unter dem Namen Brandſchiefer bekannt iſt, ſeyn, da er ſchon ſo viel Erdoͤhl enthaͤlt, daß er zwiſchen gluͤhenden Kohlen mit einer Schwefelflamme brennet. Die letzte Art, die er unter den Namen Schiefer-Niere (Sch. reniformis, Sp. 164. *) auffuͤhrt, ſcheint eine Abaͤn⸗ derung des bituminoͤſen Mergelſchiefers zu ſeyn, theils gehoͤrt ſie wol zum Alaunſchiefer, wie die kugliche, deren Geburtsort Andrarum ſeyn ſoll. Der Hr. Geh. Oberfinanzrath Gerhard bedient ſich an | des allgemeinen Namens Schiefer für Thonſchiefer “). Es iſt fein zoſtes Geſchlecht, da er hierunter das gewoͤhn⸗ lich verſteht, was Waller und Werner Gattung nennen, daher denn Gerhards Gattung gewoͤhnlich Werners Art iſt. * Er theilt fie ““) in 6. Gattungen: den Schreibſchiefer (Schiſtus Scriptorius); dicker Schiefer (Sch. craflus); Roh- lenſchiefer (Sch. carbonarius); weichen Schiefer (Sch. mollis); Wuͤrfelſchiefer (Sch. Rombeus ), und Zorn⸗ ſchiefer (Sch. Corneus.) Der Schreibſchiefer (Iſte Gattung) enthaͤlt wieder den *) A. a O. p. 360. zeit) Gerhards Grundriß des Mineralſyſtems, Berl. 1786. Bepkr. zur Chymie und Geſchichte des Mineralreichs I. Th. S. 335. AR) In den angef. Beytr. von S. 335. — 345. über den Thonſchiefer, Hornſchiefer x. 179 Tafel⸗ und Dachſchiefer; die 2te Gattung, den Drobiers ſtein, Wetzſtein, das Todt liegende und die (mansfeldi⸗ ſche) Oberberge; die 4te Gattung, den eigentlich weichen Schiefer und den Zeichenſchieſer. In wie fern dieſe Eintheilung mit den Grundſaͤtzen der Oriktognoſie uͤbereinſtimme, brauche ich nicht mehr weit— laͤufig zu ſagen, da man vieles davon aus der Beleuch— tung der Walleriſchen Eintheilung ſchon weiß, alſo nur wenige Bemerkungen uͤber die Abweichungen von Wal⸗ lerius. Das ſogenannte Rothe Todt-Liegende iſt dasjenige Geſtein, welches in den Steinkohlenwerken des Saalkrei⸗ ſes im Herzogthum Magdeburg ſich unter den Steinfohs lenfloͤtzen befindet, und die Anzeige iſt, daß in weiterer Tiefe, keine Kohlen mehr zu hoffen find, Es iſt ein Sands ſtein, der auſſer den Quarzkoͤrnern, die im thonigen Brandmittel liegen, noch einen gemengten Glimmer enthaͤlt; das Ganze hat ein ſchiefriges Anſehen, (ſo daß es leicht für eine Art Thonſchiefer zu halten iſt, wenn man nicht ſehr genau das Gemenge unterſucht) und eine rothe Farbe— Oberberge iſt der Trivialname, den die Bergleute auf Kupfer⸗Schieferfloͤtzen, der angeführten Art des Schie— fers an mehrern Orten zu geben pflegen. Namentlich in der Grafſchaft Mansfeld und Hohenſtein. In dem erſt neulich erſchienenen Grundriſſe des Herrn Gerhards iſt dieſe Eintheilung etwas abgeaͤndert *) der Hornſchiefer iſt hiebey mit Recht gar nicht unter den Ars ten des Schiefers erwaͤhnt, da der in den Beytraͤgen eine bloſſe Abaͤnderung des Thonſchiefers war, der jener Na me nicht zukommt, und der eigentliche Zornſchiefer in allen Faͤllen, an einen beſondern Ort e wie man in dem folgenden Abſchnitte ſehen wird 1 ) S. 103. daſelbſt. * 180 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchrift N Hingegen wird hier das Wort Thonſchiefer zu ſehr eingeſchraͤnkt, wenn es den Schiefer bedeuten ſoll, der einen weiſſen Strich giebt) und denn mit dem Tafel⸗ ſchiefer ſynonimiſch genommen wird. Der Probierſtein und Brandſchiefer ſtehen noch als Arten des Schiefers da. Ferner findet ſich eine andere Art unter dem Namen Erzſchiefer. Er giebt als Karakter an, daß er ſich nicht in Tafeln ſpalten lieſſe; es wird alſo der damit gemeint ſeyn, welcher in langſplittrige Bruchſtuͤcke ſpringt, ohne daß die uͤbrigen aͤuſſern Kennzeichen verſchieden waͤren, daß er Erz⸗fuͤhrend iſt, qualificirt ihn nicht zu einer eis genen Art, da die Oriktognoſie hierauf gar nicht Rück ſicht zu nehmen, und anderer Thonſchiefer une; Eigen⸗ ſchaft hat. Mit der groͤſſeſten Verwunderung findet man den Trapp als eine Art des Schiefers mit angefuͤhrt, hiezu kann wol nichts als die Namen Schiftus trapezius, oder Saxum tra- pezum Anlaß gegeben haben, worunter im erſten Falle der ſogenannte Wuͤrfelſchiefer, im letztern aber freylich die eigentliche Trapp verſtanden zu werden pfleget, deſſen Verhalten aber viel zu weit entfernt iſt von dem des Thon— ſchiefers, als daß er mit hierzu gerechnet werden duͤrfte. Sindeffen mag Herr Gerhard vielleicht des Wallerius Corneus trapezius (Sp. 172.) der bey dieſen jedoch unter den Hornſteinarten ſtehet “) auf dieſe Idee gebracht has ben. Auf ähnliche Art iſt fein Schieferfelsſtein * (Sa- xum Schiftofum mica mixtum [ adgregatum ]) nicht hierzu, ſondern zu der Gebirgsart zu rechnen, die den Glimmer⸗ ſchiefer fuͤhrt, wie ſchon die lateiniſche Benennung des Herrn Verfaſſers erlaͤutert. Bey Herrn Fibig iſt die Eintheilung des Schiefers der ) A. a. O. S. 103. *) Wall. Syſtem. T. I. p. 375. *) Gerhards Gruͤnde. S. 147. über den Thonſchiefer, Hornſchiefer ie. 181 des Hrn. Gerhards, die ich zuletzt anführte, ſehr aͤhn, lich.) Der Trapp, der Brandſchiefer ꝛc. find z. B. ebenfalls Arten deſſelben. | Hr. Gmelin bedient fich zwar in dem feinem Buche h vorgeſetzten Syſteme des Namens Thonſchiefer, bey der Gattung der Steine, bey denen die Alaunerde den groͤß— ten Antheil hat; allein in denen den 191 —207. findet man doch die Namen: Dachſchiefer, Tafelſchiefer, Ro⸗ thes Liegendes, Wuͤrfelſchiefer , Kohlenſchiefer, Brands ſchiefer, weiſſer Schiefer, grober Schiefer, feſter Schie— fer, Floͤtzerz, ſchwarze Kreide, Probierſtein, Schleif— ſtein und Hornſchiefer fo angebracht, daß man ſchlechter⸗ dings ungewiß iſt, ob Er alle davon, als Arten des Thonſchiefers, oder als eigene Gattungen, oder bald als dieſes bald als jenes betrachtet. Daß dieſe Zuſam— menſtellung ſehr fehlerhaft ſey, weiß man ſchon aus dem Vorigen, da ich es bey Eintheilung des Wallerius gezeigt habe, und ich will nur noch bemerken, daß Gmelins gro— ber Schiefer mit zu Gerhards Erzſchiefer, fein feſter Schiefer zum Zornſchiefer und fein Slögerz zu des Wol⸗ lertus Schieferniere zu rechnen iſt. Auch in Herrn Rirwans Mineralogie findet man von Thonſchiefer wenig Beſtimmtes, wenn man es nicht ſehr aͤngſtlich herausſucht, fo viel laͤßt fich indeſſen erſehen, daß die öte Gattung feines Thongeſchlechts, welche er Dach— ſchiefer *) nennet, mit dem wahren Thonſchiefer übers einkommt, denn er theilt ihn in folgende 4 Arten“) ein. Blaulicher Purpurſchiefer, Blaſſer ſchwachpurpurfar⸗ ) Joh. Fibigs Handb. der Mineralogie, Frankfurt am Mayn 1787. *) Siehe Fr. Gmelins Einl. in die Mineralogie, Nürnberg 1780. %) Anfangsgr. der Mineralogie von R. Kirwan. Aus dem Engl. überſ. Herausgegeben von D. L. Crell, Berl. 1785. **) Hrn. Kirw. Abaͤnderungen kommen mit Hrn. Werners und ans derer Arten uͤberein. 182 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift bener oder blaͤulicher Schiefer, blauer Schiefer, dun: felblauer Schiefer (Schiſtus Scriptorius) die groͤßtentheils nur in der Farbe oder einem andern aͤuſſerlichen Kennzei⸗ chen von einander abweichen. Zwar findet ſich noch die Iſte Art der gten Gattung bey ihm unter dem Namen des thauigten Schiefers, welchen man dem Namen nach fuͤr den wahren Thonfchiefer halten koͤnnte. Allein aus der Be ſchreibung ficht man, daß dieſer zu keiner beſondern Gattung gehoͤrt, da er theils zu den vorigen zu rechnen, theils in ſolcher, und nur mit Sand vermengt iſt, oder wohl gar mit Hrn. Gerhards rothem todt- liegenden — die Farbe ausgenommen — uͤbereinkommt. . Der Name Dachſchiefer iſt für die Gattung allerdings ſehr unſchicklich, da er eigentlich nur wenigen Abaͤnde⸗ rungen des Thonſchiefers zukommt, die gerade zum Des cken der Gebaͤuden gut zu gebrauchen ſind, wenn man ihn in eigentuchem Verſtande nimmt; allein Mineralogen, denen es gerade nicht auf richtige Beſtimmung und Bedeu— tung der Worte ankommt, brauchen diefen Ausdruck weis er fuͤr manche andere Steinart, die von Dachſchiefer ſehr verſchieden iſt, wie ich ſchon weiter oben des Glimmer— ſchiefers als eines Beyſpiels Erwaͤhnung gethan habe, das giebt denn zu ſolchen Veraͤnderungen und Unrichtigkeiten Anlaß, wovon manche mineralogiſche Schriften noch wimmeln, Unter dem kritiſchen Namen Rillas kommt in Kirwans Mineralogie ) noch ein Foßil vor, welches nach Hrn. Hawkins Nachrichten *) ein grauer Thonſchiefer iſt. Der Name, welchen die Kornwalliſchen Bergleute dieſer Steinart geben, mochte wol Hrn. K. verleiten, fie für et⸗ was anders als Thonſchiefer zu halten, und unter den Hornblenden aufzuführen, womit aber ihre Beſtandtheile *) S. 103. *) Krells Beytr. zu der chem. Annal. 1786. St. 2. f über den Thonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 183 — wenn man vorausſieht, daß Hr. K. etwa ein Gemen— ge unterſucht hat — ſeinen eigenen enen zufolge kei⸗ neswegs uͤbereinkommen. Manche erkennen den Unterſchied des Schieferthons (auch Kraͤuterſchiefer) vom Thonſchiefer, und Hr. Walle⸗ rius hat ihn doch ſchon unter dieſen Namen angeführt ) und recht gut beſchrieben. Daß er allerdings mit dieſen verwechſelt worden, davon will ich nur ein paar deutli— che Beyſpiele anfuͤhren. Hr. Gmelin fagt vom Thonſchie— fer *); ſehr oft findet man Verſteinerungen von Kraͤut ern und Fiſchen darinnen, und hiebey ſchließt er die Worte in Klammern, Arauterfihiefer, Fiſchſchiefer. Jenes iſt offenbar kein anderer als der Schieferthon. Freylich iſt es noch uͤbler, daß erifogar den bituminoͤſen Mergelſchie⸗ fer mit hieher rechnet, denn ſonſt wuͤßte ich nicht, was ſein Fiſchſchiefer ſeyn ſollte? So auch Hr. Ferber an einigen Stellen ſeiner Schrif— ten: bey Whithaven ſagt er *) ſey das Gebirge gruͤn— gelblichter Schiefer mit Steinkohlen. Die letztern zeigen aber ſchon, daß es kein anderer als Schieferthon ſeyn kann; an einem andern Orte ****) redet er von ſchwar— zem Thonſchiefer mit vielen Abdrücken auf Steinkohlen, welches wieder Schieferthon iſt, der aber aus ſeiner ſchwar— zen Farbe zu erkennen giebt, daß er ſich fhon dem Brands ſchiefer ſehr nähert. Und der Schieferthon ſcheint mir doch nicht nur ſehr leicht von jenem — ſchon dem aͤuſſeren nach — unterſcheiden werden zu koͤnnen, ſondern ſo viel wir jetzt wiſſen, verhaͤlt er ſich auch in den Beſtandthei— len völlig anders als der Thonſchiefer, da er hienach *) Syſtem mineralog. p. 47. T. I. er hat den lateiniſchen Namen Argilla ſiſſilis hier. a 105 Im 192. F. feiner angefuͤhrten Mineralogie. ) Mineralog. Reiſe durch Schottland. S. 404, Kun) Oriktographie von Derbiſchire. S. 23. a 184 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchrift nichts als ein gemeiner Thon iſt, und daher auch unr als eine Art des gemeinen Thons aufgefuͤhrt zu werden ver— dient, nicht zu gedenken, daß er ſi m als Gebirgsart fehr vor jenen auszeichnet. Wer aus Cavallos Mineralogie Tafeln ben Thon⸗ ſchiefer kennen lernen wollte, wuͤrde auch ſeine Kenntniß uͤbel bereichern. Denn unter dieſem Namen iſt ein Foßil als 2te Art der sten Gattung feiner Aten Ordnung auf der erſten Tafel zu finden, wo der reine Glimmer als erſte Art darunter gerechnet worden iſt, und der Dach— ſchiefer macht eine eigene Gattung aus, die in 3. Arten eingetheilt iſt. Man hat alſo eine bloſſe Abaͤnderung zu einer eigenen Gattung befoͤrdert, und die Gattung, worunter jene Abaͤnderung gehoͤrt, zu einer Art eines ganz andern Soßiis erniedrigt. Dieſes kann doch ohn— moͤglich Nachahmung verdienen. — Derſelbe Fall findet ſich nur etwas anders angewandt, noch in ſehr vielen Grundriſſen der Mineralogie und mineralogiſchen Tafeln. Es mag genuͤgen, daß ich auch von der Arbeit eines Mannes rede, deſſen Name nie aus dem Mund eines Kunſtrichters geht, ohne ein groſſes Compliment uͤber feis ne groſſen Verdienſte für die Mineralogie zu erhalten. Hr. Berghauptmann von Veltheim naͤmlich ſetzt *) unter die fünfte Ordnung feiner zweyartigen Erden der Schwerſpat, Mergel und Mergelſchiefer, und den unreinen Dachſchie⸗ fer, und zu Beſtandtheilen giebt er Alaun, und Kalcherde an. Ungerechnet daß jetzt der Schwerſpat als ein Foßil mit einer eigenen Grunderde ) bekannt iſt, koͤnnte der Dachſchiefer niemals mit ihm und den beyden Steinarten zu einerley Ordnung gerechnet werden, da ZKiefel und Alaunerde feine Hauptbeſtandtheile find. Wie kann man ſich aber durch Hrn. von Veltheims Eintheilung belehrt *) Grundriß einer Mineralogie. 1781. | Er) Nach Scheelens wichtiger Entdeckung. — uͤber den Thonſchiefer, Hornſchiefer ꝛce. 185 finden, wenn unter der ıflen und zten Ordnung, ſeiner dreyartigen Erden beydemal widerſteht, einige Schiefer, und bey der 4ten Ordnung es wieder heißt: die Schie- fer der Harzgebuͤrge; kann man wol hieraus erſehen, was das alles fuͤr Arten von Schiefer ſind, wie ſie ſich von einander unterſcheiden? ob ſie an richtigen Plaͤtzen geordnet find ? ꝛc. ꝛc. gehört vielmehr auch der Dachſchie⸗ fer nicht zu dem Schiefer der Ganggebirge ? oder kann Hr. von Veltheim erweiſen, daß dieſer nur in Floͤtzgebir— gen bricht? Schwerlich. — Bis jetzt hab ich faſt nichts gethan, als gezeigt, wie man den Thonſchiefer recht eintheilen muͤſſe, und was keine Thonfchiefer find. Doch verlangte dieß die Aufgabe fo gut), als fie nun fodert, daß ich durch eine genaue und richtige Beſchreibung den wahren Thonſchiefer Fennt; lich mache. Ich weiß nur drey mineralogiſche Schriftftel; ler, die den Thonſchiefer wirklich (feiner Natur nach) ken— nen, und es durch ihre Schriften zu erkennen geben; dieſe find die Herren Werner — der unter allen der erſte war — Leoke und Voigt. Hrn. Werners aͤuſſere Beſchrei— bung *) davon, lege ich zum Grunde, und ich müßte nicht was ich weiter thun koͤnnte, als ſie an wenigen Stellen ergänzen. Die Angabe der Geburtsoͤrter wird dann fols gen, wenn ich ihn werde geognoſtiſch betrachtet haben, weil ſonſt Wiederholungen unvermeidenlich ſeyn wuͤrden, die immer unangenehm ſind, und nur uͤble Weitſchweifig⸗ keit veranlaſſen. Man findet ihn gewohnlich von einer graͤulich— ſchwarzen-ſchwaͤrzlichen⸗gruͤnlichsblaͤulich⸗ und roͤthlich-grauen und feltener von einer dunkel- karmeſtnrothen Farbe“). Ziemlich ſelten kommt er ) Kronſtedts Mineralog. überf. v. Werner, Leipz. 1780. S. 203. 204. *) Es verficht ſich, daß Hrn. Werners Abhandl. über die aͤuſſerli⸗ chen Kennzeichen der Foßilien, Leipzig 1774., hier porausgeſetzt iſt, 186 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift mit runden oder laͤnglichen Flecken von einer dunkeln Farbe vor, von denen es mir aber noch zweifelhaft iſt, ob ſie wirklich zu dieſem Foßile zu rechnen ſind, oder aus etwas fremdartigen ihm beygemengten beſtehen. Er wird derb und eingeſprengt gefunden; auch in Ge— ſchieben. Sein aͤuſſerer Glanz iſt zufaͤllig. Inwendig iſt er bisweilen wenig glaͤnzend, am gewoͤhn⸗ lichſten ſchimmernd und ſeltener matt, uͤbrigens von einem gemeinen Glanz, der zuweilen etwas ſeidenartig ausfaͤllt, und ſich nicht ſelten dem metalliſchen ſehr naͤhert. Im Bruche iſt er am gewoͤhnlichſten gerade, oft auch krumm und wellenfoͤrmig, ſchiefrig; einige Ab⸗ aͤnderungen naͤheren ſich doch mehr oder weniger dem Dichten, andere dem Blaͤttrigen. Seine Bruchſtuͤcke find mehrentheils ſcheibenfoͤr— mig, ſeltener lang -ſplitterig, eben fo ſelten trapezoi⸗ diſch und am ſeltenſten rautenfoͤrmig. Er zeigt, jedoch ſehr ſelten, grobkoͤrnige, . derte Stuͤcke, die gewoͤhnlich etwas undeutlich ſind. Er iſt weich, doch ſo, daß ſich einige Abaͤnderungen der halbharten, andere den ſehr weichen naͤhern. Giebt einen blaßgraͤulich-weiſſen, zuweilen licht⸗ grauen Strich. Fuͤhlt ſich nicht ſonderlich kalt und ſelten e fe t⸗ tig an, und iſt nicht ſonderlich ſchwec. Der Thonſchiefer mit runden Flecken, führt den Tri— vial- Namen Gukukſtein, der mit laͤnglichten hingegen Rockenſtein, auch wol Fruoͤchtſtein. Zu dem karmeſinrothen Thonſchiefer gehoͤrt Kirwans Purpurſch hiefer und ſchwach⸗purpurfarbener Schiefer. Der mit gradfchiefrigem Bruch wird als Tafel z und denn ein fo klaßiſches Buch wird doch wol ein jeder Mineralog ge leſen haben. über den Thonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 187 Dachſchiefer benutzt, und hieher gehoͤrt alſo Kirwans blauer und dunkelblauer Schiefer, ſo wie Wallers und Gmelins ꝛc. ꝛc. Dach- und Tafelſchiefer, auch Hrn. Ger⸗ hards Schreibſchiefer. Dieſer gradfchiefrige pflegt auch zugleich in ſcheibenfoͤrmige Bruchſtuͤcke zu ſpringen, die ihn eben zu dem genannten Gebrauch geſchickt machen. Zu dem mit einem mehrblaͤttrigem Bruch, welcher ge— wohnlich anbey weniger Härte beſitzt, und ſich zuweilen ein wenig fettig anfuͤhlen laͤßt, gehoͤrt der fette und wei— che Schiefer der Hrrn. Waller, Gerhard, Gmelin ꝛc. Der mit rautenfoͤmigen und trapezoidiſchen Bruchſtuͤcken iſt Gerhards Wuͤrfelſchiefer. Zu dem mit mehr dichten Bruche, welcher zugleich ei— nen groͤſſern Grad von Haͤrte beſitzt, gehoͤrt Wallers und Gmelins grober Schiefer, des letztern feſter Schie⸗ fer, Gerhards dicker Schiefer und auch hoͤchſtwahrſchein, lich ſein Erzſchiefer. Man ſi ieht alſo, daß die Arten von wirklichem Thon ſchiefer, welche die Mineralogen nennen, alle zu der jetzt beygebrachten Beſchreibung paſſen, über die von den übris gen mit Unrecht mit dazu gerechneten Steinarten, habe ich ſchon oben das Noͤthige geſagt; dieß muß alſo eine richtige aͤuſſere Beſchreibung des wahren Thonſchie⸗ fers ſeyn. Eine recht zuverlaͤßige chemiſche untersuchung fehlt uns freylich noch daruͤber, indeſſen muͤſſen wir uns ſchon mit Hrn. Kirwans Zerlegung begnügen. Er fand in 100, Theilen feines Purpurſchiefers ) 46. Theile Kieſel— 26. Th. Alaunerde (reine Thonerde) 8. Th. Bitterſalzerde, 4. Th. Kalkerde und 14. Th. Eiſen. Da dieſe Abaͤnderung des Thonſchiefers ziemlich rein vorzukommen pflegt, ſo iſt es vielleicht zu erwarten, daß *) Kirwan Mineralogie, S. 97. 188 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift fernere Verſuche dieſe Angabe der Beſtandtheile beſtaͤtigen. Und das Eiſen ſcheint etwas reichlich angegeben zu ſeyn, indeſſen kann dieſer rothe vielleicht mehr davon nn als die andern Abaͤnderungen. Wer die Foßilien genau nach ihren vorwaltenden Be⸗ ſtandtheilen ordnen wollte, würde dem Thonſchiefer alſo einen Platz unter den Kiefelarten anweiſen. Da er aber im aͤuſſerlichen ſehr mit den Foßilien uͤbereinkommt, die die reine Thonerde (Argilla pura Bergmanni, oder wie fie gewoͤhnlich genannt wird, Alaunerde) karakteriſirt, und letztere mit einer ſeiner Hauptbeſtandtheilen iſt, ſo fuͤhret ihn Herr Werner und mehrere Mineralogen unter den Thonarten auf. Daß der Thouſchiefer zuweilen mit andern Foßilien g. ge⸗ mengt vorkommt, iſt gewiß, beſonders mit Quarz und auch wohl mit Glimmer; dieß berechtigt uns aber deswe⸗ gen nicht mit Hrn. Haidinger zwey Arten deſſelben her; auszuzwingen; deun dieſe beygemengten Foßilien ſind ja bloß zufaͤllig und gehoͤren ſo wenig zum Weſen des Thon⸗ ſchiefers, als der Degen zum Weſen des Bergmanns: Hr. Haidinger ſieht dieß auch recht gut ein, und gleich⸗ wol beſtimmt er feine 2. Arten folgender Geſtalten “): 1. Thonſchiefer mit Glimmer gemiſcht. 2. Reiner Thonſchiefer, bey dem manchmal Quarz in Lagen durchſaͤet. Wann Hr. Saidinger mir jemals darthun kann, daß in irgend einem Welttheile, ja felbfti auf irgend einem Plas neten, irgend eines Sonnenſyſtems Thonſchiefer mit Glim⸗ mer vermiſcht vorkommt, ſo erkenne ich ihn für den Meis ſter der ganzen Wiſſenſchaft, und ich will jedermann ra⸗ then, in dieſem Falle Reſpekt fuͤr dieſe Eintheilung zu ha⸗ ben. Allein ſo lange es noch eine Chemie geben wird, *) Syſtemat. Eintheil. S. 29. über den Thonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 189 deren Grundſaͤtzen es geradezu widerſpricht, daß ein ſchon fo zuſammengeſetzter Koͤrper als der Glimmer ift, mit einem andern aͤhnlicher Art, als ſolcher, gemiſcht ſeyn koͤnnte, ſo lange werde ich noch ganz daran zwei— feln, und vielmehr glauben, daß eine bloſſe Verwechſe— lung des Gemengten und Gemiſchten hieran Schuld ſeye, da Glimmer allerdings dem Thonſchiefer zuweilen beyge— menat iſt. Daß Hr. Saidinger hierin fo ſehr fehlte, wird jeden um ſo mehr wundern, der aufmerkſam genug geweſen iſt, den für Hrn. Haidinger ſehr vortheilhaften Unterſchied zu bemerken, welcher zwiſchen ihm und den gleichzeitigen Mineralogen feines Vaterlands obwaltet: Und doch verfällt er noch gar zu haufig in ſolche mineralogis ſche Schnitzer ). Auch in Ruͤckſicht des geognoſtiſchen Verhaltens des Thonſchiefers herrſcht ebenfalls ein Zwie— ſpalt unter den Mineralogen. Manche wollen ihn nicht uns ter den uranfaͤnglichen Gebirgen leiden, andere nicht unter den Floͤtzgebirgen, und wieder andere ſprechen ihm beyder Bruͤderſchaft zu. Das Sonderbarſte iſt, wenn ſich bey dergleichen Meynung, zwey Mineralogen zu gleicher Zeit geradezu widerſprechen. Dieß war 1780. der Fall mit Hen. Gmelin und Hrn. Werner, da jener feine Mineralos gie, und dieſer den erſten Theil des uͤberſetzten Kronſtedt herausgab. Jener nämlich ſagte *): man findet ihn (den *) Auffallende Beweiſe, daß dieß Wahrheit ſey, finden ſich in ſeiner erwaͤhnten Schrift in Menge. Folgende Stellen ſtoſſen jedem ohne langes Suchen auf. S. 3. werden dieſe Granitart andern Stein; arten beygemiſcht ꝛc. Weiterhin iſt die Rede von Einmiſchung des Schoͤrls S. 14. bey dem sten Artickel. Dieſe beyden Arten haben auch manchmal Schörl mit eingemiſcht. S. 28. dem Thon⸗ ſchiefer Glimmer beygemifcht. S. 29. wieder ſo. S. 36. die Unterarten des Hornſchiefers beſtimmen die Miſchungen ſeiner Beſtandtheilen. (Er redet offenbar von einem gemengten Zorn ſchiefer). S. 37. die Beſtandtheile des Geſtellſteines. — Der Quarz und Glimmer namlich find bald fo eingemiſcht ꝛc. ꝛc. in) g. 192. feiner Mineralogie. 190 D. L. Guſt. Karften, gekroͤnte Preisſchrift Thonſchiefer) nur in Floͤtzgebirgen. Hingegen dieſer „: „der wahre Thonſchiefer wird, fo viel mir bekannt iſt, „nur allein in einfachen (uranfaͤnglichen) Gebirgen ges „ funden, und iſt die gewoͤhnlichſte Bergart derſelben ꝛc. , Herr Werner konnte allerdings damals ſeine Meinung noch rechtfertigen, indem der Thonſchiefer, den er bes trachtet hatte, in der That meiſt zu den uranfaͤnglichen gehoͤrte, wohin beſonders der des Ober-Erz-Gebirges zu rechnen iſt, und er in andern Nachrichten von entferns ten Gegenden, oft gewiß mit vielem Recht einiches Mißs trauen ſetzt, da ſie ſelten mit der Genauigkeit beobachte⸗ ten, mit der Hr. Werner es zu thun gewohnt iſt. Jetzt haben wir doch einiche Schriftſteller, die ihm hierin naͤher kommen. Bey Hrn. Gmelin kann hingegen kein ſolches Mißtrauen ſtatt finden „ denn feine Beſtimmungen find nichts be⸗ ſtimmter, als die anderer Mineralogen, und daher wun⸗ dert es mich, daß ihn nicht wenigſtens Hrn. Charpen⸗ tiers Beobachtung über die Gebirge bey Schneeberg, Zo⸗ henſtein ꝛc. eines beſſern belehrten, wo der Thonſchiefer mit Gneuß und Glimmerſchiefer abwechſelt *), ohne daß nur eine Spur von Floͤtzgebirgen zu bemerken waͤre. Hr. Werner ſchlaͤgt jetzt einen etwas andern Weg ein. Er laͤßt jetzt Thonſchiefer in uranfaͤnglichen und Floͤtzge⸗ birgen gelten als uranfaͤnglicher und Floͤtzthonſchiefer “). Hr. Voigt hingegen behauptet noch ſetzt Hrn. Werners vorige Meinung. Er ſetzt den Thonſchiefer bloß unter die Grundgebirge; indeſſen ſiehet er doch ſelbſt die Schwie— rigkeiten feiner Theorie ein, denn er ſagt, ““) etwas zwei⸗ *) Kronſtedt, S. 204. dt) In feiner mineralog. Geographie, S. 288 — 292. auch 297. eit) In der kurzen Klaßifikation ꝛc. S. 11. — iert) In feinen 3. Briefen. S. 10. über den Thonſchiefer, Hornſchiefer . 15 felhaft ſcheint dieſer, (der Thonſchiefer) einen Platz unter den Grundgebirgen zu behaupten. Die mittlere Meinung glaube ich am beßten nur durch folgende zwey Vorderſaͤtze vertheidigen zu koͤnnen. Iſtens. Iſt eine Gebirgsart ſo beſchaffen, daß in ihr die Merkmahle der gleichzeitigen Entſtehung mit den urz anfaͤnglichen Gebirgen unverkennbar ſind, ſo gehoͤrt ſie ſelbſt zu dieſen. atens. Wird fie hingegen gewiß zu den Floͤtzgebirgar⸗ ten gerechnet werden muͤſſen, ſo bald ſie in dergleichen Gebirgen die Merkmale einer entweder aus ihren gleich— zeitigen / oder wol noch gar fruͤhern Entſtehung trägt. Daß der Thonſchiefer die zu 1.) erfoderlichen Merkmale habe, wird niemand laugnen, der die Gebirgsarten des Altaiſchen Gebuͤrges, des Koͤnigreichs Ungarn, des Hund— ruͤcks und Weſterwalds, und des ſaͤchſiſchen Erzgebirges, auch der Beſchreibung nach kennt ). Allein auch die zu 2.) erfoderlichen Kennzeichen kann man an einigen andern Orten dem Thonſchiefer nicht ab— ſprechen, wovon ich nun gleich das Zarzgebirge, einige Gegenden der Schweitz und Ungarns als Beyſpiele an— fuͤhren will; auf dem Harze bricht, wie bekannt, der Thonſchiefer mit einer Geſteinart, die dort den Namen Grauwacke führt, welches ein wahrer Sandſtein, mit bald mehr kieſeliger, bald mehr thonartiger Kittmaße iſt, und nicht nur Schilfabdruͤcke, ſondern auch ſogar andere Verſteinerungen enthaͤlt. Auch iſt er dort zum Theil auf Kalkſtein aufgeſetzt, wenn er gleich anderwaͤrts an Gra— nit graͤnzt. In der Schweitz fand Gruner **) eine Stun, de von Meyringen an der Aar ſchwarze Dachſchiefer mit *) Pallas, von Born, Voigt, Charpeutiers. 5) Die Eisgebirge des Schweitzerlands. S. 137. 192 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchriſt Amonshoͤrneru. Und in Ungarn bricht unſer Foßil in den Steinſalzwerken bey Tordan und Marmaros ). Dieſe waren nun nur bloß einige karakteriſtiſche Faͤlle, die mich beſonders davon überzeugt haben, daß der Thon⸗ ſchiefer ſowol den uranfaͤnglichen, als auch den Floͤtz⸗ Gebirgen eigen ſey, ob ich gleich nicht laͤugnen kann, daß es oͤfters ſchwer fallen wuͤrde, zu beſtimmen, zu welcher von dieſen beyden Gebirgsklaſſen, dieſer oder jener Thonſchiefer gehoͤrt, da beſonders die mineralogi— ſchen Geographen hierauf zu wenig Ruͤckſicht in ihren Beſchreibungen genommen haben, daher ſie nicht ſelten zu einer ſolchen genauen Beſtimmung unzulaͤßig ſind. Ob der Thonſchiefer in der Gebirgskunde noch mehrere Arten habe 2 d. i. ob es Bergarten giebt, die man in Ruͤckſicht ihres Verhaltens, als Gebirgsarten betrachten muͤſſe, die dem Thonſchiefer in dieſer Abſicht untergeords net find? wollen wir in der Folge unterſuchen, wenn ich vorher die unbekannten Geburtsoͤrter des Thonſchiefers im ſtrengen Verſtand genauer werde angefuͤhrt haben. Deutſchland iſt in der That reichlich mit einer Steinart von der guͤtigen Hand der Natur beſchenkt worden, die den Menſchen, auch wenn ſie nicht Erz in ihrem Schoſſe aufbewahrt, oft realen Nutzen ſchaft. Das ſaͤchſiſche Erzgebirge halt einen nicht geringen Ans theil daran. Herr Ferber hat die meiſten Berge zwiſchen Breitenbrunn, Schwarzenberg, Johanngeorgenſtadt, nach Joachimsthal für Thonſchiefer und fogar über Bevefeld hinaus nach Gruͤnchen, Zwaniz und Stollberg zu, giebt es ſolcher, der zu Dachſchiefer zu gebrauchen iſt *). Der des vorderen und mittleren Faßenbergs zu Johanngeorgenſtadt, welchen er ſehr zart glimmerich bes ſchreibt „) V. Borns Briefe an Ferber. S. 137. 5) Ferbers neue Beytraͤge. S. 39. 252, 219, 5 * a über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 193 ſchreibt, koͤnnte vielleicht Glimmerſchiefer (Geſtellſtein) ſeyn. Hingegen laͤßt ſich gegen den, welchen er bey der Catharina-Grub zu Kaſchau erwahnt, wol kein Zweifel wegen feiner Aechtheit vorbringen. Um Schneeberg *) brechen die ſchoͤnſten Abaͤnderungen deſſelben. Von da zieht er ſich auf der einen Seite über Zartenſtein, Tſcho⸗ pau, Loͤßniz, Floͤhn und Gickelsberg) Reichenbach, Gersdorf bis Muͤnzig; er koͤmmt an mehrern Gegenden des Freyberger Gneußgebirges, das ſich ziemlich weit in das Gevierte erſtreckt, zum Vorſchein, z. B. bey Braͤuns⸗ dorf, wo auch Glimmerſchiefer und Grauwacke dabey vor⸗ kommt, und bey Mohorn zwiſchen Freyberg und Dress den, den Hr. Charpentier dort unter dem Namen Letten— ſchiefer angeführt hat *). Auf der andern Seite erſtreckt er ſich über Zirſchfeld, Brikma, Wildenfels und Zar⸗ tenſtein, bis an die Voigtlaͤndiſche Graͤnze, und nimmt einen groſſen Theil des ganzen Voigtlandes ein. Ein duns kelgrauer Thonfchiefer zieht ſich von Oelsmitz *) nach Mitternacht: Abend in die Gegend von Roͤſchau, Unter— maxrgrim, Oberloſa, Unterloſa, zwiſchen Tolliz und Kirbiz bey Planſchwiz, Nigwiz, Gritsdorf und Roͤ⸗ dersdorf, zwiſchen Straßberg und Plauen hin, und geht ſelbſt uber Plauen gegen Mitternacht herauf, bis in die Gegend von Pohl. Aus dem Thale der Elſter ers hebt ſich das Thonſchiefergebirge im Neuſtaͤdtiſchen, be— ſonders gegen Morgen +) und nimmt einen groſſen Theil des daſigen Waldreviers ein. Der Thonſchiefer von Groß und Klein Rammsdorf hat keine Flöge mehr unter ſich; ſondern fo wie man ihn trift, haben dieſe ihre völlige Endſchaft erreicht T). Er wird zuletzt ſehr feſt, und führe dann dort den (unſchicklichen) Namen Wade Ff). 5 Se a. a. O. S. 28 dei) A. a. O. S. 8 * .S. 308. Ey Ebner a. a. O. S. 3 +) Voigt mineral. Reiſe durch das Herzogth. Weimar ꝛc. © er m) Voigt a. a. O. Charpentier. S. 37. Magaz. f. d. Naturk. Zelvetiens III. 5B. N — er 194 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift Den Diſtrikt des Voigtlandes abgerechnet, iſt der groͤßte Theil des bis jetzt angeführten Thonſchiefers zum uran⸗ faͤnglichen zu zaͤhlen und ſelbſt den zuletzt genannten des Neuſtaͤdtiſchen Kreiſes, bin ich geneigt mit Hrn. Voigt als uranfaͤnglich anzuſehen, da die Floͤtze, wie ich ſchon erwaͤhnt habe, alle auf ihn aufgeſetzt ſind; er war alſo ſchon in der Periode ihrer Entſtehung vorhanden. Bey Allendorf, unweit Schwarzburg fand Herr Voigt ') den Thonſchiefer in der Gegend des Sandſteins, Gipſes und anderer Kalkfloͤtzen. Nach ihm beſtehen hier⸗ aus alle Lagen in Schwarzburg, und ſo wie er nach ſei⸗ nen Nachrichten, bey Toͤſchniz im dichten Kalkſtein fich ſin⸗ den ſoll, muß ich dieſen für Floͤtz- Thonſchiefer erklaͤren, da hingegen die Thonſchiefer der Grafſchaft Stollberg wieder uranfaͤnglich zu ſeyn ſcheinen **), Ein groſſer Theil des Harzes beſteht aus Thonſchiefer, der ſich hier ſehr ergiebig erzeigt. Er macht mit der Grau⸗ wacke das dortige Hauptgebirge aus *). Der Andreas berger Bergbau wird ganz darin gefuͤhrt. Indeſſen iſt nicht jeder ihrer dortigen Schiefer wahrer Thonſchiefer; z. B. der des Rammelsbergs, welcher mit Schwefelkies gemengt und leicht in Brand gerathen ſoll J), daher man ſich mit dem Feuer ſehr dabey in Acht zu nemmen hat, iſt ohne Zweifel Werners Brandſchiefer ft). Ich wiederhole es hier, daß ich dieſes Thonſchiefergebirge zu den Floͤtzgebirgen rechnen muß; und wie kann man dieſes anders, da die Grauwacke, deren neuere Entſtehung, nach den ſchon oben angeführten Merkmalen gar keinem Zwei⸗ fel unterworfen iſt, zuweilen ohne alle Ordnung mit *) A. a. O. S. 20. 7 *) Charpentier a. a. O. S. 376. Er *) Trobas Erfahr. über das Innere des Gebirgs. S. 69. ) Troba a. a. O. ©. 102. tr) Kronſtedt durch Werner uͤberſetzt. S. 206. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer e. 195 dem Thonſchiefer gemengt iſt. Wer mir zum Gegenargu— ment die dortigen Gaͤnge anfuͤhren wollte, dem antworte ich, daß ſich Gaͤnge ſo gut in Floͤtz- als in uranfaͤnglichen Gebirgen finden, und daß es gar nicht unmoͤglich iſt daß wir vielleicht kuͤnftig ſelbſt in aufgeſchwemmten Ge— birgen dergleichen antreffen. Mir kommt es wenigſtens ſo vor, als wenn ich die Natur zur Vorbereitung einer ſol— chen Arbeit nicht ungeſchickt gefunden habe, indem ich auf einer kleinen mineralogiſchen Reiſe zwiſchen Halle und Eisleben, in einem wohl 20. Fuß maͤchtigen Lehmlager eine ungefaͤhr 10. Zoll weite Gaͤngkluft bemerkt habe, die ſo viel ich ſie verfolgen konnte, ganz durchſetzte, und bey⸗ nahe unter einem rechten Winkel die Lager ſchritt. — Laͤngſt dem Rheine finden wir eines der anſehnlichſten Thonſchiefergebirge, welches den Hundsruͤck, die Eifel 7 den Weſterwald und das Hoͤhngebirge begreift. Zwiſchen Gberweſel und Bingen nämlich iſt das Bette des Rheins Thonſchiefer ) und ob er gleich hier ſo ergiebig bricht, und fo gut benuͤtzt wird, daß Zanau, Frankfurt, Mainz, Worms, Coblenz und Coͤlln damit verſorget werden, ſo kennt man doch hier das Wort Schiefer im geringſten nicht, ſondern man nennet ihn Leyenſtein daſelbſt. Im Heſſenrheinfelſiſchen ſteht das Grubengebaͤude Ronffans tius Erzluſt in Thonſchiefer. Von Mont Repos *) zieht er ſich uͤber den Rhein nach dem Schloß Friedrichsſtein. Am linken Ufer des Rheins hat Andernach und Weiß ſenthurm Thonſchieferfelſen *); bey Benndorf und Bergbau darinn verfuͤhrt, und unweit der Ems iſt der Limbacher Bergbau, auf Kupfer, Eiſen und Bley dar— in getrieben J). Endlich findet man ihn noch in der Strecke zwiſchen Schwalbach und Wißbaden. +) * Voigts mineral. Beſchreibung des Hochfafts Fulda. S. 198. **) Voigt a. a. O. S. 215. % Poigt a. a. O. S. 230, 326, » A. g. O. S. 237. 240, + A. g. O. S. 243. * 196 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preioſchrift Es giebt noch auſſerdem manche ſchoͤne Niederlage von Thonſchiefer in Deutſchland, den man zu Dach- und Tas felſchiefer benutzt, wovon ich nur 3. Orte anfuͤhren will, Wuͤrzbach im Graͤfl. Reußiſchen, Lehſtein im Bayreuthi⸗ ſchen *) und Haßerode im Halberſtaͤdtiſchen.“) Auch auſſerhalb Deutſchland iſt dieß Foßil als Gebirgs⸗ art in den Laͤndern unſerer Nachbarn und entfernten Voͤl— kern zu Haufe. Den Anfang des Böͤmiſchen und Schle⸗ ſiſchen Thonſchiefers kann man ſchon gewiſſermaſſen in der Ober-Lauſitz finden. So beſtehet der Geyersberg *) auf dem Rengersdorfer Vorgebirge aus urſpruͤnglichem Thonſchiefer. Von hier zieht er ſich nach Kummersdorf und Ebersbach fort, bis an die Neiſſe. Auch ein Theil des Heidebergs ““) bey Rengersdorf beſteht aus unſerm Thonſchiefer, und zwiſchen Hemmersdorf und Goͤrlitz +) bricht er in Porphir und Hornſchiefer, deſſen naͤhere Be, ſtimmung in folgendem Abſchnitte erfolgen wird. Zu Joa⸗ chimsthal in Boͤhmen macht der Thonfchiefer die Haupt; gebirgsart aus +7), in obern Tiefen hat er dort mehr Fer ſtigkeit, als in groͤſſern, wo er blaͤttriger, thoniger und milder wird. Der Irrgang — ein beruͤhmter Hauptgang dieſes Koͤnigreichs, ſtreift ſo in dem Gebirge, daß ſein Liegendes Granit, ſein Hangendes aber, nach Hrn. Fer⸗ bers Nachricht, Thonſchiefer iſt. Ueberdies aber ſoll er auch im Saazer Kreiſe bey Graͤſeliz im Zeideberge , fo dann bey Kladrau um Pilfen und Prag vorkommen, an welchem Orte er anfehnlich hohe Berge ausmacht Ht}); ) Werners Ueberſetz. Kronſtedt. S. 204. Anm. **) Gerhards Grundr. des Mineralſyſtems. S. 103. **) Leskens Reiſe durch Sachſen. S. 221. e Leske a. a. O. S. 232. ) A. a. O. S. a8. ++) Ferbers Beytrag zur Wee en von Böhmen. S. 55. Fit) Ferber a. a. O. S. 119. 122. 129. über den Touſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 197 allein ob jener bey Kladrau nicht vielleicht ſchon Glin;; merſchiefer (Geſtellſtein) ſey, moͤchte ich nicht geradezu laͤugnen, da Hr. Ferber ihn als quarzig und glimmerig zugleich beſchreibt, und noch die Gegenwart der Grana— ten darin erzaͤhlt, welche ſehr karakteriſtiſch für den Glim⸗ merſchiefer find. Auch fand er bey Kalioborzig, unweit Tabor grauen und blaulichen Thonfchiefer. *) Das Herzogthum Schleſien iſt nicht ganz von Thonfchies fer entbloͤßt: zu Riedelſtadt, Kupferberg und Altenberg kommt er als Gerhards Erzſchiefer vor ). Er macht mit dem Gneuß im Fuͤrſtenthum Jauer die Hauptgebirgs— art aus““), und zu Ziegenhals ““) ſowol, als auch in der Gegend von Schönau P) hat er Dachſchieferbruͤche veranlaßt. In Ungarn und Siebenbuͤrgen, wie auch in dem Bannat iſt der Thonſchiefer ſehr ausgebreitet. Er findet ſich zwiſchen Saska und Drawizza im Temeswarer Bannat, in Gneußgebirge * der Maria Thereſia-Gru⸗ be im Benediktiner Gebiet. Zu Neu Maldona macht er das Liegende der dortigen Gaͤnge aus, die uͤbrigens in Gneuß ſtreichen PT). Er erſtreckt ſich weiter von Dras wizza bis nach Dognozka und Bogſchan uͤber Dobra nach Siebenbürgen, wo er unweit Dora, Facebay, 365 lothua und Offembanya vorkommt; an allen dieſen Orten iſt er urſpruͤnglich, bey Zalatha ausgenommen ). Doch zweifle ich faſt, daß dieſes Thonſchiefer ſey; die Queck— ſilber⸗Bergwerke bey Dumbrera ſollen meiſt hierin betrie⸗ =) A. a. O. S. 140. * ) Gerhards Grundriß. S. 105. *) Abhandlung über die Produkte des Mineralr. der Koͤn. Preuß aaten. S. 43. N * ***) Gerhards Grundriß. S. 107 x 7) Ueber die Produkte der Mineral, der K. Pr. Staaten. S. 69. TD V. Borns Briefe, uͤber mineral. Gegenſtaͤnde. S. 31. 42. TH V. Borns Briefe. S. 44. 60. 94. 68. 177. ’ » 168 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift ben werden, und der Beſchreibung nach hat der ſich hier vorgeblich findende Thonfchiefer mit dem Schiefer, der in Idrien fo ergiebliche Queckſilberwerke führt, viel Aehn— lichkeit; letzterer pflegt faſt allgemein für Thonſchiefer ges halten zu werden, und iſt doch vielmehr ein Brandſchie— fer, der ſich hier und da dem Schieferthon etwas naͤ— hert, fuͤr ſolchen halte ich daher auch den Schiefer bey Dumbrara. Das Krapipeler Gebirge “ beftehet aus Thonſchiefer, der wol uranfaͤnglich zu nennen iſt; die Stadt Karisburg iſt mit kleinen Bergen von Thonſchiefer und Kalkſtein um⸗ geben, fo wie auch bey Clauſenburg, ein höherer Berg bloß aus Thonſchiefer beſteht. Bey Tordan und Mar⸗ mars hingegen, wo die Siebenbuͤrgiſchen Salzwerke ſind, leidet es keinen Zweifel, daß der Thonſchiefer zu dem Floͤtzgebirge gehöre *). * Unweit Schmolniz ***) in Oberungarn beſtehen die Ge birge aus einem blaulichten Thonſchiefer, und der Zinno— ber ſoll zu Topſchau in eben der Gebirgsart brechen 5). Bey Schemnitz in Niederungarn liegt, gegen Norden, ein Huͤgel, der ganz aus Thonfchiefer beſteht +4), auf welchem man aber Turbiniten und Chamiten in Menge antrift, er kann alſo nicht fuͤglich zu dem Thonſchiefer der uranfänglichen Gebirge gerechnet werden. Im Roßgrun⸗ derthal von Schemnitz gegen Abend, findet man Eiſen⸗ ſteine, ja ſogar Magnete in dem daſigen Thonſchiefer, nach Hrn. von Borns Berichte Tt). Ich vermuthe daher, daß dieſer mit dem uͤbereinſtimmt, welchen Hr. Ferber hinter der Zedritz fand, da ebenfalls Eiſenſtein enthalten, ) V. Born a. a. O. S. 1. *) V. Born a. a. O. © Kun) V. Born a. a O. G . 5 Collini in feiner Reiſe. S. 4. 1) V. Born a. a. O. S. 180 1 * ka 1. 142. 137. 1m A. g. SD. S. 192. über den Tonſchiefer, Hornſchieſer e. 199 und worin man verſchiedene Verſteinerungen als Ammo⸗ niten und dergleichen finden ſoll “). Auch dieſer wird als ſo zu den der Floͤtzgebirge gerechnet werden muͤſſen. So wie er an mehrern Orten, wo er nur eine Gebirgsart ausmacht, in den Gaͤngen, die darin ſtreichen, ſich eben— falls mit hereinzieht, ſo fand ihn auch Herr Ferber zu Neuſahl in Oberungarn aus Gängen. **) In Norwegen kommt er unter anderen zu Tolemark und Selka vor *), wo er mit Unrecht für Wetzſtein (Schiftus coticul. Wallerii) gehalten wird, auch in Schwes den iſt er nicht ſelten. Man findet ihn daſelbſt zu Kelter⸗ pet, Kinnekille, zu Stolberg, Nerike, Krußnaſelo in Ingermannland und Osmundsburg in Dalakar⸗ lien 5). Die Kaiſerin aller Reuſſen hat in ihrem unermeßlichen Gebiete wenigſtens ein ſehr weit ſich erſtreckendes Gebir—⸗ ge, das groͤßtentheils aus Thonfchiefer beſtehet, und dies iſt das Altaiſche, worauf Siberien ſtolz zu ſeyn Urſache hat. Hier zeigt ſich am Irrtiſch bey Semipalatnoja und Schulbika an der Uba bey Krasnajarskaja und dem Dorf Schnanoifa. Der ſteile Kosmaroja Berg ſoll aus grauen und braunen, die Gebirgsart bem Dorf Runas— koja hingegen aus roͤthlichtem Thonſchiefer beſtehen; die alte Kupfergrube Mußiuskaj und faſt der ganze Bergbau des Schlangenbergs iſt in dergleichen Gebirgsart betrie— ben 1). Hrn. Pallas Beſchreibung nach zu urtheilen, ſcheint dieſes ein groſſes uranfaͤngliches Gebirge zu ſeyn, wie auch ſeine groſſe Ausdehnung ſchon vermuthen laͤßt. 25) Ferber über die Gebirge und Bergreiſe in Ungarn. ker) F. a. a. O. S. 11. 22 *) Kronſtedts Mineral. durch Bruͤnnich uͤberſetzt. S. 269, +) Wallerii Syftema mineralog. p. 354. 355. tr) Pallas Reiſen durch verſchiedene Provinzen des Rußiſch. Reichs, 2. Theil, 2. Buch. S. 500, 507. 517, 520, 530. 629. 500. 594. 200 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrit In Derbiſchire in England, bricht ein ſchwarzer Thon⸗ ſchiefer, der zu Tafelſchiefer tauglich iſt, bey Chatestoop unweit Winſter “), wo er als eine 140 — 150, engliſche El⸗ len dicke Schicht zwiſchen Sandſtein und ſchwarzem Kalk. ſtein inne liegt. Jener ſowol der uͤber, als auch dieſer der unter ihm liegt, zeigt ihn uns als Thonſchiefer. Bey Sterlung ) hingegen in Schottland iſt die Gebirgsart ein Thonſchiefer, worin Kupferbergbau aus Gängen ger fuͤhrt wird. Wahrſcheinlich iſt es alſo uranfaͤnglicher Thonſchiefer daſelbſt. 5 | Obgleich ich nicht alles, was Hr. Ferber in feinen Brie fen aus Welſchland Schiefer nennet, fuͤr Thonſchiefer hal- ten kann), fo iſt es doch gewiß ein groſſer Theil das von. Die Berge hinter Genua, welche Bochetta heiſſen, beſtehen aus ſchwarzem Tafelſchiefer *); nicht weniger findet er ſich bey Lavagna ſelbſt, wo er auch den Namen Lavagna fuͤhrt, welcher zum Decken der Haͤuſer in Genua und zur innwendigen Auskaͤfelung der Ziſternen in Lucca gebraucht wird +). 2. Meilen von Florenz bey Bebra, beſteht ein ganzer Berg aus Thonſchiefer, und weiter nach den Apenninen zu bleibt dieſelbe Gebirgsart, nur daß fie in groͤſſerer Tieffe immer reiner wird +. Mit weiſſem Marmor findet er ſich theils vermengt, theils bes ) Ferbers Oriktographie von Derbiſchir. S. 42. zen) Minerals Reife durch England und Schottland. S. 457. N =) Hieher gehört z. B. der Schiefer zu Hidria, worin die Queck⸗ ſüber⸗Erze brechen und die ich für Brandſchiefer halten muß; der im Vicentiniſchen und Veroneſiſchen — welcher der Beſchreibung nach — Glimmerſchiefer zu ſeyn ſcheint. Vielleicht iſt dieß auch der in der Montogenola preſſo la Villa Cetterali unweit Siena Mi ; dem Thale Fafcia und anderer? a di) Ferber Briefe im Welſchland. S. 367. 1 Ferber a. a. O. S. 362. 388. I) g. a. O. S. 337. 3,2. = — uͤber den Tonſblekr, Hornſchiefer ꝛc. deckt bey Waasen und Prata, im Anfang der Marenna Saneſe, wo es nur nicht ganz einleuchtend iſt, ob er hier als uranfaͤnglicher oder Floͤtz-Thonſchiefer vorkommt, da ich nicht weiß, ob es koͤrniger oder dichter Kalkſtein iſt. Von dem Thonſchiefer des Unterſteyers und des Her— zogthum Krains in Oeſterreich ), wuͤrde ich nun zu einer eben ſo ausfuͤhrlichen und genauen Angabe der vers ſchiedenen Thonſchiefer in der Schweiz ſchreiten, als ich von mehrern Laͤndern mich ſchon zu geben bemuͤhet habe, wenn man hiervon nur viel gewiſſes wuͤßte. Unſer neue— ſter Mineraloge, der dieß Land bereist hat *), führt keinen, wenigſtens unter keinem kenntlichen Namen, oder einer kenntlichen Beſchreibung auf. Iſt alſo unter einem ſo uͤbel angebrachten, wie Quarzwacke, Schirl⸗ wacke ic. welcher verſteckt, fo liegt die Schuld an Hrn. Storr, daß ihn hier niemand heraus finden wird. Es bleibt mir daher blos übrig, hier den wieder anzufuͤh⸗ ren, welcher einer Stunde von Meiringen an der Aar mit Ammonshoͤrnern angetroffen wird, und die Landſchaft Aelen, worinn unterhalb Bex ſich ebenfalls ein guter Dachſchiefer finden ſoll. ““) Herr Gruner ſpricht zwar auch an einem andern Orte t) von einem ſchwarzen Schiefer, der auf dem Blattenberge im Eisthale des Glarnerlandes gefunden und in großen Blatten verſchickt | würde; allein die Inſekten und Fiſche, welche darinn verſteinert, ſo dann der Quarz, welcher darinn vermengt, und die weiſſe Kreidenerde, welche nicht weit davon ſeyn ſoll, kontraſtieren ſo erſtaunt gegen einander, daß ich mich alles Urtheils daruͤber enthalten muß; und nur in den Magazinen für die Naturkund. Zelvetiens hierüber Eroͤrterung von einem ſachverſtaͤndigen Mann erwarten N : 8 2) A. a. O. S. 4. it) Herr Prof. Storr in Tuͤbingen. RER) Die Eisgebirge des Schweizerlandes, 1. Ch. S. 10. 180. +) Deſſelben Buchs 2. Th. S. 144. 202 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchrift darf, der dieſes Raͤthſel durch eigene gehaltene Beſich⸗ tigung des ſtreitigen Punktens loͤſen muß. Selbſt Hr. von Sauffüre *) ift, fo vortreflich auch fonft feine Nach⸗ richten find, wenigſtens in dem erften Theile feines Werks zu unbeſtimmt, als daß ich hier von ihm Bemerkungen anführen koͤnnte, da es auf wahre Beſtimmungen ans koͤmmt; denn ſehr oft nennt er eine ſchiefrige Gebirgsart blos Ardoife, alſo kann dieſes Gneuß Glimmerſchiefer, Thonſchiefer, Hornblendeſchiefer, und wer weiß was, ſeyn, ohne daß man daruͤber naͤhere Aufſchluͤſſe bekoͤmmt. Wer mir nicht glauben will, der kann die Stelle, wo er vom Thonſchiefer ſpricht, der mit Feldſpat und Quarz gemengt iſt ), und andern, die dieſen aͤhnlich ſind, nachleſen. Aus dem bisher erwaͤhnten uͤber das Verhalten, und über die Geburtsörter des Tonſchiefers folgt alſo kuͤrzlich folgendes: Dieſes Foßil macht eine eigene Gattung der urfprüngs lichen Gebirgen aus; es bildet zum Theil eigene Berge, und findet ſich auch in den Floͤtzgebirgen nemlich auf dop⸗ pelte Art. Es iſt theils das Grundgebirge, auf wel⸗ chem die Floͤtze aufgeſetzt ſind; theils giebt er ſelbſt Floͤtz⸗ lager ab. Dem ungeachtet aber macht der Tonſchiefer ſelten oder gar nicht das karakteriſierende Floͤtz aus; und daher kann man ihn nicht als eine beſondere Gat⸗ tung det Floͤtzgebirgen betrachten; vielmehr muß er wohl nur den Kalk- und Sandſtein-⸗Floͤtzen als Art uns tergeordnet ſeyn. Noch iſt in Ruͤckſicht des Tonſchiefers zu bemerken, daß ſich in den Tonſchiefergebirgen, und zuweilen an feiner ſtatt, Wezſchiefer und Alaunfchiefer findet. Dieſe ) Voyages dans les Alpes. *) Voyages &c. T. 1. p. 431. ’ über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 203 find alſo in geognoſtiſcher Ruͤckſicht als Arten des Ton; ſchiefers zu betrachten, wenn fie gleich in oriktognoſti— ſcher verſchiedene Gattungen unter einander, und von jenen ausmachen, ungeachtet der Alaunſchiefer auch wirklich durch Tonſchiefer erzeugt wird, in dem nemlich der Schwefelkieß, welcher ſich entweder uͤber ein ſolches Lager befindet, oder dermit ihm ſchon gemengt iſt, ver— wittert, und die Vitriolſaͤure, welche nun frey gerade an den reinen thonigten Gr undbeſtandtheil des Tonſchiefers geht, mit welchem ſie den Alaun erzeugt. Um die Sache alſo vermoͤglich zu erſchoͤpfen, will ich von beyden noch eine aͤußere Beſchreibung mittheilen, und einige Nachrich⸗ ten von ihren Geburtsoͤrtern beyfuͤgen. Alſo: A. Der Wezſchiefer. (Argilla coticula Werneri, Schiſtus coticula Wallerii.) Man trift ihn von einer gruͤnlich- grauen, oliven - gruͤnen, und mehr oder weniger Lauch— gruͤnen Farbe, ſehr ſelten buntgefleckt an. Er bricht derb in ganzen Lagern, innwendig iſt er ge— woͤhnlich ſchimmernd von gemeinem Glanze. Im Bruche iſt er ſchiefrig und nähert ſi ch dem ſplittrigen etwas. Er ſpringt in ſcheibenfoͤrmige Bruchſtuͤcke. Iſt an den Kanten mehr oder weniger d urchſcheinend. Halbhart, das oft dem harten ſehr nahe koͤmmt. Er giebt einen graulich weiſſen Strich. Haͤngt nicht an der Zunge. Fuͤhlt ſich ſehr wenig fett und etwas kalt an. Iſt nicht ſonderlich ſchwer. Zuweilen pflegt er auch Wezſtein genannt zu werden, aber nicht alles, was Wezſtein von Mineralogen und Nicht mineralogen genannt wird, iſt wirklich welcher, ſondern * 204 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift ſie pflegen gerne mancherley Steine ſo zu nennen, die die Eigenſchaft beſitzen, daß ſich ſtaͤhlerne Waaren darauf fchleifen laſſen; daher wird oft feſter Tonſchiefer und Sands ſteine dafuͤr ausgegeben, welches ſelbſt Wallerius thut. Der wahre Wezſchiefer findet ſich in der Levante ) in Siberien an Tom, und in der Kirgiſiſchen Steppe am Bache Graͤsmunha *) bey Lauenſtein im Bayeris ſchen **), und unweit Freyberg im Saͤchſiſchen Erz gebirge bey dem Dorf Waltersdorf. Andere hie und da noch vorkommende angebliche Geburtsoͤrter find zu vers daͤchtig, als daß man nicht lieber erſt weitere Nachricht davon erwarten ſollte, ehe man ſie auch anfuͤhrt. B. Alaunſchiefer. (Argilla aluminaris Schiſtoſa Wern. Arg. Schiſtus aluminaris Walleri.) Es laſſen ſich nach den in der Einleitung beygebrachten Klaßifikations⸗Grundſaͤtzen fuͤglich hiebey 2. Arten in oriktognoſtiſcher Ruͤckſicht unterſcheiden. 1. Gemeiner Alaunſchiefer. Seine Farbe it graulich ſchwarz. Man findet ihn derb und in Kugeln. Er iſt innwendig theils ſchimmernd, theils matt von gemeinem Glanze. Hat einen ſchiefrigen Bruch. Springt in trapezoidiſche Bruchſtuͤcke. Er fuͤhlt ſich mager und nicht ſonderlich kalt an. Iſt ſehr weich. Hat einen ſuͤß lichten, eckelhaften Geſchmack, und iſt nicht ſonderlich ſchwer. ) Kronſtedts Mineral. durch Bruͤnnich Ueberſ. S. 269. ) Bruͤnnichs Mineral. Ueberſ. von Georgi, S. 98. 9 Kronſtedts Mineral. durch Werners uͤberſ. S. 208. > über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ie. 205 2. Glaͤnzender Alaunſchiefer. Man findet ihn von einer theils blaulicht, theils d unkelſchwarzen Farbe. Derb in ganzen Lagern. Er iſt theils glänzend, theils ſtark glaͤnzend von einem gemeinen Glanz, der ſich ſchon ein wenig dem Metalliſchen nähert. Sein Bruch iſt ſchieferig. Er ſpringt in un beſt immte, nicht ſonderlich ſcharfkantige Bruch ſtuͤcke. Er fühle ſich etwas fettig / und nur wenig fett an, und iſt theils weich, theils hart. Uebrigens koͤmmt er mit der erſten Art uͤberein. Der Alaunſchiefer iſt doch noch in einigen Gegenden ziemlich haͤufig zu finden, wenn er gleich gegen dem ei— gentlichen Dachſchiefer ſehr ſelten vorkoͤmmt. Er findet ſich in der Mark zu Freyenwalde; im Thuͤringiſchen zu Scherenſal; im Voigtland zu Reichenbach; in Kurkreiſe bey Belgern, und bey Muſkau in der Oberlauſiz Y); Schweden iſt ſehr reich daran. Dort bricht er zu Andra— rum in Schonen, Markelli in Oeland; Vaͤſfireloſen, Dumba und Baͤllingen in Weſtgothland; Thiſ lingen in Narizien, und Nos im Jeniſeland ). In Kriſtiania in Norwegen, findet er ſich auch. 9). Rußland hat Alaunſchiefer im Waldaiſchen Gebirge; im nordlichen Kaukaſus und Ural an dem Fluſſe Ai, Jurguſa ꝛc.; in Siberien an Jeniſey, Mana Schikka ꝛc. T), und ſelbſt im Altaiſchen Gebirge am Trifluß bey der Stadt *) Charpentier a. a. O. S. 324. 10. Nei) Wallerii Syftem. mineral. T. 4. p. 36. den, Le skens Ueber. des Wallerius, S. 14. des 2ten Th. +) Brunichs Mineral. des Georgi Ueberſ. S. 159. 206 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift Tamſk ). So auch bey Jeſk in Engelland; Marbu— rucht und Proſtan in Schottland t). Und bey Haſel— wangen am Fuß des Gelters und Sirſchbergs, und der Schweiz tt). Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung‘, daß nur dann, wann von Schiefergebirgen im Allge⸗ meinen die Rede iſt; auch der Wez- und Alaunſchiefer mit darunter verſtanden werden, ſonſt aber blos der Ton⸗ ſchiefer in engerm ( oriftognoftifchen ) Verſtande. Zum Schluß dieſes Abſchnittes will ich nur noch be⸗ merken, daß der Tonſchiefer nicht ſelten gute und ers giebige Lagerſtaͤtte von Silber, Kupfer, Bley, Eiſen, und Spießglaserzen enthaͤlt. * ne Ab ſchnitt. Vom Hornſchiefer. (Silex Schiftofüs Werneri, Corneus Fiſſil Wallerii.) Die Mineralogen ſind ſeither ſo unbarmherzig mit dem Worte Sornſchiefer umgegangen, daß man es in der That kuͤnftig mit in die Litaney ſollte ſetzen laſſen, da⸗ mit wenigſtens neuere Mineralogen bey ihren Beobach- tungen geſtaͤrkt wurden, daß fie nicht in dergleichen An; fechtungen geriethen. Um, wo moͤglich, die Verwirrung einigermaßen zu hemmen, welche unter den Hornſchie⸗ fern der Mineralogen herrſcht; ſo bemerke man, daß die jenigen, welche noch wenigſtens einen beſtimmten Begrif damit verbinden, 4. ganz von einander verſchiedene *) Pallas Reiſen, 2. Th. 2. B. S. 656. 7) Mineralog. Reiſe durch Schottland, S. 410, +?) Storrs Alpeureiſe, 1. Th. S. 14. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 207 Foßilien darunter verſtehen. Andere folgen entweder dieſen, oder ſie mengen gar das hundertſte durchs tauſend— ſte, und wie waͤre es da moͤglich jedesmal genau heraus zu bekommen, was ſie eigentlich wollen? Wer nur im Stande iſt zu beurtheilen, ob ihr Hornſchiefer mit dem, von welchem ich darzuthun bemuͤhet ſeyn werde, daß er mit Recht dieſen Namen fuͤhrt, uͤbereinkoͤmmt oder nicht, hat denn alle Data, die er zu ihrer Beurtheilung braucht, und ich darf vielleicht hoffen, durch dieſe Unterſuchung denen dieſe Data zu verſchaffen, welche ſie noch nicht beſitzen. Wir wollen 4 Erſtens des Herrn Wallerius Sornſchiefer näher ken⸗ nen lernen. Es iſt dies bey ihm die zweyte Gattung der Steine, die er überhaupt Cornet genannt hat; und das her giebt er ihm den Namen Corneus fiſſilis. Sein Aeuſ⸗ ſeres beſchreibt er im Allgemeinen ſo: „ Rigidus, non nitens, apparenter lamellis paralellis, „ Colore eſt diverfo fed femper obfcuro, nigro, fufco, „rubente aut viridefcente , attactu rigidus & durus, „lamellaris ſed raro in lamellas divifibilis ,, Er theilt ihn ferner in vier Arten ein, die ich ebenfalls herſetzen muß, um allem Zweifel und Scheinwiderſpruͤchen um ſo beſſer zuvorkommen zu koͤnnen. Sie ſind: a. Corneus fiſſilis, durior. Hic frequentius in fodinis reperitur attactu & viſu rigidus & durus, absque omni nitore, Gepiusn in lamel- las non divifibilis &c, b. Corneus fiſſilis, mollior. ee. Ea interdum mollitie, ut cultro ante feifhlis 8 non confundendus cum mica fiſili, quæ ſua ſuperficie polita nitente, & nitore in igne micaceo, ab hoc Corneo fiſſili facile diftinguitur &c, c. Corneus fiſſilis, fbroſut. Fibris craſſioribus primo adſpectu conſtare videtur, con- ſiſtentia parum molliori, difficilius pulveriſabilis, facilius 208 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchriſt cultro raſilis, asbeflo rudi immaturo fere fimilis ; plerumque vero flexuoſus & fimul apparenter lamellofus, d. Corneus fiſſilis micatus. 41 5 Corneus mollior ſuperficialis contortus, Colore eſt diverfo imprimis obfcure grifeo vel fuſco, ungulis vel cornubus animalium ſimilis inſtar tunicæ alios lapides contegens, interdum venam inter & faxum inter jacens, unde Saalband vocatur. Dieſes vergleiche man nun erſt mit ſeiner Beſchreibung der Hornblende (Corneus Spathofus Walleri), die gleich hinter dem Horuſchiefer folgt, mit der Beſchreibung des Herrn Werner, von der Hornblende ), und wer eines beſitzt mit wirklicher Sornblende: fo dann denke man ſich dieſem Foßile Quarz, auf ſolche Art beygemengt, daß er der Hornblende ein mehr ſchiefriges Anſehen giebt; und man wird ſich eine ganz klare Vorſtellung von Wal⸗ lers Hornſchiefer machen koͤnnen. Eine kurze Bergleis chung ſeiner 4. angegebenen Arten wird dieß beſtaͤtigen. Bey der erſten Art iſt die Zornblende mit vielem Quarz gemengt; daher iſt er hart und rauh anzufuͤhlen; daher iſt faft kein Glanz an ſelbigem zu bemerken, und deswegen laͤßt er ſich nicht ſpalten. Bey der zweyten Art iſt weniger Quarz in ſeinem Gemenge; daher laͤßt er ſich ſchon mit dem Meſſer etwas ſchaben. An der dritten Art hat die Horublende fo die Oberhand, daß ſich noch ihr ſtrahliges Gewebe bemerken laͤßt; daher das Bey⸗ wort Fibroſus; darum laßt er ſich auch fo leicht mit dem Meſſer ſchaben; und daher findet Herr Wallerius ohne Zweifel die Aehnlichkeit mit! dem Asbeſt, ſelbſt dadurch bekoͤmmt meine Behauptung einen hoͤhern Grad der Ge— wißheit, indem Herr Wallerius auch bey feiner Horn; blende die Aehnlichkeit mit dem Asbeſt bemerkt.“) Die Horn⸗ *) In feinem Kronſtedt, S. 195. 7) A. g. O. S. 375. Dh. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ie. 209 Hornblende feiner vierten Art hat einen krumm » fehiefri: gen Bruch; und da dieſe Art das Saalbad der Gänge an mehrern Orten in Schweden ausmacht, ſo kann ſie ſonſt noch einige Verfchiedenheiten zeigen, die eben da— her ruͤhren, weil das Geſtein nahe an den Gaͤngen zu— weilen ſehr merklich veraͤndert wird. Außer Schweden bricht dieß Foßil auch unter anderm zu Dorf Chemnitz, unweit Ehrenfriedersdorf, und bey Miltiz zwiſchen Freyberg und Meiſſen in Sachſen. Herr Werner giebt ihm den Namen Sornblendſchiefer, wel— cher, wie aus dem vorigen erhellet, unſtreitig weit paſ— ſender dafuͤr iſt, in dem er zugleich an einen ſeiner Haupt— beſtandtheilen erinnert. Indeſſen wurde ich doch dieſer Richtigkeit ohngeachtet lieber anrathen, des Waller Na⸗ men Sornſchiefer dieſem Foßil ferner zu geben, weil es dieſen Namen länger fuͤhrt, als den des Hrn. Werner. Allein ich würde blos deswegen dieſen Namen in der Bes deutung beybehalten, um den andern Mineralogen kei— nen Anſtoß zu geben, die nun einmal wiſſen, was Walle⸗ rius Zornſchiefer ſey, wenn dieſer Srund nicht ſchon lange uͤber den Zaufen geworfen waͤre, da man, wie wir gleich ſehen werden, nicht bey dieſer Bedeu— tung des Wortes Hornſchiefer ſtehen geblieben iſt, ſon— dern ganz andere untergeſchoben hat. Hierdurch gewinnt freylich die Sache ein ganz anderes Anſehen; und daher ſteht man, daß es beſſer ſey, des Wallerius Zorn— ſchiefer kuͤnftig richtiger mit Herrn Werner Zornblend⸗ ſchiefer zu nennen. 2.) Wollen wir ſehen, was Herr Ferber, und die ihm folgen, unter Zornſchiefer verſteht. Ich behaupte, daß er theils einige Abaͤnderungen des Tonſchiefers, theils den Blimmerfchiefer “) hierunter verſteht, beſonders *) Glimmerſchiefer oder Geſtellſtein. Ich bediene mich immer je⸗ nes Namens, der auch ſchon durch die Herrn Werner, Leske Magaz. f. d. Waturk. Helvetiend. III. B. O | 210 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Prelsſchriſt wann letztere ſehr duͤnnſchiefrig iſt. Dieſes fönnte ich zwar mit ſehr vielen Stellen aus ſeinen lehrreichen Schrif⸗ ten belegen; es ſollen mir aber ſtatt aller zwey genügen, die es aufs deutlichſte darthun. In ſeinen Beytraͤgen nemlich zur Mineralgeſchichte von Boͤhmen lieſet man folgendes: *) „Wenn viel Quarz mit dem Tonſchiefer innigſt ver „bunden iſt, findet er ſich ſehr hart im Bruche, nach „der Laͤnge faſerig, und iſt mit einem Wort ein wahrer » Hornſchiefer. „ Hieraus erhellet alſo die erſte Haͤlfte meines Satzes; zugleich aber ſchließet Herr Ferber den Gattungsnamen des Wallerius Corneus fiſſilis, und die Stelle, wo er beſchrieben iſt, gleich hintenher in Klammern, und will alſo wahrſcheinlich dadurch zu erkennen geben, dieſer ſey mit ſeinem Hornſchiefer einerley; aber hier wird mir der Herr Profeſſor verzeihen, wann ich ihm widerſpreche, indem ich nur auf das vorige zuruͤckweiſen darf, wo ich gezeigt zu haben glaube, daß des Wallerius Corneus fiſſilis Hornblendſchiefer alſo kein harter Tonſchie⸗ fer ſey. Ferner ſagt Herr Ferber an einem andern Orte ): „Hornſchiefer ſollte keine andere, als die Steinart ge „nannt werden, worinn der Quarz mit dem Glimmer „innigſt verbunden iſt, fo daß fie beyde mit den Augen „nicht von einander unterſcheiden werden koͤnnen. „ und Voigt authoriſiert iſt, obgleich letzterer mit Unrecht ſagt, er beſtaͤnde aus bloßem Glimmer, indem der Quarz zu ſeinem Gemenge weſentlich, nur bald mehr, bald weniger davon ihm zugehoͤrt — lieber, als des letztern — davon der Gebrauch her⸗ genommen iſt, und ſchon zu Verwechslungen Anlaß gegeben hat, da jeder Stein zum Geſtellſtein tauglich iſt, der in der Hitze des hohen Ofens unſchmelzbar if, ) S. 122. in der Anmerkung. 1) Briefe aus Welſchland, S. 204. in der Anmerkung. uͤber den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. arı Weil dieſe innige Verbindung nie eine Miſchung mwers den kann, ſondern immer ein Gemenge bleiben muß, ſo lange Quarz mit Glimmer in Subſtanz, alſo nicht mit blos einzelnen Beſtandtheilen des Glimmers vereinigt ſeyn ſoll, wie die Elemente der Chemie lehren, ſo wird dieſer Hornfchiefer des Herrn Ferbers nichts als Glimmerſchiefer, oder wer gar zu gerne ſolche Namen fuͤhrt, die Zweydeutigkeiten enthalten, Geſtellſtein ſeyn, und damit hätte ich den zweyten Theil meiner Behaups tung bewieſen. Herr Ferbers Hornſchiefer iſt alſo nichts anders als gewiſſe Abaͤnderungen zweyer Gebirgsarten, die ſchon andere beſtimmte Namen fuͤhren und lange gefuͤhrt haben ). Wann alſo gleich Herr von Born, und andere in ihren Angaben des Hornſchiefers mit Herrn Ferber uͤbereinſtimmend verfahren, ſo muͤßte es doch jeder unpartheyiſche Mineralog nach dieſer Darſtellung gewiß ſehr misbilligen, wenn man noch fortfahren woll— te, dieſen Hornſchiefer fuͤr eine eigene Steinart gelten zu laſſen. Denn auf dieſe Weiſe vervielfaͤltigte man mit Fleiß die Namen der Dinge um das Drittel, ohne daß ſich dieſe vervielfaͤltigten; und um 20. Foßilien gehoͤrig zu bezeichnen, waͤren 30. Namen erforderlich? — Berg— *) Daher ſiehet man Herrn Baidinger bey Beſtimmung des Horn⸗ ſchiefers (S. 33. feiner ſyſtem. Eintheil.) ſehr guͤt die Verlegen⸗ heit an, in welcher er ſich befunden haben mag, weil er nirs gends Ueberzeugung antraf. Er will ſich durch Serbers zuerſt angefuͤhrte Bemerkung heraushelfen, haͤlt alſo den Hornſchie⸗ fer fuͤr eine Abaͤnderung des Tonſchiefers, und ſtellt ihn gleich⸗ wohl als ein eigenes Geſchlecht neben dieſen auf. Weiter S. 37. hier nennt er auch den Geſtellſtein eine Abaͤnderung des Horn⸗ ſchiefers, deſſen Veſtandtheile er hingegen richtig angiebt. Er wuͤrde alſo auch offenbar nur eine untere Abaͤnderung des Ton⸗ ſchiefers ſeyn; und doch ſetzt er ihn auch neben den Tonſchiefer und Hornſchiefer, als beſonders Geſchlecht. Solche Wider⸗ ſpruͤche koͤnnte doch eine geſunde Logik im Augenblick aufdecken. 212 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift mann mochte auch ohngefaͤhr uͤber den Hornſchiefer ſo denken, wie Herr Ferber; denn er ſpricht von Zornſchie⸗ fer mit Granaten, der ſich auf der Landzunge zwiſchen Quedlin Wasdachswaſſer finden ſoll ). Von Horn⸗ blendſchiefer aber iſt mir kein Beyſpiel bekannt, daß er Granaten führte, der Glimmerſchiefer thut dieß ſehr haͤu. fig, und darum glaube ich auch, daß das Foßil jener Landzunge Glimmerſchiefer iſt. 3.) Herr Charpentiers Hornſchiefer iſt wieder von ganz anderer Beſchaffenheit. Er nannte ein Foßil ſo, welches in der Oberlauſtz ſehr haufig vorkoͤmmt: Bey Olbers⸗ dorf, unweit Zittau, iſt dieß die Gebirgsart. Der Zoch⸗ wald, der Johannsberg, der Spitzberg, der od’ ſtein ꝛc. ſind einzelne Berge, die ganz oder groͤßtentheils daraus beſtehen ), und feine Beſchreibung davon lau⸗ tet ſo: „Er iſt (der Hornſchiefer) von Waun en Farbe „oder Hanfartig, auf dem Bruche uneben, ſplittrich, v etwas blaͤttericht, und von feinem faſt unſichtbarem »Korne. Hin und wieder ſollte man dem erſten Anſehen » nach etwas Glimmer zu ſehen glauben, bey genauerer „Betrachtung aber findet man, daß es nur feine auf „einander liegende Blaͤttchen eben dieſes Geſteins ſind; „ doch habe ich auch hier und da durch ein gutes Vergroͤſ⸗ „ ſerungsglas ganz kleine Blaͤttchen gefunden, die mir „wirklich Glimmer zu ſeyn ſcheinen.,, (Das find kleine Bruchſtuͤcke von Feldſpat, deren eine ſtarkglaͤnzende Geis Der tenflaͤche frey iſt, und ihrer gelblich smeiffen Farbe we; - gen, von den mehreſten mit Unrecht fuͤr Glimmer ge⸗ halten werden, die die Unterſuchung nicht aͤußerſt genau wahrnehmen. Dieſer Feldſpat findet ſich immer in jener *) Bergmanns phyſ. Erdbeſchreib. ꝛte Aufl. S. 140. d. ıflen Bands. **) Charpentiers mineral. Geographie 21. 24, 25. 28. * 7 A DEN über den Tonſchiefer, Hornſchiefer 26, 213 beſchriebenen Hauptmaſſe ſparſam eingeſtreuet, und die Vertiefungen, womit dieſe zuweilen einzeln durchzogen iſt, ruͤhren von dem Feldſpat her, der darinn lag und verwittert iſt). „Mit dem Stahle giebt er einige Funken, „doch lange nicht in ſo großer Menge, als der Horn— „ſtein. Die Theile find übrigens feſte, und fo zu füs „ gen zaͤhe mit einander verbunden. Mit dem Scheids „ waſſer brauſet er nirgends: wann man ihn zerſchlaͤgt, „ ſo zerſpringt er in blaͤtterigen Stuͤcken, die aber wegen „ihrer unregelmaͤßigen Geſtalt von denen, ſo man von „andern Schieferarten erhaͤlt, ganz verſchieden ſind; „ ſchlaͤgt man darauf, fo giebt er einen hellen Klang. » *) Hieraus erhellet, daß Herrn Charpentiers Hornſchie— fer ein ganz anderes Foßil ſey, als der des Wallerius und Ferber. Er begeht alſo auf ſonderbare Art einen ähnlichen Irrthum, als Herr Ferber, da er kurz vor der Beſchreibung die Meinung aͤußert, daß ſein Horn— ſchiefer mit dem des Herrn Ferber vollkommen uͤberein⸗ ſtimmt. Der Feldſpat, welcher gar keinen Beſtandtheil von Ferbers **) Hornſchiefer ausmacht, wäre ſchon als lein hinlaͤnglich, beyde ſehr gut von einander zu unter— ſcheiden; allein auch die ganze uͤbrige Beſchaffenheit des Foßils, die durch Charpentiers Beſchreibung klar wird, zeigt dieſe Verſchiedenheit vollkommen, und wer des letztern Hornſchiefer zu ſehen Gelegenheit gehabt hat, wird ſich feſt davon uͤberzeugt halten muͤſſen. Dieſe Steinart war aber auch vor Herrn Charpentiers Reiſe noch von niemandem beſchrieben, noch von jemandem be⸗ nannt worden. Herr Charpentier hatte alſo allerdings *) Charpentier a. a. O. S. 21. 22. *) Ferber nennt Charpentiers Hornſchiefer ein Mittelding zwiſchen Tonſchiefer und Granit. Man ſehe die Beſchrei⸗ bung, welche er in ſeinen Beytraͤgen S. 124. von den um Kladrau in Böhmen liegenden Saͤulenfoͤrmigen Bergarten giebt. £ 214 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchrift das Recht ihr jeden Namen beyzulegen, der noch keinem andern Foßil gegeben war. Iſt das nun mit dem Na men Sornſchiefer der Fall? fo muͤſſen wir hiebey ſtehen bleiben, und kuͤnftig kein anders Foßil darunter begrei— fen, als das mit dem, was Herr Charpentier fo nann⸗ te, uͤbereinkoͤmmt, die völlige Beantwortung dieſer Frage ſoll bald erfolgen. | Herr Voigt folgt diefer Benennung“); daher nennt er die Gebirgsart des Stellbergs, der Milzeburg, des Slukloſerbergs, der Maullippe, des Teufelſteins ꝛc. ), welche damit uͤbereinkoͤmmt, ebenfalls Zornſchiefer. Eben ſo der ſeel. Leske in ſeiner Ueberſetzung des Wallerius. Allein er hat gewiß die babyloniſche Verwirrung, die in Ruͤckſicht des Hornſchiefers unter den Mineralogen herr— ſchend iſt, dadurch vermehrt, daß er die Beſchreibung von Charpentiers Hornſchiefer *) des Walleris Horn⸗ ſchiefer beyfuͤgte, ohne ihre Verſchiedenheit dabey zu bes merken. Er kannte ſie aber wahrſcheinlich ſelber nicht, welches ich daraus ſchließe, weil es ihm merkwuͤrdig vorkoͤmmt, daß der Saͤchſiſche Hornſchiefer — Charpen⸗ tiers Hornſchiefer, keine Erz-fuͤhrende Bergart ſey, da er doch an andern Grten gute Erze führe. Allein hätte Herr Leske den wahren Unterſchied der verſchie⸗ denen Hornſchiefer gekaunt, fo koͤnnte ihm dieſes im ges ringſten nicht merkwuͤrdiger ſeyn, als es iſt, daß Gneiß gewöhnlich, Porphir hingegen ſehr ſelten reich⸗ haltige Lagerſtaͤdte fuͤhrt. Herr Zaidinger hat auch un⸗ ſtreitig dieſe Verwirrung noch vermehrt, da er die hier genannte Foßilien, die Wallerius, Ferber und Charpen⸗ * in feinen 3, Briefen und in feiner Beſchreibung des Hochs ſtifts Fulda. ) Beſchreibung des Hochſtifts Fulda 32. 34. 37. 44. 54 zan) Ueberſetzung des Wallerius, ıfler Th. S. 338. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 215 tier Hornſchiefer nennen, fo aufgeführt hat, als wenn dieſes wirklich nur eine einzige Gattung von Foßilien ſeye. Wie ſehr fie ſich von einander unterſcheiden, hof— fe ich dargethan zu haben. 4.) Herr Werner verſteht unter Zornſchiefer, den er in feiner kurzen Klaßifikation der Gebirgsarten *) blos namentlich beruͤhrt, diejenige Steinart, welche ſich ſehr haͤufig in den Betten der Fluͤſſe und im ebenen Lande, in Geſtalt ſchwarzer ſehr harter Geſchiebe, die haͤufig mit weiſſen Quarzadern durchzogen find, findet, wo— zu er auch den ſogenannten Probierftein rechnet, und die Gebirgsarten, welche hiermit uͤbereinſtimmen. Sein Zornſchiefer iſt alſo der Stein, welcher bey den Griechen Ai TAvdy hieß, und zu des Theophraſts Zeiten mit dem x IIęνα] ,, der ein magnetiſcher Eiſenſtein war, ſehr oft verwechſelt ward *), der beym Plinius unter dem Namen Coticula, den er von ſeiner Geſtalt erhielt, weil man ihn zur Bequemlichkeit in Geſtalt eines Wez— ſteins ſchleifen zu laſſen pflegte, Lapis lydius, und Heracleus ***), die er alle drey zu des Plinius Zeiten führte, und bey dem Agricola t) unter eben dieſen Na⸗ men vorkoͤmmt. Da Herr Werner hierinn von allen neuen Mineralogen abgeht; fo iſt um fo noͤthiger zu uns terſuchen, ob er hierzu berechtiget ſey? Dieß zu ent— ſcheiden, glaube ich, muͤſſen wir erſt folgende 2. Fra— gen beantworten: I. Warum rechnet Herr Werner dieſe Soßilien nicht unter diejenigen Gattungen und Arten, wohin ſi e andere Mineralogen legen? 2. Wann er auch hiezu wirklich nun Recht hat, warum 5) S. 11. ) Theophraſt von d. Steinen, S. 10. d. Hillſch. Ausgabe, *I Plinii H. N. Lib. XXXVI. Cap. 22. Lib. 1 0 C. 10. +) Agricola de Natura foſſilium Lib, X. Baſil, 1540, pag. 272, 216 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchrift begreift er ſie nun gerade unter den Gattungs⸗ namen Sornſchiefer, der auch andern Foßilien Ach | gelegt iſt? Was das erſte anlangt, ſo wollen wir hiebey — Anfang mit den erwahnten Geſchieben machen. Dieſe werden gewöhnlich unter folgenden 2. Namen vorfom; men; fie heiſſen entweder ſchwarzer Jaſpis, oder auch wohl nur ſchwarzer Rieſel. Ware jener Name für dieſe in Geſchiebe ſich findende Steinart paſſend, fo muͤſſen fie zur Gattung des Jaſpis gehoͤren. Das iſt aber nicht der Fall, da ſie ſich in den aͤußern Kennzeichen zu ſehr darinn unterſcheiden, wie man ſich hernach ganz wird uͤberzeugen koͤnnen, wenn ich die aͤußere Beſchreibung dieſes Hornſchiefers beyfuͤgen werde. Allein der zweyte Name druͤckt gar keine beſtimmte Gattung der Foßilten aus. Denn Bieſel heißt bey einigen, eine jede harte Steinart, die ſich in den Betten der Fluͤſſe, oder an der— gleichen Orten findet, und bey andern eine jede Steinart, die unter die Familie, welche die Kiefelerde karakteriſtert, gerechnet werden muß. In beyden Faͤllen iſt es alſo ſehr etwas allgemeines, da auch ſchwarzer Quarz, ſchwarzer Seuerjtein, und aͤhnliche Steine, die ſich doch ſehr von dieſen, von welchen jetzt die Rede iſt, unter ſcheiden, mit Recht ſo genannt werden koͤnnen. Den Lydiſchen Stein, der von ſeiner Vortreflichkeit beym Gebrauche des Goldes Feuer zu zeigen den Namen Drobierftein ausſchließungsweiſe bekommen hat, ken— nen die wenigſten heutigen Mineralogen wirklich. Sie fuͤhren nemlich bey den Arten des Thonſchiefers immer den Probierſtein mit auf. Ihr ODrobierſtein iſt aber zum Theil ſehr verſchieden von dem der Alten — dem lydi— ſchen Steine — dann ſie nennen ein jedes Foßil ſo, das ſich zur Gold» und Silberprobe, auf die bekannte Art, gebiauchen laͤßt. Weil nun manche reine Thons über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 217 ſchtefer dieſe Eigenſchaft beſitzen, fo hat man dieſe mit dem Titel Probierſtein beehrt, und daher jeden Probier— ſtein überhaupt — alſo auch den aus Lydien zu dem Thons ſchiefer gerechnet. Dieß iſt aber mit großem Unrecht ge— ſchehen; denn daraus, weil einige Thonſchiefer mit dem lydiſchen Stein eine Eigenſchaft, und doch nur im ge— ringern Grade gemein haben, ja ſelbſt, daß ſie zuwei— len einige entfernte Aehnlichkeit im Aeußern mit ihm ha— ben, folgt noch nicht, daß ſie voͤllig einerley Arten oder Gattungen ſind: man wird vielmehr auf der wei— terhin zugebenden aͤußern Beſchreibung ohne Schwierig— keit die große Verſchiedenheit des lydiſchen Steins vom eigentlichen Thonſchiefer erſehen koͤnnen; hiermit waͤre alſo die erſte Frage ſo zu beantworten. Herr Werner mußte, wenn er nicht zugeben wollte, daß ferner Foßilien, die ganz von einander verſchieden ſind, fuͤr einerley, und ſolche, die in der That einerley ſind, fuͤr verſchieden gehalten wurden, dieſe Aenderung vornehmen. Er war alſo voͤllig berechtiget dazu. Zur Beantwortung der zweyten Frage aber bemerke man, daß a. Eine Benennung noͤthig war, die die ſchwarzen Geſchiebe in unſern Flußbetten, ſowohl als den lydi— ſchen Steinbegrif, da beyde völlig mit einander übers einkommen. b. Daß, wenn eine ſolche ſchon vorhanden, ſelbige einer neuen einzufuͤhrenden, dann allemal vorzuziehen war, ſo bald ſie nicht zugleich ein Foßil ausdruͤckte, das vorher ſchon eben dieſen Namen erhalten hatte, und doch von dieſem Foßil voͤllig verſchieden war. c. Daß dieſer Fall in der That ſtatt hatte; denn Herr Werner war nicht der erſte, welcher unſerm Foßile den Namen Sornſchiefer gab, ſondern er war nur der erſte / der dem Publikum dieſe Benennung mittheilte. 218 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift Sie rührt vielmehr von einigen aͤltern ſaͤchſiſchen Mine ralogen her, die zu ihrer Zeit mit Recht zu den erſten Mineralogen gerechnet wurden, ob ſie ſich gleich eben nicht durch dergleichen Schriften bekannt gemacht haben. Das iſt nemlich der verſtorbene Churſaͤchſiſche Berghaupt— mann Pabſt von Ohain, und Bergmeiſter Lammer, welcher zuerſt Hrn. Werners jetzige Stelle, als Inſpek— tor bey der Bergakademie zu Freyberg bekleidete. Dies fen beyden iſt Herrn Werner in dieſer Benennung ges folgt ), die um fo paſſender iſt, da das Foßil, wel⸗ ches ſie bezeichnet, doch in der That einige Aehnlichkeit mit dem Zornſtein hat, wovon die Benennung genoms men, und zugleich einfach, wie dieſer iſt. Hrn. Werners Bornſchiefer iſt alſo bey weitem länger, als der des Hrn. Charpentiers ſo benannt. Herr Charpentier hat daher hierinn gefehlt, daß er eine ältere Benennung eines gewiſſen Foßils, dieſem gewiſſer Maßen rauben wollte, um ſie auf eine andere Steinart zu verpflanzen, die von jener ganz verſchieden iſt. Dadurch hoffe ich auch in Ruͤckſicht der zweyten Frage ſattſam dargethan zu ha— ben, daß Hrn. Werner allerdings befuͤgt war unſere Steinart Sornſchiefer zu nennen, da ſelbſt das Foßil, welches von Hrn. Charpentier auf die Weiſe benannt iſt, und wie ich vorhin gezeigt habe, ſich noch allein unter dem Hornſchiefer der andern Mineralogen, dadurch auszeichnete, daß es noch auf keine andere Art beſtimmt war, nur durch Mißbrauch dieſen Namen erhalten, und keineswegs das Vorrecht des Alters vor ſich hat. Weil ich alſo hierdurch von ſelbſt bewieſen habe, daß man nun anfangen ſollte, blos Irn. Werners Zornſchie⸗ fer, als ſolchen aufzufuͤhren, und jeder andern davon w. ̃ . ) Wegen der Wahrheit diefer liſtoriſchen Nachricht, brauche ich mich bloß auf Herrn Werner zu berufen, der ſelbſt fo guͤtig ge⸗ weſen iſt, mir fie mitzuthellen. J über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ie. 219 verſchiedenen Steinart auch ihren rechten Namen beyzule— gen; ſo will ich nur, ehe ich noch zur oriktognoſtiſchen Betrachtung jenes Steins komme, vorher einem Zweifel begegnen, der manchem aufſtoſſen koͤnnte, wenn er nun einſieht, daß Hrn. Charpentiers Zornſchiefer dieſen Nas men nicht mehr fuͤhren darf, und alſo unſchluͤßig iſt, wie er dieß Foßil nun richtig benennen ſoll. Allein Herr Werner hat uns auch hier ſchon die Bahn gebrochen. Es iſt nemlich bekannt, daß man jetzt einer jeden gemein⸗ ſten Steinart, die aus einer dichten gleichartigen Haupt— maße beſteht, welche thoniger oder kieſeliger Natur ſeyn kann, und in der ſich Feldſpatkoͤrner mit oder ohne an— dern mehr zufällig beygemengten Foßilien finden, Por— phir nennt, und dieſes kann man um ſo eher gut heiſ— fen, da der Porphir der Alten uͤbrigens eben fo befchafs fen war, und nur Jaſpis zur Hauptmaße erheiſchte, ab fo in einem etwas engern Begriffe enthalten war. Char- pentiers ſogenannter Hornſchiefer aber iſt ein gemengtes Foßil, deſſen Hauptmaße kieſelartig zu ſeyn ſcheint, und einzeln zerſtreute Stuͤcke Feldſpat, den auch zuweilen Hornblende begleitet, enthält. Es waͤre alſo Porphir zu nennen, wann die Hauptmaße dichten Bruch haͤtte. Dieſer aber iſt ſchiefrig, und daher hat Herr Werner dieß Foßil Porphir-Schiefer getauft *). Paſſender und analoger iſt wohl ſelten ein Foßil benannt worden. Die aͤußere Beſchreibung unſers Zornſchiefers wird nun ſo lauten: Er findet ſich von einer dunkeln und graulich ſchwarzen, ſchwaͤrzlich- grauen, wie auch dunkel ⸗gruͤnlich⸗grauen Farbe. Derb in ganzen Lagern, eingeſprengt und in Geſchieben: Innwendig iſt er ganz matt; ſein *) In feiner kurzen Klaßifik. der Gebirgsarten, S. 8. 220 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift aͤußerer Glanz iſt zufällig; fein Bruch iſt ſchiefrig, jedoch naͤhert er ſich zuweilen den blaͤtterigen, zuwei⸗ len den dichten etwas. Seine Bruchſtuͤcke find unbe⸗ ſtimmt, ſehr ſcharfkantig. Er iſt hart, meiſt in einem hohen Grade. Fuͤhlt ſich ziemlich kalt an, und iſt nicht ſonder⸗— lich ſchwer. Man vergleiche dieſe Beſchreibung mit den Beſchreibun⸗ gen, die die Mineralogen von Jaſpis und Thonſchiefer geliefert haben, und mit den gewöhnlich ſogenannten Probierſteinen, ſo wird ſich die weiter oben erwaͤhnte Verſchiedenheit dieſer Dingen vom Zornſchiefer ſehr deut⸗ lich zeigen, und die Uebereinſtimmung mit dem wahren lydiſchen Steine, oder auch mit den ſchwarzen harten Geſchieben in dem platten Lande und in den Fluͤſſen. Als ein ſehr auszeichnendes empiriſches Kennzeichen dient auch, daß den, welcher ſich in Geſchieben findet, gewoͤhnlich weiſſe Quarzadern durchſetzen, die ſich zuwei— len als erſtaunt kleine Truͤmmerchen vielfaltig durchſchnei— den, und dem Auge in dem ſonſt ſchwarzen Geſteine eine ſehr angenehme Abwechslung gewaͤhren. Doch iſt freys lich dieſer zu dem Gebrauch als Probierſtein nicht ſon— derlich geſchickt, ſondern hierzu muß man den reinſten nehmen, der es nur giebt. Es iſt Schade, daß wir noch keine eigene chemiſche Zerlegung dieſes Steins haben; die Urſache davon iſt freylich , daß man ihn in den Schriften der Mineralogen immer verkannt hat. Mit Gewißheit kann ich ihm das her den Platz in der Driftognofie noch nicht beſtimmen, aber ſein Aeußeres entſpricht zu ſehr dem der uͤbrigen Kieſelarten, als daß es nicht hoͤchſtwahrſcheinlich ſeyn ſollte, daß er zu dieſer Familie der Erd⸗ und Steinarten feines vorwaltenden Beſtandtheils wegen gerechnet wer⸗ den muͤſſe. — über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 221 Es haͤlt zwar ſehr ſchwer, jetzt ſchon von ſeinem geognoſtiſchen Verhalten zu handeln, da er noch fo mes nig bekannt iſt; allein ich will doch verſuchen, wenig⸗ ſtens etwas daruͤber zu ſagen. Herr Werner iſt zwar in der angeführten Stelle feiner kurzen Klaßifikation der Gebirgsarten der Meinung, man muͤſſe den Zornſchie— fer, als eine dem Thonſchiefer untergeordnete Bergart betrachten; allein ich weiß nicht, ob ich ihm hier ganz beyſtimmen ſoll? denn wenn es gleich nicht zu laͤugnen iſt, daß der Hornſchiefer, welchen wir bisher kennen, meiſt in Tonſchiefergebirgen bricht, und dann oft darinn einige Lagerſtatt des Thonſchiefers ausmacht, fo kennen wir doch nicht nur ſchon einen Berg in der Oberlauſtz, der ganz aus dieſem Hornſchiefer beſteht, wie ich bald zeigen werde, ſondern ich habe auch Grund zu vermuthen, daß wir noch kuͤnftig vielleicht ganze Gebirge davon an⸗ treffen werden, wovon wir jetzt entweder deswegen noch nichts wiſſen, weil ſie noch nicht gehoͤrig unterſucht ſind, oder weil man den Hornſchiefer ſelbſt nicht recht gekannt hat; denn ſonſt iſt mirs unerklaͤrbar, woher die vielen Geſchiebe davon zu uns kommen ſollten, die ſchon eine weite Reife gemacht haben muͤſſen, da fie ihrer großen Haͤrte ungeachtet, ſich ſehr abgerindet finden. Dieß macht es mir wahrſcheinlich, daß der Hornſchiefer viel— leicht eine eigene Gattung der uranfaͤnglichen Gebirge ausmacht, oder vielleicht, wie der Thonſchiefer ſich ſowohl in uranfaͤnglichen, als in Floͤzgebirgen finden kann. Wer ihn indeſſen nicht als eine eigene Gebirgsart anſe— hen will — nun der folge Hrn. Werner, und dieſe Vers ſchiedenheit unſerer Meinung wird von keiner ſonderlichen Wichtigkeit ſeyn. Es wird niemand laͤugnen, daß es bey ſo bewannten AUmſtaͤnden etwas ſchwer halten ſollte viele Geburts, oͤrter anzufuͤhren, da die bisherigen Beobachtungen der 222 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Breisfchrift Geognoſten und mineralogiſchen Geographen eigentlich auf das Foßil noch nicht gerichtet geweſen find; ich kann alſo auch hier nur in den wenigſten Faͤllen ſtrenge Ge⸗ wißheit verſprechen, dafür werde ich mich aber bemuͤ— hen, auch da, wo ich nur der Wahrſcheinlichkeit folgen muß, meinen Leſern die Gruͤnde, wornach ich urtheile, ſo darzulegen, daß es ihnen nicht ſchwer fallen ſolle, ſie entweder zu billigen oder zu verwerfen. . Zu des Theophraſts Zeiten glaubte man dieſer Horns ſchiefer fande ſich bloß in dem Fluſſe Tmalus 9. Und er muß ſich ſehr haͤufig in dieſem gefunden haben, da ihn ſchon die Griechen ſehr gut kannten, alſo wahrſchein— lich haͤufig brauchten und daher holten. Dieſer Schrift? ſteller merkt von ihm an, daß ſich ein großer Unterſcheid dabey in Ruͤckſicht des Gebrauches beym Probieren des Goldes einfaͤnde, je nach dem man die Seite eines Steins, welcher der Sonne zugekehrt geweſen waͤre, da— zu brauchte, oder die entgegengeſetzte. Jene ſey weit beſſer dazu, weil ſie trockener ſey, und die Feuchtigkeit ſey an der andern Schuld, daß das Metall vom Steine nicht fo gerne angenommen würde *). Auf aͤhnliche Art redet er davon, daß er ſich ebenfalls nicht in der Hitze zum Probieren gebrauchen ließe. Plinius erwahnt ſchon, daß er ſich an mehrern Or⸗ ten als bloß in dem Tmalus Fluſſe faͤnde; und Agricola ſagt, daß man ihn uͤberdieß in den Goslariſchen und Zildesheimifchen Fluͤſſen anträfe P. Zu feiner Zeit führte ) Die Analogie kann alſo hier ſchon dienen, dem freylich fehr ſchwachen Zweifel zu begegnen, weichen einige in der Abſicht Auf- ſern koͤnnten, daß doch der lydiſche Stein in einem ganz andern Lande ſich gefunden haͤtte, als die Geſchiebe in Deutſchland und anderer Orten, da der Tmalus fo gut ein Fluß it, als die Sagle⸗ **) Teophraſt. a. a. O. S. 80. 7) De natura foſſilium, p. 272. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 223 dieß Foßil den deutſchen Namen Goldſtein, welches man aus der Interpretation, die ſeinen Schriften uͤber einige Theile der Naturlehre und Naturgeſchichte (de ortu & cauſis fubterraneorum ; de natura eorum, quæ effluunt ex Terra; de natura Foſſilium: de veteribus & novis metallis) der Benennungen wegen, in alphabetiſcher Ordnung angehängt iſt, bey dem Wort Coricula er ſieht: Der Grund davon mochte wohl ſeine Wirkung auf das Gold bey den Griechen ſeyn, da er auch deswegen den griechiſchen Namen No xevssrns, und weil er überhaupt zur Metall— probe diente, auch den Basavısns führte, Jetzt werden wohl wenig Fluͤſſe ſeyn, worinn man ihn nicht als Geſchiebe antreffen ſollte; und ich kann aus eigener Erfahrung anfuͤhren, daß er ſich im Erzgebirge haͤufig in der Mulde, und in dieſer Gegend um Zalle, ſehr haͤufig in der Saale findet. Von der Oberlauſiz kann ich mich am gewiſſeſten an— fuͤhren, daß dieſer Hornſchiefer ſich da findet. Denn Herr Leske ſpricht von einem blaulich⸗ſchwarzen Jaſpis, der ſich in der Gegend um Koͤnigsbruͤck finden ſoll „); und ich habe ſchon vorher angefuͤhrt, daß man eben hier— unter dieſe Steinart gewöhnlich begriffen hat. Auch hier iſt der Ort, auf den ich mich vorher berief, wo er ei— nen ganzen Berg ausmacht, dann aus deſſelben Schrift— ſtellers Nachricht wiſſen wir, daß der Ochſenberg, der unweit Rohrbach liegt, aus eben dieſem Geſteine be— ſteht , daß er ſich noch uͤberdieß in der Gegend um Bummersdorf findet, iſt eben fo gewiß; denn er ſagt ſelbſt: „In Anſehung der Farbe findet ſich außer obgedach⸗ zs ten Abaͤnderungen auch hier der ganz dunkelblaulicht⸗ *) In ſeiner Reife durch Sachſen, S. 60. ) Leske a. g. O. S. 68. 224 D. L. Guſt. Karſten, gefrönte Preisſchriſt „ſchwarze Hornſchiefer, welches der wahre Lapis Lydius „der Alten geweſen zu ſeyn ſcheint, wenigſtens als Pros „bierſtein ſehr gut gebraucht werden kann ). „ Ob der Hornſchiefer, welcher zwiſchen Semmersdorf und Goͤrliz, nach ihm mit Porphir und mit Thonſchiefer vorkoͤmmt ), auch derſelbe ſey, oder mit Charpentiers Hornſchiefer uͤbereinkomme, den er vorher ebenfalls größ- tentheils unter dieſem Namen auffuͤhrt, kann ich nicht mit Gewißheit entſcheiden; allein ſo viel wohl anfuͤhren, daß mir das erſte deswegen wahrſcheinlich iſt, weil ſich Gaͤnge in dem daſigen Thonſchiefer finden: Ich ſtelle mir daher die Beſchaffenheit des Geſteins dort ungefaͤhr ſo vor, wie zu Gersdorf, unweit Freyberg im Erzgebir— ge / wo ſich auf der Grube Seegen Gottes auch unſer Hornſchiefer mit dem Thonſchiefer in Geſellſchaft findet, und wo mehrere fuͤndige Gaͤnge durchſetzen. Ich muͤßte mich ſehr irren, wenn der Rammelsberg nicht dieſen Hornſchiefer enthielte. Ich wuͤßte in der That ſonſt nicht, wie ein Thonſchiefer ſo feſt ſeyn koͤnnte, daß zu einem einzigen Lachter Gewinnung oft 6000. Bohrloͤcher erfordert würden, wie Herr V. Trebra be richtet *). Dieſe meine Muthmaßung waͤchst lauch das durch zu einer ziemlich großen Wahrſcheinlichkeit, faſt moͤchte ich ſagen, zur Gewißheit an, daß dieſer Schrift— ſteller *) A. a. O. S. 227. Hier koͤnnte es ſcheinen, als wenn Hrn. Les⸗ ke der Erſte geweſen waͤre, welcher die Uebereinſtimmung unſe⸗ rer ſchwarzen Flußgeſchiebe in der mit ihnen uͤbereinkommenden Steinart entdeckt hätte; allein man beliebe nur zu bemerken, daß der ſeel. Leske ſchon von Hrn. Werner vorher davon be⸗ nachrichtiget war, ehe er dieſes ſchrieb, ſo wie dann uͤber⸗ haupt manches durch andere Perſonen ins Publikum kommt, das eigentlich von dieſem Mineraloge entdeckt iſt, ohne daß man ihm oft die Gerechtigkeit wiederfahren läßt, es wenigſtens daben anzu⸗ merken. **) A. a. O. S. 448. Ken) Erfahrungen über das Innere der Gebirge S. 102. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer Kt. 225 ſteller dieß Foßil kurz zuvor ſchwarzen Jaſpis nennt, welcher Name, wie ich ſchon oͤſters erwaͤhnt habe, dem eigentlichen Hornſchiefer mehrmals gegeben wird. Seit mehrern Jahrhunderten erzeigt ſich dieſe Steinart hier ſchon ſehr ergiebig, und ihre Erzfuͤhrende Lagerſtaͤtte lie— fern nicht nur ein betraͤchtliches an Bley, reichen Kupfer und Silbererzen, ſondern dieß iſt ſogar der einzige Punkt des Harzes, wo man es der Mühe werth achtet, das in den Erzen enthaltene Gold auszuſcheiden. Der graue Schiefer, in welchem der Brigadierſchaft in Siberien ſteht *), ſcheint mir ebenfalls dieſer Zorn— ſchiefer zu ſeyn, da Herr Pallas verſichert, daß man der großen Weitung dieſer Grube ohngeachtet nur wenig Zimmerung dabey noͤthig habe: Wenigſtens kann es ein Uebergang aus dem Thonſchiefer in den Hornfchiefer ſeyn. Unter den Gebirgen in Ungarn kann ich zwar bis jetzt ſelbſt nicht einmal mit Wahrſcheinlichkeit eins anfuͤh— ren, deſſen Geſtein Zornſchiefer wäre; allein in Geſchie— ben koͤmmt er auch dort z. B. bey Leſkowitz in Nieder— Ungarn vor *). Da Hrn. Storr ein gewiſſes Foßil Sornſteinſchiefer benannt hat, welches nach feiner Erklaͤrung * gebläts terter Zornſtein ſeyn fol, fo iſt es mir nicht unwahr— ſcheinlich, daß dieß vielleicht mit unſerm Zornſchiefer uͤbereinkommen kann: Iſt dieß gegruͤndet, ſo findet er *) Pallas Reiſen, 2. Th. 2 B. S. 531 ak) Ferber uͤber die Gebirge und Bergwerke in Ungarn (erzählt S. 113. in der Anmerkung) daß er dort ſchwarze Kieſel in Geſchieben gefunden habe. det) Alpenreiſe, Einleitung S. 65. Anbey erklaͤrt er ſich über den Hornſchiefer ſo: Es ſey allgemein anerkannt, daß alle mit Quarz oder Feldſpat verſetzte blaͤttrige Tonwacken in dem vers jaͤhrten Beſitz dieſes Namens ſeyen. Aber ich muß dagegen er- klaͤren, daß die ſymboliſchen Buͤcher, worinn dieſe mineraliſche Glaubensartikel ſtehen ſoll, voͤllig unbekannt ſind. Magaz., f. d. Naturk. Zelvetiens. III. B. P 226 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift ſich auch in der Schwetz an mehrern Orten. Unter die⸗ fer Vorausſetzuug liegt er gewöhnlich zwiſchen den Kalk lagern und Storrs Glaswacke ). Es befindet ſich der Grindelwalder Marmor AR „ und der Schei⸗ dekberg, welcher zwiſchen Grindelwald und Meiringen liegt, beſteht daraus ). Allein dieſe Vorausſetzung bedarf noch einer genauern Pruͤfung von dortigen ſachverſtaͤndigen Mineralogen, die Hrn. Storrs Sornſteinſchiefer mit der aͤußern Bes ſchreibung zuſammenhalten moͤgen, die ich vorhin vom Hornſchiefer gegeben habe. Es koͤmmt mir vor, als wenn Hrn. Storr ſich vielleicht auch in dieſer Benennung nicht gleich geblieben waͤre; denn er führt weiterhin Ges ſchiebe unter dem andern Namen Zornflint an, welche am Knuckelsgebirge vorkommen, und wie mir, des em; piriſchen Kennzeichens wegen, das er anfuͤhrt, unbezwei—⸗ felt zu ſeyn ſcheint, in der That Hornſchiefer ⸗Geſchiebe ſeyn muͤſſen **), IIIter Abſchnitt. Von der War Argilla Wacca Verneri. Es war allerdings der Muͤhe werth in einer gemein⸗ nuͤtzigen mineralogiſchen Preisaufgabe auch dieſes Foßil der nähern Beſtimmung mit zu unterwerfen, da man lei⸗ der bekennen muß, daß dieſes Wort von manchen zu eis nem mineralogiſchen Scherwenzol gebraucht worden iſt, *) A. a. O. der Einl. S. 93. *) Im 2ten Th. S. 4. 11. ) A. 2. Th. S. 132. Er ſagt hier, fie (die Gefchiebe) be ſtehen aus Hornflint mit weiſſen Quarzadern durchzogen ic. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 227 worunter man eine Gebirgsart begreifen konnte, die man nicht kannte, wie Herr Voigt dieß auf aͤhnliche Art vom Schoͤrl ſehr paſſend angemerkt hat *), dem in der Oriktognoſie dieſelbe Ehre wiederfaͤhrt. Die wenigſten von unſern neuen Syſtematikern erwaͤhnen die Wade ) einmal, und die, welche es thun, verbinden oft ſonder— bare Begriffe damit; es iſt daher am beßten, daß ich erſt zeige, was von den Dingen, die in den geognoſtiſchen und mineralogifch » geograpbifchen Schriften als ſolche bekannt oder auch nur angefuͤhrt werden koͤnnen, Wacke iſt, und daß ich fo dann die wahre Wade abhaͤndle. Um hier gleich beſſer verſtanden zu werden, muß ich voraus einen Umſtand beruͤhren, der wirklich hiebey von Einfluß iſt. Es iſt nemlich ein großer Unterſchied, ob von Wacken (in der mehrern Zahl,) oder von Wacke (in der einfachen) die Rede iſt. Im erſten Fall fol die ſes Wort nach der Meinung der Mineralogen, eine jeg- liche Gebirgsart andeuten, die man uͤber der Erde in ziemlich groſten Stuͤcken liegen ſieht; in dieſem Sinne koͤmmt es faft mit dem Wort Geſchiebe überein, nur daß der Begrif der letztern weiter iſt, da er ſich auch bis auf kleine ſtumpfeckige Stuͤcke von Foßilien erſtreckt. Es bedeutet denn alſo einen bloßen Zuſtand der Foßilien, in Ruͤckſicht ihres Ortes, und ihrer aͤußern Geſtalt. Da nun aber dieſe beyde Dinge nicht hinreichen, um die Mineralien von einander zu unterſcheiden, ſo bezeichnet auch der Ausdruck Wacken niemals ein oder das an— dere Foßil, ſondern es giebt Wacken von Quarz, Ba⸗ ſalt, Granit, Gneuß ꝛc. Hievon kann alſo die Rede bey der Aufgabe nicht ſeyn: Wacke hingegen (in der rn . . ) In feinen 3. Briefen, S. 44. *) Weder Waller, noch Kronſtadt, Gerhardt, Bergmann, Kirmann, Figig. / 228 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift | einfachen Zahl) ift ein Wort, welches einer gewiſſen Gattung der Foßilien zukoͤmmt. Alſo zielt die Frage dahin, daß man die Beſchaffenheit dieſer Gattung von Foßilien ſo genau und deutlich angiebt, daß ſie darnach überall zu kennen iſt, wo fie einem Sachverſtaͤndigen auf; ſtoͤßt. Ich will nur drey Axiomen feſtſetzen, woran ſich dieſe Unterſuchung anreihen ſoll. 1. Diejenigen Foßilien werden den Namen wack nicht länger führen doͤrfen , die ſchon unter andern Na- men zur Zeit bekannt ſind. 2. Diejenige Gattung der Foßilien wird ihn nur mit Recht fuͤhren koͤnnen, welche weder a Vor dem einen andern ſchon bekannten Namen führten, ehe fie dieſen erhielt, noch eine ſolche iſt, die b zu einer andern Gattung oder Art der Foßilien, als bloße Abaͤnderung gehoͤrt , die ebenfalls ſchon einen andern beſtimmten Namen hat. F 3. Sollten ſich mehrere Gattungen unter den Foßi⸗ lien finden, die nach dem zweyten Ariom den Na⸗ men Wade mit Recht führen dörften, fo müßte er doch nur dem ausſchließungsweiſe gegeben wer⸗ den, welches ihn am laͤngſten führt, und die uͤbri⸗ gen muͤßte man anderſt benennen. Ich habe dieſe 3. Saͤtze Axiomen genannt, da ich fie theils fuͤr ſo leicht halte, daß jeder Anfaͤnger ſie ohne Schwierigkeit faſſen kañ; weil ich fie aber auch anderntheils für fo uͤberzeu⸗ gend halte, daß mir vielleicht niemand eine Einwendung dargegen machen kann, die nur irgend etwas gegruͤndet iſt. Nach meinem erſten Grundſatze iſt alſo ſchon die Poch⸗ Wacke, woraus die Abendſeite der ſogenannten Zwitter⸗ muͤhle, unweit Platten im Saazer⸗Kreiſe des Königs reichs Böhmen beſteht ), auf keine Weiſe Wade zu ) Ferbers Beytrag zur Mineralgeſchichte von Böhmen, S. 94. : / über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 229 nennen, da dieſe Pochwacke aus Quarz und Glimmer beſteht, die innig mit! einander gemengt ſind, und eine ſchiefrige Textur haben, alfo zu der Gebirgsart gehören, die man Glimmerſchiefer benennt hat, und deren ich ſchon vorher mehrmals gedacht habe. Sie fuͤhrt auch dort bloß den Namen Pochwacke, weil ſie ihrer Feſtig⸗ keit wegen in der Gegend, ſtatt der Pocheiſen, gebraucht wird. Allein daran braucht ſich der Mineraloge nicht zu kehren. Eben dieſes findet zu Kammersdorf im Weu⸗ ſtaͤdtiſchen ſtatt; denn die dafige Wade iſt nichts als theils graͤulich-weiſſer, theils dunkel- rother Thonſchie⸗ fer ), und auch bey Bingen im Fuldiſchen, wo ſogar der Quarz nur unter dem Namen Wade bekannt iſt ). Das Foßil, welches fo haufig auf dem Harze mit dem Thonſchiefer vorkoͤmmt, und hier den Namen Grau— Wacke erhalten hat, das aber auch um Koblenz und Braunsdorf ), in der Gegend von Freyberg im Erz— gebirge entdeckt iſt, iſt zwar nur eine Sandſteinart, wie Herr Werner +) gezeigt hat, und auch aus Herr Samens ſchmidts ſehr genauen Beſchreibung ++) erhellet; und fie gehoͤrt, wie man weiter hinſehen wird, im geringſten nicht zu der Wacke, die wir ſo nennen werden; allein ſie hat niemals einen andern Namen erhalten, als den ſie noch jetzt fuͤhrt, und er wuͤrde ihr ohne viele Schwie— rigkeiten nicht gut wieder genommen werden koͤnnen; das her muß man ihr ihn laſſen, und nur darauf bedacht ſeyn, dieſem unvermeidlichen Uebel (inſofern nemlich iſt *) Charpentiers mineralog. Geographie, S. 327. Voigts mineral. Reiſe durch das Herzogthum Weimar und Eiſenach, S. 54. **) Voigts mineralogiſche Beſchreib. des Hochſtifts Fulda, S. 212. *) Beylage zu der chimiſchen Analogie, 2. St. 1787. pr) In feiner kurzen Klaßifikation, S. 18. | Tr) A. a. O. der Crellſchen Veytraͤge, worinn er eben das Daſeyn der Grauwacke um Braunsdorf am erſten bekannt gemacht hat. — 230 D. L. Guſt. Karſten, gekrönte Preisſchriſt die Benennung dieſer Art des Sandſteins ein Uebel zu nennen, als ſie doch manchen nicht genug von der Ur⸗ ſache unterrichteten dazu verleiten kann, daß er denkt, man will hiedurch eine Art der eigentlichen Wacke aus⸗ druͤcken) ſeine Wirkung, ſo viel als moͤglich, zu beneh— men, welches durch eine gewiſſe allgemeine Obſervanz in der Rechtſchreibung dieſes Worts ziemlich gut wird er— langt werden koͤnnen. Schreibt man nemlich graue Wa⸗ ke, ſo heißt dieß (in 2. Woͤrtern) Wacke, die eine graue Farbe hat, und denn iſt bey vielen gewiß die Verwechſelung unvermeidlich; ſchreibt man hingegen Grauwacke (als ein Wort), ſo denkt man es ſich weit eher, als ein urſpruͤngliches Wort, und die Aufmerk ſamkeit wird dann um vieles weniger darauf gerichtet werden, daß die beyden letzten Silben, ſchon ein Foßil fuͤr ſich bezeichnen. Dieſe Schreibart iſt alſo der erſten ſehr vorzuziehen. Es thut mir ſehr leid, daß ich es ſagen muß; allein ich bin es der Wahrheit ſchuldig. Herr Storr iſt einer unſrer neueſten mineralogiſchen Schriftſteller, der es ſich ordentlich angelegen ſeyn zu laffen ſcheint, mit dem Nas men Wacke noch mehr Mißbrauch zu treiben, als alle andere. Er nennt jede gemengte Steinart und jede Be birgsart eine Wade, und verbindet dieſes Wort bey je— der Steinart mit einem andern, wodurch er die Gattung bezeichnen will. So hat er z. B. Glaswacke, Quarz⸗ wacke, Kalchgeſchiebwacke, Schoͤrlwacke, Tropfſtein⸗ wacke, Schwerſpatſchieferwacke ic. Und wozu ſoll dieſe Neuerung hier dienen? Sonſt pflegt man nur dann Foßi⸗ lien, neue Namen beyzulegen, wann die aͤltern ihrer Natur entgegen ſind, und dadurch zu Verwechslung der Gattungen, Arten und Abaͤnderungen unter einander Anlaß geben. Aber dieß iſt ja hier der Fall gar nicht. Herr Storr ſpricht unter dieſem Symbolum, von lauter f — uͤber den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 231 ſonſt ſchon gut benannten Steinarten, und noch dazu auf eine folche Weiſe / daß man nur mit großer Muͤhe ſeine Sprache ins allgemein verſtaͤndlich uͤberſetzen kann; denn was iſt dieß fuͤr eine Erklaͤrung der Glaswacke? Es iſt eine Wade, deren Zauptbeſtandtheil, Kieſel⸗ erde; eine Gebirgsart, die aus Quarz und Feldſpat mit Granaten, Glimmer, Schoͤrl ꝛc. gemengt, bes ſteht ). Folgende Stelle ſcheint Herr Storr zur Ent ſchuldigung ſeiner wunderbaren Namen geſchrieben zu haben ). „Zu Vermeidung einer Ungleichheit im Ausdrucke, die „bey Gegenſtaͤnden dieſer Art leicht anftößig werden kann, „mußte ich daher auf die zwar gangbaren, aber nicht „immer in der Anwendung genug beſtimmte Namen, „Granit, Gneiß ꝛc. Verzicht thun. Die Ungleichheit in Ausdrücken befürchtete alſo der Herr Storr, wann er die Worte Granit, Gneiß, Glimmerſchiefer ꝛc. brauchte. Ich muß geſtehen, daß mir dieſe Folge nicht einleuchtet; denn daß die Mineralogen ſich freylich zus weilen unbeſtimmt genug ausdruͤcken, iſt gewiß; allein wer wird deswegen das Kind mit dem Bad ausſchuͤt— ten? Herr Charpentier ſchrieb 6. Jahr vor Hrn. Storr, fein mineralogiſch-geographiſches Buch; es herrſchte alſo gewiß damals noch mehr Unbeſtimmtheit, als jetzt unter den Mineralogen, und doch blieb er bey den gewoͤhnli⸗ chen Benennungen, wenn ſie nur nicht unrichtig waren; weil er aber Sachkenntnis genug hatte, ſo herrſcht ſehr viel Beſtimmtheit und Deutlichkeit darinn. Daß nicht einige Fehler darinn vorkommen ſollten, wird niemand laͤugnen, aber ubi plura nitent, da uͤberſieht man ja dieſe gerne. Des Herr Voigts mineraliſch-geographi⸗ 25) Storrs Alpenreiſe, S. V. der Vorbereitung. un) S. 32. des zten Theils in der Anmerkung. A 232 D. L. Guſt. Karſten, gekroͤnte Preisſchrift 75 ſche Schriften koͤnnten ebenfalls Hrn. Storr beweiſen, daß ſich mit richtiger Bemerkung der gewoͤhnlichen Na⸗ men, ſich ſehr beſtimmt ſchreiben ließe. Nicht weniger Leske, der feine Reiſe durch Sachſen, ungefähr zu eben der Zeit ſchrieb, da Herr Storr mit ſeiner beſchaͤftiget war. Sein Buch enthält in den mineralogiſchen Beſtim⸗ mungen keine Undeutlichkeit, keinen Miſchmaſch, und er iſt ganz ohne Glaswacke, Quarzwacke, und wie fie weiter heiſſen, durchgekommen. Die ganze Kunſt beruht bey Schriften dieſer Art darauf, daß man keine falſche Anwendungen mit vorhandenen Namen zu Schulden kommen laffe, und daß man da, wo die Mineralogen von einander abweichen, angiebt, wem man folgt; mehr Beſtimmtheit im Ausdrucke erwartet gewiß nie mand bey Hrn. Storr feinen gemachten Veraͤnderungen zu gefallen. Vielmehr kann es leicht ſeyn, daß eben da— durch manche veranlaßet werden, ihm weniger Kenntniß zuzutrauen, als er wirklich beſitzt, da die Erfahrung taͤglich lehrt, daß eine ſolche ohne Grund vorgenommene Veraͤnderung des Ausdrucks, gewöhnlich nur darzu die, nen muß, um die Unkunde der Leute, die auch davon ſchreiben wollen, etwas zu uͤbertuͤnchen. Faͤllt der Kalk ab, ſo ſieht man freylich die loͤcherige Wand dahinter. Des Hrn. Stores Anwendung des Namens Wade, iſt alſo nicht fo unumgaͤnglich, als die Behbehaltung des Wortes Grauwacke war. Und wenn Herr Storr das Publikum durch mineraliſche Schriften belehren will, ſo muß er dergleichen zuweit getriebene Aenderungen kuͤnftig voͤllig meiden. Wer wird denn nicht lieber beym Pi; ni “) leſen, daß die Hauptgebirgsart des Gotthards Granit ſey; und noch dazu, wenn dieſes mit einer ſo guten Beſchreibung ſeiner dortigen Abaͤnderung verbun⸗ *) Mineralogiſche Bemerkungen des St. Gotthardts, S. 41. 4 * \ 959 uͤber den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 233 den iſt, die Pini beygefuͤgt hat, als erſt lange nach vie— lem Gruͤbeln, womit man ohne Noth die edle Zeit ver— derben muß, heraus zu bringen ſuchen, was denn die manchartig gemiſchte Quarzwacke wohl ſeyn koͤnnte, die nach Herr Storr auf dem Gotthardt anzutreffen ſeyn fol *). Bey neuentdeckten Foßilien, oder bey wahren Berichtigungen falſcher Eintheilungen der Foſ— ſilien, hat Herr Storr allerdings, wie jeder andere, das Recht neue Namen zu machen, wenn er ſie nur deutlich erklart. Bey Foßilien aber, die ſchon richtige Namen haben, iſt es nicht nur unnuͤtze, ſondern auch ſchädlich fuͤr die Wiſſenſchaft. Das bisberige betraf alſo bloß Foßilien, die aus den angeführten Gründen keine wahre Wade find, alſo auch nicht mit Recht dieſen Namen fuͤhren koͤnnen: Hingegen wird von Hrn. Charpentier *) uns unter dem Namen Wacke eine Steinart beſchrieben, die ſich auf dem Fich— telberge in Sachſen findet, und welche 1. Zur Zeit noch von keinen andern Mineralogen! an⸗ ders benannt iſt, 2. Die, fo viel man weiß, nie einen andern Wamen hatte. 3. Zu keiner andern Gattung oder Art der Foßilien, als bloße Abaͤnderung zu rechnen iſt, wie man aus der bald davon zugebenden aͤußerlichen Beſchreibung erſehen kann. 4. Giebt es nicht mehrere von einander verſchiedene Gattungen unter den Foßilien, die fo, wie das ob— genannte Foßil den Wamen Wade mit Recht fuͤh— ren, ſondern was die Herren Charpentier und Ferber noch davon anfuͤhren, ſind bloße Abaͤnderungen die⸗ *) Alpenreiſe, S. 19. des ꝛ2ten Cheils. * Mineralogiſche Geographie, S. 231. * AR 234 D. L. Guſt. Karften, gekroͤnte Preisſchrift ſer, welche ſich am Fichtelberge findet; fie gehören alſo mit ihr zu einerley Gattung der Foßilien, und zwar zu derjenigen, welcher der Gattungsname Wacke mit Recht zukoͤmmt, und fie find alle unter folgender aͤußerer Beſchreibung derſelben enthalten: Die Farbe der Wacke iſt ſtets mehr grau, als ſchwarz, theils gruͤnlich, theils gelblich-roͤth— lich und ſchwaͤrzlich-grau. | Sie findet ſich derb in ganzen Lagern. Iſt inn wendig matt, fehr ſelten ſchwach ſchimmernd. Ihr Bruch iſt gewoͤhnlich eben, ſelten un⸗ eben, und zwar von feinem Korne. Sie ſpringt in unbeſtimmteckige, nicht ſonderlich ſtumpf kantige Bruchſtuͤcke. Iſt ohne abgeſonderte Stuͤcke undurchſi tig, theils halb- hart, theils weich, jenes aber immer in keinem ſehr hohen Grade, und nicht ſonderlich ſchwer. Hieraus ſieht man alſo, daß Wacke in Sachſen nicht mit Hornblende einerley iſt, wie Hrn. Gmelin “ meint, ſondern ſich ganz davon unterſcheidet; auch irrt ſich Herr Brinnerich, wenn er glaubt, die Wacke der Deut⸗ ſchen ſey mit dem Trapp einerley *), und mit ihm Herr Zaidinger *). Es iſt allerdings wahr, daß die Wacke zuweilen ſehr viele Aehnlichkeit mit dem Trapp oder Baſalt hat, welches auch Hrn. Charpentier bemerkt, indem ſich zuweilen Kalkſpat und Hornblende, wie bey dem Baſalt, als in einer Hauptmaße eingemengt befin⸗ det, und ihr Anſehen ſelbſt dem des Baſalts nicht ſelten nahe kömmt. Im ganzen genommen find fie aber auch noch verſchieden genug von einander; denn die Farbe des Baſalts iſt immer mehr ſchwarz / als grau; ) Gmelins Mineralogie, S. 213. ) Brinnerichs Mineralogie, S. 45. *r) Syſtematiſche Eintheilung, S. 54. fiber den Tonſchiefer, Hornſchiefer ie. 235 ſein Bruch uneben, ſplitterig und erdig; er hat abge⸗ ſonderte Stuͤcke, die der Wacke ganz fehlen, und ein größeres eigentliches Gewicht, als dieſe. Und folgt denn hieraus, daß zwey Steinarten einerley ſind, wenn ſie einander nahe kommen, oder auch wol bisweilen in ein— ander uͤbergehen? Dann waͤre auch Weißguͤldigerz und Fahlerz; Glaserz und Weißguͤldigerz; Rothguͤldig⸗ erz und Glaserz; grauer Speiß⸗Robold, und weißer Speiß⸗Robold; Quarz und Sornſtein; Hornſtein und Feuerſtein; Jaſpis und Zornſtein ꝛc. einerley, welches niemand behaupten wird. Da uns aber noch eine chemiſche Zergliederung dieſer Wa— ke fehlt, ſo kann ich von ihren Beſtandtheilen nichts anfuͤh— ren. Indeſſen ſcheint es doch, als wenn ſie wohl unter die Familie der Thonarten ihren Platz erhalten wuͤrde. Die Hauptmaße des Mandelſteins koͤmmt dem Aeußerlichen nach mit der Wacke auch im Ganzen ſo uͤberein, daß eine chemiſche Analiſe beyder Steinarten uns vielleicht darthut, daß ſie zu derſelben Gattung gehoͤren. Bis dahin bleibt es indeſſen nur Muthmaßung. Noch iſt mir übrig von den Beburtsörtern der Wacke und ihrem geognoſtiſchen Verhalten zu handeln. Fol— gendes laßt ſich wohl von beyden mit ziemlicher Zuver⸗ laͤßigkeit ſagen. | Sie bricht zu Joachimsthal in Böhmen auf mehrern Gruben z. B. am Kuͤchgange, bey der Einigkeit ); hier ſtreicht ſie ſehr regelmaͤßig, und macht einen Gang aus, der von einigen Zollen bis auf 40. Lachter maͤchtig wird; die dortigen Bergleute nennen dieſe Gänge auch RKaͤmme. Auf den Saͤchſiſchen Edelleuteſtollen findet ſich gediegen Silber in der Wacke ). Die ſogenannten Kalkgaͤnge, welche zu Marienberg 5) Ferbers Beytrag, S. 69. *r) Ferber a. a. O. S. 48. \ 7 236 D. L. Guſt. Karſten / gekroͤnte Preisſchrift ze. (im Saͤchſiſchen Erzgebirge), am Marters und Wildsberg vorkommen, ſind, wie man ſich aus Hrn. Charpentiers Beſchreibung davon überzeugen kann *), nichts als dieſe ade, welche dort in unordentlichen Lagern ſich im Gneuß befindet. Auf dieſelbe Art koͤmmt ſie auch auf dem Sauberge, bey Ehrenfriedersdorf vor *); und hier iſt es, wo die Bergleute fie ſelbſt ſchwarze Wade nennen. Und im Glimmerſchiefer liegt fie ebenfalls in ſolchen La⸗ gern, auf den Gruben Aaron, Neu-Oberhaus⸗Sach⸗ m ıc. zu Johann Georgenſtadt. Die Wade befindet ſich alſo: 1. Als Lager zwiſchen den Geſteinlagern der anfaͤng⸗ lichen Gebirge; 2. Aber auch in eigenen Gaͤngen in dieſen Gebirgen. Das erſtere beweiſen die Gebirge bey Martenberg, Eh⸗ renfriedersdorf und Joh. Georgenſtadt; und das zweyte nicht nur die angeführten Gruben zu Joachimsthal in Boͤh⸗ men, ſondern auch vorzüglich der Fuſtelberg bey Wieſen⸗ thal in Sachſen, wo Hrn. Charpentier an der Grube Kreuz Jahr die Wacke an den Seiten des Stolles, als Lager und Vorort, einen Gang fand, der 678. Zoll maͤchtig ward *). Eigene Erfahrungen haben auch mich an einem andern Orte von dem zweyten überzeugt, dann ich fand, daß die ziemlich maͤchtigen Gaͤnge, welche im Plauiſchen Grunde bey Dresden, nicht weit von dem Eingang zu Tage ausſtreichen, aus nichts als dieſer Wacke beſtanden. Sie ſtreichen daſelbſt in Werners Gruͤnſtein f), und man hatte, da ich dieſes beobachtet, einen Verſuchbau darauf angelegt, der aber, ſo viel ich weiß, nicht vortheilhaft ausgefallen iſt. ) Mineralogiſche Geographie, S. 186. 187. a. s. 2..08., 182 ker) A. a. O. +) Kurze Klaßifikation der Gebirgsgrten, S. Ss. 5. 7. 3:0. Le gefrönte en uͤber den Tonſchiefer, Hornſchiefer, und Waken ꝛc. Von Herren Bergſekretarius Voigt in Weimar. * 2 238 Hrn. Bergſekr. Voigt gekrönte Preisſchrift | Beytrag zu Berichtigung der Nomenklatur in der Mineralogie. | Die von dem Herrn Dock. Höpfner in Bern ausgeſetzte Preis aufgabe, dieſen Gegenſtand betreffend, veranlaßt mich, einiges aufzuſetzen, was etwa zu Entwickelung eis ner Verwirrung beytragen koͤnnte, die durch unaͤchte, zweydeutige und falſche Benennung verſchiedener Foßilien entſtanden iſt. Eine Arbeit, die ſich in unſern Tagen um ſo nothwendiger macht, da ſich wirklich darthun laͤßt, daß man vor dieſem von verſchiedenen Foßilien weit hel⸗ lere und beſtimmtere Begriffe hatte, als gegenwaͤrtig, wo jeder mineralogiſcher Irrthum nachtheiliger iſt, und ſich mehr ausbreitet, weil die Mineralogie ſo viele Freunde findet. Der Grund der entſtandenen Verwirrung liegt vorzuͤglich darin, daß Maͤnner die Mineralogie lehrten und daruͤber ſchrieben, nicht einverſtanden genug waren, die Gegenſtaͤnde, die ſie vor ſich hatten, nicht mit hin⸗ laͤnglicher Behutſamkeit benennten, nicht aufmerkſam genug auf Schriften waren, die gewiſſe Foßilien ſchon hinlaͤng⸗ lich beſtimmt hatten, zur Unzeit Namen abänderten und erfanden, und enblich eitel genug waren, andern nicht nachfolgen zu wollen. Eben ſo viel Schuld an dieſer ſchaͤdlichen Verwirrung haben auch die mehreſten Ueber⸗ ſetzer. Nur aͤuſſerſt wenige waren ſelbſt mit der Wiffene ſchaft bekannt genug, um Arbeiten dieſer Art uͤbernem⸗ men zu koͤnnen, und den Sinn ihrer Originale allezeit richtig zu treffen. Endlich hat auch das Beſtreben ver— ſchiedener Mineralogen Irrthum veranlaßt, jedes Foßil beſtimmt zu benennen, wo es beſſer geweſen ſeyn würde, ä über den Tonſchieſer, Hornſchiefer e. 239 daſſelbe beſtimmt zu beſchreiben, und lieber gar nicht zu benennen. Es würde leicht ſeyn , von allem dieſem Beweiſe bey— zubringen , die aber auch für alle diejenigen uͤberflußig ſeyn wuͤrden, welche nur ſeit wenigen Jahren aufmerk— ſam auf das geweſen ſind, was uͤber dergleichen Gegen— ſtaͤnde geſchrieben worden iſt. Es ſcheint auch vielen das Talent abzugehen, ein Foßil fo zu karakteriſiren, daß der, welchem es nur dem Namen nach bekannt wird, ſich eine deutliche Vorſtellung davon machen kann. Haͤtten nicht zu viele Werners aͤuſſere Kennzeichen der Foßilien aus eis nem ganz verkehrten Geſichtspunkte angeſehen, und ſie ſo ſehr vernachlaͤßiget, ſo wuͤrde man kaum dieſe Klage noch fuͤhren duͤrfen, und weniger elende Beſchreibungen von Foßilien zu Geſichte bekommen. Ich uͤbergehe noch manches, was uͤber entſtandene Vers wirrung in der Nomenklatur mineraliſcher Koͤrper zu ſagen waͤre, und bearbeite den kleinen Beytrag, den ich zu ih⸗ rer Berichtigung zu liefern im Stande bin. §. I. Die Aufgabe iſt: „Eine richtige, beſtimmte, der Natur der Steinarten dvs angemeſſene Eintheilung, Benennung und Beſchreibung „ aller derjenigen Gebirgsarten, die jetzt unter dem Nas „men von Hornſchiefer, Thonfchiefer, Wacken und allen „in dieſe Claſſe einſchlagenden Gebirgsarten, zu verfer— „tigen, ſolche durch deutſche und lateiniſche Trivialnas „men genau zu beſtimmen, und Geburtsort und locale „Benennung anzufuͤhren. » Ich werde im Nachſtehenden verſuchen, in wie weit es mir gelingt, dieſer Aufgabe Genuͤge zu leiſten, ſo viel Schwierigkeiten ſich mir auch entgegenſtellen, und ſo gern ich den Schein vermeiden moͤchte, mich in einigen Faͤllen als competent aufwerfen zu wollen. Es iſt aber ſchwer, 240 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift von einer Sache beſtimmt zu handeln, ohne durch einen feſtgeſetzten Namen ſie von einer aͤhnlichen unterſcheiden zu koͤnnen, und daher bin ich genoͤthiget, in einigen Faͤl⸗ len Namen als aͤcht anzunemmen, die noch nicht allge— mein recipirt zu ſeyn ſcheinen, aber wenn ſie dieſes mas ren, ſo beduͤrfte es auch keiner Auseinanderſetzung! §. 2. Bornſchiefer, aͤuſſere Kennzeichen und chemiſch Verhalten deſſelben. | Der Hornſchiefer ift von einer grauen Farbe, die fich aus dem Aſchgrauen bis ins Schwarzgraue verlaͤuft, und ſich bisweilen ſchwach in's Olivengruͤne ziehet. Er iſt al— lezeit derb, von unebenem, ſplitterigem Bruch, der ſich bisweilen dem Muſcheligen naͤhert, und ſpringt in grob— ſchieferige Bruchſtuͤcke, die feiner Textur angemeſſen find, Er iſt von feinem Korn, an den Kanten durchſcheinend, giebt einen weißlichtgrauen Strich, iſt in einem hohen Graz de halbhart und zaͤhe. Bisweilen fuͤhrt er Feldſpath und hoͤchſtſelten ſchwarze Hornblende-Cryſtallen. Er wird ſchwach vom Magnet gezogen, und Platten davon haben einen Klang, der ſich dem metalliſchen naͤhert. Erſt neuers lich hat dieſen Hornſchiefer Herr Senator Wiegleb chemiſch zerlegt“) und gefunden, daß eine Unze deſſelben 5. Drachm. 41. Gran Kieſelerde, 1. — — 55. — Alaunerde und — — — 17. — Eiſen enthalten hat. Vor ſich fließt er noch leichter und duͤn⸗ ner, als der Baſalt. F. 3. Kennzeichen der Sornſchieferberge. Man hat ſie bisher 1.) nur in vulkaniſchen Gegenden oder in der Nachbar; ſchaft alter Vulkane gefunden, und zwar in der Ober⸗ lauſitz, *) Chem. Annalen. Jahrg. 1787. St. 4. uͤber den Tonſchiefer, Hornſchiefer te. 241 lauſitz, im Fuldaiſchen, bey Carlsbad und Toͤplitz in Boͤhmen. | | 2.) Nie als ein Gebirg, fondern immer nur in einzel⸗ nen Klippen und iſolirten Bergen, in dem Baſalt, mit ihm abwechſelnd, in Laven verwebt; er macht bisweilen die Spitzen vulkaniſcher Berge aus, ja er zeigt ſich ſogar als ein Uebergang in Baſalt, und ſcheint auch von vielen dafür angeſehen worden zu ſeyn. (S. F. 5.) 3.) Er widerſtehet der Witterung, als es irgend eine Gebirgsart faͤhig iſt, und nur bisweilen findet man Klip— pen, die durch dieſelbe eine tonige weiſſe Rinde bekom— men haben. An Ruinen von alten Schloͤſſern, die davon aufgebauet geweſen, und wol tauſend Jahr alt ſind, be— merkt man noch nicht die Wirkungen deſſelben, und ihre Steine ſcheinen noch einen ganz neuerlichen friſchen Bruch zu haben. - 4.) Die Hornfchieferfelfen haben ein grotteskes zackiges Anſehen, und verticale Spaltungen, die ſie in Saͤulen, Tafeln und ſtarke Baͤnke theilen, doch findet man auch ganze dergleichen Maſſen. 5.) Er wird in ſo fern allezeit rein gefunden, daß nie eine erzt- oder ſteinfuͤhrende Kluft, oder irgend eine fremd artige Schicht in ihm angetroffen wird. Auſſer biswei— len Feldſpath und Hornblende, verunreiniget nichts ſeine Miſchung. $. 4. Schriftſteller, die dieſe Gebirgsart aufgeführt haben. 1.) Charpentier min. Geograph. der Churfächfifchen Lan— de. S. 21. bis 32. Der Herr Verfaſſer fand ihn in der Oberlauſitz unter allen im $. 2. und 3. angeführten Um⸗ fanden, und nennt ihn Hornſchiefer. N 2.) Leipziger Magazin zur Naturgeſchichte und Oeco— nomie. B. I. S. 11. Voigt uͤberſchickte mit einem Aufſatze Magaz. f. d. Naturk. Helvetiens III. B. Q * \ 242 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift von den Rhoͤnbergen einige Stufen Hornſchiefer an Leske, und dieſer bezeugt in einer untergeſetzten Note, daß es eben der Hornſchiefer fey, wovon er aus der Lauſitz wel⸗ chen erhalten habe. 3.) Wallerii Mineralogie durch Leske uͤberſetzt, S. 334. in der Note. Leske fand noͤthig, in dieſer weitlaͤuftigen Note anzuzeigen, daß das Foßil, welches in Sachſen Hornſchie⸗ fer benennt würde, ein ganz anderes ſey, als das, welches Waller aufführte. Er karakteriſirt es fo genau, daß man leicht ſehen kann, daß er eben den Hornſchiefer vor ſich hatte, deſſen Charpentier a. a. O. erwaͤhnt. 4.) Voigts min. Beſchr. des Hochſtifts Fulda, S. 32 bis 38. 54 bis 56. 131 bis 140. Man findet hier alles das von Hornſchiefer, was §. 2. und 3. dasz ihm angefuͤhrt worden iſt. 8.) Deſſen drey Briefe über die Gebirgslehre, S. 46. und in den dazu gehörigen Cabinets von Gebirgsarten ſub Nro. 55. 6.) Leskens Reiſe durch Sachſen in Ruͤckſicht der Defos nomie und Naturgeſchichte, S. 496. bis ans Ende. Ob⸗ gleich dieſer Schriftſteller in ſeinen aͤltern Schriften dies Foßil Hornſchiefer genennet hatte; fo bedient er ſich doch in dieſem Werke der Benennung, Hornartiger Porphyr, wozu ihn die darinne befindlichen Sippen und Lamellen moͤgen bewogen haben. x 7.) Kurze Claßification und Beſchreibung der verfchies denen Gebirgsarten von Werner, S. 11. Hr. Inſpektor Werner fuͤhrt hier dieſe Steinart unter dem Namen Por⸗ phyrſchiefer auf, mit der Bemerkung, daß ſie andere Schriftſteller Hornſchiefer benennten. In den 1770ger Jahren bediente er ſich jedoch noch der letztern Benen⸗ nung, und verſicherte einem ſeiner damaligen Zuhoͤrer, der ihm eine Stufe davon vom Schloßberge bey Toͤplitz mitbrachte, es ſey Hornſchiefer. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ic. 243 8.) Ferbers Beyträge zu der Mineralgeſchichte von Boͤh⸗ men, S. 122. Hier wird der wahre Hornſchiefer unter dem Namen dunkelgrauer, etwas blaͤulichter Tonfchiefer ꝛc. ſehr genau und richtig beſchrieben. Er fand ſich ſaͤuleufoͤr— mig bey Kladnau in Boͤhmen. §. 5. Schriftſteller, die unter dem Namen, Zornſchirsd fer, ein anderes Foßil verſtehen. Auſſer angezeigten Schriften findet man noch die Be— nennung, Sornſchiefer, in nachſtehenden, wo jedoch an— dere Foßilien damit belegt werden, wieſaus den Beſchrei— bungen und andern Umſtaͤnden leicht zu erkennen iſt. 1.) Wallerii Mineralogie, von Denſo uͤberſetzt, S. 185. und in der Leskiſchen Ueberſetzung S. 334. Hier wird Hornſchiefer, Corneus fiſſilis lamellis parallelis, Roche de corne feuilletèe, aufgefuͤhrt, aber ſchon der Umſtand, daß oft Metalle, beſonders haͤufig Gold- und Kupfererzte darinne brechen ſollen, zeigt nach §. 3. ſattſam, daß er nicht der Hornſchiefer iſt, von dem hier die Rede iſt Es laͤßt ſich auch nicht wol ſchlieſſen, was fuͤr eine Steinart Wallerius eigentlich darunter verſtehen mag, als etwann Abaͤnderungen des Tonſchiefers; doch bemerkt er unter andern Umſtaͤnden, daß er andere Steinarten wie eine Haut bedecke, und wie koͤnnte dieſes beym Tonſchiefer Statt finden? 2.) Brüning führe den Zornſchiefer in feiner Minera— logie S. 93. ebenfalls als Erztmutter und Ganggeſtein auf, welche Eigenſchaften ihm aber nach denen abgehen, die den eigentlichen Hornſchiefer beſchrieben haben. 3.) Der Herr Oberbergrath Ferber braucht die Benen— nung, Hornſchiefer a.) von einer Steinart, die in Unter— ſteyer und Krain haͤufig gefunden wird, und aus Quarz und Glimmer beſtehet. (Briefe aus Waͤlſchland, S. 4.) b.) Von einem Granit, der nach ſeiner ganzen Miſchung 244 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift in Ton aufgelöst iſt; (Beytr. zur Min. Geſchichte in Boͤh⸗ men, S. 25.) und c.) von einer innigſten Verbindung des Quarzes mit dem Tonſchiefer, (ebendaſ. S. 122. in der Note). Daß letzteres der ſchiefrige Hornſtein ſey, von dem $. 10. gehandelt werden ſoll, iſt ſehr wahrſcheinlich. 1 4.) Herr Adjunkt Haidinger (deſſen Entwurf einer ſyſte— matiſchen Eintheilung der Gebirgsarten, S. 33.) pflich⸗ tet Herr Ferbern bey und bedient ſich ſeiner eigenen Worte zur Beſchreibung ſeines Hornſchiefers. Das uͤbrige beſtaͤ⸗ tigt meine obenangefuͤhrte Vermuthung, daß fein Gegen ſtand eigentlich der ſchiefrige Hornſtein, und daß Waller Hornſchiefer eine Abaͤnderung des Tonſchiefers ſey. Daß Hornſchiefer auch eine der gemeinſten erztfuͤhrenden Ge birgsarten des Harzes ſeyn ſoll, iſt nicht gegruͤndet, und unter dieſer Benennung kennt man auch nicht einmal eine Gebirgsart des Harzes. 5.) Von Leyſſers mineralogiſche Tabellen. Die Gruͤnde find hier nicht angegeben, warum der Herr Kriegsrath fuͤr Hornſtein allemal die Benennung Hornſchiefer gewaͤhlt hat. In der deutſchen Ueberſetzung von Kirwans Mine; ralogie, die hier in Tabellen gebracht iſt, kommt die Bes nennung Hornſchiefer, nicht ein einziges mal vor, ſondern durchgehends findet man die Engliſchen Worte Hornſtone und Chert Hornſtein uͤberſetzt, ob Kirwan wol eigentlich unter Hornftone Hornblende verſtanden hat. 6.) In der angezogenen Note in Wallerii Min. S. 385. ſagt Herr Prof. Leske: „In de Sauſſure Voyage dans les Alpes findet man auch Nachrichten vom Hornſchiefer in Savoyen ꝛc. „ Aber in der deutſchen Ueberſetzung dieſes Werks findet ſich ebenfalls dieſe Benennung nicht, und Herr Wyttenbach hat Pierre de corne ſo wol als Roche de corne allemal Hornſtein uͤberſetzt. Im §. 672. dieſer Reiſe ſcheint die Rede von ſchiefrigem Hornſtein zu ſeyn, und über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 245 hoͤchſtwahrſcheinlich iſt der Baſalt von la Cour, den Herr Saußuͤre $. 183. beſchreibt, der aͤchte Hornſchiefer. 7.) Der Hornſchiefer, der in Gerhards Verſuch einer Geſchichte des Mineralreichs vorkoͤmmt, iſt ebenfalls uns ſer Hornſchiefer nicht, denn es heißt unter andern von ihm: „Dieſer wahre Hornſchiefer oder Tonſtein iſt eine bloſſe Fortſetzung des Gneuſſes. » $. 6. Claßification des Zornſchiefers. Der Hornſchiefer iſt nicht von allen, die ihn anfuͤhren, von dieſer Seite beurtheilt worden, und bey der Unge— wißheit, mit welcher er bisher gekannt wurde, war dies allerdings auch mit Schwierigkeiten verbunden. Kuͤrzlich muß ich hier anfuͤhren, daß viele Mineralo— gen den Baſalt und einige ähnliche Gebirgsarten für vul— kaniſche Ausgeburten halten; einige aber das Gegentheil glauben. Werner, der ſich in ſeiner Claßification der Ge— birgsarten ganz wider die Meinung der erſtern erklaͤrt, und ſeine Gruͤnde hieruͤber bekannt zu machen verſprochen hat, fuͤhrt daher dieſe Gebirgsart ſo wie den Baſalt un— ter den uranfaͤnglichen Gebirgsarten mit auf. Voigt hin— gegen , dem ich beypflichte, haͤlt ihn für vulkaniſch , und zwar aus folgenden Gruͤnden, die ich aus ſeiner Reiſe von Weimar uͤber den Thuͤringer Wald, die Rhoͤnberge bis Biber und Hanau, S. 39. wörtlich hier einſchalte: „Ich fand eine neue Urſache, den Hornſchiefer, der in „ Leskens Reiſe durch Sachſen hornartiger Porphyr, von „ Hrn. Werner aber Porphyrſchiefer genennt wird, für „ein Feuerprodukt zu halten. Die Gründe, die ich bis⸗ „her hiezu hatte, waren kuͤrzlich: 1.) er wird nur in der „Nachbarſchaft alter Vulkane, oder gar in ihnen ſelbſt „gefunden : 2.) haben feine Felſen mit den vulkaniſchen » einerley Beſchaffenheit und Anſehen: 3.) iſt er eben fo » leichtfluͤßig wie Lava: 4.) bewegt er den Magnet, wie * 246 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift sdiefe: 5.) finden ſich Arten deſſelben, wo man zweifel⸗ ss haft bleibt, ob man fie Baſalt oder Hornſchiefer benen; „nen foll : 6.) beſchreibt Faujas de St. Fond S. 48. „ſeiner Mineralogie der Vulkane eine graue compacte La— „va mit Feldſpat, die alle Eigenſchaften deſſelben hat. „Der ſiebende Grund iſt nun folgender, und gewiß von „dem mehreſten Grwicht. Der Rand des Craters, der „der Pferdskopf genennt wird, und unerſteiglich jaͤh iſt, „ beſtehet halb aus Lava, und halb aus Hornſchiefer nes „ben einander geſtellt. Die Lava iſt faſt durchgehends fu; „ gelfoͤrmig, und wenn man das Anſehen des Ganzen mit „etwas ganz Kleinem vergleichen duͤrfte, ſo waͤre das „Anſehen des Carlsbader Erbsſteins das paſſendſte. So 5 wie dieſer aus ſchaligen Kuͤgelchen zuſammengeſetzt iſt, „fo find hier kugelfoͤrmige ungeheure ſchalige Ballen in „einander gedruckt, die meiſtens aus braunrother poroͤ— „fer Lava mit Hornblende, Zeolith, auch leeren Blaſen— „ loͤchern, die zum Theil blaulicht angelaufen find beſte— hen, hin und wieder aber auch Partieen von Baſalt und „andern Laven enthalten. Niemand wird dieſe fuͤrchter⸗ „liche Klippe ohne Staunen anſehen koͤnnen. Die Wit „terung wirkt ſehr ſichtbar auf ſie, und an ihrer Wurzel „liegen anſehnliche Zonhügel , die Regen herabge— „ſchwemmt hat. Nach und nach ſtuͤrzen auch Lavaku⸗ „ geln herab, und kollern fo weit fort, bis fie von jenen „ aufgehalten werden, die früher dieſes Schickſal hatten. „Da, wo der Hornſchiefer an dieſe Lava anſtoͤßt, bez „deckt Ton und Geſtraͤuch die Graͤnzlinie; doch nicht weit „über derſelben iſt erſterer eben fo kugelfoͤrmig, nähert ſich der weiſſen Farbe, und man bemerkt in ihm, doch „ aͤuſſerſt ſelten, Hornblende. Je entfernter von dieſer „Graͤnzlinie, je feſter wird er, je dunkler wird ſeine graue „Farbe, und ſein Gewebe wird grobſchiefrig, und oben „ auf dem hoͤchſten Punkte zieht er ſich über die Lava hin, * über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 247 „und iſt da, wenigſtens von auſſen, duͤnnſchieferig, und „ zum Theil in eine graue leichte Erde aufgelöst. „Was einem Gegner hierbey zuerſt in den Sinn kom⸗ „men koͤnnte, waͤre, daß vulkaniſche Kraft den ganzen „Fels aus dem Innern empor gehoben, und ihn da beſchaͤ— „ digt haben koͤnnte, wo er an die gluͤhende Lava anſtieß. „Aber welche Wirkung koͤnnte ihn da kugelfoͤrmig gebil— „det haben? Geſetzt, man wollte dies als etwas uner— „ klaͤrbares und eigenes anſehen, fo wuͤßte ich auch nicht, 5 wo der Hornſchiefer vor Erſcheinung der Vulkane ſollte „ gelegen haben. Die Vulkane brachen entweder aus dem „Floͤtzgebirge, oder noch tiefer aus dem darin befindlis schen Grundgebirge hervor, und letzteres wol zuverlaͤßig. „ Fuͤr eine Floͤtzſchicht wird wol niemand den Hornſchiefer halten, und ich am allerwenigſten, da ich das Innere „ dieſer Gegenden fo genau kenne, als es bis jetzt mögs „ lich iſt. Aus dem Floͤtzgebirge konnte ihn alſo ein Vul— „kan wol nicht hervorſtoſſen. Wollte man ihn fuͤr eine 2 Art des Grundgebirgs halten, das in dieſem Lande wol „mehr als ein tauſend Lachter tief liegen moͤchte, ſo „müßte vulkaniſche Kraft auf eine unbegreifliche Weiſe „in ihrem Schooſſe erſtlich dieſe Berge vom Ganzen abs 5 geſoͤndert, und fie durch die Roͤhre, die fie ſich ge „brannt hatte, hindurch getrieben haben, ſo wie man „durch Pulver eine Kugel aus dem Geſchuͤtz treiben kann. „Mag dieſe Vergleichung fo klein und laͤcherlich ſcheinen, „als fie immer will, fo iſt fie gewiß die paſſendſte, und „im Verhaͤltniß iſt die Kugel noch immer zu groß, oder „die Berge zu klein. „Wenn man ſich aber auch noch über dieſe Schwierig „ keit hinausſetzen wollte, fo wäre es doch hoͤchſt verwun— „ dernswuͤrdig, daß die Vulkane in der Lauſitz, in Böhs „men und im Fuldiſchen, wo ſie Hornſchiefer zum Ge— v fahrten haben, juſt Hornſchiefer, und nicht auch Gras 248 Hrn. Bergſekr. Voigt gefrönte Preisſchrift „nit, Porphyr, Tonſchiefer und andere Grundgebirgs— „arten aus ihrem Schooſſe mit hervorgebracht und 1 „ihre Gipfel geſtellt haben ſollten. „Ich mag die Sache von ſo vielen Seiten betrachten, „als ſich nur immer herbeyziehen laſſen, ſo bleibt mir im⸗ „mer das Reſultat, Hornſchiefer muß ein Feuerprodukt „ ſeyn, ꝛc. ꝛc. „ Hierbey wiederhole ich aus §. 5. daß der in de Sauſſure Voyages &c. $. 182. angeführte ſaͤulenfoͤrmige, graue und dichte Baſalt und Feldſpath hoͤchſtwahrſcheinlich auch uns fer Hornſchiefer iſt. Ueberhaupt iſt die Aehnlichkeit zwi⸗ ſchen beyden Gebirgsarten ſo groß, daß Leske (Reiſe durch Sachſen S. 523. davon ſagt: „Für das Geſtein (des „Ungluͤcksſteins) ſelbſt weiß ich noch keinen Namen, der „ mir Genugthuung leiſtete, es ſcheint mir ein Mittelding „zwiſchen hornartigem Porphyr, (Hornſchiefer) und Bas „ ſalt; und (S. 514.) Er, (der Hornſchiefer) hat nach „allen Kennzeichen eine groſſe Aehnlichkeit mit dem Ba: „ſalt; welche Vermuthung jedoch nur durch eine naͤhere „chemiſche Unterſuchung vergewiſſert werden kann. „ Voigt (Min. Beſchr. des Hochſtifts Fuld. S. 133.) ſagt vom Ruͤckersberge: „Ich getraue mir jetzt noch nicht, „mehr davon zu ſagen, als daß es ein Mittel zwiſchen 5 Hornſchiefer und Baſalt iſt. » Charpentier (Min. Geogr, der Churſaͤchſiſchen Lande, S. 22.) führt einige Unterſcheidungszeichen zwiſchen Horns ſchiefer und Baſalt an, und ſetzt hinzu: „Dieſe Eigen— „o [haften unterſcheiden ihn von dem Baſalt, mit dem er „ auſſerdem, zumal wenn er von groͤberm Korn iſt, bey „dem erſten Anſehen Aehnlichkeit zu haben ſcheint, und „auch von verſchiedenen dafür gehalten worden iſt. „ Dieſes mit den faſt gleichen Beſtandtheilen, der beſtaͤn⸗ digen Nachbarſchaft ꝛc. zuſammengenommen, muß wenig⸗ ſtens fo viel wirken, dem Horaſchiefer und dem Baſalt eis * über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛce. 249 ne aͤhnliche Entſtehungsart zuzuſprechen, die bey den Des muͤhungen fo vieler Kenner gewiß nicht lange mehr unent⸗ ſchieden bleiben wird. §. 7. Vorſchlag wegen einer beſtimmten Benennung. Aus dem, was im Obigen von der Benennung Horn— ſchiefer, angefuͤhrt worden iſt, wird klar, daß die Ver— wirrung zwiſchen Namen und Gegenſtand bisher gewiß noch weit groͤſſer geweſen iſt, als man geglaubt hat. Es laͤßt ſich oft nicht einmal errathen, was der oder jener durch die Benennung, Hornſchiefer, hat ſagen wollen; zum Theil haben wir auch ſchon paſſendere und gewoͤhn— lichere Namen fuͤr Foßilen, die aus Irrthum damit belegt worden find. Einem Gegenſtande aber, der ſich fo we— ſentlich von ſo vielerley andern unterſcheidet, gebuͤhrt wol auch eine eigenthuͤmliche Benennung, und es kommt nun nur darauf an, welcher Name, und welches Foßil aus dem angeführten Wirrwarr zuſammengegeben werden ſollen. Duͤrfte ich einen Vorſchlag thun, fo wäre es der, demje— nigen Foßil den Namen Hornſchiefer zu laſſen, das oben §. 2. u. 3. unter demſelben karakteriſirt worden iſt. Nicht als ob ich die Eitelkeit haͤtte, etwas Geſchaffenem einen Namen beylegen oder ihm dazu verhelfen zu wollen. Um dieſen Gewinn waͤre mir Genauigkeit in der Mineralogie nicht feil. Meine Gruͤnde hiezu ſind vielmehr folgende: Herr Bergrath von Charpentier war der erſte deutſche Mi— neralog, der dieſe Gebirgsart beſchrieb, und ihr dieſen Namen beylegte. Seine min. Geographie der Churſaͤchſi— ſchen Lande iſt gewiß ſo viel geleſen worden, als es ein Werk von ſo groſſem innerm Werthe verdiente, und es iſt ſonderbar genug, daß juſt ſeine Landsleute ſich bemuͤheten, immer beſſere Namen vor ein Foßil zu erfinden, das nun ſchon hinlaͤnglich beſtimmt und benennt war. Es duͤrften noch wenige Foßilien ein aͤhnliches Schickſal haben, um 250 Hrn. Bergſekr. Voigt gekrönte Preisfchrift - die Mineralogie in ein unzertheilbares Chaos zu vers wirren. Die Benennung, Hornſchiefer, iſt auch für dieſe Ges birgsart in ſo fern die paſſendſte, weil kein Foßil von ſchiefrigem Gewebe dem aͤuſſern Anſehen nach fo viel Aehn⸗ lichkeit mit grauem Horn und den Grad der Durchſichtig— keit deſſelben hat, auch an Zaͤhigkeit ihm beykaͤme. Durch das Leskiſche Magazin und viele Zuhoͤrer dieſes verſtorbenen Gelehrten, auch durch einige Zoͤglinge der Freyberger Bergakademie, die in den 7oger Jahren da zugegen geweſen, iſt die Benennung, Hornſchiefer, eben— falls ſehr ausgebreitet worden, und zuletzt noch durch die Voigtiſchen Schriften und deſſen Cabinets von Gebirgsar— ten. Aus den mehreſten uͤbrigen angefuͤhrten Schriften iſt den wenigſten klar geworden, was man eigentlich un⸗ ter ihrem Hornſchiefer zu verſtehen habe, und Leske ſo— wol als Werner ſind ſo behutſam geweſen, nachdem ſie ſich ſelbſt abgeändert, jener bey der Benennung hornarti— ger Porphyr, und dieſer bey der Benennung Porphyr⸗ ſchiefer, anzumerken, daß dies Foßil von andern Horn⸗ ſchiefer genennt wuͤrde. Wollte man die Benennung, Hornſchiefer, dem ohn⸗ geachtet lieber gar nicht mehr dulden; ſo waͤre noch die Benennung, Porphyr-La ha, nach Faujas de St. Fond die paſſendſte, doch nur den Theil von Gebirgskundigen, der weiß und glaubt, daß Baſalt eine vultaniſche Ge⸗ birgsart iſt. Provinzialbenennungen des Hornſchiefers find mir nur zwey bekannt geworden, naͤmlich Blauſtein nach Charpen⸗ tier, der dies in der Oberlauſitz bemerkt hat, und Schie— ferwacke nach Voigts min. Beſchr. von Fuld, wo man ihn zum Unterſchied von Baſalt, den man ſchlechtweg Wacke nennt, damit belegt. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer c. 251 §. 8. Hornſtein. Deſſen Benennung. Die deutſchen Mineralogen ſind ziemlich decidirt, was fie unter der Benennung, Sornſtein, zu verſtehen ha— ben. Nur den Ueberſetzern auslaͤndiſcher Werke iſt es oft mißlungen, den Sinn ihrer Originale allemal ganz zu tref, fen, ſo wie auch denen, die mineralogiſche Werke aus dem Deutſchen in andere Sprachen uͤberſetzen. Hieraus iſt eine merkliche Verwechſelung zwiſchen Hornſtein, Feuerſtein, Hornſchiefer, Agath, Quarz, Jaſpis, u. ſ. w. entſtan⸗ den, die ich auseinanderzuſetzen gegenwaͤrtig verſuchen will. um nicht zu weitlaͤuftig zu werden, will ich nur die Schriften durchgehen, die mir zu meiner Abſicht den mei— ſten Stoff geben. Eine Reihe lateiniſcher und anderer fremder Benennungen des Hornſteins ſollen vorangehen. Sie ſind: Silex corneus intrinſece æqualis, duriſſimus. Si- lex igniarius. Petroſilex. Lapis corneus. Corallium Foſſile Büttneri. Saxum cornutum Eucelii. Pyromachus. Silex cre- taceus, Lapis aceroſus Morandi. Franzoͤſiſch Roche de corne. Pierre de corne. Engliſch Hornſtone. Chert. Schwediſch Hälleflinta. Daß nicht alle dieſe Benennungen unſern Hornſtein bezeichnen, iſt ausgemacht, und wird im Nach— ſtehenden zum Theil erwieſen werden, indeſſen hat man ſich ihrer doch oft ohne Auswahl bedienet. $. 9. Aeuſſere Kennzeichen des Sornſteins. Ich nemme dieſe aus Werners Ausgabe von Kronſtedts Mineralogie, S. 139. Hornſtein (Bergkieſel, Petroſilex; Lap. corneus; Hælleffinta.) Dieſer Stein wird insgemein von dunkel- blaulicht⸗ auch licht- rauch- und gelblich grauer ꝛc. Farbe gefunden. Oft find auch in einem Stuͤcke mehrere dieſer Farben fleckweiſe vorhanden. Man hat ihn nur allein derb ). Er iſt jederzeit matt. Sein Bruch iſt *) Man mag das Wort derb dem cryſtalliſirten, eingeſprengten, oder ſchiefrigen entgegen ſetzen, fo bezeichnet es nicht ganz genau, weil der Hornſtein auch in dieſen Geſtalten gefunden wird. 252 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift kleinſplitterig und naͤhert ſich bisweilen dem Muſchelichten. Seine Bruchſtuͤcke find unbeſtimmteckig , und ziemlich ſcharfkantig. Am gewoͤhnlichſten findet man ihn bloß an den Kanten durchſcheinend, doch kommt er auch (je nach— dem das Stuͤck ſtark oder ſchwach iſt) ganz durchfcheis nend vor. Er iſt hart, aber in geringerm Grade als der Quarz, ja bisweilen nur halbhart. Er fuͤhlt ſich kalt an und iſt nicht ſonderlich ſchwer. Er iſt auf dem Bruche von groͤberm Korn, als der Feuerſtein, auch von gerins gerer Härte ıc. §. 10. Natuͤrliche Geſchichte des Hornfteins. Man hat hauptſaͤchlich zwey Abaͤnderungen vom Horn— ſtein. Die eine iſt ſplitterig auf dem Bruche, der ſich dem Muſcheligen naͤhert, die andere eben, und meiſt von ſchiefrigem Gewebe. Die erſte nenne ich gemeinen Zorn— ſtein, die zweyte aber ſchiefrigen Hornitein. Der ge meine Hornſtein kommt eigentlich nur in Gaͤngen und Kluͤften der einfachen Gebirge vor, wo er ſehr oft mit Erz ten und Metallen auch ganz rein und von verſchiedenen Farben, als roth, gruͤn, ſchwarz, grau u. ſ. w. gefun⸗ den wird. Beſonders bricht zu Johanngeorgenſtadt Glas— erzt, gediegen Silber, Wis muth, Schwefelkies ꝛc. in demſelben mit ein, und auch in den Schneeberger- und und Marienberger-Gruben iſt er nicht ſelten. Auch findet er ſich an beyden erſten Orten bisweilen in Cryſtallen. Der ſchiefrige Hornſtein kommt vorzuͤglich in Tonfchies fergebirgen von dunkelſchwarzgrauer Farbe vor, und zwar theils in Parthieen, die in Tonſchiefer gleichſam eingewebt ſind, und mit ſeinen Blaͤttern einerley Richtung haben, theils auch in ſchmalen Gebirgslagern des Tonſchiefers, wo mehrentheils die Blätter des Hornſteins mit den Schies ferblättern einen rechten Winkel machen. In beyden Faͤl⸗ len gehet die Maſſe des Tonſchiefers ſo unmerklich und * über den Tonſchiefer, Hornſchieſer e. 253 durch fo unendliche Nuͤangen in den Hornſtein über, wie man mit Duſche einen Uebergang aus der weiſſen in die ſchwarze Farbe hervorbringen kann, und daher die vielen Uebergaͤnge zwiſchen beyden Steinarten, wo kaum eine Graͤnze geſetzt werden kann, wenn man den Grad der Härte, der am Stahl Funken bewirkt, nicht dafür ans nemmen will. Wenn man Gelegenheit hat, dergleichen Parthieen und Gebirgslager in Tonſchiefergebirgen ſelbſt zu fehen, fo kann man ſich leicht überzeugen, daß ſich bey ſeiner Entſtehung an ſolchen Punkten die Kieſelerde in zu ſtarker Portion den Beſtandtheilen des Tonſchiefers bey— miſchte, und der Herr Oberbergrath Ferber druͤckt ſich daruͤber a. a. O. am richtigſten aus, wenn er ſagt: Der Hornſchiefer (ſchiefrige Hornſtein) ſey eine innigſte Ver— bindung von Ton- und Kieſelerde. 9. 11. Zornſtein im Schieferton. Noch findet ſich ein ſchwarzer Hornſtein in dem Schie— ferton, der die Steinkohlenfloͤtze bedeckt. Man trift ihn in geringerer Menge, oder vielmehr nur neſterweiſe in die— ſer Steinart an, und zwar eben ſo aus Ton in Kieſel uͤbergehend, wie von dem Hornſtein des Tonſchiefers ans gefuͤhrt worden iſt. Doch iſt er hier eben ſo haͤufig ſchie— ferig als ſplitterig und in beyden Faͤllen naͤhert er ſich dem muſcheligen, und iſt von feinem Korn. Weil der Schie— ferton ſo ganz unvermerkt in den Hornſtein uͤbergehet; ſo hängt er ihm auch fo feſt an, daß Stuͤcke davon ſehr lan⸗ ge an der Luft liegen muͤſſen, ehe man die Oberflaͤche rein beobachten kann, und nur erſt nach dem Zerſchlagen wird er recht ſichtbar. Der Tonſchiefer iſt gemeiniglich an fol: chen Punkten, wo er in Hornſtein uͤbergehet, ſehr mit Quarz durchkluͤftet, und da am mehreſten, wo man ihn ſchon mit Recht Hornſtein nennen kann. Beym Schiefer— ton bemerkt man dieſes zwar ebenfalls, aber nur ſind die 254 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Breisfehrift Materien, die ihn in ſo haͤufigen Kluͤftgen durchſetzen, weit mannichfaltiger. In einem groſſen Stuͤck, das ich zerſchlug, fand ich Kluͤfte mit Quarz, blaulichten Chal— cedon, Kalkſpaͤth, Bleyglanz und Kupferkies, und in den kleinſten Hoͤlungen Cryſtallen von dieſen Minern. Das verſteinte Holz (welches einige kuͤrzer und beſſer Holzſtein nennen) iſt auch mehrentheils ein wahrer Hornz ſtein, und zwar ein ſchiefriger, weil er ſich meiſtens nach den Faſern des ehmaligen Holzes, das zu ſeiner Bildung Gelegenheit gab, trennen laͤßt. Mancher Hornſtein wird auch ſonderlich angeſchliffen dafuͤr ausgegeben, und wol gar noch mit dem Beyſatz, Kirſchbaum, Eichen, Bir— ken, u. ſ. w. | 9. 12. Hornfteingefchiebe. Man hat bemerkt, daß der Hornſtein, fo wie die uͤbri— gen Kieſelarten, der Verwitterung ungemein widerſtehen. Man findet daher in Tonſchiefergebirgen oft ganze Klip— pen davon, die von dem weichern Tonſchiefer entkleidet wurden, der ſie zuvor in ſich geſchloͤſſen hatte. Mit loſen Hornſteingeſchieben findet man ganze Gegenden, Flußbet— ten, und einige Breccien und Conglomerats dergeſtalt an⸗ gefuͤllt, daß vielleicht ganze Schiefergebirge verwittern mußten, ehe ſo eine Menge Hornſtein frey gemacht und ausgeſtreuet werden konnte. Vielen hat es freylich wol etwas paradox geſchienen, beym Anblick einer Menge von Hornſteingeſchieben die Vernichtung ganzer Gebirgsmaſſen vorauszuſetzen, die ihr Daſeyn bewirken mußte, und da— her kamen einige auf die weit ſchwerere Idee, daß ſich ſolche Geſchiebe in loſen, ganz freyen, kugeligen Stuͤcken im Waſſer haͤtten koͤnnen erzeugt haben, und ſelbſt Kron— ſtedt iſt noch geneigt geweſen, von den bekannten Agatz kugeln dieſes zu glauben. (Verſuch einer Mineralogie $. 62.) Das urſpruͤngliche Zuſammenhaͤngen des Hornſteins mit N uͤber den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 255 dem Tonſchiefer und Schieferton aber macht, daß viele Jahre dazu gehoͤren, denſelben ganz davon zu befreyen, und daher findet man ihn, je entfernter von ſeinem Ent⸗ ſtehungsorte, deſto reiner. | Schon aus dem bisher Angefuͤhrten iſt leicht zu erfe, hen, daß es nicht ſchwer iſt, Hornſtein richtig zu unter, ſcheiden, nur ein Fall iſt uͤbrig, wo es ſchwer bleiben wird, und den auch Kronſtedt (S. 140. u. 144.) bemerkt, — allemal zwiſchen weichern Hornſtein-und haͤrtern Ja— ſpisarten richtig zu unterſcheiden. §. 13. Schriften über den Sornſtein. Wie ſchon bemerkt, werde ich nicht alle daruͤber nach—⸗ ſchlagen, ſondern nur die neueſten und beliebteſten, als: I.) Kronſtedts Mineralogie von Werner uͤberſetzt, S. 139. Da ich die Werneriſche Beſchreibung hieraus genommen und ſchon angezeigt, auch zum Maaßſtabe genommen ha— be, um den Hornſtein anderer Syſtems und Schriften darnach zu meſſen; fo iſt an ſich ſchon klar, daß in die ſem Buche nichts vorkoͤmmt, was unrichtig fuͤr Hornſtein angenommen werden koͤnnte. 2.) Kirwans Anfangsgründe der Mineralogie. Den ſchwarzen Hornſtein, Corneus nitens Wallerii, der hier S. 102. u. 103. beſchrieben worden ‚führt Hr. Kirwan als Abaͤnderungen der zehnten Art des Tongeſchlechts auf, die er folgendermaſſen uͤberſchrieben hat: „ Hornſtein, Hornblende nach Kronſtedt, und talcum ſtriatum nach Nins mann,» Aus dieſer Ueberſchrift iſt nur das Wort Hornz ſtein wegzuſtreichen, um Kirwans Sinn zu finden und ſich zu überzeugen, daß hier von nichts weniger als uns ſerm Hornſtein, fondern von Hornblende und Hornblende⸗ Gemengen die Rede iſt. Eben fo wenig iſt es der glim— merige Hornſtein S. 112. und die Abaͤnderungen S. 115. Auf der 122. Seite wird Feuerſtein und Hornſtein, die — 256 Hrn. Bergſekr. Voigt gekrönte Breisfcprift doch leicht zu unterſcheiden ſind, verwechſelt, und bey⸗ laͤufig anzumerken, wird auch der bekannte Egyptiſche Kieſel hier zu dem Feuerſtein gerechnet, der doch der ei— gentlichſte und ausgemachteſte Jaſpis iſt. Der Hornſtein endlich, der S. 124. als die dritte Art des Kieſelgeſchlechts unter dem Namen Bergkieſel, Horn— ſtein, Petrofilex, Chert, aufgeführt wird, iſt der wahre Hornſtein, und wird fo vollkommen karakteriſirt, daß die Benennung Hornſtein gar nicht daruͤber zu ſtehen brauchte, um zu wiſſen, daß er es ware, Seine Beſtandtheile fols len ſeyn: Kieſelerde, innigft gemiſcht mit 3. bis 3. ihres Gewichts an Ton- und 75. bis 5. an Kalkerde. Es iſt hier der Fall, wo der Ueberſetzer an der Verwirrung Schuld hat. Kirwan kannte den eigentlichen Hornſtein, wie man ſieht, ſehr genau, und unterſchied ihn durch das Wort Chert (Hornſtein) genau von Hornftone (Hornblende) welches Herr Kriegsrath Leyſſer verbeſſern wollte, und Hornſchiefer daraus machte. pr 3.) Wallerii Mineralſyſtem durch Leske uͤberſetzt S. 332. bis 339. Es ſcheinet, als ob hier vielmehr Abaͤnderungen von Hornblende verſtanden würden, und wie ſchon ange⸗ merkt, unter dem Namen Hornſchiefer, Abaͤnderungen des Tonſchiefers. Er merkt auch an, daß die Schwediſchen Bergleute alle dieſe Abaͤnderungen, Hornarten, benenn— ten. S. 261. findet ſich aber unſer Hornſtein unter dem Namen Petroſilex, Pierre de corne opaque, ganz diſtinkt, und viele Abaͤnderungen deſſelben, unter welchen aber nur der Rheinlaͤndiſche Muͤhlſtein nicht ſtehen ſollte, der aneız kannte Lava iſt. 0 4.) Gerhards Grundriß des Mineralſyſtems S. 21. und ebendeſſelben Verſuch einer Geſchichte des Mineralreichs Th. II. S. 128. In dem erſtern Werke begreift der Herr Verfaſſer Hornſtein und Feuerſtein mit allen ihren Abans derungen über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 277 derungen unter dem Namen Hornſtein, in der zweyten aber unter dem Namen Feuerſtein, obgleich die mehreſten Mine— ralogen mit Recht beyde diſtinguirt haben. Als Beſtand— theile werden nur Kieſel- und Alaunerde angegeben. So: wol im Tontiegel als im Kohlentiegel wurde er nach S. Io. II. undurchſichtig milchfarbig und zeigte keinen Anſatz zum Fluſſe, im Kreidentiegel hingegen zeigte ſich allenthal— ben Schmelzung, wo ihn der Stein beruͤhrt hatte. 5.) Von Juſti (Grundriß des Mineralreichs S. 214.) unterſcheidet ihn recht gut, und merkt vorzuͤglich an, daß er nicht mit dem Feuerſtein verwechſelt werden muͤſſe. 6.) Scopoli (Anfangsgruͤnde der Mineralogie S. 46.) redet eigentlich vom Feuerſtein. 7.) Woltersdorf (Mineralſyſt. S. 14.) unterſcheidet ihn von andern Kieſelarten durch die Benennung, gemeiner Hornſtein. Ich glaube durch dieſe Genauigkeit uͤbertraf er und Juſti mehrere neuere Schriftſteller. 8.) Haidinger (Syſtematiſche Eintheilung der Gebirgs— arten S. 68.) fuͤhrt ihn unter den Gebirgsarten, und der Benennung Kieſelfels, Hornfels, Petrofilex und Saxum fi. liceum auf, und giebt fuͤnf Arten davon an, die aber doch nicht eigentliche Abaͤnderungen find, als: ein Gemenge von Hornſtein, Feldſpath und Quarz. Unter dieſer Art begreift er den Porphyrit von Joachimsthal, von dem ich ſelbſt eine Stuffe beſitze, deſſen Geundmaſſe aber nicht Hornſtein, ſondern braunrother Jaſpis iſt. Bey den vier übrigen Arten lieſſen ſich auch noch Einwendungen machen. 9.) De Sauflure (Voyages dans les Alpes) hat nur 8. 70. unſern Hornſtein unter der Benennung Petroſilex. Da er ſich dieſes lateiniſchen Worts bedient, um ihn hinlaͤnglich zu bezeichnen, ſo iſt dieſes ein Beweis, daß das franzoͤſi⸗ ſche Pierre de corne und Roche de corne eine andere Be— Magaz. f. d. Naturk. Zelvetiens III. 5. R 258 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift deutung haben, und zwar, wie ſchon angefuͤhrt, durch Hornblende uͤberſetzt werden müffe. 10.) Henkels kleine mineralogiſche und chemiſche Schrif⸗ ten, S. 322. Der Herr Verfaſſer ſagt hier, daß man nicht einerley Hornſtein habe, ſondern eine Art, die auf Gängen braͤche und eine andere, den man als Geſchiebe in den Feldern uud in der Kreide faͤnde. Der letzte Hätte aber wol den Namen Feuerſtein ausſchließlich verdient. $. 14. Claßification des Zornſteins. Der eigentliche Hornſtein iſt durchgehends richtig claßifi⸗ cirt, und zu den Kieſelarten gezaͤhlt worden. Findet man ihn aber nicht unter denſelben, ſo iſt zu ſchlieſſeu, daß man unter ſeinem ihm eigenthuͤmlichen Namen etwas anders verſtanden habe, wie zum Beyſpiel in Wallerii und in der deutſchen Ueberſetzung von Kirwans Syſtem. Locale Be⸗ nengungen ſind mir von ihm nicht bekannt worden, und überhaupt wuͤßte ich auch nichts von Wichtigkeit zu Berich⸗ tigung der Benennung Hornſtein mehr beyzutragen. $. 15. Von dem Tonſchiefer. Bey einer Gebirgsart, die mit am haͤufigſten auf der Erdoberflaͤche gefunden wird, die man in Europa faſt in jedem Orte, und ſollte es auf dem Kirchthurm ſeyn, ans trift, und die ſich gar nicht verkennen laͤßt — muß man ſich wirklich wundern, daß Schriftſteller ihren eigenen ans erkannten und rechtmaͤßigen Namen Foßilien beylegen konn⸗ ten, die ſich in Anſehung ihrer Beſtandtheile, ihrer natuͤr⸗ lichen Lagerſtaͤtte, ihrer Eigenſchaften und ihres oͤksnomi⸗ ſchen Nutzens ſo ſehr von ihr unterſcheiden. Sie verwech⸗ ſelten hauptſaͤchlich Touſchiefer , Schieferton, verhaͤrteten Ton⸗ und Kupferſchiefer, oder beſſer, bituminoͤſen Mergel⸗ ſchiefer mit einander. Ich uͤbergehe noch einige Steinar⸗ ten, wo man bloß durch Textur und Bruch bewogen wurde, 9. über den Tonſchieſer, Hornſchiefer ꝛe. 259 fie Schiefer oder gar Tonſchiefer zu nennen; denn nur mes nige find fo vorſichtig geweſen, ihre Hauptbeſtandtheile, als Kalk, Sand u. ſ. w. vorauszuſetzen, und haͤtten doch immer beſſer gethan, wenn ſie ſtatt Kalkſchiefer und Sand⸗ ſchiefer ſchieferiger Kalkſtein und ſchieferiger 0 ge⸗ ſagt haͤtten. $. 16. Aeuſſere Kennzeichen des Tonſchiefers. Tonſchiefer, Schiftus, Lapis fiſſilis, Ardeſia; Flagſtone, Schiſte, Ardoiſe. Man hat ihn von weißlichtgrauer Farbe, die ſich bis in die dunkelblaͤulicht⸗ Schwarze verläuft, und ſich bey lichtern Nüangen bisweilen ſchwach ins gruͤnlichte und roͤthlichte ziehet. Er wird jederzeit derb gefunden. In⸗ wendig iſt er zuweilen wenig glaͤnzend, am gewoͤhnlichſten ſchimmernd und auch matt. Sein Gewebe iſt theils gerad, theils wellenfoͤrmig ſchieferig, ſein Bruch iſt erdig. Er ſpringt in ſcheibenfoͤrmige, ſelten in trapezoidiſche und noch ſeltener in langſplitterige Bruchſtuͤcke. Er giebt faſt durchs gaͤngig einen lichtgrauen Strich, iſt in einem geringen Gra⸗ de halbhart und nicht ſonderlich ſchwer. Er iſt eine der g& meinſten Gebirgsarten, wo er meiſtens in etwas geneigten Schichten angetroffen wird, in welchen feine Blätter vertis cal ſtehen, oder einen ſtumpfen Winkel mit der Richtung dieſer Schichten machen. Bisweilen liegen zwiſchen denſel⸗ ben Gebirgslager von urſpruͤnglichem Kalkſtein, und Quarz durchlaͤuft ihn in Gaͤngen und Kluͤften nach allen nur er⸗ ſinnlichen Richtungen. Auch werden Erzt sführende Gänge in ihm angetroffen. Von feiner Miſchung, die (nach $. 10.) in einem und ebendemſelben Gebirge nicht allemal einerley iſt, und von der Geſtalt feiner Bruchſtuͤcke haͤngt es ab, zu was er gebraucht werden kann, als zu Schieferſtiften, Ab⸗ ziehſteinen, Wetzſteinen, zu Schiefertafeln u. ſ. w. Doch iſt er im Ganzen genommen, nur ſelten von der Beſchaffen⸗ heit, zu irgend einem von dieſen gebraucht zu werden. 260 Hrn. Bergſekr. Voigt gekrönte Preisſchrift „F. 17. Einige Schriften über den Tonſchiefer. Wallerius giebt S. 318. folgende Abänderungen von Tons ſchiefer an: 1.) Tafelſchiefer. 2.) Dachſchiefer. Dieſe haͤtten ſehr fuͤglich unter eine Nummer gebracht werden koͤnnen, da ſie ſich in gar nichts unter ſcheiden, und es von dem Eigenthüs mer abhaͤngt, ob er ſeine Schieferblatte auf das Dach na⸗ geln laſſen, oder darauf rechnen will. 3.) Probterſtein. Hierzu wird nicht allemal Tonſchiefer genommen. 4.) Wetz⸗ ſtein. F.) Brandſchiefer. Dieſen rechnet Werner zu den Abaͤnderungen des Schiefertons. 6.) Weicher Schiefer. In der Note hierzu fuͤhrt Leske an, es ſcheine, als ob Wallerius hierunter den bituminoͤſen Mergelſchiefer verſtuͤn⸗ de. 7.) Grober Schiefer. 8.) Zeichenſchiefer. 9.) Koh⸗ lenſchiefer (Brand ſchiefer). Eine Abaͤnderung des Brands ſchiefers, den Werner oben nach 5. zu den Abaͤnderungen des Schieferthons rechnet, und endlich 10.) Schieferniere. Da S. 326. angemerkt iſt, daß dieſe eyfoͤrmig zu Ilmenau im Hennebergiſchen gefunden würden, und ich einige Stücke von daher beſitze; ſo kann ich mit Zuverlaͤßigkeit ſagen, daß ſie nicht zu dem Tonſchiefer, ſondern zu dem bituminoͤſen Mergelſchiefer gehoͤren. Kirwans Abaͤnderungen des Tonſchiefers betreffen vor zuͤglich nur die Farben deſſelben. Nach ſeinen Verſuchen ſind die Beſtandtheile des blaͤulichten Purpurſchiefers: Alaun⸗ erde, innigſt gemiſcht mit 1, 77. ihres Gewichts an Kieſel⸗ der, o/ 3. Bitterſalzerde, o, 15. Kalkerde, ſehet ©. 96. F. 18. verwechſelung des Conſchiefers mit Gattungen des Tongeſchlechts. Ich finde in Haidingers ſyſtematiſcher Eintheilung der Gebirgsarten S. 28 ſeqq. daß dieſer Schriftfteller , für deſſen. Kenntniſſe ich übrigens alle Achtung habe, ſich hier uber den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 261 auſſerordentlich confundirt hat. Ich uͤbergehe einige Stel. len, die den Tonſchiefer uͤberhaupt betreffen, und ziehe nur folgende hier aus, als: A „Tonſchiefer mit Glimmer gemiſcht (gemengt). In „ dieſem veraͤndert ſich das Verhaͤltniß der Beſtandtheile fo, „daß man oft bloß Glimmer zu ſehen glaubt., In dieſem Falle daͤchte ich, koͤnnte man ihn ganz ſicher Glimmerſchiefer nennen. „Abarten des Tonſchiefers giebt es in zufälligen Gebtr⸗ v gen unendliche. » unter zufaͤlligen Gebirgen verſtehet der Herr Verfaſſer Floͤtzgebirge, und es iſt bekannt, daß Floͤtzgebirge keinen Tonſchiefer haben, und daß dieſer bisher durchgehends und mit allem Grunde zu den einfachen Gebirgen gezählt wor⸗ den iſt. Gattungen des Tongeſchlechts haben Floͤtzgebirge, aber nie Tonſchiefer. „ So gehören die fetten ſchwarzen Tonſchiefer, die meiſten » Dachſchiefer, die Kohlenſchiefer ꝛc. ꝛc. alle unter die zu⸗ „fälligen Gebirgsarten. » Wenn unter dem fetten ſchwarzen Tonſchiefer, wie ich Urſach zu vermuthen habe, der bituminoͤſe Mergelſchiefer verſtanden wird, ſo ſind dieſes juſt drey ganz verſchiedene Schieferarten. „Wo der Tonſchieſer in Floͤtzlager aufgeſetzt iſt, enthalt „er Kupfer, wie z. B. im Mansfeldiſchen, und dient in 2 dieſem Fall den Erzten zugleich als Gangart ꝛc. ꝛc. „ Alles ganz unrichtig. Im Mansfeldiſchen hat man kei⸗ nen Tonſchiefer, ſondern eine ſchwache Schichte bituminoͤ⸗ ſen Mergelſchiefer, von etwann 18. Zoll Hoͤhe, ziehet ſich faſt unter dieſer ganzen Landſchaft hin. Dieſer Schiefer iſt / da er ein Floͤtz ausmacht, keineswegs als eine Gang⸗ art zu betrachten, und kein Erzt, ſondern ein ſchieferiger 262 Hrn. Bergſekr. Voigt gekrönte Preisſchrift Kalkſtein mit Ton, Bitumen und metalliſchen Theilchen ge miſcht. Schon vor beynahe einem halben Jahrhundert dis ſtinguirte man richtig zwiſchen dieſem bitumindfen Mergel⸗ ſchiefer und dem Tonſchiefer, und jetzt kann man anfangen irre zu werden! „Oefters aber iſt er mit Kies oder Erdpech durchzogen, „und wird daher bald Alaun- bald Vitriol- bald Brand, >» ſchiefer. 55 Dieſes ſcheinen wieder Abaͤnderungen des aͤchten Tonſchie⸗ fers zu ſeyn, wenn man den Brandſchiefer nicht ſtreng nimmt. »Die Entſtehung dieſer unter ſich fo aͤhnlichen Tonſchiefer » iſt eben fo verſchieden, als die Umſtaͤnde, unter denen fie 2 gefunden werden, von einander abweichen., Deſto mehr ſollte man ſich auch bemuͤhen, ſie von ein⸗ ander zu unterſcheiden, und die mehreſten haben dies auch beobachtet, nur Haidinger wurde irre, und in dieſem Irr— thum übergab er feine ſyſtematiſche Eintheilung zum Druck. Die Kenntniß der Beſtandtheile mineraliſcher Koͤrper iſt Goldes werth und unentbehrlich bey der Claßification nach ihren Beſtandtheilen. Wer aber Gebirgsarten claßiſiciren will, darf ſich ihrer allein, ohne Ruͤckſicht auf ihre Entſte⸗ hungsart, gewiß nicht bedienen, und wie ſehr Haidinger ſelbſt davon uͤberzeugt war, beweiſet folgende Stelle (S. 3.) „In einem mineraliſchen Syſteme, wo es darauf ankoͤmmt, „ alle bekannte Stein- und Erdarten anzufuͤhren, und nach „» der Identitaͤt ihrer Beſtandtheile in Claſſen und Ordnun⸗ „gen zu bringen, ohne dabey auf ihre Entſtehungsart zu ſe⸗ „ben, muß es freylich oft geſchehen, daß die Kunſt mit der „ Natur nicht Hand in Hand gehen kann, ihre Ordnungen „getrennt und Koͤrper neben einander geſetzt werden, die „in Ruͤckſicht ihrer Entſtehungsart und der Umſtaͤnde, uns z ter denen ſie exiſtiren, himmelweit von einander abſtehen. über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 263 „So wird z. E. der Kalkſtein, der die Appenninen auds „macht, mit dem Bodenſatze der Bagui di St. Filippo in eis „ne Claſſe und der reinere Tonſchiefer der Ganggebirge mit „dem Tonſchiefer, der ſich taͤglich noch in ſtehenden Waſ⸗ „fern erzeugt, in ein Geſchlecht geſetzt werden. Ob nun „ gleich dieſe Körper für phuficalifche Geographie weit von „einander abſtehen; ſo kann ſie doch der Syſtematiker, deſ— „fen Endzweck ganz ein andrer iſt, als der, den die Natur 2 bey Erzeugung der Gebirgsarten hatte, nicht trennen ꝛc. „ Es iſt hieraus klar, daß Herr Haidinger wirklich anfaͤng⸗ lich nicht ſchreiben wollte, was er ſchrieb, und daß ihn ir⸗ gend ein Irrthum aus der phyſikaliſchen Geographie in Ein⸗ theilung bloß nach den Beſtandtheilen fuͤhrte. Vom Tonſchiefer heißt es ferner: „Auf dieſe Art entſtehet noch heut zu Tage in Suͤmpfen „Tonſchiefer, wozu die in dieſen Suͤmpfen und Meeren „ wachſenden Pflanzen nicht wenig beytragen. „ Wer hat Tonſchiefer geſehen, der in Moraͤſten entſtan⸗ den iſt? Sumpfeiſenſtein, Kalktuff, Torf und Schlamm ſind wol die einzigen Produkte ſolcher Orte. „»Alle dieſe Umſtaͤnde aber genau zu beſtimmen, iſt aus „dem Anſehen eines Tonſchiefers in einer Mineralienſamm⸗ „ lung nur ſelten möglich. » Da muß ich ſagen, muͤßte einer ſehr ſchwach in der Mine⸗ ralogie und Gebirgskunde ſeyn, der nicht Tonſchiefer, Schie⸗ ferton, bituminoͤſen Mergelſchiefer und Sumpfſchlamm woll. te von einander unterſcheiden koͤnnen, ob ich uͤbrigens wol zugebe, daß ein bloſſes Cabinet bey weitem nicht hinrei⸗ chend iſt, einem eine vollſtaͤndige Kenntniß in dieſer Wiſ⸗ ſenſchaft zu verſchaffen. $. 19. Schieferton. Ich finde dieſe Gebirgsart eigentlich in keinem Mineral⸗ A u \ 264 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift ſyſtem, als in Kronſtedts Mineralogie S. 201. als eine eis gene Gattung des Tongeſchlechts aufgefuͤhrt, welches ſie in aller Ruͤckſicht verdient. Der Schieferthon koͤmmt von Farbe eigentlich allemal dunkel blaulicht grau vor. Seine Textur iſt ſchieferig. Er iſt ganz undurchſichtig, weich, haͤngt, wenn er recht trocken iſt, etwas an der Zunge. Er hat einigen Schimmer bisweilen auch Glanz auf der breiten Flache feiner Blätter, im Bruch aber iſt er erdig. Unter und zwiſchen ſeinen Schichten werden an vielen Or⸗ ten Steinkohlen angetroffen, und zwiſchen ſeinen Blaͤttern finden ſich oft Kräuter, und Schilfabdruͤcke. Er zerfaͤllt leicht an der Luft, beſonders wenn er vorher recht ausge trocknet geweſen iſt und feucht wird. Seine gemeinſten Be nennungen find : Schiftus carbonarius, Kraͤuter ſchiefer, Koh⸗ lenſchiefer, Schieferton und auch Steinkohlengebirge. Daß er bisweilen viel Kieſelerde in ſeiner Miſchung hat, und in Hornſtein uͤbergehet, iſt $. 11. angezeigt worden, und nicht ſelten findet man ihn auch ſo ſtark mit Bitumen durchdrun⸗ gen, daß er auf gluͤhenden Kohlen eine Flamme giebt, und in dem Falle Brandſchiefer genennt wird. Er kommt an allen Orten vor, wo Steinkohlen gefunden werden, und hat einen ſtarken Alaungehalt, wozu er auch auf der Land⸗ grube im Saarbruͤckiſchen benutzt wird. Viele Schriftſtel⸗ ler fuͤhren ihn ſeiner Kraͤuterabdruͤcke wegen unter den Ver⸗ ſteinerungen auf, weswegen er auch in fo vielen Minerals ſyſtemen vermißt wird. 9. 20. Bituminoͤſer Mergelſchiefer. In Kronſtedts Mineralogie S. 73. wo er unter den Kalk⸗ arten aufgeführt wird, wird er folgendermaſſen beſchrieben: Er iſt von einer graulicht ſchwarzen Farbe, derb und in⸗ wendig insgemein ſchimmernd, einiger auch wol auf den Kluͤften wenig glaͤnzend, uͤberhaupt aber von gemeinem Glanze. Er iſt theils gerad, theils wellenfoͤrmig⸗ſchieferig. . über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛe. 265 Erſterer hat dabey eine rauhe, letzterer aber eine glatte Bruchflaͤche. Er ſpringt gewoͤhnlich in ſcheibenfoͤrmige Bruchſtuͤcke, iſt undurchſichtig / weich, etwas milde, fühlt ſich ziemlich mager auch nicht ſonderlich kalt an ‚| und iſt nicht ſonderlich ſchwer. b Von Juſti (5. 92.) und Wallerius (S. 282.) rechnen ihn zwar noch zu den Kupfererzten, merken aber an, daß nicht er ſelbſt, ſondern die in ihn eingeſprengten Erzte den Kupfergehalt ausmachten. Er macht eine eigene, aber kaum 18 bis 20. Zoll hohe Schicht in einigen Floͤtzgebirgen aus, und dieſe wird von den Bergleuten theils nach dem Ver— haͤltniſſe ihres Metallgehalts „ theils auch ihrer mehrern und wenigern Haͤrte, auch ihrer Lage wiederum Oberberg, Noberg, Mittelberg, Lochberg, Kammſchale, Streb u. ſ. w. genennt. Der Kupfergehalt deſſelben ſteigt gewoͤhn— lich von o bis zu 4. Procent. Koͤmmt er höher ſo iſt ge— wiß ſchon Kupferglas ſichtbar. Bekanntermaſſen befinden ſich Häufig Fiſchabdruͤcke in demſelben, die zwiſchen feinen Blättern liegen. Das Ilmenauer Schieferfloͤtz aber hat das Beſondere, daß jeder Fiſchabdruck in einem gedruckt kuge⸗ ligen Klumpen, der weniger Vitumen als der uͤbrige Schie— fer hat, gefunden wird. In Schinks Bergmaͤnniſchem Woͤrterbuche ſtehen folgende lateiniſche und franzoͤſiſche Ber nennungen von ihm: Sciſſilis aeroſus; Lapis aerofus Agrie; Ardoife melce de Cuivre; Mine de Cuivre en Ardoiſe. $. 21. Verhaͤrteter Ton. Auch dieſe Tonart bin ich genoͤthigt, hier mit anzufühs ren, da aus obigem erhellet, daß ſie mit Tonſchiefer verwech⸗ ſelt worden iſt, und ich auch ſelbſt ungedruckte Beweiſe da⸗ von in Haͤnden habe. In Kronſtedts Mineralogie wird ſie S. 201. folgendermaſſen karakteriſirt: Der verhaͤrtete Ton wird von gelblicht⸗blaulicht und grünlichtgrauer Farbe ge⸗ funden. Er iſt jederzeit derb, matt und von einem erdigen 266 Hrn. Bergſekr. Voigt gekroͤnte Preisſchrift Bruche, der ſich aber bald dem ſplitterigen, bald dem ebe⸗ nen nähert, zuweilen hat er auch ein ziemlich ſchieferiges Anſehen. Seine Bruchſtuͤcke find unbeſtimmteckig, etwas ſtumpfkantig. Er iſt undurchſichtig, weich, haͤngt wenig an der Zunge, fühlt ſich etwas fett, auch etwas kalt an, und iſt nicht ſonderlich ſchwer. Man findet ihn gemeiniglich in Floͤtzgebirgen, und beſon⸗ ders in kalkigten Gegenden. Er iſt eigentlich in keinem Syſtem als eine eigene Abaͤnderung des Tongeſchlechts aufgefuͤhrt, und koͤnnte auch, nach ſeinen Beſtandtheilen beurtheilet, unter dem gemeinen Ton mitſtehen, wenn ſein oft ſchieferiges Gewebe nicht ſo leicht irre fuͤhrte. $. 22. Baſalt. 4 Die Benennung Baſalt gehoͤrt ebenfalls unter diejeni⸗ gen, die zu ſehr extendirt worden ſind, und daher oft mißverſtanden werden. Die Haupturſache dieſer Mißver⸗ ſtaͤndniſſe liegt vorzüglich darinne, daß man in lateiniſch geſchriebenen mineralogiſchen Werken das Wort, Schoͤrl, Baſaltes üͤberſetzte, und dadurch veranlaßte, daß Schoͤrl und Baſalt für eins gehalten wurden, da doch beyde, ges nau genommen, auch gar nichts, nicht einmal die Farbe mit einander gemein haben. Auch haben der ſel. Leske und Faujas de St. Fond den Fehler begangen, in ihren oben ſchon an⸗ gefuͤhrten Werken, die mehreſten Abaͤnderungen von Lava mit dem Namen Baſalt zu belegen, woher ſo viele Abaͤn⸗ derungen dieſer Gebirgsart entſtanden find, die keine Abaͤn⸗ derungen von ihr ſind. Ich bin ganz uͤberzeugt, daß aller Baſalt Lava iſt, aber nicht umgekehrt. Um ihn genauer zu bezeichnen, und zu einem beſtimmtern Begriffe von ihm beyzutragen, gebe ich folgende Kennzeichen von ihm an. Er iſt eine vulkaniſche Gebirgsart von dunkel, ſchwarz⸗ grauer Farbe, die ſich dem volkommnen Schwarzen oft naͤhert. Im Bruche iſt er uneben und ſplitterig. Er iſt über den Tonſchiefer, Hornſchiefer ꝛc. 267 ſchimmernd, hat bisweilen auch einen gemeinen Glanz, und iſt meiſt von feinem Korn, doch bisweilen auch et⸗ was grobkoͤrnig. Er iſt ganz undurchſichtig und im hoͤch⸗ ſten Grade halbhart, auch geben platte Stuͤcke von ihm einen Klang, der ſich dem metalliſchen naͤhert. Er iſt ſehr leichtfluͤßig, und bewegt allemal den Magnet. Man findet ihn meiſt in hervorſtehenden Klippen alter verloſchener Vul⸗ kane, oſt zieren auch coniſche Spitzen dieſer Lava Grund⸗ und Floͤtzgebirge. In beyden Faͤllen trift man ihn theils in Maſſen, die unregelmaͤßig zerſprungen ſind, theils auch in regelmaͤßigen Saͤulen an, welcher Unterſchied aber nicht ſeinen Beſtandtheilen, ſondern andern Umſtaͤnden zuzu⸗ ſchreiben zu ſeyn ſcheint. Ich halte für überfüfig, Schrif⸗ ten von ihm hier anzufuͤhren, da dieſer Gegenſtand wol allen Freunden der Mineralogie in friſchem Andenken iſt. Nur Hamiltons Briefe über die nördliche Kuͤſte der Grafs ſchaft Antrim empfehle ich vorzuͤglich zum Nachleſen uͤber den Baſalt. Man kann annemmen, daß er allgemein fuͤr eine Lava erkannt wird, und von neuern Schriftſtellern haben ſich nur Werner und Schroͤter oͤffentlich darwider erklaͤrt. §. 23. Wade. Das Wort, Wacke, bezeichnet in der deutſchen Spras che keineswegs eine Gattung irgend einer Steinart, ſon⸗ dern ein zufaͤllig vorhandenes Stuͤck Stein; es mag zu den Ton; Kiefel» Kalfarten u. ſ. w. gehören. Man fins det es dem ohngeachtet ziemlich häufig in mineralogiſchen Schriften, aber mehrentheils bey Beſchreibung ſolcher Ges birgsarten, die man nicht gleich zu benennen wußte, und daher iſt es auch nirgends klar, was man darunter zu verſtehen habe. Setzt man aber hinzu, aus was eine Wacke, oder ein zufaͤllig vorhandenes Stuͤck Stein beſte⸗ het, ſo kann man z. B. ganz richig ſagen, Granit⸗Wacke, 268 H. Bergſ. Voigt gekroͤnte Preisſchrift ze. ꝛc. Porphyr-Wacke, Baſalt-Wacke u. ſ. w. und dies Wort in dieſem Sinn genommen, ſo kann es freylich nicht feh⸗ len, daß man ſo vielerley Wacken finden kann, als es Steinarten giebt. In einem einzigen Fall iſt dieſes Wort mit dem Zuſatz, grau, recipirt, und da bezeichnet es die Grauwacke, eine Gebirgsart, auf welche man am Harz zuerſt aufmerkſam wurde. Sie erfuͤllet in dieſem Gebirge ganze weitlaͤuftige Reviere, wechſelt oft mit Tonſchiefer ab und ſcheint daher eine gleichzeitige Entſtehung mit ihm zu haben. Sie iſt ein feinkoͤrniges Conglomerat don gelb⸗ licht⸗ und blaulichtgrauer Farbe, worinn bisweilen Koͤr⸗ nerchen von Quarz und Hornſtein mit bloſſen Augen be— merkt werden koͤnnen, und das Bindemittel iſt thonig. Herrn H. K. Nuͤſcheler, Sekretarius der L. Oekonomiſchen Kommißion in Zuͤrich, Beantwortung der Preisfrage der Landwirthſchaftlichen Geſellſchaft des H. Lobl. Cantons Bern: Welches ſind die vornehmſten Urſachen von dem Mangel und dem hohen Preis des Butters im Canton Bern, und durch was fuͤr Mittel kann man ohne Nachtheil des Kaͤſehandels die Quan⸗ tität dieſer fo nothwendigen Waare vermehren? 270 Hrn. H. K. Nuͤſcheler Beantw. d. Preisfrage Die Urſachen von der diesmaligen Theure des Butters ſind zweyerley; I. Die, fo von der Natur abhangen, 2. Die, ſo von den Menſchen abhangen. I. a. Unter die erſtern gehoͤrt vornemlich — die dermali⸗ ge Theure des Viehs, welche beſonders von dem ſchneerei⸗ chen, harten und langen Winter von 1784. zu 1785. her⸗ kam, wo ſich ein ſolcher Futtermangel zeigte, daß man an einigen Orten dem Vieh Tannkreis, Haber, Roggen und andere fuͤr das Vieh ungewohnte Nahrungsmittel ge— ben mußte, da der Centner Heu von 2. bis 3. fl. galt. b. Dies war die Urſach, daß ſehr wenig Kälber abge, ſaugt, und junges Vieh nachgezogen wurde; hingegen ſehr viel Vieh aus der Schweitz nach Italien verkauft, auch ſehr viel junges und altes Vieh aus Mangel an Futter geſchlachtet wurde. Dieſe ſtarke Verminderung des Viehs mußte den Preis des Butters ſehr erhoͤhen. c. Jetzt Ao. 87. wird ſehr viel Vieh nachgezogen — alfo viele Milch, die ſonſt zu Butter und zu Kaͤſe konnte ge⸗ macht werden, zum Abſaugen gebraucht, welches eben— falls den Preis des Butters für einmal um etwas erhoͤ⸗ hen muß. d. Iſt eine Urſache der Theurung des Biehs und Butters der ſeit 3. Jahren uͤberhandgenommene Viehmangel an entfernten Orten; indem vergangenes Jahr Viehhaͤndler aus Paris kamen, und im Brißgaͤu, Schwaben Witten⸗ berger⸗ und Frankenland Vieh kauften, woher ſonſt ſo viel Vieh in die Schweitz, beſonders ins Ache ge⸗ zogen wird. 1 über den hohen Preis des Butters, ꝛc. 271 Hr. Pfr. Meyer von Kupferzell berichtet unterm 21. Auguſt 1787. daß Frankreich jährlich aus dortigen Gegen— den für 2. Millionen Gulden Maſtvieh ziehe. e. Die Verminderung des Viehs in der ganzen Eidgnoß— ſchaft. Da vor 1. und 2. Jahren da und dort, beſondens im Schweitzer- Glarner und Appenzellerland die Sommers weiden und Alpen nicht, wie gewohnt, haben benutzt wer⸗ den koͤnnen. II. Unter den Urſachen, die von den Menſchen abhan— gen, ſind vornehmlich folgende: 1. Die ſtarke Vermehrung der Bevoͤlkerung in verſchie— denen Cantonen der Schweitz, welche von Vermehrung der Handelfchaft und der Fabriken herkommt. 2. Der groſſe Gelderwerb, den eben dieſe Fabriken und Handelſchaft verſchaffen, welcher den Leuten, ſowol zu Stadt, als beſonders auf der Landſchaft Hang zu mehres rern Beduͤrfniſſen beybrachte, ſo daß ſie beſſer leben, und weit mehr Fleiſch und Fleiſchſpeiſen eſſen, auch ihr Ge— muͤß beſſer zeugen, und mehr Backwerk, ſo viel Butter erfodert, genieſſen wollen, als ehedem. Dieſer vermehrte Gelderwerb verringerte auch den Werth vom Geld, fo daß, was man vordem um Io, fl. kaufte, man jetzt 11. bis 12. dafuͤr bezahlen muß. 3. Das in der ganzen Schweitz zur Gewohnheit gewor— dene und uͤbertriebene Caffeetrinken, wozu ſo viele Milch, und beſonders im Berngebiet und in den kleinen Cantonen, bis auf die hoͤchſten Alpen ſo viel Nidel gebraucht wird. Da ehdem viele Leute nur eine trockne Morgenſpeiſe, oder Muͤſer und Koſt genoſſen, welche weniger Butter koſteten, als aus der Milch, die jetzt zum Caffeetrinken gebraucht wird, koͤnnte gezogen werden. 4. Der ſeit einigen Jahren ſich gegen ehdem faſt um die Haͤlfte vermehrt habende Vieh verkauf nach Italien. Da im vorigen Jahr 1786. zu Bellenz an Hornvieh und Kins 272 Hrn. H K. Nuͤſcheler Beantw. d. Preisfrage dern, von Puͤndtnern, Salezeren, Schweitzern, Urnern und Unterwaldnern 11829. Stuck verzollet worden, wel⸗ che aus obigen Cantonen nach Italien gegangen. Da das Vieh, ſo nach Italien getrieben wird, meiſtens ſchoͤnes und junges Vieh iſt, ſo iſt der Verluſt in Abſicht auf den Butter doppelt. a. Weil zu deſſen Erziehung ſehr viel Milch verbraucht wird. b. Weil die Kuͤhe, juſt wenn man den groͤßten Nutzen von ihnen ziehn koͤnnte, aus dem Land verkauft werden; alſo das Futter gleich verbraucht, aber viel weniger But⸗ ter und Kaͤs, Suffi, Schotten und Ziger davon gezogen wird, als wenn das Vieh im Land bliebe. Ein Beweis, wie ſehr dieſer ſtarke Vieh verkauf nach Ita—⸗ lien der Erzeugung des Butters nachtheilig ſey, iſt, daß die Schweitzer und Glarner, ungeachtet ihrer ſtarken Viehzucht, fuͤr ihr Land doch nicht genug Butter haben, ſondern noch einen Theil bey ihren Nachbarn kaufen muͤſſen. Unter dieſem allzuſtarken Viehverkauf leidet auch die Schweinszucht, deren Schmalz viel Butter erſpart, weil die Schweine am beßten mit Milch und dem Abgang der— ſelben erzogen und gemaͤſtet werden. 5. Das zu frühe Wegkaufen der jungen Kälber von den Metzgern — aus Mangel an Vieh. 6. Das uͤberhandgenommene Fettkaͤſen, und Vermeh—⸗ rung dieſes Handels mit fetten Kaͤſen in verſchiedenen Can⸗ tonen der Schweitz. 7. Die Aufhebung vieler Feyertaͤge, und Erlaubung von Fleiſcheſſen an Faſttagen in den benachbarten Cathol. Orten. 8. Der ſtark uͤberhandgenommene guxus im Eſſen des Kalbfleiſches, da ſogar Leute auf dem Land, ſtundenweit Kalbfleiſch kommen laſſen, und ſolches in hohem Preis bezahlen. 15 Dieſes über den hohen Preis des Butters, ꝛc. 273 Dieſes find die Haupturſachen des hohen Preiſes des Viehs, Butter und Kaſes. Dieſem abzuhelfen ſind zweyerley Mittel. a. Die, ſo von der Obrigkeit und | b. Die, fo von dem Fleiß, Induͤſtrie und guten Eins richtungen des Volks abhangen. Unter die erſten gehoͤren: 1. Oberkeitliche Verbote, die das Schlachten des Viehs einſchraͤnken; z. B. keine tragende Kuͤhe und Rinder, wie auch Kaͤlber unter 3. Wochen alt abzuſchlachten, u. d. gl. 2. Einſchraͤnkung des Metzgens auf der Landſchaft; z. B. daß in einem Dorf nach Proportion der Groͤſſe nur 1. bis 2. Metzger der Woche nur I. oder 2. Mal eine beſtimmte Anzahl Vieh ſchlachten dürfen. 2 Betraͤchtliche Herabſetzung des Preiſes des Kalb; und Kuͤhfleiſches unter den gewohnten Preis, wodurch der Bauer weniger Luſt bekommt, ſein Vieh zu verkaufen. 4. Gebot, daß jeder Bauer, fo 3. bis 4. Kühe habe, verbunden ſeyn ſolle, jaͤhrlich ein Kalb abzuſaugen und nachzuziehn — Einer, der 6. bis 8. Kühe habe, 2. Kaͤl— ber, und ſo nach Proportion. d 5. Verbote, daß einer, ſo 4. Kuͤhe beſitze, nicht mehr als eine davon nach Italien verkaufen dürfe; einer, fo 8. Kuͤhe habe, 2. und ſo nach Proportion, worauf die Vor— geſetzten in jedem Dorf gefliſſen Acht zu haben verbun— den ſeyn ſollten. Vortheilhaft waͤre es auch, wenn anſtatt, daß das Vieh von den Schweitzern mit groſſem Riſque in allweg, und oft mit betraͤchtlichem Schaden nach Italien getrieben wird, die Italiener genoͤthiget wuͤrden, das Vieh auf den Schwei— zer⸗Maͤrkten ſelbſt zu kaufen. Oder wenn auch dieſes nicht ſeyn koͤnnte; daß die Vieh⸗ maͤrkte in der Schweitz verfruͤheret wuͤrden, naͤmlich, daß ſie vor der Zeit gehalten wuͤrden, eh man gewoͤhnlich das Magaz, f. d. Naturk, Zelvetlens. III. B. S 274 Hrn. H. K. Nuͤſcheler Beantw. d. Preisfrage Vieh nach Italien verkauft, damit unfre Landleute deſto ſchoͤneres Vieh fuͤr ſich auswaͤhlen koͤnnten; da hingegen, weil die Viehmaͤrkte jetzt nach dem Viehverkauf nach Ita— lien gehalten werden, ſie nur von dem uͤbergebliebenen ſchlechtern zu kaufen bekommen. Man koͤnnte allenfalls dergleichen Verordnungen nur auf eine gewiſſe Zeit feſtſetzen, um ſich in Zukonft nach 5 Erfolg richten zu koͤnnen. 6. Aufhebung der Brach- und Stoppelweiden zur Aeuf⸗ nung des Kleebaues; oder des Zelgenrechts, wo es noch herrſcht; vermittelſt deſſen einer gezwungen iſt, ſein Feld im 3ten Jahr brach liegen zu laſſen; wie auch des Wei⸗ dens auf den Emdwieſen. Unter den Mitteln, fo von dem Fleiß und Induͤſtrie des Volks abhangen, ſind vornehmlich folgende: 1. Die Vermehrung des Futters, dieſe kann befoͤrdert werden: a. Vorzuͤglich durch den Kleebau, beſonders durch das Saͤen des Hollaͤndiſchen Klees in die Zelgen, und Benus zung deſſelben im Brachjahr. b. Durch Aufbrechung der Weiden, und Verbrennung des Waſens, worein die erſten 2. Jahre Haber und Korn geſaͤet wird, und im aten Jahr holland. Klee darein; im sten Jahr ſaͤet man in dieſen letztern Heublumen, laßt dieſen Bezirk ſodann 6. Jahre, oder wie es am beßten dient, zu Wieſen und Weid liegen, und fahrt mit dem Aufbrechen fort, bis man nach 8. Jahren damit wieder von vornen anfangt. c. Durch Pflanzung des Eſperklees an rauche Orte, die aber tiefen Grund haben. Die Unkoſten der Kleepflanzung koͤnnen al wer⸗ den durch Selbſtziehung des Saamens. d. Durch Pflanzung anderer Futterkraͤuter, 1 B. des Raygraſes oder der Schmalen, welches an feuchten Or⸗ ‚über den hohen Preis des Butters, ꝛc. 275 ten wohl fortkoͤmmt, da hingegen der Klee die trocknen liebet. e. Durch vermehrte Pflanzung der Erdapfel, indem ſo⸗ wol die Wurzel als das Kraut dem Vieh zu einer guten Nahrung dient. Durch Verbeſſerung des Erdapfelbaues; durch die aus dem Bluſtſaamen gezogenen Erdapfel. f. Durch Einſchlagung überflüßiger Weiden zu Wieſen. g. Durch die vortheilhafteſte Einrichtung der Guͤllen⸗ graͤben und Kaͤſten und Bauſtoͤcke. Durch beßte Benutzung der Turbenaſche, zerriebene Stein— kohlen und Steinkohlenaſche, wie auch des Mergels auf den Wieſen, und Vermiſchung der Erdarten auf den Aeckern. h. Durch wohleingerichtete Benutzung der zum Waͤſſern der Wieſen dienlichen Waſſer. i. Durch Austrocknung fumpfichter Rieder und Weiden, ſowol durch Abzuggraͤben, als durch Pflanzung von Pap pelbaͤumen, Saarbachen, Anhoruen, Eſchen und Weiden. k. Durch dergleichen Mittel, und beſonders durch gute Benutzung des Locale, da jedes Ort feine beſondern Vor— theile hat, kann das Futter und alſo auch das Vieh und Butter und Kaͤs vermehrt werden. 2. Kann bey dem Nachziehen des Viehs viel Milch er— ſpart werden, durch Vermiſchung derſelben beym Abſau— gen der Kälber, mit ſuͤſſer Sauffi oder Schotten, wie auch mit Haber oder anderm Mehl, und vornemlich durch Vermiſchung mit Heublumenwaſſer, nach mitkommender Anleitung. 3. Durch Errichtung von Senten und Zuſammentragen der Milch in den Doͤrfern oder auf Baurenhoͤfen, wie ſol— ches im Zuͤrich⸗ und Zugergebiet geſchieht, wo nämlich die Bauren die Milch dem Senn verkaufen, und alle Abend und Morgen in die Milchhuͤtten tragen; es giebt darun⸗ ter Bauren, die nur 2. Kuͤhe haben. Durch dieſe Ein⸗ 4 — 276 Hrn. H. K. Nuͤſcheler Beantw. d. Preisfrage richtung wird die Milch beſſer benutzt, kann reinlicher be— ſorgt und mehr Butter und Kaͤs daraus gezogen werden, als wenn jeder Baur für ſich ſelbſt Butter und Kaͤs ma; chen wuͤrde. 4. Wuͤrde ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn der Gebrauch des Caffee eingeſchraͤnkt wuͤrde, und auf dem Land we— nigſtens, Koſt und Muͤſer geeſſen, oder wenigſtens wie an andern Orten zum Caffee nur gewohnte Milch, anſtatt Nid— len genommen; auch zu dem End hin das Verkaufen der abgenommenen Milch eingeſchraͤnkt oder verboten wuͤrde. 5. Die Einführung der magern und halbfetten Kaͤſen, ſowol zur Nahrung im Land, als nach und nach zum aus⸗ waͤrtigen Handel. Im Zuͤrichgebiet darf laut oberkeitlichem Verbot, um mehr Butter zu erhalten, gar nicht fett gekaͤſet werden; da aber im Berngebiet der Handel mit fetten Kaͤſen ſtark iſt, fo dürfte man das Fettkaͤſen nicht ganz verbieten, wol aber einfchranfen. 3. B. man wuͤrde das Land in 3. Theil eintheilen — der erſte Theil dürfte vom Mayen bis End Augſtmonat fettkaͤſen, die 4. folgenden halbfett, und die 4 letzten mager. Der 2te Theil wuͤrde Anfangs Herbſtm. fettkaͤſen, und der zte Anfangs Jenners u. ſ. f. Wahrſcheinlich waͤre der halbfette Kaͤs nicht ſchwer im Handel einzuführen, und der magere Kaͤs koͤnnte im Land genoſſen werden, und die Leute ſich dabey wohl befinden, ſo wie die im Zuͤrichgebiet und an andern Orten. Bis aber die Leute daran gewoͤhnt waͤren, koͤnnte man die Haͤlfte des Jahrs fettkaͤſen laſſen, 104. halbfett und J. mager, oder fo nach Proportion — ſtuffenweiſe, das Fett⸗ kaͤſen vermindern, und das Halbfett- und Magerkaͤſen vermehren; auf dieſe Weiſe wuͤrde der Butter im Land nach und nach vermehrt werden koͤnnen, indem bey dem Fett⸗ kaͤſen nur 4 Pf. Butter, beym Halbfett hingegen 8. Pf, tiber den hohen Preis des Butters, ꝛc. 277 und beym Magerkaͤſen 14. Pf. Butter aus 100. Maaß Milch koͤnnen gezogen werden. Durch den Gebrauch dieſer Mittel koͤnnte dem Man— gel und dem hohen Preis des Butters in dem Canton Bern und in der ganzen Schweitz ohne Nachtheil des Kaͤshandels nicht wenig geſteuert werden; es waren meh— rere — aber obige ſchienen mir die natuͤrlichſten, anwend— barſten und nuͤtzlichſten zu ſeyn. Indeſſen wird auch aus dieſer Theurung des Viehs und Butters im Ganzen Gutes erfolgen, wie aus allem was den Menſchen druͤckt, und ſo ſeine Leibes- und Seelen— kraͤfte fpannt und entwickelt; — wir werden ihr vielleicht eben ſo viel zu danken haben, als der Theurung des Brods Ao. 1771. welche fo viele gute Einrichtungen und beſſere Bebauung des Landes hervorbrachte; und ſchon zei— gen ſich genug Spuren, welche dieſe Vorahndung beſtaͤtigen. Wie ſehr wird nicht der Kleebau befoͤrdert, wie viel Vieh dieſes Jahr nachgezogen, wie viel gute Einſchraͤnkungen des Viehverkaufs und Schlachtens deſſelben von den Obrig— keiten unſers Landes nicht getroffen? Und ſollte auch dieſes nicht in dem Grad ſeyn, wie es ſeyn koͤnnte, ſo liegts in der Natur der Dinge, daß je mehr Mangel an einem Beduͤrfniß iſt, deſto mehr fließt von andern Orten her davon zu, oder ſolches wird durch einen andern Nahrungszweig erſetzt; und ſo im Ganzen das geſtoͤrte Gleichgewicht wieder hergeſtellt; ſo daß wir nie zu ſtark unſern Muth ſinken laſſen, und zu ſehr fuͤr den morndrigen Tag ſorgen duͤrfen — wol aber trachten ſollen, alles was an uns liegt zum Beßten des Ganzen fuͤr jeden heutigen Tag zu vollbringen. N 278 | Zehenden-Ordnung wegen dem Kleebau. Unſere Bnädige Zerren beobachten mit Sans des vaͤterlicher Zufriedenheit und Vernuͤgen, wie ihre lies ben Landleute, je laͤnger je mehr uͤberzeugt, daß von Vermehrung des Futters die Aeufnung der Viehzucht und des ganzen Guͤterbaues einig und allein abhange, und darum theils auf Anlegung neuer Wieſen, theils auf das heilſame Anpflanzen, verſchiedener Gattung Klees immer eifriger bedacht ſeyen; welche lobwuͤrdige Triebe Zoch; dieſelben jederzeit mit Oberkeitlicher Beguͤnſtigung zu unterſtuͤtzen wohl geneigt, zugleich aber einerſeits bedacht ſind, die, etwann aus nicht genugſamer Kenntniß oder übertriebener Sparſamkeit bey ſolcherley Unternemmungen zweckwidrige Verfahrungsart zu beſſerer Vereinigung mit dem Getreidbau weislich zu leiten — und anderſeits ho— her Pflicht gemäß die dem Staat ſchuldigen Zehenden; Gefälle vor unbilliger Schweinerung und Abbruch zu ver: wahren; Dem zufolge ergehet Hoch dero gnaͤdige mil de Verordnung erneuert dahin: | A. Als vorderſt in Anſehung des eigentlichen Wieſenan⸗ legens aus zehendbaren Aeckern, in- und auſſert den Zelgen. So ſolle weiterhin von einer Juchart, zu 36000. Schuh gerechnet, guten Lands, 1. Vril. — Mittelmaͤßigen 2. Vrlg. — und geringen 1. Vrlg. Kernen in Natur oder an Geld, nach dem Martini-Fruchtſchlag Zehend-Erſatz er; ſtattet werden. B. Betreffend demnach das Kleepflanzen, in- und auſ⸗ ſert den Zelgen: iſtens. So wird, wo Wechſel⸗Klee, oder ſogenannter Holländiſcher Klee, im Frühjahr in die Sommerfrüchte , — oder auch in Roggen, Winter-Gerſten, Oelſaamen und dergleichen, nach dem geſegneten Beyſpiel anderer Laͤnder geſaͤet, und das folgende Jahr im Herbſt wieder untergeackeret, folglich nur von der Erndte des erſten Jahrs an, und dann das folgende oder ſogenannte Brach⸗ = . Zehenden⸗Ordnung wegen dem Kleebau. 279 jahr durch bis zum Saat⸗Ehret benutzet wird, kein Ze— henden gefordert werden. Bleibt aber ſolcher Klee im dritten oder mehrern Jahren noch ſtehen, wodurch die Beſtellung des Ackers zur Hauptfrucht behindert wird, ſo iſt der Beſitzer 1. Vrtl. Kernen in Natur, oder deſſen Werth an Geld zu Erſatz davon ſchuldig. ztens. Würde hingegen benannte Kleeart ganz ohne Getreid, oder auch Luzerne, eine Gattung immerwaͤhren— den Klees, wozu um feiner Natur willen gewoͤhnlich aus tes und nahe gelegenes Feld genommen wird, gepflanzt, fo iſt davon alljährlich 1. Vrtl. Kernen in Natur, oder Geld, von 1. Jucharten Zehend-Erſatz zu entrichten. ztens. Von Eſper, ſo auch eine langdauernde Klee— pflanze iſt in entlegenen ſchlechten Guͤtern, auf Rekhol— derbuͤcken, und entfernten rohen Weidboden angelegt, ſoll erſt vom gten Jahr an 1. Vrlg. Kernen in Natur, oder deſſen Werth an Geld als Zehend, Erſatz bezahlt werden; wurde er aber in zehlbarem und beſſerem Land gepflanzt, fo iſt davon jährlich auch 1. Vrtl. Kernen in Natur, oder das Geld dafuͤr zu geben. a Ehe aber jemand oberwaͤhnter Weiſe aus irgend einem zehendbaren Acker Wieſen anlegen, oder ihne mit Klee beſtellen, oder das ſchon Beſtehende erweitern darf, iſt er pflichtig, ſein Vorhaben bey dem jeden Orts hierzu verordneten Unterbeamteten getreulich anzuzeigen, das Stuck Gut in eigenen Koͤſten ausmeſſen zu laſſen, und die Taxirung des Zehenden-Erſatzes von Seite des Ze— henden-Herren zu gewaͤrtigen. Wer dieſe Obliegenheit uns terlaßt, wird nach Maaßgab des Fehlers geſtraft werden. Uebrigens berührt dieſe Verordnung diejenigen Gegen⸗ den und Stuͤcke Landes nicht, derenthalber ſchon vor 1769. etwas beſonders und eigens Oberkeitlich beſtimmt und angeſehen worden, maſſen es dabey ſein weiteres Verbleiben haben mag; auch hat dieſelbe keinen Bezug auf die Rechte und Uebungen fremder — und Privat, De⸗ cimatoren. Actum Zuͤrich, Dienſtags den 14. Juni 1785. Coram Rechenrath. Rechenfchreiber sCansley. 280 Ueber die Erziehung junger Kälber, Wie junge Kälber, die man erziehen will mit Milch und geublumen: Waſſer mit wenig Boſten und ſehr Sean erfolg konnen abgefsuat werden. Von der konomiſchen Geſellſchaft in Zuͤrich ihren alljaͤhrigen reis fragen beygefüͤgt. 1.) Laßt man das junge Kalb drey Tag nach einandern an der Muster faugen. 2.) Giebt man dem Kalb drey Tag nach einandern, des Morgens und Abends jedesmal I. Maaß kuͤhwarme Milch aus dem Kübel zu trinken. 3) Drey Tag nach einandern Morgens und Abends 3/4 kuͤhwarme und 1/4 Maaß abgenommene ſuͤſſe Milch, mit 1/4 Maaß Heuͤblumen Waſſer vermiſcht. 4.) Vier Tag lang Morgens und Abends 12 Maaß kuͤh⸗ warme, und eben ſo viel abgenommene ſuͤſſe Milch, mit 1/2 Maaß Heublumen-Waſſer vermiſcht. 5.) Vier Tag Morgens und Abends 1½ Maaß kuͤhwar⸗ me, und 3/4 Maaß abgenommene ſuͤſſe Milch, und 3/4 Maaß Heublumen-Waſſer. 6.) Von dieſer Zeit an giebt man dem Kalb 10 — 12. oder mehrere Wochen, je nachdem man uberflußige Milch hat, Morgens und Abends t. Maaß abgenommene ſuͤſſe Milch, und eben fo viel Heublumen-Waſſer mit ein we; nig Salz vermiſcht, zu trinken. Ueberhaupt iſt zu gewahren, daß man allemal dem Heu⸗ blumen Waſſer einen ſolchen Grad von Warme beybringe, damit das ganze Getraͤnk immerhin die Warme von kuͤh⸗ warmer Milch bekomme. Wann das Kalb das Alter von drey Wochen erreicht hat, fo kann man anfangen ihm zum Zeitvertreib ein we—⸗ nig Heu vorzulegen. Die Zubereitung des Heublumen Waſſers iſt ſehr einfach. Man nimmt naͤmlich 1. Pfund ſchoͤne wohlgereinigte und ge⸗ ſunde Heublumen, bindet ſolche in ein Stuͤck Leinentuch, leget ſelbiges in ein ſauberes und nicht neues hoͤlzernes Ges ſchirr, und begießt ſelbige mit ſtark ſiedendem Waſſer. | Noch ift anzumerken, daß die auf obbeſtimmte Art abge ſaugte Kaͤlber niemalen ſo ſchoͤn und glatt aus ſehen, als die mit Milch abgeſaugten; allein eine bald 20jaͤhrige Erfah⸗ rung hat gezeiget, daß alsdenn dieſe Kalber, wann fie an das trockne Futter kommen, viel geſchwinder zunemmen als die andern, und gewiß immerhin geſuͤnder bleiben als die and ern Abſaͤuglinge. Ver ſuſch einer Beantwortung der Preisfrage der phyſikaliſch⸗oͤkonomiſchen Geſellſchaft in Bern. Welches ſind die vornehmſten Urſachen von dem Mangel und hohen Preiſe des Butters im Canton Bern, und durch was fuͤr Mittel kann man ohne Nachtheil des Kaͤſehandels die Quan⸗ titaͤt dieſer ſo nothwendigen Waare vermehren? Als Anhang zu vorhergehender Abhandlung. Vo m Herausgeber. 282 Anhang zu vorig. Beautw. d. Preisfr. ꝛc. An hang“) zu vorhergehender Beantwortung in genauerer Aucfihr auf den Canton Bern. Von dem Herausgeber. Wenn bey dieſer fuͤr unſer Vaterland ſo wichtigen Preisfrage auf eine genaue und beſtimmte Beantwortung gerechnet wird, ſo fuͤrchte ich ſehr, man werde den Vor— geſetzten loͤblichen Zweck kaum oder niemals erhalten, und dieſes aus Gruͤnden, die mit den Schwierigkeiten, ſich die dazu unentbehrlichen Thatſachen und Rechnungen zu ver- ſchaffen, zu genau verknuͤpft ſind, und die in gewiſſen politiſchen Grundmaximen liegen. *) Gegenwaͤrtige Abhandlung iſt eine Frucht eigener Sammlung und Arbeit; ſie iſt ſchon im letzten Jahre (1787.) in unſerer Privat⸗Naturforſchenden Geſellſchaft allhier in Bern, und gleich nachher in der Hochlöbl. Oekonomiſchen Commißion in Zürich vorgeleſen, und auf geſammelte Berichtigungen hin, welche dieſe gelehrten Verſammlungen mir mitzutheilen die Gewogen⸗ heit hatten, noch verbeſſert worden. Darauf hin uͤbergab ich ſolche unſerm verehrungswuͤrdigen Praͤſidenten der hieſigen Hoch⸗ loͤbl. oͤkonomiſchen Geſellſchaft ebenfalls zur Durchſicht, welcher ſolche einer genauen Unterſuchung wuͤrdigte, und dieſelbe mit ſeinem Beyfalle beehrte. Dieſes finde ich aus folgenden Gruͤn⸗ den nothwendig bekannt zu machen. Gleich nach dem Neujahre wurden in der Hochloͤbl. zkonomiſchen Geſellſchaft allhier die eingegangenen Wettſchriften uͤber obige Preis⸗ frage einer der Gegenſtaͤnden der Berathſchlagungen der Lobl. Ver⸗ ſam̃lung; man waͤhlte eine Commißion, die eingegangenen Wett⸗ ſchriften zu unterſuchen, und ich hatte die Ehre, als Mitglied dieſer Commißion mit ernennet zu werden. Damit nun weder Von dem Herausgeber. 283 Vorausgeſetzt alſo, ein Freund des allgemeinen Beſten wolle gern einen Theil ſeiner Zeit und ſeiner geſammelten Kenntniſſe dazu anwenden, um der vortreflichen Abſicht der Preisfrage zu entſprechen; wenn er nun recht zuwege gehen ſollte, wie muͤßte er es vornehmen, und welches waͤren die nothwendigen Materialien und Hilfsmittel um zu feinem Zweck zu gelangen ? Keine andere als folgende: I.) Muͤßte er ein genaues Verzeichniß und Berechnung des Viehſtandes im Canton beſitzen. 2.) Eine genaue Rechnung der Benutzung in Molken des Viehſtandes. 3) Eine genaue Rechnung der Alpen und Güter ‚und deren Nutzung an Ruͤckſicht des Viehſtandes. J.) Eine genaue Rechnung der Ausfuhr des Melk- und Maſtviehes. 5.) Eine genaue Rechnung des Viehes zum Schlachten im Lande, und deſſen Conſumtion. 1 die HHrn. Mitbewerber, noch der Leſer in den mir unguͤnſti⸗ gen Irrwahn verſetzt werden, als haͤtte ich das geringſte obiger Abhandlungen benutzt, ausgezogen und meiner Abhandlung ein: verleibet; fo uͤbergebe ich dieſelbe itzt dem Kenner, dem Vater⸗ lande und dem Richter, wie ſolche gleich von Anfang nach mei. nen Begriffen iſt aufgeſetzt worden, ehe ich nur die ſeither eingelaufenen Wettſchriften weder geſehen, noch weniger unters ſucht habe. Da ferner die gekroͤnte und beſſern Preisſchriften, und aus den minder⸗beſſern das Zweckmaͤßigſte auezug weiſe an feinem Orte abgedruckt werden wird, ſo kann alsdenn das Publikum ſelbſt noch beſſer urtheilen, ob ein Plagiat hier ſtatt gefunden habe, wo hingegen alle diejenigen Perſonen, welche meine Abhand⸗ lungen vor einem halben Jahre geſehen, und vorleſen gehoͤrt haben, mir das Zeugniß geben müſſen, und gerne geben werden, daß hier kein Plagiat hat ſtatt finden koͤnnen. Dieſes zu mei⸗ ner und der Mitbewerber Beruhigung. Bern, den 20. Januar 1788. f SBoͤpfner. 284 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. 6.) Eine genaue Bevoͤlkerungsliſte aller Einwohner im Lande, um die Fleiſch-Conſumtion mit der Volksmenge in Vergleichung zu ſetzen. 7.) Ein genaues Verzeichniß der Menge von Fett und magern Kaͤſen, die im Lande verbraucht und außer Lan⸗ des verfuͤhrt werden. 8.) Ein genaues Tabellare uͤber die Butterfabrikatur im Lande, deren Verkauf, Profit und allfaͤlliger Contrebande. 9.) Eine genaue Rechnung über den Milch- und Nydel⸗ Handel im Canton Bern. | Wer nun den Canton Bern nur einigermaßen kennet, wird im erſten Augenblick einſehen, daß es eine Unmögs lichkeit iſt, nur eine dieſer neun nothwendigen Bedingniſ— ſen, viel weniger alle zu erhalten; und da ohne Verbin— dung der erhaltenen Reſultaten von dieſen neun Beding⸗ niſſen nichts vollſtaͤndiges geliefert werden kann, fo iſt die bis zur Evidenz erwieſene Unmoͤglichkeit obiger Preis⸗ frage Genuͤge zu leiſten, nur zu ſehr beſtaͤtiget, und die Hoffnung etwas Genugthuͤendes zu liefern und zu erhals ten, dahin. Indeſſen waͤre es doch traurig und aͤußerſt nieder— ſchlagend, wenn man uͤber dieſen wichtigen Gegenſtand auch nicht das geringſte Befriedigende einſammeln ſollte. Dieſe Betrachtung hat daher einige Freunde und mich bewogen, unſere geſammelten Beobachtungen uͤber dieſen ſo allgemein wichtigen Gegenſtand zu ſammeln, und als Bruchſtuͤcke, Beytraͤge und Schärflein zu einer vollkomm⸗ nern Abhandlung hier zuſammen zu tragen, und die Be⸗ nutzung derſelben denjenigen zu uͤberlaſſen, welche ſol— che einer naͤhern Betrachtung und Ausfuͤhrung wuͤrdigen. Natuͤrlich iſt daher auch der Grund, daß wir in dieſer Beantwortung den Preis der Frage nicht vor Augen ha— ben, und daß wir uns unfaͤhig fühlen zu deſſen Erhal⸗ kung etwas beyzutragen. Von dem Herausgeber. 285 Da in obiger Abhandlung fo viel gutes und treffendes, welches auf alle Weiſe beherziget zu werden verdient, geſagt iſt; und der Herr Verfaſſer an den meiſten Stel— len gleichſam aus meiner Seele geredet hat, ſo waͤre es hoͤchſt unnoͤthig alles wieder anzufuͤhren, welches ich et wa in einer andern Eintheilung und Verbindung uͤber dieſen Gegenſtand aufgeſetzt hatte. Ich bleibe daher nur bey demjenigen ſtehen, welches den Canton Bern und ſeine Alpen naͤher betrift, und wozu ich und mehrere hohe Goͤnner und uneigennuͤtzige Freunde die Materialien und Thatſachen aufgetrieben und geſammelt haben; und fuͤge denn meine geringe Meinung und Vorſchlaͤge bey, wie der Seltenheit des Butters und der Theurung des Fleiſches ohne Beeintraͤchtigung des Kaͤſehandels auf Zu— kunft vorgebauet, ein mit allen andern Lebensmitteln Verhaͤltnißmaͤßiger Preis dieſer Nahrungsmittel feſtgeſez⸗ zet, und das Vaterland von dieſer Seite her in Sicher— heit geſtellt werden koͤnnte. Um den Leſer nicht in eine neue Gedankenordnung 5 folglich leicht in Verwirrung zu ſetzen, hebe ich aus mei— ner ſchon fertig geweſenen Abhandlung nur dasjenige aus, was noch naͤhere Aufklaͤrung verſchaffen kann, und folge der Ordnung der vorhergehenden Abhandlung von Punkt zu Punkte. f Die Theure des Butters, heißt es, komme her: I.) Von Urſachen, die von der Natur abhangen, und darunter gehoͤren: a) Die jetzige Seltenheit des Viehes. Nicht allein der ſchwere Winter von 1784.85, blos als langer Winter betrachtet, hat die Menge des Viehes wegen dem Futter mangel vermindert, ſondern es traten noch verſchiedene umſtaͤnde bey, die obiges Uebel vermehrten. Dieſes was ren die Zuſammenziehung der franzoͤſiſchen und öfferreichis ſchen Truppen dem Rhein nach hinunter, und die Auf 286 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. kaufung einer großen Menge Fourrage in dieſer ſchweren Zeit. Viele Leute in jenen Rheingegenden verkauften ihr Vieh, weil ſie nicht vorſehen konnten, daſſelbe den gan⸗ zen Winter hindurch durchzufuͤttern, und der Reſt der Fourrage wurde fuͤr die genannten Truppen aufgekauft. Der traurige Eisgang in den tiefern Gegenden des Rheins, Nekars, Donau, u. f w. verwuͤſtete eine ers ſtaunliche Menge Landes, welches das Jahr darauf we— nig oder nichts an Frucht und Vieh-Nahrung abwarf; folglich mußte dieſer allgemeine Verkauf des Viehes, des Futters und Mangel vom Nachwachs in einer großen Strecke Landes das Gleichgewicht in den benachbarten Gegenden ſtoͤren. Ein Gluͤck, ein großes Gluͤck war es fuͤr die meiſten Gegenden Helvetiens, daß eben zu dieſer beſchwerlichen Zeit, Frankreich in Helvetien eine große Menge Remonte Pferdte aufkaufen ließe, von welchen bey 12000. Stuͤcke aus dem Canton Bern und benachbar⸗ ten Gegenden ausgeführt, und das Stuͤck im Durch— ſchnitt mit 8. Louisd'or bezahlt wurde. Ware dieſes nicht geſchehen, fo hätten entweder die aͤrmern Bauren zulezt ihre Pferdie wegjagen, ſchlagen, um den niedrigſten Preis verkaufen, oder verhungern laſſen muͤſſen; die Reichern hingegen haͤtten ohne Zweifel dasjenige Vieh zum erſten abgethan, bey deſſen Abſchaf⸗ fung einiger und mehrerer Gewinnſt zu erhalten war, und dieſes war natuͤrlicher Weiſe das Hornvieh. Jene politiſche Kataſtrophe verſchaffte dahero gluͤcklicher Weiſe dem Bauren Gelegenheit fuͤr eine ſchoͤne Summe ſeine Pferdte abzuſchaffen, und mit dem gewonnenen Geld ei⸗ ner beſſern Zeit entgegen zu ſehen. Im Sommer Ao. 1785 , und im letzten Jahre Yo. 1786. war alſo die Rhein- und Donau-Gegend von Vieh ent⸗ bloͤßet; man ſuchte daher, ſo viel als moͤglich, ſich neue Viehzuchten anzuſchaffen; man kaufte daher, und das um Von dem Herausgeber. 287 einen ſehr hohen Preis Schweizer-Vieh und meiſtens Kuͤ⸗ he, auch leider fuͤr uns meiſtens tragende Kuͤhe auf, ſo daß Ao. 1785. nur aus gewiſſen Gegenden des Berner Cantons über 8000. Kühe ausgefuͤhrt wurden. Ferner ſind an dieſer Veraͤußerung, auch die an unſern Graͤnzen, vorzuͤglich in der Lombardie ſeit verſchiedenen Jahren fortdaurenden Viehſeuchen, Schuld. b) Nicht allein in den ſogenannten deutſchen und franzoͤſt⸗ ſchen Laͤndern war der Futtermangel groß, ſondern auch auf den Alpen. Der lange Winter verzehrte das duͤrre Futter eher, als die Kuͤhe auf die Alpen konnten. Der Hirt oder Bauer mußte daher, um einen Theil ſeines Viehes vollends durchwintern zu koͤnnen, und damit nicht alle gegen das Ende aus Mangel der Nahrung verderben, den andern Theil de ſelben abſtoſſen, und als Schlachtvieh verkaufen; daher in den oͤffentlichen Schaa— len niemals mehr Kuͤhfleiſch, und weniger Ochſen- und Kalbfleiſch verkauft wurde, als ſeit einigen Jahren. Im Jahr 1786 und 87. waren die Heuerndten meiſtens gut, und in Ruͤckſicht der geringern Menge von Vieh mehr als gut ausgefallen, indem man aller Orten mehr Futter machte, als das wenigere Vieh verzehrte, ſo daß auch die Alpen nicht gehoͤrig abgeaͤtzet werden konnten. Die natuͤrlichſte Folge davon war alſo, daß: c) Jeglicher Bauer oder Hirt junges Vieh nachzoge, mit Milch abſaͤugte, und ſich folglich ſo viel als er thun konnte, die ehemalige Zucht anſchaffte. Man durchgehe Die Berg-Seyungs, und Bergbeſatzungs-Tabellen von 1784. bis jetzt, ſo wird man die Thatſachen genug dazu ſammeln koͤnnen. Nur ein Exempel: Die Landſchaft Ober— Hasle hat 54. Alpen. Dieſe ſind zu 4438. Kuͤhe geſeyet. Ao. 1787. aber waren alle dieſe Alpen nur mit 3317. Kuͤ⸗ ben beſetzt; hingegen waren noch darauf 598. Kalben (Guſteli) und 778. Kälber, ein Kalben hat ein halbes 288 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. Kuhrecht, oder iſt auf eine halbe Kuh geſeyet, ein Kalb aber auf 4. Kuh, folglich haben 2. Kalben und 4. Kaͤlber 1. Kuhrecht. Kuͤhe 6 „ 332317 Kalben 898. + 299 Kuͤhrecht. Kaͤlber 778. 149 3765. Alſo waren die Alpen um 673 Kühe 4438. weniger beſetzt, als fie geſeyet find, und befest ſeyn ſollten. Man nehme noch dazu (wenn man ja alles an⸗ rechnen will), 331 Kuͤhe, die auf den Allmenten in den Thaͤ— lern den Sommer hindurch waren, und 139 Zeitkuͤhe, ſo bringen dieſe 470. Kühe zu obigen 3765. nur 4235. Kühe alles in allem, und fehlen doch noch 203. Kühe, obgleich nach den Seyungs- Rechten obige Alpen immer mit ih⸗ ren 4438. Kuͤhen beſetzt ſeyn koͤnnten, ohne daß es auf die Allment⸗ und Zeitkuͤhe Einfluß haben ſoll, indem dieſe immer darein gerechnet werden. Klar und deutlich iſt alſo, daß der harte Winter 1784785, vermittelſt des dadurch erlittenen Futterman⸗ gels, die Menge des Melkviehes vermindert, den Auf— kauf nach der Fremde vermehret, und dadurch die Milch⸗ fabrikaturen geſchwaͤcht hat. Klar und deutlich iſt alſo, daß bey vermehrtem Fut⸗ ter, und daher folgender ſtarker Nachzucht die Milch— fabrikation ſo lange zuruͤck bleiben mußte, bis daß un⸗ ſere Viehgegenden mit der gehoͤrigen Menge Melkvieh wieber verſeben ſind. Es folgt daraus, daß der Preis des Butters und des Schlachtviehes mit deſſen Menge und Preis ziemlich das Verhaͤltniß behalten hat, und Von dem Herausgeber. 289 daß mit der ſteigenden Menge von Melkvieh, unter ges hoͤrigen klugen Einrichtungen, die Menge der Milchs Produkten ſich vermehren muͤſſen, folglich der Preis von beyden bey wieder erhaltenem Gleichgewicht von Futter und Vieh wieder fallen ſollte. 2. Hat die Theurung des Butters ihren Urſprung von Urſachen, die von den Menſchen ſelbſt herkommen, und da iſt a) Die immer zunehmende Bevoͤlkerung kein geringer Grund. Man kann nach gewiſſen Kalkuln annehmen, daß im Canton Bern ein Jahr ins andere von 9. bis 10,000. *) Menſchen mehr geboren werden, als ſterben. Dieſe Zunahme von Bevoͤlkerung muß nothwendiger Wei— fe eine Vermehrung der Butter -Conſumtion nach ſich zie— hen; allein da die Milch und Butterfabrikation ſich nicht in demjenigen Verhaͤltniß, wie die Menſchen-Menge vers mehret, fo muß ganz natuͤrlicher Weiſe bey ſtaͤrkerer Nachfrage von Kaͤufern und minderer Menge Waare letz— tere noch mehr im Preiſe ſteigen, als es ſonſt bey Vers haͤltnißmaͤßig gleicher Progreßion geſchehen ſollte Eine Zunahme von 9000, oder 5, d Menſchen jährlich in einem Lande, wie der Canton Bern iſt, muß auf jene Butter » Confumtion einen Einfluß haben. Allein dieſe Menſchenvermehrung vermehret nicht allein auch deshalb die Butter Conſumtion, weil die Anzahl der zehrenden Menſchenklaſſe größer iſt als vormals, ſondern weil durch die Bank weg alle Einwohner jetzt beſſer, koſtbarer und gleichſam naſchhafter leben und effen als vor Zeiten. Mit— hin hat es ſeine große Richtigkeit, daß auch b) Die Vermehrung des Vermoͤgens, die durch verſtaͤrk— ) Andere Kalkul ſagen 36000; allein da ſich immer mehr Frem⸗ de im Lande ſetzen, ſo ſcheint obiger Kalkul der Wahrheit naͤher zu kommen. Magaz. f. d. Naturk. Zelvetlens. III. B. 4 | ago Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ic. te Handelſchaft und Fabriken bewirkte leichtere Art ſich Geld zu erwerben, und die allgemeine Zunahme des Wohlſtandes im Canton — nach dem natuͤrlichen Gang aller Dingen auf dieſer Erde, nothwendiger Weiſe, den immer mehr um ſich freſſenden, gleichſam Krebsartigen Hang zu mehrern Bequemlichkeiten, (die zuerſt in Bez duͤrfniſſe und endlich in Nothwendigkeiten ausarten) er⸗ wecken und immer mehr vermehren muß. — Dieſes iſt auch fo ſehr in Ruͤckſicht des Butters wahr; daß auch dem geringſten und aͤrmſten Bauer im Canton keine Suppe ohne mit Butter geſchmalzt zu ſeyn, ſchmeckt. N e) Allein eine der wichtigſten Urſachen der Theurung oder vielmehr groͤßern Seltenheit des Butters iſt der ſo erſtaunliche und über allen Begrif übermäßige Nydel⸗ Gebrauch zu Stadt und zu Land. Haͤtte ich nicht durch das Wohlwollen einiger hoher Gönner, durch eigene Er— fahrung, und durch das einmuͤthige Einſtimmen vieler meiner Freunden Thatſachen und Beyſpiele geſammelt, fo würde es mir, wie jetzt vielleicht noch manchem Aug, länder, ergehen; ich würde dem anzufuͤhrenden keinen Glauben beymeſſen. Setzen wir fuͤr's erſte die Data feſt, und berechnen wir dann die nothwendige Folge. Im Julio Ao. 1780. ließ man zu Bern alle Milch und Nydlen meſſen, ſo in einem Tag in die Stadt zum Verkauf gebracht wurde. Da fand ſich folgende Menge much. Maaß. Obere Thor s 258 Aarberger s Thor # 7 180 Aarzihle Thor 2 A „ 09 Untere Thor s 448 ae In einem Tagge ⸗ — 9og. Maaß Milch. a Nydlen. Maaß. Von dem Herausgeber. 291 Obere „ Thor s 3 135 Aarberger » Thor 3 5 115 Aarzihle Thor + ; 32 Uutere „ Thor 2 5 318 In einem Tage 2 600, Maaß Nydlen. Dieſes war im Julio, zur Zeit, wo die wenigſten Leute in der Stadt und einige Kuͤher auf den Alpen ſind. Thut an Geld im Jahr: Milch 329960. Maaß, à 4. kr. 13198. Kron. 10. Batzen. Nydlen 219000. Maaß, à 16. kr. 3500 — — — 48238. Kron. Io. Batzen. NB. Ohne Innbegrif der Burger⸗Kuͤhen auf den Stadt⸗ Allmenten. Halten wir uns jetzt aber blos an der Nydlen. Eine Maaß Nydlen giebt gut T. Pfund Butter, alſo werden jaͤhrlich nach obiger Rechnung in der Stadt 2190. Zentner Butter in der Nydlen genoſſen ). Die Stadt Bern enthält ungefähr 1000. Haͤuſer, und 13000, Einwohner. Man ſchaͤtzt die Einwohner des ganzen Cantons weit über 400,000, Menſchen. Laſſet uns nur Ioo,ooo. anneh⸗ men, die eben fo viel Nydlen verbrauchen, wie die Eins wohner von Bern, und das iſt nicht zuviel angeſetzt; denn eben auf dem Lande wird die beſte, die meiſte Nyd⸗ *) Hier finde ich noch eine Erinnerung noͤthig — die Nydlen, wel⸗ che in die Stadt gebracht wird, iſt bey weitem nicht ſo gut, daß aus einer Maaſ 1. Pfund Butter gemacht werden koͤnnte. Hingegen iſt dieſe Rechnung zu einer Zeit gemacht worden, wo man weit aus am wenigſten Nydlen in die Stadt bringt; und da auch das Produkt der Buͤrger⸗Kuͤhen nicht angefuͤhrt iſt, fo kann man obige Ni dlen dafür, in Ruͤckſicht der Rechnung, als Acht annehmen, und die Maaß a 1. Pfund Butter ſchaͤtzen. ® 292 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preiofr. de. len zum Caffee verbraucht und vertrunken, wenn ſich in der Stadt Bern kaum ein Waſcherweib, Gartenweib, Kellermagd, keine Hausmagd befindet, die nicht des Morgens ihre paar Taſſen Caffee, und notabene mit Nydlen trinkt, fo befindet ſich im ganzen Canton kaum ein Baus renweib „welches nicht feinen Caffee, und das immer mit der beſten Nydlen verſetzt zu ſeinem r genießt. Der größte. Misbrauch aber geht in den hoͤchſten Als pen vor, in den entfernteſten Alphuͤtten, wo kein Frem⸗ der, kein Stadtbewohner jemals hinkoͤmmt. In Oeſche⸗ nen, Gaſteren, auf Roſenlaui haben ich und meine Freun⸗ de immer den vortreflichſten Caffee mit der füffeften Nyd— len trinken helfen. Dieſes Getraͤnke diente uns faſt zur einzigen Nahrung waͤhrend unſerm Aufenthalt in jenen unbereiſeten Alphuͤtten, und iſt, laut Uebereinſtimmung aller Alpenbewohner, die wir befragt haben, ein herz liebes Getraͤnke derſelben. Man rechne nur nach der ein⸗ fachen Regel Detribus 13000. Menſchen verzehren jaͤhr⸗ lich 219,000. Maaß Nydlen, wie viel verzehren Ioo,ooo, Menſchen, fo koͤmmt die erſchreckliche Summe von 1,6584615 Maaß Nydlen heraus, die in einem Jahr im Canton vertrunken oder verzehret wird. Man wird ſich gleich wider dieſe unbegreifliche Summe aufwerfen; allein keine Rechnung iſt leichter und billiger: In der Zahl von 13000. ſind gewiß mehrere Menſchen mitbegriffen, die faft keine Nydlen verbrauchen; hinge⸗ gen nehme ich auf das Landvolk nur den vierten Theil der Landeinwohner, da doch ein Kuͤher oder Bauer mehr und beſſere Nydel vertrinkt, als ein Stadtbewoh⸗ ner. Man nehme auch nur an, daß 50000. Menſchen im Lande Nydlen bertrinfen ‚ fo kommen nach obiger Rech⸗ nung doch noch 842307 3. Maaß heraus. Immer eine große Summe. Von dem Herausgeber. 293 Wer aber mit einem unbefangenen Auge und nur mit einiger Aufmerkſamkeit die Lebensart auf dem Lande und in den Staͤdten beobachtet, und ſeine hieraus gezogenen Folgerungen berechnet, wird alſo bald einſtimmen, daß gewiß von 400,00. Menſchen im Lande Too, ooo. obige Menge von Nydlen verbrauchen. Iſt es ſo weit gekommen, daß eine mittelmaͤßige Dienits magd bey Dingung des Lohns ſich den Caffee mit Nyd— len uͤber den Lohn ausdingt, daß Herrſchaften auf dem Lande bey mittelmaͤßiger Haushaltung ein Tag in den andern 68. Maaß Nydlen verbrauchen, daß alle Kuͤher— Familien im Lande ihr Fruͤhſtuͤcke im Caffee mit Nydlen nehmen, ſo iſt obige Rechnung noch leichter zu begrei— fen. Ein Hausvater berechne die jährlichen Ausgaben fuͤr Nydlen, zaͤhle ſeine Kinder und Hausgenoſſen, und ziehe dann ſein Reſultat daraus. Die Regierung laſſe eine genaue Rechnung von dem Caffee aufnehmen, der im Lande Fonfumirt wird, fo werden fie obigen Auf; wand zu gut beſtaͤtiget finden. In den Sitzungen der loͤbl. oͤconomiſchen Geſellſchaft in Bern, welchen ich beywohnte, ſind alle Antworten, die ohne Konkurrenz eingeſendet und abgelefen worden, von Herren, Bauren, und Kuͤhern doch im Allgemeinen dahin ausgelaufen, daß das Caffee- und Nydeltrinken eine der erſten Urſachen des Buttermangels ſeyen. Der Augenſchein lehret deutlich genug, daß wenn 1684615. Maaß Nydlen im Jahr vers braucht werden, 16846 5. Zentner weniger Anken oder Butter gemacht werden, und daß dieſes nothwendiger Weiſe eine Stockung in der Butter: Fabrifation verurfas chen muß, und das um ſo viel mehr, wenn noch oben— drein der Hirt und Aelpler, wie wir unten ſehen werden, mehr in der Kaͤſefabrikation, als im Buttermachen ſeinen Profit machet oder findet. dh) Eine vierte Haupiurſache des Buttermangels if, 294 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. das Fettkaͤſen in den Alpen, und der beſſere und groͤß fere Profit, welchen der Aelpler von den fetten Kaͤſen ziehet. Folgende Rechnungen find zu wichtig, um uͤber⸗ gangen zu werden, und koͤnnen den beſten Aufſchluß uͤber dieſen Punkt geben. Sie ſind aus dem Oberland, vom keherbers „und aus dem Pais de Vaud. Im Oberland 1. Weinmaaß Milch wiegt 3. Pfund, das Pf. hat 34. Loth. I. Milchmaß wiegt 4. Pfund. 50. Milchmaaß, oder 200. Pfund Milch geben 20. Pf. fetten Kaͤs. | | Io. Pf. abgenommene Milch geben r. Pf. magern Kaͤs. I. Milchmaaß Nydlen giebt 1. Pfund Anken. Iooo. Maaß Bergmilch geben zum allerwenigſten 200. Maaß Nydlen. 130. Pfund fette Kaͤſe werden übel im Durchſchnitt als Produkt einer Kuhe im Oberland gerechnet. K Ein Kuͤher machte Ao. 1786, von 22600. Maaß Milch 85. Zentner fetten Kaͤs. 7 Zu 1. Pf. Kaͤs haͤtte er alſo ungefahr 10 f. Pf. Milch gebraucht. Auf dieſe allgemeine Ausſage der Oberländer wollen wir folgende Rechnung bauen: 1000. Maaß Bergmilch geben alſo 400. Pfund fetten Käs *). Dieſer angeſchlagen zu 4. Batzen. Vom Staffel weg machen s 1600 — Der Zieger 30540. Pfund a6. kr. 6 — 8 1660. Ba Badge *) Im Sanenland und Greyerd galt ER der Zentner 20. Kronen; hiemit 5. Batzen das Pfund. Im Emmenthal 16. Kronen, alſo 4. Batzen das Pfund. Im Oberland 4. Batzen 2. Kreutzer, oder 18. Kronen. Ich nehme nur die kleinſte Sum⸗ me der 4. Batzen an. 5 Von dem Herausgeber. 205 1000, Maaß Bergmilch geben 200. Maaß Nydlen, und folglich 200. Pf. Anken a 4. Batz. 2. Kreutzer ) 900. Batzen. Von dieſen 1000. Maaß abgezogen 200 Maaß Nydlen. bleiben s ; 800, Maaß. Abgenommene Milch geben 30. Pfund magern Kaͤs à 2. Batzen, 2. Kreutzer. N 200 Batzen. 25. Pf. Zieger a 1. Batzen r 1125 1125 Batzen. Fett gekaͤſet wirft alſo ab „ „ 10660 Batzen. Mager s : 1 9 3 1125 — 535. Batzen. Gewinnt alſo der Kuͤher mit Fettkaͤſen von ooo. Maaß Milch im Oberland 535. Batzen mehr als beym Ma— gerkaͤſen und Buttermachen. Die Schotten wird zur Schweinsmaſtung benutzet. Dieſes hat fo ſehr feine Bas wandtniß, daß die Oberlaͤnder ſelbſt fuͤr ihren Haus— gebrauch ihren Butter nicht ſelbſt verfertigen , ſondern von ihren Nachbarn kaufen, und daß die Oberhasler von Unterwalden, die Grindelwalder von Lauterbrunn, die andern Oberlaͤnder zu Thun auf dem Markt, wohin er von den kleinen Bauren gebracht wird. Leberberg, Oberkeitliche Bergmeffungs Rechnung von Biel. | 1000, Maaß Milch geben 400. Pfund fetten Kaͤs. Die ſer gilt dort auf der Alpe nicht mehr als 14. Kronen, weil der fette Kaͤs vom Leberberg nicht ſo geſchaͤßt if, als der Oberlaͤnder. *) In Zürich galt der Zentner Butter Ad 1727, 32. fl. Zuͤricher⸗ Valuta, der Louisd’or zu 10. fl.; hiemit das Pfund ungefähr 5. Batzen 1. Kreutzer Bern Geld. In Biel galt er ohnerachtet der guten Buttereinrichtung 5. Batzen; im Neuenburgiſchen 6. Batzen; in Luzern 6. Batzen; in Fryburg 6. Batzen, 2. Kreutzer. 296 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ve Alſo 400. Pfund 23. Batz. 2. Kreutzer das Pf. 1400. Batzen. 40. Pfund Zieger a 5. Kreutzer . 50 — f Sum. 1450. Batzen. 1000. Maaß Bergmilch geben 225. (einige ſagten 250. Maaß Nydlen, die ſes iſt aber gewiß zuviel angegeben; wir erwaͤhlen daher die Mittelſtraſſe) folglich 225. Pfund Butter à 4. Batzen 2. Kreutzer : 1012. Batzen. Es bleiben zuruͤck 775. Maaß abgenommene Milch, dieſe geben ungefähr 75. Pf. magern Kaͤs 29 Kreutzer, ungefaͤhr 4 „„ 168 Batzen. 25. Pfund Zieger à 4. Kreutzer. 235 — 1205. Batzen. Fett gekaͤſet gewinnt alſo der Apler von 1ooo Maaß auf dem Jura fett ⸗ 1450 Batzen. . mager gekaͤſet 125 — die Summe der 245. Batzen. 245. Batzen mehr im Fettkaͤſen, als im Magerkaͤſen und Buttermachen. Die uͤbriggebliebene Schotten wird ae im Oberland zur Schweinsmaſtung verwendet. Aus dem von der Schweinsmaſtung erhaltenen Profit bezahlt der Senn feine Dienſtenloͤhne. Die Weide fuͤr eine Kuhe wird auf dem Jura fuͤr 18. Wochen von dem Senn, dem Eigenthuͤmer der Alpe mit J. à 6. Kronen bezahlt; wenn der Senn nicht eigene Kühe hat, ſondern Fremde eindinget, fo zahlt er dem Bauer fuͤr die Abnutzung einer Kuhe 778. Kronen an Geld, oder 50. Pfund Butter, welches gleich iſt. Die Weid koſtet alſo s 150 Batzen. Die Nutzung einer Ruhe 5 # 200 er | 350. Batzen. Mithin muß der Senn dieſe 14. Kronen durch und Vou dem Herausgeber. 297 durch 18. Wochen von einer Kuhe ziehen, ehe er eis nen Profit und Erſtattung für Mühe und Riſiko has ben kann. Man kann die Abnutzung einer guten geſunden Kuhe, die erſt im Merz oder April das Kalb geworfen, auf 16. bis 17. Kronen rechnen. Obige 14. Kronen davon abge— zogen, bleiben dem Senn fuͤr ſeine Muͤhe und Riſiko nur 2. 3. Kronen von einer Kuhe reiner Profit. Die Alpen auf dem Jura tragen im Kapital nur 3. pro to. ab. Deswegen fie nur begüterte Partikularen oder Gemeinen anſchaffen koͤnnen, wenn ſie betraͤchtlich ſind. Hingegen iſt der Preis derſelben ſeit 30. Jahren mehr als das doppelte geſtiegen, und wird wahrſcheinlicher Weiſe noch mehr, mithin der Preis der Milchprodukten noch mehr ſteigen ). Aus dem Pays de Vaud lauten die Nachrichten folgen⸗ der Weiſe: 13. Pfund und 13. Unzen, oder 221. Unzen Bergmilch von 50. oder 100. Kuͤhen, wie fie im Kaͤſekeſſel gemis ſchet find, geben 1. Pfund oder 16. Unzen fetten verkauf— baren Kaͤs. Das Pfund fetter Kaͤs iſt im Großen dieſes Jahr fuͤr 3. Batzen 1. Kreutzer, oder 13. Kreutzer vers kauft worden. Wenn aber ein Landwirth vor 40. Jahren (wie ich deren kenne), eine Alp um 60. Kronen gekauſt hat, und nun baare 60. Kro⸗ nen Pachtzins zieht, ſo tragen dieſe Alpen hiemit mehr als 3. pro Cent. ab. Vor 40. Jahren haben 60. Kronen in Renten oder Guͤltbriefen à 4. pro Cent. nicht mehr als 60. Batzen Zins abgetra⸗ gen. Dieſes Geld aber damals in Grundguͤter geſteckt hat bey 50. pro Cent, gewonuen. Man muß daher hier einen Unterſchied machen, wann das Grundſtuͤck, und um welchen Preis es gekauft worden. Kauf ich itzt nach dem Werth der Dinge ein Grund⸗ ſtuͤck, fo wird es nicht mehr als 3. proCent. abtragen, in 5. Jahren aber ſchon das doppelte Intereſſe meines vor 5. Jahren ausge⸗ legten Capitals, und ſo progreß ive. 298 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. Die nemliche Quantitaͤt Milch giebt aber nur 7. oder 8. Unzen Butter. Dieſer Butter wurde zu Morſee im May 1787. das Pfund zu 4. Batzen, im Winter zu 4. Batzen 2. Kreutzer verkauft. Folglich war der Profit beym Butters machen von oben angefuͤhrter Menge Milch nur 728. „ 9. Kreutzer, da er beym Fettkaͤſen 13. Kreutzer iſt. Der Correſpondent hat hier aber keine Ruͤckſicht auf den magern Kaͤs genommen. Da der fette Kaͤs dort nicht mehr als 13. Kreutzer galt, ſo iſt daher der Butter auch nur 4. Batzen im Preis, weil ſich der Profit beym Buttermachen und Mager⸗Kaͤ— ſen gegen dem Profit beym Fettkaͤſen ziemlich das Gleich⸗ gewicht haͤlt. Klar iſt es alſo, daß auch das Fettkaͤſen eine der ers ſten Urſachen der Seltenheit und der Theurung des But⸗ ters iſt. e) Ein fuͤnfter Grund dieſer Butterſeltenheit liegt auch, wie der Verfaſſer obiger Abhandlung ſagt, in dem übers handnehmenden Kalbfleiſcheſſen, insbeſonders bey Kuͤhern und Aelplern. Vor Zeiten erhielten ſich die Aelpler blos von ihrem Sauffi, Kaͤſemilch und Zieger. Jetzt an vie⸗ len Orten vom Caffee mit Nydlen und Kaͤlberfleiſch. Dieſe vermehrte Kalbfleiſch-Conſumtion verbunden mit den erleichterten und verminderten Faſttagen in den ka⸗ tholifchen Landen muß nothwendiger Weiſe bis zur vers mehrten Nachzucht das Gleichgewicht ſtoͤren. ) Auf einen ſechsten Grund wurde in obiger Abhand⸗ lung nicht Ruͤckſicht genommen, weil folgende ſchaͤdliche Einrichtung vermuthlich in jenen Gegenden noch nicht eingeriſſen iſt. Dieſe beſtehet in der Verwandlung vieler Sennereyen und Alpen in Maſtweiden, wo vor Zeiten jährlich fo viele 100, Zentner Kaͤſe und Butter gezeuget wurden, da wird heut zu Tage inſonderheit in dem Bis ſchof⸗Basleriſchen und Graͤflich⸗ Neuenburgiſchen Landen Von dem Herausgeber. 299 kein Pfund mehr gezeuget, ſondern nur Schlacht-Ochſen 5 fett gemaͤſtet, die meiſtens in Frankreich verkauft werden, was nicht vorher durch Genfer oder Straßburger Metzger ausgehoben wird. Dieſe Umaͤnderung der Sennereyen in Maſtviehweiden ſchadet dreyfach: Erſtlich wird eine große Menge Butter und Kaͤs we— niger gemacht, als nach der Menge der Alpen und Vieh— weiden gemacht werden ſollten. Butter muͤſſen die Ein— wohner haben, alſo erholen fie ſich bey der Nachbars ſchaft, und ſo werden viele 100. Zentner aus dem Canton Bern nach dem Neuenburgiſchen ins la Chaux de Fond, und Locle par Contrebande geführt. Vermehrte Nachfrage vermehrt den Preis, und das Gleichgewicht wird geſtoͤret. Zweytens ſchaden dieſe Maſtweiden, weil dadurch die Nachzucht vermindert wird. Je mehr ähnliche Maſt— weiden im Lande aufkommen wuͤrden, deſto mehr wuͤrde das Vieh, wegen Mangel von Nachzucht, abnehmen, und die groͤßte und erſte Quelle vom vaterlaͤndiſchen Wohl und Vermoͤgen in Nichts verſiegen. Drittens ſchaden ſolche Maſtweiden, weil fie der Ba voͤlkerung, vermehrten Nahrungszweigen und Arbeitfams keit ſchaden. Ein reicher Ochſen-Magnat koͤnnte 5. ; 6. Berge beſitzen, ſolche mit Maſtochſen beſetzen, und weil dieſe keine Beſorgung und Wartung verlangen, auf jeden Berg nur einen Baurenbub zur Hut anſtellen. Alſo waͤ⸗— ren 5. oder 6. Berge, welche eben ſo viel Kuͤher-Fami⸗ lien ernaͤhren koͤnnten, mit 6. Baurenbuben beſetzt, die Milchfabrikation und mit ihr der Nahrungszweig von vie⸗ len Familien wuͤrde ſtocken, und ein einziger Haͤndler auf Unkoſten vieler thaͤtiger Menſchen ſich bereichern. g) Ferner ſchaden der Viehzucht im Lande und der zu erzielenden Milchprodukten, die immerſteigende Pferd⸗ Menge im Lande, und das ſowohl ſolche, die zur Gemaͤchlichkeit, zum Staat und Luxus, als die zur Noth⸗ 300 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. { durft dienen. Wenn vor Zeiten Stadtbewohner Lands güter, oder nur einige Grundſtuͤcke zu ihrem Vergnügen beſaſſen, ſo ließen ſie dieſelben entweder mit Zugochſen bearbeiten, oder hielten ſich eine Kuhe, um fuͤr ihren Hausgebrauch einigen Nutzen von der Milch und Butter zu ziehen. Jetzt aber iſt die allgemeine Meinung: Ich habe Futter genug fuͤr ein Pferd zu halten, und dann haͤlt man ſich eine kleine Chaiſe fuͤr ſeine Freude. Auch unter den Bauren hat das Pferdhalten fo uͤberhand ges nommen, daß in dem ganzen Emmenthal nicht leicht ein beguͤterter Bauer ſich finden wird, der nicht ſein Pferd und niedliches Waͤgelein hat, um auf die Maͤrkte zu fahren; ja es giebt 3 +4. Bauren, die zuſammenſtehen, und gemeinſchaftlich 1. Pferd und ein niedliches Waͤgelein halten, mit welchem ſie auf die Maͤrkte kommen. Es iſt hier nicht die Rede, ob die Leute es alle vermoͤgen, Pferde zu halten. Ich mag es allen herzlich gern goͤnnen ſich wohl ſeyn zu laſſen, und fuͤr ihre Bequemlichkeit ſich Pferde, Chaiſen und Waͤgelein zu halten. Allein die Fra⸗ ge iſt, ob dieſe Pferdevermehrung nicht eine Hornvieh— verminderung nach ſich ziehe. Ohne nur zu erwaͤgen, daß ein Pferd mehr Futter verzehrt als eine Kuhe, ſo wird alles das Futter, welches die Pferde verzehren, den Kuͤhen entzogen, im ganzen Lande fo viel weniger Kuͤhe gehalten, als Pferde ſind; folglich muß man 10 im Ganzen weniger Milchprodukten erhalten. Auch die zur Nothdurft vermehrte Menge von Pier. ten ſchadet der Viehzucht. Verſtaͤrkte Handelſchaft und vermehrte gabrifen, wels che mit einer zunehmenden Bevoͤlkerung im Verhaͤltniß ſte⸗ hen, verurſachen eine Vermehrung von Fuhr⸗-, Saum⸗, Kutſchen- und Transport- Pferden. Dieſe nehmen den Kuͤhen wieder Futter weg, und ſind Schuld, daß von dieſen weniger gehalten werden koͤnnen. Von dem Herausgeber. 301 h) Und zuletzt ſchaden der Vermehrung der Viehzucht und der Milchprodukten, die Allmenden und Zelgen augenſcheinlich. Die Volksmenge vermehrt ſich, und lebt von Tag zu Tag beſſer, aber die Grundſtuͤcke vermehren und verbeſ— ſern ſich gar nicht in dem nemlichen Verhaͤltniß; mithin muͤſſen die Lebensmietel in eben dem Verhaͤltniß ſeltener werden, und folglich im Preis ſteigen. Nun aber ſind nicht alle Grundſtuͤcke ſo angebauet, und liefern nicht dasjenige, was ſie nach ihrer Anlage liefern koͤnnten. Oder, wer kann ſagen: Die Allmenten und Gemeinwei— den werfen das ab, was ſie unter gehoͤriger Bearbeitung abwerfen ſollten. Wenn 30000. Jucharten Zelgen ſind, und alle Jahr Loooo. Brachfelder ungenutzt, oder fo viel als ungenutzt liegen, iſt es nicht ein Schaden fuͤr das Land, und hat es keinen Einfluß auf die Menge und den Preis der Nahrungsmittel, wenn man von loooo. Jucharten blos aus Vorurtheil nichts zieht? Auch der Oel- mangel und die Oeltheurung hatte einen Einfluß auf die Butterſeltenheit. Im Oberland wird jaͤhrlich eine große Menge Butter, anſtatt Brennöl zu Lichtern in den Lampen, verbraucht. | Ferner, der Schleichhandel: In allen benachbarten Cantons iſt der Butter theurer. — Iſt der Schleichhandel hier nicht natürlich ? Dieſes ſind nun die büuptſchlichſten Gruͤnde und Ur⸗ ſachen der Seltenheit und Theurung des Butters, wo— bey aber wohl zu merken iſt, daß dieſe Theurung mit dem Viehmangel und andern druͤckenden Urſachen das ge⸗ naue Verhaͤltniß behalten hat, und daß man ſich in Rück ſicht obgenannter Urſachen nicht ſo ſehr uͤber die Theu— rung des Butters zu beklagen habe. Was die Mittel, dieſer Theurung abzuhelfen und dem Lande mehrern Butter zu verſchaffen, anbetrift, ſo ſind ’ 7 8 302 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. in der vorhergehenden Abbandlung ſo viele gute Raͤthe und Vorſchlaͤge angegeben worden, daß es unnoͤthig iſt ſich daruͤber weiters auszudehnen. Ich will daher auch hier meinem Zweck getreu bleiben, und nur das anfuͤh— ten, welches ſich auf den Canton Bern genauer bezieht. Ich betrachte vorzuſchlagende Mittel obigen Maͤngeln abzuhelfen, unter zweyen Geſichtspunkten: Und das erſt⸗ lich, als palliative oder behelfliche Mittel, oder ſolche Mit, tel, die fuͤr einen gewiſſen Zeitraum von Jahren von dem groͤßten Nutzen fuͤr das Land ſeyn wuͤrden, nachher aber nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnden abgeändert oder vers mehret werden koͤnnten. Und zweytens, als abhelfliche Mittel, die fuͤr immerhin dem Lande den auszeichnende⸗ ſten Vortheil verſchaffen wuͤrden. Erſtere waͤren leichter einzufuͤhren, letztere deſto nothwendiger. Zu den erſtern gehören die ſub No. 1. 2. 3. in der vorhergehenden Abhandlung angefuͤhrte Vorſchlaͤge, zu welchen ich folgenden beyfuͤge, in dem Wahne, daß er vielleicht zur Zeit der einzige ſeye, welcher ausgefuhrt werden kann, und welcher ohne dem Kuͤher, noch dem Kaͤſehandel zu ſchaden, und ohne die Perſonal-Freyheit anzutaſten, von unzweifelbarem Nutzen waͤre. | Vorerſt ſollte die Regierung von Bern in allen Fands vogteyen von allen Alpen, ſeyen ſie geſeyet oder nicht, einen neuen Kataſter verfertigen, und nach dieſem ſich ein genaues Verzeichnis des Alpen -Viehſtandes vorlegen laſſen: Eben ſo ſollte mit allen Kuͤhereyen in den tiefern Gegenden und ebenen Lande vorgenommen werden, ſo daß man von allem dem Vieh, welches zur Milchprodukten— Fabrikation im Großen dienet, (denn auf die einzelnen Bauren oder Hauskuͤhe iſt es nicht noͤthig Ruͤckſicht zu nehmen), die beſtimmte Menge verzeichnet erhielte. Auf dieſes wuͤrde ein Verzeichnis aller Sennereyen und Kuͤhe⸗ reyen, die blos fett kaͤſen, oder blos Nydlen verkaufen, 9 — „ 7 Von dem Herausgeber. 303 ausgezogen, und alſo das Verhaͤltnis herausgebracht, wie viel Sennen oder Kuͤher Butter machen, und wie ſich die Menge des im Lande im Großen fabrizirten Butters zur Volksmenge, und hingegen auch zum Fettkaͤſen und zum Nydlenverbrauch verhalte. Alsdenn waͤre mein Rath: Allen Aelplern und Sennen aufzulegen, von einer jeden Kuhe, waͤhrend ihrer Sennzeit auf den Alpen, 1. 2. 3. oder 4. Pfund Butter zu machen, und ſolchen Butter in zu beſtimmenden Staͤdten abzulegen, wo ſolche, wie Kauf und Lauf iſt, zum gemeinen Beſten verkauft werden koͤnnten. Das geloͤſete Geld gehoͤrte, wie natuͤrlich, dem Senne eigen. Von einer Kuhe waͤhrend dem Sommer 24. Pfund Butter zu verlangen, iſt nicht viel gefordert. Im Ganzen wird es aber eine große Summe hervorbringen. Dem Kaͤſehandel wuͤrde es aus folgenden Gruͤnden nichts ſcha⸗ den. Da alle Aelpler im ganzen Canton mit dieſer Ord— nung belegt wuͤrden, ſo koͤnnte ſich keiner eines Vorzugs ruͤhmen, alfo keiner dem andern ſchaden. Die fetten Kaͤ— ſe wuͤrden um 5. à 10. pro Cto. aufſchlagen, und die Aus⸗ laͤnder muͤßten dieſe Auflage allein bezahlen, welches von keinem Einfluß im Ganzen waͤre, in dem ſolche in 10. Jahren ohnedem um dieſe Summe aufſchlagen werden. Um dieſen Vorſchlag noch naͤher zu erlaͤutern, ſo laßt uns wieder die Landſchaft Hasle zum Exempel nehmen, weil ich Gelegeuheit hatte, waͤhrend meinem letzten Aufenthalk in dieſer Gegend beſondere Nachrichten zu ſammeln. In der Landſchaft Hasle befinden ſich 54. folgende Alpen mit ihren Seyungen ). *) Sayung oder Seyung bedeutet im Bergland folgendes: Wenn ein Bergbewohner eine Kuh auf die Alp treiben will, fo muß er fo viel Güter im Thal haben, daß er dieſe Kuhe durchwintern kann, ſonſt kann er kein Kuhrecht haben, die Kuhrechte auf den Alpen werden daher mit den Guͤtern im Thal verkauft: Hat einer fo viel Güter im Thal, daß er 6. Kühe überwintern 304 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ıc. Seyung zu einem Vuhrecht. 1. Breitenboden 2243 Fuͤhe. 2. Schwarzwald » * 36 — 3. Grindel s „ „„ 4. Schoͤnenbuͤehl 1 30 — 5. Roſenlaui : 2 3 30 — 6. Großen Rychenbach 23 35 — 7. Brogs Rychenbach . 17 3. Moors Rychenbach $ 1 — 9. Kaltenbrunn 237 1 10. Wandel 2323 Et II. Wuͤrzen 2 E i 12. Bruͤniger Aelpli s 68 Sum. 1266. 3. Obige kann, ſo hat er ſo viel Kuhrecht auf den Alpen, weil die ge⸗ feneten Alpen von den Gütern im Thal unvertheilbar fi nd und immer mit einander verkauft werden. Eine Alp zu 30. Kuͤhen geſeyet, beſitzt folglich 30. Kubrechte Doch giebt es auch Alpen, die nicht geſeyet ſind, und dieſe habe ich hier mit einem Sternlein bezeichnet. Dieſe bezeichne⸗ ten Alpen gehoͤren verſchiedenen Gemeinden im Thal, und koͤn⸗ nen nach Willkuͤhr beſetzt werden. Will einer nun auf eine Aly treiben, ſo muß er beweiſen, daß er ſein Vieh bey ſeinem Fut⸗ ter durchwintert hat. | Da muß er haben Bergrecht für ein 3. jaͤhriges oder Alters Pferdt . . 3. Kuͤhe. NB. Im Engſtlen und Genthal s 4 — Ein 2. jaͤhriges Pferd 2 Ein Kalb D * Ein 1. jährige - I Ein Schwein 3538 Ein Fuͤllen „ 2. Ein Ferkel . — Eine Kuh . 1. Ein Geiß od. ein Schaaf 3. — Ein Zeitkalbe - 1. Ein Gizi oder Lamm r Ein Kalbe . 1, Die Wucherſtieren find aller Orten frey. Wenn einer aber eine Kube auf Ueberſatz treibet, d. i. eine Kuh mehr auf den Berg läßt, als er an ſolchem Recht hat, fo iſt die Strafe (wenn er ein Bergantheiler iſt), daß er den in der daſigen Alp⸗-Einung beſtimmten Bergzins und noch 30. Batzen bezahlen muß: Iſt er aber kein Berggenoß, ſo zahlt er noch 30. Batzen mehr zuhanden aller Antheilhabern. ) Von dem Herausgeber. 305 Obige 12. Alpen werden von den Doͤrfern Meyringen, Eiſenbalgen, Hauſen, Bruͤnigen, Unterhayd, Unterbach, Zaun, Falcheren, Lugen, Schwaͤndi, Willigen, Stein, Geißholz und ihren Nebenbezirken beſetzt. Außer No, 12. liegen obige Alpen zwiſchen dem Hasle Thal und Grindelwald-Thal, und werden in dem hohen Bergthal von dem Rychenbach durchſtroͤmmt. 13. Bahlis- Up „ 250 Huͤhrecht. 14. Maͤgis⸗Alvb⸗ 2230 15. Gummen e — 16. Arni 3 — 17. Unterbalm „ 36 — 18. Baumgarten⸗ 107 — Sum. 973 Dieſe 13. bis 18. werden von den Gemeinden am Hasleberg als Hochfluh, Unterfluh, Waſſerwaͤndi, Gols dern, Reuthi, Wyſſenfluh und ihren Bezirken beſetzt. Alle dieſe 6. Berge außer * 18. werden mit Kuͤhen, Zie⸗ gen und Schweinen, (welche zwey letztere hier keine Seyung wegnehmen) No, 18, aber außer 22. Kuͤhen mit Rindern beſetzt. Dieſe Berge graͤnzen an Unterwalden ob dem Kernwalb. 19. Engſtlen „ 4350 Ruͤhrecht. 20. Genthal ; P 311 — 21. Schicherberrg 9 ; 64 — 22. Birchlaui . . 89 2 — 23. Rudſeri 1 8 > 24. Schafftenlui ss 3 20 — 25. Kalberweid 1 14 — 26 Buͤhlenweid - 15 2 — 27. Trift Sonnſeiten. 83 5 28. Wenden 3 1086 — 29. Gygli s 20 — 30. Vorbetli z : 2 492 — 31. Stein an 86 = 13104, Magaz. f. d. Naturk. Zelvetiens. III. B. N 306 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfe. te. Transp. 13104, 10 Ruͤhrecht. — 32. Wang er * 33. Laub 8 12 — 34.“ Wendenſchafberg e = 35. Triften⸗Schattſeiten⸗ ” 76 — 36. Hochwang s : 14 — 37. Blindlaui „„ > 38. Schrotwang - „ =. 39. Blatten⸗ : 18 — — 40. Steinhaus 8s 63 7 41. Guͤntener . 25 ns 42. Kunzendenlen - 17 I.. 33. Grimſel „ 1 Br 44. Handegg ? ie. 3 4 45. Aerlenn j 13 . 46.“ Wyſſenbacch⸗ 322 — 47. Fellen „ ) TEE — 48. Gygli im Boch : 20 * 49.“ Hochberg ut 572 — 50. Heuſtein 9 3 s 14 — 5I. Gaulii „ 55 ze 52. Een: ri 31 — 53. Ilmenſtein 3 * 31 — f 54. Burg „ 15 — 2 Sum. Ruͤhrecht. 2078 4. No. 20. 21. 39. 51. 52. und 53. werden von den Doͤr⸗ fern Winkel, Grund, Bruͤgg, Unterſtock, Aepigen, Hof, Bottigen, Wyler und Muͤhlithal beſetzt. No. 19. Engſtlen gehoͤrt theils der Landſchaft, den Pfruͤnden, Gemeinden, und theils ſehr vielen Partifularen. No. 22:38. nutzen die Dorfbeſitzer von Hopflauenen, Schwendi, Neſſenthal, Muͤhliſtalden, Twuͤrgi, Schaf. telen, an der Fuhren, am Buͤehl und Obermaad. No. 40. 41. 42. 45:50, beſetzen die Dörfer Re Aelperſtein und Gutdannen. No. 43. u. 44. ein jeglicher Spithalmeiſter vom Grimſelberg. Von dem Herausgeber. 307 Dieſes vorausgeſetzt, wird man alſo die Anzahl der Kuͤhen auf den Bergen in der Landſchaft Hasle nach ihren Seyungen und Beſatzungen auf 4418. annehmen koͤnnen. Allein die wirkliche Bergbeſatzung Ao. 1787. war nur folgender Maaßen beſtellt: Wucherſtieren - 5 : 81. Auf den Allmenten 5 7. Kuͤhe ? . 3317. Allment : 3 „ 331. Zeitkuͤhe ⸗ ; „139. Kalben e s 5098. Kaͤlber ; : 778. chweine ; : 6 997. Allment ⸗ : ⸗ 6. Ferkel ; s 6 70 Allment s 1 38 Schaafe ) 4292. Geiſſen (Ziegen) s „ 13858. Allment : ⸗ „ 712 Gizi 3 + 31173 Allment s gs . 31. Boͤcke s : 164. F 3. und mehrjährige Pferde. 134. 2. jährige ; ⸗ f 24. Jaͤbrige : 54. Ich habe aber die Gruͤnde angegeben, warum die Ber— ge dieſes und das letzte Jahr nicht nach ihren Seyungen beſetzt waren, und nehme daher zur Grundlage meiner Rechnung die Mittelzahl von 4000. Kuͤhen in der Lands. ſchaft Hasle an. Wuͤrde nun eine jede Kuhe mit 2 Pfund Butter belegt, fo kaͤme die Summe von So Zentner herz *) Auf die Berge No. 27. 34. 38. 37. 41. 46. 47. 49. und 51. kann jeder Landmann fo viel Schaafe, Seifen und Boͤck auftreiben, als er will; nur muß er jedem Hirte für jedes Stud 2. Batzen Hirtenlohn zahlen. 4 308 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. aus. Zwey Pfund Butter auf eine Kuhe durch den Som— mer koͤnnte keine große Revolution in dem Kaͤſehandel machen; eine jede Alp wuͤrde einen einzigen, oder aufs boͤchſt zwey fette Kaͤſe, waͤhrend der Alpzeit weniger macheu, und doch waͤren 80. Zentner Butter von einem Bezirk Land mehr in Umlauf gebracht, woher zuvor keiner kame. Damit aber ſowohl kein Misbrauch, Unterſchleif, und Vervortheilung geſchaͤhe, als auch damit nicht zu einer Zeit viel Butter, zur andern wenig oder keiner vorhanden waͤre; fo koͤnnte folgende Einrichtung getroffen werden. Bey der Bergauffahrt des Viehs, wo dieſes ohnedem von beeydigten Maͤnnern in Nückficht feiner Geſundheit unterſucht wird — muͤßten auch von eben dieſen beeydigten Vorgeſetzten die Seyungen und dießmaligen Bergbeſatzun⸗ gen aufgeſchrieben, und ein jeglicher Senn nach der Ans zahl ſeiner Kühe, oder nach feinen Kuhrechten mit der zu beſtimmenden Menge von Butter auf die Kuhe be— legt werden. f Da ferner die Auffahrt gewoͤhnlich in den erſten Tagen Juniis, die Abfahrt in den erſten Tagen Octobers ge ſchieht, mithin die Kuͤhe 4. Monate oder 120. Tage auf den Alpen zubringen; ſo koͤnnten die 54. Seyungen oder Alpen in zwey Theile getheilt werden. Davon 26. in den erſten 6, Wochen, und 26. in den letzten 6. Wochen Butter machen wuͤrden. Dieſe 54. Alpen aber muͤßten unter einander ferner das Loos ziehen, welchen Tag nach der Auffahrt, oder vor der Abfahrt eine jegliche Butter machen ſollte, und dieſe Tage muͤßten mit der Abfahrt der Marktſchiffen nach Thun im Verhaͤltnis ſtehen, damit der Butter nicht zu lange liegen bleiben muͤßte. Dieſe Eintheilung haͤtte den Nutzen, daß an jeglichem Markttage Anfangs und Ends des Sommers eine gewiſſe Menge Butter ſicher Von dem Herausgeber. 309 zum Verkauf da waͤre. In Thun aber muͤßte ein recht— ſchaffener beeydigter Mann angeſtellt werden, der den Butter in Empfang naͤhme, den Senn beſcheinigte, und den Verkauf beſorgte. Dieſes geſchaͤhe auf folgende Art: So bald die Seyungs- und Butter-Aulagstabellen und die Tagsverzeichniſſe der Lieferungen verfertigt, und in der Landſchreiberey von Hasle niedergelegt worden waͤ— ren, müßten von dieſen Tabellen gleich zwey Copien gez nommen, und davon eine an MnGnHHrn. nach Bern, die andere nach Thun geſendet werden. Der Vorgeſetzte von Thun wuͤrde nach der Seinigen einſehen: „Mit dem „ Marftfchiff von dieſem oder jenem Tage muß die Butter— „lieferung von dieſer oder jener Alp, die in fo viel vi „ beſtehet, anlangen. » Der Senn der Alpe weiß die Zeit der een auf den Tag ſoll er gehalten ſeyn zu buttern, und ſich mit dem Butter bey der Landſchreiberey einfinden, wo dann der Butter befichtiget, gewogen, und ihm bey Recht— befinden ungefaͤhr folgendes Schreiben ausgeſtellet wird: „Alp Breitenboden, Seyung oder Beſatzung von 253. „Kuͤhen. Senn N. N. liefern hiemit das angelegte Duans „tum von 486. Pfund Butter, welches geliebe in Ems „ pfang zu nehmen, nach beßtem Kauf und Lauf zu fchäs „zen, und nach Guterfinden Trägern dieß, den gewohn⸗ „ten Revers auszuſtellen., Datum f Sign. Candſchreiber. Dieſes Schreiben überliefert der Senn, mit dem But ter, den Vorgeſetzten in Thun, der Vorgeſetzte nimmt den Butter ab, wiegt, beſichtiget denſelben, zahlt das Quantum nach Kauf und Lauf aus, behält das Schrei ben, und bringt ſolches ad Protocollum, ſtellt aber dem Senn ungefaͤhr folgenden Revers aus: „Daß Alp Breitenboden Seyung von 243. Kuͤhen. »Senn N. N. das angelegte Quantum von 486. Pfund 310 Anhang zu vorig. Beantw. d. Breisfr. ꝛc. „Butter richtig und zu ſeiner Zeit uͤberliefert hat, und »ihme ſolches nach beſtem Kauf und Lauf das Pfund zu — „mit Kronen, Batzen, Kreutzer ausbezahlt worden iſt. Beſcheint e. Datum Vorgeſetzter. Ich ſagte oben, der Vorgeſetzte zahle dem Senn den angelegten Butter nach Kauf und Lauf aus. Dieſes iſt nicht mehr als billig. Dieſe Aelpler bringen ihren But— ter nicht um des Gewinnſtes willen, ſondern weil fie da— zu verbunden werden; ſie muͤſſen oft einen weiten Weg machen; vielleicht etwas Geld verthun; ſollten ſie nun den Verkauf des Butters abwarten, und ſich den zufälli⸗ gen Chikanen der Kaͤufer, die ſich einbilden, daß der Butter nun da ſeye, daß die Aelpler ſeiner gern los und bald daheim ſeyn wollen, daß man ſie alſo mit dem Preiſe ſo zu ſagen, klemmen koͤnne, ausſetzen, ſo waͤten dieſe guten Leute zu bedauren. Wuͤrde man aber die Einrich⸗ tung treffen, daß in jeglicher Stadt, in welcher eine Alps Butter-Ablage ware, den Vorgeſetzten eine kleine Summe baares Geld aus der Stadtcaſſa vorgeſtreckt würde, von welcher Summe man allemal den aufgelegten Butter der Aelpler nach dem beſten Kauf und Lauf baar aus⸗ bezahlte, und den Aelpler wieder heimlaſſen koͤnnte, ſo waͤre allen geholfen. Damit aber die Stadtcaffa nicht auf aͤhnlichen Fuß ans geführt werde, fo koͤnnte man einführen , daß kein andes rer Butter auf dem Markt ſo lange verkauft werden ſoll, bis der Bergbutter verkauft waͤre, welches alsdenn kaum eine Stunde dauren wird. ; Laßt uns dieſes Beyſpiel von Hasle und Thun auf den ganzen Canton anwenden. Alle Alpen, wo fett gekaͤſet wird, würden im ganzen Lande alſo behandelt: Nach den verſchiedenen Diſtrikten des Cantons wuͤrden verſchiedene Ablagsorter oder Städte beſtimmt, und das etwa in fol— gender Ordnung. Die Alpen in den Landvogteyen Thun, Von dem Herausgeber. art Oberhofen, Unterſeen und Interlaken haͤtten ihre Ab⸗ lage in Thun. Frutigen, Zweyſimmen, Wimmis, die 4. Landgericht, und ein Theil des Emmenthals zu Bern. Der andere Theil des Emmenthals zu Burgdorf; die im Aergoͤw zu Arburg, Arau oder Lenzburg; Der kleine Antheil des deutſchen Jura an Bern zu Buͤren. Der franzoͤſiſche Jura zu Iverdon und Mon; Sanen zu Vivis, Hat die Regierung nun ein genaues Verzeichniß der Alpen des Viehſtandes, der Fett- und Magerkaͤſen, und hinwieder der Conſumtion des Butters im Lande, fo kann der Kalkul nun auf das Land gemacht werden, wie weit obige Einrichtung nügen koͤnnte. Die Alpen, wo jetzt magerkaͤſen, werden immer Butter liefern, und die kleinen Bauren, welche bis dahin den Pfuͤnderanken, ſowohl den Ankentraͤgern beym Hauſe verkauft, als in die Stadt in kleinen Baͤllelein gebracht haben, werden deshalb nicht aufhoͤren Butter zu machen; alfo würde auf gedachte Weiſe die Buttermenge vermehrt werden koͤn⸗ nen, ohne daß dem Settkäfen, dieſem fo vortreflichen Zandelszweig von der Schweiz, geſchadet wuͤrde. Da die Aelpler, nur im Sommer, und dieſes wegen dem vortreflichen Grasbutter, gehalten wären, ſich obi⸗ ger Butteranlage zu unterziehen, hingegen im Winter frey bleiben koͤnnten, ſo ſollte man hingegen waͤhrend dem Winter und das vom 1. Ockober bis den 1. Junii alle Nydlenkuͤher im ganzen Lande auf jede Kuhe mit doppelt ſo viel Butterlieferung und mit der nemlichen Einrichtung belegen, als die Aelpler. Wenn alſo die Aelpler pr. Kuhe 2. Pfund Butter liefern, ſo ſollten die Nydlenkuͤher pr. Kuhe durch den Winter 4. Pfund liefern⸗ und das aus folgenden Gruͤnden. Iſtens. Dient Nydlen meiſtens bloß zum Luxus, und zur innern Conſumtion; kann alſo leichter etwas mehr zur 312 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. nothwendigen Beduͤrfniß abgeben, als der fette Kaͤs, der ein wichtiger Handelszweig fuͤr den Canton iſt. ztens. Da 1. Maaß aͤchte Nydlen auf 1. Pfund But⸗ ter gerechnet wird, und die Maaß Nydlen 4. Batzen, das Pfund Butter 4 2. Batzen verkauft werden, fo vers loͤre der Nydlerkuͤher nichts, wenn er anders aͤchte Nydlen verkaufte. Da aber stens: Die Nydlenkuͤher insgeſamt, niemals diejeni⸗ ge gute Nydlen liefern, die ſie liefern ſollten, ſondern gemeiniglich ſchlechtere, ſo verdienen ſie alſo desfalls nicht ſo viel Nachſicht als die Aelpler. Dieſes find nun die 2. Haupt- (und wie ich glaube, einzige behelfliche) Mittel, die jetzt dem Buttermangel, ohne dem Kaͤſehandel zu ſchaden, ſteuren koͤnnen. In⸗ deſſen koͤnnen folgende Hilfs- und Beymittel immer von Nutzen ſeyn, und das Ganze ſehr erleichtern, als wie in erſterer Abhandlung angefuͤhrt worden iſt. Verbot 1.) Keine tragende Kuͤhe, und keine Kälber unter 3. Wochen abzuſchlachten. 2.) Die beſſere Einrichtung und Polizey über die Mez⸗ ger auf dem Lande. 3.) Sollte die vorgeſchlagene Herabſetzung des Kühe und Kalbfleiſches unter den gewohnten Preis bewirkt werden koͤnnen, ſo waͤre es ein vortrefliches Mittel; al⸗ lein ich fürchte, es werden der Schwierigkeiten, es durch, zuſetzen, zu viel ſeyn. 4.) Das Gebot, daß jeder Bauer, welcher 3.4. Kühe beſitzt, jährlich ein Kalb abſauge und nachziehe; einer der 6. bis 8. Kuͤhe beſitzt, 2. Kaͤlber; und alſo nach Verhaͤltnis waͤre es ausnehmend vortheilhaft, aber ſchwer, ohne Misbraͤuche einzufuͤhren. 5.) Ohnſtreitig waͤre es fuͤr alle Schweitzer von Von dem Herausgeber. 313 dem wichtigſten Nutzen, wenn es allgemein eingeführt wer⸗ den koͤnnte, daß kein Schweizer mit feinen Kuͤhen auf frem⸗ de / auslaͤndiſche Maͤrkte reifen ſoll und doͤrfe, daß hiermit der Fremde gezwungen waͤre, ſolche im Lande aufzukaufen. So lang und weit der Verkaͤufer, oder der Bauer ſein Vieh fuͤhrt, ſo lange iſt es in ſeinem Riſiko, und wieder— faͤhrt dem Vieh etwas, ſo iſt der Schaden auf des Schwei— zers Seite. Je weiter er gehet, je laͤnger muß er daſſel— be, und ſich, auf ſeine Koſten ernaͤhren, und ſo auch die Heimreiſe. Oft muß er ſich des Viehes am entlegenen Orte um einen geringen Preis entſchlagen, nur damit er wieder heim kommen koͤnne. Dem Vaterlande wird hiedurch Geld entzogen. 3 Muß aber der Fremde das Vieh in dem Lande auf kaufen, fo verzehrt er Geld im Lande, hat beym Weg— fuͤhren das Vieh auf ſeinem Riſiko, der Bauer iſt Mei— ſter ſein Vieh zu geben oder nicht, hat nicht weit heim, und andere Schweizerbauren koͤnnen auch Theil an dem Markt und Handel, hiemit an der Aus wahl haben. 6.) Das Kaffee und Nydeltrinken aufzuheben und zu verbieten, iſt unmoͤglich, nicht einmal waͤren Mittel da, ſolches einzuſchraͤnken, und gar keine, die Einwohner davon abzuhalten. 7.) Hingegen koͤnnte in den Städten eingeführt werden, was ſchon in andern Staͤdten mit Nutzen be— obachtet wird, und das iſt, daß jeder, der Kaͤs im Kleis nen verkauft, zu gleicher Zeit eine gewiſſe Menge Butter zum Verkauf auf ſeinem Stand haben muß. In Biel z. Ex. zahlt der Kaͤſehaͤndler jaͤhrlich 30. Kronen Pfund, Zoll, und alle Markttage muß ein jeglicher 20. Pfund friſchen Butter zum freyen Verkauf nach Kauf und Lauf dabey haben, welchen er für ſeine Rechnung einkaufen kann, wo er will; aber fo viel Butter muß er allezeit zum all⸗ gemeinen Kauf bereit haben. 314 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. stens. Noch zu Ende muß ich noch einer Sache erwaͤh⸗ nen, welche einen ſehr großen Einfluß auf den Preis al— ler Lebensmittel, hiemit und hier hauptſaͤchlich auch auf den Butterverkauf Einfluß hat; und dieſes iſt die beſtaͤn⸗ dige Steigerung und Erhöhung der Paͤchtungen und Cehenguͤter. Es iſt mißlich ſich uͤber diesen Gegenſtand ſo auszulaſ⸗ ſen, wie er es verdient. Wahr iſt es, daß mit der Ver⸗ ringerung des Geldwerths, mit der Vermehrung aller andern Ausgaben, und mit der zunehmenden Theurung in allen Dingen, der Werth der Grundſtuͤcke, hiemit der Pachtzins ſteigen muß. Allein das Steigen der Pacht⸗ zinſen bleibt nicht in der langſamen und allmaͤhligen Progreßion, ſondern ſteiget zum wenigſten von 20. bis 25. Prozent, und dieſes aus folgenden Urſachen: Man weiß, daß es fehr viele Kuͤher giebt, und darun—⸗ ter gehören die meiſten Milch, und Nydlenkuͤher, die 50. 30. bis 100. Stuͤck Vieh, und hingegen keinen Fuß breit eigenen Grund und Boden beſitzen. Dieſe ziehen Goms mer und Winter pachtweis, oder wie man hier ſagt, Les hensweiſe auf die Azung, von einem Gut zum andern. Den Bau (Dünger) muß der Kuͤher am Orte laſſen, das gegen wird ihm das Stroh geliefert. Dieſe werden am mei— ſten durch beſtaͤndiges Steigern der Pachtungen gedrans get. Sollte es nicht moͤglich ſeyn hierinn einige weiſe Vorkehrungen zu treffen. Ich wiederhole es: die Pachtungen muͤſſen ſteigern, weil alles ſteigert, aber doch ſollte man nicht vorſprin⸗ gen. Koͤnnte nicht eine Einrichtung getroffen werden, daß binnen einer gewiſſen Zeit, als von 5. zu 5. Jahren vom Akkordtage an, kein Pachtzins, ſondern erſt nach 5. Jahren wieder friſch geſteigert werden koͤnne. Dieſes wuͤrde und ſollte nur die Akkorde betreffen, den Lehenmann und Lehenherr nicht; dieſe wären frey Von dem Herausgeber. "3% einander alle Jahre zu quittieren, allein wenn ein andes rer Lehenmann im folgenden Jahre einſtehen wuͤrde, fo ſollte er nicht mehr geben muͤſſen, als obiger Akkord noch für 3.4. Jahre ausweiſet. Dieſes hatte für Herr und Beſteher ſeinen Nutzen. Ein Lehenmann wuͤrde den Bo— den nicht ſo ausſaugen, und der Lehenherr koͤnnte auch hier noch feinen Zins auf alle 5. Jahre hinaus kalkulieren, daß er doch das Mittel zwiſchen allzuhohen Zinſen und den niedrigern heraus braͤchte. Der Beſteher hingegen waͤre eines beſtaͤndig gleichen Pachtzin es 5. Jahre hinter einan— der verſichert, koͤnnte feine Produkten darnach ſchaͤtzen, und muͤßte ſelbſt nicht mit dem Preiſe ſeiner Waare ſteigen. Ein Kuͤher rechnet im Jahr auf falgende Art: Ich habe fo viel Stuͤck Vieh, dafür muß ich fo viel Jucharten Soͤmmerung, fo viel Klafter Heu Winterung haben. Ich habe gepachtet bis auf 50. Klafter Heu Winterung; dieſe weiß ich noch nicht aufzutreiben: Endlich findet er 40. bis 50. Klafter. Der Lehenherr weiß und kennt die Verlegen— heit des Kuͤhers, beſtimmt daher den Pachtzins hoch ge— nug, und viel hoͤher, als die Zinſen zu dieſer Zeit ſeyn ſollten. Der Kuͤher, will er fein Vieh durchwintern, muß nachgeben, vertheilt dieſes aber auf die wohlfeilern Pachtungen. Die andern Lehenherren vernehmen, daß dieſer oder jener mehr Pachtzins erhalten, ſteigern nun auch auf die aͤhnliche Art, und ſo werden den Kuͤhern, die keinen eigenen Grund haben, jedes Jahr der Zins hoͤher getrieben, als daß nach der natuͤrlichen Progreſ— ſion des ſteigenden Preiſes aller Dingen geſchehen ſollte. Die Folge iſt: daß die Kuͤher alle ihre Milchwaare immer theurer und immer ſchlechter geben. Die Maaß Nydlen, wie ſolche in der Stadt verkauft wird, enthaͤlt nicht ein halb Maaß aͤchte wahre Nydlen, und anſtatt ganze Milch, erhält man immer zum wenig; ſten halb abgenommene Milch, Verdiente dieſes nicht ; 316 Anhang zu vorig. Beantw d. Preisfr. ꝛc. zum wenigſten eine naͤhere Polizey? Wenn der Kuͤher al, ſo aus ſchlechter Milch, noch ſchlechtern Nydlen noch ein— mal ſo viel zieht, ais wenn er Butter machte, warum ſollte er Butter machen? Etwa pro bono publico? Allein dann ſollte das Bonum publicum auch Ruͤckſicht auf die theuren Pachtungen nehmen. Ich gehe nun zu denjenigen Mitteln uͤber, welche von immerwaͤhrendem Vortheil und Nutzen, in Ruͤckſicht der Viehzucht, für das Vaterland wären, durch deren ge naue Beherzigung und wirkſame Ausfuͤhrung fuͤr alle— zeit hinaus dem Buttermangel geſteuret, der Viehzucht aufgeholfen, dieſelbe erhalten, und kuͤnftig aͤhnlichen Ver— legenheiten vorgebauet werden koͤnnte. Sie erfordern zwar Kraft, Anſtrengung, Muth, Ueberzeugung und Entſchloſſenheit; da ſie aber weder der perſoͤnlichen, noch allgemeinen Freyheit, weder dem Partikular, noch allge— meinem Intereſſe ſchaden, ſo waͤre von denſelben mehr gluͤcklicher Erfolg zu erwarten und zu verſichern, als man ſich immer einbilden mag. Die Volksmenge nimmt zu im Lande, alſo nimmt die Conſumtion zu. ! Die Einwohner leben alle Tage behaglicher, und wenn ſie ſchon nicht mehr eſſen, als vor Zeiten, ſo iſt doch die Auswahl der Lebensmittel in Betracht zu ziehen, und dieſe vermehrt alſo auch die Conſumtion. Wenn man vor Zeiten mit 2. Gerichten auf der Tafel vorlieb nahm, und wenn jetzt 4:6. verſchiedene ſeyn muͤſſen, und wo man von einem jeglichen Gericht nur die Haͤlfte ißt, da muß bey der nemlichen Menge von Menfchen die ons ſumtion zunehmen. Wann in den katholiſchen Landen Feyer⸗ und Faſttage je länger je mehr abnehmen, fo muß die Conſumtion an Fleiſch zunehmen. Wann der Vieh- und Milchprodukt-Handel nach dem Von dem Herausgeber. | 317 Auslande immer zunimmt, ſo iſt bewieſen, daß die Con— ſumtion (im Ausland) in Ruͤckſicht auf das Matteland auch zunehme. Aber nehmen die Grundſtuͤcke auch zu? Nehmen ſie zu an Verbeſſerung? Nehmen ſie zu an Vermehrung? Leider nein! Im erſtern Falle wenig im Verhaͤltniß ges gen das Ganze; im letztern gar nicht. Wenn alſo die Menge und der Gehalt der Grundſtuͤcken mit der Mens ge der Viehzucht in genauem Verhaͤltniß ſteht, oder um mich deutlicher auszudruͤcken: wenn man alſo nicht mehr Vieh halten kann, als man Wieſen, Zeu und Embd hat, die Kaͤufer des Viehes aber und der Milchprodukten ſich vermehren, folglich zu der vermehr— ten Menſchenmenge das Vieh ſich vermindert, ſo muß natuͤrlich das Vieh als Schlacht, oder Milchvieh entwe— der immer an Anzahl abnehmen, wenn es mit der Nach— frage gleichen Schrittes gehen will, oder es muß am Kaufpreis zunehmen, wenn es ſich nach den Mitteln ſich zu ernaͤhren richten will. Ein Land kann nicht mehr Vieh beſitzen, als es Mittel hat ſolches zu ernaͤhren und zu erhalten, und ſeye die Conſumtion und der Verkauf deſſelben noch ſo groß: Iſt daher die Conſumtion groͤßer und der Verkauf ſtaͤrker, als die Nachzucht liefern kann, ſo muß entweder der Preis der Waare immer hoͤher werden, und folglich den Unvermoͤgenden von der Conſumtion ausſchließen, oder die Waare muß eroͤden, weil mehr verkauft und genoſſen wird, als die Nachzucht liefern kann; ein an— deres Alternative giebt es nicht. Vermehrt daher die Mittel den Viehſtand zu ernaͤh⸗ ren und zu erhalten, ſo werdet ihr auch den Vieh⸗ ſtand ſelbſt vermehren. Dieſes iſt nun der Hauptgrund ſatz, von welchem ich ausgehe, und von welchem ich alle Folgerungen ausziehen werde. 318 Anhang zu vorig Beantw. d. Preisfr. ꝛc. Unſer Land iſt nicht ſo angebauet, wie es ſeyn koͤnnte, und einiger Maaßen iſt es für jetzigen Zeitpunkt ein Gluͤck, daß es nicht bis zur letzten Vollkommenheit angebauet iſt, weil ſonſt, wie wir ſehen werden, folgende Vorſchlaͤge unnuͤtz waͤren. Unſer Land iſt nicht ſo angebaut, wie es angebaut ſeyn koͤnnte; und hat daher diejenigen Mittel nicht denjenigen Viehſtand zu ernähren, zu erhalten und aufzuziehen, den der Handel und die Conſumtion im Lande-an Schlacht- und Melchprodukten-Waare verlangt. Erſtlich. Wegen den Allmenten. Die alte Klage! höre ich rufen, wir wiſſen das ſchon lange; es iſt aber nicht zu helfen? Warum nicht? Tragen die Allmenten dasjenige ab, was ſie unter der Partikular- Aufſicht eines Eigenthümess; oder Paͤch⸗ ters abtragen wuͤrden? — Nein! Wenn man ſolche alſo unter gewiſſen dethwemthen Vorſichtsregeln einſchlagen, erblehens oder pachtweiſe, oder auf eine zubeſtimmende Zeit von Jahren unter Bau— ren vertheilen wuͤrde, waͤre der Abtrag groͤßer? — Ja! Die eingeſchlagenen und angraͤnzenden Grundſtücke be⸗ weiſen es an allen Orten. Warum thut man es aber nicht? — Weil es Gemeind—⸗ guͤter ſind. Das hindert nichts: kann eine Gemeind ſolche nicht unter ſich vertheilen? — Mein! Es iſt zugleich Ar⸗ mengut. Alſo genießen die Armen der Gemeinden Allmenten; ſollten daher nicht arm ſeyn, und noch weniger, wenn jeglicher Arme ſeinen Theil einſchlagen wuͤrde, und er alſo bey vermehrter Bearbeitung des Bodens mehr . daraus ziehen kann. Warum find. dann im Lande bey den ſchoͤnſten Als menten, doch ſo viele Arme, und ſo arme Arme? — Ja. Sie verſtehen mich unrecht, die Gemeinallmente Von dem Herausgeber. 319 ſind freylich auch zugleich Armenguͤter, aber wer nicht eigenes Vieh hat, und es nicht bey feinem Futter durch, wintert hat, der darf nicht auf die Allment treiben. So! So! Wer nichts hat, der darf nichts darauf treiben; zieht daher nichts von der Allment, und bleibt daher freylich arm. Hat ein Bauer 20. eigene Kuͤhe, — und hat dieſe mit eigenem Futter genaͤhret, ſo kann er alſo 20. Kühe auf die Allment treiben? — Ja! Aber er muß denn auch für 20. Haupt (Stuͤck) Vieh ges meindwerken (frohnen zum Beſten der Allment). Wie geht das zu, geht er und ſeine Leute ſelbſten? — Nein! er ſchickt die Armen aus der Gemeind um einen kleinen Taglohn. Warum kleine Tagloͤhne? — Weil diejenigen, ſo Tag⸗ loͤhn zahlen, meiſtens Vorgeſetzte im Dorfe ſind. Dieſes iſt ungefaͤhr die allgemeine Antwort, ſo ich bey den allermeiſten Gelegenheiten und bey meinem vielen und oͤftern Umgang mit Bauren, reichen und armen, erhalten habe. Das Reſultat iſt leicht daraus zu ziehen, und beſtaͤti— get ſich auch aller Orten durch die taͤgliche Erfahrung. Die Allmenten find alſo Gemeindguͤter, und gehören ganzen Gemeinen: Nach der Abſicht der Stiftungen nnd ihres Urſprungs zu urtheilen ſollten ſie dazu dienen, dem Hilfsbeduͤrftigen zur Unterſtuͤtzung, und der Gemeinde zur unverſiegbaren Quelle von Unterhalt und Mittel, niemals zu verarmen, dienen. Die Reichen oder beguͤterten Bau, ren in einem Dorfe beduͤrfen des Unterhalts des Gemeind⸗ guts nicht, dann ſie ſind wohlhabend, alſo gehoͤrte es den Armen auch von dieſer Seite. Da aber faſt allge— mein die Einrichtung (welche in andern Ruͤckſichten, die wir an feinem Orte erörtern werden, vortreflich iſt), angenommen iſt, daß niemand, der kein eigenes Vieh 320 Anhang zu vorig. Weantw. d. Preisfr. ꝛc. und ſolches nicht bey ſeinem Futter durchwintert hat, an dieſen Sommerweiden Theil nehmen kann, ſo folgt daraus, erſtlich: Daß die Weiden nicht fo abge, nutzt werden, wie fie ſollten, indem es ſich oft trift, daß es Dorfſchaften giebt, die nicht fo viel Vieh durch⸗ wintern koͤnnen, als die Weiden im Sommer abtragen; und zweytens: Da nur derjenige Recht auf die Weiden und Allmenten hat, welcher eigenes Vieh bey ſeinem Fut⸗ ter durchwintert, der Arme ſehr wenig und der ſehr Arme gar kein Vieh hat, daß die Reichen Dorfbauren allein die Allmenten benutzen. Ferners die erſten Urfas chen ſind, warum ſich die Gemeinden wehren, die All⸗ menten zu vertheilen, weil ſie wohl vorſehen koͤnnen, daß bey der Theilung ihnen nicht fo wird zugetheilet wer— den, wie den Armen, und eben weil die Reichen auch die Vorgeſetzten der Dorfſchaften ſind, und das Wort Namens derſelben fuͤhren, die Armen zum Fuͤrwort brauchen werden, welche nichts ſagen doͤrfen: warum? ſie ſind arm, und jene, die Vorgeſetzten. Wem iſt unbekannt, daß diejenigen Dorfſchaften die aͤrmſten find, wo ein oder zwey außer Verhaͤltniß reiche Dorf⸗ Magnaten, Bauren, Muͤller, oder Haͤndler den Ton angeben? Wer weiß nicht, wie an ſolchen Orten die Allmenten benutzt werden? Ich will niemand nennen, dann fuͤr die wandelbare und ungewiſſe Ehre — aufs hoͤchſte Beyfall zu erhalten — mir unnoͤthiger Weiſe Feinde zu machen, waͤre zuviel gefordert: Aber wer ſich nur eine kleine Koͤrperbewegung durch das Land geben und einiger Maſ— ſen aufmerkſam ſeyn will, der kann ſi ich Exempel und Thatſachen genug dazu ſammlen. Wenn alſo die Allmenten niemand zu Nutze kommen, als denjenigen, welche ſolche unmittelbar gar nicht von⸗ noͤthen haben — Wenn die Allmenten nicht den 4ten Theil ab⸗ N 2 * Von dem Herausgeber. N 321 abtragen, was ſie unter beſſern eigenen Bearbeitung ab⸗ tragen koͤnnten. Wenn die Armen in jeder Stadt, Ge— meind und Dorf, ohnerachtet der ſchoͤnſten Gemeindguͤ— ter, dennoch arm ſind und bleiben, und der Regierung, dieſer ſo guͤtigen, gewiß ſo vaͤterlich und fuͤr die Armen fo gnaͤdigen Regierung mittel: oder unmittelbar zur Laſt fallen — Verdiente dieſes keine naͤhere Eroͤrterung und Unterſuchung, und (wenn es moͤglich waͤre) einer Verbeſ— ſerung; wo allen, den Reichen, den Armen, dem Vater— lande geholfen wuͤrde? Dem Hohnlaͤcheln Vieler werde ich mich ausſetzen, wenn ich es wage, einige Gedanken von einer moͤglichen Verbeſſerung dieſer uͤbeln Gewohn— heiten anzubringen, aber eben dieſes Hohnlaͤcheln iſt das, was mich am wenigſten abhaͤlt, und meiner guten Abſicht bewußt, mich aufmuntert den Verſuch zu machen. Ich ſetze gleich zum Anfang voraus feſt, und verwahre mich, daß ich niemalen der Meinung ware, alle die Ge meind-Allmenten in der Ebene, welche jetzo vorhanden find, weder kaufweiſe noch ſchenkungsweiſe an Parti kularen abgehen zu laſſen, ſondern ſolche ſollen in ihrer ganzen Marchung der Gemeind als Gemeindgut bleiben, und fie, die Gemeind fol den Zins der Gemeindguͤter gez nieſſen, und aus dieſem Zins die eine Klaſſe der Armen, die zu arbeiten unvermoͤgend ſind — unterhalten, wenn es hinreichend iſt. Ich ſtelle mir dieſes alſo vor. Jede Gemeinde hat Ar— me, viele haben Armengut, einige beſitzen groſſes Armen— gut, andere haben kein Armengut. — (Dieſes Gut aber beſtehet in Capitalien und nicht in den Allmenten) aber nicht alle Arme ſind gleich arm, einige ſind am Koͤrper, Leib und Seele arm, und andere (und dieſe ſind die mei⸗ ſten) nur weil ſie nichts haben, d. i. die Mittel nicht be⸗ ſitzen, ſich aus der Armuth zu erheben, arbeiten koͤnnen, Magaz. f. d. Naturk. Helvetiens III. B. * 322 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. aber mit aller ihrer Tagloͤhnerarbeit kaum fo viel erwerz ben, von einem Tag zum andern ihr Brod verdienen zu koͤnnen. Dieſe zwey Klaſſen ſoll man billig unterſcheiden; die erſtern verdienen auf alle Weiſe die Unterſtuͤtzung ihrer gluͤcklichern Mitbürger , die andern aber haben eben fo viel Recht auf unſere Unterſtuͤtzung, wollen ſie anders arbeiten, und alsdenn kann man denſelben keine groͤſſere Unterſtuͤtzung gewähren, als man ſetze fie in den Stand, ſich durch Arbeit aus der Armuth herauszuſchwingen; dann vermehrt man eine Klaſſe nuͤtzlicher Einwohner, ver. mehrt den Wohlſtand des Landes, und vermindert die La— ſten der Gemeinden. Aönnen fie arbeiten, und wollen fie nicht, fo verdienen fie keine Unterſtuͤtzung; denn nur der, welcher arbeitet, verdient Achtung und Unterſtuͤtzung vom Vaterland, und hat Recht an daſſelbe, weil er mit⸗ telbar an deſſen Wohl mitarbeitet. Dazu zeigen ſich zwey Wege, die durch Huͤlfe, Aufſicht und Anordnung von Seiten der Regierung leicht koͤnnen eingeführt werden. Der ıfte ſtehet ausführlich vorgeſtellet in (Klaproths) Ueber die Bildung der Jugend zur Induͤſtrie. Goͤttingen 1785. und in Campes Fragmenten. Der 2te betrift die beſſere Benutzung der Allmenten, fowol zum Heften der armen Arbeitſamen, als zum Beßten des ganzen Landes. A. Die beſſere Benutzung der Allmenten zum Beßten der armen Arbeitſamen koͤnnte alſo bewerkſtelliget werden: Ein jeglicher Pfarrer auf dem Land gaͤbe ein Verzeich⸗ niß der Armen ſeiner Gemeinde ein, mit den Unterſchei⸗ dungszeichen, welcher körperlich unvermoͤgend, und welcher arm, aber geſund ſeye, unter letztern, welcher ar⸗ beitſam und fleißig und welcher ein Tagdieb ſey. Ferner ſuche man einen Kataſter von den Allmenten al⸗ Von dem Herausgeber, 323 ler Gemeinden zu verfertigen. Nach dieſem Kataſter vers theile man nun die Allmenten folgender Weiſe. Dem Aermſten, oder den Aermſten aber fleißigſten Bauern uͤbergebe man einen groͤſſern Einſchlag, dem Ar— men einen kleinern, dem weniger Armen den kleinſten, allein nicht ſchenkungsweiſe, auch nicht kaufsweiſe auf kuͤnftige Zeiten, daß er es naͤmlich abbezahlen koͤnne mit der Zeit, ſondern ungefaͤhr nach dieſer Methode. Man ſchaͤtze das eingeſchlagene Stück Fand um einen Mittelpreis, und gebe es auf 20, — 25. Jahre dem Baus ren und ſeinen Kindern auf folgende Weiſe und nach fol— genden Bedingniſſen in Pacht. 1.) Die eingeſchlagenen Stuͤcke ſollen alle der Gemeind Bodenzins pflichtig ſeyn, und dieſer Bodenzins dem Ge— meind- und Armengut heimfallen. 2.) Der Baur zahlt den Zins a 3. pr, Cent. von dem im Mittelpreis angeſchlagenen Capital und Werth des cin, geſchlagenen Grundſtuͤcks in Geld der Gemeind. 3.) Nach 25. Jahren wird das Grundſtuͤck dem Bauern abgenommen (indem er in dieſen 25. Jahren ſich doch et— was hat erwerben und als eigen ankaufen koͤnnen), nach den laufenden Zeiten friſcherdings — aber immer in einem Mittelpreiſe geſchaͤtzt, und einem dießmaligen Armen auf aͤhnliche Bedingniſſe auf Pacht gegeben. e 4.) In dem erſten Jahre der Pacht zahlte der Arme weder Bodenzins, Zehenden noch Pachtzins. 5.) Im 2ten nur Bodenzins und keinen Pachtzins. 6.) Im zten und folgenden Jahren aber zahlte er Bo— den: und Pachtzins. 7.) Im erſten Jahre wuͤrde man den Armen mit Saa⸗ men, Werkzeug und etwas Geld unterftügen und vorſtre⸗ ken. Im aten müßte er das Vorgeſtreckte erſetzen. 8.) Keine Schuld dörfte er auf das Gut aufnemmen, indem ſolche nie guͤltig waͤren; 855 er Ungluͤck, ſo kann 324 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. er ſich bey der Gemeind Raths erholen, die nach Be⸗ ſchaffenheit der Umſtaͤnden, und nach feinem Laͤumden und Aufführung ihn unterſtuͤtzen darf. 9.) Fuͤhrt ein ſolcher Paͤchter oder ſeine Kinder eine lie⸗ derliche Lebensart, ſo koͤnnte man ihm die Pachtung vor der Zeit wegnemmen, und des Gemeindrechts für ver⸗ luſtig erklaͤren. 10.) Haͤtte er mehrere Kinder, ſo koͤnnen ſolche nach Abſterben des Vaters gemeinſchaftlich die Pachtung zu End fuͤhren. 11.) Hätte er eine Tochter, und dieſe heyrathete einen beguͤterten oder andern Dorfsgenoſſen, ſo verliert ſie mit dem kuͤnftigen Jahr die Pachtung; heyrathet ſie auch ei⸗ nen Armen, ſo genießt ſie den Reſt der Pachtungszeit. Auf dieſe Civilpunkten haͤtten die Vorgeſetzten genau zu ſehen, und jaͤhrlich davon Bericht abzuſtatten. In Ruͤck⸗ ſicht des Oekonomiſchen aber und beſonders des Gegen⸗ ſtands dieſer Abhandlung / naͤmlich der Viehzucht, ſo rech⸗ ne ich folgendermaſſen. Es iſt bekannt, und durch die bis jetzt hin und wieder erlaubten Einſchlaͤge bewieſen, daß Allmentboden, nach richtigen Grundſaͤtzen bearbeitet, 2 drittel mehr abwerfen, als bloß als Allment, laßt uns aber nur die Haͤlfte angeben. Geſetzt alſo eine Allment gewähre 50. Stuck Vieh, oder Kuͤhen Soͤmmerung, ſo wuͤrde ſicher und gewiß der naͤm⸗ liche Boden 100, Stuͤcke unter obgenannten Bedingniſſen ernaͤhren. Waͤre dieſes keine Vermehrung durch das ganze Land, haͤtte dieſes keinen Einfluß auf die ſo nothwendige Verſtaͤrkung der Viehzucht? N Damit man aber dazu gelange , fo müßte und ſollte durch eine Art von oͤkonomiſcher Policey dahin geſehen werden, daß dieſe in verbeſſerten Zuſtand geſetzte Arme auf ihrem Boden nicht pflanzen koͤnnen und moͤgen was Von dem Herausgeber. 325 fie wollen, ſondern jeglicher fol dann gehalten ſeyn, al lezeit nach der Anzahl ſeiner Jucharten immer eine gewiſſe verhaͤltnißmaͤßige Anzahl Kuͤhe zu halten, dieſe niemalen ausgehen zu laſſen und nach der Anzahl der Kuͤhe eine gehoͤrige Nachzucht aufzuziehen u. ſ. w. Auf dieſe nur ſo kurz angegebene Weiſe, wuͤrden in ei— ner Gemeinde 1.) der Armen weniger; 2.) die Armen befliſſen ſich dieſer Wohlthaten Theil zu werden, und wuͤrden arbeitſamer und fleißiger; 3.) die Ausgaben fuͤr die Armen wuͤrden ſich folglich vermindern; 4., die Gemeind, oder Armen; Güter würden reicher, koͤnnten 5.) hiermit die wahren Koͤrperlichunvermoͤgenden und 6.) die unehelichen Waiſen und andere Kinder beſſer un⸗ terſtuͤtzen und erhalten; 7.) die Allmenten wuͤrden ihrem Zwecke gemaͤß beſſer und nach Recht benutzt, und 8.) der Viehſtand im Lande zunemmen, weil die Mit⸗ tel , ſolchen zu erhalten, ſich vermehrt haben. Verdienen dieſe wenige aber wichtige Näthe nicht zum wenigſten bey einigen Gemeinden verſucht zu werden? Die Dorf- Vorgeſetzten, die Reichen werden ſich dawider ſetzen, das weiß ich, aber eben dieſe ſollten am wenigſten darzu reden, weil ſie zu ſehr dabey intereßirt ſind. Auch die Stadt⸗Allmente koͤnnte und ſollte man nach den Umſtaͤnden umaͤndern, und in allen Aemtern nur ſo viel Allment laſſen, als zu der Muſterung der Truppen— Terrains vonnoͤthen iſt. Dieſes waͤre nun das erſte Mit— tel den Viehſtand, folglich die Milchprodukte und ih⸗ ren Handel zu vermehren, weil man die Mittel ver⸗ mehrte / denſelben zu ernähren und aufzuziehen. 326 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. ꝛe. Das 2te Mittel der Viehzucht im Lande aufzuhelſen, beſtehet in der Abſchaffung des Zelgenrechts, naͤmlich der Auih, Trift, Brach⸗ und Stoppeiweiden. So viel, Zelgenrecht in dem Lande find, um ſo viel Drittel weni⸗ ger Nutzen wird jahrlich von den Grundſtuͤcken gezogen, und ſo viel Schaden fuͤr das Land. Wie viel reiche Gutsbeſitzer, wie viel ſcharfſinnige und kluge Oekonomen im Lande haben auf ihren Particular⸗ guͤtern die Brache abgeſchaft, den Kleebau eingefuͤhrt, und befinden ſich wohl dabey, oder man befrage ſie, ob ſie die Brache wieder einfuͤhren wollen? Schon viele Bauern ſind dieſem Beyſpiele gefolget, und ruͤhmen es an; waͤre kein Nutzen dabey, der Bauer, aus angebohrnem Haß gegen alles Neue, ware gewiß von Ur-Großvaters Sitte nicht abgegangen. Da die Erfahrung den Nutzen der Abſchaffung der Zels gen und Einfuͤhrung der Kleefuͤtterung bis zur mathema⸗ tiſchen Gewißheit erwieſen hat; ſo will ich mich hier dar— uͤber nicht laͤnger aufhalten, als nur bitten, zu erwaͤgen, was es fuͤr einen Einfluß und vortreflichen Nutzen zum Beß⸗ ten des Landbaues und vorzuͤglich des Viehſtandes waͤre, den Ertrag eines jeglichen Zelgen-Grundſtuͤcks jaͤhrlich um einen Drittheil zu vermehren; und nicht allein um dieſen Drittheil vermehrt die Einfuͤhrung des Kleebaues den Ertrag der Zelgen-Grundſtuͤcken, ſondern der Land— wirth gewinnt noch mehr auf folgende Art. Es giebt ſehr viele Bauern, deren meiſten Guͤter in Zel— gen beſtehen; die magere Stoppel⸗ und Brach weide erlaubt ihnen nicht oder nur ſehr wenig Vieh zu halten. Die Folge iſt, daß fie entweder den Dünger halb kaufen muͤſ— ſen, oder ihr Feld ſchlecht beduͤngen, hiemit auch nicht viel Frucht und Staub erwarten koͤnnen. Pflanzt man die Zelg oder Brachfelder aber mit Klee an, ſo hat man nicht allein den Nutzen, daß man mit dem dreyfachen Von dem Herausgeber. 55 327 Raub im Jahr 3 bis 4. mal mehr Vieh ernähren kann als zuvor; ſondern man duͤnget das Feld noch auf das kuͤnftige Jahr mit dem untergepfluͤgten aten jährlichen Klee— raub, gebraucht hiemit keinen oder wenig Duͤnger auf das kuͤnftige Jahr. Das vermehrte Vieh aber vermehrt den Duͤnger, und nun kann er ſeine dritte Zelg vollkommen duͤngen, und ge— winnt folglich doppelt. Ich bin mir der angenehmen Hof⸗ nung ſo viel als gewiß, daß es nicht lange mehr dauern wird, ſo werden die Zelgen im Land allmaͤlig abgeſchaft ſeyn. So bald der Bauer anfaͤngt uͤberzeugt zu werden, gehet es gut, und der Erfolg bleibet nicht aus, obgleich er nur langſam ſich naͤhert. Ich kenne einen Handels— mann, der letzten Fruͤhling nur in die vier Grafſchaften, Buͤren, Aarberg, Nydau und Erlach uͤber 160. Zentner Kleeſaamen verkauft hat. Dieſes ate Mittel den Viehſtand zu vermehren, indem man die Mittel zu deſſen Ernaͤhrung vermehrt, iſt alſo ſeiner Benutzung und Anwendung ſicher, und von einem Jahr zum andern wird man den allgemein nuͤtzlichen Erz folg nicht mehr verkennen. Das zte Mittel, den Viehſtand zu eee indem man die Mittel zu deſſen Ernaͤhrung vermehrt, beſteht in der Urbarmachung ſo vieler groſſer Strecken Landes, welche noch ſo viel als nichts abtragen und oͤde ſind. Darunter gehoͤren die ſo vielen Moͤſer, Moraͤſte, Suͤm— pfe und ſogenanntes Seeland. Was wuͤrde das groſſe Moos, zwiſchen Murten, Erlach und den drey Seen, dem Murter Bieler- und Neuenburger-See, die Strecke Land von Murten uͤber Kerzerz, Kollnach, Aarberg bis Buͤren abtragen, welch vortreflichen Boden gaͤbe dieſes Land ab, wenn man ſich ein wenig anſtrengen wuͤrde, denſelben zu bearbeiten, und wie viel, mehr als man ſich bey den landwirthſchaftlichen Einſichten fo vieler Männer 328 Anhang zu vorig. Beantw. d. Breisfr. ꝛc. bey den fo väterlichen Geſinnungen der gnaͤdigen Landes⸗ regierung, die ſo gerne zu nuͤtzlichen Unternemmungen ihre Haͤnde und Unterſtuͤtzung anbeut, vorſtellen kann; wie viel ſolcher elenden Mooswieſen giebt es durch das Land, welche um ſo viel unfruchtbarer ſind, wenn ſie zu Ge⸗ meindguͤtern beſtimmt werden, da ſich denn niemand die Mühe nimmt, ſolche in Ordnung zu halten und zu bear— beiten. ö Es herrſchet ein allgemeines Vorurtheil, man koͤnne viele Suͤmpfe, unter andern das groſſe Moos unmoͤg⸗ lich urbar machen. Warum nicht? Alles was durch Men⸗ ſchen⸗Hande kann verfertiget oder bearbeitet werden, iſt möglich; aber das, es iſt nicht möglich, es geht nicht an, iſt fo ein gewohntes Polſter der Indolenz, auf wels chem der unentſchloßne, ſchlaffe Menſch ſich einwiegen, und alles was etwa Anſtrengung der Geiſtes- und Koͤr⸗ perkraͤften erfordert, von fich entfernen kann; daß man ſich abſchrecken und manchmal gern abſchrecken laͤßt. Ich hingegen behaupte es zuverſichtlich, daß alle Mooſer und Moraſte in Helvetien und vorzuͤglich das groſſe Moos, dieſe ſo herrlich, wohlgelegene zum Gluͤck vieler tauſend Menſchen gleichſam geſchaffene Strecke Landes koͤnnen urbar gemacht, und zum beßten Lande umgeſchaffen werden. ö Es ſind nur zwey Wege, einen Moraſt oder eine Sumpfwieſe urbar zu machen, und dieſe beſtehen darin, daß man entweder dem Waſſer Abzug verſchaffe, oder den Boden hoͤher ſetze; alſo beruhet die ganze Handlung ei⸗ gentlich nur darauf, daß das Erdreich bis auf einen ges wiſſen Grad uͤber das Waſſer erhoͤhet werde, und hat man den Grad dieſer Hoͤhe uͤber das Waſſer erhalten, ſo wird dieſes Erdreich eines der fruchtbarſten auf dem Erd— boden. Die Urſache iſt leicht zu finden. Ein Moos iſt nur darum unfruchtar, weil es zu tief in der Feuchtigkeit nn. nr Von dem Herausgeber. 329 und im Waſſer liegt, daher die Wurzeln der zaͤrtern Pflan⸗ zen verfaulen, und nur zaͤhe Waſſerpflanzen naͤhren kann. Erhoͤhet man aber die Erde (die gemeiniglich vortreflich iſt) fo benehmt ihr derſelben das uͤberfluͤßige Waſſer, die zars ten Pflanzenwurzeln liegen im Trocknen oder in einer ih⸗ nen angemeſſnern und zutraͤglichern Feuchtigkeit und die Erde an ſich ſelbſten hat als Mooserde jene ſo vortrefliche Miſchung von verfaulten Subſtanzen, die man ihr allemal im Duͤnger erſt beybringen muß. Nur diejenigen Suͤmpfe ſind faſt unmoͤglich auszutrock⸗ nen, wo das Waſſer höher oder in dem naͤmlichen Ni— veau mit dem Lande iſt, oder wo die Materialien zur Erz hoͤhung des Erdreichs fehlen, und doch zeigen die nörds lichen Kuͤſten in Europa von Danzig an bis in die Nieder— lande, daß der Kunſtfleiß der Menſchen auch dem fürchs terlichen Meere Land abgewinnen kann. Allgemein iſt es bekannt, daß groſſe Strecken Landes in Holland und Gew; land, tiefer als das Meer liegen, daß koſtbare Holzdaͤm⸗ me den Seefluthen gebieten, und daß man vermittelſt der Windmuͤhlen durch kuͤnſtliche Schöpfräder das Waſſer aus dem tiefer liegenden Lande in die hoͤhern Kanaͤle und See herauszwingt. Der Danziger Werder, dieſer ſo frucht— reiche, herrliche gruͤne Anger liegt tief unter der Weichſel und der See. Wären die jetzt fo landwirthſchaftlichen Preuſſen, Sachſen, Hanoveraner, die Englaͤnder, die Hollaͤnder ſo gluͤcklich, unſer fuͤr dieſen Gegenſtand ſo nuͤtz⸗ liches Kiesſand (Graud, kleine Geſchiebe, Seiffenwerk) zu beſitzen; fie würden gewiß alle unſre Moräfte bald in lachende Wieſen und Meyereyen umgeſchaffen haben. Unfere größten Suͤmpfe liegen, wie geſagt, in den Ges genden der Seen, die immer mehr Land anlegen und ſich zurück ziehen. Die gute Mutter Natur zeigt uns ſelbſt den Weg; wem iſt es unbekannt, daß eben dieſes von den Seen hinterlaſſene Land die beßten Wieſen, Fruchtgaͤrten 330 Anhang zu vorig. Beantw. d. Preisfr. x. und ſchoͤnſten Strecken Landes find. Man ſehe die Ges genden zwiſchen Unterſeen, Interlacken und Gſteig; die Gegend von Roche uͤber Aelen nach Bex, die Gegend von Biel gegen Gottſtadt und Nydau, die Gegend von Altorf, Lucern, Zuͤrich, das Rheinthal, die Thun-Allment u. dgl. So wie die Natur hier nur langſam gehet, ſo koͤnnten die Einwohner durch Kunſt derſelben zu Huͤlfe kommen. Kein See in Helvetien liegt hoͤher als das Land, nur liegt das Land an einigen Orten zu tief, um fruchtbar zu ſeyn, und erhoͤhet, waͤre es gewiß von der eee Ergies bigfeit und Abtrag. Aber die Koſten? Die Anordnung? Die Ausführung Dieſes ſind die Schwierigkeiten und Hinderniſſe. Gottlob — haben unſte Voreltern nicht fo kalkulirt, ſonſt wäre uns fer Land noch Felſen, Wälder, Fluß’ und Seen. Haͤt— ten die ehemaligen Bewohner des Nyfthals mehr kalkulirt und weniger für die Nachkommenſchaft gearbeitet, ſo haͤt⸗ ten ſie gewiß nicht mit unſaͤglicher Muͤhe, mit manchen ſauren Schweißtropfen die nackten Felſen mit Erdrich be— decket, und ein halb Dutzend Weinreben mit Mauern un— terſtuͤtzet, ſo wuͤrden wir, und viele tauſend Menſchen jetzt nicht den Nutzen und Gewinnſt aus jenen oͤden Fel⸗ ſen ziehen, den jene Weinreben nun liefern. Ehrwuͤrdig und theuer iſt jedem Menſchenfreund ein Greis mit kahlem Haupt und ſilbernem Barte, welcher in den Tagen des Alters, der Kraftloſigkeit und der Beſchwerden mit zit ternder Hand junge Baͤume pflanzt, beſchneidet und be⸗ ſorget, er kann die Fruͤchte derſelben nicht mehr genieſſen, aber er freuet ſich in dem Genuß feiner Kinder. Ehrwuͤr— dig iſt dieſer Mann, aber tauſend Menſchen gehen vorbey, und empfinden nichts. Denn die Handlung iſt nicht neu; man iſt es gewohnt. Der wackere Schweitzer-Bauer ar beitet ja bis an ſein ſanftes Ende. Geſegnet ſey mir der Mann, der feine Sumpfwieſe mit Von dem Herausgeber. 331 Gräben durchſchneidet, ſolche mit Grund ausfuͤllet, mit Moosherd uͤberdeckt. Du haſt viele Koſten, lieber Mann! du zieheſt wenig — oder kein Intereſſe aus deinem Gelde. „ Sie haben recht — aber der Boden wird beffer. » Ver⸗ lachet aber wirſt du werden von unſerm Zeitalter, wo das Syſtem herrſcht, viel zu ziehen, und wenig zu hinterlaſſen. Und du, liebes, theures Vaterland! ſegne auch mit mir jene Bemuͤhungen, Verſuche und Aufwand — mit wel. chem die von allen edeln Herzen verehrte Landwirthe ge trachtet haben, richtigere, beſſere Grundſaͤtze in dieſer ers fien, nothwendigſten, unentbehrlichſten Wiſſenſchaft aus; zubreiten. Laut geben euch treffende Zeugniſſe die nuͤtzli— chen Waͤſſerungen der Wieſen, die bereichernde Stallfuͤt— terung, die Einfuͤhrung der Futterkraͤuter, und des Klee— bau's, die Ausbreitung der Erdaͤpfeln, die Vermehrung des eintraglichen Leinwandhandels, die Einfuͤhrung des Seidenbau's, die naͤhere Kenntniß des Landes durch die topographiſch-oͤkonomiſchen Beſchreibungen vieler Diſtrik, ten, und ſo viele andere nuͤtzliche Anſtalten. Viele, die Euch und Euere manigfaltige Verſuche vor Zeiten verla⸗ chet, oder kalt angeſehen, und ſich mit dem unedeln aber hochklugen: Wir wollen ſehen, wie es ablaͤuft, weis⸗ lich wider unnoͤthige Koſten verwahret haben; folgen nun Euern Raͤthen und Vorſchlaͤgen, und fühlen ſich ſanft und wohl dabey. 5 Ihr habet dem Vaterlande Millionen genuͤtzet, und je mehr man Ruͤckſicht auf euere vortreflichen Vorſchlaͤge und Grundſaͤtze nemmen wird, deſto gluͤcklicher wird das theure Vaterland ſich dabey befinden. Tauſende genieſſen jetzt Wohlſeyn, Gewinnſt und Gluͤck in der Befolgung und Anwendung Euerer Vorſchlaͤgen, und erkeñen Euch nicht, danken Euch nicht, aber Wenige kennen Euch, und die⸗ ſer Wenigen Segen ſeye ein kleiner Erſatz fuͤr alle Euere unbelohnte Wohlthaten zum Beßten des Vaterlands. 332 Anhang zu orig. Beantw. d. Preisfr. ꝛc. So wird auch die Zeit kommen, wo man froh ſeyn wird, Euch Moraſte auszutrocknen, Euch Suͤmpfe urbar zu machen, Euch ſo zu benutzen, wie ihr ſchon laͤngſten ſolltet benutzet werden. Ich ſchlieſſe mich ehrfurchtsvoll an den edeln Reihen von ferne an, und wiederhole Euere Stimme: Machet Moraͤſte und Suͤmpfe urbar, ſo werdet ihr den Viehſtand vermehren, weil ihr die Mittel, ſolchen zu ernähren, vermehret. Das Wie urbar zu machen, auf welchen Koſten, durch wen, und zu weſſen unmittelbarer Benutzung wird ein⸗ ſtens der Gegenſtand einer eigenen Abhandlung ee Stoff giebt es genug. Dieſes ſind nun die Mittel, dem Buttermangel fuͤr jetzt und in die Zukunft vorzubeugen. — Andere oder zum wer nigſten weniger gewaltſame kenne ich nicht, und pflichte gerne annoch und mit ganzer Seele den dieſen 3. Haupt: mitteln untergeordneten Raͤthen des Verfaſſers obiger Beantwortung bey, naͤmlich: Vermehrung und Einfuͤh⸗ rung der beſſern Futterkraͤuter, worunter der vortrefliche Alpenklee, Trifolium Halleri, No. 369.; Trifolium alpinum Linnæi; (Trifolium alpeſtre Jacquini), noch beyzufuͤgen waͤre, der in unſern tiefern Gegenden ſehr gut fortkoͤmmt, und wegen ſeinem zaͤrtern Bau zur trocknen oder duͤrren Fuͤtterung noch nuͤtzlicher ausfallen wuͤrde — Verbeſſerte Urbarmachung des Landes, Zuſammentragung der milch in den Dörfern, u. ſ. w. Koͤnnten nun dieſe zuſammengetragene Bruchſtuͤcke et⸗ was zur naͤhern Beantwortung jener wichtigen Preisfrage beytragen, ſo waͤre unſer Zweck erfuͤllt. Wir wollen in⸗ deſſen nicht muͤde werden, immer Materialien zuſammen zu tragen, um mit der Zeit einem groͤſſern Werke entge⸗ gen ſehen zu koͤnnen, und wollen unſerm Looſungsworte, das Beßte des Vaterlandes, getreu bleiben und Ehre machen. | Sefdhreibung des Pfefferſer Geſundbrunnen. Von N Hrn. Doktor Hirzel jünger, in Zürich. Erſtes S tuͤck. Reiſe von Zurich auf Pfeffers. — 334 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. Einleitung. An der Spitze der merkwuͤrdigſten Naturbegebenheiten ſtehen unftreitig, mit dem größten: Rechte, die warmen und kalten Waſſerquellen, die Geſundbrunnen und Baͤ⸗ der, welche dem Menſchengeſchlechte ſchon ſehr große Dien⸗ ſte geleiſtet haben. Durch Jahrhunderte ſind dieſe Ge⸗ ſchenke der Natur allgemein geſchaͤtzt. Die Aerzte rietheu fie , und rathen heut zu Tage noch, obgleich bisweilen ein wenig empiriſch ihren Kranken an; wann die Hartnaͤckig⸗ keit der Krankheiten ihnen Langeweile, oder dang zu ma⸗ chen, anfieng , oder auch, wenn ſie zu kurzſichtig waren, die wahren Urſachen des Uebels zu entdecken, und darum hin und her probierten, bis endlich die erfahrnere Natur, oder der Tod ein Ende machten. Solche verzweifelte Krankheiten waren es, was den Geſundbrunnen und Bäs dern meiſtentheils den Ruhm von Wunderkuren erwarbe, die ſich nicht ſelten in der theoretiſchen Pruͤfung wider⸗ ſprachen, und alſo weniger zur Ehre der Arzneygelehrtheit, als zu ihrem eignen, jedoch ſchwankenden Ruhme beytrugen. Man ſchrieb dieſe Beobachtungen zur Ehre der guͤtigen Natur, aus Menſchenliebe, aber auch zugleich zum Ruhme ſolcher geſegneten Oerter zuſammen, und ſammelte deren ſo viele, bis man im Stande war, der Welt aus allen Klaſſen, Gattungen, Geſchlechtern, Arten, Unter und Abarten, von innerlichen und aͤußerlichen Krankheiten ein ſonderbares Gemiſche von Krankheits- Geſchichten in die Hände zu geben, in welchen dieſe Waſſer Wunder ver⸗ richtet haben. Daher die ſchoͤne Menge von Beſchreibun⸗ gen der Bäder und Brunnen, der Trink- und Badbuͤchel⸗ gen, u. ſ. w., welche, obgleich in ſehr ungleichem Se at * „ Von Hrn. Doktor Hirzel jünger. 335 das Lob derſelben, oft mit gewaltig dicken Backen aus— poſauneten. Nicht ſelten ſuchen die Beſchreiber, je nach dem ſie mehr der Chemie oder Alchemie opfern, dieſem oder jenem Syſtematiker Cour machen und auch ſelbſt Loor— beern ſammlen wollen, Beſtandtheile aus dieſen Waſſern herauszutreiben, welche himmelweit davon entfernt was ren. Daher tragen auch dieſe Schriften das Gepraͤge ihres Jahrhunderts oder Jahrzehends ſo auffallend deutlich an der Stirne. | Der allgemein erwachende Geſchmack der Aerzte, zu Vereinfachung der Arzneykunſt, befonders im chemiſchen und pharmazeutiſchen Fache, gab dann auch in Ruͤckſicht der chemiſchen Zergliederung der Mineralwaſſer, dem lächer, lichen den Stoß. Dieſer Revoluzion verdanken wir die neuern Diſſertazionen, Nachrichten und ausgedehntere Bes ſchreibungen dieſer Naturprodukte, unterrichtend fuͤr die Kranken ſelbſt und anwendbar für den wahren Arzt, 0ds gleich noch jetzt von Empirikern ſehr misbraucht. Dieſen neuen Unter ſuchern der Geſundbrunnen gelang es ſo gar, daß fie zur ſicherſten Probe der Richtigkeit und Genau— heit ihrer Unterſuchungen, die Waſſer kuͤnſtlich e chen konnten. Ich wage mich nun auch auf dieſe Bahn, aufgefodert, aber nicht gedungen, dies ſoll die Unpartheilichkeit zeigen, welche die Hauptzierde meines Werkgens ſeyn ſoll: und liefre hier die Geſchichte eines ſchon ſehr beruͤhmten Ge⸗ ſundbrunnens. Ich verſpreche zwar keine ganz vollſtaͤndige Arbeit zu liefern, die Ach Markards vortreficher Beſchrei⸗ bung von Pirmont an die Seite ſtellen ließe. Ich beob⸗ achtete dieſen Geſundbrunnen nur während einem Trinkkurs Termin, ſelbſt der Kur unterworfen, nur in wenigen fluͤch⸗ tigen Augenblicken und ohne die nöthige Subſidien, die ich beſonders auch von den beſtimmten Brunnenaͤrzten vers gebens erwartet habe. Ich mache mich aber gern an⸗ 336 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. heiſchig meiner Arbeit durch Zuſaͤtze mehrere Vollkommen⸗ heit zu geben wenn ich in die hierzu noͤthige, mir ſehr ers wünſchte, Lage kommen ſollte. ö Ich erlaube mir einen etwas weitläufigen Detail, weil ich große Verſchiedenheit der Brunnengaͤſte in Pfeffers antraf, ſelbſt die Kranke, welche ich dahin zu begleiten die Ehre hatte, iſt ein Beyſpiel, daß Kranke aus den entfernteſten Zonen hieher zu reiſen genoͤthigt ſeyn koͤnnen. Solchen kann es doch nicht ganz gleichguͤltig ſeyn, ob ſie auch ſelbſt bis auf die geringſten Gegenſtaͤnde, Kenntniſſe des Orts, der Reiſe u. ſ. f. zu ihren noͤthigen Einrichtungen Auleitung finden oder nicht. Es iſt alſo wenigſtens eine gute Abſicht, welche mich zu Weitlaͤuftigkeiten führer, die vielleicht einem andern Theil meiner Leſer entbehrlich ſcheinen möchten. Ans ſtatt einer Reiſeroute, auf die ich mich anfangs einzu⸗ ſchraͤnken gedachte, fuͤge ich aus eben angezeigten Grunden eine zwar nur kurze Reiſebeſchreibung bey, welche das erſte Stuck meines Werks ausmacht. Reife nach Pfeffers über Waſſer. Ich laſſe meine Leſer ihre Reiſeroute bis Zuͤrich ſelbſt ſuchen, und fuͤhre ſie nur von da aus noch Pfeffers, und dies kann ich durch mehrere Wege thun. Der erfte führe über Waſſer — Man vertraut ſich nemlich in Zürich dem freundlichen See, der nie als bey gar ſtuͤrmiſchem Wetter, und dann nur unter Leitung ungeſchickter Schiffleute ge⸗ faͤhrlich iſt. Ich darf ohne ruhmredig zu ſcheinen, das Publikum verſichern, daß Schiff, Geſchirr und Leute be⸗ quem und gut genug find, ſich ihnen freudig zu uͤberlaſſen. Nur mangelt der Pracht, der ſich bey uns und zwar noch in ſehr geringem Grade und zu unbedeutendem Vortheil der Reiſenden auf 2. Schiffe einſchraͤnkt, die mit Brettern eingeſchloſſen eine etwelche Geſtalt von Zimmergen haben, * und N 1 | j Ä 1 Von Hrn. Doktor Hirzel jünger. 337 und ſo den Reiſenden gegen die Unbillen der Witterung ſichern. Da hingegen die übrigen Schiffe nur mit über Bös gen geſpannten Wachstuͤchern, obgleich auch genugſam, be⸗ deckt find. Ichemuß geſtehen, daß die letztere Art von Bede— kung mehr fur meinen G'eſchmack iſt, indem fie den Reis ſenden genugſam ſichert und ihm dabey doch das Entzuͤcken⸗ de der Ausſicht und die friſche Luft freyer als jene ge⸗ ſtattet. Die nahen Ufer faffen von Morgen und Abend den See fo enge ein, daß das unbewaffnete Aug jeden Gegenſtand erkennen kann. Und ſo entgeht ihm vom Fuß bis an den in die Laͤnge ſich erſtreckenden, ſanft ſich erhebenden, ſcharf zugeſpitzten Rüden der Berge, welche dieſe Ufer bezeichnen, keine Art wohl zubereiteten Landes, welches mit vielen wohlgebauten, meiſt Staͤdtiſchen Haͤuſern, die ſich an ei— nigen Drten in fiundenlange Dörfer zuſammen reiben, durchſpickt iſt, kein Haus kein Baum: Die Fußſteige ziehen ſich dem Ufer entlang, fo daß man im Stande iſt jede Perſon auf denſelben zu unterſcheiden. Die höher ges legene Landſtraſſe entziehet ſich zuweilen dem Auge; allein wo ſie ſich wieder ſehen laͤßt, erkennt man ebenfalls jeden Gegenſtand. Gegen Mitternacht vereinigt die Stadt die beyden Ufer, und hinter dieſer machen wieder mehrere angebaute kleine Berge, die ſich nach und nach in eine ins Weite fi ausdehnende Entfernung verlieren, den Hin⸗ tergrund. Suͤdwaͤrts ſetzen die ſtolzen Eisgebirge der weis tern Ausſicht die angenehmſten Grenzen: Ein bezaubernder Anblick, beſonders wenn die untergehende Sonne ihren ewigen Schnee mit brillantner Vergoldung ziert. Eine betraͤchtliche Anzahl Schiffe von verſchiedenem Ran⸗ ge, welche auf dem Ruͤcken des ſtillen Sees froͤliche Men⸗ ſchen, wenn fie den Erwerb ihrer wöchentlichen Arbeit, oder Getreide, und andere Lebensmittel ſingend und jauch⸗ zend aus der mütterlichen Stadt nach Haufe bringen, ſanft Magaz. f. d. Klatsch, Zelvetiens. III. 9 — ö 338 Beschreibung d. Pſefferſer Geſundbrunnen. und froh in ihre laͤndliche Hütten fuͤhren, durchzogen mit kleinern, in denen die Fiſcher bald in einſamer Stille mit dem Angel, oder kleinen Netzen, oder in Geſell ſchaft von mehrern mit großen Netzen, den Ueberfluß der den See bes lebenden Fiſche zum Umtauſch fuͤr andere Beduͤrfniſſe ſamm⸗ len, bedecken den See mit anmuthiger Mannigfaltigkeit: So wird das Ohr durch das Gelaͤute fo vieler Glocken ent, zuͤckt, deren Ton ſich auf der Oberflaͤche des Sees vereint, wenn fie dem fleißigen Landmann auf feine entferntere Guͤ. ter die Ruheſtunden anzeigen. Ergoͤtzend iſt fuͤr das Auge die romantiſche Lage einiger kleiner Inſeln, Halbinſeln, und die ſonderbar lange Bruͤcke, welche die Breite det Sees durchſchneidet, und durch Erſparung der koſtbaren Fahrt uͤber denſelben vielen Reiſenden einen kommlichen Fußſteig gegen Einſiedlen zu giebt: Gegenſtaͤnde, die das einfoͤrmige des Seebetts ſelbſt ſo angenehm unterbrechen. Dieſe anmuthig abwechſelnde Reiſe bis Lachen, einem Fle⸗ ken, der dem Canton Schweiz gehoͤrt, dauert 7 Stunden, die ein guͤnſtiger Wind in kuͤrzerer Zeit, und in dieſem Falle ganz entzuͤckend zuruͤcklegen macht, weil die Gegenſtaͤnde dann dem Auge gleichſam entfliegen, fo daß man nicht ge⸗ nug Aug ſeyn kann. In Lachen findet man leidliche Bewirthung, welche durch mehrere Reinlichkeit viel gewinnen wuͤrde. Von hier bis Weſen durchreist man 7. kleinere und groͤßere Dorfſchaften, deren aͤußeres eben ſo wenig, als der nach⸗ laͤßige Bau der liegenden Gruͤnde von großem Fleiſſe zeu⸗ get. Die dahin fuͤhrende Straſſe geſtattet wohl den Ge⸗ brauch nur nicht gar großer Reiſewagen, fuͤr die ſie bis⸗ weilen zu enge und meiſt zu rohe iſt. Fuͤglich läßt ſich's zu Pferdte, oder in kleinen Chaiſen machen, welche man in Lachen, beſonders wenn man ſie vorher beſtellen wuͤrde, haben kann. Solche Beſtellungen beſorget der alle Sonn⸗ abende von Zürich abreiſende Churerbote, welcher, wenn * Von Hrn. Doktor Hirzel jünger: 339 man mit ihm reiſet und ihm dazu Vollmacht giebt, alles für Reiſende beforget. Die Ausficht bleibt immer durch die viele Abwechſelung reitzend und unterhaltend, da ſie aus den niedern Berg— gegenden, welche annoch gedehnte Ausſicht geſtatten, in den Alpgebirgen naͤher zuſammengedraͤngt wird. Unweit Weſen koͤmmt man an die Linth, einen ſehr oft ungeſtuͤm⸗ men Bergſtrom, der ſich durch das Glarnerland zieht, und in den Zuͤrichſee ergießt. Ueber dieſen fuͤhrt eine Bruͤcke, und man bleibt bis Weſen immer von dieſem Strome oder Sandhuͤgeln, die er bald da bald dort aufhaͤuft, und zur Linken von Bergen zum ungehinderten Durchpaß weit genug eingezaͤunt. Reiſende, welche der Ungemaͤchlichkeit trotz zu bieten keck genug ſind, machen dieſe Reiſe ſehr geſchwind mit dem Churerboten ſelbſt. So habe ich fie auch einmal gemacht. Man ſteigt Samſtags um 2. Uhr Nachmittags in Zuͤe n rich zu Schiffe, und kommt Abends um 10. Uhr in Maͤnne⸗ dorf, einem Dorf am Zuͤrichſee an, wo man ſehr gute Tafel bereit findet. Noch einem Aufenthalt von ein paar Stunden ſchiffte man ſich wieder ein, um bey anbrechendem Tage in Lachen zu ſeyn. Wem der Schlaf eine uneutbehr⸗ liche Sache iſt, legt ſich auf Stroh, unter eine Bede kung von Brettern; eben nicht das angenehmſte Lager, wobey man auch ſelten im Fall iſt, die erwuͤnſchte Geſell— ſchaft vorzufinden. Darf man es aber wagen, gegen die Kaͤlte, ſelbſt in der warmen Jahrszeit und bey ſchönem Wetter, genugſam geſichert, den Schlaf zu miſſen ſo hat die Reiſe gewiß auch wieder ihr einnemmendes, Bote beforget Pferde und die Fortbringung des 5 fo daß man deswegen ruhig das Vergnügen der Reife ge, nießen, oder von den Beſchwerlichkeiten derſelben aus⸗ ruhen kann. % 340 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. Vor Zeiten hat man ſich von dem Anfang des Oberſees an, (ſo nennt man denjenigen Theil des Zuͤrichſees, der oberhalb der großen Rapperſchweiler-Bruͤcke liegt, in den ſich die Linth ergießt) durch Menſchen und Pferde ziehen (recken) laſſen: Allein die Wildheit des Stroms, die ſei— nen Lauf oft abaͤndert, macht dieſe Fahrt zum Theil ge faͤhrlich und uͤberbieß fo langſam als unbequem; daher bedient man ſich derſelben nicht mehr. Dieſe Reiſe laͤßt ſich dann laͤngſt dem weſtlichen Ufer des Sees über Thalweil, Horgen Waͤdenſchweil und Rich⸗ terſchweil bis auf Lachen, und von da nach Weſen, mit eignen Pferden und einem leichten nicht gar großen Reiſe⸗ wagen ganz gut machen. In Zuͤrich findet man Pferde und Wagen genug und ſo, wie ſie ſich fuͤr dieſe Straſſe, welche den Zuͤricher Fuhrleuten ſehr wol bekannt iſt, ſchi⸗ ken. Aim beſten wuͤrde dieſe Reiſe ſo eingerichtet, daß man in Richterſchweil uͤbernachtet, um auf den Mittag in Weſen einzutreffen, weil man Nachmittags meiſtens guten Wind fuͤr die Reiſe uͤber den Wallenſtatterſee antrift. Weſen iſt ein an einem felſichten Bergfuffe angebautes Staͤdtchen, deſſen untere Haͤuſer ganz nahe an dem See liegen, ſo daß ſie derſelbe bisweilen, beſonders wenn die Linth, worein der See ſich ergießt, ihm den erforderlichen Ausfluß nicht geſtattet, ganz unter Waſſer geſetzt werden. Die Lage an dem meiſtens unruhigen See, deſſen Ufer ſtei⸗ le, ſehr hohe Berge find, iſt ſehr pittoreſk. Man findet hier zur Noth gute, oder beſſer zu ſagen, leidliche Bewir⸗ thung. Bisweilen wird man durch den widrigen Wind daſelbſt aufgehalten. Es iſt ſehr wol gethan, wenn man ſich ſogleich bey der Ankunft um Schiffe umſieht, indem die Sch Fleute den eriten Augenblick günfligen Windes zu dieſer Fahrt über den See nuͤtzen. Gewoͤhnlich ſtellt ſich Nachmittags der Weſtwind ein, mit deſſen Beyhilfe man die Fahrt, die bey ſtillem Wetter Von Hrn. Doktor Hirzel dinger. 34r 4. Stunden lang dauert, in 5. Viertelſtunden zuruͤcklegt. So wie der Wind Nachmittags zur Fahrt von Weſen nach Wallenſtadt bequem iſt, ſo iſt es umgekehrt des Morgens guter Wind von Wallenſtadt nach Weſen zu fahren, indem nur der Oſt⸗ und Weſtwind dieſen See beſtreichen koͤnnen. Auch hier kann es ſich fügen, daß man Halt machen, auch wohl ſich einen ganzen Tag oder Nacht aufhalten muß: In welchem Falle dann leicht begegnet, daß man mitten in der Nacht durch die Schiff leute aus dem Schlafe geweckt und in das Schiff gerufen wird: Welchem Rufe man ohne Anſtand gehorchet, weil man ſonſt Gefahr läuft, auf der Haͤlfte der Fahrt Gegenwind zu bekommen. Bey widrigem Wind iſt die Fahrt faſt unmöglich, aͤuſ⸗ ſerſt langſam und beſchwerlich; und uͤberdies geſtattet die Lage des Sees nur bey zwey Stellen ans Land zu kommen. Bey Gewittern wagt man ſiſch gar nicht auf den See. Reiſende koͤnnen und muͤſſen ihre Gefaͤhrte und Pferdte ebenfalls uͤber den See fuͤhren laſſen, indem ſie zu Wallen⸗ ſtadt hoͤchſtens Reitpferde finden. Die Schiffe ſind hier nicht ſo bequem, als auf 900 Zuͤrichſee, wenigſtens nicht bedeckt. Eine öffentlich ans geſchlagene Verordnung beſtimmt den Lohn der Schiff⸗ leute, und ſichert den Reiſenden, wenn er nach Anlei⸗ tung derſelbigen das Schiff unterſuchen laͤft. Die Schiff⸗ leute ſind etwas roh und dulden weder Widerſpruch noch Aufmunterung. Sie zwangen, damit ich ein warnendes Beyſpiel gebe, einen Reiſenden, der mit der Piſtole ſeine Meinung gegen dieſelbe behaupten wollte, fie fo fachte wies der einzuſtecken, als haſtig er ſie herausgezogen hatte, mit der Verſicherung, wenn er noch ein Wort ſpreche, fo wer⸗ fen fie ibn über Bord. Man thut alſo beſſer, ſich dieſen Leuten, welche dann übrigens, ihre Geſchaͤfte gehoͤrig ver⸗ richten, ganz und ruhig zu überlaſſen. Ich habe dieſ Reiſe in Zeit von 5, Biertelſtunden ohne Gefahr und ohn * 342 Beſchreibung d. Pfeſſerſer Geſundbrunnen. etwas unangenehmes erlitten zu haben, gemacht, und mich an dem pittoreſquen der Natur ſehr erquickt.) Der See liegt zwiſchen hohen ſteilen Bergen, deren Fels ſenwaͤnde ſich in den See verſenken, von beyden Seiten eingeſchloſſen. Nach einigen Regentagen ſtuͤrzen ſich von denſelben mehrere Waſſerfaͤlle von ungleich betraͤchtlichen *) um meinem Leſer ruͤckſichtlich auf dieſe Schiffahrt beſtmoͤglich zu unterrichten und ſicher zu ſtellen, fuͤge ich hier den Auszug eines vertrauten freundſchaftlichen Schreibens von einem der Sa⸗ che kundigen Freunde aus Weſen ber. „Das Oberkeitliche Man⸗ „dat enthält eine Ordnung für die Schiffleute und Fahrzeuge, „ zum Beyſpiel: Daß kein Schiffer auf einem großen Schiffe fah⸗ „ ren darf, der nicht zuerſt wenigſtens 3. Jahre lang auf einem v kleinen Schiffe die Seefahrten mitgemacht hat: Daß die Ober⸗ „ keitlichen Seevoͤgte Obacht neinmen, daß man auf einem klei⸗ v nen Schiffe kein Pferd, oder anderes großes Vieh uͤberfuͤhre. „Daß eben dieſe jahrlich zweymal, nemlich am jeweiligen St. „Johannestage, alle Fahrzeuge ſamt Zugehoͤrde beſichtigen ſol⸗ „len. Bey dieſer Gelegenheit bekoͤmmt jedes neue Schiff ſein „Zeichen, wie tief es darf geladen werden. Eben ſo werden „die Schiffe auch nach Zeit und lömſtaͤnden für e er⸗ 5 klaͤret. „ Die Taxe iſt Oberkeitlich beſtimmt, nemlich: x. Für ein ‚groß ſes Schiff von Weſen auf Wallenfindt 4. fl. Von Lachen weg wird auf der ganzen Reiſe der Louisd'or zu 11. fl. gerechnet. Wer ein oder mehrere Pferde hat, iſt gezwungen, ſich der großen Schiffe zu bed enen. 2. Ein kleineres Schiff 2. fl. Wer ein ſolches fuͤr ſich dinget⸗ kann fodern, daß die Schiff leute ihn allein fuͤhren; er kann aber auch mitnehmen wen und wie viel Perſonen er will, und ſich dann mit dieſen uͤber die Bezahlung abfinden, er iſt Herr des Schiffes. 3. Die Schiff leute fodern uͤber dieſe Taxe ein Trinkgeld, man iſt ihnen aber de Jure keines fchuldig. Was man auf feinem Ruͤcken tragen mag, iſt Zollfrey — die andern Waaren alle werden in Weſen verzollt. Man thut uͤbrigens wohl „ehe man allein oder mit dem Churerboten, mit dem man ebenfalls vor der Abreiſe fuͤr alles gecordirt, das Schiff beſteigt, die Bezahlung zu beſtimmen. — * * Von Hrn. Doktor Hirzel juͤnger. 343 Höhen in den See. Bisweilen plaͤtſchern fie durch teraf ſierte Bergſtrecken in kleinere Waſſerfaͤlle getheilt, nach und nach hinunter; und beydes giebt der Ausſicht ein ſchauer⸗ liches Großes. Beſonders ausgezeichnet ſtroͤmmt ein ſol⸗ cher an der noͤrdlichen Seite des Sees aus Bergklippen hervor. Die Berge ſo ſteil und graus ſind anbey meiſt mit Baͤumen bewachſen, welche dem ſchauerlichen einige Ver— aͤnderung geben. Dann aber wird die Einbildungskraft wieder in ſanftere, ruhigere Stimmung geſetzt, wann ſich hie und da dem furchtfam > forfchenden Auge eine Hütte, ein Doͤrfgen mit Kirche verſehen, Wieſen, Aecker, und Weinberge darbieten. Dieſe liegen meiſtens ſo ſteil, daß es angeſtrengte Einbildungskraft erfordert, ſich einen Weg von da aus nach andern Orten zu denken. Bewohnern ebener Gegenden, auch nur niedern Bergbewohnern wird es Muͤhe machen, zu begreifen, wie man den Ertrag dieſer Grunde einſammlen, geſchweige dann, wie man ſſie bauen koͤnne. Eine Stelle dieſer ſonderbaren Bergkette, wo ſich der ſchroffe ganz pflanzenloſe Felſen ſenkrecht in den See verliert, wird die Reiherwand genannt. Das Zu- und Weg⸗ fliegen der Reiher, deren ſicherer Aufenthalt an dieſem Or— te ihm dieſen Namen erwarb, beſonders wenn fie durch Schuͤſſe deren Donnerſtimme der vervielfachte Echo fürchs terlich wiederhallt, geſtoͤrt werden, verſchafft dem Auge, ſo wie das Getoͤſe dem Ohr eine ſchauervolle, doch ſchoͤne Unterhaltung. So fliegt man die meiſtenmale zu ſchnell uͤber einen Bergſee, deſſen ſeltne Naturſpiele dem beobach⸗ tenden Auge nur zu geſchwind entßiehen. Der Reiſende vergißt die Gefahr, und das Wunderbare der Reiſe verwan⸗ delt ſeine Angſt in frohes Erſtaunen. Kaum kann ſich die Seele bey Ueberſehung des durch reisten Sees, und der wilden Berggegend beym Auslan⸗ den von dem Gewirre der Gemuͤthsbewegungen ein wenig erholen, ſo erwarten ihn beym Eintritt in das Staͤdtgen * A 7 6 344 Beſchreibung d. Pfeffer ſer Geſundbrunnen. Wallenſtatt, welches am Anfang des Sees in ſumpfich⸗ tem Bergthale am Fuſſe roher Berge liegt, Szenen, welche ihn mit Schauer und Mitleiden erfuͤllen. Ein Grupp elender, baufaͤlliger, mehr Huͤtten als Haͤuſer, welche jedes fuͤr ſich eine Inſel oder wenigſtens Halbinſel vorſtellen, indem ſie mit faulem Waſſer umgeben ſind, den traurigen Ueberbleibſeln von Anſchwellung des Sees, die beynahe alle Jahre dem groͤßten Theil des Staͤdtchens den Einſturz drohet, enthält eine geringe Anzahl Bes wohner, deren blaßes, fieberhaftes , melancholiſches Ausſehen auch den gleichguͤltigſten Fremden ruͤhren muß. Wer wird an dieſem Orte Fleiß, Ordnung, Thaͤtigkeit erwarten? Mich trieb der Anblick dieſes Elendes, da ich genoͤthigt war hier zu uͤbernachten, (wo ich doch zu meinem Erſtaunen gute Bewirthung und Wohnung an⸗ traf), ins freye, wo ich über mein Erwarten wohlge⸗ ordnete Gaͤrtchen, muͤhſam gebaute N e und an⸗ dere liegende Grunde fand. Ich habe meine Leſer ſchon erinnert, falls ſie nicht Luſt haben einen Theil der Reiſe zu Fuſſe zu machen, ihren Reiſewagen mitzubringen; und mit dieſem muß ich ſie noch 4. Stunden lang, durch eine ziemlich verbeſſerte Berg⸗ ſtraſſe bis nach Ragaz fuͤhren. Ich machte dieſe Reiſe auf einem zwar etwas ungewohnten Reiſewagen, welche hier Reiſenden, die nicht gerne reiten, angebotten werden. Es ſind nemlich gewohnte Heuwagen, welche in dieſen Gegenden ganz klein ſind. Dieſe uͤberſpannt man mit ſehr dichtem, feſtem, großem Tuch, das auf allen 4. Sei⸗ ten mit Stricken, die in den 4. Enden ſich verlaͤngern, eingefaßt iſt. Vermittelſt dieſen wird das Tuch aufge ſpannt, feſtgemacht und mit Heu belegt, in welches ſich der Reiſende nach Belieben ſetzen oder legen kann. Unter dieſem Sitz wird das Gepaͤck verſorget. Bey gutem Wet⸗ ter iſt dieſer Reiſewagen nicht ganz unangenehm; hinge⸗ * * gm u a ee Ss eh = Von Hrn. Doktor Hirzel jünger. 345 gen muß man ſich bey widriger Witterung wohl verwah— ren, weil der Wagen unbedeckt iſt. Bey Sargans oͤffnet ſich die enge Berggegend wieder ein wenig, beſonders verſchafft die hohe Lage von Sar— gans eine angenehme Ausſicht uͤber ein etwas breiteres, aber bis auf Ragaz ganz einſames, Thal. In Ragaz laß ich nun meine Rekſende ausruhen, bis ich eine andere Partey durch einen bequemern Weg auch dahin gebracht habe. Ich darf mir nicht ſchmeichlen, daß meine bisherige Beſchreibung mir ſtarkes Gefolge zuziehen werde. Die Er— zaͤhlung ſo vieler Beſchwerlichkeiten und wenigſtens an— ſcheinender Gefahren wird wahrſcheinlich dem kleinſten Theile der Reiſenden, wenigſtens des ſchoͤnen Geſchlech— tes, große Luſt erwecken, dieſer Reiſroute ſich zu unter, ziehen. Indeſſen muß ich ſie deswegen bedauren, indem ſie die Betrachtung und Bewunderung der ſonderbarſten Natur miſſen muͤſſen. Gegenſtaͤnde, die eine geuͤbtere Feder, als die meinige, erforderten, um auch nur den Schatten zu zeichnen, von dem, was wilde Natur die fuͤhlende Seele genießen laͤßt. Hyvochondriſche Kranke, wenn ihre Umſtaͤnde anders, das muͤhſame dieſer Reiſe noch ertragen mögen, wuͤrde ich dazu zwingen, indem der gebahnteſte Weg immer mehr Nahrung fuͤr ihr Uebel iſt, als aller Kummer und Angſt, ſo ſie hier erwarten. Dieſer Kummer und Angſt, zum Theil gegruͤndet, fließt aus dem ſeltnen der Natur her, welches durch ſeine Eigenheit und Mannigfaltigkeit ihrer Einbildungskraft die unerwartetſte zerſtreuendſte Beſchaͤftigung giebt. Den Nutzen koͤrperlicher Bewegung bringe ich nicht einmal in Anſchlag. | Noch muß ich einen Rath beyfuͤgen, den ich ſchon oben, zwar nur mit wenigem berührt habe: Daß nem; lich Reiſende, beſonders kraͤnkelnde Perſonen, auch wenn — / 346 Befchreibnng d. Pfefferſer Geſundbrunnen. ſie die Reiſe zur waͤrmſten Jahrszeit machen, ſehr wohl thun, ſich mit warmen Kleidern, wenigſtens Ueberklei⸗ dern zu verſehen, um ſich nicht bey jeder in unſern Berg⸗ gegenden ſehr gewohnten ſtarken Abwechslung der Waͤr— me und Kaͤlte, wichtigen Verkaͤltungen auszuſetzen. Reife nach Pfeffers über Land. Ich kann meine Leſer von Zürich aus über Land nach Ragaz, durch einen Weg führen, der keine andere Gefah— ren darbeut, als die jedem Reiſenden zuſtoſſen koͤnnen. Durch Koͤnigl. Chaußeen fuͤhre ich ſie nicht, ſie muͤſſen noch froh ſeyn durch bergichte Gegenden fo gute Straſſen zu fin⸗ den, als zu erwarten ſind, wo der Bauer, der neben dem Feldbau und anderm muͤhevollem Broderwerb dieſel— ben annoch in Frohndienſten anzulegen und zu unterhal⸗ ten gezwungen werden muß. So karg die Natur gewiſ⸗ ſen Bezirken der Schweiz fruchtbaren Boden zugemeſſen hat, den nur der angeſtrengteſte Fleiß des Bauers fruchttragend macht, ſo ſehr hat ſie die zum Straſſenbau noͤthigſten Beduͤrfniſſe in geringer Menge ausgetheilt. Aus dieſem Grunde verdient ein Land, welches die Natur mehr zur Abhaͤrtung der Bewohner und ihrer Hausthie⸗ re, als zur Weichlichkeit und Bequemlichkeit beſonders ſparſam begabt hat, Nachſicht. Der Weg von Zürich) nach Winterthur, wird dieſe Entſchuldigung rechtfertigen, wenn der Reiſende jedes kleinſte roheſte Stuͤckgen Feldes, auf welchem, ehe es fo fleißig angebaut worden, ein Graf gen kaum genugſame Nahrung gefunden haͤtte, nun mit verſchiedenen Produkten bepflenzet findet. Dieſe Be trachtung giebt Stof zu froher Reiſe, fo wie überdies die abwechſelnden ſchoͤnen Ausſichten und der Wechſel der Gegenſtaͤnde, indem die Straſſe anfangs laͤngſt dem Fuſſe eines meiſt mit Holz und untenher mit Wein be⸗ pflanzten Berges von der einen Seite, und von der an⸗ * f Von Hrn. Doktor Hirzel juͤnger. 347 dern von einer ſich zur weiten Ausſicht verbreitenden Flaͤ— che begraͤnzt iſt; dann abwechſelnd mitten durch ſchoͤn— gebaute Felder, Dörfer und Waldungen, bald durch an— genehme Ebenen; dann wieder eine Strecke Bergan fuͤhrt, welches den Weg unſtreitig beſchwerlicher und langwieri⸗ ger macht, wofür man aber durch abaͤndernde ſchoͤne Aug, fichten belohnt wird. Eine Reiſe von 4. Stunden bringt den Reiſenden nach Winterthur, wo man meiſt das Mittagmahl genießt; oft geht man aber noch ein Paar Stunden weiter auf Elgg, um da den erſten Halt zu machen. Winterthur iſt eine anmuthig gelegene lebhafte und wohlgebaute kleine Munizipal: Stadt. Glücklich durch die Simplizitaͤt, welche den Ausſchweifungen entnervenden und toͤdtenden Luxus noch nicht die Thore ganz geöffnet hat; glücklich durch den Beſitz vieler wackerer und groß ſer Maͤnner, welche innert und außert den Graͤnzen ihres Vaterlandes ihm Ruhm erwarben und den Aufenthalt in dieſer Stadt ſo angenehm als wichtig machen. Meine Leſer werden, wie ich nicht zweifle, hieraus eine Einla— dung, dieſen Ort ihrer Aufmerkſamkeit zu wuͤrdigen, erklaͤren. Von da aug führt N Weg bald durch das Thurgaͤu; einen von der Natur mehr beguͤnſtigten Erdftrich, Auch hier giebt Bevoͤlkerung, fleißiger Feldbau und Abwechs— lung bergichter Gegenden viele Gegenſtaͤnde zu angeneh⸗ mer Zerſtreuung, bis auf Weil einem Thurgaͤuiſchen Staͤdtchen, welches dem fuͤrſtlichen Kloſter St. Gallen zugehoͤrt. Meiſtens nimmt man hier Nachtquartier, wel— ches eben nicht in die Klaſſe der vorzuͤglichſten gehoͤrt, doch ruhet man hier gerne von einer fuͤnfſtuͤndigen Reife durch beſchwerliche Wege aus. Die Reiſe von Weil auf St. Gallen iſt anfangs in Ruͤckſi icht auf Ausſicht angenehm, bald aber zieht ſich \ 348 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. die Straſſe in eine gleichfoͤrmige; meiſt ganz naſſes Torf⸗ land enthaltende Ebne; auch trift man in Zeit von fuͤnf und einer halben Stunde bis St. Gallen, nur bey Buͤ— ren ein Haus, bey einer ſchoͤnen, hoͤlzernen, geſpreng⸗ ten Brücke an, welche der Abt von St. Gallen über eis nen oft ſtark aufſchwellenden und graͤulich uͤberſchwem— menden Strom (die Thur genannt) hat machen laſſen, welche niemand ohne dieſen Gedanken zu ſegnen, paßieren ſollte. Von da aus durchreist man noch ein großes und ein kleines Dorf. Je mehr man ſich der Stadt St. Gallen und dem daran ſtoſſenden Appenzellerland naͤ— hert, je bergichter wird die Gegend, und ſo genießt man auf der ganzen Reiſe das angenehme, der im— mer mehr Erſtaunen erweckenden Wige der Natur. St. Gallen iſt eine wohlgebaute Stadt; die um Dies ſelbige liegende Wieſen find mit Leinwand und Baum⸗ wollentuͤchern ganz uͤberdeckt: Das ſicherſte Zeichen von hauptſaͤchlich kaufmaͤnniſcher Induſtrie, welche auch wirk— lich die Seele dieſer Stadt iſt. Dieſer Fleiß und die Schuͤchternheit der Bewohner berauben den Durchreifen; den des Vergnuͤgens ſie kennen zu lernen. Man muß wirklich ſchon Bekanntſchaft haben, um den Weg in die Geſellſchaften zu finden, aber dann zeichnen ſie ſich durch Hoſpitalitaͤt und freundſchaftliches Betragen aus. Hier find die Prachtgeſetze noch im Stande das ſchoͤne Ga ſchlecht, doch eben nicht bey der niedlichſten Nationals tracht, zu erhalten. Einiche entreiſſen ſich dieſem Zwan⸗ ge, indem fie der franzoͤſiſchen Tracht durch eine jaͤhrlich zu entrichtende Geldbuſſe den Zutritt erkaufen. Da ich es bisher nicht gethan habe, und es mich zu weit von mei⸗ nem eigentlichen Zweck abfuͤhren wuͤrde, laſſe ich mich nicht ein, meinen Leſern das Verzeichnis der Merkwuͤrdig⸗ * 7 9 7 BE | keiten dieſer Stadt und des Kloſters W da 5 Von Herrn Doktor Hirzel jünger. 349 man dieſe in eigentlichen Reiſebeſchreibungen und andern Schriften angezeiget findet. Von St. Gallen kann ich meine Leſer wieder durch drey verſchiedene Wege fuͤhren. Zwey trennen ſich erſt bey Rheinegg, von welchen der naͤhere auf Alſtaͤtten, der zweyte binnen einer Stunde uͤber Rhein fuͤhrt. Beyde Wege, ſo lang ſie durch das Rheinthal fuͤhren, ſind ſehr anmuthig, ſie bringen den Reiſenden bald auf Anhoͤhen, welche ihm die Ausſicht uͤber den Bodenſee und hinter dieſem eine Strecke Landes, welche ſich in dem Auge unuͤberſehbare Flächen ausdehnen, darbieten; bald fuͤhren ſie ihn in dem Thale durch die ergiebigſten Aecker mit Alleen von Fruchtbaͤumen durchſchnitten; bald durch Dörfer; bald dem Rhein nach durch Gegenden, welche nicht nur dem Kenner der Landwirthſchaft und dem Naturforſcher, ſondern auch jedem, der die Schoͤn— heiten der Natur gerne aufſucht, entzuͤckende Freude vers ſchaffen. O! wie gerne moͤchte ich meinen Leſern, durch Darſtellung der Empfindungen, welche dieſe Gegenden in mir erweckten, Freude machen, wenn ich nicht meine Einbildungskraft, in einem dermalen kraͤnkelnden Koͤrper, auch ſelbſt geſchwaͤcht fühlte, — Doch ich beſchreibe die merkwuͤrdigen Gegenden, durch die ich fie nun führe, fo gut als es mir moͤglich iſt. Es iſt ja doch nicht darum zu thun, ein poetiſches Gemaͤhlde zu liefern; meine Abs ſicht iſt nur ihnen den Weg zu zeigen und zu ſagen, daß dieſe Reiſe bey vielen Beſchwerlichkeiten, auch viele An— muth gewaͤhre. Zwey Stunden, verlaͤngert durch eine beſchwerliche Bergſtraſſe, verſetzen den Reiſenden, nach dem ihm die erſtrittene Anhöhe den Blick auf den nahen Bodenſee zum Troſt geſpiegelt hat, nach Rorſchach einem Rheinthali— ſchen Flecken, deſſen unterſte Haͤuſer der Bodenſee lieb⸗ reich beſpuͤhlt. Seine Anmuth lockte eine Reihe Haͤuſer Ta 350 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. dicht an ſein Geſtad, das dem freyen Auge bey ruhigem See ringsum denſelben die jenſeitigen Ufer in weiter Ent fernung darſtellt, nie ganz entzieht. Von da aus fuͤhrt die Straſſe noch eine kleile Weile auf einiger Erhoͤhung laͤngſt dem bergichten Ufer des Sees nach, dann aber verliert ſich bald dieſe herrliche Szene, und wird nicht wieder erſetzt, ausgenommen man finde Schoͤnheiten der Natur, nicht nur in großen, ſondern auch in kleinern Parthehen, bis man ſich in Rheinegg dem großen, ſanft dahin fließenden Rhein zur Seite ſieht. Reiſender, wenn du im gemaͤchlichen Reiſewagen ſo ſorgenlos und gleichguͤltig dahin rollſt durch die Welt, fo muͤßig du in deinem prachtvollen Zimmer keinen an: dern Gedanken zu verfolgen haſt, als die Sorge, wie du deine Zeit toͤdten wolleſt: Und du Reiſender, den Truͤb— ſinn oder Tiefſinn aus phyſiſchen oder moraliſchen Urſa— chen entſprungen, fuͤr die Natur, wie ſie auch ſeye, groß oder klein, ſchauerlich oder arkadiſch, wenigſtens in unguten Stunden dir es gleichguͤltig macht, um dich zu ſehen, reiſet nicht ohne Voriks empfindſame Reiſen, oder Zimmermanns Buch der Weisheit, das er unter dem Titel: „Ueber die Einſamkeit, „Kals ein Labſal für die Welt ſchrieb. Leſet, wenn Langeweile oder Unmuth euere Augen beneblen, oder laßt euch leſen, bis der Nebel vers ſchwindet, dann ſehet um euch, genießet die Natur und empfindet, daß Gemaͤchlichkeit Ungluͤck, und Unmuth, Chimaͤre ſey. Dann findet der Geiſt neuen Schwung und Staͤrke, indem ſich das Aug mit Betrachtung der mannigfaltigen Gegenſtaͤnde ermuͤdet; und die Einbils dungskraft ſchwingt ſich auf die Stuffe der Begeiſterung, wenn man nach ruhigem Anblick gewohnter Gegenſtaͤnde in Gegenden verſetzt wird, da man ſich in Arkadien hin⸗ gezaubert glaubt. Solche Oerter wechslen laͤngſt dem Geſtade des Rheins ab. Bald durchſchneidet die ſanfte Von Hrn. Doktor Hirzel juͤnger. 351 fandreiche Straſſe Garten - ähnlich gebaute Gruͤnde; bald geht ſie naͤher dem Fluſſe durch Weiden, wo zahlreiche Heerden im Schatten filber»glängender Weyden weiden; bald fuͤhrt ſie in Waͤlder von fruchttragenden Baͤumen, in deren Schatten glückliche Bewohner ſich zerſtreute Hutz ten bauten, nieder und klein, aber bedeckt von herabhan⸗ genden Aeſten, welche zur Zeit der wieder erwachenden Natur mit der Zierde der Bluͤthen geſchmuͤckt, Ambra dem Geruche duften, indem zugleich das Aug entzuͤckt wird; oder wenn die Natur nach ihrer Ruhe ſich ſehnend ihre treuen Diener mit dem Segen der Früchte lohnt, die alle Sinnen zu voller Befriedigung einladen, von ihrem Gewichte gebeugt, auf den freundlichen Daͤchern ruhen; bald bey Weinbergen vorbey, welche den kuͤhnen Fleiß des Bauers mit Nektar lohnen. Elende Pracht engli— ſcher Gaͤrten, großer Meiſterſtuͤcke menſchlicher Schwaͤche, die zweymal durchwandert die Pein der Langenweile vers vielfachen, wie beſchaͤmt euch die liebe Natur! — Wie lebhaft ruft dieſe der menſchlichen Kunſt zu, daß alle ihre Arbeit nur entfernte Nachahmung ſeye! Diefe arkadiſche Gegend, welche 2. Stunden lang am genehmer Erſatz des widrigen der erſten Haͤlfte dieſer hal— ben Tagsreiſe iſt, wird unterbrochen durch das ſchoͤne Staͤdtchen Rheinegg, wo man meiſtens uͤbernachtet. Seine Lage am Rhein giebt dieſem Ort vorzuͤgliche Ans muth, das aͤußere der Gebäude zeugt von Wohlſtand'; und Pallaſt; aͤhnliche Haͤuſer find auch hier Zeichen kauf- maͤnniſcher Induſtrie. Sattſam bequeme Wohnung und Bewirthung ſtoͤren die Entzuͤckung nicht, in die man ſich durch die gemachte Reiſe verſetzt fuͤhlt. Hier trennt ſich nun der Weg zum letztenmale. Doch ehe ich meine Leſer weiter fuͤhre, muß ich diejenige, wel— che Muße genug haben, die Reiſe um einen Tag zu ver— laͤngern, wieder auf St. Gallen zuruͤckſetzen und fie auf 6 N * * 6 nr 4 * N 352 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbru vr munteru ihr Reiſegefaͤhrt von St. Gallen nach Altſtaͤtten oder Rheinegg abgehen, oder in St. Gallen bis auf ihre Zuruͤckkunft ausruhen zu laſſen, um entweder zu Pferde, oder in der Senfte eine untergeſchobene Neben; reiſe, oder kleinen Umweg in das angraͤnzende Appenzel— lerland zu machen. Meine Leſer werden ſich wundern, warum ich fie von einem fo angenehmen Weg abfuͤhren wolle, oder wenn meine Schilderung dieſer zwey Reiſen ſie in Verlegenheit der Auswahl ſetzt uͤber mich boͤſe wer— den. Nein, das waͤre meine Muͤhe uͤbel belohnt. Sie rei⸗ fen ja wieder auf St. Gallen zuruck, und ſetzen erſt dann ihre Reiſe nach Rheinegg fort, oder gehen ſie uͤber den Berg nach Altſtaͤtten, ſo machen fi fie dieſen Weg auf der Ruͤckreiſe von Pfeffers. Auf Trogen fuͤhrt der Weg bald 9 St. Gallen einen mäßig ſteilen Berg an, hie und da über betraͤcht? liche Stellen des oͤdeſten, drockneſten Nagelfluͤhe, welche dann aber zu wahrer Erquickung mit Strecken Weges abwechslen, welche von beyden Seiten von den ſchoͤn⸗ ſten Wieſen eingefaßt ſind. So weit die Straſſe durch Fuͤrſtl. St. Galliſches Land gehet, iſt ſie ſehr rohe. Je⸗ der Durchreiſende wird wuͤnſchen, ſie ſo verbeſſert zu fe hen, als ſie es von den Appenzelleriſchen Graͤnzen bis Trogen iſt, wo man ſelbſt mit kleinern Wagen ohne Ges fahr fahren kann. Ich kann aber auch meinen Leſern zum Troſt ſagen, daß der Fuͤrſt von St. Gallen ſich geäuf ſert hat, dieſe Verbeſſerung vorzunehmen. Bald koͤmmt man durch Stuͤckgen Waldungen oder nahe bey ſolchen vorbey, welche durch das dunkle Gruͤn bejahrter Fichten fuͤrchterlich ſind, dann aber wieder angenehm durch das mildere Gruͤne des Lercheubaums zu fanfter Ruhe einladen, Jeder muͤhſame Schritt des Bergſteigens lohnt ſich über allen Wunſch und alle Erwartung mit immer mehr aus gebreiteter Ausſicht in die benachbarten Gebirge, welche gegen 1 | 3 * Von Hrn. Doktor Hirzel juͤnger. 353 gegen Morgen und Norden ſich in die ausgedehnteſte Ebene verlieren, in welcher der Bodenſee, der Rhein, und einige kleinere Fluͤſſe in ihrem Silberglanze ſich pie geln. Den Vorgrund ziert die Stadt und Kloſter St. Gallen mit ihren umliegenden Landhaͤuſern, Bleichen und Fabriken, an welche die ſich da vereinigende fruchtbare Gegenden des Thurgaͤues und Rheinthales graͤnzen und ſich von da bis an den Bodenſee erſtrecken. Wenn die Schilderung dieſer Ausſichten mit Geſiners Stärke ges mahlt meinen Leſern die herrlichſte Natur darſtellen koͤnn— te und ich ſo gluͤcklich wäre, fie in enthuſtaſtiſches Mits gefuͤhl dieſer Schoͤnheiten hinzureiſſen, ſo darf ich ſie doch mit der groͤßten Zuverſicht darauf vertroͤſten, auf dem erhabneſten Theil dieſes Weges nahe bey Speicher, dem erſten Appenzelleriſchen Dorfe, auf einer Anhoͤhe Voͤgelisegg genannt, eine Ausſicht zu finden, welche nicht nur erquickend iſt, ſondern jeden fuͤhlbaren Menſchen, be— rauſcht von den Herrlichkeiten der Natur, zur waͤrmſten Anbetung des Schoͤpfers auf ſeine Knie hinwirft: Ich wage nicht einen Zug an dieſem Gemaͤhlde, es iſt nicht zu mahlen, nicht zu beſchreiben, kaum iſt die menſchliche Bruſt weit genug, fuͤr das Gewirr der himmliſchen Em— pfindungen, welche ſich hier in einen Wirbel ſammeln. Hier ſteige man aus, gehe zu dem auf dieſer Anhoͤhe ein— zeln ſtehenden Haufe, der an daſſelbe anſtoſſenden Wieſe nach bis an den Abhang des Berges, laſſe ſich, wenn ber betaͤubende Sturm der Ueberrafchung dieſer Ausſicht ein wenig geſtillet iſt, von den freundſchaftlichen Bewoh— nern dieſes Hauſes die Lage und Gegenden beſchreiben, und er wird mir dieſe Epiſode Dank wiſſen. Dieß iſt der Eingang ins Appenzellerland: In ein Land durch mildthaͤtige Berge gegen phyſiſche und mora— liſche Feinde verſchanzt; ein Land, wo jeder Fuß breit Erde und jedes Haͤusgen Induſtrie und Liebe zur Ord— Magaz. f. d. Naturk. Helvetiens. III. B. 3 354 Beschreibung d. Pfefferſer Gelundbrunnen. 05 nung zeigt; ein Land, wo der Aermſte und der Reichſte | gleich frey, gleich Herr, gleich Theilhaber an der Regie⸗ rung iſt, wo der Obere nur auf dem Richterſtuhl und in dem Audienzzimmer, das bisweilen nur in einem eins gegitterten Winkel feiner Wohnſtube beſtehet, Oberer iſt, dem aber doch von dem Mitbürger mit mehr Ehrerbie, tung begegnet wird, als ſelten die Großen der Welt, ſelbſt von ihren Schmeichlern genießen; außer dieſem aber ſich als Bürger neben Buͤrger, als Freund neben Freund ſtellt. — In das Land, wo das erſte Haupt der Regierung zu Fuß einige Stunden Wegs macht, um dem Rath beyzuwohnen, und, wenn er zu Hauſe iſt, im Kittel der übrigen feiner Mitbürger vor feinem Haufe Bauholz zimmert und fo feine Stunden zwiſchen dem Brodkrwerb 9 für Weib und Kinder und der Sorge für das Beſte des 14 Vaterlandes theilend, ehender jene als dieſe nach Hilfe 2 ſeufzen laͤßt, aber dann auch deſto maͤnnlicher und ge⸗ ſegneter beyden hilft, und mit der durch Handarbeit abs gehaͤrteten Haus die Waage der Gerechtigkeit nur deſto fefter hält. — In ein Land, das die Natur, beſonders als ihren Liebling, beguͤnſtigt, und geſchül macht fuͤr jede Art der Induſtrie, den Feldbau, die die Handlung, die Fabriken, die Sennereyen. — Ein Land/ das in allen Fächern große Maͤnner erzeuget, nicht fo groß an öffent: lichem Ruhme, der oft geringern Verdienſten zufällt, als groß zum Segen des Landes. Die eigne Geſtalt der Berge dieſes Landen Welches gegen Mittag durch die hoͤchſten Schweizergebirge einge; ſchloſſen iſt, und die beſondere niedliche Bauart der Haus ſer geben ihm ein anmuthiges Ausſehen, das ich nicht beſſer ausdrucken kann, als mit den eigenſten Worten, womit Frau General von Bauer, welche ich als Arzt auf der Reiſe nach Pfeffers und zuruͤck zu begleiten das Gluͤck genoſſe, ihre beſondere ane 1 : 1 ** | Vaon Hrn. Doktor Hirzel jünger. 305 . Land (fagte fie) it ein wahres großes Puppen ſpiel. Nur muß man zum Unterſchied von dem, was man ſonſt das große Puppenſpiel der Welt nennt, jenes Puppenſpiel der Natur, dieſes hingegen Puppenſpiel menſchlicher Kunſt nennen. Das Land iſt gan; aus Fleis nern und groͤßern Bergen, auf denen allen man verge— bens ein Fleckgen unbebauten Bodens ſuchte, zuſammen— geſetzt und dieſe im eigentlichen Verſtand genommen, mit hohen hoͤlzernen Gebaͤuden, welche ſich hie und da in Doͤrfer zuſammenreihen, uͤberſaͤet. Dieß iſt es, was obigen Ausdruck von Puppenſpiel, mit Recht veranlaßte. Auch hier hat die Prachtliebe großer Kaufleute ſteinerne gemauerte Gebaͤude errichtet, welche kleinen Pallaͤſten ahnlich ſind, deren innere fo geſchmackvolle als koſtbare Aus zierung dem aͤußern völlig entſpricht. Neben dieſen ſtellte dann der ſimplere, laͤndliche, aber gleichwohl oft ſehr reiche Mann hoͤlzerne Haͤuſer, die im Verhaͤltniß des Geſchmacks gleichen Hang zu Pracht und Koſtbarkeit mit laͤndlicher Simplizitaͤt verbunden ſpiegeln. Ich könn— te meine Leſer durch Beſchreibung des beſondern National— karakters dieſes Volks nach dieſer Reiſe lüfterner machen, wenn es mich nicht zu weit abfuͤhren wuͤrde. Speicher und das eine halbe Stunde davon entfernte Dorf Trogen ſind die zwey einzigen Oerter des Cantons Appenzell, durch welche der Weg nach Altfiätten führt, oder wohin ich meine Leſer zu reiſen berede. Dieſe zwey Doͤrfer geben indeß allen Anlaß, die Beſchaffenheit des Landes und feiner Bewohner kennen zu lernen, da beydes in dem proteſtantiſchen Theile des Cantons, den man Außer⸗Rhoden nennt, ſehr gleich iſt. Von Trogen aus beſteigt man ohne große Muͤhe durch einen hie und da ſehr unſanften Weg, der aber durch Abwechslung und Ausficht angenehm wird, den Gipfel des Altſtaͤtterberges, an deſſen Fuſſe auf der ſuͤdlichen Seite die Rheinthaliſche 4 TR f * 01 358 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. Stadt Altſtaͤtten liegt. Muͤhſamer und fuͤrchterlicher iſt der Weg, den ſteilen Berg gegen Altſtaͤtten hinunter zu ö ſteigen, ein meiſt vertiefter, übel unterhaltener, in Zick N zack geleiteter, gepflaſterter Weg führe über dieſen beyna⸗ he ſenkrecht ſtehenden Berg ab, ein Weg, der nur zu Pferd oder zu Fuß gemachet werden kann. Der Gipfel dieſes Berges troͤſtet den Reiſenden mit einer gedehnten Ausſicht, einer betraͤchtlichen Strecke des Rheins nach, bis an den Bodenſee. Diesſeits deſſelben macht die Stadt Altſtaͤtten und einige Dörfer den Vorgrund, jenfeits Rheins liegen verſchiedene Kaiſerliche Doͤrfer, hinter welchen Gebirge und zu hinterſt die hohen Tirolerberge der weiten ſchoͤnen Aus icht die Graͤnzen ſetzen. Von St Gallen bis Trogen rechnet man zwey Stunden Wegs und ſo viel von da bis nach Altſtaͤtten. In Trogen darf ich meinen Leſern einen laͤndlichen aber reinlichen Gaſthof und eben fo gute Be⸗ wirthung, welche durch die Produkte der Alpen, Milch, Butter, Honig und das ſchoͤnſte weiſſeſte Weitzenbrod, das nach meinem Geſchmack einen groſſen Vorzug verdient, verſprechen. 4 Von Rheinegg, wohin meine Reisende, welche fich des Wagens bedienen, uͤber St. Gallen zuruͤck reiſen muͤſſen, fuͤhrt eine und eine halbe Stunden lang eine gute Straſſe, durch eben ſo romantiſche Gegenden dem Rhein nach, bis nach Mondſtein einem Rheinthaliſchen Doͤrfgen am Fuſſe eines Berges, auf dem ein Schloͤßgen und ein ſchoͤnes Landhaus bey Ruinen eines alten Schſoſſes ſehr mahles riſch angebracht ſind. Hier trennt ſich der Weg, indem man entweder uͤber Rhein oder auf Altſtaͤtten zu reiſt. Ueber Altſtaͤtten hat man bis Ragaz vierzehen Stunden; da hingegen uͤber Feldkirch man fuͤnfzehen zu machen hat. Die Reiſe über Altftätten iſt viel muͤhſamer; an einigen Orten fuͤrchterlich und bey ſtarken Regenguͤſſen gefaͤhrlich, indem man einen Waldſtrom, der oft austritt, paßiren N 7 Von Hrn. Doktor Hirzel juͤnger. 357 muß. Eine Strecke Wegs uͤber den Schollenberg geſtat— tet groſſen Wagen den Paß nicht, die Straſſe iſt in eis nen Felſen eingehauen, der ſie alſo von der einen Seite einfaßt, da auf der andern Seite ein Maͤuergen die Land— veſte gegen dem Rhein, der in einer fuͤrchterlichen Tiefe am Fuſſe des ſteilen Berges hinſtroͤmt, machen muß. An einigen Stellen deckt der Felſen die Straſſe in Form eines niedern Gewoͤlbes. Auch beym Hirſchenſprung fuͤhrt die Straſſe 100. Schritte lang, durch ein Berggewoͤlb. Selt— ſam wechſelt auf dieſem Weg die ſanfte und wilde Natur ab und zwoͤlf Oerter, die man durchreiſt, tragen ebenfalls bey, die Reiſe angenehm zu machen. Doch werden mei— ne Leſer lieber von Moßſtein über den Rhein, durch eine ſehr ſchoͤne Straſſe reifen. Im Moßſtein wird man durch ein ziemlich unhoͤfliches und ungeſtuͤmmes Gekreiſch (ſo nenn' ich den ſonderbaren Dialekt, den dieſe Leute aus vollem Halſe muͤhſam her— ausſtoſſen) der ſogleich ſich anbietenden Schiffleute, ein bisgen unſanft aus der anmuthvollen Begeiſterung, in welche die bisherige Reiſe verſetzt hat, geriſſen. Dieſe Leute ſind ſogleich beſchaͤftigt die Pferde loszuſpannen und - fie mit den Wagen auf ein Schiff zu bringen, in welchem ſich dann die Reiſende im Wagen ſitzend, oder auſſert dem— ſelben im gleichen Schiffe ſtehend, in wenigen Minuten in einem ganz freyen Schiff doch ſicher uͤber den Rhein fuͤhren laſſen. Ich weiß nicht, iſt es Traͤgheit oder Stolz, daß die Schiffleute nicht Pferd und Wagen in beſondern Schiffen überführen wollen; genug, ich war Augenzeuge, daß ſie ſelbſt gegen eine Zierde des ſchoͤnen Geſchlechts, auf deren Geſichte ſich Furcht und Angſt nur zu lebhaft gezeichnet hatten, ſo wie gegen ihren ſanft bittenden Ton ganz unerbittlich waren. Meine Leſer moͤgen daraus leicht abnemmen , daß ſich mit dieſen Leuten nicht viel Worte, wenigſtens nicht in Güte wechſeln laſſen und was Strenge 358 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. wirkte, habe ich nicht erfahren. Die Leute ſahen mir ſo entſchloſſen aus, daß ich allenfalls das Endurtheil haͤtte erwarten muͤſſen, ich ſollte ohne fie über den Rhein fah⸗ ren: Auch kann man ſich's gefallen laſſen, daß ein wohl; denkender Pater aus Erziehungstrieb dem zwoͤlffaͤhrigen Jungen das Steuerruder um ſich zu uͤben in die Hand giebt. Doch verſichere ich aus eigenſter Erfahrung, daß die Seelenruhe, welche dieſe Leute in Minen und Geber; den aͤuſſern, die Furchtſamkeit der Reiſenden in ruhige Er⸗ gebung verſetzt. Meine Leſer werden ſich ſo gerne als ich, auf den Reiſen willig unter die Befehle aller Menſchen von deren Hilfe fie abhangen, ſchmiegen. Muß doch der Kranke ſich der Treue und Sorgfalt des Arztes, der Be— draͤngte dem Schutz des Rechtsgelehrten und ſo jeder Menſch dem andern ſorgenlos anvertrauen, denke ich und bin ruhig. Von dem Ufer des Rheins an, hat man noch fuͤnf Stunden bis auf Feldkirch zu reiſen. Auch dieſe Reiſe iſt durch oͤftere Abwechſelung der Gegend und Ausſicht anmuthig. Bald fuͤhrt der Weg durch Doͤrfer, welche eben nicht immer von dem groͤßten baͤuriſchen Wohlſtand zeugen, bald durch Torfried, bald uͤber Anhoͤhen, durch Heiden und Waldungen. Je mehr man ſich Feldkirch naͤ hert, je bergichter wird die Gegend. Dieſe Stadt ſelbſt liegt in einem Thale, zwiſchen Bergen, welche obgleich ſehr ſteil, dennoch auf eine beträchtliche Anhöhe mit Wein⸗ reben beſetzt ſind. Ich uͤbertreibe es nicht, wenn ich ſchon ſage, daß an ganz perpendikular laufenden Felſenwaͤnden Weinberge hingepflanzt find, deren Bepflanzung aͤuſſerſt muͤhſam ſeyn muß, da ſie faſt unmoͤglich ſcheint. Das Schloß iſt auf einem wilden Felſen, aber fuͤr die Aus ſicht ſehr vortheilhaft gelegen. Am Fuſſe dieſes Berges zwingt ſich der Illfluß zwiſchen nackten Felſen in betraͤchtlicher Tiefe ungeſtuͤm durch, zur Seite der Stadt vorbey, fo 2 — 1 r 15 Von Hrn. Doktor Hirzel jünger. 389 daß er dieſelbe von der Vorſtadt trennt. Wenige Schritte fuͤhren unterhalb der Bruͤcke, ſo uͤber die Ill gehet, auf Felſen, welche dieſen Fluß in ein fo enges Bette einſchlieſ⸗ ſen, daß man ihn zwiſchen zwey Felſen, auf die man ſicher ſtehen kann, unter und zwiſchen feinen Fuͤſſen durchs laufen ſieht. Es wird nur eine kleine halbe Tagreiſe er— fodert, um von Feldkirch auf Faduz zu kommen. Da der Reiſende durch Verlaͤngerung dieſer halben Tagreiſe keinen groſſen Vortheil erreicht und hingegen in Ruͤckſicht auf die Bewirthung hier beſſer gehalten wird, als in Balzers, wohin man noch zwey Stunden zu fahren hat, ſo muß ich ihm Faduz zum Nachtquartier empfehlen, weil er gleichs wol am naͤchſten Morgen bey guter Zeit in Ragaz ankommt und wenn er einiges Gepaͤck mitbringt, doch nicht vor Abend bis nach Pfeffers kommen kann, indem die Zuruͤ⸗ ſtungen zum Tragen der Reiſenden und ihrer Waaren eis was langſam gehen. Sobald man von Feldkirch abreiſt, erweitert ſich die Aus ſicht ſehr angenehm, indem die Straſſe laͤngſt einem Berge fortgehet, von da aus man zur Seite und vor ſich hin die geoͤffnete Ausſicht bis an den Rhein und uͤber dem Rhein in die Herrſchaft Sax, Werdenberg u. ſ. f. und gegen verſchiedene Schweitzergebirge hat. Ein Abend, den ich in der angenehmen Geſellſchaft mei ner beobachtenden und theilnemmenden Reiſenden in Fa- duz zubrachte, hat mir zu viel Vergnuͤgen verſchaft, als daß ich es mir verſagen koͤnnte, hier eine zwar ſchwache und kalte Schilderung deſſen, was ich da ſahe und empfand, beyzufuͤgen. Ein Spaziergang lieſſe mich die anmuthige Lage dieſes Orts betrachten. Das haͤuſerreiche Dorf iſt an einem ganz bebauten amphitheatraliſchen Berge ſo zer— ſtreut, daß es dadurch ein ſehr ſchmeichelhaftes Aeuſſeres bekommt; eine freye Ausſicht gegen Buͤndten und die an— graͤnzenden Schweitzeriſchen Bezuke und Berge und zus Eu 360 Beſchreibung d. Pfefferſer Gefimdbrumnnen. gleich eine fuͤr die Geſundheit vortheilhafte Lage genießt. In einicher Entfernung verſpricht das ſchoͤne Ausſehen dieſer Haͤuſer fo viel, daß man bey naͤherer Beſichtigung, welche dann mehr Armuth als Wohlſtand zeiget, nicht obs | ne Ruͤhrung ſich getaͤuſcht fühlen muß. Dann aber wird man wieder durch das geſunde Ausſehen der Einwohner und ihre gute Kleidung getroͤſtet. Meine Leſer werden hier zum Theil etwas Widerſprechendes finden, welches | ſich aber wohl erklaͤren läßt, wenn man weiß, daß ge. wiſſe Doͤrfer, Gegenden, ja ſogar Staͤdte und Laͤnder in der Bauart ſo viel Nachlaͤßiges haben, daß man mehr Acmuth erwartet, als ſich bey genauer Unterſuchung zei— ö get, und umgekehrt. Dieſe Leute ſchienen mir beym er— ſten Anblicke ſo froſtig, trocken und grob, allein der Zu— fall, der mich ihnen ein wenig naͤher brachte, lehrte mich zu meiner größten Freude, daß ſuperfizielle Beobachtuns gen ſehr leicht verfuͤhren. Sie wurden bald vertraulich und geſpraͤchig, ſo daß ich uͤber mediziniſche und land⸗ wirthſchaftliche Gegenſtaͤnde die ordentlichſten Berichte er— hielt und dabey bemerkte, daß dieſe Leute arbeitſame und N vernuͤnftige Bauren ſeyen. Sehr viel Freude verſchafte uns das groſſe Gefolg meiſt wohlgewachsner artiger Kin⸗ der von der niederſten bis auf die hoͤchſte Stuffe des Fin, deralters. Ich weiß nicht, ob die ihnen ungewohnte Klei⸗ Dertracht ihre Neugierde gereitzt haben mag, fie verfolgten uns mit unſchuldigem Gelaͤchter, wichen aber zuruͤck, ſo⸗ bald wir mit ihnen ſprechen wollten. Doch auch dieſe wur⸗ den beredt und fo traulich, daß fie, nach einer langen Erz oͤrterung, ob es wol thunlich ſeye oder nicht, uns friſche Erdbeeren, fo fie heute (es war Feyertag) für ihre Freu⸗ de geſammelt hatten, anboten und nachdem ſie zu ihrer beſtuͤrzenden Freude eine überaus groſſe Bezahlung em; pfangen hatten, ung freundlich zwangen, fie wenigſtens auch zu koſten, dann aſſen ſie den Ueberreſt zu unſerm * Von Hrn. Doktor Hirzel jünger. 381 größten Vergnügen in unſchuldiger Freude munter und vergnuͤgt gemeinſchaftlich auf. Dieſe kleine Geſchichte war mir ein phyſiognomiſches Fragment, das mir dieſe Kin— der lieb machte und meine Karakteriſtik der aͤltern Be— wohner dieſes Orts rechtfertigte. Neben der Freude, welche mir die gemachte Bekannt— ſchaft und Beobachtung der Natur in dem Menſchen ver— ſchafte, erquickte mich auch das uͤbrige Anmuthige der Natur dieſes Orts. Kaum hundert Schritte auſſer dem Dorfe, an deſſen Ende Kirche und Pfarrhaus ſtehen, ſetzt man ſich ſehr gerne in den Schatten eines kleinen Eich— waͤldchens, ſieht bald den mit Haͤuſern beſaͤeten Berg, bald deſſelben rohern Theil, von dem ſich uͤber eine Stelle ſchroffen, mit Baͤumen und Geſtraͤuch umgebenen Felſens ein Waſſerfall von betraͤchtlicher Höhe herabſtuͤrzt; oder man läßt fein Auge gierig mehr Phantomen als er; kennbare Gegenſtaͤnde auf den entfernten hohen Buͤndtner— gebirgen ſuchen; dann wieder in dem etwas naͤher gelege— nen obgleich meiſt oͤden Bette des Rheins, beſonders aber auf den wenigen Stellen, welche der eiſerne Fleiß dem— ſelben entriſſen und fruchttragend gemachet hat, ausru— hen und genießt zum Beſchluß das unbeſchreibliche Schoͤ— ne, ſo die untergehende Sonne in dieſen Berggegenden in reichem Maaſſe darbeut. Nun iſt es noch um eine halbe Tagreiſe zu thun, ſo ſtoſſen wir in dem Mittelpunkt der drey vorgezeichneten Reiſen zuſammen. Auch dieſer Weg muß denen angenehm ſeyn, welchen die Freuden über die Schönheit der Natur den Verdruß uͤber langſame und beſchwerliche Reiſe ſo uͤberwiegend macht, als fie bey mir immer auf allen meis nen Reiſen waren, und ſeyn werden. Hoffentlich wird ſich niemand durch dieſe kleine Beſchwerlichkeiten abſchre— ken laſſen, dieſe herrlichen Schaͤtze der Natur, welche der Schöpfer unſerm ſonſt in allem eingeſchraͤnkten Schweigens \ 362 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. laͤndchen geſchenkt hat, zu beſehen und anzuſtaunen. Darf ich mir ſchmeicheln, durch meine Beſchreibung Luſt erweckt, oder den noͤthigen Muth ermannt zu haben, ſo bin ich es der Wahrheit ſchuldig zu ſagen, daß alle dieſe Beſchrei— bung nur matte Skizze eines Gemaͤhldes ſeye, das die Kunſt des groͤßten Meiſters zuruͤckſchrecken wuͤrde. | Kranke, die ihr dieſe Reiſe zu Wiederholung und Bes feſtigung der Geſundheit machen muͤſſet, unternemmet ſie b mit Vergnuͤgen, das Entzuͤckende der Natur, das euch erwartet, wird in euere Seelen Wonne gieſſen. Die fri— ſche Luft und die Bewegung, dieſe wohlthaͤtige Arzney, welche man euch oft ſo vergeblich empfiehlt, die ihr da gezwungen gebrauchen muͤſſet, muß euere Natur ſtaͤhlen. Von Faduz weg hat die Straſſe noch eine und eine halbe Stunde lang bis auf Balzers, wo man Vorſpann nemmen muß, um bis auf Luzienſteig einen beträchtlichen Berg zu beſteigen, die gleiche Lage. Bald auſſer Balzers wird man in ein engeres Bergthal eingeſchloſſen, auf deſſen pflanzenreichen Wieſen, wo ſie an den Berg ſtoſſen, man beträchtliche Stücke losgeriſſener Felſen ſieht, welche von Zeit zu Zeit herabfallen. Da das aber ſelten und nur im Anfang des Fruͤhjahrs geſchiehet, da die Felſen durch Näffe und Kaͤlte verwittert ſich losmachen, ſo darf man gleich⸗ wol ohne Furcht hier durchreiſen. Obgleich die Straſſe über einen beträchtlich hohen Berg führt, ſo hat fie doch den Vortheil, daß ſie wohl gebaut iſt, wenigſtens hab ich ſie ſanft ſchlafend durchreiſet, bis mich der een zu Bezahlung des Vorſpanns geweckt hat. f Auf dieſer Hoͤhe, St. Luziſteig genannt, hat die Natur zwiſchen Deutſchland und dem Buͤndtnerland. Graͤnzen ge⸗ ſetzt, welche dieſes mit einer Art von Schanze und Ring- mauern noch mehr befeſtigt hat. Eine Fallbruͤcke fuͤhrt 5 durch ein Thor in die Feſtung, durch welche die Rande ſtraſſe fortgeht. Gar feindſelig ſieht uͤbrigens dieſe Seſung Von Hrn. Doktor Hirzel finger: 36z nicht aus, da ein einziger Zollbedienter, der von den Durch⸗ reiſenden die Gebuͤhr einzieht, die ganze Beſatzung Pr macht. Von St. uziſteig fuͤhrt eine ganz neue Straſſe eben 0 ſteilen Berg ab, als man ihn auf der andern Seite beſtie— gen hatte, auf Meyenfeld, ein Buͤndtneriſches Staͤdtchen, wo man auf der Ruͤckreiſe ebenfalls Vorſpann nemmen muß. Auf der Höhe bey Meyenfeld, wo die Bergſtraſſe wieder an Tag tritt, genießt man eine ſchoͤne Ausſicht, über ein wohlkultiviertes Thal, welches der Rhein durch ſchneidet, oft aber groſſe Bezirke deſſelben uͤberſchwemmt und fo ſich ein weites Bette macht, durch welches man fah— ren muß, ehe man an die Zollbruͤcke kommt. Sehr willkom⸗ men iſt den Reiſenden die Anblick des Kloſters Pfeffers, ob- gleich noch in betraͤchtlicher Entfernung. Seine Lage auf einem hohen und wilden Berg macht dem mit Bergen noch nicht bekannten Reiſenden bange, dient aber zu einer Vor bereitung, welche den Eintritt in dieſe Berggegend erleich— trert, da man dies ſonderbar liegende Gebaͤude binnen zwey Stunden nicht aus dem Geſichte verliert. Von der Zollbruͤcke an faͤhrt man noch einige Zeit dem Geſtade des Rheins nach und genießt die Ausſicht gegen einige Buͤndt— neriſche Oerter, bald aber zieht ſich die Straffe gegen Ra: gaz, den Ort, von wo aus ich meine Leſer alle durch den gleichen Weg in das Pfefferſer-Bad fuͤhre. Reife von Ragaz ins Pfefferſer⸗Bad. Da man ſich in Ragaz aufhalten muß, ſo kann ich nicht unterlaffen, dieſen Ort mit wenigen Worten zu ſchil- dern, obgleich ich es nur mit inniger Wehmuth thun kann. Die Schuld des Elendes, das hier, ich nemme zwey eins zige Haͤuſer aus, unter allen Daͤchern hervorblickt, iſt nicht ganz der Natur zuzuſchreiben. Der Ort iſt mit GW tern aller Art umgeben, ſogar mit Weinbergen; die Lage * 364 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. am Fuß eines dicht mit Waldungen beſetzten Berges, in einem nicht gar engen Bergthal, welches gegen Morgen an den Rhein und einen Theil des Buͤndtnerlandes, ge— 94 gen Norden und Weiten in die etwas entfernte verfchiedes ne Schweizeriſche Berge eine anmuthige Aus ſicht hat, find unſtreitig groſſe Vortheile. Der Tamin, ein Bergſtrom, der ſich mit groſſem Ungeſtuͤm durch ſein ſehr gedraͤngtes Felſenbett hinter dem Doͤrfgen herabſtuͤrzt, giebt einen der ſchoͤnſten Anblicke, aber ſeine Wildheit, da er ſehr oft groſſe Felſenſtucke, Geſtraͤuche und Baͤume mitreißt, die, wenn ſie ſich in dem engen Bette ſtecken, ein Anſchwellen des Waſſers verurſachen, wird dieſem Orte nicht ſelten zur größten Gefahr, indem er ihn unter Waſſer ſetzt und mit Steinen und Sand aufhaͤuft. Daher der fuͤrchterli— che Anblick einiger Haͤuſer, deren erſtes Stockwerk, wel- ches vorher auf der Oberflaͤche ſtand, nun ganz fouterz rain iſt. So wie das Waſſer zu Entſtellung, oder vielmehr Verben rung dieſes £ Orts beytraͤgt; fo litte es auch zu verſchiedenen Malen Verheerungen des Feuers, deren traurige Ueberbleib— ſel dieſen Ort noch trauriger darſtellen. So elend das Aeuſ— ſere dieſes Orts iſt, ſo elend erſcheinen die Bewohner deſſelben. Sie ſind nicht nur ſchlecht, ſonder wirklich in Lumpen geklei⸗ det; ein Zeichen von aͤuſſerſter Nachlaͤßigkeit, welche die: ſen Leuten um ſo weniger zu verzeihen iſt, da ſie den Som— mer uͤber, beynahe alle Tage, neben ihrem Guͤterbau, oder anderem häuslichen Verdienſt, durch das Tragen der Rei⸗ ſenden und ihres Gepaͤcks auf Pfeffers einen ſchoͤnen Lohn erwerben. Wenn man ſie aber im Wirthshauſe den zum Geldlohn akordirten Wein, von dem fie richtig die Hälfte den Ihrigen bringen koͤnnten und vielleicht noch eine Por- tion zu dieſem fuͤr ihr verdientes Geld wegtrinken ſieht, fo empfindet man gar bald, daß hier nicht viel von In- duͤſtrie und Wirthſchaft zu erwarten iſt. Das Wirthshaus Von Hrn. Doktor Hirzel jünger. 365 wo man abſteigen muß, litte in Ruͤckſicht auf Bewirthung und beſonders Reinlichkeit noch betraͤchtliche Verbeſſerung. Daher verſehen ſich Reiſende, welche uͤber dieſen Artickel empfindlich ſind, in Faduz, wo ſie uͤbernachten, gerne mit kalter Kuͤche. Sobald Fremde hier abſteigen, ſo finden ſie ſich um— ringt von Leuten, welche in einiger Rangordnung, die ſie nicht unterbrechen doͤrfen, ihre Dienſte anbieten. Alles Gepaͤcke wird gewogen und ſo gut als moͤglich auf die Trager vertheilt. Man bezalt fuͤr hundert Pfund einen Gulden (den Louisd'or zu eilf Gulden) und eine Maaß Wein mit Brod, welches man ihnen in Pfeffers ausbe— zalt und geben laͤßt. Eine Perſon zu tragen braucht man vier Maͤnner (bisweilen ſchmiegen ſich auch Weiber unter dieſes Joch) und dafuͤr bezalt man zwey Gulden und auf den Trager eine und eine halbe Maaß Wein. Dies iſt der von dem Fuͤrſt zu Pfeffers geſetzte Preis. Zu Beſorgung der Reiſewagen, muß man ſich ſelbſt eine Remiſe auf- ſuchen. 5 Ehe ich meine Leſer abreiſen laſſe, muß ich fie noch bit⸗ ten, an den Tamin, der nur wenige Schritte von dem Wirthshauſe entfernt iſt, zu gehen. Er ſtuͤrzt ſich mit lautem Getoͤße uͤber verſchiedene Felſenſtuͤcke hin und giebt zugleich einem in den Felſen kuͤnſtlich eingegrabenen Kanal überflüßig Waſſer, eine Mühle zu treiben; läuft dann zur Seite des ſchoͤnen Gebaͤudes, worein das Fuͤrſtliche Klo— ſter Pfeffers einen ſeiner Konventualen als Statthalter ſetzt, vorbey, und ergießt ſich in den Rhein. Nun muß ich noch zum Beſchluß die eigene Art von Reiſegefaͤrth beſchreiben, deſſen man ſich bedienen muß, wenn man nicht den zweyſtuͤndigen Bergweg entweders zu Fuß, oder Pferde, welches aber ſehr muͤhſam iſt, mas chen will. Maͤnner, auch ſelbſt der robuͤſtere Theil des ſchoͤnen Geſchlechtes machen dieſen Weg am beßten zu Fuß. * 366 Beſchreibung d. Pfefferſer Geſundbrunnen. Man hat von zwey Stunden zwey Fuͤnftheile zu ſteigen, einen Fuͤnftheil beynahe eben und zwey Fuͤnftheil Berg ab zu machen. Doch thut man, beſonders zaͤrtliche oder kraͤnkliche Perſonen wohl, fuͤr alle Fälle fi zu fichern, einen Seſſel nachtragen zu laſſen. Waͤhrend dem die e nen der vorhin geſchilderten Maͤnner und Weiber mit Pa⸗ cken und Aufladen beſchaͤftigt find und ſachte Mann für Mann bergan ſteigen, ruͤſten die andern die Seſſel, auf denen man getragen wird. Dieſes find alte ſimple Lehn⸗ ſeſſel, deren Sitze entweder ein Brett, oder von Stroh geflochten ſind; an dieſen befeſtigen ſie auf jeder Seite, alſo immer an zwey Beinen des Stuhls eine lange feſte Stange, welche den Mittelpunkt des Seſſels einſchlieſſen, in dieſen ſetzt man ſich und laͤßt ſich die Fuͤſſe aufzuſtellen queer uͤber ein Stuͤckgen Holz nach ſeiner Bequemlichkeit durch Stricke fo befeſtigen, daß dieſe Fußſchemel ſchwe⸗ bend hangen. Dann ſchwingen bier Kerls den Stuhl mit dem Reiſenden gar geſchickt auf ihre Schultern und reiſen | fort. Dieſe Burſche an dieſe Arbeit gewoͤhnt, haben den gleichen Schritt und tragen alſo ganz ſanft. Ich habe die Probe ſelbſt gemacht und mich nicht uͤbel dabey befunden, obgleich ich auch ſehr gerne zur Abwechslung gieng. Uns terhaltend iſt es, feine Trager zu beobachten, bald wech- ſeln ſie im Gehen, ohne Halt zu machen, ab, ſo daß der Rechte auf die linke Seite zu ſtehen kommt, oder daß die Hintere der Vorderen Stelle einnemmen. Bisweilen tras gen die Vorderen die Stange hoch auf den Haͤnden und | die Hinteren nieder, oder umgekehrt, nachdem es bergan oder ſteil abwärts gehet. Oft heben fie den Stuhl in en⸗ gen Bezirken über eine Hecke, oder ein groſſes Felſenſtuͤck, oft reihen ſie ſich, da ſie ſonſt zwey und zwey neben ein- ander gehen, hinter einander, und dies alles mit bewun⸗ derungswuͤrdiger Fertigkeit. Ueberdies ſind ſie ſehr ge⸗ ſpraͤchig unter ſich und mit dem Reiſenden, wenn man WM” * 33 a Von Hrn. Doktor Hirzel juͤnger. 367 ; ſich mit ihnen einlaͤßt. Man gewöhnt ſich in der erſten Viertelſtunde an die neue, eigene, im Anfang fuͤrchterliche Art zu reiſen, ſo daß man alle Furcht verliert. Frau von Bauer trieb die Herzhaftigkeit, zwar durch ſtarken Regen, der uns auf der Ruͤckreiſe vom Kloſter Pfeffers ins Bad unerwartet uͤberraſchte, gezwungen, ſich durch eine in den faſt ſenkrechten, ſchieferichten Felſen eingehauene Bergtrep— pe hinuntertragen zu laſſen. Sie hatte nicht die mindeſte Furcht, aber mir grauete ſo vor der Gefahr, da ein Miß— tritt einer der vier Trager ſie ohne anders ihres Lebens beraubt haͤtte, daß ich ihr in Pfeffers das Compliment uͤber ihren Heldenmuth vor der geſammten Trinkgeſell— ſchaft zu jedermanns Warnung mit der beſtrafenden Bitte wuͤrzen mußte, ſich nie mehr ſolcher Gefahr bloß zu fels len. Dies heroiſche Beyſpiel zeigt indeſſen meinen Leſern, wie leicht man ſich an alles gewoͤhnt. Der Weg ſelbſt von Ragaz auf Pfeffers war fuͤr mein Gefuͤhl einer der anmuthigſten und merkwuͤrdigſten. Man kommt neben einigen Haͤuſern vorbey, in einem anfangs ziemlich breiten Fußſteig, der dann oft durch Felſenmaſ— ſen, welche in dem Wege liegen, oder durch welche viel; mehr der Weg ſich gebahnet hat, enger gemacht wird. Anfangs führt er durch eine Strecke anmuthigen Laub— holzes, dann wieder uͤber oͤde felſichte Stellen, welche dann wieder mit dem ernſteren Tannwalde abwechſeln. Waͤhrend der erſten Haͤlfte des Wegs hoͤrt man faſt im— mer das Geraͤuſche des Tamins mehr oder weniger enk— fernt. Bisweilen zeigt er ſich zur angenehmſten Abwechs— lung des Schauſpiels, zwar nur in kleinen Stuͤcken erſt parallel mit dem Weg, in weiterem Verfolg immer in tieferem, engerem Thale. Bis man die Hoͤhe des Berges, welche aber nie ganz eben wird, erſtiegen hat, iſt die Aus ſicht auf den dem zu erſteigenden jenſeits des Tamins im— mer zur Seite laufenden gleich hohen Berg eingeſchraͤnkt, ! 368 Beſchreibung d. Pfefferſer Sefundbeumnen. . welcher aber durch die Abwechslung verſchiedener Wal⸗ dungen, Wieſen, einiger Aecker und der nackten Felſen, welche Gegenſtaͤnde durch die Beleuchtung und Schatti⸗ rung ſich bey jeder Wendung des Weges zur Bewunde— rung veraͤndern, ſehr viel Anmuth erhält. Je naher der Gipfel des Berges, um fo deutlicher zeigen fich erſt eini⸗ che Nebengebaͤude des Kloſters Pfeffers ſelbſt. Hat man den Berg beſtiegen, ſo befindet man ſich von noch hoͤhe— ren Gebirgen, da man erſt ein wenig uͤber den Fuß des Galanda erhaben iſt, umgeben, doch oͤfnet ſich auf die Gegend des Rheins, die man paßirt hat, eine reitzende Ausſicht. Die rohe waldichte Berggegend aͤndert fich in eine mit ſchoͤnen Bergwieſen, Wenden und Aeckern bes pflanzte bergichte Ebene lieblich ab, und bald iſt man in dem Doͤrfgen Valens, deſſen Ganzes Duͤrftigkeit verraͤth. Die Einwohner ernaͤhren ſich durch ihren wenigen Feld— bau, groͤßtentheils aber, durch den ergiebigeren Verdienſt bey den Brunnengaͤſten in Pfeffers, die ſie bedienen, und durch das Tragen von Pfeffers auf Ragaz zuruͤck. (Die Fortſetzung kuͤnftig.) un Zur meift Der Lobl. Phyſikal. Oekonomiſchen Gee nch f in 5 0 Züͤri ch an die ehrſame Gemeinde Altſtetten bey Zuͤr ich. ı 75% S — 2 Wer fein Feld bauer, der hat Brods genug: Wer aber verdorbenen Leuten nachahmet, der iſt ein Thor und eilet zur Armuth; nur wer gutem Rathe gehorchet, der iſt weiſe. W. Spruͤchen Salomons: Cap. XII. XVIII. Magaz. f. d. Naturk. Zelvetiens. III. B. Aa 9 370 Juſchrift d. phyſik. Geſellſchaft in Zürich Das Nachſtehende iſt die Zuſchrift einer Lobl. naturfor⸗ ſchendenden Geſellſchaft in Zuͤrich an die Gemeind Alt— ſtetten, als eine Folge der zwiſchen jener und dieſer vorgegangenen freundſchaftlichen Beſprachung uͤber den Zuſtand dieſer Gemeind in Anſehung des Feldbaues und Bauernweſens, und hat keine andere Abſicht, als das, was man hierüber allerſeits hat gutbefinden und anerfens 5 & 23 nen muͤſſen, als einen wohlgemeinten Rath jedem Buͤr- | ger von Altſtaͤtten ans Herz zu legen, und zur Befolgung nachdruckſam zu empfehlen. Dieſe Zuſchrift iſt die gewohnte Art, mit welcher vor— erwaͤhnte Geſellſchaft allemal nach einem ſolch gehaltenen Geſpraͤch, diejenigen Gemeinden, mit welchen man ſich fo freundlich beſprochen hat, auf ihre eigenen Fehler und Mängel, und die beßten Mittel aufmerkſam macht, mel che am ſicherſten zu Beförderung des Wohls einer Lande; gegend und jedes Einwohners fuͤhren koͤnnen. Man laͤßt dergleichen Zuſchriften jeweilen in der Gemeindsverſamm— lung durch einen Vorgeſetzten ableſen. Dies that, um der Sache mehr Nachdruck und Anſehn zu geben, dermal der hochgeehrte Herr Landſchreiber dieſer Obervogtey. Weil man aber dabey wahrgenommen zu haben glaubte, dag der Innhalt dieſer Zuſchrift von den meiſten mit beſonderm Luſt ſeye aufgenommen, und aller Ueberlegung wuͤrdig geachtet worden; fo entſchloſſen ſich einiche für das Beßte der Gemeind eiferig gefinnte Männer, dieſe nuͤtzlichen Raͤ— the und ſorgfaͤltige Anleitung zu beſſerer Befoͤrderung des Wohlſtands der Gemeind „ einem jeden Einwohner ins Haus zu geben, und zu dem End hin auf ihre eigene Kos ſten drucken zu lafſen; in der zuverſichtlichen Hofnung an die ehrf. Gemeind Altftetten. 371 und mit dem herzlichen Wunſch, daß alle, auch die den heil⸗ ſamen Neuerungen ſonſt abgeneigte, die Grundlichkeit dies ſer vorgeſchlagenen Verbeſſerung mit Zeit und Weile pruͤ— fen, daruͤber nachſinnen, und zu derſelben Ausfuͤhrung willige Hand bieten, und ſo dadurch die ſo lang gewuͤnſch— te eifrige Befoͤrderung des gemeinſamen Wohlſtands be— treiben helfen moͤgen. Die wackeren verſtaͤndigen Maͤnner, naͤmlich: Seckelmeiſter Jakob Appenzeller. Richter Hs. Conrad Weber. Hs. Jakob Stauder. Hs. Heinrich Fuͤgli. Geſchworner Hs. Rudolf Muͤller. Richter Johannes Neeſer. Hs. Rudolf Naͤgeli. welche von der Gemeind Altſtetten der obgedachten unter⸗ redung beywohnten, ſind wenigſtens lebhaft uͤberzeugt wor— den, wie noͤthig und nuͤtzlich dieſe und andere Verbeſſerungen und heilſame neue Anſtalten waͤren, und muͤſſen ſehr wuͤn— ſchen, daß ihr eigenes vorleuchtendes Beyſpiel viele Nachs folger habe, daß die alten ungegruͤndeten Meinungen der beſſeren Ueberzeugung weichen, und dieſe Schrift ein ges ſegnetes Mittel zu vermehrter Wohlfahrt des Bauern und des Tauners werde, damit jeder in ſeinem Stand ſo gluͤck— lich als moͤglich werde, damit mit dem wahren Wohlſtand tugenhafte Sitten und Eintracht die Oberhand gewinnen, eine weiſe Oberkeit ihrer verſtaͤndigen Untergebnen, und jene fo wohlmeinende Geſellſchaft der Befolgung ihrer beß— ten Abſichten ſich freuen koͤnne. ——— 372 Zuſchrift d. phyſik. Geſellſchaft in Zurich Ehrende Liebe Vorgeſetzte! und ſaͤmtliche Maͤnner der E. Gemeind Altftetten ! Wir haben eine Geſellſchaft in Zuͤrich von verſtaͤndigen weiſen Maͤnnern, welche ihre Freude daran haben, alles was in der Natur vorgeht, kennen zu lernen, und alles was man darin neues und nuͤtzliches in der Naͤhe und Fer— ne entdeckt, in unſerm Land bekannt zu machen und zum allgemeinen Nutzen anzuwenden; man nennt uns darum die naturforſchende Geſellſchaft; wir laſſen uns vornemlich auch angelegen ſeyn, dem Bauern-Stand nutzlich zu wer⸗ den, und mit unſern L. Landleuten von Zeit zu Zeit zu be— rathen, wie der Feldbau geaͤufnet, aus den Guͤtern viel Nutzen gewonnen, und immer mehr Lebensmittel im wer— then Vaterland ſelbſt koͤnnen gepflanzt werden. Wir berufen zu dem End hin, bald von dieſer, bald von einer andern Gegend des Landes, wohlgeſinnte und im Landbau erfahrne Männer zu uns, daß fie uns anzeis gen, wie es in allen Theilen des Bauernweſens bey ihnen ſtehe, damit die Mängel entdeckt, und durch Rath und That ſolchen moͤglichſt abgeholfen werden moͤge. Unlängſt haben wir auch in euerer E. Gemeind allem Nachfragen, die Zahl der Leuten, die Menge des Viehes, und den Zuſtand euerer Guͤter verzeichnen laſſen. Wir ha⸗ ben daraufhin euch vermittelſt euers Wohlehrwuͤrdigen HHerrn Pfarrers zu vernehmen gegeben, daß wir wuͤn— ſchen, auf den Zten März aus euerer Gemeind etliche wackere Maͤnner als Abgeordnete bey uns zu ſehen, mit denen wir uns über alles freundlich erfprachen, und zum Beßten euerer Gemeind rathen koͤnnten. — Das hat euch wunder genohmen, viele haben nicht gewußt, was etwann dahinter ſeyn moͤchte; — Aber die verſtaͤndigeu Maͤnner, an die ehrſ. Gemeind Altſtetten. 373 die es gewaget haben in unſere Geſellſchaft zu kommen, ſind alle zufriedner heimgegangen, und haben euch mund— lich erzählen koͤnnen, wie es gemeint ſeye. — Sie werden euch ſagen koͤnnen, wie da etliche von den vornehmſten Oberkeitlichen Perſonen, ſelbſt Ihr Gnaden der Herr Burgermeiſter, und die Herren alle ſo liebreich den Zu— ſtand euerer Gemeind beherziget, und bey allem nichts an— ders geſucht haben, als euer allerſeitiges wahre Beßte zu befoͤrdern. Es zeigte ſich aus dem Bericht, den wir von dem Zu ſtand euerer Gemeind vernohmen, daß zwar viel Begierd bey euch ſeye, zu euerem beßten Nutzen zu arbeiten, aber daß viele nicht erkennen, was zu ihrem Wohlſtand dient, daß in allen Theilen vieles zu verbeſſern waͤre; — und damit ihr alle wiſſet, was unſer Rath und Meinung hier— uͤber waͤre, ſo geben wir euch, das ſo wir mit euern zu— getommenen Vorgeſetzten und ſonſt wackeren Maͤnnern befunden, hiemit ſchriftlich zu verſtehen, mit dem Wunſch, daß ihr es wohl bedenken, und wo moͤglich, um ſo mehr zu bewerkſtelligen trachten wollet, als euere Herren Obervögte und alſo die Oberkeit ſelbſt dahin mit ihren Verordnungen zielen, und euch in allen näßlichen und ſchicklichen Unternehmungen, wie ihr aus Ihrem Mund gehoͤrt, hilfreiche Hand bieten werden. Ihr muͤſſet es vorderſt L. und ehrende Maͤnner! Alle ſelbſt bekennen, wann ihr euere Güter mit den Gütern ans derer in der Naͤhe der Stadt gelegenen Gemeinden verglei— chet, daß ſie gar nicht im beßten Zuſtand ſeyen, daß eue— re Aecker und Wieſen und Matten noch lang nicht ſo viel euch geben, als ſie geben koͤnnten, wann ihnen mehr Rath angethan, und ſie beſſer bearbeitet wurden. Wie ihr aber alle dieſes empfindet, eben ſo werdet ibr auch einſtimmig darauf fallen, daß hieran einzig Schuld 374 Zuſchrift d. phyſik. Geſellſchaft in Zürich ſeye, daß zu viel Leute aus euerer Gemeind taͤglich in die Stadt ihrem Verdienſt nachlaufen, und daß man die Guͤ⸗ ter aus Mangel der Arbeiter nicht gehoͤrig baue und aͤufne. Die wenigſten Stadtgaͤnger bauen die Guͤter ſelbſt, ſie laſ. ſen ſte durch die wenigen Bauern bauen, und viel Land liegt gar vernachlaͤßigt. Da ſchauet einmal natuͤrlich der Bauer zuerſt, daß ſeine eigene Guͤter zu rechter Zeit und gut gebauet werden, und erſt hernach kommts an die Zauner: und Stadtgänger, Güter, deren Eigenthuͤmer den Bauern in ihren harten Arbeiten, ſelbſt in den groͤßten ſchlechte Hilf leiſten, und alſo von den Bauern auch nicht mehrere Sorgfalt fordern koͤnnen. Dieſem Uebel abzuhelfen iſt freylich, wie ihr ſelbſt mer; ket, kein anderes Mittel, als daß mehr Leute daheim blei⸗ ben und wenigere in die Stadt laufen wurden, und da ſollte doch ein jeder wohldenkende Haus vater, der Güter hat, zu allererſt trachten dieſe zu beſorgen, und von ſei⸗ nen Hausgenoſſen nur ſo viel in die Stadt gehen laſſen, als er beym Guͤterwerk wohl entbehren koͤnnte. Da kann * keine oberkeitliche Verordnung helfen, ihr muͤſſet felbft bes fen, ihr muͤſſet und ſolltet bedenken, daß es freylich eine ſchoͤne Sach ſeye, ſo wochentlich ſeinen baaren Lohn aus der Stadt heim zu bringen, und daß die Kaufherren in der Stadt euch nicht wohl entbehren koͤnnen, aber ihr ſolltet noch mehr bedenken, wie ein unſicheres Brodt ihr auf ſolche Art gewinnet, wie der Wochenlohn im mer gleich, aber der Preis der Lebensmitteln, die ihr kaufen muͤſſet, ungleich feye , wie in theuren Zeiten der Gutermann allezeit etwas zu eſſen habe, aber der Stadtgaͤnger alsdann mit feinem baaren Geld wenig aus⸗ richten koͤnne. Wie es viel beſſer ſeye, Wein und Brod und Milch und Lebensmittel ſelbſt zu pflanzen, als aus der Fremde von der dritten Hand zu kaufen — freylich iſt es leichter in der Stadt mit aufrechtem Rucken ſein Geld zu an die ehrſ. Gemeind Altſteten. 375 gewinnen, und am Schatten ſtehen, oder in der war⸗ men Stube ſitzen koͤnnen, als entweder in der Sommers— hitz auf dem Feld faſt verbraten, oder im Schnee beym Holzen und Schlitten faſt verfrieren zu muͤſſen, welches vom Guͤterwerken unzertrennlich iſt. Aber wann ihr dann euere Lebensart mit der Bauern » Lebensart vergleichet, fo muͤſſet ihr doch die groſſe Ungelegenheit auch empfinden, ſo alle Tag fruͤhe und ſpaͤt als arme Muͤdlinge bey Wind und Wetter, bey Regen und Schnee und Kaͤlte nach der Stadt hin- und herzugehen, in naſſen Kleidern oft den ganzen Tag zu bleiben, in feuchten Gemaͤcheren zu frieren, oder in der Stadt herumzupoſten, und ſo wie Knechte oft bey wunderlichen und ſelzenen Herren euere Tage zuzu— bringen, wenig Warmes zu eſſen, euere Geſundheit zu ſchwaͤchen, und zuletzt nichts weiter herfuͤrzubringen, als daß ihr weiſſeres Brod eſſen, und mit dem ſo beliebten Caffee Getraͤnke, mit ſcheinigeren und hoffaͤrtigeren Kleis dern den Wochenlohn wieder durchbringen, den Wirthen den beßten Profit geben, und am End nichts vorſchlagen koͤnnet. Knechte und Dienſtleute, ſind ſolche Stadtgaͤn— ger, die ſich um ihre Guͤter nicht bekuͤmmern, und nur auf beſſer Eſſen und Trinken ſehen, Knechte ſind ſie und nicht freye Landleute. Da hergegen die Bauern ihre eigenen Herren und Meiſter ſind, ſich von niemandem als der Oberkeit befehlen laſſen muͤſſen, keinen ſelzenen Herren zu Gebot ſtehen; ihr eigen gwachſenes Brod eſſen — in der Zeit der Noth Vorrath haben, allezeit genug Speiſe finden; nicht in Haͤuſern von Händen gemacht, in ſtinkenden Geis denrädern , Truckerſtuben, naſſen Farbhaͤuſern, ſondern auf Gottes freyer Erde, in geſunder Luft ihre Tage zubrin⸗ gen, bey Weib und Kindern bleiben, und bey mäßiger Ars beit und kluger Abtheilung jaͤhrlich fuͤrſchlagen, ihre Guͤter auf einen höheren Werth bringen und ihre Kinder auf und mit denſelben wieder verſorgen konnen; weil ſie die Verſu⸗ * * 376 Zuſchrift d. phyſſk. Geſellſchaft in Zürich chung der Stadtgaͤnger, alles den Schenkhaͤuſern zuzubrin— gen, nicht haben. Wann aber L. ehrſame Maͤnner! die Sachen nicht auf einmal zu aͤndern ſind, und ihr nur nach und nach meh— rere Leute zu dem Guͤterweſen wiedmen koͤnnet; und wir wohl geſpuͤren, daß unſere Stadtgewerbe euere Gewerbs— leute auch nicht uͤberall mangeln koͤnnten, ſo waͤret ihr doch mit Beybehaltung des Stadtverdienſts im Stand, euere Guͤter beſſer zu aͤufnen, wenn ihr nur wolltet. — Es koͤnnten namlich die Gewerbsleute von ihrem Wochen; lohn, anſtatt ſolchen meiſt zur Hoffarth und beſſer Eſſen und Trinken anzuwenden, auch etwas davon auf die Ver— beſſerung ihrer Guͤter wenden: Sie koͤnnten Aſche, Lumpen, Guͤllen (Jauche), auch ſelbſt Miſt und andern Abgang aus der Stadt kaufen, — und auf Wieſen und Aecker thun, da wir dann noch allezeit der Meinung find, daß es ſich bes ſonders im Winter gar wohl erleiden, und die Koͤſten austragen moͤchte, den Dung aus der Stadt in euere Gemeind zu führen. — Wenn man den Geldverdienſt aus den Gewerben wohl anwendet, ſo koͤnnen damit die Guͤ⸗ ter in den ſchoͤnſten Stand, und in eine verwunderungs- wuͤrdige Fruchtbarkeit geſetzt werden. Wo wird mehr aus den Gewerben verdient als in den Gemeinden Zuͤrich-See, und wo ſind die Guͤter in einem ſchoͤneren und vollkomm— neren Stand und Werth? — Ihr werdet ſagen, dieſe koͤn— nen auf dem See mit leichter Muͤhe allen Abgang aus der Stadt holen und damit baͤunen — aber euere benachbarte Gemeind Wiedikon kann's ja auch, und die um die Stadt gelegenen Gemeinden alle, welche auf der Achs aller Ars ten Dung durch die Stadt ins unterſte Sihlfeld und alſo ſo weit fuͤhren als ihr aus der Stadt in euere Guͤter zu fuͤhren haͤttet, und jene koͤnnen ja doch alle wohl dabey be; ſtehen, und bey dieſer groſſen Muͤhe giebts aus Taunern nicht ſelten wohlhabende Bauern. — Erſt wann ihr Pros an die ehrſ. Gemeind Altſtetten. 377 ben daruͤber gemacht, dann koͤnnet ihr wiſſen, ob es ſich erleiden moͤge oder nicht; — und je mehr der Abgang aus der Stadt geſucht und aufgekauft wurde, je mehr wurde f es geben „ denn die Burger wurden Sorge dazu tragen und ihn fleißiger zuſammenhalten. Indeſſen koͤnntet ihr euere Guͤter in beſſere Aufnahm bringen, auch ohne daß ihr noͤthig haͤttet, aus der benach— barten Stadt Dung zu kaufen. Wann ihr vorderſt eueren Wieſen und Matten auch mehr Bemuͤhung zuwenden wur— det, die der Beſchaffenheit des Lands angemeſſen waͤre. Wann ihr demnach die Verordnung der HHerren Ober— voͤgten über das unbedingte Weidrecht, und die Befchliefe ſung der Zelgen allſeitig mit Willen und klüͤglich befolget, von deren Nutzen mit der Zeit auch gewiß die dieſer guten Neuerung abgeneigteſten, noch uͤberzeugt werden. — Euer Viehſtand koͤnnte drittens verbeſſert und durch den daher erhaltenden mehreren Miſt aller Arten Guͤter geaͤuf— net werden, wann ihr ſaͤmtlich, ſo viel an euch ſtehet, die fo ſchaͤdliche Ausfuhr des Zeues und Strohes, hindern, und die ganze Gemeinde, die ſchon oft ergangene Verord— nung der Oberkeit zu halten ſich angelegen ſeyn, und kei— nen euerer Buͤrger unter keinerley Vorwand mehr dawi— der handeln lieſſet. Es iſt auch ein Hinderniß der Verbeſſerung in euerer Gemeind darin, daß das Waſſer zur Waͤſſerung der Wie— ſen nicht auf Tag und Stunden richtig vertheilt iſt; allein da kommt es nur auf euch an, daß ihr eine billiche und nach der Groͤſſe der daran ſtoſſenden Wieſenſtuͤcken eingez richtete Vertheilung des zum Waͤſſern bequemen Waſſers unter euch friedlich und mit Ausweichung aller Parthey— lichkeit und alles deſſen, was Eifer erwecken koͤnnte, ver— abredet , da dann nicht zu zweifeln iſt, euere HHerren Obervoͤgte wurde eine ſo billiche Verabredung mit Ober— keitlichem Anſehen beſtaͤtigen. 378 Zuſchrift d. phyſtk. Geſellſchaft in Zuͤrich Wit wollen euch aber zur Aeufnung euers Guͤterweſens überhaupt anrathen, daß ihr doch je mehr und mehr trach⸗ tet die abgelegnen Weiden, und dann beſonders das Wei— den auf den Zelgen und ſonſt an mageren Orten, abgehen zu laſſen, indem ihr alle uͤberzeugt ſeyn muͤſſet, daß mit dem Weiden auf magerem Boden der Miſt verſchleickt werde, das Vieh wenig Nahrung finde, und nie auf der Weid ſo geſaͤttiget werde, daß man es nicht noch hirten muͤſſe, wann es ab der Weid heimgeholt wird. Aber woher und woraus dann dem Vieh Futter zuthun, wenn wir es im Stall behalten ſollen, werdet ihr denken? Hierauf werden die Verſtaͤndigen aus euch ſelbſt am beß⸗ ten zu antworten wiſſen. Sie werden euch ſagen, pflan⸗ zet brav hollaͤndiſchen rothen Klee, ſo werdet ihr dem Vieh genug Futter, dabey ſtaͤrkeres Vieh, beſſere Milch und groͤſſere Miſtſtoͤcke bekommen. Und eben das iſts, was wir euch auch mit voller Ueberzeugung anrathen, und wor— über wir euch bitten wollen, doch nicht bey den erſten klei⸗ nen, und freylich im vergangenen auſſerordentlich trock, nen Sommer gar nicht gutgerathenen Proben ſtill zu ſtehen. Der Klee iſt eines der allernuͤtzlichſten und ergiebigſten Kraͤutern, mit deſſen Anbau das Margrafen-Land, das Elſaß und ſo viele geſegnete Laͤnder ihr Gluͤck machen, und womit auch ſchon ſo mancher in unſerm Land ſein Glück gemacht hat. Goͤnnet uns eine Weile Aufmerkſam⸗ keit, wir wollen euch den Nutzen des Klees und die Art, wie er am vortheilhafteſten gepflanzt wird, anzeigen. a. Der rothe hollaͤndiſche Wiefens Klee giebt ein ſehr ges ſundes für Stieren und Kälber ſehr nahrs und ſchmackhaf⸗ tes, fuͤr die Kuͤhe milchreiches Futter. Der Klee giebt ein uͤberſchwenglich geſegnetes Futter — er dient den Schwei nen in der groſſen Sommerhitz zur Abkuhlung — er ruͤchet und nuͤtzet das Land nicht aus, wie andere fette Pflan⸗ zen, er vertreibt das Gras in den Aeckern — er giebt eine * an die ehrſ. Gemeind Altſtetten. 379 halbe Baͤunung dem Feld — (Kein Halm weiſſes Stroh ſoll durch den Kleebau verlohren gehen) — und erſpart zwey Ackerwerke. Wie fo? Wollen wir's euch jetzt auch melden. b. Im getten + Boden kommt er nicht wohl fort, er wird gelb, wann die Hitz kommt — aber im Grieen, im Sand, im leichten Boden, im Haſſelgrund, und natuͤrlich auch im fetten guten Buͤndtenland kommt er am beßten. Aber wann er alle vorerzehlten Vortheile bringen fol, muß er nicht auf abgelegne Aecker, nicht auf abgeſonderte Ein— faͤnge, und ja wohl nicht in der Abſicht geſaͤet werden, daß man aus einem Acker deſto eher eine Wieſe bekomme — ſondern der Klee muß in die Zelgen geſaͤet werden, wo ſolche beſchloſſen, und vom Weidrecht befreyet ſind. Er muß jeweilen in die andere, in die Roggen- oder Haber⸗ zelg geſaͤet werden; am ſchoͤnſten kommt er fort im Ha— ber — dann auch in der Gerſte, und im Roggen. Will man ihn im Roggen haben, ſo ſaͤet man ihn an- fangs Aprills, wann der Boden ahbar und keine ſcharfe Kaͤlten mehr zu befürchten find — allezeit aber im Fruͤh— ling, man ſaͤet ihn uͤber den Roggen-Saamen hin, noch ehe er in Halmen zu treiben anfangt — auf eine halbe Juchart braucht man 8 Pfund Saamen — und wenn man ihn gut machen will, ſtreut man bey feuchtem Wetter ein halbes Roͤhrli Gyps daruͤber. — Auf gleiche Weiſe ſaͤet man ihn in die Gerſte — will man den Klee in Haber ſaͤen, ſo miſchet man den Klee unter den angefeuchteten Haberſaamen, oder wann der Haber ſchon geſaͤet, oder ſchon aus dem Boden herfuͤr iſt: ſo ſaͤet man alsdann den Klee, und faͤhrt etwann mit einer Buſchel Doͤrn (anſtatt der Eggen) daruͤber. — Alsdann laßt man die Frucht, ſey's Roggen, Gerſten oder Haber reif werden, und 8 Tag nachdem die Frucht geſchnitten und aus dem Acker weg iſt, ſpaͤtſtens im Aus⸗ * 380 Zuſchrift d. phyſik. Geſellſchaft in Zuͤrich gang Heumonats, ſollte man dann den Klee noch einmal abmaͤhen koͤnnen, (verſteht ſich, daß ehe man ihn ſaͤet, die groͤbſten Steine abgeleſen werden.) Giebts ein guter Herbſt, ſo ſollte man, beſonders wo man den Klee fett haltet, in ſelbigem Jahr das andere mal eingraſen koͤnnen. In des Ackers Brachjahr, wo man ſonſt nichts daraus ziehen wurde, giebt der Klee den größten Nutzen. — Als— dann kann man ihn dreymal abmaͤhen, ſo daß wenn man mit dem in Kripf-maͤhen nach und nach zu Ende iſt, der zuerſt abgemaͤhete ſchon ſo viel nachgeſchoſſen, daß man ihn ſogleich wieder zu maͤhen anfangen kann. — Weil der Klee alles uͤberſchlagt, und den Boden deckt, ſo kann kein Gras oder Unkraut im Acker aufkommen — und weil er alles mit geraden Wurzeln durchwurzelt, und aus der Luft vieles in die Erde fuͤhrt, ſo macht er den Boden ſo locker, daß es nicht noͤthig iſt zu brachen und zu wenden, (oder Falgen kehren,) ſondern man es kecklich blos bey dem Saͤet⸗Ackern gelten laſſen darf. — Da muß man dann aber mit dem Klee nicht geitzen, und alles noch abſcha—⸗ ben wollen, bis auf den Boden; ſondern man muß ſich nicht reuen laſſen, noch einen ſchoͤnen Schuß unterzuackern, nachdem man vorher den Miſt darauf verzettelt hat. — Dann auf ſolche Weiſe giebt der untergeackerte mit dem Miſt verfaulende Klee eine halbe Baͤunung, und man er⸗ ſpart zwey Ackerwerk — und ſo gewinnt man ſein Korn, feinen Roggen oder Haber oder Gerſten, wie fonft und nes ben ein nach, und im Brachjahr den vollen Klee Nutzen, da dann aus einer halben Juchart Kleeland im Brach jahr füglich die größte Kuhe, ja man darf kecklich ſagen, zwo geſoͤmmert werden mögen. — Wir dürften auch beynahe verſichern, daß wann der Klee, auf ſolche Weiſe Ordnungs⸗ maͤßig geſaͤet, und nicht bis in's dritte Jahr ſtehen gelaſ⸗ fen, ſondern im andern untergeackert wird, der Landmann vor Auflegung eines Zehenden⸗Erſatzes, welches er ſonſt 1 an die ehrſ. Gemeind Altſtetten. 381 fuͤrchtet, ſicher ſehe. Wie dannethin der Klee zum Eins graſen in die Kripfe und grün fuͤtteren ſehr gut iſt, fo kann man denſelben auch gar wohl doͤrren, und wie das Heu und Emd anf den Winter zum Futter aufbehalten, wie an andern Orten mit Nutzen geuͤbet wird. — Auch iſt zu erweiſen, daß auf ſolche Weiſe nicht nur das fuͤr Saa— men und Gyps ausgelegte Geld (ſo ſich fuͤr eine halbe Juchart auf 5 fl. belauft) vollkommen am Klee erfegt, ſon— dern noch ein ſchoͤnes dabey zum Profit gemacht werde. Dieſe Nutzbarkeiten, die wir aus vielfaͤltiger Erfahrung kennen, ſind ſo viele Gruͤnde, um derenwillen, wir euch die Kleeſaat in die Zelgen beßtens empfehlen, mit der Ue— berzeugung, daß es keinen, der dieſen guten Rath, mit Klugheit befolgt, deſſen gereuen werde. Sollte dem ein oder andern diesfalls noch etwas zwei— felhaft ſeyn, der kann nur diejenigen Kleeäcker in Augen— ſchein nehmen, die allernaͤchſt um die Stadt zu ſehen ſind, und derſelben Meiſter werden ihn noch vollends von dem groſſen Nutzen deſſen uͤberzeugen — und wer noch weite— ren Bericht über das Pflanzen, oder die gewahrſamliche Verfuͤtterung des Klees mit dem Viehe verlangte, dem ſind wir allen guten Rath daruͤber zu ertheilen erbietig. Und da ihr E. L. Landleute in euerem Gemeinds-Be— zirk viel naſſe, mooſigte und unter Waſſer liegende Wieſen habet, da der Dung nicht einmal anſchlaͤgt, und welche nur geheuet nicht aber geemdet werden koͤnnen — fo geben wir euch zu bedenken, ob ihr nicht dieſe leimigten Wieſen mit Ueberfuͤhrung grienichter Erde, ja mit bloſſem Grien aus den Baͤchen verbeſſern koͤnntet, weil das Grien dem Waſſer einen Abzug giebt, und nach und nach in den Bo— den ſich verſenkt. — Wie ſolches anderſtwo mit dem befs ten Erfolg vorgenommen worden iſt — auch koͤnntet ihr dieſe naſſen Wieſen mit Bandſtoͤcken beſetzen, oder mit Saarbachen-Aeſten reihenweiſe beſtecken, welche leicht ans 382 Zufchrift d. phyſtk. Geſellſchaft in Zuͤrich wachſen, durch ihre Wurzel das Land austrocknen, durch ihre Blätter bald einen heilſamen Schatten geben, und in wenig Jahren ſchon geſtuͤckt und abgeholzet werden moͤ— gen, alſo daß dadurch die Wieſen getrocknet, die Gras— arten verbeſſert, aus den Banden ein Geld- und aus den Stauden der Saarbachen ein Holzgewinnſt gezogen wer— den koͤnnte, der nicht unbetraͤchtlich iſt. — Auch hiervon koͤnntet ihr belehrendes Exempel auf einer ſumpfichten Wie ſen an dem Binzbach bey Oehrliken ſehen. Wenn das Alte nicht mehr gut iſt, weil Zeiten, Um— ſtaͤnde und Lebensart der Leuten ſich abgeaͤnder haben, ſo muß man auf neue und nuͤtzliche Erfindungen denken, und darinn den Gewerbsherren in der Stadt es ablernen, die, wenn die einte Art von Gewerb nicht gehen will, nur mit deſto mehr Luſt und Fleiß eine andere betreiben, und ſo immer auf Nutzen und Gewinn, auf Arbeit und Verdienſt denken. Ueber den Ackerbau haben wir euch nicht viel zu rathen, auſſer, daß wir glaubten, daß wo die Aecker gar naß und ſumpficht find, und die vielen Waſſergraͤben nicht hinrei— chen dem Waſſer Abzug genug zu verſchaffen, man doch auch probieren ſollte, das Land ſtrangenweiſe zu bauen, wie im Schwabenland uͤblich iſt, da in die Vertiefungen das Waſſer ſich hineinzieht, und die erhoͤhten Furchen trocken bleiben. In Betreff des Obſtwachſes koͤnnen wir nicht glauben, daß die Lage euerer Gemeind weniger gut zur Baumzucht ſeye, als euerer Nachbaren — wir glauben darum euch wohl zu rathen, wann wir euch anſinnen, auf Setzung mehrerer Obſtbaͤumen bedacht zu ſeyn, aber dann auch zu Saͤuberung derſelben von dem Ungeziefer mehr Fleiß an— zuwenden, da nicht der Foͤhn, der in das Bluſt wehet, ſondern das Ungeziefer, das bey dem Foͤhn deſto leichter * an die ehrſ. Gemeind Altſtetten. 383 aus feinem Geſchmeiß auskriechet, an Verderbung deſſel⸗ ben Schuld zu ſeyn ſcheint. Mit Verwunderung haben wir bemerkt, daß ihr ſo nahe bey der Stadt, und ſo in der Naͤhe von Hoͤngg und ſo in einem guten Weinberg, noch die Schleickreben beybehal— tet, da doch bey der Art des Weinrebenbaues, wie ihr ihn zu Hoͤngg vor Augen habt, gewiß eben ſo viel Wein, und dazu noch viel beſſerer und edlerer gepflanzt werden kann, als auf die alte und ungeſchickte Weiſe — auch dieſes wol— len wir euerer naͤheren Ueberlegung angeſinnet haben. Ein groſſer Segen iſt es fuͤr eine Gemeind, wenn ſie mit Waldung und Holz wohl verſehen iſt — und daran habt ihr, wie wir mit Freuden vernohmen, keinen Mans gel. Aber damit dieſer von der Natur euch beſcherte, von der Sparſamkeit und Sorgfalt der Alten euch hinterlaſſene Schatz nicht abnehme, ſondern eher wachſe, erinnern wir euch doch allen Fleiß auf die kluge Beſorgung und Beſchir— mung euerer Waldungen zu wenden. Allermeiſt ſollte man ſich angelegen ſeyn laſſen, die jun— gen Anfluͤge des Tann- und Forrenholzes beſſer zu ſcho— nen, man ſollte das Vieh nie darein laufen und weiden laſſen — nicht nur 8 ſondern 10 und 15 Jahre ſollte alles junge Holz dem Weidviehe verſchloſſen ſehn — denn der Schaden, den das Vieh mit Zerſtampfen der jungen Foͤrli und Taͤnnlinen, und mit Abfreſſen der Schoffen verurſacht, iſt beträchtlicher als man glaubt. Die Vorgeſetzten ſollten es auch nicht dabey bewenden laſſen, daß ſie die Haͤue zeigen, und ausgeben, wie ſie dem Kehr nach folgen, ſollten dabey noch nicht ihre Pflicht erfuͤllt glauben, wann ſie nur ſorgen, daß man mit den Haͤuen nicht zu fruͤhe herumkomme, ſondern ſie ſollten ſich auch befleiſſen zu wiſſen, wie groß ein jeder Jahrhau am Maͤß des Landes und der Weite ſeye, wie viel Klafter Holz ein Jahrshau gebe — und vornemlich ſollten fie darauf Acht * 7 334 Zuſchriſt d. phyſik. Geſellſchaft in Zürich haben, was fuͤr Arten von Holz in jedem Hau ſeyen. Sie ſollten das ſchlechtere Holz, als Aſpen, Wyden nach und nach ſuchen abgehen zu laſſen und darauf bedacht ſeyn, haͤrteres und beſſeres Holz, vornemlich das Buchene in den Laubhaͤuen zu befoͤrdern, und ihm herfuͤrzuhelfen. Denn die Afpen und Wyden wachſen wol ſchneller als das harte Holz, find aber nicht halb fo viel werth. — Die Vorgeſetz— te ſollten jahrlich alle Holzungen der Gemeind umgehen und beſchauen, und wo ſie leere Plaͤtze antreffen, ſollten fie ſolche im Tannholz mit jungen Taͤnnlinen beſetzen, im Laubholz im Fruͤhling mit Buchnuͤßlenen beſtreuen, um ſo dem beſſeren Holz aufzuhelfen. a Es iſt zwar gut, daß ihr in den Haͤuen die Eichen uͤber— ſtehen laſſet, aber euere Sorgfalt ſollte noch weiter gehen, ihr ſolltet die Aeſte aufſtutzen und abſchneiden, theils das mit ihr hohe und gerade Staͤmme bekaͤmet, theils damit der junge Hau, durch das Abtropfen von den Aeſten der Eichen, und durch die Vorenthaltung des Thaues nicht am Wachsthum gehindert werde. — Und obgleich euere bey unſerer Geſellſchaft geweſene Maͤnner die Vorſtellung zwar gruͤndlich befunden, daß es gut und nuͤtzlich waͤre, wenn man in den Gemeinden lauter duͤrres Holz brennen und zu dem End hin allezeit einen Jahrgang und Hau voraus haben und aufgemacht im Holz ſtehen laſſen koͤnnte, ſie aber uns gezeiget, wie ſchwerlich ſolches zu erhalten waͤre, da entweder das aufgemachte Holz geſtohlen wuͤrde, oder die Weiber dann nur mehr Holz verbrennen wurden, wenn ſie mehr vorraͤthiges hatten, fo koͤnnen wir doch nicht ums hin, euch zu erinnern, daß ihr trachtet ſo viel moͤglich nur durres Holz zu brennen, weil man beym gruͤnen Holz mehr braucht, und doch nicht ſo warme Stuben damit machen kann, wie von dem duͤrren. } Wir haben auch bey euern zu uns gekommenen Maͤn⸗ nern nachgefraget, ob ihr kein Turbenland in euerer Ges meind . * an die ehrſ. Gemeind Altſtaͤtten. 385 meind habet, und obſchon wie von ihnen berichtet worden, daß nur weniges unten an dem Kirchenbuͤhl zu finden ſeye; ſollte es ſich doch wohl erleiden moͤgen, den Turben nach— zuforſchen, da man dem Waſſer allzeit fo viel Abzug ges ben koͤnnte, als zum Graben noͤthig, hernach gaͤben die ausgegrabenen Plaͤtze, in denen ſich das faule Waſſer wie— der ſammelt, entweder Streuiland, oder mit der Zeit wur— den wieder Turben da wachſen. — Indeſſen iſt es freylich auch nicht uͤbel gethan, wenn man dieſen Schatz, der al— lenfalls unter der Erde liegen moͤchte, auf kuͤnftige Zeiten, wo das Holz noch geſuchter werden koͤnnte, ruhen laßt. Wir haben uns nicht minder ab dem Bericht verwun— dert, daß ihr in eueren Staͤllen noch keine fogenannte Kuͤ— hegraͤben habet, da doch die Gemeinden ob der Stadt, wo ſo viele reiche Bauern wohnen, die ſo koſtliches Vieh haben, die Einrichtung in allen Staͤllen gemacht. Ver— gebliche Sorge habet ihr, daß das Vieh ſich in dieſen Graͤben mißtrette, man weiß hievon aus denen Orten, wo die Kuͤhegraͤben uͤblich, faſt keine Exempel von Ungluͤ— cken, die daher gekommen, wol aber gewinnen die Leute mit dieſen Graͤben viel mehr Guͤllen, und der Miſtſtock faulet geſchwinder, verbruͤnnt nie, und wird auch der Miſt weniger taub. — Wegen den Vieh-Ungluͤcken haben etliche Freywillige bey euch eine gute Verordnung gemacht, nach welcher bey etwann ſich ereignenden Ungluͤcken (die Gott abwende) den Schaden mehrere einander tragen helfen. — Aber wir wuͤnſchten, daß dieſe Einrichtung allgemein bey euch waͤre, und ihr ſie darin verbeſſern wurdet, daß ein jeder der Viehe haltet, von jedem Stuck jaͤhrlich ein gewiſſes ſteuerte, es möchte ein Unglück vorfallen oder nicht, damit fo daraus ein Guͤtlein entſtehen wurde, woraus im Nothfall geholfen werden koͤnnte, ohne daß man dann im Fall ſelbſt erſt ſteuern und zuſammen legen muͤßte. jagaz. f. d. Naturk. Selvetiens III. 5. Bb 386 Zuſchrift d. phyſik. Geſellſchaft in Zurich _ Endlich, da wir vernommen haben, daß das Erdapfel, Pflanzen von Jahr zu Jahr bey euch abnehme; ſo koͤn⸗ nen wir euch unſere Wehmuth und Unzufriedenheit hieruͤ— ber nicht genugſam ausdruͤcken. Wir wiſſen die Schwie⸗ rigkeiten wohl, um deretwillen man die Erdapfel nicht ſo gern in die Zelgen ſaͤet, wiſſen auch, daß der ſchwere und zaͤhe Boden nicht ſo tauglich dazu iſt — aber man hat ja noch viel Land, das nicht in den Zelgen liegt, — hin und wieder koͤnnte man aus ſo vielen Weiden, die ihr habt, neue Aufbruͤche machen, wo die Erdaͤpfel ja am beßten ge deihen — oder es hat bald ein jeder ein Aeckerlein oder allein gelegenes Stuͤcklein Land, welches zu den Erdaͤpfeln gut waͤre, und das man damit bepflanzen koͤnnte, die Erdaͤpfel ſchaden dem Kornbau nichts — man muß auch dem Korn. land keinen Miſt entziehen und den Erdaͤpfeln geben — da der Scharmiſt, halbfaules Holz und Sagſpaͤn und an— dere kurze Waar, zuletzt auch bloffe neue Erde, ein gutes Dungmittel dazu ſind, und alles zu den Erdapfeln taugt, was nur immer den Boden locker machen kann. Die Muͤ— he und Arbeit, die man darauf verwenden muß, iſt auch ſo groß nicht, und andere Feldarbeit leidet nichts dabey. — Die Erdapfel ſind ja eine Frucht, die doch faſt alle Jahr mehr und minder gerathet, die vom Hochgewitter und der Gefroͤrne nichts leidet, und fuͤr Menſchen und Vieh eine ſchmack⸗ und nahrhafte, geſunde und wolfeile Speiſe iſt, die gut eſſen iſt, auch ohne Schmalz, und wann fie gezeu⸗ get wird, eine delicate Speiſe abgiebt. Wir haben gemeint, die theuren Jahre ſollten nicht ſo vergeſſen ſeyn, wo Gott unſer Land mittelſt der Ecdapfeln vor Hunger bewahret, den andere Laͤnder erlitten haben, in denen man wenig Erdapfel hatte — und wir glauben und hoffen auch, daß der Futtermangel dieſes verwichenen lang— wierigen Winters manchen werde an die Erdapfel erinnert haben — hatte ein jeder dergleichen im vergangnen Jahr N. an die ehrſ. Gemeind Altſtaͤtten. 387 gepflanzt, ſo haͤtte man gewiß nicht den Centner Heu mit 3 fl. bezahlen oder zu dem aͤuſſerſten ſchreiten und Frucht und gedoͤrrtes Obſt dem Vieh geben muͤſſen. Dergleichen Jahre ſollten doch die Menſchen lehren eine ſo groſſe Gut— that Gottes, wie die Erdaͤpfel ſind, beſſer ſchaͤtzen, und mit mehr Dankbarkeit pflanzen. Wir ſind auch der guten Zuverſicht, daß es geſchehen werde, und wollen euch beßt— gemeint anſinnen, dahin in euerer Gemeind zu trachten, daß eine Haushaltung Tauner und Bauer etwann auch ein halben Vierling Land mit Erdapfeln bepflanze, damit Menſchen und Viehe, doch auch im Boden Speiſe und Futter und Winter-Vorrath haben, der Jahrgang mag dann wegen dem Korn in Gottes Namen kommen wie es will, dieſer bedenkliche Winter mag dann ein Vorbott ſeyn, wovon er will, und die fremde Zufuhr mag dann mehr oder weniger nuͤtzlich ſeyn. Es iſt ein fündlicher Hochmuth an den Bauern, und ein ſuͤndlicher Uebermuth und Meiſterloſigkeit an den Taunern, wann ſie die Erdaͤpfel verachten, geringſchaͤtzen und ihre Pflanzung vernachlaͤßigen; wer den Armen verachtet, ver— achtet ſeinen Schoͤpfer — und wer dieſen fuͤr Arme und Reiche in der Zeit der Noth und des Gluͤcks ſo wichtigen von Gott uns angewieſenen Erdſchatz verachtet, der ver— achtet auch die Vorſehung, die ihn unſerem Land hat be— kannt werden laſſen, und womit ſie uns ſchon einmal aus der Hungersnoth geholfen hat. N Aber das ſind eben die leidigen Folgen von dem taͤg⸗ lich in der Stadt verdienenden baaren Geld, daß man ſich deſſen nicht begnuͤgt, was Gottes Vorſehung einem jeden nach feinem Stand beſtimmt hat. Der Ringſinn und Hof farth, und die Begierd nur gut eſſen und trinken wollen, ohne auf die Guͤter, und auf einen Vorrath etwas zu ver— wenden und zu ſparen. — Da verachtet der Stadtgaͤnger das ſelbſt gebackene Bauern-Brodt, und will alle Tag nur 388 Zuſchrift d. phyſ. Geſellſchaft in Zürich ꝛe. unbeſchuͤßiges Beckenbrodt eſſen, und die Erdaͤpfel, dieſe auf den vornehmſten Herren-Tiſchen geſchaͤtzte Speiſe, ſind ihm nicht mehr gut genug — Selbſtgepflanzte Wein und Milch und Gemuͤß verachtet er, weil er ſich und feine Kin⸗ der an das aus fremden Ländern uͤber's Meer gekommene Caffee⸗Getraͤnk gewoͤhnt hat. — Dieſes ſagtet ihr uns ſelbſt von euerer Gemeind, und muͤſſet die Wahrheit davon erkennnen, wann ihr die ke, bensart der meiſten euerer Leuten bedenket. — Wie wehe uns dieſes thut, koͤnnet ihr auch wohl denken, da dieſes alles die Beſſerung euerer Guͤter, und die Vermehrung euers Wohlſtands ſo ſehr hindert, der uns doch ſo ſehr am Herzen liegt, und woruͤber wir euch ſo gerne rathen und helfen wurden. — Schlaget dieſe gutgemeinten Einnerungen nicht in Wind, verachtet unſere treuen Raͤthe nicht — dann euere Landes» väter, euere Obrigkeit iſt hieruͤber mit uns eines Sinnes, und euere bey uns geweſene Mitbürger koͤnnen euch erzeh⸗ len wie Ihro Gnaden Herr Burgermeiſter — wie die Zochgeachten Zerren Seckelmeiſter, euere Zerren Obervoͤgte euch verſichert, daß eben dieſes auch ihre Mei⸗ nung und Wunſch ſeye. — Schließlich wuͤnſchen wir euerer Gemeind zu allen guten Anſtalten, und euer einem jeden zu feinen nutzlichen Ums ternehmungen Gottes-Segen — anerbieten euch unſere beßtgemeinten Käthe und Zuneigung, indem wir euers Zutrauens und euerer Folgſamkeit gewaͤrtig find, — Vd er alas verſchiedene E r 5 e vorzüglich die e, auf eine neue Weiſe zu probieren. Von Hrn. Direktor Exſchaquet zu Servoz im Faucigny. * 390 Kupfererze auf eine neue Weiſe zu probiren. Von einer neuen Manier, allerhand Arten von Erzten auf dem trocknen Wege zu probiren. Die neue Probierart, die ich hier vorſchlage, hat 'fol⸗ gende beträchtliche Vorzuͤge vor allen andern in Rück ſicht auf die Behandlung verſchiedener Arten von Erzten. 1.) Das Verkalchen und Verfluͤchtigen des Schwefels er; folgen dabey zu gleicher Zeit, wo die Erze ſelber in Fluß gerathen, ſie geſchehen mit der groͤßten Genauigkeit und faft in einem Augenblick. 2.) Die Verſuche koſten wenig’, und ſind in kuͤrzerer Zeit vollendet. 3.) Das Produkt von einer jeden Art Bley oder Kupfererz iſt großer, wenn dieſelben Schwefel, Blende, Eiſenkies, Spießglas — und zwar alle dieſe Materien zuſammen, oder jede der— ſelben beſonders und einzeln mit ſich fuͤhren. 4.) Die Probierung der ſogenannten rebelliſchen oder ſtrengfluͤßi— gen Erzen iſt völlig, oder beynahe eben fo leicht, als die gewoͤhnliche Behandlung der leichtfluͤßigen; ja, je ſtreng⸗ flüßiger dieſelben find, deſto größer iſt der Produkt, in Vergleichung mit demjenigen, der bey der gewoͤhnlichen Probierart von ihnen erhalten wird. Es giebt ſogar gewiſſe Gattungen von Erzen, von denen ich faſt gar einen doppel⸗ ten Gehalt an Metall bekomme. Auch der kleinſte Antheil Kupfer, der in einem Bleyerz befindlich iſt, geht bey die— ſem Verfahren nicht zu Grunde, da doch die uͤbrigen Ma⸗ terien, fo darinn enthalten find, alle zerſtoͤrt und kver⸗ ſchlackt werden. Der Salpeter ſpielt die Hauptrolle bey dieſer meiner Verfahrungsart. Die große Leichtigkeit, mit welcher er . Von Herrn Direktor Exſchaquet. 391. den Schwefel in den Erzen, und das Brennbare in vie len Metallen zerſtöͤrt, fo wie auch die Eigenſchaft, die er beſitzt, verſchiedene metalliſche Subſtanzen in einem ſol— chen Grad zu verkalchen, daß ihre Erden fich nicht wies der herſtellen laſſen, ſondern durch das Hinzufuͤgen ſol— cher Salze, die beym Schmelzen als Fluͤſſe gebraucht werden, ſich verſchlacken. Dieſe Eigenſchaft, ſage ich, leiteten mich ganz natuͤrlich auf die Gedanken, daß wahr— ſcheinlich, wenn man gewiſſe Erzarten auf eine angemeſ— fene Art durch Salpeter ihres Schwefels berauben und kal—⸗ ziniren, und nachher durch ein wirkſames Hilfsmittel wies der herſtellen wuͤrde, man ſich ein weit groͤßeres Gehalt an Metall auf dieſe Weiſe zu bekommen, verſprechen duͤrfte, als auf die gewoͤhnliche Manier, bey welcher das Verkalchen langſam und ein anders als hoͤchſt uns vollkommen von ſtatten geht, wo alſo auch die fremd— artigen mit dem Metalle verbundenen Materien, die fluͤch— tiger als es ſelber ſind, bey einer langſamen Schmelzung einen Theil des Metalls, das ſich mit ihnen verflüchtis get, zu Grunde richten, wie es die Erfahrung genugſam lehrt. Die Eigenſchaft, die der Salpeter beſitzt, die Me— talle uͤberhaupt zu verkalchen, und die Grunderden von einigen der Wiederherſtellung unfaͤhig zu machen, war ſchon ſeit langer Zeit bekannt; ich glaube aber nicht, daß bey der Probierung der Erze ein Metallurge jemals einen andern Gebrauch von dem Salpeter uͤberhaupt gemacht habe, als inſofern man ſich ſeiner als eines Fluſſes und Hilfsmittels bediente, inſonderheit wenn man ihn mit Weinſtein hatte detoniren laſſen, um den ſogenannten ſchwarzen Fluß daraus zu bereiten. Ich habe eine große Menge von Verſuchen, tba heit mit verſchiedenen Bley, und Kupfererzarten, anges ſtellt, bey denen ich mich des Salpeters bedient ha— be , und allemal mit größerer Leichtigkeit mehr Me € * a % 392 Kupfererze auf eine neue Weiſe zu probiren. tall als durch die gewoͤhnliche Probierart von ihnen erhalten. Zur Probierung eines grobkoͤrnigen oder ſehr reichen Bleyglanzes nimmt man eine Unze nicht kalzinirten Bley glanzes, thut anderthalb Unzen Salpeter dazu, zerſtoßt alles mit einander, macht einen Schmelztiegel von ge— nugſamer Groͤße leicht gluͤhend, thut die Miſchung nach und nach iu verſchiedenen Theilen, oder auch alles zu— ſammen darein, wofern nemlich der Tiegel groß genug iſt, fo daß die Materie bey der Verpuffung des Salpe⸗ ters nicht uͤberlaufen kann, und nimmt ſich zugleich in Acht, baß nicht etwa Kohlen in den Tiegel fallen. Nach der Detonation der Miſchung faͤhrt man fort, die Ma— terie noch einige Minuten lang gluͤhend zu erhalten, da— mit der Ueberſchuß des Salpeters Zeit genug habe, die letzten Portionen des Schwefels zu zerftören. Man muß aber Sorge tragen, daß der Grad der Hitze niemals zu ſtark werde, weil ſonſt das verkalchte Bley leicht ſchmel— zen, und zu einem Bleyglas werden koͤnnte, das den Tiegel angriefe, und überhaupt die Reduktion des Mes talls langſamer und ſchwerer machen würde. Nach der Verkalchung des Erzes muß man das Me⸗ tall aus demſelben wieder herſtellen. Dieß geſchieht vers mittelſt eines Fluſſes, der aus einer Unze rohen Wein⸗ ſteins und einer Viertel Unze gemeinen Kochſalzes zuſam— mengeſetzt wird. Man zerſtoßt nemlich beydes mit ein; ander, und thut es, auch nur nach und nach und in un⸗ terſchiedlichen Portionen, in den Tiegel, damit die Ma⸗ terie nicht uͤberlaufe, weil jedesmal ein betraͤchtliches Aufwallen entſteht, das aber bald wieder nachlaͤßt. Hat man allen Fluß hineingethan, fo muß man den Tiegel zus decken, und das Feuer noch ein wenig verſtaͤrken, um die ganze Miſchung wohl in Fluß zu bringen, unterhaltet fie dann in dieſem Zuſtand ungefähr eine halbe Viertel— Von Herrn Direktor Exſchaquet. 393 ſtunde lang, um den Bleykuͤgelchen Zeit zu laſſen, ſich zu ſammlen, worauf man endlich den Tiegel weg— nehmen kann. Die Verſuche mit ſtrengfluͤßigen Bleyerzen erfordern zu ihrer Behandlung bis auf zwey und ſelber drey Theile Sal— peter gegen einen Theil Erz; auch muß man nach der Ver— puffung die Materie ein wenig laͤnger gluͤhend erhalten, nachher das Feuer verſtaͤrken, und wohl gerade einen Drittel oder den halben Theil mehr Fluß zum reduciren, als bey einem leichtfluͤßigen Erz vonnöthen iſt, — doch nie auf einmal, ſondern immer nur nach und nach — hinzu— thun, auch uͤberhaupt die Materie ein wenig laͤnger wohl in Fluß erhalten. Die Verſuche mit Bleyerzen, welche mit einiger Gang- art vermiſcht find, erfordern dem Verhaͤltnis nach weni— ger Salpeter zu ihrer Verkalchung; hingegen muß man eine deſto groͤßere Menge des oben beſchriebenen Fluſſes hinzuthun, die hinlaͤnglich ſeye, um die Gangart gut in Fluß zu bringen. Und ſo verhaͤlt es ſich auch mit der Probierung der Kupfererzen; auch ſie erfordern zu ihrer Verkalchung mehr oder weniger Salpeter, je nachdem ſie mit mehr oder weniger Gangart vermiſcht find, Probierung eines mit sEifenties vermiſchten Kupfertieſes. Man nehme ein halbes Loth dieſes rohen Erzes, und eine Unze Salpeter, zerſtoſſe beydes zuſammen und laſſe dieſe Miſchung in einem gluͤhenden Tiegel verpuffen: Nach der Verpuffung wird ſich die Materie verhaͤrten, worauf man das Feuer ein wenig verſtaͤrken, und den Tiegel laͤnger gluͤhend erhalten muß, als beym Verſuch mit Bleyerz, weil die Verfluͤchtigung des Schwefels hier ſchwerer zu bewerkſtelligen iſt. Iſt dieſes geſchehen, ſo 394 Kupfererze auf eine neue Weiſe zu probiren. muß man das Feuer noch mehr verſtaͤrken, bis daß das Er; anfaͤngt zu ſchmelzen, worauf man zu wiederholten malen eine Miſchung von einer halben Unze Weinſtein und einem halben Loth Kochſalz, nebſt einem Antheil von Kohlen darein thun muß: Auch hier wird jedesmal ein Aufbrauſen erfolgen. Iſt aber endlich aller Fluß in dem Tiegel, ſo thut man noch eine Unze Schlacken, die kein Erz enthalten, oder Glas dazu; denn dies Hins zufuͤgen iſt beym Probieren eines jeden eiſenhaltigen Er⸗ zes vonnoͤthen, weil ohne daſſelbe das verſchlackte Eiſen den Tiegel angreifen, und bald zu Grunde richten wuͤrde. Sind die Schlacken in dem Tiegel, fo deckt man denfel; ben zu, verſtaͤrkt das Feuer, und unterhaltet daſſelbe ungefaͤhr eine halbe Stunde lang in ziemlicher Staͤrke, um das Kupfer dabey wohl in Fluß zu bringen. End— lich nimmt man den Tiegel aus dem Feuer, und findt, nach Zerſchlagung deſſelben, ein rothes, ſehr geſchmeidi⸗ ges Kupferkorn unter den Scherben. Die antimonialiſchen Kupfererze, (Kupferfahlerzt) welche ſich nach der ges woͤhnlichen Manier, ſo zu ſagen, faſt gar nicht behandeln laſſen, geben bey ihrer Probierung mit Salpeter eben ſo leicht ein rothes Kupferkorn, als die Kupferkieſe, fie md; gen nun viel oder wenig Eiſen beygemiſcht enthalten. Man befolget fuͤr die einten wie für die andern die gleis che Behandlung, die ich oben beym Verſuch mit Kupfer⸗ kieſen angezeigt habe. Vier Theile Salpeter auf einen Theil Kupfererz ſcheinen mir zur Probterung aller dieſer verſchiedenen Erzarten ſtets zureichend zu ſeyn: Nur muß man, wenn dieſel⸗ ben von der Gangart beygemiſcht enthalten, die Menge des Salpeters jedesmal im Verhaͤltniß mit jener vermins dern, weil dieſer im entgegengeſetzten Fall doch nur ver⸗ loren waͤre, und man dazu noch ſtets eine deſto größere Menge des wiederherſtellenden Fluſſes anwenden muͤßte, Von Herrn Direktor Exſchaguet. 395 ſowohl um den Ueberſchuß des Salpeters damit zu ver— puffen, als um das Metall ſelber zu reduciren. Es iſt nothwendig, bey der Probierung von allen Erg arten, daß man allezeit einen Ueberſchuß von Salpeter dazu nehme, und iſt auch leicht zu erkennen, ob die Ver— haͤltniſſe beyder gegen einander richtig geweſen ſeyen, oder nicht; denn wenn man die erſte Portion des reduciren— den Fluſſes in den Tiegel thut, ſo ſoll er den Ueber— reſt des Salpeters zuerſt verpuffen und aufzehren, in der Folge aber beym fortgeſetzten Hinzuthun nichts weiters als ein Aufkochen der geſchmolzenen Materie bewirken. Es ſcheint mir nicht unmoͤglich zu ſeyn, dieß Verfah⸗ ren noch weiters auszudehnen, und auch auf die Probie— rung von andern Erzarten mehr, z. B. auf die Scheidung des Eiſens von einem Kobolterz anzuwenden. Leuten, die die Kunſt verſtehen, kann es nicht unbekannt ſeyn, wie ſchwer es iſt, durch das gewoͤhnliche chemiſche Verfahren das Eiſen von einem Kobolterz zu ſcheiden. Da nun aber der Salpeter die Eigenſchaft nicht hat, auch dem Kobolt durch die Verpuffung die Wiederherſtellungsfaͤhig— keit zu benehmen, ſo ſcheint daraus zu folgen, daß, wenn man ein eiſenhaltiges Kobolterz verkalchen, nach ſeiner Verkalchung daſſelbe, um den Arſenik zu zerſtoͤren, mit einer gewiſſen Menge Salpeters vermiſchen, und alſo in Fluß wuͤrde kommen laſſen, hierdurch die Grunderde des beygemiſchten Eiſens der Wiederherſtellung unfaͤ— hig werden wuͤrde. Wuͤrde man hierauf noch von dem rebucirenden Fluß hinzuthun, fo bekaͤme man wahr, ſcheinlich nach einem genugſamen Schmelzen einen Ko— boltkoͤnig, der von dem in dem Erz enthalten gewe— ſenen Eiſen rein ſeyn wuͤrde. Dieß Verfahren wuͤrde weitaus weniger weitlauftig ſeyn, als die gewoͤhuliche 396 Kupfererze auf eine neue Weiſe zu probir. ꝛc. Sublimation des Kobolts mit Salmiak, oder die Be— handlung deſſelben auf dem naſſen Weg. Die Probie⸗ rung der Erze mit Salpeter beweist unter anderm auch, wie viel Metall, inſonderheit bey ihrer Ausſchmelzung im Großen, gemeiniglich verlohren gehe. Es waͤre zu wuͤnſchen, man koͤnnte eine Materie ausfuͤndig mas chen, die ſo wohlfeil waͤre, daß ſie bey ſolchen Schmel— zungen, anſtatt des Salpeters gebraucht werden koͤnnte. Man mürde dadurch auch ein wenig mehr Silber und Gold erhalten. e D—õR Neue Verſuche den eee eee ee ere, it aun und das eee e ee zu reinigen und von feiner Sproͤdigkeit zu befreyen. Vo n Herrn Hütten: Direktor Exſchaquet zu Servoz im Faucigny. 398 Neue Verſuche d. Stahl zuzubereiten :c. Handwerkern „ die auf Eiſen arbeiten, kann es nicht unbekannt ſeyn, daß es viele Abaͤnderungen in den Ei— genſchaften dieſes Metalls gebe, und daß man beynahe fo viele Gattungen deſſelben unterſcheiden koͤnne, als es Eiſenhuͤtten giebt, oder Haͤmmer, von welchen daſſelbe verarbeitet und zum Verkauf zugeruͤſtet wird. Im Stahl bemerkt man eine faſt eben ſo große Verſchiedenheit, als im Eiſen, und es waͤre allerdings zum Vortheil des Publikums zu wuͤnſchen, daß die Unternehmer dieſer Fabri— ken fich größere Mühe geben möchten, um dieſe bepden Metalle recht zu laͤutern und zu reinigen, als gewoͤhn— lich geſchieht. Man kann nemlich aus dem geringſten Ei⸗ fen ſehr gutes, und aus dem ſchlechteſten Stahl den bes ſten Stahl verfertigen; ja es ſcheint ſogar, daß man es mit ihnen beyden zu einem noch hoͤbern Grad von Vollkommenheit wuͤrde bringen koͤnnen, und daß bisher in unſere Eiſenhandlungen noch uͤberall kein vollkommen reines Eiſen zum Vorſchein gekommen ſeye, ſo wie man auch den Stahl bey weitem nicht ſo gut macht, als es moͤglich waͤre, ihn zu machen. Es ſind aber die Mittel, durch welche man dieſe bey— den Metalle zu einem fo hohen Grad von Vollkommen— heit und Reinigkeit erheben kann, in der That etwas weitlaͤuftig und koſtbar; und ich zweifle ſelber daran, daß man von Eiſen, das in jenem Grad gereiniget wor— den waͤre, einen Nutzen haben würde, der der Mühe | und den Unkoͤſten, die man darauf verwendet, und feis nem daraus entſtandenen hohen Preis das Gleichgewicht hielte. Nicht ſo verhaͤlt es ſich hingegen mit moͤglichſt vollkommenem Stahl, geſetzt auch, daß derſelbe ſehr theuer zu ſtehen kaͤme: Die laͤngere Dauer der daraus Von Hrn. Hütten- Direktor Exſchaquet. 399 verfertigten Werkzeuge, nebſt dem Umſtand, daß man beſſer mit denſelben arbeiten, und geſchwinder in der Ar— beit fortkommen kann, wuͤrden ſich gewiß immer gegen den niedrigen Preis eines ſchlechten Werkzeuges heraus— nehmen, mit dem man in der Arbeit faſt gar nicht fortz koͤmmt, das auch noͤthig hat, oͤfters ausgebeſſert zu werden, und das endlich im Gebrauch der Arbeiter auch eher ermuͤdet. Wenn es einem gelingen fol, Stahl in dem hoͤchſten Grade von Vol kommenheit zu verfertigen, fo muß man fuͤr's erſte völlig reines Eiſen dazu auswaͤhlen. Es hält aber ſchwer, und iſt auch koſtbar, ein ſolches zu erhals ten, groͤßtentheils wegen der nahen Verwandſchaft und der innigen Anhaͤnglichkeit, die gewiſſe fremdartige Thei— le, welche in groͤßerer oder kleinerer Menge ſich in allen Eiſenerzten vorfinden, zum Eiſen ſelbſt haben, von wel— chem ſie ſich zuweilen auch aͤußerſt ſchwer trennen laſſen. Die Guͤte der Kohlen, die Einrichtung der Oefen und die Leitung oder Fuͤhrung des Geblaͤſes beym Friſchfeuer, ſpielen aber eine nicht minder weſentliche Rolle dabey, und ſind ſchwer, gehoͤrig angeordnet zu werden. Ich ſetze, zum Beyſpiel, man laſſe bey vollem Wind und ſtarkem Feuer ein Stück faſerichtes und ſehr geſchmeidi— ges Eiſen ſchleunig einſchmelzen, und der Arbeiter halte daſſelbe waͤhrend der Arbeit unter den Luftzug vor der Form hingeſtreckt, ſo wird er ein bruͤchiges, koͤrniges Eiſen, ſtatt des Faſerichten und Geſchmeidigen, das es vor dieſer Arbeit geweſen war, bekommen; dieß koͤr— nichte Eiſen wird indeſſen leichter warm zu ſchmieden, und weicher unter dem Hammer, dagegen aber kaltbruͤ— chig und haͤrter ſeyn, und geſchickter zum zuſammen— wellen, (plus tendre à ſonder), als das faſerichte Eiſen. Mich duͤnkt hier, man koͤnne eine ſolche Verwandlung des faſerichten in ein koͤrnichtes Eiſen keiner andern Urs 400 Neue Verſuche d. Stahl zuzubereiten ꝛc. ſache, als der Kryſtalliſation ſeiner Theile, zuſchreiben, die ſich beym Erkalten, wegen dem ungleichen Verhaͤlt— niß des Brennbaren, auf eine ungleiche Weiſe zuſammen fügen. Beyde dieſer Gattungen find aber gleich geſchickt, um Stahl daraus zu machen, ſeys durch Schmelzen oder durch Brennen (cementiren.) Laßt man hingegen das gleiche faſerichte Eiſen abſchmelzen, und haͤlt daſſelbe waͤhrend der Arbeit dem Luftzug vor der Form zu ſehr ausgeſetzt, ſo wird daſſelbe mehr Abgang erleiden, und das Eiſen wird weich, aber ungeſchmeidiger und weni— ger zaͤh werden, als es vorher geweſen war, weil es nemlich zu viel von ſeinem Brennbaren verlohren hat, wodurch ein Theil ſeines Gewebes, oder der Faſern, die ſich dabey merklich verkuͤrzen, zerſtoͤrt wurde. Es wird in den Eiſenhuͤtten von den Arbeitern mageres oder verbranntes Eiſen genennt. In dieſem Zuſtande naͤhert es ſich dem verkalchten Eiſen, und iſt dann haͤrter zu ſchmieden und zuſammen zuwellen, als es vorher gewe— ſen war. Laͤßt mau endlich bey einem maͤßigen Feuer koͤrnichtes Eiſen wieder einſchmelzen, inſonderheit mit Kohlen von weichem Holz, und haͤlt daſſelbe waͤhrend der Arbeit weder dem Luftzug vor der Form zu ſehr aus— geſetzt, noch aber zu tief unter die Form niedergeſenkt, ſo bekoͤmmt es ſein Gewebe wieder, wie zuvor, ja es wird noch faſerichter dabey. Und ſo verhaͤlt es ſich nun auch mit gewiſſen Stahlarten, die ebenfalls, wenn man ſte bricht, ehe fie gehaͤrtet find, ein ſolches faſerichtes Gez webe auf dem Bruche zeigen, welches man in ein koͤr— nichtes Gewebe verwandeln kann, wenn man den Stahl in ſtarkem Feuer verarbeitet. Ich habe mehrere Unterſuchungen angeſtellt 5 um, wo möglich, die fremdartigen Materien ausfindig zu machen, welche die Natur der im Commerz befindlichen gemeinen Stahl: und Eiſenarten veraͤndern. Ich werde mich aber vor * Von Hrn. Huͤtten⸗Direktor Exſchaquet. 401 vor jetzt nicht bey der umſtaͤndlichen Beſchreibung diefer meiner Verſuchen aufhalten, ſondern nur die verſchiede— nen, jene Metalle veraͤndernden, Materien ganz kurz anzeigen. Erſtlich und gemeiniglich iſt es der Schwefel, welcher das gemeine im Commerz befindliche Eiſen dem bloſſen Roh- oder Gußeiſen mehr oder weniger aͤhnlich macht. Dieſem folgt der Arſenik; dieſem, wie ich glaus be, das Siderum oder Waſſereiſen, dieſem das Kupfer, vielleicht zuweilen auch der Nickel, und das Reißbley, (plombagine) (der Verfaſſer meynte wohl eher den Braunſtein), manchmal if es nur eine, manchmal aber mehrere dieſer Materien zugleich, die in groͤßerer oder geringerer Menge die Natur des Eiſens veraͤndern, und ſeine Guͤte vermindern, ſo daß ſich nothwendig eine un— endliche Verſchiedenheit in den Eigenſchaften dieſes Des talls vorfinden muß. Ich will einige derſelben anfuͤhren: Erſtlich, das Geſchwefelte oder durch Schwefel verun— reinigte Eiſen. Es zeigt in ſeinem Bruch ein Korn mit größern oder kleinern und ſehr glaͤnzenden Flaͤchen, iſt ſehr kaltbruͤchig, (ſoll wahrſcheinlich heiſſen, rothbruͤchig), (denn gemeiniglich halt man ja den Schwefel, oder beſ— ſer die Schwefelſaͤure, fuͤr die vornehmſte Urſache des Rothbruchs) laͤßt ſich aͤußerſt ſchwer zuſammen wellen, und ſpruͤhet im Feuer viel große und ſehr glaͤnzende Fun⸗ ken; es iſt leicht fluͤßig. Die zweyte Gattung, oder das arſenikaliſche Eiſen, zeigt auf dem Bruch ein feineres und minder glaͤnzendes Korn, als das mit Schwefel ver— miſchte, iſt aber eben ſo bruͤchig, und ſchweißt ſehr ſchwer zuſammen; auch es iſt leicht in Fluß zu bringen. Die dritte Gattung Eiſen, ſo wahrſcheinlich mit Waſſereiſen vermiſcht iſt, iſt oft, je nach den Verhaͤltniſſen dieſer Vermiſchung, im Bruch faſericht, d. i. fie zeigt ſchwaͤrz⸗ liche oder dunkelgraue Faͤden. Dieſe Gattung laͤßt ſich kalt und warm ſchmieden und gut zuſammen wellen; Magaz. f. d. Naturk. Helvetiens III. B. Ce. 402 Neue Vorſchlaͤge d. Stahl zuzubereiten ze. aber eben dieſelbe zeigt zuweilen, wenn ſie nemlich, wie ich ſchon angemerkt habe, anders war bearbeitet worden, auf dem Bruche auch ein graulichtes Korn von einem mat⸗ tern Anſehen, als das geſchwefelte Eiſen; in dieſem Falle laͤßt fie ſich dann bey einem geringern Grad von Hitze, als das faferichte, aber auch noch gut zuſammen wellen und ſchmieden; fie iſt aber kaltbruͤchig. Die vierte Gattung von Eiſen, ſo mit Kupfer vermiſcht iſt, zeigt auf dem Bruch ein faſerichtes Gefuͤge, gleicht beym erſten Anblick der vor⸗ hergehenden Gattung Eiſen, laͤßt ſich gut ſchmieden; aber hingegen nur aͤußerſt ſchwer und ſchlecht zuſammen wellen. Die letzte oder fünfte Eiſengattung, welche die beßte von den gewoͤhnlichen iſt, hat ein faſerichtes und hellgraueres Gewebe, als die andern Gattungen, zeigt auf dem Bru⸗ * che weiſſe und gleichſam verzinnte Fäden, koͤmmt groͤßten⸗ theils aus urſpruͤnglichen Eiſenerzten oder Eiſenſteinen, die von dem Magnet angezogen werden, iſt kalt und warm, unter allen die geſchmeidigſte, aber hingegen haͤrter zu ſchmieden, zu ſchweißen und zu ſchmelzen, als alle uͤbri⸗ gen Gattungen. Dem ungeachtet laͤßt ſie ſich vollkommen gut verarbeiten, leidet beym Schmieden auch weniger Ab⸗ gang, und ſpruͤht beym Schweißen nur kleine Funken ins Feuer. Ein Eiſenblech von dieſer Gattung iſt kalt, und ſaſt gar nicht zu brechen. Es giebt aber außer dieſen noch andere Eiſengattungen „ welche von mehrern dieſer fremdartigen Materien zugleich in größerer oder kleinerer Menge verunreiniget ſind; allein ſie ſind zu ſehr unter einander verſchieden, als daß man eine jede derſelben genau beſchreiben und beſtimmen koͤnnte. Ueberhaupt kann man fie zu den ſchlimmſten Eiſengattun⸗ gen zählen: Ja man darf, wie gefagt , ſogar ſicher anneh⸗ chen, daß man überall kein gewoͤhnliches Eiſen antreffe , das nicht in geringer Menge eine oder mehrere dieſer Ma⸗ terien enthalte. Dieſe fremdartigen Beſtandtheile haben Von Hrn. Hütten» Direktor Exſchaquet. 403 übrigens einen noch nachtheiligern Einfluß auf die ſchlim⸗ me Beſchaffenheit des Stahls, als aber des Eiſens. Ich will nun weiters anzeigen, was dieſe verſchiedenen Eiſengattungen fuͤr Eigenſchaften annehmen, wenn man ſie in Stahl verwandelt, und zwar durchs Brennen oder Cementiren, welches mir die vorzuͤglichſte Verfahrungsart zu ſeyn ſcheint, um Stahl zu machen; doch muß das Eis ſen, ſo man zu Stahl brennen will, allemal vorher bis zu einem gewiſſen Grad gereiniget worden ſeyn. Ehe wir aber zu dieſer umſtaͤndlichen Beſchreibung übers gehen, iſt es noͤthig anzumerken, daß der Grad der Hitze, bey der Verwandlung des Eiſens im Stahl, einen großen Einfluß auf ſeine Eigenſchaften habe. Ich will drey ſolcher Grade bey dieſem Verſuche unterſcheiden. Erſtlich, den kleinſten Feuersgrad, bey dem es moͤglich iſt, von allen Ei⸗ ſengattungen durchs Brennen Stahl zu erhalten. Der zweyte Grad iſt derjenige, wann das Eiſen bey einem ſo heftigen Feuer, als es aushalten kann, ohne zu ſchmelzen, zu Stahl verwandelt wird. Bey dieſem Grad iſt wenig gewoͤhnliches Eiſen geſchickt, einen Stahl zu geben, der ſich ſchweißen oder zuſammenwellen ließe. Der dritte Grad beym Stahlmachen iſt derjenige, wo man das Feuer ſo weit getrieben hat, daß das Eiſen im beygelegten Zuſatz ſchmelzt. Bey dieſem Grad iſt kein gemeines Eiſen geſchickt einen Stahl zu geben, den man ſchweißen und ſchmieden koͤnnte, wenn man ihm nicht zuvor ſeine Wildheit und Sproͤdigkeit zu benehmen geſucht hat. Verwandelt man nun geſchwefeltes Eiſen beym erſten dieſer Feuersgrade, in Stahl, fo erhält derſelbe die Eigenſchaft, ſehr leichtflͤͤßig zu ſeyn; waͤrmt man ihn bis zum Weißgluͤhen, ſo ſpritzt er große weiſſe und ſehr glaͤnzende Funken in die Luft; ſchmiedet man ihn in dieſer Hitze mit dem Hammer, ſo ſchleudert er ihrer eine noch groͤßere Menge von ſich; auch nur unter leichten Hammerſchlaͤgen zerfällt er in kleine Stüs 404 Neue Vorſchlaͤge d. Stahl zuzubereiten ꝛc. ke, ohne daß es moͤglich waͤre, nur den mindeſten Theil derſelben wieder zu einem Ganzen zu vereinigen oder zu⸗ ſammen zu ſchweißen. Etwas weniger erwärmt, laͤßt er ſich beſſer ſchmieden. Beym Haͤrten wird er ziemlich ſproͤ⸗ de, und bleibt überhaupt ſtets bruͤchig. Er laßt ſich nicht biegen, als wenn er gaͤnzlich, oder doch beynahe ganz wie⸗ der gewaͤrmt wird; und wenn man das gleiche Eiſen beym zweyten Grad der Hitze in Stahl verwandelt, ſo wird er noch ſchlechter dabey, und läßt ſich dann nicht mehr als äußerft ſchwer ſchmieden. Die zweyte Stahlgattung, fe beym erſten Feuersgrad aus arſenikaliſchem Eiſen erhalten wird, iſt auch von ſchlechter Beſchaffenheit; man kann ſie nicht wohl ſchweißen, und nur mit großer Muͤhe ſchmieden. Die dritte Gattung von entſchwefeltem aber mit Waſſer⸗ eiſen vermiſchtem Eiſen, das ein faſerichtes Gewebe hat, und warm und kalt geſchmeidig iſt, oder auch auf dem Bruche ein mattes Korn zeigt. — Dieſe Eiſengattungen geben beym erſten Feuersgrad einen gewoͤhnlichen Stahl, der den Hammer ziemlich gut vertraͤgt; lichtroth oder weiß⸗ warm geglühet läßt er ſich auch mittelmäßig gut zuſammen⸗ wellen; in der Schweißbige ſpruͤht er kleinere und minder blendende Funken, als die vorhergehenden Stahlgattungen. Nach der Ablöfchung muß man ihn durch Wärme wieder graͤulichblau, oder grau werden laſſen, ehe man ihn, ohne zu brechen, biegen kann: Und wenn man die gleichen Eis ſengattungen beym zweyten Grad der Hitze in Stahl verwandelt, ſo kann man ſie uͤberall nicht mehr, oder doch nur aͤußerſt ſchwer zuſammen wellen; ſie ſind dann ſehr ſproͤde nach der Haͤrtung, und ſehr leicht zu ſchmelzen, und haben auch nur wenig Leib oder Fe⸗ ſtigkeit, Die vierte, mit Kupfer Gerichte Eifengattung giebt ſchon beym erſten Grad der Hitze einen Stahl, den man Von Hrn. Hütten» Direktor Exſchaquet. 407 nicht mehr zuſammen wellen, und ſelbſt nicht anders als mit Muͤhe ſchmieden kann. Die fuͤnfte, oder beſte von den gewöhnlichen Eifengats tungen, ſo auf dem Bruche weiſſe Faſern zeigt, giebt hingegen ſchon beym erſten Grad der Hitze einen ſehr feſten und guten Stahl, der ſich vollkommen gut ſchweißen und ſchmieden laͤßt; er gewinnt beym Abloͤſchen auch eine ziem⸗ liche Haͤrte, und laͤßt ſich, ſo bald er durch Waͤrme wieder blau geworden, ſchoͤn biegen, erduldet auch weniger Ads gang beym Schmieden, als die uͤbrigen Stahlgattungen. Wird das gleiche Eiſen beym zweyten Grad von Hitze zu Stahl gemacht, ſo laͤßt ſich dieſer ebenfalls gut ſchweißen und ſchmieden; es erfordert aber bey dieſer Arbeit ſchon mehr Sorgfalt. Lichtroth gegluͤhet, faͤngt er an zu ſchweiſ⸗ ſen, ohne Funken zu ſpruͤhen, und weißwarm gemacht, wellt er ſich ſehr gut zuſammen, doch muß man im An⸗ fang nur ſanft auf ihn ſchlagen. Bey dieſem Grad von Hiz— ze ſpruͤht er kleine blaͤuliche Funken. Durch's Abloͤſchen ge⸗ winnt er eine große Haͤrte, und ſchmelzt leicht. Das glei⸗ che Eiſen beym dritten Grad von Hitze, bey dem es mit dem Zuſatz zuſammen ſchmelzt, giebt einen ſo ſproͤden und empfindlichen Stahl, daß man ihn überall nicht ſchweißen und ſelbſt nicht ſchmieden kann. Auch nur mäßig geglüs het, bricht er faſt wie Glas unter dem Hammer, es ſeye dann, daß man ihm durchs Anlaufen ſeine Sproͤdigkeit zuerſt etwas vermindere. Dieſe fuͤnfte Eiſengattung findt ſich in einem mehr und weniger vollkommenen Zuftande, Es iſt diejenige, aus welcher man den Stahl in England macht, und zwar bey einem Grad von Hitze, bey welchem er nach dem Abloͤſchen die hoͤchſte moͤgliche Haͤrte anneh⸗ men kann. Man kann dieſe Stahlarten oft faſt gar nicht, oder doch nur aͤuferſt ſchwer zuſammen ſchweißen. Die Art des Zuſatzes, fo wie der Grad der Hitze, und die Vers arbeitung derſelben unterm Kleinhammer tragen ungemein —— 406 Neue Vorſchlaͤge d. Stahl zuzubereiten ꝛc. viel zu ihrer mehrern oder mindern Guͤte bey. Das Ei⸗ ſen, welches bey dem zweyten Grad von Hitze zu Stahl gemacht wird, nimmt nach dem Abloͤſchen gemeiniglich die groͤßte Haͤrte an. N Es iſt mir gelungen, aus dem moͤglichſt gereinigten Ei⸗ ſen einen Stahl zu verfertigen, der nach dem Abloͤſchen eine ungemeine Haͤrte annimmt. Er leidet beym Schmie⸗ den faſt gar keinen Abgang; wird er beym Rothgluͤhen im Waſſer ar gekühlt, fo erkaltet er langſamer als andere Stahl⸗ arten; dem Feuer widerſteht er beſſer als das beſte gewoͤhn⸗ liche Eiſen; ein ſehr dünnes Stuͤckgen davon läßt ſich voll⸗ kommen gut zuſammen wellen, und eben ſo gut ſchmleden; auch kalt iſt er ſehr geſchmeidig, und vertraͤgt die Schlaͤge des Hammers ſehr gut, ohne zu brechen oder Riſſe zu be⸗ kommen. Mit groͤßter Schnelligkeit ins Waſſer getaucht, und nur blos bis zur gelben Farbe wieder gewaͤrmt, laͤßt er ſich durch heftige Hammerſtreiche ausdehnen, und biegen. Die gleiche Ablöfchung macht ihn faſt zu allen Arten von Gebrauch dienlich; er iſt hart genug, um Gußeiſen und geſchmiedetes Eiſen, ſelbſt mit ſehe duͤnnen Meißeln, zu ſchneiden, und fchleift- man ſie ſo ſcharf, als ein Scheer⸗ meſſer, fo ſchneiden fie das Holz ohne ſich abzunutzen. Ueberhaupt laſſen ſich die gewoͤhnlichen Stahlarten nach ihrer Härtung nicht biegen, als bis ſie durch neues Waͤr⸗ men die graue Farbe wieder angenommen haben, und die beſten, ſo ich kenne, erfordern, daß man ſie aufs wenigſte bis zur blauen Farbe erwaͤrme, wenn man fie, ohne daß fie ſi brechen, biegen will. Alle Eiſengattungen, die man durchs Brennen zu Stahl macht, blaͤhen ſich mehr oder weniger auf, das reinſte Ei⸗ ſen iſt dasjenige, ſo ſich am wenigſten blaͤhet; Stahl, der am eigentlichſten Stahl iſt, zeigt in ſeinem Zuſatz keine Spuren von Blaͤhungen. — > Von Hrn. Huͤtten⸗D Direktor Erfhanue: 40 Ich habe auch Stahl gemacht, den man in Formen gie® ſen kann; er ſchmelzt beynahe eben ſo leicht, als rothes Kupfer. Im Bruche zeigt er ein ſehr feines Korn; im kalten Waſſer abgeloͤſcht wird er ſo hart, daß er ſo gar das Glas ſchneidet; er ſcheint vom Roſt nicht angegriffen zu werden, und nimmt eine ſchoͤne Politur an: Gegen die Feile iſt er aber ſehr hart, und nutzt ſie gar bald ab, ſelbſt wenn er wieder gewaͤrmt worden iſt. Salpeterſaͤure, oder wenigſtens gemeines Scheidwaſſer, löst ihn nicht auf, nicht einmal, wenn man das Menſtruum in die Wäts me ſetzt: Mit concentrirter Salpeterſaͤure habe ich keine Verſuche angeſtellt; hingegen loͤst er ſich in Koͤnigswaſſer und Vitrioloͤl, fo mit Waſſer verdünnt worden, leicht auf. Ich will das Verfahren befchreiben , das ich bey der Ver⸗ fertigung deſſelben befolget habe. Ich nahm Stahl, der in einem gewöhnlichen verfchloffes nen und feuerfeſten Cementgefaͤße bey einem heftigen Feuer geſchmelzt worden war, ließ ihn in einem Tiegel, in dem er von einem Cementſatz bedeckt war, der aus zwey Theis len Holzkohlen, und einem Theil gemeinem Koch. oder Seeſalz beſtund, bey heftigem Feuer einige Minuten lang zum zweytenmal in Fluß gerathen: Denn es iſt, wenn der Verſuch gelingen ſoll, unumgaͤnglich nothwendig ihn mit einem ſolchen wirkſamen Zuſatz zu bedecken, weil er ohne denſelben wahrend dem Schmelzen von feinen brenn⸗ baren Beſtandtheilen verlieren, und eben dadurch ſtreng⸗ fluͤfiger werden wuͤrde; nicht zu gedenken, daß der Stahl ſich ſehr leicht verſchlackt, und die Tiegel ſehr geſchwind zu durchfreſſen pffegt. Wird nun ein fo zubereiteter Stahl mit einem kleinen Antheil Zinn zum drittenmal in Fluß gebracht, und mit dem Zuſatz bedeckt, ſo ſchmelzt er noch leichter, und behaͤlt doch dabey ſeine andere Eigenſchaften. Dieſer Stahl iſt uͤbrigens, fo wie der vorhergehende, kalt⸗ bruͤchig ı ungefähr wie das gewoͤhnliche Roheiſen, und 408 Neue Vorſchlaͤge d. Stahl zuzubereiten ic. 9 * = wenn man fie beyde nur rothalühet, fo vertragen hie dich Schlaͤge des Hammers faſt gar nicht. Will man Stahl in einem Tiegel ſchmelzen, ſo muß man ihn ſtets mit einer brennbaren Materie bedecken, um ihm mehr Phlogiſton mitzutheilen, weil dieß a befördert , das Verkalchen hindert, und dem Durchfreffen der Tiegel vorbaut. Bey dieſer Vorſicht kann man Stahl in einem verlutirten Tiegel ſehr lang im Fluſſe erhalten, ohne daß dieſer beſchaͤdiget wuͤrde: Da hingegen ein Zoll⸗ dicker, und von der Feuer beſtaͤndigſten Erde verfertigter Tiegel in weniger als zwey Stunden durchfreffen wird, wenn man Stahl darinn ſchmelzt, ohne Kohlen, oder an⸗ dere dergleichen brennbare Materien beyzufuͤgen. Ehe ich dieſe Abhandlung ſchließe, muß ich doch noch melden, daß ich verſchiedene Mittel verſucht habe, Eiſen aus mehrern Huͤtten ſowohl zu reinigen, als auch nach feinen Beſtandtheilen zu unterſuchen. Die Verſuche, die ich dabey gemacht, um ihre Eigenſchaften zu verbeſſern, haben mich überzeugt, daß es einem immer damit gelingen koͤnne, freylich mit mehr oder weniger Muͤhe, und Auf⸗ wand. Ich habe ſelbſt einige dieſer am wenigſten koſtba⸗ ren Verfahrungsarten in Eiſenhuͤtten, wo auf Umkoͤſten des Staats gearbeitet wird, im Großen anwenden laſſen; und es fand ſich, daß das alſo erzielete Eiſen merklich beſ⸗ ſere Eigenſchaften erhielt, als es vorher gehabt hatte; es wurde geſchmeidiger, zaͤher, hatte weniger Fehler, und wurde folglich auch tauglicher befunden, um Stahl daraus zu verfertigen. Was aber die Mittel betrift, deren ich mich bediente, um auch durch die Zerlegung die fremd⸗ artigen Theile kennen zu lernen, durch welche das gemeine Eiſen fo oft verunreiniget iſt; fo muß ich geſtehen, daß ich mich öfters nicht anders, als auf eine etwas zweifel⸗ hafte Manier von den Urſachen dieſer ihrer ſchlimmen Eis genſchaften habe verſichern koͤnnen; und fand ich dann, daß * „ Von Hrn. Huͤtten⸗Direktor Erſchaquet. 409 ein Mittel nicht hinlaͤnglich und nicht entſcheidend genug war, fo verſuchte ich ein zweytes. Ich wählte zu dieſem Endzweck von dem geläuterteften Eiſen, fo mir möglich war, aus, ließ einige Stangen deſſelben mit Schwefel, Arſenik, Nikel oder rothem Kupfer in verſchiedenen Ver. haͤltniſſen wieder abſchmelzen, unterſuchte nachher die Eis genſchaften der alſo verunreinigten Eiſen, und fand, daß bey gewiſſen Proportionen dieſelben in allen Abſichten von gleicher Beschaffenheit, wie bie gemeinen Eiſengattungen, waren. Ich machte ſie nachher zu Stahl, und unterſuchte auch alsdann ihre Eigenſchaften. Waren die Verhaͤltniſſe der beygemiſchten fremden Materien zu ſtark, ſo erhielt ich ein geringeres Eiſen, als das gewoͤhnliche iſt, brachte es aber doch durch ſtuffenweiſſes Laͤutern nach und nach wies der zu ſeinem erſten Zuſtand von gereinigtem Eiſen zuruͤck. Jedoch, ich will mich vor jetzt in keine umſtaͤndlichere Bes ſchreibungen über dieſen Gegenſtand einlaſſen, der allem dings Stof zu einer ſehr weitlaͤuftigen Abhandlung herge ben koͤnnte. Verfahrungsart, um das Gold zu reinigen und von ſeiner Svrs digkeit zu befreyen. Ich will zuerſt die Bereitungsart des Fluſſes beſchreiben deſſen man ſich zur Zerſtoͤrung der fremden Materien bes dienen muß, die das Gold ſproͤde machen. Er beſteht aus einer Miſchung von unreiner Phoſphorſaͤure, die halb mit firem, mineraliſchem Laugenſalz geſaͤttigt iſt, fo daß die Saͤure noch eine gewiſſe Menge von Selenit aus Knochen aufnehmen und aufgelöst erhalten kann. Man nehme alſo zwey oder drey Theile kalzinirter und zerſtoſſener Knochen, zwey Theile Vitrioloͤl, die man mit zwey und dreymal fo viel reinen Waſſers vermiſchen kann, thue die Knochen, und die verduͤnnte Saͤure in eine Kolbe, ſchuͤttle die Mi⸗ 410 Neue Vorſchlaͤge d. Stahl zuzubereiten e. ſchung, um die irdiſchen Theile zu verhindern, ſich an ein⸗ ander zu haͤngen und zu verhaͤrten, laſſe ſie 2. bis 3. Tage in der Kolbe ſtehen, um der Vitriolſaͤure Zeit zu laſſen, die Knochen aufzuloͤſen, ſich mit der darinn enthaltenen Kalkerde zu vereinigen, und einen Gyps zu bilden. Als⸗ dann verſuͤſſe man dieſe Erde mit reinem Waſſer, bis daß ſie nur noch einen leicht ſaͤuerlichen Geſchmack uͤbrig behaͤlt, richte die Miſchung durch ein Filtrum, wenn ſie nemlich ſehr truͤb und milchigt iſt; denn wenn ſie dieß nicht ſon⸗ derlich iſt, ſo kann man ſich der Muͤhe des Filtrirens uͤberheben. Nun laſſe man dieſelbe in einem glaͤſernen Kol⸗ ben, oder einem andern glaͤſernen, ſteinernen oder porcel⸗ laͤnenen Gefaͤß abdunſten, und iſt ſie zum Theil, und zwar ſo weit abgedunſtet, daß ſie einen Theil des Selenits, den ſie aufgeloͤst hielt, fallen laͤßt, ſo thue man ſixes, minera⸗ liſches Laugenſalz dazu, doch nur bis zur halben Saͤttigung, und ſo, daß noch ein ziemlich ſtark ſaͤuerlicher Geſchmack übrig bleibe. Jetzt laſſe man alles bis zum Trocknen ab; dunſten, thue das uͤbrig gebliebene in ein glaͤſernes Gefaͤß, das man wohl verſtopfen muß, um die Feuchtigkeit der Luft abzuhalten, welche es begierig einſaugt und leicht da⸗ von zerfließt. Will man nun zur Reinigung des Golds Ge, brauch davon machen , fo thut man in den Tiegel, in welchem das Gold wirklich im Fluß iſt, eine geößere Den ge deſſelben, als das Gold ſelber ſchwer iſt; die eigentlich dazu erforderliche Menge iſt nicht wohl moͤglich, beſtimmt anzugeben, weil ſolche von der Unreinigkeit des Golds ab⸗ haͤngt. Hat man es alſo eine halbe oder ganze Viertel⸗ ſtunde im Fluß erhalten, ſo verſucht man, ob es ſeine Sprödigkeit nun völlig verlohren habe. Ich habe in weni⸗ ger als einer Viertelſtunde Zeit, auf dieſe Weiſe Gold ge⸗ reiniget, das ich mit halb ſo ſchwer Zinn im Feuer ver⸗ miſcht, und nachher mit einer gewiſſen Menge dieſes Phos⸗ phorſalzes hatte ſchmelzen laſſen. Auch bin ich voͤllig ver⸗ r Von Hru. Hütten» Direktor Exſchaquet. 411 ſichert, daß man dieß Salz — mit gleichem Erfolg bey ſei⸗ nem Gebrauch — nur blos aus firem, vegetabiliſchem Lau⸗ genſalz / ſtatt des mineraliſchen, um die Phosphorſaͤure halb damit zu fättigen , ver fertigen koͤnn te; es kaͤme fo viel wohlfeiler zu ſtehen. Von einem Pfund Knochen ev haͤlt man ungefaͤhr ein halbes Pfund von dieſem Salz; es koͤmmt alſo, wenn man es leicht in einiger Menge verfer⸗ tiget, nicht fo theuer, als wenn man es aus dem Bo⸗ rax zieht. Die Phosphorſaͤure in dieſem Salz hat die Eigenſchaft, auf verſchiedene Metalle zu wirken, und ſie zu verkalchen, ihre metalliſchen Erden zur Reduktion unfaͤhig, und mit dem Alkali, nebſt dem Selenit, von welchem dieß Salz mit zuſammen geſetzt iſt, gefaͤrbte metalliſche Glaͤſer zu machen. Das Kupfer widerſteht der Wirkung dieſes faus ren Salzes am laͤngſten. Man thut am beßten, wenn man daſſelbe durch einen Chemiſt bereiten laͤßt, obſchon eigent— lich die ganze hier vorgeſchriebene Bereitungsmanier leicht zu befolgen iſt. Schmelzt man dieß Phosphorſalz in gewiſſer Propor⸗ tion mit Meßing oder gelbem Kupfer, fo erhält dieß letz— tere die ſchoͤne Facbe des ſogenannten Semilor. Dieſe Wirkung rührt von der Phosphorſaͤure her, die die Eis genſchaft hat, den Zink, der dem Mefßing bekanntlich beygemiſcht iſt, mit großer Leichtigkeit zu verkalchen. Miſcht man alſo dem Meßing, wenn er im Fluß iſt, auch eine ſo geringe Menge dieſes Phosphorſauren Salzes bey, daß ſie nicht zureichend iſt, allen Zink zu verkalchen, ſo erhält man nothwendig ein Semilor: Oder geſetzt, die Doſis waͤre mehr als hinlaͤnglich, um jenes zu bewirken, ſo darf man nur den Tiegel von dem Feuer nehmen, ehe die Saͤure genugſam Zeit gehabt hat, um allen Zink zu a, ö 412 Neue Vorschlage d. Stahl susube verkalchen; laͤßt man 0 länger , fo bannt Be ro⸗ thes Kupfer. u Dieb Phosphorſaͤure⸗ Salz wirkt nur ſchwach auf das Kupfer, wenn es im Fluß iſt; hingegen ſtark und ſchnell auf den Zink, das Zinn, das Bley, und noch ziemlich ſtark auf einige andere metalliſche Materien. Ich habe mich in dieſer Abhandlung immer der Be⸗ nennung des Brennbaren oder Phlogiſton bedient, weil mich duͤnkte, daß ſie die Sache eben ſo gut aus⸗ drucke, als die in der neuern Chemie angenommenen Be⸗ nennungen. 5 . ˙ w w Eu 4 4 . N e gen N 0 6e 2 N . 1 | ; 414 Recenfionen Vertrauliche Erzählung einer Schweitzerreiſe im Jahre 1786, in e, Von D. Ploucquet. Tuͤbingen 1787. kl. 8. ohne Vorrede. S. 180. Von einem Manne wie Hr. Dr. Ploucquet ſieſſe ſich nichts 1 Mittelmaͤßiges erwarten und doch wuͤnſchten wir dieſe ver? trauliche Erzählung waͤre niemals bekannt gemacht worden; denn fie wird neben den beſſern Reiſebeſchreibungen durch die Schweitz kaum ihr Gluͤck machen. Aus dem erſten Briefe zu ſchlieſſen, war dieſe Erzählung vielleicht eher zu einem Handbuche fur die allgemeine Klafe von Reiſenden, welche keinen beſtimmten Zweck fuͤr ihre Reiſe vorhatten, beſtimmt, als zu einer Bekanntmachung von noch unbemerkten und neuen Thatſachen, die zu einen naͤhern Kenntniß der Schweitz dienen koͤnnten. Dieſes letze tere würde man alſo vergeblich ſuchen, deſto mehr para⸗ doxe Widerſpruͤche und Angriffe gegen innlaͤndiſche Natur⸗ forſcher von bekanntem Werthe. Der erſte Brief S. 1 — 10. handelt von nichts als dem Fuhr⸗ und Poſtweſen, aber ziemlich fehlerhaft und einſeitig.— 95 Man muß in Ruͤckſicht der Straſſen und der Poſten die 8 gebirgigte und in allem theure Schweitz nicht mit dem meiſt 0 ebenen und wolfeilern Deutſchland verwechſeln. Es ſi d ir er Deutſchland viele Stationen, die kleiner find, als die in der Schweiz: wo man aber hingegen nicht ſo weit koͤmmt, als auf * 2. ben Schweitzerſtationen. Wenn eine Staten gebingiat 0 A Recenſtonen. 415 iſt, ſo muß ſie kleiner ſeyn, um die Pferde — welche auch in dieſen gebirgigten Stationen faſt gleich ſtreng laufen muͤſſen, wie in den ebenen — nicht zu ſehr zu treiben. — Ferner iſt eine Schweitzerſtunde in Beziehung der Straſſen weit ſtaͤrker als eine deutſche ıf2 deutſche Meile, fo daß 20 Schweitzerſtunden Wegs 12 bis 14 deutſche Poſtmeilen aus— machen. Und zuletzt iſt es ein Irrthum, den Weg von Bern auf Lauſanne in 12 ıf2 Poſten einzutheilen, da er nur 10 1/2 macht. Uebrigens ſteht es jedermann frey, die theus rere aber geſchwindere Extrapoſt — die der Fremden halber iſt etablirt worden — zu gebrauchen, oder ſich Mietkutſchen zu bedienen; theuer iſt es immer in der Schweiß zu reifen, *) Der zweyte Brief S. 10. enthaͤlt die Beſchreibung des Reiſegeraͤths zweckmaͤßig — nur hat uns befremdet zu ver nehmen, daß in der Schweitz ſchlechterdings keine Regen⸗ ſchirme zu bekommen wären); da wären wir wohl übel dar⸗ an, dann kaum iſt ein Staͤdtebewohner in der Schweitz oh⸗ ne dieſes nothwendige Hausmeuble. Der zie Brief von S. 11 — 24. enthält die Reife von Tuͤbingen bis Tuttlingen, welche uns nichts weiters angeht, als daß wir uns an einigen artigen Bemerkungen uͤber das Landvolk und deſſen Gewerb in dieſer Gegend ſehr vergnuͤgt haben. Haͤtte der Verfaſſer die Schweitz doch auch eines aͤhnlichen Beobachtungsgeiſtes gewuͤrdiget! Der ate Brief enthält über Schaffhauſen nichts neues, aber auch nichts fehlerhaftes. | Der ste der Rheinfall. Nach der herrlichen Meinerſi⸗ ſchen Beſchreibung iſt dieſe noch gut ausgefallen. Daß er ſich aber ob den weiſſen Waſſerblaſen des ſtuͤrzenden Waſ⸗ ſers aufhaͤlt, um zu beweiſen, daß ſolche nicht Schaum ) Wir koͤnnen aber Hrn. Ploucquet beruhigen, die Extrapoſten find wieder eingegangen, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß in unſe⸗ rer theuren, Gebirg⸗ und See⸗ reichen Schweiß dieſelben ohn⸗ möglich gluͤcklichen Fortgang haben konnen. N ee. * 416 Recenſtonen. ſeyen, iſt etwas zu minutios. Das Waſſer in aͤuſſerſt klei. ne Theile zerſtaͤubt, erſcheint immer weiß, fo auch die Waſ. ſerblaſen — eine alte phyſiſche Erfahrung. Der ste Brief. Reife von Schaffhauſen nach Bern iſt gut ausgefallen. Die Beſchreibung der Bauernhaͤuſer im Aergaͤu S. 38. ſind nach der Natur; der Ausfall auf die Kauchfaͤnge in dieſen Haͤuſern iſt aber nur halb gegründet, Allerdings ſind Rauchfaͤnge in den Bauernhaͤuſern, aber nur von Holz, breit, ohne Wahl und Zweck, und gehen nur durch ein kleines Loch zum Dach hinaus. Weder Ar⸗ muth noch Indolenz ſind Urſache von dieſer zweckwidrigen Bauart, ſondern Vorurtheil und alter Gebrauch. Reiche Bauern bauen eben ſo in vielen Gegenden, und indolent iſt der Schweitzerbauer gewiß nicht, was ſeine Haus und Landwirthſchaft betrift. S. 42. iſt ein grundloſer Ausfall auf die Wirthshaͤuſer, „als wenn dieſe nicht allenthalben das Eigenthum der Wirthen, ſondern reichen Part kularen u. dgl. gehoͤren und verpachtet wuͤrden, wo denn der Pacht⸗ wirth die Reiſende ſchroͤpfe, ſo lange er ſeine Pacht halte, und gegen Klagen ſchou gedeckt ſeye. „ Dieſes alles iſt falſch. Es giebt Wirthshaͤuſer wie in Zürich, Lauſanne, Solo⸗ thurn, Genf, Biel dergleichen, welche den Wirthen ſelb⸗ ſten zugehoͤren, und wo man theurer iſt, als in Pachtwirths⸗ haͤuſern wie in Bern, Thun u. ſ. w. Wenn der Verfaſſer hätte die Mühe nehmen wollen, ſich etwas um den hohen Preis von allem dem zu erkundigen, was zum Lebensunter⸗ halt in der Schweitz nothwendig iſt: als Brodt, Fleiſch, m Butter, Wein, Holz, Fiſch, Geflügel, Fuiter für Pferde u. ſ. w. und alsdann die gute reinliche Bewirthung ſelbſt in einzelnen an der Landſtraſſe gelegenen Wirthshaͤuſern in Erwägung gezogen hätte, fo würde er eher den Schluß ger zogen haben, welchen jeder uneingenommene Reiſende un⸗ aufgefordert gern ſelbſt eingeſtehet, daß verhaͤltnißmaͤßig gegen die theure Lebensart in der Schweitz, die Wirthshaͤu⸗ ſer Recenſtſonen. 417 fer noch wolfeil find, und daß man hoͤchſiſelten Wirthshau⸗ ſer antrift / wo man geſchroͤpft wird, welches, weil ſie oft ſo nah auf einander liegen, noch den Schroͤpfenden ſchaͤd⸗ lich wäre, indem man fie vorbeygehen und ı oder 2 Stund weiters ein anderes Wirthshaus auswaͤhlen kann. Im Ge⸗ gentheil halten die Wirthe auſſer den Staͤdten oft einen gleis chen Preis mit einander. Auch iſt fehlerhaft, was er mit den Strohhuͤten ſagt. Wol freylich giebt es leyder viele Vaͤuerinnen, die aus eis nem uͤberfluͤßigen Luxus fo theure Strohhuͤte tragen. Wenn aber Herr Ploucquet nichts glaubt, als was er ſieht, da koͤn⸗ nen freylich die Strohhuͤtchen nichts dafuͤr. S. 44. „Ein ſonderbarer Gebrauch in der Kleidung fällt „ auch auf, daß nämlich die Weibsperſonen ihre Schürze „hinten mit einem Haken zuſammenheften, und alſo den „Zugang in die Taſchen erſchweren. » Wie kann ſich doch ein reiſender Gelehrter an ſo einfaͤlti⸗ gen Gegenſtaͤnden aufhalten? Wenn alſo eine Magd oder Weibsperſon bey ihrer Arbeit ihre Kleider ſchuͤrzt, ſo ſoll dieſes gleich eine Nationalkleidung ſeyn, gerad als wenn man in Deutſchland den Schuhſtern ihre Lederſchuͤrze zur Nationalkleidung machen wollte. S. 45. Kein groͤſſeres Kompliment haͤtte der Verfaſſer wol dem Nahliſchen Meiſterſtuͤcke in Hindelbank machen koͤn⸗ nen, als da er behaupten wollte, „der Kuͤnſtler habe feinen Vs Grabſtein ſamt den Aufſchriften ganz und unzerbrochen „ verfertiget , ihn alsdann wirklich zerbrochen, die Bruch⸗ s ſtuͤcke auf das Grab, in welchem die Figur liegt, geſtellt, „ und alſo die Natur nicht nachgeahmt, ſondern ganz eins „fach benutzet. » Hätte der Verf. den Bruch des Steins genau unterſu— chet, und alsdann den Sandſtein im Bruche dagegen ge halten, fo würde er das Unſchickliche feiner Aeuſſerung ſchon eingeſehen haben; ferner braucht man nur das ganze Grabs Magaz. f. d. Naturk. Selvetiens. III. B. D d 418 Recenſtonen. mahl etwas genau zu betrachten, fo wird man auch als— dann den irrigen Schluß des Verfaſſers leicht entziefern koͤn⸗ nen; und zuletzt leben noch Zeugen genug, welche bey der Verarbeitung zugegen waren, die das vollkommene Gegen⸗ theil einmuͤthig bezeugen. Was der Verfaſſer S. 47 vom Schweitzer⸗Hornvieh ſagt, iſt ſehr unbeſtimmt; daß die Schweiger» Küh zu den beßten Racen gehören, iſt albekannt. Rec. ware lange Zeit im Wuͤrtenbergiſchen, bemerkte aber niemalen ſo ſchoͤnes Vieh als in der Schweitz. — Aber auch die Groͤſſe beſtimmt nicht alles. In Hohenheim ſelbſt lieferte das beßte und praͤchtig⸗ fie Vieh unter der fleißigften Wartung nicht das, was es in der Schweitz geliefert hatte. Es haͤngt alſo mehr von dem Clima und den Alpen als von dem aͤuſſerlichen Aue hen des Viehs ab, daß es eintraͤglicher ſeye. Was der Verf. von Bern ſagt, iſt kurz wenig und gut, auch ſeine Meinung uͤber die geharniſchten Maͤnner im Zeug⸗ haus gegen Hrn. Prof. Meiners gegründet, Daß ſich die Frauenzimmer in Bern aber auſſer die Arcaden nicht aufs Steinpflaſter hinauswagen, wird doch nur ſcherzweis vers ſtanden ſeyn. S. 56. u. f. Die Reiſe auf dein Thunerſee; nichts neues, als eine Ahndung gegen die Schiffahrt und Schiffleute, und der gewöhnliche Fehler, den riefen als einen Kegelberg zu beſchreiben. S. 61., nicht Tralligen, ſondern Ralligen. S. 63. Hr. Ploucquet muß doch in der That ein Rleſe ſeyn, wenn im ganzen Oberlande kein Mann ſich mit ihm und keine Weibsperſon mit feiner Gemahlin haͤtte maͤſſen koͤnnen; allein der Verf. kann uns es nicht fuͤr uͤbel aufnehmen, wenn wir aufrichtig bekennen, daß dieſe Aeuſſerung ziem— lich nach den Ufern der Zeronne ſchmecke. Hätte er geſagt, er haͤtte keinen Mann angetroffen, der ſo groß ſeye als er, fo haͤtt' es noch mögen angehen, obgleich wir daran Recenſtonen. 419 noch immer zweifeln wuͤrden; aber im ganzen Oberlande, das allbekannt in der Schweiz die groͤßten Maͤnner liefert, ſey keiner ſo groß als er. — Wahrlich Herr Plouquet muß ein Rieſe ſeyn. Bis S. 71. nichts interreſſantes. — Nur wuͤnſchten wir den Ausdruck prezioͤſe Metze aus dieſer Erzaͤhlung weg. Mit ſchweizeriſchen Ausdruͤcken, wie S. 72. und an an⸗ dern Orten haͤtte der Verfaſſer ſich nicht einlaſſen ſollen; denn fie find alle unrecht abgeraft. Bis S. 84. iſt ſo eine ziemlich natuͤrliche, aber auch wenig interreſſantbeſchriebene Reiſe durchs Lauterbrunnen⸗ und Lütſchinenthal nach dem Grindelwald, wenig unrich- tiges, aber auch keine erhebliche Bemerkungen. Itzt kommen wir aber auf einen Punkt zu ſprechen, wel⸗ chen wir lieber gaͤnzlich ausgewichen waͤren; allein da er eigentlich das interreſſanteſte des ganzen Buͤchleins aus— macht, und in Deutſchland an ein und andern Orten als begruͤndet und wahrſcheinlich ſchien aufgenommen worden zu ſeyn, ſo hat der Herausgeber weder ſich ſelbſt, noch mir Recenſenten, diejenige Erfahrungen, welche nur durch Jahre- langen Aufenthalt und durch beſondere gluͤckliche Verhaͤltniſſe koͤnnen erworben werden, zugetrauet, und mit Recht nicht zugetrauet, ſondern einen Gelehrten, welchem das Schickſal bey einem 20 jahrigen Aufenthalt in den Eis⸗ und Gletſchergegenden genugſame Gelegenheit vers ſchafft hat, ſeine Faͤhigkeiten und Kenntniſſe mit den Natur— erſcheinungen dieſer ſonderbaren Gegenden zu verbinden — dieſen wichtigen Theil der Rezenſion auf ſich zu neh⸗ men, erſucht. | ( Vide Nachtrag ic. p. 427.) S. 117. Br. XIII. Einige Unrichtigkeiten bey Benen⸗ nung der Bergen ausgenommen, iſt die Wanderung durch das Grindelwaldthal und zuruͤck bis auf Thun, nicht unfein 420 Recenſſonen. fuͤr eine Erzaͤhlung; wenig befriedigend aber fuͤr den Natur⸗ forſcher und Lernbegierigen. S. 125. Will der Verfaſſer einen unſern beſten helveti, ſchen Reiſebeſchreiber zurecht weiſen; und giebt ſich dagegen auf eine ſolche Art blos, wo jeder Bauer ihn eines beſ— fern belehren koͤnnte. Der von Hrn. Plouquet getadelte Reiſende bemerkt folgendes uͤber die helvetiſchen Seen: „Ohne ſolche Waſſerbehaͤlter, als der Thuner⸗ und die „übrigen Seen in der Schweiz find, würden die faaͤchern „Theile des Landes bald gänzlich verwuͤſtet und unbewohn⸗ „bar gemacht werden. Die Natur ſelbſt hoͤhlte dieſe tiefen „ und vielfaſſende Becken an den Fuͤſſen der hoͤchſten Gebirge „aus, damit ſie die wilden Bergwaſſer, die ſich bey dem „plötzlichen Schmelzen des Schnees von den boͤchſten „Gebirgen herunterwaͤlzen, bald aufnehmen und ihre zer⸗ „ſtoͤrende Wuth bald brechen möchten. „ Dieſtes iſt ſchon theoretiſch ſo wahr und nach allen mechaniſchen und hydrauliſchen Grundbegriffen über den Druck der Fluͤßig⸗ keiten auf ſchiefen Flaͤchen in verſchiedenen Winkeln mit dem Horizonte ſo allgemein als beſtimmt, angenommen, daß wir nicht begreifen, wie ein Gelehrter, wie Herr plouquet hier etwas irriges hat finden koͤnnen. Herr Dlouquet will diefe allen Helvetiern bekannte Wahrheittauf folgende Art widerlegen: »Wenn auch überall keine Seen „wären, fo würde darum das Schneewaſſer, das jeden 5 See voll» (wie voll ? doch nur beziehungsweis ?) „antrift, keine größere Verwuͤſtung anrichten., — Ey! Ey! wie falſch geſchloſſen! Der Herr Verfaſſer iſt von Bern uͤber den Thunerſee ins Lauterbrunnenthal in Grindel⸗ wald und wieder zuruͤck gereiſet, und bey dieſer fuͤr einen Reiſenden beurtheilenden Naturforſcher ſo unbedeutenden Reiſe hat er es gewagt, Erfahrungen und Wahrheiten abzulaͤugnen, welche jedem Bergthalbewohner oft traurig und fuͤrchterlich genug werden. Haͤtte er im Haslithal Kecenfionen 421 die Verwuͤſtungen der Aare; in Wallis, die der Rhone; von Altorf bis an Staͤg, die der Reuß und des Schaͤchen⸗ fluſſes; ob dem Zuͤrichſee, die der Limmat und Lint; zwi— ſchen Sallenche und Carroupe, die der Aare; des Rheins, ehe er in Bodenſee faͤllt, der Thur u. ſ. w. geſehen, und unterſuchet, fo hätte ihm der Unterſchied der Wirkungen eines Bergſtroms, ehe er durch die Gegenwirkung eines viele Meilen langen Sees in ſeinem heftigen Druck ge— hemmt wird; und wenn er ſanft, hell und klar aus dem See herausfließt, auffallen muͤſſen. — Aber fo hat er von dieſem allem nichts geſehen, ſpricht Darüber ab, und wis derlegt einen Schriftſteller, der Augenzeuge von obigen Thatſachen geweſen ware. Und doch — haͤtte er ſich bey Thun die Muͤhe nehmen wollen, eine halbe Stund weit zu gehen, um zu ſehen, was ehemals die Kander fuͤr große Verwuͤſtungen angerichtet hat, wie dieſes verwuͤſtete Land nun nach und nach angebauet wird, und wie keine Gegend ringsherum dadurch leidet, obgleich die Kander nun in die See fließt. Glaubt der Verfaſſer dann, daß die Re— gierung von Bern, die außerordentliche Koſten gewagt ha— ben wuͤrde, einen Berg durchgraben zu laſſen, um der Kan— der einen andern Ausfluß in den See zu verſchaffen und den Gewalt des wilden Stroms in dem ſanft widerſtreben— den Waſſer des Sees zu hemmen, wenn man nicht ſchon vorher uͤberzeugt geweſen waͤre, daß der Nutzen einer ſonſt nur Römern und Englaͤndern möglichen Unternehmung uns bezweifelt ſeyn wuͤrde. Die Kander verwuͤſtete ſonſt die Ges genden von Thun; und obgleich dieſe in den See, und der See wieder bey Thun herausfließt, fo leiden doch die nem— lichen Gegenden von Thun itzt nichts von dem Waſſer , da doch nach dem Syſtem des Verfaſſers, welcher nur auf die menge, und nicht auf den Druck und den plöglis chen Anwachs des Waſſers Ruͤckſicht nimmt, dieſe Gegen» den von Thun beſtaͤndig leiden muͤßten, um ſo mehr, da 422 Recenſſonen. nun ein Strom in den See hineinfaͤllt, der zuvor nicht in denſelben, ſondern neben vorbey durch die ſchoͤnen Gefilde von Thun floſſe, und alſo nach eben dieſem Syſtem die Ober⸗ fläche des Sees erhöhen, und die umliegenden Gegenden mit Ueberſchwemmung bedrohen ſollten. Der Verfaſſer faͤhrt fort: „Denn obſchon das weite Baßin eines ſolchen „Sees vorher durchaus höher angefuͤllt werden muß, ehe „der aus ihm flieffende Strom oder Fluß mehr Waſſer „bekommt / und ſtaͤrker anlaufen kann, ſo muß doch, wenn „ ſchon etwas ſpaͤter, alles Bergwaſſer, was ſich in den „See ergoſſen hat, das wenige, was ausduͤnſtet, abges „rechnet, z. Beyſp. aus dem Thunerſee in die Aare heraus— zo fließen; und dieſe bringt es weiters, 5 055 mehr einen » See zu berühren, „ Sehr ſcheindar! aber doch fehr unwahr und einſeitig. Erſtlich. Bringt der Verfaſſer keinen Kalkul zum Vor⸗ ſchein, der dieſe Hypotheſe unterſtuͤtzen foll; wie viel Ku⸗ bikfußwaſſer meynt Herr Plouquet wohl, muß in einen 7. Stunden lang, eine Stund breiten und (die Mittels ſumme genommen) 80. Klafter tiefen See fließen, ehe def fen Oberfläche um einen Zoll ich erhoͤhet; und was iſt eine Zollhoͤhe von Bedeutung bey dem Ufer eines Sees? | Zweytens. Nimmt er die Ausbdünſtung als ſehr unbe⸗ traͤchtlich an, da ſie doch zu Sommerszeit (wenn eben die Bergſtroͤme am groͤßten find), wegen den erhitzten Felſen⸗ Ufern gewiß alle ſeine Begriffe weit uͤberſteigt. | Drittens. Nimmt Herr Plouquet beſtaͤndig nur auf die Menge des Waſſers Ruͤckſicht, und hingegen gar nicht auf den Fall deſſelben, den Winkel, in dem es faͤllt, noch auf den Druck des fallenden Waſſers; und dieſe find doch die Haupturſachen der Waſſerverwuͤſtungen. Der Herr Verfaſ⸗ ſer wird nach der Mathematik die Geſetze der Schwere, der Verhaͤltniſſen und der Zeiten der fallenden Koͤrper ken— Recenſtonen. 423 nen; er wird doch wohl wiſſen, daß ſich die Gewalt des Waſſers nicht ſowohl nach ſeiner Menge, ſondern nach dem Winkel richtet, in welchem es faͤllt, daß alſo ein Stromm, der in einer Stunde mit einem Winkel von 5. Graden fließt, diejenige Gewalt nicht hat, wie einer, welcher in gleicher Zeit mit einem Winkel von 15. 20. bis 30. Graden faͤllt. Er wird doch die Berechnung kennen, wie ſich die Geſchwindigkeit und die Gewalt des Falls eines Koͤr— pers zu den Zeiten ſeines Falls verhalten? Wie ſtark meynt nun der Herr Verfaſſer, daß der Winkel des Falls der Aare von ihrem Urſprunge auf dem Grimſel bis in das Haslis thal ſeye? Wie ſtark des Falls des Rheins vom Rheinwald— gletſcher bis ins Rheinthal; der Rhone von der Furka bis in das Untere⸗ Wallis u. ſ. w. ſeye? Ein jeglicher Muͤller oder Waſſerbaumeiſter kann dem Verfaſſer uͤber die Gewalt des Falls eines Waſſers auf ſchiefer Fläche Lehren geben, und dann wird er den unbe⸗ ſchreiblichen und geſegneten Nutzen der Seen an dem Fuſſe der Alpen nicht mehr verlaͤugnen koͤnnen. Und zuletzt nimmt der Verfaſſer gar keine Acht auf die Art, wie die Bergſtroͤmme in den Alpen entſtehen. Von Sauffüre hat in feinen Reifen einige wichtige Beyſpiele angefuͤhrt; ieder Alpenbewohner und Alpenreiſende kennt fie. Wenn im Sommer ein ſtiller heiſſer Tag, ein ſchwuͤ⸗ ler Suͤdwind, ein warmer Regen auf den Schneegebirgen eine außer verhaͤltnismaͤßige große Menge Schnee und Eis wegſchmilzt, ſo wachſen die Bergſtroͤmme ſo ſchnell und ſo gewaltſam zu einer Höhe oft von 3.4. Fuß (welches bey der ſchiefen Flaͤche ihres Falles deſto fuͤrchterlicher iſt), und dieſes binnen 2. bis 4. Stunden, daß man denſelben zu wehren, ganze Dorfſchaften aufbieten und fluͤchten muß. Bern erinnert ſich einer ähnlichen ploͤtzlichen Auwachſung der Aare. Er verreiſete des Morgens früh bey einem ſchoͤ— nen heitern Himmel von der Prieuͤrie im Chamouny, mit 424 Reecenſtonen. einigen Freunden auf dem Gletſcher des Montanwerts. Gleich vor dem Dorfe muß man durch eine hoͤlzerne Bruͤ— ke, die Aare, die ſehr klein war, paßiren. Es war einer der herrlichſten aber auch heiſſeſten Tagen im Auguſt. Nach— dem wir den ganzen Tag auf eine angenehme und lehrreiche Art dieſes Eisfeld betrachtet hatten, kamen wir Abends gegen 10. Uhr wieder bey gedachter Brucke an. Die Aare war aber ſo angewachſen, daß ſie ſchon einige Zoll uͤber den Boden der Brücke ausfuhre, große Felsbloͤcke und Eis⸗ ſtuͤcke von mehrern Kubikſchuhen daher waͤlzte, und alle Augenblicke die Bruͤcke wegzuſchwemmen drohte. Die Einwohner jenſeits der Aare jammerten um ihre Bruͤcke, die einen ſchrien, wir ſollten geſchwind geſchwind kommen, die andern baten und riethen uns, es nicht zu wagen. Endlich wagten wir es doch; uͤber die Knoͤchel gieng uns das eiskalte Waſſer auf der Brücke; der Mauleſel zitterte nicht weniger als die Bruͤcke, welche von den anprellenden Eis und Felsſtuͤcken in Truͤmmern zu gehen ſchien; wir ka⸗ men glücklich hinuͤber, danketen Gott; eine kurze Zeit nach⸗ her war die Bruͤcke weg, und des Morgens darauf die Aare ſo klein als zuvor. Wer kennt die traurige Geſchichte jenes Geiſtlichen von Vivis nicht? In einer Viertelſtunde war die Vewayſe noch trocken, in der andern ſpuͤhlte und waͤlzte fie einen Garten mit einem Luſtcabinet, (in wel⸗ chem ein Geiſtlicher an einer Predigt ſtudierte) ganz in den See hinaus, und verſchlang alles, ſo daß von dieſem al⸗ lem nichts mehr zu ſehen war. Waͤre der Verfaſſer nur ins Haslithal gewandert, ſo haͤtte ihm die bey Meyringen gegen die ſo geringſcheinende Dorf: und Alpbaͤche aufgeführte lange Klafter-dicke Mauer zur Schuͤtzung des Dorfs, und das große Bett dieſer klei⸗ nen Bächlein ſeine falſche Idee leicht benehmen koͤnnen. Es koͤmmt alſo hier nicht auf die Menge des Waſſers an, als wenn blos dieſe allein ohne Nebenumſtaͤnde jene fuͤrch⸗ NKecenfionen 425 terlichen, ſchauervolle Verwuͤſtungen in den Berglaͤndern anrichtete, ſondern dieſe Nebenumſtaͤnde, als das urploͤtz⸗ lich geſchwinde Anſchwellen der Bergwaſſer, und die durch die ſchiefe Flaͤche der Berghalden verſtaͤrkte Gewalt und unwiderſtehbar- werdende Druck des fallenden Waſſers⸗ werden zur Haupturſache. Tauſend Kubikfuß Waſſer ploͤtz— lich in einem ſchiefen Winkel von einer Felſenhoͤhe in ein Thal hinabſtuͤrzen und ſich mit allen ſeinen großen Geſchie— ben fortwaͤlzen, richtet dort traurige Verwuͤſtungen an, da ſie in einer Ebene von weniger Bedeutung ſind, und einen 6. Stund langen See, kaum einen halben Zoll hoch ſanft erhoͤhen. Man nehme an, es wären keine Brienzer und Thuners Seen, und dieſe Gegend eine fruchtbare Ebene; wenn nun die Wildſtroͤme den Aare, Loͤtſcheue, Lambach, Rats der u. a. m. plotzlich vom Schneewaſſer anſchwellen ſollten, fo würde dieſes Land das traurige Gegenſtuͤck zu dem von der Rhone durchwuͤhlten Unter-Wallis abgeben. Der Druck von oben bey dem ſchiefen Fall des Waſſers wuͤrde alle Sommer die Gefilde zerreiſſen, uͤberfuͤhren und zuletzt zu mooſichten oder ſteinigten armſeeligen Weiden umſchaffen; da hingegen das ſtille ebene Seewaſſer die ſtuͤrmiſchen trüben Wellen der Waldwaſſer aufnimmt; ihre Gewalt bricht; ihre Geſchiebe verſchlingt und ſanft und klar wieder von ſich giebt. Geſegnet ſeyen daher uns dieſe fo nützlichen Seen. Es werden noch manche Jahrhunderte vergehen, ehe fie von Geſchieben werden ausgefuͤllt ſeyn, indem ſie beynahe eben ſo viel dem Weltmeere in Syrten und Sandbaͤnken bey den Ausfloͤſſen des Rheins, der Donau, der Rhone und des Po's abgeben, als ſie von den Hochgebirgen empfangen. Und ſollten dieſe Seen einſten doch nach einer langen Zeit ausgefuͤllt werden; ſo wird ſolches auf eine Art geſche— ben, daß das beßte des Ganzen nach dem weiſen Dias 426 Recenſionen. ne der Vorſehung dadurch eben ſo bewirkt werden wird, wie es itzt bey der wohlthaͤtigen Abſicht in den hel— vetiſchen Seen zum Gluͤcke vieler tauſend Seelen erfullt Ade 2 f N S. 130. Sollte ih doch der Ka in feinen Aus⸗ druͤcken mehr in Acht nehmen, und nicht rechtſchaffene Männer, die laut ihrer Ordnung ihre Kleidung tragen und ihr Amt verrichten, mit dem Worte Buͤttel zum Gelächter und zur Schande darſtellen. Weiß der Verfaſſer dann nicht, welchen Begriff man in Deutfchland mit dem Worte Buͤt⸗ tel verbindet? Wir koͤnnten ihm hiermit ein treffendes Gegenſtuͤcke vergelten, wenn wir es nicht unter der Wuͤrde eines geſitteten Mannes hielten ſeinen Witz auf ſolche Wei⸗ ſe ſpielen zu laſſen. Sonderbar iſt es immer, daß die⸗ ſem beobachtenden Gelehrten auf einer Reiſe von Murs ten nach Lauſanne, wo Sulzer, Meiners, Ruͤttner, Reichard fo viel angenehmes und lehrreiches zu finden wußten — nichts bemerkungswuͤrdiges auffiel, als ein he bigter Stock! Von Lauſanne nichts erhebliches, als eine gerechte Rüge gegen die allen geſunddenkenden und vernünftigen Menſchen zum Eckel gewordene Magnetiſations-Geſchichte. Obgleich unſere Sammlung niemalen etwas dieſe Thorheiten betref⸗ fendes — weder enthalten noch behandeln ſoll, ſo koͤnnen wir doch nicht umhin, hier dem Verfaſſer öffentlich zu danken, daß auch er mit ſeinem Kredit, das moͤglichſte gethan hat, um das laͤcherliche und unſer philoſophiſches Jahrhundert beſchaͤmende dieſer Thorheiten darzuſtellen. Gott Lob hat dieſe Mode in Helvetien, ohnerachtet vieler Bemuͤhungen bis itzt noch wenig Eingang gefunden. — Der wuͤrdige Herr Prof. Rahn in Zuͤrich hat ganz neulich dieſen Gegenſtand in einer Differtat, de Cauflis Phyſicis Sympathie, Turiei 1788. vortreſſich behandelt. Recenſonen. 427 Auf der ganzen Reiſe von Lauſanne zuruͤck uͤber Milden, Peterlingen, Murten, Nidau, Biel, Solothurn, ſahe der Verfaſſer nichts. Von Solothurn fagt er viel ange— nehmes und wahres. — Die unterhaltende Reiſe von So⸗ lothurn nach Baſel iſt kurz und oberfaͤchlich. Wenn es nun darum zu thun iſt, zu wiſſen, wie Herr Prof. Plouquet gereiſet iſt, der leſe dieſe vertrauliche Er zaͤhlung und ſeine Belehrung uͤber dieſen Punkt wird nicht zweydeutig ſeyn. 5 Nachtrag zu dem Verſuche uber den Mechaniſmus der Gletſcher im erſten Bande dieſes Magazins. Herr Doktor Plouquet hat in ſeiner vertraulichen Erzaͤh— lung einer Reiſe durch die Schweiz den Verſuch gewagt, das daſelbſt faſt allgemein geglaubte Fortruͤcken der Glet— ſcher zu beſtreiten, und auf die Truͤmmer dieſes Syſtems feine eigene Hypotheſe auffuſtellen. Für uns Schweizer war es in der That nicht wenig befremdend, daß er nach einem Beſag ſeiner eigenen Briefe kaum zweyſtuͤndigen Aufenthalt bey den Grindelwaldgletſchern, Maͤnnern den Handſchue zuwarf, die ſeit mehr als zwanzig Jahren Glet— ſcher beſucht und ſtudirt Hatten , und daß er fie belehren wollte, alle ihre mit fo vieler Muͤhſeligkeit und Gefahr ge ſammelten Beobachtungen haͤtten ſie der Wahrheit um kein Haar breit naͤher gefuͤhrt. Indeſſen koͤnnen freylich bey der Beurtheilung der Lehre von dem Fortruͤcken der Gletſcher, weder die Anzahl, noch die Namen ihrer Auhaͤnger, ſondern bloß ihre Grundfäge in Betrachtung kommen; und daher wuͤrde dem Herr Dokt. 428 Recenſionen. Plouquet niemand feinen Schritt verübelt haben, wenn er ſich nur mit der noͤthigen Sachkenntnis auf eine ſolche Un; terſuchung eingelaſſen haͤtte. Allein dieſes iſt eben, woran es ihm vorzuͤglich fehlt; auf jeder Seite ſeines Buches blickt die Unbekanntſchaft mit dem Gegenſtand hervor, uͤber welchen er ſchreibt, und beynahe alle ſeine vorgetrag— nen Saͤtze verrathen einen Mann, der keine einzige von jenen wichtigen Erſcheinungen beobachtet hat, welche die noͤthigen Aufſchluͤſſe über den Mechaniſmus der Gletſcher zwar geben koͤnnen, aber der Natur mit unermuͤdeter Aufs merkſamkeit abgelauſcht werden muͤſſen. Herr Doktor Soͤpfner, deſſen Abſicht es iſt, dem immer mehr uͤberhandnemmenden Unfug der Reiſebeſchreiber durch eine Öffentliche Rüge in feinem Magazin zu ſteuren, erſuchte mich, bald nach dem Herr DPlouquets Buch die Preſſe verlaſſen hatte, denjenigen Theil deſſelben zu rezenſtren, welcher auf die Gletſcher Beziehung hat. Als ich aber dieſe Arbeit zur Hand nahm, ſo entſtand anſtatt einer bloßen Rezenſion folgender Nachtrag zu meinem Verſuch uͤber den Mechaniſmus der Gletſcher, worüber mir die Beurtheiluns gen der Naturforſcher um ſo viel angenehmer ſeyn wuͤr— ben, weil ich dieſe Abhandlung nunmehr nach ihrem gan⸗ zen Umfange arbeite, und ſie, nebſt meiner Beſchreibung des Grindelwaldthales, wovon auch ſchon einige Fragmen⸗ te zu Anfange des erſten Bandes dieſes Magazins erſchienen find, und andern kleinen Aufſaͤtzen dieſer Art herauszugeben gedenke. Herr Doktor Plouquet hat ſeinen Unterſuchungen an der 83. u. ſ. f. Seiten eine Beſchreibung der Anſicht des Untern⸗ Grindelwaldgletſchers vorangehen laſſen, welche in ſo weit ziemlich richtig iſt, als ſie ſich auf die damalige aͤußere Geſtalt der Gletſcher bezieht, Wenn er aber die Eiskegel Recenſionen. 429 und Eispyramiden bloß deswegen gänzlich aus der Natur verweiſen will, weil er ſie bey ſeiner Gletſcherreiſe nicht vorfand, ſo thut er zuviel an die Sache. Die aͤußere Form der Gletſcher iſt ſich nicht beſtaͤndig gleich, ſondern den bes traͤchtlichſten Veraͤnderungen unterworfen. Vielleicht paßt die Beſchreibung des Hrn. Plouquet jetzt eben fo wenig auf den Zuſtand der Gletſcher, als die Vorſtellung derfels ben in jenen Kupferſtichen, uͤber welche er mit ſeinem Tadel herfaͤllt, bey ſeinem dortigen Aufenthalte mit ihrer Geſtalt uͤbereinkam. Wenn die Gletſcher ſtark abnemmen, fo zer⸗ fallt ihre Maſſe in Stuͤcken, welche durch den Einfluß der Sonne, des Regens und der aͤußern Luft nach und nach in Pyramiden und Eiskegel umgeformt werden. Die abgeſtumpften Eiswuͤrfel, aus welchen der Behaup⸗ tung des Herrn Plouquets zufolge, die ganze Maſſe des Gletſchers zuſammen geſetzt ſeyn ſoll, ſind nichts anders, als eine bloße von den Wirkungen der Waͤrme herruͤhrende Modifikation des Gletſchereiſes auf feiner Oberflaͤche, wels che gleichſam den erſten Schritt zu feiner allmaͤligen Auf loͤſung ausmacht. Innwendig hingegen beſtehen die Glet— ſchermaßen aus einem dichten zuſammenhaͤngenden Stoffe, der das Aug in den Spalten, wo er zu Tage liegt, durch das angenehme Spiel ſeiner Meergruͤnen Farbe ergoͤtzt. Die— ſe letztere verliert ſich aber, ſo wie der Uebergang von dem dichten Eiſe zu jenen wuͤrfelartigen Geſtalten merklicher wird. Sie iſt eine Eigenſchaft der Beſtandtheile des Eiſes, die ſich aus optiſchen Gründen im Verhaͤltniſſe feiner Dichtig⸗ keit aͤußert. Weit entfernt alſo, daß die Brechung des Lichts an dieſen Eiswuͤrfeln die meergruͤne Farbe in den Gletſcherſchluͤnden hervorbringen ſollte, iſt das Auseinan⸗ dergehen des Eiſes in jene kubiſche Formen vielmehr die nächſte Urſache, warum ſich dieſelbe auf der Oberſſaͤche der Gletſcher gaͤnzlich verliert. 430 Reecenſtonen. Nach dem Herr Plouquet an der 88. u. ſ. f. S. die Bildung des Gletſchereiſes aus Schnee (nach Sauſſuͤre) richtig dargeſtellt hat, ſo faͤngt er ſich nunmehr an zu wundern, warum wir Schweizer uns an dieſer Wahrheit allein nicht begnuͤgt haͤtten, ſondern auf das ihm fo abens theuerlich vorkommende Fortruͤcken der Gletſcher gefallen ſeyen? Die Urſache davon liegt aber ganz in der Naͤhe. Wer mit den Gletſchern nur ein wenig bekannt iſt, der wird ſich auf die von ihm beſchriebene Art zwar wohl die Entſtehung des Eiſes in den hoͤhern Gegenden der Alpen, keineswegs aber das Daſeyn der Gletſcher in den han Thaͤlern erklaͤren können. Zu der Verwandlung des Schnees in Gletſchereis wird ein ſo kaltes Klima erfordert, daß er darinn perenniren, und ſich nach und nach zu der ordentlichen Höhe der Glet— ſcher anhaͤufen koͤnne. Hiezu iſt aber der Luftkreis um die bis an den Fuß der Alpen hinabſteigenden Gletſcher, und ſelbſt in den noch etwas hoͤher liegenden Eisthaͤlern viel zu gemaͤßigt. Aufmerkſame und viele Jahre hindurch wiederholte Beobachtungen haben gelehrt, daß der Schnee, der den Winter uͤber auf dieſe Eismaßen faͤllt, alle Jah⸗ re wegthauet, und daß der Sand und die Steine, welche man im Herbſt zuvor auf ihrer Oberfläche geſehen hatte, im Fruͤhling allemal wieder zum Vorſchein kommen. Aus dieſer Erfahrung nun ſchloß man ganz richtig, daß der im Winter auf die tiefer liegenden Gletſcher fallende Schnee, weder den Abgang, den ſie den Sommer uͤber leiden, er⸗ ſetzen, noch zu den betraͤchtlichen Vergroͤßerungen etwas beytragen koͤnne, welche man oͤfters auch wohl mitten im Sommer an denſeiben wahrgenommen hat. Dieſe letztere Wahrheit legte ein großes Intereſſe 10 die Unterſuchung der Frage: Wie ſich das Eis der niedris gern Gletſcher gebildet habe, und in feine jetzige Lage ver» ſetzt worden ſey? Einige aͤltere Naturforſcher zerbrachen Recenſtonen. 431 ſich uͤber ihrer Auföfung beynahe den Kopf „und verfielen auf die ſonderbarſten Spekulationen. Einige behaupteten in allem Ernſte, die Gletſcher wuͤchſen von unten aus der Erde, wie die Schwaͤmme; andre ſchrieben das Daſeyn des Eiſes dem Zufrieren des Schmelzwaſſers beam Her⸗ unterlaufen aus den obern Thaͤlern zu. Die Anwohner der Alpen erkannten ohne Zweifel zuerſt die Wahrheit des Satzes, daß das Gletſchereis ſich nicht unten in den tiefern Thaͤlern, ſondern oben in den hoͤ⸗ hern und kaͤltern Regionen bilde, und aus ſeinem Zeu— gungsorte hinweg in abwechſelnden Geſchwindigkeiten uͤber die Halden der Gebirge gegen ihren Fuß hinabruͤcke. Sie hatten im Laufe des ſechszehnten und ſiebenzehnten Jahr— hunderts Auftritte vor Augen gehabt, welche alle Zweifel daruͤber zerſtoͤren mußten. Die Gletſcher waren damals verſchiedene male mitten im Sommer in ihre Wieſen herz ausgetreten, hatten auf ihrem Wege die ſtaͤrkſten Baͤume mit der Wurzel ausgeriſſen, große Baͤnke von Sand und Steinen vor ſich hergewaͤlzt, und ſich viele hundert Schrit⸗ te weit uͤber ihre vorherigen Graͤnzen ausgebreitet. Hits gegen iſt es fü gar lange noch nicht, daß unſre vaterlaͤndi— ſchen Naturforſcher ihre Stimmen uͤber den Punkt vereinigt haben, daß die Gletſcher als wirkliches Eis aus den obern Thaͤlern zwiſchen den Gebirgen herausgeſchoben wuͤrden. Altmann war der erſte, der dieſe Lehre oͤffentlich be— hauptete; ihm folgten die meiſten unter den neuern Schrift ſtellern. Noch war es aber darum zu thun, das Principium der Bewegung des Eiſes zu finden; und auch hier war Alt— mann der erſte, der im Namen des Publikums daruͤber nachzudenken anſieng. Allein fein Schickſal verſchlug ihn auf die Traͤumereyen des Doktor Chriſten, der den nur eis nes Adepten nicht ganz unwuͤrdigen Einfall gehabt hatte, ein Eismeer in die Alpen hinein zu phantaſiren. Aus dies 432 Recenſionen. ſem abentheuerlichen Begriffe ſpann nachher Herr Prof. Altmann die Saͤtze heraus, daß der Grund der Eisthaͤler ganze Seen enthalte, auf deren Oberflaͤche das Eis herums treibe, und durch das abfließende oder durch die Winde in Bewegung geſetzte Waſſer nach und nach zwiſchen den Ber gen hinausgeſtoſſen wuͤrde. Es bedoͤrfte nur eines einzigen Blickes auf die Natur, um die Ungereimtheit dieſer Hypo⸗ theſe in ihrer ganzen Bloͤſſe aufzudecken. Auch ſcheint man nunmehr faſt durchgaͤngig eingeſehen zu haben, daß die Gletſchermaßen durch ihr eigenes Ge⸗ wicht aus den hoͤhern Alpenthaͤlern in die niedrigern hin⸗ abgefuͤhrt, und hiemit das Fortruͤcken derſelben aus der Lehre von dem Falle der Körper auf ſchiefen Flächen ers klaͤrt werden muͤſſe. Hiebey iſt es aber unmoͤglich, die Nothwendigkeit zu uͤberſehen, daß das Eis, vermoͤge feiner eigenen Schwere, feſt auf der, Erde aufliegt, alles mal vorher durch eine von ſeinem Gewicht ganz unab⸗ haͤngige Kraft von dem Boden losgemacht werden muͤſſe, ehe es fortruͤcken kann. Dieſe Urſache nun liegt zu⸗ verlaͤßig in der allmaͤligen Abſchmelzung der Unterflaͤ— chen des Eiſes, welche man überall bey den Glet— ſchern wahrgenommen hat. Aus was fuͤr einem Grun⸗ de aber dieſe letztere zu erklaͤren ſey, daruͤber ſind die neuern Schriftſteller in ihren Meinungen noch immer getheilt. i Herr de Luc ſchrieb die Abſchmelzung der unterflaͤchen der Gletſcher der innern Wärme der Erdkugel zu, wel che ſeiner Behauptung nach groͤßer ſeyn ſoll, als die Temperatur, in welcher ſich das Eis halten kann. Herr von Sauſſuͤre ſcheint zwar dieſe Erklaͤrung nicht ganz wegzuwerfen; doch legt er dem unter dem Eis fe durchlaufenden Waſſer den größten Antheil das von bey, In — 2 er Recenſtonen. 433 In Ruͤckſicht auf die Vorausſetzung einer innern Wärs me der Erdkugel muß ich aufrichtig geſtehen, daß alle bisher daruͤber angeſtellten Beobachtungen mir zu zwey— deutig ſcheinen, um mich von der Wirklichkeit derſelben zu uͤberzeugen. Geſetzt aber, dieſe Waͤrme faͤnde ſich wirklich in unſerm Erdballe, was ich hier itzt nicht weit— laͤuftiger unterſuchen kann, ſo ließe es ſich doch viel— leicht noch erweiſen, daß der Antheil, den unſre Ges birge daran nemmen koͤnnen, zu gering ſeyn muß, um jene Abſchmelzung der Gletſcher an ihren Unterflaͤchen zu bewirken, zumal, da die Kaͤlte des Eiſes ſich dem Boden, auf welchem es nun ganze Jahrtauſende uͤber beſtaͤndig gelegen hat, eben ſo gut hat mittheilen muͤſſen, als der es umgebenden Athmoſphaͤre, welche den Einwirkungen der Sonne, und den Strömungen einer waͤrmern Luft ununterbrochen ausgeſetzt iſt. Wenn ich aus dieſen Gruͤnden auf der einen Seite der Meinung des Hrn. de Luc nicht beypflichten kann, ſo ſcheint mir auch auf der andern diejenige des Herrn von Sauffüre nicht voͤllig befriedigend. Das Waſſer, das ſeiner Behauptung nach die Losmachung des Eiſes von der Erde bewirken ſoll, ſucht ſich auch unter den Gletſchern die tiefſten Stellen, und graͤbt ſich an den— ſelben ſein Bett aus; es laͤuft alſo auch nur unter ei— nem ſehr unbetraͤchtlichen Theile ihrer Unterflaͤchen vor⸗ bey, und die Abſchmelzung, die es verurſachen kann, iſt viel zu lokal, um das Fortſchreiten der ganzen Maſ— fe allmälig herbeyzufuͤhren. Ich kann alſo nicht umhin, des Hrn. Dokt. e Widerlegung in dieſem Stuͤcke zu billigen. Die meiner Empfindung nach erwieſene Unzulaͤnglich⸗ keit der beyden vorgedachten Erklaͤrungen veranlaßte mich, der Urſache, welche die Unterhoͤlung des Eiſes verurfas Magaz. f. d. Naturk. Helvetiens III. B. Ee ® 434 Recenſſoneu. chen koͤnnte, ſelbſt nachzuſpuͤren. Ich machte bey bie fer Gelegenheit folgende Beobachtungen: An den Unterflaͤchen der Gletſcher haͤngen allemal vie, le erdigte Theile, welche ſich dem davon abtriefenden Waſſer mittheilen, und ihm, nebſt andern gleichartigen Subſtanzen, die es auf feinem Wege beym Ablaufen nach den groͤßern ausgeſchlemmten Kuͤſten mit ſich fort— fuͤhrt, eine weißlicht-truͤbe Farbe geben. Nun iſt aber das Waſſer, das im Winter von den Gletſchern abs fließt, allezeit ganz hell von Farbe, und ohne die gering— ſte merkliche Verſetzung mit Schlamme. Dieſer Umſtand laßt ſchon vermuthen, daß es eher das Produkt unter den Gletſchern befindlicher Quellen, als dasjenige von aufgethautem Eiſen ſeyn muͤſſe. Dieſe Vermuthung ſcheint aber durch die Beobachtung zur vollſtaͤndigſten Gewiß⸗ heit zu reifen, daß die Unterflaͤchen der Gletſcher im Winter genau auf die Erde anſchließen, und daß ſich uͤberhaupt in dieſer Jahrszeit alle die haͤufigen Anzei⸗ gen einer unterirdiſchen Abſchmelzung des Eiſes verlie— ren, welche im Sommer uͤberall um die Gletſcher ſo haͤufig ſind. Dahin gehoͤrt unter andern die gaͤnzliche Nerfiegung der Maybrunnen, und andrer periodiſcher Quellen, welche ihren Zufluß von dem Schmelzwaſſer der Gletſcher erhalten. Nach allen dieſen Erfahrungen kann es nunmehr wohl nicht weiter zweifelhaft ſeyn, daß die Urſache der Ab— ſchmelzung der Gletſcher von unten, mit der Tempera— tur der Luft in ihrer Nachbarſchaft im Verhaͤltnis ſtehen; iſt aber dieſes richtig, ſo bleibt uns nichts weiter uͤbrig, als dieſelbe theils in der Erhitzung des umliegenden Bos dens und der Fortpflanzung der Feuermaterie unter die Gletſchermaßen, theils in den Einwirkungen der waͤr— mern Luft zu ſuchen, welche oben auf den Gebirgen Necenfionen 435 durch die tiefen Spalten des Eiſes hinabfaͤllt, und unter demſelben bis an den Auslauf der Gletſcher fort ſtreicht. 4 Doch ſcheint dieſe letztere Urſache nur unter gewiſſen Bedingungen, die von der Beſchaffeuheit der Glet— ſcher ſowol als von dem Striche der Winde und ih— rer Heftigkeit abhaͤngen, wirkſam zu ſeyn, da hinge— gen jene es bey allen Gletſchern und unter allen Umſtaͤn⸗ den iſt. 7 Wenn nun die Gletſcher durch die Wirkſamkeit die— ſer Urſachen an den meiſten Stellen abgeſchmelzt und alſo ihrer vornehmſten Stuͤtzen beraubt ſind, ſo muͤſſen ſie nothwendig zuſammenſtuͤrzen, und ſo lange über die ſchiefen Flaͤchen, auf welchen fie liegen, hinabgleiten, bis die Anzahl der Beruͤhrungspunkte wieder groß ges nug iſt, um der Kraft des fallenden Koͤrpers zu wider— ſtehen. Die Geſetze der Mechanik beweiſen, daß die Bewegung der Gletſcher nicht anders als momentan ſeyn kann; und die Erfahrungen, die ich ſelbſt daruͤ— ber zu machen Gelegenheit gehabt hatte, treffen mit den theoretiſchen Grundſaͤtzen, die ſich darüber angeben laß ſen, genau zuſammen. Es koͤmmt mir hiebey wirklich unbegreiflich vor, wie der Herr von Sauffüre auf die Hypotheſe von einer langſamen und ſtetigen Bewegung der Gletſcher (Glüiſſe— ment lent & continu des glaces ) hat verfallen koͤnnen, welche er in dem 335. F. des IIten Theils feiner Alpen⸗ reiſen vorgetragen hat. Es iſt eine Wahrheit, die je— der Naturforſcher wiſſen muß, daß ſich die Geſchwindig⸗ keiten der auf einer ſchieſen Flaͤche fallenden Koͤrper nicht wie die Zeiten, ſondern wie die Quadrate derſelben ver— halten. Eine langſame und ſtetige Bewegung laßt fich a 436 Kecenfionen. alfo bey den Gletſchern nicht anders denken, als unter der Vorausſetzung eines verhaͤltnismaͤßig zunehmenden Widerſtandes, welche aber, andrer Gründe zu gefchmeis gen, ſchon aus der Urſache unmoͤglich ſtatt finden kann, weil dabey eine Menge zufaͤlliger Umftände des Verhaͤlt; niſſes der ſich entgegenwirkenden Kräfte bey jedem Glet⸗ ſcher anders beſtimmen muß. Bernh. Friedr. Kuhn. 8 Na ch r i ch t e © ! 438 Nachrichten. ee er Fu Ze Herr Huͤttendirektor Exſchaquet im Faußigny hat den Befehl und Auftrag erhalten, die Gebirgskette, welche den Kanton Bern von der Republik Wallis ſcheidet, eben fo en Bas relief aufzunehmen, wie Herr General- Lieute⸗ nant von Pfyffer die kleinen Kantone aufgenommen hat. Ein Quadratfuß wird eine Quadratſtunde enthalten; er befindet ſich wirklich in Bex, wo er bey dem Gouverne⸗ ment Aelen den Anfang machen wird. * * * Der berühmte Handelsmann und Bandfabrikant Herr Meyer in Aarau arbeitet in eigenen Unkoſten an einem ähnlichen Bas relief — als an einer Fortſetzung des ges dachten Pfyfferſchen Originalwerks — unterhält einen eis genen Meßkuͤnſtler — und hat eine Art von Preſſe ers funden, vermittelſt welcher man dieſes Bas relief verviel⸗ faͤltigen und mittheilen kann. % * * Der Graf Gregor von Razoumovsky, dieſer enthuſia— ſtiſche fleißige Mineralog arbeitet wirklich an einer Natur— geſchichte des Jorat, einem intereſſanten Mittelgebirge, zwiſchen dem Jura, dem Genferſee und den Alpen. Folk gende Nachrichten von neuentdeckten Mineralien hab ich von ihm erhalten. „In dem verfloſſenen Jahre (1787) hat man 3 Stund »ohnweit St. Bracehier gegen Mittag zu, zwiſchen dem „Wallis und dem Vald'aoſte eine Schmiergel⸗Mipe „oder Grube entdeckt, ein Foßil, von deſſen natürlichen Exiſtenz man bis jetzt keine Spur in Helvetien gehabt hat. „Man ſchickte eine Probe dieſes Minerals unter dem „Namen Braunſtein an Herrn Doktor Lewade nach „Vivis, welcher mir daſſelbe zum Unterſuchen einſendete. „Ich erkannte es gleich für Schmirgel von der beßten „Qualität; er iſt grau gleich dem deutſchen Schmirgel, 2 Nachrichten. 439 „aber von einem viel feinern Korne. Mit Salzen oder „ den Glasfluͤſſen, gab er nach Verhaͤltniß der Miſchung „ein ſchwarzes oder grünes. Glas. — Dieſes Glas, ſelbſt „ wenn man es weiß erhielt, beſitzt eine weit groͤſſere „Härte, als das gewoͤhnliche Glas. — Könnte man das „her dieſes Mineral nicht verſuchen mit Vortheil bey den »Glashütten zu gebrauchen. 2 Den 8. Hornung dieſes Jahrs 1788. wurde von Herrn Klardon von Vallorbe eine neue Asphaltgrube in der Nachbarſchaft von Lauſanne entdecket; dieſer Asphalt (oder vielmehr Bergpech) iſt dem Asphalt von Val tra- vers in der Grafſchaft Neuenburg vollkommen aͤhnlich. * a *. Mit Vergnuͤgen hab ich von verſchiedenen wuͤrdigen Herren Pfarrherren auf dem Lande vernommen, daß ſich ihre Gattinnen und Familien mit Nachahmung und Ver— ſuchen uͤber die Neſſelfabrikation beſchaͤftigen. Die Reſultate bekannt zu machen, mach' ich mir eine Freude. ” 4 * Auf den Vortrag und unter der Direktion des Herrn Berghauptmann Wild wird der ſchoͤne gediegene Schwe—⸗ fel von Suͤblin, ohnweit Bex, nun Bergmaͤnniſch aus⸗ gefoͤrdert, wozu ſich eine kleine Gewerbſchaft verbunden hat. x ** * Die Populationen von 1786. und 1787. erfcheinen im Aten Bande, fo viel ich deren erhalten kann. Fragen. Sind in keiner Alpen: oder Gletſchergegend Dokumente oder alte Urkunde von vergletſcherten Grundſtuͤcken oder 2 Alpen zu erhalten? 1 3 Wo wird im Kanton das meifte Bauren⸗Strichli⸗Zeug gemacht? Wie wird es gemacht? 440 N rte Fe mineralogiſche 1 e 5 8 ta ang e. Da es uns mit 128 ehen eidfrage über Si dtn, Beſchreibung und Eintheilung der Hornſchiefer, bon ſchiefer und Wacken, durch die eingegangenen gef roͤnt Preisſchriften der Hrn. Hrn. Bergſecret. Voigt in wei⸗ mar und Zen. Bergkadet Karſten in Halle über unſere Erwartung gelungen iſt; uͤber dieſe wichtige, aber bis jetzt fo unbeſtimmt geweſene Geſteinarten Deutlichkeit, Be ſtimmtheit und Licht zu verbreiten; ſo muntert uns dieſer glückliche Erfolg zur fernern Aufklaͤrung in dem mineralos giſchen und oriktognoſtiſchen Fache folgende zweyte mine⸗ ralogiſche Dreisfrage unter den naͤmlichen Beding⸗ niſſen wie die erſte auszuſchreiben. | 2. „Was iſt der Baſalt? Iſt er vulkaniſch; oder iſt er „nicht vulkaniſch 2 | Der Preis auf den beßten Beweis des ein oder andern iſt fünf und zwanzig Reichsthaler ſaͤchſiſch. Alle nur ertraͤgliche Abhandlungen erhalten Platz im Magazin nebſt verdientem Honorario. Die Ahandlungen muͤſſen vor dem letzten Tag October 1788. an den Herausger des Magazins fuͤr die Natur⸗ kunde Selvetiens mit verfiegglten Denkſpruͤchen und Nas men eingelaufen ſeyn. In dem November 1788. bee 0 ſolche in den Bae lungen der Naturforſchenden Privatgeſellſchaft, in Bern geleſen, beurtheilt und gekroͤnt — die Beurtheilung in oͤf— fentlichen Blaͤttern, die Abhandlungen aber in dem Maga⸗ zine ſelbſt bekannt gemacht werden. N Bern deu 1. October 1787. | Herausg eber | des Magazins für die Naturkunde Helvetiens. UbgS————;v—̃— 9 3 via 7 DIE 2 New York Botanical Gard